ie LAN ..e x 4 ES ee u 2 v.* %. DIT [} “. ann A mi Au fe ” pr . u 2 WE ” “ « Haar Er ” :j/®E " /B = 79, 0 9 ‘a Ernu 2833 Kibrarp of the Museum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS, The gift of mi ls, Cell No. // Alu. ıuh, hi Vierundsechzigster Jahres-Bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Gultur. En %:h ad t den Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft im Jahre 1886. Nebst einem Ergänzungsheft: Zacharias Allert’s Tagebuch aus dem Jahre 1627, herausgegeben von Dr. Julius Krebs. Breslau. G. P. Aderholz’ Buchhandlung. 1887, . Aisıaallsasd uodoeiaeldi F E11) 02 sth. a a” Ta dr nA Be saunsabahre 1- bau uoliadık ib 1odü Ve: 22 Nadaelloand) "gb d | er ss sul, ver . ‚ R bir . _ F v vr :Siollagueusnägn! hania jaopt ‚sEBI ordek-usb zus doudanaT PrDlla IR RRTER ‚dort euiluk „MI or uadagsyergrad > ‚uslassH 4 ar r Koulbnesklsud”s lodlıshäA 4.7 a . $ d no er A vRBE RE UN Inhalt des 64. Jahres-Berichtes. Seite Allgemeiner Bericht über die Wirksamkeit und die Verhältnisse der Gesellschaft im Jahre 1886, abgestattet vom General-Secretair, Staats- Eee Ze ee She wa em ne ea I Bericht des Schatzmeisters über den Kassenabschluss pro 1886 .......,.... XI Verzeichniss der Gelehrten Gesellschaften u. s. w., mit denen die Schlesische Gesellschaft in Schriftenaustausch steht. .................:c2ccsere0n Xu Wanderversammlung zu Liegnitz am 4. Juli 1886. ........222 222 eeeeeennn XX Bericht über die Thätigkeit der einzelnen Secetionen. I. Medicinische Section. Elias: Ueber die Behandlung des genu valgum rhachiticum durch die lineare Osteotomie der Unterschenkelknochen ............z222cu2sceeeenn nn 1 Fränkel, E.: Ueber missed labour und die Beziehungen zu Carcinoma a en Annan AUT de Dia SF. 29 sel: Weber Extrauterinschwangerschaft.. ....... 2.2.0... ern 37 — Ueber die bisherigen Resultate der Totalexstirpation des Uterus...... 38 Heidenhain: Mittheilungen von Untersuchungen aus dem physiologischen ea nnd a ah nr ar. RT 8 — Ueber Harnabsonderung in den Nieren ............-.c:rcereeeeneen 39 ee 2 bsct Kar Kasse Man AENDORTETN EINE. 8 — Diffusions-Elektrode von Adamkiewiez .......-».-222222eeeeneenenunn 36 ston, eines. Hirntumori.r - v4: -\zre - bie lan » antalaae ae 36 Krauss: Ueber Gelenk- und Kehlkopf-Erkrankungen bei Tabes dorsalis.... 17 Kroner: Ueber die Beziehungen der Gonorrhoe zu den Generationsvorgängen 50 Legal: Ueber eine häufigere Ursache des Schläfe- und Hinterhaupts-Kopf- res. SEE A AST RR rar - una). 3 Inhalts-Verzeichniss. Ponfick: Ueber den Zusammenhang von Schädelverbildung mit Hirnhaut- entzündung und angeborener Blindheit ...........----ur...nerurene- — Demonstration eines Knie- und Fussgelenkes.......... 2 Röhmann: Ueber Bildung und Ausscheidung von Milchsäure und Zucker beider Muskelihaßekeit. .. Yun oe ee en Töplitz: Ueber Rhachitis und ihre Behandlung mit Phosphor...........- Voltolini: Ueber die Operation einer zugewachsenen Luftröhre mit Vor- stellung‘ des: Kranken -...: 0.2.2 02 0 Sn nen nn ee PA _ Pihrän im Gavrum Pharyheo-näsale 3.....0.0. 0, 086 ran re a Wernicke: Ueber Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit bei cerebraler Lähmung 20.4. 00 Sr en ne A Re Wollner: Zur Semiotik und Therapie des Diabetes mellitus ............- Cholera-Discussion, eingeleitet von Herrn Biermer........-.uereeneceeeeene II. Section für öffentliche Gesundheitspflege. Asch: Bericht, betreffend eine Reform unseres Krankheitsmeldewesens .... — Verlesung des Entwurfs des am 5. März beschlossenen Antrages ..... Cohn, H.: Ueber die Nothwendigkeit der Einführung von Schulärzten..... Jacobi: Ueber eine neue und sichere Methode der Puerperal-Statistik....-. — Rückblick auf die bisherige Thätigkeit des Deutschen Vereins für. öffentliche (Gesundbeitspflege... 2... u. Sa dz a Din. = Sun N. a ne Ze Körner, Th.: Ueber eine schwere Diphtheritis-Epidemie in einer hiesigen Kleinkinder-Bewahranstäls 1.2 100 Me Sea BE > III. Naturwissenschaftliche Section. von Ührustschoff: Ueber künstliche Darstellung des Quarzes und Tri- Ayuls 2.3.2. Bene t rn nn nn ga ea ae Eee ie er See Pa Gürich: Ueber die von ihm aus Westafrika mitgebrachten Gesteine....... — Zwei neue Funde fremdartiger Einschlüsse in oberschlesischen Kohlen- fötzen . u. 2.4... a Ban ee BE Le de afin: 2 S — Enerinus gracilis aus dem Gogoliner Muschelkalk. ............-.r..r- | — Ueber den Boruschowitzer Mergelschiefer ................-.urrreree. — Fremdartige Einschlüsse von geröllartiger Form aus Steinkohlenflötzen von Oberschlesien ..:.........::u0 res. nun oe San BEE Kosmann: Ueber das Asaron.........-cersc00r. Ne: = — Untersuchung eines durch Quecksilber-Monoxychlorid aus dem Aethyl- äther sich. abscheidenden Körpers. .....-n.re..nnchano near en nee — Ueber die Ausbildung und Zusammensetzung von Thonlagern in allu- vialen Torfmooren neunte re have ar FREUE VRR ER ER ERBE nd 6 0 e — Vorlegung von Stufen sog. Urkalkgesteinen .......rerrsere.- asloz; Seite 85 68 140 122 127 132 137 141 108 Inhalts-Verzeichniss. Kosmann: Ueber Gletschereinwirkungen im Riesengebirge und in den Sudeten deren. Vorbenu. E Kunisch: Ueber das Vorkommen von Chromeisenstein in dem Serpentin der Grochauer Berge südwestlich von Frankenstein................ es — Ueber den geologischen Befund der jüngsten Bohrlöcher von Breslau a ER ER PEN IRRE TR Rs Deneiknlae. 2 ie Erik; Lehmann: Die Ergebnisse seiner weiteren Untersuchungen über die Mikro- klin- und Perthit-Structur der Feldspathe............-r.2-.:2re0220% — Ueber eine irrthümliche Bestimmung von Kalifeldspathen als Mikroklin — Ueber einige aus England stammende Flussspathkrystalle............. — Ueber einige bis faustgrosse gerundete Quarze.........2.2ceceneeeen Meyer, ©. E.: Ueber die Verwendung des elektrischen Lichtes in Hörsälen Poleck: Ueber zwei von ihm ausgeführte Analysen von Grubengasen aus dem Waldenburger Kohlenrevier ............ 22222 2cen. unserer — Ueber einige Apparate von Professor Lothar Meyer in Tübingen ..... e Shemische Struetur des SafroBt HI. ERNEUTE TRIP TE, — Ueber Octylbenzol und dessen Derivate... ............Y.. rn... en. — Ueber ein nach dem Prineip der Davy’schen Sicherheitslampe con- struirtes Wasserbad zur Destillation leicht entzündlicher Flüssigkeiten. — Ueber ätherisches Oel von Allium ursinum L. ..........:......222. Römer: Die Blitzgefahr.-. Berlin bei Springer 1885..................0... — Ueber die Auffindung einer fossilen Flora in Thonen der Kreide-For- rag h 1 ra Me li A te — Ein Blatt der Gattung Smilax aus dem diluvialen Kalktuff von Gann- en ee ee ee ee A re ae mise Gesteinstücke von Vivi am CONgO :.....-zuernennnerennennnnn — Ueber einen bemerkenswerthen massenhaften Fund von Granat-Krystallen REHEOE U: DEBBIAU ©. 200 0 0 ass a ne ae ne ee ne ee nasse — Ueber den merkwürdigen Granatenfund auf der Dominsel...... ..... — Nachruf an den Königl. Geh. Bergrath Prof. Dr. Martin Websky...... Thümmel, K.: Ueber die verschiedenen Apparate zur quantitativen Be- eummung der Kohlensäure ......:--.......... PRATER FERIEN Traube: Ueber die Constitution des Wasserstoffhyperoxyds ..............- — Ueber Sauerstoff-Molekül-Verbindungen..........-....---errreeerenen. — Ueber den Wechsel der Valenz und über Verbindungen von Molekülen Pa a RL Weber, L.: Ueber die Theorie der vielfachen Bilder, welche man in zwei unter einem Winkel gegen einander gestellten Spiegeln erblickt.....- — Uebgr eine von Herrn Apotheker Scholtz in Jutroschin zweimal beob- Behtete Lichkarsckeinnngn2 a4; Ininsk zentriert are are Verzeichniss von Websky’s Arbeiten und kürzeren Originalmittheilungen .... 107 107 145 Inhalts-Verzeichniss. IV. Botanische Section. Gohn, F.: Ueber einen Band des Herbars, welches J. J. Rousseau in seinen letzten Lebensjahres anselept Hataı Ir... er — Ueber die vorzugsweise im letzten Jahrzehnt bei Menschen und Thieren beobachteten, meist tödtlich verlaufenden Krankheiten, welche durch Einlagerung körniger Pilzconcremente in die degenerirten Ge- webe charäkterisirt sind?! I: LIE PONTE IE DARAN a ; — Ueber einen Abguss der Büste von H. R. Göppert ©... ...........7. _. Weber! Tabaschir NA, 99, »BBUUUEEIE DORT FE RR — Ueber eine grönländische Thermalalge ...........-......rssaneer2.n Eidam: Ueber die Keimung der Zygosporen von Basidiobolus, sowie über das Verhalten der Zellkerne im Mycel dieses Pilzes und in den Fort- pflanzungsorganen dessellien !: iss tasaaa - ud - Air jawar che Fer rl — Untersuchungen über die Familie der Gymnoascaceen ........-sser0.- Engler: Ueber seine Untersuchungen der den weissen oder todten Grund in der Kieler Bucht bildenden Spaltpilze ....... y erde ee — Die pelagischen Diatomaceen der Ostsee .......-.u22cuereerseeene en — Nachruf um den Custos unserer naturwissenschaftlichen Sammlungen, Hasen. RB... »: UechlaitZ en. + RE RE Fiek-Hirschberg: Beitrag zu den Vegetations-Verhältnissen Oberschlesiens. — Resultate der Durchforschung der schlesischen Phanerogamenflora im EN ehe. VE a BL LE N. Glauer: Ueber Aggregation in den Tentakelzellen von Drosera rotundi- 017 PP, Ute SE. Hieronymus: Ueber Blüthe und Blüthenstand der Gentrolepidaceen...... Kunisch: Ueber die erste Pflanze des schlesischen Muschelkalks ......... Müller, O.: Ueber die Ranken der Cucurbitaceen .......u....-.eeneesen- Poleck: Analyse des von Dr. Schuchardt bezogenen Tabaschir........... Pax: Ueber die Brimulaceen :7::, 02 u Er SuniE nn) 0 Be Re Schröter: Weber einen Brandpilz, -,....)n = 4.r% = put ze men 0 — Ueber die auf Hutpilzen vorkommenden Mucorineen. .......-....... Schube: Ueber eine von ihm im Juli vorigen Jahres nach den sieben- bürgischen Alpen unternommenen Reise............:22c2reeneenennn Stenzel: Kleine Mittheilungen.............-.e....... er 171. V. Entomologische Section. Letzner, K.: Ueber Dromius 4signatus Dej. und dessen nächste Verwandte D. Amaculatus DL. ünd' D. 'Anotatus' Pan2... Eh A ee — Ueber Sylpha (Pseudopelta) mutilata Cast. (capensis Boh.) ........... — Ueber Ameisen-Schwärme .....:.:....... 2. N. sw, — Ueber einen noch unbekannten Feind der Süsskirschbäume........... — Status der Coleoptern-Fauna Schlesiens Ende des Jahres 1886 ....... Seite 153 157 176 177 196 158 160 151 151 185 TA 197 167 158 191 165 181 195 155 183 155 183 225 226 Inhalts -Verzeichniss. VI. Geographische Section. Galle: Allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der Königlichen Universitäts-Sternwarte zu Breslau im Jahre 1886........ Weber: Ueber die Möglichkeit der Erreichung des Nordpoles auf dem Land- ER) EEE : 72 ZUR Weber, L.: Ueber die wiederholten Blitzschläge in das hiesige Universitäts- 2 Be ee ne a VII. Historische Section. Grünhagen: Ueber Schlesisches aus London; Gesandtschaftsberichte, den Anfang des dreissigjährigen Krieges betreffend ................22.0.- Reimann: Ueber die preussische Justizverwaltung unter dem Grosskanzler Bd deni Arnold’schen Prnsess win bass aaa a aa nie — Ueber .den Streit Friedrichs des Grossen mit Danzig 1783 --86... VIII. Section für Obst- und Gartenbau. Er EOBEO.I 2-2. U mn a ee ae dat er Zwiebelsorten .... 2.2... 25-00. mean nie Stein: Nachruf an Stadtrath und Stadtältesten Herrn Ernst Hermann Müller — Obst- und Gartenbau-Ausstellung............22222222esn seen nen an SH UNE. der. SEES. prall Fir. Berchideen 'fürs'freie Land 7. 2:...E. RNIT ARE enserannte Wehe Be AI ae nen ans dene nenn stone Orchideen! Anhar. Sr. diese. Kerwallusgsuerrnde ee der Droseraceen .... !w..:2.002 namen nne anne nun Sutter: Auswahl von Obstsorten für Chausseen ........-..2 2222200 seeen Nekrologe der im Jahre 1886 verstorbenen Mitglieder der Gesellschaft ...... Druckfehler-Berichtigung. Seite 232 230 231 238 238 239 In dem Bericht über die Thätigkeit der naturwissenschaftlichen Section (S. 143 Z. 19 von oben), sowie in dem Separat- Abdruck dieser Section (S. 57 Z. 19 von oben) muss es heissen: „starb in Berlin, nicht: in Breslau. : Lu Zu ı VE BETTER SEN, a ial, 2 sun r er pi i . ‚aoitooR sfdährtgert tg0sD Bu Zu | 19.008 Br ah um “> Ik and ei siocdnaig olgray! sm. ab Ifoie1ad +) sciomng ira j f ır 4 >24 aulah ni. uglesrel us: aan uurıgle-adh Yienovani) 1905 toi, , «bei eslogbroN säh „andere 19h I Kodıtoitgeht sth jodW* ir 1: mL a ame ee Lau rn EN.y 5.7 ERENEE 26 ost = bie 4 > E n h 'ıYy pass >. x noidoa& edoaltolail :ILV RE y j R ar ne 1 « 4 r | 5 f . . 2) vor icHts: ® E 23142188 dad joda ‚* Zaaa . u 217 \ H ’ a sE ..:DsNorntad #ayarl) aspindätgianisnb- ‚seh ul Tu sy wirullavrsorsiieul silyeizesrsig sih 19ds {%: Er; er Pr R. ob DasE: jz ye s \ - - rn. - — “ r — _— - "ere B._8aTr isn im nsraon) Bab 8 IajsbarrT haulf@ msb FAyZ - \ i dustıed Bars -IedO MR oldosd IV op: i an ' \rjüße j ORKO.) sah yuT dd Pi, “ 2. 5 ® Bu. pen h / MINOEISCHENA Tau ZA s ». ; . . \ u 4 b Bela) ’ i E alla m I Ju j taten bass dbeibnl tuadlag + P sA-tadashrt bum. el “rg F E 2 2.356. 4a ” | 5 Du ce a a Vera aaa Mm hasl sion Fi a aob: Wr ET Äir iq „alten, Sunanagon SE . 396] I:yst) my era 2 f- 28: 3337330 1 siftona oh is 4 j y ö HJ 3 broah i® gav Idarreu n ; , AR k eg d fi - y ü 1 ers hail N - ’ sl y* »YV oaAl u td sh nr wir. gu Ei PR » : u & Ye rg «« wu“ i u Yoi | Yon. aihb da lea Mob P > sb ai arwoa. ‚(nsdo aus ei 33 [34 i 9 . = { 4° (en 2 Santın (bs i \ hy‘ u on yrr ’ = Wi ®. Allgemeiner Bericht über die Wirksamkeit und die Verhältnisse der Gesellschaft im Jahre 1SS6, abgestattet in der ordentlichen General-Versammlung am 30. December 1886 von Staatsanwalt von Vechtritz, z. Z. General-Secretair, In der am 28. December 1885 unter dem Vorsitze ihres Präses, des Geh. Medieinal-Rath Professor Dr. Heidenhain abgehaltenen ordent- lichen General -Versammlung der Schlesischen Gesellschaft für vater- ländische Cultur erfolgte die Wiederwahl der bisherigen Mitglieder des Directorii für die Verwaltungsperiode 1886/87, Das Direetorium besteht daher für diese Verwaltungsperiode aus den Herren: 1886. ya . Geh. Medieinal-Rath Professor Dr. med. Biermer, 2. Stadtrath und Kaufmann Paul Bülow, 3. Professor Dr. phil. Ferdinand Cohn, 4. Professor Dr. med. Förster, 5. Geh. Archiv-Rath und Professor Dr. phil. Grünhagen, 6. Geh. Medieinal-Rath Professor Dr. med. Heidenhain, 7. Stadtrath und Buchhändler H. v. Korn, 8. Geh. Regierungs-Rath Professor Dr. phil. Löwig, 9. Director der städtischen höheren Töchterschule Dr. phil. Luchs, 10. Geh. Regierungs-Rath Professor Dr. phil. Poleck, je 1 u u ns s»$ov — . Ober-Regierungs-Rath Schmidt, . Staatsanwalt v. Uechtritz, . Kaufmann Dr. phil. et med. Moritz Traube, . Generalmajor z. D. Weber, . Landgerichts-Direetor E, Witte. ll Jahres- Bericht Am A. Januar 1886 vereinigten sich die wiedergewählten Direetoren zur Wahl der Vorsitzenden und der geschäftsführenden Mitglieder und wählten wiederum für die neue Verwaltungsperiode: Herrn Geh. Medieinal-Rath Professor Dr. med. Heidenhain zum Vorsitzenden, Herrn Geh, Medieinal-Rath Professor Dr. med. Biermer zu dessen Stellvertreter, Staatsanwalt v. Uechtritz zum ersten, Herrn Landgerichts - Direetor Witte zum zweiten General- Secretair, Herrn Stadtrath Paul Bülow zum Schatzmeister. Es war bereits wiederholt erwogen worden, dass der in $ 4 der Statuten auf 12 Mark normirte Jahresbeitrag der ausserhalb Breslaus wohnenden Gesellschaftsmitglieder zu hoch bemessen sei. Demzufolge hat das Präsidium einer zu diesem Zwecke für den 1. März 1886 be- rufenen ausserordentlichen General-Versammlung die Herabsetzung dieser Jahresbeiträge auf 6 Mark vorgeschlagen. Die ausserordentliche General- Versammlung der Gesellschaftsmitglieder hat die vorgeschlagene Er- mässigung des Jahresbeitrages der auswärtigen Mitglieder auf 6 Mark, sowie die diesbezügliche Statutenänderung beschlossen, und diese Statuten- änderung hat die in $ 11 des Statutes vorgeschriebene Genehmigung des Herrn Oberpräsidenten der Provinz Schlesien erhalten. Bereits im Vorjahre war beschlossen worden, die umfangreiche und werthvolle Gesellschaftsbibliothek, um sie den Mitgliedern und weiteren Kreisen so zugänglich als möglich zu machen, an die Königliche und Universitätsbibliothek zur zeitweisen Verwaltung zu übergeben. Auf Grund der mit dem Vorstande dieser Bibliothek getroffenen Verein- barung ist nunmehr die Gesellschaftsbibliothek nach dem Gebäude der Königlichen und Universitätsbibliothek überführt und dort in Verwaltung segeben worden. Zum 1. Januar 1887 werden die Mitglieder der Ge- sellschaft Karten erhalten, durch welche sie zur Benutzung nicht nur der ihrem Vereine gehörenden Bücher, sondern der in der Königlichen und Universitätsbibliothek vorhandenen Bücherschätze überhaupt be- rechtigt werden, ohne dass es für sie eines der sonst vorgeschriebenen Bürgen bedarf. In Folge dieser Maassnahme ist die Thätigkeit des Gesellschafts- Bibliothekars, Herrn Dr. Schimmelpfennig, erheblich vermindert worden. Es sind ihm daher die Funetionen eines Präsidial-Secretairs mit übertragen worden, Die Gesellschaft hat durch den am 21. November d. J. erfolgten Tod des Custos ihrer naturwissenschaftlichen Sammlungen, Herrn Rudolf von Uechtritz, einen schweren Verlust erlitten. — Einer der gründ- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. III lichsten Kenner der europäischen Pflanzenwelt, hat derselbe sich ins- besondere um die wissenschaftliche Erforschung der Flora unserer Provinz die grössten Verdienste erworben. Er war der Mittelpunkt der floristischen Forschungen in ganz Schlesien und veröffentlichte alljährlich die neuen Entdeckungen in kritischer Bearbeitung in den Jahresberichten unserer Gesellschaft, wie er auch einen hervorragenden Antheil an der von Emil Fiek bearbeiteten Flora von Schlesien genommen hat. Auch dem sehr werthvollen Gesellschaftsherbarium hat er mit grosser Liebe seine ordnende Thätigkeit erfolgreich zugewendet, als ein unerwartet früher Tod in seinem 48. Lebensjahre ihn uns entriss, Ausser ihm verlor die Gesellschaft durch den Tod: Die wirklichen Mitglieder: Gymnasiallehrer Dr. phil. Beblo, Landesältester Elsner von Gronow, Geheimer Commerzienrath Friedenthal, Particulier Friedrich, Professor Dr. med. Gierke, Apotheker Hedemann, Dr. Robert Herzog, Fürstbischof von Breslau, Prof. Dr. phil. Junk- mann, Sanitätsrath Dr. med. Gierschner, Dr. med. Jany, Rentier Kästner, Gutsbesitzer Kissling, Kaufmann und Stadtrath E. H. Müller, Rittergutsbesitzer Naake, Prof. Dr. phil. Oginski, Sanitätsrath Dr. med. Reymann, Kaufmann S. Sachs, Realschuldireetor a. D. Dr. phil. Sond- hauss, Pfarrer Späth, Amtsgerichtsrath Tülff, Professor, Geh. Berg- rath a. D., Dr. phil. Websky; und die correspondirenden Mitglieder: Professor Dr. Maas, Geh. Bergrath Professor Dr. Dunker. Dagegen sind im Jahre 1886 aufgenommen worden: als wirkliche einheimische Mitglieder: Lehrer am Realgymnasium Dr. phil. Franke, Kunsthändler B. Richter, Directorial-Assistent am Schlesischen Museum der bildenden Künste Becker, Professor Dr. phil. Weinhold, Director des Museums der bildenden Künste Dr. Janitsch, Dr. phil. Wissowa, Zahnarzt Dr. Freund, Professor Dr. J. Caro, Dr. phil. Schultze, Dr. phil. Auerbach, Dr. med. Rosenfeld, Professor Dr. med. Filehne, Regierungs-Rath Hermann, Dr. med. Lesser, Rentier Carliezek; als wirkliche auswärtige Mitglieder: Apotheker Sonntag in Wüste- waltersdorf, Obergärtner Richter in Hartlieb, Sanitätsrath Dr. Süss- bach, Dr. med. Walter, Banquier Sternfeld, Geh. Sanitätsrath Dr. Krause, Fabrikbesitzer und Stadtrath Rother, Fabrikbesitzer Sponnagel, Kaufmann und Stadtrath Lange, Kaufmann und Stadtrath J. Schneider, Banquier Matheus, Kaufmann C. Schwarz, Kaufmann Schäffer, Fabrikbesitzer G. Sehlinke, practischer Arzt C. Becker, Apotheker W. Trautmann, Dr. med. J. Lüddeceken, Königl. Hof- Apotheker Schumann, Sanitätsrath Dr. Neisser, Steuer - Rath R. Kreuschner, Rechtsanwalt Peltasohn, Rector Dr. phil. Franken- bach, Amtsrichter Kossmann, Erster Seminarlehrer R. Waeber, Rechtsanwalt Röhricht, Oberbürgermeister Oertel, Pastor prim. a* IV Jahres - Bericht Ziegler, Dr. phil. Müller, Dr. Rosenberg, Buchdruckereibesitzer London, Redacteur Harschkamp, Sanitätsrath Dr. Stadthagen, Gas- und Wasser-Director Joehmann, Hauptmann a. D. Hellwich, Major a. D. Elbrandt — sämmtlich in Liegnitz, Direetor Dr. med. Sioli in Bunzlau, Direetor Dr. med. Alter in Leubus, Apotheker Harttung in Jauer. Das Diplom als correspondirendes Mitglied der Gesellschaft erhielt Pfarrer Wenk in Herrnhut. Die Gesellschaft zählt mithin gegenwärtig: 321 wirkliche einheimische, 96 wirkliche auswärtige Mitglieder, 36 Ehrenmitglieder, 172 correspon- dirende Mitglieder. Die Section für Obst- und Gartenbau besteht für sich aus 291 Mit- gliedern. Dieser unserer Section ist auch im Jahre 1886 seitens des Pro- vinziallandtages der Provinz Schlesien eine Unterstützung von 1650 Mark gewährt worden, wofür wir unsern Dank auch an dieser Stelle aus- sprechen. Seitens der Gesellschaft wurde dem Localcomite für die in Breslau im Jahre 1886 tagende XIII. Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege behufs Herausgabe einer Festschrift ein Beitrag von 300 Mark zur Verfügung gestellt. Das Stiftungsfest der Gesellschaft ist am 16. December d. J. in her- gebrachter Weise festlich begangen worden. Im Jahre 1836 ist durch die Schlesische Gesellschaft für vater- ländische Cultur neben dem Jahresberichte für 1885, als Ergänzungsheft zu diesem Jahresberichte die Schrift: Rhizodendron Oppoliense Göpp. beschrieben von Professor Dr. K. Gustav Stenzel, herausgegeben worden, In diesem Jahre hat ausser der oben erwähnten, behufs Statuten- änderung einberufenen ausserordentlichen Generalversammlung, und der ordentlichen Generalversammlung an heutigem Tage, in welcher der Generalbericht durch den General-Secretair erstattet wurde, eine andere allgemeine Versammlung der Gesellschaft nicht stattgefunden. Die Rechnung der allgemeinen Kasse und die über die besondere Kasse der Section für Obst- und Gartenbau ist für das Jahr 1886 durch den Schatzmeister Herrn Stadtrath Bülow gelegt und dem Schatzmeister nach erfolgter Revision Decharge ertheilt worden. Ueber die Thätigkeit der einzelnen Sectionen haben die Herren Sections-Secretaire folgendes berichtet: der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. V Die mediecinische Section (Seeretaire: Medieinal-Rath Prof. Dr. Fritsch und Medieinal-Rath Prof. Dr. Ponfick) hat im Jahre 1886 17 Sitzungen gehalten. I. Sitzung am 16. Januar. Herr Elias: Ueber subeutane Osteo- tomie behufs Behandlung des rachitischen X-Beines. Discussion: Herren Riegner, Elias, Richter, Janicke, Freund, Richter. II. Sitzung am 5. Februar. 1) Herr Heidenhain: a. über Nieren- secretion. b. Ueber Bürstenepithelien. c. Ueber Secretion der Speichel- drüsen. Discussion: Herren Wiener, Heidenhain. 2) Herr Hirt: Ueber Hopein. Discussion: Herren Rosenbach, Hirt, Julius Müller. III. Sitzung am 12. Februar. 1) Herr B. Riesenfeld: Demon- stration der Helot-Trouv&’schen Tauchbatterie. Discussion: Herren Her- mann Cohn, Riesenfeld. 2) Herr Wollner: Zur Semiotik und Therapie des Diabetes mellitus. Discussion: Herren Rosenbach, Hermann Cohn, Rosenfeld, Wollner, Rosenbach, Cohn, Rosenbach, Rosenfeld. 3) Herr Julius Müller: Ueber Hop£in. IV. Sitzung am 19. Februar. Herr Voltolini: Ueber die Ope- ration einer zugewachsenen Luftröhre mit Vorstellung des Patienten. V. Sitzung am 12. März. 1) Herr Ponfick: Ueber den Zusammen- hang von Schädelverbildung, Hirnhautentzündung und angeborener Blind- heit. Discussion: Herren Remak, Ponfick. 2) Herr Eduard Krauss: Ueber Gelenk- und Kehlkopferkrankungen bei Tabes dorsalis. VI. Sitzung am 16. April. 1) Discussion über den Vortrag des Herrn Ed. Krauss: Herren Silbermann, Partsch, Krauss, Wolff, Silber- mann, Krauss, Partsch, Wolff. 2) Herr Silbermann: Experimentelles und Klinisches über Haemoglobinaemie und ihren Einfluss auf die Be- schaffenheit und Bewegung des Blutstromes, VI. Sitzung am 7. Mai. 1) Herr Kaiser: Ueber einen Fall von Fremdkörper im Kehlkopf. 2) Herr Wernicke: Vorstellung einer Kranken. VII, Sitzung am 21, Mai. 1) Herr Wernicke: Ueber das Ver- halten der elektrischen Erregbarkeit bei cerebraler Lähmung. Discussion: Herren Alexander, Wernicke,. 2) Herr E. Fränkel: Ueber missed labour. IX. Sitzung am 4. Juni. 1) Herr Ernst Fränkel: Ueber missed labour und seine Beziehungen zu Carcinoma uteri. Discussion: Herren Legal, Fränkel. 2) Herr Legal: Ueber eine öftere Ursache des Schläfen- und Hinterhaupts-Kopfschmerzes. Discussion: Herren Rosenbach, Wer- nieke, Legal, Rosenbach, X. Sitzung am 2, Juli. 1) Demonstration der neuen Diffusions- Elektrode von Adamkiewiez. Discussion: Herren Rosenbach; Hirt, VI Jahres-Bericht Rosenbach, Hirt, Eger, Julius Müller, Hirt. 2) Demonstration eines Falles von Hirntumor. Discussion: Herren Rosenbach, Hirt, Ponfick. XI. Sitzung am 23. Juli. 1) Herr Voltolini stellt einen Kranken mit Nasenrachentumor vor. 2) Herr Fritsch: Ueber Operationen bei Extrauteringravidität. Discussion: Herren Caro, Wiener. XII. Sitzung am 8. October. Herr Fritsch: Ueber die bisherigen Resultate der Totalexstirpation des Uterus. Discussion: Herren Ponfick, Fritsch. XII. Sitzung am 15. October. Herr Heidenhain: Ueber Wasser- absonderung in den Nieren in Beziehung zur Muskelthätigkeit. Dis- eussion: Herren Biermer, Ponfick, Rosenbach, Auerbach, Heidenhain. 2) Herr Rohmann: Auftreten von Zucker und Milchsäure im Harn des Frosches in Beziehung zur Muskelthätigkeit. XIV. Sitzung am 29. October. 1) Herr Töplitz: Ueber Rachitis und die Behandlung derselben mit Phosphor. Discussion: Herren Janicke, Fritsch, Schmeidler, Heidenhain, Rosemann, Ponfick. 2) Herr Ponfick: Demonstration einiger Präparate von Ablagerung harnsaurer Salze in den Gelenken (Gicht). XV. Sitzung am 12. November. Herr Kroner: Ueber die Beziehungen der Gonorrhoe zu den Generationsvorgängen. Discussion: Herren Neisser, Fritsch, Ponfick, Kroner. XVI. Sitzung am 3. December (gemeinschaftlich mit der hygienischen Section). Discussion über Cholerafragen, eingeleitet durch Herrn Biermer. Strube, Förster, Schlockow, Gscheidlen, Jacobi, Biermer, Voltolini, Förster. XVII Sitzung am 17, December (wiederum gemeinschaftlich mit der hygienischen Section). Fortsetzung der Discussion über Cholera. Dis- cussion: Herren Biermer, Auerbach, Ponfick, Heidenhain, Die Section für öffentliche Gesundheitspflege (Seeretaire: Geh. Medicinalrath Professor Dr. Biermer, Professor Dr. Förster und Bezirks-Physikus Dr. Jacobi) hat im Jahre 1886 fünf Sitzungen gehabt und ausserdem zwei Mal mit der medieinischen Section gemeinschaftlich getagt. In der I, Sitzung am 29. Januar sprach Herr Dr, Th, Körner „über eine Diphtheritis - Epidemie in einer hiesigen Kinderbewahr- anstalt‘‘. In der II, Sitzung am 5. März erstattet Herr Dr. Asch einen Commissions-Bericht, betreffend die Krankheits-Meldekarten. In der III. Sitzung vom 19. März spricht Herr Prof. Dr. H. Cohn „über die Nothwendigkeit der Einführung von Schulärzten“. der Schles."Gesellschaft für vaterl, Cultur. VII In der IV. Sitzung am 30. April setzt Herr Prof. Dr. H. Cohn seinen Vortrag aus der vorigen Sitzung fort. In der V. Sitzung am 14. Mai sprach Herr Dr. J, Jacobi „über eine neue und sichere Methode der Puerperal-Statistik“ und ‚‚über die bisherige Thätigkeit des deutschen Vereins für öffentliche Gesundheits- pflege‘, In der VI. und VII. Sitzung verhandelte die Section zusammen mit der medicinischen Section „über die Cholera‘. Naturwissenschaftliche Section. (Seeretaire: Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer und Geh. Regierungsrath Prof. Dr. Poleck.) Die Section hat sich im Jahre 1886 neun Mal versammelt und sind nachstehende Vorträge gehalten worden: 1) Sitzung am 19. Januar: Geh. Bergrath Professor Dr. Römer mineralogische und paläontologische Mittheilungen. — Prof. Dr. Leh- mann über das Verhalten von Microilin zu Quarz. — Geh, Regierungs- rath Professor Dr. Poleck chemische Mittheilungen. 2) Sitzung am 16. Februar: Dr. phil. et med. Traube über den Wechsel der Valenz und Verbindungen von Moleeülen mit Atomen. — Apotheker Müller über das englische Hop&in. — Professor Dr. Leh- mann über Microilin, 3) Sitzung am 17. März: Dr. Gürich über Gesteine aus West- afrika. — Dr. Kosmann über Thone in Torfmooren. — Apotheker Thümmel chemische Mittheilungen. 4) Sitzung am 14, April: Geh. Regierungsrath Professor Dr. Poleck über den Aethylengehalt eines Rohaethers, über Safrol und Octylbenzol. — Professor Dr. OÖ. E. Meyer und Professor Dr. Weber physikalische Mittheilungen und Demonstration neuer Apparate, — Prof. Dr. Weber Bericht über die von Apotheker Scholz in Jutroschin und vom Grafen von Czarnecki beobachteten Lichterscheinungen. 5) Sitzung am 11. Mai: Bergmeister Dr. Kosmann über den Gold- bergbau bei Freiwaldau in Oesterr.-Schlesien und Mittheilung von Mineral- analysen. — Professor Dr. Lehmann über Fluorescenz und Phospho- rescenz des Flussspats, über Lichtdrucke und Moment-Photographie. — Dr. Gürich über Einschlüsse krystallinischer Gesteine in der Steinkohle. — Geh. Regierungsrath Prof, Dr. Poleck über Hausschwammeulturen und chemische Mittheilungen, | 6) Sitzung am 2. Juni: Professor Dr. O. E. Meyer über elektrische Beleuchtung von Auditorien und Demonstration von Glüh- und Bogen- lampen, — Geh. Regierungsrath Prof, Dr, Poleck Demonstration neuer VIII Jahres - Bericht Apparate. — Prof. Dr. Lehmann über angebliche Ausscheidung von Quarz aus Granit von Striegau. — Dr. Gürich über mineralogische Novitäten und Petrefacten aus dem Muschelkalk von Oberschlesien. 7) Sitzung am 13. October: Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer über einen Granatenfund auf der Dominsel in Breslauu — Dr. Gürich pa- läontologische Mittheilungen. — Dr. Kunisch über das Vorkommen des Chromeisensteins bei Grochau. 8) Sitzung am 17. November: Bergmeister Dr. Kosmann über Glacial-Erscheinungen im Riesengebirge. — Dr. Kunisch über Tief- bohrungen in der Umgebung von Breslau. — Geh. Regierungsrath Prof. Dr. Poleck über Asaron, Safrol und Tabasheer. — Dr. Gürich über ein höchstes Niveau des Muschelkalks in Oberschlesien. 9) Sitzung am 15. December: Geh. Bergrath Professor Dr. Römer Nachruf für Professor Dr. Websky in Berlin und nachträgliche Mit- theilungen über den Granatenfund auf der Dominsel.e — Dr. C. von Kroustcehoff über künstliche Quarz- und Tridysnet - Krystalle. — Dr. Gürich über Geschiebe in der Steinkohle. — Geh. Regierungsrath Prof. Dr. Poleck über die Zusammensetzung des ätherischen Oels von Asarum europaeum. — Apotheker Thümmel chemische Mittheilungen. Die botanische Section (Seeretair: Professor Dr. Ferdinand Cohn) hat im Jahre 1886 zehn Sitzungen gehalten; es trugen vor die Herren: Dr. Eidam: über Entwickelungsgeschichte des Basidiobolus — über die Familie der Gymnoasceen. Prof. Dr. Engler: über die Pilze des todten Grundes im Kieler Hafen — über pelagische Diatomaceen der Ostsee — zum Andenken an Rudolf von Uechtritz. | Cand. phil. Glauer: über Aggregation des Zellen - Inhalts bei Drosera. Apotheker Fiek in Hirschberg: Beitrag zu den Vegetationsverhält- nissen von Oberschlesien, namentlich des östlichen Kreises Lublinitz. Prof. Dr. Hieronymus: über Blüthe und Blüthenstand der Centro- lepidaceen, Dr. H. Kunisch: über die erste Pflanze des oberschlesischen Muschelkalks. Bürgerschullehrer Limpricht: über Moosbastarde. Dr. Otto Müller: über die Ranken der Cucurbitaceen. Privatdocent Dr. Pax: über Primulaceen. | Geheimrath Professor Dr. Poleck: chemische Analyse von Tabaschir. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. IX Oberstabsarzt Dr. Schröter: über Ustilagineen — über Cultur essbarer Pilze in Japan — über pilzbewohnende Mucoraceen. Dr. phil. Th. Schube: botanische Skizzen aus Siebenbürgen, Prof. Dr. Stenzel: morphologische Mittheilungen. R. v. Uechtritz: Novitäten der schlesischen Flora im Jahre 1885. Apothekenbesitzer Werner: über Cibotium Barometz — über Antibacterion. Der Secretair der Section: über das Herbar von Jean Jacques Rousseau — über Cultur von Meeresalgen — über eine srönländische Thermalalge — über Tabaschir. Die entomologische Section _ (Seeretair: Reetor emer. K. Letzner) hat in dem abgelaufenen Jahre 1886 sechs Versammlungen gehalten, welche von Gästen zahlreich besucht waren. Vorträge wurden nur von dem Secretair der Section meist über im laufenden Jahre aufgefundene, für Schlesien neue Coleopteren-Arten gehalten, worüber der ausführliche Bericht das Nähere angeben wird. Die geographische Section (Secretair: Geh. Reg,-Rath Professor Dr. Galle) hat im Jahre 1886 eine Sitzung am 31. März gehalten. In derselben erörterte Herr General Weber die Frage über die Erreichung des Nordpoles auf dem Landwege. Herr Prof. Leonhard Weber sprach über die wiederholten Blitzschläge in das hiesige Universitäts-Gebäude und die Nothwendigkeit einer metallischen Verbindung der Blitzableiter mit den Gas- und Wasserleitungen. Den Schluss bildeten astronomische und meteorologische Mittheilungen des Secretairs. Die archäologische Section (Secretair: Professor Dr. Sehmarsow) hatte im Jahre 1886 zwei Sitzungen anberaumt: 1) Montag, den 18. Januar: Der Vortrag über „‚Piero dei Franceschi“, den der Secretair angekündigt hatte, musste wegen ungenügender Be- theiligung seitens der Mitglieder unterbleiben. 2) Montag, den 8. Februar: Der Secretair hält einen Vortrag ‚über die Entwicklung der Malerperspective in Italien, von Filippo Brunellesco bis auf Lionardo da Vinci“, worin besonders Mittheilungen aus der un- edirten Handschrift ‚De prospectiva pingendi‘“ von Piero dei Franceschi und über das Verhältniss seiner Lehre und der andern florentinischen X Jahres-Bericht Meister zu der Perspeetive der paduanischen Schule, insbesondere Man- tegna, gegeben wurden. Weitere Sitzungen konnten nieht anberaumt werden, weil die Mit- glieder, die Vorträge versprochen hatten, ihre Zusage wieder zurück- zogen. Die historische Section (Seeretair: Director Professor Dr. Reimann) hat im Jahre 1886 folgende Sitzungen gehalten: 1) Pastor Dr. Schimmelpfennig: Ueber die Jesuiten in Schlesien von ihrer Ansiedelung 1638 bis zum Jahre 1644. 2) Geh. Rath Prof. Dr. Grünhagen: Die Zeiten der Lichtensteiner in Schlesien und das erste Eingreifen der Schweden. 3) Pastor Dr. Schimmelpfennig: Die Gesandtschaft der Breslauer nach Wien in der Jesuitensache 1644, 4) Oberlandesgerichtsrath Stiefel: Ueber den Begriff der Nachbar- schaft im Sinne des Breslauer Stadtrechtes. 5) Geh. Rath Prof. Dr. Grünhagen: Die Pläne Wallensteins und die Katastrophe des Grafen Schaffgotsch. 6) Der Secretair: Ueber die preussische Justizverwaltung unter dem Grosskanzler Fürst und den Müller Arnold’schen Prozess. 7) Geh. Rath Prof. Dr. Grünhagen: Berichte aus dem Londoner Archiv über den Sieg der Schlesier über die Kosaken und den Kampf um Bautzen 1620. 8) Der Secretair: Ueber den Streit Friedrichs des Grossen mit Danzig 1783—86; Die Section für Obst- und Gartenbau (Seceretair: Königl. Garten-Inspector B. Stein) zählte 1886 73 Breslauer und 219 auswärtige Mitglieder. Es fanden 11 Sitzungen statt; grössere wissenschaftliche oder all- gemein wichtige Vorträge wurden gehalten: 13. Januar: Cantor Hiller-Brieg über den Sperling als schödkiehen Vogel. — Obergärtner Riehter pomologische Mittheilungen. — Der Secretair über Früchte vom Congo, 27. Januar: Ueber die theilweise Zuschüttung des Stadtgrabens, Referent: Garteninspeetor Lösener. 31. März: Die Schutzzollbewegung in der deutschen Gärtnerei, Referent: Der Secretair. 22, Juni: Landschaftsgärtner Ledien: Ueber die Culturen am Congo. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XI 7. Oetober: Oberstabsarzt Dr. Schröter: Ueber den falschen Mehlthau. 11. November: Der Seeretair: Ueber die in Cultur befindlichen Droseraceen. 16. December: Landschaftsgärtner Ledien: Ueber die von ihm aus Westafrika mitgebrachten Pflanzen, In den übrigen Sitzungen wurden laufende und geschäftliche An- gelegenheiten erledigt. Bericht über den Kassen-Abschluss pro 1886. Der Bestand am 31. December 1886 beträgt 40900 Mark in Effecten, gegen 39 767 Mark 86 Pf. in baar und Effeeten am Ende des Jahres 1885, wobei aber zu bemerken ist, dass ein baarer Vorschuss in Höhe von 1700 Mark 48 Pf. entnommen werden musste, welcher aus den diesjährigen Einnahmen zu decken sein wird. Wesentlich höhere Ausgaben waren insbesondere für Drucksachen, lithographische Arbeiten, und zwar 3144 Mark 85 Pf. gegen 2345 Mark 97 Pf. im Vorjahre erforderlich, ausserdem ist ein Beitrag von 500 Mark für die von dem Magistrat hierselbst herausgegebene Festschrift zur Vertheilung an die Mitglieder des hier im Jahre 1886 tagenden Vereins für öffentliche Gesundheitspflege gezahlt worden. Sonst haben sich im Allgemeinen die Ausgaben in den gewohnten Grenzen gehalten. Die der Gesellschaft gehörigen Effeeten sind in dem Depositorio des Magistrats hierselbst niedergelegt. Breslau, den 27, Mai 1887. Bülow, z. Z. Schatzmeister. XII Jahres-Bericht Verzeichniss der Akademien, Vereine ete., mit denen die Schlesische Gesellschaft in Schriftenaustausch steht. Amerika. Literarisches Institut des Staates Arkansas. American Academy of Arts and Seiences — Society of Natural History in Boston. Harvard College, Museum of Comparative Zoology in Cambridge, Mass. American Medical Association in Chicago. Academia Nacional de ciencias in Cordoba. Universität des Staates in Jova City. Wisconsin State Agrieulturial Society — Wisconsin Akademy in Madison. Royal Society of Canada in Montreal. Wisconsin Natural History Society in Milwaukee. Connecticut Akademy of Arts and Sciences in New-Haven. American Medical Association in Philadelphia. National-Museum in Rio de Janeiro. Surgeon general of the U. St. Army — Smithsonian Institution in Washington. Asien. Geological Survey of India in Caleutta. Australien. Royal Society of Vietoria — Vietoria Instituts — Botanischer Garten — Office & Mines Melbourne Vietoria in Melbourne. Portugal. Sociedale Broteriana in Coimbra. Section des travaux geologiques du Portugal in Lissabon. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. x71 Italien. Accademia delle scienze dell’ istituto di Bologna. R. Accademia econ.-agrar. dei Georgofili — R. comitato geologieo d’Italia in Florenz. Societä di letture e conversazioni scientifiche in Genua. R. Istituto Lombardo di scienze e lettere — Societä italiana di sceienze naturali in Mailand. Societä dei naturalisti in Modena. Zoologische Station in Neapel. Societä naturali et de oekonomiche in Palermo. Societa Toscana di scienze naturali in Pisa. Reale Accademia dei Lincei — Societä geografica italiana — R. Istituto Botanico in Rom. Kgl. Institut der Wissenschaften — Atheneum in Venedig. Societäa Crittogamologica Italiana in Varese. Academie d’agrieulture in Verona. Frankreich. Societe des seiences physicales et naturelles in Bordeaux. Soeiete nationale des sciences naturelles et math&matiques in Cherbourg. Societe Linneenne de Lyon in Lyon. Academie des sciences et lettres naturalistes in Montpellier. Soeiete de sciences in Nancy. Soeiete geologique de France — Soeciete horticulture in Paris. Grossbritannien und Irland. Philosophical Society in Cambridge. Royal Society in Dublin. Royal Physical Society of Edinburgh in Edinburg. Royal Society of London — Royal Mieroscopical Society — Society of Arts in London. ö Belgien. Academie royale de medecine de Belgique — Societe royale de bo- tanique de Belgique — Societe royale malacologique de Belgique — Königl. Akademie der Wissenschaften in Brüssel. Geologische Gesellschaft Belgiens — Soeiete royale des sciences in Lüttich. Holland. Kon. Nederlandsche Akademie v. Wetenschappen in Amsterdam. Holländische Gesellschaft der Wissenschaften — Teyler von der Hulst Fundation in Harlem. Maatschappy der Neederlandsche Letterkunde — Neederland. deerkundige Vereeniging — Niederländische botanische Vereinigung in Leiden. XIV Jahres-Bericht Soeiet& de Botanique du grand-duch& de Luxembourg — Historische Gesellschaft des Herzogthums Luxemburg in Luxemburg. Dänemark. Acad&mie royale — Kgl. Nordiske Oldskrift Selskab — Botaniske For- ening — Societ€ royale des antiquaires du Nord in Kopenhagen. Schweden. Kgl. Akademie der Wissenschaften — Kgl. Vitterhets historie och anti- quitets Akademie in Stockholm. Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften in Upsala. Norwegen. { Kgl. Frederiks Universität — Videnskabs Selskabet — Norske Nord- havs Expedition in Christiania. Tromsö Museum in Tromsö. Russland. Esthnische gelehrte Gesellschaft in Dorpat. Societas pro Fauna et Flora fennica in Helsingfors. Soeiet€e des naturalistes in Kiew. Kurländische Gesellschaft für Literatur und Kunst — Lettisch literarische Gesellschaft in Mitau. Soeiet& imperiale des naturalistes — Societe imperiale d’agrieulture in Moskau. Kaiserl. Akademie der Wissenschaften — Kaiserl. Bibliothek — Kaiserl. geographische Gesellschaft — Jardin imperial de Botanique — Ento- mologische Gesellschaft in Petersburg. Naturforschender Verein — Gesellschaft für Geschichte und Alterthums- kunde der russischen Ostseeprovinzen in Riga. Schweiz. Naturforschende Gesellschaft — Historische und antiquarische Gesell- schaft in Basel. Schweizerische naturforschende Gesellschaft — Historischer Verein: des Kantons Bern in Bern. Naturforschende Gesellschaft Graubündens in Chur. Thurgauisch naturforschende Gesellschaft in Frauenfeld. Naturforschende Gesellschaft — Historischer Verein in St. Gallen. Soeiet& d’histoire et d’arch&ologie — Societ® de physique et d’histoire naturelle in Genf. Historisch-antiquarischer Verein in Schaffhausen. Naturforschender Verein — Gesellschaft für vaterländische Alterthums- kunde in Zürich. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XV Oesterreich-Ungarn. Gewerbeschule in Bistritz. K. k. Mährisch-Schlesische Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde — Naturforschender Verein — Historisch- statistische Seetion in Brünn. Kgl. Ungarischer naturwissenschaftlicher Verein in Buda-Pest. Deutscher Böhmerwaldbund in Budweis. Historischer Verein für Steiermark — Zoologisches Institut der k. k. Universität — Naturwissenschaftlicher Verein für Steiermark in Graz. Siebenbürgischer Verein für Naturwissenschaften — Verein für sieben- bürgische Landeskunde in Hermanstadt. Ferdinandeum für Tirol und Vorarlberg — K. k. landwirthschaftlicher Verein für Tirol und Vorarlberg — Naturwissenschaftlich-medieinischer Verein in Innsbruck. Naturhistorisches Landesmuseum von Kärnthen in Klagenfurt. Ungarische botanische Gesellschaft in Klausenburg. Akademya umiejetnosci — Physiographische Commission der k. k. ge- lehrten Gesellschaft in Krakau. Historischer Verein für Krain in Laibach. Nordböhmischer Excursionselub in Böhmisch-Leipa. Verein für Naturkunde in Oesterreich ob der Enns — Museum Franeisco- Carolinum in Linz. Ungarischer Karparthen-Verein in Poprad. Kgl. Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften — Kgl. Landescultur- rath — Oesterreichischer Riesengebirgs-Verein — Naturhistorischer Ver- ein „Lotos‘“ — Verein für die Geschichte der Deutschen in Böhmen — Lesehalle der deutschen Studenten in Prag. Verein für Naturkunde in Pressburg. Gesellschaft für Salzburger Landeskunde in Salzburg. Societä adriatica di scienza naturali — Museo eivio di storia naturali in Triest. R. istituto teenico in Udine. K. k. Akademie der Wissenschaften — K. k. geologische Reichsanstalt —- K. k. Hof-Mineralien-Kabinet — K.k. naturhistorisches Hofmuseum — K. k. landwirthschaftliche Gesellschaft — K. k. geographische Ge- sellschaft — K. k. zoologisch - botanische Gesellschaft — Oester- reichische Gesellschaft für Meteorologie — Centralanstalt für Meteoro- logie und Erdmagnetismus — Anthropologische Gesellschaft — Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wien. xXVI Jahres-Bericht Deutsches Reich. Aachener Geschichtsverein in Aachen. Gesellschaft für die gesammten Naturwissenschaften in Altenburg. Annaberg-Buchholzer Verein für Naturkunde in Annaberg im Erzgeb. Historischer Verein für Mittelfranken in Ansbach. Historischer Verein für Unterfranken in Aschaffenburg. Naturhistorischer Verein — Historischer Verein für Schwaben und Neu- burg in Augsburg. Naturforschende Gesellschaft — Historischer Verein — Gewerbeverein in Bamberg. Historischer Verein für Oberfranken in Bayreuth. Kgl. Preuss. Akademie der Wissenschaften — Gesellschaft naturforschen- der Freunde — Deutsche geologische Gesellschaft —- Botanischer Verein der Provinz Brandenburg — Berliner medicinische Gesell- schaft — Hydrographisches Bureau der deutschen Seewarte — Afrikanische Gesellschaft für Deutschland — Geheimes Staatsarchiv — Verein für Geschichte der Mark Brandenburg — Verein für die Geschichte Berlins — Juristische Gesellschaft Berlins — Verein „Herold“ — Kaiserl. Admiralität — Kgl. Preuss. meteorologisches Institut — Kgl. Preuss. statistisches Bureau — Kgl. Preuss. geo- dätisches Institut — Kgl. Preuss. geologische Landesanstalt und Berg- akademie in Berlin. Rheinische Friedrich -Wilhelm-Universität — Naturhistorischer Verein der preussischen Rheinlande — Landwirthschaftlicher Verein für Rheinpreussen in Bonn. Landwirthschaftlicher Verein — Historischer Verein in Brandenburg a.H. Naturwissenschaftlicher Verein — Landwirthschaftlicher Verein in Bremen. Provinzial-Landwirthschafts-Verein in Bremervörde. Kgl. Universitäts-Sternwarte — Verein für schlesische Inseetenkunde — Verein für das Museum schlesischer Alterthümer — Kaufmännischer Verein — Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens — Sta- tistisches Amt — Kgl. Oberbergamt — Schlesischer Forstverein — Handelskammer — Landwirthschaftlicher Centralverein — Hand- werkerverein — Kaufmännischer Verein — Aelterer Turnverein — Humboldt-Verein — Jüdisch-theologisches Seminar in Breslau. Centralstelle des landwirthschaftlichen Vereins im Grossherzogthum Baden — Naturwissenschaftlicher Verein in Carlsruhe. Verein für hessische Geschichte und Landeskunde — Verein für Natur- kunde in Cassel. Kgl. Landwirthschafts-Gesellschaft zu Celle. Verein für Chemnitzer Geschichte — Naturwissenschaftliche Gesellschaft in Chemnitz. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. xvi Naturforschende Gesellschaft — Hauptverein westpreussischer Land wirthe in Danzig. Verein für Erdkunde — Historischer Verein für das Grossherzogthum Hessen in Darmstadt. Gesellschaft für Botanik und Gartenbau — Naturwissenschaftliche Gesellschaft ‚Isis — Oekonomische Gesellschaft im Königreich Sachsen — Verein für Erdkunde — Kgl. Sächsisches statistisches Büreau — Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Dresden. Naturwissenschaftlicher Verein der Rheinpfalz „Pollichia“ in Dürkheim. Naturwissenschaftlicher Verein in Elberfeld. Naturforschende Gesellschaft in Emden. Kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften — Verein für Geschichte und Alterthumskunde in Erfurt. Kgl. Universität — Physikalisch-medieinische Societät in Erlangen. Naturforschende Gesellschaft des Senckenbergischen Instituts — Verein für Geschichte und Alterthumskunde — Aerztlicher Verein — Physi- kalischer Verein in Frankfurt a. M. Naturwissenschaftlicher Verein des Regierungsbezirks — Historischer Verein in Frankfurt a. 0. Freiberger Alterthumsverein — Kgl. Bergakademie in Freiberg i. 8. Grossherzogl. Universität — Naturforschende Gesellschaft in Frei- burg i. B. | Verein für Geschichte des Bodensees in Friedrichshafen. Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Giessen. Naturforschende Gesellschaft — Oberlausitz’sche Gesellschaft der Wissen- schaften in Görlitz. | Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften und der Georg-August-Universität in Göttingen. Baltisch-landwirthschaftlicher Centralverein — Geographische Gesellschaft in Greifswald. Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg in Güstrow. Kaiserl. Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher — Ver- ein für Erdkunde — Naturwissenschaftlicher Verein für Sachsen und Thüringen in Halle a. 8. Naturwissenschaftlicher Verein — Verein für naturwissenschaftliche Unterhaltung in Hamburg. Wetterauische Gesellschaft der gesammten Naturkunde in Hanau. Naturhistorische Gesellschaft — Historischer Verein für Niedersachsen in Hannover. Naturhistorisch-medieinischer Verein in Heidelberg. Oekonomisch-praktische Gesellschaft für Schweidnitz und Jauer in Jauer. Universität — Medicinisch-naturwissenschaftliche Gesellschaft — Verein für Thüringen’sche Geschichte und Alterthumskunde in Jena. 1886. b XVII Jahres-Bericht Kgl. Universität — Schleswig -Holstein -Lauenburgische Gesellschaft für vaterländische Geschichte — Naturwissenschaftlicher Verein für Schleswig-Holstein — Schleswig-Holstein-Lauenburgische Gesellschaft für Sammlung und Erhaltung vaterländischer Alterthümer in Kiel. Kgl. physikalisch-ökonomische Gesellschaft — Kgl. Universität in Königs- berg in Ostpr. Botanischer Verein in Landshut a. Isar. Kgl. Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften — Medicinische Gesell- schaft — Polytechnische Gesellschaft — Naturforschende Gesell- schaft — Verein für Erdkunde in Leipzig. Naturhistorisches Museum der Stadt Lübeck. Naturwissenschaftlicher Verein — Alterthums-Verein in Lüneburg. Naturwissenschaftlicher Verein in Magdeburg. Mannheimer Verein für Naturkunde in Mannheim. Kgl. Universität — Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Natur- wissenschaften in Marburg. Historischer Verein in Marienwerder Westpr. Verein für die Geschichte der Stadt Meissen. Kgl. Bayerische Akademie der Wissenschaften — Historischer Verein für Oberbayern — Landwirthschaftlicher Verein in Bayern in München. Westfälischer Provinzial-Verein für Wissenschaft und Kunst — Verein für Geschichte und Alterthumskunde Westfalens in Münster. Philomathie in Neisse. Germanisches National-Museum — Naturhistorische Gesellschaft — Ver- ein für Geschichte der Stadt Nürnberg in Nürnberg. Lahnsteiner Alterthumsverein in Oberlahnstein. Verein für Naturkunde in Offenbach. Philomathische Gesellschaft in Oppeln. Naturwissenschaftlicher Verein in Osnabrück. Historische Gesellschaft für die Provinz Posen in Posen. Landwirthschaftlicher Verein für die Mark Brandenburg in Potsdam. Zoologisch-mineralogischer Verein — Historischer Verein für die Ober- pfalz in Regensburg. Grossherzogliche Universität in Rostock. Verein für Henneberg’sche Geschichte in Schmalkalden. Grossherzogl. statistisches Bureau — Verein für mecklenburgische Ge- schichte und Alterthumskunde in Schwerin. Botanischer Verein „Irmischia““ — Redaetion der Deutschen botanischen Monatsschriftt — Verein zur Beförderung der Landwirthschaft in Sondershausen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XIX Gesellschaft für pommersche Geschichte und Alterthumskunde — Ento- mologischer Verein — Verein für Erdkunde — Polytechnische Ge- sellschaft in Stettin. Wissenschaftlicher Verein in Striegan. Kgl. statistisch- topographisches Bureau — Kgl. Vorsteheramt der poly- technischen Schule — Kgl. Würtembergische Centralstelle für die Landwirthschaft — Verein für vaterländische Naturkunde in Stutt- gart. Copernieus-Verein für Wissenschaft und Kunst in Thorn. Naturwissenschaftlicher Verein in Trier. Verein für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben in Ulm. Harzverein für Geschichte und Alterthumskunde — Naturwissenschaft- licher Verein des Harzes in Wernigerode. Nassauischer Verein für Naturkunde — Verein für Naturkunde — Ver- ein für nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung in Wiesbaden. Physikalisch - medieinische Gesellschaft — Kgl. Universität — Poly- technischer Centralverein — Historischer Verein für Franken und Aschaffenburg in Würzburg. Vorschuss-Verein und Grund-Credit-Verein in Zobten a. B. G. Limpricht. re Jahres - Bericht Wanderversammlung der naturwissenschaftlichen und medieinischen Seetionen der Schles. Gesellschaft für vaterländische Cultur zu Liegenitz am 4. Juli 1SS6. Die sehr zahlreichen Breslauer Theilnehmer an der Versammlung begaben sich mit dem Expresszug früh 10 Uhr 15 Min. nach Liegnitz, woselbst sie auf dem Bahnhofe durch eine von Herrn Sanitätsrath Stadthagen geführte Deputation des Local-Comite’s empfangen und durch die herrlichen Anlagen nach dem Schiesshause geleitet wurden. Daselbst hatte das Local-Comite in einem Nebenzimmer eine höchst interessante und reichhaltige naturhistorische Ausstellung veranstaltet, zu welcher neben anderen die Herren Dr. Müller, Lehrer Ger- hardt, Kaufmann Schwarz reiche Beiträge geliefert hatten. In der Sammlung der Landwirthschaftsschule zeichnete sich ein riesiger und ausgezeichnet gut erhaltener Schädel von bos primigenius aus. Die Herren Gerhardt und Figert hatten eigens zwei Sträusse von seltenen Pflanzen aus der Liegnitzer Umgegend eingesammelt. Nach Besichtigung dieser Ausstellung und nach eingenommenem Imbiss begann unter ausserordentlicher Betheiligung von Herren aus Liegnitz und aus vielen anderen Städten Schlesiens die wissenschaftliche Sitzung, welche von Herrn Geheimrath Heidenhain eröffnet wurde, Herr Oberbürgermeister Oertel begrüsste mit warmen Worten die Versammlung und rief der Schlesischen Gesellschaft, der ersten Stelle wissenschaftlicher Bestrebungen für unsere heimathliche Provinz, ein herzliches Willkommen zu. Herr Geheimrath Heidenhain entgegnete darauf folgendes: Hochgeehrter Herr Oberbürgermeister! Gestatten Sie, dass ich im Namen der Schlesischen Gesellschaft Ihnen für die freundlichen Worte, mit denen Sie uns empfangen, dass ich allen hochgeehrten Herren, welche als Mitglieder des hiesigen Comit@’s sich so grossen Mühen in der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. XXI unserem Interesse unterzogen, dass ich ihrer schönen Stadt, die uns für den heutigen Tag eine Stätte gewährt, den herzlichsten Dank aus- spreche, Indem ich im Kreise dieser stattlichen Versammlung umherblicke, möchte ich ausrufen, wie dereinst Cicero auf dem Forum: „Quemadmo- dum me juvat, cives Romani, frequens adspectus vester!“ In der That, es ist eine grosse Ehre und eine hohe Genugthuung für die Schlesische Gesellschaft, Sie hier so zahlreich versammelt zu sehen. Wir schöpfen aus Ihrem Erscheinen die Hoffnung, dass diese erste grössere Zusammenkunft mit unsern Mitbürgern in der Provinz, der Be- ginn alljährlicher ähnlicher Begegnungen hier und dort in den verschie- densten Theilen derselben sein werde, um engere Fühlung mit den Bewohnern des Schlesierlandes zu gewinnen, Solcher Beziehungen aber bedürfen wir für die Förderung der Zwecke und Ziele unserer Gesellschaft. Und welches sind denn die Ziele, die wir erstreben? Als im Jahre 1803 zu Breslau eine Anzahl von Bürgern zusammen- trat, um unter Führung des Münzdireetor Müller die Schlesische Ge- sellschaft für vaterländische Cultur zu gründen, da war der ausgesprochene Zweck dieser Vereinigung ein ausschliesslich provinzieller. „Nicht eine Nachahmung gelehrter Gesellschaften und Akademien im Kleinen wollen wir sein“, so betonte Müller in einer Programm- rede; „wir wollen die Natur und die von ihr abhängigen Kräfte nicht im Allgemeinen studiren, sondern immer in Bezug auf unser Vaterland und dessen Cultur.‘ Neben diesen in den Vordergrund gestellten provinziellen Bestrebungen traten nach einiger Zeit allgemeinere wissenschaftliche Tendenzen. Im Jahre 1809 gliederte die Gesellschaft sich in Sectionen, der Mediein und den Naturwissenschaften gesellten sich die Geisteswissen- schaften hinzu (Geschichte, Archäologie, Jurisprudenz, Pädagogik u. s. f.). Als vollends nach Begründung der Universität im Jahre 1811 eine grosse Zahl ihrer Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft beitrat, erhielt diese neben ihrem provinziellen Charakter, den Charakter einer gelehrten Corporation, die im Laufe der Zeit weithin wissenschaftliche Verbindungen anknüpfte., Ihre Thätigkeit war fortan eine doppelte: Förderung der Wissen- schaft im Allgemeinen, Förderung localer und provinzieller Interressen im Besonderen. Je nach der wechselnden Zusammensetzung der Ge- sellschaft trat bald die eine, bald die andere Seite ihrer Thätigkeit mehr in den Vordergrund. Im Augenblicke befinden wir uns in einer Periode, in welcher die, ich möchte sagen rein akademische Thätigkeit die vorwiegende geworden XXI Jahres - Bericht ist. Zwar haben provinzielle Bestrebungen nie aufgehört: so veröffent- licht die Gesellschaft alljährlich in ihren Berichten eine Liste neuer botani- scher Fundorte. Eine schlesische Kryptogamenflora, an welcher Mitglieder der Gesellschaft mitwirken, ist im Erscheinen begriffen. Im vorigen Jahre haben wir die faunistische Durchforschung der Riesengebirgsteiche durch eine Subvention unterstützt. Aber wir haben den lebhaften Wunsch, unsrer grossen Provinz, die in ihren verschiedenen Theilen einen so verschiedenen Charakter rücksichtlich ihrer Natur, wie ihrer Bevölkerung zeigt, eine intensivere und umfassendere Thätigkeit zu- zuwenden. Die Früchte, welche unsre Arbeit im provinziellen Interesse trägt, sollen fortan in besonderen Ergänzungsheften zu unserm allgemeinen Jahresberichte erscheinen. Ein Anfang ist schon im laufenden Jahre gemacht. Wir bringen in einem solchen Supplementhefte eine Abhand- lung des Herrn Prof. Stenzel, betreffend einen paläontologischen Fund aus der Gegend von Oppeln. Aber neben derartigen Specialstudien haben wir den Wunsch, grössere und umfangreichere Aufgaben in Angriff zu nehmen. Ein wesentliches Charakteristicum jedes deutschen Gaues ist seine Sprache. Noch fehlt es an einem Wörterbuche des schlesischen Dialectes. Ich freue mich, für einen Ergänzungsband eines der nächsten Jahre ein solches in Aussicht stellen zu dürfen aus der Feder unserns Mitgliedes, Herrn Prof. Weinhold. Als vor zwei Jahren die Deutsche anthropologische Gesellschaft in Breslau tagte, beklagte ihr Vorsitzender Virchow mit Recht, dass es in Schlesien noch durchaus an systematischer prähistorischer Forschung fehle. Nicht als ob auf diesem Gebiete nicht bereits Wesentliches und hoch Bedeutendes geschehen wäre. Dess Zeuge ist das stattliche Museum schlesischer Alterthümer, welches einem aufopferungsfähigen Vereine seine Entstehung verdankt. Die zum Theile überaus werthvollen Funde, welche dort Aufstellung gefunden haben, sind aber zufälliger Natur. In einem Boden, über welchen so viele Völkerwogen gerollt sind, müssen sich zahlreiche Reste derselben vorfinden, die planmässige Durchsuchung ohne Zweifel zu Tage fördern wird. | Um aber diese und ähnliche Aufgaben von solchem Umfange und solcher Tragweite in Angriff zu nehmen, bedürfen wir engster Fühlung und energischer Unterstützung seitens Gleiches Erstrebender in der ganzen Provinz, Um solche Beziehungen anzuknüpfen, haben wir in diesem Jahre zum ersten Male eine Wanderversammlung nach einer grösseren Stadt gewagt, nach der Hauptstadt Niederschlesiens. Dass wir mit dieser Unternehmung Anklang gefunden, beweist die stattliche Ver- sammlung, die sich um uns geschaart hat. Lassen Sie mich schliessen, wie ich begann, lassen Sie uns hoffen, dass Zusammenkünfte wie die der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XKIH heutige in den verschiedensten Gegenden nicht bloss der Provinz, sondern auch in Breslau, ein gemeinsames Wirken und Schaffen anbahnen im Interesse unseres grossen und schönen Landes. Zum Tagespräsidenten wurde darauf Herr Oberbürgermeister Oertel ernannt, zu dessen Beisitzern die Herren Landgerichtsdireetor von Stock- hausen, Sanitätsrath Stadthagen, Conrector Dr. Bärmann, sämmt- lich in Liegnitz, Geheimrath Prof. Dr. Römer und Prof. Dr. F. Cohn in Breslan. Das Schriftführeramt übernahm für den medieinischen Theil der Vorträge Herr Prof. Dr. Roux, für den naturwissenschaftlichen Herr Dr. Eidam. Wissenschaftliche Vorträge. Geheimrath Prof, Dr. Römer gab eine Uebersicht über die geologischen Verhältnisse der Gegend von Liegnitz. Dieselben sind im Allgemeinen einförmig, weil das aus Sand, Kies und Lehm bestehende nordische Diluvium sich über das ganze Gebiet verbreitet und nur an vereinzelten Punkten die darunter liegenden älteren Gesteine hervortreten. Als diluvial sind übrigens auch die goldführenden Ab- lagerungen anzusehen, welche in der Umgebung des 1 Meile südöstlich von Liegnitz gelegenen Nikolstadt im Mittelalter und namentlich in den Jahren 1345—1364 zu einem bedeutenden Bergbau Veranlassung gegeben haben, von welchem die ausgedehnten Halden noch Zeugniss geben. Diese Halden liegen auf einem etwa 100 Fuss über die Thalsohle des Weilach-Baches sich erhebenden flachen Plateaus. Namentlich westlich am Rothenberge bei Nikolstadt und am Langenberge westlich von Gross- Wandris verbreiten sich dieselben. Das Gestein der goldführenden Ab- lagerungen besteht nach den Halden zu schliessen aus scharfkantigem Sand und grösseren, scharfkantigen Quarzbruchstücken. In den letzteren findet man freilich nur als grosse Seltenheit das Gold fein eingesprengt. Da zwischen Nikolstadt und Gross-Wandris an mehreren Punkten an- stehende Quarzfelsen aus dem Diluvium hervortreten, so scheint es nahe- liegend, die goldführenden Quarzstücke von diesen herzuleiten, allein das freilich sehr seltene Vorkommen einiger ebenfalls auf den Halden gefun- denen Mineralien, wie namentlich Hyaecinth, Rubin und Magneteisen, welche den Quarzgängen fremd sind, dagegen häufig im Basalt vor- kommen, beweist, dass die Gesteinskörner, welche die Goldlagerstätte bilden, nicht allein von den erwähnten Quarzfelsen herstammen, Unter dem Diluvium ist überall wie über ganz Niederschlesien mit Ausnahme der Gebirgstheile die zur Tertiär-Formation gehörige nordost- deutsche Braunkohlen-Bildung verbreitet. Dieselbe bildet eine mehrere hundert Fuss mächtige Ablagerung aus grauen oder weissen, zuweilen auch roth und gelbgefärbten plastischen Thonen mit hier und dort unter- XXIV Jahres-Bericht geordneten Braunkohlen-Lagern. Nur Landpflanzen sind aus diesen Braun- kohlen führenden Schichten bekannt, welche daher als eine entschiedene Süsswasserbildung anzusehen sind. Marine Thierreste kennt man in der Tertiär-Bildung Niederschlesiens überhaupt nicht. Erst in der Mark Brandenburg kommen in Berührung mit der Braunkohlenbildung marine Ablagerungen vor. Das ist der sogenannte Septarien-Thon, der bisher für jünger als die nordostdeutsche Braunkohlenbildung galt, in Wirklich- keit aber nach den neuerliehst in der Mark Brandenburg ausgeführten Bohrungen unter derselben liegt. In die Tertiär-Periode fällt auch das Hervorbrechen des Basaltes, welche südlich von Liegnitz zahlreiche, über .die Diluvial-Ebene sich er- hebende kleine Bergkuppen bildet, wie namentlich den Spitzenberg, den Rothenberg und den Mühlberg bei Nikolstadt und mehrere Kuppen bei Dehnau. Bei Hennersdorf tritt in der Umgebung die grössere Basalt- Parthie des Breitenberges auch Basalt-Tuff auf, welcher früher in der Braunkohlengrube ‚‚Schwarze Minna‘ angetroffen wurde und hier Laub- holzblätter einschliesst. Alle mesozoischen Ablagerungen der Trias-, Jura- und Kreide-For- mation fehlen 'bei Liegnitz. Wohl aber sind in den Umgebungen von Goldberg Glieder der Trias- und Kreide-Formation vorhanden und durch den Einschnitt des Katzbach-Thales aufgeschlossen. Das Schiefergebirge, welches westlich von Hennersdorf sich erhebt, ist viel höheren Alters. Nur für einen beschränkten Theil des dasselbe bildenden Schiefers hat sich aber bisher dieses Alter genau bestimmen lassen. Nur dort, wo wie an einigen Punkten bei Schönau Graptoliten gefunden wurden, ist das silurische Alter festgestellt. Herr Prof, Förster macht Mittheilungen über besondere Vorkommnisse bei Verletzungen des Auges. Es giebt dabei viele Fälle, welche schwer begreiflich sind in Bezug auf die mechanischen Vorgänge, welche bei diesen Verletzungen stattgefunden haben. Wenn ein Stoss mit einem stumpfen Körper den Augapfel derart trifft, dass er berstet, so ist es auffallend, dass die Rissstelle fast immer oben und innen in der Hornhaut, nahe der Selera liegt und dem Hornhautrande parallel verläuft. Die Erklärung muss darin zu finden sein, dass diese Stelle den geringsten Widerstand bei plötzlicher Steigerung des intraocularen Druckes darbietet. In einem Falle hatte ein Kranker ein Auge angeblich durch einen Peitschenschlag verloren. Das Auge war zur Zeit der Besichtigung bereits heftig entzündet und aus der Lappenwunde der Hornhaut ragte ein kleiner schwarzer Punkt hervor, welcher zunächst für Irispigment gehalten wurde, Es wurde mit der Pincette zugefühlt und der schwarze Punkt erwies sich als das Ende eines 1 cm langen Stückes eines der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XXV schmalen Lederriemens, der aus dem Augapfel herausgezogen wurde. Wie kam dieses Lederstück in das Auge hinein? Es muss dieser weiche Körper die sehr resistente Hornhaut durchbohrt haben. Ein Endchen von der ledernen Peitsche musste sich losgelöst haben und als Projectil dem vorübergehenden Manne mit ausserordentlich grosser Geschwindig- keit und daher ausserordentlich grosser Kraft ins Auge gepflogen sein. Nicht die Peitsche selber kann das Auge geschlagen haben. Ein zweiter Fall war diesem ersten ganz gleich, nur mit dem Unterschiede, dass der knallende Kutscher selbst die Verletzung erlitten hatte, und dass erst nach einigen Tagen das Lederstückchen zum Vorschein kam. Pagenstecher veröffentlichte vor einigen Jahren ein noch merk- würdigeres Vorkommniss. Einem Kinde fiel von einem Baume eine Raupe in’s Auge; es entstand eine Entzündung, welche nach einigen Wochen ohne schwere Nachtheile vorüberging. Nach 6 Monaten kam das Kind in die Klinik von Pagenstecher. Man fand die Bindehaut des Augapfels mit einigen zwanzig grauen Knötchen, ähnlich Tuberkel- knötchen besäet. Einige dieser Knötchen wurden exeidirt und es er- wies die mikroskopische Untersuchung in jedem derselben ein Fragment eines Raupenhaares. In der Iris waren 5—6 ganz ähnliche Knötchen sichtbar. Als einige Wochen später dieses kranke Stück der Iris heraus- genommen wurde, fand sich in jedem dieser Irisknötchen wiederum ein Fragment eines Raupenhaares. Es fragt sich: Wie ist es möglich, dass Raupenhaare durch die dieke Hornhaut hindurchgehen? Die Raupenhaare müssen bei ihrer Feinheit doch so starr sein, dass sie durch die Horn- haut hindurchdringen und bis an die Iris gelangen konnten, Wenn eine Raupe uns zwischen den Halskragen und die Haut geräth und wir eine Hautentzündung davon bekommen, so ist nicht ein besonderes chemisch wirkendes Gift die Ursache dieser nachfolgenden Entzündung, sondern es werden gleichfalls Raupenhaare die Haut durchsetzt und darnach die Entzündung veranlasst haben. Ist ja doch die wegen ihrer Schwäche sprüchwörtliche Mücke im Stande, mit ihrem Stachel die Haut zu durch- dringen. Ferner kommen nach starken Stössen gegen den Augapfel eine ganze Reihe auffallender Verletzungen an der Iris und Linse vor. Nach solchen Contusionen bleibt die Pupille bisweilen lange Zeit erweitert, starr und liegt nicht "ganz centrisch; oder es zeigen sich Einrisse an dem Pupillenrande, welche auch die ganze Breite der Iris durchsetzen können; oder es entstehen partielle Ablösungen der Iris von der Insertion am Ciliarkörper, also peripherisch liegende Pupillen, welche dicht hinter dem Hornhautrande liegen. Wie ist es nun möglich, dass an einer so schlaffen und dehnbaren Membran, welche in einer geschlossenen Kapsel aufgehängt ist, durch einen Stoss gegen die Aussenwand der Kapsel eine solche Zerreissung eintreten kann? Ferner geschieht es, dass durch einen XXVI Jahres-Bericht solchen Stoss die Linse in die vordere Augenkammer gelangt, obgleich die Linse 9 mm, die Pupille blos 3—4 mm Durchmesser hat. Man möchte vielleicht annehmen wollen, dass das Beharrungsvermögen bei einem Schlage gegen die Stirn die Linse von hinten nach vorn treiben könnte. Aber diese Erklärung ist nicht genügend, denn der Raum des Augapfels ist geschlossen und das Kammerwasser müsste dabei Wider- stand leisten. Wir können aber von einem einheitlichen Gesichtspunkte aus alle diese Veränderungen erklären. Wenn wir annehmen, dass der Schlag gerade von vorn kam und die Hornhaut abplattete, so ist die Folge, dass das Kammerwasser verdrängt worden und sich irgendwo Platz suchen muss. Die hintere Wand der vorderen Kammer ist einmal durch die Iris und hinter dieser durch die starre Linse gebildet. Hier kann das Kammerwasser nicht ausweichen, denn das Kammerwasser drängt die Iris gegen die Linse. Die Linse ist aber kleiner als die Iris und als die vordere Kammer im Querdurchmesser; das andringende Wasser kann also den peripheren Theil der Iris nach hinten über den Aequator- rand der Linse hinweg drängen und zugleich durch Zerreissung der Zonula Zinnii die Linse frei machen. Da die Iris hierbei nach allen Richtungen hin stark radiär gespannt werden muss, wird die Pupille sehr erweitert und der Pupillarrand der Iris schliesslich über den Linsen- äquator hinweg gestülpt werden, wobei das Kammerwasser nach dem Glaskörperraum abfliesst. Auf diese Weise erklärt sich auch das Ein- reissen der Iris und die Ablösung der Iris von der Ciliarinsertion, ferner auch das Vorkommniss, wo ein Theil der Linse vor, der andere hinter der Iris liegt und die Pupille durch die in ihr eingeklemmte Linse auseinander gesperrt wird. Professor Dr. Ferdinand Cohn sprach über Rohrzucker und Tabaschir. Seit 1747 der damalige Director der Berliner Akademie der Wissen- schaften, Markgraf, in den Wurzeln der einheimischen Runkelrübe grosse Mengen desselben Zuckers entdeckte, den das indische Zuekerrohr in seinen Halmen erzeugt, und nachdem sein Nachfolger Achard fünfzig Jahre später, Markgraf’s Entdeckung practisch verwerthend, die erste Rübenzuckerfabrik in Schlesien zu Kuhnern errichtet hatte, hat die Kübe, und zwar eine in Schlesien gezüchtete Spielart, die weisse schlesische Z/uckerrübe, Beta vulgaris, var. Silesiaca, die Welt erobert und wenigstens für den Zuckerverbrauch des continentalen Europa das Zuckerrohr er- setzt, sowie dieses seit der Colonisation Amerikas allmählich den Bienen- honig verdrängte, welcher seit vorhistorischer Zeit als allgemeines Genussmittel zum Versüssen der Speisen gedient hatte. Allerdings wurde das Zuckerrohr in den südeuropäischen Halbinseln bereits durch der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. MKNTD die Araber angebaut, welche dasselbe in Persien und Indien kennen gelernt hatten; von den spanischen Arabern empfing im Mittelalter das christliche Abendland den Rohrzucker, zugleich mit dessen Namen: Alzucar, italienisch: zuechero, französisch: sucre ete.; doch wurde im Mittelalter der Rohrzucker meist nur als Arznei angewendet. Weder das ägyptische noch das semitische Alterthum kannte den Rohrzucker; die Griechen erfuhren erst nach der Zeit Alexanders des Grossen, dass in Indien grosse Rohrarten Honig ohne Bienen erzeugen, wie der Nachfolger des Aristoteles, Theophrastos, dann Eratosthenes berichten. Als Exportartikel aus Barygza (heut Baroche) in Indien wird ein Rohrhonig (meli kalaminon) unter dem Namen sakchari zuerst in einem Handelsverzeichniss der Häfen des Rothen Meeres aus der Zeit des Kaisers Vespasian (zwischen 70—75 n. Chr.) erwähnt, dass uns unter dem Namen „,Periplus des Arrianos“ erhalten ist. Um dieselbe Zeit wird saccharum, saccharon von dem älteren Plinius und von Dioscorides in ihrer Beschreibung der Heilmittel aus dem Pflanzenreich besprochen: als eine besondre Art Honig, der im glücklichen Arabien und in besserer Sorte in Indien im Innern von Rohrhalmen wie Gummi oder wie $Salz- conerement gesammelt wird, weiss, zwischen den Zähnen zerreiblich, die grössten Stücke wie Haselnüsse, nur als Arznei zu gebrauchen. Diese Beschreibung, welche beide Autoren übereinstimmend, offenbar aus der nämlichen, uns unbekannten Quelle schöpfend, von Saccharum geben, stimmt sowenig zu Rohrzucker, dass schon die Commentatoren des 16. Jahrhunderts, Manardus von Ferrara und Leonhard Fuchs von Zweibrücken, die Behauptung aufstellten, das Saccharum der Alten müsse etwas anderes gewesen sein, als unser Zucker, Nun hat schon Bopp hervorgehoben, dass das Sanskritwort Scharkara, von dem der Name des Zucker abstammt, nicht den Begriff von etwas süssem, sondern von etwas steinigem enthalte, und dass dasselbe sich zunächst auf die Bambussteinchen (Scharkara Mambu), die steinigen Coneremente, welche im Innern gewisser indischer Bambusrohre gesammelt, und heut nach den persisch - arabischen Aerzten als Tabaschir bezeichnet werden, beziehe. Nach alledem ziehen wir aus der Vergleichung der älteren und. neueren Nachrichten folgende Schlüsse: das Zuckerrohr wird schon seit uralter Zeit im tropischen Indien und China angebaut; gegenwärtig findet es sich überhaupt nirgends mehr in wildem Zustande, was im allgemeinen nur bei den ältesten Culturpflanzen der Fall ist. Doch wurde das Zuckerrohr im Alterthum nur als Volksnahrung angebaut, indem der süsse Saft aus den frischen Stengeln ausgesaugt, oder ausgekocht, aus- gepresst und eingedickt, als Rohrhonig und Zuckersyrup zur Verwendung kam. Ebenfalls bereits in sehr alter Zeit wurde das Tabaschir, d. h. die aus den hohlen Bambusstengeln gesammelten steinigen Coneremente XXVII Jahres - Bericht in Indien als Arznei gebraucht, und kam im Anfang der römischen Kaiserzeit als kostbare Seltenheit auch bei den europäischen Aerzten unter dem Namen Saccharum zur Verwendung; die arabischen Aerzte verbeiteten und befestigten seinen Ruhm; noch in der Gegenwart gilt Tabaschir im ganzen Orient, von Constantinopel bis China, soweit noch heute der Einfluss der alten arabischen Mediein reicht, als ein Heilmittel in grossem Werthe. Die fabrikmässige Darstellung des. weissen cerystallinischen und raffinirten Rohrzuckers dagegen, welche entwickelte chemische Ope- rationen voraussetzt und durch welche der Zucker erst zum export- fähigen Handelsartikel sich eignet, geschah erst im Anchluss an das Aufblühen der Chemie und Pharmacie an den medieinischen Schulen der arabischen Chalifen zu Gondi sapur, Ahwas, Bagdad, im frühen Mittel- alter, nach Ritter nicht vor dem VIII, Jahrhundert; auf diesen Zucker wurde der Name der Bambussteinchen (scharkara —= saccharum) über- tragen; hieraus erklären sich, wie schon A. v. Humboldt bemerkte, die verworrenen Angaben der alten Schriftsteller, ehe durch die Massen- produetion der westindischen Plantagen der Rohrzucker in Europa all- semein bekannt wurde. Auf Ersuchen des Vortragenden hat Herr Dr. Theodor Schuchardt, Chef der durch ihre wissenschaftlichen Präparate weltbekannten chemi- schen Fabrik in Görlitz, grössere Quantitäten von Tabaschir aus Ost- Indien bezogen, die von ihm auch käuflich zu haben sind. Es wurden der Versammlung zwei Sorten vorgezeigt: rohes Tabaschir, aus Singapore nach Bombay eingeführt, nebst gespaltenen Halmstücken des baumartigen Bambusrohres (Bambusa arundinacea) in deren Höhlungen das Tabaschir ge- sammelt wird. Das rohe Tabaschir gleicht in der Gestaltung und Färbung seiner Stücke einem groben Kies; die einzelnen Stücke sind von sehr ver- schiedener Gestalt und Grösse, rundlich, länglich oder eylindrisch, eckig, doch meist mit abgerundeten Kanten, im Mittel 10—25 mm, jedoch ver- mischt mit vielen kleineren sandkornartigen Bröckchen, an den Kanten durchscheinend oder undurchsichtig, milchweiss, schmutzig kreideweiss, gelblich, bläulich, röthlich, aschgrau oder schwarz, geschmacklos, mit den Fingern und Zähnen leicht in feinen Sand zerreiblich., Das ge- reinigte Tabaschir wird in Bombay aus dem rohen durch Caleiniren dargestellt, und besteht aus ausgesuchten grösseren Stücken ohne Sand, welche die Gestalt und Grösse der rohen Körner unverändert beibehalten haben, aber härter, spröder, nicht mit dem Nagel, wohl aber mit dem Messer zu ritzen sind; sie kleben an der Zunge fest, sind von rein milchweisser, etwas bläulicher Farbe, bei durchgehendem Lichte gelb, halbdurchsichtig bis undurchsichtig, Stücken von Opal oder Milchglas und selbst gehacktem Zucker nicht unähnlich, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. xXIX Ueber die Entstehung des Tabaschir in den Bambusstengeln sind keine genaueren Untersuchungen bekannt; da jedoch in den unreinen Stücken Gewebstheile parenchymatischen Bambusmarks eingeschlossen, und sie auch von Pilz-Mycelfäden durchzogen sind, so müssen dieselben in flüssiger, vielleicht gallertartiger Form ausgeschieden und erst nach- träglich erhärtet sein. Die merkwürdigen optischen und sonstigen physi- kalischen Eigenschaften des Tabaschir, sowie die nicht minder inter- essanten botanischen Verhältnisse sollen an anderen Orten besprochen werden. (Siehe den Bericht der Botanischen Section, Sitzung vom 28. October 1886.) Herr Geheimrath Heidenhain spricht über die Resorption der durch die Einwirkung der Verdauungssäfte bereits verflüssigten Nahrungsmittel. - Er erwähnt, dass die vorliegenden Einrichtungen sehr geeignet sind, von dem rein physikalischen Mittel der Diffusion Gebrauch zu machen, Indess haben die Untersuchungen seiner Schüler ergeben, dass die Natur hier noch feinere Mittel angewandt hat. Während nach den physika- lischen Diffusionsgesetzen reines Wasser am schnellsten resorbirt werden müsste, fand Hofrath Gumilewski unter H.’s Leitung, dass schwache, '/),—!/, procentige Kochsalzlösung weit begieriger aufgenommen wird; bei höherer Concentration verlangsamt sich dagegen die Re- sorption wieder. Der Zusatz geringer Quantitäten Kochsalz zur Nahrung und der Genuss von Mineralwassern mit schwachem Salzgehalt befördern also die Resorption und damit die Ernährung. Herr Prof. Auerbach demonstrirt eine seltene Bandwurmform von einem dreijährigen Knaben. Es ist eine Doppelbildung der Taenia saginata,; die Proglottiden derselben sind dreiseitig prismatisch mit flügelartig vorspringenden Kanten. Zwei dieser flügelartigen Kanten sind höher und bergen die Geschlechtsorgane; sie liegen symmetrisch zu der dritten schmaleren Kante, welche allein die Oeffnungen der Geschlechtscanäle trägt. Der Kopf des Thieres wurde nicht gefunden und ist überhaupt nur von bei Thieren gefundenen Exemplaren bekannt. Er zeigt daselbst statt der normalen vier, sechs Saugnäpfe. Vortragender bedauert, nicht in der Lage ge- wesen zu sein, Fütterungsversuche mit den Proglottiden anzustellen, um so zu ermitteln, ob diese Missbildung erblich ist und daher zur Ent- stehung einer neuen Gattung Veranlassung geben könnte. Professor Poleck sprach über Carl Wilhelm Scheele. Die gegenwärtige wissenschaftliche Gestaltung der Chemie datirt von der Entdeckung des Sauerstoffs, Scheele entdeckte ihn 1774 auf schwedischem Boden. Er selbst war ein Deutscher, am 19. December IX Jahres- Bericht 1747 in Stralsund als Sohn eines Kaufmanns geboren und starb am 21. Mai 1786 als Besitzer einer kleinen Apotbeke in Köping am Mälar- see. Der Vortragende hatte die 100 jährige Wiederkehr dieses Tages zu einer Gedenkfeier in seiner akademischen Vorlesung gestaltet, um „einen Entdecker zu ehren, dessen Ruhm unabhängig von jedem Wechsel der Theorie ist und welchem für immer eine ausgezeichnete Stelle unter den bedeutendsten Koryphäen der Chemie gesichert bleibt.“ An dieses Centenarium glaubte er auch in der gegenwärtigen Versammlung erinnern zu dürfen. — Die Bedeutung eines bahnbrechenden Forschers wird nur dann ganz verstanden, wenn man den Zustand seiner Wissenschaft vor ihm ins Auge fasst. In gedrängter Skizze wurde der Alchemie, ferner der Auffassung der Chemie durch Paracelsus, der von Stahl auf- gestellten Hypothese des Phlogistons und endlich der vorzüglichsten Arbeiten von Scheele gedacht, welche in die Zeit von 1771 bis 1786 fallen und alle den Stempel originellen Forschens tragen. Mit den ein- fachsten Hilfsmitteln, aber mit einem seltenen experimentellen Geschick und einem eminenten Scharfsinn produeirte er eine Fülle von wichtigen Entdeckungen, wie vor ihm kein anderer und nach ihm nur wenige Chemiker. In seiner Untersuchung der sauren Pflanzensäfte lehrte er die Verschiedenheit der Weinsäure, der Aepfelsäure, der Citronensäure, der Kleesäure kennen, er entdeckte die Blausäure, die Milchsäure, das Glycerin. In seiner Arbeit über ‚‚Luft und Feuer‘ ist die Entdeckung des Sauerstoffs enthalten. Bei der Untersuchung des Braunsteins ent- deckte er vier Elemente, Mangan, Sauerstoff, Chlor und das Baryum etc. etc. In allen seinen Entdeckungen und Beobachtungen waren es in erster Linie die thatsächlichen Verhältnisse, welche er klar legte; in seinen theoretischen Ansichten gehörte er noch ganz der Schule Stahl’s an, er kam über das Phlogiston, nach Stahl der hypothetische Bestaud- theil aller brennbaren Körper, nicht hinaus, obwohl er selbst das reichste Material zum Sturz dieses Systems gefördert hatte. Die Consequenzen seiner Arbeiten zu ziehen, war einem anderen genialen Forscher, Lavoisier, vorbehalten. — Ueber den Lebensgang von Scheele wurde noch bemerkt, dass er mit 15 Jahren als Lehrling in eine Apo- theke in Gothenburg trat, dann als Gehilfe in den Apotheken von Upsala und Stockholm mit den hervorragenden Gelehrten der Universität in enge Verbindung trat, 1775 zum Mitglied der Akademie gewählt wurde, aber erst 1777 seine pharmaceutische Staatsprüfung zurücklegte. Die Entdeckung des Schwefelkalium-Phosphors durch Scheele in seiner Arbeit über „Luftzünder‘‘ 1786 gab dem Vortragenden Ver- anlassung, das betreffende Experiment anzustellen und an dieses sowohl, wie an die ebenfalls vorgeführte Selbstentzündung des Zinkäthyls, einer farblosen Flüssigkeit, einige Bemerkungen über den Verbrennungsprocess zu knüpfen, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XXXI Herr Professor Schneider spricht über die Eingeweidewürmer der Hummel (Sphärularia Bombi). Wenn man im Frühjahr die Eingeweide einer Humm:] zerreisst, so kann man sicher sein, wenigstens in der Nähe von Breslau, dass die fünfte Hummel diese Eingeweidewürmer enthält. In Spiritus conservirt, werden äusserst zahlreiche kleine und grössere Würmer, welche in einer einzigen Hummel gefunden worden waren, vorgezeigt. Die Lebensgeschichte der Eingeweidewürmer zeigt, wie innig die Existenz derselben an diejenige ihres Wirthes geknüpft ist. In Bezug auf Uebertragung sind sie sehr eigensinnig und letztere misslingt schon an ganz nahen Verwandten des Wirthes.. Auch die Hummelparasiten sind völlig an die Entwicklung ihres Nährwirthes gebunden. Gegen den Winter begiebt das Hummelweibchen sich in die Erde und verbleibt daselbst, um im Frühjahr herauszufliegen und alsbald einen Staat zu sründen. Die Jungen sind geschlechtslose Arbeiter, welche den ganzen Sommer hindurch aus den Eiern entstehen. Schliesslich bilden sich Männchen und Weibchen, nach deren Begattung die ganze Colonie aus- einandergeht. Alles stirbt ab ausser den Weibchen, die allein ein Jahr lang leben und wieder in die Erde hineinschlüpfen. Nur diese Winter- weibchen werden von den Parasiten befailen, welche zahlreich in der Erde bereits darauf warten, auf die Hummel überzugehen. Befallene Hummelweibehen können keinen neuen Staat bilden, sie fliegen nach ihrem Auskriechen ängstlich herum, dabei lassen sie die jungen Parasiten fallen und diese zerstreuen sich so auf die Erde, wo sie zu geschlechts- reifen Thieren erwachsen. Dr. Meusel, ausgehend von der bekannten nachtheiligen Wirkung rhodanhaltigen schwefelsauren Ammoniaks auf landwirthschaftliche Nutz- pflanzen, zeigte zunächst durch Reactionen mit Gerbsäure, Alkohol etc. das eigenthümliche Verhalten einer Rhodanlösung, die längere Zeit in Berührung mit Bohnen oder anderen Sämlingen gewesen ist. Rhodanate ziehen phosphorsaure Salze und besonders Eiweissstoffe aus Bohnen und Erbsen. Waren die Lösungen concentrirter, so zeigt sich auch die Stärke der Samenlappen stark angegriffen. Dieser Befund führte zum Studium der direeten Einwirkung von löslichen Rhodanaten auf Stärke, Eiweisskörper und verwandte Stoffe. Lösliche Rhodanate wurden dabei als Quellungskörper par excellence erkannt. So verkleistert eine 15—20procentige Lösung Stärke bei gewöhn- licher Temperatur sofort. Eine 10Oprocentige Lösung thut dasselbe bei 40°, Ein Theil des Rhodansalzes kann ersetzt werden durch Chlorcaleium sowie, aber mit schwächerem Erfolg, durch Kochsalz. SEN Jahres - Bericht Chlorcaleium selbst kann auch als Quellungskörper für Stärke ver- wendet werden. Eine 30procentige Chlorcaleiumlösung kann Stärke bei gewöhnlicher Temperatur gleichfalls verkleistern. Besonders auffallend erscheint die Quellkraft der Rhodanate auf Haut. Das Rhodan im Speichel hat jedenfalls die Eigenschaft, die Mund- schleimhaut stets feucht und geschmeidig zu erhalten und die Umsetzung von Stärke in Zucker zu unterstützen. Schwache Lösungen erhalten Haut lange elastisch und feucht. Con- centrirte Lösungen von 20—25 pCt. verwandeln Haut bleibend, ohne Zerstörung der Structur, in eine Masse, welche elastisch ist wie Kautschuck. Eiweisskörper resp. deren Lösungen (Eiweiss und Blutserum) quellen sofort, indem sie bei Zusatz von festen Rhodanaten gerinnen, langsamer bei Zusatz concentrirter Rhodanlösungen. Das Gerinnen beruht auf einer Quellung durch Wasser, denn bei 40° getrocknetes Hühnereiweiss kann man bis auf 85° längere Zeit hin- durch trocken erhitzen, ohne demselben die Löslichkeit zu nehmen. Dialysirtes Hühnereiweiss in dieser Weise getrocknet, dann erhitzt, hierauf gelöst und gekocht, gerinnt zu einer fast durchsichtigen Masse. Gerinnen des Eiweisses erhält man am leichtesten, wenn man mit Phosphorsäure ansäuert und dann Rhodansalz zusetzt. Der Vorgang kann auch als sehr empfindliche Reaction auf Eiweiss dienen, leicht kann '/,, pCt. so nachgewiesen werden. Während Rhodanate quellend auf Haut wirken, wurde von Carbol- säure und Saliceylsäure relativ eine Schrumpfung veranlasst. Es trat diese verschiedene Wirkung eigenthümlich hervor gegenüber der Hautwirkung auf gequollene Stärke. Letztere Wirkung, die Sacha- rifieirung, tritt übrigens auch auf wie bekannt bei Kleber, und im ge- ringen Umfang fand ich dieselbe bei Collodiumhaut und bei Pergament- papier. Diese Sacharifieirung ist also ein ziemlich allgemeiner, weder an einen bestimmten Stoff, noch an etwas Organisirtes gebundener Vor- sang, es ist eine Oberflächenwirkung in einer Flüssigkeit, besonders auftretend bei Körpern, die mehr oder weniger Diffusion gestatten. Die Sacharifieirung durch Haut wird begünstigt durch quellende Körper wie Rhodancalium und Chlorcaleium. Besonders auffallend thut dies auch eine ",—-1procentige Salpeterlösung. Diese letzte Erscheinung interessirt insofern besonders, als sie ebenso mit Kleber auftritt und so die schnelle Wirkung des Salpeters auf den Vegetationsprocess erklärt, indem also der Salpeter nicht blos Nährstoff ist, sondern auch Lebenskraft durch seine Umsetzung der Stärke mit sich bringt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XXXII Diese Sacharifieirung durch Haut oder Kleber mit oder ohne be- günstigende Salze wird ganz oder theilweis aufgehoben durch die schrumpfende Carbolsäure oder Salieylsäure. Neuerdings beobachtete Griffith, dass auch die Wirkung der Diastase durch Carbolsäure aufgehoben wird, Es erklärt sich hiernach die desinfieirende Wirkung von Carbolsäure und Salieylsäure auch gegenüber den Mikroorganismen, Durch die schrumpfende Eigenschaft auf Oberflächen fester Körper wie einzelner grosser Moleküle, zu denen wohl alle Fermentkörper ge- rechnet werden müssen, wird deren Oberfläche alterirt respective deren Oberflächenwirkung aufgehoben oder beeinträchtigt. Nur auf mechanische Wirkung kann eine Erklärung der Ferment- wirkungen sich stützen, sei es bei Molekülen oder bei Organismen (welch letztere doch wahrscheinlich wieder Fermente enthalten oder produeiren). Der Gegenstand des Vortrags wird demnächst eingehender in einer besonderen Schrift veröffentlicht werden. Einzelne Demonstrationen und Experimente dienten zur Erläuterung. Herr Professor Engler hielt einen Vortrag über die ameisenliebenden epiphytischen Rubiaceen, die im ganzen malayischen Gebiet, namentlich auf den Inseln von Sumatra bis zu den Fidschi-Inseln nicht selten sind. Vortragender demonstrirt an Spirituspräparaten zwei der hierher gehörigen Gewächse, _ Hydnophytum montanum Bl. und Myrmecodia echinata Gawl, aus Java, und bespricht folgende Werke: Odoardo Beccari, Malesia Vol. U, Fase. 1—3, Genova 1884/85 und Treub, Annal. du jard. bot. de Buitenzorg III. Leide 1883. Diese Rubiaceen besitzen Knollen, oft von der Grösse eines Kinder- kopfes, welche Sprosse mit einfachen, gegenständigen Blättern tragen, zu deren beiden Seiten die Blüthen in kleinen Höhlungen stehen. Die Knollen besitzen eine grosse Zahl von kammerartigen Löchern, die nach aussen münden und zum Theil unter sich in Verbindung stehen. Diese Höhlungen dienen regelmässig rothen und schwarzen Ameisen als Schlupf- winkel; für die Pflanze selbst haben sie einerseits Bedeutung als Durch- lüftungssystem, anderseits dürfte der in ihnen von den Ameisen hinter- lassene Detritus der Pflanze von Vortheil sein. Zu beachten ist, dass die Wände mit Organen versehen sind, welche wahrscheinlich als Ab- sorptionsorgane wirken, und dass Vortragender auch echte Wurzeln in den Höhlungen fand. Es stellt sich nun die Frage, ob diese Pflanzen von jeher auf das Zusammenleben mit Ameisen angewiesen waren, oder ob die letzteren sich allmählich an die Benutzung der in den Knollen entstandenen Hohlräume gewöhnt haben. Beccari ist der ersteren An- 1886. C XXXIV 1 Jahres-Bericht sicht: nach ihm entstehen die Kammern durch den Biss der Ameisen; wenn die Verletzung durch die Ameisen und die darauf folgende Höhlen- bildung unterbleibt, soll die junge Pflanze zu Grunde gehen. Nach Treub sind dagegen die Ameisen für das Zustandekommen der Höh- lungen nicht erforderlich; auch gelang es dem genannten Forscher, Myr- mecodien ohne Ameisen lebend zu erhalten. Die Entwicklungsgeschichte, welche Vortragender ausführlich referirt, macht es wahrscheinlich, dass die ersten Höhlen in dem hypocotylen Glied der Pflanze ohne Zuthun der Ameisen sich ausbilden können. Späterhin aber dürften die Ameisen die Communication der Höhlungen herstellen und auch durch Bisse zur Entstehung neuer Höhlen Veranlassung geben. Die mit der Höhlen- bildung in Zusammenhang stehende Vergrösserung des Knollenvolumens kommt der Pflanze insofern zu gut, als dadurch auch das Volumen des Wasser speichernden Gewebes erheblich vermehrt wird. Herr Professor Hermann Cohn demonstrirte eine kleine Tafel zur Prüfung der Sehschärfe der Schulkinder. Das grosse Verdienst, zuerst rationelle Buchstaben-Tafeln zur Be- stimmung der Sehschärfe herausgegeben zu haben, gebührt Professor Snellen in Utrecht. Bereits vor 20 Jahren wurden sie vom Vortragenden benuützt; allein Buchstaben von gleicher Grösse sind doch nicht gleich gut sichtbar, da die Form derselben auf die Erkennbarkeit Einfluss hat. Sowohl deswegen, als auch zur Prüfung von Analphabeten construirte Snellen im Jahre 1869 Tafeln mit Vierecken, deren eine Seite offen war. Der Vortragende sah jedoch ebenso wie Arlt und Schuleck (Monatsbl. f. Augenheilk. 1871. Bd. 9. pag. 319), dass jene Figuren weiter erkannt wurden, als die entsprechend grossen Buchstaben. Daher fand sich Snellen veranlasst, die viereckigen Zeichen durch einen hori- zontalen Querstrich schwerer lesbar zu machen, so dass in den späteren Auflagen Eartige Figuren von verschiedenen Grössen erschienen. Für einzelne Untersuchungen sind diese Hakentafeln sehr brauchbar; allein für Massen-Untersuchungen bieten sie zu wenig Stoff; jede Grösse hat höchstens 8 Zeichen, welche leicht auswendig gelernt werden, so dass man schwer unterscheiden kann, was gelesen, oder was nur ge- rathen wird, ° Um diesem Uebelstande zu begegnen, liess der Vortragende schon 1871 mehrere Zeilen gleich grosser Haken anfertigen, die gedreht werden konnten, so dass bei den Untersuchungen in Schreibershau sowohl damals als 1883, wo der Einfluss der Beleuchtung auf die Sehschärfe ausgeprüft wurde (vgl. Arch. f. Augenheilk. 1884, Bd. XIII. pag. 223), jedes Rathen ausgeschlossen wurde. Um diese Tafel auch Andern, besonders Lehrern bei Schülerunter- suchungen zugänglich zu machen, liess der Vortragende dieselbe litho- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Pa» A; graphiren. Sie enthält 36 Haken (6 Reihen zu je 6) und hat an den vier Seiten Oesen, an denen sie aufgehängt werden kann. Es dürfte kaum möglich sein, dass Jemand, selbst wenn er mit dem glänzendsten Gedächtnisse ausgestattet ist, sich die Haken von rechts nach links oder umgekehrt, von oben nach unten oder umgekehrt, von vorn nach hinten oder umgekehrt in allen vier Stellungen der Tafel auswendig lernen kann. Jeder Schüler wird nun in 6 m Entfernung der Tafel gegenüber gestellt und hat rasch anzugeben, nach welcher Richtung die Haken offen sind: oben, unten, rechts oder links. Wer dies im Stande, hat die von Snellen als Maasseinheit angenommene Sehschärfe Visus (V) = %, —=1. Wer sie auf 9 m liest hat V — °/,, wer auf 12 m hat '”/, = doppelte Sehschärfe; wer jedoch bis 5, 3, 1 m herantreten muss, hat nur V= %» %; )e- Personen, welche einen geringeren V als °, zeigen, können be- kanntlich häufig durch richtige Coneav- oder Convexgläser normalen V erhalten. Das schwächste Concavglas, mit dem die Haken noch in 6 m gelesen werden, giebt den Grad der Kurzsichtigkeit, — das stärkste Convexglas, mit dem dies möglich ist, den Grad der Uebersichtig- keit an. Um auch diese Bestimmung in einer Minute ausführen zu können, hat der Vortragende Serien von Concav- und Convexgläsern durch Optikus Heidrich (Schweidnitzerstrasse Nr. 27) in lange Holzleisten fassen lassen, die schnell vor dem Auge vorübergezogen werden. (Sie kosten nur den fünften Theil eines Brillenkastens,.) Als neuer Factor wurde vom Vortragenden die Zeit, in welcher die Tafel vorgelesen wird, eingeführt; sie hängt wesentlich von der Beleuchtung ab. Bei 1 Meter-Kerze (MK) kann selbst das beste Auge kaum eine Zeile der Tafel in 1 Minute entziffern, bei 10 MK knapp alle 6 Zeilen in 1 Minute, bei 25 MK alle Zeilen in 36 Secunden und bei 50 MK bequem in 20 Secunden. Das Tageslicht schwankt ausserordentlich; an Schülerplätzen fand es der Vortragende zwischen 1 und 1410 MK. Wenn die Tafel nicht mehr in 36 Secunden vom gesundeu Auge in 6 m vorgelesen wird, ist die Beleuchtung des Tafelplatzes für den Unterricht zu gering. Darum sollte die Tafel (welche auf denselben Carton gedruckt ist, der für Weber’s Photometen benutzt wird) als Lichtprüfer in jeder Klasse hängen. Die Tafel ist auch für die Prüfung der Augen der Soldaten und besonders der Bahnbeamten zu empfehlen. Letztere werden bekannt- lieh nur angestellt, wenn sie V = °/, haben; sie lernen daher, um guten V vorzutäuschen, mitunter die Buchstaben von Snellen auswendig. Bei dieser Tafel ist aber jede Präparation unmöglich. Die Tafel ist NXXVl Jahres-Bericht nebst Erklärung von der Buchhandlung des Herrn Priebatsch in Breslau zu dem billigen Preise von 40 Pf. zu beziehen. Herr Oberstabsarzt Dr. Schröter legt das erste Exemplar seiner soeben fertig gewordenen 2. Lieferung der schlesischen Kryptogamen- flora, Abtheilung Pilze, vor. Dasselbe enthält eine Bearbeitung sämmt- licher Baeterien, der Chytridiaceen, Entomophthoraceen und Mucoraceen. Er betont, dass für die in dem Heft abgehandelten Chytridiaceen, be- sonders Synchytrium, sowie für die Gattungen Protomyces und Physoderma gerade die Umgegend von Liegnitz ganz besonders begünstigt sei. In Folge des häufigen Austretens der Katzbach und des Schwarzwassers finden sich hier von diesen Pilzen so viele Formen, wie nirgends, von Synchytrium allein etwa 120 Formen, welche hauptsächlieh durch den unermüdlichen Sammelfleiss des Herrn Lehrer Gerhardt in Liegnitz zu unserer Kenntniss gelangt sind. Eine grosse Anzahl von Zeichnungen der Synchytrien wird von Herrn Dr. Schröter der Versammlung vor- gelegt. Nach Schluss der wissenschaftlichen Sitzung begann in dem grossen Schiesswerdersaal das Diner, welches durch zahlreiche Toaste theils ernsteren, theils humoristischen Inhalts, sowie durch ein vortreffliches, von Herrn Oberstabsarzt Dr. Schröter verfasstes Festlied gewürzt wurde, so dass unter den Anwesenden bald allgemein die fröhlichste Stimmung Platz griff. Herr Geheimrath Heidenhain brachte den Toast auf Se. Majestät den Kaiser aus, Herr Kreisphysikus, Sanitätsrath Dr. Stadthagen auf das Präsidium der Schlesischen Gesellschaft, Geheim- rath Biermer liess das Liegnitzer Comit& leben, welches mit so grosser Liebenswürdigkeit das heutige Tagen der Versammlung vorbereitet hatte, Der Toast des Landgerichtspräsidenten Witte galt den naturwissenschaft- lichen und medicinischen Sectionen, und Professor F. Cohn brachte sein Hoch der alten Lygierstadt mit ihren historischen Erinnerungen und ihrer glänzenden Verjüngung in den prächtigen Promenaden, den ge- schmackvollen öffentlichen und Privatbauten, der Blüthe ihres Handels und ihrer Industrie, ihren vortrefflichen Schulen und ihrem thatkräftigen Bürgerthum. Als Erwiderung folgte die Rede des Herrn Oberbürger- meister Oertel mit einem Hoch auf die Breslauer Alma mater sowie von Dr. Süssbach auf die anwesenden Universitätsprofessoren. Prof. Förster brachte noch speciell den Herren Geheimrath Heidenhain und Oberbürgermeister Oertel sein Glas, indem er ihnen für das gute Gelingen der heutigen Versammlung im Namen der Theilnehmer dankte, Professor Poleck liess den Dichter des mit lebhafter Sympathie auf- genommenen Tafelliedes, Commercienrath Rosenbaum die Frauen leben und Geheimrath Römer forderte mit launigen Worten zum Beitritt neuer der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. xXXXVII Mitglieder in die Gesellschaft auf, welche er im Voraus durch seinen Toast hochleben lasse. Am Schlusse der Tafel hatten sich als Zeichen des regen wissenschaftlichen Strebens bereits 31 Herren aus Liegnitz als neue Mitglieder der Gesellschaft eingezeichnet. Nach einer Rundfahrt in freundlichst zur Verfügung der Gäste ge- stellten Equipagen durch und um die Stadt Liegnitz, bei welcher ins- besondere die neuen Wasserwerke besichtigt wurden, versammelten sich alle Theilnehmer wiederum im Schiesswerdergarten, woselbst ihnen zu Ehren ein Militairconcert veranstaltet wurde. Der Beginn des abend- lichen Feuerwerks konnte noch mit angesehen werden, dann aber rief die vorgerückte Zeit die Breslauer Herren nach dem Bahnhof, woselbst mit dem letzten Zug die Rückfahrt angetreten wurde. Theilnehmer an der Sitzung der naturwissenschaftlichen und medieinischen Section der Schlesischen Gesellschaft zu Liegnitz am 4 Juli 1886. Oertel, Oberbürgermeister in Liegnitz. v. Stockhausen, Landgerichts-Präsident in Liegnitz. Dr. Stadthagen, Kreis-Physikus und Sanitätsrath in Liegnitz, Prof. Dr. R. Heidenhain, Geh. Medicinalrath in Breslau. Prof. Dr. Ferd. Römer, Geh. Bergrath in Breslau. Dr. Bermann, Gymnasial-Conrector in Liegnitz. Prof. Dr. Ferd. Cohn in Bresiau. Professor Leopold Auerbach in Breslau. Professor Wilhelm Roux in Breslau. Görlitz, Lehrer an der Wilhelmsschule in Liegnitz. Dr. E, Eidam in Breslau. . F. W. Rosenbaum, Commerzienrath in Breslau. Robert Waeber, Seminarlehrer in Liegnitz. Dr. H. Müller, Realschullehrer in Liegnitz. Dr. Kosmann, Bergmeister in Breslau. . B. Stein, Garten-Inspeetor in Breslau. . Professor Dr. A. Engler in Breslau. . Dr. Schröter, Ober-Stabsarzt in Breslau. Schmidt, Ober-Regierungs-Rath in Breslau. Professor Dr. Biermer, Geh. Medicinalrath in Breslau, Pa de de ud De bh dad pe je jeunh soanSsSpPpRn nm op npurpm- NO) - XXXVII Jahres-Berichi 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27, 28. 29. 30. 31. 32. 39. 34. 35. 36. 37. 51. 94, Professor Dr. Hermann Cohn in Breslau. Hesse, Amtsgerichts-Rath in Breslau. Professor Dr. Förster in Breslau. Professor Dr. Ponfick, Medieinalrath in Breslau. Professor Dr. A. Neisser in Breslau. Professor Dr. Richter in Breslau. Dr. Senftleben, Stabsarzt in Breslau. Dr. Wernicke, Medicinalrath in Breslau. Dr. Grempler, Sanitätsrath in Breslau. Dr. Philipp, Regierungs- und Medieinal-Rath in Liegnitz. Schumann, Königlicher Hofapotheker in Liegnitz. Dittrich, Kreis-Gerichts-Rath in Liegnitz, Th. Lebek, Apotheker in Breslau. Dr. Julius Freund, Zahnarzt in Breslau. Dr. Basler, prakt. Arzt in Goldberg. Dr. Alter, Director in Leubus. Professor Dr. Hirt in Breslau. Peltasohn, Rechtsanwalt in Liegnitz. Riedel, Lehrer in Liegnitz. . Hermann, Regierungsrath in Breslau. v. Ammon, Oberbergrath in Breslau, . Fr. Ledien, Obergärtner, z. Z. in Breslau. . E. Frank, Rittergutsbesitzer auf Mittel-Stradam. Dr. Schmiedel, prakt. Arzt in Breslau. . Hermann Werner, Apotheker in Breslau. . Sonntag, Apotheker in Wüstewaltersdorf. Dr. La Roche, Arzt in Liegnitz. . Dr. Mahrenholtz in Liegnitz. Dr. Meusel in Liegnitz. Dr. H. Kunisch in Breslau. Dr. Giessmann, Apotheker in Breslau. Julius Müller, Apotheker in Breslau. Fendler, Rechtsanwalt und Notar in Breslau. Dr. Ulrich, Mediecinal-Assessor in Breslau. Dr. Rosenberg, Redacteur in Liegnitz. G. Limpricht, Lehrer in Breslau. . Dr. Lunge, Amtsgerichtsrath in Breslau. Dr. Lustig in Liegnitz. Dr. Neisser, Sanitätsrath in Liegnitz. Dr. Walter in Liegnitz, Dr. Sioli, Director in Bunzlau. Ragoczy in Liegnitz, Dr. Kretschmer in Liegnitz. u u 64. «69. 66. 67, 68. 69, 70. 71. 12. 73. 74. 75, 76. BR; 78, 13, 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. 87, 83. 89. 90, 91. 92. 93. 94. 95. 96. 97. 98. 99. 100. 101. 102. 103. 104, 105. 106. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XXI Dr. F. Röhmann in Breslau. Julius Rother, Stadtrath in Liegnitz. Dr. Schloekow, Sanitätsrath in Breslau. Schumann, prakt. Arzt in Breslau. Zimmermann, Lehrer in Striegau. H. Harttung, Apotheker in Jauer. G. Gumilewski aus Kasan. Dr. Weissstein, Apotheker in Breslau. Dr. Callomon in Breslau. F. R. Kaisser in Breslau. Dr. Krause, Geh. Sanitätsrath in Liegnitz. Dr. Seidel, Apothekenbesitzer in Liegnitz. W. Trautmann, Apothekenbesitzer in Liegnitz. Dr. Woggert in Liegnitz. J. Siegert in Liegnitz. Figert, Lehrer in Liegnitz. v. Stöltzer, Lehrer an der Landwirthschaftsschule in Liegnitz. G. Sehlinke, Fabrikbesitzer in Liegnitz. Kolbe, Rector in Liegnitz. Gensel, Lehrer in Liegnitz. Dr. Rohde in Breslau. Jochmann, Gas- und Wasser-Director in Liegnitz. Dr. Neisser in Liegnitz. Dr. Merle in Liegnitz. Dr. Heidingsfeld in Liegnitz. Dr. Nerger in Liegnitz. Dr. Gürich in Breslau. Dr. Frankenbach, Rector in Liegnitz. Ziegler, Pastor prim. in Liegnitz. C. Schwarz, Kaufmann in Liegnitz. Röhr, Rector in Liegnitz. Härtel, Taubstummenlehrer in Liegnitz. Preusse, Oberstabsarzt in Liegnitz, Felix Hübner, Fabrikbesitzer in Liegnitz. Gent, Gymnasiallehrer in Liegnitz. Röhricht, Rechtsanwalt in Liegnitz. Kossmann, Amtsrichter in Liegnitz, J. Gerhardt, Lehrer in Liegnitz. Dr. W. G. Schneider in Breslau. Dr. Lüddecken in Liegnitz. Gleisberg, Klenke in Liegnitz. Dr. med. Gottstein in Breslau. XL 107, 108. 109. 110. 111: 112. 115. 114. 115. 116. 140, Jahres - Bericht G. Lange, Stadtrath in Liegnitz. Professor Poleck, Geh. Regierungsrath in Breslau. Professor O. E. Meyer in Breslau. Witte, Landgerichts-Direetor in Breslau. Professor Dr. Schneider in Breslau. Dr. R. Kohn in Breslau. Dr. Schwahn, Physikus in Breslau. Pfeiffer, Kaufmann in Breslau. E. Trewendt, Buchhändler in Breslau. Dr. Schönborn, Oberlehrer in Breslau. Scholz, Lehrer in Jauer. Kassen-Abschluss für das Jahr 1886. Allgemeine Kasse, Einnahme, An Bestand aus dem vorigen Jahre . An Zinsen von Eiffecten . An Beiträgen einheimischer Mitglieder: Pro I. Semester von 291 Mitgliedern & 9 M. „ a9 ,. II. 305 ” ”) ” An Beiträgen auswärtiger Mitglieder: Pro I. Semester von 59 Mitgliedern & 6 M . ” II. vb) ” 34 ’b) a 6 „ Miethsbeitrag vom Schlesischen Gewerbe-Verein. 5 „ klassischen Musik-Verein 55 von verschiedenen Vereinen . Jahres-Beitrag vom hiesigen Magistrat . Aussergewöhnliche Einnahmen: Für Gasbenutzung Verkaufte Drucksachen u. s. w. Valuta für zur Rückzahlung gelooste Oberschlesische gationen. Erkaufte Effecten: Vorschuss . Preuss. cons. 4proc. Anleihe . 2619 M — % DIA en 354 M 7a a 333 ) 13 M 75% DOBE ER LU Prioritäts - Obli- Ist eingekommen Effeeten M 39400 42400 braram:; 21 367 12595 5350. a 86 40 19 Ist EL SANDAN Allgemeine Kasse, Effecten Baar Ausgabe. M 0 Für Miethe einschliesslich Wassergeld . — 1860 = Honorare und Remunerationen — | 8677| 50 Gehalt dem Castellan und Pension 1 1300, Neujahrsgeschenk dem Haushälter . — In Heizung. = ac 998 90 Beleuchtung . — 1 299| 16 Unterhaltung der Mobiken an Neranselialneen en 16 | 40 Feuerversicherungs - Prämie . — 1.120) — Schreibmaterialien — 17 3 Zeitungs-Annoncen -— | 387 | 60 Druckkosten . — | 3144 | 85 Buchbinder- Aulkiten. eh 2199, 53 Porto. = 1,2190) 70 Kleine Pisgallen A — a) 108 25 Naturwissenschaftliche Section CC ie Entomologische Section — — Technische Section . — —,— Botanische Section = ala) — Medieinische Section |, Se Bibliothek . — ei — Unvorhergesehene Ansuaben — 453 30 Erkaufte Effeeten, 3000 Mark Pranse: cons. are AnlEne = 3156 | 75 Zur Rückzahlung gezogene Oberschlesische Prioritäts- Ko Hohen 150051 — | — Bestand am Schlusse des Jahres 1836. ir u 11000 ‚4 4% cons. Preuss. Anleihe. 5100 #4 4% Niederschl.-Märk. Eisenbahn-Prioritäts-Obligationen. 6000 AM 4% Breslau-Schweidn.-Freib. Eisenb.-Prior.-Oblig. | 2700 M 31%,% Oberschl. Eisenb.-Prioritäts-Oblig. Lit. E. | | 2700 M 4% 7500 M 4% r) b) „ 600 M 31,% Prämien-Anleihe. 300 AM Schlesische Bankvereins-Antheile. ) ) ’) Bülow, z. Z. Er lutzR: nl Gr. 42400 | 12595 | 19 Sehatzmeister der Gesellschaft. Kassen-Abschluss für das Jahr 1886. Ist eingenommen Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau. Einnahme. An Bestand aus dem Jahre 1885 . Mitglieder-Beiträgen: ” von 45 einheimischen Mitgliedern & 3 M „ 183 auswärtigen „ Beiträgen für den Lesezirkel: von 32 Mitgliedern & 3 M. „ Einnahme für den Garten und Erträgnisse desselben: Extra-Beiträge zur Unterhaltung des Gartens: ER ee 2) 5) von 29 hiesigen Mitgliedern „ 102 auswärtigen „, Erträgnisse des Gartens: für Edelobstbäume, Sträucher, Weinreben 3979 M 75% verschiedene Garten- Produete „ Subventionen: von dem Schlesischen Provinzial-Landtage . „ Zinsen von Effeeten und div. Zins-Eingänge. „ erkauften Effeeten: cons. 4% Preuss. Anleihe . 135 M— A| R ee Effecten M Baar MR 664 | 58 684 | — 96| — [22900 8794| 88 Ist verausgabt Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau. |....... M Ausgabe. Für den Lesezirkel: Journale und Bücher. 146 M — % Colportage . 108 „ — ,„ Buchbinderarbeit und Fetrdordiunnie Ä 7 „ PNämereien zur Gratis-Vertheilung: Sämereien, Empfangs- und Versendungs-Spesen. = „ Insgemein: Porto . 116 M 40 % Insertions- und Dfiekkosten. ee Angeschaffte Werke . 8:0 000, Kleine Ausgaben Cl 1007, Extraordinaria e 496 „, = „ den Garten: Gärtnergehalte, Heizung und Beleuchtung. . 1692 M 41 % Arbeitslöhne . ö „22a ., 2, Dunsgstoffe incl. uhrlalnn - IR.) Rn Don Sämereien, Obst-Wildlinge, ae, anne und Pflanzen . 449: 9,179 Baulichkeiten und iemalnsn 233,9 39uS] Insertions- und Druckkosten 307, K0r Porto und Extraordinaria. 242 „ 76 „ „ erkaufte Effecten: 1000 A 4% cons. Preussische Anleihe. — Kassen-Bestand für das Jahr 1887 . 22900 Baar NM % | | | 278 | 80 | 349 | 60 1353 | 87 | | | 5120| 46 1077| 80 614) 35 | 22900] 794 88 Stein, 2. Z. Secretair der Section. I. Bericht über die Thätigkeit der medicinischen Section im Jahre 1886, erstattet von den zeitigen Secretären der Section Fritsch und Ponfick. Sitzung vom 16. Januar 1886. Herr Elias spricht Ueber die Behandlung des genu valgum rachiticum durch die lineäre Osteotomie der Unterschenkelknochen. Die Behandlung des g. v. rach., früher ein unbestrittenes Vorrecht der Orthopädie, ist mit Vervollkommnung der ÖOperationstechnik und der antiseptischen Behandlungsmethoden allmälig der operativen Chirurgie zu- gefallen. Um die Erreichung dieses Zieles haben sich unter den deutschen Chirurgen Billroth durch Einführung der lineären Osteotomie der Tibia, Schede durch die keilförmige Exeision, in England Macewen durch die supra condyloidale Osteotomie besonders hervorgethan. Jede der drei genannten Operationen hat nach den Berichten der Autoren ihre Vorzüge. Aus den später zu entwickelnden Gründen erschien mir die lineäre Osteotomie die einfachste zu sein und habe ich aus einem ziem- lich reichlichen Material rachitischer Xbeine versucht, dieselbe nach allen Richtungen hin zu prüfen. Die folgenden Betrachtungen sollen in Kürze das Resultat einer Reihe von lin. Osteotomien beider Unterschenkelknochen geben, welche ich in den letzten Jahren gemacht habe. Ich werde auf die sonstigen Be- handlungsweisen und die verschiedenen Arten der Osteotomie nur inso- weit eingehen, als dies bezüglich meiner Fälle nothwendig ist und nur meine eigenen Erfahrungen mittheilen, die sich auf 34 Osteotomien stützen, von denen 21 die Tibia und 13 die Fibula betrafen. 1886. 1 9 Jahres- Bericht Wenn wir uns zunächst die pathologisch-anatomischen Verhältnisse der das g. v. rach. bildenden Knochen etwas näher betrachten, so stellt sich Folgendes heraus. Während es sich nämlich beim g. v. adolescen- tium meist um eine Deformität im untersten Theil der Femurdiaphyse handelt, in der gleichsam ein Keil neu gebildeten Knochens eingeschaltet erscheint (Macewen), welcher den Condylus internus verlängert und in seinem Masse vergrössert — beide Unterschenkelknochen dagegen normal sind — betheiligen sich bei Bildung des g. val. rach. oder infantum (Hueter) sowohl der Oberschenkelknochen als besonders die Tibia und Fibula. Nach Untersuchungen von 52 rachitischen Xbeinen lebender Kinder, sowie Knochenpräparaten des hiesigen pathologischen Instituts habe ich folgende Veränderungen wahrnehmen können. Bei sämmtlichen Kindern waren Zeichen frischer oder überstandener Rachitis vorhanden, Fast in allen Fällen waren die femora mehr oder minder gekrümmt mit der Convexität nach vorn und innen; in den schwersten er- schienen die Epiphysen nach hinten wie abgeknickt. Eine Verlängerung des Cond. internus habe ich niemals, eine Umbiegung des dem Con. int. angrenzenden Femurschaftes nach aussen nur einmal beobachtet. — Die Unterschenkelknochen zeigten bestimmte immer wiederkehrende Formen von Verkrümmungen, von denen 3 besonders hervorzuheben sind. Erstens war die Tibia dieht unter der tub. patellaris abgeknickt mit der Rich- tung nach aussen. In ihrer Configuration erschien sie unverändert; zweitens war die normal geformte Tibia etwas nach Innen gedreht; in den hochgradigen Fällen endlich, bei denen Verkrümmungen an andern Theilen des Skeletts niemals fehlten, war dieselbe unterhalb der Epiphyse gänzlich nach innen gedreht. Sie war dünn breit, hatte eine vollständige Säbelform mit der Convexität nach innen; in der Nähe des Malleolus internus wurde sie wieder schmal. An einzelnen Knochenpräparaten hatte sie eine Breite von 3 em und eine Dicke von 8 mm und füllte das spatium interosseum grösstentheils aus, wobei es zu breiten Synostesen beider Unterschenkelknochen kam. Die Patella war meist nach aussen verschoben. Die Wadenmuskulatur sass an der äusseren Seite des Unterschenkels. | Die Hauptveränderungen bestanden eben darin, dass an abnorm gekrümmte und gedrehte Diaphysenenden, wenig veränderte Epiphysen gesetzt sind, wie dies auch von Macewen hervorgehoben wird. Diese Verhältnisse boten Femur, wie Tibia. Ein ziemlich häufiger Befund waren osteophytenartige Auflagerungen am inneren Rande des oberen Tibiadrittels. Ueber die hygienischen Verhältnisse der Kranken sind weitläufige Mittheilungen überflüssig. Sie gehörten meist der armen arbeitenden Volksklasse an, die sich in schlechten Wohnungen aufhält und mangel- haft ernährt ist. Diese ungünstigen Verhältnisse veranlassten mich, für REEL? ELLE WE EBEE B22.:.00,.20v ETW der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3 die Kranken eine Behandlungsweise zu wählen, bei welchen die Deformität möglichst rasch, sicher und gefahrlos beseitigt wird. Im Allgemeinen hat man früher der mechanischen Behandlung des g. val. der Kinder den Vorzug gegeben; da der kindliche Knochen an und für sich biegsam ist und diese Eigenschaft beim rachitischen Prozess noch mehr erhält. Im Jahre 1879, als ich meine ersten lineären Osteo- tomien beim rachitischen Xbein machte, wurden im Allgemeinen noch nicht grade häufig blutige Operationen ausgeführt. Man begnügte sich ° mit der allmäligen Correction und dem Redressement fore&! Erstere durch Schienen mit Schraubenwirkung, durch Anlegung gepolsterter Aussen- schienen, durch corrigirende Gypsverbände und orthopädische Apparate. Man kann in der That mit der letzteren auch recht gute Resultate erzielen, wie ich mich in einigen früher behandelten Fällen überzeugt habe; doch ist die Behandlung immer eine sehr langwierige und theil- weise kostspielige und sind auch die Nachtheile einer längeren Inactivität der Extremität nicht zu unterschätzen. Schneller schon kommt man mit dem Redressement forc& zum Ziel und ist dies Verfahren von Delore warm empfohlen und vielfach angewendet worden. Epiphystentrennungen, Infractionen oder Biegung des Knochens, oftmals Zerreissungen der Seitenbänder, Quetschungen der Weichtheile sind Vorgänge, die mehr oder minder eintreten. Ich habe dasselbe in 3 Fällen versucht. Zwei Xbeine waren hochgradig; das dritte leichter. In den ersten beiden gelang das Redressement nur mit grösster Kraftanstrengung, wobei die Seitenligamente zerrissen. Delore selbst erzählt, dass es bisweilen des grössten Kraftaufwandes bedürfe und er nicht selten 16 Hände nöthig hatte, um ein Redressement aus- zuführen. Darin liegt nach meiner Ansicht neben anderen Gefahren die Unsicherheit der Methode, dass man nicht vorher bestimmen kann, ob sich bei der Reduction die Epiphysen trennen, oder die Seitenligamente zerreissen. Nach den Untersuchungen von Vogt sollen zwar einfache Trennungen an den Epiphysenlinien das Wachsthum des Knochens nicht dauernd stören; doch für die spätere Functionirung des Gelenkes ist die Verletzung des äusseren Ligamentes von grosser Bedeutung. Es ist eine allgemeine Erfahrung, die ich immer bestätigt gefunden habe, dass der Bandapparat bei rachitischen Kindern überhaupt locker und schlaff ist, daher finden wir bei allen rachitischen Xbeinen mehr oder minder seitliche Beweglichkeit im Knie. Der Grad der Dehnbarkeit der Seiten- ligamente hat auch auf das Endresultat der Behandlung einen grossen Einfluss. Die Reduction gelang, wie ich eben bemerkte, an den beiden hochgradigen Xbeinen vollständig; indessen wurde die seitliche Beweg- lichkeit noch bedeutend vermehrt und der Kranke musste Monate lang Gypsverbände und Stützapparate tragen und 2 Jahre später war noch eine gewisse Schlottrigkeit im Knie und Neigung zur Valgusstellung vor- 1* 4 Jahres - Bericht handen. — Der dritte Fall wurde ohne bedeutende Kraftanstrengung redressirt; doch konnte das Kind erst nach 5 Monaten ohne Verband gelassen werden. Mit dem Osteoclasten nach Rizzoli u. A. soll man zwar im Stande sein, den Knochen an jeder beliebigen Stelle zu zer- brechen, doch sind starke Quetschungen der Weichtheile bei einiger- massen festen Knochen nicht zu vermeiden, und die Heilungsdauer einer solchen Fraetur dürfte durchaus nicht kürzer sein als die einer lineären Östeotomie der Unterschenkelknochen. Von dieser erwartete ich bessere und schnellere Heilerfolge. Sie greift den Knochen an seiner gekrümm- ten Stelle direkt an, lässt das Gelenk, die Epiphysenlinien und die Bänder intact, macht kaum nennenswerthe Verletzung der Haut und Weichtheile und eine glatte \Wunde im Knochen. Ich bediene mich hierzu glatter 1—1'/, cm breiter dünner sehr scharf geschliffener Stahlmeissel. Nachdem der Unterschenkel und das Kniegelenk in der üblichen Weise gereinigt und desinfieirt worden, machte ich — anfangs unten Carbol- Spray — gewöhnlich 1 em unter der tub. patellaris mit einem gewöhn- lichen Scalpell einen 1 cm langen, genau zur Längsachse des Unter- schenkels verlaufenden Querschnitt in die Haut bis auf den Knochen. Hierauf wird in die Schnittwunde der Meissel eingesetzt und eine Rinne in die Knochensubstanz geschlagen. In diese drängt man den Meissel von der kleinen Hautwunde nach allen Richtungen wendend mit kurzen Schlägen immer tiefer in den Knochen, bis allmälig die ganze Knochensubstanz durchtrennt ist. Sobald die Markhöhle eröffnet wird, tritt eine Blutung aus den verletzten Markgefässen ein, die indessen durch Tamponade leicht gestillt werden kann, ohne dass der Meissel entfernt zu werden braucht. Bei der Osteotomie Erwachsener, wobei man gewöhnlich wegen der grösseren Härte der Knochen kräftigere Meissel anwenden muss, schlage man denselben in ein und derselben Richtung nicht zu tief ein. Es kommt nur zu leicht vor, dass dieser sich derartig fest einklemmt, dass die Entfernung auf die grössten Schwierigkeiten stösst. Um auch den letzten Rest der hinteren corticalis sicher und ohne Verletzungen der dahinter liegenden Wadenmuskulatur zu durchtrennen, fasse man den Meissel ganz kurz über den Weichtheilen und lasse leichte Hammerschläge auf denselben wirken, bis jeder Widerstand gehoben und das untere Fragment nach allen Richtungen hin frei beweglich ist. In diesem Öperationsakt bin ich von dem damals üblichen Verfahren abgewichen, nach welchem man nur die corticalis an der äusseren Seite durchmeisselte und den intacten Rest an der inneren entzweibrach. Die freie Beweg- lichkeit des untern Tibiafragmentes gegenüber der Billroth’schen Methode der Infraction gestattet dem Operateur, dem Unterschenkel jede noth- wendige und beliebige Drehung zu geben, ohne die in manchen Fällen eine brauchbare Correction überhaupt nicht möglich ist, In einem derartigen Falle mussten beide tibiae um ein Viertel eines Kreises nach Innen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 5 herumgedreht werden, da sonst der malleol. internus des operirten Unter- schenkels nach hinten zu stehen kam; in mehreren anderen genügten kleinere Drehungen. Nach vollständiger Durchtrennung der Tibia gelingt die Correction meistens leicht. Ist noch grösserer Widerstand vorhanden, so mache man in gleicher Höhe mit der Tibiawunde einen kurzen Längsschnitt auf die Fibula bis auf den Knochen, setze den Meissel erst in der Längsrichtung fest auf und drehe ihn, dass seine Schneide quer zur Längsachse des Knochens zu stehen kommt. Nun genügen wenige Schläge, um auch diesen zu durchtrennen. Die Manipulation mit dem Meissel ist zur Vermeidung von Peroneusverletzungen dringend anzurathen. Die Weichtheile bieten nunmehr der Gradestellung nur in seltenen Fällen Widerstände. In der Regel konnte ich die Unterschenkel in leichte Oberstellung hinüberziehen. Im Allgemeinen hat die corrigirte Tibia das Aussehen eines Bajonetts und ist die von Billroth gewählte Benennung des Bajonettbeines für diese Form recht bezeichnend. Die kleinen Wunden wurden mit je einer Catgutnaht geschlossen und mit einem Salicylwattekissen bedeckt. Darüber kam ein gewöhnlicher Gypsverband von der Mitte des Oberschenkels bis an die Zehen. Bei der säbelförmigen Tibia zeigen die Weichtheile gewöhnlich an der Aussenseite des Knies stärke Verkürzung und hat deshalb das untere Fragment grosse Neigung, in die Valgustellung zurückzugehen. Da sich nach der Correction die beiden Wundflächen des osteotomirten Knochens nur mit einer kleinen Fläche berühren, so weicht gleichzeitig auch das untere Fragment dem kräftigen Zuge der Wadenmuskulatur folgend gern nach hinten aus. Es bedarf darum bei Anlegung des Gypsverbandes oft mehrerer Schlingen, um auf dem beschränkten Öperationsfelde eine genaue Fixirung der Knochenfragmente zu ermöglichen. — Für solche Fälle würde sich die keilförmige Osteotomie nach Schede sehr wohl eignen. Die Ogston’sche Operation kommt beim g. val. rach. wegen der durch sie entstehenden Knochenwachsthumstörungen nicht in Betracht. Da sich unter den Öperirten auch mehrere Erwachsene befanden, deren Xbeine aus einer in der Kindheit überstandenen schweren Rachitis herstammten, habe ich zum Vergleich der Heilresultate am 17. April 1879 zuerst bei einem 18jährigen Pferdeknecht am linken Knie die Ögston’sche Operation, und an der rechten Tibia die lineäre Osteotomie ausgeführt. Ohne mich hier auf eine Kritik der ersteren einzulassen, verweise ich auf die Verhandlungen des Chirurgen-Congresses im Jahre 1884. Dort ist ihr ein wohlverdientes Ende seitens unserer berufenen Chirurgen bereitet worden, und gehört wohl diese Operation der Geschichte an, Das Endresultat sprach, wie zu erwarten war, zu Gunsten der lineären Osteotomie. Das linke Knie musste 8 Wochen nach der Operation noch gestützt werden und blieb danach schlottrig, während das rechte 6 Jahres-Bericht im ersten Gypsverbande reactionslos in 4 Wochen so fest heilte, dass der Kranke nach Abnahme des Verbandes ziemlich sicher auf- treten konnte. Das Resultat blieb auch für die Folge ein ausgezeichnetes, ebenso gut war es bei dem folgenden complieirteren Fall. Er betraf einen 18jährigen Schneidergesellen, welcher im 10, Jahre an Tumor albus des linken Knies mit Eiterung gelitten hatte. Nach jahrelangem Krankenlager heilten endlich die Fisteln mit spitzwinkliger Ankylose im Kniegelenk, das mit einer Anzahl tiefer Narben bedeckt war. Es wurde zunächst in tiefer Narkose eine gewaltsame Streckung versucht, die auch voll- ständig gelang. Hierbei stellte es sich heraus, dass mit zunehmender Streckung des Beines der Unterschenkel allmälig in die Xbeinstellung überging. Acht Tage später wurde die Correetion durch lin. Osteotomie der Tibia und Fibula mit Drehung des untern Fragmentes nach innen in der üblichen Weise vorgenommen. Der Kranke ging nach 6 Wochen mit vollkommen gestreckten und graden Beinen vortreffllich. Bei einem dritten Kranken — 19jährigen Kuhhirten — welcher neben einem hoch- gradigen doppelseitigen gen. valg. noch eine linksseitige traumatische Luxat. femor. iliac. hatte, wurde durch 1. Osteotomie beider Tibiae und Fibulae in 6 Wochen sichere Gehfähigkeit erzielt. Die Verkürzung wurde durch einen 4 Zoll hohen Absatz ausgeglichen. Die übrigen Kranken, bei denen die 1. Osteotomie ausgeführt worden ist, befanden sich im Alter von 1', bis 9 Jahren. Wie bereits oben erwähnt, wurde nach der Operation und vollständigen Correetion der anomalen Stellung ein ungefensterter Gypsverband angelegt, der gewöhnlich 4 Wochen liegen blieb. Nur bei dem 5'J, Jahr alten, sehr blutarmen Mädchen mit Rachitis an fast allen Röhrknochen u. Scoliose der Wirbel- säule trat durch Druck schon nach mehreren Tagen eine Schwellung des ganzen Fusses ein, die eine Abnahme des Verbandes nothwendig machte. Die Heilung wurde übrigens in die Länge gezogen, da in Folge circumseripter Hautgangrän an der vorderen Tibiafläche eine oberflächliche Knochenexfoliation erfolgte. Da die Kranke im Halbkanal lag, ging der Unterschenkel bei starker Retraetion der Weichtheile an der äusseren Seite theilweise wieder in die Valgusstellung. Eine zweite Correetion wurde nicht gestattet, obwohl die Beschaffenheit des Callus diesen Eingriff leicht ertragen hätte, | Die Kleine trug nach Heilung der Necrose einen Schienenverband mit Kniestütze, der die abnorme Stellung einigermassen verbesserte. Bei einem 3°/,jährigen Mädchen mit Zeichen frischer Rachitis, das in sehr ungünstigen hygienischen Verhältnissen lebte, trat eine Ver- zögerung der Callusbildung ein. Es musste 4 Wochen nach der Operation ein zweiter Gypsverband angelegt werden, mit dem die Kleine überhaupt erst gehen lernte. Die übrigen 25 Osteotomien der Tibia und Fibula der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 7 heilten ohne Reaction und störende Zwischenfälle innerhalb 4 Wochen unter dem ersten Gypsverbande. Nach Abnahme desselben sah man an der ÖOperationsstelle eine kleine kaum sichtbare Narbe. Bei frischer Rachitis wurde Leberthran, phosphorsaurer Kalk mit Eisen, in den letzten Fällen Phosphor gegeben; letzterer ohne Erfolg, woran ich mich auch in andern zahlreichen Fällen von Rachitis über- zeugt habe. Gleiche Erfahrungen sind auch von anderen, besonders von Wiener Kinderärzten gemacht worden. Gleichzeitig wurde die Ernährung möglichst verbessert und für ent- sprechende Lüftung der Zimmer gesorgt. Wo es die Verhältnisse und die Jahreszeit erlaubten, mussten die Kinder schon acht Tage nach der Operation in ihdkiohnehei viel im Freien verbleiben. Die Mehrzahl der Operirten bekam nach Abnahme des ersten Wen bandes eine einfache Leinwandbinde ums Knie, mit der sie nach 2 bis 3 Tagen Gehversuche machen mussten. War abnorme seitliche Beweglich- keit im Knie vorhanden, so trugen sie kurze Schienchen an der Aussen- seite oder Kniekappen mit beweglicher Schiene bis das Gelenk fest geworden war. Je straffer die Kniebänder, desto besser der Erfolg der Operation. Dieser Erfahrungssatz ist für alle Fälle zutreffend. Die meisten Operirten habe ich 1—2 Jahre lang ab und zu gesehen und fand sie noch ziemlich unverändert. Aus der ganzen Reihe der operirten Kinder möchte ich nur einen Fall noch specieller erwähnen, da bei diesem der Vortheil der totalen Durehtrennung der Tibia so recht in die Augen springt. Ein 4 jähriger Bäudlersohn entwickelte sich bis zum 6. Monate recht gut. In Folge eines kalten Abscesses am linken Oberschenkel, mit dem er mehrere Monate liegen musste, wurde er blass, elend und lernte erst im 3. Jahre auf Händen und Füssen sich am Erdboden fortbewegen. Beide Ober- und Unterschenkel waren gebogen, ebenso die Vorderarme, ausserdem bestand leichte Seoliose. Durch das monatelange Kriecher an der Erde hatten sich die beiden rachitisch erweichten Tibiae derartig nach aussen gedreht dass beide Malleoli externi und die Concavität der Tibia nach hinten zu stehen kamen. Obwohl nun der rachitische Prozess aufhörte, und die allgemeine Ernährung eine bessere wurde, konnte der Knabe doch nicht gehen; er fiel bei jedem Versuche nach vorn und kroch lieber auf „allen Vieren“, Beide Tibiae wurden durchmeisselt und um mehr als ein Viertel eines Kreises nach Innen gedreht, bis die Crista grade nach Vorn zu stehen kam. Nun erhielt der Unterschenkel seine normale Form, Die sehr harten Knochen heilten in 4 Wochen zusammen und der Knabe machte bereits in der 5. Woche mit 2 Kniestützen Gehversuche. Ohne Drehung des untern Fragments war in diesem Falle eine brauchbare Correcetion nicht möglich. Nach mehreren Monaten lief derselbe ohne Kniestütze umher, 8 Jahres - Bericht Fast alle Operirten sind vor der Osteotomie und 5—6 Wochen später photographirt worden. Die Abbildungen geben den besten Beweis, dass die Operation neben der erwähnten functionellen Brauchbarkeit auch kosmetisch gute Resultate selbst in den hochgradigsten Fällen zu erzielen vermag. Nach meinen bisherigen Erfahrungen ist sie bei der nöthigen Antisepsis gefahrlos, bietet keine technischen Schwierigkeiten und führt schnell zu einem erwünschten Heilresultat. Sitzung vom 5. Februar 1886. Herr Heidenhain macht Mittheilungen von Untersuchungen aus dem physiologischen Institut zu Breslau und spricht a. über Herrn Adami’s Untersuchung betreffend die Function der Malpishischen Kanüle; b. über Bürstenbesätze an Drüsenepithelien nach Untersuchungen des Herrn Tornier und c. über Secretion der Salze in den Speicheldrüsen nach Untersuchung des Herrn Werther. Der Inhalt der Vorträge ist bereits publieirt. a. In .‚The journal of physiology“ Vol. VI S. 382 unter „On the nature of glomerular activity in the kidney“, b. in dem „Archiv für mikroskopische Anatomie“ Bd. 27 8. 181, ce. in dem „Archiv für die gesammte Physiologie‘ von Pflüger Bd. 38 Heft 5 u. 6. Hierauf spricht Herr Hirt Veber Hopein. Vor einiger Zeit erschien in englischen Blättern die Notiz, dass es gelungen sei, aus einer in Amerika wildwachsenden Varietät des Hopfens ein Alkaloid, Hopein, herzustellen, welches sich als vortreffliches Hypno- tieum bewährt habe. Angesichts der Thatsache, dass die Erfolge mit neuerdings empfohlenen Substanzen, besonders mit Urethan, ausser- ordentlich viel zu wünschen übrig liessen, erschien es mir geboten, mit dem neuen Hypnoticum Versuche zu machen, und wandte ich mich, um mich zunächst über die Herstellung und Herkunft des Stoffes zu infor- miren, mit dem Ersuchen um Auskunft an die bekannte Firma Gehe & Comp. in Dresden. Diese Auskunft wurde jedoch nicht ertheilt, vielmehr in höflicher Form auf unliebsame Erfahrungen hingewiesen, welche die Fabrik bei andern ähnlichen discretionären Mittheilungen gemacht habe. Nach diesem Bescheide begannen wir unsere Versuche in der Krankenabtheilung des Breslauer Armenhauses, wobei sehr günstige, an die Wirkungen des Morphium erinnernde Resultate erzielt wurden. Nach einer kurzen hierauf bezüglichen Mittheilung in der medieinischen Section der vaterländischen Gesellschaft wurde ich von Herrn Collegen Rosenbach darauf aufmerksam gemacht, dass Petit anlässlich einiger der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 9 Versuche, welehe Dujardin-Beaumetz mit Hopein angestellt hatte, sämmtliche Reactionen des Hopein als identisch mit Morphin erkannt und das Hopein als ein mit Hopfen aromatisirtes Morphin bezeichnet 'habe. Auf meine Veranlassung wurden nun in der Apotheke des Herrn Julius Müller hier die Reactionen des Hopein auf das Genaueste studirt und es ergab sich thatsächlich, dass sie mit denen des Morphin identisch waren. Da nun auch die Firma Gehe & Comp. auf noch- malige Anfrage erklärte, dass sie das Präparat nicht selbst fabrieirt, vielmehr aus England bezogen habe, so liegt der Verdacht nahe, dass Hopein in der That Morphium ist. Ob und in welcher Weise die Ausführungen des Dr. Williamson in No. 2 und 3 dieses Jahrgangs der „‚Chemiker-Zeitung“, welcher nicht blos die Fabrikation des Hopeins, sondern auch das chemische Verhalten des Stoffes schildert, die chemische Formel desselben mittheilt u. s. w., zu modifieiren sein werden, bleibt der noch fehlenden Elementaranalyse, ‘der Bestimmung des Molekulargewichtes und dem genaueren Studium der Krystallisationsverhältnisse des Hopeins vorbehalten. Sitzung vom 12. Februar 1886. Herr Riesenfeld demonstrirt die He lot Trouva’scha Tauchbatterie. Alsdann spricht Herr Wollner Zur Semiotik und Therapie des Diabetes mellitus.) Derjenige Stoff, welcher zuerst von Petters, Kaulich, Cantani und Gerhardt im diabetischen Harne gefunden und in der Gegenwart die Aufmerksamkeit der Aerzte in hohem Grade in Anspruch nimmt, ist das Aceton, welchem nach den Ermittelungen besonders des Herrn v. Jaksch die Diacetsäure an die Seite tritt. Das Interesse des prak- tischen Arztes an dem Erscheinen dieser Stoffe im Harne des Diabetikers knüpft sich zumeist an die begründete Besorgniss eines durch Selbst- intoxication mittelst derselben nahe gebrachten Ausbruchs des Coma diabeticum. Wenn auch die experimentelle Incorporation dieser Stoffe, wie die Versuche von Fleischer und v. Frerichs erweisen, nicht immer das Coma erzeugen, so stehen doch diesen Erfahrungen andere von Petters, Ruppstein, Albertoni, Pentzold, v. Jaksch gegenüber, die ent- weder ein unbedingt positives Resultat ergaben, oder doch gewichtige *, Durch äussere Umstände verhindert, meinen, das semiotische und thera- peutische Verhalten von 126 Diabetikern behandelnden, am 12. Februar 1886 in der medicinischen Section der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Gultur gehaltenen Vortrag in extenso zu veröffentlichen, beschränke ich mich einstweilen darauf, meine Beobachtung über das Auftreten der Acetonurie in diesen Fällen mitzutheilen. 10 Jahres-Bericht Gründe für die Wahrscheinlichkeit einer Acetonintoxication fanden. Man wird wohl auch, trotz entgegenstehender Auffassung, nieht umhin können, in jenen Fällen von Coma acetonicum oder, wie v. Jaksch vorschlägt, C. diaceticum, in welchen der Patient so grosse Quantitäten des frag- lichen Stoffes ausathmet, dass derselbe erwiesenermaassen von der umgebenden Atmosphäre aufgenommen wird, den so oft mit seinem Er- scheinen zusammenfallenden Ausbruch der den Charakter der Intoxication tragenden Symptome von seiner Aufnahme herzuleiten. Ausserdem ist vielleicht auch indirect, u. z. ex juvantibus et nocentibus der zuweilen erfolgreiche, die Entfernung der Materia peccans aus dem Körper durch Diät und Medication anstrebende Heilversuch, als positiv beweiskräftig zu erwähnen. Man kann doch wohl nur so jene Fälle von Besserung deuten, in denen das bereits eingeleitete Coma dauernd oder vorüber- gehend gehoben wurde. In der bestimmtesten Weise hatte ich vor Kurzem Gelegenheit, die Abhängigkeit des Comas von der Existenz jener Stoffe in einem Falle zu beobachten, in welchem ein deutlicher Paralellismus zwischen dem Acetongehalt des Harns und den wechseln- den Erscheinungen des Comas jede andere Erklärung ausschloss. Bei einem 75 Jahre alten Diabetiker, dessen Krankheit zum mindesten 12 Jahre bestand, hatte sich nach den Anstrengungen einer zurückgelegten Reise am 8. Januar d. J. ein somnolenter Zustand eingestellt, der zunächst als die Wirkung einer kleinen Dosis Morphium angesehen, aber schon nach wenigen Stunden als die Folge von Acetonämie erkannt wurde. Die Untersuchung des Harns ergab 1032 sp. Gew. 2,1 Zucker, sehr viel Aceton und Acetessigsäure und die Abwesenheit von Eiweiss. Am 9. und 10. hielt die Steigerung der Symptome gleichen Schritt mit der erweislichen Zunahme der Acetonausscheidung. In der Nacht vom 10. zum 11. trat nach einer durch Calomelgebrauch bewirkten fäculenten Stuhlentleerung mit dem gleichzeitigen Ausbruch profuser Schweissabson- derung ein allmählicher Nachlass der inzwischen bis zum Coma vorge- drungenen Erscheinungen ein, dergestalt, dass Patient am Morgen des 11. das Bewusstsein wieder erlangt hatte. | Dieser günstigen Wendung des Zustandes, welche noch den 12. anhielt, entsprach geradezu in frappanter Deutlichkeit die am 11. und 12. bis auf ein Minimum ceonstatirte Abnahme des Acetongehalts. Am 15. begann er sich wieder zu vermehren, um in unaufhaltsamer Progression seine frühere Höhe zu erreichen. Conform mit dieser Zunahme stellten sich auch wieder Somnolenz und die höheren Grade des Comas ein, welchem Patient am 17. Januar erlag. Andererseits ist hervorzuheben, dass die Acetonurie und Diaceturie durchaus kein ausschliesslich pathognomonisches Attribut des Diabetes sind; man hat sie vielmehr in einer ganzen Reihe acuter und chronischer Krankheiten constatirt. v. Jaksch, Deichmüller, Seifert fanden sie der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 11 bei Masern, Scharlach, Variola, Typhus und bei der croupösen Pneumonie mit hohem Fieber, also überall da, wo ein lebhafter Eiweissverfall be- steht. v. Jaksch hat ferner auf ihre Anwesenheit bei Inanitionszuständen in Folge mechanischer Hindernisse des Verdauungstractus, wie Oesophagus und Pylorussthenose durch Narbenbildung oder Careinom, sowie bei Geisteskranken hingewiesen, die jede Nahrungsaufnahme verweigerten, Genau dasselbe gilt auch von anderen Zuständen mit wesentlich herab- gesetzter Ernährung, wie acute und chronische Magen -Darmkatarrhe. Geht nun hieraus unzweifelhaft hervor, dass der in Rede stehende abnorme Verdauungschemismus nicht ausschliesslich dem Diabetes zukommt, so findet auch diese Thatsache eine überzeugende Stütze in dem Zahlen- verhältnisse, welches sich aus meinen Fällen unzweideutig ergab. Unter den 126 Diabetikern meiner letzten zweijährigen Beobachtungs- periode befanden sich nur 18, also 14,3 pCt. mit Acetonurie behaftet. Es zeigte aber auch die Gehaltsmenge und Persistenz dieser letzteren ein variables Verhalten. Während in 10 Fällen die ganze Beobachtungs- zeit hindurch die Acetonausscheidung ein unveränderliehes Intensitätsniveau behauptete, machte sich in 6 Fällen ein deutliches Schwanken derselben geltend, so dass nach dem kolorimetrischen Vergleiche bald mehr, bald - weniger Aceton vorhanden war; in zwei Fällen endlich gelangte das Aceton während der Kurzeit vollständig zum Verschwinden. In wie weit nun der Kurgebrauch in Karlsbad dieses Verhältniss günstig beein- flusste, lasse ich, da ein diesbezüglicher evidenter Beweis schwer zu erbringen ist, dahingestellt. Dass aber eine solche Einwirkung überhaupt bestehe, ist mir aus der Beobachtung jener günstig verlaufenen Fälle doch sehr wahrscheinlich geworden und ich möchte dieses im Gegen- satze zu der Erfahrung des Herrn v. Jaksch, der von keiner Medi- cation einen Erfolg sah, ausdrücklich betonen. Des Weiteren möchte ich hervorheben, dass trotz der chemischen Constitutionsdifferenz, die zwischen dem Aceton und der Diacetsäure besteht, ein Unterschied in ihrem klinischen Effekt nicht constatirt werden konnte. Es scheint vielmehr, als ob diesen beiden Stoffen, auch wenn sie sich aus ihrer chemischen Gemeinschaft zu individueller Existenz lösten, die gleiche deletaire Wirkung inne wohnte, Ueberhaupt habe ich die Ueberzeugung nicht gewinnen können, dass diese Trennung häufig geschieht. Die während eines 4 wöchentlichen Zeitraumes mindestens zehnmal vorgenommene Untersuchung jedes einzelnen der vorher erwähnten 18 Fälle von Acetonurie ergab nämlich 15 Mal die gleichzeitige Anwesen- heit von Aceton und Diacetsäure, 2 Mal war Aceton allein vorhanden und in einem Falle machte sich ein Alterniren dieser Stoffe bemerkbar, so dass bald der eine, bald der andere in den Vordergrund trat, dagegen war in keinem einzigen Falle die Diacetsäure allein angetroffen worden. Die Aufmerksamkeit war in jedem Falle auf die Ermittelung von Aceton 12 ‘ Jahres-Bericht und Diacetsäure gerichtet und zur Feststellung des ersteren Stoffes stets das von Legal angegebene Verfahren, zu der des zweiten das Eisen- chlorid angewendet, welches letztere, wie ein wiederholt angestellter Vergleich mit anderen Harnproben ergab, die bekannte Reaction in unzweideutiger Weise zeigte und dem praktischen Bedürfnisse durchaus genügen dürfte. Sitzung vom 19. Februar 1886. Herr Voltolini hält einen Vortrag Ueber die Operation einer zugewachsenen Luftröhre mit Vorstellung des Kranken. M. H. Der Fall, den ich Ihnen mittheilen will, ist folgender: Der Bauer E. D. aus H., Kr. Goldberg-Hainau, 55 Jahr alt, hatte bei einem Streite am 18. October 1885 einen Messerstich in den Hals bekommen. Derselbe war auf der rechten Seite in der Nähe und unterhalb des Kehlkopfes in die Luftröhre gedrungen und hatte diese quer zerschnitten bis gegen deren hintere Wand. Der Stich hatte glücklicher Weise die grossen Gefässe nicht verletzt, dennoch verlor der Patient viel Blut. Nach einer Stunde kam ein Arzt herbei, nachdem die Blutung schon gestillt war. Vom Arzt wurde die Wunde aussen zugenäht und es ‚schien der Vorfall weiter keine Folgen nach sich zu ziehen. Allmählich jedoch stellten sich Athembeschwerden ein, die nach etwa 4 Wochen so arg wurden, dass Patient schleunigst nach Breslau ins Hospital gebracht und die Tracheotomie gemacht werden musste, weil er zu ersticken drohte, nur noch lispeln konnte und wenn er mehr sprechen sollte, sich der Schrift bedienen musste. Man hatte nach mehreren Wochen die Canule entfernt und die Wunde zuheilen lassen, weil man sich der Hoffnung hingab, der freie Durchgang der Luft nach oben würde sich wohl successive einstellen. Dies war jedoch nicht der Fall, im Gegen- theil, das Athemholen wurde immer beschwerlicher und es musste endlich zum zweiten Male die Tracheotomie vollführt ‚werden in der Heimath des Patienten. Patient wollte gern die Canule loswerden und liess sich zu diesem Zwecke in die hiesige Krankenanstalt Bethanien aufnehmen, von wo ihn der dirigirende Arzt der Anstalt, Geh. Rath Dr. Methner, täglich zu mir schickte. Er kam am 23. Januar 1886 das erste Mal zu mir. Die Untersuchung mit dem Spiegel ergab Folgendes: Man konnte durch die weit geöffnete Stimmritze frei hindurchsehen erblickte aber kein Lumen der Trachea, sondern eine rothe, gleichsam fleischige Scheidewand, welche das Lumen in der ganzen Breite ab- sperrte; nur hinten sah man, von hier nach vorn verlaufend, einen ganz feinen Spalt, etwa von '/, Centimeter Länge. Ohne Canule konnte Patient auch gar nicht existiren und seine Sprache bestand nur in der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 13 einem Lispeln. Nach diesem Spiegelbilde waren mir die Verhältnisse nicht ganz klar, wie eigentlich dieser Verschluss der Trachea entstanden sein mochte; ich konnte mir nur denken, dass, da der Messerstich beinahe die ganze Trachea, ausgenommen ihre hintere Wand, durchschnitten haben mochte, von den Wundrändern aus eine Wulstung und Wucherung des neu entstandenen Bindegewebes sich gebildet haben musste, die schliesslich wie ein Diaphragma das Lumen der Trachea abschloss. An der hinteren Wand der Trachea war dagegen, wie es schien, ein Spalt geblieben, weil hier keine Verletzung stattgefunden haben konnte, indem sonst der Oesophagus mit der Trachea communicirt haben würde. Ich versuchte nun zunächst mit einer langen geknöpften Sonde durch den vermeintlichen Spalt durchzudringen, und da dies gelang, griff ich An- fangs zu dünnen und dann zu stärkeren Cathetern und ging endlich zu einer Schrötter’schen Hartgummiröhre über; damit jedoch gerieth ich auf grossen Widerstand, und so beschloss ich, mit Gewalt die Ver- wachsung zu zerspreugen, was denn auch gelang. Nunmehr hatte ich bereits etwa die Hälfte des Lumens der Trachea freigelegt und sah ich jetzt erst, wie dick diese Scheidewand war: etwa wie ein mässiger Messerrücken, von fleischigem Ansehen. Jetzt sah ich auch durch dieses Loch deutlich die Canule in der Trachea; Patient konnte nun auch mit deutlicher Stimme sprechen und bereits '/, Stunde ohne Canule athmen. Es war aber doch noch beinahe die Hälfte dieses pathologischen Dia- phragmas vorhanden und es war mir nicht zweifelhaft, dass, wenn ich blos mit Schrötter’schen Röhren fortfahren wollte, um das Lumen der Trachea ganz herzustellen, dies sehr lange dauern würde, wenn es überhaupt gelingen könnte, da immer die Besorgniss bleiben musste, dass ein Wiederzuwachsen nicht unmöglich sei. Ich wandte deshalb die Galvanocaustik an und ging mit einem starken Galvanocauter durch den Kehlkopf in die Trachea, wo ich die Scheidewand brannte; bei diesem Brennen liess ich jedes Mal die Canule in der Trachea, weil diese davor schützte, dass ich nicht zu tief in die Trachea dringen konnte, wenn Patient im Momente des Erglühens des Cauter zu schlucken begann, Diesen Krankheitsfall will ich noch zu einer andern Betrachtung benutzen: In dieser medicinischen Section habe ich 1877 zuerst meine Operation bekannt gemacht, mit einem Schwamme die Polypen aus dem Kehlkopfe auszuwischen; das Verfahren fand, wie alles Neue, viel Widerspruch, ja ein Arzt äusserte sogar, die ganze Sache solle wohl „ein Witz“ sein! Das Verfahren hat sich nun aber doch allmälig Bahn gebrochen und vor Kurzem hat Dr. Max Schäffer in Bremen in einer besonderen Schrift (Chirurg. Erfahrungen in der Rhinologie und Laryngologie. Wies- baden 1885) 29 Fälle veröffentlicht, die er nach meiner Methode mit dem Schwamme operirt hat; ebenso hat Dr. W. Lublinski, I, Assistent der Universitäts-Poliklinik in Berlin, Fälle vor Kurzem veröffentlicht. 14 Jahres - Bericht Ich sagte damals in meinem Vortrage schon, dass es unter Umständen bei dieser Operation gar nicht nöthig sei, sich des Kehlkopfspiegels zu bedienen. Man kann z. B. mit dem linken Zeigefinger in den Hals des Patienten hinter die Epiglottis dringen und auf dem Finger den Schwamm in den Kehlkopf gleiten lassen. In dieser Weise habe ich in der hiesigen chirurgischen Klinik unter Assistenz vom Herrn Docenten Dr. Partsch und Dr. Krisch bei einem 4jährigen Mädchen die Operation ausgeführt. Die Operation wurde bei Chloroformnarkose ausgeführt (nachdem schon früher die Tracheotomie gemacht worden war) und wischte ich mit dem Schwamm eine ganze Anzahl Polypen aus dem Kehlkopfe, die auch von Dr. Partsch mikroskopisch untersucht wurden. Dies Verfahren empfiehlt sich besonders bei so kleinen Kindern, wenn natürlich Polypen erst durch den Kehlkopfspiegel constatirt sind. Das- selbe Verfahren, nämlich unter Leitung des Fingers Instrumente in den Kehlkopf zu bringen und die Tubage auszuführen, hat man schon lange geübt, lässt sich aber nicht in jedem Falle ausführen. So gelang dies z. B. bei unserem Kranken nicht; er hat so lange und hervorstehende Zähne im Öberkiefer, dass ich mir wiederholt die Hand verletzt habe bei dem Versuche, obige Operation auszuführen. Dagegen lässt sich hier und in den meisten Fällen ein anderes Verfahren zur Ausführung bringen, welches ich bereits 1865 beschrieben habe (Wochenbl. Nr. 28, 29 und 42 der k. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien). Es besteht darin, den Kehldeckel auch ohne Kehlkopfspiegel in Sicht zu bringen; sobald dies geschehen, legt man das Operations- instrument an die Rückenfläche des Kehldeckels hart an und gleitet ohne Weiteres mit demselben abwärts in den Kehlkopf resp. durch diesen hindurch in die Trachea. Dieses Verfahren habe ich auch bei unserem Patienten in Anwendung gebracht (in Gegenwart des Geh. Rath Dr. Methner, Dr. Krause und Dr. Beyer), bin mit den Cathetern und Sonden in die Trachea gedrungen und habe die Sonde vorn zur Tracheal- wunde herausgeführt. Man bringt den Kehldeckel dadurch in Sicht, dass man die Zunge des Patienten mit einem Tuche aus dem Munde zieht und zu gleicher Zeit mit einem knieförmigen Spatel die Zungenwurzel abwärts drückt. Gelingt es auf diese einfache Weise noch nicht, so hebt man, indem man mit dem Tuche (Daum und Zeigefinger) die Zunge zieht, zu gleicher Zeit mit dem 3. und 4 Finger derselben Hand den Kehl- kopf in die Höhe, sodass man also eine Hebelbewegung ausführt: mit Daum und Zeigefinger zieht man die Zunge heraus und nach abwärts, zugleich hebt man mit dem 3. und 4. Finger den Kehlkopf in die Höhe. Will man dabei eine Operation im Kehlkopfe ausführen, wie in unserem Falle, so muss ein Assistent den knieförmigen Spatel führen. (Das Verfahren mit Operation habe ich auch beschrieben in meinem Buche: Die Anwendung der Galvanocaustik im Innern des Kehlkopfes ete. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 15 Wien 1871.) Beim Brennen mit dem Galvanocauter, wie schon oben bemerkt, empfehle ich in den Fällen, wo schon die Tracheotomie ge- macht worden ist, die Canule während der Operation in der Trachea zu lassen: sie schützt davor, dass man mit dem Brenner nicht zu tief dringen kann, wenn der Kranke etwa während der Operation schluckt. Diese Vorsicht ist geboten, denn Schrötter (Beiträge zur Behandlung der Larynx-Stenosen. Wien 1876) berichtet Seite 45 von einem jungen Arzte, der mit dem Cauter einen falschen Weg bahnte und zu einem starken subeutanen Emphysem Veranlassung gab. Was die Ausführung der Tubage unter Leitung des Fingers betrifft, sagt König (Lehrbuch der speeiellen Chirurgie Band I., S. 664, 3. Auflage. Berlin 1881): „dahingegen pflegt es sehr schwierig zu sein, falls man bei bewussten, nicht scheintodten Menschen einen Catheter einführen will, da der Reiz des Fingers und des Instrumentes Husten und stürmische Kehlkopfsbewegung hervorruft.“ Hiermit stimmt meine eigene Erfahrung überein und ich muss bezweifeln, wenn die Franzosen von der auf die genannte Weise auszuführende Operation als von einer Manipulation sprechen, die ohne Weiteres ausführbar sei, dass sie überhaupt so häufig in den ‚Kehlkopf gelangen, oder nicht vielmehr in den Oesophagus. Anderseits ist es mir auch nicht einleuchtend, was überhaupt bei Croup oder Diphtheritis die Tubage nützen soll! Ein einmaliges Hineindringen in den Kehlkopf hat doch gar keinen Zweck; aber selbst wenn es möglich wäre, den Reiz so weit zu überwinden, dass der Patient den Catheter einen Tag lang im Kehlkopf vertrüge, so würde doch der in Kürze sich ansammelnde Schleim ete. den Catheter bald verstopfen. Dagegen könnte ein anderes Verfahren bei Croup und Diphtheritis von Nutzen sein, nämlich mit meinem Schwamm, wie ich ihn zur Operation von Polypen gebrauche, den Kehlkopf auszuwischen, und könnte man zu diesem Zweck noch den Schwamm mit einer Carbol- und Höllenstein- lösung tränken. Die Einführung des Schwammes würde für jeden Arzt möglich sein, wenn er auf die vorhin angegebene Weise den Kehl- deckel in Sicht bringt; man kann letzteres noch sicherer erzielen, wenn man den Kranken zum Würgen zwingt, welches man leicht dadurch erzielt, dass man mit dem knieförmigen Spatel recht tief abwärts in den Hals dringt. ° Bei unserem Patienten habe ich nun noch ein anderes Operations- verfahren in Anwendung gebracht. Obgleich ich mit der Galvanocaustik bei dem Patienten so weit gekommen bin, dass er bereits bei ver- stopfter Canule Tag und Nacht ungenirt athmen kann, so hatte die Galvanocaustik doch den Uebelstand bei sich, dass, da ich in grosser Tiefe des Halses operiren musste, der Patient sehr leicht eine Schlingbewegung machte und dadurch auch das Gesunde vom Cauter getroffen wurde und die Umgegend etwas anschwoll. Wollte ich nun 16 Jahres-Bericht recht exact weiter operiren, so musste ich wieder so lange Pausen machen, bis sich die Schwellung und Entzündung gelegt hatte. Ich habe deshalb in der letzten Zeit bei dem Patienten ein neues Verfahren in Anwendung gebracht, nämlich die Elektrolyse, welche den Vor- theil darbietet, dass man ihre Einwirkung genau localisiren kann und diese sich nicht auf die weitere Umgebung erstreckt. Meines Wissens hat der verstorbene Dr. Fieber in Wien bereits den Gedanken gehabt, die Elektrolyse im Kehlkopf in Anwendung zu bringen, aber die Sache hat keine weitere Anerkennung und Verbreitung gefunden und ist auch von Dr. Fieber selbst nur unvollkommen ausgeführt worden. Von Bruns und seiner Laryngo-Chirurgie an ist denn auch weder von ihm noch von irgend Einem, welcher über Kehlkopfkrankheiten geschrieben hat, bis heute etwas von der Elektrolyse und deren Anwendung im Kehlkopf erwähnt worden. Es mag wohl auch besonders daran gelegen haben, dass es an einem zweckmässigen Instrumente für derartige Operationen gefehlt hat. Ich habe nun ein solches Instrument con- struirt, mit dem ich den Patienten wiederholt operirt habe. (Der Vor- tragende zeigt das Instrument der Gesellschaft vor.) Ich behalte mir vor, das Instrument weiter zu beschreiben und abzubilden und über den Erfolg der elektrolytischen Operation bei unserem Patienten weiter zu berichten, sowie auch über das Resultat der ganzen Behandlung. Sitzung vom 12. März 1886. Herr Ponfick spricht Ueber den Zusammenhang von Schädelverbildung mit Hirnhautentzündung und angeborener Blindheit im Anschluss an die Beobachtung eines 13jährigen Knaben, welcher, anscheinend blind geboren, seit einigen Monaten im Breslauer Blinden- institut untergebracht war. Der plötzliche Ausbruch von meningitischen Erscheinungen bei dem Knaben musste umsomehr die ernsteste Aufmerk- samkeit seiner Umgebung erregen, als die infectiöse Natur der Krank- heit zunächst nicht auszuschliessen war, somit die Gefahr vorlag, dass seine zahlreichen Stuben- und Anstaltsgenossen einer Ansteckung unter- liegen könnten. Der rasche Verlauf des entzündlichen Processes und die alsbaldige Vornahme der Section stellten es indessen ausser Zweifel, dass es sich nicht um eine epidemische, sondern eine sporadische Meningitis gehan- delt hatte und zwar um eine Form, welche hinsichtlich ihrer Ursache, wie ihres Verlaufs sehr viel Eigenartiges darbot. Bereits während des Lebens war seinen Lehrern eine sehr markante Verbildung des Schädels aufgefallen: grosse Steilheit der Stirn verband der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 17 sich mit einem thurmartigen Emporstreben der Scheitelhöhe und da überdies eine unverkennbare Asymetrie bestand, so war es klar, dass eine schwere, muthmasslich angeborene Difformität des gesammten Schädels bestand (Zeichen von Rachitis waren nie bemerkt worden, auch keine bezüglichen Missstaltungen an der Leiche aufzufinden). Der Befund der Kopfhöhle bestätigte die Annahme einer Hirnhaut- entzündung und zwar einer eiterigen. Dieser purulente Charakter des Processes liess sich nun, bei genauerer Prüfung der Schädelbasis, als Ergebniss einer Weiterverbreitung aus dem Cavum nasale her nach- weisen, welches durch eine abnorm weite Oeffnung mit den vorderen Schädelgruben in Verbindung stand. Als Grund für den eitrigen Katarrh der Nasenhöhle hinwiederum entdeckte der Vortr. einen ansehnlichen Schleimpolypen des rechten Nasenganges, welcher die untere Muschel ganz platt gedrückt und eine reichliehe purulente Absonderung der geschwellten Schleimhäute unterhalten hatte. War somit die acute Meningitis als eine sporadische erkannt und als Folge eines Nasenleidens, aber nur Dank einer ungewöhnlichen Beschaffenheit der Schädelbasis, aufgeklärt, so liess sich auch zwischen der Verbildung des Schädels und der angeborenen Blindheit ein inniger Zusammenhang darthun, insofern die foramina optica regelwidrig eng und von einem verdickten und starren Knochenrande umgeben waren, Die hiernach unausbleibliche Zusammenpressung der Sehnervenscheide hatte offenbar schon früh eine erhebliche Lymphstauung innerhalb der- selben und allmälig eine Atrophie des Sehnerven nach sich ziehen müssen. Sonach sind in dem vorliegenden Falle sowohl die bleibenden Störungen beiderseitiger Blindheit, als die acut aufgetretenen, die eitrige Hirnhautentzündung, auf eine und die nämliche Ursache, eine in den frühesten Lebensphasen entstandene Entwicklungsstörung der Schädelbasis zurückzuführen. Hierauf spricht Herr Krauss Ueber Gelenk- und Kehlkopf-Erkrankungen bei Tabes dorsalis. Unter ausführlicher Schilderung der diesbezüglichen Literatur er- wähnt er unter Demonstration von Knochen - Präparaten und mikro- skopischen Präparaten einen vor Kurzem beobachteten mit Gelenk- erkrankung und Stimmbandlähmung einhergehenden Fall von Tabes dorsalis. Es handelte sich um einen 45jährigen Dienstmann, der vor 24 Jahren an Lues erkrankt war; nach Vorausgang paroxysmenweise auftretender Schmerzen an beiden Beinen und Ischurie entwickelte sich im 39. Lebensjahre (im Jahre 1879) eine Gelenkerkrankung am rechten Kniegelenk, die sich ihrem Charakter nach als Arthritis deformans dar- stellte. Eine Amputation des Oberschenkels brachte keine Heilung. Es stellten sich bald darauf heftige Schmerzen im Amputationsstumpf und 1836, 2 18 Jahres-Bericht im übrigen Körper ein, eine genaue zu dieser Zeit vorgenommene neuro- pathologische Untersuchung ergab träge Reaktion der Pupillen, Fehlen des linksseitigen Patellarreflexes, beträchtliche Anästhesie, Störungen der Muskelsensibilität, ausgesprochene Ataxia. Eine Neurectomie des Nervus ischiadicus war ohne Erfolg. Athembeschwerden, welche im 42, Lebens- jahre zuerst beobachtet worden waren, nahmen in den letzten Monaten des Jahres 1834 an Heftigkeit stetig zu; sie bestanden in inspiratorischen Dyspno&erscheinungen, welche von hörbarem Stridor begleitet waren, einige Minuten lang anhielten und nur selten längere Zeit sistirten. Bis- weilen erfolgten bellende, keuchhustenähnliche Hustenstösse. Die laryn- goskopische Untersuchung ergab Lähmung beider Mm. cerieo-arytaenoidei postici. Unter Zunahme der Larynxbeschwerden, Auftreten eines chron. Lungenleidens erfolgte am 20. Januar 1885 der Exitus letalis. Die Obduction ergab bei genauer makro- und mikroskopischer Untersuchung das Bild einer hochgradigen Hinterstrangerkrankung, geringe Degeneration beider Ichiadiei, beträchtlichere des Nerv. peron. superfie. sin., des Vagus und der Nn. laryngei recurrent. Die bisher bei tabischen Larynx- erkrankungen noch nicht untersuchten Nn. laryng. superior. waren vollkommen normal, die Medulla oblongata bot keine sicheren pa- thologischen Befunde dar. Sitzung vom 16. April 1886. Herr Dr. Silbermann spricht Ueber Haemoglobinaemie und ihren Einfluss auf die Beschaffenheit und Bewegung des Blutstromes und weist im Anfange seines Vortrages zunächst darauf hin, dass die Haematophysiologie und -Pathologie dem Thierexperimente ihre Fort- schritte in den letzten Decennien verdankt. — Nachdem experimentell der Nachweis geführt war, dass eine Reihe von Körpern (Glycerin, gallen- saure Salze, Arsenwasserstoff, ehlorsaure Salze, Pyrogallussäure, Morcheln, Toluylendiamin ete. ete.) blutauflösend wirken, zeigte Ponfiek — und dies ist für die Klinik der Blutkrankheiten von grosser Bedeutung — dass Haemoglobinaemie mit selbst tödtlichem Ausgange ohne Haemoglobinurie verlaufen könne. So fördernd diese Anschauung für das Verständniss des in Rede stehenden Processes einerseits geworden, so vertritt doch auch sie andererseits den Standpunkt, dass nur die Veränderungen der rothen Blutkörperchen das Wesen der Krankheit ausmachen. Erwägt man nun aber, dass selbst bei sehr schweren Haemoglobinaemien ein grosser Theil der Erythrocyten sich mikroskopisch als intact erweist, und dass Menschen sowohl wie Thiere durch Blutverluste sehr bedeutende Mengen rother Bluischeiben verlieren können ohne nur entfernt jene schweren Störungen zu zeigen, wie sie bei acuten Haemoglobinaemien resp. = se u A der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 19 Haemoglobinurien auftreten, so wird man unwillkürlich zu der Ansicht gedrängt, dass noch eine Reihe anderer Momente hier im Spiele sein müssen. Und in der That giebt es eine Anzahl solcher, die wohl von physiologischer, nicht aber pathologisch-anatomisch und klinischer Seite bisher gewürdigt worden sind. Es ist das grosse Verdienst von Alex. Schmidt und seiner Schüler (Köhler, Birk, Sachssendahl, Hoffmann, Bojanus, Rauschenbach u. anderer mehr —) den exacten Nachweis geführt zu haben, dass das im cireulirenden Blute gelöste Haemoglobin nicht nur rothe, sondern auch weisse Blut- körperchen zerstört und hiermit eine Quelle für eine sehr bedeutende Fibrinfermentwickelung gegeben ist. Bedeutende Fermentmengen acut im Blute angehäuft, bewirken aber, wie die Versuche von Köhler, Naunyn und Francken und Anderer beweisen, einerseits ausgiebige Thrombosen und anderseits‘ eine abnorme Blutvertheilung, die in enormer venöser Hyperaemie und arterieller Anaemie besteht. Hunde, die im Gegensatze zu Kaninchen gegen Fermentwirkungen sehr resistent sind, und bei denen es deshalb fast nie zur Thrombose kommt, gehen an acuter arterieller Anaemie der Centralorgane zu Grunde. Dieselbe Todes- ursache fanden wir bei Kaninchen sowohl wie Hunden vor, wenn man Haemoglobinlösungen verwendet, die nicht sofort, sondern erst nach 2—3 Tagen tödten. Die Thiere starben ebenfalls unter den Erschei- nungen centraler arterieller Anaemie (allgemeine Krämpfe, Opisthotonus, Nystagmus, weite reactionslose Pupillen), die sich hier aber erst ganz allmälig einstellt und aus einer Lähmung des rechten Herzens resultirt. Die letztere kommt dadurch zu Stande, dass obwohl eine wesentliche Verlangsamung der Cireulation vorhanden, in der Zeiteinheit aus den enorm gedehnten und überreckten Venen viel mehr Blut in den rechten Ventrikel einfliesst, als in der Norm und so eine Ueberdehnung des- selben bedingt wird, Die bedeutende venöse Stase aber in den grossen Gefässen der Brust- und Bauchhöhle erklärt sich aus dem Umstande, dass das Venenblut viel fermentreicher, als das Arterienblut ist. Der Vortragende geht nun, nachdem er noch einmal darauf hingewiesen, dass durch im Plasma gelöstes Haemoglobin rothe und weisse Blutkörperchen zerstört, der Fibrinfermentgehalt des Blutes bedeutend vermehrt und vor allem eine erhebliche venöse Stase in den grossen Gefässen hervorgerufen wird, auf die bei Haemoglobinurie in den Nieren vorhandenen Verän- derungen näher ein. Nach seinen zahlreichen Thierversuchen ist die Nierenaffeetion in erster Reihe abhängig von den allgemeinen schweren Circulationsstörungen, die stets bei haemoglobinämischen Processen vor- handen, nicht aber von den grösseren oder geringeren Haemoglobin- mengen, die in der Zeiteinheit die Nieren passiren. Die Cireulations- störungen bestehen in sehr bedeutender arterieller Anaemie und venöser Hyperaemie resp. Stase. Zum Beweise für die Richtigkeit seiner An- Y# 30 Jahres-Bericht schauung führt er an, dass wenn man durch Anwendung mittlerer Dosen blutauflösender Agentien eine ziemlich bedeutende Haemoglobinurie er- zeugt, ohne die Thiere schwer krank zu machen, d. h. den Blutdruck sehr bedeutend zu erniedrigen, die Nieren bei der Section gar keine oder unbedeutende Veränderungen zeigen. Im Gegensatze hierzu sind die Nieren bei Anwendung starker Dosen blutauflösender Körper sehr hochgradig verändert, obwohl die im Krankheitsverlaufe auftretende Haemoglobinurie viel geringer, als vorher war. Auch die menschliche paroxysmale Haemoglobinurie, bei der es im Verlaufe von Jahren zu sehr bedeutenden Ausscheidungen von Haemoglobin ohne jede Nierenaffeetion kommt, stützt die obige Anschauung. Ausgeschieden wird nach dem Vortragenden das Haemoglobin vor Allem in den tubulis contortis, durch die Glomeruli erst dann, wenn die Epithelien derselben durch die bedeutenden Circulationsstörungen (arterielle Anaemie — venöse Stase —) schwer geschädigt und deshalb durchlässiger geworden sind. Durchschneidet man, wie Adami, bei curaresirten Hunden das Rücken- mark und injieirt 40 -—50 grm lackfarbenes Blut, so findet man aller- dings halbmondförmige Haemoglobinscheiben in den Bowman’schen Kapseln, Bei diesen Versuchen ist aber, wie aus den Adami’schen Tabellen zu ersehen, in kurzer Zeit bei diesen Thieren eine Blutdruckerniedrigung von 100 Hg eingetreten und damit ein Eingriff erfolgt, der die Reinheit der Versuche sehr zu trüben geeignet ist. Auch die Versuche, bei denen Adami keine Rückenmarksdurchschneidung vornimmt, sind nicht einwandsfrei, denn die Thiere sind curaresirt und künstlich respirirt, also unter Verhältnisse gesetzt, die bei der bei Menschen und Thieren beobachteten Haemoglobinurie gänzlich fehlen. Ferner giebt Adami selbst an, dass das Curare eine specifische, die Wasserseeretion der Nieren vermindernde Wirkung ausübt, er hat also demnach ausser dem Haemo- slobin einen Stoff benützt, der an sich schon die Glomerulusepithelien beeinflussen kann. — Die Adami’schen Controlversuche, die nur bei Kaninchen nach Rückenmarksdurchschneidung keine Eiweissringe in den Nierenkapseln ergeben, wohl aber bei Hunden und Fröschen, übersehen, dass bei seinen Experimenten ausser durch die Rickenmarksdurehschneidung durch das Haemoglobin eine sehr bedeutende Blutdruckserniedrigung be- wirkt wurde. Bei Fröschen, die weder der Curaresirung noch der Rückenmarksdurchschneidung ausgesetzt, also normal waren, fand Adami nach Haemoglobininjectionen in der Vena abdom. ant. unter drei Ver- suchen nur einmal Haemoglobinringe in den Nierenkapseln. Dieses Ergebniss stützt sehr unsere Einwände gegen die Adami’schen Ver- suche. Unsere Experimente wurden unter Vermeidung jedweder Com- plieation vorgenommen d. h. die Thiere wurden weder curaresirt noch künstlich respirirt, noch ihnen das Rückenmark durchschnitten. Nur bei der Nachprüfung der Adami’schen Versuche wurden derartige Ein- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 21 griffe vorgenommen, Wurde ein Thier, sobald es die ersten Tropfen eines haemoglobinhaltigen Harns gelassen, getödtet, und die gekochte Niere untersucht, so konnten wir niemals in den Nierenkapseln, wohl aber in den tubulis eontortis Haemoglobinmassen finden. Haemoglobinringe in den Nierenkapseln fanden wir dagegen, wenn wir die Thiere nach mehreren Stunden erst tödteten, oder den Ureter resp. die Nierenvene ligirten. Diese Kapselexsudate entstammen aber nur zum Theil den Glomerulis, während ein anderer Theil durch Rückstauung aus dem Tubulis eontortis dorthin gelangt ist. Sitzung vom 7. Mai 1886, Herr Kayser spricht Ueber einen Fall von Fremdkörper im Kehlkopf. Ein 10jähriges Mädchen erkrankte am 9. April plötzlich beim Pflaumenmussessen mit vollkommner Heiserkeit, Husten, Athemnoth, grossem Angstgefühl. Die letzten Erscheinungen liessen bald nach, und als am 22. April das Kind vom behandelnden Arzte dem Vortragenden zur Untersuchung übergeben wurde, zeigte es nur die Heiserkeit und einen fortwährenden Reizhusten. Die ziemlich erschwerte laryn- goskopische Untersuchung ergab einen schwärzlichen, rauhen, anscheinend leistenförmigen Körper in der Mitte der Rima glottidis in die vordere und hintere Kehlkopfwand fest eingekeilt; an das hintere Ende des Fremdkörpers legten sich zu beiden Seiten schlauchartige Ödematöse Vorwölbungen der Schleimhaut an. Am 23. und 24. April wurde unter Cocainisiruug des Rachens und Kehlkopfes vom Vortragenden die Ex- traction per vias naturales in Angriff genommen, dieselbe war durch die ausserordentlich feste Einkeilung erschwert — einmal brach ein Stückchen ab —, es gelang aber doch, den Fremdkörper in toto heraus- zuziehen, der sich nun als eine 4seitige Platte von 8—18 mm Seitenlänge erwies. Durch experimentelle Einkochung von Pflaumenmuss stellte Vortr. fest, dass der Fremdkörper ein Stückchen verkohltes Pflaumenmuss sei, wie dasselbe bei der betreffenden Fabrikation sich leicht am Boden des Gefässes bilden könne. Der Zustand der Patientin besserte sich nach der Extraetion sofort, die ödematösen und ulcerativen Veränderungen heilten in wenigen Tagen, so dass das Kind jetzt wieder völlig gesund ist. Bei Besprechung der interessanten Eigenthümlichkeiten des Falles hebt Vortr. besonders die grosse Bedeutung des Cocains für die Laryn- goskopie und speciell für die endolaryngealen Operationen hervor und demonstrirt die von ihm zur Extraetion benutzte Gottstein’'sche Köhren- zange und deren Vorzüge vor ähnlichen Instrumenten, 23 Jahres -Bericht Hierauf stellte Herr Wernicke ein blindes und taubstummes Mädchen vor. Dasselbe ist 19 Jahre alt und mit dem 4. Jahre blind und taub- stumm geworden. Trotzdem hatte sich dieselbe gut entwickelt wie aus ihrem Benehmen bei der Vorstellung hervorging. Sitzung vom 21. Mai 1886. Herr Wernicke hält einen Vortrag Ueber Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit bei cerebraler Lähmung. Seit Marshall Hall gilt der Satz, dass bei cerebraler Lähmung die elektrische Erregbarkeit, wenn zwar nicht wesentlich gesteigert — Duchenne z. B. giebt nur eine so geringe Steigerung zu, dass sie diagnostisch nicht verwerthbar sei — so doch jedenfalls normal und nicht herabgesetzt sei. Das normale Verhalten wurde allgemein auch diagnostisch verwerthet. So äussert sich einer unserer ersten Kenner der elektrischen Erregbarkeitsverhältnisse bei Lähmungen, Erb, im Handbuch von Ziemssen’s (Krankheiten des Nervensystems 1874) dahin, dass normales Verhalten der elektrischen Erregbarkeit nach sehr langem Bestehen des Leidens für cerebrale Lähmung spricht: „deutliche und ausgesprochene Verminderung kommt wohl nur bei Paralysen in Folge von Erkrankung des Hirnstammes vor.‘ Aus dem Zusammenhang geht dann hervor, dass er unter Hirnstamm wesentlich den Pons und die Oblongata versteht. In der neuesten Auflage giebt er eine mässige Herabsetzung nur bei sehr alter cerebraler Lähmung zu. Ein ähnlicher Standpunkt ist schon früher von Althaus einge- nommen worden, welcher nach dem Verhalten der elektrischen Erreg- barkeit die spinale Lähmung von der cerebralen unterscheidet; als Typus der spinalen Lähmung schwebt ihm augenscheinlich die spinale Kinder- lähmung vor, wobei die gelähmte Muskulatur in Folge des Unterganges der Vorderhornzellen, aus denen die vorderen Wurzeln entspringen, ihrer Erregbarkeit verlustig geht. Dieser Vorgang ist aber augenscheinlich einer Durehtrennung der peripheren motorischen Nerven gleichzusetzen. Hasse, dem ich die betr. Notiz entnehme, adoptirt diese Unter- scheidung und die folgenden diagnostischen Sätze. Bei gleicher Erreg- barkeit der gelähmten und der gesunden Muskeln handelt es sich um cerebrale Lähmung. ,,‚Findet man, dass die Muskeln der gelähmten Theile auf den elektrischen Reiz nicht mehr antworten, so wird, wenn der Fall noch nicht veraltet ist, eine spinale Paralyse anzunehmen sein, Hat die Krankheit schon sehr lange gedauert, wenigstens über ein Jahr, so kann auch bei Hirnleiden die Irritabilität der Muskeln verschwunden sein.“ (Hasse, Lehrbuch $. 352). Von älteren Autoren hat nur Todd sich ein unbefangenes Urtheil bewahrt. Er kommt zu dem Schlusse, dass A ee A ch der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 23 bei Hirnlähmungen eine verminderte Reizbarkeit die Regel bildet, und dass mitunter die stärkste galvanische Reizung ohne alle Wirkung bleibt. (Hasse |]. e.) Bei frischer Lähmung jedoch fand auch er keinen Unter- schied zwischen den Muskeln der kranken und der gesunden Seite. Wie vereinzelt Todd mit seiner Ansicht geblieben ist und wie wenig Einfluss er damit auf die Öffentliche Meinung gewonnen hat, ist bekannt. Wir alle sind unter der Vorstellung aufgewachsen, dass das unveränderte Erhaltensein der elektrischen Erregbarkeit zu den ver- lässlichsten Kennzeichen der cerebralen Lähmung gehört. Dass diese Lehre auch unter den Speeialforschern auf dem Gebiete der Nervenkrank- heiten bis in die neueste Zeit als unerschütterlich galt, bewies mir ein Erlebniss, das ich bald nach meiner Uebersiedelung nach Breslau ge- macht habe. Ein höherer Militär, der sich mir im October 1885 präsentirte, hatte eine linksseitige Hemiplegie, die sich seit Beginn des Jahres allmälig unter Kopf- schmerzen und linksseitigen, im Arm beginnenden Krampfanfällen entwickelt hatte. Gang noch möglich, starke Massenabmagerung und herabgesetzte Erregbarkeit im vorzugsweise gelähmten linken Arm. Wegen der bald ausgesprochenen Herab- setzung der elektrischen Erregbarkeit war die Armlähmung für peripheren Ur- sprungs erklärt worden und zwar von einem in diesem Gebiete hervorragenden und unzweifelhaft competenten Fachmanne. Die starke Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit in diesem Falle, die einen hochgeschätzten Collegen irre geführt hatte, war mir kein auffallendes Symptom und konnte gegen die Annahme einer cere- bralen Lähmung nicht ins Gewicht fallen. Ich hatte sie schon so oft in Fällen unzweifelhaft cerebraler Entstehung beobachtet, dass jener dia- gnostische Satz längst seine Geltung für mich verloren hatte, Eine vereinzelte Beobachtung!) der Art habe ich schon vor 11 Jahren gemacht; nachdem ich auf der Nervenklinik der Charit& die Technik derartiger Untersuchungen vielfach geübt und später immer aufs Neue dieselbe Erfahrung gemacht habe, kann ich sie noch jetzt als zuverlässig ver- treten. Den Grad der Herabsetzung wird am besten ein Beispiel ver- anschaulichen. Ein 50jähr. Herr erkrankte am 13. December 1883 unter den Erscheinungen einer langsam sickernden Hirnblutung (ingravescent apoplexy). Ich sah ihn am folgenden Tage und fand ihn mit verfallenen Zügen, beschleunigtem kleinen Pulse, tiefem Sopor, dabei Jactation; rechtsseitige schlaffe Hemiplegie. Ein Aderlass von 500 Gr. brachte Beruhigung und beseitigte die Lebensgefahr; der Puls wurde lang- samer und voller. Am nächsten Tage halbes Bewusstsein, am zweiten Tage darauf schon eine Untersuchung möglich: motorische und sensorische Aphasie, letztere nicht hochgradig, Hemiplegie und Heınian aesthesia dextra. Die Lähmung ist schlaff und vollständig, Hautsensibität rechts erloschen, es besteht rechtsseitige Hemianopsie, Gehör rechts nur herabgesetzt. Mit Nachlass der Allgemeinerscheinungen bildeten sich die andern Symptome zurück, auch die Sprache kehrte vollständig wieder, es blieb aber rechtsseitige Hemiplegie und Gefühlslähmung der rechten Extremitäten, Rumpf- und Gesichtshälfte zurück. Mitte Januar 1884 wurde mit localer Faradisation der gelähmten Extremitäten begonnen und dieselbe bis tief in den Sommer des nächsten Jahres fortgesetzt. Der Erfolg war, dass Pt. mit einem !) Erkrankung der inneren Kapsel. Breslau 1875. 94 Jahres- Bericht Stützapparat selbstständige Spaziergänge allein machen, mit der rechten Hand auch, vermittelst eines eigen construirten Federhalters, in grossen Zügen schreiben konnte; die Schmerzempfindlichkeit blieb abgestumpft, die Localisation von Be- rührungen sehr mangelhaft, das Muskelgefühl absolut verloren. In diesem Falle fiel schon 3 Wochen nach dem Insult eine be- ginnende Atrophie der gelähmten Gliedmassen auf, die später noch weitere Fortschritte machte. Ferner fingen die Gelenke an, sich in bestimmten Stellungen zu fixiren, und die elektrische Untersuchung ergab, dass eine grosse Zahl von Muskeln sowohl der Ober- als Unterextremität ihre elektrische Erregbarkeit fast vollständig verloren, andere nur stark herabgesetzt hatten. Die Beschränkung der passiven Beweglichkeit ent- sprach dem Ausfall der betroffenen und der überwiegenden tonischen Wirkung der antagonistischen Muskeln. Die locale Faradisation wurde auf die betroffenen Muskeln beschränkt. Unter dieser Behandlung ge- lang es, das Fortschreiten der Atrophie zu verhindern, die Ausbildung eigentlicher Contractur zu vermeiden und die elektrische Erregbarkeit und tonische Wirkung der Muskeln zum grossen Theile wieder zu restituiren. In vielen Muskeln blieben dauernd erhebliche Unterschiede bestehen, wie die folgende Tabelle zeigt, die das Resultat der Unter- suchung vom 10. Februar 1885 enthält. Die Ziffern bezeichnen den Stand der secundären Rolle bei eben deutlicher Contraetion (Anfangs- zuckung). Obere Extremität. Untere Extremität, Boll La R. | L. Deltoideus 55 | 55 Quadriceps femor. 85 | 75 Biceps 70 | 70 Adductores 95.5095 Supinator longus 110 | 70 Tensor fasc. latae 110 | 30 Extensores digit. 70 | 60 Semimembranosus 80 | 80 Flexores digit. 70 | 50 Tibialis antie. 100 | 100 Interossei s0 | 60 Peroneus longus 100 | 80 Daumenballen 100 | 70 Gastroenemius 80 80 Teres major 120 | 80 Extens. digit. com. Pectoral. major 80 | 80 long. 110 Bei Untersuchungen dieser Art kann der Einwand gemacht werden, dass die gefundenen Verschiedenheiten der Erregbarkeit durch Unter- schiede des Leitungswiderstandes bedingt seien; derselbe sei auf der kranken Seite grösser als auf der gesunden, und dadurch entstehe der Anschein, als ob die Muskeln der kranken Seite weniger erregbar seien. Gegen diese Annahme spricht nun schon die anscheinend willkürliche Vertheilung derjenigen Muskeln, die eine stärkere Herabsetzung aufweisen : der Tibialis anticus z. B. zeigt normales Verhalten, der dicht daneben liegende Extensor digit. commun. longus und Peroneus longus zeigen rechts herabgesetzte Erregbarkeit. Die Haut und das subeutane Binde- gewebe ferner, worauf man am meisten geneigt sein könnte, eine der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 25 Zunahme des Leitungswiderstandes zurückzubeziehen, schienen rechts von vollkommen gleicher Beschaffenheit wie links. Endlich machte auch der Umstand, dass die Muskeln mit herabgesetzter Erregbarkeit immer auch den überwiegenden Bewegungsdefect zeigten, diese Erklärung unwahrscheinlich. Trotzdem war eine Widerlegung des Einwandes durch direete Messung wünschenswerth. Beim constanten Strom ist eine solche Messung leicht zu bewerk- stelligen. Ein directes Maass der Strömstärke und das einzig zuver- lässige, wie Erb gezeigt hat, ist hier durch den Nadelausschlag des Galvanometers gegeben. Seit Einführung des absoluten Galvanometers in die elektiro-therapeutische Praxis ist diese Bestimmung sogar sehr bequem mit absoluten Grössen, nach Milli-Ampere’s, zu ermöglichen. Man braucht nur den Strom zu theilen in einen Hauptkreis und einen Rheostatenkreis, und in den ersteren ein absolutes Galvanometer einzu- schalten (ich bediente mich dazu eines Hirschmann’schen Vertical- Galvanometers), dann liest man die Stromstärke am Nadelausschlag nach Milli-Amperes, den Leitungswiderstand am Rheostaten nach Siemens- schen Einheiten ab. Eine solche Untersuchung bei einer rechtsseitigen Hemiplegie, 6 Wochen nach dem Anfall angestellt, ergab folgendes Resultat: Nervus peroneus a. d. Bicepssehne. Rechter Unterschenkel etwas ödematös, Wadenumfang rechts 25 ',, links 26'/, cm. Leitungswiderstand rechts geringer als links '). Anfangs- zuckung links bei 5M. A., rechts bei 9 M. A. Muse. tibialis anticus. | Leitungswiderstand rechts geringer als links. Links KaS$Sz bei 9—10 M. A. Rechts An $z bei 14 M. A. Musc. extensor digit. commun. brevis. Leitungswiderstand beiderseits gleich. Links An Sz bei 8—9M.A. Kathodenzuckung fehlt zunächst, nur Stromschleifen im Extensor hallueis longus; nachher bei Wendung auf die Kathode Kathodenzuckung. Rechts anfangs ebenso, Kathodenzuckung aber überhaupt nicht zu erzielen. Es zeigten sich also im Bereich einer gelähmten Unterextremität, welche sichtlich ödematös war und deshalb einen Unterschied des Lei- tungswiderstandes erwarten liess, dieser Unterschied an zwei Stellen zwar vorhanden, aber zu Gunsten der gelähmten Seite, so dass man bei identischer Stellung der Eleetroden links einen stärkeren Strom durch den Hauptkreis senden musste als rechts, um denselben Nadelausschlag zu erreichen, An einer dritten Stelle, über dem Fussrücken, zeigte sich der Leitungswiderstand gleich. Die zur Reizung des Nerv. peroneus erforderliche Stromstärke war rechts fast doppelt so gross als links !) Die Rheostatenzahlen habe ich leider nicht in meine Notizen aufgenommen. 36 Jahres - Bericht (9 : 5), die zur Reizung des Muse. tibialis antieus erforderliche um ein Drittel grösser (14 : 9—10). Es ist fast überflüssig, zu bemerken, dass eine starke Herabsetzung der Erregbarkeit an denselben Stellen vorher mit dem faradischen Strom nachgewiesen worden war. Die Herabsetzung der Erregbarkeit in solchen Fällen unzweifelhaft cerebraler Lähmung ist demnach nicht nur eine scheinbare, sondern eine wirkliche und auf den veränderten Zustand des Nerven und Muskels zu beziehen. Die nächste Frage, welche sich bier anschliessen wird, ist deshalb die nach einer event. qualitativen Veränderung der Erregbarkeit. Für den Nerven scheint eine solche nicht zu bestehen, wie sie auch nicht zu erwarten war. Für den Muskel ergab sich ein entschiedenes Ueberwiegen der Anode, also ein Verhalten, das an die Umkehr der Zuckungsformel bei der Entartungsreaction erinnert. Doch bestand nicht, wie bei der letzteren ein verlangsamter Ablauf der Zuckung. Natürlich ist eine vereinzelte Beobachtung nicht maassgebend, die Frage der qualitativen Veränderung der Erregbarkeit bei cerebraler Lähmung wird vielmehr noch besonders studirt werden müssen.!) Das Verhalten des M. extensor digit. commun. brevis erwies sich beiderseits als abnorm. Eine weitere Frage, die noch einer besonderen Untersuchung be- darf, ist die nach den Muskeln, welche ausschliesslich oder vorwiegend die herabgesetzte Erregbarkeit zeigen. Denn wie ich schon oben an- gedeutet habe, handelt es sich durchaus nicht um einen gleichmässig über die ganze gelähmte Muskulatur verbreiteten Befund, es zeigen vielmehr von anscheinend gleich stark gelähmten Muskeln die einen die normale, die anderen die herabgesetzte Erregbarkeit. Ich bin nicht ein- mal sicher, dass es in allen Fällen dieselben Muskeln sind, bei denen sich die Verminderung der elektrischen Erregbarkeit eonstatiren lässt, Doch sprechen mehrere Umstände für ein gesetzmässiges Verhalten. Bekanntlich nämlich führt die cerebrale Lähmung, wenn sie von Dauer ist, gewöhnlich zur Contraetur, und es werden dabei die Gelenke, be- sonders der Oberextremität, in gewissen, immer wiederkehrenden Stellungen fixirt. Diese Stellungen nun scheinen ausschliesslich dadurch bestimmt zu werden, dass gewisse Muskeln unter denen, die das Gelenk bewegen, an Tonus verloren und andere dadurch das Uebergewicht erlangt haben;?) durch Faradisation der betreffenden Muskeln gelingt es meist, der Entwickelung der Contraetur vorzubeugen, bisweilen auch die schon ausgebildete zu beseitigen. Das spricht sehr dafür, dass gewöhnlich die- selben Muskeln den Verlust an Tonus und Hand in Hand damit die Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit erleiden. Ferner habe ich den Eindruck zurückbehalten, als ob an der oberen Extremität die den ') Mein Assistent Herr Dr. Gubitz ist mit dieser Untersuchung beschäftigt. ?) Vergl. Duchenne, Physiologie der Bewegungen. 8. 598 ff. re De A A A ee Me Due ee ei eu ee ee Me ee ee ee STE ee ee N der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 7 feineren Verrichtungen dienenden Muskeln, wie die kleinen Hand- und Daumenmuskeln, die Extensoren und Supinatoren des Handgelenrkes, an der Unterextremität die für die Gangbewegung wichtigsten Muskeln, die Beuger des Hüftgelenkes und Dorsalflexoren des Fussgelenkes, die über- wiegend betroffenen seien. Aber ich gestehe, dass meine Notizen auch in dieser Hinsicht zu dürftig sind, um ein sicheres Urtheil zu gestatten. Es sind weitere, darauf besonders gerichtete Untersuchungsreihen er- forderlich. Im Vorstehenden ist nachgewiesen worden, dass bei cerebraler Lähmung eine beträchtliche Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit beobachtet wird. Ich kann hinzufügen, dass dies zu den {häufigen und gewöhnlichen Vorkommnissen gehört; aber keineswegs ist es immer der Fall, es trifft nicht einmal für die Mehrzahl der Fälle zu. Welche Fälle von cerebraler Lähmung sind es aber, bei denen die Erregbarkeit der Muskulatur herabgesetzt wird? Die Thatsache an sich hat nur einen untergeordneten Werth, so lange diese prineipielle Frage nicht erledigt ist, vor allen Dingen fehlte ihr die diagnostische Verwerthbarkeit. Leider ist aber auch diese Frage noch nicht definitiv zu beantworten. Es läge nahe, die Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit mit dem Umstande in Zusammenhang zu bringen, dass die cerebrale Lähmung bald directes, bald indireetes Herdsymptom ist, d. h. bald auf wirklicher Continuitäts- trennung der halbseitigen Willensbahn beruht, bald auf Nebenwirkungen ') von irgend einer anderen Stelle des Gehirns, die sich auf dieselbe erstrecken. Man könnte erwarten, dass nur im ersteren Falle, d. h. bei vorliegender direeter Lähmung, die Erregbarkeit der Muskulatur leidet, während sie bei indireeter Lähmung normal bleibt. Da die indireeten halbseitigen Lähmungen bei Weitem häufiger sind als die direeten — die überwiegende Zahl der Schlaganfälle kommt zur sogen. Heilung —, so würde sich daraus auch erklären lassen, dass die Annahme der unveränderten Erregbarkeit bei cerebraler Lähmung so allgemein zur Geltung gekommen ist, weil dieses Verhalten dann thatsächlich viel häufiger zu beobachten war, als das entgegengesetzte. Meine Erfahrungen sprechen ganz für diese Auffassung, immer habe ich in den ent- sprechenden Fällen aus einer Reihe anderer Symptome den Schluss ziehen können, dass es sich um direete Hemiplegien oder Monoplegien handelt. So ist z. B. die rechtsseitige Hemiplegie in dem Beispiele, welches zur Untersuchung des Leitungswiderstandes und der zur Zuckung nöthigen absoluten Stromstärke gedient hat (vergl. oben $. 206) nur unter geringen Insulterscheinungen eingetreten und demgemäss noch jetzt ebenso voll- ständig wie alsbald nach dem Anfall vor 5 Monaten. Aehnlich ver- hielt es sich hinsichtlich des Einsetzens der Lähmung bei anderen ') Cfr. über den Begriff der Nebenwirkungen mein Lehrbuch der Gehirnkrank- heiten, II S. IX. 238 Jahres-Bericht Fällen, wo die Herabsetzung der Erregbarkeit gefunden wurde. Ich kann aber nicht behaupten, dass in allen Fällen direeter Lähmung dieser Befund constant ist, es scheint vielmehr auch bei direeter Hemiplegie vorzukommen, dass die elektrische Erregbarkeit der gelähmten Muskeln intact bleibt. Somit würde man zwar berechtigt sein, zu schliessen: Wenn die elektrische Erregbarkeit herabgesetzt ist, ist die Lähmung direetes Herdsymptom — aber nicht umgekehrt: Wenn die Lähmung eine directe ist, ist die Erregbarkeit herabgesetzt. Immerhin lässt das Symptom, wie man sieht, schon eine diagnostische Verwerthung nach gewisser Hinsicht zu. Für die Prognose ist es ebenfalls von Wichtig- keit, da die direeten Lähmungen nur einer unvollkommenen Rückbildung fähig scheinen, und für die Therapie durch locale Faradisation muss es sogar, wie schon oben angedeutet, den leitenden Gesichtspunkt bilden. Die nicht vollständig constanten Beziehungen zur direeten Hemiplegie erschweren es ungemein, eine Vorstellung von der Bedeutung, der sog. Pathogenese, des Symptomes zu gewinnen. Die nächstliegende Deutung wäre die, dass man das Symptom zu den Zeichen der secundären De- generation der Pyramidenbahn rechnete. Da aber das Bestehen einer solchen bei jeder direeten Lähmung, nachdem sie einige Wochen gedauert hat, anzunehmen ist, so kann nicht die secundäre Degeneration an sich daran Schuld sein, sondern es erscheint irgend ein Accedens erforderlich, welches zwar meist, aber nicht immer und nicht mit Nothwendigkeit hinzutritt. So erübrigt es sich, die Hypothese eines trophischen Einflusses der Hirnrinde an den Ursprüngen der Pyramidenbahn zu erörtern, und es ist darauf zu recurriren, dass die längst festgestellten trophischen Centren der Vorderhornzellen des Rückenmarkes in den meisten Fällen secundärer Degeneration in Mitleidenschaft gezogen werden, woraus dann als Hand in Hand gehende Symptome eine Atrophie der befallenen Mus- keln, Verlust an Tonus und elektrischer Erregbarkeit derselben resul- tiren. Diese Annahme hat das für sich, dass wir uns in gangbaren und geläufigen Vorstellungen bewegen. Denn es ist von Charcot und seinen Schülern längst anerkannt, dass ausnahmsweise zur secundären Degeneration eine Atrophie der Vorderhornzellen des Rückenmarkes treten kann. woraus dann ein Schwund der betreffenden Muskulatur erfolgt. Wir haben dies nun dahin zu erweitern, dass es sich dabei um eine ganz gewöhnliche, nicht nur ausnahmsweise auftretende Erscheinung handelt. Die Symptomatologie der secundären Degeneration der Pyra- midenbahn ist bekanntlich noch sehr fragmentarisch, Nach Chareot gehören dazu die spastischen Erscheinungen an den gelähmten Glied- maassen und die Steigerung der Sehnenreflexe, Erscheinungen des ge- steigerten Muskeltonus, also, wenn man will, Reizsymptome an denselben trophischen Centren, deren Ausfall uns die Herabsetzung der Erregbarkeit erklären soll. Auch hier herrscht jedoch keine volle Gesetzmässigkeit, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 239 denn es giebt unzweifelhaft direete Hemiplegien, die sich noch nach Jahren im Zustande vollständig schlaffer Lähmung befinden. In der bei Weitem überwiegenden Zahl der Fälle aber bilden sich Contraeturen, wie wir nunmehr annehmen können, nicht nur durch Reizung, sondern auch durch Untergang trophischer Vorderhornzellen. Die Atrophie der befallenen Muskulatur geht, wie ich zum Schlusse noch bemerken muss, mit der Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit immer Hand in Hand. Vereinzelte Befunde von Atrophie bei cerebraler Lähmung, welche schon früher veröffentlicht worden sind, gewinnen da- durch ein besonderes Interesse, So beobachtete Senator') in einem Falle von brachialer Monoplegie durch Hirnabscess eine ausgeprägte Atrophie schon 11 Tage nach Entstehen der Lähmung; die elektrische Erregbarkeit wurde intaet gefunden. Und der Altmeister der Nerven- physiologie, M. Schiff,?) erzeugte sie bei Affen sogar experimentell durch Läsionen der vorderen Hirnhälfte. Er sagt: „Nach einigen Wochen sieht man schon am lebenden Thiere den pathischen Arm abgemagert, und untersucht man sie nach dem Tode, so erkennt man bei Affen, dass viele Muskeln der vorderen Extremität viel schmächtiger sind, als die gleichnamigen der anderen Seite. Es betrifft dies die Zurückzieher des Schulterblattes, die Strecker des Vorderarmes und der Finger und etwas auch den biceps. Bei Krallenaffen ist der deltoides ergriffen und die Fingerstrecker der anderen Muskeln weniger, aber doch noch mitunter sichtlich. Ein Muskel jedoch ist in beiden Gruppen der Affen im höchsten Grade atrophisch, so dass er fast zum Faden geschwunden ist. Das ist der musculus omohyoideus,. Er hat nicht mehr den vierten Theil seiner normalen Breite. Mikroskopisch findet man hier und da in den atrophischen Muskeln die von Friedreich bei progressiver Muskel- atrophie und einzelne der schon früher von Hayem bei Myositis be- schriebenen Bilder.‘ Hierauf spricht Herr Ernst Fraenkel Ueber missed labour und seine Beziehungen zu Carcinoma uteri. Die von Oldham und Clinxton zuerst angewandte Bezeichnung „Missed labour‘‘ wurde missbräuchlich ein Sammelname für jede längere Retention abgestorbener Früchte in der Gebärmutter und erst Spiegel- berg stellte den ursprünglichen Sinn der Worte wieder her, indem er als Missed labour nur diejenigen Fälle gelten liess, in denen — wie dies auch in dem Worte labour liegt? — Wehen am rechtzeitigen Ende der Schwangerschaft auftreten, das Fruchtwasser abgeht, allmälig aber wieder Ruhe eintritt und die todte Frucht über die ) Berliner Klinische Wochenschrift, 1879 No. 4. ?) Pflüger’s Archiv für die gesamimte Physiologie, XXXI 1883 S. 355. 30 Jahres-Bericht normale Schwangerschaftsdauer im Uterus verbleibt. Wo hingegen Wehen vor dem richtigen Termine auftreten und wieder aufhören, soll man nach Spiegelberg von Missed labour nicht sprechen, denn hier daure die Retention nie über die normale Schwangerschaftszeit hinaus, mit deren Ende die nun erfolgende centrale Erregung zur Geburt führe. Dem letzteren Satze kann der Vortr. nicht zustimmen; er hat einen Fall beobachtet, wo im 5. Monat wehenartige Schmerzen und Blutabgang sich zeigten, dann Ruhe eintrat und nun die Schwangerschaft noch 6'/, Monat, also im Ganzen 11‘), Monate, weiterging. Auch der nach Spiegelberg mit den ersten Wehen ausnahmslos erfolgende Abgang des Fruchtwassers bei Missed labour entspricht nicht den neuerdings publieirten Beobachtungen von Leopold und Stanley P. Warren, wo der Fruchtwasserabgang erst 6 resp. 9 Wochen später als die am rechten Geburtstermine sich einstellenden Wehen erfolgte. Ebenso wird diese Behauptung widerlegt durch den folgenden, in mannigfacher Hin- sicht interessanten Fall des Vortr.: Careinoma colli uteri bei einer 32jährigen V para im 5. Schwanger- schaftsmonat. Hohe 'galvanokaustische Amputation beider erkrankten Muttermundslippen und 2 Monate später Abtragung eines Reeidivs an der hinteren Lippe mit dem Paquelin’schen Messer und Kauterisation der ganzen Fläche und tief in den Cervikalkanal hinein mit dem Knopf- brenner. Ungestörte Fortentwicklung der Frucht, jedoch beginnende Stenose des Cervikalkanals.. Am richtigen Geburtstermine schwache, bald wieder sistirende, resultatlose Wehen ohne Fruchtwasserabgang. Intrauteriner Fruchttod; 6 Tage später Constatirung nunmehriger totaler Atresie des Muttermundes, keine Andeutung des letzteren aufzufinden möglich. Erst 5 Wochen später Wiederbeginn von Wehen, gleichzeitig mit Abgang des Fruchtwassers, spontane Wiedereröffnung des atretischen Muttermundes, der nach Verlauf von 4 Tagen erst so weit nachgiebig wird, dass die stark fiebernde Kreissende von einem sehr grossen und kräftigen, in hochgradiger Fäulniss begriffenen Kinde durch Wendung und Extraction entbunden werden kann.. Expression der aussergewöhn- lich grossen, lederartig trockenen und plattgedrückten Placenta. Günstiger Wochenbettsverlauf; Auftreten eines Careinomreeidivs an der Portio 4 Monate später, Der Vortr. knüpft an diesen Fall zunächst die Erörterung der Frage, ob eine Wochen oder Jahre über den Schwangerschafistermin hinaus stattfindende Zurückhaltung einer Frucht im Uterus möglich sei. Er bejaht dies mit Rücksicht auf Saenger’s, Stanley Warren’s, Leopold’s und seinem eigenen Fall im Gegensatz zu Stoltz-Müller, die alle hierher gehörigen Fälle ausnahmslos auf Extrauterinschwanger- schaft zurückgeführt wissen wollen und gegen Kleinwaechter, nach dem es sich in diesen Fällen um eine Verwechslung mit zurück- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 31 gehaltenen Früchten bei Extrauterin- und Nebenhornschwangerschaften oder auch im normalen Horn eines Uterus bieornis (Wiener) handeln soll. Der Vortr. glaubt allerdings, dass es bei Nebenhornschwanger- schaften oder bei Doppelhörnigkeit des Uterus relativ am häufigsten zu vergeblicher Geburtsarbeit kommt. (Macdonald, Wiener, Galle.) Ausserdem sah man Missed labour eintreten nach Peritonitis (Leopold, Warren), bei Verwachsung der Eihäute mit der Decidua (Meissner), bei multiplen Fibroiden am unteren Uterussegment (Saenger) und bei Krebs des Gebärmutterhalses (Menzies, Müller, Playfair, Beigel und Fraenkel). Unter 100 Fällen von Complication der Schwanger- schaft durch Uteruskrebs fand Cohnstein 2mal Spätgeburt. Die Ursachen der widerspruchsvollen Erscheinung, dass in dem einen Geburtsfalle die Starrheit des unteren Uterinsegments und des Cervix zu den stürmischsten Wehen, zur Zertrümmerung oder Ruptur des unnachgiebigen Uterusabschnittes oder zum Tode der Kreissenden an Erschöpfung führt, während bei Missed labour die Wehen wohl zur richtigen Zeit einsetzen, im Ganzen aber von Beginn an schwächer als gewöhnlich sind und allmälig ganz erlöschen, sind von den Autoren mehr umschrieben, als erklärt worden. Am zutreffendsten erscheint noch die zuerst von Macdonald gegebene Erklärung, wonach in der Differenz in der Wandstärke der Uterusmuskulatur zu Gunsten des unteren Segments der Grund der Sistirung der bereits eingeleiteten Wehen zu suchen und als Ursache des Missed labour eine allmälige Er- lahmung der Muskeln des Fundus und Corpus uteri gegenüber dem abnorm starken Widerstande des hypertropischen unteren Segments an- zunehmen sei. | | Der Vortr. bemerkt jedoch, dass diese Annahme nur für die Fälle von Missed labour bei Bicornität des Uterus, allenfalls vielleicht noch bei multiplen Fibroiden am unteren Segment passen, jedoch für die anderen von ihm hervorgehobenen Arten des Vorkommens von Reten- tion der Frucht in der eigentlichen Uterushöhle keine genügende Er- klärung geben würde. Der Vortr. bemüht sich deshalb eine für alle Fälle und Anomalien passende Deutung zu finden, Hierzu bedarf es der Beantwortung der beiden Vorfragen: 1. Weshalb müssen Wehen, die einmal begonnen haben, weiter gehen? und 2. unter welchen Bedingungen können sie vorübergehend oder dauernd sistirt werden? Der normale Fortschritt und Verlauf der Geburt wird unter An- derem bedingt durch das richtige Verhältniss der Muskulatur des oberen austreibenden Theils des Uterus, des Hohlmuskels nach Schroeder, zum unteren, dem Dehnungsschlauch, (Cervix plus Scheide). Ueber- wiegt, wie normal, die Muskulatur des Hohlmuskels und ist der Dehnungs- 39 Jahres - Bericht schlauch normal nachgiebig, so wird, vorausgesetzt die Abwesenheit anderer Störungen, der Effekt der Wehenthätigkeit sich im normalen Fortschritt der Geburt zeigen. Bei Anwesenheit grosser Widerstände (z. B. Beckenenge), bei sonst normaler Kraft des Hohlmuskels und bei dadurch bedingter übermässiger Spannung des Dehnungsschlauches kann derselbe zerreissen. (ÜUterusruptur oder Abreissen der Scheide vom Uterus.) Ebenso kann Ruptur im Dehnungsschlauch eintreten, wenn bei voller Kraft und Dicke des Hohlmuskels der erstere seine Elastieität z. B. durch pathologische Einlagerungen verloren hat. So tritt ja nicht selten bei Careinoma uteri in der Geburt Ruptur des unteren Uterus- segmentes ein. - Haben jedoch bei gleichzeitiger Abnahme der aus- treibenden Kräfte des Hohlmuskels, also Verdünnung des- selben, die Widerstände im Dehnungsschlauch durch irgend welche Ursachen (careinomatöse oder myomatöse Einlagerungen in das untere Segment, feste Verbindungen des Eies mit der Innenfläche des Uterus am unteren Eipol, para- oder perimetritische ein- oder doppel- seitige Adhaesionen, Bicornität oder Nebenhornschwangerschaft) zu- genommen, dann kann der Dehnungsschlauch die hier von vornherein geringe Kraft des Hohlmuskels überwinden und die Contracetionen des letzteren allmälig aufhören. Eine solche Verdünnung des Hohlmuskels gegenüber dem Dehnungs- schlauch hat z. B. Bayer in Freund’s gynaekologischer Klinik bei den von ihm sog. degenerativen Strieturen des Uterus beschrieben. Auch hier sitzt das Hinderniss im Bereich des Dehnungsschlauches am unteren UÜterussegment und Cervix; es wird der Hohlmuskel, indem er das ganze Ei aufnehmen muss, sehr verdünnt und leistungsunfähig gegenüber dem widerstandsfähigen unteren Segment; es kommt zu den mannigfachsten Geburtsstörungen und am unteren Segment zu der sog. degenerativen Strietur. Die letztere wird jedoch meist noch überwunden und die Geburt spontan oder künstlich beendet. Wenn aber die Widerstände stetig wachsen und die austreibenden Kräfte in demselben Maasse ab- nehmen, so wird schliesslich ein Stillstand, ja ein vollständiges Aufhören der Geburtsthätigkeit eintreten. Der Vortr. macht ferner auf ein seiner Meinung nach wichtiges, bis jetzt unbeachtet gebliebenes Moment für die Erklärung von Missed labour aufmerksam: Es ist dies der Einfluss des Hineintreibens der Fruchtblase in den inneren Muttermund nicht nur auf die Erweiterung desselben, sondern auf die dadurch reflectorisch hervorgerufene Erregung und Steigerung der Wehen. Alle Momente nun, welche die genügende Vorbereitung und Dehnung des unteren Uterus- segments in der Schwangerschaft beeinträchtigen und aufhalten (also De- generation am Üervix, Neoplasmen des unteren Segments, para- und der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 33 perimetritische Adhaesionen, feste Verwachsungen des Eies mit der De- eidua uterina, Bicornität), werden die schon während der Schwangerschaft normale Aufnahme des unteren Eipols vom unteren Uterinsegmente ver- eiteln, das Ei nach oben in den Hohlmuskel drängen, dessen Gesammt- muskulatur verdünnen und die jetzt eintretenden ersten Wehen primär schwächen. Dadurch entsteht die Unmöglichkeit der Eröffnung des ohnehin abnorm starken und resistenten unteren Segments, Verhinderung des Hineintreibens der Fruchtblase in den nicht erweiterten inneren Muttermund, mangelnde Erweckung und Regulirung neuer Wehen und allmäliges gänzliches Erlöschen der primär zu schwachen Expulsiv- thätigkeit. Es ist also gewissermaassen ein Circulus vitiosus, der zu Missed labour führt: Durch Verdünnung des Hohlmuskels primär zu schwache Wehen vermögen nicht das abnorm resistente untere Uterinsegmentund speciell den inneren Muttermund zu erweitern und die Fruchtblase in ihn hineinzutreiben, und der Mangel eben dieser Erweiterung hat seinerseits wieder Einschlafen der von Anfang an ungenügenden Wehen zur Folge. In Bezug auf die Prognose bei Missed labour theilt der Vor- tragende nicht ganz die etwas optimistische Spiegelberg’sche Auf- fassung. Es kann niemals mit Sicherheit auf Verschrumpfung der Frucht oder Lithopaedionbildung gerechnet werden; ja es ist sogar viel wahr- scheinlicher, dass reife oder nahezu reife, intrauterin abgestorbene Früchte zunächst maceriren und bei längerer Retention in Fäulniss und Verjauchung übergehen. Das letztere kann auch ohne Abgang des Fruchtwassers und Zutritt von Luft resp. Fäulnisskeimen durch das Ein- dringen von solchen aus den den Uterus umgebenden Därmen geschehen, ähnlich wie sich der Inhalt intraperitonealer Empyeme zersetzt und faceulente Beschaffenheit annimmt. Die Verjauchung der Frucht hat aber meist ziemlich rasch Kachexie und Siechthum der Mutter im Gefolge; selbst ein Lithopaedion kann noch nach langer Zeit spontan oder durch Trauma verjauchen, so dass solche Kranke immer in Gefahr schweben. Der Vortr. sah allerdings mit Herrn Sanitätsrath Dr. Schlockow ein Lithopaedion in einem uterinen Nebenhorn sehr lange ohne Schaden getragen werden. Die Frau, welche sich der besten Gesundheit erfreute und ausser dem vermehrten Leibesumfange keinerlei Beschwerden von dem Lithopaedion hatte, coneipirte sogar später und gebar am richtigen Termine ein lebendes Kind. Seitdem ist schon wieder eine Reihe von Jahren ohne Störung ihrer Gesundheit vergangen. Aber ‚das sind Aus- nahmen, auf die man nicht zählen kann; sicherer dürfte es bei jeder intrauterinen Fruchtretention über den normalen Schwangerschaftstermin hinaus wohl sein, bei den ersten Zeichen der Fruchtfäulniss und der Aufnahme von Zerfallsprodueten in’s mütterliche Blut (Fieber, Kachexie) 1886. 3 34 Jahres-Bericht für die Elimination des Foetus auf natürlichem oder künstlich zu er- öffnenden Wege zu sorgen. Die Art des Vorgehens und die Wahl der Methode hängt von der Natur des Falles ab. Der Leopold’sche Fall (Arch. f. Gyn. Bd. XI. p. 391 u. f.), wo vergeblich mit allen zu Gebote stehenden Dilatationsmitteln versucht wurde, das Collum uteri zu eröffnen, beweist, dass es nicht immer möglich ist, mit Quellmitteln oder Bougies ein unvorbereitetes Collum derart zu erweitern, dass der Durchtritt oder die Extraction einer ausgetragenen Frucht ohne die schwersten Ver- letzungen des Cervix und der Parametrien möglich wäre. Vielmehr ist, wie Saenger in der sich an seinen Fall (Centralbl. f. Gyn. 1885 p. 349) anschliessenden Discussion sehr richtig hervorhebt, ein Eingreifen der Wehenthätigkeit als Vorbedingung für eine erfolgreicheErweiterung des Mutterhalses durch mechanische Dilatationsmittel nothwendig. Oft genügt dann diese Wehenthätigkeit allein, wenn sie erst wieder einmal erwacht ist und im Gang bleibt, wie in dem Fall des Vortr. Ineisionen in den Muttermund nützen nur dann, wenn das untere Uterinsegment entfaltet und das Collum verstrichen ist; Ineisionen am inneren Muttermunde sind wegen der Unberechenbarkeit ihrer Ausdehnung und wegen der Infections- gefahr, besonders bei verjauchtem Uterusinhalt, zu verwerfen. Bei Missed labour durch Careinoma uteri ist natürlich die Prognose unbedingt schlecht; auch im Fall des Vortr. war schon 4 Monate nach der Geburt ein Reecidiv und ist jetzt (1 Jahr später) ein neues, kaum noch operables da. Die Zeit zur Lithopaedionbildung ist natürlich solehen Schwangeren nicht vergönnt. Die hohe, supravaginale Exeision nach Schröder-Hofmeier ist, wenn man mit diesen das Epithelioma colli uteri als eine mehr lokale Erkrankung auffasst, frühzeitig zu machen, wenn das Carcinom in der Schwangerschaft entdeckt wird. Die galvanokaustische Amputation dringt nicht hoch genug und führt die Gefahr der Stenosenbildung mit sich, wie auch einige andere Fälle des Vortr. und früher von Spiegelberg operirte, die er dann zu sehen bekam, beweisen. Gerade die narbige Stenosirung des Collum kann aber, wie in des Vortr. Fall, zu Missed labour führen. Radikaler noch als die hohe supravaginale Exeision des carcinomatösen ‚Collum dürfte wohl die vaginale Totalexstirpation des allerdings erst in frühester Zeit schwangeren, carcinomatös erkrankten Uterus sein, wie sie neuer- dings Landau (Verhandlung d. 59. Naturf.-Versammlung in Berlin) mit Glück ausgeführt hat. Bei Missed labour durch Careinoma uteri fragt es sich, ob die carcinomatösen Massen abtragbar und die Extraction durch das starre Gewebe möglich ist. Ist dies nicht der Fall, dann treten die Total- exstirpation nach Freund (3 Fälle, a. von Spencer Wells mit Er- haltung der Mutter, b. von Bischoff mit Erhaltung des Kindes, und c. vonSchroeder unter sehr ungünstigen Verhältnissen bei abgestorbenem = 0 der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 35 Foetus mit Tod der Mutter an septischer Peritonitis) oder der Kaiser- schnitt in ihr Recht. Die Freund’sche Totalexstirpation dürfte jedoch grade bei Missed labour durch Careinoma uteri — abgesehen von der wohl zu beherrschenden grösseren Blutungsneigung beim hochschwangeren Uterus und von der vermehrten Infectionsgefahr — deshalb höchst selten indieirt sein, weil sie Intactsein des Beekenbindegewebes voraussetzt und dieses letztere hier kaum je ganz frei sein wird. Auch die Porro’sche ÖOperationsmethode scheint insofern für Missed labour bei Uteruscareinom nicht geeignet, als die meist hoch in den Cervix sich erstreckende starre Infiltration die beim Porro nöthige Stielbildung im gesunden Gewebe verhindert. Hier ist der klassische Kaiserschnitt mit der Saenger’schen Verbesserung noch am ehesten indicirt. Sitzung vom 4. Juni 1886. Herr Legal spricht Ueber eine öftere Ursache des Schläfe-Hinterhaupts-Kopfschmerzes. Unter Mittheilung einiger einschlägiger Krankengeschichten macht Vortragender auf eine besondere Form des Kopfschmerzes aufmerksam, welche er öfters in Begleitung acuter und chronischer Pharynx- und Mittelohreatarrhe beobachtete, ohne dass letztere Leiden sich durch sonstige, subjective Symptome bemerklich gemacht hatten. Die Kennt- niss dieses Verhaltens ist praktisch insofern wichtig, als derartige Pa- tienten nicht den Specialisten für Hals- und Öhrenkrankheiten in An- spruch nehmen, sondern bei der inneren Mediein Hilfe suchen. Der Kopfschmerz, am häufigsten linksseitig, in deı Schläfe oder dem Hinterhaupte sitzend, beruht auf einer neuralgischen Reizung der in diesen Regionen verlaufenden Nervenstämme, namentlich des nervus auriculotemporalis und des nervus oceipitalis maior. Beide Nerven sind an den für sie charakteristischen points douloureux, nämlich dicht vor dem obern Ende des tragus und am äussern Rande der Schädelinseetion des musculus cucullaris druckempfindlich. Je nach der Heftigkeit der neuralgischen Affection muss der schmerzerzeugende Druck sanfter oder intensiver ausgeübt werden. Der spontane Schmerz tritt meistens in unregelmässigen Paroxysmen auf; vereinzelt setzte der Schmerzanfall typisch zu einer bestimmten Tageszeit ein, um hierauf ebenso zu einer bestimmten Tageszeit wieder nachzulassen. — Im Bereiche der neuralgischen Nervenbahnen bestand häufig Sensibilitätsstörung (Hyperalgesie).. Bei allen Patienten lagen Momente vor, die erfahrungsgemäss den Ausbruch von Neuralgieen be- günstigen: neuropathische Constitution, Anämie, chron. Nieotin- und Alkoholintoxication etc. 3* 36 Jahres - Bericht Die Behandlung bestand lediglich in Aetzungen der Pharynx- schleimhaut (meistens mit 1 pCt. Jodglycerin) und Lufteinblasungen ins Mittelohr, nach Politzer’s Verfahren oder mit Hilfe des Tubeneatheters. Sie führte meistens überraschend schnelle Genesung herbei, selbst da, wo der sonstige antineuralgische Heilapparat den Dienst versagte. Das Zustandekommen der Neuralgie erklärt sich Vortr. durch einen centralen Irradiationsvorgang, ausgehend von einer Reizung der zahlreichen Nervenendigungen in der Pharynx- und Mittelohrschleimhaut. Sitzung vom 2. Juli 1886. Herr Hirt demonstrirt und erläutert die sogen. Diffusions-Elecetrode von Adamkiewicz. Dieselbe soll angewendet werden gegen Neuralgien, bei welchen sich der constante Strom einer- und Mediecamente andererseits wirkungs- los erwiesen haben; und zwar soll ihre Wirksamkeit auf der gleich- zeitigen Anwendung dieser beiden Heilfactoren beruhen. Die Eleetrode besitzt daher an ihrem oberen Ende ein etwa 3 ccm Flüssigkeit auf- nehmendes Reservoir aus poröser Kohle, welche letztere nicht blos das in dem Reservoir enthaltene Medicament (z. B. Chloroform) diffundiren, sondern auch gleichzeitig den constanten Strom auf die Haut einwirken lässt. Die mit der Haut in Berührung kommende Kohlenplatte wird mit Gaze überzogen, das Reservoir gefüllt, die Diffusionselecetrode wird als Anode direct oder möglichst nahe am locus morbi benutzt, die Kathode an indifferenter Stelle befestigt. Bald nach Schliessung des (immer nur sehr schwachen) Stromes lassen die Schmerzen nach, und es entwickelt sich unter der Diffusionseleetrode eine ziemlich ausgedehnte, mehrere Minuten anhaltende Haut-Anästhesie. Wiederholte Anwendung scheinen die Beschwerden der Patienten, besonders bei Quintusneuralgien wesent- lich zu mildern, indess ist die Beobachtungszeit noch zu kurz, um zu entscheiden, ob die Besserung eine bleibende ist. Der Vortr. glaubt das qu. Instrument zu weiteren Versuchen empfehlen zu dürfen, Hierauf folgt von demselben Vortragenden Demonstration eines Hirntumors, welcher sich bei einem 57jährigen Patienten innerhalb einiger Monate entwickelt hatte. Da sich sehr früh eine rechtseitige Hemiplegie aus- bildete, welche bis zum Ende persistirte und demgemäss als ein direetes Herdsymptom aufgefasst werden musste, da ferner eine ausgesprochene Leitungsaphasie constatirt wurde, und sich andererseits Allgemein- erscheinungen wenig geltend machten, auch nie eine Stauungspapille diagnostieirt werden konnte, so glaubte man eine kleine Embolie im Gebiete der linken Art. fossae Sylv. und eine dadurch bedingte Affeetion Eee Me en he uch Zac Se _ x a Art EEE EEE W002 EEE der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 37 der linken Insel annehmen zu müssen. Stattdessen ergab sich bei der Section ein über wallnussgrosses, kleinzelliges Sarkom in den vordersten Partien des linken Stirnlappens, der Nothnagel’schen pars frontatis media entsprechend, zwischen dem coupe pr£frontale und dem coupe pedieulofrontale von Pitres gelegen. Der Vortr. bespricht in ein- gehender Weise die Unmöglichkeit einer richtigen Localisationsdiagnose intra vitam und betont, dass auch nicht ein einziges Symptom der ge- wöhnlieh für Hirntumoren als pathognostisch betrachteten vorhanden war, Der Fall ist in der Inaugural Dissertation des Herrn G. Steinberg in extenso veröffentlicht. Sitzung vom 23. Juli 1886. Herr Voltolini stellt einen 18 jährigen Gymnasiasten vor mit einem Fibrom im Cavum pharyngo-nasale rechterseits, bei welchem die rechte Backe geschwollen ist. Diese Schwellung rührt her von einer Fettver- mehrung in der Backe, und hat dieselbe nur auf der entsprechend kranken Seite Voltolini constant bei Fibromen und Fibro-Sarkomen in jener Region beobachtet, so dass man also dem Patienten schon sein Leiden aussen im Gesicht ansehen kann. Niemals hat V. diese Schwellung der Backen -bei gewöhnlichen Nasen-Rachenpolypen beobachtet (sogen. Schleimpolypen), selbst wenn sie das ganze Cavum pharyngo-nasale ausfüllte.e Ausführlicheres in seinem demnächst zu erscheinenden Buche über Nasenkrankheiten. Hierauf hält Herr Fritsch einen Vortrag Ueber Extrauterinschwangerschaft. Im Anschluss an fünf von ihm operirte Fälle wird die Behandlung besprochen. Der Vorschlag, bei interner Verblutung und diagnostieirter resp. vermutheter Extrauteringravidität zu laparotomiren, hat wenig praktischen Werth. Entweder sind die Erscheinungen so bedrohliche, dass man kaum den Muth hat, einer Moribunden den Leib aufzuschneiden, oder die Erscheinungen sind nicht bedrohlich, Puls und Allgemeinbefinden heben sich, dann darf man hoffen, dass die Coagula tamponirend wirken und die Blutung steht. Wird die Extrauteringravidität bei lebendem Kinde diagnostieirt, so ist natürlich zur Rettung des Kindes zu laparotomiren. Die Prognose ist nach der Statistik eine überaus schlechte. Die Gefahren liegen hier wesentlich in der Gegenwart der Placenta; reisst man sie von der sich nicht contrahirenden Unterlage ab, so blutet es colossal, lässt man sie sitzen, so tritt Fäulniss und Sepsis ein. Bedenkt man die Grösse des faulenden Körpers, die tiefe, unzugängliche Localität und die Unmög- lichkeit, Asepsis zu erhalten, so wird man die Gefahr verstehen. 38 Jahres-Bericht Ist das Kind todt, so soll man mit der Laparotomie warten, je länger desto besser. Denn eine gefährliche Blutung ist nach einigen Monaten bei Loslösung der Placenta nicht zu befürchten. Indessen erlebte Vortragender auch nach jahrelangem Warten noch eine ziemlich be- deutende Blutung bei Lösung der Nachgeburt. Nach eigenen üblen Er- fahrungen, die der Vortragende mit Exstirpation des ganzen Fruchtsackes in zwei Fällen hatte, verzichtet F. auf Entfernung des Fruchtsackes. Nur das Kind wird entfernt und die Höhle mit Jodoformgaze ausgefüllt. Die andrängenden Gedärme drücken die Höhle zusammen, sie selbst schrumpft, und es bleibt schliesslich ein allmählich immer kleiner werdendes Loch zurück, das sich nach 6—8 Wochen völlig schliesst. Kann man auf diese Weise die Eröffnung der Peritonäalhöhle vermeiden, so ist es sehr vortheilhaft. Ist dies nicht möglich, so vernäht man Fruchtsack und Bauchdecken so innig, dass die Peritonäalhöhle äusser- lich abgeschlossen wird. Zwei Fälle wurden so schnell der Heilung zugeführt. Ausserdem wurde in der Frauenklinik in zwei Fällen, einmal von Herrn Wiener, einmal von dem Vortragenden, ein schwangeres rudi- mentäres Horn bei ausgetragenem Kinde abgeschnitten. In beiden Fällen erfolgte Heilung. Eine Patientin ca. im 7. Monat extrauterinschwanger mit lebendem Kinde, aus der Waldenburger Gegend, entzog sich der Behandlung. Mit dem Princip, den Fruchtsack zurückzulassen, wird nichts Neues vorgeschlagen, schon die alten Autoren, die das Trauma als ätiologisches Moment der Peritonitis besonders fürchteten, schlugen ein gleiches Ver- fahren vor. Sitzung vom 8. October 1886. Herr Fritsch hält einen Vortrag Ueber die bisherigen Resultate der Totalexstirpation des Uterus. Der Vortragende hat 65 Mal die Totalexstirpation des Uterus ge- macht. In drei Fällen wurde wegen Prolaps Uterus und Scheide re- secirt, so dass das Becken unten ähnlich wie beim männlichen Geschlecht geschlossen ist. Die andern Fälle betrafen Careinome. Von den Fällen starben 7 Frauen an den Folgen der Operation. Der Vortragende meint, dass dies kein besonders günstiger Procentsatz sei und hofft, dass, nach- dem die Zeit des Studiums der Operation vorüber sei, die Prognose besser werden würde. Gesund geblieben sind 1 Frau . .. .....83 Jahr 2 Monat, Zu SNIHRTESUSBI TR - 1 Be ee der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 39 1 Frau 2 Jahr 4 Monat, ] , u = 3 Frauen. N | . 2 z RE - 1 Frau Liisis „Al E 10 Frauen. . . . 1 Jahr bis 1 Jahr 10 Monat. Nach den gewöhnlichen Anschauungen über Recidive sind wohl die über zwei Jahr gesunden Frauen als gesund zu betrachten. Doch ist der Vortragende in dieser Beziehung nicht sicher, bemerkt aber, dass in Breslau eine Frau gesund lebt, der vor 8 Jahren Freund den carcino- matösen Uterus entfernte. Wäre aber auch nur bei der Mehrzahl der Frauen eine sich über 3—1 Jahr erstreekende Gesundheit erreicht, so würde man wohl, da der Freund’sche Fall die Möglichkeit der Heilung beweist, von der Totalexstirpation nicht abstehen. Namentlich werden die Resultate in jeder Beziehung besser werden, wenn man nur „gute“ Fälle operirt, d. h. solehe, bei denen das Carcinom im Beginn ist. Die Möglichkeit, die Prognose zu bessern, liegt zum Theil auch in der Hand der praktischen Aerzte, rathen sie vor monatelanger Aetzbehandlung zur Operation, so werden die Fälle „gut“ sein. Auch ist zu hoffen, dass, wenn eine Anzahl geheilter Fälle bekannt werden, das allgemeine Vertrauen zur Operation steigt. Freilich kommt die Mehrzahl der Carei- nome erst dann in ärztliche Behandlung, wenn Nichts mehr zu machen ist. Unter so verzweifelten Umständen Radicalheilung durch Operation zu versprechen, ja überhaupt von einer „Operation“ zu reden, ist inhuman. Sitzung vom 15. October 1886. Herr Heidenhain hält einen Vortrag Ueber Harnabsonderung in den Nieren. Vortragender erörtert die heutigen Theorien der Harnabsonderung, im Besonderen der Wasserabsonderung in den Nieren, und bespricht darauf Versuche, welche im vorigen Sommer Herr Dr. Paneth aus Wien im hiesigen physiologischen Institut angestellt hat. Dieselben sind seit- dem ausführlich in Pflüger’s Archiv veröffentlicht. Hierauf spricht Herr Röhmann: Ueber Bildung und Ausscheidung von Milchsäure und Zucker bei der Muskelthätigkeit (nach Versuchen von Herrn W. Marcuse). Als Resultat einer Reihe von Versuchen, welche Herr W. Marcuse während der letzten Semester im hiesigen physiologischen Institute angestellt hat, ergab sich: 1) Bei der Thätigkeit des Muskels wird Fleischmilchsäure gebildet; 2) der bei weitem grösste Theil der so ge- bildeten Milchsäure wird in der Leber des Frosches zerstört; 3) ein 40 Jahres-Bericht kleiner Theil derselben geht in den Harn des Frosches über in Folge einer eigenthümlichen Gefässanordnung; 4) der Harn des tbätigen Säugers ist milchsäurefrei. Ueber die Art und Weise, wie sich die Milchsäure im Muskel bildet, liessen sich bisher klare Vorstellungen nicht gewinnen. Nur Eins blieb von hervorragendem Interesse. Die Beziehungen, welche zwischen der im Muskel entstehenden Milchsäure und dem in ihm ent- haltenen Glycogen existiren. Durch die Versuche von Weiss ist sicher- gestellt, dass das Glycogen bei der Muskelthätigkeit abnimmt. Also entsteht Milchsäure aus Glycogen? Mit Rücksicht auf die Bildung von Milchsäure bei Gährung der Kohlehydrate erschiene dies sehr wahr- scheinlich, wenn nicht einer derartigen Annahme die von Böhm ge- fundene Thatsache entgegenstände, wonach bei der Todtenstarre im Muskel Milchsäure gebildet wird ohne gleichzeitiges Verschwinden von Glyecogen. Hier kann also die Milchsäure sicherlich nicht vom Glycogen herstammen. Am einfachsten ist die Vorstellung, dass sich die Milch- säure sowohl bei der Thätigkeit des Muskels, wie bei der Todtenstarre aus einem Hyalogen bildet, d. h. aus einem Eiweisskörper, welcher einen Kohlehydrateomplex enthält. Es ergäbe sich aber als ein wesent- licher Unterschied zwischen dem Chemismus in der lebenden Muskelzelle und den postmortalen Veränderungen: dass in beiden zwar eine Zer- setzung des Hyalogens unter Bildung von Milchsäure stattfindet, nur dass der noch lebende Muskel das Hyalogen zu regeneriren vermag, der der Todtenstarre verfallende dagegen nicht. Das Kohlehydrat, welches in den betreffenden Protoplasmacomplex der lebenden Muskelzelle eintritt, kann Glycogen sein, wahrscheinlich aber ist es Traubenzucker, der aus jenem entsteht. Mit Zugrundelegung dieser Hypothese lassen sich einige Beobach- tungen, die wir, angeregt durch Arbeiten von Langendorff') und Gürtler?), in jüngster Zeit gemacht haben, in einer, wie wir glauben, ungezwungenen Weise erklären. Langendorff machte selbständig (die schon früher von Schiff gemachte Angabe war ihm unbekannt) die Entdeckung, dass der Harn von strychninisirten Fröschen Zucker enthält Er verfolgte gemeinschaft- lich mit Gürtler diese Beobachtung weiter und kommt auf Grund seiner Versuche zu dem Schluss, dass das Vorhandensein der Leber für das Zustandekommen des Strychnindiabetes nothwendig ist. Es handle sich ‚um eine direete Einwirkung des Nervensystems auf den Vorgang der Zuckerbildung in der Leber. Das Nervensystem würde zum Glyeogenumsatz und zur Zuckerseeretion in ähnlicher Beziehung stehen, !) Untersuchungen über die Zuckerbildung in der Leber von Prof. Dr. OÖ. Langendorff. Arch. f. Anat. u. Physiologie 1886. 2), Gürtler, Der Strychnindiabetes. Inaugural-Dissertation. Königsberg 1886. A der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. . 41 wie die secretorischen Nerven andrer Drüsen zu den Vorgängen in diesen. Strychnin würde direet oder reflectorisch die Ursprünge dieser Leber- secretionsnerven erregen“. Die Annahme, dass die gesteigerte Muskel- thätigkeit an der Entstehung des Strychnindiabetes betheiligt sei, weist Langendorff zurück. Langendorff’s Deductionen stützen sich in erster Linie darauf, dass der Strychnindiabetes bei Fröschen, deren Leber exstirpirt worden ist, ausbleibt. Trotz der dahin lautenden ganz bestimmten Angabe schien uns eine Nachprüfung gerade dieses Punktes von der grössten Wichtig- keit. Die Hypothese von Langendorff passte wenig in den Rahmen unserer Anschauungen; ausserdem aber fand sich eine Angabe, die uns stutzig machte. Unter sieben Fröschen trat bei dem „zuerst operirten Frosche, bei welchem die Exstirpatfion nicht ganz vollständig gelungen war, einmal eine Spur von Zucker im Harn auf.“ Uns schien dies darauf hinzudeuten, dass bei strychninisirten Fröschen auch nach Exstirpation der Leber Zucker im Harn auftreten kann. ÜUnsre Ver- muthung erwies sich als richtig. Wir waren glücklicher als Herr Professor Langendorff und fanden unter zwölf Fröschen fünf, welche auch nach Exstirpation der Leber nicht unerhebliche Mengen von Zucker im Harn aufwiesen. Dass es sich dabei um solche gehandelt habe, die wir besonders schlecht operirt hätten, wird man wohl kaum voraussetzen. Damit ist aber bewiesen, dass entgegen der Ansicht von Langendorfl der Zucker, welcher sich nach dem Strychninisiren im Harn des Frosches findet, auch aus anderem Körpergewebe als der Leber herstammen kann. Und hier wäre zunächst wieder an die Muskeln zu denken. Herr Professor Langendorff hatte in seinen Versuchen gefunden, dass das Glycogen beim Strychninkrampf aus der Leber verschwindet. Aus dem Glycogen bildet sich Zucker und dieser wird mit dem Harn ausgeschieden. Uns fiel es auf, dass die Menge des Zuckers im Harn eine ausserordentlich geringe war im Vergleich zu den Mengen Glycogen, die nach den Beobachtungen ‚|Langendorff’s aus der Leber ver- schwinden müssen. Wir kamen deshalb auf den Gedanken, dass das Glyeogen der Leber zum Ersatz der in den Muskeln verbrauchten Kohle: hydrate dient. Folgender Versuch scheint uns den Beweis hierfür zu liefern. Wir nahmen zwei Serien von Fröschen, von denen den Einen die Lebern exstirpirt wurden, strychninisirten beide, tödteten beide nach der gleichen Zeit und bestimmten in den Muskeln beider das Glyeogen. Es fand sich mehr Glycogen in den Muskeln derjenigen Frösche, welche ihre Leber behalten hatten. Das erklärt sich leicht. Die Frösche ohne Lebern waren während der durch Strychnin hervor- gerufenen Muskelkrämpfe nur auf ihren Glycogenvorrath in den Muskeln 42 Jahres-Bericht angewiesen, während die anderen den Glycogenverbrauch aus den Kohle- hydraten der Leber decken konnten. Der Zusammenhang der Erscheinungen scheint uns folgender zu sein. Unter dem Einfluss von Strychnin werden in der Muskelzelle Zersetzungsvorgänge eingeleitet, als deren Effeet Muskelcontractionen auftreten können. Ks zerfällt ein hyalogener Eiweisskörper unter Bil- dung von Milchsäure (von der Möglichkeit, dass hierbei als Vorstufe Traubenzucker auftritt, wollen wir vor der Hand absehen); er regenerirt sich unter Aufnahme von Glycose. Diese wird dem Muskel im Blute zugeführt und es ist denkbar, dass in dem Maasse, als das Blut an Zucker verarmt, es in der Leber wieder den Zucker erhält, vielleicht dass gerade die im Muskel entstandenen Stoffwechselproducte (man denke an die Milchsäure zerstörende Wirkung der Leber) die Veran- lassung zur Zuckerbildung in der Leber werden. In den Harn aber gelangt Zucker, wenn sowohl das in der Leber wie im Muskel vor- handene Glycogen in grösseren Mengen mobilisirt, d. h. mehr Trauben- zucker aus dem Glycogen gebildet, als vom Muskel verarbeitet wird, sei es, dass wie zum Beginn der Krämpfe erzeugenden Strychninwirkung plötzlich abnorm grosse Mengen von Zucker entstehen oder bei lähmenden Strychnindosen der Zucker zwar erzeugt, aber nicht von den Muskeln verbraucht wird. Wir haben es hier mit einem ganz speciellen Falle von Glyeosurie zu thun, dessen Interesse darauf beruht, dass die Zuckerbildung in engstem Zusammenhang mit Stoffwechselvorgängen im Mus- kel steht, und dass sie auch nach Ausschaltung der Leber zu Stande kommen kann. Sitzung vom 29. October 1886. Herr Toeplitz hält einen Vortrag Ueber Rachitis und ihre Behandlung mit Phosphor. Wenngleich schon nahezu 3 Jahrhunderte darüber vergangen sind, dass viele Forscher die Rachitis auf unzähligen Wegen zu ergründen bestrebt waren, wenngleich mit klinischen, experimentellen, anatomischen, chemischen Arbeiten versucht wurde, das Wesen der Rachitis zu de- finiren, so müssen wir doch gestehen, dass wir heute ebensowenig im Stande sind, dies zu thun, ja vielleicht noch weniger, als vor 10—12 Jahren Damals beruhigte man sich eben noch damit, in der Rachitis einen durch Kalkmangel entstandenen Erweichungsprocess der Knochen zu suchen und hatte ja auch die anscheinend beweisenden Experimente dafür. Als sich aber dann diese Versuche nicht bestätigten, und durch negative Resultate das Gegentheil sich ergab, da war man wieder in derselben Lage, wie vorher. Nun sind in den letzten Jahren zwei grosse Arbeiten der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 43 erschienen, welche, auf demselben Boden fussend, mit grossem Fleiss und ausserordentlicher Sachkenntniss geschrieben, doch wieder zu ganz entgegengesetzten Resultaten geführt haben. Während Kassowitz, der bekannte Wiener Pädiater, zu dem Schlusse kommt, es handle sich bei der Rachitis um eine chronische Entzündung des wachsenden Ske- lettes, ‘) hat die bald darauf veröffentlichte umfangreiche Arbeit von Pommer, Docent der pathologischen Anatomie in Graz, ?) diesen Be- fund gewaltig erschüttert. Pommer stützt sich, gleich Kassowitz, auf eigene Arbeiten über die normale ÖOssification. Dieselbe spielt sich, vom Anfang der Entwickelung bis ins höchste Greisenalter, in den zwei Lebensprocessen, der Apposition und der Resorption ab, von denen dieser wesentlich die Innenfläche, jener die Aussenfläche des Knochens betrifft. Auch im rachitischen Knochen finden beide Processe in gleicher Weise und in demselben Maasse statt, wie beim gesunden; aber die neu apponirte Knochensubstanz, anstatt wie in der Norm sofort gleichmässig zu ver- kalken, verharrt in einem Stadium der Kalkarmuth oder des vollständigen Kalkmangels. Findet eine Ablagerung von Kalksalzen statt, so geschieht dies in unregelmässiger Form um bestimmte Prädilectionsstellen (insbeson- dere die Knochenkörperchen) herum. Da nun die Resorption ungestört ihren Fortgang nimmt, so kann sich bei langwierigenrachitischen Pro- cessen der Fall ereignen, dass alles kalkhaltige Gewebe aufgezehrt und durch kalklose Apposition ersetzt wird. Sind diese höchsten Grade des Processes auch selten, so will sie doch Pommer beobachtet haben. Diese kalklose Apposition ist in der gleichmässigsten Weise über das ganze Skelett vertheilt, so dass man aus einem Knochen den Schluss auf alle übrigen ziehen kann; deshalb sucht der Autor die Ursache davon ausserhalb des Knochensystems, in welchem er jede Spur von Ent- zündung, Hyperaemie, u.s. w.(Kassowitz) vollständig vermisst. Leider ist er hier genöthigt, vom Gebiete der Wirklichkeit in das der Hyothese überzugehen: er betrachtet die Rachitis als eine Krankheit des Central- Nervensystems, welche zunächst eine Alteration des gesammten Stoff- wechsels (etwa dem Diabetes analog) herbeiführt, auf Grund dessen sich die Alcalescenz des Blutes vermindern und somit die Löslichkeit der Kalksalze in demselben vermehren soll. Als Beweis dafür dient ihm die grosse Reihe nervöser Symptome, welche die Rachitis fast ausnahmslos begleiten: Spasmus glottidis, allgemeine Convulsionen, Tetanie, Schmerzen bei passiven Bewegungen, Schlaflosigkeit u. s. w. Ja sogar die günstige Wirkung des Phosphors bezieht P. auf dessen bekannten Einfluss auf \) Näheres siehe Bresl. ärztl. Zeitschr. 1884, pag. 105, Soltmann, über Phos- phorwirkung bei Rachitis. 2) Untersuchungen über Osteomalacie und Rachitis. Leipzig, Vogel 1885. 44 Jahres-Bericht die Gehirnthätigkeit und sucht so Kassowitz mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Die beiden Ansichten mit einander zu versöhnen ist vorläufig keine Aussicht; in ihrer ganzen Ausdehnung sind sie beide wohl nicht richtig. Einen grossen Erfolg hat uns aber die Arbeit von Kassowitz gebracht, das ist die Behandlung der Rachitis mit Phosphor. Schon Wegner hatte in seiner bekannten Arbeit den Gedanken geäussert, ob sich die eigenthümliche Wirkung des Phosphors auf die Wachsthumsverhältnisse des Knochens nicht bei der Behandlung der Rachitis verwerthen lasse. Der Phosphor ersetzt ja am gesunden Knochen poröse, weniger resistente Knochensubstanz durch compacte, feste Massen. Doch war er selbst nicht in der Lage, die Idee zur Aus- führung zu bringen, und nach vereinzelten Versuchen von Friese und Busch war es Kassowitz, der in grossem Massstabe die Phosphor- Therapie anwandte. Seine diesbezüglichen Arbeiten, welche er erst nach mehrjährigen Erfahrungen publicirte, betreffen viele Hunderte von geheilten resp. wesentlich gebesserten Fällen, welche die Methode in dem glän- zendsten Lichte erscheinen lassen. In der kürzesten Zeit machte die neue Entdeckung die Runde durch zahlreiche Städte, und es kamen von allen Seiten die Berichte über die Erfahrungen mit dem neuen Heilmittel. Eine Anzahl derselben äusserte sich von vornherein günstig: Soltmann (Breslau), Hagenbach (Basel), Rauchfuss (Petersburg); andere er- reichten wenig oder nichts: Ehrenhaus, Schwechten, Griebsch (Berlin), Hryntschak, Monti (Wien), Weiss (Prag). Je länger aber die Phosphorbehandlung angewandt wird, desto günstiger werden die Erfolge, und schon ist mancher Gegner derselben (z. B. Bohn in Königsberg) bekehrt worden. Trotzdem aber sind wir noch weit davon entfernt, dass die Phosphorbehandlung der Rachitis im Armamentarium des Arztes die Rolle spielt, welche ihr von Rechtswegen zukommt; noch hat erst die Minderzahl der Praktiker sich die so wichtige Methode zu eigen gemacht, und die glänzenden Resultate finden noch oft un- gläubige Ohren, | Soltmann, der als der Erste vor 3 Jahren hier auf die Arbeit von Kassowitz aufmerksam gemacht und auch mich zu den Versuchen mit Phosphor veranlasst hat, giebt uns im vorjährigen Jahresbericht seines Spitales eine sehr günstige Darstellung über die Erfolge, welche er mit der Phosphortherapie erzielt hat. In 60 Fällen seiner Beobachtung hat er ausnahmslos eine schnelle Aufbesserung des gesammten Zustandes, steigenden Appetit, Hebung der Ernährung gesehen, denen dann nach einiger Zeit die Fortschritte in der Knochenaffeetion folgten. Er reichte den Phosphor in Emulsion mit Gummi arab. und Ol. oliv. und zwar pro die '/, mgr, einmal einzunehmen. u. ee u N u der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 45 Ehe ich Ihnen über meine Resultate mit der neuen Behandlungs- methode berichte, möchte ich aus dem klinischen Bilde der Rachitis einzelne Punkte herausgreifen, die mir einer näheren Beleuchtung werth erscheinen. Vor Allem handelt es sich hier um den Zeitpunkt des ersten Auftretens und um die Frühsymptome der Rachitis. Die Lehrbücher und Monographien geben uns darin nur wenig Anhalt; fast alle erklären, dass die Krankheit im zweiten Halbjahre am häufigsten zur Beobachtung kommt, während seltene Fälle schon vom 3. Monate ab vorkommen. Dagegen erklärt nun Kassowitz, dass schon die Mehrzahl der Föten vom 7. Monate des Uterinlebens an die deutlichen Spuren von Rachitis des Skeletts an sich tragen, und dass unter dem Material seiner Poli- klinik schon in den ersten 2 Lebensmonaten 55,6 %,, im 3. und 4. schon 78,2, im 5. und 6. 91,2 %, rachitisch waren. Ich richtete in Folge dessen meine Aufmerksamkeit auch auf diesen Punkt und fand zwar nieht die extremen Resultate von K., doch musste ich mich überzeugen, dass von 95 Kindern im ersten Vierteljahre schon 27, also über ein Viertel, deutliche Spuren von Rachitis erkennen liessen. Ich habe oft daran gezweifelt, ob man berechtigt sei, schon aus der Craniotabes allein die Diagnose zu stellen; wo ich aber in der Lage war, solche Kinder längere Zeit hindurch zu sehen, fanden sich immer die übrigen Symptome der Rachitis zu jenem Initialsymptom hinzu. Wie wichtig es aber ist, die Krankheit schon in so frühen Stadien zu erkennen, liegt auf der Hand; wenn wir die Behandlung schon in diesem frühen Alter einleiten und es durchsetzen können, dass sie mit der nöthigen Consequenz von den Eltern fortgesetzt wird, so muss und wird es uns gelingen, die schweren Folgen der Rachitis, die Difformitäten des Thorax, der Wirbel- säule, des Beckens, der Extremitäten zu verhindern. Es ist daher un- bedingt nothwendig, dass wir die Kinder, welche unserer Beobachtung, unterstellt sind, von Geburt an überwachen, und dass wir jedes Kind, dem wir zu helfen berufen sind, neben den anderen Krankheitserschei- nungen auch auf Rachitis untersuchen. Wir müssen uns daran gewöhnen, bei jedem Kinde, selbst im 1. Lebensmonate, mit unseren Fingerspitzen die Resistenz des Oceiput und der Knochenränder an den Nähten und Fontanellen abzutasten; wir müssen bei jedem Kinde den Brustkorb ent- blössen lassen und durch Inspection und Palpation uns von der Be- schaffenheit der Rippenknorpel überzeugen. Es ist dies keine über- triebene Vorsicht; die angeführten Zahlen müssen uns diese Massregeln aufzwingen. Fernerhin habe ich meine Aufmerksamkeit darauf gerichtet, ob die naturgemässe Ernährung des Kindes an der Brust die Kinder vor Rachitis zu schützen im Stande ist, und muss auch hier in Ueber- einstimmung mit Kassowitz meine Erfahrungen dahin aussprechen, dass Brustkinder bei der anscheinend vorzüglichsten Pflege, bei nor- 46 Jahres - Bericht malem Aussehen und regelmässiger Gewichtszunahme trotzdem rachitisch werden können. Da nun das Befinden des Kindes der einzig sichere Massstab zur Beurtheilung der Frauenmilch ist, so werden wir wohl in diesen Fällen als Erklärung eine hereditäre Anlage zur Rachitis voraussetzen müssen, wie dies Kassowitz an einem besonders geeig- neten Beispiel ausgeführt hat. Wir können uns also bei anscheinend normalem Verhalten des Kindes an der Mutter- oder Ammenbrust nicht in Sicherheit wiegen lassen, sondern müssen ganz ebenso genau aufmerken. Sehr viel weniger sind wir natürlich im Stande, künstlich genährte Kinder vor Rachitis zu schützen. Es ist ja ganz bekannt, wie un- endlich schwierig es unter Umständen ist, die passende Nahrung zu finden, wie man mit der Milch, mit den Zusätzen zu derselben, mit den Surrogaten immer wieder wechseln muss, wie grosse und schwere Opfer der Mutter und dem Wartepersonal auferlegt werden, und trotzdem gelingt es nicht oft, die Kinder vollständig gesund zu erhalten. So manches Kind wird unter den Augen des Arztes rachitisch, und auch hier ist es von allergrösster Wichtigkeit, durch häufig wiederholte Untersuchung die ersten Spuren zu entdecken, ehe üble Folgen entstehen. Dass wir im Stande sind, hier helfend einzugreifen, das verdanken wir der Ent- deckung von Kassowitz, und ich kann den Erfolgen seiner Phosphor- therapie eine ganze Reihe neuer an die Seite stellen. Meine Versuche mit Phosphor erstrecken sich über die Zeit von Mitte Januar 1884 bis heute, also 2°/, Jahre, und haben mir sehr günstige Resultate ergeben. Ich behandelte in dieser Zeit 518 rachitische Kinder, worunter nur diejenigen gerechnet sind, welche mindestens 4 Wochen in Beobachtung blieben und den Erfolg oder Misserfolg der Methode er- kennen liessen. Ich verwendete von Anfang an die Form des Phosphor- leberthrans, da es mir weniger um eine vorwurfsfreie Versuchsreihe, als um eine möglichst einfache und billige Darreichungsweise zu thun war. Ich traf mit einer hiesigen Apotheke (Neumarkt) ein Abkommen, den Phosphorleberthran (Phosphori 0,01 Ol. jecor. aselli ad 100) im Grossen herzustellen und auf meine Verordnung zum Handverkaufspreise abzu- geben; auf diese Weise konnte ich jederzeit dieselbe Qualität des Me- dicaments erhalten und für die poliklinische Praxis eine erhebliche Preisermässigung erzielen. 100 gr dieser Lösung kosten nämlich so nur 0,50 M., während das Recept 1,30 bis 1,50 M. kostete, ein Unterschied, der bei monatelangem Gebrauch schwer ins Gewicht fällt. Ich liess das Mittel früh und Abends je einen Theelöffel voll einnehmen und 100 gr in 14 Tagen verbrauchen, so dass die Tagesdosis °/, Milligramm beträgt, eine Kleinigkeit mehr, als Kassowitz und Soltmann geben. In ein- zelnen sehr hartnäckigen Fällen gab ich 3 Theelöffel (= 1 Milligramm) ; bisweilen wurde die Dosis kleiner, wenn die Angehörigen unregelmässig eingaben und statt 14 Tage 3 bis 4 Wochen für dieselbe Quantität der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 47 verwandten. Eingenommen wurde der Leberthran sehr verschieden, doch gelang es fast immer, die kleinen Patienten nach kurzer Zeit daran zu gewöhnen. Die wenigen Fälle, in denen es nicht gelungen ist, bin ich geneigt, auf mangelnde Energie und Sorgfalt seitens der Eltern zu schieben; nach meinen immer wiederholten Erfahrungen gelingt es mit der nöthigen Ausdauer stets, auch die unangenehm schmeckenden Arznei- mittel Kindern (sogar oft besser, als Erwachsenen) beizubringen. Störungen oder üble Folgen der Phosphorbehandlung habe ich nicht beobachtet; insbesondere pflegte die Verdauung gar nicht darunter zu leiden. Ich habe sogar, was ich bei einfachem Leberthran nicht zu thun wagte, den Phosphorleberthran den ganzen Sommer hindurch geben lassen, ohne die Medication unterbrechen zu müssen. Ich habe weder vermehrte Erkrankungen an Dyspepsie, Darmkatarrh etc. unter den betr. Patienten, noch Zersetzung oder Verderben des Leberthrans beobachtet. Trat einmal während der Behandlung Diarrhoe auf, so konnte dieselbe meist ohne Unterbrechung der Phosphormedication diätetisch beseitigt werden. Dass einzelne Fälle trotz aller Mühwaltung seitens der Eltern nach längerer Behandlung nicht heilten, kann unser Urtheil nicht beeinflussen; es giebt auch Wechselfieber, welehe dem Chinin nicht weichen, und doch wird niemand die Speeifieität dieses Mittels bezweifeln wollen. Jeden- falls gehören solche Fälle zu den seltenen Ausnahmen. Der allgemeine Heilungsverlauf ist ein sehr wechselnder, bald ist es das eine, bald das andere der Symptome, welches zuerst schwindet. Der Erfolg ist aber zumeist schon in den ersten 2—3 Wochen vollkommen merklich; Allgemeinbefinden, Aussehen, Appetit, Laune und Stimmung der Kinder zeigten ein ganz andres Bild, so dass die Eltern oft ganz überrascht wiederkommen. Die im Allgemeinen so hartnäckigen nervösen Symptome, sowie die Kopfschweisse, weichen sehr bald, die Bewegungen werden energischer und lebhafter, die Schmerzen beim Anfassen verschwinden. Was zuerst besser wird, lässt sich gar nicht feststellen: ich habe Fälle beobachtet, wo nur die Craniotabes verschwand, während alle anderen Symptome längeren Bestand hatten, während in anderen Fällen das weiche Hinter- haupt noch lange nach der Besserung aller übrigen Erscheinungen nach- zuweisen war. Die Dauer der Behandlung mit Phosphor schwankt zwischen weiten Grenzen, ebenso die Menge von Phosphor, welche verbraucht wurde; von 4—6 Wochen bis zu 9—10 Monaten, so gross sind die Differenzen, die hier zur Beobachtung kamen. Man muss nur nicht die Geduld verlieren und auf jedes Symptom einzeln seine Aufmerksamkeit lenken, um die Fortschritte zu bemerken, auch wenn sie weniger auf- fällig sind. 48 Jahres - Bericht Die Behandlung richtete sich natürlich auch gegen die hygienischen und diätetischen Fehler, welche an den rachitischen Kindern begangen wurden. Ich verordnete eine reine Milchdiät in der dem Alter ent- sprechenden Verdünnung, tägliche Wasserbäder von 26—27° R., Lüftung der Wohnräume und fleissige Benutzung der Promenaden und Plätze. Ich liess aus den Schlafstätten möglichst alle Federkissen und Betten entfernen und durch Matratze, Rosshaar- oder Seegraskissen und wollene Decke ersetzen. Endlich warnte ich auf’s Eindringlichste vor den un- verständigen Versuchen, die Kinder zum Gehen und Stehen anzuhalten. Ich lasse die Kinder stets liegen, bis sie sich allein aufsetzen können, dann, sobald sie allein sitzen, auf die Erde setzen, bis sie allein auf- stehen können. Ich verbiete ausdrücklich, die Kinder auf die Füsse zu stellen und bin überzeugt, dass man auf diesem Wege vielen Diffor- mitäten, Incurvationen und Infractionen vorzubeugen im Stande ist. Die Kinder lernen ja, wenn man sie gängelt oder in den Laufkorb stellt, viel schneller gehen und stehen, aber die üblen Folgen bleiben nicht aus! Was den Einfluss des Phosphors auf die einzelnen Symptome der Rachitis betrifft, so kommt als das häufigste und früheste Zeichen die Craniotabes in Frage. Die Weichheit des Oceiput und der Nahtränder findet sich bis gegen das Ende des zweiten Lebensjahres; ich habe sie 208mal, d. h. in beinahe der Hälfte aller Fälle gefunden. In 176 Fällen war sie bereits nach 8 Wochen vollkommen beseitigt, in weiteren 26 ver- schwand sie innerhalb des dritten Monates, und nur 6 Fälle erforderten noch längere Behandlung. Es ist dies ein ausserordentlich günstiges Resultat; in den früher behandelten, ebenso genau controlirten Fällen dauerte es immer 4—5 Monate lang, ehe das Occiput normale Resistenz darbot. In nahem Connex damit steht das hauptsächlichste nervöse Symptom der Rachitis, der Stimmritzenkrampf; ich sah ihn 58mal, und dabei fehlte nur 1lmal die begleitende Craniotabes. In 42 Fällen war der Spasmus glottidis nach 8 bis 14 Tagen vollkommen beseitigt, nachdem er vorher bisweilen monatelang gedauert und jeder Behandlung getrotzt hatte. Auch die häufig complieirenden allgemeinen Convulsionen verschwanden ebenso schnell, sowie auch die in 3 Fällen begleitende Tetanie. Nicht ein einzigesmal war ich genöthigt, neben dem Phosphor noch Nareotiea oder Antispasmodica zu geben, während ich umgekehrt in einigen Fällen diese Mittel als wirkungslos aussetzen und durch den Phosphor ersetzen musste. Was den Einfluss auf die Dentition betrifft, so ist derselbe wohl ebenso zweifellos, wenngleich er schwerer nachzuweisen ist. Von den 518 Kindern hatten 28 ihre erste Dentition schon beendet; von den übrigen 490 haben nur 104 während der Phosphorbehandlung keine neuen Zähne bekommen, In 386 Fällen beobachtete ich den Durchbruch der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 49 von einem oder mehreren Zähnen und zwar in folgendem Verhältniss: es traten während der Behandlung ein Zähne |112]3]4]5]6|7]8]91011]12]13]14 Fälle [33187130775128150112 3312 74 |9|2]3 Es war also eine beträchtliche Anzahl (70) von Kindern, welche 8 und mehr Zähne (bis 14) bekamen. Dabei war es auffallend, dass in den meisten (206) Fällen erst nach länger als 6wöchentlicher Phosphor- behandlung der Zahndurchbruch begann, um dann allerdings sehr energisch vor sich zu gehen. Auch muss betont werden, dass die Zähne jetzt, wie in der Norm, zumeist paarweise zur Erscheinung kamen, während sonst bei Rachitis ein ganz unregelmässiges Durchbrechen die Regel ist. Das Körpergewicht der Kinder, dem ich längere Zeit meine Auf- merksamkeit zuwandte, macht unter der Phosphorbehandlung meist regelmässige, wenngleich nicht auffallend grosse Fortschritte; es hängt dies meines Erachtens wohl damit zusammen, dass wir die Ernährung und Pflege in den meisten Fällen zu verbessern nicht im Stande sind und somit trotz Besserung der rachitischen Symptome keine grosse Gewichts- zunahme erzielen können. Immerhin sah man, dass die zur Mehrzahl weit unter dem mittleren Gewicht ihres Alters stehenden Kinder sich jenem Mittel näherten und auch dadurch den Beweis für die günstigen Wirkungen. der Phosphorbehandlung lieferten. Der Umfang des Kopfes und der Brust zeigt bei rachitischen Kindern erhebliche Differenzen, so dass der Erstere oft 6—8 cm über Letzteren überwiegt. Hier tritt nun schon in kurzer Zeit Besserung ein; ‚die Lungen entfalten sich, der Thorax dehnt sich aus, sein Umfang wächst zusehends, um nach einiger Zeit den des Kopfes einzuholen, ja in einzelnen Fällen sogar zu übertreffen. Die guten Folgen für die Thoraxorgane bleiben nicht aus. Die Athmung wird kräftiger und leichter, verliert ihren exspiratorischen Typus, die begleitenden Katarrhe schwinden, die grosse Disposition zu Bronchopneumonien verliert sich, und wo die Einziehung der seitlichen Thoraxwand noch nicht zu hoch- gradig war, kann sie sich vollständig ausgleichen. In derselben günstigen Weise wird die Stützfähigkeit und Motilität des Kindes verbessert. Hier finden wir die auffallendsten Resultate bei älteren Kindern, die das Gehen theils noch nicht gelernt, theils wieder vergessen haben. So nahm ich z. B. zwei Brüder Weiss am 30. Januar 1884 in Behandlung; der ältere war 6, der zweite 4 Jahre alt, beide waren noch nie allein gelaufen und zeigten die mannigfachsten Infraetionen und Difformitäten am Skelett. Schon am 25. Februar, nach Gebrauch von je 2 cg Phosphor, können beide allein und ohne Hilfe laufen. Solche Fälle stehen nicht vereinzelt da; von den Difformitäten verschwindet insbesondere die Schlaffheit der Gelenke oft in über- 1886. 4 50 Jahres-Bericht raschender Weise. — Bei kleineren Kindern pflegen die Fortschritte in der Bewegungsfähigkeit nicht ganz so schnell zu sein, liessen sich aber doch selten vermissen. Ich habe gar nicht selten beobachtet, dass hochgradig rachitische Kinder bei der Phosphorbehandlung soweit kamen, dass sie wie Gesunde mit Schluss des ersten Lebensjahres allein zu laufen im Stande waren oder wenigstens in den ersten Monaten des zweiten Jahres dieses Ziel erreichten. Was ich für einen ganz besonderen Vorzug der Methode halte, ist, dass sie unabhängig von den äusseren Einflüssen auf die Kinder zu sein scheint. Die Mehrzahl der Behandelten waren Kinder aus den ärmsten Klassen der grossstädtischen Bevölkerung, bei denen ja ohnehin die schwere Rachitis am häufigsten ist; hier fehlt alles, was zur rationellen Hygiene des Kindesalters nothwendig ist, geeignete Nahrung, gute Luft, ausreichende Pflege, genügende Reinlichkeit. Hier stösst jede Be- handlung auf einen um so energischeren, weil durch die Verhältnisse erzwungenen passiven Widerstand. Die naturgemässe Folge davon war, dass eine Menge von Praktikern die Behandlung armer rachitischer Kinder einfach mit den Worten abwies: da ist nichts zu machen! In der besseren Praxis habe ich mit der Phosphortherapie dieselben günstigen Resultate erzieit, indem vorzüglich die nervösen Erscheinungen auf das schnellste beseitigt wurden. Doch fand ich es entschieden schwieriger, eine langdauernde Phosphorbehandlung in der Privatpraxis durchzuführen, wo einerseits die Energie dem Widerstande der kleinen Patienten gegenüber eine geringere, andererseits die Geduld der Eltern weniger gross ist, um die unter Umständen monatelang dauernde Be- handlung mit ein und demselben Mittel durchzusetzen. Wenn aber ein Mittel im Stande ist, allen Hindernissen, allen hygienischen Missständen zum Trotz, bei mangelhafter Ernährung, schlechten Wohnungen, unregelmässiger Aufsicht so hervorragende Wir- kungen zu entfalten, wie der Phosphor es thut, so kann man ihm mit Fug und Recht den Platz einräumen, welchen sein Entdecker ihm vin- dieirt, unbeschadet prineipieller Gegensätze in der pathogenetischen Anschauung über die Rachitis. | Hierauf demonstrirt Herr Ponfick ein Knie- und Fussgelenk, in deren Knorpel- und Synovialis-Flächen eine massenhafte Ablagerung von harnsauren Salzen stattgefunden hatte. Sitzung vom 12. November 1886, Herr Kroner hält einen Vortrag Ueber die Beziehungen der Gonorrhoe zu den Generationsvorgängen. Der Vortr. erwähnt zunächst die von Noeggerath über obige Frage ausgesprochenen Ansichten und die Kritik, welche dieselbenvonSchroeder, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 51 Fritsch, Winckel, Olshausen, Müller erfahren haben, die sämmt- lich darin übereinstimmen, dass die Noeggerath’schen Anschauungen viel Wahres, aber auch sehr viele Uebertreibungen enthalten. — Neuer- dings ist indess wiederholt, namentlich auf der Magdeburger Natur- forscherversammlung und dem Münchener Gynäkologen - Congress mit besonderem Nachdruck wieder ganz im Sinne Noeggeraths der schäd- liche Einfluss der Gonorrhoe auf Conception, Schwangerschaft und Wochenbett hervorgehoben worden. K. warnt auf Grund seiner eigenen vorläufigen Untersuchungen: 1) vor Ueberschätzung der Gonorrhoe als ätiologischen Momentes für puerperale Erkrankungen. Er berichtet über 82 Mütter blennorrhoischer Kinder. Der bei Weitem grösste Theil dieser Frauen ist mit absoluter Sicherheit als gonorrhoisch infieirt anzusehen. Eingehendste und objectivste Anamnese über den Verlauf des Puerperiums ergab bei 75 ein normales Früh- und Spätwochenbett. 1 Frau war 14 Tage p. p. an schwerer Septicämie, die mit ihrer Gonorrhoe nichts zu thun hatte, zu Grunde gegangen. Zwei sprachen von langwierigen bald p. p. beginnenden fieberhaften Wochenbetten und 4 speciell von Beschwerden im Spätwochenbett (nach Ablauf der ersten 6 Wochen). Die Untersuchung ergab bei einer der ersteren und zwei der letzteren para- resp. perimetrische Narben. 40 Andere, die K. untersuchte, zeigten an den hier wesentlich in Betracht kommenden Uterusadnexen nichts Pa- thologisches. Das Gesammtresultat dieser Nachforschungen ergiebt somit ein verhältnissmässig seltenes Zusammentreffen von Gonorrhoe und puer- peraler Erkrankung der Mutter, erweist den Einfluss jener auf diese als untergeordnet. — 2) Abort betreffend haben 69 dieser 82 Blennorrhoe- Mütter weder vor noch nach der Blennorrhoe-Geburt abortirt und was ganz besonders zu beachten ist, von 16 Frauen, die wiederholt, z. Th. nur blennorrhoische Kinder geboren hatten, also an chronischer Go- norrhoe litten, haben nur 3 zwischendurch je einmal abortirt und auch dies wahrscheinlich ohne Einfluss der Gonorrhoe. Hiernach lässt K. die Gonorrhoe nicht als so häufige Ursache für die Unterbrechung der Schwanger- schaft gelten, als Noeggerathk, Saenger, Schwarz u, A. — 3) be- zweifelt K. die Richtigkeit des Schwarz’schen Ausspruches, die Häufig- keit der Sterilität durch Tripper der Frau betreffend. Die Sterilität des Mannes in Folge vorausgegangener Gonorrhoe scheine ihm noch zu wenig berücksichtigt und bei der Diagnose des Trippers der Frau noch nicht kritisch genug verfahren zu werden. Einen schädlichen Einfluss des gonorrhoischen virus auf das sperma selbst hält K. für höchst frag- lich, da in einer Reihe von Fällen der fruchtbare coitus sicher bei noch bestehendem Tripper ausgeführt worden ist. — An der Discussion betheiligten sich die Herren Fritsch, Neisser, Ponfick. Weitere Mittheilungen hierüber werden später im „Archiv für Gynäkologie‘ folgen. Ak 59 Jahres - Bericht Sitzung vom 3. und 17. December 1886. Choleradiscussion. Herr Biermer leitet die Discussion mit folgendem Vortrag ein: M. H. Am 4. Juli 1884 hatten wir hier die letzte Choleradebatte. Als ich damals die Aetiologie und Prophylaxis der Cholera besprach, herrschte die Seuche in Toulon und Marseille. Bald darauf war sie nach Italien und insbesondere Neapel gedrungen, wo über 10 000 Kranke mit über 5000 Todesfälle beobachtet wurden. Anfang September kam sie nach Spanien, epidemisirte aber nicht sehr stark, im November 18384 nach Paris — auch diese Epidemie war keine grosse zu nennen, nur 866 Todesfälle. Im Winter 1884/85 war eine Pause eingetreten. Im Frühling 1885 trat sie sehr heftig in Spanien auf und epidemisirte dort bis zum Herbst. Im Sommer 1835 waren auch kleinere Epidemien in Süd-Frankreich und eine etwas stärkere in Sicilien. Am 21. De- zember 1885 trat sie in Triest auf und wurde bald darauf nach Dal- matien und Ungarn verschleppt, wo sie jetzt noch grassirt. Der Gang dieser Epidemien war ein mässig schneller und die In- und Extensität der Verbreitung war keine sehr grosse. Neapel und Spanien ausge- nommen, war die Zahl der Cholerafälle relativ gering. Es ist uns allen aufgefallen, dass bei dem neuen Epidemienzug seit dem Jahre 1883 die Cholera sich weniger furchtbar verbreitete, als bei vielen früheren Epi- demien. Zwar ist die Mortalität nicht viel heruntergegangen, aber die Verbreitung der Seuche war eine mildere. Es ist auch an manchen Orten, wo die Cholera eingeschleppt wurde, gelungen, ihre epidemische Verbreitung zu verhüten und zwar ohne dass man dies der localen Immunität zu verdanken hatte. Auch in nicht immunen Städten blieben die eingeschleppten Fälle vereinzelt. Diese erfreulichen Thatsachen können wohl erklärt werden aus unseren hygienischen Fortschritten, aus der wachsenden hygienischen Einsicht, aus der grösseren Aufklärung des Publikums, aus der grösseren Reinlichkeit und aus den Verbesserungen und prophylaktischen Massregeln, welche die Communen seit Jahren ein- zuführen bestrebt waren. Die wissenschaftlichen Ergebnisse sind seit dem Jahre 1884 im stetigen Fortschritte begriffen. Die Koch’sche Theorie hat sich trotz vieler Anfechtungen in der ärztlichen Meinung mehr und mehr befestigt. Es ist sichergestellt, dass der Komma-Bacillus in allen Cholerakranken haust, dass er in den Dejectionen nicht fehlt und dass er in den Leichen immer gefunden wird. Auch scheint es sicher zu sein, dass der Bacillus nicht in die Säfte und nicht in die vom Darm entfernten Organe übergeht. Koch hat "deshalb angenommen, dass der Cholerabaecillus selbst nicht durch Uebergang ins Blut vergiftet, sondern im Darm ein Gift der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 53 produeirt, welches durch Resorption die Vergiftungserscheinungen der Cholera bewirkt. Ich kann diese Koch’sche Hypothese nur sehr plau- sibel finden, um so mehr, als ich bereits 1867 eine ähnliche Ansicht publieirt habe. Ich erlaube mir darauf aufmerksam zu machen, dass ich bereits in meinem Züricher Choleravortrag (4. November 1867) wörtlich Folgendes gesagt habe: „Ich glaube nicht, dass die Wucherung von Cholerapilzen auf der Darmschleimhaut und die dadurch gesetzte Veränderung der letzteren directe Ursache der ächten Cholerasymptome sind, sondern ich stelle mir vor, die Cholerakeime erregen eine specifische Umsetzung des Darminhaltes, bei welcher giftige chemische Verbindungen frei werden.“ Und weiter: „Nach dieser Hypothese würde also das Choleracontagium selbst nicht ins Blut gelangen, sondern die Blutver- giftung würde durch Aufsaugung der bei der Choleragährung gebildeten Umsetzungsproducte geschehen. Es ist Aufgabe der Chemiker, diese Hypothese weiter zu prüfen. Die Choleradejectionen sollten in Bezug auf ihre flüssigen und gasförmigen Zersetzungsproducte genauer unter- sucht werden. Vielleicht findet man in ihnen chemische Verbindungen, welche die Vergiftung erklären.“ Erst seit die Autorität Koch’s für die Meinung eingetreten ist, dass der Cholerabaeillus ein Gift abscheidet, welches die Symptome erzeugt, hat man Versuche gemacht, das hypothetische Gift zu finden und zu isoliren. Diese Versuche haben aber noch kein sicheres Resultat er- geben. Pouchet z. B. hat eine toxische Substanz aus den Reiswasser- stühlen durch Chloroform extrahirt, auch Nicati und Klebs haben ein solches Gift aufzufinden gesucht. Klebs hat sich dahin ausgesprochen, dass das Gift ähnlich dem Muscarin wirke, also ein Pilzgift sei. Ex- perimentelle Beweise, dass diese giftigen Substanzen Cholerasymptome erzeugt haben, sind meines Wissens noch nicht geliefert. Es erfordert also dieser Punkt, welcher nicht unwichtig für die therapeutischen In- dieationen ist, noch weitere Untersuchung. Ebenso ist die Controverse, ob der Cholera-Bacillus eine Dauerforın besitzt, noch nicht erledigt. Koch hält noch an seiner Ansicht fest, dass der Komma-Bacillus beim Eintrocknen abstirbt und keine Dauerform, welche im trocknen Zustande sich erhalte, besitzt. Da sich aber diese Ansicht mit der Verbreitungsweise der Cholera, wie ich Ihnen vor 2 Jahren bereits auseinandergesetzt habe, nur schwer vereinbaren lässt, so ist unterdessen von mehreren Forschern der Versuch gemacht worden, eine Dauerform des Komma-Baeillus durch Culturen zu erzeugen. So hat Hüppe beobachtet, dass aus den Baeillen sich Glieder entwickeln können, welche, nachdem die Bacillen ihre Entwicklung durchgemacht haben und zu Grunde gegangen sind, übrig bleiben. Er ist der Ansicht, dass diese Arthrosporen eine Form seien, die man als Dauerform an- sehen könne. Auch Finkler und Prior wollten in einer 3", Monate 54 Jahres- Bericht alten Cultur, in körnigen Detritus einen Stoff gefunden haben, der ge- züchtet wieder zu Koch’schen Bacillen auswuchs. Koch verhält sich aber diesen Beobachtungen gegenüber negirend. Ich will mir in dieser bacteriologischen Frage kein Urtheil erlauben, aber mir bleibt die An- nahme, dass der Komma-Bacillus durch Eintrocknung absterben und für immer wirkungslos bleiben soll, der heikelste Punkt in der Koch’schen Theorie. Vom klinischen Standpunkt aus möchte ich vielmehr daran festhalten, dass Choleradejeetionen, auch wenn sie eingetrocknet sind, giftig sein können. | Ich glaube gesehen zu haben, dass die Cholera durch Lumpen aus Zürich in eine Papierfabrik nach Kriegsstetten im Kanton Solothurn ver- schleppt wurde. Ferner habe ich in Zürich 2 Fälle kennen gelernt, wo durch beschmutzte Hemden die Cholera verschleppt wurde. Anzunehmen, dass die Lumpen noch feucht waren, oder dass die Dejectionsflecken in den Hemden sich noch feucht erhalten hätten, will mir nicht in den Sinn. Ich kann auch nicht glauben, dass in den Fällen, welche andere Beobachter über Verschleppung der Cholera durch beschmutzte Wäsche mitgetheilt haben, es sich nur um feuchte Flecken in der Wäsche ge- handelt hat. Soll doch z. B. die Cholera durch Wäsche aus Amerika nach Mühlhausen in Thüringen eingeschleppt worden sein! Freilich soll dieser Fall nicht einwurfsfrei sein; aber ein genügender Grund für die Annahme, dass in diesem Fall und in ähnlichen der Literatur die in- fieirenden Hemden und Kleider immer noch. feucht gewesen seien, ist nicht vorhanden. Wenn der Cholerabaeillus nur in feuchten Medien verbreitet werden kann, so ist es ausgeschlossen, dass vertrocknete Dejectionstheile die Luft in den Wohnräumen infeetiös machen können. Es fällt also ein Modus der Ansteckung weg, den ich nach meinen Züricher Beobachtungen für wichtig gehalten hatte. Wir sahen dort Cholerahäuser, in welchen die Bewohner, auch wenn sie nicht mit den Andern verkehrten, nach einander erkrankten. Wer in einem solchen Hause wohnte, war in Ge- fahr, die Cholera zu bekommen. Die Trinkwassertheorie passte auf diese Choleranester nicht, weshalb man an eine Infecetion der Luft durch staub- förmige Cholerakeime dachte. Die Frage, welchen Einfluss die Abtritte und Jauchestätten auf die Verbreitung der Cholera haben, ist durch Koch’s Forschungen in ein neues Licht gesetzt worden. Wenn die Kommabaeillen, wie Koch ge- zeigt hat, in Fäulnissmaterien getödtet werden, so müsste man eigentlich annehmen, dass die alten Jauchegräben weniger gefährlich sind, als unsere Kanäle mit Schwemmsystem; denn die Keime der Choleradejectio- nen müssten in einem Abtritt mit Jauchebehälter leichter absterben, als in dem dünnen Spülwasser eines modernen Kanalsystems. Jedenfalls haben wir dafür zu sorgen, dass die Dejeetionen der Cholerakranken der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 55 nicht in unsere Abtritte gegossen werden, bevor sie nicht ganz gründ- lich desinfieirt sind. Um über die sichere Abwesenheit von Cholerakeimen oder Keim- bestandtheilen in der Luft der Abtritts- und Wohnräume von Cholera- häusern ein endgültiges Urtheil zu bekommen, werden neue Unter- suchungen nöthig sein. Wenn eine Art von Dauerform der Cholera- bacillen noch gefunden werden sollte, die vielleicht in einem winzigen Protoplasmakörnchen bestände, so würde der Uebergang derselben in den Dunstkreis zerstäubter Dejections-Partikel aufs Neue in Frage ge- zogen werden müssen, Ferner bedarf es fortgesetzter Untersuchungen über das Fortkommen von Cholerabaeillen im Erdboden und Grundwasser. Man weiss ja noch nicht, wo sich der Cholerakeim erhalten hat nach erloschenen und wieder ausbrechenden Ortsepidemien. Kann sich der Cholerakeim auch in Europa ausserhalb des menschlichen Körpers z. B. im Erdboden ver- mehren und eine gewisse Zeit latent verhalten? Die Vorkommnisse, wo an einem Ort die Cholera auch ohne neue Einschleppung nach Monaten wieder ausbricht, haben sich in den letzten Decennien vermehrt. Es fragt sich also, wo hat sich der Infeetionskeim in der Zwischenzeit ver- halten? Vegetirt er nur in stagnirendem Wasser fort, oder auch in der Bodenfeuchtigkeit oder sonst wo? Unsere Ansichten über die Verbreitung des Cholerakeims sind durch Koch’s Forschungen gründlich geläutert worden, aber es ist noch Manches unklar. Halten wir uns vorläufig an Koch’s Forschungsergeb- nisse, so kann die Infeetion nur erfolgen durch Trinkwasser, Brauch- „ wasser, feuchte Wäsche, Nahrungsmittel, unreine Finger und den Ge- brauch von infieirten Abtritten. Die theoretische Möglichkeit einer Ver- schleppung des Bacillus durch Insekten, Fliegen ete., muss auch noch zugegeben werden, scheint aber bis jetzt noch nicht erwiesen zu sein. Der Schwerpunkt der Infection muss nach den Koch’schen Lehren auf das Wasser, insbesondere auf das Trinkwasser und auf Unreinlichkeit gelegt werden. Die Folgerungen für die Prophylaxis, welche aus den neuen Lehren gezogen werden können, sind in den letzten 2 Jahren vielfach diseutirt worden. Am wichtigsten sind in dieser Beziehung die Berathungen der Cholera-Conferenz in Berlin vom 4. Mai und der internationalen Con- ferenz in Rom vom 15. Mai bis 16. Juni 1885 gewesen. Nach den in Rom gefassten Beschlüssen soll die See-Quarantäne noch aufrecht erhalten werden, während die Landquarantäne verlassen wurde. Es sollen überall Absonderungs-Lokalitäten und kleine Spitäler errichtet werden zur Unterbringung der zuerst Erkrankten. Die strengste Anzeigepflicht wurde angenommen. Die Kranken sollen in ihrer Woh- nung oder in Spitälern isolirt werden. Die Desinfection der Cholera- 56 Jahres - Bericht wäsche soll durch 5%, Carbollösung oder überhitzten Dampf stattfinden. Alle Brunnen, die mit Choleradejectionen in Berührung gekommen sein können, sollen geschlossen und die Wasserläufe überwacht werden. Die Bevölkerung soll in Bezug auf Lebensweise und Lebensmittel be- aufsichtigt und deshalb eigene Choleraärzte ernannt werden, welche Hausvisitationen vornehmen und über die auszuführenden hygienischen Maassregeln Controle üben. Die Waaren brauchen nicht desinfieirt zu werden, wohl aber die Lumpen und die schmutzige Wäsche. Die Des- infeetion der Hausgräben, Senkgruben ete, wurde für nutzlos erklärt. Man wird diese Maassregeln im Allgemeinen nur billigen können. Insbesondere halte ich es für sehr zweckmässig, dass eine Controle der Reisenden nicht ausgeschlossen ist. Die Reisenden, welche aus Cholera- gegenden kommen, müssen von Aerzten controlirt und eventuell in Spi- tälern oder Observationslokalen untergebracht werden. Die Beamten der Eisenbahnen und anderer Verkehrsmittel müssen zur Controle mit- wirken. Dadurch kann manche Einschleppung oder der Ausbruch einer Epidemie verhütet werden. Die Massregeln, welche gegenwärtig hier und an der Grenze von Schlesien angeordnet sind, stimmen damit überein und geben die Hoffnung, dass eingeschleppte Fälle isolirt bleiben. Ein Punkt, den ich seit 1867 vertheidige und vor 2 Jahren wieder besonders hervorgehoben habe, die Evacuation infieirter Häuser ist zwar in den Conferenzbeschlüssen nicht ausdrücklich erwähnt, kann aber unter der geforderten Isolirung der Kranken untergebracht werden. Kranke, welche in ihrer Wohnung bleiben, können eigentlich nur dann genügend isolirt werden, wenn die Gesunden aus der Wohnung entfernt werden. Im Anfange einer Epidemie, so lange es sich nur um einzelne Häuser _ handelt, lässt sich die Evacuation der Gesunden, auch durchführen. Die Seuchenherde können dadurch unmöglich oder unschädlich gemacht werden. Daneben wird man natürlich so viel als möglich dahin wirken, die Erkrankten in Spitäler zu schaffen. Wenn einmal die Epidemie in voller Entwicklung ist, verbietet sich die Evacuation von selbst (wegen der Unmöglichkeit, genügende Räume zu schaffen... Sehr zweckmässig sind aber dann die ärztlichen Haus- visitationen, durch welche täglich festgestellt wird, ob neu Erkrankte oder Verdächtige da sind, welche in Behandlung genommen und eventuell isolirt werden. Man kann wohl sagen, dass die prophylaktischen Aufgaben gegen- über der Cholera heutzutage klar gestellt sind; ja es hat auch den Anschein, als ob die Maassregeln, welche von den Behörden in letzter Zeit getroffen worden sind, gut gewirkt haben. In der Therapie aber haben wir leider keine grossen Fortschritte zu verzeichnen. Wenn die Mortalität im Ganzen etwas herunter gegangen ist — an den meisten Orten war sie circa 52°,, während sie früher 60%, und darüber be- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 57 trug — so möchte ich darauf noch nicht viel geben. Klar sind die therapeutischen Indieationen, aber noch sehr problematisch ihre Erfüllung. Wir brauchen ein Gegengift, welches die Blutvergiftung neutralisirt, oder wenn es ein solches nicht giebt, Stoffe, welche, dem Magen und Darm einverleibt, die Cholerabacillen dort tödten oder unschädlich machen. Keines der empirischen Mittel hat uns bis jetzt diese Indicationen er- füllt. Ebensowenig haben die Methoden, welche in der Absicht gegeben wurden, der Eindickung des Blutes und der dadurch veranlassten Stockung der Cireulation entgegenzuwirken, befriedigende Resultate ergeben. Ich übergehe die zahlreichen Vorschläge der jüngsten Periode bis auf zwei, welche in Italien vielfach geprüft worden sind: die Einspritzungen von Wasser und Kochsalzlösungen unter die Haut (Hypodermoklysen) und die von Cantani so warm empfohlenen Eingiessungen von Tannin- lösungen in den Darm (Enteroklysen). Nach den Wasser-Einspritzungen unter die Haut, welche in grösseren Quantitäten gemacht wurden, soll die gesunkene Wärme des Kranken sich steigern und die Cireulation wieder in den Gang kommen. Die Mortalität war aber in solchen Fällen doch noch eine recht grosse. ° Besser waren die Resultate, welche Cantani mit seinen grossen Tannin-Eingiessungen in den Mastdarm erhielt. Cantani liess 2 bis 3 Liter Tanninlösung in den Darm einlaufen und beobachtete, dass diese Enteroklysen bis über die Bauhinische Klappe also bis in den Dünn- darm gelangten. Er sah, dass solche Kranke nach den Eingiessungen Tannin erbrachen, was ein Beweis für die antiperistaltische Fortbewegung des Eingegossenen war. Die Bacillen werden durch Tannin getödtet, also meint Cantani, die guten Wirkungen der Tannin-Eingiessungen lassen sich daraus erklären. Ich möchte dies zwar nicht absolut be- streiten, aber daran erinnern, dass die Cholerabaeillen von Koch nicht bloss im Darmtranssudat, sondern auch unter der Schleimhaut, in den Follikeln angetroffen worden sind, was es zweifelhaft macht, ob man durch Tannineingiessungen sämmtliche Bacillen tödten kann. Obwohl die Kommabacillen sehr vulnerabel sind, in Säuren und anderen Medien leicht absterben, nicht einmal in Wein und Bier leben können, so wird es doch sehr schwierig sein, den Bacillen, wenn sie den Magen passirt haben und bereits in den Darmfollikeln sitzen, gründlich beizukommen. Dazu gehört ein Mittel, welches rasch resorbirt wird, alle Gewebe durchdringt, dieselben desinfieirt und dem menschlichen Organismus nicht schadet. Wir wollen hoffen, dass es bald entdeckt wird. Vor- läufig müssen wir dafür sorgen, dass die natürliche desinfieirende Kraft des Magens in gutem Stand bleibt und dass, wenn der Cholera-Anfall trotzdem ausgebrochen ist, durch stimulirende Methoden der Collaps überwunden wird. Das Letztere ist freilich eine in den meisten Fällen unlösliche Aufgabe. 58 Jahres-Bericht Zum Schlusse möchte ich noch die Frage aufwerfen, ob die Opium- therapie, welche von manchen Autoren noch immer nicht bloss gegen Cholera-Diarrhoe, sondern auch gegen den Cholera-Anfall empfohlen wird, noch zeitgemäss ist. Nach meinen eigenen Erfahrungen und den Erfahrungen Anderer (z. B. Dornblüth) ist die Opiumtherapie nutzlos, ja vielleicht sogar schädlich. Die Infeetionsversuche von Koch mit Cholerabaeillen an Meerschweinchen haben ergeben, dass die Infection viel besser gelingt, wenn man vorher die Darmbewegungen durch Opium verlangsamt hat. Dies würde also mit der schon ziemlich alten Er- fahrung übereinstimmen, dass das Opium kein Heilmittel gegen Cholera ist. Man wird gut thun, auch die sogen. Choleradiarrhoe nicht mit Opium, sondern mit Tannin, Mineralsäuren und dergleichen zu behandeln. Ich möchte nun, da die Therapie so wenig Fortschritte erfahren hat und eine Discussion darüber wenig ergeben wird, vorschlagen, dass wir uns mit den prophylaktischen Maassregeln beschäftigen. Was soll ge- schehen, wenn die Seuche uns noch näher rückt? Was sollen wir rathen, wenn die Cholera bei uns eingeschleppt wird? s In der an diesen Vortrag sich anschliessenden Discussion gab Herr Strube einen Ueberblick über die vorbereitenden Massnahmen, welche in sämmtlichen Garnisonen des 6. Armeecorps zur Abwehr der Cholera bereits getroffen sind und hob als wesentlichste folgende hervor: Instruction der Soldaten nach einem einheitlichen Schema über das Wesen der Cholera. Belehrung derselben, dass die wichtigste Eingangs’ pforte des Krankheitskeimes der Nahrungskanal sei, Daher Ueberwachung der Ernährung, Ausschliessung roher Gemüse und rohen Obstes, Be- schränkung der Verpflegung auf centrale, gut controlirte Speise-Anstalten. Nothwendigkeit, vor jeder Mahlzeit Hände und Gesicht zu waschen. Grösste körperliche Reinlichkeit, wöchentliche lauwarme Douchebäder, fleissiger Wäschewechsel. Errichtung besonders controlirter Waschan- stalten für Reinigung und Desinfieirung der Cholerawäsche. Aufstellung von Kübeln behufs sofortigen Eintauchens verdächtiger Wäsche in Sublimat- oder Carbolsäurelösung. Beschaffung verschliessbarer Kübel zum Transport der Cholerawäsche in die Waschanstalten. Reinigung der gesammten Privatwäsche der Soldaten in fiskalischen Waschanstalten. Aufstellung von Desinfections-Apparaten für strömenden Wasserdampf zur Desinfieirung von Kleidern, Betten, Effeeten ete. Untersuchung der Brunnen, Ausschliessung verdächtiger Brunnen bezw. Beschränkung der Trinkwasser-Entnahme auf die Wasserleitung oder Verabfolgung gekochten und wieder abgekühlten Wassers. Beschaffung von Räderbahren für den Transport der Cholerakranken, contractliche Vereinbarungen mit Fuhrunternehmern zu gleichem Zwecke, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 59 desgleichen für den Transport von Choleraleichen. Vorsorge für schleunigste Unterbringung der Cholerakranken entweder in den der Militairverwaltung bereits zur Verfügung stehenden Isolirhäusern und Baracken oder laut Vertrag mit den städtischen Verwaltungen in gemeinsamen Cholera- lazarethen. Bereitstellung von Räumen zur Ewakuirung gesunder Mann- schaften aus insalubren Einzelquartieren, überfüllten oder von Cholerafällen heimgesuchten Kasernen. Beschränkung des Verkehrs der Mannschaften, Verbot von Packetsendungen ete. Mit Hilfe dieser Vorbeugungsmaassregeln werde es hoffentlich gelingen, die Weiterverbreitung der Cholera in dem engeren Rahmen der Militärbevölkerung nach Möglichkeit zu verhüten. Aus den vielfachen Verhandlungen, welche aus Anlass der erwähnten Maassregeln mit den städtischen Behörden der Garnisonstädte nothwendig gewesen, habe sich ersehen lassen, dass auch von Seiten der Stadtver- waltungen in den betreffenden Orten sorgfältige Vorkehrungen für die gesammten Einwohner getroffen seien. — Herr Förster: Meine Herren! Sie werden gewiss mit grosser Genugthuung gehört haben, wie gerüstet die Militärbehörden sind, um den anrückenden Feind zu empfangen. Es ist wünschenswerth und würde beruhigend wirken, wenn wir von der communalen Sanitäts-Polizei ähn- liches hören könnten. Ich habe mich früher auch mit der Frage beschäftigt, auf welche Weise sich die Cholera zu Epidemien verbreitet und ich muss immer noch daran festhalten, dass ein Hauptverbreiter das Trinkwasser ist. Ich muss daran festhalten so lange, bis ein Ort gefunden wird, der ein notorisch gutes Wasser hat, Leitungswasser, das auch von der ganzen Bevölkerung benutzt wird, und an dem doch die Cholera epidemisch aufgetreten ist. Ein solcher Ort ist mir immer noch nicht genannt worden. Ich habe eine grosse Anzahl von Orten namhaft gemacht, die wegen ihrer guten Wasserversorgung immer immun geblieben sind, trotz- dem sie doch dem Verkehr und der Infection sehr ausgesetzt waren; ich erinnere nur an Bunzlau, Lauban, Poln.-Lissa, Glogau u. s. w. Glogau ist ein sehr verkehrsreicher Ort, mit mehreren Eisenbahnen ; hat aber nie eine Epidemie auf dem links der Oder gelegenen Stadttheile gehabt. Glogau zerfällt in zwei Theile, einen kleinen, der auf der rechten Öderseite liegt und der wiederholt von schweren Epidemien heimgesucht wurde, während der Haupttheil der Stadt auf der linken Seite von der Epidemie gänzlich frei blieb. Der erstere bezieht sein Wasser aus Brunnen, die in die Erde gegraben sind und die, wie bei uns üblich, ohnweit der Aborte liegen. Auf der linken Oderseite aber giebt es keinen Brunnen, sondern nur Leitungswasser, das eine halbe Meile weit herkommt und notorisch sehr gut ist. Trotzdem, dass diese beiden Theile 60 Jahres- Bericht von Glogau durch regen Verkehr verbunden sind, so ist es doch auf der linken Seite nie zu einer Epidemie gekommen. 1866 befand sich auf der linken Seite, neben dem immunen Stadttheil ein grosses Baracken- lager, in welchem Kriegs-Gefangene, 3000—4000, untergebracht waren. Unter diesen herrschte die Cholera sehr erheblich; ehenso wie auf der rechten Oderseite. Die Gefangenen hatten sie aus Stettin mitgebracht. Die Epidemie blieb aber auf dieses Lager beschränkt und erstreckte sich nicht auf die Stadt. Nun zweifle ich nicht, dass die Verbreitungsweisen, von denen Herr Biermer gesprochen hat, vorkommen, durch Wäsche u. s. w. Ich meine nur, dass, wenn die Epidemie in Nestern über die ganze Stadt sich verbreitet, zwischen denen gesunde Häusergruppen liegen, wie dies auch in den Cholerakarten von vielen Epidemien ersichtlich ist, sich dies dadurch erklärte, dass die Brunnen verunreinigt waren, und von diesen Brunnen, die gemeinsam von den Hausbewohnern benutzt werden, erfolgte dann die Weiterverbreitung der Krankheit. In Glogau links der Oder sind im Jahre 1866 5 Fälle bekannt geworden, die nachweisbar alle in Connex gestanden haben mit dem Gefangenenlager. Als dieses aufgehoben wurde, wurde das Stroh verkauft an ein Dominium, und von den Personen, die es fortfuhren, sind mehrere erkrankt. In Breslau werden wir wohl in nächster Zeit eine beträchtliche Epidemie nicht bekommen, da jetzt hauptsächlich Leitungswasser benutzt wird. Ferner haben wir keine Abtrittsgruben mehr, sondern Canalisation, welcher letztere Umstand mich allerdings nicht sehr beruhigt. Nun giebt es aber auch in Bezug auf das Oderwasser eine Gefahr. Wir wissen, dass im Fluss-Wasser die Bacillen sich zwar nicht weiter vermehren, aber sie conserviren sich darin; dagegen gedeihen sie gut an faulenden Pflanzenresten in den kleinen Tümpeln, die mit jedem Flusse in Ver- bindung stehen. Wenn nun in die Oder Cholerabacillen gelangen, und das kann ja sehr leicht geschehen, so könnten sie in jenen Tümpeln sich üppig vermehren, dann bei höherem Wasserstande fortgespült werden und in die Wasserleitung kommen. Daher bietet auch die Versorgung mit Oderwasser keine absolute Sicherheit. Was den Angriffspunkt be- trifft, an dem die Hygiene anzusetzen hat, so sind es die Dejektionen. Wir müssen mit grösster Sorgfalt gegen dieselben vorgehen; zunächst müssten grosse Mengen desinfieirender Flüssigkeiten angeschafft werden; das beste wäre vielleicht Sublimat. Eine Lösung von 1 auf 5000 soll in 2 Stunden sogar alle Sporen tödten, wogegen eine schwächere Lösung mehr Zeit braucht. — Herr Schlockow: Meine Herren! Sie werden die Wahrnehmung gemacht haben, dass das Publikum der Cholera gegenüber nieht mehr die gleiche Beängstigung zeigt wie bei früheren Epidemien, indem es zu der Ueberzeugung gelangt ist, dass die Behörden umfassende Maassnahmen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 61 getroffen haben, um der Choleragefahr wirksam zu begegnen. Diese Maassnahmen waren auf die neuesten wissenschaftlichen Erfahrungen ge- gründet und bezweckten:’ 1) die hygienischen Verhältnisse im Allge- gemeinen zu bessern, 2) etwa eingeschleppte Fälle von Cholera mit aller Energie in Angriff zu nehmen. Es wurde auf die Vervollkommnung unseres Canalisationssystems hingewirkt, insbesondere darauf, dass die verhältnissmässig wenigen Stadt- theile und Grundstücke, bei denen dies noch nicht geschehen war, an dasselbe angeschlossen wurden. Da die ausreichende Spülung der Haus- anschlüsse und zum Theil auch der Canäle von dem Wasserverbrauch in den Haushaltungen abhängt, so wurden Erhebungen über denselben angestellt. Es ergaben dieselben, dass in Breslau einzelne Strassen und einzelne Grundstücke nach dieser Richtung allerdings noch Manches zu wünschen übrig lassen, auch wenn man nicht den englischen Maassstab für den Wasserverbrauch von 120—150 Liter pro Kopf und Tag zu Grunde legt. Es sind nach und nach eine grosse Zahl von Brunnen untersucht und viele geschlossen worden, so dass verhältnissmässig nur noch wenige übrig sind, aus denen getrunken wird. In Bezug auf das filtrirte Oder- wasser mit dem wir versorgt werden, lag eine directe Gefahr der Ver- unreinigung vor; es war nämlich bei den Flössern gebräuchlich, dicht oberhalb des städtischen Wasserhebewerks anzulegen ; und da Krankheits- keime, wie bereits festgestellt worden ist, bei ihrer minimalen Grösse die Filter passiren, so konnten solche hierdurch in unser Trinkwasser gelangen. Das ist inhibirt worden. Ferner sind die Polizei-Verwaltungen der am oberen Oderlaufe gelegenen Kreise ersucht worden, zu verhüten, dass überhaupt in die Oder irgend welche Dejektionen gelangen, dass namentlich keine direcete Ableitung von Abtritten, Dungstätten u. s. w- in den Fluss stattfinde. Auch die Badeanstalten sind in dieser Beziehung einer Revision unterworfen worden. Es gab eine ganze Zahl derselben, die an das Canalisationssystem nicht angeschlossen waren. Den Wohnun- gen, den Hofräumen, den industriellen Anlagen wurde eine erhöhte sanitätspolizeiliche Aufmerksamkeit zugewandt. Was die Einschleppungsmöglichkeit des Cholerakeimes anlangt, so ist schon vor ca. 2 Jahren, als die Seuche in Italien herrschte, die Be- stimmung getroffen worden, dass alle von dort kommenden Personen, die hier Aufenthalt nehmen wollten, gleich nach ihrer Ankunft dem zustän- digen Medieinalbeamten vorgeführt und auf ihren Gesundheitszustand untersucht würden; dieselben wurden alsdann noch einer achttägigen Öbservation unterzogen. Als nun die Choleragefahr näher rückte, wurde, da die Möglichkeit vorlag, dass in kürzester Zeit durch den bedeutenden Strom der österreichischen Auswanderer der Krankheitskeim zu uns gelangen könnte, besonderes Augenmerk darauf gerichtet, dass eine Ein- 62 Jahres - Bericht schleppung verhütet werde. Es ist jetzt ein ganzes Beobachtungsnetz gegen choleraverdächtige Reisende etablirt, dessen Maschen ziemlich dicht sind, Es sind speciell hier auf sämmtlichen Bahnhöfen Beobachtungs. stationen eingerichtet worden, auf denen derartige Personen sofort bis zu ihrer etwaigen Ueberführung in die Isolir-Abtheilung eines Kranken- hauses aus der Gesammtbevölkerung ausgeschaltet und ihre Abgänge desinfieirt werden können. Die genannten Auswanderer werden während ihres Aufenthalts auf dem Centralbahnhofe in eigenen Räumen internirt. Ein bespannter Krankentransportwagen ist dort bereitgestellt; von Trag- betten und Körben wird der zu langsamen Beförderung wegen und weil sie schwer zu desinfieiren sind, abzusehen sein. Sodann sind in jedem Commissariat zwei besondere Desinfeetoren bestellt worden, die unter behördlicher Controlle die Desinfeetion sofort vorzunehmen haben, durch Sublimatlösung (1 : 1000) und Carbollösung (5 pCt.). Allerdings lag es in der Absicht bei der sanitätspolizeilichen Behandlung der ersten Fälle, sich auf die Desinfection allein nicht zu verlassen, sondern möglichst alles, was mit dem Kranken in Berührung gekommen war, zu zerstören. Die Einrichtung von Desinfectionsanstalten in grösserem Maassstabe, in welchen mittels strömender über 100° C. erhitzter Dämpfe die Krank- heitskeime abgetödtet werden sollen, wird gegenwärtig vorbereitet. Die Stadtverwaltung hat bereits mehrere Desinfeetions- Apparate bestellt, da jedoch der erste Cholerakranke hier früher ankam, als der erste Apparat, so wurde ein solcher improvisirt: es wurde eine Loko- mobile herangebracht, welche den Dampf producirte, und ein Kasten, in welchem die Effeecten dem Dampf ausgesetzt wurden. Es sind Lokale zur Aufnahme von Cholerakranken bereitgestellt, so das Wenzel- Hanke’sche Haus, welches in 24 Stunden von seinen gegenwärtigen In- sassen vollständig evacuirt werden kann. Auch im Norden der Stadt ist zu diesem Zwecke eine grössere Anstalt sorgesehen, das neu erbaute Irrenhaus. Es ist ferner darauf Bedacht genommen worden, bei der Entwicklung einer Epidemie die Bezirksarmenärzte zu sanitätspolizei- lichen Funetionen heranzuziehen. Sämmtliche Polizeiorgane sind mit eingehenden Instruktionen versehen. Es hat sich herausgestellt, dass diese Vorsichtsmaassregeln bis jetzt sich aufs Zuverlässigste bewährt haben, denn es ist gelungen, die einzige bis jetzt hier vorgefallene Cholera-Erkrankung zu isoliren und unschädlich zu machen. Herr Jacobi. Gestatten Sie mir noch einmal auf die Frage des Herrn Professor Förster bezüglich der prophylactischen Maassnahmen unserer Sanitätspolizei zurückzukommen. Dass dieselben fertig und voll- ständig waren, hat der vorgekommene Cholera-Fall gezeigt, bei dem schnell isolirt, desinfieirt und die sichere Diagnose gestellt worden ist. Die Probe ist mithin bestanden — Ferner glaube ich auf Bedenken ein- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur., 63 gehen zu müssen, welche gegen unser Canalisationssystem und gegen unsere Wasserversorgung erhoben wurden. Die systematische Canalisation ist gerade zum Schutz gegen die Cholera in England eingeführt worden, und diejenigen Städte, welche damit versehen waren, haben in den letzten Cholera Epidemien nicht mehr, sondern weniger gelitten als die anderen. Selbst die Umgebung der Rieselfelder ist von der Cholera nicht bevorzugt worden, wie die Beispiele von England und Danzig be- weisen. Wenn in der That Infeetionen durch die Canäle verbreitet und übertragen würden, müsste vor allem der Unterleibstyphus zugenommen haben, während die grosse andauernde Abnahme desselben feststeht. Versuche im Kleinen liegen darüber nicht vor, in wie weit die Krank- heitsstoffe in den Canälen unschädlich werden, aber die sehr zahlreichen Beobachtungen im Grossen lassen keinen Zweifel mehr, dass wir ohne Bedenken die krankhaften Abgänge einem regulären Canal-System über- geben können. Es ist ja auch gar nicht möglich, jeden Cholera-Stuhl zu desinfieiren, da sich beginnende Erkrankungen und die zahlreichen leichten Fälle der sanitätspolizeilichen Einwirkung entziehen. Aber es ist gerade bei dem Canalsystem deshalb eine Besorgniss nicht begründet. Was unsere Wasserversorgung betrifft, so bietet allerdings selbst filtrirtes Flusswasser nicht eine gleiche Garantie der Reinheit wie eine Hochquellen-Leitung. Aber absolut ist auch die letztere vor dem Zu- fliessen infectiöser Stoffe nicht geschützt, da ja die Plateaus, von welchen wir Wasser herleiten könnten, auch von Menschen bewohnt sind. In- dessen lehren uns auch hier wieder die sehr zahlreichen Erfahrungen im Grossen, dass Wasserleitungen wie die unsere bisher vollkommen gefahr- los gewesen sind und weder Cholera noch Typhus insbesondere über- tragen haben. Die Cholera-Bacillen zeigen im fliessenden Wasser keine Entwicklung, Koch fand sie nur an stagnirenden Stellen. Ich halte es für kaum möglich, für Breslau eine ausreichend ergiebige und sichere Hochquellen-Leitung zu schaffen, um so wichtiger ist es zu constatiren, dass wir bisher keine Schädigung durch unser Wasser beobachtet haben und auch in dieser Beziehung voll Vertrauen der Zukunft entgegen. sehen können. Herr Biermer: Ich bin kein Gegner der Trinkwasser - Theorie. Lange bevor ich die Cholera sah, war ich bezüglich des Abdominal- typhus überzeugt, dass er sehr oft durch infieirtes Trinkwasser entsteht. Deshalb glaubte ich auch, dass es bei der Cholera so sein könne. Als 1867 die Cholera nach Zürich kam, waren die meisten Aerzte daselbst für die Trinkwassertheorie mehr oder minder eingenommen, aber wir konnten uns bald darauf auch überzeugen, dass die Verbreitungsweise der Cholera mit dem Trinkwasser zusammenhänge. Was Herr Foerster 64 Jahres-Bericht sagte, ist ja sehr interessant, aber ich möchte hervorheben, dass die verzettelte Verbreitung der Cholera weniger für Brunneninfection spricht, als eine rasche explosionsartige Entwicklung der Epidemie. Freilich will ich ja zugeben, dass einzelne Hausbrunnen infieirt sein können und dann auch einzelne Gruppenerkrankungen dadurch entstehen können. In Zürich hatte ich den Eindruck, dass es ausser der Verbreitung der Cholera durch Trinkwasser noch andere Modi geben muss. Und diese Ansicht habe ich noch heute. Herr Voltolini: Ich bin in drei grossen Epidemien als Arzt thätig gewesen. In therapeutischer Beziehung habe ich gefunden, dass auch nicht ein einziges Medicament, was man bis dahin empfohlen hatte, ge- holfen hätte. Ich habe jedes Medicament für schädlich befunden, weil der Magen bei der Cholera so reizbar ist, dass ihn Alles aufs Neue zum Erbrechen reizt, wenn dieses etwa schon aufgehört hätte. Das meiste habe ich erfahren und die glänzendsten Resultate erzielt bei der Kalt- wasserbehandlung. Ich habe Kranke sterbend aus dem Bette herausholen lassen, in nasse Laken gewickelt, ohne jede Medication. Wurde von den behandelnden Aerzten wieder eine solche gegeben, so trat ein neuer Anfall auf, der wieder sofort der Kaltwasserbehandlung wich. Daher will es mir nicht einleuchten, das der Bacillus die Ursache der Krankheit sei, denn was sollte ihn tödten bei der Kaltwasser- behandlung? Es wäre die Frage, ob der Bacillus nicht die Folge der Krankheit ist. Beigewissen Ohrkrankheiten findet sich ein charakteristischer Pilz im Ohre, der jedenfalls aus der Luft ins Ohr gelangt; es finden sich Hunderte von Pilzen in der Luft, aber nur der eine Pilz gedeiht im Öhre, so ähnlich könnte es beim Cholerabacillus sein. (Inzwischen ist von Wien aus in einem Vortrage von Professor Dr. Winternitz im medie. Doctoren-Collegium der Kaltwasserbehand- lung die glänzendste Lobrede gehalten worden. Cfr. Sitzung vom 22. November 1886 in der medic. Central-Zeitung Nr. 97 1886 vom 4. De- cember, Das Thema des Vortrages lautete: ,‚Die Hydrotherapie der Cholera historisch und kritisch beleuchtet“). Herr Förster: Ich möchte nicht glanben, dass Voltolini alle Cholerakranken mit kaltem Wasser gesund gemacht hat. 1848 bin ich mehrere Wochen im Choleralazareth in Berlin gewesen, wo auch die Kaltwasserbehandlung geübt wurde. Die Leute fingen nach kalten Be- giessungen in der Einwirkung an zu schwitzen, es wurde ihnen wohler, der Radialpuls wurde wieder fühlbar, aber nach einigen Stunden war der alte Zustand wieder da und die Kranken starben auch unter dieser Behandlung. Herr Auerbach: M. H.! Ich habe mich zum Wort gemeldet, nieht um Thatsachen mitzutheilen oder bestimmte Ansichten auszusprechen, sondern nur um a | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 65 einige Fragen zur Discussion zu stellen, ‘die sich mir während der Ver- handlungen der vorigen Sitzung aufgedrängt haben. Sie beziehen sich auf einen practischen Punkt, der zwar in den neulichen Besprechungen mehrfach gestreift, jedoch nicht eingehender erörtert und nicht in ent- scheidender Weise festgestellt worden ist, nämlich die Behandlung der Defeetionen der Cholerakranken. In dieser Beziehung ist zunächst auf Grund einiger, an sich gewiss sehr beachtenswerther Erfahrungen und Erörterungen des Herrn Geheimrath Biermer darauf hingewiesen worden, dass die Ableitung der Auswurfsstoffe durch die Canäle eine gewisse Gefahr der Weiterverbreitung der Krankheit mit sich bringe, und es wurde daran der Rath geknüpft, wenigstens im Anfange der Epidemie die Cholera-Abgänge nicht in die Closets und überhaupt nicht in die Canäle hineinzuschütten. Es ist dabei jedoch auch in der weiteren De- batte nicht zu einer positiven Angabe darüber gekommen, was an die Stelle dieses nächstliegenden Verfahrens treten solle, und ich muss sagen, dass ich mir nicht denken kann, was man dann, wenn Cholera in der Stadt selbst vorkommt, möglicherweise Anderes und Besseres thun könne, als die Dejeetionen den Canälen anzuvertrauen. Verbrennen lassen sich ja dieselben wegen ihres grossen Wassergehaltes nicht. Sie in aus- gemauerte Senkgruben zu schütten, ginge schon deshalb nicht an, weil solche nur in sehr wenigen Häusern noch vorhanden sind. Ausserdem aber wäre ja hiermit, und noch mehr mit einem Vergraben in frisch ausgehöhlte Erdlöcher, ein Anlass zu der so sehr gefürchteten infeetiösen Verunreinigung des Bodens gegeben, welche, einmal vorhanden, sich kaum wieder künstlich beseitigen liesse. Es wäre dies ein Rückfall in ein von der hygienischen Wissenschaft seit Langem verpöntes Verfahren. Man kann ja gerade für die Cholera bezweifeln, ob der Erdboden eine ' so grosse ätiologische Rolle spielt, als ihm früher zugeschrieben wurde; aber vorläufig wird man ihm doch Jede Bedentung noch nicht ganz ab- sprechen können. Auch hiesse es doch dem Publikum gegenüber, nach- dem wir ja die Canäle speciell zur Ableitung aller Unreinigkeiten gebaut haben, zu sehr die Wissenschaft mit sich selbst in Widerspruch setzen, wenn man gerade zur Zeit einer Epidemie von den so oft und ein- dringlich gepriesenen Grundsätzen abginge. Ausnahmsweise in Fällen, welche im Freien oder an der äussersten Peripherie der Stadt sich er- eignen, mag ja das Aushilfsmittel des Vergrabens unvermeidlich und auch eher gestattet sein, gewiss aber aus den angegebenen Gründen nicht im bebauten Theile der Stadt und wo nicht etwa ein besonderer Umstand die Uebertragung in die Canäle verhindert. Irgend ein sonstiges Verfahren zur Beseitigung der Abgänge vermag ich aber nicht abzusehen, und so muss ich glauben, dass doch wohl nichts anderes übrig bleiben wird, als dieselben auch schon im Anfange der Epidemie regelmässig den Schwemmceanälen zu übergeben. 1886. ot 66 Jahres - Bericht Wenn nun hiervon, z.B. auf Grund der neulich erwähnten, aus den Canälen aufsteigenden und in die Wohnungen eindringenden Luftströme wiederum eine andere Art der Uebertragung der Krankheitskeime zu fürchten ist, so tritt um so mehr die Aufgabe einer Desinfection der schädlichen Substanzen vor ihrer Ueberlieferung an die Canäle in den Vordergrund. Dabei würde aber, wenn erst einmal eine solche Maass- nahme als Regel aufgestellt wird, Alles darauf ankommen, ein Des- infectionsverfahren zu empfehlen, welches auch als völlig genügend er- achtet werden kann, damit nicht, wie bei den vermeintlichen Desinfeetionen der Senkgruben in früheren Epidemien, viel Aufwand an Mühe und Kosten ganz vergeblich verschwendet wird. Mit Recht ist deshalb ganz besonders Sublimat in Aussicht genommen worden. Wenn jedoch eine Lösung von '/, pro Mille dieser Substanz als die richtige und zu em- pfehlende Desinfectionsflüssigkeit aufgestellt worden ist, so kann ich einige Zweifel nicht unterdrücken, ob eine so schwache Lösung aus- reichend sein würde, den gewünschten Zweck zu erfüllen. Es ist ja wahr, dass unter Umständen noch verdünnte Lösungen genügen, um bacterielle Keime zu tödten, selbst abwärts bis zu '/, pro Mille und darunter. Und zu solchen äussersten, schon an der Grenze der Wirk- samkeit stehenden Verdünnungsgraden würde es ja’ auch durch die Ver- mischung mit den Ausleerungen wirklich kommen, falls nicht mit sehr grossen Mengen der desinfieirenden Flüssigkeit operirt werden soll. Denn es muss bei erheblicheren Mengen der unschädlich zu machenden Flüssigkeiten die Verdünnung durch die letzteren selbst mit in Rechnung gezogen werden. Die schwächsten Lösungen aber leisten das Gewünschte nur unter gewissen besonderen Bedingungen. Zunächst brauchen sie einige Zeit, mindestens mehrere Stunden, um sicher zu wirken. So viel Zeit steht uns aber, wenigstens in Privatbehausungen, für diesen Zweck nicht zu Gebote. Aus mehreren praetischen Gründen würde es sich verbieten, die Dejectionen Stunden lang stehen zu lassen. Die Gefässe werden wieder gebraucht; auch ist der Ekel, den die Umgebung em- pfindet, zu berücksichtigen und ausserdem auch die vermehrte Gefahr einer Uebertragung. In kurzer Zeit aber nach dem Zusatz der‘ des- infieirenden Flüssigkeit die Masse in den Canal zu schütten, hiesse den Process der Abtödtung der Keime unterbrechen, sowohl wegen der sehr bedeutenden Beimischung von Spülwasser wie auch wegen der möglicher- weise in der Canaljauche eintretenden Zersetzung des Sublimats. Wir brauchen also ein Desinfectionsmittel, welches in wenigen Minuten seine Schuldigkeit thut, und als solches kann, wenigstens nach den allgemeinen Erfahrungen der Bacteriologie, vorläufig nur eine Sublimat-Mischung von etwa 1 pro Mille angesehen werden. Selbstverständlich müsste aus den vorhin angegebenen Gründen für die Zusatzflüssigkeit eine noch etwas stärkere Concentration gewählt werden, und es würde sich vielleicht WE VEREE Gr der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 67 empfehlen, als solche eine Lösung von etwa 1 pCt. zu nehmen und das Personal über die ungefähre verhältnissmässige Quantität des Beizu- mischenden zu belehren, Indessen tritt noch ein anderer Umstand hinzu, welcher nicht ganz ausser Acht gelassen werden darf. Es kommt nämlich ‘auch darauf an, ob in der zu desinfieirenden Masse ausser den Krankheitskeimen noch andere Substanzen enthalten sind, welche den Sublimat wenigstens theil- weise schnell zersetzen oder derartig binden können, dass seine beab- sichtigte Wirkung auf die Mikrobien beeinträchtigt und in Frage gestellt werden kann. Als solche sind aber wohl die eiweissartigen Bestand- theile der Dejectionen zu betrachten, die darin suspendirten gallertartigen Flocken, die oft grosse Menge abgestossener Darmepithelien und im Anfang der Krankheit auch die mit abgehenden, sowohl im Erbrochenen wie in den Stuhlgängen enthaltenen unverdauten Speisereste, ausserdem auch ein gewisser Gehalt von kohlensauren Alkalien. Wie gross oder wie gering der Einfluss dieser Verhältnisse sein mag, lässt sich ja nicht sagen. Genauere Auskunft darüber könnten nur specielle, nach den Methoden der neueren Bacteriologie angestellte Versuche an Cholera- Dejectionen selbst ergeben, welche, soviel ich weiss, bis jetzt nicht gemacht worden sind. Dabei könnte sich ja für unseren Fall möglicher- weise sogar eine genügende Wirksamkeit von kleineren Dosen des Su. blimats herausstellen. So lange dies aber nicht ermittelt ist, würde man, meine ich, gut thun, mit der Concentration noch über 1 pro Mille hinaus- zugehen, etwa bis 2 pro Mille, was ja unmittelbar nichts schaden kann, vorausgesetzt, was man ja überhaupt verlangen muss, dass mit dieser giftigen Substanz vorsichtig umgegangen werde. Es ist allerdings ein weiter ab liegendes Bedenken aufgetaucht, nämlich ob nicht grössere Mengen dieser Substanz, oft und längere Zeit hindurch in die Canäle gebracht, diese selbst angreifen oder, auf die Rieselfelder gelangt, diese letzteren durch giftige Wirkungen auf die Vegetation wesentlich schädigen könnten. Ich habe nun schon vorhin darauf aufmerksam gemacht, dass der Sublimat in der Canaljauche wahr- scheinlich Zersetzungen unterliegen dürfte. Positive Beobachtungen hier- über sind ja noch nicht gemacht, wären jedoch leicht genug herbei- zuführen. Uebrigens würde sich auch durch Laboratorienversuche im Kleinen unschwer der Einfluss zeitweiser Berieselung mit schwachen Sublimatlösungen auf Vegetation und deren Untergrund ermitteln lassen, Ich glaube wohl, dass das Resultat solcher Untersuchungen, abgesehen von vorübergehenden Störungen, im Ganzen ein günstiges sein würde; aber gerade deshalb würden sie vielleicht erwünscht sein. Sie sehen jedenfalls, m. H., dass es in der Frage der Behandlung der Cholera-Dejeetionen noch Einiges zu erwägen und zu untersuchen giebt. TIr Bericht über die Thätigkeit der Section für Öffentliche Gesundheitspflege im Jahre 1886, erstattet von den Herren Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Biermer, Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Förster und Königl. Bezirks-Physicus Privat-Docent Dr. Jacobi zeitisen Secretairen der Section. In der ersten Sitzung am 29. Januar sprach Herr Dr. Theodor Körner Ueber eine schwere Diphtheritis-Epidemie in einer hiesigen Kleinkinder- bewahranstalt. Von den 62 Kindern im Alter von 3—6 Jahren, welche die Klein- kinderbewahranstalt Kleine Groschengasse Nr. 20 besuchten, sind in der Zeit vom 18. December 1885 bis 17. Januar 1886 elf an Diphtheritis gestorben, und ausserdem gleichzeitig noch 2 Geschwister solcher Kinder, während innerhalb desselben Zeitraumes die Zahl der Todesfälle durch Diphtheritis für ganz Breslau nur 39 betrug und für die Bezirke 17, 18, 19, 21 im December 1885 bis zum 17. Januar im Ganzen 15, von denen 13 die oben mit der betreffenden Kleinkinderbewahranstalt in Zusammenhang stehenden und nur 2 (die Geschwister Rose, Grosse Groschengasse 1) ausser Connex mit derselben waren. Am 18. December 1885 wurde Robert Wandelt (Grosse Groschengasse 6 wohnhaft), der jene Anstalt besuchte, als an Diphtheritis erkrankt gemeldet. Am 19. De- cember erfolgte dann der gewöhnliche Schulschluss wegen der be- sinnenden Weihnachtsferien. Am 20. December fand eine Weihnachts- ausstellung im Elisabet-Gymnasium statt, welche von vielen Kindern mit ihren Müttern, und auch von der Mutter und von Geschwistern des erkrankten Robert Wandelt besucht wurde. Nun starben folgende Kinder aus der qu. Kinder-Bewahranstalt an Diphtheritis: am 21. Dee. 1) Johannes Freiberg, Weidenstrasse 22; am 23, December 2) Gertrud der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 69 Lautner, Hummerei 23; am 24. December 3) Alfred Schönbrunn, Gr, Groschengasse 14; am 26. December 4) Marie Freiberg, Schwester von 1; 5) Clara Klass, Hummerei 4 und 6) Clara Hoffmann, Schweidnitzer- strasse 9; am 28. December 7) Paul Giersdorf, Wehnergasse 1; am 4. Januar 1886 8) Willy Woide, Hummerei 10; am 5. Jan. 9) Gertrud Klass, Schwester von 5; am 8. Jan. 10) Walter Just, Hummerei 4. Ausserdem starben von Kindern, die nicht die Anstalt besuchten, am 5. Jan. Bertha Just, die Schwester des am 8. Januar verstorbenen Walter Just (10) und am 17. Jan. Martha Lautner, die Schwester der am 23. Dec. verstorbenen Gertrud Lautner (2). Der am 18. Dec. ge- meldete Robert Wandelt ist inzwischen ebenfalls verstorben, nach dem Todtenscheine an Nephritis. Trotz dieser Fälle wurde am 4. Jan. 1886 die Anstalt unbean- standet wiedereröffnet, noch denselben Vormittag aber wieder geschlossen, weil nur 5 Kinder erschienen waren. Am 18. Jan. wurde, ohne dass irgend welche prophylactischen Maassregeln getroffen waren, die Anstalt wiederum eröffnet und von 10 Kindern besucht. Am 22. Jan. wurde die Anstalt polizeilich geschlossen. Der Vortragende hält hiernach für zweifellos, dass die qu. Anstalt einen Infeetionsheerd gebildet, und unser Meldewesen in diesem Falle nicht ausreichend functionirt hat, Herr Bezirks-Physicus Dr. Schmiedel erklärt, dass er erst im Januar von den Fällen Kenntniss erlangt habe. Er habe dann sofort alle be- troffenen Familien besucht, genaue Recherchen angestellt und den Schluss der Anstalt veranlasst. Es sei übrigens schon am 29. November 1885 ein Kind der Familie Just (efr. 10, die Geschwister starben am 5. und 8. Januar) an Diphtheritis verstorben. Bei der Weihnachtsausstellung sind ausser der Frau Wandelt auch die Frauen Lautner (2) und Klass (5), bei denen bereits Kinder erkrankt waren, anwesend gewesen. Erkrankt waren zu derselben Zeit in jener Gegend noch viele andere Kinder an Diphtheritis. Es habe dieses bedauerliche Ereigniss Anlass gegeben, die Meldekarten und das Meldewesen polizeilich sofort wesentlich zu verbessern, Herr Dr. Buchwald hält für nöthig, dass auch die leichtesten Erkrankungen an Diphtheritis gemeldet werden, und der meldende Arzt selbst bei der Meldung angebe, ob eine Isolirung des Kranken möglich sei. Wo nicht isolirt werden könne, müssen die Kranken in das Hospital gebracht werden. Er weist ferner auf die Gefahr hin, die durch Be- nutzung der Droschken zum Transport solcher Kranken entsteht, und findet die gewöhnliche Desinfecetion der Wohnung bei Diphtheritis un- genügend. Herr Prof. Dr. H. Cohn folgert aus den durch den Vortrag be- wiesenen Missständen, dass der „‚Schularzt““ fehlt und regt an, in einer der nächsten Sitzungen über die Nothwendigkeit von Schulärzten zu 70 Jahres-Bericht discutiren. Er erklärt sich auf eine Anfrage des Vorsitzenden bereit, selber darüber zu referiren. Herr Dr. Heppner bedauert, dass die Kinderbewahranstalten und Spielschulen unbeaufsichtigt sind. Die Stadt-Schulinspectoren kümmern sich um diese Anstalten thatsächlich gar nicht. Herr Geheimrath Prof. Dr. Biermer hält es für nahezu unmöglich, bei Diphtheritis die Isolirung und Desinfection in den Familien genügend durchzuführen. Es dürfe aber nicht vorkommen, dass ein öffentlicher Infeetionsheerd so lange bestehen bleibt. Es spreche das für Mängel in der bestehenden Organisation, und er beantrage deshalb, eine Commission zu ernennen, welche bezüglich des sanitären Meldewesens und der sanitären Controle der Schulen berathen und der Section demnächst Vor- schläge machen solle. Die strengste Controle sei gerade hinsichtlich der Spielschulen, Kinderbewahranstalten und Kindergärten geboten. Herr Kreisphysieus Dr. Schwahn weist darauf hin, dass der Preuss. Ministerial-Erlass vom 14. Juli 1884 die Frage gesetzlich vollkommen geregelt hat. Es wird sodann der Antrag Biermer angenommen, und werden in die Commission gewählt die Herren Asch, Töplitz, Th. Körner, Schmiedel, Heppner. In der zweiten Sitzung am 5. März erstattete zunächst Herr Dr. Asch den Bericht der am 29. Januar gewählten Commission betreffend eine Reform unseres Krankheitsmeldewesens. Nach eingehender Discussion, an welcher sich die Herren Dr. Th. Körner, Prof. Dr. H. Cohn, Oberregierungsrath Schmidt, Geheimer Medicinalrath Prof. Dr. Biermer, Dr. Heppner und Stadtphysieus Sanitätsrath Dr. Schlockow ausser dem Referenten betheiligen, wird beschlossen, Herrn Dr. Asch mit der Formulirung eines Antrages an das Königl. Polizei-Präsidium, in welchem die heute geäusserten Anschauun- gen der Section ihren Ausdruck finden, zu beauftragen. Sodann theilt der Vorsitzende mit, dass der Ausschuss des deutschen Vereines für öffentliche Gesundheitspflege an die Section die Bitte ge- richtet habe, für die nächste vom 13. bis 15. September d. J. in Breslau stattfindende Generalversammlung desselben die Vorbereitungen über- nehmen zu wollen. Es wird beschlossen, dem Ausschusse einen zusagen- den Bescheid zu ertheilen.*) *) Die Section hat die Bildung eines Lokal-CGomite’s veranlasst, welchem ihre Secretäre und mehrere andere Mitglieder angehörten; sie hat ausserdem das Präsidium der Schlesischen Gesellschaft ersucht, zur Herausgabe einer Festschrift eine Beihilfe zu bewilligen, welche in der Höhe von 300 Mark gewährt worden ist. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 71 In der dritten Sitzung am 19. März verlas zuerst Herr Dr. Asch seinen Entwurf des am 5. März beschlossenen Antrages an das Königl. Polizei-Präsidium. Derselbe wird in der folgenden Form beschlossen: An den Königlichen Polizei-Präsidenten Herrn Freiherrn von Uslar-Gleichen Hochwohlgeboren hier. Euer Hochwohlgeboren erlaubt sich die unterzeichnete Section ganz ergebenst den Antrag zu unterbreiten, geneigtest veranlassen zu wollen: 1. dass in die Krankheitsmeldekarten die folgenden drei Fragen neu aufgenommen werden: a. Besucht der Erkrankte als Lehrer oder Schüler eine öffentliche oder private Schule (resp. Warte-, Spiel-Schule, Kindergarten, Kleinkinderbewahranstalt)? b. Befinden sich in der Haushaltung des Erkrankten Lehrer oder Schüler? ec, Liegen irgend andere eine Ansteckung begünstigende Mo- mente vor? 2. dass den Aerzten fortdann frankirte Krankheitsmeldekarten zur Verfügung gestellt werden, welche mit der Adresse des Königlichen Polizei-Präsidiums versehen sind. Das Krankheitsmeldewesen in Breslau ist, Dank den bedeutenden Verbesserungen, welche Euer Hochwohlgeboren vor Kurzem bei dem- selben verfügt haben, zu einem hohen Grade der Ausbildung gelangt; dennoch glaubt die Section, dass durch die geneigte Berücksichtigung der obigen Anträge noch eine weitere Vervollkommnung derselben erzielt werden würde. Durch die Beantwortung der neuen drei Fragen seitens des melden- den Arztes wird einerseits dem zuständigen Polizei-Physikus sofort bekannt, ob der qu. Fall eine besondere Aufmerksamkeit und schleunigstes Eingreifen verlangt, anderseits werden die Erhebungen der Polizei-Executiv-Beamten von sachverständigster Seite aus vervollständigt und ergänzt. Die kleine Vermehrung der Arbeitsleistung, welche damit ver- knüpft ist, werden die Aerzte im öffentlichen Interesse gern auf sich nehmen, Zu Gunsten unseres zweiten Antrages erlauben wir uns darauf hin- zuweisen, dass gegenwärtig gewöhnlich die Anmeldung in der Art bewerkstelligt wird, dass der Arzt die Meldekarte der Familie des Erkrankten zur Abgabe an den Revier-Commissarius einhändigt., Auf diese Weise kann es geschehen, dass die Karte gar nicht oder verhältnissmässig spät an die Polizeibehörde gelangt, Es würde aber 72 Jahres-Bericht unthunlich sein, von einem beschäftigten Arzte zu verlangen, dass er selber die Karte dem Revier-Commissarius überbringen soll, zumal ihm dessen Adresse in der Regel unbekannt sein wird. Ist die Karte dagegen frankirt und trägt sie die Adresse des Königl. Polizei-Präsidiums, so kann sie der meldende Arzt sofort selber in den nächsten Briefkasten werfen. Hiermit wird die sieherste und schnellste Meldung gewährleistet. Die Kosten, welche der Stadtgemeinde durch die Frankatur der Karten erwachsen können, würden nur unerheblich sein und sich durch Verhandlungen mit der Kaiserlichen Postbehörde auf ein sehr geringes Maass herabbringen lassen. Wir erlauben uns Euer Hochwohlgeboren eine alte und eine nach unseren Anträgen modifieirte Meldekarte ganz ergebenst beizulegen. Die Section für öffentliche Gesundheitspflege der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur., Hierauf ist am 29. Juli die folgende Antwort erfolst: Auf das gefällige Schreiben vom 30. März cr. erwidere ich er- sebenst, dass die neuen Kartenformulare „Krankheitsmeldung‘ nunmehr fertiggestellt sind und von den betreffenden Aerzten im städtischen statistischen Bureau bezogen werden können. Den von der Section in qu. Schreiben vorgetragenen Wünschen ist bei Abfassung des Textes in allen Punkten Rechnung getragen worden, wie aus dem anliegenden Kartenformular ersichtlich ist. Dagegen hat dem zweiten Antrage in dem gefälligen Schreiben vom 50. März er. zu meinem Bedauern nicht entsprochen werden können. Der hiesige Magistrat hat sich schon früher in einem an mich ge- richteten Schreiben vom 14. April 1883 entschieden gegen die Ueber- nahme des durch die Zusendung qu. Karten entstehenden Portos verwahrt und ist auch meines Erachtens hierzu nicht verpflichtet. Die Frankirungskosten haben vielmehr zweifellos die Aerzte zu tragen, welchen es nach dem Sanitäts-Regulativ vom 8. August 1835 obliegt, der Polizeibehörde die Krankheitsmeldung schriftlich oder mündlich zu erstatten. Wählen die Aerzte die schriftliche Meldung durch die Post, so haben sie die entstehenden Portokosten zu zahlen. Ebensowenig vermag ich den Antrag, dass die Karten mit der Adresse des Polizei-Präsidiums, anstatt der des Polizei-Com- missariats zu versehen seien, stattzugeben, da bei dem diesseitigen Geschäftsgange die Adressirung an das Polizei-Präsidium die ge- schäftliche Erledigung der Krankheitsmeldung unnöthig verzögern würde, eine möglichst schleunige Erledigung aber, der Natur der Sache nach, geboten ist. Der Polizei-Präsident. I. V.: Bredow. An die Seetion für öffentliche Gesundheitspflege der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, z. H. des ordentl. Professors Herrn Dr. Förster Hochwohlgeboren hier. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 73 Sodann spricht Herr Prof. Dr. H. Cohn Veber die Nothwendigkeit der Einführung von Schulärzten. (Cfr. das Referat im Zusammenhange in dem Berichte über die vierte Sitzung.) In der vierten Sitzung am 30. April bringt Herr Professor Dr. H. Cohn die Fortsetzung und den Schluss seines am 19. März be- gonnenen Vortrages: Ueber die Nothwendigkeit der Einführung von Schulärzten. Aus einer eingehenden Geschichte der Schularztfrage, in welcher die Arbeiten von Peter Frank, Falk, Virchow, Baginsky, Ellinger, der pädagogischen Section der schlesischen Gesellschaft, der Strassburger und Darmstädter Commissionen und des Genfer hygienischen Congresses besprochen wurden, folgerte der Vortragende, dass der Wunsch nach Schulärzten ein in der medieinischen Literatur seit langer Zeit sehr verbreiteter sei. Betreffs der Aufgaben der Schulärzte verwies der Vortragende be- sonders auf die Thesen, welche er dem hygienischen Congress zu Genf 1882 unterbreitet hatte und deren wesentlichster Inhalt folgender ist: Vor Allem ist eine umfassende staatliche hygienische Revision aller jetzt benützten öffentlichen und Privat-Schullokale schleunigst nothwendig; jede Schule muss ihren Schularzt haben; als solcher kann jeder praktische Arzt vom Schulvorstande gewählt werden; er muss Sitz und Stimme im Schulvorstande erhalten; mehr als 1000 Schulkinder sind ihm nicht zu überweisen. Der Schularzt muss bei Neubauten den Bauplatz und den Bauplan hygienisch begutachten und den Neubau hygienisch überwachen; seinen Anordnungen betrefis der Zahl, Lage und Grösse der Fenster, der Heiz- und Ventilations-Einrichtungen, der Aborte und Subsellien muss Folge gegeben werden. Der Schularzt muss bei Beginn jedes Semesters in jeder Klasse alle Kinder messen und sie an Subsellien placiren, die ihrer Grösse entsprechen; er muss alljährlich die Refraction der Augen jedes Schulkindes bestimmen, er muss in Zimmern, welche dunkle Plätze haben, die Zahl der Schüler beschränken und Klassen, welche zu finster oder sonst der Gesundheit schädlich sind, schliessen. Der Schularzt muss ferner Schulmobiliar, welches die Schüler zum Krummsitzen zwingt und Schulbücher, welche schlecht gedruckt sind, entfernen. Er hat das Recht jeder Unterrichtsstunde beizuwohnen; er muss mindestens monat- lich einmal alle Klassenzimmer während des Unterrichts besuchen und besonders auf die Beleuchtung, Ventilation, Heizung der Zimmer und auf die Haltung der Kinder achten; er ist bei Aufstellung des Lehrplanes zuzuziehen. Jede ansteckende Erkrankung eines Schulkindes muss ihm gemeldet werden, und darf er dasselbe erst dann wieder zum Schul- 74 Jahres-Bericht besuche zulassen, wenn er sich selbst überzeugt hat, dass jede Gefahr der Ansteckung beseitigt ist und dass die Bücher, Hefte und Kleider des Kindes gründlich desinfieirt worden sind; wenn der vierte Theil der Schüler von einer ansteckenden Krankheit befallen ist, muss der Schul- arzt die Klasse schliessen. Als eine Hauptaufgabe des Schularztes bezeichnet der Vortragende die Verhütung der Kurzsichtigkeit. Er analysirt die Arbeiten von Beeker, Tscherning, v. Hippel und Stilling und bekämpft die einzelnen Einwürfe, welche theils gegen die bisherige statistische Forschung theils gegen die Bedeutung der während der Schulzeit acquirirten mitt- leren Grade von Kurzsiehtigkeit vorgebracht wurden, und schliesst sich den Ansichten von Virchow, Horner, Schmidt-Rimpler, Seggel und Schiess-Gemusaeus an, welche die Kurzsichtigkeit nicht in falsch- verstandenem Darwinismus für eine zweckmässige Anpassung an die Nahearbeit, sondern für eine wahre Krankheit ansehen, deren bedenkliche Complicationen freilich meist erst im späteren Lebensalter sich geltend machen. Der Vortragende weist auch nach, dass selbst diejenigen Autoren, ‚welche gegen die früheren Arbeiten über Myopie opponiren und welche weniger die Schule als die häuslichen Arbeiten als Ursache für die Kurzsichtigkeit betrachten, doch den hygienischen Bestrebungen das Wort reden, d. h. den Verbesserungen, welche der Schule jeden Vorwurf ersparen wollen, dass sie die Myopie erzeuge oder vermehre. Der Vortragende glaubt, dass, wenn nach der modernen Theorie den kurzsichtigen Schülern Brillen zum Schreiben verordnet werden, die Schulärzte besonders ihr Augenmerk auf die grade Haltung der Schüler zu lenken haben werden, da die für die richtige Entfernung vortheilhafter Gläser beim Auflegen direet schädlich wirken. In Breslau aber sind irrationelle Subsellien mit positiver Distanz angeschafft, welche eine schlechte Haltung zur Folge haben müssen; zudem werden die Kinder in keiner Schule, mit Ausnahme derjenigen des Herrn Director Höhnen, nach ihrer Grösse in passende Bänke gesetzt, sondern Gross und Klein sitzi an gleich hohem S$ubsellium in derselben Klasse! Auch werde der Schularzt seine Aufmerksamkeit der Tages- und Gas- beleuchtung in den Zimmern besonders in Breslau zuwenden müssen, da es hier Anstalten giebt, in denen selbst der vierte Theil der Kinder gar kein Himmelslicht von seinem Platze aus sieht. Als die zweite Hauptaufgabe des Schularztes betrachtet der Vor- tragende die Verhütung der ansteekenden Krankheiten, besonders Scharlach, Masern, Diphtherie und Keuchhusten. Die Uebertragung durch die Schule sei oft nachgewiesen worden. Komme eine derartige Krank- heit im Schulhause vor, so müsse dies auf dem Meldezettel besonders betont werden und der Physieus sofort wegen event. Schlusses der Schule zugezogen werden. Es sei überhaupt vom ärztlichen Standpunkte der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 75 aus besser, wenn der Reetor nicht im Schulhause wohne; erkrankt ein Glied der Familie des Schuldieners, so müsse dies sofort in das Hospital geschafft werden; denn der Schuldiener kann, da er den Schülern Esswaaren verkauft, und da Papier häufig die Uebertragung vermittelt, die Krankheit unter den Schülern verbreiten. (Bekanntlich kamen die Masern durch einen Brief nach den Fidschi-Inseln, wo sie grosse Verheerungen anrichteten.) Um die Desinfection der Bücher, Schultaschen und Kleider der von Infectionskrankheiten geheilten und in die Schule zurückkehrenden Kinder kümmert sich bis jetzt Nie- mand. Besondere Aufmerksamkeit wird der Schularzt der Reinlich- keit der Klassen in Breslau zuwenden müssen; fast überall liegt dicker Staub in den Zimmern; in der Töchterschule am Ritterplatz werden (nach dem neuesten Osterprogamm) wohl täglich alle Räume gekehrt, aber nur alle sechs Wochen die Zimmer und Corridore gescheuert; das ist zu wenig. Ein Schuldiener kann freilich nicht täglich 15—20 Zimmer waschen; daher ist der Vorschlag beherzigenswerth, der Feuerwehr die häufige Reinigung der Klassen, in welche 60 und mehr Kinder täg- lich viel Staub bringen, zu übergeben. Auch die Retiraden müssen inspieirt werden. Dem Breslauer Schularzt wird sich also im Anfange namentlich viel Arbeit bieten und doch ist es nicht so viel, dass er nicht seine Pflicht im Nebenamte erfüllen und eine Schule alle 14 Tage revidiren könnte, Der Vortragende theilt dann die Instructionen der Schulärzte in ausserdeutschen Ländern ausführlich mit, soweit ihm Nachrichten aus Frankreich, Belgien, England, Irland, Schweden, Ungarn und der Schweiz zugegangen, Ein nachahmenswerthes Beispiel giebt Frankreich. In Paris sind jetzt 150 Communal-Schulärzte angestellt, jeder mit 600 Frances Gehalt und ausserdem 3 Departements-Schulärzte mit je 4000 Francs Jahresgehalt; sie fungiren bereits seit 1879 und müssen alle 14 Tage die 20—25 Klassen inspieiren, die ihnen zugetheilt sind. Ihre Instructionen und Formulare erfüllen die Forderungen der Genfer Thesen zum grossen Theile, In Lyon wurden schon 1880 acht Schulärzte angestellt, jeder . auf 6 Jahr mit 1500 Franes Gehalt; es bewerben sich die strebsamsten Aerzte, die Instruetionen sind den Parisern ähnlich und dis hygienisehen Resultate sind befriedigend. ,‚‚Competenz-Confliete und Verwaltungs- Empfindlichkeiten, schreibt Dr. Napias, stellen sich allerdings noch dem vollkommenen Functioniren dieser nützlichen Thätigkeit der Schul- ärzte entgegen; aber die höheren Behörden, welche diese Hindernisse kennen, bemühen sich, sie verschwinden zu machen.“ Auch in Havre, Nancy, Rheims und Amiens fungiren bereits Schulärzte. 76 Jahres-Bericht In Belgien, speciell in Brüssel, giebt es seit 1874 bereits Schul- ärzte: der Vortragende legt die Fragebogen vor, welche dieselben seit 18380 nach den Visiten in der Schule zu beantworten haben. — In der Schweiz ist nur in Lausanne ein Schularzt und zwar mit 500 Franes angestellt. — Die Thätigkeit der Schulärzte in England und Irland ist gut geschildert in Hermann Weber’s „Schulhygiene in England“. (Wiesbaden 1884); meist sind die Schulen zugleich Internate, welche eigene Sanatorien haben, ja sogar ein eigenes kleines Haus für Scharlach- Kranke, „‚‚fever cottage“. Erkrankte Kinder werden nicht nach Hause geschickt, sondern dort verpflegt, und erst genesen und desinfieirt nach Hause entlassen. „Wenn ein Kind während der Ferien ein Haus betre- ten hat, in welehem eine ansteekende Krankheit war, so wird für das- selbe eine Quarantäne von 3 Wochen bei Scharlach, von 16 Tagen bei Masern, 14 Tagen bei Pocken und Mumps angeordnet; dadurch gelang es, während der letzten 14 Jahre in einer Schule jede Schar- lacehepidemie zu verhüten.“ Schweden hat schon seit 1878 Schulärzte. In einem Cireular- schreiben der Königl. Medicinaldireetion an die Aerzte der Unterrichts- anstalten vom 31. October 1879 sind ihre Aufgaben zusammengestellt. Vor Kurzem erschien ein mit zahlreichen Tabellen versehenes grosses Werk von Axel Key in Stockholm über die Schulkinder in Schweden, welches auch die Thätigkeit der Schulärzte erwähnt. In Ungarn werden jetzt Curse für Mediciner über Hygiene in den Schulen an der Budapester und Klausenburger Universität gegeben; die Theilnehmer werden am Schlusse geprüft und erhalten im Falle eines Erfolges das Lehrerdiplom für Hygiene in Mittelschulen, welche in den ungarischen Schulen als Lehrgegenstand eingeführt wird. Die Aerzte sollen aber nicht allein die Hygiene lehren, sondern auch Schule und Schüler in hygienischer Hinsicht überwachen. Was kann, fragt der Vortragende, in Breslau geschehen? Das Beste wäre natürlich, wenn die Königliche Regierung amtliche und besoldete Schulärzte creiren wollte; doch ist davon zunächst nichts bekannt. | Auf Requisition der Stadtschuldeputation kann zwar der Herr Polizei- Präsident und auch der Physikus einschreiten. Aber wie ist es möglich, dass die drei Physiker in Breslau 164 Schulen überwachen können, zumal sie ja durch so viele andere Amtsgeschäfte in Anspruch genommen und auf Privatpraxis angewiesen sind! Man sagt, in der Stadtschuldeputation sitzt ein Arzt, das ist der Schularzt. Aber selbst wenn derselbe nicht ein beschäftigter practischer Arzt, sondern ausschliesslich Schularzt wäre, würde er bei allem Eifer nicht im Stande sein, die 907 Klassen in Breslau zu re- vidiren. Mit der Äygiene der Privatschulen und Kleinkinder-Bewahr- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 17 anstalten hat sich bisher wohl Niemand officiell befasst, und doch könnte auch da Manches von dem Schularzte gebessert werden. Es giebt Privatschulen, die keinen Hof oder Garten haben, so dass die Schülerinnen beständig in den Zimmern oder in dem engen Corridor bleiben müssen, es giebt auch da mitunter finstere Klassen ete. Natürlich ist eine solche Revision weder den Vorstehern von Privat- noch von öffentlichen Schulen angenehm. Die Eifersucht der Direetoren auf die Schulärzte, welche Virchow erwähnt, mag mit einer gewissen Besorgniss zusammenhängen, dass alte Schäden unbarmherzig aufgedeckt werden. Aber eine Revision ist überhaupt niemals angenehm. Man kann wohl annehmen, dass die Aerzte in ihrem eigensten Interesse, um die Zahl ihrer Heilungen zu vermehren, in ihren Heilanstalten Alles spontan thun werden, was für die Hygiene ihrer Kranken nutzbringend sein kann, und doch müssen auch die Privatheilanstalten sowie alle öffentlichen Krankenhäuser sich alljährlich einer Lokalrevision des Physikus unterwerfen. Was würden die Physiker, wenn sie pedantisch vorgehen wollten, erst in den Schulen zu moniren haben! Keinesfalls darf uns die Besorgniss der Schul- Direetoren, dass die Revision unangenehm sei, von dem Wunsche nach hygienischer Inspection zurückschrecken lassen. Nach den neuesten Mittheilungen des Herrn Dr. Neefe haben wir in Breslau 164 Schulen mit 907 Klassen und 48 222 Schülern. Schon in Genf wurde die These angenommen, dass kein Schularzt mehr als 1000 Schüler zu beaufsichtigen haben solle. Es würden also für Breslau 48 Schulärzte nöthig sein; je mehr, desto geringer natürlich die Arbeit des Einzelnen. Auf private Anfrage, die der Vortragende an eine Anzahl hiesiger Aerzte wendete, von denen er glaubte, dass sie sich für die Frage interessiren, erhielt er von 57 Collegen die Antwort, dass sie bereit seien, die Stelle eines Schularztes als städtisches Ehrenamt gratis zu übernehmen. Gewiss werden sich noch andere Collegen diesen an- schliessen. Aber wenn nur diese 57 fungiren, so würden auf jeden eirca 850 Schüler und etwa 16 Schulzimmer kommen. Mit dieser Opferwilligkeit von 57 Collegen fällt auch der letzte Einwand, dem man dem Institut der Schulärzte in Breslau machen könnte. Man hat mit einem gewissen Rechte betont, dass der Schuletat der Stadt Breslau Millionen verschlinge; wie solle man da noch Mittel für Schulärzte gewähren können? Nun erbieten sich eine so grosse Zahl von Aerzten gratis für diese Funktion, es dürfte daher den städtischen Behörden wohl nur erwünscht sein, dass sie von competenten Männern Berichte über die Zustände in ihren Schulen fortlaufend empfangen könnten. — Ueber die Organisation der Schulärzte lässt sich streiten; am einfachsten erscheine es dem Vortragenden, wenn in das Cura- 73 Jahres-Bericht torium jeder Schule vom Maeistrat ein Schularzt und zwar mit Sitz und Stimme im Curatorium gewählt würde. Nach den Instructionen für die Stadtschuldeputation vom 1. Juni 1877 und für die Curatorien be- stehen diese letzteren aus vier Mitgliedern und zwar für die höheren Schulen aus dem Stadtschulrath, dem Direetor und 2 von der Stadtver- ordneten-Versammlung auf 3 Jahre gewählten Herren, für die Volks- schulen aus dem Decernenten der Schuldeputation, dem Reetor und zwei anderen Schulvorstehern. Diese Curatorien haben die Aufsicht über das Schulgrundstück, alle Räume, die Einrichtung, Ausstattung und das ganze Eigenthum der Anstalt und halten in den höheren Schulen mindestens alle Vierteljahre, in den Volksschulen monatlich einmal Con- ferenzen; doch ist der Vorsitzende verpflichtet „auch auf besonders motivirten Antrag eines Mitgliedes eine Conferenz anzu- beraumen“, Ist der Schularzt erst Mitglied dieses Curatoriums, so kann er seine Beschwerden und Wünsche monatlich und wenn nöthig noch öfter vor- bringen, und es unterliegt gar keinem Zweifel, dass die Schuldeputation, in welcher ein Arzt nicht genügt, sondern in der eine Anzahl Aerzte sitzen sollten, in ganz anderer Weise über die hygienischen Zustände unserer Schulen in Kenntniss gesetzt werden wird als bisher. Der Magistrat hat ja auch in dankenswerther Weise seine Bereitwilligkeit zur Unterstützung der höheren Schulen durch die Erlaubniss documentirt, die er den Commissionen des Vereins der Aerzte des Regierungsbezirks Breslau vor 2 Jahren gegeben, und der gut informirte Magistrat wird gewiss bestrebt sein, zu helfen und so schnell als möglich zu helfen. Schlimmstenfalls wird die beständige Wiederholung der Klagen durch den betreffenden Schularzt nicht verfehlen, Abhilfe zu schaffen, während jetzt vielleicht einmal eine Klage laut wird und, da sie nicht immer wiederkehrt, verhallt. Ein Beispiel: Als der Vortragende vor 2 Jahren öffentlich auf die finsteren Zimmer im Magdalenen- und Elisabet-Gymnasium aufmerksam machte, da traten allerlei Projeete von Uebersiedelung des Elisabetans nach der Kathol. höheren Bürgerschule auf, man weisste die Wände in den Anstalten neu, man fragte den Bau- meister an, ob im Magdaleneum nicht vielleicht ein dritter Stock auf- gesetzt werden könne (was aber leider unmöglich). Der öffentliche Nothschrei hatte für den Augenblick gewirkt. Seitdem ist es still ge- worden. In den alten finsteren Zimmern wird weiter Unterricht ertheilt, die alten Gebäude werden nicht verkauft, von einer Dislocation hört man nichts. Wenn aber im Schul-Curatorium ein Schularzt sitzt und pflichtmässig alle Monate seine berechtigten Klagen wiederholen wird, dann wird die Frage nicht verschwinden, sondern glücklicher Lösung entgegengeführt werden. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 79 Geldausgaben werden unvermeidlich sein; denn viele Missstände sind sehr schwer, einzelne Localitäten werden ganz aufgegeben und das Mobiliar wird bedeutend geändert werden müssen; die Gelder werden aber leichter bewilligt werden, wenn einige 50 Schulärzte die Noth- wendigkeit dieser Ausgaben der Bürgerschaft gegenüber bekunden werden. Mögen diese 57 Aerzte als ein Keil in dem Schul-Organismus wenn auch vielleicht. langsam, doch umso stetiger die morschen und schlechten Einrichtungen sprengen! Wie es Conferenzen der städtischen Bezirks-Vorsteher, der Schieds- männer, Armenärzte, Armenpfleger, Waisenpfleger giebt, so werden auch Conferenzen der städtischen Schulärzte von Zeit zu Zeit stattfinden müssen, damit die Erfahrungen der Collegen ausgetauscht und wichtige allgemeine Fragen discutirt werden können. Dass das Institut der Schulärzte nicht für die Ewigkeit ein Ehrenamt und unbezahlt bleiben wird, ist wohl anzunehmen, wenn man sieht, wie allmählich die sich als nothwendig zeigenden Aemter, die ursprünglich nur der Opferwilligkeit Einzelner ihre Entstehung ver- dankten, später in besoldete Aemter verwandelt werden, der Vortragende erinnert an die Feuerwehr, die Anfangs auch nur eine freiwillige war, an die Armen- und Hospital-Aerzte, deren Gratificationen ja von Jahr- zehnt zu Jahrzehnt erhöht wurden. Schliesslich bringt der Vortragende folgenden Antrag ein: „Die hygienische Section wolle den Magistrat 1. davon in Kenntniss setzen, dass 57 hiesige Aerzte zur unent- seltlichen Uebernahme von Schularztstellen bereit sind, und 2. denselben ersuchen, in jedes Schul-Curatorium, resp. Schulvorstand einen Arzt zu wählen, der daselbst Sitz und Stimme hat und diese Stelle unentgeltlich als Ehrenamt bekleidet‘. Die Formulirung des Antrages stellt übrigens der Vortragende der Section völlig anheim, wenn nur endlich ein Schritt vorwärts ge- than wird. Gehen wir, schloss der Vortragende, hier in Breslau mit gutem Beispiele den anderen Städten Deutschlands voran, schon die Publikation des Factums, dass eine so grosse Zahl von Aerzten hier bereit ist, sich gratis dem Amte zu widmen, wird auch anderwärts nicht ohne Folgen bleiben. Der Satz einiger Stoekphilologen „‚Taceat medicus in schola!‘ muss endlich einmal dem Satze weichen: „Audiatur et medieus in schola !‘ In der Diseussion, welehe sich an den Vortrag des Herrn Professor Dr. H. Cohn knüpft, führt zuerst Herr Prof. Dr. Förster aus, dass er s0 Jahres - Bericht dem Antrage Cohn’s beistimme, auch helle Schulen und gute Sub- sellien für nothwendig halte, das Motiv aber, dass die Schule die Kurzsichtigkeit bewirke, nicht als richtig anerkennen könne. Zu Hause werde sehr viel mehr und viel anhaltender geschrieben als in der Schule. Nicht die Aecommodation sondern die Convergenz führe zur Myopie. Herr Prof. Dr. Magnus glaubt, dass die Reaction in der Schul- Myopie-Frage bedeutender sei, als ©. sie dargestellt habe. Herr Privatdocent Dr. Freund stimmt dem Antrage Cohn’s inso- weit bei, als er eine ärztliche Schulaufsicht verlangt, ist aber da- gegen, dass Aerzte diese Schulaufsicht als Nebenamt und unentgeltlich übernehmen sollen. Zum Schularzte gehöre eine besondere Ausbildung und viel Zeit. Die Herren Prof. Dr. Förster und Dr. Leppmann finden kein Bedenken in der Uebernahme der ärztlichen Schulaufsicht als eines communalen Ehrenamtes. Herr Professor Dr. H. Cohn erwidert, dass er aus seinen früheren Arbeiten ja die Stellen mitgetheilt, welche beweisen, dass er nie daran gedacht habe, der Schule allein die Schuld an der Myopie zuzuschreiben, sondern vielen andern Factoren ausserdem die mögliche Veranlassung zugeschoben habe. Auch leugne er keineswegs, dass in den höheren Schulen viel zu viel häusliche, die Augen anstrengende Arbeiten auf- segeben werden. Allein in den Elementarschulen sei die Augen- arbeit in der Klasse viel grösser als zu Hause, da hier auf vier bis fünf Schulstunden kaum eine, nie mehr als zwei Schularbeitsstunden fallen. Die Grenze sei überhaupt schwer zu ziehen; peccatur intra et extra. Uebrigens wird ja das Lesen und Schreiben nur in der Schule gelehrt, also auch, wie schon Virchow hervorgehoben, die schlechte Haltung von der Schule erst ins Haus gebracht; gewiss habe daher auch die Schule ihren Antheil an der Erzeugung der Kurz- sichtigkeit. Ein Jeder müsse zugeben, dass dunkle Schulzimmer das Auge schädigen können. Natürlich wirken schlechte Beleuchtung und falsche Bänke nur indireet dabei mit, indem sie eine zu grosse An- näherung des Auges an die Schrift nothwendig hervorrufen. Passende Brillen in richtiger Entfernung werden unter Umständen wohl die Zu- nahme des Leidens verhüten können; aber sie werden ja erst ver- ordnet, wenn das Uebel schon da ist. Uebrigens habe er selbst als Schüler mit der Brille keine guten Erfahrungen gemacht; an den schlechten Subsellien des Magdalenäums habe er in den finsteren Se- cunden und Primen trotz der Brille eine Zunahme seiner Myopie erlitten. Die theoretischen Erörterungen über RR behalte er sich für die medicinische Section vor. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 81 Wer seinen ersten Vortrag gehört, könne nicht behaupten, dass er nur flüchtig die Opposition, welche neuerdings von einigen Forschern gegen die früheren Arbeiten über Myopie erhoben, gestreift habe; im Gegentheil, er habe die Bedeutung der Gegenbewegung voll gewürdigt und die betreffenden Behauptungen von Tscherning, v. Hippel und Stilling Satz für Satz widerlegt, wie dies auch der im Druck er- scheinende Aufsatz zeigen werde. Es ist eben falsch, im Darwin’schen Sinne die Kurzsichtigkeit als eine zweckmässige Anpassung an die Naharbeit aufzufassen; sie ist viel- mehr, wie dies Horner, Schmidt-Rimpler, Seggel und andere hervorragende Forscher betont haben, eine keineswegs gleichgiltige Krankheit, der ernstlich vorgebeugt werden muss. Es würde ein grosser Fehler sein, wenn die Section dem Magistrat bei ihrem Antrage mit- theilen wollte, die Myopie entstehe nicht in der Schule; denn einmal ist der Beweis dafür gar nicht erbracht, andererseits würde ein solches Wort unsere hygienischen, auch von den Gegnern für nützlich erachteten Bestrebungen empfindlich stören. Die Befürchtung, dass die Eltern die häusliche Hygiene vernachlässigen würden, wenn sie wüssten, dass in der Schule ja schon alle Verhütungsmaassregeln gegen Myopie getroffen seien, werden wohl nur wenige Aerzte theilen; im Gegentheil: Je eher die Kinder und die Eltern durch dieselben von der Schule her er- fahren, welchen Werth man dort auf die Erhaltung guten Sehvermögens legt, desto mehr werden Eltern und Schüler auch im Hause alle nütz- lichen Vorkehrungen treffen. Es ist auch in keinem andern Gebiete der Hygiene nachweisbar, dass öffentliche Prophylaxe die häusliche verringere; sie regt sie vielmehr an. Betrefis des Einwands, dass die Schulärzte besoldet werden müssen, ist zu bemerken, dass, damit nur endlich ein Anfang gemacht werde, man die unentgeltliche Thätigkeit der Collegen dankend begrüssen müsse. Referent sei entschieden dafür, dass dem Magistrat schon eine ge- wisse Directive durch den Hinweis auf die Curatorien der Schulen angedeutet werde, überlasse jedoch die specielle Formulirung seines An- trages völlig dem Vorsitzenden. Schliesslich wird der Antrag des Herrn Prof. Dr. H. Cohn mit einigen von Herrn Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Biermer vorgeschlagenen Modificationen angenommen, und werden die Secretäre mit der Abfassung der Zuschrift an den Magistrat beauftragt. Diese Zuschrift lautete folgendermaassen: Breslau, den 2. Juni 1886. An den Wohllöblichen Magistrat der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Breslau. Die unterzeichnete Section erlaubt sieh Einem Wohllöblichen Magistrat ganz ergebenst den Antrag zu unterbreiten, die Organi- 1886. 6 82 Jahres - Bericht sation einer regelmässigen ärztlichen Schulaufsicht für die hiesigen städtischen und Privat-Schulanstalten baldigst in geneigte Erwägung ziehen zu wollen. Bei den durch mehrere Sitzungen der hygienischen Section geführten eingehenden Verhandlungen über diesen Gegenstand hat sich innerhalb der Section eine vollkommene Uebereinstimmung darüber gezeigt und ist auch nicht ein Zweifel dagegen laut geworden, dass einerseits zur Zeit in Breslau wie im ganzen preussischen Staate eine solche ärzt- liche Schul-Aufsicht so gut wie vollständig fehlt und dass anderseits eine ärztliche Schul-Aufsicht ein dringendes Bedürfniss ist. Die Section erkennt an, dass der öffentlichen Gesundheitspflege in den letzten zwei Jahrzehnten, innerhalb deren diese in Deutschland überhaupt erst zur Geltung gelangt ist, gerade auch seitens Eines Wohllöblichen Magistrats ein verständnissvolles und thatxräftiges Inter- esse zugewandt worden ist und dass in dieser verhältnissmässig kurzen Zeit grossartige sanitäre Werke bei uns erstanden sind, welche Breslau auf eine hohe Stufe gesundheitlicher Cultur erhoben haben; sie erkennt auch an, dass andere bedeutende Arbeiten sanitären Charakters in der Anlage und in der Vorbereitung sich befinden und dass nur eine weise Rücksichtsnahme auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinde an manchen Punkten den Fortschritt verlangsamt. Allein unser Schulwesen scheint uns an den Fortschritten der öffentlichen Gesundheitspflege in zu geringem Maasse theilgenommen zu haben. Noch bestehen hier höhere Lehranstalten mit dunklen Klassenzimmern, bei der Wahl der Subsellien wird auf die verschiedene Grösse der Schulkinder wenig Rücksicht genommen, die Heizungs- und Ventilations-Vorrichtungen sind mehrfach unvollkommen, die Bereinigung der Schulräume ist vielfach eine ungenügende, vor Allem aber fehlt auf diesem Gebiete die dauernde Einwirkung eines sachverständigen sanitären Beobachters und Beirathes, der nicht nur bei der Feststellung des Bauplanes und der Anschaffung der Schulutensilien gehört werden, sondern auch die Aufgabe haben müsste, Revisionen aller Schul- locale nach hygienischen Gesichtspunkten vorzunehmen und eine sanitäre Schulstatistik zu bearbeiten. Die Erwägung, in welcher Weise die ärztliche Schulaufsicht in den Rahmen unserer Selbstverwaltung am zweckmässigsten eingefügt werden kann, wird der Einsicht Eines Wohllöblichen Magistrates an- heimgestellt bleiben müssen; wir erlauben uns nur die ergebene Mit- theilung zu machen, dass sich eine grosse Zahl (bis jetzt schon 57) hiesiger Aerzte bereit erklärt hat, event. die Stelle eines ‚‚Schularztes“ ehrenamtlich ohne Entgelt zu übernehmen. Die Zeit kann nicht mehr fern sein, in der die deutschen Gross- städte alle eine ärztliche Schulaufsicht in ihre Verwaltung aufnehmen werden, möge Breslau den Ruhm haben, mit dieser segensreichen Ein- richtung unter den Ersten vorangegangen zu sein! Die hygienische Section der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Auf diese Zuschrifi ist die folgende Antwort erfolgt: Breslau, den 23. October 1886. Die geehrte Section der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur hat uns in einem Anschreiben vom 2. Juni d. J. den Antrag ES nl LU U der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 83 unterbreitet, ‚die Organisation einer regelmässigen ärztlichen Schul- aufsicht für unsere Schulen in Erwägung ziehen zu wollen.“ Gern erkennen wir das mit diesem Antrage bekundete Interesse für unser Schulwesen an und sind für die uns gegebene Anregung dankbar. Indessen haben wir nach eingehenden Erwägungen und nach- dem wir auch die Organe der Schulleitung und unsere Schuldeputation zur Sache gehört haben, die Ueberzeugung von der Zweckmässigkeit oder gar Nothwendigkeit der vorgeschlagenen Maassregel nicht ge- winnen können. Dass von unseren bestehenden Schuleinrichtungen manche in hygienischem Bezuge noch mangelhaft sind, geben wir zu; wir sind indessen nach Maassgabe unserer Mittel bemüht, diese Mängel zu beseitigen oder doch thunlichst zu mildern, und es dürfte den mit den bezüglichen Geschäften und Ausführungen betrauten Mitgliedern unseres Collesiums an der Kenntniss der wichtigsten hygienischen Forderungen und Grundsätze nicht fehlen. Freilich sind ja diese hygienischen Forderungen noch vielfach Hypothesen und der Contro- verse der Fachmänner unterworfen, also dass noch einige Zeit ver- gehen dürfte, bis aus dem Streite der Meinungen allgemein giltige und practisch unbedenklich verwerthbare Satzungen hervor- gehen werden, Wir sind ferner der Ansicht, dass, so lange der Staat zu der Frage einer besonderen ärztlichen Schulaufsicht noch nicht Stellung genommen hat und die hygienische Beaufsichtigung lediglich als sein Ressort betrachtet, den von den Stadtgemeinden anzustellenden Schul- ärzten bestimmte Befugnisse nicht zuerkannt werden können. Nicht zum wenigsten aber sind es pädagogische Bedenken, die sich gegen eine ärztliche Schulaufsicht erheben, da durch dieselbe leicht ein gewisses Misstrauen und Vorurtheil gegen die Schule in Elternkreisen geweckt und genährt werden könnte, unter welchem die Autorität derselben und ihr Erziehungs- und Unterrichtszweck schwer leiden müsste; es würde nicht ausbleiben, dass der Schule (wie es jetzt schon geschieht) so mancherlei Schuld und Versehen mit Un- recht zur Last gelegt werden würde, welches durch Schuld oder doch Mitschuld des Elternhauses veranlasst ist. Eine sorgfältige ärztliche Ueberwachung und energische Beeinflussung der häuslichen Kinder- erziehung, eine unmittelbare ärztliche Belehrung und Anleitung un- gebildeter Eltern zu einer der Gesundheit der Familie förderlichen Lebensweise und Kinderpflege würde nach unserer Ansicht der Schule mehr nützen als eine ärztliche Aufsicht über die Schule und die Schüler, deren grosse Zahl ohnehin eine regelmässige und eingehende Controle ihres Gesundheitszustandes unmöglich macht. Der Magistrat hiesiger Königl. Haupt- und Residenzstadt. Friedensburg. Pfundtner, An die hygienische Section der Schlesischen Ge- sellschaft für vaterländische Cultur hierselbst. 34 Jahres-Bericht In der fünften Sitzung am 14. Mai sprach Herr Bezirks-Physikus und Privat-Docent Dr. Jacobi | Veber eine neue und sichere Methode der Puerperal-Statistik. Redner hat schon am 20. November 1885, als er die Abnahme der Puerperal-Sterblichkeit seit dem Jahre 1874 durch grosse Zahlenreihen nachwies, die Methode angegeben, welche er sich erdacht hatte, um die Fehlergrenze unserer bisherigen Puerperal-Statistik festzustellen. Er hat inzwischen diese Methode für das Jahr 1884 und für die Stadt Breslau durchgeführt und gefunden, dass nicht, wie die officielle Statistik angiebt, 22 weibliche Personen, sondern 52 infolge von Schwangerschaft und Geburt im Jahre 1884 gestorben sind, dass mithin die wirkliche Zahl zu der amtlichen sich verhält wie 236 : 100. Die Berliner Puerperal- Fieber-Commission fand im Jahre 1877 nach ihrer Methode der privaten Erkundigung durch 7 Monate dies Verhältniss wie 113 : 100, im König- reich Sachsen ergab der Vergleich der Todtenscheine und der Hebammen- Meldungen für 1883 und 1884 das Verhältniss 111 : 100. Beide Arten der Ermittelung seien aber offenbar unvollständig. Der Vortragende hat die 10 980 Geburtskarten des Jahres 1884 verglichen mit sämmtlichen 1062 Todtenscheinen von weiblichen Personen im Alter von 15—50 Jahren vom 1, Januar 1884 bis 1. April 1885. Glücklicherweise ist auf den Geburtskarten für uneheliche Kinder der Name der Mutter angegeben. Es ergab sich dabei, dass innerhalb 6 Wochen nach der Entbindung 68 weibliche Personen gestorben sind und zwar 16 an Krankheiten, welche keine directe Beziehung zum Puerperium haben, 35 an infeetiösen Pro- cessen, die offenbar puerperalen Ursprungs waren (bei 16 lautete der Todtenschein direet auf Wochenbettfieber, bei 13 auf Peritonitis, bei I auf Endocarditis ulcerosa, bei 1 auf Blutvergiftung, bei 2 auf Lungen- lähmung wenige Tage nach der Entbindung, bei 2 auf Venenentzündung), 17 an anderen Folgen der Geburt (Verblutung, Herzlähmung und Erschöpfung 5, Placenta prävia 1, Eclampsie 6 u. s. w.). Dieses Resultat zeigt, wie viel häufiger die Todesfälle durch infectiöse Puerperalprocesse vorkommen, als amtlich angegeben wird, und es lehrt ferner, wie unsicher‘ die Diagnose selbst der ärztlichen Todtenscheine ist. Man dürfe sicher an- nehmen, dass nirgends besser gemeldet werde als bei uns, aber die Statistik werde eben überall sehr ungenau, wo sie über die einfachsten Fragen hinausgeht. Die Individual-Methode, wie sie Redner hier durch- geführt, empfehle sich für die sanitäre Controle auch sonst. Die Sanitäts- polizei bedürfe weit mehr der localen und individuellen Statistik, als sie bisher geübt worden sei, freilich müsste zu dem Behufe der Physikus auch ein Bureau mit Schreibhilfe und Registratur erhalten. Die bisherige centralisirte Statistik sei nach der angedeuteten Richtung hin weiterer Ausbildung bedürftig. SPEER FE WR der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 85 In der an den Vortrag sieh schliessenden Discussion spricht Herr Dr. Dyhrenfurth seine Meinung dahin aus, dass die Meldung von Puerperalfieber eher unterbleibe, wenn den Hebammen erhebliche Un- bequemlichkeiten daraus erwachsen; je vorsichtiger und rücksichtsvoller die Sanitätspolizei zu Werke gehe, um so mehr werden Aerzte wie Hebammen bereit sein, die richtige Diagnose anzugeben. Besonders die Suspendirung von der Praxis schreeke die Hebammen zurück, Herr Stadtphysikus Dr. Schlockow erwidert, dass diese Sus- pendirung in Breslau nicht generell erfolge, sondern nur in solchen Fällen, in denen eine Gefahr der Weiterverbreitung des Puerperalfiebers wahr- scheinlich sei. Sodann gab Herr Bezirksphysikus Dr. Jacobi einen Rückblick auf die bisherige Thätigkeit des deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege. Der Vortragende wünscht das Interesse für die im September in Breslau tagende Generalversammlung des genannten Vereins anzuregen. Bis zum Anfang dieses Jahrhunderts habe Deutschland und besonders Preussen das beste Medicinalwesen seiner Zeit gehabt. Das preussische Medieinal-Ediet von 1725 war für damals bewunderungswerth. J. P. Frank’s System der medieinischen Polizei war die bedeutendste litte- rarische Leistung auf diesem Gebiete. Aber wie wenig mit diesem Medieinalwesen, welches ausschliesslich auf einer Bevormundung seitens der Behörden des allmächtigen Staates beruhte und von Selbstthätigkeit der Communen und Privaten, von einer öffentlichen Theilnahme und öffentlichen Meinung nichts wusste, für die öffentliche Gesundheitspflege zu leisten war, das lehrte die Cholera-Epidemie von 1831. Jetzt war es England, welches alsbald die Führung auf diesem Gebiete übernahm. Weniger unmittelbar das Selfgovernmement, welches gerade durch die Publie Health Act von 1848 durchbrochen worden ist, als das System der Oeffentlichkeit und die ausgebildete Macht der öffentlichen Meinung haben England schnell zum hygienischen Musterstaat gemacht. Günstig erwies sich auch, dass in England die Gesetze nach. wenigen Jahren immer wieder geändert und ergänzt worden sind, während wir noch heute mit Baupolizei-Statuten aus den 50er Jahren und mit einem Seuchen-Regulativ von 1835 wirthschaften. Erst in den 60er Jahren ist denn auch in Deutschland die öffentliche Gesundheitspflege zu neuem Leben erwacht. Die Aerzte waren ihre Vorkämpfer, dann folgten die grossen Städte, zuerst Hamburg, Frankfurt a. M. und Danzig, während die Regierungen erst nach der Gründung des Deutschen Reiches seit 1871 wesentlich fördernd und schaffend eingriffen. 1867 veranlasste Varren- trapp die Bildung einer hygienischen Section der Versammlung der Naturforscher und Aerzte, 1869 begann die Vierteljahrsschrift für öffent- 36 Jahres - Bericht liehe Gesundheitspflege, 1873 wurde — Alles vorwiegend durch Varren- trapp’s Initiative — zu Frankfurt a.M,. der deutsche Verein für öffent- liche Gesundheitspflege constituirt. Er stellte sich die Aufgabe, Ver- waltungsbeamte, Techniker und Aerzte zur gegenseitigen Verständigung zu einen und wesentlich practisch durch Anregung und Ueberzeugung zu wirken. Die Versammlungen dieses Vereins brachten demgemäss weniger wissenschaftliche Nova, sie discutirten sämmtliche Fragen der practischen Hygiene vielmehr darauf hin, wieweit sie bereits im öffentlichen Leben zur Geltung gebracht: werden können. Immer wieder werden dieselben Gegenstände, wie Flussverunreinigung, Schulhygiene etc., auf die Tages- ordnung gesetzt, weil eine Ueberzeugung, eine genügende Klärung der Ansichten noch nicht gewonnen ist. Gerade die Verbindung der ge- nannten verschiedenartigen Elemente verhindert die einseitige Herrschaft der Hypothese und des Dogmas, wozu im Allgemeinen die Theoretiker und Aerzte neigen, und bringt andererseits den Behörden fruchtbare An- regungen. Wichtiges Material wird gesammelt, durch den Wechsel des Versammlungsortes werden überall die hygienischen Einrichtungen per- sönlich geprüft, immer neue Kreise dem Verein zugeführt, auf alle Theile des Reiches befruchtend eingewirkt. Gerade diese unermüdlich wieder- holte, vorsichtig abwägende, von verschiedenen Standpunkten aus be- leuchtete Behandlung aller Fragen der öffentlichen Gesundheitspflege, wie sie der Verein zeigt, das ist der richtige Weg, um zur Verständigung und zur Vervollkommnung zu gelangen. Am 3. December und am 17. December fand in gemeinschaft- lichen Sitzungen der Section für Öffentliche Gesundheitspflege und der medieinischen Section eine Diseussion über Cholera statt. Das Referat über die Verhandlungen ist von der medieinischen Section erstattet. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 37 ILLI. Bericht über die Thätigkeit der naturwissenschaftlichen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1886 erstattet von Herrn Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer und Herrn Geh. Regierungsrath | Prof. Dr. Poleck, zeitigen Secretairen der Section. I. Physik und Chemie. Sitzung am 17. Januar 1836, Herr Geheimrath Professor Dr. Poleck theilte zwei von ihm aus- geführte Analysen von Grubengasen aus dem Waldenburger Kohlen- Revier mit, von denen das eine Gas zu den schlagenden Wettern gehörte und aus 1,00 pCt. Kohlensäure, 68,87 pCt. leichtem Kohlenwasserstoff, 13,01 pCt. Stickstoff und 17,12 pCt. atmosphärischer Luft bestand, brennbar, aber nicht explosiv war, dies aber bei Mischung mit dem achtfachen Volumen Luft jedenfalls werden würde. Das andere Gruben- gas, welches aus einem Brandfelde der consolidirten Fuchsgrube aus- strömte, enthielt 21,46 pCt. Kohlensäure, 1,25 pCt. leichten Kohlen- wasserstoff, 74,24 pCt. Stickstoff und 3,19 pCt. atmosphärische Luft und gehörte daher zu den sogenannten matten Wettern, Hierauf legte derselbe Vortragende eine dünne Platte metalli- schen Indiums vor, welche Herr Dr, Schuchardt in Görlitz in dankens- werther Weise dem pharmaceutischen Institut als Geschenk überwiesen hatte, unter Erörterung seiner physikalischen und chemischen Eigen- schaften und seiner Stellung in der periodischen Reihe. Derselbe Vortragende legte schliesslich das bisher in Deutsch- land nicht bekannte Bild des Entdeckers des Sauerstoffs, Carl Wil- helm Scheele (1747—1786) vor, welches er Herrn Professor Flückiger in Strassburg verdankte. Es ist ein schöner, nach der auf Veranlassung der schwedischen Akademie der Wissenschaften geschlagenen Medaille 38 Jahres - Bericht ausgeführter Holzschnitt, höchst wahrscheinlich nach dem Leben ent- worfen und das einzig vorhandene Bild des berühmten Forschers, von welchem Kopp in seiner Geschichte der Chemie sagt: „Ein Entdecker, dessen Ruhm unabhängig von jedem Wechsel der Theorie ist und welchem für immer eine ausgezeichnete Stelle unter den bedeutendsten Koryphäen der Chemie gesichert bleibt.“ Am 19. December 1747 in Stralsund als Sohn eines Kaufmanns geboren, erhielt er dort seine erste Erziehung, er trat mit 15 Jahren als Lehrling in eine Apotheke in Gothenburg, war dann Gehilfe in den Apotheken von Malmoe und Stock- holm und kam 1773 nach Upsala, wo er mit den hervorragenden Ge- lehrten der Universität, namentlich Tobern Bergmann, in nahen Verkehr trat. Im Jahre 1777 verliess er Upsala und ging nach-Köping, einer kleinen Stadt am Mälarsee, wo er die Verwaltung einer Apotheke über- nahm und später in deren Besitz trat. Kaum 43 Jahre alt, endete er am 21. Mai 1786 sein thätiges und für die Entwiekelung der Chemie erfolgreiches. Leben. Alle Arbeiten von Scheele tragen den Stempel originellen Forschens, In beschränkten materiellen Verhältnissen, welche später durch eine jährliche Unterstützung der Akademie der Wissen- schaften in Stockholm, deren Mitglied er war, in etwas verbessert wurden, produeirte er theils schon als Apotheker-Gehilfe mit den einfachsten Hilfsmitteln, aber mit einem seltenen experimentellen Geschick und einem eminenten Scharfsinn eine Fülle von wichtigen Entdeckungen, wie vor ihm kein anderer und nach ihm nur wenige Chemiker. In seiner ersten Untersuchung der sauren Pflanzensäfte lehrte er die Verschiedenheit und die Trennung der Weinsäure, der Aepfelsäure, der Citronensäure, der Oxalsäure kennen, er entdeckte die Blausäure, die Milchsäure, die Schleim- säure, die Harnsäure, er erkannte das nach ihm benannte Scheel’sche Süss, das Glycerin, als Bestandtheil der Fette. In seiner Arbeit über „Luft und Feuer“ ist die Entdeckung des Sauerstoffs enthalten. Er stellte ihn aus Quecksilberoxyd, Braunstein, und auch aus Salpeter dar. Bei der Untersuchung des Braunsteins entdeckte er vier chemische Ele- mente: das Mangan, Chlor, das Baryum und den Sauerstoff. Er ist der Entdecker der Molybdän- und Wolframsäure, der Arsensäure, der Fluss- säure, des Phosphors im kaltbrüchigen Eisen, der Phosphorsäure in den Knochen, welche letztere Entdeckung gewöhnlich Gahn zugeschrieben wird, höchst wahrscheinlich aber Scheele angehört. Wenn er durch diese und noch viele andere Entdeckungen bahnbrechend wirkte, so liegt ein nicht geringeres Verdienst in seiner wissenschaftlichen Kritik der Arbeiten anderer Chemiker, deren irrige Ansichten und Schlüsse er durch genauere Untersuchungen richtig stellte. In allen seinen Entdeckungen und Beobachtungen waren es in erster Linie die thatsächlichen Ver- hältnisse, welche Scheele klar legte; in seinen theoretischen Ansichten gehörte er noch ganz der Schule Stahl’s an, er kam über das Phlogiston, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 39 nach Stahl der hypothetische Bestandtheil aller brennbaren Körper, nicht hinaus, obwohl er selbst das reichste Material zum Sturz dieser Ansicht sefördert hatte. Die Verwerthung desselben zum Aufbau eines neuen, bis in die Gegenwart reichenden chemischen Systems, war einem anderen genialen Forscher vorbehalten, Lavoisier, welcher, mit Scheele fast in demselben Jahre geboren, auch wie dieser in der vollen Kraft seiner Mannesjahre und auf der Höhe seiner wissenschaftlichen Productivität 8 Jahre später, und zwar 1794, unter Robespierre dem Tode durch die Guillotine verfiel. Der Vortragende glaubte, bei der hundertjährigen Wiederkehr des Todestages von Scheele durch die Vorlage des Bildes mit seinen an- sprechenden und geistvollen Zügen der Erinnerung an diesen hervor- ragenden und genialen deutschen Forscher einen würdigen Ausdruck geben zu sollen. Sitzung am 16. Februar 1836. Herr Dr. phil. et med. Moritz Traube sprach über die Constitution des Wasserstoffhyperoxyds. Das Wasserstoffhyperoxyd kann nach meinen Untersuchungen nicht, wie man bisher annahm, dieselbe Constitution besitzen, wie die Hyper- oxyde des Mangans, Bleis, Silbers. Denn im Gegensatz zu diesen letzteren entsteht es am negativen Pol des galvanischen Stroms und wird zerstört am positiven Pol, Ferner reducirt es alle kräftigen Oxydationsmittel, wie Uebermangan- und unterchlorige Säure, Ozon, Silber- und Quecksilberoxyd u. s. w. und wird (anscheinend katalytisch) durch die Hyperoxyde des Bleis und Mangans zersetzt, Endlich bildet es sich niemals bei der Oxydation des (an Palladium gebundenen) Wasserstoffs durch oxydirende Sauerstoffverbindungen oder nascirenden Sauerstoff. Während ferner die Oxyde des Mangans, Bleis, Silbers verhältniss- mässig leicht in Hyperoxyde übergeführt werden können, gelingt es auf keine Weise, Wasser zu Hyperoxyd zu oxydiren, Wasserstoffhyperoxyd entsteht nach meinen vielfältigen Unter- suchungen nur bei Anwesenheit gewöhnlichen Sauerstoffs, d. h. des molekularen Sauerstoffs, nicht aber durch Sauerstoffatome, die nicht zum Molekül vereinigt sind. Wie schon erwähnt, entsteht es bei der Elektrolyse sehr verdünnter Schwefelsäure am negativen Pol, wenn molekularer Sauerstoff als Luft oder als freier Sauerstoff vorhanden ist, Benutzt man jedoch in dem erwähnten Versuch, anstatt Luft durchzuleiten, eine mit Bleihyperoxyd 90 Jahres - Bericht überzogene Bleistange als negative Elektrode, so entsteht kein Wasser- stoffhyperoxyd, sondern lediglich Wasser. Es vermögen sich daher die beiden im Bleihyperoxyd enthaltenen Sauerstoffatome nicht mit Wasser- stoff zu Hyperoxyd zu verbinden, Ferner entsteht Wasserstoffhyperoxyd bei der langsamen Verbren- nung des Zinks, Bleis, Eisens, Palladiumwasserstoffs durch den Sauerstoff der Luft bei Gegenwart von Wasser. Dieses letztere wird hierbei zer- legt und Wasserstoffatome desselben verbinden sich mit Sauerstoffmole- külen zu Hyperoxyd. In ähnlicher Weise entsteht es bei der langsamen N des Kupfers durch Luftsauerstoff bei Gegenwart verdünnter Schwefelsäure oder des kohlensauren Ammons. Selbst in Glühhiize entsteht durch Verbrennung von Wasserstoff oder Kohlenoxyd mittelst molekularen Sauerstoffs Wasserstoffhyperoxyd. Dagegen entsteht nach meinen Beobachtungen keine Spur von Wasserstoffhyperoxyd, wenn Wasserstoff selbst in raschem Strom über glühendes Kupferoxyd geleitet wird, ebensowenig, wenn eine Palladium- wasserstoffplatte als positive Elektrode benutzt wird. Wir sehen demnach, dass die Sauerstoffatome den Wasserstoff lediglich zu Wasser oxydiren und dass ausschliesslich die Sauerstoff- moleküle die Bildung von Wasserstoffhyperoxyd bewirken. Alle diese Thatsachen, überhaupt alle bisher räthselhaften Reaetionen des Wasserstoffhyperoxyds lassen sich leicht und auf einfache Weise er- klären, wenn man die von Kekul& aufgestellte Hypothese, dass nicht nur Atome, sondern auch Moleküle sich mit einander zu vereinigen ver- mögen, dahin erweitert, dass man annimmt, die Moleküle des Sauer- stoffs können sich auch mit Atomen vereinigen, ein Sauerstoff- molekül 0 = Ö besitze zwei Valenzen, welche ganz unabhängig von den beiden im Molekül gesättigten Valenzen der Sauerstoffatome ihm selbst eigen sind, so dass die Moleküle des Sauerstoffgases gerade so wie die einltäipch Moleküle des gasigen Quecksilbers zwei Affinitäten äussern können. Wasserstoffhyperoxyd entsteht, sobald ein el he sich mit 2 Atomen Wasserstoff verbindet: H-- [0-0 =0|--H, Im Wasserstoffhyperoxyd sind die beiden Wasserstoffatome nur lose an das Sauerstoffmolekül gebunden; daher ihre energische Reductions- kraft. Aber durch die Vereinigung des Sauerstoffmoleküls mit den Wasserstoffatomen wird, wegen der concurrirenden Anziehungskraft der Sauerstoffatome zu den Wasserstoffatomen, der innige Zusammenhalt der beiden Sauerstoffatome unter einander gelockert. Daher zersetzt sich schon durch Erhitzen das Wasserstoffhyperoxyd in Sauerstoff und Wasser, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 91 Dass jedoch das Sauerstoffmolekül als solehes im Wasserstoffhyperoxyd vorhanden ist, wird durch die Thatsache bewiesen, dass, wenn das Hyper- oxyd durch Oxydationsmittel oxydirt wird, der in Freiheit gesetzte Sauerstoff durchaus nicht die Eigenschaften von nascirendem, sondern von gewöhnlichem inactivem Sauerstoff besitzt: Bringt man in eine Mischung von 10 cem 2,4procentigen Wasser- stoffbyperoxyd und 1—3 cem verdünnter Schwefelsäure (1 Volum der- selben auf 5 Volumen Wasser) 0,25 g Manganhyperoxydhydrat, so wird dasselbe unter stürmischer Sauerstoffentwickelung und Bil- dung von schwefelsaurem Manganoxydul gelöst. Ist hierbei Indigo- sulfosäure zugegen, so wird dieselbe durch den frei werden- den Sauerstoff nieht oxydirt. Die auffallende Indifferenz des in diesem Versuch nascirenden Sauerstoffs gegen die Indigosulfosäure kann nur durch die Annahme erklärt werden, dass er im Entstehungsmomente nicht, wie sonst immer, aus kräftig oxydirenden freien Atomen, son- dern aus passiven Molekülen besteht, die aus dem Wasserstoffhyper- oxyd frei werden. Auch der (bei Abwesenheit von Säure) durch Blei- oder Mangan- hyperoxyd aus Wasserstoffhyperoxyd katalytisch freigemachte Sauer- stoff verhält sich im nascirenden Zustand gegen Indigosulfosäure durch- aus passiv. Die Zersetzung des Wasserstoffhyperoxydes durch oxydirende Agentien findet in der Weise statt, dass sein schwach gebundener Wasserstoff sich mit dem Sauerstoff der Oxydationsmittel, bezw. mit Chlor, Brom, vereinigt, während das Sauerstoffmolekül als solches in Freiheit gesetzt wird, wie durch folgende Gleichungen veranschaulicht wird: a) Mn,0,.K,O + 5H,(0,) = 2MnO + K,O + 5H,0 +5(0,))), b) H,(0,) + 0.(0,) = H,O + 2(0,), ce) H,(0,) + 2Cl = 2HCl + (0,). Das Wasserstoffhyperoxyd verhält sich bezüglich seines Reductions- vermögens wie Palladium- oder Schwefelwasserstoff, Andererseits findet die Zersetzung des Wasserstoffhyperoxyds durch reducirende Körper stets in der Weise statt, dass es sich in 2 Hy- droxyle spaltet, welche letztere in Verbindung treten: H,0, + Zn = Zn(OH),, H,O, + Pb = Pb (OH),, H,0, + SO, = $0,(OH),, 4H,0, + PbS = PbS(OH), = PbSO, + 4H,0. Die scheinbar katalytische Wirkung des Blei- oder Mangan- hyperoxyds beruht darauf, dass zunächst deren Reduction unter !) Bei Anwesenheit verdünnter Schwefelsäure. 92 Jahres - Bericht Freiwerden von Sauerstoffmolekülen und Bildung von Wasser und dann wieder eine Oxydation der entstandenen Oxyde stattfindet. In der That hat bereits Thenard bei Anwendung von concentrirtem Wasser- stoffhyperoxyd grössere Mengen niederer Oxyde des Bleis nachgewiesen. Die katalytische Zersetzung des Wasserstoffhyperoxyds durch Edel- metalle kann mit Sicherheit nicht erklärt werden, so lange das Problem der auch in zahlreichen anderen Reactionen sich äussernden katalytischen Wirkungen der Edelmetalle noch nicht gelöst ist. Die jetzt allgemein angenommene Hypothese (Brodie, Clausius), die reducirende Wirkung des Wasserstoffhyperoxyds beruhe darauf, dass ein Sauerstoffatom desselben mit je einem Sauerstoffatom des Oxydations- mittels sich zum Molekül vereinige, ist schon darum nicht haltbar, weil, wie vorher erwähnt, der sich entwirkelnde Sauerstoff nicht die oxydi- renden Eigenschaften nasceirender Atome besitzt. Er ist molekular schon im Entstehungszustand. Abgesehen davon zeigt das Wasserstoffhyper- oxyd ein ganz anderes Verhalten, wie die nach dieser Hypothese analog zusammengesetzten Hyperoxyde des Mangans, Bleis, Silber. Diese letzteren entwickeln bei gegenseitiger Berührung Sauerstoffgas nicht, verhalten sich überhaupt passiv gegen leicht redueirbare Körper, wie Uebermangansäure, Chromsäure, Ozon u. s. w. und wirken lediglich oxydirend. Schliesslich möchte ich noch hervorheben, dass die Entstehung des Wasserstoffhyperoxyds bei der „langsamen Verbrennung“ durch dessen bisher angenommene Constitution nicht erklärbar ist. Wie ich nach- gewiesen habe, werden bei der langsamen Verbrennung des Zinks an- wesende Indigosulfosäure, Ammoniak oder Kohlenoxyd nicht oxydirt, Es kann also schon aus diesem Grunde das bei dieser Verbrennung auf- tretende Wasserstoffhyperoxyd nicht durch höhere Oxydation von Wasser oder Wasserstoff entstanden sein. Diese Thatsache führte nicht nur zur Ermittelung der Constitution des Wasserstofihyperoxyds, sondern auch. zu einer neuen Theorie der Verbrennung, nach welcher der molekulare Sauerstoff zunächst als solcher in Wasserstoffhyperoxyd Uhrreanlis und dann erst einer Spaltung unterliegt. Derselbe Vortragende sprach dann über Sauerstoff-Molekül-Verbindungen. In der vorhergehenden Mittheilung habe ich nachzuweisen gesucht, dass die beiden Sauerstoffatome im Wasserstoffhyperoxyd als Molekül enthalten sind. Dieselbe Annahme muss auch bei denjenigen Hyper- oxyden gemacht werden, welche durch verdünnte Säuren in Wasser- stoffhyperoxyd übergehen, da die Entstehung des letzteren allemal an die Mitwirkung von molekularem Sauerstoff geknüpft ist. Es sind dies die Hyperoxyde des Kaliums, Natriums. Baryums, u der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 953 Strontiums, Caleiums, Zinks, Cadmiums, Kupfers und Didyms. Diese Hyperoxyde zeigen auch dieselben Reaetionen, namentlich das- selbe Reductionsvermögen, z. B. gegen Kaliumpermanganat!), wie das Wasserstoffhyperoxyd. So weit sie genau erforscht sind, besitzen diese Peroxyde die Zusammensetzung M’,O, oder M’O, ?), so dass auch sie den Beweis liefern, dass das Sauerstoffmolekül ebenso, wie das Sauerstoffi- atom, aber unabhängig von diesem, zweiwerthig auftritt. Nur dem Didymhyperoxyd wird die Zusammensetzung Di,O, zugeschrieben, allein nach den neuesten Untersuchungen über das Didym muss diese Formel sehr bezweifelt werden. Alle diese Hyperoxyde unterscheiden sich wesentlich von denen des Mangans, Bleis, Silbers, Kobalts, Niekels, Wismuths, Thalliums, welche sämmtlich am positiven Pol des galvanischen Stroms entstehen und ich schlage daher für erstere den Namen Holoxyde (öAog, ganz, weil sie ein Sauerstoffmolekül unzerlegt enthalten) vor, während der Name Hyperoxyde den höheren Oxyden der letzteren Metalle, die atomistischen Sauerstoff enthalten, verbleiben mag. Alle Holoxyde müssen naturgemäss eine paare Anzahl von Sauerstoff ent- halten; es kann deshalb, entgegen der bisherigen Annahme, kein Hyperoxyd, welches eine ungerade Zahl von Sauerstoffatomen besitzt, wie z, B. Co,0,, Ni,O,, Ti,O,, mit Säuren Wasserstoffhyperoxyd liefern. Zu den Holoxyden ist auch die Verbindung TiO,Fl, zu zählen, welche mit Flusssäure nach der Gleichung TiO,Fl, — 2HFI = TiFl, — H,O, sich zersetzt. Das Titan würde demnach auch in der Ver- bindung Ti(O, )Fl, vierwerthig sein. Das Ozon ist die Verbindung eines Atoms mit einem Molekül Sauerstoff, O(O,) — O,, weil es fast stets in der Weise wirkt, dass nur ein Atom Sauerstoff verwendet wird, während zugleich inactiver Sauerstoff frei wird°): ‘) Nur Kupferhyperoxyd reducirt nach meinen Beobachtungen Kalium- permanganat, wenn dessen Lösung neutral ist oder kohlensaures Natrium enthält, nicht, wohl aber (unter stürmischer Sauerstoffentwickelung), wenn kaustisches oder kohlensaures Ammon zugegen ist. Dies erklärt sich dadurch, dass das Kupfer als solches (selbst als sehr dünner Draht) zu dem atomistischen Sauerstoff des Kaliumpermanganats in den ersteren Fällen nur schwache Verwandtschaft äussert, dasselbe aber sehr energisch reducirt bei Gegenwart von kohlensaurem Ammon. ?) Das Kalium bildet ausser dem Dioxyd noch ein Tetroxyd (K,O,), das offen- bar 2 Moleküle Sauerstoff enthält. °) Durch manche organische Stoffe, wie Terpentinöl, Aether, Indigoschwefel- säure, wird das Gesammtmolekül des Ozons absorbirt. Hierbei erzeugt aber das in ihm enthaltene Sauerstoffmolekül eine organische Sauerstoffmolekülverbindung (s. w. unten), welche mit Wasser Wasserstoffholoxyd erzeugt. (Vergl. Berthelot, Chem. Gentralbl. 1881, 534.) Das Wasserstoffhyperoxyd entsteht also auch hier nicht, wie man bisher angenommen hat, durch Oxydation von Wasser mittelst Sauerstoffatomen. 94 Jahres - Bericht H,(0,) + 0(0,) = H,0 + 2(0,), 2Ag + 20(0,) = Ag,0, + 2(0,), 2KJ + H,O 4 0(0,) = 2KOH + J, + (0,). Unter dem Einfluss des Sonnenlichtes nehmen zahlreiche, insbesondere flüchtige, organische Körper, wie Aethyl-, Methyl-, Amylalkohol, Terpentin-, Citronen-, Wachholderbeeröl direct Luftsauerstoff auf und bilden Holoxydverbindungen, die mit Wasser Wasserstoffholoxyd erzeugen. Das von Brodie auf anderem Wege dargestellte Acetylhyper- oxyd ist ebenfalls eine Holoxydverbindung, da sie mit Barytwasser Baryumholoxyd liefert. Endlich gehört zu den Holoxyden das Oxyhämoglobin, der einzige Körper, der sich mit molekularem Sauerstoff verbindet und ihn als solehen schon bei verringertem Druck wieder entlässt. Wie man sieht, fallen die Holoxyde mit den Antozoniden Schönbein’s zusammen, das Ozon ausgenommen, das von Schönbein zu den Özoniden gestellt wurde. Die Ozonide Schönbein’s sind Körper, die lose gebundene und eben nur deshalb kräftig wirksame Sauerstoffatome enthalten, oder, wie die Halogene, Sauerstoffatome aus Wasser frei machen. Das Ozon selbst verdankt seine chemische Activität ebenfalls dem schwach gebundenen Sauerstoffatom, wäre demnach sowohl ein Ozonid, als ein Holoxyd. Derselbe Vortragende sprach schliesslich über den Wechsel der Valenz und über Verbindungen von Molekülen mit Atomen. Der Sauerstoff bildet, wie soeben nachgewiesen wurde, mit dem Wasserstoff, den Alkali-, Erdalkali- und einigen Schwermetallen 2 Reihen von Verbindungen, Oxyde und Holoxyde. Wäre nicht nachgewiesen, dass der Sauerstoff in letzteren als Molekül enthalten ist, so würde man zu der Annahme gezwungen sein, dass dieses, sonst immer zwei- werthige Element in einer Reihe von Fällen einwerthig ist. Es giebt nun auch andere Elemente, die mehr als eine Reihe von Verbindungen bilden, in denen sie anscheinend verschiedenwerthig auf- treten, und es liegt die Vermuthung nahe, dass auch hier die Ursache der wechselnden Valenz in der Fähigkeit dieser Elemente zu suchen ist, gleich dem Sauerstoff als geschlossene Moleküle in Verbindungen ein- zutreten, In der That giebt es Fälle, in denen eine derartige Annahme kaum zu umgehen ist. Das Aluminium ist, wie aus seinen organischen Verbindungen (C,H,), Al und (CH,), Al hervorgeht, unzweifelhaft dreiwerthig. Beine Halogenverbindungen müssten demnach auf 1 Atom des Metalls 3 Atome Chlor, Brom oder Jod enthalten. Statt dessen besitzen sie, wie aus ihrer Dampfdichte hervorgeht, die Zusammensetzung Al,Cl,, Al,Br,, Al,J, und der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 95 um diese Zusammensetzung, die sich selbst in sehr hohen Temperaturen nicht ändert, aus den Valenzen der Atome erklären zu können, ist man genöthigt, dem Aluminium trotz der durch die organischen Verbindungen erwiesenen Dreiwerthiekeit, mindestenz vier Valenzen zuzuschreiben: Cl, Cl Cl-Al---AXX--Cl Cl’ Cl Dieser anscheinend unlösbare Widerspruch der Thatsachen schwindet, sobald man annimmt, dass das Aluminiumatom constant dreiwerthig ist, dass aber 2 Atome unter gegenseitiger Sättigung ihrer Valenzen ein Molekül bilden, dass als solches, ohne direeten Zusammenhang mit den vI Valenzen seiner Atome, sechswerthig ist. |Al==All. Hiernach sind sämmtliche Verbindungen des Aluminiums mit Ausnahme der organischen, Verbindungen des Aluminiummoleküls. Eine Bestätigung dieser Annahme liefert das dem Aluminium nahe- stehende Gallium. Seine Dampfdichte bei 270° entspricht der Formel Ga,Cl,, bei 440° der Formel GaCl,. Sein Molokül ist sechs-, sein Atom nur dreiwerthig. Eisen, Mangan, Nickel, Kobalt und Chrom sind, wie aus ihren Oxydulverbindungen hervorgeht, zweiwertkig. Die Zweiwerthig- keit dieser Metalle wird bestätigt durch die Isomorphie ihrer Oxydul- verbindungen mit den Magnesiumverbindungen und aus der Vertretbarkeit jener Metalle durch die Metalle der Magnesiumgruppe in den natürlich vorkommenden Carbonaten, Olivinen, Spinellen, Phosphaten und Arseniaten., Dagegen ist das geschlossene Molekül dieser Elemente (oder wie man es bis jetzt aufgefasst hat: das Doppelatom) stets sechs werthig. Durch die Dampfdichte ist die Zusammensetzung des Eisenchlorids als Fe,Cl, (nicht etwa FeÜl,) festgestellt. Das Kupfer und Quecksilber sind als Atome (in ihren Oxyd- verbindungen) zweiwerthig. In den Oxydulverbindungen aber treten sie als doppelatomige Moleküle auf, die ebenfalls zweiwerthig sind. In der That hat das Kupferchlorür seiner Dampfdichte nach nicht die Formel CuCl (wonach es einwerthig wäre), sondern Cu,Cl,. Im Kupferwasserstoff ist 1 Molekül Kupfer mit 2 Atomen Wasserstoff zu Cu =:= Cu, im Bonn sind 2 Moleküle Kupfer mit 1 Atom „Cu == Cu Cu == Cup” Das Silber, dessen Verbindungen so grosse Aehnlichkeit mit den Kupfer- und Quecksilberoxydulverbindungen besitzen, tritt jedenfalls au s- schliesslich als Molekül auf. So wäre Uhlorsilber Ag=:=AgQl,, Sauerstoff zu gi 9 verbunden. 96 Jahres - Bericht Silberoxyd [Ag==AgO und das Silbermolekül zweiwerthig. Als Be- weis für diese Annahme kann die Existenz des Silberquadrantoxyds, „AAg=:=Ag EA E> £ Ag=:=Ag sich nicht 4 Atome desselben mit 1 Atom Sauerstoff verbinden. Auf chemischem Wege ist sein Molekülüberhauptnicht spaltbar. S . -O gelten. Wäre das Silber einwerthig, so könnten e . N Besonders lehrreich ist das Verhalten des Arsens, das, wie die Gasdichte beweist, aus vier Atomen besteht. Als solches vieratomiges Molekül tritt es auch in Verbindung mit Sauerstoff auf, denn bekannt- lich führt der Dampf der arsenigen Säure zu der Formel As,O,. Der Nachweis, dass es Moleküle giebt, die, wie Atome, mit einer ihnen eigenthümlichen Werthigkeit in Verbindungen!) eintreten, steht nicht im Widerspruch mit der Werthigkeitslehre, sondern ist eine Er- weiterung derselben, die schon jetzt in einigen Fällen eine schärfere Gruppirung der Elemente ermöglicht. So stehen Eisen und Chrom nicht dem dreiwerthigen Aluminium nahe, sondern sie gehören in die grosse Gruppe der zweiwerthigen Metalle, die in folgende Untergruppen zer- fallen: 1) Metalle, die immer nur als zweiwerthige Atome in Verbin- dungen eintreten: Baryum, Calcium, Strontium, Magnesium, Zink, Cad- mium, Beryllium. 2) In solche, die nicht nur als zweiwerthige Atome, sondern auch als Moleküle eintreten, die sechswerthig sind: Eisen, Mangan, Nickel, Cobalt, Chrom. 3) In solche, die ebenfalls nicht nur als zweiwerthige Atome, son- dern auch als Moleküle eintreten, die aber zweiwerthig sind: Kupfer, (Juecksilber. An diese reiht sich das Silber, das immer als zweiwerthiges Molekül eintritt. Ob die Fähigkeit, sich geschlossen mit Atomen verbinden zu können, nur auf Moleküle, die aus Atomen eines und desselben Ele- ments bestehen, beschränkt ist, oder ob sie auch bei solchen Molekülen vorkommt, die aus Atomen verschiedener Elemente zusammengesetzt sind, bleibt vorläufig dahingestellt. — Ich hoffe später darauf zurück- kommen zu können,?) !) Man könnte sie Molekülatomverbindungen nennen zur Unterscheidung von den molekularen Verbindungen, die durch Addition von Molekülen entstehen. 2) Dieser Vortrag befindet sich mit den Literaturangaben im XIX. Jahrgang der Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft abgedruckt S. 1111. "ee A u Au ee der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 97 Herr Apotheker Julius Müller bewies schliesslich durch An- stellung der verschiedensten Reactioneu, dass das jetzt von London für den enormen Preis von 4 Mark pro 1 Gr. in den Handel gebrachte neue Alkaloid des Hopfens „Hopein‘“ nichts weiter als ein entsetzlich theures Morphin ist, und warnte vor diesem Schwindel. Der Vortragende beleuchtete die verschiedenen Aufsätze, die von den Engländern William- son, Weissenfeld ete. hierüber veröffentlicht worden und wies nach, dass die darin enthaltenen Angaben lediglich auf Täuschung beruhen. Weissen- feld und Williamson gingen so weit, selbst falsche Reactionen für Morphin anzugeben. Sitzung am 17. März 1886. Herr Apotheker K. Thümmel sprach über die verschiedenen Apparate zur quantitativen Bestimmung der Kohlensäure und zeigte einen Apparat nach Geissler, an welchem statt des Stöpsels in dem Kölbehen eine kurze Glasröhre mit einem Querhahn eingeschliffen war. Es sollte damit theils der durch das Lüften des bisherigen Glasstöpsels unver- meidliche Verlust an Substanz vermieden, theils ermöglicht werden, dass man den Apparat mit einem Kali Schwefelsäure-Apparat verbinden kann. Nach Versuchen des Vortragenden absorbirt Schwefelsäure (von 1,840 spec. Gew.) fast genau ein gleiches Volumen Kohlensäure, die ihr erst nach längerem Durchleiten von Luft entzogen wird. Der nach seiner Angabe modifieirte Geisler’sche Apparat ist im Stande, den voluminösen Apparat von Fresenius vollständig zu ersetzen, sobald der zu bestimmenden Kohlensäure keine anderen Gase beige- mengt sind. Sitzung am 14. April 1886 im pharmaceutischen Institut. Herr Geheimrath Professor Dr. Poleek erläuterte einige Apparate, welche von Professor Lothar Meyer in Tübingen construirt waren, um beliebig hohe und constante Temperaturen in einem Luftbade zu erzielen, zunächst einen sogenannten Bombenofen zum Erhitzen von Sub- stanzen in zugeschmolzenen Röhren, ferner einen solchen zu Destillationen, eine Vorrichtung zum Filtriren mit erwärmter Luft und einen Apparat zur Dampfdichtebestimmung nach Professor Vietor Meyer in Göttingen, ohne Anwendung constant siedender Flüssigkeit, welcher sofort zur Aus- führung eines Versuchs benutzt wurde. Endlich einen Druck-Digestor für hohe Temperaturen und eine von Dr. Müncke construirte Wasser- strahlpumpe, welche je nach der Stellung ihrer Hähne zum Saugen oder zur Benutzung eomprimirter Luft dienen kann und bei ihrer Construction aus Glas das Spiel dieser einander entgegengesetzten Wirkungen deut- lich vor Augen führt. 1886. =] 98 Jahres-Bericht Derselbe Vortragende sprach hierauf über die chemische Structur des Safrols. Im Anschluss an eine in meinem Laboratorium vor mehreren Jahren von Herrn Dr. Schiff ausgeführte und im Jahrgang XVII der Berichte der chemischen Gesellschaft veröffentlichten chemischen Untersuchung des Safrols, des sauerstoffhaltigen Bestandtheils des ätherischen Oels von Sassafras offieinalis, hatte ich meine Ansichten über die wahr- scheinliche chemische Structur der Molekel dieses Körpers ausgesprochen, deren Grösse, C,,H,,O,, durch die Analyse und Dampfdichte feststand. Die Untersuchung von Schiff hatte ergeben, dass das Safrol keine Hydroxylgruppen enthält und ebenso wenig ein zusammengesetzter Aether, ein Aldehyd, Keton oder Phenol ist. Da alle Reductionsver- suche scheiterten, so enthält es den Sauerstoff sehr fest, und da Hydroxyl- gruppen fehlen, unmittelbar an Kohlenstoff gebunden. Die Oxydationsversuche hatten Kohlensäure, Oxalsäure, Ameisen- säure und Propionsäure, sowie ein neutrales, intermediäres, nicht flüchtiges Oxydationsproduct vom Schmelzpunkt 59° geliefert. Ebenso wurde ein Bromsubstitutionsproduct, C, ,„H,Br,O,, erhalten. Es gelang aber Schiff nicht, unter den Derivaten des Safrols, namentlich unter den Oxydationsprodueten Körper nachzuweisen, welche mit Sicherheit den Schluss gestatteten, dass das Safrol zu den Benzolderivaten gehöre, während andererseits sein Verhalten gegen Reduetionsmittel dies mehr als wahr- scheinlich machte, Unter solehen Umständen glaubte ich die Bestimmung der Moleeular- refraction zur Entscheidung der Frage heranziehen zu müssen. Herr Professor OÖ. E. Meyer in Breslau hatte auf meine Bitte die Freund- lichkeit, den Brechungsexponenten des Safrols zu bestimmen. Die Resultate dieser Bestimmung hatten ihn zu der Ansicht geführt, „dass das optische Verhalten des Safrols zu keinem ganz bestimmten Schlusse auf die chemische Constitution des Safrols berecehtige. Jedoch erlange die Vermuthung, dass drei oder vier Kohlenstoffatome doppelte Bindung besitzen, einen hohen Grad von Wahrscheinliehkeit“., Die Grösse der Molekularrefraetion des Safrols, welche mit der Annahme, dass in seiner Molekel drei doppelte Bindungen der Kohlen- stoff- und zwei doppelte Bindungen der Sauerstoffatome vorhanden seien, sehr nahe zusammenfiel, sowie das gesammte chemische Verhalten des- selben bestimmte mich, die Ansicht auszusprechen, dass das Safrol als ein Paramethylpropylbenzol anzusehen sei, in welchem die noch vor- handenen vier Wasserstoffatome des Benzolkerns durch zwei Atome Sauerstoff vertreten seien. Diese Auffassung erklärte vollständig das eigenartige chemische Ver- halten des Safrols, welches weder mit Alkoholen und Kstern, noch mit der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 99 Phenolen oder anderen Klassen organischer Verbindungen Analogien zeigte, sie erklärte die grosse Beständigkeit des Safrols, die äusserst feste Bindung des Sauerstoffs, die Entstehung der Ameisen- und Propion- säure bei der Oxydation, endlich die Thatsache, dass die Darstellung von Nitro- und Nitrosoderivaten, sowie jene einer Sulfonsäure nicht ge- lang. Es konnte zwar auffällig erscheinen, dass bei der Oxydation keine von Benzol derivirenden Säuren erhalten wurden, aber dies fand einiger- maassen seine Erklärung in dem analogen Verhalten des Naphtalins gegen Chromsäure. Inzwischen gelangte in der zweiten Hälfte des vorigen Jahres eine Arbeit aus dem pharmaceutischen Laboratorium in Tokio „über die Be- standtheile von Illicium religiosum“ von J. F. Eijkmann') in meine Hände, welche mich zu einer Bevision der Arbeit über das Safrol ver- anlasste. Hr. Eijkmann sah sich nach Kenntnissnahme meiner Publication über das Safrol veranlasst, die bis dahin erhaltenen Resultate seiner Untersuchung des ätherischen Oels der Früchte von Illicium religiosum zu veröffentlichen, weil sie zum Theil mit unserer Arbeit über das Safrol zusammenfielen. Das japanische Illicium religiosum Sieb. ist ein schöner, grosser Baum, welchen bereits Kämpfer in seinen Amoenitates exoticae abbildet, dessen immergrünende Zweige zum Auschmücken der Tempel und Statuen der Götter und dessen wohlriechende Rinde zur Räucherung beim Gottes- dienst dienen, daher seine Speciesbezeichnung religiosum. Seine Früchte gleichen dem in Cochinchina einheimischen Sternanis, sind aber giftig. Im Jahre 1881 kamen sie als Verwechselung oder Verfälschung von echtem Sternanis im Handel vor und veranlassten in Holland und in Altona Vergiftungszufälle, über welche ich am 5. April desselben Jahres in unserer Section eingehend berichtet hatte. Das ätherische Oel der Blätter von Illieium religiosum (Japanisch Shikimino-ki) hatte Hr. Eijkmann ein Terpen, C,,H,,, das Shikimen, ferner zwei sauerstoffhaltige Körper, das Eugenol und Shikimol, geliefert. Das Letztere besitzt nach ihm alle Eigenschaften des Safrols, denselben Geruch, dasselbe specifische Gewicht, es siedet bei 229—231°, es er- starrt wie das Safrol bei —23° und schmilzt dann erst bei 8°, es be- sitzt dieselbe Molecular-Refraction. Diesen physikalischen Eigenschaften entspricht nach Analyse und Dampfdichte dieselbe Formel: C,,H,,0;, und das ganze chemische Verhalten, von welchem er sagt: „que e’etait une substance tres-stable et qu’elle n’appartenait pas & la classe des phenols, des ald&hydes ou des &thers compos6es“, mit einem Wort, es I) Recueil de trav, chimig. des Pays-Bas IV, 39—D54. ! 100 Jahres - Bericht erscheint als identisch mit dem Safrol, mit alleiniger Ausnahme seines Verhaltens bei der Oxydation durch Kaliumpermanganat. Hierbei gelang es Eijkmann, neben Oxalsäure, als unmittelbares Oxydationsproduet Piperonylsäure zu erhalten. Schiff hatte diese Säure unter den Oxydationsproducten des Safrols nicht aufgefunden und daher entweder übersehen, oder sie war bei dem von ihm eingehaltenen Verfahren über- haupt nicht entstanden. Bei der fundamentalen Bedeutung der Entstehung der Piperonyl- säure aus dem S$afrol für die Auffassung seiner chemischen Struetur erschien ein erneutes Studium der Einwirkung des Kaliumpermanganats geboten. Eine Lösung von Kaliumpermanganat wirkt, wie dies schon Schiff fand, in jeder Concentration bei gewöhnlicher Temperatur auf Safrol ein. Gleichmässig und ruhig, wenn auch etwas langsam, geht die Oxydation mit einer Lösung von 1:40 vor sich, wie sie Eijkmann anwandte. Es wurde nach und nach Safrol bis zur völligen Entfärbung der Lösung eingetragen. Da der Manganniederschlag noch bedeutende Mengen unverändertes Safrol enthielt, so wurde er nach dem Abgiessen der klaren Flüssigkeit auf’s Neue mit Kaliumpermanganatlösung bis zu seiner vollständigen Oxydation behandelt. Die vereinigten gelben und alkalisch reagirenden Lösungen der Oxydationsproducte wurden auf ein kleines Volumen eingedampft, wobei sich ein angenehmer Blumenduft bemerkbar machte, welcher in das Destillat überging, als das weitere Eindampfen in einer Retorte stattfand. Das Destillat redueirte Silber- salze, signalisirte also einen Aldehyd, welcher mit Bezugnahme auf die später aufgefundene Piperonylsäure als Piperonal angesprochen werden musste. Der concentrirte Destillationsrückstand wurde mit Säure übersättigt. Unter lebhafter Entwicklung von Kohlensäure fiel ein schwach gelb ge- färbter Niederschlag, welcher abfiltrirt wurde. Aus dem Filtrat wurde durch Destillation Ameisensäure erhalten und durch ihre characteristischen Reactionen nachgewiesen. Die ebenfalls vorhandene Propionsäure wurde durch Analyse ihres Bleisalzes identifieirt. Diese beiden Säuren, sowie die im Destillationsrückstand vorhandene Oxalsäure waren schon von Schiff aufgefunden und ihre Identität durch die Analyse festgestellt worden. Der vorstehend erwähnte, durch Säuren entstandene Niederschlag wurde durch wiederholtes Auflösen in Kaliumhydroxyd, Fällen durch Salzsäure und Umkrystallisiren aus Alkohol gereinigt, wobei sich feine, fast weisse Krystalle ausschieden, welche in kaltem Wasser unlöslich waren und bei 226° C. schmolzen. u a8 u I m 5 a De a ZUE le nn ll U A DL A u u er der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 101 I. 0,240 g gaben 0,508 g Kohlensäure und 0,080 g Wasser. I. 01978 „. 0,415 g e ».. LKOTOSE 7; Gefunden et L IL IIT. Ber. für C,H,O, © 57,70 57,46 57,70 57,83 pCt. H 3,70 3,96 3,59 3,60 „, 6) 48,60 48,58 48,71 48,56 , Zusammensetzung und Schmelzpunkt, sowie ihr Verhalten gegen Lösungsmittel liessen daher keinen Zweifel an der Identität der unter- suchten Substanz mit der Piperonylsäure. Damit stimmte auch das Ver- halten des Silber-, Blei- und Baryumsalzes überein, welche aber nicht in der zur Analyse ausreichenden Menge erhalten wurden. Es entsteht daher bei der Oxydation des Safrols durch Kalium- permanganat neben Kohlensäure, Ameisen- und Propionsäure auch Piperonylsäure, und zwar nicht, wie man vielleicht annehmen könnte, nur als intermediäres Product, sondern stets und bei jeder Concentration der Kaliumpermanganatlösung, allerdings nur in relativ geringer Menge, kaum 4 pCt. des angewandten Safrols. Unter solchen Umständen kann die von mir aufgestellte Ansicht über die Structur des Safrols nicht mehr aufrecht erhalten werden, um so weniger, als auch die Molecularrefraction dieses Körpers mit der von Eijkmann aufgestellten Formel besser, ja fast vollständig überein- stimmt, Unter Zugrundelegung der Landolt’schen Formeln hatte Herr Professor O. E. Meyer die Molecularrefraetion des Safrols, nt PA? ] M=P— — 75,25 und M, ST bestimmt, während die durch Professor H. Muraoka in Tokio veran- lasste Bestimmung der Moleeularrefraction des Shikimols zu den Werthen führte: M, — Hg SEREEBEERT 74,92 und Mi — 5A’L2 — 44,14; - — 44,04, Daraus ergiebt sich die aus den Atomrefractionen nach den Lan- dolt’schen Zahlenwerthen für vier doppelte Bindungen der Kohlenstoff- atome berechnete Molecularrefraction Mı = 74,9 und Mai = 43,98, während die von mir aufgestellte Formel für drei doppelte Bindungen der Kohlenstoff- und zwei doppelte Bindungen der Sauerstoffatome die berechneten Werthe Mı = 74,08 und Mı = 43,85 ergiebt, Werthe, welche niedriger als die beobachteten sind. 102 Jahres - Bericht Auch das gesammte übrige chemische Verhalten des Safrols steht 0>C H, B,B; studirte heftige Einwirkung der concentrirten Chlor- und Jodwasserstoff- säure, des Phosphorchlorids und -sulfids, welche das Safrol unter Ab- scheidung von kohligen Substanzen zerstörten, die Indifferenz gegen das metallische Natrium und die resultatlosen Reductionsversuche mit Zink- staub u. s. w. treffen auch bei den analogen Methylenbenzolderivaten zu, während das Auftreten der Ameisen- und Propionsäure unter den Oxydationsproducten, sowie die Existenz eines Pentabromids des Safrols mit der Annahme einer Allylgruppe im Safrol sehr gut vereinbar ist. Es fällt für diese Annahme aber auch das gemeinschaftliche Vor- kommen der bekannten Allylbenzole in derselben und in einander nahe- stehenden Pflanzenfamilien ins Gewicht. In dem ätherischen Oel von Illieium religiosum hat Eijkmann nicht im Widerspruch mit der Formel C,H, . Die von Schiff OH O\ C Eugenol, Gi 0CH, und Safrol, Shikimol, C,H, !0-" in | C,H, C,H, nachgewiesen, während in den Früchten von Illiecium anisatum das Anethol, RR den Hauptbestandtheil ausmacht und in der nahe- 375 stehenden Familie der Lauraceen, in dem ätherischen Oel von Sassafras offieinalis das Safrol zuerst aufgefunden worden und auch in dem Oel von Laurus Camphora enthalten ist. Die Identität des Safrols und des Shikimols erscheint somit be- 0. 0-0 C,H, dem gesammten chemischen und physikalischen Verhalten dieses Körpers als des Methylenäthers eines dihydroxylirten Allylbenzols entsprechend. Es dürfte nicht uninteressant sein, schliesslich daran zu erinnern, dass bei der Untersuchung des Safrols zunächst das physikalische Ver- halten, die Molekularrefraction, diesen Körper als ein Benzolderivat er- kennen liess, während zwingende chemische Gründe dieser Auffassung damals nicht zur Seite standen. Wenn auch in jüngster Zeit die Grundlagen und Zahlenwerthe für die Berechnung der Atomrefraction angefochten worden sind, so scheinen sie doch nicht so schwankend zu sein, wie von einigen Seiten behauptet worden ist. wiesen und die von Eijkmann aufgestellte Formel C,H, Derselbe Vortragende theilte die Resultate einer Arbeit über Octylbenzol und dessen Derivate mit, welche Herr Dr. F. Ahrens im Laboratorium des pharmaceutischen Instituts ausgeführt hatte, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 103 Das Octylbenzol wurde von Herrn Ahrens nach der Fittig’schen Reaction durch Wechselwirkung von normalem Octylchlorid, zu dessen Bereitung der aus dem ätherischen Oel der Früchte von Heracleum Sphondylium gewonnene Octylalkohol gedient hatte und Brombenzol mit Natrium erhalten. Die Reaction vollzog sich rasch und glatt, ohne eine Verdünnung der Substanzen mit Aether nothwendig zu machen. Das Produet der Reaction wurde mit Aether ausgezogen, der Aether im Wasserbade abdestillirtt und das rückständige gelbe Liquidum destillirt. Das Thermometer stieg rasch auf 260° und blieb zwischen 260—264° constant, bis die Hauptmasse überdestillirt war. Das Destillat war farb- los, besass einen sehr angenehmen, milden Geruch und einen aromatisch, süsslich brennenden Geschmack, Sein specifisches Gewicht war 0,852 bei 14° C,, sein Siedepunkt 262—264° uncorrig. Es erstarrt bei — 7°C, zu einer krystallinischen Masse, In Wasser unlöslich, mischt es sich mit Alkohol, Aether und Benzol. In 100 Theilen sind enthalten‘): I. I. Ber. £.C,H,C,H,, 04.488:43°,1787,95 88,42 ‚pCt. H 12,07 12,02 RT ER Erwähnenswerth dürfte noch sein, dass er unter den Nebenpro- ducten bei der Darstellung des Octylbenzols geringe Mengen Benzol, dagegen kein Dioctyl beobachtete. Das Auftreten des ersteren dürfte von einem geringen Wassergehalt der in die Reaction eintretenden Substanzen und der daraus resultirenden Wasserstoffgas - Entwickelung abzuleiten sein. Bei der Oxydation des Octylbenzols mit Kaliumdichromat und Schwefelsäure wurde Benzo&säure erhalten, doch wurde die Operation in unangenehmer Weise durch Stossen und Spritzen der Flüssigkeit er- schwert. Es wurde daher Kaliumpermanganat in schwacher Lösung an- gewandt. Die Einwirkung begann schon bei gewöhnlicher Temperatur und wurde durch Erwärmen beschleunigt. Schliesslich wurde eine gelb- liche, stark alkalische Flüssigkeit erhalten, welche nach dem Einengen und Uebersättigen mit Salzsäure Kohlensäure entwickelte und Krystalle von Benzoösäure abschied, deren Identität durch den Schmelzpunkt, 120° C., und die Analyse festgestellt wurde, Das Octylbenzol giebt bei der Oxydation daher nur Kohlensäure, Benzoösäure und Wasser. Zur Darstellung des Monochlorderivats wurde Octylbenzol bei Gegenwart einer kleinen Menge Jod und einem Ueberschuss von Octyl- !) Die analytischen Daten befinden sich in der Abhandlung von Ahrens „Beiträge zur Kenntniss des Octylbenzols“ in den Berichten der deutschen chem. Gesellschaft XIX. S. 2718. 1886, 104 Jahres - Bericht benzol mit Chlor behandelt und der Process durch Erwärmen be- schleunigt. Das Reactionsproduet, welches durch Jod braun gefärbt war, wurde mit alkoholischer Kalilauge bis zur Farblosigkeit versetzt und dann in Wasser gegossen. Es schied sich ein Oel ab, welches nach seiner Entwässerung mit Chlorcaleium in seiner Hauptmasse zwischen 270—275° überdestillirte. Das Destillat war ein gelbliches, fast geruchloses, in Wasser un- lösliches, dagegen in Alkohol und Aether leicht lösliches Oel von der Zusammensetzung C,H,CICsH,.. Das Monobromoetylbenzol wurde in analoger Weise dargestellt. Zwischen 285—287° ging ein gelbliches Oel über, welches durch eine Brombestimmung nach der Methode von Carius als Monobrom- oetylbenzol charakterisirt wurde. Gegen Lösungsmittel verhält es sich wie das Chlorderivat. Es erstarrt noch nicht bei — 10°, Das Monojodderivat des Octylbenzols unterscheidet sich von den analogen Jodderivaten dadurch, dass es ohne Zersetzung nicht destillirt werden kann. Es musste daher ein anderer als der gewohnte Weg zu seiner Darstellung eingeschlagen werden. Es wurde erhalten durch Ein- wirkung von Jod auf mit Ligroin verdünntes Octylbenzol bei Gegenwart von Quecksilberoxyd, und zwar nach dem durch nachstehende Gleichung ausgedrückten Verhältnisse: 20,H,C,H,, + 2J, + HgO = 2C,H,JC,H, + Hg), + H,0. Das Octylbenzol wurde im geringen Ueberschuss zugesetzt. In der Kälte trat keine Reaction ein, wohl aber beim schwachen Erwärmen. Nach Beendigung der Reaction wurde das Reactionsproduet mit Aether behandelt und filtrirt. Nach dem Verdunsten des Aethers blieb ein gelbes Oel zurück, welches bei — 4° erstarrte, in Wasser unlöslich, dagegen in Alkohol und Aether löslich war, von der Zusammensetzung C,H,JC,H,.. Diese Verbindung ist äusserst empfindlich gegen Licht und Wärme, Eine Minute der Einwirkung direceten Lichts genügt, um eine Roth- färbung, also eine Zersetzung herbeizuführen. Die Einwirkung mässiger Wärme hat denselben Erfolg, beim Kochen zersetzt es sich völlig unter Entwicklung von Joddämpfen. Bei der Einwirkung rauchender Salpetersäure auf Octylbenzol ent- stehen alle drei Nitroderivate, m-Nitrooctylbenzol. Die bei der Einwirkung der rauchenden Salpetersäure auf Octylbenzol in der Kälte entstandenen Krystalle wurden in heissem Alkohol gelöst nnd durch Verdampfen der Lösung bei 25 bis 30° in dünnen, äusserst leichten Nadeln erhalten, welche fast weiss, mit einem schwachen Stich ins Gelbe erschienen und die Zusammensetzung | NO. C,H, C,H, besassen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 105 Um die Stellung der Nitrogruppe in dieser Verbindung aufzuklären, wurde sie mit einer Kaliumpermanganatlösung oxydirt und dabei Meta- nitrobenzo&säure in Krystallen vom Schmelzpunkt 141° erhalten, welche beim Erhitzen in weissen Nadeln sublimirten. Das Metanitrooctylbenzol bildet lange, äusserst leichte, biegsame Nadeln von schwachem, angenehmen Geruch, welche bei 123—124° schmelzen. Im offenen Glasrohr erhitzt, schmilzt es zunächst und subli- mirt dann, es ist aber auch schon mit Wasserdämpfen leicht flüchtig. Es ist unlöslich in Wasser und Aether, schwer löslich in kaltem Alkohol und Chloroform, leichter in Benzol. Es entsteht bei der Einwirkung der Salpetersäure auf Octylbenzol in der Kälte nur m-Mononitrooctylbenzol und auch dieses nur in ge- ringer Menge. Das Ortho-Mononitrooctylbenzol stellt ein diekes, gelbes, in der Wärme roth werdendes Oel dar, von eigenthümlich aromatischem Geruche; in einer Kältemischung von Schnee und Kochsalz nimmt es die Consistenz eines dieken Balsams an, ohne jedoch zu erstarren. In der Wärme des Wasserbades wird es dünnflüssig, Es lässt sich nicht destilliren, schon bei 100° beginnt es sich zu zersetzen, es wird dunkel, fast schwarz und stösst einen gelben, erstickend riechenden Dampf aus. Das Thermometer steigt rasch auf 130°, wobei plötzlich die ganze Masse verkohlt. Das o-Nitroproduet entsteht nur bei längerem Erhitzen des Octyl- benzols mit Salpetersäure, es ist das Hauptproduct der Nitrirung des Octylbenzols. Das Paranitrooctylbenzol wurde durch vorsichtige Sublimation der durch Einwirkung der Salpetersäure in der Kälte entstandenen Krystalle erhalten. Es sublimirten zunächst in gelinder Wärme die langen, charakteristischen Nadeln des m-Nitrooctylbenzols, und als diese‘ aufhörten zu erscheinen und der Rückstand allmählich stärker erhitzt wurde, sublimirte er, ohne vorher zu schmelzen, Auf diese Weise wurden kleine, gelbliche, glänzende Nadeln von schwachem, an Benzaldehyd erinnerndem Geruch erhalten, welche bei 204° schmolzen und schon vorher sich verflüchtigten. Sie waren in Wasser unlöslich, löslich in Alkohol und Aether. Es lag somit die dritte isomere Mononitroverbindung vor, welche sich schon durch ihren hohen Schmelzpunkt, 204° C., als Paraverbin- dung charakterisirte. Ihre Oxydation mit Kaliumpermanganat ging leicht und glatt von Statten. Es wurde eine Säure erhalten, welehe den Schmelzpunkt 238° der Paranitrobenzoösäure zeigte. Die Ausbeute an p-Nitrooetylbenzol ist eine sehr geringe. 106 Jahres - Bericht Aus den vorstehenden Resultaten ergiebt sich, dass bei der Ein- wirkung von rauchender Salpetersäure in der Kälte nur m-Mononitro- octylbenzol, bei mässiger Wärme die m- und p- Verbindung entstehen, welche längere Zeit in erhöhter Temperatur der Salpetersänre ausgesetzt, in die entsprechenden Nitrobenzo®säuren übergehen; wohingegen das Hauptproduct der Reaction, das o-Nitrooctylbenzol, sich erst bei An- wendung höherer Temperatur bildet. Alle drei Isomere gehen bei der Oxydation mit Kaliumpermanganat in die correspondirenden Nitrobenzo6- säuren über. Dinitrooetylbenzol. Die Bildung einer Dinitroverbindung ver- dankte Ahrens dem Zufalle. Die von einer Darstellung erhaltenen Krystalle des m-Nitrooctylbenzols hatte er zum Abtropfen auf einem Trichter gesammelt und nach einiger Zeit mit Aether übergossen, um sie von dem noch anhaftenden Octylbenzol zu befreien, Fast unmittelbar darauf begann eine stürmische Entwicklung von Stickstofftetroxyd, welche durch die zwischen den Krystallen noch befindliche rauchende S$al- petersäure veranlasst wurde. Als nach Beendigung der Reaction die fragliche Substanz in kochendem Alkohol gelöst und diese Lösung nur um wenige Grade erkaltet wurde, fiel eine zusammenhängende, fest ver- flochtene, gelbe Krystallmasse aus, welche fast wie ein ausgebreiteter Filzhut aussah. Der Versuch, die Krystalle zu sublimiren, verlief in der Art, dass ein Theil der Substanz unterhalb ihres Schmelzpunkts sublimirte, während der Rest unter Kohleabscheidung sich zersetzte. So wurde das Dinitro- octylbenzol in durchsichtigen, glasglänzenden Krystallen erhalten, welche bei 226° schmolzen. Sie waren in Aether und kochendem Alkohol lös- lich, unlöslich in kaltem Wasser und Alkohol und besassen die Zu- NO sammensetzung ÜC,H, OR Mi Zur Darstellung des Amidooctylbenzols wurden 23g o-Nitrooctyl- benzol mit rauchender Salzsäure übergossen und 35 g metallisches Zinn zugesetzt. Nachdem die Mischung längere Zeit sich selbst überlassen worden war, wurde die Reaction durch schwaches Erwärmen auf dem Wasserbade unterstützt und so endlich eine rothbraune, birnätherartig riechende Flüssigkeit erhalten, wobei eine dicke, zähe Masse ungelöst blieb. Die Lösung wurde mit Aether ausgeschüttelt, wobei sich der letztere tief roth färbte und nach seinem Verdampfen in brauner Mutter- lauge kleine Krystalle zurückliess, welche nach wiederholtem Um- krystallisiren als weisse, seidenglänzende Nadeln erhalten wurden, welche das in Wasser, Alkohol und Aether lösliche Doppelsalz von Zinnchlorid und salzsaurem o-Amidooctylbenzol waren und die Zusammensetzung (C,H, NH,C,H, -HC]),SnCl, besassen, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 107 Der Rest der Kıystalle, etwa 4 g, wurde in Wasser gelöst und nach Ausfällung des Zinns das Filtrat zum Theil mit Aether ausge- schüttelt, zum Theil auf dem Wasserbade langsam verdampft. Der ätherische Auszug hinterliess glänzende, weisse, kleine Blättehen von salzsaurem o- Amidooctylbenzol, die wässerige farblose Lösung dagegen einen rothen Rückstand, woraus hervorging, dass das Salz in der Wärme sich röthet. Die Quantität des zur Verfügung stehenden Hydrochlorats war so gering, dass darauf verzichtet werden musste, die freie Base abzuscheiden, doch war damit das Resultat erhalten, dass die allgemeine Methode, durch Reduction der Nitroverbindungen zu entsprechenden Amidover- bindungen zu gelangen, auch hier zum Ziele führt. 2) Herr Professor Dr. OÖ. E. Meyer erläuterte einige Einrich- tungen am Sphaerometer und ihre Anwendung bei Dicken- messungen. 3) Herr Professor Dr, Leonhard Weber besprach die Theorie der vielfachen Bilder, welche man in zwei unter einem Winkel gegen einander gestellten Spiegeln erblickt. Wenn dieser Winkel ein gerades Submultiplum von 360 Gr. beträgt, also z. B. 90°, 60° u. s. w., so fallen zwei jener Bilder in dem Scheitelwinkel des Spiegelwinkels genau zusammen und werden vom Auge des Beobachters als ein einziges wahrgenommen, Bei der geringsten Abweichung des Winkels treten jene beiden Bilder auseinander, und hierauf lässt sich eine Methode be- gründen, welche genauer als es durch andere Hilfsmittel möglich ist, diese Abweichung festzustellen und zu messen erlaubt. Das Verfahren findet auch Anwendung auf die Untersuchung rechtwinkliger und gleich- seitiger Glasprismen, deren Flächen bekanntlich auch nach der inneren Seite als Spiegel wirken.') Derselbe berichtete sodann über eine von Herrn Apotheker Scholtz in Jutroschin zweimal beobachtete Lichterscheinung im Herbste vorigen Jahres, Nachdem die sehr anschauliche und sorgfältige Beschreibung des Beobachters bereits durch mehrere Zeitungen ihren Weg genommen hat, ist kürzlich ein aus Gogolewo datirter, V. v. C. unterzeiechneter Bericht über ein analoges, vor einigen Jahren in derselben Gegend beobachtetes Phänomen in der „Tägl. Rundschau‘ vom 6. April erschienen. Diese sowohl, wie die von Herrn Scholtz wahrgenommenen glänzenden Lichterscheinungen haben einen wesentlich von Irrlichtern verschiedenen Habitus gehabt. Es scheint vielmehr eine Aehnlichkeit mit gewissen elektrischen Phänomen, nämlich den Kugelblitzen vorzu- !) Eine genauere Darlegung dieser Methode findet sich in der Zeitschrift für Instrumentenkunde 1886, September-Heft, S. 299—304, beschrieben von H. Langner. 108 Jahres - Bericht liegen. Zu einer vollkommen zweifellosen Deutung ist jedoch kein ge- nügender Anhalt vorhanden und muss es vorläufig dahingestellt bleiben, welches die eigentliche Natur dieser räthselhaften Erscheinungen ge- wesen ist. Sitzung am 12. Mai 1886. 1) Der Bergmeister a. D. und Universitäts-Docent Herr Dr. Kos- mann legte ein Stück Rohzink vor, in welchem er das für das feste Metall ungewöhnliche Auftreten von Thallium nachgewiesen hatte, Nach der Mittheilung des Einsenders dieser Probe war dasselbe aus dem Zu- sammenschmelzen von Zinkabfällen dargestellt worden. Das Vorkommen von Thallium ist bekannt in den Schlämmen der Schwefelsäurekammern, in dem Flugstaub der Blenderöstöfen, im festen Rohzink wie vorliegend war es bisher nicht nachgewiesen; die Menge desselben betrug 1,40 pCt. und war das Rohzink überhaupt, in eingehender Angabe der Analyse, wegen des grossen Antheils schädlicher Gemengtheile wie Blei, Arsen, Cadmium, Eisen u. s. w. bemerkenswerth. 2) Herr Geheimrath Professor Poleck legte den Querschnitt eines Coniferen-Stammes vor, welcher durch den aus Sporen culti- virten Hausschwamm vollständig zerstört war und in jedem mikro- skopischen Schnitt seines Holzes zahlreiche Pilzfäden zeigte. Derselbe Vortragende sprach über das Asaron. Im Anschluss an die im vorigen Jahresbericht (Seite 169) mitge- theilte Untersuchung des Asarons durch Herrn Dr. Staats wurde die Ansicht ausgesprochen, dass das ganze chemische Verhalten dieses Körpers und namentlich seine Oxydations-Producte durch Kalium-Permanganat am besten der Formel C,,H,,O, entspreche, nach welcher das Asaron als der Trimethyläther eines Methyl-Allyl-Pyrogallol angesehen werden könne. Bei der Fortsetzung dieser Untersuchung durch den Vortragenden wurde zunächst durch wiederholte Versuche festgestellt, dass in der Molekel des Asarons in der That drei Methoxylgruppen, OCH,, enthalten sind. Nach einer zweckmässig modifieirten Methode von Professor Lieben in Wien wurden aus dem Asaron durch Jodwasserstoff 190,7 und 193,3 pCt. Methyljodid abgespalten, welche mit der berechneten Menge 191,2 pCt. zusammenfällt. Die Behandlung des Asaron mit einer vierprocentigen Lösung von Kaliumpermanganat bei 60—70° lieferte Resultate, welche in befrie- digender Weise Aufschluss über die chemische Structur seiner Molekel saben. Nach der Entfärbung wurde die Flüssigkeit filtrirt, das Ungelöste aufs Neue mit Kaliumpermanganat behandelt und so fortgefahren, bis der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 109 letzteres nicht mehr entfärbt wurde. Die vereinigten Filtrate wurden nun mit Aether ausgeschüttelt. Dieser nahm einen in feinen Nadeln krystallisirenden neutralen Körper auf, welcher in kaltem Wasser fast unlöslich, in heissem dagegen sehr leicht löslich war und daraus fast vollständig in langen seidenartigen Nadeln krystallisirte, welche leicht in Alkohol, Amylalkohol und Chloroform, dagegen unlöslich in Petrol- äther und Schwefelkohlenstoff waren. In concentrirter Schwefelsäure löste sich der Körper mit gelber und dann schön grüner Farbe auf, Eisenchlorid und Bleiacetat veränderten ihn nicht, er reduceirte ammonia- kalische mit etwas Kali versetzte Silberlösung und gab mit saurem Kali- sulfit Krystalle. Sein Schmelzpunkt lag bei 112°, sein Siedepunkt bei ca. 310°, wobei er zum grössten Theil unzersetzt destillirte. Aus seiner Zusammensetzung 61,5 pCt. Kohlenstoff und 5,92 pCt. Wasserstoff be- rechnet sich als einfachster Ausdruck die Formel C,,H,,0,. Die wässrige Lösung, welcher Aether dies neutrale Oxydations- product entzogen hatte, reagirte stark alkalisch und entwickelte beim Uebersättigen mit Phosphorsäure reichlich Kohlensäure. Bei der Destil- lation derselben wurden nur Ameisensäure und Essigsäure als flüchtige Producte erhalten. Im Destillations-Rückstande war Oxalsäure in ziem- lich bedeutender Menge und eine andere nicht flüchtige Säure enthalten, welche der sauren Flüssigkeit durch Aether entzogen oder auch durch Concentriren der alkalischen Flüssigkeit und Uebersättigen mit Säure ge- wonnen werden kann, wo sie im letzteren Falle nach dem Erkalten herauskrystallisirt. So wurde sie in langen weissen, seidenglänzenden Nadeln erhalten, welche in kaltem Wasser sehr schwer, in heissem Wasser, Alkohol und Aether leicht löslich waren und bei 144° sehmolzen. | In zwei Analysen wurden 57,07 pCt. und 57,03 pCt. Kohlenstoff und 5,4 pCt. und 5,63 pCt. Wasserstoff gefunden, woraus zunächst die Formel C,,H,,O, berechnet wurde, durch welche die Zusammensetzung der Opiansäure ausgedrückt wird, mit welcher diese Säure sowohl in ihrem Schmelzpunkt, wie in ihren übrigen Eigenschaften sich vollständig zu decken schien. Als aber durch spätere Versuche nachgewiesen wurde, dass in der Molekel dieser neuen Säure auch drei Methoxylgruppen, OCH,, vorhanden waren — es wurden durch Jodwasserstoff 196 pCt. Jodmethyl abgespalten, während die berechnete Menge 200 pCt. be- trägt — so konnte sie nicht mit der Opiansäure identisch sein, da diese nur zwei Methoxylgruppen enthält. Unter solchen Umständen entspricht die Formel C,,H,,0,, welche 56,60 pCt. Kohlenstoff und 5,66 pCt. Wasserstoff verlangt, ungleich besser diesen thatsächlichen Verhältnissen, Damit stimmt auch die Analyse ihres krystallisirten Baryumsalzes mit 24,53 pCt. berechnet 24,16 pCt. Baryum. 110 Jahres-Bericht Da durch nachträgliche Versuche . festgestellt wurde, dass der neutrale Körper auch drei Methoxylgruppen enthält, so stehen diese beiden Verbindungen in dem Verhältniss eines Aldehyds und der ent- sprechenden Säure zu einander. Schon aus der vorstehenden Beschrei- bung des neutralen Oxydationsproducts geht seine Aldehyd-Natur hervor und diese wird bestätigt durch die spätere Darstellung einer Phenyl- hydrazin-Verbindung und seine Ueberführung in die gleichzeitig mit ihm durch Oxydation des Asarons entstandene Säure. . Das von Dr. Staats beobachtete Isovanillin konnte unter den Oxy- dationsproducten nicht wieder aufgefunden werden. Es ist bei wiederholten Versuchen nicht gelungen, das Asaron mit alkoholischer Kalilauge zu verseifen oder durch Erhitzen mit Eisessig, Essigsäureanhydrid oder Benzoylchlorid Säureradicale in die Molekel des Asarons einzuführen, eben so wenig besitzt es die Eigenschaft, ammo- niakalische Silberlösung zu reduciren oder sich mit Alkalisulfiten zu verbinden und endlich zeigt es ein völlig passives Verhalten gegen Hydroxylamin. Es besitzt daher weder den Charakter. eines zusammen- gesetzten Aethers, Aldehyds oder Ketons, noch enthält es freie Hydroxyl- gruppen. Dagegen gestatten das Verhalten gegen Jodwasserstoff, die Existenz eines krystallisirten Additionsproducts mit zwei Atomen Brom, sowie die Öxydationsproduete durch Kaliumpermanganat das Asaron als den Tri- (OCH, ), methyläther eines Allyl-Methyl-Pyrogallols C,H {CH, aufzufassen. Es U, Le sind seine Oxydationsproducte, Kohlensäure, Ameisensäure, Essigsäure und Oxalsäure einerseits, sowie die feste Säure und der ihr entsprechende Aldehyd, in welche die drei Methoxylgruppen des Asarons übergegangen sind, ein einfacher Abbau seiner Molekel, deren Gewicht durch die Be- stimmung der Dampfdichte feststeht, Auf diese Weise gehört das Asaron in die Kategorie der in der Natur vorkommenden Hydroxylderivate der-Allylbenzole, wie wir sie in | OCH on dem Anethol C;H, } 5 p’; dem Eugenol C,H, | OCH, und dem Safrol ; = ra Ö C,H, Fe kennen. Ebenso sind Trimethyläther des Pyrogallols, C,H, sowie Methyl- und Propylpyrogallol bekannt. Die Untersuchung des ätherischen Oels ist von dem Vortragenden in Angriff genommen und werden sich wahrscheinlich interessante Be- ziehungen desselben zum Asaron herausstellen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 111 Derselbe Vortragende theilte die vorläufigen Resultate der Untersuchung eines durch Quecksilber-Monoxychlorid aus dem Aethyläther sich abscheidenden Körpers mit, welche er gemeinsam mit Herrn Apotheker Thümm el unter- nommen hat. Herr Thümmel hatte bei seiner Arbeit über die Oxychloride des Quecksilbers (Jahresbericht dieser Gesellschaft 1885 $. 175) durch Behandeln eines käuflichen Aethyläthers mit einer Auflösung von Quecksilbermonoxychlorid in Kaliumbicarbonat einen amorphen volu- minösen Niederschlag erhalten, dessen Zusammensetzung auf Grund vieler Analysen und verschiedener Darstellungen durch die Formel C,H,OHgOHsHsC], ihren einfachsten Ausdruck fand. In Wasser und Alkohol unlöslich, wird er von heisser Salzsäure unter Entwicklung eines aldehydartigen Geruchs gelöst, ebenso ist er leicht löslich in Jod- und Cyanwasserstoffsäure. Durch kochende Kalilauge wird eine grau- grüne Quecksilberverbinduug gefällt, welche kein Chlor enthält und beim Erhitzen auf 153° mit furchtbarer Heftigkeit explodirt, wie die Kupfer- und Silber-Acetylen-Verbindungen. Dieser schwarze Körper scheint in der That, neben einem wechselnden Gehalt an Quecksilberoxydul, eine analoge Zusammensetzung zu besitzen. Die weisse Verbindung wird durch einfach Schwefelammon sofort schwarz gefärbt, es tritt dabei der durchdringende Geruch nach Mäuseharn, Acetamid, auf, welches durch Ausschütteln mit Aether in Krystallen erhalten wurde. Die Polysulfacete des Ammons scheinen nach dem Auftreten des analogen, aber nun höchst widerwärtigen Geruchs Sulfacetamid zu bilden. Wird der weisse Körper in Aether vertheilt und mit Schwefelwasserstoff behandelt, so wurde nach dem Verdunsten des Aethers eine geringe Menge einer öl- artigen Flüssigkeit von dem penetranten widrigen Geruch erhalten, welcher an den Geruch des Oels von Allium ursinum erinnerte. Diese Schwefelverbindung wurde durch Quecksilberchlorid weiss, durch Platin- chlorid gelb gefällt. Die ursprüngliche weisse Quecksilberverbindung scheidet Jod aus Jodkalium ab unter Bildung von Kaliumhydroxyd und ebenso entsteht Jodoform bei ihrer Behandlung mit einer Auflösung von Jod in Jod- kalium, Bei der Oxydation mit Kaliumpermanganat wurde Oxalsäure und Ameisensäure erhalten. Die Isolirung der mit dem Quecksilber verbundenen Atomgruppe ist uns noch nicht gelungen, doch haben wir bis jetzt soviel festgestellt, dass der fragliche Körper einen niedrigen Siedepunkt unter 40° besitzt und dass Vinyl-Aethyläther, welchen wir zu diesem Zweck aus Mono- chloracetal darstellten, mit Quecksilbermonoxychloryd denselben Körper zu geben scheint, 112 Jahres-Bericht Das ganze Verhalten dieser Quecksilberverbindung gestattet mit hoher Wahrscheinlichkeit den Schluss, dass in ihr eine Vinylgruppe oder ein analoger ungesättigter Kohlenwasserstoff enthalten ist und es erinnert ferner an die von Kutscheroff studirte Einwirknng der Kohlenw asserstofe der Acetylenreihe auf Quecksilberoxyd und dessen Salze. Die Untersuchung wird fortgesetzt. Bei dieser Arbeit wurde die interessante Beobachtung gemacht, dass ein Rohäther eine lebhafte Gasentwicklung zeigte, welche durch Hinein- werfen von etwas Holzkohlenpulver noch vermehrt wurde. Es wurden aus ca. 5 Liter Aether ca. 400 Kubikmeter eines farblosen Gases ge- sammelt, welches aus atmosphärischer Luft und 71,6 pCt. bis 75 pCt. Aethylen bestand, dessen Identität durch die Absorption durch rauchende Schwefelsäure und durch die Behandlung mit Brom, wobei Bromäthylen entstand, nachgewiesen wurde. Es ist dies eine Mahnung zur Vorsicht! Sitzung am 2. Juni 1886 im Auditorium des physikalischen Instituts der Universität. 1) Herr Geheimer Rath Professor Dr. Römer legte vor: Die Blitzgefahr. Mittheilungen und Rathschläge, betreffend die Anlage von Blitzableitern für Gebäude. Herausgegeben im Auftrage des elektro- technischen Vereins. Dritter unveränderter Abdruck. Berlin, Julius Springer. 1886. Diese Broschüre ist der naturwissenschaftlichen Section der Schle- sischen Gesellschaft durch den Herrn Ober-Postdireetor Kühl in höherem Auftrage mit dem Ersuchen übersandt worden, auf deren weitere Ver- breitung mit Rücksicht auf den gemeinnützigen Inhalt hinwirkeu zu wollen. In dem von Herrn Professor Dr. Leonhard Weber in Breslau herrührenden Vorworte der Schrift wird bemerkt, dass die Schrift aus den Berathungen eines Unterausschusses des elektrotechnischen Vereins, zu welchem die Herren Aron, v. Bezold, Brix, Förster, v. Helmholtz, Holtz, Karsten, Neesen, Paalzow, Werner Siemens, Töpler und Leonhard Weber gehören, hervorgegangen ist und den Zweck hat, in thunlichst gemeinverständlicher Form über die mit der Blitzschlagsgefahr in Zu- sammenhang stehenden Fragen zu belehren. In Betreff der Grösse der Blitzgefährdung wird hervorgehoben, dass dieselbe in Deutschland seit 30 bis 40 Jahren in beständiger Zunahme begriffen ist. Von 1850 bis 1880 ist eine durchschnittliche Vermehrung der Blitzgefahr um das Dreifache anzunehmen. Der jährliche, durch Blitzschlag angerichtete Schaden wird von G. Karsten zum Mindesten auf 6 bis 8 Millionen Mark für Deutschland geschätzt. Hiernach kaun der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 113 die Wichtigkeit von Schutzmassregeln gegen die Blitzgefahr nicht zweifel- haft sein. In Betreff der letzteren wird nun bestimmt ausgesprochen, dass die Franklin’sche Erfindung des Blitzableiters bei gehöriger Aus- führung ein Gebäude gegen den Blitzschlag vollständig zu schützen ver- mag. Der letzte Theil der Schrift enthält allgemeine Anweisungen über die rationelle Anlage von Blitzableitern, bei welchen dann auch der Unterschied des älteren Gay-Lussac’schen und des neueren Melsen’schen Systems erläutert wird. In jedem Falle ist der von den anerkanntesten wissenschaftlichen Autoritäten herrührenden Schrift im Interesse des nationalen Wohlstandes die weiteste Verbreitung zu wünschen. 2) Herr Professor Dr. OÖ. E. Meyer sprach hierauf über die Verwendung des elektrischen Lichtes in Hörsälen. Zur Erläuterung des Vortrags wurde zuerst eine ältere Gramme’sche, dann eine neue Siemens’sche dynamo-elektrische Maschine mittelst einer Dampfmaschine in Bewegung versetzt; durch diese Maschinen wurden sowohl Bogenlicht-, als auch Glühliebt-Lampen zum Leuchten gebracht; und zwar wurden von beiden Lichtarten verschiedene Systeme vorgeführt, Dornfeld’sche und Siemens’sche Bogenlampen, sowie Swan’sche, Edi- son’sche und Siemens’sche Glühlichter. Somit war Gelegenheit geboten, besonders die Verschiedenheit der Färbung des elektrischen Lichts von Bogenlampen einerseits und Glühlampen andererseits zu beobachten. Der Vortragende gelangte zu dem Schlusse, dass zur einfachen Beleuch- tung eines Hörsaals das Glühlicht seiner Ruhe und seiner angenehmen Färbung wegen den Vorzug verdiene, dass aber bei allen experimentellen Demonstrationen, bei welchen es auf Erkennen von Farben ankommt, das Bogenlicht weit vortheilhafter sei. Die zu diesen Demonstrationen verwendeten Siemens’schen Maschinen und Lampen waren von dem hiesigen Vertreter der Firma Siemens und Halske, Herrn Ingenieur Krimping, in dankenswerther Liberalität zur Verfügung gestellt worden. 3) Herr Geheimrath Professor Dr. Poleck demonstrirte ein nach dem Prineip der Davy’schen Sicherheitslampe construirtes Wasserbad zur Destillation leicht entzündlicher Flüssigkeiten, ferner grössere und kleinere Apparate zum Trocknen von Körpern bei constanten Tempe- raturen. In diesen, von Professor Dr. V. Meyer construirten Trocken- Apparaten wird die betreffende Temperatur durch relativ kleine Mengen kochender Flüssigkeiten von constantem Siedepunkt, wie Wasser, Toluol u. s. w. erzeugt, welche, durch einen Rückflusskühler verdichtet, be- ständig in das Siedegefüss zurückfliessen. Der Vortheil einer constanten Temperatur beim Trocknen wird hier in sehr einfacher Weise und ohne Gefahr einer Ueberhitzung erzielt. 1886. 8 114 Jahres - Bericht Sitzung am 15. December 1886. 1) Herr Geheimrath Professor Poleck theilte die Resultate einer von Herrn Semmler in seinem Laboratorium ausgeführten Untersuchung des ätherischen Oels von Allium ursinum L. mit. Das Oel stammte von der in grosser Menge im Rosenthal bei Leipzig wild wachsenden Pflanze, welche zur Blüthezeit durch ihren die Augen reizenden und unangenehmen Geruch so lästig wurde, dass man ihre Ausrottung beschloss. Die renommirte Fabrik ätherischer Oele von Schimmel & Co. in Leipzig stellte in der Voraussetzung, dass die Pflanze Allylverbindungen enthalten werde, aus grossen Mengen derselben das ätherische Oel dar und überliess es in dankenswerther Weise dem Referenten zur Untersuchung, welche dann durch Herrn Semmler aus- geführt wurde. Das Rohöl war von dunkelgelbbrauner Farbe, das Licht stark brechend und von äusserst unangenehmem, haftenden Geruch und brennen- dem Geschmack, p. sp. 1,015, in Wasser sehr wenig löslich, wurde es von Aleohol und Aether in allen Verhältnissen aufgenommen. Der grösste Theil des Oels verdunstet rasch bei gewöhnlicher Temperatur, während der zurückbleibende Antheil einen überaus unangenehmen, penetranten Geruch zeigt und sich nur sehr langsam verflüchtigt. Concentrirte Schwefelsäure löst das Rohöl unter intensiver Roth- färbung und Entwickelung unerträglich riechender Gase. Salpetersäure oxydirt es fast explosionsartig unter Abscheidung von Schwefel zu Schwefelsäure, Kohlensäure, Oxalsäure und Bildung eines harzartigen Körpers. Chlorwasserstoff wird unter lebhafter Wärmeentwickelung ab- sorbirt und färbt schliesslich das Oel indigoblau. Aehnlich wirken Chlor, Brom und Jod ein, Kalilauge ist ohne Wirkung, metallisches Kalium entzieht ihm Schwefel unter Weasserstoffentwickelung, Quecksilber-, Silber-, Gold- und Platinsalze geben Niederschläge. Das Oel enthält weder Sauerstoff, noch Stickstoff, es lieferte im Mittel mehrerer Analysen 42,33 pCt. C., 5,55 pCt. H. und 52,15 pCt. S. Der Kohlenstoff verhält sich zum Wasserstoff wie 2:3, Bei der fractionirten Destillation gingen die ersten Tropfen bei 95° über, der Siedepunkt blieb jedoch nicht eonstant. Die ersten Antheile waren gelb gefärbt von weniger unangenehmem Geruch, die späteren wurden immer dunkler und endlich blieb bei 130° eine dunkelbraune, zähflüssige Masse von widerlichstem Geruch in der Retorte zurück. Die srössteu Mengen des Oels gingen zwischen 95° und 100° und 100° und 106° über. Beide Fractionen besassen nahezu dieselbe Zusammensetzung, nur war die höher siedende etwas reicher an Schwefel. Ihre Reactionen fielen mit jenen des Rohöls zusammen, dies galt auch von dem bei der der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 115 Rectification in der Retorte zurückbleibenden Antheil von dunkelbrauner Farbe, dessen Siedepunkt über 107° lag. Alle drei Fraetionen des Oels wurden wiederholt mit metallischem Kalium behandelt, und nun aus allen völlig farblose Destillate von gleicher Zusammensetzung erhalten, deren Siedepunkt bei 99° lag und erst gegen Ende der Destillation langsam auf 103° stieg, p. sp. 0,9125. Der Geruch war weniger widerlich als jener des Rohöls, rein ätherisch und mit dem Geruch der blühenden Pflanze zusammenfallend, während das Laub der Pflanze den unangenehmen Geruch des Rohöls zeigt. Zahlreiche Analysen dieses farblosen Oels lieferten im Mittel 55,74 pCt. C., 7,21 pCt. H. und 36,97 pCt. S., woraus sich als einfachster Ausdruck die Formel C,H,S berechnet, womit die Resultate von drei Dampfdichtebestimmungen . bei 130°, 140° und 160° und zwar die Moleculargewichte 90, 88 und 89 übereinstimmen, während obiger Formel das Moleeulargewicht 86 entspricht. Das ganze Verhalten dieses Körpers, seine Farblosigkeit, sein niedriger Siedepunkt, seine Indifferenz gegen metallisches Kalium gestattet nur die Annahme, dass hier ein Thioäther der Vinylreihe, also das bisher unbe- kannte Vinylsulfid (C,H,), S vorliegt, welches hier zum ersten mal in dem ätherischen Oel einer Pflanze beobachtet wird und in dieser aus der Blüthe abdunstet. | Diese Zusammensetzung findet ihre weitere Bestätigung in den Öxydationsproducten durch Salpetersäure, wobei nur Kohlensäure, Oxal- säure und Schwefelsäure auftreten, ohne Abscheidung von Schwefel und ohne gleichzeitige Bildung von Sulfonsäuren oder Sulfonen, wodurch im letzteren Falle die Anwesenheit von ungesättigten Alkylen signalisirt wird. Die gleichen Oxydationsproducte werden auch durch Kalium- permanganat und Chromsäure erhalten. Durch Behandlung mit Brom wurde ein Bromadditionsproduet mit 6 Atomen Brom als ein farbloses schweres Oel erhalten, welches bei 195° zu sieden anfing, aber nicht unzersetzt flüchtig war. Die Analyse führte zu der Formel (C,H,Br,),$Br,. — Es wurden ferner die Silber- verbindung (C,H,),S2AgNO,, eine Platinverbindung 4C,H,Cl.PtCl, -+ (C,H,),SPtS,, eine Quecksilberverbindung 20,H,C1.HgCl, + (C,H, ), SHgS dargestellt und analysirt. Diesen Körpern entsprechen analoge Allylverbindungen. Durch Einwirkung von feuchtem Silberoxyd würde Vinylaleohol ent- stehen, welches sich aber sofort in den isomeren Acetaldehyd umsetzt, so dass bei dieser Wechselwirkung neben Schwefelsilber, Silberacetat und redueirtes metallisches Silber erhalten wird. Anders gestaltete sich die Einwirkung von völlig trockenem S$ilber- oxyd, wobei eine ätherisch riechende farblose Flüssigkeit erhalten wurde, g* 116 Jahres-Bericht deren Siedepunkt bei 39° Jag und bei welcher zwei Dampfdichtebestim- mungen zu dem Moleeulargewicht 70 und 71 führten. Dem Vinyläther (C,H,),O entspricht aber das Moleculargewicht 70. Zu einer chemischen Analyse reichte die erhaltene Menge des Vinyläthers nicht aus. Bei der Einwirkung des metallischen Kaliums auf die zwischen 95 bis 100° siedenden Antheile des Rohöls wurde gleichzeitig eine geringe Wasserstoffentwickelung constatirt, welche auf die Anwesenheit des Vinylmercaptaus schliessen lässt und ferner ein Körper beobachtet, welcher Silbersalze redueirte und durch schweflige Säure entfärbte Ros- anilinlösungen intensiv violett färbte. Es war daher auch ein Aldehyd vorhanden, dessen Natur bei seiner grossen Flüchtiskeit und geringen Menge nicht festzustellen war. Nur die ersten Tropfen der bei 100° übergehenden Destillate enthalten diesen Körper, während die übrige Menge völlig frei davon ist. Durch die Einwirkung des Kaliums auf das Rohöl entsteht ein Mercaptid und ein Polysulfuret des Kaliums. Die dunkelbraunrothe Masse löst sich mit rubinrother Farbe in Alcohol und in Wasser auf. Die wässerige Lösung schied nach Zusatz von Salzsäure Schwefel aus unter Entwickelung von Schwefelwasserstoff. Aus den vorstehend mitgetheilten Resultaten ergiebt sich, dass das ätherische Oel des Allium ursinum L. zum grössten Theil aus Vinylsulfid, (C,H,),S, besteht und neben diesem Poly- sulfurete des Vinyls, geringe Mengen eines Mercaptans und Aldehyds enthält. 2) Herr Apotheker Thümmel machte schliesslich darauf aufmerk- sam, dass das doppeltkohlensaure Natrium in Folge seiner Darstellung durch den Ammoniak-Sodaprocess jetzt häufig stark ammonhaltig, bis zu 10 p©t. Ammoncarbonat, im Handel vorkomme. Im Anschluss an seine früheren Mittheilungen über die Oxychloride des Quecksilbers empfahl er den Nachweis des Ammoniaks im doppelt kohlensauren Natrium durch Quecksilberchloridlösung und erläuterte die Zusammen- setzung der bei diesem Process entstehenden chemischen Verbindungen. ') !) Die Abhandlung mit den analytischen Daten befindet sich im Archiv der Pharmacie, 1887. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 117 II. Mineralogie, Geologie und Paläontologie. Sitzung am 17. Januar 1886. Herr Geheimrath Professor Dr. Römer berichtete über die Auffindung einer fossilen Flora in Thonen der Kreide-Formation bei Bunzlau. Die Fundstelle ist ein '/, Meile südöstlich von Bunzlau unweit der von Bunzlau nach Looswitz führenden Landstrasse gelegener Thonstich, In demselben sind blauer und grauer Thon, unter demselben rother Sandstein und zu unterst wieder blauer Thon mit einem Einfallen von 25° gegen Südwest aufgeschlossen. Die Pflanzenreste finden sich in einer gegen 70 cm dicken Schicht von blau-grauem, im trockenen Zu- stande weisslich-grauem fetten Thone. Es sind wohlerhaltene Blatt- abdrücke von Dicotyledonen. Dieselben gehören verschiedenen noch näher zu bestimmenden Gattungen an. Am häufigsten sind handförmig zusammengesetzte Blätter, welche in die Verwandtschaft der Gattungen Dewalquea Sap. und Debeya Miquel gehören. Der Thon, in welchem die Blattabdrücke vorkommen, gehört wie überhaupt das Thonlager, aus welchem das Material für das bekannte Bunzlauer Töpfergeschirr ent- nommen wird, dem sogenannten Ueber-Quader, und zwar der obersten Abtheilung dieser senonen Kreidebildung an. Der Vortragende wurde auf dieses Vorkommen zuerst durch einige ihm durch Herrn M. Heiden- hain mitgetheilte Blattabdrücke aufmerksam. Seitdem hat Herr Gym- nasiallehrer Dr. Jonas in Bunzlau, wie dankbar anerkannt wurde, eine grössere Zahl derselben gesammelt und eingesendet und zugleich über die Lagerstätte genauere Angaben mitgetheilt. Derselbe Vortragende legte ein Blatt der Gattung Smilax aus dem diluvialen Kalktuff von Cannstadt bei Stuttgart vor. Das Interesse desselben besteht in dem Umstande, dass die übrigen in diesem Kalktuff vorkommenden Pflanzenreste der Art nach mit den noch heute in Süddeutschland wachsenden Pflanzen übereinstimmen, während die Gattung Smilax in Deutschland nicht vorkommt, sondern erst in den Umgebungen des Mittelmeeres auftritt, wo Smilax aspera, die einzige europäische Art, bei Fiume und Montpellier nach einer ge- fälligen Mittheilung des Herrn Professor Engler die nördliche Grenze ihrer Verbreitung erreicht, 115 Jahres-Bericht Derselbe legte ferner einige Gesteinsstücke von Vivi am Congo vor, nämlich eine. faustgrosse Knauer von Quarz und einige Stücke von Glimmerschiefer. Der Quarz ist mit zollgrossen, papierdünnen Lamellen von lebhaft glänzenden Eisenglanz durchsetzt. Der Glimmerschiefer ist sehr dünn und regelmässig schieferig und von hellgelblicher Färbung. Der Quarzknauer haften noch Theile desselben Glimmerschiefers an und augenscheinlich rührt sie aus diesem her. Durch diese Stücke ist in jedem Falle das Vorkommen von krystallinischen Schiefern des Ur- sebirges bei Vivi erwiesen, Bekanntlich ist bis zu diesem Punkte der Congo von der Mündung aus schiffbar, und erst oberhalb desselben be- sinnen die Stromschnellen und Wasserfälle. Die Stücke sind von dem früher im botanischen Garten der Königlichen Universität in Breslau be- schäftigten und gegenwärtig im Dienste der Internationalen Congo-Gesell- schaft stehenden Herrn Ledien gesammelt und eingesendet und durch die gütige Vermittelung des Herrn Garten - Inspectors B. Stein in das Mineralogische Museum gelangt. Als genauerer Fundort der Stücke ist auf der beigelegten Etiquette Nsanda Sammona bei Vivi angegeben. Derselbe legte endlich zwei für die Kenntniss der Crinoiden wich- tige neue Werke vor; nämlich ,„‚Report on the Crinoidea of the Challenger Expedition by P. H. Carpenter, London 1884“ und „Revision of the Palaeocrinoidea by Ch. Wachsmuth and Frank Springer (Part. III), Phi- ladelphia 1885“ In dem ersteren Werke werden die auf der Expe- dition des Challenger zum Theil aus sehr grossen Meerestiefen erhaltenen gestielten Crinoiden beschrieben und durch vorzügliche Abbildungen er- läutert. Zugleich aber werden in der sehr ausführlichen Einleitung ein- gehende Untersuchungen über die Organisation der Crinoiden überhaupt mitgetheilt, welche auch für das Verständniss der fossilen Crinoiden von srosser Bedeutung sind. Die Schrift von Ch. Wachsmuth und Springer bezieht sich dagegen vorzugsweise auf die Palaeocrinoiden, d. i. die fossilen Crinoiden der paläozoischen Formationen. Auf Beobachtungen an einem äusserst umfangreichen, von den Verfassern namentlich aus dem Kohlenkalke Nordamerikas zusammengebrachten Materiale gestützt, erörtern sie jedoch ebenfalls zunächst den Bau der Crinoiden überhaupt und gehen erst dann zu einer Beschreibung der einzelnen Familien und Gattungen der Palaeocrinoiden über und legen dabei eine neue Ülassi- fieation zu Grunde, welche in jedem Falle einen wichtigen Fortschritt gegen die bisher geltende Anordnung dieser merkwürdigen Thiere be- zeichnet. Herr Professor Dr. Lehmann theilte, anknüpfend an einen in der Section vor einem Jahre gehaltenen Vortrag, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 119 die Ergebnisse seiner weiteren Untersuchungen über die Mikroklin- und Perthit-Structur der Feldspathe mit, Die von Breithaupt aufgestellte und später von Descloizeaux ge- nauer definirte Feldspathvarietät des Mikroklins kann nach der Meinung des Redners nicht als eine ursprüngliche Krystallisationsform des Kali- feldspathes angesehen werden, obwohl dies von den meisten Beobachtern angenommen und zum Theil sehr bestimmt ausgesprochen worden ist, Verfolgt man die Art und Weise, wie der asymmetrische Kalifeldspath oder Mikroklin angeblich mit dem gewöhnlichen monosymmetrischen Kalifeldspath oder Orthoklas verwachsen sein soll, etwas genauer und berücksichtigt dabei nicht blos einzelne aufgewachsene Krystalle, sondern auch gesteinsbildende Krystallgemenge, dann kommt man zu dem Schluss, dass die durch eine gitterartige Zwillingsstructur sich kundgebende Mi- kroklinausbildung als eine secundäre moleculare Umlagerung betrachtet werden muss. Diese Structur stellt sich überall dort ein, wo sich mechanische Einwirkungen erkennen lassen, wie dies zahlreiche Präparate überzeugend nachweisen. Wenn es nun auch gelang, künstlich an asym- metrischen Feldspathen durch starken Druck Zwillingslamellen hervor- zurufen und durch Erwärmung wieder verschwinden zu lassen, so ist die künstliche Nachbildung des Mikroklins aus Orthoklas bisher noch nicht gelungen. Wohl aber darf ein in seiner chemischen Zusammensetzung verwandtes Mineral, der Leucit, zum Vergleich herangezogen werden, welches in ganz analoger Weise eine innere Structur aufweist, welche mit der äusseren regulären Form nicht im Einklang steht, welche jedoch bei starker Erhitzung verschwindet und bei der Abkühlung sich wieder einstellt. Der Leueit krystallisirt in den vesuvischen Laven schon sehr frühzeitig, also bei noch hoher Temperatur aus und zwar regulär, erlitt jedoch in der Folge durch Aenderung der physikalischen Bedingungen, unter denen er gebildet, eine molekulare Umlagerung, welche sich in einer complieirten Zwillingsbildung ausspricht. Ganz ähnlich wandelten sich ein grosser Theil der in der Tiefe unter hohem Druck und erhöhter Temperatur ausgeschiedenen Kalifeldspathe nachträglich in Mikroklin um. Nur in wenigen Vorkommnissen ist dies jedoch vollständig er- reicht. Meist ist die Ausbildung des Orthoklas als Mikroklin mit der Perthit- struetur verknüpft, welche in allen vom Redner untersuchten Fällen auf eine nachträgliche Zerklüftung, Auslaugung und Imprägnation mit Albit zurückzuführen ist. Dass auch hier keine ursprüngliche Wachsthums- erscheinung, sondern eine durch Contraction oder Dilatation entstandene Rissigkeit vorliegt, konnte auch experimental nachgewiesen werden, Er- hitzt man einen durchsichtigen Orthoklas und schreekt ihn in kaltem Wasser, so entstehen ganz entsprechend den Albiteinlagerungen in den 120 Jahres - Bericht perthitartigen Kalifeldspathen Risse in den Richtungen des vertiealen Prismas und der Querfläche. Die Zerklüftung folgt also nicht den Richtungen der vollkommenen Spaltbarkeit beim Orthoklas, welche durch Stoss oder Schlag überaus leicht sichtbar gemacht werden können, son- dern Flächen, welche quer gegen jene gerichtet sind. Obwohl bisher darüber nichts bekannt war, so entspricht dies Verhalten dennoch ganz unseren theoretischen Vorstellungen von der Krystallstructur. Sitzung am 16. Februar 1886. Herr Professor Dr. Lehmann sprach über eine irrthümliche Bestimmung von Kalifeldspathen als Mikroklin. Nach den Arbeiten von Woitschach über das Granitgebirge von Königshain, von Klockmann über die granitischen Gesteine des Riesen- gebirges, von Beutell über die schlesischen Kalinatronfeldspathe und nach den Bestimmungen von Liebisch in dem mineralogischen Museum der Universität Breslau ist der Mikroklin unter den schlesischen Feld- spathen überaus verbreitet, so zwar, dass der Kalifeldspath in der Modi- fication als Orthoklas, soweit es sich um frei in Drusen ausgebildete Krystalle handelt, kaum vorzukommen scheint. Gegen die Richtigkeit dieser Bestimmungen hat Redner bereits Einwand erhoben. Ganz be- sonders zweifelhaft erschien Redner aber diejenige Ausbildungsweise der Feldspathe, welche mit dem gewöhnlichen und sehr charakteristischen Bilde basischer Mikroklinplatten in polarisirtem Licht gar nicht überein- stimmt und nur wegen einer nahezu gleichen Auslöschungsschiefe auf Mikroklin bezogen werde. Die Feldspathe der Hirschberger Gegend und von Striegau sollen aber nach den genannten Autoren lediglich jene ungewöhnliehe Mikroklinausbildung besitzen. De&scloizeaux hat freilich in seiner bahnbrechenden Arbeit über den Mikroklin aus 'dem Jahre 1876 gleichfallls einen Krystall von Schwarzbach bei Hirschberg mit einer solchen abweichenden Ausbildungsweise als Mikroklin beschrieben. Er vergleicht ihn mit Krystallen von Baveno, mit denen er völlig überein- stimme. Letztere zeigen nun jene Ausbildungsweise, welche aus der Arbeit von Beutell bekannt ist, deutlicher; auch Krystalle aus dem Ilmen- gebirge und von Debschütz bei Görlitz sind leichter zu entziffern, während die Feldspathe der Hirschberger Gegend und von Striegau sehr schwierig zu beurtheilen sind, sehr dünne Präparate und starke mikroskopische Vergrösserungen erfordern. Aus dem trüben Mosaik kleinster Körnchen heben sich nur die farblosen und durchsichtigen Albitlamellen bei An- wendung polarisirten Lichtes einigermassen genügend hervor und lassen den Feldspath zunächst in allen Fällen als einen Perthit, d. h. als einen von Albitlamellen durchsetzten Kali-Feldspath erkennen. Zwischen den der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 121 Lamellen !ist es jedoch vielfach gar nicht möglich, eine bestimmte op- tische Orientierung zu beobachten. Dennoch lässt sich für einen grossen Theil der Körnchen eine gleichzeitige Auslöschung constatiren und zwar in zwei Stellungen, die ungefähr 17 bis 18 Grad nach rechts und links von der Symmetrieebene des Orthoklases abweichen. Das stimmt also annähernd mit Mikroklin überein, für welchen jene Auslöschungsschiefe 15 bis 16 Grad beträgt, ist aber doch auffallend gross. Dazwischen bleiben dann noch andere Partien dunkel in den Stellungen, in denen der Orthoklas Dunkelheit zeigen muss. Wie bereits erwähnt, ist alles viel deutlicher an den erstgenannten Vorkommnissen zu beobachten, namentlich die Krystalle von Baveno lassen keinen Zweifel. Spaltet man jene schönen, durch ihre Zwillingsbildungen bekannten Feldspathe, so überraschen die vielen kleinen Höhlungen, von welchen die Krystalle äusserlich nichts zeigen, weil eine dünne Kruste von Albit alle Flächen überzieht.. In den Höhlungen im Innern der Krystalle sitzen gleichfalls zierliche Albitkryställchen und zwar so, dass die verticalen Richtungen beider Feldspathe genau übereinstimmen. Mikroskopische Präparate zeigen nun aber eine noch weiter gehende Imprägnirung des Kalifeldspathes mit Albit (Natronfeldspath), und wieder zeigt sich jenes als Mikroklin gedeutete Mosaik, aber viel deutlicher und schöner. Die Beschreibung, welche Descloizeaux giebt, stimmt vor- trefflich, doch auch er hat die richtige Lösung nicht gefunden. An der äusseren Umgrenzung der Präparate kommen auch die durchschnittenen Albitkrusten zur Beobachtung, und da zeigt es sich dann, dass die Albite in dreierlei Stellungen dort orientirt sind, zunächst so, dass man auf ihre basische Flächen, dann aber auch so, dass man auf ihre Längsflächen blickt, und zwar sind sie im letzteren Falle symmetrisch zur ersten Stellung gruppirt, wie dies an den Albitrinden der nach dem Bavenoer und Manebacher Gesetz verzwillingten Krystallen nicht selten zu beob- achten ist. Da nun der Albit secundär sich auf zerfressenen und geätzten Kalifeldspathen angesiedelt hat und auf Kosten der letzteren parasitisch eindringt, so ist es nicht auffällig, dass er in den drei von dem ur- sprünglich unversehrten Krystall ihm vorgeschriebenen Richtungen zu einem körnigen Gemenge verwächst, welches wohl eine gesetzmässige Örientirung aber nicht die gesetzmässige lamellare Abgrenzung, wie sie allen triklinen Feldspathen mit doppelter Zwillingbildung auf der Basis eigenthümlich ist, besitzt. In diesen Stellungen kommt aber die Aus- löschungsschiefe der Längsfläche des Albits zur Geltung und diese be- trägt beim reinen Albit 19 Grad, wird jedoch schon durch geringe Mengen des gewöhnlich beigemengten Kalksilieats beträchtlich heruntergedrückt, sodass jene auf Mikroklin bezogenen Auslöschungschiefen von 17 Grad zweifellos die Auslöschungsschiefe des Albits auf seiner Längsfläche dar- stellen. Dass jene Partien Albit sind, wird aber dann ganz besonders 122 | Jahres - Bericht augenfällig, wenn die randlichen Krusten auf Dunkel eingestellt werden, weil dann je ein Theil des körnigen Mosaiks im Innern der Krystalle gleichzeitig dunkel wird. Die grosse, mikroskopisch wahrnehmbare Menge der Albits weist nun ebenso wie das Studium jener Vorkommnisse überhaupt darauf hin, dass diese Feldspathe gleichsam Pseudomorphosen von Albit nach Orthoklas sind und das trifft ganz besonders für die trüben Feldspathe von Striegau und vom Hirschberger Thal zu. Es wäre nicht wunderbar, wenn einmal eine Analyse an diesen Feldspathen kein Kali nachwiese. In einer zusammenhängenden und ausführlicheren Dar- stellung der verschiedenen Mikroklin- und Perthitvorkommnisse wird Redner demnächst noeh manche beweisende Einzelheiten mittheilen, Sitzung am 17. März 1886. Herr Dr. Gürich gab zunächst einige vorläufige Mittheilungen über die von ihm aus Westafrika mitgebrachten Gesteine. Auf der zu der Gruppe der Losinseln gehörigen Insel Kassa unter 9', Gr. n. Br. fand der Vortragende ein Gestein anstehend und auf der benachbarten Insel Tumbo in losen Blöcken, das mit dem von der Sierra Monchique in Portugal bekannten Foyait eine überraschende Ueberein- stimmung aufweist. Unter dem Mikroskop konnten mit Sicherheit Eläo- lith, Orthoklas, Plagioklas sowie Pyroxen und Amphibol, zum Theil in regelmässiger Verwachsung mit einander, Magnesiaglimmer, zum Theil ebenfalls mit Amphibol verwachsen, nachgewiesen werden; ein isotropes Mineral wird nach Analogie mit dem typischen Foyait als Sodalith ge- deutet. Eine andere Varietät dieses Gesteins von der Tumboinsel zeigt Eleolith und Feldspath, weniger frisch, Pyroxen in dunkelgrünen Körnern, Aegirin in grösseren radialstrahligen Partien, auch die übrigen erwähnten Mineralien, sowie namentlich viel Titanit. Opake schwarze Eisenerze sind in allen Varietäten vorhanden. Diese demnach zu den Eläolithsyeniten zu zählenden Gesteine bilden horizontale Lager von linsenförmigem Querschnitt in einem rothen porösen tuffartigen Gesteine. Letzteres erweist sich unter dem Mikroskop als ein äusserst feinkörniges Aggregat mit überwiegendem Gehalt von Roth- eisenpartikeln und eingestreuten Quarzkörnern. Dieses Gestein steht auf der 'Tumboinsel nirgends an, bildet aber den Untergrund des drei und mehr Meter mächtigen rothen Lehmbodens der Insel; nur am Gestade ragt es als ein Kranz von Klippen hervor. In diesen ist von der Zer=> setzung des Mineralgemenges fast nur Quarz- und Rotheisenstein übrig geblieben; namentlich bildet das letztere eine feste krystallinische Rinde auf den vielfach zerfressenen und durchlöcherten Strandfelsen. Die hori- zontale Lagerung dieser Eruptivmassen gestattet nicht die Annahme der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 123 eines archäischen Alters derselben, wohl aber dürften sie paläozoisch sein; eine speciellere Altersbestimmung bleibt der weiteren Untersuchung vorbehalten. In Freetown, Sierra Leone, unter 8 Gr. n. Br. fand der Vortragende einen frischen Olivindiabas, in ganz ähnlicher Weise horizontale Lager in rothem porösen Tuffgestein bildend als auf den Losinseln. In der nächsten Nähe von Freetown müssen in Sierra Leone auch krystailinische Schiefer vorhanden sein nach den Proben, die der Vortragende im Besitz des deutschen Consuls Vozen in Freetown sah: Chloritschiefer mit Granaten, Magneteisen in grossen Handstücken, Eisenglimmerschiefer, sowie ferner Flussspath, Bergkrystall, Malachit, Kupferlasur., Von Gran Bassa bei Cap Palmas brachte der Vortragende Hand- stücke mit, die von dem Ballast der Canoes der Eingeborenen herrühren und ohne Zweifel von den Klippen des Strandes herstammen; es ist ein zersetztes Plagioklas-Pyroxengestein, wahrscheinlich Diabas. Die Felsen und Klippen am Strande bei Axim (5 Gr. n. Br., 2'/, Gr. w. von Greenw.) bestehen aus einem grünen Diabas; derselbe stellt ein feinkörniges Aggregat von blaugrüner Hornblende, Augit und Plagioklas dar. Durchsetzt wird das Gestein von schmalen Gängen eines rothen frischeren quarzreicheren Gesteins von sonst sehr ähnlicher Zusammen- setzung. In der nächsten Nähe dieser Gänge zeigt der Hauptdiabas eine fleckige oder streifige hellere Färbung, führt viel mit blossem Auge sichtbaren Pyrit und u. d. M. erkennbare Pyroxenkörner. Schmale parallel verlaufende Quarzgänge durchsetzen das Massengestein wie die Dioritgänge etwa senkrecht zu der Richtung der letzteren. Die Beschaffen- heit des Quarzes in diesen Schnüren ist dieselbe, wie diejenige der Quarzstücke, die uns von den Eingeborenen wegen ihres Goldgehaltes zum Kauf angeboten wurden. Von Accra ab ostwärts ziehen sich die Berge von der Küste mehr ins Innere; das flache Plateau vor denselben, das bei Accra noch die Küste erreicht, wird von Sandsteinen gebildet. Sowohl von diesen, als von den aus den älteren Formationen der Hügelreihe herrührende Dia- basen legte der Vortragende Handstücke vor, Was nun das Nigerdelta anlangt, so besteht hier der äusserste Saum des Continents aus einer Reihe etwas höher gelegener, durch Flussarme getrennter Inseln, während das einige Meilen nach dem Innern sich er- streckende Mangrovegebiet bedeutend flacher ist, so dass man jenen Saum als eine ehemalige Nehrung betrachten kann, welche das vor der Versumpfung und Mangroven-Ansiedelungen vorhandene Haf, oder die ehemaligen Nigerlagunen gegen den Ocean abschloss. Das Alluvialgebiet des Niger reicht bis 6 Gr. n. Br. Dort treten die ersten Hügel an den Fluss. Letztere bestehen aus horizontal gelagerten sehr verschieden- artigen Sandsteinen, die durch 1'/, Breitengraden herrschen. In dem Ge- 124 Jahres - Bericht birgslande, das der Niger von 7° 15° n. Br. bis zur Benuemündung durchfliesst, tritt nur Gneis in den Uferfelsen auf, so auch noch in den Klippen im Niger selbst vor Lokodja. Der Mount Patte, der sich un- mittelbar hinter Lokodja bis zu 1000 Fuss relativer Höhe erhebt, besteht wieder aus Sandstein, feinkörnigem Quarzconglomerat mit Rotheisen- bindemittel und ähnlichen Gesteinen. Diese wurden auch an mehreren Punkten am Benue und namentlich in und um Loko constatirt. Durch die freundliche Vermittelung des Herrn Lehrer Zimmermann in Striegau erhielt der Vortragende auch einige Handstücke eines sehr frischen Biotitgneises von Abbeokeuta nördlich von Lagos die von Herrn Krause in Striegau im vergangenen Jahre mitgebracht worden waren. Derselbe legte sodann einen von ihm gefundenen und gemessenen Apatit-Krystall aus dem Strehlener städtischen Granitbruch vor. Schmale pegmatitische Gänge durchsetzen den Bruch in ungefähr pa- ralleler Richtung; an einzelnen Stellen zeigen sie linsenförmige Erwei- terungen, in der Mitte schmale Drusenräume freilassend. Zusammen- gesetzt sind die Gänge aus grossen Orthoklas- und Quarzindividuen und radialstrahlig angeordneten frischen Kaliglimmerblättern. Sehr häufig finden sich auch Granat- und ein dunkelfarbiger, nicht mehr frischer Glimmer. In den Drusenräumen endigen hier und da ÖOrthoklase und Quarze frei, erstere meist mit Albit überzogen, Auf einem der Quarze fand sich denn der Apatit fest aufgewachsen. Der nur 2 Millimeter grosse Krystall eignete sich wegen des hohen Glanzes seiner Flächen sehr wohl zur Messung; die gefundenen Winkel- werthe weichen nur wenig von den berechneten ab. Constatirt wurden folgende Formen: 3 Hexagondodekaeder 1. Ordn.: 0112 (} P), 0111 (P), 0221 (2 P), 1 Hexagondodekaeder 2. Ordn.: 2111 (2 P 2), 3 Hexagon- : P2 2P4 dodekaeder von Zwischenstellung: 1321 (2); 1432 ( 5 >), ıPp4 1431 (. Das hexagonale Prisma 1. Ordn, und das 2. Ordn., so- 2 wie die gerade Endfläche. Der Habitus des Krystalls wird durch die gleichmässige Ausbildung der beiden Prismen und das Vorherrschen des stumpfen Hexagondodekaeders 4 P und des Hexagondodekaeders 2. Ordn, bedingt. Die gerade Endfläche ist nur sehr wenig ausgebildet. Herr Bergmeister Dr. Kosmann sprach über die Ausbildung und Zusammensetzung von Thonlagern in alluvialen Torfmooren, wie er solche in dem grossen 'Torfmoor von Warmbrunn und Hermsdorf u. Kynast im Riesengebirge im Sommer 1884 beobachtet hat. Unter Hinweis darauf, dass unter Thon möglichst eisen- und kalkfreie Sedi- mente in der chemischen Zusammensetzung des hydratisirten Zweidrittel- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 125 Thonerde-Silieat mit mehr oder weniger Beimengung von Sand und Detritus der Ursprungsmineralien zu verstehen seien, wurde bemerkt, dass derartige Thone in den älteren Formationen, welche an brennbaren Fossilien productiv, die steten Begleiter der Kohlenflötze seien: so in der Steinkohlen- wie in der Braunkohlenformation, dass aber auch in anderen Formationen derartige durch ihre Plastieität ausgezeichnete Thon- lager aufträten. Da die Diluvialformation mit ihren ausgedehnten Lagern an Letten, Ziegelthonen und Mergeln nur Sedimente darbietet, welche stets durch ihren Gehalt an Eisen und Kalkcarbonat sich auszeichnen und durch den Gehalt an letzterem geradezu charakterisirt sind, so war es um so bedeutsamer, in einer alluvialen und recenten Formation, wie sie das bezeichnete Torfmoor darbietet, ganz analoge Bildungen, nämlich sich wiederholende und theils mit Geröllschichten, theils mit Torflagen wechsellagernde Schichten reinen Thons zu beobachten; bemerkenswerth auch in der Hinsicht, dass bisher nicht die Umstände haben festgestellt werden können, wenn dieselben nicht in der Umgebung der älteren und der Abrasion unterlegenen Schichten zu suchen, unter welchen als Unter- lage der Torfmoore sich einmal Lager von Kalkcarbonaten ausbilden, und zum anderen Thonlager. Von ersteren wurde auf die Vorkommen von Hermsdorf und Zossen bei Berlin verwiesen, wo an der Basis der Torfmoore, z. Th. zu Tage liegend, sogenannter Wiesenkalk gefunden wird. Bei Hermsdorf u. Kynast wurden in dem Torfmoor 3 Lager von Thonen beobachtet: 1) Als Unterlage des Torflagers eine 25—30 cm starke, gelblich gefärbte und von Torfresten freie Thonschicht, von den Arbeitern „Lack“ genannt, auf Geröllen aufruhend; 2) unter diesen Ge- röllen, durch ca. 30 cm Gerölllage getrennt, eine 15—20 cm starke Thonschicht von dunklerer Färbung, an deren Oberfläche ein Beginn von Torfbildung sich andeutet, stark von eckigen kleinen Fragmenten des Detritus durchsetzt; 3) 35 cm über der Sohle des Torflagers im Torf eingelagert eine 20—25 cm starke Thonschicht von dunkler Farbe, von Torfresten durchwachsen, aber sandfrei und schneidbar. Es wurden die Analysen der Thone vorgeführt und besprochen, um zu zeigen, wie weit dieselben normalen Thonen naheständen und ihre analogen Glieder im Stein- und Braunkohlen-Gebirge fänden; bemerkenswerth ist in sämmt- lichen Thonen ein Gehalt an Titan. Die Zusammensetzung derselben ist eine unter sich ziemlich angenäherte und stellt sich auf 57—63 pCt. Thonsubstanz, 23—28 pCt. freien Sand und 14—16 pCt. Feldspath, 1,5—4 pCt. organische Substanz. Ferner wurde ein Kalkstein von Gabersdorf in der Grafschaft Glatz (halbwegs zwischen Eckersdorf und Wartha) vorgelegt, welcher durch seine weisse Farbe und krystallinische, marmorartige Beschaffen- heit ausgezeichnet ist. Derselbe gehört den das dortige Devon unter- lagernden silurischen Schichten oder gar den krystallinischen Schiefern 126 Jahres - Bericht an und ist als ein metamorphischer Kalk zu erachten. Bei der Vor- bereitung dieser Substanz für die chemische Analyse überraschte das harte Knirschen in der Achatreibeschale, welches auf die Einmengung von Quarzkörnern schliessen liess. Die Analyse wies 9,83 pCt. unlös- lichen Rückstand nach, und verblieb bei der Auflösung grösserer Bruch- stücke in Säure ein feines weisses Pulver, welches unter dem Mikroskop sich aus lauter Fragmenten von Quarzkrystallen bestehend ergab; nur wenig unversehrte, sehr kleine Krystalle konnten beobachtet werden, ausserdem einige wenige sechsseitig geformte Glimmerblättehen. Das Vorkommen derartiger mikroskopisch ausgebildeter und in solcher Ver- theilung dem Marmorkalk eingebetteter Bergkrystalle ist bisher nirgends beobachtet worden. ] Sitzung vom 12. Mai 1886. 1) Herr Bergmeister Dr. Kosmann wies unter Vorlegung von Stufen sogen. Urkalk-Gesteine auf die für die Beurtheilung der genetischen Beziehungen derselben wichtige Ermittelung des in Säuren unlöslichen Rückstandes derselben hin. Wie in dem früher be- schriebenen Kalkstein (Marmorkalk) von Gabersdorf gegen 10 pCt. fester und krystallisirter Kieselsäure gefunden wurden, so ergab ein Dolomit von gleichfalls weisser Färbung und marmorartigem Ansehen, der aus dem Zuge der Kupferberger Hornblendeschiefer am Sauberge bei Rothen- zechau stammt, einen Rückstand von 6,5 pCt., welcher unter dem Mikros- kop die eigenthümlich gewundenen Formen des helminthartigen Magnesia- silieats erkennen lässt. Die chemische Analyse stimmt hiermit überein und erweist, dass dieser Kalkstein, welcher neben 34 pCt. Kalk 15 pCt. Magnesia enthält, nicht nur dolomisirt, sondern auch die Anfänge einer Ser- pentinisirung eingegangen ist. — Schliesslich wurde eine Beschreibung des an der Goldkoppe bei Freiwaldau errichteten neuen Goldpochwerks ge- seben und die Producte der Aufbereitung, Goldstaub und Schlieche von Eisenkiesen vorgelegt. Letztere werden weiter verwerthet und werden wesentlich zur höheren Ausbeute des Werks beitragen, da sie gleichfalls soldhaltig sind und daneben Molybdän und Wismuth, in Spuren auch Kupfer enthalten. 2) Herr Prof. Dr. Lehmann legte einige aus England stammende Flussspathkrystalle vor, welche in durehfallendem Lichte grün, in auffallendem Lichte blau erschienen. Man hat diese von einigen Flussspathvorkommnissen lange bekannte Erscheinung identi- fieirt mit der Erscheinung, welche beim Uranglas, bei Lösungen von Aesculin, Chlorophyll, schwefelsaurem Chinin u. a. Substanzen zu be- obachten sind, und welche als Fluoreseenz bezeichnet wird. Redner machte die Beobachtung, dass die ‚‚tuoreseirenden‘ Flussspathe stets aus der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 127 verschieden gefärbten Lagen, grünen und violetten, zusammengesetzt sind und zwar meist so, dass dunkelgrüne Krystalle von sehr feinen violetten Lagen durchzogen werden, dass dabei eine innere Reflexion eintritt und die blaue Farbe durch Interferenz der Lichtstrahlen entsteht. Flussspathe ohne solche Lagen zeigen deshalb auch bei intensiv grüner Farbe keine Spur von „Fluorescenz“, Redner legte ferner ein Werk von Prof. Dr. Josef Maria Eder in Wien über Moment-Photographie vor, in welchem auch für wissen- schaftliche Zwecke recht beachtenswerthe Abschnitte enthalten sind. 3) Herr Dr. Gürich legte zwei neue Funde fremdartiger Einschlüsse in oberschlesichen Kohlenflötzen vor. Der eine, durch Dr. Mikolajzak in Tarnowitz erhalten, stammt aus dem Sattelflötz der Florentinegrube bei Beuthen, der andere, den Berg- verwalter Busch aus Königshütte dem Mineralogischen Museum überliess, aus dem Fannyflötz des Karlshoffnungsfeldes bei Laurahütte. Das erstere stellt etwa den fünften Theil eines linsenförmigen Körpers vor, dessen Wölbung auf der einen Seite bedeutend stärker ist als auf der anderen. Der stellenweise ziemlich scharfe Rand tritt, durch flache Furchen beider- seits eingefasst, wulstartig hervor. Der Durchmesser des Körpers mag etwa 30 cm betragen haben; seine Höhe misst 16 em; das Gewicht des Fragments beträgt 4 Kilogr. Das Gestein, aus dem das Stück besteht, ist ein Granulit aus z. Th. grobem Korn; der Feldspath ist ausserordent- lich zersetzt; Kaliglimmer und beträchtliche Mengen von Carbonaten nehmen vielfach den Raum der ehemaligen Krystalle desselben ein. Schüppchen von Magnesiaglimmer sind u. d.M. und Granat mit blossem Auge zu erkennen. Bemerkenswerth ist das Vorhandensein von fast centimetergrossen Graphitschuppen, die in unregelmässigen Schwärmen das Stück durchsetzen und in völlig gleicher Weise im Innern, sowie in der von Kohlensubstanz imprägnirten Rinde des Stückes auftreten, so dass der Graphit als primär anzusehen wäre. Der zweite Körper ist von länglich ovalem Umriss, flach, 25 em lang, 11 em breit und 4 cm dick; sein Gewicht beträgt 1585 gr.- Das Gestein ist ein feinschichtiger, zersetzter Gneis. Der Umstand, dass die Form dieser Körper in ofien- barem Zusammenhange mit der Structur des Gesteins steht, lässt die so nahe liegende Annahme, in den fraglichen Körpern durch mechanische Abrollung geformte Geschiebe zu sehen, sehr wahrscheinlich und die an sich höchst schwierige Deutung dieser Körper als Coneretionen kaum haltbar erscheinen. Uebrigens ist weder Gneis noch ein graphitführender Granulit, wie der obengenannte, aus der nähreren oder ferneren Um- gebung der Fundorte jener Gerölle bekannt. 128 Jahres - Bericht Sitzung am 2. Juni 1886. 1) Herr Professor Dr. Lehmann legte einige bis faustgrosse serundete Quarze vor, welche derselbe dem um die Mineralkunde Schlesiens hochverdienten Herrn Lehrer Zimmermann in Striegau ver- dankt. Die Quarze sollen nach Aussage der Arbeiter im Granit der Fuchsberge bei Striegau im Gestein selbst und nicht in Drusen, wie die bekannten Krystalle von dort, vorkommen. Ein Stück Granit enthält in der That einen ähnlichen gegen 2 cm grossen gerundeten Quarz, der unzweifelhaft eine Ausscheidung des granitischen Magmas ist, während in der Regel die ausgeschiedenen Quarze nicht viel über Erbsengrösse hinausgehen. Dem Redner sind nun zwar aus porphyrischen und namentlich flasrigen granitischen Gesteinen Ausscheidungen von Quarz bis zur Grösse einer Kinderfaust bekannt, welche dann augenartig aus dem Gestein hervortreten, und erscheint danach das Vorkommen noch srösserer Ausscheidungen nicht unmöglich, dennoch dürften in dem vor- liegenden Falle die Quarze Gerölle aus den die Granite überlagernden diluvialen Deckschichten sein, welche beim Steinbruchsbetrieb zwischen die losgesprengten Granitblöcke gerathen sind. Darauf verweist eine ungleiche Durchsichtigkeit der verschiedenen Enden der Quarze, wie eine solche bei ursprünglich aufgewachsenen Krystallen vorkommt. 2) Herr Dr. Gürich berichtete über eine von ihm unter Führung des Herrn Just in der Ziegelei desselben zwischen Beuthen 0/8. und Samuel’s Glückgrube beobachtetes Profil, durch welches eine Er- weiterung der vorhandenen Angaben über die Verbreitung des marinen Miocän in Oberschlesien geboten wird. Unter der Ackerkrume folgt in der genannten Ziegelei diluvialer mit nordischen Geschieben überladener gelber Lehm von geringer Mächtigkeit, darunter zwei Meter mächtiger grünlichgelber Thon mit Mergelknoten, losen Austernschalen und Kalkplatten, 1 Meter grauer merglicher Thon, 14 Meter mächtiger rother Thon mit rosafarbenen Kalkknollen, deren innere kluftartige Höhlungen mit Kalkspathkrystallen überzogen sind; zu unterst liegt ein hellfarbener Thon. Die beiden letzten Thone gehören der Trias an; der hellfarbene entspricht dem blauen Sohlenstein, der rothe dem unteren Dolomit. Die Thone zwischen Diluvium und Trias sind miocänen Alters. Die Kalkplatten enthalten namentlich viel Foraminiferen, Bruchstücke von Pecten u. s. w. Die Austern bilden im Thone zusammenhängende Lagen, förmliche Bänke; aufgefunden wurden Ostrea eochlear Poli und eine der Ostrea digitalina Dubois, wie sie von Hörnes aus dem Wiener Becken beschrieben wird, am nächsten stehende Form. Beide Arten sind im Wiener Miocän sehr verbreitet; die erstere ist von vielen Punkten Öberschlesiens bekannt, die letztere indess noch von keinem Fundort daselbst angegeben. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 129 Derselbe legte sodann Pseudomorphosen von Kalkspath nach Cölestin aus dem unteren Muschelkalk von Gross- Strehlitz vor. Dr. Mikolajzak, dem der Vortragende dieselben verdankt, hatte sie bereits als solche vermuthungsweise angegeben. Durch Messungen mit dem Anlegegoniometer an einer grösseren Anzahl loser Krystalle bis 1 em Grösse ergab sich in der That die grösste Annäherung der Winkelwerthe an die des Cölestin. Die Kanten der Krystalle sind scharf, aber die Flächen concav, so dass die Messungen nur mit an- nähernder Genauigkeit ausgeführt werden konnten. Die Substanz der Pseudomorphosen ist ein feinkörniger Kalkspath. Ein besonderes Interesse knüpft sich an den Fund deswegen, weil einmal Cölestin im ober- schlesischen Muschelkalk noch nicht gefunden worden ist, dann weil Pseudomorphosen von Kalkspath nach Cölestin bisher nicht nachgewiesen zu sein scheinen. Sitzung am 13. October 18836. 1) Herr Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer berichtete über einen bemerkenswerthen massenhaften Fund von Granat-Krystallen auf der Dominsel in Breslau. In den letzten Tagen des Monats September d. J. fanden die Arbeiter bei dem Ausgraben der Fundamente für einen Erweiterungsbau des fürstbischöflichen Klerikalseminars in einer Tiefe von 2 Metern unter der Oberfläche und in geringer, etwa 10 Meter betragender Entfernung von der Oder im losen, aus dunkelgrauem Sande bestehenden Erdreiche einen Haufen knolliger Körper, welche nach Entfernung der anhaftenden sandigen Erde durch ihre regelmässige Gestalt auffielen und dann als- bald als Granat-Krystalle erkannt wurden. Der Vortragende erhielt zu- erst durch einen im Abendblatte der Schlesischen Zeitung vom 2. October enthaltenen Artikel von dem Funde Kenntniss. Die Herren Domcapitular Dr. theol, Lorinser und Professor Dr. theol. Scholz haben ihm zuerst Stücke des Fundes übermittelt. Bei dem Besuche der Fundstelle war diese selbst leider schon unzugänglich und zum Theil schon durch Fundamentmauern des neuen Gebäudes eingenommen, aber ein Theil des die Krystalle enthaltenden ausgehobenen Erdreichs lag noch in der Nähe des Fundpunktes auf demselben Grundstücke aufgeschüttet, und aus dem- selben wurde durch einen Arbeiter in Gegenwart des Vortragenden in kurzer Zeit ein ganzer Eimer voll der Krystalle ausgelesen. Ein grösserer, viele Karrenladungen betragender Theil des die Krystalle enthaltenden Erdreichs war bereits nach Morgenau fortgeschafft, um dort in der Nähe der Restauration „‚Wappenhof‘‘ zur Wegebesserung verwendet zu werden, Auch an dieser letzteren Ablagerungsstelle sind zahlreiche Krystalle aus dem Erdreiche ausgelesen worden. Die Gesammtzahl der durch die 1886. 9 130 Jahres-Bericht Arbeiter, Bauaufseher und andere Personen gesammelten Krystalle be- trägt jedenfalls viele Tausend und ihr Gewicht gegen 10 Centner. Eine vielleicht ebenso grosse Zahl ist in dem aufgeschütteten Erdreiche zurückgeblieben. Die Krystalle sind von ansehnlicher Grösse; wallnuss-, apfel- bis faustgross. Einzelne erreichen einen Durchmesser von 10 em, nur einige kleinere, etwa von Haselnussgrösse, wurden beobachtet. Die gewöhnliche mittlere Grösse ist diejenige einer grossen Wallnuss mit einem Durchmesser von 4 em. Die Krystallform ist ohne Ausnahme das Rhombendodekaäder. Andere Flächen fehlen den gewöhnlichen Krystallen durchaus. Nur bei gewissen, zuweilen in 'Höhlungen der grösseren Krystalle vorkommenden aufgewachsenen und glänzend glatten Krystallen wurden untergeordnet auch die Flächen des gewöhnlichen Ikositetraöders und eines Hexakisokta&ders beobachtet, Die Farbe der Krystalle ist eine schmutzige gelbbraune mit zahlreichen grauen Pünktchen. Im Innern der Krystalle ist die Farbe dunkler und zuweilen schön braun- roth oder blutrot wie die als Schmucksteine geschliffenen Granaten. Die Oberfläche der Krystallflächen ist wenig glänzend und fast matt. Bei näherer Prüfung erkennt man, dass der geringe Lichtreflex durch das Vorhandensein sehr zahlreicher, regelmässiger, flacher, kleiner Ver- tiefungen, welche augenscheinlich durch das Ausfallen eines dieselben früher erfüllenden anderen Minerals entstanden sind, bedingt ist. Zu- weilen sind die Vertiefungen aber auch viel tiefer, grösser und dichter gedrängt. Dann erscheint die Oberfläche der Krystalle ganz rauh und blasig und wie zerfressen. Zuweilen sind die kleineren Vertiefungen der Oberfläche, welche deren Unebenheiten bedingen, noch ausgefüllt. Am häufigsten wird die Ausfüllung durch weissen Kalkspath gebildet; fast ebenso häufig sind es aber auch kleine Körner von grünem Augit. Sehr häufig sind die Krystalle zerbrochen, aber nicht in unregelmässiger Weise, sondern nach ebenen und ziemlich glatten Flächen. Nun sind aber bei dem Granat Blätterdurchgänge von einiger Vollkommenheit durchaus nicht bekannt, und in der That laufen auch jene Bruchflächen gar nicht, wie es bei wirklichen Blätterdurchgängen der Fall sein müsste, bestimmten krystallographischen Flächen parallel, und nur scheinbar ist zuweilen ein Parallelismus mit den Flächen des Rhom- bondodeka&@ders oder auch des Würfels und Okta@ders vorhanden, Die Spaltung der Krystalle ist also nur eine Art Zerklüftung. Durch welche Einwirkung die Spaltung geschehen, ist nicht ersichtlich. Freilich er- folgt sie sehr leicht und schon durch einen geringen Schlag mit dem Hammer lässt sie sich hervorbringen. Bei der Betrachtung des ganzen Fundes drängen sich die Fragen auf, wie kam diese enorm grosse Zahl von Kırystallen in dichter Zu- sammenhäufung an den bezeichneten Fundort, woher stammen sie, und in welches Gestein waren sie ursprünglich eingeschlossen? Nur die der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 131 letzte dieser Fragen lässt sich mit Sicherheit beantworten. Das Mutter- gestein der Krystalle war ein grobkörnig krystallinischer, weisser Kalk- stein. An zahlreichen Krystallen haften nämlich noch Theile eines solchen Kalksteins, und nicht selten dringt der Kalk auch tief in den Körper der Krystalle ein. Zuweilen findet man auch Krystalle, welche vollständig von dem Kalkstein umschlossen werden. Ein anderes Ge- stein wurde dagegen niemals mit den Krystallen verwachsen gefunden. Bekanntlich ist nun das Vorkommen von Granat in krystallinischem Kalkstein eine in vielen Punkten nachgewiesene Erscheinung. Sie zeigt sich namentlich an solchen Stellen, an welchen ein Contact von Granit- oder Syenitgängen mit Kalklagern des Urgebirges stattfindet. Nament- lieh sind auf der skandinavischen Halbinsel zahlreiche solche Punkte bekannt. Gewöhnlich wird dort der Granat von verschiedenen anderen Mineralien, wie namentlich von Vesuvian, Hornblende, Augit, Wollastonit, Epidot und Spinell begleitet. Von diesen letzteren Mineralien hat sich nun freilich in dem den Granaten unseres Fundes anhaftenden Kalke nur wenig nachweisen lassen. Ausser ganz kleinen gerundeten, grünen Körnern von Augit, welche in Menge in das Gestein eingestreut sind, liess sich mit Sicherheit kaum etwas anderes bestimmen. Wollastonit und Vesuvian in kleinen, seltenen Partien liessen sich nur mit Wahr- scheinlichkeit als solche bestimmen. Viel schwieriger ist die Beant- wortung der beiden anderen Fragen: Woher stammen die Krystalle und wie kamen sie an ihre gegenwärtige Fundstelle? Als die ersten mit Schmutz bedeckten Krystalle auf einem Terrain, das in unmittel- barer Nähe der Fundstelle für die Herstellung alter Festungswerke früher augenscheinlich mehrfach durchwühlt und bis in ansehnliche Tiefe mit Trümmern alter Baumaterialien erfüllt war, gefunden wurden, da hätte man glauben mögen, dass dieselben unter Mitwirkung menschlicher Thätigkeit an diese Stelle gelangt seien, als aber tausend und aber tausend solcher Stücke zum Vorschein kamen und unter diesen grossen- theils solche, welche wegen ihrer Unregelmässigkeit und Unscheinbar- keit niemals einem Sammler oder Liebhaber hätten reizen können, sie aufzunehmen, da liess sich jene Vermuthung nicht festhalten, und man musste an eine lediglich durch natürliche Kräfte bewirkte Art des Transports denken. Durch die Oder können die Krystalle nicht herbei- geführt sein, denn dieser Fluss führt in der Gegend von Breslau bei der hier schon beträchtlichen Entfernung von dem Gebirge und bei dem schwachen Gefälle kein grobes Gerölle, sondern nur Sand und ganz feinen Kies. Ist aber der Transport durch die Oder ausgeschlossen, dann bleibt nur die Möglichkeit, dass die Krystalle auf Eis wie die über die ganze norddeutsche Ebene zerstreuten erratischen Blöcke oder Findlinge auf Eis während der Diluvialzeit in ihre gegenwärtige Fund- stelle gelangten, Freilich wurden nicht die einzelnen losen Krystalle, g* 132 Jahres-Bericht wie sie jetzt gefunden wurden, herbeigeführt, dann wäre es unerklärlich, dass sie alle in dichter Zusammenhäufung an einem eng begrenzten Fundpunkte zusammenliegend vorkamen, sondern sämmtlich eingeschlossen in einen grossen Kalkblock, der dann im Laufe der Jahrhunderte sich zersetzte und auflöste, so dass die Granatkıystalle frei wurden. Ohne Schwierigkeit ist freilich auch diese Erklärung nicht. Zunächst erscheint schon die ungeheuere Zahl der Krystalle als Inhalt eines einzigen Kalk- blocks für die Vorstellung schwierig. Derselbe muss selbst bei dichter Zusammendrängung der Krystalle einen sehr bedeutenden Umfang gehabt haben. Andererseits ist die etwaige Annahme, dass mehrere solcher Blöcke dort vorhanden gewesen, kaum zulässig, denn es wäre ein glück- licher Zufall, wenn von dem jedenfalls äusserst seltenen granatführenden Gesteine mehrere Stücke genau an dieselbe Stelle geführt worden wären. Auch der Umstand, dass ein granatführendes Gestein von ganz gleichem Verhalten weder anstehend in den nordischen Ländern, noch auch unter den Diluvial-Geschieben der norddeutschen Ebene gekannt ist, könnte als unvereinbar mit der Annahme des nordischen Ursprungs gelten. Dennoch wird man die letztere vorläufig als die allein mögliche Erklärung gelten lassen müssen. In jedem Falle ist der Fund selbst als eine einzig in ihrer Art dastehende und in mehrfacher Beziehung merkwürdige Er- scheinung anzusehen. Herr Dr. Kosmann fügte dem Vortrage einige eigene, den Fund betreffende Beobachtungen hinzu und legte einen Granatkrystall vor, aus welchem er eine Zwillingsverwachsung nach dem Spinellgesetze zu er- kennen glaubt. 2) Herr Dr. Gürich legte eine Platte mit Exemplaren von Encrinus gracilis aus dem Gogoliner Muschelkalk vor; zwei andere Platten von gleicher Beschaffenheit hatte der Vor- tragende gleichzeitig in demselben Bruche gefunden. Stiele und über hundert Kronen liegen auf demselben wirr durcheinander. Eine andere Platte mit nur einem, aber grösseren Exemplar fand sich in einem anderen Gogoliner Bruch. Von früheren Funden liegen im mineralogischen Museum zwei Platten mit wenigen Exemplaren von Krappitz und ein vollständiges Exemplar von Sielce, Russ.-Polen, letzteres gefunden von Herrn Director L. Mauve, vor, Ein Vergleich mit diesem ergiebt, dass sämmtliche Exemplare im Bau eine völlige Uebereinstimmung zeigen; die Grösse schwankt; das kleinste Exemplar ist kaum halb so gross als das stärkste; es lassen sich also auch verschiedene Altersstufen vergleichen. Alle zeigen die bekannten Eigenschaften: den nach der Krone zu all- mählich schärfer fünfseitig werdenden Stiel, die konische Form des Kelches und die Einzeiligkeit der Arme, die niemals scharf abgesetzte Seitenflächen haben, wie Enerinus liliiformis sie aufweist. Die einzelnen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 133 Glieder der Arme stossen durchweg, auch bei den jüngsten Exemplaren, mit horizontalen Begrenzungsflächen aneinander; durchweg sind die Arme auf ihrer Rückseite im unteren Theil gerundet, nach oben zu spitzbogig im Querschnitt; die Arme liegen fast ausschliesslich auf der Seite, und es scheint, als ob die Glieder paarweise durch Nähte mit einander ver- bunden, die einzelnen Paare durch Gelenkflächen von einander getrennt wären, Die Pinnulae sind nur an den Gelenkflächen inserirt; jedes Täfelchen trägt aber nur einerseits eine Pinnula; daraus ergiebt sich, dass die aufeinanderfolgenden Armglieder paarweise auf der einen Seite eine festere Verbindung (Naht), auf der anderen eine losere (Gelenk) aufweisen müssen, was sich auch an blossgelegten Armen beobachten lässt. Wachsmuth und Springer nehmen in ihrer Revision of the Palaeo- erinoidea für den oberschlesischeu, von Dr. Kunisch 1883 abgebildeten Enerinus die Gattung Dadocrinus wieder auf, ohne die massgebenden Gegengründe Beyrichs zu berücksichtigen, und nennen die Art Dado- erinus Kunischi. Zum Vergleich liegt die Abbildung des Enerinus gra- eilis von Recoaro in Beyrich’s Crinoiden des Muschelkalkes vor; sollte die bei diesem Exemplar ersichtliche abwechselnde seitliche Verschmä- lerung der Armglieder sich als constante Eigenthümlichkeit erweisen, so würde Enerinus Kunischi W. & Sp. vom Encerinus gracilis L. v. B. als besondere Art abzutrennen sein und das äusserste Glied jener Reihe von Muschelkalkerinoiden sein, deren anderes Ende E. liliiformis darstellt; E. graeilis wäre dann das der oberschlesischen Form zunächst benach- barte Glied. 3) Herr Dr. Kunisch sprach über das Vorkommen von Chromeisenstein in dem Serpentin der Grochauer Berge, südwestlich von Frankenstein. Nicht selten findet sich der Chromit im dortigen Serpentin einge- sprengt und an den Abhängen des Grochberges und des Hartekammes in der Ackererde in losen derben Massen. Glocker theilte in seinen „Beiträgen zur mineralogischen Kenntniss der Sudetenländer‘‘ 1327 mit, dass der Chromeisenstein am Harteberge anstehend entdeckt worden sei und zwar in einem 3 Fuss mächtigen Gange. Die Notiz steht in der Literatur ganz vereinzelt da. Trotz zahlreicher, besonders in der jüngsten Zeit intensiv betriebener Schürfungen ist derber Chromit anstehend nicht mehr gefunden worden. Nichtsdestoweniger kann das gangartige Vor- kommen des CUhromeisensteins nicht bezweifelt werden, wenn die äussere Erscheinungsweise der losen Stücke in Betracht gezogen wird. Fast durchweg besitzen dieselben eine theilweise ebenflächige Begrenzung. Meist sind zwei ziemlich parallele Flächen vorherrschend in der Grösse, Auf ihnen findet man häufig in den kleinen Vertiefungen Spuren grün- licher Substanzen (Chromoxydhydrat und chromhaltige Silikate), von 134 Jahres - Bericht Kalk und Serpentin. Diese Umstände rechtfertigen die Vermuthung, dass diese Flächen den Saalbändern eines Ganges entsprechen. Sehr deutlich konnte das demonstrirt werden an einem 5,35 kg schweren Stücke, dem grössten bis jetzt von Grochau bekannt gewordenen Stücke, welches der Vortragende der Güte des Herrn Barth, des Procuristen der durch ihren ausgedehnten Magnesitverschleiss bekannten Firma Bruck in Franken- stein, verdankt. Sitzung am 17. November 1836. 1) Herr Bergmeister Dr. Kosmann sprach über Gletschereinwirkungen im Riesengebirge und in den Sudeten resp. deren Vorbergen. Er bezeichnete als die Punkte, welchen als Beweisobjecten seine Beobachtungen entnommen waren, 1) die Talkschieferbrüche zu Crummen- dorf und den Quarzschieferbruch zu Schönbrunn südlich von Strehlen, 2) den Hippel’schen Marmorbruch zu Gross-Kunzendorf bei Neisse und 3) die Sandgrube südlich des gräfl. Schlosses zu Hermsdorf u. Kynast. An dem erstgenannten Punkte hat die Erweiterung des Steinbruchs mit ihren Abdeckarbeiten zu einem Einschnitt und einer Blosslegung der überlagernden Schichten des Tagegebirges geführt, welche an den Schichtenköpfen des Talkschiefers eine Umbiegung und starke Knickung in der Richtung der Abdachung der Oberfläche wahrnehmen lässt. Die Ursache einer solchen Veränderung in der Lagerung lässt sich nur durch die mechanische Druckwirkung eines herabgehenden Gletschers erklären, zumal die einzelnen Schichtenbänke durch die stattgefundene Abrasion am Ausgehenden scharf abgeschnitten und von einem feinen scharf- körnigen Sande, dem Zerreibungsproduet der auflagernden Gletscher- massen, bedeckt erscheinen. Bei Schönbrunn hat in den oberen Partien der Quarzschiefer gleichfalls eine schiebende Bewegung stattgefunden, welche zur Zertrüämmerung der Quarzschiefer geführt hat. Die daselbst in dem Quarzschiefer gangförmig auftretenden Quarzkrystalle wurden zerdrückt, sind aber später durch die Absätze einer, wie anzunehmen, vorübergehend ausbrechenden geyserartigen Quelle umhüllt und verkittet worden. Die Natur dieser Absätze als Eisenoxydul-Kalksilicat und reiner Kieselsinter und die pseudomorphen Abdrücke derselben auf ehemalige Krystalle von Braunspath, welche den Quarzkrystallen aufsassen, wurden näher besprochen und auf das Vorkommen kleinster freier Quarzkrystalle im Gletschersande als Neubildung in der Grösse von 5—8 Hundertstel Millimeter hingewiesen. Bei Gross-Kunzendorf hat die weitere Aufdecke des nördlichsten der daselbst belegenen Marmorbrüche ein mächtiges System feiner, aber durcheinander geworfener Thonschichten entblösst, unter denselben aber der Schles. Gesellschaft für vateri. Cultur. 135 eine 10 m mächtige Schicht zersetzten Granits, welche auf dem Wege zur völligen Caolinisirung begriffen ist. Da diese Schicht von Granitgrus der mangelnden Fortsetzung wegen unter den Thonschichten als insulare Bildung erscheint und dem darunter folgenden Marmorkalkstein glatt auf- gelagert ist, so ist dieselbe als eine grössere Scholle zu erachten, welche an diese Stelle wohl kaum durch eine andere Thätigkeit als die eines Gletschers herangeschafft sein kann. Es wurde eine Parallele dieser Lagerungserscheinung mit dem Vorkommen von Rohkaolin gezogen, welches unter diluvialer Bedeckung in der grossen Grube bei Saarau von der ©. Kulmiz’schen Chamottefabrik aufgeschlossen ist und ausge- beutet wird. Die gleichmässig beobachteten Thatsachen in der Lagerung des Granits, welcher am südlichen Ausgange von Hermsdorf u. Kynast den Zacken auf dem linken Ufer begleitete, nämlich die Zersetzung desselben, die Abscheerung der Schichtenköpfe, die deutlich in der nahebei liegen- den Sandgrube wahrzunehmende Umbiegung der Schichten unter den überlagernden Diluvialschichten, welche nur eckige Geschiebe des in der Nähe oberhalb anstehenden Gebirges enthalten, sind ebenso viele Gründe, zur Erklärung dieser geologischen Vorgänge nur die zeitweilige Auf- lagerung von Gletschern heranzuziehen. Auf die Bemerkung des Herrn Geh. Rath Professor Dr. Römer, dass für eine locale Vergletscherung des Riesengebirges es in demselben an dem erforderlichen Raume für die Ausdehnung der Firnfelder mangele, erwiderte der Vortragende, dass nichts der Annahme widerspräche, dass diese Vergletscherung in eine der Vereisungsperioden der norddeutschen Tiefebene falle, dass aber jedenfalls diese Gletscher in der Richtung vom Kamme des Riesengebirges bezw. der Sudeten nach der Ebene hin herabgegangen sein müssen, und dass dieselben aus den Sudeten bis über die Vorberge bei Strehlen hinabreichend gedacht werden müssten. 2) Herr Dr. H. Kunisch sprach unter Vorlegung von Bohrproben und Profilen über den geologischen Befund der jüngsten Bohrlöcher von Breslau und Umgegend, welche sämmtlich zum Zweck der Förderung unterirdischen Wassers niedergebracht wurden: 1) Das zweite Bohrloch bei der Zuckerfabrik der Gebr. Schöller in Rosenthal erreichte eine Tiefe von 82,5 m und stimmt in seiner Schichtenfolge mit dem von Dr. Gürich (62. Jahresber, d. Schles. Ges., 1884, Seite 234 ff.) beschriebenen ersten Bohrloche im Wesentlichen überein. Die obere Grenze des Tertiärs wurde schon bei 24,5 m beobachtet. — 2) Das Bohrloch in Haase’s Brauerei an der linken Seite der Chaussee nach Rothkretscham wurde bis auf 146 m niedergebracht. Das Alluvium reicht bis 9,5 m, das Diluvium, bestehend 136 Jahres-Bericht aus braunem, magerem, geschiebereichem Thon bis 44 m, Das darauf folgende Tertiärgebirge setzt sich zumeist aus grauen und blauen, Braun- kohle führenden Thonen und Mergeln zusammen, welche nach der Tiefe hin immer heller werden und vielfach von Sand (z. Th. wasserführend) durchsetzt sind. Gelbe, rothgeflammte Thone standen zwischen 85 und 93 m an. — 3) Das Bohrloch auf dem Terrain des demnächst zu er- bauenden Elisabetiner-Klosters auf der Gräbschnerstrasse jenseits des Eisenbahndammes. Unter den alluvialen Kies-, Sand- und Lehmablage- rungen von 0—12 (?) m lagert der diluviale magere braune Thon mit zahlreichen nordischen Geschieben bis zu einer Tiefe von 48 m. Die tertiären Schichten, welche bis zu einer Tiefe von 124 m durchteuft wurden, bestehen meist aus bläulichgrauen, theilweise gelb oder roth- braun geschmitzten Thonen und Mergeln, welche zahlreiche, zum Theil wasserreiche Sandablagerungen enthalten. Braunkohle wurde vielfach, aber nicht in Lagen grösserer Mächtigkeit angetroffen. — 4) Das Bohr- loch bei der Gebr. Schöller’schen Zuckerfabrik in Gross-Mochbern ist 120 m tief und steht vollständig im Tertiärgebirge. Letzteres besteht von 0—52 m aus wechselnden Lagen bunter, meist röthlich geflammter Thone und Mergel von verschiedener Mächtigkeit. Dann folgen bläulich- grauer Sand (52—60 m) und brauner (durch Braunkohle gefärbter) Sand (60—65 m), welcher allmählich übergeht in gelblichweissen Sand mit thonigen und gypsigen Zwischenlagen (65—120 m). Einzelne Sand- schichten mit mässigem Wassergehalt. Braunkohle hauptsächlich zwischen 45 und 65 m. — 5) Das Bohrloch bei der Gebr. Schöller’schen Zucker- fabrik in Klettendorf erlangte eine Tiefe von 89,5 m und scheint in seiner Schichtenfolge mit dem Bohrloch von Gross-Mochbern ziemlich überein- zustimmen. Das Tertiär beginnt bei 2 m unter Terrain. Leider ist bei keinem der beschriebenen Bohrlöcher das Liegende des Tertiärs erreicht worden. Somit ist die Kenntniss des Untergrundes von Breslau nach der Tiefe hin nicht wesentlich erweitert worden. Da- gegen ist man nunmehr in der Lage, ein Bild von dem Relief des Tertiärgebirges unter Breslau zu entwerfen: Bei der genaueren Beob- achtung der Bohrungen auf den Grundstücken Berlinerstrasse 51 (62. Jahresber. 1884, Seite 253), Langegasse 29/35, Seminargasse 3 (63. Jahresber., Seite 151) und am neuen Elisabetiner-Kloster auf der Gräbschnerstrasse hat sich ergeben, dass das Tertiär unter der Stadt Breslau bei einer Tiefe von ungefähr 45 m beginnt. Das Bohrloch in Haase’s Brauerei an der Öhlauer Chaussee beweist, dass das Tertiär- gebirge sein Niveau in der Richtung nach SO. beibehält. Das Bohrloch bei der Brauerei Oderschlösschen, in welchem das Tertiär in der Tiefe von 36 m angetroffen wurde (62. Jahresber. 1884, $. 235) und das Bohr- loch in Rosenthal, wo das Tertiär bei ungefähr 25 m beginnt, zeigen, dass das Tertiärgebirge gegen NO. und N. nicht unwesentlich ansteigt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 137 Die Tiefbohrungen von Klettendorf und Gross-Mochbern endlich liefern den Beweis, dass dasselbe sich nach SW. und W. zu wesentlich erhebt. Dass letzteres ungefähr 5 km westlich von der Stadt zu Tage liegt, er- giebt sich auch bei der Betrachtung zweier Thongruben, von denen die eine 10 Minuten westlich von Gross-Mochbern liegst und der Firma Gebr. Schöller angehört, während die andere sich südlich von Neukirch befindet und Eigenthum der Breslauer Baubank ist. Aus dem Voran- gehenden erhellt also, dass das Tertiärgebirge unter Breslau eine Mulde zu bilden scheint, deren Längsaxe von SO. nach NW. gerichtet ist. Für Grosscapitalisten, Localpatrioten und Freunde der Wissenschaft möchte ich schliesslich bemerken, dass sich mit einer Summe von un- gefähr 30 000 Mark das Liegende des Tertiärs vermuthlich erreichen liesse! | Herr Dr, Gürich berichtete über den Boruschowitzer Mergelschiefer, einen neuen, bisher nicht aufgeschlossen gewesenen Horizont des ober- schlesischen Muschelkalkes, der von Dr. Mikolajezak in den Versuchs- schächten bei Boruschowitz, ca. 10 km nordnordwestlich von Tarnowitz, beobachtet wurde. Auf den Rybnaer Kalk von dem gewöhnlichen Aus- sehen folgt eine 5—8 m mächtige Schicht grauen Mergelschiefers mit 8—30 cm starken Einlagerungen eines dunkel-bläulich-grauen, namentlich im Ausgehenden mit gelber Farbe verwitternden merglichen Dolomits. Dar- über folgen die gewöhnlichen grauen oder röthlichen Letten der Letten- kohlengruppe mit undeutlichen Pflanzenresten. Schwarze Zinkblende, die in sehr geringen Körnern eingesprengt im Mergelschiefer vorkommt, ist Veranlassung zu jenen Versuchsschächten gewesen. Von organischen Resten führt der Mergelschiefer und namentlich der Dolomit zahlreiche Fischschuppen und vereinzelte Saurierknochen. Ausser undeutlichen Zweischalern wurde ein kleines Exemplar von Myophoria vulgaris beob- achtet. Bemerkenswerth ist das häufige Vorkommen kleiner Krebse im Mergelschiefer. Auf einem Handstücke liegen etwa 5 dieser Thierchen von 3 em Länge übereinander. Die Erhaltung derselben lässt viel zu wünschen übrig. Der Cephalothorax ist stets verdrückt, lässt aber eine feine, gleichmässige, über die ganze Fläche verbreitete Granulation so- wie eine allgemeine Aehnlichkeit mit den bisher aus dem oberschlesischen Muschelkalk bekannten Macruren: Pemphyx, Lithogaster, Lissocardia erkennen. Von den 7 Segmenten des Abdomens sind die beiden ersten kurz und schmal, und zwar das erste noch mehr als das zweite; das dritte übertrifft die vorhergehenden ohne Uebergang beträchtlich an Länge und Breite. Die weiteren Segmente scheinen etwas kleiner als das dritte zu sein, sind aber untereinander gleich, Die Endflosse scheint aus 5 Blättern zu bestehen. Obwohl somit eine neue Form vorzuliegen 138 Jahres - Bericht scheint, so muss doch wegen der undeutlichen Erhaltung der Reste von einem näheren Eingehen auf den Gegenstand abgesehen werden. Am wichtigsten ist das Vorkommen von Ceratites nodusus im Mergelschiefer. Durch das Vorkommen von Ceratites nodosus ist die unzweifelhafte Zu- gehörigkeit der Schichten zum oberen Muschelkalk, und zwar als oberstes Niveau, erwiesen. Leider sind jene Versuchsschächte seither verfallen und selbst die Halden fortgeschafft, so dass eine weitere paläontologische Ausbeutung jenes Fundortes nicht mehr möglich ist. Sitzung am 15. December 1886. 1) Herr Geheimer Bergrath Professor Dr. Römer gab einen Nach- trag zu seiner früheren Mittheilung über den merkwürdigen Granatenfund auf der Dominsel. Zunächst legte er ein 14 Pfund schweres Stück von graulich-weissem krystallinischen Kalkstein vor, welches eine grössere Zahl von Granat- krystallen ganz derselben Art, wie diejenigen, welche lose auf der Dom- insel gefunden wurden, einschliesst. An diesem Stücke ist die ursprüng- liche Art des Vorkommens der losen Krystalle deutlich erkennbar. Nach der Art, wie vielen der losen Krystalle geringe Theile desselben Kalk- steins, und niemals Theile eines anderen Gesteins anhaften, konnte es freilich auch vor der Auffindung dieses grösseren Stückes nicht zweifel- haft sein, dass die losen Krystalle in solchen Kalkstein eingewachsen gewesen. Die wenig feste Beschaffenheit des Kalksteins, der zufolge von dem grossen Blocke leicht kleinere Stücke abbröckeln, macht es sehr erklärlich, dass die meisten Krystalle bei ihrer viel grösseren Härte sich völlig frei aus dem Kalksteine ausgelöst gefunden haben. Es wurde ferner von dem Vortragenden die vermeintliche Erklärung des Granatenfundes auf der Dominsel, derzufolge die Granaten von dem Gotteshausberge bei Friedeberg herrühren und während der Regierung des Fürstbischofs Cardinal von Diepenbrock, also in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts, an diesen nach Breslau geschiekt und dann nach geschehener Auswahl von einigen Stücken fortgeschüttet seien, als durch- aus unzulässig widerlegt. Die angebliche Erklärung stützt sich auf brief- liche Mittheilungen des Herrn Forstmeister A. Müller in Friedeberg, denen zufolge in der genannten Zeit eine Wagenladung solcher an einer gewissen Stelle des Gotteshausberges gefundenen Granaten nach Breslau geschickt worden wären. Bei näherer Nachforschung hat sich nun aber diese Angabe als irrig erwiesen. Die durch die fürstbischöfliche Ver- waltung veranlasste Untersuchung hat ergeben, dass die Absendung einer solehen Wagenladung von Granatkrystallen von Friedeberg nach Breslau in der genannten Zeit niemals stattgefunden hat. Auf näheres Befragen hat auch Herr Forstmeister Müller in einem dem Vortragenden vorliegenden der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 139 späteren Schreiben erklärt, dass ihm die Absendung jener Wagenladung nicht aus eigener Wahrnehmung, sondern nur durch Mittheilung Anderer bekannt sei. Zugleich giebt er an, dass, nachdem ihm inzwischen die losen Krystalle von der Dominsel bekannt geworden, er versichern könne, dass am Gotteshausberge seines Wissens niemals ähnliche ringsum frei ausgebildete Krystalle vorgekommen seien. Erwägt man nun ausser- dem, dass, wenn solche schön ausgebildete grosse Granatkrystalle in so grosser Zahl in jener Zeit nach Breslau gekommen wären, dieses un- möglicb den damaligen Gelehrten Breslaus, wie namentlich dem auf der Dominsel selbst lebenden Geheimrath Professor Dr. Göppert, hätte un- bekannt bleiben können, und dass es ebenso unglaublich ist, dass ge- bildete Männer so merkwürdige Naturkörper, ohne irgend welche der- selben für wissenschaftliche Zwecke zurückzubehalten, in den Kehricht- haufen geworfen haben sollten, so fällt, von anderen entgegenstehenden Umständen abgesehen, jene vermeintliche Erklärung in sich zusammen. Wir lassen im Anschluss daran schon jetzt die Bemerkungen folgen, durch welche Herr Dr. Kunisch in der Sitzung am 12. Januar 1837 den vorstehenden Vortrag ergänzte, indem er schliesslich noch einmal zum „Granatenfund im Breslauer Alumnatsgarten‘“ das Wort nahm und eine bezügliche Mittheilung, welche der Oberlehrer Dr. Em. Glatzel in den hiesigen Zeitungen am 10. und 11. Januar veröffentlicht hat, kritisirte. Diese Mittheilung, welche beweisen will, dass die Granaten der Dominsel aus Friedeberg in Oesterreich-Schlesien stammen und zur Zeit des Cardinals Diepenbrock (1845—1853) nach Breslau gebracht worden seien, stützt sich im Wesentlichen auf zwei Punkte: 1) auf eine Notiz in dem „Mineralogischen Lexikon für das Kaiserthum Oesterreich von Zepharovich‘“ und 2) auf die von Glatzel und von dem Fürstbischöflichen Cameral- direetor Linner mit dem Fürstbischöflichen Forstmeister A. Müller zu Friedeberg geführte Correspondenz. Bezüglich des ersten Punktes ist zu bemerken, dass Herr von Zepharovich selbst, nachdem ihm Granaten von der Dominsel zugesandt waren, in einem dem Vortragenden vor- liegenden Schreiben erklärt, dass ihm kein auch nur annähernd ähnliches Vorkommen von Granat-Krystallen bekannt sei. Thatsächlich ist ferner festgestellt worden, dass in auswärtigen Universitätssammlungen, nament- lich im Hof-Mineraliencabinet zu Wien, kein loser Granatkrystall auf- bewahrt wird, welcher von Friedeberg stammt und den Dominselgranaten in der ganzen Erscheinungsweise an die Seite gestellt werden könnte. Was den zweiten Punkt anlangt, so mögen hier einzelne Stellen aus einem Briefe des Herrn Forstmeister Müller vom 2. December vor. Js. Platz finden. „Ob die Granaten auf der Dominsel dieselben sind oder nicht, kann ich nicht bestimmen; jedenfalls sehen die auf der Dominsel anders aus.‘ „Ich selbst besitze keine losen Granaten vom Gotteshaus- berge, glaube auch nicht, dass solche vorkommen.“ ,,Uebrigens bitte 140 Jahres-Bericht ich... . zu sagen, dass in hiesiger Gegend, und zwar in Petersdorf, eine Wegestunde westlicher Richtung vom Gotteshausberge einzelne Granaten und zwar 1 bis 1‘), Zoll im Durchmesser aufgefunden wurden und mir von einem Besitzer dortselbst, der sie ausgeackert hat, zum Geschenk gemacht wurden.“ Die inzwischen erfolgte Besichtigung der Petersdorfer Granaten ergiebt aber, dass dieselben einen ganz anderen Habitus aufweisen und, wie aus den anhängenden Gesteinsresten ersicht- lich ist, aus krystallinischem Schiefer stammen, also bei der vorliegenden Frage gar nicht in Betracht kommen. — „Dass welche (nämlich Granaten) nach Johannisberg oder Breslau geschafft wurden, ist gewiss und die mündliche Ueberlieferung von einem Mitgliede des Gemeindevorstandes genau!“ „,Die Bezeichnung ‚eine Wagenladung‘“ Granaten an Cardinal Diepenbrock war nur diesertwegen angenommen, weil in den Breslauer Zeitungen immer von eirca 20 Centnern die Rede war.“ ‚Wenn wir das erwähnte Mitglied des Friedeberger Gemeindevor- standes als einzigen Gewährsmann ohne Weiteres für glaubwürdig er- achten, so dürfen wir allenfalls als erwiesen annehmen, dass einst an Diepenbrock einige Friedeberger Granaten geschickt worden sind. Ob sie nach Breslau oder Johannisberg gesandt wurden, steht nicht fest. Dass von einer Wagenladung nicht mehr die Rede sein kann, braucht nicht besonders betont zu werden. Dass die Friedeberger Granaten mit den auf der Dominsel gefundenen nicht identisch sind, ist nachgewiesen. Somit ist das Irrige der Glatzel’schen Ansicht dargethan. 2) Herr Dr. von Chrustschoff sprach über künstliche Darstellung des Quarzes und Tridymits. Schon 1870 war es ihm gelungen, Kieselsäure künstlich zur Krystallisation zu bringen, indem er eine wässerige Kieselsäurelösung in zugeschmolzenen Glasröhren oder hermetisch verschliessbaren Gussstahleylindern einer Temperatur von 200—400° C. aussetzte. Bei 250° C. bildete sich die hexagonale, bei 300—400°C, die trikline Kieselsäuremodification. Diese Versuche wurden nun in der letzten Zeit mit wahrhaft glänzendem Er- folg wiederholt, denn sie ergaben 1 mm grosse, um und um ausgebildete Quarzkrystalle, während zur deutlichen Erkennung der früher gewonnenen Producte eine 300fache Vergrösserung erforderlich war. Diese Krystalle besitzen durchaus die Form und sonstigen Eigenschaften des auf Gang- stollen vorkommenden Bergkrystalls. Zwar ist Quarz von französischen Forschern mehrmals schon künstlich nachgebildet worden, die hierzu angewandten Methoden jedoch lassen sich nur wenig mit den in der Natur stattfindenden Vorgängen vereinbaren; die Agentien hingegen, die Herr v. Chrustschoff funetioniren liess, können nicht nur, sondern haben oft im Haushalt der Natur bei Bildung des Quarzes mitgewirkt. — Ebenso lassen sich die von des Pariser Sehule benutzten Methoden zur der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 141 Reproduction des Tridymits mit den natürlichen Processen nie im Prineip identificiren. Da nun dieses Mineral häufig in Laven und in durch Laven veränderten (gefritteten), ursprünglich quarzreichen Gesteinseinschlüssen vorkommt, so lag der Gedanke sehr nahe, zur künstlichen Nachbildung derselben diejenigen Umstände, die in der Natur bei dessen Entstehung mitgewirkt haben möchten, künstlich zusammentreten und funetioniren zu lassen. Daher wurden quarzreiche Gesteine während längerer Zeit der Einwirkung von geschmolzenen Basalten resp. Melaphyren überlassen; war nun die Dauer des Einwirkungsprocesses eine genügende, so zeigte sich sämmtlicher Quarz in Tridymit umgesetzt. U,d.M. erscheint dieser Tridymit in Form von dünnen, über- und nebeneinander liegenden, rund- lichen, oft auch sechseckigen Täfelchen (Fischschuppen vergleichbar) ganz ähnlich, wie man ihn in der Natur anzutreffen pflegt. Das geo- logische Moment, welches aus diesen Synthesen abzuleiten ist, besteht wesentlich darin, dass Tridymit seine Entstehung in der Natur in vielen Fällen dem Zusammenwirken analoger Umstände verdanken kann. 3) Herr Dr. Gürich legte im Anschluss an seine Mittheilungen vom 12. Mai d. J. einige weitere fremdartige Einschlüsse von geröllartiger Form aus Steinkohlenflötzen von Oberschlesien vor. In der Zwischenzeit hatte auch Professor Weiss in Berlin eine Publication über denselben Gegenstand veröffentlicht, in welcher derselbe sich ebenfalls entschieden gegen die Stur’sche Erklärung dieser Körper als Concretionen wendet. Zugleich nimmt er die alte Hypothese von Philllips wieder auf, wonach die Gerölle von schwimmenden Bäumen getragen an ihre jetzige Lagerstätte gelangt wären. Einen Fingerzeig für die Auffindung der Herkunft der Körper glaubt Weiss in der Ver- breitung der Fundorte zu sehen; Ostrau, Czernitz, Königshütte lägen in einer geraden Linie, diese sei die Transportrichtung der schwimmenden Bäume und wiese in ihrer Verlängerung nach SW. nach der vermuth- lichen Heimath der Gerölle, nach der Gegend von Brünn. Indess scheint dem Vortragenden jene gerade Linie nur zufällig zu resultiren. Nur in den Punkten dieser Linie treten die liegenden Flötze, die eben jene Gerölle enthalten, an die Oberfläche und werden daselbst abgebaut. Punkte ausserhalb der Linie sind nicht bekannt, also ist diese ganze Annahme nicht controlirbar. Stur und auch Weiss haben eine Liste jener bisher gefundenen Gerölle aufgestellt, die 23 Nummern, darunter 15 oberschlesische, aufweist; unter letzteren werden 4 als Gneis, 5 als Granulit, und zwar 1 als Graphitgranulit und 1 als Gneisgranulit, ferner 1 als Quarzporphyr, 1 als Granitporphyr und 1 als „breceienartiges granitisches Gestein‘ bezeichnet, 142 Jahres - Bericht Das vom Vortragenden am 12. Mai der Section vorgelegte, als Gneis bezeichnete Gerölle würde Nr. 16 der schlesischen Vorkommnisse sein. Neuere Funde liegen vier vor. Nr. 17, 18 und 19 stammen aus dem Sattelflötz der Florentinegrube. Der Vortragende verdankt sie der freundlichen Vermittelung des Herrn Dr. Mikolajezak aus Tarnowitz. Nr. 17 ist von der sehr gewölbt linsenförmigen Gestalt mit glatter Kohlenrinde umhüllt und vom Rande aus mit kohliger Imprägnation in- filtrirt. Das Gewicht beträgt fast 2 kg. Das Gestein ist ein gewöhn- licher feinkörniger Granulit. Der Feldspath ist völlig kaolinisirt, die Granaten vielfach von einem maschigen Gewebe einer trüben Substanz oder von Schwefeleisen durchsetzt. Die Quarzkörner sind meist von gradlinigen Schnüren kleiner Bläschen durchschwärmt. Mit Säuren be- tupft, braust das Gestein. Nr. 18 ist von ähnlicher Form und vielleicht '/, mal so schwer ge- wesen. Das Gestein ist ein mittelkörniger dunkelfarbiger Glimmer- Granulit mit vereinzelten, aber grösseren Granaten und massenhaften Glimmerschuppen, die unter dem Mikroskop mit brauner Farbe durch- sichtig sind und deutlichen Pleochroismus zeigen. Unzersetzter Feld- spath ist nicht mehr vorhanden. Nr. 19 ist eine sehr dunkelfarbige, feinkörnige, quarzige Grauwacke mit primären Kohleneinschlüssen, also entweder aus dem älteren Kohlen- gebirge oder dem Culm stammend. Unter dem Mikroskop erkennt man, dass die feinen, meist eckigen Quarzkörnchen in einem spärlichen braunen Bindemittel eingebettet sind. Der braune Glimmer ist vielfach aufge- blättert, geknickt u. s. w. und bereits zersetzt. Nr. 20 hat der Vortragende auf der Halde des Idaschachtes bei Klein-Dombrowka aufgelesen. Es ist ein zollgrosses, sehr zersetztes Gneisfragment im Kohlenschiefer eingeschlossen. Ausser diesen legte der Vortragende einige Fragmente aus einer Suite vor, deren Haupttheil sich in der Geologischen Landesanstalt in Berlin befindet, die aber der Vortragende in Oberschlesien hatte in Augen- schein nehmen können. Eine nähere Beschreibung derselben behält sich Professor Weiss vor, daher folgen hier nur einige Andeutungen. Ausser ellipsoidischen und linsenförmigen Körpern befinden sich unter der Suite auch solche von flach scheibenförmiger und einer von schildkrötenförmiger Gestalt. Bemerkenswerth ist, dass nach dem Fundbericht zwei dieser Gerölle neben einander nicht horizontal mit der Schichtung der Kohle, sondern vertical zu derselben gestellt waren; sie waren also, als die Kohle noch eine weiche Masse war, von oben in dieselbe eingesunken. Von den dem Breslauer Museum mitgetheilten Fragmenten sind zwei der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 143 Granulit von der bekannten Eigenschaft; ein Körper von Scheibenform besteht aus einer Breeeie von sogenannter fossiler Holzkohle in einem dichten kohligen Bindemittel mit reichlichem Gehalt an Eisencarbonat. Ringsherum, namentlich auf den beiden flachen Seiten, ist der Körper von structurloser Kohle umhüllt.e. Um diesen Körper in der That als ein Gerölle ansehen zu können, wird man wohl weitere Funde abwarten müssen. Es müsste dann die Kohle des Gerölles bereits verfestigt ge- wesen sein, als die Kohle des Flötzes eine weiche Masse war. Einer der Körper war von birnförmiger Gestalt und besteht aus gleichmässig feinkörnigem Sandstein, hat keine Kohlenrinde und stammt nach dem Fundbericht aus dem Kies des Hangenden, gehört also gar nicht zu den in Rede stehenden Körpern. Einige andere, die ebenfalls der Kohlen- rinde entbehren und aus dunkelfarbigem Kohlensandstein bestehen, müssen vor der Hand als verdächtig bezeichnet werden, Es besteht also bis jetzt nur das oben unter Nr. 19 aufgeführte Geröll aus sedi- mentärem Gestein. 4) Herr Geheimrath Professor Dr. Römer ergriff das Wort zu nachstehendem Nachruf: Am 25. November ds. Js. starb in Breslau Dr. Martin Websky, Professor der Mineralogie an der Universität, Königl. Geh. Bergrath, Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin. Die Schlesische Gesellschaft hat besonderen Anlass, das Andenken dieses um die Wissen- schaft hoch verdienten ausgezeichneten Mannes zu ehren. Er war ein geborener Schlesier, er hat während einer langen Reihe von Jahren in Schlesien gewirkt und viele seiner wissenschaftlichen Arbeiten beziehen sich auf schlesische Lokalitäten oder in Schlesien vorkommende Mineral- körper. Als Sohn des Rittergutsbesitzers Commerzienrath Websky in Wüste- giersdorf am 17. Juli 1824 geboren, besuchte er später das Friedrich- Wilhelm-Gymnasium in Berlin und von diesem im Jahre 1843 mit dem Zeugniss der Reife entlassen, wählte er das Bergfach als Lebensberuf. Nach Absolvirung des vorschriftsmässigen, für die Erlernung der prac- tischen Arbeiten bestimmten Lehrjahres in Ober- und Nieder-Schlesien bezog er die Universität Berlin und setzte später seine Studien in Bonn und auf der Bergakademie in Freiberg fort. Durch die Vorträge und zum Theil durch den persönlichen Umgang von Weiss, G. Rose, Rammelsberg, Breithaupt, Scherer, Plattner und Weissbach wurde seine schon im Knabenalter hervorgetretene Neigung für Mineralogie weiter genährt und zu leidenschaftlicher Hingebung ausgebildet. Nach Ablegung des Bergreferendariats-Examens wurde er im Jahre 1851 zum Ober- einfahrer bei der Königl. Bergamtscommission in Kupferberg ernannt; 144 Jahres-Bericht 1833 bis 1861 bekleidete er die Stelle eines Bergmeisters bei dem Berg- amte in Tarnowitz. Als dann im Jahre 1861 die Bergämter aufgehoben wurden, kam er als Oberbergrath an das Oberbergamt nach Breslau und verblieb in dieser Stellung bis zum Jahre 1865. In diesem Jahre trat unerwartet ein glücklicher Wendepunkt in seinem Leben ein. Eine gegen seinen Wunsch erfolgte Versetzung nach Dortmund bestimmte ihn, die bergmännische Carriere ganz aufzugeben und sich der akademischen Laufbahn zu widmen, nachdem er aus dem Kreise der hiesigen Professoren eine Aufforderung dazu und die Zusicherung möglichster Unterstützung erhalten hatte. Nun war er frei und konnte sich unbehindert seinem Lieblingsstudium widmen, welches er bis dahin nur neben seinen amt- lichen Verpflichtungen, aber doch schon mit grossem wissenschaftlichen Erfolge hatte betreiben können. Schon im Jahre 1865 erfolgte seine Habilitirung als Privatdocent an der hiesigen Universität, nachdem ihm die philosophische Fakultät durch Verleihung des Doctorgrades honoris causa die Möglichkeit dazu gegeben. Im Jahre 1868 wurde er zum ausserordentlichen Professor ernannt und nachdem er in beiden Stellungen 9 Jahre an unserer Universität gewirkt hatte, erhielt er die Berufung als ordentlicher Professor an der Universität Berlin. In Breslau hat er sich ausser seinen Vorlesungen namentlich durch die Neuordnung der Mineralien-Sammlung der Universität und deren ebenso geschmackvolle wie zweckmässige Aufstellung in den 1866 bezogenen neuen Räumen ein bleibendes Verdienst erworben. Mit anerkennenswerther Liberalität hat er auch seine, nur lehrreiche und ausgewählte Exemplare enthaltende, höchst werthvolle Privat-Sammlung von Mineralien unserem Museum als Geschenk übergeben. In Berlin, auf dem angesehensten Lehrstuhle der Mineralogie, den vor ihm Chr. Sam. Weiss und Gust. Rose eingenommen hatten, und als Vorstand der umfangreichsten deutschen Sammlung konnte sich Websky’s wissenschaftliche Thätigkeit nun erst fruchtbringend entfalten. Zahl- reiche wissenschaftliche Arbeiten von ihm entstanden hier in rascher Aufeinanderfolge. Seine Hauptleistung ist aber die Neuordnung der Berliner Mineralien-Sammlung. Erst durch ihn sind die wissenschaft- lichen Schätze dieser durch hundertjährigen Sammelfleiss unter Auf- wendung grosser Geldmittel zusammengebrachten grossen nationalen Sammlung wirklich nutzbar geworden. Es ist in hohem Grade bedauer- lich, dass Websky dieses sein Werk nicht auch durch Aufstellung der Sammlung in dem in der nächsten Zeit zu beziehenden neuen Gebäude auf der Invalidenstrasse hat krönen können, denn Niemand wird diese Arbeit mit gleicher Sachkenntniss und gleichem Geschmack ausführen, wie er es gethan haben würde. Das am Ende dieses Nachrufes abgedruckte Verzeichniss von Websky’s Schriften ist ein glänzender Beweis seiner ununterbrochenen der Schles. Gesellschart für vaterl. Cultur. 145 literarischen Thätigkeit. Die meisten derselben beziehen sich auf einzelne Mineralkörper und namentlieh auf deren krystallographische Eigenschaften. In allen seinen Arbeiten zeigt sich die peinlichste Sorgfalt und die srösste Feinheit der mit den vollkommensten, zum Theil von ihm selbst erfundenen Instrumenten ausgeführten Beobachtung. Gerade dieschwierigsten krystallographischen Aufgaben zogen ihn vorzugsweise an. Die Aus- führung so zahlreicher, gewissenhafter Arbeiten war nur bei grosser natürlicher Begabung und völliger Hingabe an die Wissenschaft mög- lich. Die letztere war in der That so gross, dass ihm für andere Be- schäftigungen und für die Genüsse des Lebens nur eine sehr beschränkte Zeit übrig blieb. Websky war eine echte, deutsche Gelehrtennatur, die nicht nach äusserer Anerkennung strebte, sondern in dem Dienste der Wissenschaft ihre volle Befriedigung fand und deren in sich gekehrte liebenswürdige Persönlichkeit durch die anspruchloseste Bescheidenheit noch besonderen Reiz erhielt. Ein ehrenvolles dankbares Andenken ist ihm für alle Zeit bei uns gesichert. Verzeichniss von Websky’s Arbeiten und kürzeren Öriginalmittheilungen. 1850. Mangan-Idokras von St. Marcell in Piemont (Poggend. Annalen LXXIX. 166). 1851. Erzlagerstätten bei Kupferberg und Edelsteine auf der Iserwiese (2. d.D.6.G. — B. — II. 12). 1853. Die Erzlagerstätten von Kupferberg und Rudelstadt (Z. G. G. — A. — V. 373). 1857. Die Bildung der Galmeilagerstätten in Oherschlesien (Z. G. G. — P. — X. 7). — Ueber einige Krystallformen des Cölestins bei Rybnik (2. G.G. — A. — RX. 303). — Ueber das Vorkommen des Phlogopit bei Hirschberg (Z. G.G. — A. — IX. 310). — Ueber Krystallform des Tarnowitzits (Z.G. G. — A. — IX. 737). 1858. Ueber die Krystallstruetur des Serpentins und einiger demselben zuzurechnender Fossilien (2. G. G. — A. — X. 277). ? noch in Tarnowitz. Ueber einige quantitative Bestimmungen mit Hilfe des Löthrohrs. 1859. Ueber Uranophan (Z. G. G. — A. — XI. 384). 1863. Ueber die von Scachi aufgestellte Polyedrie der Krystallflächen (41. ‚Jahresber. d. Schles. Ges. p. 26—28). — Ueber die Streifung der Säulenflächen des Adular (Z. G. G. — A. — XV. 677). 1886. 10 1865. 1866. 1867. 1868. Jahres - Bericht . Ueber Diallag, Hypersthen und Anorthit im Galbro von Neurode in Schlesien (Z. G. G. — A. — XVi. 530). Die Erscheinungen an durchsichtigen Mineralien im polarisirten Licht und das darauf gebaute Mineralsystem von Des Cloiseaux (42. Jahresber. d. Schles. Ges. 23). Ueber Quarzkrystalle von Striegau in Schlesien (Z. G. 6. — A. — XVII. 348). Das Vorkommen von krystallisirten Varietäten von Orthokas, Albit und Quarz im Granit von Striegau (43, Jahresber. d. Schles. Ges. 41). Ueber Titaneisen, Fergusonit, Monazit, Gadolinit im Riesengebirge (2. G. 6. — B. — XVI. 566). Das Auffinden einiger seltenen Mineralgattungen in den Feld- spathbrüchen von Schreiberhau (43. Jahresbericht d. Schles. Ge- sellschaft. 39). Silbererze von Kupferberg in Schlesien (2. G. G. — B. — XVII. 654). Eine sehr auffällige Krystallform des Granats (44. Jahresber. d. Schles. Ges. 41). Ueber das Vorkommen des Xanthokons, eines höchst seltenen Silbererzes zu Rudelstadt in Schlesien (44. Jahresber. d. Schles. Ges. 41). Silbererze von Kupferberg in Schlesien (2. G.G. — B. — XIX. 449), Die verschiedenen Mineralien, welche sich als kleine Geschiebe im Goidsande von Goldberg finden (45. Jahresber. d. Schles. Ges. 26). Ueber die Krystallform des Kryoliths (Neues Jahrbuch. 1867. p. 822). Ueber einen Beobachtungsapparat zur Ausführung goniometrischer Messungen an unvollkommenen Krystallen oder sehr kleinen Flächen (Poggend. Ann. B CXXXM). Ueber Sarkopsid und Kochelit, zwei neue Minerale aus Schlesien (2. G. 6. — A. — XX. 245). Epistillit von Finkenhübel bei Glatz (Z. 6. G. — B. — XX. 644). Ueber die Relation der Winkel zwischen 4 Krystallflächen in einer Zone und die der Winkel zwischen 4 Kanten in einer Fläche (Monatsber. der Kgl. Akad. der Wiss. 17. Januar). Ueber Isomorphie und chemische Constitution von Lievrit, Humit und Chondrodit (Monatsber. der Königl. Akad. der Wissensch. 16. März). 1869. 1872. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 147 Deformitäten an Quarzkrystallen (47. Jahresber. d. Schles. Ges. 41). Ueber Epistilbit und die mit ihm vorkommenden Zeolithe aus dem Mandelstein von Finkenhübel bei Glatz (Schlesien). Z. G. ©. — A. — XXI. 100. Ueber Epiboulangerit, ein neues Eız (Z. G. G. — A. — XXI. 747). Ueber wasserhellen Granat von Jordansmühl in Schl. (Z. 6. G. — A. — XXI. 753). Ueber die chemische Constitution des Uranophans (Z. G. G. — A. — XXIII 92). Ueber die Erzführung der Kupferberg-Rudelstädter Erzlagerstätten BGG. — pP — AK, 2641, Die regelmässige Verwachsung von Krystallen verschiedener Arten (48. Jahresber. d. Schles. Ges. 40). Einige neue Vorkommen von Mineralien aus der Gegend von Striegau und Görlitz (48. Jahresber. d. Schles. Ges. 41). . Ueber stumpfe Rhomboeder und Hemiskalenoeder an den Krystallen des Quarzes von Striegau in Schl. N. J. 1871. 732, 785, 897. Ueber Julianit, ein neues Erz (Z. G. G. — A. — XXIII. 486). Vorkommen eines eigenthümlichen, in Tetraederform krystallisirten Fahlerzes im Zechstein bei Cassel (49. Jahresbericht d. Schles. Ges. 32). Die Auffindung mikroskopischer Diamanten in den metamorpho- sirten Schiefern der Schischimski’schen Berge, Bergdistriet Slatonsk am Ural, durch Prof. v. Jeremejeff (50. Jahresber. d. Schles. Ges. 42). Ein Exemplar von Malachit von der Grube Joseph zu Birk bei Plauen und das auf der Grube Pucherzeche bei Schneeberg auf- gefundene Mineral Pucherit (50. Jahresber. d. Schles. Ges. 43). Ueber die Krystallform des Pucherit von Schneeberg (Tscherm., Min. Mitth. IV. Heft. 246, | Ueber das Vorkommen von Kalkspath in den Drusenräumen des Granits von Striegau in Schlesien (Tsch., Min. Mitth., I. H. 64). Ueber Axinit von Striegau in Schlesien (Tsscherm., Min. Mitth., I. H. 4). . Der Strigovit von Striegau in Schlesien (Z. @. G. — A. — XXV. 388). Ueber Grochauit und Magnochromit (Z. G@. G@. — A. — XXV. 395). Ueber Allophit von Langenbielau in Schlesien (Z. G. G. — A. — XXV,. 399). Ueber die jetzt käuflichen mikroskopischen Präparate von Gebirgs- arten und über Rutil bei Neurode (51. Jahresbericht der Schles. Ges. 34). 10* 148 1873. 1877, 1878. 1879, Jahres - Bericht Eine durch Grösse und eigenthümliche Beschaffenheit ausgezeichnete Stufe von gediegenem Kupfer; über Ardennit und interessante Mi- neralien von Wester-Egeln bei Magdeburg (51. Jahresber. d. Schl. Ges. 35). . Ueber einige bemerkenswerthe Vorkommen des Quarzes (N. J. p. 113). Antrittsrede in der Kgl. Akademie der Wissenschaften. Ueber einen Capdiamanten (Z. @. G. — P. — XXVII. 419), Ueber Phlogopit und über Granat, Kalkspath und Apophyllit von Striegau (2. G. G. — P. — XXVII. 419). Ueber Beryll von Eidsveld in Norwegen (Tscherm., Min. Mitth., IE EB. 117) | Ueber: Brögger und vom Rath: über grosse Enstatitkrystalle Kjörrestad, im Kirchspiele Bamle, südliches Norwegen (Monatsber. der Kgl. Akad. der Wissensch. 26. October). Ueber Antimonglanz von Heinrichshain bei Punnau in Böhmen (Z. G. G. — P. — XXIX. 425). Ueber Hornquecksilber von El Doctor in Mexico (Monatsber. der Kgl. Akad. d. Wissensch. 19. Juli). Ueber die zufälligen Färbungen, welche die verschiedenen Gat- tungen der Mineralgruppe der Zeolithe zeigen (Sitz.-Ber. d. Ges. naturf. Freunde zu Berlin. 15. Mai). Ueber Samarkit, Garnierit, Kremerit, Kjerulfin und Bunsenit (Z. G. G. — P. — XXX. 221). Ueber Einschlüsse im Granit von Striegau (Z. G. G. — P. — XXX. 370). Ueber Orthoklas von Striegau (Z. G. G. — P. — XXX. 370 u. 685). Ueber einen Quarzkrystall von Schiessbergen bei Striegau (Z. G. G. — P. — XXX. 374). Ueber die Mineralien von Gleinitz bei Jordansmühl in Schlesien (2. G. 6. — P. — XXX. 535). | Ueber die Lichtreflexe schmaler Krystallflächen (Sitz.-Ber. der Kgl. Akad. der Wiss. 18. II. u. 15. VII). Ueber die Wahl der Projectionsaxen in einer Normalen-Projection für triklinische Krystalle (Monatsber. der Kgl. Akad. der Wiss. 13. II. p. 124). Ueber Krystallberechnung im triklinischen System (ibid. 3. IV. p. 339). Ueber Aphrosiderit von Striegau (Z. &. G. — P. — XXXI. 211). Ueber Eisenkies von Ordubad am Araxes in Russisch - Armenien (2. G. G. —- P. — XXXI. 222). 1880, 1881. der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 149 Ueber Gaylussit von Gehren in Thüringen (Z. G. G. — P. — XXXII. 443). Ueber Schwefel von Wilhelmsbad bei Kokoschütz in Oberschlesien (Z. G. @. — P. — XXXI. 650). Ueber die Berechnung der Elemente einer monoklinischen Krystall- gattung (Monatsber. d. Kgl. pr. Akad. d. Wiss. zu Berlin. 1. III. 1880. p. 239). Ueber die Krystallform des Descloizit (Monatsber. der Kgl. pr. Akad. 22. VII. 1880. p. 672. Ueber die Krystallform des Vanadinits von Cordoba (Monatsber. der Kgl. Akad. der Wiss. 18. X. 1880. p. 799). Ueber Einrichtung und Gebrauch der von R. Fuess in Berlin nach dem System Babinet gebauten Reflexionsgonimeter (Modell II.) (Groths, Zeitschr. f. Krystallogr. IV, 6. 545). Hornsilber des St. Georg-Schachtes bei Schneeberg (Z. G. G. — P. — XXXII. 703). Biographisches über Stenon (Z. 6. 6. — P. — XXXII. 705). Ueber die Ableitung des krystallographischen Transformations- symbols (Monatsber. d. Kgl. Akad. 10, II. 1881. p. 152). Ueber die Interpretation der empirischen Octaid-Symbole auf Rationalität (Monatsber. d. Akad, 7. VII, 1881. p. 751). Ueber das Vorkommen des Phenakit in der Schweiz (N. Jahrb. 1882. I. 207). Der Bergbau von Kupferberg und Rudelstadt (46. Jahresber. der Schles, Ges. 30). Die Mineralspecies nach den für das speeifische Gewicht derselben angenommenen und gefundenen Werthe. Breslau. Ueber ein zirkonähnliches Mineral von Gräben bei Striegau (Z. G. 6. — P. — XXXIV. p. 814). Ueber einen von Herrn Burmeister der Akademie übersandten Meteoriten. Sitz.-Ber. d. Kgl. Akad. der Wiss. zu Berlin. 1882. I. 335 —396. Ueber eine Methode, den Normalenbogen, um welchen eine Krystall- fläche von einer ihr sehr naheliegenden Zone ahsteht, und ihre krystallographische Lage zu bestimmen (8itz.-Ber, d, Kgl. pr. Akad, d. Wiss. 9. XI. 1882. 967). Ueber Jeremejewit und Eichwaldit vom Berge Soktuj in Daurien (Sitz.-Ber. d. Kgl. pr. Akad. d. Wiss, 14. VI. 1883. p. 671). Ueber die Ein- und Mehrdeutigkeit der Fundamental-Bogen-Com- plexe für die Elemente monoklinischer Krystall-Gattungen (Sitz.- Ber. d. Kgl. pr. Akad. d. Wiss. zu Berlin. 17. IV. 1883. p. 371). 1887. Jahres - Bericht Ueber Idunium, ein neues Element (Sitz.-Ber. d. Math.-Phys. Klasse d. Kgl. pr. Akad. d. Wiss. zu Berlin. 19. VI. 1884. 662). Ueber Flussspath von Striegau (Z. G. G. XXXVI — P. — 188). Opal von Queretaro (Z. G. G. XXXVI — P. — 409). Ueber Idunium, ein neues Element (Z. G. G. XXXVI. — P. — 666). . Pseudomorphose von Bleiglanz und Eisenkies nach Fahlerz von Peru (Z. 6. 6. XXXVI. — P. — 556). ‚ Ueber Construction flacher Zonenbögen beim Gebrauch der stereo- graphischen Kngelprojection (Sitz.-Ber. d. Kgl. pr. Akad. d. Wiss. z. Berlin. 14. I. 1886. p. 5). ; Ueber Caracolit und Pereylit (Sitz.-Ber. d. Kgl. Akad. d. Wiss. 25. XI. 1886. p. 1045 ff.). Anwendung der Linearprojection zum Berechnen der Krystalle. (Ili. Bd. von Gust. Rose, Elemente der Krystallographie.) der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 151 EN; Bericht über die Thätigkeit der botanischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1886, erstattet von Professor Dr. Ferdinand Cohn, zeitigem Secretair der Section. Die botanische Section hat im Jahre 1886 zehn Sitzungen ge- halten. In der ersten Sitzung vom 14. Januar berichtete Herr Professor Engler über seine Untersuchungen der den weissen oder todten Grund in der Kieler Bucht bildenden Spaltpilze und legte mikroskopische Präparate der charakteristischen Formen Beg- giatoa mirabilis, Phragmidiothrie multiseptata, Cladomyces Moebiusii vor. (Vergleiche die Abhandlung über den todten Grund im 4. Bericht der Commission zur wissenschaftlichen Untersuchung der deutschen Meere in Kiel 18771881. llI, Abtheilung. Berlin 1884.) Hierauf besprach Professor Engler die pelagischen Diatomaceen der Ostsee, über welche er im I. Bande der Berichte der Deutschen botanischen Gesellschaft vom 20. August 1883 bereits referirt hat. Insbesondere schildert er die in der Östsee gefundenen Arten von Chaetoceros und weist darauf hin, dass die in denselben vorkommenden Sporen nicht mit den Auxosporen anderer Bacillariaceen identisch, sondern vielmehr als Ruhesporen anzusehen sind. (Vgl. Botan, Centralbl. Bd. XVII. 1884, p- 329.) Professor Cohn erinnerte daran, dass er im Jahresberichte der Schlesischen Gesellschaft von 1857 das Vorkommen von Chaetoceros, 152 Jahres-Bericht auch mit Sporen, sowie von anderen pelagischen Diatomaceen (Amphiprora alata, Bacillaria paradoxa, Pleurosigma angulatum, ? Surirella Gemma, Cera- toneis Closterium u. a.) in einem salzhaltigen Bache bei Sondershausen, im Schlamme an Ruppia maritima haftend, nachgewiesen habe. Derselbe theilt mit, dass er zur Beobachtung von Seealgen ein Seeaquarium aus Glas- und Schieferplatten von F. und G. Weber in Hamburg bezogen habe, wobei das Berliner Aquarium, sowie die zoolo- gische Station zu Triest mit grösster Liberalität ihn durch Sendungen von Meeresalgen unterstützten. Einige der interessanteren Meeresalgen aus der Adria, insbesondere Arten von Ceramium, Callithamnion, Nito- phyllum, Cystosira, Cladostephus, Halyseris, Codium, Bryopsis u. a. wurden lebend demonstrirt. | Ulva Lactuca pflanzte sich durch seine Schwärmsporen fort, welche sich massenhaft an die dem Fenster zugewendete Seite des Glasgefässes anhefteten und zu zahllosen Pflanzen auskeimten. Dasycladus clavaeformis überwinterte im Aquarium in prächtiger Vegetation; Acetabularia medi- terranea fructifieirte und erwies sich als perennirend, indem die sterilen borstenförmigen Fäden, welche Quirle verzweigter Haarbüschel an der Spitze tragen, sich den ganzen Winter hindurch lebend erhielten. Sehr mannigfaltig ist auch die mikroskopische Flora der Schizophyceen und Diatomeen, sowie der Schizomyceten, welche in grosser Zahl der Arten sich entwickelten und Gelegenheit zu speciellem Studium gewährten; echte Pilze dagegen fanden sich niemals im Aquarium, wie überhaupt nie im Meerwasser. Besonderes Interesse erregen auch die Zoophyten, insbesondere Stauridium eruciatum, von welchen monatelang sehr zahlreiche Medusen (Cladonema radiatum) sich abschnürten und frei und energisch im Wasser umherschwammen, oder sich an der Lichtseite ansaugten. Für Cultur einzelner Arten haben sich übrigens kleinere Glasgefässe günstiger bewährt, als das grosse Aquarium, in welchem durch Einsetzen einzelner nicht mehr lebenskräftiger Pflanzen leicht allgemeine Fäulniss und Ab- sterben sämmtlicher Organismen herbeigeführt werden kann. Vortragender spricht den Direetoren des Berliner Aquarium und ‚der Triester Zoologischen Station, Dr. Hermes in Berlin und Professor Dr. Claus in Wien, seinen Dank für die liberale Bewilligung der Zu- sendungen aus; nicht minder fühlt er sich dem Custos der zoologischen Station zu Triest, Herrn Dr. Graeffe zu Dank verpflichtet, der Allen, auch den Botanikern, die dieses ausgezeichnete Institut benutzen, mit ebenso grosser Sachkenntniss als liebenswürdiger Bereitwilligkeit in ihren Untersuchungen beisteht. Professor Engler bestätigt das, indem er zugleich an die werth- vollen naturhistorischen Arbeiten des Dr, Graeffe über die Samoainseln erinnert. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 153 Professor F. Cohn legte einen von Professor Eichler in Berlin freundlichst dargeliehenen Band des Herbars vor, welches J. J. Rousseau in seinen letzten Lebens- jahren angelegt hat, und das gegenwärtig im botanischen Museum zu Berlin aufbewahrt wird; dasselbe befindet sich in einem kleinen gelbpolirten Spind, das oben einen Schiebkasten, inwendig 3 Fächer enthält; auf der Vorderseite ist als Inschrift Rousseau’s Wahlspruch „Vitam impendere vero‘““ schwarz ein- gelegt, umgeben von Arabesken und zwei Greifen rechts und links; an den beiden Seiten stehen die Worte „‚HAeloise‘“ und „Emile“, ebenfalls schwarz eingelegt. In diesem Spind liegen die 11 Bände des Herbars in weissen Pergamentmappen, mit grünen Leinwandbändern und Schnallen verschlossen; die Pflanzen sehr sauber gepresst und mit schmalen Gold- papierstreifen auf Folioblättern von Schreibpapier befestigt, welche in Quart zusammengebrochen sind; das vordere Blatt enthält den lateinischen Namen der Pflanze, mitunter mit kurzer Diagnose oder kritischen Be- merkungen von Rousseau’s eigener Hand, zum Theil in der von ihm erfundenen sinnreichen symbolischen Schrift verzeichnet. Das Herbar ist nach Linn& geordnet und enthält nicht blos Planzen aus der Flora von Ermenonville, sondern auch solche aus dem Jardin des plantes von Paris, Alpenpflanzen u. s. w., so dass es ohne Zweifel auch Doubletten des ersten, von Rousseau seit 1764 angelegten, 1775 nach England ver- kauften Herbars enthält. Von diesem findet sich im Spind der Katalog von Rousseau’s Hand in ein Heft Schmal Folio eingetragen; der Kata- log des im Berliner botanischen Museum aufbewahrten Herbars, das nach der Angabe auf dem Titelblatt von Rousseau der Tochter seines Gastfreundes in Ermenonville, Frl. deGirardin, vermacht ward, ist eben- falls in einem Gross-Octavbande vorhanden, und, wie der erste Katalog, nach Linn& geordnet, doch in anderer Handschrift, vielleicht von Frl. v. Girardin geschrieben; zu den lateinischen sind hier oft die französischen Namen zugesetzt, die auch theilweise auf die Blätter des Herbars selbst von der nämlichen Hand beigefügt sind. Ausserdem ist noch ein Band Excerpte aufbewahrt, die Rousseau aus verschiedenen botanischen Werken, namentlich aus Rajus sauber abgeschrieben hatte. Nachrichten über Rousseau’s Herbar finden sich in Urban’s Ge- schichte des botanischen Gartens und des botanischen Museums in Berlin (Eichler’s Jahrbuch des botanischen Museums I.) und besonders eingehend in Albert Jansen’s Buch: „Jean Jacques Rousseau als Botaniker. Berlin. Reimer. 1885‘; hier ist mit ausserordentlicher Sorgfalt alles zusammengestellt, was sich auf Rousseau’s botanische Studien bezieht; wir müssen es dem enthusiastischen Rousseauverehrer zu Gute halten, wenn derselbe Rousseau’s Verhältniss zu seinen Zeit- 154 Jahres - Bericht genossen zu oft durch das getrübte Medium von Rousseau’s eigener Darstellung beurtheilt und auch Rousseau’s wissenschaftliche botanische Bedeutung überschätzen mag; Rousseau’s wesentlichste Leistung besteht darin, dass er die Botanik populär gemacht und durch seine fesselnde Darstellung ihr in weiten Kreisen Verehrer geworben hat, ganz besonders aber darin, dass er in seinen „Lettres elementaires sur la botanique“ die Botanik zu einem Gegenstand des Jugendunterrichts erhoben und dabei nicht die Linn&’schen Klassen, sondern die natürlichen Fa- milien zu Grunde gelegt hat. Letzteres ist um so mehr hervorzuheben, als die Rousseau’schen Briefe 1771/3 geschrieben und erst nach seinem Tode 1784 gedruckt erschienen sind, während man die wissenschaftliche Begründung der natürlichen Pflanzenfamilien gewöhnlich erst von dem Erscheinen von Antoine Laurent de Jussieu’s ‚„Ordines plantarum secundum meihodum naturalem dispositae, Paris 1789“ zu datiren pflegt. Es wird dabei jedoch ausser Acht gelassen, dass, von anderen Vor- läufern abgesehen, der eigentliche Begründer der natürlichen Methode Rajus(John Ray, 1627—1707) war, den Rousseau, wie die Excerpte im Berliner botanischen Museum vor Augen stellen, sorgfältig studirt hat; in der letzten Ausgabe von Rajus’ mehrfach umgearbeitetem „‚Me- thodus plantarum emendatus et auctus‘‘ von 1733 finden wir die Zwei- theilung des Pflanzenreichs in niedere, blüthenlose und höhere Blüthen- pflanzen (plantae inferiores floribus institutae und plantae superiores flori- ferae); während die ersteren in 1) submarinae et aquae dulcis (Algae), 2) Fungi, 3) Musci, 4) Capillares (Filices), werden die letzteren in Mono- coty/edones und Dycotyledones eingetheilt; demgegenüber stellen die 24 Klassen Linn&’s ebenso wie Jussieu’s Dreigliederung in A-, Mono- und Dicotyledones offenbar einen Rückschritt dar. Die Jussieu’schen Unterabtheilungen der Dicotyledones finden sich bereits bei Rajus, der dieselben in lores staminei (Apetalae), flores petalode (—= petalo) uno (Monopetalae) und petalodis pluribus (Polypetalae) gliedert; auch mehrere der wichtigsten Familien (von Rajus als genera bezeichnet) wie Umbellatae, Stellatae, Gramina u. s. w. hat Rajus bereits unterschieden. Dass er die Bäume noch von den Kräutern trennt, ist eben eine Unvollkommen- heit, die ihm sein nicht allgemein genug anerkanntes Verdienst, die natürliche Methode der Pflanzenordnung zuerst klar erfasst zu haben, nicht verkümmern kann. Ueber J. J. Rousseau’s Beziehungen zur Botanik, die bei der weltgeschichtlichen Bedeutung dieses Mannes von allgemeinstem Interesse sind, hat Vortragender sich eingehender in einem Aufsatze „Jean Jacques Rousseau als Botaniker, Deutsche Rundschau, Bd. XII, Heft 9, Juni 1886, S. 364—385° ausgesprochen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 155 Dr. R. Scehube berichtete hierauf über eine von ihm im Juli vorigen Jahres nach den siebenbürgischen Alpen unternommene Reise; zugleich legte derselbe die interessanteren der bei dieser Gelegenheit gesammelten Pflanzen vor. Es befanden sich dabei u. a. aus der Um- gegend von Pest: Brassica elongata Ehrh., Alsine glomerata Fnzl., Silene longiflora Ehrh., Ajuga Chamaepitys Schrb. var. grandiflora Freyn, Phyteuma canescens W. K.; ferner aus Herkulesbad: Trifolium medium L., 8 bana- ticum Heuff., Verbascum blattariforme Grsb., Knautia drymeia Heuff., Anchusa Barrelieri D. C. Von Predeal am Tönöspass lagen u. a. vor: Scorzonera rosea W. K., Telekia speciosa Bmgt., Trifolium pannonicum L., Alchemilla vulgaris L., $ major Boiss., letzteres neu, ist bisher nur aus Griechen- land und dem Orient angegeben. Der Besuch der Umgegend von Kron- stadt brachte u. a. ein: Ssilene transsilvanica Schur, Melampyrum trans- silvanicum Kern., Dianthus pruinosus Janka, Galium lucidum All., Aspidium Brauni Spenn. Die reichste Ausbeute lieferte eine Besteigung des Butsets, nämlich u. a.: Campanula abietina Grsb., C. carpathica Jgu. mit auffallend grossen, einzelnen Blüthen, Achillew dentifera D. C., Artemisia Baumgarteni Bess., Gnaphalium Leontopodium L., Armeria alpina Wild., Astrantia trans- silvanica Schur, Alyssum repens Bmgt., Hutchinsia alpina R. Br., Helianthemum alpestre D. C., Viola declinata, W. K., Silene quadrifida L., 8. acaulis L., Dianthus glacialis Hke., D. alpinus L., D. gelidus Sch. et Ktsy., Arenaria ciliata L., Saxifraga cuneifolia L., 8. androsacea L., 8. adscendens L., S. luteoviridis 8. et Ktsy. u. m. a., Sedum atratum Z., Potentilla chryso- craspeda Lehm., Rhododendron myrtifolium 8. et Ktsch., Salix reticulata L. und S. retusa L. auf Salvia glutinosa L. Auch ein Ausflug nach dem Rothen-Thurm-Pass und dessen Umgebung lieferte manches interessante; so namentlich Carduus Personata L.. $ microcephalus Uechtr. (neu für Siebenbürgen!), Thymus comosus Hffl. und Th. montanus W. K., Veronica Bachofeni Hffl., Dianthus atrorubens All. und D. Armeriasirum Wlfn., Knautia longifolia W. K., Bruckenthalia spieulifolia Rchb. und endlich eine Euphrasia, welche zwischen E. nemorosa Mart. und E. salisburgensis Fk. die Mitte einhält, In der zweiten Sitzung vom 29. Januar legte Herr Oberstabsarzt Dr. Schroeter einen Brandpilz vor, welchen Herr Ledien, früher am Botanischen Garten in Breslau, zuletzt als Vorstand des Acclimatisations- gartens zu Vivi am Congo angestellt, hierher gesendet hatte. — Die Nährpflanze, eine grössere Graminee, ist noch nicht näher bestimmt. Der Pilz selbst befällt die Fruchtknoten des Grases und treibt dieselben zu sack- oder hornförmigen, oft gebogenen, gallenartigen Gebilden auf, an deren Spitze sich oft noch die wohlerhaltenen Griffel finden; sie er- 156 Jahres - Bericht reichen bis 1 cm Länge und 1 cm Dicke. Es sind nicht alle Blüten der Rispe ergriffen, manchmal nur eine einzige, manchmal aber auch mehrere in einem Aehrchen. Die Gallen werden von einer festen, run- zeligen hellbraunen Membran eingeschlossen. Das Innere ist gleichmässig von einer ziemlich festen, kohlschwarzen Masse erfüllt, die aus einem grobkörnigen Pulver besteht. Jedes Korn ist ein Sporenballen von länglich-runder, etwas unregelmässiger Gestalt; die Grösse der Ballen schwankt von etwa 75 pn Länge und 60 u Breite bis etwa 170 u Länge und 120 u Breite, sie sind aus sehr zahlreichen Sporen zusammengesetzt, die ziemlich locker verbunden sind. An der Aussenseite des Ballens liegt eine einfache Schicht von Sporen, welche von den im Innern lagernden etwas verschieden, nämlich etwas grösser (10—13 y u. mehr) und mit einer dunkelkastanienbraunen, fast undurchsichtigen Membran versehen sind, während die inneren Sporen 8&—11 y lang, 9 u breit und mit ockerbrauner, dicker Membram umhüllt sind. — Der Pilz ist in die alte Gattung Sorosporium zu stellen, doch ist damit seine Stellung in der Reihe des Ustilagineen noch nicht sichergestellt. Bekanntlich ist seit Woronin’s letzten Untersuchungen über Ustilagineen die frühere Gattung Sorosporium in mehrere Gattungen getheilt, von denen sich eine ihrer Entwicklung nach der Gattung Ustilago näher anschliesst (Toly- posporium), die andere der Gattung Tilletia (Entyloma und Doassansia). Ohne Kenntniss der Keimung kann man nicht unterscheiden, welchen dieser Gattungen ein Sorosporium zuzutheilen ist. Ob der Pilz neu ist, lässt sich ebenfalls noch nicht bestimmt sagen. Vom tropischen und subtropischen Gebiete sowohl der alten als der neuen Welt sind mehrere Sorosporium-Arten, welche die Fruchtknoten von Gräsern auftreiben, beschrieben worden. Aehnlich unserer Art wird z. B. von Spegazzini das in den Fruchtknoten von Tricholaena aristata vorkommende Sorosporium Argentinum beschrieben, doch erwähnt er nicht der Differenz der Sporen in der äusseren und inneren Lage der Ballen. — Einiges Interesse kann der Pilz als erste Pilzsendung aus dem Congolande von uns beanspruchen und es ist zu hoffen, dass den Pilzen unserer neuzuerforschenden Länder eine weitere und immer aus- gedehntere Theilnahme zugewendet wird. Er wird vorläufig als Sorospo- rium Vivianum bezeichnet. Ferner legte derselbe einige japanische Speisepilze vor, den Shii- Take [Agaricus (Collybia) Shii Take Siebold] in getrockneten Exem- plaren und den Matsu- Take [Ag. (Armillaria) edodes Reck] als Conserven in Büchsen eingekocht. Die Pilze hatte Herr Dr. Shingizi Nagai ein- gesandt, welehem der Vortragende auch ausführliche Mittheilungen über die japanischen Speisepilze und die künstlichen Culturen derselben ver- dankt. — Der Bericht über dieses Thema ist in der Section für Gartenbau ausführlich mitgetheilt worden. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 157 Professor F. Cohn sprach über die vorzugsweise im letzten Jahrzehnt bei Menschen und Thieren beobachteten, meist tödtlich verlaufenden Krankheiten, welche durch Einlagerung körniger Pilzconcremente in die degenerirten Gewebe charakterisirt sind. Seit 1860 hatte Dr. Vandyke Carter in Bombay eine in gewissen Theilen Indiens verbreitete Erkrankung der Hände und Füsse als Fungus- disease of India beschrieben, mit welcher Verkrümmung dieser Extre- mitäten, Geschwulst-, Abscessbildung und Knochenerweichung verbunden sind; die degenerirten Gewebe enthalten zahllose weissliche, schwärz- liche oder röthliche Körnchen, die mit Pulverkörnern oder Fischroggen verglichen werden; aus ihnen züchteten Berkeley und Carter einen rothen Schimmelpilz (von Berkeley als Chionyphe Carteri bezeichnet), selbst aus Spiritusexemplaren, und betrachteten die Körnchen als eine Art Sclerotium; Cunningham (1875) bestreitet die Zusammengehörig- keit, jedoch fand auch er in den schwarzen Körnchen pilzliche Fäden (fungoid filaments). Bollinger machte 1877 eine neue Krankheit des Rindes bekannt, Geschwulstbildung der Kinnbacken mit Erweichung der Kinnladen und Einlagerung zahlloser weisser, maulbeerartig gedrängter Körnchen in den Granulationsgeweben; jene bestehen aus strahlig geord- neten, feinen Pilzfäden mit keulig angeschwollenen Enden, in denen Harz eine Entomophthoree vermuthete und sie als Actinomyces bovis be- zeichnete. Israel beobachtete bald darauf die nämlichen Gebilde bei Menschen; Ponfick entwickelte 1882 in einer Anzahl Fällen die ge- sammten aetiologischen, klinischen und anatomischen Verhältnisse der Strahlpilzkrankheit oder Actinomykose. Die botanische Stellung des Strahlpilzes ist bei dem geringen Erfolg der Culturen und Infeetionen nicht ganz sicher gestellt; doch gehört derselbe höchst wahrscheinlich in die Reihe der Spaltpilze, analog der in den Conerementen der Thränenfisteln vorkommenden Streptothrie Foersteri. Im vorigen Monate übersandte mir Professor A. Johne in Dresden das Stück einer frisch operirten Samen- stranggeschwulst vom Pferde, in deren Geweben Actinomyces -ähnliche, weisse Körnchen eingelagert sind; unter leichtem Druck in maulbeer- artige, rundliche Körperchen zerfallend, erscheinen sie als mehr oder minder kugelige, wenig durchsichtige Cysten, welche durch Essigsäure etwas aufgehellt werden, und mit Mikrokokken ohne strahlige Ordnung dieht erfüllt sind; durch Zerquetschen oder Zerschneiden der Cysten ver- theilen sich die Mikrokokken haufenweise im Wasser, in der Gallert- eultur entwickelten sich um die Cysten nur Mikrokokkushaufen in wolkenartiger Gruppirung. Die in Cysten eingeschlossenen Mikrokokken entsprechen der Gattung Ascococeus, doch ist erst durch weitere Unter- suchung festzustellen, ob überhaupt die Cysten der specifischen Natur 158 Jahres - Bericht einer bestimmten pathogenen Pilzart angehören, oder ob sie nicht viel- mehr auf Einkapselung der im Absterben begriffenen und eliminirten Parasiten durch die neoplastischen Gewebsbildungen zurückzuführen sind; dieselbe Auffassung gilt wohl auch für Actinomyces, dessen strahlige Anordnung der Fäden nicht sowohl die speecifische Eigenschaft eines Pilzes, als vielmehr das Product der Einkapselung in den umgebenden Geweben zu sein scheint. In allen diesen Fällen handelt es sich offenbar um Wundinfectionen durch verschiedene von aussen eingedrungene pathogene Pilzarten. Professor Johne hat in den „Fort- schritten der Medizin‘ über seine Entdeckung bereits eine vorläufige Mittheilung veröffentlicht. Schliesslich berichtete Dr. Eidam über die Keimung der Zygosporen von Basidiobolus, sowie über das Verhalten der Zellkerne im Mycel dieses Pilzes und in den Fortpflanzungs- organen desselben. Eine ausführliche Publication darüber ist im vierten Bande der Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Heft 2, Seite 181 u. f., T. IX— XII erschienen. In der dritten Sitzung vom 11. Februar legte Professor F. Cohn eine Glückwunsch - Adresse der botanischen Section an Professor Cienkowski in Charkow zu dessen am 7. Februar d. J. gefeierten Amtsjubiläum vor. Professor Cohn legte ferner vor: Rhacodium cellare aus den Keller- gewölben des Klosters auf dem Kreml zu Moskau, eingesendet von Herrn Theodor Berliner; Dr. Schneider: Hausschwamm, frei im Walde an und rings um alte Nadelholzstöcke gewachsen, von Krieger bei Königstein in Sachsen gefunden, in dessen Fungi saxonici Nr. 120 herausgegeben. Professor Hieronymus trug vor über Blüte und Blütenstand der Centrolepidaceen. Gegenüber der von Eichler in seinen Blütendiagrammen I]. pag. 131 gegebenen Deutung, nach welcher jedes Karpid eine weibliche und jedes Staubblatt eine männliche Blüte repräsentirt, hält Vortragender im Wesentlichen an seiner früheren Deutung fest (vergl. Abhandlungen der naturf. Gesellschaft in Halle. Bd. XID). Die Eichler’sche Deutung fällt bei Brizula mit der des Vortragenden zusammen. Weder bei Aphelia (in der Abgrenzung des Vortragenden) noch bei Gaimardia (in der Begrenzung des Vortragenden) stehen der Deutung der Gruppen von Geschlechtsorganen als Blüten Schwierigkeiten entgegen, wohl aber der Eichler’schen Deutung, besonders bei Gaimardia, wie auch Eichler selbst zugesteht (l. ec. p. 132). Die Schwierigkeit, welche nach Eichler der Hieronymus’schen Deutung bei Centrolepis entgegensteht, ist nicht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 159 vorhanden, da die Karpiden sich nicht als ‚ebenso viele successiv aus einander hervorgehende Sprossgenerationen‘“ entwickeln, sondern, wie Vortragender in seiner eitirten Abhandlung beschrieben hat, von einem, und zwar dem Staubblatt gegenüberliegenden Punkte der elliptischen Peripherie aus, um den durch das Staubblatt schiefgestellten, lang rücken- förmigen Vegetationspunkt herum. Auch selbst wenn man annimmt, dass die Eichler’sche ,„‚dem Staubblatt zugekehrte Ziekzack-Wickel von Pistillen‘“ nach Art vieler Borragineenwickeln scheinbar monopodial entsteht, widerspricht hier doch die Stellung der Karpiden, welche sämmtlich radial um den elliptischen Vegetationspunkt herum stehen. Auch die bei vielen Centrolepis-Arten stattfindende Verwachsung der Griffel widerspricht der Eichler’schen Deutung. Eine Verwachsung von Griffeln verschiedener Blüten würde doch etwas sehr Wunderbares sein. Die Entstehung des Karpophors der Centrolepis-Blüte deutet Vor- tragender jetzt in anderer Weise, als früher. Von der Voraussetzung ausgehend, dass der rückenartige Körper, von welchem die Samenanlagen in die Karpiden hineinhängen, nicht Achse, sondern ein genetisches Ver- wachsungsproduct der Innenhälften der Karpiden ist, kann man annehmen, dass überhaupt die Achse keinen Theil nimmt an der Bildung des Kar- pophors und unter demselben aufhört. Die eigenthümliche Gestaltung, welche das Karpophor erfährt, und durch welche dasselbe den Anschein einer Aehre enthält, an welcher die Karpiden einseitig in zwei Reihen angewachsen scheinen, erklärt Vortragender dadurch, dass er annimmt, die Karpiden seien nach Art der von Zannichellia, Capparideen etc. gestielt, doch so, dass eine genetische Verwachsung stattfindet zwischen den Karpidstielen und den Innenhälften der Karpiden. Es findet eine ungleiche Dehnung durch intercalares Wachsthum in den Karpidbasen statt, das erste dem Staubblatt gegenüberstehende Karpid erhält den kürzesten Stiel, die nächsten rechts und links von demselben befind- lichen sind schon länger gestielt und so fort. Diese Deutung gewinnt dadurch sehr an Wahrscheinlichkeit, dass auch der Fruchtknoten von Gaimardia australis gestielt ist und auch in den verwandten Familien der Eriocaulaceen und Restiaceen Aehnliches vorkommt. Die Blüte von Alepyrum pallidum ist sehr ähnlich der von Centrolepis. Die Eichler’sche Deutung, nach welcher eine terminale Doppelwickel anzunehmen ist, deren Primanblüte das Staubgefäss repräsentirt, ist schon deswegen unrichtig, weil die Entstehungsfolge der Karpiden nicht die von Eichler angegebene, sondern ganz wie bei Centrolepis ist. Vortragender ist der Ansicht, dass bei Alepyrum pallidum eine pseudo- terminale, in der Achsel der obersten Bractee stehende Wickel, gebildet aus einer hermaphroditen Blüte, welche aus Staubblatt und 3—4 Kar- piden besteht, und aus einer meist (durch Abort) nur weiblichen ähn- lichen als zweites Glied, vorhanden sei. 160 Jahres - Bericht Die Gattung Brizula ist von Bentham mit Unrecht eingezogen worden (Benth.u. Hooker Genera pl. III. p. 1026); von Aphelia cyperoides und monogyna ist sie genügend verschieden durch die constant ein- geschlechtlichen Blüten. Eher könnten diese beiden Arten zu Cenirolepis gestellt werden. Doch ist es zweckmässiger, kleine Gattungen zu bilden. Alepyrum pallidum darf nicht zu Gaimardia gestellt werden. Der Blüte nach ist die diese Pflanze mit Centrolepis näher verwandt, als mit den beiden sicheren Gaimardia-Arten, mit welchen sie nur den Wuchs in perennirenden Rasen theilt. In der vierten Sitzung vom 25. Februar hielt Herr Dr. Eidam einen Vortrag: Untersuchungen über die Familie der Gymnoascaceen unter Vorlage der betr. Literatur nebst Tafeln und Demonstration der von ihm neu aufgefundenen Arten. Das Vorkommen der saprophytischen Gymnoascaceen hat bisher als ein recht seltenes gegolten, und es sind auch nur wenige Arten, deren Entwicklung uns vollständig bekannt geworden ist. Seit einigen Jahren beobachte ich diese interessanten Pilze genauer und dabei ergab sich, dass noch manche seither unbekannte Arten von ihnen existiren, während andere der schon bekannten viel häufiger vorzukommen scheinen, als man es bis vor Kurzem annehmen durfte. So habe ich den Gymnoascus Reessii mehreremal auf thierischen Excerementen angetroffen; der von mir ') gefundene Gymnoascus uncinatus hat sich wiederholt frisch auf Sperlingskoth entwickelt und besonders reichlich auf Kakadumist, welcher unter einer Glasglocke von mir feucht erhalten wurde; der ebenda aus- führlich beschriebene Ctenomyces serratus kam aufs Neue reichlich zum Vorschein auf Rabengefieder, wo er der Osxygena corvina den Platz streitig machte. Recht häufig begegnet man den Conidienformen der Gymnoascus- Arten; in ihrer Gestalt und Entwickelung stimmen dieselben ganz mit der von mir am eitirten Ort angegebenen überein; sie bilden sich fast immer, wenn man Insectenleichen, Vogel- oder Fledermaus-Exeremente, alte Zeug- und Filzlappen u. s. w. in Glasschalen bei sehr mässiger Feuchtigkeit liegen lässt, und besonders massenhaft bekam ich sie auf altem Schuhwerk, welches sich anfangs mit Penicillium sowie mit anderen gemeinen Schimmelpilzen überzog, dann aber von den trockenen, schnee- weissen Conidienfructificationen der Gymnoascaceen in weiter Ausdehnung !) Beiträge zur Biologie der Pflanzen, herausgegeben von F. Cohn, Bd. 3, Heft 2, 1880. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 161 bedeckt wurde. Letztere beobachtete ich eben so oft auf Hundekoth, wo auch eine goldgelbe, später grüne Schimmelform auftrat, welche ihrer Gestalt nach höchst wahrscheinlich einem Gymnoascus mit noch unbekannten Ascusknäueln angehört. Vielleicht fehlen solehe aber auch ganz, wie es umgekehrt Gymnoascaceen giebt, die nur Aseci bilden und der Conidien ermangeln. Die von mir in letzter Zeit näher untersuchten Gymnoaseus-Arten sind folgende: Gymnoascus candidus nov. sp. Auf gekochtem Reis hatte ich zum Zweck anderer Versuche eine Cultur von Aspergillus fumigatus im Wärmkasten zur Entwicklung gebracht; nachdem dieser Pilz den Höhe- punkt seiner Vegetation überschritten, kam zwischen dessen schmutzig- grauen Conidienmassen zuerst ein weisses Mycel, dann hier und da ein sehneeweisses Knöllchen hervor. Diese Knöllchen wurden immer zahl- reicher, zuletzt waren sie in dichten traubigen Massen zusammengedrängt und oft mit einander zu zweien verwachsen. Die Knöllchen sind kugel- rund, für einen Gymnoascus von auffallend fester Beschaffenheit und von verschiedener Grösse, die bei den ausgewachsenen von ',—2 mm im Durchmesser betrug. Sie zeigten sich von einer sehr dünnen, glatten, weissen Hülle überzogen, die aus nicht differenzirten, aber eng ver- flochtenen Hyphen bestand und später zu einer papierartigen brüchigen Haut vertrocknete. Das ganze Innere der frisch gereiften Knöllchen war von feuchter, compacter und farbloser Masse angefüllt, die unter dem Mikroskop sich in unzählige Asci mit nur spärlichen Hyphenresten auflöste. Die Asei des Pilzes sind klein, oval, mit 8 farblosen, glatten, ovalen Sporen er- füllt von 3 u Breite und 3,5 p Länge; in den alten Ascushäufchen bilden die Sporen ein schwach gelblich-weisses Pulver. Die dünne und nur aus durchweg gleichartigen Mycelfäden ohne eigentliche Pseudo- parenchymbildung verwobene Hülle des Gymnoascus candidus überzieht lückenlos auch noch die längst ausgereiften Ascosporen, so dass sie als eine besondere Uebergangsform zum Peritheecium der höheren Pilze ge- deutet werden kann. Conidien fehlen, wie es scheint, dem G. candidus; die künstliche Cultur desselben auf dem Öbjectträger war erfolglos. Vielleicht ist der Pilz mit dem Reis eingeschleppt und gedeiht nur bei höheren Wärmegraden, ähnlich wie das merkwürdige, im pflanzen- physiologischen Institut zu Breslau von Frank entdeckte und jüngst von Schröter in die Kryptogamen-Flora von Schlesien, Abth. Pilze, 2. Lief,, p- 217 aufgenommene Syncephalastrum racemosum F. Cohn. Gymnoascus aureus nov. spec. Diesen Pilz habe ich wiederholt auf Brot und auf Papier wachsend angetroffen. Seine jungen Ascus- anlagen erscheinen als erst weisse, dann schwefelgelbe kleine Flöckchen, 1886. 11 162 Jahres - Bericht die rasch zu den fertigen goldgelben Knäueln heranwachsen. Letztere bleiben aber denen der vorigen Art gegenüber nur klein und mehr von einander isolirt; sie erreichen höchstens /,—1 mm im Durchmesser. G. aureus hat eine stattliche, sehr lockere und lückenreiche Hülle aus dünnen goldgelben Fäden, die aufs zierlichste in feine Spiralen eingerollt sind. Der Farbstoff dieser Hyphen löst sich in Alkohol. Die von der Hülle umschlossene Ascusmasse ist weit kleiner als bei @. candidus; die Ascosporen sind rundlich-oval, mit feinwarzigem, gelbem Exosporium versehen und von 3,5—4 j im Durchmesser. Conidien waren bei @. aureus nicht mit Sicherheit zu eonstatiren. Gymnoascus verrucosus nov. sp. Diese Art entwickelte sich massenhaft auf einem alten Stiefel, dessen Oberfläche von weissem Mycel überzogen wurde, in dem zahlreiche Verdichtungen eintraten, die weiterhin zu reifen Knäueln sich gestalteten. Letztere sind rundlich, anfangs weiss, später schwach bräunlich, indem dann die reife Sporen- masse durch ihre Hülle hindurchschimmert. Sie können 3—4 mm im Durchmesser besitzen, so dass also G. verrucosus die grössten bis jetzt bei den saprophytischen Gymnoascaceen beobachteten Knäuel hat. Die Hülle ist sehr dünn und farblos; sie besteht aus Hyphen, welche nicht besonders von den Mycelfäden differenzirt sind und sie umschliesst all- seitig und ohne sichtbare Lücken die Ascusmasse; im Gegensatz zur Hülle des @. candidus ist sie jedoch von äusserst lockerer Beschaffen- heit. Im Innern des Knäuels befindet sich eine sehr reichliche braune Sporenmasse, zwischen welcher trockene, fädige Hyphenreste liegen, die beim Zerfasern wie eine Art von Capillitium an den Nadeln hängen bleiben. Die Asei des Gymnoascus verrucosus sind sehr gross, birnförmig und die darin entstehenden 8 runden, nach erfolgter Reife braunen und warzigen Sporen erreichen verhältnissmässig bedeutenden Durchmesser. Derselbe beträgt 8,5—10 j. Bau und Ausbildung der Sporen verdienen einige Beachtung. | Die junge Ascospore wird anfangs nur von zarter Membran um- schlossen, später erhält sie ein dünnes Endosporium und ein stark ver- diektes Exosporium. Letzteres spaltet sich weiterhin in eine äusserst feine und glatte Aussenschicht und in eine Innenschicht, in welcher als- bald die Differenzirung der vorher gleichmässigen Verdickungsmasse in Form von Warzen, Buckeln und länglichen Leisten vor sich geht. Diese Erhabenheiten bräunen sich mit weiterschreitendem Wachsthum, sie er- theilen der Aseospore ihre schliessliche Farbe, während die Aussenschicht des Exosporiums stets vollkommen farblos bleibt. An der reifen Spore überspannt diese dünne Aussenschicht theils straff die Thäler zwischen den Warzen und Leisten, theils senkt sie sich zwischen dieselben ein, Ze A ) nn der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 163 theils auch wird sie durch Zerrung bei der Sporenausdehnung hier und da zerrissen. Der geschilderte Bau der Ascosporen von Gymnoascus verrucosus ist nur mit den besten Objectiven bei Abbe’scher Beleuchtung gut zu übersehen, er hat Aehnlichkeit mit dem der weit grösseren Sporen von Tilletia Caries, wo jedoch bekanntlich die Innenschicht des Exosporiums stets nur in Gestalt eines vollständig regelmässigen Netz- werkes sich verdickt zeigt. Meine Culturen des Gymnoascus verrucosus erhielt ich Jahre lang im Gange und ich bekam: viele Hunderte von Knäueln durch fortwährende Uebertragung der Sporen auf altes verrottetes Lederwerk, welches die unvermeidliche Schimmelvegetation von Penicillium u. s. w. bereits durch- gemacht hatte und dann vor Aussaat des Gymnoascus davon gereinigt worden war. Niemals traten aber bei diesen Culturen Conidienbildungen auf; der Pilz fructificirte ausschliesslich nur in seiner Ascosporenform. Es ist bemerkenswerth, dass auch noch vier Jahre alte Ascosporen auskeimten, wenn bei deren Cultur eine von mir zuerst vorgenommene Züehtungsmethode von Pilzen!) befolgt wurde, welche oft grossen Vor- theil bietet, nämlich die Sporenaussaat in Nährlösungen unter Anwendung höherer Temperaturen (für vorliegenden Fall 25 bis 30° C.) Durch diesen Kunstgriff erzielt man nicht blos raschere Keimung, sondern es gelingt auch oft, Pilzsporen noch zur Entwickelung zu bringen, welche ihre Keimkraft bereits ganz verloren zu haben schienen. Die Sporen des Gymnoascus verrucosus keimen etwas langsam und es dauert immer einige Tage, bis man nach erfolgter Aussaat Keimlinge erhält, gross genug, um deren Einzelübertragung in neue Culturtropfen oder in Nährgelatine bewerkstelligen zu können. Die Keimung bietet nichts Bemerkenswerthes: das Exosporium platzt, durch die Rissstelle dringt der von dem zarten Endosporium umhüllte Keimschlauch und er entfaltet sich zu einem Mycelium, welches bei reichlicher Nahrung über die Fläche des Objectträgers sich weithin ausbreitet. Solches künstlich erzeugte Mycel verfilzte sich schliesslich in dieker Masse, es wuchs auch über die Flüssigkeitsoberfläche als reichliches Luftmycel und in seinem Innern bildeten sich unzählige Knäuelanlagen. Jede einzelne der letzteren geht hervor aus zwei benachbarten Mycelästen, die sich spiralig um- schlingen, worauf mehr oder minder reichliche Aussprossung des einen Astes und in Folge dessen diehte Verknäuelung zu Stande kam. Sämmt- liche Knäuel blieben aber nur klein und es gelang mir trotz aller Be- mühung niemals, sie wie auf dem natürlichen Nährboden bis zur Ascus- - bildung heranzuziehen. !) Vgl. Beiträge z. Biologie d. Pflanzen, herausgegeben von F. Gohn, Bd. II, p. 223, Bd. II, p. 296 u. 396 ff. 11* 164 Jahres-Bericht Gymnoascus ruber v. Tiegh. Diese von van Tieghem!) ent- deckte und etwas unvollständig beschriebene Art erhielt ich fast regel- mässig zur Winterszeit auf Hundekoth, wo sie in Form schön ziegel- und mennigrother Häufchen und Polster auftrat. Es ist nothwendig, zur Erkennung dieselben näher zu untersuchen, denn erst unter dem Mikro- skop stellen sie sich als Gymnoascus ruber heraus, während sie mit blossem Auge täuscheud ähnlich wie Sporendonema casei aussehen. | Die Ascosporen erscheinen einzeln orangefarben, sie sind länglich scheibenförmig, 3,5 p breit, 4,5 p lang; sie keimen leicht in Nährlösung, wobei das Exosporium in zwei Hälften auseinanderreisst. Das ent- stehende Mycel sendet bald viele Aeste in die Luft und an diesen, also niemals untergetaucht, entwickeln sich überaus zahlreiche Knäuelanlagen. Jede derselben geht, wie es bereits van Tieghem angiebt, von zwei benachbarten, spiralig in mehreren Windungen sich umschlingenden Aesten aus. Ich suchte besonders Aufklärung darüber zu bekommen, ob etwa die Spitzen der Spiraläste, ähnlich wie ich es bei Eremascus gefunden habe, mit einander in direete Copulation eintreten. Es war dies jedoch niemals zu beobachten, die Aeste berührten sich nur aufs innigste, einer derselben sprosste alsbald aus und bildete verhältniss- mässig wenige kurze Verzweigungen, die sich weiterhin zu 6—20 Sporen- schläuchen gestalteten. Diese geringe Zahl von Aseis, aus welchen der Knäuel besteht, ist charakteristisch für Gymnoascus ruber. Jeder der winzigen Knäuel bildet für sich eine sehr lose Hülle aus, indem er von einigen Mycelfäden umwachsen wird, die sich gitterartig über ihn zu- sammenlegen. Die Hüllhyphen verzweigen sich, sie bleiben aber dünnwandig und auf ihrer Oberfläche wird in Körnern der Farbstoff abgeschieden, durch welchen dieser Pilz ausgezeichnet ist. Sobald man die mit ziegelrothem Farbstoff inerustirten Hüllhyphen in Alkohol bringt, löst sich ersterer vollkommen auf und sie werden farblos ähnlich wie es auch bei Sporen- donema casei der Fall ist. | Wenn nun auch die einzelnen Knäuel von Gymnoascus ruber nur klein sind, so stehen ihrer doch am Mycel eine so grosse Menge dicht bei einander, die mit den Hüllhyphen sich verweben und innig ver- schlingen, dass bald ein mehr oder minder ausgedehntes polsterförmiges Lager gebildet wird, aus welchem die Einzelknäuel unmöglich mehr herauszufinden sind. Auf dem Objectträger erhielt ich solche rothe Polster oft in Form von zierlichen Kreisen und mit vollständig ausge- reiften Ascosporen. Eine Frage, welche mich bei meiner Untersuchung des Gymnoascus ruber sehr interessirte, war, die von van Tieghem für den Pilz an- ') van Tieghem, Bull. de la soc. bot. de France. T. 24. 1877. p. 159. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 165 gegebenen Conidienträger aufzufinden. Nach diesem Forscher sollen sie ziegelroth sein, wie die Hülle des @. ruber, aus einem Hauptfaden be- stehen, mit wirtelförmigen Seitenästen und daran sollen sich Ketten ovaler, bald abfallender Sporen erzeugen. Van Tieghem giebt selbst an, dass diese Conidienträger einem Verticillium (V. lateritium?) sehr ähnlich seien. Ich bemerke hierzu, dass schon die Form der genannten Conidienträger ganz abweicht von derjenigen, wie sie bei Gymnoascaceen vorkommen und wie ich sie für Ctenomyces serratus sowie für Gymno- ascus uncinatns nachgewiesen habe. Aber abgesehen davon, ist es mir weder gelungen, an den natürlichen Fundstätten des Pilzes ähnliche Co- nidienträger aufzufinden, noch habe ich überhaupt solche bei meinen zahl- reichen Culturen des Pilzes auf dem Objeetträger jemals erhalten. Es scheint daher nicht ausgeschlossen, dass van Tieghem ein durch Verti- eillium verunreinigtes Material untersuchte; jedenfalls bedürfen seine An- gaben in dieser Sache noch sehr der Bestätigung. In der fünften Sitzung vom 11. März verlas Prof. Ferdinand Cohn das Dankschreiben des Prof. Cienkowski auf die von der Section ihm zugesandte Glückwunschadresse, Hierauf sprach Herr Dr. Otto Müller über die Ranken der Cucurbitaceen. Beobachtungen der Lebenserscheinungen der Ranken von Cyeclanthera pedata ergaben, dass diese Pflanze in der Schnelligkeit und Lebhaftigkeit der Rankenbewegungen nicht nur alle darauf hin untersuchten Cucur- bitaceen, sondern sämmtliche bis jetzt beobachtete Rankenpflanzen bei weitem übertrifft. Die Einkrümmung der Ranken auf einen Reiz hin erfolgt durchschnittlich schon nach 9, in günstigen Fällen sogar bereits nach 5 Seeunden. 2—3 Minuten nach der Einkrümmung beginnt schon das Geradestrecken und die Empfänglichkeit für neue Reize, und häufig ist die Ranke nach 15 Minuten wieder völlig gerade. Etwa 5 Stunden nach dem Ergreifen der Stütze tritt die spiralige Aufrollung ein, welche hier zuerst in ihrer Entwicklung genau beobachtet wurde und ergab, dass der Wendepunkt kein fester Punkt der Ranke ist, sondern von der Spitze nach der Basis durch die einzelnen Windungen wandert. Die Cireumnutationen zeichneten sich auch durch grosse Schnelligkeit aus, da die Spitze der Ranke auf der Schattenseite oft über 6 Centimeter in der Minute zurücklegte. 41 Circumnutationen wurden nach neuer Methode auf Glastafeln genau nachgezeichnet und zeigten sich oft als sehr regelmässige Spiralen oder Kreise, Der Theil der Ranke, welcher die Stütze umfasst hat, verhärtet und bildet ausserdem Wucherungen, welche alle Vertiefungen der Stütze ausfüllen und alle Erhöhungen umkleiden. Darwin bezweifelt 166 Jahres - Bericht den Nutzen dieser Anschwellungen, jedoch sind sie für das festere Haften der Pflanze von grossem Werthe und ermöglichen vor allem, dass die Ranken sich in Ritzen festklemmen und so die Pflanze halten können. Abgeschnittene und in Wasser gesteckte Ranken rollten sich von der Schnittfläche aus zu dichten Spiralen auf. In verdünnten. Lösungen von Essigsäure, Kali, Jod, traten von der Spitze ausgehende Einkrümmungen ein, die um so lebhafter waren, je concentrirter die Lösung war. In Salzwasser erfolgte, im Gegensatz zu Angaben von de Vries, keine Streckung, sondern meist weitere Einkrümmungen. Dagegen streckten sich die Ranken häufig in reinem Wasser. sSieyos und Trichosanthes können auch an ebenen Flächen haften -dadurch, dass sich die Spitze der Ranke in einen Knäul zusammenballt und an den Berührungsstellen einen harzartigen Stoff aussondert. Bei Trichosanthes kam eine spiralig aufgerollte Ranke dicht an eine Wand zu liegen und bildete an jedem Punkte der Windungen, welcher die Wand berührte, eine Haftstelle. Die Verdickung des Theiles der Ranke, welcher gefasst hat, wurde bei allen 58 beobachteten Cucurbitaceen gefunden. In der Knospenlage sind die Ranken bei verschiedenen Arten in gerade um- gekehrter Weise eingerollt. Anatomische Untersuchungen ergaben, dass bei einfachen Ranken der unempfindliche Theil central (radiär), der em- pfindliche bilateral (dorsiventral) gebaut ist. In dem ersteren befindet sich ein geschlossener Sklerenchymring, der sich öffnet an der Stelle, an welcher die Empfindlichkeit beginnt, und nach der Spitze zu immer schmäler wird. Ueberhaupt rücken nach der Spitze zu alle festeren Bestandtheile auf die untere Seite herüber, und je empfindlicher die Stellen der Ranke werden, desto mehr ist die Bilateralität ausgedrückt, und desto mehr ist die eine Seite hauptsächlich von grosszelligem Grundgewebe gebildet. Die Ranke ist nur reizbar, so lange ihr Sklerenchym unverholzt ist; sobald sie eine Stütze erfasst hat, beginnt es zu verholzen, wobei dieser Prozess in der Mitte der Unterseite be- ginnt und sich von dort weiter nach links und rechts erstreckt. Das Sklerenchym der Ranke verholzt weit eher, als das des Stengels, wo- durch dieser leicht durch jene sich an die Stütze heranziehen lässt. Die Anschwellung des Theiles, welcher die Stütze umfasst hat, geschieht dadurch, dass die zwischen der Peripherie und dem Sklerenchym lie- genden Zellen sich oft auf das achtfache ihres früheren Volumens aus- dehnen. Die Epidermiszellen zeigen dann oft keulenförmige Gestalt und eigenthümliche Ein- und Ausstülpungen. Der Harzüberzug von Tricho- santhes stand durch Gänge mit dem Innern, in welchem sich gleiche Substanz befand, öfter in Verbindung. Die Verhärtung des Theiles, welcher gefasst hatte, trat durch Vergrösserung und Verstärkung des Sklerenechyms und durch Verholzung des inneren Parenchyms ein. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 167 Der morphologische Theil der Untersuchungen sucht die Streitfrage, wie die Ranken der Cucurbitaceen zu deuten seien, auf Grund ver- gleichender anatomischer und teratologischer Beobachtungen zu lösen. Es wurde die Anatomie der Ranken, Blätter, Stengel und Blütenstiele von 38 Cucurbitaceenarten durch Untersuchung von über 3000 Schnitten festgestellt. Bei Cucurbita Pepo L. macht die Thatsache, dass die Ana- tomie des Rankenstammes mit der des Stengels und die Anatomie der Rankenzweige mit der der Blattspindel auffallend übereinstimmt, die Ansicht wahrscheinlich, dass der Rankenstamm ein Stengel, der Ranken- zweig eine Blattspindel ist, Eine grosse Anzahl von Abnormitäten, welche makro- und mikroskopisch eine ununterbrochene Reihe von Uebergangsformen zeigten, liefern für. diese Ansicht volle Bestätigung, und die übereinstimmende Anatomie einer Anzahl Arten von Cueurbita, Citrullus, Lagenaria und Siceyos führen zu derselben Annahme auch bei diesen. Bei Arten von Cyclanthera, Luffa, Bryonopsis, Abobra, Sicyo- sperma, Thladiantha und Trichosanthes finden sich neben verzweigten auch einfache Ranken, welche den Eindruck einheitlicher Organe machen, deren unterer Theil aber die Anatomie des Rankenstammes, deren oberer die des Rankenzweiges zeigt, so dass man sie als zusammengesetzte Organe und zwar als Stengel mit einem endständigen Blatte ansehen muss. Bei Cucurbitaceen mit nur einfachen Ranken zeigen Arten von Bryonia, Coccinea und Momordica denselben anatomischen Bau der Ranken, wie die eben erwähnten. Bei Cucumis Melo aber giebt es neben Formen, welche den vorigen gleichen solche, welche schon an der Basis eine grosse Uebereinstimmung mit der Blattspindel zeigen, bei anderen Arten von Cucumis, Cucurbitella und Melotria sind diese Formen die Regel, und bei Cucumis sativus ist die Uebereinstimmung der Ranken- und Blattbasis eine fast durchgängige, so dass hier ein Stengelglied als unterer Theil der Ranke nicht mehr anatomisch nachgewiesen, sondern nur durch Analogie erschlossen werden kann. Herr Schulamtscandidat Glauer sprach über Aggregation in den Tentakelzellen von Drosera rotundifolia L. Fast hundert Jahre nachdem Roth die ‚„Reizbarkeit des sogenannten Sonnenthaues‘‘ nachgewiesen hatte, entdeckte Ch. Darwin in den Zellen gereizter Tentakeln dieser Pflanze eine merkwürdige Erscheinung, die er Aggretation oder Zusammenballung des Protoplasmas nannte. Nach seinen Beschreibungen und Zeichnungen im 3. Cap. seines Werkes über insektenfressende Pflanzen lassen sich drei Arten oder besser Grade der Aggregation besonders gut unterscheiden. Der erste ist charakterisirt durch lebhafte Bewegung kleiner, verschiedentlich ge- formter Massen von purpurner Substanz, welche unaufhörlich ihre Form und Stellung in der Tentakelzelle verändern; der zweite, dargestellt in 168 Jahres - Bericht Figg. 7 und 8, besteht darin, dass eine oder zwei bis vier ovale oder kugelrunde Massen in der Zelle enthalten sind, welche zwar auch ihre Gestalt verändern, jedoch sich nicht so lebhaft bewegen wie die zuerst beschriebenen; der dritte wird hervorgebracht durch gewisse Flüssig- keiten, die von den Drüsen aufgesaugt werden, z. B. schwachen Lösungen kohlensauren Ammoniaks: in der Zelle bildet sich plötzlich eine Wolke kleiner Körperchen, die sich zu grösseren, oft nur einem einzigen kugel- runden Ballen aggregiren. Auf Veranlassung von Herrn Professor Cohn beschäftigte ich mich in den Sommer-Semestern 1884 und 85 mit demselben Gegenstande. Die drei von Darwin beschriebenen Erscheinungen habe ich auch beobachtet, doch bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, dass sie streng auseinander gehalten werden müssen, weil sie nicht alle auf dieselbe Ursache, die Reizung der Drüsen, zurückzuführen sind. — Die Zellen der unteren Hälfte ungereizter Tentakeln enthalten alle eine grosse, meist roth gefärbte Saftvakuole, umschlossen von einer dünnen Schicht wandständigen rotirenden Protoplasmas; in den oberen Zellen dagegen sehen wir das Plasma in heftigerer Bewegung, und zwar nicht bloss am Rande rotiren, sondern in mannigfachen und stets wechselnden Bahnen in der ganzen Zelle eireuliren. Diese Zellen enthalten also ver- hältnissmässig mehr Plasma als die unteren, ihr Zellsaft ist in zahlreiche Vaeuolen getheilt, deren Gestalt und Lage durch die Bewegung des Plasmas zwischen ihnen fortwährend verändert wird. Dieser Zustand, den ich wegen der scheinbar activen Bewegung der Vacuolen kurz den amöboiden nennen will, stimmt überein mit dem von Darwin zuerst beschriebenen Grade der Aggregation, jedoch fasse ich ihn nicht als Reizwirkung auf, da er in den oberen Zellen aller ungereizten Ten- takeln zu sehen ist, auch von solchen, die noch nicht einmal aus ihrer Knospenlage völlig gerade gestreckt sind, und weil ich ihn, trotz aller Mühe, nie in den unteren Zellen gereizter Tentakeln habe eintreten sehen. Um die Reizerscheinungen kennen zu lernen, habe ich die Wirkung verschiedener Reagentien und Reizmittel geprüft. — Den Gang meiner Untersuchungen genau anzugeben, würde zu weit führen; ich beschränke mich daher auf Mittheilung der wichtigsten Resultate. Schwache Ammoniaklösungen von 0,01 bis 1 pCt. fällen aus dem sauren Zellsafte eine Menge (Wolke) kleiner Kügelchen aus, die sich zu einigen wenigen grösseren zusammenballen oder aggregiren. War der Zellsaft roth gefärbt, so wird er unter Einwirkung des Ammoniaks violett. Den violetten Farbstoff nehmen die ausgefällten Kügelchen auf und erweisen sich dadurch als eiweisshaltig; andere Reactionen be- stätigen das: die aggregirten Kugeln färben sich in Jodlösung braun, in Salpetersäure gelb, und bleiben nach Behandlung | 2 a Zr re der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 169 mit Alkohol unlöslich in Kalilauge; auch Anilinfarben, besonders Malachitgrün, nehmen sie begierig auf. — Das Plasma strömt in solchen Zellen nach wie vor an der Wand entlang. Wenn das Ammoniak auch, da es durch das Plasma hindurch gegangen sein muss, nicht ohne Wirkung auf dasselbe geblieben sein kann (mitunter war Beschleunigung seiner Bewegung zu constatiren), so ist die oben beschrie- bene Erscheinung doch keine Reizwirkung, sondern eine chemische, bestehend in Neutralisation der im Zellsafte vorhandenen Säure und damit verbundener Ausfällung der in demselben gelöst gewesenen eiweiss- haltigen Stoffe. Dass dem wirklich so ist, zeigt auch die Thatsache, dass infolge Zusatzes schwacher Säure die aggregirten Kugeln eher wieder aufgelöst werden, als wenn der Tentakel oder das Blatt sich selbst überlassen bleibt. In jedem Falle beginnt die Auflösung der aggregirten Kugeln in den untersten Zellen des Tentakels. — Aehnlich wie Ammoniak wirken auch Ammoniaksalze, z. B. kohlensaures Ammoniak, Werden die Tentakeln durch mehrmaliges Berühren oder durch dauernden Druck kleiner unauflöslicher Körperchen gereizt, so biegen sie sich um, sondern dabei saures Secret ab (bei ungereizten Tentakeln ist das Secret nicht sauer), und das Aussehen der Tentakelzellen wird ebenfalls verändert. — Eine Ausfällung tritt nicht ein. Der vor der Reizung homogen rothe Zellsaft ist jetzt farblos und enthält in der Regel nur mehrere roth gefärbte ellipsoidische Ballen (oft auch einen einzigen sehr langgestreckten, der fast drei Viertel des Zellraumes ein- nimmt), welche sich bewegen und ihre Gestalt verändern, ausser diesen aber meist noch kleinere kugelförmige; das Plasma rotirt wie sonst am Rande. Dieser Zustand unterscheidet sich also sehr wohl von dem amöboiden, es ist der von Darwin abgebildete, — Für die Er- klärung der Erscheinung liegt die Vermuthung nahe, dass die Reactions- änderung des Secretes mit ihr in causalem Zusammenhang stehe: der Druck auf die Drüse übt auf das lebendige Plasma mechanischen Reiz aus, der — wie es bei anderen Pflanzen auch beobachtet ist — Austritt von Flüssigkeit, und zwar hier von saurer Flüssigkeit, aus den Zellen zur Folge hat. Wie vorher die chemische Neutralisation des sauren Zellsaftes Ausfällung bewirkte, so führt jetzt der durch mechanische Reizung verursachte Austritt von Säure aus dem Zellsaft zu einer Abscheidung, einer Segregation, der albuminhaltigen Massen von dem nicht mehr sauren Zellsaft, entweder in Gestalt einer langgestreckten Vacuole, die unter Fortwirknng des Reizes kleiner wird, oder in mehreren, die — nicht blos wegen der Rotation des wandständigen Protoplasmas, sondern wahr- scheinlich auch wegen der molecularen Veränderungen, infolge des Säureaustritts — sich lebhaft bewegen und ebenfalls kleiner werden, 170 Jahres - Bericht Auf chemischem Wege werden die Eiweissstoffe zwar auch ab-, resp. ausgeschieden, aber da sie sich zu grösseren Massen zusammenballen, so kann man diesen Vorgang wohl Aggregation nennen. Die scharfe Trennung beider Erscheinungen, der Aggre- gation und der Segregation, ist entschieden geboten, da sie präciseren Ausdruck gestattet und manche Irrthümer aufzuklären vermag; auch die Hypothese über den Verlauf der Segregation führt zu interessanten Fol- gerungen, auf die ich aber hier nicht eingehen kann. Organische Substanzen reizen zunächst mechanisch: das Secret wird sauer, und Segregation tritt ein; sobald jene aber von der ab- geschiedenen Säure zersetzt und durch die Drüse aufgesaugt werden oder sonst irgendwie in die Tentakelzellen eindringen, wirken sie auch chemisch: in den segregirten Vacuolen bilden sich aggregirte Kugeln. Also: gereizt sind nur Zellen mit segregirtem Inhalte; der amöboide Zustand ist normal für die plasmareichen oberen Zellen; Aggregation ist chemische Wirkung. Einige Monate nachdem diese Untersuchungen abgeschlossen waren, zu Anfang dieses Jahres, erschien in den ersten Nummern der botani- schen Zeitung eine Abhandlung von Hugo de Vries: „Ueber die Aggregation im Protoplasma von Drosera rotundifolia‘“, auf die ich noch, soviel wie nöthig, eingehen will. In der Hauptsache gelangt de Vries zu demselben Resultate, indem er die Trennung von chemischer und Reizwirkung als unbedingt nothwendig nachweist. Den Verlauf der Reizwirkung aber (für die er den Namen Aggregation beibehält, während er die chemische Wirkung einfach als Ausfällung eines zu der Gruppe der Eiweisskörper gehörigen Nieder- schlages bezeichnet), stellt er anders dar. — Nach de Vries geschieht die Aggregation in zwei Perioden; die Beschreibung und Abbildungen der ersten erinnern an unsern amöboiden Zustand'!), die zweite ist identisch mit der von mir Segregation genannten Erscheinung, Oben habe ich bereits die Gründe angegeben, welche mich veranlassen, den amöboiden Zustand als normalen, nicht als Reizwirkung aufzufassen; daran halte ich auch jetzt vorläufig noch fest, denn de Vries zeigt nicht, wie beide Perioden in einer Zelle in einander übergehen; ausser- dem hat er (ohne den Grund anzugeben) nur Randtentakeln untersucht, !) Hier will ich noch bemerken, dass de Vries die Bewegung des Plasmas in solehen Zellen bloss immer ‚eine äusserst starke, d. h. rasche und in mannig- fachen Bahnen strömende Circulation des wandständigen Protoplasma‘ nennt; ich habe immer den Eindruck erhalten, dass das Plasma in vielen Strängen quer durch die Zelle strömt, und nie habe ich eine Zelle mit wandständigem Plasma und einer einzigen grossen Zellsaftvacuole in diesen Zustand übergehen sehen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 171 und diese gerade zeichnen sich durch einen besonders gut ausgeprägten amöboiden Zustand aus. Schliesslich will ich noch erwähnen, dass ich die Beobachtungen Warming’s über die Anatomie und Entwickelung der Drüsen bestätigt und soweit es möglich war, für die wandständigen Drüsen, ergänzt habe. Herr Apotheker Werner legte vor: Wedelstücke von Cibotium Baromeiz, die er aus dem von dieser Form abstammenden Pengawar Djambi herausgelesen hatte. In der sechsten Sitzung am 25. März legte Herr Professor Stenzel vor: 1. einen Blüthenkopf von Onopordon Acanthium mit bandartig ver- breitertem Blüthenboden, 2. monströse Blätter von der Hortensie, die er von Herrn Dr. Dietrich erhalten und die von ihm mit Hilfe einer Zeichnung erläutert wurden; zwei Blätter sind mit ihrer Unterseite verwachsen, 3. Kartoffelstengel, bei denen sich in den Achseln der Laubblätter Knollen ausgebildet hatten. Herr G. Limpricht sprach über Moosbastarde. Herr Rudolph v. Uechtritz legte vor und besprach: Novitäten der schlesischen Phanerogamenflora aus dem Jahre 1885. Dieselben sind bereits im Jahresbericht der botanischen Section für 1885 $. 216 bis 276 abgedruckt worden. Hernach legte derselbe vor eine von unserem correspondirenden Mitgliede, Herrn Apotheker Fiek in Hirschberg, eingesendete Abhandlung; Beitrag zu den Vegetations-Verhältnissen Ober-Schlesiens. Zu den botanisch wenig bekannten Gegenden Schlesiens gehört der sehr umfangreiche Lublinitzer Kreis, über dessen Pflanzenwelt Herr von Uechtritz, nach einem im Mai des Jahres 1863 gemachten Aus- fluge in die Gegend von Koschentin, die ersten Nachrichten gegeben hat. In den wenigen Tagen seines damaligen Aufenthaltes im Kreise hat er den östlichen Theil desselben, und zwar speciell den Landstrich nördlich von Koschentin bis zur russischen Grenze, hinreichend kennen gelernt, dort trotz der frühen Jahreszeit manchen interessanten Fund ge- than und in der Sitzung der botanischen Section vom 17. December 1863 eine Darstellung der phytogeographischen Verhältnisse gegeben. Der im Osten aus dem Königreich Polen eintretende, sich etwa durch die Mitte des Kreises nach Westen erstreckende Höhenzug konnte von ihm damals nicht näher erforscht werden, hätte vielleicht so zeitig 172 Jahres - Bericht im Jahre noch nicht seinen Erwartungen entsprochen. Die ältere An- nahme, dass man es bei diesem Höhenzuge mit den unteren Gliedern der im SW. von Polen so stark entwickelten Juraformation zu thun habe, ist durch die Römer’sche geologische Karte von Ober-Schlesien widerlegt, welche daselbst Theile der Trias angiebt: Unterer Keuper nebst relativ reichlich vorhandenen Kalkeinlagerungen mit Breceien- Schiehten. — Wenn auch dieses Moment eine reiche und mannigfaltige Vegetation nicht ausschliesst, so liesen sich bei dem Mangel geeigneter Terrainverhältnisse so interessante Vorkommen, wie im östlichen Nach- barlande nicht erwarten; es fehlt eben hier an buschigen felsigen Lehnen, und fast ganz an unbebauten Bergabhängen und Wald. Dessen un- geachtet reizte es mich, diesen Partien, wie auch den Mooren und Teichen im östlichsten Theile des in Rede stehenden Kreises einen Be- such abzustatten; ich wollte diese, durch die neu eröffnete „„Nothstands“- Bahnlinie zugänglicher gewordene terra incognita kennen lernen, und der im Juni dieses Jahres mit meinem Freunde Wetschky unter- nommene Ausflug dorthin bot trotz der dafür verwandten kurzen Zeit immerhin genügende Resultate, um sie hier mitzutheilen. Wenn man die Generalstabskarte dieses Landestheils betrachtet, so fällt ein zwischen sehr waldreichen Partien in ostwestlicher Rich- tung durch den Kreis sich hinziehender ziemlich breiter Streifen auf, der fast waldlos, dafür aber mit einer verhältnissmässig grossen Anzahl von Ortschaften besetzt ist. Dieser Streifen wird durch den erwähnten Hügelzug gebildet, dessen höchste Erhebungen im Osten liegen: während die Karte beim Oberhof Koschentin 314 m, die Anhöhe mit der Kapelle mit 330 m verzeichnet, ergiebt der Wachholderberg nordwestlich des Städtehens Woischnik 354 m, der Quartberg östlich davon 359 m, der westlich gelegene Grojetzberg 365 m und der Lubschauer Berg 366 m Seehöhe. Von diesen Bergen übersieht das Auge eine unbegrenzt weite, namentlich im Süden dicht mit Wald bedeckte Ebene, die wenig mensch- liche Ansiedelungen aufweist. Viele Quadratmeilen gross, dehnt sich der Wald, nur unterbrochen von einzelnen kleinen armseligen Ortschaften und schmalen, bei Regengüssen leicht überschwemmten Wiesenstreifen, welche die südlich des Zuges sich parallel erstreckende Malapane, die Sirzwarta im Norden, sowie die kleineren Bäche und Rinnsale begleiten. Diese vielfach von niedrigen Anhöhen durchsetzte Ebene, die sich hier nur bis zu 253 m senkt, gehört zu den übel beleumundeten Theilen Ober-Schlesiens. Die nördliche Hälfte besitzt allerdings stellenweise etwas besseren Boden, der Sand wechselt hin und wieder mit Thon ab, welcher letzterer weiter westlich reichlicher vorhanden ist, und sogar zur Anlage von 'Ihonwaarenfabriken Veranlassung gegeben hat. Auch das bei Dembowagura von Uechtritz beobachtete Vorkommen von Ahornbeständen, das Auftreten von Buchen und Eichen bei Sumpen, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 173 sowie das Vorhandensein eines prachtvollen Rothbuchenwaldes im Forst- revier Namchen, der mancherlei Vorgebirgspflanzen beherbergt, sprechen dafür. Im südlichen Striche findet man aber nichts als Sand, feinen, gleichmässig kleinkörnigen, nicht einmal gröberen Sand, auch keine Ge- schiebe, keine Kieslager, ebensowenig Thon (und Thoneisenstein). Das ist das rechte Terrain für Pinus silvestris, die hier vollständig dominirt, weite Flächen allein einnimmt und nur hin und wieder mit Picea excelsa, vergesellschaftet ist, die gewöhnlich einzeln oder in kleinen Gruppen, sehr selten in mässig grossen Beständen auftritt, ganz im Gegensatz zu den nördlichen Theilen, wo schöne Fichtenbestände vorhanden sind. Dasselbe öde Einerlei, ‚dieselbe Monotonie zeigt auch die Kräuterdecke des Bodens, der gewöhnlich da, wo Luft und Licht es gestatten, dicht mit den bekannten Haidesträuchern überzogen ist: Calluna herrscht meist ausschliesslich, Vaccinium Vitis idaea nebst V. Myrtillus sind "seltener, Arctostaphylus Uva ursi wurde nur an einer Stelle (südlich von Woischnik) bemerkt; auch Genista pilosa kommt nur zerstreut vor, öfter aber Saro- thamnus. Vermisst haben wir die in Ober-Schlesien sonst so verbreiteten drei Oytisus-Arten, dagegen findet sich unter hochstämmigen Kiefern zu- weilen Juniperus communis. Teesdalea, Gnaphalium dioecum, Filago minima, Jasione, Carex pilulifera, Aira flexuosa, Weingärtneria, Festuca ovina, Cala- magrostis epigea und wenige andere Arten bewohnen fast allein den trocknen Kiefernwald; die Verbascum-Arten scheinen selten zu sein; auch Genista germanica sahen wir nur an einem Punkte; an Waldrändern findet sich Arnoseris und Teesdalea, bei Zawadzie wurde an solchen Stellen neben Potentilla reptans auch reichlich P. mixta beobachtet, in der Grösse und Zahl der Petalen sehr abändernd; Bromus mollis liostachys stand ziemlich zahlreich beim Bahnhofe Stahlhammer. An allen tiefer gelegenen, gewöhnlich etwas moorigen und feuchten Stellen des Waldes sind regelmässig Vaccinium uliginosum, Ledum palustre und Eriophorum vaginatum, zuweilen auch Oxycoccus anzutreffen, denen sich an Gräben Stellaria uliginosa, Peucedanum palustre, Lysimachia thyrsiflora und einige andere zugesellen; selten dagegen erscheinen Stellaria Frieseana (im Walde zwischen Stahlhammer und Sossnitz), Rubus sawxatilis, Sanicula, Trientalis und Orchis maculata; Ribes nigrum fanden wir reichlich an einem Wald- bache. Die freien sumpfigen Waldstellen sind öfter die Wohnplätze für Seneeio erispatus, noch häufiger für Valeriana polygama, die überhaupt hier sehr verbreitet ist und auf nasseren Wiesen selten vermisst wird. Auf solchen Wiesen ist die Flora im Ganzen übrigens mannigfaltiger als auf den trocknen, die thatsächlich nur die gemeinsten Pflanzen und kein irgendwie eigenthümliches Gepräge tragen. Dort sind die Carices besonders stark vertreten, (©. dioeca, Davalliana, pulicaris, teretiuscula, stellulata, canescens, Goodenoughii in verschiedenen Formen, jlava ete., dann aber auch Viola palustris, Drosera rotundifolia, Stellaria glauca, uli- 174 Jahres - Bericht ginosa, Comarum, Menyanthes, Pedicularis silvatica und palustris (beide auch weissblühend), Orchis morio, incarnata (besonders verbreitet auf der grossen Urbanka - Weide bei Woischnik), Juncus squarrosus, Triglochin palustre, Scirpus paueiflorus; minder verbreitet‘ sind Ranunculus Lingua, Hydrocotyle, Veronica scutellata, Epipaetis palustris. Es fehlt übrigens nicht gänzlich an fruchtbareren Wiesen; so tragen die oberen bei Solarnia gelegenen Theile der sich von Woischnik gegen Süden erstreckenden Wiesenflächen einen von den übrigen abweichen- den Charakter. Sie werden von Thalictrum angustifolium, dem auf der rechten Oderseite so seltenen Geranium pratense, ferner von G. palustre, Galium Wirtgeni, boreale, zahlreichen Crepis succisaefolia, Carex Horn- schuchiana, brizoides, lepidocarpa u. s. w. bewohnt. Ausserdem ist Cirsium rivulare sehr verbreitet, während wir C. oleraceum und palustre nirgends gesehen haben. Die Felder in der Umgebung der ärmlichen Ortschaften dieser Gegend bieten einen traurigen Anblick; die aus dem feinen Sande ver- einzelt hervorspriessenden dünnen und kurzen Getreidehalme beweisen, dass der Ackerbau hier nichts weniger als lohnend sein kann. Neben Roggen, Hafer und Kartoffeln werden hier nur noch Buchweizen und Lupinen gebaut. Von Unkräutern in diesen Culturen finden wir nur die gemeinsten; Teesdalea, Silene gallica, Arnoseris und Hypochoeris glabra kommen jedoch hie und da vor. Wesentlich besser als diese sind die Aecker auf dem höher ge- legenen mittleren Theile des Kreises, nämlich auf dem erwähnten Höhen- zuge. Hier wird dem Landwirthe in Folge des thonigen und kalk- haltigen Bodens weit besserer Erfolg seiner Mühen zu Theil; er baut hier ausser den genannten Culturgewächsen noch Weizen, Raps und mancherlei Futterkräuter; denn es tritt zu den gewöhnlichen Kleearten noch Esparsette, Luzerne und öfter Anthyllis Vulneraria hinzu. Auf dem Keuper ist die Ackerflora keine aussergewöhnliche, der Kalkboden allein bietet manche besondere Art. Von speciellem Interesse war uns am Zogelberge und den benachbarten Hügeln östlich von Woischnik das ziemlich häufige Auftreten zweier, in Schlesien bisher nur von je einem Standorte bekannten Pflanzen, nämlich Galium tricorne und Scandix pecten Veneris; ausserdem wuchsen dort Adonis aestivalis und deren gelbblühende Varietät (A. citrina Hoffm.), Fumaria Vaillanti, Lepidium campestre, Vicia villosa, Falcaria, Melampyrum arvense, Alectorolophus hirsutus, Euphorbia exigua ete, Hin und wieder auf Aeckern, aber häufiger an unbebauten Stellen wurden noch gefunden: Thalictrum minus, Vicia tennifolia, Nonnea pulla (an verschiedenen Punkten) und Salvia verticillata, letztere wie S. pralensis weit verbreitet, westlich bis Lublinitz gehend, Grasige kräuter- reiche Stellen sind auf den Bergen selten genug, wie wir auch vergeblich nach Gebüschen daselbst forschten. Auf dem Quartberge bei Woischnik der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 175 fanden wir wenigstens einen breiten mit Sträuchern besetzten Rain, der Arabis hirsuta, Dianthus Carthusianorum, Polygala comosa, Poterium Sangui- sorba, Potentilla opaca, Pencedanum Cervaria, Picris, Hieracium praealtum var. Banhini, Veronica Teucrium, Orobanche rubens (auch auf anderen Hügeln), Stachys recta, Betonica und Carex montana beherbergte. Leider wird bei dem Mangel an solchen Localitäten das weitere Durchsuchen dieser Berge ziemlich nutzlos sein und ein erneuter Besuch derselben schwerlich wesentlich andere Resultate ergeben; nur der Grojetzberg, dessen be- waldete Kuppe verlockend winkte, bietet gewiss noch manche uns ent- gangene Art. Auf dem Wege nach demselben konnten wir am Florians- berge Onobrychis, Scabiosa ochrolenca, Centaurea rhenana, Ü. Scabiosa, Nonnea, Cerinthe minor, Veronica spicata, V. Teucrium, Orobanche rubens und Trisetum flavescens, auf dem Lubschauer Berge Carlina aeaulis in Menge, sowie im Gebüsche zahlreiche Onobrychis, an einem Waldrande vor Mühlehen endlich Ononis spinosa, O. hircina, Trifolium ochroleucum, medium, montanum, Rosa rubiginosa, Astranlia, Silaus pratensis, Carex tomentosa u. a. constatiren. Sambucus Ebulus wächst bei der Ellguther Ziegelei, und in den Spalten einer aus Kalksteinen gebauten Mauer beim Valentinkirchlein gedeiht reichlich Phegopteris Robertiana und Asplenium Ruta muraria. Wie die übrigen Vegetationsformationen, so zeigen auch die Wiesen dieses Landstriches grössere Abwechselung und einen grösseren Reich- thum an Pflanzen als die zuerst betrachteten. Ausser den sehr häufigen Valeriana polygama, Cirsium rivulare und Crepis succisaefolia kommen vor: Trollius, Polygala comosa, Spiraea Filipendula, Sanguisorba officinalis, Peuce- danum Cervaria, Pimpinella magna, Galium boreale, Inula salicina, Serratula, Scorzonera humilis, Campanula glomerata, Gentiana Pneumonanthe, Salix repens, Gymnadenia conopsea, Carex distans, ©. Buxbaumiü ete.; auf einer kalk- haltigen Wiese östlich von Lubschau wuchs ausserdem Pinguicula vul- garis, Carex dioeca, Davalliana, Paludella squarrosa, Hypnum filicinum. Der Gipfel des Grojetzberges brachte die reichste Ausbeute. Der- selbe ist eingenommen von einem schönen Bestand alter hochstämmiger Tannen (Abies pectinata), die sonst in der ganzen Gegend nicht bemerkt wurde; das Vorhandensein einer Cultur auf der einen Seite des Berges gab uns die Gewissheit, dass diesem die Pflanzenschätze erhalten bleiben werden. Als Unterholz ist Corylus besonders vertreten, auch Sambucus racemosa, 8. nigra, Daphne Mezercum, zeigte sich, und auf der Nordseite wird der Wald von einem sich aus diesen und einigen andern Sträuchern zusammensetzenden Laubholzgebüsch begrenzt, in welchem uns besonders die mehrfach vorkommende Evonymus verrucosa erfreute. In diesem Ge- büsche und dem Hochwalde wachsend konnte ich folgende Pflanzen ver- zeichnen: Hepatica, Aconitum variegatum (spärlich), Aquilegia vulgaris (viel), Isopyrum thalictroides (verbreitet), Actaea spicata, Helianthemum, 176 Jahres - Bericht Viola collina, V. mirabilis (ziemlich zahlreich), V. silvatica, Silene nutans, Geranium columbinum, Lothyrus vernus, Trifolium ochroleucum (sparsam), T. montanum, Medicago faleata, Coronilla, Vieia silvalica, V. dumetorum, Alchemilla vulgaris, Rubus, Poterium Sanguisorba, Spiraea Filipenduld, Astrantia, Sanicula, Peucedanum Cervaria, P. Oreoselinum, Galium vernum, Scorzonera humilis, Hieracium praealtum, Pirola minor, rotundifolia, Pulmonaria obscura, Melampyrum nemorosum, Melittis Melissophyllum, Salvia verticillata, Galeob- dolon, Asarum, Lilium Martagon, Polygonatum verticillatum, P. multiflorum, Orchis maculata, Platanthera viridis, Neotlia nidus avis, Carex montana, ©. silvatica var. Tommasiniü, Bromus asper, Brachypodium silvaticum etec., am Fusse des Berges ausserdem Campanula Cervicaria. In der siebenten Sitzung vom 28. October zeigte Prof. Ferd. Cohn einen Abguss der Büste von H. R. Göppert, welche nach dem von Professor Fritz Schaper angefertigten Modell in der Kunstgiesserei von Gladebeck zu Berlin in Bronce gegossen, und am 18. Mai nächsten Jahres, dem Todestage Göppert’s, auf der Breslauer Promenade ent- hüllt werden soll. Von dieser Colossalbüste, die in ihrer treffenden Portraitähnlichkeit und glücklichen Auffassung den Stempel des berühmten Künstlers trägt, sind auf den Wünsch zahlreicher Verehrer Göppert’s Maschinencopien in Elfenbeinmasse in der Höhe von 44 cm angefertigt worden, welche von der Kunsthandlung der Gebr. Micheli, Berlin, Unter den Linden Nr. 12, zum Preise von 20 Mark zu beziehen sind, Ferner legte Prof. Cohn vor: 1) Die bisher erschienenen Lieferungen der „Forstlichen Flora von Deutschland und Oesterreich“, ein Geschenk ihres Verfassers, unseres Ehrenmitgliedes Prof. Willkomm in Prag. 2) Jinuma Yokusai, somoku-dusets, illustrirte Flora von Japan, 2. Auflage, ‚herausgegeben von Tanaka Yoshio und Ono Mo- toyoshi in Tokio, gedruckt auf Ordre des Hakubuts- Kuwan (Museum) im Jahre 2534 der japan. Aera. 20 Bände 8°, dazu ein Register-Band (index of the Japanese names in the Katakana syllabary, a second index of the same romanized, d. h. mit lateinischen Lettern; alphabetical index of Ihe systematical names, die lateinischen Namen mit der Autor- bezeichnung). Jeder Band enthält gewöhnlich auf der linken Seite in schwarzem Holzschnitt die Abbildung einer Species mit vergrösserter und colorirter Darstellung der Blüthe, Frucht, auch unvollkommene Ana- lysen, dazu den lateinischen und japanischen Namen und die Pflanzen- familie in lateinischen Lettern; die rechte Seite giebt eine ausführliche Beschreibung in japanischer Sprache und Schrift. Die Pflanzen, in Summa 1204 Arten, sind nach dem Linn&’schen System geordnet; bei einzelnen Pflanzen ist nur die Gattung, nicht aber auch die Species be- "a 7 u 1 der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 177 stimmt; selten ist nur die Familie angegeben. Das Werk ist ein Ge- schenk seines Schülers, des Dr. Shinkizi Nagai in Tokio. Hierauf hielt Professor F. Cohn einen Vortrag über Tabaschir. 1) Dr. Theodor Schuchardt, Chef der bekannten chemischen Fabrik in Görlitz, hat auf Ersuchen des Vortragenden grössere Quantitäten dieses im ganzen Orient von Konstantinopel bis Tokio seit alter Zeit und noch in der Gegenwart als Heilmittel verwendeten, in unseren Sammlungen noch selten vertretenen Körpers aus Singapore bezogen, in zwei Sorten, rohes und caleinirtes Tabaschir, die von Schuchardt käuflich zu er- halten sind. Dieses Material hat Vortragender zu Studien benutzt, aus denen sich, in Ermangelung direecter an Ort und Stelle gemachter ein- gehender Untersuchungen, einige Schlüsse über die Art und Weise seiner Entstehung ziehen lassen. Das rohe Tahaschir kommt vor in unregelmässigen walzlich-eckigen Stücken von Wallnuss-, Haselnuss- bis zur Sandkorn-Grösse, mit abge- rundeten Flächen, den Stücken des Gummi arabicum nicht unähnlich, von sehr verschiedener Härte, Durchsichtigkeit, Glanz und Farbe, durch- scheinend bis undurchsichtig, bräunlieh, röthlich, gelblich, schmutzig grau bis schwarz; wir können eine erdige, unter den Fingernägeln leicht zer- bröckelnde, eine kreideartige, mit dem Nagel ritzbare, eine speckstein- artige, fettig schimmernde und eine milchglasähnliche, an den Kanten durchscheinende Varietät unterscheiden; nicht selten finden sich auch onyxartige Stücke, welche abwechselnd weiss und schwarz geschichtet sind. Das caleinirte Tabaschir, durch Glühen aus dem rohen leicht dar- stellbar, ist härter, von opalartiger oder milchglasähnlicher, bläulich- weisser Farbe, grob gehacktem Zucker nicht unähnlich. Schon Maecie (später Smithson), der ersteChemiker, welcher 1791 das von Dr. Patrick Russel 1788 aus Indien nach London geschickte Tabaschir untersuchte, stellte fest, dass das Tabaschir reine Kieselerde sei, welche in rohem Zustande etwa das gleiche Gewicht Wasser und etwas organische Sub- stanz enthält, die sie durch Glühen verliert. Aber auch von selbst in trockener Luft verliert das rohe Tabaschir den grössten Theil seines Wassers, wobei es in immer kleinere und kleinere Bruchstücke zer- springt; die meisten Tabaschirstücke sind nur Fragmente grösserer Massen, von denen sich an allen Seiten kleinere oder grössere Portionen mit muschligem oder splittrigem Bruch abgelöst hatten. Vortragender konnte an einzelnen ziemlich unbeschädigten Tabaschirmassen ermitteln, Y!) Der Inhalt eiues zweiten in der Sitzung vom 7. Februar 1887 gehaltenen Vortrags über Tabaschir ist hier mit referirt; vergl. auch das in der Einleitung des Jahresberichts gegebene Referat über den in der Wanderversammlung der Schle- sischen Gesellschaft zu Liegnitz gehaltenen Vortrag „Rohrzucker und Tabaschir“, 1886. 12 178 Jahres-Bericht dass dieselben ursprünglich Cylinder mit convexer Basis und parallel- längsgeriefter, an die der Calamiten erinnernder Mantelfläche sind, welche die Höhlung eines Bambusinternodiums von der Querwand bis zu einer gewissen Höhe vollständig ausgefüllt und daher auch den Abdruck der Gefässbündel an ihrer Aussenfläche aufgenommen haben; sie sind also die Steinkerne von Bambusinfernodien. Aus dem geringen Durchmesser der Cylinder, die zwischen dem eines Kinderfingers und dem eines Mannesdaumen und darüber variiren, lässt sich schliessen, dass nicht die schenkeldicken Stämme der Bambusa arundinacea, sondern entweder schlankere Arten oder jüngere Schösslinge, oder vermuthlich die schwächeren Aeste und Zweige der baumartigen Bambusen es sind, aus denen durch Spaltung das Tabaschir gewöhnlich gesammelt wird. Das grösste Stück rohes Tabaschir hatte 4 em Höhe und 2,7 cm Durchmesser und wog 15,74 g; das gewöhnliche Gewicht beträgt 3—6 g. Alles Tabaschir ist ausserordentlich spröde und zerbrechlich, und lässt sich zwischen den Zähnen leicht zertrümmern, mit dem Messer leicht schneiden; doch brechen die Schnitte sofort in dünne, scharfe, glasähnliche Splitter; unter dem Mikroskop ist es völlig homogen und amorph, zeigt auch im polarisirten Lichte keine Doppelbrechung. In der homogenen Grund- substanz sind Nester von eubischem Parenchymgewebe eingebettet, welche mit blossem Auge wie braune Punkte erscheinen, besonders reichlich in den schmutzigen erdigen Stücken; verschiedene Pilze durchziehen mit ihren verzweigten, farblosen oder bräunlichen Hyphen die Kieselsubstanz; dieselben waren zum Theil noch lebensfähig und entwickelten sich bei den in Wasser und selbst in Oel eingelegten Stücken zu einem strahlig einhüllenden, jedoch steril bleibenden Mycel; einmal fructifieirte Peni- cilium; doch fanden sich in der Kieselmasse eingeschlossen auch Sporen anderer Pilzarten, sowie ein Micrococcus. Aus alledem ergiebt sich, dass Tabaschir in den hohlen Bambusgliedern in weichem und höchst wahr- scheinlich in gallertartigem Zustande abgeschieden wird. Vortragender gab einen historischen Ueberblick über die Kenntniss des Tabaschir, von dem zuerst Don Garcia d’Orta in Goa 1563 genauere Nachricht gab, nachdem schon im 10. und 11. Jahrhundert die arabischen Aerzte der unter den Abassiden blühenden medieinischen Akademien seine Heilkräfte gerühmt hatten. Ohne Zweifel steht dessen Bildung mit dem aussergewöhnlich raschen Wachsthum der Bambusstengel in Zusammenhang; bekanntlich erreichen die aus dem unterirdischen Rhizom hervorbrechenden Knospen des Bambus in wenig Wochen ihre voll- kommene Höhe und Stärke; die hohlen Internodien sind eine Zeit lang mit Wasser gefüllt und ihre Gewebe anfänglich so weich und wasser- reich, dass sie als eine Art Kohl genossen werden können. Dass zu- gleich mit der ungewöhnlich grossen Wassermenge, welche die Bambus- wurzeln während des Wachsthums der Stengel einsaugen, auch grössere der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 179 Mengen von Kieselsäure aufgenommen werden, wird schon durch die starke Verkieselung der Oberhaut angezeigt. Es ist anzunehmen, dass in der Wachsthumsperiode, wo die Blätter des Bambus erst in Entwickelung begriffen und die Transpiration daher minimal ist, aus den blinden Enden der in den Querwänden der Knoten verflochtenen Gefässbündel durch den Blutungsdruck der Wurzeln Wasser in die hohlen Internodien ausgepresst wird, welches später bei gesteigerter Transpiration zugleich mit den übrigen im Blutungssafte gelösten Salzen von den Geweben der Internodiumwände wieder resorbirt wird, während die colloidale Kieselsäure, durch Dialyse gereinigt, in der Höhlung zurück- bleibt, und dass bei einer gewissen Concentration, die 2 pCt. nicht zu erreichen braucht, die Kieselsäure, vielleicht unter Einwirkung von Kohlensäure, oder eines Ferments, gelatinirt. Die voluminöse Kiesel- gallert füllt das Internodium bis zu einer gewissen Höhe vollständig aus, und schliesst Fetzen des zerstörten Markparenchyms ein, wird von Mycelien (gewissermassen in natürlicher Gallerteultur) durchwuchert und troeknet unter fortschreitender Absorption des Wassers allmählich zu festem Tabaschir aus. Ob dies ein normaler oder — wofür gewisse Angaben zu sprechen scheinen — gewissermassen ein pathologischer, von äusseren Veranlassungen herbeigeführter Vorgang sei, lässt sich nur durch Beobachtung in Indien ermitteln. Die überaus merkwürdigen physikalischen und insbesondere die optischen Eigenschaften des Tabaschir sind von Brewster 1819 und 1823 erforscht und dessen Ergebnisse vom Vortragenden bestätigt, resp. durch neue Untersuchung erweitert und vervollständigt worden; sie be- ruhen im wesentlichen darauf, dass Tabaschir trotz seines dichten An- sehens und des Glasglanzes, den viele Stücke besitzen, ein vollkommen poröser Körper ist, dessen Poren im frischen rohen Tabaschir mit Wasser, im caleinirten mit Luft erfüllt sind; daher schwimmt letzteres nicht blos in Wasser und Oel, sondern auch in den leichtesten Aethern (spec. Gew. 0,56); es imbibirt aber alle Flüssigkeiten so energisch, dass die Luft lebhaft in Perlenketten ausgetrieben wird; ein Stück ealeinirtes Tabaschir lässt etwa sein gleiches Volumen Luft entweichen. Durch Imbibition von Flüssigkeiten wird die Durchsichtigkeit des Ta- baschir gesteigert; dieses zeigt dann Fluorescenz, indem es in durch- gehendem Lichte orange, in reflectirtem himmelblau (ähnlich Petroleum) erscheint. Das Brechungsvermögen des mit einer Flüssigkeit imbibirten Tabaschir ist im Allgemeinen das Mittel zwischen dem Brechungs- exponenten der Kieselerde und der eingesaugten Flüssigkeit; daher Ta- baschir um so stärker lichthrechend und zugleich um so transparenter erscheint, je stärker lichtbrechend die eingesaugte Flüssigkeit war. Durch Imbibition gefärbter Flüssigkeiten erscheint Tabaschir selbst gefärbt; doch kann dasselbe auch feste Niederschläge in seine Poren aufnehmen 12” 180 Jahres-Bericht (Kohle, Berliner Blau u. s. w.) und wird dadurch vollkommen homogen gefärbt. Sind durch die Poren gleichzeitig zwei Medien von verschie- denem Brechungsvermögen (Luft und Wasser, Wasser und Oel) auf- genommen, so wird das Tabaschir opakweiss. Tabaschir stimmt mit den organisirten Membranen darin überein, dass die Poren selbst unter der stärksten Vergrösserung unsichtbar, also intermolecular oder inter- micellar sind, unterscheidet sich aber von den Zellmembranen dadurch, dass es nicht quellbar ist. In den meisten Eigenschaften stimmt Taba- schir mit den Opalen und insbesondere mit Hydrophan überein; es ge- lang dem Vortragenden, in Tabaschir durch Einsaugung flüssiger Kiesel- säure, oder durch Imprägnirung mit Natronwasserglas, aus dem dann die Kieselsäure durch Einlegen in Salzsäure abgeschieden wurde, Härte, Gewicht und Dichtigkeit sehr erheblich zu steigern; durch mehrmalige Wiederholung dieser Operationen wurde Tabaschir dem Opal und ins- besondere dem Hydrophan vollkommen ähnlich, so dass es Glas ritzte und ein porzellanartiges Ansehen erhielt, durch Wasseraufnahme aber durchsichtig wurde; einzelne Tabaschirstücke wurden sogar in glasähn- lichen Hyalit verwandelt, sie bleiben auch in trockenem Zustande durch- sichtig und nehmen kein Wasser mehr auf; däs spec. Gewicht wurde nach elfmaliger Wiederholung der Operation um 75 pCt. vermehrt, in- dem 12 g Tabaschir ihr Gewicht auf 21 g gesteigert hatten. Schliesslich behandelte Vortragender eingehend die Frage, ob das seit der Zeit Vespasians im Römischen Reiche als Arzneimittel bekannt sewordene Saccharum als Rohrzucker oder als Tabaschir zu deuten sei; sie beantwortet sich von selbst durch die Erwägung, dass die Be- schreibungen des Saccharum bei Plinius, Dioscorides, Galenos höchstens auf unseren weissen krystallisirten und raffinirten Candiszucker bezogen werden könnten, dieser aber nach allen Nachrichten nicht vor dem 8. Jahrhundert n. Chr., wenn nicht noch später, in Mesopotamien zuerst dargestellt worden ist. In der Sanskritliteratur führt Tabaschir den Namen Sakkar Mambu (Bambussteine); unter dieser Bezeichnung wurde dasselbe im ersten Jahrhundert n. Chr. ins Abendland aus indischen Häfen (Barygaza, heut Baroche), vermuthlich auch aus arabischen exportirt, und sein Name auf den später erfundenen raffinirten weissen Rohrzucker übertragen. Vortragender spricht seinen Collegen, den Herren Professoren Poleek, Leonhard Weber, Hintze, Studemund, Hildebrandt, Eduard Meyer, Freudenthal, Dr. OÖ. Maschke (Breslau), Director Thiselton Dyer (Kew), Dr. Dietrich Brandes (Bonn), Dr. Carl Schumann (Berlin) und seinem Assistenten Dr. Max Scholtz, die ihn bei diesen Untersuchungen durch experimentelle oder literarische Unter- stützung gefördert, seinen Dank aus, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 181 Im Anschluss an obigen Vortrag, dessen ausführliche Bearbeitung inzwischen in den vom Vortragenden herausgegebenen Beiträgen zur Biologie der Pflanzen (Band IV, Heft 4, S. 365—407 mit 1 Tafel und 1 Holzschnitt) ersehienen ist, gab Geheimrath Professor Dr. Poleck eine Mittheilung über seine Analyse des von Dr. Schuchardt bezogenen Tabaschir. Auserlesene grössere Stücke wurden zerrieben, innig gemischt und ihr Wassergehalt bei gewöhnlicher Temperatur nur bei 100°, sowie der Glühverlust bestimmt. Bei gewöhnlicher Temperatur bis zum constanten Gewicht getrocknet, verlor dies Gemisch nach zwei Tagen 61,9 pCt., bei 100° schon nach wenigen Stunden 62,5 pCt. Wasser. Der Glühverlust betrug 63,57 pCt. Beim Trocknen blieb die Farbe ziemlich unverändert grau, auch beim Glühen trat nur eine geringe, rasch vorübergehende Schwärzung ein. Nach den vorstehenden Versuchen würde die organische Substanz circa 1 pCt. betragen. In einem zweiten Versuch mit anderen Stücken wurden bei 100° 57,7 pCt. Wasser und beim Glühen noch 1,16 pCt. Glühverlust erhalten, während der letztere beim direeten Glühen 58,3 pCt. betrug. Auch aus diesem Versuch geht der geringe Gehalt des Taba- sehir an organischer Substanz hervor, welcher 1 pCt. nicht überschreitet und kaum erreicht. Das zu diesem Versuch dienende Tabaschir war in gut schliessenden Glasgefässen bezogen und aufbewahrt. Es ist selbstver- ständlich, dass es im anderen Falle einen sehr wechselnden Wasser- gehalt zeigen würde. In Wasser ist das rohe Tabaschir etwas löslich. Bei anhaltendem Erwärmen mit erneuten Wassermengen wurden ca. 27 pCt. gelöst, in 100 Theilen Wasser 0,05 pCt. Die Lösung reagirte schwach alkalisch und die durch Abdampfen erhaltene Kieselsäure enthielt geringe durch das Spektroskop nachweisbare Mengen Natrium und Spuren von Schwefel- säure, In Kalilauge lösten sich die reinen Stücke leicht und vollständig auf, während die wenigen reinen Massen wechselnde Mengen eines un- lösliehen Rückstandes hinterliessen. Auserlesene Stücke des rohen Tabaschir werden durch Caleiniren, Glühen, unter vorübergehender Schwärzung weiss. Ihr Aussehen entspricht dann in der Grösse von Haselnüssen, in der Farbe, in der Consistenz, in der Zerreiblichkeit zwischen den Zähnen vollständig der Beschreibung, welche Dioseorides und Plinius von dem Sacharon gegeben haben, ein Aussehen, welches diesem Körper den persischen Namen Tabaschir, das heisst Rindenmilch, verschafft hat. Es sind unregelmässige milchweisse, undurchsichtig oder bläulich opulisirende concav-convexe Stücke, welche im Wasser untersinken, Sie ritzen Glas und lösen sich leicht und voll- ständig in Kalilauge. 182 Jahres - Bericht Durch Fluorwasserstoff wurde das caleinirte Tabaschir fast voll- ständig als Fluorsilieium verflüchtigt. In drei Versuchen blieben nur 0,4 pCt.; 0,75 pCt. und 0,85 pCt. Rückstand, in welchem Spuren von Natrium, aber weder Kalksalze noch Phosphorsäure nachgewiesen werden konnten. Tabaschir ist daher als reine Kieselsäure und zwar als normale Kieselsäure anzusehen, wie sie durch Säuren, beziehungsweise durch Kohlensäure aus Alkali - Silicaten ausgeschieden wird mit allen Eigen- schaften, welche diesem Körper zukommen. Es ist daher ein Irrthum, wenn Dymok. in seiner Materia medica einen Gehalt von 30 pCt. Kali Tabaschir ergiebt. ‘ Herr Professor Dr. Ferdinand Cohn hatte in seinem vorstehen- den Vortrage die phisiologischen und Weachsthums - Verhältnisse des Bambusrohrs erläutert und dabei hervorgehoben, welche grosse Massen Wasser das Bambusrohr dem Boden eutziehe, Bei dem aussergewöhn- lich raschen Wachsthum der Bambusstengel erreichen die aus dem unterirdischen Rhizom hervorbrechenden Knospen des Bambus in wenigen Wochen ihre vollkommene Höhe und Stärke; die hohlen Internodien sind eine zeitlang völlig mit Wasser gefüllt und in ihnen findet die Ab- scheidung des Tabaschir statt. Das Wasser der Tropen muss hier augenscheinlich reicher an Alkalisilieaten und wohl auch an freier Kiesel- säure sein, wie dies aus der Zusammensetzung des Asche des Bambus- rohrs hervorgeht. Diese besteht nach einer Analyse von Hammerbacher (Liebig'’s Annalen der Chemie Bd. 176 S. 87. 1875) aus 28,26 pCt. Kieselsäure, 4,48 pCt. Kalk, 6,57 pCt. Magnesia, 0,03 pCt. Eisenphosphat, 34,22 pCt. Kali, 12,76 pCt. Natron, 2,06 pCt. Chlor und 10,7 pCt. Schwefelsäure. Leider wurde bei dieser Analyse der Procentgehalt des Rohrs an mineralischen Bestandtheilen nicht bestimmt. Ich habe dies bei einem gleichzeitig mit dem Tabaschir bezogenen Stück Rohr nachgeholt. Bei 100° getrocknete Stücke aus den Knoten, wobei sie 7,4 pCt. an Ge- wicht verloren, gaben 2,54 pCt., Stücke aus den Internodien 2,9 pCt. unverbrennlichen Rückstand, der zum Theil geschmolzen war. | Durch diesen grossen Reichthum an Alkali und dem Zurücktreten der alkalischen Erden, wodurch sich die Asche des Bambusrohrs wesent- lich von jenen des Holzes von Calamus Rotang, spanisches Rohr, unter- scheidet, in welcher kaum 1 pCt. Alkali und Schwefelsäure, dagegen 16,9 pCt. Kalk und 11,3 pCt. Magnesia neben 68 pCt. Kieselsäure ge- funden wurden (]. e.), erklärt sich die Entstehung des Tabaschir sehr einfach. Wir haben uns in den mit Wasser gefüllten Internodien diese Abscheidung und Ablagerung der Kieselgallert während der Vegetations- periode als einen ganz analogen Vorgang zu denken, wie er stattfindet, wenn ein Alkali - Siliecat durch Kohlensäure oder andere Säuren gefüllt der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 183 wird. Da, so viel ich weiss, es nicht bekannt und auch nicht wahr- scheinlich ist, dass das Bambusrohr zur Zeit seiner Entwicklung einen reichen Gehalt an freien organischen Säuren besitzt, so dürfte hier die Abscheidung der Kieselsäure vorzugsweise der Kohlensäure zufallen und dann das Alkali durch Diffusion der anderen Theile der Pflanzen zuge- führt werden. Direecte Beobachtungen sind darüber nicht vorhanden, aber die grosse Reinheit des Tabaschir, seine vollständig neutrale, eher etwas alkalische Reaetion spricht zu Gunsten dieser Annahme. In der achten Sitzung vom 11. November legte Professor Stenzel vor Zweige von Abies pectinata, gesammelt von Herrn Langner von einer Tanne an der Rennbahn bei Scheitnig mit umgewendeten Nadeln, so dass die weisse Unterseite nach oben ge- kehrt ist, die Ursache konnte nicht ermittelt werden, Herr Oberstabsarzt Schröter hielt einen Vortrag über die auf Hutpilzen vorkommenden Mucorineen. Zunächst wurden die saprophytischen Arten besprochen, welche zu- meist dieselben sind, wie auf anderen faulenden Vegetabilien, besonders Mucor racemosus und ihm nahestehende kleinere Arten. Mehrere Mor- tierella-Arten, M. candelabrum und M. nigrescens, obwohl, wie es scheint, nur auf Pilzen vorkommend, scheinen auch reine Saprophyten zu sein. Sporodinia Aspergillus wird in der Natur auch nur auf fleischigen Pilzen angetroffen, aber auf sehr vielen Arten derselben aus den verschiedensten Gruppen, z. B. auf den meisten Agaricus-, Cantharellus-, Russula-, Bo- letus-, Strobylomyces- und selbst Clavaria-Arten. Durch die von Brefeld festgestellte Thatsache, dass er sich mit Leichtigkeit auf Brot eultiviren lässt, zeigt er seine saprophytische Natur. Speeifische Parasiten einiger Pilze sind die Spinellus - Arten. Ihr Mycel durchzieht weithin das Gewebe der befallenen Pilze, die Frucht- träger brechen strahlenförmig aus den Hüten der noch kräftig vege- tirenden Pilze hervor. sSpinellus fusigus findet sich nur auf wenigen Col- Iybia-Arten, er ist auch in Schlesien auf Coll. dryophila und Coll. fusipes gefunden, aber noch auf keiner anderen Pilzspecies. — Spinellus macro- carpus, von dem vorigen durch kürzere Sporangienträger, breitere und. etwas längere Mucorsporen sowie den Mangel der Zygosporen verschieden, zeigt sich nur auf Mycena-Arten, und ist in Schlesien auf Mycena san- guinolenta und neuerdings im Breslauer botanischen Garten auf Mycena polygramma gefunden worden. Diesen schliesst sich hinsichtlich ihres Auftretens eine, wie es scheint, bisher noch nicht beschriebene Mucorinee an. Vortragender fand sie in den Jahren 1877—1879 in einem feuchten Walde bei Rastatt in 184 Jahres - Bericht Baden. Der Pilz, der als Dicranophora fulva bezeichnet wird, wurde nur auf Paxillas involutus gefunden, und nur an einer einzigen Stelle, hier war er aber sehr reichlich, ergriff fast alle Exemplare, die in srosser Menge auftraten, und kehrte jedes Jahr im Spätherbst (October, November) wieder. Er zeichnet sich durch eine grosse Mannichfaltig- keit von Fruchtformen aus, indem er zweierlei Sporangienfrüchte und Zygosporen bildet. Die Sporangienfrüchte brechen strahlenförmig als gelbrothe Rasen meist ziemlich dicht aus der Oberfläche des Hutes her- vor. Die erste Fruchtform gleicht einem Mucor. Am Ende der ein- fachen oder regelmässig und sparsam verzweigten Fruchtträger bilden sich kugelige Sporangien mit glatten Peridien und birnförmiger Colu- mella. Die Sporen sind elliptisch, von auffallend verschiedener Grösse. Das Plasma der Hyphen und Sporen ist lebhaft gelbroth gefärbt. Die zweite Art von Sporangien bildet sich an den Enden von mehrfach regelmässig dichotom verzweigten Fruchthyphen wie bei Sporodinia. In der Jugend sind sie kuglig, sie haben aber eine ganz eigenthümlich ge- bildete Columella, welche die Gestalt einer zwei-, selten dreizackigen Gabel hat, und es bildet sich in ihnen meist nur eine einzige grosse, nierenförmige Spore aus, selten (bei der dreizackigen Form) zwei. Die Sporen lagern zwischen den Zinken der Columella, die concave Seite nach unten, wie auf einem Sattel, und füllen das Sporangium ganz aus; nach dem Aufbruch der Sporangien fallen sie ab und die Hyphen enden in die beschriebenen Gabeln. Häufig kommen beide Sporangien- Formen auf einem Faden vor; das Mucor - Sporangium bildet dann das Ende der Hyphe. Die Zygosporen bilden sich an einem kriechenden Mycel, welches sich reichlich zwischen den Lamellen des Pilzes entwickelt, sie werden durch Copulation von zwei aufrecht stehenden, sehr ungleichartigen Aesten gebildet. Der eine Ast ist sehr dick, sackförmig, mit dünnem Stiele von einem Mycelfaden entspringend, Von ihm wird das obere Drittel durch eine Querwand abgegrenzt und zur Bildung der Zygosporen ver- wandt. Der zweite Ast ist sehr dünn, kaum dicker als die Hyphe, von der er entspringt; von ihm wird ein kurzes eylindrisches Stück ab- gegliedert. Die reifen Zygosporen sind annähernd kugelig, mit kastanien- brauner, fast glatter oder durch zarte Linien gezeichneter Aussenhülle, mit dicker, glatter Sporenmembran und farblosem Inhalt. Der Aussen- hülle haftet der zur Sporenbildung abgegliederte Theil des dünnen Copu- lationsastes wie ein kleines braunes Hörnchen an. Durch die doppelte Form der Sporangienfrüchte steht diese Mucorinee den Arten der Gattung Thamnidium nahe, und es wäre, trotz der so auf- fallenden Form der Columella bei der zweiten Fruchtform, kein Grund, sie von dieser Gattung auszuschliessen, wenn man die Sporangienfrüchte allein berücksichtigt. Nach den Untersuchungen von Bainier bildet indess der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 185 Thamnidium elegans Zygosporen, welche von dem Typus der Mucor-Zygo- sporen nicht abweichen, ganz verschieden ist dagegen die Bildung der Zygosporen bei dem vorliegenden Pilze. Die aufrechte Stellung der copulirenden Zellen, an deren Spitze sich die Zygospore bildet, erinnert auffallend an die Zygosporenbildung bei den Piptocephalideen, - doch wird dort die eopulirende Zelle durch eine Querscheidewand in zwei Theile getheilt. Die sehr ungleiche Beschaffenheit der copulirenden Aeste, be- sonders in der Grösse und Dicke, zeigt deutlich auf eine Geschlechts- verschiedenheit der beiden Aeste hin, und führt schon das Bild ven Antheridium und Oogon nahe. Aus diesen Gründen wird der Pilz in einer besonderen Gattung untergebracht werden müssen, die indess in der Familie der Mucoraceen und zwar bei den Mucoreen (im engeren Sinne) zu belassen ist. Die neunte Sitzung vom 25. November wurde eröffnet durch einen von Herrn Professor Engler dem am 21. d. Mts. abgeschie- denen Custos unserer naturwissenschaftlichen Sammlungen gewidmeten Nachruf: | Noch ist in uns Allen das Gefühl der Trauer über den schweren Verlust, welchen wir in den letzten Tagen erlitten haben, lebendig. Wohl alle, welche unsere Versammlungen zu besuchen pflegen, haben Gelegenheit gehabt, den verstorbenen R. v. Uechtritz als wissenschaft- lichen Rathgeber schätzen zu lernen und den Meisten von uns ist er auch ein treuer, stets theilnehmender Freund gewesen, Es geziemt sich daher, ihm auch an dieser Stelle einige Worte der Erinnerung zu weihen. R. v. Uechtritz wurde geboren am 31. December 1838 als der Sohn des im Jahre 1851 verstorbenen Premierlieutenants a. D,, Freiherrn Max v. Uechtritz, welcher sich durch entomologische und botanische Forschungen in unserer Provinz einen geachteten Namen erworben hatte. Die Neigung des Vaters ging auf den Sohn über, bei welchem mit einer wahrhaft glühenden Liebe zur Natur ein ungewöhnlicher Scharfsinn und ein geradezu phänomenales Gedächtniss verbunden waren. Schon bei dem zarten Knaben war der Eifer im Sammeln von Pflanzen und Thieren ein so lebhafter, dass der Vater, um den Sohn zur Erfüllung der von der Schule gestellten Anforderungen zu zwingen, die strengsten Maass- regeln anwendete und ihm sogar schliesslich seine Sammlungen weg- nahm. Aber gegen die angeborene Neigung war nicht anzukämpfen; sie entwickelte sich um so kräftiger, als des Vaters früher Tod im Jahre 1551 den Sohn der milderen Zucht der Mutter anheimgab. Nun durchstreifte er als Schüler des Magdalenäums und später des Matthias- gymnasiums die Umgebung von Breslau nach allen Richtungen und be- suchte auch. entlegenere Theile der Provinz mit grossem Erfolge. Selbst 186 Jahres - Bericht in den schon mehrfach durchforschten Gebieten unserer Provinz machte er zahlreiche Entdeckungen. Auch machte er schon als Gymnasiast grössere Reisen in die Nachbargebiete Schlesiens, so im Jahre 1855 eine Reise nach den Tolaner Bergen in Mähren und 1856 eine solche nach den damals noch sehr schwer zugänglichen Karpathen. An Aben- teuern, durch deren lebhafte und wahrheitsgetreue Erzählung er später seine zahlreichen Freunde oft erheiterte, fehlte es auf diesen Ausflügen nicht. Im Jahre 1857 bestand er das Abiturientenexamen und widmete sich auf der Universität dem Studium der Naturwissenschaften, ins- besondere der Botanik, unter Göppert, Ferd. Cohn und Körber. Gleichzeitig wurde er Mitglied der Burschenschaft Arminia, was wir deshalb nicht vergessen dürfen, weil er dieser Burschenschaft mit voller Seele angehörte und die von vielen nur im Munde geführte Bundes- brüdertreue in vollstem Maasse, gar oft mit Aufopferung seines eigenen Interesses, bethätigte. Im Jahre 1858 machte er mit dem jetzt in Danzig als Gymnasial- professor wirkenden und damals auf dem Gebiete der Mythologie eifrig thätigen Dr. Bat eine längere Reise nach Oesterreich, durch welche sich sein Gesichtskreis erheblich erweiterte. Zahlreiche botanische Verbin- dungen wurden in Wien angeknüpft, die bayerischen und österreichischen Alpen, namentlich diejenigen Tyrols, wurden durchwandert und auch Venedig und Triest besucht. Wie scharf v. Uechtritz schon damals beobachtete, geht daraus hervor, dass er in Tyrol mehrere Arten entdeckte, welche noch nicht in Hausmann’s Flora von Tyrol auf- genommen waren. Die Masse des Materials, welches ihm nun für seine Lieblings- studien vorlag, die vielen Verbindungen, welche er nun schon mit zahl- reichen Gelehrten Deutschlands und Oesterreichs angeknüpft hatte, hinderten ihn aber immer mehr, sich einer regulären wissenschaftlichen Laufbahn zu widmen. Die jungen Leute von heute wissen gar nicht, wie schwer es vor 25 und 20 Jahren war, als Botaniker Stellung zu finden. Es gab keine dotirten Assistentenstellen und nur je zwei Custodenstellen in Deutschland und Oesterreich; für literarische Arbeiten wurde fast nie Honorar gezahlt und es gehörte eine grosse Aufopferung dazu, sich in jener Zeit Botanik als Fachstudium zu erwählen, zumal es auch an Instituten fehlte, in denen man Bibliothek, Sammlungen und Apparate benutzen durfte. Aber um so intensiver arbeiteten die wirklich vom Forschungsdrang beseelten Botaniker daran, sich selbst das nöthige Material zu verschaffen und man suchte sich gegenseitig, so gut es ging, zu unterstützen. Diese Unterstützung gewährte nun R. v. Uechtritz im vollsten Maasse. Die Phanerogamie Schlesiens und bald auch ganz Deutschlands und Oesterreichs kannte v. Uechtritz besser, als irgend der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 187 einer seiner Altersgenossen; mit grosser Schärfe bezeichnete er bei schwer erkennbaren Formen die charakteristischen Eigenschaften und mit erstaunender Sicherheit war er im Stande, für jede auf einzelne Standorte beschränkte Pflanze, die er einmal gesammelt hatte, eine genaue Kartenskizze der sie beherbergenden Localität zu liefern, nach der man dann mit Leichtigkeit die betreffende Pflanze wiederfand. R. v. Uechtritz besass neben der eben hervorgehobenen wissen- sehaftlichen Befähigung eine ungewöhnliche Leutseligkeit, gepaart mit einer fast beispiellosen Uneigennützigkeit.. So kam es, dass Jeder- mann, der mit der schlesischen Floristik sich beschäftigte, in R. von Uechtritz einen zuverlässigen und treuen Rathgeber fand. Nur Die- jenigen, welche den Umgang des nunmehr Dahingeschiedenen genossen haben, wissen, wie viel Zeit und Mühe derselbe selbst den un- bedeutendsten Anfängern gewidmet hat und wie viel er durch seine Unterstützung dazu beigetragen hat, die aufkeimenden Neigungen zu weiterer Entwickelung zu bringen. Oft arbeitete er wochenlang, um die von anderen gesammelten Materialien wissenschaftlich zu sichten; dabei machte er keinen Anspruch darauf, dieselben in seinem Interesse zu verwerthen; ihm lag nur die Förderung der Sache, nicht die seiner Person am Herzen. Im Jahre 1859 gründete v. Uechtritz im Verein mit zahlreichen jüngeren Kräften einen botanischen Cirkel, dem u, A. die Herren Kabath, Junger, Langner, Sadebeck (jetzt in Hamburg), Hauss- knecht, B. Stein, Heidenreich (jetzt Garteninspeetor in Münster), Fritze, Schultze u. A. angehörten; aus welchem sich auch der sehr thätige schlesische Tauschverein entwickelte, welcher heute noch als das hervorragendste derartige Institut fortlebt. Diesen botanischen Cirkel hat v. Uechtritz bis zu seinem Tode aufrecht erhalten. Um ihn gruppirten sich die stets wechselnden neuen Mitglieder. Es ist selbstverständlich, dass es für v. Uechtritz sehr zeitraubend war, der Mittelpunkt einer solchen Vereinigung zu sein. Dazu kam nun noch, dass sich vom Jahre 1866 ab allmählich ein Herzleiden einstellte, welches ihn schliesslich für lange Jahre arbeitsunfähig machte und ihm auch erschwerte, eine mit regulären Pflichten verbundene Stellung an- zunehmen. Der Eintritt dieses Uebels verhinderte auch den Abschluss einer Flora der Umgegend von Breslau, welche ich im Jahre 1866 mit v. Uechtritz begonnen hatte und ebenso mussten die Zusammenstellungen seiner Ergebnisse auf dem Gebiet der schlesischen Flora unterbleiben, welche er bis dahin in den Verhandlungen des Vereins für die Provinz Brandenburg gegeben hatte, Im Jahre 1875 trat allmählich Besserung ein und nun begann eine neue Periode wissenschaftlicher Thätigkeit. Wieder schaarten sich neue Jünger der Floristik neben den alten noch in Breslau befindlichen 188 Jahres-Bericht Freunden um v. Uechtritz; nun hauptsächlich mit der Durcharbeitung seiner und anderer Sammlungen beschäftigt, machte er zahlreiche Ent- deckungen im Zimmer, indem er besonders sehwierige Gattungen, wie Carex, Salix, Cirsium, Rubus, Viola, namentlich aber Hieracium und Rosa sorgfältig studierte. Der Name des fleissigen, immer zuvorkommenden und gefälligen Gelehrten war nun weit über die deutschen Grenzen hinaus gekannt und eine rege Correspondenz verband v. Uechtritz mit allen Coryphäen der systematischen Botanik in Europa und Nordamerika. In den letzten Jahren widmete sich v, VUechtritz auch dem Studium der südeuropäischen Flora; namentlich beschäftigte er sich mit der Flora Spaniens, hierzu veranlasst durch die Sammlungen von Fritze und Moritz Winkler, mit der Flora Rumäniens, S$Serbiens und Bul- gariens. Für die Flora Schlesiens aber hatte er immer das regste Interesse; in den letzten Jahren stellte er wieder alljährlich in den Verhandlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur die neuen Funde aus dem Gebiet der schlesischen Flora zusammen, Einen hervorragenden Antheil hat er auch an Fieks „Flora von Schlesien‘‘, in welcher er namentlich ein werthvolles Capitel über die Vegetationslinien der schle- sischen Flora lieferte. Von den vielen Arten, ganz abgesehen von den sehr zahlreichen Varietäten, Unterarten oder Bastarden, welche v. Uechtritz in Schlesien zuerst unterschied oder nachwies seien folgende erwähnt: Adonis flammeus Jacq., Ranunculus Steveni Andrz., Viola epipsila Ledeb., porphyrea Uechtr., collina Bess., cyanea Celak., Spergula pentantra L., Are- naria leptoclados Guss., Stellaria pallida Pire, Ononis procurrens Wallr., Potentilla silesiaca Uechtr., mixta Nolte, Rosa graveolens Gren., Galium tricorne With., Hieracium nigritum Uechtr., glaucellum Zindb., stygium Uechtr., Engler; Uechtr., Wimmeri Uechtr., crepidifolium Polek, Fiekii Uechtr., pseudalbinum Uechtr., riphaeum ‚Uechtr., Veronica aquatica Bernh., anagalloides Guss., Utrieularia neglecta Lehm., Ornithogalum tenuifolum Guss., Allium strietum Schrad., Luzula pallescens Bess., Scirpus mucronatus L., Carex ligerica Gay, Carex Siegertiana Uechtr., Glyceria nemoralis Uechtr. et Korn, Bromus scrotinus Benek., Triticum glaucum Desf., Hypnum trifarium W. et M,, Brachytheeium ‚campestre Br. et Sch., Dieranodontium aristatum Schimp. Der grösste Theil seiner Arbeitszeit war seiner ausgebreiteten wissenschaftlichen Correspondenz gewidmet, und gar oft sind seine aus- führlichen, kleine Abhandlungen enthaltenen Briefe in den Abhandlungen anderer Gelehrten gedruckt erschienen, Herrn Professor Dr. Kanitz in Klausenburg verdanken wir folgendes sorgfältig zusammengestelltes Verzeichniss der zahlreichen kleineren Schriften des Verstorbenen: der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 189 Botanische Excursion in die Central-Karpathen Oesterr. bot. Wochenbl. Vll. 1857. 342—344, 351—354, 360—361, 368—370, 375—377. — Ueber einige von ihm entdeckte für Schlesien neue Pflanzen Jahresb. Schles. Ges. vaterl. Cultur XXXIX. 1861. 98—101. — Beiträge zur Flora von Schlesien Oesterr. bot. Zeitschr. XI. 1861. 228—230. XII. 1862. 86—88. — Nachträge zur schlesischen Flora Oesterr. bot. Zeitschr, XI. 1861. 401— 404. Verh. bot. Ver. Mark Brandenburg III. IV. 13861—1862. 200— 227; V. 1863. 118—157; VI. 1864. 98—129; VII. 1865. 72—105; X. 1868. 149—169. — Beiträge zur Flora von Halle als Ergebnisse einiger im Spätsommer 1861 in dortiger Gegend unternommenen Exceursionen Verh. bot. Ver. Mark Brandenburg III. IV. 1861—--1862. 239—241. — Ueber den Wald bei Obernigk Jahresb. Schles. Ges. vaterl. Cultur XL. 1862. 74—77. — Ueber für Schlesien neue oder seltene Pflanzen Ib. XL. 1862. 78—80. — Zur Flora Schlesiens Oesterr. bot. Zeitschr. XI. 1863. 116—119, 318—319; XIV. 1864. 237—240; XXI. 1871. 120 bis 124. — Ueber neue Arten der schlesischen Flora Jahresb. Schles. Ges. vaterl. Cultur XLI. 1863. 92—93. — Neue Standorte seltener Arten aus der schlesischen Flora Ib. XLI. 1863. 93—96, 98—102. — Ueber neue oder seltene Formen der schlesischen Flora Ib. XLI. 1863. 96—98. — Correspondenz: Breslau Oest. bot. Zeitschr. XIII. 1863. 164—165, 407; XIV. 1864. 195—196, 223—224, 385—386; XV. 1865. 120 - 121, 225 bis 226, 360—361; XVI. 1866. 257, 352; XVII. 1867. 334—-335; XXI. 1871. 80—81, 104—105, 253—255; XXII. 1872. 74—75, 369—370; XXI. 1873. 325; XXIV. 1874. 32—33, 395; XXV. 1875. 210—211, 409-411; XXVI. 1876. 141; XXVIII 1878. 72—-73; XXIX. 1879. 239; XXX. 1830. 138; XXXIIU. 1883. 68-69, 340; XXXV. 1885. 292—293. — Schlesien in Bericht der Commission für die Flora von Deutschland 1884. Ber. Deutsch. botan. Ges. II. 1885. xevi—iec. — Mittheilungen über eine verkannte Liliaceae der deutschen Flora (Muscari tenuiflorum) Verh. bot. Ver. Mark Brandenburg. VI. 1864. 129—138. — Nachträg- liehe Bemerkungen über Muscari comosum Mill. und M. tenuijlorum Tausch Ib. VI. 1864. 313—318. — Ueber die Flora der Umgegend von Ko- schentin Jahresb. Schles. Ges. vaterl. Cultur XLII. 1864. 16—21. — Seltenere Pflanzen der Flora von Rybnik Ib. XLII. 1864. 22—26. — Ueber Luzula pallescens Besser Ib. XLII. 1864. 27—23. — Ueber Poten- tilla mixta Nolte Ib. XLII. 1864. 28—30. — Hieracium stoloniflorum > floribundum Oesterr. bot. Zeitschr. XIV. 1864. 143. — Oxyitropis carpatica Ib. XIV. 1864. 218—219. — Ueber neue und seltene Pflanzen der schlesischen Flora Jahresb. Schles. Ges. vaterl. Cultur XXIII. 1865. 89—96. — Ein neuer Standort von Triticum biflorum Brignoli Oester. bot. Zeitschr. XV. 1865. 246— 249. — Ueber Carex aristata Siegert Verh. bot. Ver. Mark Brandenburg VIH, 1866. 83—105. — Ueber neue Arten und Formen der schlesischen Flora Jahresb. Schles. Ges. vaterl. Cultur 190 Jahres-Bericht XLIV. 1866. 88—90. — Ueber Novitäten aus dem Gebiete der schlesi- schen Flora Ib. XLIV. 1866. 122—123. — Bemerkungen über einige Pflanzen der ungarischen Flora im Anschlusse an Neilreich’s Auf- zählung der in Ungarn und Slavonien bisher beobachteten Gefässpflanzen Öesterr. bot. Zeitschr. XVI. 1866. 209—215, 243—245, 281—288, 315 bis 5319. — Viola mirabilis >< Riviniana ein neuer Veilchenbastard aus Schlesien Verh. bot. Ver. Mark Brandenburg IX. 1867. 118—124. — Mittheilungen über eine Varietät des Cerastium triviale Lk. Oesterr. bot. Zeitschr. XVIII. 1868. 73—78. — Die wichtigsten Funde des Jahres 1871, im Gebiete der schlesischen Flora Jahresb. Schles. Ges. vaterl. Cultur XLIX. 1871. 155—159. — Zur Flora Ungarns Oesterr. bot. Zeitschr. XXI. 1871. 186—191, 233—237, 262—265, 306—310, 340—343. — Ein neues Hieracium der schlesischen Hochgebirge Ib. XXI. 1871. 293 bis 295. — Die bemerkenswerthesten (resp. wichtigeren) Ergebnisse der Durchforschung der schlesischen Phanerogamenflora im Jahre 1872 (und ff.) Jahresb. Schles. Ges. vaterl. Cultur L, 1872. 162—166; LI. 1873. 139 bis 153; LIII. 1875. 123—150; LIV. 1876. 155—195; LV. 1877. 172 bis 187; LVI. 1878. 154—176; LVII. 1879. 323—349; LIX. 1881. 325 bis 344; LX. 1882. 244—284; LXI. 1883. 249—300; LXII. 1832. 309 bis 341; LXIII. 1885. 216—276. — Mittheilungen über das Vorkommen von Rudbeckia laciniata Linn. in Schlesien Oesterr. bot. Zeitschr. XXI. 1872. 21—24. — Ein weiteres neues Hieracium aus den Sudeten Ib. XXH. 1872. 41—44. — Hieracium Aschersonianum Ib. XXH. 1872. 78 bis 79. — Hieracium Wimmeri Ib. XXIL. 1872. 277—278. — Ueber Hie- racium pallidifolium Knaf Ib. XXU. 1872. 311—314. — Referat über Kritische Zusammenstellung der in Oesterreich-Ungarn bisher beobachteten Arten, Formen und Bastarde der Gattung Hieracium Bot. Zeitung XXX. 1872. 161—167, 188—191; Zusatz 191—196. — Bemerkungen zu Knapp’s Pflanzen Galiziens und der Bukovina Oesterr. bot. Zeitschr. XXIII. 1873. 29—34, 64—69, 99—100, 130—135, 158—161. — Hiera- cium Jankae Ib. XXIII. 1873. 239—241. — Botanische Mittheilungen Ib. XXIH. 1873. 269—270. — Noch einmal über Hieracium stoloniflorum Ib. XXIII. 1873. 297—300. — Geranium ruthenicum sp. n. Ib. XXIII. 1873. 335—337. — F. Sehultz und F. Winter Herbarium normale Ib. XXI. 1873. 348—353. — Referat über Rostafinski Florae Polonieae Prodromus Bot. Zeit. XXXI. 1874. 204—207, 221—224. — Notiz über Calamintha aetmensis Strobel Oest. bot. Zeitschr. XXIV. 1874. I90—91. — Hieracium calophyllum n. sp. Ib. XXIV. 1874. 106—108. — Floristische Mittheilungen, zumeist die Flora Südspaniens betreffend Ib. XXIV. 1874. 133—137. — Floristische Bemerkungen Ib. XXIV. 1874. 238—244. XXVI 1876. 177—181. — Thlaspi banaticum Ib. XXV. 1875. 186—1588. — Hieracium dacium n. sp. Ib. XXV. 1875. 214—215. — Bemerkungen zu dem Prodromus florae hispanica Ib. XXV. 1875. 262—266, 293— 297. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 191 — Cerastium bulgaricum Ib. XXVI. 1876. 221—223. — Botanische Mit- theilungen Ib. XXVI. 1877. 413—414. — Arabis muralis Bert. und A. su- delica Tausch nebst Bemerkungen über Jessens „Deutsche Excursions- flora“ Ib. XXIX. 1879. 231—234. — Ueber Rosa umbelliflora SW. und R. cuspidata MB. Ib. XXX. 1880. 123—124. — Bemerkungen über einige Formen der Gattung Roripa Ib. XXX. 1880. 141—144. — Vegetations- linien der schlesischen Flora in Fiek’s Flora von Schlesien 1881. 76 bis 111. — Die Hieracia aceciptirina Schlesiens Ib. 278—285. — Cicendia filiformis Delarbre in der schlesischen Oberlausitz Ber. Deutsch. bot. Ges. Ixii—Ixiv. — Hypericum mutilum L. in Deutschland gefunden Ib, III. 1885. xli—xlii. — Ferner publieirte er mit Ascherson: Hypericum japonicum Thunb. (— gymnanthum Engelm. et Gray) in Deutschland gefunden Ib. III. 1885. 63— 72. — Sodann veröffentlichte er mit Fr. Körnicke: Glyceria nemoralis, eine noch unbeschriebene Grasart Schlesiens Bot. Zeitung XXIV. 1866. 121—124. Im Interesse der botanischen Systematik und der Pflanzengeographie ist daher das plötzliche und frühe Hinscheiden des liebenswürdigen und bescheidenen Gelehrten, der seit Professor Körbers Tod auch das Amt eines Custos der Sammlungen der schlesischen Gesellschaft verwaltete, aufs tiefste zu bedauern. An Anerkennung hat es v. Uechtritz nicht gefehlt; von allen Floristen wurde er hochgeschätzt und zahlreiche provin- zielle und botanische Vereine ernannten ihn wegen der von ihm er- wiesenen Dienste zu ihrem Ehrenmitgliede. Auch wurden verschiedene Pflanzen zu Ehren v. Uechtritz benannt. Er selbst legte auf diese Dinge, wie überhaupt auf alle Aeusserlichkeiten nicht den geringsten Werth; ihn erfreute immer am meisten die Förderung der Sache, das Wohl und die Liebe seiner Freunde. Hierauf sprach Herr Dr. H. Kunisch über die erste Pflanze des schlesischen Muschelkalks. ') Der Muschelkalk ist im Vergleich zu der ihm vorangehenden Schichtenfolge des bunten Sandsteins und den ihm nachfolgenden Ab- lagerungen des Keupers sehr arm an pflanzlichen Einschlüssen. Dies gilt nicht blos in Bezug auf die Anzahl der verschiedenen Arten, sondern auch hinsichtlich der Massenhaftigkeit in ihrer Verbreitung. Auf Grund der Arbeiten von Brongniart, Schimper und Mougeot, Catullo, Schleiden, Göppert, v. Schauroth, Massalongo und de Zigno liessen sich im Muschelkalk höchstens 12 Arten unterscheiden. Letztere wurden im Jahre 1868 von Schenk im Anschluss an die Betrachtung „über die Pflanzenreste des Muschelkalkes von Recoaro‘“?) kritisch be- !) Abgebildet in der Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges., Jahrg. 1886, S. 895. ?) Beneckes geognostisch - paläontologische Beiträge. 2. Bd. München 1876. Seite 71—87. Tafel V—XU. 192 Jahres - Bericht handelt und auf sieben reducirt. Diese 7 Pflanzen sind sonderbarer- weise sämmtlich Landpflanzen. Dass die Landpflanzen in dem Muschel- kalke äusserst sparsam eingebettet sind, kann nicht Wunder nehmen, wenn man erwägt, dass derselbe fast ausnahmslos ehemaliger Meeres- boden ist. Unter diesen 7 Landpflanzen finden sich eine Farnart und eine Equisetacee, während die übrigen fünf den Coniferen zugehören. Aus dem niederschlesischen Muschelkalke, welcher in der Nähe von Löwenberg, Goldberg und Bunzlau angetroffen wird, sind bis jetzt keine pflanzlichen Versteinerungen bekannt geworden. Der Muschel- kalk Oberschlesiens, welcher sich mit einem über 10 Meilen langen und 1—3 Meilen breiten flachen Rücken von Krappitz an der Oder aus fast ununterbrochen bis Gross-Strehlitz und mit einigen Unterbrechungen über Tarnowitz und Beuthen bis nach Olkusz in Russisch - Polen erstreckt, lieferte im Jahre 1845 ein pflanzenähnliches Gebilde, welches von Göppert als Alge erachtet und unter dem Namen sSphaerococeites Blandowskianus‘) beschrieben wurde. Schenk unterzog bei der oben angeführten Gelegenheit die Göppertschen Originalexemplare einer noch- maligen Untersuchung, welche ihn zu folgender Erklärung?) veranlasste: „Die Exemplare, welche ich untersuchte, halte ich überhaupt für keine Pflanzenreste, sondern es sind unregelmässig begrenzte helle Stellen auf dem Gesteine, welche durch das Verschwinden des Eisens erzeugt sind, während die übrige Fläche der Handstücke durch Eisen gelblich gefärbt ist.“ Nachdem so Sphaerococcites Blandowskianus wieder aus der Reihe der pflanzlichen Organismen gestrichen war, musste der oberschlesische Muschelkalk wieder als pflanzenleer gelten bis zum Jahre 1881. Im Sommer des genannten Jahres fand ich in dem Kalksteinbruche des Herrn Kluezny zu Krappitz, welcher dem von Eck?) als Schichten von Chorzow bezeichneten Niveau des oberschlesischen Muschelkalks an- gehört, einen versteinerten Pflanzenrest, welchen ich bald als zu den Coniferen gehörig erkannte. Um mir die Priorität zu wahren, legte ich ihn im Januar 1883 der naturwissenschaftlichen Section der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur zu Breslau‘) unter dem Namen Voltzia Krappitzensis nov. spec. vor. Von der baldigen genaueren Be- schreibung des Petrefakts wurde wegen seiner mangelhaften Erhaltung und besonders, weil das grosse Interesse der Herren Kluezny Vater und Sohn für die organischen Einschlüsse ihrer Steinbrüche Hoffnung auf die Erreichung besser erhaltenen Materials bot, Abstand genommen. !) Uebers. d Arb. u. Veränd. d. schles. Ges. f. vaterl. Cultur. Jahrg. 1845. Seite 149. Taf. I. Fig. 10. 2) 1,0. Seite-T7., a TV, „Big. 1. ») Eck, Ueber die Formationen ‚des bunten Sandsteins und des Muschel- kalks in Oberschlesien etc. Berlin 1865. Seite 44 ff. *, 61. Jahresbericht Seite 138. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 193 Seit jener Zeit sind zwar mehrfach kohlige Reste bröcklicher Beschaffen- heit, nicht aber wohlerhaltene pflanzliche Petrefakten gefördert worden. Deshalb will ich die eingehendere Behandlung meines Fundes nicht länger aufschieben. Die ein 14 em langes, mit Blättern versehenenes Zweigende dar- stellende Versteinerung ruht auf einer 2 cm dicken, gelblichgrauen Platte dichten Kalkstein. Sie erscheint als flacher, positiver Abdruck oder Steinkern und zeigt nur an einigen Stellen Spuren kohliger Substanz, die sich leider wegen ihrer Bröcklichkeit als ungeeignet für die mikro- skopische Untersuchung erwies. Der Stengel, welcher als solcher in seiner ganzen Länge erkennt- lieh ist, ist schnurgrade und misst in der Länge 12,6 cm. Er besitzt am Gipfel eine Breite von nahezu 2 mm, nimmt dann allmählich zu, so dass er bereits am unteren Ende des zweiten Drittels einen Querdurch- messer von 5 mm aufweist; die Breite des letzten Drittels lässt sich nicht genau angeben, weil dort der Stengel an seiner linken Seite an- gebrochen ist. An der Grenze des zweiten und dritten Drittels des Hauptsprosses ist selbigem unter einem Winkel von ungefähr 45° ein Nebenspross angefügt, dessen Stengel sich aber nur 1 cm und zwar bis an den Rand der Kalksteinplatte verfolgen lässt. In Bezug auf die Be- schaffenheit der Oberfläche unterscheidet sich die obere Hälfte des Stengels wesentlich von der unteren. Während jene bei der ersteren rauh und runzelig ist und nur hin und wieder Andeutungen rhombischer Erhabenheiten besitzt, zeigt letztere in ihrer ganzen Länge deutlich aus- geprägte rhombische Erhöhungen. Dieselben haben im Allgemeinen un- gefähr 4 mm Seitenlänge. Die spitzen Winkel der Raute betragen eirca 45°, die stumpfen nahezu 135°. Die stumpfen Winkel sind an den Scheiteln ein wenig abgerundet. Die Seiten des Rhombus zeigen zu- weilen eine flache, bogenförmige Krümmung nach innen. Die Rhomben sitzen derartig am Stengel, dass die längere Diagonale parallel läuft mit der Längsaxe des Stengels. Als Blattnarben sind diese rhom- bischen Erhabenheiten nach meinem Dafürhalten nicht anzusprechen, sondern höchstens als Blattkissen oder Blattpolster. Allem Anscheine nach ist die scharfe Ausprägung ihrer Form durch einen der Petri- fieirung vorangegangenen Vertrocknungs - Process wesentlich gefördert worden. Diese Vermuthung stützt sich auf eine Erscheinung, die man an Zweigenden recenter Coniferen leicht beobachten kann. Lässt man abgeschnittene Endsprossen, z. B. von Abies pectinata im Zimmer lang- sam trocknen, so schrumpfen die Axen nicht gleichmässig zusammen, sondern erhalten auf der Oberfläche eine auffällige Furchung, welche um die einzelnen Blätter rhombische Felder deutlich abgrenzt. Diese Furchung verschwindet nicht mehr ganz, selbst wenn man den ver- trockneten Zweig tagelang im Wasser liegen und quellen lässt. — Wäre 1886. 13 194 Jahres - Bericht auf unserer Versteinerung der kohlige Ueberzug, welcher, nach den wenigen derartigen Resten zu schliessen, einst vorhanden war, erhalten geblieben, so würde man gewiss wie bei Sigillarien‘) auf den rhombischen Feldern die wirklichen Blattnarben in bestimmter Form wahrnehmen. Wie dem auch sei, so bieten diese Rhomben doch einen sicheren An- halt für die Bestimmung des Blattstellungsgesetzes. Die Rhomben sind spiralig um den Stengel angeordnet und liefern also den deutlichen Beweis für die spiralförmige Blattstellung. Die Hauptspirale lässt sich weder erkennen, noch berechnen; dagegen sind (fünf?) rechtsläufige und (acht?) linksläufige Nebenspiralen, wenn auch nur stückweise, unverkennbar. Wenn auch diese Umstände für die genaue Bestimmung der Divergenz nicht ausreichend sind, so bieten sie doch genügenden Grund für die Ueberzeugung, dass die Blattstellung des vorliegenden Exemplares von der Blattstellung der Voltzia heterophylla, der bekanntesten und verbreitetsten Species des Genus Voltzia, und unserer lebenden Coniferen nicht wesent- lich abweicht. Nach Schimper?) herrscht bei Voltzia das seltene 5 Blattstellungsgesetz = Pinus canadensis besitzt die Divergenz 13: während Pinus Abies L. und Pinus picea L. in den schmächtigeren Zweigen die Divergenz von 31 und in den kräftigeren Sprossen von 37 aufweisen und bei den Haupttrieben vieler Fichten und Tannen sogar die Blätter nach der Divergenz SE angeordnet sind?). Die Blätter sind sehr mangelhaft erhalten. Wenn man nun noch in Erwägung zieht, dass die Pflanze vor ihrer Petrifieirung wahrschein- lich den Austrocknungsprocess durchgemacht und dadurch Zusammen- schrumpfungen, Verkrümmungen, kurzum Formenveränderungen erfahren hat und durch den Druck der darauf lastenden Kalkschlamm- bezw. Gesteinsmassen Quetschungen und Verdrückungen erlitten hat, wird man geringe Abweichungen der Blätter in Bezug auf Form und Richtung er- klärlich finden und auf selbige nicht zu grosses Gewicht legen. Nach dieser Vorausschiekung lässt sich Folgendes über die Blätter sagen: Die Blätter waren nadelförmig und schwach sichelförmig gekrümmt. Sie besassen eine Länge von ungefähr 2 em und eine Dicke von ungefähr 2 mm. Die Blattbasis ist am Stengel ein wenig auf- und absteigend. Am Scheitel verläuft das Blatt in eine stumpfe Spitze, was sich an zwei ı) Quenstedt, Handbuch der Petrefaktenkunde. Tübingen 1882. S. 1114. Fig. 418. 2) Schimper, Traitd de Paleontologie vegetale, Tome I, Paris 1870—72 p. 240. 3) Hofmeister, Allgemeine Morphologie der Gewächse. Leipzig 1868. Seite 448. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 195 Blättern des Nebensprosses gut beobachten lässt. Eine Nervatur, ins- besondere ein Mittelnerv, wurde nirgends angetroffen. Die Blätter liegen dem Stengel ziemlich an und bilden mit ihm höchstens einen Winkel von 10—25°. | Die vorliegende Pflanze’) lässt sich bequem dem Genus Voltzia Brongniart, welches durch die ganze Triasformation verbreitet ist, unter- ordnen. Keiner bestehenden Art konnte sie einverleibt werden. Da die fragmentarische Erhaltung die Verwendung einer wesentlichen Eigen- schaft zur specifischen Bezeichnung unmöglich machte, habe ich den Speciesnamen dem Fundorte Krappitz entlehnt und die Pflanze als Voltzia Krappitzensis nov. spec. bezeichnet. Die systematische Stellung derselben ist in der Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft (Jahrg. 1886 Seite 898) genauer behandelt. Herr Apotheker Werner zeigte eine Flasche des sogenannten Antibacterion, das in Wien theuer verkauft auch patentirt, aber nichts weiter als eine Lösung von schwefelsaurem Zink im spec. Gew. 1,348 (bei 19° C,) ist. Herr Privatdocent Dr. Pax hielt einen Vortrag über die Primulaceen. Vortragender zeigte, dass eine natürliche Gruppirung der Gattungen sich eng an die von Bentham-Hooker vorgeschlagene Eintheilung anlehnen müsse und beschäftigte sich sodann eingehend mit der Tribus der Primulaceen. Die Abgrenzung der hierher gehörigen Genera bereitet dem Systematiker viele Schwierigkeiten, und muss man sich gerade in dieser Familie daran gewöhnen, den Gattungsbegriff ziemlich eng zu fassen, was übrigens auch schon z. Th. Bentham-Hooker zu thun genöthigt waren. Trotzdem blieben die Grenzen der einzelnen Gattungen, namentlich die zwischen Primula, Aretra, Androcace, Dionysia und Douglasia wegen mancherlei Zwischenformen unsicher. Ob man Primula und Auri- cula als Gattungen von einander trennt, hängt nur von dem subjectiven Ermessen des Einzelnen ab; doch sind sie sehr scharf, freilich meist durch biologische Merkmale oder solche, die sich auf regulative Organe beziehen, von einander geschieden. Die anatomische Methode ist zur Trennung beider Formenkreise nicht zu verwenden, Vortragender giebt sodann ein System für die Gattung Primula, die er in zwei Subgenera (Euprimula, Auricula) theilt, und Androcace, und betont hinsichtlich ersterer Gattung, dass alle bisher vorgeschlagenen Gruppirungen an dem Fehler leiden, das Hauptgewicht auf die Aurikeln zu legen, die doch der Arten- zahl nach nicht formenreicher sind als fast jede Section des Subgenus ') Muschelkalkähnliche Nachbildungen in präparirtem Gyps werden auf Be- stellung bei Herrn Kluge, Breslau, Nicolaistadtgraben 20, zum Preise von 3 Mark abgegeben. 13* 196 Jahres - Bericht Euprimula. Diese Untergattung erreicht übrigens die Hauptentwicklung im Himalaya, zumal im Osthimalaya, während Primula subg. Auricula nur alpin-europäisch ist. Hinsichtlich der übrigen pflanzengeographischen Thatsachen, die viel Interesse bieten, mag hervorgehoben werden, dass es vorzugsweise 3 Entwicklungscentra für die Tribus der Primulaceen giebt: die europäischen Hochgebirge, die vorderasiatischen Hochgebirge und der Osthimalaya. Jedes dieser Gebiete ist durch besondere Formen- kreise in hervorragender Weise charakterisirt. — Weiteres in einer bald erscheinenden Arbeit. Professor Ferdinand Cohn berichtete über eine grönländische Thermalalge. In einer Sitzung des Jahres 1884 habe ich bereits Mittheilung von einer Thermalalge gemacht, welche unser correspondirendes Mitglied, Herr Pfarrer E. Wenck in Herrnhut, mir aus Grönland mitzutheilen die Güte hatte. Auf meinen Wunsch, mehr Material von dieser Alge zu erhalten, hatte Herr Pfarrer Wenck, der mit grösster Liberalität und Sachkenntniss botanische Studien zn fördern stets bereit ist, mit grön- ländischen Missionaren sich in Verbindung gesetzt; die erste Sendung im Jahre 1885 war jedoch durch Scheitern des Schiffes an der nor- wegischen Küste verloren gegangen; eine zweite Sendung kam am 24. November 1886 mir wohlbehalten zu. Nach Angabe des Absenders bildet diese Alge schleimige Massen an der warmen Quelle Unartok, deren Temperatur Rink auf 39—40° ©. (31—32° R,) bestimmt hat. Die Quelle befindet sich ®/, Stunden von der Missionsstation Igdlorpait bei Lichtenau an der grönländischen Westküste, auf einer Insel; am Rand derselben wächst Sagina maritima Don., ferner ein knollenbildendes Rhizom; ich bestimmte dasselbe als Equisetum palustre, da die langen schwarz- braunen Internodien keinen Wurzelfilz haben (wie die von E. arvense), sondern nur von Eisenrost stellenweis überzogen sind; auch die von Herrn Stud. Kumm auf meinen Wunsch untersuchte Anatomie stimmt mit der von E. palusire vollkommen überein. Die Knollen, welche als kurze Seitensprosse am Rhizom sitzen, sind kuglig birnförmig, am Scheitel, wo die Knospe wie ein Krönchen aufsitzt, eingedrückt. Wie Milde in seiner Monographie der Equiseten (S. 51, 54 u. 127) berichtet, werden Equisetum-Knollen zuerst in Hellwing, Flora quasimodogenita, Danzig 1712, erwähnt, angeblich von E. arvense; derselbe berichtet, dass sie eine von Schweinen bevorzugte Nahrung ausmachen. Die Knollen von Equisetum palustre erwähnt zuerst Haller /Hist. stirp. Helvet. 1768); derselben Art zugeschrieben werden von Milde auch die in „Eggert, Olafsons og Biarne Provelsens Reese i Giennem Island. Sorse 1772“ geschilderten Knollen, die in Island Surtar Eple genannt werden. In Schlesien sind Knollen von Equisetum palustre, die anderwärts nicht selten der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 197 vorzukommen scheinen, und u. a. zur Aufstellung von E. tuberosum DC. for. france. V, p. 245 verleitet haben, nach Milde noch nicht beobachtet worden, Was die Thermalalge betrifft, die alles in der warmen Quelle zu überziehen scheint, so habe ich die breiten blaugrünen, in dieke Scheiden eingehüllten Fäden als die in Italiens Thermen beobachtete, aus Deutsch- land aber noch nicht angegebene Lymphya thermalis Rub. bestimmt; von einigen anderen Chroococcaceen und Diatomeen, welche dazwischen vor- kommen, soll das Verzeichniss das nächste Mal gegeben werden. Resultate der Durchforschung der schlesischen Phanerogamenflora im Jahre 18836 zusammengestellt von E. Fiek. Gleichsam als ein Vermächtniss meines unvergesslichen Freundes R. von Uechtritz habe ich nach seinem unerwartetem Hinscheiden die seit vielen Jahren von ihm besorgte Zusammenstellung der für Schlesien bekannt gewordenen neuen Pflanzenfunde übernommen, — eine Erb- schaft, die ich anzutreten mich verpflichtet fühlte, nicht allein als Florist von Schlesien, sondern ganz besonders weil ich weiss, dass ich damit, der früheren wiederholten Aufforderung des Verewigten folgend, zugleich dessen Intentionen und Wünschen entspreche. Seinem schon bald nach dem Erscheinen der „Flora von Schlesien“ erfolgten Drängen auf Ueber- nahme dieser Arbeiten mochte und konnte ich bisher um so weniger nachgeben, als seine Bearbeitungen der Nachträge zu derselben in muster- giltiger, für mich unerreichbarer Weise ausgeführt wurden. Erhielten dieselben doch durch die ausgedehnte Verwerthung seiner ganz ausser- ordentlichen Literaturkenntniss einen weit über die Grenzen Schlesiens hinaus sich erstreckende Bedeutung, wie denn auch kaum irgendwo mehr seine eminente Begabung für diesen Zweck zum Ausdruck gekommen ist. Diese Nachträge — und nicht zum geringsten Theile die der letzten Jahrgänge — haben sicherlich dazu beigetragen, Uechtritz’ namhaften Ruf als Pflanzengeograph und Systematiker zu vergrössern, bewiesen durch ihren Werth aber auch, wie wohl ich gethan, bei seinen Lebzeiten diese Arbeitea nicht zu übernehmen, Erst mehrere Wochen nach seinem 1983 Jahres - Bericht Tode, also gegen Ende des Jahres 1886 entschloss ich mich hierzu und begann sogleich mich mit denjenigen Herren in Verbindung zu setzen, welche ich von früher her als Mitarbeiter an der Durchforschung der schlesischen Phanerogamen-Flora kannte. Die von allen Seiten erhaltenen Zuschriften, Manuscripte und Pflanzensendungen wurden alsbald geprüft, gesichtet und die wenigen Wochen seit jener Zeit nach Möglichkeit be- nutzt. Leider konnte ich bis jetzt die meisten der im vorigen Spät- sommer und Herbst an Uechtritz gelangten Sendungen und schrift- lichen Nachrichten nicht erhalten, hoffe jedoch nach völliger Ordnung der von ihm hinterlassenen umfangreichen Sammlungen das mir zugänglich werdende Material verwerthen zu können. Ein specielles Eingehen auf verschiedene der interessanteren unter den mir zugesandten kritischen bezw. hybriden Formen verhinderte die Kürze der zugemessenen Zeit; auch auf sie werde ich künftig zurückkommen. Für diesmal habe ich mich darauf beschränkt, eine Aufzählung der mir bekannt gewordenen beachtenswertheren Funde zu geben und bei den (mit grösserer Schrift gedruckten) Novitäten unserer Flora deren Verbreitung zu erwähnen oder sonstige Notizen daran zu knüpfen. Denjenigen Herren, welche hierzu verholfen haben, spreche ich bei dieser Gelegenheit meinen verbindlichsten Dank aus, nämlich: Herrn Lehrer Barber (B.) — Görlitz, Pharmaceut Callier — Schweidnitz, Lehrer Figert (Fig.) — Liegnitz, Gymnasialprofessor Dr. Formänek (Form.) — Brünn, Lehrer Gerhardt — Liegnitz, Lehrer Hellwig (Hw.) — Grünberg, Oberrealschullehrer Jungk — Gleiwitz, Cantor Kahle — Daubitz bei Rietschen, Stud. Kionka (Kn.) — Breslau, K. K. Notar Kotula (Kt.) — Teschen, stud. rer. nat. Migula (M.) — Breslau, cand, phil. Preiser (Pr.) — Kapsdorf, Seminarlehrer Richter (R.) — Oppeln, Gymnasiallehrer Schmidt (Schm.) — Elberfeld, Berg- verwalter Schneider (Schn.) — Schmiedeberg, Lehrer Schöpke (Schp.) — Schweidnitz, Cantor Schwarz (Schw.) — Korsenz und Apotheker Wetschky (W.) — Gonadenfeld. Herr Notar Kotula hat vorzüglich die Weidenformen seiner Gegend und zwar mit trefflichem Erfolge studirt, während Herr E. Barber mit Eifer dem Studium: der Brombeeren oblag, Herr Figert aber erzielte durch sorgsame Beobach- tungen sehr beachtenswerthe Resultate hinsichtlich der Hybriden, von denen er mehrere neue entdeckte. Der neue „Nachtrag zur Flora der Oberlausitz“ von Barber im XIX. Bande der Abhandlungen der Natur- forschenden Gesellschaft zu Görlitz ist von mir benutzt worden, ebenso der in den Verhandlungen des botanischen Vereins für Brandenburg XXVI. 8. 128 ff. veröffentlichte Aufsatz von P. Taubert: „Beiträge zur Flora der Niederlausitz‘“ (wozu auch einige Punkte in der Umgebung von Muskau gezogen sind). Endlich sei erwähnt, dass die von Herrn Kionka um Kreuzburg gesammelten Forinen noch Uechtritz vor- der Schles. Gesellschait für vaterl. Cultur. 199 gelegen haben und von diesem bestimmt, beziehungsweise bestätigt worden sind. Thalictrum aquilegiaefolium L. Grünberg: Lunzenthal bei der Aumühle (Hw.)!; Br.: Wiese bei Kapsdorf gegen den Haidekretscham (P.)!; beim Leschnitzer Bahnhofe (Schm.). T. minus L. Glogau: Fröbel unweit des Bahnhofes vereinzelt (Fig.); Br.: lichte Haue südlich von Schebitz (P.)!; buschiger Damm bei Schön- Ellguth (ders.)!; Gr.-Strehlitz: Schimischow (W.). Pulsatilla vernalis (L.) Mill. Von Stud. Friedr. Deike „in grosser Menge diesseits der Koppe am 23. Mai 1836 blühend gefunden‘, wahr- scheinlich in der Nähe der Stelle gegen den Riesengrund, an welcher Dr. Pax diese Art 1879 in zwei Exemplaren auffand; Oppeln: Grud- schützer Forst (W.)}! | P. patens (L.) Mill. Mit voriger bei Oppeln: im Grudschützer Forst (W.)! Dort auch die Kreuzung P. pateus X vernalis Lasch (W.). P. alpina (L.) Delarbre f. sulphurea (L.) Bei der Riesenbaude zwei Exemplare (Schn.)! Ranunculus paucistamineus Tausch. Trachenberg: bei Korsenz in Wasserlöchern an der Orla (Schw.)!; Ober-Glogau: Gräben der „Kraut- beete‘ bei Hinterdorf (R.)! R. circinatus Sibth. Trachenberg: bei Korsenz nicht selten (Schw.)!; Br.: Simsdorf an der Weide (Pr.); Schweidnitz: Wiesengräben bei Schwengfeld (Callier)!; Kreuzburg: Moorgräben bei Kuezina (Kn.); Ober- Glogau: Tümpel in den „Erlen“, Gräben der Krautbeete (R.)! R. fluitans Lmk. Görlitz: Rothwasser bei Moys, Hennersdorfer Dorfbach (B.). R. Ficaria L. var. incumbens F. Schz. Auch um Görlitz einzeln unter der Grundform, so in der Ponte, auf dem alten Nicolai-Kirch- hof etc. (B.)! R. cassubicus L.. Ober-Glogau: Pfarrerlen (R.); Loslau: Nieder- Gogolau (M.).! R. acer L. var. alpestris W. et Gr. Grosse Schneegrube. R. nemorosus DC. Schweidnitz: Wiesen bei Tampadel südlich vom Geiersberge (Schp.). R. repens L. var. hirsutus W. et Gr. Br.: Mahlener Wald auf Lichtungen (P.)! Trollius europaeus Z. Br.: bei Wiese in feuchten Gebüschen gegen die Haidemühle (P.)!; Leobsehütz: Casimir (W.). Isopyrum thalietroides L. Ober-Glogau: in einem Hohlwege bei der Zuckerfabrik (R.); Ratibor: Kreuzenort, Landecke (M.); Loslau; Mschanna, Jastrzemb (ders.).! 200 Jahres-Bericht Aquilegia vulgaris L. Schönau: Mühlberg bei Kauffung verbreitet, auch vielfach weiss- und rosablühend; Cudowa: Neu-Sackisch (Schp.); Gr.-Strehlitz: Schimischow (W.); Kosel: Lenkauer Wald (W.). Nigella arvensis L. Br.: Kapsdorf an der Sandgrube (P.)! Berberis vulgaris Z. Lüben: häufigim Walde bei Krummlinde und Klein-Reichen (Fig.); desgl. häufig auf dem Höhenzuge zwischen Probst- hain und Neukirch bei Goldberg (ders.); Schönau: Kalkfelsen am öst- lichen Theile des Mühlberges bei Kauffung mit Cotoneaster. Nymphaea candida Presl. Kreuzburg: Teich an der Miska- mühle (Kn.), hier in höchst eigenthümlicher, bei uns noch nirgends be- obachteter Form, nämlich mit zum Theil buchtig-gezähnten Blättern und Schwalbenschwanzzipfeln, wie die chinesisch-sibirischen Arten, Papava RhoeasL.var. strigosum v. Bönningh. Lüben: Gross- Krichen nicht selten unter dem Typus (Fig.). Corydalis solida (L.). Sw. Ober-Glogau: „Erlen“ selten (Richter); Loslau: Mschanna, Pschow, Jastrzemb, Pohlom! und fast in allen Dörfern der Südhälfte des Rybniker wie des Ratiborer Kreises (M.). Fumaria Vaillantii Zoisl. Cudowa: unter dem Schlossberge (Schp.); Gr.-Strehlitz: Schimischow (W.), Czarnosin (Schm.). + Glaucium flavum Urntz. Schweidnitz: um die Ziegelei Texas (Schp.). Nasturtium amphibium X silvestre Wimm. Grünberg: Fliess- äcker (Hw.)! Arabis hirsuta (L.) Scop. Gr.-Strehlitz: Schimischow (W.). Cardamine impatiens L. Muskau: Birkenwald am westlichen Neisseufer zwischen Köbeln und [Gr.-Särchen] (Taubert). C. Opieii Presl. var. glabra Uechtr. Im Riesengebirge an einer Quelle oberhalb der Mummelfälle (B.). Dentaria euneaphylla L. Teschen: Cameral-Elgot am Suchy und Krzywy, bei Nydek auf der Filipka, stets in Gesellschaft von D. bulbifera (Kt.). | D. glandulosa W. et Kit. Loslau: bei Mschanna im Goi (M.)! Erysimum hieracii folium L. Görlitz: bei Moys (B.)! —+ Diplotaxis muralis (L.) DC, Trachenberg: an Wegen und Bahndämmen seit 3 Jahren sich sehr ausbreitend (Schw.); Freistadt (Oest.-Schl.): steinige Plätze an der Olsa ziemlich häufig (Kt.)! Lunaria rediviva L. Carlsbrunn im Gesenke (W.). —+ Lepidium Draba L. Grünberg: Brachacker auf früherem Schutt- platze bei Faustmanns Berge (Hw.)!; Görlitz: hinter der Actienbrauerei, bei der Waggonfabrik (B.).! L. campestre (L.) R. Br. Jetzt auch um Görlitz: Bahndamm hinter Moys, Chausseerand nach Ludwigsdorf zu (B.)! der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 201 + L. incisum Rth. Görlitz: auf Schutt in der Ponte 1885 und 1886 sehr zahlreich (B.)! + Bunias orientalis L. Hirschberg: 1880 spärlich, seitdem auf Rainen und Feldern zwischen dem Cavalierberge und der Stonsdorfer Strasse immer mehr sich ausbreitend!!; Schweidnitz: Schonung in den Bögenbergen in wenigen Exemplaren (Seidel t. Schp.). Viola uliginosa. Schrad. bei Teicha unweit Rietschen nach Ab- holzung des Erlenbüschehens daselbst verschwunden (Kahle). V. hirta X odorata Rcehb. Liegnitz: an der Katzbach vor den Berghäusern sehr selten (Fig.); Br.: Wiesen bei Bischwitz a. Berge (Kn.), V. canina L. var. flavicornis (Sm.). Schreiberhau, oberhalb Krummhübel bis 650 m steigend (Schn.); var. ericetorum (Schrad.) f. albiflora. Trachenberg: sandige Trift bei Karbitz (Schw.)! V. stagnina Kit. Trachenberg: der unteren Orla entlang auf Wiesen sehr zahlreich (Schw.). V. arenaria DC. Oppeln: Grudschützer Forst (W.)! V. arenaria X canina (Lasch) Uechtr. sowie V. arenaria X Riviniana (Zasch) Uechtr. (siehe Jahresber. 1885 8. 2—5). Lüben: Vorderhaide (Fig.). V. tricolor L.var. saxatilis (Schmidt). Schmiedeberg: Wolfshau!, Buschvorwerk (Schn.); Kreuzburg: an Zäunen bei Gr.-Lassowitz (Kn.). V. lutea Sm. f. sudetica (Willd.). Oberer Theil des Zehgrundes um die Richterbauden. Drosera anglica Huds. Kreuzburg: Moor südlich von Gross- Lassowitz (Kn.); Oppeln: an einem Teiche bei Proskau (Richter), Gypsophila fastigiata L. Grünberg: Kahler 'Berg bei der Au- mühle (Hw.)! —+ Tunica saxifraga (L.) Scop. Br.: seit Jahren in der Sand- grube bei Kapsdorf, jetzt sehr zahlreich (Pr.)!, wohl von früherer Aussaat, + Dianthus barbatus L. Muskau: in einem kleinen Erlenbusch bei Halbendorf (Taubert); Fürstenstein am steilen Felsabhang unter der alten Burg. D. Armeria X deltoides Hellwig. Liegnitz: Ränder der Eisen- bahn-Ausstiche am Töpferberge (Fig.); Teschen: auf der Babia göra bei Wendrin (Kt.).,. Neu für Oesterreich.-Schlesien. D. superbus L. Schweidnitz: Tampadler Wiesen (Schp.); Walden- burg: zwischen Juliansdorf und Seifersdorf (Felsmann). Vaccaria parviflora Mnch. Teschen: einmal bei Boguschowitz (Kt.), Blogotitz (Dr. Bol. Kotula). Cueubalus baccifer L. Schweidnitz: Rothkirschdorf, Nitschen- dorf (Schp.); Loslau: Pohlom (M.)! 202 Jahres-Bericht —+ Silene Armeria L. Muskau: Schimko’s Busch in der Schleifer Bauerhaide (Hautscho); Gartenzäune in Wilkawe bei Obernigk (Schw.). S. chlorantha (Willd.) Ehrh. Lüben: Lerchenborn auf einem Hügel gegeu Bohlendorf (Kahle)! 8. gallica L. Habelschwerdt: spitziger Berg bei Maria Schnee (Dr. Schröter). — Ö. pendula L. Muskau: Schleife (Hantscho). S. inflata Sm. var. angustifolia Koch in einer niedrigen, viel- stengligen Form, mit halb so grossen Blüthen als am Typus: um Gogolin auf dürrem Kalkboden und auf Kalkhalden. Der Typus mit purpur- farbenen Blüthen von B. am Basalt der kleinen Schneegrube be- obachtet. Sagina apetala L. Striegau: Tschechen (Schp.); Schweidnitz: Tunkendorf, Säbischdorf, Bögendorf (Schp.)! S. Linnaei Bresl. Langer Grund im Riesengebirge und zwar sehr zahlreich im Grundbachthale (Schn.). Stellaria Frieseana Ser. Nunmehr auch im Gebiete des Riesen- gebirges, und zwar auf Torf in der Lomnitzer Haide bei Hirschberg. S. media Cyr. var. neglecta (Weihe). Görlitz: Girbigsdorf un- weit der Mühle an einem Brunnen (B.). Elatine hexandra DC. Niesky: in einem kleinen Teiche bei Neu-Liebel (Kahle). —+ Malva crispa L. Muskau: in Schleife (Hantscho). Lavatera thuringiaca L. Br.: bei Simsdorf zahlreich (Pr.)!, Schweidnitz: spärlich um die Ziegelei ‚Texas‘ (Schp.). —+ Hibiscus Trionum L. Br.: Kapsdorf auf Gartenland (Pr.)! H. quadrangulum X tetrapterum Lasch. Br.: Mahlener Wald unter den Eltern mehrfach (Pr.)! H. montanum L. Görlitz: Jauernicker Kreuzberg (B.); [Rawiez]: im Kiefernwalde gegen Korsenz, bereits in Schlesien (Schw.); Odrau: Pohorer Wald (Form.)! H. hirsutum L. Br.: Weideniederung bei Weide (Pr.)!; Odrau, Lautsch, Pohorer Wald (Form.)! Geranium phaeum L. Hirschberg: Grasgärten in Ketschdorf!!; Schweidnitz: Bachufer in Seifersdorf (Schp,). G. palustre L. f. albiflora. Dittmannsdorf zwischen Oder- berg und Freistadt (Kt.). G. pratense L. Bei Görlitz noch an der Nieskyer Chaussee bald hinter der Häuserreihe (B.). G. sanguineum L. Reichenbach: zwischen Gnadenfrei und Gir- lachsdorf (W.). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 203 Geranium pyrenaicum L. Waldenburg: Dittmannsdorf, völlig wie wild (Felsmann); Lüben: Glogauer Vorstadt an Zäunen (Fig.). G. molle L. Görlitz: Kaisertrutz, in der Ponte, am linken Neisse- ufer oberhalb der neuen Neissebrücke, Parkmauer in Girbigsdorf (B.); Br.: Hünern, Simsdorf (Pr.)! G. bohemicum L. wurde 1886, wenn auch spärlich, wieder im Buchgarten bei Tränke beobachtet (Kahle). Staphylea pinnata L. In Bauerngärten des Teschener Gebiets häufig gezogen, da die knospigen Zweige zu den geweihten Oster- Palmensträussen gebraucht werden; poln. Klokocz (Kt.). Evonymus verrucosa Scop. Grünberg: Bachrand im Lunzenthal am Abhang bei der Rauherei (Hw.)! Ob hier spontan? Jedenfalls ist _ dieser, schon auf dem linken Oderufer, mehr als 1'/, Längengrade west- licher als der bis jetzt als westlichster bekannte bei Trebnitz, somit weit ausserhalb seines Verbreitungsbezirks, gelegene Fundort des ge- nannten Strauches gründlich darauf zu prüfen. In Preussen östlich der Weichsel nicht gerade selten, westlich nur in der Nähe derselben hin und wieder, dann durch ganz Polen bis zu dessen Westgrenze vor- kommend, besitzt er im östlichen Theile Schlesiens rechts der Oder einige Standorte, ist dagegen durch das mittlere und südliche Mähren verbreitet, in Böhmen aber als einheimische Pflanze nach Öelakowsky zweifelhaft. Letzteres gilt wohl auch für den neuerdings bei Alt-Döbern in der Niederlausitz gefundenen Strauch. + DUlex europaeus L. Bei Hoyerswerda an der Kosackbrücke nach B. nicht mehr vorhanden; Ustron am Fusse der Skalica (Kt.)! Cytisus nigricans L. Görlitz: Bahndamm und Neisseabhänge am Jägerwäldchen (F. Peck). Ononis spinosa L. Odrau, Werdenberg (Form.)! Anthyllis Vulneraria L. Görlitz: um Hennersdorf (B.), zwischen Charlottenhof und Gross-Krausche (F. Peck), ob hier wild? Schönau: Kitzelberg und Mühlberg bei Kauffung; Trebnitz: Wegränder um Klein- Totschen (Pr.); Habelschwerdt: Mellinger Kalkberge (W.). —+ Medicago denticulata Willd. Görlitz: an der Tuchfabrik von Krause & Söhne (B.).! Melilotus altissimus Thuill. Oppeln: Ausfluss des Szezepanowitzer Teiches (Schm.); Teschen: am Mühlgraben. Trifolium pratense L. var. pedicellatum Knaf. Ober-Glogau (R.). Var. maritimum Marsson. Schweidnitz: Wiese bei Schweng- feld (Callier)!, hier nicht ganz rein, da die Bekleidung minder dicht ist und die Haare auch etwas kürzer sind. Den Gegensatz hierzu sandte Hw. von Grünberg in Exemplaren, deren Stengel völlig kahl und die Kelchröhre nur sehr zerstreut behaart ist. 204 Jahres - Bericht T.rubens L. Schweidnitz: Tampadel (Schp.); Waldenburg: Münster- höhe bei Dittmannsdorf (Felsmann). T. hybridum L. var. prostratum Sonder. Um Görlitz hin und wieder, z. B. Steinbruch am pomologischen Garten, Galgenberg bei Klingewalde (B.). T. spadieeum L. Nasse Wiesen zwischen Görlitz und Ebersbach ziemlich häufig, in der Allee vor Hennersdorf (B.). Lotus corniculatus L. var. hirsutus Koch. Um Görlitz zerstreut: Steinbruch nördlich der Heil. Grabstrasse, Weg nach der Klingewalder Windmühle ete. (B.). Astragalus arenarius L. var. glabrescens Rchb. Sandgrube bei Trachenberg (Schw.)! ; Ornithopus perpusillus L. Görlitz: rechtes Neisseufer am obern Wege nach dem Jägerwäldchen, Weg von Wilhelmshof nach der Teich- brücke, hohes Neisseufer bei Hennersdorf (B.)!; Sprottau: häufig bei Neu- gabel und Kaltenbriesnitz (Fig.). | Onobrychis viciaefolia Scop. Schönau: Mühlberg bei Kauffung zahlreich und an lichten Waldstellen der Südseite verbreitet, so dass die Pflanze völlig wie eine einheimische erscheint. Vicia lathyroides L. Görlitz: verlassener Steinbruch am rechten Neisseufer sehr häufig (Gürke)!; Schweidnitz: Nitschendorfer Steinbruch (Schp.). V. cassubica L. in einer f. glabrescens bei Grünberg: an der Wittgenauer Chaussee (Hw.)! Stengel kahl; Blätter fast kahl, nur unter- seits mit sehr zerstreuten Haaren besetzt. Der Typus um Schweidnitz: Feldraine zwischen Gross- und Klein - Silsterwitz, am Bache bei Tam- padel (Schp.); Oppeln: Kgl. Neudorf, Dambrau (Schn.), Ober - Glogau: Erlen (R.)! Lathyrus montanus Bernh. Görlitz: Arnsdorf, Torgaer und Cunnersdorfer Hügel, Kämpfenberge, und besonders häufig um Jauernigk (B.)!; bei Lähn auf allen Bergen (Gerhardt). Aruncus silvester Kstl. Schweidnitz: um die neue Försterei oberhalb Tampadel (Schp.); Waldschluchten dicht hinter Leschnitz (W.). Geum rivale L. var. pallidum (C. A. Mey.). Ober - Glogau: Pfarrerlen (R.). G. urbanum X rivale G.Meyer. Lüben: Klaptau in einem Erlen- gebüsch sehr häufig beide Formen, auch im Dorfe vereinzelt (Fig.). G. montanum X rivale Rehb. (G. sudeticum Tausch) unterhalb der Riesenbaude gegen den Riesengrund ein Exemplar (Schn.)! Rubus sulcatus Vest. Niesky (Herb. Wenck nach B.). R. thyrsoideus Wimm. var. candicans (Weihe). Görlitz: Mengelsdorfer und Arnsdorfer Berge nicht selten (B.); zerstreut im Queissthale zwischen Greiffenberg und Marklissa (BJ. Zur var. thyr- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 205 santhus Focke dagegen gehört der von Barber in den Abhandl. der Naturf. Gesellschaft zu Görlitz XVIII. S. 162 als bei Radmeritz vor- kommend aufgeführte R. affinis W. et N., dessen Vorkommen schon Uechtritz bezweifelte. R. silesiacus Weihe. Görlitz: Feldweg bei Troitschendorf, am Luthersteig bei Klingewalde, Waldrand bei Station Nicolausdorf (B.); Wigandsthal: im Grenzwalde bei Strassberg (derselbe); Teschen: in Ropitz (Kt.). R. macrophyllus W.et N. Görlitz: Jauernicker Kreuzberg. Diese Art kann als Novität für die schlesische Flora nicht betrachtet werden, wenn man die mir jetzt auch als zutreffend erscheinende Annahme Focke’s für richtig hält, dass R. Wimmeri Weihe nur eine zarte Waldform derselben ist. Letztere wurde bereits von W. et Gr. bei Riemberg und Trachenberg angegeben. R.scaber W. et N. Zu dieser früher nur aus Westfalen be- kannten Form gehört nach B. der von ihm (Abh. XVII S. 163) als vereinzelt am Jauernicker Kreuzberge bei Görlitz [sowie auf der Nord- seite des Rothsteins] angegebene R. thyrsiflorus W. et N. Ebenso gehört sein R. Bellardi X Schleicheri hierher. R. Güntheri W. et N. Görlitz: spärlich im Walde östlich Schön- brunn und häufig auf dem Schönbrunner Berge (B.). R. hirtus W. et K. Im Berglande der Oberlausitz sehr verbreitet (B.), auch bei Niesky (Wenck t. B.); in der Ebene noch bei Glogau: Dalkauer Berge nicht häufig (Fig.). R. dumetorum Weihe var. montanum Wimm. (R. oreogeton Focke). Uın Görlitz verbreitet (B.). R. caesius Z. mit tiefeingeschnittenen und dadurch dreitheilig bis dreilappig gewordenen Blättchen, von denen namentlich die beiden Seiten- blättchen weit gespalten, oft bis auf den Mittelnerv getheilt sind, bei Lüben: Klein-Reichen an der Schönbrunner Strasse (Fig.)! R. caesius X Idaeus G. F. W. Mey. Glogau: Gustau; Hainau: Göllschau; Goldberg: Wolfsberg (Fig.). R. saxatilis.L. Niesky: Hügel bei Sproitz (Wenck); Gr.-Strehlitz: Schimischow (W.). Potentilla canescens Bess. Görlitz: Bahndamm der Gebirgsbahn östl. von Moys (B.)!; Lähn: am hohen Boberufer (Gerhardt); Odrau (Form.). P. procumbens Sibth. Primkenau: Petersdorf in der Haide selten (Fig.). P. mixta Nolte. Muskau: westliches Neisseufer zwischen Köbeln und Gross-Särchen (Taubert); Grünberg: bei Jacobi’s Ziegelei (Hw.)! 206 Jahres-Bericht P.albaL. Br.: Mahlener Wald, aber nur steril (Pr.)!; Leobschütz: Hügel zwischen Eiglau und Matzkirch (W.)! Rosa alpina L. var, laevis Ser. Schmiedeberg (Schn.). R. tomentosa Sm. a) genuina m. Görlitz: schwarzer Berg bei Friedersdorf (B.).! R. sepium Thuill. Görlitz: Hügel vor Königshain (B.). Die var. inodora (Fr.) bei Grünberg: Schlossberg bei Bobernig (Hw.)!; Schönau: am Mühlberge bei Kauffung. R. gallica L. Schweidnitz: unter dem Gipfel des Geiersberges (Schp.); Br.: Kapsdorf (Pr.); Teschen: mehrfach, auch nahe der Stadt (Kt.); neu für das östliche Oesterr.-Schlesien. Cotoneaster integerrimus Med. Görlitz: auch auf der Nordwest- seite der Landeskrone ein kleines Gebüsch von etwa 10 Sträuchern (B.)!!; Schönau: an den östlich gelegenen hohen Kalkfelsen des Mühlbergs bei Kauffung, Epilobium trigonum Schreb. auf der kleinen Iserwiese am Graben des Gasthauses „zum Buchberg‘ (B.); Abhänge an der Chaussee ober- halb des Passkretschams bei Schmiedeberg, hier bei 723 m der am tiefsten gelegene Standort im Gebiet. E. collinum Gmel. Görlitz: Felsen des Bahneinschnitts unweit der Leopoldshainer Chaussee (B.).! E. adnatum Gris. Grünberg: Klopsch’ Ziegelei (Hw.)!; Oppeln: Silberquelle bei Chronstau (Schn.). E. alsinefolium Vill. mit auffällig kurzen, eiförmigen, stumpfen Blättern im oberen Theile des Langen Grundes. E. palustre L. var. scatuwriginum (Wimm.). Südabhang des Korkonosch mit dem Typus!!; Quellsümpfe zwischen Elbe- und Pantsche- fall (B.). E. hirsutum X parviflorum Rehb. Lüben: in Eisenbahn - Aus- stichen zwischen Altstadt und Gr.-Krichen nicht selten ig.) Liegnitz: Arnsdorf am Bahnhofe (ders.). E. parviflorum X roseum Krause. Um Liegnitz noch in Wild- schütz und Kroitsch; um Lüben in Kniegnitz und Ziebendorf nicht selten (Fig.). E. virgatum X parviflorum Michalet. Liegnitz: in einem Feld- graben vor Rüstern (Fig.). E. adnatum X roseum Uechtr. Liegnitz: zwischen Dohnau und Kroitsch (Fig.)! Circaea intermedia Ehrh. Odrau, Pohor (Form.); Teschen: Blogotitz. C. alpina L. Grünberg: Wiese eines früheren Erlenbruches (Hw.), unweit Lippen im Erlenbruch bei der Klippelbrücke zahlreich (Hw.)! der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 207 Hippuris vulgaris L. var. fluviatilis Rth. Br.: im todten Arm des Weideflusses bei Simsdorf (Pr.)! Peplis Portula L. var. suberecta Uechtr. Oppeln: Exercier- platz (Schm.). Illecebrum verticillatum L. Kreuzburg: Aecker bei Gr.-Lasso- witz (Kn.). + Sicyus angulatus L. Görlitz: oberhalb der neuen Neissebrücke auf Schutt (B.)! Scleranthus annuus X perennis Losch. Sprottau: zwischen Neugabel und Ottendorf (Fig.)!; Lüben: Krummlinde vor dem Dorfe!, Gross-Krichen südlich vom Parke (Fig.)! S. annuus L. var, biennis (Reuter). Um Görlitz auf sandigen Feldern häufig (B.). | Sedum villosum L. Muskau: Schleife bei Schimko’s Busch (Hantscho). Sempervivum soboliferum Sims. Görlitz: steiniger Hügel im Arnsdorfer Schulacker (B.); Poln.-Wartenberg: Kiefernwald bei Ötten- dorf (Frl. Senpin nach Pr.); Strehlen: Peterwitz und Pudigau auf Mauern (Kn.), wohl angepflanzt; Neurode: Hausdorf (Sch.). Ribes alpinum L. Euldörfel unter der Hohen Eule (Schp.). R. petracum Wulf. steigt am kleinen Teiche bis 1320 m. Chrysosplenium oppositifolium L. Rothwassergrund im Riesen- gebirge. Hacquetia Epipactis (L. fil.) DC. Ober-Glogau: Dobrau (durch Seminaristen nach R.), der nähere Standort bleibt aufzusuchen; Kreuzen- ort bei Ratibor nicht nur im Park, sondern in grosser Menge auch im Oderwalde (M.). Astrantia maior L. Br.: an den „Kupferlöchern“ zwischen dem Kratzbuschdamm und Carlowitz (M.)! Cicuta virosa L. Im Vorgebirge noch bei Hirschberg: Teich- ränder bei Boberstein. + Ammi majus L. Teschen: Bobrek auf einem Kartofielfelde (Kotula)! Oenanthe fistulosa L. An einem Graben bei Teicha unweit Rietschen (Kahle); Br.: zwischen Kapsdorf und Simsdorf auch ausser- halb der Weideniederung im Diluvium (Pr.)! Heracleum Sphondylium L. var. conforme Mnch. Glogau: Dal- kauer Berge an einer Waldstelle bei Gustau (Fig.); auf Torfwiesen bei Warmbrunn, Angelica silvestris L. var. montana (Schleich.). Lehnen am kleinen Teiche. Imperatoria Ostruthium L. Muskau: Grasgärten in Schleife verw. (Hantscho); Wiesen der oberen Thäler der kleinen Aupa. 208 Jahres - Bericht Peucedanum Cervaria L. Schweidnitz: Wiesen bei Tampadel, Geiersberg (Schp.). Caucalis daucoides L. Gross-Strehlitz: Schimischow (W.). Sambucus Ebulus L. Odrau häufig, Lautsch, Neudörfl, Werden- berg (Form.). Lonicera Xylosteum L. auf der Hahnenkoppe bei Silberberg und am Wege von da nach Volpersdorf (Schp.); Odrau (Form.)! Asperulatinctoria L. Gross-Strehlitz: Kalkhügel um Schimischow in Menge (W.)! A. cynanchica L. Gross-Strehlitz: Schimischow (W.). A. Aparine Schott. Teschen: Lonkauer Teiche (Kt.). Galium eruciata (L.) Scop. Cudowa: Wiesen bei Sackisch, Schlaney (Schp.); Odrau (Form.)! G. boreale L. Eine auffällig bekleidete Form, deren Stengel und Blaitunterseite kurzhaarig, die Blattoberseite zerstreut behaart ist, sammelte Hw. bei Grünberg: Hinterhorst bei Pirnig im hohen Nadel- walde! G. spurium L. var. Vaillantii (DC), an var. tenerum Gr. et Godr. erinnernd. Stengel schlank, zart, mit Gliederhaaren auf Kanten und Flächen, aber nicht stachlig-rauh; Blätter von zarter Textur, ihre Stacheln am Rande zu etwas längeren Weichborsten umgewandelt, die ganze Pflanze sich als eine Schattenform darstellend. Grünberg: ' Schlossberg bei Bobernig (Hw.)! G. elongatum Presl. Grünberg: Holzmanns Ziegelei (Hw.)!; Br.: Kapsdorf, Simsdorf (Pr.); Schweidnitz: Wiesengräben bei Schwengfeld (Schp.)! G. verum L. var. Wirtgeni (F. Schultz). Cudowa (Schp.). G. silvestre Poll. sowohl in der Grundform als in der var, Bocconei (All.) um Görlitz, wie überhaupt im Berglande der Ober- lausitz verbreitet (B.). Valeriana officinalis L. var, exaltata (Mikan). Dieser Form sehr nahekommende Exemplare sandte Hw. von Grünberg: Klopsch’ Ziegelei! V. polygama Bess. Kosel: Lenkau (W.); Loslau: Schwirklau, Mschanna, Gogolau, Pohlom, auf allen Wiesen gemein (M.)! Knautia silvatica (L.) Dwby. Odrau: Scheuergrund (Form.). Zwar habe ich keine Exemplare von dort gesehen, doch hege ich nicht den geringsten Zweifel an der Richtigkeit der Angabe, zumal der Finder mir ganz typische Exemplare dieser Art aus der Brünner Gegend ge- schickt hat, und 1887 solche auch von dem genannten in der Südspitze des Troppauer Kreises gelegenen Standorte sammeln wird. Dieselbe, im nord- westlichen Ungarn an zahlreichen Orten vorhanden, auch im südlichen und der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 209 mittleren Mähren nicht selten, wird selbst in dessen nördlichem Theile um Sponau und Schönwald von Schlosser angegeben, daher der Fund- ort um ÖOdrau keineswegs auffallend. Noch nördlicher ist sogar das Vorkommen bei Mährisch-Schönberg, das mit denjenigen im östlichsten Böhmen (Leitomischl, Chotzen, Brandeis an der Adler ete.) in Verbindung steht. Bei der Nähe der letztgenannten Orte von der Südgrenze der Grafschaft Glatz (ca. 20 km) ist die Pflanze auch in diesem Theile Schlesiens zu erwarten. K. arvensis (L.) Coult. var. campestris (Bess.), sonst einzeln und selten unter der gewöhnlichen vorkommend, ist um Görlitz häufig im Ufersande der Neisse und auf den benachbarten Abhängen und Wiesen der Ludwigsdorfer Mühle (B.). Scabiosa ochroleuca L. mit fast ganzrandigen Stengelblättern am Kirchhof in Görlitz (B.). Eupatorium cannabinum L. var. indivisum DC. Br: Mahlener Wald (Pr.)! | Homogyne alpina (L.) Cass. im Isergebirge ebenso häufig wie im Riesengebirge. Die var. multiflora Gr. bei der Schlingelbaude (Schn.). Petasites albus Gärtn. Loslau: Pohlom, Mschanna, Pschow (M.). Aster frutetorum Wimm. Dyhernfurth: Weidengebüsch am Oder- ufer unweit der Eisenbahnbrücke (Uechtr.)!! A. salicifolius Scholler ebendaselbst, aber seltener (Uechtr.)!!; Lauban: am Bache in Langenöls (B.). + Solidago canadensis L. Marklissa: am Hartmannsdorfer Wasser (B.). + JInula Helenium L. Muskau: Schleife (Taubert), Roiten (Hantscho). I. Conyza DC. Schönau: Mühlberg bei Kauffung!!; Odrau, Pohor, Neudörfl, Lautsch, Klein-Wermsdorf (Form.) ! —+ Galinsoga parviflora Car. Muskau: Schleife (Hantscho) ; Görlitz: neue Neissebrücke (B.); Oppeln: Chronstau (Schm.). Filogo canescens Jord. Schweidnitz: Brachen bei Leutmanns- dorf (Schp.). Achillea as, L. „Blätter nieht kahl, sondern unterseits an- liegend behaart.“ Grünberg: Steinbachs Vorwerk (Hw.)! —+ Matricaria discoidea DC. Scehweidnitz: an der Brauerei in Tampadel (Schp.)! Chrysanthemum corymbosum L. Schweidnitz: um Tampadel (Schp.). Doronicum austiriacum Jacg. Am grossen Polom bei Jablunka (Kotula). 1886. 14 310 Jahres-Bericht Senecio crispatus DC. var. rivularıis Rchb. (erw.) Loslau: Pohlom, Gogolau sehr zahlreich (M.). S. vernalis W. ei K. Teschen: Berg zwischen Lischna und Wendrin (Kt.). S. barbareaefolius Krocker. Dyhernfurth in der Oderniederung. S. aquaticus Huds. Dörgenhausen zwischen Hoyerswerda und Wittichenau schon 1877 (B.). S. nemoralis L. var. Fuchsii (@mel.), Görlitz: an den Wasser- Jäufen der Königshainer Berge, an der Reichenbach (B.); Br.: Laubwald bei Paschkerwitz (Pr.)! Loslau: Mschanna, Gogolau, Pohlom (M.)! Carlina vulgaris L. Uebergang zur var. nigrescens Form.: Dornen der oberen Blätter und Hüllplätter schwarz, aber die Spitzen der letzteren gelblich mit dunkleren Nerven. Grünberg: Lawaldauer Chaussee (Hw.)! C. acaulis L. Görlitz: Feldrain bei Lauterbach (B.), Weinberge (Mücke). Cirsium eriophorum (L.) Scop. Beskiden: Cameral-Ellgot (L. Heczko); oberes Malinkathal bei Ober - Weichsel; an der Jablunkauer Schanze, wo es einst Pastor Kotschy entdeckte, nicht mehr vorhanden, dafür auf dem anstossenden Berge Kiezera, zumal an dessen Abhängen gegen Lomna, sowie im Lomnaer Thale selbst gegen Saltajka (Kt.). CO. lanceolatum (L.) Scop. 4; albiflora bei Liegnitz: an der Schmochwitzer Brücke spärlich (Fig.). C. oleraceum (L.) Scop. var. amarantinum Lang (als Art). Glogau: Dalkauer Berge bei Beiseritz, ziemlich häufig und truppen- weise (Fig.). C. palustre (Z.) Scop. var. seminudum Neilreich. Dyhern- furth: Wiesen bei Krantz (Uechtr. u. Fiek), C. acaule (L.) All. Freistadt: Beiseritz (Fig.); Lüben: Talben- dorf häufig auf Waldwiesen (Fig.). C. canum (L.) Mnch. Ziemlich häufig im Quaritzer und Primke- nauer Bruch mit dem Bastard C. palustre X canum Wimm. (Fig.). Nördlichster Standort in Schlesien. C. oleraceum X lanceolatum Koch. Br.: Kapsdorfer Wiesen am Goi mit den Eltern vereinzelt (Pr.). Nicht gesehen. C. oleraceum X acaule Schiede. Freistadt: Beiseritz (Fig.)!; Lüben: Altstadt auf Wiesen häufig (ders.)!; Br.: bei Riesenthal 1886 sehr häufig (Pr.)! C. oleraceum X rivulare DC, Freistadt: Gr.-Beiseritz (Fig.)! C. canum X palustre Wimm. Striegau: Tschechen bei Königs- zelt (Schp.). Carduus acanthoides L. f. albiflora um Liegnitz mehrfach (Figert). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 311 Lappa macrosperma Wallr. Glogau: feuchte Gebüsche bei Gustau in den Dalkauer Bergen (Fig.). Vierter Standort. Centaurea Pseudophrygia C. A. Mey. Görlitz: Wiesen vor Siebenhufen (B.); Queisthal bei Tzschocha (B.); Odrau: Neudörfl (Form.); bei Teschen verbreitet (Kt.). C. Scabiosa L. f. albiflora. Striegau: Kreuzberg (Callier)! + C.solstitialis L. Striegau: am breiten Berge 1886 (Callier)!; Teschen: 1884 westlich der Stadt unweit der Eisenbahn (Kt.). Tragopogon pratensis L. mit aussen violett gestreiften Rand- blüthen bei Grünberg: Sorauer Chaussee beim Chausseehause (Hw.)! T. orientalis L. Gross-Strehlitz: Schimischow in Kalksteinbrüchen und häufig auf Wiesen am verschwindenden Bach (W.); Odrau (Form.). Scorzonera humilis L. Muskau: Schleife (Hantscho); Ober- Glogau: Leschnig (R.). Hypochoeris glabra L. im Vorgebirge noch bei Hirschberg: Hügel zwischen Straupitz und Berbisdorf!!; Schweidnitz: Klein-Silsterwitz (Schp.). Achyrophorus uniflorus Bl. et Fingerh. Im Riesengebirge abwärts bis auf die Abhänge an der Mummel über der Waldgrenze (B.); ein zweiköpfiges Exemplar an der Kesselkoppe (Schn.). Chondrilla juncea L. Br.: Kapsdorf, Sandgrube (Pr.). Prenanthes purpurea L. Görlitz: Waldrand bei Arnsdorf unweit der Zigeunerhöhle (F. Peck), dies wohl der nördlichste Standort der Pflanze bei uns. Sonchus arvensis L. var. uliginosus (M. B.). Reichenbach: zwischen Nieder-Langseifersdorf und Schlaupitz (Callier)! Crepis succeisaefolia Tausch, Schönau: Wiesen im obern Katz- bachthale häufig!!; Cudowa: Sackisch, Schlanei (Schp.). Hieracium Pilosella var. nigrescens Fr, Schmiedeberg, Grenz- bauden, Brückenberg, langer Grund (Schn.)! Die var. niveum J. Müll, um Grünberg: Kontopp am Wege nach Pirnig (Hw.)! H, stoloniflorum Auet, sil, Jetzt auch in der Ober-Lausitz ge- funden, und zwar bei Görlitz: am felsigen Einschnitt der Eisenbahn zwischen Moys und Hermsdorf spärlich (B.), gewiss neuerdings einge- wandert oder verschleppt; im Riesengebirge noch um die Grenzbauden, Schlingelbaude, kl. Teich (Schn.)! H. iseranum Uechtr. im böhmischen Isergebirge nahe bei Wittig- haus, Kobelhütte, Wazelsbrunn, Polaun, am Buchberg (B.); Elbgrund oberhalb des Zusammenflusses mit dem Weisswasser (B.); Petersdorf (Schn.); Gesenke: unweit der Schweizerei am Altvater (Bubela), und schon 1879 bei der Lehmbaude am Aufgange zum Ameisenhügel (Oborny). Neu für die östlichen Sudeten. 14# 212 Jahres - Bericht H. floribundum W. et Gr. bei Görlitz mit H. stoloniflorum (B.). Für die Ober-Lausitz neu. H. aurantiacum L. Südseite des keuligen Buchberges (Winkler) !!; Landeck: nahe dem Bade an der Chaussee nach Johannisberg in einer Gruppe (Callier)!, wohl von den Saalwiesen herabgeschwemmt., H. Auricula X Pilosella Fr. Görlitz: Bahnhof Kohlfurt (Dr. Peck); Lüben : Gross-Kriehen (Fig.); Liegnitz: Kuchelberger Wald (hier eine einköpfige Form), am Wege nach Pamsdorf (Fig.)!; Kreuzburg: Wiesen östlich der Miskamühle (Kn.); Ober-Glogau: am Judenkirch- hof (R.). H. floribundum X Pilosella Uechtr. Liegnitz: Briese häufig (Fig.); Br.: Graben bei Grüneiche (Kn.). f H. praealtum X Pilosella Wimm. Liegnitz: Briese sehr häufig (Fig); Br.: Wegränder bei Mahlen (Pr.); Ober-Glogau: Widrowitzer Dämme (R.)! H. pratense X Pilosella Wimm. Liegnitz: um Briese häufig, desgleichen bei Seedorf und Fellendorf, beide Formen (Fig.); Hirschberg: am Wege nach Gotschdorf. H. aurantiacum X Pilosella Nägeli (H. rubro- Pilosella G. Schn. ined.). Bei der Schlingelbaude einzeln (Schn.)! H. ceymosum X Pilosella Krause. Liegnitz: Briese vereinzelt (Fig.); Schweidnitz: Bahndamm vor Tunkendorf (Callier)!, an beiden Orten cymigerum X Pilosella. H. stoloniflorum (flagellare) X pratense Uechtr. Br.: bei Wiese auf Wiesen gegen den Haidekretscham (Pr.)!; Görlitz: Einschnitt der Eisenbahn hinter Moys ein Exemplar (B.). H. tubulosum Tausch im Jahre 18384 von mir auch auf dem Glatzer Schneeberge gefunden. H. eximium Backhouse. Ziegenrücken, Gehänge, Teichränder (Schn.)! H. eximium Backh. var. calenduliflorum (Backh.). Teichränder, Rand des Aupagrundes, weisse Wiese, Rennerbaude, Koppenplan (Schn,)! | H. Wimmeri Uechtr. Ziegenrücken (Schn.). H. glandulosodentatum Uechtr. Seiffengrube, Kleine Koppe (Schn.)! H. asperulum Freyn. Südlehne der Kesselkoppe bis zum Gipfel. H. Schmidtii Tausch. Felsen am Kynast!!, Forstberg bei Rohr- lach (am Bober)!!, Schneekoppe, Kl. Koppe, Koppenplan (Schn.). H. murorum L. var. porrectum Uechtr. Melzergrube (Schn.)! Var. einerascens (Jord.) bei Schönau: sonnige Kalkfelsen am Mühl- berg bei Kauffung zahlreich. Daselbst auch spärlich die var. sub- caesium Fr. (2. Th.). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 313 H. caesium Fr. var. alpestre Lindeb. an der Kesselkoppe mehr- fach!!, unter der Hampelbaude, langer Grund (Schn.). H. barbatum Tausch. Diese bisher nur im Eulengebirge und 1885 bei Heinrichau gefundene seltene Art ist nun auch — wie schon Uechtritz (Jahresber, 1885) vermuthete — im südlichsten Theile des Gebiets ent- deckt worden, wodurch die mährischen Standorte mit den unsrigen ver- bunden werden. Odrau: Hinrich bei Neudörfl und Haide bei Werden- berg, häufig im Pohorer Walde (Form,)! Die mir vom Finder gesandten Exemplare besitzen nicht die Achsenstauchung in der Mitte des Stengels, wie sie für die Pflanze von Ludwigsdorf bei Schweidnitz charakte- ristisch ist. H. boreale W. et Gr. var. chlorocephalum Uechtr. Marklissa: Queisthal bei Beerberg (B.). Campanula latifolia L. Lähn: in Seiffert’s Loch (Gerh.). Vaccinium Myrtillus L. fructibus maturis pallide purpureis prui- nosis, Sprottau: Beiseritz (Arth. John nach Fig.)! V. Myrtillus X Vitis Idaea Aschs. Sprottau: am Wege von Kaltdorf nach Mallmitz an zwei Stellen (Schp.). „Dieser Bastard lässt sich am besten im März und April erkennen; V. Myrtillus hat dann auf- springende Knospen, während die Kreuzung noch das Laub vom Jahre vorher besitzt.“ Limnanthemum Nymphaeoides (L.) Zk. Br.: in einem Ohlearm bei Tschechnitz (M.), wohl von der Margarethenmühle aus verschleppt. Gentiana asclepiadea L. an den Abhängen der Schneekoppe gegen den Riesengrund bis 1450 m steigend (Schn.). f. albiflora in der Seiffengrube zahlreich (ders.). G. Pneumonanthe L. Muskau: Schleife (Hantscho). G. campestris L. Görlitz: Ostfuss des Heidersdorfer Spitzberges (F. Peck). Asperugo procumbens L. Görlitz: seit 1834 auf Schutt im früheren Pulverteich, ebenso an der Actienbrauerei (B.)!; Schweidnitz: gleichfalls auf Schutt (Schp.). Lappula Myosotis Mnch. Gleiwitz: Chaussee nach Peiskretscham (Jungk)! Omphalodes scorpioides L. kommt auf der Landeskrone bei Görlitz nicht vor, die Standortangabe ist daher zu streichen (B.). Cynoglossum officinale L. Trachenberg: auf sterilem Boden der Kieferwälder um Korsenz (Schw.). Cerinthe minor L. Im Lohegebiet noch bei Klein-Jeseritz, Pu- digau (Kn.); Cudowa: Brachen bei Neu-Sackisch (Schp.}; Oppeln: Pros- kau, Szezepanowitz (Schm.). Symphytum tuberosum L. Ober-Glogau: Fasanerie, Glogauer Erlen (R.)! 214 Jahres - Bericht Pulmonaria offieinalis L. (obscura Dum.) f. albiflora. Schmiedeberg; Langenau bei Lähn (Schn.). R P. angustifolia L. Leobschütz: steile Hügelabfälle zwischen Eiglau und Matzkirch in Menge (W)! Myosotis sparsiflora Mill. Teschen: in der Stadt und in den Vorstädten an Strassenrändern sowie in Gärten (Kt.). Bisher aus dem Teschener Gebiet nicht bekannt. Atropa Belladonna L. Odrau: Hirnich bei Neudörfl, Werden- berg, massenhaft auf Holzschlägen im Pohorer Walde und im Scheuer- grunde (Form.). Solanum nigrum L. var. alatum (Mnch.). Görlitz: auf Schutt hinter der Schwedler’schen Villa (B.); var. humile (Bernh.) um Liegnitz auf Kräuteräckern häufig (Fig.). Verbascum nigrum L. Blätter unterseits nicht dünnfilzig, sondern zerstreut behaart, von dünner Textur, nicht ungleich-, sondern (zumal gegen die Basis) ziemlich regelmässig doppelt-gekerbt. So bei Grün- berg (Hw.)! V. phoeniceum L. Bauerwitz: noch jetzt bei Rakau, zwar zahl- reich an einer Stelle, aber sehr gefährdet (W.)! V. Blattaria L. Br.: Kottwitz beim Jungfernsee (M.)! V. thapsiforme X Lychnitis Schiede. Glogau: Dalkauer Berge (Fig.); Lüben: Gr.-Krichen im herrschaftlichen Park (ders.). V. nigrum X Lychnitis Schiede. Sprottau: Kaltenbriesnitz auf dem Friedhof; desgleichen in Petersdorf bei Primkenau häufig (Fig.). V. Thapsus X nigrum Schiede. Lüben: Gr.-Krichen (Fig.). Linaria arvensis (L.) Desf. Schweidnitz: Popelberg bei Schwengfeld (Seidel t. Schp.). — Mimulus luteus L. Hirschberg: in einem Graben bei Cunners- dorf zahlreich, sowie am Wege nach Gotschdorf. Gratiola offieinalis L. Br.: Wiesen der Weideniederung bei Simsdorf (Pr.)! Lindernia Pyzidaria All. Dyhernfurth: sandiges Oderufer an mehreren Stellen oberhalb der Stadt zahlreich (Uechtr. u. Fiek). Limosella aqualtica L. im Vorgebirge auch bei Lähn: in einem abgelassenen Teiche bei Kleppelsdorf (Gerh.); Hirschberg: am Teiche in der Lomnitzer Haide (ders.); Schweidnitz: auf Schlamm bei Ob.-Grunau (Schp.). Veronica longifolia L. Görlitz: unter der neuen Neissebrücke (B.), am Försterhause in Arnsdorf diese Art, nicht V. spicata (B.), hier schwerlich wild, V. offieinalis L. var. alpestris Celak. Ziegenrücken (Schn.), unterhalb der Spindlerbaude (B.). Die var. spadana Lej. bei Grün- berg: Lawaldauer Chaussee (Hw.)! der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 2315 Melampyrum pratense L. var. integerrinum Döll. Kreuzburg: Gross-Lassowitz (Kn.). Euphracia graeilis Fr. Warmbrunn: auf einer trocknen torfigen Wiese gegen die Kynmühlhäuser; Schweidnitz: Kl,-Silsterwitz (Schp.)! Orobanche rubens Wallr. Gross-Strehlitz: Kalkhügel um Schi- mischow (W.). Mentha aquatica X silvestris G. Mey. Lüben: zwischen Klein- Krichen und Lerchenborn ziemlich häufig (Fig.)! M. arvensis L. var. parietariifolia Becker. Liegnitz: feuchte Wiesen um Oyas nicht selten (Fig.)! Herrnstadt: Graben bei Lauskowe (Sehw.); Kreuzburg: Sandfelder bei Kucznia (Kn.); Ober-Glogau (R.). M. aquatica X arvensis Wimm. Liegnitz: Neuhof unweit des Bahnhofes; Lüben: Gross- und Klein-Kriehen, Lerchenborn, Mallmitz, Ziegendorf und Talbendorf (Fig.). Origanum vulgare L. Marklissa: im Queissthal bei Tsehocha und am Ramsen (B.). Thymus angustifolius Pers. f. albiflora. Kreuzburg: Wald nördlich von Gross-Lassowitz (Kn.). Salvia verticillata L. Br.: Paschkerwitz an Feldrainen gegen Bukowine (Pr.)!, gewiss nur verschleppt; Gross-Strehlitz: Olschowa, Schimischow (W.). Melittis Melissophyllum L. Schweidnitz: am Bache bei Tampadel (Schp.); Reichenbach: Tatarenschanze bei Girlachsdorf häufig (W.); Cosel: Lonkauer Wald, in reinem hohen Kiefernbestande (W.); Ober- . Glogau: Leschniger Erlen (R.). Lamium purpureum L. albiflorum. Nicht im Ober - Glogauer, sondern im Ziegenhalser Seminargarten (R.). Stachys germanica L. Gleiwitz: auf einem Kleeacker (Jungk.)! S. alpina L. Odrau: Hinrich bei Neudörfl, Werdenberg, Pohorer Wald, Scheuergrund u. a. O. (Form.)! S. annua L. Br.: Kottwitz auf Aeckern am Jungfernsee (M.)!; Grünberg: Acker auf früherem Schuttplatze bei Faustmann’s Berge (Hw.)! S. recta L. Br.: Kottwitz beim Jungfernsee (M.)!; Gross-Strehlitz: Schimischow (W.). Prunella grandiflora Jacg. Trebnitz: Klein - Totschen gegen Pürbischau (Pr.)! Teuerium Scordium L. Durch den ganzen Quaritz - Primkenauer Bruch sehr verbreitet (Fig.). Utricularia neglecta Lehm. Warmbrunn in Torfstichen gegen Giersdorf. 216 Jahres-Bericht U. ochroleuca R. Hartm. In der Oest. Bot. Zeitschrift 1886 Nr. 8 veröffentlichte Professor Öelakovsky einen interessanten Auf- satz über eine verkannte, von ihm mit dem sehr passenden Namen U. brevicornis belegte Utricularia-Species, der mich sofort veranlasste, die Arten meiner Samminng, speciell das was ich von U, intermedia Hayne besass, darauf hin zu prüfen. Hierbei ergab sich, dass ich selbst bereits im Jahre 1878 diese Utricularia bei Daubitz in der Oberlausitz (im Torf- moore am Wege nach Tränke) gesammelt, sie aber nur für eine klein- blüthigere Form von intermedia gehalten hatte. Weitere Standorte sind dann für Schlesien durch R. v. Uechtritz festgestellt worden, nämlich: Niesky (Ferd. Geller); Rietschen (Burkardt); Görlitz: Sohra (R. Peck); Kreuzburg: Sausenberger Forst bei Klein - Lassowitz (Kn.); Myslowitz (Unverricht)! — Professor P. Ascherson hatte in seinem, im Jahre 1861 in den Verh. des bot. Vereins der Provinz Brandenburg publieirten, Aufsatze „Ueber Utricularia spectabilis Madauss und U. macroptera G. Brückner“ über letztere befriedigenden Aufschluss nicht geben können, weil im Brückner’schen Herbar sich keine mit diesem Namen bezeichnete Pflanze vorfand, weswegen er nur auf Vermuthungen angewiesen war, Nach erneutem Durchlesen dieser Auseinandersetzungen glaubte ich auf die U. macroptera, als möglicherweise identisch mit seiner U. brevicornis, bald nach dem Erscheinen der Arbeit von Öelakovsky diesen aufmerksam machen zu müssen. Später gab Ascherson in den Verhandlungen des genannten Vereins (1886 $. 183) weitere Aufklärungen über unsere Species, indem er sie — wie auch Uechtritz in Briefen an mich — als nicht trennbar von der 1857 publieirten U, ochroleuca G. Hartm., bezw. von deren Varietät microceras hinstellte. Sollte es sich jedoch heraus- stellen — was weitere Untersuchungen lehren werden —, dass die U. macroptera @. Brückn. wirklich identisch ist mit U. ochroleuca @. Htm. oder U. brevicornis Cel., so müsste der Name als der älteste (1853) diesen vorangestellt werden, U. intermedia Hayne. Muskau: Schleife (Taubert); Rietschen (Kahle)!; Kreuzburg: Moor südlich von Gross-Lassowitz (Kn.). Sicher- gestellt sind noch folgende schlesische Standorte: Bunzlau: Greulicher Hammerteich (Limpricht); Schlawa: Poln.-Tarnau (W. Schultze); Oppeln: Königshuld (Grabowsky), Brinnitzer Teich bei Kupp (Schöbel); Sohrau: Woszezye (R. Müller); Myslowitz: Podlenze (C. Paul), Schippowitz (Un- verricht)! U. minor L. Muskau: Schleife (Taubert). Trientaliseuropaea L. Leobschütz: Eichenwald von Casimir (R.). Lysimachia nemorum L. Schweidnitz: nicht nur am Zobten (W. et Gr.), sondern auch am Wege von Tampadel nach Klein -Silster- witz (Schp.); Leschnitz: schattige Waldschluchten dicht hinter der Stadt (W.)! der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 217 Glaux maritima L. Kontopp: auf feuchter Torfhutung am Wiesen- wege nach der „Haide‘“ mit Triglochin maritima L. (Hw.)! Durch diesen Fund ist die Pflanze wieder für das Gebiet gesichert; an den beiden Breslauer Standorten (bei Hermannsdorf und vor Lissa) wurde sie seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen, trotzdem öfter (auch von Uechtritz und mir) darnach gefahndet worden ist. Anagallis arvensis L. f. bicolor m. Ober-Glogau (R.). Planiago arenaria L. Bahnhof von Ober-Glogau zwischen den Geleisen (R.). Polyenenuem arvense L. Grünberg: Brachäcker bei der Schiller- höhe (Hw.)!, hier in einer besonders zierlichen Form, die einen Ueber- gang zur var. Heuffelii (Läng) darstellt; Br.: Brachen südlich von Schebitz (Pr.)! Chenopodium ficifolium Sm. Dyhernfurth: Oderufer (Uechtr.)!! Atriplex roseum L. Görlitz auf Schutt (B.), eingeschleppt. + Kochia scoparia (L.) Schrad. Schweidnitz: Kleefelder am Wege nach Bunzelwitz (Schp.). R. erispus X obtusifolius G. F, Meyer. Liegnitz: Langen- waldau (Fig.). Rumex arifolius All. Nicht nur auf der Tafelfiehte, sondern in den höheren Lagen des Isergebirges verbreitet (B.). Thesium alpinum L. Rothenburg: gegen Lodenau auf einem Raine unweit der Neisse (Kable)!, ausserdem dort schon früher von Dr. Zimmermann auf dem rechten Neisseufer gefunden, Asarum europaeum L. Im nördlichen Theile Schlesiens noch häufig mit Asirantia major L. bei Freistadt: Beiseritz (Fieg.). Euphorbia duleis Jacg. in Oberschlesien auch bei Loslau: Pohlom, Mschanna, Gogolau, Jastrzemb (M.). E. lucida X Esula Wimm. Dyhernfurth: Oderdamm bei Glosch- kau (Uechtr.)!!; Br.: zahlreich am Ufer der alten Oder hinter der Michaeliskirche (Pr.)! Mercurialis perennis L. Br.: Mahlener Wald (Pr.)! M. annua L. Görlitz: auf Schutt in der Ponte (B.).! Ulmus montana With. im Katzbachthale bei Ketschdorf; Hirsch- berg: am Harteberg bei Mauer viel. Alnus glutinosa X incana Krause. Br.: Kapsdorf im Erlen- bruch (Pr.)!; Schweidnitz: bei Croischwitz (Callier)!, Gebüsche bei Christinenhof unweit Königszelt (Schp.). A. serrulata Willd. Striegau: Stannowitzer Erlicht nicht selten (Callier)!; Schweidnitz: Jacobsdorf (ders,). Salix silesiaca Willd. Schwarzbachthal im Kulengebirge von Euldörfel bis Glätz.-Falkenberg (Schp.); im Teschener Ländehen ver- breiteter als bisher bekannt: am Bache Kopytna unter dem gr. Ostry 318 y Jahres-Bericht bei Jablunka zwischen den Vorbergen Zor und Skalka 3, die Sträucher das Ufer mehrere Klaftern lang bedeckend, dann auf der Godula in Cam.-Ellgot 2, im Walde von Trzyciez, der Godula gegenüber 9, in Koeobendz bei Teschen 2, in Ustron gegenüber der Czantory am Fusse der Skaliea am rechten Weichselufer (Kt.). S. pentandra X fragilis Willd. Liegnitz: Oberförsterei Panthen ein 2 Strauch (Fig.). S. amygdalma X viminalis Döll. (S. Trevirani Spr.). Oder- ufer bei Dyhernfurth (Uechtr.)!! S. purpurea X viminalis Wimm. var. Forbyana Sm. S (8. semihelix Lasch). Teschen: an der Bahn unterhalb des Schlossberges (Wotloszezak); var. angustifolia (Tausch). Teschen: Olsaufer am 3. Wehre (Kt.)! S. purpurea X incana Wimm. Teschen: in den Sibitzer Olsa- auen gegenüber dem ersten Wehre 2 (Kt.)!, ferner rechts der Olsa gegenüber der Mündung des Ropiezanka-Baches 2 (Kt.). S. purpurea X repens Wimm. Görlitz: Wiese westlich des Teufelsteins bei Hennersdorf (B.). S. cinerea X purpurea Wimm. a) glaucescens Wimm. (8. Pontederana Willd.). Ober-Glogau: in den „Erlen“ (R.); Teschen: Erzherzogl. Ziegeleien in Mosty (Kt.)!; $) einerascens Wimm. (8. cor- dida Kern.). Ustron: Weichselauen an der Fähre von Hermanitz nach Lipowee (Kt.)! S. silesiaca X purpurea Wimm. Ein Strauch in Ustron an der Grenze von Weichsel (Kt.)! S. aurita X purpurea Wimm. a) glaucescens Wimm. (8. di- chroa Döll.). Teschen: Lonkauer Teiche, eine Uebergangsform zur var. ß) cinerascens Wimm. (8. auritoides Kerner (Kt.)!) S. Caprea X viminalis Wimm. var. angustifolia Wimm. Teschen: an der Olsa selten Q, Mönchhof im Thale Zimne doly ziem- lich zahlreich Z (Kt.)! S. cinerea X viminalis Wimm. Goldberg: an der Katzbach bei Neuländel 2 (Fig.); Striegau: Muhrau (Schp.)! S. aurita X viminalis Wimm. Teschen: am 3. Olsawehre (Kt.)! S. Caprea X incana Wimm. An dem von Krause entdeckten Standorte zwischen Ustron nieht mehr, dagegen bei Teschen: Kocobendz im Hochwalde an der Strasse nach Troppau (Kt.)!, in Hermanitz bei Ustron (Dr. B. Kotula). S. Caprea X daphfoides (8. Erdingeri Kerner). Teschen: Vorstadt Brandeis am Eisenbahndamm an Felsen (Kt.)!; von 5 Bäumehen, die der Entdecker dieser Novität auffand, ist leider nur noch eins lebend und die Stelle durch die Eisenbahn und einen benach- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 219 barten Steinbruch sehr gefährdet. Herr Kotula hofft diese schöne Hybride durch Verpflanzen zu erhalten. S. cinerea X silesiaca Wimm. Ustron an der Weichsel (Kt.)!; diese der von mir an der Weistritz bei Reinerz gefundenen Form äusserst ähnlich. S. aurita X silesiaca. Wimm. Dittmannsdorf bei Waldenburg (Dr. Pax). S. caprea X silesiaca Wimm. Abhänge der Czantory und Ska- liea bei Ustron (Kt.)! [Szezyrk in Galizien häufig] (Kt.)! S. Caprea X cinerea Wimm. Liegnitz: Lindenbusch 3 (Fig.); Br.: Simsdorf angepflanzt (Pr.); Teschen: Lonkauer Teiche (Kt.)! S. einerea X aurita Wimm. Kreuzburg: Wald nördlich Gross- Lassowitz (Kn.); Teschen: Lonkauer Teiche (Kt.)! S. Caprea X aurita Wimm. Liegnitz: Lindenbusch bei einer Ziegelei 5 (Fig.); Ustron am Fusse der Skalica (Kt.)! S. aurita X repens Wimm. Hainau: häufig zwischen Göllschau und Reisicht; Lüben: Gr.-Krichen (Fig.). + Elodea canadensis Casp. Hoyerswerda: im Gödaer Wasser (B.); Görlitz: Mühlteich im Biesnitzer Thal (B.); Hirschberg: in den Wiesentümpeln der Boberniederung um Hartau und Straupitz häufig!!; Sehweidnitz: an der Peile von Schwengfeld bis Nitschendorf in den meisten Seitenarmen und Tümpeln (Schp.). Säagittaria sagittifolia L. var. valisneriifolia Coss. et Germ, Br.: Simsdorf in der Weide sehr zahlreich (Pr.)! Potamogeton semipellucidus Koch et Ziz. Muskau: Schleife (Hantscho); Primkenau: Bruch gegen Ottendorf (Fig.)!; Liegnitz: Schwarz- wasserlachen bei der Bruchmühle (ders.)!; Trachenberg: in einem tiefen Wasserloche bei Korsenz zahlreich (Schw.)!; Kreuzburg: Moorgraben südlich Gr.-Lassowitz (Kn.); Ober-Glogau: Gräben der Krautbeete (R.); Ustron: Graben und Teich beim Hammerwerk (Kt.)! Neu für Oesterr.- Schlesien, P. acutifolius Lk. Sprottau: Ottendorf im Seegraben (Fig.)!; Lieg- nitz: Obergraben bei Neuhof (Fig.)!; Trachenberg: Dtsch.-Damno (Schw.)! P. trichoides Cham. et Schldl. Glogau: Flachsröstlöcher bei Dorf Schönau (Fig.)! Naias minor All. Dyhernfurth: in einem Tümpel der Oder- niederung bei Gloschkau am linken Oderufer!!; Br.: Tümpel bei Bischofs- walde (Dr. Schröter, Uechtr. 1886), in der Weide bei Simsdorf (Pr.)! Wolffia arrhiza (L.) Wimm. Diese südliche, bisher nur auf einen Theil des mittleren Schlesiens beschränkte Art wurde 1886 auch im nördlichen Gebiete beobachtet. Freistadt: Schlossteich in Ober- Herzogswaldau und in zwei kleineren Teichen in Mittel-Herzogswaldau (Schp.)!; Primkenau: Ottendorf in einem kleinen Teiche (Fig.)! 220 Jahres - Bericht Lemna gibba L. Br.: in einem Feldgraben der Kleinburger Villen- stadt, hier nach den zahlreichen Antherenrudimenten zu schliessen 1886 reichlich blühend (Uechtr.). Orchis militaris L. fl. suec. Schönau: Mühlberg bei Kanffung. O0. sambucina L. Reichenbach: Tatarenschanze bei Girlachsdorf häufig (W.). O. incarnata L. Trachenberg: Wiesen entlang der unteren Orla zahlreich, auch in Eisenbahnausstichen bei Korsenz (Schw.); Br.: am Goi bei Kapsdorf wiedergefunden (Pr.). Platanthera montana Rchb. fil. Teschen: am westlichen Ab- hange des kleinen Ostry gegen Wendrin (Kt.). Epipogon aphylius Sw. Schmiedeberg: an einem Quellbache des Bienwassers bei Hohenwiese (Prof. Hieronymus)! Cephalanthera rubra (L.) Rich. am Geiersberge 1886 wieder gefunden (Schp.). Epipactis palustris (L.) Crntz. Beuthen a. O.: Carolath (Fig.); Schweidnitz: Wiesen bei Tampadel (Schp.). Listera cordata (L.) R. Br. Jablunkau: am gr. Polom (Kt.). Neottia Nidus avis (L.) Rich. Br.: Mahlener Wald (Pr.). Coralliorrhiza innata R. Br. Teschen: am kleinen Ostry bei Ober-Lischna (Kt.). Crocus vernus Wulf. (erw.). Teschen: Grasgarten des Zamanski am südlichen Abhange des Schanzenberges; weissblühend auf der Gra- bina-Wiese (Kt.), wohl nur verwildert. Gladiolus imbricatus L. var. parviflorus Berdau (als Art), Jablunkau: Thal Gluchowa bei Nydek (Kt.)! Nach dem Finder ist an dieser Form bemerkenswerth, ‚‚dass die zahlreichen Blüthen, nach oben pyramidenförmig gestellt, gross und kleinst auf einmal auf- geschlossen sind, und erst aufgeschlossen weiter zu wachsen scheinen.“ Leucojum vernum L. Muskau: Köbeln (Schw.); Schweidnitz; Gebüsche bei Frauenhain unweit Domanze (Schp.). Galanthus nivalis L. Ober-Glogau: häufig in den Glogauer 'und Leschniger Erlen (R.). —+ Tulipa silvestris L. Görlitz: am Kaisertrutz auch blühend (B.)!!, am alten Schiesshause (Sperling). Ornithogalum umbellatum L. Görlitz: Kummerauer Wiesen, Cunnerwitz, Moys ete. (B.); Ober-Glogau: Aecker hinter den Erlen gegen den Militairschiessstand (R.)! Allium Viectorialis L. Kleiner Teich bei 1320 m, A. acutangulum Schrad. Grünberg: bei Faustmanns Berge auf einem Diluvialhügel (Hw,)!; Br.: auch nördlich der Weide zahlreich um Kapsdorf gegen Riesenthal (B.)! der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 331 A. vineale L. var. capsuliferum Lange.. Eine kleine Form bei Grünberg: Boberniger Schlossberg (Hw.)! Der Typus um Teschen: Puneöw-Höhe gegen Konska (Ks.). A. Scorodoprasum L. Teschen: Thiergarten, Berglehne hinter Boguschowitz (Kt.)! Muscari botryoides DC., in meiner Flora von Schlesien nur als muthmaasslich eingebürgert angesehen, ist nach B. in der Gegend von Görlitz jedenfalls als wildwachsend zu betrachten, da diese Art dort nicht wie M. racemosum Med. in Gärten gezogen wird. Der Verbreitungs- bezirk ist indessen ein engbegrenzter, mehr strichförmiger, der sich vom [Heinrichsberg bei Herrnhut über den Schönauer Hutberg] und die Um- sebung der Landskrone [Pfaffendorf (B.), Rauschwalde (B.)!!, Girbigsdorf (Matzke), Klingewalde (Woithe)] bis an den Südrand der Görlitzer Haide um Sohra, Penzig und Kohlfurt (Dr. Peck) erstreckt. Polygonatum offieinale All. Oppeln: Silberquelle, Proskau; Leschnitz (Schm.). Streptopus amplexifolius DC. im Isergebirge allgemein ver- breitet (B.). Colchicum autumnale LI. Br.: Riesenthal, Kapsdorf (Pr.)!; Ober- Glogau, hier auch mit gefüllten Blüthen resp. vieltheiligem Saume (R.). Ob mit letzteren die Frühlingsblüthen (C. vernale Hoffm.) gemeint sein mögen? Floribus albis bei Schweidnitz: Tunkendorfer Wiesen unter der gewöhnlichen (Callier). Veratrum Lobelianum Bernh. Schweidnitz: im Bett der Weistritz bei Polnisch-Weistritz seit dem Hochwasser, und wohl hierbei von der Eule herabgeschwemmt (Schp.); Landeshuter Kamm bei Haselbach!!; Loslau: Mschanna im Goi (M.)! Juncus filiformis L. Görlitz: Gersdorf, Hennersdorf (B.); Sagan: Wiesen um Eisenberg (Schp.). J. ranarius Perrier et Songeon. Grünberg: Bruchwiese an der Lawaldauer Chaussee (Hw.)! Luzula silvatica (Huds.) Gaud. im östlichen Theile des Riesen- gebirges auch auf böhmischer Seite, nämlich in den oberen Thälern der kleinen Aupa. L. eampestris DC. Die von Wimmer übernommene Bezeichnung „Hasenbrod‘“ ist irrig, um Hirchberg nennt man diese und die ver- wandten Arten „‚Hasenpfote‘“, Scirpus ovatus Rth. var. Heuseri Uechtr. Warmbrunn am Gotschdorfer Teiche. 5. pauciflorus Ligthf. Schweidnitz: Tampadel (Schp.). S. Tabernaemontani Gmel. Kontopp: Torfwiesengräben (Hw.)!; Teschen: in einem der oberen Lonkauer Teiche (Kt.). S. maritimus L. Br.: an der Weide bei Simsdorf (Pr.). 233 Jahres-Bericht S. radicans Schk. An der Mündung der Ostrawica in die Oder, gegenüber der sogenannten preussischen „Landecke“ zwischen Ge- büsch (Kt.). Eriophorum alpinum L. Am Landeshuter Kamme zwischen Haselbach und Rothenzechau. Carex dioecaL. Muskau: Schleife (Taubert); Kosel: Lenkau (W.). C. Davailliana Sm. Kosel: Lenkau (W.). ©. pauciflora Ligthf. Zwischen Warmbrunn und Hermsdorf im Torfmoor 1838 (Dr. Scholtz), von mir dort noch nicht gefunden; Bielitz: Moore um Braunau, Landeck, Ellgot, namentlich im Moore Golysz (Kt.)! Neu für die rechte Oderseite, C©. cyperoides L. Teschen: um den untersten Lonkauer Teich (Kt.)! C. virens Lmk. Schönau: Mühlberg bei Kauffung. C. paradoxa Willd. Freistadt: Beiseritz in einem torfigen Ge- büsch (Fig.); Trachenberg: Lauskowe in Menge (Schw.)! C©. elongata L. var. heterostachya Wimm. Striegau: Stanno- witzer Erlicht (Callier) ! C. remota X panniculata Schwarzer (ÜC. Bönninghausiana Weihe) in den Thälern der Dalkauer Berge bei Glogau ungemein häufig z. B. bei Seppau, Dalkau, Annaberg, Beisnitz ete. (Fig.). (remota x echinata n. hybr.(Ü.G@erhardtiFigert). In einem sumpfigen Erlengebüsch bei Klaptau, Kreis Lüben, mit den muthmaasslichen Eltern (Fig.). Von diesem im Mai 1885 entdeckten Bastard hat der Autor bereits eine Beschreibung gegeben (Deutsche bot. Monatsschrift 1886 Nr. 10, $. 153), der ich nichts hinzuzufügen habe. Auch Uechtritz zweifelte nicht an der richtigen Deutung der Kreuzung. ©. limosa L. Bielitz: Braunauer Torfmoor (Kt.), Ellgot im Moore Golysz (Kt.)! Neu für das Teschener Ländcehen. C. tomentosa L. im Vorgebirge nahe bei Cudowa: Abhänge des Schlossberges (Schp.). C. polyrrhiza Wallr. Schweidnitz: Gebüsche bei Seifersdorf (Schp.). | ©. montana L. Habelschwerdt: Mellinger Kalkberge (W.); Leob- schütz zwischen Eiglau und Matzkirch (W.). ©. digitata L. Br.: Mahlener Wald (Pr.)! ©. Hornschuchiana Hoppe. Kosel: Lenkauer Wiesen (W.)! Dritter oberschlesischer Standort. ©. filiformis L. Muskau: Moore bei Schleife und Halbendorf häufig (Taubert): Teschen: Braunauer Moore, besonders im sogenannten Ratusz, Lonkauer Teiche (Kt.)! Für das Teschener Gebiet neu. Panicum sanguinale L. var. ciliare (Retz.) Görlitz: als Garten- unkraut in der Stadt ziemlich verbreitet (B.). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 223 + P. capillare L. Görlitz: im botanischen Garten verw. (B.). Anthoxanthum odoratum L. var. villosum Loisl. Grünberg: Holtmann’s Ziegelei (Hw.)! Unter zahlreichen bekleideten, besonders auf den Blattscheiden rauhhaarigen Exemplaren fanden sich nur einzelne, die alle Merkmale dieser Abänderung vereinigten. Eine forma serotina des Typus bei Br.: Mahlener Wald, Anfang August 1886 blühend (Pr.), Phleum alpinum L. im Isergebirge auf allen Hochwiesen ver- breitet (B.). Calamagrostis litorea D(. Diese an den Karpaten- flüssen nicht seltene Art ist nun auch für unser Gebiet entdeckt worden: am Weichselufer bei Ustron gegenüber dem Hammerwerke (Kt.)! Sie geht also an der Weichsel vom Ursprunge abwärts bis fast zu deren Mündung. In Mähren bis jetzt nicht bekannt, ist sie auch in Böhmen erst in den letzten Jahren constatirt worden, und zwar an der mittleren Elbe bei Elbe-Kostelec und bei Brandeis (resp. Altbunzlau); ein dritter Standort aber im Osten des Landes, an der Adler, bei Adler-Kostelee (östlieh von Königgrätz), also ziemlich nahe dem Glatzer Gebirge, macht ein Auffinden der Pflanze in der Grafschaft nicht unwahr- scheinlich. C. Halleriana DC. im Isergebirge verbreitet; Gipfel der Eule bis herab nach Euldörfel, am Kaschbacher Plänel (Sehp.); auch im Teschener Ländchen: südliche Spitze des Grossen StoZek bei Jablunkau (Kt.). Avena pratensis_L. Schweidnitz: Gipfel des Geiersberges, trockne Lehnen bei Tampadel (Schp.). A. strigosa Schreb. ist im Teschenschen im Gebirge häufig (Kt.). Trisetum flavescens (L.) PB. breitet sich bei Görlitz immer mehr aus (B.); Grünberg: Fliesswiesen, Rohrbusch (Hw.)! Melica transsilvanica Schur (M. eiliata auct. sil.) Schönau: Mühlberg bei Kauffung!!; Odrau (Form.). M. uniflora Retz. Schweidnitz. Wald zwischen Tampadel und Klein-Silsterwitz (Schp.); Odrau (Form.)! Poa bulbosa L. Görlitz: Teufelstein bei Hennersdorf (B.). P. sudetica Haenke $. remota Fr. Glogau: in den Dalkauer Bergen zwischen Gustau und Quaritz (Fig.). Festuca heterophylla Lmk. Hirschberg: Harteberg bei Mauer; Mühlberg bei Kauffung. Bromus erectus Huds. Schönau: sehr häufig am Mühlberg bei Kauffung. * Triticum dicoccum Schrk. wird um Teschen noch jetzt eultivirt, poln. szpatda (Kt.). * T. turgidum L. Im Teschener Gebiet noch hier und da unter dem Namen pszenica szara gebaut (Kt.). 294 Jahres-Bericht Elymus europaeus L. Schweidnitz: am Kroatenbrunnen bei Leut- mannsdorf (Schp.)! » Hordeum Zeocrithum L. Um Teschen häufig gebaut (Kt.). Taxzus baccata L. Schönau: am Mühlberge bei Kauffung ziemlich . zahlreich, zum Theil starke Bäume!!; Teschen: auf der Babia görka bei Wendrin (Kt.). Juniperus communisL. f.pendula Aschs. Lüben: an der Grenze zwischen Oberau und Gross-Krichen in einigen Exemplaren unter dem Typus (Fig.). Salvinia natans (L.) All. Diese bisher nicht im Teschener Kreise beobachtete Pflanze giebt Kt. an: in Baumgarten, Ochab, Lonkauer Teiche, Drahomischl. Pilularia globulifera L. Muskau: Schleife, Gräben der Wol- schina-Wiesen zwischen Gross-Düben und Halbendorf (Taubert); Niesky: Röhlteich bei Cosel massenhaft (Kahle)!, Wiesengraben östlich Prauske (derselbe)! Equisetum arvense L. var, nemorosum A. Br. Bei Schweidnitz: Tunkendorfer Wiesen (Callier)! eine den Uebergang zur var. pseudo- silvaticum Milde darstellende Form mit stark verlängerten primären Aesten, deren secundäre jedoch nur zu 1—3 (nicht zu 3—4) ge- stellt sind. E. Telmateja Ehrh. Loslau: Pohlom, Mschanna, Gogolau (M.). E. limosum L. (erw.) var. attenuatum Milde. Landeck: Ueber- schaar (Callier)! Ophioglossum vulgatum L. Grünberg: Fliesswiesen ziemlich zahlreich, bisher nur hier (Frl. Reiche nach Hw.)! Boirychium matricariaefolium A. Br. Grünberg: Wittgenauer Berge (Hw.)! Das unfruchtbare Blatt an dem übersandten Exemplar ziemlich weit unterhalb des fruchtbaren abgehend, Fiedern besonders schmal. Osmunda regalis L. Muskau: Forstrevier Mochholz (Schw.). Aspidium Thelypteris (L.) Sw. var. pinnatifidum Milde. Kreuzburg: Waldmoor südlich Gross-Lassowitz (Kn.). | Asplenium viride Huds. Felswände im „Gemärke‘“ zwischen Lindewiese und Setzdorf (W.)! A, germanicum Weis. Landeck: Felsen an der Ueberschaar (Callier)! Woodsia hyperborea (Sw.) R. Br. ist nach längerer Zeit 1886 wieder am Basalt der kleinen Schneegrube gefunden worden (Max Fiek) ! der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 2235 Va Bericht über die Thätigkeit der entomologischen Section im Jahre 1886, erstattet von K. Letzner, zeitigem Secretair der Section. Die entomologische Section hat sich im Jahre 1886 zu 6 Sitzungen versammelt, welche von Gästen stets zahlreich besucht waren. Vorträge wurden nur von dem Secretair der Section gehalten, da Herr Dr. Wocke auch in dem vergangenen Winter durch Kränklichkeit an dem Besuche der Versammlungen verhindert war und Herr Gutsbesitzer Naacke der Gesellschaft leider durch den Tod entrissen worden ist. Der zeitige Secretair hielt folgende Vorträge: 1. Ueber Dromius 4signatus Dej. und dessen nächste Verwandte D. 4maculatus L. und D. 4notatus Panz. Dromius 4maculatus L. und D, 4notatus Panz. sind bei uns nicht selten, D. 4signatus Dej. ist bis jetzt ausser England und Frankreich nur in Krain und Steiermark von Schmidt und Grimmer beobachtet worden. Ein Exemplar dieses Thieres fing ich im Mai dieses Jahres gegen Sonnen- Untergang an der alten Oder bei Breslau im Fluge. Ausserdem fanden sich noch zwei Stück unter meinen Vorräthen von Dr. #notatus, dem er allerdings sehr ähnlich ist. Schaum sagt in der Nat.-Gesch. Deutschl. I, 271: Dromius 4signatus Dej. unterscheidet sich von Dr. Znotatus durch breiteres Halsschild und andere Form der gelben Flecke auf den Decken, von Dr. sigma und nigriventris durch breitere Gestalt, mehr vorstehende Schultern und den dreieckigen Basalfleck der Decken, von sigma auch noch durch die peehbraune Unterseite. Diese Angaben sind vollkommen richtig und zuverlässig, Am leichtesten ist Dr. 4signatus immer durch den dreieckigen dunklen Basalfleck der Decken, der an der Naht mit 1886, 15 226 Jahres-Bericht der dunkleren Querbinde hinter der Mitte zusammenhängt, zu unter- scheiden. Der helle Fleck hinter der Schulter ist bei Dr. 4signatus be- stimmter abgegrenzt und hinten ausgerandet. — Vielleicht veranlasst das Gesagte die schlesischen Entomologen ihre Vorräthe von Dr. 4notatus genauer durchzusehen, da ich glaube, dass Dr. #signatus bei uns nicht so selten ist, wie man bisher glauben musste. 2. Ueber Sylpha (Pseudopelta) mutilata Cast. (capensis Boh.), welche derselbe im Jahre 1843 bei Verona mehrfach gefangen hatte, 3. Derselbe theilte mit, dass er von dem Herrn Ober-Bergamts- Secretair Langner ein lebendes 2 von dem bei uns häufigen Ptinus latro F. erhalten habe, welches demselben mit Samen der Platycaria japonica aus Turin zugesendet worden war. 4. Derselbe zeigte Anobium (Sitodrepa) paniceum L. in mehreren lebendeu Exemplaren vor, welche sich aus der in den Körnern der besten Sorte von Reiss lebenden Larve im Laufe des Winters entwickelt und diese Körner ganz ausgehöhlt hatten. — Von Herrn Regierungs- Seeretair Lehmann erhielt derselbe eine Partie sog. „Astrachaner Zuckerschoten“ (junge, getrocknete, grüne Erbsen), welche das Anobium paniceum in den Vorräthen eines Kaufmanns ebenfalls in Mehrzahl aus- gehöhlt hatte. Das vollkommene Thier (in beiden Fällen nur Bleine Exemplare) hatte im April die Puppenhülle verlassen. 5. Derselbe zeigte, als ihm von dem Herrn Major Gabriel in Minden zur Ansicht zugesendet, vor: 1) Zwei Exemplare von Hydroporus palustris L., gefangen bei Falkenberg OS., deren eines zwischen resp. unter den seitlich vorgestreckten, einander sehr genäherten Vorder- und Mitteltarsen jederseits ein festansitzendes, länglichrundes, glattes, einem Ei ähnliches Körperchen zu tragen scheint. Ob der Hydroporus seine Eier auf diese Weise umherzutragen pflegt, ist bis jetzt noch nicht beob- achtet, auch scheinen mir diese Körperchen in Anbetracht der Grösse des Thieres als seine Eier etwas zu gross. — 2) Ein von Herrn Major Gabriel bei Nimptsch in Copula gefangenes Pärchen von Dasytes plum- beus Müll. (?), dessen 3' (mit lang vorgestrecktem Penis) grösser als das & ist, und kürzere Fühler als das letztere hat. Vielleicht eine n. sp.? 6. Herr Dr. Mahrenholtz, Lehrer an der Landwirthschaftsschule in Liegnitz, berichtete am 10. August, dass von seiten eines Guts- besitzers in dem Liegnitzer Kreise ihm drei Larven übersandt worden seien, welche in grösserer Menge auf einem Kartoffelfelde gefunden worden waren, und von ihm für Larven des Coloradokäfers gehalten worden seien, indess auch von Herrn Dr. Mahrenholtz nur ver- muthungsweise richtig bestimmt werden konnten, Das auf einem ge- trockneten und gepressten Kartoffelblatt festsitzende thierische Gebilde der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3237 war die leere Puppenhaut der Coccinella 7punctata L. Die Coceinelliden (wenigstens die grössern Arten) verpuppen sich nämlich an Blättern, Baumstämmen ete. (an denen sie als Larve sich aufhielten), indem sie sich mit dem Anus fest anleimen und dann die Larvenhaut so abstreifen, dass der Rücken nach oben gekehrt und krumm gebogen ist, so dass der Kopf der Puppe das Blatt oder den Körper, woran dieser haftet, berührt. Bei dem Auskriechen des Käfers platzt die Puppenhaut auf dem Rücken, das vollkommene Insekt schlüpft heraus und die leere Puppen- mit der zusammengeschrumpften, kaum noch kenntlichen Larven. haut bleibt an dem Orte hängen, wo die Verpuppung stattfand. In den Jahren 1845—47 wurden dem Vortragenden mehrfach die Larven der Coccinella 7 punctata als vermuthliche Ursache der damals herrschenden Kartoffelkrankheit von Landwirthen zugesendet, obgleich er mehrfach erklärt hatte, dass diese Thiere nützlich seien, indem sie die bei grösserer Menge dem Kartoffelkraute schädlichen Blattläuse (von denen sie leben) vertilgten. 7. Derselbe machte Mittheilungen über Ameisen -Schwärme. Am 19. Juli und 10. August d. J. mussten gegen Mittag Ameisen- schwärme über die Stadt Breslau gezogen sein, wie die grosse Zahl von zum Theil noch geflügelten, auf dem Pflaster der Stadt und der süd- lichen Vorstädte gegen 12—2 Uhr umherlaufenden Weibchen bewiesen. Sie gehörten dem Lasius niger L. an. Derselbe berichtete ferner, duss am 23. August d. J., als er in Jauernigk das fürstbischöfliche Schloss Johannesberg (an einem schönen, warmen Tage) besuchte, er Nachmittags zwischen 4—5 Uhr einen Ameisenschwarm beobachtete, welcher über das erwähnte Schloss hin- wegzog und die nächsten Umgebungen desselben, die Gebüsche, Blätter, Blumen, Wege, Bänke und selbst die promenirenden Personen mit den niederfallenden, noch unvollkommen geflügelten, weichen Thierchen be- deckte, Derselbe legte 6 Exemplare zur Ansicht vor, es waren 9 von Lasius flavus F. 8. Ueber einen noch unbekannten Feind der Süsskirschbäume. Unter dem 28. Mai d,. J. theilte Herr Lehrer Zimmermann in Striegau Folgendes mit: „In einer dem Dominium Schollwitz bei Hohen- friedeberg gehörigen Kirschallee (Süsskirschbäume) ist ein Bestand von ca. 1600 Bäumen von Raupen befallen, und zwar derartig, dass für dieses Jahr von jeglichem Ertrage wird abgesehen werden müssen,“ — An den übersendeten Aestehen waren die kurzen, mit Blüthenknospen dieht besetzten Fruchtzweige ohne Blüthen und Blätter. Die dicht stehenden Blüthenknospen waren sehr gross und die Schuppen derselben waren meist schon geöffnet, hatten aber weder Blüthen noch Blätter 15* 228 Jahres - Bericht entwickelt und waren bereits abgestorben und dürr. Ebenso die Rinde dieser Fruchtzweige. Nur an einigen etwas längeren Aestchen (welche nieht an der Spitze der Zweige gestanden hatten) waren am unteren Theile grüne, normalmässige Blätter ganz entwickelt, welche hin und wieder Raupenfrass zeigten, einige kleine Schmetterlingspuppen enthielten und von zahlreichen Säckchen einer Coleophora besetzt waren, Herr Dr Wocke, dem ich die Zweige übermittelte, hatte die Gewogenheit, Folgendes darüber mitzutheilen: ‚Die Säcke auf den Blättern sind sicher von Coleophora hemerobiella Scop.; aber diese Thiere sind un- schädlich und bewirken durch ihren Frass nur helle Fleecke in den Blättern. Die troeknen Püppchen gehören einem Wickler an, doch kann ich nur mit grosser Wahrscheinlichkeit behaupten, dass es Tortrix oxyacanthana Tr. ist, der gewöhnlich an Weissdorn lebt und bisweilen an Hecken ganz ähnliche Verwüstungen anrichtet, wie die hier vor- liegenden. Thun lässt sich gegen diese Thiere sehr wenig ausser dem Zerdrücken der Raupen in ihrer Wohnung, wozu es jetzt zu spät ist. Die meisten Raupen gehen zum Verpuppen in die Erde. Der Falter fliegt Mitte Juni, dürfte übrigens im nächsten Jahre kaum wieder an derselben Stelle erscheinen.“ Die übersendeten Zweige der Kirschbäume lassen demnach nicht erkennen, was die eigentliche Ursache der Erkrankung und des Ab- sterbens der Blüthenknospen ist. Eine Verwüstung der Süsskirschen ist auf die vorliegende Weise wohl noch nicht beobachtet worden. Da die Aestchen mit den Blüthenknospen bereits ganz dürr waren, so liess sich an denselben keine Spur mehr von der etwaigen inneren Ursache ihrer Nichtentwickelung wahrnehmen. Jedenfalls waren dieselben zu spät ein- gesendet worden und seit ihrer Trennung von den Bäumen zu lange unterwegs gewesen, zumal die Zusendung in einem Cigarrenkästchen ohne genügende Feuchtigkeit erfolgt war. 9, Status der Coleoptern-Fauna Schlesiens Ende des Jahres 1886. In dem abgelaufenen Jahre 1886 sind zur Käferfauna Schlesiens zugetreten: 1. Dromius 4signatus De, Ein Stück wurde von mir an der alten Oder bei Breslau im Mai d, J, gegen Sonnen-Untergang im Fluge gefangen. 2. KRhantus suturellus Harris, bistriatus Er. In der Ebene und im Gebirge bis 4500 Fuss in sumpfigen Gewässern ztemlich häufig. Breslau (Mai), Heiersdorf, Nimkau, Kohlfurt, Lomnitz im Hirschberger Thale (August), Riesengebirge (Wiesenbaude im Juli). Das Thier ist aus Ver- sehen in der ersten Ausgabe meines Verzeichnisses der Käfer Schlesiens weggeblieben, weil ich Colymbetes bistriatus Er. und bistriatus Bergstr. für eine Art hielt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 329 3. Rhantus latitans Sharp. In der Ebene ziemlich häufig. Ohlau, Breslau (April bis Juni), Steinau, Liegnitz, Glogau. 4. Quedius (Sauridus) fumatus Steph., peltatus Er., praecox Heer, iri- deus Mill. Im Vorgebirge unter Laub und Steinen ziemlich häufig. Lähn (Gerhardt im Juli und August), Neukirch bei Goldberg (Kolbe). 5. Staphylinus (Ocypus) compressus Marsh., fulvipes Mot., mutalus Harold. Im Vorgebirge unter abgefallenem Laube ziemlich selten. Am Hagen- bache bei Lähn (im Juli, Gerh.). 6. Epuraea sericata Reit. Unter meinen Vorräthen fand sich ein von Reitter freundlichst bestimmtes Stück vom Schneeberge (gefangen im Juli). 7. Anthaxia grammica Lap., podolica Mannh. Kaltwasser bei Lüben im Mai (1 Stück. C. Schwarz). 8. Xylophilus (Xylobius) humeralis Duf. An Fichtenstutzen am Alt- vater (J. Weise). Kraatz in der deutschen entomologischen Zeitschrift. 1886. pag. 175. 9. Xylopertha sinuata F. In und an den dürren Aesten der Eichen bei Stephansdorf, Anfang Juni, in mehreren Exemplaren (Kletke, Wilke). 10. Cis lineatocribratus Chevr. An Baumschwämmen, selten. Alt- vater, Schneeberg, Glatz (Schilsky). 11. Tomicus longicollis Gyl. In absterbenden Kiefern bei Primkenau häufig. Von dem herzoglichen Herrn Oberförster Klopfer im April und Juni in Mehrzahl beobachtet. Wie bereits im vorigen Jahresbericht angegeben, kann, wegen der in dem Cat. ceoleopt. Eur. et Cauc, erfolgten Einziehung früherer, selbst- ständiger Arten, eine genaue Angabe der Specieszahl der schlesischen Coleoptern erst nach Vollendung der zweiten Auflage meines Verzeich- nisses der Käfer Schlesiens gegeben werden. 10. Ueber die schlesischen Rhantus-Arten, ll. Ueber die bunten Anthaxia-Arten Schlesiens, 12. Ueber die Formen der Anthaxia 4punctata Gyl. und über die schle- sischen Arten der Gattungen Ancylocheira, Ptosima und Acmaeodera, 13. Ueber einige schlesische Tomicus-Arten, 14. Ueber eine entomologische Excursion des Herrn Lehrer Gerhardt in Liegnitz nach Lähn und dessen nächster Umgebung im Juli und August dieses Jahres, worüber das für Schlesien Neue in dem vorstehenden Status der Coleoptern-Fauna Schlesiens am Ende des Jahres 1886 mitgetheilt ist. 230 Jahres-Bericht II Ei Bericht über die Thätigkeit der geographischen Section im Jahre 1836, abgestattet von Dr. ad 1ER zeitisem Secretair der Section. In der Sitzung vom 31, März erörterte Herr General Weber die Frage über die Möglichkeit der Erreichung des Nordpoles auf dem Landwege (über Grönland). Derselbe legte dar, wie seit der Gründung unserer Kriegsmarine und demnächst der Colonial-Politik das Studium der Geographie in weiteren Kreisen an Interesse und Ausdehnung gewonnen habe, dass jedoch für Laien das Auffinden der durchforschten Gegenden durch Uebersichtskarten noch mehr erleichtert werden möchte. Zu wünschen sei ferner, dass die Forschungen zu einem noch mehr systematischen Charakter gelangen möchten. In Afrika sei dies zum Theil schon der Fall, indem durch Reisetouren die Anfänge eines Netzes von Stationen festgelegt seien. Bei der weiteren Fortführung der Vermessungen und Durchforschungen könne auch an militärischen Schutz und eine Organi- sation des Vorschreitens nach militärischen Prineipien gedacht werden. Es würden dieses nicht blos fromme Wünsche sein, wenn es gelänge, die geographischen Forschungen in ähnlicher Art in internationale Bahnen zu lenken, wie dies bereits bei dem Weltpost- und Telegraphen-Verkehr und bei internationalen astronomischen und meteorologischen Beob- achtungen gelungen sei. Ueberdem gestalte sich jedes neue internationale Friedenswerk zu einem neuen Baustein zum Aufbau des Weltfriedens, weil damit immer neue Motive entstehen, ihn zu erhalten. Für polare Forschungen auf dem Landwege über Grönland ist die internationale Organisation aber unerlässlich, weil es sich hier vorzugsweise um wissen- schaftliche Zwecke handelt, deren Kosten einem Staate allein nicht u 4 7} ; der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 331 zugemuthet werden können. Ein versprechender Anfang in diesem Sinne gelangte vor 3 Jahren 1882/83 durch die internationalen Polar- Expeditionen für einjährige magnetische und meteorologische Beob- achtungen zur Ausführung. Der Vortragende erörterte nun speciell die Gründe, welche die Erreichung des Nordpoles auf dem Seewege bisher unmöglich gemacht haben und auch ferner unmöglich machen werden. Als letzte Möglichkeit bleibt eben nur der Landweg und dieser wieder einzig nur längs der Westküste von Grönland. Es wurde eingehend die Beschaffenheit beider Küsten, der West- und Ostküste, geschildert, mit ihren Fjords, dem vollständig vereisten Binnenland und den von diesem Eise begrenzten, im Sommer eisfreien Küsten, sodann deren Flora und Fauna und deren Bewohner auf den bis jetzt durchforschten Strecken bis gegen den 70. Grad nördlicher Breite hin, wo jedoch zwischen 65 Grad und 70 Grad die Grenze des Binneneises auch im Sommer bis an die Küste heranzutreten scheint. Um hier weiter vorzudringen, seien nach militärischer Art regelmässige Etappen und Etappenstrassen anzulegen zu gesichertem Nachschub an personellen und materiellen Mitteln. Selbstverständlich ist an ausge- baute Strassen hierbei nicht zu denken, sondern nur an ein dauerndes Markiren derselben. Dabei sind die Cooperationen zur See nicht aus- zuschliessen und sogar oft nothwendig, wo das Binneneis bis an die Fjords herantritt. Was zu thun sei, wenn die Nordküste von Grönland — eine solche als vorhanden vorausgesetzt — und damit das, wie be- hauptet wird, freie Wasser am Nordpol erreicht würde, muss für jetzt unerörtert bleiben und würde seiner Zeit zu erwägen sein. Mit Plänen über die Technik der Etappen und Etappenstrassen sich zu beschäftigen, könne mit Erfolg nur von Personen geschehen, welche wie Jensen und Nordenskjöld mit ihren Begleitern Grönland aus eigener Anschauung und Erfahrung kennen. Auch könne eine solche internationale Forschung nur durch die Diplomatie in die Wege geleitet werden, da es sich dabei um die Abordnung geeigneter Persönlichkeiten zu einem inter- nationalen Congress handle, welchem die Durcharbeitung der Massnahmen, die Anschläge über die Kosten und die Einleitung der Vorarbeiten ob- liegen würden, Herr Professor Dr. Leonhard Weber sprach über die wiederholten Blitzschläge in das hiesige Universitätsgebäude, welcher Vortrag bereits in dem vorigen Jahresberichte von 1885, 8. 285 zur Veröffentlichung gelangt ist. Den Schluss der Sitzung bildeten einige astronomische und meteoro- logische Mittheilungen des Secretairs der Section. Deıiselbe gab einige vorläufige Nachrichten über die zwei gegenwärtig sichtbaren, im De- cember v. J. von Fabry und von Barnard entdeckten Kometen, die gegen 232 Jahres-Bericht Ende des April und im Mai sehr an Helligkeit zunehmen, deren $icht- barkeit jedoch durch ihre Nähe an der Sonne und das Verweilen in der Dämmerung sehr beinträchtigt wird; dieselben bleiben später dann noch längere Zeit auf der Südhalbkugel sichtbar. Ferner wurde die unge- wöhnlich niedrige März-Temperatur während der drei ersten Wochen dieses Monats mit früheren März-Temperaturen, namentlich der kältesten hier beobachteten des Jahres 1845, verglichen. Endlich berichtete der Vortragende noch über ein eigenthümliches Phänomen an einer Art sehr hoher Cirrus-Wolken, welche in späten Abendstunden des Juni und Juli v. J. an vielen Orten besonders des nördlichen Deutschlands, auch hier vom Universitätsgebäude aus, in heller, ganz weisser Beleuchtung hoch am Himmel sich zeigten, während die gewöhnliche Dämmerung nur noch einen schmalen Streifen tief am Horizont bildete, und die zu den be- kannten Dämmerungserscheinungen der letztverflossenen Jahre und zu dem braunrothen Ringe um die Sonne Beziehungen zu haben scheinen. Allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der königlichen Universitäts-Sternwarte zu Breslau im Jahre 1886. Höhe des Barometers über dem Ostseespiegel bei Swinemünde = 147,35 m. I. Barometerstand, li. Temperatur 1886. redueirt auf 0° Celsius, der Luft in Graden nach in Millimetern. Celsius. B | e | s EN) i z I) . > 17 © Monat. Su 5 a) Sulleg Sjursierki g i= 3 BE 3 - B rö S 3 2 x © = & Ö = a ae Eee 5 een | mm mm mm 1) 0 0 Januar ....| 1 |7514 | 20 |7330 |vass| a |+ 83 8 |-119— 1,42 Februar . 8 | 714) 1 |) 3220| 5504| ı |+ 35 28 |—- 16,51 4,15 März....... 10 | sLo| 3 | 2642| 5083| 29 I+ı01l 2 |-183— 0,85 April...... 2 | 622 | ıı | 370| 1802| 28 |+244 2 0,0\+ 9,80 Hai... 5 | 5771| 14 | sı9 | 4828| 23 |+312] 4 |- 0,71+ 14,14 Iantsgksr: 29 | 51,71 21 | 3383| 4521| 3 I+28,9|1 ı8 |+ 7,6+ 15,67 Juli dag: 29 301 54,0 | 10 | 398 | 47,66 | 26 |+31,01 11 |+ 8,5)+17,51 August....| 31 | 541 | 11 | 409 | 4873| 31 |+28,81 5 |+.9,71+ 17,87 September.| 16 | 60,7 | 21 | 377 | 50,68 | 3 1-+30,4 24 |+ 3,11+ 15,93 October 29 | 645 | ı7 | 272 | 5022| 2 |+21,3| 28 |— 2%,51+. 8,54 November .| 24 | 60,6 | 14 | 36,4 | 4827| 9 |+16,81 30|— 1,2)+ 5,20 154519 | 267 | 2250| ı7 |+ınıl 23 |— 78+ 097 December . 31 Jahr — \7714| — |726,4 | 748.06 | — .|+ 3121 — |-188|+ 3,27 der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 233 III. Feuchtigkeit der Luft. IV. Wolken- 1886, a. absolute, b. relative, bildung und in Millimetern. in Procenten, Niederschläge. RB 85 3 3 en e © zZ 28 . E = [e) . - a Be erone Monat. | 5 | EI 5155er el232 +59 8 LE Ih Bl il lo Z © 3]|.% g= | Ss. 1 je = San fen) = Aa = =) ir A = Tage 235 mm mm mm | | mm Januar . 2 | 5,6| 15 | 1,6 | 3,66 |öfter 100) 1 A) 86,6| 1 | 12) 18) 53,03 Februar 1 | 45) 28 | 1,2} 2,97 |öfter\100] öfter 61187,2| 4| 7 17| 8,25 März ..... 2829| 80, 2 | 1,0| 3,64 |öfter]100 26 146 80,4] 6 | 14 11} 26,02 April..... 6 | 9,4| 30 | 2,9! 5,71/1315| 98) 18 1211648] 6 | 12) 12| 18,34 RER 30 | 14,6) 6, 1,9| 7,16 7 |100) 27 119158,6| 6 | 18) 7 26,10 Juni ...... 21 | 13,5| 17 | 5,4) 9,39 löfter]100| 28 |33| 72,21 O | 12) 18 1115,87 ga. 2097. 20 | 16,3) 11 | 5,5 110,19| 27 100) 31 133169,5| 4 | 211 6103,57 August...| 23 | 14,7| 5 | 5,5/110,09 | 26 1100| 14 |30167,9| 5 | 17 9| 75,23 September| 9 | 14,7 1626| 3,8 8,73| 22 | 98 5 126165.0| 10 | 16 4| 14,17 October ..| 2 | 116) 27 , 3,6) 6.95/1922]100 7 481,7] 3 19) 9| 65,77 November | 9 8,8| 28 | 3,7| 5,52 Jöfter]lO0| 4 148182,7)| 1 | 14) 15| 20,29 December | 15 7,2) 23 | 2,1 | 4,16 Jöfterjj00, 19 |63|83,4| 0 | 12) 19 81,15 Jahr u] 168] | 10) 6,51) 5. 1100 . 19 75,0] 46 |174| 145 |607,79 V. Herrschende Winde. Januar. Westliche und östliche Winde, fast stets von geringer Stärke, hielten sich nahe das Gleichgewicht; am häufigsten kamen die Richtungen SW und SO vor. Februar. Von den Windesrichtungen waren SO, O und NO in so seltenem Maasse vorherrschend, dass die davon verschiedenen Richtungen nur in der ersten Woche einige Male vorkamen. März,. Die südöstlichen und nordwestlichen Windesrichtungen waren vorherrschend. April. Die vorherrschende Windesrichtung war SO, hiernächst kamen am häufigsten die Richtungen W und S vor. Mai. Von den Windesrichtungen war SO besonders in der zweiten Hälfte des Monats vorherrschend, nahe ebenso häufig waren indess auch die Richtungen N, NW, SW, S und W. Juni, NW-, N-, NO- und W-Winde kamen in überwiegender Mehr- heit, die entgegengesetzten Richtungen nur vereinzelt vor. Juli. Die Windesrichtungen NW und W waren vor allen übrigen vor- herrschend. August. Die Luftbewegung war meist schwach und in der Richtung wechselnd, doch waren die westlichen Richtungen vorherrschend, besonders in der ersten Hälfte des Monats, in der zweiten Hälfte oft auch SO und NO, September. Westliche und südöstliche Windesrichtungen waren vor- herrschend, erstere etwas überwiegend. 234 Jahres-Bericht October. SO- und O-Winde waren am häufigsten, seltener die Rich- tungen S bis NW. November. Von den Windesrichtungen kam SO, S, SW, W etwa gleich oft vor, hiernächst folgte NW, nur vereinzelt waren die Richtungen N, NO, 0. December. Vorherrschend SW-Winde, doch kamen oft auch die Richtungen SO, S und W vor. VI. Witterungs -Charakter. Januar. Die Temperatur überstieg unter geringen Schwankungen den Mittelwerth noch etwas mehr als im December, so dass die vor- vorkommenden Kältegrade nur mässige waren. Dagegen war der Luftdruck ein in seltenem Maasse niedriger (7 mm unter dem Mittel) und so, dass der normale Werth auch an keinem einzelnen Tage erreicht wurde. Die Feuchtigkeit war über dem Normal- werthe, das Quantum der Niederschläge das Doppelte :von dem sonstigen Quantum im Januar. Dieselben bestanden vornehmlich aus Schnee, der in selten reichlicher Menge fiel; nur vom 1. bis 6. war die Erdoberfläche ohne Schneedecke. Das Wetter war vorwiegend .trübe, windstill und oft mehr oder minder neblig. Februar. Der niedrige Luftdruck des vorigen Monats setzte sich noch während der ersten 4 Tage fort, ging dann aber, vom. 5. ab den normalen Werth überschreitend, in einen während des ganzen Monats andauernden, theilweise sehr hohen Stand über. Dagegen war die Temperatur, ausser in den ersten 3 Tagen, fast stetig unter dem Mittel. In ebenso starkem Gegensatze zu dem vorigen Monate wie Luftdruck und Temperatur standen die Niederschläge, deren Quantum nur ein Viertheil des normalen Werthes er- reichte. März. Der Luftdruck blieb fast während des ganzen Monats hoch, ausser in den Tagen des ziemlich starken Schneefalls vom 2. bis 6. Die Temperatur war während der ersten 20 Tage tief unter ihrem normalen Werthe (am 1. um 14 Grad) und nur eine Anzahl warmer Tage vom 26. ab bewirkte, dass das Monats- mittel nur 2°,7 unter dem Durchschnittswerthe sich stellte. Die erste Hälfte des Monats (mit einer Minimal. Temperatur von — 18,3) entspricht indess den kältesten bis jetzt hier beob- achteten März-Monaten, z. B. dem kalten März des Jahres 1845. Der Betrag der Niederschläge, vornehmlich aus Schnee bestehend, war um ein Dritttheil geringer als im Durchschnitt. April. Der Luftdruck erhob sich unter mehreren Schwankungen etwas über den Mittelwerth; die Temperatur war vorwiegend hoch mit vielen heiteren und halbheiteren Tagen, jedoch sank vom 29. zum Mai. Juni. Juli, der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 235 30. nach einem Gewitter die Mitteltemperatur mit Uebergang des Windes von SW zu NO um 10°,4 herab. Die Luft war sehr trocken und der Betrag der Niederschläge nur die Hälfte des Normalwerthes. An 3 Tagen mit erhöhter Temperatur fanden Gewitter statt. Der Luftdruck bewegte sich in zwei grösseren Schwankungen von einem Maximum in der ersten zu einem Minimum in der zweiten Woche, welche Bewegung sich ähnlich in der dritten und vierten Woche wiederholte, Die Temperatur war in den ersten acht Tagen des Monats empfindlich kalt, hierauf bis zum 17. nahe normal, erreichte aber dann in den letzten 14 Tagen eine für den Mai ganz ungewöhnliche Höhe, verbunden mit grosser Trocken- heit. Die Regensumme des ganzen Monats würde eine ganz minimale gewesen sein, wenn nicht ein starkes Gewitter am 30. Abends und ein damit verbundener heftiger Regenguss noch 19 mm Regenhöhe gebracht hätten, wovon Abends 7 Uhr ca. 18 mm innerhalb einer halben Stunde fielen, ein Quantum, welches z. B. der Regenmenge des ganzen vorigen Monats April gleich ist. Im Uebrigen ist dennoch die Regenmenge des diesjährigen Mai noch nicht ganz die Hälfte des diesem Monate entsprechenden Normalwerthes. Der Luftdruck ‘war in diesem Monate nur an 7 Tagen über, sonst stetig unter dem Mittel, auch die Temperatur war vorwiegend niedrig. Die relative Feuchtigkeit war 5 pÜt. unter dem Normal- werthe, das Wetter vorherrschend wolkig und regnicht, kein einziger Tag ganz heiter. Die Regenmenge belief sich fast auf das Doppelte ihres Normalwerthes, so dass in mehreren Gegenden Schlesiens Ueberschwemmungen stattfanden. Luftdruck und Wärme dieses Monats waren nur wenig niedriger als im Durchschnitt, ungeachtet vieler Regentage mit theilweise niedriger Temperatur, die jedoch durch die besonders warmen Tage im letzten Dritttheil des Monats ausgeglichen wurden. Die Regenmenge war um ein Dritttheil höher als der Normalwerth; an 6 Tagen fanden Gewitter statt. Das Wetter war viel wechselnd, wenig ganz heitere und auch wenig ganz trübe Tage. August. Der Luftdruck war in diesem Monate normal und nur ge- ringen Schwankungen unterworfen. Auch das Wärmemittel war normal, jedoch die einzelnen Temperaturen in der ersten Hälfte des Monats etwas unter, in der zweiten Hälfte über demselben. Besonders heiss und wolkenlos, bei sehr schwacher Luftbewegung, waren die letzten 3 Tage. Feuchtigkeit und Niederschläge waren im Mittel ebenfalls normal, Mehr als die Hälfte der gesammten Regenmenge fiel am Abend des 23. August bei einem heftigen Gewitter innerhalb eines Zeitraumes von wenig über 2 Stunden, 236 Jahres-Bericht September. Die schon in der zweiten Hälfte des August sich stetig über dem Normalwerthe haltende Wärme setzte sich in noch un- gewöhnlicherem Maasse während der ersten Hälfte des September fort bei grösstentheils wolkenlosem Himmel und stetiger Trocken- heit. Die zweite Hälfte des Monats war kühler, das Mittel des ganzen Monats stellte sich jedoch noch 2° über den Durchschnitt, Die relative Feuchtigkeit war nicht weniger als 8 pCt. unter dem Normalwerthe, die Regenmenge kaum ein Dritttheil des Durch- schnitts. Ebenso ungewöhnlich gering war die mittlere Bewölkung, Der Luftdruck war etwas über dem Mittel bei mässigen Schwan- kungen. October. Die Temperatur dieses Monats war meist normal und nur in der letzten Woche etwas tiefer. Dagegen bewegte sich das Barometer in den mittleren zwei Wochen zu einem tiefen Minimum herunter, in der letzten Woche erhob es sich zu einem hohen Maximum. Während jener mittleren Wochen fanden viele und reichliche Niederschläge statt, so dass die Regenmenge des Monats mehr als das Doppelte ihres Normalwerthes erreichte. November. Das Temperaturmittel des November übersteigt den Normalwerth um mehr als 2 Grad, und auch alle einzelnen Tage, mit Ausnahme der 3 ersten, waren wärmer als im Durchschnitt. Das Barometer blieb etwas unter dem Mittelwerthe und war stetig unter demselben in den Tagen vom 5. bis 19. Das Wetter im Allgemeinen war meist trübe, neblig und regnicht, jedoch blieb das Quantum der Niederschläge (unter denen Schnee nur einmal, am 24., und mit Regen gemischt vorkam) fast um die Hälfte gegen den Normalwerth zurück. December. Eine ganz aussergewöhnliche Eigenthümlichkeit dieses Monats war der andauernd tiefe Barometerstand, der nur am letzten Tage des Monats sich ein wenig über den Mittelwerth erhob und dessen Mittel nahe um 8 mm gegen den Normalwerth zu niedrig war. Auch die Temperatur war stark abweichend und um 2 Grad höher als im Durchschnitt. Das Wetter war vorherrschend trübe, kein einziger Tag ganz heiter. Frei von Niederschlägen waren nur 6 Tage. Das Quantum der Nieder- schläge war mehr als das Doppelte des Durchschnittswerthes. Dieselben bestanden grösstentheils aus Schnee. Der eine besonders hier in Schlesien starke Schneefall fand vom 3. bis 6. statt, der zweite eben so grosse und auch das westlichere Deutschland in starkem Maasse treffiende vom 19. bis 22. Besonders der letztere bewirkte in ganz Deutschland grosse Verkehrsstörungen. Jeder derselben ergab eine Wasserhöhe von mehr als 50 mm, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 237 a za di Bericht über die 'Thätigkeit der historischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1886, erstattet von Direetor Dr. Reimann, zeitigem Secretair der Section. Am 14, Januar hielt Herr Pastor em. Dr. Schimmelpfennig einen Vortrag über die Jesuiten in Schlesien von ihrer Ansiedelung 1634 bis 1644. Am 28. Januar behandelte der Geh. Archivrath Herr Professor Dr. Grünhagen die Zeiten der Lichtensteiner in Schlesien und das erste Eingreifen der Schweden. Am 11. Februar setzte Herr Pastor em, Dr. Schimmelpfennig seinen früheren Vortrag fort und las über die Gesandtschaft der Breslauer nach Wien in der Jesuitensache 1644. Am 25. Februar sprach Herr Oberlandesgerichtsrath Stiefel über den Begriff der Nachbarschaft im Sinne des Breslauer Stadtrechtes. Am 11. März behandelte der Geh. Archivrath Herr Professor Dr. Grünhagen die Pläne Wallensteins und die Katastrophe des Grafen Schaffgotsch. Dieser Vortrag und der vorhergehende über die Lichtensteiner sind Bruchstücke aus dem 2, Bande der Geschichte Schlesiens, welcher seit- dem im Druck erschienen ist, 238 Jahres - Bericht Am 25. März las der Secretair über die preussische Justizverwaltung unter dem Grosskanzler Fürst und den Arnold’schen Prozess. Der Vortragende ging aus von einer Stelle des politischen Testa- mentes Friedrichs des Grossen aus dem Jahre 1768. Dort erzählt dieser, dass er einen Plan zur Verbesserung der Rechtspflege entworfen und ihn dem Herrn v. Cocceji, einem eben so rechtschaffenen Menschen als gelehrten Juristen, übergeben habe. Mit grosser Zufriedenheit er- wähnt hierauf der König, wie erfolgreich die Thätigkeit dieses Mannes gewesen sei; er verhehlte sich dabei nicht, wie die Schikanen mit der Zeit wieder aufleben, der Geist der Raubgier aufs Neue zum Vorschein kommen und die Gesetze durch Willkür in ihrer Auslegung umgangen werden könnten. Zwei Mittel schlägt er hiergegen vor, nämlich erstens müsse man sehr vorsichtig bei der Wahl eines Grosskanzlers sein und zweitens den eingeführten Gebrauch beibehalten, dass alle drei Jahre Mitglieder des obersten Gerichtshofes als Commissarien in die Provinzen gehen, um das Verhalten der Richter zu prüfen. Friedrich hasste die Verschleppung der Prozesse. Der schlesische Justizminister v. Carmer glaubte Mittel dagegen gefunden zu haben und reichte dem Könige einen Plan ein, über welchen nachher der Gross- kanzler Fürst mit Carmer vor Friedrich in Potsdam und in besonderen Conferenzen stritt; aber da beide Theile sich nicht verständigten, blieb es im Wesentlichen beim Alten; dann führte der Müller Arnold’sche Prozess, bei welchem der König aus rahmwürdigem Justizeifer, wie sich sein Nachfolger geschickt ausgedrückt hat, einen sehr ungerechten Machtspruch that, den Sturz des Grosskanzlers herbei, und Carmer, der in seine Stelle kam, traf nun die Einrichtungen, die er früher dem Könige vorgeschlagen. Aber als Friedrich der Grosse gestorben war, wurde der Arnold’sche Prozess wieder aufgenommrn und der Macht- spruch beseitigt. Am 21. October hielt der Geh, Archivrath Professor Dr. Grün- hagen einen Vortrag über: Schlesisches aus London; Gesandtschaftsberichte, den Anfang des dreissig- jährigen Krieges betreffend. Der Vortragende theilte eine Anzahl von Berichten englischer Agenten mit, welche er im Sommer 1886 bei Gelegenheit eines kurzen Aufenthalts in London auf dem dortigen Record Office abgeschrieben. Dieselben gehören sämmtlich dem Jahre 1620 an und behandeln zwei auch für Schlesien wichtige Ereignisse, über welche sie nähere Nach- de der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 339 richten enthalten, und zwar einmal die Zerspreugung von Hilfsvölkern, welehe auf Rechnung des Kaisers Ferdinands II. in Polen geworben worden waren, durch die Schlesier, und dann den Feldzug, welchen im Sommer 1620 der Kurfürst Johann Georg von Sachsen unternahm, um die mit Schlesien und Böhmen verbündete Oberlausitz dem Kaiser wiederum zu unterwerfen oder eigentlich seinem eigenen Scepter, da ihm die Oberlausitz als Pfand und zum Ersatz für die Kriegskosten von dem Kaiser zugesichert worden war. Ganz besonders drehte sich dabei der Kampf um die Stadt Bautzen, welche vornehmlich von schlesischem Kriegsvolke tapfer vertheidigt ward und Entsatz von dem schlesischen Heerführer, dem Markgrafen Johann Georg von Jägerndorf, erwartete. Die Berichte selbst sind inzwischen in der Zeitschrift des Vereins für Geschiehte und Alterthum Schlesiens Band 21 S. 297 ff. zum Abdruck gebracht worden, Am 18. November las der Secretair _ über den Streit Friedrichs des Grossen mit Danzig 1783—86. Diese Stadt hatte vor der polnischen Theilung den ausschliesslichen Handel in Westpreussen besessen; plötzlich aber sah sie sich ringsum von dem Gebiete des Königs von Preussen eingeschlossen. Dieser nahm sogar den Hafen der Stadt als sein Eigenthum in Besitz und erhob dort Hafengefälle; doch konnte Danzig dieselben noch einmal den Schiffs- herren abfordern. Ausserdem errichtete Friedrich auch im Süden, zu Fordon bei Bromberg, eine Zollstätte, wo die Waaren, welche nach Danzig gingen oder von hier kamen, 12 pCt. des Werthes bezahlen mussten, während von denjenigen, welche nach Elbing bestimmt waren, nur 2 pCt. verlangt wurden. Ausserdem liess der König dicht bei der Stadt eine Messe abhalten, welche der Danziger Dominikmesse vielen Abbruch that. Es lässt sich nicht leugnen, dass Friedrich seinem eigenen Vortheile rücksichtslos nachging; aber er verfuhr freilich nur eben so, wie die alte Hansastadt es in früheren Zeiten mit Elbing, Braunsberg und Thorn gemacht, um den polnischen Handel ganz an sich zu reissen, Man begreift es, dass in Danzig eine sehr bittere Stimmung gegen Friedrich herrschte; doch war es offenbar unklug, wenn Rath und Bürgerschaft gar keine Nachgiebigkeit zeigten und zuletzt sogar zu Thätlichkeiten ganz unerwartet übergingen. Durch die Vermittelung der Kaiserin Katharina kam es dann zu Unterhandlungen. Finkenstein und Hertzberg machten Vergleichsvorschläge. Sie verlangten für die Preussen die freie Schifffahrt von der See nach Polen und wollten dagegen den Danzigern den Handel von Polen nach der See gänzlich überlassen. Lange sträubte sich die Stadt, dies anzunehmen, und als sie sich endlich 240 Jahres-Bericht dazu herbeiliess, führte sie durch eine willkürliche Auslegung des ab- geschlossenen Vertrages eine neue Verwickelung und neue Unterhand- lungen herbei, an denen die Kaiserin von Russland abermals theilnahm. Diese Streitigkeiten wurden unter Friedrich dem Grossen nicht aus- geglichen, Allein indem die Danziger Katharina’s Einmischung fort- während verlangten, konuten sie nur den Wunsch erregen, dem wider- wärtigen Zustande durch die Einverleibung der unvernünftigen Stadt ein Ende zu machen. der Schles, Gesellschaft für vaterl. Cultur, 241 V1l. Bericht über die Verhandlungen der Section für Obst- und Gartenbau im Jahre 1836 von Garten-Inspector B. Stein, z. Z. Secretair der Section. Das Jahr 1886 brachte der Section einen herben Verlust in dem am 23. September nach langen Leiden erfolgten Tode unseres ver- dientesten Mitgliedes, des Stadtrathes und Stadtältesten Ernst Hermann Müller. Schon im Mai 1885 hatte der seit dreiunddreissig Jahren in dem arbeitsreichen Amte als Secretair unverdrossen arbeitende Mann formell das Secretariat niedergelegt, aber wir hegten die Hoffnung, uns noch lange Zeit seines Rathes, seiner nimmermüden Unterstützung erfreuen zu dürfen, war dem immer thätigen Secretair doch die Sorge für die Section und besonders für deren Garten schier zum Bedürfniss geworden und waltete er doch gerade dieses Amtes mit hervorragender Freudig- keit. Leider erfüllte das unerbittliche Geschick unsere Hoffnungen nicht und beraubte uns seiner väterlichen Fürsorge, welcher die Section ihr Emporblühen in erster Linie zu danken hat. Ernst Hermann Müller ward am 19. December 1808 in Breslau geboren als Sohn des Kaufmanns Samuel Gottlob Müller und seiner Ehefrau Johanna Elisabeth, geb. Spangenberg. Unser Ernst Hermann absolvirte das Magdalenen-Gymnasium in Breslau und trat dann als Lehrling in ein Hirschberger Kaufmannshaus ein, von wo er nach Stettin und später nach Ilsenburg am Harze ging. Von dort kehrte er in seine Vaterstadt Breslau zurück, schuf sich ein selbstständiges Ge- schäft und gründete sich bald darauf seinen eigenen Hausstand, indem er sich am 10. August 1837 mit Fräulein Clara Weiss vermählte, 16 242 Jahres-Bericht Mitten unter den Anforderungen, welche sein schwungvoll betriebenes Geschäft an ihn stellte, fand Müller Zeit nicht nur für seinen Garten und dessen Pflege, sondern auch für die Wahrung der Interessen des schlesischen Gartenbaues, dessen Hebung ihm von jeher am Herzen lag. Ernst Hermann Müller gehörte zu den Begründern der Section für Obst- und Gartenbau, welche 1847 in das Leben trat. Sein prak- tischer Sinn, sein richtiger Blick, seine unermüdliche Thätigkeit wurde von allen Mitgliedern anerkannt und führten dazu, dass er 1852 zum zweiten, 1863 — nach Wimmer’s Amtsniederlegung — zum ersten Secretair gewählt wurde, welches Amt er bis zum Mai 1885 ununter- brochen verwaltete. Die ersten Jahre brachten dem neuen Seecretair sofort eine Ueberfülle von Arbeit. Der Sectionsgarten, welcher sich bis dahin im blauen Hause auf der Matthiasstrasse befand, musste verlegt werden, da dieses Pachtterrain zu Bauplätzen verwandt wurde. Müller’s Verdienst ist es, von der Stadt Breslau unentgeltlich das grosse Terrain in Scheitnig auf 30 Jahre bewilligt erhalten zu haben, welches es allein ermöglichte, dem Garten seine jetzige Bedeutung zu geben. Während seine Vorgänger fast nur der theoretischen Richtung huldigten, fasste sein praktischer Sinn auch den kaufmännischen Theil voll ins Auge, aus dem Sortimentsgarten ward ein Mustergarten, welcher jährlich Tausende richtig benannter Obstbäume durch ganz Schlesien verbreitete, nicht nur die Unterhaltungskosten des Gartens meist deckte, sondern oft noch Ueberschüsse ergab. In dem Sectionsgärtner Jettinger war es Müller geglückt, 1861 eine vorzügliche Kraft dauernd für den Garten zu erlangen, welcher die Ideen des Secretairs in vollem Umfange auszuführen verstand. Müller erkannte bald nach der Uebersiedelung des Gartens nach Scheitnig, dass der Bau eines Gärtner-Wohnhauses eine zwingende Noth- wendigkeit sei und obgleich damals absolut kein Baufonds vorhanden war, verstand er in seiner energisch -praktischen Weise doch nach und nach die Gelder zusammenzubringen, um den schönen Bau durchzuführen, dessen Besitzes wir uns heut erfreuen. Dabei begnügte er sich nicht mit einer oberflächlichen Controle des Gartens, sondern fand trotz seiner so sehr in Anspruch genommenen Thätigkeit immer Zeit, sich bis in die kleinsten Details des Betriebes zu vertiefen und überall persönliche Directiven zu ertheilen. Schon im Jahre 1852 gründete Müller auch den Lesezirkel der Section, den er bis zu seinem Todestage fortführte und damit 30—-40 Mitgliedern fortdauernd Gelegenheit gab, sich über alle Vorgänge auf dem Gebiete des Gartenbaues zu informiren. Sein stetes Streben, auch den Besuch des Sections-Sitzungen zu einem zahlreichen zu machen, durch Demonstrationen und Vorträge mög- lichst weite Kreise für den schlesischen Gartenbau zu interessiren, ward von gutem Erfolg gekrönt und seine bitterste Klage war in den letzten der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 243 Jahren stets die Betrübniss über das scheinbare Nachlassen dieses Interesses. Als Secretair der Section war Müller Mitglied der Promenaden- Deputation und zwar ein sehr eifriges und thätiges Mitglied, wie er überhaupt jeder gärtnerischen und jeder communalen Thätigkeit sich mit vollem Eifer widmete. Seine Mitbürger erkannten seine Verdienste um das Wohl der Stadt dadurch an, dass er 1866 zum Stadtrath ge- wählt wurde, welches Ehrenamt er bis 1885 bekleidete. Als in diesem Jahre anhaltende Kränklichkeit seiner rastlosen Thatkraft ein Ziel setzte und er auf das Drängen seiner Familie und seiner Freunde dieses Ehren- amt um seiner Gesundheit willen niederlegte, wurde ihm die seltene Auszeichnung zu theil, dass die Behörden der Stadt Breslau ihm ein- stimmig den Ehrentitel Stadtältester verliehen. Im Jahre 1875 wurde ihm in Anerkennung seiner Verdienste der Rothe Adler-Orden IV. Klasse verliehen. Am 3. Mai 1886 feierte Müller sein fünfzigjähriges Bürger- Jubiläum. Gerade ein Jahr vorher überreichte eine Deputation der Section für Obst- und Gartenbau, bestehend aus den Herren Professor Dr. Ferd. Cohn, Garten-Inspeetor Stein und Obergärtner Schütze ihrem scheidenden Secretair eine prachtvoll ausgestattete Dankadresse für seine dreiunddreissigjährige segensreiche Thätigkeit, während die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur seine Verdienste durch die Ver- leihung der grossen silbernen Medaille ehrte. Ernst Hermann Müller’s literarische Thätigkeit beschränkte ieh auf die Abfassung der Jahresberichte der Section, von einer umfassenden schriftstellerischen Thätigkeit, einer Drucklegung seiner klaren, über- sichtlichen Ideen über den Gartenbau seiner Heimath hielt ihn seine gern bescheiden zurücktretende Natur leider ab. Wer ihn aber persön- lich aufsuchte, dem war er in jeder Hinsicht ein wohlwollender um- sichtiger Rathgeber, dessen langjährige Erfahrung im praktischen Garten- bau hoch werthvoll war. Wir betrauern in dem im 78. Jahre Dahingeschiedenen daher nicht nur den verdienstvollen Leiter der Section, sondern auch den fürsorg- lichen, treuen Freund des Gartenbaues, dessen Andenken die Section stets hoch in Ehren halten wird. Die erste Sitzung des Jahres 1886 beschäftigte die anwesenden Mitglieder schon eingehend mit den Berathungen für die Obst- und Gartenbau-Ausstellung und da dieser Gegenstand der Tagesordnung in allen späteren Sitzungen wiederkehrte, so geben wir hier gleich einen Ueberbliek über den Verlauf unserer Ausstellung. Die Entwickelung der am 3. September eröffneten Schlesischen Obst- und Gartenbau-Ausstellung in Breslau war eine von langer Hand 16* 244 Jahres-Bericht her vorbereitete, und wenn trotz dieser sorgfältigen und umfassenden Vorbereitung die Ausstellung an einer oder der anderen Stelle zu wünschen übrig liess, so ist das Gesammtbild derselben, der Gesammteindruck auf das besuchende Publikum und auf die Fachkreise doch ein ausgezeichnet Sünstiger gewesen. Für die Geschichte der Ausstellung wollen wir hier nochmals con- statiren, dass die erste Anregung dazu im Sommer 1885 von der Seetion für Obst- und Gartenbau und dem Schlesischen Centralverein für Gärtner und Gartenfreunde ausging. Es bildete sich im Herbst 1885 ein vorläufiges Comit&, in welches dieser Verein folgende sechs Mitglieder entsandte: Kunst- und Handelsgärtner Dammann, Kunst- und Handelsgärtner Grunert, Baumschulen-Besitzer Guder- Carlowitz, Obergärtner H. Richter, Kaufmann Ad. Schmidt, Obergärtner J. Schütze. Die Section für Obst- und Gartenbau stellte ihrerseits sechs Mitglieder: Professor Dr. F. Cohn, Professor Dr. Engler, Commissionsrath Benno Milch, Garten-Inspector Lösener, ÖOberstabsarzt Dr. Schröter, Garten-Inspector B. Stein. Dazu traten dann noch im Juni 1886 als Vertreter des inzwischen begründeten Handelsgärtner-Vereins in Breslau: Kunst- und Handelsgärtner L. Franke und Kunst- und Handelsgärtner L. Schneider. Se. Excellenz der Herr Oberpräsident Dr. v. Seydewitz erfüllte die ihm von den Herren Professor Dr. F. Cohn, Professor Engler und Garten-Inspector Stein persönlich vorgetragene Bitte und übernahm das Protectorat der Ausstellung, welchem Umstande ein wesentlicher Antheil an dem Gelingen der Ausstellung zuzuschreiben ist. Das Geschäfts-Comit& ging dann zunächst an die Wahl des Ehren- Comites der Ausstellung und unter dem Protectorat des Ober-Präsidenten der Provinz Schlesien, Herrn v. Seydewitz, Wirklicher Geheimer Rath, bestand das Ehren-Comit& der Schlesischen Obst- und Gartenbau- Ausstellung in Breslau 1886 aus den Herren: George Agath, Kauf- mann, Breslau; Beyersdorf, Stadtverordneten-Vorsteher, Breslau; Prinz Biron von Curland, Polnisch-Wartenberg; Bülow, Stadtrath, Bres- lau; W. Moriz-Eichborn, Stadtrath, Breslau; Ph. Moriz-Eichborn, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 245 Commerzienrath, Breslau; Elsner v. Gronow, Kalinowitz; v. Falken- hausen, Bielau; Fred Graf Frankenberg, Tillowitz; Friedens- burg, Oberbürgermeister, Breslau; Friedenthal, Staatsminister, Giess- mannsdorf: J. Friedenthal, Geh. Commerzienrath, Breslau; Graf Fürstenstein, Landeshauptmann, Jenkendorf; Glubrecht, Oberbürger- meister, Schweidnitz; Prinz Handjery, Regierungs-Präsident, Liegnitz; Fürst Hatzfeld, Trachenberg; v. Heydebrand, Landrath, Breslau; Professor Dr. Heidenhain, Geh. Medieinalrath, Breslau; Heinrich Heimann, Geh. Commerzienrath, Breslau; Guido Graf Henckel von Donnersmarck, Neudeck; Professor Dr. Hieronymus, Breslau; Friedrich Wilhelm Prinz von Hohenlohe-Ingolfingen, Ko- schentin; Freiherr Juncker v. Ober-Conreut, Regierungs-Präsident, Breslau; v. Klitzing, Landeshauptmann, Breslau; H. v. Korn, Stadt- rath, Breslau; W. Korn, Landes- Oekonomierath, Breslau; G. von Kramsta, Breslau; Kranold, Eisenbahn-Direetions-Präsident, Breslau; Kreidel, Oberbürgermeister, Gleiwitz; v. Kujawa, Königl. Oberforst- meister, Gleiwitz; v. Löbbecke, Költschen; v. Löbbecke, Mahlen; Martins, Oberbürgermeister, Glogau; Leo Molinari, Commerzien- rath, Breslau; Silvius Moll, Commerzienrath, Brieg; H. E. Müller, Stadtrath, Breslau; Oertel, Oberbürgermeister, Liegnitz; v. St. Paul- Illaire, Hofmarschall, Fischbach; Graf Pückler, Generallandschafts- Director, Breslau; Herzog von Ratibor, Schloss Rauden; Freiherr von der Reck, Oberforstmeister, Breslau; Reichert, Oberbürger- meister, Görlitz; v. Reuss, Landrath, Brieg; F. W. Rosenbaum, Commerzienrath, Breslau; G. v. Ruffer, Breslau; Graf Schaffgotsch, Koppitz; Graf Schaffgotsch, Warmbrunn; Schneider, Geh. Justiz- rath, Brieg; Julius Schottländer, Breslau; Dr. Th. Schuchardt, Görlitz; Stoll, Oekonomierath, Proskau; Graf Stosch, Vörsitzender des Provinzial - Ausschusses, Hartau; Graf Tschirschky-Renard, Gross-Strehlitz; v. Uslar-Gleichen, Polizei-Präsident, Breslau; von Wallenberg-Pachaly, Schmolz; v. Wichmann, General-Lieutenant und commandirender General, Breslau; Graf Zedlitz, Regierungs-Präsi- dent, Oppeln. Die Herren Preisrichter begannen ihre Thätigkeit am 4. September 1886, Morgens 8 Uhr, und zwar in Sectionen, welche sich ihren Vor- sitzenden und Schriftführer selbst wählten, Zur Beurtheilung der ausgestellten Bindereien hatte das Comite an die nachstehend verzeichneten Damen die Bitte gerichtet, das Preis- richteramt dieser Section übernehmen zu wollen, Die Arbeiten dieser Section begannen am 4. September, Morgens 9 Uhr. Nach Schluss der Sectionsarbeiten trat die allgemeine Jury zusammen, welche aus den Vorsitzenden und Schriftführern aller Seetionen bestand, 246 Jahres - Bericht Der allgemeinen Jury unterlag die Zuerkennung der sechs Preise für hervorragende Einzelleistungen nach Vorschlag der Sectionen, sowie die Bestätigung der silbernen Staatsmedaillen, der goldenen Ausstellungs- medaillen und der grossen Ehrenpreise, welche von den Sectionen zu- erkannt worden waren. Die Bitte um Uebernahme des Amtes als Preisrichterin ist gerichtet worden an: Frau Professor Ferd. Cohn, Frau Commerzienrath Eich- born, Frau Professor Engler, Fräulein Nees von Esenbeck, Frau Staatsminister Friedenthal, Excellenz, Frau Fürstin Hatzfeldt- Trachenberg, Durchlaucht, Frau Geheimrath Heidenhain, Frau Re- gierungs-Präsident Juncker v. Ober-Conreut, Frau Landeshauptmann v. Klitzing, Frau Stadtrath v. Korn, Frau v. Löbbecke-Mahlen, Fräulein Anna Milch, Frau Commerzienrath Leo Molinari, Frau Gräfin Pückler, Excellenz, Frau Herzogin von Ratibor, Durch- laucht, Frau Gräfin Schaffgotseh-Koppitz, Frau Gräfin Schaffgotsch- Warmbrunn, Frau Jul. Schottländer, Frau Garten-Inspeetor Stein, Frau Geheimrath Storch, Frau von Wiedebach und Nostitz- Jänkendorf. Leider waren die eingeladenen Damen zum Theil verhindert zu erscheinen. Als Preisrichter funetionirten die Herren: Altscher, Kunst- und Handelsgärtner, Schweidnitz;, Bärnkopf, Kataster-Inspector, Neumarkt; Behnsch, Baumschulenbesitzer, Dürrgoy; Braun, Hofgärtner, Camenz; Breiter, Ed., Kunst- und Handelsgärtner, Breslau; Brix, Kunst- und Handelsgärtner, Jauer; Bromme, Gartenbaulehrer, Grünberg; Cohn, Dr. Ferd., Professor, Breslau; Cornelius, Hofgärtner, Primkenau; Dammann sen., Kunst- und Handelsgärtner, Görlitz; Dammann jun., Kunst- und Handelsgärtner, Breslau; Eiechborn, Stadtrath, Breslau; Eichler, O., jun., Baumschulenbesitzer, Grünberg; Eicke, Dr., Pöpel- witz; Engler, Dr. A., Professor, Breslau; Fox, Garten-Director, Neu- deck; Friekinger, Schlossgärtner, Laasan; Galle, Kunst- und Handels- gärtner, Trebnitz; Gireoud, Gartendirector, Sagan; Göschke, König- licher Obergärtner, Proskau; Gottschalk, Landschaftsgärtner, Gnesen; Grembzow, Obergärtner, Schönfeld; Grunert, Kunst- und Handels- gärtner, Oswitz; Guder, Baumschulenbesitzer, Carlowitz;, Hampel, Garten-Inspector, Koppitz; Hans, W., Baumschulenbesitzer, Herrnhut; Haupt, Civil-Ingenieur und Handelsgärtner, Brieg; Jettinger, Sections- gärtner, Scheitnig,;, Kallmeyer, Kunst- und Handelsgärtner, Grabow a.0.; Kittel, Obergärtner, Eckersdorf; Köchel, Obergärtner, Siemiano- witz; Krauspe, Kunst- und Handelsgärtner, Oberhof; Kuhnts, Garten- Direetor, Fürstenstein; Laskowsky, Seminar - Director, Rawitsch; Leichter, Rector, Leobschütz; Lösener, Garten-Inspeetor, Breslau; Maurer, Garten - Inspeetor und Baumschulenbesitzer, Jena; Milch, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 247 Benno, Commissionsrath, Breslau; Monhaupt, Hugo, Samenhändler, Breslau; von Saint Paul-Illaire, Excellenz, Hofmarschall und Cor- vetten-Capitain a. D., Fischbach; Peieker, Hofgärtner, Schloss Rauden; Perschke, Friedhofs-Inspeetor, Gräbschen; Plosel, J., Obergärtner, Falkenberg; Rettig, Garten-Inspector, Krakau; Richter, Obergärtner, Hartlieb; Riedel, Kunst- und Handelsgärtner, Löwenberg; Rösler, Fabrikbesitzer, Breslau; Rother, Garten-Director, Reisen; Schlegel, Hofsgärtner, Grafenort; Schlieben, Kunst- und Handelsgärtner, Ratibor; Schmidt, Adolf, Samenhändler, Breslau; Schmidt, Kunst- und Handels- gärtner, Sagan; Schneider, Gas- und Wasserwerks-Director, Breslau; Schneider, L., Kunst- und Handelsgärtner, Breslau; Schönthier, Kunst-, Handels- und Landschaftsgärtner, gerichtlich vereideter Sach- verständiger, Breslau; Scholz, Mortimer, Apotheker, Jutroschin; Schrefeld, Garten-Inspeetor, Muskau; Schröter, Dr., Oberstabsarzt, Breslau; Schröter, Obergärtner, Schlanz; Schuchardt, Dr., Fabrik- besitzer, Görlitz; Schütze, Obergärtner, Breslau; Siegert, Wander- lehrer, Liegnitz;, Späth, Oekonomierath, Berlin; Sperling, Prome- nadengärtner, Görlitz; Stein, Garten-Inspector, Breslau; v. Stillfried- Rattonitz, Breslau; Stoll, Oekonomierath, Proskau; Strauwald, Kreis - Obergärtner, Gnadenfeld; Ulrich, Kunst- und Handelsgärtner, Rosenthal; Wagner, Dr., Königshütte; Weckwerth, Kunst- und Handelsgärtner, Canth; Winter, Hofgärtner, Heinrichau. Die Arbeit im Geschäfts-Comit& wurde in der Art vertheilt, dass Professor Dr. F. Cohn den Ehrenvorsitz übernahm, während Professor Dr. Engler als Vorsitzender, Oberstabsarzt Dr. Schröter als erster, Öbergärtner Schütze als zweiter Stellvertreter functionirten. Das Seeretariat übernahm Garten-Inspector Stein, welchen eventuell Ober- gärtner Richter und Handelsgärtner Dammann vertraten. Kaufmann Ad. Schmidt wurde zum Kassen-Controleur gewählt, während die so bedeutende Arbeit des Kassirers von Commissionsrath Benno Milch, dem tüchtigsten Fachmann auf diesem Gebiete, übernommen wurde. Die nächste Arbeit des Comites war die Schaffung eines Garantie- fonds, dessen Minimalhöhe auf 15000 Mark festgesetzt wurde. Dank der liberalen Zusagen des Magistrats und der Stadtverordneten von Breslau, sowie des Provinzial-Ausschusses der Provinz Schlesien, welche Jeder 3000 Mark zu diesem Fonds zeichneten, Dank der überreichen Zusagen hervorragender Männer aus allen Theilen der Provinz waren diese 15 000 Mark nicht nur bald garantirt, sondern erheblich über- zeichnet. Wir freuen uns, diesem allgemeinen Zutrauen gegenüber schon an . . ip . . dieser Stelle constatiren zu können, dass keiner der Zeichner des Garantiefonds zu irgend einer Zahlung herangezogen worden ist, sondern 248 Jahres-Bericht dass die Ausstellung völlig aus eigenen Einnahmen die gesammten Aus- gaben gedeckt hat. Mit dem Augenblick, in welchem die finanzielle Seite der Aus- stellung gesichert erschien, wurde seitens des Comites an die Inter- essenten herangegangen und sämmtlichen Gärtnern und Gärtnereien Schlesiens eine vorläufige Einladung zur Betheiligung an der Ausstellung zugesandt. In einer Reihe langdauernder Sitzungen, zu welchen Ver- treter der Gärtnerei aus allen Theilen Schlesiens eingeladen worden waren, wurde ein vorläufiges Ausstellungs-Programm in minutiöser Weise durchberathen und zur endgiltigen Feststellung einer Subeommission, bestehend aus Baumschulenbesitzer G. von Drabizius, Obergärtner Schütze und Garten-Inspector Stein, welche noch den Baumschulen- besitzer Guder-Carlowitz und Handelsgärtner L. Schneider cooptirten, überwiesen. Nach Feststellung des Programms wurde seitens des Comites an die Staatsbehörden, Behörden der Provinz, Magistrate der schlesischen Städte und hervorragende Männer Schlesiens die Bitte um Gewährung von Ehrenpreisen gerichtet. An das Königliche Staatsministerium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten ward die Bitte gerichtet, die Ausstellung durch Ueber- weisung von Staatsmedaillen auszuzeichnen. Das Ministerium bewilligte für die Ausstellung in Breslau: 3 grosse silberne Staatsmedaillen, 6 silberne Staatsmedaillen, 12 broncene Staatsmedaillen, lehnte dagegen die Zusage einer goldenen Staatsmedaille ab und hielt diese Ablehnung auch aufrecht gegenüber den wiederholten Bitten des Comites, welche sich der dringenden Befürwortung unseres Protectors, des Herrn Oberpräsidenten v. Seydewitz, zu erfreuen hatten. An Ehrenpreisen, welche den Westh von 100 Mark überstiegen, standen der Ausstellung zu Gebote: Ehrenpreis der Stadt Breslau, - Sr. Durchlaucht des Herzogs von Ratibor, z des Herrn G. v. Drabizius, z der Frau Agath, - der Frau Commerzienrath Eichborn, s des Herrn George Agath, - des Herrn Stadtrath v. Korn, - des Herrn Staatsminister Dr. Friedenthal, 2 des Herrn J. Schottländer, - der Section für Obst- und Gartenbau, 2 des Schlesischen Centralvereins für Gärtner und Garten- freunde und z des Handelsgärtner-Vereins in Breslau. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 249 Ausserdem wurden dem Ausstellungs-Comit& eine reiche Zahl Ehren- preise von Gartenbau-Vereinen und Gartenfreunden der Provinz über- wiesen, theils für bestimmte Concurrenzen, theils zur freien Disposition der Preisjury. | Von Seiten der Ausstellung wurden goldene, silberne, broncene Me- daillen und Anerkennungs-Diplome für die hervorragenden Leistungen verliehen. Da die Ausstellung ausdrücklich als schlesische Gartenbau- Ausstellung bezeichnet ward und in erster Linie den Stand des Garten- baues in unserer Provinz repräsentiren sollte, so wurden Aussteller aus den Nachbarprovinzen zwar zugelassen, für derartige nichtschlesische Coneurrenzen aber ausschliesslich Ehrendiplome bestimmt. Die schwierigste Frage nächst der Finanziirung der Ausstellung war die Platzfrage. | Es kamen in erster Linie in Frage der Schiesswerdergarten, die städtische Turnhalle am Lessingplatz, der Garten des Vincenzhauses an der Promenade inclusive des Knorr’schen Gartens, der Maxgarten und der Friebeberg. Gegen den Schiesswerder sprachen die sehr hohen Kosten für Um- arbeitung des Terrains und die Entfernung von der nächsten Pferde- bahnlinie, die Turnhalle inclusive des Turnplatzes erwies sich als zu klein, der Vincenzgarten wurde fast in derselben Zeit, in welche die Ausstellung fiel, für die Zwecke der Deutschen Katholiken-Versammlung benöthigt, gegen den Maxgarten und andere Terrains in Scheitnig sprach das Fehlen einer Restauration und die Entfernung von den Bahnhöfen, so dass nur der Friebeberg übrig blieb, Wir können hier nicht genug hervorheben das ausserordentlich liebenswürdige Entgegenkommen, welches das Comit& in den Verhand- lungen über die Benutzung des Friebeberges seitens der Besitzerin, Frau Kaufmann Agath, und ihres Sohnes, Herın George Agath, gefunden hat. In zuvorkommendster Weise wurde uns gestattet, massive und temporäre Bauten aufzuführen, das Terrain gänzlich nach unseren Be- dürfnissen umzuarbeiten und schon 4 Wochen vor Beginn der Ausstellung im Garten und dem grossen Restaurations-Gebäude unbeschränkt alle Vorarbeiten zu treffen. An der Nordgrenze des Gartens wurde ein eirca 2 Hektar grosses Stück Feld eingezäunt, dem Garten angeschlossen und zur Aufnahme von Baumschulartikeln hergerichtet, während an der Südgrenze die Ge- wächshäuser gebaut wurden. Im Friebegarten selbst wurde ein grosser Teich für eine Victoria regia und tropische Wasserpflanzen geschaffen, neue Wege und Gruppen angelegt und eine Reihe Sandbeete für die Aufnahme von Markt- und Handelspflanzen hergerichtet, Der grosse Saal mit seinen Nebensälen und Gallerien erwies sich allerdings schliess- lich als zu klein für die Fülle des angemeldeten Materials, aber da 250 Jahres-Bericht Breslau keinen wesentlich grösseren Saal besitzt, so hätte uns diese Ver- legenheit auch in jedem anderen Locale betroffen, ganz abgesehen da- von, dass der Saal des Friebeberges unendlich bessere Lichtverhältnisse bietet als jedes andere, ähnlich grosse Local. In einer steten Reihenfolge von Comite - Sitzungen wurden alle laufenden Geschäfte erledigt, vom 15. Mai an ward ein permanentes Bureau für die Ausstellung im Innern der Stadt geöffnet und am 1. August begannen unter Leitung der dafür engagirten Herren Kunst- und Handels- särtner Grunert und Landschaftsgärtner Ledien die Arbeiten auf dem Friebeberge. Das gewöhnliche Geschick aller Ausstellungen, dass der grösste Theil der Anmeldungen erst im letzten Augenblicke erfolgt und dass die Einsendung der Ausstellungsobjecte gleichfalls bis auf die letzte Minute verzögert wird, traf natürlich auch unsere Ausstellung und nur der anstrengendsten Thätigkeit aller Comit&mitglieder und der ihnen unterstellten Functionen ist es zu verdanken, dass die Ausstellung im Momente der Eröffnung als fertiges Bild erschien. Die feierliche Eröffnung erfolgte durch den Protector, Herrn Ober- präsidenten v. Seydewitz, persönlich, welchen Professor Dr. F. Cohn an der Spitze des Comites mit folgender Ansprache begrüsste: „Im Namen und Auftrage des geschäftsführenden Comites der Schle- sischen Obst- und Gartenbau- Ausstellung habe ich die Ehre, Sie, Herr ÖOberpräsident, an dieser Stelle als hohen Protector herzlich willkommen zu heissen. Als gegen Ende des vorigen Jahres die beiden Vereine, welche die Führung in den gärtnerischen Bestrebungen unserer Provinz übernommen haben, der Schlesische Centralverein für Gärtner und Gartenfreunde und die Section der Schlesischen Gesellschaft für Obst- und Gartenbau zusammentraten, um im September 1886 eine allgemeine Schlesische Obst- und Gartenbau-Ausstellung ins Leben zu rufen, wurden sie von dem Gedanken geleitet, dass es, nachdem vor acht Jahren das erste Unternehmen dieser Art unter des unvergesslichen Göppert Ober- leitung, die so erfreuliches Zeugniss von den gärtnerischen Zuständen der Provinz gegeben, nunmehr an der Zeit sei, von Neuem in Schlesiens Hauptstadt öffentlich Rechenschaft darüber abzulegen, wie sich seitdem die schlesische Gärtnerei und die mit ihr verbundenen Künste und In- dustriezweige weiter entwickelt haben. Dank der thatkräftigen Protection, welehe Eure Excellenz dem Unternehmen nach allen Richtungen hin zu Theil werden liessen, Dank der Munificenz, mit der die höchsten Be- hörden des Staates, der Provinz, der Stadt Breslau, mit der gärtnerische Vereine und zahlreiche Gönner dasselbe unterstützten, Dank endlich der lebhaften Betheiligung von mehr als 250 Ausstellern ist nunmehr diese Ausstellung zu Stande gekommen, welche im Grossen und Ganzen wohl als ein Gesammtbild dessen gelten darf, was Schlesien auf dem Gebiete des Obst- und Gartenbaues zu leisten vermag, zu deren wohlwollender der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 951 Prüfung wir nunmehr Euer Excellenz und mit Ihnen die ganze Provinz einzuladen wagen dürfen. Die Ausstellung, welche wir zu eröffnen im Begriff stehen, entrollt uns ein Bild von dem, was die heutige Gartenbaukunst in Schlesien, was sie über die Grenzen unserer Provinz hinaus zu leisten vermag. Sie ist um so mehr im Stande, diesen orientirenden Ueberblick zu ge- währen, als sie von so zahlreichen Seiten beschickt worden ist, wie bisher keine in der Provinz Schlesien stattgehabte Ausstellung. Die Zahl derer, welche Erzeugnisse des Gartenbaues und der Obsteultur nach Breslau gesandt, beträgt 250. Die Ausstellung zeigt uns Blumen, diese holden Kinder der Flora, in all’ ihrer Pracht und Herrlichkeit; sie zeigt uns Früchte, die mit geduldigem Fleiss und mit liebevoller Hin- gabe und Sachkenntniss erzielt worden sind; im Saale winken uns die schöngestalteten Blätter majestätischer Palmen zu. Was unser Klima nicht gebiert, das führt uns der internationale Verkehr aus milderen Himmelsstrichen zu und weil die Kunst des Gärtners bei uns mit der Wissenschaft, mit der Botanik engste Fühlung unterhält, darum ver- mögen wir durch Ausbildung der wissenschaftlichen Methode, durch rationelle Zucht, indem wir uns das grosse Gesetz der Anpassung und Vererbung, der Veredelung der Arten zu Nutze machen, die Erzeugnisse einheimischen und fremden Bodens fortgesetzt zu verschönern. Hiervon wird die Ausstellung beredte Kunde geben. Aber wir bieten dem empfänglichen Auge des Blumenfreundes kein müssiges Schauspiel dar. Auch wir können auf uns das Wort anwenden: Pro patria est dum ludere videmur. Der Aufschwung der Gärtnerei, welche Tausende von fleissigen Händen beschäftigt, kommt dem Vaterlande in ökonomischer Hinsicht zu Gute und nährt nicht die Ausstellung die Freude an der Natur, deren Reichthum an schönen Formen, deren Productivität an köstliehen Früchten aller Art unerschöpflich ist? Die Zaubermacht der Blumen, welche unser Gemüth erfreut, welche unsere Herzen beglückt, sie wird sich auch hier wirksam zeigen. Ist doch kein Zimmer so klein, dass es nicht Raum gewährte der stillen und erhebenden Freude an dem Spriessen und Gedeihen des holden Schmuckes unserer Wohnungen. Unsere Ausstellung hat neben einer überwiegenden Menge von tüchtigen, auch eine Anzahl von Leistungen ersten Ranges aufzuweisen, welche das Preisgericht der Auszeichnung durch unsere Staatsbehörde für würdig erachtet hat. Wir wünschen und hoffen, durch unsere Aus- stellung beizutragen zum Aufschwunge der Gärtnerei in Schlesien und zur Verbreitung des öffentlichen Interesses für dieselbe in den weitesten Kreisen. Majestätische Palmen freilich, seltene Orchideen, Bananen und Pandanen können nur Wenige im eigenen Treibhause heranziehen, aber in den öffentlichen Anlagen unserer Städte macht die Gartenkunst die schönsten Schöpfungen gewissermassen zum Gemeinbesitz Aller.“ 352 Jahres- Bericht Der Redner schloss mit einem Dank an den Herrn Oberpräsidenten v. Seydewitz für die Uebernahme des Proteetorats über die Aus- stellung und mit der an den Proteetor gerichteten Bitte, dieselbe eröffnen zu wollen. Herr Oberpräsident v. Seydewitz führte aus, dass, wenn auch der Obst- und Gartenbau unserer Provinz unter mancherlei Verhältnissen, unter denen die klimatische Ungunst nicht zum Wenigsten in Betracht komme, zu leiden habe, die Ausdauer und der treue Fleiss unserer heimischen Fachmänner doch dem Klima den Sieg streitig zu machen und sich zu Leistungen emporzuarbeiten gewusst hätten, welche uns mit Bewunderung erfüllen. Unsere Provinz darf stolz sein auf diese Leistungen und kann in dem Gesammtrahmen der Ausstellung den Wett- streit mit ihren Mitbewerbern mit Ehren aufnehmen. Die national-öko- nomische Seite des Obst- und Gartenbaues ist bei uns zu hoher Bedeu- tung gelangt. Dank gebührt den Männern der Wissenschaft und Praxis, welche zu gemeinsamer Arbeit sich die Hände gereicht haben. Dank gebührt auch den Ausstellern, welche dazu beigetragen, dass die Aus- stellung einen so grossen Umfang hat gewinnen können. Mögen alle die Hofinungen, welche sie an die Ausstellung geknüpft, erfüllt werden! Mit diesem Wunsche erkläre ich, so schloss der Redner, die Schlesische Gartenbau-Ausstellung für eröffnet. Nach der Rede des Herrn Oberpräsidenten fielen die Schranken, die Flügelthüren des Saales öffneten sich den von Herrn Garten-Inspeetor Stein geführten Gästen und ein Bild, wie es in-Breslau dem Auge noch nicht geboten ward, lag vor den Blicken der Eintretenden. Der ganze riesige Raum des Restaurationsgebäudes auf dem Friebeberge war an- gefüllt, fast überfüllt von den Produeten der Gärtnerei in allen Stadien der Farbenpracht, der Formenschönheit und des Blumen- und Frucht- duftes. Von der Gallerie herab schweifte das Auge über wunderbar schöne Pflanzengruppen, die unseren renommirtesten Handelsgärten und den Privatbesitzen Breslaus entstammten; selbst die Fachleute waren überrascht, derartige Mengen in so musterhaften Pflanzen vereinigt zu sehen. Wir wollen nicht in Einzelheiten eintreten, aber doch hinweisen auf die in den sonderbarsten Farben prangenden Caladien der Eich- born’schen Gärtnerei, auf die schönen Palmen Ed. Breiter’s, auf die üppigen Blattpflanzen des Rösler’schen Gartens und die farben- schönen Blüthen von Senzky in Scheitnig. Aus dem Saale heraufblickend, grüsste unter mächtigen Palmen- wedeln die Kolossalbüste Kaiser Wilhelms herab, und wenn wir die be- quemen Treppen am Nordende hinaufstiegen, standen wir vor einem riesigen Fruchtarrangement von L. Schneider, das meisterhaft zu- sammengestellt war. Auf der anderen Seite flankirte die Thür in den kleinen Saal ein eben so grosses Blumenarrangement desselben Aus- . F ö der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 2353 stellers. Im kleinen Saale verwirrte die Fülle der reizenden Blumen- compositionen fast das Auge, die Führerschaft fiel hier unbestritten der Schlossgärtnerei Schüsselndorf zu, welcher nur in Max Cohn ein ge- fährlicher Gegner erwuchs, dessen märchenhafte Phantasie-Arrangements einen der ersten Anziehungspunkte bildeten. Auch die Preisrichterinnen haben aus diesem Dilemma kaum einen Ausweg gefunden, nnd bei jeder einzelnen Conenrrenz schwebte die Waage auf und nieder, Zwischen Max Cohn und Schüsselndorf lag die ganze Länge des Saales voll- kommen ausgefüllt durch Bindereien und geschnittene Blumen, darunter die originellen Blumenschnitzereien aus Mohrrüben, Kohlrüben, Radieschen, Zwiebeln u. s. w., barock, aber nicht unschön. Den Bindereien schlossen sich die Spitzenpapier- und Bouquetmanschetten an, in welchen Finger- hut die bedeutendsten Sachen ausgestellt hatte. In den Reihen der gegenüberliegenden Gallerie bildeten zwei Punkte eine stete Attraction, in erster Linie die Pilzeolleetionen des Oberstabs- arztes Dr. Schröter, des ersten Pilzforschers Schlesiens nicht nur, sondern Deutschlands. Geradezu frappirend wirkten die Riesen-Trauben aus den Treibereien des Grafen Guido Henckel in Neudeck, Garten- Director Fox, gemeinsam mit Pfirsichen von der Grösse eines mächtigen Apfels. Diese Trauben stammen offenbar von jenen Weinstöcken Kanaans, an denen sich die Kundschafter Josuas einst müde schleppten. Prachtvolle Trauben stellte auch Haupt in Brieg aus, der ein ganzes von ihm selbst erbautes Gewächshaus mit den Produeten seiner Treibereien und Weinhäuser gefüllt hatte, Das Haupt’sche Gewächshaus stand unmittelbar hinter dem Restau- rationsgebäude neben dem unförmlichen Cementreservoir von Gebrüder Huber in Breslau. Das von dem königlichen botanischen Garten in Breslau angekaufte Gewächshaus misst bei 16 m Länge 7 m Breite und steigt von 2 m Höhe an den Seiten im Satteldach auf 4 m Höhe. Die Glasconstruetion des Hauses ruht auf einer soliden Cementmauer. Das innere Gerippe des Hauses ist von Eisen construirt, während alle Theile, welche nach Aussen kommen, aus Holz bestehen und zwar aus in Firniss sekochtem Lärchenholz oder anderen harzreichen Hölzern. Durch diese eigenartige Vertheilung von Holz und Eisen ist jedes Tropfen im Hause» jeder Niederschlag vermieden, eine bedeutende Verbesserung gegenüber den ausschliesslich aus Eisen eonstruirten Häusern. Ausserdem hat das Haus bedeutende Vortheile in der Verglasung gegenüber den früheren Constructionen. Die Heizung des Hauses geschieht durch Eisenröhren, welche ihr Heizwasser aus einem von Haupt neu construirten Kessel erhalten, dessen Heizfläche relativ enorm gross und allseitig von Wasser umspült ist. N Im Hause befindet sich eine breite Mittelstellage und zwei breite Seitenbeete, welche reich besetzt waren mit den schönsten Pfleglingen 254 Jahres-Bericht der Haupt’schen Gewächshäuser. Alle hier ausgestellten Pflanzen hatten ein gemeinsames Merkmal: sie strotzten von Gesundheit. Haupt hatte nur zwei anderen Ausstellern Plätze in seinem Hause eingeräumt, von denen der Eine, Obergärtner Ledien, einen anderthalbjährigen Auf- enthalt als Chef der Culturen in Vivi am unteren Congo dazu benutzt hat, gärtnerisch und botanisch interessante Pflanzen in Samen und Zwiebeln zu sammeln. Sogar eine lebende Orchidee hat Herr Ledien von dort mitgebracht, obgleich den Beamten der Congo-Assoeciation jedes Sammeln verboten war. Diese Orchidee, Eulophia Ledienii Stein, zeigte prächtig marmorirte Blätter und blühte zum ersten Male in Europa. Ueber die Vegetation am Congo berichtet der jetzt als Ordner der Ausstellung functionirende Sammler die nachstehenden interessanten Notizen: Unter den prunkenden Pflanzen - Sammlungen, welche in dem viel besprochenen Gewächshause von Ed. Haupt-Brieg Aufstellung und Pflege gefunden haben, verdienen ein Paar jetzt noch recht unscheinbar aus- sehende Pflanzen das allgemeine Interesse des Ausstellungs-Publikums und besonders das der intelligenten Gärtnerwelt. Es sind das ein Paar wohlgerathene Kinder der sonst so armseligen Flora des Congo-Landes, welche Herr Ledien aus Stettin während seines anderthalbjährigen Aufenthalts dort draussen sammelte. Die eigenthümlichen klimatischen und Bodenverhältnisse des äquatorialen Congo-Landes gestatten in ihrer Dürftigkeit nicht das Aufkommen einer formenschönen, grossartigen Vegetation, wie jene glücklicheren Gegenden West- und Ostindiens, welche hauptsächlich die Heimath jener schönen Warmhaus - Pflanzen bilden, welche auf dieser Ausstellung im Saale wie in den Gewächs- häusern unser Auge entzücken. Kahl und trocken ist das Schiefer -Ge- birge, welches der Congo durchbricht, um an das Meer zu gelangen; der Congostrom bietet auf Meilen hin in der neun Monate dauernden trockenen Zeit fast das einzige Wasser in der gewaltigen Einöde; und da ist natürlich eine grossartige Entwickelung der Vegetation unmöglich. Der Baobab oder Affenbrotbaum, der Elephant unter den Pflanzen, ist oft der einzige Vertreter des Pflanzenreiches, da er bei seinem eigen- thümlichen Bau die grösstmögliche Genügsamkeit besitzt. Von hohen Punkten aus sieht man in der kahlen, gelb und roth gefärbten Land- schaft auf den Höhen nur seine gewaltigen, schirmähnlichen Formen, und nur in den meist sehr schmal in das Schiefer-Gebirge einschneiden- den Thälern, wo sich ein wenig Wasser auch in der trockenen Zeit erhalten kann, sieht man schmale, grüne Streifen schimmern, welche sehr interessante ästereiche Gebüsche anzeigen. Dort unten in den Gründen, die vor Herrn Ledien noch kein botanischer Sammler betrat, erhält sich eine ganz sonderbare Welt, unter den traurigsten Umständen ihr Leben fristend. Alles dort ist werthvoll für den Botaniker, den ja der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 355 natürlich noch andere Interessen leiten, wie den Gärtner; aber auch für diesen giebt es gewiss noch Manches dort, was pflegewürdig sein möchte, Gewiss werden die Kinder jener Flora sehr genügsam und anspruchslos sein und eine sorgfältige Cultur dankbar lohnen; sie sind an die grössten Entbehrungen gewöhnt. Der von Herrn Ledien mitgebrachte Strophantus Ledienii Stein, von dem neben den jungen Pflanzen eine Abbildung der Blüthen aufgestellt ist, wuchs z. B. auf einer riesigen Felsplatte, auf der in einzelnen Ausmuldungen eine wenige Zoll hohe Schicht Erde lag. Die dünne Kruste war völlig von den darauf wachsenden Pflanzen durch- wurzelt, so dass man an einer grösseren Wurzel, die stellenweise heraus- kroch, die ganze Decke emporheben konnte, worunter dann der glatte Schieferfels zum Vorschein kam. Im Juni, der trockenen und kühlen Jahreszeit, vorigen Jahres fand Herr Ledien an dem entblätterten Strauch die sonderbaren, zweiflügeligen, auf der Zeichnung angedeuteten Früchte, welche ihm sofort auf etwas „Neues“ hindeuteten. Erst vier Monate später fand der Herr die ersten Blüthen, die ihn begreiflicher- weise überglücklich machten, zumal da die Pflanze an sich, mit ihren sammetig behaarten Blättern, schon sehr hübsch ist. Nach langem, mühevollen Suchen unter den entbehrungsvollsten Lebensverhältnissen war endlich einmal etwas gefunden, was zu grossen Hoffnungen be- rechtigte, was wieder frischen Muth gab. Es war das thatsächlich ein Anfang zu weiteren derartigen Eroberungen, Auf anderen derartigen Excursionen und weiten Märschen ins Innere fand Herr Ledien eine Sammlung von etwas über 600 verschiedenen Sachen, die fast alle für den Botaniker sehr beachtenswerth sind. Die Samen davon erhielt der Breslauer botanische Garten, welcher die Pffanzen später der Oeffent- lichkeit übergeben wird. Was davon für den Handel von Werth sein wird, muss sich in der Cultur erweisen, Der zweite Nebenaussteller war die Gräflich Magnis’sche Gärtnerei in Eekersdorf, Obergärtner Kittel sen., mit wunderschönen Orchideen auf dem Mittelbeete, welche in allen Farben schillern und theilweise den herrlichsten Duft aushauchen. Wir erwähnen speciell Cattleya Do- wiana, Oypripedium hirsutissimum, Calanthe silvestris, Masdevallia tovarensis und Masdevallia Chimaera. „Rechts gehen“ hiess die Parole, und so beginnen wir die Rund- schau der Haupt’schen Pflanzen mit den Anoectochilus-Arten, welche in einem eigenen Glaskasten standen. Diese echt tropischen Orchideen sind Baumbewohner der Philippinen, Sunda-Inseln u. s. w. und gehören in Folge der hohen Wärmegrade, welche sie bedürfen, und ihrer Empfind- lichkeit gegen zu viel oder zu wenig Wasser, zu den am schwierigsten zu eultivirenden Pflanzen. Die Blätter der Anoectochilus- Arten zeigen auf einem Grunde, der aus dem feinsten grünen, braunen oder goldigen . Sammet besteht, eine reiche Aderung in Gold-, Silber- oder dunkel 256 Jahres - Bericht metallisch schillernden Farben. Es sind unstreitig die zartesten und farbenschönsten Blätter, welche existiren. An diesen Schaukasten reihte sich die Fülle der edelsten Treibrosen, die eine Specialität des Haupt’schen fabrikartigen Gartenbetriebes, während die andere im Treiben von Wein und Pfirsich besteht. Unter diesen Rosen sind alle Farben und Formen vertreten, hauptsächlich waren es T'heerosen, darunter die neue Sorte „Franeis William Bennett‘, für deren Alleinverkauf Evans in Philadelphia dem Züchter 22000 Mark zahlte. Eine interessante Erscheinung war eine mit pfenniggrossen weissen Blüthen prangende Miniatur-Rose. Die hintere Querwand des Hauses deckt eine Gruppe wundervoller Warmhauspflanzen, unter denen besonders die originellen Blumen der Anthurium imponiren. Es waren vertreten Anthurium roseum, carneum, ferrieriense und Andreanum mit wahren Riesenblüthen. Aus einer elegant geformten, rosa bis leuchtend korallenroth gefärbten, fleischigen Muschel erhebt sich der fingerförmige Blüthenkolben, zusammengesetzt aus zahl- reichen kleinen vierecekigen Blüthen. Jede dieser Pflanzen repräsentirt ein Kapital, jede einzelne Blüthe wird für die Binderei mit 1—2 Mark bezahlt. Auf dem zweiten Randbeete prangen abermals Rosen, darüber hängt eine blühende Stanhopea im Korbe mit ihren bizarren Blüthen. Den Vordergrund der Mitteltafel füllen prächtige Azaleen in voller Blüthe, zu dieser Jahreszeit eine Leistung ersten Ranges. Hinter und um diese Azaleen gruppiren sich Croton-Formen mit langen, auffällig gefärbten Blättern, welche für die neue Binderei von hohem Werthe sind. Dann folgen gräflich Magnis’sche Orchideen und Bromeliaceen in reichem Sortiment. Unter den Orchideen und ihren wundervollen Blüthen- formen ragen durch Farbenfülle hervor Caitleya Doweana und Cattleya gigas, Sobralia macrantha, Odontoglossum grande u. s. w. Eine sehr nied- liche Erscheinung ist die feine Blüthenkette von Dendrochilum filiforme. Alle sind gleich den Bromelien echte Tropenkinder. Prachtexemplare neuer Nepenthes-Arten hingen in Körben herab und zeigten die Erfolge Haupt’scher Cultur. Die Nepenthes sind wunderbare Pflanzen der feuchten Wälder Ceylons und der benachbarten Inseln. Ihr langer Blattstiel verbreitert sich erst blattartig und zieht sich dann in einen starken Faden zusammen, der sich in eine Kanne ausbaucht, auf welcher das eigentliche Blatt als kleiner Deckel aufsitzt. Dieser Deckel schliesst die Kanne bis zu ihrer völligen Ausbildung fest zu und schon in der noch geschlossenen Kanne sondert sich eine saure pepsin- haltige Flüssigkeit ab, welche gleich der menschlichen Magenflüssigkeit zersetzend wirkt. Ist die Kanne dann offen, so schliesst sich der Deckel nicht wieder und in den offenen Krug fallen Inseeten und kleine Vögel, . der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 357 welche in dem sauren Safte sofort absterben und verdaut werden. Die Verdauungsproducte werden von Drüsen in der Kanne aufgesaugt, um der Pflanze als Nahrung zu dienen. Das Ende der Tafel schmückt das Obst. Riesige Trauben in gelb und blau, weisser Tokayer und Gross-Colmar zeigen die grössten Beeren. Enorme Pfirsich der Sorte „Exquisite‘‘ lassen dem Beschauer das Wasser im Munde zusammenlaufen; das Auffälligste aber sind die Keltertrauben aus Brieg. Haupt beabsichtigt, Wein im Grossen unter Glas zum Keltern zu bauen, und rechnet auf einen nicht nur trinkbaren Wein ä la Grünberg, sondern auf guten Wein. Die ausgestellten Trauben sind allerdings musterhaft schön und lassen vermuthen, dass der Saft ergiebig läuft und gut ist. Die Haupt’schen Trauben wurden im vorigen Herbste, wo die ersten Proben in Brieg reiften, mit den gleichen Trauben aus den besten Lagen des Rheingaus verglichen und überall fiel die Probe zu Gunsten der Brieger Trauben aus. Herrn Haupt wurde für seine vielfachen Leistungen einstimmig der erste Preis, die goldene Staatsmedaille, zuerkannt, und wenn auch leider die Bitte der Jury um Verleihung dieser Medaille höheren Ortes nicht berücksichtigt wurde, das höchste Zeichen der Anerkennung somit versagt wurde, so können wir doch Schlesien aus vollem Herzen gratu- liren, unter seinen Bürgern einen derartig für das allgemeine Wohl und speeiell für die Hebung der Gärtnerei arbeitenden Mann zu besitzen, In dem grossen Saale, dem Hauptplatze für Decorationsgärtnerei und zartere Culturen, fesselten zunächst beim Eintritte die Bindereien das Auge. Leider litten sie unter der trockenen Luft und dem steten Zugwinde so sehr, dass man schon am dritten Tage bedauern musste, nicht Wereschagins Pinsel zur Wiedergabe des Bildes benutzen zu können, denn ein Leichenfeld war es, über welches der Blick schweifte, wenn wir an den schönen Lorbeerbäumen (Fabrikbesitzer Rösler- Scheitnig) vorbei vom Garten aus die Freitreppe passirten. Die zarten Bindereien, die abgeschnittenen Blumen und Gehölze, waren total passirt und liessen kaum noch errathen, welche Schönheitsfülle in den ersten Tagen hier sich präsentirte. Wir schreiten rechts an künstlichen Pflanzen aus Stoff und an Marzipanfrüchten vorüber und stehen vor einer Gruppe wunderschöner Begonien aus dem herzoglichen Parke in Sagan, Garten-Direetor Gireoud. Die seltenste Form dieser bunten Schiefblätter heisst „Louise Erdödy“ und erregte die besondere Aufmerksamkeit des Herrn Oberpräsidenten v. Seydewitz durch die Form der Blätter, auf welchen aus dem Herz- winkel des grossen Blattes jedesmal wieder ein kleines Blatt hervor- spriesst. Dann folgten Spitzenpapiere von E. Lasswitz-Breslau in reicher Auswahl und guter Arbeit, allerdings überstrahlt von der Massen- 1886. 17 358 Jahres-Bericht ausstellung von Fingerhut u. Co.-Breslau, welche uns alle Nuancen, von der einfachsten Papierdüte zum lockeren Veilchensträusschen bis zur Füllhornmanchette aus blauem Plüsch mit gestiekten Silberblättern und Edelweisssternen zeigte. Körbe, Füllhörner, Lyra’s aus Plüsch und Atlas sruppiren sich neben Ballfächern in den elegantesten Ausführungen und zur Unterlage von Ballbouquets bestimmt. Tülldüten in allen Farben und Formen, ovale, runde, drei-, vier-, sechseckige Manchetten sind dazu bestimmt, die frische Binderei zusammen zu halten und zu schützen. Die Masse der Papiermanchetten baut sich in zwei grossen Obelisken auf und giebt auch dem Laien einen Begriff, welche Mengen von Neben- produceten die Gärtnerei in Umsatz bringt. In der Ecke zwischen diesen beiden Spitzenpapier- Schaustellungen standen die Blumen-Arrangements von Max Cohn, einer jungen Firma, die sich rasch in Breslau und Schlesien Bahn gebrochen hat. Die Ori- ginalität der Cohn’schen Bindereien liegt in der Leichtigkeit, Locker- heit des Bindens und in der fast überraschenden Phantasie des Com- ponisten. Gerade vor uns stehen drei je zwei Meter hohe Phantasie- stäcke, von denen das linke eine musterhafte Arbeit ist — Tauben mit gelben Bändern schweben über einem Tableau von Marschall Niel-Rosen und gelbbunten Crotonblättern. Das Bild rechts fand weniger Beifall, die Zusammenstellung einer Kinderbüste, welche einen Rosenkorb vor sich trägt, litt durch die zu grelle Arbeit des Wachskopfes. Dagegen wurde die brillante Arbeit der kleinen zahlreichen Sträusse, Trauer- symbole u. s. w. auf der Seitentafel voll anerkannt. Von Max Cohn stammte auch im Vestibüle hinter der Fingerhut’schen Decoration die mit Blumen uud Früchten decorirte Tafel für zwölf Personen, welche den Vorzug hat, das Zuviel vermieden zu haben. Es ist durchaus un- praktisch, die Tafel mit hohen Bouquets zu beladen, und so den freien Blick zu stören. Wir denken dabei immer an eine sehr solenne Fest- tafel in Oesterreich, an welcher einer der Beisitzer plötzlich ausrief: „Nehmt’s doch die Malefiz-Buschen weg, damit wir uns sehen können!“ Eine zweite Tafel für sechs Personen war von einem unserer be- triebsamsten Handelsgärtner, Louis Franke, decorirt. Auch hier ist das Prineip der Tafelfreiheit gewahrt und durchweg niedrige Arrangements aus Früchten und Blumen verwandt. Als Teppich hat Herr Franke gleichfalls ein Blumenstück untergelegt. Aus dem Kreise der Nichtberufsgärtner hatte Fräulein Tony Baum- Breslau sich auf dem Gebiete der Tafeldecoration versucht, und zwar haben unsere einheimischen Feldblumen das Material zu dem sehr ge- lungenen und hoffentlich nicht letzten Versuch gegeben. Aus dem kleinen Seitensaale heraustretend, hielt uns das Sortiment vorzüglicher Blumenzwiebeln von Scholz u. Schnabel Nachfolger- Breslau auf, an welches sich eine musterhafte Colleetion landwirthschaft- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 259 licher und Grassamen derselben Firma anreihte. Die dritte Specialität des in zahlreichen Kreisen altrenommirten Hauses, feine und reine Weine, ist in umfassendem Maasse von den Ausstellern zur Stiftung eines Ehren- preises benutzt worden. Die Zwiebeln von Dammann jr., welche sich anreihten, waren von gleicher Güte, und ausserdem stellte Dammann jr. auf der Mittel- tafel eine grosse Sammlung getrockneter Gräser und anderen Binde- materials aus, welches aus allen Enden der Welt, ein grosser Theil aus Kamerun, zusammengeholt sind. Die Mitte der Trockengräser waren die riesigen Blüthensträusse des brasilianischen Zuckerrohres, an das sich die seidig weichen Rispen des Pampasgrases (Gynerium argenteum) an- schliessen. Das königiiche pomologische Institut zu Proskau (Director Stoll, Obergärtner Göschke) hatte Proben seines reichhaltigen Unterrichts- materials — ausser Concurrenz — ausgestellt. In vierhundert Gläsern sind Samen aller Art vertreten, hundert Holzdurchschnitte zeigten die Verhältnisse der wichtigsten Baumarten und eine umfassende Zusammen- stellung von Früchten beweist, was auch in rauher Lage und schlechtem Boden sich noch erziehen lässt. Vorzügliches Obst präsentirte Herr Julius Schottländer, Schloss- gärtnerei Hartlieb (Gartenkünstler Richter), ebenso bedeutend durch die Menge der Sorten, die Schönheit der einzelnen Stücke und die durch- weg richtige Benennung der Sorten. Es sind 70 Birnen, 60 Aepfel- und 30 Pflaumensorten hier mit zahlreichen Sorten Trauben, Pfirsich, Apri- kosen, Wall- und Haselnüssen, Himbeeren und Erdbeeren vereinigt. An Früchten von ganz besonderer Grösse und Schönheit sind von Birnen: William’s Christbirne von über ', kg Gewicht; Mapp’s Lieb- ling, Schwesterbirne; Diels’s Butterbirne; Amanli’s holzfarbige Butter- birne; Pastorenbirne u. a. m.; von Aepfeln: Kaiser Alexander von enormer Grösse, Canada - Reinette, Langton’s Sondergleichen, Weisser Winter-Calvill, Winter-Gold-Parmäne, Jacques Lobl u. a.; von Pflaumen: Vietoria, Jefferson und Chamal’s herbstliche Pflaumen. Der Sammlung war ein Plan des Obst- und Gemüsegartens zu Hart- lieb, dem Herrn Rittergutsbesitzer Julius Schottländer gehörig, bei- gelegt, wo vorstehende Sorten als Spalier- oder Pyramidenbäume an- gepflanzt sind, | Die Ausstellung solcher Tafelfrüchte, welche den französischen Schaustücken ebenbürtig sind, wird manchem Liebhaber den erwünschten Fingerzeig bieten, welche Sorten für unser Klima in geschützten Lagen passen. Graf Tschirsky -Renard’s Gärtnerei Schlanz, Obergärtner Schröter, hat auf der langen Seitentafel eine an Zahl und Güte gleich- 17* 260 Jahres - Bericht falls bedeutende Obsteolleetion am Platze. Hervorzuheben sind die im kalten Hause getriebenen Pfirsich und Trauben, welch’ letztere aller- dings vollkommen in den Hintergrund treten neben den drei Riesen- trauben aus Graf Guido Henckel’s Schlossgärtnerei Neudeck, Garten- director Fox. Diese Trauben — Sorte Barbarossa — messen 60 cm Länge und wiegen je 2—3 kg. Daneben liegen von demselben Züchter enorme Pfirsich der Sorte „Admirable Yellow‘. Die Mittelgruppe der Gallerie ist zusammengestellt von Franke und Dammann jr., Letzterer hat prächtig weissblühende Eucharis ama- zonica am Platze. Gegenüber diesen Eucharis und dem reich besetzten Tisch der Ehrengeschenke hängen an der Wand zwei kleine Pläne, welche für Breslau von hoher Bedeutung sind. Beide Pläne behandeln die Bepflan- zung des Rossplatzes nach einer von Guido v. Drabizius ausge- schriebenen Concurrenz, welche für den besten Plan 200 Mark, für den zweitbesten 100 Mark aussetzte. Bedingung ist die gerade Durchlegung der Rossgasse nach der Trebnitzer Chausse und ein grosser, frei zu haltender, eventuell so absperrbarer Ausstellungsplatz, dass durch diese Sperrung der freie Verkehr im Parke nicht gehindert wird. Der beste Löser der sehr schwierigen Aufgabe, da die Wüstenei des Rossplatzes eine sehr unglückliche Gestalt hat, ist Herr Garten- künstler Richter, Obergärtner der Julius Schottländer’schen Schloss- gärtnerei Hartlieb. Der Plan zeichnet sich nicht nur durch saubere und correete Zeichnung in einem Farbenton (Neutraltinte) aus, sondern be- handelt das ganze Project in ebenso genialer als praktischer Auffassung. Auch dem zweiten Plane, dessen Entwerfer Herr ÖObergärtner Ledien ist, wurde reiche Anerkennung der Preisrichter gezollt und auch speeiell die praktische Seite gerühmt. Von den anderen Plänen sind noch zu erwähnen Baumeister Sixt-Breslau, der architektonischen Gliederung seines Planes wegen — der Platz ist in vollkommen regelmässiger Manier behandelt. Lindahl- Würzburg zeichnet sich durch sehr saubere Zeichnung aus, was man von den weiteren Coneurrenten nicht sagen kann. | Herr Landschaftsgärtner Lüdtke hatte einen Traum auf das Papier gezaubert, den leider ältere Breslauer wohl nieht mehr erleben werden, aber wir müssen auch des Nachwuchses gedenken! Herr Lüdtke hat in musterhafter Weise einen grossartig gedachten Stadtpark entworfen, welcher den Rossplatz, Schiesswerderplatz und die Füllerinsel mit der Aue zu einem einzigen Ganzen vereinigt. Es wäre prachtvoll, wenn sich das Projeet verwirklichte; jedenfalls ist die Leistung voll anerkannt und mit dem höchsten Preise, der goldenen Medaille, ausgezeichnet worden. Wenden wir uns nun endlich dem Hauptportale zu und steigen in den Saal hinab, so blieb der überraschte Blick, der all’ das Schöne gar der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 261 nicht auf einmal fassen konnte, zunächst auf der Mittelgruppe haften, welche von der Eichborn’schen Gärtnerei, Öbergärtner Schütze, einer unserer besten Cultivateure, arrangirt war, Eine schirmartig hochstämmig gezogene Lapageria rosea (Chili), mit ihren wunderschönen grossen, rosa leuchtenden Blüthen behängt, bildet das Mittelstück, um dessen Fuss sich zartblühende Orchideen und noch zarter gefärbte Blätter südamerikanischer Caladien zu einem bunten Bilde vereinigen mit dem farbenprächtigen Cissus discolor und sonderbaren Bromelien. Aus den Orchideen nennen wir als Seltenheiten Sobralia Galeottiana mit mächtigen rosafarbigen Blüthen, Aerides quinguevulnerum, weisse Blume in Traubenform, mit je fünf Blutflecken; Odontoglossum Alexandrae, die jetzt beliebteste Orchidee, und Mesospinidium vulcanicum (Mexico) mit rothen Rispen. Tillandsia Zahnit zeigt gelbe Blüthen in rothen Blättern. Hochinteressant ist Caraguata cardinalis in der linken Wandgruppe, sie hängt an einem Baumstamm und zeigt ihr leuchtend hochrothes Centrum. Ihr zur Seite steht die mächtige Banane Musa superba und der vielgenannte Baum der Reisenden Ravenala madagas- cariensis, in dessen breiten Blattscheiden sich der Thau sammelt und die so zum Reservoir werden. Kentien und Areca Baueri mit mächtigen Fiederwedeln, Anthurium magnificum, Warocqueanum u. s. w. zeigen ihre herrlichen Blätter und bilden die zweite Eichborn’sche Gruppe. Im Mittelbeete prangten als Einzelpflanzen ein capitaler Phoenix leonensis von Herrn Stadtrath Lange in Brieg, ein Üycas revoluta von Lorenz - Bunzlau und zwei riesige Büsche des zarten Farnkrautes Adiantum farleyense von Herrn Julius Schottländer in Hartlieb, Obergärtner Richter. Links neben der mächtigen Musa stand eine gute Blattpflanzengruppe des Herrn Geh. Commerzienrathes Heimann-Scheitnig, Obergärtner Kober, aus welcher wir den sehr gesunden Pandanus utilis — Schrauben- baum —, dessen Blattfasern das Bekleidungsmaterial der Eingeborenen Oceaniens liefern, hervorheben. Auf der anderen Seite des Saales fanden wir drei Gruppen eng zusammengepresst, links Lorenz-Bunzlau mit Cycas revoluta, dem weiss- gerandeten Pandanus Veitchi, Rhapis u. s. w. in schönen gesunden Pflanzen. Daneben die von Gesundheit strotzenden, tadellos schönen Blattpflanzen von Herrn Fabrikbesitzer Rösler-Scheitnig, Obergärtner Steinert. Die hierher gehörigen starken und sehr schönen Seaforthia elegans, Phoenix silvestris und Latania aurea mussten leider wegen Raum- mangel im Freien untergebracht werden, wo sie ein steter Anziehungs- punkt waren, Die rechte Gruppe gehört Herrn Leo Sachs-Scheitnig, Obergärtner Siebert, und umschliesst Warmhauspflanzen verschiedenster Art, — Die südliche Wand schliesst Herr Handelsgärtner Senzky-Scheitnig mit 262 Jahres-Bericht Lorbeerbäumen, Blattpflanzen aller Art und blühenden Gesneria cardinalis ab. Das Mittelstück bildet eine eben zur Blüthe gelangende Dracaena umbraculifera, deren mächtiger Blüthenstrauss tausende von blauen Einzel- blüthen in einigen Wochen trug. Senzky’s Pflanzen zeichnen sich sämmtlich durch gute Pflege und gutes gesundes Aussehen aus. Die Kaisergruppe ist von Ed. Breiter-Breslau gestellt und imponirt besonders durch zahlreiche Musterexemplare von Palmen. Ein mächtiger Dioon edule (Mexico) von tadelloser Schönheit deckt den linken Flügel, während rechts ein starker Chamaerops excelsa prangt. Sehr gute bunt- blätterige Dracänen sind sehenswerth und zeigen, dass die gute Cultur, durch welche die Pflanzen des alten Eduard Breiter — der „alte Eduard“ war durch Jahrzehnte die bekannteste Erscheinung der schlesischen Gärtnerwelt — sich auszeichnete, von dem Sohne in unverminderter Weise gehandhabt wird. Die colossale Büste des Kaisers wurde überragt von einer guten Seaforthia elegans des hiesigen botanischen Gartens. Eine ausserordentliche Anziehungskraft auf das Publikum übte die grosse Pilzausstellung des Herrn Oberstabsarzt Dr. Schröter aus. Sie zerfiel im Wesentlichen in drei Gruppen, deren erste die parasitischen, schädlichen Pilze umfasst. Aus den Parasiten der Laubhölzer erwähnen wir Rhytisma acerinum, den Tinteufleckpilz der Ahornblätter. Polystigma rubrum bildet den Roth- fleck der Pflaumen, Exobasidium Rhododendri treibt die Blätter der Alpen- rosen in Tirol und der Schweiz gallenartig auf, die weissen Aepfelchen, welche er bildet, schmecken fruchtsäuerlich und werden gegessen. Schinzia Almi bildet die eigenartigen Knollen an den Wurzeln der Erlen. Von Stammbewohnern heben wir hervor: Polyporus igniarius den falschen Feuerschwamm, P. fomentarius den echten Feuerschwamm, Birkenschwamm, Eichenschwamm u. s. w. Unter den Pilzen, welche Früchte befallen, ist der auffälligste Exoascus Pruni, durch dessen Wuchern die Pflaumen zu unförmlicher Figur (Taschen) aufgeblasen werden und sich vorzeitig bläuen. Die Schmarotzer der Nadelhölzer zerfallen in Bewohner der Nadeln, z. B. Fichtenrost (Aecidium abietinum), der Pilz, welcher die Hexenbesen verursacht (Aecidium elatinum), 'Tannenrost (Chrysomyxa abielis) u. Ss. W., in Stammpilze, z. B. den Wacholderschwamm (Gymnosporangium clavariae- forme), Kiefernschwamm (Trametes Pini) u. s. w., und in Fruchtpilze, darunter Aecidium strobilinum, der Fichtenzapfenpilz. Zahlreiche Parasiten leben auf Getreide und Gemüse, es sind davon u. a. ausgestellt Plasmidiophora brassicae, welches die von den Gärtnern so gefürchtete Kropfkrankheit des Kohls hervorruft; Peronospora infestans, der Pilz der Kartoffelkrankheit; Cystopus candidus, der weisse Rost des Kohls und der Kresse; Üystopus Amaranthi, der weisse Fuchsschwanzrost ; der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 263 Ustilago segetum, der Hafer- und Gerstenbrand; Puceinia graminis, der Getreiderost; Uromyces Pisi, der Erbsenrost, und zahlreiche Mehlthau- arten, von denen viele arge Verwüster von Culturpflanzen sind. Die sehr zahlreich ausgestellten frischen Schwämme waren in ihrer natürlichen Stellung auf Moos ausgestellt und wurden fast täglich er- neuert, was bei der herrschenden Dürre grosse Schwierigkeiten machte, Von den täglich von auswärts eingehenden Nachsendungen verdankte die Ausstellung die besten der v. Thielau’schen Forstverwaltung in Lampers- dorf im Eulengebirge. Es waren etwa 80 Pilzarten frisch ausgestellt, welche in giftige, essbare und unschädliche Pilze classifieirt waren. Speciell waren fast alle essbaren Pilze vertreten, der Steinpilz und seine Verwandten, Graukappe, Schmerpilz, Hasenpilz und Schälpilz. Essbare Löcherpilze sind der Eichhase und der Schafpilz, von Stachel- pilzen ist der Hirschschwamm und der Igelschwamm vertreten. Unter den Reiskern leuchten uns entgegen Blutreisker, Milchreisker und Grün- reisker, und an Ziegenbärten sehen wir den gelben und den weissen, sowie den Feisterling, welcher Kopfgrösse hat. Der seltene Leberschwamm (Fistulina hepatica) lässt sich wie Beefsteak zubereiten. Dem bekannten Pfifferling oder Galuschel reihen sich die Trüffeln an. Für Schlesien ist die weisse Trüffel die interessanteste, welche in ausgezeichneten Exemplaren ausgestellt ist. Diese Exemplare stammen von Herrn Fabrikbesitzer Ulbrich in Diersdorf bei Nimptsch, während die weisse Trüffel sonst nur in Oberschlesien vorkommt, wo sie als sehr werth- voller Handelsartikel gesammelt wird. Boviste und Verwandte schliessen diesen Theil, an den sich nun Giftpilze anreihen. Unter ihnen die durch Figur und Geruch gleich schamlose Giftmorchel Phallus impudicus, der allbekannte Fliegenpilz, der Giftreisker, der scharfe Pfifferling, der Schwefelkopf, die falsche Trüffel oder Hartbovist, mehrere giftige Täub- linge u. s. w. | Die Giftmorchel sieht anfangs einem Ei täuschend ähnlich — Hexenei —, sprengt dann an der Spitze die Eihaut und schiesst rasch den weissen Stiel und grünschmierigen Morchelkopf mit weissumrandeter Mittelöffnung hervor. Entwickelte Exemplare rochen so stark und frappant nach Leichen, dass sie nur kurze Zeit im Saale bleiben durften, Boletus strobilaceus ist ein eigenartiger schwarzer Lochpilz und Poly- porus Schweinitzii einer der grössten Waldpilze. Eine reiche Sammlung interessanter Pilze, welche sich nicht frisch beschaffen lassen, war getrocknet oder in Weingeist aufgestellt, z. B. die Morcheln mit der fusslangen Morchella elala, Erdsterne, Hausschwamm, Riesenboviste und Pilzmonstrositäten. Einige Tableaus gaben die nöthigen Erläuterungen und mehrere Tafeln guter Abbildungen vervollständigten das Bild. Die Tabellen der 264 Jahres- Bericht chemischen Zusammensetzung waren mit einer Tinte geschrieben, welche vom Tintenpilze (Coprinus-Arten) bereitet war und nur von den mikro- skopisch kleinen Sporen des Pilzes herrührte. Aus den Tiefen des Saales wollen wir noch erwähnen das vorzüg- liche Obst von Graf Limburg-Stirum zu Peterwitz, bei welchem die Preisrichter neben der Schönheit der Exemplare ganz besonders die durchweg richtige Benennung anerkannten. In derselben unteren Seiten- gallerie standen Ananas von mehreren Einsendern, worunter die gräflich Schaffgotsch’sche Garten - Verwaltung Koppitz, Garten - Inspeetor Hampel, eine Reihe Pflanzen von der Knospe bis zur reifen Frucht vorführte. Durch vorzügliche Cultur ist die Ananas so weit dressirt worden, dass Sommer und Winter für sie nicht existirt, sondern sie zu jeder Zeit blüht und reift. Sehr schöne Ananasfrüchte haben ausgestellt Garten - Verwaltung Franzdorf, Obergärtner Baar, Garten - Verwaltung Schlegel, Obergärtner Pohl, und Herrschaftsgärtnerei Bankwitz, Ober- gärtner Hoppe. Aus dieser aromreichen Gallerie heraustretend, kreuzen wir den an Vormittagen duftig kühlen Saal und treffen in der gegenüberliegenden unteren Gallerie auf die sehr reichhaltige Colleetion gärtnerischen Hand- werkszeuges von Gustav Bild in Brieg; eine grosse Reihe von Instru- menten zeigte neue, praktische Formen, meist nach amerikanischen oder englischen Mustern, aber solider und eleganter als diese. Die linke Treppe an der Kaisergruppe führte unmittelbar vor das srossartige Fruchtarrangement von L. Schneider hier, einem unserer thatkräftigsten Handelsgärtner, der an dem sichtbaren Aufschwunge der Breslauer Handelsgärtnerei einen wesentlichen Antheil trägt. Fast in allen Conceurrenzen, an denen L. Schneider sich betheiligte, trug seine Arbeit die ersten Preise davon, und die gerade für Marktpflanzen fast nur aus auswärtigen Handelsgärtnern von Ruf gebildete Jury sprach sich unverhohlen dahin aus, dass sie überrascht sei, so viele mustergiltige Leistungen hier vereint zu sehen. Die Coneurrenz für L. Schneider war eine sehr scharfe, der vielseitige Erfolg dafür um so ehrenvoller. An Bindereien betheiligte sich L. Schneider in ausgedehnter Weise, ein Phantasie - Arrangement allein war eingerahmt von 5000 gleich- farbigen dunklen Scabiosen. Von ihm stammten auch die originellen Ideen, Damenhüte aus Hahnenkämmen oder aus zartem Blattwerk zu formen, und sehr gut arrangirte Blumentische, sowie zart und elegant ausgeführte Bindereien vervollständigen das Gesammtbild der Schneider- schen Ausstellung im Saale. Am oberen Ende derselben Tafel hatte Baumschulenbesitzer Behnsch- Dürrgoy eine farbenprächtige Sammlung von Gladiolus in reicher Fülle ausgestellt, welche fortwährend erneuert und ergänzt wurde. Neben den der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 265 leuchtenden Gladiolen präsentiren sich abgeschnittene Gehölzzweige der Behnsch’sehen Baumschule in allen Blattformen. Auf der Fenstertafel stiessen wir auf die absolut naturgetreu ge- arbeiteten künstlichen Blüthen der Firma Christine Jauch (Fr. Hantelmann) zwischen Myrthen- und Orangenblättern und mit diesen als Brautgarnitur verbunden. Die Proben der Jauch-Stein’schen Flora artefaeta zeigten, welche ausserordentliche Lebenstreue geschickte Ar- beiterinnen dem Stoffe zu geben vermögen, Feuerlilie, Seerose, Baum- wolle sind nur durch das Gefühl von lebenden Pflanzen zu unter- scheiden. Eine uralte Forstbibliothek hatte Graf Praschma-Falkenberg ge- sandt. Jeder Band besteht aus dem Holze eines Baumes und zeigt, aufgeklappt, im Innern die getrockneten Blätter, Blüthen, Früchte und Holzabschnitte des betreffenden Baumes. Das Werk ist eine forst- botanische Seltenheit ersten Ranges. Daneben produeirt sich uns eine gut erdachte Verwerthung der Wurzelgemüse. Garrick-Charlottenburg schnitzt ans Mohrrüben, Kohl- rabi, Zwiebeln, Sellerie, Radies u. s. w. niedliche Blumen, welche, zu Tableaus und Kränzen vereinigt, nicht nur originell, sondern auch hübsch sind und in eigener Weise das Schöne mit dem Nützlichen vereinigen. Der vor uns liegende kleine Saal gehört den Malerinnen und Bin- derinnen. Von Ersteren hat Fräulein Henny Deppermann sich mit einem Wandplätzchen im grossen Saale hinter der Kaisergruppe begnügen müssen. Von den dort leider schlecht beleuchteten Bildern ist besonders eine Gruppe blühender Orchideen hervorzuheben. Der verdienstvollen Künstlerin verdankt die Ausstellung auch den Entwurf zum Ehrendiplom, dessen Skizze zwar ausgestellt war, dessen Ausführung schliesslich aber leider unterbleiben musste. Einer hoffentlich bald folgenden Ausstellung von Frühjahrspflanzen wird der prächtige Entwurf der jungen talentvollen Künstlerin dafür zum Diplommuster dienen. Fräulein Hedwig Koch hat unter anderem eine sehr effeetvolle Gruppe Warmhauspflanzen ausgestellt, Fräulein Nees von Esenbeck mehrere Blumenstücke in ebenso feiner Durchführung wie sinniger Auf- fassung, und Frau Geheimrath Storch führt uns eine blühende Königin der Nacht, vom Mondlicht überfluthet, vor. Unter den Bindereien nimmt in diesem Saale den unstreitig ersten Platz die Schlossgärtnerei Schüsselndorf ein, welche den Reigen um die goldene Medaille eröffnet mit einem gemäldeartig gruppirten Phantasie- stück aus Lilien, Eucharis u. s. w., umrahmt von Seabiosen, Schüsselndorf, welches früher schon auf anderen Feldern der Gärtnerei Hervorragendes leistete, hat sich jetzt offenbar auf Blumentreiberei und Binderei concentrirt, Die zahlreichen, fast täglich erneuerten Einzel- objeete sind durchweg gut und von einfachem, soliden Geschmacke ge- 266 2 Jahres-Bericht tragen. Ueberhaupt müsssn wir den anwesenden Bindern das Lob spenden, sich durchweg auf geschmackvollem Gebiete zu bewegen. Absurditäten, wie wir sie noch vor kaum mehr als Jahresfrist in Berlin sahen, aus Blumen gestickte Thiere und Meuschen, fehlen glücklicher- weise ganz und überall macht sich das Bestreben nach leichten, gefälligen Formen bei genauer Beobachtung der Farbengesetze geltend, ‘ Sehr gute Bindereien constatiren wir noch mit Freuden von Senzky- Scheitnig, L. Friedrich, G. Migula, A. Ulrich und Schmiedeck- Sagan. Damit schliesst der Rundgang durch den Saal, in dem durstige Ge- müther übrigens ganz vorzügliche Erfrischung an den sehr guten Brause- Limonaden von Dr. Prätorius fanden. Dr. Prätorius hatte zahlreiche Pilanzenextracte ausgestellt, theils in der Form von Riechkissen oder aromatischen Essenzen, theils in der mit Recht so beliebten Form der Liqueure. Eine viel angestaunte Flüssigkeit war die „künstliche Ver- dauung‘‘, welche der Aussteller gern persönlich erläuterte. Neben dem durch Dimensionen und Eleganz gleich ausgezeichneten Haupt’schen Gewächshause standen zwei kleinere Häuser von Herz u. Ehrlich mit eigenartiger Dachconstruction, in welchen Breslauer Handelsgärtner uns ihre Producte vorführten. In dem ersten Häuschen waren sehr gute Marktpflanzen von Rabe und von Wohnig hier aus- gestellt. Die Rabe’schen Pflanzen zeigten gute Entwickelung und ge- sundes kräftiges Colorit, ebenso imponirt die Fülle der Wohnig’schen Begonien durch ihr tadelloses Aussehen. Eine wenig bekannte Pflanze ist die von Wohnig ausgestellte Tapeinotes Carolinae, welche zwischen elegant geformten broneirt braunen Blättern wunderlich geformte rahm- weisse Blüthen trägt. Das folgende Haus bot uns farbenfrische Gloxinien von Geheimrath Heimann-Scheitnig (Obergärtner Kober), besonders gefielen die neuen getuschten und leopardirten Sorten, daran reihten sich von demselben Aussteller werthvolle Bromelien in reichem Sortiment, theils ausgezeichnet durch die Farbe ihrer Blätter oder die hochroth leuchtenden Deckblätter der meist unscheinbaren Blüthen, welche nicht selten zu bizarren Blüthen- stauden vereinigt sind. Besonders, Tillandsia anceps fällt auf durch ihre an einen Biberschwanz erinnernde Blüthenstandform. Auf dem Mittel- beete sahen wir sehr gute, allerdings jetzt nicht blühende Handels- Orchideen der Eichborn’schen Gärtnerei, deren Leitung in den Händen des Herrn Obergärtner Sehütze ruht. Leider ist der Handelsverkehr dieses Gartens völlig sistirt, aber um so lieblicher lacht die Pflanzen- pracht dieser Idylle im grossstädtischen Leben dem Besucher entgegen und spricht für die Sicherheit der gärtnerischen Hand, welche seit langen Jahren dies schöne Stückchen Erde mit Floras Kindern im steten Wechsel schmückt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 367 Auf derselben Tablette standen zahlreiche gute Farne des herzog- lichen Parkes zu Sagan, dessen Blumenfülle wir das nächste Haus (von Allgöver’s Nachfolger — A, König —) zu einem Schmuckkästchen umbilden sehen. Seit vierundzwanzig Jahren verwaltet Garten - Director Gireoud den herzoglichen Park in Sagan und pflegt auf den Aus- stellungen stets mit einer Reihe Leistungen ersten Ranges zu brilliren, Auch hier in Breslau ist Direetor Gireoud dieser alten guten Gewohn- heit treu geblieben und zeigt uns wundervolle Begonien mit leuchtend rothen gefüllten und einfachen Blüthen, zahlreiche Blattpflanzen von im- ponirender Form und kräftige Bananen im Hintergrunde. Ein wunder- schönes Polypodium Reinwardtii zeigt uns seine zwei Meter langen Wedel, weiss liniirfe Anthurium und gelb panachirte Dracaena Massangena und Lindeni, imponirten nicht nur dem Laien, sondern auch dem Gärtner. Die auf der Ausstellung vereinigten Gärtner hatten Herrn Garten-Director Gireoud eine besondere Festlichkeit gewidmet und feierten mit ihm am 7. September den Tag, an welchem er vor fünfzig Jahren seine gärtnerische Thätigkeit begann. Die Rüstigkeit des Jubilars bürgt dafür, dass er noch lange seine Kräfte dem Dienste des Gartenbaues widmet. Vor den erwähnten .drei kleinen Häusern hatte Guido v. Dra- bizius einen Garten von Formobstbäumen eingerichtet, in welchem Cordons, Palmetten, Spindeln, Pyramiden und wie die Kunstausdrücke der gärtnerischen Technik dieses Faches alle lauten, durchweg in Muster- exemplaren vertreten sind. Der Werth dieser Formbäume liegt darin, dass die Früchte derselben sich unendlich besser entwickeln, als das am Hochstamm der Fall ist, dass in gleicher Weise das Aroma und die Güte der Frucht steigt und dass diese Culturmethode den geringsten Raum beansprucht. Für die Güte der Drabizius’schen Obstbäume sprach eine lako- nische Notiz im Saale. Auf den ausgezeichnet schönen Früchten des Rittergutsbesitzers Julius Schottländer (Schloss Hartlieb) lag ein Zettel: „Die Bäume, von welchen dieses Obst stammt, sind s. Z. von G. v. Drabizius gekauft worden.‘ Die Zäune, welche dieses Musterobstgärtehen umschlossen, waren von Herz u. Ehrlich geliefert. An einer Reihe industrieller Schaustellnngen vorbei führte uns der Weg in ein abermals Allgöver-König’sches Haus, in welchem uns beim Eintritt — rechts — eine sehr zarte Colleetion bunter Dracaenen begrüsste, welche Herr Commerzienrath M oll-Brieg (Obergärtner Krause) gesandt hatte. Die einzelnen Pflanzen sind zwar noch jung, die Fär- bung daher nicht immer schon vollkommen markant, aber dafür stehen die Pflanzen in prächtiger Cultur und werden sich zu voller Schönheit entwickeln. Die Querwand des Hauses hat der königliche bota- nische Garten — ausser Conceurrenz — mit Araceen besetzt, eine 268 Jahres - Bericht Familie vorwiegend tropischer Pflanzen, deren Specialstudium der jetzige Director des Gartens, Professor Dr. Engler, sich seit Jahren gewidmet hat. Die Variationen der Blattformen sind in dieser Familie ausser- ordentlich. Die meist selten erscheinenden Blüthen standen in Spiritus- präparaten zur Schau, Ausserdem hat der botanische Garten Gespinnstpflanzen aller Art, Jute, Ramie, Hanf, Nessel, Baumwolle u. s. w. sammt den Gespinnst- fasern ausgestellt. An der Seitenwand präsentiren sich in einem Glas- kasten kleinere fleischfressende Pflanzen, Drosera- Arten, welche durch vogelleimartige Ausscheidungen Insecten fangen, und Sarracenien, deren lange Schläuche Insectenfallen sind. Von Garten-Inspeetor Stein persönlich -war eine in Schlesien ein- führbare neue Culturpflanze am Platze. Zizania aquatica, der nord- amerikanische Wasserreis, dessen grosses, haferartiges Korn in Nord- amerika als Geflügelfutter und als Nahrungsmittel sehr geschätzt ist. Auch das Heu dieses Grases ist weich und zart, dabei ist die Pflanze vollkommen winterhart und ausdauernd. Sie wächst im Sumpfterrain, auf sogenannten sauren Böden, welche sonst der Landwirthschaft völlig verloren gehen, so dass der Anbau also in vielfacher Hinsicht lohnt. Im selben Hause sehen wir die schönen Begonien der Herzoglich Ratibor’schen Garten - Verwaltung zu Schloss Rauden, Hofgärtner Peicker, sowie gute Begonien von Handelsgärtner Zukale-Rosenthal und farbenbunte Coleus (javanische Taubenesseln) in üppiger Fülle von Handelsgärtner Eilenfuss in Breslau, welche eine immer beliebtere Zimmerpflanze werden. In dem Schott’schen Hause am Nordrande des Gartens finden wir die guten Handelspflanzen von H. Schubert-Domplatz. Die gesammte Collection sind handliche, schöne Exemplare, wie geschaffen für den Blumentisch. Die Gewächshäuser umfassten zwar naturgemäss den werthvollsten Theil der ausgestellten Pflanzen, aber auch im offenen Garten hatte eine grosse Zahl gärtnerischer Leistungen ersten Ranges ihren Platz gefunden. Gleich der erste Blick des Eintretenden fällt auf die Teppichbeete, welche Garten - Inspeetor Hampel-Koppitz arrangirt hatte. Welche mühsame Arbeit, welches ungeheure Pflanzenmaterial in diesen Teppich- beeten steckt, zeigt die Berechnung der Pflanzenzahl eines solchen Beetes. Selbst das kleinste dieser Beete zählte 12—15 000 Stück Einzelpflanzen, welche in genau abgetönten Farben zu harmonischen Mustern geordnet sind und auch zum billigsten Handelspreise einen Werth von circa 200 Mark repräsentiren. Hampel hat nicht nur das Ver- dienst, für Einführung stylgerechter Muster seit langer Zeit gearbeitet zu haben, sondern er ist auch der Schöpfer der erhaben gearbeiten, so- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 269 genannten plastischen Teppichbeete, welche wir vor dem mittleren Saal- eingange paradiren sahen. Diesen Saaleingang flankirten zwei prachtvolle Orangenbäume der königlieh sächsischen Gartenverwaltung in Sibyllenort (Hofgärtner Kurz- mann). Während in vergangenen Jahrzehnten Orangerien durch ganz Schlesien verbreitet waren, ist diese Cultur jetzt ganz geschwunden. In dem von Breslau aus erreichbaren Terrain ist es ausschliesslich noch Sibyllenort, wo sich eine grössere Zahl Orangen in Cultur befindet. Die hier ausgestellten Exemplare, zu deren Transport das königlich sächsische Hofmarschallamt speeiell Erlaubniss ertheilt hatte, sind wahre Cabinetsstücke an Grösse, tadelloser Form der riesigen Krone, Fülle und gesundem Colorit des Laubwerkes. Sibyllenort ist ausserdem vertreten durch die Speeialeultur des neuseeländischen Clianthus Dampieri, einer sehr schwer gedeihenden Pflanze, deren grosse brennend roth mit schwarzem Auge gezeichneten Schmetterlingsblüthen allgemeinstes Auf- sehen erregen. Mächtige baumartige Draeänen legen im Weiteren Zeug- niss dafür ab, mit welcher Sorgfalt die Pflanzen des letzten Herzogs von Braunschweig weiter gepflegt werden. Den grossen Eingangsweg des Gartens sperrten die harmonisch ge- ordneten Marktpflanzen-Gruppen des Handelsgärtners J. Härtel-Schmiede- feld, der durchweg vorzügliches Material geliefert hat. Da die Firma erst kurze Zeit existirt, wird die Anerkennung, welche ihr allseitig zu Theil wurde, dem Aussteller ein Sporn sein, auf der betretenen Bahn weiter zu gehen. Im nächsten Quartier treffen wir die sehr schönen Remontantnelken von Roggenbuck in Steglitz. Neben der Rose beginnt die Nelke immer mehr sich in der Binderei Bahn zu brechen, natürlich haben den höchsten Werth die wiederholt blühenden Sorten. Den Schluss dieses Feldes macht die Ausstellung von L. Schneider hier, aus welcher be- sonders die grosse Gruppe Tuberosen Beifall findet, deren wundervolles Parfum Abends auf mehr als 50 Schritt uns entgegenduftete. Umsäumt sind die weissen Tuberosen von gut eultivirtem Phlox und in den Neben- beeten erfreuten uns gleichmässig schöne Hahnenkämme, Fuchsien, Mar- guerites, Lobelien, Myrthen und Marktpflanzen aller Art. Diejenigen Pflanzen L. Schneider’s, welche die volle Sonne nicht vertragen, waren in einem grossen Zelt am Südrande des Gartens vereinigt; vorzügliche Cyclamen, chinesische Primeln, hochstämmig gezogene Haargräser (Iso- lepis) gruppirten sich hier mit feurigblühenden Begonien, Auf dem Rasenplatze neben den Schneider’schen Tuberosen ruhte das zweite Teppichbeet der Ausstellung, von Hofgärtner Cornelius in Primkenau zusammengestellt, Der grosse Querweg, welcher sich hinter der Bierquelle rechts ab- zweigt, hatte ein Feld Marktpflanzen aufgenommen, in welchem die 270 Jahres - Bericht blühenden Camellien von Lorenz-Bunzlau um diese Jahreszeit besonders auffielen, die Camellien sind den schönen Azaleen und Myrthen des- selben Ausstellers ebenbürtig.., Fast noch bessere Camellien hatte Handelsgärtner C. A. Nagel hier ausgestellt, denen sich diejenigen von F. Schmidt-Sagan anreihen. Sehr gut eultivirte Cyclamen helfen diese Handelspflanzenbeete ausfüllen, neben welche sich links vorzügliche buntblätterige, als Hochstamm gezogene Gehölze von R. Schönthier- Breslau gruppirten. R. Schönthier hat ausserdem sehr praktische, von ihm selbst erfundene Spargelstecher ausgestellt und eine ganz wesent- liche, patentwürdige Verbesserung an Gartenschnuren, deren stetes Drehen und baldiges Reissen eine stehende Klage der Gärtner ist. Rechts von dem Felde, in welchem Huhndorf seine geschmackvollen Blumentische ausgestellt hatte, stand eine wirkliche Neuheit auf gärtnerischem Gebiete, hochstämmige Cassia floribunda von Guder-Schalkau in voller Blüthen- pracht. In dem dunkelblaugrünen Laube ist der Effeet der goldgelben Sträusse grosser Blüthen ein sehr bedeutender und wirkungsvoller. Guder-Schalkau ist unseres Wissens der Erste, welcher die Idee ge- habt, den niedrigen nordamerikanischen Busch als halbhohen Kronen- stamm zu ziehen. In derselben Gegend erfreut sich das Auge an den bunten Coleus- Büschen der Villa Heimann-Scheitnig (Obergärtner Dorn) und etwas weiter unter schattigen Bäumen begrüssen wir Myrthen und Azaleen erster Güte von A. Ullrich in Rosenthal, sowie Myrthen und neu- holländische Melaleuken von Gringmuth. Passiren wir dann den leider meist etwas versumpften, neu angelegten Querweg, welcher den Rasen- platz hinter dem Bierzelte zerlegt, so nickt uns der Riesenkolben einer abyssinischen Banane Musa Ensete entgegen, welche Brosowski-Nieder- Struse ausstellte, während im Hintergrunde die Blattmasse einer gleichen Banane das Tropenbild vervollkommnen half. Unter den elektrischen Lichtstrahlen bot dieser Platz Abends ein wahres Wunderbild, welchem sich anderer, schier märchenhafter Weise der Lichteffeet am Victoria regia-Teiche anschloss. Hier konnte man des unglücklichen Bayern- königs Schwärmerei für elektrische Beleuchtungseffeete im Garten ver- stehen lernen. Der Vietoria -Teich, dessen Bewohnerin während der Ausstellung zwei Blüthen zeigte, hatte noch einem grossen Zuckerrohr- busche und Lotosblumen Aufnahme gewährt. Die zahlreich vertretenen Nadelhölzer hatten im Garten mitunter ihren Platz so vortheilhaft gefunden, dass der Laie glaubte, sie gehörten zur Decoration des Gartens. Ein grosser Theil Handels -Nadelhölzer musste ausserhalb des Gartens untergebracht werden, ihnen schloss sich die gesammte Menge der Baumschulartikel an, so dass in der grossen Kastanien-Allee, welche den Garten nach der Stadt zu umgiebt, eine Ausstellung für sich entstanden war. Die rasche Umzäunung dieser der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 971 grossen Fläche mit hohen und festen Drahtzäunen in den verschiedensten, durchweg soliden und guten Mustern hatte Algöver’s Nachfolgers (A. König) in kürzester Zeit hergestellt. Auf dem Gebiete der Nadelhölzer und Baumschulen waren es drei Firmen Breslaus, welche sich scharfe Concurrenz machten. Guder- Carlowitz und G. v. Drabizius führen sie in Coniferen, R. Behnsch- Dürrgoy und G. v. Drabizius in Baumschulartikeln, Letzterer besonders noch in Obstbäumen. Sehr gute Obstbäume sahen wir aus dem Garten der Section für Obst- und Gartenbau in Scheitnig (Seetionsgärtner Jet- tinger) und vom königlichen pomologischen Institute in Proskau. Die Thätigkeit beider Anstalten um die Hebung des schlesischen Obstbaues beginnt an vielen Orten Schlesiens reiche Früchte zu tragen. Die Gemüsetafel, welche das hinterste Ende des Hauptganges aus- füllte, war kürzer, als es sonst bei Gartenbau- Ausstellungen der Fall zu sein pflegt. Der andauernd trocken-heisse Spätsommer hatte sich als ein schlimmer Feind der Küchengenüsse bewährt. Die Spitze der Tafel nahm die umfassende Collection des Handelsgärtners Wrzodek-Ratibor ein, welcher mehr als 120 Sorten Gemüse vorführt. Interessant sind darunter die blumenkohlartigen vicletten Broceolis, die grossen Kohl- sorten und die sehr guten Wurzelgemüse. Auf dem alten Culturboden im Süden Breslaus erzieht die Biehborn’sche Gärtnerei (Obergärtner Stanke) ihr Gemüse, und zwar in möglichster Vollkommenheit. Das von Stanke ausgestellte Sortiment zeigte nicht nur eine grosse Sorten- zahl in durchweg schönen Exemplaren, sondern es führt uns auch eine Menge Gemüse vor, die nicht alltäglich unser Auge berühren. Runde und lange Körbelrübehen, Bete und Mangold, Tomaten und Artischoken, Cardy und Bleichsellerie sind vertreten, das Auge der Hausfrauen aber weilte mit besonderem Interesse auf den verschiedenen Salaten und auf der reichen Auswahl guter Gurken von gerader und gebogener Form. Auch die Schalotten, Perl- und sonstigen Zwiebeln waren sehenswerth und ebenso das Sortiment Kohlarten, Graf Tsehirsky-Renard (Öbergärtner Schröter-Schlanz) hatte unter vielem Anderen einen mächtigen Speisekürbis gesandt, die H. von Löbbecke’sche Gärtnerei Eisersdorf (Obergärtner Rother) vorzügliche Gurken, die Herrschaftsgärtnerei Bankwitz (Obergärtner Hoppe) volle fleischige Sellerieknollen und Inspector Dietz vom städtischen Kranken- hause in Brieg einen riesigen Kohlrabi von fast 1 m Umfang. Die Speeialeultur der Maiblumenkeime (Convallaria majalis) zum Treiben, welche früher fast nur auf dem Sandboden der Mark betrieben wurde, bürgert sich auch in Schlesien ein. Die Eiehborn'sche Gärt- nerei Gräbschen (Obergärtner Stanke) hat so vorzügliche Keime aus- gestellt, wie sie nur jemals die besten märkischen Züchter lieferten. Der Kenner sieht neben der zart röthlich - violetten Farbe der Triebe 272 Jahres - Bericht hauptsächlich auf die Stärke und dabei Kürze der Keime; je heller, länger und dünner der Keim, um so schlechter entwickelt sich die weisse Glockenähre des Springaufs, wie wir ihn in Schlesien nennen, dessen zarte Glöckchen und feinen Duft wir unterm Weihnachtsbaum nicht mehr missen mögen. Recht gute Convallarien — der Artikel wird millionenweise ver- braucht — stellten noch aus Friedrich in Drossen, F. Schmidt in Sagan und Grobba in Gartz a. O. Der Weg wird uns hier durch das Gitter verwehrt, welches den Privatgarten der Besitzer des Friebeberges abgrenzt. Die Palmen, Lor- beeren und Araucarien hinter diesem Gitter sehen aus, -als wären sie gleichfalls für die Ausstellung präparirt. In Wahrheit ist dies kleine Gärtehen und sein werthvoller Pflanzenschmuck immer in gleich gutem Zustande. Der Veteran der Gartenkunst, Obergärtner Mrosowski, welcher hier herrscht, ist mit seinen Lieblingen innig verwachsen, und die treue Pflege, welche er ihnen angedeihen lässt, zeigt sich in ihrem brillanten Aussehen. Wir haben in unseren Berichten den Lesern nur einen Ueberblick über das Hauptsächlichste der Ausstellung gegeben, ohne die einzelnen Details, und wir können daher auf Vollständigkeit der Schilderung des massenhaften Materials nicht Anspruch machen. Auch den Industriellen gegenüber, welche durch etwa sechszig verschiedene Firmen Objeecte ausgestellt haben, die in mehr oder weniger engem Zusammenhange mit der Gärtnerei stehen — vom Apfelchampagner bis zum Geldschrank, von der Hängematte bis zur Löwenfalle!!, vom chinesischen Gong bis zur Obstdörre ist Alles vertreten — können wir uns nur auf Hervor- hebung einzelner Punkte beschränken. Eine für den Handelsgärtner sehr praktische Neuerung sind die Wagen von Heinrich Weiss-Breslau. Der flache, breite Transporteur ist durch Herunterschlagen der eigenartigen Seitenwände im Augenblick zu einem Verkaufstisch umgewandelt und also auch für den ambulanten Verkehr auf dem Markte von grossem Vorzuge. Unmittelbar ins gärt- nerische Fach schlagen auch die Cementplatten der Firma Erhardt u. Breyer hier, speciell sind es die gerillten und gerippten Platten, welche sich als Belag von Gewächshausfussböden empfehlen. Durch ihre Form halten sie mehr Feuchtigkeit fest als die glatten Platten und gewähren dabei dem Fusse trocknen und festen Auftritt. Die Firma hat auch grössere Cementgussobjecte, Stufen, welche täuschend an geschliffenen Granit erinnern, u. s. w. am Platze. Der Ryde’sche amerikanische Obsttrockenapparat ist zweimal aus- gestellt von Musselman-Breslau und G. Bild-Brieg, letztere Firma zeigt den Apparat im vollen Betriebe. Schälmaschinen entfernen die der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 273 Schale des Apfels, Schneidemaschinen zerlegen die Frucht in platte Ringe und der Apparat trocknet dieselben in kürzester Frist, ohne sie zu dörren oder zu backen, nur durch trockenheisse Luft. Herz u. Ehrlich hatten ein vollständiges Mustersortiment ihres reichen Lagers ausgestellt, Gartentische, Stühle, Pavillons, Gartenlampen praktischer Construction und zahlreiche unmittelbar gärtnerische Artikel. Auch M. Sehott hatte hübsche Gartenhäuser in Eiseneonstruetion zum Verkauf ausgestellt. P. Langosch zeigte Gartenstühle in den variabelsten Formen, Kaschube u. Döring Seilerwaaren, Dühring getriebene Kupfer- artikel, und mehrere Fruchtweinfabriken verabreichten ihre Producte in bereitwilligster Weise. Wenn auch dieser Wein wenig Aussicht hat, Nationalgetränk zu werden, so ist er jedenfalls sehr erfrischend und empfehlenswerth für kalte Schalen und sonstige Küchenzwecke. Stellenweis machte die gewerbliche Halle etwas Jahrmarktseindruck, aber andererseits war sie ein steter Zugpunkt für das Publikum. Ueber die Ausstellung selbst hörten wir nur ein Urtheil aus jedem Munde: „ein völlig gelungenes Werk!“ Dieses öffentliche Urtheil fand seine Grundlage auch in den An- erkennungen, welche die Preisrichter ausgesprochen hatten. Die Bres- lauer Ausstellung kann sich das Verdienst vindieiren, dass ihre Objecte absolut vorurtheilsfrei, sachgemäss und möglichst gleichmässig beurtheilt wurden. Die Zusammensetzung der Jury war eine streng sachliche, denn es standen den in ihr vertretenen 52 praktischen Gärtnern 16 Nicht- gärtner zur Seite, welche sich auszeichneten durch hervorragende Be- deutung auf wissenschaftlichem botanischen Gebiete oder als Besitzer bedeutender Privatgärten oder Techniker von Ruf, so dass alle für den Gartenbau in Betracht kommenden Interessen vertreten waren. Von den 52 Fachleuten waren 26 überhaupt nicht als Aussteller vertreten und 4 von den gärtnerischen Preisrichtern hatten ihre Colleetionen unter Verzicht auf Concurrenz gesandt, so dass nur ein relativ geringer Bruch- theil der Preisrichter unmittelbar an der Prämiirung interessirt erscheinen konnte. Die Eintheilung in Sectionen aber war derartig erfolgt, dass niemals ein Preisrichter in einer Section functionirte, welche seine eigenen Objecte zu beurtheilen hatte, Ein Fehler jeder Ausstellung auf gärtnerischem Gebiete liegt darin, dass in den verschiedenen Sectionen nach der Individualität der Preis- richter ungemein verschieden taxirt wird. Während die strengere Rich- tung nur wirklich ausgezeichnete Leistungen mit ersten Preisen belohnt sehen will, finden sich immer mitleidigere Richter, deren Prineip dahin geht, vorhandene Preise unbedivgt zu vertheilen und eventuell selbst geringe Objecte mit grossen Prämien bedenkt, ehe sie sagt: diese Con- 1886. 18 274 Jahres - Bericht currenz ist allerdings die beste vorhandene oder ist die einzige am Platze, aber sie erhebt sich nicht über das Niveau des Mittelmässigen und verdient daher gar keinen oder nur einen ganz untergeordneten Preis! Um hierin eine möglichst grosse Gleichmässigkeit zu erzielen, wählte die grosse Jury einen Specialausschuss als Ausgleichs-Comite, welcher in eingehendster Weise seine Arbeiten vollzog und seinem Auf- trage allseitig gerecht geworden ist. Von vornherein war in Breslau der berüchtigte Passus weggelassen _ resp. eng umgrenzt worden, welcher in fast allen Ausstellungs - Pro- gsrammen den Ersten Preis Demjenigen zusagt, „welcher die grössten Ver- dienste um die Ausstellung hat‘, und aus Liebedienerei dann meist dem hervorragendsten Comitemitgliede zuerkannt wird. Die nachstehende Liste der Prämiirten beweist, dass gelegentlich der Breslauer Ausstellung keines der vierzehn Comite&-Mitglieder in dieser Art und Weise sich bereichert hat. Die goldene Staatsmedaille wurde, vorbehaltlich der Be- willigung Sr. Majestät des Kaisers, deın Civil-Ingenieur, Obst- und Blumen- treiberei-Besitzer C. Eduard Haupt in Brieg zuerkannt. Wie schon erwähnt, ist die Gewährung dieser goldenen Staatsmedaille trotz mehr- facher, eingehends motivirter Bitten des gesammten Ausstellungs-Comites seitens des zuständigen Ministeriums bei Sr. Majestät nicht befürwortet worden und daher nicht erfolgt. Die Leistungen unseres um Schlesiens Gartenbau hochverdienten Mitbürgers Haupt sind aber nachträglich in vollster Weise anerkannt worden durch die Verleihung des Titels: Königlicher Garten-Director, einer bekanntlich ausserordentlich seltenen Ehrenbezeugung. Ehrenpreise erhielten: Eichborn’sche Gärtnerei (Obergärtner Julius Schütze) (Ehrenpreis der Stadt Breslau) für die beste decora- tive Gruppe; C. Eduard Haupt-Brieg (Ehrenpreis des Herzogs von Ratibor) für gärtnerische Gesammtleistung; gräflich Schaffgotsch’sche Gartenverwaltung Koppitz (Garten-Inspector Hampel) (Ehrenpreis des Stadtraths v. Korn) für das beste Teppichbeet; Handelsgärtner L. Schneider hier (Ehrenpreis des Grafen Tschirsky-Renard) für gärt- nerische Gesammtleistung; herzogl. Gartenverwaltung zu Sagan (Garten- Direetor Gireoud) (Ehrenpreis des Grafen Pückler) für Gesammt- leistung; Baumschulenbesitzer Guder-Carlowitz (Ehrenpreis der Frau Kaufmann Agath) für Gesammtleistung in Coniferen; Handelsgärtner L. Sehneider hier (Ehrenpreis des Schlesischen Central-Gewerbevereins) für Marktpflanzen; Garten-Inspeetor Stein hier (Ehrenpreis vom Kauf- mann George Agath) für eine für Schlesien neue Culturpflanze (Wasser- reis); Handelsgärtner Ed. Breiter hier (Ehrenpreis des Oppelner Gartenbauvereins) für Palmengruppe; Fabrikbesitzer Rösler-Scheitnig der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 375 (Ehrenpreis des Fabrikbesitzers Dr. Schuchard-Görlitz) für Blattpflanzen- Gruppe; gräflich Guido Henckel von Donnersmarek’sche Garten- verwaltung zu Neudeck (Gartendirector Fox) (Ehrenpreis der Frau Commerzienräthin Eichborn) für Trauben und Pfirsiche; C. Ed. Haupt- Brieg (Ehrenpreis des Rittergutsbesitzers Julius Schottländer-Hart- lieb) für die besten Treibrosen; Commissionsrath Benno Milch hier (Ehrenpreis des Ministers Dr. Friedenthal) für originelle Weiter- benutzung des Christbaums; Baumschulenbesitzer Guder- Carlowitz (Ehrenpreis des Grafen Frankenberg) für Coniferen; Baumschulenbesitzer Behnsch-Dürrgoy (Ehrenpreis des Commissionsraths B. Milch) für Allee- bäume; derselbe Aussteller (Ehrenpreis der Section für Obst- und Garten- bau) für blühende Sträucher; derselbe Aussteller (Ehrenpreis des Handels- gärtner-Vereins) für Zierbäume; Baumschulenbesitzer Guido v. Dra- bizius hier (Ehrenpreis des Schlesischen Centralvereins für Gärtner und Gartenfreunde) für Form-Obstbäume; derselbe Aussteller (Ehrenpreis des Freiburger Gartenbau-Vereins) für Gesammtleistung; Oberstabsarzt Dr. Schröter (Ehrenpreis des Professor Dr. Ferd. Cohn) für essbare und giftige Pilze; derselbe Aussteller noch zwei Ehrenpreise für Pilz-Colleetion und Markt- und Handelspilze; Obergärtner Julius Schütze hier (Ehren- preis des Professor Dr. Engler) für Araceen; Gartenkünstler Richter- Hartlieb (Ehrenpreis des Herrn Guido v. Drabizius) für den besten Plan zur Bepflanzung des Rossplatzes; Landschaftsgärtner Ledien für den zweitbesten Entwurf zur Bepflanzung des Rossplatzes (zweiter Ehren- preis des Herrn v. Drabizius); Handelsgärtner Guder-Schalkau für die besten Lorbeerbäume; Frau Oberlehrer Dr. Folchert hier für best- eultivirte Zimmerpflanzen; königl. sächsische Gartenverwaltung Sibyllen- ort (Hofgärtner Kurzmann) für Gesammtleistung; gräflich Schafft- gotsch’sche Gartenverwaltung zu Koppitz (Garten - Inspector Hampel) für Ananas; Scholz u. Schnabel Nachfolger hier für Grassamen; Secetionsgärtner Jettinger hier für Obst; Obergärtner Siebert hier für Decorationen; Kunst- und Handelsgärtner,L. Franke hier für Gesammt- leistung; Landschaftsgärtner Ledien hier für neue Pflanzen vom Congo; Kunst- und Handelsgärtner Raabe hier für Marktpflanzen; Kunst- und Handelsgärtner Senzky hier für das beste Vasenbouquet; Kunst- und Handelsgärtner Schiedeck-Sagan für den schönsten Kranz; Obergärtner Staniek-Tscheidt für Obst; Eleve des pomologischen Instituts zu Proskau Sommer für Planzeichnen; Kunst- und Handelsgärtner Härtel- Schmiedefeld für Gesammtleistung; Bindereigeschäft Friedrich, vorm. Wutschke, für Gesammtleistung; Handelsgärtner C. A. Nagel hier für Camellien; Christine Jauch hier für die Flora artefacta; Fräulein Toni Baum hier für Tafeldeeorationen in Feldblumen; Frau Geh. Rath Storch, Fräulein Nees von Esenbeck, Fräulein Hedwig Koch und Fräulein Henny Deppermann für Gemälde, 15* 276 Jahres-Bericht Die grosse silberne Staatsmedaille erhielten: Civil-Ingenieur C. Ed. Haupt-Brieg für ein Gewächshaus mit Heizung; Baumschulen- besitzer Behnsch-Dürrgoy für Baumschulen - Gesammtleistung; Baum- schulenbesitzer Guder-Carlowitz für Gesammtleistung. Die silberne Staatsmedaille erhielten: die gräflich Magnis’sche Gärtnerei zu Eckersdorf (Obergärtner Kittel) für Orchideen; Handels- gärtner L. Schneider hier für Gesammtleistung; Graf Limburg- Stirum zu Gross-Peterwitz für Obst; Baumschulenbesitzer Guido von Drabizius hier für Gesammtleistung; Baumschulenbesitzer Guder- Schalkau für Cassia floribunda; Kunst- hd a Senzky hier für Gesammtleistung. Mit der goldenen Ausstellungs-Medaille wurden ausgezeichnet: Schlossgärtnerei Hartlieb des Rittergutsbesitzers Julius Schottländer (Gartenkünstler Richter) für das beste Sortiment Obst; Civil-Ingenieur C. Ed. Haupt-Brieg für hervorragende Einzelleistung; derselbe Aus- steller für neueste Treibrosen und eine dritte goldene Medaille für das beste Sortiment Weintrauben aus dem Hause; Eichborn’sche Gärtnerei in Gräbschen (Obergärtuer Stanke) für Gemüse; Baumschulenbesitzer Guido v. Drabizius hier für Coniferen; Blumenbazar von Max Cohn hier für die Decoration einer Tafel für 12 Personen; Schloss- gärtnerei Schüsselndorf für das schönste Blumen-Arrangement; Han- delsgärtner L. Schneider hier für das schönste Blumen-Arrangement; sräflich Schaffgotsch’sche Gartenverwaltung Koppitz (Garten -Inspeetor Hampel) für Gesammtleistung; Landschaftsgärtner Lüdtke hier für den Entwurf eines Stadtparkes; herzogl. Gartenverwaltung Sagan (Garten- Director Gireoud) für hervorragende Einzelleistungen für Warmhaus- pflanzen; Herz u. Ehrlich hier für Gewächshaus -Construction ohne Heizung und gewerbliche Gesammitleistung. Die broncene Staatsmedaille erhielten: Blumenhandlung A. Ullrich hier für Ballgarnitur; Kunst- und Handelsgärtner Alscher- Schweidnitz für Coniferen; Kuhst- und Handelsgärtner Lorenz-Bunzlau für Azaleen; Kaufmann Kaudel-Brieg für Gemüse-Conserven; Handels- gärtner Dammann jun. hier für Handelspalmen; Eichborn’sche Gärt- nerei hier (Obergärtner J. Schütze) für Handels-Orchideen; Blumen- handlung L. Friedrich hier für Bindereien; Kunst- und Handelsgärtner Ed. Breiter hier für Palmen; Kunst- und Handelsgärtner Härtel- Schmiedefeld für Handelspflanzen; Obergärtner Hasack-Brechelshof für Schaupflanzen; Spitzenpapierfabrik Fingerhut u. Co, für Bouquet- Manchetten; Kunst-, Handels- und Landschaftsgärtner Rob. Schönthier hier für Gesammtleistung in Baumschulartikeln. Mit dersilbernen Ausstellungs-Medaille wurden ausgezeichnet: Georg Kittel-Brieg für neue Blattbegonien; Gärtnerei der Villa Hei- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 27% mann-Scheitnig (Obergärtner Kober) für Warmhauspflanzen; Handels- gärtner Franke-Breslau, ebenfalls für Warmhauspflanzen; Berliner- Leobschütz (die Leobschützer silberne Medaille), desgleichen für Warm- hauspflanzen; Lorenz-Bunzlau für Schaupflanzen, ebenso L. Schneider- Breslau; Guder-Carlowitz für Magnolien; Franke-Breslau für eine Gruppe mediterraner Pflanzen; Gringmuth-Carlowitz für eine Neu- holländer-Gruppe; Lorenz-Bunzlau für Cycas; Riedel-Löwenberg für Eucephalartos; herzogl. Parkverwaltung zu Sagan (Gartendirector Gi- reoud) für Gewächshausfarren; Julius Schottländer’sche Garten - Ver- waltung Hartlieb (Obergärtner Richter) für Farren in hervorragender Cultur; Carl Eduard Haupt-Brieg für Orchideen; Joh. Atzler- Lossen desgleichen für Orchideen; Carl Eduard Haupt-Brieg für buntblättrige Orchideen; J. Härtel-Schmiedefeld für Bromeliaceen; Villa Heimann -Scheitnig (Obergärtner Kober), desgleichen für Brome- liaceen; herzogliche Parkverwaltung zu Sagan (Gartendirector Gireoud), ebenso für Bromeliaceen; Gärtnerei des Commerzienraths Moll-Brieg (Obergärtner Krause) für Dracänen; L. Franke- Breslau gleichfalls für Draeänen; Carl Eduard Haupt-Brieg für Croton; herzogliche Parkverwaltung zu Sagan (Gartendirector Gireoud) für Blattbegonien; Herzog von Ratibor’'sche Gartenverwaltung zu Rauden OS. (Hofgärtner -» Peicker), ebenfalls Blattbegonien; Wohnig-Breslau für Begonia rex discolor; W.Petzold-Rietschütz für Blüthenbegonien; herzogliche Park- verwaltung zu Sagan (Gartendireetor Gireoud) für Knollenbegonien; Senzky-Breslau (Maxstrasse) für Gesneriaceen; Eilenfuss-Breslau für Coleus; königl. sächsische Gartenverwaltung zu Sibyllenort (Hofgärtner Kurzmann) für Dasylirion; Guder-Schalkau für Yucca; A. Ullrich- Rosenthal bei Breslau für Azaleen; H. Schubert-Breslau (Domplatz) für Marktpflanzen; L. Schneider-Breslau, ebenfalls für Marktpflanzen; Fabrikbesitzer Rösler - Breslau (Scheitnig) für Lorbeer - Formbäume; E. Breiter-Breslau, ebenfalls für Lorbeer - Formbäume; W. Guder- Carlowitz bei Breslau für lex; A. Winter-Schmolz bei Breslau für blühende Fuchsien; J. Härtel-Schmiedefeld bei Breslau für Pelargonien; L. Schneider - Breslau für Pelargonium peltatum und Hybriden; Behnsch-Dürrgoy bei Breslau. für Magnolien; Obergärtner Bro- sowsky-Nieder-Struse für eine blühende Musa Ensete; L. Schneider- Breslau für ein Sortiment blühender Cyclamen in mindestens zwölf Exemplaren; Obergärtner W. Pätzold-Rietschütz für Cyelamen; L. Schneider- Breslau ebenfalls für Cyclamen; J. Härtel- Schmiede- feld bei Breslau für zum Treiben vorbereitete Rosen; Scholz und Sehnabel’s Nachfolger-Breslau für Blumenzwiebeln; H. Dammann jun., ebenfalls für Blumenzwiebeln; Max Friedrich-Drossen für Mai- blumenkeime; R. Grobba-Garz a. O, ebenfalls für Maiblumenkeime; L. Schneider-Breslau für Celosien,;, L, Franke-Breslau für Decoration 278 Jahres-Bericht einer Tafel für 6 Personen; Otto Koppisch-Landsberg a. W. für die schönste vollständige Ballgarnitur; Schmiedeck-Sagan ebenfalls für die schönste vollständige Ballgarnitur; Schlossgärtnerei Schüsseln- dorf für den schönsten Gratulationsstrauss; G. Migula-Breslau für das schönste Couvertbouquet; Schlossgärtnerei Schüsselndorf, eben- falls für das schönste Couvertbouquet; dieselbe für eine Brautgarnitur; A. Gericke-Breslau, ebenfalls für eine Braufgarnitur; Max Cohn- Breslau für das schönste Brautböuquet; L. Schneider-Breslau ebenfalls für das schönste Brautbouquet; Schlossgärtnerei Schüsselndorf, desgleichen für das schönste Brautbouquet; Max Cohn-Breslau für Phantasie-Arrangements; Schlossgärtnerei Schüsselndorf für ein malerisch schönes Blumen-Arrangement; W. Senzky-Breslau ebenfalls für ein malerisch schönes Blumen-Arrangement; L. Schneider-Breslau für einen geschmackvoll decorirten Blumentisch; L. Franke-Breslau für eine geschmackvoll decorirte Jardiniere; Obergärtner B. Krause-Brieg für ein Terrarium; Kaufmann L. Thies-Breslau für mit Macropoden besetzte Aquarien; Kaufmann J. Huhndorf-Breslau, ebenfalls für Aquarien; H. Krause-Löwenstein bei Frankenstein i. Schl. für Georginen; Schlieben u. Frank-Ratibor, ebenfalls für Georginen; Baumschulenbesitzer Behnsch Dürrgoy bei Breslau für Gladiolen; R. Riedel-Löwenberg i. Schl. für die schönste: Colleetion Theerosen; Schlieben u. Frank-Ratibor für verschiedene Schnittblumen; Dietze-Steglitz für neue gelbe Remontant- nelken; H. Dammann jun. -Breslau für trockenes Bindematerial; E. Schröter-Schlanz die silberne Medaille des Ratiborer Gartenbau-Ver- eins für ein schönstes und reichstes Sortiment Obst; Gartenbau-Ver- ein Ratibor, ebenfalls für ein schönstes und reichstes Sortiment Obst; Inspector ©. Arlt (Taubstummen-Anstalt) zu Breslau desgleichen für ein reichstes und schönstes Sortiment Obst; Gartenkünstler Richter-Hart- lieb für ein bestes und richtig benanntes, mindestens fünfzig Sorten um- fassendes Sortiment Aepfel; Bartsch-Schweidnitz für ein bestes und richtig benanntes, mindestens 40 Sorten umfassendes Sortiment Birnen; Galle-Trebnitz für Pflaumen; Schröter-Schlanz für Pfirsiche; der- selbe für die besten Weintrauben aus dem Treibhause; R. Behnsch- Dürrgoy bei Breslau für die besten Weintrauben aus dem Freien; Go- retzki-Halbendorf für einzelne Sorten Obst; Ecke-Ober-Tschammen- dorf ebenfalls für einzelne Sorten Obst; Schröter-Schlanz für Beeren- früchte; Hoppe-Bankwitz für Ananas; L, Schneider-Breslau für ein schönstes Arrangement von Früchten; Philipp Wrzodek-Ratibor für frisches Gemüse; Graf Schaffgotsch’sche Gartenverwaltung zu Koppitz (Garteninspector Hampel) für Melonen; Landwirthschaftsschule Liegnitz für ein Sortiment landwirthschaftlicher Samen und Früchte; Guder-Carlowitz für hochstämmige Obstbäume; Dubiel-Ohlau eben- falls für hochstämmige Obstbäume; Section für Obst- und Garten- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 279 bau der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur (Sections- gärtner Jettinger) desgleichen für hochstämmige Obstbäume; Guido v. Drabizius-Breslau für Steinobst-Spalierbäume; R. Krauspe-Oberhof für hochstämmige Stachel- und Johannisbeeren; R. Behnsch-Dürrgoy bei Breslau für seine Gesammtleistung in der Obstbaumzucht; Kittel- Eekersdorf für Bromelien; Behnsceh-Dürrgoy für Gehölze; W. Guder- Carlowitz bei Breslau für 40 starke Alleebäume in 20 Sorten; C. Guder- Schalkau ebenfalls für 40 starke Alleebäume in 20 Sorten; Guido von Drabizius-Breslau für Alleebäume im Sortiment; W. Guder-Carlo- witz ebenfalls für Alleebäume im Sortiment; derselbe für Trauerbäume; R. Behnsch-Dürrgoy desgleichen für Trauerbäume; derselbe für Treib- gehölze; A. Altscher-Schweidnitz gleichfalls für Treibgehölze; R. Behnsch-Dürrgoy für Heideerde - Pflanzen; Max Buntzel- Nieder- Schönweide bei Berlin für niedrig veredelte Rosen; Guido von Dra- bizius- Breslau für Zierbäume; C. Guder- Schalkau ebenfalls für Zierbäume; R. Behnsch-Dürrgoy für Schlingpflanzen; R. Schönthier- Breslau für Zierbäume; Guido v. Drabizius-Breslau ebenfalls für Zierbäume; Behnsch-Dürrgoy für Coniferen; C. Guder-Schalkau für Coniferen; Breiter-Breslau für Araucarien; W. Guder-Carlowitz für Coniferen in Schaupflanzen; Guido v. Drabizius-Breslau ebenfalls für Coniferen in Schaupflanzen; W. Guder-Carlowitz für einzelne Arten Coniferen; Kunst- und Handelsgärtner Zukale in Rosenthal für Topf- pflanzen; Gartenkünstler Richter-Hartlieb für den Entwurf einer grösseren Parkanlage; Gartenarchitekt Ernst Gürtler-Steglitz ebenfalls für den Entwurf einer grösseren Parkanlage; derselbe für den Entwurf eines grösseren Hausgartens; Herz u. Ehrlich-Breslau für eine aus- geführte Gewächshaus - Construction ohne Heizung; Algöver’s Nach- folger A. Spörel-Breslau desgleichen für eine ausgeführte Gewächs- haus-Construction ohne Heizung; Civil-Ingenieur Carl Ed. Haupt- Brieg für Heizungsneuheiten; H. C. Knappstein-Bochum in Westfalen (Filiale A. Haarmann-Berlin) für Heizungsneuheiten; Ludwig Düring- Breslau für Gartenwerkzeuge; für den American Evaparator (Dörr- apparat) z. H. des Herrn Gustav Bild-Brieg; Obergärtner Siebert- Scheitnig für Warmhauspflanzen; Handelsgärtner Lorenz-Bunzlau für Obstbäume; Christine Jauch hier für künstlerische Darstellung von Pflanzen; A. Algöver’s Nachfolger Spörel hier für Blumenfontaine; Gebr. Huber hier für Cement-Reservoir (mit Vorbehalt); H. Weiss hier für Handwagen. Die broncene Ausstellungs-Medaille erhielten: Handelsgärtner O0. Grunert- Oswitz für Myrtus communis; Hofgärtner Kurzmann Sibyllenort desgl. für Myrtus communis, Baumschulenbesitzer Behnsch- Dürrgoy für Magnolien; Handelsgärtner E, Eilenfuss hier für Handels- palmen; Kunstgärtner A. Kühn-Körnitz für Peristeriau elata; Hofgärtner 280 Jahres-Bericht Kurzmann-Sibyllenort für kunstblättrige Dracänen; Handelsgärtner H. Zukale-Rosenthal für Blattbegonien; Obergärtner W. Pätzold- Rietschütz für Blüthenbegonien; Fräulein A. Gottschlich-Breslau für Zimmerpalmen; Obergärtner Kober-Scheitnig für Gloxinien; Handels- gärtner W ohnig hier für Tapeinotes Carolinae; Handelsgärtner J. Härtel- Schmiedefeld für Coleus; Hofgärtner F. W. Schlegel-Grafenort desgl. für Coleus; Obergärtner H. Dorn-Scheitnig desgl. für Coleus; Handels- gärtner W. Galinski-Herdain für Sucrulenten; Holzbildhauer F. Bissing hier für Cereus monstrosus; A. Schneider hier für Cereus grandiflorus ; Handelsgärtner H.Krause-Löwenstein für Sempervivum; Garteninspeector Stein hier für Opuntia nana; Handelsgärtner E. Wohnig hier für Handels- eriken; Handelsgärtner F. Schmidt-Sagan für Azaleen; Handelsgärtner Lorenz-Bunzlau für Rhododendron; derselbe Aussteller für Camellien; Handelsgärtner A. Ullrieh-Rosenthal desgl. für Camellien; Handels- särtner J. Härtel-Schmiedefeld für Myrten; Handelsgärtner Lorenz- Bunzlau für Viburnum; Handelsgärtner R. Seiffert-Klein-Tschansch für Marktpflanzen - Speeialität; W. Vogel hier desgl. für Marktpflanzen- Speeialität; derselbe Aussteller für Epiphyllum; A. Ullrich-Rosenthal für Myrthenformbäume; Frau Zimpel-Schweidnitz desgl. für Myrthen- formbäume; J. Härtel- Schmiedefeld für blühende Fuchsien; E. Breiter- Breslau und J. Härtel-Schmiedefeld für Pelargonien; J. Härtel- Schmiedefeld für Peltatum und Hybriden; L, Schneider-Breslau und W.Senzky-Breslau für Lobelia fulgens,;, W. Senzky-Breslau für Rasen- decorationspflanzen; Schlossgärtnerei Kuhnau (Schlossgärtner @. Muss- mann), W. Pätzold-Roschütz und E. W ohnig-Breslau für Cyclamen; Lorenz-Bunzlau Treibrosen; Eichborn’sche Gärtnerei in Gräbschen (Obergärtner W. Stanke) und F. Schmidt-Sagan für Maiblumenkeime; G, Migula-Breslau, A. Gericke-Breslau und Sobitz-Breslau für je ein schönes Vasenbouquet; Max Cohn-Breslau für ein geschmack- vollstes Ballbouquet; A. Gericke-Breslau für ein schönstes Couvert- bouquet; L. Schneider-Breslau, G. Migula-Breslau, Hobitz-Breslau und Fräulein Marie Lorenz-Bunzlau für je eine Brautgarnitur; Schloss- gärtnerei Schüsselndorf, W. Senzky-Breslau und A. Ullrich- Breslau für Phantasie-Arrangements aller Art; J. Meyer-Berlin für einen Kranz; A. Gericke-Breslau, L. Schneider-Breslau, L. Franke- Breslau, Max Cohn-Breslau, G. Migula-Breslau, Schlossgärtnerei Schüsselndorf, Hobitz-Breslau und Fräulein Marie Lorenz- Bunzlau für Trauerkränze; G. Migula hier für ein malerisches Blumen- arrangement; H. Schubert hier (Ohlauerstrasse 53) für Bindereien; J. Meyer hier desgl. für Bindereien; L. Schneider hier für Bouquet und Arrangements trockener Gräser; Gottschlich-Gleiwitz für Bouquet und Arrangements trockener Gräser; F. Franke hier für geschmackvoll deeorirten Blumentisch; Dr. Prätorius-Breslau für Essenzen; H.Krause- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 381 Löwenstein für das beste Sortiment Malven; Schlieben und Frank- Ratibor für das reichhaltigste Sortiment Gladiolen; R. Forch-Lands- berg a. W. für frisches Bindematerial; Galle-Trebnitz für sehönstes und reichhaltigstes Sortiment Obst; Obergärtner B. Krause-Brieg desgl. für schönstes und reichhaltigstes Sortiment Obst; Gartenkünstler Richter- Hartlieb für Weintrauben aus dem Freien; Obergärtner Rother-Eisers- dorf für einzelne Obstsorten; Handelsgärtner Galle-Trebnitz für Him- beeren und Brombeeren; Section für Obst- und Gartenbau (Sections- gärtner Jettinger) für Haselnüsse; Schlossgärtner Pohl und Schlegel, P. Baudis-Lutrötha für die schönsten Ananas; Kunstgärtner Schröter- Schmolz für bestes und reichhaltigstes Sortiment Gemüse; Rother- Eisersdorf für Gurken; R. Schönthier hier für Spargel-Pfllanzen; Ober- gärtner Hoppe-Bankwitz für Sellerie; Hofgärtner Kurzmann-Sibyllen- ort für beste Champignons; G. Weckwerth-Canth für beste Treib- gehölze; Carl Guder-Schalkau desel. für Treibgehölze; Behnsch- Dürrgoy für Gehölze; Schmiedeck-Sagan für Coniferen in Schau- pflanzen; A. Knop hier für den Entwurf einer grösseren Parkanlage; G. Landold-Proskau für den besten Entwurf eines kleinen Haus- gartens; C, Ed. Haupt-Brieg für die beste Gewächshausconstruction nebst Zeichnungen; R. Schönthier hier für neuconstruirte Gartenschnur; Kunstschnitzer Garrick-Charlottenburg für aus Rüben etc. geschnitzte Blumen ete.; Wanderlehrgärtner Siegert-Liegnitz für eine Sammlung von für den Gartenbau wichtigen Insekten, Herz und Ehrlich hier für gewerbliche Gegenstände und Erhard und Breyer hier für Fussböden aus Cementguss. Endlich sind seitens des Preisrichteramtes durch die Zuerkennung von Ehrendiplomen ausgezeichnet worden: Handelsgärtner Paul Thoss-Oschatz für Neuheiten des Warmhauses; derselbe für Cycas revoluta; H. Schmidt-Möckern bei Leipzig für Handelseriken; derselbe für Azalien; Schutzmann Matzner-Breslau für eine colossale Sonnen- blume; Bureaudiener Kuhnt-Breslau für Monstera deliciosa (Philodendron); Schlieben- und Frank-Ratibor für ein schönes Vasenbouquet; Schmiedeck-Sagan für eine Ballgarnitur; A. Ullrich-Breslau und Friedrich-Breslau für je einen schönsten Gratulationsstrauss; Ober- gärtner G. Spaniel-Rauschwitz bei Glogau und Handelsgärtner Decker- Breslau für Trauerkränze; Otto Thalacker-Gohlis bei Leipzig für Gladiolen; R. Forch-Landsberg a. W, für Begonienblüthen; H. Wrede- Lüneburg für Pensees; A. Erben-Leipzig und H. Hennig-Dresden für ÖObstwein und Obstbranntwein; Dr. J. Prätorius-Breslau für Kräuter- essenzen, Mineralwässer ete.;, Rödel-Weissenfels und Lehrer Mazur- Arnsdorf für Gurken; H.G. Trenkmann- Weissenfels für grüne Bohnen; Geratz- Wildpark bei Potsdam für Champignon-Brutsteine; Rosenzüchter Nicola Walter-Pallien bei Trier für Treibrosen; von $St. Paul- DEP) Jahres-Bericht Illaire in Fischbach für Coniferen-Schaupflanzen; Ernst Heydecker- Frankfurt a. M. für den Entwurf einer grösseren Parkanlage; J. P. Lin- dahl- Würzburg für den Entwurf eines grösseren Hausgartens; Ernst Heydeeker-Frankfurt a. M. für den Entwurf eines kleinen Hausgartens; Wilhelm Stephan-Leipzig und Joseph Meyer-Gleiwitz für Werk- zeuge; J. Küchler-Breslau für Bürsten für Garten- und Landwirthschaft; Fräulein Marie Wrzodek-Ratibor für Rahmen, Karten ete. in Mosaik- arbeit; Gustav Heinze-Breslau, städtischer Obergärtner, für ein Her- barium; Carl Huck Sohn-Lahr in Baden für eine Tinetur zur Be- kämpfung des Samenwurmes der Blattlaus und der Blutlaus; F. Richter- Dyhernfurth für Blumentöpfe; Herz und Ehrlich-Breslau für Blumen- kübel; Bruno Vogt-Breslau für Netze; Kaschube und Döring- Breslau für Bindegarn, Netze ete.; Rüdiger-Breslau für Schattendecken; C. Gräser-Breslau für Drahtzäune; Andersohn und Knauth-Breslau für Pumpen; Rud. Weber-Haynau für Raubthierfallen;, Ulrich Kah- mann-Zobten a. B. für Jauchefässer ete.; Paul Glagau-Breslau für Feldmäusefallen; A. Bartsch-Breslau für ein Aquarium; Paul Hiller- Breslau für ein Gartenzelt. An die Ausstellung reihte sich eine Auction ausgestellter Pflanzen, welche zahlreichen Ausstellern Gelegenheit gab, ihre Producte preiswerth zu veräussern. Der Erfolg der Ausstellung war nicht nur ein äusserlicher, sondern in vielen Fällen ein sehr reeller, indem Pflanzenbestellungen von Privat- leuten in grossem Maassstabe an Ort und Stelle gemacht wurden und vielen Ausstellern dadurch nicht nur die ihnen erwachsenen Kosten ge- deckt worden sind, sondern auch ganz erhebliche geschäftliche Vor- theile erwuchsen. Das Comit& hat den Grundsatz festgehalten, den Gärtnern absolut keine Platzkosten zu verursachen. Es wurden für Gartenerzeugnisse keinerlei Miethen erhoben, weder für bedeckten noch für freien Raum. Verpflegung der Pflanzen am Platze und ihr Rücktransport waren gleich- falls kostenfrei und im Allgemeinen hat auch die Rücksendung ohne grössere Verluste für die Aussteller bewirkt werden können. Einige vorgekommene Irrungen gelegentlich der Retournirung beruhten auf Ver- sehen des unteren Personals, dem leider im schlimmsten Augenblicke durch die schwere Erkrankung des ersten Secretairs der Ausstellung die nöthige Controle für kurze Zeit abging. Der nachstehende Kassenabschluss zeigt Einnahmen und Ausgaben der Ausstellung in übersichtlicher Weise. Der Ueberschuss, welcher verblieb, ist zwischen die drei betheiligten Vereine vertheilt worden, Wir benutzen diese Gelegenheit, um dem unermüdlich im Interesse der Ausstellung thätigen Kassirer, Herrn Commissionsrath Benno Milch, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 383 den besten Dank für seine Mühwaltung, welche bis in den Sommer 1887 sich hineingezogen hat, zu sagen, Uebersicht der Kassen-Ein- und Ausgänge, Einnahmen. rt int. , ‚uimaer Kyuizeier BT MID, 694 Mark 24 Pf. eier 6:20 I re GEW ERRE, ER EEIUFTLION St SS Bloer ... .: 0, Bert. Dell 600 = — > = Geschenke für Ehreukreib x ıbell s 2170 = — : - Feuerversicherung und Auctionslösung für Uten- Men Yuuspan y 38A .ebasziıe- = Provision für TEN Erlös von an Jage 22 I, zyda22u2 RE ad 2 ade 20 911 Mark 56 Pf. Ausgaben. Epsnlihrenpreise 1. 'u“ons1dl Klnsın), aus. bay arınlıloi 2140 Mark —-I.Bi. es uns ih» altark Yaabrallanrart) as a RR Fr, EP = diverse Kaslazen AR ji : A - Arbeitslöhne, Gehälter und Bekinanıtönen er > GE - einoten on „iur WE AU UERZUN, ASalea Ngn 7 Zusmersicherungsprämie, .. , (im. =: — » = Wassergeld . . ST le Alt Ei a an ER - Transportkosten und d Trinkgelder. Fit“ 3 a = Concerte er A a 5 Anke Kieee 1 944 = — >: Bkionen 1191213 HAUT, 0Qy Hola? Jan KOST HLAN-ANE Bgehtunsskosten . ._. 2.2...» 800 en = Bes). dodıs ‚sohei.l: uadoziisinisg -aauin. slhl A =ainn80. = u nEkeiarrangemenis,.om unduosıne bit IadO, 8 ig 1159 dur Bemeseksaichen, Inseräle.,;,.. au win Ianıre zwahe im 2902.15, W. Hriz en en atnaie oh alte 02 19 261 Mark 56 Pf. An die Section (750), den Centralverein (750), den Handelsgärtnerverein (150) . . . . .„. 16580 = — => 20 911 Mark 56 Pf. Breslau, den 16. Februar 1886. Der Kassenführer: (gez.) Benno Milch, Kgl. Commissionsrath. Die vorstehende Rechnungs - Aufstellung haben wir auf Grund der Beläge geprüft und für vollständig richtig befunden. (gez.) Adolf Schmidt. J. Schütze. B. Stein. Gleichfalls danken wir hier nochmals Allen, welche zu dem Ge- lingen der Ausstellung beigetragen haben, den vielbeschäftigten Comite- mitgliedern wie den einzelnen Ausstellern auf das Angelegentlichste. Einen ganz besonderen Dank aber richten wir an den wohlwollenden Protector des gelungenen Werkes, den Herrn Oberpräsidenten der Pro- 284 Jahres-Bericht vinz Schlesien, Excellenz von Seydewitz, sowie an die staatlichen und städtischen Behörden, an die Herren unseres Ehrencomites, an alle Stifter von Ehrengaben und an die vertrauensvollen Zeichner unserer Garantiescheine, sowie an die Preisrichter, welche ihres mühevollen Amtes so gerecht gewaltet haben. Der tiefe Eindruck, welchen das vorzügliche Gelingen der Aus- stellung in allen Kreisen hinterlassen hat, ist ein wichtiger Impuls zur baldigen Veranstaltung einer Frühjahrsausstellung für Treibblumen, Orchideen, spätes Obst und erstes Gemüse. Diese hoffentlich bald kommende Ausstellung wird eine wesentliche Ergänzung zu dem im September 1886 in Breslau vor uns aufgerollten Bilde des schlesischen Gartenbaues liefern. Der feierlichen Eröffnung reihte sich am Eröffnungstage, Abends 6 Uhr, ein solennes Festdiner in den Räumen der Loge Horus an, welches den Preisrichtern und einer Anzahl Ehrengästen gegeben wurde. Se. Excellenz der Herr Oberpräsident hatte die Einladung zu diesem Festessen angenommen und die städtischen Behörden waren durch den Stadtverordneten-Vorsteher Beyersdorf vertreten, während die bota- nische Wissenschaft durch die Herren Professor Dr. F. Cohn, Professor Dr. Engler und Oberstabsarzt Dr. Schröter repräsentirt wurde. Die Versammlung war eine sehr zahlreiehe und um so belebter, als unter den Preisrichtern nicht nur alle deutschen Gaue vertreten waren, sondern auch zahlreiche, sonst räumlich von einander entfernte Collegen hier ihr Wiedersehen feierten. Nach Absingung eines patriotischen Liedes erhob der Herr Ober- präsident sein Glas: „Obst und Gartenbau, meine Herren“, begann er, „sind Werke des Friedens und für den Frieden und verdanken ihr so lebhaftes Gedeihen der friedlichen Stille. Als Se. Majestät, unser Kaiser und König, sich die Kaiserkrone aufs Haupt setzte, da gelobte er ein Mehrer zu sein in Werken des Friedens und er hat sein Wort treu ge- halten. Ueber alle Blumen liebt der Kaiser das Symbol der Treue, die Kornblume; aber auch den Lorbeer hat er gepflückt in dem Garten der Weltgeschichte, in welcher sein Bild für alle Zeiten feststeht. Se. Majestät, unser allergnädigster Kaiser und König! Er lebe hoch!“ Das Hoch war kaum unter den Klängen der Preussenhymne ver- klungen, als Herr Professor F. Cohn sich erhob und der harmonischen Werke gedachte, die auf dem Friebeberge vollendet sind. Die Bewun- derung dafür ist um so grösser, sagte er, wenn man die Ausstellung nicht erst heute, sondern schon gestern gesehen hat. Gestern war das Chaos, aber wie die Knospe oft in einer Nacht sich entwickelt, so stand heute die Vollendung da. Jedoch die Knospe entwickelt sich nicht in einer Nacht, sondern unsichtbare Kräfte haben schon lange an ihr ge- wirkt und ihr Aufblühen vorbereitet. So ist es auch mit der Aus- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 2835 stellung; das Licht aber, welches die Knospe erblühen liess, war das Wohlwollen ihrer Gönner. Uns war ein Proteetor erstanden, welcher nicht nur in platonischer Sympathie unserem Werke zugethan war, sondern getreu seinem Wahlspruche ‚‚suavis in modo, fortis in re‘ für dasselbe gewirkt hat. Unser Protector hat ein Herz für alle idealen Bestrebungen und seine Liebenswürdigkeit gegen Jedermann ist allbekannt. Der Vorzug der Gärtnerei ist es, leicht Belohnungen austheilen zu können, dem Einen verleiht sie den Lorbeer, dem Andern die Palme, das Beste aber ist eine Bürgerkrone aus Ehrenpreis, wie wir sie unserem Proteetor bieten. Das Hoch auf den Herrn Oberpräsidenten fand be- geisterten Wiederhall und diese Aufnahme zeigte, wie in allen Kreisen thatsächlich die Förderung der Ausstellung durch ihren Protector an- erkannt wird. Professor Engler hob dann hervor, wie in anderen Provinzen der Gartenbau nicht höher stehe, wie in Schlesien; wenn hier seltner Aus- stellungen stattfinden, so beruhe das auf der Bescheidenheit des Schlesiers sich selbst zu preisen. Als der Centralverein für Gärtner und Garten- freunde und die Section für Obst- und Gartenbau die Ausstellung be- schlossen, da fand sich ein Comit& hervorragender Männer aus ganz Schlesien zusammen, welche ihren Namen zur Unterstützung liehen, ein Garantiefonds ward aufgebracht und der Bitte, Preisrichter zu werden, entsprachen Fachmänner aus allen Theilen Deutschlands und aus dem Auslande. Dem Ehrenceomit& und den Preisrichtern brachte der Redner sein Glas. Garten-Inspector B. Stein bat um ein Wort zu Gunsten der Unter- drückten. Je stärker der Hammer, umsomehr seufze der Ambos. Gar mancher Aussteller, der gestern mit hundert Masten voll froher Hoffnung eingesegelt, der seufze heut über dieses Preisgericht, das seine Pflicht bitter ernst genommen und mit scharfer Sachkenntniss die Spreu vom Weizen geschieden habe. Auf den Ausstellern aber beruhe die Bedeutung der Ausstellung. Redner wolle aber sein Glas nicht nur den Ausstellern im Allgemeinen bringen, sondern da nun mal die preussische Spitze be- kannt sei, noch Einen speciell hervorheben. Fast ganz fehlen in der Ausstellung die Cappflanzen, die doch so schön seien, viele von ihnen so duftig, dass sie diesem Dufte ihren lateinischen Namen danken, der immer auf „osma“ ende, z. B. Diosma, Barosma. In weiser Vor- aussicht der Ausstellung auf dem Friebeberge offenbar aber sei schon vor einem Jahrhundert einer cap’schen Gattung der Name Agathosma verliehen worden und auf den jetzigen George Agath, dessen Ver- dienst um die Ausstellung den Friebeberg in den besten Geruch setze, bitte er, die Gläser zu leeren, | Die weiteren Toaste, deren erster von Garten-Inspeetor Lösener auf den Collegen Stein ausgebracht wurde, der trotz aller Stösse und 286 Jahres - Bericht Reibungen ausgehalten und die Ausstellung hochgehalten habe, deren Gelingen jetzt Jeder anerkenne, verhallten nach und nach. Der offieielle Theil des Abends schloss, aber die auswärtigen und hiesigen Preisrichter fanden an anderer Stelle noch lange Gelegenheit, ihre Ideen auszutauschen, alte Freundschaften zu erneuern und neue zu schliessen. Im Anschluss an die Ausstellung war die jährliche Wander-Ver- sammlung des schlesischen Provinzialverbandes der Gartenbauvereine nach Breslau eingeladen worden und zwar tagte dieselbe Sonntag, den 4. September, unter sehr starker Betheiligung im kleinen Saale des Friebeberges. Nachdem Oekonomierath Stoll-Proskau die Versammlung eröffnet und Garten-Inspector Lösener dieselbe im Namen der Breslauer Garten- bau-Vereine aufs herzlichste begrüsst hatte, wurde Garten-Inspector Fox- Neudeck zum Tagesvorsitzenden erwählt. Der vom Landes-Bauinspeetor Sutter in Aussicht gestellte Vortrag: „Ueber Auswahl der Obstsorten, welche von jetzt an ausschliesslich an den Staatschausseen zur Anpflanzung benutzt werden sollen‘‘ musste aus- fallen, da der Vortragende am Erscheinen in der Versammlung verhindert war. Ein von ihm eingesandtes Expos& soll in geeigneter Weise zum Abdruck gelangen. In demselben ist, wie Garten-Inspector B. Stein mittheilt, ausgeführt, dass unser Obstbau unter zu niedrigen Preisen des Obstes leide. Es müssten neue Absatzwege geschaffen werden. Die Provinzialbehörden gingen nun mit dem Plane um, unter Aufwendung von 50 000 Mark in Münsterberg eine Obst-Trockenanstalt einzurichten. Die Provinzial-Strassenbau-Verwaltung habe ferner beschlossen, von jetzt an nur bestimmte Sorten von Aepfeln und Birnen an Chausseen an- pflanzen zu lassen, und zwar solle ein und dieselbe Sorte in meilenlangen Zügen angepflanzt werden. Landes-Bauinspeetor Sutter empfehle nun zur Anpflanzung in Schlesien folgende Sorten, welche nach Angabe des bisherigen Techniker Loos an der Obst-Verwerthungs-Anstalt in Hildes- heim als besonders zur Abtrocknung geeignet seien, und zwar von Aepfeln, welche weisses Fleisch und angemessene mittlere Grösse und Qualität haben, folgende: die englische Winter-Goldparmäne (nach Lucas 12. Klasse), den deutschen Gold-Pepping (8. Klasse), den Ribston-Pepping oder englische Granatreinette (12. Klasse), die goldgelbe Sommer- Reinette (8. Klasse), Harbertsreinette (12. Klasse), die grosse Kassler Reinette (12. Klasse), Langton’s Sondergleichen (10. Klasse), Golden- Nobel und den Zwiebel-Borsdorfer. Ausserdem seien noch anbauwerth: Grosser rheinischer Bohnapfel (nach Lucas 13. Klasse), Goldzeugapfel (7. Klasse), Gravensteiner (1. Klasse), Danziger Kantapfel (1. Klasse), Baumann’s Reinette (10. Klasse) und der gelbe Richard (1. Klasse). Von Birnen, welche auch möglichst weisses, saftiges Fleisch, mittel- mässige Grösse und kein steiniges Gehäuse haben, wurden empfohlen: der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 287 die rothe Bergamotte (nach Lucas 3. Klasse), die holzfarbige Butterbirne (1. Klasse), Lingal’s Butterbirne (1. Klasse), Napoleon’s Butterbirne (7. Klasse), die Forellenbirne (8. Klasse), gute Graue (8. Klasse), Glockenbirne (Kuhfuss; 12. Klasse), Prinzessin Marianne (6. Klasse), Leipziger Rettigbirne (11. Klasse), Punktirter Sommerdorn (5. Klasse) und Salzburger Birnen (11. Klasse). Ausserdem seien noch anbauwerth: Diel’s Butterbirne (1. Klasse), Grumkawer Winter-Butterbirne (7. Klasse), Harderpout’s Winter-Butterbirne (7. Klasse), Amanlis Butterbirne (erste Klasse), Clairgeau (6. Klasse), Gute Luise von Avranche (8. Klasse) und Wildling von Motte (3. Klasse). Zu diesen Vorschlägen macht Oekonomierath Stoll-Proskau einige kritische Bemerkungen. Danach sei von Aepfeln Ribston -Pepping für Anpflanzung an Strassen nicht zu empfehlen, weil er eine flache Krone bilde. Die goldgelbe Sommer-Reinette müsse der besten Verhältnisse sich erfreuen, wenn sie nicht krebsig und brandig werden solle; sie werde sich an Chausseen nicht halten. Harberts-Reinette sei zwar ein sehr schöner Apfel, werde aber an Chausseen gute Resultate nicht er- zielen. Der Golden-Nobel eigene sich entschieden nicht für Chausseen, da er bezüglich des Bodens und der Lage gewählt sei. Auch der Zwiebel-Borsdorfer wolle guten Boden; er sei mehr ein Baum für den kleinen Mann in Gärten, aber nicht für Chausseen. Der Bohnapfel sei zwar für Chausseen geeignet, werde aber erst im März geniessbar. Auch der Goldzeugapfel werde nicht zu empfehlen sein, wenn die Boden- verhältnisse nicht vorzüglich. Der Danziger Kantapfel sei kein guter Träger, er bilde sich sehr hübsch, und wenn die Verhältnisse irgend günstig seien, sei er immerhin dankbar. Die übrigen vorgeschlagenen Apfelsorten kann Redner auch empfehlen. Redner schlägt ferner seiner- seits noch folgende Apfelsorten vor: Fraas’ Sommer - Calvill, Parker’s Pepping (graue Reinette), den purpurrothen Cousinot (in jedem Bauern- garten zu finden), den gelben Stettiner, den weissen Winter-Taffetapfel, den weissen und rothen Würzapfel, die Landsberger Reinette und end- lich den Backenapfel (Hannover), Was nun die Birnen anlange, so sei die Glockenbirne nur zum Abbacken und zur Mostbereitung. ° Die Grum- kower Winter-Butterbirne eigene sich gut zur Mostbereitung, falle aber bei starkem Winde vom Baume ab. Gute Luise von Avranche sei in guten Lagen eine der besten Birnen, aber auf Strassenbäumen würden die Früchte klein und unschmackhaft bleiben. Der Wildling von Motte trage in den ersten 15 Jahren keine Früchte, wenn er aber damit be- gonnen, trage er reichlich. Die übrigen vorgeschlagenen Sorten lässt Redner im Grossen und Ganzen gelten. Seinerseits schlägt er noch folgende Birnensorten vor: die römische Schmalzbirne (eine der besten Tafelbirnen, wie zum Backen), die Colomas-Herbstbirne (eine Birne ersten Ranges), Esperine (zweiten Ranges). 288 | Jahres - Bericht Im Anschluss hieran wird auf Vorschlag des Obergärtners Göschke- Proskau von der Versammlung beschlossen, dem Vorstande wie den einzelnen Vereinen anheimzugeben, die Auswahl geeigneter guter Obst- sorten zur Anpflanzung an Chausseen zum Gegenstande ihrer Berathungen zu machen und das Resultat dem Landes-Bauinspeetor Sutter mit- zutheilen. Hierauf referirte Garten - Inspector Stein - Breslau über die am Sonnabend eröffnete Schlesische Obst- und Gartenbau-Ausstellung. Die- selbe werde nicht nur von den Laien, sondern auch von den Fach- männern als eine gelungene bezeichnet, sowohl was die Zahl der Aus- steller als auch was die ausgestellten Objeete anlange. In der Binderei, welche sehr zahlreich vertreten sei, seien grosse Fortschritte zu ver- zeichnen. Man fange an, wieder Blumen zu den Bouquets zu verwenden. Eine ganze Reihe von Gewächshäusern sei ausgestellt, von denen aller- dings das des Ingenieurs Haupt zu Brieg alle anderen aussteche. Die Feuerfläche dieses Hauses leiste das Menschenmögliche; eine mit der Feuerung verbundene Gasverbrennung bewirke, dass nichts von Brenn- material verloren gehe. Ein Hauptvortheil dieses Hauses sei, dass das sanze Gerippe desselben Eisenconstruction sei, während die Theile, welche nach aussen liegen, aus Holzeonstruction seien. Dadurch würden die so überaus lästigen und schädlichen Niederschläge von Wasser ver- . mieden. In den Gewächshäusern finde sich ein wahrer Schatz von blumistischen Werthsachen ersten Ranges. Die ausgestellten Baumschul- artikel und Coniferen könnten mit den Ausstellungen jeder Hauptstadt wetteifern. Schlesien habe in der Gartencultur die grössten Fortschritte gemacht. Wenn hin und wieder ein mittelmässiges Objeet untergelaufen sei, so sei dies bei dem Andrange in den letzten Tagen zu entschuldigen. Das Preisgericht habe die Sache sehr ernst genommen und nur nach den Leistungen geurtheill. Die Gewährung einer goldenen Ausstellungs- medaille sei vom Herrn Minister der Landwirthschaft leider abgelehnt worden. Es solle deshalb noch eine Immediateingabe an den Kaiser gerichtet werden. Die goldene Medaille sei dem Ingenieur Haupt in Brieg zuerkannt worden. Hieran schloss sich unter dem Vorsitz des Oekonomieraths Stoll- Proskau eine Sitzung der Delegirten schlesischer Gartenbau - Vereine. Dabei waren die Gartenbau -Vereine folgender Städte durch Delegirte vertreten: Breslau, Brieg, Cosel, Freiburg, Jauer, Leobschütz, Liegnitz, Ohlau, Oppeln, Sprottau, Peiskretscham, Ratibor, Guhrau, Grünberg und Trebnitz. Nach Erstattung des Berichts über die bisherige Thätigkeit des Verbandes wurde über ein zu gründendes Verbandsorgan berathen. Nach längerer Debatte wurde diese Frage dem Vorstande zur weiteren Vorberathung überwiesen. Ein Antrag des Liegnitzer Vereins auf Her- stellung gleichmässiger Gärtner-Lehrbriefe und Abgabe derselben seitens der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 389 des Provinzialverbandes wurde nach längerer Discussion abgelehnt. Endlich wurde der Vorstand beauftragt, dafür zu sorgen, dass möglichst in jedem Kreise ein Gartenbau-Verein ins Leben gerufen werde. In den elf Sitzungen, welche die Section im Laufe des Jahres 1886 abhielt, wurden neben internen geschäftlichen Angelegenheiten und den die Ausstellung betreffenden Vorlagen mehrfach Vorträge von so allge- meinem Interesse gehalten, dass das gewöhnliche Sitzungszimmer der Section zu eng wurde und der grosse Eintrittssaal als Versammlungsort benutzt werden musste. Die erste Sitzung, am 13. Januar 1888, wurde von dem Secretair mit der üblichen Begrüssung eröffnet, Er bedauerte das Ausscheiden von ca. 8 Herren, hoffte aber, dass in diesem Jahr die Zahl derselben durch Eintreten neuer Interessenten wieder ergänzt werden würde. Von neuen Büchern waren ausgelegt: Die Flora der Republik Argentina von Professor Georg Hieronymus; die neu erscheinende Möller’sche Gartenzeitung; die Deutsche Gärtner-Zeitung; Pomologische Hefte von Lucas. Die früher Regel’sche Gartenflora, welche von diesem Jahre ab im Verlage von Paul Parey erscheint, führte sich durch ihre gediegene Ausstattung und fast doppelten Umfang sehr glänzend ein. Der Seecretair-Stellvertreter, Gartenkünstler Richter-Hartlieb, hatte . ein für diese winterliche Jahreszeit sehr gutes Obstsortiment ausgelegt, worunter besonders durch ihre Grösse und Güte zu bemerken waren von Birnen: Hardenponts Winter-Butter.Birne, Siegel’s Winter-Butter-Birne, Beurr& Diel, Winter - Dechantsbirne, Grosser Katzenkopf, St. Germain d’hiver, Cure, Triomphe de Jodoigne, Bergamotte Fortune u. a. m.; von Aepfeln: Pariser Rambour-Reinette, Casseler Reinette, Weisser Winter- Calvill, Englische Winter-Gold-Parmäne, Grosser Bohnenapfel u. a. m. Herr Inspector Stein sprach darauf über die klimatischen und Vegetations-Verhältnisse am Congo; er hatte als Grundlage dafür die bekannten Werke des Afrika-Reisenden Stanley: „Durch den dunklen Erdtheil“ und ‚Der Congo‘ zur Orientirung unterbreitet. Er schilderte den nach Stanley enormen Reichthum an Elfenbein am mittleren Congo, von welchem u. a. die Umwährungen der Dörfer gefertigt werden. Auffallend ist es aber, dass dieser Elfenbeinreichthum auch von der Association du Congo bisher nicht gehoben worden sei. Kautschuk und die Orseille-Flechte, sowie Bäume, von welchen der Kopallack gewonnen würde, wären nach Stanley in Unmassen vorhanden; das Alles könnte aber nur durch neu zu erbauende Eisenbahnen für uns aufgeschlossen werden. Kautschuk ist thatsächlich in Mengen 1886, 19 290 Jahres - Bericht dort, die Orseille-Flechte aber fehlt gänzlich und sind völlig werthlose Bartflechten von Stanley hierfür angesehen worden. Es sind bis jetzt vier grössere Stationen zu Culturversuchen und Sammelplätze für allerlei Handelsartikel gegründet worden: Boma, Vivi, Stanley-Pool und Leopoldsville. Bis Boma können die grössten See- dampfer den Congo hinauffahren; von dort bis Vivi wird der Verkehr mit Flussdampfern hergestellt; dann sei es aber unmöglich, den Fluss wegen seiner Wasserfälle, Stromschnellen u. s. w., die er von dort ab besitzt, als Verkehrsstrasse zu benützen, es muss der gefährliche und beschwerliche Landweg eingeschlagen werden, um aufwärts zu kommen. In jeder dieser vier Stationen ist jetzt ein deutscher Gärtner an- gestellt, um Anbauversuche über Gemüse und Nutzpflanzen zu machen. Der Station Vivi steht augenblicklich ein früherer Gehilfe des hie- sigen botanischen Gartens, Namens Ledien, vor, welchem der Redner auch nachstehende Erläuterungen über Vivi verdankt. Der Garten in Vivi liegt ca. 100 m über dem Congo-Spiegel und sind zur Herstellung desselben erst die Felsen abgesprengt und geebnet worden, worauf dann aller Humusboden durch Eingeborene hinauf- geschafft werden musste. Stanley schildert nun die Mächtigkeit dieses Humusbodens in seinem Werke auf ca. 6 m, während Ledien seine Tiefe leider nur auf 2—3 dem dem Redner angiebt; dies ein kleines Beispiel dafür, dass Mr. Stanley sehr oft gefabelt, was, da man jetzt dahinter kommt, mit Recht den Congo-Enthusiasmus etwas dämpft. Von unseren einheimischen Gemüsearten gedeihen nach Ledien sämmtliche Kohlarten gar nicht, Salate kümmerlich, da dieselben leicht ausschiessen, hingegen geben Gurken und. Melonen einen guten Ertrag und ganz besonders hat Ledien mit Ananas grossartige Erfolge erzielt. Kaffee und Cacao, welche man im Grossen bauen wollte, keimen aller- dings leicht, doch bezweifelt Ledien ihr späteres Gedeihen. Sämmtliche Pflanzen stehen unter Schatteneinrichtungen und müssen täglich reichlich gegossen werden, was in der Regenzeit allerdings nicht nothwendig war, da es dermassen in Strömen goss, dass Alles weggeschwemmt wurde, so dass fast sämmtliche Anpflanzungen nach derselben aufs Neue an- gebaut werden mussten. Der Temperaturwechsel ist ein so rapider, dass das Thermometer von 30—35° C. Nachts bis auf 8—10° fällt und fast jeder Deutsche, der die Abendkühle im Freien geniessen will, bald vom Fieber befallen wird. Die Station Boma liegt in einem Sumpfterrain, das allerdings vor- treffliche Bodenverhältnisse bietet, doch ist jeder Ansiedler desto mehr dem Fieber unterworfen. Mönkemeier, der Vorsteher der Garten- und Landwirthschafts-Culturen daselbst, musste schon nach sechswöchent- lichem Aufenthalt wegen Fieber heimwärts reisen, DB» A a der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 29] Stanley-Pool, obgleich unterm Aequator gelegen, scheint das günstigste Klima von den vier Stationen zu besitzen, es breitet sich an dem Ufer eines grossen Sees aus und gedeihen dort unsere Gemüse, Orangen u. a. vortrefflich., Zum Schluss seines Vortrages liess Redner noch eine Anzahl Früchte von diversen Pflanzen, am Congo gewachsen, cursiren, die Ledien dem hiesigen botanischen Garten auf Umwegen, mit grosser Mühe verknüpft, geschickt hatte: eine fast °, m lange Frucht von Adansonia digitata ; Früchte von Landolphia florida, die den Kautschuk von Central-Afrika_ liefert; Samen einer neuen Asclepiadeen-Art Strophanthus Ledienü Stein u. a. m, Herr Kaufmann Schmidt (Firma Scholz u. Schnabel Nach- folger) hatte eine prächtig entwickelte, in feurigrother Farbe prangende Hyacinthe ‚„Circe“ und die Tulpe ‚La Precieuse“, beide auf Wasser- gläsern gezogen, mitgebracht und sprach über die durch ihn in den Handel gebrachten Zwiebeln. Wie die Cultur der Blumenzwiebeln stetig fortschreitet und sich durch Züchtung neuer Sorten von schöner Form und schöner Farbe der Blüthen vervollkommnet, veranschaulichte in hervorragender Weise das von ihm vorgelegte reiche Sortiment Haarlemer Blumenzwiebeln, welches sich nicht allein durch ausserordentliche Grösse und Schönheit der Zwiebeln, sondern auch durch eine mustergiltige sachkundige Auswahl der ca. 80 Sorten Hyazintlien rühmlichst auszeichnete. Alle bekannten guten Handelssorten und die besten Prachtsorten neuerer Züchtung waren unter streng richtiger Benennung vertreten. In dem Scholz und Schnabel’schen Sortiment fehlten auch nicht prachtvolle Tulpen, Crocus, Tazetten, Narzissen u. dergl., ferner Seilla maritima und Amaryllis Josephinae, welch’ letztere Sorte durch erstaunliche Grösse der Exemplare imponirten. Herr Schmidt hob hervor, dass die Firma sich in neuerer Zeit auch mit dem direeten Import japanischer und amerikanischer Blumenzwiebeln befasst, und namentlich die herrlichen Lilium auratum und deren Varietäten und Lilium Harrisii in prachtvollen, gesunden, reich- blühenden Exemplaren zu einem ungewöhnlich billigen Preise liefert. Zwiebeln, die vor nicht gar langer Zeit 3—5 Mark pro Stück kosteten, sind jetzt mit 60—100 Pf. pro Stück zu haben. Mit der Vorlegung der Blumenzwiebeln verband Herr Schmidt auch die Schaustellung einer mustergiltigen, reichen Collection Grassamen — Speeialität der Firma — in reinen Sorten sowie auch in den verschiedensten Mischungen sowohl für ökonomische Zwecke wie für Landschafts- und Teppich- gärtnerei. Auch die hier bekannte und bewährte Breslauer Promenaden- Grasmischung hatte in der Colleetion ihren Platz gefunden. 19* 3932 Jahres - Bericht Die zweite und dritte Sitzung wurden ausgefüllt durch kleinere Mittheilungen des Secretairs und durch Erledigung der laufenden An- gelegenheiten. Zu der am 31. März stattgehabten vierten Sitzung waren ausser der gewöhnlichen Einladung durch Inserate und Zeitungsnotizen eine Anzahl specielle Einladungen ergangen, weil auf der Tagesordnung dieser Sitzung die Berathung der gärtnerischen Schutzzollfrage stand, welche iu Form einer Enquete von Seiten des Vereins zur Beförderung des Garten- baues in den preussischen Staaten angeregt worden war. Trotz dieser weit über das sonst übliche Maass hinausgehenden Ein- ladungsweise hatten zu dieser Sitzung nur zwölf Theilnehmer sich ein- gefunden und zwar der Lebenstellung nach: sechs Handelsgäriner, zwei gärtnerische Beamte und vier Nieht-Gärtner. Der Seecretair leitete die trotz der geringen Theilnehmerzahl oft sehr eingehend verlaufende Debatte mit der Verlesung des folgenden Anschreibens ein: Berlin, den 8. März 1886. Die vor einigen Jahren von verschiedenen deutschen Regierungen und auch von der Königlich preussischen Regierung bei Behörden, Vereinen und einzelnen, mit den Verhältnissen des gärtnerischen Gewerbebetriebes bekannten Personen gehaltenen Umfragen darüber, „ob sich die einheimische Gärtnerei hinsichtlich ihrer wirth- schaftlichen Lage und ihrer Erwerbsfähigkeit im Rückgange befinde?“ „ob dieser Rückgang. auf die Concurrenz des Auslandes zu- rückzuführen sei?“ und „ob die deutsche Gärtnerei des Schutzes durch einen Zoll auf die Einfuhr gegenwärtig zollfrei eingeführter gärtnerischer Erzeugnisse zu bedürfen glaube?“ haben unseres Wissens bei der überwiegenden Mehrzahl der Befragten eine verneinende Beantwortung gefunden, und es ist daher damals die Frage einer Aenderung der einschlägigen Zollgesetzgebung auf sich beruhen geblieben. In neuerer Zeit sind uns nun so zahlreiche und beachtenswerthe Kundgebungen über die ungünstige wirthschaftliche Lage des ein- heimischen Gärtnereigewerbes, sowie über die Unergiebigkeit mancher früher mit lohnendem Erfolge betriebenen Special-Culturen, über die Zunahme und fortschreitende Organisation des Massenimports gärt- nerischer Erzeugnisse aus anderen, unter erheblich günstigeren Be- dingungen arbeitenden Ländern, von welchem zunächst freilich nur erst die grossen Verkehrscentren bedacht werden, zugekommen, dass der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 293 wir uns der Erwägung und Erörterung der Frage nicht haben ent- ziehen können, ob das Resultat der vorgedachten Ermittelungen auch gegenwärtig noch als zutreffend anzuerkennen sei. Um eine feste Grundlage für diese Erörterungen und für die Erwägung, ob und welche Schritte zur Abhülfe — wenn und soweit solehe nöthig — zn thun sein möchten, haben wir es für angezeigt gehalten, Vereine sowohl wie einzelne, mit den Verhältnissen ver- traute Gärtner, um eine entsprechende Auskunft anzugehen. Wir übersenden daher den anliegenden Fragebogen mit dem er- gebenen Ersuchen, die gestellten Fragen nach näherer Prüfung der dortigen Verhältnisse gefälligst eingehend beantworten zu wollen, indem wir von der Ueberzeugung geleitet sind, dass sowohl einzelne Berufsgenossen wie Vereine, die uns nahe stehen, oder den unsrigen verwandte Ziele verfolgen, gern und nach bestem Wissen und Ver- mögen ihre Unterstützuug zur Klarstellung dieser für die einheimische Gärtnerei so wichtigen Frage darbieten werden. Zur Erläuterung des Fragebogens glauben wir nichts hinzufügen zu dürfen, bitten aber, Verhältnisse und Thatsachen, welche für die vorliegende Frage von Bedeutung scheinen, aber in den Fragen nicht berührt sein möchten, deshalb nieht unerörtert zu lassen, sondern gefälligst zu besprechen. Endlich gestatten wir uns hervorzuheben, dass wir es mit be- sonderem Danke erkennen würden, wenn die Beantwortung gewisser Fragen ziffermässig erläutert oder begründet werden könnte, wie dies beispielsweise bei der Angabe von Preisen, Preisschwankungen, Produetionskosten etc, sehr wohl ausführbar erscheint. Die ausgefüllten Fragebogen ersuchen wir, uns gefälligst bald- thunlich mit der Beschleunigung, welche mit der gründlichen Er- örterung der Fragen vereinbar ist, zu Händen des mitunterzeichneten General-Secretairs unseres jVereins — Professor Dr. Wittmack, Berlin Nord, Invalidenstrasse 42 — frankirt zugehen zu lassen. So weit unser Ersuchen an Vereine gerichtet ist, bitten wir noch Folgendes beachten zu wollen. Wir legen auf eine objective Behandlung der Sache den grössten Werth und ersuchen daher die verehrlichen, von uns angegangenen Vereine, für den Fall, dass bei der Beantwortung der einzelnen Fragen eine nicht unerhebliche Minorität sich für eine abweichende Beantwortung erklären sollte, auch die Meinung dieser Minorität kurz zum Ausdruck bringen zu wollen. Da in dieser, die wirthschaft- lichen und Erwerbs-Verhältnisse des Gärtnereigewerbes fast aus- schliesslich betreffenden Angelegenheit die Erfahrungen und Wahr- nehmungen der Gewerbetreibenden an erster Stelle in Betracht kommen, so ersuchen wir die verehrlichen Vereine ferner, für den 294 Jahres - Bericht Fall der verschiedenen Beantwortung der einen oder anderen Frage Seitens einer Majorität und Minorität es gefälligst kenntlich zu machen, für welche Beantwortung sich die in dem Vereine befind- lichen Handelsgärtner entschieden haben. Der Vorstand des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den preussischen Staaten. Dr. Singelmann, Gaerdt, Dr. Wittmack, Sabersky, Director. Stellvertreter. General-Secretair. Schatzmeister. An der Abstimmung über die erste Frage: Hat sich die Lage der einheimischen Gärtnerei in den letzten Jahren in der Art zunehmend ungünstiger gestaltet, dass dieselbe ihre Erzeugnisse nicht mehr zu Preisen verwerthen kann, welche erzielt werden müssen, wenn die Gesammtheit der Productionskosten gedeckt und die Arbeit des Unternehmers mit Berücksichtigung des gegenwärtigen Geldwerthes angemessen vergütet werden soll? nahmen sieben Anwesende theil, von denen 5 mit Ja, 2 mit Nein stimmten, Die Unterfragen: Trifft dies — wenn überhaupt — für die gesammte Gärtnerei zu oder werden nur einzelne Zweige der Gärtnerei von diesem Miss- stande betroffen? wurden beantwortet, und zwar: l. Gemüsebau ist unter unseren Verhältnissen für den Gärtner nicht lohnend; 2, Obstbau, getriebenes Obst leidet unter der französisch - bel- gischen Coneurrenz ausserordentlich; 3. Baumzucht ist lohnend; 4. Topfpflanzen - Cultur und 5. Produetion von Schnittblumen ist nicht als lohnender Erwerb zu bezeichnen; 6. Samenbau und 7, Anzucht von Zwiebeln kommt für unsere Verhältnisse nicht in Frage, da beide Culturen in Schlesien nicht betrieben werden, Die zweite Frage: Falls die Frage zu I, für die gesammte Gärtnerei oder für ein- zelne Zweige derselben bejaht wird — welchen Umständen ist die unglinstige Lage des gürtnerischen Gewerbes bezw. derjenigen Branchen, welche zu I. als unter diesem Missstande leidend benannt sind, zuzuschreiben ? ui der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 295 Ist es inbesondere der Massen-Import ausländischer gärtnerischer Erzeugnisse, welcher vermöge der Verdrängung einheimischer Er- zeugnisse vom Markt, oder vermöge des Herabdrückens der Preise diesen Missstand verursacht hat? wurde einstimmig dahin beantwortet, dass der Massenimport erst in zweiter Linie den Preisdruck bewirke und nur für die Specialartikel getriebene Blumen, getriebenes Obst und Gemüse; dagegen lautete die Antwort auf die Unterfragen: Sind es andere Gründe, welche den beregten Missstand entweder allein veranlasst haben oder auch neben dem Import mitwirkend ge- wesen sind’? Kommt hier etwa neben Anderem vermehrte Produetion und die Coneurrenz in Betracht, welche den Berufsgärtnern durch: a. gärtnerische Betriebe grösserer Grundbesitzer — b. Wohlthätigkeits-, namentlich Erziehungs-Institute — €. fürstliche Gärtnereien — d. Staatsinstitute — und e. gärtnerische Unternehmungen von Communen bereitet werden? Ad a: Die schlesische Handelsgärtnerei leidet sehr schwer durch die Coneurrenz der Dominial- und Herrschaftsgärtnereien, welche ihre Producte oft um jeden Preis losschlagen. Der Gärtner ist meist auf Tantieme vom Bruttoertrage angestellt und verkaufe daher unter allen Verhältnissen. Ad e wurde speeiell die Grossherzoglich weimarische Garten -Ver- waltung zu Hertwigswalde als schlimme Concurrenz von den anwesenden Handelsgärtnern betont und unter Anderem hervorgehoben, dass der Geschäftsverkehr dieser Gärtnerei sich unter der portofreien Rubrik „Eigene Angelegenheiten der Frau Grossherzogin‘‘ bewege. Ad b, d und e wurde in Schlesien keine preisdrückende Concurrenz eonstatirt. Die dritte Frage: Kann sich die einheimische Gärtnerei — falls in dem Massen- Import aus Ländern, in welchen die Gärtnerei unter günstigeren klimatischen Bedingungen arbeitet, namentlich in Freilandseulturen Produete erzeugt, welche zu derselben Zeit von der deutschen Gärt- nerei nur in Treibereien erzielt werden können — dem Druck der Coneurrenz des Auslandes dadurch entziehen, dass an Stelle der gegenwärtig betriebenen Specialeulturen andere, dieser Coneurrenz nicht ausgesetzte, gewählt werden? und welche Culturen möchten hierbei in Betracht kommen? blieb unentschieden, dagegen wurde zu der eigentlichen Hauptfrage: 296 Jahres - Bericht Würde die einheimische Gärtnerei durch Einführung eines Zolles auf gegenwärtig zollfrei eingeführte gärtnerische Erzeugnisse gegenüber den unter günstigeren Bedingungen arbeitenden ausländischen Gärtnereien concurrenzfähiger gemacht werden können? von vier Handelsgärtnern mit Ja, von einem mit Nein gestimmt, die Nicht-Handelsgärtner enthielten sich der Abstimmung in diesem Falle. Die Unterfragen: Und welche Artikel wären für die Auferlegung eines Einfuhr- zolles in Aussicht zu nehmen? wurden beantwortet, dass getriebenes Obst, Gemüse und Schnittblumen mit Zöllen zu belegen seien; a. Würden sich Werthzölle oder Gewichtszölle empfehlen? dass nur Werthzölle vorzuschlagen seien und zwar b. Wie hoch würden, um die gewünschte Ausgleichung zu be- wirken, die Werth- oder Gewichtszölle zu bemessen sein? sei für Gemüse und getriebenes Obst ein Zoll von 50 pCt. des Werthes, für Schnittblumen aber mindestens von 500 pCt. — Werthes in Aus- sicht zu nehmen. Die folgende Frage: Würden durch Einführung solcher Zölle andere, mit der Gärt- nerei in Verbindung oder ihr nahestehende Gewerbe geschädigt, oder in ihrer Existenz gefährdet werden? wurde verneint, obgleich allseitig anerkannt wurde, dass der billige Blumenimport für die Bindereien von wesentlichem Vortheil sei. Die Schlussfrage: Würden im Falle der Einführung soleher Zölle und der Ein- führung von Retorsionszöllen seitens anderer Staaten die Nachtheile, welche der einheimischen Gärtnerei aus der Erschwerung und Be- hinderung des Exportes erwachsen würden, die Vortheile überwiegen, welche einigen Zweigen der Gärtnerei durch die Sicherung des ein- heimischen Marktes gewährt werden würden’? wurde einstimmig verneint und daran angeknüpft eine Erörterung über den ungeheuerlichen Zustand, dass Italien uns überschwemmt mit Samen, Schnittblumen, zeitigem Obst und Gemüse, während es selbst seine Grenzen gegen jede Pflanzeneinfuhr hermetisch abschliesst und so dem deutschen Gartenbau in doppelter Weise schadet. Ueberhaupt wurde die Furcht vor der Phylloxera, die jedes kleinere gärtnerische Auslandsgeschäft unmöglich machenden oder mit hohen Nebenkosten belastenden Vorschriften des Reblaus-Gesetzes, als ein bedeutender Factor der Schädigung des deutschen Gartenbaues erklärt. Schlesien speciell hat seinen sehr bedeutenden Export gärtnerischer Artikel nach Oester- reich vollkommen eingebüsst. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 297 An der italienischen Grenze wird das Reblaus- Gesetz so rigoros gehandhabt, dass den Damen die Bouquets, den Herren die Blume aus dem Knopfloch, den Botanikern der Inhalt ihrer Büchsen confiseirt und durch Feuer vernichtet wird. Der Secretair erwähnte den bekannten Fall des Berliner Botanikers Vatke, welchem, als er 1885 aus den Schweizer Alpen nach Italien passirte, nicht nur sein gesammtes Pflanzen- material weggenommen wurde, sondern der noch 52 Lire (40 Mark) Strafe zahlen musste, weil er einige Rosetten von Sawifraga valdensis in der Rocktasche trug, was als Schmuggelversuch aufgefasst wurde! Solehe Vorkommnisse lassen den Wunsch nach Retorsionszöllen allerdings sehr erklärlich werden. Der Secretair constatirte auf Anfragen noch, dass die Reblaus bis- her auf nichts weiter als auf Reben gefunden worden sei, eine einzige Notiz liege vor, dass einmal einige Rebläuse an den Wurzeln eines Pfirsichbaumes gefunden worden seien, doch sei die Wahrheit dieser Angabe nicht über alle Zweifel erhaben. Die Verschleppung der Reb- laus durch Gartenpflanzen sei kaum denkbar. Am Cap der guten Hoff- nung sei die Reblaus trotz des absoluten Einfuhrverbotes lebender Pflanzen eingewandert; wahrscheinlich durch Kleider und Werkzeuge einge- wanderter Winzer verschleppt. Für Europa ist ein allgemeines Nach- lassen der Reblaus-Infecetionen constatirt, wie alle Epidemien scheine auch die Reblaus-Epidemie zu erlöschen. Der Secretair zeigte Blüthen von Tecophylaea cyanocrocus, welche von Leichtlin aus Baden - Baden stammten, und in dem Blau von Gentiana verna prangten. Ausgelegt waren: Gardeners Chronicle, Wiener Illustrirte Garten- Zeitung, La Belgique Horticole, das zweite Heft der Rosen-Zeitung mit der Abbildung der Rose ‚Her Majesty‘‘, Gartenflora mit der Illustration und Beschreibung der neuen Palme „‚‚Bismarckia nobilis Hildebrand et Wendland“. Stein erwähnt das Ableben des österreichischen Hof - Garten- Direetors Franz Antoine, Ritter pp., welcher, trotz der ihm gegen früher beschränkten Mittel, ganz Ausserordentliches geleistet hat und stets zur Unterstützung deutscher Gärtner den Czechen gegenüber gern bereit war. Vorsitzender brachte das Samen-Verzeichniss der Gratis-Sämereien über Gemüse und Blumen zur Vertheilung und bittet um Resultat - Er- gebnisse darüber für nächsten Jahres-Bericht. Da für die dieses Jahr vom 4. bis 12. September stattfindende Obst- und Gartenbau- Ausstellung ein Garantie-Fonds gezeichnet werden soll, so beantragt Stein, dass die Section für Obst- und Gartenbau Eintausend Reichs - Mark dafür zeichnet; die Unkosten würden eirca 298 Jahres - Bericht 15000 Mark betragen und voraussichtlich, bei nicht gar so schlechtem Wetter, würden solehe durch das Eintrittsgeld gedeckt werden, so dass der Garantie-Fonds nicht angegriffen event. mit nur einem kleinen Procentsatz herangezogen werden brauchte, Da sich kein Einspruch erhebt, so wird Stein bevollmächtigt, 1000 Mark zu zeichnen. Der Schein ist s. Z. der Section unbenutzt zurückgegeben worden, Die am 25. Mai abgehaltene fünfte Sitzung erfreute sich eines ungemein regen Besuches. Auf der Tagesordnung stand die Erörterung der Frage: ob sich die Zuschüttung eines Theiles des Stadtgrabens von Breslau empfehle? Der Referent, städtischer Garten-Inspector Lösener, wies an der Hand früherer Pläne nach, dass schon Lenn& vor 25 Jahren die Cassation des Stadtgrabens als offene Fläche vom Zwinger an bis zum Berliner Platz empfohlen habe. So schön die grosse offene Wasserfläche um die Liebichshöhe und am Nikolaistadtgraben sei, so unschön sei der schmale Graben mit seinen hohen Steilböschungen längs des Zwingers und des Exerzierplatzes.. Durch das Zuschütten dieses Theiles wird nicht nur eine Verbreiterung der dort nur eine Allee bildenden Pro- menade erreicht, die träge, schmutzige Wasserfläche fortgeschafft, son- dern auch eine ganze Anzahl direeter Uebergänge aus der Vorstadt in die innere Stadt ermöglicht. Redner plaidirt unbedingt für Canalisation dieser Strecke. Herr Professor F. Cohn trat diesen Ausführungen entgegen, indem er hauptsächlich darauf hinwies, dass der Graben eine sichere Grenze gegen den Wagenverkehr bilde und dass die Steilböschungen sich viel- leicht noch gärtnerisch verschönern liessen. Herr Mittelhaus schloss sich dem Vorredner an und betonte den Werth des Grabens für den Winter, als Eisbahn, während Herr Garten- künstler Richter für unbedingte Canalisation sprach, ‘besonders wenn gleichzeitig der Exercierplatz mit in das Gebiet der Anlagen einbezogen werden könnte. | Am Schlusse der mehr als zweistündigen Sitzung resumirte der Secretair, dass sämmtliche gärtnerische Auseinandersetzungen in dem Wunsche der Canalisation gipfeln, während von den Nichtgärtnern die Offenhaltung der Wasserfläche gewünscht werde. Als Hauptgründe für die Canalisation der Stadtgrabenstrecke vom Zwinger bis zum Berliner Platz stellte der Secretair fest: 1) die schmale Fläche des Grabens, dessen Wasserspiegel keinerlei landschaftliche Wirkung hat, weil er so tief liegt, dass ihn nur der dicht an das Ufer Tretende sieht; 2) die stete Verschmutzung dieses schmalen Grabens durch hineingewehten der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 299 Staub, Russ und Abfälle aller Art; 3) die durch die Canalisation er- möglichte Verbreiterung der Promenaden; 4) die Möglichkeit, den offen- bleibenden breiten Stadtgrabentheil dann um 20—30 pCt. besser resp. mehr bewässern zu können. Der Secretair wies noch auf die grossen Schlammmassen hin, welche sich stetig mehrend im Grunde des Stadt- grabens lagern und früher oder später zu einer sanitären Gefahr für die Stadt werden müssen. Die sechste Sitzung fand ausnahmsweise Dienstag den 22. Juni statt, sie war von ca. 200 Zuhörern besucht, da Herr ÖObergärtner Ledien, der fast 2 Jahre als Chef der Gartenculturen am Congo gelebt, darüber öffentlich referiren wollte. Der Secretair begrüsst die so zahlreich erschienene Gesellschaft, enthält sich der Vorlegung aller internen Angelegenheiten und bittet Ledien, das Wort zu übernehmen. Ledien, der nur aus eigener Anschauung und Erfahrung spricht, beginnt, indem er auch jeglichen Anbauversuch, Plantagenbau wie andere Culturen als vollständig aussichtslos schildert; mit dem Congo sei man fertig, da sowohl klimatische, wie Bodenverhältnisse die höchst ungünstigsten seien, Er schildert eingehender seine Culturergebnisse über Gemüse; der Kohl gebe keine Köpfe und degenerire vollständig in der 2. Generation; ebenso Kohlrabi; Papilionaceen, wie Erbsen, Bohnen, verunglückten voll- ständig; der glückliche Anbau mit Getreide sei nicht nennenswerth; erfolgreiche Versuche habe er bei Gurken, Tomaten und Zwiebeln ge- habt. Ist an einer localen Stelle der Boden und das Klima besser, so sind auch die Feinde zahlreicher; bei den Gurken habe er z. B. eine Fliege wahrgenommen, die ihre Eier in die Früchte legt und nach 6 bis 8 Stunden wimmelte es schon von Maden. Er habe Missionäre ge- sprochen, die seit 20 Jahren an der Küste lebten und wiederholt Anbau- versuche mit unsern Gemüsearten gemacht hätten, aber immer vergeblich; doch käme der Gemüsebau dort eben nur für uns Weisse in Betracht, um uns den Aufenthalt in diesen Breitegraden zu ermöglichen, nur der Plantagenbau bestimme die Zukunft der tropischen Länder. Wo der Kaufmann Nichts holen kann, was im Werth den theuren Transport- kosten entspräche, da sei auch die Cultur nicht rentabel. Cacao, Kaffee könnten nicht angebaut werden; die Elephanten, welche wohl ab und zu noch vorhanden sind, würden in Kurzem vollständig ausgerottet sein; die Oelpalme tritt so vereinzelt auf, dass die Natives sie für ihren Lebens- ünterhalt verbrauchen und nichts davon exportiren könnten. Das Einzige wäre noch Arachis hypogaea, peanut, von der die Woche viel- leicht 200 Packete an die Station geliefert würden. Cap Palmas, Ka- > 300 Jahres-Bericht merun, ja selbst Gabun sei viel besser an klimatischen Verhältnissen und auch sei der Boden dort viel culturfähiger. Die Hauptschuld sei die allzusehr überhand genommene Entwaldung, welche den Regengüssen keinen Einhalt mehr thue und so sei der Humusboden von den Höhen allmählig in die Thäler geschweift worden und das kahle Schiefergestein trete zu Tage; nach dem Abholzen findet sich ein meterhohes Gras ein, das jegliche andere Pflanze erstickt und von den Eingeborenen vor Beginn der Regenzeit noch dazu abgebrannt würde, so dass auch dadurch die etwa neu angepflanzten Gehölze zu Grunde gehen. Die projectirte Bahn am Congo sei ganz unmöglich, da die Ein- geborenen für solche Arbeiten durchaus nicht zu verwenden wären und Weisse in wenig Wochen von dem Fieber weggerafft würden; Schiffe könnten den Congo nur eine kurze Strecke weit hinauffahren und so kämen die oberen Landstriche, selbst wenn sie besser wären, nicht in Betracht, da die Eingeborenen, welche die Handelsartikel auf ihren Köpfen trügen, viel zu theuer kämen. Redner schildert jetzt eingehender die am günstigsten gelegene Station Vivi und das Leben der Weissen daselbst. Die Häuser sind durchweg aus norwegischer Kiefer gefertigt, stehen auf Pfählen und haben das Aussehen einer deutschen Scheune. Das Haus ist der enormen Hitze wegen ganz luftig gebaut; die Fenster sind durchbrochen, ebenso die Wände und Dächer, die Oeffnungen sind jedoch vorsorglich mit Drathgaze überzogen, um so allerlei Ungeziefer abzuhalten, Das Congo- gebiet bietet an frischem Fleisch wenig, fast nichts; die Ziegen und Hühner sind nicht ausreichend und können so nur den Fieberkranken als Stärkung verabfolgt werden. Die Eingebornen könnten wohl von Reis und Bananen leben, der Weisse jedoch könnte davon nicht bestehen, besonders da er dadurch viel anfälliger fürs Fieber würde, er wäre daher nur auf Fleisch-Conserven und eingemachte Früchte angewiesen; erstere wären aber bei weitem nicht so gut, als wie wir dieselben hier bekämen. Das Fischen im Congo sei der zahlreichen Krokodille wegen sehr gefährlich, so dass man auch auf diese verzichten müsse. Jeder Weisse würde in kürzester Zeit vom Fieber befallen, welches in einigen Fällen schon nach 2 bis 3 Tagen tödtlich war. Es ist das Malaria-Fieber, welches sich alle 3 bis 4 Wochen bei dem Befallenen regelmässig einstellt, sich anfänglich durch Schüttelfrost äussert, der als- bald in Hitze umschlägt, dies dauert so 3 Tage, bis es allmählig nach- lässt, wovon man sich aber kaum in 8—10 Tagen erholt, am stärksten stellt sich das Fieber bei Beginn der Regenzeit ein. Der schroffe Tem- peraturwechsel von Tags 44° C., Nachts 10° C., beschleunige die Er- krankungen. . der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 301 In der Regenzeit, vom October bis Januar, sei die Hitze, wenn die Sonne einmal hervorkommt, unerträglich, sie versenge und verbrenne alles, so dass die Feuchtigkeit in wenig Stunden verdunstet, die noch Tags zuvor wie mit Kannen niederströmte. Die Anpflanzungen, welche vor oder in der Regenzeit gemacht würden, seien rettungslos verloren, denn die Regenströme schweifen alles mit sich fort. Die Baumvegetation, welche in den Thälern und ab und zu noch auf den Höhen höchst kümmerlich vorhanden sei, bestehe hauptsächlich aus dem Baobab, der unvermittelt über die niedrigeren Rhapis, Phönix, Bambusen, hinweg- ragt, was in der trocknen Zeit, wo er fast blattlos dasteht, einen trost- losen Anblick gewähre. Für unsere Gewächshäuser sei von dort fast Nichts zu erwarten, Orchideen seien nur durch unscheinbare Blüher vertreten, vielleicht lohnen einige Amaryllideen. | Nach seinen Erfahrungen kann er nur Jedem abrathen, irgendwie durch Plantagenbau oder andere Culturen sein Glück am Congo zu ver- suchen, in Kurzem würde Jeder, an Enttäuschungen reicher, sich nach Europa zurücksehnen. Der Secretair dankt dem Redner für die interessanten Schilderungen im Namen der so zahlreich Erschienenen. Obergärtner Richter hatte ein vorzügliches Erdbeersortiment von 26 Sorten ausgestellt; von den grössten Früchten waren ganz besonders erwähnenswerth: König Albert von Sachsen, Theodor Muli&, Mac Mahon, Phenomene, Helvetia u. a. Derselbe verzichtet der vorgerückten Zeit wegen auf seinen Vortrag über den städtischen Park in Treptow bei Berlin, dessen Situationsplan er zur Ansicht vorlegt. In der am 1. September abgehaltenen siebenten Sitzung wurden vier Ehrenpreise im Gesammtwerthe von 300 Mark für die Gartenbau-Ausstellung bewilligt. Diese Ehrenpreise wurden seitens der Ausstellungsjury zuerkannt: Herrn Baumschulenbesitzer Behnsch in Dürrgoy für Obstbäume und Gehölze, Herrn Kunst- und Handelsgärtner Senzky in Scheitnig für Topfpflanzen, Herren Scholz und Schnabel’s Nachfolger für Sämereien, Frau Dr. Folchert für Zimmereulturen. In der achten und neunten Sitzung wurden die laufenden An- gelegenheiten erledigt und von dem Secretair Referate über neuere Pflanzen gegeben. Die zehnte Sitzung wurde durch einen im Anhange folgenden Vortrag des Secretairs über die Familie der Droseraceen ausgefüllt. In der Schlusssitzung referirte der Seeretair über die laufende Abwickelung der Ausstellungs-Angelegenheiten und gab die nachstehende Uebersicht über den Umsatz im Seetionsgarten, dessen Bestände durch den harten Winter und Kaninchenfrass sehr geschädigt worden waren. 302 Jahres - Bericht Es wurden abgegeben: Apieivaume,, "2 7 SU MEIUN N EHER DENE Pe N N ep Kibemwanmer., 2 EN BZTE To PERGRERDaUmE I I Zr sl - ee 1 BIO REBEENDGmEIe. 8 2 ON SER, 65 - DIEBHEeIbBErEN LAN BR SER VI WIDER dchanhisbeeren., » „nam ann, BI ORE Bates IB ERBE. ET ee Brombeeritt hl WDR ER, 392: Bräbeeten HUN AUEE, AY19 5 BADER FL ARTE Weinreben WAR VERIEAF AUG, AR By WE Risuner uhbatn dk ,N10 TOO RIIRSINBTESNAATE Haselnusssträucher . . . 2.2... 70 = Bpergelpflanzen HM a) 19 DIET Ziersträucher und -Bäume . . . . 175 - Harte Orchideen fürs freie Land. Die Madeira-Orchis (O. foliosa) ist vielleicht die stattlichste ihrer Gattung und ist doch so wenig angepflanzt, trotz ihrer geringen Ansprüche auf Schutz und Pflege. In jedem feuchten torfigen Beet wird sie ihre schönen hohen Blüthenstände entwickeln, und verdient sie wirklich eine allgemeinere Verbreitung. Wäre sie nur erst einmal im deutschen Handel, so würde man sie bald für die schönste unserer Moorbeet- pflanzen erklären. Mit ihr zusammen würde Epipactis palustris in gleicher Weise Allen gefallen; diese Orchidee würde nur einen ziemlichen Raum verlangen, da sie einen weitkriechenden Wurzelstock besitzt und bei guter Ent- wickelung nicht gern gestört ist, wie alle faserwurzeligen Orchideen; die schöne Traube grosser, rosig angehauchter, weisser Blüthen ist so interessant wie schön. Epipactis ovalis, eine andere seltene Species dieser schönen Familie wird ganz mit Recht als eine Felspflanze cultivirt, wenn man dabei nur ihre Ansprüche richtig erfüllt. Sie verlangt unbedingt eine Beimischung von altem Kalk oder Kalkschutt zu der Pflanzerde und den sonnigsten und wärmsten Standpunkt im Garten. So wenigstens hat Schreiber dieses sie jahrelang in prächtiger Entwickelung in seinem Garten gehabt. Sie bleibt nur klein, kaum höher als 6 Zoll, mit einer Traube kleiner rosa- und purpurfarbiger Blüthen, in etwas der E. palustris der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 303 ähnlich, aber nie so ornamental. An manchen Fundorten, wo sie früher in Massen stand, ist sie jetzt fast ausgestorben. Der Verfasser kann sich absolut nicht der Meinung verschiedener Botaniker anschliessen, die E. ovalis einfach eine Varietät von E. latifolia nennen, da Blüthe, Wurzel und andere kleinere Unterschiede sie weit auseinander stellen. Ein wunderhübsches Pflänzchen für eine schattige Ecke auf einer Kalksteinpartie ist die kleine Liparis Loeselü; sie wächst dort prächtig und entwickelt die Blüthen alljährlich und zwar immer stärker, nur scheint sie sich sehr schwer zu vermehren. Für Jemand, der die zwar unscheinbare aber dankbare Orchidee zu pflanzen gedenkt, sei noch bemerkt, dass sie bei dem Verfasser in einer Mischung von sandigem Torf mit Ziegelstaub steht, an einem ziemlich feuchten dunklen Ort,. überwuchert von Campanula hederacea. Ganz beträchtlich vermehrte sich Orchis pyramidalis in der Cultur und daneben ein Haufe von 8 Exemplaren von Herminium Monorchis, der von einer einzelnen Pflanze herrührt, die 4 Jahre früher dort gepflanzt wurde; man hat diese allerdings nur sehr winzige und unscheinbare Orchidee mit Recht die Moschus-Orchis genannt und riechen die Blüthen wirklich angenehm. Einige andere ornamentale Species sind noch Serapias Lingua et neglecla. Die sonderbar gefärbte Blüthe und ihre lange zungenförmige Lippe machen sie auffallend und schön. Sie wächst in einem gewöhn- liehen Moorbeet so gut wie irgend eine andere europäische Orchidee. In jedem Garten, der ein Moorbeet besitzt, sollte man auch die deutsche Orchis globosa haben, die unserer pyramidalis ausserordentlich ähnelt, was Farbe und Stellung der Blüthen anbetrifft. Sie acelimatisirt sich augenscheinlich leicht und nimmt zu an Stärke und Schönheit. Die Blüthen sind leuchtend rosa und stehen in einer gedrängten Aehre. Anstatt die Orchideen auf das gewöhnlich regelmässige Moorbeet zu pflanzen, sollte man ihnen lieber eine unregelmässige Partie im Park herriehten, wo sie ein schönes eigenartiges Bild geben würden. A. D. W. (The Garden.) Die sogenannte „rothe Spinne“, Gelegentlich einer Gärtnerversammlung in Cineinnati hat ein Redner gesagt in einem Vortrage über die Feinde der Pflanzen: „Es sei eine bekannte Sache, dass Alles auf die Schwachen losprügelte. So sei es auch mit jenem winzigen aber schönem Insect, der rothen Spinne. Wie die anderen Spinnen ist sie fleischfressend und hat nie einen Pflanzen- theil genossen, Es sind vielmehr mikroskopisch kleine Wesen, die auf 304 Jahres - Bericht der Pflanze und von deren Säften leben und von denen wiederum die Spinne sich ernährt. Sie ist unsere Freundin und durchaus nicht Feindin‘“. Diese Beobachtung beruht nach unserer Meinung halb auf Thatsache und halb auf Phantasie. Es ist wohl wahr, dass die Spinne fleisch- fressend ist und durchaus nicht abhängig ist von Pflanzenkost; aber das in Frage stehende Insekt ist keine Spinne, es gehört zu der Gattung Acarus der Milben, und lebt ausschliesslich auf Pflanzentheilen. Im zoologischen System gehören sie freilich Beide in die Klasse der Arach- niden, aber die Milbe rangirt unter die Trachearia, die Spinne unter die Pulmonaria. Die Ordnungsunterschiede beruhen in den Athmungsorganen. Bei der Milbe geht die Athmung vor sich durch Luftröhren, die durch den ganzen Körper vertheilt sind, während dieser Process bei der Spinne durch Spiralgänge, die am Hinterleib liegen, geschieht, die von Mem- branen durchzogen sind, welche, eigenthümlich gefaltet, an Kiemen er- innern. Auf dieses Merkmal ist der Ordnungsunterschied zwischen Pulmonaria und Trachearia der Arachniden begründet. Aber abgesehen von allen wissenschaftlichen Unterschieden kann sich jeder Besitzer einer guten Taschenloupe davon überzeugen, dass der gefürchtete Feind des Gärtners wesentlich verschieden ist von der Spinne. Kopf und Brust der Spinne sind mit dem Hinterleib, wie bei an- deren Insekten, durch ein feines Band verbunden. Sie hat acht Augen, acht Beine und ausserdem zwei kurze armartige Werkzeuge (palpi) zum Greifen und Festhalten der Beute. Der Körper der Milbe ist nicht so eingerichtet; fast oval in der Form, etwas zugespitzt nach dem Kopfe zu, der in einen Sauger (Syphon) endigt, der zum Aussaugen des Pflanzensaftes eingerichtet ist. Die Milbe hat sechs Beine, die durch eine Umbildung, wie sie bei den Insekten mehrfach vorkommt, manchmal auch auf acht vermehrt werden. Der Körper ist durchsichtig, mit dunklen, Aderung ähnlichen Verzweigungen längs des Rückens, die wir für die Tracheen halten. Nur die älteren Weibchen sind roth, was zu der volksthümlichen Be- nennung Anlass gegeben haben mag. Letztere fertigen auch ein Gewebe an, aber nicht so künstlich wie die Spinne; die Gewebe scheinen zur Hauptsache als Nest oder als Schutzort für grössere Colonien der Milbe zu dienen; während das Ge- webe der Spinne nicht nur eine Zufluchtstätte in Gefahr, sondern zur Hauptsache Hinterhalt gegen die Feinde und Opfer und Falle für harm- lose Fliegen etc. ist. A. Veitch, Gardeners Monthly et Hortieulturist. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 305 Düngung von Orchideen. Eine der Hauptfragen, mit der sich die englische Orchideen-Con- ferenz beschäftigte, betraf die Düngung der Orchideen in der Weise, wie wir sie anderen Topfpflanzen zu geben gewöhnt sind, d. h. indem man an die Wurzeln Dünger in flüssiger oder fester Form bringt. Im Allgemeiner nimmt man an, dass grössere Mengen Ammoniak in der Luft eines Orchideenhauses während der Hauptwachsthumsperiode wesentlich zum Wohlgedeihen beitrügen. Die Thatsache, dass so viele epiphytische Orchideen mit von den übrigen Pflanzen so wesentlich verschiedenen Wurzeln ausserhalb der Erde leben, hat zu der Ansicht geleitet, dass jene Epiphyten von Wasser und Luft allein lebten. Dagegen, muss sich Jeder selbst sagen, ist zu bedenken, abgesehen davon, dass diese oft klimmenden Orchideen zum Theil mit ihren untersten Wurzeln auch bis zur Erde hinuntergehen, dass die in einem fortwährenden Verrottungsprocess befindliche Rinde der Bäume wohl im Stande ist, eine fortwährende Nahrungszufuhr zu geben. Ferner sind die Orchideenwurzeln kurzlebig; diese geben nach ihrem Verfall Ge- legenheit zur Ernährung der jährlich an den jungen Scheinknollen sich erzeugenden Wurzeln. Das beweist schon zur; Genüge, dass die epiphy- tischen Orchideen vielmehr zum Leben haben, als Thau und Regen ihnen bieten können. Wenn auch die meisten Orchideen-Cultivateure den Pflanzen kaum mehr als Sphagnum und Torf und gewiss keinen Dünger gegeben haben, so ist das durchaus noch kein Beweis dafür, dass letzteres schädlich wäre, und wenden Andere schon seit lange Düngung mit den besten Erfolgen an. Als Schreiber dieses mit Orchideeneulturen anfing, vor mehr als 30 Jahren, erreichte derselbe ein wesentlich kräftigeres Wachsthum durch regelmässige tüchtige Düngung, als ohne diese bei allen Calanthe-, Zygopetalum-, Lycaste-, Anguloa-, Cymbidium-, Phajus- und anderen Arten der starkwüchsigen Gattungen. Schreiber brauchte völlig verrotteten Stall- oder Kuhdünger, wovon er der gewöhnlichen Mischung für Orchideen ein tüchtiges Theil zu- setzte. Eine ganze Reihe tüchtigster Orchideenzüchter, die derselbe kennen lernte, haben regelmässig mit Düngung gearbeitet, Besonders erwähnenswerth ist das wunderbare Wachsthum einer Colleetion auf der Besitzung Hurst-House bei Liverpool, die Schreiber vor etwa 25 Jahren zu sehen bekam. Die dort verwendete Mischung bestand aus der Erde eines alten Pilzbeetes und Hoizkohle und Torf zu gleichen Theilen; 1886. 20 506 Jahres-Bericht darin wurden ohne Unterschied cultivirt Cattleya, Laelia, Oneidium, Dendrobium, Cypripedium, Lycaste, Aerides, Saccolabium, Vanda und andere. Wer jene Culturen sah, brauchte nicht nach der Mischung zu fragen; die Erde war unbedeckt und nicht das geringste Moos wurde dabei verwendet. | Einer der besten Orchideengärtner, der nur Dendrobium nobile und andere zum Blumenschneiden geeignete Arten für den Verkauf ceultivirte, pflegte trockenen Pferdemist auf die Scherben zu legen, worauf dann der Topf mit Torf und Sphagnum gefüllt wurde. Schreiber könnte so eine Menge von Fällen anführen, in denen Düngung bei Orchideen mit dem besten Erfolge angewendet wurde, und zwar nicht blos versuchsweise, sondern regelmässig; die Massregel ist also durchaus keine Erfindung der Neuzeit. Der grossartigste Erfolg von Düngung bei Orchideen war zu sehen auf einer Ausstellung in der Waltham Abbey im vorigen Jahre. Der Cultivateur derselben war Herr Gilks auf Higham Hill in Walthamstow. Auffällig war der ungewöhnlich starke Trieb, die Länge der Blüthen- stände und die Zahl der Blüthen, die einzelne Arten entwickelt hatten. Der Augenschein lehrte, dass nur der letztjährige Trieb so ausser- gewöhnlich stark war, während die älteren Triebe nichts voraushatten vor anderen mittelmässig gesunden Pflanzen. Statt der langsamen grad- weisen Entwickelung der Pflanzen, wie sie gewöhnlich bei gutbehandelten Orchideen beobachtet wird, hatten hier die Scheinknollen und Blätter gewissermassen einen plötzlichen Sprung gemacht in ihrer Entwickelung, wie Schreiber es früher noch nie gesehen hatte, was Jeder bestätigte, der etwas von Orchideen verstand. Schliesslich stellte es sich heraus, dass die Pflanzen mit Fisch-Guano behandelt worden waren. Verfasser erhielt später Erlaubniss, die Culturen zu besuchen. Die Sammlung war verhältnissmässig nur klein und füllte drei Häuser. Be- sonders bemerkenswerth war eine ganze Stellage mit Zycasie Skinneri. Die letztjährigen Knollen und Blätter dieser Art erinnerten der Grösse nach mehr an Anguloa als an Lycaste; die Knollen einzelner Exemplare hatten eine Länge von 6'), zu 7 engl. Zoll und einen Umfang von 7‘), Zoll, während die Blätter bis 28 engl. Zoll lang und 5 Zoll breit waren. Die Masse und Grösse der Blüthen entsprach der wunderbaren Entwickelung der ganzen Pflanzen. Cymbidium Lowi, welches gewöhn- lich zwei Triebe auf einmal entwickelt, hatte hier zehn Triebe, wobei mehrere der Blüthenstände über 4 Fuss lang waren. In derselben Weise bewährte sich die Düngung bei Cattleya und Laelia. Etwa 18 im- portirte Pflanzen von Laelia purpurata, die 3'/, Jahre vorher für 5 Shill. das Stück gekauft waren, hatten eine bewundernswürdige Stärke erreicht; ug, We Ze ZU Oo DL. 0 ZA SU 2 SE a a Zu der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 507 eine kleine Pflanze von Laelia elegans, deren Blätter 7‘), Zoll lang und 2 Zoll breit waren, trieb letztes Jahr von einer Bulbe doppelt aus; die Blätter der neuen Knollen sind 13 Zoll engl. lang und 3 Zoll breit, die Bulben entsprechend gross. Eine Cattleya lobata, die letztes Jahr nicht zum Blühen kam, kam dies Jahr mit doppelten Trieben, von denen beide blühten und deren neue Knollen völlig die Grösse der Mutter- knollen erreicht haben. Denselben wirklich erstaunlichen Erfolg der Düngung mit Fischguano sah man bei verschiedenen Odontoglossum- Arten. Importirte Pflanzen von O. crispum haben nach 2 Jahren eine Stärke erreicht, wie man sie kaum je zu sehen bekommt. 0. Uro- Skinneri hat ebenfalls eine seltene Entwickelung erreicht; während letzt- jährige Bulben von O. pulchellum 3'/, Zoll lang und 4', Zoll im Um- fang und wenigstens 3 Mal so stark sind als die Mutterknollen. Onecidium macranthum ist kaum je so gross zu sehen gewesen, wie bei dieser BehandInng. Einige Hundert Exemplare von Sophronitis grandi- flora stehen in ungewöhnlich starker Entwickelung; die Blüthen stehen buchstäblich gehäuft. Species von Zygopetalum, Cypripedium, Cymbidium eburneum, C. Mastersi, Angraecum sesquipedale und eine Menge anderer Arten zeigen die Erfolge der Düngung in nicht misszuverstehender Weise, Von Oneidium Lancianum sollte man der Art seines Wachsthums nach kaum denken, dass Düngung dasselbe beeinflussen könnte; aber eine Pflanze davon, die aus nur einem Triebe bestand und bei der man letztes Jahr Düngung anwendete, machte danach ein mehr als doppelt so grosses Blatt wie das erste. Man machte die ersten Versuche mit der Düngung natürlich nur an wenigen Pflanzen ein Jahr vor der letzten Triebzeit; die Erfolge waren aber so in die Augen springend, dass man letztes Jahr dieselbe bei allen vornahm. Ein augenscheinlicher Beweis für den Vortheil des Verfahrens ist, dass jene zuerst gedüngten Pflanzen bei dem vorjährigen Trieb alle doppelt ausbrachen und dass jeder Trieb bedeutend grösser war als der Muttertrieb. Es ist durchaus nicht zu viel gesagt, dass einige vorjährige Bulben von Lycaste Skinneri viermal die Grösse ihrer Mutterbulben erreicht haben. Es ist fast unnöthig zu erwähnen, dass die Hauptsache bei der Orchideeneultur darauf beruht, die Pflanzen zu einer richtigen Stärke und Reife zu bringen, um es ihnen möglich zu machen, doppelt durchzubrechen, da davon thatsächlich die Erhaltung und Vergrösserung des Exemplars abhängt. Von grösstem Interesse wird es sein, die oben besprochene Collection auch fernerhin zu beobachten. Man mag noch so sehr gegen die Düngung der Orchideen sein, gegenüber dieser Collection in ihrem heutigen Zu- stande wird man seine Meinung ändern müssen. Allgemein ist ja bekannt, dass gewisse Düngerarten ganz besonderen Effect auf bestimmte Pflanzengattungen haben und da muss man als 20* 308 Jahres-Bericht augenscheinlich anerkennen, dass jener Fischguano alle übrigen Dünger- arten in ihrer Wirkung auf Orchideen übertrifft. Selbstverständlich muss man, wie bei allen Düngeversuchen, so bei den Orchideen mit ganz besonderer Vorsicht vorgehen. Es war bei allen obengenannten Versuchen der Dünger in sehr kleinen Quantitäten verwendet worden: Ein 4zölliger Topf voll Fischguano ist die Zusatz- menge für 3 Scheffel Orchideenerde und ist es nöthig, diesen Zusatz sehr gleichmässig durchzumischen, damit nicht einzelne Partien der Erde mehr enthalten, als die dahineingepflanzten Orchideen vertragen können. Es ist entschieden nicht ausreichend, wenn man, wie das Manche thun, den flüssigen Dünger oben auf die Erde der Töpfe. sprengt; das Sphagnum würde sofort absterben, was ein Beweis dafür wäre, dass der Guss zu stark für die Orchideenwurzeln sein würde. Die beste Art, den Dünger gleichmässig zu mischen, würde wohl sein, dass man die Erde dünn ausbreitete und dann das entsprechende Quantum Guano gleich- mässig darüber streute; durch ein tüchtiges Durcheinanderwerfen würde dann gewiss eine gute gleichmässige Mischung entstehen. Bei den obenerwähnten Versuchen war der Dünger sowohl in fester Form unter die Erde gemischt, als auch dem Giesswasser beigemischt worden. Leider hatte Schreiber vergessen, nach der Stärke des Zu- satzes für das Wasser zu fragen, doch ist letzteres leicht festzustellen und darf man wohl annehmen, dass die flüssige Düngergabe den meisten Einfluss auf die Entwickelung der Pflanzen haben wird. Der Guano stammt aus Norwegen vom sogenannten Codfish oder Stockfisch. Das Düngepulver wird angefertigt aus dem Fisch, der mit allen Knochen erst getrocknet und dann zermahlen wird, wonach dem Fabrikate noch ein Zusatz von schwefelsaurem Kali und schwefelsaurer Magnesia gegeben wird. Bekannt und viel verwendet ist es ja schon für landwirthschaftliche Zwecke; man kam darauf, es bei Orchideen zu versuchen, bei einer Untersuchung über den Effect des Düngemittels bei allen möglichen Culturpflanzen und empfehlen wir weitere Fortführung derartiger Ver- suche, nur wiederholen wir die Bemerkung, dass bei Orchideen ein so scharfer Dünger nur mit der allerängstlichsten Vorsicht angewendet werden darf, bis man die zulässige Düngermenge durch Erfahrung genau kennt, T. B. (The Garden.) ER WERDE + De vw wproten der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 309 Die Familie der Droseraceen. Von B. Stein. Die Droseraceen sind in unseren Gärten fast nur vertreten durch zwei Arten, eine vom Cap der guten Hoffnung: Drosera capensis L., stammbildend mit riemenförmigen, 10—15 cm langen, 1—2 cm breiten Blättern, welche dicht mit Fanghaaren besetzt sind, und grosser purpur- violetter Blüthe, und Drosera binata Lab. von Australien und Neu-See- land, mit langgestielten, in zwei gabelspaltige schmale Zipfel zerspaltenen, dieht drüsighaarigen Blättern und weissen Blüthen. Bekannt sind von der Gattung Drosera über 80 Arten, von welchen 42 in Australien heimisch sind. Was nun die vielbesprochene Thätigkeit der Droseraceen als ‚In- sectenfresser“ betrifit, so genügt wohl ein kurzes Resume über die Art und Weise der direeten Aufnahme organischer Stoffe durch die Blätter und die Vorrichtungen zum Fang der Thiere. Letztere sind in der Familie der Droseraceen auf zwei Gruppen beschränkt, entweder das Thier wird einfach durch den Fangschleim festgehalten oder das Blatt betheilist sich direet am Fange, indem die dem zuerst festhaltenden Haare zunächst stehenden Drüsenhaare sich einkrümmen und festhalten helfen, ein Theil des Blattes sich dabei mehr oder weniger mit ein- krümmt, oder die ganze Blattspreite von der Mitiellinie aus plötzlich zusammenklappt und so das Thier direct fängt. So bewegliche Blattspreiten besitzen nur Dionaea muscipula Ell. und Aldrovandia vesiculosa L, Die Blätter der Dionaea und die Thatsache ihres Zusammenklappens, wenn eines der drei Borstenhaare, welche auf jeder Blatthälfte stehen, berührt wird, sind so bekannt, dass wir nur erwähnen wollen, dass die Schnelligkeit, mit welcher das Blatt zusammen- klappt, abhängt von dem gesunden Zustande der Pflanze und den Wärmeverhältnissen. Gesunde Blätter kräftiger Pflanzen klappen im Sommer blitzschnell zusammen; in demselben Augenblick fast, wo das Haar berührt wird, schliesst sich das Blatt, und da die Zähne fast im rechten Winkel nach oben zur Blattspreite stehen, ist der Verschluss schon hergestellt, ehe das Insect den Druck der zusammenschlagenden Blatthälften spürt. Auf diese Weise erklärt es sich, dass gesunde Dionaeen im Sommer auch die schnellsten Inseeten, langbeinige Weber- spinnen, leichte Fliegen oder Mücken, regelmässig fangen. Die Aldrovandia vesiculosa ist ihrem Blatte nach eine verkleinerte Dionaea. Dieses Blatt ist bei weniger als 20° C. Wassertemperatur 310 _ Jahres-Bericht immer geschlossen und sitzt dann in Form einer kleinen, wenig auf- gebauchten Blase dem breiten Blattstiele auf. Erst wenn die Tempe- ratur des Wassers 25° C. übersteigt, öffnen sich alle diese Blasen, die beiden Blattspreiten - Halbkreise liegen dann in einer Ebene neben- einander, die etwas zahlreicher als bei Dionaea entwickelten Reizhaare — 15 bis 25 — sind nach verschiedenen Richtungen aufgestellt und sowie ein Wasserthierchen eins derselben berührt, klappt die Falle energisch zu und hält es fest. Darwin sagt darüber: „Stein ent- deckte 1873, dass die zweilappigen Blätter, welche in Europa gewöhn- lich geschlossen gefunden werden, sich unter einer genügend hohen Temperatur öffnen und wenn sie berührt werden, plötzlich schliessen. Stein beobachtete, dass die Wasser-Inseeten manchmal gefangen werden und Professor F. Cohn hat dann wiederholt in den Blättern wild ge- wachsener Pflanzen viele Arten von Krustenthieren und Larven ge- funden.‘ Später fand ich — durch die Belesenheit meines Freundes Professor Kurz — dass schon lange vor mir (1861) de Sassus die Reizbarkeit der Blätter gesehen hatte (Bulletin de la Societe de Botanique de France 1861) und Delpino giebt 1871 an, dass Süsswasser-Schalthiere von den Blättern gefangen und erstickt werden. In den Teichen um Rybnik in Oberschlesien, wo ich diese Fangthätigkeit selbstständig wieder ent- deckte, sind alle Blasen der Pflanze im Spätherbst mit Schalthierresten erfüllt. Selbstredend fängt Aldrovandia nur winzige Thierchen, da die Blattblase nur etwa die Grösse einer halben Linse hat. Dieser vollkommensten Fangmethode schliessen sich nun jene Dro- seraceen an, welche zwar nicht mehr ihr ganzes Blatt zum Fange rasch bewegen, aber doch noch Theile des Blattes dazu einbiegen oder wenigstens durch bewegliche Drüsenhaare — Taster, Tentakeln sagt Darwin, — anfliegende Insecten festhalten. Nur Arten der Gattung Drosera gehören in diese Gruppe. Die so artenreiche Gattung besitzt zunächst eine Reihe von Arten, welche über- haupt keine Drüsenhaare tragen, daher ganz ausser Beachtung bleiben, dann solche Species, welche nur partiell mit Drüsenhaaren besetzt sind und zwar dann meist mit so kurzen Haaren, dass schon deren Form eine Beweglichkeit ausschliessen und endlich jene zahlreichen Arten, welche lange Drüsenhaare besitzen, deren Beweglichkeit theils durch unmittelbare Versuche nachgewiesen ist, theils aus der Analogie der Formen geschlossen werden muss. Wahrscheinlich zeigen alle Arten mit beweglichen Drüsenhaaren auch eine Einkrümmungsfähigkeit der Blattspreite selbst. Sichere Untersuchungen dieser Bewegungen — hauptsächlich und eingehendst von Darwin — liegen vor über Drosera rotundifolia, anglica, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 311 obovata, intermedia, capensis, spathulata, filiformis und binata, bestätigende Bemerkungen über Drosera pallida und sulphurea aus Australien, Drosera lunata aus Indien und Drosera trinervis vom Cap der guten Hoffnung. Der Vorgang des Fangens vollzieht sich überall nach folgendem Schema: Ein anfliegendes Inseet — oder bei Versuchen irgend ein organischer Körper — haftet an dem schleimigen Ueberzuge, welcher das meist rothe Köpfchen eines Tasters (wie wir der Kürze halber für diese Drüsenhaare sagen wollen) berührt. Der berührte Taster sondert sofort mehr zähen Schleim ab, um die Beute festzuhalten und biegt sich rascher oder langsamer nach der Blattoberseite und nach innen ein. Die benachbarten Taster werden durch Leitung mit angereizt und folgen dieser Bewegung, indem sie von allen Seiten her (kreisförmig) sich nach dem ersten Berührungspunkte einbiegen und gleichzeitig zähen Schleim stärker absondern. Bald folgt auch die Blattspreite dieser Bewegung, indem sie sich von der Spitze oder vom Rande her nach dem Be- rührungspunkte einbiegt und so ihren Tastern den Weg verkürzt, gleich-- zeitig aber auch die Berührungsstelle zu einer kleinen Grube umbildet, wie es unser Handteller zeigt, wenn wir die Hand einkrümmen, So wird das gefangene Inseet mehrseitig festgehalten und mit Schleim über- zogen, bis es erstickt ist. Der Tod wird übrigens nicht nur durch das unmittelbare Ersticken bewirkt, sondern durch Einwirkung einer von den Drüsen ausgeschiedenen Säure wesentlich beschleunigt, worauf wir bei der Verdauung zurückkommen. Ist das Inseet todt, resp. die Zer- setzung desselben beendet, so streckt sich das Blatt, wenn es noch kräftig genug ist, und die Taster kehren in ihre alte Lage zurück, bereit zu neuem Fange, Die Gattungen Drosophyllum, Roridula und Byblis zeigen uns die einfachste Fangmethode, indem ihre Taster unbeweglich sind und Insecten nur vermöge des zähen Schleimes festhalten, welchen die Tasterköpfchen reichlichst absondern. Die Blätter dieser drei Gattungen functioniren also nur ähnlich wie die Leimrutken, welche man bei uns als Fliegen- fänger aufstellt. Mit dem Augenblicke des Festhaltens eines organischen Körpers be- ginnen auch sämmtliche Droseraceen die Vorarbeit, um denselben zu zersetzen und für ihre Ernährung auszubeuten. Wir erwähnten bereits, dass die Taster — wo solche den Fang bewirken — ausser ihrem zähen Fangschleime noch eine sauere Flüssigkeit absondern. Diese Säure allein aber ist nicht im Stande, Eiweissstoffe, wie sie der In- seetenkörper z. B. enthält, aufzulösen, es muss ein Ferment dazutreten. Dieses pepsinartige Ferment liefern kleinere, oft winzige Drüsen, welche z. B. an gesunden Dionaea-Blättern die ganze Blattfläche roth schimmern lassen, auf Aldrovandia-Blättern mit blossem Auge gar nicht wahrnehm- 312 Jahres-Bericht bar sind und auf den Blättern von Drosera, Drosophyllum, Byblis und Roridula in Mengen zwischen den grossen Tastern sitzen. Sowie ein organischer Körper auf diese kleineren Drüsen geräth, ergiessen sie grössere Quantitäten dieser saueren und pepsinhaltigen Flüssigkeit, welche alle löslichen Theile der Beute vollkommen auflöstt. Aus der nach Hunderten zählenden Reihe von Verdauungsversuchen, welche Darwin anstellte, genügt es, einen einzigen als Muster zu citiren, da der Vor- sang immer derselbe ist. Darwin legte auf zwei Taster von Drosophyllum kleine Eiweiss- würfel. Nach 2 Stunden 45 Minuten war der ganze saure, zähe Schleim absorbirt, eine Einwirkung auf die Würfe) aber nicht bemerkbar, obwohl ohne Zweifel geringe Spuren Eiweisssubstanz ihnen entzogen worden war. Nun wurden die Würfel auf die unter den Tastern sitzenden kleinen Drüsen gebracht, welche, dadurch gereizt, im Laufe von 7 Stunden reichlich Flüssigkeit absonderten. Innerhalb dieser 7 Stunden wurde ein Würfel bedeutend zersetzt und nach Verlauf von 21 Stunden 15 Minuten waren beide Würfel völlig flüssig. Die kleinen flüssigen Massen zeigten aber noch weisse Streifen. Nach Verlauf von weiteren 6 Stunden 30 Minuten verschwanden auch diese Streifen und 48 Stunden nach Beginn des Versuches war die verflüssigte Masse vom Blatie voll- kommen aufgesaugt. Ins Allgemeine übertragen, heisst das also: die Taster fingen die thierische Beute und säuerten sie an, die kleinen Drüsen zersetzten sie und sogen sie als Nahrung für das Blatt resp. die Pflanze auf. Der Verdauungsvorgang durch die Drüsen auf dem Blatte selbst ist von dem thierischen Verdauungsaete in Nichts verschieden. Soweit Beobachtungen vorliegen, ist von allen Droseraceen die gleiche Thötigkeit beobachtet worden. Dieselben Drüsen, welche die organische Stoffe zersetzende Flüssigkeit absondern, saugen auch die verdaute Flüssigkeit ein. Wir stehen nun nur noch vor einer Frage: bedürfen die Drosera- ceen dieser direeten Nährstoffaufnahme durch die Blätter oder können sie auch eventuell durch die Thätigkeit ihrer Wurzeln allein leben? Eine präcise Antwort lässt sich darauf noch nicht geben, noch werden beide Ansichten von hervorragenden Fachmännern vertreten und die Experimente haben noch zu keinem sicheren Resultate geführt. Jedenfalls steht aber fest, dass eine ganze Reihe Droseraceen durch ihr schlechtes Wurzelvermögen auf diese Nahrungsaufnahme durch die Blätter hingewiesen zu sein scheint. Aldrovandia besitzt im erwachsenen Zustande gar keine Wurzelanlagen; die Keimpflanze, welche doch jeden- falls ein Würzelchen besitzen muss, kennt man zur Zeit noch gar nicht. Aldrovandia scheint also sicher allein auf die Blattthätigkeit für ihr 7 u on Zu der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 313 Wachsthum berechnet zu sein. Dionaea besitzt bekanntlich nur ganz kurze Wurzelstumpfe, gerade, unverzweigte, weisse, starke, aber sehr kurze Würzelchen, welche gewiss nur wenig Nahrung aufnehmen, viel- leicht nur Wasser. Auch hier ist also wohl die Fangthätigkeit als Nothwendigkeit anzusehen, e Von den drüsentragenden Droseraceen besitzt nur Drosophyllum eine kräftige, tiefgehende Pfahlwurzel, die aber wieder nur sehr geringe Neigung zur Bildung von Nebenwurzeln zeigt. Unsere cultivirten Dro- sera-Arten haben alle sehr zarte, fadendünne und spärliche Wurzeln, deren Gesammtmenge gleichfalls in keinem Verhältniss zur Grösse der betreffenden Pflanzen steht. Ueber die Wurzeln von Byblis und Roridula fehlen die Nachrichten noch. Jedenfalls ist die Mithilfe der Blätter an der Ernährung als ein Vortheil für die Pflanze zu betrachten, ob als eine Nothwendigkeit, ist noch zu erweisen. Die Droseraceen sind in der Cultur sämmtlich undankbare Pflanzen, aber die vielen interessanten Momente, welche ihnen anhängen, werden sie immer in den Culturen erhalten. Je zahlreicher diese meist auch formenschönen Pflanzen aber werden gepflegt werden und je grösser die Summe der an ihnen anzustellenden Beobachtungen werd, um so werth- voller werden sie für die Wissenschaft, die noch so manches Problem an ihnen zu lösen hat. 314 Jahres-Bericht Nekrologe. Unter den im Laufe des Jahres 1886 Verstorbenen sind es besonders zwei Männer, deren Tod für die Schlesische Gesellschaft einen schwer zu ersetzenden Verlust bedeutet. Sie haben, der eine durch wissen- schaftliche Arbeiten, der andere durch gemeinnütziges Wirken ihrem Namen ein bleibendes Gedächtniss gesichert. Was Rudolf v. Uechtritz für die schlesische Botanik gewesen ist und geleistet hat, bezeugen seine in den Jahresberichten veröffentlichten Berichte und Resultate der Durch- forschung der schlesischen Phanerogamenflora. Uechtritz war Theo- retiker; ihm ebenbürtig als ein Mann der Praxis war Stadtrath E. H. Müller, der zu den Gründern der Obst- und Gartenbau -Seetion gehörte, ihr durch 37 Jahre als Secretair vorgestanden, sie zu seltener Blüthe gebracht und sich um den Obst- und Gartenbau Schlesiens Ver- dienste erworben hat, die nur ein Fachmann gerecht zu würdigen im Stande ist. Und so haben das Gedächtniss Rudolfs v. Uechtritz Herr Professor Engler und des Stadtraths Müller Herr Garten-Inspector Stein in den Sitzungen der betreffenden Sectionen (Jahresbericht $. 185—191 und $. 241—243) gefeiert. Sanitätsrath Dr. Ernst Gottfried Wilhelm Gierschner, Sohn eines Wundarztes und, wie er in der Vita seiner Doctor-Dissertation an- giebt, 1804 in ÖOttendorf bei Bunzlau geboren, trat im fünfzehnten Lebensjahre aus der Dorfschule in die Quinta des Gymnasiums in Hirsch- berg, von welchem er Michaelis 1827 mit dem Zeugnisse der Reife auf die Universität entlassen wurde. Trotz seiner Mittellosigkeit entschied er sich für das Studium der Mediein und liess sich, als nach dem Tode seines Vaters jede Unterstützung von Hause wegfiel, durch keine Noth und Entbehrung von der Fortsetzung des begonnenen Studiums ab- schrecken, In dem verewigten Geheimen Medicinalrath Wendt erstand ihm zwar ein Gönner, der sich seiner mit Rath und That annahm; da er sich aber seinen Lebensunterhalt erst durch Unterrichtertheilen er- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 315 werben musste, wurde es ihm erst im Jahre 1835 möglich, seine Studien abzuschliessen. 1835 am 30. Mai auf Grund seiner Dissertation „De pennaeo sub partu disrupto idque sanandi methodis“ zum Doctor der Mediein und Chirurgie promovirt, liess er sich nach erlangter Appro- bation 1836 in Grottkau nieder, wo ihn mehrere glückliche Kuren bald zu einem beliebten und gesuchten Arzte machten. 1857 wurde er zum Kreiswundarzt, 1877 zum Sanitätsrath ernannt, 1882 durch die Ver- leihung des Rothen Adlerordens und 1885 zur Feier seines fünfzig- jährigen Doctorjubiläums mit dem Kronenorden dritter Klasse Allerhöchst ausgezeichnet. Am 7. Januar 18386 machte der Tod seinem segensreichen Wirken ein Ende. Arnold von Lasaulx, ordentlicher Professor der Mineralogie an der Universität Bonn, ein. Sohn des in Crefeld verstorbenen Friedens- richters Peter von Lasaulx und 1839 am 14. Juni in Castellaun, Kreis Simmern, geboren, erhielt seine Schulbildung auf dem Gymnasium in Neuss, von welchem er 1859 mit dem Maturitätszeugniss für die Uni- versität abging, um sich dem Bergfach zu widmen. Nach zweijähriger praktischer Thätigkeit in verschiedenen Revieren bezog er 1861 die Universität Bonn, hier aber fesselte ihn die Wissenschaft in dem Maasse, dass er, um ihr ganz angehören zu dürfen, auf die bergmännische Carriere verzichtete und sich für das Katheder vorzubereiten begann. Seine Studien in Berlin 1863 bis 1364 fortsetzend und in Bonn 1865 beschliessend, erwarb er sich im Juli 1865 durch seine Dissertation „De dolomito calaminaeque sede in monte Altenberg‘‘ das Doctorat der Philo- sophie und verlebte den Winter in Lüttich, wo er das Laboratorium der &cole des mines fleissig zu neuen Studien benutzte. Der nächste Sommer rief den jungen Gelehrten ins Feld. Nach beendetem Kriege die unterbrochenen Studien mit neuem Eifer wieder aufnehmend, habili- tirte er sich im Januar 1868 in Bonn als Privatdocent für die Fächer der Mineralogie und Geologie. Der Krieg gegen Frankreich nöthigte ihn noch einmal, die Toga des Gelehrten mit dem Sagum des Kriegers zu vertauschen. Diesmal als Offizier hat Lasaulx einen Theil der Be- lagerung von Metz und die ganze Campagne im Norden mitgemacht, in den Schlachten von Amiens (26. und 27. November), an der Hallue (23. und 24. December 1870), bei Bapaume (2. und 3. Januar), bei St. Quentin (18. und 19. Januar 1871) mitgekämpft und den Beweis geliefert, dass auch Gelehrte tapfere und unerschrockene Soldaten sind. Mit dem eisernen Kreuze geschmückt kehrte er, nachdem er noch vom 15. April bis 15. Juni 1871 als General-Secretair des Civil-Commissars von Amiens, Graf Lehndorf, fungirt hatte, zu seinen Studenten und seinem akade- mischen Lehrstuhl zurück und entwickelte zugleich eine schriftstellerische Thätigkeit, die ihm unter den Fachgelehrten alsbald einen geachteten 316 Jahres - Berichi Namen erwarb. Seiner Schrift: „Petrographische Studien an den vulkanischen Gesteinen der Auvergne“, von Professor Gouard in Lyon ins Französische übersetzt, folgten, von kleineren Arbeiten abgesehen, 1874 die über ,‚das Erdbeben von Herzogenrath, ein Beitrag zur exacten Geologie‘, und 1875 die „Elemente der Petrographie‘“. 1875 am 1. April als ausserordentlicher Professor der Mineralogie an unsere Universität berufen, trat er alsbald in die Schlesische Gesellschaft, deren Jahres- berichte nicht wenig dazu beigetragen haben, die Forschungen und Arbeiten des unermüdlich fleissigen jungen Professors in den weitesten Kreisen bekannt zu machen. Lasaulx hat in den fünf Jahren seines hiesigen Aufenthalts nicht weniger als 32 Vorträge in der naturwissen- schaftlichen Section gehalten. 1380 wurde er als ordentlicher Professor nach Kiel und noch in demselben Jahre als solcher auf den erledigten Lehrstuhl für Mineralogie und Director des mineralogischen Cabinets nach Bonn berufen. Namentlich waren es Vulkane und Erdbeben, deren Erforschung ihn beschäftigte. Mallet’s Schrift über vulkanische Kraft wurde 1875 von ihm übersetzt und mit Anmerkungen herausgegeben; das (zweite) Erdbeben von Herzogenrath 1877 in einer zweiten Schrift bearbeitet und eine Monographie über den Aetna nach den von Sartorius von Waltershausen hinterlassenen Manuscripten selbstständig bearbeitet und vollendet, eine Arbeit, für die er durch mehrmaligen längeren Auf- enthalt in Italien und Sieilien ganz besonders befähigt war. Auf dem Gebiete der Mechanik wohl bewandert, hat Lasaulx auch einen neuen Seismometer construirt, den er 1880 der naturwissenschaftlichen Section der Schlesischen Gesellschaft demonstrirte. Im kräftigsten Mannesalter stehend, wurde er 1886 am 25. Januar durch einen Herzschlag seiner Familie entrissen. Die Universität verlor in ihm einen gefeierten Lehrer, die Wissenschaft einen unermüdlichen, scharfsinnigen Forscher, zahl- reiche gelehrte Gesellschaften einen fleissigen Mitarbeiter. Dr. Adolph Kauffmann, geboren 1827 den 18. März in Schweid- nitz, erhielt seine Vorbildung für die Universität auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt. Von einem gütigen Geschick mit den Mitteln aus- gestattet, seine reichen Gaben des Geistes nach eigenem Belieben un- gehindert nach allen Richtungen hin ausbilden zu dürfen, widmete er sich 1845—1849 auf den Universitäten Breslau und Berlin dem Studium der Mediein, nach dessen Absolvirung und abgelegter Staatsprüfung er sich in Breslau als praktischer Arzt niederliess. Seine Tüchtigkeit fand bald in weiten Kreisen Anerkennung und besonders waren es die Armen, die seinen Rath suchten, weil sie in ihm nicht blos einen hilfs- bereiten Arzt, sondern zugleich auch einen menschenfreundlichen Wohl- thäter fanden. Leider sah er sich durch eigene Krankheit gezwungen, seine umfangreiche ärztliche Thätigkeit 1874 ganz einzustellen. Die der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 317 Sommer der folgenden Jahre brachte er regelmässig in Samaden im Engadin zu. Seine ihm zur anderen Natur gewordene Wohlthätigkeit auch dort unausgesetzt übend, ist er den Samadenern über Alles lieb und werth geworden und sie werden den am 28. Februar 1836 erfolgten Tod ihres regelmässigen Sommergastes und humanen Wohlthäters tief beklagt haben. Unvergessen wie seine Thätigkeit als Arzt bleiben eben so die Verdienste, welche sich Kauffmann um das Musikleben Breslaus erworben hat. Dass er als ausgezeichneter Pianist in früheren Jahren niemals bei Wohlthätigkeits-Concerten seine Mitwirkung versagte, sei hier bloss nebenbei bemerkt, aber er war es, der vor 25 Jahren den Breslauer Orchesterverein gründete und zum ersten Dirigenten desselben seinen Freund Leopold Damrosch berief. Die Musik jedoch allein konnte seinem reichen Geiste nicht völlig genug thun. Um seinen Wissensdurst zu stillen, hatte er zweimal Italien durchreist, um aus der Quelle zu schöpfen und das klassische Alterthum und die Meisterwerke der Skulptur und der Malerei aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Neben Musik und Kunst füllten physikalische und mathematische Studien seine Mussestunden aus, und in den letzten Monaten seiner Krankheit waren es philosophische Probleme, denen er nachsann und die er noch zu Papier brachte, ehe ihn der Tod von seinen Leiden erlöste. Professor Dr. Gustav Wittiber, Oberlehrer am Gymnasium in Glatz, Sohn des Rectors an der katholischen Stadtpfarrschule in Jauer und dort am 23. Mai 1821 geboren, verdankt seine Vorbildung für die akademischen Studien unserem Matthiasgymnasium, von welchem er 1840 zur Uni- versität entlassen wurde. Mathematik, Physik und Naturwissenschaften hatten den begabten Schüler auf dem Gymnasium vorzugsweise ange- sprochen, so waren es natürlich auch diese Fächer, denen er sich auf der Universität widmete. Seine Dissertation, auf Grund deren ihm 1847 im Januar das Doctorat der Philosophie zuerkannt wurde, war eine mathematische: ‚De curvis, quibus curvae ejusdem systematis sunt tra- jeetoria orthogonales“, Nachdem er 1847 die Staatsprüfung bestanden und sein Probejahr am Matthias-Gymnasium abgelegt hatte, wurde er 1843 im November Mitglied des pädagogischen Seminars für gelehrte Schulen und ertheilte als solches längere Zeit Unterricht im Magda- lenäum. 1850 an das ‘Gymnasium in Glatz als Hilfslehrer versetzt, wurde er 1851 als ordentlicher Lehrer an demselben angestellt, 1858 zum Öberlehrer befördert, 1868 zum Professor ernannt und 1872 mit dem Rothen Adler-Orden ausgezeichnet. Wie sehr ihm sein Lehrer- beruf und sein Schulamt am Herzen gelegen, bezeugen seine in den Jahresberichten des Gymnasiums veröffentlichten gediegenen Arbeiten: „Pflanze und Thier. 1856. Ueber atmosphärische Elektrieität und Ge- witter, insbesondere die Gewitter der Grafschaft Glatz. 1860. Stereo- 318 Jahres - Bericht metrisch-trigonometrische Aufgaben. 1866. Geometrische Uebungssätze und Constructions- Aufgaben. 1873.“ Selbstständig gab er ausserdem heraus eine „Sammlung trigenometrischer Aufgaben nebst Auflösungen“, Breslau 1864, und ,‚Trigonometrische Aufgaben über das recht- und gleichschenkelige Dreieck“, 1883. Uebrigens beschränkte Wittiber seine Thätigkeit nicht blos auf die Schule. Als Vorsitzender der Philomathie hat er lange Jahre belebend auf das wissenschaftliche Leben seiner Mit- bürger eingewirkt und die Verbreitung wahrer Bildung gefördert. Aber auch den städtischen Angelegenheiten widmete er ein reges Interesse und hat sich als Stadtverordneter und durch viele Jahre als Stadt- verordneten - Vorsteher um das Gedeihen und das Wohl der Stadt wesentliche Verdienste erworben. Kein Wunder, dass die Krankheit, welche den Verewigten an Weihnachten 1885 befiel, allgemeine Theilnahme erregte und eben so allgemein war die Trauer, als die Kunde von seinem am 1. März 1886 erfolgten Tode sich in der Stadt verbreitete. Sein Tod war für die Collegen, mit denen er arbeitete, für die Schule, der er seine ganze Kraft opferte, für seine Mitbürger, denen er in jeder Beziehung Vorbild bürgerlicher Tugend war, ein herber Verlust, der lange, lange empfunden werden wird. Wittiber’s gründliche Kenntniss auf dem ganzen Gebiet der Mathematik und Naturwissenschaft wurde für die Schlesische Gesellschaft Anlass, ihn bei der Feier ihres fünfundsiebzigjährigen Stiftungsfestes 1878 zu ihrem correspondirenden Mitgliede zu ernennen und ihm damit einen Beweis ihrer Hochachtung und der Anerkennung seiner Leistungen als Lehrer der Naturwissenschaft zu geben, eine Anerkennung, auf welche der Verewigte einen ganz be- sonderen Werth gelegt hat. Professor Dr. Hans Paul Bernhard Gierke, einer der Pioniere, welche deutsche Wissenschaft in den fernen Osten getragen haben, wurde 1847 am 15. August in Stettin geboren und widmete sich, auf den Gymnasien in Bromberg und Stettin vorgebildet, dem Studium der Mediein und Naturwissenschaften, welches in Berlin begonnen, und in Wien, Leipzig, Würzburg, Breslau und München fortgesetzt und beendet wurde. Nachdem er sich 1872 in Würzburg das Doctorat erworben, wurde er Ostern 1874 Assistent des Geheimen Rath Kölliker und Pro- sector für vergleichende Anatomie und Histologie, mit welcher Stellung die venia legendi verbunden war. Die von Gierke über diese Fächer gehaltenen Vorlesungen wurden von den Studirenden mit Eifer besucht und machten seinen Namen in weiteren Kreisen rühmlich bekannt. Eine 1877 an ihn ergangene Berufung als Lehrer der Anatomie an die von der japanischen Regierung in Tokio gegründete grosse medieinische Akademie war zu ehrenvoll, als dass er sie nicht hätte annehmen sollen; sie bot seinem ausgezeichneten Lehrtalent und seiner wissenschaftlichen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 319 Tüchtigkeit einen Wirkungskreis, wie er grossartiger und lohnender kaum gedacht werden kann, gleichwohl sah er sich seiner schwäch- lichen Gesundheit halber, die das dortige Klima nicht vertrug, nach Ab- lauf der Jahre, für welche er sich verpflichtet hatte, zur Rückkehr nach Europa genöthigt. Der Heimweg wurde zu einer grösseren wissenschaft- lichen Reise verwendet und Jesso, die zweitgrösste der japanischen Inseln, besucht und durchforscht. In Deutschland angekommen, trat er 1882 am 1. Januar unter gleichzeitiger Ernennung zum ausserordent- lichen Professor als Assistent in das physiologische Institut unserer Universität. Leider war ihm hier nur eine kurze Wirksamkeit beschieden. Für seine unaufhaltsam fortschreitende Krankheit in dem Maison de sant& in Schöneberg Heilung suchend, endete der Tod 1886 am 8. Mai das Leben des im kräftigsten Alter stehenden Mannes, in welchem die Uni- versifät einen zu grossen Hoffnungen berechtigenden Docenten, die schlesische Seetion des deutschen Colonialvereins einen ihrer Begründer und Förderer verloren hat. Die von ihm aus Japan mitgebrachte Samm- lung kunstgewerblicher Gegenstände wurde vom Staate für das König- liche Kunstgewerbe-Museum angekauft. Dr. Emil Beblo, ein Sohn des Lehrers und Cantors Daniel Beblo in Oppeln und dort 1841 am 17, Juni geboren, erhielt seinen ersten Unterricht in der Elementarschule seiner Vaterstadt, aus welcher er 1851 in das Gymnasium übertrat. 1860 mit dem Zeugniss der Reife auf die Universität entlassen, widmete er sich auf unserer Alma Via- drina dem Studium der Mathematik und Naturwissenschaften. Nach dem Tode des Vaters vorzugsweise auf sich selber angewiesen, brach er in der Hoffnung, durch Ergreifung eines praktischen Berufs besser für sein Fortkommen zu sorgen und rascher selbstständig zu werden, seine Studien ab und trat als Volontair in die Fabrik zu Gutschdorf bei Striegau, um die Zuckersiederei zu erlernen. Diese praktische Thätig- keit sagte ihm jedoch auf die Dauer nicht zu und so kehrie er zu seinen theoretischen Studien zurück, nach deren Beendigung er es noch einmal mit der Praxis versuchte und in der genannten Fabrik die Stelle des Chemikers durch zwei Jahre bekleidete. 1867 nahm er von der praktischen Chemie auf immer Abschied, um seinen ersten Vorsatz, Lehrer zu werden, auszuführen. Nachdem er am 9. April gedachten Jahres durch Vertheidigung seiner Dissertation „De nonnullis, qui in rerum natura inveniuntur, fluosalibus‘“ sich das Doectorat der Philosophie erworben und 1868 am 1. Mai sein Staatsexamen bestanden hatte, er- hielt er seine erste definitive Anstellung am Realgymnasium in Görlitz, an welchem er auch sein Probejahr absolvirt hatte, und wurde nach kurzer Lehrthätigkeit daselbst 1870 als Lehrer für Naturwissenschaften an das Magdalenäum in Breslau berufen. Der vorzugsweise auf das 320 Jahres-Bericht Praktische gerichtete Gang seiner Studien brachte ihn bald nach seiner Uebersiedelung nach Breslau mit dem hiesigen Gewerbeverein in nähere Verbindung, dessen Gewerbeblatt er längere Jahre als Redacteur geleitet hat. Besondere Freude war es ihm, durch öffentliche Vorträge über Kunst und Kunstgewerbe in weiteren Kreisen das Interesse an denselben zu wecken und zu nähren; auch ist es ihm gelungen, nachdem er durch wiederholten längeren Aufenthalt in unserem Riesengebirge die grossen Schönheiten desselben kennen gelernt hatte, durch die Gründung des hiesigen Riesen- gebirgsvereins sowie durch anregende Vorträge unsere heimathliche ' Berge populair zu machen und die Bereisung derselben nach allen Rich- tungen zu erleichtern und zu befördern. Die dem Landschaftsmaler unseres Riesengebirges Adolph Dressler in der Nähe des Hainfalls ge- widmete Gedenktafel ist gewissermassen zugleich ein Denkmal .Beblo’s. Er ist es gewesen, der die Errichtung derselben anregte, aber ihre Auf- stellung hat er nicht mehr erlebt. Unter seiner vielfachen, viel Zeit in Anspruch nehmenden öffentlichen Thätigkeit aber hat er niemals sein Schulamt leiden lassen; er hat für dasselbe treu und gewissenhaft ge- arbeitet, wie das 1885 erschienene erste Heft seiner „Materialien für den methodischen Unterricht in der Mineralogie auf Gymnasien‘ dafür Zeugniss ablegt; an der Vollendung des fast fertig vorliegenden zweiten Heftes hinderte ihn der Tod. Durch den Tod hoffnungsvoller Kinder und durch eigene Krankheit schwer geprüft, starb er im kräftigsten Mannesalter 1886 am 12. Juli. Die Anstalt, an welcher er 16 Jahre thätig gewesen, verlor in ihm einen eifrigen und durch Lehrgeschick ausgezeichneten Lehrer, dessen Andenken in den Herzen seiner Collegen und seiner Schüler fortlebt. Johann Eduard Kiessling, 1802 am 30. Januar hier in Breslau geboren, lernte Juwelier und Goldarbeiter und begab sich nach beendeter Lehrzeit zu seiner weiteren Ausbildung auf Reisen, von denen er einen Schatz von Weltkenntniss und Erfahrungen heimbrachte, der ihn mit dem erwählten Berufe entzweite und sein Leben in andere Bahnen lenkte. Er hatte Oesterreich, Italien, Frankreich und England durch- wandert und des letzteren hochentwickelte Industrie hatte einen solchen Eindruck auf ihn gemacht, dass er sich ihr ganz widmete und im Ver- .ein mit dem Apotheker Friedrich Wilhelm Schlöffel aus Landeshut, dem bekannten Asgitator in den vierziger Jahren, 1835 am 2. Januar die Mahl- und Schneidemühle in Eichberg am Bober kaufte, um sie zu einer Maschinenpapier - Fabrik umzubauen. Noch existirte eine solche in Schlesien nicht, aber Kiessling war der Mann, das immerhin gewagte Unternehmen glücklich durchzuführen. Am 3. August 1837 wurde in der neugebauten Fabrik, die sich unter Kiessling’s Leitung rasch zu un- geahnter Blüthe entwickelte, der erste Bogen endlosen Maschinenpapiers der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 321 angefertigt. Am 1. October 1845 erwarb Kiessling auch das Rittergut Eichberg, auf welchem er, nachdem die Papierfabrik 1852 in den Besitz der Königl. Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (Rudolph von Decker) in Berlin übergegangen war, noch bis 1852 wohnen blieb. Nach dem Ver- kauf desselben an den Geheimen Oberhofbuchdrucker v. Decker zog er nach Hirschberg, wo er sich eine Villa erbaute und als Stadtverordneter und Magistratsmitglied für das Wohl der Stadt bis in sein hohes Alter thätig gewesen ist. Um das Zustandekommen der Schlesischen Gebirgs- bahn hat er sich hervorragende Verdienste erworben, 1843 ist Kiess- ling auch politisch hervorgetreten. In die National-Versammlung ge- wählt, vertrat er später den Wahlkreis Jauer-Schönau in drei Legislatur- perioden im Landtage. Ein sanfter Tod endete 18386 am 3. August das Leben des eben so verdienten als anspruchslosen Mannes, eines der ältesten Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft, der er seit 1833 an- gehörte, Professor Imanuel Oginski, Sohn eines Grundbesitzers bei Ratibor und 1313 am 31. März geboren, besuchte zuerst die Dorfschule in Alten- dorf und von 1821 das Gymnasium in Ratibor, von welchem er Ostern 1830 zur Universität entlassen wurde. Das folgende Sommersemester verlebte er zur Wiederherstellung seiner angegriffenen Gesundheit im elterlichen Hause, worauf er Michaelis 1830 die Universität Breslau bezog, um katholische Theologie zu studiren. Obschon er das Glück hatte, seine Arbeit über die von der Facultät gestellte Aufgabe ‚De logo Joanneo“ mit dem Preise gekrönt zu sehen, so gab er doch nach 3", Jahren die Theologie auf und widmete sich von 1834—1837 dem Studium der Philosophie und Geschichte. Nachdem er auch eine Preis- aufgabe der philosopischen Facultät gelöst hatte, wurde er 1837 am 20. December auf Grund seiner Dissertation „‚Perikles et Plato, inquisitio historiea et philosophiea‘‘ zum Doetor der Philosophie promovirt, worauf er nach bestandenem Oberlehrer - Examen von 1838 bis 1846 an den Gymnasien in Ratibor, Posen und Trzemesno doecirte und von 1847 bis 1851 die Stelle des Prorectors in Oels vertrat. Nach einem akademischen Lehrstuhl strebend, begab er sich 1852 nach Breslau, wo er sich mit der Habilitationsschrift ,‚Die Idee der Person‘ 1853 die Venia legendi erwarb und später zum ausserordentlichen Professor befördert wurde. Eine Lungenentzündung endete 1886 am 12. August seine anspruchslose Wirksamkeit. Geheimer Commerzienrath Isidor Friedenthal, geboren 1512 am 24, März in Kurnik im Grossherzogthum Posen, verlebte seine Jugend- jahre in Grünberg, wo sein Vater wenige Jahre nachher ein Colonial- waaren- und Wollgeschäft begründete. In der Handlung des Vaters zu einem tüchtigen Kaufmann vorgebildet, trat er 1833 in das zwei Jahre 1886. 21 399 Jahres - Bericht vorher unter der Firma „Gebrüder Friedenthal“ errichtete Tuchgeschäft als Theilnehmer ein. Gediegene Kenntniss der. Branche, strenge Ge- schäftsprineipien und unermüdlicher Fleiss befähigten ihn, im Verein mit seinen Brüdern und Theilnehmern das Geschäft aus seinen kleinen An- fängen zu einem Umfange und einer Blüthe zu entwickeln, dass es nicht blos innerhalb der Provinz, sondern weit über deren Grenzen hinaus eine hervorragende Bedeutung erlangte, während er selbst als Leiter desselben sich in den Kreisen seiner Berufsgenossen ein solches Ver- trauen und Ansehen erworben hatte, dass sie ihn in der Ueberzeugung, die Sorge für das Gedeihen des Handels besseren Händen nicht anver- trauen zu können, 1849 als Mitglied in die damals neuerrichtete Handels- kammer wählten. Er hat ihr bis zu seinem Tode angehört und ist seit 1869 ununterbrochen ihr Vorsitzender gewesen. Sein scharfer Blick, seine rasche Auffassung, sein praktisches Verständniss für das, was der gedeihlichen Entwickelung des Handels und Verkehrs der ganzen Pro- vinz Noth that, liessen ihn in allen wichtigen Fragen das Richtige treffen, dessen Durchführung er alsdann mit der ganzen Energie seines Charakters und stets mit Erfolg anstrebte.e An dem Verdienste, die Öberschlesische Eisenbahn ins Leben gerufen zu haben, hat Friedenthal einen nicht geringen Theil; er war Mitglied ihres Verwaltungsrathes und später dessen Vorsitzender bis zur Uebergabe des Unternehmens an den Staat. Die Schlesische Feuer- und Lebensversicherungs-Gesellschaft wurde unter seiner Mitwirkung begründet und auf die Leitung beider hat er als Vorsitzender der einen und stellvertretender Vorsitzender der anderen den entschiedensten Einfluss ausgeübt, wie auch die 1870 ge- sründete Actien-Gesellschaft für schlesische Leinenindustrie (Kramsta) in erster Linie seiner sachkundigen Leitung ihr Gedeihen verdankt. Seine unbestreitbaren Verdienste um den Handel, den Verkehr und die Industrie Schlesiens wurden durch seine Ernennung zum Commerzienrath und 1881 zum Geheimen Commerzienrath, sowie durch Verleihung des Rothen Adler- und des Kronen - Ordens Allerhöchst anerkannt. Bei seiner eminenten Arbeitskraft war es ihm möglich, trotz des grossen Umfangs der ihm obliegenden Geschäfte und der damit verbundenen Verantwortlich- keit auch unserer Stadt, deren Bürger er war, nicht zu unterschätzende Dienste zu leisten. 1855 zum Stadtverordneten gewählt, wurde er 1867 ins Magistrats-Collegium berufen und ihm das Decernat über die städtische Bank übertragen, eine Stellung, zu der er durch seinen Scharfblick in finanziellen Dingen ganz besonders befähigt war. — Die jüdische Syna- gogengemeinde, deren Angelegenheiten der Verstorbene von 1863 an als Vorsteher bis zu seinem Lebensende aufs glücklichste geleitet hat, erlitt durch seinen Tod einen schweren Verlust. Die neue Synagoge, um deren Bau er sich besonders verdient gemacht, sichert seinem Namen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 323 bei seinen Glaubensgenossen für immer ein dankbares Andenken und die Wohlthätigkeitsanstalien der Gemeinde werden seine Freigebigkeit nicht vergessen. Sein schlichter Charakter, sein anspruchsloses Wesen machten ihn Allen, die mit ihm verkehrten, lieb und werth. Nach kurzer Krankheit starb er 1886 am 19. October. Professor Dr. Wilhelm Junkmann, geboren 1811 am 2. Juli zu Münster, studirte von 1829—1833 in Bonn und Münster klassische Philo- logie, zog es aber vor, anstatt sich dem praktischen Schuldienste zu widmen, seine Studien in Berlin zunächst für seine Promotion fortzu- setzen. Als ehemaliger Burschenschafter in die damaligen Demagogen- prozesse verwickelt, musste er mit der Berliner Hausvoigtei Bekannt- schaft machen, wurde aber nach kurzer Untersuchungshaft in die Heimath entlassen. Hier wurde die Poesie seine Trösterin. 1836 erschienen seine „elegischen Gedichte“, denen er nicht lange darauf einen Band „Gedichte“ folgen liess. Da das Dichten ihn auf die Dauer nicht be- friedigte, so bezog er 1844 noch einmal die Universität, studirte in Bonn unter Niebuhr Geschichte und erwarb sich dort 1847 das Doctorat der Philosophie. Das Jahr 1848 brachte seinen Studien eine neue Unter- brechung; sie mussten auf mehrere Jahre der Politik Raum geben, Als alter Burschenschafter wurde Junkmann in die Frankfurter National- versammlung und nach deren Auflösung 1849 in das preussische Ab- geordnetenhaus als Vertreter des Wahlkreises Recklinghausen - Dorsten gewählt; auch war er 1850 Mitglied des Volkshauses in Erfurt. 1851 war er inzwischen zu seinen früheren Studien zurückgekehrt und hatte sich an der Akademie in Münster als Privatdocent für Geschichte habi- litirt. Von seinen für das „Katholische Magazin“ gelieferten gediegenen Aufsätzen aus jener Zeit fand besonders seine Arbeit ‚Katholische Stimmen gegen die Hexenprozesse‘ allgemeine Beachtung und An- erkennung. Das Staatsarchiv in Münster, in welchem er zugleich als Hilfsarbeiter angestellt war, gewährte ihm für die „Geschichtsquellen des Bisthums Münster‘, die er mit Fiker und Cornelius gemeinschaftlich bearbeitete, reiche Ausbeute. Auch war er Mitarbeiter an dem ‚„‚Kirchen- lexikon von Aschbach. Ostern 1854 wurde er als ausserordentlicher Professor der Geschichte an das Lyceum Hosianum in Braunsberg be- rufen, aber schon das Jahr darauf ihm die katholische Professur für Geschichte an unserer Universität übertragen. Sein freundliches Ent- gegenkommen, sowie seine klaren und anregenden Vorträge gewannen ihm die Herzen aller seiner Zuhörer; sie verehrten in ihrem Lehrer zu- gleich den väterlichen Freund, der an dem Geschicke eines jeden den wärmsten Antheil nahm und wo er konnte, ihnen rathend und helfend beistand. Die letzten Jahre seines Lebens waren Jahre schweren Leidens, denen ein sanfter Tod 1886 am 3. November das erwünschte Ziel setzte, 324 Jahres - Bericht Dr. Carl Julius Friedrich Sondhauss, Director des Real- Gymnasiums in Neisse, 1815 am 2. Juli in Breslau geboren, Schüler des Matthias-Gymnasiums von 1826—1835, widmete sich auf unserer Alma Viadrina dem Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften, welches er mit Erwerbung des Doctorats der Philosophie abschloss. Nach abgelegter Staatsprüfung 1841 und vollendetem Probejahr am Matthiasgymnasium als Lehrer für Mathematik und Physik angestellt, wurde er 1852 vom Magistrat in Neisse zum Director des dortigen Real- gymnasiums berufen, welches unter seiner sachkundigen Leitung zu einer der besuchtesten höheren Schulen Oberschlesiens aufblühte. Wie verehrt und geliebt er war, bezeugt die an seinem 25jährigen Directorats- Jubiläum von seinen Schülern ihm zu Ehren errichtete und seinen Namen führende Stipendiumstiftung. Noch 9 Jahre in segensreicher Thätigkeit seiner Schule vorstehend, entschlief er 1886 am 4. November ins bessere Leben. Ein treuer Sohn seiner Kirche hat er sich in der Gemeinde, der er angehörte, und der Schule, der er länger als ein Menschenalter vorstand, durch seine Stiftungen ein unvergängliches, Erz und Marmor überdauerndes Denkmal gesetzt, indem er der Pfarrkirche zu ihrer Restauration ein Legat von 50000 Mark, der Kapelle in der Realschule 3000 Mark und der Sondhauss-Stipendienstiftung 7000 Mark in seinem Testamente vermachte, | Eine Schilderung des Lebensganges und des Wirkens des am 27. November in Berlin verstorbenen Directors des mineralogischen Museums, Professors Dr. Martin Websky, enthält der Vortrag des Herrn Geheimen Bergraths Professor Dr. Römer im Jahresbericht Seite 143— 150. Sanitätsrath Dr. Theobald Reymann, Sohn des in Neustadt in Oberschlesien verstorbenen Kreisphysikus Dr. Reymann und dort 1815 am 23. Juni geboren, studirte nach Absolvirung des Gymnasiums in Oppeln in Breslau und Prag Medicin und übernahm, nachdem er 1837 promovirt und darauf in Berlin das Staatsexamen abgelegt hatte, die ihm angebotene Stelle des Secundair-Arztes in der medieinischen Klinik des Geheimen Medicinalraths Professor Dr. Remer, welche damals noch ein selbstständiges Institut und mit dem Allerheiligen-Hospital noch nicht verbunden war. Um seine reichen in dieser Stellung gesammelten Er- fahrungen zum Gemeingut zu machen, habilitirte er sich 1845 an unserer Universität und hielt Vorlesungen über allgemeine und specielle Patho- logie und Therapie. In Anerkennung seiner bedeutenden ärztlichen Wirksamkeit wurde ilım bereits 1846 das Prädicat als Sanitätsrath Allerhöchst verliehen. Gelegenheit zu besonderer Auszeichnung boten ihm die Cholera-Epidemien, welche Breslau wiederholt heimsuchten. Furchtlos trat er 1848 und 1849 der schrecklichen Seuche entgegen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3235 » und stellte die bis auf den heutigen Tag viel begehrten Tropfen zu- sammen, welche als Dr. Reymann’s Choleratropfen in allen Apotheken verkauft werden. Um sich seiner Privatpraxis mehr als bisher widmen zu können, gab Reymann 1851 seine Stelle als Seceundair-Arzt auf, wie er 1865 auch seine Vorlesungen an der Universität ganz einstellte, nach- dem eine schwere Krankheit ihn längere Zeit an der Haltung derselben gehindert hatte. Nach seiner Genesung widmete er sich wieder mit voller Kraft der Ausübung seines ärztlichen Berufes, welchen er jeder- zeit als den schönsten pries. Eine schwere Krankheit, welche ihn 1884 befiel und ans Zimmer fesselte, nöthigte ihn zum allgemeinen Bedauern seiner ausgedehnten Klientel, der segensreichen Thätigkeit zu entsagen, die ihm so lieb und werth war und die so Vielen Hilfe gebracht hatte. Ein Lungenschlag endete 1886 am 11. November die langen Leiden des menschenfreundlichen Arztes. Die folgenden Mittheilungen über den Lebensgang Dr. Jany’s ver- danke ich der Güte seines Nachfolgers, des Augenarztes Herrn Dr. Wolffberg: „Ludwig Jany, geboren zu Friedrichgrätz, Kreis Oppeln, am d. October 1833, studirte in Breslau von 1854 bis 1858, promovirte daselbst 1858 und machte darauf Studienreisen nach Berlin, Wien, Paris, London und Utrecht. Nachdem er von 1859 bis 1864 als Assistent an der Augenklinik des Geheimen Medicinalraths Professor Förster gewirkt hatte, gründete er 1865 eine Privat-Augenklinik, welche er bis zu seinem plötzlichen Tode am 9. December 1886 leitete. Er hat während dieser Zeit mehr als 72000 Augenkranken Rath und Hilfe zu theil werden lassen und kurz vor seinem Tode die elfhundertelfte Staaroperation voll- zogen. Obwohl er den Schwerpunkt seines Strebens in die operative Be- handlung legte und er zweifelsohne zu den geschicktesten Augen-Opera- teuren seiner Zeit zu zählen ist, so hat er doch auch zahlreiche wissen- schaftliche Aufsätze geschrieben, von denen folgende erwähnenswerth sind: „Beiträge zu den diabetischen Erkrankungen des Auges — Zur Hämia- nopsie — Zur Therapie des Glaucoms — Ueber die Einwanderung des Cysticercus cellulosus in das menschliche Auge.‘‘ Während der letzten Jahre nahm er an fast allen fachwissenschaftlichen Congressen theil und benutzte jede Gelegenheit, um Reisen in fremde Länder zu machen. Wie Energie in Allem ein hervorstechender Charakterzug bei ihm war, die ihn vor keiner Schwierigkeit zurückschrecken liess, so ging er auch unermüdlich an die Erlernung lebender fremder Sprachen; er sprach fertig polnisch, russisch, englisch, französisch, italienisch, holländisch, dänisch und schwedisch. Sein letzter Wunsch war, Spanien zu sehen. Ueber dem Studium der Sprache dieses Landes, zu dem er meist Nacht- stunden verwendete, wenn ihn sein Asthma keinen Schlaf finden liess, 326 Jahres - Bericht ereilte ihn der Tod. Jany war unvermählt. Seinem letzten Willen: gemäss wurde er in Gotha durch Feuer bestattet.“ Am 26. December wurde die katholische Kirche Schlesiens durch den Tod ihres Seelenhirten, des Fürstbischofs von Breslau, Dr. Robert Herzog, in tiefe Trauer versetzt. Fürstbischof Robert war der Sohn eines Bauergutsbesitzers in Schönwalde bei Silberberg und 1823 am 17. Februar geboren. Auf dem Gymnasium in Glatz für die Universität vorbereitet, erfüllte er den Herzenswunsch seiner Eltern, ihn einst als Geistlichen der Kirche dienen zu sehen, und studirte Theologie mit solchem glücklichen Erfolge, dass, nachdem er 1848 am 17. Juni die Priesterweihe empfangen, er rasch von Stufe zu Stufe stieg und, obgleich ein Bauernsohn, auf den fürstbischöflichen Stuhl des Bisthums Breslau erhoben wurde. Als Kapellan in Brieg in die Seelsorge tretend, wurde er 1851 in gleicher Eigenschaft an die St. Hedwigkirche in Brieg ver- setzt, 1857 zum Curatus bei St. Adalbert in Breslau und 1863 zum Stadtpfarrer, Erzpriester und Schulinspecetor in Brieg befördert. Aus- gezeichnet durch persönliche Eigenschaften und gewinnende Umgangs- formen, und als gewissenhafter und eifriger Seelsorger ebenso wie als praktischer und umsichtiger Geschäftsmann in wichtigen Aemtern bereits erprobt, war er ganz der Mann, als 1870 die Probstei in Berlin vacant wurde, dieses grosse und verantwortungsreiche Amt in geistlicher und weltlicher Beziehung zur Genugthuung des Staates und zur Zufriedenheit seines Bischofs, der es ihm übertrug, auszufüllen. Als Propst von St. Hedwig war Herzog zugleich fürstbischöflicher Delegat für Brandenburg und Pommern und Ehrendomherr des Breslauer Capitels, welches ihn nach dem Tode des Fürstbischofs Heinrich Förster 1881 zum Nachfolger desselben erwählte. 1882 von Leo XIII. auf den Breslauer Stuhl be- rufen, empfing er 1882 am 21. Mai durch den Bischof von Ermeland Philipp Cremenz die Consecration. Bei seiner Wahl noch nicht 60 Jahre alt, durfte er nach menschlichem Ermessen noch auf eine ganze Reihe von Jahren gesegneter Thätigkeit hoffen. Diese Hoffnung ist nicht in Erfüllung gegangen. Eine Erkältung, die er sich 1884 auf einer grossen Firmungsreise zugezogen, hatte seiner Gesundheit einen Stoss versetzt, von dem er sich nicht mehr völlig erholte. Seine letzte Amtshandlung war die Consecration des Erzbischofs von Posen Dr. Dinder. Unmittel- bar nach derselben legte er sich auf das Krankenlager, von dem er nicht mehr erstehen sollte. Am Morgen des 26. December 1886 endete ein Gehirnschlag sein Leben und seine Leiden. Als ein treuer Haus- halter seines himmlischen Herrn hat Fürstbischof Robert die reichen Einkünfte seines Bisthums zum Besten der schlesischen Kirche und ihrer Armen und Nothleidenden verwendet, Für den Bau neuer und die Restauration verfallender Gotteshäuser hatte er stets eine offene Hand. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 327 Das Heinrichstift in Czarnowanz und das Robertusstift in Beuthen sind von ihm aus eigenen Mitteln errichtet, viele andere wohlthätige Stiftungen von ihm erweitert und in ihrer Zukunft gesichert worden. Nicht selten griff er, um noch in diesem Jahre helfen zu können, in die Einkünfte des nächsten Jahres über; das Herz fragte Nichts nach den Rechnungen des Verstandes. Für die wissenschaftlichen Bestrebungen seiner Geist- liehen war er stets bereitwilligster Förderer und gar manche ihrer Arbeiten ist auf seine Kosten gedruckt worden. So hat der verewigte Bischof überall edlen Samen gestreut, der in die Zeit wachsend und reifend, für die Ewigkeit Frucht tragen wird. Dr. Schimmelpfennig. Druck von Grass, Barth & Comp. (W. Friedrich) in Breslau. dert aahı hal ca \ u Per Fr > de yagaı ia agiräcldn wgaahte aloir eat Ki ala) LA HEHETN Rey a Mödsierg 1 au: 1er Klee ATH Iugli hi sfteb Aare sih ij asaur tr 2 cat ud eh. moapib, ui, an cr 4 1 4 nal’. asııda unns yadoozl 330. daag ala. sizarıı gusH: “h. md u, D u. ’ 3) .nogiea. naammdsrteodt, nadousis iaanangiyr. . £ r kur sul adausım 23. Ds . amıahrd r Mi: . . \ "DD ir; N Erw r} gm g1a / 19b Hi UG Dar AU de g And Lu DELHI Li ww kr u2t t Il 4 U ru Zacharias Allerts Tagebuch aus dem-Jahre 1627. NN Herausgegeben von Dr. Julius Krebs. Ergänzungsheft zum 64. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Breslau. G. P. Aderholz’ Buchhandlung. 1887. Bemerkung. nannaarnn Wie sich nachträglich herausstellt, sind durch ein Versehen die beiden auf Seite S2 unter Nota und NB. stehenden Absätze (fol. 9 und 9b) an eine falsche Stelle gerathen. Sie gehören auf Seite 79 und hätten ihren Platz gleich nach fol. 89b finden sollen; unmittelbar hinter den Worten „daselbst bei einem Fleischhacker unser Quartier genommen“ hätte folgen müssen: „Zu Reinerz haben wir uns 8 Rosse“ u. s. w. Dann schliessen die Endworte von fol. 9%&b: „Ist man beiderseits und weil man noch bis auf“ ..... sich sehr passend an die Anfangsworte von fol. 91 an: ..;. Prag 15 Meilen Weges und bösen Weg hätte u. s. w. Es sei hier daran erinnert, dass die Handschrift nur bis Blatt 33 foliiert ist und dass es oft.nicht geringer Mühe bedurfte, um für einzelne, beim Einbande in falschen Zusammenhang gebrachte Blätter des Originals den richtigen Platz zu finden. — Seite 22, Zeile 6 von unten, ist October 1622 statt Ostern zu lesen. Aufzeichnungen von hervorragenden politischen oder militärischen Zeit- genossen gehören in unserer Literatur bekanntlich zu den Seltenheiten. In anderen Ländern — z. B. in Frankreich — greift fast jeder Diplomat oder Feldherr, auch wenn er in der Geschichte seiner Zeit nur an zweiter Stelle erwähnt wird, zur Feder, um seiner Eitelkeit genüge zu thun oder sich dem Urtheile der Nachwelt in möglichst günstigem Lichte darzustellen. Der deutsche Geschichtsschreiber ist dagegen fast einzig auf die Briefe und Correspondenzen angewiesen, die ein glücklicher Zufall in den Archiven erhalten hat. An und für sich wäre dieser Umstand, besonders was die Feststellung des thatsächlich Geschehenen anbetrifft, nicht so sehr zu be- klagen. Die Denkwürdigkeiten der Mitlebenden gehören, wie das in der Natur ihrer Entstehung liegt, mitunter zu den trüben, nur unter Vorsicht zu benutzenden (Quellen. Andererseits stellen sie aber doch die Auffassung klar, die der mithandelnde Autor von seiner Thätigkeit hatte oder in den Augen anderer haben wollte, und vor allem schaffen sie einen erwünschten culturgeschichtlichen Hintergrund, ohne den nach den Forderungen der modernen Historik auch die politische Geschichte nicht mehr geschrieben werden kann. Diese allgemeine, auch für Schlesien fühlbare Lücke wird nun zum Theil durch die in großer Anzahl vorhandenen Chroniken und Tagebücher ausgefüllt. Kaum eine andere Provinz unseres Vaterlandes, bemerkt der genaueste Kenner der schlesischen Geschichte), ist so reich daran; ihre Zahl aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert ist kaum übersehbar. Doch fügt er gleich hinzu, daß der Gesichtskreis, den alle diese Aufzeichnungen umspannen, ein äußerst beschränkter, ihre Benutzung für den Historiker unserer Tage wenig lohnend ist. In der That sind speciell für die Zeit des dreißigjährigen Krieges Berichte wie der des fränkischen Pfarrers Martin Bötzinger und des schlesischen Augenzeugen, der über die Vorgänge zwischen dem Königsrichter und den Frauen von Löwenberg erzählt (im !) G. Grünhagen, Abhandlungen der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur 1873/74, pag. 35. 1 9 3. Bande von G. Freytags Bildern a. d. d. Verg.), doch recht selten. Es fehlt uns noch an gleichzeitigen Schilderungen der gewöhnlichen Vorgänge des Tages, an Beschreibungen all’ der kleinen Begebenheiten aus dem Leben des Einzelnen mit ihrem bunten, wechselnden Inhalte, die zusammen- gefaßt erst den vollen und lebendigen Eindruck von einer Zeitepoche her- vorrufen und ihr geistiges Wiederschauen ermöglichen. Gerade derartige Mitteilungen rücken uns die erzählten Ereignisse aus der nebelhaften Ferne vergangener Jahrhunderte um ein gutes Stück näher, sie nehmen ihnen das Blasse, Unbestimmte ihrer Erscheinung und vermitteln uns in dem Maße, wie wir sie selbst deutlicher erkennen, auch das tiefere Verständnis für die ganze Zeit, der sie angehören. Aus körperlosen Schatten werden Wesen von Fleisch und Blut; Persönlichkeiten in diesem treuesten Gewande ihrer Zeit bleiben uns dann keine bloßen Bilder mehr, sie treten aus dem Rahmen heraus, wandeln und sind um uns. Zu dieser besseren Gattung von Tagebüchern gehört auch das im Folgenden mitgeteilte; es würde sogar eine culturgeschichtlich ganz bedeut- same Quelle für gewisse Jahre des 30 jährigen Krieges bilden, wenn es vollständig erhalten wäre. Haupt- und Staatsactionen darf man freilich nicht darin suchen; doch ist sein Verfasser trotz einer verhältnismäßig niedrigen Lebensstellung durch günstige Fügung der Umstände in die Nähe der berühmtesten und höchstgestellten Männer seiner Zeit gekommen und erzählt selbst rein politische Vorgänge, über die uns die Archive im Stich lassen. Nach dieser Richtung bringt das Tagebuch wertvolle Ergänzungen zum 6., die Jahre 1626 und 1627 behandelnden Bande der schlesischen Fürstentagsacten; auch kann man seinen Nachrichten unbedenklich Glauben schenken, weil die sonstigen Mitteilungen daraus genau mit den anderweit bekannt gewordenen Vorgängen übereinstimmen. Das augenscheinlich sehr umfangreich angelegte Original umfaßte ursprünglich vielleicht ganze Jahre, gewiß aber sämtliche Monate von 1627 und einige Tage des vorhergehenden Jahres. Davon sind jedoch nur noch die täglichen Notizen von etwas mehr als 31, Monaten vorhanden, und auch diese sind oft mitten im Satze unterbrochen und lückenhaft. Ein hiesiger Antiquar und eifriger Sammler (Stett) fand das bereits verstümmelte und unvollständige Manuscript vor länger als dreißig Jahren im Laden eines Breslauer Specereikaufmanns; es gelang ihm sogar noch einige abgerissene und schon zu Düten benutzte Blätter der Handschrift, welche die Spuren ihrer Verwendung noch jetzt deutlich an sich tragen, zu retten. Aus seinem Besitz ging letztere dann an die hiesige Königliche Bibliothek über.') 1) Es sei mir auch an dieser Stelle gestattet, Herrn Geheimen Archivrat Prof. Dr. Grünhagen, Herrn Professor Dr. Markgraf und Herrn Oberbibliothekar Professor Dr. Ständer für die Förderung meiner Arbeit durch bereitwilligste Überlassung des erforderlichen Actenmaterials den herzlichsten Dank auszusprechen. Das ın Pappband gebundene Mscr. (Sign. IV 123e, fol.) enthält 119 voll beschriebene Blätter; die Aufzeichnungen beginnen mit einem Teile des 27. Dezember 1626 und enden mit dem 3. Dezember 1627. Voran geht eine kurze Einleitung, den Schluß bilden als Anlagen einige Berichte und Eingaben der schlesischen Fürsten und Stände an den Kaiser. Außer den Aufzeichnungen einzelner Tage (zusammen 27 Blätter) fehlt die Zeit vom 12. März bis zum 8. November 1627 gänzlich. Die ersten 33 Blätter sind foliiert, und zwar Blatt 1—26 vom Autor selbst mit roter Tinte, Blatt 29 bis 33 von anderer Hand in Schwarz. Durch ein Versehen des Buchbinders sind leider die letzten zwanzig Blätter der Handschrift sinnstörend durch- einander gewürfelt worden; im Druck haben sie die Stelle erhalten, die ihnen nach dem ursprünglichen, thatsächlichen Zusammenhange gebührt. Über die gesellschaftliche Stellung und die Schicksale des Verfassers geben sowohl die Bruchstücke des Tagebuchs selbst, wie ein ehedem in seinem Besitz, jetzt im Archiv der Stadt Breslau befindliches Stammbuch ') 2) Auf den ersten Blättern desselben finden sich von Allerts Hand zwei Aus- sprüche über Wichtigkeit und Nützlichkeit der Stammbücher von Friedrich Taub- mann und Johann Heermann (daraus: Ut manus est, ita mens tua creditur esse fidesque, Dextera si levis est, mens nequit esse gravis) dann das bekannte Sonett von Martin Opitz: Wo sollte doch die Welt und all ihr Wesen bleiben, Schien ihr der schöne Glanz der güld’nen Sonne nicht u. s. w. und zuletzt B. Jacoponi De vanitate rerum humanarum Rhythmus in zehn Strophen. Aus den vielfach von farbigen Wappen und zierlich gemalten Bildchen begleiteten Eintragungen selbst seien hervorgehoben: die Herzöge Johann Christian von Brieg, Georg Rudolf von Liegnitz, Georg IlI. und Ludwig von Brieg, Heinrich Wenzel von Münsterberg, Karl Friedrich von Öls, Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg (1633: Viva la guerra e ’amor), der böhmische Kanzler Zdenko von Lobkowitz, Heinrich Mathes Graf von Thurn („geschrieben den 18./28. Juni in Breslau Anno 1633“) Friedrich Herr von Talmberg, Röm. Kais. Maj. Rat, Kämmerer, Präsident über die Appellation auf dem Prager Schloß und Burggraf zu Karlstein, Hans Ulrich Schaffgotsch (Breslau, 4. März 1624), Siegfried von Promnitz, Christoph Freiherr von Schellen- dorf, Otto von Nostitz, Reichshofrat und deutscher Vicekanzler im Königreich Böhmen, Heinrich von Bibran, Graf Johann Heinrich Schlick, Georg Ludwig Graf von Starhemberg, Dr. jur. utr. Otto Melander von Schwarzenthal, Gaspar von Warnsdorf („Wer Gott und seinem Kaiser getreu ist, dem ist sicher zu trauen, wer aber mit der Religion spielt, vor dem hüte sich Roß und Mann“), Friedrich von Gellhorn, Hans Heinrich Freiherr von Hohberg auf Fürstenstein, Freiherr Heinrich von Sant Julian, der Röm. Kais. Maj. bestellter Obristlieutenant, Daniel Czepko von Reigersfeld (1636) u. s. w. Man sieht aus dieser langen Reihe statt- licher Namen, wie die vornehmen Männer der Zeit von Handschriftensammlern nach dem Schlage Allerts damals überlaufen worden sind. Martin Opitz schreibt „ornatissimo juveni Zachariae Allerto 1633 Vratislaviae Prid. Cal. Sextiles“ (31. Juli) in das Stammbuch: Wenn Herrschaft halber Vieh und Mensch zu leben pflegen, Und Obrigkeit nicht ist der Unterthanen wegen, So mag ein Herr sein Volk verderben, wie er kann, Und Recht und Freiheit sind wie Menschen unterthan. * 4 mit Aufzeichnungen aus den Jahren 1622—1660 einigen Aufschluß. Auf der ersten Seite des letzteren nennt er sich Zacharias Allert von Breslau und einige Blätter später Zacharias Allertus Vratislavia Silesiorum oriundus. Im Tagebuche bezeichnet er sich für das Jahr 1627 mehrfach als einen jungen Burschen und war von spätestens 1625 bis wenigstens zum 10. Dezember 1631 ‚Diener‘‘ des bekannten Breslauer Stadtsyndikus Dr. Reinhard Rosa. In dieser Eigenschaft wurde er vornehmlich zu Boten- sängen, zur Copirung von Schriftstücken und als Factotum auf Reisen ge- braucht. Bis in die Nacht, heißt es einmal, habe ich fleißig geschrieben, derweil die anderen zechen und saufen können. Stolz auf sein Handwerk, erzählt er, daß dem Kaiser die von ihm geschriebene Proposition über- reicht worden sei. Wer das musterhaft schön geschriebene Original des Tagebuchs und die einleitenden, von Allerts Hand stammenden Blätter des Albums gesehen hat, wird ihm die Berechtigung zu einer so hohen Meinung über seine Kunst im Schreiben nicht absprechen. In Schnörkeln, Ver- zierungen, kunstvoll ausgeführten Buchstaben zeigt er sich als Meister; einmal hat er auf mehreren Seiten des Stammbuchs die mit der Regel- mäßigkeit des Drucks ausgeführten schwarzen lateinischen Buchstaben mit zierlich nachgezogenen goldenen Rändern versehen. An anderen Stellen führt er ganze kalligraphische Kunststücke aus, bildet aus verschlungenen Sätzen eine Kugel mit daraufstehendem Kreuz oder aus wirr zusammen- gestellten Federstrichen zwei gegeneinanderstehende Einhörner u. a. Ob und wie lange er nach dem Jahre 1631 in seiner Breslauer Stellung ver- blieb, war nicht mehr festzustellen. Unzweifelhaft ist unser Autor der- selbe Zacharias Allert, der sich den 14. Oktober 1634 zu Schweidnitz mit Ursula Proß, der Witwe eines Schweidnitzer Bürgers, vermählte. Die Scharfe Worte, die sich wenige Monate nach dem Tode seines alten Gönners Karl Hannibal von Dohna sonderbar genug ausnehmen und aufs neue beweisen, daß der Dichter den Mantel geschickt nach dem Winde zn hängen verstand. Ephraim a Naso, Stadtvogt von Schweidnitz, schreibt am 27. September 1652 ein: Quod Deus et Caesar sacrum concedit ad usum, non ego, sed Momus dicet: Abusus erit. Was Gott, der Kaiser und der König kann vergönnen, das werd’ ich unrecht nicht, noch tadelhaftig nennen. Was geht mich Momus an, ob er’s gleich Unrecht hält, was Gott und Kaiser will, mir auch gar wohl gefällt. Eo tempore, quo Svidnicensi Evangelicae Ecclesiae a Caes. Reg. Maj. templum erigere concedebatur. Aus dem obenerwähnten „Rhythmus Jacoponi‘‘ mögen hier zwei Strophen folgen; sie sind bezeichnend für jene Tage, in denen krasseste Genußsucht unvermittelt neben Weltverachtung und Himmelsverlangen wohnte: Wo ist Cäsar dieser Jahren, der viel Leut’ und Land bezwang, Wo der Reiche hingefahren, der so köstlich aß und trank? Ist nicht Cicero gewichen, wer nimmt nun sein Schwätzen ein? Wo muß doch die Zier der Griechen, Aristoteles, jetzt sein? Dieses Fleisch, das also rennet, das nach Ruhm und Ehren sieht, Wird in heil’ger Schrift genennet eine Blume, die verblüht. Wie die leichten Blätter fliegen, wenn der Wind ein wenig reist, Also auch muß bald erliegen das hier, was man Leben heißt. Hochzeitsgedichte, zu denen auch Magister Elias Major, damals Rektor des Breslauer Elisabeth-Gymnasiums, einen Beitrag lieferte, bringen über Allerts äußere Stellung keinen Aufschluß. Sie knüpfen meist an die das Jahr zuvor erfolgte schreckliche Verwüstung der Stadt Schweidnitz an und geben der Hoffnung Ausdruck, daß der neugeschlossene Ehebund der überhand- nehmenden Entvölkerung der Stadt einigermaßen Abhilfe schaffen werde. Am 6. August 1639 zeichnete sich Allert zu Breslau in das Stammbuch seines Freundes Melchior Lucas als Kais. Kön. Lehens- und Landeskanzlei- Verwalter und Ingrossista der Fürstentümer Schweidnitz-Jauer ein. Da die meisten Eintragungen in das Album von 1632 bis in die Mitte der fünfziger Jahre zu Schweidnitz erfolgt sind, so ist wohl anzunehmen, daß Allert in der angegebenen Zeit die erwähnte Stellung zu Schweidnitz bekleidet hat. Weiteres über seine Lebensschicksale oder über Tag und Ort seines Todes habe ich nicht aufzufinden vermocht. Sehr wahrscheinlich ist der Verfasser unseres Tagebuchs mit dem Allert identisch, den Palm in seinen Beiträgen zur Literaturgeschichte (268) für das Ende der fünfziger Jahre als Schreiber des schlesischen Dichters Daniel CGzepko d. Jüng. anführt; auch paßt die dort von ihm erwähnte spitze Bemerkung über seinen Herrn ganz gut zu dem satirischen Hange, den er anderweit verrät. Allert tritt uns in seinen Mitteilungen als ein echter, allzeit fröhlicher Schlesier, als eine glückliche Mischung des deutschen und des leichter fließenden slavischen Blutes entgegen, er zeigt sich gewandt, unermüdlich, immer geistig regsam. Wie seine für jene Zeit auffallend gut stilisierten Notizen und die häufigen sowohl im Tagebuch wie im Album eingestreuten lateinischen und deutschen Verse beweisen, scheint er eine weit über seinen Stand hinausreichende Bildung besessen zu haben. Seine Aufzeich- nungen wurden regelmäßig, Tag für Tag, selbst unter erschwerenden Um- ständen gemacht. Nach 10 Uhr, schreibt er am 12. November, habe ich beiden Kitzingen heimgeleuchtet, mit denen ich einen Branntwein getrunken; um 11 Uhr bin ich nach Hause gekommen, habe dann noch bis in die Nacht um 1 Uhr geschrieben und den bisherigen Verlauf, wie schwer mirs beim Rausch auch angekommen, fleißig verzeichnet, in Erwägung: Den faulen Leuten (man billig spricht) gebührt die Ehr’ der fleißigen nicht. An diesem wie an anderen Citaten erkennt man einen gewissen altklug- selbstgefälligen Zug seines Wesens; er ist nicht ohne Neid auf das Wohl- wollen, das anderen von hochstehenden Personen nach seiner Auffassung unverdient zu teil wird, erscheint empfindlich gegen Beleidigungen und greift in der ersten Aufwallung auch wohl zum Degen. An manchen Stellen seines Buches tritt ferner ein nicht wohlthuend berührender Subalternen-Hochmut und eine auffällige Eitelkeit zu Tage. Unter den Gründen für die Nützlichkeit von Stammbüchern führt er mit an, ut librorum possessores olim certa testimonia habeant, cum quibus familiariter vixerint, quique praecipua amieitia illis fuerint conjuncti. Neben dieser 6 Äußerung nehmen sich dann Namen wie die der Herzöge von Brieg-Liegnitz, Münsterberg-Öls u. a. doch recht sonderbar aus.') Den hervorstechendsten Zug seines Charakters bilden ein immer bereiter Humor und eine außer- ordentlich scharfe Beobachtungsgabe; er achtet auf alles, namentlich auf alles Neue. Nichts von dem was seine Aufmerksamkeit fesselt, erscheint ihm zu kleinlich oder einer Aufzeichnung unwerth. In einem Reisediario, meint er, müsse alles umständlich beschrieben werden. Wie ich in Prag über den Trödelmarkt ging, schreibt er einmal, zankte sich ein Weib mit einer Magd über etwas Verlorenes oder Entwendetes, sprach wider sie: Du Zaucke, sage es, bekenne mir’s, binde dir Hände und Füße, stecke dir Feuer ins Maul. Und weil ich dergleichen formalia noch niemals gehört, unterließ ich’s nicht, es mit zu annotieren. Immer ist ervoll des besten Humors, kein Unfall verdirbt seine gute Laune. Stets weiß er dem Un- gemach der Gegenwart ‚‚mit jenem verzweifelten deutschen Behagen‘“ noch eine gute Seite abzugewinnen. Bei einer Besichtigung des ‚200 Ellen tiefen“ Glatzer Schloßbrunnens bemerkte der mitanwesende Breslauer Ratsherr Herbst, in Paris sei ein so tiefer Brunnen, daß man bis Hundert zählen könne, ehe ein hinabgeworfener Stein das Wasser berühre. Ob’s nun mag wahr sein, setzt Allert hinzu, da muß einer hingehen und es selbst probieren. Als er zu Skalitz in Böhmen eine Nacht im kalten Zimmer und auf bloßem Stroh zugebracht hatte, tröstete er sich mit dem Vorteile, daß er am anderen Morgen die Federn nicht habe aus den Haaren kämmen müssen. Allert liebt es, sich auf der Reise mit den Bewohnern fremder Orte zu unterhalten, besucht gewissenhaft die Sehenswürdigkeiten der Städte, verzeichnet belauschte Tischgespräche seiner Herren und weiß sich wohl gar mit List und hinter dem Rücken des Prineipals Copieen von Staats- schriften zu verschaffen. Er strebt überhaupt nach Höherem und fühlt sich in Gesellschaft großer Herren wohl. Welche Vorsicht und List ich habe anwenden müssen, bemerkt er zum 2. Dezember, um die Proposition an den Kaiser Wort für Wort zu erlangen, bleibt mir im Gedächtnis un- entfallen. Ist mir aber lieber als Geld oder Geldeswert, weil nicht einem Jeden vors Maul kommt, was solcher Gesandten Verrichtung und Anbringen ist. Warum sollte mir solches auch nicht lieb und angenehm sein? Wird mir doch daraus die Zierlichkeit der deutschen Sprache mehr und mehr bekannt. Und warum hätte ich mir solches sauber und fleißig zu schreiben die Mühe dauern lassen und meine damalige Zeit vergeblich hingehen lassen !) In seinem Stammbuche begrüßt er auf 6 langen Seiten die Viri Ilustris- simi, Magnifici, Strenui, Nobilissimi, Excellentissimi, Experientissimi, Consultissimi, Reverendi, Clarissimi, Amplissimi, Doctissimi, Spectatissimi, Humanissimi, Honestis- simi ac Integerrimi, die als Domini, Patroni, Maecenates, Favitores oder Amici Suspieiendi ihren Namen in seine „Philotheca“ eintragen und ihrem Besitzer ge- wogen bleiben möchten. ne nahen ee ie I] sollen? Über das Bildende des Umgangs mit vornehmen Leuten sagt er: Es ist meiner Einfalt nach kaum lustigere Zeit und Freude, als mit vor- nehmen Leuten zu reisen, viel Örter, Leute, Gebräuch und Sitten zu sehen, zu lernen und zu erfahren. Und ein andermal: Bei dergleichen Diseursen kann ein junger Mensch, der soweit etwas zu merken abgerichtet ist oder eui ut mihi vexatio dedit intelleetum oft etwas lernen, das ihm zur Erfahrenheit viel nutzen kann. Nach diesem Grundsatz schreibt er sich auf seinen Reisen auch die vollständigen Titel hoher Personen auf, um später in Briefen keine Formfehler zu begehen. Im übrigen ist er seiner Zeit entsprechend ein frommer'), selbst eifriger Protestant °), kauft aber doch in Wien bei der Äbtissin im Kloster zu St. Lorenz für einen Reichsthaler zwei Rauchkerzen, die zum Beräuchern gegen Flüsse mit Nutzen gebraucht werden, weil sie von so heiligen Matronen gemacht, an einem besonderen Tage geweiht und von allerhand köstlichen Sachen prä- pariert sind. Auffällig ist noch seine Freude an der Natur. Ein schöner Sonnenaufgang, eine Reise bei Mondschein durch den böhmischen Hoch- wald entlockt ihm begeisterte Worte. So viel — vielleicht schon zuviel — über den Verfasser. Das Tage- buch selbst umfaßt zwei in sich abgeschlossene Perioden, die beiden Reisen nach Wien und Prag, die Allert mit dem Syndicus Rosa in den ersten und letzten Monaten des Jahres 1627 von Breslau aus unternahm. Die Reise nach Wien wurde durch die erste Einquartierung der Waldstein’schen Armee in Schlesien veranlaßt. Ende Juli 1626 war Graf Ernst von Mans- feld plötzlich in die Provinz eingebrochen, und die Schlesier hatten ihn bei der Eilfertigkeit seines Marsches durch das Land nicht aufzuhalten ver- mocht. Infolgedessen zog der Herzog von Friedland zu seiner Verfolgung aus Niedersachsen nach Schlesien und Ungarn und quartierte wegen des einfallenden Winters Ende Dezember an 170 Compagnieen und Fähnlein zum großen Entsetzen der Schlesier in das Land ein. Die Truppen ließen unerhörte Anforderungen an Geld und Proviant an die Stände gelangen. Alle Bittgesuche nach Wien und Prag waren fruchtlos geblieben, selbst den bestimmtesten Weisungen des Kaisers verweigerte Waldstein aus mili- tärıschen Gründen den Gehorsam. Da beschlossen F. und St. in ihrer Verzweiflung eine Gesandtschaft an den Kaiserhof abzuschicken; sie brach am 17. Januar 1627 auf, erreichte Wien nach mancherlei Beschwerden !) Sein „Symbolum“ im Stammbuche lautet: Adsum, domine! Adsum, quid me vis, domine? Adsum, dirige fata Tu mea; sie laudi serviet omne tuae. 2) Die 1652 erfolgte, oben mitgeteilte Eintragung des Schweidnitzer Ephraim Naso steht allerdings dazu in einem so auffallenden Gegensatze, daß man auf den ersten Blick glauben möchte, Allert sei CGonvertit geworden. Dann könnte er andererseits wieder nicht in Diensten des evangelischen Daniel Czepko ge- standen haben. 6) und Abenteuern am 30. Januar), verweilte daselbst bis zum 26. Februar und kehrte, ohne etwas Wesentliches ausgerichtet zu haben, am 12. März nach Breslau zurück. In ihrem Gefolge machte Allert die Reise nach Wien mit, das er schon zwei Jahre vorher gleichfalls als Begleiter Rosas kennen gelernt hatte. Der sich im Spätherbst des Jahres 1627 daran- schließende Besuch von Prag wurde durch die am 25. November statt- findende Krönung Ferdinands III. zum König von Böhmen veranlaßt. Der Kaiser hatte auch die schlesischen F. und St. dazu befohlen, und Rosa erschien in Prag als einer der Vertreter des Fürstentums Breslau. Der Aufbruch der Reisenden aus der Hauptstadt Schlesiens geschah am 14. November, ihre Ankunft in Prag am 20. November. Mitten in der Schilderung ihres Aufenthalts zu Prag, am 3. Dezember — erreicht das Tagebuch sein Ende. Unter den in Prag mitanwesenden übrigen Schlesiern erwähnt Allert zum 27. November auch den Gesandten der Münsterberg-Frankensteiner Stände, Nicolaus von Burghaus. Da sich dessen erster Bericht in die Heimat noch im Königl. Staatsarchiv zu Breslau befindet, so habe ich ihn in Bei- lage I als vielleicht willkommene Ergänzung zu Allerts Nachrichten hinzu- gefügt. Beilage II bringt einen Auszug aus dem schon teilweis gedruckten (Maiheft der deutschen Revue von 1885) Tagebuch des Landgrafen Moritz von Hessen, der fast gleichzeitig mit unseren Schlesiern in Prag an- wesend war. !) A. publ. VI, 197 ist irrthümlich der 20. angegeben. Zacharias Allerts Tagebuch aus dem Jahre 1627. Demnach anno 1626 im Monat October von dem durchlauchtigen, fol. 1. hochgebornen Fürsten und Herrn, Herrn Georg Rudolph, Herzog in Schlesien, zu Liegnitz, Brieg und Goldberg, Röm. Kais. auch zu Ungarn und Böhmen Königl. Maj. geheimem Rath, Kämmerern und Verwaltern der Oberhaupt- mannschaft in Ober- und Niederschlesien, eine enge der Herren Fürsten und Stände Zusammenkunft nach Neumarkt auf den 15. October aus- geschrieben'), jedweder Stand dazu erfordert, auch von einem hiesigen Rath Herr Barthel Dobschütz?) auf Dürrjentsch, Rathsältester, und Herr Dr. Reinhard Rosa?) zu solcher des allgemeinen Landes Deliberation und Berathschlagung abgefertigt worden, die sich den 14. October zu Neumarkt eingestellt und auf der Burg allda ihr Quartier genommen, haben sich die !) Die Einladung datierte vom 9. Oktober. Sie war von der Aufforderung be- gleitet, die Gonsignation über den beim Durchmarsche des Herzogs von Friedland und des Obersten Pechmann hergegebenen Proviant und sonstige Unkosten, sowie über den noch existierenden Vorrat des eingesammelten Getreides mit zur Stelle zu bringen. Die Beratung der F. und St., an der auch ein kaiserlicher Commissar, Graf Ernst von Montecuculi, teil nahm, währte drei Tage und erstreckte sich be- sonders auf die Bestellung des Proviantwesens, Anweisung für Quartiere und Musterplätze an die schlesische Miliz und die neugeworbenen, gegen die noch in Oberschlesien verweilenden Mansfelder marschirenden kaiserlichen Truppen. Acta publ. VI, 169—174. 2) „Königlicher Mann“, von 1611—1636 teils als Schöffe, teils als Mitglied des Rates in städtischen Diensten, f 8. Januar 1637, 69 Jahre alt. Codex Dipl. Sil. XI, 9. | ®) Ausserdem von Seiten der Landstände Ernst von Grüttschreiber und Hans von Sauermalnn], ib. 169. Dort findet man auch die Namen der übrigen an- wesenden Stände angeführt. Dr. jur. utr. Reinhard Rosa von Rosenig, geb. 1581 zu Leipzig, 1614 Syndieus der Stadt Breslau, „wollte 1632 resignieren, hat aber aufs neue accordiert und ist bei dem Amte verblieben.“ Er war fürstlich Brieg-Liegnitzer Rat, Procancel- larius des Fürstentums Breslau, kaiserlicher Rat und Pfalzgraf. Im Verlauf des 30jährigen Krieges wurde R. seitens der Breslauer vielfach zu Gesandtschaften und Verhandlungen benutzt und starb am 23. April 1639. Nach Notizen im Arch, der Stadt Breslau. fol. 1b. [Die Mehrzahl der folgen- den Randbemerkungen ist von Allert lediglich zum Zwecke des über- sichtlicheren und leich- teren Nachschlagens ge- macht worden. Hier wurden nur diejenigen aufgenommen, die etwas Eigenthümliches an sich tragen und von den Worten des Textes ab- weichen. ] Herr Karas ist der- jenige, so Ihrer Hoch- fürstl. Durchl. Erz- herzog Karl zu Neisse, seeligen Gedächtnisses, comes in Hispania ge- wesen, die Relation Ihrer Majestät nach Wien und das Herz des Erzherzogs°?) nach Neisse gebracht hat. 10 Stände sämmtlich, theils in Person, theils durch gevoll- mächtigte Abgesandte eingestellt, darauf den 15. Ok- tober auf dem Rathhause zu Neumarkt von Ihr. F. G. dem Kaiserl. Ober-Amt hora 8. Proposition gethan | und beim Schluss, so sich Sonnabends, den 17. October, geendet, auf eine Absendung an den Kaiserl. Hof nach Wien (darinnen des Landes Noth, Drangsal und betrübten Zustand vortragen zu lassen) geschlossen, zu Gesandten auch drei Personen, als (Tit.): Ihro Gn. Herr Kaspar Karas, des Bisthums zu Breslau Administrator, Herr Friedrich ') Polsnitz, der Fürstenthümer Schweidnitz und Jauer Landesbestallter, und Herr Dr. Reinhard Rosa, der Stadt Breslau Syndieus, vorgeschlagen worden, welche drei Personen sich auch nach auf sie einhellig geschlossenen Votis und Stimmen willig erzeigt und der snädigen Ober-Amts-Instruction und Abfertigung ge- wärtig zu sein, erboten haben.?) NND: Und ob zwar diese Absendung zum Längsten innerhalb 8 Tagen zu Werke gerichtet werden sollen, ) Weiter unten heißt er in dem ständischen Memorial richtiger Georg. Sinapius II, 870 kennt für jene Jahre nur einen Georg P., Dachs genannt, auf Rudelsdorf; als Besitzer von Liebenthal „zur Steinau‘“ im Schweidnitzischen und Jägerndorf im Jauerschen erwähnt er für 1596 Friedrich von Dachs nomine Polsnitz, dessen Tochter Susanne sich 1621 vermählte. 2) Im Memorial vom 17. Oktober heißt es unter 8: In einer Absendung an den Kaiser wollen F. und St. um Abstellung der unaufhörlichen Durchzüge, eigen- mächtigen Einquartierungen und der unerträglichen Bedrängnis des Land- und Bauersmannes bitten. Sie haben dazu als Prineipalgesandten den Administrator des Bistums Herrn Karas erbeten und bewilligen ihm die Liefergelder, die ent- wichener Zeit einer freiherrlichen Person ausgesetzt waren. Als Mitgesandte haben die Stände „ihm vermocht“ Georg von Dachs den Jüngeren, Polsnitz genannt, auf Liebenthal, der Fürstentümer Schweidnitz-Jauer Landesbestellten, und den Doctor beider Rechte Reinhard Rosa, kaiserlichen und fürstlich Liegnitzischen Rat und Syndieus von Breslau. Zur Erlangung der letzteren beiden Gesandten wird der Oberamtsverwalter gehörigermaßen an die Stände „gesinnen‘“. Die Absendung wird ohne Respect eines und des anderen Standes bloß nomine universi corporis beschlossen; jeder Stand hat seine gravamina baldigst bei der Oberamts-Kanzlei einzutragen, letztere soll eine Instruction aufsetzen, bei Ankunft der Gesandten solche deliberieren und gebührlich neben den geschlossenen Credentialien aus- fertigen. Acta publica VI, 171. 3) Von König Philipp IV. von Spanien zum Vicekönig von Portugal ernannt, war Erzherzog Karl am 22. August 1624 von Wien aufgebrochen, am 24. November in Madrid eingetroffen und dort schon am 28. Dezember, 34 Jahre alt, einem Fieber erlegen. Er liegt im Escorial in der Nähe der Ruhestätte Karls V. begraben. Kastner, Gesch. v. Neisse II, 316. Dessen Titel ist: Dem Hoch- und Wohl- ehrwürdigen, edlen, ge- strengen Herrn Kaspar Karas von Romstein, Protonotario Aposto- lico, des Hochstifts St. Johannis zu Breslau Scholastico , beider Kirchen daselbst, wie auch zu Olmütz, Dom- herrn, Röm. Kaiser]. Maj. sowohl Hoch- fürstl. Durchl. Erz- herzogs Leopold zu Oesterreich Wirklichen Rathe, und des Bis- thums Breslau voll- mächtigen Admini- strator. aufgehalten und dann nach Hause gangen. 11 die Gesandten sich auch darauf nothwendig gefasst ge- macht und täglich, ja stündlich der gnädigen Ober-Amts- Erforderung gewärtig gewesen, ist doch aus diesen acht Tagen nicht 2, 3, 4 Wochen, sondern ganzer 4 Monate worden . . . fol. 2, 3 und 4 fehlen. [27. December, Sonntag.] . dass sie von der Zusammenkunft nicht gewusst, sonst aber Abgesandte vom General von Wallstein an das Ober-Amt wären, um demselben zu verstehen zu geben, dass der General, Herzog zu Friedland, folgenden Mittwochs zu Neisse erscheinen!) und förder sein Haupt- quartier in Breslau zu nehmen resolvirt sei. (regen 5 Uhr ist Herr Dr. Rosa von Ihr. Gn. wieder weg- gefahren, bei dem Herrn Hauptmann abgetreten, ihm, was er da gehöret, referirt, nachmals zu Hause und um 6 Uhr mit Herrn Dr. Pein?) zu Herrn Eichheuser’?) sich daselbst bis nach 10 Uhr Ich bin unterdess bei dem zu Gaste gangen, Herrn Hans Mimmich, Handelsmann am Ringe, mit Franz Raussendorf zu Gaste gewesen, so mich mit einem Trunk und sonsten an Essen gar wohl bewirthet. 38. December, Montag. Früh um 6 Uhr bin mit Herrn Barthel Dobschütz und Herrn Dr. Rosa ich von Breslau aus nach Neumarkt zum Frühstück und von da aus nach X) Morgen (30. Dezember) wird Generalis zur Neisse sein, nisi commissarii adfuerint, wollten sie selbst Quartier nehmen. Aus dem Protokoll der Liegnitzer Versammlung vom 29. Dezember 1626. A. p. V1,177. Breslau berührte der Herzog jedoch nicht; er war am 27. Dezember noch in Olmütz, am 7. Januar 1627 schon in Gitschin, Tadra fontes 41, 464. 2) Dr. jur. utr. Johann von Pein und Wechmar auf Wessig und Seifersdorf, geb. am 10. März 1582 als Sohn des kurfürstlich Mainzischen Vogtes auf dem Gleichenstein in Thüringen. Nach Vollendung seiner Studien anfänglich kurfürst- lich sächsischer Rat, trat er 1622 als zweiter Syndicus in die Dienste der Stadt Breslau, ließ sich 1625 seinen alten Adel erneuern, wurde 1639 kaiserlicher Rat, dann Assistenz-Rat des Fürstentums Breslau und städtischer Obersyndieus. Wie Rosa wurde er vielfach zu diplomatischen Reisen verwandt, z. B. vom 9. Juli bis Ende August 1625 in Wien mit glücklichem Erfolge in Angelegenheiten der Bres- lauer Hauptmannschaft (A. p. V, 314). In der österreichischen Hauptstadt war er ferner 1629, 1637, 1642, 1644—45; in Dresden 1634, in Prag 1648. Er war zwei- mal vermählt, hinterließ aus beiden Ehen vier Söhne und starb am 14. September 1649. Aus Materialien des städtischen Archivs zu Breslau, die ich der Güte des Herrn Professor Dr. Markgraf verdanke. 3) Stanislaus (Stenzel) Eichheuser, von 1619—1625 Schöffe, von 1626—1643 Mitglied des Breslauer Rates, kaiserlicher Rat, königlicher Mann auf Protsch, Weide und Lilienthal, Markgraf-Frenzel a. a. ©. 96. fol. 5b. 12 Uhr fol. 6. 12 vollends auf Liegnitz gereist, | daselbst wir nach 4 Uhr glücklich einkommen und bei Herrn Melcher Brauer (vorhin zu Neumarkt gewesenem Stadtschreibern, jetzt aber fürstl. Liegnitzischen Kammer-Agenten) in seinem neugekauften und auf der Burggasse liegenden Hause eingezogen, bei ihm mit Stuben, Kammern, Betten und anderer Nothwendigkeit wohl bewirthet worden. Dito Abends haben sich die Herrn Abgesandten noch beim Ober-Amts-Kanzler anmelden und wegen der Stunde auf folgenden Morgen zur Zusammenkunft Nachfrage thun lassen, da ihnen dann, dass von Ihr. Fürstl. Gn. die Stunde 9 Uhr angegeben wäre, Bericht zukommen. 29. December, Dienstag. Haben sich der gesammten Fürsten und Stände Abgesandte um die angedeutete Stunde auf dem fürstlichen Schloss, wie auch unsere Herren um 9 Uhr präsentiert, doch vorher ein Frühstück eingenommen, weil sie vermerkt, dass sie vor Abends nicht würden von einander kommen; so auch geschehen, dass sie erst in der 8. Stunde zu Abends heim und zu Tische gegangen. 30. December, Mittwoch. Haben die Stände von 8 Uhr an wieder Rath gehalten, und weil bei der Proposition unter anderen Punkten auch vorgebracht, dass der General NB. Dito Mittags hat Herr Dr. Rosa mit der Pfalz- gräfin zu Hippoltstein Tochter, Frau von War- tenberg, so sich eine Weile zu Liegnitz ge- halten, des Holsteini- schen Schmuckes hal- ber, dabei sie mit in- teressirt, Unterredung gehalten. Ist in der Sachen anderwärts In- rotulationstermin !) auf den 23. März 1627 ausgeschrieben. von Wallstein schon des anderen Tages, als Mittwochs den 30. December, aus Ungarn zurück zu Neisse an- kommen und förder fortrücken würde, hat man der Nothwendigkeit erachtet, Commissarien abzuordnen, ihn den General anders zu disponiren und die seinem Anschlage nach gefasste Meinung der Quartiere zu verhindern, unterdess aber Proviant und andere Noth- wendigkeit hinzuschaffen und zuzuführen. Daher Herrn Sigmund Bock, Frankensteinischen Hauptmann und Kammer-Rath (weil er ohnedies zu Liegnitz und von Ihrer Majestät auf eine Zeit Jals] Assistenz-Rath dem Ober-Amt adjungirt gewesen) sammt Herrn Karnitzky Obristlieutenant ?) mit gehöriger Instruction abgefertigt, die Mittwochs den 30. December von Liegnitz zum ') Inrotulation wird gesagt, wenn die Acten eines Prozesses zusamt der Urtels-Frage den Parteien nochmals vorgelegt, sodann versiegelt und zum Spruch Rechtens verschickt werden. welcher zur Durchsehung und Einpackung der Acten angesetzt ist. Derselbe Autor (13, 94) nennt Johann Friedrich als letzten Pfalzgrafen von H., 739. Inrotulations-Termin wird derjenige Tag genannt, Zedler 14, der 1644 zu Hippoltstein in der Oberpfalz ohne Erben verstarb. 2) Welcher Karnitzky damit gemeint ist, läßt sich schwer bestimmen. Auf dem Oktoberfürstentage von 1622 beschließen F. und St., Oberstlieutenant Karnitzky sei dahin zu disponieren, daß er von den 300 fl. Vortelgeld, die er monatlich be- 13 General nach Neisse eilfertig gereist.‘) Herr Dr. Rosa auch noch Herrn Bock vor seinem Aufbruch aufgewartet und zugesprochen und dabei meiner Herren E. | Raths Angelegenheit befördert hat. Um 11 Uhr sind unsere Herren vom Schlosse herunterkommen, Christian den Reiter mit Schreiben an Herrn Hauptmann’) nach Breslau geschickt mit Bericht, dass sie folgenden Tages zu Abend daheim zu sein verhofften, derowegen Ihro Gestr. das Thor zu bestellen Anordnung thun wolle. Zu Mittag haben sie den Consultationen ferner beigewohnt bis um 6 Uhr, dann neben den anderen Herrn Gesandten nach Hause gangen, und wie mein Herr seiner, Herrn Polsnitzes, vom Kaiserlichen Hofe von Wien Ankunft nach Liegnitz verständigt °), hat er mich zu ihm geschickt, ihn freundlich empfangen und ob es seiner Gelegenheit wäre, folgenden Morgens gegen 8 Uhr aufzuwarten und sich in einem und andern mit ihm zu unterreden, vernehmen lassen. Darauf er mir die Antwort gethan, dass er auf morgen nach dem Aufschluss von dannen nach Hause reisen, dem Herrn Rosa aber früh zwischen 6 und 7 selber zusprechen wollte. gehrt, freiwillig abstehe; im März des folgenden Jahres versprechen ihm F. und St. das Recompens, darauf sie ihn im vorigen Memorial vertröstet. Schwerlich ist oben der bekannte fürstlich Ölsnische Rat und Hofrichter Hans Ernst v. K. ge- meint, der beim Abschlusse des Dresdener Accordes mitwirkte und auch sonst auf den ständischen Versammlungen häufig genannt wird. Ein Hans Christoph K. war mit unter den schlesischen Gesandten, die im Juni 1627 unter Führung des Herzogs Heinrich Wenzel von Münsterberg zu Neisse dem Herzoge von Friedland ihre Aufwartung machten. A. publ. V und VI an verschiedenen Stellen. !) Über die an diesen Tagen zu Liegnitz verhandelten, meist die bevorstehende Wintereinquartierung eines Teils der Waldsteinschen Armee in Schlesien betreffen- den Angelegenheiten geben zwei- kurze A. publ. VI, 175 abgedruckte Protokolle Aufschluß. Allerts Nachrichten ergänzen jene Mitteilungen in willkommenster Weise. ?2) Adam von Sebisch, seit 7. Oktober 1625. A. p. V, 315. Von 1608 bis 1619 Schöffe, von 1620—1636 Mitglied des Rates, kaiserlicher Rat, königlicher Mann, auf Marschwitz und Wessig, f 17. Dezember 1638. Cod. dipl. XI, 122. 3) Über den Zweck dieser Reise sind wir nicht genau unterrichtet. Wahr- scheinlich wurde sie durch die vorgegangene Übertragung der Fürstentümer Schweiditz-Jauer an Ferdinand Ill. veranlaßt. Die Fürstentümer schickten gegen Ende des Jahres 1626 eine Deputation zur „Devotionsbezeigung“ und zur Empfang- nahme der Bestätigung ihrer Privilegien durch den neuen Regenten nach Wien. Als Ueberbringer eines Donativs von 10000 Reichsthalern an den König (26. November) werden zwar nur Landesbestallter Leuschner aus Schweidnitz und Bürgermeister Nicolaus Krebs aus Jauer genannt. Doch geht aus Allerts bestimmter Angabe hervor, daß Polsnitz mit in Wien war. Er befand sich Ende September in der seitens der Stände zur Reduction der Landesschulden nach Breslau berufenen Commission, wurde aber einige Tage vor Abschluß ihrer Arbeiten vermutlich eben dieser Wiener Reise wegen „von seinen Herren Prineipalen nach Hause erfordert,“ A. p. V, 238 und 260. fol. 6b. fol. 7. fol.‘ zb, 14 31. December, Donnerstag. Hat der Herr nach 6 Uhr mich zum Herrn Polsnitz geschickt und fragen lassen, ob er aufgestanden wäre, er wollte ihm selber zusprechen; ist derwegen um 7 zu ihm gefahren, eine Stunde sich aufgehalten, um 8 mit Herrn Dobschütz auf das Schloss gangen und abermals erst um 4 Uhr herunterkommen, da die Consultationen geschlossen und von Ihr. Fürstl. Gn. von heut über acht Tage insgesammt und unerfordert wieder zu Liegnitz gefasst zu erscheinen, den Ständen mitgegeben worden. ') Und weil es um 4 Uhr fortzureisen schon zu langsam gewesen, haben unsere Herren Herrn Ernst Grüttschreiber auf Stabelwitz 2) [aufgewartet], welcher anstatt Herrn Polsnitz [zum Gesandten erwählt worden], weil der- selbe erst von Wien nach Hause kommen und von Herrn Otto von Nostiz Vice-Kanzlern verständigt worden, dass er sich zu der Fürsten und Stände vorhabender Absendung nicht gebrauchen lassen könnte, weil Ihre Königl. Majestät in Ungarn ihm wegen der Fürstenthümer Schweidnitz und Jauer Dero in Sessionen gehörige Stelle zu halten aufgetragen hätte.°) Möchte er daher dem de |} signirten Principal-Gesandten Herrn Karas, nicht nachgesetzt werden. Hat also beim Ober-Amt um eine andere Person an seiner Statt zu erwählen gebeten, da er, Grüttschreiber, zum Mitgesandten an den Kaiserlichen Hof vorgeschlagen und deputiert worden, den die Herren Abends zu Gaste gehabt und um 8 Uhr von sich gelassen. Hernach wie die Herren um 8 zu Bette gegangen, haben ich und Dobschützes Christoph ein Instrument und einen Topf Wein holen lassen und mit Herrn Brauers ältester Tochter Jungfrau Margaretha (ungeachtet sie gleich desselben Tages febri quartana aber nicht sehr laboriert) wie auch der Frau Nickel Reichelin, Brauerin, und anderen ihren Töchtern getanzt, ich, so viel ich gekonnt, aufgespielt; unterdess ist Herrn Karas !) Es verzog sich mit dem Zusammentritt des neuen Fürstentages bis zum 28. Januar 1627, A. p. VI, 179. 2) Ständischer General-Steuereinnehmer. „War am 22. April 1609 zu Prag bei dem Receß, den die Directoren der drei Stände in Böhmen mit den F. und St. aus Schlesien gemacht, Abgeordneter; ein kluger Cavalier.“ Sin. II, 655. Gr. wird auch sonst für jene Zeit vielfach genannt, er war Mitglied der schlesischen Ge- sandtschaft, die 1619 mit dem Herzog Heinrich Wenzel von Münsterberg nach Prag ging und spielte 1625 bei dem Versuche der Breslauer Landstände, der Stadt die Hauptmannschaft zu entwinden, eine verdächtige Rolle, A. p. II und V. ») Am 2. Juli 1626 hatte der Kaiser die Fürstentümer Schweidnitz-Jauer seinem ältesten Sohne Ferdinand III, Könige von Ungarn, übertragen. Aus diesem Grunde würde man es in Wien als eine Zurücksetzung empfunden haben, wenn der Stellvertreter des Königs von Ungarn auf den schlesischen Fürstentagen jetzt bei der Gesandtschaft nach Wien nur die zweite Stelle hinter einem Breslauer Canonicus eingenommen hätte. Vgl. auch A. p. VI, 257. Die Städte der genannten Fürstentümer waren auf dem Oktober-Fürstentage von 1626 zum letzten Male bei den ständischen Beratungen zugegen. Ib. 169, w TE E 15 Kammerdiener Johannes zu uns kommen, den wir etwas bei uns behalten und ihn gleicher Gestalt mit dem Tanz und Trunk cortesirt; solche Kurz- weil haben wir bis nach 12 in die Nacht continuiret, auch noch einen Topf Wein ausgetrunken, da auf mich 1 Thaler, auf den Reiter Zacharias ein halber Thaler und auf Christoph das Übrige zu zahlen kommen. 1. Januar A. 1627, Neu-Jahrs- und Freitag. Commodum der- Sind wir früh vor 4 Uhr aufgestanden, da uns gleichen Schwärmens dann die Köpfe von dem vergangenen Tummel schwer Wehethun des Kopfes und unlustig gewesen, uns aber, weil von Ihr. F. Gn. das Thor beim Schloss aufzumachen um 5 Uhr bestellt gewesen, auf die Reise schicken müssen, doch zuvorher gefrühstückt und mit dem Schlag 5 zu Liegnitz hinaus nach Stephansdorf zum Herrn und Unlust. Kreischelwitz |Kreiselwitz]') gefahren, der bereits in der Kirche dem Gottes- dienst beigewohnt, haben wir uns unterdessen in der Stube gewärmt und mit Herrn Sauermann?) und Herrn Grüttschreiber, so mit dahin gereist, hernach das Frühstück eingenommen, Zacharias den Reiter auch, das Thor zu bestellen, voran hereingeschickt; da wir denn um 2 Uhr von Stephans- dorf weg und vor der Stadt Breslau um 6 Uhr angelangt sind. 9. Januar, Sonnabend. Haben die Herrn Barthel Dobschütz und Dr. Rosa E. Rath referirt. Zu Mittag schreibt Herr Alexander Portugal?) auf | Nimkau und Gimmel an Herrn Dr. Rosa, erkundigt sich seiner Reise halber und ob er nicht seinen Diener zu Ross besserer Sicherheit wegen mit nach Hofe nehmen wolle, damit er seine Sachen allda befördern lassen könnte; darauf !) Hans von Kr. und Jacobsdorf auf Stephansdorf, Samitz und Diebahn, Röm. Kais. Maj. Obrister und Hofmarschall des Herzogs Georg Rudolf von Liegnitz; die Stände vertrauten ihm und Abraham von Tschirnhaus 1611 4000 Mann Fußvolk zum Schutze des Landes gegen die Polen an. Sin. I, 563. 1622 war er unter der Zahl der Kriegsräte über die schlesische Soldatesca vor Glatz, als Oberamts- rat im Januar 1624 Gesandter Georg Rudolfs von Liegnitz bei Erzherzog Karl in Neisse, am 10. Mai 1625 unter den ständischen Revisoren über die Landes-Ein- spänner, A. p. V. 2) Für diese Zeit erwähnt Sin. II, 4325 nur einen Theodor Freiherr von S. auf Jeltsch und Gnichwitz als Kön. Mann und Landesältesten des Fürstentums Breslau, der 1609 geboren war und demnach bezüglich des Alters zu seiner Würde in großem Gegensatze gestanden haben müßte. Wahrscheinlicher ist der A. p. VI, 71 genannte Hans von Sauerma gemeint, der mit dem bei Weltzel (Gesch. des Geschlechtes Sauerma 119) erwähnten Johann Georg I. (7 1650) identisch sein muß. ®) Die Portugals trugen zu ihrem Namen noch den Zusatz von Kankellen; der oben genannte war der Sohn des gleichnamigen Hauptmanns auf Kutschebor- witz im Fürstentum Liegnitz (Sin. I, 721). Unser im Text erwähnter Alexander von P. wurde gleichfalls Hauptmann im Herrnstädtischen Weichbilde; da er keine Söhne hinterließ, so starb die schlesische Linie mit ihm aus. fol. 8. fol. Sb. fol. 12. 16 ihm der Herr zurückgeantwortet, dafern er sich selbst „vorzehren‘‘ [be- köstigen] und sonsten treu fleissig und friedlich erzeigen wollte, wäre es ihm, ıhn mit seinen Leuten „purschiren“ zu lassen, nicht zuwider. Ob aber die Reise bald von Liegnitz aus, dahin er Donnerstag den 7. Januar wieder reisen würde'), fortgehen oder ob man wieder zurückkommen dürfte, wisse er so genau noch selber nicht. Stellte auch zu seinem Herrn Portugals Gefallen, ob er ihm seiner Angelegenheit Nachricht und Abschrift zuschicken [wollte]; wollte data occasione zu Hofe das Beste dabei erinnern. 3. Januar, Sonntag. Ist Herr Ernst Grüttschreiber von Stabelwitz Abends herein nach Breslau kommen. 4%. Januar, Montag. Vormittag um 9 Uhr ist Herr Sauermann, Grütt .... fol. 9, 10 und 11 fehlen. [10. Januar, Sonntag.] . sischer Kanzler und Herr Dr. Rosa. Ist in der grossen neuen Tafelstube über der Kanzlei gespeist und stark getrunken worden, dass der Obristlieutenant Arnheim’) (so sonst berühmt, dass er ein freier, politischer, !) Die hier geplante und wie die Fortsetzung zeigt auch ausgeführte Reise nach Liegnitz bezog sich nicht auf eine allgemeine Versammlung der Stände, die erst gegen Ende des Monats stattfand; Rosa wollte nur die Instruction des Ober- amts für die bevorstehende Gesandtschaft nach Wien in Empfang nehmen, sie vielleicht auch mit ausarbeiten helfen. 2?) Franz Christoph v. Arnim, Oberstlieutenant eines der im Fürstentum Lieg- nitz einquartierten Hebron’schen Regimenter. Im Gegensatz zu Allerts Urteil zeigt er sich in seinen Briefen als derb, fast roh. Er preist die Vorzüge seiner „Wirtin“ zu Liegnitz*) den Offizieren des sächsischen Kürassierregimentes in einer hier nicht wiederzugebenden offenen Weise. Am 28. Januar schreibt er an Melchior von Hatzfeldt: Ich habe allhier (in Liegnitz) wider Verhoffen bis auf den Fürsten- und Ständetag warten müssen, bin doch weder Fürst noch Stand, aber wo Herren sind, müssen auch Narren sein. Mit den Herren in den langen Hosen habe ich noch nichts zu thun gehabt u. s. w. und schließt: Ich wünsche dem Herrn eine Million von guten Stunden, sterbe als sein getreuer Knecht per saxa et ignes und bringe ihm eins in Gesundheit aller Musketierer, die Haare auf der Pulverflasche haben. Bald nach einer im Frühjahr 1627 nach Prag zum Generalissimus unter- nommenen Reise und jedenfalls vor dem 16. Mai muß er gestorben sein, denn Oberst Hebron fragt an diesem Tage bei Herzog Franz Albrecht von Sachsen- Lauenburg an, ob dessen Oberstwachtmeister Emmerich von Leyen, der sich um die in Hebrons Regiment vacante Obristlieutenants-Stelle beworben, „was taugen möcht und eines ganz aufrechten deutschen Gemüts sei, als wie Herr Arnim seliger.“ Königl. Staatsarchiv zu Breslau. *) Liegnitz selbst hatte „aus hohen Bedenken“, wie der Oberlandeshaupt- mann schreibt, keine Truppen erhalten; sie lagen in Haynau, Goldberg, Lüben, Parchwitz, Raudten, Wohlau, Steinau, Leubus, Herrnstadt, Winzig, also „zu Haltung besseren Regiments“ nur in Städten. i 17 gelehrter Mann) sich mit den Armen und [dem] Kopf auf die Tafel gelegt und geschlafen hat; Herr Bock und Dr. Rosa sind etwas zeitlicher und gegen 10 Uhr von der Tafel aufgestanden und nach Hause gefahren, der Herr aber |hat] einen guten Rausch gehabt, dass man ihn in Herr Brauers Studirstüblein gebettet gehabt. Und weil Herr Dobschütz auch zeitlich zu Bett, haben ich und Christoph Wiesenberger einen Organisten und Geiger holen lassen und mit Herrn Brauers Töchtern getanzt, solches bis nach 1 Uhr in die Nacht continuiret, selbigen 2 Reichsthaler spendirt. Als Herr Dobschütz früh gefragt, was man gestern für ein „Geturnier‘ gehalten, er hätte vermeint, man würde die Stube umdrehen, hat ihm Christoph berichtet, es wären Hofschranzen heruntergekommen, die hätten Musica und Wein holen lassen und also geschwärmt; wir hät | ten sie nicht gekennet, viel weniger uns unter sie zu mengen Der erdachte Fund ist unterstehen wollen, hat es also mit geglaubt, dass angangen, dazu man uns nur noch Recht wir recht gethan und nicht mit ihnen „purschiret“ hätten, da wir derweilen selber Principal in allem gewesen. gesprochen. 11. Januar, Montag. Sind nach 8 Uhr Herr Grüttschreiber und Herr Dr. Rosa aufs Schloss sangen, sich mit Ihr. Fürstl. Gn. der Reise, Instruction und Creditivs halber endlich unterreden wollen, weil aber Ihr. Fürstl. Gn. noch zu Bette ge- legen, dennoch mit Herrn Sebottendorf ') den Verlass genommen, dass alle Sachen mit einem eigenen Courier ehesten Tages hernach geschickt werden sollten. Darauf sie von Liegnitz aus gegen 11 Uhr bis nach Neumarkt gereist. Zu Liegnitz ist von Bauersleuten aus dem Fürstenthum eine dermassen Zufuhr von Getreide, Kasten und anderem gewesen, dass wir bei einer guten halben Stunde auf der Gasse halten müssen, ehe wir zum Thor hinaus auf die Strasse kommen können. ?) — !) Oberamtsrat des Herzogs Georg Rudolf; als solcher bei Übertragung der Fürstentümer Schweidnitz-Jauer an Ferdinand IH. (Juli 1626) „Director dieses Actus“, A. p. VI, 258. Ob er mit dem 1634 verstorbenen, bei Sin. I, 869 als Herr von Cunern und fürstlich Liegnitzer Rat und Hofrichter genannten Heinrich von S. identisch sein mag? Oder ist vielleicht der damals abwechselnd als Vertreter der Herzöge von Brieg und Liegnitz auf den Fürstentagen vorkommende Abraham von S$. gemeint, der den Ständen bei der Versammlung zu Breslau am 12. Mai 1626 die Proposition des Oberamts vortrug? A.p. VI, 147. 2) Ursache dieser Verwirrung war die plötzliche Einquartierung eines Teils der Waldsteinschen Armee im Fürstentum Liegnitz (6 Comp. Reiter unter Oberst Görzenich und drei Hebronsche Regimenter — 1000 Arkebusiere, 1000 Dragoner, 500 Kürassiere — zusammen mit den Regimentsstäben 34 Compagnieen. Welche 2 fol. 12b. fol. 15. IR 18 Wegen der hin und wieder anziehenden Soldaten... fol. 13 und 14 fehlen. [15. Januar, Freitag.] . tiget und ihnen den anwesenden Gesandten eingehändigt worden, so hätten sie sie nunmehr hierbei zu empfangen, würden also in Gottes Namen die Reise ungesäumt fortstellen und zu seiner Zeit gehöriger Massen zu referiren wissen, wünschten dazu allen heilwertigen Beistand, glückliche VotumIhrer Fürstl.Gn. Ein- und Ausfahrt und erfreuliche Expedition in Gunst fol. 15b. des Oberamts. und Gnaden. Datum Liegnitz den 12. Januar 1627.') Dr. Rosa hat das Schreiben Herrn Grüttschreiber auch communicirt, gegen 4 Uhr mit ihm auf den Dom gefahren, sich mit dem Herrn Prineipal- Gesandten endlich vernommen und Sonntags den 17. Januar utinam bono et placato cum deo mit einander aufzubrechen (sich) entschlossen, Dito Abends nach der Mahlzeit hat Herr Jacob Albrecht dem Herrn zugesprochen, ihn zu Hofe der Kretschmer halber etwas zu expediren an- gelangt und dabei 40 Reichsthaler präsentirt. 16. Januar, Sonnabend. Vormittags ist der Herr auf dem Rathhause ge | wesen, hat im Heruntergehen Herrn Dr. Pein, so an einem Schenkel die Rose gehabt und nicht ausgehen können, besucht; Nachmittags ist von 2 bis gegen 6 Uhr in der Schöffenstube geheime Kammer gehalten, mir unterdess Herrn Hans Mimmichs, Reichskramers am Ringe, Sache am Kaiserlichen Hof zu expediren zugestellt, gleichfalls von Herrn David Müller ?), Buchhändler, seine Ange- legenheit und dass ich, was beiderseits vorgehen würde, berichten wollte, zum Besten recommendirt und ersucht worden. Zu Abend gegen der Mahlzeit liess Herr Hans Mimmich durch Balzer Langer dem Herrn Dr. Rosa allerhand Specerei auf die Reise und in die Wirthschaft präsentiren, so ihm angenehm gewesen, und dass er es wiederum verschulden wolle, vermelden lassen. 17. Januar, Sonntag. Als der Tag zum endlichen Aufbruch angangen, bin mit dem Herrn ich nach der Frühpredigt in der Kirche zu Sanet Maria-Magdalena zu Gottes so geschwinde Einquartierung, schreibt Herzog Georg Rudolf am 12. Januar 1697, wir allererst vor zwei Tagen und zwar durch den Zuzug des Volkes selbst zu richtiger Wissenschaft erlangt haben. A. p. VI, 301. ') Da Herzog Georg Rudolf die Breslauer vor ihrer Abreise von Liegnitz nicht mehr gesprochen hatte, so sandte er ihnen vermutlich das Schreiben nach, dessen Schluß die obigen Zeilen bilden. 2) Nach dem Totenregister von St. Elisabeth stirbt ein Buchhändler David Möller zu Breslau am 17. März 1636. 1. Nachtlager zu Gross- 19 Tisch | gewesen, hernach hat er zwar auch der Hochmesspredigt beige- wohnt, ich aber unter derselben mein Felleisen und was mehr zur Reise nothwendig, fertig gemacht. Finito prandio hab ich Herrn Mimmichen zu- gesprochen, sie freundlich gesegnet, ihre Sachen mir angelegen zu halten versprochen und Abschied genommen. Da mich die Jungfrau Susanna ihre Tochter mit einem Kränzlein auf die Reise, wie auch die Frau mit einer gekochten schweinernen Schulter zum Frühstück versehen. Darauf wir unseren Wagen fertig gemacht; um 12 Uhr sind Ihro Gnaden der Herr Principal-Commissarius Herr Karas mit einem Trompeter und anderen zwei Reisigen zu Ross auf einem Wagen mit sechs Rossen, desgleichen Herr Venediger '), Neissischer Kanzler, gleichfalls mit sechs Rossen und einem Bagagewagen mit drei Rossen zu uns auf den Salzring [den heutigen Blücherplatz] gefahren kommen, dazu bald Herr Grüttschreiber mit auch sechs Rossen und vier reisigen Dienern gefahren und gestossen. Der Herr hat Ihro Gnaden auf ein Valettrunk in sein Studirstüblein, bis auch unser Wagen angespannt würde, ge | beten, darauf sich zuvorhin Herr Hans Vogt’), Herr Eichheuser, Herr Dr. Munderich, Herr Kyckpusch?) be- funden und sich mit den Herrn gesegnet haben. Hora prima sind die Herren herunter und wir auch alle zu Wagen gesessen, hat der Trompeter voran und zum Fortrücken geblasen, sich auch nicht allein auf dem Salz- ringe und den Gassen in Fenstern, sondern auf dem Platze stehend eine grosse Menge Volks befunden, uns Glück zur Reise gewünscht; sind dem- nach in Gottes Namen zum Schweidnitzischen Thor hinaus in comitatu 44 Personen und 36 Rosse auf Gross - Sägewitz zum Herrn Heinrich Heugel*) zum ersten Nachtlager, 3 Meilen Sägewitz. ‚ } i i von Breslau gelegen, gereist, Herr Karas ist eine Viertel !) Daniel von V. und Bunkay auf Gräditz, kaiserlicher und bischöflich-Bres- lauer Rat, Comes Palatinus und kön. Kammer-Fiscal in Oberschlesien, geb. 1580 zu Breslau, f ebendas. im Jahre 1646. Zedler 46, 1276. V. erscheint fast ständig als Vertreter des Bistums auf den Fürstentagen und war im April 1625 Mitglied der Commission, die den Evangelischen Oberglogaus die Kirche wegnahm und deren Abbruch veranlaßte. A. p. VI, 159. ?) Johannes Vogt auf Sägewitz, königlicher Mann und Landesältester, Schöffe von 1614—1622, 1631, 1632, Ratsherr von 1623—1630, 1633—1637, Markgraf- Frenzel 127. ®) Reinhard v. Kyckpusch auf Steinsdorf, Goldschmieden, Pommerswitz, kaiser- licher wie auch fürstlich Troppau-Lichtensteinscher Rat, Sin. I, 511. Er wurde, wie aus A. p. V und VI hervorgeht, häufig zu ständischen CGommissionen, bei Steuerreitungen, Abdankungen der Soldatesca u. a. gebraucht und war mit Karl Hannibal von Dohna und Caspar Kirchner im März und April 1625 Gesandter der F. und St. in Wien. *) Sin. I, 464 nennt außerdem Sagschütz, Schriegwitz, Baumgarten, Puschkowa, Jexau und Plohe als seine Besitzungen; er war Assessor des königlichen Mann- gerichts im Fürstentum Breslau, auch etliche Jahre dessen Präses. %ı)% _ fol. 16. fol. 16b. 20 Meile von uns auf dem Dorfe Rankau genannt im Kretscham, weil es zu Sägewitz für alle zu gedrang sein möchte, über Nacht geblieben. Wir, Herr Grüttschreiber, der Herr Dr. und Herr Antorff') sind von Herrn Heugel gern gesehen, freundlich und günstig in allem traetirt und bewirthet; auch wir Diener, als wir uns schon auf die Streu gelegt, vom fol. 17. Herrn Wirth mit | einer grossen Kanne Wein zum Schlaftrunk verehrt und lustig bei ihm zu sein inständig ermahnt worden. 18. Januar, Montag. Hat man früh alles fertig machen und auftragen lassen, eine warme Suppe gessen und von Herrn Heugel herüber nach Rankau gestossen; darauf in einem comitatu fortgerückt; auf 3 Meilen zu Heidersdorf im Kretscham abgetreten, uns (weil es früh kalt war) gewärmt, kalte Küche und was wir bald in der Eile haben können, gefrühstückt, ich mit meiner Schulter daran gangen, Herrn Antorff, Peter Langwiese?), Kitzing und anderen auch davon mitgetheilt, ein Fläschlein Wein dazu getrunken, so uns insgesambt sehr wohl geschmeckt. Als wir uns auf dem Platze um- sehen stehen, ritten etliche Dragoner, wie auch zwei Huren durchs Dorf hindurch. Nach dem Frühstück sind wir durch Nimptsch, ein kleines, hölzernes Städtlein, welches fast nur in einer ganzen breiten Gasse besteht, da auch Soldaten innen lagen, bis auf Frankenstein gefahren, waren bis dahin 3 Meilen, BB Nachtlager zu Fran- kenstein. ı) Heinrich Antorff (Andorf), Hans des Älteren, Rats zu Lüneburg hinter- lassener Sohn, Kaufmann und später Kaiserlicher Oberster Kriegscommissarius zu Breslau, vermählt sich am 3. Dezember 1619 mit Marianna (7 1665, 11. Mai), Tochter von Georg Sebisch d. Ält. auf Mahlen. Das Taufbuch von Elisabeth ver- zeichnet drei Kinder: Johann Georg 1627, Marianna 1632 und Heinrich 1635. Aus dem Tauf- und Traubuche der Elisabethkirche im Breslauer Stadtarchiv. 2) Wie weiter unten mitgetheilt wird, ein Breslauer Kaufmann. Aus den vielfachen Klagen, die er im Laufe des Jahres 1626 an F. und St. gelangen ließ, können wir mit ziemlicher Bestimmtheit die Veranlassung zu seiner Reise erraten. Im Protokoll einer Versammlung der Nächstangesessenen zu Neu- markt (April 1626) heißt es: Langwiese von Breslau klagt über Hans Gotschen [Schaffgotsch, aber nicht der bekannte Hans Ulrich], der ihm auf der Straße etlich Geld genommen, hätte ihn nach abgefallener Mascara gewiß erkannt. [Schaffg.] hat zuvor eines ehrlichen Mannes Tochter entführt, itzo dem Rogawski im Oppeln- schen auch seine Tochter. Ihro Maj. haben befohlen ihn nach Schärfe der Rechte zu strafen. Oppelnsche Stände schützen ihre Privilegia und ihr Landrecht vor. Langwiese klagt civiliter beirn Landrecht, will nur das Geld haben. Sed causa cecidit, weil der Advocat nicht böhmisch gekonnt. — Die Angelegenheit war am Ende des Jahres noch nicht entschieden, und Langwiese, der außerdem über einen Rittmeister Stößel oder Stosch, sowie über Anfälle durch Soldaten im Sächsischen und Neissischen klagte, wird zur Förderung seiner Rechtshändel sich persönlich nach Wien begeben haben, A. p. VI. 21 sind spät da | selbst einkommen, die Herrn Commissarien wurden beim fol. 17b. Herrn Dr. Henelio°®) Landschreiber einzukehren ersucht, die Rosse aber und Gesindel liessen sie in einem Wirthshause am Ringe einziehen und speisen. Der Rath zu Frankenstein hat den Herrn Commissarien zur Reise und zu gewünschter Expedition gratulirt, etliche Kannen guten ungarischen Wein präsentirt, die sie zu Dank acceptirt und solches gegen ihre Principale bei ihrer Zurückkunft zu rühmen versprochen. Darauf sie die Abgeord- neten des Raths zur Abendmahlzeit bei ihnen zu verbleiben gebeten, so sie auch gethan und den Herrn Gesandten fleissig aufgewartet. Hatten dito zu Abend Als nach der Mahlzeit (die sehr gut und wohl be- eine Musik und ging stellt gewesen) Herrn Karas Lautenist Dembsky was auf gar lustig und fröh- der Laute gespielt und den Herrn Commissarien die nn Musik gar annehmlich gewesen, hat Herr Dr. Henelius einen Organisten mit einem Instrument holen und aufwarten lassen, dazu die anderen, des Herrn Karas Diener, mit Singen und Geigen vollends einge- stimmt und es so lustig gemacht, dass die Herren darüber ziemlich ge- trunken und berauscht wurden; wir Burschen | auch, wie die Herren Wir Rörsöhen ee zu Bett gewesen, einen Tanz geheget und solchen hernach und brauchten lang in die Nacht continuirt, welches alles ihr der unsere Gelegenheit Frau Wirthin gar nicht zuwider gewesen, sondern uns ziemlich. nur lustig zu sein gebeten hat. Die andern unserer Leute sind unten im Wirthshause auf der Streu, ich aber mit Herrn Grüttschreibers Johann zu Bett quartiert blieben. 19. Januar, Dienstag. Liess Herr Henelius nicht zwar ein also genanntes Frühstücklein, sondern eine gute fette Mahlzeit anrichten und vor derselben die Herren gar nicht von sich, weil sie desselben Tages weiter nicht als auf Glatz zu ®) Nicolaus Henel auf Rathsam, geb. 11. Januar 1582 zu Neustadt in Ober- schlesien, auf dem Breslauer Elisabethan vorgebildet, studierte die Rechte zu Jena, bereiste darauf Deutschland, die Niederlande, Frankreich, Italien, wurde zu Basel Dr. jur. utr., trat als Landschreiber und Verwalter des Procancellariats in die Dienste der Münsterberg-Frankensteiner Stände und erschien als ihr Vertreter fast regelmäßig auf den Fürstentagen. Seinen scharfsinnigen und inhaltsreichen Be- richten an den Landeshauptmann S. v. Bock verdanken wir die Kenntnis der inneren Vorgänge auf den Versammlungen von 16922—1627 zum größten Teile. Im Mai 1622 war er Mitglied der Commission, die zur Rechnungsabnahme über die Spesen für die kursächsische Soldatesca nach der Grafschaft Glatz entsandt wurde, H. war Rat des Kaisers und der Herzöge von Liegnitz und Brieg, wurde nach Rosas Tode 1639 zweiter Syndicus von Breslau und starb am 23. Juli 1656. Er ist der Verfasser der bekannten Silesiographie und vieler anderer Werke. Nach Zedler, Thomas u. A. publ. fol. 18. 22 gelangen vermöchten; um 9 Uhr sind sie zu Tisch gesessen, dabei sich wiederum aus dem Rath 2 Personen und der Herr Secretarius, sowohl Herr Rothkirck von Töppliwoda!) befunden, haben freundlich conversirt, gegessen und getrunken, der Organist wieder aufgewartet, darauf Gesund- heiten und andere viele Trünk herumgangen, dass sie sämmtlich gute Räusche fol. 18b. gehabt, sonderlich Herr Dr. Rosa so trunken gewesen, dass | er nicht gewusst, wie er da weg und nach Glatz kommen.) Nach 12 Uhr hat man, weil es noch 3 Meilen bis auf Glatz und ziemlich bergichter Weg sein würde, anspannen lassen, und ob man uns wohl genöthigt, noch eine Weile da zu verbleiben, dennoch Abschied ge- nommen, zehn Reichsthaler, weil der Herr Dr. Henelius oder seine Frau von den Herrn Gesandten nichts bezahlt nehmen wollten,- in die Kuchel verehrt und sind in Gottes Namen fort auf Wartha, ein hübsches, hölzernes Städtlein, so zwischeu den Bergen im Thal liegt, kommen; allda saubere Drechslerarbeit und Kännlein gemacht werden, davon die Herren etwas von Zahnstochern und anderen Sachen gekauft, sich auch in der Kirche umgeschaut und ein Gebet verrichtet; oben auf dem Berge bei dem Städt- lein ist eine Wallfahrt, Von dannen wir weiter fort und auf Glatz gerückt, da wir die Vor- städte noch seit der Belagerung?) ausgebrannt, wüst und öde stehen ge- sehen. In der Stadt sind die Herrn Commissarien beim Herrn Decan ein- fol. 19. zukehren ersucht | worden, uns haben sie am Ringe beim schwarzen Bär, der Frau Georg Hermanns Wittwe, mit Ross und Wagen einziehen lassen, welche Frau uns mit gutem Fleisch, Fischen und frischen ‚Föhren‘ |Forellen], alles köstlich und wohl zugerichtet, ansehentlich bewirthet; allda wir auch guten ungarischen Wein getrunken, und weil die Herren anderwärts ihre Gelegenheit, wir lustig und fröhlich, die Zehrung auch gar eine billige gewesen, dass wir uns für so gut Traetament fast gewundert haben. 02} 3. Nachtlager zu Glatz. !) Vermutlich Friedrich von R. auf Töppliwoda, Sackerau, Ober-Johnsdorf, Ober- und Nieder-Jakobsdorf, Kobelau und Kunsdorf, + 12. Juli 1649 zu Breslau, wo er sich wegen Kriegsgefahr 16 Jahre aufgehalten, begraben zu Töppliwoda. Er studierte 1599 in Straßburg, war seit 1613 Oberlandrecht-Beisitzer des Fürsten- tums Münsterberg und seit 2. Februar 1610 mit Margaretha von Mutschelnitz ver- mählt. Stammbuch des Geschlechts von Rothkirch, Breslau 1879 p. 37. ?) Hier macht Allert, als ob es ihm ein Vergnügen bereitet hätte, die Räusche seines Herrn zu zählen, am Rande ein vielsagendes NB! ®) September bis Ostern 1622. Sie wurde dadurch veranlaßt, daß sich Teile der ehemals schlesischen Truppen nach Ächtung des Markgrafen Johann Georg von Jägerndorf in die Festung geworfen hatten, den Ständen den Gehorsam auf- sagten und sich unter Führung des Grafen Bernhard Thurn bis zum 26. Oktober mit außerordentlicher Tapferkeit gegen die Kaiserlichen vertheidigten. Vgl. H. von Wiese: Die Belagerung von Glatz, Zeitschr. XIII, 113. Di a Bu — EU 92H u 20 MU 0 ; 4 23 20. Januar, Mittwoch. Waren die Herren bis nach Mittelwalde, von Glatz 4 Meilen gelegen, diesen Tag zu reisen entschlossen; und weil solche [Stadt] in einem halben Tage und einem Futter leicht zu erreichen, frühstückten sie noch bei dem Herrn Decan, und wir hatten auch von Fisch, Föhren und mehreren guten Speisen ein herrliches Frühstück. Nota. In der Stadt Glatz ist es am Ringe gar bergig und abschüssig, wie auch auf vielen anderen Gassen, dass fast nirgends keine rechte Ebene ich | darin gesehen; auf dem Ringe sieht man gleich das Schloss; ist eine starke Höhe und sehr jählings hinaufzusteigen; war mit einem droben, konnte aber, weil der Wachtmeister nicht da war, vor dies Mal nicht hineinkommen. Gegen 12 Uhr sind wir von Glatz hinaus über Berg und Thal durch Habelschwerdt, eine feine Stadt, bis auf Mittelwalde, einen offenen, hübschen Flecken gereist, zeitlich allda ankommen, insgesammt [4. Nachtlager zu in einem Losament bei gar guten Leuten eingezogen, Mittelwalde.] und weil keine Mahlzeit bestellt, niemand auch voran ge- schickt gewesen, hat Herr Karas, damit den Herren die Zeit nicht zu lang würde, mit seinen Burschen, so alle Musikanten gewesen, eine Musica angestellt, die Theorbe-Lauten ') Herr Dembsky geschlagen, dazu geigen und singen lassen, so allen zu hören lieb gewesen; hernach sie zur Nacht gessen, ihnen auch der Hauptmann oder Verwalter desselben Marktes zugesprochen, und weil sich die Herren Gesandten um Convoi be- kümmert, er ihnen bald gewillfahrt und nothwendige Verordnung dazu gethan. fol. 20 und 21 fehlen. [22. Januar, Freitag.] !) Theorba, tiorba oder thiorba ist italienisch; französisch heißt es theorbe, tiorbe, tuorbe und ist ein der Laute in vielen Stücken ähnliches Instrument, was sonderlich den Körper und zum Theil den Hals, der länger, betrifft; allein es be- finden sich darauf acht grosse Saiten im Basse, die zweimal so lang und dick sind, als der Lauten ihre sechste. Diese acht Saiten sind nur einfach, die anderen im Basse haben ein „Octävgen“ und die höheren den Unisonum bei sich, ausser der Chanterelle oder sogenannten Quinte, eben wie bei den Lauten. Die Theorba ist wie eine grosse Basslaute, doch dass sie mehr, nämlich 14 oder 16 Chor- Saiten und über den rechten Hals, darauf sonsten die Bände liegen, welches an den Lauten der Griff genannt wird, noch einen längeren Hals hat. Ist allein dahin gerichtet, dieweil wegen der Grösse und wegen des weiten Greifens keine Koloraturen oder Diminutiones darauf gemacht werden können, sondern nur schlechthin ge- griffen werden muss, dass ein Discant oder Tenor viva voce gleichwie zu der Viol di bastarda darein gesungen werde. Es sind der Theorben zweierlei, die eine mit Geigensaiten, die andere mit stählernen und messingenen Saiten. Zedler 43, 1099, fol, 19b. fol. 29. Seelentrosts, id est Gottes reinen Worts mussten sie entrathen. fol. 22b. Unser Wagen war J4 . mussten uns wieder auf eine böse Nacht, ‚mit einem Saubett der Streu weidlich zudrücken‘“, und bis es besser würde, auch für dies Mal behelfen. Dito zur Nacht ritten 3 Courire von Wien durch diesen Flecken in Schlesien hinein, der eine nach Liegnitz, der andere nach Glatz, der dritte in die Fürstenthümer Schweidnitz und Jauer, mit denen der Herr Prinecipal- gesandte geredet und von ihnen soviel verstanden, man wüsste zu Hofe von keinem Volk, so in Schlesien liege, es wäre denn, dass wir es mit- brächten.') Die armen Leute in diesem und anderen dergleichen offenen Flecken klagten, sie sässen da in der Blösse; ob sie sich gleich wieder zu nähren anfingen, Wirthschaft und anderes treiben wollten, würden sie doch bald ‘ unversehens wieder überrascht, geplündert und das Ihrige ihnen weggenommen. Daher sie nur in höchst- kümmerlicher Armuth und alles Seelentrostes beraubt ihr Leben im Elend hinbringen müssten. 23. Januar, Sonnabend. Zu Zwittawka etwas gefrühstückt, darnach auf | Tschernahora, einem Flecken, von dannen in die Stadt Brünn, vom Nachtlager 4 Meilen gelegen, gereist, vor welcher un- gefähr eine halbe Meile sich seitenhalb zur rechten Hand der Berge ein Reiter oder 15 blicken, bald wieder nicht sehen lassen, die immer wieder per posta auf der rechten Hand zwischen den Bergen stark geritten und wir nun vermeint, im Thale von ihnen angesprengt zu werden; wie wir dann zu unseren Degen und Röhren gegriffen, ihm auch mein Herr, ungeachtet er sonst furchtsam vor Büchsen und gleich dazumal wegen der Kälte mächtig eingepelzt sass, ein Rohr geben liess und wider mich sagte, ich sollte es spannen und den Hahn aufziehen, und im Fall wir ja möchten Unglück haben, sollte man nicht eher, als es Noth thäte, Feuer geben; zog auch die Ringe ab und machte sich gleichwohl mit Ernst zum Widerstande geschickt. [6. Nachtlager zu Zwittawka.] NB. gleich unter andern in Liessen darauf die Wagen hart aneinander fortrücken, da der Mitten, Herrn An- unser Wagen dann der dritte und hinter uns noch vier torff aber, so zuletzt andere fuhren; wollten nun gewärtig sein, weil wir fuhr, war am bängsten. fol. 23. gleichwohl ziemlich staffirt, auch ein Reitross oder 12 gehabt, wer uns über den Hals laufen würde, wie | wohl ein Maus- kopf besser als ein anderer sich zu wehren beherzt ist. Wir sind I) Eine frivole Witzelei, die den schlesischen Gesandten wenig behagt haben wird. Das erste Entschuldigungsschreiben des Kaisers an den Oberlandeshaupt- mann wegen der kaiserlichen Einquartierung in Schlesien datiert vom 12, Januar 1627. A. p. VI, 88. __ 5 25 Ging Gott Lob ohne aber Gott lob noch wohl fortkommen; ausser dieses Schwertzuckenab,ohne ist geschehen, dass einer von selbigen Hallunken uns dass uns ein Schelm stark voran geritten, in einem Dorf angehalten, sich 17. recognoseirte. ein Geschäft darinnen gemacht, samb er nothwendig daselbst zu thun, und uns nur, wie stark wir wären, recognoscirt, dessen wir aber, weil wir bald an der Stadt, nichts geachtet. Ohne war es nicht, dass es um Brünn am allerunsichersten, wie denn vielen Leuten das Ihrige gestohlen und geplündert, wir uns auch, weil die Schelmen sehr stark ausritten, vorzusehen ermahnt worden waren. Zu Brünn ist überall nur ein Thor offen gehalten gewesen, daraus man ein- und aus- kommen können. Herr Karas ist mit seinem Volke in einem Wirthshause bei einer Kirche, Herr Grüttschreiber, der Herr Dr. und Antorff auch beisammen absonderlich beim weissen Lamm, so vorhin das beste Wirthshaus gewesen sein soll, [beil einem Italiener, eingezogen, sehr wohl in Zimm | ern, guten, wohlzugerichteten Speisen und Trank bewirthet worden. und 8. Nachtlager zu Brünn.] 94. Januar, Sonntag. Lagen die Herren Gesandten den Tag über zu Brünn, Ross und Mann ein wenig ausruhen zu lassen, stille; Herr Karas hat mit den Seinigen des Gottesdienstes abgewartet, der Herr Dr. und Herr Grüttschreiber aber sich in den Briefen, Instruction und andern mit sich habenden Sachen nothdürftig ersehen, ich und Kitzing uns in der Stadt in allen Kirchen und vornehmsten Plätzen umgeschaut, da unter anderm die Kirche beim Jesuiten-Collegium auf schön italienisch gewölbt und gebaut, wie auch am Platz liegend wohlgebaute Häuser, das Rathhaus, die bischöfliche Burg wohl zu sehen sind. Nach dem Frühstück um 2 Uhr sind unsere Herren zum Herrn Principalgesandten gangen, aus der Instruction und Proposition mit Ihro Gnaden communicirt, inde von dannen ins Losier einen Barbier bestellen und sich putzen lassen, darauf zu Abend gessen und hernach mit einander im Brett gespielt. Unser Wirth der Italiener hat nach der Länge die grosse Drangsal und Calamitäten, so die armen Leute zu Brünn mit den vieljährigen Be- satzungen, Contributionen und Reformationen ausgestanden, so bis noch kein Ende hätten, massen ihrer viele weggezogen, Häuser und alles stehen und liegen lassen und davon entlaufen wären, wie wir solches auf unserer Gasse gegenüber und an andern vielen Orten mehr gesehen, dass schöne Häuser zu, Fenster und Thüren aus- und eingeschlagen, wüst und öde gestanden, auch jetzt über 80 Bürger nicht mehr vorhanden, die es in die Länge [nicht] ausstehen würden, sondern mit den Ihrigen davon laufen müssten, mit Wehmut erzählt. fol. 23b. fol. 24. 26 Wie denn der Barbiergeselle sagte, dass er und sein Herr eine ganze Woche soviel nicht erwürben, als sie einen Tag geben müssten; die Soldaten, wenn sie einander vor die Köpfe gehauen, kämen gelaufen, die müsste man umsonst heilen und verbinden, darum er und sein Herr gleich- falls bald würden entlaufen müssen. 25. Januar, Montag. .24b. Nach einem Frühstück von Brünn aufgebrochen | und durch Pohrlitz, dadurch ich vor 2 Jahren auch gezogen, auf Nikolsburg gereist, daselbst wir zu Abend, weil es 4 starke Meilen von Brünn ge- legen, ankommen und insgesammt unser Losier am Ringe beim goldenen Adler genommen. 9. Nachtlager zu Ni- kolsburg. Nota. Wo wir in eine Stadt ein- und wieder ausgezogen, hat der Trompeter lustig geblasen. Mit dem Herrn Cardinal von Dietrichstein, so zu Nikolsburg residirt, und für dies Mal gleich zu Wien gewesen, ist Herr Karas sonst gar wohl bekannt; nichtsdestoweniger haben ihm doch seine Leute, insonderheit des Cardinals Narr, aufgewartet, so über der Mahlzeit mit den Herren greuliche Freundliche Conyer. grobe Possen gerissen, wider Peter Langwiese gesagt: sation mit Herrn Peter Kommt mir doch der Kerl wie ein Henker vor, ich Langwiese, Handels-- glaube, du Hundsfott bist auch einer; hat gleichwohl, mann zu Breslau. weil er nur ein Geld- oder Schalksnarr, etliche Reichs- thaler bekommen. Dieser Narr soll ein hübsch Weib haben, die aber fleissig von anderen besucht werden soll. Ich habe diesen Abend an der Proposition und Vortrag bei Ihrer Maj. geschrieben. fol. 25. Auf das Schloss zu Nikolsburg, darauf man bald | am Ringe hinauf ziemlich hoch steigt, wollten die Herren gerne gehen, mussten es aber wegen des späten Abends einstellen und gingen in die bald unserem Losier zur linken Hand gebaute Kapelle, St. Maria de Lauretto genannt. Diese Kapelle steht gleich in das Geviert, ungefähr 18 Ellen hoch, mit einem ebenen Dache in mitten eines auch ins Geviert artig und schön von steinernem „Saulwerk‘“ gewölbten und gepflasterten Ganges, ganz um und um frei; in der Kapelle werden Tag und Nacht, weil kein Fenster darin, Lampen von Silber brennend wie auch Priester und Jungen, so allezeit darin singen und beten, gehalten. Ein Altar steht in der Mitte, zu dessen beiden Seiten eiserne vergitterte Thüren mit Spalier geziert sind. Zur rechten Hand des Eingangs ist an dem Gemäuer (so ganz schwärz- lich und also nach dem Original sein muss) der Seitenwand ein starker zu 21 Riss, so aber auswendig nicht gesehen wird, welches alles gar genau und eigentlich der Kapelle zu St. Maria de Lauretto in Italien, allda, wie die Katholiei vorgeben, von der Jungfrau Maria, | den heiligen Engeln und sonst grosse Wunderwerke geschehen sein sollen, dem Bericht nach gleichen und übereinkommen soll. Diese Kapelle, so nur mit einem Vorhange und keiner Thür zu, wird von den Nikolsburgern, auch weit abgelegenen Leuten, als eine grosse Wallfahrt mit besonderer Andacht, täglich und stündlich, auch vom Kaiser selbst alle Jahr besucht; wie denn auf drei Tafeln des gewölbten Ganges zur linken Hand abgemalt zu sehen, was schon, wegen Gelübde diese Kapelle zu besuchen, für Mirakel weit von dannen sich zugetragen hätten. Derer eines dieses gewesen, dass, als bei einer Frau auf dem Schloss zu Nachod in Böhmen zur Nacht ein grosses Feuer ent- standen und sie in solcher Angst weder jemanden aus dem Schlaf erwecken noch sonst Rettung haben können, hätte sie die Jungfrau Maria angerufen, wo sie ihr in dieser Noth helfen würde, wollte sie aufs eheste die Nikolsburgische Kapelle St. Maria de Lauretto besuchen und ein gewisses Stück Geld derselben präsentiren, darauf das Feuer weiter nicht gebrannt und von Stund an von sich selbst erloschen wäre. Grosser Zulauf diesem vermeinten Heiligtum. Das andere, so ich eigentlich nicht gemerkt, war zwar von einem Knaben, dessen einer Fuss eine Spanne kürzer als der andere gewesen, hätte sich auch diese Kapelle zu besuchen, ‚vorgelübdet‘“‘, darauf er mirabiliter dem anderen Fuss gleich worden, dass er richtig gehen können, war alles umständlich dabei geschrieben und abgemalt. Sonst wohnen auch inner und ausser der Stadt viele Juden, haben hre Synagogen und alle Gelegenheit. 26. Januar, Dienstag. Zu Nikolsburg gefrühstückt, gegen 11 Uhr von dannen 3 Meilen bis nach Mistelbach gereist; unterwegs in einem Walde irre gefahren und uns über eine gute Stunde versäumt, bis wir zurecht und aus dem Walde, den wir „die Quier und Quer‘ durchfahren, kommen. Zu Mistelbach beim goldenen Hirsch eingezogen; ist sonst ein kleines aber lustiges Städtlein, ein feines Rathhaus und Kirche darin. Herr Dr. Steinmetz, des Herrn Dr. Landsmann [also ein geborener Leipziger oder Sachse überhaupt], der sein Haus und Hof allda und zu | Nikolsburg als auch Mistelbach die Apotheke hält, hat mit den Herren Commissarien zu Abend gessen; ich dito wiederum an der Proposition schreiben müssen. Die Burschen hatten, weil man allda sehr guten Wein zu trinken gehabt, sich damit wohl be- quemet. fol. 25b. fol. 26. fol. 26b. fol. 29. fol. 29b. 28 27. Januar, Mittwoch. Haben wir nach einem Frühstück, dabei wir uns untereinander an dem sehr köstlichen jungen Wermuthwein!) gute Räusche getrunken, in einem Futter 4 Meilen bis auf Korneuburg der Ursachen deflectiren müssen, weil die Donaubrücke durch das fortgehende starke Eis gleich dazumals beschadet und etliche viele Joche daran abgestossen gewesen. Daselbst wir »beim weissen Rössel eingezogen, an dem Wirth einen greulichen Schinder und Schaber gehabt, der auch das Geringste doppelt anzurechnen nicht vergessen und sonderlich bald für Brennholz, weil es ziemlich kalt, etliche Gulden anzuschreiben (sich) unterstehen dürfen. 28. Januar, Donnerstag. Ob zwar die Herrn Gesandten der Hoffnung gele .... fol. 27 und 28 fehlen. [30. Januar, Sonnabend.] . eingeheizt und andere Arbeit mehr verrichtet gehabt, bestellt. 3l. Januar, Sonntag. Sind unsere Herren, nachdem sie sich gesäubert und angelegt, um 8 Uhr zum Herrn Karas durch die Wilpingerstrasse hinauf beim Zeug- haus vorüber gefahren, deinde von ihm zurück nach Hause und Mahlzeit gehalten; hat ihnen Herr Esaias Jessinsky?), so allda zu Wien wohnet, zu- gesprochen, sie empfangen und mit ihnen gefrühstückt. Nachmittag hat mir mein Herr die Proposition oder Vortrag bei Ihrer Kaiserl. Majestät gegeben, um solche nach meinem besten Fleisse abzuschreiben, weil mein Exemplar Ihrer Kaiserl. Maj. zu Dero selbsteigenen Händen überreicht werden sollte; habe ich mich dazu geschickt, gute Tinte und Papier gekauft und sie in Gottes Namen angehoben. Gegen 3 Uhr sind die Herren Commissarien insgesammt zu dem Vicekanzler Herrn Otto von Nostiz?), auf St. Peters Friedhof wohnend, ge | fahren, Ihro Gnaden der Herren Fürsten und Stände in Schlesien freundlichen Gruss und mitgegebene Creditive präsen- tirt und um Beförderung zu förderlicher allergnädigster kaiserlicher Audienz !) Wermutwein scheint noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts ein be- liebtes Getränk gewesen zu sein. Zedler (55, 421) unterscheidet 1748 vier Arten desselben und giebt auf 11 Spalten eine große Anzahl verschiedener Bereitungen dieses Weines an. 2) Geb. 1580 zu Breslau, r 1648 zu Wien, aus einem „uralten adligen Ge- schlechte in Schlesien‘ ; sein älterer Bruder Stephan besaß Groß-Sürding im Fürsten- thum Breslau. Nach Sin. ®) O. v. N. auf Neundorf und Falkenau, Appellationsrat, Reichshofrat und deutscher Vicekanzler im Königreich Böhmen, vielfach als gewandter Diplomat der Zeit genannt, seit 12. Mai 1623 Freiherr. „Er starb zu Wien im ledigen Stande“. Zedler 24, 1382. u 9 A 99 Ansuchung gethan. Da Ihro Gnaden der Abgesandten glücklicher Ankunft sratulirt, den zugebrachten Gruss zu Dank erkannt, wie nicht weniger des Landes Schlesien bedrängtem Zustande condolirt und sich anerboten, also- bald zu Ihrer Kaiserl. Maj. nach Hofe zu fahren, die Gesandten anzumelden und allergnädigst Audienz zu impetriren. So auch geschehen und Ihro Gnaden, dass Ihre Kaiserl. Maj. sie morgenden Tages um 10 Uhr hören wollten, noch denselben Abend den Herrn Gesandten andeuten lassen. Von dannen sind die Herren jedweder in sein Losament anheim gefahren, unsere Herren allein Mahlzeit gehalten, bei denen nur, wie hernach alle Wege, Reimann und Kitzing gessen. Ich unterdessen bis in die Nacht fleissig geschrieben, da derweil die anderen zechen und saufen können. 1. Februar, Montag. Früh hab ich die Proposition (wie sie bei der Re | lation von Wort zu Wort richtig zu lesen ist) auf 6 Bogen lang fertig gehabt, welche der Herr richtig collationirt, wohl und gut befunden und mich bald damit zum Herrn Karas, solche gleichfalls zu lesen und zu unterschreiben, geschickt; dabei Ihro Gnaden, dass sie um 10 Uhr allergnädigste Audienz haben würden, andeuten lassen. Sind derowegen unsere Herren um 9 Uhr zum Herrn Karas und bald darauf mit einander auf des Principal-Gesandten Wagen mit 6 Rossen nach Hofe gefahren, in die Ritterstube gangen, ganz niemand angetroffen, weil Ihro Kais. Maj. gleich beim Fürsten vom Eggenberg, des geheimen Kais. Raths-Directoren'), dahin sie über viel Gänge und etliche Häuser einen ziemlichen Weg zu gehen haben, im geheimen Rath gewesen, haben sie unterdessen in jetzo gemeldeter Ritterstube aufgewartet, bis die Offiziere, Kammerherren und andere Aufwärter sich präsentirt, darauf die Herren Gesandten in antecameram (so das Vorzimmer ist) | vor der kaiserl. Audienz- stube, darinnen ich, wie auch im Audienzzimmer vor 2 Jahren anno 1625, als die Braunschweigischen Gesandten die Lehen empfangen’), ge- gewesen bin, eingangen, allda mit dem Obersten Kammer- und anderen vornehmen Herren geredet, bis Ihro Majestät in Dero Zimmer kommen, sie, die Gesandten angemeldet und eingelassen worden sind. Ihro Kaiserl. Maj. haben sie ganz allein angetroffen, welche ihnen fol. 30. fol. 30b. Ihre Kaiserliche rechte Hand gereicht, die sie die Gesandten mit unter- | 4) Hans Ulrich von E., 1568—1634, der einflussreichste Minister und unzer- trennliche Freund Ferdinands II. Ausführlicheres über ihn findet man in der biographischen Skizze von Hans von Zwiedineck-Südenhorst, Wien 1880. 2) Wegen der Hildesheimer Stiftsgüter, „die Kaiser Ferdinand selbst erst noch vor vier Jahren [1625] dem Herzoge Friedrich Ulrich ohne den geringsten Vorbehalt zu Lehen gegeben“, um sie dann drei Monate nach dem Erlass des Restitutions- ediets deın von einem bairischen Prinzen verwalteten Bistum Hildesheim zu über- weisen. Spittler, Hannover I, 207 und 462. fol. 31. fol. 31h. 30 thänigster Reverenz bald apprehendirt und ergriffen und darauf Herr Dr. Rosa proponirt, Herr Karas die Schrift Ihrer Maj., in Dero Hände übergeben, so es angenommen, dem mündlichen Anbringen mit grosser Ge- duld zugehört, sie auch daranf mündlich mit dieseu verbis formalibus dahin beantwortet: „Es ist mir leid, dass durch mein Kriegsvolk das Land Schlesien be- schwert werden soll, will aber als ein Vater darauf bedacht sein, dass Fürsten und Stände verspüren sollen, Ihre Maj. habe ihr väterlich Herz von ihnen nicht ab | gewendet. Der anderen proponirten Punkte halber will ich mich in der über- reichten Schrift ersehen, darüber Rath halten und Euch Gesandte ferner gnädigst bescheiden lassen.‘ Diesem nach und weil auch bald nach der Herren Abtritt man Speisen auf die kaiserliche Tafel getragen, haben die Herren noch etwas aufge- wartet, da man gleich den Herren Ober-Land-Hofmeister im Königreich Böhmen, Herrn Adam von Wallstein'!), auf einem Stuhl durch die Ritter- stube in antecameram getragen gebracht; muss allewege, wenn er dem Kaiser aufwartet oder Audienz hat, auf dem Stuhle sitzen bleiben und hernach von zwei Lakaien abgeholt werden. Bei ihm, dem Herrn Land-Hofmeister traf ich in der Ritterstube Herrn Pücklers Sohn’) an, dem ich zu Breslau bekannt geworden. Gegen 12 Uhr sind die Herren vom Hofe herunter zum Herrn Karas gefahren und mit ihm gefrühstückt; da wir andern zu Hause gangen und Herrn Balzer Hoffmann°), so gleich zugegen war, mit uns essen lassen. | Weil auch bei dem älteren Prinzen, der Königl. Majestät in Ungarn, Herzog in Schlesien, zu Schweidnitz, Jauer, Oppeln und Ratibor *) die !) Seit 1627 auch Oberburggraf, 7 1638 ; aus der Linie Waldstein und Warten- berg. Dessen Sohn Maximilian hatte Albrecht von Waldstein zu seinem Nachfolger im Herzogtum Friedland ausersehen. 2) In der Pücklerschen Familienchronik de anno 1697 werden p. 32 zwei Söhne Hans’ II. angegeben, die hier gemeint sein könnten: Carl, geb. 1605 und Wenzel, geb. 1609. Hans II. v. P. auf Schedlau berichtet in seinen Aufzeichnungen, dass er am 23. April 1626 als Gesandter der Fürstentümer Oppeln-Ratibor die Oration vor dem Kaiser in deutscher Sprache gethan. Zeitschr. VI, 284. 3) Balthasar H., im September 1620 Agent der schlesischen F. und St. in Prag (A. p. VI, 15), später in Wien. In dem Memorial vom 8. Dezember 1621 heißt es: Balth. H. betreffend, soll man ihm seine Besoldung, was sich, daß man ihm ausständig, befindet, geben, wie auch eine Recompens auf 500 fl. rh. gemacht werden; ob er aber länger vom Lande zu unterhalten, stehe bei des Oberamts- verwalters Befindung (A. p. IV, 246). *) Ferdinand III. war seit Anfang Juli 1626 Herzog von Schweidnitz-Jauer (A. p. VI, 257); die Fürstentümer Oppeln-Ratibor waren nach dem Tode des Erz- 31 Gesandten gnädigste Audienz sollieitiren lassen, ist ihnen dieselbe durch Dero Ober-Hofmeister Herrn von Thun') impetrirt und ebendesselben Mon- tags nach 3 Uhr verstattet worden. Da sich dann Ihre Kgl. Maj. ebener- massen gar allein befunden, ihnen die Hand gereicht, das Creditiv acceptirt, sie gnädigst gehört und dergestalt beantwortet, ‚„‚Ihro Majestät trüge mit dem Lande Schlesien ein treues, sonderbares Mitleiden, wolle auch bei Ihr. Kaiserl. Maj. Dero hochgeehrtesten Herrn Vater intercediren, damit die geklagten Bedrängnisse abgewendet werden möchten.‘ Darauf haben die Herren Gesandten zu Ihro Fürstl. Gnaden des ge- heimen Kaiserl. Raths Directorn Johann Ulrich Fürsten zu Eggenberg (sintemal die Audienz allda gegen 4 Uhr angesagt gewesen) sich verfügt, sind von Ihro Fürstl. Gn., so im Bett gelegen, gnädig empfangen, zum Nieder- sitzen ermahnt und nach Überreichung des Creditivs gnädig gehört worden; und hat sich Ihro Fürstl.. Gnaden der guten Affeetion und Vertrauens bedankt, | so die Herren Fürsten und Stände ihm fol. 32. | trügen, dabeinebenst dem Lande jetzigen bedrängten Zustandes halber, so Ihrer Maj. und allen Dero treuen, unpassionirten Offizieren Leid wäre, condolirt, mit dem ın Schlesien zu Extract ex litteris Doctoris Rosae ad capitaneum zu Breslau d. d. Wien 1. Februar anno 1627. Gestern Sonntags ha- ben wir Gesandte ins- gesambt bei Ihro Gn. Herrn von Nostitz Au- dienz gehabt, sind auch heut Montags post 10 gnädigen Anerbieten, nicht mit Worten, sondern im Werk und in der That dasjenige an seinem Ort be- fördern und fortstellen zu helfen, was zu Relevirung des Landes Schlesien immer gereichen könnte. Sind also dem allen nach stracks des dritten Tags nach unserer Ankunft diese drei allergnädigsten, gnädigsten und gnä- digen Audienzen erlangt und verstattet, auch von da an die Hauptsache zu gehöriger unterschiedlicher Consul- zur kaiserl. allergnä- digsten Audienz ad- mittirt worden, und haben sich Ihre Maj. mit Ihrem Kaiser!l. tation alsobald gezogen worden, so gleichwohl sonsten ingemein anderen Gesandten nicht zu beschehen pflegt. Dito habe Ihro Gn. dem Herrn von Nostitz ich selbst in seine Hände Herrn Hans Mimmichs Schreiben und herzogs Karl [28. Dezember 1624] vom Kaiser dem Burggrafen Karl Hannibal von Dohna abgetreten und von diesem am 7. April 1625 gegen eine Verschreibung von 400000 fl. dem Erzherzog Ferdinand Ernst (dem späteren Ferd. III.) über- lassen worden. D’Elvert XXII, 415. [A. p. V., 218 und 339 steht irrtümlich Ferdinand Karl.] Am 29. April huldigten die Landstände auf dem Schloss zu Oppeln den Abgeordneten des Prinzen und verehrten diesem 7000 Reichsthaler. Zeitsch. VI, 284 und Weltzel, Kosel 182. !) Christoph Simon von Th., Oberhofmeister Ferdinands III., Großprior des Johanniter-Ordens, Comthur zu Kleinöls, Begründer des Reichtums der böhmischen L’nie Th., 1582—1635. Wurzbach 45, 19. Er hatte mit dem Grafen Maximilian von Waldstein dem Kaiser eine Summe von mehr als 100 000 fl. vorgestreckt, und beide erhielten dafür 1628 die braunschweigischen Grafschaften Hohenstein und Reinstein als Pfandstücke überwiesen. Spittler I, 434. fol. 32b. fol. 33. Munde dahin erklärt: Es wäre Ihr leid p., dass p. Man vermerke überall, dass man dem Lande zu helfen wohl geneigt sei; quomodo autem, damit gleich- wohl auch dem in Oberschlesien liegen- den Feinde nicht oc- casio ulterius grassandi praebiret werde, hic opus, hie labor. Sonst hält man allhier für sewiss, der Weima- rische Fürst, wie auch Mansfelder sei tot ?), auch der Friede mit Bethlehem Gabor?) ge- schlossen. Der Pfalzgraf Wolf- sang Wilhelm von Neuburg) ist allhier, sollieitirt die Jülich- sche Belehnung; so ist auch Fürst Christians von Anhalt junger Prinz?) allhier, solliei- tirt nomine ducum An- haltinorum Liberation der kaiserlichen Ein- quartierung, p- 32 Supplication an Ihre Maj. übergeben und um aller- gnädigste Hilfe und Beförderung Ihro Gnaden gebeten, hat es zu sich gesteckt und gesagt, er wäre gleich zum Kaiser erfordert, wollte es mit Gelegenheit schon vortragen. Gleichfalls habe Herrn Secretario Raspern') ich auch ein | Schreiben mit drei eingeschlossenen Du- katen und einer Abschrift der Supplication und vorigen Befehlichs zugestellt, der sich seiner des Mimmichs wohl erinnert, auch zu guter Beförderung anerboten. Als ich dem Herrn Dr. schwarze Kniebänder um 3 Reichsthaler und einen 4, Gulden gekauft, und von dannen zum Herrn Mäusekönig gehen wollen, hat er mir gleich auf dem Graben begegnet, den ich ange- sprochen, ihm Herrn David Müllers und Herrn Opitz’ Sachen zugestellt und gebetenermassen beförderlich zu sein gebeten habe. Dixit, er wäre der Herren Ge- sandten Ankunft erfreut, wollte die Sachen lesen und den Herrn auch zusprechen. 2. Februar, Dienstag. Mariae Lichtmess. Haben die Herrn und ich unter der Predigt immer geschrieben; um 10 Uhr sind sie nach Hofe gefahren, Ihrer Maj., so gleich in der Augustiner Kirche war, da- hinein man aufm Schloss über Gänge oben auf gehen kann, aufgewartet; hat man bei der Messe überaus schön mit allerlei Instrumenten musicirt; ich auch Ihre Maj. | den Kaiser, als er ausm Oratorio die Treppe !) Johann Rasper von Kolecz, kaiserlicher Rat und böhmischer Hofkanzlei- Secretär; sein Ritterstand datirte vom 15. Mai 1628. Schimon 132. 2) M. starb am 29. November 1626 zu Racovac (Urakowitz).in Bosnien, Johann Ernst von Weimar am 14. Dezember desselben Jahres zu St. Marton in Ungarn. Opel II, 603. ®) Der die früheren Friedensschlüsse bestätigende Friede von Leutschau wurde am 28. December 1626 zwischen Ferdinand II. und dem Fürsten Bethlen Gabor von Siebenbürgen abgeschlossen. Mailath, Gesch. d. österr. Kais. III, 123. *) Der bekannte Mitbewerber und Nebenbuhler Brandenburgs in der Jülichschen Erbschaftsangelegenheit; er war damals 49 Jahre alt. 5) Christian II. von A., geb. 10. August 1599 zu Amberg in der Oberpfalz, ältester Sohn des bekannten gleichnamigen Unionspolitikers und Ministers des Winterkönigs. Trotz seiner tapferen und erfolgreichen Reiterattaken in der Schlacht a. w. B. gefangen, gewann er in Wien durch persönliche Liebenswürdigkeit rasch die Gunst des kaiserlichen Hofes und zwang selbst strenggläubigen Katholiken 33 herab- zum Opfer gangen, zwei Mal und oben auf, als er aus der Kirche gangen, abermals, wie auch den jungen König, jüngsten Prinzen, Prinzessin Anna Maria und Caecilie Renata, beide kaiserliche Töchter!), sammt dem andern Frauenzimmer gesehen. Ist Ihro Majestät wie auch die Kaiserin, so bei der Hand vom Kaiser geführt worden, und das ganze Frauenzimmer ‚ins Trauern‘‘ angezogen gewesen; das Frauenzimmer hatte alles schwarze Röcke an-, lange Knieschauben?), wie auch dicke Kragen um- und niedrige schwarze Mützen mit Schmelzwerk aufgehabt. Hernach warteten die Herren in der Antecamera bis um 12 Uhr auf, bis andere vom Hofe gezogen; sind sie auch nach Hause zu Tisch gefahren und den ganzen Nachmittag zu Hause blieben. Habe ich hernach Herrn Freissleben®?) zusprechen wollen, den ich in langer Weile, wo er wohne, nicht erfragen können, bis ich ihn überm hohen Markt in einem Gässel gegen ‚dem Leimethaus [Leinwandhaus] über“ am Ecke in Dr. Olitorii Hause im Hofe einer „Schnecken hinauf“ gefunden; | habe ihm Herrn Hans Mimmichs Schreiben mit der „Leinwath“ präsentirt und um eheste gute Hilfe und Beförderung fleissig gebeten. Ille hat sich freundlich be- dankt, seiner des Mimmichs Person (weil er vorm Jahre selber bei ihm gewesen) gar wohl erinnert und ihm einen anderen starken Befehl aus- fertigen zu helfen versprochen, mich auch mit einem Trunk cortesirt und öfters bei ihm auf eine Mahlzeit und Trunk abzutreten gebeten. Ist ein feiner junger Mann, hat nicht längst eine schöne Jungfrau geheirathet, dazu E. E. Rath zu Breslau imvitirt. Dito fuhren die Cavaliere stark aufm Schlitten, ritten auch allerhand „Mummer‘“ in schöner Maskerade, Couriere, so die Post bliesen, Weiber und viel Narren in allen Plätzen und Gassen herum. Als ich nach Hause kam, war bei den Herren Ernst Schweidigers Anerkennung ab. Seine fesselnden, inhaltsreichen Berichte über das Leben und Treiben am Kaiserhofe aus den Jahren 1620—1635 finden sich bei Krause, Tage- buch Christians d. Jüng. v. Anh., Leipzig 1858. Sie ergänzen die hier von Allert gebrachten und die in Beilage II gegebenen Mitteilungen nicht unwesentlich. ') Aus Ferdinands erster Ehe mit Maria Anna von Baiern. Anna Maria, geb. 13. Januar 1610, 7 28. September 1665; Cäcilie Renata, geb. 6. Juli 1611 zu Gratz, T 24. März 1644, am 8. August 1637 als dessen vierte Gemahlin mit König Wladislaus IV. von Polen vermählt; sie wurde in Krakau beigesetzt. Wurzbach 6, 157. 2) Ein weibliches Übergewand, „so fast in Form eines Schlafrockes gemacht und durch und durch mit schwarzen Spitzen überfrisieret ist, wird meistenteils von schwarzem Sammet verfertigt; der Unterrock, den sie dazu tragen, ist ins- gemein rot.“ Zedler 34, 997. ®) Daniel von Freissleben, böhmischer Hofkanzlei-Sekretär, später Hof- und Appellationsrat, Ritter seit 9. Juli 1630. Schimon A. 3 fol. 33b. fol. 34. fol. 3&#b. Da 34 Sohn, so beim Grafen von Losenstein!) dient, war stattlich in Roth mit Golde verbrämt bekleidet. Dito Abends sprach Herr Andreas Meusekönig ?) den Herren zu, dis- curirten von allerhand, | baten ihn zur Abendmahlzeit, wollte aber, weil er anderswo versagt war, für dies Mal nicht bleiben, sondern den Herren Gesandten anderswo hinwieder aufwarten, darauf sie allein gessen. Unter der Mahlzeit hat sie Herr Nostitz, Vice-Kanzler, auf morgen zum Frühstück einladen lassen. 3. Februar, Mittwoch. Um 11 Uhr sind die Herren zum Herrn Karas und auf seinem Wagen zum Herrn Nostitz zu Gaste gefahren, ich aber nicht hinkommen, weil ich eilfertig eine Abschrift von der Proposition ans Oberamt zu Liegnitz machen müssen. Herr Karas und Herr Venediger sind hernach mit unseren Herren vom Herrn Nostitz in unser Losier ziemlich berauscht kommen, denen man Schalen und einen Trunk vorgesetzt, sie aber bald weggeeilt, weil sie aller- seits vorhin ihr Genüge gehabt. Dito gegen Abend habe ich Herrn Freissleben wieder zugesprochen, der mich zu Gaste behalten, auch ziemlich zu trinken geben, dass ich einen Rausch bekommen und wie er mir selbst gesagt, dass es aufn Abend, sonderlich jetziger | Fastnachtszeit, viel zu gehen unsicher wäre, gar bei ihm blieben, hat er mich in die Stube in ein sehr schönes, weiss über- zogenes Bette quartiert, da ich auch köstlich und wohl geschlafen. 4. Februar, Donnerstag. Hab ich mich, als ich wohl ausgeschlafen, gegen Herrn Freissleben der gestrigen guten Bewirthung bedankt, dabei auch, dass ich so unhöflich gewesen und gar allda pernoctiret, um Verzeihung gebeten. Ille hat es gar im Besten vermerkt und nur also fürlieb zu nehmen selbst gebeten. Zu Hause hat mir der Herr aufgesetzte Punkte der Executionsordnung’) bald abzuschreiben und Herrn Nostitz zu bringen geben; habe mit Ihro !) Herr v. L., so Kaiser Matthiae Hofmarschall gewesen, der dicke Herr v.L., der dicke und breite Herr Wolf Siegmund von Losenstein genannt, so heute — 6. Januar 1692 — päpstisch worden.“ Krause, Tagebuch Christians d. Jüng. 4, 13, 16 und öfters. Ebendas. 14 wird eine von Losenstein als die Tochter der alten von Hofkirchen genannt, „dessen so beim Gabor sich aufhält und General über die Österreicher gewesen in der böhmischen Armada Gemahlin.“ 2) „Andreas Meuskhönig de Miscin“ trug am 7. März 1625 zu Wien Namen und Wappen in Allerts Stammbuch ein. Er unterschreibt sich als Sacrae Caesareae Majestatis a servitiis in Cancellaria Regia Bo&mica aulica. 3) Diese Punkte bezogen sich wahrscheinlich auf den letzten Teil der ständischen Eingabe, „die bisher in Schlesien üblich gewesenen Leistungen oder Einlagerungen“. Über sie findet man Genaueres A. p. VI, 150 u. a. a. Stellen. 5 A a 35 Gnaden in Dero Zimmer selbst geredet, da sich unter anderem die Herren gegen Ihro Gnaden der gestrigen Ehre und Bewirthung bedanken lassen; hernach Ihro Gnaden ich Herrn Hans Mimmichs Sache wegen erinnert, dixit, er wolle es schon eingedenk sein. Zu Mittag haben die Herren zu Hause und mit ihnen Herr Heinrich Antorff Mahlzeit gehalten, haben zwar Herrn Wendelin, böhmischen Taxator, dazu ersuchen lassen, so aber wegen Unmuss für dies Mal nicht kommen. A prandio wurden von Juden Ketten, Armbänder und schöne Kleinodien zu verkaufen hingebracht. | Dito sind von unserem Reiter die im Wechsel an Herrn Antonius Pestaluzzen, Handelsmann in Wien, übermachten zwei Tausend Stück Reichs- thaler, so Herrn Nostitz präsentirt werden sollen, abgefordert worden. Zu Mittag habe ich Herrn Freissleben zum Herrn erfordert, dem er ein Schreiben vom Rath zu Breslau sammt drei eingeschlossenen Dukaten präsentirt. Hora 3. sind die drei Herren CGommissarien zum Herrn Vice-Kanzler gefahren und andere Privatsachen befördert‘), von dannen mit Herrn Karas in seines und förder in ihr Losament. Aufn Abend haben wir uns mit dem Wein eingerichtet, weidlich ge- zecht, dass einer da, der andere dort liegen blieben und nicht zu Bett gangen ist; und war uns nur am beschwerlichsten, dass die beiden also genannten Hofmeister Kitzing und Reimann, ich und mein Kamerad alle Zeit, wenn wir lange sassen, durch der Herren Kammer gehen und sie erwecken mussten, da doch auswendig bei des Wirths Stubenthür ein anderer Eingang gewesen, er, der schlimme Hund, ihn aber, dass wir mit seiner Tochter (die er ohnedies im Verdachte hielt) und andern Damen | nicht sollten galanisiren können, nicht öffnen wollen; hätte auch wohl ge- schehen dürfen, wenn wir das „Schlieploch‘“ hätten offen gehabt; also ist nichts so böse, es ist zu was gut, und sind wir also fein fromm blieben und erhalten worden. 9. Februar, Freitag. Sind die Herren frühe immer zu Hause blieben, mit denen Herr Balthasar Hoffmann gefrühstückt. Nachmittag haben sie Herrn Nostitz durch jetzo erwähnten Herrn Balthasar Hoffmann und unsern Reiter vorgedachte von Fürsten und Ständen an einem Fürstentage zu Breslau’) verheissene !) Am 4. Februar 1626 erging in Folge einer Audienz, die Nostitz kurz zuvor beim Kaiser gehabt hatte, ein Befehl an die kaiserliche Hofkammer zu Wien, ihr Gutachten über die von den schlesischen Gesandten unter anderem mitbeantragte Valvation der polnischen Münzsorten und die Wiederherstellung der Wladislawschen Zölle abzugeben. A. p. VI, 200. 2) In den über die ständischen Verhandlungen aus dem Ende des Jahres 1626 leider nur in kurzer Fassung erhaltenen Memorials und CGorrespondenzen findet 3* fol. 35. fol. 35h. fol. 36. RE... zwei Tausend ganze Stück Reichsthaler präsentiren und auszahlen lassen, hergegen Ihro Gnaden die Obligation ausgehändigt, dem Reiter zur Ver- ehrung zwölf Stück und dem Kutscherknecht, so es in einem Kober, dass er sich gebogen hat, hingetragen, einen Reichsthaler geben lassen. Ihro Gnaden haben Herrn Hoffmann zur Abendmahlzeit bei sich be- halten und ihn, wie er des anderen Tages berichtete, mit einem guten Rausch abgefertigt. Nachmittags bin ich mit Portugals Caspar herumspaziert; bei der Aebtissin im Kloster zu St. Lorenz für Detlef Soht!) Balbierern 2 Rauch- kerzen um 12 Schilling, thut 1 Reichsthaler, gekauft; werden | zu vielerlei Sachen, zum Beräuchern für Flüsse und anderem gebraucht, weil sie von so heiligen Matronen gemacht, an einem besonderen Tage geweiht und von allerhand köstlichen Sachen präparirt und zugerichtet sind. Im Rückwege habe ich Herrn Antorff?) in seinem Losier zugesprochen, ihn selbst nicht angetroffen, sondern mit seinem Factor Herrn Pusch conversirt, der mir einen köstlichen jungen „Olandwein‘“?) zu trinken geben, dass ich mir bald daran einen Rausch getrunken hätte. Dito Abends liess Herr Daniel Pollmüller, des Raths in Wien, bei dem mit dem Herrn Rosa ich anno 1625 quartiert gelegen, die Herren Gesandten auf folgenden Sonntag zu Gaste einladen. 6. Februar, Sonnabend. Gegen 9 Uhr ist Georg Schlenker, Courier von der Liegnitz, mit (einem) Schreiben angekommen, daraus des Landes wachsende Noth und Drangsal schmerzlich zu vernehmen gewesen; hatte Herr Dr. Rosa ein kurzes, einfältiges Bedenken, wie bei der Relation sub lit. B [fehlt] zu lesen, aufgesetzt, wie etwa diesem Unwesen rebus sie stantibus zu remediren sich bloß eine hierauf bezügliche Äußerung des Oberlandeshauptmanns vom 29. Dezember: Jeder Stand solle das Seine zur Absendung der Gesandtschaft an den kaiserlichen Hof leisten, zu Breslau seien 2000 Thaler, 600 würden vom Lande kommen u. s. w. Der Breslauer Rath schreibt am 20. November an Herzog Georg Rudolf von Liegnitz, die Stadt werde 2000 Thaler auf die Wiener Gesandtschafts- reise vorstrecken, weil in ulteriore mora periculum versieren wolle. A. p. VI, 85 und 176. !) Aus dem Jahre 1634 wird für Breslau ein Barbiergeschäft von Frau Hans Sohtins Witwe erwähnt. Zeitschr. XX, 345. 2) Über ihn finde ich nachträglich (A. p. VI, 68), daß der Breslauer Rat Montag den 10. August 1626 dem Rentmeister Horatio Forno zur Weiterbeförderung an den Kammerpräsidenten von Dohna „ein aus dem Reich kommendes [und in ver- dächtiger Beziehung zu Mansfelds schlesischem Zuge stehendes] Packetlein Briefe übergab, so unserm Bürger Heinrich Antorff, Handelsmann, zur Hand gebracht.“ >) Alant, eine Pflanze elna, enula, Helmenkraut, auch Olant. Alantwin, mit Alant gewürzter Wein, vinum elvatum. Lexer I, 33. 37 sein möchte und dasselbe Ihro Gnaden Herrn von Nostitz nebst | Präsen- tirung der an Ihro Kais. Maj. wie auch den König in Ungarn und ihn Herrn von Nostitz selbst haltenden damals ankommenden Schreiben über- antwortet. Es sind auch die Herren Gesandten so viel berichtet worden, dass Ihrer Maj. Kriegsrath Herr Gerhard von Questenberg') schon vor etlichen Tagen zu dem Herrn Generalissimus Ihr. Fürstl. Gn. zu Friedland nach Prag verschickt, Deroselben Ihrer Kais. Maj. allergnädigsten Willen zu eröffnen, darüber eilfertige unterthänigste Relation zurückzuschicken, förder aus Böhmen in Schlesien sich zu erheben, mit Ihrer Fürstl. Gnaden dem Kaiserl. Oberamt gründliche Communication zu pflegen und in summa alles in einen solchen Stand zu richten, damit es doch nur so lange, bis gegen den Feind der Ernst vorzuwenden möglich sein werde, erträglich. Dabei dann jetzt wohlgedachten Herrn von Questenbergs Person nicht allein Deroselbst eigenen Verstandes, Kriegserfahrenheit und anderen (Qualitäten halber, sondern auch vornehmlich daher recommandirt, dass bei hochge- dachtem Herrn Generalissimo und Dero ganzen Armee vom Höchsten bis zum Niedrig | sten er, Herr von Questenberg, vor allen andern in sonderbaren Gnaden und Respect und dass daher durch dessen angeordnete persönliche Gegenwart und Autorität dem bedrängten Lande Schlesien realiter (sintemalen die Soldaten jetziger Zeit mit blossen Worten oder Schreiben übel zu disponiren wären) geholfen sein würde, welches alles die Herrn Gesandten nebst unterthänigstem treuen Wunsch zu künftiger Effectuirung gestellt sein lassen müssen. Vom Herrn Nostitz sind die Herrn übern Kohlmarkt in des Kaisers Reitstall und gegenüber auf den Reitplatz gefahren und abgetreten. Im Rückwege ist gleich Herr Karas vom Hofe kommen, hat für seine Person bei Ihrer Maj. Audienz gehabt, zu dem die Herren aufm Wagen gesessen und in seinem Losier über angekommene Schreiben communicirt. Vormittags schickte mich der Herr Doctor mit einem Schreiben zum Herrn Wendelin und liess ihm dabei in Papier versiegelt wegen eines Rathes zu Breslau zum neuen Jahre dreissig Stück Reichsthaler präsentiren, mit der Bitte, dass er es im | Besten vermerken und der Herren von Breslau guter geneigter Freund verbleiben wolle. Ille bedankte sich freundlich der zugebrachten Verehrung und wäre einem Rath angenehme Freundschaft zu erweisen jeder Zeit willig. Ich sollte auch seiner nicht sparen, und worin er mir dienen könnte, sollte ichs zu ihm gewiss versichert sein, das ich zu besonderem grossen Dank erkannt. Berichtete mich dabei, dass Herrn David Müller’s Wappenbrief mit einer Krone und zugethanenem Helm verwilligt auch noch jetzt uns An- wesenden ausgefertigt werden könnte, ausser des grossen Siegels, so der ») G. Freiherr v. Questenberg, kaiserlicher geheimer Rat und Vice-Hofkriegs- rats-Präsident, f 1646. fol. 36b. fol. 37. fol. 37b. fol. 38. fol. 38b. 38 Oberste Kanzler '), der dazumal zu Prag, bei sich hätte. Wegen des Dienst- briefes müsste mit Herrn Nostitz, als auch wegen des Privilegii Argenidis geredet werden. In der böhmischen Kanzlei (so auf dem Kohlmarkt in des Obersten Kanzlers Hause im Hofe oben auf gehalten wird), habe ich wegen Hans Mimmichs Sachen nachgefragt, da aber noch nichts in die Expedition kom- men gewesen; wollten es, sobald sie den Befehl zum Ausfertigen bekämen, zum | ersten expediren. Vormittags ist der Kaiser etwas ausgereist, doch Abends wieder ein- kommen. Nachmittags habe ich den Herrn auch 2 Rauchkerzen geholt, mich darauf bei der St. Stephans-Kirche (so sammt dem Thurm, der von unten bis oben auf von lauter Quaderstücken !künstlich gebaut in Wien das schönste Gebäude ist), eigentlich und fleissig umgeschaut. Als ich nach Hause kommen, ist mir das Verzeichniss der Confecte und Specereien, welches die zu Oels liegenden Obersten?) begehrt, Herrn Karas zu bringen, gegeben worden; habe es Ihro Gmaden selbst in Dero Hände überant- wortet, mich darauf ferner auf dem Schottenplatz in der Kirche vor dem Schottenthor, so in 2 Jahren nie geöffnet gewesen und dessen Ruinen herum umgesehen, auch in dieser Marss |Marsch, auf diesem Wege] unsere vorige dicke Wäscherin besucht, die ich fast wegen ihrer schweren ausgestandenen Krankheit nicht gekannt hätte. Bin auch im Kriegszahlamt abgetreten und Georg Schmidts Commission berichtet. Zu Abend hat der Courier Schlenker mit den Herrn gessen, die Burschen hernach consueto more, | gezecht, dazu ich mehrmals, so oft wie vorhin, aus einem Unvornehmen, so vorgangen, nicht kommen bin. 7. Februar, Sonntag. Sind gegen 9 Uhr die Herren nach Hofe gefahren, der Predigt in der Hofkapelle zugehört, darinnen sich auch der Kaiser befunden; nachmals ist sehr schön mit vielen Lauten, Geigen und andern vortrefflichen Instrumen- ten, wie sie der Kaiser beisammen und in kostbarer, richtiger Bestallung hält, musicirt und dabei Messe gehalten worden. Wie alles geendet, hat man Ihre Maj., die Kaiserliche Gemahlin, Prinzen und Prinzessin aus der Kapelle gehen sehen, denen die Granden, der Pfalzgraf von Neuburg, der Fürst von Anhalt (so ein gross krausicht rothes Haar hat), der oberste Landhofmeister Herr Adam von Waldstein, Gardinal von Harrach, spanischer !) Seit 1599 bekleidete diese Würde Fürst Zdenko Poppel von Lobkowitz, 1568— 1628. 2) Über ihr üppiges Leben und die dadurch verursachten hohen Kosten Näheres A. p. VI, 313—314. 39 Nuntjus und andere vornehme Herren vorgegangen und in die Zimmer begleitet. In der Antecamera haben auch unsere Herren zur Tafel auf- gewartet, hernach mit anderen Offizieren herunter und zum Herrn Daniel Pollmül | ler zu Gaste gefahren; allda sich neben unseren Herrn befun- den Herr Secretarius Rasper, Herr Venediger, Herr Wendelin, Herr Nigroni, Herr Fenck'), des Königs in Ungarn Kanzler, Herr Starzer?), Herr Poll- müller, in allem 12 Personen; sind erstlich mit den köstlichsten Speisen und Deliciis, daran, wie auch an vielerlei herrlichen Weinen ein grosser Ueberfluss gewesen, ansehnlich tractirt, dabei mit zweierlei wohlbestallter Musika von Instrumenten, Sängern, Geigen und Lauten, so im andern Zimmer submisse und lieblich gehört und aussen vor der Stube von den Stadtpfeifern solemniter cortesirt worden, dass einem da aufzuwarten, wohl nicht verdriesslich gewesen. Insonderheit, weil sich dabei ein kurzweiliger Rath in einem Narrenhabit präsentirt und so resolut gewesen, dass er in deutscher, lateinischer und italienischer Sprache die schönsten, höflichsten Possen und Facetias vorbringen, einen vom Höchsten bis zum Niedrigsten artig aufziehen, die Diener, einen und den andern also treffen und man- chem die Wahrheit sagen können, samb er ihn lange gekannt und doch seine Tage nicht gesehen hat; dies alles hat er ohne einig Nachdenken | ex tempore und geschwind und zwar so mit Verwunderung anzuhören zierlich und schön reimweise verrichten können. Wie er nun allerhand Kurzweil vorgebracht, gepredigt und die Herren zum lustigsten gemacht, ist er ausgerissen, hat seinen vorigen ehrbaren Habit angelegt, den Herren mit der Cortesie fürlieb zu nehmen und ihn für keinen Narren zu halten angedeutet und sich zu ihnen gesetzt und mitgetrunken. Dabei hat die Burschen fleissig ‚‚gegläselt‘“, dem Wein, so gar wohl- feilen Kaufs war, ziemlich zugesprochen, ich mich auch darunter verirrt, dass ich nicht, wie ich nach Hause kommen, gewusst habe. Ihre Königl. Majestät in Ungarn habe ich gegen 3 Uhr die eine kaiser- liche Prinzessin aufm Schlitten durch die Wilpingerstrasse durch übern hohen Markt fahren sehen, dem andere Herren und Cavaliere gefolgt. 8. Februar, Montag. Vormittags sind die Herren beim Herrn Karas, a prandio Herr Nostitz, Vicekanzler, bei unseren Herren gewesen, hat sie berichtet, es liesse Ihre ») Wolfgang von Fenck zu Steinhof, Hofkammerrat, Kanzler bei Ferdinand III., später bei Erzherzog Leopold Wilhelm, seit 1630 unter die neuen Geschlechter des niederösterreichischen Ritterstandes aufgenommen. ?2) Später erwähnt Allert noch einen Michael St. Wir kennen ausserdem Ludwig St. (im Dezember 1619 kaiserlicher Resident in Constantinopel — Zwiedineck, Eggenberg 157) und Zacharias St., Dr. jur. utr., judieii provincialis in inferiori Austria assessor, 1609 Gesandter der niederösterreichischen Stände bei Matthias, 1619 bei Thurn, 1620 bei Bethlen Gabor. Wurzbach 37, 235 und A. p. IV, 54 u. 271, fol. 39. fol. 39b. fol. 40. fol. 40b. 40 Maj. Ihr vor allen andern ihre Abfertigung angelegen sein und wollte sie gerne nicht | mit einer mündlichen oder schriftlichen Resolution, sondern also abfertigen, dass Fürsten und Stände Dero Kaiserliche Hilfe im Werk zu verspüren hätten. Wie übel Ihre Maj. in höchsten Ungnaden empfinde, dass Dero Befehlshaber und Soldaten Ihre Befehle nicht achteten, wüsste er gar wohl, würde auch schon, Ihrer Kais. Maj. Respect zu erhalten, man auf Mittel gedenken. Jetzt würde über unsere Abfertigung nur Herrn von Questenbergs Relation erwartet, daher wir in weniger Geduld stehen und bald hernach unserer Abfertigung gewärtig sein sollten. Ihro Gnad. hat man zwar einen Wein zugebracht, der aber davon nicht, sondern nur ein Bier begehrt und bald darauf weggezogen ist. 9. Februar, Dienstag. Vormittags habe ich die Proposition zum fünften Male ins Reine ge- schrieben. Nach dem Frühmahl, so Herr Antorff mitgehalten, ist Herr Karas zu den Herrn kommen und mit ihnen, wie sie sich quartirt und sonst be- finden, conversirt; haben sich bald darauf Leute, die künstliche Tocken [|Mützen? Puppen? Decken?] und andere Sachen zu sehen hatten, angegeben, die man eingelassen und | ihre Abenteuer beschaut hat, davon kurz hernach Meldung und Bericht geschehen soll. Den Gaukler haben die Herren spielen lassen, dem dann wegen seiner artlichen und geschwinden Possen wohl zuzusehen war. Das Exorbitiren, Vollsaufen, so unser Reiter, wie schon vorhin, fast täglich, insonderheit dito geschehen (verübt), wie er die Betten in der Völlerei verunehrt, eingeweicht und sonsten seinem Bedünken nach sich vielmals verhalten, wie ihn die Menscher des Wirths so gebettet, das Lob gepriesen und vors Bette Stroh hinzulegen angedeutet, und dass er sich, indem er so hoffärtig aufzöge, ins Herz schämen sollte, solches und alles andere bleibt mir in frischem Gedächtniss unentfallen. 10. Februar, Mittwoch. Haben unsere Herren mich früh mit dem Schreiben an das Oberamt?), so ich gestern Abend gefertigt, zum Herrn Karas, solches zu unterschreiben und besiegeln geschickt; darauf der Courier Schlenker mit vielen Schreiben abgefertigt worden, dem ich zugleich zwei Briefel an Herrn David Müller und eins an Hans Mimmich mitgegeben. Um 11 Uhr sind die Herren zum Herrn Karas zu.... fol. 41 und 42 fehlen. [11. Februar, Donnerstag.] ') Dasselbe steht im Auszuge gedruckt A, p. VI, 197. 41 .... lichen Stall angangen, hat das Kloster ganz verderbet, doch an der fol. 43. Kirche daran keinen Schaden gethan. Dito Vormittags kaufte der Herr Doctor von Jacob Schlesinger, Hof- juden zu Wien, eine Kette von Drahtarbeit und Schmelzwerk mit viel Perlen versetzt, hielt an Gewicht 72'/), Kronen, bezahlte sie mit 65 Stück Dukaten, jeden zu 11 Ortsgulden gereitet, thut 178°, Floren; dazu er noch hernach geschossen 2'/, Floren, facit in allem 181'/, Floren; hat sie bei seiner Anheimkunft der Frau verehrt, dafür sie sich ja ein wenig etliche kurze Tage freundlich erzeigt. Um 11 Uhr sind unsere Herren zum Principalgesandten, mit ihm zum Herrn Grafen de Montecuculi'!) zu Gaste gefahren, sind ansehnlich und statt- lich tractirt worden; hat sich auch dabei der Oberst Colloredo?) in einer „Kosack‘, alles über und über dicht mit Golde verbrämt, sowohl der Herr Oberst Breuner°), Herrn Colloredos Bruder und Herr Venediger befunden, ist gar wenig, weil die Italiener wenig trinken, getrunken, sondern dabei mit einem Narren, den sie mit Nasenstübern, Maultaschen häss | lich tractirt, Kurzweil getrieben, insonderheit dem armen Teufel vom Grafen Montecuculi, nachdem er die Backen aufgeblasen, ein solcher Backenstreich gegeben, dass ihm die Augen im Kopf vergangen, darauf ihm ein gut Bisslein zwar, aber dermassen gepfeffert und gesalzen gereicht, wie auch lange Weil hernach ein dergleichen zugerichteter Trunk zugelangt worden, dass sich der arme Mensch gar übel befunden und gesagt: „Du Hundsfott, schlägst Du doch wie ein anderer sakramentischer Bärenhäuter, möchtest auch das Ding selber fressen und saufen.‘ Ob nun einen solchen armen Teufel zu schlagen eine grosse Lust sei, kann ein vernünftiger Mensch darüber judiciren? Dito habe ich Herrn Lorenz Hermann unten in der Kärnthnerstrasse beim Ober-Zeugwärter zugesprochen, ihn aber nicht angetroffen. Zu Abend haben die Herren allein Mahlzeit gehalten. !) Vermutlich der am 7. Juni 1633 zu Colmar an seinen Wunden verstorbene Graf Ernst von M., ein treuer Anhänger Waldsteins. ?), Vom 17. September ‚bis 22. Dezember 1626 lag ein Oberst Colloredo mit vier Gompagnien „Polacken‘ zu Beuthen (O.-Schl.) im Quartier; sie verbrauchten 8333’ Thaler, A. p. VI, 314. Auf ihn bezieht sich Waldsteins Intercession bei Harrach, Tadra Fontes 41, 474. Quid non tentarunt, heißt es im Votum der neißi- schen Gesandten bei den ständischen Verhandlungen vom 18. März 1627, die Colloredischen Kosaken, welche etzliche Male in das Bistum eingefallen, viel Dörfer und Landsassen geplündert, z. B. das ganze Dorf Oppersdorf, den Freiherrn von Besser u. a. Hine factum, daß levissimo motu exoriente die Leute Haus und Hof stehen lassen, pecora, res familiares supellexque deficiunt. A. p. VI, 309. Ich möchte den oben genannten „Oberst C.“ für Hieronymus und den „Bruder“ für Rudolf C, halten. ®) Bei Förster, Waldsteins Briefe II, 309 werden drei Breuner als Oberste er- wähnt: Hans Philipp, Hans Gottfried, Philipp Friedrich. fol, 45b. fol. 44. fol. 44b. fol, 45. 42 12. Februar, Freitag. Ward gegen 10 Uhr ein alter Mann von 60 Jahren, so einen Wein- hauer erstochen gehabt, über den hohen Markt beim Fischmarkt die Stiegen hinauf | geführt und verurtheilt, dann herunter auf den hohen Markt, da neben der Säule ein Schranken von Holz gemacht. Gingen ihm zwei Kerls mit Hellebarden und weissen Stäben vor, darauf ein Mönch, so ihm ein Kreuz vortrug, und zwei Mönche, die den armen Sünder in der Mitte führten, denen wieder zwei jetztgedachte Männer folgten. Wie sie ihn in die Schranken gebracht, darin der Unterrichter oder wie er genannt wird zu Ross gehalten, ist der Mann erst niedergekniet, hat der Mönch die Öhrenbeichte von ihm gehört, darauf er aufgestanden, das Wams und Hemde selbst, weil er die Hände frei gehabt, abgezogen und niedergekniet, dem der Henker den Kopf glatt abgeschmissen, ungeachtet der Mann klein und auf keinem Sand oder Holz gekniet. Wie er abgehauen, sind sie alle „im Schranken“ niedergefallen und ein Gebet verrichtet, darauf man die Leiche in einem Sarg mit schwarzem Tuch belegt weggetragen. Ich habe es von Herrn Secretär Raspers Hause eigentlich gesehen. Dito Mittags sollten unsere Herren bei den Patribus Jesuitarum zu Gaste sein, allda sich Herr Karas und Venediger befunden, liessen sich aber, auf was Mittel sie immer gekonnt, entschuldigen, | fertigten unter- des Herrn Maltzans') Boten ab und schrieb Ihro Gn. der Herr Rösa zu: Mit unserer des Landes Expedition stehen wir noch in silentio et spe. Ihre Maj. hätten es mit Ihr. F. Gn. Herzog zu Friedland durch Herrn Questenberg communicirt, erwarteten nun dessen Relation, alsdann aller- gnädigste Abfertigung erfolgen sollte. Nachmittags sind die Herren zum rothen Thurm hinaus gegen der rechten Hand um die Stadt gefahren und beim Kärnthnerthor hinein, beim Brande zu St. Dorothea abgetreten und sich umgeschaut; hätte, wenn die Kirche angegangen wäre, dem kaiserlichen Schloss, so nahe daran liegt, auch zusetzen dürfen. 13. Februar, Sonnabend. Hat mit den Herren zu Mittag Herr Wendelin, böhmischer Taxator, wie auch Herr Jessinsky und der Goldschmied Schönau gefrühstückt. Deinde ihnen Herr Pater Hänsel mit einem lieben Getreuen zugesprochen, ist niederzusetzen gebeten, ihm auch ein Trunk zugebracht worden, dafür er sich aber bedankt und sonst mit den Herren conversirt hat. Inde | haben die Herren Gesandten Ihro Gn. dem Herrn Vice-Kanzler aufgewartet; t) Wahrscheinlich Joachim (IV.), Freiherr auf Militsch und Penzlin, 1593 bis 1654; über ihn und seinen Vater geben die 6 Bände der Acta publica reiche Auskunft. Zu 4 2 0 00 U u 2 u 43 ich bin unterdessen zu Hause bei den Herren blieben. Herr Balzer Hoff- mann recommandirte mich dem Herrn Wendelino. Ille sagte, wäre mir als einem feinen, ehrbaren, frommen Gesellen angenehme Dienste und För- derung zu erweisen gar geneigt, hätte ihm alle Wege gar wohl gefallen und sollte ich mich alles Guten zu ihm versehen. Dito schickten die Herren unserem Wirth auf Rechnung 80 Stück Reichsthaler. 14. Februar, Fastnacht-Sonntag. Ist früh vor 7 Uhr Herr Jessinsky, als wir noch zu Bett gelegen, zum Herrn kommen, darauf sie bald aufgestanden, sich fertig gemacht, eine Suppen gessen, einen Wagen mit 6 Rossen anspannen lassen und neben Herrn Jessinsky, Martino dem Schneider und mir übern Kohlmarkt beim Beylerthor übern Graben die ‚Kernerstrassen‘“ (Kärnthnerstr.?) hinauf zum Thor hinaus bei ‚„Böckelhafin“, der Kaiserin Lustgarten, so jetzt der Favoritenhof genannt wird, zur linken Hand weg eine Meile Weges bis nach Ensers | dorf zur Predigt gefahren, sind noch, ehe die Predigt sich angehoben, zurecht kommen, hat man noch gar lieblich und schön musicirt. Darauf Herr David Seudlins |Sendlins?] eine schöne trostreiche evangelische Predigt gethan und in Vorbitten eben sowohl wie bei anderen geschieht für das Haus Oesterreich und dessen Propagation gebeten. Dies Ensersdorf ist nur ein kleiner, geringer und offener Flecken, allda keine Kirche, sondern auf dem Herrenhofe zu einem Fenster herunter in den Hof gepredigt worden, ebenfalls wie ich anno 1625 zu Hernals') ein Viertel Weges weit von Wien gesehen. Der Hof war gar klein und nur auf einer Seite a dextris des Eingangs drei Gänge übereinander, oben der Saal, darauf ein kleiner Altar gesetzt und Jeine] Frauenbank auf- ") Den 1. August 1621 sind wir, Sigmund von Bock, Dr. Rosa und Nicol Krebs, nach Hernals gefahren, da wir dann das evangelische Religionsexereitium mit Predigt und Spendirung des Hochwürdigsten Sacraments im Beisein etlicher Tausend Christen von Herren-, Adel- und Bürgerstands-Personen öffentlich halten sehen. Aus der Relation der schlesischen Gesandten A. p. IV, 225. Im Dezember desselben Jahres bittet der zu Wien in kaiserlicher Gefangenschaft befindliche Fürst Christian d. J. von Anhalt bei den kaiserlichen Räten um die Erlaubnis „nach Hernals in die Predigt zu ziehen“, Krause 13. Am 9. September 1624 er- ließ der Rat zu Wien ein Ediet, wonach allen dem Burgfrieden des Stadtmagistrats unterworfenen Bürgern, Handelsleuten von der Niederlage, Handwerksgesellen, Dienstboten u. s. w. sowohl an Sonn- wie an Wochentagen bei unnachläßiger schwerer Strafe verboten wurde, sich zu einem unkatholischen Religionsexereitio, es sei zu Hernals oder anderswo, zu begeben. Durch Verfügung des Wiener Rats vom 20. März 1625 wurde obiges Edict „wegen haufenweisen Anlaufens zu dem Hernalsschen Exereitio“ mit dem Befehle erneuert, daß binnen vier Monaten alle Bürger Wiens samt ihren Angehörigen katholisch sein sollten. Beide Rescripte gedruckt bei Londorp (1668) III, 766 und 772. fol. 45b fol. 46. fol, 46h. fol. #7. AA gerichtet. Ist in allem der guten Bequemlichkeit, des geraumeren gevierten Hofes, Gänge und lustigen Saals, als es vor diesem zu Hernals gewesen, wenig zu vergleichen. Gleichwohl aber danken die lieben Leute Gott für solche Gnade höchlich, wünschen und seufzen herzlich, dass sie es nur lange Zeit beharr- und ruhiglich anhören möchten, wie denn schöne | ansehnliche Frauen und Jungfrauen von Wien aus diese ganze Meile zu Fuss, ungeachtet es gleich wegen des Regens und bösen Wetters sehr tief und böse zu gehen, gegangen, dass ihnen der Schweiss ausgebrochen. Etzliche sich auf Landkutschen hinausführen lassen, haben sich noch ziemlich viel Wagen, deren ich an 40 gezählt, auch zu 6 Rossen draussen befunden, die hernach mit uns eingefahren. Dito ist Ihre Maj. bei den Jesuitern in der Kirche, auch bei ihnen zu Gaste geblieben. Zu Mittag haben unsere Herren und mit ihnen Herr Jessinsky gessen, finito prandio stiegen sie im Hause auf den Thurm, sahen sich um, ist von unten bis oben auf 115 Stufen hoch. Darauf sie anspannen lassen und aufn Kohlmarkt in des Obersten Kanzlers Haus gefahren und den Maskeraden, Narren und solcher Kurz- weil zugesehen. Da unter anderm auf einer Kalesche mit vier schönen Rossen vier vermaskerirte Frauenzimmer mit Saitenspiel gefahren und viele Cavaliere, alles in Mummerei, sammt vielen hässlichen Narren dabei ge- ritten. Gegen 5 Uhr ist man wieder nach Hause gefahren und hat zu Abend gessen. 15. Februar, Montag. Vormittags haben die Herren auf dem Graben beim grossen Elephant über in einem Gässel wohnende dem Dr. Justo Gebhardo zugesprochen, aus Privatsachen mit ihm communicirt, auch ihre Hauptsache, weil er zu schlesischen Expeditionen mit gezogen wird, bestens recommandirt. Nachmittags sind wir alle wieder auf den Kohlmarkt gezogen. Ich und Kitzing in des Herrn von Losensteins Hause vom Erker herunter gesehen, haben sich abermals viel seltsamer Narren laufende und reitende wie auch ein 30 Hatschier zu Ross in schöner Maskerade vorm Kaiser prä- sentirt. | Der junge Schweidiger berichtete uns, dass sein Herr, der Herr von Losenstein, Oberster Hofmarschall und Kämmerer, alle Zeit auf die dritte Woche seinen Dienst zu Hofe hätte, da er eine ganze Woche von früh an bis in die Nacht aufwarten, den Kaiser an- und abziehen müsste. Hat uns sonst ziemlich zu trinken geben, dass ich in dem verschlossenen Zimmer Stand halten müssen und einen guten Rausch davon gebracht. Dito berichtete mich Herr Freissleben, Herrn Mimmichs | Sachen wären ganz nach seinem Wunsch und Begehren expedirt, könnte sie Mittwochs abfordern, 45 Dito zu Abend ist Herrn Venediger, Neissischem Kanzler, so alle Wege beim Herrn Karas seinen Tisch gehabt und auch diesen Abend sich allda befunden, diese Fastnachtsposse widerfahren: Indem als sein Kutscher im Hofe mit seinen Rossen und Wagen auf-, hernach oben mit den Burschen des Saufens abwartet, unterdessen unterm Thorwege, der ganz offen, die Rosse und Wagen stehen lässt, kommt ein Fastnachts-Narr, setzt sich auf die Rosse, fährt mit davon und wird seiner niemand gewahr, bis wie man herunter zu Wagen sitzen und nach Hause fahren will, ist kein Ross und Wagen da und weiss niemand keine Wissenschaft darum, wo er sich hin verloren. Man läuft und rennt die ‚‚quier und quer“, findet endlich den Wagen mit einem Ross in einem engen Gässel und ist das beste Ross, so Herr Venediger auf ein Hundert Reichsthaler geschätzt, abgehauen und davon geritten. Dem Kutscher wird darüber geschwül, fürchtet sich, es möchte übel herreichen, reisst auch aus und läuft davon. Bedrohte ihn | Venediger hoch, wenn er den Schelmen ertappte, ihn angesichts aufhängen zu lassen; und ungeachtet er wegen des Rosses fleissige Nach- frage angestellt, ist doch, weil bei einer solchen Hofhaltung unzählige viele Rosse gehalten werden und eines dem andern gleichen kann solches nicht wiederbekommen worden. Hat nun Herr Venediger für ein anderes Ross 60 Stück Reichsthaler zahlen und einen anderen Kutscher miethen müssen. 16. Februar, Fastnacht-Dienstag. Ist früh der Gaukler bei den Herren gewesen, hat sie etliche Künste auf der Karte gelernt, dem wir aber nicht zusehen dürfen, weil sie nur für ihre Person Geld spendirt. Unterdessen habe ich ein Memorial geschrieben, da unter anderm dies gedacht worden, wird auch gebeten Martini Opitii poemata mit dem Pri- vilegio zu versehen, insonderheit versionem Argenidis Barclai'). Wie ingleichen Richters Zinsbuch, davon Herrn David Müllers Buch- händlers zu Breslau Memorial mit mehreren besagen thut. Idem David Müller bittet einen Wappenbrief | sowohl einen Dienst- brief. Ist ein ehrlicher Mann, führt seinen Buchhandel ziemlich stark und bringt viele gute Bücher ins Land. Dito aufn Mittag sind die gesammten Herren Gommissarii zum Herrn Doctor Gebhard, jetzigem Ihrer Kais. Maj. Appellationsrath eingeladen ge- wesen, bei dem sie sich eingestellt und kurzgedachtes Memorial über- antwortet haben. !) John Barcleys Roman Argenis erschien in lateinischer Sprache zuerst Paris 1621, französisch 1622, englisch 1625; der zweite Teil französisch 1625, lat. 1626. Beide Teile deutsch von Martin Opitz I Breslau 1626, II 1631 und öfter. Nach einer gütigen Mitteilung des Herrn Professor Dr. Österley hier. fol. 7b. fol. 48. fol. 48b. 46 Wurden stattlich und prächtig tractirt, befanden sich sonsten noch Herr Bibran, jetziger Jauerscher Landeshauptmann‘), Herr von Schellen- dorf?), der reiche Juwelier und Handelsmann zu Frankfurt an der Oder Herr Priers mit seiner Frau und seinem Sohne dem Hofjuwelier dabei. Nach aufgesetzten Schalen hat der Herr Wirth Ihre Gn. Gn. und Gestrengen die Herren Commissarien und gegenwärtig Eingeladenen mit der schlechten Bewirthung vorlieb zu nehmen gebeten, und dass er sie nicht nach Würden tractirt, sie es der schon eingetretenen Fastenzeit zuzuschreiben geruhen wollten. Darauf die Frau Priers, so eine Niederländerin und sehr wacker be- redte Frau war, angehoben: Ihre Gnaden und meine hochgeehrte Herren verzeihen mir, dass ich darauf antworten möge, | für meine Person be- danke gegen den Herrn Wirth ich mich der köstlichen Tractation hoch- fleissig und muss bekennen, dass mein grossgünstiger Herr sich diesfalls zu entschuldigen gar nicht Ursache habe. Sintemalen ich mich erinnere, dass viele ehrliche Leute in Sachsen und mehreren anderen Orten von dem leidigen Kriegs- und anderm Unwesen dermassen ruinirt und verderbet, dass sie gar gerne mit einem trockenen Brot, Bier und Wasser, wenn sie es allezeit haben könnten, content sein würden; zu geschweigen, wer nicht mit dergleichen ansehentlicher Tractation und den besten Deliciis oder einer also genannten Fastenspeis vorlieb nehmen wollte. Was, sagte sie, nennet die Schrift Fasten ? Allegirte diesen und jenen locum und gab die Frau dem Herrn Geb- hard, der auch unlängst sich bekehrt, einen schönen Discurs an die Hand, dass er ihr genug zu antworten hatte, wie sie denn überaus resolut, beredt, sehr gut evangelisch oder luthrisch und wie man hörte in der Bibel wohl erfahren war. Sie hielt ihm so lange ‚„obstatt‘‘ (nach Grimm widersprechend) und „‚verführet“ ihn dermassen, wiewohl er ihr auch genug replicirte, dass ihr unsere Herren endlich beifallen mussten. Herr Gebhard brachte ihr die Bibel, das und das beweise ich hiermit, zeigte ihr eine Vorrede auf eine. ... fol. 49 und 50 fehlen. (18. Februar, Donnerstag.) !) Heinrich Freiherr von B. auf Modlau, Altenlohm und dem Burglehn Jauer, Landeshauptmann von 1627—1637, heftiger Feind und Bedrücker der Schweidnitzer Protestanten, trotzdem 1637 vom Kaiser seines Amtes entsetzt, 7 1642.* Zeitschr. XI, 58. 2) Man denkt hier zuerst an den 1647 verstorbenen Christoph Freiherrn von Sch. auf Königsbrück, kaiserlichen Rat und Kammerpräsidenten. Sinapius nennt noch einen Bruder desselben Namens Wolfgang und einen Konrad von Sch., der am 13. Mai 1634 in der Schlacht bei Lindenbusch fiel. 41 | mit einander getrunken und allerhand discuriret, da er mir dann, dass fol. 51. er zu Wien gute Gelegenheit, bei vornehmen Herren und Frauen grosse Gunst und sich durch sein weniges Instrumentschlagen in vielen Orten an- genehm gemacht hätte, erzählt; wollte noch gerne das Lautenspiel auch begreifen, sobald er nur Mittel von Gelde erlangen könnte. Zu Mittag hat mit den Herren Herr Doctor Gebhard und unser Wirth Herr Friedrich Kettenkalk Frühstück gehalten, sind in 24 guter, wohl zu- gerichteter Speisen aufgetragen worden, dabei man von allerhand discurriret, welches einem jungen Menschen, der darauf merket, viel zur Erfahrenheit dient. A prandio, wie die Herren weg, haben unsere [Herren] mit dem Herrn Prineipalgesandten Ihro Gn. dem Vicekanzler aufgewartet. Gegen Abend hat ihnen in unserem Losament Herr Balzer Hoffmann und Jessinsky, bald darauf Herr Priers und sein Herr Sohn zugesprochen. Der Alte ist bei dem verstorbenen Fürsten von Liechtenstein, Statthaltern zu Prag, in grossem Ansehen. Man hat Schalen aufgesetzt und | bis gegen der Abendmahlzeit fol. 51b. getrunken, die Herren auch da zu verbleiben gebeten, dafür sie sich aber bedankt und nach Hause gezogen sind. 19. Februar, Freitag. Habe ich zum Memorial gesetzt, was sie die Herren Gesandten vorigen Tages beim Herrn Nostitz erinnert, es darauf Herrn Gebhard bracht, so schon ausgegangen. Von dannen ich überm Graben in der böhmischen Kanzlei, fürder aufm Schloss abgetreten; ist Ihre Majestät mit der Kaiserin, Könige und Fräulein in der Hofkapelle bei einer wallischen |wälschen | Predigt gewesen. Sobald selbige aus, hat man gar nicht musicirt, sondern sind sie alle aus der Kapelle gangen. Hab ich den Kaiser, Gemahlin p. gar eigentlich und wohl gesehen und hat sich gleich getroffen, dass ich hinter einem schlechten Manne gestanden, der Ihrer Majestät eine Suppli- cation überreicht und dabei viele Worte mündlich vorgebracht, dem der Kaiser eine gute Weile gestanden und zugehört, ihm darauf, welches ich wohl gehört, gesagt: „Die Sache soll erwogen und Du darauf beschieden werden.“ Inde bin ich nach Hause gangen und beim Drechsler die. „ Büchse geholt. | Zu Mittag hat mit den Herren Herr Friedrich Rost, des Raths zu Halle und jetziger Abgesandter an den kaiserlichen Hof, mit Herrn Balzer Hoffmann gessen. Referirte nach der Länge den kläglichen Zu- stand, so sie in Sachsen, Halle und dero Orten bei Quartirung der kaiser- lichen Armee ausgestanden'), wie auch die Soldaten erstlich als Hallunken und Bettler aufgezogen, hernach [als] grosse Cavaliere, prächtig bekleidet, !) Darüber Näheres bei Opel, Niedersächsisch-Dänischer Krieg II, 472, der daselbst auch die Absendung eines besonderen Bevollmächtigten der Stadt Halle nach Wien erwähnt. fol. 52. fol. 52b. fol. 53. 48 von ihnen abgezogen. Julian!), so sein Hauptquartier in der Stadt Halle gehabt, hätte zwar gutes Regiment gehalten, wenn man nur immer richtig Geld gegeben, im widrigen Fall, und als man endlich nicht folgen können, hätte er die Bürgerschaft jämmerlich geplagt, wegen Mangels des Holzes endlich von Häusern die Giebel abtragen und verbrennen lassen; wären auch noch zur Zeit der Quartirung gänzlich nicht entledigt, daher er von E. Rath an die Römische Kaiserliche Majestät um Cassation anzuhalten ab- geschickt wäre. Dito nach der Mahlzeit hat Herr Karas unsern Herren andeuten lassen, er hätte von Ihrer Gn. dem Herrn von Nostitz fast diese Nachricht, dass sie noch heut ihre schriftliche Expedition haben dürften, derowegen er es Ihro Gnaden auf | zuwarten nothwendig erachtete. Hora 3. bin ich in die Böhmische Kanzlei gangen, ist mir unterweges aufm Kohlmarkt begegnet ein Comitatus mit zwei Leichen. Sind ohne Zweifel Evangelische gewesen und ganz sine luce et cruce, nur mit einem schwarzen Tuche, die andere Leiche mit schwarzem Sammt und 8 Wappen behängt, überdeckt hingetragen worden. Die Träger und nächst darauf Folgenden hatten ihnen |sich| die Gesichter mit schwarzem Boy oder Flor vermacht. Darauf ich in der Kanzlei Hans Mimmichs Befehlich abgefordert, davor einen Reichsthaler gezahlt und für die Abschrift 10 Silbergroschen ge- geben. Als ich da herausgangen, kommt auf der andern Seite des Kohlmarkts die alte Frankenbergerin mit ihrer Tochter gezogen, ging zwar bei ihnen hart vorüber, redete sie nicht an, sondern recognoscirte sie, ob sie es wären. Darauf ich ihnen in einer andern Gasse entgegen kommen, sie angesprochen und gesagt, sie sollten mir verzeihen, dass ich sie da anhielte, ich hätte mit ihnen zu reden, und wenn ich ihr Losament wüsste, wollte ich ihnen zusprechen; die Alte würde sich erinnern, dass sie da und da zu Breslau ein Losament gemiethet, solches hernach ledig | stehen lassen und davon gezogen wäre, unterdessen die Zinsen aufgelaufen, deren ich und meine Schwester als Erben des Hauses zur Abführung der Steuern und anderer Ausgaben nothwendig bedürften. Wollte mich also bei ihr an- geben, im Fall mit uns nicht fördersamste Richtigkeit getroffen würde, solch Losament eröffnen zu lassen, es anderwärts zu vermiethen und uns, wie wir könnten, bezahlt zu machen. Drauf mir die Alte geantwortet: Mein grossgünstiger, geliebter Herr! Ich weiss es gar wohl. Hätte nicht gemeint, dass sie so lange aussen bleiben sollten. Was wegen des Losaments von Zinsen und sonst würde 1) Reichsgraf Heinrich St. Julien von und auf Waldsee, geb. 1586 zu Avignon, + 1642 zu Wien; damals Oberstlieutenant des Waldsteinschen Regiments zu Fuss. 49 abzurichten sein, das sollte alles mit Dankbarkeit richtig gemacht werden, nur wolle der Herr und seine Frau Schwester an einem noch kleinen Verzuge keinen Ungefallen tragen. Sie hoffte ehestens mit Herrn Burk- hardt nach Breslau zu kommen, hätte auch unlängst Herrn Hosea Jahn Kretschmern geschrieben, das Zimmer noch auf etwas weiteres zu be- handeln. Dixi, ich wollte wünschen, dass es im Werk bald erfolgte, sonst wir, wie angedeutet, anders dazu thun müssten. Sie und die Tochter baten, uns zu ihnen dergleichen nicht zu versehen, hätte doch meine Frau Schwester ihr alles Gutes gethan. Waren sonst beide greulich und hässlich. Die Tochter hatte einen braunen, perpetuanen Rock!) an, ein Schlubl?), so noch ein wenig gut, mit breiten, seidenen Schnüren gebrämt und rauhem Sammet gefüttert um, einen unsauberen gelben Schleier-Hut darauf, rothe böse Strümpfe und Schuhe an. Schien, als wenn sie Franzosen und anderes am Halse [hätte], weil sie da zu Wien für eine gemeine Dame sich, wie ich gehöret, ge- brauchen liess. So war die Alte auch hässlich vermagert. Drauf ich übern Graben, da wir Herrn Karas und Venediger zum Herrn Dr. Gebhard fahrend begegnet, zum rothen Thurm hinausgangen, da ich die Juden und andere Leute über die Donau fahren sehen, weil dito vom Eise ein Joch an der Brücke abgestossen worden. Zu Hause referirte ich den Herren, dass ich die alte Frankenbergerin gesehen, mit ihr geredet, und ihnen sie, wie sie so hässlich aufgezogen, beschrieben, verwunderten sich darüber höchlich. 20. Februar, Sonnabend. Sind gegen 8 Uhr die Herren und Balzer Hoffmann zum Herrn Karas gefahren, mich unterdessen zum Herrn Rasper geschickt, nachzufragen, was etwa für Privatsachen expedirt, ihnen selbige widerfahren zu lassen. Be- dankte mich dabei wegen ... fol. 5& fehlt. (21. Februar, Sonntag.) „0... Schlenker, Courier, zu uns eingeladen, sie ziemlich tractirt, hernach gezecht und der Trompeter in der Stube und Hof geblasen, dass ge- knastert hat. Deinde haben wir den Herren aufgewartet. Ist Herr Karas und Ve- nediger mit in unser Losier kommen. Man hat sollen Schalen aufsetzen, !) Perpetuane, Perpetuelle auch Sempiterne, französisches Dauerzeug, sehr dauerhaftes Wollenzeug, eine Art Serge. 2) Wohl = Salope, Saloppe, ein Frauen-Schmutz- oder Frühmantel, „ursprüng- lich vielleicht zur Bedeckung schmutziger Nachtkleider*. 4 fol. 53b: fol. 55. fol. 55b. fol. 56. 50 da aber nichts vorhanden, sondern alles geplündert gewesen, hat sich Kitzing ergrimmt, mit Herrn Grüttschreibers Burschen expostulirt, sie wie vorhin oftmals geschehen Hundsfötter und Bärenhäuter gescholten, die gar nichts thun, Freiherren sein und gleichwohl alles wegfressen wollten, auch einen und den andern schlagen wollen; dazu dann Herr Grüttschreiber gleich in die Kammer gangen und ihm Kitzing greulich „ausgewort“ [nach Lexer, der aber die Zusammensetzung mit aus nicht kennt, ist worten = Worte machen, zanken], er sollte versichert sein, er hätte keine Hunds- fötter und Bärenhäuter um sich, sondern reisige Knechte, und ehe er ihm einen schlüge, wollte er ihn selbst vorn Kopf schmeissen, dass ers fühlen sollte; da er sein unnützes Maul ein wenig eingezogen. _ Nicht lange hernach, wie der Koch zu Abend anrichten soll und auch nicht haben kann, was er bedarf, ist er ungehalten, Kitzing kommt, schilt auch auf einen und andern, läuft Grütt | schreibers reisiger Knecht Simon im Küchenkämmerlein übern her: Du sakermentischer Hallunke, hast dich bisher unnütze gemacht, butz, butz, „tuselt‘“ und schmeisst ihn um den Kopf, dass ihm die Nase blutet. Nun war er sich gegen ihn zu wehren viel zu schwach, läuft in die Stube, da die Herren gleich assen. Gestrenge, grossgünstige Herren, der Despect wiederfährt mir hier in der kaiserlichen Hofstatt, und ich kann das nicht leiden, muss es revanchiren, sollte es mein Leben kosten; greint darüber, wie eine alte Hure. Nun sagten die Herren, was da vorgangen, sollten sie heute ruhig sein, auf keinen Theil nichts vornehmen und also verbleiben lassen. Morgen wollten sie beiderseits Klage anhören und Friede machen. Einmal sollte er anderes Gesinde nicht kujonirt haben. Ille, würden sie den Kerl nicht strafen, wollte er hernach, wenn was anderes erfolgte, entschuldigt sein. Der Herr vermahnte ihn nochmals heute nichts anzufangen. Gegen 8 Uhr sind die Herren zu Bett, wir auch bald darauf gangen. 92. Februar, Montag. Hab ich das eingegebene Momorial noch einmal ab | geschrieben, ist auch den ganzen Morgen Herr Balzer Hoffmann bei den Herren ge- wesen, da denn einer allerlei Antiquitäten von Silber, wie auch vor- treffliiche Kleinodien von Diamanten versetzt, Armbänder und dergleichen schöne Sachen zu verkaufen hinbrachte. Unter anderen hatte er einen Ring mit einem grossen und vortrefflich schönen Diamanten versetzt, den er auf 800 Reichsthaler, ist 1000 Thaler, hielt. Durch Herrn Jessinsky liess die Frau Stubeckin die Herren Gesandten insgesamt aufn Abend um 5 Uhr zu ihr zu Gaste einladen, hätte ihr der Herr Principalgesandte zugesagt, daher sie sich auch der Herren gewiss und unausbleiblich versehen thäte. Weil sie aber auch zum Herrn von Nostitz zum Frühstück gebeten, wüssten sie nicht, wie und wann sie 51 allda möchten wegkommen, wollten aber doch der Frau auf eine Con- versation zusprechen. Vormittags schrieb ich eine Quittung, so von den Herrn Gesandten unterschrieben und besiegelt worden; darauf empfingen sie von Herrn Hans Lucknern, Handelsmann in Wien, zwei Tausend Stück Reichsthaler, um solche von Dato in 6 Wochen zu Breslau Herrn Wilhelm | Ballyden mit 100 Stück Reichsthaler Agio gut zu machen, mussten auch die Quittung, als wenn jetzt 2100 Reichsthaler empfingen, darauf richten. Von diesem Gelde bekam Herr Karas ....... 1000 Reichsthaler. Herr Grüttschreiber.. .. 400 e Herr Doctor Rosa. .. . 400 24 Als wir den Herren Gesandten beim Vicekanzler aufgewartet, ist Herr Nostitz lustig gewesen, hat sie zum Trinken ermahnt, ihrem Anliegen wegen jetzt bedrängten Landes Schlesien mit Fleiss zugehöret und gesagt: Meine Herren versichere ich, dass alles dasjenige, was sie jetzt und sonst alle- wege mir wegen des Landes Schlesien recommandiren, das referire und rede ich an Ort und Stelle, wo sichs gebühret, vorm Römischen Kaiser. So verbleibe ich auch ohne das der Fürsten und Stände in Schlesien guter Freund und bin ihnen angenehme Dienste und Freundschaft zu erweisen allezeit willig. Es könnte einer ja dieses und was mehres reden, wenn ihm so eine Butterschnitte von ein paar Tausend Stück Reichsthalern, wie ihme Herrn von Nostitz widerfahren, präsentirt würde. Gegen 4 Uhr sind die Herren vom Herrn Nostitz weg und mit in unser Losier Herr Karas und Venediger gefahren. Da man wieder Schalen aufsetzen und Wein geben lassen. Und weil gleichwohl die gute Frau Stubeckin sich der Herren gewiss versehen und darauf anrichten lassen, hat Herr Karas bei den Herren angehalten, sie wollten doch mit zur Frau hin; Herr Rosa ist, ungeachtet er schon ziemlich berauscht, zu- frieden, Herr Grüttschreiber aber will durchaus nicht mit und ent- schuldigt sich, wie er weiss und kann. Man lässt ihn aber durchaus nicht vom Halse, bringt ihn ja mit Kummer und Noth herunter ins Haus, da er dennoch kaum fort und wieder hinauf „reissen“ will, haben es doch die Herren keineswegs geschehen lassen wollen. Sind darauf übern hohen Markt in die Nieder-Becker Strasse gefahren und sich bei der Frauen eingestellt, von der sie freundlich empfangen und sehr köstlich und ansehnlich tractirt worden. Als man aber ein wenig Gesundheits- trünke, weil andere Herren sie auch dazu gebeten, angehoben, ist Herr Dr. Rosa bald gefället worden, dass er aufm Stuhl bei der ganzen Tafel über fortgeschlafen, also dass der Frau | nur leid gewesen, dass sie nicht die Gnade und die ansehnlichen vornehmen Herren Abgesandten zum Früh- stück haben können. War auch immer Schade, dass ein dergleichen Ap- paratus von allerhand Delieiiss und Speisen nicht recht solle genossen werden. Ar fol. 56b. fol. 57. fol. 57b. fol. 58. fol. 58b. 52 Diese Frau Stubeckin, so einen vornehmen reichen Herrn, den Herrn Henckel gehabt‘), ist zwar eine was kleine betagte, aber dermassen verständige, beredte, höfliche und sehr eifrig und gute evangelische Frau, dergleichen ich nicht bald gesehen; die von solchen Sachen zu discurriren weiss als ein Politicus, wer er immer sein möge. Hat auch anno 1625 Österdienstags den 1. April eines Raths von Breslau damalige Abgesandte zu Gaste gehalten und wie jetzo angedeutet sehr stattlich und ehrlich cor- tesirt und tractirt. Eine schöne Jungfrau vom Adel und wohl zu sagen ein englisches Bild, so ich anno 1625 bei ihr der Frauen aufwartend gesehen, solche ist für diesmal noch bei ihr gewesen, hat uns Diener mit dem köstlichsten Wein, um einander eines zuzutrinken, fleissig versehen und ermahnet, daher es uns desto besser eingegangen. Gegen 9 Uhr sind die Herren von der Frau nach Hause kommen, darauf sie sich bald zu Bett gelegt, wir noch eine Weile gezecht. 23. Februar, Dienstag. Haben wir alle wohl ausgeschlafen, hernach ich Herrn Antorff auf einen guten Wermuthwein zugesprochen. Deinde ich ein Memorial abgeschrieben, solches circa prandıum Herrn Karas gebracht, ille es Herrn Nostitz zugeschickt. Gegen 10 Uhr zog ein trübes Wetter auf, hub an zu wetterleuchten und donnern, bald darauf an zu graupen und schneien, dass man kaum sehen können, wetterleuchtet und donnert wieder, also dass es in [den] Stephansthurm eingeschlagen. War sich über solchem Wetter in so un- gewöhnlich früher Winterszeit zu verwundern. Finito prandio ist Herr Balzer Hoffmann hinkommen, da sie eines und das andere für Wein, Specerei und was mehr gewesen, ingleichen ihm Herrn Hoffmann für 38 Metzen Hafer, die Metze zu 18 Silbergroschen, für eine Muth?), so 30 Metzen hält, darein er noch eine geben, in al | lem 22 Reichsthaler 6 Gr. zahlen lassen. Dito vermeinten sie gewiss ihre Abfertigung zu haben, schickten mich zum Herrn Karas, darum nachzufragen. Ille, Herr Nostitz hätte ihm berichtet, heute oder morgen sollten sie den Recess haben, wollte ihn den Herren selber bringen. Sonst wäre .!) Da mir der Henckelsche Stammbaum nicht zur Hand ist, vermag ich Näheres nicht anzugeben. Ich finde nur, dass die 1583 geborene Margarethe, Tochter von Lazarus d. Ält. v. H., mit einem Freiherrn Tobias von Stubeck ver- mählt war. Die Stübich, Stubeck werden als „alte, angesehene Familie aus der Steiermark‘ bezeichnet. 2) Mut, Muth, modius bedeutet eine gewisse Art des Maßes und zwar so viel als einen Scheffel oder drei Viertel, Zedler. u 5 2 u u SE a 93 auch über die Donau noch nicht zu kommen, es hätten beide Cardinäle der von Nikolsburg und Harrach') heut darüber gewollt, wäre aber nicht zu wagen; müssten nur vollends des Abschieds erwarten. Zu Abend hat dem Herrn Doctor Herr Friedrich Lebzelter, Churfürstl. Durchl. zu Sachsen geheimer Kammerdiener und Agent am kaiserlichen Hof zugesprochen. 94. Februar, Mittwoch. Gegen 8 Uhr sind die Herren zum Herrn Karas und darauf auf seinem Wagen zu Ihro Gnaden Herrn Adam von Wallstein, des Königreichs Böh- men Landhofmeister, gefahren, so sein Quartier in der Kärnthnerstrasse hat. Und weil Ihrer Fürstl. Gn. Fürst Karls von Liechtenstein etc. ge- wesenen Statthalters des Königreichs Böhmen hochlöblichen Gedächtnisses tödtlicher Abschied zu Prag |} 12. Februar 1627] eingefallen, haben Ihre Maj. das Oberste Burggrafenamt ihm, Herrn von Wallstein, allergnädigst anver .... fol. 59 fehlt. (25. Februar, Donnerstag.) ... . gnädigst befohlen: Fürsten und Stände in Schlesien bei seiner Zurückkunft zu assecuriren, dass Ihre Maj. Dero gnädigster Kaiser, König und Herr sein und bleiben und des Landes Commodum also procuriren wollte, wie ein Vater seine Kinder zu procuriren und zu befördern pflegte. ?) Dito waren die Herren Gesandten noch sich auf die Reise zu machen willens, war auch deswegen Herr Karas, als er vom Hofe kam und Ob- stehendes referirte, bei ihnen. Man liess es aber bis auf folgenden Morgen um 7 Uhr beruhen. Gegen Abend kaufte ich aufm Graben bei Herrn Servatio Henoth, Kais. Maj. gefreitem (privilegierten) Posamentier, für 4 Reichsthaler allerhand !) Gardinal Franz Fürst von Dietrichstein (1570—1636) und Gardinal und Erz- bischof von Prag Ernst Albrecht von Harrach (1598—1667), ein Bruder der zweiten Gemahlin des Herzogs von Friedland. 2) Das kaiserliche Dekret auf das Anbringen der schlesischen Gesandten, gegengezeichnet von Otto von Nostitz Wien 13. Februar 1627, steht gedruckt A. p. VI, 199. In der Finalrelation der Gesandten (Liegnitz 17. März) hieß es: Der kursächsischen Intervention hätte es nicht bedurft, cum Sua Majestas per se cle- mentissime annuat. Herrn Karas habe Ihro Majestät bei der Valediktion latine be- fohlen, F. und St. zu assekurieren, daß er für sie recht väterlich prokurieren wolle. Das Land sei cum gratulatione novarum dignitatum [der weiter unten erwähnten Übertragung des böhmischen Burggrafenamtes] Herrn Adam von Waldstein re- kommandiert worden, welcher auch solches in devotione Generalissimi zu erhalten vertröstet. Ib. 190—193 über Questenbergs Aufenthalt in Schlesien und die Wirkung seiner Sendung. fol. 60. fol. 60 b. fol. 61. 94 schönes Senkelband. Wohnt aufm Graben dem goldenen Hirsch gleich über. Darauf man zu Abend mit Herrn Jessinsky gessen, eingelegt, gezecht und Valete gemacht hat. Folget nun weiter der Aufbruch und Rückweg aus der Kaiserlichen Hofstatt Wien. 26. Februar, Freitag. Haben die Herren sich früh alles fertig machen lassen, vollends ab- gezahlt, Herrn Balzer Hoffmann alle Bekannte ihretwegen zu grüssen ge- beten, sich mit dem Herrn Wirth, Jessinsky und andern, wir uns mit den Menschern gesegnet und sind gegen 8 Uhr vom ‚„Rothen Kraussen‘‘ weg durch die Wilpingerstrasse zum Herrn Karas gefahren, vor dessen Thür uns noch drei kaiserliche Schreiben wegen der Hannewalder, Balgereien') und Meineider aus der Kanzlei zugebracht worden. Deinde übern Hof (hinterm Jesuiten-Collegio) durchs ‚‚Baylerthor‘‘ übern Graben bei St. Stephan vorbei zum rothen Thurm hinaus an die Donau gerückt; war ein starker Wind, schneite und stöberte hässlich untereinander, dass man eine gute lange Weile, wie auch der Herr Cardinal von Harrach und der Herr Oberste Burggraf, so gleich zu uns stiessen, verwarten mussten, bis man ohne Unglück in der Fähre oder Plätten übersetzen können. Wie sich der Wind ein wenig gelegt, führte man die beiden Herren voran hin- über, denen hernach unsere gefolget, in Herrn Pollmüllers Hause beim goldenen Lamm abgetreten, sich gewärmt, uns aber beim Wagen gelassen, bis sie auch hinüber kommen, damit es | dann überaus langsam zu- sangen, weil der Wagen, die hinüber gewollt, viel da gewesen und man nur auf einmal einen Wagen einsetzen können. Habe ich ein guter vier Stunden bei unserem Wagen gewartet, bis ich mit hinüher kommen. Herr Pollmüller liess bald ein Frühstück zu- richten, dass wir uns wieder erwärmt. Nach der Mahlzeit schickten uns die Herren mit den Wagen voran an „Thabor‘“, da wir die Mauth und Zoll von Ross und Mann entrichten, die Wagen über den Donaustrom, weil alle Brücken vom Eis zerstossen, in der Fähre überfahren lassen und ihrer zu Ross bald folgende erwarten sollten. Welches wir gethan, im Thabor den Zoll, vom Ross einen Schilling !) Unterm 14. Februar 1626 forderte Ferdinand Il. von der Stadt Breslau Bericht wegen der Rauf- und Balgerhändel ein; er will wissen, was sich bisher im Fürstentum und in der Stadt für Fälle zugetragen und wie darin verfahren worden. Den Delinquenten solle nicht das Geringste nachgesehen, sondern dem kaiserlichen Patente gemäss procediert werden. Das Fürstentagsmemorial vom Juni 1626 kündigt an, dass unter anderen auch Patente mit Erneuerung der Balger- ordnung erscheinen werden. A. p. VI, 154. 99 und von der Person zwei Kreuzer richtig gemacht und auf die Donau zu- gefahren sind. Da uns aber unterwegs Fuhr- und andere Leute reitende und fahrende begegnet und gesagt, wir sollten nur wieder umkehren, weil nicht möglich überzufahren, denn der Wind zu gross und das Eis zu stark fortginge, mussten [wir] erwarten, obs morgen zu geschehen ver- möchte. Nota. Weil Kitzing in Thabor Geld wechselt und den Zoll richtig macht, bat uns der Herr oder Patron darinnen in die Stube einzugehen, da er uns einen guten Wein geschenkt, in der Stube, Hause und sonst in dem Gebäude herumgeführt und alle Ehre gethan hat. Als wir wieder zurück aufs Losament zufahren, begegnen uns die Herren wie auch andere mehr, so ihnen das Geleit gaben zu Ross, berichten sie, man könnte heut nicht über- kommen; reiten aber fort, schauen sich im Thabor um, trinken einen guten neuen Wein, besehen hernach die Judenstadt, ihre Synagoga und was sie gebaut, hören auch ihrem Geblöke und Geschrei eine lange Weile zu. Unterdessen, weil es noch gar zeitlich, fuhr ich mit Herrn Karas’ Johann in einer Zille beim rothen Thurm über in die Stadt, sprach in unserem Losier des Wirths Tochter, wie auch unserem Koch in seinem Quartier zu, gesegnete sie, weil wir heut nicht Zeit gehabt. Illı verwun- derten sich, wo wir wieder herkämen, berichteten sie, man könnte bei der Donau nicht überfahren. Beim Koch, den ich vexirte, er sollte bald einkaufen, | die Herren kämen wieder herein, wollte es aber nicht glauben!) und gab uns einen guten rothen Wein und ein Vesperbissel. Die hübsche Jungfrau, so sich bei ihm aufhielt, sagte wider mich, ich wäre gar zu stolz gewesen, sie einmal zu besuchen, hätte mich doch die Frau des Kochs vielmals gebeten. Ego, es wäre mir leid, dass ichs nicht gethan, hätte es nur wegen Unmuss nicht thun können. War schade, weil sie gar applicabilis, dass man sie nicht eher gewusst gehabt. Inde discessimus, haben uns Glück zur Reise gewünscht, sind in einer grossen Plätten?) übergefahren, da auch gleich die Herren aus der Juden- stadt geritten kamen. Man hat zu Abend Essen zurichten lassen, ist aber langsam, weil nichts bestellt, fertig worden. Hat den Kutschern befohlen früh um 6 Uhr fertig zu sein und an die Donau zu rücken. Die beiden Hofmeister und Herrn Karas’ Johannes haben sich zum guten „thügen‘‘?) bezecht, Kitzing unten mit einem Mönch, so von Rom !) Der Verf. ist hier in der Eile aus der Konstruktion gefallen; man erwartet: fand ich keinen Glauben und er u. s. w. ?2) Nach Sander ein plattes Flußfahrzeug, namentlich auf der Donau. ») Zum tügen = tüchtig, gewaltig; Hoffmann von Fallersleben, Beiträge zu ein. schles. Wörterb. 27. Vgl. auch Berndts Versuch zu ein. schles. Idiotikon 143. fol. 61b. fol. 62. fol. 62b. fol. 63. fol. 63b. 6 dahin ankam, disputirt, wie auch mit denen allda | liegenden Polaken conversirt; bildet ihme [sich], sonst fürnemlich wenn er voll, alles mit dem Kopf zu durchdringen nicht wenig ein. Dito liess sich der Trompeter aufm Abend öfters hören, weil es ganz stille und übers Wasser in die Stadt ein eigentlich ‚‚vierfächtig‘‘ Echo gab; war mit aller Lust anzuhören. 27. Februar, Sonnabend. Hat man frühe wieder alles auftragen und fertig machen lassen, die Wagen aufn Thabor'') zugeführt; wir sind aber nur an die Judenstadt kommen, hat man uns berichtet, der Thabor wäre zu und heut noch nicht möglich überzufahren, da wir wieder umgekehrt und auf Herrn Pollmüllers Haus zugefahren, darauf der Thabor-Herr den Herrn Gesandten zuentboten, es wäre noch ziemlich gefährlich, wollte gerne die Herren Abgesandten sicher wissen, sollten noch eine kleine Geduld tragen, sobald es nur zu wagen, wollte er es den Herren andeuten lassen. Und ob zwar die Herren fast der Meinung zu versuchen, ob bei Kloster Naumburg [Neuburg] überzukommen, ist es aber dem Bericht nach so wenig als dort | möglich gewesen, drum wir nur in silentio et spe zwischen den Wassern stille liegen und der Zeit erwarten müssen. Her- nach bin ich mit andern, weil es der Juden Sabbath, in ihre Stadt spaziert, mich in ihren Schulen, Synagoge und deren Revier umgeschaut, da ich seltsames Geschrei und Geremonien gehöret und gesehen, wie sie die zehn Gebote gekauft, aus ihrem Heilisthum ausgehoben und so lächerliche Possen vorgenommen, die bein Christen nicht zu beschehen pflegen. Sonst haben sie diese ihre Stadt damals innerhalb zweier Jahre ziemlich erbaut, feine Häuser von Holz und Stein aufgerichtet und schon alles ziemlich in Gassen und Ordnung gebracht gehabt. Im Hereingehen sah ich mich in der Carmeliter kleinem, aber sehr lustig und schön wie ein Kreuz italico more gebauten Kirchlein um. Nach Mittag haben wir die Leute in den Plätten in die Stadt und wieder herüber führen sehen, Da denn gegen Abend beim Wasser dieses geschehen. Als Herrn Heinrich Antorffs Weinwagen übergeführt worden, ist wie sonst alle Mal die Zille [Flussfahrzeug] hart ans Ufer angezogen und der Wagen rück- wärts hinein gestossen worden. Sind zwar viele Leute, die da einsetzen helfen, gehen aber, | weil die Leute auch gesoffen, etwas unvorsichtig um, ist auch ein abschüssiger Hang gegen die Donau und zu allem Unglück ein Fuhrmann ganz voll zur rechten Hand, da wird der Wagen zu jählings ') Nach Zedler Schanze, Burg, vorteilhaft befestigte Höhe. Di A a En U U u U ser 97 gelenkt, umgeworfen, fällt in eine Zille, dem Fuhrmann aufn Hals, er- drückt und zerquetscht ihn, dass er angesichts todt bleibt; habe ich ihn herüberbringen und seinem Weibe todt nach Hause tragen sehen. 28. Februar, Sonntag. Sind wir wiederum aufn Thabor zu, allda durch über die erste Brücke der Donau, so unbeschadet gewesen, auf den Hauptdonaustrom zugefahren, an welcher Brücke etliche Joche hinweggestossen [waren]. Hat man die Wagen alle auf einmal in eine grosse Plätte, da man hinten und vorn aus- fahren können, eingesetzt, die Rosse herumgezogen und gehalten und in Gottes Namen vom Ufer abgestossen. In der Mitte der Donau, so stark und behende geflossen, hat uns der Strom als ein Pfeil hinuntergeführt, bis die Ruderleute mit grosser Gewalt wieder herauf arbeiten, uns an das andere Ufer bringen, abermals stromauf mit angezogenen Seilen an die Ausfahrt | bringen und aussetzen können. Der Trompeter hat die ganze Zeit über lustig geblasen, so, weil es glücklich abgelaufen, wohl zu hören gewesen. Nachmals sind wir über noch einen starken fliessenden Arm in einer dergleichen Plätte übergefahren, den Schiffsleuten 2 Reichsthaler verehrt und darauf zu Land auf Wolkersdorf, waren 3 Meilen, gereist; die Herren sind beisammen, Kitzing, Herr Joachim Reymann und ich allein auf unserm Wagen gesessen, einander seltsame lächerliche Discurs und Grillen erzählt und vorgebracht. Bei Tage sind wir noch zeitlich allda einkommen, da uns Herr Venedigers Kutscherwagen erst 1'/, Stunde hernachgefolget und berichtet, es wären ein Paar Fuhrrosse in die Donau gesprungen, aber wieder heraus- bracht worden. Zu Wolkersdorf wurde stattlich angerichtet und wir allerseits wohl tractirt, ging auch der allda vorhandene gute Wein weidlich zu Halse, dass hernach der Trompeter mit Herrn Karas’ Kutscher Händel anhebt, sich beissen und zanken, Grüttschreibers Bursche, so ohne das wann sie ge- soffen haderhaftig, dazu helfen, Schlägerei anheben, uns, die wir ein Theil | schon auf der Streu daliegen, aufjagen und ein solch „Puhrlement“ verursachen, Degen und Pistole auf einander zucken, die Herren oben so verunruhigen, dass Herr Antorff im Hemde mit blossem Degen herunter kommt, den Burschen das unverantwortliche Tumultuiren ernstlich ver- weist und bald einen und den andern zu tractiren [verspricht], dass er davon sagen sollte. Es wollen sich doch die Burschen, als er wieder hinauf, noch nicht stillen lassen, bis auch Herr Grüttschreiber in der Furie herunter läuft, „von allen Sackermenten schilt“, und bald herumzuhauen bedroht, dass sie es gewahr werden sollten. Darauf ja ein Mal Friede worden. fol. 64. fol. 6#b. fol. 65. fol. 65h. 98 1. März, Montag. Nach zu Wolkersdorf eingenommener Collation weg und nach Mistel- bach 3 Meilen zum Nachtlager gereist, allda Herr Karas oben beim Herrn Decan, wir aufm Rathhause quartirt. Ich sahe mich mit andern oben in der Kirche um, unter welcher in einem Gewölbe oder Keller viel Tausend Hirnschädel und Menschenknochen gar ordentlich aufeinander gelegt zu sehen waren. Der Herr Decanus liess auch unsere Herren zur Mahlzeit bitten, die sich aber entschuldigten. 9. März, Dienstag. Haben wir erst ein gutes Frühstück eingenommen, Wein gesuppt, ge- tunkt, getrunken, und an dem überaus köstlichen Wermuth und anderem guten Wein, da man einen Eimer nur um 3 Gulden oder 2 Reichsthaler hingelassen, dermassen und sonderlich ich fein zeitlich mich also bezecht, dass ich, indem ich im Schlage gesessen, geschlafen, selbigen etwa aufge- stossen, so ritterlich herab in Koth gefallen, dass es ein Ansehen, ich aber Gott zu danken gehabt, dass mir nicht der Wagen, wie es wohl hätte geschehen können, übern Hals gegangen. Nach obgemeldetem Frühstück von Mistelbach in sehr bösem Wege 3 Meilen bis nach Nikolsburg gefahren, allda Herr Karas im vorigen Orte, wir am Ringe dem goldnen Adler gleich über am Eck bei einem guten Manne, so von Paris aus Frankreich und ein Koch war, gelegen, gar wohl tractirt und bewirthet worden. Gegen Abend bin ich mit Herrn Karas Leuten aufs Schloss zu Nikols- burg gestiegen, mich hin und wieder umgeschaut, da man uns die Ehre sethan, eine Treppe hinab in einen Keller geführt, die grossen Fässer Wein, so der Cardinal da liegen hat, die zu 80, 100 und mehr Eimer halten, insonderheit das Hauptstück und | grösste Fass gewiesen, das nur allein sechs Hundert Eimer Wein gehalten, wird für einen Schatz vom Cardinal geachtet. Das Fass liegt auf einem sonderlich dazu erbauten Fuss, ist von starken dicken, eichenen Brettern um und um mit starkeu eisernen Reifen gefasst. Habe ich von unten bis oben auf bis zum Spund ein Trepplein gezählt von 21 Stufen hoch, auch wie die andern zum Ge- dächtniss 3 Gläslein Wein daraus getrunken. Dito sahe ich mich auch in der Kapelle St. Maria de Loretto um. 3. März, Mittwoch. Früh um 7 Uhr von Nikolsburg ganz ungessen in einem Futter und sehr bösem Wege 5 grosse Meilen bis auf Brünn gefahren, haben zur Convoi 6 Musketire und eine Kalesse, so sie geführet, mitgenommen, die uns aber gar wegen der Kalesse und schwachen Rosse nicht folgen können, > En, ER. a = 99 sondern an unsere Wagen sich anhängen müssen. Jedwedem Soldaten gab man zu Lohn 1 Reichsthaler und dem Kutscher 4 Reichsthaler. Zu Brünn späten Abend einkommen, bei unserem vorigen Wirth, Herr Karas aufm Platze oben in sein Quartier eingezogen. In der Stadt haben die armen Leute noch 4 Fähnlein Crabaten, Wallonen und solch loses Gesindel gehabt, in 400 Mann stark; müssen noch stark contribuiren, dass sie Häuser und alles stehen zu lassen und davon zu laufen gezwungen worden. 4. März, Donnerstag. Zu Brünn wiederum stille gelegen und ausgeruht, sich dabei um Convoi bekümmert; hat den Herren Gesandten des allda herumliegenden Colloredischen Volks Commissarius Herr Milotta ‚Zaschrizssl“ Freiherr‘) zu entbieten lassen, er reiste morgen nach Hause, und wann die Herren Gesandte mit ihm wollten, sollte ihnen nicht, wann sie Geld in Händen trügen und mitten durch die Mausköpfe reisten, das Geringste wider- fahren. So man gegen Ihro Gn. zu Dank erkennet und den Aufbruch aufn Morgen angeordnet hat. Mittags spazierten wir in der Stadt herum, sprachen Herrn Karas’ Leuten zu, liess sich der Trompeter, weil es allda schöne Echo gab, lustig hören. 5. März, Freitag. Nach einem Frühstück von Brünn weg, bei dem nächsten Vorwerk zur rechten Hand einen hohen Berg und schweren Zug hinauf mit obge- dachtem Herrn Commissario in lauter Bergen, Gehöl | ze, Thal und Gründen fortgereist, der Herr Doctor sass beim Herrn Grüttschreiber, wir Kitzing, Reymann und ich auch beisammen; geschieht fast auf halbem Wege im Thal, dass man durch ein Loch fahren muss, kommen auch die anderen Wagen wohl hindurch, mich heisst der Kutsch[er] absteigen und fährt mit den beiden Hoffmeisters hinein. Alsbald zerbricht der ‚„Wognagel“ [Deichselbolzen ?], haben die Vorderrosse den Zug und schmeissen den Wagen ins Wasser und Loch um, dass die beiden feinen Herren sich kaum ausm Wasser und Wagen herausscharren können; ist auch gleich mein Felleisen auf der Seite, so im Wasser liegt, aufgebunden, das mir ganz eingeweicht und viel Sachen zu nichte geworden. Will der Kutscher bald auf der andern Hand mit Stricken und den Rossen den Wagen aufziehen, schmeisst ihn aber wegen der grossen ‚„Schwerigkeit“‘ noch einmal ärger um, da wir Angst über Angst, weil wir alle schriftlichen Sachen, die Abfertigung ete. auf unsern Wagen gehabt, auch das Wasser in die Vorderlade eingelaufen ; ') Nach Schimon 127 Prakschiezky von Zastr2izl; ein Sigmund Z. aus Mähren erlangt 1560 den Adelstand. fol. 66. fol. 66h. fol. 67. fol. 67 b. fol. 68. 60 räumen wir alles über Hals und Kopf vom Wagen, bis man uns zu Hilfe kommt und den Wagen aufrichten hilft; war gleichwohl überall nichts zer- brochen, damit- wir uns nicht länger, weil auch da im Grunde kein Mittel zu bauen gewesen, aufhalten dürfen; nur war so lächer | lich, dass die beiden jungen Herren, so unversehens einander auf die Hälse fallen, einer da, der andere dort eine „Tappe‘“ um den Kopf, Gesicht und Hände be- kommen und ein wenig gebadet gehabt. Deinde wir weiter fort einen Berg auf, den andern ab bei Blansko, einem Städtlein und Schloss, bei einem ‚Steinfelsen durch ein tief Wasser gefahren, dabei der Freiherr, der voran hindurch, berichtete, man sollte sich wohl am Felsen anhalten, wäre sonst, wenn man eine halbe Elle davon abwiche, eine solche Tiefe, dass, wenn da ein Wagen einfiele, Ross und Mann ersaufen müssten und keine Rettung sein könnte. Sind Herr Karas, Grüttschreiber, Venediger, Prinz, Antorff abgestiegen, einen Fusssteig hinauf geklettert, der dann dermassen gefährlich abschüssig gegen dem Wasser und zu keiner Hand einiger Widerhalt gewesen, dass sie sehr langsam, sonderlich Grüttschreiber, Venediger, Prinz mit solchem Ach und Zittern, Seufzen und Beten darüber ‚gegrätschelt‘“ und hernach berichtet, sie hätten die Zeit ihres Lebens keinen gefährlichern Gang gethan, zumal weil es auch geregnet, glatter Boden und kein freier Tritt war. Herr Dr. Rosa, ich und wir andern fuhren durchs Wasser, da es ziemlich hoch in [den] Wagen, bei dem andern Reitwagen aber durch und durch lief. Hernach wir weiter aut des Freiherrn sein Schloss Boskowitz zuge- fahren, Herrn Karas und den vordersten Wagen, weil die andern sich mit dem ‚Herabgrätscheln“ versäumt, zwischen den Bergen im Finstern ver- loren, dass man in zweien Wegen nicht, welches der rechte [gewusst und] fortkommen können, haben es nun, weil weder von Schiessen noch Schreien jemand hören wollen, gewagt und gleich wohl getroffen, das Städtlein im Finstern und dicken Regen gefunden, allda für die Herren aufm Schloss, die Rosse aber unten Quartier angeordnet gewesen. Man hat aussm Städtl eine sehr starke grosse Höhe bis aufs Schloss zu fahren gehabt, dass man die Rosse, so ohne das sehr ermüdet, hätte zersprengen mögen. Im hintersten oder obersten Hofe standen im Finstern 50 Musketiere mit brennenden Lunten, durch die wir gezogen und Gott Lob einmal die Ebene erreicht. Die Herren losierte man beiderseits absonderlich, waren zwar die Zimmer gross, geraum, aber auch trefflich hoch, lauter steinerne Stufen, dass wir vom Wagen nichts abtragen, sondern dabei wachen lassen. Der, Freiherr hat die Herren Gesandten stattlich tractirt und allent- halben keinen Mangel erscheinen lassen, wie dann dessen Gemahlin, eine Pros | kowski, sich gar freundlich bezeigt, wohl discurrirt, dass ihr gerne zuzuhören war, Die Zimmer hat man oben zwar geheizt, die DZ I Zu 27 ET 61 aber, weil sie so gar in der Höhe liegen, der Wind durchblasen, dass einer darin zu schlafen nicht sehr geschwitzt. 6. März, Sonnabend. Hat der Freiherr gegen 10 Uhr die Herren herunter gebeten, ansehent- lich und stattlich bei einer Tafel, allda sich auch andere Gäste, 2 Frauen und ein Dobschütz, so Herrn ZastrZizls Schwester hat, befunden, tractirt und bewirthet, auch den Dienern alles genug aufgeben lassen. Mit Ihro Gn. des Herrn Wirths Narren (so seines vorigen Pfarrers Sohn gewesen, aber hernach zum Narren gemacht worden) ist über der Tafel seltsame Kurzweil getrieben und hernach von ihm zwei elende Geiger, da der eine nur ein Auge, eingeführt und vom Narren getanzt worden. Die Herren tranken ziemlich stark, bis es um 3 Uhr ein Ende ge- nommen, da sie zu Wagen gesessen und vom Schloss herunter gefahren. Im Städtlein hat uns der Freiherr seine Kirche [gezeigt], so von Stein sehr lustig und schön gebaut inwendig 6 steinerne Pfeiler hat, darauf | das Gewölbe ruht und jedwede Säule, wie der Freiherr sagte, 1000 Thaler kostet; war auch ein sehr schönes Altar darinnen. In des Pfarrers Hause zechten die Herren erst wiederum, bis es bald 5 Uhr geschlagen, sind wir hernach fortgezogen, da uns der Freiherr anf einem sehr schönen, schwarzbraunen türkischen Rosse NB. DerBaro war auf ungarisch [mit] einem grünen, schönen Pelz, rothen Stiefeln und rothsammtnem Mütz- lein bekleidet, von Person nicht gross, jedoch ein feiner und freundlicher höflicher Herr. mit anderen 8 Cavalieren einen guten Weg begleitet, die Rosse immer vor uns hergetummelt, der Narr auch auf einem Esel in seiner „Harzkappe‘‘ hernach gerennt, den der Esel mitten im Felde übern Kopf herunterge- worfen, dass er die Zinken in die Höhe gedreht. Darauf der Freiherr abgeschieden, allen die Hand geben, uns Glück zur Reise gewünscht, zwei Soldaten mitgeschickt, die uns bis auf Lettowitz führen sollten, und also allen grosse Gnade, Ehre und Gutes erwiesen, die auch die Herren Gesandten bei ihrer Relation gerühmt haben. : Post discessum baronis über die Berge fort, bald an einen stark an- gelaufenen Bach, darüber keine Brücke war, kommen, Rosse durch- reiten lassen, da.es überall tief; ist Herr Karas zum ersten durch, dem die andern gefolgt, unser Kutscher aber furchtsam gewesen, weil er vorigen Tages umwarf und jetzt in diesem Wasser ein gro | sser Schlag, dass Venedigers Wagen gar bald umgefallen; schrie unser Kutscher Peter, ich getraue mir nicht durchzufahren, ich werfe um. Es konnte aber anders nicht sein, stiegen ich und die andern zur linken Hand auf die ‚‚Sprengsel‘, fahren hinein und Gott Lob ohne Unglück hindurch. Inde weiter über böse, schlimme Berge und Thal, bis wir ziemlich lang im Abend an dem hohen Berg, da das Schloss zu Lettowitz liegt, fol. 68b. fol. 69. fol. 69b. fol. 70. 69 einen jählingen hohen Steinfelsen mit Hemmung der Räder herunter und im Märktlein Lettowitz unser Nachtlager mit geringer Commodität nehmen müssen. War die Tagereise nur eine Meile, konnten aufn Abend mit Mühe etwas von Eiern und Häring erlangen und die Herren [mussten] so- wohl als wir auf der Streu unter dem „Gezitsche‘‘ und Gepfeife der „Hemel‘‘ Hühnergeschrei und Krähen der Hähne vorlieb nehmen. Ueber der Mahlzeit hub Venediger an zu disputiren, mit dem der Herr Doctor sich lange überworfen. 7. März, Sonntag. Früh um 7 Uhr fertig machen und anspannen lassen, Herr Karas et reliqui in die katholische Kirche gangen, haben Ihro Gn. eine Messe ge- lesen, da wir so lange gewartet, bis sie fertig | und fortgefahren, da man wieder von Lettowitz aus viel Berge, Thal, tiefe Wasser angetroffen und 3 Meilen bis nach Mährisch Triebau gereist, zeitlich allda an- kommen, und weil nicht weiter zu gelangen, an diesem Orte pernoetirt, Ihro Gn. Herr Karas zwar in der Stadt, wir aber aussen vorm Thor losiert. Ich spazierte mit andern in die Stadt, hat einen schönen, viereckigen, geraumen Ring, die Häuser herum fast alle in einer Höhe und ohne Dachung; gefiel mir gar wohl darinnen. Diese Stadt hat auch dem verstorbenen Fürsten von Liechtenstein zu- gestanden. Dito Abends haben wir einen Boten, uns sequente die die Wege zu weisen, sowohl Gonvoi von Reitern bestellt. 8. März, Montag. Gegen 8 Uhr von Mährisch Triebau weg durch die Stadt neben [dem] Convoi |von| 8 Reitern und einem Corporal sammt dem Boten gefahren, über wieder viel Berge, tiefen Schnee; ganz ausser der Landstrasse wegen Unsicherheit andere Wege, die wir doch eigentlich nicht getroffen, sondern die 4 Meilen auf Gabel auf guter 5 Mei | len gezogen. Gegen 6 Uhr Abend daselbst einkommen. Losierte Herr Karas beim Rathsherrn, dem Schuster, wir daneben im nächsten Hause; konnten in sehr langer Weile und erst gar nach der Mahlzeit Bier bekommen, daran doch, obs gleich gar über die Grenze ge- holt, nichts Gutes war. Es liessen zwar unsere Herren den Rathsherrn unsern Nachbar neben Vermeldung eines guten Abends bitten, ihnen die Freundschaft zu erweisen, und aus ihrem Rathskeller einen guten Trunk Wein um dankbare Be- zahlung zu überlassen, es geschah aber nur ludibrio, weil die elenden Leute im ganzen Städtl kein Bier, zu geschweigen Wein gehabt. Gehört dieser Ort schon in Böhmen. 63 9, März, Dienstag. Der Convoi, so uns von Mährisch Triebau bis auf Gabel begleitet, ver- ehrt 20 Stück Reichsthaler, davon der Corporal 4, die andern jedweder 2 Reichsthaler bekommen, die Zehrung für Ross und Mann, als 7'/, Reichs- thaler, hat man absonderlich gezahlt. Deinde von der Gabel weg über Berg und tief | en Schnee bis nach Mittelwalde zwei Meilen, daselbst ausgespannt und gefrühstückt; unter- wegs und gleich eine Meile davon ist uns der Schlossnagel zerbrochen, da die andern Wagen davon gefahren, wir lange zu thun gehabt, bis wir den andern eingebracht. Nachm Frühstück von Mittelwalde in sehr widrigem schneeigen Wetter bis auf Habelschwerdt zum Nachtlager gereist. Eine Meile Wegs von der Stadt hatten 2 Mausköpfe einem armen Mann 14 Reichsthaler ge- raubt und geplündert. Zu Habelschwerdt losierte Herr Karas, wir ingleichen absonderlich am Ringe bei einer Wittfrau, mit der die Burschen aufn Abend wie auch ihrer Tochter Jungfer Susanne ziemlich galanisirt, bekam die Frau eine Wienerische Haube von mir, die Jungfer ein Paar Ellen Senkelband. 10. März, Mittwoch. Von Habelschwerdt 2 Meilen bis auf Glatz, da die Herren beim Herrn Decano, wir im Wirthshause gefrühstückt; nachm Essen um 2 Uhr von dannen bis nach Wartha 1‘, Meilen, im Städtl oberhalb der Brücke bei- sammen losiert und sehr wohl tractirt worden, haben gutes Bier | und Wein zu trinken gehabt und beides ziemlich versucht, dass wir auf der Streu desto besser geschlafen. 11. März, Donnerstag. Von Wartha auf Frankenstein, allda die Herren beim Herrn Doctor Henelio, wir unten im Wirthshause Mahlzeit gehalten. Vor Tische hat der Herr Doctor Ihro Gestrengen Herrn Sigmund Bock aufm Schloss allda zu- gesprochen, so gleich animo et corpore, wie er sagte, wegen des gottlosen Volks und der vorübergehenden Gewaltthaten krank gelegen '). Herr Doctor Henelius hat die Herren wiederum stattlich tractirt, denen auch etliche ausm Rath aufgewartet, sind lustig gewesen, stark getrunken und vom Herrn Wirth und der Frauen inständig um über Nacht dazu- bleiben gebeten worden; hatten auch die meisten Lust, nur Antorff, der !) Seit 3. Januar lag das Nassauische Regiment in Frankenstein; das Fürsten- tum musste wöchentlich 8960 Fl. zum Unterhalte desselben beitragen. A. p. VI, 307, fol. 70b. fol. 71. fol. 71b. fol. 72.) B... Fourir und Grüttschreiber eilten also fort. Derowegen wir allerseits wohl bezecht Abschied genommen und auf Heidersdorf 3 Meilen zum Nacht- lager gereist. Kamen langsam aufn Abend dahin. 12. März, Freitag. Von Heidersdorf auf Domslau, allda zum letztenmal gefrühstückt, dann vollends auf Breslau zugereist und um Vesperzeit zum Schweidnitzischen Thor glücklich und wohl eingefahren. Dem höchsten Gott sei für diese glückliche Aus- und Ein- fahrt ewiglich Lob und Dank gesagt, Amen! Dito gegen Abend hab ich Herrn Hans Mimmich am Ringe zugesprochen, sie mit kaiserlichem Rescripto moratorio erfreut, haben mich mit grossen Freuden empfangen und das gute Weib die Frau mir gar um den Hals gefallen; hernach ich auch meine Schwester und die Ihrigen besucht, sie allesammt frisch und gesund angetroffen. 13. und 14. März, Sonnabend und Sonntag. Habe ich die Beilagen zur Relation geschrieben, der Herr die Relation aufgesetzt, die ich Montags den 15. März ins Reine zu den Beilagen ver- fertigt. Dito Montags sind noch insgesammt alle drei... . Hier folgt die in der Einleitung erwähnte grosse Lücke vom 12. März bis [8. November, Montag). ..... . nistratorem episcopatus. Erbfürstenthümer haben dafür gehalten, caput non indigere adjunctis. Bervoraus, weil ohnedies zu den Spesen?) kaum Rath zu finden. Haben aber protestirt, im Fall ihr aus der Fürstenstimme jemand ad- jungirt werden sollte, dass aus der Erbfürstenstimme dergleichen auch be- schehen möchte. Denen die Städte beigefallen und auch ihre Nothdurft bedingt. Zur Spendirung sind Ihrer Fürstl. Gn. wöchentlich 1000 Fl. bewilligt worden. Solcher Schluss ist Ihro Gn. dem Ober-Amtsverwalter den 7. No- vember, war der 23. Sonntag nach Trinitatis, hora prima per Dr. Melchior Erben), bischöflichen, (so aber anstatt der 1000 Fl. proprio motu 1000 Thaler !) Die im Original nur bis Blatt 33 reichende Foliierung schließt hier ohne Unterbrechung an den 12. März an. 2) Über die Absendung nach Prag wurde schon im September 1627 berat- schlagt. A. p. VI, 222. >) M. E. von Ehrenburg; über ihn A. p. 16% und God. Dipl. XI, 66. 65 wöchentlich offerirt) Herrn Reinhard von Kyekpusch, Troppauisch-Jägern- dorfischen, Herrn Rothkirch, Münsterbergischen, Herrn Barthel Dobschütz, Breslauischen Gesandten zubracht. — Es haben aber Ihro Fürstl. Gn. zur Erklä | rung bis folgenden Montag um 9 Dilation genommen. fol. 72b. Und sich alsodann den 8. November dahin erklärt, ungeachtet Ihrer Fürstl. Gn. Leibes Unpässlichkeit solche Reise zu übernehmen, doch der- gestalt: 1. Wofern Ihr. F. Gn. auskömmliches wöchentliches Interteniment gemacht und auf 3 Wochen vorausgegeben, das andere durch richtige Wechsel übermacht werden würde, weil Ihre F. Gn. sonsten für Ihre Person (der gnädigsten Erforderung ungeachtet) dahin zu reisen nicht gemeinet wäre. 2. Dass Ihr ein Adjunctus, benanntlich Herr Decanus Nicolaus Troilo') “zugeordnet und derselbe absonderlich unterhalten würde, wie Ihr dann Ihre Fürstl. Gn. noch ferner eine andere gewisse Person zu adjungiren vorbehalten thäte. Ihre F. Gnaden haben auch c. 6. vespertinam Herrn Dr. Rosa durch einen Kanzellisten soviel andeuten lassen, dass sie die Reise anderer Ge- stalt nicht übernehmen würden, als wann Herr Decanus | adjungirt fol. 73. würde). 9. November, Dienstag. Hat kein anderes Mittel ein Stück Geld aufzubringen gefunden werden können, als die Stadt Breslau sollte etwas vorschiessen und künftig ab- rechnen. Dazu man sich aber nicht verstehen mögen. Es hat auch Ihre Fürstl. Gn. das Ober-Amt an den Herrn Hauptmann Adam Sebisch geschickt und erinnern lassen, die Erbfürstenstimme dahin zu disponiren, dass Herr Dr. Rosa als altera persona Ihrer F. Gn. adjungirt würde. Dazu er sich aber doch aus allerhand wichtigen Motiven schwerlich würde haben bewegen lassen. Eodem hoc die ist mane 7. Camera Senatoria gehalten und geschlossen worden, es sollte nomine senatus jemand abgesendet werden. Und sind hierzu Herr Barthel Dobschütz auf Dürjentsch und Herr Dr. Reinhard Rosa auf Ro | senig, mein damaliger Herr, benannt worden. fol. 73b. Dazu der höchste Gott seinen Gnadensegen geben und ertheilen wolle per Christum. | !) Besitzer von Oltaschin (A. p. I, 29 im Gegensatz zu Soffner, Olt. 70), auf den Fürstentagen mehrfach Vertreter des Erzherzogs Karl A. p. I 178, 307. Seine Grabschrift im Breslauer Dom bei Sin. II, 1066. 2) Allerts Mitteilungen über den 8. November ergänzen den 6. Band der Fürsten- tagsakten ganz wesentlich. 5 fol. 74. fol. 7&b. 66 10. November, Mittwoch. Ist Herzog Karl Friedrich von der Oels'!) ad consessum kommen hora 9. und ist über Ihrer F. Gn. des Ober-Amts schriftlicher Erklärung und Posta- latis Rath gehalten. 1. Ihre F. Gn. das Ober-Amt erklären sich mit der vorgewesenen Ab- sendung nunmehr nichts zu thun zu haben. 2. Wolle aber nomine proprio der Erforderung zufolge den Krönungen beiwohnen, begehrt von Ihrem dem Lande hiebevorn beschehenen Darlehn 20 000 Thaler entweder aus der General-Steuer-Kasse jetzo bald oder in Wechsel auf Prag zu übermachen. 3. Auf die kais. Proposition den Fürstentagsschluss. Sind darauf Ihro F. Gn. der Ober-Amts-Verwalter als kaiserl. Com- missarius per deputatos ad consessum erbeten und begleitet worden. Ist der Fürstentagsschluss Ihro F. Gn. zugestellt. Nachmals haben Ihro F. Gn. Herzog Karl Friedrich partes vicarias der Ober-Amts-Verwaltung aufgetragen. Inde valediciret und allen Anwesenden die Hand geboten. Cum discessisset, ist super postulato der 20 000 Thaler Rath gehalten und doch kein Mittel hierzu gefunden worden. Post prandium hora secunda hat der Herr Rosa Herrn Sigmund Bock, Kammerrath und Hauptmann des Münsterbergischen Fürstenthums, zu- gesprochen, welcher gleich von dannen nach Hause reisen wollen; ist mit ihm dahin verblieben, dass wir auf bevorstehenden Dienstag geliebt es Gott zu Glatz wollen zusammenstossen. Circa sextam sind dem Herrn aus E. Raths Kammer zu vorstehender Reise geschickt worden: An Seeländischen Guldenthalern .. 50 Thal. An Silbergroschen .......... BD Hilh,, 250 Thal. Dito zu Abend hat die Frau Anna Giraltowski |Ger.], geb. Kochtitzki, Wittib, Herrn Dr. Rosa zu ihr bitten lassen, zu der er nach 6 Uhr vom Rathhause auf die Ohlauische Gasse zum blauen Hirsch gangen und mit Ihr. Gn. Unterredung gehalten. Hat auch noch diesen Abend der Frau eine Supplication ans Ober-Amt aufgesetzt, die ich abgeschrieben, Ihro Gnaden folgenden Morgen zugebracht, da sie mir 3 Guldenthaler ver- ehrt. War eine schöne, freundliche und gar demüthige Frau, bedankte sich gegen den Herrn und mir der Bemühung halber fleissig, unterschrieb die Supplication mit ihrer Hand, die sie Ihr. F. Gn. dem Ober-Amt Herzog ') 1593-1647, jüngerer Bruder des Herzogs Heinrich Wenzel von Münster- berg, des späteren Oberlandeshauptmanns (1592—1639). 67 Georg Rudolph selbst übergeben und mich gegen Abend bitten lassen, bei der Ober-Amts-Kanzlei aufzuwarten und zu sollieitiren; hab ichs gethan, auch zweene Befehle ganz nach ihrem Begehren und Wunsch erlangt; da- von ich der Frau Copien gemacht, weil die Kanzlisten nicht Zeit gehabt und bei Ihr. F. Gn. die Gräfin von Hohenzollern‘) mit dem Herrn von | fol. 75. Dohna?) und Herrn Kyckpusch zu Gaste war. Ihro Gn. die Frau Giraltowski verehrte mir nochmals wegen der Ver- richtung etliche Stück Guldenthaler, die mir zur Ausstaffirung und andern Ausgaben sammt denen dito von Herrn Kreischelwitz gezahlten 3'/, Rthl. gar wohl gelegen kommen. Dito ist auch ein hiesiger Landkutscher und ein Koch gedinget und es geliebts Gott den 14. November Sonntags zum Aufbruch fertig zu sein geschlossen und angestellet worden. dy November, Donnerstag. Bin ich bei der Frau Giraltowski etliche Male gewesen, hat so humane und freundlich, als manch gering Kretschmerweib nicht thut, mit mir ge- redet und weil ich gleich von schönen Futterhemden dem Herrn Rosa eines auf die Reise zu kaufen geholt, hat Ihro Gn. die Frau solche von mir genommen, besehen und dem Herrn Rosa zehn Stück Reichsthaler ge- schickt, ihm ihretwegen ein Futterhemde auf die Reise zu kaufen, wünschet dazu alles glückliche Wohlergehen und gesunde Wiederkunft. Um 8 Uhr haben die Herren in der Schöppenstube bis um 11 Uhr Kammer gehalten, ich und Durstner unterdess mit dem Schuster und Jungen auf der Mäntlergasse vorm Stadtvogt gewesen, die uns angethanen Injurien geklagt, so nach beiderseits Verhör verglichen und dem Schuster den Jungen mit einer „Karwatsch zu übergehen‘ befohlen worden. Nach Mittag hab ich dem Herrn Handschuh, eine Halsbinde von türkischer Arbeit beim „Attelmayerischen‘ die Elle um 24 Groschen kauft, unterdessen hat mit Herrn Dobschütz der Herr Doctor wegen der Michel Wagnerischen Erbschaft Vorbescheid zu verrichten gehabt. Gegen 5 Uhr ist Herr Kyckpusch zum Herrn kommen, ihm angedeutet, dass er sich Sonnabends voran nach Prag aufmachen und uns die Losier bestellen wollte, Zu Abend sagte der Herr, es erstreckte sich Ihr. F. Gn. des kaiser|l. Ober-Amts Fourir-Zettel nach Prag auf 101 Ross und in ein 150 Per- sonen.°) !) Wahrscheinlich Helene, geb. Freiin von Berka, Witwe des 1622 verstorbenen Grafen Johann Georg von Hohenzollern. 2) Der bekannte Burggraf Karl Hannibal, Landvogt der Oberlausitz und kaiser- licher Kammerpräsident in Schlesien, 1588—1633. ®) Herzog Georg Rudolf zog am 15. November mit 100 Pferden durch die Stadt Löwenberg. Sutorius I, 242. Bit fol. 75b. fol. 76. fol. 76b. 68 Dito der Herr Herrn Balzer Hoffmann geschrieben, sich zu bemühen, dass wir nicht weit möchten von Ihr. F. Gn. dem Ober-Amt | und wo- möglich auf der Kleinseiten quartieren können. 12. November, Freitag. Ist dito früh ein tiefer Schnee gefallen, der Herr Doctor früh auf- gestanden und den Bericht an Ihre Maj. in Rittmeister Mülbens Sache') an- gesetzt. Hat sich hernach Peter, Kutscher, erkundigt, wie weit er morgen mit einem Zug Rosse voranreiten solle, wurde ihm angedeutet, bis nach Heiders- dorf, da wir neulich auf der Wiener Reise gewesen. Ueber der Mittag-Mahlzeit ist der Dohnaische Herr Secretarius zum Herrn kommen und wegen Ihr. Gn. was angedeutet, darauf mich bald der Herr zum Hauptmann geschickt und dass was Wichtiges wegen des Herrn Kammer-Präsidenten von Dohna vorfiele, andeuten und alsbald die zur Kammer gehörigen Herren auf Schlag 1 Uhr aufs Rathhaus fordern zu lassen der unumgänglichen Nothdurft erachtet, so also bald angeordnet worden. Um 1 Uhr sind die Herren zur Kammer aufm Rathhause zusammen- kommen, unterdess ich eines und das andere zu bestellen gehabt, vom Schlosser hernach durch die Mäntlergasse gangen, abgetreten und mit Jungfer M. K. im Hause 1%, Stunden schwatzen gestanden, endlich mit Verlass mich morgen bei Frauen Patientia zu letzen und gesegnen von dannen geschieden. Nach vollendetem Kammerrath hat Herr Dobschütz den Kutschern morgen voran zu reiten anbefehlen lassen, denen der Herr Rosa jedwedem zu Hilfe der Stiefeln 1 Thaler, thut 2 Thaler, verehrt. Dito zu Abend hat der alte Kitzing, filius und Junker Nickel mit dem Herrn gessen, referirte der Herr über der Mahlzeit, dass heut von E. Raths Kammergüter einem Klage und Beschwer einkommen wäre, wasmassen Soldaten eingefallen und die Leute also jämmerlich um wo sie Geld hätten zu bekennen geplagt und geängstigt, insonderheit die Bauern mit brennenden Lichtern hinter die Ohren gebrennt, also dass unter andern einer aus !) Martin v. d. M. stand, wie er in zwei Schreiben dd. Quartier Deutsch-Neu- kirch 16. April 1623 an F. und St. sowie an Erzherzog Karl berichtet, in dem un- begründeten Verdachte, daß er bei der letzten Bezahlung im Steueramte in Gegen- wart des Gommissars Reppisch unverantwortliche Reden wider F. und St. ausgestossen habe; er behauptete, von einem unbesonnenen Calumnianten ohne jeden Grund angegossen worden zu sein. Noch vier Jahre später, 26. August 1627, schrieb Ferdinand Il. an den Breslauer Rat „in Sachen des eine ziemlich geraume Zeit gefangen sitzenden Rittmeisters M. v. d. M.“ Näheres über ihn im 6. Bande der A. publ. 69 Schmerzen und Wehethun bekennet und nicht geleugnet, dass er in der Feuermauer oben in einem Ritz 233 Du | caten verklebt hätte, derowegen er die Feuermauer bald einzuwerfen und zu [zer|schlagen, die Ducaten zu suchen und den Soldaten zu geben gezwungen worden wäre; anderer vor- hin und hernachmals an diesem und anderen Orten ja im ganzen Lande Schlesien Zeit der Quartierung verübten und unerhörten Exactionen oder Auspressungen zu geschweigen. ') Item, dass die Vornehmsten ausm Lande nach Hofe, das Ober-Amt, der Herzog von Brieg schon fort, der von der Bernstadt, Herr Maltzan, Herr Schaffgotsch, die Kammerräthe, Herr von Dohna und andere mehr, würden ohne Zweifel allda zu Prag zusammentreten und Ihrer Majestät des Landes ausgestandene Drangseligkeit unterthänigst vortragen. Nach 10 Uhr habe ich beiden Kitzingen heimgeleuchtet, mit denen ich einen Branntwein getrunken, um 11 Uhr nach Hause kommen und dann noch bis in die Nacht um 1 Uhr geschrieben und bisherigen Verlauf, un- geachtet wie schwer michs beim Rausch ankommen, fleissig verzeichnet, in Erwägung: Den faulen Leuten (man billig spricht) Gebührt die Ehr der Fleissigen nicht. 13. November, Sonnabend. Ist der Herr nach 7 Uhr aufs Rathhaus gangen, ich hernach in der Kanzlei ein Schreiben an Ihre Churfürstl. Durchl. zu Sachsen des Inhalts ausgefertigt: Demnach die Röm. Kaiserl. auch zu Ungarn und Böhmen Königl. Majestät die vornehmsten Fürsten und Stände und unter andern auch Reipubl. Vratislaviensis senatum bei den angestellten Krönungen aufzuwarten erfordert, daher Herr Barthel Dobschütz auf Dürrjentsch neben seiner Wenig- keit morgenden Tages gleichfalls dahin nach Prag verreisen würde, als stellte zu Ihrer Churfürst. Durchl. gnädigstem Gefallen er anheim, ob bei dem hochlöblichen kaiserl. Appellations-Dicasterio zu Prag der noch uner- ledigten Holsteinischen Schmucks-Akten halber Sie ihm etwas zu sollicitiren auftragen wollten, dass er ihm solches höchsten Fleisses angelegen sein lassen wollte. Nach Verfertigung dieses Schreibens ist es mit der Leipziger Post, so dito wegen der Winterordnung Sonnabends um 9 Uhr abzulaufen angefangen, auf Leipzig und förder nach Mühlhausen befördert worden. Hora 9. habe ich mit einer halben ‚Topp‘“-Flaschen Meth auf der N. Gasse [mich] eingestellt und mit Joanne Durstnero Grimmensi Misnico bei der Frau Patentia und Virgini M.K. ante discessum Pragensem gesegnet, doch noch morgen vorm Aufbruch allda einen Kranz abzuholen mich anerboten. ») Über die Unthaten des Fahrensbeckschen Volkes steht Ausführlicheres noch A. publ. VI, 235. fol. 77. fol. 77b. fol. 78. fol. 78b. fol. 79. 70 Dito Vormittags bin ich auch bei Herrn Nickel Vogten aegrotanti vorm Bett gewesen, ihn wegen des Herrn besucht, gesegnet und dass er seiner Sachen zu Hofe dem Vicekanzler und andern bestens zu recommandiren angelegen halten wollte, vermeldet. Ille hat sich freundlich bedankt, darum gebeten, mir auch den Herrn Rosa zu Prag zu erinnern 12 neue Silber- sulden zu vertrinken verehrt. Nota, 4 Ellen seidenen Schleiers mit weissen seidenen Streifen eingewirkt eingedenk zu sein. Factum Pragae, war aber sehr schön, wie ich begehrte, für diesmal nicht zu bekommen. Nach Tische habe ich ohne Aufhören bald da, bald dorthin, insonderheit zu Herrn Barthel Dobschütz | zu gehen gehabt, nachzufragen, warum er heut nicht aufs Rathhaus kommen, er der Herr hätte heut die Creditiv und andere Nothwendigkeiten aufgesetzt, solche Herrn Seiler zeitig aus- fertigen zu lassen anbefohlen. Item, er hätte Wechselbriefe aus der Kammer bekommen und so in allem die Nothdurft befördert, daher er sich auch mit ihm Herrn Dobschütz endlich des Aufbruchs halber vernehmen wollen. Sagte mir Herr Dobschütz, er hätte den ganzen Morgen sich in einem und dem andern gefasst gemacht, wäre noch kaum fertig, wollte aber stracks zum Herrn Hauptmann gehen, sich mit ihm gesegnen und dann selber zum Herrn kommen; darauf er bald nach Dürrjentsch hinaus, seine Wirth- schaft bestellen und morgen geliebt es Gott zum Stein zeitlich im Quartier sein wollte, dahero er, Herr Rosa, sich nach seiner Gelegenheit aufmachen möchte. Hora secunda ist der Herr zum Herrn Hauptmann gangen, da Herr Dobschütz gleich hinkommen, bald darauf fort, seine Frau Wittib unzweiflich (weil er dort hinauf zugeländet [zugegangen|) gesegnet und | zu Ross nach Dürrjentsch geritten, inmittelst seinem Tischwascher Christoph Wiesen- berger alles zu bestellen ernstlich befohlen. Hora tertia ist Herr Dr. Mundrich mit seiner Frauen Schwester Sohne Friedrich Frobel, so uns einen Reisegefährten geben, hinkommen, hab ich gleich 100 Thaler Silbergulden in 4 gleiche Theile abzuzählen gehabt. Deinde hat mich der Herr zu unserm Beichtvater Herrn Nicolao Polio zu St. Maria-Magdalena, massen ich auch Mittags bei Herrn Dr. Zacharia Hermanno gewesen'), geschickt, innen beiderseits sich zu dero Gebot re- !) Nicolaus Pol (1564—1632) ist der Verfasser der bekannten Jahrbücher. Veit Rötel von Reichenau erzählt in seinem handschriftlichen Tagebuche (Arch. d. St. Breslau) zum 11. November 1635: Vorige Woche hat der Oberlandeshauptmann Herzog Heinrich Wenzel von Bernstadt ein Bankett angestellt und dazu die Geist- lichen aus den Pfarrkirchen St. Elisabeth und Maria-Magdalena eingeladen. Welche un 71 commandiren, gesegnen und sie Gottes Schutz empfehlen lassen. Habe mit beiden selbst geredet, die sich des Ersuchens bedankt, cum voto glücklicher Aus- und Einfahrt, guter Verrichtung und gesunder Wieder- kunft, liessen ohne dies den Herrn Rosa und die lieben Seinigen und jetzo in aufgetragener Commission ja vielmehr in ihr eifriges Gebet ein- geschlossen sein. Wie ich nach Hause kommen, hat der Reiter schon in die Truhen und Laden eingelegt, der Herr auch gleichfalls alles herzugesucht, damit er morgen nicht also, wie vorhin allemal bei dergleichen Reisen pflegen zu geschehen, aufn Stecken importuniret werden möchte. Ego ingleichen diesen Abend mir alles herzugesucht, das Haupt waschen lassen, hernach bis um 11 in die Nacht geschrieben, protocollirt, dann mein Felleisen eingepackt und so in Gottes Namen uns in allem bereitet. Vor der Abendmahlzeit hat Herr Isaac Klocker dem Herrn zugesprochen, sich mit ihm gesegnet, hernach eine „Skatel‘“‘ [wohl — Schachtel] ein- gemachter Sachen beiden Herren präsentirt. Adfuit et Herr Jakob Albrecht, recommandirte neben einem Präsent dem Herrn ihre Kretschmersachen, bat mich solcher helfen eingedenk zu sein, sollte mir auch eine Verehrung widerfahren. Letzlich hat Nickel Reichel vom Bruch und der Reiter Zacharias mit dem Herrn zu Abend gessen. Et tantum die Sabbathi! Aufbruch Anno MDCXXVII. den 14. November, war der 24. Sonntag nach Trinitatis und das Evangelium von des Obersten Tochter, Math. 9. - Sind wir alle zeitlich aufgestanden, ich das noch Uebrige bestellt, der Herr sich um 7 Uhr in die Hochmesspredigt zu gehen angelegt und über den Schuster, dass er die Stiefeln nicht gebracht gehabt, zornig worden, dem aber noch vor 8 ohne Versäumniss der Predigt abgeholfen. über der Tafel einen Zank erregt und nicht wenig Spott eingeleget, indem Herr Dr. Hermann von des Fürsten Marschall ein Glas überkommen, in Gesundheit Ihrer F. Gn. solches auf die Reihe herum zu trinken; er aber hat das Glas ausgetrunken und niedergesetzt, sagende: Wer Ihr. F. Gn. liebte, würde es auch austrinken. Welches Herr Magister Pollio, Pfarrer zu Maria-Magd. [ein Sohn des Vorher- genannten], so neben ihm Dr. Hermann gesessen, übel empfunden, daß er, als welcher ihm am nächsten gesessen, ihn übergangen, fängt an unnütze Worte aus- zuschütten und ihn den Hermann für einen Judas und Heuchler zu schelten, als welcher itzo des Fürsten Gesundheit trinken wollte, auf den er doch zuvor öffent- lich gepredigt. Strafen also einander Lügen und schütten fast ehrenrührige Worte heraus, also dass sich der Fürst ins Mittel schlagen und sie zu versöhnen be- müht sein müssen. Daraus zu sehen, was unsere Theologi aus dem Schatze ihres Herzens für gute Früchte herfürbringen, und seind wohl alle docti, aber nicht alle sancti! fol. 79b. fol. 80, fol. SOb. fol. 81. 12 Unter der Hochmesspredigt hat mir bei Aufladung unseres Wagens Franz Raussendorf und Johann Durstner zugesprochen, mit denen ich zu Herrn Hans Mimmich am Ringe gangen, frische Butter und Semmeln gessen, mich darauf gesegnet und mit dem Schlag 9 Uhr in der Kirche St. Elisabeth eingestellt. Als wir nach Hause kommen, hat Herr Abraham Seiler Credential- Schreiben und andere nothwendige Sachen hingebracht. Der Herr [hat] auch den alten Kitzing zur Mahlzeit | bitten lassen, so auch cum filio kommen, unterdessen bin ich weggangen, bei Herrn David Müller, Dr. Mundrich abgetreten, Herrn Frobel angedeutet, dass er sich danach achten, und um 11 Uhr bei uns sein wollte. Inde ad sororem, Herrn David Görlitz gesegnet und ein Kännlein Schöps auf glückliche Reise ausgetrunken. Von dannen stracks fort auf die Mäntlergasse, beim Herrn Balzer Kiesewetter abgetreten, hat mir dessen Tochter Jungfrau Magdalena, mit der ich kurz vorher in Ehrengebühr bekannt worden, ein schön Ehren- kränzlein mit Perlensträusslein auf die Reise verehrt, das ich zu höchstem Dank angenommen, sie und die Frau Dr. Schütz!) darauf gesegnet, eilfertig von dannen geschieden, nur beim Andrea Johnisch aufm Graben Abschied genommen, der sich sehr bedankt und seinen Sohn zu Prag zu besuchen gebeten hat. Letzlich hab ich aufm Ringe beim Herrn Jacobo Jeschke Befehlshaber seiner Frau zugesprochen, die mich um ihr °/, lange silberne breite Borten mitzubringen fleissig | gebeten, welches ich ihr, dafern es vorhanden, zu kaufen zugesagt. Als ich nach Hause kommen, ist Herr Dr. Pein, Jakob Albrecht da gewesen, um 11 Uhr Herr Eichheuser, Herr Hans Vogt, Dr. Mundrich und sein Schwager Herr Frobel zu Ross hinkommen, sich gesegnet. Gegen 12 Uhr ist angespannt worden, unten in der Stube haben die Herren ge- trunken, die anwesenden Burschen auch aufm Saal sonderlich Johann Durstner weidlich gesoffen und mit einander uns gleichfalls geletzet, dass ich einen guten Rausch gehabt. Herr Wilhelm Ballyde hat mir angeboten, wann ich Geld zu . Prag haben wollte, könnte ich von Hans Schmeissen wieviel ich begehrte wohl haben. Hora dimidia prima sind wir in Gottes Namen aus dem Hause und fortgerückt durch die Junkerngasse zum Schweidnitzschen Thor hinaus, hat !) Am 25. Januar 1627 starb zu Breslau „der ehrsame und hochgelahrte Herr Casparus Schütz, phil. et med. Dr.“ Aus den Totenbüchern der Stadt Breslau im Kön.St. In ihnen finden sich noch über manche der hier genannten Persönlich- keiten Nachrichten, auf die ich, da Vollständigkeit von mir durchaus nicht be- absichtigt werden konnte, verzichten musste. 73 der Herr den Soldaten 1 Reichsthaler, den Thorstehern gleichfalls 1 Reichs- thaler zu vertrinken spendiırt. Inde bei unserm Garten die Gassen hinaus in sehr bösem, tiefen Wege fol. S1b. gefahren 4 Meilen bis nach Stein, so Hans Dobeneckern in Breslau gehört, allda im Finstern um 7 Uhr einkommen. NB. Einer halben Stunde Fahrens weit von Breslau hat mir die Nase sehr anheben zu schweissen und bluten, war vielleicht das Erhitzen und jählinge Trinken Ursache. Zum Stein haben wir Herrn Dobschütz, weil derselbe von Dürrjentsch aus voran geritten, bereits angetroffen. Von Breslau aus kommen auf Klettendorf, Bettlern, Domslau, Koberwitz, Jäschwitz, Stein 4 Meilen. Consignatio der Personen und Reisegefährten: 1. Herr Barthel Dobschütz, 2. Herr Dr. Reinhard Rosa, E. Raths Abgesandte. 3. Christoph Wiesenberger, Herrn Dobschütz’, #4. Ich, Zacharias Allert, Herrn Dr. Rosas Diener. 5. Herrn Hans Vogt’s Sohn Sebastian Vogt. | 6. Herrn Dr. Rosas Sohn Friedrich Rosa. 7. Christianus N., 8. Zacharias Köber, E. Raths Reiter, den Herren mitgegeben. 9. Der grossnäsichte Kutscher Peter. 10. Ein Wagenfelger. Dann hatten wir einen Landkutscher mit einem Wagen und 4 Rossen sammt einem Knecht und dem Koch Paul Wagner, waren so in allem 13 Personen, 10 Rosse stark. Von Breslau aus ist mit uns gereist Herrn Herbsts Bruder sammt 2 Edelleuten, die von Prag in Italien zu reisen Willens. Zum Stein losierten wir im Kretscham, hatten die Herren ein besonder Stübl, sonst „losen“ Schöps, so trefflich mit Hefen und Wasser vermischt zu trinken. Oben hat hernach in einer Kammer der Herr Dr., ich daneben in einem Bett, Herr Dobschütz unten im Stübl geschlafen. 15. November, Montags. Sind wir früh um 4 Uhr aufgestanden, fertig machen und als es be- ginnen zu tagen | ungefähr halb 6 Uhr anspannen lassen, gefahren und kommen auf Jordansmühle, Rudelsdorf, dann, wie der Tag angebrochen, es gar lichte worden, ist die Sonne so schön aufgangen, hernach der ganze Tag so schön warm, heimlich :und lustig gewesen, dass wir des bösen Weges nichts geachtet. Fuhren beim schlesischen Compass, dem Zobtenberge, zur rechten Hand nahe weg immer fort bis auf Heidersdorf, waren bis dahin 2 Meilen. Als wir ankamen, liessen wir die vorangeschickten Rosse bald einspannen und die andern wieder zurückgehen. Herr Frobel liess sich, weil ich Lust zu reiten hatte, disponiren und sass an meiner Stelle zu den Herrn aufm Wagen, fol. 82. fol. 82h. fol. 83. fol. 83b. fol. 84. 74 Von Heidersdorf kamen wir auf Nimptsch, ein klein hölzern Städtlein, da es aber ein hübsch in der Höhe liegendes steinernes Schloss hat, war 1 Meile; da wir ausgespannt und gefrühstückt. Nachm Frühstück von dannen noch 2 Meilen bis auf Frankenstein, alles in sehr bösen, aber zwischen Berg und Hügeln lustigen Wegen. Vor Frankenstein ritt ich voran hinein, das mir | zu Breslau von Herrn Dr. Henelio an seine Frau mitgegebene Briefl zu übergeben. Komme ich in ihr Haus, empfängt mich der Präceptor, und weil die Frau nur draussen auf dem Vorwerke wäre, würde sie bald hereinkommen, nach der er auch stracks geschickt, mich unterdessen in die Stube einzugehen gebeten hat. Feci, das Ross im Hofe angebunden, in der Stuben mit ihm conversirt, aufm Glavicordio') gespielt, bis die Frau kommen; hat sie mich freundlich empfangen, der Einsprechung und zugebrachten Grusses bestens bedankt, mir einen guten frischen Trunk Bier, darum ich, weil ich mich vom Reiten erhitzt gehabt, gebeten, sammt einem Kännlein guten ungarischen Weines offerirt und gebracht, dabei mich inständig gebeten, ihr die Freund- schaft zu erweisen und über Nacht bei ihr zu bleiben. Wollte das Ross schon versorgen und mir ein reines Bettl machen lassen, nur dass sie sich, wie es zu Breslau und sonsten zuginge und warum ihr Herr so lange drunten wäre, mit mir unterreden könnte. Dixi, ich wollte es von Herzen gern thun, es reisten | aber gleich meine Herren E. Raths zu Breslau Abgesandte jetzo durch vollends bis auf die Warthe und förder an den kaiserlichen Hof nach Prag, daher es für diesmal nicht sein könnte, denn ich Schlüssel zu einem und anderm bei mir, was man stündlich bedürfend wäre. Bedankte mich der Cortesia des Trunkes und gesegnete sie. Illa, bäte nochmals zum freundlichsten bei ihr zu bleiben, könnte gleichwohl morgen zeitlich bei den Herren sein. Weil es aber nicht sein können, empfiehle sie ich in des Allmächtigen Schutz, wünschend dass bei glücklicher Zurückkunft ich sie gesund finden möchte. Ritt in vollem Sporenstreich zum Thore zu, fragte, ob Wagen jetzo durchgefahren wären. Nein, ausser heut zu Mittag. War ich nun der Gedanken, samb wären die Herren bei der Stadt weg schon voran, da sie doch zu Frankenstein und gar über Nacht geblieben, führt mich, halt der Geier in vollem Courier fort in Meinung sie unterwegs anzutreffen; reite aber zu weit die linke Hand, die Quier und Quer, weiss weder Weg noch Steg, frage aber allerwege die Leute, so mir be | gegnen, ob und wo ich recht auf die Wartha zuritte, die mir dann, dass ich zu weit die linke Hand abgeschlagen und mich besser gegen der rechten halten sollte, Bericht gegeben. Indem es aber tief in Abend gangen und stockfinster worden, hab ich das arme Pferd angestochen und durch alle Pfützen und !) Ein Clavier oder ein diesem ähnliches Toninstrument, „in dem die Saiten durch Rabenkiele an den Tasten zum Klingen beim Anschlagen gebracht werden“. 75 Luschen, was es laufen können, gerennet, niemanden von unseren Leuten gesehen noch gehört. Bin ich in Gottes Namen zwischen den Bergen, (da mir gar leicht ein Paar Mausköpf hätten begegnen, das Pferd mir nehmen, davon reiten, auch wohl gar dazu die Haut vollschlagen können) ganz allein fortmarschirt. Da ich denn Gott Lob endlich ohne Unglück bei dem Berge und dem Wasser hinauf bei der Kirche zur linken Seite in das vorige unser auf der andern Wiener Reise Losier eingekehrt, das arme abgejagte Ross in Stall ziehen, den Hausknecht beschicken lassen und gefragt, ob nicht Herren von Breslau bei ihnen ankommen wären. Ile, nein, sie hätten niemanden gesehen; befand ich in der Stuben Mahlzeit haltend ei | nen Borschnitz von Prauss') und den dieken Seydlitz, so auch fol. 84b. nach Hofe reisten; referirte ihnen, wie ich von den Herren kommen, wollte nun, sie möchten heut kommen oder nicht, ihrer morgen, weil sie da durch müssten, erwarten. | Liess mir die Frau Wirthin Essen geben, die mir eine köstliche, gute gebratene Gans vorsetzte, damit ich mich, wie auch mit einem Trunk gar wohl bequemte; hernach ich heutigen Verlauf protocollirt und mir eine „Liegerstadt“ [Lagerstätte] hinterm Tische machen lassen. Als ich mich gleich schlafen niederlegen wollte und der Herren An- kunft nicht zu versehen hatte, tritt ein armer Mann zu mir, der kennt mich und die Meinigen, bittet um Verzeihung, dass er mich ansprechen thue; er hätte in Mähren AO Eimer Wein geladen, davon er mir eine grosse Kanne voll zu trinken brachte, und hebt mit mir von aller Hand an zu sprechen, und wie ich von ihm hörte war es derselbe Mann, dem vor 2 Jahren das Kammrad in der Mühle zu St. Matthias zu Breslau die linke Hand weggeschlagen. Erzählte, wie solches in einem Augenblick | zu- fol. 85. gangen und er, wann er die rechte Hand nicht bald angeworfen und sich erhalten hätte, ganz zerschmettert und erschlagen werden sollen, mit Weh- muth; darauf ich nach ausgetrunkener Kanne Weines unter dem ,Gezitsche und Gequerre der Hemmel‘ [Heimchen, s. o.] einen freundlichen Gesundheits- trunk gethan und eingeschlafen bin. 16. November, Dienstag. Früh aufgestanden, mich fertig gemacht, das Ross beschicken lassen und der Herren Ankunft erwartet; sind sie erst um 10 Uhr ankommen, haben mich ein wenig „abgekappt“; wo mich denn der Geier hätte von ihnen geschleudert, denn sie Kummer gehabt, ob mir vielleicht sammt dem Rosse Unglück würde widerfahren sein; liessen mich zur Dankbarkeit den halben Reichsthaler Zehrung zahlen, den sie mir aber hernach zu Prag wiedergegeben. '!) Für diese Zeit ist nur Georg von B. von und auf Prauß (1594—1668) bekannt, 76 Fuhren wir bald fort bei einem hohen Berge hinauf, da ins Thal sehr lustig und schön zu sehen gewesen, da auch unten ein schönes Schlössl, Kirche, Wasser und Gebüsch und der Ort Giersdorf genannt wird, sonst fol. 85b. Herrn Franz Burg | haus zum Stolz gehörig; zur rechten Hand aufm fol. 86. fol. 86b. Berge weg in sehr schwerem, bösem Wege gefahren 1'/, Meilen bis auf Glatz, sind hart am Schloss durchs Wasser in die Stadt kommen, zogen bei der vorigen Wirthin der Frau Hermann, Wittiben, beim schwarzen Bär am Ringe ein; da mich die Herren, ehe das Frühstück fertig worden, zum Herrn Decan und Herrn Dr. Sachs Medico geschickt, sich ihres Zustandes erkundigen und ob sie ihnen, weil sie gleich an den Kaiserlichen Hof reisten, etwas committiren wollten fragen, dabei auch bitten lassen, weil sie gerne auf der Festung sich umschauen wollten, bei wem es zu solli- citiren. Hat der Herr Decanus mich selbst beantwortet, der Ersuchung bedanke er sich, hätte ihnen auch nichts aufzutragen, weil er sich selbst ehesten Tages nach Prag machen würde, gratulirte ihnen zur Reise, im Uebrigen auf der Festung sich umzuschauen, müsste bei Ihro Gn. dem Herrn Landeshauptmann gesucht werden, der es den Herren Gesandten nicht ab- schlagen würde. Herr Dr. Sachs aber ist nicht einheimisch, sondern ver- reist gewesen. Den Herren Abgesandten habe ich meine Verrichtung | referirt, die mich bald zu Ihro Gn. geschickt und neben Vermeldung ihres dienstlichen Grusses bitten lassen, wenn ihnen die Gnade widerfahren möchte, sich nur auf der Festung, wo der Pulverschaden geschehen, umzuschauen, wollten sie es rühmen und um Ihro Gn. wieder verdienen. Hat mich der Herr Landeshauptmann in seinem mit goldenem „Spolier‘‘ gezierten Zimmer selbst angehört und dahin beantwortet, er liesse der Stadt Breslau Herren Abgesandten hinwieder seinen Gruss und Dienste vermelden, wäre ihren Bitten zu willfahren geneigt, bäte aber, [dass] sie nicht mehr als jedweder einen Diener mit sich nehmen wollten; fragte, wer die Herren wären und wohin sie reisten. Gab darauf dem anwesenden Fähnrich Ordinanz den Herren Gesandten aufzuwarten. Ihro Gn. haben die Herren Gesandten durch einen Titul Freiherıns von Diener bald nach mir selbst empfangen, zu vorhabender Dem Wohlgebornen Annaberg. Reise gratuliren und dass der Feldwebel den Herren aufzuwarten und sie herumzuführen schon Ordinanz Herrn, Herrn Johann Arbogast, Freiherrn von und zu Annaberg, Herrn auf Dornsberg, der „Burglatsch‘, Schönfeld und Arns- dorf, Röm. Kais. Maj. Rath und bestellter Oberster über ein Fähndel hochdeutscher hätte, vermelden lassen ; das sie zu besonderem Dank erkannt, es um Ihro Gn. bei aller Occasion hinwieder verschulden und gegen ihren Principal, geliebts Gott, bei ihrer Zurückkunft rühmen wollen. Drauf man bald, damit man sich nicht säumete, die Mahlzeit anrichten lassen, unter der der Herr Feld- webel ihnen aufgewartet, den man niederzusetzen ge- beten hat. Soldaten zu Fuss, so- wohl der Hochfürstl. Durchl. Erzherzogs Leopoldi zu Oesterreich Kämmerer und ver- ordneter Landeshaupt- mannschafts-Verwalter der Grafschaft Glatz p. meinem gnädigenHerrn 77 Gleich um zwei Uhr haben die Herren befohlen, die Wagen sollten derweil angespannt und vor das Thor gerückt werden; wollten unterdessen auf die Festung steigen und sich umschauen ; gingen wir sämmt- lich hinauf, wurden | erstlich in dem Niederschloss allenthalben in die Zimmer, hernach besser hinauf in das mittlere Schloss in alle Schanzen und Gelegen- heiten geführt, uns auswendig, von welcher Seite man DD bei der Belagerung mit grossen Stücken so heftig hineingeschossen, wo es so heftig gebrannt, alles gezeigt, weil es solche Leute, die dabei gewesen waren. Mehr wiese man uns im Mittel-Schloss auf der Seite ein Zeughaus, unter andern grossen alten eisernen und ‚‚messenen‘ Hauptstücken und Mörsern die 2 grossen Stücke, so zur Belagerung von Breslau mit grosser Arbeit und Mühe dahin gebracht und schwerlich von der Festung wieder zurück- kommen werden'). Hernach wurden wir höher hinauf zu dem Thurm geführt, der den 26. August 1627 in der Nacht von einem Donnerschlage getroffen, die darin gelegenen hundert Gentner Pulver angezündet und der von guter 7 Ellen dick-feste und mit Quaderstücken stark gebaute heid- nische Thurm, so dem Bericht nach vor Christi Geburt gegründet und ge- baut, von jetzterwähntem Donnerschlag in ei | nem Augenblick dermassen abgeworfen, ruinirt, zerstossen und zerschmettert, Werkstücke mit eisernen Klammern, so zu 1, 2, 3, 4, 5 Centner schwer gehalten, in die Stadt zu Viertel Weges und halben Meilen davon von der Gewalt hinausgeführt, in der Stadt viele unzählige Dächer beschädigt, viel Oefen, Fenster, Thüren von dem Erschüttern eingefallen und an der Festung, Thurm und dessen Revier herum ein solcher Schaden verursacht worden, der sein Tage schwerlich recuperirt und ersetzt werden wird. Und ist sich, wie das ge- waltige Gemäuer und Rudera also zerrissen und zersprengt haufenweise dagelegen, zum Höchsten und wie eine solche Gewalt, die mit viel Schiessen und Stürmen man nicht hätte zwingen können, so augenblicklich erfolgt, überaus sehr zu verwundern, als auch dass in der ganzen Festung alles von den stärksten Bruchsteinen und Quaderstücken gebaut und verwahrt wohl zu sehen gewesen. Und ungeachtet der Thurm, wie sie uns dabei referirten, ein 42 Ellen hoch gewesen, hätte doch das Pulver in 3 Männer als jetzt der Thurm ab | geworfen höher [gebrannt|, sonsten und da es gar zu Boden ge- legen (dahinab ich mit den andern hinaufgeklettert und heruntergeschaut) !) Eine sehr richtige Vermutung. Schon im Januar 1624 reklamierte sie der Breslauer Ratsherr Sebisch vergeblich. Ich gieb sie doch ohnedies nicht wieder, antwortete ihm Erzherzog Karl lachenden Mundes, kommt fein nach Glatz und holet sie! A. p. V, 4. fol. 87. fol. 87b. fol. 88. fol. 88b. fol. 89. 78 und ungefähr noch 20 Ellen tief war, ganz um und um vom Feuer aus- gebrannt, es das ganze Paviment |Estrich, Fussboden |], Grund und Festung „zerrumoren‘“ und zu nichte machen sollen, so aber hätte sichs eher in die Luft ausgebreitet und über sich gestossen'). War in Wahrheit jämmer- lich zu sehen. Von dannen führte man uns „in des verfallenen und hart beim Thurm gewohnten Leuten Amtsstube‘“‘ Kammer, in der Obristen Tafelstube und ferner in alle Gemächer, da nur was zu sehen, da waren überall Decken, Wände und Thüren erschüttert und ‚erschellert“. In dem einen Hofe wiesen sie uns den Brunnen, so von einem lautern Steinfels ein frischer Quell in ein 200 Ellen tief ist, warfen einen Stein hinunter, da man von 1, 2, 3, 4 bis auf 20 zählen können, bis man den Stein im Wasser „plumpen‘ hören. Herr Herbst sagte dabei, dass zu Paris in Frank | reich auch ein Brunnen von einem Steinfelsen so tief, dass er von 1, 2, 3 an bis über 100 zählen können, bis der Stein ins Wasser gefallen; obs nun mag wahr sein, mag einer hinziehen und es gewiss er- fahren. Inde wurden wir wieder, nachdem wir alles eigentlich und genugsamb besehen, ich auch an eine Thür zum Gedächtniss meinen Namen geschnitten, herab geführt, verehrten die Herren dem Feldwebel und den Soldaten, so uns alles berichtet und aufgeschlossen, etliche Reichsthaler zu vertrinken. Da man uns dann bei der angehobenen neuen Bastei durch ein Thor über eine Brücke und Stacket durchgelassen und bald auf ebenes Feld, dass wir nicht schwer herunter steigen durften, gebracht hat. | Wie dann zweier gar altfränkischer niedriger und in dem ersten Hofe, da wir hinauf kamen, nebeneinander stehender kleinen Thürmel, so gleich- falls vor Christi Geburt gebaut, als auch einer Sechswöchnerin, so mit ihrem Kinde unterhalb der Festung erschlagen worden, nicht zu ver- gessen. Inde wir zu Wagen gesessen und in dem ärgsten, bösesten Wege eine zwar nicht breite, aber ich halte von allen Teufeln gemessene lange Meile gefahren, meistentheils zu Fuss laufen müssen, damit man nur die Wagen aus den Löchern schleppen können, da wir fast ein Paar Stunden in die Nacht zu Schwedeldorf ankommen und zum Nachtlager eingekehrt sein, eine feine warme Stube angetroffen und uns in etwas auf den unlustigen Weg wieder erholt. Ueber der Mahlzeit ward von unserem Reisegefährten unter anderem auch von der Frau Oelhafin?) Geschicklichkeit, ihrer Höflichkeit, Beredsam- ı) Die Großartigkeit der Glatzer Katastrophe hat, wie man aus dem fast un- verständlichen Satzbau sieht, einen tiefen Eindruck auf den Autor hervorgebracht. 2) Wohl Martha, Witwe des 1619 verstorbenen Breslauer Ratsherrn Leonhart. 79 keit und dass sie sie für die braveste Dame in Schlesien hielten, weitläufig diseurrirt. Aber der Petersüssen, wie sie Herr Dobschütz nennt, aus- gestrichene Qualitäten und Keuschheit ist anderen Leuten gar nicht un- bekannt. 17. November, Mittwoch. Von Schwedeldorf mit angehendem Tage 1 Meile | bis auf Rückers, der Frau Krauseneck gehörig; hat uns der Verwalter allda, Herr Sebisch, zwar abzutreten und auf ein Frühstück gebeten, indem wir uns aber nicht säumen wollen, verehrte er den Herren etliche Grossvögel auf den Weg. Von dannen wir in sehr bösem Wege und Regen auf Reinerz '/, Meile; ist ein hübsch Städtl und Papiermühle da, in die ich gangen, mir Papier weisen lassen, war allda eine schöne heimliche gevierte Stube mit Gefäss und schönen Sachen wohl geziert, sonst im Hause und auswendig alles gar lustig und schön gebaut wohl zu sehen. Durchs Städtlein weiter bis auf Lewin 1 Meile, dann auf Gellenau eine halbe Meile, von da durch 1 Meile bis auf Nachod, da oben auf dem Berge ein gar artig und schön gebautes Schloss dem reichen Türzschky | Terzky]| gehörig liegt; durch das Städtlein noch 1 Meile gefahren bis nach der Skalitz, alles in einem Futter, zum Nachtlager; daselbst bei einem Fleischhacker unser Quartier genommen. fol. 90 fehlt. .... Prag 15 Meilen Weges und bösen Weg hätte, damit man Sonn- abends einkommen möchte, schlüssig worden, morgen ein Paar Stunden vor Tage aufzubrechen und mit bei sich habenden Fackeln vorleuchten zu lassen. In diesem unseren Quartier zu Skalitz rechnete man in der Abzahlung alles nach Schocken, das Schock pro 23 Silbergroschen !) gereitet. 18. November, Donnerstag. Früh etliche Stunden vor Tage aufgestanden, hernach 1 Stunde vor Tage um 11 Uhr des böhmischen Zeigers an- und unsere Wagen, wie auch dem Landkutscher jeglichem 2 Rosse vorspannen, dem Reiter Christian eine Fackel vorzuleuchten geben lassen. Ist uns Herr Sigmund Bock mit einem Wagen zu 6 Rossen, einer Kalesche mit 2 Rossen und 2 Reitern nachgefolgt. Seine Leute hatte er in blaues Tuch, die Mäntel mit rothem Boy gefüttert und ledernen Wämbsern von Kalbfell zur Liberei [Livree] gekleidet. !) Kries, Steuerverfassung XVI sagt dagegen: Ein Schock böhmischer Groschen galt gleich 2 Thl. schles. oder 72 weiße schles. Groschen. fol. 89h. fol. 91. fol. 91b. fol. 92. fol. 92b. 80 Von Skalitz kamen wir auf Garniers, ein | Märktlein 1 Meil, dann auf „‚Pitterwitz‘‘, waren vom Nachtlager 4 Meilen, da wir gefrühstückt, allda auch gleich die Gräfin vom Königstein und des Tages zuvor der Herzog von Brieg oben im Stüblein zum Frühstück abgetreten waren. Dann fuhren wir noch weiter bis nach Bischof |Neu-Bidschow|, kamen um 1 Uhr des böhmischen Zeigers, ist 6 Uhr, eine Stunde in die Nacht dahin, zogen am Eck des Ringes bei guten Leuten, so nur böhmisch reden können, ein. Ist ein hübsch Städtl, ein feiner, heimlicher und in die Geviert mit Leben |Lauben] gebauter Ring allda. Man tractirte die Herren oben in einem Stüblein gegen der Gasse zu mit Fischen, Fleisch und genugsamen guten Speisen gar wohl, liessen uns gleichfalls nichts mangeln, im Uebrigen waren wir Herrn Bocks und seiner Leute ungeachtet in einer geraumen grossen Stube unbedrängt, friedlich und lustig, insonderheit bei der Wirthin Tochter, einem hübschen jungen Weibe, wohl quartiert; dabei dann unseres Kochs, des Narrens, wohl zu lachen, indem er, als wir sämmtlich auf der Streu lagen, Lichter und alles ausgelöscht und sie, der Wirthin Volk, wie in Böhmen und Mähren ge- bräuchlich, um die Ofen lagen, hebt er an zu rauzen, mauzen und winseln, als wenn ein halb Dutzend Katzen in der Stube sich herum bissen, konnte es sehr artlich und rechtschaffen wie mit einem Echo machen, also dass sich die um den Ofen Gelagerten erhuben und zur Stube ausliefen, darüber wir uns ja hätten mögen thöricht lachen. Diese Kurzweil ist fast alle Abende, wenn wir in neue Losier kommen und unsern Spass alleine gehabt, vorgegangen, daher es lustswegen aufzumerken ich so gar unschick- lich nicht erachte, weil zu einem Reise-Diario alles umständlich zu schreiben requirirt und erfordert wird. 19. November, Freitag. Früh eine Stunde vor Tage um Uhr 13 von Bischof weggefahren, Christianum Teschen, Reitern, wieder mit der Fackel vorleuchten lassen und kommen auf „Königstädtlein'!) Mestericz‘ |Meseritz] offene Märkte oder Flecken, dann auf Nim | burg, so eine Stadt mit doppelten Mauern und Graben umgeben, aber inwendig an Häusern sehr schlecht und gering ist, deren die meisten von den (uartirungen und anderen erlittenen Pressuren eingeäschert; allda wir gefrühstückt, wie auch die Frau Gräfin vom König- stein oben aufm Gange in einem Stüblein abgetreten. Gegen unserem Losier gleich über ist vorhin ein gutes Gasthaus zum goldenen Hufeisen genannt, auch noch hübsch gemalt anzusehen, jetzt aber kein Mensch darinnen, sondern wegen der beharrlichen Quartierung und Religion |sver- änderung] alles entlaufen, wie auch dergleichen gar viele Häuser um den !) Über die böhmischen königlichen Städte erfährt man Ausführlicheres bei Gindely, 30j. Kr. I, 141. Wi EEE ©“ 81 Ring oder Platz verwüstet, in summa im ganzen Städtlein Jammer und Elend schmerzlich zu vermerken gewesen. Massen in unserem Wirthshause oben auf 2 hübsche Stüblein eben- falls verderbet, Thür, Fenster und Ofen eingeschlagen waren. Ich sah mit meinem Herrn die aus Gottes gerechtem Zorn über die Menschen wegen der Sünden verhangene Strafe mit Seufzen an, davon wir zwar im Lande Schlesien noch nicht zu reden wissen, Gott | aber in die Zornruthe zu fallen Zeit über Zeit haben. Nach der Mahlzeit sind wir von dannen aufgebrochen, in sehr heim- lichem schönem Wetter, denn es kalt und gefroren gehabt, bis nachm Tausch[im] 3 Meilen gefahren, welche 3 Meilen ich Herrn Frobels Ross geritten, da wir Burschen dann allerseits mit Herrn Bocks Leuten, dem Kosaken und anderen freundlich purschirt, conversirt, auch ziemlich lang in die Nacht gereist, bis der Mondenschein aufgangen und wir durch eine sehr lustige Haide und Wald nach Brandeis gehörig gezogen sind, da einem dann von Herzen wohl gewesen, indem die Herren stark gefahren und wir wacker hernach hauen müssen. Ist meiner Einfalt nach kaum lustigere Zeit und Freude, als mit vor- nehmen Leuten dergleichen zu reisen, viel Oerter, Leute, Gebräuch und Sitten zu sehen, lernen und erfahren. Nachm Tausch, so ein offener Markt oder Flecken, sind wir erst um 8 Uhr in die Nacht einkommen, haben schlechte Commodität, doch eine | feine Stube von Bohlen gemacht angetroffen und uns vollends zum letzten Nachtlager behelfen müssen. Herr Sigmund Bock ist überall leicht content und zufrieden gewesen, denn er mehrmals viel gereist, viel harte Bänke drücken und Gutes und Böses gewöhnen lernen müssen. Darum ein junger Mensch um so viel desto mehr sich dergleichen und mehr öfters begebende Widerwärtigkeiten auf den Reisen auch andere Sorgen, Mühe und Kummer, so ich in Dis- cursen referiren und erzählen hören und fleissig gemerkt (si quidem et imihi vexatio dat intellectum) nichts irren noch abschrecken lassen soll. Denn endlich bringts doch süsse Früchte, bringt Lob, Ruhm und Ehr, so man zu Haus erführe nimmermehr. Ja, nichts ist auch beständiger, als was durch Mühe, Arbeit und Fleiss zu Wege gebracht wird. In noch mehrerer Erwägung: Welche Früchte bald entstehen, Dieselben auch gar bald vergehen; Und welche bald thun herfürkommen, Tandem ferendo Die sind selten gar wohl vollkommen. vinces! Aber was lange mit Mühe aufgeht, Dasselbige auch lang ohne Müh’ besteht. Und was langsam hat zugenommen, Das ist satter und mehr vollkommen. fol. 93. fol. 93b. fol. 94. fol. 9#b. fol. 96. 52 Nota. Zu Reinerz haben wir uns 8 Rosse zum Vorspann bestellen, vor unsere 4 Rosse noch 6 und dem Landkutscher 2 vorziehen lassen, damit wir über den dahinterliegenden schweren Hummelsberg, da mitten aufm Berge zur rechten Hand vorhin ein Schloss, jetzt aber nur die Rudera und etliche Gemäuer übrig stehen, darinnen, wie die Leute berichten, sich alle Jahre gar artige kleine ‚‚Aeffl“ erzeugen sollen, die man vor- mals zu Prag und sonsten um viel Geld verkauft hat, kommen sein. Ehe uns jetzo gedacht zum Reinerz vorgespannt worden, haben wir aufm Wagen und auf der Gasse Brot und kalt Gebratenes (wie es Herr Dobschütz nennt) ‚übern Daumen‘ gessen, Wein und Bier dazu ge- trunken, das uns allen auf der Post besser, als vielmal- das köstlichste Essen geschmeckt, weil man auch zu allem Glück im Städtlein einen Bräutigam mit einer Harfe, Bass und kleinen Geige in die Kirche begleitet und vor ihm her musicirt hat. NB. Aufm Hummelsberge bei dem lustigen Wetter und anmuthigen Pro- spect hab ich dasjenige me | ditirt und hernach zu Abend im Losier coneipirt, was ich schliesslich an Frau Patientia p. von Prag aus ge- schrieben habe. Zu Skalitz haben wir eine stinkende Käsestube, die Herrn Dr. Rosa und mir als argen Käsefeinden sehr zuwider auch sonst andere Stänkerei darinnen gewesen, angetroffen, hernach zur Lagerstätte oben in einem kalten Stübl aufm blossen Stroh heftig zudrücken müssen, davon wir aber, dass wir aufn Morgen die Federn nicht auskämmen dürfen, zum Vortheil gehabt. Herr Sigmund Bock, Frankenstein’scher Hauptmann, ist dito Abends von Glatz aus bis auf die Skalitz in dem bösen Wege in einem Tage ge- reist, in die Nacht ein Paar Stunden ankommen, die Herren besuchen, wann sie morgen aufbrechen fragen, dabei berichten lassen, dass er ın seinem Quartier weder „Futt- noch Feuer“, ja auch nichts zu essen be- kommen könnte und daher seine kalte Küche und was er bei sich hätte angreifen müsste. Ist man beiderseits und weil man noch bis auf .... fol. 95 fehlt. 230. November, Sonnabend. Vom Tausch mit angehendem Tage weg, bei Brandeis zur rechten Hand vorbei gefahren in einem Futter bis in die kaiserliche Hofstatt Prag, 3 Meilen: haben auf der Höhe die Stadt im Grunde liegen sehen, bis wir daran kommen, durch das erste Thor in der neuen Stadt ein-, weiter durch die Altstadt übern Ring, da die Execution geschehen, vollends über die Brücke auf die Kleinseite gefahren. Hat uns auf der Brücke unser Reiter EDEL DENT Zacharias Köber berichtet, dass wir beim Herrn Secretario Rasper losieren würden, dahin wir vollends gerückt sind; liegt nahe beim Kleinseitner Ringe zur rechten Hand in einer Quergasse, wenn man nachm Sandthor gehen will, wird das Haus zu den 3 Rauchfangkehrern genannt. In diesem Hause sind den Herren 2 Stübl, 3 Kammern, 1 ‚Kuchen“, nothwendige Betten, Kuchelgefäss und Tischgeräthe angewiesen und eingeräumt worden. Und ob es zwar ziemlich enge, auch von unten auf 34 Stufen hoch ge- wesen, haben wir uns doch, weil es alles in einem Stock und sonst von anderen Abgesandten auf der Kleinseite alles | voll gelegen, wohl quartiert befunden. Bald nach unserer Ankunft hat Herr Balzer Hoffmann, der Herren Fürsten und Stände in Schlesien bestallter Resident am kaiserlichen Hofe, den Herren Gesandten zugesprochen, sie, mich und alle freundlich em- pfangen und dass die Herren sich nothwendig müssten accommodirt sein lassen, gebeten; dabei berichtet, dass Ihre F. Gn. das Kaiserl. Ober - Amt noch nicht ankommen, sondern zu Zittau auf der Reise unpässlich liegen blieben wäre, würden sich aber, wo nur menschlich und möglich, anhero zu kommen bei Tag und Nacht bemühen. Mit Herrn Rasper haben die Herren gefrühstückt, der uns auch hernach speisen lassen, darnach wir uns in unserer Wirthschaft und Schreiberei eingerichtet. Darauf bin ich zu Herrn Sigmund Bock, so nicht weit von uns bein 3 Federn hinter dem ansehentlichen, prächtigen Wallsteinischen Hause losierte, geschickt worden, um nachzufragen, was der Herr Kammerrath gehört, wann man sich morgen zu Hof präsentiren und wo man sich an- geben müsste? Ist Ihr. Gestr. Herr .... fol. 97 fehlt. [21. November, Sonntag.] ..... Sonst wollte er um ein 8 Uhr nach Hofe. Ich habs die Herren berichtet, hat Herr Barthel Dobschütz schon Stiefeln angelegt, auch zu allem Unglück weder Schuh noch Strümpfe mit gehabt, dahero Angst vor- handen, wo es in solcher Eil, und weil alle Gewölbe und Laden gesperrt, aufzutreiben sein würde. Sein Christoph sich aber bemühen müssen, wo es immer zu bekommen; hat man ja noch ein Paar ascherfarbener seidener Strümpfe um 6 Reichsthaler erlangt, ein Paar Schuhe angetroffen und ihm noch zu Ehren geholfen. Darauf die Herren einen Wagen anspannen lassen, ein Paar Vögel und eine Suppen gessen, einen Trunk Wein gethan und bald übern Klein- seitner Ring aufs Schloss gefahren. Ist uns immer ein Wagen ab, der andere hinauf, wie auch sonst viel Volk, Cavaliere, Ross und Herren, Diener fahrend und reitend begegnet. Ehe man jetzo erzählter Massen Herrn Dobschütz ausstaffirte, ging ich mit ‘dem Herrn Rosa zu Herrn Sigmund Bock, dahin auch gleich Herr Franz Burghaus geritten kam, empfingen sie einander freundlich. fol. 96 b. fol. 98. fol. 98b. fol. 99. fol. 99b. 84 Hernach als wir nach Hofe kamen, gingen wir | sämmtlich die Stiegen hinauf in die Ritterstube. Beim Eingange zur Kaiserin schlugen die Hatschiere und Trabanten die Leute, so sich mit Gewalt in die Zimmer und da herum drängten, hässlich ab, dass auch das Frauenzimmer, so der Kaiserin aufwarten wollte, mit grosser Mühe sich durchreissen musste. Aus der Ritterstube liess der geheime Kammerdiener unsern Herrn bald in Antecameram eingehen. Herr Balzer Hoffmann redete mich auch an, sollten wir untereinander sehen, ob wir übern Gang mit könnten in die Kirche kommen. Schien aber allem Ansehen nach unmöglich zu sein, weil der vornehmen Fürsten, Herren, Abgesandten und anderer vornehmer Cavaliere sich zuviel praesentirten und überall gross Gedrängniss vorhanden war. Und weil auch vornehme Cavaliere und Herren nicht in die Kirche kommen oder ja, wenn es geschehen, sich darinnen unsäglich zudrucken und quetschen lassen mussten und dennoch vor den Pfeilern mancher nichts sehen hönnen, hab ich mich leicht zufrieden geben, bin mit Christoph Wiesenberger die Stiegen herab gangen, gefrühstückt im Losier, bald wieder hinauf gangen und mich im grossen Hofe vor die Schlosskirche, da Ihre Maj. herausgehen | würde, gedrungen, allda ich mich mit den andern in grossem Gedränge, dass man kaum Athem holen können, so lange erhalten, bis die Kirche eröffnet, der bretterne Gang von der Kirche bis in den grossen Saal mit rothem und weissem Tuche belegt worden. Nota. In währender Krönung hat man in der Kirche überaus schön musieirt, auch gleich wie der Kaiserin die Krone aufgesetzt gewesen man aus der Kirche die Losung geben, darauf die Bürgerschaft und Soldatesca zu Ross und Fuss, so in allen Schlosshöfen aufgewartet, Salve geschossen, des- gleichen vom Schlossthurme einem 8 Feldschlangen, ingleichen vom St. Lorenzberg etlich 20 grosse Karthaunen losgezündet, darzu in allen 3 Prager Städten alle Glocken angezogen und geläutet und solche Salve- und Freudenschüsse 3 unterschiedliche Male, ehe die Prozession aus.der Kirche gangen, verrichtet worden. Welches, weil sehr heimliches lustiges Wetter gewesen, mit Lust und denkwürdig zu sehen und hören ge- wesen ist. Als nun alle Geremonien vorüber, die Kirche eröff | net und sich der Ausgang aus der Kirche angehoben, hat man wiederum Freudenschüsse aus groben Stücken und Musketen gethan und die Glocken geläutet; sind alle anwesenden vornehmen Herren, Grafen, Fürsten, Abgesandte, Ambassa- tores, fremden Botschafter und dergleichen Paar und Paar aus der Kirche aufn grossen Saal zugegangen, alles in unaussprechlicher Magnificenz, Pracht und Hoffarth, so in einem Augenblick nicht alles zu merken möglich ge- wesen. | a 85 Nach allen jetzterzählten vornehmen Herren und den Grandibus ist Ihre Königl. Majestät zu Ungarn in seinem sonst gewöhnlichen spanischen Habit ganz allein gefolgt, hat einen schwarzen Hut mit einem vortrefflichen Kleinod und schönem schwarzen Reiherbusch auf-, als auch das gewöhn- liche goldene Vlies und einen Degen an der Seite gehabt. Hierauf sind gangen 7 churfürstliche Herolde in grauen rauhen Schau- ben, wie die Churfürsten pflegen gemalt zu werden, denen aber nach Ihro Kaiserl. und Königl. Majestät Ferdinandus II. in kaiserlichem Habit, als einer von ganzem Goldstück mit Perlen und Edelgesteinen vortrefflich be- hefteten Casel [sonst als Hausrock, Alltagskleid, auch als Priestergewand erklärt], darauf das Römische, | Böhmische und Ungrische Wappen gebildet und mit Edelgestein versetzt, sammt einer schönen Krone in der Rechten ein Zepter, in der Linken den Reichsapfel tragend allein gegangen. Hinter jetztgedachter Ihrer Kaiserl. und Königl. Majestät ward aufm Stuhl, weil er gar podagrisch, getragen der Oberste Burggraf des König- reichs Böhmen, Herr Adam von Wallstein, so der Nächste nachm Könige in Böhmen und des Generals Herzogs zu Friedland Vetter ist. Dem folgte die gekrönte Königin, Ihrer Majestät Gemahlin Eleonora |von Mantua, am 2. Februar 1622 im Alter von 23 Jahren mit F. vermählt|, in eben- mässiger einer schönen Casel, mit einer Krone aufm Haupt, war von klarem, dichten Golde, mit Perlen und den köstlichsten orientalischen Edel- gesteinen versetzt, wiewohl Ihrer Maj. des Kaisers Krone noch schöner war. In der rechten Hand trug die Kaiserin ein Zepter, mit der andern Hand den Apfel und wurde sie, wie sonst gebräuchlich, beim Arm von einem vornehmen Fürsten geführt; den Rockschweif ihres dunkelbraunen, überall mit Gold gestickten Kleides hat der Kaiserin nachgetragen die Äbtissin von St. Georgen mit noch zwei andern Klosterfrauen und hoch- adlichem Frauenzimmer; | der Kaiserin nach sind beide kaiserliche Prin- zessinnen Maria Anna und Cäcilia Renata jedwede allein geführt worden, denen nun gefolgt alles aus Böhmen und andern Orten der Kaiserin zu Ehren und Aufwarten erschienene vornehme Frauenzimmer, welches in köstlichem Schmuck, Pracht und Hoffarth wohl zu sehen. Es ist aber jetzt bemeldeten Frauenzimmers nicht die Hälfte wegen des unsäglichen grossen Gedränges der Kaiserin nachgegangen gewesen; war um das weisse und rothe Tuch ein solch Gereisse, Gezerre und Abschneiden, dass man das Frauenzimmer gar mit in die Höhe gehoben, dahero gar viel zurück und in der Kirche blieben sind. Als Ihre Maj. in die Zimmer kommen, hat man wiederum aus Mus- keten und Stücken Salve geschossen und die Glocken geläutet. Hernach ging ich in die Kirche, sah die Sessiones, der Kaiserin Stuhl und hohe aufgerichtete Bühnen, davon die Tapezerei abräumen; überm Stuhl vorm Altar war ein Himmel von Goldstück aufgezogen. fol. 100. fol. 100b. fol. 101. fol. 101 b. fol. 102. 6 Als solches geendet, ist die kaiserl. und königl. Tafel gar ansehnlich in der Landstube gehalten, darzu im Schlosshofe hinter der Kirche 15 kaiserliche | Trompeter geblasen und die Heerpauken darein geschlagen worden. So hat man auch der hohen und vornehmsten böhmischen Offiziere Tafel bereitet, königlich mit Speisen besetzt, auch zu des Oberstenkanzlers Fürstens von Lobkowitz Tafel unsere schlesische Fürsten, Herrn Bock und unsere Herren gezogen, sind ausser unseren Herren, die sich unter solche Grosshänse nicht mengen wollen, fast alle dabei geblieben; auch wie mich Herr Bock zu Abend berichtet stark getrunken worden. Um 1 Uhr sind wir von Hofe die Stiegen herab gangen, haben Mahl- zeit gehalten, da für die Herren nichts Sonderlichs zugerichtet gewesen, weil sie nichts bestellt und vermeint bei Hofe zu bleiben. Zu Hofe nach gehaltener kaiserl. und königl. Tafel wie auch folgender celebrirter Vesper ist in dem neuen Schlosssaal von etlichen Italienern in toscanischer Sprache eine Comoedia gehalten worden. Dito aufn Abend nach 9 Uhr ist ein Feuerwerk auf St. Lorenzberg Ihrer Maj. zu Ehren abgangen, da man erstlich 6 grosse Stück los ge- | brannt, hernach schöne Raketen, Feuerkugeln geworfen, unterschiedliche Räder angezündet, die herumgelaufen, die Raketen daraus hoch in die Höhe gestiegen, Bogen gemacht und wieder viele andere schöne Raketen ausgesprengt, die alle in der Luft gebrannt und dann losgeschossen haben. Bald kamen wieder andere Raketen, die gleichsam mit einander stürmten oder scharmuzierten, war in summa überaus lustig zu sehen. Dieser Kurzweil, so über eine gute Stunde gewähret und ich auf Herrn Raspers Altane mit den andern oben zugesehen, hab ich mich [durch] die Kälte, und weil ich meistentheils abgezogen und daher wohl wenig geschwitzt, dennoch nicht abschrecken lassen, sondern das Ende erwartet. Nach 10 Uhr hat sichs geendet, ist man herunter gangen, da denn unser Reiter Zacharias, so einen guten Rausch gehabt, unten als aufm Altane närrische Händel genugsam angegeben, sich auch bei der Herren Abendmahlzeit mit den Herren ziemlich gemein gemacht, dass ich nicht weiss, ob einem andern als wie ihm, dem Fuchsschwänzer, solches würde passiret werden. Dito ist Ihr. F. Gn. das Kais. Ober-Amt aus | Schlesien zu Prag ankommen, losieret bei der Brücke zur rechten Seite hinterm Bade beim goldenen Einhorn, soll kaum in 70 Personen und etliche 40 Rosse stark sein. Dito Sonntags gegen 4 Uhr ging ich, Herrn Hans Johnisch die an ihn gehörigen Schreiben abzugeben, über die Brücke durch die alte in die neue Stadt, fand endlich durch langes Fragen dessen Haus gar weit unten aufm 87 Rossmarkt zur rechten Hand, nicht weit vom Rossthor am Eck; fragte in Herrn Schrepels') Hause nach Herrn Johann Johnisch, sagte mir ein Mensch, er wäre nur ein wenig über Feld, würde morgen Mittags wohl daheim sein; fragte, ob ich wollte das Schreiben da lassen oder wieder- kommen. Dixi, ich wollte es ihm gern selber geben und etwa morgen wiederkommen. Dieser Rossmarkt oder Platz, wie man ihn nennt, ist sehr schön ge- raum, heimlich und breit, hat feine, ansehnliche Häuser da, soll ‚‚die Mauer‘‘ nicht weit davon sein, ist aber von unserm Losier auf der Klein- seiten ein sehr weiter Weg hinaus. NB. Heinrich von St. Julian, Obrister Lieutenant, | hatte unsere Bres- lische Herren Abgesandten heut bei der Aufwartung zur kaiserlichen Tafel] in der Landstube zum freundlichsten empfangen, ihnen alle Aufwartung und Dienste anerboten; wird ihm [sich] wohl Gedanken machen, dass bei Ihrer Majestät man ihm auch das Lob preisen werde [vgl. dazu A. publ. VI, 284 ff.]. Letzlich und bei Vollendung dieses Sonntags wäre ich mit Christian Teschen, Reiter, mit Worten, so etwa ungleich vermerkt worden, lieber [beinahe?] in Unvernehmen gerathen, wurde aber noch ohne Blutvergiessen beigelegt. 22. November, Montag. Ward ich frühe zu Herrn Bock geschickt, um nachzufragen, wie Ihre Gestrengen geruht, ob es gestern bei Hofe alles wohl abgelaufen und wann der Herr Münsterbergische Gesandte Audienz haben würde. Herr Bock hat mich im Bett sitzend beantwortet; der Nachfrage, wie er geschlafen, bedankte er sich, wäre gestern zu Hofe neben den schlesischen Fürsten bei des Obristen Kanzlers Tafel geblieben, dabei sich auch befunden der Herr Pfalzgraf Augustus beim Rhein [von Sulzbach, } 1632] und der | Herzog von Württemberg. Man hätte stark getrunken, hernach, als man von der Tafel aufgestanden, hätte man in der Antecamera aufgewartet, hernach auf einem Saal einer CGomoedia, so Italiener gespielt, zugesehen, wäre nichts Sonderliches gewesen; hätte ihn nur so lange dabei zu stehen und „erfrieren‘‘ verdrossen. Im Uebrigen hätte Herr Burghaus [Nicolaus, 1591—1640, mit Bock abwechselnd Landeshauptmann von Münsterberg | — !) Johann Christoph Schrepel von Schrepelsberg, mit Adelsstand von 1619, Schimon 151. Einen Königsrichter Schr. erwähnt Gindely I, 276 zum Jahre 1618. Nach Peschek, Gegenreformation I, 478 verfolgte ein kaiserlicher Richter in Prag Johann Chrysostomus Schr. den reformierten Leibarzt des Fürsten von Liechten- stein, Borbonius, „nach dessen prächtigem Hause ihn gelüstete“. fol. 102b. fol. 103. fol. 103 b. fol. 104. 88 noch weder Instruction noch Credentialia Ihrer Majestät Audienz zu solli- eitiren; was der Erbfürstenthümer Gesandte thun wollten, stünde zu ihrem Gefallen. Zu Mittag würde ein Quintan-Rennen zu Hofe gehalten werden, dem wohl würde zuzusehen sein. Ich habe den Herren also Antwort gesagt, die mich bald zum Vice- Kanzler Herrn von Nostitz geschickt, ob Ihro Gn. noch zu Hause und wann Deroselben sie aufwarten könnten, fragen lassen. Ich habe aber keinen Bescheid bekommen, weil Ihro Gn. allbereits zu Hofe gewesen. Inde musste ich bald gehen zum Herrn Kreischelwitz, so Ihrer F. Gn. des Ober-Amts auf der Reise und zu Prag Marschall gewesen, ihm wegen meiner Herren de felici accessu gratu | liren und fragen, wann Ihre F, Gn. sich beim Kaiser präsentiren würde? ? Herr Kreischelwitz hat mir die Hand gegeben, sich der Empfahung bedankt und dafür gehalten, dass Ihre F. Gn. sich noch diesen Morgen bei Hofe sehen lassen werde. Bat, Herr Rosa wollte ihm zusprechen, dass sie miteinander die Ritterspiele sehen könnten. Sonst wäre mit Ihr. F. Gn. niemand als er, Herr Sebottendorff, Reideburg [Christoph, auf Dober- gast und Hohenliebenthal, f. Liegn. Oberamtsrath], Paul Hallmann und zwei Engelhardt hier, in allem ein 70 Personen und etliche 40 Rosse; zu Zittau wären die meisten wegen des Herzogs Unpässlichkeit wieder zurück- geschickt. Darauf mich Herr Dobschütz nach einem Hut umzusehen gebeten, bin um den Kleinseitener Ring, dann über die Brücke gangen, habe bei einem Kaufmann ganze und halbe Castor her zubringen bestellt, bei dieser Occasion mich bei der Brücke in der Jesuitenkirche umgeschaut, ist ein sehr köst- lich schönes italienisches Gewölbe und Gebäude. Im Zurückgehen hab ich Herrn Balzer Hoffmanns Caspar gefragt, ob Herr Heinrich Albrecht Metz . | ger allhier wäre; dixit ja, würde in der Hofkammer beim fürstlich Liechtensteinschen Hause zu erfragen sein. Als ich nach Hause kommen, hat mir der Herr ihm ein Messer zu kaufen 1 Reichsthaler geben; in diesem Ausgehen hab ich erfahren, dass auch Herr Wendelin, böhmischer Taxator, allhier wäre; hab ich, wo er wohnte, nachgefragt und ihn in der wallischen Gasse hart neben des Car- dinals von Dietrichstein Losament (so ein vortrefflich schönes Haus) ge- funden. Bin ich die Stiegen hinauf gangen, nachm Herr Wendelino ge- fragt, hab ich die Frau, die Jungfer Annam Mariam, unsere zu Wien alte Bekannte und die anderen Kinder angetroffen, haben sie mich bald ge- kennet, meines Namens sich stracks erinnert, freundlich empfangen und woher ich da so unversehens zu ihnen käme, gefragt; bin eine halbe Stunde bei ihnen gesessen, mit ihnen conversirt und eines und das andere berichtet. Als ich wieder weggangen, haben sie sich des Zusprechens und Ersuchens bedankt und sie bald wieder heimzusuchen mich gebeten. 89 Nachdem wir Mittagsmahlzeit gehalten, sind die Herren mit Herrn fol. 104b. Sigmund Bock nach Hofe, dem Turnier und Quintanrennen zuzusehen, gefahren. Haben aufm Platz in einem Hause ein Fenster bestellt, Trink- geld davor verehrt, denn sonsten alles bedrängt und unzählig viel Volk von Frauenzimmern in Fenstern gelegen, im Uebrigen auch überaus viel Reitens und Fahrens nach Hofe gewesen, so alles diesem angestellten Ritterspiel zusehen wollen. Wir Burschen hatten auch allbereit auf einem Dächl gute Gelegenheit einbekommen. Es ist aber aus dieser Kurzweil für diesmal nichts worden; zwar hat es an den Cavalieren und anderen nicht, sondern nur an der noch nicht recht mit Schutt und Erde zugerichteten Rennbahn ermangelt, daher alle vor Ihre Kais. Maj. und das kaiserliche Frauenzimmer zugerichtete Sessiones und Tapezereien wieder ab- und weg- genommen worden, auch wir wiederum von dannen mit eigentlichem Ver- lass, dass uns morgen das Fenster wieder möchte eingeräumt werden, vom Prälaten, qui promisit, Abschied genommen, unten im Hause zwei Reichs- thaler | verehrt. Zu Hause in unserm Losier hat der Herr und ich geschrieben und heutigen Verlauf protocollirt. Nota. An unserer Hausthür steht angeschrieben: Röm. Kais. Maj. Rath und Böhmischer Secretarius Deutscher Expedition Hans Rasper. Ueber der Thür steht: Dies Haus stehet in Gottes Hand, Beim Rauchfangkehrer ist es genannt. (Sind 3 Männlein in eine Tafel gemacht.) Gegen 4 Uhr ging ich mit dem Herrn aus, sahen uns aufm Klein- seitner Ring unter den Lauben J[offener, überwölbter Bogengang, Müller- Mothes Archäol. Wört. II, 616] nach Kupferstichen und anderen Sachen um, hernach gingen wir auf. die Brücke, sahen aufm Thurm gegen die Altstadt zu heraus gegen die Moldau 5 Köpfe, so noch seit der Execution her stecken; der 6. als des Grafens von Schlick war auf der Gräfin beim Kaiser unaufhörliches Bitten weggenommen, begraben und auf der Gräfin Güter einem in eine Kirche gelegt und dem Be | richt nach ein Predigt- stuhl zum Gedächtniss gebaut worden gleich auf seinem Körper. Auf dem anderen Thurme oder Gange gegen die Altstadt lagen noch 6 Köpfe in eisernen Körben mit Stangen heraus gesteckt. [Dazu vgl. Peschek I, 458 und Gindely IV, 81.] Im Zurückgehen auf die Kleinseiten sagte der Herr wider mich, ich sollte doch, wieviel Schritte lang diese steinerne Brücke wäre, zählen und in Acht nehmen; hab ich es gethan und von dem rothen steinernen „Seiler“, so gegen der Jesuiten Kirche steht an und bis über die Brücke an den andern Thurm auf der Kleinseite gezählt 760 meiner gewöhnlichen Schritte. ') !) Die Brücke ist 1572’ lang und erhebt sich 42° über dem mittleren Wasser- stande der Moldau. fol. 105. fol. 105b. fol. 106. fol. 106b. Nota. Zur rechten Hand, wenn man aus der alten Stadt auf die Kleinseite geht, steht ein Crucifix (welches der Pfalzgraf König Fridericus suo tem- pore wegnehmen lassen), darunter ausgehauen Maria und Johannes. Gegen diesem Crucifix über steht ein steinerner ausgehauener Pfeiler, daran alte Wappen gehauen, ist vornen beiderseits ein Stacket vor [die Prunzliksäule?]. Die Brücke ist sonst von lauter Werkstücken, wie auch die Leinen oder Geländer auf beiden Seiten alles von Quaderstücken und die Brücke über | und über schön gepflastert. Geht, reitet und fährt unaufhörlich viel Volk bis in die Nacht darüber. War auch gleich dazumal bei währen- der Krönung und kaiserlichen Hofhaltung stark verboten, dass ohne Licht bei Abends sich niemand darauf betreten lassen sollte, damit alle Unge- legenheit, Mord und Todschlag, so sonsten auf dieser Brücke öfters er- fahren worden, verhütet werde. Das Wasser darunter, die Moldau, ist bei weitem nicht so stark als zu Wien die Donau, ist aber von der Brücke bis hinunter eine grosse Höhe, die manch ehrlicher Mensch jämmerlich gemessen; ein „Gewehr“ ist oberhalb der Moldau gegen den Klein-Venedig [Insel Kampa, Schützen- insel?] zu (so ein kleiner Platz Erde und mit wenig Bäumen besetzt, auch vom Wasser ganz beschlossen wird) zu sehen, welch Gewehr den starken Fluss auch nicht wenig verhindert. Als ich jetzo gedachtermassen mit den Herren nach Hause kommen, sind gleich Schreiben von Breslau vorhanden, die der Herr erbrochen und eines Herrn Bock bald zu bringen, das andere | an mich haltende [mir] zugestellt hat. Kurz vorher, als wir noch auf der Brücke waren, traf uns Herr Balzer Hoffmann an, bat um Verzeihung, dass er wenig zu den Herren käme, wollte, wann nur die fürstlichen Audienzen vorüber, den Herren Gesandten desto fleissiger aufwarten. Dito Vormittags war Herr Otto Melander, Reichshofrath, bei meinem Herrn ohngefähr eine Stunde zu Hause. Ingleichen, als wir wegen des Turniers von Hofe zogen, war gleich Ihre Fürstl. Gn. das Kaiserl. Ober-Amt zu Liegnitz zu Hofe bei Ihrer Kais. Maj. Compulit dominos Herr Kreischelwitz und Herr Kyckpusch, so statt- lich aufgezogen. Nachm Essen aufn Abend war ich wieder bei Herrn Bock, brachte ihm das Schreiben von Breslau, war Herr Burghaus bei ihm zu Gaste, der meinen Herren auch einen guten Abend vermelden liess. Dito gar aufm Abend hab ich an Herrn Dr. Mundrich beigelegt ein Brieflein elaborate an die Frau Dr. Schütz, Wittib, und eines an Franz Raussendorf geschrieben. 3 23. November, Dienstag. Bin ich früh um 6 Uhr zum Herrn Nostitz, Vice-Kanzler, geschickt worden, nachzufragen, ob Ihro Gn. aufgestanden wären; hab, weil es noch was finster, der rechten Gasse gefehlet, es aber bald gefunden und mich ein Diener berichtet, dass Ihre Gnaden bald aufstehen würden. Ich hab den Herren Antwort gesagt. Sind sie bald zu Ihro Gn. gangen, habe ich ihnen mit einer Fackel vorgeleuchtet, doch vorhero zu Hause Herrn Rasper einen vom Rath zu Breslau gestern auf der Post ankommenen Bericht wegen Rittmeister Mülbens in seine Hände überantwortet. Dixit, er wollte es zu Hofe förderlichst Ihrer Kais. Maj. referiren und vortragen. Beim Herrn Nostitz haben die Herren eine gute halbe Stunde aufgewartet, bis sich Ihre Gn. angeleget, sind hernach eingelassen und im Zimmer über eine Viertelstunde nicht gehört worden, weil Herr Nostitz nach Hofe ge- eilet. Unterdessen, als ich das erste Mal um 6 Uhr zum Herrn Nostitz sehe, wären die Herren ‚lieber‘ mit einander in Unvernehmen gerathen, samb einer mehr als der andere spendirt hätte, bis sie der | Tischwascher Christoph Wiesenberger diesfalls entscheiden und berichten müssen, was einer oder der andere ihm auf Rechnung zugestellt hätte; wollen sonst genau zehren, da doch alles theuer und nichts umsonst zu bekommen, haben sie doch beide wöchentlich 300 Thaler zu verzehren gehabt. Wie die Herren vom Vicekanzler nach Hause kommen, hab ich, ob der Herr Kammer-Präsident Ihro Gn. der Herr von Dohna noch anzutreffen, nachfragen müssen. Ist aber früh nach Hofe und von dannen zum Herrn Nostitz gefahren gewesen. Drauf ich zum Herrn Kreischelwitz gangen, ihm das gestern auf der Post von Breslau ankommene Schreiben gebracht, daraus zu vernehmen, wasmassen abermals 8 Gompagnien Reiter, Don Balthasars Volk, unter 2 Lieutenants eingerüekt, 5 Tage stille gelegen und so gebahret [= se gerere], dass nunmehr die höchste Unmöglichkeit vor- handen, ja sie die Soldaten auf des Herrn von Dohna Ordinanz nichts hätten geben wollen [dazu A. publ. VI, 300). Darum auf Ihr. F. Gn. und anderer Stände Anhalten vom Herrn von Dohna eine neue Ordinanz ausgewirkt werden muss ..... [fol. 108 fehlt.) . von Meggau, a sinistris von einem anderen vornehmen Herren be- gleitet worden. Im Eggenbergischen Hause ist an dem einen Fenster ein Guldenstück vorn Kaiser, im andern ein rother Sammt vor die Prinzessinnen ausgehänget gewesen mit dergleichen aufgelegten schönen Polstern. Ist Ihre Maj. bald ans Fenster getreten, neben dem und der Kaiserin auch bald der Narr herab gesehen. Allezeit hat es sich eine gute halbe Stunde verzogen, bis sich die Aufzüge praesentirt. fol. 107. fol. 107b. fol. 109. fol. 109b. fol. 110. 32 Hernach haben die zu Ungarn Königl. Maj. Ferdinandus II. mit 6 Trompetern und 2 Heertrommeln in roth und weisser Lieberei, des hochlöblichen Hauses Oesterreich Wappenfarbe, sammt 27 bei Ihro gehabten Cavalieren und ritterlichen Personen einen schönen Aufzug und Mascara zu Ross praesentirt. Ihro Maj. der König hat ein schönes braunes Rössl geritten, eine ver- goldete leichte Sturmhaube verlarvt und aufn Achseln gepappte und ver- goldete Löwenköpfe und also durch und durch alle seine Cavaliere solche Mascara angehabt, war sehr lustig zu sehen. Darauf etliche andere Cavaliere auch achtundzwanzig stark in schwarz, gelb und weiss bekleidet gleichermassen auf die Bahn gezogen. Anfänglich dem Römischen Kaiser, Kaiserlichen Gemahlin und zweien Prinzessinnen mit niedergelassenen Lanzen und gebogenem Haupt tiefdemüthige Reverenz gethan. Folgendes ein Carousselrennen, hernach ein Kopfrennen ge- halten. Hernach hat der König mit seiner Compagnia sich oberhalb der Renn- bahn gegen uns zu, die andere Partei sich unten gestellt. Da denn bald von unten herauf ein Cavalier aufn König in vollem Courier geritten kommen und ihn ausgefordert, dem der König in vollem Spornstreich ge- folgt, aus seinem ‚‚Thanister‘‘ viel zugerichter Kugeln von Thon oder Erde auf ihn geworfen und also wieder hinunter gejagt; hat ein anderer der- gleichen den König wieder mit Werfen herauf verfolgt. Solches ist vice versa herumgangen, bis hernach zu 2, 3, 4, 5 und endlich alle unter- einander geturniert und gerennet, die Rosse auch so ermüdet, dass nach einer guten Stunde weil diese Lust gewähret beide Parteien abgezogen und frische Rosse genommen. Unterdessen ist mitten im Platze eine Lehne von Latten und daran auf ein hölzernes, braunes Ross ein Türke in einem birngelben Rock mit einem Kopf von grobem Papier gepappt gesetzt, vor ihm her ein andrer Mann mit einer Lanze in der Hand gestanden und nicht weit davon zur rechten Hand ein Morion oder Mohr auch mit einem gemelten Kopf den- selben emporhebende auf der Erde gelegen. | So ist auch eine Bühne oder Häusl von Brettern und einem Dächl zugerichtet in den Platz eingeschoben worden, darauf der Herr Cardinal von Dietrichstein, der Fürst von Eggenberg, der Oberste Burggraf Herr Adam von Wallstein und andere Herren gestiegen, niedergesessen und als Judieirer dieses Ritterspieles zugeschaut. Darauf beide Parteien mit frischen Rossen wieder aufgezogen, die Lanzen genommen und der König auf seinem weissen flüchtigen Klepper den Anfang gemacht, dazu die Trompeter alle Wege geblasen; hat Ihre Maj. den Türkenkopf gar schön abgeführt, die Lanze geschwind weg- gegeben, ein Pistol ausgezogen,- solches gegen den mittelsten Mann gar 93 wohl gelöst, doch den | Kopf nicht herabgeschossen, nach eingestecktem Pistol den Degen herausgezogen und in gleichmässigem Courier nach dem Mohrenkopf gerennet, solchen auch mit dem Degen abgeführt. Dieses haben nun alle Cavaliere, doch zum andern der spanische Am- bassator Graf Khevenhiller [Franz Christoph, 1588—1656, der bekannte Verfasser der Annalen] gethan, consequenter alle durch und durch; da hat nun mancher den ersten Kopf getroffen, den andern gefehlt, bald alleine den dritten weggenommen oder ja manchem das Pistol versagt oder erst losgangen, wenn er schon vorüber geritten gewesen, so aber, wann man die Köpfe nicht noch vor sich, sondern rückwärts heruntergehoben, nicht gegolten hat. Unter des Königs Compagnia ist mitgeritten Herr Friedrich Gellhorn, schlesischer Kammer-Rath [|1582—1636, ‚ein vortrefflicher Cavalier, bei- nahe der reichste Edelmann unter der schlesischen Noblesse‘] im der andern Compagnia Herr Schaffgotsch |Hans Ulrich, 1595—1635], haben sich beide insonderheit Herr Schaffgotsch sehr thätig und ritterlich erzeigt und alle 3 Köpfe zu zwei Malen gar schön weggenommen. Dieses Rennen ist durch und durch dreimal geschehen und damit bis zu Abend um 5 Uhr zugebracht worden. Darnach haben die beiden Com- pagnien Ihre Kais. Maj. mit der Gemahlin ins Schloss begleitet, welche ich gar nahe absteigen gesehen; hat Ihre Maj. ein spa | nisch Hütl mit einem köstlichen Kleinod, wie auch eine schöne Schauben und dicken Kragen umgehabt. Der Oberste Stallmeister Graf von Mansfeld ist mit dem Könige öfters oben beim Kaiser gewesen, hat endlich Ihre Maj. ziemlich ‚‚vorlanget‘‘, weil das Rennen lange gewähret. Dieser Mansfeld') hat ganz kein Haar aufm Kopf, trägt aber ein Wesen von rothem krausichten Haar gemacht allzeit aufm Haupt, setzt den Hut darauf und weiss der Hundertste nicht, dass es falsches Haar sei: soll es, wie ich reden höre, wenn er bei bekannten vertrauten Herren ist, bald abnehmen, weil es ihm sehr beschwerlich. Dem Prälaten, so uns aufm Platz ein Fenster vergünstigt, verehrten die Herren mit Herrn Bock 6 Reichsthaler, baten, wenn was Mehreres zu sehen, ihnen die Stelle wieder einzuräumen. Promisit. Nota. Die Cavaliere hatten auf ihre Schilde jedweder ein besonderes Emblema malen lassen. Unter andern stand auf des Don Balthasar Schilde mit grossen Buchstaben geschrieben: „Meine willige Dienst‘ — und nichts mehr dabei. Gleich als wie es zu Hofe hergeht, dass man einem bald seine willigen Dienst anbeut und doch nichts dahinter ist. !) Status particularis 96 nennt für 1636 als Supremus stabuli praefectus Bruno, Graf und Herr zu M. fol. I110b. fol: 114: fol. 111b. fol. 112. fol. 112h. Ein anderer hatte ihm in den Schild malen lassen einen Galgen, daran ein Schalk gehangen, und darüber schreiben lassen: Warum, darum! Als solches Ihre Maj. der König gesehen, hat er gefragt, was denn das für eine Bedeutung wäre? Hatte der Cavalier geantwortet: Gnädigster König und Herr! Warum er gestohlen gehabt, hanget er darum am Galgen. So der König passiren lassen und darüber gelacht, habe es Herrn Gellhorn, so dabei gewesen, ich selbst referiren hören. Wie zu Abend die Herren gessen, bin ich mit Christoph Wiesenberger unten in Keller gangen, die Flaschenfutter mit österreichischem Wein füllen lassen, haben wir dabei auch getrunken; ist mir der Wein, nachdem ich bei dem Turnier etliche Stunden im Kalten gewesen, hernach gehling in die warme Stube, drauf getrunken und ausm Keller kommen, also in den Kopf geschlagen, dass ich mich oben nicht besonnen und die Burschen oder Küchenweiber unschickliche Händel mit mir vorgenommen. Quod mihi Deus ignoscat! 94. November, Mittwoch. Hat mich früh, als ich noch zu Bett gelegen, unser | Kuchelmensch wegen des gestrigen Rausches ja geängstigt und geplagt. Hora 8. ward ich zum Herrn Kreischelwitz geschickt, zu fragen, wann der Courier ab- gefertigt würde und ob auf des Juliani Anerbieten der Ordinanz halber etwas befördert wäre. Dixit ad me Herr Kreischelwitz, vernähme gern, wenn die Herren wohl geruht, der Ordinanz wegen wäre noch nichts ein- kommen, es würde aber Ihre F. Gn. hora 10. bei der Kaiserin und hora 4. beim Könige Audienz haben, wollte er Julianum zu Hof davon wohl erinnern. Wenn der Courier würde abgefertigt werden, wollte er dem Herren schon wissen lassen, liess ihm dabei klagen, dass auf seinen Gütern Samitz und Dieban 5 Compagnien Reiter gelegen und sonder Zweifel alle Pferde und anderes würden ruinirt und geplündert haben. In des Oberamts Hause traf ich allezeit Juden an, darf man einem nur ein Wort sagen, bringen sie Gold, Silber und was einer begehrt. Unterwegs gegen der Brücke begegnet mir Ihro Gn. des Herrn Landes- hauptmanns von Jauer Kammerdiener Johannes, sagte mir, dass Ihro Gn. sein Herr auch gestern ankommen und von Ihrer Maj. anhero ver- schrieben wäre. | Vormittags hab ich einen Zettel an Herrn Johann Johnisch gemacht, ihm darin vermeldet, dass ihn ich unterschiedlich gesucht und nicht an- getroffen, wollte ihm aber hiermit die an ihn haltenden Schreiben über- geben und andeuten, dass mit ihm ich mich gerne ersehen; und weil ich auf der Kleinseiten beim Herrn Rasper anzutreffen, stellte ich zu seinem Gefallen, ob er mir zusprechen, oder wenn es seiner Gelegenheit, dass ich zu ihm käme, andeuten lassen wollte; als ich damit abermals in die neue 3 Stadt ihn zu suchen gangen und nicht angetroffen, sondern berichtet worden, er wäre zu Hofe, käme um 1 Uhr, 18 oder 11 nach Hause, liess ich die Schreiben und den Zettel versiegelt da, bat ihm es zuzustellen, sagte die Jungfer: Ja, es sollte wohl geschehen. Aufm Rossmarkt hat man von allerhand essender Waare und anderer Krämerei, was man immer begehren möchte, genugsam feil, ingleichen in der neuen Stadt aufm Trödelmarkt von Kleiderwerk und was man nur bedürfen möchte überflüssig zu verkaufen. Nota. An der Justitia aufm Rossmarkt steckte noch Dr. Frühweins [über dessen traurige Schicksale Pescheck I, 459 und Gindely IV, 63 und 69] Kopf in einer eisernen Stange, waren die Haare weggangen und die Hirn- schale gar weiss anzusehen. Wie ich über jetzgedachten Trödelmarkt ging, zank | te ein Weib mit einer Magd um etwas Verlornes oder Ent- wendetes, sprach wider sie: Du Zaucke, sage es, bekenne mirs, binde dir Hände und Füsse, stecke dir Feuer ins Maul! Und weil ich dergleichen Formalia noch niemals gehört, unterliess ich nicht, es mit zu annotiren. Beim Jesuiten-Collegio bei Herrn Wolf Teubner gab ich auch Melcher Rabens Schreiben ab. Auf der Brücke begegnete mir Hans Vogt, Büchsenschäfter; empfing ihn, sagte, er könnte bei Hofe diese Woche nichts verrichten, Pater Alexander würde ihm seine Sache befördern. Inde domum veni, haben Juden schöne Zeug hingebracht. Deinde eram in der Hofkammer-Kanzlei, wollte Herrn Metzger aufwarten, war aber nicht zugegen, bis gegen hora 4. Inde ging ich zu Herrn Bock, sah mich auch in dem fürstl. Wallsteinischen Hause um. Ist sehr majestätisch gebaut, gränzt aber gegen dem Sandthor (wie ich Dr. Luck von Prag einmal zu Breslau davon discurriren hören) mit einem schlechten Herrn (sc. carnifice'). Herrn Bock, so mit Herrn Sauermann allein Mahlzeit hielt, fragte ich wegen meiner Herren, weil sie heut noch nicht auskommen, was bei Hofe vorgelaufen. Ile, warum sie nicht naufkommen, es hätten die böhmischen Herren Offiziere und Landstände Ihrer Königl. Maj. zu Ungarn im Beisein des Kaisers in der Landstube aufm grossen Saal gehuldigt, hernach wäre der böhmische Landtagsschluss in deutscher und böhmischer Sprache ab- gelesen, die Privilegia und Freiheiten confirmirt, wie auch der Religion wegen dies gedacht worden, dass durchaus im Königreich Böhmen eine katholische Religion sein |das Ediet vom 31. Juli 1627 bei Londorp und !) Zwei merkwürdige ähnliche Anspielungen auf Waldsteins späteres Schicksal bei Opel in Sybels Zeitschr, 1884, 204 und Palm, Beitr. zur Lit. 246, Note, fol. 113. fol. 113 b. fol. 114. fol. 11#b. 96 Balbin], dem Uebrigen schon gebührendermassen begegnet werden sollte. Sonst würde aufn Sonntag der schönste Aufzug zu sehen sein, den der spanische Ambassator Graf Khevenhiller präsentiren sollte. Den Ritter-Dank des gestrigen Turniers hatten die Drei bekommen: 1. Ihro Maj. der König aus den Händen der Kaiserin eine mit Diamanten versetzte schöne Kette; darauf er mit der einen Prinzessin seiner Schwester getanzt, nach demselben ihr die Kette verehrt. Den 2. Dank hat bekommen Graf Khevenhiller, hatte gleichfalls seine schöne Kette der Dame nach dem Tanz verehrt. Ingleichen den 3. der Herzog von Württemberg sein Dona- rıum nach verrichtetem Tanze weggeschenkt. Die anderen Cavaliere, darunter auch Herr Schaffgotsch, hätten gar nichts bekommen und es doch weit besser als diese Drei gemacht. Wäre also nicht nach Kunst, sondern Ehr und Gunst ausgetheilt worden. Herr Burghaus hätte zwar um Audienz angehalten, aber heut nicht erlangt. Im Uebrigen würden Praeparatoria zu des Königs Krönung ge- macht, müssten die Herren sich nur morgen zeitlich zu Hofe einstellen. Als ich diese des Herrn Bock Nachricht meinen Herrn zugebracht, haben sie darauf mit dem Landkutscher sich vernommen, bis Dato ihn abgezahlt und von da an ihm für sich und seines Knechtes Unterhalt sowohl Ver- zehrung seiner Rosse alle Tage 2 Reichsthaler zu geben zugesagt, so lange sie zu Prag liegen blieben. Ist ihm auch täglich das Geld geben worden. Hernach gingen die Herren die Stiege hinauf, sahen sich in dem grossen Schlosssaal um, ist meiner gewöhnlichen Schritt 24 breit, die Länge hab ich vor dem aufgebauten Theater nicht zählen können. Auf diesem Saal steht zwischen den auch grossen Fenstern, derer die eine Seite gegen die Prager Städte, die andere gegen der Kirchen zu sehen, eine Baude an der andern, darin | nen man von Gold und Silber, kurzen und anderen schönen Waaren, was [einer] immer bedürfen möchte, zu verkaufen feil hat. Für diesmal waren über 2 Baudeu nicht offen, die andern schon alle geschlossen, und gesperrt. Auf diesem Saal richtete man ein Theatrum zu einer Comoedia auf, die Bretter waren wie Bäume und Wald gemalt und hintereinander per- spectivisch gar artig gesetzt. | Von dannen gingen wir in die Schlosskirche, da sie auch die Sessiones und alle Praeparatoria zur Krönung angerichtet. Diese Kirche, St. Veit genannt, ist auswendig von lauter Quader- oder Werkstücken zierlich und schön, als auch inwendig auf italienisch mit Gängen um und um gebaut; hingen um die Gänge herum 52 schöne, darunter 5 kaiserliche von Gold- stück Fahnen und war eine hohe Bühne mit Stufen und rothem Tuch über und über bekleidet zu sehen, darauf die böhmischen Herren und Abgesandten treten können. EEE 2 ur er er er EB 9 In der Kirche beim Crueifix, so in der Höhe vorm hohen Altar steht, waren diese Verse angeschrieben: Effigiem Christi cum transis semper honora: Non tamen effigiem, sed quem designat adora! Aus der Kirche zurück gingen wir die Stiegen herab, fuhr gleich das Kais. Ober-Amt, bei dem Herr Kyckpusch sass, nach Hofe. Meine Herren spazierten um den Kleinseitner Ring, allda man auch allerhand zu verkaufen hat. Der Fleischmarkt steht in der Mitten. Inde gingen wir bis auf die Hälfte der Brücke und dann zurück nach Hause. Deinde sollte ich nach Ihrer Maj. geheimen Kammerdiener Herrn Stuben- voll fragen, bei dem aber unser Reiter zu Hofe gewesen. Beim Eck des fürstlichen Wallsteinischen Hauses ward circa horam quartam mit 3 Trom- meln umgeschlagen und auf des Kaiser-Richters Anordnung den Bürgern und Mitbürgern gesessen und ungesessen angedeutet, dass ein jedweder mit seiner besten Wehr ausstaffiert sich morgenden Tags früh um 5 Uhr beim Rathhause (so unter der Lauben nicht weit von uns am Eck lieget) bei Straf von 4 Reichsthalern finden lassen sollte. Unsere Wirthschaft geht halt noch von statten, dass Gott erbarmt, haben weder Hand- noch Tischtuch und anderes, was wir bedürfen, essen recht auf höfeweise rips, raps; wie lange es nun so bestehen | wird, haben wir zu erfahren. Dito schrieb ich ein Brieflein an Johann Durstner und band es anderen Schreiben bei. Nota. Bei heutiger der Böhmen geschehener Huldigung ist ein Besonderes zu vermerken. Dass die Stände den Tag vor der Krönung, so vormals nicht geschehen und eine Neuerung ist, huldigen, jedweder auch seinen Tauf- und Zunamen sagen müssen; da man sonst beim Kaiser Matthia und Ferdinando dem jetzigen Kaiser bei der Krönung in der Kirche in genere gefragt: Wollet ihr, dass dieser zu eurem Könige gekrönet werde? Haben sie alle Ja, ja! geschrieen. Jetzt aber hat es geheissen: Darum wird er gekrönt, weil man ihm gehuldigt hat. Daher erscheint, dass die Böhmen nicht mehr frei, sondern des- Römischen Kaisers Erbunterthanen sind. 25. November, Donnerstag. Sind wir früh nach 4 Uhr aufgestanden, uns angelegt, fertig gemacht, mein Herr ein seidenes Atlaskleid und eine goldene Kette mit des Chur- fürsten [von Sachsen] Bildniss umgelegt, haben vor | hero die Schreiben an einen E. E. Rath zu Breslau (dabei ein Packet unserer Schreiben bei Dr. Rosa abzugeben) durch unseren Reiter dem Courier zubringen lassen. Unser „Herr Kraskes, der Koch Paul Wagner‘ ist diese Nacht ausser dem Hause geblieben, haben es ihm die Herren nicht gut gesprochen. Ä fol. 115. fol. 115 fol. 116. fol. 116b. 98 Hora 6. früh sind die Herren nach Hofe gefahren, hat der Mond schön geschienen, schickten den Wagen bald wieder herab und gingen hinauf in die Ritterstube, da ım Zimmer eine Wachsfackel auf einem hölzernen Fuss gestanden, das Zimmer erleuchtet, sich auch schon viele Herren, in- gleichen der Herzog von Bernstadt |der obenerwähnte Heinrich Wenzel] zum Aufwarten praesentirt.'). Darauf haben die Herren mit dem geheimen Kammerdiener Herrn Stubenvoll geredet, ihn gebeten, auch eine Verehrung geben, dass er doch die beiden jungen Herren, den jungen Vogt, Friedrich Rosa und mich in die Kirche befördern helfen wollte. Dixit ja, wir sollten nur ein wenig warten. Hat uns bald durch die kaiserliche Antecamera, so mit den schönsten Tapezereien (von klarer Seide mit Gold durchwirkt, und ganze lebhaftige Rosse, Thiere, Land | schaften und dergleichen abgebildet und sehr schön zu sehen waren) geziert und das Vorzimmer vom Kaiser ist, durchgeführt und gesagt: Wir sollten nun aufm Gang ‚hinunter‘ gehen, würden schon einkommen können. Gehen also fort, kommen gleich vor des Kaisers Oratorium, welches mit lauter Goldstück bekleidet und mit Lichtern voll war; darinnen kniete Ihre Maj. der Kaiser und las in einem Buche. Da wussten wir Gimpel nun weder aus noch ein, weil überall um uns her Thüren, solche alle zu und wir unter der Angst bald unter das Frauenzimmer kommen wären, bis der junge Sauermann zu uns und wir mit ihm nach eröffneter Thür auf den langen Gang eingedrungen, da wir dann ungehindert fort und bis an die allerletzte Thür in die Kirche kom- fol. 117. men und vermeint, wir hätten nun gewonnen. Es ist aber unversehens ein Haufen Hatschiere und Trabanten zur Thür herausgeplatzt, uns wieder zurückgejagt, Sauermann über einen Haufen gestossen, doch weil er cavalierisch aufgezogen, eingelassen, uns arme St. Velten aber, ungeachtet wie fleissig wir angehalten, zurückgetrieben, bis endlich wir uns länger nicht erhalten und auf die Antecamera zurückbegeben wollen. Ist | uns Herr Dobschütz und der Herr Vater begegnet, die wir berichtet, wir könnten nicht einkommen. Dixerunt, kommet nur, wollen sehen, ob wir euch können durchbringen; haben aber selber mit Mühe und Andeuten, sie wären schlesische Abgesandte, sich eingedrungen. Sind wir wie auch wackere Herren und Cavaliere immer weiter zurünke getrieben worden, uns da so lange erhalten, bis um 9 Uhr Ihro Maj. der König mit ansehnlichem CGomitatu in die Kirche bei uns durchgangen, hat ——— m 00m nn !) Am 25. November schritten die mährischen, schlesischen und böhmischen Stände auf dem Wege vom Schlosse zum Dome hinter Ferdinand III; die drei schlesischen Fürsten Georg Rudolf von Liegnitz, Johann Christian von Brieg und Heinrich Wenzel von Öls hatten ihren Platz dabei hinter dem spanischen Ge- sandten. Am Abend des 28. waren alle drei Herzöge bei der Tafel anwesend und gingen darauf dem Kaiser beim ersten Tanze mit Windlichtern voran. Aus den gleich zu erwähnenden Flugschriften. 2 DET EBERLE 99 ein weisses Silberstück, weisse Schuh’ und Strümpfe angehabt. Wie aber der Kaiser kommen sollen, haben wir alle heraus gemusst und durch ein Zimmer aufn grossen Saal herabgelassen wurden. Hat ein jeder sich um eine gute Stelle zuzusehen bemüht, ich auch hart vorm grossen Saal auf einer Bank zu stehen gekommen, da ich die Procession aus der Kirche gar wohl habe sehen können. Gegen 10 Uhr ist dem Könige die Krone aufgesetzt und aus Stücken und Musketen Salve geschossen, auch alle Glocken angezogen und geläutet worden. Die Procession ist nach 11 Uhr aus der Kirche gangen, in un- aussprechlicher Magnificenz, Pracht und | Hoffarth; wie eines und das andere auf einander gefolgt, davon ist in dem gedruckten Exemplar!) hierbei |fehlt]| umständlich mit mehrerem zu lesen. Unter anderem, so ich fleissig gesehen, schien des Königs Krone gar neu zu sein, denn sie vortrefflich gefunkelt, weil sie auch von den köstlichsten Edelgesteinen versetzt war. In der Kirche sind alle Geremonien, wie bei allen böhmischen Königen geschehen, so auch für diesmal verrichtet worden. Wie der König oben in die geheime Kammer kommen und hernach herab in die Landstube zur Tafel geführt worden, habe ich sie alle, wie auch die Krone eigentlich gesehen. In der Landstube, darinnen ich mich zuvorhero umgesehen, waren 8 Tafeln, auf einem erhabenen Fussboden “ aber, so mit rothem Tuch überzogen, eine lange Tafel mit rothem Sammt bedeckt gesetzt, wie auch in der Decke ein Goldstück übers Königs Sitz aufgezogen, wie nicht weniger eine erhöhte Bühne für die Musikanten auf- gerichtet. Zuvorhero wie der König processionaliter aus der Kirche ging, war abermals wie bei der Kaiserin um das rothe und weisse Tuch ein solches Gereisse und Gezerre, dass der König vorm grossen Saal und gleich, wo ich gestanden, darüber stutzen müssen, zumal weil | dem Könige zur rechten Hand ein Herr ging, silberne und goldene Münzen (dem Könige zu Ehren verfertigt) auswarf, davon mancher etliche Stück, aber auch von dem Gedränge gute Stösse und Püffe bekommen, mancher, wenn ihm was in den Hut geflogen, ein anderer den ihm umgestürzt und es ihm wieder genommen. Als Ihro Maj. der König zur Tafel gesessen, sind im Schlosshofe zur Seite des langen Ganges aus 2 hölzernen Röhren, roth und weiss gemalt, dergleichen rother und weisser Wein geronnen und bei einer Stunde „un- aufhörlich geflossen aufgethan worden“, dazu sich nun die Soldaten ge- drungen und auf ihre Gabeln, Spiesse, Stangen und andere alte „Schrapen‘“, Töpfe, Kannen, Hüte, Sturmhauben, Krüge und anderes aufgegabelt, unter ı) Böhmische Krönungsrelation, gedruckt zu Prag durch Paul Sessy 1627; Königlicher Böhmischen Krönungen Ritterfest uud herrliche Freudenspiel 1628, beide auf der Breslauer Stadtbibliothek. x 4 fol. 117b. fol. 118. fol. 118b. fol. 120 100 die Röhren gehalten, Wein aufgefangen, einer den andern immer weg gedrängt, wenn einer was bekommen und runter langen wollen, es in dem Gedränge einander auf die Hälse gegossen, die Krüge, wenn sie voll ge- wesen, im Herunternehmen zerstossen und einander so begossen, dass mancher wie eine „Liessa“ [vermutlich — Lisse, Lixe, Nixe: Weinhold, Beiträge 54] getroffen. Ist überaus lustig und lächerlich zu sehen gewesen, haben ihrer viele ihre Hüte darüber (wie auch einer obenauf seinen Mantel) eingebüsset. Einer hernach, wie es nicht mehr geflossen, eine Gabel hinauf- und einem vorn Kopf geschmissen, dass er geblutet hat. Wie es also hergangen, habe ich mich bei Seite gemacht, bin die Stiege herab gangen, haben die Herren und mit ihnen der junge Herr Siegroth |der 18jährige Gottfried v. S. auf Gross- und Klein-Mühlatschütz] Mahlzeit gehalten, denen hernach Herr Friedrich Frobel und der junge Rasper zugesprochen. Herr Secretär Rasper ist dito mit anderen Secretariis beim Herrn Meuskönig zu Gaste gewesen. Nach geendeter königlicher Tafel zu Hofe ist eine Comoedia gehalten, zu eingehender Nacht aber ein schönes und in Praesentirung unter anderem einer königlichen Krone gar herrliches Feuerwerk, dadurch der Feuermeister nicht wenig Ehre eingelegt, mit Einspielung der grossen Stücke, als auch anderer schöner Feuerkugeln, hochsteigender Raketen und dergleichen artiger Kurzweil sehr wohl abgangen. Dito gegen Abend auch unser Reiter in die Münze, um silberne und goldene Münzen zu erlangen, geschickt worden. Herr Rosa referirte sub prandio, dass in der Kirche... [fol. 119 fehlt.] . . . Ingleichen sagte Herr Rasper, so lange er sich nunmehr am kaiser- lichen Hofe befunden, hätte er noch niemals so viele vornehme Fürsten, Herren und Abgesandte aus dem Lande Schlesien in so grosser Anzahl beisammen als diesmal gesehen. Gereichte gewiss Ihrer Kais. Maj. zu be- sonderem Wohlgefallen, dass die Herren Fürsten und Stände sich also ge. horsamlich eingestellt hätten, würde Ihro Maj. sie es auch wirklich hin- wieder geniessen lassen. Item discursive gedachte Herr Rasper, er wäre natione ein Schlesier, nunmehr 44 Jahr, parens eius 98 Jahr alt worden; betheuerte hoch, dass er des Landes Schlesien, soviel an ihm gelegen, Getreuester wäre und nicht gern einen Buchstaben zuviel oder wenig aufsetzen thäte. In summa, bei dergleichen vornehmer Leute Discursen kann ein junger Mensch, der so weit etwas zu merken abgerichtet ist, oder cui ut mihi vexatio dedit intellectum, oft etwas lernen, das ihm zur Erfahrenheit viel nützen und dienen kann. 101 Discessit a nobis cum uxore, so eine feine betagte und sehr ver- ständige Frau, condolirende, dass nur die Herrn Gesandten nicht, wie sie sollen, accommo | diret und losieret wären. Unsere Herren waren wohl zu aller Genüge, wie sie sein sollen, be- rauscht, dabei wir unser auch nicht vergessen und was noch ermangelt vollends ersetzt haben. Tantum die coronationis Pragae conscripsi et deli- genter annotavi! . 26. November, Freitag. Hat nach 7 Uhr Herr Balthasar Hoffmann den Herren zugesprochen, hora 8. sind sie in des Ober-Amts Losier zum goldenen Einhorn gangen, dahin alle aus Schlesien anwesenden Fürsten und Stände erfordert gewesen. Juden haben im Hause schönes Senkelband zu verkaufen gehabt. Inde bin ich gangen in die Hofkammerkanzlei und nach Herrn Metzger gefragt, der noch nicht hinauf kommen war. Vidi Herrn Frobel mit Friedrich Matten in roth Tuch mit goldenen Posamenten [Besetzung mit Schnuren] ver- brämt gekleidet. Circa 10. bin ich wieder in die Hofkammer-Kanzlei gangen, nach Herrn Metzger gefragt, ihn angetroffen, in der Stube mit ihm geredet und der Frau Dr. Schütz zu Breslau freundlichen Ehrengruss vermeldet, ihm, wie sie sich der ihr in ihren Angelegenheiten erwiesenen treuen Beförderung erin | nerte, solches auch nochmals dankbarlich zu verschulden ein- gedenk wäre, zu erkennen gegeben; vernähme dabei die Frau gar gerne, wann ihm und allen Seinigen es gar wohl erginge. Ille hat sich freund- lich bedankt, das Ersuchen gar zum besten vermerkt, gerne vernommen, dass die Frau aus ihrem Labyrinth und Kummer gerathen und richtig worden wäre, erbot sich, was er der Frau anderwärts dienen und be- förderlich sein könnte, wäre er dazu in allewege bereitwillig, bat die Frau seinetwegen freundlich zu grüssen. Discessi. Ist von Person ein feiner ansehnlicher Mann mit einem gelblichten Bärtl. Ivi in des Ober-Amts Quartier, da alle Stände aus Schlesien beisammen waren. Deinde von dannen auf die Brücke, wies mir Christian Hempel aufm Thurme, da die Köpfe stecken, die 5 Entlein, deren 4 ausgehauen, das 5. gemalt überm Schwibbogen zu sehen und wegen einer Bedeutung in Acht zu nehmen ist. Sagte auch Christian, sein Herr hätte vorgestern beim Könige Audienz gehabt. Ingleichen wäre [er] mit andern gestern hinter der Mauer gewesen, da sich die Huren bald praesen | tirt und sie bei ihnen einzusprechen gebeten, so aber keiner gethan, sondern gesagt hätten, wollten auf ein ander Mal wiederkommen. Circa 11. sind die Herren mit Herrn Bock nach Hause gefahren, da denn bald Juden hinkommen und allerhand zu verkaufen gebracht haben, fol. 120. fol. 121. fol. 121b. fol. 122. fol. 122b. 102 Dito ist unser Courierer, mit dem ich geschrieben, abgeritten, ver- meinte Sonntag Abends zu Breslau zu sein. Sub prandio, wie wir gleich gessen, hat mir Herr Johann Johnisch in unser (Quartier zugesprochen, um Verzeihung gebeten, dass ich ihn gesucht und nicht angetroffen hätte, wollte mir in einer Stunde wieder zusprechen und mit mir ein wenig ausspazieren. War grau gekleidet, rothe Mütze auf, dergleichen Strümpfe an. | | Post prandium hat mich der Herr mit.einem Schreiben zu Herrn Balzer Hoffmann geschickt, ihn bitten lassen, weil sie sich bei Ihrer Kais. Maj. um Audienz gerne bemühen, auch zu dem Ende Ihrer F. Gn. dem Obersten Kanzler aufwarten wollten, dass er ihnen heut oder morgen zu- sprechen sollte; habe ihn ich auf der Brücken auf die Kleinseite fahrende angetroffen und ihm das vermeldet. Inde bin ich mit unserm Koch durch die alte in die | neue Stadt zu Herrn Johann Johnisch gangen, ihn Gott Lob angetroffen, er mich im Hause freundlich empfangen und angedeutet, dass er gleich ein wenig essen und hernach mit mir, wohin ich begehrte, spazieren wollte. Dixi, für diesmal würde mit mir sich es gar wohl nicht schicken, weil der Tag meistentheils vorüber, die Herren ausfahren und ihm ingleichen auszubemühen vielleicht ungelegen fallen möchte, dahero ihn ich für diesmal verschonen wollte. Dixit, es geschehe ihm keine Ungelegenheit, wäre ihm nur leid, dass dem Herrn Vettern mir er nicht bald eine Cortesie erweisen könnte, sollte aber noch geschehen und er wegen seines Vaters, meiner Person und sonst im Vertrauen so viel mit mir reden, dass ihm und mir viel daran gelegen. Ego, ich wollte es gar gerne anhören, sollte sich zu meiner Wenigkeit aller Treue versehen. Ile: Nicht also, er wäre ein guter, armer Geselle, respectirte einen jedweden gar gerne. Abivi. Mit Verlass morgenden Tages seiner zu warten und mit ihm ein wenig auszugehen. Ging mit dem Koch, so ein Schreiben auf selbigem Platz an einen Schwertfeger abgab, von dannen wieder zurück nach Hause. Aufm Altstätter | Ring wies er mir, wo die Execution ge- schehen und einem und andern die Hände abgehauen worden waren. Konnte mich es eigentlich berichten, weil er dieses Trauerspectakel damals wirklich exequiren sehen. In der neuen Stadt sah man auch Dr. Früh- weins Kopf stecken. Als wir über die Brücke kamen, schlug man mit 3 Trommeln um und rufte aus, dass Ihre Kais. Maj. gestrigen Tages bei der Comoedia ein braunes Windspiel verloren hätte; wer nun immer dasselbe gefunden, sollte es nicht verhalten, sondern beim Bürgermeister auf der Kleinseite alsobald anmelden und überantworten, sollte ein gutes Trinkgeld bekommen. Der es aber verhielte und hernach offenbar würde, der sollte von der Strafe auch nicht wissen [offenbar ironisch gemeint]. 103 Inde mit dem Koch unter den Lauben, da man von essenden Waaren alles was einer begehret feil hat, ein Paar Kannen gut Bitterbier um 4 Kreuzer getrunken. Nota. Herr Johnisch fragte mich bei ihm zu Hause, wo ich aber hin begehrte zu gehen und wo er mich hinführen sollte? Ego, wäre hier ein Fremder, er dagegen bekannt, würde mir was zu Prag zu | merken seiner Dis- kretion nach am besten andeuten können, doch wollte ich auch aus Vor- witz hinter die Mauer gehen (weil ich ja davon sehr viel gehört), nicht zwar bei den Damen einzusprechen, sondern mich umzuschauen; hoffte, ich würde gleichsam eine salvam guardiam an ihm haben. Ille: Nein, Herr Vetter, ich will ıhn schon durchführen, will aber dabei, möchte sonst ein schädlicher Gast sein. - Dito gegen Abend sprach Herrn von Talmbergs sein Herr Winkler, Appellations-Verwandter, meinen Herrn zu, wie auch Herr Balzer Hoff- mann dazu kommen, mit denen sich die Herren überflüssig bezecht, dass wir sie anheim führen lassen müssen. Unterdess habe ich mit Herrn Hoffmanns Diener Caspar viel im Vertrauen geredet, der mir dann, was auf seines Herrn ‚Apostisiren‘‘ es ihm vor Ungelegenheit causirte, nach der Länge erzählt. Inde die Herrn zu Abend allein gessen und ich eine Quittung folgenden Inhalts geschrieben: | Von dem Edlen, Ehrenvesten und Wohlbenambten Herrn Johann de Witt p. [über ihn Foerster, W. als F. u. L. 384 f.], vornehmen Handels- mann allhier, sind uns heut dato zwei hundert und vierzig Stück Reichs- thaler in specie, wie auch drei hun | dert Thaler zu 36 Gr. an Münze und zehn ungrische Fl. in specie ausgezahlt; so ihm oder treuen Briefes Inhabern in Breslau mit Dank erstattet werden sollen. Zu Urkund haben wir der Stadt Breslau Abgesandte unser Petschaft aufgedrückt und uns mit eignen Händen unterschrieben. Prag, den 27. November Anno 1627. I... L. 5, Bartel Dobschütz, mp. Reinhard Rosa, Dr., mp. 27. November, Sonnabend. Haben früh die Herrn mit Georg Schlenker, Courier, an Herrn Haupt- mann Sebisch nach Breslau geschrieben und jedwederm Rathsherrn ein Stück der ausgeworfenen Münze zugeschickt. Hora 8. sind sie zum Obersten Kanzler, dem Fürsten von Lobkowitz, so oben beim Sandthor hinauf wohnet und man in einem hohlen Wege hinauffahren muss, gefahren, über eine Stunde, bis der Fürst [sie] vor- gelassen, in dem vierten Zimmer der Tafelstube (da sich auch allbereit fol. 123. fol. 123b. fol, 124. fol. 124b. fol. 125. 104 andere Herren und Frauenzimmer befunden) aufgewartet, bis sie hernach noch durch 2 Zimmer in das rechte kommen. Ist ein sehr schön majestätisch Haus. ' Inde domum, ist ihnen angedeutet worden, dass sie bald nach Hofe zur Audienz sollten, derowegen sie sich nicht, weil sie grau angezogen, in der Eil anders anlegen, sondern also hinauf fahren müssen. Gingen in die Ritterstube, waren die schlesischen Fürsten und Herren in der kaiser- lichen Antecamera, erwartend des Herrn von Dohna, welcher aber langsam kommen und die Audienz verhindert. Gleichdazumals verehrte Ihrer Kais. Maj. Herr Burghaus einen schönen ascherfarbenen grossen englischen Hund, Liebe genannt; sah ich ihn Herrn Burghaus selber beim Halsband dem Kaiser ins Zimmer hineinführen. Waren überaus viele Herren zu Hofe und von Ross und Wagen ein srosses Gedränge; ich ging die Stiegen ab. Deinde pransi sumus. Finito prandio haben sich die Herren in die aufn Wechsel empfangenen 600 Thaler getheilt. Hernach hab ich, was Zeit der Quartierung dem Fürstenthum und Stadt Breslau allein an Spesen aufgangen, Copiam gemacht, Inhalts: Dass vom 1. Januario Anno 1627 bis den 10.-Novembris die Stadt Breslau auf Verpflegung Ihrer | F. Gn. Herrn Generals von Wallstein Leibregiments unter Commando des Oberstlieutenants Julian, sowohl wegen des Pantaleon Wachtels zweier Compagnien baar hergeben und bezahlen müssen, ingleichen was noch überdas wegen der durch dies Fürstenthum fast täglich erfolgten Durchzüge diese Stadt contribuiren muss, und andere Ausgaben mehr, so. in allem in einer Summa thut 188 816 Thaler 3 Groschen 7'/, Heller. Was die Stadt wegen Unterhaltung von 4 Fähnlein Knechten und einer Compagnie Reiterei bis Dato bezahlt und den 3 Fähnlein, so noch unab- gedankt, sammt der abgedankten Reiterei wegen ihrer angegebenen Rest- zettel noch schuldig ist, thut in einer Summa 114030 Thaler 34 Groschen. So ist auch Ihrer Röm. Kais. Maj. an den vorgeliehenen 100000 Thalern [A. publ. V, 311] Capital die Interessen bis 30. März 1627 vertagt, in summa 79550 Thaler. Darauf bin ich zu Herrn Bock geschickt worden, zu fragen, ob er nach Hofe zur Comoedia wollte; begehrte mein Herr, wenn es ihm nicht zuwider, mit hinauf: Dixit, gar gerne, sollte nur zu ihm | kommen, wollte bald anspannen lassen und mit ihm hinauffahren. Als ich von Herrn Bock zurückkommen, brachte unser Reiter Zacha- rias mehr Münzen und nur für die ihm mitgegebenen 3 Reichsthaler 9 Stück der grossen, derer man 6 für einen Reichsthaler erlangt, und der 105 mittleren 18 Stück, da derer 12 auf einen Reichsthaler bei dieser der Münzer Ernte gegangen: der allerkleinsten Sorten, 24 für ein Rth., wäre nichts vorhanden gewesen. Bekam also in allem 27 Stück. Dergleichen Gepräges wie das silberne hat man auch von Golde zu einem, anderthalb, 2, 3, 4 und mehr Dukaten schwer ausgefertigt und um ander Gold oder Reichsthaler, wer es begehrte, weggelassen. Wie denn der Herr Erzbischof zu Prag zehn Stück, da jedwedes 10 Dukaten gehalten, für sich münzen lassen. Unsere Herren haben ihnen auch was von halben, sanzen und Doppel-Dukaten eingewechselt; massen dann zu dem Ende Herr Dr. Rosa etliche Rosenobel [nach Zedler eine alte englische Münze mit einer Rose, im Werthe von 3 Reichsthalern] und anderes Gold von Breslau mit sich genommen, damit er hernach zu | Hause auszutheilen und guten Freunden nach Leipzig, Dresden und sonst wegzuschenken gehabt. Wir Burschen und arme St. Velten haben uns nur, weil unser Beutel mit Gold nicht staffiert, an etlichen silbernen begnügen lassen müssen. Von Silber hat man eines Reichsthalers gross und schwer auch Stücke geschlagen, solche um 2 Gulden (da doch nicht gar wohl ein Reichsthaler Sılber daran gewesen) reissend hingelassen, denn es jedermann zum Ge- dächniss gern mit sich nach Hause genommen, haben also die Münzer einen guten Schnitt gehabt. | Dito kaufte ich gegen uns über unter den Lauben die Geburt und Menschwerdung Christi, zart und schön auf Pergament gemalt, um 1 Gulden oder 20 Silbergroschen. Hora 4. ging ich mit dem Herrn zum Herrn Bock, mit dem er bald beim Sandthor hinauf bei des Obersten Kanzlers und daneben des jungen Königs Losier vorüber aufs Schloss gefahren; unten bei der Landstube und Kirche, da man sonst aufn Saal kommen kann, gerne eingehen wollen, haben sie aber die Hatschiere und Trabanten berichtet, dass man von Herren allda niemanden, son | dern oben durch die Antecamera bei Ihrer Maj. durchlassen sollte. Sind sie bald hinauf in Antecameram, allda auch zuvor und hernach viel vornehme Herren, die beiden CGardinäle, ein- gangen, sowohl der Oberste Burggraf eingetragen worden. Herrn Stubenvoll, Kammerdiener, hab ich wohl um mich mit durch- zulassen freundlich gebeten, hat mich aber, da es durchaus nicht sein könnte, glimpflich abgemahnt, dass ich dann weiter nicht begehren können; hat darauf die Thür in der ersten Antecamera gesperrt, die aber ein und der andere Kammerherr mit dem goldenen Schlüssel eröffnet und durch- gegangen ist. Hab ich unterdessen aufm Absatz, da der goldstückene Himmel und kaiserliche Tafelsitz ist, zum Fenster hinabgeschaut, und weil vornehme Herren in der Ritterstube nicht waren, ungeachtet ich es gar wohl gewusst und zu Wien schon in Acht genommen, vergessen und den Hut aufgesetzt. Ist bald ein Trabant zu mir kommen, gesagt, wer mielı fol. 125b. fol. 126. fol. 126 b. fol. 127. fol. 127 b. 106 da heisse den Hut aufsetzen und gleich noch eben wo die kaiserliche Tafel und Sitz | stünde. Weil dann solch Vitium keinem Grafen oder anderm vornehmen Herrn nachgesehen würde, so wäre hierauf ein Reichs- thaler Strafe, und den sollte ich bald geben oder den Hut verlieren. Ich erschrak, bat um Verzeihung, hätte zum Fenster hinausgesehen und es gewiss böslich vergessen, wollte mir, weil ichs sonst gar wohl gewusst, zu gute halten. Ile, es hülfe nichts dazu, sollte entweder den Hut oder Reichsthaler geben. Es geschieht aber bald zu allem Glück, dass sie die mittelste Thür in der Ritterstube, so aufn Gang geht, aufmachen und der Trabant das Volk, so sich allda eindrang, abwehren helfen muss; schlippe ich geschwind zur Ritterstube hinaus, die Stiegen herab, vergesse gern der Comoedia, weil ich mich nur der Ranzion erledige, da- ich sonst zum wenigsten einen halben Reichsthaler spendiren müssen, wie etlichen andern widerfahren und komme so listig davon. Hora 6. bin ich mit einer Fackel zu Herrn Bocks Leuten gangen, mit ihnen einen Trunk sehr guten Bitterbieres gethan. Hatte oben in der Burschenstube ein sonderlicher artiger Poet diese Verse angeschrieben: Die beste Lust Brust auf Brust, Der beste Scherz Herz auf Herz, Das beste Saitenspiel Vier... .?!) an einem Stiel, Ist gewiss, wer’s glauben und erfahren will. Inde ging ich mit ihnen die Stiegen hinauf, wartete vor der Warte- stube auf, bis post horam nonam, da sich die Comoedia erst geendet. Sind die Herren meistentheils die Stiegen herab gangen und geritten, wie auch Herr Bock gethan; hab ich meinem Herrn nach Hause geleuchtet, ist Herr Dobschütz schon zu Bett gewesen. Der Herr referirte mir und dem Reiter, dass es allererst nach 7 Uhr sich angehoben, als Ihre Maj. dazu kommen; wäre gewiss sehr schön und lustig zu sehen und hören gewesen. Wäre der ganzen Comoedia Inhalt, dass über dem neugekrönten König sich alle 4 Elemente, als Feuer, Luft, Wasser und Erde zu erfreuen hätten. Erstlich wären auf dem Theatro, so auf dem grossen Schlosssaal auf- gerichtet, aus dem wie ein Wald gemachten Busche Pastores oder Hirten in silberstückene lange Röcke gekleidet mit Stäben in Händen hervor kommen, mit einander discurrirt, sich herzlich erfreut, bald hinter die Büsche, bald wieder hervor gegeben, und diese hätten das Element die | !) Im Original steht hier ein dreisilbiges deutsches Wort, die Übersetzung des lateinischen Nates. 107 Erde, vors Andere das Wasser mit also gemalten Rollen oder Walzen natürlich, als wenn grosse Wellen aufrauschten, wie auch den Gott Neptun, fürs Dritte das Element das Feuer auch recht natürlich, endlich die Luft mit Pfeifenwerk, als wann die Vögel singen, sammt der Nacht mit Monden, Sternen und anderen Sachen gar artig und schön repraesentirt. Diese Pastora-Comoedia wäre mit sehr lieblichen hellklingenden Stimmen und alles singend neben eingeschlagenen Instrumenten und anmuthigen Saiten- spielen nach dem ordentlichen Musikaltakt von den gesammten kaiserlichen Musikanten in wälscher Sprach gehalten und agirt worden, dass es überaus anmuthig und lustig zu hören gewesen wäre. 28. November, Sonntag. Sind die Herren den ganzen Morgen zu Hause blieben, ungeachtet Ihro Maj. in der Schlosskirche gewesen und sie Dero hätten aufwarten sollen. Gab mir mein Herr die Domanzische Urtelsfrage Herrn Kreischel- witz gehörig abzuschreiben, sollte bei der kaiserlichen Appellation zu Prag eingegeben werden. Hora 11. haben wir Mahlzeit gehalten, post 12. gingen die Herren zum Herrn Bock, um mit ihm zum Tur | nier desto zeitlicher nach Hofe zu fahren. Haben bei Herrn Bock ein wenig gesessen, hat Ihro Gestr. den Herrn Kammer-Rath Herr Rosa erinnert, er sähe, dass der Herr da seine goldene Kette (so auf etlich hundert Dukaten anlief), Silberwerk und anderes Öffentlich hängen liesse, stets zu Hofe und also kein Mensch zu Hause wäre, und weil er, Herr Rosa, von mir berichtet worden, dass ge- meiniglich gegen Abend, auch sonsten, Jungen um oder auch in dem Ofen steckten, wäre nichts leichter, als dass ein solcher Bube ein paar Kacheln einschlüge, die Sachen herausstehle und davon liefe. Massen er ihnen diese Historiam erzählte, es hätte sich zu Leipzig zugetragen, dass ein dergleichen loser Schelm sich in einen Ofen gemacht, durch denselben aus eines Studenten Zimmer seine darin habenden Sachen entwenden und sich damit wegmachen wollen. Nun hätte ihm dieser Bube eingebildet, es würde gleich dazumal der Student nicht im Zimmer sein und er also sein Vorhaben zu gewünschtem Effect bringen können. Darauf er etliche Kacheln eingeschlagen, in Hoffnung, unvermerkt | in die Stube einzukommen. Es wäre aber der Student unpässlich zu Bett gelegen; wie nun der Dieb seinen Kopf durch den Ofen in die Stube steckt und des Studenten darinnen gewahr wird, wäre er so verschlagen gewesen und bald anheben zu sagen: Bonus dies, dominus [!], bedürft Ihr nicht einen Famulus? Hätte ihm der Student geantwortet: Du leichtfertiger Schelm, was willst du da? Musst du dich zum Ofen herein praesentiren? Darauf er sich im Zorn aus dem Bett erhoben und den ehrbaren Famulus mit einem guten Prügel dermassen abgefertigt, dass er sich nicht mehr durch den Ofen zu Dienst angeben wollen. fol. 128. fol. 128b. fol. 129. fol. 129. 108 Ueber dieses meines Herrn Erzählen hat Herr Bock und -wir sämmtlich Anwesende herzlich gelacht, und ob gleich Herr Bock berichtet, es wäre nur der Junge, der ihm die Stube heizte, er würde schwerlich was thun, jedoch weil er füglich nicht wissen könnte, was hinter einem und dem andern stecken möchte, wollte er dieser Warnung in Acht nehmen und sein Silberwerk und Ketten, wenn er nicht zu Hause wäre, besser ver- wahren lassen. Inde hat Herr Bock anspannen lassen und sind beim” Sandthor hinauf gefahren, welches aber zu und wir wieder herab übern Platz im hohlen Weg hinauf gemusst; unsere Herren aber sind vor unserm Losier abgetreten und die Stiegen hinauf gangen, durchs Schloss in das bestellte Fenster kommen, wir Burschen auch alsbald das vorige Dach, welches schon ziemlich besetzt war, wieder eingenommen. Nicht lange nach uns ist der junge König mit 6 braunen Rossen, demnach Ihre Maj. mit der Kaiserin auf einem schönen Wagen mit Fenstern und den vorigen sechs grauen, rothgeschweiften Rossen, denen die beiden Prinzessinnen und andere Frauenzimmer gefolget, ausm Schloss in die vorigen Fenster kommen. Gegen 3 Uhr, wie der Kaiser schon fast eine Stunde da gewesen, haben sich die Aufzüge erst praesentirt. Solche sind in schöner Ordnung nach einander von Don Balthasar de Marradas, des Jerusalemischen Kreuz- Ordens Ritter, Röm. Kais. Maj. Hof-Kriegsrath und Herrn Wilhelm von Kinsky, Öberstem Landjägermeister des Königreichs Böhmen aufgeführt worden [über letzteren Schebek, Kinsky u. Feug. und Hallwich, Töplitz 324; es ist derselbe, der mit Waldstein zu Eger ermordet wurde]. Den 1. Aufzug haben praesentirt Ihro Hochgräfl. | Excellenz Herr Wratislaw, Graf von Fürstenberg, Röm. Kais. Maj. Geheimer Rath und Reichs-Hofraths-Praesident, welcher den noch 6 andern bei Ihro gehabten Cavalieren ganz allein vorgeritten. Sind aufgezogen in weiss-blankem Küriss und dergleichen Ritterhelm, deren sämmtliche Waffenröcke von weiss Silberstück mit eingewirkten grossen goldenen Blumen; führten auf den Helmen hohe weisse mit Gold eingeflochtene und durchzogene Federbüsche, wie auch ebenmässig an Rossen, derselbigen Haupt und Schweif. Vorher sind sechs Trompeter und einer mit 2 Heertrommeln geritten, in Weiss bekleidet und mit Gold verbrämt. Die andere Cavalier-Compagnia gleichfalls von sieben Cavalieren, auch soviel Trompetern und Heerpaukern alle in Roth und Weiss bekleidet, hat aufgeführt Herr Franz Khevenhiller, Graf von Frankenberg, Röm. Kais. Maj. Geheimer Rath und andermaliger verordneter Abgesandter an des grossmächtigen Königs Philippi Quarti in Spanien königl. Hof. Die dritte Herr Marchese di Grana, Röm. Kais. Maj. wirklicher Kämmerer und vornehmer . . . . 109 Fol. 130 fehlt. [29. November, Montag.] ..... gab also solchergestalt öfters genugsam zu lachen. Circa 4. bin ich über die Brücke durch die alte in die neue Stadt zu Herrn Johann Johnisch gangen, der aber kurz vorher ausgegangen war. Wartete eine Weile, redete mit des Herrn Schrepels seinen Diener, so ein Schlesier und von Namslau war, der in ein 20 Jahren nicht in Patria ge- wesen, Italien, Frankreich, Spanien und andere Länder gesehen, die Sprachen, sonderlich italienisch in 3, 4 Monaten gelernt; vermerkte, dass er ein feiner, verständiger Geselle. Er hätte, wie er mich berichtet, un- längst wieder Gelegenheit nach Rom gehabt, wollte aber lieber einmal in sein Patriam reisen und nach den Seinigen fragen. Darauf ging er mit mir den Rossmarkt herab, fragte an einem Ort nach Herrn Johannessen, war aber auch weg. Inde wollte er mich bis an die Brücke begleiten, trafen wir unterwegs Herrn Johnisch an; bat ich ihn um Verzeihung, dass er gestern mich gesucht und nicht angetroffen hätte. Ging er, Johnisch, mit mir durch etliche Häuser viam compendiosam gar nahe auf die Brücke zu, wollte mich zum Trunk führen, weil aber der Abend vorhanden, ich auch nicht | zu warten gehabt, [habe ich] es zu Dank angenommen, mit Verlass morgen vielleicht ihm zuzusprechen. Ich sah, dass er sehr bekannt, weil er unterwegs viel Leute, Manns- und Weibsvolks, auch hübsche Jungfrauen angeredet, sagte dann wider mich: Herr Vetter, ich weiss gar wohl, dass zu Breslau schlechte Sachen, ich will mich ihm, wann es ihm gefällt und [er] mir zuvor andeuten wird, so erweisen, da hat er meine Hand darauf, dass er mir danken soll. Gratis accepi mit Andeuten, es sollte einen redlichen Menschen an mir finden. Ille: Was! Wenn ein junger Mensch in seiner Jugend nicht in die Fremde kommen und auch ein „Coreschy‘‘ oder Muth haben sollte! Er wolle sich weiter mit mir besprechen, daran mir würde gelegen sein. Discessi vor der Brücken, darüber er mich noch begleiten wollte, welches ich aber nicht geschehen lassen. Wie ich zu Hause kommen, hatte gar niemand nach mir gefragt. Dahero wenn man nur in allen Sachen Vorsichtigkeit braucht und die Ge- legenheit in Acht nimmt, kann man wohl dann was verrichten, und sich anderswo umsehen, dass man auch in seinem Beruf nichts versäumt. Zu Abend habe ich dieses heutigen Tages Verlauf protocollirt, auch in den Beilagen continuirt. 30. November, Dienstag. (St. Andreastag.) fol. 131. fol. 131. Ist früh nach 4 Uhr Herzog Johann Christian vom Brieg von Prag fol. 132. wieder ab- und nach Hause gereist. fol. 132b. fol. 133. 110 Nach 5 Uhr hab ich aufstehen müssen, habe an der Proposition an Ihre Kais. Maj. angehoben, darüber den ganzen Morgen continue emsig geschrieben, bis ich sie Nachmittag auf 10 Blätter lang gefertigt. Post horam 7. ist Herr Kreischelwitz zu meinem Herrn kommen, da denn die Herren den ganzen Morgen zu Hause blieben und aus der Münze mehr silberne und goldene Münze holen lassen. Als ich die Proposition ganz fertig (und doch raptim in des Herrn Zimmer für mich den Anfang listig abcopirt, weil ein Mehres zu thun sich durchaus nicht schicken wollen), hab ich sie zu einem Buchbinder tragen sollen, solche mit den beigelegten Abrissen von den Ingenieuren ein- und zusammenheften zu lassen; bin ich damit des nächsten Weges scilicet über die Brücke durch die alte in die neue Stadt gangen zu ‚Herrn Johann Johnisch, der meiner an der Thür gewartet und vermeldet: Willkommen, Herr Vetter, ich hab vermeint, der Herr Vetter würde zur Mahlzeit zu mir kommen, hätte eine gute Weile auf mich gewartet. Ego bat um Ver- zeihung, wä | re mir eher nicht möglich gewesen, zudem so hätte ihm ich auch solches nicht zugesagt, bat er mich in die Stube einzugehen. Feci, war die Frau Schrepelin darinnen und ihre Tochter, eine feine Jung- frau, hat ein rothes Haar, kann auch deutsch und böhmisch wohl reden. Herr Johnisch bat mich hintern Tisch zu setzen, welches ich mich zwar geweigert, weil ich nicht zu warten, doch hab ichs gethan; hat er mir einen Kopf von einem gebratenen Ferkel, wie auch hernach die Frau Schrepelin etliche gebratene Vögel vorgesetzt, dazu wir ein Kanndel Wein mit einander ausgezecht, und nachdem ich gebührenden Abschied genommen und mich der Cortesie bedankt, sind wir ausspaziert und ober- halb des Platzes beim Rossthor oder ‚„Neunspierzen‘ zur linken Hand am Eck eingangen, welches der Ort und Anfang hinter der Mauer ist. Daselbst sind zur linken Hand dergleichen unzüchtige Häuser, zur rechten aber nur eine Mauer, daran vorhin auch dergleichen Häuser gestanden, aber vom Wallsteiner verstöret und eingerissen, die Huren aus- und meistentheils in die Stadt gestöbert worden sind. Haben uns zur linken Hand dergleichen Damen angesprochen, den Weg vertreten, denn auch der Durchgang gar enge, und mit diesen Worten gesagt: | Wo wollen die Herren hin? Wie sind sie so stolz, sie gehen doch auf ein gut Bitterbier herein, ich bitte Sie, mein Herz, Sie kommen doch einer ? Meinen Herrn Vetter haben sie gekennet und nicht gross angehalten, mich aber beim Mantel gezogen, selbigen, weil ich ihn überschlagen, auf- gedeckt und gesagt: Ei mein Herr, er spaziere doch einer, nun, will er nicht? So beim Mantel gehalten, dass ich mich von ihnen fast reissen, auch meinen Hut, weil sie sonst bald darnach greifen und mit in die Häuser laufen, einen dadurch hinein zu locken, wohl in Acht nehmen müssen. Dergleichen haben mir etliche Vetteln, die so für einen Pech- m oder Kutscherknecht, massen ihrer drei daher gestürzt kamen, gut genug, keine gar schöne aber darunter gewesen, gethan; haben sich aber, weil mein Herr Vetter ihnen böhmisch zugeredet, nicht so gar an mich machen, sondern passiren lassen müssen. Wollte sonst allein dahin zugehen es nicht gerne wagen, weil von den leichtfertigen Huren einem aller Spott und Schimpf dürfte widerfahren, wenn einer nicht Geld genug im Beutel oder sonst übel staffieret wäre. Inde gingen wir nicht durch die ganze Mauer, weil solche gar lang und [wir] nur mehr Anlaufens | gehabt hätten, durch eine (Juergasse, da er mir ein anderes seinem Herrn Vetter zugehöriges Haus zeigte. Ich sah zum Valete noch einen Blick hinter jetzterwähnten ehrbaren Durchgang, da Zucht und Ehr ein Ende hat, kam es mir nicht anders vor, als sähe ich in des Teufels Rachen oder Hölle hinein, dass ich mich darüber fast erschütterte, gleich wohl mich gegen Herrn Johnisch nichts vermerken liess. NB. Dass ich aber zu diesen und andern leichtfertigen ehrvergessenen Damen zu Prag, in Oesterreich oder wo sich immer dergleichen Gelegenheiten öfter erzeiget, keine Lust und Belieben getragen, daran hat mich, so wahr als ich begehr seelig zu werden, allewege wenn mich das Fieber am hitzigsten angestossen, ein sonderer Zufall und Traurigkeit dermassen abgewendet, dass ich mit Gott bezeuge, nicht die geringste Lust dazu getragen [zu haben], mein Gewissen mich dann auch zugleich der Zucht und Keuschheit, die ein jedweder tugendliebende Mensch einmal einem ehrlichen Mädchen zuzubringen schuldig sei, erinnert, inmittelst mir auch zu lesen in die Hände kommen: Wer sich an lose Huren hängt, Sich selbst in alles Unglück sprengt. Bekömmt zuletzt nicht mehr davon, Als Ach und ewig Weh zu Lohn. Und an einem andern Ort oder dem Schreiben Paridis an die Helenam: Wer ist, der dieses Feuer „ie“ Verbergen könnt mit grosser Mühe, Wen solches selbst will offenbaren, Drum lass nur solche Arbeit fahren. Kann er nicht auch (2.) von einer unreinen Bestia befleckt werden, dass er darauf, wenn es offenbar, den höchsten Schimpf und Spott, Verachtung und ander Unheil mehr dannenhero zu gewarten? Würde er auch denjenigen Schandflecken, welchen er durch die fleischliche Lust und Unkeuschheit bekommt und seinen Verstand dadurch verfinstern lässt, „immermehr“ verlieren? Augustinus: Maledictus qui florem iuventutis Diabolo, feces autem Deo dedicat. — Nolite conformari huic ' seculo! Mir sind auch diese Verse bekannt: Wenn es Gott nicht zuwider wär, Und niemand schadet’ an seiner Ehr, Wenns auch allzeit blieb verschwiegen, So wär es gut bei Frauen zu liegen. Aber es ist ein Gott, der alles im Verborgenen und Finstern sehen kann und von den Menschen einmal | genaue Rechnung fordern wird. Felix quem facient aliena pericula cautum! Nota. Aus Christophori Lackners Tugendspiegel!) pag. 209: So du den Menschen scheust und im Finstern oder einem verborgenen Orte vermeinst deine Lust zu ver- ') Das hier genannte Buch von Chr. L., „j. u. doctor et com. pal.“, habe ich nicht aufgefunden; die hiesige Stadtbibliothek besitzt von ihm nur die Galea Martis und die Aphorismi politici, beide 1625 zu Tübingen gedruckt. Das im Orig. als Marginalnote stehende Citat ist hier in den Text aufgenommen worden. fol. 133b. fol. 134. fol. 13#b. fol. 136. 112 bergen, so frag dein Gewissen, obs sein kann ohne Sünde; gedenk dass der, so das Aug gemacht, alles sieht, der das Licht erschaffen, alles durchscheint und nichts vor ihm verborgen bieibt. Man kann vor der Welt zwar einmal was hindurch bringen. Aber der böse Wurm, der grobe Lautenschläger, bleibt im Busen, und ob er wohl zu Zeiten ruht und rastet, so ists nur ein Hasenschlaf, hält die Augen offen und traut ihm selbst nicht; fürchtet sich auch, da keine Furcht vorhanden, läuft, da niemand jagt, ver- steckt sich, da es doch immer hervordringt und wird gar rasend endlich und fährt zum kühlen Wasser, da man Stahl weich macht und Gläser schmelzt. So erhalten wir nun ein reines Gewissen, das Gott fröhlich mag anschauen und [können] eines fröhlichen Urtheils erwarten, das Böse hassen und lassen und dem Guten nachsetzen. Wird er nicht auch (3.) ein böses Gewissen bekommen, wenn er in sich gehen und bedenken wird, wie er sich als eine Sau in allem Koth gewälzt und „gesiehlet“? Ladet er nicht auch Gottes ernste Strafe und conse- quenter der Hölle Verdammniss auf sich? Post veram Dei agnitionem nil est praestantius quam bona conscientia cum meliori eruditione.e Was ist aber die Liebe und ihre Wirkung? Gleichwie die Sonne ein Vater aller korporischen Lichter und das Meer eine Mutter aller Wasser ist, also sei auch, schreibt ein vornehmer Politiecus, die Liebe ein Anfang und Brunnquell alles menschlichen Leidens und Gebrechens. Die züchtige, keusche, im Ehestande zugelassene Liebe macht alles Bittere süss, erleichtert alle schweren Bürden und Last, macht alles Unebene eben und gleich und überwindet alle Beschwerlichkeit und Gefahr, lindert alle Be- kümmerniss und Schmerzen, erwärmt die kalten und erfrornen Herzen, theilt alles Gute mit, schärft die dummen Sinne und Verstand und macht die Menschen Gott zum Freunde. Wer sich aber der fleischlichen Liebe ergiebt, der stürzt... . fol. 135 fehlt. [l. December, Mittwoch.] . .. Gegen Abend haben die Herren durch Zacharias den Reiter beim Obersten Kammerherrn nachfragen lassen, welche Zeit Ihre Gn. früh pflegten aufzustehen, es wollten Ihrer Gnaden gerne die Breslauischen Ge- sandten aufwarten. Ille, möchte wie den Reiter der Diener berichtet nach 6 Uhr geschehen, weil der Kaiser in die Altstadt zu den Jesuiten in die Kirche würde. Hat man unserm Kutscher sich um 6 Uhr fertig zu halten anbefohlen. Dito wie auch die ganze Woche hero sind solche dicke, greuliche, finstere Nebel gewesen, dass man vielmals das Schloss nicht sehen können. Was sie bedeuten werden, giebt die Zeit. Dito sprach mich bei unserm Losier Herr Freissleben an, bei dem ich zu Wien gewesen, fragte wie mir es ginge, kannte mich sobald, dass ich mich kaum sobald erinnern konnte. Mehr schrieb ich diesen Abend 2 Memorials wegen der Kretschmer zu Breslau ab, die ich Herrn Rentmeistern zubrachte. 2. December, Donnerstag. Sind post horam sextam früh die Herren im hohlen Wege übern Hradschin nach Hofe gefahren und dem Obersten Kammerherrn Grafen Kiesel, 113 so oben aufm | Schloss wohnt, aufgewartet, hat sich auch allda Herr Kyckpusch befunden. Ist hernach der Graf herauskommen, Herrn Kyck- pusch gehört, der wegen Ihrer F. Gn. des kais. Ober-Amts den goldenen Schlüssel in Papier versiegelt überantwortet und dabei Ihrer Kais. Maj. und ihm dem Grafen Ihro F. Gn. unterthänigst recommandirt. Inde hat der Graf auch unserer Herren Anbringen vernommen und ihnen soviel angedeutet, dass sie sich um ein 10 Uhr in antecamera finden lassen sollten, wollte sehen, dass sie zur kaiserl. Audienz würden gelangen können. Discesserunt und von Hofe herunter zum Herrn von Talmberg, Appellations-Präsidenten, gefahren, so hart hinter dem goldenen Einhorn, da das Ober-Amt losieret, wohnt. Ist Ihro Gn. bald aus dem Zimmer kommen, die Herren empfangen und sie auf einem Saal stehend angehört, auch gnädigen und freundliehen Bescheid gegeben. Von dannen ist Herr Rosa bei Ihrer F. Gn. dem Ober-Amt abzutreten gebeten worden, ist gleich vor ihm Herr Schaffgotsch hinaufgangen, inde der Herr zum Herzog hinein. Ist nicht längst darauf Herr Nostitz, Vice- kanzler, auch zu Ihrer F. Gn. kommen und Dero vorm Aufbruch auf- gewartet. Inde hat der Herr mit Herrn Troilo, Herrn Kreischelwitz, | fol. 136b. Sebottendorf et aliis sich gesegnet, ihnen zur Reise gratulirt und nach fol. 137. Hause gefahren. Bald darauf dem churfürstlichen Agenten Lebzelter [über ihn Müller, Fuenf Bücher 43] beim Türken losierend zugesprochen. Diesen Vormittag ist der Kaiser mit seiner Gemahlin, dem Könige und |den] Prinzessinnen über der Brücke bei den Jesuitern in der Kirche gewesen. Nach 9 Uhr sind unsere Herren nach Hofe gefahren, vor der Ritterstube aufgewartet, bis Ihre Maj. aus der Kirche kommen; habe Ihre Maj. und Dero Zugehörige ich in der Ritterstube gar wohl gesehen. Sind meine Herren bald in antecamera eingangen, von Ihrer Maj., ehe sie zur Tafel gesessen, zur Audienz admittirt, gnädigst gehört nnd Ihrer Maj. von Herrn Dobschütz die von mir geschriebene Proposition, dabei 2 Abrisse beigelegt, gehorsamblich überreicht worden. Die Schrift haben Ihre Maj. in die Hände genommen und sie des Inhalts beantwortet: Sie wollten die Sache erwägen und ihre Principale darauf gnädigst bescheiden lassen, denen Er dann, wie auch ihnen den Gesandten, mit kaiserl. und königl. Gnaden wohl gewogen verbleibe. Darauf die Herren nach tiefdemüthiger Reverenz abgetreten. Jetzt erwähnte Proposition Ihrer Maj. übergeben, ist hierbei sub lit A. [fehlt] eigentlich und richtig von Wort zu Wort zu lesen. Wie vorsichtig und listig aber ich solche Sachen zu erlangen habe müssen umgehen, das- selbe bleibt mir im Gedächtniss unentfallen. Ist mir aber lieber, als Geld und Geldeswerth, weil nicht einem jedweden vors Maul kommt, was öfters abgefertigter Gesandten ihre Verrichtung und Anbringen ist. Und weil ich 8 - fol. 137b fol. 138. fol. 138 b. bei den drei Absendungen allemal das Glück gehabt, den Vortrag beim Kaiser als auch die darauf erfolgte Resolution jedesmal richtig [zu] be- kommen, warum sollte mir solches nicht lieb und angenehm sein? Weil einem daraus die Zierlichkeit der deutschen Sprache je mehr und mehr bekannter werden kann, und warum hätte ich mich solches sauber und fleissig zu schreiben die Mühe darüber dauern und meine damalige müssige Zeit vergeblich hingehen lassen sollen? Dito sagte mir Herrn Bocks Christianus in der Ritterstube, dass sein Herr vorgestern unsern Herrn zur Nachricht im Vertrauen sagen lassen, dass das Ober-Amt etzliche Stunden bein Jesuitern gewesen, er ihnen auch die Schule zu Goldberg verehrt hätte, wäre auch, wie man vermeint, katholisch worden. [Vgl. dazu Deutsche Biogr. VIII, 696.] Herr Schaffgotsch und Herr Burghaus wären Kämmerer Ihrer Maj. und ihnen der goldene Schlüssel | anvertraut worden. Zu Mittag hat Herr Michel Starzer mit den Herren gessen. Nach 2 Uhr sind unsere beide Herren zum Sandthor hinauf in des jungen Königs Losier gefahren, vor der Ritterstube auf einem Saal aufgewartet und vermeint zur Audienz zu gelangen, sind aber hernach in der Ritterstube vom Kammerdiener berichtet worden, dass Ihre Königl. Maj. gleich zum Kaiser erfordert und also für diesmal verspätet wäre. Konnte auch wohl durch die Lakaien und andere Hinderung geschehen sein, weil man ihnen gestern nur einen barmherzigen Reichsthaler verehrt. Inde sind sie wiederum herunter nach Hause gefahren. 3. December, Freitag. Habe ich um 8 Uhr Herrn Secretario Rasper ein Memorial, was bei der böhmischen Kanzlei zu expediren, nach Hofe in die Kanzlei gebracht, welche, sobald man aufn Saal kommt, zur rechten Hand bei der Stiege ist; uns auch gestern von Herrn Starzer über der böhmischen Kanzlei das Fenster, da man die böhmischen Directores |?] herausgeworfen, gewiesen worden. Ist, | da sie [d. h. die kaiserlichen Statthalter Martinitz und Slawata] hinab gefallen, eine starke Höhe [28 Ellen], musste einer ge- wisser Schenkel sein, dass er einen solchen Sprung ohne Schaden sollte verrichten können. | Nach 9 Uhr sind die Herren zum Sandthor hinauf gefahren und sich beim Könige praesentiren wollen, so aber wiederum beim Kaiser vornen gewesen, haben sie vornen in der Ritterstube, Antecamera und bei der Tafel etwas aufgewartet, dann wie andere Herren abgezogen, sie auch heruntergefahren. Nach der Mahlzeit haben sie vermeint zur königl. Audienz zu kommen, ist aber wiederum nichts daraus worden, dahero sie immer zu Hause blieben. Hora tertia ging ich mit Christoph Wiesenberger durch die alte in die neue Stadt zu Herrn Johann Johnisch; war zu Hause, berichtete mich, er 115 wäre etwas unmüssig, das Stammbuch wäre bei ıhm und alles gefertigt, nur weil Herrn Schrepels Wappen etwas zu weit hervorgesetzt, bäte er mir nieht zuwider sein zu lassen, wenn es um ein Paar Blätter herunter- gerückt würde.') Dixit, fiat et discessi. Ging mit Christoph aufn Rossmarkt vollends oben ein hinter die Mauer, präsentirte sich bald eine Dama, sprach Christophen an: Mein Herr, wo naus? Er spaziere doch ein wenig ein! Greift ihm oben an den... A.) 9 Dafern ja das Land Schlesien der Quartiere noch zur Zeit nicht zu befreien, sondern der kaiserl. Armee den Unterhalt geben muss, dass doch hingegen die Geldexactiones gänzlich aufzuheben. 2. Weil die im Lande Schlesien liegenden Obersten und Befehlshaber durch und durch Werbungen anstellen und dahero folgende Inconvenientia zu be- sorgen, als 1. Dass die neugeworbenen Knechte auf dem Lande „herumb gartten laufen“ [„exire praedatum“], alle Strassen unsicher machen und den armen Land- mann, so doch seine starken Contributiones den in die Städte quartirten Soldaten wöchentlich abgeben soll, vollends gar ruiniren werden, 9. Dass auch wohl unter so vielfältigen Werbungen der Feind selbst sich mit einflechten, alles auskundschaften und grosse Zerrüttung erregen könnte, so ist darauf zu denken, wie solchen Inconvenientien vorzukommen. Ob die neuen Werbungen ganz und gar abzustellen, oder da ja zu Gomplirung der Regimenter etwas geworben werden müsste, ob nicht bei der Werbung ein jeder neugeworbene Soldat zusagen sollte, sich alsobald zu dem Fähnlein, darunter er geworben, zu begeben und alles Umlaufens und Gartens bei Leibes- und Lebens-Strafe zu ent- halten. !) Die beiden noch heute wohlerhaltenen Eintragungen in Allerts Stammbuch lauten: Johannes Johnisch, Sil., Röm. Kais. Maj. Diener und Ingrossista bei der böhm. Kammerkanzlei, sowohl Adjunctus kaiserlichen Procuratori-Amtes, Prag 5. Dec. 1627; dabei ein zierliches, farbiges Bildchen, die Hoffnung als nacktes Weib auf einer Kugel über das stürmische Meer rollend, mit der Linken über dem Haupte ein vom Sturme geblähtes Segel, mit der Rechten eine Krone und goldene Ketten haltend. „Joannes Chrysostomus ä Schreplsberg‘“ zeichnet sich ein als Sacr. Caes. Maj. Appellationis nee non Ser. Leopoldi Arch. Austr. Consiliarius, und mit den Worten: Christo, Imperatori, Reipublicae. Sein Wappen zeigt einen Leoparden mit einer Traube in der Pranke. 2) Am Schluss bringt Allerts Mscr. Bruchstücke mehrerer Anlagen, von denen 9 aus dem Jahre 1621 Acta publ. IV, 222 und 224 (Zeitschr. XI, 192) mitgeteilt sind, eins aus dem Jahre 1627 ib. VI, 199 auszüglich abgedruckt steht; alle drei sind daher hier übergangen worden. Von den folgenden Fragmenten (im Original E und F) bildet das erstere einen Teil der oben p. 29 zum 1. Februar erwähnten Proposition an den Kaiser, das andere einen Bericht der Gesandten über die Kosten ihrer Wiener Reise an das Oberamt. 116 3. Ob nicht das in Oberschlesien noch liegende schlesische Fussvolk jedem Stande (inmassen mit der Reiterei schon beschehen) wiederum heimzuschicken. 4. Demnach auch derjenige Troppauische Trompeter, so die Aufwiegelungsbriefe nach Glogau und anderen Orte gebracht, zu Liegnitz gefangen sitzt und von dem Ungeziefer fast ganz verzehrt wird, der Feind aber droht, mit den Vornehmsten, so von ihm gefangen, gleichergestalt umzugehen, so ist die Frage, ob und auf welcherlei Masse er zu dimittiren oder was sonst mit ihm vorzunehmen. d. Schliesslich, [ob nicht] die Stadt Breslau, so auf Ihrer Maj. allergnädigstes Anschaffen noch auf diese Stunde 4 Fähnlein geworbenes Volk-auf dem Fuss hat und nichtsdestominder der kaiserl. Armee seithero contribuiren müssen, sammt dem Dom und Vorstädten mit Einquartierung zu verschonen .... B. Auf die Absendung nach Wien ist entrichtet: Dem Herrn Principalgesandten Herrn Kaspar Karas aus der Stadt Breslau Steueramt 1000 Thaler, eidem aus der Bisthums Cassa 600 Th., Ernst von Grütt- schreiber ist auf des Fürstenthums Breslau Cassa verwiesen mit 1000 Th., Dr. Rosa hat aus der Stadt Breslau Cassa empfangen 1000 Th., alles zu 36 Gr. w. Zu Wien sind aufgenommen 2000 Stück Reichsthaler. Davon der Herr Principalgesandte empfangen 1000, Ernst von Grüttschreiber 400, Dr. Rosa 400 Reichsthaler. Der Kanzlei haben wir ut moris entrichtet 80 Rthl. Dr. Justo Gebhardo, so zu allen schlesischen Expeditionen mit gezogen wird, 100, Herrn Balthasar Hoffmann, so uns täglich aufgewartet, 40 Reichsthaler. Und weil dergestalt 20 Rthlr. mehr spendirt, hat dieselben Herr Heinrich Antorff, so seiner Handlungsgeschäfte halber gleich zu Wien gewesen, zugeschossen, so ihm absonderlich restituirt werden müssen. Dabei jetztgedachter Balthasar Hoffmann hoch beklagt, dass ihm sein ver- sprochenes Salarium von dem General-Steuer-Amt nunmehr in 2 Jahren nicht ent- richtet, dessen er doch nothwendig bedürfend und sich [ihn] bei Fürsten und Ständen in meliori zu recommandiren gebeten. Wie nun solcher obberührter Empfang und Anweisung in die mit der Reise zugebrachten acht Wochen, darauf jetzo die Relation mit der neunten Woche ab- gegeben wird, einzutreiben, steht zu der gesammten Herren Fürsten und Stände zuvörderst aber zu Ihrer F. Gn. des Ober-Amts gnädiger Befindung, dabei sich die Gesandten gehorsamlich getrösten, man wer!) ..... !) Die Finalrelation der Gesandten an das Oberamt datierte aus Liegnitz, 17. März. Berechnen durften sie vom 17. Januar an neun Wochen. Der Principal- gesandte Karas erhielt seitens der Stände eine Vergütigung von 500, Rosa und Grüttschreiber je 200 und der „Amanuensis“ des Dr. Rosa, d. i. unser Allert 16 Reichsthaler. A. publ. VI, 201. 17 Beilage ll. Nicolaus von Burghaus, Abgeordneter zur Krönung nach Prag, an die Münsterberger Landstände, Johnsdorf 28. December 1627. [Kön. Staatsarchiv. — Gekürzt.] Nach Empfang seiner Instruction habe er mit dem Landeshauptmann [S. v. Bock] in Prag vertrauliche Communication „gepflogen“ und den Oberstkämmerer Grafen Kiesel um Zutritt zur Antecamera gebeten. „Da ich nit allein von gedachtem Herrn Obristen Kämmerer gar freundlich empfangen, sondern auch mein Begehren alsobald Ihr. Maj. von ihm unterthänigst anbracht worden. Darauf dann I. M. genädigst zufrieden gewesen und ich noch selbigen Morgen in die Antecameram eingeführt worden. Und als ich Ihr. Maj. bei der Tafel gehorsamst aufgewartet und I. K. M. mich gesehen, haben Sie mich durch Herrn Obristenkämmerer an die Tafel rufen, die Hand geboten und gnädigst willkommen sein heissen. Nach diesem [habe ich] um Audienz unterthänigst angehalten, da mir dann solche nit allein noch selbigen Tag allergnädigst 'erteillet worden, sondern es haben auch I. K. M. (als ich Deroselben das Credential selbsten gehorsamst überantwortet, die Gratulation verrichtet und das Fürstentum und Weichbild [Frankenstein] wegen bishero großen erlittenen Drangsals, alles vermöge erteilter Instruction, im besten unterthänigst recommendiert und um künftige Verschonung bei I. K. M. allergehorsamst gebeten) nit allein die geschehene Absendung zu gnädigstem Gefallen angenommen, die Gratulation in kaiserl. Gnaden erkennet, sondern auch wegen künftiger Verschonung des Fürstentums sich dahin gnädigst erkläret, maßen Ihr. Kais. Maj. Formalia ge- lautet: Mein Burghaus, ihr wißt, wie es im Kriege pflegt zu gehen, daß ein Teil dem andern die Beschwer muß tragen helfen und so genau eins vor dem andern bishero nicht hat können in Acht genommen werden. Nichtsdestoweniger wollen wir hinfüro deswegen so viel möglich gnädigste gute Verordnung thun, wie Sie denn den Ständen gedachten Fürstentums, so wohl meiner Person, mit kaiserlichen Gnaden jederzeit gnädigst wohlgewogen verblieben.‘ Danach suchte und erhielt Burghaus Audienz bei dem jungen Könige, der ihn ebenfalls sehr freundlich em- pfing, und wartete den vornehmsten kaiserlichen Offizieren, als dem Fürsten von Eggenberg, dem Oberst-Kanzler Fürsten von Lobkowitz, den geheimen Räten und besonders dem Herrn von Nostitz gebührendermaßen auf, da sie sich dann gewiß alle, sonderlich Herr von Nostitz, gegen das Fürstentum und Weichbild aller Gnad, Gunst und Beförderung anerboten.“ Wegen der Krönungen sei man am Hofe gar hoch occupirt gewesen, da dann gleichsam die anderen Expeditiones gefeiert. Bei der großen Teurung ging ihm ein Ansehnliches auf; er bittet daher um Erhöhung seines „Liefergeldes“. 118 Beilage II. Im Maihefte der „Deutschen Revue‘ von 1885 veröffentlichte Georg Irmer einen Auszug aus dem eigenhändigen Tagebuche desLandgrafen Wilhelm von Hessen über seinen Aufenthalt in Prag (21. März bis 5. Juni 1628). Aus ihm sei hier mit Genehmigung der Verlagshandlung (E. Trewendt hier) folgendes mitgeteilt. Bin morgens — den 24. März — um 9 Uhr auf den Hradschin gefahren und in einer’halben Stunde hernach allergnädigste Audienz bei Ihrer Kais. Maj. gehabt, darauf I. K. M. zur Tafel gangen. Da hab’ ich der Kaiserin die Hände geküsst und die Serviette beim Waschen geworfen und bei der Tafel neben dem Pfalz- grafen von Neuburg aufgewartet, hernach mit dem Pfalzgrafen in sein Losament neben Don Balthasar [von Marradas] gefahren und zu Mittag mit ihm gessen. Am 26. machte er der Kaiserin seine Aufwartung, reichte mit [Albrecht von] Wald- stein dem Kaiserpaare die Serviette und speiste nachher in des Generals Hause, der sich zuvorkommend und liebenswürdig gegen ihn zeigte. Auf einer kaiserlichen Hofjagd schoß die Kaiserin selbst fünf Hirsche, die im Feuer blieben; aus Gourtoisie sagt der Landgraf von einem sechsten, einem Achtzehnender, den er selbst erlegt, daß er durch die Kugel der hohen Frau gefallen sei. Eine ausbrechende Sau wollte er mit dem Degen fangen. „Es liefen auch etliche Florentiner mit mir hinaus, als ich aber bald bei ihr war, sah ich erst, daß es ein groß Schwein war, konnte gleichwohl Schande halber nicht zurück, sondern mußte stehen. Die Flo- rentiner aber rissen wacker aus, liefen gleich hinter mich, also hetzte I. Maj. Hunde zu, daß ich es finge mit meinem Degen. Wie ich nun meinen Degen auszog und sie sahen, dass er voll Schweiß war, merkten sie wohl, daß die Sau müsste nicht mehr können und fielen haufenweise mit ihren Wehren zu aufs Schwein.“ Ein Graf Montecuculi fing bei dieser Gelegenheit einen Hasen im vollen Lauf mit den Händen. Auch Bären- und Stierhetzen gab es damals in Prag und neben Ball-, Würfel- und Kartenspiel, namentlich Primere, noch allerlei Lustbarkeiten. Große Komödien, italienische wie deutsche, wurden im Schlosse aufgeführt; dazu kamen Goncerte von Theorbisten, Violinisten und Lautenschlägern, die sich der Landgraf ab und zu auch in seine Wohnung bestellte. Eines Sonntags zeigte ihm Graf Slawata von wegen Ihr. Maj. an, „demnach I. Maj. von ihm wären verständigt worden, daß ich ein Liebhaber der Musik wäre und mich verlauten lassen, daß ich Ihr. Maj. Kammermusik gerne hören wollte, als wären Sie gnädigst zufrieden, daß _ ich in der Kaiserin Zimmer mit ihm Slawata gehen und zuhören sollte, mittlerweile I. M. Tafel hielten, dahin sonsten niemand kommen darf. Also ging ich mit ihm hinein und stellte mich bei der Musik. I. M. saßen zu Tische mit der Kaiserin und beiden Erzherzoginnen, die Fräulein Teuffel schnitt für, die andern elf sammt den zwei Hofmeisterinnen servierten das Trinken, trugen Essen auf und ab, in summa, es dorft kein Mannsmensch nichts thun. Unter Essens ward der Collalto geholt, welcher bei mir Gesellschaft zu leisten stund. Als nun Wasser vor die Damen gegeben, retirierte ich mich, denn meine Bursch wartete noch meiner in der Antecamera und wollten mich mithaben zum Essen; so ließen mir 1.M. durch den Gollalto befehlen, ich möchte warten, Sie wollten mit mir reden. Als Sie nun auf- 119 gestanden, riefen Sie mir und kamien mir entgegen gangen, fragten allerlei, endlich befahlen Sie, dass der Geiger allein was in das Instrument machen sollte, welcher sehr gute Chosen machte, dass I. M. darüber sehr lustig waren, endlich gaben I. M. Urlaub“ ..... Der Landgraf lernte am Hofe Waldstein, Pappenheim, Terzky, Kinsky, den Jesuitenpater Lämmermann, Questenberg, Piccolomini u. a. persönlich kennen. Isolano, schreibt er, ist der CGrabaten Oberst, hat kein Haar an seinem ganzen Leibe, weder auf dem Kopfe noch ums Maul noch sonsten und ist ein alter Kauz; man sagt, dass es wegen der Franzosen sei. Von einem Abend bei Merode in Gesellschaft Pappenheims und Teuffels verzeichnet der Landgraf einen Rausch; sein Begleiter Dalwigk stürzte eines Abends beim Abschiede vom Reichsvice- präsidenten von Strahlendorf betrunken die Treppe hinunter. Von besonderem Interesse waren die großartigen katkolischen Prozessionen und die Prunkgottesdienste für den Landgrafen. Einmal wurden im Kreuzgange des Jesuitenkollegs alle Siege des Kaisers in lebenden Bildern dargestellt, dazu von „Lehrjungen“ in 23 Sprachen Anreden an den Kaiser gehalten, und bei der darauf folgenden Tafel warteten nicht weniger als 40 Jesuiten in ihrer Ordenstracht auf. „Der Saal war mit allerhand schönem Grottenwerk, Wildnissen und verborgenen lebendigen Vögeln, die sehr lieblich gesungen, geziert; aus den Wäldern sind Satyri, Nymphen und Hirten kommen, summa alles ist sehr stattlich, kunstreich und graciös gewesen.“ Bei einem Besuche des Hradschins besichtigte er den Veitsdom, den großen Saal des Schlosses und das durch den Sturz der kaiserlichen Räte Martinitz und Slawata berühmt gewordene Fenster. „Darnach bin ich wieder herunter und über die Brücke durch die alte Stadt gefahren, da erstlich auf dem Brückenthor die Köpf, so in den Executionen decapitiert worden, aufgesteckt ge- wesen. Folgends haben sie gestern vier aufrührerischen Bauern die Ohren und Nasen abgeschnitten und drei anderen die rechten Hände abgehauen, welche am Rathause angenagelt standen. Darauf habe ich gesehen, wo die Herren [die am 21. Juni 1621 hingerichteten 27 böhmischen Barone und Bürger] zum Fenster herausgangen auf ein aufgebautes Wesen und darauf gericht worden; ist auf der anderen Seite des Rathauses. — Bei der Abschiedsaudienz erboten sich I. Maj. gar sehr gegen mir, als auch daß Sie sagten, Sie wollten mir gewogen bleiben nicht als einem Reichsfürsten oder in kaiserlichen Gnaden, sondern als Ihrem Freund und sehr stattlich.‘“ Der Landgraf setzt vielsagend hinzu: Sonsten Basta! Alantwein 36. Albrecht, Jacob 18. — von Sachsen - Lauen- burg 3. Allert, Zacharias 73. 116. Anhalt, Christian II. von 32. 38 Antorff, Heinrich 20. 36. Arbogast, Joh. v. 76. Argenis 45. Arn[he]im, Franz Christoph von 16. Audienz in Wien 30. 31. Ballyde, Wilhelm 51. 72. Barcley, John 45. Berka, Helene von 67. Bernstadt, Heinrich Wenzel von 98. Bibran, Heinrich von 46. Bock, Sigmund v. 12. 63. Borschnitz, Georg von 75. Brauer, Melchior 12. Breuner 41. Brieg, Joh. Christian von 98. 109. Burghaus, Franz v. 76. — Nikolaus v. 87. 104. 117. Christian II. von Anhalt 32. Collalto 118. Golloredo 41. Dachs, Georg von 10, siehe auch Polsnitz. Dembsky 23. Dietrichstein, von 26. 88. 92. Dobschütz, Barthel 9. 65. 73. 83. Dobschütz, v. 61. Dohna, Karl Hann. 67. 104. Durstner, Joh. 69. Eggenberg, Hans Ulrich von 29. 31. 92. Eichheuser, Stanisl. 11. Register. Eleonora, Gem. Ferdinands 35. Engelhardt 88. Erbe, Melchior 64. Ernst, Joh. von Weimar 32. Ensersdorf, öffentl. Predigt das. 43. Fenck, Wolfgang von 39. Ferdinand III. 30. Freissleben, Daniel von 33. 34. 112. Friedrich Karl von Oels 66. Frobel, Friedrich 70. Frühwein, Dr. 95. 102. Fürstenberg, Wratislaw Graf von 108. Gabor Bethlen 32, Gebhard, Justus, Dr. 44. 116 Gellhorn, Friedr. 93. Gieraltowski 66. Grana, Marchese di 108. Grüttschreiber, Ernst von 9, 14. 116. Hallmann, Paul 88. Harrach, Cardinal 38. Heermann, Joh. 3. Henckel 52. Henelius, Nicol. 21. 63. Hermann, Zacharias 70. Hessen, Landgraf Wilhelm von 118, Heugel, Heinrich 19, Hinrichtung, öffentl. 42. Hoffmann, Balthasar 30. 83. 116. Hohenzollern, HeleneGräfin von 67 — Georg von 67. Jacoponus, B. 3. Jessinski, Esaias 28. 43. Johann Georg von Jägern- dorf 22. Johnisch, Johannes 87. 102. 115 Isolani 119. Julian, St. 87. Karas, Kaspar 10, 19. 116. Karnitzky 12. Khevenhiller, Franz Christ. 93. 108. Kiesel, Graf 112. Kiesewetter, Balth. 72. Kinsky, Wilh. von 108. Kitzing 68. Klocker, Israel 71. Kochtitzki, Anna 66. Kolecz, Rasper von 32. 39. Krauseneck 79. Krebs, Nicolaus 13. 43. Kreischelwitz, Hans von 15. Kyckpusch, Reinhard von 19: 95. Fir Lackner, Christoph 111. Lämmermann 119. Langwiese, Peter 20. 26. Lebzelter, Friedr. 53. 113. Leuschner 13. Liegnitz, Georg Rudolf von 9. 83. 86. 98. 114. Lobkowitz, Poppel von 38. 86 Losenstein, Wolf Sigmund von 34. 44. Maltzan, Joachim von 42. Mansfeld 32. 93. Maria, Anna Prinzessin 33. 85. Marradas, Balthasar v. 91. 108. 118. Melander, Otto 90. Meusekönig Andreas 34. Mimmich, Hans 11. Möller, David 18. 37. Montecuculi, Ernst von 9. 41 Motschelnitz,, Margaretha von 22. 121 Mülbe, Martin von der 68. | Questenberg, Gerhard von Müller [Möller], David 18. 37. 37 | Rasper von Kolecz 32. 39. 83. 100. Raussendorf, Franz 11. Reideburg, Christoph 88. Reigersfeld, Daniel Gzepko Munderich, Dr. 19. Narren, rohe Behandlung derselben 41. Naso, Ephraim 4. Neuburg, Wolf Wilh. von 3. oo; Ru, 29. ee ; Renata, Cäcilia Prinzessin Nigroni 39. 33. 85. 3 Nostitz, Otto von 28. 39. | Rosa, Reinhard 9. 51.65: 51. 73.116: — Friedr. 73. Rost, Friedr. #7. Oelhafen, Martha von 78. | Rothkirch, Friedr. von 22. Oels, Herzog von 66. Opitz, Martin 3. 45. Sachs, Dr. med. 76. Sauerma[nn], Hans von 9. Schaffgotsch, Hans 20. — Hans Ulrich 93. Schellendorf, von 46. Schlenker, Georg 36, 103. Schlesinger, Jacob 41. Schlick, Graf von 89. Schrepel von Schrepelsberg 87 Pappenheim 119. Pein, Joh., Dr. 11. 18. Piccolomini 119. Pol, Nicolaus 70. Pollmüller, Daniel 36. 39. Polsnitz, Friedrich [rect. Georg] 10, siehe auch Dachs. » Poppel, Zdenko von Lob- | Schütz, Caspar 72. kowitz 38. | Sebisch, Adam von 13. 69. — Georg 20. — Marianna 20. Sebottendorf, Heinrich ? von 17 Seydlitz, von 75. Siegroth, Gottfried von 100. Starzer, Michel 39. 114. | Steinmetz, Dr. 27. Portugal, Alexander von l Predigt, öffentl. in Ensers- dorf 43. Priers 46. Proskowski 61. Pross, Ursula 4. Pückler, von 30. Strahlendorf, von 119. Stubeck 51. 52. Stubenvoll, 97. 98. 105. Sulzbach, Aug. von 87. Talmberg 103. Terzky 79. Teuffel 119. Thun, Christ. Simon von 31. Thurn, Bernhard Graf von 22 —_ Heinrich Mathes Graf von 3. Troilo, Nicolaus 65. Venediger, Daniel von 19. 39. 45. Vogt, Johannes 19. 73, — Sebastian 73. Wealdstein, Albrecht v. 12. 95. 119. — Adam von 30. 38. 85. 92. — Maximilian von 31. Warnsdorf, Caspar von 3. Weimar, Joh. Ernst von 32. Wendelin 37. 39. Wermuthwein 28. | Wiesenberger, Christ. 73. Wilhelm Landgraf von Hessen 118. ı Witt, Joh. de 103. | ee Herzog von T- | | Zastrzisl 59. 61. Die Anfertigung des Registers hat Herr Archiv-Kanzleisekretär Schuster freundlichst übernommen. Druck von Grass, Barth & Comp. (W. Friedrich) in Breslau. | | 2 Mir aor hrobuskteue | dor bnautıoh) daran 2a 10 Isadına BR DIE 28 Te Horasdıe N Fe 1“ # nov ‚guh ‚dandsls® ‚BE „EB che nor u) 008 68 ‚Dr 28 a za insert ‚Hobnseeunft: art Ort Ans | I ur Bi Bei ik IPR2 wor aomie »deird). ‚and GRARF DS . Et ib L u or ad bradırsfl en und aissssultT RE re no Enz ER U ‚ Katie, af Ar Me ‚nein | ee br ir N E RR Arad: in er m F ı ET bat —' Ind ion N 5 Pl ec Mehr taoAfı I” on * r noY ER f En We Sr nor 2 eu AasibammV | ER Sarhe bar eluziaı! ar: I nor y 2 PR EL (* ’ \ gr do 190% | BR | Rate, Kuba lg 5 1 zunosdol Ban .1l>,2doah Kar ARTE RR, | JE rue BarteaTiesln ‘ Ay BReN ale | I Eu WIDE sah — er u ‚Tiobasljedekt | "+0h.2E DE por. alih \[ .EOE DE oa). widsldae h | Ti Ih dünal, Mid Dr dat IE aov neiliminch — | BR 007 lan Anl | Loy vager) Inbemns# | 25a 6 Ipgs ya Rs Trial ‚do ‚Tania Wii; Ar FEN, Le terd93 — a noy. zus ‚[as]samensf \ 4 biwah F Bm le M; Pi . ee ‚TE Allah W Roh” ‚iluse wi nase SE ie us W |. or sah ib: yaiıhaft | Io ) ‚Briadn- Ast uw ‚oe Yıosd) | un7, jerabnal mdkW ‚DE anapiTol -- _. j rl 04-59 H). ng eo) 2 sb do AN rn Bu. Anszor 1 siatlLasthüW er ie wir Ho0V ilumaa 8 OT ii brbert 4 1) ‚Horgsif . L, St, Ne Isrl ylk a2? r 20.08 irre TE 40 „lasse [nid [ pi ‘ Pe hi Bi 02 uni vr 14 092G TEI9TINSEIlSIUIDEA- Tin e s “y we “ A N a 7 * Pr r ug ir ra ae .“ fr Dur‘ « 5 v r r . PPFER en 5 - U ” P a wa a P wi‘ un . * „ 2. . ur! E or B . . 04 Pr Pr vo. .- | ö u + u . .. NR N A F “ ‘ , er W.“ u Le r v . . . A -,4 N wann ten PP . ns Ver ” Bi . de '.. vr Am . Li > . . Fe [2 Ai vgaetit P77 DRITT . r “ vr. - - Po . n . 4 sr ae Par RO Aue ’ Ri ’ 0 » - ’ a a ' E} PIE % . D N 7 Tr, “ . ” „+ ‚ w.. “ Bi .. ‘ hr x E Fi » PPE | . . n - 5 . ’ . * z ri m v “ rer ) ne = ; pri a .- Ce] er ” # ” hj h "a “ u 6,7 “ Fi Der g A, oe - 5 . ER . Fi ner! “ “ Fl iz . Kr *, ‘ . . . . ih ER F N . un .* . y an i * N ent ni DL ı» cr g si “ N D + ‘ 3 m N Be ..., un, " .; P f . Ku - Ber . ) “ “ - r uw . B . a Eur aa ar r in j % Pa n ’ = - s . ." be rn} be De “. ' ie 5 bi “ Pr} ’y Pr u > +. * a j B Pan . \ . Er n ’ R; Pi] uw -. P ’ B ‘ « s r i P . . = - . \ . \ u . - » Pr 3 Ri . j . . Ah . u. “' R | ie 5 . ber . ade u" 3 \ 5 y .. nie 2 Cr Pig r - .. - y. u * E % . p - ? k c » b "r . Fo a" . . , a’. # - em “4 {4 Dr u. . a r Fr\ v rn En z - - D u n R + nr . r 2 ‘ n 5 ’ ”. . a nn; ” r w “ u . —_ Bud - - . ”. - * . ”s u \ . ° u . R ur - no. F =. “ Pig p ” a’ “ e - u 2 . « .. y. Pi eo .- ‘ . ”. .. “ .. Er 5 -e' u u , .. ” v 5 x 3 —ı - . _, >’ - £ - pe . Bu i E were “ - . R n_ z - . ms .- 5 r - » Pi x - m: er” - “ u no . - t u nz - 3 > - > » ; . r “.. u} © r es - ” - 5 ry -.- Ban . >? _ = u * - „> . .. - “ ” .f - . “ . - D ” “ .* . . . “tr ” . » i . ” .