Lana rare an a buLts MEUITETEPER TEILTE HR nahe ee lubmsi mr ! Ru rmumunih he une u ie pearl R han L eher RER NET N En una apupi ee Feat ai 4 e h 1 ’ af Kanals r \ Mr 1 r ’ 2 MPN M H ı Y HrpRarueN i M N h n N l 2 N mu r Tarhr ie ” j geh ei ir nu uni: Mir Y HAHHIRR b E F Lulaer, Heide Kine 927 lan shhe eher In n v E ee a a slar iii (he } r \ hi Ai Aueh kn wi IR s Palanar anal nn, am ein m, — 1 PO THE NEN YORK BOTANICALGARDESG 5 Fe — _ ey? —5 125 Ä E\ \\ SS A u s G 2 SR BR ; N; Br = y 2 > = E\ ' zer E> rel re ET Si N En GE \WINYR Weib son da EU, = — 2.0 WR zZ m en 7, ‘ ® alr e8 Ber ; E _Schlesischen Gesellschaft. für vaterändische Cult. 41917. N - u Brasian: 6 B: Aderholz’ Buchhandlung. ; Adresse für Sendungen: Re | Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur, Breslau I, Matthiaskunst k KR FE Kuünlumaneuınmzigster Jahres-bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. u 48 — FrTER LIBRARY NEW YORK BOTAMITAL a a. DEP TE7) Breslau. G. P. Aderholz’ Buchhandlung. 1918. ART ut (4 Eine , EN IM ( ja Y v4 LIBRARY Aımzıy WENDE ai, W N YLUMA wrr ANICAI arzt Yan Inhalts -Verzeichnis des I. Bandes des 95. Jahresberichtes. Allgemeiner Bericht Über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Gesellschaft im Jahre 1917, er- stattet vom General-Sekretär, Geh. Regierungsrat Professor Dr. Pax Benieht .übeuidie. Bibliothek... ul aaa ana nal Bericht über das Herbarium der Gesellschaft Kassen -Verwaltungsberieht. - 2.21.20: nee) Verzeichnis der derzeitigen Mitglieder der Gesellschaft: Präsidium der Gesellschaft... . . . . EUDREILNERADE. URTAT 2) MENT Sekretäre der Sektionen . . . . BEaENE a E.. Ehrenmitglieder. - . . ....0. Korrespondierende Mitglieder. . URL NOIR SB On Einbeimische,Mitglieder . . . . . Lu... 000 ale... ILL a Auswärtige Mitglieder .... . . a NDR OR Mitglieder der Sektion für Obst- und Eartenban EN? 0: LERNTEN No) Mitglieder der Chemischen Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau) Berichte über die Sektionen. 1l. Abteilung: Naturwissenschaften. a. Sitzungen der naturwissenschaftlichen Sektion. Benedict, Elisabeth: Bestimmung der optischen Konstanten der Kohle im siehnbaren: Spektralsebfet, um ausuın Ua. au. e. A SB ge Conrad, Friedrich: Messungen mit einem photometrischen Filter (Künst- KeheskAuse)s-s) de nee ne lea ala alla sahne line Be Hürthle, Karl: Über neue Methoden zur Registrierung des Blutstroms . . — Demonstration einer Differenziermaschine (Apparat zur mechanischen Dilfenenzierung |vons Kunven)i ul. St. Sr an Kohn, Hedwig: Auswertung der Hlschenhelligkeit des schwarzen Kordens in Hefnerkerzemen nalen ANNE AL Dapmiln! ale. Milch, Ludwig: Nekrolog auf Carl Hintze ...:... 2... .e 0. rüber Kontaktwirkung. won Diabasen..... . 2... u. une. na. uk. Rechenberg, G.: Allgemeine Übersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der Königl. nee sh mente zu Breslau im Jahre 1917. . Seita l 13 13 14 IV Inhalts-Verzeichnis. Seite Schaefer, Clemens: Schalldruck und hydrodynamische Gleichungen . . . 1 — Nekrolog/auf Ernst”Pringsheim‘...... .. .. 220. 220.0 1 Senftleben, Hermann: Bestimmung der optischen Konstanten der Kohle im sichtbaren Spektralgebiet . . . . . EN ee 1 b. Sitzungen der zoologisch-botanischen Sektion. Grosser: Krankheiten und Schädigungen landwirtschaftlicher Kulturpflanzen in Schlesien im Jahre 1916. 1... ren 2. > 3 Kern: Beiträge zur Moosflora der Bayrischen Alpen. ..... 2... 5 Kräusel: Die Tertiärflora Schlesiens. .. ..... en. 5 3 — Einige Nachträge zur tertiären Flora Schlesiens ...... - 10 Oberstein, O.: Krankheiten und Schädigungen landwirtschaftlicher Kulne pflanzen\in Schlesien ım Jahre 1916... 21... u: 2 Ars aRseraes 3 Schalow: Über die Pflanzendecke und Besiedlungsgeschichte des mittelsten Schlesiens . . . a a RE N oo 5 Schube, Th.: Ergebnisse dr Durchforsehung der schlesischen Gefäßpflanzen- welt im. Jahre 197... N ataalen ze Van ED 13 — Ergebnisse der phänologischen Beobachtungen im Jahre 1917 . . . 13 — Nachträge zum „Waldbuch von Schlesin* . ... 2... 2 2} Spribille: Einiges über die Brombeeren des Breslauer Gebietes. . . . - 1 Stolz: Die Vogelwelt Polens und ihre Beziehungen zu dessen westlichen Nachbarländern... 204... vaanuan so 2 2 c. Sitzungen der Sektion für Obst- und Gartenbau. Hölscher, Jelto: Bericht über die Tätigkeit der Sektion im Jahre 1917. . 1 ulber. Zierkürbisse a nen ne Wa Dale A 16 Rosen, Felix: Bericht über die Tätigkeit der Sektion im Jahre 1917 . . . ! — Über Speisekürbisse, eine wirtschaftliche und geschichtliche Studie . 1 IH. Abteilung: Geschichte und Staatswissenschaften. a. Sitzungen der historischen Sektion. Meissner: Zur Geschichte des Chattireiches nach neuerschlossenen Urkunden des chattischen Staatsarchivs -. . . .. . NEN 5 So 1 b. Sitzungen der Staats- und Rechtswissenschaftlichen Sektion. Breslauer: Das Güteverfahren als Mittel friedlicher Streiterledigung . . - 1 Kahleysz: Die Vereinfachung der Rechtspflege nach dem neuen Gesetzbuch i Leonhard: Erbbaurecht und Bodenreform \.... 1... Kun : 1 — 0. von Gierkes Schuldrecht mit besonderer Berücksichtigung des Zivilprozesses. . . . ES ao. 0.0 1 Meyer, Herbert: Das Anal des Wechsels an der UAmeisane Br \ O2 l Pototzky: Versicherungswirtschaft und Versieherungspolitik in ihrer Be- _ ziehung zum: Weltkrieg . ....... 2ainilinll. un le) SEnes AN il Wagner-Roemmich: Die Ablösung der Armenpflege durch Spezialfürsorge 1 Wosnitza: Die Arbeitslosenfürsorge in Breslau . .». 22.2.0 .. 1 Inhalts-Verzeichnis. IV. Abteilung. a. Sitzungen der philologisch-archäologischen Sektion. Foerster, R.: Eduard Scheer als Gelehrter, Lehrer und Mensch Meissner: Zur Geschichte des Chattireiches nach neuerschlossenen Urkunden des chattischen Staatsarchivs. EDEN Sikorski: Kritisches zu Aeneas von Gaza . ... ...... b. Sitzungen der orientalisch-sprachwissenschaftlichen Sektion. Meissner: Zur Geschichte des Chaltireiches nach neuerschlossenen Urkunden deskehattischen® Staatsarchivstnn 1 e. Sitzungen der Sektion für neuere Philologie. Hilka, Alfons: Eine bisher unbekannte lateinische Übersetzung der griechi- SenenAVersion»destKalllabuchst@r. u mu u. RM. ae En. Ae : — Eine Pantschatantra-Erzählung in der iitelalterlichen Pr een. V. Abteilung. a. Sitzungen der mathematischen Sektion. Kokott-Neisse: Untersuchungen aus dem Gebiet der elliptischen Funktionen Sternberg, W.: Integralgleichungen und Darstellung willkürlicher Funk- tionen b. Sitzungen der philosophisch-psychologischen Sektion. Meckauer, Walter: Ästhetische Idee und Kunsttheorie . . . . Steinitz, Walter: Zur Ins nach den Ursachen hrlovenstischen Ent. wiekelung: : - A... u SAND. \ Stenzel, Julius: Zur Logik des So c. Sitzungen der katholisch-theologischen Sektion. Pollak: Rechtsverhältnisse zwischen Pfarrer und en - — Gegenwartsjurisprudenz und Moraltheologie SIND I — Neuregelung des Ordensrechtes durch den Codex juris canonici. Seppelt: Die Entwickelung des Ablasses im Lichte neuerer Forsehungen d. Sitzungen der evangelisch-theologischen Sektion. Arnold: Die Weltanschauung des Posedonios und ihre Einwirkung auf die Kirche und die Christenheit . Müller (Magdalen.): Der Aufbau des Korn nälnintersicht VI. Abteilung. a. Sitzungen der technischen Sektion. Laudien: Tarife für den Verkauf elektrischer Energie. . . - . - — Theoretische und praktische Grundlagen für den Bau von rn gliedern für Hand- und Armamputiertel. . 2.22 nn. a de ze pe Yı Inhalts-Verzeichnis. Seite b. Sitzungen der Sektion für Kunst der Gegenwart. Landsberger, Eduard: Max Liebermann... u... „1. rs Erre 1 Brelinger, Fritz:” Nas nioderne red rar. u 2 VE 1 e. Sitzungen der Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. Cloos: Gebirgsbau und Lagerstätten in Schlesien. -...- .. 22.2... 9% Dietrich: Der Siedlungsraum in eingesenkten Msanderislern. ins - 1 Köster: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der mittelschiesie ren Siufenlandschaft. +... 2: 1.020 ve Bl aa N SE u 1 Simmersbach: Das Hängen der Cienten und Hochpfenexplasionen ae 29 Gedächtnisfeier' für Geh. Bergrat' Prof. Dr. Frech . .. „2.21. see 27 Neuwahl des’ Vorstandes. da m: wohne ka ee en a a 39 d. Sitzungen der chemischen Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau). Beutell, A.: Über Krystallisationsvorgänge . 1 Biltz, H.: Mitteilungen verschiedenen Inhalts . . - 17 v. Braun, J.: Über neue physiologisch wirksame Verbindungen aus Kokam Dal Pfeiffer, Th.: Verbrauch und Wirkung der künstlichen Düngemittel 1 Pringsheim, E.: Das natürliche System der Elemente und die Struktur des Atoms . .. IR 17 Schäfer, H.: Die Rohstoffnot He eilindustrie nd ihre > Abhilfe Se: 1 Nekrologe auf die im Jahre 1917 verstorbenen Mitglieder ........ 1—45 sehlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur. ST TR TTrt Iemn 95. Jahresbericht. 1917. Allgemeiner Bericht. | a | u Allgemeiner Bericht über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur im Jahre 1917, erstattet von dem General -Sekretär Herrn Geh. Regierungsrat Professor Dr. Pax. Am Dienstag, dem 18. Dezember 1917 wurde unter dem Vorsitze des Präses, Herrn Geh. Regierungsrat Professor Dr. Foerster, die Ordent- liche Hauptversammlung abgehalten, nachdem sie auf Grund des $ 17 der Satzungen durch einmalige Anzeige in der Schlesischen und in der Breslauer Zeitung bekannt gemacht worden war. Zunächst erteilte die Versammlung dem Schatzmeister, Herrn Kom- merzienrat Berve, Entlastung von der seitens des Präsidiums geprüften Rechnung des Jahres 1916. Im Anschluß hieran sprach der Präses dem Schatzmeister den Dank der Gesellschaft für die der Führung der Kassen- geschäfte gewidmete Sorgfalt und Umsicht aus. Hierauf verlas der Generalsekretär, Herr Geh. Regierungsrat Pro- fessor Dr. Pax den Allgemeinen Bericht über das Jahr 1917. Zunächst wurden die Verluste an Mitgliedern aufgeführt, welche die Gesellschaft während des bezeichneten Zeitraumes teils durch Tod, teils durch Aus- scheiden erlitten hat. Die Anwesenden ehrten auf Ersuchen des Vor- sitzenden das Andenken der Verstorbenen in der üblichen Weise. Einen besonders schweren Verlust erlitt die Gesellschaft durch das Dahinscheiden ihres Vize-Präses und Sekretärs der Rechts- und Staats- wissenschaftlichen Sektion, Seiner Exzellenz des Wirklichen Geheimen Rats und Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Vierhaus. Zu seinem Gedächtnis fand am 16. Dezember eine besondere Feier statt, über die der Bericht unten Seite 10 folgt. Von den Mitgliedern des Präsidiums verstarb außerdem: der Delegierte und stellv. vorsitzende Sekretär der Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen Herr Geh. Bergrat Prof. Dr. Fritz Frech. (Der Bericht über die von der Sektion am 4. November veranstaltete Gedächtnisfeier folgt in dem Bericht der Sektion S. 27.) 1917. 1 9% Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Aus dem Kreise der Sekretäre verstarben: Herr Universitätsprofessor Dr. Ernst Pringsheim, Sekretär der naturwissenschaftl. Sektion, „ Regierungs- und Geh. Medizinalrat Dr. Oskar Telke, Sekretär der hygienischen Sektion. a. Von korrespondierenden Mitgliedern sind verstorben: Herr Lehrer Barber ın Görlitz, „ Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Buchner in Würzburg; b. von wirklichen einheimischen Mitgliedern: Frl. Hedwig Frank, Herr Architekt Dr.-Ing. Carl Friedenthal, „, Medizinalrat Carl Fritsch, „, Kirchenrat Georg Froböß, ‚„ Apotheker Ernst Grieben, ‚„„ Handelsrichter Richard Grüttner, Frau Architekt Marie Henry, Herr Rechtsanwalt Dr. Robert Höer, Kaufmann Julius Jarecki, „, Apothekenbesitzer Paul Joppich, „ Stadtrat Justizrat Alfons Marck, Konsistorialrat Friedrich von Merckel, Dr, phil. Eduard Metis, Frau Geheimrat Marie Neisser, Herr Partikulier Ludwig Sachs, „ Geh. Sanitätsrat Dr. Ernst Sandberg, ‚„ Justizrat Siegfried Schück, Dr. med. Ignatz Steinschneider, Professor Dr. Emil Toeplitz; c. von wirklichen auswärtigen Mitgliedern: Herr Privatdozent Dr. med. Carl Davidsohn in Berlin. Sechs von den vorgenannten Mitgliedern, nämlich Herr Geh. Re- gierungsrat Prof. Dr. Buchner, Privatdozent Dr. Davidsohn, Geh. Berg- rat Prof. Dr. Frech, Architekt Dr.-Sng. Friedenthal, Rechtsanwalt Dr. Höer und Konsistorialrat v. Merckel haben den Tod fürs Vaterland gefunden. Infolge von Wechsel des Wohnortes oder aus anderen Gründen schieden aus: 11 wirkliche einheimische und 4 54 auswärtige Mitglieder. Aufgenommen worden sind nach dem 1. April 1917 35 wirkliche einheimische Mitglieder, nämlich: l. Herr Dr. phil. Wolfgang Sternberg, 22. 0.2.0. Dr. med. Eritz Danige, Allgemeiner Bericht. Wissenschaftlicher Hilfslehrer Franz Gröhl, Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Erich Kallius, Oberingenieur Karl Pahde, Pfarrer Dr. Johannes Schmidt, Landeshauptmann Dr. Georg v. Thaer, Regierungs- und Baurat Otto Schweimer, Taubstummenlehrer Julius Herden, Kaufmann Felix Hamburger, Assessor Dr. jur. Werner hau, Dr. Franziska Sandbers, Oberarzt Prof. Dr. Georg Stertz, Privatdozent Dr.-Ssug. Carl Wasserberger, Oberarzt Dr. med. Paul Ledermann, Dr. phil. Walter Meckauer, Dr. phil. Lotte Morawski, Universitätsprofessor Dr. phil, Ludwig Milch, Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Josef Jadassohn, Privatdozent Dr. Hans Cloos, Privatdozent Dr. med. Robert Hanser, Fabrikdirektor a. D. Robert Floegel, Regierungs- und Geh. Medizinalrat Dr. Otto Solbrig, Professor Selma Skutsch, Dr. phil. Eberhard Richtsteig, Dr. med. Arno Podschubski, Geh. Regierungs- und Forstrat Adolf Herrmann, Justizrat Moritz Schönfeld, Stadtrat Dr. jur. Otto Wagner, Geh. Regierungsrat Dr. Ferdinand Friedensburg, Professor Franz Spribille, Radierer Hugo Ulbrich, cand. phil. Helmut Berve, Professor Dr. phil. Emanuel Glatzel, Kaufmann Erich Lange, und nach dem 1. Januar (bis zum 1. Juli) 1918 folgende 40 Mitglieder: 36. 40. 41. 42. 43. Herr „ Frl. Oberlehrer Professor Dr. Johannes Freund, Prof. Dr.-Sng. Paul Oberhoffer, Geh. Bergrat Alfred Buntzel, Lehrerin Olga Nitsche, Herr Sanitätsrat Dr. Hermann Lichtenstein, „ Frl. ” Dr. Alexander Lingelsheim, Lehrerin Meta Gabriel, hs Camilla Gabriel, Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, Herr Frau Herr Direktor Fritz Schwemer, Sophie Schwemer, Regierungsrat Dr. jur. Georg Bartels, Dr. phil. Arthur Kuhnke, Kaufmann Hans Grüttner, Öberlandesgerichtspräsident, Wirkl. Geh. Oberjustizrat Max Greiff, Dr. med. Nathan Markus, Dr. med. Marie Dirks-Seiffert, Sanitätsrat Dr. Freund, Professor Dr. med. Hermann Küster, Kaufmann Emil Kensing, Öberrealschuldirektor Dr. Robert Fox, Margarete Stern, Pastor Karl Haack, Kaufmann Ludwig Glaser, Fabrikbesitzer Luise Kauffmann, Kanonikus Freiherr von Miltiz, Geh. Konsistorialrat Professor Dr. Erich Schaeder, Universitätsprofessor Dr. Theodor Mollison, Universitätsprofessor Dr. phil et theol. Heinrich Scholz, Pfarrer Paul Kaleve, Subregens Stanislaus Maslinski, Fürstbischöfl. Geheimsekretär Johannes Pinsk, Kaplan Dr. theol. Paul Knauer, P. Dr. Odilo,Sichmatz, O.EIM,, Regierungspräsident Dr. jur. Traugott v. Jagow, Universitätsprofessor Dr. Waldemar Mitscherlich, Privatdozent u. Gerichtsassessor Dr.jur. Erhard Neuwiem, Privatdozent Dr. rer. pol. Fritz Terhalle, Pastor Werner Reinhardt, Öberlehrer Dr. Baron, Pastor Dr. phil. Louis Wosien, und 38 wirkliche auswärtige Mitglieder, nämlich: l. 2. 4. 5) =] Gartenbaugesellschaft in Schweidnitz, Herr ER} Geh. Sanitätsrat Dr. Aloys Scharff in Schweidnitz, Oberlehrer Dr. Curt Lindemann in Striegau i. Schl., Stabsapotheker Dr. Carl Laske in Allenstein i. Ostpr., Staatl. diplom. Gartenmeister und Fachlehrer an der Kgl. Gärtner-Lehranstalt in Proskau Wehrhan, Gemeindevorsteher Otto Klose in Mittelsteine, Fabrikbesitzer Eduard Wolff in Kobelwitz OS,, Oberleutnant d.Res.Dr.Walter Micksch in Goldberg i. Schl. Allgemeiner Bericht. 5 m u — nme hen nn er BT N nn a ee Mithin zählt die Gesellschaft: 952 wirkliche einheimische, 178 wirkliche auswärtige, 25 Ehrenmitglieder und 110 korrespondierende Mitglieder. Außerdem zählt die Sektion für Obst- und Gartenbau neben 89 Gesellschafts-Mitgliedern noch 91 zahlende. Die chemische Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau) zählt außer 65 Gesellschaftsmitgliedern noch 73 Sektionsmitglieder. In den Verwaltungs-Ausschuß sind gewählt: Herr Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Foerster als Präses, „ Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Pax als General-Sekretär, „ Geh. Sanitätsrat Prof. Dr. Rosenfeld als stellvertretender General-Sekretär, », Kommerzienrat Berve als Schatzmeister und „ Handelsrichter Alfred Moeser als stellvertretender Schatz- meister, Die durch den Tod des Vize-Präses, Sr. Exzellenz Herrn Oberlandes- gerichtspräsidenten Wirkl. Geh. Rat Dr. Vierhaus erforderliche Ersatz- wahl erfolgte in der Hauptversammlung am 18. Dezember. Gewählt wurde Herr Oberbürgermeister Matting. In das Präsidium sind wiedergewählt: Herr Geh. Regierungsrat Professor Dr. Kükenthal, „ Geh. Medizinalrat Professor Dr. Küstner, „ Stadtrat Julius Müller, „ Oberpräsidial- und Geh. Oberregierungsrat Dr. Schimmel- pfennig, „ Bürgermeister Dr. Trentin. Als Delegierte der einzelnen Sektionen sind in das Präsidium gewählt von der Medizinischen Sektion: Herr Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Hürthle, » Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Küttner, „Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Partsch, » Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Uhthoff, „ Professor Dr. Tietze, von der Hygienischen: Herr Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Pfeiffer, von der Naturwissenschaftlichen: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Lummer, „» Professor Dr. Cl. Schäfer, 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. | — u von der Zoologisch-Botanischen: Herr Professor Rudolf Dittrich, von der Sektion für Obst- und Gartenbau: Herr Professor Dr. Rosen, | von der Historischen: Herr Archivdirektor Geh. Archivrat Dr. Meinardus, von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen: Herr Geh. Justizrat Prof, Dr. Leonhard, „ Professor Dr. Weber, ‚„ Mathematiker Dr. Wagner, von der Philologisch-Archäologischen: Herr Geh. Regierungs- und Provinzial-Schulrai Dr. Miller, von der Orientalisch-sprachwissenschaftlichen: Herr Professor Dr. Meißner, von der Sektion für Neuere Philologıe: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Appel, von der Mathematischen: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Kneser, von der Philosophisch-Psychologischen: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Baumgartner, von der Katholisch-Theologischen: Herr Domherr Prof. Dr. Joh. Nikel, » Dombherr Dr. Anton Bergel, von der Evangelisch-Theologischen: Herr Professor D. Dr. Hönnicke, von der Technischen: Herr Professor Dipl.-Sng. Wohl, von .der Sektion für Kunst der Gegenwart: Herr Architekt Felix Henry, „ Geh. Reg.-Rat Prof Dr. Max Koch, von der Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hütten- wesen: Herr Berghauptmann Wirkl. Geh. Ober-Bergrat Dr.-Qng. Schmeißer. „ Professor u. Hüttendirektor a. D. Simmersbach, Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Supan, von der Chemischen Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau): Herr Geh. Reg.-Rat Professor Dr. Gadamer, „ Professor Dr. Bornemann. Über die Tätigkeit der einzelnen Sektionen berichten die Herren Sekretäre das Folgende: | Allgemeiner Bericht. 7 Die medizinische Sektion hielt 19 Sitzungen ab, einschließlich 1 klinischen Abend. Für die Periode 1918/19 wurden gewählt: als 1. Sekretär, zugleich als Vorsitzender der Sektion: Herr Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Uhthoff, als 2. Sekretär, zugleich als stellvertretender Vorsitzender: Herr Prof. Dr. Bumke, ferner: Herr Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Minkowski, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Partsch, Prof. Dr. Röhmann, Geh. Sanitätsrat Prof. Dr. Rosenfeld, Prof. Dr. Tietze. Von der hygienischen Sektion wurde zum Sekretär gewählt: Herr Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Pfeiffer. " Die naturwissenschaftliche Sektion hielt 3 Sitzungen. Zu Sekretären wurden gewählt: Herr Prof. Dr. Beutell, = Brok Dr. Milch! Prof. Dr. Cl. Schaefer. \ Die zoolegisch-botanische Sektion hielt 5 Sitzungen. Zu Sekretären sind gewählt: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Pax, Geh.-Reg.-Rat Prof. Dr. Kükenthal. ” Die Sektion für Obst- und Gartenbau hielt 1 Sitzung. Zum Sekretär ist gewählt: Herr Prof. Dr. Rosen, zum Stellvertreter: Herr Kgl. Garteninspektor Hölscher, zum Verwaltungsvorstand: Herr Verlagsbuchhändler und Handelsrichter Max Müller. 8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Die historische Sektion hielt I Sitzung. Zu Sekretären sind gewählt: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Kaufmann, Archivdirektor Geh. Archivrat Dr. Meinardus, Prof. Dr. Schoenaich. ” ”„ Die Sektion für Rechts- uni Staats-Wissenschaften hielt 8 Sitzungen. Zu Sekretären sind gewählt: Herr Geh. Justizrat Prof. Dr. Leonhard, „. Prof. Dr. Weber. Die philologiseh-archäologische Sektion hielt 3 Sitzungen. \ Zu Sekretären sind gewählt: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Foerster, Geh. Reg.- u. Prov.-Schulrat Dr. Miller. „ Die orientalisch-spraehwissenschaftliohe Sektion hielt 1 Sitzung. Zum Sekretär wurde gewählt: Herr Prof. Dr. Meißner. Die Sektion für neuere Philologie hielt 1 Sitzung. Zu Sekretären sind gewählt: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Appel, „ Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Max Koch, „Prof. Dr. Diels, „ \Pro@ Dr Schückiıne. Die mathematische Sektion hielt 1 Sitzung. Zu Sekretären sind gewählt: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Kneser, Realschuldirektor Prof. Dr. Peche. „ Aue ein: er Bericht. 9 Die philosophisch-psychologische Sektion hielt 3 Sitzungen. Zu Sekretären sind gewählt: Herr Professor Dr. Guttmann, zugleich Vorsitzender, „ Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Baumgartner, » Prof. Dr. Kühnemann, “„, Prof. Dr. Hönigswald. Die katholisch-theologische Sektion hielt 4 Sitzungen. Zu Sekretären sind gewählt: Herr Domherr Prof. Dr. Joh. Nikel, „» Privatdozent Prof. Dr. Rücker. Die evangelisch-theologische Sektion hielt 2 Sitzungen. Zu Sekretären sind gewählt: Herr Prof. D. Dr. Hönnicke, »„ Kircheninspektor Propst D. Decke. Die technische Sektion hielt 2 Sitzungen. Zu Sekretären sind gewählt; \ Herr Prof. Dipl.-Ing. Wohl, „Prof Schilling. Die Sektion für Kunst der Gegenwart hielt 2 Sitzungen. Zu Sekretären sind gewählt: Herr Architekt Felix Henry, „ .Baurat Karl Grosser, N Gehs Reg.-Rat Professor Dr. Max Koch, „» Privatdozent Dr. Landsberger, „ Professor Max Schneider. Die Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen hielt 3 Sitzungen. Zu Sekretären wurden gewählt: Herr Berghauptmann Wirkl. Geh. Oberbergrat Dr.-Sug Schmeißer, » Prof. Simmersbach, »„ Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Supan, [58] 10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Herr Generaldirektor Bergrat Williger, ‚„‚ Generaldirektor Eckert, „ Geh. Bergrat Heinke, „ Prof. Dr.-$ng. Oberhoffer, „ Privatdozent Dr. Dietrich. Die Chemische Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau) hielt 6 Sitzungen. Zum Vorstand der Sektion wurden gewählt: Herr Professor Dr. Bornemann, Vorsitzender, „ Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Gadamer, » Direktor Dr. Schultz, „ Prof. Dr. Glatzel, Kassenwart, » Prof. Dr. Herz, Schriftführer. \ Beisitzer, Allgemeine Versammlungen haben 6 stattgefunden. In ihnen wurden folgende Vorträge gehalten: 1. Am 10. Februar: von Herrn Geh. Medizinalrat Professor Dr. Uhthoff: „Persönliche Erfahrungen und Betrachtungen zur Kriegs- blinden-Fürsorge‘‘. 19 . Am 17. März: von Herrn Marine-Generalarzt Geh. Medizinalrat Professor Dr. Küttner, durch zahlreiche Lichtbilder belebt: „Meisterwerke der Kriegschirurgie“. 3. Am 19. und 27. Juni: von Herrn Professor Dr. Kühnemann: „Eindrücke in Amerika“. 4. Am 9. Dezember: in einer gemeinsamen Versammlung mit dem Verein für Ge- schichte der bildenden Künste zur Feier des 200- jährigen Geburtstages von Winckelmann von Rerrn Geh. Regierungsrat Professor Dr. R. Foerster: „Die griechische Göttin des Berliner Museums“ (mit Lichtbildern). 5. Am 16. Dezember fand eine „Gedächtnisfeier für den verstorbenen Vize-Präses der Gesell- schaft, Se. Exzellenz, Oberlandesgerichts-Präsident Wirkl, Ge- heimen Rat Dr. Vierhaus“ | im großen Saale des Gesellschaftshauses statt. Allgemeiner Bericht. 11 Musik umrahmte die Feier, denn Vierhaus war ein Freund und Förderer auch dieser Kunst gewesen. Es erklangen zunächst einige Sätze aus Beethovens Streichquartett op. 135, von den Künstlern des Orchester- vereins Behr, Mundry, Herrmann und Melzer tonschön und weihevoll vorgetragen. Dann zeichneten drei Redner ein Bild von der Persönlich- keit und dem Wirken des Dahingeschiedenen unter verschiedenen Gesichts- punkten. Der Präses der Gesellschaft betonte die Vielseitigkeit der Interessen und die Wirksamkeit von Vierhaus, der sich trotz seiner hohen, arbeits- und verantwortungsvollen Berufsstellung eifrig auch am kirchlichen Gemeinde- leben beteiligte, alle caritativen Veranstaltungen förderte und im Vorstande des Orchestervereins saß. Bei seinem Amtsantritt in Breslau meldete er sich sofort bei der Gesellschaft an und erlangte für die Rechts- und Staats- wissenschaftliche Sektion alsbald solche Bedeutung, daß er zum Sekretär, dann auch zum Vorsitzenden und zum Delegierten der Sektion ins Präsidium gewählt wurde. Aber auch an den allgemeinen Angelegenheiten der Gesellschaft nahm er regsten Anteil. Oft wurden die Beratungen des Präsidiums durch. seine Ausführungen kräftig gelördert, und so kam es von selbst, daß nach dem Rücktritt Dr. Benders von der Stelle des Vize- präses die Wahl sich auf ihn lenkte, der sich dann auch diesem neuen Amte mit vollem Eifer und der ihn besonders zierenden, nie versagenden Liebens- würdigkeit widmete. Die Gesellschaft schuldet ihm tieftsten Dank für alles, was er ihr war. Als Vorsitzender der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Sektion legte Geheimer Justizrat Professor Dr. Leonhard dar, wie Vierhaus sich ın dieser Sektion in seinem Lebenselement fühlte. Wie die Vaterländische Gesellschaft sich ‚der Wissenschaft und dem Vaterlande“ geweiht hat, so war wissenschaftlicher Vaterlandsdienst der Grundzug, den Vierhaus in seiner Forschung und seinem Amte offenbarte. Daß die Rechtspflege nicht anders betrieben werden darf, denn als Wissenschaft, das’ trieb ihn zu der Sektion hin, und diese Überzeugung machte seine Tätigkeit in ihr besonders fruchtbar. Wohl selten hat der Vorstand eines wissenschaftlichen Kreises wissenschaftliche Ausführungen so angeregt wie er, auf ihre Brauchbarkeit geprüft und in gedankenreichen Schlußbemerkungen bewertet. Er inter- essierte sich besonders für die Frage, ob und inwieweit die psychologische Vorbildung der Rechtsjünger erwünscht sei. Auch die volkswirtschaftliche Vorbildung lag ıhm am Herzen; ebenso die Frage, wie es nach dem Kriege werden sollte. So wurde er ein Neubegründer der Sektion, die unter ihm einen großen Aufschwung nahm. Nichts lag ihm so am Herzen, als Praktiker und Rechtslehrer zu gegenseitigem Verständnis und gemein- samer Arbeit zusammenzubringen, und namentlich betonte er die Not- wendigkeit der Fühlung mit dem Anwaltstande. Seine rechtspolitische Überzeugung war, daß Rechtslehre, Rechtspflege und Gesetzgebung drei- 12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. einig seien, nicht zu trennen. Im Gegensatz zu gewissen modernen Strömungen liebte er cs, besonders auch die strenge Seite seines Berufes zu betonen, weil ihm daran lag, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit unserer Rechtspflege nicht erschüttern zu lassen, als die eigentliche Lebens- luft aller wirtschaftlichen Unternehmungen. Er kämpfte gegen eine zu freie Auslegung der Gesetzesworte. Seine Persönlichkeit war ein Vorbild des festen Glaubens an die Zukunft unseres Vaterlandes in schwerer Zeit. Sodann beleuchtete Oberlandesgerichts- und Geheimer Justizrat Prof. Dr. Fischer in eingehendem Vortrage die wissenschaftliche Wirksamkeit von Vierhaus als Rechtslehrer und Fachschriftsteller wie als Mitarbeiter an der Gesetzgebung und Rechtsprechung. Es war eine wunderbare Fülle von Leistungen, die der Vortragende zu kennzeichnen und zu würdigen hatte, bis er mit kurzen Worten die Summe dahin zog: Vierhaus hat die Rechtswissenschaft und den Zivilprozeß in mannigfacher Weise gefördert, schriftstellerisch durch eine reiche zusammenfassende und beratende Tätig- keit, wie auch durch eigene Gedankenschöpfungen. Vor allem aber war er das Muster eines wissenschaftlichen Praktikers. In beiden Richtungen ist die deutsche Rechtswissenschaft dem Manne, den auch wissenschaft- liche Bescheidenheit ın höchstem Grade auszeichnele, zu dauerndem ehrenden Gedenken verpflichtet. (Die Rede ist abgedruckt in den „Beiträgen, 62. Jahrgang, Heft 2, S. 145-—158 unter dem Titel: „Felix Vierhaus und die Rechtswissenschaft‘.) Präsidial-Sitzungen haben 2 stattgefunden. Als besondere Mitteilungen und Beschlüsse aus denselben sind her- vorzuheben: Dein Mitgliede des Präsidiums und Sekretär der neuphilologischen Sektion, Herrn Geh. Regierungsrat Pıof. Dr. Appel wurden aus Anlaß seines 60. Geburtstages, dem korrespondierenden Mitgliede der Gesellschaft, Herrn Geh. Oberkonsistorialrat Prof. D. Dr. Kawerau zu seinem 70. Ge- burtstage, Herrn Ehrendomherrn Prof. Dr. Jungnitz zu seinem goldenen Priesterjubiläum, wie Herrn Dr. Fr. Lambertus Schulte zu seinem 50jährigen Doktorjubiläum die Glückwünsche der Gesellschafl durch den Präses ausgesprochen. Die Einladungen der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft zu Frankfurt a. M. zur Feier ihres 100jährigen Stiftungs- festes und der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig zur Feier ihres 175jährigen Bestehens wurden durch Dank- und Glückwunschschreiben beantwortet. Herr Oberapotheker Kletke hat der Gesellschaft ein Reliefbild seines Großvaters, des früheren Realschuldirektors am Zwinger, der zu den ältesten Mitgliedern der Gesellschaft gehört hat, überwiesen, wofür auch an dieser Stelle herzlicher Dank ausgesprochen sei. Allgemeiner Bericht. 13 Nach einem Beschlusse der Kunstkommission der Stadt Breslau soll auf einen vom Präsidium gebilligten Antrag des Präses die Körner-Statue vor dem Hause der Gesellschaft Aufstellung finden. Die verstorbene Frau Sanitätsrat Olga Reichelt hierselbst hat der Gesellschaft nach dem Wunsche ihres gleichfalls verstorbenen Gatten ein Legat von 50000 Mark überwiesen. Die Zinsen desselben sollen zu ?, zu Gunsten der medizinischen und zu ), der rechis- und staatswissen- schaftlichen Sektion verwandt werden. Die Allerhöchste Genehmigung zur Annahme ist erteilt, die Aufstellung von Satzungen in die Wege geleitet worden. Für die im letzten Jahresbericht erwähnte Stiftung Rosenfeld ist gleichfalls die Allerhöchste Genehmigung zur Annahme ausgesprochen und eine Satzung aufgestellt worden. Bericht über die Bibliothek. Die im Austausch eingegangenen Gesellschaftsschrifien und Zeit- schriften lagen in der üblichen Weise im Lesezimmer des Gesellschafts- hauses mehrere Wochen zur Benutzung aus und wurden dann regelmäßig von der Königlichen und Universitäts-Bibliothek übernommen. Als Geschenkgeber seien mit Dank genannt: das Kuratorium der Kommerzienrat Fraenkelschen Stiftungen, die Evangelische Zentralstelle und Herr Rittmeister d. L. a. D. Matthias, hierselbst. Herr Rittergutsbesitzer Gotthold Lessing in Meseburg hat der Bibliothek den 3. Band der ©. R, Lessingschen Bücher- und Handschriften- Sammlung überwiesen. Dem Schriftenaustausch sind im Jahre 1917 beigetreten; Der Verein für Orts- und Heimatskunde in der Grafschaft Mark, das Knopfmuseum des Dr. Waldes in Prag. Bericht über das Herbar der Gesellschaft. Obgleich im Jahre 1917 die Sendungen unserer Pflanzenfreunde in der Provinz noch spärlicher als in den vorangangenen einliefen, hat der Bestand des Herbars doch wieder erheblich zugenommen, da ich in der Lage war, ganz besonders ausgedehnte Exkursionen in den verschiedensten Teilen Schlesiens durchzuführen: ich habe über 5000 km mit dem Fahr- rad und reichlich 1000 km auf Fußwanderungen zu diesen Zwecke zurück- gelegt. Auch Herr Prof. Spribille hat wieder die Ergebnisse seiner Brombeerforschungen reichlich belegt und — neben anderen — Herr Schalow von seiner z. T. sehr beachtenswerten Ausbeute Belegstücke eingeliefert. Ihnen wie auch allen andern Spendern, insbesondere aber auch denjenigen, die meine ausgedehnte Tätigkeit in der Provinz durch gastfreundliches Entgegenkommen ermöglichten, sei auch hier bestens gedankt! Prof. Dr. Theodor Schube, GER ORTE RI ER 8 14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Kassen-Verwaltungsbericht für das Jahr 1917. Zu dem Bestand des Gesellschaftsvermögens am 31. Dezember 1916 von in baren in Wert- Separat-Fonds : ; betr. Stiftungen, papieren ım in bar Vermächtnisse Nennwert usw. von Ab HH HM 7 604,12 1 199,50 6 300,— traten an Einnahmen im Jahre 1917 hinzum. tue 2 DAL LS BE TIALE 1.069,95 52 200,— 26 279,27 2 269,45 58 500,— Verausgabt wurden im Jahre 1917 20 221,06 —— 300,— mithin verbleiben: in bar 6058,21 in baren Separat-Fonds betr, Stif- tungen, Vermächtnisse usw. . 2 269,45 in Wertpapieren im Nennwert von 58 200,— Breslau, den 31. Dezember 1917. . ... Berve Schatzmeister. Kassen-Abschluss für das Jahr 1917. Barer Separat- | Wert- Fonds betr. hapiere im Titel Barer Separat- | Wert. Titel Q Stiftungen, Ver- | A D nanulbeich papiere Im Allgemeine Kasse. a || Allgemeine Kasse. Saltungen, Ver, |Nonawert Einnahme, Nr _| Ausgabe. = 1. | Bestand am 31. Dezember 1916 . | 1. | Gehälter und dauernde Unterstützungen 2. | Zinsen von Wertpapieren und Guthaben: | 2. | Heizung, Beleuchtung und Wasserverbrauch: Div. für 1916 7%, und 3%, Zuschlag von it 300 | a. Koks, Kohle, Hlz . . 2... Mb 2389,42 Schles. Bankvereins-Antel . . . db 30,— | b. Beleuchtung: Zinsen von Guthaben beim Schles. | Elektrisch. . . A 288,11 Bankverein 0021,55 | EB 0 5 oda A 3. | Mitglieder-Beiträge: | WER 0 0 00 8.0 0 nom 45,07 a. einheimische für 1914 (2) M 20,— | 3. | Schreibbedarf und Materalien . . 2 2 2 2.2. b. er NDR (A) Er: »s 40,— 4 Zieitungsinserater vr 531 88 ce e „ 1916 (8) . „ 80,— 5. | Druckkosten . . ee 630 01573541690) d. n URN) 5 © „9 000,— 6. | Versicherungen (Feuer) er: re & 33| 25 e. Aeatıge für 1914 (4) . . . eo 24, — | % | Stempel, Steuergebühren, Baehern Re 2| — | f, h ODE 24,— IN RESINIStEUEENE ee. ee 971| 52 g = ENG) 5 42,— II 99 |RRleinerAusgaben ya ee: 660| 22 h a n NONE) © ..936,— 109 WBorto- Ausgaben ws a Er 820| 90 4. | Jahresbeitrag der Provinz Schlesien | 11. | Fernsprecher: No. 02 on a 0 0 0 du All 5, | Jahresbeitrag der Stadt Breslau 3 ” IE 00 0 00 0m Mile 373) 14 A | : Instandhaltung des Gebäudes . » 2. 2 2 2200. 341 > Verkauf von Schriften, Leihgebühren ete. | En we Kon NE w: 13) 82 7. | Einnahmen aus dem Gesellschaftshause: je Jpolhelenzinzenäund Amortisaion 0 ao | al > a. durch Vermietungen . . . » . db 1712,90 | BE A ußerordentlicheztl unzabenierzer ze zur zur rer I le | B i h . : 30 221) 06 S le > ler a er II 16. | Durch Verkauf ausgeschieden HM NE Schles. Bank- 3, |ekls emss es | vereins-Anteil a ER ee 300 i x : ı IN Barbestand am 31. Dezember 1917. a .1 6.058) 21 MM 300 Schles. Bankvereinganteil . „Sl 428,55 | 1901) 40 Barer Separat-Fonds It. Rechnungsbuch No. 89 185 Auerbachscher Nachlaß N, en | Bestand der Aufgelaufene Zinsen . . 2 2... 50,05 | Rosenfeld-Stiftung: a. Nennwert der Wertpapiere | 6.000 9. | Rosenfeld-Stiftung — aufgelaufene Zinsen | 306 | 05 | b. auf Sonderkonto I 10. | Reichelt-Stiftung in 7. Kriegsanleihe | 52 200 | Reichelt-Stiftung: a. Nennwert der Wertpapiere . | 52 200 und in einem Rechnungsbuch No. 41 414 bar 62| — | b. auf Rechnungsbuch No.41414 ] 26 279| 27 | 2269| 45 [58 22 | Breslau, den 31. Dezember 1917. Geprüft, mit den Belegen verglichen und richtig befunden. Berve, Schatzmeister Breslau, den 24. Oktober 1918, Leser, Rechnungsrevisor. Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben der Allgemeinen Kasse für die Jahre 1918 und 1919, td or Einnahmen. Zinsen: a. von Wertpapieren bEVONAGUthaben ET: Mitglieder-Beiträge: a. Einheimische ....... b. Auswärtige Beitrag des Provinzial-Ausschusses der Provinz Schlesien... Beitrag der Stadt Breslau Außerordentliche Einnahmen: a. dureli Vermietung von Räumlichkeiten b. Rückvergütung für Heizung und Beleuchtung ce. unvorhergesehene ‘Einnahmen Summa der Einnahmen |18 950,—[18 950,— Breslau, den 30, November 1917. 1918 250, — 9 700, — 1 100,— 3 000, — 2.000,— I 1 800,— 600,— 500,—- I Titel 1. | 2. 3. 4. 9 700, — 5, 1100,—| 5 3.000, — 1. 2000, © | 9. 10, 1800,—|| 600,—||| 11. 500,—||| 12. 13. 14. | 15. Berve Schatzmeister. Ausgaben. Gehälter und Pensionen Heizung, Beleuchtung und Wasser Schreibbedarf . ZEILUNGSINSEHATEN. 112 ehcrzranegeensarher et Druckkostenn ir Versicherungsbeitrag an die Städt. Feuer-Sozietät ......... Stempel, Steuergebühren und Gerichtskosten............. Gemeinde-Grundsteuer und Kanalgebühr................. Kleine Ausgaben Porto-Ausgaben Fernsprecher No. 3702 und 9475... .e....occeceeeecen Ausbesserung und Instandhaltung des Gebäudes... nn er N on NOS. een Hypothekenzinsen und Amortisation ........2ccceccenc. Unyvorhergesehene Ausg abentg Sunma der Ausgaben |18 950,—|18 950, — Verzeichnis sämtlicher Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Abgeschlossen am 1. Dezember 1917. Die römischen Ziffern hinter den Namen der wirklichen Mitglieder bezeichnen die Sektionen (I. die medizinische, II. die hygienische, III. die naturwissenschaftliche, IV. die zoologisch-botanische, V. die Sektion für Obst- und Gartenbau, VI. die historische, VII. die Sektion für Rechts- und Staatswissenschaften, VII. die philo- logisch-archäologische, IX. die orientalisch-sprachwissenschaftliche, X. dieS. für neuere Philologie, XI. die mathematische, XII. die philosophisch-psychologische, XII. die katholisch-theologische, XIV. die evangelisch-theologische, XV. die technische, XVI. die Sektion für Kunst der Gegenwart, XVII. die Sektion für Geologie, Geo- graphie, Berg- und Hüttenwesen, XVIII. chemische Sektion [Chemische Gesellschaft zu Breslau]), denen die betreffenden Mitglieder beigetreten sind. Die beigefügten Jahreszahlen bezeichnen das Jahr des Eintritts in die Gesellschaft. Präsidium der Gesellschaft. A. Verwaltungsausschuß. Herr Geheimer Regierungsrat Professor Dr. phil. Richard Foerster, Präses. _ — Wirkl. Geheimer Rat, Oberlandesgerichtspräsident Dr. Vierhaus, Exzellenz, Vize-Präses. — Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Pax, General-Sekretär. — Geh. Sanitätsrat Professor Dr. Rosenfeld, stellvertretender General-Sekretär. — Kommerzienrat Berve, Schatzmeister. — Handelsrichter Moeser, stellvertretender Schatzmeister. B. Von der Hauptversammlung gewählte Mitglieder. HerrKükenthal, Dr., Geheimer Regierungsrat und Professor, Magnif. — Küstner, Dr., Geheimer Medizinalrat und Professor. — Müller, Julius, Stadtrat. — Schimmelpfennig, Dr. Ober-Präsidial- und Universitäts- Kuratorialrat. — Trentin,Dr., Bürgermeister. 1917. 1 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. GC. Von den einzelnen Sektionen gewählte Mitglieder. Geheimer Medizinalrat Professor Dr. Hürthle, Geheimer Medizinalrat Professor Dr. Küttner, als Delegierte Geheimer Medizinalrat Professor Dr. Partsch, N der Geheimer Medizinalrat Professor Dr. Uhthoff, | med. Sektion. Professor Dr. Tietze, j Geheimer Medizinalrat Professor Dr. Pfeiffer als Delegierter der hygienischen Sektion. Geh. Reg.-Rat Professor Dr. Lummer, \ als Delegierte der Professor Dr., Clemens Schaefer, naturw. Sektion. Professor Dittrich, als Delegierter der zoolog.-botan. Sektion. Professor Dr. Rosen, als Delegierter der Sektion für Obst- und Gartenbau. Archiv-Direktor Geh. Archivrat Dr. Meinardus, als Delegierter der historischen Sektion. Geheimer Justizrat Professor Dr.Leonhard,) als Delegierte der Mathematiker Dr. Wagner. ng Professor Dr. Weber, | schaften. Geheimer Regierungs- und Provinzial-Schulrat Dr. Miller als Dele- sierter der philolog.-archäolog. Sektion. Professor Dr. Meissner, als Delegierter der orient.-sprachwissen- schaftlichen Sektion. Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Appel, als Delegierter der Sektion für neuere Philologie. Geheimer Regierungsrat Professor Dr.Kneser, als Delegierter der mathematischen Sektion. Geh. Regierungsrat Professor Dr. Baumgartner, als Delegierter der philosophisch-psychologischen Sektion. Domherr, Professor Dr. Joh. Nikel, ! als Delegierte der kathol.- Domherr Dr. Bergel, | theologischen Sektion. Professor D. Dr. Hoennicke, als Delegierter der evangelisch- theologischen Sektion. Professor, Dipl.-Sng. Wohl, als Delegierter der technischen Sektion. Geheimer Regierungsrat Professor Dr. K oe i als Delegierte der Sektion Architekt Felix Henry, für Kunst der Gegenwart. Königlicher Berghauptmann, Wirkl. Geh. als Delegierte der Sektion Ober-Bergrat, Dr.=jng. Schmeisser, - für Geologie, Geographie, Geh. Regierungsrat Professor Dr.Supan, ) Berg- und Hüttenwesen. Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Gadamer,) als Delegierte der chemischen » Sektion (Chemische Gesellschaft I» gfasagr I n x Professor Dr.Bornemann, zu Breslau). Mitglieder - Verzeichnis. 3 Sekretäre der Sektionen. vr Appel, Dr. Geh. Regierungsrat und Universitäts-Professor, Se- kretär der Sektion für neuere Philologie. Baumgartner, M. Dr. Geh. Regierungsrat und Universitäts- Professor, Sekretär der philosophisch-psychologischen Sektion. Biltz, Dr., Universitäts-Pro!essor, Sekretär der naturwissenschaft- lichen Sektion. Bornemann, Dr., Professor a.d. Techn. Hochschule, Sekretär der chemischen Sektion. Decke, Pastor prim., Propst und städt. Kircheninspektor, Sekretär | der evangelisch-theologischen Sektion. Diels, Paul, Dr., Universitäts-Professor, Sekretär der Sektion für neuere Philologie. Foerster, Richard, Dr., Geheimer Regierungsrat und Universitäts- Professor, Sekretär der philologisch-archäologischen Sektion. Gadamer, Dr. Geh. Regierungsrat und Universitäts-Professor, Sekretär der chemischen Sektion. Grosser, Köniel. Baurat, Sekretär der Sektion für Kunst der Gegenwart. Guttmann, Julius, Dr., Professor, Vorsitzender der philo- sophisch-psychologischen Sektion. Henry, Felix, Architekt, vors. Sekretär der Sektion für Kunst der Gegenwart. $ Herz, Walter, Dr., Universitäts-Professor, Sekretär der chemischen Sektion. Hoelscher, Königl. Garteninspektor, stellvertretender Sekretär der Sektion für Obst- und Gartenbau. Hönigsswald, Dr., Universitäts - Professor, Sekretär der philo- sophisch-psychologischen Sektion. Hoennicke, D.Dr., Universitäts-Professor, Sekretär der evan- gelisch-theologischen Sektion. Kaufmann, Dr., Geh. Regierungsrat und Universitäts - Professor, Sekretär der historischen Sektion. Kneser, Dr, Geh. Regierungsrat und Universitäts - Professor, Sekretär der mathematischen Sektion. Koch, Dr., Geh. Regierungsrat und Universitäts-Professor, Sekretär der Sektion für neuere Philologie und der Sektion für Kunst der Gegenwart. Kühnemann, Dr., Universitäts - Professor, Sekretär der philo- sophisch-psychologischen Sektion. 1* 4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Herr Kükenthal, Dr., Geh. Regierungsrat und Universitäts - Professor, Sekretär der zoologisch-botanischen Sektion. Landsberger, Dr., Privatdozent, Sekretär der Sektion für Kunst der Gegenwart. Leonhard, Dr., Geheimer Justizrat und Universitäts - Professor, Sekretär der Sektion für Rechts- und Staatswissenschaften. Meinardus, Dr. Geh. Archivrat, Direktor des Königl. Staats- archivs, Sekretär der historischen Sektion. Meissner, Dr., Universitäts-Professor, Sekretär der orientalisch- sprachwissenschaftlichen Sektion. Miller, Dr., Geh. Regierungs- und Provinzial-Schulrat, Sekretär der philologisch-archäologischen Sektion. Minkowski, Dr.med., Geheimer Medizinalrat und Universitäts- Professor, Sektretär der medizinischen Sektion. Nikel, Dr., Domherr und Universitäts - Professor, Sekretär der katholisch-theologischen Sektion. Partsch, C., Dr.med., Geheimer Medizinalrat und Universitäts- Professor, Sekretär der medizinischen Sektion. Pax, Ferdinand, Dr. phil., Geh. Regierungsrat und Universitäts - Professor, Sekretär der zoologisch-botanischen Sektion. Peche, Dr., Professor, Realschuldirektor, Sekretär der mathe- matischen Sektion. Pfeiffer, Richard, Dr., Geh. Medizinalrat und Universitäts-Pro- fessor, Sekretär der hygienischen Sektion. Röhmann, Dr., Universitäts-Professor, Sekretär der medizinischen Sektion und Vorsitzender der chemischen Sektion. Rosen, Dr., Universitäts-Professor, Sekretär der Sektion für Obst- und Gartenbau. Rosenield, Georg, Dr.med., Geh. Sanitätsrat und Professor, Sekretär der medizinischen Sektion. Rücker, Dr., Professor, Privatdozent, Sekretär der katholisch- theologischen Sektion. Schaefer, Cl. Dr., Universitäts - Professor, Sekretär der natur- wissenschaftlichen Sektion. | Schilling, Professor, Sekretär der technischen Sektion. Schmeisser, Dr.sijng., Königl. Berghauptmann, Wirkl. Geheimer Ober-Bergrat, Vorsitzender der Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. Schneider, Max, Universitäts-Professor, Sekretär der Sektion für Kunst der Gegenwart. Mitglieder- Verzeichnis. 5 Herr Herr Herr jene z Rn 10, Sm po Schoenaich, Dr., Professor, Sekretär der historischen Sektion. Schücking, Dr., Universitäts-Professor, Sekretär der Sektion für neuere Philologie. Schultz, Dr., Direktor, Sekretär der chemischen Sektion. Supan, Dr., Geh. Regierungsrat und Universitäts-Professor, Sekre- tär der Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. Tietze, Dr. med., Professor, Sekretär der medizinischen Sektion. Vierhaus, Dr. Wirkl. Geheimer Rat und Öberlandesgerichts- Präsident, Exzellenz, Sekretär der Sektion für Rechts- und Staats- wissenschaften. Weber, Dr., Universitäts - Professor, Sekretär der Sektion für Rechts- und Staatswissenschaften. Wohl, Dipl.-Sng., Professor, Sekretär der technischen Sektion. Rechnungs-Revisor. Leser, Kaiserl. Geheimer Regierungsrat. Kustos des Herbarium. Schube, Dr., Professor, Oberlehrer am Realgymnasium am Zwinger. Hauskurator. Herr Kemna, Fritz, Fabrikbesitzer. Beamte: Kastellan!’ Schaetzler, Gesellschaftshaus, ı Hausdiener: Hoffmann, Matthiaskunst 1. A. Ehren-Mitglieder. Bender, Georg, Dr., Oberbürgermeister a. D. in Breslau. Blaschnik, Arthur, Maler in Berlin. Blümner, Hugo, Dr., Professor in Zürich. Christ, Hermann, Dr., Oberlandesgerichtsrat in Basel. — Dörstfeld, Dr., Professor, I. Sekretär des Kaiserlich Denut- schen archäolog. Instituts in Athen a. D., z. Zt. in Berlin. — Elster Ludwig, Dr., Wirkl. Geh. Oberregierungsrat in Berlin. as @) = 4 I — Engler, Adolf, Dr., Geh. Ober-Regierungsrat und Universi- tätsprofessor, Direktor des Königl. botanischen Gartens und Museums in Dahlem-Steglitz bei Berlin. — Freund, W.A., Dr. ımed., Professor in Berlin. — Grützner, Dr. med., Professor in Tübingen. — Henry, Felix, Architekt in Breslau. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 11% Herr Keen, W.W., Dr., Professor der Chirurgie am Jephersoa College in Philadelphia. — Lichtheim, Wilhelm, Dr.. Geh. Medizinalrat und Professor in Königsberg i. Pr. — Marchand., Felix, Dr., Geh. Regierungsrat und Professor in Leipzig. — Montelius, Oskar, Dr., Professor in Stockholm. —- Nathorst, Alfred, Dr.. Professor, Direktor des phytopalä- ontologischen Museums in Stockholm. — Partsch, J., Dr.. Geh. Regierungsrat u. Professor in Leipzig. — Reye, Theodor, Dr., Professor in Straßburg i.E. — Roux, Wilhelm, Dr.. Geheimer Medizinalrat und Professor in Halle a. S. — Stache, Dr. Hofrat, früher. Direktor der k.k. geologischen Reichsanstalt in Wien. — Studt, Dr., Staatsminister, Exzellenz, in Berlin. — Tietze, Emil, Dr.., Hofrat und Direktor der k.k. geolo- gischen Reichsanstalt in Wien. .'Se. Durchlaucht Herzog zu Trachenberg SHinsteveR Hatzfeldt, Dr., Freier Standesherr zu Trachenberg. 23. Herr Vogt, Friedrich, Dr. phil.. Geheimer Regierungsrat und Pro- fessor in Marburg i. Hessen. 234. — v. Waldeyer-Hartz, Dr.med., Geh. Ober-Medizinalrat und Professor. Direktor der Anatomie in Berlin. 25. — Weber, Leonhard, Dr. phil., Professor in Kiel. B. Korrespondierende Mitglieder. 1. HerrAbromeit, Johannes, Dr.. Professor in Königsberg i.Pr. 2. — Auerbach, Felix, Dr.,. Professor in Jena. 3. — Axenfeld, Theodor, Dr., Professor in Berlin. 4. — Bachmann, Dr., Professor in Prag. 9. — Baer, Dr., Geh. Sanitätsrat in Hirschberg i. Schl. 6. — Bail. Dr., Geh. Studienrat u. Professor, Direktor der natur- forschenden Gesellschaft in Danzig. 1. — Berneker, Erich, Dr. phil.. Professor in München. 8. — Binswanger, Otto. Dr.. Geh. Medizinalrat und Professor in Jena. € 9%. — Biondi, Or., Professore di Chirurgia in Siena. 10. — Bizzozzero. Giulio, Dr., Professore di Patalogia in Turin. 11. — Böttiger, Dr.phil.. Professor und Hofrat in Erlangen. Mitglieder- Verzeichnis. 7 12. Herr Borzi, A., Dr., Professor der Botanik und Direktor ‘des botanischen Gartens in Palermo. 13. — Bosshard, Adolf, Präses des schweizerischen Obst- und Weinbau-Vereins in Pfäffikon bei Zürich. 14. — Briosi, Dr., Professor der Botanik in Pavia. 15. — Broca, Dr., Chirurgien des Höpitaux, Professeur aggrege in Paris. 16. — Ciechorius, Conrad, Dr., Geh. Regierungsrat und Professor in Bonn. 17. — Claus, Dr., Professor der Zoologie in Wien, Direktor der zoologischen Station in Triest. 18. — Conwentz, Dr. Geh. Regierungsrat und Professor in Berlin-Schöneberg. 19. — Cornill, C., Dr. theol. et phil., Geh. Konsistorialrat und Pro- fessor in Halle a. S. 20. — Czerny, Adalbert, Dr. med., Geh. Medizinalrat und Professor in Berlin. 31. — Debey, Dr.med.in Aachen. 23. — Debove, Dr., Professeur de Medecine interne in Paris. 23. — von Dobschütz, Ernst, D.,Geh. Konsistorialrat und Pro- fessor in Halle. 24. — Durante, Francesco, Dr., Professore di Chirurgia, Senatore del regno in. Rom. 25. — Eitner, Robert, Redakteur der Monatshefte für Musik- geschichte in Berlin. 260, To Elyert. kk. Rinanzrat in Brünn. 37. — Favre, Alphonse, Dr., Professor in Genf. 38. — Faye, F.C., Dr.med., Professor, Direktor der geburtshilfl. Klinik, Präsident der Societe de Medecine in Christiania. 29. — Figert, E., Gymnasial-Vorschullehrer in Liegnitz. 30. — Fischer von Waldheim, Dr. Professor der Botanik und Direktor des botanischen Gartens in St. Petersburg. 31. — Fitz,R.H., Dr., Professor of Pathologie in Boston. 32. — Flügge, Dr., Geh. Medizinalrat und Professor in Berlin. 33, — Freiherr von Friesen, Präses des Landes-Obstbau- Vereins für das Königreich Sachsen auf Rötha bei Leipzig. a4 Fristedt, Dr, Protessor in Upsala. 35. — Garre&,PDr., Geh. Medizinalrat und Professor in Bonn. 36. — Gerhardt, Oberlehrer in Liegnitz. 37. — Freiherr von Gildenfeld, Präses des Vereins für Gartenbau für die. Herzogtümer Schleswig-Holstein in Kiel. ) We Hlerr Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur Günther, Siegmund, Dr., Professor, Kustos am naturwissen- schaftlichen Museum, South-Kensington, London. Gürich, Georg, Dr. phil., Professor, Direktor des Mineralog.- geolog. Instituts in Hamburg. Hartig, Robert, Dr., Ober-Forstrat u. Professor in München. Hasse, Wilhelm, Lehrer in Witten i. Westf. Hellwig, Lehrer in Grünberg i. Schl. Hering, E., Dr.med., Professor, Geheimer Rat in Leipzig. Hernando y Espinosa, Don Benito, Dr., Professor in Madrid. Herzog, Dr.phil., Medizinal-Assessor, Apotheker in Braun- schweig. Heydweiller, Adolf, Dr., Professor in Rostock i. Meckl. Hoffmann, Otto, Dr.phil.. Professor in Münster i. Westf. Holmgren, Frithjof, Dr., Professor der Physiologie in Upsala. Kaufmann, Eduard, Dr., Professor in Göttingen. Kautzsch, Rudolf, Dr. phil., Professor in Frankfurt a.M. Kawerau,D.Dr., Geh. Oberkonsistorialrat, Propst und Pro- fessor in Berlin. v. Kirchner, Dr. phil., Professor in München. Klein, Dr.theol., Pfarrer in Gläsendorf bei Schreibendorf. Koehne, Emil, Dr., Professor in Friedenau bei Berlin. Kraarz 1, Drsphillın Berlin. Kraus, J.B., k.k. Münz- und Bergwesens-Hofbuchhaltungs- Offizial in Wien. Kükenthal, Georg, Dr. phil. hon., Oberpfarrer in Koburg. Küstner, Friedrich, Dr., Geh. Regierungsrat u. Professor in Bonn. Landau, Leopold, Dr., Geh. Medizinalrat und Professor in Berlin. Langenhan, A. Generalbevollmächtister der Gothaer Lebensversicherungsbank in Friedrichroda (Thüringen). Lindner, Theodor, Dr. phil., Geh. Regierungsrat, Professor in Halle. Litten, Dr.med., Professor in Berlin. Löhr, Dr., Professor in Königsberg i. Ostpr. Mannowsky, Geh. Regierungsrat in Berlin, Meebold, Alfred, in Heidenheim a.B., Württemberg. vonMüller, Friedrich, Dr., Geh. Medizinalrat und Professor in München. Mitglieder - Verzeichnis. 9 . Herr Müller, Gustav, Dr., Geh. Regierungsrat und Professor, Hauptobservator der Sternwarte in Potsdam. | Neubert, Wilh., Dr.phil. in Stuttgart. Neuland, Königl. preuß. Oberst a. D.in Berlin. Neumann, Dr.med., Kreis-Physikus in Berlin. Niederlein, Gustav, Inspektor in Buenos Aires, Argen- tinien, Norden, Eduard, Dr.phil.., Geh. Regierungsrat und Pro- fessor in Berlin. Passarge, Siegfried, Dr. phil., Professor in Hamburg. Penzig, Dr.phil., Professor und Direktor des Königl. bota- nischen Gartens in Genua. Petzold, Dr. med., Wirklicher Staatsrat u. Professor, Ex- zellenz in Dorpat. Pillet, Alfred, Dr. phil., Professor in Königsberg i. Pr. Pinzger, Dr., Gymnasial-Direktor in Saalfeld. von Pirquet, Freiherr, Dr. med., Professor in Wien. Pistor, Dr., Regierungs- und Medizinalrat in Frankfurt a. O. Rachfahl, Dr., Professor in Freiburg i. B. Rayer, Dr.med., Membre de l’Institut et de l’Academie de Medecine, President de la Societe de biologie in Paris. Reimann, Eugen, Dr., Professor in Hirschberg i. Schl. vonRümker, Curt, Dr., Geh. Regierungsrat u. Professor in Berlin. Saccardo,P.A., Professor der Botanik in Padua. Salomonsen, Dr. Professor, Direktor des Instituts für Serumforschung in Kopenhagen. Saussure, Henri, Dr., Professor in Genf. Schenk, Rudolf, Dr., Geh. Regierungsrat und Professor in Münster i. W. Schmidt, Hugo, Lehrer in Grünberg i. Schl. Schöbel, Pfarrer in Ottmuth bei Gogolin. Schoepke, Wilhelm, Mittelschullehrer in Schweidnitz. Scholtz, Max, Dr., Professor in Greifswald. Schwendener, Dr.phil, Geh. Regierungsrat und Pro- fessor in Berlin. Stämmler, Ferdinand, Königl. Gartendirektor in Liegnitz. Stern, William, Dr. phil., Professor in Hamburg. Stevenson, J.J., Professor an der Universität New-York. von sStrümpell, Dr. med., Geh. Medizinalrat und Professor in Leipzig. Herr von Tichatscheff, Kaiserlich russischer Kammerherr 1. Frau ID) 1 Herr in Paris. Temple, Rudolf, Bureau-Chef der General-Assekuranz in Budapest. Vanlair, Dr., Professor in Lüttich. Verneuil, Chirurgien des Höpitaux, Professeur aggrege in Paris. Weeber, k.k.Landes-Forstinspektor und Forsttaxator in Brünn, Welch, H., Dr., Professor of Pathology in Baltimore. Weniger, Dr., Geh. Hofrat und Gymnasial-Direktor a.D. in Weimar. Wetschky, Apotheker in Gnadenfeld O.-8. von Wilmowsky, Geh. Justizrat in Berlin. Wingen, Königl. Baurat in Bonn a.Rh. Wittmack, Dr., Geh. Regierungsrat und Professor in Berlin. Wobbermin, Georg, Dr., Professor in Heidelberg. Woli, Julius, Dr., Geh. Regierungsrat u. Professor in Berlin. Wood,Dr., Professor, Präsident der Philosophical Society in Philadelphia. C. Wirkliche einheimische Mitglieder. Abegg, Lina, Professor, 1917, Parkstr. 13. Abicht, Rudolf, Dr. phil., Professor, Pastor em., X. XIV. 1900, Hansastr. 11. Abramczyk, Felix, Justizrat, Rechtsanwalt, VII. XVI. 1919, Kurfürstenstr. 11. Aereboe, Friedrich, Dr. phil., Geh. Regierungsrat u. Univer- sitätsprofessor, V. VI.1913, Öbernigk, Bez. Trebnitz i. Schl. Alexander, Conrad, Dr. med., Geh. Sanitätsrat u. Professor, I. II. 1885, Claassenstr. 7. Alexander, Carl, Dr.med., Sanitätsrat, : I. II. I1I: 1895, Ohlauer Straße 1. Alter, Wilhelm, Dr. med., Geh. Sanitätsrat, I. 1886, Krietern, Breslauer Str. 25. Andreae, Friedrich, Dr. phil., Privatdozent, VI. VI. IX.X. XH. XVI. 1913, Gottschallstr. 6. Appel, Carl, Dr. phil., Geh. Regierungsrat und Universitäts- Professor, VIII. X. 1902, Wardeinstr. 1. 29. 30. Mitglieder -Verzeichnis. 11 .Herr Apt, Heinrich, Dr. med., Sanitätsrat, 1.11. 1901, Viktoria- straße 114. ernst, Britz, Dr.phil... "Professor, XI. RXVNE 1913, ZU Zt. Konstantinopel. Arnold, Franklin, D.Dr., Geh. Konsistorialrat und Universi- täts-Professor, VI. X. XH. XIV. 1904, Uferzeile 10. Asch, Robert, Dr.med., Primärarzt, I. II. 1890, Gartenstr. 9. Augustin, Carl, Dr. theol., Weihbischof, XTII.1904, Domstr. 3. Auhagen, Otto, Dr. phil., Universitäts-Professor, 1897 (beurl.). Auras, Reinhold, Stadtältester und Stadtrat a.D., II. 1892, Zimmerstr. 5/7. Bach, Joseph, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. 1901, Kaiser-Wil- helm-Str. 39. v.Bacmeister, Ernst, General der Infanterie, Exzellenz. VI. VI. XI. XV. X VI 1916, Berlin W. 15, Sächsischestr. 6. Balder, Max, Dr. jur., Rechtsanwalt, VII. 1908, Kirschallee 22. Bamberg, Alfred, Dr.phil., Fabrikbesitzer, VI. XVII. 1903, Ohlauer Stadtgraben 2 Bannes, Franz, Dr.med. Primärarzt, I. I. UT. x VI. 1911, Hohenzollernstr. 12. Barasch, Adolf, Buchhändler, 1909, Gabitzstr. 83. Baret, Bruno, Geheimsekretär a.D., I—-XV1. 1915, Drabizius- straße 16. \ . FrauBartenstein, Emilie, VI.VIIM. 1908, Moritzstr. 3/5. . HerrBarthel, Carl, Dr.med., Sanitätsrat, 1. II. 1897, Hohen- zollernstr. 76. — Basse, F.A. Dr.. Kaufmann u. Chemiker, TU. TV. VIXVII. 1913, Körnerstr. 24/26. — Bauch, Gustav, Dr. phil., Professor, VII. 1883, Ohlauufer 32 a. . Frl. Herr Bauer, Hermann, Fabrikbesitzer, II. IV. V. VI. XV. XV1. 1909, Bauch, Martha, IM. VI. XII. XVI. 1916, Opitzstr. 48. Kaiser-Wilhelm-Str. 120. — Baum, Hugo, Ratszimmermeister, III. V. 1900, Tiergartenstr. 24. — Baumgartner, Matthias, Dr. phil.. Geh. Regierungsrat und Universitäts-Professor, I. II. IV. XI. XII. XVI. 1902, Rosen- thaler Str. 31/33. — Baumm, Paul, Dr.med., Geh. Sanitätsrat, Direktor der Pro- vinzial- Hebammen: Lehr ahsıalk und Frauenklinik. I. I. V. 1895, Kronprinzenstr. 23/25. 3. FrauBeck, Elise, XVI. 1907, Lindenallee 22/24. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 34, HerrBeck, Herrmann, Fabrikbesitzer, 1913, Rüsternallee 11. — Becker, Carl, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. 1901, Matthiaspl. 4. — Becker, Paul, Dr. med., 1. II. 1908, Tauentzienstr. 32. — Becker, Robert, Professor und Museums-Bibliothekar, VII. XV1I. 1886, Viktoriastr. 14. — Becker, Walther, Dr., Handelschemiker, XV1II.1914, Lohestr.6. — Bederke, Fritz, Pastor prim., XIV.1904, An der Paulus- kirche 1. .FrauBender, Margarethe, Oberbürgermeister, III. 1908, Parkstr. 36. . Frl. Bender, Clara, Dr. med., 1.1909, Gartenstr. 58. — Benedict, Elisabeth, Dr. phil., II. 1914, Steinstr. 44. . HerrBergel, Anton, Dr.. Domkapitular, XII. 1904, Domstr. 10. — Berger, Ädolf, Kulturingenieur und Königl. Landmesser, VI. VH. VOI.XV.1908, Gabitzstr. 104. Berger, Ötto, Magistrats - Baurat, II. II. VL VIL.XV.XVL 1907, Wölilstr. 8. Berghauer, Wilhelm, Architekt, I.XV.XVI. 1916, Hansa- straße 20. Berliner, Max, Dr.med., Sanitätsrat, 1.11.1898, Kaiser- Wilhelm-Str. 29. Bertram, Adolf, Dr.. Fürstbischof von Breslau, XTII. 1914, Domstr. 15. Berve, Emil, Kommerzienrat, VI. XII. 1904, Kaiser-Wilhelm- Straße 100/102. Beutell, Albert, Dr. phil., Universitäts-Professor, II. III. XVII. XVIH. 1908, Auenstr. 5. Beyer, Otto, Dr. phil., Professor, VI. VH. XVII. 1913, Kaiser- straße 84/86. Biberfeld, Carl, Schriftsteller, XVI. 1908, Ohlauufer 41. Biberteld, Johannes, Dr.med., Professor, I. XVII. 1916, Monhauptstr. 1b. Bie, Felix, Dr., Rechtsanwalt, VII. XII. 1911, Neue Schweid- nitzer Straße 11. Bielschowsky, Emanuel, Kaufmann, II. VI XV.XVI. 1912, Tauentzienstr. 42. ‚FrauBielschowsky, Hanna, IV. VII.XU.XV1 1912, Tauen- tzienstr. 42. . HerrBielsehowsky, Emil, Dr. ıned., Sanitätsrat, 1. II. XII. 1889, Kaiser-Wilhelm-Straße 45. — Bielschowsky, Georg, Justizrat und Rechtsanwalt, VI. 1911, Kaiser-Wilhelm-Str. 131. Mitglieder -Verzeichnis. 13 59, Herr Biermer, Hermann, Dr. med., Sanitätsrat, I. VI. 1907, Kaiser- Wilhelm-Str. 96/98. 60. — Biewald, Adolf, Pastor, XIV. 1915, Rosenthaler Str. 45. 61. FrauBilewsky, Helene, Justizrat, II. IV. V.XVI. 1907, Scharn- horststr. 7. 62. Herr Biltz, Heinrich, Dr. phil., Universitäts-Professor, II. IV. XV. XVI. XVIM. 1911, Kaiser-Wilhelm-Str. 131. 63. — Bitta, Joseph, Geh. Justizrat und Rechtsanwalt, IH. VII. XIH. 1911, Körnerstr. 23/25. 64. — Blaschke, Kurt, Dr. phil., Scharley O/S. 65. — Blaeschke, Alfons, Domherr, Fürstbischöfl. Generalvikar, VI. XIII. 1914, Domstr. 7. 66. — Bleisch, Joh. Dr.med., Primärarzt, I. II. 1906, Garvestr. 18. 6%. — Bogatsch, Adolf, Dr.med. Geh. Sanitätsrat, T. I. 1897, Hohenzollernstr. 68. 68. — Bohn, Erich, Dr., Rechtsanwalt, V. VII. XV1. 1908, Tauentzien- straße 16. 69. —- Bollmann, Albert, Kaufmann, VI.XV.XV]. 1915, Nikolai- stadtgraben 10. 70. — Boenninghaus, Georg, Dr.med., Professor, 1.11.1895, Kaiser-Wilhelm-Str. 12. 71. FrauBorn, Bertha, Professor, II. II. XV1. 1911, Kaiser-Wilhelm- latzlda. 72. Herrv.d.Borne, Georg, Dr. phil.. Universitäts-Professor, IH. V. XV. XVII. 1906, Krietern bei Breslau, Siebenmorgenstr. 69. 73. — Bornemann, Karl, Dr., Professor a.d. Techn. Hochschule, II. XVII. XVII. 1917, Hobrechtufer 15. 74. — Brade, Richard, Dr. med., Oberarzt, I. VI. XVI. 1910, Wölfels- grund, Kr. Habelschwerdt. 75. — Brann, Marcus, Dr.phil., Professor, VI. IX. XII. XIV. 1912, Wallstr. 14. 76. — v.Braun, Julius, Dr. phil., Universitäts-Professor, 1.H. II. IV. VL VI.X. X. XV.XVI XVII. 1910. Oranienstr. 4. a0 — Breisie, Hans, Resierunes- u. Geh. Baurat, VIVIIE WE. 1907, Hohenzollernstr. 64. Don N bende/en, Arnold, Kaucmann)) II. IT VyaE yaı21906, Ohlauer Str. 43. 79. — Breslauer, Albert, Dr., Justizrat, Rechtsanwalt und Notar, II. 11. VO. XV.XVI. 1909, Junkernstr. 21. 80. — Breslauer, Erich, Dr. med., 1.11.1908, Nikolaistadtgraben 24. 81. — Brie, Siegfried, Dr. jur., Geh. Justizrat und Universitäts-Pro- fessor, VI. VI. XI. 1907, \Auenstr. 35. 14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. 82. Herr Bruck, Eberhard. Dr. jur., Universitäts-Professor, VI—IX.- 36. XI. XIU. XIV. XVI. XVD. 1909, Auenstr. 13. Bruck, Sylvius, Dr.phil, Redakteur, VII. IX. 1904, Char- lottenstr. 16. Bruck, Walther, Dr. chir. dent., Professor, prakt. Zahnarzt, I. I. IE. XIL.XV. XVI. 1897, Kaiser-Wilhelm-Platz 17. Brumme, Otto, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. 1899, Moltkestr. 11. Buch, Georg, Dr. jur., Universitäts-Proiessor, II. IV. VI. vH. XVI. 1909, Museumplatz 6. Bucher, Jean, Bankdirektor, VI. XVI. XVII. 1916, Albrecht- straße 33/34. . FrauBuehholz, Elisabeth, Gymnasialdirektor, 1914, Paulstr. 45. . HerrBuchholz, Martin, Professor, Ingenieur, XII. XV.XVI. 1908, Kaiserstr. 76. Büchler, Oskar, Dr., Kaufmann, TE. IH XERYIE823 Novastr. 6. Buchwald, Arthur, Königl. Baurat, IIi. VII. XT. xIE. xv1I. 1907, Parkstr. 25 a. Buchwald, Eberhard, Dr.phil., Privatdozent, II. XIX. 1911, Hohenzollernstr. 105. Buchwald, Rudolf, Dr.theol., Professor, Dom-Kapitular, — HEIXTIN. XoVE71912, Domstr. 1: Bultmann, Rudolf, Lie, Professor, VI. VII XIV. 1916, Auenstr. 33. Bumke, Oswald, Dr. med., Professor, Direktor der König]. Psychiatrischen u. Nervenklinik, I. VI. XII. XVI. 1916, Auen- straße 42. Burgemeister, Ludwig, Dr. phil. Landesbaurat, Pro- vinzial-Konservator der Kunstdenkmäler Schlesiens,. VI. VII. XI. XV1.1903, Tiergartenstr. 37. Bürger, Paul, Professor, Oberlehrer, VIE RIFRIV=903; Lehmdamm 60. Callomon, Paul, Dr. med;, . Sanitätsrat, I. E2V.x1721895; Kaiserstr. 26. von Carlowitz, Hermann, Architekt, II. II. XV. XVI 1908, Weinstr. 78. Caspari, Wilhelm, Dr. theol. et phil., Universitäts-Professor, VI. IX. XIV. 1915, Güntherstr. 19. Casper, Max, Dr. med., Universitäts-Professor, I. DH. 1903, Matthiasplatz 17. Chotzen, Fritz, Dr. med., Oberarzt. I. XI. 1904, Einbaum- straße 23. Mitglieder - Verzeichnis. ' '15 103. Herr Chotzen, Martin, Dr.med., 1. I. VII. X1. 1888, Kaiser-Wil- 104. 105. 106. 107. 108. 109. 110. helm-Str. 88/90. Cloos, Hans, Dr., Privatdozent, IIE. IV. XHN. XVII. 1917, Schuh- brücke 38/39. Cohn, Georg, Bankier, IM. VI. VI. X11. XV1. 1909, Ahorn- allee 9/11. Cohn, Moritz, Dr. med., 1.11. 1908, Neue Schweidnitzer Str. 8. Cohn, Richard, Dr. med., Sanitätsrat, T. II. II. VI. XI. 1897, Matthiasplatz 20. @orhın Willy, Dr. phil., VL XII. 1912, Woldlste 17. Colden, Kurt, Dr. med., I. I. XV1I. 1909, Kaiser-Wilh.-Str. 76. Coenen, Hermann, Dr. med., Professor und Oberarzt, 1. IM. IV. 1908, Tiergartenstr. 66/68. Vonmant, Georg, Dr.med, Sanitätseat, LM. IP IV. VE MM. XN. XVI. XVII. 1895, Augustastr. 45. Cramer, Ernst, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. III. 1892, Zimmer- straße 8. Creutzbergser, Siesmund, ‚Dr. med., Sanitätsrat, T. I. W1. 1892, Neue Graupenstr. 9. Croce, Richard, Dr.med., Geh. Sanitätsrat, I. II. 1894, Paulstr.9. Cuno, Hans, Geh. Regierungsrat, VII. 1905, Wilhelmsruh 19. Czermak, Fritz, Stud. geol., XVI:X VII 1913, Tiergartenstr. 33. Czimatis, Ludwig, Dr., Geh. Regierungs- und Gewerberaät, I. XV.X VI. 1911, Garvestr. 28. Danekwortt, P. 'W., Dr. phil., Privatdozent, II. II. DV. &ır. XVI. XVII. 1910, Schuhbrücke 38/39. Daniel, Rudolf, Kaufmann, VI. VII XVI. 1907, Scharnhorst- straße 10. Dannenberg, Paul, Königl. Gartenbaudirektor, II.IV.V. XVI. 1904, Finkenweg 4. Daerr, Kurt, Generalsekretär, VI. VII. 1913, Goethestr. 16. Decke, Julius, D., Städt. Kircheninspektor, Pastor prim., Propst, XTV. 1904, Seminargasse 4. Degenkolb, 6Öttomar, Bankdirektor a.D., VI. VL VIM. 1903, Kaiser-Wilhelm-Str. 188. . FrauDegenkolb, 1908, Kaiser-Wilhelm-Str. 188. .HerrDenner, Carl, Kunstmaler, XVI. 1909, Moritzstr. 19. — Depene, Richard, Dr. med., Augenarzt, 1. II. 1912, Klosterstr.5. — Deutschländer, Ernst, Dr.med., Sanitätsrat, T. I. IM. 1899, Ohlauufer 2. — Diels,Paul, Dr.phil., Universitäts-Professor, VII. IX.X. 1911, Gabitzstr. 172. 16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. 129. Herr Dienstfertig, Eugen, Dr.med., Sanitätsrat, I.1II. 1897, Schuhbrücke 32. 130. — Dietrich, Bruno, Dr., Privatdozent, III. XVII. 1913, Neue Sandstr. 12. 131. — Dietrich, Gotthilf, Oberingenieur und Direktor, VILXV. 1910, Kaiser-Wilhelm-Str. 9. 132. — Dirlam, Oskar, Oberlandesgerichtsrat, Geh. Justizrat, IH. VI. VII. 1897, Höfchenplatz 3. 153. — Dittrich, Gustav, Dr., Professor, Oberlehrer, IV. V. XVII. 1912, Utferzeile 14. 134. — Dittrich, Heinrich, Fürstbischöfl. Konsistorialrat- u. Gene- ralvikariats-Rat, I—VIN. XU. XIM. XV. XVI. 1916, Dompl. 12. 155. — Dittrich, Rudolf, Geh. Regierungsrat und Fürstbischöflicher Ober-Konsistorialrat, VI. VI. XIH. 1863, Domplatz 11. 136. — Dittrich, Rudolph, Professor, Oberlehrer, III. IV. V. 18986, Auenstr. 7. 137. — Doege,, Ernst, ., Landrichter, III. VI. VIE XI AST Höfchenplatz 6. 138. — Dohrn, Georg, Dr. jur., Professor, XVI. 1909, Steinstr. 4/6. 139. — Drehmann, Gustav, Dr. med., Professor, I. I. 1901, Kloster- straße 10. 140. — Drescher, Karl, Dr. phil., Universitäts-Professor, XH. XVI. 1916, Eichendorffstr. 39. 141. — Dresdner, Max, Dr.med., Sanitätsrat, I. I. IH. XII. XVi. 1893, Tiergartenstr. 26. 142, — Dressler, Alfred, Dr., Oberlehrer,. VI. VIIL.X.1913, Bau- schulstr. 7 \ 143. — Drewitz, Richard, Dr.med., Geh. Sanitätsrat, 1.1. 1898, Blumenstr. 6. 144, — Dreyer, Lothar, Dr. med., Professor, Oberarzt, I. 1917, Tier- gartenstr. 66. 145. — Drost, Hans, Dr., Rechtsanwalt, VII. XVI. 1911, Gartenstr. 47. 146. — Dülfer, Oscar, Buchdruckereibesitzer, VI. XIV. XV. 1916, Bahnhofstr. 13. 147. Frl. Dyhrenfurth, Hermine, Privatiere, IV. V. 1908, Kreuzstr. 47. 148. Herr Dyhrenfurth, Günter, Dr., Privatdozent, II. IV. XU. XVM. 1912, Breslau XH, Schloß Carlowitz. 149. — Dyhrenfurth, Oskar, Dr. med., Geh. Sanitätsrat, I. IT. XVU. 1879, Matthiasplatz 17. 150. — Dzialas, Hermann, Dr.jur., Kaufmann, III. VII. 1909, Beet- hovenstr. 1/3. Mitglieder -Verzeichnis. 17 151. Herr Eckardt, Paul, Dr. med., Sanitätsrat, 1. U. XII. 1895, Kaiser- 152. 153. 154, Wilhelm-Str. 59. Eckert, Erich, Dr. med., 1. H. Il. XI. 1903, Claassenstr. 7. Eekhardt, Hans, Dr. med., Kinderarzt, I. IH. 1910, Viktoria- straße 105. Ehrlich, Felix, Dr. phil., Universitäts-Professor, I.—VI.XII. XV.— XVII. 1910, Matthiasplatz 5. Ehrlich, Paul, Regierungsbaumeister a. D., Architekt, II. V. VI. XVI. 1907, Scharnhorststr. 18/20. Ehrlich, Richard, Regierungsbaumeister a.D., Architekt, II V.XVI. 1907, Gabitzstr. 158. Ehrmann, Ignaz, Kaufmann, VH.XVI. 1910, Gartenstr. 26. von Eichborn, Philipp, Geh. Kommerzienrat, VI. VII 1900, Sehweeidnitzer Stadtgraben 21a. von Eichborn, Eduard, Dr.jur., Bankier, VI. VII. 1900, Kastanienallee 18/20. von Eichborn, Kurt, Dr. phil., VI. VI. XVI 1900, Eichen- dorffstr. 15/17. Eitner, Eugen, Kaufmann, III. IV. 1895, Alexanderstr. 38. Epstein, Eugen, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. II. 1897, Garten- straße 49. Epstein, Ferdinand, Dr. med., 1.1.11. IV.1898, Ohlauer Stadtgraben 24. Epstein, Gotthard, Dr. jur., Justizrat u. Rechtsanwalt, VI. VI. XV1. 1915, Zwingerstr. 6. Erbe, Johannes, Königl. Gartenbaudirektor, IILIV.V.XH. XV1. 1902, Oswitzer Chaussee — Friedhöfe. Ercklentz, Wilhelm, Dr. med., Universitäts-Professor, I. Il. II. 1902, Hansastr. 26. Everth, Ernst, Kaufmann, IH. IV. 1915, Tauentzienplatz 10a. Falk, Hermann, Dr. med., I. II. 1906, Bohrauer Str. 24. Feige, Arnold, Geh. Justizrat, Notar, VII. 1912, Ohlauerstr. 87. Feiler, Erich, Dr. med., Arzt und Zahnarzt, 1. HM. II. 1907, Kaiser-Wilhelm-Platz 2. Feit, Paul, Dr. phil., Geh. Studienrat, Professor, Kgl. Gymna- sial-Direktor, VI. VII. VII. XU. XIV. 1902, Rebengasse 4/6. Felsmann, Ludwig, Dr. jur, Geh. Oberjustizrat, Land- gerichtspräsident, VII. 1911, Charlottenstr. 20. Fiegler, Hubert, Dr. med., 1.11.1898, Klosterstr. 35. Finder, Felix, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. 1901, Nikolaistr. 53. - Firle, Kurt, Landgerichtsrat, VII. XI. 1901, Kaiser-Wilhelm- Straße 13. 15 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 176. Herr Fischer, Ludwig, Rechtsanwalt, VII. 1908, Gabitzstr. 158. 177. — Fischer, Otto, Dr.jur., Geh. Justizrat u. Universitäts-Pro- fessor, Oberlandesgerichtsrat, VII. 1907, Monhauptstr. 3. Fischer, Wilhelm, Königl. Oberbergrat, II. XV. XVII. 1911, Viktoriastr. 108. Fleischmann, Kurt, Dr.phil., Oberlehrer, III. XI. XVL XVII. 1914, Palmstr. 28. Floegel, Robert, Fabrikdirektor a. D., IIL—VI. XV.-—XVIM. 1917, Kurfürstenstr. 10. Forschbach, Joseph, Dr. med., Universitäts-Professor, I. IH. XVII. 1916, Tiergartenstr. 83. Foerster, Otfried, Dr. med., Universitäts-Professor, I. II. 1903, Tiergartenstr. 83. . FrauFoerster, Martha, Tiergartenstr. 83. . HerrFoerster, Richard, Dr.phil.. Geh. Regierungsrat u. Universi- täts-Professor, VI. VII. IX. X. XV1. 1867, Kastanienallee 3a. . FrauFoerster, Angelika, XVI. 1907, Kastanienallee 3a. . HerrFrank, Erich, Dr. med., Privatdozent, 1. II. XVI: XVII. 1916, Hobrechtufer 4. Fraenkel, Berthold, Amtsgerichsrat, Geh. Justizrat, VII. 1908, Höfchenplatz 6. Fraenkel, Ernst, Dr.med., Professor, Stadtrat, I. I. II. 1871, Goethestr. 24/26. Fraenkel, Ludwig, Dr. med., Universitäts-Professor, I. I. II. IV. 1896, Fürstenstr. 102. Franz, Robert, Ober- und Geheimer Bergrat, XVI. XVII. 1911, Wölflstr. 9. Freudenthal, Max, Dr.med., Sanitätsrat, 1. II. XII. XV. 1897, Schweidnitzer Str. 52. Freund, Adolf, Bankdirektor, VI. XVII. 1912, Kirschallee 20. Freund, C.S., Dr.med., Primärarzt, 1.11.1889, Kaiser- Wilhelm-Str. 96/98. Freund, Joseph, Dr.jur., Amtsgerichtsrat, Geh. Justizrat, VI. VO. XVI. 1894, Lohensteinstr. 9. Freund, Paul, Dr., prakt. Zahnarzt, I. U. II. IV. 1894, Neue Schweidnitzer Str. 12. Freund, Walther, Dr.med., Kinderarzt., I. I. IV. XVI. 1909, Kaiser-Wilhelm-Platz 11. Frey, Julius, Hofjuwelier, Stadtältester und Stadtrat a. D., V. VI. XVI. XVII. 1908, Breite Str. 23/24. Freyhan, Wilhelm, Kaufmann, VI. XI. XII. XIV. 1908, Theaterstr. 2. Mitglieder -Verzeichnis. 19 199.Herr Freymark, Hermann, Dr.phil, Syndikus der Handels- 200. 201. 202. 203. 204. 205. kammer, III. VI. VII. 1902, Salvatorplatz 6. Friebe, Moritz, Dr., Geh. Regierungsrat, Gymnasialdirektor a.D., VI. VII. 1912, Hobrechtufer 9. Friedel, Georg, Dr. jur., Stadtrat, VI. VII. XVI. 1909, Tier- gartenstr. 87. Friedensburg, Ferdinand, Dr., Geh. Regierungsrat u. Pro- fessor, VI. VIII. 1903, Güntherstr. 1. Friedenthal, Ernst, Justizrat, Rechtsanwalt und Notar, VI. VII. 1904, Arndtstr. 18/20. Braufßrvederici, Bertha, I. XV1.1913, Parkstr.2 HerrFriedländer, Heinrich, Dr. med., Geh. Sanitätsrat, I. IM. 1899, Augustastr. 96. Friedländer, Joseph, Dr.med., Sanitätsrat, 1.11. 1915, Schillerstr. 27. Friedländer, Martin, Dr.med., Sanitätsrat, I. II. 189, Ring 7. Friedrich, Heinrich, Sub-Direktor, III. VI. VIH. XV1. 1909, Kaiser-Wilhelm-Str. 200. Friedrich, Wilhelm, Buchdruckereibesitzer, VI. 1903, Herrenstr. 20. Fröhlich, Fritz, Dr. med., I. I. III. XVI. 1906, Ohlauufer 8. . FrauFromberg, Rittergutsbesitzerin, 1908, Schottwitz bei Breslau. . HerrFrömsdorf, Hans, Stadtrat, II. VI,VIl.1916, Kürassierstr. 8. Fuchs, Arnold, Dr. med., I. II. III. 1912, Gartenstr. 97. Fuchs, Ferdinand, Dr. med., Sanitätsrat, 1. II. 1901, Garten- straße 89. Fuchs, Otto, Dr.med., 1.11. XII. 1902, Kaiser-Wilhelm- Straße 25 a. Fuchs, Richard, Dr. med., Universitäts-Professor,. 1. II.XV. XVI. XVIM. 1913, Kaiserstr. 73. Fuchs, Richard, Pastor prim., VI. VII. IX. XI. XIV. 1907, Herrenstr. 21/22. Fuhrmann, Erwin, Dr.hist., VI. XII. 1912, Opitzstr. 57. Fürst, Siegfried, Rentier, VI. VII. XVI. 1910, Kleinburgstr. 13. Futtig, Maximilian, Dr.jur., Oberlandesgerichtsrat, Geh. Justizrat, VII. 1908, Lessingstr. 21. Gadamer, Johannes, Dr phil., Geh. Regierungsrat und Uni- versitätsprofessor, Direktor des pharmazeutischen Instituts, TI. XVII. 1902, Auenstr. 8. | 230 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 222. Herr Galley, Paul, Dr. med., I. I. 1907, Höfchenstr. 64. 223. — Gärtner, Gustav, Dr.phil., Professor, IH. VI.X. 1900, Mon- hauptstr. 16. 224. — Gayde, Pius, Pfarrer, XII. 1904, Domstr. 6. 225. — Gaze, Richard, Architekt, XVI. 1911, Kaiser-Wilhelm-Str. 33. 226. — Geisler, Eugen, Dr., Professor, Oberlehrer, 1913, Monhaupt- straße 12. 2327. — Gercke, Alfred, Dr. phil., Geh. Regierungsrat und Universi- täts-Professor, VIII. 1909, Scharnhorststr. 21. 228. — Ginsberg, Siegmund, Dr. med., 1. II. 1893, Sadowastr. 42, 3239. — Glaser, Georg, Dr., Sanitätsrat, I. I. IH. VI. XII. X VI. 1909, Glogauer Str. 3. 330. — Glücksmann,Felix, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. IN. VI. XV1 1911, Ebereschenallee 13. 231. — Goebel, Carl, Dr. med., Universitäts-Professor, I. II. IH. VII. 1905, Eichendorffstr. 21. 232. — Goebel, Max, Dr.phil, VI. VII. XV1I. 1916, Weißenburger- Platz 8. 233. — Goldfeld, Leo, Landgerichtsrat, Geh. Justizrat, III. IV. VI. VI. VII. XI. XVI XVII. 1907, Ebereschenallee 13. 234. — Goldmann, O., Pastor prim. em., XVI. 1904, Alexanderstr. 18. 235. — Goldschmidt, Rudolf, Kaufmann und Fabrikbesitzer, TI. VI. 1908, Hohenzollernstraße 113. 236. — Goldstein, Max, Architekt, VII. XV.XVI. 1909, Goethe- straße 35/37. 237. Frl. Göppert, Emmy, II. 1908, Kaiser-Wilhelm-Str. 85. 238. HerrGoerke, Max, Dr. med., I. XII. 1904, Gartenstr. 43. 239. — Goetsch, Wilhelm, Dr. med., I. II. 1908, Zimmerstr. 4a. 240. — Gottschlich, Jos., Dr. med., Sanitätsrat, 1.1907, Kloster- straße 61. 241. — Gottstein, Georg, Dr. med., Universitäts-Professor, I. I. IV. 1904, Hohenzollernstr. 82. _ 242, — Grabowsky, Fritz, Direktor des zoolog. Gartens, IV. 1901. Grüneicher Weg 1. 243. — Gradenwitz, Robert, Dr. med., I. II. 1911, Königsplatz 7. 244. — Grätzer, Sam., Dr.med., Sanitätsrat, 1.11. 1904, Berliner Platz 22. 245. — Grau, Erich, Architekt, XV. X VI. 1911, Ohlauufer 17. 246. — Gretener, Xaver, Dr., Geh. Justizrat und Universitäts-Pro- fessor, VII. 1910, Lothringer Str. 19. 247. — Gretschel, Richard, Landesbaurat und Geh. Baurat, I. III. IV. VI. 1906, Mozartstr. 9. Mitglieder - Verzeichnis. 1 248, 249, 250. 251. DD vo DD ww nm Dt — LS er (38) Frau@ritschker-Kunzendorf, Anna, Portraitmalerin, XVI. 1908, Goethestr. 61. — Groeger, Elisabeth, Landschaftsrat, VI. XVI. 1913, Klein- burgstraße 23. Herr Gröhl, Franz, Wissenschaftlicher Hilfslehrer, VII. XIV. 1917, Moritzstr. 41. | — Gröhler, Hermann, Dr., Professor, X. XVI. 1913, Hobrecht- ufer 15/14. — Groenouw, Artur, Dr.med., Universitäts-Professor, I. II. 1893, Kaiser-Wilhelm-Str. 95. — Gross, Gustav, Dr. phil., IH. XII. XVI. 1911, Ohlauufer 37. — Gross, Wilhelm, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. 1902, Kaiser- Wilhelm-Str. 67. — Grosser, Karl, Königl. Baurat, VIM. X'VI. 1907, Schenken- dorfstr. 2. — Grosser, Wilhelm, Dr. phil.. Direktor der agrikultur-botan. Versuchs-Station, II. IV. V.1898, Matthiasplatz 1. — Grünberg, Julius, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. 1896, Ender- straße 21. — Grünfeld, Simon, Kaufmann u. Konsul a. D., VI. 1911, Nikolaistadtgraben 22. — Grund, Bernhard, Dr. jur., Stadtrat, VI. VII. 1908, Arndtstr. 22/24. — Grund, Erich, Kaufmann, VI. 1908, Eichenallee 13/15. . FrauGrund, Martha, 1913, Schenkendoristr. 5/7. . HerrGrundmann, Georg, Dr. phil., III. 1897, Am Ohlauufer 42. — Grüneisen, Hermann, Regierungsrat, III. VI. VI. VIH.XV. X VI. 1916, Steinstr. 3/5. . FrauGrünhagen, Elisabet, Geheimrat, II. 1912, Höfchenstr. 96. .HerrGrüning, Georg, Dr.med., Oberstabsarzt, I.IV.V.XVI. XVII. 1908, Lutherstr. 20. — Grüttner, Oskar, Kaufmann und Handelsrichter, V. VI. VIL | 1883, Eichendorffstr. 57. ‘. Frau Grüttner, Else, 1908, Ring 8. ‘ HerrGrützner, Paul, Geh. Regierungsrat, General-Landschafts- Syndikus, VI. VII. 1892, Taschenstr. 18. — Grützner, Bruno, Dr.phil.. Apothekenbesitzer, IH. XVII. 1903, Bärenstr. 4. — Grzimek, Richard, Kaufmann, V. VI. XVI. 1911, Landsberg- straße 20. .FrauGrzimek, Marie, V. VI. XVI. 1911, Landsbergstr. 20. . HerrGuhrauer, Leopold, Dr.med., Sanitätsrat, I. II. 1895, Zimmerstr. 23. 32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 273. Herr v. Guenther, Hans, Dr., Wirkl. Geh. Rat, Oberpräsident der Provinz Schlesien, Exzellenz, VI. 1910, Albrechistr. 32. 374. — Gutbier, L.W., Königl. Hofkunsthändler, XVI. 1911, Tauent- zienplatz 1. 275. — Guttmann, Julius, Dr. phil., Universitäts-Professor, XII. XVE 1909, Angerstr. 8. 276. — Haase, Felix, Dr.theol.. Privatdozent, VL. ROXI95, Lehmdamm 31. 277. — Haase, Georg, Königl. Geh. Kommerzienrat, III. V. VII. 1903, Ohlauer Stadtgraben 17/18. 278. — Haber, Carl, Kaufmann, VII. 1909, Zwingerplatz 2. 279. — Haber, Siegfried, Stadtrat, I. V. VI. 1887, Landsbergstr. 2. 280. — Hadda, Siegmund, Dr. med., 1.1909, Hohenzollernstr. 123. 2831. — Hahn, Alfred, Dr. med., 1. II. III. 1890, Kronprinzenstr. 69. 282. — Hahn, Ernst, Dr. med., Sanitätsrat, I. I. IV. 1907, Einbaum- straße 23. 283. — Hain, Kurt, Konsistorialrat, VII. XIV. 1911, Scharnhorststr. 25. 284. — Hainauer, Arthur, Königl. Hof-Musikalienhändler, VI. XVI. 1912, Schweidnitzer Str. 52. 285. — Halfpaap, Eugen, Architekt und Maurermeister, XV.XVi. 1917, Ahornallee 32. 286. — Hamburger, Albert, Rentier, I. IN. VI. VIE XVL19 Hohenzollernstr. 81. 387. — Hambur ser, Alfred, Kaufmann, V.VI.XV1.1909, Karlstr. 27, 288. — Hamburger, Ernst, Dr.med., I. U. XII. XVI. 1895, Kaiser- Wilhelm-Str. 79. 289. — Hamburger, Felix, Kaufmann, V. VI. VI. 1917, Kleinburg- strabe 15a. 290. — Hamburger, Louis, Kaufmann, III. 1914, Kaiser-Wilhelm- Straße 129. 291. — Hamburger, Richard, Dr., prakt. Zahnarzt, I. WM. IM. IV. XI. 1907, Tauentzienstr. 25. 232. — Hancke, Ernst, Dr.jur., Justizrat, VII. 1890, Tauentzien- platz 1. 233. — Hanisch, Erdmann, Dr.phil, Oberlehrer, VI. VII. IX.X. XII. XIV. 1916, Körnerstr. 5/7. 294. — Hanisch, Fritz, Gartenbauingenieur, V.1916, Carlowitz bei Breslau, Wichelhausallee 29. 295. — Hannes, Walther, Dr. med., Professor, I. II. XII. 1909, Kaiser- straße 11. 296. — Hanser, Robert, Dr. med., Privatdozent, I. II. 1917, Novastr. 15: Mitglieder- Verzeichnis. 23 397. Frl. Haertel, Emmy, VII.X.X VI. 1908, Tiergartenstr. 65. 298. HerrHaertel, Georg, Bandagist, 1.1. Ill. 1856, Albrechtstr. 42. 299. — Haertel, Hans, Fabrikbesitzer, I. XV. 1908, Weidenstr. 33. 300. — Harttung, Wilhelm, Dr. med., Professor, I. Il. 1897, Ohlauer Stadtgraben 16. 301. FrauHasse, Olga, Dr., XVI.1909, Paulstr. 39. 302. HerrHauck, Reinhold, Dr.med., Sanitätsrat, 1.11.1910, Kloster- straße 19. 308. — v. Haugwitz, Rüdiger, Dr.jur., Oberpräsidialrat a.D., Rittergutsbesitzer, III. IV. V. VI. 1913, Rosenthal bei Breslau. 304. — Hauptmann,Kurt, Dr. med., I. II. II. 1911, Rosenthalerstr.49.. 305. — Hauschild, A. Dr.med., Medizinalrat, Königl. Kreisarzt,. 1.11.1902, Wölflstr. 13. 306. — Hausmann, Simon, Justizrat und Rechtsanwalt, VI. VI. X VI. 1911, Kaiser-Wilhelm-Str. 46. 307. — Heckel, Hans, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. VI. 1895, Schweidn.. Stadtgraben 24. 308. — Heckmann, Johannes, Dr. jur., Fabrikbesitzer, VI. VII. 1908. Arndtstr. 21. 309. — Heilberg, Adolf, Dr., Geh. Justizrat und Rechtsanwalt, VI. VI. X. 1908, Schweidnitzer Stadtgraben 19. 310. — Heilborn, Franz, Dr.med., Sanitätsrat, 1.11.1904, Neue Taschenstr. 25. | | 311. — Heilborn, Paul, Dr. jur., Universitäts-Professor, VI. VII. XII. 1908, Wagnerstr. 6. 312. — Heimann, Fritz, Dr. med., Professor, Oberarzt, I. 1916, Maxstr. 3. 313. — Heimann, Georg, Dr.jur., Königl. Kommerzienrat, I. VII. 1897, Hohenlohestr. 14. 314. FrauHeimann, Vally, 1908, Hohenlohestr. 14. 315. HerrHeimann, Paul, Dr.jur., VI. VII. 1908, Kaiser-Wilhelm- Platz 10. 316. — Heinel, Carl, Dr.-Sng., Professor a. d. Techn. Hochschule,, III. XV. XVI. XVII. 1913, Borsigstr. 54. 317. — Heinevetter, Franz, Dr. phil, VII. XVI. 1912, Gabitz- straße 115. 318. — Heinke, Carl, Königl. Ober- u. Geheimer Bergrat, XVII. 1911, Kaiser-Wilhelm-Str. 157/159. 319. — Heintze, Carl, Dr.med., Sanitätsrat, I. II. III. 1898, Kaiser- Wilhelm-Str. 48/50. 320. — Heinz, Bruno, Pastor prim., V. XII. XIV. 1904, Nikolai- straße 38/39. 24 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 321. Herr Henke, Friedrich, Dr. med., Universitäts-Professor, Direktor des Pathologischen Instituts, I. II. III. XVI. 1913, Leerbeutel- straße 8. 322. — Hennig, Curt, Justizrat u. Rechtsanwalt, VII. 1911, Ring 42. 323. — Henschel, Siegmund, Justizrat, Rechtsanwalt und Notar, VI. VD. 1910, Schweidnitzer Stadtgraben 10. 324. Frl. Hentschel, Margarethe, Dr. phil, VI. VIII. XII. 1909, Eichendorffstr. 63. 325. HerrHepner, Salomon, Dr.med., Geh. Sanitätsrat, I. II. 1906, Sadowastraße 19. 326. — Herda, M., Dr.med., I. II. II. 1907, Dyhernfurth. 327. — Herden, Julius, Taubstummenlehrer, XII. 1917, Kleine Fürsten- straße 6. 328. — von Hermann, Rudolf, Betriebs-Inspektor, V.XV. 1908, Tiergartenstr. 91. | 329. — Herrmann, Adolf, Geh. Regierungs- und Forstrat, II. IV. VII. XVII. 1917, Forckenbeckstr. 8. 330. — Herrmann, Erich, Dr.med., Sanitätsrat, I. I. IT. IV.XV. XVI. XVII 1894, Friedrich-Wilhelm-Str. 12. 331. Frl. Herrmann, Judith, Dr.rer. pol.. Zahnärztin, VI. 1916, Steinstr. 7a. 332. HerrHerz, Hans, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. III. VI. XII. XVII. 18%, Kaiser-Wilhelm-Str. 122. 333. — Herz, Walter, Dr. phil., Universitäts-Professor, I. II. IV. XI. XVII. 1906, Herzogstr. 4. 334. — Hessenber g&, Gerhard, Dr. phil., Professor a..d. Techn. Hochschule, XI. XV. 1911, Güntherstr. 5. 335. — Heymann, Adolf, Rechtsanwalt, VII. XII. XVI. 1911, Kaiser- Wilhelm-Str. 91. 336. — Heymann, Franz, Bankprokurist, VI. VII. XVI. 1917, Oblau- ufer 42. 337. — Hildebrand, Alexander, Fabrikbesitzer, 1. III. XVI. 1911, Klosterstr. 18. 338. — Hilka, Alfons, Dr. phil., Professor, Oberlehrer und Privat- dozent, VIII. IX.X. XII. X VI. 1906, Goethestr. 41. 339. — Hillebrandt, Alfred, Dr.-phil., Geh. Regierungsrat und Universitäts-Professor, VI. VII. VII.IX. 1902, Deutsch-Lissa. 340. — Hillebrecht, Georg, Dr., Oberstabsarzt, I. XVI. 1915, Kohlenstr. 15. 341. — Hilpert, Georg, Dr.-$ng., Professor a. d. Techn. Hochschule, II. XV. XVI. 1913, Hobrechtufer 13/14. Mitglieder- Verzeichnis. 25 342. Herr Hinsberg, Viktor, Dr.med., Professor, Direktor der Uni- 343. 344. 345. 346. 34T. ‚348. 349. 350. 351. 352. 353. 354. 355. 356. 397. 358. 359. 360. 361. 362. 363. versitäts-Klinik für Ohren-, Nasen- und Halskranke, I. 2 XVII. 1903, Tiergartenstr. 53. Hippe,Max, Dr. phil., Professor, Direktor der Stadtbibliothek, vLXx. 1902, Brandenburger Str. 48. Hirschsteim, Siegfried, Apotheker, I. II. III. IV. 1911, Stein- straße 18. Hirt, Arnold, Dr., Verlagsbuchhändler, 1907, Königsplatz 1. Hirt, Willi, Dr. med., I. I. 1901, Ohlauufer 27. Hoffmann, Franz, Oberst, VI.XV.XVI. 1908, Güntherstr. 17. Hoffmann, Georg, Dr.theol., Pastor und Universitäts-Pro- fessor, VI. VIII. XIV. 1904, Seminargasse 4. Hoffmann, Hermann, Religions- und Oberlehrer, Professor, VI. VII. VID. XII. XVI. 1904, Antonienstr. 30/34. ur Hofmann, Friedrich, Wilhelm, Ingenieur und Fabrikbesitzer, II. XV. 1908, Frankfurter Str. 51/63. Holdefleiß, Friedrich, Dr. phil.., Geh. Regierungsrat und Umiwetsitäts Professor, II. III. IV. VI. XVL XVII XVII. 1879, Güntherstr. 11. Holdefleiß, Günther, Bergreferendar, III. VII. XVII. 1915, Güntherstr. 11. Hollmann, Emil, Dr. phil., Dozent a. d. Techn. Hochschule, II.XV. XVII. 1912, Fürstenstr. 100. Hölscher, J., Königl. Garten-Inspektor, IV.V. 1896, Stern- straße 23. Holtzmann, Robert, Dr.phil., Universitäts-Professor, vl. VII. VIM. X. XII XIV. XVI. 1916, Auenstr. 25. von Holwede, Wirkl. Geheimer Rat, Regierungs-Präsident a.D., Exzellenz, II. VI. VII. VIII. 1903, Schweidnitzer Stadt- graben 26. Holzmann, Siegfried, Dr. med., 1. II. XII. 1911, Breite Str. 19. 'Honigmann, Franz, Dr.med., Sanitätsrat, 1. I. XII. 1901, Kaiser-Wilhelm-Str. 28/30. Honigmann, Hans, Dr., I. I. III. IV. XII. 1916, Wagnerstr.i1. Hönigswald, Richard, Dr. phil. et. med., Universitäts-Pro- fessor, I. III. XII. 1906, Gabitzstr. 140. Hoennicke, Gustav, Dr.theol. et phil, Universitäts-Pro- fessor, VI. VII. XIII. XIV. 1910, Goethestr. 67. Hönsch, Walter, Regierungsbaumeister u. Fabrikdirektor, III. VI. XV. XVI. 1914, Höfchenstr. 101. Horn, J., Dr.med., I. II. XII. 1900, Königstr. 1. 36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 364.Herr Hübner, Otto, Dr. Zahnarzt, 1.11. III. IV.1908, Obhlauer Stadtgraben 29. 365. — Hürthle, Karl, Dr. med., Geh. Medizinalrat und Universitäts- Professor, Direktor des physiologischen Instituts, I. II. XVIN. 1893, Maxstr. 8. 366. — Huth, Georg, Fabrikbesitzer und Hauptmann d.L., VII XI. 1914, Grüneiche Nr. 7. 367. — Jacob, Dr., Geh. Sanitätsrat, I. II. III. 1908, Bad Kudowa. 368. — Jadassohn, Josef, Dr. med., Geh. Medizinalrat und Universi- täts-Professor, Direktor der Königl. Univ.-Klinik für Haut- krankheiten, 1. II. 1892, Leerbeutelstr. 1. 369. — Jaffe, Arthur, Kaufmann, 1.1. III. V. VII. 1908, Museum- platz 15. 370. — Jaenisch, Albert, Dr.med., Sanitätsrat, I. IL. II. V., Mon- hauptstr. 1a. 371. — Janitsch, Julius, Dr. phil., Direktor des Schles. Museums der bildenden Künste, XVI. 1908, Borsigstr. 54. 372. — Jankowski, Max, Fabrikbesitzer, V.XV.XVI. 1914, Frankfurter Str. 78. 373. — Janske, Joseph, Geh. Justizrat, Landgerichtsdirektor, VI. 1905, Kaiser-Wilhelm-Str. 25a. 374. — Jantzen, Hermann, Dr. phil.. Provinzial-Schulrat, II VI.X. XVI. 1913, Güntherstr. 5. 375. — Jaqwes, Walter, Regierungsrat, L.—XV1. 1910, Scharnhorst- straße 34. 376. — Jentsch, Kurt, Verlagsbuchhändler, VI. 1902, Ring 53. 377. — Illner, Richard, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. 1894, Tauentzien- straße 38. 378. — Joachim, Adolf, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. VI. 1876, Kloster- straße 14. 379. Frl. Joachimsthal, Margarete, Lyzeal-Direktorin, IV.V. VI. VI. VII. X. XI. 1907, Zimmerstr. 13. 380. Herr Jo&@l, Carl, Justizrat und Rechtsanwalt, VI. VII. 1911, Kaiser- Wilhelm-Str. 31. 8831. — Jonas, Alberto, Dr.phil, VI. VII. XII. XII. XIV. 1916, Clausewitzstr. 14. 382. — Jonas, Viktor, Dr. phil., Zahnarzt, 1.II. 1893, Gartenstr. 89. 383. — Joppich, Carl, Zivilingenieur, VI. XII.XV.1908, Flurstr. 2. 334. — Josephy, Hugo, Rittergutsbesitzer, III. IV.1908, Kaiser- Wilhelm-Str. 62. 385. — Isenbiel, Ernst, Dr., Geh. Justizrat, Rechtsanwalt u. Notar, v1. VII. VII. 1901, Karlstr. 8. Mitglieder - Verzeichnis. 27 386. Herr Israel, Ludwig, Dr. med., Medizinalrat, Königl. Kreisarzt, I. 387. 388. 389. 390. 391. 392. 393. 394. 395. 3%. 397. I. III. XVI. 1917, Kaiser-Wilhelm-Str. 107. — Ittmann, Ludwig, Dr.med., Sanitätsrat, I. IL. XVI. 1895, Kaiser-Wilhelm-Str. 10. Jungfer, Eduard, Stadtrat, II. VI. 1903, Kaiser-Wilhelm- Straße 31. Jungmann, Paul, Dr.med., Sanitätsrat, 1.11. XII. 1894, Tauentzienstr. 13. Jungnitz, Joseph, Dr., Universitäts-Professor, Ehrendom- herr, Geistlicher Rat, Archiv- und Museumsdirektor, VI. XIH. 1902, Göppertstr. 12. Just. Bruno, Pastor prim. a.D., XIV. 1907, Alexanderstr. 21. Sauston/en., BKerencz,., Dr. phil., Professor. III.XT XI RV: XVII. 1905, Friesenstr. 33. Kaim, Emil, Kaufmann, II. V. VII. XII XVI. 1909, Klein- burgstr. 16. Keanısier. Oskar, Dr: med., Sanitätsrat, 1. DEIXVE 190% Tauentzienplatz 9. Kaliski, Joseph, Dr. med., I. II. XI. 1909, Hohenzollernstr.45. Kalkoff, Paul, Dr. phil., Professor, VI. VII. XIV. 1908, Bis- marckstr. 18. Kallius, Erich, Dr. med., Geh. Medizinalrat u. Universitäts- Professor, Direktor des Anatom. Instituts der Königl. Universi- tät, I. IH. IV. XV1. 1917, Maxstr. 6. Kampers, Franz, Dr.phil.. Geh. Regierungsrat und Uni- versitäts-Professor, VI. 1905, Kronprinzenstr. 54. Kaempffer, Eduard, Professor, Kunstmaler, X'VI. 1909, Parkstr. 29. Kaposi, Hermann, Dr.med.. Primärarzt, T. 11. IM. 1907, Garvestr. 18. Karge, Pau, Dr.theol., Professor, VII. XII. xVI. 1908, Kleine Domstr. 4. Karpel, Max, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. 1897, Dessauerstr. 2. Kasperezyk, Paul, Kuratus, XII. 1910, Schwalbendamm 10. Kathe, Johannes, Dr., Privatdozent und König]. Kreisarzt, I. U. X VI. 1912, Auenstr. 7. Kathe, Max, Kaufmann, II. V. VI. VI.X. 1907, Gallestr. 37. Kaufmann, Georg, Dr.phil, Geheimer Regierungsrat und Universitäts-Professor, VI. VII. 1885, Auenstr. 37. Kayser, Richard, Dr.med., Sanitätsrat, I. II. XII. Höfchen- straße 12. 28 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. = 408. Herr Keiler, Benas, Bankier, IH. VI. XVI. 1910, Novastr. 6. 409. — Kemna, Erich, Ingenieur und Fabrikbesitzer, III. XV. 1908, Eichendorffstr. 38. 410. — Kemna, Fritz, Ingenieur und Fabrikbesitzer, VILXI.XV., 1899, Ebereschenallee 14. 411. FrauKemna, Luise, 1908, Ebereschenallee 14. 412. HerrKemna, Hans, Fabrikbesitzer, VI. XI. 1900, Ahornallee 29/31. 413. FrauKemna, Philippine, XVI. 1908, Lindenallee 16. 414. HerrKern, Arthur, Dr. phil., VI. VI. 1903, Berlin SW 11, Dessauer- straße 31. 415. — Kern, Friedrich, Rektor, III. IV. 1905, Tiergartenstr. 33. 416. — Kiekheben, Hermann, Städt. Garteninspektor, IH. IV.V. 1909, Scheitnig, Botan. Schulgarten. 417. — Kieseritzky, Ernst, Dr. phil., Direktorialassistent, VI. VI. XI. 1907, Gabitzstr. 90. 418. — Klasmer, Samuel, Professor, II. XI. XU. XV. 1907, Michaelis- straße 36. 419. — Klau, Joseph, Geh. Regierungs- u. Provinzial-Schulrat, III. XI. XV1. XVII 1916, Goethestr. 28. 420. — Klawitter, Willy, Dr.phil., Oberlehrer, VI. VII. VIH. XIY. 1913, Lehmdamm 71. 421. __ von Kleist, Ewald, Freiherr, Dr. theol., Professor, Religions- und Oberlehrer, XIH. 1904, Fürstenstr. 99. 422. — Klihm, Otto, Dr., Generaloberarzt, 1. II. IV. VL.XV.XVL 1912, Tauentzienstr. 14. 423. — Klingmüller, Fritz, Dr., Universitäts-Professor, VI. VI. 1906, z. Z. Strehlen i. Schl., Ring 17. 424. — Kloer, Friedrich, Geh. Oberjustizrat, Oberlandesgerichts-Se- natspräsident, VI. VII. XVI. 1911, Tiergartenstr. 8. 425. — Kneser, Adolf, Dr. phil.. Geh. Regierungsrat und Universi- täts-Professor, IU. VII. XI. XII. 1905, Hohenlohestr. 11. 426. — Kober, Aron, Kaufmann, VI. XV.XVI XVII. 1917, Königs- platz 5. 427. — Kober, Karl, Dr. med., I. II. 1908, Neudorfstr. 5. 428. — Kober, Max, Kaufmann, VI. XVI. 1910, Kleinburgstr. 13. 429. — Kober, Robert, Professor, XTH. 1904, Gräbschener Str. 105/107. 430. — Koebner, Hugo, Dr.med., Sanitätsrat, 1. II. 1880, Kaiser- Wilhelm-Str. 80. 431. — Koebner, Richard, Dr. phil., VI. VII. XII. XVI. 1913, Kaiser- Wilhelm-Str. SO. Mitglieder -Verzeichnis. 29 432. Herr Kobrak, Georg, Dr.med., Sanitätsrat, 1.11.1892, Kaiser- Wilhelm-Str. 54. 4383. — Koch, Henry, Oberingenieur, XV.1917, Kastanienallee 3a. 484. — Koch, Max, Dr.phil., Geh. Regierungsrat und Universitäts- Professor, VI. VII. X. XVI. 1900, Kaiser-Wilhelm-Str. 105. 435.. — Köhler, Karl, Königl. Oberbergrat, IH. XV. XVI. XVIl. 1911, Hohenzollernstr. 46. 436. Frl. Kohn, Hedwig, Dr. phil., III. 1914, Kürassierstr. 5. 437. Herr Kohn, Richard, Dr. med., 1.11. 1884, Gartenstr. 10. 438. — Kohn, Siegfried, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. IX. 1893, Augusta- straße 95. 439. — Koenigs, Ernst, Dr.phil, Privatdozent, III. XVII. 1913, Wardeinstr. 9. 440. — Konrad, Paul, Lie. theol.. Pastor prim., XIV. 1907, Gräb- schener Straße 49. 441. — Körber, W., Dr. phil., Professor, VIII. 1883, Palmstr. 21. 442. — Korn, Wilhelm, Dr. phil., XTV.XV.1908, Wardeinstr. 6/8. 443. — Körner, Theodor, Dr.med., Geh. Sanitätsrat, I. I. 1875, Claassenstr. 15. 444. — Korpulus, Max, Dr. Justizrat, Bankdirektor, VH. 1908, Schenkendorfstr. 11. 445. — Kosch, Friedrich, Dipl.-ng., Gewierbeschulrat u. Professor, Direktor der Königl. höheren Maschinenbauschule, XILXV. 1908, Bockstr. 7. 446. — Koessler, Hugo, Amtsgerichtsrat, III.VIl. 1897, Augustastr.54. 4417. — Köster, Gerhard, stud, phil.. VI.X. XVI XV1. 1913, Lehm- damm 8. 448. — Kraeusel, Emil, Pastor prim., V1. XIV. 1903, Hohenzollern- straße 90. 449. — Krause, Max, Dr.med., 1.II. 1894, Bohrauer Str. 29. 450. — Krebs, Julius, Dr. med., 1. XVI. 1909, Körnerstr. 35/37. 451. Frl. Krocker, Elisabeth, XVI. 1909, Kaiser-Wilhelm-Str. 85. 452. HerrKroll, Josef, Dr. phil.., VII. 1916, Hobrechtufer 17a. 453. — Kroll, Wilhelm, Dr.phil., Geh. Regierungsrat und Universi- tätsprofessor, VI. VIII. XIV. XVI. 1913, Hobrechtufer 12. 454. — Krüger, Paul, Konsistorialrat, VI. VI. XIV. 1911, Bischofs- walde, Bischofswalderstr. 5. 455. — Krull, Rudolf, Apotheker, II. II. IV. V, XV. XVII. 1897, Rosenthaler Str. 45. 456. — Krusche, Max, Direktor, VI. VII. XVI. 1914, Kaiser-Wilhelm- Straße 169. 50 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur 457.Herr Kruska, Ernst, Geh. Justizrat, Oberlandesgerichtsrat, Vi. vV11. 1899, Goethestr. 11. 458. — Kuhn, Leopold, Dr. med., 1.1.1895, Sonnenstr. 21. 459. — Kühnemann, Eugen, Dr. phil., Universitäts-Professor, XI. 1907, Krietern bei Breslau, Schloßparkstr. 29. 460. — Kuhnert, Joseph, Kuratus, IX, XIII. 1905, Nikolaistadt- graben 10. 461. — Kuhnert, Karl, Erzpriester, XII. 1916, Altbübßerstr. 34. 462. — Kükenthal, Willy, Dr. phil.. Geh. Regierungsrat und Uni- versitätsprofessor, Direktor des zoologischen Instituts und Museums, III. IV. 1898, Parkstr. 15. 463. — Kunert, Alfred, Dr., prakt. Zahnarzt, 1. II. 1903, Tauentzien- straße 37. 464. — Kunicke, Georg, Dr.med. 1.II.IV.XV.XVI. 1913, Am Hauptbahnhof 1. 465. — Kuntze, Fritz, Dr., Apotheker, I. IH. IV. VI. XI. XVII. XVIH. 1913, Schießwerderstr. 10. 466. — Küntzel,Felix, Pastor, IV. V.XIV. 1914, An der Magdalenen- kirche 5. 467. — Küstner, Otto, Dr. med., Geh. Medizinalrat u. Universitäts- rofessor,. Direktor der Königl. Universitäts-Frauenklinik, 3. II. IV. 1893, Maxstr. 5. 468. Frau Küstner, 1908, Maxstr. 5. 469. Herr Kutner, Reinhold, Dr. med., I. II. XI. 1908, N. Taschenstr. 12. 470. — Küttner, Bermann, Dr., Geh. Medizinalrat u. Universitäts- Professor, Direktor der Königl. chirurgischen Universitäts- klinik, I. XVII 1907, Wardeinstr. 25. 471. — Kuznitzky, Erich, Dr.med., Oberarzt, L.—IV. VI XTW.XV. XVI. XVII. 1917, Kaiserstr. 87. 472. — Kuznitzky, Ernst, Kaufmann, VII 1889, Viktoriastr. 60. 473. — Kuznitzky, Otto, Dr.med., Sanitätsrat, I. U. XII. 1892, Hardenbersgstr. 3. 474,. — Kynast, Reinhardt, Dr. phil., Oberlehrer, IH. XI. XH. 1912, Arletiusstr. 7. 475. Frau Laband, Hermann, Kaufmann, I.—XV1. 1914, Kaiser-Wil- helm-Str. 85. 476. Herr Laboschin, Siegfried, Porträtmaler und Graphiker, XVI. 1908, Tauentzienplatz ib. 477. Frau Lachmann, Hedwig, Dr., IM. VI. XI. XV1IxXVvi. 1916, Gräbschener Str. 201. Mitglieder - Verzeichnis. 31 478. Herr Ladenburg, Rudolf, Dr. phil., Universitäts-Professor, I. II. 479. A480. 490. 491. 492. 493. 494. 495. 496. 497. 498. 499. 500. IV. XI. XI. XVII. 1909, Kaiser-Wilhelm-Str. 154. — Lämmer, Hugo, Dr. theol..et phil, Geheimer Regierungsrat, Prälat und Universitäts-Professor, XIII. 1904, Gabitzstr. 16/18. — Landmann, Ernst, Dr. med., Geh. Sanitätsrat, I. II. 1890, Tau- „tal, entzienstr. 29. Landsberg, Anna, XVI1.1909, Frankfurt a.M., Rembrandt- straße 16. . Herr Landsberger,Franz, Dr. phil., Privatdozent, VIII XI. XIU. XIV. XV1. 1908, Kirschallee 18. Lange, Fritz, Dr. med., I. XII. XVI. 1917, Piastenstr. 10. Lange, Paul, Geh. Justizrat, Oberlandesgerichtsrat, V. VI. VI. 1903, Sternstr. 54. Langer, Joseph, Professor, Kunstmaler, VI. VIIH. XVI. 1903, Tauentzienstr. 1. Lasch, Fritz, Dipl.-Sng., Betriebsinspektor, II. XII. XV. XVI. 1910, Elsasser Str. 18. Lasch, Otto,Dr.med., Sanitätsrat, I. TI. XVI. 1895, Gartenstr. 62. Laudien, Karl, Dipl.-Ssng., Oberlehrer, VI. XV. XVIXVI. 1908, Kaiserstr. 77. Ledermann, Bernhard, Dr.phil., Fabrikbesitzer, II. V. 1898, Strehlener Str. 10. Ledermann, Louis, Kgl. Kommerzienrat, IH. V. 1898, Klein- burg. Medeemann, Paul, Dr: med. Oberarzt, 1. IT XVIE 19% Schweidnitzer Str. 43a. Legal, Emmo, Dr. med., Geh. Sanitätsrat, I. II. 1898, Kron- prinzenstr. 69. Legal, Hans, Dr. med., I. II. 1901, Kürassierstr. 28. Lehmann, Karl, Dr. med., Stabsarzt, I. 1913, Gabitzstr. 163. Lemberg, Arthur, Dr., Justizrat und Rechtsanwalt, VI. VII. 1908, Schweidnitzer Stadtgraben 10. Lenz, Georg, Dr. med., Professor, I. 1907, Maxstr. 2. Leonhard, Franz, Kaufmann und Handelsrichter, VII XI. XV1. 1908, Wölflstr. 6. Leonhard, Rudolf, Dr., Geh. Justizrat und Universitäts-Pro- fessor, VI. VII. 1897, Gabitzstr. 188. Leser, Paul, Kaiserl. Geh. Regierungsrat, IM. VI. XIV_—XV1 1910, Schloßplatz 10. 'Lesser, Adolf, Dr. med., Geh. Medizinalrat und Universitäts- Professor, Gerichtsarzt, I. II. 1886, Kaiser-Wilhelm-Platz 1. 32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur 501. Herr Levi, John, Kaufmann, XVI. 1913, Kaiser-Wilhelm-Platz 11. 502. 503. 504. 505. Lewin, Salo, Dr. med., 1.1917, Neukirch p. Breslau. Lillge, Karl, Pastor, XII. XIV. 1911, Elbingstr. 1. Lindner, Adolf, Dr. med., Sanitätsrat, I. I. VI. 1901, Gnei- senaustr. 17. Lindner, Artur, Dr. med., Sanitätsrat, I. I. 1901, Gräbschener Straße 5. Lindner, Arthur, Dr.phil., Direktorialassistent, VIII. XVI. 1908, Hohenzollernstr. 71. Lindner, Georg, Fabrikdirektor, XV. 1909, Kronprinzen- straße 12. Linke, Otto, Dr.phil., Professor, Oberlehrer am Realgym- nasium am Zwinger, V. VI. VII. VII. 1900, Flurstr. 4. Lipmann, Ernst, Dr. jur., Kaufmann und Handelsrichter, VI. vH. 1895, Eichendorffstr. 57. Lipp, Moritz, Bankdirektor, VII. XVIH. XVII. 1914, Klein- burgstr. 48. von Lippa, Lazar, Geh. Regierungsrat, V. VII. 1893, Ahorn- allee 12. von Loebbecke, Oskar, Rittergutsbesitzer, VI. 1908, Sal- vatorplatz 6. | Loebinger, Edwin, Dr. med., Sanitätsrat, I. I. IM. TV. 1895, Kaiser-Wilhelm-Str. 21. Loesehmann, Emil, Dr.phil.. Privatdozent, II. IV. XVI. XVII. 1894, Beethovenstr. 6. Loewe, Stephan, Dr., Zahnarzt, L—IV. XVII. 1914, Kaiser- Wilhelm-Str. 120. Loewe , Vikvor, Dr., Archivrat, VI. 1912, Kaiserstr. 26. Loewenstein, Hans, Dr.med, IH VEXxIXvm. 1911, Kantstr. 1. Löwisohn, Emil, Dr. med., 1. 1. XI. 1902, Kaiser-Wilhelm- Straße 37. Lubowski, Robert, Dr. med., I. H. HI. IV. 1906, N. Taschen- straße 1b. Luedieke, Carl, Dr. phil., Universitäts-Professor, IH. IV. V. 1898, Monhauptstr. 1e. Lukaszczyk, Paul, Dr.. Domvikar, Assessor des Fürst- bischöfl. Ordinariats, VII. IX. X. XIM1. 1916, Domplatz 6. Lummer, Dr.phil., Geh. Regierungsrat und Universitäts-Pro- fessor, Direktor des physikalischen Instituts, III. XI. XVIM. 1905, Göppertstr. 1/3. Mitglieder-Verzeichnis. By) 523. Herr Lustig, Georg, Dr. med., Sanitätsrat, I. 11. VI. 1897, Char- 524. lottenstr. 18. Maas, Josef, Regierungs- u. Geh. Baurat, XVI. 1908, Höfchen- platz 1. Maiß, Carl, Dr. med., Primärarzt, I. D. VI. 1901, N. Taschen- straße 16. Malachowski, Ernst, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. 1889, Am Ohlauufer 15. M allison, Arthur, Königl. Eisenbahn-Direktions-Präsident, 11.— VII. XVI. XV. 1909, Gartenstr. 105. Mann, Ludwig, Dr.med., Professor, I. I. II. XII. 1897, Wagnerstr. 5. Mann, Ludwig, Dr.-Sng., Professor a.d. Techn. Hochschule, II. XV. XVII. XVIM. 1912, Hobrechtufer 15. Marck, Siegfried, Dr. phil., VI. XII 1916, Kurfürstenstr. 29. Marcus, Max, Verlagsbuchhändler, VI. VII. XVI. 1900, Kaiser- Wilhelm-Str. 8. Marcuse, Oswald, Justizrat und Rechtsanwalt, II. VII XI. 1908, Kaiser-Wilhelm-Str. 185. Marmetschke, Gustav, Dr. med., I I. IM. IV. 1906, Scheit- niger Str. 28. Marquardt, Georg, Dr. phil.. Königl. Ober-Bibliothekar, VI. VIII. 1900, Bauschulstr. 13. Martins, Oswald, Dr.med., Sanitätsrat, I. II. 1894, Ahorn- allee 8. Martiny, Fritz, Geh. Baurat, 1914, Kastanienallee 28/30. Maschke, Theodor, Dr. phil., Professor, Oberlehrer, III. XI. XV. XVIIE 1907, Viktoriastr. 24. Maetschke, Ernst, Dr. phil., Professor, 1914, Lutherstr. 25. Matthes, Hans, Stadtrat u. Kämmerer, I. VII. 1908, Scharn- horststr. 21. Matthias, Moritz, Rittmeister d. L. a. D., XVI. 1916, Linden- allee 6/8. Matting, Paul, Oberbürgermeister, II. VII. XV1. 1913, Leer- beutelstr. 2. Matzke,Max, Dr.phil., II. XV. XVI, XVII. 1914, Gr. Graben. Mauch, Julius, Dr.med. Primärarzt, I. I. II. IV. 1899, Agathstr. 14. May, Paul, Dr.med., Sanitätsrat I. Il. III, 1897, Kaiser- Wilhelm-Str. 59. | Meckauer, Walser, Dr.phil. I VERTIEXSVL 1917) Brei- burger Str. 36. ' 0) {9} 34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 546. Herr Meinardus. Otto, Dr. phil.. Geh. Archivrat, Direktor des Kgl. Staatsarchivs, VI. VII. VII. 1901, Heidenhainstr. 15. Meissner, Bruno, Dr.phil.. Universitäts - Professor, VIEL IX. 1904, Charlottenstr. 6. Melchior,’ Eduard, Dr. med. Privaidozent erg: Hobrechtufer 10. Mendelsohn, Salo, Justizrat und Rechtsanwalt, IH. VI VI. XD. XVI. 1911, Kaiser-Wilhelm-Str. 106. Merkel, Edward, Realgymnasiallehrer, IH.IV.XTI. 1884, Friesenplatz 2. Methner, Alfred, Dr. med., Sanitätsrat, I. I. II. XII. 1891, Ebereschenallee 15. 552. FrauMethner, Katharina, IH. VII. XV.XV1.1909, Ebereschen- allee 15. 553. Herr Meyer, Herbert, Dr. jur., Universitäts-Professor, VI. VII. 1906, SU [er Parkstr. 25. Meyer, Julius, Dr. phil.. Universitäts-Professor, HI. XVII 1911, Gutenbergstr. 52. Meyer, Ludwig, Dr. jur., VI. VI. 1915, Schweidnitzer Str. 3- Meyer, Otto, Dr.med., 1.H. 1900, Kaiser-Wilhelm-Str. 49 Michael, Clemens, Pfarrer, XIII. 1904, Ritterplatz 17. Michael, Hugo, Dr.phil... Geh. Studienrat, Gymnasial- Direktor, 1908, Sonnenstr. 22. Milch, Friedrich, Dr., Justizrat, Direktor der Schles. Bod. Cred.-Akt.-Bank, VI. VII. X VI. 1915, Landsbergstr. 4. Milch, Ludwig, Universitäts-Professor, Direktor des mineralo- gischen Museums u. Instituts, IIl. XVI. XVII. XVII. 1892. Schweidn. Stadtgraben 16a. Milkau, Fritz, Dr., Geh. Regierungsrat, Direktor der Königi. und Universitätsbibliothek, VI. VIII. 1908, Neue Sandstr. 3. Miller, Ötto, Dr.phil.. Geh. Regierungs- und Provinzial- Schulrat, VII. XI. 1916, Hohenzollernstr. 64/66. Minkowski, Oskar, Dr.med., Geh. Medizinalrat und Uni- versitäts-Professor, Direktor der medizinischen Universitäts- Klinik, I. D. III. XII. XVI. 1909, Birkenwäldchen 3. 4. FrauMinkowski, X.XIM.XVI. 1909, Birkenwäldchen 3. 565. Herrvon Mletzko, Eugen, General- Agent, V. VILXV.XVI 1909, Kaiser-Wilhelm-Str. 118. — Möhlis, Eduard, Justizrat, Rechtsanwalt und Notar, II. VI. VII. 1903, Ring 6. . Molinari, Cäcilie, XVI. 1909, Garvestr. 6. Mitglieder-V erzeichnis. 35 . Herr Moll, Jean, Dr., Justizrat und Rechtsanwalt, 1. VIL XI. 1911, Forckenbeckstr. 13. — Moll, Magnus, Dr. jur., Geh. Justizeat, VI. VO.XVI. 1909, Tauentzienstr. 42, — Graf vw. Moltke, Generalleutnant z.D., Exzellenz, 1916, Hohenzollernstr. 25. — Monski, Hans, Dr.med. L.IM.XVI. 1910, Kaiser - Wilhelm- Platz 3. - Frl. Morawski, Lotte, Dr. phil., II. XII. 1917, Menzelstr. 75. 3. HerrMoeser, Alfred, Kaufmann u. Handelsrichter, IH. VII. XVII. 1896, Kaiser-Wilhelm-Platz 4. 574. — Moeser, Ernst, Dr. med., Sanitätsrat, I. 1908, Körnerstr. 4. 575. — Moskiewicez, Georg, Dr. med., Oberarzt, I. 1904. Einbaum- straße 25. 5%6. — Most, August, Dr.med., Professor, 1.11. 1899, Tiergarten- strabe 86. 77. — Mühlhan, Hermann, Geh. Ober - Postrat, Ober - Postdirektor, IV.V. 1916, Kaiser-Wilhelm-Str. 134/138. 578. — Müller, Eugen, Wirkl. Geh. Oberregierungsrat, General-Kom- missionspräsident, VI. VII. 1909, Goethestr. 24/26. 579. — Müller, Friedrich, Pastor an St. Maria-Magdalena, XIV. 1906, An der Magdalenenkirche 5. 580. — Müller, Georg, Geistlicher Rat, XIII. 1904, Ritterplatz 16 8.1. 581. — Müller, Julius, Stadtrat, I. IH. XIV. XVIH. 1873, Hansastr. 24. 582. — Müller, Konrad, Lie., Pastor an St. Trinitas, IX. XII. XIV. 1910, Hohenzollernstr. 16. 583. — Müller, Max, Verlagsbuchhändler und Handelsrichter, IV.V. 1869, Teichstr. 10. Deam = Mysliwiece, Vietor, Dr.med. Sanitätsrat, I. VI.) 1902 Hohenzollernstr. 27/29. 585. — Naphtali, Hugo, Kaufmann, VI. XVI. 1912, Kleinburgstr. 7. 586. — Neefe, Moritz, Dr. phil., Professor, Direktor des städt. statist. Amts, I. VI. VII. X1. 1887, Charlottenstr. 68. Benskrl. Nees von Esenbeck, Blise, Kunstmalerin, IV. XVII. 1908, Garvestr. 28. 588. Herrv. Negelein, Erich, Leutnant a.D.. 1—V. VI. XU.XV7. 1917, Hobrechtufer 15. 589. — Negwer, Josef, Dr., Fürstbischöfl. Konsistorialrat, VI. XI. 1907, Domstr. 15. | 590. — Nehring, Alfons, Dr., VI VII. IX.X.XV1 ' 1916, Marga- retenstr. 21. 36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 591.Herr Neißer, Emil, Dr.med., L.IH.XIIL.XVI 1910, Gartenstr. 91. 592. — Neißer, Gustav, Dr. jur., Justizrat u. Stadtrat, VII. XII. 1895, Uferzeile 12. 595 Neißer, Walter, Dr.phil, Professor, VIN.IX.X. XI. 1902, Flurstr. 8. 594, Neufließ, Max, Dr.med. 1.1.IMN.IV.XVI. 1905, Matthias- straße 94. 595. Neugebauer, Paul, Dr.phil., Professor, IH. IV. XT.XI. 1899, Piastenstr. 3. 596. Neumann, Louis, .Dr.med., Sanitätsrat, 1: I. XIE77190% Königsplatz T. 597. Neumann, Siegmund, Dr., Geh. Justizrat, Amtsgerichtsrat, VH.XV1. 1910, Kronprinzenstr. 80. 598. Neumann, Otto, Dr. med., Arzt und Zahnarzt, LI. II. VI. XV]. 1912, Neue Schweidnitzer Str. 1. 999. Neumeister, Oskar, Dr.med., Geh. Sanitätsrat, 1. 1. 1873, Klosterstr. 8. 600. Neustadt, Louis, Dr. phil., VI. VI. VII. IX. 1837, Schweid- nitzerstr. 27. 601. Niche, .-Alfons, Dr. med., - Sanitätsrat, I. IIJIT.V221896. Kaiser-Wilhelm-Str. 191. 602 Nicolai, Ernst, Kaufmann, MI. VI..XVI. 191,7 Kaser Wilhelm-Str. 107. 603. Niecolaier, Carl, Dr. med., 1.11. IV. 1901, Höfchenstr. 89. 604. Nikel, Emil, Dr., Monsignor, Vize-Domdechant, Professor und Päpstl. Geheimkämmerer, XII. 1904, Paulstr. 21. 605. Nikel, Johannes, Dr., Domhlerr und Universitäts-Professor, III. VI. VII. IX. XII. 1902, Domstr. 14. 606. Noack, Ludwig, Landesrat a.D. und Bankdirektor, VI. 1896, Kaiser-Wilhelm-Platz 1. 607 Nottebohm, Theodor, D.theol., Wirkl. Geh. Oberkonsisto- rialrat, General - Superintendent, VI.XIV. 1904, Kaiser- Wilhelm-Str. 154. 608 Oebbecke, A. Dr.med., Geh. Sanitätsrat, 1.IH. 1900, Hedwigstr. 40. . 609. Olbricht, Konrad, Dr.phil., Oberlehrer, 1—V.XLXVM. 1912, Gottschallstr. 4. 610. Ollendorff, Arthur, Dr. med., Arzt und Zahnarzt, I. II. XUi. 1904, Gartenstr. 36. 611. Ollendorf, Eugen, Rechtsanwalt, VIL’ 1911, Kaiser- Willielm-Str. 25a. 633. 634. Mitglieder-Verzeichnis. ” 37 ‚Herr von Oppen, Heinrich, Königl. Polizei-Präsident, VI. VL 1909, Berlin © 25. Oppler, Bruno, Dr.med., Sanitätsrat, 1.11. III. 1894, Tau- entzienplatz 7. Orgler, Ernst, Dr.med., I. U. IH. XI. XV. XVILXV2. 1903, Augustastr. 44. Ossig, Kurt, Dr. med., 1.1. II. 1904, Gutenbergstr. 13. Oettinger, Walter, Dr. med., Professor, 1. H. 1907, Maxstr. 4. Otto, August, Dr. phil., Oberlehrer, III. IV. 1900, Tiergarten- straße 16. | Otto, Walter, Dr. phil., Universitäts-Professor, V1.—IX. 1916, Hohenzollernstr. 71. Pahde, Karl, Oberingenieur, 1917, Kaiser-Wilhelmplatz 5. Partsch, Carl, Dr. med., Geh. Medizinalrat und Universitäts- Professor, Direktor des zahnärztlichen Instituts, 1.HI. 1880, Kaiser-Wilhelm-Str. 80. . FrauPartsch, Clara, XVI. 1908, Kaiser-Wilhelm-Str. 80. 2. HerrPasch, Ernst, Dr.med., 1.1. IIH.IV. 1909, Newe Schweid- nitzer Str. 19. Paschke, Paul, Dr., Pfarrer, XII. 1913, Lehmdamm 80. Pax, Ferdinand, Dr. phil.., Geh. Regierungsrat und Universi- täts-Professor, Direktor des botanischen Gartens, II. IV. V. 1895, Göppertstr. 2. Peche, Martin, Dr.phil., Professor, Realschuldirektor, IN. IV. VII. XI. XI. XV. 1902, Vorwerkstr. 36/38. Peiser, Georg, Justizrat und Rechtsanwalt, VII. XII. 1904, Tauentzienstr. 14. Peritz, Meyer, Dr. med., Arzt und Zahnarzt, 1.11. II. X. XVI 1900, Kaiser Wilhelm- Str. 28/30. Perle, Eugen, Kaufmann, VI. VII. XV.XVl. 1910, Wallstr. 5. Perle, Felix, Kaufmann, IH. VI. VII. XV1. 1908, Landsberg- straße 8. - Perls, Friedrich, Dr. jur., Stadtrat, IM. VIL.XI.XVI. 1908, Hohenzollernstr. 1i1. Perls, Wilhelm, Dr. med., I. 1909, Tauentzienplatz 1. Perls, Wilhelm, Dr. med., Sanitätsrat, 1.11.1898, Freiburger Straße 29, Peucker, Oskar, Dr., Justizrat, VII. 1908, Goethestr. 17. Pfeiffer, Richard, Dr. med., Geh. Medizinalrat und Univer- sitäts-Professor, Direktor des hygienischen Instituts, I. I. IL 1909, Tiergartenstr. 74. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 5. Herr Pfeiffer, Theodor, Dr.phil.. Geh. Regierungsrat und Uni- versitäts-Professor, Direktor des Agrikulturchem. Instituts, III. TV. XVII. 1900, Parkstr. 17. Philipp, Paul, Konsul, ULXV.XVIL.XVI. 1913, "Tier- gartenstr. 87. | Pietrusky, Walter, Dr.med., Sanitätsrat, 1. II. 1896, Lehm- damm dd. Pillet, Andre, Professor, X. 1902, Hohenzollernstr. 37/39. Plüddemann, Paul, Chordirektor, XVI. 1913, Opitzstr. 35. Poebel, Arno, Dr.phil., Professor, VI X. xIT xarErasz XVI. 1910, Lohestr. 46, Podschubski, Arno, Dr. med., I. 1917, Leuthenstr. 30. Pohl, Julius, Dr. med., Geh. Medizinalrat und Universitäts- Professor, Direktor des pharmakologischen Instituts, I. IV. RVERVINSIEL, Barkstr: ‚6. Pohle, Joseph, Dr., Universitäts-Professor, Prälat, XII. XII. 1904, Sternschanze 10. Pollack, Kurt, Dr.med, LU.XILAXVE IIATRaser Wilhelm-Str. 63. Pollak, Oskar, Dr., Kuratus, VI. VII.X. XII. 1916, Josei- straße 5/7. . FrauPonfick, Anna, Geheimrat, V1. VIII. 1908, Kaiser-Wilhelm- Straße 187. „HerrPototzky, Hans, Dr. phil., VI. VO. XVI. 1916, Körnerstr. 43. Pradel, Carl, Justizrat, Rechtsanwalt und Notar, VII. 1911, Tauentzienstr. 69. Praetorius, Franz, Dr.phil., Universitäts-Professor, IX. 1911, Hedwigstr. 40. Prausnitz, Car, Dr.med., Professor,. 1. MP DVEWz X VI. XVII. 1911, Kaiserstr. 77. Prausnitz, Gotthold, Dr. phil.. Chemiker, VIII. XVI. XV. 1892, Opitzstr. 39/41. 3, FrauPrausnitz, Olga, X. XVI. 1908, Opitzstr. 39/41. . HerrPrehn, Bruno, Dr. phil., VI. VIII. 1917, Lohestr. 58. — Prelinger, Fritz, Dr.,. TIE'v. VI. VIN. xXIE XVIzsrgiesare entzienstr. 53. — Prescher, Kurt, Stadtrat, VI. VII. XVI. 1909, Hohenzollern- straße 19. — Pronhasel, Paul, Professor, Geh. Regierungs- und Provinzial- schulrat, VI. VII. XII. XVI. 1911, Bischofswalde, Wilhelms- hafenerstr. 8. Mitglieder-Verzeichnis. 9 557. Herr Promies, Hermann, Magistrats-Baurat, IH. XI. XVI. 1909, Kaiser-Wilhelm-Str. 194a. Dass TProskauer, Curt Zahnarzt, I. IESVT. XVE 1912, Kaiser, Wilhelm-Str. 5/7. 659. — Pyrkosch, Reinhold, Dr. phil., Professor, Oberlehrer, III. X1. XV. 1910, Arletiusstr. 26. 660. — Quiring, Heinrich, Dr., Bergassessor, XVII. 1912, Ebers- walde, Hegermühlerstr. 10, 661. — Rau, Werner, Dr.jur., Assessor, VI. XI. XVTI. 1917, Körner- straße 23/25. 662. Frl. Rawicez, Margarethe, Dr. phil, I. III. IV. XI. XI. XV. —XVIH. 1913, Freiburger Str. 23. 563. BerrReich, Carl, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. 1875, Augustastr. 88. #64. — Reisner, Viktor, Rechtsanwalt, VI. VII. XI. XVI. 1914, Roß- markt 14. 665. — Renner, Alfred, Dr. med., I. II. 1907, Neue Taschenstr. 1b. 666. — Renner, Max, Königl. Hofprediger, XII XIV. XVI. 1912, Karlstr. 18/19. 57. — Richter, Hugo, Königl. Gartenbaudirektor, II. IV. V.XVI. 1887, Carmeistr. 12. 668. — Richters, Engelbert, Dr. phil., Generaldirektor a.D., IH. IV. XVII. 1874, Kurfürstenstr. 29. 969. — Richtsteig, Eberhard, Dr. phil., VI. VII. XI. 1917, Sonnen- straße 20. 70. — Rieger, Reinhold, Dr. med., Medizinalrat und Königl. Kreis- arzt, I. H. 1907, Monhauptstr. 3. 671. — Riegner, Erwin, Rechtsanwalt, III. VI. VII. 1913, Menzel- straße 61. 672. — Riegner, Franz, Dr. phil., III. XV. 1910, Körnerstr. 46. 873. — Riegner, Hans, Dr., Professor, Zahnarzt, I. III. 1896, Kaiser- Wilhelm-Str. 79. 674. — Riemann, Ernst, Dr. jur., Justizrat, Rechtsanwalt und Notar, V. VI. 1901, Junkernstr. 1/3. 875. — v. Riepenhausen, Karl, Königl. Kammerherr, II. VI. VII. XVI.XV1I.1913, Schloß Lissa, Post Dt. Lissa. 846. — Riesenfeld,. Berthold, Dr.med., Sanitätsrat, ) T.M. 1874, Viktoriastr. 101. 677. FrauRiesenfeld, Margarete, Professor, II,IV.V.XVL 1916, Kaiser-Wilhelm-Str. 193. 678. HerrRischowski, Albert, Werft- und Reederei-Direktor, VI. VII. XV. XVI. 1909, Königsplatz 2. 40 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 679. Herr Ritter, Sam., Dr.med., Sanitätsrat, 1.11. III. 1900, Garten- 680. 681, straße 48. — Rodewald, Ernst, Major z. D., XVI.1913, Lindenallee 7. — Rohde, Emil. Dr. phil.. Universitäts-Professor, III. IV. 1895, Parkstr. 1/7. — Röhmann, Franz, Dr. med.,. Universitäts-Professor, I. I. HI. XVI. XVII. 1888, Am Ohlauufer 36. — Rosanes, Jakob, Dr., Geh. Regierungsrat und Universitäts- Professor, III. XI. XII. 1903, Schweidnitzer Stadtgraben 16b. — Rosen, Felix, Dr.phil., Universitäts-Professor, IV.V.XV. XVII. XVII. 1891, Bischofswalde, Wichelhausstr. 6. 5. FrauRosenbaum, Ally, Kommerzienrat, XVI. 1907, Arndtstr. 23. ;. HerrRosenbaum, Friedr. Wilh.. Kaufmann und Fabrikbesitzer, 1908, Kaiser-Wilhelm-Str. 187 a. — Rosenfeld, Georg, Dr. med., Geh. Sanitätsrat u. Professor, I. I. II. IV. XII. XVII. XVIH. 1886, Schweidn.Stadtgraben 25. . FrauRosenfeld, Anna. H.— VI. XV1I. 1907, Schweidnitzer Stadt- graben 25. .HerrRosenstein, Moritz, Dr. med., Geh. Sanitätsrat, I. II. 1893, Kaiser-Wilhelm-Str. 70. — Rosenstein, Paul, Dr.med., Arzt und Zahnarzt, I. III. 1912, Kaiser-Wilhelm-Str. 56. — Rosenthal, Julius, Dr. med., Sanitätsrat, 1.11. 1892, Kron- prinzenstr. 64. 2. Frl. Rossow,. Hertha, Oberlehrerin, VI. X. XH. XVI. 1913, Goethe- straße 79. . Herr Rothe, Hermann, Dr. med., 1. XU. 1903, Kaiser-Wilhelm-Str. 47. — Roter, Adalbert, Kuratus, XII. 1911, Schloßplatz 3. — Rother, Georg, Kaufmann und Handelsrichter, VI. VII. 1901, Kurfürstenstr. 19. — Ruben, Albert, Dr. med., I. Tl. III. 1913, Friedrichstr. 52. — Rücker, Adolf, Dr., Professor, Domvikar, IX. XII. 1907, Kapitelweg 2. . — Ruff, Otto, Dr., Professor a. d. Techn. Hochschule, IH. XH. XV. XVII. 1916, Uferzeile 10. — Sachs, Albert, Dr. med.. Sanitätsrat, I. II. 1895, Ring 4. — Sachs, Arthur, Dr. phil., Professor, II. VII. XI. XVII. XVIIE 1900, Gartenstr. 15/17. — Sachs,Carl, Kaufmann, II. VI. X VI. 1909, Kleinburgstr. 18/20_ — Sachs, Georg, Rentier, VI. VII. 1898, Kirschallee 4/8. — Sachs, Heinrich, Dr. med., Professor, I. II. XII. 1896, Oranien- straße 5. Mitglieder-Verzeichnis. 41 704.Herr Sachs, Oscar, Justizrat, Rechtsanwalt und Notar, VII. XI. 703. 706. 1913, Schweidnitzer Stadtgraben 8. Sackur, Paul, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. 1894, Gartenstr. 51. Saeger, Otto, Dr.=iing., Bergassessor a. D., Direktor der Bergwerks-Gesellschaft Georg v. Giesches Erben, I. I. XV. 1911, Schweidn. Stadtgraben 26. Saling, Otto, Privatier, IV. VI. 1904, Goethestr. 19. Salinger, Hugo, Dr. jur., Oberlandesgerichtsrat, VI. VO. XIL 1909, Menzelstr. 61. Samosch, Julius, Dr. med. I I. II. XII. 1902, Kaiser- Wilhelm-Str. 13. . FrauSandberg, Franziska, Dr., 1917, Kirschallee 16. — Sarrazin, Frances, Professor, 1915, Eichendorffstr. 18. 712. HerrSauer, Hugo, Dr. med., 1. 1. 1903, Auenstr. 34. — Schaefer, Clemens, Dr. phil.., Universitäts-Professor, II. XI. XH. XV. XVII. 1905, Parkstr. 25a. Schäfer, Friedrich, Dr. med., 1. II. II. 1881, Neue Schweid- nitzer Str. 18. Schäffer, Erich, Dr. med., 1.11. IH. VI. XVI. 1907, Kaiser- Wilhelm-Str. 151. Schäffer, Hans, Dr.jur., Rechtsanwalt, VI. VI. XIEL.XVI. XVN. 1913, Ohlauer Stadtgraben 23. Schäffer, Jean, Dr. med., Professor, I. II. III. 1900, Garten- straße 81. Schalow, Emil, Lehrer, II.IV.1915, Gallestr. 31. Schauenburg, Walther, Dr., Oberregierungsrat, Direktor des Königl. Provinzial - Schulkollegiums, H. VI. VII VII.X. XIV. 1904, Charlottenstr. 54/56. Scheller, Robert, Dr. med., Professor, I. II. 1909, Maxstr. 4. Scheuer, Willy, Dr.phil, VI. VIH. IX.XxXvVI. 1915, Glogau, (Niederschl.), Markt 5. v. Schiekfus u. Neudorff, Moritz, Oberlandesgerichts- rat, VI. VII. 1915, Kaiser-Wilhelm-Str. 77. Schiff, Julius, Dr. phil., Professor, III. TV. XIL XVII. 1858, Kaiserstr. 78. Schiffer, Georg, Dr. med., Sanitätsrat, 1.11.1895, Kaiser- Wilhelm-Str. 28/30. Schiftan, Hermann, Kaufmann, II. IV. VIL XI. XVI. 1912, Gartenstr. 52. Schiller, Hermann, Dr. med., Primärarzt, I. II. 1900, Kaiser- Wilhelm-Str. 27. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. '.Herr Schilling, Adolf, Professor, Regierungsbaumeister a. D., IE. VI. XV.XVI. 1912, Sternstr. 140. — Schimmelpfennig, Max, Dr., Oberpräsidial- und Univer- sitäts-Kuratorialrat, I. VI. VI XVI. XVII. 1900, Güntherstr. 1. — Schlawe, Karl, Landrichter, II. VII IX. 1909, Augustastr. 54. — vonSchlebrügge, Carl, Geh. Justizrat, Landgerichtsrat, 1.—XV1. XVII. 1908, Domplatz 12. — Schlesinger, Adolf, Dr. med., Geh. Sanitätsrat, 1. II. 1881, Kaiser-Wilhelm-Str. 28/30. 2. FrauSchlesinger, Berta, VI. XV1. 1914, Hardenbersstr. 5. ‚HerrSchlesinger, Josef, Dr. med., T. 7 12.1900, ,Taschen- straße 13/15. — Schlesinger, Otto, Apothekenbesitzer, III. IV. XU. XVIE 1913, Moritzstr. 29. .Schlesischer Bankverein, Filiale der Deutschen Bank, 1909, Albrechtstr. 33/34. 736. HerrSchmeidler, Dr. med., Geh. Sanitätsrat, I. II. X. 1870, Schweidnitzer Stadtgraben 21b. Schmeisser, Karl, Dr.-Sng., Wirkl. Geheimer Oberbergrat. Königl. Berghauptmann, IH. VIL.XVH. 1906, Kaiser-Wilhelm- Straße 130. Schmidt, Erhard, Dr. phil., Universitätsprofessor, XI. 1912, Tauentzienstr. 40. Schmidt, Johannes, Dr., Pfarrer, VI. VII. IX. XI. XII. 1917, Charlottenstr. 68. Schmidt, Theodor, Dr. phil., Studienanstalts-Direktor, II. IV. 1900, Schwerinstr. 1. Schneck, Bernhard, Dr. phil., Professor, VIII. XI. XV1. 1913, Klosterstr. 35. Schneider, Max, Universitätsprofessor, VI. XVI. 1915, Wölflstr. 2. Schneider, Robert, Fabrikdirektor, 1.IH. VI.XV. 1919, Lorenzgasse 19. Schneiderhan, Franz, K.k. Kommerzialrat, Fabrikbe- sitzer, VI. XV. XV1. 1910, Landsbersstr. 2. Schober, Gotthard, Geh. Regierungs- u. Landesrat, VI. VII 1910, Kaiser-Wilhelm-Str. 85. Schöller, Georg, Kaufmann und Fabrikbesitzer, III. V. VII. 1897, Strachwitz, Post Neukirch bei Breslau. 7. FrauSchöller, Addy, XVI. 1911, Strachwitz. 3. Herrvon Scholtz, Alfred, Stadtbaurat, Geh. Baurat, XV. 1908, Hohenzollernstr. 58. Mitglieder-Verzeichnis. 453 749. Herr Scholtz, Georg, Apotheker, III. XVII. 1895, Augustastr. 74. 750. — Scholtz, Max, Ober-Regierungsrat, III. VI. VI. 1910, Oppeln. 751. — Scholz, Reinhold, Dr. med., Generaloberarzt, I. 1905, Char- lottenstr. 24. 7152. — Schoenaich, Gustav, Dr., Professor, VI. VIL VII. XIV. 1907, Hobrechtufer 17. 753. Se. Durchlaucht Prinz zu Schoenaich-Carolath, Johann, Georg, Rittmeister, 1916, auf Schloß Saabor. 754. HerrSchönberg, Hermann, Kaufmann, NM. IM. VI. VII. 1907, Hirschberg i. Schl., Bismarckstr. 4. 755. — Schönfeld, Moritz, Justizrat:und Rechtsanwalt, VI. VI.X. XI. XV1. 1917, Kaiser-Wilhelm-Str. 54. 756. — Schott, Richard, Dr. jur., Universitäts-Professor, VI. VII. 1906, Dahnstr. 5. 757. — Schottky, Richard, Dr.phil., Chefredakteur, II. VI. VI. X VI. 1909, Kaiserstr. 78/80. 7586. — Schottländer, Hermann, Kaufmann, VI.XV.1915, Tau- entzienplatz 6. 259. — Schottländer, Paul, Dr. phil., Rittergutsbesitzer, IV. 1892, Hartlieb b. Breslau. 760. — Schrader, Otto, Dr., Geh. Regierungsrat und Universitäts- Professor, VI—X. 1909, Kurfürstenstr. 37. 761. — Schreiber, Max, Justizrat, Rechtsanwalt u. Notar, VII. 1915, Ring 15. \ 762. — Schreiber, ‘Paul, Stadtbauinspektor, II. III. VI. XU. XV. XVI, 1910, Güntherstr. 5. 763. — Schube, Theodor, Dr.phil., Professor, Oberlehrer am Real- symnasium am Zwinger, II. TV. XVII. XVII. 1886, Clause- witzstraße 5. 164. Frl. Schubert, Martha, Dr. phil., III. 1914, Steinstr. 44. 765. HerrSchücking, Lewin, Dr., Universitäts-Professor, VI. VII. IX. X. XI. XV1. 1916, Hohenzollernstr. 121. 766. — Schüler, Hermann, Dr. jur., Geh. Regierungsrat, VI. 1905, Scharnhorststr. 21. 167%. — Schulte, fr. Lambert, Dr., O.F.M., VI. VII. XII. 1912, Doin- platz 18. 63. — Schultz, Moritz, Dr. phil, Fabrikdirektoer, IT. IV. XVM. 1912, Saarau, Kr. Schweidnitz. 769. — Schultze, Friedrich, Regierungsbaumeister, Leutnant d.L., 1. TH. UI. VII. XV. XVI. 1913, Charlottenburg, Meerscheidt- straße 14. 44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 70. HerrSchulz, Paul, Bildhauer, XVI. 1908, Bahnhofstr. 32. 71. — Schulz, Udo, Regierungsrat a. D., Generaldirektor, II. IV. VI. VNI. 1903, Ahornallee 27. 772. — Schuster, Paul, Wirkl. Geheimer Oberkonsistorialrat, Prä- sident des Konsistoriums der Provinz Schlesien, VI. VII. 1907, Schloßplatz 8. 773, — Schwarz, Bernhard, Dr. med., 1. I. II. XII. 1908, Elsasser Straße 20. 174. — Schweimer, Otto, Regierungs- und Baurat, L.—XVI. 1917, 'Wölflstr. 10. 775. — Schweitzer, Hugo, Kaufmann, II. VII. XVI. XVII. 1880, Kurfürstenstr. 14. 76. — Schweitzer, Otto, Bankdirektor, VII. 1910, Kastanien- allee 6, “7. — Schwemer, Max, Generaldirektor und Stadtrat. IH. VI.XV. bis XVII. 1909, Nikolaistadtgraben 12. 178. FrauSchwemer, Marie, II.—VI. XV. —XVII. 1916, Nikolaistadt- graben 12. 779. Herr Schwerin, Ernst, Dr. phil., Königl. Kommerzienrat, III. VI. 1907. Kaiser-Wilhelm-Str. 160. 780. Frl. Seemann, Dora, Kunstmalerin, XVI. 1908, Schweidnitzer Stadtgraben 25. 7831. — Seekel, Emmy, Oberlehrerin, X. XII. XVI. 1912, Piastenstr. 6. 782. Herr Seibt, Georg, Pastor prim., XII. XIV. XVI. 1909, Altbüßer- straße 8/9. 783. — Seidelmann, Wolfgang, Dr. med., I. 1907, Tiergartenstr. 48. «84. — Seiffert, Fritz, Apothekenbesitzer, III. IV. 1904, Tauentzien- straße 59. 785. — Selling, Hermann, Apotheker, II.IV.XVI. XVIM. 1913, Nikolaistraße 46. ‘86. — Semmler, Friedr. Wilh., Dr.phil., Geh. Regierungsrat und Professor a. d. Techn. Hochschule, II. XVII. 1910, Mozart- straße 15. j 787. — Senftleben,Hermann, Dr. phil.,. II. 1914, Lothringer Str. 4. 788. — Seppelt, Franz, Dr.theol., Professor, . VI. XII. 1910, Breite Straße 23/24. 189. — Severin, Josef, Dr. med., Privatdozent, I. 1916, Hobrecht- ufer 4. 730. — Seydel, Fritz, Dr. med., Oberstabsarzt, I. II. IH. VI.XV.XVI 1913, Neue Taschenstr. 22. 131. — Sickenberger, Josef, Dr. theol., Universitäts-Professor, VI. VIII. XIII. 1907, Wardeinstr. 3. s04 805 306. Mitglieder-Verzeichnis. 45 ” . Herr Siebs, Theodor, Dr. phil., Geh. Regierungsrat u. Universitäts- Professor, VI. XVI. 1902, Hohenzollernstr. 53. Siegemann, Rudolf, Ober-Bergrat a.D., II. V. VI. VI.XV. XVII. 1913, Kleinburgstr. 12. Sikorski, Stefan, Dr. phil.. Oberlehrer, VIII. 1913, Vorder- bleiche 10. Silber, Max, Dr. med., 1. I. XII. 1898, Kaiser-Wilhelm-Str. 18. Silberberg, Otto, Dr. med., 1. 1. 111. 1901, Hohenzollern- straße 63/65. Sim m, Felix, Dr. med., Sanitätsrat, I. 11. 1876, Freiburgerstr. 34. Simmersbach, Oskar, Dr., Professor a.d. Techn. Hoch- schule, IH.XV.XVI XVI.XVII. 1911, 'Scharnhorststr. 95. von Skene, Carl, Geh. Kommerzienrat, V11. 1880, Schweid- nitzer Stadtgraben 18. . FrauSkutsch, Selma, Professor, 1917, Tiergartenstr. 25/27. . HerrSlawik, Kurd, Ingenieur u. Landmesser, VII. XV.XVI. 1916, Auzustastr. 149. Smoschewer, Leo, Fabrikbesitzer, VI. va. XV. XVLXVIO. 1914, Kastanienallee 5. Solbrig, Otto, Dr., Regierungs- u. Geh. Medizinalrat, I. II. III. VI. 1917, Goethestr. 29. ‚Frauvon Sommerfeld und Falkenhayn, Elisabeth, 1908, Charlottenstr. 22. ‚HerrSonnabend, Martin, Zivilingenieur, V.XV. 1908, Flurstr. 4. SON. 808. 809. 810. 811. 812 813. 814. 815. 816. Frl. Späth, Richard, Pastor prim., XIV. 1907, Roßplatz 24. Speck, Albrecht, Dr. med., 1. IM. IV. 1913, Kaiser-Wilhelm- Straße 5/7. Speck, Hermann, Dr.phil., Oberlehrer, IX. X. XVI. xXVM. 1912, |Kaiser-Wilhelm-Str. 5/7. Spitz, Baruch, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. 1889, Garten- straße 15/17. Spitz, Max, Dr. med., Sanitätsrat, I. II.IV. 1895, Höfchen- straße 41. Spohr, Margarethe, II. VI XV.—XVIM. 1916, Königspl. ®. . Herr Spribille, Franz, Professor, IV. 1903, Piastenstr. 25. _ Sprotte, Franz, Dr.theol., Professor, Kanonikus sen., Kon- sistorialrat, II.— VI. VII. IX XH. XIN. XV1. 1902, Domstr. 9. Staats, Friedrich, Dr. phil., Professor, 1. III. IV. XVII. 1897, Piastenstr. 3. Starezewski, Kurt, Kunstmaler, X'VI. 1908, Mollwitzer- Straße 11. Staub, Alfred, Dr. med., I. I. III. 1900, Tauentzienplatz 10a. 46 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Culiur. 817. Herr Steinbeck, Johannes, Dr. theol., Universitäts-Professor u. Konsistorialrat, L.—XV1. 1913, Kaiser-Wilhelm-Str. 197. 818. — Steinberg, Siegfried, Dr. med., 1. XI. XV1. 1908, Eichborn- straße 4/6. 819. — Steinfeld, Max, Dr., Justizrat, Rechtsanwalt und Notar, VI. VIL 1897, Charlottenstr. 25. 820. — Steinitz, Franz, Dr.med., Kinderarzt, 1.11.1905, Höfchen- straße 87. 821. — Steinitz, Kurt, Dr. jur., Justizrat und Rechtsanwalt, VII. XII, 1904, Kaiser-Wilheim-Str. 91. 822. — Steinitz, Walter, Dr. med., I. II. IV. XH. 1908, Kaiser-Wilhelm- straße 64. 823. — Steinke, Paul, Buchdruckereibesitzer, VIII. XV. 1905, Leer- beutelstr. 6. 824. — Steinmann, Johannes, Dr., Monsignore, Domherr, Päpsti. Geh. Kämmerer, Direktor des Fürsthbischöfl.-theolog. Kon- vikts, XIH. 1904, Domstr. 13. 825. — Stentzel, Arthur, Majord.L., I. VI. VII 1896, Moritzstr. 3/3. 826. — Stenzel, Julius, Dr. phil., Oberlehrer, VI. VII. IX. XU. XVI. 1916, Maxstr. 22, 827. — Sternberg, Hugo, Fabrik- und Rittergutsbesitzer, VI. VI. XV1. 1905, Akazienallee 16. 828. — Sternberg, Walter, Kaufmann, 1913, Gryphiusstr. 4/6. 829. — Sternberg, Wolfgang, Dr. phil., XI. 1917, Lohensteinstr. 25. 830. — Stertz, Georg, Dr., Universitäts-Professor u. Oberarzt, I. 1917. Novastr. 8. 831. — Steuernagel, Carl, D.Dr., Universitäts-Professor, VIIL IX. XIV. X VI. 1915, Körnerstr. 15. 832. Frau Stietz, Hedwig, Oberlehrer, 1917, Heilige-Geiststr. 9. 833. Herr Stiller, Theodor, Dr., Monsignore, Domdechant u. Prälat, XH. XII. 1905, Domstr. 16. 834. — Stolte, Karl, Dr. med., Universitäts-Professor, Direktor der Königl. Universitäts-Kinderklinik, 1.1917, Hedwigstr. 40. 835. — Stranz, Bernhard, Dr. med., Sanitätsrat, 1. I. 1898, Kloster- straße 23/25. 86. — Strube, Ernst, Dr. med., Oberarzt, I.—IV. 1914, Herrnprotsch. 837. — Sturm, Rudolf, Dr.phil.. Geh. Regierungsrat und Universi- täts-Professor, XI. 1903, Piastenstr. 10. 838. — Supan, Alexander, Dr. phil., Geh. Regierungsrat und Univer- sitäts-Professor, III. VI. XII. XVII. 1909, Parkstr. 32. 30 — Taeger, Heinrich, Dr.. II. IV. XVII 1912, Neudoristr. 59. Mitglieder -Verzeichnis. 47 840. HerrTarnowski, Georg, Dr., Rechtsanwalt, VI. VII. XVI. 1911, 341. 360. Junkernstr. 21. - Täuber, Conrad, Dr. phil., Professor, Oberlehrer am St. Eli- sabeth-Gymnasium, III. XI. 1898, Beethovenstr.T. Teichmann, Bruno, Dr. med., I. I. XI. 1907, Gartenstr. 38. v.Tessen-Wesierski, F.J., Dr., Universitäts-Professor, XI. 1904, Piastenstr. 3. Thalheim, Theodor, Dr., Geh. Regierungs- und Provinzial- Schulrat a.D., I. VI. VIIL IX. 1900, Gutenbergstr. 39. Than, Friedrich, Pastor, VI. XIV. 1907, An der Elisabeth- kirche 1/2. v. Thaer, Georg, Dr., Landeshauptmann der Provinz Schlesien, VI. 1917, Gartenstr. 72. Ieivzye,, Alexander, Dr. med., Professor, TIIIVIIRVIL 1382, Ohlauufer 6. Toeplitz, Theodor, Dr. med., Geh. Sanitätsrat, I. II. 1875, Opitzstr.1. Traugott, "Richard, Dr.med., 1.1. X1. 1875, Kaiser-Wil- helm-Straße 28/30. van Treeck, Carl, VI. XIH.XVI. 1909, Goldschmieden bei Dt. Lissa. Trelenberg, Georg, Fabrikbesitzer, V. VI. VIL XI. XW. XVv1. XVII. 1914, . Gräbschener Str. 15. Trelenberg, Gustav, Rentier, V.1900, Gartenstr. 60. Trentin, Hans, Dr., Bürgermeister, II. IV. VI. VO. VIN. XVI. 1905, Uferzeile 12. Treuenfels, Paul, Dr. phil., prakt. Zahnarzt, I. I. IV. V.XI. XVI. 1897, Tauentzienplatz 7. Triebs, Franz, Dr. theol., phil., jur. utr., Universitäts-Professor, Fürstbischöfl. Konsistorialrat, XIII. 1904, Monhauptstr. 3. Triepel, Hermann, Dr.med., Universitäts-Professor, I. II. 1906, Hansastr. 13. Tugendhat, Otto, Dr., Chefredakteur, VI. 1911, Weiden- straße 30. Türk, Gustav, Dr.phil, Professor am Gymnasium zu St. Maria-Magdalena, VI. VIII. 1900, Hansastr. 22. Uhthoff, Wilhelm, Dr. med., Geh. Medizinalrat und Universi- täts-Professor, Direktor der Königl. Universitäts-Augenklinik, I. II. III. 1897, Kaiser-Wilhelm-Str. 154. Frau Uhthoff, 1908, Kaiser-Wilhelm-Str. 154. 48 Jahresberi :ht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 861, Herr Ullrich, Hermann, Oberbergamts-Markscheider, II. XV. XVIE 862. . rl 1911, Goethestr. 69. Ungerathen, Joseph, Kuratus, XII. 1912, Altbüßerstr. 34. Veith, Franz, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. 1875, Heilige-Geist- straße 20a. Veith, Klemens, Geistlicher Rat, XII. 1904, Martinistr. 12. Viebig, Paul, Pastor, XIV. 1916. An der Pauluskirche 3. Vierhaus, Felix, Dr., Wirkl. Geheimer Rat, Oberlandes- gerichtspräsident, Exzellenz, VII. XI. XIV. XV1. 1905, Hohen- zollernstr. 95/97. 7. Frau Vierhaus, Elisabeth, Exzellenz, VI. VII. 1908, Hohenzollern- straße 95/97. S. Herr Vogel, Willy, Dr. med.. 1.11. 1912, Schmiedebrücke 43/45. Vogt, Heinrich, Dr. phil., Professor, IH. XI. XII. 1905, Auen- straße 14/16. Wachsmann, Hans, Bankier, VI. VII. VII. XVI. 1913, Wölfl- straße 17. Wagenbach, Wilhelm, Dipl.-ng., Professor a. d. Techn. Hochschule, III. VI. VII. XV.XV1. 1913, Kaiserstr. 87. Wagner, Ernst, Dr.phil, Mathematiker, VII.XI. 1892, Augustastr. 72. Wagner, Friedrich, Dr. theol. et phil.. Professor, XI. XIH. X VI. 1909, Klosterstr. 35. Wagner-Roemmich, Klaus, Dr.rer. polit., Dr.jur., VI. XII. X VI 1917, Auenstr. 13. Wahlich, Hermann, Architekt, XVI. 1908, Palmstr. 41. von Wallenberg-Pachaly, Ernst, Bankier, V. Vu. XV. XVI. 1908, Roßmarkt 10. vonWallenberg-Pachaly, Gotthard, Bankier, VI. VII. 1887, Kaiser-Wilhelm-Str. 110/112. Wartensleben, Helene, Oberlehrerin, VI.X.XILXIV. XV1.1913, Ohlauer Stadtgraben 20. . HerrWasbutzki, John, Dr. med., 1.11. 1900, Viktoriastr. 104b. Wasserberger, Carl, Dw.-S$ng., Privatdozent, II. IH. VI. XU. XV. XVIN. 1917, Klosterstr. 6. Waetzmann, Erich, Dr.phil, Professor, IH.XV.XVIH. 1908, Hansastr. 11. Weber, Adolf, Dr., Universitäts-Professor, VII. XI. XV. XVII. 1914, Kurfürstenstr. 13. Weber, Richard, Dr.med., Sanitätsrat, 1.11.1905, Neue Taschenstr. 7. 884. Herr 885. 386. 887. 888. 889. ‚890. 891. 892. 893. 894, 895. 396. 897, 898. 899, Mitglieder - Verzeichnis. 4) Weberbauer, A., Dr.phil., Privatdozent, IH. IV. VI. 1894, (beurlaubt). Weckowski, Casimir, Dr. med., I. III. 1913, Eichendorffstr. 51. Wehlau, Oskar, Kaufmann, III. XII. XVI. 1912, Arndtstr. 19. Weidner, Max, Dr., Geh. Sanitätsrat, I. 1907, Gartenstr. 67. Weigert, Richard, Dr. med., Kinderarzt,, I. II. 1905, Kaiser- Wilhelm-Str. 55. Weile, Max, Dr. med., Sanitätsrat, I. IH. XVI. 1894, Tiergarten- straße 28. Weinhold, Friedr., Dr. med., Sanitätsrat, 1. II. 1892, Kron- prinzenstr. 44. Weiß, Louis, Dr., Sanitätsrat, 1. II. 1910, Gabitzstr. 142. Weiß, Wilhelm, Dr., Rechtsanwalt, VII. 1911, Zwingerstr. 6. Weißstein, Alfred, Dr.phil.. Apotheker, I.II. IM. 1878, Kürassierstr. 7. Weitzen, Max, Dr. med., Sanitätsrat, I. II. 1904, Kaiser-Wil- helm-Str. 44. Werner, Fritz, Kaufmann, II. IV.VI. VII XVI XVI. 1913, Sadowastr. 35. Wertheim, Edmund, Dr.med, 1I. MM. VLXI.XV.XxXVi. 1904, Kaiser-Wilhelm-Str. 80. Werther, Moritz, Dr. med., Sanitätsrat, I. I. XII. 1892, Tau- entzienplatz 7. Wetzel, Georg, Dr.med., Professor, 1.1913, z. Zt. Marburg a. L., Anatom. Institut. Wichelhaus, Ernst, Dr., Königl. Landrat, VI. VII. 1910, Akazienallee 10. 900. FrauWichelhaus, Frieda, IH. XIH.XVI. 1910, Akazienallee 10. . HerrWiener, Max, Geh. Oberjustizrat, Oberlandesgerichts-Senats- 901 1917, präsident, I. III. VI. VI. XI. XVI. 1910, Hohenzollernstr. 64. Wilkens, Alexander, Dr.phil., Universitäts-Professor, Di- rektor der Königl. Universitäts-Sternwarte, III. XT. X VI. 1916, Heidenhasnstr. 13. Willers, Heinrich, Geh. Justizrat, Rechtsanwalt und Notar, VI. 1911, Kurfürstenstr. 12. Wi2n.ekleir, Viktor, Dr. med., Sanitätsrat, 1.11. 1874, Gustav- Freytag-Str. 17. Winkler, Carl, Dr. med., Medizinalrat u. Professor, Direktor des hygienisch-pathologischen Instituts, I. III. 1899, Posen O 1, Ziegenstr. 9. 50 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 906. Herr Winkler, Hubert, Dr. phil., Universitäts-Professor, IV. V. VII. XIH. XV. XVII. 1907, Sternstr. 4. 907. — Winkler, Samuel, Dr. med., 1.1907, Tiergartenstr. 55/57. 908. — Wiskott, Max, Dr.phil., Fabrikbesitzer, IE. W.VIE.RVE 1900, Ahornallee 34. 909. Frau Wiskott, Frieda, 1908, Ahornallee 34. 910. Herr Wittig, Joseph, Dr.theol., Universitäts-Professor, VI. VIH. XIH. XVI 1910, Sternstr. 108. Wohl, Ernst, ®ipl.- Sing., Professor, I. II. XI. XV. 1908, Kaiserstr. 76. Wojciech, Valentin, Kanonikus, XII. 1916, Domstr. 5. Wolffberg, Louis, Dr.med., Sanitätsrat, I.I. III. 1837, Schloßplatz 9. Wolffberg, Siegfried, Dr.med., Geh. Medizinalrat und Königl. Kreisarzt, 1.11. 1901, Körnerstr. 23/25. Woy, Rudolf, Dr. phil.. Handelschemiker, I. III. XVII. XVII. 1895, Palmstr. 39. Graf Yorckvon Wartenbureg, Dr. jur, Eandrat 330 Majoratsbesitzer, VII. 1898, Klein-Öls. Zahn, Kurt, Dr. phil., Chemiker, I. III. IV. XVI XVII. 1910, Hobrechtufer 15. Zickermann, Emil, Pastor prim., Lie. theol.h.c., IH. VIH. XIV. 1904, Marienstr. 2. Ziegan, Gustav, Erzpriester, XIII. 1904, Fischergasse 12ec. Ziegler, Conrat, Dr.phil., Universitäts-Professor, VI. VII. XII. X VI. 1908, Wilhelmsruh 19. Ziekursch, Johannes, Dr. phil., Universitäts-Professor, VI. VII. 1994, Hansastr. 13. Ziesch&, H., Dr.med., Primärarzt, 1.11.1910, Schweidn. Stadtgraben 20. Ziesche&, Kurt. Dr., Professor, XII. XII. 1907, Strehlitz, Kr. Schweidnitz. Zietzschmann, Bruno, Kaufmann, Hauptmann d.R., VI VI. XVI. 1910, Scharnhorststr. 16. Zopf, Wilhelm, Professor, III. IV. V.1877, Sternstr. 148. . Zucker, Dorothea, Oberlehrerin, VI. XU.XVI. 1913, Piasten- straße 10. Mitglieder-Verzeichnis. 51 D. Wirkliche auswärtige Mitglieder. 1. Herr Alexander, Hans, Dr.phil., Chemiker in Berlin NW. 6, > DD ID u Luisenstr. 21. 1892. Altmann, Oswald, Pfarrer in Woisselsdorf, Kr. Grottkau, 1907. Arbenz, W.N., Königl. Bergrat in Zehlendorf-Berlin, Sophie Charlottenstr. 11. 1911. Balzer, Franz, Bergwerksdirektor, Königl. Bergassessor a. D. in Waldenburg i. Schl. 1911. Berger, Lie., Pfarrer in Domslau, Kr. Breslau. 1907. "Bibliothek desReichstasges in Berlin. 1909. . HerrBlume, Bergwerksdirektor in Lipine. 1911. Böer, Konrat, Referendar und Kriegsgerichtssekretär beim Kaiserl. Deutschen Gouvernementsgericht in Brüssel. 1914, Brand, Generalleutnant z.D. in Steglitz b. Berlin, Albrecht- straße 130. 1888. Braetsch, Ernst, Bergassessor a.D., Generaldirektor in Kattowitz O/S., Emmastr. 59. von Braunmühl, Bergrat in Neurode i. Schl. Bröske, Max, Direktor des Schlachthofs in Hindenburg O/S. BIT. Brucauff, Otto, Dr. med., Kurarzt in Arnsdorf i. Rsgb. 1911. Buchs, Max, Seminarlehrer in Frankenstein i. Schl. 1898. Corwegh,Robert, Dr. in Naunhof b. Leipzig, Waldstr.30. 1913. von Dallwitz, Johann, Dr., Kaiserl. Statthalter, Staats- minister, Exzellenz in Straßburg i.E. 1910. Davidsohn, Conrad, Regierungs- und Baurat in Schneide- mühl, Albrechtstr. 25. 1911. Defert, Georg, Oberbergwerksdirektor, Bergassessor a. D. in Michalkowitz O/S. 1911. Demuth, Rittergutsbesitzer auf Borne bei Nimkau. 1908. von Dirksen, Willy, Dr. jur, Wirkl. Geh. Legationsrat, Kaiserlicher Gesandter und Rittmeister a. D., Exzellenz, Berlin 'W.10, Margarethenstr. 11. 1909. Dobermann, Dr. Rechtsanwalt, Emmagrube, Kr. Rybnik OS 1910) Dubowy, Ernst, Dr.theol. in Berlin N 58, Greifenhagener- straße 60. 1915. Dyhrenfurth, Felix, Dr. in Petersdorf (Post Spittelndorf), Kreis Liegnitz. 1889. 4* Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. ‚Herr Dyhrenfurth, Walter, Rittergutsbesitzer in Jacobsdorf bei Kostenblut. 1889. Ebeling, Franz, Dr.. Bergassessor in Mittel-Lazisk, Kreis Pleß. 1911. Eberlein, D., Superintendent in Strehlen i. Schl. 1908. Eckert, Paul, Generaldirektor in Neu-Weißstein, Post Alt- wasser 1. S. 1911. Ewert, Dr. phil., Professor in Proskau O/S. 1905. Fengler, Joseph, Pfarrer in Ober-Stephansdorf. Kr. Neu- markt i. Schl. 1914. Fink, Otto, Dr., Pfarrer in Strehlen i. Schl. 1904. Foerster, Wilhelm, Dr. med., Arzt in Liegnitz, Dovestr. 6. 1903. Foerster, Paster prim.. Königl. Superintendent in Landes- hut i. Schl. 1904. Franz, Professor in Glatz, Königl. Konvikt. 1902. Franz, Hermann, Amtsgerichtsrat in Neurode i. Schl. 1909. Freytag, Kurt, Baumeister und Fabrikbesitzer in Deutsch- Lissa. 1901. Friedenthal, Ernst, Privatier in Charlottenburg, Reichs- kanzlerplatz 1. 1909. Fromberger, Lic., Pastor in Deutsch-Lissa. 1907. Gallinek, Ernst, Dr., Rittergutsbesitzer in Krysanowitz p. Zawisna in O/S. 1893. . Gartenbaugesellschaft in Schweidnitz. 1917. . HerrGärtner, A.. Dr.. Bergwerksdirektor in Ludwigsdorf, Kreis Neurode. 1911. George, Curt, Kuratus in Gr. Mahlendorf O/S. 1917. Glaser, Dr.med., Sanitätsrat in Kattowitz O/S. 1889. Goldmann, Fberhardt, Pastor in Harpersdorf, Kr. Goldberg 1..Schl. 1912. Gottstein, Leo, Dr. phil., Kommerzienrat in Berlin-Wilmers- dorf, Kaiserallee 188. 1899. Grundey. M., Eisenbahnsekretär in Kattowitz O/S. 1894. Grunert, Herbert, Dr. phil. Oberlehrer in Waldenburg i Schl- 1907 Gruschke,Georg, Dr. phil. in Berlin-Wilmersdorf, Hildegard- straße 24. 1910. Hallwig, Pfarrer in Sachwitz (Post Canth). Kr. Neumarkt i. Schl. 1911. Mitglieder-Verzeichnis. 53 49, Herr Hamburger, Georg, Dr. jur., Amtsrichter in Rybnik, Bahn- hofstr. 24. 1904. 50. — Hartmann, Dr., Sanitätsrat in Königshütte O/S. 1911. 51. HauptvorstanddesRiesengebirgsvereinsin Hirsch- berg i. Schl. 1906. 52. HerrHeidenreich, A., Pfarrer in Leuthen, Kr. Neumarkt i. Schl. 54. — Da — 1911. Henle, Dr. med., Professor in Dortmund, Bäurhausstr. 19. 1897. Herold, Justizrat u. Notar in Schweidnitz, Burgstr. 1. 1894. Herrmann, Pfarrer in Gr.-Mochbern bei Breslau. 1908. Hilger, Ewald, Geheimer Bergrat, Schloß Siemianowitz bei Laurahütte 0O/S. 1911. 57. Freifrau Hiller von Gaertringen, Caroline, auf Reppersdorf bei Jauer. 1913. 58. Herr Hirschel, Georg, Rittergutsbesitzer in Bischwitz a. B. I, Post Schmolz. 1908. Hoffmann, Ernst, Dr., Königl. Gymnasial-Direktor in Neu- stettin. 1908. ! Hoffrichter, Pfarrer in Ober-Glogau. 1907. Höhne, Erich, Dr. phil., in Berlin-Wilmersdorf, Hildegard- straße 24. 1913. Hübener, W., Dr.med., Direktor des Städt. Krankenhauses in Liegnitz. 1908. Hübner, Pfarrer in Neustadt O/S. 1908. Huck, Robert, Stadtpfarrer und Geistlicher Rat in Reichen- bach i. Schl. 1904. Jetschin, Otto, Dr. med. in Klettendorf, p. Hartlieb bei Breslau. 1900. Ile ner ,‚ Karl, D. Dr., Pfarrer in Prisselwitz p. Wangern. 1908. Jonas, Pfarrer in Hundsfeld p. Breslau. 1914. Jungels, Georg, Bergassessor, Paulusgrube b. Morgenroth 0/S. 1911. Jungfer, Hugo, Dr.med., Sanitätsrat in Wahlstatt. 1899. Kapuste, Dr. med., Sanitätsrat in Patschkau O/S. 1907. Karfunkel, Artur, Dr. med., Sanitätsrat, leitend. Arzt des Sanatoriums in Altheide, Kr. Glatz. 1901. Karlik, Bergwerksdirektor in Gottesberg i. Schl. 1911. Kauffmann, Georg, Dr. phil.. Kommerzienrat in Hermsdorf a.d. Katzbach. 1895. Kinscher, H., Dr.med., in Trebitsch (Neumark). 1904. 94 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaierl. Cultur. . 75. HerrKnochenhauer, Königl. Bergrat in Kattowitz O/S., Friedens- 76. U 78. 79. 30. Sl, straße 2. 1911. Köbisch,F., Dr. med., Sanatorium Friedrichshöhe in Obernigk, Kr. Trebnitz. . 1907. Kocks, Hermann, Bergwerksdirektor in Miechowitz, Kreis Beuthen O/S. 1911. Kokott, Paul, Professor in Neiße. 1915. Kolbe, A., I Bürgermeister a. D. in Glatz. 1902. v. Köppen, Wilhelm, Rittmeister auf Schön-Ellguth, (Post Kapsdorf), Kr. Trebnitz in Schl. 1914. Kramer, Franz, Dr. med., Professor in Berlin W., Viktoria- straße 28. 1904. Kramer, Dr.med., Geh. Sanitätsrat in Glogau. 1900. Krasel, Bruno, Pfarrer in Bischdorf, Kr. Neumarkt. 1911. Krause, Robert, Dr.med., Sanitätsrat in Bunzlau i. Schl. 185. Krebs, Julius, Dr. phil., Professor in Reichenstein i. Schl, 1873. Kretschmer, Studienrat in Glogau, Mozartstr. 6. 1900. Kretschmer, Richard, Pfarrer in Peterswaldau, Bz. Breslau. 1904. Krieg, Otto, Fabrikdirektor in Hirschberg, Bergstr.2. 1874. Kronheim, Dr. med., Arzt in Glatz, Ring. 1902. vonKulmiz, Eugen, Rittergutsbesitzer auf Saarau, Kreis Schweidnitz. 1910. Kunze, Bernhard, Kuratus in Wüstewaltersdorf, Kr. Walden- burg i. Schl. 1912. Lachmann, S., Dr.med., Badearzt in Landeck i. Schl. 1901. Landsberg, S. Dr.med., Sanitätsrat in Landeck i. Schl. 1909. Langner, Dr. med., Sanitätsrat in Gnadenfrei i. Schl. 1891. Lauterbach, Karl, Dr., Professor, Rittergutsbesitzer in Stabelwitz bei Deutsch-Lissa. 1906. Lehmann, Ernst, Pfarrer in Schurgast O/S. 1904. Lewald, Georg, Rittergutsbesitzer in Sillmenau p. Kattern, Kreis Breslau. 1907. Liehtwitz, Dr. med., Geh. Medizinalrat in Ohlau. 1896. Liebeneiner, Erich, Bergassessor und Bergwerksdirektor in Waldenburg i. Schl. 1911. Lipmann, Otto, Dr. in Kleinglienicke b. Potsdam, Wannsee- straße. 1904. Mitglieder-Verzeichnis, 59 101.Herr von Loebbecke, Franz, Rittergutsbesitzer in Brieg. 1908. 102. 116. Lorenz, Pfarrer in Zottwitz, Kr. Ohlau. 1907. Loewe, Dr.med., Sanitätsrat in Bunzlau i. Schl. 1893. Loewenheim, Bruno, Dr.med. etphil.in Liegnitz, Baum- gartstraße 6. 1898. Loewenstein, Dr.med. in Obernigk, Kr. Trebnitz. 1906. Lück, R., Bergassessor a. D., Oberbergdirektor in Laura- hütte O/S. 1912. Lutz, Hans, Dr. jur. Rechtsanwalt in Berlin—Schöneberg, Nymphenburserstr. 2. 1910. Lux, Carl, Dr. theol., Universitäts-Professor in Münster i. Westf., Weeseler Str. 1. 1904. Malguth, Rudolf, Dr. phil., Professor, Oberlehrer in Schlach- tensee, Adalbertstr. 37. Markowski, Hieronymus, Dr. phil., in Ratibor O/S., Jungfern- strabe 18. 1912. Martini, Erich, Dr., Professor, Marine-Generaloberarzt in Berlin— Wilmersdorf, Holsteinischestr. 28. 1914. Meier,M., Dr.-ing., Generaldirektor, Bismarckhütte O/S. 1911. Mende, Dr., Sanitätsrat in Gottesberg. 1916. Michael, Richard, Dr. phil., Geh. Bergrat und Professor in Charlottenburg 9, Kaiserdamm 74. 1893. Moeller, Bergassessor und Bergwerksdirektor in Walden- burg i. Schl. 1911. Mosler, Paul, Dr. med., Sanitätsrat in Berlin-Schmargendorf, Friedrichshallerstr. 17. Neide, Hans, Dr.jur., Regierungsassessor in Hagen i. W., Flegerstr. 80. 1907. Neisser, Clemens, Dr. med., Sanitätsrat, Direktor der Pro- vinzial-Irrenanstalt in Bunzlau i. Schl. 1889. Notzny, Albert, Bergassessor u. Bergwerksdirektor a. D. in Orzesche, Kr. Pleß O/S. 1911. .‚Oberschlesisches Museum in Gleiwitz. 1914. . Herr Obst, Georg, Regierungsrat u. Professor in Dresden-N., Sänger- straße 5. 1915. Ollendorff, Moritz, Rentier in Berlin NW.40, Alsenstr. 1. 1889. Graf von Oriola, Fernando, Rittmeister a.D. in Liegnitz. 1896. . — Pätzold, Gustav, Rentier in Deutsch-Lissa, Pätzoldstr.1. 1904. .Philomathie in Glatz. 1856. | .Philomathie in Reichenbach i. Schl. 1869. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. ‚„HerrPieler, Franz, Generaldirektor in Ruda O/S. 1911. — Pietsch, Ernst, Bergassessor a. D. in Laurahütte O/S., Hütten- straße 30. 1911. — Pistorius, Arwed, Ober-Bergwerksdirektor in Kattowitz O/S.. Bernhardstr. 47. 1911. — Graf Praschma, Hans, auf Schloß Falkenberg 0/S. 19T. — Presting, A., Apotheker in Domslau, Kr. Breslau. 1893. — Prietze, Georg, Bergwerksdirektor in Czerwionka, Kreis Rybnik. 1911. — Prietze,Richard, Königl. Bergrat in Waldenburg i. Schl. 1912. — Graf Pückler, Carl, Wirkl. Geheimer Rat, Exzellenz auf Schloß Ober-Weistritz. 1913. — Rassek, Richard, Pfarrer in Tarnowitz. 1903. . Se. Durchlaucht der Herzog Vietor von Ratibor, Fürst von Corvey, Prinz von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst in Rauden O/S., Bez. Oppeln. 1892. 137. FrauRawitscher, Luise, verw. Assessor, Chef des Bankhauses R.G. Prausnitzers Nachf. in Liegnitz, Gartenstr. 2. 1896. 138. Herr Freiherr von Reibnitz, Kurt, Dr. jur. et phil., Königl. Landrat in Falkenberg O/S. 1915. 139. — Remer, W., Dr. phil. in Bunzlau i. Schl! 1901. 140, — Ritter, Hans, Ulrich, Dr. med., Fürstl. Brunnenarzt in Bad Salzbrunn i. Schl. 1916. 141. — Rother, Max, Wasserwerksdirektor a. D. in Lieenitz,. Luisen- straße 32. 1908. 142. — von Salisch, Rittergutsbesitzer auf Postel bei Militsch, Bezirk Breslau. 1892. 143.Gräfl. Schaffgotsch’sch Majorats-Bibliothek in Warmbrunn. 1900. 144. — Scharff. Aloys, Dr.. Geh. Sanitätsrat in Schweidnitz, Fried- richstraße. 1917. — 145. — Schlicht, Albert, Dr. phil., Apothekenbesitzer und Nahrungs- mittelchemiker in Jarmen, Vorp. 1908. 146..— Schmidt, Georg, Dr. theol., Pfarrer in Brockau p.Breslau. 1912. 147. — Schmidt, Hermann, Dr., Professor, Gymnasialdirektor in Magdeburg, Falkenbergstr. 9. 1902. 148. — Schöffer, Stadtrat in Liegnitz, Schubertstr. 9. ° 1886. 149, — Schönfelder, Albert, Dr.. Pfarrer in Mühlbock (Neumarkt. 1914. 150. — Schubert, Richard, Dr.med., Sanitätsrat in Saarau. Kreis Schweidnitz. 1894, 151. 152. 153. 154. Mitglieder-Verzeichnis. 57 Herr Sehüller, P.,Dr.med., Sanitätsrat in Domslau, Kr. Breslau. 1893. -— Schultze, Otto, Pastor in Königszelt. 1904. — Schwarz, Fr., Dr., Geh. Regierungsrat u. Professor in Ebers- walde. 1883. — Freiherr von Seherr-Thoss-Lorzendorf, Wirkl. Geh. Ober-Regierungsrat in Lorzendorf (Post Brosewitz), Kr. Ohlau. 1903. : — Sommerbrodt, Walter, Dr. jur., Direktor der Frankfurter Hypothekenbank, Frankfurt a.M., Gallusanlage 8. 1908. . Frl. Stallwitz, Belene, Dr. phil. in Liegnitz, Dovestr. 17. 1913. Herr Thamm, Pfarrer in Kattern, Kr. Breslau. 1907. — Thiel, Georg, Dr.-x$ng., Bergassessor in Hindenburg O/S. 1911. — Tippel, O0.. Kommissionsrat in Berlin—Wilmersdorf, Hol- steinischestr. 15. 1894. — Tlach, Bergwerksdirektor, Gotthardschacht b. Orzegow, Kr. Beuthen. 1911. — Treutler, Paul, Direktor der Ida- und Marienhütte bei Saarau, Kr. Schweidnitz. 1908. — Freiherr v. Tschammer u.Quaritz, Staatssekretär von Elsaß-Lothringen, Straßburg i. Els., Kleberstr.9. 1912. — Unverricht, Paul, Erzpriester in Märzdorf p. Leisewitz.. Kr. Ohlau. 1907. — Waeber,R., Schulrat in Schmargendorf bei Berlin. 1886. — Websky, Gottfried, Rittmeister in Wüstewaltersdorfi, Bezirk Breslau. 1912. — Wegner, R.N., Dr.med. et phil., Privatdozent in Rostock i. M., Lindenstr. 6. — Weidner, Johannes, Pfarrer in Oltaschin p. Woischwitz. 1906. — Williger, Gustav, Dr., Bergrat in Kattowitz 0/S. 1911. — Witte, Dr.med., Arzt in Kudowa, Kr. Glatz. 1903. — Wohltmann, Dr.phil, Kaiserl. Geh. Regierungsrat, Pro- fessor in Halle a. S., Ludwig Wuchererstr. 2. 1892. — Woelm, Dr. med., Chefarzt des Sanatoriums Ulbriehshöhe in Peterswaldau, Bez. Breslau. 1908. — Woltersdorf, Bergassessor, Leiter der Oberschles. Zentral- stelle für Gruben-Rettungswesen und der Versuchs-Strecke, Beuthen O/S., Kaiserstr. 4. 1911. — Zivier, Dr.phil. Fürstl. Archivar in Pleß. 1904. „Frl. Zolondek, Helene, Schulvorsteherin in Münsterberg i. Schl. 1916. Verzeiehnis der Mitglieder der Sektion für Obst- und Gartenbau. wi Hm > 10. own Sekretär: Herr Universitäts-Professor Dr. phil. Felix Rosen. Stellvertreter: Herr Königl. Garteninspektor Hoelscher. Verwaltungsvorstand: die Herren Verlagsbuchhändler Max Müller, Kaufmann Eugen Eitner, Kgl. Gartenbaudirektor Dannenberg. A. Einheimische. . Herr Bauer, Hermann, Fabrikbesitzer, Kaiser-Wilhelm-Str. 120. Baum, Hugo, Rats-Zimmermeister, Tiergartenstr. 24. Baumm, Paul, Dr. med., Geh. Sanitätsrat, Direktor der Pro- vinzial-Hebammenlehranstalt und Frauenklinik, Kronprinzen- straße 23/25. Bernhardt, Max, Rentier, Vogelweide, Villa Maria. Beuchel, Joseph, Kaufmann, Junkernstr. 23. . FrauBilewsky, Helene, Justizrat, Scharnhorststr. 7. . HerrBohn, Erich, Dr., Rechtsanwalt, Tauentzienstr. 16. Borchers, Louis, Städt. Gartentechniker, Ofener Str. 148/150. von dem Borne, Georg, Dr. phil., Universitäts-Professor, Krietern, Siebenmorgenstr. 69. Bruck, Walther, Dr., Professor, prakt. Zahnarzt, Kaiser-Wil- helm-Platz 17. Callomon, Paul, Dr. med., Sanitätsrat, Kaiserstr. 26. Dabisch, Hugo, Rentier, Krietern, Breslauer Str. 24. Dannenberg, Paul, Kgl. Gartenbaudirektor, Finkenweg 4. Dittrich, Gustav, Dr., Professor, Oberlehrer, Uferzeile 14. Dittrich, Heinrich, Fürstbischöfl. Konsistorial- u. General- vikariatsrat, Domplatz 12. Dittrich, Rudolf, Professor, Auenstr.T. Mitglieder-Verzeichnis der Sektion für Obst- und Gartenbau. 59 17. Frl. Dyhrenfurth, Hermine, Privatiere, Kreuzstr. 47. 18. Herr Ehrlich, Felix, Dr. phil., Universitäts-Professor, Matthiaspl. >. 19. — Ehrlich, Paul, Regierungs-Baumeister a. D., Architekt, Scharnhorststr. 18/20. 20. — Ehrlich, Richard, Regierungs-Baumeister a. D., Architekt, Gabitzstr. 158. 21. — Eitner, Eugen, Kaufmann, Alexanderstr. 38. 22. — Eppenstein, Karl, Kaufmann, Agathstr. 12. 23. — Erbe, Johannes, Kgl. Gartenbaudirektor, Oswitzer Chaussee, Friedhöfe. 24. — Floegel, Robert, Fabrikdirektor a. D., Kurfürstenstr. 10. 25. — Frey, Julius, Hofjuwelier, Stadtältester u. Stadtrat a. D., Breite Str. 23/24. 6. Frl. Goetze, Charlotte, Lehrerin, Bunsenstr. 4. [XS 27. Herr Grosser, Wilhelm, Dr. phil., Direktor der agrikultur-botan. Versuchs-Station, Matthiasplatz 1. 28. — Grüning, Georg, Dr. med., Oberstabsarzt, Lutherstr. 20. 29). — Grüttner, Oskar, Kaufmann und Handelsrichter, Eichen- dorfistr. 57. 30. — Grzimek, Richard, Kaufmann, Landsbergstr. 20. 31. FrauGrzimek, Marie, Landsbersstr. 20. 32. Herr Haase, Georg, Königl. Geh. Kommerzienrat, Ohlauer Stadt- graben 18. 33. — Haber, Siegfried, Stadtrat, Landsbergstr. 2. 34. — Hahn, Constantin, Oberleutnant, Goethestr. 8. 3. — Hamburger, Alfred, Kaufmann, Karistr. 27. 36. — Hamburger, Felix, Kaufmann, Kleinburgstr. 15a. 37. — Hanke, Otto, Kaufmann, Krietern, Kaiser-Friedrich-Str. 6/8. 38. — Heinz, Bruno, Pastor prim., Nikolaistr. 38/39. 39. — Hempel, Wilhelm, Kaufmann, Gartenstr. 27/29. 40. — Henry, Felix, Architekt, Schenkendorfstr. 3. 41. — v. Hermann, Rudolf, Betriebs-Inspektor, Tiergartenstr. 91. 49, — Hoelscher, J. Königl. Garten-Inspektor im botanischen Garten, Sternstr. 23. 43. — Jaffe, Arthur, Kaufmann, Museumplatz 15. 44. — Jaenisch, Albert, Dr. med., Sanitätsrat, Monhauptstr. 1a. 45. — Jankowski, Max, Fabrikbesitzer, Frankfurterstr. 78. 46. — Jaques, Walter, Regierungsrat, Scharnhorststr. 34. +47. Frl. Joachimsthal, Margarete, Lyzeal-Direktorin, Zimmer- straße 13. 80 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 48, Herr Kaim, Emil, Kaufmann, Kleinburgstr. 16. 49. — Kathe, Max, Kaufmann, Gallestr. 37. 50. — Kiekheben, Hermann, Städt. Garten-Inspektor am städt. botanischen Schulgarten in Scheitnig. 51. — Konittel, Wilhelm, Maurer- und Zimmermeister, Krietern, Breslauer Str. 27. 52. — Krull, Rudolf, Apotheker, Rosenthaler Str. 45. 53. — Küntzel, Felix, Pastor, An der Magdalenenkirche 5. 4. — Kurtze, Alfred, Buchhändler, Schweidnitzer Str. 16/18. 55. FrauLaband, Hermann, Kaufmann, Kaiser-Wilhelm-Str. 85. 56. HerrLange, Paul, Geh. Justizrat, Oberlandesgerichtsrat, Stern- | straße 54. 57. — Ledermann, Louis, Königl. Kommerzienrat in Kleinburg. 58. — Ledermann, Bernhard, Dr. phil.. Fabrikbesitzer, Strehlener Straße 10. 59. — Leonhard, Rudolf, Dr., Geh. Justizrat und Universitäts-Pro- fessor, Gabitzstr. 188. 609. — Leser, Paul, Kaiserl. Geh. Regierungsrat, Schloßplatz 10. 61. — Linke, Otto, Dr. phil., Professor, Flurstr. 4. 62. — vonLippa, Lazar, Geh. Regierungsrat, Ahornallee 12. 63. — Lorenz, Paul, Gartentechniker, Zwingerplatz 4. 64. — Luedecke,Carl, Dr., Universitäts-Professor, Monhauptstr. le. 65. — Mallison, Arthur, Kgl. Eisenbahn - Direktions - Präsident, Gartenstr. 105. 66. — vonMletzko, Eugen, Generalagent, Kaiser-Wilhelm-Str. 118. 67. — Mühlhan, Hermann, Geh. Ober-Postrat, Ober-Postdirektor, Kaiser-Wilhelm-Str. 134/138. 68. — Müller, Max, Verlagsbuchhändler und Handelsrichter, Teich- straße 10. 69. — Nadbyl, Bernhard, Justizrat, Rechtsanwalt u. Notar, Fürsten- straße 89. 70. Frl. NeesvonEsenbeck, Elise, Kunstmalerin, Garvestr. 28. 71. Herrv.Negelein, Erich, Leutnant a. D., Hobrechtufer 15. 72. — Niche&, Alfons, Dr. med., Sanitätsrat, Kaiser-Wilhelm-Str. 191. 73. — Olbricht, Konrad, Dr. phil., Oberlehrer, Gottschallstr. 4. 74. — Pax, Ferdinand, Dr., Geh. Regierungsrat und Universitäts-Pro- fessor, Direktor des botanischen Gartens, Göppertstr. 2. Prelinger, Fritz, Dr., Tauentzienstr. 53. Reil, Richard, Rittergutsbesitzer, Parkstr. 16. os N | N or ‘ . ei [RO] (38) Mitglieder-Verzeichnis der Sektion für Obst- und Gartenbau. 61 .Herr Richter, Hugo, Königl. Gartenbaudirektor, Breite Str. 25. — Richters, E. Dr.phil, Generaldirektor a.D., Kurfürsten- straße 29. — Riemann, Ernst, Dr., Justizrat, Rechtsanwalt und Notar, Junkernstr. 1/3. ‚ FrauRiesenfeld, Margarete, Professor, Kaiser-Wilhelm-Str. 193. . Her rRosen, Felix, Dr. phil., Universitäts-Professor, Bischofswalde, Wichelhausstr. 6. . FrauRosenfeld, Anna, Geheimrat, Schweidnitzer Stadtgraben 25. 3. Her rvon Schlebrügge, Carl, Geh. Justizrat, Landgerichtsrat, Domplatz 12. Schneider, Georg, Architekt, Krietern, Johann-Wolfgang- straße 14. Scholtz, August, Rentier, Frankfurterstr. 85/87. Scholz, Heinrich, Deichinspektor, Lützowstr. 8. Scholz, Paul, Samenhandlung, Albrechtstr. 9. Schütze, Julius, König]. Gartenbaudirektor, Rehdigerstr. 21. Scehweimer, Otto, Regierungs- u. Baurat, Wölflstr. 10. . FrauSchwemer, Marie, Stadtrat, Nikolaistadtgraben 12. .„Herr Seidel, Arthur, Landschaftsgärtner, Lange Gasse 30. Siegemann, Rudolf, Ober-Bergrat a. D., Kleinburgstr. 12. Sonnabend, Martin, Zivilingenieur, Flurstr. 4. Steinbeck, Johannes, D., Universitäts-Professor u. Konsis- torialrat, Kaiser-Wilhelm-Str. 197. Thiel, Paul, Kaufmann, Krietern, Johann-Wolfgangstr. 19. Trelenberg, Georg, Fabrikbesitzer, Gräbschenerstr. 15. Trelenberg, Gustav, Rentier, Gartenstr. 60. Treuenfels, Paul, Dr., prakt. Zahnarzt, Tauentzienplatz 7. v. Wallenberg-Pachaly, Ernst, Bankier, Roßmarkt 10, v. Wallenberg-Pachaly, Gotthard, Bankier, Kaiser- Wilhelm-Str. 112. Winkler, Hubert, Dr. phil.. Universitäts - Professor, Stern- strabe 4. — Zopfi, Wilhelm, Professor, Sternstr. 148. B. Auswärtige. . Herr Aereboe, Friedrich, Dr., Geh. Regierungsrat und Universitäts- Er Professor in Obernigk, Bez. Trebnitz. äfl.von Ballestremsche Güter-Direktion in Ruda O/S. .Herr Daechsel, O., Pastor in Brustawa, Bez. Breslau. 62 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. 4,Herr Defert, Georg, Bergwerks - Direktor, Bergassessor a.D. in Michalkowitz O/S. 5. — Dyhrenfurth, Felix, Dr. in Petersdorf, Post Spittelndorf. 6. — Eberhard, Rittergutsbesitzer in Mlitsch bei Raudten, Bezirk Breslau. 7. — Ewert, Dr. phil., Professor in Proskau OIS. 8. FrauFromberg, Edith in Polanowitz, Kr. Breslau. 9. HerrFurch, Dr., Medizinalrat in Gr.-Wartenberg, Bez. Breslau. 10. — Hanisch, Fritz, Gartenbauingenieur, Carlowitz bei Breslau, Wichelhausallee 29. 11. — Hanke, G., Eisenbahn-Betriebs-Sekretär a.D. in Kentschkau, Post Gr.-Mochbern. 12. — Hartmann, Pfarrer in Grottkau. 13. — v.HBaugwitz, Rüdiger, Dr. jur., Oberpräsidialrat a. D., Ritter- gutsbesitzer in Rosenthal p. Breslau. 14. FrauHeimann, verw. Dr., Rittergutsbesitzerin in Wiegschütz bei Cosel O/S. 15. Herr Heisig, G., Pfarrer in Salesche bei Leschnitz O/S. 16. — Reichsgraf zu Herberstein, S., Freiherr v. Neuberg und Guttenhaag, k.k. Kämmerer usw. zu Gratz auf Grafenort bei Habelschwerdt. 17. — Hilbrich, Th., J., Kaufmann in Canth bei Breslau. 18. Freifrau Hiller von Gaertingen, Caroline, auf Reppersdorf bei Jauer. 19. HerrReichsgraf von Hochberg, Conrad, auf Dambrau. 20. — Köchel, H., Prinzl. Gartendirektor, Gr.-Wartenberg. 21. — Komrofsky, Seilermeister in Grottkau. 22. — Kraft, Arnold, Garteninspektor in Bad Salzbrunn. 23. Frl. von Kramsta, M., Rittergutsbesitzerin, auf Muhrau b. Striegau. 24,Kreis-Ausschuß Glogau. 25. — — Goldberg i. Schl. 26. — — Münsterberg i. Schl. 27. — — Steinau 2.0. 28. HerrKromeier, H., Landwirt in Opperau p. Klettendorf. 29. — Kubis, Joseph, Pfarrer in Zalenze O/S. 530. Frauvon Kulmiz, Katharina, geb. von Rosenberg-Lipinsky, in Gutwohne, Kr. Oels. 31. HerrKunze, Lehrer in Klettendorf p. Breslau. 33. Landwirtschaftlicher Verein in Tarnowitz. Mitglieder-Verzeichnis der Sektion für Obst- und Gartenbau. 63 33. HerrLauterbach, Dr., Professor, Rittergutsbesitzer in Stabel- witz bei Deutsch-Lissa. 34. — Lewald, Georg, Rittergutsbesitzer in Sillmenau p. Kattern. 35. — vonLieresund Wilkau in Reppline. 36. — Luckan, Adolf, Landesversicherungs-Sekretär in Woischwitz bei Breslau. 37. — Lüdcke, Wilhelm, Rittergutsbesitzer in Stroppen bei Trebnitz. 38. — von Naehrich, Rittergutsbesitzer in Puschkowa, Bezirk Breslau. 39. — Nitschke, Rittergutsbesitzer in Girlachsdorf bei Nimptsch. 40. — Notzny, Albert, Bergwerksdirektor in Orzesche O/S. 41. — Pätzold, Gustav, Rentier in Deutsch-Lissa, Pätzoldstr. 1. 42. — Peicker, W., Hof-Gartendirektor in Rauden O/S. 43. — Pistorius, Ober-Bergwerksdirektor in Kattowitz O/S., Bern- hardstraße 47. 44. — Pötylea, P., Erzpriester in Dambrau O/S. 45. — GrafPraschma, Hans, auf Schloß Falkenberg O/S. 46. — Przybilla, J.. Hauptlehrer in Lowkowitz bei Schönwald, Kr. Kreuzburg. 47. HerrenvomRath,Schöller&Skene,G.m.b.H., in Kletten- dorf p. Breslau. 48. HerrGraf von derRecke von Volmerstein, Leopold, Rittmeister a. D., Landschaftsdirektor, Mitglied des Herren- hauses auf Kraschnitz. 49. — Reissert, Georg, Königl. Gartenbaudirektor, Obstbau - In- spektor der Landwirtschaftskammer von Posen, Solatsch- Posen, Westialenstr. 12. 50. — Retzlaff, Kataster-Kontrolleur in Grottkau. 51. — Rippehen, Schornsteinfegermeister in Grottkau. 52. — Ritter, Hans, Ulrich, Dr. med., Fürstl. Brunnenarzt in Bad Salzbrunn. 53. — von Salisch, Rittergutsbesitzer auf Postel bei Militsch, Bez. Breslau. 54. — Schoeller, Georg, Rittergutsbesitzer auf Strachwitz (Post Neukirch) p. Breslau. 55. — Scholz, Richard, Rittergutsbesitzer, Rittmeister d. L., Rohrau bei Kattern, Kr. Breslau. 56. — Sielaff, Pastor in Ludwigsthal bei Stahlhammer. Di Sseulla, Baul, Pfarrer in Orzerow OS. 58. — Spengler, Pastor in Grottkau. 59, — Stern, Baumschulenbesitzer in Brockau bei Breslau. 64 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaierl. Cultur. 60. Herr Graf Strachwitz, Rittmeister a.D., Rittergutsbesitzer in Gr.-Reichenau p. Naumburg a. B. Teichmann, W.,Rittergutsbesitzer inKunzendorf, Kr. Steinau. von Tempsky, Eugen, Fideikommißbesitzer auf Baara, Dresden, Liebigstr. 16. Thomas, Städt. Friedhofsverwalter, Gräbschen-Breslau. Tippel, O., Kommissionsrat in Berlin - Wilmersdorf, Holstei- nischestraße 15. Treutler, Paul, Direktor der Ida- und Marienhütte D. Saarau, Kr. Schweidnitz. . Löbliche Verwaltung des von Lestwitzschen Fräulein-Stiftes in Tschirnau bei Reisen. . Herr Viebig, Hermann, Pfarrer in Deutsch-Müllmen O/S. Viehweger, Schuhmachermeister in Grottkau. von Wallenberg-Pachaly, C., Rittergutsbesitzer auf Schmolz. Weicher, Dr. med., Chefarzt, Weichers Lungenheilanstalt in Görbersdorf i. Schl. Weidner, Johannes, Pfarrer in Oltaschin p. Woischwitz. Wutzdorf, Baumschulenbesitzer in Stabelwitz p. Dt. Lissa. Ziegler, Pfarrer in Schieroth bei Tost O/S. Zoller, Dr. med., Sanitätsrat in Königszelt. DD rm 15. ann w Verzeichnis der Mitglieder der Chemischen Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau). Vorsitzender: Herr Professor Dr. Bornemann Beisitzer: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Gadamer. Herr Direktor Dr. Schultz. Kassenwart: Herr Professor Dr. E. Glatzel. Schriftführer: Herr Professor Dr. W. Herz. . HerrAron, Dr.med. et phil., Professor, Tiergartenstr. 52. SB. Bamberg, Alfred, Dr. phil.. Fabrikbesitzer, Ohlauer - Stadt- graben 2. Basse, F.,A., Dr., Kaufmann und Chemiker, Gartenstr. 5. Becker, Walter, Dr., Handelschemiker, Lohestr. 6. Beutell, Albert, Dr., Universitäts-Professor, Auenstr. 5. Bialon, Oswald, Dr. phil., Chemiker, Lehmdamm Se. Biberfeld, Johannes, Dr. med., Professor, Monhauptstr. ib. Biltz, Heinrich, Dr.phil, Universitäts-Professor, Kaiser- Wilhelm-Str. 131. Bornemann, Carl, Dr. phil., Professor a. d. Techn. Hoch- schule, Hobrechtufer 15. v. Braun, Julius, Dr. phil., Universitäts-Professor, Oranien- straße 4. Bruhnke, Margarethe, Dr. phil., Alexanderstr. 7. . HerrBüchler, Oskar, Dr., Kaufmann, Altbüßerstr. 7. 1917. Büchler, Otto, Kaufmann, Uferzeile 9. Caspar,Dr. Danckwortt, P., Dr., Privatdozent, Schuhbrücke 38/39. gu 36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 16. Herr Döring, Alfred, cand., Neue Adalbertstr. 98. 17. — Dux, Dr., Assistent, Technische Hochschule. 18. — Ehrlich, Felix, Dr.phil., Universitäts - Professor, Matthias- platz 5. 19. — Erhard, Udo, Assistent, Technische Hochschule. 20. — Feyerabend, Erich, cand., Uferzeile 13. 21. — Fischer v.Ankern, Alfred, cand. chem., Auenstr. 9. 22. — Fleischmann, Kurt, Dr. phil., Oberlehrer, Palmstr. 28. 23. — Floegel, Robert, Fabrikdirektor a. D., Kurfürstenstr. 10. 24. — Forschbach, Joseph, Dr. med., Professor, Tiergartenstr. 85. 25. — Frank, Erich, Dr. med., Privatdozent, Hobrechtufer 4. 26. — Fuchs, Richard, Dr. med., Universitäts - Professor, Kaiser- straße 73. 27. — Gadamer, Johannes, Dr. phil.. Geh. Regierungsrat und Uni- versitäts-Professor, Auenstr. 8. 28. — Gaertner, Dipl.-ug., Auenstr. 14. 29. — v. Gerkau, Siegfried, cand., Hansastr. 18. 30. — Glatzel, Emanuel, Dr. phil., Professor, Lehmdamm 6. 31. — Goelich, Dr., Professor, Garvestr. 4. 32. — Graef, Otto, cand., Ohlauufer 20. 33. — Grützner, Bruno, Dr. phil, Apothekenbesitzer, Bärenstr. 4. 34. — Hahn, Stud., Parkstr. 29. 35. — Herz, Hans, Dr. med., Sanitätsrat, Primärarzt, Kaiser-Wilhelm- Straße 122. 36. — Herz, Walter, Dr. phil., Universitäts - Professor, Herzogstr. 4. 37. — Hinsberg, Dr.med., Professor, Vogelweide 184. 38. Frl. Hoffmann, Frieda, Chemikerin, Herdainstr. 60. 39. HerrHoldefleiss, Friedrich, Dr. phil., Geh. Regierungsrat und m Universitätsprofessor, Matthiasplatz 5. 40. — Hollmann, Emil, Dr. phil.. Dozent a. d. Techn. Hochschule, Fürstenstr. 100. 41. — Hübner, Emil, cand. chem., Scheitniger Str. 49. 42. — Hürthle, Dr.med., Geh. Medizinalrat und Universitäts-Pro- fessor, Maxstr. 8. 43. — Jander,F.,Dr. in Goldschmieden p. Dt. Lissa. 44. — Jüttner, Ferencz, Dr. phil., Professor, Friesenstr. 33. 45. — Kaim,H., Dr., Menzelstr. 82. 46. — Kantorowicz, Julius, Fabrikbesitzer, Agathstr. 14. 41. — Karwat, Ernst, cand., Kronprinzenstr. 32. 418. — Kinne, Georg, eand., Hochstr. 8. Mitglieder-Verzeichnis der Chemischen Sektion. 67 49. Herr Kipke,F., Dr., Hohenzollernstr. 79. 50. — Kleylein, Kurt, cand. chem., Kaiserstr. 15. 9. — Knoedl, Karl, cand. chem., dont 1aL, 52. — Kochan, Hans, Dr. phil., Obenlehren, Lehmdamm 68, 53. — Koenigs, Ernst, Dr. phil., Privatdozent, Wardeinstr. 9/11. 54. — Krannich, Carl, Dr. phil., Grünstr. 36. | 55. — Krüsgel, C., Dr., Fabrikdirektor in Saarau. 56. — Krull, Rudolf, Apotheker, Rosenthaler Str. 45. 57. — Kuhn, Friedrich, Dr., Karlstr. 28. 58. — Kübhnel, Paul, cand., Trebnitzer Str. 11. 59. — Kuntze, Fritz, Dr., Apotheker, Schießwerderstr. 10. 60. — Kuss,E., Kaiserstr. 7A. 61. — Kuznitzky, Erich, Dr. med., Oberarzt, Kaiserstr. 87. 62. — Ladenburg, Rudolf, Dr. Bhil Universitäts-Professor, een Wilhelm-Str. 154. 63. — Leschhorn, Dr., Fabrikbesitzer, Gutenbergstr. 50. 64. — Leschnitzer, Max, Apothekenbesitzer, Blücherplatz 3. 65. — Lindemann, Walter, cand., Schützenstr. 19. 66. — Locker, Gustav, cand., Bismarckstr. 24. 67. — Lührig, Heinrich, Dr. phil., Direktor des chemischen Unter- suchungsamtes, Burgfeld 7. 68. — Lummer, Otto, Dr.phil., Geh. Regierungsrat und Universi- täts - Professor, Göppertstr. 1. 69. — Mann, Ludwig, Dr.-iing., Professor a. d. Techn. Hochschule Hobrechtufer 15. 70. — Marwitzky, Karl, Dr., Burgstr. 8. 71. — Maschke, Theodor, Dr. phil., Professor, Viktoriastr. 24. 72. — Max, Fritz, cand., Bismarckstr. 4. 73. — Meye r, Julius, Dr. phil., Universitäts - Professor, Gutenberg- straße 52. 74. — Milch, Ludwig, Dr.phil., Universitäts-Professor, Schweidn. Stadtgraben 16a. 75. — Milde, Emil, Fabrikdirektor in Goldschmieden b. Dt. Lissa. 76. Frl. Molke, Oberlehrerin, Gabitzstr. 16. 77. HerrMoeser, Alfred, Kaufmann und Handelsrichter, Kaiser-Wil- helm-Platz 4. 78. Frl. Mugdan, S., Stud., Borsigstr. 24/26. 79. HerrMüller,Dr., Moltkestr. 8. 80. — Müller, Julius, Stadtrat, Hansastr. 24. 81. — Nerlich, Dr., Salvatorplatz 8. 82. — Neudecker, Walter, cand., Lessingstr. 6. 83. — Neumann, Bernhard, Dr. phil., Professor, Friebestr. 4. 68 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. 84.Herr Ollendorf, Dr., Wallstr. 8. 85. 86. 96. — Oertel, Wilhelm, cand. rer. met., Hedwigstr. 24. -— Pfeiffer, Theodor, Dr. phil., Geh. Regierungsrat und Uni- versitäts - Professor, Parkstr. 17. — Plonskier, cand., Scheitniger Str. 31. — Pohl, Julius, Dr. med., Geh. Medizinalrat u. Universitäts-Pro- fessor, Parkstr. 6. — Praetorıus.2G, Dr. Butherstrn22: — Prausnitz, Gotthold, Dr. phil.. Chemiker, Opitzstr. 39/41. — Prausnitz, Carl, Dr. med., Professor, Kaiserstr. 77. . Frl. Rawicz, Margarete, Dr. phil., Freiburger Str. 23. HerrRenner, Stud., Karlstr. 18/19. — Richter, cand., Gustav-Freytag-Str. 47. — Richters, Dr., Generaldirektor a. D., Kurfürstenstr. 29. — Röhmann, Franz, Dr. med., Universitäts-Professor, Ohlau- ufer 36. — Roenisch, cand., — Rosen, Felix, Dr. phil., Universitäts-Professor, Bischofswalde, Wiekelhausstr. 6. — Rosenau, Bruno, cand., Scheitniger Str. 10. — Rosenfeld, Georg, Dr.med., Geh. Sanitätsrat u. Professor, Schweidnitzer Stadtgraben 25. — Ruff, Otto, Dr., Professor a. d. Techn. Hochschule, Uferzeile 10. — Runschke, Dr., Direktor, Woischwitz b. Breslau. — Sachs, Arthur, Dr. phil., Universitäts-Professor, Gartenstr.15/17. — Sartori, Arthur, Dr., Fürstenstr. 71. \ — Schaefer, Clemens, Dr.phil., Universitäts-Professor, Park- straße 25. — Schäfer,H., Dr. in Wüstegiersdorf. — Schander, A., Dr. in Kosten in Posen. — Schenke, Vinzenz, Dr. phil., Schleiermacherstr. 1. — Schiff, Julius, Dr., Professor, Kaiserstr. 78. — Schlesinger, Otto, Apotheker, Moritzstr. 29. — Schlicht, Albert, Dr. phil. in Jarmen in Vorp. — Schneider, Paul, cand. chem., Bauschulstr. 10. — Schoeller, G., Dr. in Rosenthal bei Breslau. — Scholtz, Georg, Apotheker, Augustastr. 74. — Schreiber, Rudolf, Dr. phil., Lindenallee 12/14. — Schube, Theodor, Dr. phil., Professor, Clausewitzstr. 5. — Schubert, Georg, Apotheker, Matthiasstr. 126. — Schultz, Moritz, Dr., Direktor in Saarau. Mitglieder-Verzeichnis der Chemischen Sektion. 69 119. Herr Schwemer, Max, Generaldirektor u. Stadtrat, Nikolaistadt- graben 12. 120. FrauSchwemer, Marie, Nikolaistadtgraben 12. 121. HerrSelling, Hermann, Apotheker, Nikolaistr. 46. 122. — Semmle r, Friedr. Wilh., Dr., Geh. Regierungsrat, Professor a. d. Techn. Hochschule, Mozartstr. 15. 123. — Simmersbach, Oskar, Professor a. d. Techn. Hochschule, Scharnhorststr. 5. 124. Frl. Spohr, Margarethe, Königsplatz 6. 125. Herr Staats, Friedrich, Dr. phil., Professor, Piastenstr. 3. 126. — Stein, Hans, Mühlenbesitzer, Charlottenstr. 24. 127. — Stenzel, cand., Buddestr. 14. 128. — Tafel, Professor a. d. Techn. Hochschule. 129. — Vorländer, Franz, Assistent, Hansastr. 9. 130. — Waetzmann, Erich, Dr. phil., Professor, Hansastr. 11. 131. — Wasserberger, Dr.-sng., Privatdozent, Klosterstr. 6. 132. — Wellenstein, Richard, cand., Adalbertstr. 76. 133. — Wilborn,F., Dr., Lohestr. 62. 134. — Wolfes, Richard, Direktor u. Ingenieur, Lohensteinstr. 5. 135. — Zahn, Curt, Dr. phil., Chemiker, Hobrechtufer 19. 136. — Zimmer, Stud., Auenstr. 21. 137. — Zscharn, Alexander, cand., Grünstr. 6. L = 1917. Irwck von Grass, Barth & Comp. (W. Friedrich) in Breslau. 6 En Schlesische Gesellschait für vaterländisehe Gultur. BAR 95. | II. Abteilung. Jahresbericht. | Naturwissenschaften. 191%. a. Naturwissenschaftliche Sektion. @,e = = ER By! Sitzungen der naturwissenschaftlichen Sektion im Jahre 1917. h Mısitzung am 2° Jun. Vertagt wegen des plötzlichen Todes des Sekretärs Herrn Professor Dr. Pringsheim. 1 Sitzuneckamı 13. Jul 1. Ersatzwahl eines Sekretärs und eines Delegierten ins Präsidium. Ge- wählt wurden als Sekretär: Herr Professor Dr, Albert Beutell, als Delegierter Herr Professor Dr. Olemens Schaefer. 2. Herr Professor Dr. Clemens Schaefer: Schalldruck und hydrodynamische Gleichungen. 3. Fräulein Dr. Hedwig Kohn: Auswertung der Flächenhelligkeit des schwarzen Körpers in Hefner- kerzen. 4. Herr Dr. Hermann Senftleben u. Fräulein Dr. Elisabeth Benedict: Bestimmung der optischen Konstanten der Kohle im sichtbaren Spektralgebiet. Il. Sitzung am 27. Juli. 1. Herr Geheimer Medizinalrat Professor Dr. Karl Hürthle: a) Über neue Methoden zur Registrierung des Biutstroms. b) Demonstration einer Differenziermaschine (Apparat zur mechani- schen Differenzierung von Kurven). 2. Herr cand. phil. Friedrich Conrad: Messungen mit einem photometrischen Filter (Künstliches Auge). IV. Sitzung am 14. November. 1. Herr Professor Dr. L. Milch: Nekrolog auf Carl Hintze. (Abgedruckt in den Nekrologen des 94. Jahresberichtes f. 1916, 8. 6.) 2. Herr Professor Dr. C. Schaefer: Nekrolog auf Ernst Pringsheim. (Folgt in den Nekrologen S. 32.) ‚3. Herr Professor Dr. Ludwig Milch: Über Kontaktwirkung von Diabasen. 1917. 1 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Allgemeine Übersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der König]. Universitäts- Sternwarte zu Breslau im Jahre 1917. Mitgeteilt von Dr. G. Rechenberg. Höhe des Barometers über Normal-Null = 147,03 m. I. Barometerstand, 1I. Temperatur der Luft 1917 i 0 5 : ! reduziert auf 0° Celsius in Graden nach Celsius in Millimetern | N | 3 Monat g | = = & 5 SE = = © = = = = = = a re > 3 = = S = So = & < eg eo = A ‚a jan} =| = A B=| Aa =: = January. 91. |764,4 1 13. | 733,5 I1a6.07 4, |-+ 9,0) 22. |— 122] 33 Februar 8. 64,8 1.| 45,2 ; 52,30 %. + 48 9. |— 20,31— #70 März. 16. 62,9 8. | 21,51 44,84 30. 1251 7. \— 13,11— 0,61 ADEa.s 96. 56,8 1 16. | 26,1! 44,88 12. |+14.61 9. — 23,314 5,31 Maler. A, 92.4.1 2052| 42,3 1250,93 30. #284 7. + 1.5[4+14,96 UNE &, H2.6.1..99°.4995 51.91 20. I+ 32,2] 9. + 8,5j+20,60 Jule 13. 56,2 9. | 39,6 i 48,90 31. + 33,6i1 13. + 9,0|4-19,02 August..... 18. | 54,0 | 29. | 38,9 1 46,95 1. |+ 32,1 27. |+ 11,3|+18,81 September..| 30. | 57,51 12. | 42,41 51,40 | 20. |-+27,3| 25. |+ 6,914-15,86 Oktober .....ı 21. 59,8 9. | 9385 ı 46,94 3. |+23,1! 23. + 1,2)+ 9,83 November ..i 17. 59,71 25. | 26,1; 49,41 29. +11,8[| 27. |— 2,514 5,33 Dezember... D: 6429 212302113053 1. + 84 24 |— 19,0|— 1,0% Jahr EE) 761,8 | az a5 [72869 | Ja 330" — — 20,3|+ 8,41 8. 8. 31. 9. III. Feuchtigkeit der Luft, | 1V. Wolken- 1917 a. absolute b. relative bildung und IN in Millimetern in Prozenten Niederschläge | 2 Br © © an Zo= 17 7 2|2|83|582 Monat zn nn E = | Ss 1.2 En = S=E = = ie} ae) €E a I|@ 8 513 = VON es nelel:e a SU man se = ZSEZ Bella, Eye een ts Tage m8® Januar ..... 2. | 7,1! ao. j1,3! 3,44] öfterl100 20. |3982,5| 3 | 5 | 23] 59,45 Februar As | rl 9. 0,6! 2,92 || öfter]100 16. 149182,6] 1 | 13 | 14| 14,55 Matze ar 18.30.| 5,9 14.5.7. 11,4 3,64 || öfter|100| 22. 154179,8} 1 | 10 | 20] 53,55 April.r2ar. 16. | 90| 11. 12,3] 4,90 || öfterl100) 11. |36/73,7 1 — | 13 | 17| 98,75 Malt erien 30. 113,0) 21. 2,5) 7,29|| 17. | 98| 21. 122/56,5) 6 | 18 7| 34,15 Juni... 1. 5.113,2| 18. 6,1] 9,44 1. |. 94| 18. |21153,9 1.16. | 11 3) 10,30 Jul 98. 114,8 7. \5,9110,10 || 10. |100115.31.129|63,21 5 | 18 S| 84,50 August ..... 1. |13,9| 31. |7,910,90| 27. | 99) 1. \agles,7| 6 | 17 | 8| 65,70 September... 9..112,9 | 30, 19.21.8,9& || 912 1, 921 26., 133/62 1097,20 018 5| 10,80 Oktober . 5. | 95| 26. 14,41 6,74|| öfter\100| 2. |29174,9| 2 | 15 | 14| 48,35 November ..|18.29.| 7,6| 27. 3,2] 5,65 || öfter 100 27. 5784,1] — 7 | 33 44,20 Dezember .. 8. | 6,2| 24. |1,9| 3,59] öfterj100| 24. |55/82,5] 1 | 10 | 20 31,35 Jahr In 14,8 "Dr-/o,6| 6,46|| öfter|100 "sl a172,5| 48 155 |162)545,95 II. Abteilung. Naturwissenschaftliche Sektion. © V. Herrschende Winde. Januar. Die Winde, die in den ersten Tagen des Monats stärker als gewöhnlich, sonst aber meist nur schwach auftraten, wehten ganz überwiegend aus östlichen Richtungen, doch trat keine Richtung ganz zurück. Februar. Die Winde, die wiederholt stärker als gewöhnlich auftraten, wehten vorherrschend aus West und Nordwest, demnächst auch häufig aus Ost; Nord- und Südwinde traten ganz zurück. März. Die Winde, die im Durchschnitt in nur mittleren Stärken auftraten, verteilten sich mit Ausnahme der etwas häufigeren West- und Nordwestwinde ziemlich gleichmäßig über die Windrose. April. Die Winde wehten ganz überwiegend aus Nordwest und West. Am 16. wurde stürmischer Nordwest notiert, sonst trat der Wind meist nur schwach auf. Mai. Die Winde, die fast immer nur schwach auftraten, wehten ganz vor- herrschend aus Südost und Ost; demnächst wurde auch der sonst seltene Nordwind oft beobachtet. Juni. Die Winde, die wiederholt etwas stärker als gewöhnlich auftraten, wehten so überwiegend aus Südost, Ost und dem sonst seltenen Nordost, daß alle anderen Richtungen sehr zurücktraten. Juli. Die Winde, die im letzten Monatsdrittel wiederholt stärker als gewöhnlich auftraten, wehten ganz vorherrschend aus Nordwest und West. August. Die Winde, die im Mittel nur schwach auftraten, verteilten sich mit Ausnahme der etwas häufigeren Nordwest-, Südost- und West- winde ziemlich gleichmäßig über die Windrose. September. Die Winde, die im Durchschnitt nur schwach auftraten, wehten überwiegend aus westlichen Richtungen. Oktober. Auch in diesem Monat traten die Winde meist nur schwach auf; sie wehten vorherrschend aus Südwest und Südost; Nordwind wurde gar nicht notiert. November. Die Winde traten wiederholt stärker als gewöhnlich auf und wehten ganz vorwiegend aus westlichen Richtungen. Dezember. Die Winde, die meist nur in mittleren Stärken auftraten, verteilten sich mit Ausnahme der häufigen Westwinde sehr gleich- mäßig über die Windrose. VI. Witterungs-Charakter. Januar. Der Luftdruck bewegte sich in beständigen und wiederholt auch sehr starken Schwankungen vorwiegend unter dem Mittelwerte. Die Temperaturen waren in der ersten Hälfte des Monats fast ohne Ausnahme sehr stark über Normal, in der zweiten Hälfte ebenso Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. stark darunter. Die Feuchtigkeit der Luft entsprach dem lang- jährigen Durchschnitt, die Himmelsbedeckung war etwas zu groß. In der ersten Monatswoche gingen starke Regengüsse nieder, in- folge deren die Monatssumme der Niederschläge den normalen Wert um mehr als das Doppelte überstieg. Februar. Die Schwankungen des Luftdrucks, der sich zumeist über dem März. April. Mai. Durehschnittswerte bewegte, waren weit geringer als im Vormonat. Die Temperaturen waren vorwiegend unter dem normalen Werte, besonders die erste Woche blieb fast an jedem Tage um 10° und mehr darunter. Die Feuchtigkeit der Luft und die Himmels- bedeckung waren annähernd normal. Niederschläge, die fast aus- schließlich aus Schnee bestanden, waren zwar sehr häufig; sie fielen aber stets nur in geringen Mengen, sodaß ihre Summe nur etwa die Hälfte des Mittelwertes ergab. Eine zusammenhängende Schneedecke konnte sich während des ganzen Monats halten, er- reichte aber im Maximum nur 7 cm Höhe. Die Schwankungen des Luftdrucks waren wieder sehr zahlreich und wiederholt auch sehr beträchtlich; im Mittel blieb er unter dem langjährigen Werte. Auch die Temperaturen blieben meist darunter, sodaß der Mittelwert sich um 2 /, Grad zu niedrig stellte. Die Feuchtigkeit der Luft war annähernd normal, dagegen die Himmelsbedeckung zu groß. Niederschläge, die ganz überwiegend aus Schnee bestanden, waren sehr häufig und fielen auch oft in beträchtlichen Mengen, sodaß ihre Summe den Durchschnittswert um die Hälfte überstieg. Etwa während des halben Monats konnte sich eine zusammenhängende Schneedecke halten, die aber immer nur wenige Zentimeter Höhe aufwies. Der Luftdruck war nur im letzten Drittel des Monats über normal, sonst darunter und war auch wieder sehr starken Schwankungen unterworfen. Auch die Temperatur hielt sich mit Ausnahme weniger Tage unter dem Durchschnittswerte. Die Feuchtigkeit der Luft war etwas zu gering, die Himmelsbedeckung dagegen bedeutend zu groß. Niederschläge waren zahlreich, fielen aber mit Aus- nahme von drei Tagen immer nur in geringen Mengen; an diesen drei Tagen allerdings so reichlich, am 6., 7. und 16., daß ihre Summe den normalen Wert um fast das Dreifache überstieg. Besonders erwähnenswert ist der Schneefall vom 7., der fast un- unterbrochen den ganzen Tag anhielt und uns eine Schneedecke von 13 cm Höhe brachte, die höchste des ganzen Winters. Der Luftdruck bewegte sich in beständigen, aber meist nur mäßigen Schwankungen vorherrschend über dem Durchschnittswerte. Auch die Temperatur war meist darüber; Nachtfröste fehlten ganz, aber auch Sommertage (Maximum 25° und darüber) stellten sich erst Juni. dulı. [Dit II. Abteilung. Naturwissenschaftliche Sektion. am Schlusse des Monats ganz vereinzelt ein. Die Feuchtigkeit der Luft war normal, die Himmelsbedeckung zu gering. Regenfälle waren nur selten und traten stets nur in geringen Mengen auf, sodaß ihre Summe noch nicht die Hälfte des Mittelwertes erreichte. Am 30. wurde das erste Gewitter des Jahres notiert. Der Luftdruck war nur an wenigen Tagen unter Normal, sonst aber meist bedeutend darüber, sodaß sich der Mittelwert um mehr als 3 mm zu hoch stellte. Ähnlich wie der Luftdruck bewegte sich auch die Temperatur fast ausschließlich über dem langjährigen Durchschnittswerte (nur 2 Tage blieben darunter). Die Feuchtigkeit der Luft war zu gering, ganz beträchtlich zu gering war auch die Himmelsbedeckung und infolgedessen erreichte die Sonnenschein- dauer einen Wert, der den normalen um mehr als 50 Prozent überstieg. Regenfälle waren nur selten und traten auch immer nur in geringen Mengen auf, sodaß ihre Summe noch nicht den sechsten Teil des Mittelwertes ergab. Von elektrischen Erscheinungen wurden notiert 3 Ferngewitter. Wie schon in den Vormonaten war auch im Juli der Luftdruck meist zu hoch, doch kamen auch recht beträchtliche Schwankungen vor. Ebensolche Schwankungen zeigte auch die Temperatur; in der zweiten und in der dritten Monatswoche wurden recht kühle Tage beobachtet, während in den letzten Tagen des Monats sehr heiße Tage notiert wurden. Die Feuchtigkeit der Luft und auch die Himmelsbedeckung waren nahezu normal. Regenfälle waren zwar nicht häufig, traten aber oft in recht ergiebigen Mengen auf, sodaß ihre Summe dem Mittelwert entsprach. Von elektrischen Erscheinungen wurden beobachtet 7 Gewitter und einmal Wetter- leuchten. August. Im Gegensatz zu den Vormonaten blieb der Luftdruck meist unter dem Durchschnittswerte, und die Schwankungen waren im Allgemeinen recht unbedeutend. Die Hitze, die in den letzten Tagen des Juli einsetzte, hielt nur noch wenige Tage an, dann bewegte sich die Temperatur im Durchschnitt ziemlich normal. Die Feuchtigkeit der Luft und auch die Himmelsbedeckung ent- sprachen dem Mittelwerte. Niederschläge waren selten und fielen auch mit Ausnahme von 3 Tagen stets in nur geringen Mengen, sodaß der langjährige Durchschnitt nicht erreicht wurde. Von elektrischen Erscheinungen wurden 2 Gewitter und 2 mal Wetter- leuchten notiert. September. Der Luftdruck bewegte sich in meist nnr geringen 1917. Schwankungen vorwiegend über dem Mittelwerte. Die Temperatur war in den beiden ersten Wochen meist unter Normal; die zweite Hälfte des Monats brachte uns aber recht warmes Wetter, wobei 2 | Mn lau un u en 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. noch 6 Sommertage (Max. der Temperatur 25° oder darüber) beobachtet wurden, sodaß das Monatsmittel sich um 2 Grad zu hoch stellte. Die Feuchtigkeit der Luft und auch besonders die- Himmelsbedeckung war zu gering. Regenfälle waren selten und traten immer nur in sehr geringen Mengen auf, sodaß ihre Summe nur etwa den fünften Teil des Durchschnittswertes erreichte. Elektrische Erscheinungen wurden nicht mehr beobachtet. Oktober. Der Luftdruck war sehr häufigen und wiederholt auch sehr starken Schwankungen unterworfen. Die Temperatur war in den ersten fünf Tagen beinahe sommerlich, dann kam ein plötzlicher Temperatursturz, der fast eine Woche anhielt; die zweite Hälfte des Monats war dann wieder meist übernormal. Die Feuchtigkeit der Luft entsprach nahezu dem Mittelwerte, die Himmelsbedeekung war zu groß. Regenfälle waren zwar nicht häufig, traten aber wiederholt in beträchtlichen Mengen auf, sodaß ihre Summe den Durchschnittswert um fast die Hälfte überstieg. November. Ähnlich wie im Vormonat waren auch im November die Schwankungen des Luftdrucks sehr häufig und wiederholt auch: sehr beträchtlich, Die Temperatur war nur an wenigen Tagen unter Normal, sonst aber stets darüber, sodaß das Monatsmittel sich um fast 21), Grad zu hoch stellte; am 17. wurde der erste Frosttag des Winters notiert. Die Feuchtigkeit der Luft war zu. groß, ganz bedeutend zu groß auch wieder die Himmelsbedeckung.. Niederschläge, die infolge der meist hohen Temperaturen noch ausschließlich aus Regen bestanden, waren häufig; ihre Summe überstieg den Mittelwert um den vierten Teil. Dezember. Auch in diesem Monat waren die Schwankungen des Luft-- drucks wieder sehr zahlreich und auch wieder sehr beträchtlich. Die Temperatur zeigte keine extremen Werte; in der ersten Hälfte des Monats war sie meist über dem Durchschnitt, in der zweiten vorwiegend darunter. Die Feuchtigkeit der Luft war nahezu normal, die Himmelsbedeckung wiederum zu groß. Nieder- schläge, die zum weitaus größten Teil aus Schnee bestanden, waren zwar häufig, fielen aber meist in nur unbeträchtlichen Mengen, sodaß ihre Summe den normalen Wert nicht ganz er- reichte. Eine zusammenhängende Schneedecke bildete sich vom 4. bis zum 7., am 12. und 13. und vom 24. bis Ende des Monats... en sehlesische Gesellschaft für vaterländisehe Cultur. Ya Te 95. II. Abteilung. Jahresbericht. Naturwissenschaften. 1917. | b. Zoologisch-botanische Sektion Sc Re 9 Sitzungen der zoologisch-botanischen Sektion im Jahre 1917. l. Sitzung am 18. Januar. Herr Professor Spribille teilte mit Einiges über die Brombeeren des Breslauer Gebietes. Er gab an, daß sich die Zahl der Formen, die 1904 daraus bekannt waren, auf 25 belaufe und daß seitdem 52 weitere Formen hinzugekommen seien, so daß gegenwärtig 57 Formen aus dem Breslauer Gebiete bekannt seien. Von den 32 hinzugekommenen habe Prof. Schube bereits 18 in den „Ergebnissen der Durchforschung‘‘ mitgeteilt, nämlich Rubus nitidus, thyrsoideus Sbsp. acutiserratus, Sbsp. incisiserratus und Sbsp. subsimpli- cidentatus, R. silesiacus, rhombifolius var. pyramidiformis, R. pyramidalis,, posnaniensis, siemianicensis, Bellardii, hercynicus, hirtus var. fallaciosus, var. heidewilxensis, R. Guentheri, ambifarius, nemorosus var. eluxatus, R. ciliatus, zwei derselben R. serrulatiformis und R. linguiformis, seien in Sudres Monographia Ruborum Europae berücksichtigt worden, indem die erstere S.260 als R. splendidiflorus Sudre angesprochen, die letztere S.120 als Varietät linguiformis zu R. teretiusculus Kaltb. gestellt worden sei. Diese letztere habe Sudre auch in seiner Batotheca europaea unter No. 430 ausgegeben und die erstere unter No. 766 ausgeben wollen. Ob letzteres geschehen sei, habe nicht festgestellt werden können. Der Vortragende sei indes mit der Auf- fassung dieser beiden Formen von seiten Sudres nicht einverstanden und werde sich später mit diesem darüber auseinandersetzen. Hierauf folgten. Bemerkungen über zwei schon bekannte Formen. Er hält die früher als R. vulgaris W. N. var. rhamnifolioides jetzt für R. vulgaris W. N. Sbsp. R. Selmeri Lindeb. und bemerkt über R. varüfolius, daß er öfter verkannt worden sei; so fänden wir ıhn aus dem Trebnitzer Buchenwalde als R. Schleicherü, als R. serpens und als R. varüfolius verzeichnet, obwohl unter diesen drei Bezeichnungen eine und dieselbe Form zu verstehen sei. Zuletzt gibt S. die Beschreibungen der übrigen 12 neuen Formen, nämlich des Kubus longistamineus, ostroviensifrons, Koehleri var. obscurus, zedlicensis, serpens var. hirtiformis (gegebenenfalls hirtus var. abundiflorus), orthacanthifrons, oreogeton var. subpolycarpiformis, Baenitzioides, riembergensis, subrotundifolius, parvispinus und subdebilispinus. 1917. 1 I Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Da hier der Raum für diese Beschreibungen fehle, so würden Exem- plare dieser Formen mit autographischen lateinischen Diagnosen im Her- barium silesiacum oder im Herbarium des Königl. Botan. Museums nieder- gelegt, und die Diagnosen, sobald es möglich sei, auch irgendwo gedruckt werden. Hierauf beriehtete Herr Mittelschullehrer Stolz über Die Vogelwelt Polens und ihre Beziehungen zu dessen westlichen Nachbarländern, Der Vortragende betonte, eine wie reiche und lohnende Arbeit noch zu leisten wäre, hat doch seit dem Tode Taczanowskis, des bedeutendsten ihrer Vertreter, die ornithologische Erforschung Polens bis in die aller- neueste Zeit hinein völlig geruht. Es wurde, um eine einheitliche Darstellung zu ermöglichen, mit dem Gebiete des Königreichs Polen das anschließende Galizien zusammen be- sprochen und dieses größere Gebiet mit den östlichen preußischen Pro- vinzen verglichen. Redner ging zunächst auf die schon länger und ver- hältnismäßig am besten bekannten südlichen Gebirgsränder, die Sudeten und Karpathen ein, und zeigte, daß beide eine Anzahl bemerkenswerter Vogel- formen gemeinsam haben. Der besonderen Eigenart jedes der Gebirgs- systeme entsprechend besitzt jedes auch wieder eine besonders auszeichnende, ihm eigentümliche Form. Der Vortragende hob hervor, daß sowohl Polen wie auch Ostdeutschland Kulturland und dem menschlichen Einflusse dauernd und stark unter- worfen sei. In beiden Gebieten treten demnach die sogenannten Kultur- folger in Menge und weiter Verbreitung auf. Der Grad der Beeinflussung der Natur ist aber infolge des ver- schiedenen Kulturzustandes ein deutlich unterschiedener und in diesem Sinne zeigt Polen vielfach noch ursprünglicheres und reicheres Vogelleben als Ostdeutschland. Der Redner führt das näher aus durch Besprechung einiger bemerkenswerter Züge im Landschaftsbilde unseres östlichen Nach- barlandes, die uns Verhältnisse veranschaulichen, wie sie bei uns etwa in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts geherrscht haben mögen. Man trifft sehr häufig, durch die Einwirkungen des Krieges noch ver- mehrt, ausgedehnte Ödländereien, den bevorzugten Aufenthalt des Steinschmätzers (Saxicola oenanthe). Gerade an dieser Art ist besonders deutlich nachweisbar, warum sie hier häufig, bei uns so selten vorkommt. Sind die eben behandelten Örtlichkeiten noch mit einer Pflanzendecke versehen, so gibt es auch andere Gebiete ohne jeden Pflanzenwuchs, richtige Sandwüsten. Besonders reichlich bilden sie sich an den Flüssen, die, vollkommen unreguliert, in ihrem viel zu breiten Bette große Sandmassen ablagern. Es entwickeln sich hier Bilder, wie sie bei uns nur der Meeres- strand noch zu zeigen vermag. Häufig sind noch Flußregenpfeifer (Ohara- II. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. 3 drius dubius) und die in ihren Bewegungen so überaus anziehenden See- schwalben (Sterna hirundo und minuta). Es ist überhaupt für das ganze Gebiet der häufige Wechsel zwischen trocknem und sumpfigem Boden sehr bezeichnend. Darin erinnert es an den westlichsten Teil Sclılesiens, die Oberlausitz, die ja früber au eine sehr eigenartige Vogelwelt besaß. Bei der auf weiten Strecken ‘geringen Ergiebigkeit der polnischen Erde ist aber zu befürchten, daß schon bei geringer Steigerung der Bewirtschaftung die jetzt noch reiche Vogelwelt Polens rasch verarmen wird. Wenig gepflegt sind vielfach die Wälder, und sie sind darum besonders von Spechten noch überaus reichlich besetzt. Auffallend treten die Raubvögel zurück. Der Vortragende legt zur näheren Erläuterung mancher Ausführungen eine größere Zahl von Vogelbälgen vor und erörtert an ihnen solche Vogel- formen, die zu einer Abänderung ihrer Färbung und Zeichnung neigen, sowie die hieran zu unterscheidenden Unterarten. Wir sind in dieser Richtung noch nicht einmal in Deutschland mit der Bewältigung der vor- liegenden Fragen fertig geworden, hier in Polen ist natürlich noch weit mehr zu bewältigen. Die Lösung solcher Aufgaben hat aber auch für uns, die Nachbarn, hohen Wert, da wir dadurch auch im Verständnis unserer eignen Vogelwelt wesentliche Förderung gewinnen. 2. Sitzung am 15. Februar. Herr Direktor Dr. Grosser und Herr Dr. Oberstein berichteten über Krankheiten und Schädigungen landwirtschaftlicher Kulturpflanzen in Schlesien im Jahre 1916. Der Vortrag wurde inzwischen gedruckt im „Bericht über die Tätig- keit der agrikultur-botanischen Versuchs- und Samenkontrollstation der Landwirtschaftskammer für die Provinz Schlesien während der Zeit vom 1. April 1916 bis 31. März 1917“, Breslau 1917, S. 3—8. 3. Sitzung am 1. März. Herr Dr. Kräusel sprach über Die Tertiärflora Schlesiens. Trotz der Arbeiten Göpperts schien es wünschenswert, die schle- sische Tertiärflora einer Neubearbeitung zu unterziehen, da manche seiner Ergebnisse veraltet waren, was indessen an dem großen dauernden Wert seiner Arbeiten nichts ändert. Danach ist die schlesische Tertiärflora, namentlich von Schosnitz, wenngleich sich viele der Göppertschen Arten nicht aufrecht erhalten ließen, noch immer sehr mannigfaltig. Im allge- meinen stimmen die Floren aller Fundorte gut überein, nur in den Ab- 4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. lagerungen von Striese finden sich Reste mit unzweifelhaft tropischen An- klängen (Amesoneuron Noeggerathiae Göpp. u. a.). Wir müssen sie daher dem oberen Oligocän zuweisen. Die übrigen tertiären Ablagerungen werden allgemein als zum mittleren Miocän gehörend angesehen, womit die Flora in Einklang steht. Ein beschränktes Braunkohlenvorkommen bei Neudorf (bei Oppeln) muß nach den palaeozoologischen Untersuchungen Wegeners dem obersten Miocän zugerechnet werden. Die hier gefundenen Pflanzen- reste kommen für eine Altersbestimmung indessen nicht in Frage. In allen Braunkohlenlagern überwiegen die Koniferen; am häufigsten sind Hölzer, die im Bau völlig mit Taxodium distichum (L.) Rich. und Sequoia sempervirens (Lamb.) Endl. übereinstimmen. Letztere haben den Hauptanteil an der Braunkohlenbildung. Die Gattung Pinus ist für Schlesien in Formen der 3 Sektionen Pinaster, Taeda und Strobus nachgewiesen, andere Reste gehören zu Libocedrus, Glyptostrobus, Juniperus, Larix, Picea (?), Pseudotsuga (?) und Podocarpus. Hin und wieder finden sich auch Laubhölzer, die aber für eine sichere Bestimmung zu schlecht er- halten sind. An allen übrigen Fundorten überwiegen Laubreste. Von Kryptogamen kennen wir nur Salvinia und einen Woodwardia nahestehenden Farn. Im ganzen zeigt die miocäne Flora nur geringe Übereinstimmung mit den heute in Schlesien lebenden Pflanzen, viel größer sind Anklänge an die Vegetation ferner liegender Gebiete. Am stärksten sind diese Beziehungen zur eurasiatischen sowie zur Flora des Mittelmeergebiets und des atlantischen Nordamerikas, weniger zahlreich aber dennoch deutlich sind Anklänge an die Flora Vorderasiens, Ostasiens und des pazifischen Nordamerikas. Am schwächsten sind schließlich Beziehungen zu tropischen Formen. Als die verbreitetsten Laubbäume können Birken, Hainbuchen, Eichen, Weiden und Pappeln angesehen werden. Die Zusammensetzung der Flora rechtfertigt die Ansicht, daß das Klima der Miocänzeit gemäßigt, aber feuchter und milder als heute gewesen ist. Neben Typen, die ein solches Klima verlangen, finden sich auch andere härtere Arten. Das be- deutet aber keinen wirklichen Widerspruch. In Übereinstimmung mit Frech können wir uns das Schlesien des mittleren Miocäns als ein Ge- birgsland vorstellen, dessen Höhenunterschiede nach kurz vorher erfolgter Hebung viel größer waren als heute. So konnten in den Talseen Pflanzen verschiedener Höhenstufen zusammengeschwemmt werden. Ulmen, Hain- buchen, Erlen und Birken stammen aus den kühleren Gebirgsregionen und wurden in die wärmeren Niederungen herabgeflößt, in denen die Sumpfeypresse, sSequoia, Magnolien, Kastanien, Weinreben, Liquidambar und Parrotia gediehen. Von all den Anklängen an entfernte Gebiete zeigt die gegenwärtige Flora Schlesiens nichts mehr. Fast das ganze Gebiet war im Diluvium vom nordischen Inlandeise bedeckt, wodurch die tertiäre Flora vernichtet IL. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. 5 wurde. Nach dem Rückgange der Gletscher erfolgte eine Einwanderung ganz neuer Typen. Sodann sprach Herr E. Schalow Über die Planzendecke und Besiedlungsgeschichte des mittelsten Schlesiens. 4. Sitzung am 15. November. Herr Rektor Kern lieferte Beiträge zur Moosflora der Bayrischen Alpen. Die Bayrischen Alpen sind wohl derjenige Teil des gesamten Alpen- gebietes, der am genauesten erforscht ist. Schon seit der ersten Zeit der Bryologie waren hier berühmte und sehr eifrige Botaniker tätig, wie z.B. Sendtner, Lorentz, später Molendo und viele andere. Und an sie schließt sich eine lange Reihe von Bryologen bis in die neueste Zeit, in der besonders Dr. Paul und Loeske ihre Forschungen betrieben und deren Resultate veröffentlicht haben. Daraus geht hervor, daß es sehr schwierig ist, in den Bayrischen Alpen noch etwas Neues oder sonst wissenschaftlich Interessantes zu finden. Durch den Krieg verhindert, andere Teile der Alpen zu besuchen, habe ich in den letzten beiden Sommern einige Wochen hindurch einzelne Teile dieser Alpenkette durch- forscht, und erlaube mir hiermit eine Aufzählung der bemerkenswerteren Funde zu geben. Lebermoose. Clevea hyalına. — Untersberg: In mit Schnee gefüllten Felslöchern auf dem Berchtesgadner Hochtron bei 1960 m; hier fing die Pflanze Mitte Juli erst an, ihre Fruchtstände zu entwickeln. — Wettersteinwand, 1850 m. — Meilerhütte an der Dreitorspitze, bei 2360 m. — Kratzer im Algäu bei 2000 m. — Benediktenwand mit schönen Früchten, 1500 m. — Nach meinen Beobachtungen ist Clevea hyalina in der Felsregion der Bayrischen Alpen allgemein verbreitet, wächst aber nur auf Humus im Grunde der Felsspalten. Fimbriaria pilosa. — Untersberg: Mit voriger in einer zwergigen Hoch- gebirgsform. — Nach freundlicher Mitteilung des Herrn Dr. Paul in München bisher nur am Schneibstein durch Quelle gefunden. F. Lindenbergiana.. — Felsen oberhalb des Grünen Sees am Steinernen Meer bei 1470 m. — An manchen Standorten findet man auf der Unterseite des Laubes kuglige, gestielte Ölkörper; besonders ausgeprägt war dies bei Exemplaren vom Wolayer See in den Karnischen Alpen. Aneura incurvata. — Hochfelln: Schwarzachen bei der Maximilianhütte, e. 700 m. Metzgeria fruticulosa (Dicks). Vergl. Müllers Lebermoosflora II pg. 727). — Walchensee: ziemlich spärlich auf einem alten Ahorn am Wege 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. nach Klais, ec. 850 m. — Wahrscheinlich neu für Bayern. Die- Blaufärbung des Laubes zeigt sich schon nach kurzer Lagerung im Herbar; Spuren davon kann man schon an der lebenden Pflanze sehen. Marsupella Funckii. — Während: sonst die Marsupellen streng den Kalk meiden, findet sich diese häufige Art in schwarzen, schwammigen und ausgedehnten Rasen in der alpinen Region auf dicken Humusschichten besonders am Rappensee und in der Nähe der Kemptener Hütte. Haplozia atrovirens. — Rotwand: In einer Felsspalte unterhalb des Hauses, ec. Kü90-m: — var. sphaerocarpoidea Sf. — Algäu: Gipfel des Hochgrats, auf Erde, c. 1850 m. Sphenolobus politus. — Steinernes Meer: Felsen oberhalb des Kärlinger Hauses, 1700 m. — Algäu: Zwischen Firnfeldern am Rappensee, 2100 m. — Watzmanngipfel, 2400 m. Lophozia Hatcheri. — Watzmann: An den Felsen des Falzköpfls, 1930 m. L. Kunzeana. — Alpspitze bei Partenkirchen, oberhalb der Hochalm, c. 1900 m. L. guttulata. — Algäu: Auf faulem Holze bei Einödsbach. L. grandiretis. — Steinernes Meer: Felsen oberhalb des Funtensee, zwischen L. heterocolpos, c. 1700 m (teste ©. Müller). Die hier gefundene Form ist sehr dicht beblättert, ganz im Gegensatz zu der Abbildung in Müllers Lebermoosflora, I pag. 706, und erinnert deswegen an Fos- sombronia. Neu für Bayern. L. ineisa. — Schlucht des Förchenbaches bei Brannenburg in einer Übergangsform zur Var. inermis. Nur die obern Blätter sind viel- zähnig, die untern sind einfach zweispaltig und nicht gekräuselt. L. Hornschuchiana. — Zugspitze: Höllentalklamm, 1050 m. — Algäu: In einem feuchten Walde bei Einödsbach. L. heterocolpos. — Steinernes Meer: Felsen oberhalb des Funtensees, ec. 1700 m. Blätter mit sehr vielen Gemmen. Bisher nur von der Reiteralpe bekannt. Harpanthus seutatus. — Zugspitze: Reintal, c. 1050 m. Cephalozia pleniceps. — Algäu: Zwischen Firnfeldern am Rappensee, c. 2100 m. — Lattengebirge: Alpgartental, 800 m. Odontoschisma Macouni. — Steinernes Meer: Felshänge oberhalb des. Funtensees bei 1700 m. — Es bildete hier aber keine zusammen- hängenden Räschen, wie ich es vor 2 Jahren in den Loferer Stein- bergen gefunden habe (vergl. Müllers Lebermoosflora, II pag. 795), sondern kroch nur in einzelnen Stengeln über andre Moose, zeichnete sich aber auch hier durch ihre außerordentlich schachbrettartig ver-- diekten Zellen aus. — Neu für Deutschland. II. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. 7 . "Calypogeia Neesiana. — Untersberg: Berchtesgadner Hochtron. — Berchies- gaden: Scharitzkehlalp. — Zugspitze: Reintal. — Diese Art erscheint mir durch ihre großen, runden Unterblätter so gut charakterisiert, daß ich unmöglich Warnstorff folgen kann (Bryol. Zeitung I pg. 101), ‚sie als eine Varietät von C. Trichomanis anzusehen. Gewiß, es mag Übergänge geben, doch ist dies bei den andern Calypogeiaformen erst recht der Fall. ‚Scapania curta var. geniculuta. — Zugspitze: Auf Erde am Aufstiege zum Königshause am Schachen. .S. helvetica. — Algäu: Zwischen Firnfeldern am Rappensee; 2100 m. S. cuspiduligera (Bartlingii). — Algäu: Gipfel des Hochgrates, 1830 m. — Alpspitze bei Partenkirchen, oberhalb der Hochalm, c. 1900 m. - Radula Lindbergiana. — Gipfel der Benediktenwand, 1800 m. Frullania fragilifolia.e — Hochfelln: Schwarzachen bei der Maximilians- hütte. :Cololejeunia calcarea. — Lattengebirge: Alpgartental, 800 m. Laubmoose. Hymenostomum tortile var. subalpinum (Jahresbericht der Schles. Gesellsch. 1915, bot. Sekt. pg. 26). — Algäu: Gipfel des Hochgrates bei 1830 m. — Der ursprüngliche Varietätsname mußte geändert werden, da es schon eine var. alpinum Schpr. gibt, die aber mit meiner, Pflanze nichts zu tun hat. Weisia crispata. — Partenkirchen: St. Antonsanlagen, auf Erde. "W. Rudolphiana Hornsch. — 'Untersberg: In den Schneelöchern des Berch- tesgadner Hochtrons, 1950 m. — Limpricht führt diese Pflanze (Limprichts Laubmoosflora, III pg. 645) als Varietät alpina von W. cris- pata an, die Pflanze dürfte aber doch Artrecht beanspruchen. W. Wimmeriana. — Algäu: Zwischen Firnfeldern am Rappensee. W. muralis Jur. — Lattengebirge: Alpgartental bei 550 m. ‚Dicranella Grevilleana. — Zwischen Geröll am Watzmanngipfel bei 2400 m. ‚Seligeria Doniana. — Berchtesgaden: Kalter Keller am Hohen Göll. S. pusilla. — Gipfelfelsen der Rotwand bei 13880 m. Einer der höchsten Standorte. S. tristicha. — Lattengebirge: Kiause. — Untersberg: Almbachklamm. — Wendelstein: Schlucht des Förchenbaches. — Hochfelln: Schwarz- achen. — Diese Art ist die eigentliche Seligeria der Klammen; die dünne, braune Humusschicht, womit die dunklen, feuchten Klamm- wände in der Regel überzogen sind, wird meist aus den vermodernden Räschen dieser Art gebildet. Barbula Kneuckeri. — Von dieser Art, welche von Kneucker und Loeske auf dem Nebelhorn entdeckt wurde, gelang es mir, noch einen zweiten Standort aus meinem Herbar ausfindig zu machen. Gesammelt am 3 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 14. 7. 99 in der Rosengartengruppe der Dolomiten, auf Blöcken ar der Punta del Masare, c. 2000 m. Desmatodon systylius. — Wendelstein: C. fr. in Felsritzen am neuen Gipfelwege, 1830 m. Zygodon viridissimus. — Untersberg: Auf einem Ahorn in der Almbach- klamm. Encalypta commutata. — Algäu: Abhang des Kratzers, 1970 m. — Gipfel des Hochgrat, 1330 m. — Zwischen Firnfeldern am Rappensee, 2100 m. — Die alpinen Encalyptaarten, außer E. commutata, scheinen in den Bayrischen Alpen recht selten zu sein. Dissodon Fröhlichianus. — Mit Sphenolobus politus auf dem Watzmann- gipfel, 2400 m. — Dreitorspitze unterhalb der Meilerhütte, c. 2370 m. Tayloria serrata. — Sehr üppig, mit Sporogonen auf dem Falzköpfl, un- mittelbar hinter dem Watzmannhause, 1930 m. — In großer Menge im Höllentale an der Zugspitze. Tetraplodon mnioides. — Auf Mäuseknochen oberhalb des Funtensees, 1700 m. Splachnum sphaericum. — Alpspitz: Auf alten Kuhfladen eberhalb der Hoch- alm, 1900 m. Bryum archangelicum. — Spärlich auf Humus am Funtensee, bei 1670 m; Rappensee, bei 1900 m. Die Art fällt gleich beim Sammeln durch ihre zwergige Gestalt auf; sie bildet nie zusammenhängende Rasen, sondern nur wie das habituell ähnliche B. subrotundum kleine Gruppen. Bei der mikroskopischen Untersuchung bemerkt man, daß die Lamellen des nach dem Typus Hemisynapsium gebauten Peristoms nicht immer ausgeprägte Halbkreise bilden, bei vielen Peristomzähnen sind sie ziemlich flach, bei andern unterscheiden sie sich überhaupt nicht von Eucladodium, so daß also alle Übergänge zu B. Holmgreni vorhanden sind, welche Art allerdings jetzt auch als Form von B. archangelicum angesehen wird. — Neu für Deutschland. Mnium hymenophylloides. — Felsen oberhalb des Funtensees bei 1700 m. — Zweiter Standort für Deutschland. Nach briefl. Mitteilungen des Herrn Loeske ist diese zierliche Art bereits von Herrn Dr. Paul auf dem Torrener Joch gefunden worden. Cinclidium stygium. — Auf dem kleinen Plateau vor dem Watzmannhause bei 1950 m. — Ein merkwürdiges Vorkommen dieses typischen Sumpfmooses; die begleitenden Moose — Polytr. strietum, Hypn. rugosum, Timmia bavarica — deuten durchaus nicht auf Sumpf hin. Dieser schon vor langer Zeit von Lorentz entdeckte Standort ist ein Beweis dafür, daß manche Pflanze trotz ungünstiger Umstände viele Jahrzehnte an ihrem Standort festhält. Philonotis alpicola. — Steinernes Meer: Felsen oberhalb des Funtensees. — Algäu: Zwischen Firnfeldern am Rappensee. II. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. g Timmia: norvegica. — Dreitorspitze, gleich unterhalb der Meilerhütte; 2370 m. T. austriaca. — Algäu: Gipfel des Hochgrates, 1830 m. — Zwischen Firn- feldern am Rappensee, 2100 m. Neckera pumila var. Philippeana. — Kesselbachfall bei Kochel, an Baum-- stämmen. Orthothecium chryseum. — Watzmanngipfel, bei 2400 m. — Dreitorspitze, bei 2370 m. Camptothecium lutescens var. fallax. —- Arzbachschlucht an der Benedikten-. wand, c. 900 m, Brachythecium campestre. — Schliersee: Auf Baumstümpfen am Übergang- nach Tegernsee. — Auf Waldboden im Ostergraben. Eurhynchium striatulum. —- Hochgern: Kalkfelsen am Abstiege nach Mar-- quartstein, c. 1200 m. | Eurhynchium cirrosum var. Funckii. — Alpspitz, oberhalb der Hochalm,. bei 1900 m. — Watzmann: In außerordentlich üppigen, schwellenden Polstern auf den Felsen hinter dem Watzmannhause, leider auch hier völlig steril. Die allgemeine Verbreitung dieser Pflanze in den höheren Kalkalpen ist um so merkwürdiger, da, wenigstens meines Wissens,. noch niemals Brutkörper gefunden worden sind. Hier ist der Ge- danke, daß Vögel bei der Verbreitung beteiligt sind, nicht von der Hand zu weisen; nach meinen langjährigen Beobachtungen müßte die gelbschnäblige Alpendohle (Pyrrhocorax alpinus) in Frage kommen, daß sie an Schnabel oder Füßen gelegentlich Stengelchen dieser Pflanze mitnimmt. Plagiothecium Ruthei var. rupincola. — Baumstümpfe im Alpachtale bei Tegernsee, c. 1000 m. — Sowohl bei dieser Pflanze als auch bei andern Plagiothecien aus der Sylvaticumgruppe, die in den höheren Gebirgen wachsen, pflegen die Blätter in außerordentlich breiten,. weitzelligen Ohren am Stengel herabzulaufen, eine Tatsache, die in den meisten Diagnosen wenig berührt wird. Amblystegium subtile var. tenuissimum. — Kesselbachfall bei Kochel, c. 850 m. A. curvicaule. — Falzköpfl am Watzmann. — Dreitorspitze bei 2400 m. Hypnum commutatum. — Riesenformen, in ungeheuren Rasen dieser Pflanze fand ich in Schneewasserteichen von 1—2° Wärme am Rappensee. Die Pflanzen hatten ganz den Habitus von H. filicinum (Stengel un- verzweigt). Herr Loeske fand aber noch Papillen an den Blättern, so- daß hier noch ein Übergang zu decipiens vorliegt. — Ökologisch merk- würdig ist es, daß manche Moose in solch kaltem Wasser von O bis 2°C. solche Riesenformen bilden. So fand ich in den Ötztaler Alpen bei 2800 m in der Nähe der Höllerhütte in einer Felsspalte, völlig durchflossen von Wasser von 2° C. Wärme eine Form von Plagio-- 1917. 2 10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. thecium sylvaticum (die Varietas Donii), die wegen ihrer Größe — die robusten Stengel bis 7 cm lang — gar nicht an diese Art er- innert, sondern wie eine Neckera aussah. H. procerrimum. — Dreitorspitze, bei der Meilerhütte, 2400 m. H. fertile. — Sehr spärlich in der Schlucht des Förchenbaches bei Brannenburg. H. Bambergeri. — Felsen oberhalb des Funtensees, c. 2000 m. H. Lorentzianum. — Von dieser, in neuerer Zeit fast verschollenen Art, gelang es mir, einen neuen Standort aufzufinden, und zwar in der Schlucht des Förchenbaches bei Branneuburg in der Nähe des Wendel- steins. Die Pflanze wuchs hier in einem ziemlich großen Rasen an den Wänden eines seichten Hohlweges. Herr Dr. Kräusel sprach über Einige Nachträge zur tertiären Flora Schlesiens. Bei der weiter fortgeführten Untersuchung der im schlesischen Tertiär gefundenen Pflanzenreste wurden in erster Linie die aus der Braun- kohle stammenden Samen und Früchte berücksichtigt. Auch war es möglich, von manchen Blättern Cuticularpräparate zu erhalten und so u.a. die Konidien Blätter bewohnender Pilze nachzuweisen. Macrosporium sp. Nadeln von Sequoia Langsdorfii waren von einem dichten Hyphengeflecht überzogen, dessen mauerförmig geteilte Konidien ‚den Fungus imperfectus zu den Dematiaceae-Dictyosporae stellen. Der Pilz sieht manchen Arten von Macrosporium Fries sehr ähnlich. Helicoma sp. Schneckenförmige längs- und quergeteilte Konidien eines zu Helicoma Sacc. gehörenden Pilzes auf Nadeln von Sequoia Langsdorfii Brk. Grünberg. Woodwardites sp. Zu Woodwardia gehörende Farnreste, die aber nicht, wie Göppert meinte, W. radicans Sm., sondern mit der nordamerikanischen Art W. virginica (L.) Sm. zu vergleichen sind. Miocän, Hennersdorf. Taxus sp. Die 16 bis 20 mm langen Koniferennadeln erinnern in der Form an Taxaceen und stimmen im Bau der Epidermis völlig mit Taxus überein. Miocän, Kokoschütz. Torreya sp. Lederschalige Früchte von der Form und Größe eines Pflaumenkernes, die denen von Torreya californica am nächsten stehen. Dem entspricht der. anatomische Befund, der keinerlei Unterschiede er- kennen läßt. Obermiocän, Neudorf b. Oppeln. Pinus lignitum Ung. Der Kiefernzapfen stimmt völlig mit dem von Unger abgebildeten Original überein. Unger vergleicht die fossile Form mit P. Taeda L., doch ist auch P. ponderosa Laws. ähnlich gebaut. Brk. Lichtenau. Die allgemeine Verbreitung der Gattung wird weiter durch II. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. 11 geflügelte Samen von Kokoschütz und pollenhaltige Blüten von Schosnitz belegt. Libocedrus salicornioides Göpp. Aus Kokoschütz stammende Schuppen wurden anatomisch untersucht. Auch im innern Bau glichen sie L. chilensis Endl. in allen Einzelheiten, so daß kein Zweifel an der Bestimmung mehr möglich ist. Monocotyledoneae. Monokotyledonenreste fehlen so gut wie ganz. Nur von Oppeln liegt ein nicht näher bestimmbarer Blattrest vor. Myrica sp. Göpperts auf Blätter gegründete Arten sind ganz zweifelhaft. Dagegen kann sein Amentum Myricae wie die eine hierhin gestellte Frucht (Schosnitz, Taf. XIV, Fig. 22 und 23) sehr wohl hierher gehören, während die zweite „Frucht‘‘“ in Wirklichkeit ein Blütenstand ist, wie der noch reichlich vorhandene Pollenstaub lehrt. Pterocarya castaneifolia (Göpp.) Schlecht. Die Existenz der Gattung wird durch zwei wohlerhaltene geflügelte Früchte aus Schosnitz sicher- gestellt. Juglans acuminata Göpp. Zu den schon früher bekannt gewordenen Blattresten treten schön erhaltene, mehr oder weniger glattwandige Wall- nüsse, die den Früchten der lebenden J. regia L. nahe stehen. Brk. Niesky, Weigersdorf. Miocän, Schönau b. Brieg. Juglans tephrodes Ung. Die Samen erinnern durch die tiefgefurchte Oberfläche und die spitzovale Gestalt an .J. cinerea L. Brk. Moys b, Görlitz, Zarkau b. Glogau. Carya sp. Die von Sacrau, Moys und Weigersdorf vorliegenden Samen stehen Carya sehr nahe, stimmen aber mit keiner lebenden Art vollständig überein. Carpinus und Betulus. Nicht alle von Göppert zu diesen Gattungen gestellten Samen- und Blütenreste sind richtig bestimmt. Ein Kätzchen (Schosnitz, Taf. XXI, Fig. 12) gehört, wie der Pollen lehrt, zu Pinus. Alnus. Zapfenreste aus der Grünberger Braunkohle gleichen den als A. Kefersteinii Ung. beschriebenen Resten. Die vermeintliche Myricafrucht ist, wie der Bau der Pollenkörner erkennen läßt, wahrscheinlich das Kätz- chen einer kleinblütigen Erle. Miocän, Schosnitz. Ulmus. Wie die Blätter lassen sich auch die zahlreichen Ulmenfrüchte von Schosnitz zwei Formenkreisen zuweisen. Brasenia Victoria (Casp.) Weberb. Miocän, Schönau. Weberbauer hat die Beziehung dieser von Caspary zunächst als Holopleura Victoria beschriebenen Nymphaeaceensamen zu Brasenia eingehend begründet. Magnolia sp. Unter den in der Braunkohle von Poppelwitz, Weigers- dorf und Naumburg sowie im oberen Miocän von Neudorf häufigen Mag- noliensamen kann man drei Typen unterscheiden, die M. grandiflora L., M. Kobus D.C. und M. tripetala L. entsprechen. 1917. 3 12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Liguidambar europaeum A. Br. Früchte liegen von Schosnitz und Groß Pogul vor. Crataegus oxyacanthoides Göpp. Bisher nur von Schosnitz nachge- wiesen, liegt die ©. oxyacantha L. entsprechende Form nunmehr auch von Kokoschütz vor. Zu Crataegus gehören vielleicht auch einige Naumburger Samen. Potentilla sp. Kleine von Naumburg stammende abgerundete tetraeder- förmige und stark zugespitzte Samen. Rubus sp. Nicht näher bestimmbare Samen einer zur Idaeus-Gruppe gehörenden Rubusart. Brk. Naumburg. Acer sp. Ein nicht vollständig erhaltenes Ahornblatt gleicht Arten der Sektion Platanoidea Pax, die damit als vierter Formenkreis inı schle- sischen Tertiär nachgewiesen ist. Trapa silesiaca Göpp. Früchte der tertiären Wassernuß liegen vor aus Schosnitz, Groß Pogul, Kokoschütz und Neudorf. Cornus sp. Die wohlerhaltenen Samen gleichen den von Reid mit C. controversa Hensl. verglichenen Resten. Auch C. alternifolia L. käme für den Vergleich in Frage. Nyssa rugosa Weber. Steinkerne von Nyssa gehören zu den in vielen Braunkohlenlagern zahlreichsten Resten. Sie stimmen völlig mit N. multı- flora Wangenh. überein. Brk. Poppelwitz, Naumburg, Ullersdorf, Weigers- dorf, Kreidelwitz, Grünberg. Vitis sp. Den Blättern von V. teutonica A. Br. treten schön erhaltene Samen zur Seite, die außer mit YV. cordifolia Michx. auch mit anderen nord- amerikanischen Arten verglichen werden können. Zahlreiche Samen mußten noch unbestimmt bleiben. Zu ihnen gehört Symplocos gregaria A. Br. und Gardenia Wetzleri Heer, deren Stellung trotz mehrfacher Deutungsversuche zweifelhaft bleibt. Mit den genannten Gattungen haben sie wohl bestimmt nichts zu tun. Wenngleich also immer noch einige Punkte ungeklärt bleiben, ergänzen die vorliegenden Untersuchungen, über die an anderer Stelle ausführlich berichtet werden wird, unsere Kenntnisse in verschiedenen Punkten. Durch sie werden manche bisher zweifelhafte Formen sichergestellt und auch den schon bekannten einige neue Pflanzen hinzugefügt. Besonders sei darauf hingewiesen, daß die Bestimmung der Samen und Fruchtreste in vielen Fällen eine Bestätigung der Blattuntersuchungen bildet. Bezüglich der Beziehung zu lebenden Pflanzen ergaben sich keine neuen Gesichtspunkte. Herr Geheimrat Prof. Dr. Pax demonstrierte einen prähistorischen Fund des Hollunders vom Breiten Berge bei Striegau. II. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. 13 5. Sıtzung am 13. Dezember. Herr Professor Dr. Th. Schube sprach, unter Vorlegung der Beleg- stücke über: Ergebnisse der Durchforschung der schlesischen Gefässpflanzenwelt im Jahre 1917. Die Drucklegung muß leider verschoben werden, gleichwie diejenige der Ergebnisse der phaenologischen Beobachtungen im Jahre 1917. Herr Professor Dr. Th. Schube gab ferner: Nachträge zum Waldbuch von Schlesien. Trotz der Ungunst der Zeitverhältnisse war das abgelaufene Jahr meinen dendrologischen Studienfahrten günstiger als irgend eines der vor- ‚angegangenen. Reichlich 5000 km konnte ich mittels des Fahrrades und weit über 1000 km auf Fußwanderungen erledigen: sie brachten, wie aus dem folgenden ersichtlich, eine große Menge neuer Beobachtungen ein und ermöglichten eine Vermehrung meiner Glasbildersammlung um nahezu 250 Nummern !),. Zu Vorträgen, wie ich deren in den letzten Jahren vor dem Krieg in so vielen Städten Schlesiens mit jeweils passender Auswahl zur Förderung der Heimatkunde und des Heimatschutzes gehalten, konnte ich diese naturgemäß bisher nur wenig verwerten; hoffentlich bringt mir bald ein deutscher Frieden hinlänglich Gelegenheit zu ausgiebigerer Tätig- keit auf diesem Gebiete. Mehrere Umstände trugen zum Gelingen bei. Einmal lagen infolge der Mitbenutzung unserer Lehranstalt durch ein Lyzeum meine Dienst- stunden so günstig, daß ich trotz schwerer Belastung (Unterricht, wie schon in den Vorjahren, in elf gut besetzten Klassen!) hinlänglich Zeit zu den Ausflügen auch außerhalb der Ferien erübrigen konnte; andererseits traf ich es, abgesehen von einigen unangenehmen Überraschungen (u. a. durch unvorhergesehene Schneestürme, am bösesten am Karfreitage!), mit dem Wetter ungewöhnlich glücklich. Alles das hätte mir aber, bei der den Städtern so bedrängnisvollen Wirtschaftslage, wenig genützt, wenn sich nicht die schlesische Gastfreundlichkeit mir gegenüber in ganz her- vorragender Weise bewährt hätte: überall zeigte man mir wohlwollendes Entgegenkommen. In der Hoffnung, keine Unterlassungssünden zu be- gehen, danke ich auch hier dafür herzlichst denlerren (zutreffendenfalles selbstverständlich auch den gütigen Gattinnen und den liebenswürdigen Töchtern!) von Aulock (Radau), Bernard (Lauterbach), Bessel (Praus- nitz, Kr. Militsch), Brodersen (Ujest), Brösicke (Niefe), Brunsmeyer (Prausnitz, Kr. Jauer), Buchs (Frankenstein), Graf Carmer (Zieserwitz), 1) Mehrfach wurden auch ältere Aufnahmen durch bessere neue ersetzt, außerdem fanden zahlreiche Nachmessungen statt, 3* 14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Castner (Wartha), Dowerg (Neuvorwerk, Kr. Wohlau), Drott (Canth), Enders (Kreuzburg), Finger (Beschine), Fuß (Schön-Ellgut), Göbel (Heinrichswalde), Grimke (Mochau), Günther (Herrnstadt), Habermann (Wehrau), Hadelt (Lorzendorf, Kr. Namslau), Heimann (D.-Krawarn), Hencinski (Lubetzko), Henker (Tinz), Hoffmann (Goldberg), Jonas (Fürstenau, Kr. Neumarkt), R. Karger (Drosclıkau, Kr.Namslau), W.Karger (Kunzendorf, Kr. Habelschwerdt), Kirstein (Schweidnitz), Klopfer (Prim- kenau), Kranceioch (Woischnik), Kubitz (Sterzendorf), von Küster (Hohenliebental), von Kunowski (Rybnik), Lange (Rokittnitz), Lehmann (Striegau), von Lösch (Kammerswaldau),, von Mossner {Ulbersdorf), Nossol (Pawonkau), Pauli (Schreibersdorf), Pflug (Waldenburg), Proske (Ullersdorf), Graf Pückler (Ob.-Weistritz), Rakete (Rotwasser), Riedel (Kuchelna), von Ruffer (Rudzinitz), Scheller (Kammendorf), Schramm (Reichtal), Schubert (Gr.-Ellgut), Schwarz (Obernigk), Seeliger (Viehau), Graf. von Seherr-Toss (Dobrau), Freiherr von Seherr-Toss (bLor- zendorf, Kr. Ohlau), Sternberg (Wallisfurt),, Urban (Sodow), Weber (Gurkau),, Wetschky (Gnadenfeld), Woite (Kreike), Graf Yorek von Wartenburg (Kl.-Oels), sowie Frau Anders (Eichberg, Kr. Bunzlau), Kauffmann (Tannhausen), von Klitzing (Schierokau), Nonne (Groß- Heidau), von Ruffer (Kokoschütz), Schube (Kurzwitz), Schulz (Buschen), Seibert (Gr.-Strehlitz), Stapelfeld (Sachwitz), nebst Fräulein L. Müller (Ohlau). Auch darf ich nicht den Dank an Herrn Mechaniker Pusch- mann vergessen, der die zahlreichen Verwundungen (Schuhzwecken!) und Erkrankungen (Lendenlahmheit und wiederholter Leistenbruch!) meines Stahlrosses stets so schnell als möglich ausgeheilt hat. S.9. Breslau. Die *Pappel beim Regierungsgebäude hat jetzt 5,75 m, die *Bergrüster ım Botan. Garten 4,53 m Umfang. S. 10. Grüneiche. Auf dem Grundstücke 24 (schrägüber der kath. Schule), 2 *Weiden von je fast 4m U., am Grunde etwas untereinander verschmolzen; die eine ist mit einem Efeu besetzt, dessen Stamm bald über dem Boden sich in mehrere Äste von 30—35 cm U. auflöst und dessen dichtes Laubwerk bis zu etwa 15 m Höhe reicht. Kreike. Am Westrande des Gehölzstreifens westlich vom Gutshofe mehrere große Rüstern (die * stärkste von reichlich 4m U.); an dem Gange durch diesen Streifen, etwas südlich von dem Brückchen über den östlichen Graben, eine *Verwachsung von 2 Rüstern, von denen die eine nach Abgabe eines starken Astes an die andere ihren Gipfeltrieb ver- loren hat. Klein-Masselwitz. Bei der Fähre eine breitkronige *Eiche von 9,25 m Umfang. S.13. Sadewitz. An dem Damm am Westrande des Waldes ein prächtiger * Vogelkirschbaum (U. reichlich 2m, H. über 15 m); am Süd- II. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. 15 rande dieses Dammweges eine *Vereinigung zweier Kiefern durch einen Querast (in 2m H., „Galgenkiefer‘‘). Thauer. An dem Graben, der sich von der Übergangstelle der Strehlener Bahn über die Heerstraße ostwärts hinzieht, etwa 150 m von dieser, eine schöne *Eiche von fast 4'/, m Umfang. S. 15. Camenz. Nahe der Südostecke des Parkes, unweit einiger schöner Silberpappeln, ein — leider anscheinend absterbender — *Maul- beerbaum von reichlich 3 m Umfang. Giersdorf. Westlich vom Nordeingang in den Langen Grund, an dem bald hinter der letzten Scheune ansteigenden Höhenwege nach Nd.-Eichau, eine *Armleuchterfichte von 2,30 m Umfang. Heinrichswalde. Nahe der Spitze des Gicklichberges, an seinem Steilabfalle gegen H., eine eigentümliche *Buche: anscheinend durch Schneedruck niedergebogen, hat sich der Stamm senkrecht beastet, später wieder schief aufwärts gehoben. Am westlichen Abfalle dieses Berges eine über 30 m hohe, ungewöhnlich kurzästige * Tanne, S. 16. Biebersdorf. Südlich vom Forsthaus (etwa 200 m entfernt) ein ausgedehnter Horst alter Wachholder, einige davon bäumchenartig (H. bis 3 m); zwischen ihnen die *,Müller-Buche‘ (U. 4,08 m), wohl die stärkste der Grafschaft Glatz. S. 18. Hollenau. Kaum 100 m westl. vom Bahnwärterhaus 683 (an der Übergangstelle des östlichen Weges nach Steinwitz) liegt auf sumpfigem Wiesenboden ein Block roten Granits mit fast quadratischer Oberfläche von ?/; qm; der Inhalt dürfte etwa !/, cbm betragen: auf diesem vorgeschobenen Posten recht beachtenswert. S. 21. Stolzenau. Im Walde mehrfach schöne Fichten und Tannen (bis zu reichlich 21, m U.), die schönste der letzteren (U. 2,50 m) im J. 32, unmittelbar am Westrande, 30 m oberhalb seiner Südecke. Ullersdorf. An der Überschar, am obersten Fahrwege auf der Süd- seite, einige prächtige Lärchen (U. bis 2,50 m). Wallisfurt. Im Parke eine sehr ansehnliche Roßkastanienallee, beiderseits von alten, eigentümlich gewachsenen Linden eingefaßt, ferner zahlreiche stattliche * Juniperus virginiana, im südlichen Teil eine herrliche *Silberpappel von 4 m U. und Weimutskiefern mit einem U. bis zu 3,14 m, Am Werderhofe große Linden und eine *Silberweide von 25 m H. und 4,80 m Umfang. S. 34. Sayne. In der Fasanerie stattliche Eichen; die stärkste (U. 5%, m) unmittelbar beim Wildwärterhause. S,38. Butschkau. Nahe der Südwestecke von KRlein-B. eine * Linde von 5!/, m U.; an der Nordwestecke von Groß-B. ein granitischer *Find- lingstein von etwa 5 cbm Inhalt, der Rest eines bis vor einigen Jahren reichlich doppelt so großen Blockes. | 16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Creuzendorf. An der Heerstraße nach Proschau, bei Stein 3,4 (wohl Grenzbaum), eine sehr alte, kurzschäftige, drehwüchsige *Kiefer von 3,72 m Umfang. Kaulwitz. Nahe der Kaulw. Mühle ansehnliche Eichen, die *stärkste, unweit der Heerstraße, hat 5,25 m U,; übrigens gehören auch die im Be- richte für 1913 von Belmsdorf genannten ebenfalls zu Kaulwitz. Niefe. Im J.130, ungefähr in halber Entfernung zwischen dem Wege nach Kl.-Waltersdorf und dem Südrande des Waldes, führt ostwärts ein schmaler Fahrweg; von diesem etwa 40 m südl. stehen 2 Fichten, die nach gegenseitiger Umwindung im oberen Teil zu einem Stamme ver- schmolzen sind. S. 39. Sterzendorf. Im Parke, am Ostrand, eigentümlich in die Mauer eingewachsen, eine *Eiche von reichlich 5 m U., am Boden etwa doppelt so stark, mit einem Ebereschenbäumchen als Überpflanze. Beim Pavillon eine eigentümliche *Silberahorngruppe, mit Verwachsungen der vielleicht als Stockausschläge eines älteren Baumes entstandenen Stämme, dort auch eine Weimutskiefer von 3,10 m U.; nahe dein Nordwestrande, von der Heerstraße aus sichtbar, eine *Gruppe hoher Wacholder (bis zu 7!1/, m H.). Windisch-Marchwitz. Die im Waldbuch angegebenen Buchen und Eichen sind fast sämtlich geschlagen; von letzteren steht noch eine (U.4,10 m) am Grenzweg im J. 119, eine *andere, fast ebenso starke, jetzt freigestellt, im J. 121, nahe dem Gestell gegen J. 120. Dort auch, eigentümlich in einandergeklemmt, je eine starke *Buche und Fichte. Im J. 156, an der Südseite des Querwegs im südlichsten Teile des J., eine zweibeinige Eiche; J. 137, wenig nördl. vom Gestell DD, eine ansehnliche *Harfentanne. Ellgut. Auf dem Kirchhofe, ziemlich in seiner Mitte, eine baum- artige *Purpurweide mit einem Stammumfange von 0,75 m. S. 40. Jürtsch. Auf der Wiese rechts der Weistritz, gegenüber dem Schloß, eine *Erle von 3,32 Umfang. Lobetinz. Am Westrande des Heideberges eine prächtige *Kiefer von 31), m Umfang. Nimkau. An der Straße, gegenüber dem Gehöfte Nr. 75, etwa 60 m nördlich von der Kirche, eine alte Linde, in deren hohlem Stamme, der vor dem teilweisen Zerfall des Mantels 5 m U. gehabt hat, sich eine starke Luftwurzel zur Erde herabgesenkt hat. Gr.-Peterwitz. Die *Platane beim Warmhause hat jetzt 4,60 m, die *Kaisereiche 5,90 m U., die große Silberweide ist jetzt leider vom Sturm arg mitgenommen. Zwischen jener Platane und der 4-teiligen Fichte eine *Kiefer mit hochschäftigem Stamme von 2,75 m Umfang. S. 43. Schreibersdorf. Der granitische *Findlingblock (vgl. 1914) liegt am Südrande des Sees, der bei Tiefstande herausragende Teil beträgt il. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. 1% etwa 2 cbm. Westl. von ihm sind auf dem Seeboden einige erheblich größere Blöcke festgestellt worden. Am Nordrande des Sees, dem erst- genannten Steine schrägüner, die *,,Prozeßeiche“ (U. fast 5 m). Stephansdorf. Bei dem zugehörigen Eichvorwerk mehrere statt-. liche Eichen (die auf dem Meßtischblatte hervorgehobene gehört nicht zu den größten!), *eine dicht beim Gasthause stehende (U. 4,30 m) fällt durch ihren gewaltigen Wurzelanlauf auf; die stärkste (U. 4,85 m) steht in ihrer Nähe. S. 46. Langenhof. Beim Stein 0,9 der Heerstraße nach Prietzen eine hohe Silberweide von 3!/, m Umfang. S. 47. Ulbersdorf. Mit „Wunderbuche“ ist ein *Baum von reichlich 3m U. gemeint, der etwas im Gehölz in der Nähe der großen Buchen am Gimmeler Grenzwege steht. Unter den Weiden am Teiche fällt *eine auf, deren umgesunkener Stamm durch dem Boden eingetriebene Äste ge- stützt wird. S.48. Hennersdorf. Am Wege nach Tempelfeld, bei einer kleinen Kapelle, eine weithin sichtbare, breitkronige Winterlinde von nahezu 4, m Umfang. Jauer. An der Nordostecke des Pfarrgartens eine prächtige * Linde von 4,65 m U., sie trägt als Überpflanzen einen kleinen Holunder und ein. auffällig stark strauchartiges Bittersüß. Lorzendorf. Die *Fichte, jetzt wohl die schönste der mittelschlesischen Ebene, hat 3,92 m U. erreicht. Unter den übrigen Bäumen des Parkes fällt besonders eine starke * Weimutskiefer mit armleuchterartigem Geäst auf. Kl.-Oels. An der Heerstraße, nahe dem Stein 3,7, eine Eiche von fast 5m U.; unter den Eschen zeichnet sich durch außergewöhnlich volle und regelmäßige Krone *eine nahe dem Nordwestrande desjenigen Teils des Naturparkes aus, der bei den Fischteichen gelegen ist: ihr U. beträgt, gleichwie derjenige der *stärksten im Hauptteile des Parkes, 5,40 m. Die größte *Eiche hat jetzt einen U. von 7,72 m. S.49. Ohlau. Auf dem Grundstück Anger Nr. 2 ein herrlicher: *Kornelkirschhaum von 2,03 m Stammumfang; in der parkartigen Um- randung zahlreiche große Pappeln und Weiden; *eine der letzteren, un- mittelbar an der Ohle, hat 4 m U., obgleich ein Stück des Stammes herausgebrochen ist: sie muß vorher gegen 4'/), m U. gehabt haben. Wüstebriese. Auf dem Kirchhofe mehrere alte Maulbeerbäume von 23), —3'/), m U., der *stärkste an der Südmauer. S. 50. Peiskersdorf. Die *Eibe (U. 1,04 m) steht neben dem Hofior des miitien im Dorfe gelegenen Gasthauses (Bes. Biller). En S. 54. Rotkirschdorf. Hierhin gehört augenscheinlich die im‘ Wald- buch (unter Vorbehalt, weil damals noch nicht von mir besichtigt!) bei 18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Schweidnitz vom Fuchswinkel angegebene Eiche (U. jetzt 5,25 m, gegen den Boden hin auf fast 8 m anschwellend); am besten erreichbar ist sie auf dem von der Heerstraße bei Stein 3,9 abgehenden Wege. S.56. Gurkau. Der Stamm des * Weichselkirschbaums (vergl. Jahrg. 1914) ist gesprungen, er muß vorher gegen 2'/, m U. gehabt haben: jetzt hat der stärkere Teil 2,05 m Umfang. S.57. Wilhelminental. Halbwegs gegen die Fähre (nach Schmögerle), nahe dem — leider sehr verfallenen — Fußwege mehrere baumartige Wacholder (H. bis fast 6 m). S.68. Wüstegiersdorf. Die *größte der Buchen hat jetzt 3,95 m Umfang. Im Parke der Kauffmannschen Besitzung zahlreiche stattliche Bäume, u. a. eine *Esche von 3,10 m U. und (nahe der Straße) Berg- rüstern, darunter ein Zwieselbaum von 3,70 m Umfang. S.73. Leipnitz. Am Wege nach Seifersdorf, vor dem Eintritt in den Wald, eine Reihe alter Robinien, darunter mehrere von reichlich 4 m (die stärkste 4,530 m) Umfang. Leubus. Verfolgt man von dem östl. vom Gestüt aus nach Maltsch führenden Weg aus sogleich hinter dem Brückchen den dem Gestüte gegen- über auf den Wald zu sich -abzweigenden Fußweg über die Wiese etwa 50 m weit in den Wald hinein, so kommt man zu einer Linde von 6,15 m U. (,Schilderhauslinde“): im hohlen Innern hat eine Adventiv- wurzel sich zu einem kräftigen neuen Stamm umgebildet. Mönchmotschelnitz. Von den Buchen haben mehrere durch Stürme, die „Schöne Buche“ (Abb. S. 72) auch durch den Feuerschwamm arg gelitten, der sie mit zahlreichen ungewöhnlich großen ‚„Fruchtkörpern“ _ besetzt hat. S. 74. Praukau. Nördlich von dem gepflasterten Holzwege, der kurz vor dem großen Damme von der Maltscher Heerstraße gegen Leubus abgeht, an der Nordostecke vom J. 136, eine * Weide von 4,15 m Umfang. Schlaupp. Hart an der Grenze des Gutswaldes gegen den Gemeinde- wald, etwa 250 m nordwestlich vom Wege Winzig-Mönchmotschelnitz, ein *Block roten Granits, mit fast 2 m Höhe und je 3 m Länge und Breite herausragend. S.75. Alt-Wohlau. Unweit der Heerstraße (bei Stein 2,6) ein prächtiger *Feldbirnbaum von 3,20 m Umfang. S. 76. Kessel. Die im Waldbuch — unter Vorbehalt — ange- gebene “Birke (U. fast 2 m) heißt die „‚Friedensbirke‘; in ihrer Nähe eine sehr regelmäßig gewachsene Fichte. Lauterbach. Südlich vor dem Schlosse 2 Linden mit weit aus- ladender Krone; die *eine, eine Sommerlinde, hat 4,80, die *andere, eine Winterl., hat 5!/, m U., auch östl. vom Schlosse steht eine schöne II. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. 19 Winterlinde. Am Steige östlich des Langen Berges gegen das Forsthaus eine Buche von 2,85 m Umfang. Rohnstock. Im Walde gegen die Buschmühle bei Wederau zahl- reiche große Eichen, u. a. auf der 1. Waldwiese und an dem nahen buschigen Damm einige von reichlich 5 m Umfang. S.78. Klitschdorf. Am Wege zwischen Forsthaus Zumm und Mittelkiefrighaus einige sehr regelmäßig entwickelte Trauerfichten, *eine davon hat reichlich 2, m U.; östl. vom Forsthause ganz besonders zahl- reiche mächtige Kiefern, darunter dicht am Wege zwei von 2,40 und 3,70 m Umfang. Die große *Wintereiche bei Pechofen, die stärkste Schlesiens, hat jetzt 5,03 m Umfang. S.81. Luisental. Am Westende des Ortes einige stattliche Wacholder (bis zu5 m H.). Prinzdorf. Dort, wo von dem einzelnen Hause westlich vom Buch- berg (mit der riesigen *Buche, vergl. 1915!) der Weg gegen Schöndorf den Wald erreicht, steht eine *Kiefer mit armleuchterartigem Geäst (U. 23, m). Schönfeld. An der Straße nordwestl. vom Gutshof in Ob.-Schönf. eine *Birke mit prächtiger Krone (U. 2,22 m). | Thomaswaldau. Am Wege nach Schönfeld eine große Anzahl prächtiger Wacholder, die schönsten (H. bis 9 m, U. des *stärksten fast 1 m!) in der Nähe der Bahnunterführung. S.85. Melaune. Am Dammwege zwischen dem Burgberge und Schloß Döbschütz eine *zweibeinige Eiche. (Ihre photographische Aufnahme verdanke ich Herrn cand, theol. Kulke.) S. 86. Kaiserswaldau. Auf dem Feld östl. vom Gutshof Ober-K., etwa 1 km davon entfernt (auch auf der Generalstabskarte angedeutet) eine *Hainbuche von 31/, m U., mit herrlicher Krone, wohl die schönste Schlesiens; leider wird der Gesamteindruck dadurch beeinträchtigt, daß um den Stammgrund zahlreiche Feldsteine aufgeschütlet sind. Panthenau. Unter den Platanen (vgl. 1907) sind besonders *zwei von 4m U. südl. vom Schlosse zu erwähnen; die stärkste *Eiche (U. 5,15), ein Zwieselbaum, steht am Ostende des ostwärts vom Südrande des Schlosses wegführenden Weges. Steinsdorf. Am Grenzraine gegen Böchelsdorf eine Anzahl ansehn- licher Wacholder (H. bis zu 5 m). S. 90, Erdmannsdorf. Die *Königseiche (U. 5,85 m) steht am „Königswege‘‘ (gegen Fischbach), reichlich 1 km östl. der Bahn. S.96. Heinersdorf. In dem zum Grundstück Nr. 20 gehörigen Gehölz, an den Kroppener Park angrenzend (etwa 550 m südöstlich vom Schloß) eine alte, vom Grund an armleuchterartig verästelte *Kiefer, auch auffällig durch ihr weithin oberflächlich verlaufendes ‚Wurzelwerk, 30 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. Baritsch. Gegenüber dem Gasthause führt ein Brückenstein über den Mühlgraben; eine Kopfweide zu dessen Rechten jenseits des Wasserlaufs trägt als Überpflanzen eine kleine Birke und einen Johannisbeerstrauch mit einem Stämmchen von fast 5 cm U.: bei der letzten Köpfung übermäßig zurückgeschnitten, haben sie sich trotzdem leidlich gehalten, so daß weitere Zunahme wahrscheinlich ist. Haasel. Im ‚„Kalkgraben‘‘ etwa 550 m aufwärts kommt man zu einer prächtigen Urle von fast 3m U.; nahe dem Nordrande des Waldes südl. von Vorwerk Berghof einige ansehnliche Wintereichen, darunter die- „Wolfseiche‘‘ (U. 3,75 m). Eine schwächere, aber *prächtig bekronte steht in dem nördlich vom Vorwerk gelegenen Wald, ein wenig östlich von dem nordöstlich ven B. entspringenden Quellbache. Hennersdorf. Nahe dem oberen Ende des parallel zur Doristraße verlaufenden Fußsteigs eine Linde von fast 5m U., nicht sonderlich schön gewachsen. S. 97. Mönchswald. Der schwere Sturm im Januar 1912 hat die oberen Teile (vgl. Jahrg. 1910) sehr mitgenommen, in den unteren da- gegen klaffen nur wenige Lücken: es sind dort namentlich hochschäftige Kiefern und Lärchen vorhanden. 5.98. Pombsen. Beim Pfarrhofe 2 sehr schöne Linden von reichlich 4 m Umfang. S.106. Kunitz. Der granitische *Findlingstein auf der Möveninsel ragt mit etwa 1'/, cbm aus dem Erdreiche heraus. Rüstern. Am nördlichen Grenzzaune des Pfarrhofs eine * Goldweide von reichlich 3 m U. und etwa 20 m Höhe. S.118, Hermannswaldau. Eine *Winterlinde von fat 5m U, (in Brusthöhe, darüber erheblich stärker), vielleicht ursprünglich ein Drillingbaum, steht an der Heerstraße bei Stein 31,1; in der Nähe auch andere ansehnliche Linden. Jannowitz. Gegenüber der großen Bergrüster (vergl. 1915), auf der östlichen Seite der Heerstraße, eine *Urle von 3", m U.; auch im Innern des Parkes schöne Urlen, an der Ostecke des Verwaltungsgebäudes ein Ahornbaum von 51/, m Umfang. Kammerswaldau. Die *,Schöne Buche‘ steht am Westende des über die Wasserleitung hinführenden Promenadenweges. Die *Grenzbuche gegen Tiefhartmannsdorf hat jetzt 4,44 m Umfang. S.121. Tiefhartmannsdorfi. Um die Erbbegräbnisstätte schöne Laubbäume, u. a. Eschen, Eichen und besonders Buchen, von diesen hat die stärkste, leider hart angegriffiene 3,70 m Umfang, Primkenau. An der Blockalle, beim Eingange zum Wildparke eine schöne *Trauerfichte, dicht bei ihr die ‚Schlanke Jule‘, eine weit hinauf astreine Kiefer. Il. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. 31 S.122. Weissig. An der Straße, zumal in der Nähe der Kirche, zahlreiche Linden, darunter mehrere von 4—4!, m U.; eine zwischen den Steinen 6,5 und 6,4 hat eine Adventivwurzel im hohlen Stamme getrieben, die sich in einen neuen Stamm (U. fast 1 m) umgewandelt hat. $. 125. Rokittnitz. Bei den malerisch gelegenen Teichen am Ost- ende des Dorfes mehrere starke Eichen und Weiden, einige noch stärkere auf der gegenüberliegenden (Nord-) Seite der Heerstraße; die *stärkste Eiche hat 4°, m, die stärkste Weide 3'/, m Umfang. Borislawitz. Das verfallende *Mausoleum östl. vom Orte (vergl. Partsch, Schlesien, II, 167) bietet ein interessantes Beispiel der Über- wältigung von Menschenwerken durch die Natur: der auf dem Dach auf- gehäufte Lößstaub hat das Aufkommen recht stattlicher Lärchen, Buchen u. a- ermöglicht. Gr.-Ellgut. Auf einem Gehöft (Bes. Fuchs) ein merkwürdiger *Birnbaum: der Stamm, vor reichlich 40 Jahren fast völlig umgesunken, doch durch Böcke gestützt, hat zahlreiche nebenstammartige Äste ge- trieben, Am Wege von Kol. Gr.-E. nach Lenschütz, halbwegs gegen das Waldwärterhaus, eine *Weide von 3,63 m Umfang. Gnadenfeld. In den ‚Erlen‘ prächtige Eschen; die "stärkste hat einen hohen Schaft von 3,40 m U., mehrere andere sind nur wenig schwächer. Auch nennenswerte Silberpappeln (bis zu 4m Umfang) und Buchen: von letzteren hat *eine am Nordausgange 3,45 m Umfang. Jakobswalde. Die von hier angegebenen Eichen sind (gleichwie die bei Althammer genannten) geschlagen. An dem Platze schrägüber der Kirche ansehnliche Linden (bis zu 4), m U.). Lenschütz. Starke Weiden, die meisten freilich nicht gerade schön gewachsen, nur diejenige bei dem Brücklein am Wege zum Gutshofe (U. 4,25 m) hat eine volle Krone. Neudorf-Lenartowitz. Östl. vom Heerstraßenstein 8,0 dicht bei- einander (am Grunde schon verwachsen!) 2 *Eichen von 5 und 41, m Umfang. Slawentzitz. An der Heerstraße zwischen Bahnhof und Dorf, beim Stein 1,4, ein granitischer Findlingblock von 1', cbm; die größte * Pappel am Klodnitzkanal (vgl. 1913) hat jetzt 6,90 m Umfang. S. 126. Falkenberg. Die *Silberlinde hat jetzt 5,50 m, die Rüster nördl. vom Schlosse 4,35 m U.; an der Westseite des Schlosses ein Weiß- dornbaum von 1,90 m Umfang. S. 129. Quarghammer. Ganz nahe dem 1. Quergestelle des Weges von Qu. nach Neudorf eine *Eiche von 5m U.; am 2. Quergestell ein beachtenswerter Horst etwa 170jähriger Kiefern, Fichten und Tannen. 8.130. Piela. Auf den Wiesen beim Hüttenwerk schöne *Eichen (bis zu 5m U.). 32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Plawniowitz, Im J. 13, nahe dem Wege gegen Laszkarzowka die (auf dem Meßtischblatt eingetragenen) *,,Drillinge‘“‘, 3 Kiefern von etwa 30 m H., unten in einen Stamm von 4,20 m U. verschmolzen; an der Straße vom Forsthause nach Rudzinitz die *,‚Schiefe Kiefer‘, deren — sonst völlig gerade gewachsener — Stamm (U. 2", m) stark übergeneigt ist, aber durch kräftiges Wurzelwerk genügend gehalten wird. S.131. Laurahütte Der — unter Vorbehalt angegebene — *Ahornbaum (H. 10 m, U. 1,65 m) gedeiht noch immer sehr gut; der eher malige Steinbruch, in den er abgerutscht ist, liegt, kurz vor der Grenze gegen Polen, an der Nordseite der Heerstraße nördl. von Vorwerk Bienhof. Bankau. Nahe dem Bahnhofgebäude eine Pappel von 5 m Umfang. Kreuzburg. Der Hauptgang im Schützenhausgarten ist von Hain- buchen und Rüstern eingefaßt; zu letzteren gehören die beiden „Tor- bäume‘‘, deren Verschmelzung übrigens ohne wesentlichen Eingriff von Menschenhand erfolgt zu sein scheint. S. 132. Casimir. Beim Schloß, am Mühlgraben, mehrere Pappeln von 5—5!/, mU.; im Park und in der Fasanerie zahlreiche starke Eichen, eine der schönsten die am Hauptwege des Parkes — etwa in der Mitte — stehende *Kaisereiche (U. 5'/,;, m): noch stärker (U. 6,10 m) ist die nahe dem Nordende befindliche * Musikeiche, so benannt nach früher dort ab- gehaltenen Konzerten, doch ist sie ein Zwieselbaum und schon etwas ab- ständig. Dombrowitze (zu Schemrowitz gehörig). Die *,,Krumme Kiefer‘ (ganz nahe der Kreuzung der Wege Schemrowitiz-Chobie und Zembowitz- Thursi, etwa 150 m südwestl. vom Bahnwärterhause) ist neuerdings leider stark eingetrocknet, Ludwigstal. Am ehemaligen Teichdamme, nördl. vom Stein 18,5 der Heerstraße nach Zielonna, einige große Eichen (die * stärkste mit 4,60 m U.), weiterhin an der Straße einige Lärchen von etwa 30 m H,, der Überrest der einst sehr ansehnlichen „Sieben Lärchen‘“. Ollschin. Die Gräberstätte (vgl. Jahrg. 1911) liegt einige 100 m nordwestl. von der Oilschiner Kirche, umgeben von zahlreichen, z. T. zu v. pendula gehörigen Wacholdern; der *Findlingstein faßt etwa 3 cbm. In OÖ. sind mehrere Birken mit Mistel besetzt. Pawonkau. Ausgedehnter Naturpark, aus dessen Baumschätzen wenigstens eine hochschäftige *Linde (U. reichlich 4 m) nahe dem Süd- rande und eine prächtige * Tanne (U. 2!/, m) östl. von ihr erwähnt seien. Ponoschau. Bei der verfallenen Mühle starke Weiden (bis zu 3", m U.), bei der Kapelle eine ungewöhnlich schöne Birke von 2,70 m Umfang. U. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. 23 S. 1355. Rendzin. Beim Poguntkebrunnen einige stattliche Buchen, bis zu fast 3 m U.; nicht weit davon, von Fichten eng umstellt, die „Königskiefer‘“ (U. 2,65 m, H. fast 35 m), mit säulenartigem, fast ast_ reinem Stamme; im J. 66, nahe dem Forstmeisterweg, eine *Eiche von 4,92 m Umfang. Rzendowitz. Am Ostrande von J. 96 ein schöner Mischbestand, in dem besonders einige Lärchen (U. fast 2!/, m) auffallen. Schwarzwald. Bei der Südwestecke des Schlosses eine Doppel- fichte von 32 m H. und reichlich 2 m U., die beiden Stämme sind in der unteren Hälfte mehrfach mit einander verschmolzen, nachdem sie wieder- holt durch Auswärtsdrehung einander ausgewichen sind, Sodow. Der *Schillstein ist jetzt mit einer großen gegossenen Bildnisplakette versehen worden. Eine *Linde auf dem Nachbargrundstück, das von Herrn Pfarrer Urban zur Erhaltung des Baumes angekauft worden ist, hat bei nahezu 30 m H. einen U. von fast 4 m. An der Heerstraße, bei Stein 5,1, eine Birke mit einer Maser von °/), m H. und Breite. Auf dem Ackergelände von Vorwerk Waldhof, etwa 150m nordwestl. von der Bahn nach Herby, ein großer Findlingblock, der ausgegraben und als Denkstein verwendet werden soll. Woischnik. Bei der Valentinkirche eine * Winterlinde von 42, m Umfang. Zıielonna. An der Kaiserallee nach Woischnik, um den Forstort „Zweibrücken‘‘, ein schöner Mischbestand, u. a. unweit der 1. Brücke (von Z. her) eıne hochschäftige Kiefer von reichlich 3 m Umfang. S. 137. Dobrau. Die Eichen an der Ostrogora sind größtenteils Wintereichen, * eine davon hat 3,30 m U.; von der Kiefer im J. 26 — ziemlich nahe dem Hauptwege — mußten 2 Äste entfernt werden, doch sind gerade die stärksten noch vorhanden. Im J. 57, wenig nördl. von dem Gestell, 2 *Fichten, die am Grunde und von 3 m H. an völlig unterein- ander verschmolzen sind; J. 46, etwa 30 m vom Gestell 45/46, eine *Kiefer von 2,738 m mit reichlich 20 m hinauf astreinem Stamme. Die Weiden auf der Sedanwiese sind größtenteils geschlagen und damit die ansehnlichen Überbäume verloren gegangen; die *Bruchweide (U. reich- lich A m) am Westende steht noch. Im Park auf der großen Wiese hinter dem Schloß eine *Weimutskiefer von 31/), m U., neben der großen Kiefer bei der Gruft ein *Spindelbaum von 5 m H. und ?, m Umfang. Langenhef. Etwa 150 m hinter dem Hause Nr, 171 (Bes. Franz Nave) eine Linde mit starker, in einen neuen Stamm umgewandelter Luft- wurzel. Ziegenhals. Am Bielegraben, etwa 40 m hinter dem Pietsch-Platze, eine eigentümliche Ineinarderkiemmung der Stämme einer Fichte und einer Birke. : 24 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Kopaline. Die *Kiefer (U. 2,75 m) steht nahe dem Waldrand im J. 45, nordwestl. vom Forsthaus; in ihrer Nähe — noch zum Poln.- Rasselwitzer Besitze gehörig — eine *Eiche von 4,75 m Umfang. S. 138. Rehhof. An dem Wege, der nördl. von dem Zaune des Forsthausgrundstückes sich hinzieht, bei der Futterstelle, eine Kiefer von fast 3 m, ein wenig weiterhin ostwärts eine Eiche von fast 5 m Umfang. Rosnochau. Die — unter Vorbehalt gemachten — Angaben über die großen *Linden haben sich als richtig erwiesen. Nördlich vom Wege nach Agnesenhof ein Baunstreifen, an dessen Südrande zahlreiche hohe Wacholder stehen, der * größte hat 0,60 m U. bei 5 m Höhe. S. 140. Die *,,‚Friedrichstanne‘ steht im J. 45; sie hat jetzt reichlich 40 m H. und 3,65 m Umfang. S. 141. Turawa. An der Heerstraße nach Hadau bei Stein 8,8 stehen 4 große Eichen, z. T. mit Heiligenbildern; die * größte hat 4,30 m Umfang. S. 143. Gr.-Hoschütz. An der Südostecke des Schlosses eine *Fichte von 3 m U. und fast 40 m H., weiterhin südöstl. eine Urle von 3,80 m U.; auch andere schöne Urlen. Südlich vom Schloß ein Ahorn von 3,50 m U., nordwestl. davon ein Ahornvierling von 3,45 m Umfang. Deutsch-Krawarn. Der früher hervorragend schöne Naturpark ist leider neuerdings arg geplündert worden, immerhin ist noch ästhetisch Wertvolles vorhanden. Beim Eingange Maßholder bis zu 2,30 m und eine * Bruchweide von 4,40 m, östl. vom Schlosse eine (stark verfallende) Silberpappel von 4,50 m Umfang. An der Südseite ein herrlicher *Schwarz- walnußbaum (Juglans nigra) von 4,93 m U., mit Linden und Ebereschen als Überbäumchen. Mehrere Eichen von 4'/,—4°/), m Umfang. Kreuzenort. Auch hier ist der große Park stark mitgenommen worden, doch steht wenigstens die *Platane noch, die jetzt 6 m U. er- reicht hat. Lensczok. Die stärkste *Eiche, unmittelbar beim ehemaligen Forst- hause, hat 6 m U.; nahebei mehrere fast ebenso starke, doch schon recht abständig. Zahlreiche Eichen von 4—5 m U. auch an der Ostseite des Babitzer Teiches, nahe dem Vorwerke Kempa. Sandau (Pyschez). Im Revier (zur Forst Kuchelna gehörig), am Wege Owschütz-Wrzessin kräftige Eichen, die * schönste davon (,Mech- tildis-Eiche“; U. 5 m) an der Grenze der J. 34 und 23; infolge ihrer günstigen Stellung hebt sich noch besonders die ‚„Stachäus Eiche‘ (U. 3,94 m) unweit des Forsthauses Wrzessin heraus. Busow. Unweit der Heerstraße (östl.), im nördlichsten Jagen eine Ver- einigung zweier Kiefern durch einen Querast (,Galgenkiefer‘‘). Grötsch. Bei der Dorftafel eine Weide mit Mistelbesatz. II. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. 25 5. 144, Radau. Vor dem Schlosse zwei prächtige Platanen, süd- westlich von ihm eine ungewöhnlich schöne *Trauerbuche, auch ansehn- liche Eichen, besonde:s westl. vom Parke (bis zu 4Y, mU.); in Park am Nordrande des Teiches eine *Hainbuche von 3,35 m Umfang. Rosenberg. Am Südrande der Stadt, bei der Trennung der Wege nach Guttentag und Lublinitz, eine Pappel von fast 5 m Umfang. Rosenhain. An der Straße gegen Schoffschütz Birken mit zahl- reichen, z. T. ansehnlichen Hexenbesen, am auffälligsten eine unweit des Steines 3,4. Schoffschütz. Beim Heerstraßenstein 10,8 Birken mit Mistelbesatz. Im Parke vor dem Schlosse zwei prächtige Rüstern (die stärkere von reichlich 4 m U.), im hinteren Teile zwei Schierlingtannen (U. reichlich 2 m) mit sehr weit ausladendem Geäst; auch bei der Schloßgärtnerei zwei ansehnliche Lindenzwiesel, Wendrin. Die Eiche an der Heerstraße, neben dem Eingange zum Gutshofe, hat jetzt, obgleich ihr Stamm in der Zwischenzeit etwas be- schädigt worden ist, 5,02 m Umfang. Im Park enthält der ostwärts ge- richtete Eiehengang zahlreiche Bäume von 4—4!/, m U., der * stärkste hat 4,92 m. Im Wald erreicht man, dem Hauptwege vom Gutshofe bis fast zur Nordspitze von J. 7 folgend, eine Kiefer von 2,45 m Umfang. Wendzin. Im hinteren Teile des Parkes zahlreiche Eichen von etwa 4 m U., ein Zwieselbaum hat im untersten Teile reichlich 7 m Umfang. Ss. 145. Kokoschütz. Die * schönste der großen Eichen (U. 4?/, m) steht an der Ostecke des Schlosses, die größten Buchen, unter denen ein Drillingbaum sich besonders auszeichnet, in der östlichsten Schlucht; am Wege dahin ansehnliche Birken, von denen die stärkste, leider etwas schief gewachsen, 21, m U. hat. Erwähnung verdienen auch die Eschen: * eine am Fahrwege vom Schlosse zum Stift hat 51, m U., sie zwieselt sich in 4 m H, und trägt dort ein Ebereschenbäumchen als Überpflanze. Kurz vorher an diesem Wege eine Pappel von 44, m U., auf der eine Esche als Überbäumchen ihr Dasein fristet. Am südwestlichen Dorfrande, in der Höhe der Kapelle, eine * Linde von 5!/, m Umfang. Loslau. Die Eiche bei der „Ruine“, dem ehemaligen Forsthaus Grodzisko, besteht nieht mehr, doch sind an den Wegen von da nach der Lungenheilstätte noch mehrere fast ebenso starke vorhanden; unter den dortigen Buchen trägt eine einen ansehnlichen Hirschholderstrauch als Überpflanze. Schöne *Buchen von 2%1/,—3 mU. auch in dem Waldteile nördlich von Vorwerk Kempa (Rev. Tiergarten). 8.146. Ochojetz. Zur * „Kaiserbuche“ (U. 3,14 m) gelangt man, wenn man beim Forsthause von der Heerstraße aus knapp 50 m nordwärts geht und dann dem durch J. 107 hindurch ins J. 106 führenden Fußpfad 26 Jahresbericht der Sehles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. folgt, insgesamt etwa 1 km vom Forsthause; der umliegende Bestand ist sehr malerisch. Radlin. Die *Grenzeiche hat 5,65 m U. erreicht. Rauden. Beim Amtsgebäude eine prächtig von Efeu umkleidete *Pappel von fast 5m U.; am Wege vom Schlosse durch den Park nach dem Kirchhof eine *Birke mit sehr ansehnlicher Maser, weiterhin an diesem Wege zwei am Grunde und durch einen Querast verbundene Eichen. S. 147. Malapartus (früher Eichhorst). Unmittelbar bei dem neuen Jagdschloß eine — leider schon stark angegriffene — *Buche von 3,60 m U. Kalinowitz. Die *Weide am Parkteiche trägt große Mistelbüsche ; Mistel hat sich auch auf einigen Silberweiden am Beginne des Weges von der Heerstraße gegen Wyssoka eingenistet. Nahe dem Westrande des nördlichen Parkteils eine Linde, von der ein Ast, halb ausgerissen und zur Erde gebogen, Nebenäste wie junge Stämme emporgetrieben hat. Im südlichen Parkteile an dem nahe dem Ostrande zur Begräbnisstätte hin- führenden Weg eine *Linde, die ursprünglich gegen 7 m U. gehabt haben muß: vom alten Stamm ist nur noch die größere (Süd-) Hälfte des Rinden- mantels, 4 m breit, vorhanden, doch wird durch Luftwurzelbildung noch eine ziemlich kräftige Krone gehalten. S.149. Gr.-Strehlitz. Die *Bruchweide am Teiche hat durch weitere Senkungen noch auffälligere Gestalt angenommen, gedeiht aber an- scheinend noch recht gut. Die Andreastanne bei Dollna ist leider 1913 einem Sturme zum Opfer gefallen, auch von den beiden großen Kiefern scheint nur noclı die *eine (mit einem Heiligenbilde versehene) vorhanden zu sein. sehlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. SKaT ERRRIN Bag) 95. U. Abteilung. Jahresbericht. Naturwissenschaften. 1917. c. Sektion für Obst- und Gartenbau. ®&,c RNIT ByO) Bericht über die Tätigkeit der Sektion für Obst- und Gartenbau im Jahre 1917. Erstattet von den Sekretären Felix Rosen und Jelto Hölscher. Die Sektion für Obst- und Gartenbau hatte im Berichtsjahr unter den sich mit der langen Dauer des Krieges häufenden Schwierigkeiten erheb- lich zu leiden. Dies gilt besonders von dem Sektionsgarten in Klettendorf, dessen technischer Leiter, Sektionsgärtner H, Frost, seit Kriegsbeginn an der Front ist; nur mit großer Mühe konnte seine Beur- laubung auf kurze Zeit durchgesetzt werden. Immerhin war es dadurch möglich, den Betrieb des Sektionsgartens mit weiblichen und jugendlichen Kräften aufrecht zu erhalten. Finanziell war das Ergebnis nicht so schlecht, - ‘wie wohl zu fürchten gewesen wäre, da für den verminderten Absatz höhere Verkaufspreise ausgleichend eintraten. Trüber sind natürlich die Aus- sichten der Anzucht von ÖObstbäumen, und wie weit das Fehlen einer dauernden fachmännischen Aufsicht die Reinheit und Zuverlässigkeit der Sorten, auf die wir stets größles Gewicht gelegt haben, beeinträchtigt haben mag, kann erst die Zukunlt lehren, Unter dem Einfluß des Krieges, der gerade mehrere der rührigsten Sektionsmitglieder, besonders im kriegswirtschaftlichen Dienst, stark in Anspruch nahm, konnte nur eine Sitzung abgehalten werden. Sie fand am 17. Dezember 1917 bei guter Beteiligung statt. Es wurde be schlossen, die übliche | Gratisverteilung von Sämereien, hauptsächlich von Gemüsesamen, auch für 1918 vorzunehmen und hierfür einen wesentlich höheren Betrag als sonst in den Etat einzustellen, da ja auch die Einkaufspreise für Gemüsesamen stark gestiegen sind. Sodann sprach Herr Felix Rosen: Über Speisekürbisse, eine wirtschaftliche und geschichtliche Studie. Der trockenheiße Sommer 1917, der für wichtige Zweige unserer Gemüsegärtnerei so ungünstig war, ermöglichte den Speisekürbissen eine ‚gute Entwickelung, welche durch die warme Witterung im Herbst noch gefördert wurde. Wohl nie zuvor aber haben sich für die reiche Ernte ‚au Speisekürbissen so willige Abnehmer auf dem Lande und besonders in der Stadt gefunden, wie in diesem Jahre. Die Kürbissuppe, die vordem 1917. - 1 2 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. vorwiegend in den ärmsten Haushaltungen eingebürgert war, hat sich einen Platz an den Tischen der Wohlhabenden erobert, wo man den Kürbis bis dahin nur als Eingelegtes oder auch gar nicht kannte. Die Preise waren der Nachfrage entsprechend hoch; in der Hauptzeit bezahlte man das Pfund mit dem vorgeschriebenen Höchstpreis von 20 Pf. — gegen 7 bis 10 Pf. in Friedenszeiten —; zu Beginn und gegen Schluß der Kürbiszeit wurden 30 oder gar 50 Pf. gefordert und bezahlt. Unzweifelhaft war es der Mangel an anderen Nahrungsmitteln, der den Kürbis plötzlich so be- sehrt machte, wenn auch nicht in Abrede gestellt werden soll, daß eine gut zubereitete, mit den nötigen Zutaten versehene Kürbissuppe eine keines- wegs zu verachtende Speise darstellt. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus erhebt sicli aber die Frage, ob der Anbau von Speisekürbissen, namentlich auch unter den gegenwärtigen Kriegsverhältnissen, empfohlen werden kann oder nicht. Diese Frage ist von zwei Standpunkten aus zu untersuchen, von dem des Produzenten und dem des Konsumenten. Der Kürbis bedarf nur geringer Pflege. Er ist freilich anspruchsvoll inbezug auf den Boden, denn er verlangt sehr lockeres, nährstoifreiches Erdreich, aber er gedeiht besonders gut an Stellen im Garten, die für andere Kulturen kaum ausgenützt werden, nämlich an und auf dem Kom- posthaufen, auch an Zäunen und Lauben. Die Kleingärtnerei, die in diesen Kriegsjahren eine bedeutende Ausdehnung erfahren hat, bietet zur Kürbiszucht wohl mehr Gelegenheit, als große, rationell geleitete Betriebe. Bedenkt man ferner, daß ein wohlgebildeter Kürbis von 25 Pfund, bis er in die Küche des Konsumenten kommt, einen Verkaufswert von 5 Mark erreicht, und daß besonders große Früchte auch wohl das Dreifache dieses Preises erbracht haben, so ist die Beachtung der Kürbisse durch die Gärtnereien voll erklärt. Anders stellt sich die Frage, wenn wir sie vom Standpunkt des Ver- brauchers betrachten. Nur wenn ihm die nötigen Zutaten zum Einlegen — guter Weinessig, viel Zucker, dazu Nelken und Zimmt — zur Ver- fügung stehen, und sie alle waren in diesem Jahre knapp und teuer, kann der Konsument aus dem Kürbis ein feines, auch den verwöhnten Gaumen befriedigendes Erzeugnis herstellen, für das Liebhaberpreise gerechtfertigt sind, und das sich anderem Eingelesten gegenüber immer noch wohlfeil stellt. Soll dagegen der Kürbis als Nahrungsmittel wie andere dienen, so ist die Frage seines Nährwertes, oder genauer, das Verhältnis zwischen seinem Nährwert und seinem Marktpreis im Vergleich zu anderen Nahrungs- mitteln zu prüfen. Bei der Bewertung der Speisekürbisse, wie übrigens jedes Gemüses, spielt der natürliche Wassergehalt der Ware eine große Rolle, macht doch das Wasser stets einen erheblichen Teil der Gesamtmasse aus. Ältere Untersucher haben den Wassergehalt der Kürbisse recht verschieden an- II. Abteilung. Obst- und Gartenbau-Sektion. © gegeben; die niedrigste Zahl, die wir gefunden haben, ist 86,75 °,, die höchste 94,88 %/,?). Aber es erhoben sich Bedenken gegen die Zuver- lässigkeit dieser Angaben; daher hat auf meine Veranlassung Herr Dr. Hodurek, dem ich auch die weiter mitzuteilenden Analysen ver- danke, nach den heute gültigen Methoden an zwei Speisekürbissen (Cucur- bita Pepo) den Wassergehalt nachgeprüft und für das verwertbare Frucht- fleisch (ohne Schalen und anderen Abfall) 94,91 und 96,05 °/, Wasser gefunden?2). Nehmen wir 95%, als Mittelwert an, so würde man beim Einkauf eines Kürbis auf einen Teil Trockensubstanz nicht weniger als 19 Teile Wasser mitzubezahlen haben, und dazu kommt noch der Abfall, der etwa !/, des Kürbisgewichts ausmacht. Bei einem Preise von 20 Pf. für das Pfund brutto stellt sich also der nicht aus Wasser bestehende verwertbare Teil des Kürbis auf 6 Mark netto für das Pfund, also doppelt so hoch, als gegenwärtig knochenloses Rindfleisch®)! Aber die Trockensubstanz des Kürbis ist keineswegs durchaus zur Ernährung des Menschen geeignet. Nach Dr. Hodureks Analyse‘) enthält sie über 15 °, Rohfaser (Cellulose), fast 28 %, Dextrine, Pectine, Schleime und Gummiarten und fast 12%, Mineralsalze, das sind zusammen fast 5anlın Substanzen ohne oder ohne wesentlichen Nährwert. Ihnen stehen gegenüber 14%, Eiweiß, 1%, Fett und 30°, Zuckerarten. Die für unsere Ernährung brauchbaren Bestandteile machen also noch nicht einmal den 60sten Teil des Kürbisses aus. Den Nährwert eines Nahrungsmittels pflegen die Chemiker so anzu- geben, daß sie seinen Prozentgehalt an Eiweis mit 5, den an Fett mit 3 und den an Kohlehydraten mit 1 multiplizieren und sodann die drei Werte addieren. So sind die in beigefügter Tabelle?) wiedergegebenen Nährwert- einheiten berechnet. Wie man sieht, rangieren am höchsten Speck und Butter mit über 2500, sodann die Hülsenfrüchte (wegen ihres geringen Wassergehaltes stehen sie über Fleisch) mit über 1700, sodann Mehl und Reis, denen Rind- und Kalbfleisch ungefähr gleichkommen, während fettes Schweinefleisch viel höher steht. Kartoffeln haben 310 Nährwerteinheiten, unsere Gemüse zwischen 125 und 310, meist etwa 150 Einheiten. Das verwertbare Fruchtfleisch der Kürbisse aber ergibt nur 120 bis 130 Ein- heiten, und unter ihm stehen nur noch Gurke und Melone. Für die drei letzteren sind die Zahlen aber für das Fruchtfleisch allein, ohne Abfall, angegeben; somit ist der Nährwert der Kürbisse noch geringer als der unseres geringsten Gemüses, der Wasserrübe, die in anderen Zeiten fast nur als Viehfutter diente. Man sieht, der Verbraucher tut gut, sich zu überlegen, ob er sein Geld für Kürbisse ausgeben soll — vorausgesetzt, daß er die Wahl hat und andere Ware kaufen kann). ) Siehe Anhang, 1, Seite 14. — 2) Anhang, 2 A. — 3) Da Rindfleisch durch- schnittlich 75° Wasser enthält, würde seine Trockensubstanz 12 Mark für das Pfund kosten. — #4) Anhang, 2B. — 5) Anhang, 3. — ©) Anhang, 4. 1*F 4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Wenn aber preiswertere Ware nicht zu haben ist, so wird auch der Kürbis immer Liebhaber finden; man muß ihn eben weniger als ein Nahrungs- mittel, denn als ein Genußmittel im Sinne des Gesetzes ansehen. Es ist auch zu berücksichtigen, daß wir beim Essen und Trinken keineswegs nur die Aufnahme der nötigen Nährstoffe anstreben, sondern zugleich einen meist starken Bedarf an Füllstoffen haben. Sie tragen wesentlich dazu bei, uns das behagliche Gefühl der Magenfüllung und erleichterte Ver- dauung zu geben. Brühsuppen und Kaffee, von Tee gar nicht zu sprechen, enthalten außerordentlich wenig Nährwerte, und doch möchten wir sie nicht missen. Eine recht gute Eigenschaft haben die Kürbisse: sie halten sich fast ohne Veränderung bis in den Januar. Die größten Ernährungsschwierig- keiten erwarten wir allerdings erst später, wenn das spärlich gewachsene Gemüse verbraucht sein wird. Das Fruchtfleisch der Kürbisse läßt sich aber, in Scheiben geschnitten, sehr leicht darren — das gelingt ohne weiteres im Küchenofen, — und die getrocknete Ware dürfte unbegrenzt haltbar sein. Die aus ihr hergestellten Speisen sind im Geschmack nicht von solchen aus frischen Kürbissen zu unterscheiden, brauchen auch nicht länger zu kochen — beides im Gegensatz zum Dörrgemüse. Freilich stellt sich der getrocknete Kürbis recht teuer, wohl etwa 10 Mark das Pfund, dafür ist er aber ein Material von erheblichem Nährwert. Eine analysierte Probe ergab: weniger als 7%, Wasser, etwa 8,5 %, Eiweiß und gegen 70 °/, stiekstofffreie Extraktstoffe, darin allein rund 40 %, Fruchtzucker. Der Fettgehalt betrug wieder 1%. Danach enthält der getrocknete Kürbis auf ein Kilogramm 1100 Nährwerteinheiten, also nicht viel weniger als Kaly- oder Rindfleisch?). Bei der herrschenden Knappheit an Grieß und Puddingmehlen emp- fiehlt sich der Kürbis als Zusatz zu süßen Speisen, besonders für Kinder und Kranke. Grießpudding verträgt einen starken Kürbiszusatz, wenn man ihn mit etwas Zitronenschale und bitteren Mandeln würzen kann; statt der letzteren sind auch zerstoßene Samenkerne der Pflaume gut zu ge- brauchen. Will man etwas vorzügliches haben, so gebe man noch etwas Himbeersaft als Tunke dazu. Eine Zubereitungsart des Kürbis kennt man anscheinend bei uns gar nicht, die in Italien und auch in Frankreich gebräuchlich ist: man schneidet den Kürbis ungeschält in große Stücke, die man ohne Zutaten auf offenem Feuer oder auf dem Herd röstet; man ißt sie mit Salz und etwas Pfeffer oder auch mit Zucker. Für dieses Rezept eignen sich aber nur gewisse rotfleischige Kürbissorten. Dies mag uns zur Sortenfrage beim Kürbis überleiten. Jedermann weiß, daß die Kürbisfrüchte ungemein mannigfaltig an Form, Farbe und I) Anhang, 5. II. Abteilung. Obst- und Gartenbau-Sektion. 5 Größe sind. Es gibt Sorten von der Größe von Enteneiern, ja eine, die nur Stachelbeergröße erreicht. Die größten Varietäten sollen Früchte von 2 Zentnern liefern; 75-pfündige Kürbisse kommen jedenfalls auch bei uns nicht selten vor. Es gibt kugelrunde, flachgedrückte und mehr oder weniger in die Länge gezogene Kürbisse. Man kennt grüne, gelbe, rote, fleischfarbene, weiße, graue und olivbraune Kürbisse, die dazu die mannig- faltigsten Zeichnungen in Streifen, Netz- und Fleckmustern aufweisen können, Binzelne Sorten, besonders die Türkenbundkürbisse, sind papageienbunt. Besonders auffallend in Farben und Formen sind die zur Anpflanzung an Lauben und Wandelgängen beliebten Zierkürbisse. Aber allein an Speise- kürbissen habe ich in diesem Herbst in Breslau 35 Sorten festgestellt und von ihnen Samen eingesammelt. Am höchsten geschätzt wurden unter ihnen die sogenannten Melonenkürbisse, die, wenn sie diesen Namen wirk- lieh verdienten, einen angenehmen Melanenduft und erheblichen Zucker- gehalt hatten. Woher kommen nun alle diese Sorten? Die Antwort scheint auf der Hand zu liegen, denn da sie durch zahlreiche Zwischen- und Übergangs- formen verbunden sind, so liegt es zum mindesten nahe, zu vermuten, daß sie Bastarde sind, die wohl erst in unseren Gärten entstanden sein dürften. Dann brauchten wir nur wenige ursprüngliche Arten anzunehmen, und in der Tat hören wir von den Botanikern, daß unsere Speisekürbisse alle und zahlreiche Zierkürbisse auf zwei Arten, Cucurbita Pepo und C. maxima, zurückgehen; in Südeuropa tritt dazu noch eine dritte, Cucurbita moschata. Ist es richtig, was man oft sagen hört, daß die sogenannten Melonenkürbisse Kreuzungen von Kürbis und Melone darstellen, so würde das ja auch auf leichte Kreuzbarkeit hindeuten. Sicher ist jedenfalls, daß die Kürbisse, da sie eingeschlechtliche Blüten haben und ihr Pollen kaum verstäubt, auf die Insekten zur Bestäubung angewiesen sind, und daß be- sonders die Bienen die Kürbisblüten, die sich durch Größe und leuchtend gelbe Färbung auszeichnen, gern und regelmäßig besuchen. So scheinen alle Bedingungen für eine ausgiebige Kreuzung gegeben zu sein. Bevor wir die Frage erörtern können, wie weit diese Vermutungen zutreffen, müssen wir uns etwas genauer nach den ursprünglichen, den Stammformen unserer Speisekürbisse umsehen. Und sollten sie sich, wie andere Kulturpflanzen, im wirklich wilden Zustande nicht auffinden lassen — bis jetzt sind sie tatsächlich noch nicht nachgewiesen — so dürfen wir bei so auffallenden Pflanzen, wie die Kürbisse sind, doch auf gute Aufschlüsse aus der Literatur hoffen. In der Tat erwähnt sehon ein sehr alter Bestandteil der Bibel, das IV. Buch Mosis, der Kürbisse. Danach murrten die Israeliten in der Wüste über die tägliche Mannakost und verlangten Fleisch. Das Manna, eine Flechte, Sphaerothallia esculenta, ist in der Tat wenig wohlschmeckend, und so ist es wohl zu verstehen, wenn die Israeliten ihrem Führer Moses 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. klagten: Wir gedenken der Fische, die wir in Ägypten umsonst aßen, und der Kürbis, Pfeben, Lauch, Zwiebeln und Knoblauch.... So überseizt wenigstens Luther, während die neuere Kritik an Stelle von Kürbis und Pfeben setzt: Gurken und Melonen. Die gemeinte Gurkenart, Cucumis Chate, ist in jenen Gegenden einheimisch, die Melone, unsere Wasser- melone, Citrullus vulgaris, war im alten Ägypten eine wichtige Kultur- pflanze, deren Samen in alten Gräbern nachgewiesen sind. Somit bleibt von der zitierten Bibelsielle für unsere Frage nur das eine bedeutungsvoll, daß Luther in der deutschen Sprache seiner Zeit zwei Bezeichnungen für den Kürbis vorfand, die beide aus dem Lateinischen übernommen waren, Kürbis von Cucurbita und Pfebe von Pepo gebildet. Cucurbita Pepo ist aber der Linneische Name unseres gemeinsten Kürbis, Ob die Botaniker des klassischen Griechenlands, insonderheit Aristoteles und Theophrast, den Kürbis gekannt haben, ist zweifelhaft. Brauchbare Pflanzenbeschreibungen haben uns die Alten ja überhaupt nicht hinter- lassen, so daß wir uns fast nur an Namen und gelegentliche Bemerkungen halten können. Die Namen aber haben zeitlich und örtlich ihre Bedeutung gewechselt. Die Griechen unterschieden von Cucurbitaceen Gurke (Sikyos), Kürbis (Kolokynthe) und Pepon, d. h. eine Frucht, die man ausreifen läßt, vermutlich die Melone; aber nicht einmal diese drei Festlegungen sind unbestritten. Unersichtlich bleibt, ob Wasser- und Zuckermelonen, die sich doch sehr auffallend unterscheiden, durch verschiedene Namen gekenn- zeichnet wurden, oder ob nicht gar der Pepon ein Kürbis war. Als ziem- lich sicher kann es dagegen gelten, daß die Kolokynthe der Alten nicht unseren Kürbis, sondern den Flaschenkürbis bedeutete, den wir heute als Vertreter einer anderen Gattung, Lagenaria, ansehen und von unseren Speisekürbissen streng unterscheiden. Er hat weiße Blüten und eine bei der Reife erhärtende Fruchtschale, die Flaschen liefert; es gibt aber auch Sorten, deren Fleisch, wenn auch von geringem Wohlgeschmack, gekocht als Speise dient. Die nachfolgenden Zitate werden zeigen, daß der Kürbis der Römer und des Mittelalters der Flaschenkürbis war, nicht eine unserer Cucurbita- arten. Aber ein gewisser Zweifel, ob die letzteren nicht doch auch schon bekannt waren, wird kaum unterdrückt werden können. Es mag dies in Rücksicht auf die von den Herausgebern des Hehnschen Werkes, Engler und Schrader, vertretene Ansicht, daß unsere Speisekürbisse den Alten vollständig unbekannt sein mußten, da sie amerikanischen Ursprunges seien, betont werden. So unterscheidet Plinius (f 79 n. Chr.) zwei Sorten Kürbisse, Lauben- kürbis und gewöhnlichen, der an der Erde krieche (duo genera, camerarium et plebejum quo humi repit). Der erstere, den man seines lieblichen Schattens und seiner Schnellwüchsigkeit wegen auch an Wandelgänge (pergula) pflanze, ist, wie aus den weiteren Bemerkungen hervorgeht, un- li. Abteilung. Obst- und Gartenbau-Sektion. Ei zweifelhaft der Flaschenkürbis, dessen Verwendung auch zu Speisezwecken der Autor erwähnt; leider sagt er nichts weiter über den anderen, den er als den plebejischen bezeichnet. Da er über der Erde hinkriecht, so könnte er wohl ein Speisekürbis, genauer der Schweinskürbis, unsere Cucurbita Pepo, sein. Jedenfalls deutet der lateinische Name des Kürbis bei Plinius, Cucurbita, mit seiner Verdoppelung der Stammsilbe, ähnlich wie Cucumis (Gurke) auf ein Gewächs mit besonders üppigem Wachstum hin, und dieses träfe wohl auf den Kürbis noch besser zu, als auf den weit zierlicheren Flaschenkürbis. Bei Athenaeus (um 200 n. Chr., Ver- fasser von Tischgesprächen, die voll von Zitaten aus älteren Dichtern sind), heißt es: Auch den Kürbis sah ich, den Sohn der gewaltigen Erde, Liegend unter dem Kraut, er lag neun Tische bedeckend. Hier handelt es sich zunächst um eine Parodie auf eine Stelle bei Homer, wo von dem Riesen Tityos gesagt wird, er sei der Sohn der hehren Erde und bedecke im Liegen neun Plethra. Aber auch hier möchte man eher an den durch sein mächtiges Wachstum auffallenden Kürbis denken, als an den schmächtigeren Flaschenkürbis. Mehrfach wird endlich der Kürbis, oder vielleicht eine seiner Sorten als indische Frucht bezeichnet, da sie, wie Athenaeus angibt, aus Indien stamme. Offenbar ist denn auch der Kürbis, der erst bei verhältnismäßig hoher Temperatur keimt und durch die ersten Fröste schon getötet wird, ursprünglich in einem heißen Lande wie Indien zu Hause. Aber leider ist keines dieser Argumente beweisend.. Auch vom Flaschenkürbis gibt es neben zierlichen, hochrankenden, derbere Sorten, die sehr wohl als Vertreter eines besonders strotzenden Wachstums gelten konnten, wenn die noch üppigeren echten Kürbisse unbekannt waren. Aus der uns erhalten gebliebenen Literatur der Alten wird die Kürbisfrage wohl niemals sicher zu beantworten sein, denn die Punkte, die uns wichtig erscheinen, sind dort kaum berührt, während beispielsweise die törichte - Ansicht, die Melonen würden süßer, wenn ihre Samen vor der Aussaat in Milch eingequellt würden, bis zum Überdruß wiederholt wird. Wir übergehen das Mittelalter, aus dessen Literatur anscheinend nichts für die Kürbisfrage bedeutsames bekannt geworden ist. Erst gegen Ende dieser Periode finden wir wieder brauchbares Material bei Albertus Magnus (1193—- 1280), dem Grafen von Bollstädt, der als Kommentator antiker Schriftsteller, als Professor der Theologie — er war der Lehrer des Heiligen Thomas von Aquino, — als Bischof und besonders als Provinzial des Do- minikanerordens eine große Rolle gespielt hat. Dieser bedeutende Gelehrte beschäftigte sich auch mit Physik, Technik und Gartenbau. Es wird er- ählt, ein deutscher Kaiser habe den berühmten Mann in Köln besucht; es war ein klarer Wintertag und die Schneekristalle funkelten in der Sonne. Der Gelehrte aber führte den Kaiser in einen Garten, in dem die Vögel S Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. sangen, Blumen. blühten und reifes Obst an den Bäumen hing: es war wohl das erste Glashaus auf deutschem Boden, das diesen Zauber ermög- lichte. Wir haben von Albertus Magnus ein Buch ‚‚de vegetabilibus‘“, in dem je ein Abschnitt dem Kürbis (Cucurbita), der Gurke (Cucumer) und der Wassermelone (Citrullus) gewidmet ist. Was über den Kürbis gesagt ist, geht zum Teil auf Plinius zurück. Sein Fruchtfleisch sei zwar eßbar, aber fade, und werde erst „lobenswert‘, wenn man es mit Quitten zu- sammenkoche. Das könnte wohl auf den Speisekürbis bezogen werden, aber aus der weiteren Angabe, daß der Kürbis eine harte Schale und weiße Blüten habe, geht mit Sicherheit hervor, daß wieder der Flaschen- kürbis gemeint ist. Beiläufig wird noch eine verwandte Art, pepo genannt, erwähnt, ohne daß sich entscheiden ließe, ob es sich um die Zuckermelone oder um den echten Kürbis handelt. Ersteres ist wohl wahrscheinlicher, denn wenn AÄlbertus Magnus die in unserem Klima nicht gedeihende Wassermelone gekannt hat, so dürfte ihm die weit weniger wärmebedürftige Zuckermelone kaum fremd gewesen sein. Aber verwunderlich bleibt dann, daß er eine so wertvolle, durch Aroma und Zuckergehalt ausgezeichnete Frucht, wie die Melone, so kurz abgetan haben sollte. Erst aus dem 16. Jahrhundert, ein Menschenalter nach der Entdeckung Amerikas, haben wir unzweifelhafte Nachrichten über Speisekürbisse, die nicht der Gattung Lagenaria angehören. Die Botaniker dieser Zeit mochten wohl empfinden, wie schwer es ist, die von den Älten erwähnten Pflanzen wiederzuerkennen, und begannen daher die Arten zu beschreiben und ab- zubilden. Die namentlich in Deutschland seit Albrecht Dürer hochent- wickelte Holzschneidekunst ermöglichte die Wiedergabe der Zeichnungen im Buchdruck. Eines der ältesten und am besten illustrierten der „Kräuter- büche:“, das des Leonhard Fuchs (1542), gibt uns sichere Kunde von mehreren Kürbisarten. Er beschreibt und bildet ab einen „Cucumer tur- cieus oder türkisch Cucumer‘“‘, unzweifelhaft unsere Cucurbita Pepo in einer Sorte mit tiefgeschlitzten Blättern und großen, länglichen Früchten, und einen „Cucumer marinus oder Meercucumer“, einen Kürbis mit nur gelappten, rundlichen Blättern und fast kugeligen Früchten, wahrscheinlich auch eine Pepo-Art. Cucurbita bedeutet auch hier wieder den Flaschen- kürbis, von dem er mehrere Sorten kennt. Unentschieden möchte ich lassen, was unser Autor unter seinem Pepo (Pfeben) versteht; nach dem Abbild würde man an die Melone denken, doch wird diese im Text als duftiger oder süßer (suavitate differt) unterschieden. In dem Pepo des Fuchsius möchte ich eine geringe Melonensorte sehen, eine jener Formen, die man heute als ‚‚degenerierte‘‘ Zuckermelonen bezeichnet findet; viel- leicht ist dieses auch die richtige Deutung für den Pepo des Albertus Magnus und der Alten. Die beiden Kürbisarten, die uns vornehmlich interessieren, der tür- kische und der Meerkürbis, sind nach Fuchsius ausländische, d. h. vor II. Abteilung. Obst- und Gartenbau-Sektion. 9 noch nicht langer Zeit eingeführte Gewächse, die den älteren Autoren noch unbekannt gewesen seien. Sie könnten also wohl aus Amerika stammen. Meerkürbis bedeutet offenbar über das Meer zu uns gekommen, und an der Bezeichnung „türkisch“ braucht man sich auch nicht zu stoßen, nennt doch Fuchsius den unzweifelhaft aus Amerika eingeführten Mais „frumentum tureicum‘“, wie er ja auch heute noch gelegentlich als türkischer Weizen bezeichnet wird. Von amerikanischen Pflanzen finden wir bei Fuchsius noch den Tagetes patulus, den er als Indische Nelke bezeichnet. Auch in Italien waren um die Mitte des 16. Jakrhunderts unsere Speisekürbisse wohlbekannt. Matthiolus von Siena bildet 1558 einen Kürbis ab, der in Italien eine neue Einführung darstelle und aus West- indien gekommen sein solle. Abbild und Beschreibung sprechen mehr für Cueurbita maxima, eine Art, deren amerikanische Heimat, wie wir sehen werden, sicher steht, als für Cucurbita Pepo, die möglicherweise doch altweltlich ist. Ganz sicher ist die Cucurbita maxima bei Lobelius (1576) für die Niederlande nachgewiesen; sie wird hier als „Pepo maximus indieus compressus’‘ von einem Pepo oblongus vulgatissimus unterschieden, eben unserer Cucurbita Pepo, als deren deutschen Namen der Verfasser Pfeben erwähnt. Dodonaeus (1583) endlich kennt außer Cucurbita Pepo und maxima auch den Türkenbund und die Kaisermütze, zwei Kürbis- sorten, die noch heute gezogen werden. Daß die Cucurbita maxima schon im 16. Jahrhundert bei uns wohlbekannt war, sei deshalb besonders be- tont, weil Naudin (1356) in einer für die Kenntnis der Kürbisse grund- legenden Arbeit diese Art als erst seit höchstens 200 Jahren in Europa bekannt angibt. Der amerikanische Ursprung dieser wichtigsten Art der Speisekürbisse ist dadurch sichergestellt, daß es gelungen ist, seine Samen in altperuanischen Gräbern nachzuweisen (Wittmack 1886). Daß nicht nur die durch ihr Klima und ihre Lage zu den Welt- handelsstraßen begünstigten Gegenden des Südens un. Westens Europas, sondern auch der ferne Osten Deutschlands an der Kultur der Kürbisse teilnahm, erseben wir aus dem Pflanzenverzeichnis des ältesten schle- sischen Botanikers, des Hirschberger Arztes Caspar Schwenckfelt, der im Jahre 1601 aus den schlesischen Gärten, neben der gewöhnlichen, der Schlangen- und Spritzgurke, nicht weniger als neun Sorten Kürbisse auf- zählt. Drei oder vier derselben gehören der Gattung Lagenaria an, der Rest unserer Gatiung Cucurbita. Zu den letzteren zählt eine Form der Cueurbita Pepo mit warziger Oberfläche, die auch heute noch in Kultur ist. Der „türkische“ Kürbis (Cueurbita indica maxima) wurde mit anderen Früchten eingelegt oder auch mit Pfeffer verspeist, doch sagt schon Schwenckfelt, daß er nur wenig Nährwert besitze; die großen, weißen Samen aber enthielten einen wohlschmeckenden Kern. Ferner sollen damals in Schlesien auch Wassermelonen und mehrere Sorten Zucker- 10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. melonen gezogen worden sein; eine der letzteren wird als Pfeben be- zeichnet und dürfte mit dem Pepo (Pfeben) des Fuchsius (s. oben) identisch sein. Endlich werden noch zwei Arten Pepo, zu deutsch Plutzer, erwähnt, offenbar unsere Cucurbita Pepo, während die ersterwähnten Arten wenigstens zumteil zu Cucurbita maxima zu zählen sind, Zu Linnes Zeiten unterschied man eine stattliche Anzahl von Kürbis- arten, vornehmlich nach ihrer Gestalt, Größe und Farbe. Doch nur zum Teil waren dies Spezies nach unserer Auffassung, während die Mehrzahl von allerhand Rassen und Spielarten der guten Spezies gebildet wurden. Die letzteren zu ermitteln, setzte sich als erster ein französicher Lieb- haber, Duchesne, zur Aufgabe; an ihn schloß sich, gestützt auf Kultur- und Kreuzungsversuche, Ch. Naudin an, der seit 1856 Ordnung in das System der Kürbisse brachte. Naudin unterschied, nach Abtrennung der Flaschenkürbisse, in der Gattung Cucurbita 6 Spezies (gegen 10 bei Engler-Prantl, Natürliche Pflanzenfamilien), die teilweise einjährig, teilweise ausdauernd sind. Unsere Speisekürbisse gehören nach Naudin alle zu den drei einjährigen Arten Cueurbita Pepo, maxima und moschata, von denen die letzte in Deutsch- land kaum irgendwo angebaut wird; sie soll höhere Ansprüche an die sommerliche Wärme stellen. Von den zahlreichen Zierkürbisarten ge- hören einige gleichfalls zu Cucurbita maxima, so der Türkenbund oder Turban, die meisten zu Cucurbita Pepo. Für unsere Studien ist es nun von besonderer Wichtigkeit, aus der Sortenfülle von Speisekürbissen die Angehörigen jener beiden Spezies, Pepo und maxima, herauszufinden. So variabel die Kürbisse erscheinen, so kann man eins ihrer Merkmale zur Unterscheidung stets gut ge- brauchen: die Beschaffenheit des Fruchtstieles. Dieser ist nämlich stets entweder mit fünf stark vorspringenden und fünf schwächeren Längsrippen versehen — dies ist das Kennzeichen der Peponen —, oder er ist dreh- rund, dabei jedoch längsrissig und über den Rissen mit Korkgewebe be- deckt — dies ist das Merkmal der Angehörigen der Cucurbita maxima- die ich, mangels eines deutschen Namens, in Anlehnung an die franzö- sische Bezeichnung Potironen nennen will. Ein zweites Merkmal ist wohl ebenso sicher, wenn auch nicht so augenfällig; bei den Peponen sind die Samen mit breitem, d. h. auf die Breitseite erheblich übergreifendem Rande versehen, licht holzfarben, runzlig und glanzlos, bei den Potironen springt der Rand nicht vor und die Schale ist weiß (oder braun, siehe unten) und glatt, oft ausgesprochen seidenglänzend. Das sind natürlich nicht die einzigen Unterscheidungsmerkmale, für die Praxis aber genügen sie zumeist. Die Gestalt der Blätter, die bei den Peponen meist tief eingeschnitten, bei den Potironen dagegen ganzrandig oder nur leicht gebuchtet sind, läßt sich natürlich nur verwerten, wenn wir die ganze Pflanze vor uns haben, nicht aber bei einzelnen Früchten. II. Abteilung. Obst- und Gartenbau-Sektion. 11 Durchmustern wir nunmehr unsere Speisekürbisse, so stellt sich heraus, daß alle Peponen in der Jugend grün sind und diese Farbe mehr oder weniger lange beibehalten, um zuletzt alle in Gelb umzuschlagen. Die Potironen sind dagegen in der Jugend oft nicht grün, sondern gelb oder weiß, und später von all den Farbentönen, die wir oben aufgezählt haben. Warzen auf der Oberfläche der Frucht scheinen nur bei den Peponen vorzukomman, während die Schalen der Potironen glatt oder später mit von weißlichem Korkgewebe erfüllten Rissen bedeckt sind, ähnlich wie die der bekannten Netzmelonen. Der Form nach sind die Peponen zumeist länglich, selbst walzig, selten kugelig, die Potironen eiförmig, häufiger kugelig — auch sehr unregelmäßig — oder polster- förmig niedergedrückt. Beide Kürbisarten umfassen Formen mit relativ kleinen und mittelgroßen Früchten; alle ganz großen Kürbisse, etwa von 40 Pfund Gewicht an, sind Potironen. Die Peponenfrüchte umschließen eine sehr große Höhlung, in der bei der Reife die Samen frei liegen, da die Plazenten zerfließen, während die Potironen eine kleinere Höhlung bilden, die mehr oder minder von den lockerfleischigen Plazenten aus- gefüllt wird; in diesen liegen die Samen auch bei der Reife noch ein- gebettet. Zu diesen nur botanisch interessanten Merkmalen gesellen sich andere von wirtschaftlicher Bedeutung. Die Peponen haben durchschnittlich er- heblich dünneres, zudem faserig-wässriges Fleisch, das ungefärbt oder gelblich, höchstens von der Farbe von Landbutter ist und niemals einen erheblichen Zuckergehalt oder Melonenduft besitzt. Die Potironen dagegen haben ein meist sehr dickes, derbes, also nicht faseriges Fleisch, das bei vielen Sorten goldgelb bis tief orangerot gefärbt ist, bei einigen deutlich süß schmeckt und oft auch beim Anschneiden einen angenehmen Melonen- duft entwickelt. Aus dem Gesagten ergibt sich zunächst, daß die bei den Speise- kürbissen geschätzten Eigenschaften teils bei den Potironen häufiger als bei den Peponen, teils ihnen allein eigen sind. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus wäre es also zum mindesten kein Verlust, wenn die Peponen aus unseren Gärten verschwänden und höchstens als Futter- pflanzen angebaut würden, an ihrer Stelle aber nur Potironen gezogen würden. Doch es resultiert aus den Befunden noch etwas anderes, vielleicht überraschendes: nämlich, daß wir keine Kreuzungen zwischen Peponen und Potironen haben, obwohl Angehörige beider Arten oft mit einander gezogen werden, daß also die große Mannigfaltigkeit unserer Speisekürbisse auch nicht auf solche Kreuzungen zurückgeführt werden kann. Naudin hat schon vor 60 Jahren Kreuzungsversuche an Kürbissen mit den für solche Arbeiten erforderlichen Vorsichtsmaßregeln ausgeführt und festgestellt, daß Cucurbita Pepo und maxima sich gegenseitig nicht zu be- 19 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. fruchten vermögen, wie übrigens Speziesbastarde in der Gattung Cucurbita überhaupt nicht zu erzielen waren. Ebensowenig gelang, wie man sich danach schon denken kann, die Kreuzung zwischen Cucurbita und der Melone, sodaß also die Melonenkürbisse sicher kein Melonenblut haben, entgegen der oft geäußerten Ansicht, In einigen Fällen erhielt Naudin bei dem Versuch einander fernstehende Sorten der gleichen Kürbisspezies (©. Pepo) oder diese mit ©. moschata zu kreuzen, Früchte mit normalem Aussehen, jedoch ohne Samenbildung, wie man das auch sonst von Pflanzen kennt, die einander nicht nahe genug stehen, um sich wechselseitig zu befruchten. Wenn aber Peponen und Potironen nicht mit einander in Konnubium treten können, so braucht man auch nicht zu befürchten, daß die Nachbarschaft der geringeren die besseren Speisekürbisse zur Entartung bringen könnte. Alles Abändern von Speisekürbissen müßte dann, wenn es überhaupt auf Kreuzung zurückzuführen ist, auf Vermischung ver- schiedener Sorten der gleichen Spezies beruhen. Solche Erscheinungen sind nach Naudin häufig. | Soweit unser Autor. Damit ist aber das Problem, das uns be- schäftigt, keineswegs erschöpft. Denn wenn einzelne Kürbissorten sich neben anderen Spielarten der gleichen Spezies unverändert seit den Tagen des Dodonaeus und Schwenkfelt, also über 300 Jahre, erhalten haben, so drängt sich uns die Frage auf, ob nicht alle oder wenigstens manche anderen Kürbisse vollständig samenbeständig sind; etwaiges Abändern könnte ja auch auf andere Ursachen zurückzuführen sein, als Kreuzung. Zuver- lässige Untersuchungen über diese Frage scheinen nicht vorzuliegen. Doch hätten sie ein großes praktisches Interesse in Rücksicht darauf, daß, wenn einmal die Minderwertigkeit vieler allgemein angebauter Kürbisse festgestellt ist, die Gewinnung reinen Samens besserer Sorten wirtschaftliche Be- deutung hätte. Vielleicht genügt es, den Samen besonders guter Sorten gesondert einzusammeln, vielleicht ist aber auch die Isolierung der Samen- pflanzen erforderlich und ihr Schutz gegen ungewünschte Bestäubung; vielleicht müssen die gewünschten Sorten sogar erst reingezüchtet werden. Aber es könnte auch eine solche Neigung zum Abändern in den Kürbissen stecken, daß selbst das sorgfältigste Isolieren und Auslesen erfolglos bliebe und somit eigentlich nur der Zufall entschiede, ob wir aus der Aussaat hochwertige oder geringe Kürbisse erhalten !). i) Nach Abschluß meines Manuskriptes ist eine sehr verdienstvulle Arbeit Oskar Drudes: Erfahrungen bei Kreuzungsversuchen mit Cueurbita Pepo, er- schienen, die sich zwar nur mit den sog. Zierkürbissen beschäftigt, gleichwohl aber einige beachtenswerte Fingerzeige auch für die Frage der Speisekürbisse gibt. Danach ist zu erwarten, daß es bei Verhinderung ungewollter Kreuzungen nicht schwer sein wird, aus dem vorhandenen Bestande unserer Speisekürbisse wohl- umgrenzte Sorten herauszuschälen. Weit größere Schwierigkeiten dürften sich aber ergeben, wenn es gilt, neue, bessere und samenbeständige Sorten zu ge- winnen. Il. Abteilung. Obst- und Gartenbau-Sektion. 13 Hier mag noch einer Frage Erwähnung getan werden. Wie oben erwähnt, sind die Samen der Potironen zumeist weiß, seltener braun; die ersteren sind dünnschalig, die letzteren haben mächtige, holzige Schalen. Schon Naudin hat diese Eigentümlichkeit angegeben. Erinnert man sich daran, daß die Ausbildung der Samen zur Unterscheidung von Potironen und Peponen genügt, so liegt es nahe, die braunsamigen Formen zu einem dritten besonderen Verwandtschaftskreise zusammenzufassen. Aber bisher wenigstens haben meine Bemühungen weitere Unterscheidungsmerkmale der braunsamigen Kürbisse zu finden, nicht den geringsten Erfolg gehabt. Ja, es ergab sich sogar, daß von vollständig gleich aussehenden Kürbissen der eine die gewöhnlichen weißen, der andere die auffallend dicken, braunen Samen führte. Übergänge zwischen beiden Sorten von Samen ließen sich ebensowenig finden, abgesehen von einem zweifelhaften Fall; die fragliche Frucht war leider unreif geerntet, sodaß sich über die Be- schaffenheit der Samen bestimmtes zur Zeit nicht aussagen läßt. Vorläufig muß ich annehmen, daß die Potironen mit weißen und mit braunen Samen trotz vollständigster Übereinstimmung in allen anderen Merkmalen sich nicht mit einander kreuzen. Doch es ist zwecklos über Fragen, die nur durch das Experiment ent- schieden werden können, lange Betrachtungen anzustellen. Zu ihrer ex- perimentellen Prüfung habe ich aber schon einige Vorarbeiten gemacht, indem ich von einer stattlichen Anzahl von Sorten zuverlässig reinen Samen eingesammelt und möglichst eingehende Beschreibungen der betreffenden Früchte aufgenommen habe. Mit diesem Material hoffe ich im nächsten Jahre, wo mir ein leidlich geeignetes Stück Land zur Kultur zur Verfügung stehen wird, die Lösung unserer Fragen in Angriff nehmen zu können. Die botanische Arbeit wird dabei aber durch die chemische zu ergänzen sein. Denn wenn meine Versuche praktischen Wert haben sollen, so werden sie zum Ziel haben müssen nicht nur sortenreine, sondern be- sonders gute Kürbisse zu isolieren, d. h. solche, die ausgiebig, zuckerreich und duftend sind, dazu auch möglichst anspruchslos und lange haltbar. Ja für die Zukunft könnte man sogar daran denken, die Speisekürbisse durch geeignete Kreuzung zu veredeln. Volkswirtschaftliche Bedeutung könnten solche Versuche allerdings nur gewinnen, wenn sie die Mitarbeit der Praktiker fänden. Vielleicht wäre es aber auch nicht allzuschwer, die Samenhändler, Gartenbauvereine und die Leitungen der Schrebergärten für die gewiß wünschenswerte Ver- basserung der Kürbiszucht zu interessieren. Natürlich müßte zuvor die wissenschaftliche Arbeit soweit gefördert sein, daß bestimmte Vorschläge gemacht werden könnten. Anhang siehe nächste Seite. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 14 Anhang. l. Tabelle über die Zusammensetzung der Speisekürbisse. Ausgezogen aus der Literatur. heit in der ursprünglichen Substanz in der Trockensubstanz < Nähere Bezeichnung er Zr er, > Se 7, | Er = = S stoft- = a Le) ASKe s Ei Su : ı JUCKEer AO 2 Stickstoff- = Unter Wasser SuclgH Fett |Rohfaser | nd sonstige | Asche SON freie Ex- = suchung substanz | stickstoffreie substanz traktstoff = | Extraktstoffe vaktstolle 1 Fruchtschalen . | 1875 | 83,50 | 2,0 | 0,60 | 2,60 | .10,50 | 0,80 12,10 63,30 Mischung] fyuchtfleisch . . = 89,00 1,10 0,10 1,30 1.10 0,80 10,30 69,30 B5 ’ ’ ’ | ’ ’ ı verschie-| Symengehäuse . -- 90,60 1,70 | 0,20 1,00 5,20 1,30 17,80 55,50 | er Samenschalen . — 32,60 11,70 1,10 | 39,60 14,40 0,60 17,40 21,40 erren-| _ 52 Se nk: Sameninneres . = 94,10 | 27,30 | 38,90 1,40 4,20 3.50 36,30 5,60 | kürbisse! - Ganze Frucht . — 86,75 1,80 0,830 1,80 7,95 0,90 13,60 60,00 9 | Aus Amerika, Mittel von Damalysenna. 1886 99,27 kahl 0,16 1,49 4,34 0,63 14,56 56,14 3.| desgl. „Squash“, Mittel | | von 3 Analysen ... 1886 94,88 0,66 0282 20,5 3,24 0,40 12,89 63,28 4 | auf sandig-tonigem Boden | gewachsene 2... 2121896 91,83 1515 0,14 0,44 6,49 — 14,07 1719,43 5 [| Fruchtfleisch, Mittel . .. — 90,32 1,10 0,13 1522 6,50 0,73 11,41 67,15 6 | Kürbis aus Japan .... 1884 93,47 713 0.19 0,52 4,19 0,54 16,77 65,17 7 | Schweinskürbis, KPrucht- tleisch en 1875 93,70 0,50 — 0,60 4,90 0,30 8,10 = ii. Abteilung. Obst- und Gartenbau-Sektion. 15 2. Zusammensetzung von Speisekürbissen, ermittelt von Dr. Hodurek, Breslau 1917. A. Ein Kürbis (Cucurbita Pepo) im Gewicht von 1110 g ergab: Dehale >01 2) 2... u 200 2roder LS Hawehtlleisch... ..u.... . us. ao z 66,6 - Plazentargewebe und Samen . . . . 170 = z Na 11103, oder, 100,0.J5. 100 g des allein eßbaren Fruchtfleisches enthielten: Wasser... .. RE Eu a. OD.) var, en suhstenz SEHR REN. BUS UBER MAN 8,0) © 100,00 g. Eine zweite Probe, ebenfalls Cucurbita Pepo, ergab: Wasser... a N RER en a DE ahsteng STR RUE ONBSE DENN U 908) = 100,00. 0: B. 100 g Trockensubstanz enthalten: Orcanische Säure (Apfelsäure) . ... : :.... 00052 Diweiß (Sticksteffsubstanz)) I. 2.2... 2.22.22. San Irak 1028128: Sara RER NG ERUEENEN 2025 Nimeralstottenen., le un. a. ln ae IR OD Rohtaser . . ... ELENA La, a a LI DD Zuckerarten, lusietende SNURSUNEL. NE 20,000 Zuckerarten, nach erfolgter Teen on erde 4,90 =, Dextrine, Pektine, Schleime und Gummiarten . . . 27,81 = 100,00 g Von den Bestandteilen der Trockensubstanz sind: Wasserlösliche Stoffe, organische und anorganische. 71,01°,, Dasserunlösliche Sioffe . .... 2... 0. Weer2ss 301% 100,00 %,. 3. Nährwert einiger wichtiger Nahrungsmittel, aus der Fach- literatur ausgezogen (Dr. Hodurek). Rindfleisch ..... 1168. "Bohnen ....... 17250) Votkohl 227 160 Schweinefleisch . 1836 Erbsen... .... 1713 Rote Rüben..... 160 Kalbfleisch ..... ad löinsen mn. 1842 Runkelrüben .... 153 Becken lc. 2767 Weizenmehl.... 1323 Mohrrüben....... 150 Biileh ...... 320): reise a rel. 02 Kohlrüben me 148 Magermilch .... 216 Weißkohl 07: 145 Magerkäse ..... E94 Kartoielman. 2... 310 Wasserrüben .... 125 Halbfetter Käse. 1970 Rosenkohl ...... 310 Kürbis (Frucht- Buitter......... 26107 Kohlkabi 2.2... 230 fleisch)". 2.22.1020 Zuckerrüben .... 216 Melone (desgl.) .. 100 Blumenkohl ..... 180 Gurke (desgl.) ... 80 16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 4. Preise der Nährwerteinheiten für Kürbis und Rindfleisch nach den Höchstpreisen für 1917 (Dr. Hodurek). 1 kg Fruchtfleisch vom Kürbis entspricht 1,5 kg Kürbisfrucht und enthält 950 g Wasser; bei einem Preise von 40 Pf. für das Kilogramm erhält man für 1 Mark: 109 Nährwerteinheiten 1 kg knochenloses Rindfleisch kostet zur Zeit 6 Mark und hat 1168 Nährwert- einheiten; für 1 Mark erhält man: 194 = 5. Untersuchungsergebnis einer Probe getrockneten Kürbis- fruchtfleisches (Cucurbita maxima) nach Dr. Hodurek. 100 g der Probe im ursprünglichen Zustand enthalten: IMASSErNun a un. RC a Le 6,8 g, Trockensubstanz\ ...y ua Da a IB = 100,0 g. 100 g dieser Trockensubstanz enthalten: Stickstoffsubstanz (Eiweißstoffe) !. . .., . ee 330 Betas N NT RS N SS 2 2 = Mineralstokte: Au al m anne U en 1 en 30, =: Rohfaser u... al ee NER) Stickstoffreie Extraktstoffe . . ......... len RO davon Fruchtzucker 39,06 g 100,00 2. Von 100 g der Trockensubstanz sind: Wasserlösliche organische Stoffe . . . 2. 0»... 64,00 9, Wasserlösliche anorganische Stoffe . . . . .»......6,00 =, Unlösliche Stoffe... nal. 0:0) = 100,00 g. 1 kg dieses getrockneten Kürbisfruchtfleisches enthält 1100 Nährwert- einheiten. Sodann sprach Herr Garteninspektor J. Hölscher über „Zierkürbisse.“ Das Referat über diesen Vortrag soll im nächsten Jahresbericht er- scheinen. dehlesische Gesellschaft für vaterländische cultır. sy 95. Il. Abteilung. Jahresbericht. Geschichte u. Staatswissenschaften 191%. a. Historische Sektion. oc Re 26 Sitzungen der historischen Sektion im Jahre 1917. Sitzung am 10. Mai (gemeinsam mit der orientalisch-sprachwissenschaftlichen und der philologisch-archäologischen Sektion). Herr Professor Dr. Meissner sprach Zur Geschichte des Chattireiches nach neuerschlossenen Urkunden des chattischen Staatsarchivs. 1917. Ma) AENN EN MH s H Ol VEN NABAILIUUN INNEN { IATKKEHNN Ah I Schlesische Gesellsehaft für valerländische Gultur. ZDF 95. | Il. Abteilung. Jahresbericht. | Geschichte u. Staatswissenschaften 1917. b. Staats- u, Rechtswissenschaftliche Sektion. or LI EZ ELDER gras Sie essa ARD DNRNEN AN DRIN, BY) Sitzungen der Sektion für Staats- und Rechtswissenschaft im Jahre 1917. 1. Sitzung am 15. Januar. Vortragender: Geheimer Justizrat Leonhard: Erbbaurecht und Bodenreform. 2aSitzune am 5. Kebruar. Vortragender: Justizrat Breslauer: Das Güteverfahren als Mittel friedlicher Streiterledigung. 3. Sıtzung am 12. März. Vortragender: Dr. Hans Pototzky: Versicherungswirtschaft und Versicherungspolitik in ihrer Beziehung zum Weltkrieg. 4. Sitzung am 23. April. Vortragender: Magistratsrat Wosnitza: Die Arbeitslosenfürsorge in Breslau. 5. Sitzung am 30. April. Vortragender: Oberlandesgerichtsrat Kahleysz: Die Vereinfachung der Rechtspflege nach dem neuen Gesetzbuch. 6. Sitzung am 4. Juni. Vortragender: Dr. Klaus Wagner-Römmich: Die Ablösung der Armenpflege durch Spezialfürsorge. 7. Sitzung am 29. Oktober. Vortragender: Geheimer Justizrat Professor Dr. Leonhard: 0. von Gierkes Schuldrecht mit besonderer Berücksichtigung des Zivilprozesses. 8. Sitzung am 19. November. Vortragender: Professor Dr. Herbert Meyer: Das Akzept des Wechsels und der Anweisung. 1917. Schlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur. 95. IV. Abteilung. Jahresbericht. a. Philologisch-archäologische 1917. | Sektion. 25 27 it 2,8 n Sitzungen der philologisch-archäologischen Sektion im Jahre 1917. Sitzung am 26. Februar. Herr Professor Dr. R. Foerster hielt einen Vortrag: Eduard Scheer als Gelehrter, Lehrer und Mensch. Sitzung am 10. Mai (gemeinsam mit der historischen und der orientalisch- sprachwissenschaftlichen Sektion.) Herr Professor Dr. Meissner sprach Zur Geschichte des Chattireiches nach neuerschlossenen Urkunden des chattischen Staatsarchivs. Sitzung am 22. Mai. Herr Öberlehrer Dr. Sikorski hielt einen Vortrag: Kritisches zu Aeneas von Gaza. 1917. ann hi; NM ae a I an , N 2 x u r ie r VAN, mn: E ya 723 # rt & £ awT >ez > x RR 2 N * R. D 4 Baysızı ir) Ur Y> a Eur PER, &r NEE % LRAY EM | i > £ 17} BRIRT D Br = > y zi eu y f e ern BAR “Sirth I ) H, + # - k ’ ILS Fl Ir vUnstif f N B = R eT rear a % - _ y 2 ES E P x 7 i 4 BEN f f v 3 & . Ey $ ’ Fa “ EATESEH SALE None Na rar IDEEN FT AN 4 n ö ' SL FAR n rt. t Zu VI WANT s# AT 2 Y ; 5 ii # 7 5% 2 Bd ae iuB [a8 j 134 Ü 18 Kr 23 F e N H - N fi HAARE tr schlesische Gesellschaft für vaterländische Cullır. TS TE) 95. IV. Abteilung. Jahresbericht. b. Orientalisch - sprachwissen- 1917. | schaftliche Sektion. x ie B70) Sitzungen der orientalisch-sprachwissenschaftlichen Sektion im Jahre 1917. Sitzung am 10. Mai (gemeinsam mit der historischen und der philologisch-archäologischen Sektion) Herr Professor Dr. Meissner sprach: Zur Geschichte des Chattireiches nach neuerschlossenen Urkunden des chatitischen Staatsarchivs. Nach den vorläufigen Schürfungsberiehten von Chantre!) hatte Hugo Winckler mit genialem Blick erkannt, daß Boghazköi das Zentrum eines antiken Staates sein müsse, und hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um hier selbst Ausgrabungen vorzunehmen; Seit einer vorbereitenden Kampagne im Jahre 1905 hat er dann in vier Sommern sehr erfolgreiche Grabungen in Boghazköi ausgeführt. Alle Erwartungen sind durch die Erfolge weit in den Schatten gestellt worden; denn es zeigte sich, daß Boghazköi die gleichnamige Hauptstadt des großen Chattireiches repräsentiert, das im 14. und 13. vorchristlichen Jahrhundert den Großmächten am Euphrat und Nil ebenbürtig zur Seite stand. Winckler gelang es vor allem, hier das Staatsarchiv zu entdecken, das eine Reihe der wichtigsten historischen Urkunden enthält. Die Schrift, in der alle diese Texte abgefaßt waren, ist die Keilschrift, aber in bezug auf die Sprache differieren sie. Die Hauptmasse der einheimischen Schriftstücke ist nämlich in der Landes- sprache, dem Chattischen, geschrieben; diese können wir zwar lesen, aber ihr Verständnis liegt, trotzdem schon energische Versuche zu ihrer Deutung unternommen sind?), erst in den Anfängen. Daher lassen sich irgendwie sichere Nachrichten aus ihnen noch nicht entnehmen. Besonders für den internationalen Verkehr, für Staatsverträge und Korrespondenzen mit fremden Herrschern verwandte man aber auch in Chatti nicht nur die babylonische Schrift, sondern auch die babylonische Sprache, die in damaliger Zeit als Diplomatensprache bis nach Ägypten hin galt. Schon aus dem Amarnafunde in Ägypten wußten wir, daß die vorderasiatischen Könige von Babylonien, Assyrien, Mitanni und Chattı 1) Chantre, Mission en Cappadoce. 2) Hrozny, Die Sprache der Hethiter. Delitzsch, Sumerisch-akkadisch- hettitische Vokabularfragmente. Holma, Etudes sur les vocabulaires sumeriens- accadiens-hittites. Weidner, Studien zur hethitischen Sprachwissenschaft. 1917. 1 2 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. sowie die palästinensischen Stadtfürsten mit den Pharaonen Amenophis 1II. (ec. 1411—1375 v. Chr.) und Amenophis IV. (e. 1375—1350 v. Chr.) in babylonischer Sprache und Schrift korrespondierten. Jetzt erhalten wir aus Boghazköi — auch ein höchst eigenartiger Zufall — Nachrichten aus denselben Gegenden, ja teilweise von denselben uns bekannten Personen oder ihren Nachfolgern. Diese für die auswärtigen Beziehungen des Chatti- landes fast ausnahmslos äußerst wichtigen Urkunden hatte Winckler schon in seinen mehrfachen Berichten!) ausgiebig benützt und teilweise übersetzt, jetzt sind sie uns allen im ersten Hefte der Keilschrifttexte aus Boghazköi in Autographien der Herren Figulla und Weidner zu- gänglich gemacht worden. Da sie für unsere Kenntnis der alten Geschichte und Geographie Vorderasiens gewiß große Bedeutung gewinnen werden, möchte ich, trotzdem ich dabei öfters Wincklers Resultate wiederholen muß, schon jetzt einen vorläufigen, kurzen Bericht über ihren Inhalt vorlegen‘). Sehen wir uns zuerst einmal die Länder an, mit denen die Chatti hauptsächlich in Berührung kamen: Das Chattiland hatte man früher nach den Angaben der Nachbarvölker zwischen dem ÖOrontes und dem Euphrat lokalisiert und Karkemisch als seine Hauptstadt angesehen, aber schon die Notiz in einer Inschrift des Pharao Ramses il. hatte uns stutzig gemacht, er habe zu den Göttern ge- betet, sein Freund und Bundesgenosse Chetasar möge den Weg zu ihm nach Ägypten über die mächtigen Gebirge glücklich und unbelästigt durch Regen und Schnee zurücklegen. Jetzt erhalten wir den urkundlichen Beweis, daß die chattische Residenz tatsächlich nördlich vom Taurus ge- legen hat, eben an der Stelle des heutigen Boghazköi, das damals wie das ganze Land selbst Chatti hieß. Wie weit sich die Grenzen zur Blütezeit des Reiches nach Westen erstreckten, ist vorläufig noch unsicher, sie werden zu verschiedenen Zeiten auch wohl gewechselt haben, aber bis zum Halys und einer von seinem westlichsten Punkte südwärts verlaufenden Linie wird das genuin chattische Gebiet sich wohl immer ausgedehnt haben?). Im Norden reichte es wahrscheinlich bis zum Schwarzen Meer, im Osten bildete der Euphrat seine Grenze. Nordsyrien stand zeitweise bis nach 1) Orient. Literaturztg. 1906, 621ff.; 1910, 289ff.; Mitt. d. Deutschen Orient-Ge- sellsch. 35; Vorderasien im 2. Jahrtausend; Nach Boghazköi. 2) Die Übersetzungen der Inschriften bitte ich als vorläufige betrachten zu wollen. Ergänzungen und Auslassungen sind nicht immer gekennzeichnet. 3) Darauf, daß sich das chattische Reich nicht bis an das Ägäische Meer aus- gedehnt zu haben braucht, wie Ed. Meyer, Reich der Chetiter 72 und andere annehmen, hat Walter Otto, Histor. Zeitschr. 117, 208 hingewiesen. Der Umstand, daß nach den ägyptischen Quellen in der Schlacht bei Kadesch die kleinasiatischen Völker der Lykier, Mysier, Kilikier und Dardaner als Söldner, nicht als Unter- tanen auftreten, scheint diese Theorie sogar unmöglich zn machen. oo IV. Abteilung. Orientalisch-sprachwissenschaftliche Sektion. Hamatlı und nach Kadesch unter chattischem Einflusse, ja noch in assy- rischer Zeit wurde ganz Palästina als Chattiland bezeichnet; aber diese kleinen Staaten scheinen auch zur Blütezeit des chattischen Reiches bis zu einem gewissen Grade selbständig und mit dem großen Nachbarn nur durch Verträge verbunden gewesen zu sein. Auf der linken Euphratseite lag das große und zeitweise sehr mächtige Reich von Mitanni. Zuzeiten umfaßte es nicht nur Nordmesopotamien, sondern sogar Teile von Assyrien, und alte assyrische Herrscher tragen mitannische Namen. Ja sogar auf der Grenze nach Babylonien bis tief nach Babylonien hinein treffen wir Mitannileute an. Um die Mitte des 14. vorchristlichen Jahrhunderts verfiel aber ihre Macht, und ihr Land wurde von Assyrien, Alsche, das wir aus späterer Zeit nur als ziemlich unbedeutende Stadt in der Gegend von Arbela kennen, und auch von Chatti aufgeteilt. Die Landeshauptstadt führte den Namen Waschuggani, die wir aber noch nicht lokalisieren können. Etwas nördlicher, etwa in der Höhe des heutigen Malatia, lag das häufig mit Mitanni verbundene Land Chanigalbat; ging man noch weiter nach Norden, so traf man auf dem linken Euphratufer (etwa in der Nähe des heutigen Charput) auf den Gau Ischuwa. Die nordwestlich daran bis an das Schwarze Meer stoßende Landschaft hieß in dieser Zeit Kiswadna, die also Chatti im Osten begrenzte. Wir kennen eine Reihe von Grenzstädten zwischen Chatti und Kiswadna und erfahren, daß der ‚Schamrifluß beide Länder trennte. Das Land nördlich von Mitanni und östlich von Kiswadna, also das heutige Armenien, führte damals wohl den Namen Charri, dessen Bevölkerung aber vielfach auch in den Nachbar- ländern bei militärischen Aktionen als kriegsführender Adel auftritt. Die Lage des uns schon aus den Amarnabriefen bekannten Land«s Arsawa läßt sich noch nicht sicher bestimmen. Im Osten reichten die chattischen Beziehungen bis nach Babylonien, wo damals schon seit Jahrhunderten die schwache Kassitendynastie auf dem Throne saß, die das arme Land immer mehr herunterbrachte. Babylonien wurde damals meist mit einem kassitischen Namen Kar-Duniasch genannt. Im Süden von Chatti standen Aschtata und noch etwas südlicher Kar- kemisch, beide am Euphrat gelegen, zwar unter chattischem Einfluß, waren aber meist doch wohl selbständige Staaten. Etwa am Euphratknie, dort wo der Fluß sich südöstlich wendet, lag die auch aus ägyptischen Quellen bekannte Stadt Nija. Wandte man sich von hier aus westlich zum Orontes, so traf man auf das schon damals bedeutende und als Kultstätte des Donnergottes Teschup berühmte Chalab (Aleppo). Südlich an Chalab stieß das Gebiet von Nuchaschsche. DasOrontestal hatte schon damals besondere Bedeutung. Neben Chamät erfreute sich besonders die Stadt Kadesch, oder wie sie In unsern Urkunden immer genannt wird, Kinza, besonderer Wichtigkeit. Dagegen wird die Lage von Katna, das nach den sonstigen Nachrichten im Orontes- tal südlich von Kadesch zu suchen ist, durch die Boghazköitexte wieder un- 1* 4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. sicher. Von direktem Einfluß auf die südlich von Kadesch gelegenen Ort- schaften erfahren wir vorläufig noch nicht viel, dagegen ist ein Verkehr mit der Landschaft Ugarit (die Ebene von Antiochia), der Phönizierstadt Arwad und der Kupfer exportierenden Insel Alaschia (Zypern) auch für Chatti bezeugt. Eine besondere Rolle spielen in den Chattiurkunden wie in den Amarnabriefen die Amurru; ihre Einflußsphäre erstreckt sich vom Hinter- lande von Nordphönizien über Damaskus bis nach Babylonien hin. Wir ersehen schon aus dieser Stellung, daß sie wüstenbeherrschende, halb- nomadisierende und halbseßhafte (aus Arabien stammende) Stämme re- präsentiert haben müssen, die mit allen Großstaaten, Ägypten, Chatti, Mitanni, Babylonien im Konnex standen, im übrigen aber doch ihre eigene, räuberische und wortbrüchige Politik verfolgten. Besonders rege aber waren die Beziehungen von jeher zu Ägypten, das seit den großen Eroberern der 18. Dynastie noch viele Interessen und Ansprüche in Syrien hatte. Krieg und Frieden wechselte zwischen ihnen miteinander ab, bis Chattuschil und Ramses Il. ihren ‚„Bruderschaftsvertrag für alle Ewigkeit‘ schlossen. Die erste Nachricht, die wir über die Chatti besitzen, ist der Bericht einer babylonischen Chronik, daß sie um das Jahr 1920 v. Chr. Babylonien an- gegriffen und die glorreiche Chammurapidynastie über den Haufen geworfen hätten!). Ob diese Chattu reine Repräsentanten ihres Stammes oder viel- leicht mit Mitannileuten vermischt waren, die, wie wir schon sahen, seit dieser Zeit in Assyrien und den Grenzgebieten bis nach Mittelbabylonien hin auftraten, ist noch ungewiß. Ebenso ist es nicht sicher auszumachen, ob die Heimat der Chatti in Kleinasien war, wo sie später saßen, oder ob sie vielleicht vom Osten her ihren Einfall in die babylonische Ebene machten?). Tatsache ist jedenfalls, daß sie um das Jahr 1500 v. Chr. schon ihre kleinasiatischen Sitze innehatten; denn als Thutmosis III. am Anfang des 15. vorchristlichen Jahrhunderts seine Eroberungszüge nach Syrien unternahm, sandten die Chatti nebst anderen vorderasiatischen Völkern ihm ihre Geschenke?°). Der erste uns namentlich bekannte Chattikönig war Chattuschill., der etwa um 1400 v. Chr. regiert haben wird. Er erhält von seinen Nach- folgern gewöhnlich nur das Prädikat „König von Kuschschar‘‘*), woraus man schließen wollte, daß er wohl nur ein kleiner Gaukönig war, aber sein Enkel Murschil spricht doch von ihm schon als ‚Chattuschil, Großkönig, 1) King, Chronicles concern. early Bab. Kings II, 22. 2) Walter Otto stellt es Histor. Zeitschr. 117, 214f. als möglich hin, daß. sie aus dem Osten herstammen. 3) Breasted, Hıstory of Egypt 304, 315. 4) Winckler, Mitt der Deutschen Orient-Gesellsch. 35, 17. IV. Abteilung. Orientalisch-sprachwissenschaftliche Sektion. 5 König von Chatti‘‘!). Seine Kriegszüge führten ihn bis nach Chalab, dessen Königtum er abschaffte; sein Enkel berichtet darüber?): „Früher besaßen die Könige von Chalab das Großkönigtum, aber ihr Königtum schaffte Chattuschil, der Großkönig, der König von Chatti, ab.“ Auf anderen Gebieten hatte er aber weniger Glück. Sein Sohn erzählt von ihm, daß sich die Bevölkerung mehrerer chattischer Gaue von ihm los- gesagt hätte und nach dem Lande Ischuwa ausgewandert wäre?°): „Zur Zeit des Vaters des Königs von Chatti hatte das Land Ischuwa Feind- seligkeiten begangen. Leute von Chatti waren nämlich nach dem Lande Ischuwa ausgewandert: die Leute der Stadt Gurtalischscha, die Leute der Stadt Arawanna, das Land Zazzischa, das Land Kalamte (?), das Land Timmina, das Gebirge Chaliwa, das Gebirge Karna, die Leute der Stadt Durmitta, das Land Alcha, das Land Churma, das Gebirge Charana, die Hälfte des Landes Tegarama, die Leute der Stadt Teburzija, die Leute der Stadt Chasga und die Leute der Stadt Armatana hatten zur Zeit meines Vaters Feindseligkeiten begangen ... Alle diese Leute und diese Länder hatten Feindseligkeiten begangen und wohnten jenseits (?) des Landes Ischuwa inmitten der Feinde.“ Ähnlich ging es ihm wohl mit der Landschaft Kiswadna, die anfangs direkt von ihm abhängig war, sich aber später dem Charrilande anschloß. Man lese den Bericht seines Enkels Murschil®): „Früher, zur Zeit meines Großvaters, gehörte Kiswadna zum Lande Chatti; später aber sagte sich Kiswadna von Chatti los und ging zum Lande Charri über.‘ Chattuschils Sohn Schubbiluliuma, den die Ägypter Saplel nennen, muß eine höchst bedeutende Persönlichkeit gewesen sein. In seiner langen Regierung (er regierte gleichzeitig mit Amenophis Ill. und IV. und wohl noch länger) hat er es verstanden, durch kriegerische Erfolge sowie durch diplomatische Tüchtigkeit sein Reich immer mehr zu heben und zu einem Großstaat ersten Ranges zu machen. Mitanni, das bis zu. seiner Zeit ein achtunggebietender Faktor war, brachte er ohne große Mühe in seine völlige Abhängigkeit. Der Mitanni- könig Tuschratta stand in besonders nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zum ägyptischen Hofe; er war durch seine Schwester Giluchipa der Schwager Amenophis Ill., dem er noch in seiner letzten Krankheit das heilkräftige Bild des Ischtar von Ninive sandte, um ihn vom Tode zu retten — leider vergeblich; außerdem war er auch der Schwiegervater Ame- nophis IV, da auch dieser die mitannische Prinzessin Taduchipa, eine 1) Keilschr. aus Bogh. I No. 6, 12. 2) Keilschr. aus Bogh. I No. 6, 11ff. 3) Keilschr. aus Bogh. I No. 1, 10ff. = Böhl, Theol. Tijdschr. 50, 164. 4) Keilschr. aus Bogh. I No. 5, I, 5ff. 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Tochter Tuschrattas, in seinen Harem aufnahm!). Aber diese Freund- schaft nützte ihm nicht viel in seinen chattischen Kriegen. Zwar rühmt er sich, einen Einfall der Chatti in sein Land zurückgeschlagen und dabei große Beute gemacht zu haben, und schickt zum Beweise dessen einen erbeuteten Wagen, Pferde und Sklaven nach Ägypten?), aber Schubbiluliuma stellt den Sachverhalt anders dar?): „Als Tuschratta, der König von Mitanni, sich mit dem Großkönige, dem König von Chatti, dem tapferen, maß, habe ich, der Großkönig, der tapfere, der König von Chatti, mich mit Tuschratta, dem König von Mitanni gemessen und die Länder auf dem diesseitigen (Euphrat-) Ufer geplündert und das Gebirge Niblani zu meinem Gebiete geschlagen. Wiederum trotzte der König Tuschratta mir und hat folgendermaßen gesprochen: ‚Warum plünderst du das jenseitige Ufer des Euphrats, welches dem König Tusch- ratta gehört? Wenn du dieLänder auf dem jenseitigen Ufer des Euphrats- plünderst, dann werde auch ich die Länder auf dem (von mir aus) jen- seitigen Ufer des Euphrats plündern. Der König Tuschratta wünscht sie zu vervollkommnen, aber wenn du sie plünderst, was kann ich dann für sie tun? Also werde ich auf das (von dir aus) diesseitige Ufer des Euphrat hinübergehen, ob es mein Land ist oder nicht.‘ ... Aber ich, die Sonne (d.i. der Chattikönig) Schubbiluliuma, der Großkönig, der König von Chatti, der tapfere, der Liebling des Gottes Teschup, zog gegen den Trotz des Königs Tuschratta. Ich überschritt den Euphrat, zog nach Ischuwa und bemächtigte mich ganz Ischuwas.“ Bei dieser Gelegenheit brachte er auch seine Untertanen, die zur Zeit seines Vaters (s. 0.8. 5) nach Ischuwa ausgewandert waren, wieder unter seine Botmäßigkeit®): „Die Leute und Länder, die zur Zeit meines Vaters nach Ischuwa über- getreten waren. ... . dieser Leute und jener Länder bemächtigte ich mich, brachte sie an Chatti zurück. Die Länder, die ich eingenommen, ließ ich frei, und sie wohnten an ihren Orten weiter, aber die Leute, die ich frei- gelassen, traten zu ihren Leuten über, und Chatti nahm ihren Ort in Besitz.“ Tuschratta schien durch alle diese Mißerfolge so geschwächt ge- wesen zu sein, daß er sich dem Schubbiluliuma gelegentlich eines t) Breasted, Hist. of Egypt 333. 2) Knudtzon, Amarna No. 41. Vielleicht ist dieser Wagen identisch mit dem von Ed. Meyer, Keich der Chetiter 154 erwähnten sehr altertümlichen, vier- speichigen Streitwagen, der sich im Museum von Florenz befindet. Da Birkenbast bei ihm verwendet ist, muß er aus nördlichen Gegenden stammen. 3) Keilschr. aus Bogh. I No. 1, 2ff. = Winckler, Mitt. der Deutsch. Orient- Gesellsch. 35, 33 = Böhl, Theol. Tijdschr. 50, 162. #) Keilschr. aus Bogh. I No. 1, 19ff. = Winckler, Mitt. der Deutsch. Orient- Gesellsch. 35, 32 = Böhl, Theol. Tijdschr. 50, 166. IV. Abteilung. Orientalisch-sprachwissenschaftliche Sektion. 7 Feldzuges gegen das Land Alsche nicht mehr zum Kampfe zu stellen wagte). Im späteren Verlauf der Dinge fiel Tuschratta der Verschwörung eines seiner Söhne zum Opfer, und in den folgenden Wirren geriet Mitanni immer mehr in Abhängigkeit von Assyrien und Alsche?). Vermutlich war es der Assyrerkönig Aschur-uballit, der hier militärische Lorberen pflückte?). Ein anderer Sohn Tuschrattas, Mattiwaza, klagt mit beweglichen Worten®): „Der König Tuschratta, mein Vater, hatte einen Palast gebaut und mit Prunkstücken angefüllt, aber Schuttarna zerstörte ihn und riß ihn nieder. Die königlichen Insignien aus Silber und Gold, die silbernen Ge- fäße aus dem Tempel zerbrach er, und gab keinem [Diener] seines Vaters und Bruders etwas davon, sondern vor dem Assyrer, dem Diener seines Vaters, welcher Tribut geben sollte, warf er sich nieder und gab ihm alle Prunkstücke als Geschenk. .... Eine Tür aus Silber und Gold, welche der König Sauschschatar, der Vater meines Großvaters, aus Assyrien bei Widersetzlichkeit mit Gewalt weggenommen und in seiner Hauptstadt Waschuggani in seinem Palaste aufgestellt hatte, hat Schuttarna auf seinen Befehl nach Assyrien ausgeliefert, alle übrigen silbernen und goldenen Ge- räte hat er an das Land Alsche gegeben. Das Haus des Königs von Mitanni samt seiner Ausstattung und seinen Prunkstücken hat er ver- nichtet, mit Erde beworfen, den Palast zerstört und die Häuser der Charri- leute vernichtet. Die Großen hat er nach Aschschur und Alsche bringen lassen und ausgeliefert; da hat man sie weggebracht und in der Stadt Taite gepfählt. So hat er alle Charrileute vernichtet.‘ Der neue König trachtete auch dem eben erwähnten Mattiwaza, Tusch- rattas Sohn, nach dem Leben; der floh in seiner Angst zu dem Feinde seines Vaters, dem Chattikönige, wo er nur ,„mit 3 Wagen, zwei Charri- leuten, zwei Dienern, einem Kleide und nichts anderm‘‘5) eintraf. Hören wir seine eigenen Worte®): „Auch gegen mich, Mattiwaza, Tuschrattas Sohn, machte er einen Mordanschlag, aber ich entkam seiner Hand. Zu den Göttern der Sonne (d. i. des Chattikönigs) Schubbiluliuma, des Großkönigs, des Königs von Chatti, des tapferen, des Geliebten Teschups, rief ich. Auf einem un|[weg- samen] Pfade führten mich die Götter des Königs von Chatti und die Götter des Königs von Mitanni, vor die Sonne Schubbiluliuma, den Groß- könig, den König von Chatti, den tapferen, den Liebling Teschups, ließen 1) Keilschr. aus Bogh. I No. 1, 29. 2) Keilschr. aus Bogh. I No. 1, 49f. 3) Winckler, Orient. Lit.-Ztg. 1907, 290, 3491. 4) Keilschr. aus Bogh. I No. 3, 4ff. = Böhl, Theol. Tijdschr. 50, 190. 5) Keilschr. aus Bogh. I No. 3, 31 = Böhl, Theol. Tijdschr. 50, 196, 6) Keilschr. aus Bogh. I No. 3, 17ff. = Böhl, Theol. Tijdschr. 50, 192. 8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. sie mich gelangen. Zu den Füßen der Sonne Schubbiluliuma, des Groß- königs, des Königs von Chatti, des Lieblings des Goltes Teschup, fiel ich, seine Hand ergriff mich; er freute sich über mich und den ganzen Befehl von Mitanni übertrug (?) er mir.“ Schubbiluliuma kam diese Gelegenheit, sich in mitannische Angelegen- heiten einzumischen, wie gerufen. Er nahm Mattiwaza nicht nur freundlich auf, sondern gab ihm sogar eine seiner Töchter zur Frau und setzte ihn auf den allerdings von ihm abhängigen Mitannithron. In einem Vertrage, der Rechte und Pflichten des Schwiegersohnes festsetzt, berichtet er selbst sehr anschaulich über diese Dinge): „Als sein (Tuschrattas) Sohn sich mit seinen Dienern verschwor (?), ermordete er seinen Vater, den König Tuschratta. Als der König Tuschratta gestorben war, entschied der Gott Teschup das Gericht des Artatama und erweckte seinen toten Sohn Artatama zum Leben (d. h. er wurde durch Gottesgericht freigesprochen). Das Land Mitanni ging aber ganz zugrunde, indem die Assyrer und Alschejer es gemeinsam teilten.... Als der Groß- könig, der König von Chatti, die Verarmung des Landes Mitanni hörte, hatte ihnen der König von Chatti Hofbeamte, Rinder, Kleinvieh und Pferde ge- sandt.... Schuttatarra samt den Vornehmen trachteten dem Prinzen Matti- waza nach dem Leben, der aber entfloh und kam zu der Sonne Schubbiluliuma, dem König von Chatti, dem tapferen, dem Liebling Teschups. Der Groß- könig sprach folgendermaßen: ‚Seinen Rechtsstreit hat Teschup entschieden.‘ Nachdem ich Mattiwaza, den Sohn des Königs Tuschratta, bei der Hand gefaßt, setzte ich ihn auf den Thron seines Vaters. Damit Mitanni als Groß- macht nicht untergehe, hat der Großkönig, der König von Chatti, das Land Mitanni um seiner Tochter willen zum Leben erweckt. Mattiwaza ergreife ich mit meiner Hand, meine Tochter gebe ich ihm zur Frau. Prinz Mattiwaza soll im Lande Mitanni König sein, und die Chattiprinzessin soll darin Königin sein. Du aber Mattiwaza sollst die zehn Weiber ent- lassen, eine andere Frau außer meiner Tochter soll es nicht als Haupt- frau geben, eine andere als Rivalin sollst du nicht nehmen und in ihrem Hause soll niemand anders wohnen. Meine Tochter sollst du an Stelle einer anderen nicht wegschicken, sie soll in Mitanni die Königin- würde ausüben. Die Söhne Mittawazas und die Söhne meiner Tochter, ihre Söhne und ihre Enkel mögen in Zukunft in Mitanni [herrschen]. In Zukunft sollen die Einwohner von Mitanni gegen den Prinzen Mattiwaza, gegen meine Tochter, die Königin, gegen ihre Söhne und Enkel nicht an Aufruhr denken. Prinz Mattiwaza soll in Zukunft [meinem Sohne] Bruder und Gleichgestellter sein, und die Söhne des Prinzen Mattiwaza sollen meinen Enkeln Brüder und Gleichgestellte sein.‘ 1) Keilschr. aus Bogh. I No. 1, 48. = Winckler, Mitt. der Deutsch. Orient- Gesellsch. 35, 36 = Böhl, Theol. Tijdschr. 50, 170. IV. Abteilung. Orientalisch-sprachwissenschaftliche Sektion. 9 In dem Vertrage folgen dann noch verschiedene Bestimmungen, die den Bewohnern beider Länder gleiche Behandlung garantieren, so z. B.'): „Die Bewohner von Chatti und die Bewohner von Mitanni sollen in Zukunft mit bösem Auge [einander nicht ansehen]; die Bewohner von Chatti sollen gegen die Bewohner von Mitanni nichts Böses tun, und die Bewohner von Mitanni sollen gegen die Bewohner von Chatti nichts Böses tun“, oder?): „Wenn ein Flüchtling aus dem Lande Chatti entfl[ieht nach Mitanni], soll man ihn zurückbringen, und wenn ein Flüchtling aus Mi|tanni nach Chatti entflieht, soll man ihn zurückbringen |.“ Daß aber trotz dieser scheinbar gleichartigen Behandlung beider Länder der Oberherr Schubbiluliuma ist, lehren seine Worte°): „Der Großkönig, der König von Chatti, hat die Länder von Mitanni eingenommen, nicht zur Zeit des Prinzen Mattiwaza hat er sie einge- nommen, sondern zur Zeit Tuschrattas. Den Euphrat habe ‘ich zu meiner Rückendeckung und das Gebirge Niblani zu meiner Grenze gemacht und alle Städte [des Landes Mitanni]l, Murmuris, Schipri, Mazupiti, Schurun und diese Festungen habe ich meinem Sohne gegeben.“ Gegen Ende des Vertrages wird eine lange Reihe von (angeblich 1000) Göttern als Schwurzeugen aufgeführt, aber nicht nur solche aus Chatti und Mitanni, sondern auch babylonische und höchst sonderbarer- weise auch altarische, Mitra, Varuna, Indra und die Naschatya. Den Schluß des Ganzen bildet dann der Fluch, falls Mattiwaza und die Charrileute den Vertrag brechen, und der Segenswunsch bei Haltung des Eidschwures. Während sich Chatti an dem westlichen Teile des geschwächten Mitanni schadlos hielt, hatten sich, wie wir schon oben sahen, Assyrien und Alsche östliche Teile annektiert. Karkemisch schließlich, das früher wohl auch zu Mitanni gehört hatte, soll jetzt nach dem Wunsche des Chattikönigs Mattiwazas Bruder Biaschschili zu selbständigem, allerdings von Chatti abhängigen Besitz empfangen): „Mattiwaza soll gegen seinen Bruder Biaschschili keine Schlechtigkeit ersinnen, noch einen andern gegen Biaschschili eine Schlechtigkeit unter- nehmen lassen. Die Städte des Mattiwaza sollen gegen Biaschschili keine Schlechtigkeit ersinnen, und niemand soll gegen Biaschschili irgend eine Schlechtigkeit und Bosheit ersinnen. Wenn Mattiwaza und sein Bruder Biaschschili in betreff der Stadt Karkamisch einig (?) sind, soll Biaschschili irgend eine Schlechtigkeit und Bosheit gegen Mattiwaza nicht ersinnen. Alle Städte des Mattiwaza, die am Euphrat liegen, sollen sie besetzt halten, aber eine andere Stadt am Euphrat nicht mehr in Besitz nehmen.‘ 1) Keilschr. aus Bogh. I No. 1, 68ff. = Böhl, Theol. Tijdschr. 50, 174. 2) Keilschr. aus Bogh. I No. 1 Rs. 9ff. — Böhl, Theol. Tijdsch. 50, 176. 3) Keilschr. aus Bogh. I No. 1 Rs. 14. — Böhl, Theol. Tijdschr. 50, 178. 4) Keilschr. aus Bogh. I No 1 Rs. 23ff. — Böhl, Theol. Tijdschr. 50, 180. 10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Nach diesem erwürgenden Vertrage des bösen Schwiegervaters hören. wir nichts mehr von Mitanni; das einstmals bedeutende Reich war be- seitigt. Nach den großen Eroberungen 'Thutmosis’ III. hatte der ägyptischen Krone ganz Syrien bis zum Amanus gehört. Unter seinen Nachfolgern gingen aber diese Länder allmählich alle verloren; schon der prunkvolle- Amenophis Ill. war nicht mehr imstande, alle Besitzungen zu halten. Der bedeutendste Gegner ägyptischer Herrschaft in Syrien war der Chattikönig Schubbiluliuma. Äußerlich zwar waren seine Beziehungen meist wohl korrekte, er schrieb an Amenophis IV. bei seiner Thronbesteigung einen herzlichen Gratulationsbrief!), in Wahrheit aber ließ er sich durch ägyptische An- sprüche von seinem Vorgehen gegen Syrien gar nicht abhalten. Darum ist es sehr wohl zu verstehen, daß der neue Pharao keinen Wert auf diese Beziehungen legte und die Korrespondenz sehr zur Verwunderung des Chattifürsten abbrach. Ob es zu offenen Feindseligkeiten zwischen beiden gekommen ist, ist unsicher; vielleicht muß man aus der Notiz Ramses’ 1I., daß zur Zeit Saplels ein Vertrag mit Ägypten bestanden habe?), schließen, daß dieser einen Krieg zwischen beiden Staaten beendigte. Als Vorwand für sein Vorgehen gegen die syrischen Kleinfürstentümer nahm Schubbiluliuma seine Feindschaft mit Tuschratta; darum ‚‚raubte er“ einfach, wie sein Sohn berichtet, „Karkamisch, Chalab und Nuhaschsche‘“). Schubbiluliuma gibt uns aber auch selbst eine recht genaue Beschreibung des Verlaufs der Aktionen‘). Danach besetzte er Chalab und zog von dort nach der Stadt Nija am Euphrat, wo sich Akit-Teschub, der Bruder des Königs Takuwa, gegen diesen empört hatte Diese Wirren machte er sich zu nutze und brachte bald diese Stadt sowie die Nachbarstadt Arachti, die auch in den Putsch mit verwickelt wurde, und die Empörer in seine Hand. Dann erfolgte die Eroberung des Landes Nuchaschsche. Er sagt darüber in einem Vertrage°): „Als ich nach dem Lande Nuchaschsche zog, habe ich alle Ortschaften eingenommen. Scharrupschi machte sich davon, seine Mutter, seine Brüder,. seine Söhne nahm ich gefangen und brachte sie nach Chatti. Takip-scharri, einen Königssklaven des Scharrupschi, setzte ich über die Stadt Gulzat als König ein.“ In einem andern Vertrage stellt er den Sachverhalt wesentlich anders dar®): 1) Knudtzon, Amarna. No. 41. 2) W. Max Müller, Bündnisvertrag Ramses’ II. S. 12. 3) Keilschr. aus Boghazk. I No. 6, 34 f. 4) Keilschr. aus Boghazk. I No. 1, 30 ff. = Böhl, Theol. Tijdschr. 50, 168. 5) Keilschr. aus Boghazk. I No. 1, 39 ff. — Böhl, Theol. Tijdschr. 5%, 168. 6) Keilschr. aus Boghazk. 1 No. 4, I, 2 ff. Es ist allerdings auch wohl möglich, daß es sich hier um zwei aufeinander folg=nde Ereignisse handelt. IV. Abteilung. Orientalisch-sprachwissenschaftliche Sektion. 11 „Als der König von Mitanni den Scharrupscha zu töten suchte, und er mit seinen Fußtruppen und Wagen im Lande Nuchaschsche einzog und ihn bedrängte, schickte Scharrupscha seinen Boten an den König von Chatti mit folgender Botschaft: ‚Ich bin ein Diener des Königs von Chatti: rette mich.‘ Die Sonne (d. h. der Chattikönig) sandte Soldaten und Pferde zu seiner Unterstützung, und der König von Mitanni nebst seinen Fußsoldaten (?) und Wagen wurden aus dem Lande Nuchaschschi fortgebracht.“ Mag dem nun sein, wie ihm wolle, jedenfalls war von nun an der Chattikönig der eigentliche Herrscher in Nuchaschsche. Einer der Nachfolger des eben genannten Scharrupscha war Tette, dessen Rechte und Pflichten in einem uns erhaltenen Vertrage genau geregelt werden; aber er erscheint dort in recht abhängiger Stellung!): „Tette soll vor die Sonne, seinen Herren, im Lande Chatti jährlich kommen. Mit meinem (d. h. des Chattifürsten) Freunde soll er Freund und mit meinem Feinde soll er Feind sein.“ Im Anschluß an Nuchaschsche wird auch gleich das benachbarte Kinza- Kadesch erledigt?): „Das Land Kinza wollte ich nicht vernichten, aber Schutatarra samt seinem Sohne Aitakkama und seinen Wagen zogen mir zum Kampfe ent- gegen. Ich besiegte sie, und sie zogen sich in die Stadt Umzuja (?) zu- rück, darauf belagerte ich die Stadt Umzuja. Schutatarra nebst seinem Sohne, seinen Edeln, seinen Brüdern und seinen |[Sol]ldaten brachte ich nach Chatti in Gefangenschaft. Dann zog ich nach dem Lande Abina. Ariwana, der König von Abina, Sambadura (?), Akparu und Artaia, seine Großen, zogen aus, mich zu bekämpfen. Diese alle samt ihren Ortschaften und ihrer Habe brachte ich nach Chatti in die Gefangenschaft. Wegen der Frechheit (?) des Königs Tuschratta habe ich in einem Jahre alle diese Länder geplündert und nach Chatti gebracht. Vom Gebirge Niblani an habe ich (die Länder) auf dem jenseitigen Ufer des Euphrats zu meinem Gebiet geschlagen.“ Der hier genannte Aitakama muß sich später wieder das Vertrauen des Chattikönigs errungen haben; denn er erscheint nachher wieder als Fürst seines Landes und als treuer Bundesgenosse seines Herrn und des Aziru von Amurru?). Die Rolle, die dieser merkwürdige Mann in jenen wilden Zeiten ge- spielt hat, lernen wir erst jetzt näher kennen). Er war ein Nomaden- fürst, dessen Einfluß die ganze arabische Wüste umfaßte, sich aber auch auf Nordpalästina bis zur See erstreckte. Seiner Diplomatie müssen wir 1) Keilschr. aus Boghazk. I No. 4, II, 3 ff. 2) Keilschr. aus Boghazk. I No. 1, 40 ff. = Böhl, Theol. Tijdschr. 50, 170. 3) Knudtzon, Amarna S. 1110; 1984ff. 4) Winckler, Mitt. der Deutschen Orient-Gesellsch. 35, 41ff. 12 Jahresberieht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. alle Achtung widerfahren lassen, denn er hat es durch seine Geschick- lichkeit fertig gebracht, Ägypten immer wieder von seiner Harmlosigkeit zu überzeugen, trotzdem er sicherlich der Mittelpunkt aller Zänkereien in Nordpalästina und Phönizien war. Dem kraftvollen Regimente Schubbi- luliumas mußte er aber notgedrungen Achtung und Sympathien entgegen- bringen, und der kluge Chattifürst andrerseits sah ein, wie große Vorteile ihm aus einer Verbindung mit diesem geriebenen Abenteurer entspringen würden. Ein späterer Vertrag gibt uns Kunde von der Vereinigung dieser beiden Kraftmenschen!): „Früher zur Zeit des Schubbiluliuma, meines Großvaters, hatten [seine Gegner (?)] den Aziru, den König [von Amurru], nach Ägypten ausgeliefert. Zu den Füßen des Schubbiluliuma, meines Großvaters, |fiel er nieder]; mein Großvater gewährte ihm [Gnade]. Eine Vertragsurkunde schrieb er, und die Grenzen des Landes Amurru wie für seine Vorfahren schrieb er (darin) auf und gab sie ihm.“ Auch Murschil stellt Aziru das Zeugnis aus, daß er nach einer ein- maligen Gehorsamsverweigerung ein treuer Vasall seines Vaters gewesen sei, der mit den empörerischen Königen von Nuchaschschi und Kinza nicht gemeinsame Sache gemacht, sondern mit ihm alle Züge seiner Politik geteilt habe?). Gerade durch diese Verbindung wuchs Schubbiluliumas Einfluß in Palästina immer mehr und drang immer weiter südlich. Akizzi, der pharaotreue Herrscher der Stadt Katna, schreibt mit beweglichen Worten nach Ägypten, wie die Chatti in sein Land eingefallen wären, die Götter- statuen samt den Priestern (?) geraubt und die Stadt verbrannt hätten?). So war denn ganz Nordsyrien wirklich dem ägyptischen Zepter verloren und in chattische Hände übergegangen. Nach der langen und glorreichen Regierung Schubbiluliumas folgte ihm sein Sohn Arandas, der aber wohl nur kurze Zeit regierte; wenigstens wissen wir nichts Näheres von ihm®). Er wurde abgelöst durch seinen Bruder Murschil (von den Ägyptologen früher Merasar gelesen). Auch aus seiner Regierung besitzen wir mehrere wichtige Dokumente. Eine Chronik über die Ereignisse der ersten zehn Jahre seiner Regierung und ein Vertrag mit Alakschandu, dem Könige des bekannten, aber geographisch noch nicht sicher bestimmbaren Landes Arzawa sind leider in chattischer Sprache abgefaßt?) und darum für unsere Zwecke noch nicht zu verwerten. Dafür gewährt uns der Kiswadna-Vertrag einen interessanten Einblick in seine 1) Keilschr. aus Boghazk. I No. 8, 3ff. = Winckler, Mitt. d. Deutschen Orient-Gesellsch. 35, 43 — Böhl, Theol. Tijdschr. 50, 206. 2) Winckler, Mitt. der Deutschen Orient-Gesellsch. 35, 44. 3) Knudtzon, Amarna No. 55. 4) Winckler, Mitt. der Deutschen Orient-Gesellsch. 35, 18. 5) Winckler, Mitt. der Deutschen Orient-Gesellsch. 35, 18. IV. Abteilung. Orientalisch-sprachwissenschaftliche Sektion. 13 Politik. Wie wir schon sahen, war Kiswadna wohl zur Zeit Chattuschils I. aus den engen Beziehungen zu Chatti herausgetreten und hatte sich dem Lande Charri angeschlossen. Jetzt gelingt es Murschil augenscheinlich auf diplomatischem Wege, ihren König Schunaschschura wieder zu sich und seiner Politik zurückzuführen und Kiswadna und Chatti zu versöhnen. Der Bund hatte Erfolg; denn im Kriege Muwattallus gegen Ägypten leistete das Land wirklich die im $ 57 (s. d.) des Vertrages ausbedungene Hilfe, und die Fürsten von Kiswadna werden im ägyptischen Epos der Schlacht bei Kadesch als die Bundesgenossen der Chatti erwähnt. Das sehr ausführliche Schrift- stück ist recht charakteristisch durch seinen Ton. Murschil ist seinem Partner offenbar weit entgegengekommen und behandelt ihn möglichst ex aequo, wenngleich er in manchen Punkten auch seine höhere Stellung wahrt. Im folgenden lasse ich einige der wichtigsten Festsetzungen folgen!). $ 8. „Kiswadna freute sich gar sehr über den Vertrag (?). Jetzt sollen Chatti und Kiswadna durch Götterschwur vereint (?) sein. Jetzt hat die Sonne (d. i. der Chattikönig) das Land Kiswadna zur Freiheit entlassen.‘ 8 9. Schunaschschura soll vor die Sonne kommen, um die Augen der Sonne zu sehen. Wenn er vor die Sonne kommt, soll von den Magnaten der Sonne vor ihm keiner auf seinem Platze sitzen bleiben. 8 10. Wenn die Sonne ihn ruft: ‚Komm zu mir‘, jener aber nicht kommen will, soll die Sonne irgend einen seiner Söhne bestimmen, und der soll vor die Sonne kommen. $ 11. Die Sonne, der Großkönig, soll dem Schunaschschura nicht entgegentreten, noch ihn befeinden. Wie die Sonne ihr eigenes Haupt und ihr Land beschützt, soll sie auch Schunaschschuras Land und Haupt beschützen. Welchen seiner Söhne Schunaschschura der Sonne zur Nach- folge bestimmt, dem soll die Sonne bei der Thronfolge behilflich sein. 8 12. Schunaschschura, der Großkönig, soll ihm (der Sonne) nicht entgegentreten, noch ihn befeinden. Wie Schunaschschura sein eigenes Land und Haupt beschützt, soll er auch der Sonne Haupt und Land be- schützen. Welchen seiner Söhne die Sonne dem Schunaschschura zur Nachfolge bestimmt, dem soll Schunaschschura bei der Thronfolge behilf- lich sein. 8 18. Wenn irgend jemand, sei es ein Mensch oder eine ganze Stadt, mit der Sonne Aufruhr macht, sie befelıdet, soll Schunaschschura, wenn er es hört, die Sonne benachrichtigen. 8 19. Wenn irgend jemand, sei es ein Mensch oder eine ganze Stadt, mit Schunaschschura Aufruhr macht, ihn befehdet, soll die Sonne, wenn sie es hört, den Schunaschschura benachrichtigen. 8 20. Wenn irgend ein fremdes Land mit der Sonne Feindschaft anfängt, soll Schunaschschura, wenn er es hört, die Sonne benachrichtigen. 1) Keilschr. aus Boghazk. I No. 5. 14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. $ 21. Wenn irgend ein fremdes Land mit Schunaschschura Feind- schaft beginnt, soll die Sonne, wenn sie es hört, Schunaschschura benach- richtigen. $ 22. Wenn irgend eine Stadt im Lande mit der Sonne Feindschaft beginnt, ist sie ebenso wie der Sonne auch Schunaschschura feindlich; zu- sammen sollen sie eine Schlacht liefern, s 23. Das Besitztum der Stadt, Beute, Einwohner, die die Sonne erbeutet, kann sie behalten, niemand soll ihr entgegentreten. $ 24. Und Besitztum der Stadt, Beute, Einwohner, die Schunasch- ‚schura (!) erbeutet, kann er behalten, niemand soll ihm entgegentreten, Die Stadt bleibt aber Erde (d. i. Besitztum) der Sonne. $S 25. Wenn irgend eine Stadt im Lande des Schunaschschura Feind- schaft beginnt, ist sie ebenso wie dem Schunaschschura auch der Sonne feindlich; zusammen sollen sie eine Schlacht liefern. S 26. Das Besitztum der Stadt, Beute, Einwohner, die Schunasch- schura erbeutet, kann er behalten, keiner soll ihm entgegentreten. $S 27. Und das Besitztum der Stadt, Beute und Einwohner, die die Sonne erbeutet, kann sie behalten, keiner soll ihr entgegentreten. Die Stadt bleibt aber Erde (d. i. Besitztum) des Schunaschschura. $ 38. Wer mit der Sonne einen Aufstand macht, den werde ich, Schunaschschura, heimsuchen. $S 39. Wer mit Schunaschschura einen Aufstand macht, den sollst du, Sonne, heimsuchen. $ 40. Chatti soll in Zukunft gegen Kiswadna irgend einen bösen Auf- ‚stand nicht nicht machen. $S 41. Kiswadna soll in Zukunft gegen Chatti irgend einen bösen Auf- stand nicht machen. $S 42. Wenn ein Chatti irgend ein böses Wort gegen Schunaschschura aus dem Munde irgend eines Feindes hört, soll er Schunaschschura benach- richtigen. $ 43. Und wenn ein Kiswadnamann irgend ein böses Wort gegen die Sonne hört, soll er die Sonne benachrichtigen. s 44. Wenn die Sonne ihren Gesandten an Schunaschschura schickt, soll Schunaschschura ihm nichts Böses tun. $ 45. Wenn vor die Sonne Schunaschschura seinen Sohn oder seinen Gesandten schickt oder er selbst kommt, soll die Sonne ihnen nichts Böses tun. $ 46. Chatti und Kiswadna mögen gedeihen und mögen Freund- schaft unter einander schließen. $S 57. Ferner. Wenn die Sonne in ein anderes Land, etwa nach Charri ouer nach Arzauwa, in den Krieg zieht, soll Schunaschschura IV. Abteilung. Orientalisch-sprachwissenschaftliche Sektion. 15 100 Kavalleristen und 1000 Infanteristen stellen und zum Heere der Sonne stoßen. Ihre Verpflegung sollen sie requirieren, bis sie aber zur Sonne ‚stoßen, soll die Sonne ihre Verpflegung liefern.“ Der Schluß des Vertrages gibt die Grenzen beider Länder an. Die hier genannten, vorläufig noch nicht lokalisierten Städte- und Flußnamen werden uns hoffentlich noch dazu dienen, diese Örtlichkeiten genauer be- ‘stimmen zu können: S 60. ,Vom Meere aus gehört die Stadt Lamia der Sonne, die Stadt Bitura dem Schunaschschura; zwischen ihnen wird man die Grenze ab- ‚messen und teilen. Die Sonne wird die Stadt Lamia nicht bebauen (?). $S 61. Die Stadt Aruna gehört der Sonne; zwischen ihr und der Stadt Bitura wird man die Grenze abmessen und teilen. Die Sonne wird die Stadt Aruna nicht bebauen (?). Die Stadt Schalia gehört der Sonne, die ‚Städte Zinziluwa und Erimma dem Schunaschschura; zwischen ihnen wird man die Grenze abmessen und teilen. Die Sonne soll die Stadt Schalia bebauen (?). Die Stadt Anamuschta gehört der Sonne, das Gebirge der Stadt Zabarruna (?) dem Schunaschschura; zwischen ihnen wird man die Grenze ‚abmessen. Die Sonne wird die Stadt Anamuschta bebauen (?j- $ 63. Die Stadt Scherigga gehört der Sonne, die Stadt Luwana dem Schunaschschura; der Fluß Schamri bildet die Grenze. Der Großkönig wird den Schamri nicht nach der Seite des Landes Atania überschreiten, und Schunaschschura wird den Schamri nicht nach der Seite von Chatti überschreiten. S 64. Von der Stadt Zilabbuna ist der Fluß Schamri die Grenze, vom Schamrifluß soll er die Grenze des Schunaschschura sein. Schunaschschura soll den Schamri nicht nach der Seite von Chatti überschreiten, der Groß- könig soll [den Schamri nach der Seite von Atania] nicht [überschreiten ].“ Merkwürdigerweise fehlen bei diesem Vertrage die Namen der Schwur- götter und die Fluch- und Segensformel; möglich also, daß das umfang- reiche Schriftstück mit diesen Bestimmungen noch nicht beendet ist. Derselben milden Politik der Bündnisse wie bei Kiswadna scheint sich Murschil auch in Syrien bedient zu haben; er umgibt sein Reich mit einem Kranz fast als unabhängige Verbündete behandelter Vasallen. Mit Chalab war er in feindliche Berührung gekommen und „hatte das König- tum von Chalab und die Stadt Chalab selbst zerstört!)‘. Trotzdem bewilligte er dem neuen Herrscher Rimi-scharrima?), der allerdings wohl ein Ver- wandter von ihm war?), u. a. folgende günstigen Bedingungen®): 1) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 6, 14. 2) Die Lesung der zweiten Hälfte des Namens ist unsicher. 3) Ich schließe das aus der Bemerkung (s. u.): „wir, die Söhne des Schub- biluliuma“. #, Keilschrift. aus Boghazk. I No. 6 Rs. 5ft. 16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. „Die Sonne, der Großkönig, soll dem Rimi-scharrima, dem König von Chalab, ein Verbündeter sein, und Rimi-scharrima, der König von Chalab, soll der Sonne, dem Großkönige, dem König von Chatti, ein Verbündeter sein. Die Söhne der Sonne Murschil, des Königs von Chatti, sollen den Söhnen des Rimi-scharrima Verbündete sein, und die Söhne des Rimi- scharrima sollen den Söhnen der Sonne Verbündete sein. Und wir, die Söhne des Schubbiluliuma, des Großkönigs, wir alle und unser Haus sollen wie einer stehen zu diesem Worte. Die Götter von Chatti und die Götter von Chalab sollen Zeugen sein. In Zukunft soll für den König von Chatti in Chalab [Unterstützung (?) sein. Rimi-scharrima, der König von Chalab, soll die Sonne Murschil, den Großkönig, den König von Chatti, schützen, und die Sonne Murschil, der Großkönig, soll Rimi-scharrima, den König von Chalab, schützen. Irgend ein Feind soll gegen die Hand des Rimi-scharrima und gegen die Hand seines Sohnes und Enkels sich nicht erheben, und das Königtum von Chalab möge der Sohn und Enkel des Rimi-scharrima, des Königs von Chalab, festhalten.“ Trotzdem scheint diese Politik aber auch vielfach den Eindruck der Schwäche gemacht zu haben; wenigstens erfahren wir von Aufständen der Könige von Nuchaschschi und Kinza gegen Murschil!), die lange angedauert haben müssen. Hierbei erwiesen sich aber der alte Aziru von Ämurri und sein Sohn Te-Teschup als treue Helfer des Chattikönigs; darum bleibt der alte Vertrag zwischen ihnen in Kraft. Eine Urkunde erzählt davon?): „Als Schubbiluliuma, mein Großvater, das Zeitliche gesegnet hatte, setzte sich mein Vater Murschil, Schubbiluliumas Sohn, auf den Thron. In Amurru ergriff Te-Teschup, und nach dessen Tode Abbi-Teschup, die Königsherrschaft. Denselben Vertrag, den Schubbiluliuma dem Aziru aus- gestellt hatte, behielten sie bei.‘ Auch mit Ägypten scheint Murschil in feindliche Berührung ge- kommen zu sein, wo dem sonderbaren Heiligen Amenophis IV. und seinen gleichgesinnten Nachfolgern die neue kraftvolle 19. Dynastie gefolgt war. Seti I. (c. 1320—1300 v. Chr.) unternahm als erster Pharao der neuen Dynastie einen Vorstoß nach Nordpalästina, und dort im Orontestale fand (soweit wir wissen) die erste Schlacht zwischen Ägyptern und Chatti statt. Der Pharao hat sich in Karnak darstellen lassen, wie er zu Wagen in vollem Galopp gegen die Chatti anstürmt, aber von großen kriegerischen Erfolgen hören wir nicht; jedenfalls erreichte er sein Ziel nicht, die Festung Kadesch im Orontestale einzunehmen). Wer Setis I. Gegner war, er- 1) Winckler, Mitt. der Deutschen Orient-Gesellsch. 35, 44. 2) Keilschr. aus Boghazk. I No. 8, 6ff. = Winckler, Mitt. der Deutschen Orient-Gesellsch. 35, 43 = Böhl, Theol. Tijdschr. 50, 206. 3) Breasted, History of Eeypt 4121. IV. Abteilung. Orientalisch-sprachwissenschaftliche Sektion. 17 fahren wir aus ägyptischen Quellen nicht; vermutlich wird es aber Murschil gewesen sein. Ein Vertrag hat die Feindseligkeiten abgeschlossen ; aber es ist nicht sicher, ob er während Murschils oder Muwattallus Re- sierung ratifiziert wurde!), Unter Murschils Sohn (er war der zweite von vier Kindern)?) und Nachfolger Muwattallu (sein Name wird von den Ägyptologen Mautenr oder Metella gelesen) nahmen die ägyptischen Kämpfe einen ernsten Charakter an. Er sowohl wie der junge Ramses Il. (c. 1300—1233 v. Chr.) scheinen nach kriegerischen Lorbeeren begehrt zu haben, beide erhoben Ansprüche auf die phönizische Küste und die Orontesebene, und so kam es zum Kriege. Im 4. Jahre seiner Regierung unternahm Ramses einen vorbereitenden Feld- zug bis zum Hundsflusse bei Beirut, wo er seine Stele errichtete?). Im April seines 5. Jahres brach er dann zum zweiten Male mit einer großen Armee nordwärts auf und kam unangefochten bis zum Orontes. Muwattallu hat die Zwischenzeit besonders benützt, sich möglichst viel Bundesgenossen zu verschaffen. Vielleicht ist in diese Zeit die Erneuerung des Vertrages mit dem König von Chalab zu setzen. ‚Die Tafel, die sein Vater Murschil ausgestellt hatte, war zerbrochen‘“, deshalb beeilt sich Muwattallu ‚eine andere Tafel zu schreiben und mit seinem Siegel zu siegeln‘*). So fesselt er den König Rimi-scharrima von neuem an seine Person. Außer Chalab leisteten dem Chattikönig nach ägyptischen Nachrichten noch die Herrscher von Naharina, Arwad, Karkemisch, Ugarit, Kiswadna usw. Heeresfolge, sodann hatte er auch noch Söldnertruppen von den kleinasiatischen Völkerschaften der Lykier, Mysier, Kilikier und Dardaner für sein Heer angeworben°). Bei Kadesch kam es dann zu der bekannten Entscheidungsschlacht. Ramses II. hat sie auf den Wänden der Tempel von Abu-Simbel, Derr, des Ramesseums usw. bildlich und dichterisch verherrlicht. Vielleicht liegt auch ein chattischer Bericht über dasselbe Ereignis vor; derselbe ist aber so schlecht erhalten, daß ihm vorläufig noch nicht viel zu entnehmen ist®). Wir ersehen aus den Fragmenten, daß „Muwattallu, der König von Chatti“ und ‚die Heere des Großkönigs von Ägypten“ erwähnt werden; daneben tritt noch „der König von Chalab“, der ja, wie wir aus der ägyptischen Beschreibung wissen, ein Bundesgenosse des Chattikönigs war, auf. An Ortsnamen erscheinen „das Land Kanaan“, ‚die Stadt‘ Kadesch-,Kinza‘‘ und Schwarze aus 1) In dem Vertrage Ramses II. und Chattuschils (W. Max Müller, Bündnis- vertr. Ramses Il. S. 13) wird erzählt, daß „sein Vater Mautenr“ einen Vertrag ab- geschlossen habe. Das ist ein Fehler, entweder ist, wie Müller annimmt, Mautenr aus Maurasira (Murschil), oder wie Breasted will, „Vater“ aus „Bruder‘‘ ver- schrieben. 2) Winckler, Mitt. d. Deutschen Orient-Gesellsch. 35, 19. 3) Breasted, History of Egypt 4231. 4) Keilschr. aus Boghazk. I No. 6, 31. 5) Breasted, History of Egypt 424. 6) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 15 + 19. 1917. 2 18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. „Meluchcha“. Besonders merkwürdig ist, daß auch hier das feindliche Heer wie im ägyptischen Bericht in drei Haufen eingeteilt war: „Drei Heerhaufen stehen auf den Wegen..... und der König sitzt auf seinem Thron“. „Das erste Heer ist im Lande Amurru, das andere Heer ist in >... ., das dritte Heer ist im Lande Taminta.‘“ Hoffen wir, daß dieser wichtige Text bald vervollständigt wird. Die einzige sonstige Illustration, die man bis jetzt der ägyptischen Darstellung der Schlacht aus chattischen Quellen geben kann, ist, daß „der elende Fürst von Chalab, der von seinen Soldaten kopfunter gekehrt wird, nachdem ihn seine Majestät ins Wasser gestürzt“, vermutlich unser Rimi-scharrima ist, mit dem Muwattallu den Vertrag erneuert hat. Leider hat der ägyptische Künstler vergessen, den Namen des Fürsten neben das Bild zu setzen. Der Sieg, den Ramses sich zuschreibt, kann zum mindesten nicht entscheidend gewesen sein; wenigstens gelingt es ihm trotz großer Verluste nicht einmal, Kadesch einzunehmen, sondern er muß zufrieden sein, sich der chattischen Umzingelung ent- ziehen zu können, und kehrt unverrichteter Sache nach Theben zurück. In den folgenden Jahren war Ramses in seinen Unternehmungen gegen die Chatti glücklicher, wenn er auch, vermutlich weil er nicht selbst an ihnen teilnahm, nicht so viel Wesens von ihnen macht; er dringt bis nach Tunip vor und hält auch das Land südlich davon eine Zeitlang fest im Besitz. Diese Erfolge wird er hauptsächlich der veränderten Haltung der Amurru zu verdanken gehabt haben. Darum wandte sich Muwattallus Zorn nachher gegen das Amurruland; er bekriegte und eroberte es, setzte den Fürsten Benteschina ab und ersetzte ihn durch einen andern, namens Schahbilis. Schon hier macht sich aber ein scharfer Gegensatz zwischen dem Könige Muwattallu und seinem Bruder Chattuschil bemerkbar; dieser bittet sich nämlich den abgesetzten Benteschina aus, beschützt ihn vor Vergewaltigung und setzt ihn, als er selbst zur Macht gelangt ist, wieder auf den Thron. Chattuschils eigener Bericht darüber lautet!): „Nach dem Tode meines Vaters ergriff mein Bruder Muwattallu den Königsthron. Mein Bruder Muwattallu hat Benteschina für tot erklärt (?). Benteschina hatte nämlich den Königsthron von Amurru ergriffen; aber mein Bruder Muwattallu stieß Benteschina, den König von Amurru, von der Königsherrschaft über Amurru und brachte ihn nach Chatti in die Gefangen- schalt. Ich habe mir damals den Benteschina von meinem Bruder Muwattallu ausgebeten und brachte ihn, nachdem er ihn mir geschenkt, nach dem Lande Chaggamischscha. Ich gab ihm ein Haus, und er erfuhr nichts Böses; denn ich beschützte ihn.“ Gerade weil Muwattallus Beziehungen : zu Ägypten gespannte waren, fühlte er sich zu dem andern großen Kulturlande, Babylonien, mehr hin- 1) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 8, 10ff. = Winckler, Mitt. der Deutschen Orient-Gesellsch. 35, 43 = Böhl, Theol. Tijdschr. 50, 208. IV. Abteilung. Orientalisch-sprachwissenschaftliche Sektion. 19 gezogen und bezog infolgedessen seine kulturellen Bedürfnisse möglichst von dort. So ließ er einstmals einen Beschwörungspriester und einen Arzt aus Babylonien kommen, um von ihrer Wissenschaft zu profitieren. Später wollte er diese berühmten Gelehrten nicht wieder in ihre Heimat entlassen, und der eine von ihnen starb wirklich in der Fremde; wegen des andern erfolgten dann noch unter Chattuschil diplomatische Verhand- lungen mit dem babylonischen Könige). Muwattallu starb vielleicht eines gewaltsamen Todes; „er ging fort nach seinem Geschick‘, wie sich gleichlautend eine ägyptische?) und eine chattische Quelle?) ausdrückt. Sein Sohn Urchi-Teschup war der präsum- tive Nachfolger; aber trotzdem sich ein sonst nicht näher bekannter König von Mira für ihn verwandte, kam er nicht auf den Thron, sondern Muwattallus jüngerer Bruder Chattuschil*) (von den Ägyptologen Chetasar gelesen), der, wie wir oben sahen, schon früher eine seinem Bruder ent- gegengesetzte Politik verfolgte. Der ägyptische Krieg ging auch jetzt nicht sofort zu Ende. Der Pharao und Chattuschil ‚„zürnten‘ noch auf einander, und in einem späteren Briefe, der jedenfalls von Chattuschil an Ramses gerichtet ist, beklagt jener sich°): „Ich habe die Königsherrschaft ergriffen, [aber dju hast keinen Ge- sandten geschickt. Und während es sonst üblich ist, |wenn einer die Herrschaft ergreift, daß die Könige ihrem Kollegen schöne |Gesc]henke, königliche Kleidung und wohlriechendes [Öl] zum Salben schicken, hast du das damals nicht getan.“ Aber Chattuschil blieb nicht untätig und scheint sich bis an Kadaschman- Turgu von Babylonien um Hilfe gewandt zu haben, der ihm hilfsbereit antwortete®): „[Meine Soldaten] werden nach Ägypten ziehen, und ich werde mit dir ziehen. |Ich] werde kommen, und die Fußtruppen und Wagen, so viel mit mir sind, stehen bereit“. Aber die Verhältnisse in der Heimat waren schließlich doch zu ernst (es scheinen Militärrevolten im Chattilande ausgebrochen zu sein’)), um einem einigermaßen vorteilhaften Frieden abgeneigt zu sein. So kam denn in Ramses 21. Regierungsjahre ein ‚Frieden und Bruderschaftsvertrag‘‘ zu- 1) Keilschr. aus Boghazk. I No. 10, Rs. 34 ff. = Winckler, Mitt. d. Deutschen Orient-Gesellsch. 35, 26. 2) W.Max Müller, Bündnisvertrag Ramses 1. 11. 3) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 8, 15. #) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 24, 7ff.;, Winckler, Mitt. der Deutschen Örient-Gesallsch. 35, 19 ff. 5) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 14 Rs. 5 ff. 6) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 10, 62 f. ?) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 24, 15. 30 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. stande, der alle Feindseligkeiten definitiv beendete. Chattuschil schickte die auf eine silberne Tafel geschriebene Urkunde nach Ägypten, und Ramses returnierte sein (in babylonischer Sprache und Schrift verfaßtes) Duplikat nach Chatti. Dieser Vertrag, der uns bisher nur ägyptisch überkommen war, ist uns in dem chattischen Staatsarchiv noch in zwei in babylonischer Sprache abgefaßten Exemplaren erhalten. Beide Fassungen sind ziemlich gleich- lautend; jedenfalls ist es sowohl sprachlich als auch kulturhistorisch höchst ‚interessant, die beiden Urkunden mit einander vergleichen zu können. Ich stelle daher einige Paragraphen in Übersetzung nebeneinander!): Chattisch. $1. [Damals haben | Riamaschescha mai Amana, der Großkönig, der König von Ägypten, der starke, mit Chattu- schil, dem Könige von Chatti, seinem Bruder, um schönen Frieden [und schöne Bruderschaft....] zugeben zwi- schen ihnen bis [inEwigkeit, einen Ver- trag abgeschlossen |, (nämlich) Riama- schescha mai Amana, der Großkönig, der König von Ägypten, der starke in der Sohn des Min- muaria, des Großkönigs, des Königs allen Ländern, von Ägypten, des starken, der Enkel des Minpachiritaria, des Großkönigs, des Königs von Ägypten, des starken, an (!) Chattuschil, den Großkönig, den König von Chatti, den starken, den Sohn des Murschil, des Großkönigs, desKönigs von Chatti, des starken, den Enkel des Schubbiluliuma, des Groß- königs, des Königs von Chatti, des starken. $ 1a. Sieh, nunmehr habe ich ge- geben schöne Bruderschaft und schö- nenFrieden zwischen uns auf ewig, um zu geben schönen Frieden und schöne Bruderschaft in dem [Verhältnis] zwi- schen Ägypten und Chatti auf ewig folgendermaßen: 1) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 7. Ägyptisch. $ 1. Vertrag, welchen macht der Großfürst von Chette, Chetasira, der Mächtige, der Sohn des Maurasira, des Großfürsten von Chette, des Mäch- tigen, der Enkel des Saparuru, des Großfürsten von Chette, des Mäch- tigen, auf einer silbernen Tafel für Ramses, den Großkönig von Ägypten, den Mächtigen, den Sohn des Men- ma‘-Re‘ (d. i. Seti I.), des Großkönigs von Ägypten, desMächtigen, den Enkel des Men-pahti-Re‘ (d. i. Ramses I.), des Großkönigs von Ägypten, des Mächtigen. Der schöne Friedens- und Bündnisvertrag, der sein läßt [schönen] Frieden und [schöne] Eintracht [b]is in alle Ewigkeit. Für die ägyptische Übersetzung s. die Bearbeitung von W. Max Müller, Der Bündnisvertrag Ramses I. IV. Abteilung. Oıientalisch-sprachwissenschaftliche Sektion. $ 2. Sieh das Verhältnis des Groß- königs, des Königs von Ägypten, und ‚des Großkönigs, des Königs von Chatti, von Ewigkeit her, so erlaubt Gott nicht, Feindschaft zwischen ihnen zu machen [infolge des Bündnisses] von Ewigkeit her. $ 4. Riamaschescha mai Amana, der Großkönig, der König von Ägypten, hat gemacht den Vertrag auf eine silberne Tafel mit Chattuschil, dem Großkönige, dem König von Chatti, seinem Bruder, vom heutigen Tage an, um einen schönen Frieden und schöneBruderschaft zugeben zwischen uns in Ewigkeit. Und er ist Bruder mit mir, und ich bin Bruder mit ailım und bin friedlich mit ihm in Ewigkeit. Und wir machen unsere Bruderschaft und unseren Frieden, und er ist schöner als die Bruder- schaft und der Friede von früher, der zwischen Ägypten und Chatti bestand. 80 50 Sieh den Großkönig, den König von Ägypten, in schönem Frieden und in schöner Bruderschaft mit Chattuschil, dem Großkönige, dem Könige von Chattıi. Sieh, die Söhne des Riamaschescha mai Amana, des Königs von Ägypten, sind friedlich und brüderlich mit den Söhnen des Chattuschil, des Groß- königs, des Königs von Chatti, auf ewig; und sie sind gemäß unseres Riamaschescha, Verhältnisses von unserer Bruderschaft und unserm Frieden und von Ägypten und Chatti, und sie sind friedlich und Brüder wie wir in Ewigkeit. 86. UndRiamaschescha mai Amana, der Großkönig, derKönig von Ägypten, soll Chatti nicht befehden, etwas zu | 21 8 2. Vormals, in uralter Zeit, was das Verhältnis des Großkönigs von Ägypten und des Großfürsten von Chette anbelangte, so ließ Gott keine Feindschaft zwischen ihnen entstehen, (und das erzielten sie) durch einen Vertrag. 84. Siehe, es setzt sich Chetasira, der Großfürst von Chette, in ein Ver- trag(sverhältnis) mit Ramses, dem Großkönig von Ägypten, von diesem Tage an, um einen schönen Frieden und ein schönes Bündnis sein zu lassen zwischen uns in Ewigkeit. Er ist verbündet mit mir, er ist in Frieden mit mir, ich bin verbündet mit ihm, ich bin in Frieden mit ihm auf ewig.... Er ist mit mir in unserm Frieden und unserm Bündnis. Es ist besser als der frühere Friede und das frühere Bündnis, das auf Erden bestand. $ 5. Siehe, ich als Großfürst von Chette bin mit dem Großfürsten von Ägypten schönen Friedensbe- ziehungen und einem schönen Bünd- nis, Die Kindeskinder des Großfürsten von Chette sollen schließen ein Bünd- nis und Frieden mit den Kindes- kindern Ramses Meiamuns, des Groß- fürsten von Ägypten. Sie sollen sein in unserm Bundesverhältnis und un- serm Friedensverhältnis, und es sei das Land Ägypten mit dem Lande Chette in Frieden und verbündet, wie wir es sind, ewiglich. in 8 6. So entstehe keine Feindschaft zwischen ihnen ewiglich. Nicht falle der Großkönig von Chette ein in das 232 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. nehmen daraus, und Chattuschil, der Großkönig, der König von Chatti, soll Ägypten nicht befehden, etwas zu nehmen daraus. $ 8. Und wenn ein anderer Feind gegen Chatti geht, und Chattuschil, der König von Chatti, schreibt an mich: ‚Komm zu mir zu meiner Hilfe gegen ihn‘, soll Riamaschescha mai Amana, der Großkönig, der König von Ägypten, senden seine Soldaten, seine Wagen, und sie sollen töten seinen Feind. $S 9. Und wenn Chattuschil, der Großkönig, der König von Chatti, zürnt gegen seine Diener, und sie sich versündigen gegen ihn, und Du schreibstan Riamaschescha, den Groß- könig, denKönigvon Ägypten, darüber, soll sofort Riamaschescha mai Amana seine Soldaten und seine Wagen sen- den, und sie sollen vernichten alle, die feindlich sind gegen sie. $ 10. Und wenn ein anderer Feind kommt gegen Ägypten, und Riama- schescha mai Amana, der König von Ägypten, dein Bruder, schreibt an Chattuschil, den König von Chatti, seinen Bruder: ‚Komm zu meiner Hilfe gegen ihn,‘ so soll sofort Chat- tuschil, der König von Chatti, senden seine Soldaten, seine Wagen, und er soll töten meinen Feind. Land Ägypten auf ewig, um etwas daraus zu rauben, und nicht falle Ramses Meiamun, der Großkönig von Ägypten, ein in das Land Chetie, um zu rauben etwas aus ıhm in Ewigkeit. S 8 Wenn ein anderer Feind zieht gegen die Länder des Ramses | Meiamun, desGroßkönigs von Ägypten, und er schickt dem Großfürsten von Chette sagend: ‚Komm mit mir zur‘ Hilfe gegen ihn‘, so wird der Groß- fürst von Chette kommen, und es wird der Großfürst von Chelte seinen Feind erschlagen. Wenn es aber nicht der Wunsch des Großfürsten von Chette ist, selbst auszuziehen, so wird er seine Truppen schicken und seine Wagenkämpfer und wird seinen Feind erschlagen. $S 9. Oder aber es zürnt Ramses Meiamun, der Großkönig von Ägypten, gegen Untertanen, weil (?) sie ein Vergehen (?) gegen ihn begangen haben, und er zieht aus, sie nieder- zumachen, so handelt der Großfürst Chette gemeinsam mit Ramses Meia- mun, dem Herrn von Ägypten. Also tut der Großfürst (?). $ 10. [Wenn herankommt] ein anderer Feind |gegen die Gebiete des Großfürsten von Chette, und er schickt zu dem] Großfürsten von |Ägypten, so wird] Ramses Meiamun, der Großkönig von Ägypten, zu ihm kommen mit Macht, seinen Feind niederzumachen. Wenn es aber nicht der Wunsch Ramses Meiamuns’, des Großkönigs von Ägypten, ist, zu kommen, so [schickt] er [seine Sol- daten und seine Wagentruppen, und] IV. Abteilung. Orientalisch-sprachwissenschaftliche Sektion. 23 $ 11. Und wenn Riamaschescha mai Amana, der König von Ägypten, zürntgegen seine Diener, undsie Sünde begehen gegen ihn, und ich schreibe an Chattuschil, den König von Chatti, meinen Bruder, darüber, so soll Chattuschil, der König von Chattı, senden seine Soldaten, seine Wagen, und sie sollen vernichten alle, die feindlich sind gegen mich. | sie sind mit dem Großfürsten von Chette. [Er sendet sie (gleich) mit dem Boten, und er läßt den Groß- könig von Chette (?)]| sie sehen, (noch) während er Antwort zurücksendet zum Chette-Land. $ 11. Wenn aber Untertanen des Großfürsten von Chette sich gegen ihn vergehen, und Ramses Meiamun [hört davon, so soll er gleichfalls seine Fußsoldaten und Wagentruppen schicken, und| das Land Chette und das Land Ägypten [werden so zu- sammentreten während unseres Le- bens. Das heißt: Ich werde aus- ziehen nach (?) [die |ser Bestimmung (?) zu (?) Ramses Meiamun, dem Groß- könig von Ägypten, demEwiglebenden. Nach einem schlecht erhaltenen Paragraphen, der die Nachfolge in Chatti regelt, und der sich vielleicht auch in der ägyptischen Fassung findet, bricht der babylonische Text ab; aus dem ägyptischen Text ersehen wir, daß noch einige Paragraphen über Auslieferung politischer Flüchtlinge, die Namen der als Zeugen aufgerufenen Schwurgötter und die Fluch- und Segens- formel folgten. Auch hierfür können aus den Boghazköitexten allerlei Parallelen und Erklärungen beigebracht werden!). Dieser Vertrag machte überall in der ganzen Welt das größte Auf- sehen. Eine ägyptische Inschrift sagt, ‚‚es sei in den Annalen seit der ‚Zeit der Herrschaft des Götterkönigs Re unerhört gewesen, daß Ägypten und Chatti eines Herzens waren‘ ?). Die ägyptische Königin Naptera, Ramses’ ‘Gemahlin, sendet ein begeistertes Antwortschreiben an ihre chattische „Schwester“ Puduchipa°): „Also spricht Naptera, die Großkönigin von Ägypten, zu Puduchipa, der Großkönigin von Chatti, meiner Schwester: Mir, deiner Schwester, geht es gut, meinem Lande geht es gut. Dir, meiner Schwester, möge es gut ‚gehen, deinem Lande möge es gut gehen. Nunmehr habe ich vernommen, ‚daß meine Schwester an mich geschrieben hat, um sich nach meinem Be- finden zu erkundigen, und daß sie an mich schreibt über das Verhältnis 1) Vgl. dazu meinen in den Sitzungsberichten der Berliner Akademie er- ‚schienenen Artikel: „Der Staatsvertrag Ramses II. mit Chattuschil von Chattj in akkadischer Fassung‘. 2) Vgl. Ed. Meyer, Reich der Chetiter 69; Müller a.a. O. 35. 3) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 29. Ze a ne 24 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. des schönen Friedens und über das Verhältnis der schönen Bruderschaft des Großkönigs, des Königs von Ägypten, mit dem Großkönig, dem König von Chatti, seinem Bruder. Ria und Teschup werden dein Haupt erheben, und Ria wird zur Verschönerung Frieden geben und wird geben schöne Bruderschaft des Großkönigs, des Königs von Ägypten, mit dem Großkönige, dem Könige von Chatti, seinem Bruder, in Ewigkeit. Und ich bin friedlich und brüderlich mit [meiner Schwester] jetzt [und immerdar].‘ Auch der Pharao, der sich in seinen offiziellen Schriftstücken nicht genug tun kann über die Besiegung ‚der elenden Cheta‘“, war über den Frieden glücklich. In einem, mit all seinen Titeln ‚„„Waschmuaria Scha- tepnaria, der Großkönig, der König von Ägypten, der Sohn der Sonne, Riamaschescha mai Amana“ (d. i. Ramses Il.) an den König von Mira ge- richteten Briefe spricht er sich in schlechtem Babylonisch, aber sehr er- leichtert ganz mit den Worten des Vertrages aus!): „Sieh, das Schriftstück des Eides, das ich für m&inen Bruder, den Großkönig, den König von Chatti, gemacht habe, ist zu Füßen des Gottes | Teschup] niedergelegt; dafür sind die großen Götter Zeugen der Sache. Und sieh, das Schriftstück des Eides, das der Großkönig für mich gemacht hat, ist zu Füßen des Gottes Ria niedergelegt. Dafür sind die großen Götter Zeugen der Sache. Ich halte fest am Eide und werde ihn nicht loslassen. Du [glaube] die unwahren Worte, die du darüber hörst, nicht; es gibt nichts davon. Sieh, das schöne Verhältnis [der Bruderschaft] und des Friedens, worin ich mit dem Großkönige, |dem Könige von Chatti], stehe, darin bleibe ich jetzt bis in Ewigkeit.“ Aber auch Chattuschil berichtet mit tiefer Befriedigung von der Her- stellung friedlicher Beziehungen zu Ägypten an den König von Babylon, den Sohn des Kadaschman-Turgu (wahrscheinlich Kadaschman -Enlil 11.2): „[Was] den Boten des Königs von Ägypten [anbelangt], wegen dessen mein Bruder schreibt, [wegen des Boten des Königs] von Ägypten schreibe ich jetzt meinem Bruder: ‚Der König von Ägypten] und ich haben Freund- schaft geschlossen, und wir sind Brüder geworden.‘ |Wir haben ver]ab- redet: ‚Wir sind Brüder. Mit unserm beiderseitigen Feinde [wollen wir Feinde sein und mijt unserm beiderseitigen Freunde wollen wir Freunde sein.‘“ Von nun an sind die Beziehungen zwischen Ägypten und Chatti sehr herzliche. In einem Briefe, dessen Adressat vermutlich der ägyptische 1) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 24 Rs. 5 ff. 2) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 10, 55ff. = Winckler, Mitt. d. Deutschen Orient-Gesellsch. 35, 23f. Diese Notiz enthält einen sehr wertvollen Synchronis- mus: Zur Zeit des Friedensschlusses regierte in Babylon Kadaschman-Enlil I. Da dieser nur 6 Jahre herrschte, wahrscheinlich von 1282—1276 v. Chr., das 21. Jahr Ramses II. aber ungefähr in das Jahr 1279 fällt, stimmt die babylonische und ägyptische Chronologie hier gut überein. IV. Abteilung. Orientalisch-sprachwissenschaftliche Sektion. 25 Pharao ist, sendet der Chattifürst seinem Freunde das damals noch so kostbare Eisen, das im Lande Kiswadna hergestellt wurde?): „In betrefi des reinen Eisens, wegen dessen du an mich schriebst, so ist reines Risen in Kiswadna in meinem versiegelten Vorratshause nicht vor- handen. Eisen zu machen, war jetzt eine ungünstige Zeit, aber ich habe geschrieben, reines Eisen herzustellen. Vorläufig ist es noch nicht fertig, wenn es aber fertig ist, werde ich es dir schicken. Jetzt schicke ich dir nur eine eiserne Schwertklinge,“ Aus dem Nillande läßt man sich auch, im Gegensatz zu dem babylon- freundlichen Muwattallu, den schriftgebildeten Arzt Parimachu nach Klein- asien kommen, um einen Palast für den Kuranta von Tarchuntasch zu bauen’). Zehn bis zwölf Jahre später fanden dann Verhandlungen zwischen beiden Höfen wegen eines gegenseitigen Besuches statt. In diese Zeit möchte ich einen Brief verlegen, den augenscheinlich wieder die ägyptische Königin Naptera an ihre ‚Schwester‘ Puduchipa schreibt. Nach der Bitte, sie möchte ihr doch mitteilen, ‚was sie geschickt zu haben wünsche“, teilt sie ihr mit?): „Nunmehr brenne ich darauf, [daß ich] mit Riamaschja, [meinem Gatten], kommen könnte zu [euch], ... um zu sehen eu[er] Wohl- ergehen [und zu sehen] das Wohlergehen eures Landes.“ Schließlich reisten aber doch nicht Ramses mit Naptera nach Chatti, sondern umgekehrt Chattuschil mit großem Gefolge nach Ägypten, und sein Freund betet, daß er seinen Weg über die gewaltigen Gebirge unbe- lästigt durch Regen und Schnee zurücklegen möge*). Um die Freundschaft zu besiegeln, führte Chattuschil seinem neuen Bundesgenossen seine Tochter zu, die von nun an den ägyptischen Namen Matnefrure annahm. Ramses hat diesen Besuch auf einer Stele in Abu-Simbel bildlich darstellen lassen?), aber vielleicht ist auch ein chattischer Text, der erzählt, daß ‚‚er (wer (?)) die Tochter des Königs mit sich zu seiner (des ägyptischen Königs) Verehelichung“ genommen habe, auf dasselbe Ereignis zu beziehen. Diese Ehe des alternden ägyptischen Pharao mit der jungen Chattiprinzessin scheint auch mit Kindern gesegnet gewesen zu sein. Wenigstens wird in einer Abschrift der „Kor- respondenz, die stattfand zwischen Ägypten und zwischen Chatti“, berichtet, daß „eine Tochter dem Könige von Ägypten geboren sei“, worauf man wohl von Chatti aus den Vorschlag macht‘): ‚Diese Tochter, die dir ge- boren ist, bringt sie zu uns, und wir wollen sie mit einem fremden 1) Keilschriftl. aus Boghazk. I No. 14, 20 ff. = Winckler, Vorderasien im 2. Jahrt. 61. 2) Winckler, Vorderasien im 2. Jahrt. 15. 3) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 21. Rs. 9 ff. 4) Ed. Meyer, Reich der Chetiter 69 f. 5) Ed. Meyer, Reich der Chetiter 70. 6) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 23. 1917. 3 36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Fürsten verheiraten.“ Man wollte die kleine Prinzessin, die einen ägypti- schen Vater, aber eine chattische Mutter hatte, eben im eigenen Lande erziehen. Auch in der sonstigen Politik merkte man Chattuschils ägypten- freundliche Tendenz. Wir hatten schon gesehen, daß er noch.als Prinz den aufrührerischen Amurrufürsten Benteschina, der zu Ägypten abgefallen war, beschützt hatte; jetzt, nachdem er auf den Thron gekommen, gab er ihm seine Stellung zurück und verheiratete ihn sogar mit seiner Tochter'): „Als der Großkönig Muwattallu nach seinem Geschick fortgegangen war, bestieg ich, Chattuschil, den Thron meines Vaters. Den Benteschina ließ ich zum zweiten Male los (?), das Haus seines Vaters, den Thron des Königtums bestätigte ich ihm. Zwischen uns haben wir Freundschaft [geschlossen]. Mein Sohn Berikka-ili soll die Tochter des Benteschina von Amurri heiraten, und die Prinzessin Gaschschulijauje (?) habe ich in Amurru im Palaste dem Benteschina zur Ehe gegeben. Im Lande Amurru soll sie Königin sein, und das Königtum von Amurru soll der Sohn und der Enke meiner Tochter in Zukunft [ausüben].“ Selbst gegen berechtigte Anklagen des babylonischen Königs versuchte er ihn in Schutz zu nehmen; denn der geriebene Beduinenscheich beun- ruhigte den ganzen Wüstenrand bis nach Akkad hin. Offiziell bleibt Chattuschil nichts anderes übrig, als seinem babylonischen Freunde eine Untersuchung zuzusagen, aber daß bei solchen Gerichtsverhandlunger nichts herauskam, dafür hatte schon Benteschinas Vorgänger Aziru beim ägyptischen Hofe zu sorgen verstanden. Chattuschil schreibt über den Fall?): „Was mein Bruder (der babylonische König) über Benteschina schreibt: ‚Er verflucht (d. i. verwüstet) mein Land‘, so hat sich Benteschina, als ich ihn fragte, geäußert: ‚Ich habe eine Forderung von 30 Talenten Silber an die Bewohner der Stadt Akkad.‘ Nunmehr möge mein Bruder dem Ben- teschina, der als mein Vasall gilt, einen Prozeß machen, und Benteschina soll wegen der Verfluchungen des Landes meines Bruders vor deinem Ge- sandten Adad-schar-iläni zu meinen Göttern schwören. Wenn mein Bruder den nicht beauftragen will, soll dein Diener, der gehört hat, daß Benteschina das Land meines Bruders verfluche, kommen und ihm den Prozeß machen. Ich werde Benteschina herzitieren, denn er ist mein Vasall. Wenn er meinen Bruder verflucht, verflucht er dann nicht auch mich ?“ Chattuschils Verhältnis zu Babylonien war bedingt durch die gemein- same Feindschaft gegen Assyrien; doch suchte er seinen Einfluß bei den schwachen Kossäerkönigen bisweilen schärfer zum Ausdruck zu bringen, 1) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 8, 15 ff. = Winckler, Mitt. d. Deutschen Orient-Gesellsch. 35, 43 — Böhl, Theol. Tijdschr. 50, 208. 2) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 10, Rs. 26. —= Winckler, Mitt. d. Deutsch. Orient-Gesellsch. 35, 24. IV. Abteilung. Orientalisch-sprachwissenschaftliche Sektion. IT, als es dem babylonischen Selbstbewußtsein erträglich war. Diese unbe- rechtigten Einmischungen muß der babylonische Minister Itti-Marduk-balatu sehr schroff zurückgewiesen haben, darum bemüht sich Chattuschil bei aller Feindschaft gegen den frechen Minister die Sachlage in einem freund- licheren Lichte darzustellen und vor allem seine Verdienste bei dem letzten babylonischen Thronwechsel in das rechte Licht zu rücken. Chattuschil schreibt dem jungen Könige, dem Sohne Kadaschman-Turgus (es ist wohl: Kadaschman-Enlil 11.)?): „Als dein Vater dahingegangen war, habe ich, wie es einem Bruder zukommt, [die Trauerriten] für deinen Vater ausgeführt; dann aber meine Tränen getrocknet (?), meinen Gesandten [geschickt] und den Großen von Kar-Duniasch nunmehr geschrieben: ‚[Wenn ihr den Sohn] meines Bruders. nicht bei der Thronfolge unterstützt, werde ich euch befehden und [die Grenzgebiete] in Kar-Duniasch erobern. Wenn aber irgend ein Feind gegen euch aufsteht oder irgend etwas gegen euch verübt wird, schreibt mir, dann werde ich euch zu Hille kommen.‘ In jenen Tagen hat man die: Briefe meinem Bruder nicht vorgelesen, jetzt wieder leben jene Schreiber nicht mehr, und die Briefe sind nicht aufbewahrt. Nun mag man dir jene Briefe vorlesen: denn ich habe diese Worte als Wiederholung ge- schrieben. Itti-Marduk-balatu aber, den die Götter ohne Lebensatem alt werden lassen mögen, in dessen Munde die Schlechtigkeiten nicht alle werden, hat durch die Worte, die er schrieb, mein Herz gekränkt: ‚Du schriebst an uns nicht wie an Brüder, sondern du läßt uns wie deine Knechte antreten,‘ Darauf antworte ich meinem Bruder: ‚Wie hätte ich sie als meine Knechte antreten lassen? Niemals können weder die Babylonier die Chatti, noch die Chatti die Babylonier antreten lassen. Ich habe ihnen nur in freund- licher Absicht geschrieben, sie möchten sich des Sprossen meines Bruders. Kadaschman-Turgu annehmen. Aber Itti-Marduk-balatu hat mir so ge- schrieben. Was für Schlechtigkeiten habe ich ihnen denn geschrieben, daß mir Itti-Marduk-balatu so antwortet? Ich hatte ihnen doch nur ge- schrieben: ‚Unterstützt ihr den Sohn eures Herrn bei der Thronfolge nicht, wird es dann nicht geschehen, daß ich, wenn ein Feind gegen euch auf- steht, euch nicht zu Hilfe komme?‘ Aber ich habe das Wort des Itti- Marduk-balatu in meinem Herzen für nichts geachtet. In jenen Tagen: war mein Bruder nämlich noch klein, und Itti-Marduk-balatu ist ein Böse- wicht, der spricht, wie es ihm gefällt. Wie sollte ich sein Wort für etwas achten ?“ Assyrien, das, wie wir schon gesehen haben, sich bereits zu Schub- biluliumas Zeit auf Kosten Mitannis bereichert hatte, war auch jetzt wieder der Hecht im vorderasiatischen Karpfenteich. Schon Burnaburiasch ll. von 1) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 10, 11 ff. = Winckler, Mitt. d. Deutsch. Orient-Gesellsch. 35, 22. 28 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Babylonien hatte an den ägyptischen Hof geschrieben, Assyrien sei ein Vasall des babylonischen Herrschers!), das darum nicht selbständig mit dem Pharao korrespondieren dürfe. Aber leider fehlte Babylonien die Macht, seinen Ansprüchen Nachdruck zu verleihen. Jetzt war das beider- seitige Verhältnis so offenkundig schlecht, daß der König von Assyrien sogar die offiziellen babylonischen Gesandten in seinem Lande zurückhielt?). Im Westen bedrohte er chattisches Gebiet; darum sucht Chattuschil seinen jungen Freund bei seiner Jagdleidenschalt zu packen und gibt ihm den Rat, vermutlich ohne es direkt zu nennen, Ässyrien zu bekriegen?’): „Ich habe gehört, mein Bruder ist ein Mann geworden und geht auf die Jagd. [Ich freute mich] sehr, daß Teschup den Sproß meines Bruders Kadaschman-Turgu hoch wachsen läßt. [Nunmehr sage ich meinem Bruder]: ‚seh und plündere jetzt das feindliche Land. Ich will es hören, und [wir wollen unsere Freude daran] schauen.‘ Ferner sage ich meinem Bruder: ‚Ein König, der die Waffen niederlegt, hat man [bisher] von ihm gesagt, jetzt soll man es nicht mehr sagen‘... . Mein Bruder, ruhe dich nicht aus, sondern zieh gegen das feindliche Land und töte den Feind. [Nach Assyrien (?)] sollst du ziehen, gegen ein Land, das du drei, ja viermal übertriffst, ziehe.‘ Wie man sieht, trauten sich beide Bundesbrüder nicht recht an Assyrien heran, jeder wollte den andern vorschieben, und keiner wagte einen entscheidenden Schritt. Erfolge haben sie darum auch nicht erzielt; sie konnten das aufstrebende Reich, an dessen Spitze damals wohl der tat- kräftige Salmanassar I. stand, nicht mehr niederhalten. Kadaschmanburiasch, der babylonische Statthalter, holte sich bei Dur-Kurigalzu von Salmanassar eine Niederlage‘), und im Westen schlug er Schattuara, den König von Chanigalbat, dessen Heer durch chattische und achlamische Bundestruppen verstärkt war, am Euphrat vernichtend?). So ging es mit der chattischen Macht am Ende von Chattuschils Re- gierung zweifellos bergab. Chattuschils Gemahlin Puduchepa, eine kiswadnische Prinzessin, muß gewiß eine besonders geachtete Stellung neben ihrem Gatten eingenommen haben. Das zeigten uns schon die Briefe der ägyptischen Königin Naptera an sie, dann aber wird sie auch in dem Vertrage Chattuschils mit Bente- schina neben dem Könige als „Großkönigin‘‘®) ausdrücklich genannt. Als 1) Knudtzon, Amarna No. 9, 21 ff, 2) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 10, 45. 3) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 10, Rs. 49 ff. — Winckler, Mitt. d. Deutschen Orient-Gesellsch. 35, 26. 4) West. Asia Inseript. III, 4 No. 1. 5) Keilschrift. aus Assur histor. Inhalts I No. 13, I, 16ff. 6) Keilschrift. aus Boghazk. I No. 8, 37f. IV. Abteilung. Orientalisch-sprachwissenschaftliche Sektion. 239 ‚der König starb, wurde sie erst Reichsverweserin und später Mitregentin ihres Sohnes Dudchalia. Ein Brief Ramses Il. an sie, in dem er sich nur nach dem Befinden ihrer Söhne erkundigt, wird sicherlich schon der Zeit ihrer Witwenschaft angehören!). Die späteren, gewöhnlich chattisch ge- ‚schriebenen Dokumente Dudchalias führen Puduchepa bisweilen noch als Mitregentin auf. Semitische Urkunden von ihm sind noch nicht bekannt ‚gegeben. Der letzte Chattikönig, von dem wir aus dem Archiv in Boghazköi hören, war Dudchalias Sohn Arnuanta?). Er wird wohl in der großen, um 1200 v. Chr. einsetzenden ägäischen Völkerwanderung, die zur Zeit Ramses III. (ce. 1198—1167 v. Chr.) bis nach Ägypten hingelangte, Reich und Leben verloren haben?). Das sind in kurzen Zügen die Ergebnisse, die sich für die Geschichte von Chatti aus den semitisch geschriebenen chattischen Urkunden folgern lassen. Viel größer noch, vor allem auch für die innerpolitische Geschichte ‚des Landes, wird zweifellos der historische Gewinn sein, der aus den, in der Landessprache verfaßten Dokumenten zu ziehen sein wird. Vorläufig bietet ihre Interpretation noch große Schwierigkeiten. Dafür aber, daß uns dieses Unterfangen nicht zu schwer fallen wird, haben die chattischen Gelehrten selbst gesorgt, indem sie mehrspaltige Vokabulare angelegt haben, in denen sie sumerische, babylonische und chattische Worte gleicher Be- deutung sarınmelten. So ist unsere Kenntnis des chattischen Wortschatzes schon jetzt nicht ganz unbedeutend. Daher ist es nur eine Frage der Zeit, wann wir imstande sein werden, auch zusammenhängende Texte zu inter- pretieren. Daran schloß sich die Wahl eines Sekretärs und Delegierten für das Präsidium. Durch Akklamation wurde Herr Professor Dr. Meissner wiedergewählt. 1) Winckler, Mitt. der Deutschen Orient-Gesellsch. 35, 28. 2) Winckler, Mitt. der Deutschen Orient-Gesellsch. 35, 29. 3) Ed. Meyer, Reich der Chetiter 70. 1917. f 4 Schlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur, N ARTE RENTEN TEE 95. IV. Abteilung. "a _ 6. Sektion für neuere Philologie, &e N un RIES Bro) Sitzungen der Sektion für neuere Philologie im Jahre 1917. Sitzung am 8. November. Vortrag des Herrn Dr. Alfons Hilka: Eine bisher unbekannte lateinische Übersetzung der griechischen Version des Kalilabuchs (Utepavimmg vol ’Ixvmaarng). Bisher galt als die älteste westeuropäische Übersetzung von Symeons Version!), die unter dem Namen Zteyavimg za "IxvnAarng bekannt ge- worden ist und die besonders die slavische Welt befruchtet hat, die italienische unter dem Titel Del Governo de’ regni, die von Giulio Nuti?) (Druck: Ferrara 1583) stammen soll. Bei der schlechten Über- lieferung, die der griechische Text auch noch in der kritischen Ausgabe von V. Puntoni’) vielfach bietet, wird es nicht ohne Interesse sein, das Auftauchen einer weit älteren, lateinischen Übertragung dieses Buches mit einigen Bemerkungen im Hinblick auf eine spätere Rdition des Ganzen zu begleiten. Ich stieß auf diesen neuen Zeugen des Fortlebens von Symeons Werk, als ich bei der Ausarbeitung der kritischen Neuausgabe von Johanns von Capua Liber Kelilae et Dimnae (in den Drucken, nicht aber in den bisher von Hervieux und Derenbourg ganz unberück- sichtigten Handschriften fälschlich als Directorium vitae humanae bezeichnet) einen Eudapester Codex in die Hand bekam, der statt des dort vermuteten Textes des Johann von Capua bei näherer Nachprüfung eine Überraschung bot, da er auf Symeons Übertragung zurückgeht und dem- nach eine nicht unwesentliche -Bereicherung unserer Kenntnis dieses Zweiges der sogen. semitischen Rezensionen des berühmten Paneatantra darstellt. 1) Vgl. jetzt das vorzügliche Hauptwerk Joh. Hertel, Das Paficatantra, seine Geschichte und seine Verbreitung. Gekrönte Preisschrift. Leipzig, Teubner 1914, S.401ff. — 2) Hgb. E. Teza, Bologna 1872 = Scelta di curiositä letterarie, fasc. 195. 3) Zrepavimmg nal ’IxvnAdtng, quattro recensioni della versione greca. Roma-Firenze- Torino, E. Loescher 1889. Vgl. seine krit. Abhandlung: Sopra alcune recensioni dello Stephanitis kai Ichnelates — Atti della R. Accademia dei Lincei, CCLXXXII (1886), serie quarta, classe di scienze morali, storiche e filologiche, vol. II, parte 1a, Memorie, p. 113—182. | LolT. 1 9 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Die Hs. der Univ. Bibliothek Budapest!) No. 99, XV. Jhdt,, zählt 172 Papierblätter, die Schrift ist einspaltig von verschiedenen Händen. Sie enthält den Tibull, Persius, Ausonius, das Moretum Vergils, den Pamphilus, den Facetus und die Briefe des Eneas Silvius nebst der Historia de duobus amantibus Euryalo et Lucretia, zuletzt auf Bl. 122" —172Y ohne Überschrift ein Stück, beginnend: „Husrois persarum qui dieitur Misarananus filius“. Alles ist gut erhalten, aber beim Binden sind zwei Blätter um- gestellt worden. Die Schriftgröße wechselt mehrfach, auch ist die erste, mitunter noch die zweite Zeile eines neuen Abschnitts in doppelter Größe ausgeführt. Die Initialen haben keinerlei Schmuck erhalten. Der Wert dieser lat. Übersetzung besteht zunächst darin, daß sie sämtliche drei Prologe des Originals enthält, um deren Überlieferung es besonders schlecht bestellt ist. Prolog A = Sendung des Burzöe nach Indien. Prolog B = Abdallahs Vorwort. Prolog © — Burzöes Einleitung. Prolog A beginnt: Husrois Persarum [rex] qui dieitur Misarananus (sic), filius Caidat, discens quod aput Indos erat auidam liber conscriptus ab intelligentibus et sapientibus viris, habens parabolas utiles illis qui in solacio conversantur, tam magnis quam parvis, tam dominantibus quam hiis qui sub dominio sunt, et ipse est liber Kyliles y (sie) Dimnia, et quod erat ille liber absconsus in secretis imperatoris etc. Es fehlt also jene fälschliche griech. Umnennung: önep Earl Ireyaviıng rad "Iuvniarıns. Die Eigennamen sind oft entstellt: "Misarananus — "Avaooupavos, Pericte = IepLov&, Percencentari = Hapfertepyap. Prolog B beginnt diesmal mit dem arab. und griech. Titel: Inicium libri Kyl!yles et Dypnes, id est -Stephanitis et Ignilatis, qui insimul scripserunt proprie de sermonibus et fabulis hominum sapientum et intelligencium et nugis eorum et quomodo locuti sunt per ora animalıum irracionabilium et volatilium, ordinantes eundem librum secundum racionem. Die Varianten zeigen, daß ein größerer Anschluß an die Hss. UL! herrscht, z. B. elevat = Puntoni 22,1 (r zaröel«) pwrile: BL (öbor UL!) Töv avdpwrov. Die Erzählung von dem durch Mietlinge betrogenen Schatzgräber ist freilich abgekürzt und enistellt, dafür ist aber die Überleitung (nur bei Possinus erhalten) zur Geschichte vom unintelligenten Leser erhalten: Decet tamen hunc librum legentem cognoscere sermones et absconditas interpretaciones, et qui legerit et eius sensum non cognoverit, erit sieut ille qui habet nuces etc. Ganz lückenhaft ist der Schluß dieses Prologs im griech. Original erhalten: den Abschnitt VIi konnte Puntoni nur in einer nachträglichen verstümmelten Notiz am Rande der Hs. L? entdecken, und, für Abschnitt VIII mußte er sich mit dem Abdruck der Ausschmückung durch den lat. Possinus (Migne, Patr. graec. t, 143) begnügen. 1) Vgl. Catalogus codieum Bibl. Univ. R. Scientiarum Budapestinensis, 1881 S. 80 ff. IV. Abteilung. Sektion für neuere Philologie. 3 Diese beiden Lücken füllt aber die von Puntoni nicht benützte Hs, Vatic. gr. 2098 aus, eine nach einem in Janina aufgefundenen Codex 1629 angefertigte Kopie, wie der Abbe P. Batiffol!) gezeigt hat. Diese Hs. ist nicht verwandt mit dem Possinus (dem verlorenen Allatianus), auch nicht mit Vatic. gr. 704 und 867. Unstreitig ist sie textkritisch von höchster Bedeutung und Batiffol urteilt über sie mit Recht: „Disons done que V? (Vat. 2098), copie d’un ms. de Jannina, donne le texte le plus complet qu’on ait du livre de Stefanitis, et cela dans une r&cension qu’il faudra rapprocher exactement de celles que donnent les autres manuscrits, mais qui n’est la replique d’aucune d’entre elles.“ Auch unser lat. Text ist in dieser Hin- sicht für beide Abschnitte VII, VIII ziemlich vollständig und schließt sich ziemlich eng an V°® an. vn. Hes\latıe., or. 210,98: eo SS» \) EA N e oOTW DEI TOV AvVpwnoy 1) ErXa- Kelv Ev npaypacı Yevßodar Övva- WEvaLS ds Owxeıv npäypa 8 Außelv 00 Padtov‘ yumdE ray En ToucW To nUdW Einilwv natadeiln to movelv' ö yap Enzwv eüploxer: xal el ye löyg qıvd eüplonovra üvev Iytrjosws, pm) axnoloudijoeıs auTh* xal yap moldol zwy avdpurwv da mis Cntrjoswg eüplanovar‘ SEI ÖE auToUg Epeuvav rd TPAYKAaTE Ra Soxımaleıv TYVv TouTWv Ölapopav nal?) elöevar ümep wopeldet xaraömreıy nal droöpäv önolws dd TWy Karlıv Amep ÄünaE TEenöv- Yaoı nal AANoı, Winws nalwar aut aurol ra napan\ıora, xal Esovrer WOTEL 1) TeptoTepd' Exelvn yap öpWoe ToÜg Eauriis veoproug uolı&voug EunpooVdev KUtis, 00x Kplorarar toD Tonov Exelvou, AAN Emipever Ev TW auTW TOTW Aypıs 00 opayı) nal aurı)' wpeileı tolvuv ö &ydownos Tidevat Ich teile beide ım Paralleldruck hier mit: v1. Hs. Budapest 99: Ita hominem non decet confidere de rebus cunctis nec rem incom- prehensibilem querere nec debet quis in hac fabula et dimittere periculum, quia querens invenit, et licet (Hs. liceat videat quidam) invenire aliquid sine sperare videas quendam inquisicione, non sequaris (Hs. sequi- tur) ipsum, quia multi multa bona per inquisicionem invenerunt. Item opor- tet requirere res et experiri earum discrecionem et videre iuvancia, simi- liter effugere mala et sequi bona, ne forte paciatur malum et ne con- Que vidit pullos suos ante se occidi nec re- tingat ei sicut columbe. cessit ab illo loco et tantum mansit Debet homo sibi terminum constituere et non pre- ibi quod occisa est. terire eumf, ut cognoscat quod homo omnis laborat, et quicumque laborat, vivet in eternum; et quicumque pro 1) Acad. des inscriptions et belles-letires, comptes-rendus, &#e serie, t. XVI (1889), S. 254—6. 2) xal oxonelv u TE Znwoein ai 7a PAoßspe xai a ev BAaßnv Toroüvıe Expedyew, Ta 82 ENWYein naradıWxeiv, [rail] Krodöpdore: ind Toy army, nal mn Eorw Ög Y) neptotepd. Hs. L2. A Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für. vaterl. Cultur. Epov xal pi mapaöpanetv aurv unds apeielv TWv rpayparwv nal Tpög Todraıg eldEvaı Or. TAG AvdpwWros xontd,' xal Öorig noytei repl TWV nelAdvrwv, Enosrar 6 5: mepl tWv rposmarpav, Enmwbnsera 6 ÖE äywvilönevos mepl Aumortpwv, nal Cnostaı nal Sogaodjoerat. vi. "Eogosdm Sı ötı ötov tov Av- Ipwrov Tpla Tiva xräüoher, TV Euurod miotiv Yurakar, Imrelv iv dvayralav tpopiv xal Öpiüg perk zuy AvdpwWrwy days’ eipyrat de ei tig hadunog aal Aneing nal ri- STeuwy Adyals KoLotdrarg jr) BEyXopE- you TOD adrod vodg öporodrar dvdpwWrn dxroAovdodve tod Eaurod WeArjatı Kal narlıora tw Eml aravödin‘ pmde zols dvdpuWnwv Aodyoıs adv Arbeudels Soxwary eivar ol Asyovres' {mde &xoloudety rols paudoıg nal badupois eis Tiv TWV npayparwv yywarv" Gel 5: nal Tobto® guy) moAunpaypovenelv rpäya döuvarov, dt Oppäv Er’ airo Anekeriitws' önowimostar Yap Avdounu Enreodvt: tig olnelag 6d0d, var dvöpl oönep &v TW Öpbarın elogdv nappos, xal rplbavt: auröv Ewg 00 ErupAWdy. Ast oBv Töv vouveyr dvapwrov yıyarew Eu Yj Avrdnenbis ads Botı nal ypi mpoosyeiv Eaurid" 6 yap rpopepwv Ti PlAD auToD Amep poel, Adnet mrv Eaurod buyyiv’ Toüg SE dvayıyWarovrag zo PBıßAlov SEov pn) rapuöpaneiv Adyov tıvd woperelas Even" ol yap neletWvreg TODTO &v YvWoeL WPEANITOOVTAL. “Hueis 58 töövres toög Ilepoag Ep- Lyvevoavras Toüro ano tig Lvönic, EIANVLOTL zul Ynsis nedeppnvevoapev' | utrisque laborat, et dominabitur et vivet. VII. Et dietum est quod quilibet secularis tria debet habere: in se fidem servare, vietum iuste querere et recte cum omnibus conversari. Item dietum est quod quicumque est piger et negligens, credens verbis instabilibus nec sensu suo receplis, as- similabitur homini (Hs. credenti verbis alterius aut homini) sequenti volun- in rebus dubiis, et decet eum non cito reci- tatem suam et maxime pere verbum, licet sit hominis veracis, nec suis voluntatibus assentire nec negligere veram intelligenciam nec suscitare et presentare impossibilia nec aliquid immediati loqui in omni re: et alias assimilabitur homini a via divertenti qui pergit, et eciam homini cuius oculum festuca intravit, et cum ad expellendum festucam oculum suum fricaret, eundem ex- orbitavit. Decet ergo intelligentem hominem cognoscere retribucionem veram. Et qui differt amico suo que (Hs. quem) odit, damnat animam suam. Et hunc librum legentes non opportet legere et transcurrere racione sul commodi, nam meditantes hune librum intelli- genter adıuvabuntur. Et nos Persas videntes huius libri interpretaciones| a] lingua Indorum in linguam Persarum (Hs. et reminiscen- IV. Abteilung. Sektion für neuere Philologie. 5 Aal TaUTa old Tiva npoleyöjeva &v | tes Pericte et qui sua non scribentes m Loxn is BiBAov mporevreixajev, | nos ea reminiscamur), interpretavimus iva ol üvayıyWarovres aurk haölug | ea a lingua Persarum in linguam TAUTL YLVWIRWALV. arabicam. Et posuimus ea in prin- cipio libri, ut legentes ea intelli- genciores fiant. Der Prolog C beginnt: Dicit Pericte, primus medicus Persarum, et idem fuit qui tradidit interpretacionem huius libri a lingua Indorum in linguam Persarum, quod pater meus erat de magnis nacionibus et poten- tibus et per dei graciam diligebar et honorabar a parentibus meis super omnes fratres meos. Besondere Lesarten in diesem Abschnitt: et eris sieut vas catellinum == Punt. 31, 6 xal Eon Worep xoyAıdprov. Die Lücke der Hss. LB für Punt. 31,9 wird mit Poss. und Joh. von Capua ausgefüllt: Quod si feceris, assimilaberis turi qui aliis redolet, semet ipsum comburit in igne. Dasselbe gilt für Punt. 32,19: nam ego discens artem medicinalem et eam investigans. Die Zauberformel für Punt. 37,6 heißt auch hier: selem, selem (bei Poss. fälschlich: semel, seme]). Der Schluß dieses letzten Prologs lautet: Et me in hiis confirmans re- versus sum ab India in terram meam scriptis a me libris ad sufficienciam, ex quibus liber iste qui dicitur Kililes et Diypnes (= UL!), id est Stephanitis et Ignilatis. Das Hauptwerk selbst beginnt: Dieit Salomon (sic), imperator In- dorum, ad primum philosophorum suorum Limpidum: ‚Die mihi per parabolam $+ que seperat (sic) duos amicos et facit eos inimicos.‘‘ Re- spondit Limpidus: „Cum: mendax et dolosus inter duos fratres vel amicos miscetur, seperat eorum amiciciam sicut dieitur in parabolis etc. Salomon ist natürlich verderbt aus AyoxAut (arab. Daislam). Hier ist zu bemerken, daß unser Text vollständiger ist als jener bei Punt. und daß er dem arabischen (= DS) entspricht. Wie der lat. Übersetzer zum Namen des Philosophen Limpidus (vgl. Benfey I 32, Guidi 22), der bei Joh. von Capua Sendebar lautet, gekommen ist, bleibt dunkel. Die lat. Übersetzung hat, was für die Textkritik Symeons wichtig ist, das griech. Original bis auf einige Lücken und Verkürzungen restlos über- liefert. Es fehlen nur die Abschnitte Punt. XI—XIV, wofür wenige Zeilen genügen müssen: Respondit Dypnes: ,O imperator, si placet dominacioni tue, ego vadam et eonducam illum et subiciam eum potestati tue, et erit tibi de cetero subditus.‘“ Letatus igitur leo in hiis valde precepit ei ut festinaret et quod promisit adımpleret. Sodann fehlt Punt. OXXXVI bis CXXXVI (Erzählung vom Mäusekönig), aber auch in DS, ebenso Punt. CXLVOI—CXLIX (Geschichte vom Habicht), was DS ebensowenig bietet. Wenn sich Berührungen des lat. Textes mit DS finden, so ist dieses Plus gegenüber dem Puntonischen Text für uns besonders wertvoll: Punt. UI,1 fehlt die Nennung des Landes, aber die arab. Hs. M (Guidi 23) bringt 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. Sanün — volens ire ad civitatem Sane. — Punt. III, 4 nennt den Stier nicht, aber für Guidi 23 s’aizaba oder s’atraba (Altsyr. bei Schulthess: Snzbug, Altspan. bei Allen: Senceba, Neusyrer bei Keith-Falconer: Shan- zabeh, Joh. von Capua: Senesba) bringt unser Text: Sympep. Dann kommt die Ausfüllung einer Lücke für Puntoni: laborans homo eum suis erigere eum non potuit et quendam suum hominem ibi reliquit. Precepit ei ut vigilaret ibi, quousque bos suus ad vires rediret et postea ad eum iret. Qui alio die dimisit bovem et venit ad dominum suum dicens: „Bos mortuus est.‘‘ Bos autem erigens se et ambulans invenit pratum etc. Dies alles steht auch beim Altsyrer (Schulthess 2), Altspanier (Allen 18), Neusyrer (Keith-Falconer 3), Nuti (Teza 18). — Punt. IX, 18 hat nicht die Stelle: sed qui servit ventri, dimorari debet inter feras = DS, Altsyrer 5 (schon indisch), Neusyrer 5, Altspanier 20. Ebenso steht es mit Punt. XXXVL 15: quoniam leo dixit privatim quibusdam subiectis suis: ‚‚Iste thaurus est impinguatus et delicatus; opportet eum ut comedamus = DS, Possinus, Altsyrer 30, Neusyrer 38, Altspanier 41. Abweichend heißt es Punt. XLV,3 zıva Albov otiABovra, aber richtig spricht DS von einem Glühwurm (lueciola bei Guidi 56), ebenso Altsyrer 44 (‚jenes fliegende Würmchen, das sich wie ein Feuerfunke ausnimmt‘“), Neusyrer 55, Altspanier 54, Joh. von Capua, daher auch lat. Text: viderunt vermem lucidum. — Punt. CXVI, 10 lückenhaft, aber unser Text mit DS, Altsyrer 75, Jo@l 129, Neu- syrer 159, Altspanier 122: Uxor nesciebat de viro suo utrum vivus esset an mortuus. Quidam autem vicinus (statt der Nachbarin oder Freundin) dixit ei: „Vir tuus vivit et habet quendam simeum amicum et tantum cum eo delectatur quod nec vult ad te venire.‘““ Desgleichen schon zu Beginn dieser Erzählung: für Punt. CXVI,3: Et inter eos erat quidam simeus iuvenis scismaticus et fortis, qui facta coniuracione contra ipsum querebat eum inter- ficere. Ille vero propter impotentiam et senectutem suam et, quia non poterat resistere, timore perterritus fugit =DS, Altsyrer 74, Altspanier 121, Neusyrer 158, Joel 128. — Punt. CXXI,1 heißt es nur: Atyeraı yap ws tig dvnjp tov Anöpwv zal reviypwv Bourupov xal mEdı &v ayyelw rANolov Tod tönou &v w Eranreudev, eiyev. Unser lat. Text hat: Quidam pauper habebat cottidie de mensa imperatoris panem, vinum et parvum butiri et mellis. Panem comedebat, mel et butirum in uno vase reponebat. Vas autem erat sus- pensum super lectum eius; bei DS (Wolff Il 3): „Zu einem Mönch kam alle Tage ein Kaufmann, der sich von Butter und Honig nährte. Derselbe aß davon täglich soviel, bis er genug hatte; was ihm übrig blieb, hob er auf und tat es in ein Gefäß, das er an einem Nagel an einer Seite des Hauses aufhing, bis es nach und nach ganz voll wurde... wie er jenes Gefäß über seinem Haupte hängen sah ...‘“ Altsyrer 83: „Es war einmal ein Magier, dem wurde die Nahrung aus dem Hause eines reichen Mannes vorgesetzt, nämlich Honig und Öl und etwas Gerstenmehl, und was übrig blieb, brachte er jeweilen heim, schüttete es in einen Krug IV. Abteilung. Sektion für neuere Philologie. 7 und hing den an einem Nagel über seiner Lagerstatt auf, und so wurde der Krug wieder voll.“ Altspanier 129: Dizen que un religioso avia cada dia limosna de un mercador rico, pan e miel e manteca e otras cosas de comer. Et comia el pan e los otros comeres, e guardava la miel e la manteca en una jarra, e colgöla ala cabecera de su cama, tanto que se finchö la jarra. Neusyrer 170: It is said that an ascetic derived his nourishment from a King, that is, the governor of a town, every day so much oil and so much honey. And whatever he had remaining, he used to pour into an earthenware vessel which he hung on a peg above the bedstead on which he slept. Jo@l 146:, Un devot vivait aupres d’un roi qui lui accordait pour son entretien regulier un gäteau et une petite couche de miel chaque jour. Il mangeait le gäteau et mettait le miel de eöte dans un vase suspendu au-dessus de sa t£te. Den mannigfachen Ausgestaltungen innerhalb des lat. Textes, der sonst seine Vorlage ziemlich getreu wiedergibt und zur Rezension A gehört, oft sich auch mit der Rezension BL berührt, will ich hier nieht nachgehen. Über sein Verhältnis zu V3 kann ich vorläufig nichts sagen, da ich jetzt über diesen wichtigen Kodex nichts Näheres erfahren kann. Die endgültige kritische Edition des ‘griech. Originals steht eben noch aus. Ich hebe nur einige Stellen heraus, die stoffliches Interesse bieten dürften. Zu Anfang des Abschnitts VII: Et inter illas feras erant duo lincopantheres, nomine uni Kyliles et aliı Dypnes, et erant ambo dolosi et fraudulenti, Kyliles tamen erat humilis, et Dypnes erat superbus et arrogans — Punt, XCHI, 2: Iterum autem volatilia consilium inierunt ut falconem (sonst handelt es sich um eine Eule) in regem eligerent. Corvus autem sur- rexit et dixit: „Non consencio.ego, sed illi qui regem malignum eligunt etc. — Punt. 0,7: Hoc facto discede cum omnibus et noli reverti, quousque visum tibi fuerit quod penne sunt mihi ad integrum restitute et restaurate, et facias ita quod nullus sit ausus venire ad arborem. — Punt. CI, 3: Ipsa autem fugiebat eius amorem, quia seriptum est quod mulier subtilis et iuvenilis virque senilis temporibus vite nunquam vivunt sine lite — Punt. CVI, 30: xal dvaotas ö avijp aurıs Npsato pıniterv auTıv Werd Bimtormptou, Ör dep) Yiv. Dieser Beweis besonders zärt- licher Fürsorge seitens des getäuschten Liebhabers fehlt inDS, auch beim Altspanier und Neusyrer, aber merkwürdigerweise erinnert unser lat. Text an die altsyrische Fassung: Mane autem facto surrexit vir et cepit muscas ei repellere = Altsyrer 106: „Als am Morgen früh der Lieb- haber von ihr ging, schlief sie, und der Zimmermann kam unter dem Bett hervor, setzte sich zu ihr auf das Bett und verscheuchte ihr die Fliegen.“ — Zusatz zu Punt. CXII, 17: Et hoc tam diu fecit, donec solus rex permansit; deinde solum regem comedit. — Punt. CXVI, 6ff. (Affenkönig und Schildkröte) ganz frei: comedit de ficubus. Et postquam fuit saturatus, decoriabat ficus et proiciebat coriam in terram. Interim testudo g Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. maritima exivit venari in calore diei, ut requiesceret sub umbra arboris, et incepit comedere corrigia ficuum. (uam ut vidit simeus, deridebat eam et proiecit ei de ficubus. Testudo autem dulcorata illorum sapore respexit sursum et dixit: „Quis es, amice, qui tales fructus mihi dedisti?‘“ Simeus respondit: .‚Sum miser alienigena qui propter senectutem eiectus sum de regno meo, et nisi fugissem, oceisus fuissem. Et ego qui eram multarum geneium dominus, modo solus sum.“ Testudo dixit: „‚Confortare, amice, quia ego ero tecum et associabo te, et noli curare de illo regno temporali, sed cura de futuro eternali. Omnia enim huius mundi vana sunt et transitoria.“ Sie adinvicem facti sunt amici. Testudo autem portabat ei de piscibus, et ipse dabat ei de fiecubus. — Zusatz zu Punt. CXVI,43: (Habito enim in quadam insula in qua sunt herbe virides, tritiei habundancia), multe arbores quasi silve, scilicet dactilorum, castaneorum, ficuum, nucium et alie arbores innumerabiles; sunt eciam ibi aque elarissime, et nemo ibi habitat nec aliquis comedit illos fructus nisi aves marine nec eciam dominus dominatur ibi, et semper eris in requie, semper vives sine timore. — Ebenso zu Punt. CXVI, 17: (Nemo enim accedit ad illum locum) et habent Deum ad defensorem, et nullus audet ibi accedere.“ Dixit asinus ei: „Absolve ergo me, ut eam illuc“. Vulpis autem ab- solvit eum et ipse secutus est eam. — Punt.CXVII,26: (tu autem fugisti); sed veni cito ad eum et osculare eum, utipsum bonum amicum et defen- sorem tuum habeas, et scias quia ibi prope erit asina“. — Punt. CXXXIX, 11: Draco dixit: „Et ego havito ibi in quodam arundineto.“ Serpens dixit: „Et ego ibi in muro eivitatis (Carturi)‘“. — Zusatz zu Punt.CXLI, 23: Ipse autem promisit puelle ut eam duceret in uxorem. — Punt. CXLI,31: (et emit omnes merces de navi) deditque illi arram anulum — Punt. CXLI, 42: viderunt hune sedentem supra unam petram. — Punt. CXLVI,4: extraneum per octo dies hospitavit in domo sua u.a.m. Wir stoßen sogar auf zwei neue Erzählungen innerhalb unseres lat. Textes, die als fremde Bestandteile immerhin nicht belanglos sind: 1. Zwischen der Erzählung CXXVI (das Taubenpaar) und CXXVI (Affen und Linsen) als weiteres Beispiel des unbesonnenen Jähzorns, auf den zu spät die Reue folst: Item ab antiquis dietum est quod quidam vir habuit uxorem puleram quam valde diligebat. Una autem dierum, cum sederet in domo sua, delata sunt ei duo poma magna. Unum comedit, aliud dedit fratri suo. Frater vero cum recederet, obviavit nepoti suo et dedit ei pomum. Et cum nox facta esset, mater cum filio dormiebat in lecto. Cum autem vir requiesceret cum uxore, vidit pomum quod fratri dederat super pectus uxoris et filium dormientem iuxta latus eius. Et non interrogans su- spicatus est scelus fratris et uxoris. Et domus eius erat iuxta mare et fenestra ibi erat ex parte maris. Accepit uxorem, in pannis involvit et per fenestram in mare proiecit. Post hec expergefactus puer pecit IV. Abteilung. Sektion für neuere Philologie. 9: pomum a matre sua. Audiens hec pater conversus ad puerunı quesivit ab eo de quo pomum habuisset. Puer dixit: „In sero, dum redissem a, seolis, obviavi patrioli meo, et dedit mihi et ego posui super pectus matris mee.‘“ Hoc audiens pater penituit de hoc quod fecerat. Ita pacientur illi qui festinant aliquid facere sine discrecione. 2. Zwischen den Erzählungen CXXXUI (König und Papagei) und CXXXIV (frommer Panther und Löwe) steht als ferneres Beispiel be- sründeten Mißtrauens: Item dieitur quod serpens punxit fillum rustici eingendo, et mortuus est. Venit ergo rusticus et filium mortuum videns accepit baculum, ut serpentem occideret. Et cum serpens intraret foramen, pereussit eum et abseidit ei caudam. Postea dixit rusticus: „Quod factum est, factum est et factum sit; remitto tibi mortem filii mei. Veni ergo, faciamus pacem.‘“ Respondit serpens: ,‚Donec tu sepulturam filii tui et ego caudam videmus, tune pacem habere non poterimus.“ Ich erinnere mich nicht, diese beiden Exempel in gleicher Fassung sonstwo gelesen zu haben. Joh. Hertel verweist mich aber für Nr. 1, das eine Kontamination der Geschichte von der wandernden Frucht mit der vom bei der Mutter ruhenden Sohn, den der Vater für einen Ehebrecher hält (Phaedrus III, 10), zu sein scheint, auf sein Pancatantrabuch S. 296—298 (vergl. auch V. Chauvin’s Bibliogr. des ouvrages arabes II 157), und für Nr. 2 auf eine Variante zu Purnabhadra III, 6 (Das Pancatantra S. 126, Nr. 5) nebst Chavannes, 500 Contes, Nr. 487, dazu Aesop (Halm) Nr. 111, Babrius 167 und Joh. von Capua 139, 25. Zum Motiv „Schwanz statt Kopf zertrümmert‘ vergl. Tantrakhyana (Das Pancatantra S. 316): „Du siehst den Tod deines Sohnes und ich sehe meinen Schwanz. Woher Freundschaft, deren Be- tätigung zerstört ist? Auch Liebe kann niemals wieder bestehen.“ Daß überall das griech. Original vorgelegen hat, zeigt sich in der fast sklavischen Nachahmung, die sich bis auf stilistische Eigentümlichkeiten erstreckt, mitunter in Unbeholfenheit seitens des lat. Übersetzers ausartet. Vgl. Punt. XXXVII, 6: 0 Aaxpoöorn — illaridatori — Punt. XLIV, 12: xoopet ap werdöootv laporyg — adornat illaritas datorem — Punt. LXV, 4: ApYjoasdar Taurıv Kötdvrm — precepit ungi infirmam quodam unguento quod dieitur adyanto — Punt. LXXI, 1: tepaxapıog — actorcoreus — Punt. CXVI, 63: latpwv natöes = filii medicorum — Punt. OXXI, 13: ya xaltow toutov Ilayxadlov = et vocabo eum nomine Pincellum By a m! Der Schluß des lat. Textes, an den der christliche Kopist einen Segens- spruch anfügt, lautet frei gegenüber Punt. CLI: Et hec dicens philosophus tacuit. Post hec autem dixit: ‚OÖ imperator, vive, quia a te omne bonum impletum est, et conservet Deus regnum tuum et vivas in pace et gaudio 1917. 2 10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. semper et videas filios fillorum tuorum usque ad quartam progeniem et cum gloria ad optatam pervenias senectutem. Quod ipse prestare dignetur qui cum patre et filio et spiritu sancto vivit et regnat per omnia secula seculorum. Amen. Et ego servus tuus ad interrogata respondi et inter- pretatus sum ea secundum posse meum. Rex autem huic venerabili philo- sopho et precordialissimo amico suo osculum paeis prebuit et dona optima et dimisit eum quiete vivere. Et sic est finis huius operis. Laudetur deus et pia mater eius. Amen. Ferner sprach Herr Professor Dr. Hilka über Eine Pantschatantra-Erzählung in der mittelalterlichen Predigtliteratur. Sehlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur. Sy Bu) 95. V. Abteilung. Jahresbericht. Ä R 1917 a. Mathematische Sektion. u 92 fe SR 2,9 Sitzungen der mathematischen Sektion im Jahre 1917. Am 50. April wurde eine Sitzung abgehalten, in der die bisherigen Sekretäre Professor Dr. Kneser und Realschuldirektor Dr. Peche, ersterer zugleich als Präsidialdelegierter, wiedergewählt wurden. Einen wissenschaftlichen Vortrag hielt Dr. W. Sternberg über Integralgleichungen und Darsteliung willkürlicher Funktionen. Ferner berichtete der Vortragende über Untersuchungen aus dem Gebiet der eiliptischen Funktionen von Professor Dr. Kokott in Neiße. Kneser. 1917. SEE Sehlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. 95. V. Abteilung. Jahresbericht. b, Philosophisch -psychologische 191%. | - Sektion. &ı RRIHE — 2,9 Sitzungen der Pbilosophisch-psychologischen Sektion im Jahre 1917. Sitzung am 22. Mai. 1. Vortrag des Herrn Dr. med. Walter Steinitz: Zur Frage nach den Ursachen phylogenetischer Entwickelung. 2. Diskussion. Sitzung am 17. Juli. l. Vortrag des Herrn Dr. Walter Meckauer: Ästhetische Idee und Kunsttheorie. 9. Diskussion. Sitzung am 2. August. 1. Vortrag des Herrn Oberlehrer Dr. Julius Stenzel: Zur Logik des Sokrates. Sokratische und platonische Philosophie stehen sachlich, historisch und hinsichtlich der quellenmäßigsen Überlieferung in dem engsten Ver- hältnis; jede Veränderung in der Auffassung der einen bedingt eine ent- sprechende in der der anderen. Meine Auffassung des platonischen Dia- loges, die ich vor etwa anderthalb Jahren an dieser Stelle in einem Vor- trage: Literarische Form und philosophischer Gehalt des platonischen Dialoges, und inzwischen in meinem Buche: Studien zur Entwicklungs- geschichte der platonischen Dialektik von Sokrates zu Aristoteles, Arete und Diairesis, weiter ausgeführt habe, hinsichtlich möglicher Rückschlüsse auf die Lehre des Sokrates zu verwerten, soll heute meine Aufgabe sein. Zu diesem Zwecke müssen die wichtigsten Ergebnisse, für deren nähere Begründung ich natürlich auf mein Buch und den im Anhange dazu ab- gedruckten Vortrag verweisen muß, kurz dargestellt werden: Sokrates ist nicht immer der Führer der platonischen Dialoge; Platon zieht es ge- legentlich vor, anderen Personen seine Meinungen in den Mund zu legen. Platon muß also irgendwie erwogen haben, wie weit seine Lehren in dem Munde des Sokrates sich nach dem ihm vorschwebenden Bilde des Lehrers künstlerisch und philosophisch rechtfertigen lassen. Durch vorsichtige Analyse läßt sich demnach sicherer, als man bisher annahm, im plato- nischen Dialoge das Bild des platonischen Sokrates von den eigenen philosophischen Ansichten Platons abheben. War bisher mein Interesse darauf gerichtet, die platonischen Dialoge als Quellen platonischer Philo- sophie im Sinne der künstlerischen Freiheit, mit der sie geschrieben sind, zu interpretieren, so ergibt sich von diesem Standpunkte aus zunächst 1917. 1 > Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. mindestens die Möglichkeit, den Umriß der sokratischen Persönlichkeit ge- nauer zu bestimmen. Von den Ergebnissen meines Buches greifen zwei unmittelbar in das sokratische Problem ein: Das platonische Denken war viel länger, als man sonst anzunehmen pflegt, auf den freilich durch spezifisch griechische Vor- stellungen erweiterten Umkreis des Ethischen beschränkt. Dadurch bleibt also die platonische Lehre viel länger „sokratisch‘; die meines Erachtens überhaupt zweifelhafte Existenz einer allgemeinen Tdeenlehre scheint für die erste Periode platonischer Entwicklung noch nicht das entscheidende Neue gegenüber dem sokratischen Standpunkt darzustellen. Damit hängt ferner zusammen: der Begriff als Klassenbegriff, als deutlich nach Umfang und Inhalt aufgefaßter Allgemeinbegriff, gehört nicht an den An- fang, sondern an das Ende der platonischen Entwicklung. Platon bildet die in diesem engeren Sinne begrifflichen Züge seines Eidos an der Diai- resis, demVerfahren der Einteilung aus, als dessen Ziel und Ergebnis die kunstgerechte Definition erscheint; das Eidos in seinem eigentlichen, an- schaulichen Sinne ist unmittelbar gegeben, braucht nicht in einer dis- kursiven Definition auseinandergelegt zu werden. Es gilt nun, diese Er- gebnisse zur Erklärung der Sokratik zu verwerten und dadurch im Sinne einer geradlinigen historischen Entwicklung selbst wieder zu stützen. Daß Sokrates sich in erster Linie mit der Frage nach dem Prinzip der Sittlichkeit beschäftigte, daß hierauf die letzte Absicht aller seiner sonstigen Methoden abzielte, das ist freilich allgemein zugestanden, und der von mir angenommene Inhalt des ersten Teiles der platonischen Enit- wicklung.kann dies nur bestätigen. Wie ich bei Platon den Inhalt seiner Lehre unmittelbar aus seinem Aretebegriff erwachsen lasse, so will ich jetzt einmal die Logik des Sokrates aus dem Sinn seiner ethischen Frage, aus seinem Prinzip des Sittlichen ableiten, anstatt wie es, soweit ich sehe, ausnahmslos geschieht, seine sittliche Ansicht als einen besonderen Fall allgemeinerer Ansichten vom Denken überhaupt darzustellen; freilich hat der neueste Darsteller des Sokrates, Heinrich Maier, der sokratischen Logik neben der eigentlichen, auf praktische Ethik gerichteten, in sich ruhenden Tätigkeit des Sokrates nur den Wert einer vorbereitenden negativen Elenktik zuerkannt und damit Sokrates’ logische Verdienste sehr fraglich erscheinen lassen. Eine solche Bewertung liegt nahe, ob- wohl sie dem heutigen philosophischen Urteil über Sokrates widerspricht, angesichts des Knäuels logischer Widersprüche, zu deren Lösung auch die philosophische Deutung auf psychologische Züge dieser rätselhaften Per- sönlichkeit zurückgreift. Man versuche doch einmal folgende Wider- sprüche in einem Bilde zu vereinigen: Die Tugend ist lehrbar, weil ein Wissen; Sokrates selbst behauptet, sie nicht lehren zu können, weil er eben kein Wissen kennt außer dem, daß er nichts weiß; sonst schein- £ a V. Abteilung. Philosophisch-psychologische Sektion. 3 bare Inkarnation des Logischen, überläßt er in den wichtigsten Fällen die Entscheidung einer dunklen Macht, dem Daimonion. Andrerseits muß die enge Verbindung des Logischen und Ethischen sachlich in dieser Ethik begründet sein. Sokrates’ Lehre war kein Imperativ, sondern eine Frage, nicht: Tue das Gute, sondern: was ist das Gute? Und daß damit das Fundament sokratischen Denkens bezeichnet ist, lehrt wohl zur Genüge die Tatsache, daß auf diese Frage jeder Sokratiker auf seine Weise eine Antwort zu geben suchte. Wie steht es aber mit der logischen Struktur dieser Frage hinsichtlich derjenigen Züge, auf die sich seit Parmenides die Aufmerksamkeit der Griechen zu richten gewöhnt hatte? Das sokratische Gute ist und ist zu- gleich nicht, sondern soll erst sein, wenn es im Tun verwirklicht wird. Es ist ein Einzelnes, Einmaliges, Individuelles, insofern es sich nur in der Tat eines Menschen im bestimmten Falle verwirklicht, und es ist doch ein Allgemeines, in sofern es vorher Gegenstand einer Überlegung sein muß, und zwar ist diese Überlegung um so richtiger, um so wahrer, je weniger ich mich auf den einzelnen Fall beschränke, je allgemeinere menschliche Zusammenhänge darin umspannt werden, je mehr ich etwa die Tugend des Steuermannes, des guten Hirten ersetze durch die Tugend des Menschen an sich, durch die Tugend selbst. Somit liegt also zugleich in dieser Über- legung für den einzelnen, zunächst allein interessierenden Fall der Zug zur höchsten Allgemeinheit. Es scheint ein allgemeines geschichtliches Phänomen zu sein, daß zuerst an höchst verwickelten, stark gefühlsbetonten Gebilden das menschliche Denken sich über logische Zusammenhänge klar zu werden versucht, ohne freilich die logische Form von dem gesuchten Inhalt trennen zu können. Wie zur Zeit der Eleaten geriet es auch hier an Objekte, die es zunächst nicht zu bewältigen vermochte, an denen es dafür bereits das Streben nach der Wahrheit als der Menschheit bestes Teil von ferne begreifen lernte. Die Beziehungen, die zwischen ‘der einzelnen sittlichen Tat und dem darin wirklich gewordenen allgemeinen Guten einem noch unge- übten Denken bewußt werden konnten, bleiben für den weiteren Fortgang der griechischen Philosophie charakteristisch und helfen einen ganz eigen- artigen Seinsbegriff herausbilden. Daß das Gute im besonderen Falle der einzelnen sittlichen Tat eine Setzung des Denkens ist, daß damit der Objektkreis auf eine unzweifelhaft geistige, subjektive Sphäre hinweist, hat merkwürdigerweise nicht den erkenntnistheoretischen Zug, den wir heute so gern aus der sokratisch-platonischen Gedankenwelt als vor- tönend heraushören, gestärkt und gereinigt, sondern im Gegenteil das Denken auf die metaphysische Ontologie, man darf sagen, auf. Jahrtausende festgebannt. Das lehrt eine kurze Reflexion auf den Zusammenhang der Sokratik und der Sophistik. Diese entdeckte das Subjektive, aber sie 4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. faßte es sofort als das Willkürliche, der Norm Entbehrende gerade auf dem für eine solche Wendung bedenklichsten ethischen Gebiete auf. Wenn Sokrates dagegen auftrat, wenn er in dieser Sphäre der ethischen Subjektivität auf ein Allgemeines, schlechthin Verbindliches drang, das alle konkreten Fälle sittlichen Handelns umspannte, so hatte er sachlich damit den Gesetzesbegriff postuliert und eine Norm gefordert, für die die einzelne sittliche Tat einen Spezialfall darstellt. Ihm selbst erschien frei- lich der Zusammenhang ganz anders. Für Sokrates war — hier stand er vollständig innerhalb der Schranken griechischen Denkens — dieses All- gemeine ein Seiendes.. Was ist das Gute, hatte er gefragt. Durch seinen Ausgangspunkt und die Aufgabe, die dieses Sein hier erhält, ist es im Um- kreise sokratisch-platonischen Denkens vor einer groben Verdinglichung völlig bewahrt. Es ist kein gefordertes Sein — dann wäre der Unterschied zur modernen Auffassung ja sehr gering — sondern es ist für den Griechen in einem Sinne, der gleich klar werden wird und die leichteste An- knüpfung teleologischer Gedanken gestattet, vielmehr ein forderndes Sein, das dem Bewußtsein gegenüber dieselbe Aktivität besitzt, wie sie jedem teleologischen Ziel der Natur gegenüber zugeschrieben wurde, ehe Kant regulative und konstitutive Prinzipien unterschied. Daß bereits Sokrates — von Platon ganz zu schweigen — sich das Sein in dieser sub- limen Form metaphysischer Realität gedacht hatte, dafür gibt es ein ob- jektives Kriterium, seine Lehre von der unmittelbaren Nötigung zur guten Tat, sobald das Gute erkannt ist. Das Gute ist für ihn genau so wie später für Platon ein metaphysisches Etwas, das dem Bewußtsein nötigend gegenübersteht, und durch diese Wirkung, d. h. durch die Möglichkeit sitt- lichen Tuns, an die Sokrates fest glaubte, ist für ihn die Wirklichkeit des Guten erwiesen. Da das Gute seiner Wesenheit nach theoretischer Er- kenntnisgegenstand ist, so muß sich wie jede Erkenntnis auch die des Guten übermitteln lassen; mit der Erkenntnis ist unmittelbar die Nötigung zum Handeln gegeben, m. a. W. die Tugend, das Handeln auf Grund des erkannten Guten ist lehrbar. Da jedoch Sokrates nur wußte, daß das Gute wahrhaftig seiend und dasjenige wäre, was die einzelne gute Tat zu einer solchen mache, ohne einen Inhalt des Guten angeben zu können — das taten erst seine Schüler — so konnte er zugleich sagen: ich weiß, daß ich nichts weiß. So ist bereits bei Sokrates das praktische Motiv mit dem theoretischen unlösbar verknüpft; vielmehr eine umfassende, ungeschiedene geistige Kraft ist an dieser Stelle wirksam zu denken, die in dieser Doppelheit mit dem Religiösen noch am ehesten verglichen werden könnte, wenn nicht der Eindruck der Begreiflichkeit — dieser Ausdruck sei zur Bezeichnung einer nur erstrebten Begrifflichkeit einmal erlaubt — das Ganze wenigstens vorwiegend in der nüchternen, klaren Sphäre des Denkens hielte; konnte doch die Lehre unter einem bestimmten Gesichts- V. Abteilung. Philosophisch-psychologische Sektion. 5 winkel als Rationalismus erscheinen. Und das ist nach dem eben Gesagten keine Frage — darin unterscheidet sich diese Auffassung bewußt von der voluntaristischen Heinrich Maiers: Sokrates empfand es als seine Aufgabe, diese dunklen Zusammenhänge in das Licht logischer Betrachtungsweise zu ziehen. Zwar gewann die logische Antithese des einzelnen Guten im konkreten Falle und des allgemeinsten Guten an sich für Sokrates nie die Aktualität, die für die spätere, eben den sokratischen Boden verlassende Entwieklung Platons schließlich zu einem Ferment steter Umbildung wurde; aber sie wirkt bereits entscheidend an der Ausgestaltung der sokratischen Frage mit. Zunächst mußte Sokrates von diesem Ausgangspunkte aus jedes Ver- hältnis des Allgemeinen und Besonderen als eine Propädeutik für die Er- kenntnis des allgemeinsten Allgemeinen, des Guten schlechthin erscheinen. Je stärker aber für Sokrates der Ton auf der einzelnen sittlichen Tat lag, desto weniger brauchte die inhaltliche Leerheit des allgemeinsten Guten in ihm die Vorstellung des eigenen Nichtwissens hervorzurufen, wie es vielleicht Platon von seinem Standpunkte aus später erscheinen mußte. Es ist der Sachverhalt der autonomen Ethik Kants, der hier zur Klärung der Lage sich unmittelbar aufdrängt. Es könnte eine große Leistung scheinen, wenn dem Sokrates jeder materiale Inhalt des Guten zu eng, durch jede konkrete Bestimmtheit die Reinheit dieser Idee im kantischen Sinne ge- fährdet erschienen wäre. Aber dann hätte freilich die vielgerühmte Pädagogik des Sokrates an dem entscheidenden Punkte seiner Lehre ver- sagt und bei niemandem mehr als bei Platon, der sein Möglichstes getan hat, diese Idee des Guten mit allem nur denkbaren Inhalt zu erfüllen, sie als den Sinn der Welt und des Lebens überhaupt darzustellen. Konnte es scheinen, als hätte, wie seit Schleiermacher häufig ausgesprochen wurde, Sokrates lediglich die Form des Denkens gefunden und diesen Sachverhalt als das Wissen des Nichtwissens bezeichnet, so halte ich es nach dem Gesagten für richtiger, daß Sokrates umgekehrt zu dem ihm in deutlicher metaphysischer Realität vorschwebenden Inhalt menschlichen Tuns und Denkens die Form nicht fand, in der allein, wie in der kantischen Ethik, ein so allgemeiner Begriff aufgefaßt werden kann. Und damit kommen wir zu der weiteren Frage, in welchen logischen Formen denn überhaupt das sokratische Denken seine Grundantithese vom allgemeinen Guten und der einzelnen Tat erfaßt haben mochte. Wie stark dieser Gegensatz tat- sächlich in ihm wirkte, dafür noch ein sehr wichtiges, meist als irrational beiseite gelassenes Moment. So klar in der Lehre von der unmittelbaren Determination des Willens durch das erkannte Gute die metaphysische Natur auch des sokratischen Guten durchschläst, so fehlt diesem, wie man sieht, sehr bedingten Rationalismus nicht das Gegenstück in der Lehre von Daimonion, das ohne die Vermittlung allgemeiner Erkenntnis im 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. konkreten Falle die unmittelbare Weisung über das jeweilige Gute gibt. In beiden scheinbar entgegengesetzten Fällen ist also eine dunkle Kraft im Spiel, die der eigentümlichen Doppelnatur des Sokrates sehr wohl ent- spricht und in seinem logischen Typus begründet ist. Diesen in seiner Ein- heitlichkeit und dabei weitreichenden logischen Leistung begreiflich zu machen, ist keine leichte Aufgabe. Ein wesentlicher Zug ist bereits wieder- holt zur Sprache gekommen, die enge Verbindung des Allgemeinen und Besonderen. Von diesem Punkte ist auszugehen. Das Gute schlechthin in seiner Reinheit ist in der einzelnen sittlichen Tat als notwendig gefordert, wenn anders diese überhaupt möglich sein soll, es ist schlechthin der Sinn der einzelnen Tat, ihre Form, in der allein sie als gut verstanden werden kann. Ist das Gute demnach im Einzelnen unmittelbar gegenwärtig, so ist es doch durch seine notwendige Allgemein- heit höher, reiner, mehr als die einzelne Tat. Und indem es die einzelnen Akte sittlichen Handelns unter einem Gesichtspunkt begreifen lehrt, um- faßt es diese wie ein Aligemeines seine Besonderungen. Sein Sinn muß so umfassend gedacht werden, daß schlechterdings jedes mögliche Ver- hältnis eines Allgemeinen zum Besonderen als Analogon dienen kann. Nur so erklärt sich das in den sokratischen Diskussionen allenthalben her- vortretende Bestreben, den Sinn der ethischen Forderung durch die ganz allgemeine Frage nach dem Wesenswas, dem rt! £otiv im einfachsten, wörtlichsten Verstande zu erläutern, entgegenstehende Meinungen durch ähnlich gerichtete Untersuchungen zu widerlegen. Daher konnte es für Aristoteles und die Späteren als das Hauptbestreben des Sokrates er- scheinen, sich des Allgemeinen, des #VU0oAouv zu bemächtigen. Doch daß dieses Allgemeine der durch Induktion gefundene, abstraktive Klassen- begriff wäre, das ist ein freilich sehr begreiflicher Irrtum, der auf dem Zuge der unmittelbaren Repräsentation des Allgemeinen im Besonderen beruht. Sokrates konnte vom besonderen Falle ausgehen, an ihm und ın ihm das Allgemeine suchen — gerade in dem Verhältnis, das als Zweck aller Untersuchungen ihn einzig und allein interessierte: einzelne sittliche Tat, allgemeines Gute schlechthin, wurde ihm stets wieder das Zusammen- fließen, ja man kann sagen als ideale Forderung geradezu das Zusammen- fallen dieser beiden Gegensätze bewußt. Sokrates hat sich hier dem ver- dunkelnden Eindruck der im mystischen Denken so häufig variierten Vor- stellung: eins in allem, alles in einem nicht entziehen können; denn wenn oben die unmittelbare Nötigung durch das allgemeine, erkannte Gute und die Lenkung durch das Daimonion im einzelnen Falle als logische Gegen- sätze erschienen, so liegt es in der Natur der sokratischen Logik, daß diese Gegensätze zugleich auch zusammenrücken können: das Daimonion ist der Ausdruck der Macht des Guten über den Willen im besonderen Falle; es ist die praktische Intuition, die das Einzelne unmittelbar als Allge- meines erlebt, wie Platons Logik mit einer ganz analogen theoretischen V. Abteilung. Philosophisch-psychologische Sektion. Ü Intuition rechnet‘). Und damit zeigt sich auch die logische Struktur des platonischen Eidos in seinem ursprünglichen Kreise, wie ich es zu be- gründen suchte, in der sokratischen Fragestellung bereits vorgebildet. Hier wie dort ist dem Auseinanderfallen des Allgemeinen und Besonderen zunächst vorgebeugt durch die normative Natur des Allgemeinen, insofern das Einzelne dieses in sich verwirklichen soll. In Platon drängte sich mit der immer größeren Ausdehnung und Besonderung der Ideen der alige- meine begriffliche und Bedeutungscharakter der Idee immer stärker in den Vordergrund; auch diese Ausdehnung des Allgemeinen ist in der theo- rethischen Fassung der sokratischen Frage bereits vorgebildet; denn auch sie will mit der Frage nach dem .Guten die Frage nach dem Allgemeinen. schlechthin begreifen. Immer wieder muß die historische Betrachtung anf den Punkt gelenkt werden, an dem ein uns heute fremder Zug die eigen- artigsten Wirkungen entfaltet: auf die wunderbare Leichtigkeit, mit der erjeehisches Denken von willensmäßigen Vorstellungen zu rein theoretischen und umgekehrt hinübergleitet. Letzten Endes spricht sich darin eine dem griechischen Denken eigentümliche Haltung, die Blässe und Schwäche der persönlichen Ichvorstellung aus, die in dem Rigorismus des platonischen Staatsideals noch einmal beiremdlich zum Ausdruck kommt; erst der eigentliche Hellenismus bereitet auf griechischem Boden hier die Wand- lung zum Individualismus vor, die schließlich um die Wende der Zeit durch ganz andere Einflüsse das Denken der Menschheit von Grund auf ver- änderte. Vorläufig jedoch befähigt dieser Zug zum Überindividuellen, historisch genauer, noch nicht Individuellen, die Griechen, die Ansprüche der durch die Sophistik entbundenen Subjektivität einzudämmen, Philo- sophie und Wissenschaft zu begründen und schließlich in der Teleologie für die gesamte spätere Theologie die Grundlage zu schaffen. Wenn Platon im Phaidon die teleologische Naturbetrachtung als die einfache Antwort auf die sokratische Frage nach dem Guten darstellt, so hat er damit völlig recht; denn das Allgemeine Platons stand durch das Para- deigmatische, Typisierende in lebendigem Zusammenhang mit dem eigent- lich ethischen, auf Normen sich beziehenden Ausgangspunkte des Sokrates. und brachte schließlieh durch die reinere Entfaltung der Teleologie nur diejenigen Kräfte ins Spiel, die durch die Umbiegung des Praktischen ins Theoretische verdrängt waren. Zwischen diesen beiden Polen, dem theoretischen und praktischen, bald den einen, bald den andern in den Blickpunkt ziehend, ohne je die in Sokrates wurzelnde Einheit beider aufzugeben, bewegen sich die oft so widerspruchsvoll scheinenden Folgerungen der Schüler und die Bilder, die 1) Daß das Daimonion sich vorwiegend negativ betätigt, auch dies steht mit der Grundauffassung des Guten als des Allgemeinen, für das Sokrates den Inhalt nicht angeben kann, in Beziehung: es bestimmt negativ das sittliche Handeln, indem es das Nichtgute ausschließt, ohne zu sagen, was das Gute ist. 8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. historische Betrachtung von dem Wesen dieses Mannes entwirft. Ob die vorgetragene Betrachtung den Mittelpunkt gefunden hat, von dem aus sich dies alles einfacher übersehen und verstehen läßt, dieser im Einzelnen zu führende Nachweis muß besseren Zeiten überlassen bleiben. Für das enge Verhältnis zu Sokrates, in das Platon auch in seinen originalen Schöpfungen von diesem Standpunkt aus gerät, liegt in meinem Buche bereits Material vor. Einige weitere, mehr allgemeine Gesichts- punkte sollen zugleich andeuten, wie das aristotelische, von dem hier ge- zeichneten wesentlich abweichende Bild des Sokrates sich herausbilden mußte. Keiner der Sokratiker hat die Hauptfrage des Sokrates: was ist das Gute, und die propädeutische Vorfrage für diese Wesensfrage, die Frage nach dem Wesen, dem 7 Zorty überhaupt, in ihrem engen, sach- lichen Zusammenhange so tief begriffen wie Platon. Aus dem Born ur- wüchsiger Vorstellungen seines Volkes schöpfend verschmolz er den Be- griff des Guten mit dem des Schönen, und durch das Mathematische brachte er ein Element exakter Wahrheit und Klarheit in diesen Komplex hinein, kraft dessen er die in der sokratischen Fragestellung, wie sich eben zeigte, vorgebildete, intuitiv, d. h. am Einzelnen unmittelbar sich auswirkende Allgemeinvorstellung zu dem in reiner Anschauung konstruierbar ge- sebenen Eidos entwickelte. So konnte er in der bis zum Staate sich mit steigender Klarheit und Fülle herausbildenden Wissenschaftslehre das Gute mit dem unendlichen Inhalte alles dessen erfüllen, was gut und schön und wahr sein kann — eine tiefe und einfache Erfüllung der sokratischen Frage: Jegliches Ding ist, worin es gut ist, worin der Inbegriff seines Wesens, griechisch gesprochen, seine Arete ruht. War oben behauptet worden, daß die enge Verbindung des praktischen und theoretischen Motivs eine Wahlverwandtschaft mit dem Religiösen aufiwiese, so ist Platon ein Beweis dafür. Unmerklich verbindet sich die aus der sokra- tischen Frage herausgesponnene Antwort mit dem religiösen Hintergrund der orphischen Jenseitsreligion; das intuitiv Apriorische der sokratisch- platonischen Logik bildet noch deutlicher die Züge des metaphysischen Apriori aus. So klar Platon gerade hier die Grenze zwischen Sokrates und sich zieht — das ist meiner Meinung nach der Sinn des Menon und Phaidon —, so scheint es mir doch aus dem Ganzen platonischer Lehre sicher, daß Platon in diesen Vorstellungen eine aus der innersten Struktur der sokratischen Frage geforderte Konsequenz erblickte?). In diesem Zusammenhang darf der Schwerpunkt immer noch in der Idee des Guten angenommen werden, von der alles Tun und Denken erst seinen Sinn erhält. Eine Ausweitung der Idee zu einer allgemeinen, das praktisch-teleologische Motiv zunächst einmal in zweite Linie stellenden, das Empirische mitumfassenden Erkenntnislehre verwickelte Platon in 9 Vergl. Studien $, 123 ff. V. Abteilung. Philosophisch-psychologische Sektion. 9 methodische Schwierigkeiten, über die ich in meinem Buche des längeren gehandelt habe. Wieder sieht sich Platon bei dieser zweiten Phase seiner Lehre vor der sokratischen Frage, nur daß diesmal die Frage nach dem Wesenswas in erster Linie steht. Daß hier die Ausdeutung, die Anti- sthenes der sokratischen Frage gegeben hatte, für Platon eine, in seiner eigenen Entwicklung natürlich letzten Sinnes beruhende Bedeutung ge- wann, zeigt die ausführliche Diskussion des Kratylos und Theaitetos; in beiden stehen — das darf mindestens als wahrscheinlich gelten — anti- sthenische Lehren zur Verhandlung. Antisthenes hatte auf die Frage nach dem Wesenswas die allgemeinste Antwort gegeben; für ihn war mit dem unmittelbar gegebenen Sinne, dem Bedeutungsinhalt des Wortes, die Frage beantwortet, die Untersuchung der Worte für ihn der Anfang der Er- ziehung. Die eigenartige Logik, zu der Antisthenes von dieser Grundlage aus gelangte, ist gerade im Zusammenhange mit der sokratischen und platonischen Logik in ihrer Wichtigkeit noch nicht voll erkannt. Hier seien nur die Folgerungen hervorgehoben, die Antisthenes für den Sinn der Definition daraus zog. Er bestritt die Möglichkeit, anders als durch ein- fache Benennung zu prädizieren, ein eigenartiger Nachklang der intuitiven, jeder begrifflichen Diskursivität noch baren Logik des Sokrates; damit war der Sinn der Definition aufgehoben; höchstens für zusammengesetzte Dinge sollte es durch die Verknüpfung der Namen, ovpmioxy) övonatwv, eine Art Definition geben. Wie Platon dazu Stellung nahm, wie er im Kratylos den ersten, im Theaitetos den zweiten Teil der anthistenischen Lösung kritisch würdigte, dafür muß ich, wie für das folgende, auf mein Buch verweisen. Platon fand in der Begriffsspaltung, der Diairesis, das Verfahren, nach Analogie seines mathematischen Eidos jegliches Wesen im strengsten logischen Sinne nach Umfang und Inhalt — in reinen Denk- schritten, wie er glaubte — definitorisch zu konstruieren. Er ließ im Theaitetos den Sokrates dieses Verfahren aufs bestimmteste eben zum Zwecke des Aoyov öoövat, der Definition, fordern; aber im Sophistes und Politikos überbot ein anderer Gesprächsführer, der eleatische Fremde, jene im Theaitetos als ungenügend erwiesene Verflechtung der Namen durch die Verflechtung der e{ön und stellte damit als den Inbegriff dialektischer Weisheit die kunstgerechte Definition hin. Also Antisthenes, der eine Sokratiker, bestreitet die Möglichkeit der Definition, Platon, der andere, läßt sie von Sokrates fordern, aber von einem anderen Gesprächsführer begründen und ausführen. Das beweist wohl zur Genüge, daß in der ur- sprünglich sokratischen Frage die eigentliche Definition keine Stelle hat. Auch Platon gelangte erst durch das komplizierte Verfahren der Diairesis zur Begrifflichkeit, zur Klarheit über diejenigen Züge, die ein Allgemeines zum eigentlichen Begriffe stempeln, über Umfang und Inhalt, Züge, die bei der Idee keine wesentliche Bedeutung erlangen konnten. Nur den Begrift 1917. 2 10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. kann man definieren; das Gute ist in der sokratischen Fragestellung bereits als Idee im Sinne unmittelbarer Gegebenheit vorgebildet; es. will und kann nicht begrifflich definiert sein. Bei der Klärung aller dieser Fragen hat die Einsicht in die künst- lerische Freiheit, mit der Platon die Form seines Sokratesdialoges ver- wendet, einen wesentlichen Anteil. Der Theaitetos steht an einer ent- scheidenden Stelle der platonischen Entwicklung; Platon kann die Lehre von der Definition dem Sokrates nicht in den Mund legen; er läßt ihn die Versuche des Antisthenes prüfen und verwerfen; vielleicht kann man in dem Worte des Sokrates 151 B, er habe manche Schüler, die von ihm nichts lernen woliten, an andere, z. B. an Prodikos gewiesen, einen Hinweis darauf erblicken, Äntisthenes hätte seine Lehren von der Richtigkeit der Worte von jenem Sophisten holen können, im sokratischen Geiste sei sie nieht. ich führe diesen einzelnen Zug hier nur als eine Probe der polemischen Bemerkungen gegen Zeitgenossen an. die Platon so leicht in die sokratische Form kleiden konnte. Freilich dürfte die sachliche Auseinandersetzung mit dem Problemkreise des Sokrates für Platon stets wichtiger gewesen sein als die literarische Fehde an sich. So bleibt jeder sokratische Dialog schließlich eine Auseinandersetzung mit Sokrates selbst. Zwar hat Platon durch die Gegenüberstellung des Theaitetos und Sophistes aufs deutlichste ausgedrückt, daß die diairetisch gefundene, kunstgerechte Definition seine ureigenste Leistung ist. Jedoch mit steigender Deutlichkeit mußte ihm zerade bei der Fülle der gelösten logischen Probleme, die ihm dieses Ver- fahren in den Schoß warf, der Gedanke kommen, daß hier eigentlich die Erfüllung der wissenschaftlichen Frage des Sokrates nach dem Aoyog, dem Wesenswas gefunden sei, daß des Sokrates dunkles Streben auf diese Züge gerichtet wäre, die ihm selbst erst jetzt zur Klarheit gekommen waren, auf das eigentlich Begriffliche, Diskursive. Mit der großen Un- befangenheit des genialen Schülers zeichnete er darum im Theaitetos das Bild des selbst unfruchtbaren Lehrers; nirgends verweilt Platon so lange bei diesem Problem. Als sollte über diesem negativen Zug des Sokrates, der Wissen fordert und doch nicht sagen kann, was das Wissen ist, die unver- gängliche positive Leistung noch einmal in Erinnerung gebracht werden, so zeichnet Platon in einer deutlich als Nebenwerk (r&pepyov 177 B) be- zeichneten Episode das Bild des Philosophen als des wahrhaft guten Menschen mit allen Zügen einer von dieser Welt abgewandten, auf eine höhere weisenden Frömmigkeit (176 A). Platon scheint trotzdem von dem Bilde des Meisters, wie es der Theaitetos entwirft, nicht voll befriedigt gewesen zu sein. Einmal mochte ihm der angedeutete Zusammenhang der Definition mit der Forderung des Sokrates bei weiterem Durchdenken immer enger erscheinen, andrerseits mußte die an dieser Stelle besonders klare und handgreifliche Erkenntnis, daß Sokrates ungeachtet dieser engen Beziehung doch die Lösung nicht V. Abteilung. Philosophisch-psychologische Sektion. bt gegeben hatte, in ihm immer wieder den Zweifel wachrufen, ob jener rätselhafte Mann nicht doch mehr gesehen hätte, als er selbst mitzuteilen für nötig fand. Vielleicht war auch ein solcher Gedanke mehr bewußtes Spiel der Phantasie, das durch ein andres Motiv stets genährt wurde: Platon hatte doch immer noch das Bestreben, seine Lehre durch den Zu- sammenhang mit Sokrates anderen Zeitgenossen gegenüber zu legitimieren. Aus solcherlei Erwägungen entsprang jedenfalls der kühnste, sprühendste und darum wohl am häufigsten mißverstandene Dialog, der Phaidros. Denn das scheint mir immer mehr die einzige Erklärung dieses Dialoges, die seinem verwirrend reichen Inhalt gerecht wird: Platon sucht hier mit größter künstlerischer Kraft das Ganze der eigenen Lehre in der Person des Sokrates zur Einheit zu zwingen — zu einer Zeit, wo sich der Zusammen- hang mit Sokrates sichtlich gelockert hatte. Und um bei dem Nächst- liegenden zu bleiben: hier erscheint die Voraussetzung begrifflicher Klar- beit, das Trennen und Verbinden im Sinne des Sophistes und Politikos bereits klar von Sokrates als der Sinn des Denkens und Sprechens ge- fordert, 266 B: Tovrwy Sr) Eywye oürös Te &paoric, W @atöpe, tWv Sraıploewy al ovvaywywv, Iva olcs TE W Atyeıy te xal ppoveiv; freilich deutet auch hier Sokrates an, daß es andere waren, die ihn auf diesen Weg geführt haben: &&v E tiv’ &AXov Yiyrjowpar Suvarov eig Ev nal ent TON mEpuRoN öpäv, Toltov Swaw „Ratonıade er ixvıov Ware Weoto‘“, eine Stelle, die deutlich anklingt an die Worte, mit denen Sokrates im Sophistes den eleatischen Fremden, den Meister des definitorischen Ver- fahrens, begrüßt (216 B). Die Synthese des Phaidros gerät gerade auf logischem Gebiete in Schwierigkeiten‘), die Platon selbst kaum so stark zu Bewußtsein ge- kommen sein werden. Erst jetzt ist nämlich Platon in der Lage, den Ge- danken einer Induktion und Abstraktion überhaupt zu erfassen, nachdem cr in den Untersuchungen des Sophistes die apriorische Natur auch der Er- kenntnis des einzelnen Erfahrungsgegenstandes außer Zweifel gestellt hatte. So kann er diese neue Dialektik zu dem von ihm selbst in den frühesten Dialogen geschilderten Verfahren des Sokrates, in dem Be- sonderen das Allgemeine aufzuzeigen, in Beziehung setzen. Es konnte nach dem bisher Entwickelten nicht schwer fallen, seine Methode als die unmittelbare, allgemeinste Antwort auf die Frage des Sokrates erscheinen za lassen. In dem Bilde, das der Phaidros von Sokrates entwirft, stand er nun vor den Augen der Nachwelt; und auch die Zeitgenossen Platons werden nach ihrer größeren oder geringeren Fähigkeit, ein Kunstwerk als solches zu begreifen, vielleicht auch nach ihrer Stellung zur Persönlichkeit Platons, in verschiedenem Grade vermocht haben, die ganz eigenartige Vereinigung 1) Vergl. Studien S. 105 ff. 12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. künstlerischer und doch schließlich auch problemgeschichtlicher Wahrheit zu begreifen, mit der Platon hier den historischen Sokrates hinter dem überzeitlichen Bilde des Philosophen zurücktreten läßt. Mit einer eigen- tümlichen Ironie der Geschichte wurden die Züge, die dichterische Laune im Phaidros dem Sokrates in höchst bedingtem Sinne zuschrieb, gegen den- jenigen später ausgespielt, dem doch erst die Klärung aller dieser logischen Fragen verdankt wurde. So steht in der aristotelischen Schilderung dem Sokrates, der das Allgemeine durch Induktion fand, der Schüler gegen- über, der von dieser Lehre zu einer falschen Sonderung des Allgemeinen fortschritt. Ob tatsächlich, wie H. Maier (Sokrates 57 ff.) will, Xenophon Mem IV 5, 6 den Phaidros ausgeschrieben hat und dann bei seiner anerkannten philo- sophischen und künstlerischen Harmlosigkeit von Aristoteles als treue Quelle sokratischer Philosophie angesehen worden ist, das mag unent- schieden bleiben. Daß das Bild des platonischen Sokrates, besonders das des Phaidros, auf Aristoteles Eindruck gemacht hat, das ist recht wohl möglich. Wie der Phaidros aufs stärkste die harmonistische Auffassung des platonischen Lebenswerkes bestimmt und einem genetischen Verständnis im Wege ist, so hat er auch bei der Auffassung des Begriffsphilosophen Sokrates in erster Reihe gestanden. Freilich liegt es in der Natur einer Lehre wie der des Sokrates, daß jede Zeit auf seine Frage ihre eigne Ant- wort geben und von ihm gefordert sehen möchte. So war es bereits bei Platon der Fall, und so verstand Aristoteles Sokrates’ Lehre in seiner Sprache und in seinen logischen Termini und übersetzte das Allgemeine des Sokrates in diejenige Form, die, einmal gefunden, das einfachste und übersichtlichste, freilich auch äußerlichste Verhältnis des Allgemeinen und Besonderen darstellt, in den abstraktiven Allgemeinbesgriff. Und dieser Prozeß der Um- und Ausdeutung des Sokrates ist noch nicht abgeschlossen; vielleicht wird auch der hier vorgetragene Versuch als nichts anderes erscheinen denn als eine neue Deutung des alten Rätsels in diesem Sinne. Demgegenüber sei nochmals die vielleicht nur annähe- rungsweise lösbare Aufgabe, die hier neben anderen gestellt werden mub, in ihrem Wesen und in ihrer Notwendigkeit bezeichnet: die sokratische Frage so allgemein und doch wieder in ihrer historischen Konkretion zu verstehen, daß die verschiedenen Strahlen, die von ihr ausgingen, auf einen Mittelpunkt alle geradlinig zurückweisen; die noch unklare Synthesis in klaren Beziehungen aufzufassen und gerade aus der umfassenden Un- klarheit die alle Zeiten überdauernde Wucht und Kraft dieses Klarheits- strebens historisch zu begreifen. 2. Diskussion, —u 1 0 — schlesische Gesellschait für valerländisehe Gultur. oF Ir 95. | V. Abteilung. Jahresbericht. c. Sektion für katholische 1917. Theologie. ex EN 2,9 Sitzungen der Sektion für katholische Theologie im Jahre 1917. Am 26. April hielt der Hilisarbeiter im Generalvikariatamte, Herr Kuratus Dr. Pollak einen Vortrag über das Thema: Rechtsverhältnisse zwischen Pfarrer und Klosterniederlassungen. Der Vortragende gab nach einem Überblick in den einleitenden Be- merkungen der Ansicht Ausdruck, daß über die fraglichen Rechtsver- hältnisse sich allgemein geltende Normen nur vereinzelt aufstellen lassen. Er erörterte hierauf drei Rechtstypen, die besonders für die Diözese Breslau Interesse haben: die einschlägigen Rechtsfolgerungen aus den Privilegien der Barmherzigen Brüder, die der Rechtsstellung der Ursu- linenklöster, sowie die Rechtsbeziehungen der weiblichen Ordensgenossen- schaften mit einfachen Gelübden. Am 22. Mai hielt Herr Dr. Pollak einen Vortrag über Gegenwartsjurisprudenz und Moraltheologie. Nach einleitenden Bemerkungen über den Einfluß, den die Rechtsent- wicklung seit dem 17. Jahrhundert auf die Moraltheologie ausgeübt hat, behandelte der Vortragende im besonderen vier Punkte: 1. Die Lehre vom Irrtum, 2. von der Chikane, 3. von den abstrakten Verträgen, 4. vom Begriff des Eigentums. In der sehr stark besuchten Sitzung vom 23. Oktober widmete der Vorsitzende zunächst dem aus Breslau scheidenden: Mitgliede, Prof. Karge, Worte warmer Anerkennung und erteilte dann das Wort dem ao. Prof. Dr. Seppelt zu seinem Vortrage über das Thema: Die Entwickelung des Ablasses im Lichte neuerer Forschungen. Luthers Thesen sollten kein Reformprogramm darstellen, sondern nur seine damals im einzelnen noch nicht geklärte Lehre über Buße und Ablaß zum Ausdruck bringen. Schon vorher war nach Ausweis des Römerbriefkommentars von 1515—16 Luthers innere Loslösung von der Kirche weit fortgeschritten. Die Ablaßmißbräuche waren daher nicht die 1917. D) Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Ursache der Reformation, sondern nur ein äußerer Anstoß zur Refor- mationsbewegung. Eine Orientierung über die Entwickelung und Geschichte des Ablasses ist schwer, da es namentlich auf katholischer Seite an einer in wissen- schaftlicher Hinsicht genügenden, zusammenfassenden Darstellung fehlt, Der Ablaß, dessen geschichtliche Entwickelung ein rein historisches Pro- blem ist, hat sich allmählich aus der kirchlichen Bußpraxis entwickelt; als ziemlich kompliziertes Gebilde gehört er einer späteren Zeit an. Seine Anfänge gehen in das elite Jahrhundert zurück. Die Aufnahme des Blutschänders durch den hl. Paulus, die in der Zeit der Verfoleungen auf Grund der Fürsprache von Märtyrern den Büßern vor Ablauf der Bußzeit gewährte Rekonziliation und die seit dem 7. Jahrhundert ge- währten Redemptionen sind keine Ablässe. Die individuellen Buß- erlasse für Schenkungen an Kirchen und für Wallfahrten (besonders nach rom) seit dem 9. Jahrhundert dürften als Vorstufen des Ablasses an- gesehen werden. Der Ablaß entstand durch Verallgemeinerung dieser individuellen Bußerlasse infolge des Bedürfnisses der Büßer und des In- teresses an der Nutzbarmachung der Büßerleistungen für die zeitlichen Interessen der Kirche. Die im Mittelalter zahlreichen „Absolutionen“ für Lebende und Verstorbene waren keine Ablässe, sondern fürbittende Gebete. Die im 10. und 11. Jahrhundert in Septimanien und in der spanischen Mark vorkommenden Büßerprivilegien — die vom Gottes- dienst ausgeschlossenen Büßer durften in bestimmten Kirchen oder zu bestimmten Zeiten dem Gottesdienst beiwohnen waren keine Ablässe, sondern nur eine temporäre Aufhebung des kleinen Kirchenbannes; für die Ablaßentwickelung waren sie ohne jeden Einfluß. Die ältesten Ablässe waren solche für Almosen und Kirchenbesuch und wurden nachweislich zuerst von spanischen und südfranzösischen Bischöfen erteilt. Der Erlaß der Bußstrafen wurde zuerst nach Bruch- teilen bemessen; es wurde ein Drittel oder die Hälfte der Buße nach- gelassen. Die ursprüngliche Bezeichnung des Ablasses bis ins 13. Jahrhundert lautete: remissio poenitentiae impositae oder relaxatio de poenitentia iniuneta. Der Ablaß galt, wie die Bezeichnung zeigt, im 11. und 12. Jahrhundert in erster Linie als Nachlaß der von der Kirche auferlegten Bußstrafen, aber es verbindet sich von Anfang an damit die Vorstellung, daß die Ableistung der Buße auch einen Straferlaß vor Gott bewirke (überirdische, transzendentale Wirkung des Ablasses). Die Lehre vom „Kirchenschatz“, d. h. dem von der Kirche verwalteten Schatze der Verdienste Christi und der Heiligen, ist erst von den Scholastikern des 13. Jahrhunderts, vor allem von Alexander von Hales entwickelt, dann von Klemens in der Jubiläums- bulle von 1343 autoritativ dargelegt. Bis dahin wies’man zur Begrün- V. Abteilung. Sektion für katholische Theologie. 3% dung des Ablasses auf die in der Schlüsselgewalt der Kirche liegende Jurisdiktionsbefugnis und die Fürbitte der Heiligen und der Kirche hin. Der Redner ging nun näher auf die Erklärung des Ausdruckes re- missio peccatorum ein, welcher bei vollkommenen Ablässen öfter ge- braucht wird. Es ist damit immer nur der Erlaß der Sündenstrafe gemeint, weil immer reumütige Beichte als Voraussetzung in den Ablaßprivilegien gefordert wird. Seine volle Erklärung findet der Aus- druck durch die Kenntnis des Standpunkts der vor- und frühscholas- tischen Bußlehre und Bußpraxis. Auch der Ausdruck „Ablaß von Schuld und Strafe“ (remissio a culpa et poena) bedeutet nur einen Straf- erlaß. Der Beweis hierfür liegt in den auf Grund eines Konfessionale erteilten Ablässen, bei denen die Ablaßerteilung der vor dem besonders jurisdiktionierten Priester abgelegten Beicht nachfolst, bei denen also ein Nachlaß der Schuldinder Beicht, ein Nachlaß der Strafe durch den Ablaß erteilt wird. Die mißverständliche Bezeich- nung a culpa et poena für Ablässe, die nicht. an ein Konfessionale und an die priesterliche Absolution geknüpft waren, welche vereinzelt auch in päpstlichen Urkunden vorkommt, erklärt sich aus der Ausdrucksweise der Kreuzzugsprediger; auch hier hatte der Nachlaß der Strafe den der Schuld zur unerläßlichen Voraussetzung. Infolge des Widerspruchs vieler Theologen und Kanonisten kam diese Formel allmählich außer Gebrauch. Die ersten Ablässe für Verstorbene sind erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verliehen worden. Aber theoretisch haben sich die Theologen schon seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit den Ablässen für Verstorbene befaßt und die Zuwendung derselben „per modum suffragii sive impetrationis“ begründet. Im ausgehenden Mittelalter haben viele Theologen und auch die maßgebenden Ablaß- instruktionen die Meinung vertreten, daß zur Gewinnung der Ablässe für Verstorbene reumütige Beicht nicht erforderlich sei, sondern die vorge- schriebene Geldspende genüge, weil ja die Seele, der der Ablaß zugute komme, im Fegfeuer, also im Gnadenstande sei. Bedauerlicherweise ist infolgedessen diese Schulmeinung auch auf die Kanzel gebracht worden. Auch Tetzel hat inhaltlich den Ärgernis erregenden Spruch: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegfeuer springt‘ gepredigt, wie die These 34, die er am 20. Januar 1518 zu Frankfurt a. O. ver- teidigt hat, unzweifelhaft ergibt. Schon früh beginnt der Kampf der Kirche gegen Mißbräuche und Aus- wüchse des Ablaßwesens, besonders gegen die quaestores, welche die ver- liehenen Ablässe verkündeten und die Ablaßgelder einsammelten. Es fehlte aber an der entschiedenen Durchführung der heilsamen Maßregeln. Es lag an der kirchlichen Autorität, daß nicht Maß gehalten wurde in den 4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Ablaßverleihungen. Der Hauptgrund, daß grade in Deutschland die Ab- laßmißbräuche besonders empfunden wurden, liegt in der gemütstieferen religiösen Veranlagung des germanischen Wesens. — Bei aller Schärfe, mit der gerade vom katholischen Standpunkt die zahlreichen schweren Wißstände im Ablaßwesen des ausgehenden Mittelalters gerügt werden müssen, darf man den großen aus den Ablässen erwachsenen Segen nicht vergessen, vor allem nicht die reichen sittlichen Früchte des Ablasses. Zahllose ernstliche Bekehrungen fanden in den Kreuzzügen, bei Jubiläen und anderen Veranlassungen infolge der Ablässe statt. Die zahlreichen Ablaßverkündigungen des ausgehenden Mittelalters hatten nach vielen Zeugnissen dieselben heilsamen Wirkungen wie heute die Volksmissionen. Der Redner wies schließlich darauf hin, daß auch die Lehre Luthers von der Rechtfertigung allein aus dem Glauben nach Melanchthons Zeugnis zu Mißbräuchen Anlaß gab. Den Schluß des mit vielem Beifall aufgenommenen Vortrags bildete ein Zitat aus Hirschers Büchlein: „Die katholische Lehre vom Ablaß“ (1829), worin schön und eindrucksvoll die Bedeutung und Heilsamkeit der Ablässe für unsere Zeit charakterisiert wird. In der Sitzung vom 6. Dezember konnte der Vorsitzende unter den erschienenen Mitgliedern auch den hochwürdigsten Herrn Weihbischof begrüßen, worauf er das Wort dem Hilfsarbeiter im Generalvikariatamte, Herrn Dr. Pollak erteilte zu dem Vortrage: Neuregelung des Ordensrechtes durch den Codex juris canonici. Der Vortragende legte vor allem das Verhältnis des neuen Codex zu den Konstitutionen der einzelnen Orden und den ihnen erteilten Privi- legien dar. Der Legalordnung des neuen Codex folgend, erörterte er unter Darlegung des bisherigen Rechtszustandes die durch das neue Ge- setzbuch gegebenen Änderungen. Die Ausführungen des Redners gaben interessanten Aufschluß über die Neuregelung der Klausur, des Noviziats, der Vermögensverwaltung, des Vermögensrechts der Religiosen, über das Verhältnis derselben zum Ordinarius und zum Seelsorgsklerus, über den Austritt aus dem Ordensstande sowie über die Rechtsstellung der ausge- schiedenen Ordensleute. schlesische Gesellschaft für vaterländisehe Cultur, SYS 95. V. Abteilung. Jahresbericht. Evangelisch-theologische 1917. | Sektion. &,e Ü RI N By) Sitzungen der evangelisch-theologischen Sektion im Jahre 1917. Sitzung am 29. Januar. Vortrag des Herrn Geh. Konsistorialrats Professor D.Dr. Arnold: Die Weltanschauung des Posedonios und ihre Einwirkung auf die Kirche und die Christenheit. Sitzung am 22. Mai. Vortrag des Herrn Pastor Müller (Magdalenengemeinde): Der Aufbau des Konfirmandenunterrichts. 1917. N Ber a) REIT a Bannaretı. 48= N N 2 Y\ IM I di 0 { Sehlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur. Ey 95. VI. Abteilung. Jahresbericht. | R L | a. Technische Sektion. 191%. 5 = & R | I & AR EIER REN Sitzungen der technischen Sektion im Jahre 1g17- Sitzung am 24. März. - 1. Vortrag des Herrn Dipl.-Sng. Laudien: Tarife für den Verkauf elektrischer Energie. 2. Diskussion. Sitzung am 12. Juli. Vortrag des Herrn Dipl. ing. Laudien: Theoretische und praktische Grundlagen für den Bau von Ersatzgliedern für Hand- und Armamputierte, Mit Lichtbildern. 1917. IR % = hi 5 % RN: schlesische Gesellschaft für valerländische Gultur. Jah 2 cht VI. Abteilung. en us, ni en b. Sektion fürKunst der Gegenwart. -— ER BIC Sitzungen der Sektion für Kunst der Gegenwart im Jahre 1917. Im Kriegsjahre 1917 fanden außer den Besprechungen der Sekretäre aur zwei Sitzungen statt, die erste Montag, den 5. März, mit dem Vortrage des Herrn Dr. Fritz Prelinger Das moderne Lied. Die Sitzung wurde von Herrn Architekt Baurat Grosser geleitet. Die Ausführungen des Vortragenden waren durch gesangliche Vorführung von Liedern der besprochenen Meister unterstützt. Sie gaben weitblickend eine rasche Übersicht über das sehr große Gebiet des deutschen Liedes in seiner Entwicklung von Haydn, Mozart, Beethoven zu Franz Schubert, dem Schöpfer einer an sich selbst künstlerisch wirkenden Begleitung und zu Robert Schumann hin, der die strophische Behandlung aufgibt und den dichterischen Gehalt des Liedes restlos musikalisch zu gestalten strebt. — Der Vortragende besprach Richard Wagners deklamatorischen Stil und Liszts mehr äußerliches Schaffen; weiter die im Sinne Bachs bereicherte Begleitungsart des Liedes von Robert Franz und das Schaffen des Lyrikers Adolf Jensen und des tüchtigen Hugo Brückler. Im Geist Schumanns baut Brahms weiter; Hugo Wolf blickt mehr nach Schubert. Er wird der Meister des Deklamationsstiles. Dann führte der Vortrag über Richard Strauß als Stimmungsmaler zu Max Regers Übermaß der Begleitung, um unter empfehlendem Worte mit dem Liede von Josef Marx zu schließen. — Der Vortrag fand reichen Beifall. Die zweite Sitzung fand Donnerstag, den 19. Juli, statt als Vorfeier zum 70. Geburtstage des Meisters großer Gegenwartskunst. mit dem Vortrage des Herrn Privatdozenten Dr. Eduard Landsberger Max Liebermann. Der Vorsitzende, Architekt Henry, eröffnete die Versammlung mit. einem Hinweise auf die Bedeutung des folgenden Tages und verlas den Glückwunsch der Sektion an Professor Liebermann, zu dessen Ehrung Dr. Landsberger seinen zu feinster Klarheit durchgearbeiteten Vortrag hielt, Ausgang, Weg und Ziel der reifen Kunst dieses Meisters der Gegen- wart aufweisend, ohne sich von dem starken Leuchten dieser Persönlichkeit blenden zu lassen. 1917, J Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Der Vortragende skizzierte zunächst die Kunstgesinnung von Lieber- manns Geburtsstadt und Wohnort Berlin, die seit Chodowiecky und Schadow einem kraftvollen Realismus zustrebt, der bei Berührung mit der allgemeinen europäischen naturalistischen Strömung des 19. Jahrhunderts zu besonderer Stärke emporwächst. Dem Atelier Steffecks, eines Schülers von Krüger, entwachsen, entzündet ein neuer realistischer Eindruck Munkaczy ‚„Charpiezupferinnen‘“ in ihm den schöpferischen Funken und läßt sein Bild die „Gänserupferinnen‘ von 1872 entstehen, in dem im Keime schon der ganze Liebermann ruht. Zwei große Einflüsse bilden dann seinen Kunstcharakter weiter fort: die Kunst und das Land der Holländer und die französische Malerei des 19. Jahrhunderts, letztere zunächst ın den Gestalten Millets und Courbets, später in denen der führenden Impres- sionisten. Die holländische Atmosphäre gibt einigen seiner Werke, dem „Altmännerhaus‘‘ von 1880, den „holländischen Waisenmädchen‘“ von 1882 eine warme, liebevolle, detailfrohe Intimität, die freilich in seinem Gesamt- werk nur idyllische Episode bleibt. Millet verdankt er die den Horizont überschneidenden heroisch empfundenen Volksgestalten seiner „Frau mit der Ziege“, seiner „‚Netzeflickerinnen‘“, seines „Bauers mit der Kiepe“, je- doch der Typik und Rhetorik des Franzosen entkleidet und zu weit schlichterer Formung gemäßigt. Den Impressionismus aber denkt er mit intellektueller Leidenschaft bis in seine letzten Konsequenzen durch. Dem rasch bewegten Leben in Licht und Luft, im Fernbild gesehen, mit jagen- den Pinselstrichen auf die Leinwand geworfen, gilt nun sein nie ermüden- des Streben. Doch bleibt die sich schon früher offenbarende persönliche Note auch jetzt gewahrt. Diese Note herauszuarbeiten, war der Vor- tragende an der Hand seiner zu Gruppen geordneten Abbildungen bemüht. Die Bewegungen, die Liebermann liebt, sind von ganz besonderer, den Körper des Menschen verzehrender Unrast; sein Licht ist alles poetischen Duftes entkleidet, niemals die Gegenstände liebkosend, sondern eher sie angreifend und zersetzend, seine Räume sind weniger nach Höhe und schweifender Weite, als vielmehr nach der Tiefe entwickelt und saugen gleichsam die Gestalten in sich hinein. Besonders markant aber ist sein „Rhythmus“, der seine Themen und ihre Behandlung regiert. Zu seinen Bildern üben nicht selten eine Anzahl rhythmisch nebeneinandergestellter Personen die gleiche Beschäftigung aus (die Flachsscheuer in Laren, die Konservenmacherinnen, die Arbeiter im Rübenfelde), und auch in seinen Sportbildern ist ein scharfer Taktschlag vernehmbar. Von seinen nicht selten satirisch angehauchten Porträts ausgehend, versuchte der Vor- tragende schließlich zu einer Wertung des Künstlers vorzudringen. Mußte er ihm auch die Kennzeichen letzter künstlerischer Genialität versagen, so gestand er ilım doch die höchste Ausbildung eines hervorragenden Talentes zu, dessen beste Werke zu den Meisterstücken der modernen Malerei zu zählen sind. Henry. Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. Sogar 2) 95. VI. Abteilung. Jahresbericht. c. Sektion für Geologie, Geographie 1917. | Berg- und Hüttenwesen. ec Re E70) Sitzungen der Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen im Jahre 1917. I. In der Sitzung vom 21. Februar legt Geheimrat Frech zunächst eine Arbeit von G. Köster über die Entwicklungsgeschichte und Morphologie der mittelschlesischen Stufenlandschaft vor. Sodann hielt Privatdozent Dr. Dietrich einen Vortrag: Der Siedlungsraum in eingesenkten Mäandertälern. Zwischen den Siedelungen in flachwelligen Tiefländern und Ebenen einerseits und denen in Gebirgstälern andererseits besteht ein grober Gegensatz in bezug auf den gegebenen Siedelungsraum und die Mög- lichkeit der Siedelungsausdehnung. Der freien Entfaltungsmöglichkeit der Siedelungen der erstgenannten Gebiete steht die enge Begrenzung des Siedelungsraumes in Gebirgstälern gegenüber, d. h. die unverkenn- bare Abhängigkeit von den morphologischen Verhältnissen. Es ist ganz selbstverständlichh daß die morphologischen Gegebenheiten nicht allein maßgebend für die Anlage und Entwickelung der Siedelungen sein werden. Die klimatischen Bedingungen setzen eine Grenze nach oben; die Linien der bequemen Überquerung der Gebirge werden vor den schwierigen Querwegen den Vorzug der stärkeren Besiedelung haben; die Täler, denen durch breite Riedel eine Grenze nach dem Gebirgskern gezogen wird, werden hinter den eigentlichen Querwegen zurückbleiben. Nicht unwesentlich wird die Einwirkung der staatlichen Grenzführung und endlich die Lage zu wirtschaftlichen und Industriezentren ein- wirken. Aber unter allen diesen Einflüssen steht obenan die Abhängigkeit von dem in den Tälern gegebenen Siedelungsraum'). Es ist z. B. ohne weiteres einleuchtend, daß in engen Tälern mit nur schmalen Talauen selbst bei den günstigsten politisch-verkehrs-wirtschaftsgeographischen und industriellen Voraussetzungen die Siedelungen sich nur in An- lehnung an den gegebenen Siedelungsraum linear entwickeln können und daß die Siedelungsziffer niedrig bleiben muß. !) L. Henkel: Die Abhängigkeit der menschlichen Siedelungen von der geographischen Lage. Naumburg 1898. Schulprogramm Nr. 255. S. 19/23. 1917. 1 en >) Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Je nach dem morphologischen Alter der Täler wird der gegebene Siedelungsraum ein wechselnder sein, sowohl innerhalb des gleichen wie auch in verschiedenen Talzügen. In Anlehnung an eine frühere Untersuchung?) über die Beziehungen der Moseltalsiedelungen zu der Morphologie des Tales stellt sich die vorliegende Untersuchung die Aufgabe, diese früheren Betrachtungen weiter auszubauen. Sie will eine Reihe von Talstrecken und zwar lediglich die, welche wir als „ingesenkte Mäander-Täler“ bezeichnen, vergleichend betrachten und zeigen, daß ganz allgemeine Beziehungen zwischen den Oberflächenformen, also dem Siedelungsraum und der Siedelungslage sowie der Siedelungsform und der Siedelungsziffer bestehen. Und noch mehr, daß dieses Siedelungsgesetz nicht etwa nur für eine be- stimmte starre Form oder etwa nur für ein Tal gilt, sondern, daß auch bei Variationen in der Form nach Höhe und Breite die enge Beziehung zwischen dem Typ der zu untersuchenden Öberflächenform und dem Typ der Siedelungen in dieser Form bestehen bleibt. Die Beispiele sind mit wenigen Ausnahmen aus deutschem Gebiet gewählt. Es werden mit einander verglichen die Mäanderzonen: an der Mosel: zwischen Pölich und Moselkern, an der Saar: zwischen Niederhölzbach und Conz, an der Nahe: bei Kreuznach, am Rhein: bei Boppard, an der Lahn: bei Weilburg, an der Sieg: von Mauel bis Herchen, an der Lenne: von Werdohl bis Nette, an der Fulda: von Grebenau bis Fraienhagen, an der Weser: Gieselwerder bis Würgassen und Forst bis Daspe, an der Saale: von Ziegenrück bis Breternitz, an der Glatzer Neiße: von Labitsch bis Giersdorf, an der Maas: von Charleville bis Givet. Wir wollen mit wenigen Strichen ein Bild der Oberflächenformen in eingesenkten Mäandertälern entwerfen, sodann den gegebenen Siedelungsraum betrachten und untersuchen, in welcher Weise dieser auf Siedelungslage, Siedelungsform und Siedelungsziffer einwirkt. 2) B. Dietrich: Die Siedelungen des Moseltales in ihrer Abhängigkeit von den morphologischen Verhältnissen. Deutsche Geogr. Blätter Bd. XXXIV, Heft 3 und 4, S. 78/98. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 3 1. Die Oberflächenformen‘’). Unsere Gebirgsflüsse, kleine und große, fließen nur in den seltensten Fällen gradlinig; ihr Weg führt zumeist gewunden durch das Gebirge. Da, wo die Flußwindungen stärker werden, sprechen wir von eigent- lichen Flußkurven oder Flußmäandern. Werfen wir einen Blick auf den Weg der Mosel talab von Trier, so sehen wir jenes typische Mäanderbild, wo sich die Fließwasserbahn der Mosel in mächtigen Windungen hin und her bewegt und auf dem Wasserweg weit vonein- ander entfernte Örtlichkeiten in Luftlinie so nahe beieinander liegen, daß sie sich fast berühren. Das Tal der Mosel macht alle diese Windungen mit; Fluß-Mäander und Tal-Mäander entsprechen sich, wenn wir von einer morphologisch zu begründenden Ausnahme absehen. [Abb. 1a.] Das ist nicht bei allen Gebirgsflüssen so. Im Gegenteil! LI e s a Sid = = m = 4 Fo = = g z = - - » = > e > z 4 3 = ER — = = oJ P> % = > = > Abb. 1a. Abb. 1b. Talmäander und Flußmäander. Bei den kleineren findet sich viel häufiger der Fall, daß der Fluß in einem gewundenen Tal die Fühlung mit den Talwänden verloren hat, und in der mehr oder weniger schmalen Talaue seine eigenen Wege geht. Talmäander und Flußmäander entsprechen sich dann nicht mehr. [Abb. 1b.] Alle diese zu zweit genannten Fälle schließen wir für unsere Betrachtung aus. Wir verstehen unter eingesenkten Mäandertälernjenevom Typder Mosel, wonebender Fließwasserbahn auf beiden oder nur aufeiner Seite eineschmale Aue bleibt, wo sich sonst aber beide 3) Vergl. dazu B. Dietrich: Morphologie des Moselgebietes zwischen Trier und Alf.Verh. des nat. hist. Vereins d. preuß. Rheinlande und Westfalens. Jhg. 67, 1910.— W.Ademeit: Beiträge zur Siedelungsgeographie des unteren Moselgebietes. Stuttgart 1903. Forsch. z. d. Landes- u. Volkskunde. Rudolf Martiny: Kultur- geographie des Koblenzer Verkehrsgebietes. Stuttgart 1909 ebenda, 1* 4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Mäanderformen, die des Tales und die des Flusses eng an- undineinanderschmiegen. Dort, wo zwischen den eigentlichen Flußkurven an einigen Stellen kürzere oder längere gerade Laufstrecken eingeschaltet sind, gleichen sich die beiderseitigen Gehänge. An den Kurven sind dagegen die Gehänge ungleichartig ausgebildet. Dort, wo der Fluß an der Außenseite der Windung gegen sein Wider- lager prallt, ist das Gehänge außerordentlich steil, verglichen mit der Form des sanft abfallenden Gehänges an der Innenseite der Windung. Die Gehänge sind nach ihrer Entstehung Prallhang und Gleit- hang genannt worden‘). [Abb. 2.] Der Gleithang bildet zugleich den Querprofil am Talsporn. Ausläufer einer durch den Fluß aus der Gebirgsmasse herausgeschnitte- nen Halbinsel, die man als Talsporn bezeichnen kann. — So wechseln an eingesenkten Mäandern mit jeder neuen Windung die Gehänge- neigungen im Prallhang und Gleithang mit einander ab. Überall dort, wo, wie im Moseltale, die Bebauung und Vegetation der beiden Ge- hänge eine verschiedene ist, wo nicht nur die Formen, sondern auch die Farben mit einander abwechseln, liegt der Reiz der Landschaft nicht zum mindesten in diesem ständigen und doch stets gleichartigen Wechsel von Form und Farbe. Dort, wo an der Wurzel der Talsporne derselbe Fluß von zwei Seiten gegen die Prallhänge drängt, begegnen sich diese zuweilen in einer Ein- sattelung auf dem Rücken der Spornwurzel, dem eigentlichen Hals des Mäanderspornes. Prallhang, Gleithang, Mäandersporn, Mäander- hals sowie gerade Talstrecken sind Elemente ‘der Formen. Was nun von der Entstehung der eben geschilderten Formen des Moseltales gilt, läßt sich im wesentlichen auf die oben angeführten ande- ren Mäandertäler übertragen. Die in einer breiten Talungszone angelegten Mäander wurden bei veränderter Erosionsbasis in das Gebirge einge- senkt. Aus freien wurden eingesenkte, gezwungene 4) B. Dietrich: Morph. d. Moselgebietes S. 121. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 5 Mäander. In mehreren Phasen (an der Mosel in drei oder vier) wurden diese Mäander eingesenkt. Die Perioden der vorherrschenden Tiefenerosion wurden unterbrochen von solchen der vorherrschenden Lateralerosion, in denen schließlich Schottermaterial aufgeschüttet wurde und sich Flußauen bildeten. Mit der weiteren Tieferlegung der Mäander wurden die Auen zerstört und konnten nur in Resten, den Talterrassen (durchlaufenden Terrassen) ihren Charakter als Talaue andeuten. Die unterste dieser diluvialen Terrassen begleitet die jetzt nur wenig tiefer liegende Mosel mit ihrer alluvialen Aue. So wenig von älteren Terrassen zurückblieb, so gut erhalten ist die untere Terrasse, nur unterbrochen durch die Nebenflüsse und von kleinen Wasserrissen, Mit dem Formenelement der Terrassen ist der Reichtum an Formen keineswegs erschöpft. Dort nämlich, wo am Mäanderhals die beider- seitige erodierende und abtragende Tätigkeit den Hals stetig erniedrigt, kann, wie an der Mosel bei Mülheim und Siebenborn, der Hals durch- brochen und der Talweg verkürzt werden. [Vergl. Abb. 4] Dann nimmt bei weiterer Tieferlegung der neuen Laufstrecke der verlassene alte Talboden den gleichen morphologischen Charakter an wie die Terrassen. Somit vermehren sich die Formenelemente um ein weiteres, die alten Talstrecken, die um den „Umlaufberg“ herum- führen. Noch eine Form bleibt zu besprechen: Der Mäander-Tal- sporn. An der talauf gelegenen Seite des Spornes findet der stärkste morphologische Angriff statt, denn die Kurvenwendepunkte im Strom- strich liegen nicht genau an den Kurvenwendepunkten des Tales; sie liegen etwas talab und wandern mit zunehmender Tieferlegung der Mäander talab. Dadurch wird der Angriffspunkt an der talauf gelegenen Spornseite ebenfalls talab verschoben. Der Talsporn wird unregelmäßig, unsymmetrisch.. Was an seiner talauf gelegenen Seite fortgenommen wird, wird an der talab gelegenen in Blatt- oder Halbmondform hinzu- gefügt, dergestalt, daß das Rückgrat des Talspornes dicht an der talauf gelegenen Seite liegt und nach der talab gelegenen sanft gewölbt ist und ganz allmählich abfällt. Endlich bleibt die Wirkung der Nebenflüsse und Bäche zu erörtern. Sie unterbrechen zwar die untere Terrasse und wirken so zerlegend und zerschneidend auf die genannte Terrasse, aber sie bringen zugleich neues Material für Ablagerungen mit. Auch diese Nebentalschuttkegel können bei dem ständig lebendigen System der abwandernden Mäander keine regelmäßigen Oberflächenformen sein; die Schuttkegelablagerungen werden zumeist talab von der Einmündung der Zuflüsse liegen. [Vergl. Abb. 11.] 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Somit ergeben sichin derGroßform der einge- senkten Mäander als Kleinformen: Flußterrassen (untere und höhere); dazu Schuttkegel, Gleithang, Prallhang, alte Talstrecken, Mäandersporn resp. Umlaufberg, gerade Talstrecken. Zu diesen Haupttypen kommt dann gelegentlich der Typ der Fels- terrasse (Verwitterungsterrasse) hinzu, der auf Gesteinswechsel beruht. 2. Der Siedelungsraum. Die Frage nach dem Siedelungsraum läßt sich formulieren als Frage nach denjenigen Formelementen oder Teilen davon, deren Böschungs- winkel gering ist. Je steiler die Böschung, umso weniger kommt eine Besiedelung in Frage. In seltenen Fällen wird durch Anlage einer Mauer, wie wir sie in Weingärten finden, am Gehänge die Neigung künstlich verringert und kann dort Raum für eine Einzelsiedelung ge- schaffen werden. Wir kennen kaum ein Beispiel dafür. Während Steil- gehänge als solche ausscheiden, bieten ihre gelegentlichen Unter- brechungen in Form von Terrassen eine mehr oder weniger breite Zone mit geringerem Gefälle, also einen Siedelungsraum. Die unteren Terrassen dagegen, jene durchlaufenden Terrassen, sind die gegebenen Siedelungsräume für den Menschen, die eigentlichen Siedelungs- terrassen?). Sie werden nur durch die Zuflüsse unterbrochen. Ihre Breite ist im ganzen gering; es ist ein linearer Siedelungsraum. Am schmalsten wird die Siedelungsterrasse am Prallhang sein; dort ver- schwindet sie zuweilen gänzlich. Ebenso wird die Siedelungsterrasse an den geraden Talstrecken schmal sein, Entsprechend der Entwickelung der Talsporne wird die Terrasse an der talab gelegenen Spornseite über- all blattförmig verbreitert werden, also einen mehr flächenhaften Siede- lungsraum darbieten. Überall da, wo die Zuflüsse, die vorhandene Aue durch Anlandung in Form von talab gelegenen Schuttkegeln verbreitert haben, wird die später resultierende Terrasse verbreitert erscheinen; ebenso da, wo die Alluvialaue durch Schuttkegel in den Fluß hinein- wächst. Die alten Talböden endlich werden, wenn sie vollkommen trocken gelegt sind, einen breiten Siedelungsraum darstellen. Nicht nur die Schuttkegel der Zuflüsse erweitern den vorhandenen Siedelungsraum, sondern auch die Zugangstäler selbst. So wird durch 5) B. Dietrich: Die Siedlungen des Moseltales a. a. O. S. 79 VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 7 diese häufig an den bereits vorhandenen linearen Siedelungsraum der Talaue des Haupttales der ebenfalls lineare Siedelungsraum der Unter- terrasse des Nebentales angeschlossen. Welchen Siedelungsraum bietet der Mäandersporn? Die breit aus- ladende, sichelförmige, talab gelegene Terrasse hatten wir bereits er- wähnt. Aber der Gleithang des Spornes bietet nicht nur in seinen unteren, sondern auch in etwas höheren Zonen einen Siedelungsraum, ihn charakterisierte ja das allmähliche, relativ geringe Gefälle in den unteren Teilen. Aber auch dort, wo der Hals des Talspornes stark er- niedrigt wurde, könnte man einen gegebenen, wenn auch beschränkten Siedelungsraum vermuten. Wenn wir jetzt die Formenelemente zusammenfassen, die den Siede- lungsraum bilden und gleichzeitig hinzufügen, ob dieser eine Neigung zur linearen oder zur flächenhaften Ausbildung hat, so ergibt sich: Terrassen: untere linear s : höhere zumeist linear 5 : an geraden Talstrecken linear A : Schuttkegel Neigung zum Flächenhaften alte Talstrecken flächenhaft Gleithang flächenhaft Prallhang linear oder fehlend Nebental doppelt linear und Neigung zum Flächenhaften Mäanderhals flächenhaft. 3. Die Siedelungslage‘). Sehen wir von dem möglichen aber immerhin seltenen Fall des Siedelungsraumes auf dem Hals des Mäanderspornes ab, so ergibt sich für eingesenkte Mäander ganz allgemein das Gesetz: Die Siede- lungen liegen auf den Terassen. Die untere durch- laufende Terrasse ist naturgemäß die eigentliche Siedelungsterrasse. Diese Terrasse ist nun aber nicht überall gleich breit ausgebildet. Am schmalsten an den Prallhängen, am breitesten an den Gleithängen und an den einmündenden Nebentälern. Der morphologische Werde- gang des Tales läßt die Lage der Siedelungen auf höheren Terrassen, auf alten Talböden und auf petrographisch bedingten Felsterrassen numerisch auf ein Minimum herabsinken. Von den drei zuerst genannten sind die Gleithänge auf der talab gelegenen Spornseite und die Neben- 6) Vergl. dazu für die Mosel: W. Ademeit a.a.O. S.394ff. — W.Lozinski: Zur Anthropogeographie des Podolischen Canyongebietes. Krakau 1910. 3 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. taleinmündungen diejenigen mit größtem Siedelungsraum. Hier wird die Siedelung auf breiterer Basis als an geraden Talstrecken und schmalen Talauenresten einsetzen können. Sie erfährt eine Steigerung durch die Yoo4so 450 250 300 gez. ron Br.Dieörtch Abb. 3. Die Siedelungen am Moselsporn bei Traben-Trarbach (nach den Meßtisch- blättern 1:25000 mit äquidistanten Isohypsen von 50 m zu 50 m entworfen). Möglichkeit der Bildung von Doppelsiedelungen am Gleithang einer- seits und Nebentalmündung am Prallhang andererseits, d. h. die Mög- lichkeit zur Bildung von Brückensiedelungen. Da das Moseltal als Prototyp für alle Erscheinungen an einge- senkten Mäandertälern gelten kann, wählen wir zwei Kartenbilder aus 9 VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. um die Typen der Siedelungslage zu kennzeichnen. diesem Gebiet, Die Siede- Abb. 3 zeigt äquidistante Isohypsen von 50 zu 50 Metern. I 250 ® 200 150 200 150 ge2.Br.Dietrich. 250 200 309 Abb. 4. Die Siedelungslage am Umlaufberg von Mülheim a.d. Mosel. 10 Jahresbericht der Schles.-Gesellschaft für vaterl. Cultur. lungslage am Moselsporn von Traben-Trarbach, Cröv, Wolf und Traben, Litzig liegen auf den Gleithängen. Dort, wo das Rückgrat des Spornes hart an dem Flusse liegt, wie bei Rißbach, bleibt kaum Platz für die Anlage von Siedelungen; ebenso dort, wo der Gleithang bereits ausklingt und in den Prallhang übergeht, wie bei der Wolfer Mühle. Hoch über dem Flusse liegt auf einer Terrasse Starkenburg. Ganz andere Lageverhältnisse für die Siedelungen treffen wir da, wo die Mosel ihre Kurve durchschnitten und abgekürzt hat, wie bei Mülheim an der Mosel. [Abb. 4.] Der jetzige Lauf der Mosel ist be- gradigt und zieht von Dusemond nach Mülheim auf Berncastel-Cues zu. Das alte Tal südlich von Mülheim zieht breit von Dusemond über Burgen und Veldenz nach Mülheim, ein anderes über Maring nach Lieser herum, Ab. 5. Maunderhälssikdeiene Kai Revin an der Maas. Dusemond liegt an der geraden Talstrecke, ebenso Mülheim. Während aber für Dusemond die Gesetze für gerade Talstrecken gelten, ist das für Mülheim doch nur mit einer gewissen Einschränkung möglich, denn Mülheim liegt an einer doppelten Mäanderdurchbruchstelle und damit sowohl auf der Aue, wie auf dem erniedrigten, stark verschrägten Nord- abhang des Umlaufberges. Maring liegt in der alten Talstrecke, ebenso Burgen und Veldenz. Die beiden letzt Genannten liegen an den Ein- mündungen von Nebentälern in das Haupttal, das hier durch den alten Talweg bezeichnet wird. Damit haben sie einerseits freien Siedelungs- raum zum alten Tale, andererseits zum Nebentale hin. Lieser, gegen- über von Mülheim, vertritt den Typ der Lage an Nebenflußmündungen. Für den seltenen Fall der Siedelungslage auf dem Mäanderhalse‘) wählen wir ein Beispiel an der Maas nördlich von Meziöres-Charleville ”) P. Vidal de la Blache: Tableau de la g&ographie de la France. Paris 1911. S. 64)67. V . Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen, 11 bei Revin®). [Abb. 5.] Die Kartenskizze läßt neben den beiden Siede- lungen auf den Gleithängen südöstlich von Revin die Halslage Revins klar erkennen. Grundbedingung für die Anlage sind starke Erniedri- gung der beiderseitigen Böschung auf dem Mäanderhalse durch Erosion und Gekriech. Die Siedelung überbrückt gewissermaßen den Mäander- hals. Wenn auch diese Form der Siedelungslage zu den Seltenheiten gehört, so mußte sie doch als Typ hier erwähnt werden (vgl. auch Jie Lage der Marienburg auf dem Spornhalse der Mosel bei Alf-Bullay). Endlich bleibt noch der Fall zu erwähnen, wo vor einem Prallhang, der von keinem Nebental zerteilt wird, also einer ausgesprochenen siedelungsfeindlichen Form, auf der schmalen jüngsten Aue eine Siede- lung angelegt worden ist. An der Mosel finden wir ein derartiges Bei- spiel bei Piesport. [Abb. 6.] D Abb. 6. Prallhangsiedelung bei Piesport a. d. Mosel. Vergleichen wir den früher betrachteten gegebenen Siedelungsraum im eingesenkten Mäandertal mit der Siedelungslage, so ergeben sich ganz bestimmte Typen der Siedelungslage in Abhängigkeit von den morphologischen Verhältnissen, nämlich: Siedelungstyp: Beispiele: Gleithangsiedelung Cröv, Wolf, Traben, Nebentalsiedelung Trarbach, Enkirch, Lieser, Clüsserath, Mäanderhalssiedelung Revin, Marienburg, Siedelung an geraden Talstrecken Dusemond, Siedelung auf höheren Terrassen Starkenburg, Siedelung auf alten Talböden Burgen, Veldenz, Maring, Prallhangsiedelung Piesport. 8) Die Beobachtungen im Maastale wurden gelegentlich meiner milit. Komman- dierung ins große Hauptquartier, Herbst 1916, in Mezieres-Charleville gemacht. 123 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. a ER "Noselkern, Abb. 7. Siedelungsverteilung im Mäandertal der Mosel. ®& Gleithangsiedelung. ”T Nebensiedelung. © Siedelung an geraden Talstrecken. © Siedelung auf höberen Terrassen. X Siedelung auf alten Tal- böden. Sur EI Prallhangsiedelung. x x DS = yg = | | Ä | 7 ASS LRRR T IT VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 13 4. Die Verteilung der Siedelungstypen. Die Verteilung der Siedelungstypen in den eingesenkten Mäander- tälern läßt bestimmte Typen, die häufig wiederkehren, als Haupttypen gegenüber den als Ausnahmefall anzusehenden Nebentypen hervor- N) x) = br Kran, N 3 # 4 5 ennrer rem N STIER TREE EI ESTEETEER TERUNESERETEHUNE Abb. 8. Siedelungsverteilung im Mäandertal der Saar. ® Gleithangsiedelung. T Nebentalsiedelung. x Siedelungen auf alten Talböden. treten. Die Haupttypen sind in der Reihenfolge ihres zahlenmäßigen Auftretens: Gleithangsiedelung, Nebentalsiedelung und Siedelung angeraden Talstrecken. Wie ein Blick auf die Verteilung der Siedelungen in den von uns ausgewählten Teilen des 14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Mosel-, Saar-, Maas- und Neißetales erkennen läßt, steht von den Haupt- typen unzweifelhaft die Gleithangsiedelung an erster Stelle, dann folgt die Nebentalsiedelung. Die dritte Gruppe der Siedelungen an geraden Talstrecken wird nur da häufig auftreten, wo die Mäander des Flusses groß sind, wie bei der Mosel, oder wo sie weit auseinandergezerrt sind, wie bei der Maas. Die kleineren Mittelgebirgsflüsse winden sich in ihren verhältnismäßig kleinen Mäandern viel stärker als die großen Flüsse. Bei großen Flüssen geht die Ausarbeitung der Mäander zwar viel groß- Abb. 9. Siedelungsverteilung im Mäanderdurchbruchstal der Glatzer Neiße. © Gleithangsiedelung. © Siedelung auf höherer Terrasse. zügiger aber auch viel schwerfälliger vor sich. Unsere zahlenmäßigen Aufstellungen lassen denn auch diese Tatsache klar hervortreten. Nur im Moseltale finden wir eine größere Anzahl von Siedelungen an geraden Talstrecken. Über die Siedelungsverteilung im Mäandertal gibt die Skizze des Moseltales von Pölich bis Moselkern eine klare Übersicht. [Abb. 7.] Mit Ausnahme der Mäanderhalssiedelung sind alle Typen vertreten. -—— Auch an der Saar finden wir in der Nähe der Mündungsstadt Conz Siedelungen auf alten Talböden, sonst aber einen steten Wechsel des Siedelungsbildes zwischen Gleithang- und Nebentalsiedelungen. [Abb. 8] Das Mäanderdurchbruchstal der Glatzer Neiße zwischen Labitsch und Wartha zeigt, abgesehen von der einen Siedelung auf einer höheren Terrasse (Mühldorf), lediglich Gleithangsiedelungen. [Abb. 9.) — An der Maas, die ja nach ihrer Größenordnung unmittel- bar hinter der Mosel einzureihen ist, herrschen Gleithangsiedelung und Nebentalsiedelung vor. Auf der Laufstrecke von M£zieres bis Givet treffen wir nur zwei Siedelungen an geraden Talstrecken. [Abb. 10.) Dazu tritt dann die Sondererscheinung der Halssiedelungen, die nun keineswegs auf Revin und Fumay in dem angegebenen Teile des Maas- tales beschränkt ist; wie denn überhaupt das Maastal nicht das einzige VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 15 eingesenkte Mäandertal der Ardennen ist. Hierher gehört noch das Tal der Semoy mit Bouillon sur Semoy (Belgien); ebenso das Tal der Ourthe mit Laroche sur Ourthe in typischer Lage als Gleithangsiedelung. Abb. 10. Siedelungsverteilung im Mäandertal der Maas. (Entw. nach der Kriegskarte von Belgien 1:300000.) ® Gleithangsiedelung. © Nebentalsiedelung. X Halssiedelung. Weshalb stehen Gleithangsiedelungen und Nebentalsiedelungen an erster Stelle? Die Antwort ist gegeben durch unsere Betrachtung des vorhandenen Siedelungsraumes, der an beiden flächenhaft war, eine ver- hältnismäßig breite, wenn auch schwach geneigte Siedelungsfläche am Gleithang und die doppelte Ausdehnungsmöglichkeit bei der Kombination von Nebental und Haupttalaue mit Schuttkegel. Eine Zusammenfassung der Siedelungstypen der von uns unter- suchten Talstrecken erhärtet die oben gegebene Darstellung. 16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Zahl der , Gerade Alte |} Höhere Siede-. | et INebentail Tal | Tal- | Ter.. f Peall, lungen un strecken | böden | rassen hang Moselkes ee: 90 38 97 12 9 9 2 SAaREE , 94 11 7 — 6 _ — Nahen un 9 9 — _ — — — Lahnes area ex: 3 1 il E= — — — SICHWRr er. 14 9 1 — 4 — —_ Tennenn.e.nc 6 6 — — — _ _ Euldagemn..e B) 5 —_ — — —_ IWieser..12.,. “2. 23 141) 6 — 2 — — Saalemı m al. 3 5 i —_ — 1 1 Glatzer Neiße. 5 42) —_ — — N! —_ Maabee ee 22 12 6 1 = — 3) —_ 5. Einwohnerzahl und Siedelungstyp.‘) Moseltal: Einwohner Siedelungstvp BEETEFAE 1871 1905 Bölchs ern l 245 | 259 Gleithang Schleich san: j 919 | 179 Nebental Detzemase». 22.0. 7 430 528 Gleithang Esch 1 576 511 Nebental IBhörnichwe r 194 | 154 Gleithang Glüsserathe A: j 1079 1047 Nebental Köwerichins ie 937 292 Gleithang Leiwenne naar T 1046 1040 - TrittenheimW.. „u... 1 1026 | 1060 = Neumasen!..v..... r | 1094 | 1652 Gerade Talstrecke Dhron ©... ennkl ul A660 BYE 286 Nebental Berrest.n.. 0% 1 103 | 172 Prallhang Biesport. warlahalasisk l > | 581 - Müsterbaye a rs r | 406 Gleithang i | 1) Mit Einschluß von 4 Siedelungen, deren Zahlen fehlen. 2) Davon eine kombiniert mit Prallhangsiedelung. ®) Dazu drei Mäanderhalssiedelungen. #) Diese und alle folgenden Zahlenangaben sind den Gemeindelexika für das Königreich Preußen entnommen. Die Zuteilung zu den Siedelungstypen beruht in erster Linie auf eigener Geländeanschauung und dann auf den Meßtisch blättern 1:25 000. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 17 Einwohner Siedelungstyp 1871 1905 Niederemmel ........ r 559 660 Gleithang Keinsporuusse 0... r 937 966 = Minheimwinw....... 1 477 596 = Wintricheaslen. ..... r 1080 1148 £ Kestenin lat ...... 1 497 506 Gerade Talstrecke Eilzeneasaki ... U. Tr 374 549 = Neufilzen............ r 63 32 © Dusemondirn...:.... 1 587 72% = Bursenh Wlan. 2... r 324 602 Alter Talboden Burgenfahls.......... r 935 283 - = Weldenzieion......0. T 791 791 - = Tal Veldenz......... r 169 938 „ - Nowianday mar... 1 454 602 = - Marina... 1 762 813 - = Siebenborn........... 1 96 36 s = Osanmıananan.n...... 1 829 313 e 2 Monzelniu. „nu... 1 5623 585 - ei Mülheim ............ Tr 630 823 Gerade Talstrecke Biesemnlenl.l.c:; l-: 1311 1616 Nebental Andelunasena..... r 250 998 Gerade Talstrecke (Uptasio ev. 5 8 U l 1017 _ Gleithang Berneastelä)........... v 9463 4538 Nebental Graach)n.unnu.e.. r 1: 901 (149) | 1172 (175) Gerade Talstrecke Wehlem. ............ 1 1092 1273 Gleithang Zeltingenil#n......... NUR 1705 9140 . Rachtisaunt ...... T 570 660 E Machernum.n..s:...... 1 97 26 er Nebental ÜBER) N 1 1066 1208 - ErdemWtnlir oa... r 344 A54 Gleithang Lösmiche.. nl... Tr 5ll 607 =.) Kinheim ............ 1 846 S70 _ = KindelamWilr. ..... 1 171 164 E (Ükohyyan 20a 1 1641 2345 - Wollte... r 454 634 - Wolfer Mühle........ r 13 190 = kübbach.mer ......... 1 13 40 = Brabens).®.......... 1 1177 5419 = !) Doppelgemeinde. 2) Mit Cues zusammen Stadt. 3) Dazu Kautenbach. 4) Z. Teil hoch gelegen, bedingt durch Stufe, infolge von Auflagerung von Rotliegendem auf Devon. 5) Doppelstadt Traben-Trarbach. 1917. 2 18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Einwohner Siedelungstyp 1871 1905 Trarbachnail au... r 1704 — Nebental Starkenburg ......... r 311 402 Höhere Terrasse Einkirch.... ..u..\. aueh. Tr 2043 2353 Nebental Burg... nie r 503 626 Gleithang FE EIER NR AR 1 1219 1419 Nebental!) Bunderichn....e..... E 813 946 Gleithang Briedeli...... 4.02... r 1510 1662 Nebental Kanne! ana slenieise 1 750 865 Gleithang Ze) na en lau. r 2323 2726 Nebental Merl. “u.a r 1231 1480 = BIT ER NR DAR SE NER l 1122 1764 s Bullayi ana... r 315 654 Gleithang Alderund.. 2 ........: 1 559 720 Gerade Talstrecke Neeke unser r 973 685 Nebental Bremmi.l.- wen sa 1 840 960 - lerne gs 1 474 626 a Bdiger na alieeene 1 1015 1146 Gerade Talstrecke Nehren en eiots.. 1 163 131 Gleithang Senhalsui. ui sn. 1 131 142 - Senheim............. r 774 902 Nebental Mesenich 2.2... r 413 467 Gleithang Briedern:...n.s cu... r 327 400 5 Poltersdorfi: .... ...... 1 298 351 - Tllenzi.in asien 1 428 531 - Beilsteins. uses r 262 2237 Nebental Bankel... acc r 413 446 Gleithang IBruttigl.i.es anna. r 771 891 - Ernst... nern: 1 445 571 e Malwigaluniaansc.u. r 308 300 Gerade Talstrecke Valwiger Berg....... r 45 70 Höhere Terrasse Sehls)iamin un a. aan 1 371 916 Nebental Konderyae. walae r 488 626 Gleithang Kochema)i ande l 2474 3819 Nebental Kloiten\. ale nn 1 1533 1895 . Bommerni... ia... 1 634 715 - AEREISUN NS Nee r 1440 1408 - Karden!........0...0.% 1 659 687 = Müdennun nal 1 675 820 Gerade Talstrecke Moselkern‘........... 1 693 743 Nebental 1) Übergangstyp zu „gerade Talstrecke“. 2) Stadt. 3) Dazu Reilsbach mit 2 Einwohnern. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 19 Saartal: Auf einer langen Strecke oberhalb Saarburgs bildet die Saar ein eng gewundenes Mäandertal.e. Die Gegensätze von Prallhang und Gleithang treten infolge der Neigung des Gesteins zu Steilwandbildungen besonders deutlich hervor, so deutlich, daß wir von Mettlach bei Merzig bis Saar- burg ein derart schmales Auenband vorfinden, daß Siedelungen nur auf den Gleithängen möglich waren. Eigentliche Talsiedelungen konnten nur an den wenigen Stellen entstehen, an denen Schuttkegel ins Tal hinein geschüttet wurden. Ganz allgemein gilt: Je enger das eingesenkte Mäandertal ist, um so mehr wird der Siedelungsraum auf die Gleithänge beschränkt sein. Einwohner ' Siedelungstyp 1871 1905 Saanhölzbaeh.....:...-...). Tr 687 1119 Nebental Raben inne. lnuuce. 1 2381 355 Gleithang Harounl l. ..... 1 = are - SEIEN. T 760 1103 - StaadE ei... 1 320 400 Nebental Krems N... r 30 97 Gleithang Krubwelleri alu. 222... " Ion mess = Beunis a u a....a.l. r 616 791 = Saarburel) Mann a.une. l 1866 2186 Nebental Niederleuken .............. l 339 385 Gleithang Ockten NL, r 329 449 Nebental Auylldo 8.01. k ld RN l 536 621 Alter Talboden Maver EN.. l 434 466 z Bibelhausem....uc....e.... l 131 162 Nebental SEhodenn Le... E 272 353 Gleithang Milimeentn n.u.... r ya 1102 Nebental Ranzen. UN... 1 377 530 Gleithang Ober Emmel!.....2....... r 819 935 Alter Talboden Krettnach . EEEEEZEREEZEREE r 236 N 509 | z ObertMenmel\............- r 160 z Nieder) Menme............. is 203 275 - 1 lerganon 6,4. A NE Tr 111 133 Gleithang elzen nl N. nes: r 920 188 - Con a ned r IM 4174 Nebental 1) Stadt. 20 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Aus dem Gebiet der Nahe und der Lahn sind nur je zwei Einzel. typen in unsere Betrachtung eingezogen worden. Nahe: Einwohner ä Siedelungstyp 1871 | 1905 Norbeim a. 3. ge Sehe 611 640 Gleithang Münsters. .u.0% see eehese 490 915 = Lahn'): Weilburg?) MER IEINY AS | 2714 | 3898 Gleithang Balduinstener ar. ws... | 5800 | 539 Prallhang Siegtal: Auch an der Sieg gibt es eingesenkte Mäander, jedoch sind die Differenzen zwischen Hoch und Tief nur 160—180 m. Die Formen sind nicht so kräftig wie an der Mosel entwickelt. Unterhalb der Stadt Wissen sind eine Anzahl typischer Mäander entwickelt; selbst Siedelungen an alten Talstrecken fehlen nicht. I Einwohner - | Siedelungstyp | 187122 1 1905 | Mauern br. 1 105972 133 Gleithang Schladern® rec. eorbene r 135 | 389 - Gauchell er cn enerknee 1 6 7 - Dreiselyane e eeeee 1 322 372 Nebental Dattenfeldeen pr ne Bene r 40 | 3 Alter Talboden Über-Setze ar he. 198 157 Gleithang Winde 2 | os are Alter Talboden Wilberhofen................. Tı, 17006300 314: - ROSSELENE RAR ER 5 | 151%. |, ct - Hopperartenn er... a a Gleithang KRocklingenkaei tee. 1 | 1619217: 149 - Flerchente-r 22 me ie. r 21 | 3) = Übersenn? sm. 22. Nre 1 10092172 133 - Stromberg) =. ne wa uh... r 343 349 = l !) Die beiden Siedelungen liegen nicht zusammen. 2) Stadt. ®) Größenordnung von 500—1000 Einwohnern. Die Statistik gibt für Datten- feld 18 Wohnplätze mit 2639 Einwohnern und für Herchen 44 Wohnplätze mit 3362 Einwohnern an VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 21 Lennetal: Auf der kurzen Talstrecke von Werdohl bis Altena bildet die Lenne eng eingesenkte Mäandertalformen. Einwohner Siedelungtyp 1871 1905 NWerdonymas.........0. Bu 31072 8.062 Gleithang Ütterlinesenw.unn ...2..te.. r 198 378 = Diraggell 36.610: RR r 82 — = Elverlinesen!..........2 0. l 126 152 - ANSOEA)) ana A r 7 192 13 743 - Netter... r 329 9.603 = Fuildatal: Charakteristisch sind flache Mäanderformen. Einwohner Siedelungstyp 1871 1905 Gmebenaulain. helealeuen en 1 150 141 Büchenwerra............... r 130 111 Kuxhagenenın....n.e...... r 7 1430 3) Guntershausen............. 1 = 402 4) Dittershausen ............. r 192 280 Dennhausen............... r 333 526 Hreienhasen>) ............. j 93 29 Wesertal: Gieselwerder .............. l 845 999 - Gleithang Tippoldsberg................ r 728 869 Nebental Bodenteldes... .....u..2..::. 1® 1132 1531 Alter Talboden Kaemilssenwuh. 2... 1 118 120 Gleithang MWahrmbecksnint............ r 583 677 Alter Talboden Kavlchafen.n. 2.2.0.0... 1 1648 1903 Nebental Herstellen... ...... 1 805 877 Gleithang Wiürgassen an. las..audJence: r 399 492 - er RES DD DRS Be a 1 NE RE KLEINER BB LA SE In BAUR EEE hd 6) t) Werdohl liegt auf zwei Gleithängen. 2) Stadt. 3) Keine Mäanderbildung. 4) Schwache Mäanderbildung. Kombination von Gleithang und Nebental. 5) Gutsbezirk. 6) Hier wird die Reihe durch das mäanderlose Gebiet von Höxter und Holz- minden unterbrochen. 33 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Einwohner 4 Siedelungstypen 1871021711905 BORSER NS U r 24 33 Nebental Heidbrinka neuen. anal. T 41 40 Gleithang Bollerea aan une 1 1123 997 = Brevöordem am. I 1 - 497 Nebental Keileitzenaketa un... 1 — = = Grave ne es ae 1 — —_ Gleithang Dölmemtnmkan ae r — —_ - BesestorWinan... NN... l 599 619 - Rühlen aan an r —_ 335 Nebental Bodenwerder!)............. u..r 01507 1643 Gleithang Kemnaden u. a an en 1 — | - Großklehlen2)... 2... 2....2. 1 352 471 = DaspenW ale La eeirelen, r — _ - Hajo a ea r 668 | 572 - Saaletal: An der Saale liegt der Sonderfall vor, daß die Mäander, namentlich auf der Strecke von Hirschberg bis Saalfeld so eng eingesenkt sind, daß- häufig kein Raum für die Siedelungen bleibt; das gilt besonders für den Saalelauf im Fürstl. Reußischen Forst Tiergarten. Einwohner Siedelungstyp3) 1871 1905 ZIEBENTÜCKAN RI EAN HR... r 965 1226 Nebental Neidenbergas . m... A. sarn. 1 38 63 Höhere Terrasse Breßwitzam en nn ie Tr En — Gleithang Hohenwarten „N. a T = _ z Eichicht em na nee 1 o = - Kaulsdormmin. nee. T 650°) 755 z Tauschwitzi.. 2.0. 1.008... Tr I3 65 Prallhang Breternitz b. Saalfeld....... l _ | — Gleithang 1) Stadt, auf zwei Gleithängen gelegen. 2) jiegt am ausklingenden Gleithang, zugleich an einer vermutlichen Mäander- durchbruchsstelle. 3) Einschließlich vier Siedelungen ohne Zahlenangaben. 4, Stadt. 5) Ungenauer Wert VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 23 Glatzer Neiße: Dnwenne: Siedelungstyp 1871 11905 Dorf DLabitsch ............. r 286 370 Gleithang!) Mühldork na ana... di. 1 832 107 Höhere Terrasse Dorf Boditau 40... 84: 1 176 201 Gleithang MotisehBau..... 2.4uucncen r 109 74 = Gersdork nn... ee 1 622 509 s Maastal: enarlevalleı........25.24... 1 — Monteyb. a. unenenece r Halssiedelung Montcy St. Pierre ........... 1 Gleithang Nouzonaa is... .le..o..n. r Nebental Joenylae nn... r Gleithang Brause ce. 1 - IanEA a AA NENR y Nebental Reernaulinan.. acsascc.e- 1 - “Montherme..... ............ 1 Gleithang Devlene nn... u... 1 Nebental Maltourg a. and deals l Gleithang Amchampst....ieedonssli.:e 1 - RER RD A 1 Halssiedelung?) Bumayalaa la nesnnele 1 « Hoybessen 2... nen. r Gleithang aBEN so on ER 1 z Montignymaaa. la. au. scs 1 Gerade Talstrecke Vireux-Walleraud .......... r Gleithang IMochama alles. 1 Nebental NUbEIVesy.n..2...0.42c..: 1 Gleithang Elan. NN... r E Chooezan. ın., Rn ne 1 = Naila A ru.l Nebental Ergebnis: Eine vergleichende Betrachtung der Siedelungsverteilung [vgl. Ta- belle auf Seite 16] hat ergeben, daß die Gleithangsiedelungen an erster, die Nebentalsiedelungen an zweiter Stelle stehen. Siedelungen an geraden Talstrecken begegnen wir in der Hauptsache nur im Mäander- tal der Mosel, also bei großen Kurven von Fluß und Tal. Siede- lungen auf alten Talböden treten verhältnismäßig selten auf, weil die !) Kombination mit Prallhang. 2) Kombination mit Gleithang. 34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Zahl der Kurvendurchbrüche gering ist. Die relativ hohe Zahl der Siedelungen auf alten Talböden darf nicht wundernehmen, wenn man bedenkt, daß dort breite Flächen für Siedelungen vorhanden sind. Siedelungen auf höheren Terrassen sind selten, weil die Terrassen zwischen dem Talweg und der Gebirgshöhe liegen, und weil die Flächen- ausdehnung .der Terrassen gering ist. — Prallhangsiedelungen endlich gehören als reine Prallhangsiedelungen zu den Seltenheiten, denn der Siedelungsraum am Prallhang ist nur ein ganz schmales Band; wenn trotzdem zahlreiche Siedelungen am Prallhang liegen, so verdanken sie ihre Anlage lediglich der Einmündung eines Nebentales. Die Verteilung der Siedelungen im Einzelnen ist nicht etwa so, daß auf jeden Siedelungsraum nur eine Siedelung kommt,. denn die Gleit- hänge bieten teilweise an der Mosel sehr häufig Raum für 2—5 Siede- lungen. 6. Die Siedelungsiorm. Wie die Anlage der Siedelungen im Großen von dem gegebenen Siedelungsraum abhängt, so auch die Form der Einzelsiedelung. Die Schmalheit des Terrassenbandes zwingt die Ansiedler von vornherein zu einer linearen Siedelungsform, also zumGrundtyp der Straßen- siedelung. Die Siedelungen am Prallhang, an geraden Talstrecken und auf höheren Terrassen zeigen diese Form. Nur selten ziehen mehr als zwei Straßen parallel zum Flußufer, von denen die dem Fluß am nächsten gelegenen gewöhnlich nur einseitig bebaut ist, ebenso die bergnächste. Jedenfalls ist der Grundzug im Antlitz der. Siede- lungsform die Durchgangsstraße oder Hauptstraße. Im Grunde genommen werden auch die Nebentalsiedelungen von diesem Grundzug beherrscht. Doppelt linear entsteht an der Einmündung des Nebentales die Siedelung; sie zieht auf der Aue des Haupttales talab und talauf von der Mündung und greift schließlich auf der Nebentalaue ins Nebental hinein. Die Form der Siedelungen an Talmün- dungenisteinecharakteristische T-Form‘) [vgl. Abb.3j, verwischt wird die T-Form nur dort, wo der Nebental-Schuttkegel ein- seitig, d. h. nur talab der Mündung aufgeschüttet worden ist. [Abb.11.] Viel mehr verwischt ist die Form der Siedelungen auf alten Talböden, wo die Möglichkeit zur flächenhaften Ausdehnung, d. h. zur Annäherung an die Form des Haufendorfes gegeben ist. Die Gleithangsiedelungen endlich haben einen verhältnismäßig breiten aber doch auch begrenzten Raum zur Verfügung. Die blattförmige Aue I) a.2.0. S. 94. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 25 weist sie in ihrer Anlage im Grunde auch auf die Straßendorfform hin. Da die Ausbreitung hang- und flußwärts ohne wesentliche Hindernisse . vor sich gehen kann, mehren sich bei dieser Form die Parallelstraßen, die ihrerseits wieder durch schmale Querstraßen miteinander verbunden sind. Der Gesamteindruck der Siedelungsform ist der einer Kombi- 2.D. Abb. 11. Nebentalsiedelung auf einseitigem Schuttkegel bei Clüsserath a. d. Mosel. nation von mehreren Straßen; oft ist deshalb die Form rechteckig; immer aber länglich, Stets führt die Talstraße als Hauptstraße durch die Siede- lung und läßt vermuten, daß die heutige Form zurückgeht auf die Straßensiedelung. 7, Die Siedelungsziffer. Die Enge des gegebenen Siedelungsraumes scheidet die Entwicklung größerer Städte im eingesenkten Mäandertal aus. Nur dort, wo die ‘“ Mäanderstrecken von Talweitungen unterbrochen werden, wie bei Trier oder dort, wo die Formen flacher und weicher werden, können größere Siedelungen entstehen. An diesen Stellen sammeln sich die Verkehrs- straßen, werden die Produkte der Engtalzone gesammelt. Als Beispiele seien für die Mosel Trier und Koblenz genannt. Über die Verteilung der Siedelungen in den Mäandertälern nach ihrer Größe gibt uns die folgende Tabelle Aufschluß. Die Siedelungsgröße. Zahl der Einwohner Siede- bis 500 | 300 bis | 1000 bis | 2000 bis lungen 1000 2000 3000 lese a 90 97 38 15 41) SIABIE SIR LAN REN NUN 90 11 5) 3 1 laher. I. D) a D) Ka an 1) 2 Siedelungen zwischen 3—5000 Einwohnern. 1917. wo 36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Zahl der Einwohner Stodel_ 500 bis | 1000 bis | 2000 bis lungen | bis 500 | 1000 2000 | 3000 Lana Ran N AN. 2 — 1 | = —ı) SIEH 14 14 u —_ _ bennevscr... 3. ee 6 4 = — 122) Kuldan a an rn er 7 5 1 1 —_ Wesens er nr ee 17 7 7 3 — SACHEN ee en 4 3 1 1 —_ Glatzer#Neißet. 4... 22. 5 4 1 — — 3) Aus der Tabelle erhellt, daß 78°/, der in Betracht kommenden Siedelungen weniger als 1000 Einwohner und gar 44°/, weniger als 500 Einwohner besitzen. Die Siedelungen vor einem oder beiden Ausgängen der Mäander- engtäler gehören ganz anderen Größenordnungen an, die, verglichen mit der Größenordnung der Engtalsiedelungen große Werte erreichen. Einwohnerzahl der Großsiedelungen vor den Mäandertälern. Zunahme 1871 1905 1871 bis 1905 Goblenzagyt Eat RleR E Mosel 23 748 53 897 87 0/0 SChweich.e. er an derer fees - 2 568 3126 220%, tier ee este : - 21 442 46 709 118% METZ ENT CN Saar 4181 7 505 7999 (0 a0, 5 DE RS AREA . 911 4174 358 0/5 Kreuznach... u. rdertean ne Nahe 12 864 22 860 77 9/0 Limburger rakisslisastlsn Lahn 4 794 9 917 107%, Wäassensl deSy a a er Sieg 1 278 9957 76 °/, EU ES HE UNE - 2210 2815 97a, AlteTan ar An a ee Lenne 7192 13 743 93% Melsungen ............ EN Fulda 3538 3 940 11% Höoxterue nr So een VER ee Weser 5.047 7699 529%), Saalfeld\............ 0 21.2 1 NEE a, Saale 287 269 | —0.6%% Wartharenı. ey set u Glatzer Neißei 1164 13123 12.5 0% Glatzuy a 2 RER a URBAN. = 15 545 16 052 sn !) Eine Siedelung über 4000 Einwohner. ?) Eine Siedelung mit 13000 Einwohnern. 3) Die z. Teil kleinere Zahlenangabe der Siedelungen liegt an einigen fehlen- den Zahlenangaben. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 27 Ergebnisse. 1. Es bestehen enge Beziehungen zwischen dem ge- gebenen Siedelungsraum in eingesenkten Mäandertälern und der Siedelungsanlage, Siedelungsverteilung, Siedelungsform, sowie Siedelungsziffer. 2. Die Siedelungen in eingesenkten Mäandertälern lassen sich gruppieren in: Gleithangsiedelung, Nebentalsiedelung, Mäanderhalssiedelung, Siedelungen an geraden Talstrecken auf höheren Terrassen, auf alten Talböden und Prallhang- siedelungen. 3. Die Verteilung der Siedelungstypen läßt ein Vorherr- schen von Gleithang- und Nebentalsiedelungen erkennen. 4. Die Grundform aller Mäandersiedelungen ist die Straßen- siedelung, die der Nebentalsiedelungen ist die T-Form. - 5. Die Einwohnerzahl ist in den meisten Fällen kleiner als 1000 und steht in großem Gegensatz zu der Ziffer der Siedelungen an den Ausgängen der Mäandertäler. II. Die Sitzung vom 4. November war eine: Gedächtnisfeier für den Geh. Bergrat Professor Dr. Frech. Der Saal des Gesellschaftshauses war zu der Feier mit Lorbeerkränzen mit schwarzen Schleifen reich geschmückt. Das Bildnis des Verstorbenen stand inmitten einer Gruppe von Blattgewächsen und Blumen. Nach dem Vortrage zweier ernster Gesänge von Brahms sprach als erster Redner Berghauptmann Dr. Schmeißer, der Vorsitzende der Sektion für Geo- logie, Geographie, Bergbau und Hüttenwesen, von welcher die Einladungen zu der Feier ausgegangen waren. Die Sektion betrauert mit dem Heimge- gangenen ihren zweiten Vorsitzenden. Am 21. August weilte er noch in Breslau im Freundeskreise, um am folgenden Tage, einem Armee-Ober- kommando als Kriegsgeologe überwiesen, nach Konstantinopel abzureisen, und wenig mehr als einen Monat später erlag er in Aleppo schwerer Krankheit, auch ein Opfer des Weltkrieges. Da es ungewiß ist, ob er einst nach Friedensschluß wird in die Heimat zurückgeführt werden können. widmet ihm die Sektion die heutige Gedächtnisfeier. Die Sektion für Geo- logie ist noch jung. Ihre Gründung erschien wünschenswert, als in Breslau die technische Hochschule errichtet wurde, und der erste Ge- danke ging von Prof. Frech aus. Er wurde ihr zweiter Vorsitzender und führte die Geschäfte der Sektion, die, als der Krieg begann, bereits auf 8 Jahresberieht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. schöne Leistungen zurückblicken konnte. Sie wird ihm für alle Zeiten tiefstes Dankgefühl bewahren. Der Dekan der philosophischen Fakultät Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Foerster gab einen Überblick über Geheimrat Frechs Lebensgang. Er war der erste Professor der Geologie in Breslau. Während vorher diese Wissenschaft als selbständiges Fach an der Universität nicht vertreten war, sondern der Mineraloge zugleich Lehrer der Geologie war, wurde nach Römers Tode und dessen Anregungen entsprechend, neben dem Ordi- nariat für Mineralogie ein Extraordinariat für die Geologie geschafien, das im Jahre 1893 Frech übertragen wurde, der dann vier Jahre später ordentlicher Professor wurde. Mit regem Eifer ist Professor Frech für die Ausgestaltung des geologischen Instituts tätig gewesen. Die vielen wissenschaftlichen Untersuchungen, die daraus hervorgingen, erstreckten sich auf vier Erdteile.. Die Gründung der Erdbebenwarte in Krietern ist gleichfalls sein Verdienst. Als der Krieg in seine fruchtbare Forscher- und Lehrtätigkeit eine Lücke riß, widmete er sich zunächst der Belehrung der Öffentlichkeit über die Geologie der Kriegsschauplätze und wichtige auf geologischer Grundlage beruhende Wirtschaftsfragen. Als Kriegs- geologe war er dann zunächst im Westen tätig, bis der Ruf nach dem ilım von Reisen früherer Jahre gut vertrauten äußersten Osten an ihn erging. Getreu dem Wahlspruch der Vaterländischen Gesellschaft ist er gestorben „für das Vaterland und die Wissenschait“. Die wissenschaftliche Bedeutung Frechs würdigte in längeren Aus- führungen der Berliner Geologieprofessor Geh. Bergrat Dr. Pompeckj. DieRichtung der Forschungen Frechs ging dahin, die Eigentümlichkeiten der Wesen der Vorzeit und die Geschehnisse der Erdgeschichte kombinierend, uns Gesamtbilder der einzelnen Phasen aus dem Lebensgange der Erde erkennen zu lassen. Vor allem waren es die Wesen des Erdaltertums, die ihn besonders anzogen, namentlich die der Devonzeit. So hat er entgegen der früheren Auffassung einer Erklärung der merkwürdigen Graptolithen als an ‘(der Oberfläche schwebender Meeresorganismen gegeben, die ihre Bestätigung gefunden hat. Er hat stammesgeschichtlich wichtige Ent- deckungen u. a. an Korallen und Trilobiten gemacht. Er verfolgte den Wechsel von Meer und Land in den verschiedenen Erdperioden und wurde dadurch einer unserer fruchtbarsten Palaeogeographen. Für die Er- klärung der wechselnden klimatischen Verhältnisse im Laufe der Erdge- schichte hat er, auf gleichem Wege wie Arrhenius gehend, eine sehr nütz- liche Hypothese herausgebracht, indem er wechselnden Kohlensäuregehalt der Luft als Ursache der Klimaschwankungen annahm, wodurch sich eine große Menge von Erscheinungen in ein Bild fügen läßt. Der Redner erwähnte weiter die Studien über Gebirgsbau, die Frech von den Alpen nach Al- VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 39 banien und schließlich nach Kleinasien führten und gedachte schließlich mit besonderer Hervorhebung der Arbeiten des Verstorbenen, die die Geologie mit dem wirtschaftlichen Leben in Verbindung brachten. Die Nähe des bedeutenden oberschlesischen Bergbaureviers regte ihn zu Unter- suchungen über die Lebensdauer unserer Kohlenvorräte an, die er sehr be- friedigend beantworten konnte, und auch in Kleinasien widmete er sich zum Teil wirtschaftlichen Fragen, die mit der Erschließung des Landes durch den Bahnbau zusammenhingen. So hat er auf den verschiedensten Gebieten der Wissenschaft Wertvolles gegeben. Als Schüler und Freund Professor Frechs widmete diesem Professor Dr.vondem Borne warme Worte des Nachrufs, wobei er besonders die bewundernswerte Arbeitskraft und die anfeuernde und anziehende Art rühmte, die dem verehrten Lehrer die Herzen seiner Schüler gewann. -— Nachdem Berghauptmann Dr. Schmeißer den Vorrednern gedankt hatte, schloß ein Gesang des Kirchenchors von Elisabeth die Feier. III. In der Sitzung vom 12.Dezember erfolgte zunächst die Neu- wahl des Vorstandes, Gewählt wurden: Berghauptmann Dr. Schmeißer zum vorsitzenden Sekretär Professor Simmersbach zum I. stellv. 3 6 Geh. Reg.-Rat Prof. Dr.Supan zum Il. stellv. ,, 9 Generaldirektor Bergrat Dr. Williger zum Sekretär Generaldirektor Eckert zum Sekretär Geh. Bergrat Heinke zum schriftführenden Br Professor Oberhoffer zum stellv. „ „ Privatdozent Dr. Dietrich $„, an r Sodann hielt Professor Simmersbach einen Vortrag über: Das Hängen der Gichten und Hochofenexplosionen. Ferner sprach Privatdozent Dr. Cloos über: Gebirgsbau und Lagerstätten in Schlesien. 1917. & Schlesische Gesellschait für vaterländische Gultur, SS TE NEN TIERE) 95. VI. Abteilung. Jahresbericht. d. Chemische Sektion | 1917. | (Chemische Gesellschaft zu Breslau). Sitzungen der Chemischen Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau) im Jahre 1917. 1. Sitzung am 19. Januar. Über Krystallisationsvorgänge von A. Beutell. 2. Sitzung am 2. März. Verbrauch und Wirkung der künstlichen Düngemittel von Th. Pfeiffer, 3. Sitzung am 4. Mai. Die Rohstoffnot der Textilindustrie und ihre Abhilfe von H. Schäfer. Tabelle 1: Wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Textilindustrie (nach Kernen Arbeiterzahl 1912 Beteiligung am Außenhandel Bergbau, Hütten Salinen . . . 1174000 19,800, Maschinen, Werkzeuge, Apparate 1 022 000 Mexulmdustrie . .» . | .". . 840 000 15% Teerfarben . . . 0,86 %, Gesamtzahl en bene Deutschlands 6 153 000 1913 in Millionen Mark Einfuhr Ausfuhr Produktionswert Rohstoffverbrauch Baumwollindustrie 847,6 578,9 2200 692,1 Wollindustrie 648,7 509,0 1000 376,2 Seidenindustrie 238,8 233,8 38 (na Kungeeiger 179,6 Leinenindustrie 113,7 47,7 330 81,5 Juteindustrie 98,0 7,3 150 90,7 1946,8 1376,7 4498 14920,1 Produktion an Roggen und Weizen 1913 = 2980 Mill. Mark Produktion der Textiloseindustrie 1913 = 12.000 Tonnen im Werte von zirka 8 Mill. Mark = 0,2 °/, der Gesamterzeugung. 1917, 1 5) Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Tabelle 2: Wichtige Textilrohstoffe und ihre wichtigsten Produktionsländer. 1. Tierische Faserstoffe Deutschland erzeugt im Frieden: Haupterzeugungsland vom eigenen Bedarf Schafwolle: Australien, Südamerika. . . . . ..6% Ziegen- und Lamawolle: Anatolien bezw. Amerika . . 0°, Seide: Ostasien, Levante,sllallengs? 2: 2/22:{] u... 2.220808 9. Pflanzliche Samenhaare Baumwolle: Nordamerika, Indien, Ägypten. . . . . 0% Kapok (Polster): Tropen nen. uisolar.u3 zul . 2.2088 3. Stengelbastfasern Flachs: Rußland. .... „ssese 2 - ....020 San Hanf: Südeuropa, Asien ". Wr... ..2 2 wo Jute: Indien . . . RE DO“; Ramie: China, Japan, Eintermidien Bean ‚Inu SEESTERoN, 4. Blatt- und Fruchtfasern (Hartfasern) Manilahanf (Musa): Philippinen . . nr ©‘, Sisalhanf (Agare): Mittelamerika, elidien 2 Bromelia: Sanseviera: | Tropen MV2RaANE E93, 172 SER ZRFRIGEN Kokosfaser: 3. Kunstseide Chardonnetseide: Kupferseide: Frankreich, Belgien. . . „os Viskoseseide: Tabelle 3: Wege der Ersatzrohstoffbeschaffung für die Textilindustrie. 1. Ersatz fehlender Fasern durch reichlicher vorhandene (Baumwolle durch Leinen, Wolle durch Seide.) 2. Anbau bekannter Textilpflanzen und Tierzüchtung im Innerer Flachs, Hanf, Seide, Wolle. 3. Regenerierung gebrauchter Fasern Kunstwolle, Kunstbaumwolle, Baumwollabfallgarne, Leinenabfallgarne K-Faser. 4. Garne und Watte aus Holzcellulose Kunstseide, Papiergarne, Textilose, Zellstoffigarne, Zellstoffwatte für Schießbaumwolle und Verbandzwecke. 5. Fasern aus landwirtschaftlich gewerblichen Nebenprodukten Strohfaser (Stranfagarne), Weidenbast, Hopfen, Torffaser. 6. Fasern aus wildwachsenden einheimischen Pflanzen Brennessel, Epilobium, Typha, Ginster. VI. Abteilung. Chemische Sektion (Cheinische Gesellschaft zu Breslau). 3 Die an die Spitze dieser Zeilen gestellten Tabellen zeigen die über- ragende Bedeutung, welche die Textilindustrie unter den großen In- dustrien des Deutschen Reiches einnimmt und im besonderen ihre Bedeu- tung für den Außenhandel des Deutschen Reiches. Die Tabelle 2 zeigt die Abhängigkeit der Textilindustrie von ausländischen Rohstoffen, und es erhellt somit die Schwere des Schlages für das deutsche Wirtschafts- leben im Kriege, welche die Absperrung von so gut wie allen dieser Roh- stoffländer durch die englische Aushungerungspolitik zur Folge hat. Nicht nur in der Tatsache, daß die Textilindustrie ein unentbehrlicher Faktor im Erwerbsleben des Deutschen Reiches ist, liegt die Schwere des Problems, sondern auch darin, daß ihre Erzeugnisse elementarsten Be- dürfnissen des täglichen Lebens dienen und auf der andern Seite für die Kriegführung unentbehrlich sind. Der Bedarf der letzteren ist keines- wegs umschrieben allein durch die ungeheuer großen und mannigfaltigen Bekleidungsbedürfnisse des Heeres, sondern auch durch die nicht minder vielfachen technischen Verwendungszwecke für die Herstellung, Ver- packung, Beförderung der Munition (es sei nur an die Schießbaumwolle erinnert), für die Zwecke der Kriegsmedizin und für den gewaltigen tech- nischen Bedarf der Kriegsindustrien an Filterstoffen, Packstoffen, Gruben- versatzstoffen, Wettertuchen, Gummieinlage, Schuhstoffen, Transport- säcken aller Art, Arbeiterbekleidung, Wagenplanen, Seihtücher, Kabelumspinnung, Treibriemen, Bindfäden und anderes mehr. So hat sich denn auch in der Textilindustrie nicht minder wie in allen anderen Industrien vom ersten Augenblick des Fühlbarwerdens des Roh- stoffmangels an ein Vorgang der Anpassung vollzogen, mit dem Ziele, alle Möglichkeiten zu erschöpfen, gebrauchsfähige Waren herzustellen, die an Stelle der fehlenden zu treten vermögen. In erster Linie trat natürlich die Verwendung reichlicher vorhandener Rohstoffe an Stelle derjenigen, die durch frühzeitige Absperrung oder gewaltig ge- steigerten Verbrauch zuerst knapp wurden. Diese Be- strebungen haben in erster Linie Interesse zur Beurteilung der gesamten Kriegsersatzstoffpsychologie. Während die Friedenswirtschaft die edleren Rohstoffe durch die billigeren zu ersetzen und diese häufig unter Ver- nachlässigung des Gebrauchswertes im Äußeren den Vorbildern anzu- gleichen versuchte (Baumwolle für Wolle und Leinen, mercerisierte Baum- wolle für Seide u. dergl.) stellt die Kriegswirtschaft die Verwendbarkeit des Erzeugnisses in den Vordergrund unter fast völliger Vernachlässigung des Preismoments besonders in Bezug auf den Privatbedarf. Leinen tritt an Stelle der Baumwolle; typische Wollerzeugnisse werden in Seide nach- geahmt unter Betonung des Wollcharakters durch die Ausrüstung, soweit der Verwendungszweck den Wollcharakter vorschreibt. So führen auch 1* 4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. die im folgenden geschilderten Wege der Ersatzrohstoffbeschaffung in der Regel zu Erzeugnissen in einer Preislage, die keinen Vergleich mit den Friedenserzeugnissen zuläßt, welche ersetzt werden sollen; und nur die weitgehende Rückstellung des Preisgesichtspunktes hinter der Ver- wendbarkeit hat das rasche Aufblühen der Ersatzstoffindustrie ermöglicht. An erster Stelle müssen wir die Bestrebungen stellen, bekannte und erprobte Rohstoffe in möglichst großem Um- fangeimInlande zuerzeugen. Die weitgehende Lösung dieser Aufgabe beim Flachs und Hanf ist umso höher zu bewerten, als diese beiden Bastfasern dazu bestimmt erscheinen, auch die anderen fehlenden Bastfaserrohstoffe (Jute, Ramie, Hartfasern) zu ersetzen und in ihren Abfallprodukten auch noch einen Rohstoff für die Streichgarn- und Zwei- zylinder-Spinnerei abzugeben. Der einst blühende Flachsbau in Deutschland war zurückgegangen, ja mit Ausnahme der Provinz Schlesien fast untergegangen, weil er nicht vereinbar erschien mit den intensiven Arbeitsmethoden der modernen deutschen Landwirtschaft. Nicht nur das ungünstige Verhältnis zwischen Saatgutaufwand und Erzeugniswert für die gröberen in erster Linie ge- brauchten Sorten war Schuld daran, daß die extensive russische Land- wirtschaft in der Hauptsache die Flachserzeugung an sich zog, sondern auch die Unvereinbarkeit der bekannten Aufbereitungsverfahren mit dem deutschen landwirtschaftlichen Betriebe. Die biologische Flachsröste, die sich gegenüber allen Versuchen, eine chemische Röste einzuführen, immer wieder als einzige Erzeugungsmöglichkeit eines qualitativ hoch- stehenden Produktes mit guter Ausbeute erwiesen hat, brauchte in ihren drei Formen, der Kaltwasserröste, Tauröste und Warmwasserröste be- sonders für die Trocknung große Flächen und war in weitem Umfange ab- hängig von der Witterung. In Schlesien ward der Flachsbau vor dem völligen Untergange bewahrt durch die Arbeiten zielbewußter Landwirte, an erster Stelle des fürstlich Liehnowskyschen Güterdirektors Püschel, Hilvetihof b. Bolatitz O.-Schl., welcher die Bedeutung des Flachses als Vorfrucht für Weizen nachwies. Die Röstfrage wurde gelöst durch die genossenschaftliche Anlage von Warmwasserrösten, deren rasche Ver- mehrung jedoch durch organisatorische Schwierigkeiten und durch die Tücken des Abwässerproblems behindert war. Die Art und Weise, wie man nun im Kriege dieser Schwierigkeiten Herr geworden ist und die Lebensfrage einer raschen Vermehrung des inländischen Flachsbaues ge- löst hat, ist ein Musterbeispiel geworden für großzügiges Zusammen- arbeiten der Kriegsrohstoffabteilung mit Landwirtschaft und Industrie. Die Kriegs-Flachsbau-Gesellschaft hat ein Verfahren in großem Umfange in die Wirklichkeit umgesetzt, dessen Schöpfer der frühere technische. Direktor der Gruschwitz-Textilwerke, Neusalz a. O., Herr Dr. Schneider, VI. Abteilung. Chemische Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau). 5 ist. Der entsamte Stengelflachs wandert in Kästen durch ein Kanal- system, welches von Wasser bei der normalen Rösttemperatur der Warm- wasserröste von 35 Grad durchströmt wird. Der Vorteil der Warmwasser- röste einzelner Partien in offenen Becken im Augenblick der Erreichung des gewünschten Röstgrades unterbrochen werden zu können, wird beim Schneider’schen Verfahren ersetzt durch den Ausgleich, den die strömende Röstflüssigkeit zwischen den einzelnen Partien hervorruft und durch die längere Röstdauer in der verdünnten Lösung, welche ein Überrösten ver- hindert. Beim Verlassen des Kanalsystems steigt der Flachs in die da- rüber befindliche künstliche Trocknungsanlage, welche Dr. Schneider so durchgebildet hat, daß — entgegen allen früheren Versuchen — jede Schädigung der Faser ausgeschlossen ist, und was besonders beachtens- wert ist, ein Produkt die Trocknungsanlage verläßt, welches ohne weitere Lagerung sofort die Knickmaschine passieren und der Schwingerei zuge- führt werden kann. Durch die Garantie fester Preise für das landwirt- schaftliche Produkt und das Erzeugnis der Aufbereitungsanstalten, sowie durch nennenswerte Zuschüsse zur Errichtung der letzteren, hat das Kriegsministerium es der Kriegs-Flachsbau-Gesellschaft ermöglicht, eine sroße Anzahl von Sommer und Winter hindurch betriebsfähigen Aufberei- tungsanlagen Dr. Schneider’schen Systems ins Leben zu rufen und schon im Jahre 1916 im Deutschen Reiche und den besetzten Gebieten eine An- baufläche von zusammen 60 000 Hektar zu erzielen. Die Flachsspinnerei hat freilich gegen den Dr. Schneider’schen Knickflachs das Bedenken, daß der vollständige Ausgleich des Röstgrades wie bei der offenen Warm- wasserröste nicht erzielt werden kann, und daß daher die Erzeugung feiner Flächse für den Friedensbedarf und somit die Lebensfähigkeit der geschaffenen Anlagen über den Krieg hinaus fraglich erscheint. Hier ‚liegt ohne Zweifel eine Aufgabe, die vom Standpunkt der modernen Gärungs- und Ferment-Chemie in Angriff genommen werden sollte, wie überhaupt die Frage des stufenweisen Abbaues der sogenannten Mittel- lamelle des Faserbastes der verschiedenen Bastfaserpflanzen entscheidend für die gewerbliche Verwendbarkeit vieler Pflanzen und für die erreich- bare Veredelung vieler Bastfasern ist, und einer wirklich wissenschaft- lichen Lösung auch heute noch .harrt. Ähnliche Bestrebungen wie beim Flachs haben beim Hanf zum Erfolg geführt. Während aber durch Zusammenarbeiten des Kriegsausschusses für Fette und Öle mit der Kriegs-Flachsbau-Gesellschaft die Saatgutfrage für den Flachsbau befriedigend gelöst wurde, ist dem Hanfbau durch Saatmangel eine ziemlich enge Grenze gezogen. Es sind aber landwirt- schaftlich auf Rieselgütern und sonst geeigneten Böden glänzende Ergeb- nisse selbst in Gegenden erzielt worden, deren Klima früher als dem Hanfbau nicht günstig galten. | 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Natürlich hat man auch der Erzeugung tierischer Fasern im Reichs- inlande Aufmerksamkeit geschenkt. Eine nennenswerte Vermehrung des kleinen Restes deutscher Wollproduktion schied aus einleuchtenden Gründen aus. Eine inländische Seidenerzeugung auf Grund seiner Ent- deckung, die Maulbeerfütterung durch Schwarzwurzelfütterung zu er- setzen, hat Prof. Dammer empfohlen. Aus den Kreisen der Seiden- industrie, der während der bisherigen Kriegsdauer immer noch gewisse Mengen ausländischer Rohstoffe zur Verfügung standen, sind Bedenken erhoben worden wegen der Schwierigkeit, geschlossene Mengen gleich- artigen Erzeugnisses in Deutschland zu erreichen und wegen der Un- möglichkeit, mit deutschen Löhnen mit den geringen Unkosten der mecha- nischen Gewinnung des Fadens aus dem Kokon in den Ursprungsländern der Seide zu konkurrieren. Als weiterer Weg des Rohstoffersatzes wurde wie in anderen In- dustrien auch in der Textilindustrie die Rückgewinnung ver- brauchter Rohstoffe und die Wiederverarbeitung von Abfällen verfolgt und umfangreiche Kriegsorganisationen für diesen Zweck geschaffen. Die schon im Frieden bedeutende Kunstwoll- industrie Deuschlands, welche das mechanische Wiederauflockern und gegebenenfalls die chemische Befreiung der verarbeiteten Wollfasern von Fasern aus Zellulose durch Karbonisation mit starken Säuren besorgt, hat Erzeugnisse erreicht, die im Gemisch mit geringen Mengen neuer Wolle einen vollständigen Ersatz reinwollener Stoffe für den Bedarf des Heeres ermöglichen. DieKunstbaumwollindustrie hat aus den Abfällen und Regene- raten (auch hier unterstützt durch den Ausgleich der sinkenden Maschinen- produktion durch den gestiegenen Wert der Erzeugnisse) Gespinste er- zielt, welche einen Feinheitsgrad erreichten, der im Frieden nur mit nor- malen neuen Ausgangsprodukten erzielt werden konnte. Wenn auch diese Garne oft Eigenschaften haben, die dem weiterverarbeitenden Weber nicht gerade erwünscht sind, so ermöglichen sie doch die Herstellung wichtiger Heeresartikel und verlängern unsere Kriegsrohstoffversorgung sehr erheblich. Erwähnt seien noch die zahlreichen meist auf dem Wege der Baumwollzweizylinderspinnerei hergestellten gröberen Garne aus Flachs-(Leinen-)Abfällen und die Garne aus den Fasern zerrissener ge- brauchter Jutepackungen. Zu den letzteren Fasern, durch irgend ein Verfahren veredelt und verfeinert, dürfte die K-Faser der auf dem Ge- biete der Fasergewinnung rühmlich bekannten Deutschen Faserstoffge- sellschaft Fürstenberg zählen. Die größte Bedeutung als Ersatzrohstoff für Textilfasern hat aber die Holzzellulose gewonnen, wie man ja wohl sagen kann, daß das Holz in der Kriegsrohstoffwirtschaft gleich neben Kohle und Eisen rangiert. Daß die sogenannte Zellstoffwatte, jener lose Schleier aus Sulfitzellulose- VI. Abteilung. Chemische Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau). 7 fasern, den unsere deutsche Zellstoffindustrie schon vor dem Kriege für ‚allerlei Zwecke reichlich herstellte, und der die Nitrierwatte aus Baum- wolle für die Sprengstoffherstellung sowie die Verbandwatte unserer Laza- rette im Kriege vollständig ersetzt hat, ist zu bekannt, um näherer Er- wähnung zu bedürfen. Jedermann weiß, daß dieser Ersatz der Baumwoll- faser uns erst die Durchführung des Krieges ermöglicht und die aller- größte Gefahr beseitigt hat, die durch Englands zielbewußte Sperrung unserer Baumwollzufuhren drohte. Die nicht geringere Bedeutung der Holzzellulose für die Herstellung von Gespinsten ns Geweben verdient ‘aber auch unsere volle Aufmerksamkeit. An erster Stelle steht die Kunstseide als das technisch vollkommenste schon im Frieden bedeutungsvolle Kunstfadenprodukt, im wesentlichen eine Lösung von Zellulose oder Zelluloseestern in honigartiger plas- tischer Form, die durch Auspressen aus feinen Düsen und Fällung zu Fäden gestaltet wird. Während das Chardonnet-Verfahren (Kollodium- seide) eine Lösung von Trinitrozellulose in Alkohol-Äther verspinnt und das Gespinst mit Na,S reduziert und das Kupferseide- (Glanzstoff-) Ver- fahren, das von der Löslichkeit der Zellulose in Kupferoxydammoniak Gebrauch macht, von Abfallbaumwolle ausgehen, besitzen wir im Vis- koseverfahren, (Croß, Bevan, Beadle) welches die haltbarste, in erster Linie am wenigsten wasserempfindliche, Kunstseide liefert, die Möglich- keit, vom Holzstoff auszugehen. Dieser wird, getränkt mit NaO0H- Lösung, durch CS, in einen Ester, das Zelluloseexanthogenat, überge- ‚führt, welcher in der Form des nach längerem Stehen (Reifen) entstan- denen basischen coagulierenden Xanthogenats in H,SO, haltigen Salz- bädern mit verschiedenen Zusätzen versponnen wird. Das vierte Ver- fahren, die Acetatseide (Croß und Bevan), die von dem dem Trinitrat der Chardonnetseide entsprechenden Triacetat, welches durch Einwirkungen von Essigsäureanhydrid auf Zellulose in Gegenwart von Katalysatoren entsteht, Gebrauch macht, dürfte auch im Kriege schon wegen der ver- wendeten Lösungsmittel unwirtschaftlich geblieben sein; jedoch hat die „Azetylzellulose‘“ als Zelluloidersatz, noch mehr aber zur Erzeugung Gas- und wasserdichter Überzüge, als Lack und Isoliermittel und dergl. eine sehr bemerkenswerte kriegswirtschaftliche Bedeutung gewonnen. Wohl die größte Bedeutung als Textilersatzstoff hat die Holzzellulose in der Papiergarnherstellung und Verarbeitung gewonnen. Diese In- dustrie, die im alten Papierland Japan ihren Ursprung hat, ist von Heinke in einer lesenswerten Dissertation!),, der auch die nachstehenden historischen Mitteilungen entstammen, ausführlich dargestellt worden. Sie ‘hatte, in der Hauptsache in Form der Textilose (s. u.) schon im Jahre 1) Papierstoffgarne und Gewebe (Geschichte, Herstellung und Verwendung), Dissertation. Wilhelm Heinke. Verlag Berg & Schock, Berlin 1916. 8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 1913 in Deutschland einen Erzeugungswert von ca. 8 Millionen Mark (Kertesz) = 12 000 Tonnen, und ist im Jahre 1917 eine Riesenindustrie von verblüffender Vielseitigkeit und täglich wachsender technischer Ver- vollkommnung geworden. Bahnbrechend hat auch in diesem Zweige der Zellstoffindustrie Mit- scherlich gewirkt, der schon 1889 versuchte, direkt verspinnbare Holz- fasern zu gewinnen oder durch Teilen des Faserfilzes der Papiermaschine mit Kreismessern oder untergeteilten Sieben ein nasses Faserband zu er- zielen, das er dann trocken verspinnen wollte. Kellner und Türk ver- suchten dann die Mitscherlich’schen Faserbänder gleich kontinuierlich durch Nitscheln oder Würgeln zum Faden bezw. Vorgespinst zu runden. Kron, der das Nitscheln durch Falten ersetzte und die Teilung der Bänder durch Spritzen versuchte, und König haben das kontinuierliche Ver- fahren weitergebildet, ohne seine Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Erst das ‚„Trockenspinnverfahren“ löste diese Aufgabe und öffnete den Weg zur großindustriellen Entwickelung der Papiergarnindustrie. Wieder war es Mitscherlich, dessen Genie sich von der bestechenden Idee der kontinuierlichen Garnerzeugung aus dem Faserfilz loslöste. Neben ihm sind Leinveber und in allererstersLinie Claviez zu nennen, die das Verfahren vollkommen durchbildeten. Es besteht darin, .daß die fertige Papierbahn in schmale Streifen (20 mm bis hinab zu 3 mm, heute auch gelegentlich noch schmäler) geschnitten und fest aufgewickelt wird. Die nebeneinander aufgewickelten tellerförmigen Papierscheiben werden von- einander getrennt und in feuchtem Zustande, meist nach vorangegangenem Einfalten der Streifenränder, zum Faden gedreht („drelliert‘). — Nur beiläufig sei erwähnt, daß. vielfach auch der nur gefaltete Streifen als sogenanntes Flachgarn zu mattenartigen Geweben Verwendung ge- funden hat. — Bei Anwendung des Trockenspinnverfahrens kann also jede Fein- papierfabrik Spinnpapier ohne Änderung der Papiermaschinen herstellen. Die Herstellung der Spinnstreifen kann in der Spinnerei selbst geschehen, die Schnitt, Wickelung, Feuchtung und Scheibendimensionen ihren Spinn- verfahren anpassen kann. Die schwierigen Probleme der Scheibentren- nung, des glatten staubfreien Schnittes und der Feuchtung sowie der Er- zeugung geringster Streifenbreiten sind von der deutschen Maschinen- industrie in wunderbarer Vielseitigkeit der vollkommensten Lösung nahe gebracht worden. Den reinsten Schnitt erzeugen Maschinen, bei denen ein Obermessersatz scherenartig gegen einen Nutenmessersatz arbeitet. Die höchste Produktion erreichen Maschinen, bei denen rotierende Scheiben- messer in die sich bildende Papierwalze eindringen. Gefeuchtet wird das Papier im Moment vor dem Schneiden, oder die geschnittenen Streifen oder die Walze im Augenblick des Wickelns; oder aber die fertige Spinn- VI. Abteilung. Chemische Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau). 0) scheibe durch Eintauchen, oder schließlich der ablaufende Papierstreifen unmittelbar vor der Drahtgebung auf der Spinnmaschine Es führt zu weit, diese Mannigfaltigkeit zu erschöpfen und Namen der verschiedensten Maschinenfabriken zu nennen. Die Drahtgebung geschieht nach dem Teller-, Flügel- oder Ringspinn- prinzip. Beim Tellerprinzip liegt die feuchte Spinnscheibe in einem ro- tierenden Teller, aus dem der Streifen durch ein Faltöse abgezogen und als gedrehter Faden auf eine Spule aufgewickelt wird. Beim Flügel- und Ringprinzip wird der Streifen von der liegenden oder drehbar aufge- steckten Scheibe abgezogen. Er durchläuft in der Regel einen Falt- trichter, dann ein Paar Zuführungswalzen und sodann den drehbaren Flügel oder den umlaufenden Läufer auf dem Ring. Der Läufer wird durch die in ihrer Umdrehungsachse befindliche rasch angetriebene: Spindel, auf die der Faden sich aufwickelt, mitgenommen und so der Draht und durch das Zurückbleiben gegenüber der Spindeldrehungszahl auch die Wiekelung auf die Spindel hervorgerufen. Der Flügel wird selbst angetrieben und nimmt die Spindel mit. Es ist möglich gewesen, die Flügel- und Ring-Spinn-, sowie Zwirnmaschinen fast aller Faserstoff- industrien durch geringfügige Abänderungen der Papierspinnerei dienst- bar zu machen und so einen großen Teil der deutschen Faserstoffindustrie in Papiergarnindustrie umzustellen. Als Rohstoff der Papierspinnerei kommen leichte Papiere (17—70 & auf den m?) in Frage von möglichst hoher Reißfestigkeit und Feuchtig- keitsbeständigkeit. Vor dem Kriege überwogen Papiere aus reiner Natronzellulose. Der Mangel an solchen in Deutschland hat aber Anlaß gegeben, die Qualität der Sulfit- oder gemischten Papiere auch den Be- dürfnissen der Papierspinnerei anzupassen. Heute überwiegen, besonders für die feinsten Nummern die Sulfitpapiere, auch wegen ihrer höheren Bleichfähigkeit. Die Aufgaben des Chemikers für die Papierindustrie sind, neben der bisher allerdings zumeist leicht gelösten Aufgabe der Färberei, über- wiegend Fragen der Leimung und Imprägnierung. Der Harzleimmangel der Papierindustrie ist durch die Gewinnung eines Streckungsmittels aus der Sulfitablauge selbst sehr gemildert worden. Die Hauptaufgabe der Spinnpapier-, Papiergarn- oder Papiergewebe-Imprägnierung, diese Er- zeugnisse wasserbeständig und damit in erhöhtem Maße wetterfest und waschbar zu machen, ist in der Regel durch starke Leimung und nach- heriges Unlöslichmachen des Leimes zu lösen versucht worden. Es kommen wohl alle leimfällenden Mittel, Tonerdesalze, Tannin und dergl., in Frage. Am besten bewährt sich ein patentiertes Verfahren, welches die Härtung alkalischen Leimes durch Formaldehyd benutzt, wohl weil hierbei die Duktilität des Leimes am wenigstens zerstört wird. Andere 10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. von ganz neuen und aussichtsreichen Ideen ausgehende Verfahren, die hier z. Zt. nicht beschrieben werden können, lassen noch große Fort- schritte erwarten. Auch der Überzug der Papiergewebe mit wasserab- stoßenden Schichten (Tonerde-Seife, Paraffin, Holzteer und dergl.) wird zu ihrem Schutz und zur Anpassung an allerlei Gebrauchszwecke tech- nischer Natur ausgeführt.!) Selbst die Herstellung völlig wasserundurch- lässiger Gewebe für Wassertragsäcke, Tränkeimer, Schutzplanen ist gelungen. Die Schwierigkeit des letzten Problems liegt darin, daß der Papier- faden nicht ein eigentliches Gespinst aus gegeneinander verlagerten mit- einander verfilzten durch eigene Länge und Reißkraft Halt gebenden Fasern ist, sondern daß das drellierte, nicht unter Verzug versponnene, durch Leim zusammengehaltene Papierband immer nur einen spröden, glatten kurz abreißenden Faden ergibt, der sich auf dem Webstuhl nicht zu einem weichen, dichten, elastischen und faserigen Gewebe zusammen- schlagen und „zusammenwalken“ läßt. Einen Teil dieser Fehler vermeidet die Claviez’sche Textilose, die vor dem Kriege fast ausschließlich erzeugt wurde, bis im Kriege der Mangel an Faserstoffen die reinen Papiergarne in die Höhe brachte. Claviez läßt auf die leimbezogene Papierbahn vor dem Einlaufen in die Streifenschneidemesser einen Flor von Fasern aus einer Krempel einseitig oder zweiseitig auflaufen. Er erreicht dadurch erheblich gesteigerten Halt des Garnes und eine faserige Oberfläche, welche die Gewebeporen füllt und das Gewebe textilartiger macht. Auch auf diesem Gebiete sind ‚Vervollkommnungen im Werke, die es gestatten werden nach dem Kriege Gewebe herzustellen, die eine erhebliche Er- sparnis an ausländischen Faserstoffen bei höchstem Gebrauchswerte be- deuten. Es liegt freilich auf der Hand, daß den textiloseartigen Fäden enge Feinheitsgrenzen gesetzt sind und daß sie noch keine eigentlichen Ge- spinste mit entsprechenden Elastizitäts- und Weichheitseigenschaften dar- stellen. Deshalb haben auch die Bestrebungen nicht geruht, Zellulose- fasern zu erzeugen, welche sich nach einem wirklichen Spinnverfahren leimfrei zu Vorgespinst und Fertiggespinst verarbeiten lassen. Es sind in Zukunft auf diesem Gebiete auch Fortschritte zu erwarten. Einen kleinen Fortschritt auf diesem Wege stellen die Mischgarne nach einem. zum Patent angemeldeten Verfahren der Firma Meyer Kauffmann, Textil- werke A.-G. in Taunhausen in Schlesien dar, welche bis zu 70° Zellstoff- fasern neben Baumwoll-, bezw. Baumwollabfallfasern enthalten. Diese Garne haber: insofern Interesse für den Chemiker, als sie verwendet worden sind, aus den der Ühemischen und verwandten Industrie zur Ver- 1) Wie das Papiergewebe natürlich auch als Unterlage für alle Arten Kunst- lederartiger Waren dienen kann. VI. Abteilung. Chemische Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau), 11 fügung stehenden unzureichenden Faserstoffmengen eine größere Quadrat- meterzahl Filterstoffe zu machen und so diesen Industrien einen wertvollen Dienst zu leisten. Die Erzeugnisse der Papier- und Zellstoffgarnindustrie sind heut un- endlich zahlreich. Neben der eigentlichen Weberei haben sich die Seiler- warenindustrie, die Gurtweberei, die Wirkerei dieser Garne bemächtigt. Die Farb-, Druck- und Veredelungsverfahren sind so vervollkommnet, daß ein großer Teil des Bedarfs für technische und Bekleidungszwecke mit recht brauchbaren Ersatzstoffen gedeckt werden kann. Im Verein mit anderen Garnen lassen sich Erzeugnisse herstellen, die alle Eigen- schaften normaler Gewebe haben. Es ist zu erwarten, daß die Papier- garnindustrie auch nach dem Kriege unsere Rohstoffeinfuhr fühlbar ent- lasten wird. Die bisher dargestellten Wege der Ersatzrohstoffgewinnung haben sich in langsamem technischen Fortschritt ziemlich unbeachtet vom großen Publikum entwickelt. Dagegen haben die Bestrebungen Pflanzenund ptlanzliche Produkte, welchebisher garnicht extil- technisch verwertet wurden, heranzuziehen, eine fast leidenschaftliche Anteilnahme auch der Laien gefunden und ein Heer von Erfindern auf den Plan gerufen. Die von der Kriegsrohstoffabteilung zur Prüfung dieser Ideen zunächst für die Bastfaserindustrie, dann auch auf andere Fasergebiete übergreifend, ins Leben gerufene Kriegskommission zur Gewinnung neuer Spinnfasern, in welcher Weber und Spinner mit Theore- tikern und Praktikern der Faseraufbereitung, mit Chemikern und Ver- tretern der angewandten Botanik zusammen arbeiten, hat eine solche Fülle derartiger Vorschläge geprüft, daß ihre Aufzählung hier zu weit führen würde. Es seien daher nur diejenigen besprochen, die eine gewisse prak- tische Bedeutung gewonnen haben oder zu gewinnen scheinen. Für die Kriegswirtschaft kann sich bisher keiner dieser Erfolge auch nur an- nähernd mit der Wichtigkeit der bisher besprochenen Dinge messen. Die Aussichten für die Gewinnung irgendwie beträchtlicher Mengen liegen natürlich bei landwirtschaftlich - gewerblichen Nebenprodukten günstiger, als bei den später zu besprechenden wildwachsenden Pflanzen. So hat unser größtes landwirtschaftliches Nebenprodukt, das Stroh, neben den vielen anderen Versuchen es besser zu verwerten, auch auf unserem Gebiete Verwendung gefunden. Schon vor dem Kriege stellte die mechanische Weberei Gröning in Mesum bei Rheine eine Juteersatz- oder richtiger eine Jutestreckungsfaser aus Stroh unter dem Namen Stranfa her, ein ziemlich grobes für Sackfabri- kation nicht ungeeignetes Produkt. Schon hier sei übrigens einschiebend bemerkt, daß die Verfahren zur Spinnfasergewinnung sich fast stets entweder an die alkalischen und 12 Jahresbericht der Schles. Gesellsehaft für vaterl. Cultur. sauren Verfahren der Celluloseherstellung oder an die biologische Flachs-- röste anlehnen und vielfache Kombinationen und Abwandlungen dieser Verfahren vorstellen, an denen meist die Reihenfolge der Bäder, die Temperaturen und hauptsächlich die mechanische Seite des Verfahrens für das Verfahren und die Faser charakteristisch sind. Ein sehr großes bisher völlig ungenutztes Nebenprodukt ist der Weiden- bast, der in den großen Korbweidenplantagen und Schälereien Schlesiens, des Elbgebiets ete. entsteht. Der frische nicht angefaulte Bast läßt sich nach Extraktion seines großen Gerbstofigehalts in eine grobe ziemlich miß-- farbige schlecht bleichbare, aber doch im Gemisch mit weicheren Fasern spinnbare Faser auflösen. Das Erzeugnis stellt sich aber selbst unter den Kriegsverhältnissen im Vergleich zu seinem Werte ziemlich teuer. Daneben ist die Hopfenranke zu nennen, die nach Abernten der Blüte auf dem Felde verbleibt und dort verkam oder zum Anbinden der neuen Ranke diente. Sie enthält eine schöne weiße Faser aus reiner Cellulose. Ein wirklich gutes Gewinnungsverfahren ist nicht bekannt geworden, ob- gleich gerade hier die chemische und biologische Röste, wie die mecha- nische Seite der Aufbereitung recht gründlich von vielen Sachverständigen bearbeitet worden ist. Der Futtermangel im Kriege hat die Landwirte zudem veranlaßt die Ranke zu verfüttern, und die Verhandlungen mit den Hopfenbauvereinen Posens und Süddeutschlands wegen Sicherung der Ranken für die Textilindustrie blieben ergebnislos. Ähnlich der Weidenbastfaser sind die längeren Fasern, welche im Torf enthalten sind. Ihre Isolierung ist hauptsächlich ein mechanisches Pro- blem, dessen Lösung als gelungen angesehen werden kann. Die Faser ist beschlagnahmt (auch Weidenbast ist es neuerdings) und darf nur an die Kriegswollbedarfs-Aktien-Gesellschaft abgeliefert werden. Diese besitzt Verfahren, um wertvolle Mischgarne aus Wolle und Torffaser herzustellen. Näheres kann nicht mitgeteilt werden, doch liegt es auf der Hand, daß die riesigen deutschen Torflager eine so bedeutende Rohstoffquelle dar- stellen, daß die Streekung der Wolle durch Torffaser von nicht zu unterschätzendem kriegswirtschaftlichem Werte ist. Eine Menge Arbeit und Mühe ist auf die Nutzbarmachung derwildwachsenden Pflanzen verwendet worden, welche Bast- fasern enthalten. Denn nur um diese handelt es sich. Die aus Laien- kreisen immer wieder empfohlenen inländischen Samenhaare (Löwenzahn, rotblühende Distel, Wollgras u. dergl.) sind aus verschiedenen Gründen nicht spinnbar. Die zuerst fühlbar werdende Rohstoffnot in der Jute- industrie veranlaßte eine umfangreiche Sammlung des eine juteähnliche Faser enthaltenden Weidenrös’chens (Epilobium latifolium und angusti-- folium). Die Aufbereitung gelang, aber der Fasergehalt erwies sich als so gering, daß der Versuch bald wieder fallen gelassen wurde. Auch. vom: 4 VI. Abteilung. Chemische Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau). 13 Besenginster, der eine hanfähnliche Faser enthält, konnte ein befriedigen- des Sammelergebnis nach Prüfung durch die Kriegskommission zur Ge- winnung neuer Spinnfasern nicht erwartet werden, sodaß die Zentral- stellen der Kriegswirtschaft diese Faser nicht weiter verfolgten. Be- triebsleiter Sütterlin von der mechan. Seilerwarenfabrik vorm. Ferdinand Wolff, Mannheim, der Erfinder des Aufbereitungsverfahrens, scheint die Sache weiter zu verfolgen. Der Zweifel über die Durchführbarkeit einer lohnenden Sammlung und der Ausführbarkeit der Aufbereitung mit vor- handenen oder leicht zu schaffenden Einrichtungen gab auch Anlaß die Verwertung des Rohrkolbenschilfs (Typha latifolia und angustifolia) der privaten Initiative des Erfinders und seiner Kapitalisten zu überlassen. Versuche mit Typha sind schon mehrfach gemacht worden, besonders in Ungarn. Immerhin sind die Ergebnisse, welche Hoering, Berlin, während des Krieges erzielt hat, recht bemerkenswert. Er legte eine schöne lange ‚jJuteähnliche Faser vor, die sich mit Flachsfaser (Werg) zu stärkeren Nummern verspinnen läßt, die von reinem Flachsgarn kaum zu unter- scheiden sind. Auch erzeugte er ein sehr schönes Kraftpapier aus der Faser. Nicht unerwähnt bleibe, daß dem Verfasser unlängst ein Artikel aus dem Pariser „Matin‘ zu Gesichte kam, in dem auf die deutschen Ar- beiten zur Gewinnung der Typhafaser hingewiesen, die quantitativen Aus- sichten auch für Frankreich als sehr günstig hingestellt, und eindringlich aufgefordert wurde, auch in Frankreich diesem Beispiel deutscher Energie zur Unabhängigmachung auf einem wichtigen Rohstoffgebiet im Interesse der Zukunftswirtschaft zu folgen. Man sieht unsere Feinde haben ähn- liche Sorgen wie wir! Im Vordergrunde des Interesses bei Laien und Fachleuten stand von jeher die Brennessel (nur die perennierende urtica dioica kommt in Frage, nicht die faserarme einjährige urtica urens, der man immer noch in volkstümlichen Veröffentlichungen begegnet). Ihr Fasergehalt ist ver- hältnismäßig hoch, die sorgsam isolierte Einzelfaser (Bastzelle) von blen- ‚dender Weiße, glänzend, fest und spinnbar. Trotzdem hat jahrzehntelange Arbeit die Aufgabe der Brennesselverwertung zwar gefördert aber nicht völlig gelöst, obgleich der hohe Futterwert von Blättern und Stengeln- abfällen der stickstoffreichen Pflanze auch Verwendungsmöglichkeiten aller Nebenprodukte ergeben. Mancher sieht die Urtica für eine ver- wilderte erst durch die Baumwolle verdrängte Kulturpflanze an, als den einstigen Rohstoff der heut aus Baumwolle hergestellten Nesselgewebe. Es ist aber wahrscheinlicher, daß dieser Name den seit alter Zeit und noch heute in Asien aus tropischen und subtropischen Nesselarten (Böhmeria nivea [Ramie, Chinagras] u. dergl.) hergestellten feinen Geweben ent- stammt. Schon 1868—1877 hat in Deutschland eine Nesselkommission ‚unter Vorsitz von Reuleaux gearbeitet, deren Ergebnisse in dem Buche 14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. „Chinagras und Nesselfaser“ von Bouche und Grothe (Julius Springer. Berlin 1834) ausführlich niedergelegt sind. Trotz des günstigen Urteils dieser Kommission über Anbauwürdigkeit und Aufbereitungsmöglichkeit sind damals die weiter unten dargestellten Schwierigkeiten nicht über- wunden worden, und erst der Krieg hat die Nesselsache aus dem Stadium der Tastversuche und Laboratoriumsexperimente herausgebracht. Die Spinnfaserkommission hat von vornherein die Nessel an erster Stelle be- arbeitet mit der naheliegenden Absicht, den unverkürzten Faserbast, ähn- lich wie bei Flachs, für die Bastfaserindustrie zu gewinnen. Die Eigenart der Nessel zwang aber, die Aufteilung des Bastes in die kurzen baumwoll- ähnlichen Urzellen ins Auge zu fassen, und so überwies man die Aus- beutung einer dem Baumwoll-Kriegsausschuß angegliederten Nesselfaser- Verwertungsgesellschaft, die mit Kapital aus der Baumwollindustrie unter starker finanzieller Unterstützung des Kriegsministeriums arbeitet. Aus: ihr ging auch eine Nesselanbaugesellschaft hervor. Die Schwierigkeiten, die in den verschiedenen Stufen der Nesselver- wertung die Hauptrolle spielen, seien kurz gestreift. Der Anbau der stickstoffreichen und daher nicht, wie häufig irrtümlich behauptet, anspruchslosen Nessel, konnte bisher noch nie in wirklich großem Maßstabe erprobt und ihre Wachstumsbedingungen und die Pflege der Pflanze und des Bodens einwandfrei ermittelt werden. Anbauversuche mit Samen sind immer ergebnislos geblieben. Solche mit Wurzelsteck- lingen (Rhizomen) erfordern eine so ungeheure Zahl richtig gewonnener und gepflegter Stecklinge, um eine nur einigermaßen ausreichende Fläche zu bestellen, daß tausende von sachverständig angeleiteten sorgfältigen Sammlern an den zahllosen verstreuten Fundstätten tätig sein müßten). Ähnlich sind verständlicher Weise die Schwierigkeiten bei der Wildsamm- lung. Auch der Stengel bedarf sachverständiger Behandlung. Abstreifen der Blätter von den unvollkommen getrockneten Stengeln reißt den Bast mit ab. Ungenügend getrocknete oder auf dem Versand wieder naß ge- wordene Stengel gehen rasch unter völligem Faserverlust in Fäulnis über. Die frische Nesselpflanze gibt ca. 10° Trockenstengel und diese ca. 8°e Faser. Es muß also anfangs das mehr als 100 fache des Fasergewichtes bewegt werden. Es leuchtet ein, daß sowohl die Ausbeute großer Wild- vorkommen, als die Anbaufrage nur in Verbindung mit der Trocknerei gelöst werden kann, und daß hierin eine der größten und schwersten organisatorisch-technischen Aufgaben der Nesselfaserverwertungsgesell- schaft liegt. Es sei rühmend hervorgehoben, daß unser Heer in Ost und West trotz dieser Schwierigkeiten den größten Beitrag zum Erfolg der bisherigen Wildsammlung geleistet hat. ı) Die Frage der Sortenzucht un] Artenwahl, sowie Kreuzung kann während des Krieges überhaupt kaum bearbeitet werden. Es sei erwähnt, daß schon Bouch& die Laportea-Arten (Canada etc.) und die sibirische Urtica cannabina empfiehlt. Letztere wird neuerdings von Reinke auch wieder als anspruchsloser empfohlen. VI. Abteilung. Chemische Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau). 15 . Das Aufbereitungsproblem wird durch das abweichende Verhalten der Nessel von anderen Bastfaserpflanzen kompliziert. Die wundervolle Eigenschaft des Flachses, die Mittellamelle beim Röstvorgang langsam ab- zubauen, sodaß der Vorgang an beliebiger Stelle unterbrochen werden kann, hat die Nessel nicht. Unter chemischer wie biologischer Einwirkung Kotonisiert sie, d. h. sie zerfällt in kurze baumwollähnliche Zellelemente, die vom Holz mechanisch unendlich viel schwerer zu trennen sind, als der lange Flachs von den Scheben, zumal bei der Nessel nicht glatte spröde Bruchstücke, wie beim Flachs, sondern weiche faserige und rauhe Splitter entstehen. Die meisten Verfahren bauen daher auf eine mechanische Trennung von Holz und Bast beim ungerösteten Stengel auf, die freilich auf trocknem Wege auch nicht vollständig gelingt und zu argen Faser- zerreißungen führt, auf nassem Wege aber wieder sehr viel Handarbeit macht und weiche Holzsplitter in die Faser mengt. Erst der entholzte Bast wird dann chemisch oder biologisch weiter zerlegt, wobei man aber meist findet, daß ein Teil.der Fasern verknotet oder verfilzt, ein anderer Teil durch Rindenteilchen oder zähe Reste der Mittellamelle verklebt ist. Der Verfasser hat auf Grund umfangreicher Versuche den Eindruck, daß hier die gleichzeitige Anwesenheit von Eiweißstoffen, Pektinen, Ligninen und vielleicht noch anderen Klebstoffen dazu führt, daß jeder auf eine dieser Gruppen geführte Angriff zu Gerinnungsvorgängen bei einer anderen führt. Ein stufenweiser Abbau könnte nur auf Grund einer durchgreifen- den wissenschaftlichen fermentchemischen Bearbeitung gefunden werden. Eine solche ist in der Unzahl der Lösungsversuche des Nesselproblems noch nicht zu finden. In Österreich ist man schon 1915 energisch an Wildsammlung und Anbauversuche, sowie an die Ausnützung aller Bestandteile der Nessel- pflanze herangegangen. Führend waren Professor Richter und Fabrikant Pick, deren gemeinsames Patent aber keinen klaren Einblick in das Wesen des Verfahrens gibt. Aus den umfangreichen Literaturberichten der Erfinder geht hervor, daß man dort an den Faserbast chemisch mög- lichst schonend, mechanisch aber energischer herangeht und die sich er- gebenden Ausbeuten an Faserbündeln oder Einzelfasern verschiedener Länge und verschiedener Eigenschaft verschiedenen Industrien zuweist. Es wird so die Baumwollspinnerei zur Abfallindustrie der Leinen- oder Kammgarnspinnerei und von dieser führt der Weg: in üblicher Weise weiter zur Streichgarn- und Zweizylinderspinnerei, zur Abfallspinnerci, Watte- und Papierfabrikation. Es ist möglich, daß die örtliche Lage der österreichischen Industrie und die große Zahl gemischter Werke »in derartiges Ineinanderarbeiten vorteilhaft machen läßt, zumal man in Österreich die Nessel zunächst überwiegend als Streckmittel für normale Fasern verwendet. In Deutschland dagegen haben die hohen Gewinnungs- kosten und die hohen qualitativen Möglichkeiten der Nesselfaser die Auf- 16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaierl. Cultur. gabe in den Vordergrund gerückt, ein reines Nesselgarn möglichster Fein- heit zu gewinnen und daher den Bast von vornherein vollständig und unter größter mechanischer Schonung der Zellelemente aufzuschließen. Man hofft dadurch eine im Frieden neben Wolle und Baumwolle ihrer be- sonders gearteten Produkte wegen auch bei verhältnismäßig hohem Preise der Erzeugnisse lebensfähige Industrie zu schaffen. Die Nesselgesellschaft benutzt die Ernte von 1916, um die vier besten der ihr angebotenen deutschen Verfahren im Großen praktisch zu erproben und ist mit dem Verfahren einer namhaften deutschen Färberei schon recht weit gelangt. Mengen die für Heeres- und Volksversorgung entscheidend in Frage kämen, sind aber aus der Nessel fürs erste noch nicht zu erwarten. Die Nesselgarne färben sich leicht. Ihr Aussehen stellt ein Zwischending zwischen Baumwolle und Wolle dar. Ihre große Saugfähigkeit erweckt Hoffnungen auf besondere hygienische Eigenschaften der Bekleidung aus Nesselfasern. Die häufig gestellte Frage nach der Lebensfähigkeit der geschilderten Ersatzstoffindustrien nach dem Kriege ist schwer zu beantworten. Sie wird abhängen von der Form der neuen wirtschaftlichen Beziehungen, von Transportkosten und Ver- kehrsverhältnissen, von Volksbedarf und Volksvermögen und von der Einstellung des Verhältnisses zwischen den landwirtschaftlichen und industriellen Produktionskosten der einzelnen Länder. Eins aber steht fest: Deutschland wird bei der Wiederanknüpfung seiner wirtschaftlichen Beziehungen soviel politische und volkspsychologische Hindernisse zu überwinden haben, daß es auf manchen Gebieten seine Unentbehrlichkeit erweisen muß, um sich zu behaupten. Das wird schwer sein überall da, wo Verkehrslage und Rohstoffbesitz gleich günstig oder gar günstiger für den Konkurrenten sind, wo englische empirische Treffsicherheit oder amerikanische Präzision als gleichwertige Gegner deutschen Könnens auf den Plan treten. Wir werden also in erster Linie unsern Vorsprung dort wahren müssen, wo wissenschaftliche Vertiefung am weitesten fördern kann. Hiervon braucht auch die Textilindustrie nicht ausgeschlossen zu sein und diese Zeilen haben ihren Zweck erfüllt, wenn die Andeutungen in dieser Richtung bei deutschen Forschern auf fruchtbaren Boden fallen. Der Möglichkeiten sind viele. Hat uns schon geistige Vertiefung unseres Schaffens in Deutschland über manche Öde mechanistisch-kapitalistischer Entwickelung hinweg- geholfen, so werden wir ihrer als freudigen Ansporn zum Vorwärts- schreiten erst recht bedürfen, wenn die Folgen des gewaltigen Krieges die Allgemeinheit zwingen, das private Erwerbsstreben einzuengen und einen großen Teil der materiellen Erträgnisse gewerblicher Arbeit an sich zu ziehen. VI. Abteilung. Chemische Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau). 17 4. Sitzung am 22. Juni. Das natürliche Sysiem der Elemente und die Struktur des Atoms von E. Pringsheim. 5. Sitzung am 2. November. Mitteilungen verschiedenen Inhalts von H.'Biltz. 6. Sitzung am 7. Dezember. Über neue physiologisch wirksame Verbindungen aus Kokain von J. von Braun. 8) 1917. Schlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur. NER N In Ta Feen 95. | Jahresbericht. Nekrologe 1917. | &e R Ne N“ Ü 16 Nachrichten über die im Jahre 1917 verstorbenen Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft für vaterl. Cultur. Alphabetisch geordnet. Am 26. April 1917 verstarb nach längerer, schwerer Krankheit das korrespondierende Mitglied unserer Gesellschaft, Emil Barber, in Gör- litz. Aus einer Lehrerfamilie stammend, wurde der am 14. Januar 1857 zu Thiemendorf O/L. geborene Barber für den Lehrerberuf bestimmt und war nach seiner Ausbildung auf dem Seminar zu Reichenbach O/L., in Hoyerswerda und Freiwaldau O/L. tätig; aber schon 1880 berief ihn die Stadt Görlitz, wo er seitdem eine segensreiche Tätigkeit entfaltete, nicht nur in seinem Beruf, sondern auch als Leiter des Botanischen Gartens, dem er 30 Jahre lang seine Sorge zuwandte. Als eines der tätigsten Mit- glieder der Naturforschenden Gesellschaft in Görlitz genoß er ein hohes Ansehen weit über die wissenschaftlichen Kreise der Stadt hinaus. Die glühende Liebe zur Heimat verschaffte Barber bald eine genaue Kenntnis der Lausitz und ihres Volkes, und seine poetische Veranlagung schuf nicht nur manches Gelegenheitsgedicht, sondern errichtete auch ein Denkmal für die aussterbende „Lausnzer Sproche“, das in zwei Bändchen „Aus der Heemte‘“ und ‚„Hausbacken Brut“ vorliegt. Die Hauptkraft seines Schaffens aber war der Pflanzenwelt gewidmet. In früher Jugend angeregt durch seinen Vater, wurde er zu reger botanischer Arbeit ver- anlaßt durch Dr. R. Peck in Görlitz, und die Erfolge seiner Be- obachtungen und Studien ließen ihn bald zu zahlreichen schlesischen und märkischen Forschern in nahe Beziehung treten. Galt auch sein unermüd- licher Fleiß fast ausschließlich der Durchforschung der Ober-Lausitz, so hat er sich doch durch seine Arbeit einen unvergänglichen Namen ge- schaffen. Die Exaktheit seiner Beobachtung, sein kritischer Blick und seine Belesenheit schufen Werke, deren Bedeutung über das Interesse der Provinz hinausgehen. Schon 1884 erschien ein „Nachtrag zur Flora der Oberlausitz“, dem drei Jahre später ein zweiter folgte; 1893 schrieb er die pflanzengeographisch wichtigen Abhandlungen über die „Flora der Gör- litzer Heide“ und „Beiträge zur Flora des Elstergebietes“. So war 1917. 1 3 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Barber, wie kein zweiter, berufen, die Eigenart der Vegetation der Ober-Lausitz zusammenfassend zu behandeln. Hatte er sich doch auch mit sehr eingehenden Studien über polymorphe Pflanzenkreise be- schäftigt und so z. B. manche Aufklärung über schlesische Rubus-Arten gebracht. Auf Grund dieser jahrelangen Vorarbeiten erschien 1897 der erste Teil der „Flora der Oberlausitz preußischen und sächsischen Anteils einschließlich des nördlichen Böhmens“; 1901 folgte ihm der zweite Teil, 1911 ein dritter; die Drucklegung des 1917 erschienenen Teils konnte Barber nicht mehr erleben. So bleibt zunächst diese großzügig ange- legte, vorzügliche Flora unvollendet; aber es ist zu hoffen, daß die Natur- forschende Gesellschaft in Görlitz, die sich um die Erschließung der Lau- sitz so große Verdienste erworben hat, dafür Sorge tragen wird, daß das Lebenswerk Barbers in seinem Geiste zu Ende geführt wird. Fra. Am 13. August 1917 starb Eduard Buchner im Lazarett zu Focsani an einer Verwundung, die er zwei Tage zuvor erlitten hatte. Er stammt aus München. Dort war er am 20. Mai 1860 als Sohn des a. 0. Professors der gerichtlichen Medizin Ernst Buchner geboren. Nach Abschluß der Schulzeit auf dem Realgymnasium seiner Vaterstadt begann er im Jahre 1877 ebendort naturwissenschaftliche Studien, unterbrach sie aber 1879 und übernahm die technische Leitung einer Konservenfabrik. 1884 kehrte er zu seinem Studium zurück, arbeitete in München und Erlangen und wurde 1883 promoviert. Als Lehrer, denen er besonders viel verdankt, nannte er die Chemiker v. Baeyer, Curtius, v. Pechmann und den Botaniker Nägel. Namentlich an Curtius schloß er sich an. Er folgte ihm 1893 nach Kiel, wo er sich 1894 habilitierte und im folgenden Jahre zum Professor ernannt wurde. 1896 wurde er als a. o. Professor - an die Universität Tübingen berufen. 1898 wurde er etatsmäßiger Professor der Chemie an der Landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin und 1909 ordentlicher Professor der Chemie an der Universität Breslau. Hier blieb er nur drei Semester. Eine Berufung nach Würzburg führte ihn zu Be- sinn des Sommersemesters 1911 in sein engeres Vaterland zurück. Die wissenschaftliche Betätigung Buchners beschränkt sich auf zwei Gebiete. Auf beiden hat er großes erreicht. Von 1885 ab studierte er die Einwirkung des von Curtius kurz zuvor entdeckten Diazoessigesters auf aromatische und ungesättigte Stoffe. Die dabei in merkwürdiger Ver- setzung entdeckten Stoffe mit einem Dreiringsysteme klärte er mit muster- gültiger Sorgfalt auf. Der aus Benzol und Diazoessigester entstehende Norcaradienearbonsäureester konnte zu monozyklischen Stoffen mit einem Sechsringe oder einem Siebenringe aufgespalten oder durch Oxydation in die Tricarbonsäure des Zyklotrimethylens übergeführt werden. Nekrologe. > Schon frühzeitig hatte die Gärung Buchners Interesse erregt. Eine seiner ersten Veröffentlichungen aus dem Jahre 1886 befabte sich mit dem Einflusse von Sauerstoff auf Gärungen. Später wurde festgestellt, daß Malonsäure der Gärung erheblich leichter unterliegt als Fumarsäure. Gärungschemische Arbeiten beschäftigten ihn in Kiel, wo ich nach seinem Fortgange eine lange Reihe Kölbehen mit sterilisierter Würze vor- fand. Aber erst 1897 begann die Reihe Veröffentlichungen, die ihm Welt- ruf eintrug: Der Nachweis der enzymatischen Natur der Gärung. Hierüber hat er in unserer Breslauer Gesellschaft ausführlich vorgetragen. Diese Arbeiten trugen ihm 1907 den Nobelpreis für Chemie ein. Buchners Wirken in Breslau war kurz, aber erfolgreich für das chemische Universitätsinstitut, das einer Erneuerung dringend bedurfte. Sie wurde in den Herbstferien 1909 und in den beiden größeren Ferien des nächsten Jahres durchgeführt. Durch eine Verlegung des Ausgabe- raumes neben das Vordertreppenhaus und Aufgabe eines Privatlabora- toriums gelang es, den Arbeitssaal der Anfänger wesentlich zu vergrößern. In allen Arbeitssälen und namentlich im neuen Schwefelwasserstoffzimmer wurde reichlich für gut wirkende Abzüge gesorgt. Die unter den Dielen liegenden gemauerten Abilußkanäle, die nicht dicht hielten, wurden durch Abflußrinnen aus hart gebranntem Ton ersetzt. Das Gas- und Wasser- leitungsrohrnetz erhielt Absperrhähne, die es erlaubten, einzelne Räume auszuschalten, ohne in den übrigen den Betrieb zu stören. Ein durch- eehender Neuanstrich der gesamten Innenräume des Instituts und des Holzwerkes gab dem Ganzen ein freundliches, einheitliches Gepräge. Wer die Arbeit kennt, die ein auch nur bescheidener Umbau eines älteren, im Betrieb befindlichen Institutes verursacht, kann Buchners Leistung bei diesem umfangreichen Werke würdigen; am meisten sein Nachfolger, der den Nutzen davon gehabt hat. In den seitdem verflossenen Jahren hat sich Buchners Umbau in jeder Beziehung als zweckmäßig erwiesen. Was mit dem alten, aus verschiedenen Zeiten, teilweise aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts stammenden Institute zu machen war, war erreicht worden. Über Buchners Persönlichkeit zu sprechen, ist mir versagt; ich habe ihn nicht kennen gelernt. Wer ihm aber näher getreten ist, rühmt sein männliches, offenes Wesen, seine Energie, seine Freundestreue, den harmlos fröhlichen Sinn. Vom Soldatentum hatte Buchner im Jahre 1908 den Abschied als Hauptmann der Landwehr genommen. Zwei Wochen nach Beginn des Krieges zog er als Führer einer Etappenmunitionskolonne hinaus. Zunächst nach Lothringen, dann nach Nordostfrankreich und Anfang 1915 nach Ost- preußen und Rußland. Im Januar 1916 wurde er zum Major ernannt. Bald darauf kehrte er, einem Rufe der bayrischen Unterrichtsverwaltung 1* 4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. folgend, nach Würzburg zurück. Aber es hielt ihn nicht zu Hause. Mitte nächsten Jahres meldete er sich wieder zum Heere. In Rumänien führte er zunächst einen Staffelstab und seit Anfang August eine Munitions- kolonne. Auf der ersten Fahrt zur Front verwundete ihn bei Batinesti ein Granatsplitter. Er wurde auf dem Friedhofe von Focsani bestattet. Heinrich Biltz. Am 25. März 1917 verstarb in Berlin das auswärtige Mitglied der Ge- sellschaft, der pathologische Anatom, Privatdozent und Prosektor Dr, Carl Davidsohn, Er war geboren am 9. 9. 1867 in Pankow (Kreis Nieder- Barnim) und studierte Medizin hauptsächlich in Berlin, wo er 1892 die Approbation erlangte. Von 1896 bis 1907 war er ununterbrochen am Berliner Pathologischen Institut tätig, die ersten 6 Jahre noch unter dem Altmeister der Pathologie Rudolf Virchow, später unter seinem Nachfolger Johannes Orth. Im Jahre 1907 siedelte er dann an das Pathologische Institut in Bres- lau über und übernahm auch hier eine Assistentenstelle unter der Leitung E. Ponfick’s; 1908 habilitierte er sich als Privatdozent für patholog. Anatomie. Von 1907 bis 1910 ist er wirkliches Mitglied der Gesellschaft sewesen. Davidsohn übernahm dann 1910 die Prosektur des Reinicken- dorfer Krankenhauses bei Berlin, die er bis zu seinem Tode innegehabt hat. Im Herbst 1914 stellte er sich sofort der Heeresleitung zur Ver- fügung und war zunächst in hygienischer Funktion in Nordfrankreich und Belgien tätig; 1915 ging er als Oberarzt bei einem Armierungsbataillon nach Polen, wo er sich den Keim zu seiner tödlichen Erkrankung holte, einer chronischen Ruhr, die unter den Symptomen einer pernieiösen Anämie zum Ende führte. So ist auch Davidsohn ein Opfer des Krieges geworden bei der Erfüllung seiner vaterländischen Pflichten. Davidsohn hatte es verstanden, sich einen geachteten Namen unter seinen Fachgenossen zu erwerben durch eine stattliche Reihe von wissen- schaftlichen Untersuchungen, die besonders in Virchow's Archiv, aber auch in anderen medizinischen Zeitschriften niedergelegt sind. Sie be- treffen verschiedene Gebiete. Besonders hervorgehoben seien seine Untersuchungen über das Wesen und die Ursachen der amyloiden Degene- ration. Er hat über diese Degenerationsform wichtige oft zitierte experi- mentelle Versuche angestellt. Aber auch zu der Lehre von den Ge- schwülsten, den Infektionskrankheiten, der Verbreitung des Kropfes, der mikroskopischen Untersuchungs-Technik hat er wertvolle Beiträge ge- liefert. Davidsohn war ein kluger, scharfer Beobachter, auf den Fach- Versammlungen als ein schlagfertiger Diskussions-Redner bekannt. — Man hätte dem langjährigen Assistenten des Berliner und Breslauer Nekrologe. 5 Patholog. Instituts eine noch mehr hervortretende selbständige Stellung als pathologischer Anatom gewünscht. Durch seinen vorzeitigen Tod ist sie ihm versagt geblieben. Seine wissenschaftlichen Arbeiten werden ihm aber ein dauerndes Andenken unter seinen Fachgenossen bewahren. Henke. Am 4. April 1917 starb zu Breslau in dem Hause Blücherplatz 10 Fräulein Hedwig Franck. In demselben Hause wurde sie am 15. Ok- tober 1844 als Tochter des Geh. Kommerzienrats und Bankiers August Franck und dessen Ehefrau Emilie geb. Schneer geboren. Ture Mutter hatte reiche Beziehungen zu dem Herzschen und Felix Mendelssohnschen Verkehrskreise in Berlin. In dem Franckschen Hause zu Breslau wurden daher die musikalischen und schöngeistigen Bestrebungen in reger Weise gepflegt, und das Haus bildete einen Mittelpunkt für alle musikalischen und schönwissenschaftlichen Betätigungen in Breslau. Graf Hochberg, der Begründer der Schlesischen Musikfeste, verkehrte in diesem Hause, Holtei, unser schlesischer Dichter, ging dort aus und ein. Mit Mosevius begründete das Francksche Ehepaar die Breslauer Singakademie Zu den Universitätskreisen und zu einer großen Anzahl Familien des Bres- iauer Appellationsgerichts hatte die Francksche Familie rege Beziehungen. Wohltätigkeit wurde von ihr in reichem Maße geübt. Unter diesen Eindrücken und Verhältnissen wuchs Fräulein Hedwig Franck als Jüngste von fünf Geschwistern auf. Sie ist den Überlieferungen ihres Elternhauses während: ihres ganzen Lebens in edelster Weise treu geblieben. Sie blieb nach dem Tode der Eltern in dem Hause Blücher- platz 10 wohnen, obwohl dieses Haus naturgemäß allmählich den An- sprüchen an ein modernes Wohnhaus nicht mehr genügen konnte. Von der Bewohnerin dieses Hauses ging ein starker Strom von Segen aus. Fräulein Franck war in reichem Maße wohltätig. Wegen ihrer Scheu vor der Öffentlichkeit und wegen ihrer großen Bescheidenheit liebte sie es, im Stillen Wohltaten zu erweisen. Kein Bittsteller klopite vergeblich an ihre Tür, für jedes Liebeswerk hatte sie eine offene Hand. Während des Krieges 1870/71 hatte sie als Helferin in der Kriegsnot mitgewirkt und er- hielt auch die für diese Liebesarbeit geschaffene Auszeichnung. Dem von ihrer Mutter mitbegründeten Verein zur Unterstützung armer verehelichter Wöchnerinnen gehörte sie als Vorstandsmitglied an und widmete ihm ihre volie Kraft mit liebewarmem Herzen und vorbildlicher Pfliehttreue. Auch dem Vorstande der Diakonissen-Krankenheilanstalt Bethlehem zu Breslau gehörte sie, zeitweise als Schatzmeisterin, an und erwies diesem Liebeswerke eine ganz besonders warme Fürsorge. 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Allen den Vereinen und Anstalten, deren Mitglied sie war, hat sie nicht nur bei ihren Lebzeiten sen gemacht, sondern sie hat sie auch in ihrem letzten Willen mit Vermächtnissen von zum Teil erheblichen Beträgen bedacht. Im Anschluß an eine von ihrer Mutter errichtete Stiftung hat sie den Ältesten des Vereins christlicher Kaufleute zu Breslau ein beträchtliches Kapital letztwillig zugewiesen, dessen Zinsen teils Kaufmannstöchter und -witwen, teils bedürftige Witwen- und Töchter aus höheren Ständen er- halten sollen. An dem musikalischen Leben Breslaus nahm Fräulein Franck regen Anteil, ebenso an allen wissenschaftlichen Bestrebungen. Trotz ihrer un- gemeinen Bescheidenheit und Zurückhaltung war sie in weiten Kreisen be- kannt und wegen ihres gleichmäßigen, außerordentlich freundlichen und hilfsbereiten Wesens sehr geschätzt. Wem es geglückt war, ihre Freund- schaft zu gewinnen, der wurde durch die zarten und rührenden Beweise treuer Anhänglichkeit hoch erfreut. Eine edle Menschenblüte hat der Tod geknickt! Mit dem Hinscheiden von Fräulein Hedwig Franck ist eine hochgeachtete, alte Breslauer Patrizierfamilie erloschen. Geheimer Justizrat David. Geheimer Bergrat o.ö. Professor Dr. Fritz Frech f. Ein schweres Opfer hat der Krieg aus den Reihen der Mitglieder gefordert: der Geheime Bergrat Professor Dr. Fritz Frech ist am 28. September 1917 in Aleppo in Syrien im Kriegslazarett an tropischer Malaria plötzlich ge- storben. Mit ihm schied einer unserer besten und fruchtbarsten Geologen: auch er starb für das Vaterland! Als Kriegsgeologe. zog er Ende August 1917 hinaus; es drängte ihn seine Kenntnis des fernen Südostens. dessen Erforschung er die letzten Jahre seines Lebens gewidmet hatte, dem Vaterlande nutzbar zu machen. Aber bald schon ereilte ihn die tückische Krankheit, der er binnen wenigen Tagen erliegen sollte. Am 17. März 1861 wurde Fritz Frech in Berlin als Sohn eines hohen preußischen Juristen geboren, und in Berlin auch verlebte er mit nur kurzen Unterbrechungen seine Jugend. Schon früh zeigte sich bei ihm die Liebe für die Natur und die Naturbeobachtung, die einen so hervor- stechenden Zug seines ganzen Wesens ausmachte; er sammelte Käfer und Schmetterlinge und brachte gern Eidechsen und anderlei Getier von seinen Streifzügen mit heim, um sie zu pflegen und zu beobachten. Diese Liebe zur Natur hat ihn nie verlassen; stets hatte er in seinem Breslauer Heiin allerlei interessante Vertreter der niederen Wirbeltierwelt in Pflege, und ft brachte er derlei von seinen Reisen mit; so besaß er denn auch eine Bu) Nekrologe. 7 hervorragende Kenntnis des Lebens und Webens in der Natur und wußte anregend und belehrend von seinen kleinen Lieblingen zu plaudern. Es war denn auch fast selbstverständlich, daß Frech nach Absolvierung des Wilhelms-Gymnasiums in Berlin sich dem Studium der Naturwissenschaften zuwandte. Das Tierleben der Vergangenheit war es, das ihn bald be- sonders anzog, und Geologie und Paläontologie wurden seine am meisten bevorzugten Fächer. Aber weiter dehnte er den Kreis seiner Interessen; die ganze Erde umspannte es, ihr Werden und Vergehen, jetzt und in der Vorzeit. Neben Beyrich und Dames war es vor allem auch Richthofen, der bestimmenden Einfluß auf seinen wissenschaftlichen Werdegang ausübte. Unter ihrer Führung, an ihrer kühl wägenden, jeder Spekulation abholden und doch großzügigen Art lernte der junge Feuergeist seine Kräfte ge- brauchen. Mit Beyrich teilte er die Vorliebe für das Altertum der Erde und ihres Lebens; schon seine Doktordissertation zeigte dies; sie war der eingehenden Erforschung und liebevollen Beschreibung der Korallenfauna des Oberdevon in Deutschland gewidmet (Berlin 1885); in systematischer Betrachtung wußte der junge Gelenrte lichtvoll unsere Kenntnisse des Baues des Korallenskelettes zu erweitern, ja neu zu begründen. Die Liebe für die Korallen hat er behalten und manche wertvolle Arbeit ver- dankt die Korallenforschung seiner Feder. Schon zwei Jahre nach seiner Promotion habilitierte er sich in Halle a. S. für Geologie und Paläontologie mit einer stratigraphischen Arbeit „Geologie der Gegend von Haiger (Nassau)“. Das Paläozoikum, vor allem das Devon beschäftigte ihn zu- nächst ; aber daneben begann er sich bereits der Alpenforschung zu widmen und in den karnischen Alpen fand er ein ihm zusagendes Arbeits- und Forschungsgebiet. Das zweibändige Werk „Die karnischen Alpen“ (Halle 1895) zeigt die Tiefgründigkeit und Umfassendheit seines Wissens, seiner Forscherarbeit; wahrhaft glänzend wird das Gebirgssystem morpho- logisch, stratigraphisch und tektonisch erläutert und werden die Ergebnisse der Forschung in einen weiten, umfassenden Rahmen gespannt. So hat die Monographie eine Bedeutung, die weit über das Lokale hinausgeht und allgemeines Interesse hat; es ist eine Meisterleistung der Forschung. In verdienter Würdigung der Bedeutung des jungen Gelehrten wurde er denn auch bald, nach Ferdinand Römers Tode, im Jahre 1893 als a. o. Professor der Geologie und Paläontologie nach Breslau berufen. 1897 wurde er hier zum Ordinarius ernannt, 1913 zum Geheimen Bergrat. Mancherlei wissenschaftliche Ehrungen wurden ihm zuteil. So hat Frech fast ein Vierteljahrhundert in Breslau gelehrt und ge- arbeitet. In Breslau auch hat er in Frau Vera geborenen Klopsch, der Toehter des bekannten Breslauer Chirurgen, die Lebensgefährtin gefunden, die ihm sorgende Gattin und treue Kameradin fast 23 Jahre gewesen ist, die in liebevollem Verstehen und Sichvertiefen ihm die Gefährtin an seinem 3 Jahresberieht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Lebenswerk geworden ist. Erst mit frohem Interesse lauschend, allmählig als verständnisinnige Mitarbeiterin hat Frau Vera ihren Fritz auf allen seinen Reisen begleitet, sei es in die Alpen, nach Armenien oder Mesopo- tamien. Mehrfach hatte ich Gelegenheit in gemeinsamer Arbeit Frech näher zu treten; zunächst im Sommer 1894 in den Stubaier Alpen — — — hier wurden der zu früh durch das tückische indische Klima der Wissenschaft entrissene Albrecht v. Krafit-Dellmensingen und ich eingeführt in das Ver- ständnis hochalpiner Stratigraphie und Tektonik. Drei Jahre später durfte ich an seinen Aufnahmen in den Radstädter Tauern mitarbeiten. Liebe Erinnerungen an anregende und fruchtbare und an frohe Stunden knüpfen sich mir an diese Zeit des Zusammenarbeitens mit ihm, den seine Gattin treu begleitete; frohe Zukunftspläne auch für mich wurden damals geschmiedet, hieß es doch damals in der entlegenen Hochgebirgswelt die Entscheidung treffen über.meine erste Reise nach Sumatra. Und jetzt wieder, im August 1917 freuten wir uns auf frohes Zusammenarbeiten, diesmal für das Vaterland (denn ich war zu seinem Mitarbeiter ausersehen worden), da fällte den Meister das tückische Fieber. Aber auch sonst binden den dankbaren Schüler zahllose Erinnerungen an den dahinge- gangenen Lehrer und verehrten Freund. Drei Jahrzehnte hat Frech als Dozent, erst in Halle, dann in Breslau gewirkt, und Zahllose verdanken ihm Anregung und Belehrung. Er wußte vor seinen Studenten, aber auch in größerem Hörerkreise sehr anschaulich und fesselnd zu sprechen und seine Hörer in den Bann seiner Gedanken zu ziehen. Das, was jeden bei seinem Vortrage besonders anzog, war die Großzügigskeit der Auffassung, der sorgsame Ausbau, das Ineinander- greifen der Gedanken. So hat er eine stattliche Schülerzahl herangebildet, und neben eigenen Schülern hat mancher junge Gelehrte, der von aus- wärts kam, bei ihm weitere Ausbildung erfahren. Den älteren wie Scheil- wien (f als Professor der Geologie in Königsberg), v. d. Borne (Pro- fessor in Breslau), Volz (Professor der Geographie in Erlangen), Wyso- gorski (Professor der Geologie in Hamburg) reihen sich zahlreiche jüngere an: Fliegel, v. Staff 7, Lachmann 7, Täger, Dyhrenfurth, Meyer und viele andere, die jetzt im praktischen Leben stehen. Fast mehr noch, wie durch Vorlesung und Colloquium wirkte er auf seine Schüler durch und im täglichen Verkehr auf dem Institut; hier pflanzie er die Liebe zur Wissenschaft, die er selbst in so hervorragendem Maße besaß, in seine Schüler; hier lernten sie unter seiner ständigen Leitung selbständig wissenschaftlich denken und arbeiten. Groß waren seine Ansprüche an den Fleiß jedes Einzelnen; schnell schon gab er den Fortgeschritteneren kleinere Aufgaben zu selbständiger kritischer Lösung und führte auch den Zagenden zu sicherem Ergebnis. Aber am meisten Nekrologe. ) gab er auf seinen Exkursionen; nicht nur daß Weg und Ziel so reichhaltig als nur möglich ausgewählt wurden, er verstand es weit über den Rahmen der engeren Wissenschaft hinaus anzuregen; alle Zweige der Naturwissen- schaften, Geographie, Industrie und Wirtschaftsleben wurden in den Kreis der Erörterungen und Demonstrationen gezogen; hier zeigte sich das tiefe Wissen, die Universalität seines Geistes im strahlendsten Licht. Werfen wir einen Blick auf das Lebenswerk Frechs. Frech wurzelt in einer Zeit des Übergangs in der geologischen und paläontologischen Wissenschaft; die Zeit der alten Meister ist vorbei; sie haben uns eine Übersicht über das Leben der Vorwelt gegeben, ihren organischen Inhalt sorgsam beschrieben und die großen Hauptabschnitte der Erdgeschichte abgegrenzt. Damit war das sichere, wissenschaftlich begründete Funda- ment gegeben, auf dem weitergebaut werden konnte. Aber es war einst- weilen ein starres Gerüst, unendliches Wissen, aber wenig lebensvoll; ihm Leben einzuhauchen, es zum Leben zu erwecken, daß jeder Abschnitt der Erdentwickelung anschaulich in allen Wechselbeziehungen zwischen der belebten und unbelebten Natur uns vor Augen tritt als ein sinnvoll ab- gerundetes Bild, wie es die moderne Geographie von dem heutigen Zu- stand der Erdoberfläche gibt — — das war das Lebenswerk Frechs. Er ist ja nicht der Schöpfer dieser Richtung und nicht der einzige Vertreter; aber doch ist er der zielbewußteste und fruchtbarste, ja, der beste Ver- treter. Ihm verdankt unsere Kenntnis der Erdentwickelung so unendlich viel an Einzelwissen, wie an großen und bahnbrechenden Gesichtspunkten, daß er für alle Zeiten zu den großen Meistern der Geologie zählen wird. Mas seine Arbeitsmethode des öfteren Anlaß zu berechtigter Kritik geben, mag manche seiner Rypothesen fallen, mag mancher offensichtliche Irrtum ihm unterlaufen sein — — das verschlägt nichts; so unendlich viel hat er geleistet, so Großes gegeben, daß eine reiche und wertvolle Ernte übrig bleibt. Er hat damit begonnen, einzelne wichtige Tiergruppen der Vorzeit mit minutiöser Genauigkeit monographisch zu studieren; zahlreiche Arbeiten sind die Frucht; er tat es als kenntnisreicher Biologe; so ge- wannen ihm die toten Steine Leben, und es ward nicht nur der Formen- schatz erweitert, nein, die biologische Durchforschung gab wichtige phylogenetische und tiergeographische Folgerungen. In gleicher Weise befiruchtete er die Ergebnisse stratigraphischer Forschung durch geistvolle Kombination mit den Ergebnissen der modernen Tiefseeforschung, der Bodenkunde, der modernen Morphologie usw.; er zog das Studium der heutigen Erdoberfläche und der heute wirksamen Agentien zu Vergleichen heran. Den Spuren großer Meister wie Richthofen und Sueß folgte er in die Alpen, um hier die gewaltigsten Probleme in Stratigraphie und Tektonik kennen zu lernen und an ihrer Lösung zu arbeiten. Auch hier 10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. begann er mit sorgsamer Kleinarbeit; nichts war ihm zu gering, um es nicht bis ins Kleinste zu verfolgen und zu erforschen. Doch nie verlor er über dem kleinen Einzelnen das große Ganze aus dem Auge. Ich selbst war oft Zeuge, wie er Schwierigkeiten, scheinbare Unstimmigkeiten nicht schnell löste, sondern unermüdlich immer und immer wieder an Ort und Stelle prüfte und suchte, bis Klarheit sich einstellte. So gewann er auch in den Wissenschaften der Stratigraphie und Tektonik sich sein Rüstzeug durch treue Kleinarbeit. Er hat am Tribulaun, in den karnischen Alpen, in den Stubaier Alpen, am Brenner und den Zillertaler Bergen, wie den Radstädter Tauern gearbeitet; aber kein Teil der Ostalpen blieb ihm fremd. Es unterstützte ihn hierbei eine hervorragende körperliche Leistungsfähigkeit, die ihm — obwohl er nie den Ehrgeiz eines Gipfel- fressers hatte — zu einem unserer besten Hochalpinisten machte. Eine in unserer Zeit seltene Universalität des Wissens und Könnens war die Folge; unterstützt wurde sie durch ein glänzendes Gedächtnis, das einmal Gelesenes, Gesehenes, Gehörtes kaum vergaß. Als er die Fortführung der „Lethaea geognostika“ übernahm, die ein Handbuch sein sollte unseres Wissens von der Vorzeit der Erde, konnte er darum den Versuch wagen, nicht nur das organische Leben der einzelnen Erdepochen und seine Entwickelung zu schildern, sondern auch eine Geographie des jeweiligen Zustandes der Erdoberfläche mit all den be- deutungsvollen Ereignissen der Gebirgsbildung, klimatischen Ver- hältnisse, ja, der jeweiligen Verteilung von Wasser und Land zu geben und damit ein inhaltreiches und lebensvolles Bild der einzelnen Epochen zu malen. Und mit dem Fortschreiten des Handbuches von den ältesten zu jüngeren Formationen weiteten sich die Interessengebiete Frechs, die zu Anfang vorzüglich dem Altertum der Erde und dabei besonders dem Devon gegolten hatten, und vor allem Trias und Quartär wurden Lieb- lingsgebiete Frechscher Forschung. In zahlreichen Aufsätzen und kleineren Arbeiten wurden bedeutungsvolle Tatsachen des Erdenlebens, wichtige Übersichten, Zusammenstellungen und Vergleiche gegeben, die teilweise vorläufige Grundlagen für spätere Verarbeitung waren, zum Teil aber aus- führlichere, eingehend begründete Darstellungen oder Erweiterungen schon früher ausgesprochener Gedankenreihen (z. B. „Über die Gebirgsbildung im paläozoischen Zeitalter 1899* — —- „Studien über das Klima der geologischen Vergangenheit. 1902“ — — „Die wichtigsten Ergebnisse der Erdgeschichte. 1905 — — „Über Wärme- und Kälteperioden in der geologischen Vorzeit. 1906“ — — usw.). Diese vergleichenden Studien führten Frech dazu die Arrheniussche Hypothese vom Einfuß des Kohlensäuregehaltes der Luft auf die Wärme aufzugreifen und auf die gesamte Vorzeit auszudehnen. Gegen die Richtigkeit der Grundlage dieser Frech-Arrheniusschen Hypothese be- Nekrologe. Jul stehen starke Bedenken; nichtsdestoweniger hat die geistreiche Hypothese außerordentlich befruchtend und änregend gewirkt und hat als Arbeits- hypothese unzweifelhaft Wert. Die Vorbereitungen für den die Steinkohlenperiode behandelnden Band der Lethaea im Verein mit seiner Tätigkeit als Professor an der schlesischen Universität und Technischen Hochschule führten Frech zu näherer Beschäftigung mit den reichen Bodenschätzen Schlesiens („Wann sind unsere Kohlenlager erschöpft? 1900“ — — „Führer in den ober- schlesischen Industriebezirk. 1901 — — ‚Über die Zukunft des Eisens. 1904“ — — „Die geologische Entwickelung Oberschlesiens. 1904 — — „Die voraussichtliche Erschöpfung der Eisenerzvorräte der Welt. 1906° — Vergangenheit und Zukunft der Kohle in Schlesien. 1909 — — „Die be- kannten Steinkohlenlager der Erde und der Zeitpunkt ihrer voraussicht- lichen Erschöpfung. 1910° — — ,„Kohlennot und Kohlenvorräte im Weltkriege. 1915°) und darüber hinaus zur Erkenntnis der weltwirt- schaftlichen Bedeutung dieser Schätze überhaupt und besonders für unser Vaterland, und Frech, der am politischen Leben zwar warm interessiert war, sich aber nie selbst betätigt hatte, ward hier zum Realpolitiker und hat im Weltkrieg sich eifrig für die Aufklärung der Deutschen über diese grund- legend wichtigen Fragen eingesetzt (der letztgenannte Aufsatz — — „Steinkohle als Machtmittel im Weltkriege. 1917“ — — „Die Versorgung Deutschlands mit Kohle und Erdöl. 1917° — — „Die Steinkohlenvorräte der Erde. 1917“ — — „Machtmittel im Weltkriege. Erdöl, Kohle, Eisen. 1917“ — — „Die Lothringer Eisenerze und ihre Bedeutung für Krieg und Frieden. 1917). Auch in zahlreichen Artikeln in den Tagesblättern hat er für weitgehende Aufklärung gesorgt. Nachdem 1908 mit der Vollendung der Bände über die Trias die Lethaea, soweit wenigstens der Anteil Frechs ging, zu einem gewissen Ab- schluß gediehen war, hatte Frech Zeit für neue Aufgaben; das war ihm einmal die Vollendung des Schlußbandes des großen China-Werkes von Ferdinand v. Richthofen, in dem das wichtige paläontologische Material gewürdigt wurde und die paläontologischen und geologischen Ergebnisse der klassischen Reise eine zusammenfassende Darstellung erfuhren — eine glanzvolle Leistung voll Frechschen Geistes. Daneben wurde ihm Griechenland und später im Anschluß daran Kleinasien und Mesopotamien ein Feld der Forschung. Neben der rein wissenschaftlichen Forschung packte ihn hier bald das kulturelle und politische Moment, warf doch gerade in diese Grenzgebiete englischer Interessen der Krieg seine Schatten scharf voraus. Das kommt in den Veröffentliehungen Frechs auch zum Ausdruck. („Über den Gebirgsbau des Taurus in seiner Bedeutung für die Beziehungen der Europäischen und asiatischen Gebirge. 1912“ — — „Die Bagdadbahn in ihrer Kulturbe- 11 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. deutung. 1913° — — „Die Täler des Taurus und die Linie der Bagdad- bahn. 1913° — — „Zusammenhang der asiatischen und europäischen Ge- birgssysteme. 1914‘ — — „Die Salzseen Anatoliens. 1915“.) Die letzten seiner Arbeiten auf diesem Gebiet stehen unter dem Zeichen des Welit- krieges. („Die Dardaneilen und ihre Nachbargebiete. 1915° — — „Der Kriegsschauplatz am Schwarzen Meer. 1915° — — „Geologie Kleinasiens im Bereich der Bagdadbahn. 1916 — — „Der Kriegsschauplatz in Ar- menien und Mesopotamien. 1916 — —- „Mesopotamien und der Welt- krieg. 1916° — — „‚Der Suezkanal. 1916“ — — „Die Kriegsschauplätze der Türkei. 1916 — — ,‚Die Bagdadbahn, eine Völkerstraße aus der Vergangenheit. 1916“) Aber doch war ihm auch damals Kleinasien nicht nur der Kriegsschauplatz, sondern auch rein wissenschaftlich das Verbindungsglied für das Verständnis des Zusammenhanges des Baues der alten Welt; das zeigen uns seine beiden letzten reinwissenschaftlichen Veröffentlichungen (,Der Gebirgsbau Südchinas und Indonesiens nach Volz. 1916 — — „Neue Ergebnisse über die Brüche und Gräben Ost- afrikas. 1917“). Was wir von Frech zweifellos zu erwarten hatten, war eine großzügige Darstellung des eurasiatischen Gebirgsbaues. Trotz Sueß’ Antlitz der Erde ist dieser Verlust tief zu bedauern. Neben diesen Arbeiten, die etwa das Lebenswerk Frechs kennzeichnen, gehen zahlreiche andere Veröffentlichungen einher, die mehr als Gelegen- heitsarbeiten zu betrachten sind, Früchte, die bei der regen Tätigkeit des Forschers und Hochschullehrers nebenbei abfielen, Früchte seiner Forschungsreisen und der vielen bei Gelegenheit wissenschaftlicher Kon- gresse in Amerika, Rußland. Skandinavien usw. empfangenen Eindrücke Sie behandeln Fragen der allgemeinen Geographie („Über Korallenriffe und ihre Bedeutung für den Bau der Erdrinde. 1896“ — — „Über Muren. 1898“ — — „Über Karsti- und Höhlenbildungen. 1906° — — „Das Ant- litz der Hochgebirge. 1906% — —- Über tätige und erloschene Geyser. 1905° — — „Über warme und kalte Quellen. 1905“ — — „Die Erdbeben in ihrer Beziehung zum Aufbau der Erdrinde. 1907° — — „Erdbeben und Gebirgsbau. 1907“ — — .„Landschaftsformen der Mittelgebirge. 1907° — — .„Lawinen und Gletscher in ihrer gegenseitigen Beziehung. 1908‘ — — „Aus der Vorzeit der Erde. Sechs Bändchen. 1908if.“ usw.); weiterhin sind es Tatsachen der Paläontologie, die in weiterem Rahmen erörtert werden (,„Explosive Entwicklung der Ammoneen. 1904 — — „Über die Gründe des Aussterbens der vorzeitlichen Tierwelt. 1906 — — „Aus dem Tierleben der Urzeit. 1908 — — „Über geologische Einflüsse auf Entwickelung und Untergang tierischer Arten. 1908° — — „Die Deszendenzlehre in der modernen Geologie. 1909° — — „Geologische Triebkräfte und die Entwickelung des Lebens u.a. So war also Frechs literarische Tätigkeit außerordentlich reich; ein mir vorliegendes Literatur- Nekrologe. 13) verzeichnis, das nur die wichligeren Arbeiten enthält, zählt etwa 150 Nummern. Bemerkenswert, in mancher Beziehung eigenartig, war die Arbeits- methode Frechs. Seine Wissenschaft war ihm sein Höchstes, sie füllte sein Leben aus und war ihm fast Lebenszweck; unermüdlich war sein Fleiß und unentwegt war sein Denken auf das gerichtet, was ihn gerade er- füllte. So war ihm eine gewisse Einseitigkeit eigen; aber gerade in dieser Konzentration lag seine Stärke. Alles gewann Beziehung zu dem Problen., das ihn gerade beschäftigte; was keine Beziehung dazu hatte, ließ ihn, so interessant es auch an sich sein mochte, relativ kühl. Jeder, der länger mit ihm zusammengearbeitet hat, weiß, wie immer ein Gedanke all- beherrschend war in seinem Denken wie im Institutsgetriebe, und wie jemand, der sich mit anderen Fragen beschäftigte, ziemlich außerhalb stand. Trotzdem war sein Interessengebiet groß und sein Wissen auf allen Gebieten tiefgründig. Aber nur durch diese jeweilige innige Konzentration auf ein Gebiet war es möglich, daß er seine Gedanken so zu Papier brachte, wie es oft geschah, daß er, während er selbst ein interessantes Fossil sorgsam präparierte, gleichzeitig der Stenographin diktierte, daß er, wo er ging und stand, seine Gedanken auf Zettel niederschrieb, ja, daß er des öfteren schrieb, während seine Schüler ihm vortrugen. Wie so, wenn ihm ein Problem spruchreif war, die Gedanken zu Papiere drängten, so ließ es sein rastlos tätiger Geist, der schon wieder mit Neuem beschäftigt war, nicht zu einem wiederholten Durcharbeiten oder Feilen an den Manuskripten kommen; es kam wohl beim Korrekturlesen öfter zu Ver- besserungen, die bisweilen ‘den Charakter von Umarbeitungen annahmen, aber sonst war ihm das einmal Geschriebene druckfertig. So erklärt es sich denn auch, daß mitunter Inkonsequenzen und Widersprüche, ja offen- sichtliche Irrtümer und Fehler stehen geblieben sind. Wer wollte dem fruchtbaren, gedankenreichen Forscher, der uns reich mit Neuem, Wert- vollem beschenkt, daraus einen Vorwurf machen?! Schön wäre es ja ge- wesen, wenn ihm ein kongenialer Freund beschieden gewesen wäre, der ihn nach dieser Richtung hin ergänzt hätte; aber derartige Männer, die mit dem schnellen tiefen Verständnis für den hohen Gedankenflug des Freundes eigene scharfe Kritik und die Entsagung eigener schöpferischer Arbeit ver- binden, sind überaus selten. Erschwert worden wäre es auch durch die ungemein große geistige Selbstständigkeit Frechs; unerschütterlich ver- folgte er den Weg, den er als richtig erkannt hatte, und ließ sich nicht be- einflussen. Er war eine zu originale Natur, um fremden Gedankengängen willig zu folgen, Fremdes zu übernehmen; er verarbeitete es in sich neu und erwarb es sich, oft es weiterdenkend, zum geistigen Eigentum. Außer seiner Frau hat er kaum Jemand, auch seine Schüler nur wenig an seiner eigensten Gedankenwelt mitarbeiten lassen. So stand er trotz vieler 14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. guter Freunde und Schüler allein; es hätte anders seinem innersten Wesen widersprochen. Umgekehrt wurde er aus diesem selben Grunde viel an- gefeindet und hatte wissenschaftlich manche heftige Fehde zu bestehen. In seinem wissenschaftlichen Denken und Arbeiten herrschte ein eigenartiger Dualismus; während er auf den Arbeitsgebieten, die ihn packten und beherrschten, die er mit Begeisterung und Feuereifer be- ackerte, wie gesagt, unentwegt und selbständig wandelte und durch Kritik sich kaum beeinflussen ließ, anerkannte er auf den weiten Gebieten seiner sonstigen Betätigung fremde Leistungen gern und willig und war für Kritik außerordentlich zugänglich. Aber dieser Dualismus ist bei einer so temperamentvollen Persönlichkeit, wie Frech es war, wohl verständlich. Aus dem Gesagten leuchtet uns das Bild der Persönlichkeit Frechs als Gelehrter entgegen; ein rastloser Arbeiter und Denker, voll hoher Be- geisterung für seinen Beruf, ein gedankenreicher und fruchtbarer schöpierischer Forscher, dessen Arbeiten tiefgründires Wissen und weit- schauenden Blick vereinigen. Wie ihn als Gelehrten Großzügigkeit aus- zeichnete, Kleinlichkeit ihm fremd war, so auch als Menschen. Er war temperamentvoll, frohherzig und hatte viel Sinn für Humor; warm kam er allen entgegen, die ihm näher standen; aber auch eine satirische Ader war ihm eigen, die aber nicht verlietzend wirkte. In seinen Umgangs- formen war er überaus liebenswürdig, und es mußte schon ein schwer- wiegender Grund vorliegen, wenn er gegen Jemand kühl oder gar ab- lehnend sich verhielt. Er war fein- und vielseitig gebildet und wußte durch sein reiches Wissen auch auf historischem und literarischem Gebiet zw fesseln. Ferner stand ihm, wie das bei Naturwissenschaftlern oft vorkommt, das Gebiet der Musik. In der bildenden Kunst war er ein slühender Verehrer der Antiken, zu deren Werken er in Italien, Griechen- land, Konstantinopel und London wallfahrtete. Ein warmes Herz hatte er für die Natur, und die Liebe zu allem kleinen Getier bildete einen markanten Zug seines Wesens. Er hatte große Vorliebe für Leibesübungen; daß er ein vorzüglicher Hochalpinist war, wurde bereits erwähnt; und das Schwimmen, aber auch den Eislauf liebte er und, wie das für einen Naturfreund nicht wunderbar, die Jagd. Aber derjenige Zug, der immer und allenthalben bei ihm über- wog, war der Gelehrte. Auch auf der Jagd vergaß er seine Wissenschaft nicht, und manchmal versäumte er den Hasen zu schießen, wenn gerade eine Versteinerung am Boden seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Für seine Freunde und Schüler war er immer zu haben und scheute’ keine Mühe, wenn es galt für sie einzutreten. Er liebte die Geselligkeit, und auf seinen Exkursionen ging es stets außerordentlich vergnügt zu; aber auch sonst hatte er einen regen großen Verkehr und ein offenes gast- liches Haus. Nekrologe. 15 Viel hat er über den Rahmen der Universität und Technischen Hoch- schule hinaus für Breslau und Schlesien bedeutet. Auch in der Schlesischen - Gesellschaft für vaterländische Cultur hat er sich eifrig betätigt, zunächst in der naturwissenschaftlichen Sektion; später gründete er, alle ihm nahe stehenden Interessen zusammenfassend, eine Sektion für Geologie, Bers- bau und Geographie, deren Seele und Leiter er war. Als der Weltkrieg ausbrach, stellte er voil Begeisterung seine Kräfte in den Dienst des Vaterlandes und konnte den leitenden Stellen bedeutungs- volle Aufschlüsse über Wert und Wichtigkeit der Bodenschätze besonders des Westens geben. Aber sein Sehnen ging dahin, sich selbst für das Vaterland einsetzen zu können, und glücklich war er, als ihm die Aufgabe zuteil ward als leitender Kriegsgeologe nach der Türkei zu gehen, um dort für das Heer zu wirken in einem Gebiet, das er als Forscher bereits im Frieden kennen gelernt hatte. Eine reiche Tätigkeit wartete sein; aber. kaum, daß er sein Arbeitsfeld betreten, raffte ihn mörderische Krankheit fort. So ging er dahin — ein Opfer des Krieges. Sein Name und Wirken wird in der Wissenschaft fortieben und fort- wirken. ÜUnvergessen wird er seinen Freunden und Schülern bleiben als das, was er auf Erden immer gewesen, als kraft- und machtvolle Persön- liehkeit. Westlicher Kriegsschauplatz, im März 1918. Wilhelm V olz -Erlangen. Karl Paul Friedenthal wurde am i6. Juli 1880 zu Breslau geboren als ältester Sohn des Stadtrats Adolf Friedenthal und dessen Gattin Margarete, geb. Silbergleit. Er besuchte das Kgl. König-Wilhelm-Gym- nasium seiner Vaterstadt, das er Ostern 1899 mit dem Zeugnis der Reife verließ, um sich an der Technischen Hochschule zu München dem Studium der Architektur zu widmen. Nach Ablegung des Vorexamens zu Berlin und weiteren Münchener Semestern bezog Friedenthal die Technische Hoch- schule zu Karlsruhe, Baden, an welcher er Ostern 1905 den Grad als Diplomingenieur erwarb. Ebendort erfolgte im März 1907 seine Promotion zum Dr.-Ing. Seine Dissertation „Das kreuzförmige Oktogon. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Zentral- und Kuppelbaues“ (Karlsruhe, ©. F. Müllersche Hofbuchdruckerei 1908) entstand auf Anregung und unter der Leitung des Karlsruher Architekten Geheimrat Josef Durm, des ver- dienten Kenners und Erforschers antiker Baukunst, der dem jüngeren Fachgenossen stets ein wohlwollender und fördernder Lehrer war. In den seharfsinnigen Untersuchungen dieser Doctorarbeit, an denen gründliche humanistische Bildung, archaeologisches Wissen und praktische bautech- 16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. nische Erfahrung gleichen Anteil haben, beschritt Friedenthal erfolgreich das neue, damals noch wenig erschlossene Gebiet, auf dessen Bebauung Josef Strzygowski in seinen Büchern „Orient oder Rom“ (Leipzig 1991) und „Kleinasien, ein Neuland der Kunstgeschichte“ (Leipzig 1903) die jüngere kunsthistorische Generation nachdrücklich hingewiesen hatte. Er wäre wohl auch der gegebene Mann gewesen zur Lösung der großen Aufgabe, die sich die deutsche Kunstwissenschaft gegenwärtig auf dem Balkan in der Erforschung und Inventarisierung der alten mazedonischen Kloster- und Kirchenbauten gestellt hat. Nach Beendigung seiner Studien arbeitete Friedenthal zunächst auf dem Baubureau des Karlsruher Hochschullehrers Prof. Dr. Hermann Billing, jenes frühverstorbenen genialen Architekten, der gerade damals an der neuzeitlichen künstlerischen Umgestaltung der badischen Residenz hervorragenden Anteil hatte. Im November 1908 trat Friedenthal in den Dienst des städtischen Hochbauamtes zu Breslau. Mitbestimmend für diesen Schritt war der Rat seines Lehrers Durm, der in der Mitarbeit an ausgedehnten künstlerischen Projekten, wie sie am häufigsten und reichsten im großstädtischen Baubetrieve vorkommen. die beste Vor- bereitung für späteres selbständiges Schaffen erblickte. Solche Auf- gaben boten sich auch in Breslau und sie steigerten sich, als die Stadt bald darauf begann, ihre großzügigen Entwürfe für die Jahrhundertfeier der Freiheitskriege in die Tat umzusetzen. Bei Vielem hat Friedenthal wacker mitgeholfen. Seine besondere Liebe aber gehörte dem reizvollen „Japanischen Garten“ im Scheitniger Parke, dessen Gesamtanlage und Einzelpartien von ihm mit feinem Geschmacke durcehgebildet wurden. Im Herbste 1913 schied Friedenthal aus dem städtischen Dienste, um in Gemeinschaft mit seinem Kollegen Wilhelm Brix ein eigenes Archi- tekturbureau zu begründen. Sein stark ausgeprägter Sinn für das Ge- meinwesen, sein warmes Interesse für alle öffentlichen Breslauer Kunst- fragen und seine stets hilfsbereite selbstlose Gefälligkeit ließen ihn aber auch weiterhin in enger Fühlung mit seiner bisherigen Behörde verbleiben. Dem jungen aussichtsreichen Unternehmen der neugegründeten Architekturfirma bereitete der Ausbruch des Weltkrieges ein plötzliches Ende. Während sein Teilhaber als Offizier ins Feld rückte, stellte sich auch Karl Friedenthal, dem der aktive Dienst mit der Waffe versagt blieb, gleich nach Beginn der Mobilmachung in den Dienst des Vaterlandes. In voller frischer Begeisterung wirkte er mit bei der Fortifikation seiner Vaterstadt Breslau. Sein praktischer Blick, seine hervorragende Tüchtig- keit als Bauingenieur machten ihn dann bald zu einem geschätzten Mit- arbeiter an den Feldbefestigungen und Wegebauten auf dem östlichen Kriegsschauplatze, dessen wertvolle Leistungen ihre Anerkennung durch die Verleihung des E. K. II fanden. Nekrologe. 17 Die Anstrengungen und Entbehrungen, die der russische Feidzug mit sich brachte, hatten es lange nicht vermocht, den zähen Widerstand des pflichttreuen und energischen Bauleiters zu brechen. Schließlich aber wart ihn eine schwere Ruhrerkrankkung darnieder, und er sah sich, im Winter 1916, gezwungen, den Kriegsschauplatz zu verlassen, um in der Heimat Heilung zu suchen. Doch die erhoffte Genesung sollte ihm nicht mehr beschieden sein. Am 3. März 1917 wurde Karl Friedenthal von seinen bis zuletzt mit lächelndem Heldenmute ertragenen Leiden erlöst. In dem Veerstorbenen vereinigten sich reiche Gaben des Herzens, Ver- standes und Charakters in glücklicher Mischung, und alle Vorbedingungen für eine fruchtbringende gesegnete Lebensbahn waren erfüllt. Es ist ein wehmütiger Gedanke, sich zu vergegenwärtigen, was Karl Friedenthal für sich und seine Mitmenschen noch hätte sein und leisten können, wenn ihm eine längere Lebensdauer beschieden gewesen wäre. So hätte er sicher, fördernd und anregend auf allen Gebieten künstlerischen Lebens, in der zukünftigen Entwicklung und Ausgestaltung seiner Vaterstadt Bres- lau eine führende Stellung eingenommen. Der „Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur“ gehörte Karl Friedenthal seit dem Jahre 1912 als wirkliches Mitglied an. Sein Name, dem wohltätige Stiftungen der Hinterbliebenen zu Breslau ein ehrendes Andenken sichern, wird bei seinen Freunden unvergessen sein. Arthur Lindner. Carl Hermann Fritsch, geb. am 6. Okt. 1839 in Schweidnitz, be- suchte das Gymnasium daselbst, und verließ es 1856, um die Apotheker- kunst in der Storchapotheke in Breslau zu erlernen, wo er das Gehilfen- examen im Jahre 1859 absolvierte. Als Gehilfe fungierte er in Glogau, Berlin und Breslau, studierte im Jahre 1864 und 1865 unter den Pro- fessoren Loewig, Duflos, Göppert und Marbach und legte das Staats- examen mit dem Prädikat „sehr gut‘ ab. Er ging demnächst nach Bres- lau und Berlin. Von hier aus wurde er 1866 zu den Fahnen einberufen und mit der Verwaltung des Arznei-Reservedepots der I. Armee beauf- tragt. Diesem fiel nach Friedensschluß die Aufgabe zu, alle noch in Böhmen lagernden Arzneivorräte aufzunehmen und den Arzneireserven der heimischen Lazarette zuzuführen. Nach Erfüllung dieser Aufgabe kehrte er im Dez. 1866 nach Berlin als Verwalter der „Askanischen Apotheke“ auf 2 Jahre zurück, ging dann auf kürzere Zeit nach seiner Vaterstadt und verblieb dort, bis er im Juli 1870 als Feldapotheker des 8. Feldlazaretts VI. Armee eingezogen wurde. Dieses hatte seine Haupt- tätigkeit im Süden vor Paris und war '/;s Jahr in Ablons sur Seine eta- bliert. Nach beendigtem Kriege ging Fr. zunächst nach Liegnitz und 1917. 2 18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. siedelte im Jahre 1872 nach Breslau als Verwalter der Mohrenapotheke über. Schon am 1. Febr. 1873 konnte er diese Apotheke käuflich über- nehmen und war bis zum Jahre 1898 in deren Besitz geblieben. In der Zeit seines Schaffens und Wirkens war Fr. lange Zeit Mitglied mehrerer städtischer Kommissionen, und auch vielen Wohltätigkeitsver- einen hat er angehört, mit besonderem Interesse dem Schles. Verein zur Heilung armer Augenkranker. Ebenso hat er in verschiedenen pharma- zeutischen Vereinen gewirkt, und in amtlicher Stellung war Fr. lange Zeit als Apothekenrevisor und Mitglied der Prüfungskommission für die pharm. Vorprüfung tätig. Anfang des Jahres 1898 hatte er die Funktionen des pharmazeutischen Assessors bei dem Medizinalkollegium für Schlesien übernommen, und 1906 wurde ihm der Charakter als Medizinalrat ver- liehen. An Auszeichnungen besaß Fr. den Kronenorden IV. Kl., die Kriegs- denkmünzen von 1866 und 1870/71, die Landwehr-Dienstauszeichnung, die Uentenarmeaaille.e und bei seinem Ausscheiden aus seiner amtlichen Stellung im Jahre 1908 wurde ihm der Rote Adlerorden IV. Kl. verliehen. Mit Carl Hermann Fritsch ist ein hervorragender Fachmann und liebens- würdieer Kollege dahingegangen. s a = ® eg Dr. Weißstein. Kirchenrat Georg Froböß i 26. März 1917. Georg Froböß war ein Breslauer Kind. Am 22. April 1854 wurde er als jüngster Sohn des Kaufmanns Adolf Froböß und seiner Ehefrau Marie geb. Franke zu Breslau geboren. Nachdem er im zarten Alter von 3 Jahren den Vater durch den Tod verloren hatte, besuchte er das Maria-Magdalenen-Gym- nasium zu Breslau, das er mit gutem Erfolge durcheilte. Michaelis 1872 bestand er das Abiturientenexamen und widmete sich in Leipzig und Er- langen dem Studium der Theologie und Philosophie. Franz Delitzsch. Kahnis, Luthardt, von Hofmann, Frenk, von Zezschwitz waren seine Lehrer. Im Jahre 1876 legte er in Breslau die erste und — nach einer Hauslehrertätigkeit im Hause des Rittergutsbesitzers von Schierstädt auf Skyrin Kr. Crossen (Oder) — 2 Jahre später, 1878, die zweite theologische Prüfung ab. Gern folgte er, am 4. 7. 1878 ordiniert, einem Rufe der ev.- luth. Gemeinde seiner Vaterstadt als Hilfsprediger an der Katharinen- kirche. Nachdem er 2 Jahre in dieser Stellung gewirkt hatte, war er von 18850—86 Pastor der ev.-luth. Gemeinde in Altkranz, Kr. Glogau. Im Jahre 1886 'berief ihn die ev.-luth. Gemeinde in Schwirz, Kr. Namslau, zu ihrem Pastor. Hier war ihm die Ausübung seines Amtes dadurch er- schwert, daß er für Predigt und Seelsorge die polnische Sprache erlernen mußte. Mit Fleiß und gutem Sprachverständnis bewältigte er diese Auf- gabe und wirkte an dieser Gemeinde bis 1896 zu großem Segen. Im Jahre rei Nekrologe. 19 1896 wurde er zum Kirchenrat im Hauptamt in das Ober-Kirchenkollegium der ev.-luth. Kirche in Preußen berufen und durfte durch diese Wahl wieder nach seiner Vaterstadt Breslau übersiedeln.. Schweren Herzens vertauschte er die ihm liebgewordene Pfarramtstätigkeit mit dem Ver- waltungsamt. Staunenswert ist das Geschick, mit dem er sich in kurzer Zeit in die überaus umfangreichen Obliegenheiten dieses Amtes ein- arbeitete. In dieser Stellung kam seine große Begabung besonders zur Entfaltung. Unermüdlich war er tätig. Ob es galt die reichlichen täg- lichen Eingänge aus dem weiten Gebiete der Kirche zu bearbeiten, ob es galt den Gemeinden hin und her durch Wort und Sakrament oder kirch- lichen Vereinen bei Festen und sonstigen Anlässen durch Vorträge zu dienen, — ob er Kollegs an dem theologischen Seminar hielt oder als Glied der Prüfungskommission bei den theologischen Prüfungen tätig war, — seine ungewöhnliche Arbeitskraft und eine nie versagende Arbeits- freudigkeit ließen ihn Großes leisten. Als er im Jahre 1906 zum Direktor des Ober-Kirchenkollegs gewählt war, hat seine ganz be- sondere Sorge für die Aufbesserung der Pfarrgehälter ihre Segens- quellen in die Pfarrhäuser hin und her fließen lassen. Sein Herz gehörte nun einmal der lutherischen Bekenntniskirche. Darum ließ er sich angelegen sein, nicht nur bestehende Verbindungen mit anderen lutherischen Landes- und Freikirchen zu festigen, sondern, wo er konnte, auf seinen vielen Reisen — und er reiste gern — neue Beziehungen anzu- knüpfen. Er ist als der Vater der engeren Verbindung der verschiedenen lutherischen Freikirchen anzusehen. — Seinen Bemühungen vor allem ist es zu danken, daß die Verhandlungen mit den Staatsbehörden über eine größere Anerkennung der evang.-luth. (altlutherischen) Kirchengemeinden Preußens durch das Gesetz vom Mai 1908 den Erfolg hatten, daß die Ge- samtheit der unter Aufsicht des Ober-Kirchenkollegs stehenden Gemeinden Korporationsrechte erlangte. — Im Kriege erachtete er es als seine Auf- gabe, den Luth. Gemeinden Polens durch eine zweimalige Reise in das be- setzte Gebiet durch Rat und Tat zur Erhaltung ihres luth. Bekenntnisses zu helfen. — Seine im August 1884 geschlossene Ehe mit Elisabeth Berndt, der Tochter seines Vorgängers im Altkranzer Pfarramt, war von Gott mit 4 Kindern, 3 Töchtern und 1 Sohne, gesegnet. Den Sohn mußte er zu seinem großen Schmerze im Januar 1915 nach dessen eben bestandenem Kandidaten- und Doktorexamen nach qualvollem Schmerzenslager infolge Schrapnellverwundung als Kriegsfreiwilliger des Res. Reg. 229 in den Tod geben. Sein Familienleben war ein herzliches. Wie glücklich war er, wenn er etwa in den Ferien mit den Seinen an der See oder im Ge- birge weilen konnte. Wie liebte er im Familien- und Freundeskreise die Musik. Gern griff er da selbst einmal zur Geige oder sang ein Lied. 98 230 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Er war ein Freund der Geselligkeit. Oft und gern sah er in seinem gast- freien Hause Alt und Jung in größerer oder kleinerer Zahl um sich und gab bei diesen Gelegenheiten mancherlei Anregung und Segen. — Bei all seiner vielseitigen Tätigkeit fand er nicht nur Zeit durch das von ihm geleitete und ausgebaute „Kirchenblatt für die evang.-luth. Ge- meinden in Preußen“ sich eine große Lesergemeinde zu gewinnen und an anderen kirchlichen, hier und da auch politischen (Schlesische Zeitung) und unterhaltenden (Quellwasser) Zeitschriften und Zeitungen mitzu- arbeiten sondern auch durch Herausgabe literarischer Werke sich einen Namen zu machen. Im Jahre 1893 schrieb er seines ersten Vorgängers im Schwirzer Pfarramt „Ed. Kellners Lebensbild.‘‘ 1896 erschien von seiner Hand: „Die Erhaltung der ev.-luth .Kirche in Preußen I. Teil.“ Im darauf- folgenden Jahre 1897 die „Entstehung der luth. Gemeinde in Witten.“ 1905 die „Kurze Abwehr der gegen die ev.-luth. Kirche erhobenen Vor- würfe‘; 1908 die „Geschichte der St. Katharinenkirche in Breslau“. Zum Jubiläum der Breslauer Universität {911 überreichte er Sr. Kaiserl. Hoheit dem Deutschen Kronprinzen eine Schrift: „Drei Lutheraner an der Uni- versität Breslau.“ Auch an der IH. Auflage der Herzog‘schen Real- encezyklopädie war er Mitarbeiter. Für den II. Teil der „Erhaltung der ev.-luth. Kirche in Preußen“ war er bei den umfangreichen Vorarbeiten. als der Krieg ausbrach und ihm die Feder schließlich aus der Hand wand. Als geborener Schlesier gehörte sein reges Interesse auch der Ge- schichte seiner engeren Heimat. Wie oft konnte man in seinem Studier- zimmer Bibliothekbücher über Profan- und Kirchengeschichte Schlesiens finden. Diese Liebe zu seiner schlesischen Heimat zog ihn auch zur „Schles. Gesellschaft für vaterländische Oultur“, deren wirkliches Mitglied er war. Auf einer Amtsreise nach Elberfeld, zum Begräbnis eines eben ver- storbenen Mitgliedes des Ober-Kirchenkollegs ereilte ihn am 26. März 1917 im Eisenbahnzuge zwischen Sommerfeld und Guben unerwartet der Tod. Eben noch lebhaft sich unterhaltend, erlag er in wenigen Augenblicken einer plötzlich eintretenden Herzlähmung. Die Beisetzung fand in Bres- lau am 2. April 1917 statt. Dort in der schlesischen Heimat ruht der Mann, der, wiewohl klein von Statur, doch groß war als Theologe und Kirchenmann, der, von Gott gesegnet, ein Segen geworden ist seiner Familie und als Schriftsteller. Ave pia anima, lux aceterna tibi luceat! — Euge P., Rothenburg (Oder). Am 7. September verstarb in Breslau bei kurzem Aufenthalte uner- wartet an Herzlähmung der Apotheker Ernst Grieben im 81. Lebensjahre. Am 26. August 1836 in Berlin als Sohn des Kaufmanns Albert Grieben und seiner Ehefrau Hulda. geb, Fischer geboren, besuchte er Nekrologe., 21 1843—52 das Königstädtische Realgymnasium daselbst und verließ es, um sich der Pharmacie zu widmen. Zu diesem Behufe trat er in die Apotheke des Herrn Kliche in Pakosc ein. Nach 4 Jahren Lehrzeit arbeitete er als Gehilfe in Thorn, Mogilno, Aschersleben und Ratibor und bestand 1862 die Staatsprüfung. Er war ein Schüler der Chemiker Rose und Mitscherlich, der Physiker Dove und Magnus, der Botaniker Berg und Braun. Nach weiteren 5 Jahren Arbeit in Friedland i. Meckl., Breslau, Laurahütte, Berlin und Hamburg übernahm er die Apotheke in Bojanowo und vertauschte sie nach 20 jährigem Besitz mit einer Apotheke in Gnesen, welch letztere er nach 16 jähriger Tätigkeit seinem Sohne übergab. Dann zog er nach Jena, um «ort Vorlesungen über Naturwissenschaften und Philosophie zu hören, und siedelte 1905 nach Breslau zu demselben Zwecke über. In Jena und Breslau widmete er sich mit Eifer botanischer Sammlertätigkeit und ver- folgte den gleichen Zweck, als er schließlich im Verlauf des Krieges nach Czelusein im Kreise Witkowo (Posen) verzogen war, an seinem neuen Wohnorte. Auf einer Reise nach Breslau ereilte ihn ein jäher Tod nach langem reicherfüllten Leben in Breslau. Der Handelsrichter Richard Grüttner war wirkliches Mitglied unserer Gesellschaft seit 1896. Er hat ihr stets ein sehr lebhaftes Interesse entgegengebracht und an ihren Veranstaltungen, besonders an den Vorträgen regen Anteil genommen. Geboren am 25. Oktober 1849 in Breslau, besuchte er die Realschule am Zwinger. Nach Vollendung seiner Schulbildung wurde er von seinem Vater, dem Mitinhaber eines alten und angesehenen Breslauer Handels- hauses für den Kaufmannsstand bestimmt. Nachdem er bei der Leipziger Garngroßhandlung Berger & Voigt seine Lehrzeit beendet hatte, trat er zunächst als Angestellter, dann als Teilhaber in das Geschäft seines Vaters und Oheims ein. Seine kaufmännische Tätigkeit wurde durch den deutsch-französischen Krieg unterbrochen, in welchem er als Einjährig- Freiwilliger beim 1. Schlesischen Infanterie-Regiment Nr. 10 diente und die Belagerung von Paris mitmachte. Später wurde er bei demselben Regiment Reserve-Offizier und gehörte dann dem 38. Regiment an. Ob- wohl er schon längere Zeit vor Ausbruch des Weltkrieges seinen Abschied genommen hatte, stellte er sich trotz vorgerückten Alters noch für die Etappe zur Verfügung. Seine eigentliche Lebens- und Berufsarbeit leistete er in der Firma Gebr. Grüttner, welcher er mehr als drei Jahrzehnte angehörte. Ihren altbegründeten Ruf wahrte und vermehrte er durch unermüdliche, strengste Gewissenhaftigkeit und peinlichste Sorgfalt mit geschäftlichem Weitblick verbindende Tätigkeit. 23 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Das große Ansehen, welches er sich dadurch in weiteren Kreisen er- worben hatte, verschaffte ihm die Ernennung zum Handelsrichter. Dieses Amt bekleidete er bis zu seinem Tode, obwohl er sich schon mehrere Jahre vorher in den wohlverdienten Ruhestand zurückgezogen hatte. Aber auch sonst hat er der Allgemeinheit wertvolle Dienste geleistet. Er hat — allerdings nur kurze Zeit — der Stadtverordnetenversammlung angehört; längere Zeit hindurch ist er Kurator der Städtischen Sparkasse, sowie Mitglied der Einkommensteuer-Veranlagungs-Kommission für den Stadtkreis Breslau gewesen. Auch in den Dienst seiner kirchlichen Ge- meinschaft hat er sich gestellt, indem er durch 28 Jahre der Gemeinde- vertretung der evangelisch reformierten Hofkirchengemeinde angehörte. Ebenso lange betätigte er sich als Mitglied in dem Komitee des Vereins christlicher Kaufleute. All’ diesen Ehrenpflichten unterzog er sich mit der ihm eigenen geschäftlichen Gewandtheit, mit selbständigem Urteil, mit Wohlwollen für seine Mitmenschen und mit klarem Blick für die Bedürf- nisse des praktischen Lebens. Sein gemeinnütziges Wirken wurde durch Verleihung des Roten Adler- ordens ausgezeichnet. | Wenn er nach rastloser, aufreibender Arbeit der Erholung bedurfte, so suchte und fand er ‚sie in Umgang mit der Natur und mit der klassischen Kunst der Vergangenheit. Der sonst für seine Person völlig anspruchslose Mann unternahm zusammen mit seiner treuen, seine Neigungen teilenden Lebensgefährtin weite Reisen, um an den landschaft- lichen Schönheiten und an den Kunstschätzen nicht bloß der deutschen Heimat sondern auch ferner Länder sich zu erbauen und fortzubilden. Ein Lieblingsaufenthalt für körperliche Erfrischung war ihm Schreiberhau. Dorthin ging er auch im Februar 1917, als er sich matt und elend fühlte, in der Hoffnung, dort wieder wie früher Wiederherstellung seiner Kräfte zu finden. Diesmal aber sollte es anders kommen. Sein Zustand ver- schlimmerte sich immer mehr. Er mußte nach Hirschberg zur Vornahme einer Operation gebracht werden, die das tückische Leiden nicht mehr zu beseitigen vermochte. Er starb dort am 18. März 1917. Dr. Albert Breslauer. Am 17. Februar 1917 riß der Tod nach kurzer Krankheit jäh und un- erwartet aus glücklichstem Familienleben Frau Architekt Marie Henry geb. Kleinod. Geboren am 12. August 1873 als Tochter des Kgl. Amts- rats und Rittmeisters Friedrich Kleinod und seiner Frau Fanny geb. Doeleke, verbrachte sie ihre Kindheit auf den schon mehrere Generationen von der Familie innegehabten Kgl. Domänen Grebelwitz und Tschechnitz, um in ihren reiferen Jahren ihre Ausbildung in Görlitz zu finden. Schon mit 19 Jahren reichte sie ihre Hand dem Architekten Felix Henry zu dem G Nekrologe. 23 Lebensbunde, dem 2 Söhne und 2 Töchter entsprossen. Sie mit mütter- licher Sorgfalt zu erziehen, ihnen und ihrem Gatten das Heim so sonnig als möglich zu gestalten, war ihr liebste Pflicht. Ihr Glück wurde voll, als sie mit den Ihrigen des von treuester Gattenliebe mit zarter Berück- sichtigung ihrer Wünsche in auserlesenstem Geschmack eingerichtete eigne Haus beziehen durfte, wo sie zugleich einer Lieblingsneigung folgend in der verständnisvollen Pflege des Gartens von der Arbeit des Tages die willkommenste Erholung fand. Aus ihrer Kindheit hatte sie vom Lande die Gabe ins Leben mitge- nommen, Alles natürlich zu sehen. Diese Gabe hielt sie fern von allen Übertreibungen und verlieh ihrem Urteil allem Neuen, Menschen und Dingen gegenüber bei all ihrer Herzensfreundlichkeit eine wohltuende Be- stimmtheit. Ein festes Gottvertrauen trug sie über die ihr nicht ersparten Tage schwerer Sorge um ihre eigne Gesundheit und die ihrer Kinder ge- faßt hinweg. Offenen Auges und Herzens für alles Schöne und Gute nahm sie jede neue Anregung auf in dem einen Gedanken, sie zum Segen werden zu lassen für alle die, die ihrem Herzen nahe standen. Mit der ihr eigenen Treue wuchs sie hinein in den Gedanken- und Pflichtenkreis inres Gatten und nahm so auch lebhaften Anteil an den Aufgaben und der Entwicklung unserer Gesellschaft. Ehre ihrem Andenken. 0 @...Bl aymit/stenhn Am 25. Dezember 1917 starb in Udine (Ober-Italien,, wo er als Hauptmann der Landwehr im Heeresdienst stand, der Rechtsanwalt Dr. Robert Höer von hier. Geboren in Görlitz am 27. Mai 1874, besuchte er dort das Gymnasium, das er Ostern 1892 mit dem Zeugnis der Reife verließ. Er studierte Rechtswissenschaft in Breslau und Leipzig, wo er im Jahre 1896 die juristische Doktorwürde erwarb und bestand am 1. Juli 1901 das Assessor- examen mit dem Prädikat „gut“. Im Oktober desselben Jahres ließ er sich am hiesigen Oberlandesgericht als Anwalt nieder. Hier hielt er neben seiner Tätigkeit als Anwalt zunächst Vorbereitungskurse zum Assessorexamen für Referendare ab, die bald außergewöhnlich zahlreich besucht waren. Bereits 1908 mußte er diese Kurse jedoch infolge des raschen An- wachsens seiner Anwaltspraxis wieder aufgeben. Seit März 1912 war er Mitglied der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, deren Bestrebungen er stets regstes Interesse entgegenbrachte. Als der Krieg ausbrach, stellte er sich, obwohl er vor längerer Zeit eines Blinddarmleidens wegen aus seinem Verhältnis als Reserve-Offizier ausgeschieden war, der Heeresverwaltung zur Verfügung und wurde zu- nächst nach Polen kommandiert, wo er bald das Eiserne Kreuz erwarb, 24 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. von wo er jedoch Ende 1915 schwer leidend nach Breslau zurückkehrte. Hier war er zunächst 1'/» Iahre als Kriegsgerichtsrat am Oberkriegs- gericht des stellvertretenden VI. Armeekorps tätig. Im Sommer 1917 glaubte er seinen Gesundheitszustand soweit ge- bessert, daß er sich wieder an die Front meldete, und wurde nach kurzem Kommando in Polen zu seiner Freude der gegen Italien kämpfenden Heeresgruppe zugeteilt. Allein die Anstrengungen des Feldzuges und des militärischen Dienstes hatten seinen Gesundheitszustand soweit er- schüttert, daß er in der Nacht zum 25. Dezember 1917 einem Herzschlage erlag. Mit ihm ist einer der hervorragendsten Anwälte des Oberlandes- zerichts Breslau aus dem Leben geschieden. Eine auf gründlichster theoretischer Durchdringung aufgebaute Beherrschung des Rechtsstoffs verband er mit ungewöhnlicher Klarheit der schriftlichen und mündlichen Darstellung. Der Schlüssel zu seinen Erfolgen lag aber in der Macht seiner Persönlichkeit, die auch scheinbar gleichgültigen Fällen lebendiges Interesse abzugewinnen und auf andere zu übertragen wußte. Diese seine bezwingende Persönlichkeit war es auch, die über die beruflichen Be- ziehungen hinaus ihm in weiten Kreisen Freunde und Verehrer zuführte. Und nicht zuletzt bewirkte die Vornehmheit seiner Gesinnung und seiner Berufsausübung, daß er, wie es bei kraftvollen und eigenartigen Naturen unausbleiblich ist, zwar manchen Geener, aber wohl keinen Feind hatte. Breslau im Mai 1918. Dr. Drost. Am 8. Juni 1917 starb der Kaufmann Julius Jarecki. Geboren am 31. Juli 1855 in Breslau wurde er im elterlichen Hause erzogen und besuchte bis Tertia das Gymnasium zu St. Elisabeth, dann die Realschule zum Zwinger, die er mit dem Einjährigen-Zeugnis verlicß, um sich dem kaufmännischen Berufe zu widmen. Nach einer dreijährigen Lehrzeit bei einer Hamburger Firma der Leinen- und Jute-Branche trat er zunächst als Handlungsgehilfe in das 1846 in Breslau gegründete väter- liche Geschäft ein, dessen Mitleitung er später übernahm. In .dieser Stellung als Großhändler in Textilwaren hat er die dabei gewonnenen Erfahrungen als Mitglied der Handelskammer und Handelsrichter für die Interessen seines Berufes zu verwerten gewußt. Für die bessere Heran- bildung des kaufmännischen Nachwuchses konnte er als Vorstandsmitglied des deutschen Verbandes für kaufmännisches Unterrichtswesen, sowie als Mitglied der städtischen Fachschuldeputation und als Vorsitzender der Fachschule des „Kaufmännischen Vereins“ wirksam eintreten. Die An- regungen, die er im Elisabethgymnasium empfangen hat, veranlaßte ihn auch noch als selbständiger Kaufmann sich mit altphilologischen Studien als Liebhaber zu beschäftigen. Nekrologe. 25 Paul Joppich wurde am 17. April 1852 in Jamke, Kreis Falkenberg, geboren, besuchte zunächst die Volksschule und später das Matthias- eymnasium zu Breslau. ‚ Anfang der siebziger Jahre widmete er sich dem Apothekenberufe, für den er die Ausbildung in Katscher O/S. genoß. Nach seiner Lehrzeit führte ihn eine ausgesprochene Liebe für Wanderungen und Reisen nach Mannheim und von dort nach der fran- zösischen Schweiz, wo er einige Jahre seinem Berufe lebte und jede freie Zeit für Durchstreifen der Alpen benutzte. Nach Rückkehr diente er sein Jahr beim 6. Feldartillerie-Regiment in Breslau und studierte zunächst hier, später in Berlin. Nach Ablegung des Staatsexamens war er einige Jahre in Berlin und Sagan, von 1883 hier in der Apotheke zur Hygiea bis 1895 tätig, in welchem Jahre er die Personal-Konzession zur Einrichtung einer Apotheke in der Kloster-Straße erhielt. Nach Erwerbung eines Grundstückes und Bau eines Hauses, bei dem er besonders den Bedürfnissen der Apotheke Rechnung trug, eröffnete er im Mai 1896 die Apotheke zur Sonne, hier, Kloster-Straße 121, die er bis zu seinem am 10. Mai 1917 or- folgten Tode führte. Joppich lebte vollständig seinem Berufe, in dem er aufging, infolge- dessen er wenig in die Öffentlichkeit trat. Sein vornehmer Charakter, ge- part mit einem ungemein liebenswürdigen und gutmütigen Wesen, ist nur dem engeren Bekanntenkreise, in dem er sehr geschätzt wurde, be- kannt geworden. Die Wanderlust ist ihm bis zu seinem Tode treu ge- blieben, jeden freien Tag benutzte er für den Besuch des Zobtens, sowie der Schlesisechen Gebirge. 'Seine Erholungszeit verbrachte er meist in den Alpen, von denen aus er auch nach Italien ging, den Vesuv bestieg und die Museen der größeren Städte besuchte. Eine besondere Vorliebe führte ihn häufig nach Südtfrol, dessen Alpen und deren Flora ihm ver- traut waren, wie seine heimischen Berge. Wer das Glück gehabt hat, sich von ihm in den Alpen führen zu lassen, wozu er selbst gern aufforderte, konnte dabei erst seinen vor- nehmen Charakter und seine Gutmütigkeit kennen lernen. Seine klare Orientierungsgabe, ein großes geschichtliches Wissen, wie auch seine botanischen Kenntnisse machten eine solche Reise zu einem Genuß, der noch erhöht wurde durch einen ruhigen, immer aufheiternden Humor. Mit ihm ist ein tüchtiger Apotheker und treuer Freund der Berge dahingegangen. Am 4. November 1917 starb Justizrat Alfons Marck, Stadtrat in Breslau. Geboren am 25. Juli 1860 zu Breslau, wurde er 1881 zum 26 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Gerichtsreferendar, 1887 zum Gerichtsassessor ernannt. Seine Neigung führte ihn bald nach bestandenem Assessor-Examen in den Kommunal- dienst. Nachdem er eine Reihe von Jahren ehrenamtlich bei dem Magistrat der Stadt Breslau gearbeitet hatte, wurde er Anfang des Jahres 1897, noch nicht 37 Jahre alt, zum unbesoldeten Stadtrat gewählt. Wie Marck das Ehrenamt auffaßte, in das er in ungewöhnlich jungen Jahren durch das Vertrauen seiner Mitbürger berufen wurde, und was er als Stadtrat leistete, muß als vorbildlich bezeichnet werden. In zwanzig- jähriger segensreicher Tätigkeit ließ er sich nur von dem Gedanken leiten, wie er der Stadt und ihren Bürgern am besten dienen könne. Keine Arbeit war ihm zu viel; jede Rücksichtnahme auf sich selbst war ihm fremd, und nur zu oft hat er gegen den Rat der ihm befreundeten Ärzte die ihm anver- trauten Interessen höher gestellt als seine Gesundheit. Bis zum letzten Atemzuge galt sein Denken und Sinnen seinen Dezernaten. Sein Arbeits- gebiet war auf das Glücklichste seiner Wesenheit und seinen Neigungen angepaßt. Ausgezeichnet durch eine seltene Güte und Hilfsbereitschaft, betätigte er sich in den verschiedensten Zweigen der sozialen Fürsorge. Krankenkassen, Kranken-, Invaliden- und Altersversicherung, der Arbeits- nachweis und vor allem die Armenpflege waren seine hauptsächlichsten Arbeitsgebiete; schließlich trat er — zum ersten Male ein unbesoldeter Stadtrat — an die Spitze der Armendirektion als deren Vorsitzender. Als solcher war er der rechte Mann am rechten Platz. Er erledigte nicht nur die mit dem Amte verbundene gewaltige Arbeitslast in der vorzüglichsten Weise, sondern war zugleich den Unglücklichen und Bedrängten ein warm- herziger Freund und Berater. Und wenn er selbst eines Armen Wünsche nicht erfüllen konnte, ungetröstet schied niemand von ihm. So war es erklärlich, daß eine große Zahl derer, denen er ein Helfer gewesen war, ihm das letzte Geleit gaben und dabei in rührender Weise ihrer Dankbar- keit Ausdruck gaben, nicht nur für das, was er ihnen oder ihren Ange- hörigen geleistet, sondern vor allem für die Güte und Freundlichkeit, mit der er es getan. — Seine Menschenfreundlichkeit, seine Hilfsbereitschaft und seine Herzensgüte machten ihn besonders geeignet auch für das zweite Gebiet seiner großen Tätigkeit, für die Verwaltung der Commerzienrat Fraenckel’schen Stiftungen, deren Kuratorium er fast 30 Jahre, seit 1909 als dessen Vorsitzender, angehörte. Diese Stiftungen, geboren aus reiner Nächstenliebe und bestimmt, den Kummer der Bedürftigen zu lindern, fanden in ihm den verständnisvollen Leiter und Förderer. Die große Arbeitskraft, über die Marck verfügte, ermöglichte es ihm, sich an der Leitung einer großen Anzahl wohltätiger Vereine und Ver- bände, meistens als deren Vorsitzender, zu beteiligen. Dabei begnügte er sich nicht, nur dem Namen nach dem Vorstande anzugehören; er war stets ein ernster und eifriger Arbeiter. Aus der großen Zahl der Anstalten und Nekrologe. 27 Vereine, für die er tätig war, seien hervorgehoben: der Verein gegen Ver- armung und Bettelei, die israelitische Waisenverpflegungsanstalt, die Ge- sellschaft der Brüder, der Asylverein für obdachlose Frauen und Kinder, der Breslauer Hauptverband für Armenpflege und Wohltätigkeit, die Arbeitslehrkolonie für Schwachbefähigte, der Armenpflegerinnenverein, der israelitische Frauenverein, der Kinderschutzverein. Daß ein Mann, dessen ganzes Sinnen und Trachten darauf ging, die Leiden seiner Mitmenschen zu lindern, hervorragenden Anteil an der Lösung der großen Aufgaben nahm, die die Kriegswohlfahrtspflege brachte, war ganz selbstverständlich. Im Vereine mit seiner gleichge- sinnten Gattin, die ihm Anregerin und Helferin war, hat er namentlich bei der Durchführung der Massenspeisungen Vorbildliches geleistet; ferner hat er sich in hervorragender Weise bei der Unterbringung der Kinder auf dem Lande, bei der Organisation der Werbetätigkeit für die Kriegs- anleihen und bei der Einrichtung und Leitung einer Erholungsstätte für die verwundeten Krieger, der Verwundetenrast, betätigt. Zu der umfassenden Tätigkeit, die fast für einen Menschen zu groß war, kam endlich, aber nicht zuletzt, seine Tätigkeit als Mitglied des Vor- standes der Synagogengemeinde. Länger als 20 Jahre hat er dieses Amtes gewaltet, und auch hier war in erster Reihe seine Arbeit der Fürsorge für die Armen und Waisen gewidmet. — Die Herzensgüte, die Liebenswürdigkeit und die stete Hilfsbereit- schaft, die Marck auszeichneten, machten ihn zum Mittelpunkte eines großen Freundeskreises; keinem versagte er sich, in ernsten und in frohen Stunden hatte er für seine Freunde stets Zeit. Sie um sich zu versammeln in schöner Geselligkeit, war ihm eine besondere Freude. Gern ließ er sie teilnehmen an seinem harmonischen Familienleben. In seinem Hause fand er sein höchstes Glück, das nur eine schwere Trübung erfuhr durch den Verlust eines hochbegabten Sohnes, ein Verlust, den er niemals überwunden hat. Dr ME nl Am 12. September 1917 starb nach schwerer Verwundung bei sieg- reichem Vorgehen gegen den Feind im Osten, geschmückt mit dem Eisernen Kreuze I. und I. Klasse, der Königliche Konsistorialrat, Haupt- mann der Landwehr und Kompagnieführer Friedrich v. Merckel, seit dem 28. Dezember 1912 Ehrenritter des Johanniterordens. Friedrich v. Merckel, ein Urenkel des in der Zeit der Befreiungskriege um Schlesien hochverdienten Oberpräsidenten v. Merckel, wurde am 10. August 1879 als Sohn des damaligen Majors, späteren Generals Fried- rich v. Merckel und seiner Gemahlin Auguste geb. v. Goßler in Ratibor seboren. Zunächst in Metz, dann auf dem Großherzoglich Badischen 28 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Gymnasium in Mannheim, schließlich auf dem städtischen Gymnasium zu Maria Magdalena in Breslau vorgebildet, bezog er von Herbst 1897 an .lie Universitäten Breslau, Freiburg (Breisgau) und Berlin, an denen er Rechts- und Staatswissenschaften studierte, während er gleichzeitig in Breslau (Oktober 1898 bis dahin 1899) seiner Militärpflicht als Einjährig-Frei- williger bei dem Grenadier-Regiment König Friedrich III. (2. Schles.) Nr. 11 genügte. Am 19. Dezember 1901 bestand er die erste juristische Prüfung bei dem Königlichen Oberlandesgericht zu Breslau mit dem Prädikat gut. Am 27. Dezember 1901 zum Gerichtsreferendar ernannt und am 6. Januar 1902 für den Staatsdienst verwendet, genoß er seine Aus- bildung an schlesischen Gerichten, zuletzt bei dem Oberlandesgericht in Breslau, wurde auch inzwischen nach Erledigung der vorschriftsmäßigen militärischen Übungen mittelst Patents vom 15. November 1904 zum Leut- nannt der Reserve des Grenadier-Regiments 11 befördert, und legte am 9. Januar 1907 die zweite juristische Prüfung ab, worauf seine Ernennung zum Gerichtsassessor mit Dienstalter vom 9. Januar 1906 ausgefertigt wurde. Nach kurzer Beschäftigung bei dem Landgericht zu Breslau folgte er dem Rufe in die Verwaltung der evangelischen Landeskirche, trat am 10. April 1904 bei dem Schlesischen Königlichen Konsistorium zu Breslau zunächst als juristischer Hilfsarbeiter ein und hat seitdem — nach end- gültiger Übernahme vom 7. Januar 1909 ab als Konsistorialassessor, seit dem 1. April 1915 als Konsistorialrat — dieser Behörde bis zu seinem Lebensende angehört. Am 24. Januar 1914 schloß Friedrich v. Merckel mit Johanna Konter, Tochter des Majors a. D. Viktor Konter und seiner Gemahlin Amalie geb. Willert zu Dahlem bei Berlin, den Ehebund, dem am 1. De- zember 1914 ein Sohn (Friedrich) und am 2. April 1917 eine Tochter (Beate) entsprossen. Alsbald nach Ausbruch des Krieges eilte er voller Begeisterung zu den Fahnen. Er wurde — seit dem 14. Februar 1915 als Oberleutnant und zeitweilig als Regiments-Adjutant, seit dem 14. Juni 1917 als Haupt- mann und Kompagnieführer — nacheinander verschiedenen Infanterie- Regimentern zugewiesen, die sämtlich gegen Rußland zu Felde lagen, und mit denen er an zahlreichen Gefechten und Stellungskämpfen an der Ostfront, zuletzt in Kurland beteiligt war, wo er die tödliche Wunde empfing. Friedrich v. Merckel war eine warmherzige, mit liebenswerten Eigen- schaften ausgestaltete Persönlichkeit, ein lauterer Charakter, von vor- nehmer Gesinnung, reines Herzens und von schlichter, jeder Engherzig- keit fremder Frömmigkeit. Wie er in seinem Hause ein stilles, warmes Glück schuf und genoß, so gestalteten sich auch seine Freundschaftsver- hältnisse dauerhaft, zuverlässig und fest in treuer Aufrichtiekeit. Im Nekrologe. 29 Kreise seiner Mitarbeiter nahm er eine geachtete Stellung ein, allenthalben beliebt wegen seiner steten Hilfsbereitschaft und gleichmäßigen Freundlich- keit gegen jedermann. Mit gründlichen Kenntnissen und klarem Verständnis für die Aufgaben der evangelischen Landeskirche ausgerüstet, war ihm in seiner Arbeit sorgfältiges Abwiegen eigen, und erst nach vorsichtiger Prüfung aller in Betracht kommenden Umstände und mit pietätvoller Schonung des Bestehenden pfiegte er seine Entschlüsse zu fassen, deren Durchführung ihm dann auch unter schwierigen Verhältnissen sicher ge- lang, ohne bei den Beteiligten Unzufriedenheit zu erregen oder gar Emp- findungen rücksichtsloser Behandlung zu erwecken. Tief gegründet war seine Liebe zur preußischen Heimat und die Anhänglichkeit an deren Herrscherhaus. Mit Begeisterung erfüllte ihn die große Geschichte des Vaterlandes, mit freudigem Stolze gedachte er stets der Verdienste, die sich sein Urgroßvater um die gedeihliche Entwicklung des Staatswesens erworben hatte. So nahm er insbesondere im Jubiläumsjahr 1913 regen tätigen Anteil an der Wiederbelebung der Erinnerungen an die große Zeit der Befreiungskriege. Mit Friedrich v. Merckel ist ein treuer deutscher Mann dahingegangen, dessen Verlust mit den Seinen auch von den Freunden und Mitarbeitern aufrichtig beklagt und dessen Andenken treu und in Ehren bewahrt werden wird. DM. ö LER Konsistorialpräsident Schuster. Eduard Metis wurde am 20. Dez. 1891 zu Reichenbach u. E. geboren. Schon am 21. Mai 1917 nahm eine plötzliche Herzschwäche den von schwerer Krankheit Genesenden hinweg. Wohl selten löst der Tod eines jungen Menschen so viel Schmerz und ehrliche Trauer in den verschiedensten Kreisen aus, wie es hier der Fall war: der beste Beweis dafür, daß in Metis kein Durchschnittsmensch dahin- gegangen ist. Freilich hatte auch seine ganze Arbeit die Tendenz, in die Weite zu wirken. Metis war mit Leib und Seele Erzieher, Aufklärer im besten Sinne des Wortes. Schon als Student erwarb er sich als Vor- sitzender des Akad. Zweigvereins des Humboldtvereins für Volksbildung wirkliche Verdienste um die Ausgestaltung der Arbeiterkurse. Ebenso nahm er in verschiedenen jüdischen Vereinigungen, die Bildungswerke ver- folgen, eine geachtete, ja führende Stellung ein. Er verdankte sie nicht zuletzt seinem beweglichen, immer von neuen, anregenden Ideen erfüllten Geist und einem ausgesprochen praktischen, organisatorischen Talent. Seine ganze Kraft aber widmete er seinen Schülern, seit er an seine alte Schule, das Johannesgymnasium zu Breslau gerufen wurde. Uner- müdlich arbeitete er für seinen Unterricht, um in ihm nur das Beste bieten zu können, und mit liebevollem Verständnis wußte er sich in die Eigenart 30 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaierl. Cultur. eines jeden seiner Zöglinge zu versenken. Wie er es aber verstand, sein reiches Wissen im Unterricht zu vermitteln, dafür sei der bezeichnende Ausspruch eines seiner Schüler angeführt: „Metis unterhält sich mit einem, und man merkt gar nicht, daß man dabei etwas lernt.“ Ein besseres Zeugnis kann man wohl einem Lehrer nicht ausstellen, als dab er in echt sokratischer Weise im Gespräch, gleichsam spielerisch, päda- eogische Werte vermittelt. Dabei ist es besonders anzuerkennen, daß er zwar die pädagogischen Bewegungen unserer Zeit mit reger Anteilnahme verfolgte, sich aber mit sicherem Takt von all den modernen pädagogischen Mätzchen fern hielt. Seine Methode erwuchs aus dem Stoff, aus der Wissenschaft selbst, der er mit raschem und sicherem Blick die erzieh- lichen, allgemein menschlichen Werte abzugewinnen wußte, Er konnte es um so eher, weil er von echt wissenschaftlichem Geiste erfüllt war. Seine Hauptinteressen galten der Germanistik und der Romanistik. Nach zahlreichen kleineren journalistischen Arbeiten trat er 1915 mit einem Buch über „Karl Gretskor als Dramatiker“ an die Öffent- lichkeit. Kurze Zeit darauf erschien eine kleine, aber hübsche Studie über „den Gebrauch von duplu als Ersatz für Proportionalia in den romanischen Sprachen“. Weitere Arbeiten erstickte der Tod im Keime. Nur eine ganze Reihe von Kritiken wissenschaftlicher und literarischer Arbeiten aus der Romanistik, besonders aber der deutschen Literatur und Literaturgeschichte lassen erkennen, was von ihm noch zu erwarten war. Gerade in der Kritik lag seine starke Seite. Ihr galt sein besonderes Interesse, wie er sich denn auch mit dem Gedanken einer Geschichte der literarischen Kritik in Deutschland trug. Was ihn zum Kritiker be- fähigte, war die Eigenart seines Wesens, in dem sich die Fähigkeit zum bewundernden Genießen des Schönen mit einem scharf zergliedernden Verstande verband. Eine starke philologische Begabung ließ ihn in müh- samer Kleinarbeit den Dingen auf den Grund gehen. Sie brachte ihm manche hübsche Entdeckung und ließ ihn manchen Fehler aufdecken. Aber er blieb nicht an dem Philologischen hängen. Sein künstlerischer Sinn führte ihn zu einem wirklichen Versenken in die Dichtung und zu ihrem vollen ästhetischen Verständnis. Vor allem mußte man immer wieder sein aus einer starken musi- kalischen Begabung entspringendes feines Gefühl für die Form bewundern, das ihn auch bei eigenen Versuchen in Versen nicht verließ. Er hat frei- lich seine gelegentlichen kleinen Dichtungen nie anders bewertet, denn als Spielereien eines Dilettanten zu eigener oder fremder Belustigung. Aber daß er auch hier über den Durchschnitt herausragte, bewiesen seine z. T. in der Vossischen Zeitung erschienenen Übersetzungen von fran- zösischen Liedern aus der Zeit der englisch-französischen Kriege, die man mit reinem Vergnügen liest. Nekrologe. öl So erscheint das Lebensbild dieses so jung Dahingegangenen in einer Vielgestaltigkeit und einem Farbenreichtum, daß man allein darum seinen frühen Tod beklagen müßte, weil er so viel reichen Fähigkeiten die Ent- faltung abgeschnitten hat. Aber über allem Können steht doch der Mensch mit seinem Charakter. Und wer den Menschen kannte, den läßt der Schmerz über die Tragik dieses Geschickes verstummen. A. Nehring. Frau Geh. Rat Marie Neisser wurde am 14. Februar 1832 in Ham- burg geboren, besuchte die dortige höhere Töchterschule und erhielt im Anschluß daran ihre weitere Ausbildung in einem Pensionat in Altona. Bis in ihr spätestes Alter hinein erfüllte es sie mit Stolz, daß sie in diesem Institut in Geschichte und Literatur von Theodor Mommsen und in der Musik von Car] Reinecke unterrichtet worden war. Wiederholte längere Auslandsreisen gaben ihrem regen Geist Anregung zu fortgesetzten Studien, wobei ihr die völlige Beherrschung der französischen und eng- lischen Sprache tiefere Einsichten in das Wesen der Fremdvölker ermög- lichten. Bei einem Aufenthalt in Berlin lernte sie im Hause ihres Schwagers ihren zukünftigen Gatten, den Badearzt aus Charlottenbrunn, Dr. med. Moritz Neisser kennen und vermählte sich mit ihm am 15. April 1861. Dem aus der ersten Ehe ihres Mannes stammenden Sohn Albert war sie ihr Sanzes Leben hindurch eine ebenso zärtliche Mutter wie ihrem eigenen Sohn Gustav, der in Charlottenbrunn geboren wurde. 35 Sommer verlebte sie in diesem lieblichen Badeort an der Seite ihres allseitig ge- schätzten und beliebten Gatten und ihre werktätige Liebe, ihre stete Opfer- willigkeit hat ihr die dauernde Verehrung und Dankbarkeit der dortigen Bevölkerung gesichert. Als sie im Jahre 1896 Witwe wurde, nahm sie ihren dauernden Wohn- sitz in Breslau, sich an dem Glück ihrer Kinder und an der schönen Ent- wicklung ihrer Enkel erfreuend. Marie Neisser war eine ganz eigenartige, fest in sich abgeschlossene Persönlichkeit, deren vollen Wert nur derjenige ganz würdigen konnte, der sie genau kannte. Abhold aller konventionellen Lüge, von unbe- grenzter Wahrheitsliebe erfüllt, war ihr ganzes Denken und Trachten auf das Echte und Gute gerichtet. In strenger Selbstzucht aufgewachsen, ge- wöhnt die höchsten Ansprüche an sich selbst zu stellen, war sie doch stets nachsichtsvoll und milde in der Beurteilung ihrer Nebenmenschen und duldete in ihren Räumen keine lieblose Kritik über Abwesende. Mit un- beugsamer Energie überwand ihr lebhafter Geist die Gebrechen des Alters, und obgleich die Bürde der Jahre den Nacken der einst so stattlichen Frau gebeugt hatte, so blieb doch ihre Empfänglichkeit für die Schönheit 33 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. der Natur und der Kunst ungebrochen. Mit rüstigem Schritt bestieg die 83 jährige noch im Jahre 1915, von der Riesenbaude aus, die Schneekoppe und nahm noch bis ganz kurze Zeit vor Ausbruch ihrer Krankheit mit regstem Interesse persönlich an künstlerischen ölfentlichen Darbietungen teil. Am 15. Januar verschied sie an einer fieberhaften Bronchitis. Das Andenken an diese edle, hochstehende Frau wird in Treue bewahrt bleiben. BE h Luise Rosenhain. Am 28. Juni 1917, abends gegen 6 Uhr, erlag der ordentliche Prodessor der theoretischen Physik an der Universität Breslau, Dr. Ernst Prings- heim, einem Schlaganfalle, mitten aus scheinbar bestem Wohlbefinden und blühender Gesundheit heraus. Zu dieser Stunde sollte eine Sitzung der Naturwissenschaftlichen Sektion der Schlesischen Geselischait für vaterländische Oultur im physi- kalischen Institut der Universität stattiinden, die Pringsheim als vor- sitzender Sekretär mit einem Nekrologe auf den jüngst verstorbenen Mineralogen Carl Hintze eröfinen sollte statt dessen kam, wenige Minuten vor Beginn der Sitzung, uns alle überraschend und erschütternd, die Nachricht von seinem jähen Hinscheiden. In tiefer Rührung sprach Lummer einige Worte zum Gedächtnisse seines langjährigen Freundes und Mitarbeiters, und dann wurde die Sitzung vertagt. Am 2. Juli wurde er auf dem Friedhofe der reformierten Gemeinde in Breslau beigesetzt. Pringsheim war am ii. Juli 1859 in Breslau geboren; er hat also ein Älter von nicht ganz 58 Jahren erreicht. Er besuchte in seiner Vaterstadt das Magdalenen- und Johannes-Gymnasium und widmete sich dann auf den Universitäten Breslau, Heidelberg und Berlin dem Studium der Physik und Mathematik. Besonderen Einfluß gewannen auf ihn Helmholtz und Kundt, und aus diesen Zeiten stammen seine freundschaftlichen Be- ziehungen zu zahlreichen namhaften Physikern, die aus dem Berliner Laboratorium hervorgegangen sind. 1882 promovierte er zum Doktor der Philosophie, 1386 erfolgte seine Habilitation für Physik an der Berliner Universität, 1896 wurde er durch Verleihung des Professortitels ausge- zeichnet, und 1905 wurde er, nachdem er inzwischen einen Ruf nach Greifswald abgelehnt hatte, als ordentlicher Professor der theoretischen Physik nach Breslau berufen, wohin ihm sein Mitarbeiter Lummer ein halbes Jahr früher vorangegangen war. Hier waren ihm noch 12 Jahre reichen Schaffens und Wirkens vergönnt. Pringsheims wissenschaftliche Produktion war fast ausschließlich experimenteller Natur; er war ein vortreftlicher, kritischer Beobachter, und in seinen Arbeiten zeigt sich ein ausgesprochenes experimentelles Geschick. Nekrologe. 93 Gleich in seiner Dissertation tat er den bedeutungsvollen Schritt, zur Untersuchung der ultraroten Wärmestrahlung die Linsen des Spektrometers durch Hohlspiegel zu ersetzen, und er schuf so eine Anordnung, aus der sich unser heutiges Spiegelspektrometer entwickelt hat. In derselben Arbeit verwendete er auch als Erster das Radiometer zu Meßzwecken. Er hat damit das Gebiet beschritten, auf dem er später mit Lummer zusammen seine bedeutendsten Arbeiten machen sollte. Einstweilen jedoch behandeln seine der ersten nachfolgenden Arbeiten recht verschiedene Themata; so verband er sich mit dem Jenenser Philologen Schwan zu einer phono- metrischen Untersuchung über den französischen Akzent, mit dem da- malisen Königsberger Juristen Gradenwitz zur Ausarbeitung einer photo- graphischen Methode zur Rekonstruktion von Palimpsesten. Eine kleine Arbeit ist es nur, von etwa 3 Seiten, aber eine Fülle von feinen physi- kalisch-chemischen Anwendungen enthaltend; mit einem Worte: ein kleines Meisterwerk. Nachdem er sich weiterhin der Frage nach der Art .der Elektrizitätsleitung in heißen Gasen zugewandt hatte, erschienen zu Beginn der neunziger Jahre seine Abhandlungen über das Kirchhoffsche Gesetz und die Strahlung der Gase. Während man bis dahin — nach dem Vorgange seiner Urheber — unbedenklich das Kirchhofische Gesetz auf die Lichtemission der Gase z. B. im Bunsenbrenner, im Geißlerrohr usw. angewendet hatte, war Pringsheim der erste, der an der Berechtigung dazu zweifelte. Er bemühte sich zu zeigen, dab das Leuchten der farbigen Flammen keine Temperaturstrahlung sei — für eine solche gilt allein das Kirchhoffsche Gesetz —, sondern durch chemische Einflüsse bedingt würde. Er vertrat mit Energie die Ansicht, daß durch Temperaturerhöhung allein die Gase nicht zum Leuchten gebracht werden könnten. Zweifellos ist er damit — wie gerade die unter Lummers und seiner Leitung im hiesigen physikalischen Institut ausgeführten Arbeiten gezeigt haben, — zu weit gegangen; doch hat er das unbestrittene Verdienst, zuerst diese Frage an- geschnitten und damit der Wissenschaft einen mächtigen Impuls gegeben zu haben. Insbesondere hat er den großen Unterschied betont zwischen der ultraroten Strahlung der Gase, z. B. der Kohlensäure, und der Licht- emission im Banden- oder Serienspektrum, und darin hat ihm die weitere Forschung durchaus Recht gegeben. | Gegen Ende der neunziger Jahre beginnt die Periode gemeinsamen Schaffens mit Lummer. Zunächst veröffentlichten sie eine Arbeit, deren Inhalt ganz abseits liegt: eine Neubestimmung des Verhältnisses der spezifischen Wärme einiger Gase. Diese Arbeit kann ein Muster exakter experimenteller Forschung genannt werden. Kurz darauf erschienen in rascher Folge die gemeinsamen Untersuchungen über die Gesamtstrahlung des schwarzen Körpers, über die Energieverteilung im Spektrum desselben und des blanken Platins, über bolometrische und photometrische Methoden 1917. 3 34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. zur Temperaturbestimmung. Die Bedeutung dieser Arbeiten ist zu be- kannt, als daß es notwendig wäre, hier näher darauf einzugehen. Nur das eine sei hier betont, daß sie die ursprünglich einzige experimentelle Unter- lage und der Anstoß für die kühne Quantenhypothese Plancks bildeten, die jetzt im Begriffe steht, die Grundbegriffe der Physik zu revolutionieren. Diese gemeinsamen Arbeiten fanden etwa 1905 ihren Abschluß durch die Berufung Lummers nach Breslau, wohin ihm Pringsheim Oktober des- selben Jahres als Vertreter der theoretischen Physik nachfolete. Es war bereits oben erwähnt worden, daß Pringsheims ganze Arbeits- richtung experimenteller Natur war; nur eine theoretische Arbeit liegt von ihm vor, nämlich ein außerordentlich einfacher und strenger Beweis des Kirchhofischen Gesetzes. Durch diese Arbeit wurde er übrigens in eine Polemik mit Hilbert verwickelt, die er schließlich abgebrochen hat, obwohl ihn die Gründe seines Gegners nicht überzeugt hatten. Durch seine Be- rufung wurde er plötzlich vor andere Aufgaben gestellt, die er mit der ihm eignen Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit zu bewältigen bestrebt war, nämlich die Ausarbeitung seiner Vorlesungen über theoretische Physik. So ist es erklärlich, daß der reiche Strom produktiver Forschung nach seiner Berufung nach Breslau allmählich verebbt ist. Dafür aber sind unter Lummers und seiner Leitung im Breslauer physikalischen Institut auf den von ihm gepflegten Gebieten zahlreiche wertvolle Arbeiten entstanden. Von diesen seien hier nur diejenigen über die Empfindlichkeitskurve des Auges für die verschiedenen Lichtwellenlängen erwähnt, die mittels des von ihm und Lummer konstruierten „Spektralflickerphotometers‘ ausge- führt worden sind. Pringsheim hat hier in Breslau einen sechssemestrigen Kursus der theoretischen Physik eingerichtet (Zwei Semester Mechanik, je eins Wärme, Elektrizität, Optik, kinetische Theorie der Materie und Elektrizität), wozu noch die Übungen im gewöhnlichen Umfange traten. Gelegentlich hat er auch eine kleine Spezialvorlesung über Relativität gehalten, in der sich neben den Studierenden auch fast sämtliche jüngere Dozenten vor seinem Katheder einfanden. Es war die einzige Vorlesung, die ich bei Prings- heim zu hören Gelegenheit hatte. Seine Art vorzutragen, entsprach durchaus seiner Natur: stets sprach er rein sachlich, gelegentlich die Strenge des Stoffes mit feinem Takte durch einen leisen Humor würzend. So waren seine Vorlesungen nicht minder wie gelegentliche Vorträge im Humboldtverein für Volksbildung für den reifen Hörer ein vollendeter Ge- nuß. Auch wer nicht Gelegenheit hatte, ihn zu hören, kann sich ein Bild von seiner Art machen, wenn er das prächtige Buch „Physik der Sonne“ in die Hand nimmt, in dem er seine Berliner Vorlesung gleichen Titels der Öffentlichkeit übergeben hat. Auch hier zeigt sich glänzend seine päda- sogische Begabung und seine lichtvolle Klarheit der Darstellung. Sie Nekrologe. 35 eignete ihm nicht nur in wissenschaftlichen Dingen; auch bei geschäftlichen Verhandlungen in Fakultät und Senat mußten diese Eigenschaften ihn zu einem äuberst geschätzten Mitgliede der Universität machen. Es war oft glänzend, wie er in schwierigen Fragen den Nagel auf den Kopf traf und eine verfahrene Situation mit einem treffenden Witzwort löste, das die Spannung beseitigte und bei den Beteiligten kein Unbehagen hinterließ. So wuchs sein Einfluß in Breslauer Universitätskreisen rasch, und gerade im Todesjahr berief ihn das Vertrauen der Kollegen zur Würde des Dekans der philosophischen Fakultät. Nach zehnmonatlicher glänzender Geschäftsführung entriß ihn uns der unerbittliche Tod. Was war er nun unserer Gesellschaft? Seine Beziehungen zu ihr sind bereits recht alt. Am 29. Oktober 1879, also vor rund 38 Jahren, trug der damalige Studierende der Naturwissen- schaften Ernst Pringsheim vor der naturwissenschaftlichen Sektion unserer Gesellschaft seine erste Arbeit über erdmagnetische Messungen im Bres- lauer physikalischen Institut vor. Seit dieser Zeit verknüpfte ihn ein enges Band mit der Schlesischen Gesellschaft, das zum Teil auf einer Art Pietätsgefühl, teils auf der praktischen Erwägung beruhen mochte, wie vorteilhaft namentlich für einen Physiker ein lokales Publikationsorgan sein kann. Immer ist er, wo er konnte, lebhaft für ihre Interessen einge- treten. Dies zeigte sich besonders bei den Vereinigungs-Verhandlungen mit der ehemaligen chemischen Gesellschaft, jetzigen chemischen Sektion unserer Gesellschaft. Gegenüber manchen Bestrebungen, die aus nicht zu erörternden Gründen die Trennung aufrecht erhalten wollten, trat er leb- haft für die Vereinigung ein, und er drang durch. Als Sekretär gehörte er unserer Abteilung lange Jahre an und führte vielfach, in den letzten Jahren meistens, den Vorsitz mit der ihm zu Gebote stehenden Gewandtheit und Liebenswürdigkeit. Als Vorsitzender kam er zuweilen in die Lage, ver- storbenen Mitgliedern der Gesellschaft einen Nachruf zu widmen. Ich er- wähne dies, weil eine Lektüre dieser z. T. veröffentlichten Nachrufe denen, die Pringsheim nicht näher kannten, in gewissem Sinne ein Bild von seiner Persönlichkeit verschaffen kann, und ich denke hier besonders an die Worte, die er dem vor einigen Jahren verstorbenen Astronomen unserer Universität, Julius Franz, gewidmet hat. Sie zeugen von einem so tiefen und liebevollen Verständnis für eine ganz anders geartete Natur, von einer bei allem Lächeln über die Schrullen des als Original bekannten Gelehrten so warmen Verehrung für dessen reine, allem Materiellen abgewandte Per- sönlichkeit, daß man diesen Nachruf nur mit tiefer Rührung lesen kann. Für mich war gerade dieser Nachruf auf Franz die Veranlassung, Prings- heim zu bitten, am 28. Juni, der sein Todestag werden sollte, Worte des Gedenkens auf Carl Hintze zu sprechen. Es sollte nicht sein. 36 . Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Wie seine erste, so gehört auch seine letzte Arbeit und sein letzier Vortrag unserer Gesellschaft: die erstere, eine Untersuchung über die optischen Eigenschaften von Wolfram, trug er hier an dieser Stelle am 28. Juni 1916 vor, genau 1 Jahr vor seinem Tode, letzteren über Atom- modelle, etwa 8 Tage vor seinem Hinscheiden, in der chemischen Sektion. Dieser Vortrag, der allgemeinen Beifall fand, und den er auf allseitiges Bitten dem Drucke übergeben wollte, zeigte doch uns, die wir ihn näher kannten, daß er an diesem Abende nicht ganz auf der Höhe seiner physischen Leistungsfähigkeit stand: Pringsheim erschien uns an diesem Tage müde. Als ich dies äußerte, wurde mir lebhaft widersprochen, und in der Tat konnte nur jemand es bemerken, der ihn genau kannte. Natür- lich war jeder weit entfernt, etwas Schlimmes zu ahnen. Der Name Ernst Pringsheim wird mit der Breslauer Universität, dem Physikalischen Institut und nicht zuletzt mit unserer Gesellschaft stets verbunden bleiben. Ehre seinem Andenken! C1.2S:chrarezen: Am 13. Januar 1917 starb der Partikulier Ludwig Sachs. Am 30. März 1851 zu Guttentag in Schlesien geboren, wurde er zu- nächst in seiner Vaterstadt in einer Privatschule unterrichtet und trat als- dann in das Realgymnasium zum Zwinger zu Breslau ein, das er bis Ober- secunda besuchte. Dann trat er in ein hiesiges Kolonialwaren-Engros- geschäft ein und übernahm nach vierjähriger Tätigkeit die Brauerei, Destillation und Ökonomie des Vaters nach dessen Tode. Nach acht- jähriger Tätigkeit verkaufte er die Besitzungen in Guttentag und siedelte nach Breslau über. Er kaufte ein altes Engrosgeschäft und beteiligte sich an einem Striegauer Granitsteinbruch. Im Jahre 1900 zog er sich mit Rücksicht auf seine geschwächte Gesundheit von seinen Geschäften zurück und hat sich mit großem Eifer und bestem Erfolge als städtischer Armendirektor und als Vorstandsmitglied wohltätiger Vereine damit be- schäftigt Not und Leid seiner Mitmenschen zu lindern. Geheimer Sanitätsrat Dr. Ernst (Salo) Sandberg, langjähriger Primärarzt des Jüdischen Krankenhauses in Breslau, starb im Alter von 68 Jahren am 30. Juli 1917 nach längerer Krankheit. Ein Leben, über- reich an Arbeit, Aufopferung und Pflichttreue, aber auch reich an großen Erfolgen fand damit seinen Abschluß. Ernst Sandberg, geboren am 12. November 1849 als Sohn eines Kauf- manns, zu Özempin Prov. Posen, besuchte die Gymnasien zu Groß-Glogau und Lissa i. P., bestand daselbst das Abiturientenexamen und ließ sich Ostern 1868 bei der medizinischen Fakultät der Universität Breslau immatrikulieren; von da an wurde Breslau seine Adoptivvaterstadt. Nekreloge. 37 Juni 1870 bestand er das Tentamen physicum, Januar 1872 das Examen rigorosum. Am 26. März 1872 promovierte er mit einer Arbeit: „Über die pathologische Ausscheidung von Blutfarbstoff‘. Er hat seine Arbeit seinem Lehrer Lebert, dem er sich zu besonderem Danke verpilichtet fühlte, gewidmet. Schon im Jahre 1873 trat er als Assistent am alten Jüdischen Kranken- hause in Breslau ein und blieb demselben bis zu seinem Tode — 44 Jahre lang — treu. Von 1873 bis 1889 — 16 Jahre — war er als Assistent tätig, 1889 wurde er nach dem Tode seines Chefs, Geheimrat Graetzer, zu dessen Nachfolger als Primärarzt des Krankenhauses ernannt. Diese Stelle hatte er 28 Jahre inne, 1903 siedelte er in das neuerbaute Krankenhaus in der Hohenzollernstraße über, in dem er bei der Vergrößerung von 50 auf 250 Betten nicht mehr die alleinige Leitung übernehmen konnte, sondern sich nur auf die Leitung der inneren Abteilung beschränkte. Diese Stellung bekleidete er 14 Jahre lang. Ein Jahr vor Übernahme der letzten Stellung, 1902, wurde er zum Sanitätsrat, 1911 zum Geheimen Sanitätsrat ernannt, und im Dezember 1916 erhielt er als äußeres Zeichen der Anerkennung für die Verdienste, die er sich durch seine aufopfernde Tätigkeit bei den Verwundeten der Lazarett- abteilung des Krankenhauses erworben hatte, das Eiserne Kreuz am weiß- schwarzen Bande. Sandberg war ein Mann von seltenen Fähigkeiten und Charakter- eigenschaften. Es waren ihm neben seinen vielseitigen geistigen Gaben eine reiche Fülle von Vorzügen des Herzens verliehen: ein weiches Gemüt, eine aus wahrer Herzensgüte und echter Menschenfreundlichkeit ent- springende Hilfsbereitschaft, Eigenschaften, die wir bei guten Ärzten des öfteren finden. Daß Sandberg aber einen besonderen Typus eines her- vorragenden Arztes vorstellte, hatte andere Gründe. Es lag dies an seinem seltenen Entwicklungsgang. Sandberg wurde schon frühzeitig Assistent; die Eigenart des alten jüdischen Krankenhauses gestattete es ihm, neben seiner Krankenhaustätigkeit als Assistent und später auch als Chef noch eine sehr umfangreiche Hausarzttätigkeit im guten alten Sinne des Wortes zu treiben. Bei seinem ungeheuer großen Fleiß — Sandberg begann seine Tätigkeit schon in den ganz frühen Morgenstunden und hörte nicht vor der Nacht auf — konnte er seine Beobachtungen aus der Praxis am Krankenbett vertiefen und vervollkommnen. Hierzu kam die besondere Gabe eines ungemein scharfen Verstandes, eines glänzenden Gedächtnisses, intuitiven Erfassens und eines hoch künstlerischen Sinnes, und aus diesen Eigenschaften entwickelte sich der große Arzt, der Sandberg unbedingt war, als er die Leitung der großen inneren Abteilung des neuen Kranken- hauses am Anfang des Jahrhunderts übernahm. Zu dieser Zeit gab er all- mählich seine Hausarzttätigkeit auf, und jetzt wurde Sandberg jener viel- 33 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. gesuchte interne Spezialist, dessen Ruf weit über die Grenzen seiner Adoptivvaterstadt in die Provinz und bis ins Ausland, insbesondere Polen, drang. Sandberg war ein Mann der ärztlichen Kunst, aber darum nicht weniger auch ein Mann der Wissenschaft, nicht in dem Sinne, daß er seine sroßen Erfahrungen durch Veröffentlichungen bekannt gab, das lag ihm nicht, sondern durch Mitteilung von Mund zu Mund. In den letzten Jahren vor Kriegsbeginn kamen Tag für Tag eine große Anzahl von Ärzten von auswärts und aus der Stadt, um mit dem ärztlich universell gebildeten Mann die tägliche Visite machen zu dürfen. Wenn man Sandberg an dieser Stelle sah, wie er dozierte und wie er sein Bestes gab, so hatte man seine wahre Freude daran. So war er auch für seine Assistenten ein vorzüg- licher Lehrer und Freund. Sie hingen an ihm mit außerordentlicher Ver- ehrung. Er hat durch diese Tätigkeit eine große Anzahl ausgezeichnet durchgebildeter praktischer Ärzte erzogen, die selbst wieder sehr gesuchte Ärzte geworden sind. Man würde der gesamten Tätigkeit Sandbergs nicht gerecht werden, wenn man seiner nicht auch als Leiter der staatlichen Krankenpflegeschule sedenken würde. Auch an dieser Stelle hat er stets sein Bestes gegeben. Er hat sich mit außerordentlichem Fleiß und Geschick der Ausbildung der Schwestern angenommen, und er war ihnen nicht nur Lehrer, sondern auch Freund. Seine Tätigkeit als Lehrer der Krankenpflegeschule hat auch die besondere Anerkennung der Regierung gefunden. . 5 a = Gottstein Am 9. Februar 1917 verschied in Breslau der dortige Justizrat Siegiried Schück. Er war am 5. August 1861 zu Grünberg i. Schl. ge- boren, hatte zunächst die Schule seiner Heimatstadt und dann das Gym- nasium in Glogau besucht. Bereits in der Schulzeit zeichnete er sich durch glänzende Geistesgaben und hervorragende Leistungen aus. Nach be- standener Reifeprüfung widmete er sich auf den Universitäten Leipzig und Berlin der Rechtswissenschaft. Sowohl die erste wie die zweite juristische Prüfung bestand er mit Auszeichnung, nachdem er in Glogan und Breslau als Referendar gearbeitet und dabei von allen Richtern eben- falls besonders hoch geschätzt worden war. Deshalb suchte einer der an- gesehensten und beschäftigtsten Anwälte Breslaus, der auch durch seine hochherzige Millionenstiftung für die Breslauer Anwaltskammer sehr be- kannte Justizrat Berger, sich die Kraft des jungen Assessors Schück zu sichern und vereinigte sich mit ihm zu gemeinschaftlicher Ausübung des Anwaltsberufs. In diesem Beruf hat sich Schück in seltener Weise be- währt. Er war nicht bloß reiner Praktiker, sondern verfolgte mit regem Eifer die Rechtsprechung und die gesamte Literatur der Rechtswissen- schaft. Diese Kenntnisse verwertete er in der Praxis derart, daB jede Nekrologe. 39 Sache nicht bloß in tatsächlicher, sondern auch in rechtlicher Beziehung auf das gründlichste durchdacht und durchgearbeitet wurde. Jeder seiner An- träge und Schriftsätze konnte deshalb geradezu als ein Muster, ja, als ein Kunstwerk gelten, da er eben nichts herausgehen ließ, das nicht vollständig ausgereift war. Deshalb erfreute er sich nicht nur bei seinen Auftrag- gebern, sondern auch bei den Gerichten eines hohen Ansehens. Dabei war sein Sinn ein durchaus idealer, denn er faßte den Anwaltsberuf nicht ledig- lich als Erwerbsquelle auf, sondern sein Bestreben war in erster Linie darauf gerichtet, dem Recht zum Siege zu verhelfen. Auch sein Privat- leben war ein musterhaftes, insbesondere das Verhältnis zu seiner Gattin und zu seinen Freunden, darunter zu dem ebenfalls hochangesehenen Justizrat Max Neumann, ein Verhältnis, das man nahezu als ein brüder- liches bezeichnen konnte. Als nach einer Reihe von Jahren die Ver- einigung zwischen Schück und Berger im besten Einvernehmen gelöst wurde — bis zum Lebensende Bergers blieb dieser mit Schück und dessen Gattin durch herzliche Freundschaft verbunden — und Schück den Anwaltsberuf selbständig ausübte, erwarb er bald eine sehr ausge- dehnte Praxis, hauptsächlich in den Kreisen der Kaufleute und Schiff- fahrtsinteressenten, da er das Handels- und Schiffahrtsrecht zum Gegen- stande seines Spezialstudiums gemacht hatte. Alle irgenwie beachtens- werten Bücher der rechtswissenschaftlichen Literatur schaffte er an, und ebenso hielt er alle einschlägigen Zeitschriften mit, eine Bücherei, die nach seinem Tode als hochherzige Gabe in den Besitz der Breslauer Stadt- bibliothek übergegangen ist. Schück war aber nicht nur Jurist, sondern er hatte auch ein lebhaftes Interesse für alle andern auf geistigem Gebiet liegenden Dinge. Leider wurden die letzten Jahre seines Lebens durch eine schmerzhafte Krankheit getrübt, was ihn aber nicht hinderte, mit Auf- bietung aller Kraft seine Berufspflichten auf das gewissenhafteste zu er- füllen. Seine Gesundheit wurde besonders durch das im Jahre 1916 er- folgte Ableben seines Freundes Neumann heftig erschüttert, und selbst die zärtlichste und sorgfältigste Pflege seiner Gattin war zu deren Schmerz und dem Schmerz aller, die ihn kannten, nicht imstande, den viel zu frühen Heimgang dieses edlen Mannes abzuwenden. Sehöaterg Am 5. Dezember 1917 ist Dr. Ignatz Steinschneider, Badearzt in Franzensbad und Ehrenbürger dieser Stadt, in Breslau einem Herzschlag erlegen. Geboren den 26. Juli 1844 in Mährisch-Weißkirchen als der Sohn eines Arztes, der neben der Ausübung seiner ausgedehnten Praxis auch die dortigen Güter des Reichskanzlers Metternich verwaltete, besuchte er das Gymnasium in Olmütz und das akademische Gymnasium in Wien, das er 1863 verließ, um Medizin zu studieren. Gleichzeitig wurde er Stenograph ee 40 Jahresbericht der Schies. Gesellschaft für vaterl. Cultur. im Reichsrat. 1868 als M. U. Dr. promoviert, ging er einem Rufe des Hoch- u. Deutschmeisterordens folgend, als Badearzt nach Karlsbrunn, wo er in zehnjähriger Tätigkeit segensreich wirkte und es verstand, den kleinen schlesischen Badeort zur Entwickelung und Blüte zu bringen. Die Sehnsucht nach größerer Tätigkeit ließ ihn 1879 seinen Wohnsitz nach Franzensbad verlegen. Bald erwarb er sich dort eine große Praxis und eine führende Stellung in der Ärzteschaft. Er wurde, und blieb es bis zu seinem Tode, Obmann des dortigen Ärztevereins und wußte durch sein konziliantes Wesen, dureh seine Ruhe und die Abgeklärtheit seines Urteils ein vorzügliches kollegiales Verhältnis herzustellen und zu unterhalten. Er wurde auch die treibende Kraft für die Gründung des zu schaffenden Ärztekurhauses, dessen Vorstand er angehörte. Seine Klientel setzte sich aus den besten Schichten der internationalen Gesellschaft zusammen, die er, da er Polyglott war, alle in ihrer Muttersprache beraten konnte. Die Wintermonate verlebte er stets in Pisa, um sich dort neben ärztlicher Tätigkeit literarischen und kulturhistorischen Studien hinzugeben, bis er sich 1883 mit einer Breslauer Dame verheiratete, und seitdem stets den Winter in Breslau verbrachte. Hier widmete er sich unter der Ägide Albert Neissers an dessen Klinik biologischen Studien über den Gonococcus, dessen Bedeutung für die Er- xrankung der weiblichen Sexualorgane ihn ganz besonders interessierte. Die Resultate dieser Forschungen sind in zahlreichen Monographien ver- öffentlicht worden‘). Außerdem entstanden eine ganze Reihe von Arbeiten über die Wirkung der Franzensbader Kurmittel?). Steinschneider war ein Mann von vielseitigster Bildung. Er hatte in seinen Studentenjahren das Glück zum engeren Kreise von Makart, Brückner, Brahms usw. zu gehören und hat sich wohl daher das große Interesse und liebevolle Verständnis für alle schönen Künste erworben, ohne daß er selbst in irgend einer derselben ausübend gewesen wäre. Er sprach — wie schon erwähnt — eine Reihe — auch slawische — Sprachen und war in den Literaturen aller Länder bewandert, die er durch große 1) Über den Sitz der gonorrhoischen Erkrankung beim Weibe. — Gonokokken und Diplokokken in der Urethra (zusammen mit Professor Galewsky). — Zur Differenzierung der Gonokokken. — Über die Kultur der Gonokokken. — Über die Widerstandsfähigkeit der G. gegen Desinfektion und andere schädigende Einflüsse; Zur Biologie der G. (zusammen mit Prof. Jean Schäffer). — Eidotteragar, ein Gonokokken-Nährboden. — Bemerkungen zu Dr. Prowe’s: Gynäkologische Ge- sichtspunkte etc. 2) Franzensbad und seine Heilmittel. — Moor und Moorsatz. — Wie sollen Moorbäder gebraucht werden? — Moorpackungen in Franzensbad. — Kasuistische Mitteilungen über die Behandlung chron. Nierenkrankheiten in Franzensbad. — Über Vulvovaginitis kleiner Mädchen. — Ein selbstfallendes Speculum. — etc. Nekrologe. 41 Reisen persönlich kennen zu lernen beflissen war. Daß er dabei seine ärzt- liche Fortbildung nicht vernachlässigte, beweisen seine wissenschaftlichen Forschungen und die seit länger als einem Menschenalter besorgte Heraus- gabe des nach ihm benannten ärztlichen Taschenkalenders, der ein außer- ordentlich beliebtes Buch in den Händen von Professoren und Ärzten ge- worden ist und dadurch ein Unikum war, daß er möglichst korrekte Ver- zeichnisse der Lehrkräfte an den medizinischen Hochschulen von Europa und Nordamerika brachte. — Er war aber auch ein zärtlicher Gatte, ein für- sorglicher Vater, ein treuer, aufrichtiger Freund seinen Freunden, Wer ihn gekannt, wird sein Andenken in Ehren halten und seiner mit Wehmut gedenken. Rosenthal (Kissingen). Am 13. Juli 1917 starb zu Breslau der Regierungs- und Geheime Medizinalrat Dr. Oskar Telke. Telke war am 5. September 1848 zu Mieschkow, Provinz Posen, ge- boren. Nach dem frühzeitigen Tode seines als Bürgermeister in Bentschen verstorbenen Vaters wurde er in der Familie seines Großvaters erzogen, besuchte die Eiementarschule in Gostyn, das Gymnasium zu Lissa (Posen) und bezog im Frühjahr 1870 die Universität Greifswald. Sein Studium wurde durch den Feldzug 1870/71, den Telke als Freiwilliger mit der Waffe im Mecklenburgischen Jäger-Bataillon Nr. 14 mitmachte, unterbrochen, im Mai 1871 wieder aufgenommen. Im Jahre 1874 erfolgte seine Promotion zum Dr. med., und am 15. Januar 1875 erhielt er die Approbation als Arzt. Dr. Telke ließ sich nach weiterer 4"/s monatiger Militärdienstzeit in Lobsens (Posen) als Arzt nieder, verheiratete sich im Jahre 1876, übernahm in demselben Jahre die einstweilige Verwaltung der Kreiswundarztstelle zu Boberberg (Regierungsbezirk Frankfurt a. O.), erledigte im Dezember 1877 die Physikatsprüfung und wurde am 15. Februar 1878 als Kreiswund- arzt endgiltig angestellt. Am 1. Oktober 1880 wurde er zum Kreisphysikus des Kreises Schroda (Posen) ernannt, am 1. April 1883 in den Kreis Züllichau—Schwiebus (Regierungsbezirk Frankfurt a. O.) versetzt und am 1. Oktober 1896 mit der Verwaltung der Stelle des Regierungs- und Medizinalrats bei der Königlichen Regierung zu Köln a. Rh. betraut. Am 15. Februar 1901 erfolgte seine Versetzung in gleicher Eigenschaft an die Regierung in Breslau. In Breslau hatte Geheimrat Telke ungemein schwierige Aufgaben zu erledigen, zumal 26 Kreise zum Breslauer Regierungsbezirke gehören. Mit sicherster Geschäftsgewandtheit verband Telke die größte Gewissenhaftis- keit, umfassende Kenntnisse und Erfahrungen und einen nie versagenden Fleiß, Eigenschaften, durch welche er sich allgemeine Anerkennung und Bewunderung erworben hat. Er wandte allen Teilen seines umfangreichen LT. 4 43 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Arbeitgebietes die gleiche erfolgreiche Aufmerksamkeit zu und war auch als Sachverständiger des Oberpräsidenten von Schlesien, besonders in Apothekenangelegenheiten, segensreich wirksam. In der Beaufsichtigung und Förderung der Apotheken, der Kranken-, Irren- und Hebammen-Lehr- anstalten, der Krankenpflegeschulen, der Bäder, in der Beaufsichtigung des Kampfes gegen die ansteckenden Krankheiten hat Telke Ausgezeich- netes geleistet. Er war ein gern gesehenes, fleißiges Mitglied der schlesischen Bädertage. Als es der Preußischen Medizinalverwaltung zum erstenmale im Jahre 1904 ermöglicht war, sich über die Fortschritte des öffentlichen Gesundheitswesens im In- und Auslande durch Entsendung von Sachverständigen unterrichten zu lassen, unternahm er im Auftrage des Ministers im Sommer 1904 eine Studienreise nach Österreich-Ungarn. Telke erstattete einen umfassenden mustergiltigen Bericht über die Organisation des Medizinalwesens und die wichtigeren sanitären und medizinal-technischen Einrichtungen in Österreich-Ungarn. (Veröffentlicht in der Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin und Öffentliches Sanitäts- wesen, 3. Folge, XXXIV., Suppl. Heft.) — Im Klinischen Jahrbuch 1907 be- sprach Telke die Cholera-Erkrankungen im Gebiete der oberen Oder im Jahre 1905. Sonst hat er sich einer eigentlichen literarischen Tätigkeit nicht gewidmet. In den letzten Jahren war er Vorsitzender der Hygienischen Sektion der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Im Ge- sundheitsausschusse für die armierte Festung Breslau hat er sich trotz zu- nehmender Krankheit erfolgreich betätigt. Im Frühjahr 1914 bemerkte er die ersten Anzeichen einer schweren Erkrankung. Niemals ist ein langes, zunehmendes Siechtum mit größerer Standhaftigkeit ertragen worden. Gegen den Rat seiner Freunde verharrte er bis zum Ende bei der Arbeit, die ihm, wie er oft bekundet hat, die beste Hilfe und Widerstandskraft gab. Mit ihm ist ein fester männlicher Charakter, ein Mann von hervorragendster Tüchtigkeit uns und der Preußischen Medizinalverwaltung entrissen worden. Geheimer Medizinalrat Wolffbere. Emil Toeplitz war am 15. Oktober 1852 als der älteste Sohn des Mathematikers am Gymnasium zu Lissa i. P. geboren. Als er Ostern 1872 die Abiturientenprüfung an dieser Schule bestanden hatte, ergriff er, haupt- sächlich infolge der vielfachen Anregungen, die er von seinem Vater emp- fangen hatte, das Studium der Mathematik, dem er in Breslau vornehmlich bei Schroeter, Rosanes, O. E. Meyer, im 5. und 6. Semester in Leipzig bei ©. Neumann und A. Mayer oblag. Er promovierte im Oktober 1876 mit der von Rosanes veranlaßten Dissertation „Über ein Flächennetz 2. Ordnung“. Dem geometrischen und dem algebraischen Ideenkreise, der darin zugleich vertreten war, ist er auch später treu geblieben, dem geometrischen, als es Nekrologe. 43 ihm vergönnt war, als angestellter Oberlehrer in Breslau die Anregungen des mathematischen Umgangs mit dem von ihm hochverehrten Heinrich ‚Schroeter zu genießen, dem algebraischen in häufiger gemeinsamer Arbeit mit seinem Sohne. Vorerst aber wandte er sich nach Berlin, um unter des berühmten ‘Pädagogen Schellbach Führung das Probejahr abzulegen und bei Weierstraß und Kronecker zu hören. Er gelangte so zu einer umfang- reichen mathematischen Bildung, von der seine zahlreichen und mannig- faltigen Referate in den „Fortschritten der Mathematik“ zeugen. Seit Mitte 1879 war er als Oberlehrer am Johannesgymnasium in Breslau ange- stellt; ihm hat er seine beste Kraft gewidmet. Ein Zufall fügte es, daß der Direktor Kunze aus Lissa ihn zum Mitarbeiter in der Statistik des höheren Schulwesens in Preußen wählte; er hat auf sie, nach Kunzes frühem Tode, fast fünfundzwanzigjährige, unermüdliche Arbeit verwendet, aus der ihn, ‚der die letzten Jahre von schwerer Gicht heimgesucht war, ein plötzlicher Tod am 23. August 1917 abberief. Am 14. Oktober 1917 erlitt die Gesellschaft einen sehr schweren Ver- lust durch das Dahinscheiden ihres Vize-Präses und Sekretärs der Sektion für Rechts- und Staatswissenschaften, Seiner Exzellenz des Wirklichen ‘Geheimen Rats und Oberlandesgerichts-Präsidenten Dr. Felix Vierhaus. Sein großer Einfluß auf ihren Betrieb hing mit den außerordentlichen Er- folgen zusammen, deren er sich in seinem Amte und in seiner wissen- schaftlichen Tätigkeit erfreute. In der Gedächtnisfeier vom 11. Dezember d. J. wurden sie in einer.’ Rede des Geheimen Justizrats, Oberlandes- gerichtsrats und ordentlichen Professors der juristischen Fakultät Dr. Otto Fischer hervorgehoben, Schon eine flüchtige Übersicht über seine Berufsstellungen und schrift- stellerischen Leistungen zeigt, daß er die hohen Auszeichnungen, die er besaß, durch eine unermüdliche Arbeitsfreudigkeit erworben hatte. Als Sprößling eines preußischen Beamtenhauses wurde er am 10. Fe- bruar 1850 in Köln geboren, ein Sohn des späteren Oberlandesgerichts- präsidenten Vierhaus. Seit 1875 Gerichtsassessor wurde er 1876 Kreis- richter in Kassel. Bei der Gerichtsreorganisation 1879 kam er als Land- richter nach Hannover, der Heimatsstätte seines bevorzugten Arbeits- feldes, der neuen Reichsprozeßgesetze. Das Jahr 1883 rief ihn als Lanl- richter in die Reichshauptstadt, in die Nähe der Zentralbehörden. Schon 1885 wurde er Hilfsarbeiter im Reichsjustizamt. Nachdem er von 1887 bis 1891 als Oberlandesgerichtsrat in Kassel gewirkt hatte, kehrte er als vortragender Rat im Justizministerium nach Berlin zurück. Daneben war er Mitglied der Prüfungs-Kommission für das Assessorexamen und Regierungsvertreter in den gesetzgebenden Körperschaften. Im Jahre 44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 1904 wurde er Oberlandesgerichtspräsident in Kiel und am ersten Dezember 1905 in Breslau. Die Würde des Ehrendoktors wurde ihm im Jahre 1901 von den juristischen Fakultäten in Königsberg und Greifswald verliehen, der Rang des Wirklichen Geheimen Rats mit dem Prädikate Exzellenz 1913. Die juristische Gesellschaft in Berlin ernannte ihn zu ihrem Ehrenmitgliede. Eine Honorarprofessur bekleidete er seit 1901 in Berlin und später in Kiel. Auf praktische Übungen legte er dabei besonderes Gewicht. Auch in Breslau nahm er am rechtswissenschaftlichen Unterricht namentlich bei der Vorbereitung der Fach-Hochschulkurse einen regen Anteil und wollte sie durch Vorträge über das Verhältnis von Verwaltung und Recht- sprechung einleiten, was jedoch durch ein vorübergehendes Unwohlsein verhindert wurde. So arbeitete er im Mittelpunkte von vier konzentrischen Kreisen, seiner Provinz, des Königreiches, des deutschen Reichs und des juristischen Großdeutschlands, das sich bis nach Österreich erstreckt. Für dieses Gebiet wirkt der deutsche Juristentag, für den Vierhaus als eifriges Mit- glied der ständigen Deputation und als Abteilungsvorsitzender, zuletzt in Wien, tätig war. Mit dem bekannten Reformator des Prozeßrechts Franz Klein in Wien verband ihn ein lebhafter, freundschaftlicher Ge- dankenaustausch. Diese vielseitige Kraftentfaltung wurde noch ergänzt aurch eine rege Tätigkeit in kirchlichen-, Vereins- und 'Wohltätigkeitsangelegenheiten, ins- besondere der Jugendfürsorge, in gesellschaftlichen Repräsentations- pflichten und einer innigen Teilnahme an seinem Familienleben. Alles dies war für ihn die Grundlage einer Kunst, eine unendliche Fülle einzelner Eindrücke von einem festen Mittelpunkte aus zu allge- meinen Leitsätzen zusammenzufassen, denen eine durchsichtige und scharfe Ausdrucksweise einen hohen Wert aufprägte. Sein wissenschaftliches Hauptgebiet war das neue Prozeßrecht, dessen Grundgedanken dem heimischen Rheinlande entsprach, wie Fischer in seiner Gedächtnisrede hervorhob. Vierhaus war seit 1883 Mitherausgeber der Zeitschrift für deutschen Zivilprozeß, die er mit vielen Kritiken und Zusammenstellungen bereichert hat. Hierüber berichtet sein Mitheraus- seber Schultzenstein im 47. Bande der Zeitschrift Heft 3, Iff. und schon früher Adolf Wach in einem Vierhaus gewidmeten Gedenkblatte (Bd. 31 der genannten Zeitschrift V ff.).. Vierhaus war auch Kommentator der preußischen Gerichtsordnung und der preußischen Konkursordnung, Herausgeber der achten Auflage des Kochschen Landrechts-Kommentars und Bearbeiter kleinerer Gesetzbücher. Ein Überblick über die Ent- stehung des neuen bürgerlichen Gesetzbuchs aus seiner Feder leitete die Nekrologe. 45 Beiträge zur Erläuterung und Beurteilung des Entwurfes eines bürger- lichen Gesetzbuchs des Deutschen Reichs von Bekker und Fischer ein. Seine sonstigen Schriften wandten sich besonders Fragen von grundlegender Be- deutung zu, namentlich dem praktischen Vorbereitungsdienst für die Er- langung der Fähigkeit zum Richteramt, den wirtschaftlichen und sozialen Aufgaben der Zivilprozeßgesetzgebung, der Methode der Rechtsprechung, dem Justizverwaltungsrecht und noch zuletzt im Oktober 1917 in der Leipziger Zeitschrift für deutsches Recht dem Güteverfahren. In groß- zügigen Gedankenreihen entwarf er Richtlinien, die weit über seinen Tod hinausreichen werden, und zeigte daneben, namentlich als Mitherausgeber des Formularbuchs zu den Reichsprozeßordnungen, den Sinn für die äußerste Genauigkeit in kleinen Dingen, Bei alledem widmete er bis zu den letzten Augenblicken seines Lebens der Leitung der rechts- und staatswissenschaftlichen Sektion unserer Gesellschaft eine Fürsorge, die weit über einen Ehrenvorsitz hinausreichte. Hier fand die Eigenart seiner Beanlagung und seiner Bestrebungen be- sonders befriedigende Aufgaben. Es galt hier zur Behandlung wissen- schaftlicher und gesetzgeberischer Tagesfragen anzuregen, das Darge- botene zu bewerten, praktische Juristen, unter denen er die Vertreter des Anwaltstandes besonders schätzte, mit Rechtslehrern zu gemeinsamer Arbeit und gegenseitigem Verständnisse zu vereinigen, das juristische Geistesleben der Provinz mit den Aufgaben zu verknüpfen, die in der Reichshauptstadt ihre Erledigung finden. Er verkörperte in sich das alt- hergebrachte Bestreben des preußischen Rechtes, angemessene Ver- besserungen der Gesetze in festen und zugleich volkstümlichen Formen anzubahnen, und den Zug der neueren Zeit, unser Königreich eng an die Rechtsanschauungen des gesamten Reiches anzuschließen, ausländische Anregungen zu beachten und weitere außeramtliche Kreise zur Mit- arbeit an den Gesetzgebungsarbeiten heranzuziehen, die früher nur das Vorrecht eines kleinen bevorzugten Kreises gewesen waren. Vaterland und Wissenschaft waren die Hauptziele seines Lebens. Vaterland und Wissenschaft danken es ihm bei seinem Tode. Rudolf Leonhard. 1918. 5 Druck von Grass, Barth & Comp. (W. Friedrieh) iu Breslau Ei Verzeichnis N 1. Einzelne Schriften. Zwei Reden, gehalten von dem Reg.-Quartiermstr. Müller und Prof. Reiche bei des Stiftungstages der Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde und In am 17. Dezember 1804. 80. 48 Seiten. An die Mitglieder der Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde und Industrie'S sämtliche Schlesier, von Reetor-Reiche, 1809, 3% 328. a Oeffentlicher Aktus der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur, ‚gehalten am 19, Dezbr. 1 ihres Stiftungsfestes. 80. 408. Joh. George Thomas, Handb. der ee v. Schles., 1824. 8. ‚372 8, gekrönte I Beiträge zur Entomologie, verfasst von den Mitgliedern der entom. Sektion, mit Die schles. Bibliothek der Schles, Gesellschaft v. R. @G. Nowack. 80. 1835 oder. Denkschrift der Schles, Gesellschaft zu ihrem 50 jähr. Bestehen, enthaltend die Ges Gesellschaft und Beiträge zur Natur- und Geschichtskunde Schlesiens, 1858. Tateln. 4%, 2828. Dr.J. A..Hoennicke, Die Mineralquellen der Provinz Schlesien. 1857. 89. Dr.‘J. G. Galle, Grundzüge der,schles. Klimatologie, 1857. 4%. 127.8. Dr. J. Kühn, Die zweckmäßigste Ernährung des Rindviehs, 1859. 3%" 242'S., sen. Pre Dr. H. Lebert, Klinik des akuten Gelenkrheumatismus,. Gratulationsschrift zum 6 Jähr Dok Jubiläum des Geh. San.-Rats Dr. Ant. Kro eker, Erlangen 1860. 80, 4198. k Dr. Ferd. Römer, Die tossile Fauna der silurischen Diluvialgeschiebe von- Sadewi Z, Schlesien,.mit 6 lithogr. und 2 Kupfer-Tafeln. 1861. 40, 70.8. z i 2% Lieder zum Stittungsfeste der entomologischen und botanischen Sektion der Schles. Gescilschaft 2 Manuskript, gedruckt. 1867, 80, 928. Y a: Verzeichnis der in den Schriften der. Schles. Gesellschaft von 1804-1863 inkl. ‚enthaltenen Aufsätze | in alphab. Ordnung von Letzner, 1868, 80, x Fortsetzung der in den Schriften der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur von 1864 bis. 1876 inkl. R enthaltenen Aufsätze, geordnet nach den Verfassern in alphab. Ordn. von Dr. Sehneide 9 General-Saehregister der in den Schriften der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur von 1804 bis PUT } inel, enthaltenen Aufsätze geordnet in alphab. Folge von Dr. Schneider. ' Die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur.. I. Die Bean (125. 8.). IL. Geschi te der Gesellschaft (149 8.). Breslau 1904. & Dr. Riehard Foerster, Johann Christoph Handke’s Selbstbiosraphie, Festschrift zum hundertjährige Jubiläum der Universität Breslau, 1911. 80. 38 S. 2. Periodische Schriften. Ä RR Verhandlungen der Gesellschaft f. Naturkunde u, Industrie Schlesiens. 80. Bd. I, Hit. 1 28 S Hft. 2 112 S. 1806. Desgl. Bd. II, 1. Heft. 1807. Correspondenzblatt der Schlesischen Gesellschaft für®vaterländische Cultur, 4%, Jahrg. I, 1810, 96 8. Jahrg. II, 1812. :96 8. ‚Jahrg. V, 1814, Hft. ı1u,2 je RER TSÄR do; IV, 1813, Hft.1 u.2je%s8S.| „ VL 1815, Hft. 1,968 Correspondenz der Schles, Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 3% Bd. L 362 8. mit Abbild, 1819;0. 1820 Desgl. Bd. II (Heft I), 80 S. mit Abbild., 1820, IK Bulletin der Ban m Sektion der Schles. et en: IN a Ya 0. 1— Sg Übersieht der Arbeiten (Berichte sämtl. Sectionen) G erreaben ‘der Schl. Ges. £. v. 166 S. sort, Jahre, 1824. 55 Seiten 40, Jahrg. 1860. 202 Seiten 40. ‚Jahrg, 1895. Sn au 135. 64» 40, : 1861. 148 S &. n. Abh. 4928, =, ..1826. 65. = 40, .. 1862. 1628. 8%. n.Abh. 416 8. 2 EI SITE = 40, | - 1863. 156 | eiten 39, = 1888. 97.7» 4, I 2... 1864. 266 8. 80..n. Abh. 2668. 3 ...1829.. 720 0 40, =. 1865. 218 8.80. n.Abh. 69 8. ». 1850. 5%» 40, - ..1866. 267 8. 80, n. Abh. 90 8. > - 1831, 96... 40, 1. = ...1867. 2788 80. n. Abh. 1918. Kae - 1832.10 - 40, = ...1868. 3008. 80, n.Abh. 447 S. Heft VIE, - 1833. 106 = 40, » 1869. 371 8. 80, n. Abh.'236 S. - 1900. VIII u. 668 Se = 18314143 0 u 40, - 1870. 318 8. 8°. n. Abh. 858. | 7 n. Erg.-Hett8 * 1835. 146 D 40, = ..1871. 3578.80. n. Abh. 252 S. - 1901. IX u, 562 8 « .1836.157 ° * 40, - 1872. 3508.80. n. Abh. 1718. - 1902. VIII u, 564 Seiten SIR IBST. HOLE 40, - 1873. 2878.80. n. Abh.1488.| - 1903. VEIT u. 601 Er: -..1838. 14 - g0, = 1974. 294 Seiten, 80, - 1904. X u. 580.8. 80, »..1839,22%6. = 40, = 1875. 326 5 80, HeftVIILi SEE LU Lo re a, “1976. 394 . 80, «4905. VI no. 730 - 1841. 188 % 40, - 1877. 428 =_ ‚80, = | » 1342. 226 =. .40, . 1873. 331 D ‘80, 4 »..1848. 292 * 4%, nebst | - 1879. XX, u,.473 Seiten 80, . 41 S. meteorol. Beob. . 1880.XVI. w291 =. 80 « = 1844. 239 Seiten 40, ...73881.XVL 0.424 =, 80, » . 1845.16 - 40,, nebst "1882. XXiV W432», 80, . 52 8. meteorol. Beob. « 1883. XVI w4l3 »- 80, » 1846. 320 Seiten 40, nebst . 1884 XLI u.402 = 30 D 518 74 S. meteorol.Beob. =. ..1885. XVI. u.4448eiten 80, « Il: VIII u. 210 8°. 1847 404 Seiten 40, nebst n. Erg.-Hett. 121 8. 30, » 1912. Ba. T: VI u. 602 80. ” 44 S. meteorol. Beob. .. 1886. XL uU. 327 Seiten 8°, » II: VI u.250 80, » 1848, 248 Seiten 49, : n. Erg.-Heft 121 S. 80, E ». 1849. Abth. 1,180 8.,IL 398. » 1887, XLII u. 411 Seiten 80, n.448. meteorol. Beob . 1838. XX u. 317 Seiten 80, 1850. Abth.T, 2048. II, 868. - ..1889. XLIV u. 287 Seiten 8°, « 1851. 194 Seiten 40, -...1890. VII u. 329.Seiten 80, = ER VL u. 23 3 1852, 212 * 40, n. Erg.-Heft2728eit.80.) » 1915. Bd. I: VIu254 8, 1853. 355 40, « 1891. VIl, u. 481 Seiten 80, |’ » II: VI u 138-80. 1854. 288» 40, n, Erg,-Heft 928eit. 80, - 1916. Bd. I: VI u. 800 & "1855, 286 . 40, 1892. VII u. 351 Seiten 80, - 11: VI u 180 isst, 242 Danal, NuR; n. Erg.-Heft 1608. 80.) - 19T. Bd.I: VI u 30 *. 1857..847 . 40, - 1893. VII u. 392. Seiten 8%. - I: VIu ‚1958. 224 . 4, . 1894. VII u. 561. Seiten 80, ap 1859, 222 - 49, n. Erg.-Heft 265 S. 8, Mitglieder-Verzeichnis in 8° von 1805 und seit 1810 alle zwei Jahre erschienen, ee Breslau. BR: G, P. Aderholz’ Buchhandlu \ if ! Ba se fü endung en: -lindische Cultar, Fünfundneunzigster Jahres-Bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Gultur. 1917. I. Band. LIBRARY Breslau. G. P. Aderholz’ Buchhandlung. 1918. ” ER “ln ‚VER EN » 4 11 11 RAN, LIBRARY Inhalts-Verzeichnis des II. Bandes des 95. Jahresberichtes. Berichte über die Sektionen. 1. Abteilung: Medizin. a. Sitzungen der medizinischen Sektion. (Die römischen Zahlen zeigen den Teil, die arabischen die Seitenzahlen an.) Seite Alexander, Carl: Zum Vortrage (T.1S.1) von Willy Hirt I) -— A I (T. IS. 7%) von Martin Ühotzen . . I 2% Asch: Zum Vortrage (T.1I S.71) von Martin Chotzen 12020 Biberfeld: Zur Kenntnis der Morphingewöhnung . le Dont Bumke: Zum Vortrage (T.II S.12) von H. Joseph und L. Mar Mus — ” N (T.1S.9) „ Heinze . I) nn en „ (T.IS.3) „ E.Frank . 1.33 Uhotzen, Martin: Die zukünftige Bekämpfung der Geschlechtektankleiten 1 7 Coemen: Die lebensrettende Wirkung der vitalen Blutiransfusion im Felde I 44 Dreyer: Chmursische, Demonstrationen... 0 a — Demeonstrationen: Doppelseitige habituelle Patellarluxation I 16 Exstirpierter Nierentumor. I 16 Steckschuß im Körper des !1. Benkwirheik ı 16 Mobilisierung des linken Hüftgelenks . az Über Suboceipitalstich. AS URFERIG ag Vorführung eines Verbandes Be Fraktur am unteren Klumerusende . 5 r Ste IT Forschbach: Eigenartige schwere Eitkraftängsznstände it Bradybardik 121 — Zum Vortrage (T.1S.33) von E. Frank 1 34 — Einige Fragen zur Klinik der Lyssa . I 4 Foerster, O.: Fall von intramedullärem Tumor, erfoßereigh ee EI LO Frank, E.: Zum Vortrage (T.1S.21) von hosenfeld . I 22 — Über Beziehungen des Sympathicus zur quergestreiften Muskulatan! Il 33 Freund, C.S.: Zum Vortrage (T. II S. 12) von H. Joseph und L. Mann. ID, — Über die tuberöse Hirnsklerose und über ihre Beziehungen zu Hautnaeviu m) al 2. el eh ken an ehe klar SURSmRS Sr RR I Hannes, Walther: Wiederholte familiäre Hydrocephalie; zugleich ein "Beitrag zur Frage der Geschlechtsbestimmung . . . -» .......1 39 IV Inhalts-Verzeichnis. Seite Hanser: Zum Vortrage (T.1S.8) von Severin. . . - 2 N 9: — Nieren- und Herzgeschwülste und tuberöse Eiablerole 2 EERTRTOS Heimann, Fritz: Extraperitonaler Kaiserschnitt bei verschleppter Querlage I 38 — Zur Eklampsietherapie . . . Ri — DÜteruscareinom und Er stokokken. er Kor ehe SE TS Heinze: Über die Suggestivbehandlung hysterischer Kranihen erscheinungen in der Hypnose ; > NE. Is a Henke: Zur pathologischen Anatomie der Kriessdephiilie 2 I I Hirt, Willy: Über die Enuresis der Soldaten 1 — Zum Vortrage (T.1S.1). : Shi 3 Hoffmann, Zwei Fälle chronischer Vorsteifung ae Wirbelsäule TERRA S Hürthie: Zum Vortrage (T.1S.33) von E. Frank. 2 A er: Jadassohn: Zum Vortrage (T.I S. 108) von Hanser. . ! . ... TE RR Joseph, H.: Zum Vortrage (T.1 S.1) von Willy Hirt. 1009 — Erfolge der Rothmann’schen Narkosemethode bei Kriegehysten ins- besondere bei hysterischem Schütteltremor. . . . a LE CH Kallius: Die Entwicklungsgeschichte einiger Teile der Mundhöhle ; 1 42 Küster: Über Trichomonasvaginitis. 1038 Küstner: Zum Vortrage (T.1il S. 65) von Hoscnstein 23 — Neukonstruktion einer Vagina . N ER 7 — Totalexstirpation bei Myom . . . . Na. 18. a — Zum Vortrage (T.1I 3.39). von Walther anniest I 37 — Kaiserschnitt bei Placenta praevia . I % 1925 10233 Ledermann, Paul: Zwei seltene Fälle von Fremdkörpern im Oesophagus Mann, L.: Progressiver Torsionsspasmus . — Erfolge der Rothmann’schen Na methode Bei KrieschyN insbesondere bei hysterischem Schütteltremor . . . .»..... 1 2 Melchior: Congenitales Lipom des Kopfes . . I — Doppelseitige Oberkieferresektion tale 2 — Mikropodie nach Unterschenkelschnfrakturen. Med ie 1 — Eine neue Methode der Anlegung des definitiven Anuspraetern I — Zum Vortrage (T.IS.8) von Severin. I — Demonstrationen: 1. Operierter Schrapnell-Schädelsteckschuß %. Verschlucktes Gehiß 12 Tage später mittels Oesopharstonn entfernt 4 3. Amputation des linken Schnltereurtels 4. Ungewöhnlicher Fall von Genitalgangrän . 5. Perforierendes Carcinom der Kopfhaut . 6. Seröses Stadium gewisser Dermoidceysten . 7. Über die Rolle der Tuberkulose als Ursache der Mastdarmfistel 8. Über Hasenschartenoperation. En m Echinococeus der Mamma. ; Vorstellung eines Patienten mit Phleenicast am Halseı [an Bu u ge Bu Da a u un) ei ww 34 — Seit 8 Jahren im Magen frei gelegener Murphyknopf . 96 Ist der postoperative Basedowtod ein Thymustod? . ..... I 3 Minkowski: Eventratis diaphragmatica TUR, — Xanthosis diabetica. . - - - . Dee — Zum Vortrage (T.IS.9) von Heinze : 1 10 Inhalts-Verzeichnis. Pfeiffer, R,: Bakteriologische Befunde bei Gasbrand . EN SKK — um Vortrage (1.15.42) von Eorschbach. . . . 22... .n 2.r Rosenfeld, Georg: Zum Vortrage (T.IS.1) von Willy Hirt . em Y N (T.IS.4) „ Minkowski . — Klinische Demonstrationen: 1. Zur Behandlung der perniciösen Anämie . 2. Zur Behandlung der Polycythämie . 3. Zur Behandlung der Fibrinurie. . — Über die Folgen der Kriegskost. . . — Über Colica nephritica . — Über Cystinurie TR LAN Rosenstein: Demonstration eines al amputier ten eh nach dremmalıivemWKaiserschnitti a a a. u Rosenthal, Felix: Über BI hukerkranlungen. Schäffer: Zum Vortrage (T.IlS.71) von M. Chotzen . . Schaeffer: Über die Pathologie Kameruns. . . . ‘Schiller, Max: Röntgendiagnostik der Oesophagus- und Magenkrankheilee Schöps: Über zwei Kaiserschnitte an der Toten . ..... Severin: Pylorusstenose mit Magenektasie infolge primärer Magen tuberkulose (hypertrophisch-tumorenbildende Form) . . . - Stertz: Mit Erfolg operierter Tumor des rechten Parietalhirns . Stolte: Neuropathische Konstitution und Ernährungsstörungen . Uhthoff: Krankenvorstellungen: Typische bandförmige Hornhautdegeneration . h Typische rechtsseitige recidivierende Orulomotoniuslähnung Gesichtsfeldanomalie bei Hirnsyphilis . — Doppelseitises Glioma retinae . .. - . - — Erfolgreiche Cysticercusoperation aus dem askorer, Wilimowski: Multiple Sarkomatose BEP TNEHLABR EANE SR ENE BBEY riesen Wahl der Sekretäre. [eg Pr EE mn Ba = u „on u u ns r REN AR B Pitk N RER ir | i Aa NANREE “ | a WR N ii ’ N h EI N 3 DDR EEE III TEFESTI TORTEN SER j nn BEREHSTEE RUHE 10 KARTURERN HE IRRı NER ' { u RAR HAN. + RUN, Pie} BEN a ’ 1) [u H- { \ w { TER \ Mia RT, 5 I N { P f & h au | Non Ü | 4 ah } SAL . i Y h Y il t Y I “ y gu, x Y an a ie { FEN 7 S Sellesitle Gesellschaft für valerländische culr CAPS) 95. II. Abteilung. Jahresbericht. Medizin. 1917. a. Medizinische Sektion. © MN. DEINEN N LI! > 2 248 Sitzungen der medizinischen Sektion im Jahre 1917. Sitzung vom 19. Januar 1917. Vorsitzender: Herr J. Pohl. Schriftführer: Herr Rosenfeld. Hr. Biberfeld: Zur Kenntnis der Morphingewöhnung. Der experimentellen Analyse ist die Morphingewöhnung zwar insofern zugänglich, als sie bei verschiedenen Tieren leicht zu erzeugen ist, aber man erzielt hierbei nur eine Erhöhung der Toleranz gegen das Gift, während das für die menschliche Erkrankung wesentliche Symptom, die Sucht, bei Tieren nicht hervorgerufen wird. Die Theorien, die bisher zur Erklärung der Toleranzerhöhung aufgestellt worden sind, befriedigen nicht und sind nicht, soweit sie sich auf Experimente stützen, als falsch erwiesen worden; so die bekannte Theorie, dass die erhöhte Toleranz auf der erworbenen Fähigkeit des Organismus beruhe, Morphin leichter und vollständiger als ein normaler Organismus zu zerstören. Versuche des Vortragenden, ein Substrat für eine funktionelle Aenderung der ‚nervösen Centren in einer Aenderung der chemischen Zusammensetzung des Gehirns zu finden, verliefen negativ. In einer grösseren Reihe von Versuchen zeigte der Vortragende, dass die Morphingewöhnung spezifisch ist: Hunde, die soweit an Morphium gewöhnt waren, dass sie ungeheuer grosse Dosen ohne Reaktion vertrugen, schliefen auf dieselben Dosen anderer Narcotica wie normale Hunde. Das zeigte ich nicht nur beim Scopolamin, sondern auch beim Heroin; trotzdem dies ein Morphinderivat ist, reagierte der an Morphin gewöhnte Hund wie ein ungewöhnter. Ebenso wirkte Veronal bei den gewöhnten Tieren ganz unabgeschwächt. Diese Spezifität der Morphingewöhnung steht gut im Einklang mit der Hypothese, dass die Erhöhung der Toleranz (und wohl auch die menschliche „Sucht“) auf einer Entstehung von Reizstoffen, vielleicht aus dem Morphin selber, im morphingewöhnten Organismus beruhe; diese Stoffe wirkten umgekehrt und antogonistisch wie das Morphin. Hr. Willi Hirt: Ueber die Enuresis der Soldaten. Unter Enuresis verstehe ich aus praktischen Gründen, auf die es hier allein ankommt, den Zustand, bei dem angeblich gegen den Willen des Betreffenden Urin entweder völlig spontan abfliesst oder so oft und unter so plötzlichem Drang entleert werden muss, dass Benässung ein- tritt, bei Tag oder bei Nacht oder bei Tag und Nacht. Die Enuresis der Soldaten ist jetzt im Kriege ein sehr häufig auf- tretendes Uebel, das in dreifacher Hinsicht besondere Aufmerksamkeit verdient. 1. Es macht in seinen höheren und dauernden Graden sonst völlig gesunde Männer @ienstuntauglich. 2. Es wirkt ansteckend. 3. Es ist fast stets unmöglich, einen Simulanten auf diesem Gebiete mit Sicherheit zu entlarven, während dies bei Simulation an Augen, Ohren oder sonst wo fast stets gelingt. Schlesische Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 1917. I. 1 2 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Die Ansteckung und die Simulation ist besonders in grösseren Lazaretten zu befürchten, während andererseits die Behandlung daselbst. keine besonderen Resultate erzielt. Einer teilt dem anderen seine an- geblichen und wahren Leiden und Erfahrungen mit, und bei mangelndem guten Willen und Ehrgefühl tritt keine Besserung ein, eher Ver- schlimmerung und seelische Depravation. Es ist daher wünschenswert, die an Enuresis leidenden Soldaten möglichst ohne Lazarettbehandlung wieder diensttauglich zu machen. Der Arzt ist meistens auch ohne grossen diagnostischen Apparat und ohne spezialistische Kenntnisse im Stande, zu entscheiden, ob ein Enuretiker der Laazarettbehandlung bedarf oder nicht, zumal ja auch die sorgfältigste, spezialistische Untersuchung meist keinen pathologischen Befund zu Tage fördert. Bei der Untersuchung muss jeder Enuretiker vor den Augen des. Arztes in zwei saubere durchsichtige Gläser urinieren. Es kommt auf folgende Punkte an: 1. Sind bereits Ekzeme vorhanden an Bauch, Oberschenkel oder Gesäss, wie sind die Kleider beschaffen, trocken oder nass? Besteht urinöser Geruch? (Sehr wichtig.) 2. Ist der Urin klar oder wenigstens der im zweiten Glase befindliche Urin klar? (Nierenbeckenentzündungen und Blasenentzündungen werden dadurch ausgeschlossen.) 3. Wird der Urin in kräftigem oder leidlich kräftigem Strahle ent- leert? (Strikturen und gewisse centrale Ursachen werden dadurch aus- geschlossen.) 4. Ist nach der Entleerung die Blase annährend leer? (Betastung und Perkussion; dadurch werden alle Formen der Ischuria paradoxa ausgeschlossen.) 5. Auslösen der Patellarreflexe. (Multiple Sklerose, Tabes, allgemeine Nervosität, Hysterie.) 6. Romberg’sches Phänomen evtl. Pupillenreaktion. (Tabes.) 7. (Nicht unbedingt nötig Palpation der Prostata.) Liegen keine der hier genannten Komplikationen vor, so ist zunächst. von einer Lazarettbehandlung Abstand zu nehmen und die Penisquetsche zu verordnen. Es ist dienstlich, mit einer gewissen Schärfe, auf die Leute einzu- wirken, ihr Ehrgefühl zu erwecken. (Soll Deutschland unterliegen, weil seine Männer sich die Hosen vollmachen?) Der Krankheit ist zunächst nicht allzu viel Bedeutung beizumessen. Halten die Klagen an, führt. die Penisquetsche keine Besserung herbei, liegen Anzeichen oder Ver- dacht einer wirklichen Erkrankung vor, so ist Lazarettbehandlung ein- zuleiten. Für die Beurteilung von Enuretikern ist meiner Ansicht nach Folgendes festzustellen: Dauernde Enuretiker sind im Winter garnison- dienstfähig, im Sommer kriegsverwendungsfähig, bei schwächeren Graden, wenn Not an Mann ist, auch im Winter kriegsverwendungsfähig. Die von mir empfohlene Penisquetsche unterscheidet sich von anderen Instrumenten der Art: 1. sie hat breite Arme, die einen gleich- mässigen, nicht zu starken Druck ausüben, 2. sie kann selbst reguliert werden. Meine bisherigen Erfahrungen mit der Penisquetsche ermuntern mich dazu, die Anfertigung und Verwendung derselben in grösserem Maasse zu empfehlen. Diskussion, ° 2 Hr. Joseph: Bei den uns überwiesenen Patienten des St. Georgs- Krankenhauses, die an Enuresis litten, liess sich anamnestisch fest- stellen, dass der grösste Teil schon von Jugend auf an Bettnässen ge- 11. Abteilung. Medizinische Sektion. 3 litten hat. Entweder war das Blasenleiden bis zum Dienstantritt bzw. bis zum Dienst an der Front vorhanden, oder es bestand in der Jugend, verschwand dann, um während des Heeresdienstes wieder aufzutreten. Das würde also bedeuten, dass diese Patienten von Haus aus neuro- pathisch veranlagt waren. Es sei gleich bemerkt, dass die Erkundigungen, ob das Leiden wirklich schon früher bestand, die wir auf der Schule: oder bei den Lehrherren einzogen, entweder nicht beantwortet wurden oder negativ ausfielen. Es war also von vornherein anzunehmen, dass bei einem Leiden, dass mindestens 20 Jahre und länger bestand, wenig. Aussichten auf erfolgreiche Behandlung bestand und bei den Simulanten keine Erfolge zugegeben wurden. Was die Frage der Dienstfähigkeit anbetrifft, so stehen wir auf dem Standpunkt, dass Leute, bei denen das Leiden schon früher bestand und die einen Beruf ausübten, der sie zwang, bei jedem Wetter im Freien zu arbeiten, wie Landwirte, Maurer, Kutscher, auch felddienstfähig seien. Bei den übrigen, die sich das Leiden im Felde zugezogen hatten, stellten wir Test, dass eine grosse Anzahl über ein Jahr mit diesem Leiden an der Front standen, so dass für uns keine Veranlassung bestand, diese Soldaten dem Feldheer zu entziehen, da sie ja den Beweis der Felddienstfähigkeit erbracht hatten. Herr Hirth betonte, dass er bei organischen Erkrankungen des Rückenmarks häufig Residualharn gefunden hätte und möchte dies als Zeichen einer organischen Veränderung des. Rückenmarks ansehen. Wir haben bei unseren Enuretikern stets danach gesucht, ob Erkrankungen des Rückenmarks vorlagen, haben aber keine Anhaltspunkte dafür ge- funden. Die Tabiker, die bei uns waren, wurden uns nicht der Blasen- störungen wegen überwiesen; sie waren stets nur Nebenbefunde, die den Kranken nicht zur spezialistischen Behandlung führten. Wir sind vielmehr der Ansicht, dass der Simulant gern etwas Urin zurückhält, um jederzeit sein Krankheitsbild demonstrieren zu können. Ob ein rein funktionelles Leiden vorliegt oder ein Leiden nach Art vielleicht einer peripheren Neuritis, können wir leider bisher nicht fest- stellen, da es ja unmöglich ist, die Blasenmuskulatur elektrodiagnostisch zu prüfen. Da bei einigen Patienten der Urin continuierlich tropfenweise abfliesst — aber nicht bei alien — so ist die Möglichkeit organischer Erkrankung der Nerven, welche die Blasenmuskulatur versorgen, nicht. auszuschliessen. Auch die häufige Angabe, dass das Leiden nach Er- kältung aufgetreten sei, könnte dafür sprechen. Wir haben versucht, das Leiden auf verschiedene Weise zu beein- flussen. In einigen Fällen half suggestive Faradisation. Auch wir konnten ebenso wie Herr Hirth einige Erfolge durch Wärmebehandlung — Diathermie wandten wir an — erzielen. Glänzend waren allerdings die Resultate bei der Masse der Simu- lanten, die zu entlarven ja nicht möglich ist, nicht. Hr. Carl Alexander: Die Simulation ist in diesen Fällen schwer zu entlarven. — Der Residualharn ist nicht immer ein Zeichen schwereren Nervenleidens. Die Behandlung der Reizung des N. pudendus mit Wärme oder Antipyrinelysmata ist häufig von gutem Erfolge. Hr. Rosenfeld: Die Entlarvung der Simulation ist sicher schwer. Man kann wohl aber diejenigen Fälle für wirkliche halten, in denen es gelingt, durch oftmaliges Wecken das Bettnässen zu verhüten und auch die, wo das nicht gelingt, und offenbar im tiefen Schlaf die Urin- entleerung geschieht. Oft besteht deutliche Polyurie, die in meinen Beobachtungen — schon wegen des Salzreichtums der Kost — durch Einspritzung von Hypophysin nicht vermindert wurde. Hr. Hirth: Schlusswort. 1 4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Sitzung vom 9. Februar 1917. Vorsitzender: Herr J. Pohl. Sehriftführer: Herr Tietze. Vor der Tagesordnung demonstriert Herr 0. Förster einen Fall von Operation eines Rückenmarktumors. (Siehe Teil II.) Tagesordnung. Hr. Minkowski, Demonstrationen: 1. Eventratio diaphragmatica. 47jähriger Mann, früher ganz gesund, kein Trauma. Hat 15 Jahre aktiv gedient. Seit 2 Jahren häufige Schmerzanfälle in der Magengegend, krampfartig. Dabei Gefühl von Völle und Brechneigung, jedoch Unmög- lichkeit zu erbrechen oder aufzustossen. Physikalische Untersuchung er- gibt links hinten wechselnden Befund, bald Dämpfung mit aufgehobenem Atmungsgeräusch, bald tympanitischen Schall, abhängig von Körperlage und Magenfüllung. Traube’scher Raum frei von Dämpfung. Herz mehr cder weniger, zeitweise sehr stark,, nach rechts verlagert. Im Röntgen- bild neben dem nach rechts verschobenen Herzen Magenblase und Colon in der linken Thoraxhälfte zu sehen. Bei Aufblähung mit Luft reicht die Magenblase bis zum 1. Intercostalraum, ebensohoch die Flexura coli sinistra bei Anfüllung des Darns mit Bismuthaufschwemmung. Magen und Colon werden zusammen durch eine regelmässig geschwungene, bogenförmige Linie nach oben begrenzt, deren Verlauf dem hoch- gedrängten Zwerchfell entspricht. Bei costaler Atmurg paradoxe Zwerchfellbewegung unter gleichzeitiger inspiratorischer Verschiebung des Mediastinums nach rechts. Bei abdomineller Atmung jedoch nor- male Zwerchfellbewegung auch auf der linken Seite. Dementsprechend auch die manometrisch gemessenen Druckschwankungen im Magen- innern: bei costaler Atmung inspiratorische Drucksenkung, bei abdomi- neller inspiratorische Drucksteigerung. Bei Phrenicusreizung auch links Zwerchfellkontraktion zu erzielen. Vortr. bespricht die in der Literatur vorliegenden Beobachtungen : ähnlicher Fälle und die Differentialdiagnose gegenüber der Hernia diaphragmatica. Diskussion. Hr. Rosenfeld: Die Differentialdiagnose der beiden Affektionen könnte durch Einblasen einer kleinen Menge Sauerstoffs in das Peri- toneums geklärt werden, da alsdann der Verlauf der Zwerchfelllinie ganz erkennbar werden dürfte. Hr. Minkowski: 2. Xanthosis diabetica. Bei einem jugendlichen Diabetiker schwererer Form (bei gemischter Diät 5—7 Liter Urin mit 6—7 pCt. Zucker, Blutzuckergehalt 0,35 pCt.; bei kohlehydratfreier Diät 11/),—2 Liter Urin mit 0,4—0,7 pCt. Zucker und einem Blutzuckergehalt von 0,205; sehr geringe Acidose) stellt sich ziemlich plötzlich eine eigentümliche Gelbfärbung der Haut am ganzen Körper ein, am stärksten an den Händen und im Gesicht. Die Skleren bleiben ungefärbt, der Urin hell und frei von Gallenfarbstoff, die Darm- entleerungen normal gefärbt. Auch das Blutserum enthält keinen Gallen- farbstoff, erscheint jedoch eigenartig orangerot gefärbt. Es handelt sich um einen ungewöhnlich intensiven Fall, der zuerst von v. Noorden, später von Umber beschriebenen „Xanthosis“. Umber vermutete einen Zusammenhang mit der Lipoidämie, wie sie,in schwereren Fällen von Diabetes gefunden werden kann. Im vorliegenden Falle erscheint das Blutserum ganz klar, auch nach reichlicher Nahrungszufuhr; es enthält allerdings über 1 pCt. Aetherextrakt. Der Zusammenhang der Xanthosis mit Störungen des Lipoidstoffwechsels kann jedoch noch nicht als sicher erwiesen angesehen werden. II. Abteilung. Medizinische Sektion. 5 HHr. Joseph und L. Mann: Erfolge der Rothmann’schen Narkosemethode bei Kriegshysterie, ins- besondere bei hysterischem Schütteltremer. (Mit Demonstrationen.) (Siehe Teil II.) Diskussion. Hr. C. S. Freund berichtet über einen Misserfolg der Roth- mann’schen Methode aus dem Reservelazarett Heilanstalt für Unfall- verletzte bei einem Falle von hysterischer Lähmung der linken Hand nach Oberarmschuss, der alle Stadien des Verfahrens, einschliesslich der tiefen Aethernarkose, regelrecht durchmachte, aber in dem dem Er- wachen aus der Narkose vorausgehenden Dämmerzustande sich unter lautem Räsonieren den Verband abriss mit den Worten: es sei doch nichts Ernstliches mit ihm gemacht worden, man wolle ihn, so wie im Lazarett Brieg, als Simulanten entlassen, die Operation sei nur zum Schein vorgenommen worden. — Vor und während der Narkose hatten die Aerzte keine einen derartigen Hinweis gebende Aeusserung gemacht. Vermutlich hat der sehr intelligente Patient, der schon in mehreren Lazaretten gelegen hat, Kenntnis von den neuerdings häufig geübten Scheinoperationen -erhalten. Durch die Bekanntgabe ihrer Wirkungsweise verlieren alle diese im wesentlichen auf die Psyche des Kranken wirkenden Heilmethoden an Wert. Im Interesse der Kriegsverletzten sollten Aerzte und Warte- personal grösste Verschwiegenheit üben. Besonders verhängnisvoll würden Berichte über die Heilmethoden in der Tagespresse sein. Hr. Bumke bemerkt zu der Mitteilung des Hrn. Freund, dass die Psychologie der Kriegshysteriker eben nicht in allen Fällen die gleiche sei. Bei vielen kommen wir mit irgendeiner Suggestivrmaassnahme zum Ziel, und es ist ziemlich gleichgültig, ob man die Hypnose, das Kauf- mann’sche oder das Narkose-Verfahren wählt; bei einigen aber ver- sagen alle diese Methoden — mit Ausnahme vielleicht der Kauf- mann’schen — wenn sie sehr drastisch angewandt wird — einfach, weil die Kranken nicht gesund werden wollen. Die Grenzen zwischen der psychogenen, hysterischen Reaktion und der Simulation sind hier wie überall flüssig, und zuweilen ist die Diagnose der Krankheit Hysterie doch nur ein schöner Name für etwas sehr Unerfreuliches. Diese zum Glück nicht häufigen Fälle werden naturgemäss überall Misserfolge ver- anlassen. Leider ist es aber nicht möglich, allgemeine Kriterien anzu- geben, die sie von den wirklich Kranken unterscheiden; die Unter- scheidung kann immer nur auf Grund der gesamten Persönlichkeits- analyse getroffen werden. . Für die Mehrzahl der hysterischen Soldaten muss aber gerade das als ein wichtiges Ergebnis der therapeutischen Erfahrungen besonders betont werden, dass sie seir gern gesund werden. Nach der Hypnose, diein der Klinik desRednersjetzt viel und mit sehrgutem Erfolg (über 70 pCt. Heilungen!) angewandt wird, ist zumeist nicht nur das Symptom be- seitigt, sondern zugleich ist auch die gesamte Psyche des Kranken von Grund auf verändert: sie fühlen sich befreit, sind aufrichtig erfreut und ‘berichten glaubwürdig, wie unglücklich sie ihr Leiden und die früheren therapeutischen Misserfolge gemacht hatten. Das beweist aufs neue, wie wenig hier Schlagworte wie das von den Boechrune yon la aus- reichen. Genau so, wie der Wunsch krank zu sein, wirkt die Befürchtung, entscheidend ist nur die Erwartung. Zu oft finden die Kranken gewisser- maassen eine einmal verlorene Innervation nicht wieder, ohne dass man den Tatbestand mit verhältnismässig so groben Vorstellungen, wie es auch die Erwartungshypothese schliesslich ist, erschöpfen könnte. Hr. L. Mann: Schlusswort. 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Sitzung vom 23. Februar 1917. Vorsitzender: Herr Pohl. Schriftführer: Herr Tietze. Hr. Rosenfeld: Ueber die Folgen der Kriegskost. (Siehe Teil II.) Hr. Schaeffer: Ueber die Pathologie Kameruns. (Ist in Nr. 25 der Berliner klin. Wochenschrift abgedruckt.) Sitzung vom 9. März 1917. Vorzitzender: Herr Pohl. Schriftführer: Herr Rosenfeld. Hr. Dreyer: Chirurgische Demonstrationen. i. Patientin mit Mobilisierung des linken Hüftgelenkes und Entfernung eines linksseitigen Uretersteines. 2. Fälle von Gradrichtung deform geheilter Schussfrak- turen (Refrakturierung an der alten Bruchstelle, Extension auf dem Schede’schen Tisch, transportabler Gipszugverband nach Dreyer). 3. Pseudarthrose des Humerus nach auswärts vergeblich vor- genommener Operation zum zweitenmal vom Vortr. erfolgreich operiert durch Anfrischung, Verschraubung und Umhüllung der Bruchenden mit einem grossen Periostlappen von der Tibia. 4. Ausgedehntes, weit auf den Mundboden übergegriffenes Carcinom der Zunge mit Wangenspaltung und temporärer Kiefertrennung in sehr gut funktionierender Lokalanästhesie operiert. Hr. Melchior: Congenitales Lipom des Kopfes. Der demonstrierte übermannsfaustgrosse Tumor hatte sich in sehr schnellem Wachstum am Hinterhaupte eines 11 Wochen alten Kindes entwickelt. Aeusserlich sah die Bildung einer Kephalocele täuschend ähnlich. Exstirpation der subaponeurotisch gelegenen, dem Periost auf- sitzenden Geschwulst. Das jetzt zweijährige Kind ist völlig gesund. — Während beim Erwachsenen das Lipom im Bereiche des behaarten Kopfes überaus selten ist, findet sich unter den congenitalen Formen diese Lokalisation eher etwas häufiger. In den bisher in der Literatur beschriebenen 10 Fällen handelt es sich, wie hier, stets um tiefgelegene, d. h. subaponeurotische Lipome, die im Gegensatz zu dem sonstigen Verhalten der Fettgewebsgeschwülste gewöhnlich ein ganz rapides Wachstum an den Tag legten. Das congenitale Lipom des behaarten Schädels nimmt also auch klinisch eine charakteristische Sonderstellung ein. Demonstration eines Präparates von doppelseitiger Oberkiefer- resektion wegen Careinom bei einem 55 jährigen Manne entfernt. Die Anwendung der Lokalanästhesie nach der -Braun’schen Vorschrift er- leichtert diesen Eingriff ganz ausserordentlich, auch ohne Carotisunter- bindung war die Biutung sehr gering, keine Shockwirkung. Ungestörte Wundheilung, doch ist Patient einige Wochen nach der Entlassung an unbekannter Ursache gestorben. Zum Vergleiche wird ein ebenfalls in Lokalanästhesie operierteg Rundzellensarkom desharten Gaumens (30 jähriges Mädchen) demonstriert. Die Entwicklung war vorzugsweise nach der Nase zu erfolgt, der Tumor reichte bis zur Schädelbasis. Heilung. Mittels Obturators (Prof. Riegner) gute Sprachfunktion. Mikropodie nach Unterschenkelschussfrakturen. In einer Anzahl von Schussfrakturen hat Vortr. ein eigentümliches Kleinerwerden des Fusses der verletzten Seite beobachtet und demon- striert dies an Photographien, Gipsmodellen sowie an einem Patienten. Da die Mehrzahl der Verletzten sich jenseits der physiologischen Wachs- Rt II. Abteilung. Medizinische Sektion. Abbildung 1. 8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. tumsgrenze befanden, kann es sich hierbei nicht um eine Wachstums- hemmung handeln, sondern es müssen regressive trophische Verände- rungen — offenbar infolge der Inaktivität — angenommen werden. Hierfür spricht, dass in allen Fällen ein längeres Krankenlager voraus- gegangen war, der früheste Termin, zu dem eine nennenswerte Ver- kürzung zur Beobachtung gelangte, betrug 6 Monate. Der Grad der Fussverkürzung belief sich auf 1—2 und mehr Centimeter, die übrigen Durchmesser des Fusses zeigen eine entsprechende Verkleinerung; dass auch das Fussskelett an dieser Rückbildung teilnimmt, lehren ver- gleichende Messungen an Röntgenbildern. In der Literatur scheinen ähnliche Beobachtungen bisher nicht mitgeteilt zu sein; systematische Untersuchungen über diese theoretisch interessante Frage mussten aus Mangel an Zeit unterbleiben. (Abbildung 1 und 2.) Eine neue Methode der Anlegung des definitiven Anus praeter- naturalis. Die zweizeitig auszuführende Methode schafft einen terminalen Anus praeternaturalis, bei dem die Unzuträglichkeiten der Spornretraktion, die bei dem klassischen Verfahren nach Maydl eine gewisse Rolle spielt, wegfällt. Demonstration eines nach der neuen Methode operierten Patienten. (Die Technik des Verfahrens wird ausführlich im Central- blatt für Chirurgie mitgeteilt werden.) Hr. Severin: Pylorusstenose mit Magenektasie infolge primärer Magentuberkulose (hypertrophisch-tumorenbildende Form). Der 28 jährige Gardekürassier Sch., früher nie ernstlich krank, hatte von Jugend auf über einen schwachen Magen zu klagen. Nach Genuss von fettem Fleisch und roher Milch stets Durchfälle, jedoch nie Magen- schmerzen. Von 1909—1912 als Gardekürassier aktiv gedient, rückte er am zweiten Mobilmachungstage 1914 ins Feld. Beginn der jetzigen Erkrankung im Oktober 1915 in Serbien angeblich infolge schlechter Ernährungsverhältnisse und körperlicher Ueberanstrengung mit häufigem Erbrechen, profusen Durchfällen — Blut soll nie im Stuhl und Erbrochenen gewesen sein —, allgemeiner Körperschwäche und Hinfälligkeit, starker Abmagerung, Ekel vor Fleisch- speisen, dabei ausgezeichneter Appetit, keine Magenschmerzen. Erst nach ungefähr 6 Monaten stellten sich ferner Appetitlosigkeit und Magenschmerzen ein, und zwar krampfartiges Zusammenziehen in der Magengegend sowohl unabhängig von der Nahrungsaufnahme als auch direkt oder 1—2 Stunden nach dem Essen, besonders nach sauren Speisen, während Erbrechen und Durchfälle allmählich aufhörten. Unter der Diagnose „chronischer Magenkatarrh, Magengeschwür, Achylia gastrica“ war Patient von Oktober bis November 1916 dauernd in Lazarettbehandinng. Klagen bei der am 25. X. 1916 erfolgten Aufnahme in der Medi- zinischen Universitätsklinik: Appetitlosigkeit, andauernder Magendruck, krampfartige, vom rechten zum linken Epigastrium ziehende Schmerzen direkt nach jeder Nahrungsaufnahme, Aufstossen, allgemeine Schwäche, kein Erbrechen, Stuhl normal. Objektiv bestand der Symptomenkomplex des primären Pyloruseareinoms. Motorische und sekretorische Iasufficienz des Magens: nüchtern bei wiederholter Magenausheberung Rückstände (40 bis 100 cem) von Speiseresten vom vorhergehenden Tage, nach Probefrüh- stück Rückstände bis 400 cem, röntgenologisch typische Magenektasie, ständiges Fehlen von freier Salzsäure (Salzsäuredefizit 50—130), Pepsin und Pepsinogen. Starke positive Milchsäurereaktion, mikroskopisch spär- Il. Abteilung. Medizinische Sektion. b) liche lange, reichlich kleine und mittelgrosse Bacillen, Hefezellen, keine Sarcine. Positive Salomon’sche Magencareinomprobe (1/,pM. Albumen Esbach, 43 mg Stickstoff auf 100 ecm Spülflüssigkeit). Blut weder im 'Mageninhalt noch im Stuhl. In letzter Zeit erst Palpation eines klein- walnussgrossen, weichen, druckempfindlichen, mit der Atmung nicht ver- schieblichen Tumors rechts neben dem Nabel (Pylorusgegend). Körper- gewichtsverlust von 73 Pfund im letzten Jahre. Hämoglobin 68 pCt. Sonstige innere Organe o. B. Operation: (21. XI. 1916, Privatdozent Dr. Melchior): Pylorus tumorartig verdickt, aber ziemlich weich, mit zahlreichen geschwollenen Drüsen, namentlich an der kleinen Kurvatur. Aut der Serosa der Pars pylorica eben sichtbare, feinste, gelblich-weisse Knötchen. Carcinom oder Tuberkulose nicht sicher, daher Pylorusresektion (Billroth II). An der Stelle des Pylorus eine hochgradige, für den kleinen Finger nicht mehr durchgängige Stenose. Unmittelbar vor dem Pylorus ein kleinwall- nussgrosser, makroskopisch exulceriert aussehender Tumor. (Demon- stration des Präparates). Mikroskopischer Befund: (Privatdozent Dr. Hanser, Patho- logisches Institut): Scharfe Abgrenzung der Mucosa gegen die Submucosa, also keine Anhaltspunkte für Careinom. In der Submucosa und in der Muscularis in Herden und Zügen (interstitiell) angeordnete entzünd- liche Infiltrate.e. In der Mucosa, Submucosa und auch in der Muscularis ausgesprochene riesenzellhaltige Epitheloid- tuberkel. Es hat sich also in diesem Falle um die unter dem Sym- ptomenbilde des primären Pyloruscarcinoms verlaufende hypertrophische Form der Magentuberkulose gehandelt, die zu Tumorenbildung Anlass gibt, mit Gesehwürsbildung ver- bunden sein, ja eine solche selbst veranlassen und durch ihren Lieblingssitz am Pylorus das Krankheitsbild be- herrschen kann. » Vortragender streift kurz die einzelnen‘ Formen der Magentuber- kulose: die miliare, ulceröse, hypertrophisch-tumorenbildende und fibröse Form und die Schwierigkeit der Differentialdiagnose der vorletzten Form gegenüber dem Carcinoma pylori. Diskussion: Hr. Henke. Hr. Melchior: Mit der Möglichkeit, dass es sich im vorgestellten Falle um Tuberkulose handeln könne, wurde schon bei der Operation selbst gerechnet. Es sprach hierfür der Befund eines weichen, nicht carcinomverdächtigen Tumors in Kombination mit den zahlreichen lokalen Knötchen auf der Serosa, ein Befund, der somit für die Diagnose der geschwulstartigen Form der Pylorustuberkulose eine gewisse diagnostische Bedeutung besitzen dürfte. Hr. Heinze: Ueber die Suggestivbehandiung hysterischer Krankheitserscheinungen in der Hypnose. Veranlasst durch die Mitteilungen Nonnes über seine durch die Suggestivbehandlung in der Hypnose erzielten Erfolge hat Vortragender seit Oktober 1916 vorwiegend dieses Verfahren zur Behandlung hyste- rischer Krankheitserscheinurgen angewandt. Von insgesammt 53 vom Vortragenden behandelten Fällen von Kriegshysterie wurden 43 einer Suggestivbehandlung in der Hypnose unterworfen; von diesen 43 Fällen wurden 86 pCt. geheilt (72,1 pCt,) oder gebessert (13,9 pCt., diese stehen noch in Behandlung; ihre völlige Wiederherstellung kann mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden. 2,3 pCt. wurden gebessert entlassen); 7,0 pCt. sind noch in Behandlung und bieten wenig günstige Aussicht 10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. auf völlige Heilung; 4,7 pCt. wurden ungeheilt entlassen. Besonders bewährt hat sich die Suggestivbehandlung in der Hypnose bei allen Reizerscheinungen (Tiks, allen Tremorformen, Dysbasie und hysterischen Anfällen; auch wurde ein Fall von Orampusneurose geheilt). Sehr gering waren die Erfolge der Suggestivbehandlung in der Hypnose bei allen Lähmungserscheinungen, die aber durch elektrische Behandlung mit entsprechenden Wachsuggestionen günstig beeinflust wurden. In einigen Fällen hat Vortragender trotz offenbar simulierter Hypnose Heilerfolge erzielt; in diesen Fällen mussten auf Grund der Beobachtungen die „hysterischen* Krankheitserscheinungen vorwiegend als simuliert ange- sehen werden. (Hinweis darauf, dass die beobachteten Krankheitsbilder nicht einheitlich zu beurteilen sind.) Scheinoperationen wurden gar nicht, die Behandlung nach der Kauffmann’schen Methode nur in be- sonderen Fällen angewandt. — Die Kranken waren vorher durchschnitt- lich 4—5 Monate lang in anderweitiger Lazarettbehandlung. — Es ist dringend zu wünschen, dass die Kranken möglichst sofort nach der Er- krankung Speziallazaretten zugeführt werden. Es wird häufig zu aus- giebig mit Medikamenten, Bädern, Uebungen usw. behandelt, vielfach auch die — gewöhnlich elektrische — Behandlung dem Pflegepersonal überlassen, ohne dass nach Monaten eine Besserung eintrat; wegen der Gefahr der Entstehung der Autosuggestion der Unheilbarkeit (aus diesem Grunde ist die Prognose auch bei Rentenempfängern nicht selten wenig günstig) muss vor diesem Verfahren dringend gewarnt werden. — Am günstigsten erscheinen die Aussichten auf Dauerheilungen, wenn die Kranken ohne Versorgung entlassen werden; vor der Gewährung von „Uebergangsrenten“ ist dringend zu warnen, da dann die Kranken er- fahrungsgemäss schwer von der Begehrung der Rente loskommen. Nur in wenigen Fällen wurden die Kranken militärisch wieder verwendbar; voll felddienstfähig ist keiner der Behandelten geworden. Zur Klärung der Dienstbeschädigungsfrage ist die Erhebung der Anamnese so ein- gehend wie möglich erforderlich; in den meisten Fällen können die hysterischen Krankheitserscheinungen zwanglos als vorübergehende Re- aktionen auf dem Boden psyehopatischer Veranlagung bezeichnet werden. Bei den behandelten Fällen wurde nur einmal, bei einem der ersten be- handelten Fälle, eine 25 proz. Erwerbsbeschränkung unter Anerkennung der Dienstbeschädigung angenommen; dies ist der einzige Fall, bei dem katamnestisch zunehmende Verschlimmerung der vorher gebesserten Er- scheinungen nach der Entlassung festgestellt werden konnte. Hr. Minkowski erinnert daran, dass schon vor mehr als 30 Jahren eine Scheinoperation in Narkose zur Bekämpfung einer schweren Hysterie von Israel ausgeführt wurde. Es war in der Zeit, als die Hegar’sche Hysteriebehandlung durch Kastration ihre Triumphe feierte. Der Erfolg hielt solange an, bis die Kranke durch die Presse erfuhr, dass es sich bei ihr nur um eine Scheinoperation gehandelt hatte. Hr. Bumke begründet im Anschluss an eine Bemerkung des Vortr. den Standpunkt der Breslauer psychiatrischen Klinik, nach dem Schein- operationen dort nicht vorgenommen werden können. Wir müssen an die Wirkungen auf das Personal denken, das systematisch dazu erzogen werden soll, den Kranken gegenüber grundsätzlich nicht nur keinen Zwang und keine Strafen, sondern auch keinen Betrug anzuwenden. Ausserhalb der psychiatrischen Kliniken und insbesondere in Lararetten, die nach dem Kriege nicht fortbestehen werden, liegen die Verhältnisse natürlich anders. Weiter macht Redner auf die Einblicke aufmerksam, die uns-die Hypnose in die Psychologie der Kriegshysteriker tun lässt. Ein kleiner Teil will nicht gesund werden, lässt sich nicht hypnotisieren oder nimmt II. Abteilung. Medizinische Sektion. 11 ‚doch die Suggestionen nicht an; ein anderer benutzt die Hypnose als goldenen Rückzug, simuliert unter Umständen den Schlaf und gibt die Symptome willkürlich auf; das Gros wird auf suggestivem Wege gesund und zeigt nun nach Beseitigung der Krankheitserscheinungen eine so echte Freude über die Genesung und berichtet so glaubhaft über die Verzweiflung vorher, dass man das Schlagwort der „Begehrungsvor- stellungen“ auf ihre Krankheit gewiss nicht anwenden kann. Die psychischen Zusammenhänge, die hier bestehen, sind viel komplicierter. Zum Schluss betont Redner die Wichtigkeit der weiteren sozialen Be- handlung der Fälle. Sie dürfen, wenn irgend möglich, keine Rente er- halten (was durch Annahme einer Erwerbsbeschränkung unter 10 pCt. sehr oft möglich ist); sie sollen aber auch als d. u. aus dem Heeres- verbande ausscheiden. Ob später ärztliche Untersuchungen zum Zwecke der Rentenfestsetzung oder zur Feststellung der weiteren militärischen Verwendbarkeit vorgenommen werden, ist gleichgültig: in jedem Falle verschlechtern sie den Zustand und lassen die alten Symptome wieder aufleben. Dann muss schliesslich doch Rente gewährt werden, und die Leute sind für ihr Leben krank und arbeitsunfähig gemacht. Dass durch das D. U.-Verfahren dem Heere vereinzelte Männer verloren gehen, die nach Beseitigung ihrer hysterischen Symptome draussen wieder etwas leisten könnten, ist zuzugeben; ihre Zahl ist aber so klein, dass sie gegenüber der Masse der anderen, die im Felde, in der Etappe oder in der Garnison sofort wieder zusammenbrechen würden, gar nicht in Betracht kommt. Und deshalb ist es das kleinere Uebel, lieber auf diese wenigen zu verzichten und sie im Lande arbeiten zu lassen, anstatt die Masse krank, arbeitsunfähig und zu Staatspensionären zu machen. Sitzung vom 27. April 1917. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Schriftführer: Herr Partsch. Hr. Rosenfeld: Ueber Cystinurie. (Siehe Teil II.) Diskussion: HHr. Minkowski, Rosenfeld. Hr. Rosenfeld: Ueber Colica nephritica. (Siehe Teil II.) Hr. Henke: Zur pathologischen Anatomie der Kriegsnephritis. Vortr. berichtet nach einleitenden Bemerkungen über die Besonder- heiten der sog. Kriegsnephritis auf Grund von Erfahrungen an der West- front über den Befund bei einigen Sektionen, namentlich ganz frischer Fälle, die er Gelegenheit hatte, auszuführen. Er kommt, namentlich auch nach dem Verhalten der weichen, vergrösserten Milz zu der Auf- fassung, dass es sich doch im wesentlichen um eine Infektion handelt, trotzdem es nicht gelang, kulturell Mikroorganismen nachzuweisen; viel- leicht kommen für die Entstehung der Feldnephritis verschiedene Er- reger bzw. ihre Toxine in Betracht. Wie schon früher (Diskussionen auf der kriegspathologischen Tagung in Berlin und dem Kongress für innere Medizin in Warschau) ausge- führt, stellt sich Vortr. in Uebereinstimmung mit Herxheimer u. a. auf den Standpunkt, dass der erste Angriffspunkt der Schädlichkeit bei der Feldnephritis die Glomerulusschlingen sind; dort spielen sich an den Endothelien die ersten Veränderungen ab neben dem Auftreten von Leukocyten. In den ganz irischen Fällen fehlen wahrnehmbare Krank- heitserscheinungen an den Tubuli so gut wie ganz. Besonders der Fall eines nach nur 5tägiger Krankheitsdauer mit mächtigen Oedemen ver- storbenen Kanoniers war geeignet für das frühe histologische Studium der Anfänge der Glomerulonephritis, die in ihren Einzelheiten näher ge- schildert werden. Diskussion: HHr. Minkowski, Rosenfeld, Henke. 12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Sitzung vom 11. Mai 1917. Vorsitzender: Herr Pohl. Schriftführer: Herr Röhmann. = Hr. Melehier: Demonstrationen. 1. Operierter Schrapnell-Schädelsteckschuss bei einem 31 jährigen Offizier, verwundet August 1916. Primäre Trepanation des Einschusses mit anschliessender Naht hinter der Front, wurde 11/g Monate später in die Klinik eingeliefert mit Fieber, erhöhtem Hirndruck, Neuritis optica beiderseits, Nackensteifigkeit. Die auf Hirnabscess hindeutenden Erscheinungen gingen indessen spontan zurück, der Einfluss einer diagnostischen Lumbalpunktion war hierbei unverkennbar. Die Schrapnellkugel liess sich im Bereiche des rechten Stirnhirns lokali- sieren und wurde mittels osteoplastischer Trepanation entfernt (3. Stirn- wirdung rechts). Bemerkenswert ist, dass infolge der grossen bestehenden Schädellücke das Gehirn sich sehr leicht verschieben liess, wodurch die Extraktion wesentlich erleichtert wurde. Es ist dies ein Prinzip, das Cushing für die intracranielle Exstirpation der Hypophysistumoren ver- wandt hat. Ungestörte Heilung. 2. Vorstellung einer Patientin, bei der ein verschlacktes Gebiss 12 Tage später mittels Oesophagotomie entfernt worden war, nachdem ausserhalb dreimal vergeblich eine Extraktion mittels Oesophagoskop ver- sucht worden war. Bei der Operation zeigt sich das periösophageale Ge- webe bereits ödematös durchtränkt, der Oesophagus durch trübe eitrige Flüssigkeit dilatiert, erst nach Ablösung des sternalen Ansatzes des linken Kopfrickers liess sich das fest verhakte Gebiss mit dem Finger erreichen. Extraktion unmöglich. Die Entfernung gelingt erst, nachdem es in situ mit der Knochenschere zertrümmert worden ist. Offene Nachbehandlung . bei steiler Tieflage des Kopfes und Oberkörpers. Völlige Heilung. 3. Vorstellung einer Patientin, bei der die Amputatien des linken Schultergürtels — Amputatio interscapulo-thoracica — wegen weit vor- geschrittenen Chondrosarkoms des Humerus ausgeführt worden ist. Für die Technik des operativen Vorgehens empfiehlt es sich, wie dies Vortr. schon in einem früher operierten Falle ausgeführt hat, dass man die Unterbindung der Gefässe nicht schon nach der Durchsägung des Schlüssel- beins vornimnt, sondern zunächst auch noch die pectorale Muskulatur in der Richtung des Gefässverlaufes durchtrennt. 4. Präparat eines ungewöhnlichen Falles von 6enitalgangrän. Dasselbe stammt von einem 79jährigen Patienten. Die Erscheinungen hatten sich nach einem Coitus entwickelt. Das Eigentümliche war. dass 4 Abbildung 1. II. Abteilung. Medizinische Sektion. 13 die rasch fortschreitende Gangrän sich auf die Glans penis und die Schwellkörper einschliesslich der Harnröhre beschränkte, während die Penishaut selbst völlig intakt blieb. Die gangränösen Partien wurden in toto ausgestossen. Das anfangs schwere Krankheitsbild besserte sich dann rasch, es trat völlige Heilung ein. Die nachträglich angestellte Wassermann’sche Reaktion war negativ. Kein Diabetes. (Abbildung 1.) 5. Perforierendes Carcinom der Kopfhaut. Der sehr ausgedehnte, den grössten Teil des Schädeldaches einnehmende Tumor hatte sich bei dem 70jährigen Manne seit etwa 10 Jahren entwickelt. In handteller- grosser Ausdehnung zeigt die von Tumormasse bedeckte Dura eine leb- hafte Pulsation. Das Röntgenbid (Abbildung 2) zeigt die enorme De- struktion des knöchernen Schädeldaches. Ungewöhnlich erscheint die auffällige Resistenz der Dura gegenüber dem sonst so rasch fort- schreitenden Carcinom. Abbildung 2. 6. Ueber ein seröses Stadium gewisser Dermoideysten. Bei einem wenige Wochen alten Kinde zeigte sich über der grossen Fontanelle eine kleine seröse Cyste, die mit dem Schädelinnern nicht in Zusammenhang stand. Punktion eines serösen Inhaltes, die mehrfach wiederholt wurde. Nach zwei Jahren kam das Kind wieder mit einer nunmehr typischen Dermoideyste, die einen dicken, atheromartigen Brei enthielt. Die histo- logische Untersuchung des Präparates ergab eine Erklärung des merk- würdigen ursprünglichen Inhalts, indem in der Cystenwandung Talg- drüsen völlig fehlten, bei reichlicher Anwesenheit von Schweissdrüsen. Es hatte sich also zunächst um Schweiss gehandeit, erst später infolge der zunehmenden Abschilferung der Epithelien kam der grützbeutelartige Inhalt zustande. (Erscheint in Gemeinschaft mit Privatdozent Dr. Hanser ausführlich im Zentralblatt für Chirurgie.) 7. Ueber die Rolle der Tuberkulose als Ursache der Mastdarm- fistel. (Ist als Originalartikel in Nr. 26 der Berliner klin. Wochenschrift erschienen.) 8. Ueber Hasenschartenoperationen. Die Resultate der in grösseren Kliniken ausgeführten Hasenschartenoperationen lassen vielfach zu wünschen übrig. Meist ist die Mortalität eine ziemlich beträchtliche, 14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. auch die Zahl der operativen Misserfolge ist nicht gering. Es liegt dies daran, dass es in grösseren Kliniken unmöglich ist, jedem Kinde eine besondere Pflegerin zu geben, hierzu kommt der Wechsel der Nahrung, gelegentliche Einflüsse epidemischer Erkrankungen, also Umstände, wie man sie früher auch unter der Bezeichnung des „Hospitalismus der Säuglinge“ zusammengefasst hat. In der Küttner’schen Klinik ist es daher schon seit mehreren Jahren zur Regel geworden, die Hasenscharten- operation ambulant auszuführen und im übrigen die Kinder der mütter- lichen Pflege zu überlassen. Ich habe in der mir unterstellten Poliklinik seit Kriegsbeginn 50 derartige Operationen ausgeführt, 2 Kinder sind ge- storben, in 2 anderen Fällen trat die angestrebte Vereinigung nicht ein, 46 = 92 pCt. wurden dagegen prompt geheilt. Diese relativ günstigen Ziffern führe ich auf folgende Umstände zurück: a) Der Zeitpunkt der Operation soll nicht allzu früh angesetzt werden, weil diese Kinder oft eine ausgesprochene Lebensschwäche zeigen, offenbar als Ausdruck dessen, dass die Hasenscharten selbst vielfach nur. das äussere Zeichen einer vorhandenen allgemeinen Konstitutionsanomalie darstellen. Ver 6 Wochen habe ich niemals operiert. Schwächliche Kinder sind aber auch später noch unbedingt zurückzuweisen, obwohl die Mütter meist lebhaft auf die Vornahme der Operation dringen. Charakteristisch für die geringe Resistenz dieser Kinder ist der Umstand, dass von 112 aufgenommenen klinischen Fällen der vorangegangenen Jahre, die also gewissermaassen schon ein ausgewähltes Material dar- stellen, nachträglich noch 18 von der Operation zurückgestellt werden mussten. Hiervon sind 3 gestorben. Akute Erkrankungen der oberen Luftwege verbieten selbstredend die Vornahme der Operation. b) Bezüglich der Frage der Anästhesie ist auf die Narkose am besten zu verzichten. Bronchopneumonische Erkrankungen, die zum Teil auch auf Aspiration beruhen mögen, bilden allzu leicht die Folge einer solchen. Man darf um so eher von der Narkose Abstand nehmen, als die Kinder in den ersten Lebensmonaten amnestisch sind, also der Schmerz bei ihnen nicht zur vollen psychischen Wirkung gelangt. Ausserdem darf man ja überhaupt keine so tiefe Narkose verwenden, dass man wirklich in Ruhe operieren könnte. — Von der Anwendung der Lokalanästhesie habe ich besondere Vorteile nicht gesehen. c) Die Methodik der Vereinigung der Spaltränder erscheint ziemlich irrelevant. Von grösster Wichtigkeit ist es dagegen, dass die Naht so vorgenommen wird, dass sie ohne Spannung ausführbar ist. Weite Ablösung der Lippen, eventuell der ganzen Gesichtsmaske bis zum Infraorbitalrand kann hierzu notwendig werden; auch der kosmetische Effekt wird bei schweren Hasenscharten ein besserer, wenn man den An- satz der Nase von der Apertura piriformis ablöst. Entspannungsnähte oder dergleichen werden bei einem solchen Vorgehen unnötig. d) Da jede Naht in ihrer Umgebung die Circulation und damit die zur Heilung notwendige Reaktion beeinträchtigt, empfiehlt es sich, mit möglichst wenigen Nähten auszukommen. Mehr als 4 Nähte habe ich bei der Operation einseitiger Spalten niemals angewandt. Damit die Fäden nicht spontan durchschneiden, ist es zweckmässig, die Einstiche etwa 5 mm vom Spaltrande zu legen und nicht zu dünne Fäden zu verwenden. e) Schnelles Operieren ist notwendig, um den sonst leicht ein- tretenden Collaps der Kinder, der in diesem Alter verhängnisvoll wirken kann, zu vermeiden. f) Entspannende Verbände sind bei den nach diesem Prinzip operierten Kindern unnötig. Auch der eigentliche Wundverband ist zu verwerfen. Man erreicht mit einem solchen Verbande meist nur, dass die eingeflösste Nahrung, das Nasensekret usw. den Verband durch- TR 1I. Abteilung. Medizinische Sektion. 15 tränkt und ein feuchtwarmes, bakterienhaltiges Medium darstellt, welches die Wunde maceriert. Ich pflege die Nahtlinie mit etwas Dermatol- pulver zu bestreuen und sie im übrigen an der Luft trocknen zu lassen. g) Die Nachbehandlung entspricht den sonst üblichen Grund- sätzen. Die Nahrung ist mit dem Löffel zu reichen. Die Kinder müssen etwas verwöhnt werden, damit sie nicht zu viel schreien. Die Fäden werden am 6. Tage eingefeitet und am 7. entfernt. Ein vorzeitiges Entfernen der Nähte kann zu einem Aufbruch der Naht führen. Wenn trotzdem die Naht nicht hält, so liegt dies in der Regel daran, dass Infektion eingetreten ist, oder dass der allgemeine Zustand ein zu schlechter ist. Von nachträglichen Entspannungsverbänden ist dann gewöhnlich nichts mehr zu erwarten. Am besten ist es, nach einigen Monaten die Operation zu wiederholen. Dass jedoch ausnahms- weise einmal auch die Sekundärnaht zum Ziele führen kann, lehrt folgende Beobachtung der Küttner’schen Klinik: 1/,jähriges Kind. Linksseitige Hasenscharte dritten Grades. Auf typische Weise operiert. Die Nähte wurden bereits am 4. Tage ent- fernt. Am 5. Tage gelingt es, dem Kinde, in einem unbewachten Mo- mente sich die Händchen frei zu machen und den Verband abzureissen. Völliges Aufgehen der Naht. 24 Stunden später wird die Sekundärnaht mit starken Bronzedrähten ausgeführt. Nähte am 6. Tage entfernt. Die Naht hat diesmal gehalten, nur das Lippenrot zeigt noch eine Ein- kerbung. HHr. Stertz und Dreyer: Mit Erfolg operierter Tumor des rechten Parietalhirns. (Demonstration.) Vorgeschichte: Paul M., 15 Jahre alt, erlitt Sommer 1916 Sturz vom Pferde mit Bewusstlosigkeit. 1/, Jahr später Anfälle von Kopf- schmerzen in der Stirn mit Erbrechen. Verschlechterung des Sehens. Anfallsweise Schwäche und Krampfgefühl in der rechten Hand. Zuneh- mender Schwund des Empfindungsvermögens. Zerstreutes Wesen. Befund vom 12. III. 1917: Stirn und Scheitelgegend links klopf- empfindlich. Stauungspapillen beiderseits, nystactische Einstellungs- zuckungen. Rechter Arm leicht paretisch, bei feinen Fingerbewegungen leichte Schwerfälligkeit, Tonus und Reflexe r = 1, Oberflächenempfin- dung kaum herabgesetzt, deutliche Störung der Lokalisation und Be- wegungsempfindung in der rechten Hand. Vollkommene Astereognosie, rechts Patellarreflex etwas lebhafter. Diagnose: Die grösste Wahrscheinlichkeit sprach für eine Lokali- sation des Tumors am rechten Parietalhirn, wegen der Klopfempfindlich- keit der rechten Stirngegend und der dort lokalisierten Schmerzen wurde an beiden Stellen eine Hirnpunktion ausgeführt, die am Stirnhirn normales Gewebe, am Parietalhirn ein Gliosarkom ergab. Nach der Operation stellte sich nach vorübergehend stärkerer Parese des rechten Armes zunächst das ursprünglich lokale Bild wieder her. Eine Beeinträchtigung der motorischen Funktion ist jetzt kaum mehr vorhanden, Störungen der tiefen Sensibilität sind angedeutet, die Astereognosie ist noch vollständig. Da die letztere aus Störungen elementarer Empfindungsqualitäten nicht erklärbar ist, müssen wir eine Störung im Bereich der Association jener einfachen zu zusammengesetzten Empfindungen annehmen, d.h. wir haben eine sogenannte reine Tastlähmung (Wernicke) vor uns. Der Fall spricht für die Localisation dieser Störung im Parietalhirn ohne Beteiligung der vorderen Oentralwindung. Subjektive Beschwerden sind nicht mehr vorhanden. Die Stauungs- papille ist in partielle Atrophie übergegangen. 16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Hr. Dreyer bespricht kurz die Operation bei dem soeben von Herrn Stertz vorgestellten Falle von kleinapfelgrossem Sarkom des Parietallappens. Der Tumor war von einer Art Membran umgeben, die ebenfalls mitentfernt wurde. Deren histologische Untersuchung ergab Freisein von Tumorzellen. Zur Trepanatioa benutzt Vortr. einen von dem Operationsdiener Kraft angegebenen Handbohrer. Der zwischen den Bohrlöchern liegende Knochen wurde mit einer besonders konstruierten Beisszange durchtrennt. Wundverlauf vollkommen glatt ohne die geringste Störung. 2. Pat. mit doppelseitiger habitueller Patellarluxation. Die Operation bestand in: Schnitt an der Aussenseite, - Durch- trennung des sehnigen Ansatzes des Vastus lateralis, jedoch so, dass ein 4 cm langer Zipfel an der Patella stehen bleibt. Dureh Sehnitt an der Innenseite wird die Gelenkkapsel freigelegt. Der an der Patella stehen gebliebene Sehnenzipfel wird unter dem Vastus rectus durchgeführt und mit dem Vastus medialis vereinigt, so dass nunmehr .der äussere Rand der Kniescheibe bei jeder Streckung nach innen hinüber gezogen wird. Ausserdem wurde noch eine Raffung der erweiterten Kapsel an der Innenseite hinzugefügt. Auf der linken Seite, wo zuerst operiert wurde, geht die Kniescheibe am Ende der Streckung noch eine Spur nach aussen, ohne aber zu luxieren. Rechts bewegt sie sich bei der Streckung völlig in der Sagittalebene. Eine Verrenkung ist seit der über 4 Monate zurückliegenden Operation nicht mehr aufgetreten, die Pat. geht voll- kommen fest und sicher. 3. Sjähriges Kind, dem ein grosser Nierentumor exstirpiert wurde. Es handelte sich um eine sarkomatöse Nierenmischgeschwulst des Kindesalters. Vortr. spricht kurz über die Besonderheiten dieser Tumoren. 4. Steckschuss (Infanteriegeschoss) im Körper des 11. Brust- wirbels. Es wurde durch Längsschnitt, dem ein Querschnitt hinzugefügt wurde, auf die Seitenfläche des 11. Brustwirbelkörpers eingegangen, die austretenden Nervenwurzeln beiseite geschoben, der Ansatz der 10., ll. und 12. Rippe einschliesslich der zugehörigen Querfortsätze entfernt und dann stumpf die Seitenfläche des 11. Brustwirbelkörpers freigelegt. Trotz Eindringens mit dem scharfen Löffel und trotz der sehr guten Röntgenbilder und der vorherigen Fürstenau’schen Lokalisation liess sich das Geschoss nicht entdecken. Vortr. setzte das Suchen nach dem Geschoss nicht zu lange fort, sondern wandte ein Verfahren an, das sich ihm in einem früheren Falle, ebenfalls bei einem Steckschuss der Wirbelsäule, bereits bewährt hatte: Es wurden in der Tiefe der Wunde 3 Drähte eingelegt, die den mutmaasslichen Sitz des Geschosses umgaben und nunmehr von neuem Röntgen- aufnahmen in 2 zueinander senkrechten Ebenen gemacht. Es liess sich jetzt sehr genau die Lage des Geschosses zu den Drähten feststellen. Wiedereröffnung der Wunde. Um ge- nügend Platz zu gewinnen, wurden die beiden benachbarten Wirbel- körper, der 10. und der 12. ebenfalls noch vollkommen freigelegt (er- weiterte Heidenhain’sche Costotransversektomie). Bei der grossen Tiefe und den nicht ganz einfachen anatomischen Verhältnissen, unter denen gearbeitet werden musste, war es ein sehr angenehmes, sicheres Gefühl, an der Hand der nach Einlegung der Drähte aufgenommenen Röntgen- bildern mit absoluter Sicherheit zu wissen: Hier in der Tiefe muss das Geschoss liegen. In der Tat liess sich letzteres nun sehr bald fühlen. Es ragte fast genau in der Mitte der Vorderfläche des 11. Brustwirbelkörpers 3 mm aus dem Knochen heraus, die Spitze II. Abteilung. Medizinische Sektion. 7 sah nach der Brusthöhle. Mit einiger Mühe gelang es schliesslich, das fest in den Wirbelkörper eingekeilte Geschoss ohne Nebenverletzungen herauszubekommen. Vortr. weist darauf hin, dass bei den neuzeitlichen Lokalisationsverfahren Geschossentfernungen ja in der Regel ohne weiteres gelingen, aber für den verbleibenden Rest der Fälle, wo das Geschoss an der erwarteten Stelle sich nicht einstellt, und wenn keine Einrich- tung zum Operieren unter Röntgenlicht vorhanden ist, empfiehlt er sehr,, das Suchen nach dem Geschoss nicht zu lange fortzusetzen, sondern um den mutmaasslichen Sitz des Geschosses Drähte in die Wunde einzuführen und an der Hand der nunmehr neu aufgenommenen Röntgenbilder an die Entfernung des Geschosses in einer zweiten Sitzung heranzugehen. 5. Patientin mit Mobilisierung des linken Hüftgelenkes, die unbedingt notwendig geworden war, weil beide Hüftgelenke völlig versteift waren. Die Nachbehandlung wurde dadurch erheblich ver- zögert, dass bei der Patientin einige Zeit nach der Hüftoperation die Entfernung eines Uretersteins notwendig wurde. Im Hinblick darauf ist die Beweglichkeit eine recht gute, Patientin geht bereits mit Geh- schiene umher. 6. An der Hand eines vor 14 Tagen operierten 6 Jahre alten Kindes mit Hydrocephalus spricht Vortr. kurz über den von Schmieden und Anton vor einigen Wochen empfohlenen Suboceipitalstich. Die Methode erscheint ausserordentlich zweckmässig, die Freilegung der Membrana atlanto-oceipitalis liess sich auch unter den kleineren kind- lichen Verhältnissen, wie sie hier vorlagen, in wenigen Minuten aus- führen. Um die Oeffnung genügend weit zu erhalten, wurde der Proc. post. des Atlas reseciert. 7. Vorführung eines sehr einfachen, seit einem Jahre vom Vortr. benutzten Verbandes (Abbildung 3 und 4) bei der so häufigen kind- lichen Fraktur am unteren Humerusende, bei der das untere Fragment nach hinten abgewichen ist, der Fractura supracondylica (Extensions- typus nach Kocher). Nach Reposition des Bruches in Narkose wird der Unterarm mit Mastisol eingepinselt und mit einem Trikotschlauch überzogen. Letzteren spaltet man auf der Daumenseite bis über das Handgelenk, wo natürlich eine gute Polsterung eingeschoben werden muss. Eine rechtwinklig gebogene Kramerschiene (stärkere Sorte der im Handel befindlichen) wird dem Oberarm angewickelt, der Unterarm ruht mit seiner Ellenseite auf der Schiene. Die Enden des Trikot- schlauches werden an die unten rechtwinklig umgebogene Kramerschiene festgebunden. Durch mehr oder minder starkes Anziehen wird durch Abbildung, 3. Schlesische Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 1917. TI. 2 18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Abbildung 4. das Federn der Kramerschiene ein geringerer oder stärkerer Zug dauernd auf das im Moment des Bruches nach hinten abgewichene Fragment ausgeübt, der dasselbe nach vorn zieht und so in richtiger Lage er- hält. Demonstration einschlägiger Fälle. Der Verband ist höchst ein- fach, beansprucht gar keine besonderen Vorrichtungen und lässt eine ambulant durchzuführende, ohne jede Schwierigkeit den jeweiligen Be- dürfnissen anzupassende Extension zu. (Abbildung 3 und 4.) Hr. Wilimewski stellt einen interessanten Fall von multipler Sarkomatose vor. Bei dem jetzt 48jährigen Patienten hatte sich 1909 in der Musku- latur am rechten unteren Scapularwinkel ein hühnereigrosser Tumor gebildet, der Mai 1910 auswärts exstirpiert wurde. Schon nach 5 Mo- naten Reeidiv; mannskopfgrosser Tumor, im Oktober 1911 in der Küttner’schen Klinik abgetragen. Histologisch: Kleinzelliges Spindel- zellensarkom. Nach 5 Jahren Auftreten zweier neuer Tumoren, an der linken Brust und am linken Oberschenkel. Exstirpation derselben. Histo- logisch wiederum Spindelzellensarkome. Interessant ist, dass am Rücken bis heute — also nach 6 Jahren — kein Recidiv aufgetreten ist, aber weit entfernt von dem ursprünglichen Tumorsitz die beiden neuen Ge- schwülste desselben Typus. Hr. Hoffmann stellt 2 Fälle von chronischer Versteifang der Wirbelsäule vor. (Siehe Teil II.) Sitzung vom 8. Juni 1917. Vorsitzender: Herr Pohl. Schriftführer: Herr Tietze. Vor der Tagesordnung. Hr. W. Uhthoff: Krankenvorstellungen. 1. Vortr. stellt ein Sjähriges, sonst gesundes Mädchen mit typischer bandförmiger Hornhautdegeneration auf beiden Augen vor. Der Fall muss als ein ausserordentlich seltener bezeichnet werden und kennt Redner aus eigener Erfahrung bei seinen zahlreichen Patienten keinen ana- II. Abteilung. Medizinische Sektion. 19 logen Fall. Gelegentlich hat er vereinzelte Patienten mit bandförmiger Hornhautdegeneration und sonst noch sehenden gesunden Augen beob- achtet, so dass er sogar gelegentlich zur Verbesserung des Sehens eine optische Iridektomie nach oben vornehmen musste, da die bandförmige Trübung das ganze Pupillargebiet deckte. Aber diese Patienten be- fanden sich schon im höheren Lebensalter und auch dies Vorkommnis war schon sehr selten. Durchweg wird ja die bandgürtelförmige Horn- hautdegeneration nur an blinden und in ihrer Ernährung sehr zerstörten Augen beobachtet (Phthisis bulbi, Giaucoma absolutum, schwere Irido- eyelitis usw.). Dass aber diese Hornhautdegeneration an sehenden und sonst scheinbar gesunden Augen bei einem Kinde auftritt, gehört zu den allergrössten Seltenheiten. Der lokale Befund ist ganz typisch und unterscheidet sich in seinem Aussehen nicht von der bandförmigen Degeneration an erblindeten oder atrophischen Augen. Der Zustand be- steht offenbar schon längere Zeit bei dem Kinde und es können die Eltern keine genaueren Angaben machen, wann die hochgradige Herabsetzung der Sehschärfe sich eingestellt hat. Die Bulbi sind relativ reizlos. In der Familie sind ähnliche Sehstörungen nicht vorgekommen. Im Be- reich der bandförmigen Trübung ist die Sensibilität der Hornhaut hoch- gradig herabgesetzt, sonst aber erhalten. Die Sehschärfe beträgt rechts Finger 0,5 m, links Handbewegungen. Die interne Untersuchung des Kindes ergab keine wesentlichen Krankheitserscheinungen. Redner beabsichtigt, operativ vorzugehen mit Abschabung der Trü- bung und, wenn das nicht angängig ist, mit Abtragung der oberfläch- lichen getrübten Hornhautschichten, eventuell optischer Iridektomie. 3. Vortr. stellt ein 13jähriges Mädchen mit typischer rechtsseitiger reeidivierender Oculomotoriuslähmung in allen Zweigen vor (äussere und innere Augenmuskulatur betreffend. Seit dem 6. Lebensjahr haben sich diese Anfälle zuerst gezeigt, zunächst seltener (etwa 3—4mal ‘im Jahr), später erheblich häufiger, so dass Patientin bisher wohl etwa 50 Anfälle überstanden hat. Sie ist sonst auch jetzt noch gesund und der neurologische Befund negativ. \ Die Anfälle setzen immer in typischer Weise mit heftigen neur- algischen Beschwerden in der rechten Supraorbitalgegend ein, welche etwa S—14 Tage bestehen, daran schliesst sich dann ziemlich schnell das Bild der rechtsseitigen kompletten peripheren bzw. basalen Oculo- motoriuslähmung in allen Zweigen, zuweilen setzt die Lähmung auch schon ein, wenn die neuralgischen Beschwerden noch nicht ganz vor- über sind, gelegentlich kommt auch die Oculomotoriuslähmung nicht voll zur Ausbildung. In etwa 3 Wochen geht dann die Lähmung wieder zurück, und es treten wieder normale Verhältnisse ein, bis dann der nächste Anfall kommt. Redner geht auf das Krankheitsbild, wie es von einer grösseren Anzahl von Autoren schon beschrieben ist, etwas näher ein und er- wähnt auch die relativ seltenen Sektionsbefunde, die wirkliche organische Veränderungen des Oculomotoriuskeimes oder in dessen Umgebung er- geben haben (kleine Tumoren, entzündliche Veränderung, Aneurysma usWw.). Redner gibt seiner Ueberzeugung Ausdruck, dass in derartigen intensiven Fällen wohl immer organische Veränderungen im Bereich des Oculo- motoriuskeimes anzunehmen sein dürften und eine reine funktionelle, migräneartige Erklärung für die Erscheinungen nicht ausreicht. 3. Der dritte Pat. repräsentiert eine seltene und differentialdiagno- stisch wichtige Gesichtsfeldanomalie bei Hirnsyphilis. Der 34jähr. Pat. hat vor 10 Jahren schon eine rechtsseitige Hemiparese erlitten, die aber wieder fast zurückgegangen ist. - Frühere spezifische Infektion. Seit etwa 1/, Jahr ist er von einer Sehstörung befallen worden unter dem IF 20 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Bilde der rechtsseitigen homonymen Hemianopsie mit scharfer durch den Fixierpurikt gehender verticaler Trennungslinie. Hierauf hat die Seh- störung in der Weise sich weiter ausgebreitet, dass die linke Gesichts- feldhälfte des linken Auges weiter zerfiel und das linke Auge schliess- lich ganz vorübergehend erblindete, worauf dann unter der antispezifischen Behandlung wieder eine gewisse Rückbildung der Sehstörung in der linken Gesichtsfeldhälfte des linken Auges eintrat unter dem Bilde eines partiellen hemianopischen Defektes. Es liegt also die Tatsache vor, dass eine rechtsseitige homonyme Hemianopsie in der Weise progressiv wird, dass die linke Gesichtsfeldhälfte des linken Auges verfällt, während der Befund rechts im wesentlichen derselbe bleibt. Bei der Annahme eines Krankheitsherdes, und das ist hier durchaus wahrscheinlich, kann derselbe nur an eine bestimmte Stelle basal lokalisiert werden und zwar muss es sich um eine Erkrankung des linken Tractus optieus handeln, die auf das Chiasma übergreift und nun das gekreuzte Bündel der rechten Seite im Chiasma in Mitleidenschaft zieht. Die Diagnose muss auf gummöse linksseitige Tractuserkrankung mit Uebergreifen auf das Chiasma gestellt werden. Eine andere Möglichkeit, diese seltene Gesichtsfeldanomalie und ihr Fortschreiten zu erklären, ist in diesem Falle nicht anzunehmen. Ein genaues Gesichtsfeldstudium ermöglicht hier eine bestimmte Lokaldiagnose. ; Redner erwähnt noch einen zweiten ähnlichen Fall, der sich ebenfalls z.Z. noch in Beobachtung befindet, und demonstriert auch dessen Gesichtsfelder. Im ganzen ist das Vorkommen derartiger Fälle sehr selten. Hr. Melchior: Echinoeoceus der Mamma. Die umfangreiche Geschwulst hatte sich bei der sonst gesunden 47jähr. Frau im Laufe von 4 Monaten entwickelt. Haut darüber intact. Der klinische Befund entsprach dem eines Cystadenoms, auffällig war - uur die feste Verbindung mit dem Pectoralis major sowie eine gewisse Fixierung gegen die Thoraxwand. Bei der am 19. V. 1917 von mir vorgenommenen Exstirpation der im übrigen scharf abgesetzten balg- artigen Geschwulst zeigte es sich, dass ein schmaler Fortsatz derselben durch einen erweiterten Intercostalraum in das Thoraxinnere hinein- reichte. Der zweifingerdicke Stiel wird zunächst durchtrennt, wobei sich zahlreiche grössere und kleinere Echinokokkenblasen entleeren. Man gelangt durch die Lücke in eine doppelfaustgrosse, von Blasen er- füllte Höhle, deren Grund überall von der abgehobenen verdickten Pleura parietalis gebildet wird. Durch Abtragung der darüber befind- lichen Rippen, die hochgradige Usur aufweisen, wird die Höble zu einer Mulde umgestaltet. Die Wunde bleibt grossenteils offen. Ungestörter postoperativer Verlauf. Durch Ausdehnung der Lunge hat sich die Höhle inzwischen fast vollkommen ins Niveau abgeflacht. (Abbildung.) Das Vorkommen der Mammaechinokokken ist sehr selten. In der bisherigen Literatur finden sich nur knapp 30 Fälle. Ueberdies ist es fraglich, ob alle hierher gerechneten Fälle wirklich Echinokokken des Brustdrüsenkörpers darstellen; bei einiger Grösse kann nämlich ein primärer Echinococcus des subeutanen Mammagewebes oder des Spatium retromammale ganz das gleiche Bild abgeben. Auch in unserem Falle, der einer älteren Beobachtung von Landau vollkommen entspricht, muss der primäre Ausgang zweifelhaft bleiben. Gegen Lungenechino- coccus spricht allerdings entschieden der Operationsbefund, auch fehlten klinische Erscheinungen seitens der Lunge vollständig. Ueberdies neigt der Lungenechinococeus mehr zu Durchbrüchen in den Bronchialbaum. Klinisch imponiert der Mammaechinococcus in der Regel als Cyst- adenom. Die Punktion könnte die Diagnose klären, doch liegt zur Vor- II. Abteilung. Medizinische Sektion. 21 nabme derselben meist keine Veranlassung vor. Hydatidenschwirren ist in diesen Fällen nie beobachtet worden. Der einzige Fall, in dem ich selbst dieses Phänomen sehr deutlich vorfand, betrifft eine riesen- hafte Hydronephrose. i Die Ansiedlung erfolgt jedenfalls auf dem Blutwege. In einem Falle der Literatur soll die Krankheit direkt durch Säugen junger Hunde entstanden sein; ob das möglich ist, bleibt wohl zweifelhaft. In unserem Falle bestand ein besonderer Anhalt für den Ursprung der In- fektion überhaupt nicht. Tagesordnung. Hr. Forsehbach: | Eigenartige schwere Entkräftungszusiände mit Bradykardie. Diskussion: HHr. Pohl, Röhmann, Stolte, Melchior Forschbach. Sitzung vom 15. Juni 1917. Vorsitzender: Herr Pohl. Schriftführer: Herr Tietze. Hr. Rosenfeld: Klinische Demonstrationen. a) Zur Behandlung der perniciösen Anämie. Die Behandlung mit Arsen ist eine Zeitlang sehr wirkungsvoll, später oder früher aber tritt eine Darmstörung schwer hindernd dazu — weniger bei Atoxyl-Kakodyl- und Solarsoninjektionen. Cholesterin wirkt 22 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Qultur. nur wenig und ganz vorübergehend. Günstiger ist die Wirkung der radioaktiven Substauzen. Sehr gute Resultate hat oft die Milzexstirpation gemäss der Theorie von Eppinger gegeben. Doch ist nur eine quanti- tative Besserung des Blutbildes, nicht eine qualitative Umstimmung die Folge. Die hier demonstrierte Patientin, bei welcher die Milzexstirpation von Herrn Sackur ausgeführt worden ist, hatte im August 1916 noch 70 pCt. Hämoglobin bei einem typischen Blutbilde, im Januar 50 pOt. Hämoglobin und nur 1000000 rote Blutkörperchen im Kubikmillimeter, ausgesprochene Megalocytose usw. Die osmotische Resistenz ist trotz leicht ieterischer Färbung normal. Durch Solarson hebt sich die Hämo- globinzahi auf 68, die der roten Blutkörperchen auf 4000000. Dieser Status bleibt nach der Milzexstirpation annähernd erhalten und wird jetzt durch Eisen zu schützen gesucht. Nach der Operation fanden sich Nester von Hunderten von Blutplättehen im Blute der Patientin, dabei noch reichliche Megaloeytose und viele polynucleäre Leukocyten. Das subjektive Befinden ist sehr gut. 2 Diskussion. Hr. Frank: Die Milzexstirpation wirkt bei der perniciösen Anämie günstig, zunächst wohl durch die Ausschaltung der hämolytischen Tätig- keit des Organs, vor allem aber durch den Wegfall einer Hemmung auf die blutbildende Tätigkeit im Knochenmark. Es handelt sich dabei nicht um einen für die perniciöse Anämie spezifischen Einfluss der Milz, sondern um eine ihr ganz allgemein zukommende Eigenschaft, die sich in dem Auftreten einer Polyglobulie schon bei Entfernung der Milz gesunder Menschen, vor allem aber, wenn vorher bereits eine Blutarmut bestand, geltend macht. Eine Heilung der perniciösen Anämie wird nicht herbei- geführt, da die charakteristische Veränderung des Blutbildes — Makro- cytose und erhöhter Färbeindex — bestehen bleibt. Es handelt sich also lediglich um die Erzeugung einer allerdings mitunter lange an- haltenden Remission. Der Eingriff wird also bei perriciöser Anämie im allgemeinen nur in Frage kommen, wenn durch Arsen, Thorium X usw. eine Besserung des Blutbildes nicht mehr hervorgerufen werden kann. Hr. Kosenfeld: b) Zur Behandlung der Poiyeythämie. Es wird ein Patient demonstriert, bei welchem die Behandlung mit Thorium X 40 E. E. pro die innerlich in 3 Wochen die Zahl der roten Blutkörperchen von 9500000 auf 7000000 herabgesetzt hat. Alle sub- jektiven Beschwerden, wie Schwindel, Kopfschmerz sind geschwunden, desgleichen der Bronchialkatarrh; unbeeinflusst ist die Albuminurie ge- blieben. Redner berichtet über einen zweiten Fall, der Februar 1914 über 8 Millionen rote Blutkörperchen zeigte, und nach 3400 E. E. Thorium in 100 Tagen nur noch 51/, Millionen rote Blutkörperchen zeigte. Der. Blutdruck von 160 auf 130 mm Hg vermindert. Das Resultat blieb so günstig bis 1917, indem es sich durch kurze Wiederholungszeiten der Thoriumkur in den folgenden Jahren leicht sichern liess. Aussehen und Arbeitsleistung gänzlich normal. Blutdruck unbedeutend gesteigert. In einem dritten, besonders schweren Falle ging die Zahl der roten Blut- körperchen von 11000000 auf 9000000 herunter :: aber die Herzinsufficienz, die enorme Bronchitis und die Albuminurie besserten sich nur wenig. Durch einen Fall von der Treppe wurde der Tod in kurzer Zeit herbei- geführt. Redner empfiehlt den Versuch der Behandlung mit 40 E. E. Thorium X innerlich durch längere Zeit. c) Zur Behandlung der Fibrinurie. (Siehe Teil II.) Hr. Rosenstein: Demonstration eines supravaginal ampntierten Uterus nach drei- maligem Kaiserschnitt. (Siehe Teil II.) II. Abteilung. Medizinische Sektion. 23 Diskussion. Hr. Küstner: Betreffs des queren Fuundalschnittes kann ich den Ausführungen des Herrn Vortragenden vollkommen beitreten. Selbst wenn man zugeben will, dass bei dieser Schnittführung die nachher angelegten Suturen die eröffneten Gefässe vorteilhafter schnüren als bei einem longitudinalen Corpusschritt und so eine verlässlichere Blutsicherheit gewonnen wird, so haften ihm doch die Nachteile jedes Corpusschnittes an, nämlich die Tendenz der durchschnittenen Uterusmuskulatur, der adaptierenden Wirkung der Nähte entgegenzuwirken. Führt das zur Narbenverdünnung, so ist eine solche im Fundus viel verbängnisyoller als im Bereiche der vorderen Wand nach dem üblichen Medianschnitt. Hier führt Mikrobendurchwanderung von der Uterushöhle aus zu einer Verklebung der vorderen Uteruswand mit den Bauchdecken und zu einer Isolierung des Infektionsherdes gegenüber der gesamten Bauch- höhle. Wandern von einer Funduswunde die Mikroben nach der Bauch- höhle durch, so kommt es leichter zur Infektion umfänglicherer Peri- tonealabschnitte, leichter zu universeller Peritonitis. Und auch wenn es zur Isolierung des Entzündungsprozesses im Peritoneum kommt, so sind solche im Bereiche des Fundus folgenschwerer als im Bereiche der vorderen Wand. Hier kommt es, wie gesagt, zur Verklebung der vorderen Wand mit den Bauchdecken, mit dem Netz, im Bereiche des Fundus dagegen leicht zu solcher mit Dünndarmschlinpgen. Und so sah auch ich ' einen Ileus nach fundalem Querschnitt zustande kommen, wo der funeste Ausgang durch Relaparotomie und Lösung der adhärenten Dünndarm- schlinge abgewendet wurde. Im Gegensatz zur Häufigkeit unvorteilhafter Narbenbildung nach alten corporealen Methoden des Kaiserschnittes sind die Narben nach cervicalem Schnitt durchweg gut, fast immer sehr gut, wie es auch der demonstrierte Fall zeigt. Als die Erfahrungen noch gering waren, fürchtete man das Gegenteil. : Wenn es nichts anderes wäre als nur die vorteilhafte Narbenbildung, dann müsste sie allein ausschlaggebend sein, die corporealen Methoden zu verlassen und für sie prinzipiell die cervicalen zu substituieren. Aber auch bei diesen besteht ein Unterschied, und zwar ein be- deutungsvoller. Es ist ein Unterschied, ob man trans- oder extraperitoneal operiert. 3 Wählt man die transperitoneale Methode, dann operiert man so . früh, als es nur möglich ist. Dann trifft man häufig aut eine noch un- gedehnte Cervix, und schon aus diesem Grunde fällt der obere Teil des Schnittes in das Corpus, nicht in die Cervix, was ohnehin auch schon deshalb der Fall ist, weil man sich oberhalb der peritonealen Um- schlagsstelle mit seiner Schnittfübrung hält. Bei einem kürzlich von mir gemachten tiefen transperitonealen Kaiserschnitt lag der obere Schnitt- winkel schliesslich nur wenige Centimeter unterhalb des Fundus uteri. Den extraperitonealen Kaiserschnitt dagegen braucht man jedenfalls nicht früh und kann ihn sehr spät, sehr lange nach Fruchtwasserabfluss, bei hochgradiger Cervixdehnung machen. Er fällt immer ganz oder zum allergrössten Teil in das obere und untere Ceryixsegment, also in den Teil, welcher wegen seiner Dehnung die Vernarbungsprozesse während des Puerperiums so ausserordentlich begünstigt. Aus diesem Grunde werden wir nach extraperitonealem Schnitt bessere Narben beobachten als nach tiefem transperitonealem. Auch darin zeigt sich der extraperitoneale Schnitt dem transperitonealen über- legen, eine Ueberlegenheit, die nicht hoch genug zu veranschlagen ist, weil wir gelegentlich wegen Kindsgefährdung den Kaiserschnitt wählen, wo spätere Geburten den Naturkräften überlassen werden dürfen und durch diese zum glücklichen Ende geführt werden. 24 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Sitzung vom 22. Juni 1917. Vorsitzender: Herr Pohl. Schriftführer: Herr Tietze. Vor der Tagesordnung. Hr. Melchior: Vorstellung eines Patienten mit Phlegmone am Halse. (Siehe Teil II.) Tagesordnung. Hr. Melchior: Ueber die Bedeutung der Thymusdrüse im Rahmen des Morbus Basedowii. (Siehe Teil II) Diskussion: HHr. Dreyer und Pohl. Hr. W. Uhthoff berichtet über ein 2jähriges Kind mit doppel- seitigem 6lioma retinae. Das rechte Auge war zur Zeit der ersten Untersuchung schon völlig erblindet unter dem Bilde des amaurotischen Katzenauges im glaukomatösen Stadium. Das linke Auge zeigte zwei grössere gliomatöse Knoten der Retina nach unten innen und unten aussen. Das Sehen war noch leidlich gut. Bei der verzweifelten Lage der kleinen Patientin wurde zur Bestrahlungstherapie gegriffen und zwar rechts mit Mesothorium, links mit Röntgenstrahlen. Die Reaktionen auf dem rechten blinden Auge waren sehr erheb- lich, es kam zu cberflächlicher Lidnekrose und Ulcus corneae, welches schliesslich die Enueleation nötig machte. Die anatomische Untersuchung dieses Bulbus ist noch nicht abgeschlossen. Auf dem linken Auge zeigten sich unter der wiederholten Röntgen- bestrahlung sehr bemerkenswerte Rückbildungserscheinungen. Die Gliom- knoten flachten sich ab und zeigten deutliche Zerfallserscheinungen unter Loslösung von gliomatösen Massen, welche im Glaskörper flottierten. Die Papille, welche anfangs durch die gliomatöse Wucherung verdeckt war, wurde wieder gut sichtbar. Das linke Auge zeigte keine entzünd- lichen Reaktionen und das Sehen ist jedenfalls, soweit sich das beur- teilen lässt, nicht schlechter geworden. Diskussion: Er. Melchior. Sitzung vom 6. Juli 1917. Vorsitzender: Herr Pohl. Schriftführer: Herr Rosenfeld. Hr. Chotzen: Die zukünftige Bekämpfang der Geschlechtskrankheiten. (Siehe Teil IL.) Die Diskussion wird vertagt. Hr. Felix Rosenthal: Ueber Paratyphuserkrankungen. Vortragender berichtet über eine mit R. Hamburger gemeinsam beobachtete Paratyphus B-Epidemie, die durch den Genuss einer mit Vanille zubereiteten Süssspeise hervorgerufen wurde. Die Epidemiologie, die klinischen Erscheinungsformen der Krankheitsfälle werden geschildert und insbesondere die Abortivformen und unter diesen die sogenannten Pseudoinfluenzafälle an der Hand von Kurven demonstriert. Aus den an einem grossen Material ausgeführten bakteriologischen und sero- logischen Untersuchungen ist hervorzuheben, dass der Typhusimpfwidal weder im Fieberstadium noch in der Rekonvalescenz durch die ver- wandtschaftliche Infektion beeinflusst wurde, dass der baktericide, Re- agenzglasversuch- als Diagnosticum versagte, und dass das Serum von II. Abteilung. Medizinische Sektion. 25 Paratyphus B Rekonvalescenten gegenüber dem thermostabilen Cultur- toxin keine entgiftenden Eigenschaften besitzt. (Ausführliche Veröffentlichung im deutschen Archiv für klinische Medizin.) Diskussion: Hr. Grüning. Sitzung vom 20. Juli 1917. Vorsitzender: Herr Pohl. Schriftführer: Herr Rosenfeld. Hr. Paul Ledermann: Zwei seltene Fälle von Fremdkörpern im Oesophagus. Der erste Fall betrifft einen Soldaten, der am 24. VIII. 1916 die eine Hälfte seiner Gebissplatte, an der zwei Zähne sassen, verschluckt hatte. Wesentliche Beschwerden bestanden nicht. Eine Woche später verschluckte er in der Nacht die zweite Hälfte der Gebissplatte. Nun stellten sich Schlingbeschwerden ein, die allmählich immer stärker wurden. Der klinische Befund war nach den Angaben des Lazaretts negativ. Mit Schlundsonde 10 gelangte man bis in den Magen. Das Röntgenbild zeigte beide Bruchstücke in der Höhe des 5. Brustwirbels. Derselbe Befund wurde hier am 10. IX. in der chirurgischen Klinik er- hoben. Bei der Oesophagoskopie am 13. IX. fiel uns zuerst ein sehr übler Foetor schon bei der Stomatoskopie auf. Bei der Oesophagoskopie zeigte sich etwa 22 cm von der Zahnreihe entfernt die Speiseröhre koncentrisch durch schmierig belegte Granulationen hochgradig verengt. Bei vorsichtigem Vorschieben des Rohres wurde ein Zahn sichtbar, an dem sich mit der Krallenzange die Platte, an der im ganzen 4 Zähne sassen, extrahieren liess. Darauf nochmaliges Einführen des Rohres und Extraktion des zweiten Plattenstückes. Glatter Heilungsverlauf. Die Platten hatten also, die erste 3, die zweite 2 Wochen in der Speise- röhre gesessen. Beim 2. Fall bildeten Nadeln den Speiseröhrenfremdkörper. Eine Näherin gab an, vor einer Woche mit einer Schnitte Brot zwei Näh- nadeln verschluckt zu haben und sucht jetzt wegen Schmerzen beim Schlucken die Klinik auf. Im Röntgenbild sieht man eine Nadel in Höhe des Kehlkopfeingangs, die zweite in der Höhe des ersten Sterno- costalgelenks etwas nach links von der Mittellinie. Beim Einführen des Ösophagoskopischen Rohres zunächst kein Befund; beim Zurück- gehen wird die obere Nadel im linken Hypopharynx mit dem spitzen Ende durch das Ligamentum glosso-epiglotticum laterale durchgespiesst sichtbar und extrahiert. Bei Wiederholung der Autoskopie am nächsten Tage wird auch die zweite Nadel etwa 20 em von der Zahnreihe ent- fernt mit dem stumpfen Ende in den Oesophagus hineinragend sichtbar und extrahiert. Beide Nadeln sind schwärzlich verfärbt und rostig. Im Laufe der nächsten acht Tage andauernd Temperaturen von 39,5 und 40 bei mässigem Allgemeinbefinden. Allmählich zunehmende Schwellung der linken oberen Halsgegend über dem oberen Sternocleidodrittel. Die wegen Verdachts auf einen Abscess von den Chirurgen vorgenommene Ineision förderte trotz Vorgehens bis auf die Speiseröhre keinen solchen, sondern nur eine Lymph- und Periadenitis der oberflächlichen und tiefen seitlichen Halsdrüsen zutage. Der im Laufe der zweiten Woche er- hobene ophthalmoskopische Befund zeigt eine Anisokorie Rechts < Links. Beiderseits keine Reaktion auf Licht und Konvergenz. Verdacht auf Neu- ritis optica. Am Ende der dritten Woche allmählich immer stärker zu- nehmende Schwellung der unteren Halsgegend und des Oberarms. Auch 26 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. hier wird bei ausgedehnten Längsineisionen kein Eiter gefunden. Ab- gang einer ganzen Nähnadel per rectum. 5 Tage später Auftreten von Schüttelfrösten. Da sich aus dem unteren Winkel der Hafswunde reich- lich Eiter entleert, wird am vorderen Sternocleidorande bis zur (Qlavi- cula nach unten incidiert und eine Abscesshöhle gefunden, die bis zur ersten Rippe reicht, Abgang einer zweiten Nähnadel per rectum. Im Laufe der nächsten vier, Tage treten gehäuft Schüttelfröste auf, bis unter Hinzutritt typischer Lungenabscesserscheinung der Exitus "eintritt. Die Sektion ergibt eine Fistelöffnung im Oesophagus nach links hinten hin in der Höhe des Sternoclaviculargelenks, von hier ausgehend ein Abscess, der bis zu dem oberen Teile der linken Lunge reicht und mit der Pleura fest verwachsen ist. Thrombose der Vena subelavia. Abscess der Subelavieulardrüsen. In beiden Lungen reichliche Infarkte, vereinzelte kleine Abscesse. Grosse Milz. Hr. Melchior zeigt eine Patientin, bei der er einen seit 8 Jahren im Magen frei gelegenen Murphyknopf entfernt hatte. Die Ana- stomose war wegen Sanduhrmagens vorgenommen worden. Die Be- schwerden zeigten einen ausgesprochen intermittierenden Charakter. Auffallend war das Fehlen jeglicher Perigastritis. — Die Mechanik und Klinik der gelegentlich durch den Murphyknopf verursachten Störungen wird im Anschluss hieran besprochen. (Genauere Mitteilung erfolgt demnächst in einer Dissertation.) Diskussion zum Vortrag des Herrn Chotzen: Die zukünftige Be- kämpfung der Geschlechtskrankheiten. Hr. Schäffer stimmt den Ausführungen des Vortragenden bei und ist gleichfalls der Ansicht, dass die gegenwärtige Zeit ein energisches Vorgehen gegen die Verbreitung der Geschlechtskrank- heiten notwendig macht. Darum ist es mit Freude zu begrüssen, dass die Militärverwaltung die einleitenden Schritte unternommen hat durch Einführung der Meldekarten für alle venerisch erkrankten Soldaten und durch Weitermeldung aan die Landesversicherungs- anstalten. Wenn dies auch vorläufig mit Rücksicht auf die gegen- wärtige Rechtsprechung nur mit der Zustimmung jedes Einzelnen ge- schieht, so ist doch beabsichtigt auf dem Wege der Gesetzgebung noch mehr zu erreichen, vor allem eine längere Zurückhaltung der noch krank.Befundenen aus sanitären Gründen. Bei der Neueinrichtung der Beratungsstellen müssen wir Aerzte freudig mithelfen, zumal ja die letzten Verhandlungen der deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten in Mannheim gezeigt haben, dass die zuerst be- fürchteten Schwierigkeiten gar nicht auftraten oder zu überwinden sind. Freilich ist es richtig, nach Möglichkeit Zwang zu vermeiden und nicht zu weit zu gehen. So müssen wir uns vorläufig damit begnügen, die Versicherungspflichtigen, namentlich das grosse Heer der Krankenkassen- patienten zur Meldung an die Beratungsstellen zu bringen. Notwendig ist es, von vornherein dafür zu sorgen, dass nicht infolge dieser Neu- einrichtung eine Abwanderung der Geschlechtskranken zum Kurpfuscher erfolgt; dies kann nur durch ein baldiges reichsgesetzliches Kurpfuscher- verbot — zum mindesten für die Geschlechtskrankheiten — erreicht werden, wofür sich ja auch sämtliche Vorstände der Landesversicherungs- anstalten ausgesprochen haben. Wir haben mehr denn je Ursache die Volksgesundheit in Deutschland zu schützen. Darum ist dieses Gesetz ein Gebot der Stunde. Hr. Carl Alexander: Die Notwendigkeit einer Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten an sich bedarf einer Erörterung nicht; und dies um so weniger, als diese Frage bereits den Reichstag beschäftigt hat, und dessen Ausschuss für Bevölkerungspolitik nach eingehender Be- II. Abteilung. Medizinische Sektion. 27 ratung eine Reihe von Richtlinien angenommen hat, in denen eine energische, zweckentsprechende Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten im Heere und in der Gesamtbevölkerung gefordert wird. Zur Diskussion stehen also nur die Mittel und Wege, die zu diesem Ziele führen sollen; und eine Aussprache hierüber erscheint um so not- wendiger, als besonders über eine der neugeplanten Einrichtungen: die überall von den Landesversicherungsanstalten im Verein mit den Krankenkassen teils schon geschaffenen, teils noch zu schaffenden „Be- ratungsstellen“, erhebliche Meinungsverschiedenheiten in der deutschen Aerzteschaft bestehen. Nun sind die Bedenken materieller Art, die beispielsweise von Stern-Düsseldorf, vom Cölner Aerzteverein und von anderen Seiten er- hoben wurden, bereits auf der letzten Jahresversammlung der „D. Ges. 2. Bek. d. Geschlechtskrkh.“ als durchaus vermeidbar zurückgewiesen worden; dies meines Erachtens mit Recht; hat doch Hahn - Ham- burg, der Leiter der dortigen öffentlichen Beratungsstellen statistisch nachweisen können, dass durch die fortgesetzten, systematischen Mah- nungen der Beratungsstellen au lässige Kranke, sich behandeln zu lassen, der Umfang der ärztlichen Tätigkeit sich dort bedeutend er- weitert hat. Und das kann aller Orten so werden, wenn nur die ge- eignete Persönlichkeit mit entsprechendem Taktgefühl an die Spitze derartiger Einrichtungen gestellt wird, und. wenn durch entsprechende Verwaltungsbestimmungen die missbräuchliche Benutzung einer Be- ratungsstelle durch Leute, die nicht dahin gehören, ausgeschaltet wird. Sind so die Einwände bezüglich materieller Schädigung der Aerzte- schaft nicht allzu schwer wiegend, so liegen die Dinge durchaus nicht so einfach hinsichtlich der ideellen Fragen, die sich hierbei mit in den Vordergrund drängen; über die Anzeigepflicht bei Geschlechts- krankheiten wird ein grosser Teil der Aerzteschaft Deutsch- lands nicht ohne weiteres hinweg kommen! Hiergegen ist durchaus nicht etwa nur vom Aerzteverein in Cöin Front gemacht worden; sondern auch Männer, die sich durchaus für die Beratungsstellen eingesetzt haben, wie z. B. Block in Hannover, hat als Referent über diese Frage in der Aerztekammer für die Provinz Hannover (Sitzung vom 22. November 1916) einen den Aerzten auf- erlegten Meldezwang direkt als „verhängnisvoll“ bezeichnet. Desgleichen hat E. Delbanco-Hamburg, einer der Vorkämpfer für die Beratungs- stellen, sich ausdrücklich gegen eine unterschiedslose Meldepflicht aus- gesprochen!) und hat sogar die weitere Forderung aufgestellt, dass die Beratungsstelle als solche keinen auffälligen amtlichen Charakter tragen darf. Im gleichen Sinne hat die Badische Aerztekammer nach ein- gehender Diskussion nachfolgende Entschliessung einstimmig angenommen: „Die Badische Aerztekammer fordert die Aerzte des Landes auf, die Beratungsstellen für Geschlechtskranke so weit wie möglich zu unter- stützen, vor allem durch eindringliche, persönliche Beeinflussung und Belehrung der Kranken; aber nicht nur aus Gründen der Standesethik, sondern auch im Interesse der Sache selbst hält sie die strenge Wah- rung des Berufsgeheimnisses für geboten und die Erstattung einer Anzeige nur mit Einwilligung des Kranken für statthaft?). Und das mit Recht! Der Kranke, der ohne seine Einwilligung ge- meldet wird, fühlt sich vom Arzte verraten und wird ihn künftig meiden; andere, durch solche Vorgänge eingeschüchtert, werden von vornherein gar nicht den Arzt aufsuchen. Solche Folgen aber dürften den Nutzen, 1) Vergl. an Arbeit „Zum Kapitel der Beratungsstellen für Ge- schlechtskranke“, Derm. Wschr., 1917, Nr. 6. 2) Siehe Aerztl. V. Bl., Nr. 114 vom 13. Februar 1917. 23 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. den die Beratungsstellen auf der einen Seite stiften sollen, leicht wieder aufwiegen. Auf diese unbeabsichtigten Folgen des Meldezwanges muss man um so notwendiger hinweisen, als neuerdings nicht nur bezüglich der Beratungsstellen, sondern ganz im allgemeinen eine Anzeigepflicht oder gar ein Behandlungszwang für Geschlechtskranke von gewissen Seiten gefordert wird. Dem gegenüber ist es höchst bedeutungsvoll, dass kein anderer als Prof. Biaschko, der Mitbegründer und hochver- diente langjährige Generalsekretär der D. Ges. z. Bek. d. Geschlechtskrkh., der jetzt nach Neisser’s Tode den Vorsitz führt, in einem unlängst er- schienenen Aufsatze!) die allgemeine Anzeigepflicht für alle Geschlechts- kranke für „völlig undurchführbar“* erklärt hat. „Von den vielen Gründen“ — sagt Blaschko —, die dagegen sprechen, hier nur einige: „Fast ein Drittel aller Geschlechtskranken, ein Viertel aller Frisch- inficierten sind verheiratet. Nun stellen Sie sich einen Arzt in einer Mittelstadt vor, der den Herrn Amtsrichter, den Herrn Pastor oder die Frau Hauptmann anmelden sollte. Ich bin überzeugt, die meisten Aerzte würden das nicht mitmachen.“ Nun macht Blaschko allerdings bezüglich der Meldepflicht einen wesentlichen Unterschied zwischen Kassenmitgliedern und Privatpatienten; er meint: „Die Hunderttausende von Kassenmitgliedern machen sich nicht die geringste Sorge darüber, dass die Aerzte ihre Krankheit der Kasse anmelden. In den oft überfüllten Kassensprechstunden herrscht vielfach eine sehr grosse Ungeniertheit ... . aber gerade bei den besser situierten Bevölkerungsschichten, in denen die Geschlechtskrankheiten besonders stark verbreitet sind, will man den Schein gewahrt wissen; und dem würden die Aerzte Rechnung tragen und tragen müssen ... Ein Weiteres: In dem Augenblick, wo die Kranken, nämlich die Be- sitzenden, befürchten müssten, dass die Aerzte sie bei irgend einer Gesundheitsbehörde, mag man sie nennen, wie man will, anmelden, würden sie zu den Kurpfuschern gehen.“ Der Unterschied zwischen Besitzenden und Kassenmitgliedern (be- züglich des Meldezwangs), den Blaschko, und andere mit ihm, aus der grossen „Ungeniertheit* der Kassenkranken hergeleitet wissen will, trifft vielleicht für Berliner Verhältnisse zu, wohl aber nicht in gleicher Weise für geschlechtskranke Kassenmitglieder in mittleren und kleineren Städten, wo diese „grosse Ungeniertheit* durchaus nicht besteht, und wo die Kassenkranken durch den Meldezwang leicht veranlasst werden könnten, den Arzt zu meiden und dafür den Kurpfuscher aufzusuchen, der ihnen Diskretion verspricht und etwaige Bestrafung für die Nichtmeldung als Geschäftsrisiko betrachtet und den Behandlungskosten zuschlägt. Das Kurpfuschertum, das sich ja immer schon mit Vorliebe auf dem Gebiete der „geheimen Leiden“ getummelt hat, würde durch die ärztliche Meldepflicht noch viel mächtiger empor wuchern! Nun glaubte man, solchen Bedenken bezüglich der Meldepflicht durch Vertröstung auf ein Kurpfuschereigesetz zu begegnen und weist jetzt gefliessentlich darauf hir, wie doch überall bei den Behörden die Ueberzeugung für die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes sich Bahn breche. „Die Botschaft hör ich wohl; allein mir fehlt der Glaube!“ Die Erfahrung, die wir in früheren Jahren beiEinbringung des Kurpfuscherei- gesetzes gemacht haben, lehrt uns, mit unsern Erwartungen sehr vor- sichtig zu sein. Haben wir doch jetzt erst, vor wenigen Monaten, eine Salvarsandebatte im Reichstage erlebt, die für den Eingeweihten nichts anderes sein kann, als ein Vorstoss der Naturheilkundigen und der mit ihnen arbeitenden politischen Parteien, ein Vorstoss gegen ein etwa beabsichtigtes Kurpfuschereigesetz, wobei man, nach alter Taktik, die 1) B.kl.W., Nr. 26 vom 25. Juni 1917. II. Abteilung. Medizinische Sektion. 29 wissenschaftliche Medizin verunglimpft, um ein „Aerztemonopol“ zu Fall bringen zu können. Und die Presse, die nach dem Kriege wieder un- geheure Einnahmen aus den Heilanpreisungen bei Sexualleiden erhofft, wird dann sicher schon bei Zeiten wieder versuchen, ein Gesetz zu ver- hindern, dass diese Einnahmen schmälert. Ich darf hierbei auf meine, von der D.G.B.G. als Flugschrift herausgegebene Arbeit „Geschlechts- krankheiten und Heilschwindel“ verweisen. Selbst wenn aber, allen Zweifeln zum Trotze, das Kurpfuscherei- gesetz kommen sollte, so wird es doch, so wie die Dinge jetzt liegen, ein Schlag ins Wasser sein; denn noch weit gefährlicher wie die Kur- pfurscher ohne Approbation sind in diesem Falle solche mit Approbation, die unsauberen und unlauteren Elemente aus dem Aerztestande, die zudem ihr ärztliches Diplom hergeben, um den Schwindel der Heilinstitute zu decken. Beispiele dafür in Berlin, Breslau und anderwärts sind reich- lich vorhanden. Unsere Ehrengerichtsgesetzgebung versagt bisher gegen diese Elemente völlig; und wenn wir nicht endlich die Befugnis bekommen, solchen Leuten die ärztliche Approbation zu entziehen, sind wir gegen den Schaden, den sie anrichten, machtlos. Wie die Meldepflicht aber noch nach anderer Seite hin schädlich wirken kann, dafür ein kleines Beispiel, das unlängst Rothschild im Aerztl. Vereinsblatt (vom 5. Dezember 1916) veröffentlicht hat (in einer Notiz: „Im Schatten der Beratungsstellen für Geschlechtskranke*): „Es tritt eine gebildete junge Dame ein; sie ist verführt und mit Gonorrhoe inficiert worden. Seit zehn Tagen ist sie in Verzweifelung und kämpft mit sich, ob sie einen Arzt zu Hilfe nehmen kann. Sie hat zehn Tage gewartet — sie konnte so lange den Mut nicht dazu finden —, weil ringsum in ihrem Bekanntenkreise man ihr überall gesagt hat, dass die Aerzte jetzt, laut neuester Verfügung, solche Kranke anzeigen und den Beratungsstellen überweisen müssten; so könnten ihre Eltern von ihrer Krankheit erfahren.“ Gegen die ideellen Konflikte, in die bei solchen Fällen eine Melde- pflicht uns bripgen muss, kann auch eine beabsichtigte Aenderung des S 300 nichts ausrichten. Hier verwechselt man Ursache und Wirkung. Wir schweigen, nicht weil ‚der Paragraph dies von uns fordert; sondern der $ 300 ist geschaffen‘ worden den Bedürfnissen des Lebens ent- sprechend, um unsere ethische Schweigepflicht gesetzlich festzulegen; und wenn man jetzt diesem $ 300 einen Zusatz geben will, der diese Schweigepflicht in gewissem Sinne ausschaltet, so müssen wir sagen: höher wie alle gesetzlichen Verordnungen und Auslegungen steht das moralische Gesetz in uns, das Gefühl der Verantwortung für unsere Kranken, die sich uns anvertrauen, wobei es sich für den Arzt eben durchaus nicht etwa nur um körperliche Schäden, die dem Patienten bei falschem Vergehen erwachsen können, handelt. Salus Aegroti suprema lex. Deshalb erscheint es als weiser Zug der Heeresverwaltung, dass sie den Meldezwang ablehnt. Und diejenigen, die die Gestaltung der Dinge hinsichtlich der Beratungsstellen in der Hand haben, sollten diesen Standpunkt und die gerade aut dem Boden des Idealismus der deutschen Aerzteschaft erwachsenen Einwände entsprechend beherzigen! In dankenswerter Weise haben die Landesversicherungsanstalten und auch der Präsident des Reichsversicherungsamtes wiederholt erklärt, dass sie nur im Einvernehmen mit den Aerzten alles regeln wollen; sie haben die berufenen Vertreter des Aerztestandes zu ihren Beratungen zugezogen. Demgemäss lässt sich der ablehnende Standpunkt der Aerzte- vereine in Frankfurt a. M., Aachen und Cöln gegen die Beratungsstellen nicht aufrecht erhalten; er verstösst gegen die Direktiven des Leipziger 30 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Verbandes und des Aerztevereinsbundes, die eine Unterstützung und ein Zusammenarbeiten mit den Landesversicherungsanstalten durchaus empfoblen haben. Aber andererseits muss man auch den, bei den gemeinsamen Verhandlungen ausgesprochenen treffenden Satz Streffer’s sich merken: man solle bei Zeiten dafür sorgen, dass die Maschine gut geölt wird, damit späterhin Reibungen vermieden werden. Das wird um so leichter sein, wenn durch wiederholte Aussprachen über die wichtigen Fragen die nötige Klärung geschaffen wird. Nur so können die ärztlichen Beratungsstellen das Ziel erreichen, das ihnen gesteckt ist: „Eine wesentliche Eindämmung der Geschlechtskrankheiten!“ Hr. Asch: Wie man sieht, ist die Frage der Meldepflicht, von so verschiedenen Seiten beleuchtet, doch recht unterschiedlich zu beant- worten, und deren allgemeine Einführung auch bei Geschlechtskrank- heiten wird noch auf mancherlei Schwierigkeiten stossen; und doch kann bei voller Wahrung des ärztlichen Berufsgeheimnisses nach der richtigen Seite hin durch Taktgefühl und Individualisierung viel erreicht werden. Dem Beispiel Chotzen’s aus militärischen Kreisen, bei dem jenem zur Entlassung kommenden Kranken gesagt wird: entweder Du musst der Beratungsstelle übergeben werden, oder beim Militär bis zur Her- stellung bleiben, könnte auch der Fall Alexander’s in gewisser Ana- logie zur Seite gestellt werden; der Dame, bei der die Erkrankung wirk- lich geheim zu halten ist, kann der Arzt in bestimmter, wenn auch freundlicher Art auseinandersetzen, dass sie, falls sie sich in aus- reichender Weise bis zur Gesundung den ärztlichen Anordnungen fügt, einer Meldung entgehe und dadurch einer Offenbarung ihres Unglücks nicht ausgesetzt sei. 2 Eine gewisse diskretionäre Vollmacht muss doch den Aerzten ge- geben werden, wobei ich allerdings annehme und hoffe, dass die von Alexander gekennzeichneten minderwertigen Kollegen sich in ver- schwindend kleiner Minderzahl finden. Es gibt auch dafür schon eine Analogie: als wir über die Frage der zwangsweisen Prophylaxe der Blennorrhoea neonatorum zu ent- scheiden hatten, wurde den Hebammen befohlen, jedem Neugeborenen den Cred@’schen Tropfen zu verabfolgen, ausser wenn der etwa an- wesende Arzt oder der Vater des Kindes, in genügender Weise aufgeklärt, die Verantwortung für die Unterlassung übernimmt. Die Diskretion wird durch unbefugtes Preisgeben des Berufs- geheimnisses gebrochen; verweigert der ansteckende Kranke die not- wendigen Maassnahmen zu seiner Herstellung und zum Schutze seiner Mitmenschen, so steht das allgemeine Wohl über den Inter- essen des Widerspenstigen, der vorher auf die Folgen seines rücksichts- losen Handelns aufmerksam gemacht worden ist. Mehr und mehr ist bei mir die Anschauung durchgedrungen, dass kein Zweifel bestehe, dass der Feldzug gegen die Geschlechtskrankheiten nach den Prinzipien der Seuchenbekämpfung zu führen sei. Die Parallelen und Unterschiede sind festzustellen. Hier wie da ist es das öffentliche Wohl, das dem des Einzelnen überzuordnen ist; es dient auch ihm, nicht nür den Volksgenossen. Bei der Seuchenbekämpfung ist es nun weniger die Frage, wie der Einzelne rein ärztlich zu behandeln ist; darüber herrscht bei vielen der ansteckenden Krankheiten Einigkeit. Fast ebenso steht die Frage bei der Syphilis; bei der Gonorrhoe ist das bisher fast nur beim männlichen Teil der Erkrankten der Fall. Aber wie in den letzten Jahren nicht sowohl die Wiederherstellung des Erkrankten allein Aufgabe der die Seuche bekämpfenden Aerzte- Il. Abteilung. Medizinische Sektion. al schaft und der behördlichen Organe ist, sondern die Isolierung der Bacillenträger in den Vordergrund des Interesses eines wirksamen Schutzes der Umgebung getreten ist, so muss auch dieser Gesichtspunkt mehr und mehr tür die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten Geltung bekommen. Bei der Lues hat diese Absicht schon die Therapie beeinflusst und die chronisch intermittierende Behandlung gezeitigt. Der Syphilitiker, der keine offenen oder versteckten Erscheinungen mehr aufweist oder spürt, hält sich für gesund, bleibt aber als Spirochätenträger noch ge- fährdet und vor allem gefährlich. Erst nach jahrelang fortgeführter Be- handlung unter genauester Beobachtung wird die Gefahr als endlich beseitigt hingestellt. Aehnlichen Zielen, ähnlichen Erfolgen streben wir ja auch bei der Tuberkulosebekämpfung nach. * Die Gonorrhoebekämpfung lässt in dieser Beziehung noch viel zu wünschen übrig: hier wird es Aufgabe der ärztlichen Fortbildung sein, höheres als bisher zu erreichen. Auch der Gonorrhoiker wird allzu oft als geheilt angesehen, wenn seine subjektiven Beschwerden oder die objektiven Erscheinungen be- seitigt zu sein scheinen; er bleibt oft viel länger noch Kokkenträger und dürfte erst nach genauestem Nachweis wirklichen Freiseins aus der Beobachtung und den damit verbundenen Zwangsmaassregeln zu ent- lassen sein. Noch viel ärger erkenne ich die Zustände bei der weiblichen Gonorrhoe. Es ist hier nicht der Ort, des näheren darauf einzugehen, ich habe mich erst vor kurzem darüber geäussert!). Auch hier verspreche ich mir von den veränderten Verhältnissen des Krieges bei einigem Entgegenkommen der berufenen Organe unend- lich segensreiche Fortschritte. Sehon im ersten Halbjahre des Weltkrieges begann die Sanitäts- verwaltung einzusehen, welcher Wert auf die erfolgreiche Ausnutzung der zur Verfügung stehenden vorzüglichen Elemente an spezialistisch ‚ ausgebildeten Aerzten zu legen sei. Die anfangs im allgemeinen Verwundeten- und Krankendienst ver- wendeten Dermatologen wurden mehr und mehr spezialistisch heran- gezogen und konnten so ihre Kräfte, Kenntnisse und Erfahrungen be- tätigen; auch Frauenärzte fanden wertvolle Beschäftigung nach Ein- richtung notwendiger Frauenlazarette. ; Neue Fragen rufen neue Anforderungen und Einrichtungen hervor. Wie die Frontärzte zu Gaskursen kommandiert werden, um die ihnen bisher fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten zu erlangen, so könnte die oberste Heeresleitung im Sanitätsdienst auch Kurse zur weiteren Fortbildung einer grossen Anzahl von Aerzten auf dem Gebiete wirk- samer Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten im obigen Sinne ein- richten. Kliniken wie Krankenhäuser mit genügendem Material stünden ihnen dabei zur Verfügung. Wollen wir im grossen die Geschlechtskrankheiten als Seuche be- kämpfen zum unerlässlichen Wohl unseres Vaterlandes und des ge- sunden Fortbestandes der Bevölkerung, so muss vor allem auch die Mehrheit der einzelnen Aerzte genügend mit Mitteln zur Bekämpfung ausgerüstet sein. Das ist leider bisher noch nicht der Fall, wäre aber leicht zu erreichen. Jetzt besser, als jemals wieder. 1) Die Behandlung der Gonokokkeninfektion des Weibes im Kriege. . Berlin 1917, S. Karger. 32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Sitzung vom 26. Oktober 1917. Vorsitzender: Herr Pohl. Schriftführer: Herr Röhmann. Vor der Tagesordnung. Hr. L. Mann stellt einen Fall von progressivem Torsionsspasmus vor (Torsionsneurose, Dysbasia lordotica progressiva). Die Erkrankung begann bei dem 1Iljährigen Knaben vor etwa 2 Jahren und hat sich fortschreitend weiter entwickelt. Das Krankheitsbild, welches zuerst von Ziehen und Oppenheim beschrieben worden ist, ist ein recht seltenes; die Zahl der publieierten Fälle erreicht kaum 20. Sämtliche Fälle mit Ausnahme von zweien sind, wie auch der vorgestellte, russisch- jüdischer Abkunft. Die charakteristischen Symptome sind folgende: In Ruhelage sehr wenig Symptome, dauernde Schiefstellung des Beckens, die linke Hälfte ist in die Höhe gedrückt, die rechte steht nach unten, so dass das rechte Bein scheinbar verlängert ist, der ganze Rumpf ist etwas nach rechts gedreht. Nur selten treten während des Liegens un- willkürliche Kontraktionen der Rumpfmuskulatur in Form tonischer Krümmungen auf. Unwillkürliche Bewegungen bemerkt man besonders am linken Fuss, der häufig eine, dem Friedreich’schen Fuss entsprechende Stellung annimmt. Bei aktiven Bewegungen häufig Mitbewegungen in den anderen Extremitäten. Tonische Krampfzustände der linken Hand in Form einer maximalen Pronation und athetoseartiger Fingerbewegungen, ganz besonders dann, wenn er die Hand erhebt oder einen Gegenstand ergreifen soll. Die Hand ist dadurch ausserordentlich ungeschickt und unbrauchbar. Bei passiven Bewegungen verhält sich der Muskeltonus verschieden, es treten wechselnde Spasmen auf, die bisweilen mit einer gewissen Schlaffheit abwechseln. Kniereflexe infolge der Muskelspannungen meist schwer auslösbar, aber vorhanden, Achillesreflexe nicht zu erzielen, Bauchreflexe vorhanden, Fusssohlenreflexe von wechselnder Form, manch- mal aber deutlich Babinski. Gesicht vollkommen frei von unwillkürlichen Bewegungen (charakteristisch für alle derartigen Fälle!), Facialis, Pu- pillen, Augenbewegungen vollkommen normal, Intelligenz durchaus intakt, normale elektrische Erregbarkeit und Sensibilität. Die charakte- ristischen Störungen, die der Krankheit ihren Namen gegeben haben, treten erst beim Gehen und Stehen auf, ganz besonders bei ersterem. Dabei sieht man groteske Verbiegungen des Rumpfes nach hinten und rechts, der Gang hat dadurch etwas ganz eigentümlich gewaltsames,. Sobald er zu gehen versucht, biegt sich der Rumpf nach rechts, das rechte Bein nimmt dabei gleichzeitig eine abducierte und leicht gebeugte Stellung ein, die Lendenlordose vertieft sich und der Oberkörper legt sich weit nach hinten, dabei wird die rechte Beckenhälfte gesenkt, die linke stark gehoben und herausgedrückt. Um das dadurch gestörte Gleichgewicht einigermaassen aufrecht zu erhalten, stützt er die rechte Hand auf die Vorderfläche des Oberschenkels und drückt denselben durch. Auch dadurch, dass der Schritt springend und hüpfend aus- geführt wird, erleichtert er die Balance. Das wesentlichste sind also tonische Muskelkontraktionen in den Rumpfmuskeln, und zwar glaube ich, dass ganz wesentlich der Ileopsoas beteiligt ist, welcher den Rumpf gegen das Bein beugt und gleichzeitig die an der Lendenwirbelsäule gelegene Beugemuskeln (Ileo-lumbales usw.), welche den unteren Abschnitt der Wirbelsäule nach hinten, also lor- dotisch, verkrümmen. Dieser Spasmus tritt ganz wesentlich bei der Gangbewegung auf, während er in der Ruhelage ganz vereinzelt vor- kommt. Die Bewegungsstörungen erinnern an die Athetose, die schon von Oppenheim und anderen Autoren hervorgehoben ist und wie hier durch die athetoseartigen Bewegungen der Extremitäten besonders nahe "a II. Abteilung. Medizinische Sektion. 33 gelegt wird. Ich stehe nicht an, ebenso wie andere Autoren, das ' Leiden als ein organisches zu betrachten, es handelt sioh jedenfalls um einen chronischen Gehirnprozess mit ähnlicher Lokalisation wie die Athe- tose (Gegend des Thalamus, Bindearme des Kleinhirns usw.). Sektions- befunde existieren bisher nicht. Dass es sich nicht um eine hysterische Affektion handelt, geht aus der absoluten Konstanz der Bewegungs- störung und der Unbeeinflussbarkeit durch suggestive Maassnahmen hervor. Therapeutisch ist der vorliegende Fall eberso wie alle Fälle ia der Literatur bisher vollständig unbeeinflussbar geblieben. Tagesordnung. Hr. Uhthoff stellt einen Patienten mit erfolgreicher Cysticereus- operation aus dem 6Glaskörper vor. Das Auge war schon vor der Ope- ' ration an Netzhautablösung erblindet. Es ist dies die dritte Cysticercus- extraktion, die er bei Kriegsteilnehmern ausgeführt hat. Ein vierter Fall wurde nicht operiert, da das Sehen noch zum Teil erhalten war und der Cysticercus bei reizlosem Auge subretinal dicht neben dem Sehnerven sass. Der Extraktionsversuch würde voraussichtlich das Sehen verschlechtert resp. aufgehoben haben, und so wurde Pat. als g.v. ent- lassen. y Diese vier Beobachtungen von intraocularem Cysticercus kommen auf etwa 2000 klinische Aufnahmen von Kriegsteilnehmern, also etwa 1:500. Es ist das ein sehr hoher Prozentsatz gegenüber der Friedens- praxis in der Klinik, wo auf etwa 10000 Augenkranke 1 Cysticercus kam. Vor Einführung der Schlachthygiene (Fleischschau usw.) kam nach persönlichen Erfahrungen des Redners 1 Cysticercus auf etwa 1000 Augen- kranke. Die Verhältnisse im Felde bieten also zweifellos viel häufiger - Gelegenheit zur Aequirierung eines Cysticercus als die Friedensverhält- nisse. Es muss demnach auch der intraoculare Cysticercus als Kriegs- schädigung gerechnet werden, wenn der Betreffende länger als 5—6 Mo- nate im Felde stand, bevor die Sehstörung sich geltend machte. . Ein Zeitraum von 4—5 Monaten scheint erforderlich zu sein, bis der intra- oculare Cysticercus vom embryonalen Zustande sich bis zu einer erheb- lichen Grösse mit Sehstörung entwickelt. Denkbar ist also der Fall, dass auch ein intraocularer Cysticercus nicht als Kriegsschädigung gelten kann, wenn die Sehstörung sich sehr. bald nach dem Ausrücken ent- wickelt. Redner illustriert sodann seine Ausführungen durch Abbildungen von Augenhintergrundsbildern und mikroskopischen Schnitten der ex- trahierten Cysticerken, von denen 1 von einer bindegewebigen Kapsel umgeben ist und auch intra vitam fest fixiert war ohne Eigenbewegungen. Die Extraktion war dementsprechend auch schwieriger als in den beiden andern Fällen, wo sie sehr glatt von statten ging. Hr. E. Frank: Ueber Beziehungen des Sympathieus zur quergestreiften Muskulatur. (Siehe Teil II.) Diskussion. Hr. Bumke weist darauf hin, dass gewisse sympathische Funktionen auch von der Hirnrinde aus in Betrieb gesetzt werden können, und er- innert namentlich an die Untersuchungen von Karplus und Kreidl über die Innervation der Pupillenbewegung. Sodann hebt Redner hervor, dass Spielmeyer in einigen Fällen von Paralysis agitans histologische Veränderungen nicht im Linsenkern, sondern in der Hirnrinde festgestellt hat. — Ferner regt Redner die Frage an, ob sich nicht die träge Zuckung bei der Entartungsreaktion mit den von dem Vortragenden gezeigten Kurven bei bloss sympathischer Reizung quergestreifter Muskeln in Beziehung bringen liesse. Dagegen spricht freilich, dass die Schlesische Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 1917. I. 34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. träge Zuckung auch bei sehr peripherer Verletzung der Nerven auftritt. — Dass sich die hysterische Kontraktur in ihren physiologischen Bedingungen von willkürlich eingenommenen Haltungen des Gesunden wesentlich unter- scheidet, kann Redner nicht glauben. Insbesondere spricht die Möglich- keit dagegen, derartige Kontrakturen auf suggestivem Wege momentan zu beseitigen. Dagegen erscheint die Erwägung, die der Vortr. für die hysterische Kontraktur angestellt hat, voll berechtigt für gewisse katatonische Zustände, bei denen eine tonische Starre monatelang be- steht, ohne dass irgend welche Analogien zu normalen Willensvorgängen dabei vorausgesetzt werden dürften. Wir sind heute gewohnt, die Ur- sache der Dementia praecox in chemischen Einflüssen zu suchen, aber es wäre nicht unmöglich, dass diese Gifte an eben den Stellen des Nervensystems angreifen, in denen der Vortragende die centrale Ver- tretung der sympathischen Funktionen gesucht hat. Hr. Hürthle hält es nicht für zulässig, den sympathischen Neryen- fasern der Sklettmuskeln, wenn auch nur hypothetisch, Funktionen zu- zuschreiben, die bisher ausschliesslich an cerebrospinalen Fasern fest- gestellt sind, beispielsweise die Auslösung rhythmischer Bewegungen (Muskelzittern); denn ein Antrieb der Skelettmuskeln zur Tätigkeit ist bisher als Funktion der sympathischen Nerven nicht erwiesen. Hr. Forschbach: Zu dem interessanten Gegenstand, über den uns Herr Frank berichtet, darf ich eine vor einigen Jahren gemachte Beobachtung erwähnen. Ich fand, dass der endogene Kreatiningehalt des Harns beim Morbus Basedowii, also einem Zustande der Sympathicus- . reizung, ausserordentlich gering ist. Sollte, was bekanntlich von vielen Physiologen bestritten wird, das Kreatinin des Harns doch in einer Beziehung zum Kreatinin des Muskels stehen, so wäre die Frage natürlich von Interesse, ob der geringe Kreatiningehalt des Harns mit der von Riesser gefundenen Veränderung der Kreatininmengen des - Muskels in Zusammenhang gebracht werden kann. Hr. Frank: Schlusswort. Sitzung vom 9. November 1917. Vorsitzender: Herr Pohl. Schriftführer: Herr Rosenfeld. Hr. Max Schiller: Röntgendiagnostik der Oesophagus- und Magenkrankheiten. (Mit Projektionen.) Einleitend hebt Vortragender die Vorteile der Durchleuchtung vor der Röntgenaufnahme hervor: Beobachtung des Füllungsvorganges, der Peristaltik; Palpation vor dem Röntgenschirm; Aufsuchen von um- schriebenen Druckpunkten; Möglichkeit der Durchleuchtung in beliebig vielen Richtungen. Besprechung der Erkrankung der Speiseröhre: I. Atonie (Dysphagia atonica [Holzknecht]): 3 Fälle. II. Zenker’sche Pulsionsdivertikel: 5 Fälle. III. Oesophaguscareinome: a) tuberöse Formen: 4 Fälle; b) circu- läre Formen: 2 Fälle. IV. Verätzungsstenose: 1 Fall. V. Cardiospasmus: 3 Fälle; Differentialdiagnose gegenüber dem Gardia-Careinom. VI. Verschluckte Fremdkörper: 1 Fall. Besprechung der Erkrankungen des Magens und zwar nur der organischen Wandveränderungen: II. Abteilung. Medizinische Sektion. 35 I. Uleus rotundum simplex: a) der kleinen Curvatur: «) Schmerz- punkt, 8) spastischer Sanduhrmagen: 1 Fall; b) des Pylorus: 1 Fall: «&) Schmerzpunkt, £) Pylorospasmus, r) Widerstandsperistaltik, 6) 6-Stundenrest. ; II. Uleus chronicum pylori: 6 Fälle: a) Quer- und Längsdehnung, ß) vermehrte Rechtsdistanz, 7) Antiperistaltik, 6) Dekompensation nach Atonie, e) 24- bis 48-Stundenrest. II. Haudek’sche Nische: Ulcus callosum wentrieuli: 9 Fälle: a) Darstellung der Nischen, ß) Verschiedenheit der Formen, y) Sanduhr- magen: 1. spastisch, 2. organisch, 3. spastisch-organisch. — Ulcus callosum mit Schneckeneinrollung (Schmieden): 2 Fälle. IV. Grosse Divertikel: Ulcus callosum penetrans: 16 Fälle: «) ge- stielte Divertikel, 9) breit aufsitzende Divertikel, y) Luftblase im Di- vertikel, 6) persistierende Ulcusnische, e) Nische direkt vor dem Pylorus: 1 Fall. Demonstration von Präparaten. V. Careinoma ventrieuli: «) direkter Nachweis als schattengebender Tumor: 1 Fall; ߣ) indirekter Nachweis als Füllungsdefekt. . 1. Careinoma cardiae: 3 Fälle. 2. Careinoma corporis: a) tuberöse Formen: 2 Fälle; b) seirrhöse Formen: 3 Fälle (Schrumpfungen). 3. Carcinoma anti pylori: a) nicht stenosierend: 4 Fälle; b) steno- sierend; «) Carcinomzapfen, $) Careinomdistanz am Restbilde: 3 Fälle. 4. Differentialdiagnose zwischen benigner und maligner Pylorus- stenose durch Rechtslagerung des Patienten nach eventueller Becken- hochlagerung. Sitzung vom 23. November 1917. Vorsitzender: Herr Pohl. ‘° Schriftführer: Herr Rosenfeld. Hr. R. Pfeiffer: Bakteriologische Befunde bei dasbrand. Der Vortr. berichtete über die Ergebnisse bakteriologischer Unter- suchungen, welche R. Pfeiffer und G. Bessau bei den Gasphlegmonen Kriegsverletzter angestellt haben und über die schon ausführlich in Nr. 39 bis 41 der Deutschen medizinischen Wochenschrift Jahrgang 1917 berichtet worden ist. Es wurde besonders betont, dass die Gasphlegmonen ätiologisch nicht einheitlich sind, wie dies von anderen Forschern be- hauptet worden ist. Mindestens vier Typen von anaeroben Bakterien- arten werden in der krankhaft veränderten Muskulatur beı Gasbrand- fällen gefunden. Sie lassen sich in zwei Hauptgruppen trennen: A) Nichtfäulniserreger, wozu der Gasbacillus E. Fränkel und das maligne Oedem gehört, und B) Fäulniserreger, zu den letzteren gehört ein morphologisch und kulturell scharf umschriebener Typus von Bacillen, die bei der Sporenbildung eine Gestalt annehmen, welche dem Aussehen von Uhrzeigern verglichen werden kann (Uhrzeigerbacillen), und 2. eine ganze Reihe von anaeroben Bakterienarten, die eine gewisse Aehnlichkeit morphologisch und kulturell mit dem malignen Oedem aufweisen, ven diesen sich aber durch Fähigkeit in Kulturen Fäulnis zu erregen unter- scheiden (Parödembacillen). Besonders bemerkenswert ist es, dass auch in ein und demselben Falle von Gasphlegmonen fast niemals nur eine Art von Gasbranderregern gefunden wird, sondern fast immer Gemische, am häufigsten in dem Material, das R. Pfeiffer und G. Bessau be- arbeitet haben, nebeneinander Fränkel’sche und Uhrzeigerbaeillen. Auch diese Bakteriengemische sind in den verschiedenen erkrankten Muskel- u. 36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. ie partien ein und desselben Falles sehr wechselnd zusammengesetzt, so dass beispielsweise in dem einen Muskel der Bacillus Fränkel, in anderen Muskelgruppen die Uhrzeigerbacillen erheblich überwiegen können. Auch mehr als zwei Typen können gelegentlich in Gasbrandmuskeln angetroffen werden. Diese Befunde erklären sich sehr einfach dadurch, dass die Erde, deren Hineingelangen bei den schweren Verwundungen durch Granat- oder Minenverletzungen die Ursache des Auftretens von Gasbrand bildet, alle möglichen Arten von anaeroben Bakterien in buntem Gemische enthält, die in letzter Instanz von der Düngung mit Tierkot herrühren. Als eine Infektion im wahren Sinne des Wortes vermag der Vortragende die Gasphlegmone nicht aufzufassen. Es handelt sich vielmehr um die Wucherung halb oder ganz saprophytischer Erdanaeroben in den schwer geschädigten und in Necerobiose befindlichen Geweben, besonders den Muskeln. Gegen diese Auffassung spricht auch nicht die Tatsache, dass der Bacillus Fränkel und das maligne Oedem für gewisse Tierarten eine erhebliche Infektiosität besitzen. Wäre auch der Mensch für sie in entsprechendem Maasse empfindlich, müssten die Gasphlegmonen auch nach Friedensverletzungen viel häufiger vorkommen, und es müsste ferner ihre Entstehung auch nach leichteren Verwundungen, wenn Erde in die frische Wunde gelangt, viel öfter beobachtet werden, als dies tatsächlich der Fall ist. Vortragender wendet sich dann gegen die be- sonders von Conradi und Bieling vertretene Ansicht, wonach die verschiedenen Typen der Gasbranderreger genetisch zusammenhängen und als Wuchsform einer einheitlichen Art zu betrachten seien, die je nach dem Nährboden bald unbeweglich und im wesentlichen sporenlos als Typus Fränkel erscheint, dann aber besonders auf eiweisshaltigen Substanzen sich in eine bewegliche üppig sporenbildende Form umwandelt. Diese auffälligen Ergebnisse sind nur durch die Annahme verständlich, dass die betreffenden Autoren mit Mischkulturen ihre Untersuchungen angestellt haben. Als besonders wichtig betrachtet Vortragender die Resultate der serologischen Durchmusterung der zahlreichen von ihm und Bessau isolierten Gasbrandstämme. Es ergab sich nämlich, dass jeder der vier Typen von Gasbranderregern sich in einer Unzahl von Stämmen auflösen liess, die agglutinatorisch ein durchaus differentes Verhalten ergeben; für den Bacillus Fränkel ist diese wichtige Tatsache schon 1905 durch E. Werner festgestellt worden. R. Pfeiffer und G. Bessau konnten dann zeigen, dass das Gleiche auch für das maligne Oedem und für die Uhrzeigerbacillen gilt, während die Parödemstämme nach dieser Richtung hin noch nicht genügend durchforscht sind. Es liegen also bei der Gruppe der Gasbranderreger ähnliche Verhältnisse vor, wie sie beispielsweise vom Bakterium Coli und für die Schweineseuchebaeillen schon längst bekannt sind. Leider wird durch diese Feststellungen die Hoffnung auf eine erfolgreiche Serumprophylaxe und Serumtherapie stark herabgestimmt. Wenn wir annehmen, dass der Rezeptorenapparat dieser Mikroorganismen auch für andere-Immunstoffe ähnliche Differen- cierungen aufweist, wie für die Agglutinine, so müssten Sera von höchster Polyvalenz benutzt werden; aber auch dann wäre ein Erfolg, wie er beim Tetanus tatsächlich beobachtet worden ist, schwerlich zu erreichen, da es sich bei Gasbrand in erster Linie nicht um eine spezifische Vergiftung handeln dürfte, sondern wesentlich um eine bakterielle Zersetzung in schwer geschädigten Geweben, in denen antiinfektiöse Wirkungen durch Sera kaum zu erzielen sein würden. II. Abteilung. Medizinische Sektion. 37 Sitzung vom 30. November 1917. Vorsitzender: Herr Küstner. Hr. Hannes: Hydrocephalus. (Siehe Teil II.) Diskussion. Hr. Küstner möchte sich den Ausführungen des Herrn Vortragenden in dem Punkte völlig anschliessen, dass derartige Beobachtungen, wie sie von ihm mitgeteilt sind, von hoher Bedeutung sind für die Ent- scheidung der Frage, ob das Geschlecht primär im Ei angelegt ist, d.h. ob es männliche und weibliche Eier gibt. Die Morphologie scheint uns auf diesem Gebiete nicht weiter zu bringen, sofern morphologische Unter- schiede weder am unbefruchteten Ei noch nach der Befruchtung, noch selbst nach der ersten Anlage der Geschlechtsdrüsen an diesem zu ge- wahren sind. Hr. Küstner stellt ein Individunm vor, bei denen der nach Schubert ’s Methode die Neukonstruktion einer Vagina vorgenommen hat. Es handelt sich um die 33 jährige E. L., bei welcher die äusseren Genitalien hermaphroditischer Bildung — sehr grosses Geschlechtsglied, Labia majora, Fehlen eines Introitus aufweisen, welche de facto aber ein homo neutrius generis war. Aus diesem Grunde war vom Redner vor 5/, Jahren bereits eine Ovarialtransplantation vorgenommen, bei welcher Gelegenheit das Abdomen eröffnet und das Fehlen jeder Andeutung einer Geschlechtsdrüse, vorher auf Grund recto-abdominaler Untetsuchung ver- mutet, bestätigt worden war. Nach der Ovarialtransplantation ist be- obachtet worden, dass der Bartwuchs, der vorher ein zweimaliges Rasieren wöchentlich benötigte, so weit zurückging, dass E. L. sich nunmehr alle 3 Wochen zu rasieren brauchte. Die Schubert’sche Operation hatte hier ebenso, wie in einem früher vom Redner operierten Falle, zu vollbefriedigendem Erfolge geführt. Die neue Vagina ist über 2 Fingerglied lang. Hr. Fritz Heimann: Uteruscareinom und Streptokokken. (Siehe Teil II.) Hr. Küstner: Totalexstirpation bei Myom. Heimann’s Untersuchungen über den Streptokokkengehalt der Collumcareinome rechtfertigen, wenn ich so sagen soll, nachträglich unser Verfahren bei der abdominalen Totalexstirpation des Uterus, besonders des krebsigen. Das Spezifische besteht darin, dass wir nach der Exstirpation und nach der Peritonealnaht unter allen Umständen einen Mikulicztampon bis auf den Grund des Beckenperitoneums führen und in üblicher Weise dann offen behandeln. Zu diesem Verfahren, welches ich schon früher einmal eine Zeitlang anwendete, kehrte ich zurück auf Grund von Hannes’ bakteriologischen Untersuchungen und klinischer Beobachtungen, besonders derer, dass, wenn nicht so verfahren wird, sich nicht selten eine solche schleichende Peritonitis entwickelt, welche von einer mikrobenhaltigen Sekretmasse ausgeht, die sich unterhalb der Peritonealnaht und oberhalb des Scheiden- stumpfes ansammelt. Mit einer solchen muss man also rechnen, ihrer . verhängnisvollen Wirkung vorbeugen. Bumm glaubt es durch eine besonders dichte Doppelnaht des Peritonomus zu können — wir machen Doppelnaht und legen ausserdem noch Mikulicztampon ein. Der Mikuliez- tampon ist das Sichere. Das demonstriert gut dieser Fall. Hier war wegen eines weit aus der Cervix in die Vagina hinab- reichenden Myoms nicht die supravaginale Amputation, sondern die Totalexstirpation gemacht und ebenso wie beim Krebs verfahren worden. 38 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Als etwa 8 Tage nach der Operation der Mikulieztampon entfernt wurde, fanden sich unter ihm etwa 1—2 Teelöffel Eiters. Dieser wurde ausgetupft und weiter tamponiert. Hier hatte also der Tampon den Eiter abgefangen, seine Wirkung auf das Gesamtperitoneum verhindert. Der Verlauf war auch weiterhin ungestört. Das Verfahren ist sicherer und trifft den schwachen Punkt der Operation — die Infizierbarkeit des Peritoneums von der Tiefe aus — besser als die neuerdings von Sellheim empfohlene Hartert’sche Kochklemme. Hr. Küster: Ueber Trichomonasvaginitis. In einer Anzahl von hartnäckigen, reeidivierenden Fällen von Colpitis ohne Beteiligung der Cervix — in einem Falle war der Uterus vaginal exstirpiert —, die mit Gonorrhoe sicher nichts zu tun hatten, wurde regelmässig Trichomonas in zahlreichen Exemplaren gefunden. Nach der von Höhne angegebenen Behandlungsmethode mit 10 proz. Sodaglycerin und vorheriger Sublimatauswaschung der Scheide wurde schnelles Ver- schwinden der Trichomonaden und der Leukocyten beobachtet, auch rasches Abklingen der Entzündungserscheinungen. Schneller noch wirkt nach Sublimatwaschung der Scheide 24 stündige Tamponade mit 12 proz. Alumnolglycerin, die mit Zwischenräumen von 2 Tagen nur zweimal wiederholt werden musste, um in einer Reihe von Fällen einen bis jetzt Monate dauernden Erfolg zu sichern. Ob die Trichomonaden Erreger der Colpitis sind oder nur unter den besonderen örtlichen Verhältnissen günstige Vermehrungbedingungen finden, ist nicht zu sagen, jedenfalls braucht die Therapie nicht gegen diese Protozoen gerichtet zu sein, sondern es genügt, ihnen den Woh- nungsboden durch geeignete Behandlung ungeniessbar zu machen; ich habe übrigens auch von 24stündiger Tamponade mit 10 proz. Soda- glycerin in einem Falle guten Erfolg und keine Reizung der Scheide gesehen, hatte aber den Eindruck, als ob die stark adstringierende Wirkung des Alumnols der erweichenden der Soda vorzuziehen sei, und empfehle daher mehr das erstgenannte Verfahren. Hr. Heimann: Extraperitonealer Kaiserschnitt bei verschleppter Querlage. Vortr. berichtet über zwei von ihm ausgeführte einschlägige Ope- rationen. Im ersten Falle hat es sich um eine zweite dorsoanteriore verschleppte Querlage mit lebendem Kind gehandelt, im zweiten Falle um eine zweite dorsoposteriore verschleppte Querlage mit Armvorfall und lebendem Kind. Inu beiden Fällen konnte das Kind gerettet werden. Der Verlauf bei den Müttern war im ersten Falle einwandfrei, obwohl ein positiver Gonokokkenbefund vorlag; im zweiten Falle ging die Mutter am vierten Tage zugrunde. Als Ursache stellte sich bei der Sektion eine inkomplette Uterusruptur heraus, die draussen von einem Arzt, der eine Wendung versucht hatte, gemacht worden war. Das Loch im Uterus konnte bei der Operation nicht gesehen werden. Die Frau selbst kam schon infiziert auf den Operationstisch; dafür spricht, dass das Kind am dritten Tage an einem Pemphigus neonatorum erkrankte, einer Infektion, die es sicherlich in utero akquiriert hatte. Die Operation selbst, wie die Entwicklung des Kindes, boten keinerlei Schwierigkeiten. (Erschien als Originalartikel im Zbl. f. Gyn., 1917, Nr. 45.) Hr. Schöps: Ueber zwei Kaiserschnitte an der Toten. Heutzutage tritt die Sectio caesarea an der Toten an Zahl ganz in den Hintergrund gegen die an der Lebenden ausgeführten Kaiserschnitte. Selten genug wird ja auch beim Eintreffen des Arztes noch auf ein lebendes Kind zu rechnen sein. Am sichersten lässt sich ein noch lebendes Kind erwarten, wenn die kindlichen Herztöne noch zu aus- kultieren sind. Aber auch wenn es vielleicht durch die Ungunst äusserer II. Abteilung. Medizinische Sektion. BR 39 Verhältnisse unmöglich oder unsicher ist, den Herzschlag des Kindes zu hören, wird man sich zur Sectio ad mortuam entschliessen, wenn noch die Möglichkeit kindlichen Lebens besteht. Wie lange noch eine solche Möglichkeit besteht, das hängt sehr wesentlich von der Todesart der Mutter ab. Tierexperimente haben gezeigt, dass ein plötzlich einge- tretener Tod der Mutter ein längeres Ueberleben des Fötus bedingt als eine sich längere Zeit hinziehende Agonie. Die früher berichteten Er- folge des Kaiserschnittes an der Toten sind recht schlechte. So be- richtet Schwarz über 107 Fälle aus den Jahren 1836—1846 aus Kur- hessen, bei denen es in keinem einzigen Falle gelang, ein lebendes Kind zu extrahieren. Ein ebenso schlechtes Resultat ergibt die Statistik von ‘Dohrn über 90 Fälle aus den Jahren 1852—1868. Statistiken der neueren Zeit ergeben etwas bessere Resultate. Wenn es in den 32 Fällen von Winkels llmal, in den 15 Fällen von Bauer 10 mal und in den 34 Fällen von Dicke 19 mal gelingt, ein lebendes Kind zu extrahieren, so sind dies schon recht gute Erfolge. In letzter Zeit hatten wir an unserer Klinik zweimal Gelegenheit, die Sectio an der Toten vorzunehmen. Wegen der Seltenheit dieser Fälle sollen sie im folgenden berichtet werden. Die geburtshilfliche Poliklinik wird am 23. Juni d. J. wegen Krämpfe einer Kreissenden angerufen. 6 Uhr nachmittags trifft die Poli- klinik ein. Die 47jährige Erstgebärende hat nach Aussage der Heb- amme um 5 Uhr einen eklamptischen Anfall gehabt, aus dem sie bisher noch nicht erwacht ist. Sie reagiert nicht auf Anruf, ist cyanotisch. Röchelnde Atmung. Puls gespannt, 84 pro Minute. Die Frau soll erst einige Wehen gehabt haben. Die äussere Untersuchung ergibt, dass es sich um eine erste Schädellage handelt. Der Kopf steht beweglich über dem Becken. Sehr adipöse Frau, starke Oedeme an beiden Beinen und Oedeme an den Bauchdecken. Es wird die Ueberführung der Kreissenden mittels Krankenauto nach der Klinik angeordnet. 6 Uhr 35 Min. ist die Patientin im Krankenwagen. Die Atmung hat ausgesetzt. Kein Puls zu fühlen, Herzschlag eben noch zu hören. 6 Uhr 38 Min. Kein Herzschlag mehr. Mutter ist. sicher tot. 6 Uhr 49 Min. Ankunft in der Klinik. Mutter sicher tot. Kein Herzschlag wahrzunehmen. Die kindlichen Herztöne sind kaum wahr- nehmbar, betragen vielleicht 60 pro Minute. Ich nehme daher die Sectio bei der Toten vor. Einschnitt in der Mittellinie in den Fundus uteri. 6 Uhr 55 Min. ist das Kind an einem Fusse aus erster Schädellage extrahiert. Es ist bleich, asphyktisch, Herzschlag noch vorhanden. So- fortige Abnabelung. Schultze’sche Schwingungen, warmes Bad usw. Nach einer Stunde kommt die Atmung langsam in Gang. Nach Extraktion des Kindes wurde die Placenta manuell heraus- geholt, Uterus und Bauchdecken vernäht. Die Sektion der Frau ergab einen für Eklampsie typischen Befund an Herz, Nieren und Leber; fettige Degeneration und Blutungen, be- sonders ausgedehnt in der Leber. Das Kind konnte leider nur 2 Tage am Leben erhalten werden. Am ersten Tage wurden öfters leichte krampfartige Zuckungen des rechten Armes bemerkt, die rechte Faust ist dabei geballt, der Daumen eingeschlagen. Während der Zuckungen im Arm Blick nach rechts oben. Hin und wieder ängstliches Aufschreien. Am folgenden Tage ver- schlechterte sich der Zustand des Kindes. Es werden viermal allge- meine klonische Krämpfe beobachtet. Nach jedem Anfall sichtliche Ver- schlimmerung des Allgemeinbetindens. Urin: Albumen schwach positiv, keine Formbestandteile. Die Kinderklinik hält eine Hirnblutung für möglich. Am 25. Juni, 1 Uhr 15 Min. vormittags, kommt das Kind in einem Krampfanfalle ad exitum. ü 40 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Die Sektion kann keine anatomische Todesursache feststellen. Es bleibt also anzunehmen, dass das Kind derselben Intoxikation erlag wie die Mutter. Im zweiten Falle handelt es sich um eine 22jährige Zwergin 1,20 gross, die angeblich seit Kindheit an herzkrank gewesen ist. Die Patientin istin der 38. Woche schwanger. Sie kommt am 20. August 1917 morgens 8 Uhr in die Klinik wegen hochgradiger Atemnot, Herzbeklemmung und geschwollener Beine. Die Herzuntersuchung ergibt, dass es sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um einen Septumdefekt handelt. Die zurzeit bestehende Kompensation — Cyanose, Oedeme usw. — ist bedingt durch die Schwangerschaft und hat angeblich seit gestern bedrohlichen Charakter angenommen, so dass eine sofortige künstliche Entbindung in Frage kommt. Nach Beurteilung des Herzzustandes durch die medizinische Klinik wird aber von einem sofortigen Eingriff Abstand genommen, in der Annahme, dass durch medikamentöse Behandlung sich die Herzkraft bessern würde. Digifolin intravenös, Diuretin, Milchdiät. Nachdem es der Patientin vormittags leidlich gegangen ist, verschlimmert sich nach- mittags der Zustand wesentlich- Die Patientin ringt mühsam nach Luft mit röchelnder Atmung. Um 3,22 erfolgt trotz intravenöser Digifolin- injektion und Sauerstoffinhalation der Exitus letalis.. Die Herztöne des Kindes waren im Laufe des Vormittags immer gut zu hören. Kurz vor dem Tode konnten sie vom Arzt nicht mehr festgestllet werden. Die Hebamme jedoch gibt an, sie noch kurz vorher gehört zu haben. Infolge- dessen unternimmt drei Minuten nach dem Tode der Mutter Professor Heimann noch einen Versuch zur Rettung des kindlichen Lebens durch die Sectio ad mortuam. In noch nicht einer Minute ist das Kind extrahiert. Das Kind zeigt jedoeh schon Totenstarre, ein Zeichen dafür, dass es doch schon längere Zeit abgestorben sein muss. Die Placenta wird mit entfernt. Uterus und Bauckdecken werden geschlossen. In diesem Falle war offenbar der Gasaustausch zwischen Mutter und Fötus infolge der darniederliegenden Herzkraft der Mutter schon einige Zeit vor dem Tode der Mutter für den Fötus ein so ungenügender, dass das Kind schon vor dem Tode der Mutter starb, während im ersten Falle es noch 17 Minuten nach dem Tode der Mutter gelang, ein lebendes Kind zu erzielen. Hr. Küstner: Kaiserschnitt bei Placenta praevia. \ Vortr. demonstriert eine Frau, bei der er vor zwei Wochen wegen Placenta praevia den tiefen transperitonealen Kaiserschnitt gemacht hat. 42jährige Erstgebärende kommt am Ende der Gravidität, bald nach Weheneintritt, mit erheblichen Blutungen in die Klinik. Eine Unter- suchung ausserhalb hat nicht stattgefunden. Cervix 1 cm lang, gerade für den Finger durchgängig, allenthalben von Placenta bedeckt, Kopf über dem Beckeneingang, Becken normal, Kind gross, ungeschädigt. In Anbetracht der Sachlage schien der abdominale Kaiserschnitt erlaubt und indiziert, weil die Hystereuryse zu lange Zeit in Anspruch genommen haben würde, als dass man mit Sicherheit auf ein lebendes Kind hätte rechnen können. ; Vortr. machte einen tiefen transperitonealen Schnitt. Ihm entsprach ein longitudinaler Uterusschnitt, der zur Hälfte im Corpus, zur anderen Hälfte in der Cervix (Isthmus) lag. Die Placenta wurde vom Schnitt nicht getroffen, sie inserierte an der hinteren Wand des Isthmus (oberen Cervixsegmentes), des unteren Cervixsegmentes und zu einem geringen Teil oberhalb des Kontraktionsringes, im Corpus. Das Kind wurde mit der Zange entwickelt, war lebensfrisch, gegen 4000 g schwer. Die Placenta wurde schliesslich manuell gelöst. Keine Nachblutung. Die Nabelschnurinfektion befand sich an dem Teile der Placenta, der im Corpus inseriert war. . II. Abteilung. Medizinische Sektion. 41 Die Konvaleszenz war ungestört. Redner sieht im Kaiserschnitt eine vorteilhafte Ergänzung der Therapie der Placenta praevia, als welche prinzipiell nicht die kombinierte Wendung, sondern die Hystereuryse, bei Placenta praevia lateralis in geeigneten Fällen die Blasensprengung in Betracht kommt. Hr. Heimann: Zur Eklampsietherapie. M. H.! Ich möchte mir gestatten, mit kurzen Worten auf ein Prä- parat aufmerksam zu machen, das sich, wie aus den bisherigen Ver- suchen herworgeht, bei der Eklampsie zu bewähren scheint. Ich bin mir voll bewusst, dass ich nur eine Anregung gebe, dass ich auf Grund der wenigen Versuche. die mir vorzunehmen möglich waren, kaum eine Kritik auszusprechen wage. Doch gerade bei der Eklampsie, wo ja auch heut noch der Streit, ob „Abwarten“ oder „aktiv Eingreifen“, so heftig wogt wie in früheren Jahren, soll man jeder Spur, die Erleichterung auf ‘dem schwierigen Wege des therapeutischen Handelns bringt, nachgehen. Von vornherein müssen wir uns darüber klar sein, dass, wie Hannes dies bereits zahlenmässig nachgewiesen hat, die Statistik der Eklampsie uns keinen Einblick über die guten oder schlechten Wege der Therapie gibt. Wir haben grosse Serien gesehen, wo wir nicht einen Todesfall zu beklagen hatten, ‚gleichgültig, welche Mittel angewendet wurden. Zu anderen Zeiten, wo die Eklampsie ausserordentlich schwer auftrat, war die Mortalität bei derselben Therapie eine ausserordentlich hohe. Diese Tatsache muss man sich klar machen, wenn man gerade bei dieser Er- krankung ein neues Mittel empfehlen will. Soviel ist jedoch sicher, dass zuweilen der einzuschlagende thera- peutische Weg recht grosse Schwierigkeiten bereiten kann. Haben wir es mit einer Erstgebärenden zu tun, die gerade im Anfang der Geburt steht, so ist der aktive Weg, die Geburt zu beenden, d. h. der vaginale Kaiserschnitt, eine recht eingreifende und schwierige Operation. Beweisen ja doch die vielen abwartenden Methoden, die angegeben worden sind, dass man nur zu gern der aktiven Therapie aus dem Wege gehen will. In letzter Zeit hat sich Rissmann!) besonders mit dieser Frage be- schäftigt. Bisher hatte man bei der exspektativen Therapie, abgesehen von der intralumbalen Magnesiumsulfat-Einspritzung, die gewisse Ge- fahren in sich birgt und nur als Ultimum refugium benutzt werden soll, sich hauptsächlich nach den Anweisungen von Stroganoff auf die Darreichung von Morphin und Chloralhydrat in bestimmten Abständen und Dosierungen beschränkt. Daneben waren eine Reihe anderer im Privathaus nicht ganz leicht durchzuführender Maassnahmen notwendig. Morphin setzt zwar, wie Rissmann erklärt, die Schmerzempfindung herab, nicht aber die Erregbarkeit des Grosshirns und Rückenmarks in solchem Grade, wie es bei allgemeinen Krämpfen notwendig ist, da die Medulla und das Atemzentrum schon recht schwer geschädigt sind. Auch das Kind wird durch Morphin in Gefahr gebracht. Chloralhydrat ist für Herz und Nieren nicht ganz gleichgültig, abgesehen davon, dass zur Bekämpfung der Krämpfe viel höhere Dosen als die maximale Dosis notwendig sind, so dass also beide, Morphin und Chloralhydrat, nach Rissmann sich für die Behandlung der Eklampsie nicht sehr eignen. Dagegen gelang es demselben Autor nach den Erfahrungen der experi- mentellen Pharmakologie, im Luminalnatrium ein Mittel zu finden, welches gerade die eklamptischen Krämpfe in ausgezeichneter Weise beeinflusst. Rissmann berichtet über 8 Fälle, in denen die intra- muskuläre Applikation des Präparats sich sehr gut bewährte. Auch wir hatten Gelegenheit, in den 3 letzten Fällen von Eklampsie — das Auf- treten dieser Erkrankung ist ja im Kriege viel seltener geworden — 1) Zschr. f. Geb. u. Gyn., Bd. 78; Zbl. f. Gyn., 1916, Nr. 19. 42 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Luminalnatrium mit sehr gutem Erfolge anzuwenden. Ich will Sie nicht mit ausführlichen Krankengeschichten behelligen, sondern nur hervor- heben, dass es sich in allen 3 Fällen um Erstgebärende mit schweren eklamptischen Erscheinungen (Anfällen, Benommenheit, schwerer Ne- phritis) gehandelt hat, bei denen sämtlich bei Ausbruch der Eklampsie die Geburt im Anfangsstadium sich befand, die Entbindung durch vaginalen Kaiserschnitt also einen schweren Eingriff darstellte. In 2 Fällen konnte die Geburt spontan zu Ende gebracht werden, im 3. Falle wurde bei völlig erweitertem Muttermund wegen schlechter Herztöne eine leichte Zange gemacht. Die Frauen konnten am 7., 10. bzw. 14. Tage gesund entlassen werden. Was die Anwendung anbetrifft, so haben wir von der von der Firma Beyer & Co. hergestellten Lösung stets 2 ccm = 0,4 Luminalnatrium muskulär verabreicht. Es sei schliesslich noch einmal hervorgehoben, dass diese 3 Fälle. nach dem oben Auseinandergesetzten eigentlich nicht viel bedeuten. Sie sollen jedoch die Anregung geben, sich dieses Mittels, welches sicherlich keine Schädigung hervorruft, im Bedarfsfalle zu bedienen. Sitzung vom 7. Dezember 1917. Vorsitzender: Herr Pohl. Schriftführer: Herr Tietze. 1. Wahl der Sekretäre. Zum ersten Vorsitzenden wird Herr Uhthoff, zum zweiten Herr Bumke, zu, Sekretären die Herren Minkowski, Partsch, Röhmann, Rosenfeld und Tietze gewählt. 2. Hr. Forschbach: Einige Fragen zur Klinik der Lyssa. Bericht über zwei Fälle von aufsteigender Paralyse und einen Fall von akut auftretender Paraparese mit Blasen- und Mastdarmstörungen, ° die sich im Verlaufe der Wutschutzimpfung ereignet haben. Ausserdem wird über sechs andere Fälle referiert, bei denen im Verlauf der Impfung leichtere Störungen in Form von Parästhesien, Reflexverlust an den unteren Extremitäten und Fiebererscheinungen auftraten. Die Frage der Impflyssa wird bei dieser Gelegenheit besprochen. (Ausführlichere Veröffentlichung an anderer Stelle.) Diskussion. Hr. R. Pfeiffer: M. H.! Ich muss dem Herrn Vortragenden recht geben in seiner Auffassung, wonach derartige Fälle von Lähmungen, die während oder kurz nach der antirabischen Immunisierung auftreten, wenigstens zum Teil auf das Konto des Virus fixe zu setzen sind; aber ich möchte betonen, dass derartige an sich gewiss beklagenswerte Vor- kommnisse doch höchst selten sich ereignen, und dass infolgedessen daraus ein Gegengrund gegen die Pasteur’sche Immunisierung nicht hergeleitet werden darf. Mit demselben Recht könnte man das Chloro- form perhoreszieren, weil gelegentlich Unglücksfälle bei den Narkosen vorkommen. Ob es möglich ist, wie der Herr Vortragende meint, durch eine andere Methode der Immunisierung z. B. durch die. Högyes’sche Verdünnungsmethode das Eintreten von Lähmungen einzuschränken, er- scheint mir fraglich. Man wird sich schwer entschliessen können, eine als wirksam erkannte und relativ unschädliche Immunisierungsart durch eine andere .bisher nur an wenigen Instituten erprobte Methode zu ersetzen. Hr. Kallius: Die Entwicklungsgeschichte einiger Teile der Mundhöhle. (Erfolgt später im 2. Teil.) Il. Abteilung. Medizinische Sektion. Sitzung vom 14. Dezember 1917. Vorsitzender: Herr Pohl. Schriftführer: Herr Tietze. 1. Hr. €. J. Freund: - Ueber die tuberöse Hirnsklerose und über ihre Beziehungen zu Naevis und Hautgeschwülsten. (Siehe Teil II.) 2. Hr. Hanser: Nieren- und Herzgeschwülste und tuberöse Hirnsklerose. (Siehe Teil IH.) Diskussion. - Hr. Jadassohn bemerkt, dass der Ausdruck „Adenoma sebaceum“ nicht zutreffend ist, denn es handelt sich bei den Geschwülstehen um nur für die betreffende Lokalisation zu grosse und zu zahlreiche Talg- drüsen mit ganz normalem Bau. Ausserdem ist der Name „Adenom“ für die zahlreichen Kombinationsformen nicht brauchbar, die hier wie bei anderen Naevis auch vorkommen. Man müsste dann auch wieder ganz andere Namen für die in gleicher Weise lokalisierten, aber anders gebauten Geschwülste der Pringle’schen Krankheit benutzen, und des- wegen kommt man um den Ausdruck „Naevus“ hier nicht herum, wenn man nicht für diese, wie für die ganz analogen, auf kongenitalen Störungen beruhenden Bildungen der inneren Organe nach Albrecht’s Vorschlag die Bezeichnung „Hamartome“ benutzen will. Die comedoartigen Bildungen am Rücken des Patienten von Herrn Freund sind keine Talgdrüsen-Naevi, sondern sogenannte follikuläre Naevi. Auch bei den strichförmigen Naevi sebacei sind Kombinationen mit anderen Naevusformen häufig. Sie haben mit der tuberösen Sklerose sicher nichts zu tun, ebensowenig wie sonstige atypische Naevi. Die letzteren sind nur im Verhältnis zu den gewöhnlichen weichen Naevi, die ja fast jeder Mensch im erwachsenen Alter an sich trägt, selten; absolut sind sie noch immer häufig genug. Die senilen Angiome und die manchmal auch als Naevi angesehenen senilen Warzen, sind bei fast allen, über 40 Jahre alten Individuen vorhanden. Aus ihnen kann man also keinerlei Schlüsse ziehen. Die Multiplizität der Veränderungen an der Haut ist analog der bei der Recklinghausen’schen Krankheit. Bei beiden kommen auch rudimentäre Formen vor, daher sind auch die geistig Normalen bei der Pringle’schen Krankheit keineswegs sehr selten. Aber es würde doch zu weit führen, wenn man diese Krankheiten als wesensgleich bezeichnen wollte. Wie bei anderen auf kongenitalen Störungen beruhenden Anomalien gibt es auch bei diesen naevusartigen Bildungen bestimmte Typen, die durch eine Kombination verschiedener einzelner Hautsymptome charakterisiert sind. Das sind die zuerst beschriebenen charakteristischen Krankheitsbilder. Dann aber kommen noch abweichende Kombinationen der einzelnen Läsionen vor, wie das natürlich ist bei Entwicklungs- anomalien, die verschiedene Gewebsbestandteile zu gleicher Zeit im Laufe ihrer zeitlich verschiedenen Entwicklung treffen; diese abweichenden Kombinationen sind dann die atypischen, gleichsam Uebergangsfälle zwischen den Haupttypen darstellende Bilder. Interessant ist die histologische Struktur besonders der Nieren- tumoren, welche in ihrem Gemisch von verschiedenem Gewebsmaterial an manche Naevusformen erinnern, speziell auch an die weichen Naevi mit ihren viel bestrittenen, manchmal ebenfalls so sehr sarkomähnlichen Bildern. Die haarlosen Stellen bei dem Freund’schen Falle erinnern — wenn es sich nicht um eine einfache Area celsi handelt — an haarlose Stellen, wie sie Redner bei Hautpsammomen am Hinterkopfe gesehen hat. ° 44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Sitzung vom 22. Dezember 1917. Vorsitzender: Herr Pohl. 2 Schriftführer: Herr Tietze. Hr. Coenen: Die lebensrettende Wirkung der vitalen Biuttransfasion im Felde, Vortragender bespricht seine Ergebnisse von elf vitalen Bluttrans- fusionen bei Kriegsverwundungen. Zwei dieser Transfusionen gehören dem griechisch-türkischen Kriege 1912/13 an und wurden in Athen ausgeführt. Obwohl das unmittelbare Resultat der Ueberleitung lebensfrischen Blutes von einem Gesunden auf den aufs äusserste erschöpften Verwundeten vor- trefflich war, ging doch der endgültige Erfolg verloren, und zwar in dem einen Falle durch septische Nachblutung, im anderen durch Infektion). ‚Aus diesen beiden Beobachtungen wurde die Indikation hergeleitet, dass die vitale Bluttransfusion nur anzuwenden ist in Fällen, wo glatte, nicht mehr der Nachblutungsgefahr unterliegende und nicht infizierte Wunden vorliegen, so dass das übergeleitete Blut weder durch Blutver- luste wieder verloren geht, noch durch Eitertoxine aufgelöst wird. Diese Indikationsstellung hat sich dem Vortragenden für den jetzigen Welt- krieg bewährt und wurde aufs Neue bestätigt durch einen Fall schwerer Granatverletzung am Oberschenkel, der aus besonderen Gründen trotz der bestehenden Infektion mit Gasbrandbacillen vital transfundiert wurde und durch fortschreitenden Gasbrand tödlich endete2). Es müssen dem- nach infizierte und leicht nachblutende, zerrissene Wunden ausgeschaltet sein, wenn man das erwähnte Verfahren anwenden will. Dieses eignet sich also ganz besonders für Extremitätenzertrümmerungen mit Gefäss- verletzung nach der Amputation, wenn von Seiten der Wunden und auch anderweitig keine Komplikationen zu erwarten sind, zur Beseitigung des tödlichen Collapses und der durch den Blutverlust bei der Ver- wundung erzeugten gefahrdrohenden Anämie. Zur Ausführung der vitalen Bluttransfusion stellte Coenen durch die Gefässnaht eine arterio- venöse Anastomose zwischen der Speichenarterie des Spenders und der Vena mediana des Empfängers her. Bei elf derartigen Blutüberleitungen versagte diese Methode nie. Die Durchgängigkeit der Anastomose kann leicht geprüft werden durch einen kleinen Versuch, der darin besteht, dass man aus der anastomosierten Gefässstrecke das Blut ausstreicht, die Vene zentral abklemmt und jetzt die Füllung beobachtet, dabei muss, solange die Vene zentral abgeklemmt ist, die ganze Gefässstrecke mit der Anastomosenstelle sich aufrichten und rückwärts, also entgegen der Richtung des Blutstroms, verlängern. Die Dauer der Ueberleitung betrug 1—2'/, Stunde und ist abhängig von dem Kaliber der Gefässe und von der Weite der Anastomose. Diese war in einem Falle ganz ausserordentlich eng, so dass das Blut nur tropfenweise übertreten konnte. Ein Blutdruckapparat zur Beobachtung der Senkung des Blut- druckes stand im Felde nicht zur Verfügung. Die Indikation zur Unter- brechung der Prodezur musste also direkt durch die klinische Beobachtung vom Spender hergeleitet werden. Es wurde die vitale Bluttransfusion beendigt, wenn die ersten objektiven anämischen Vorboten erschienen, als Hinaufgehen des Pulses auf 110—120, und tiefere Atmung. Meist konnte man als allererstes Zeichen der beginnenden Blutverarmung beim 1) Beitr. z. Kriegshlk., Balkankrieg 1912/13, S. 347 und 364. Verlag von Julius Springer, Berlin 1914. 2) Siehe B.kl.W., 1917, Nr. 16, S. 380, Fall 15. II. Abteilung. Medizinische Sektion. 45 Spender einen tiefen blasenden Atemzug beobachten. Wenn dieser erste tiefe blasende sporadische Atemzug erschien, so war dies ein Signal zur Vorsicht und eine Mahnung, jetzt über dem Spender mit verstärkter Aufmerksamkeit zu wachen, damit er nicht zu viel Blut hergäbe. Alle Blutspender haben, nachdem sie einen Teil ihres Blutes an die schwer- verwundeten Kameraden abgegeben haben, keine Nachteile gehabt und wurden wieder dienstfähig zur Truppe entlassen; einige Blutspender legten sich nachher nicht einmal zu Bett. Bei einem entstand ein vorüber- gehender Collaps, der schnell beseitigt wurde, so dass der Blutspender eine Stunde nach Beendigung der Transfusion sich schon wieder mit seinen Kameraden unterhielt. Nach der Kapillarröte des Gesichtes kann man sich bezüglich des Erfolges der Transfusion nicht richten, denn die Kapillaren des Spenders halten das Blut sehr lange fest, um es schliess- lich mit einem Mal abzugeben, und die Hautkapillaren des Gesichtes des Empfängers zeigen sich erst ganz am Schlusse der Transfusion ge- rötet und röten dann stärker nach. Offenbar findet das übergeleitete lebensfrische Blut erst seinen Weg in die lebenswichtigen inneren Organe und dann seinen Auslauf in die Kapillarbezirke der Haut. Die Wirkung des fremden Blutes bemerkt man im Organismus zuerst an dem Ver- halten des Pulses und gleichzeitig, oder etwas eher noch, an der Psyche. Der Puls geht von seiner hohen Frequenz oft während der Transfusion zur Norm herab, beispielsweise von 120 auf 88, von 130 auf 87, von 154 auf 118. Die Psyche ändert sich in der Weise, dass der somnolente oder sich unruhig hin und her werfende auämische Verwundete ruhig und gelassen wird, vernünftig spricht, und, wie es scheint, aus einem tiefen Traum erwacht. Das Nachröten der Wangen beim Blut- empfänger zeigt sich in den ersten Tagen nach der Transfusion sehr deutlich, insbesondere füllen sich die abhängigen Partien des Gesichtes stark mit Blut, das dann einen zyanotischen Charakter annimmt. Da sich in einigen Fällen mehrere Tage nach der Transfusion Ieterus aus- bildete und die Zählung der Erythrozyten einige Tage nach der Ueber- leitung eine Abnahme erkennen liess, die aber schnell wieder einer Zu- nahme Platz machte, so erscheint es sicher, dass das übergeleitete Blut sich im fremden Organismus nur einige Tage hält, den ganzen Organismus wieder zum Leben entfacht und dann spurlos verschwindet. Für den Patienten ist dies angenehm, denn das Bewusstsein, mit fremdem Blut. zu leben, möchte vielleicht später unangenehm berühren. Einige Er- fahrungen bei der homoplastischen Knochentransplantation sprechen für diese Annahme. Durch Ausrechnung der übergetretenen Erythrozyten- zahl und Reduktion auf die normale Blutmenge wurde ermittelt, dass in den meisten Fällen etwa 1 Liter Blut vom Spender auf den Empfänger übergeflossen war. Die Resultate der vitalen Transfusion werden an der Hand von im Felde verfassten Protokollen dargestellt, aus denen hervor- geht, dass die Patienten sich alle im prämortalen Stadium befanden, bei der die gebräuchlichen Analeptica versagten; die vitale Bluttransfusion hatte fast eine wundersame Wirkung. Redner berichtet über acht schöne bleibende Erfolge unter elf vitalen Bluttransfusionen bei fünf schweren Zertrümmerungen der Extremitäten mit grossen Blutverlusten infolge Gefässverletzung und mit tiefstem Collaps, und bei drei durch Oberschenkelamputation und Hüftexartikulation behandelten schweren Gasphlegmonen!). Es ereignete sich kein technischer Misserfolg und das unmittelbare Resultat der Operation war in allen Fällen vortrefflich, wenn es auch in drei Fällen durch Nachblutung und Infektion wieder verloren ging. Diese drei Fälle haben aber die Indikation zur vitalen 1) Siehe B.kl.W., 1. c., 5. 380, Fall 12. 46 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. Bluttransfusion aufgestellt und gefestigt, so dass man bei sorgfältiger Auswahl der Patienten zwar nicht so häufige, aber um so schönere, Resultate haben wird, für die den deutschen kameradschaftlichen Blut- spendern der Dank gezollt wird. (Demonstration der im Felde auf dem Hauptverbandplatz und im Feldlazarett hergestellten Photographien im Lichtbild.) Diskussion. HHr. Pohl, Rosenfeld, Coenen. 2 Er h\ = Zweiter Teil NR Fa ß; % m - rd a ä Sehlesisch Gesellschaft fü valrlänische cur XD 95. i I. Rpkerlune. . Jahresbericht. Medizin. 1917. a. Medizinische Sektion. &,e aRıa : EIG; Vorträge der medizinischen Sektion im Jahre 1917. E Neuropathische Konstitution und Ernährungs- störungen. Von K. Stolte. Wie sich die Entwickelung eines Kindes vollzieht, das ist zum grössten Teil von ererbten Eigentümlichkeiten abhängig. Die Anlage ist in erster Linie für die weitere Entfaltung nach jeder Richtung entscheidend. Die erreichbare Körpergrösse, das Maass der Muskelentwickelung und die Neigung zum Fettansatz sind in gleicher Weise eine angeborene Eigentümlichkeit, wie die mehr oder minder reiche geistige Begabung. Dennoch entscheidet die Anlage allein nicht über das Endresultat der Entwickelung. Mancherlei Einflüsse können bald fördernd, bald hemmend hinzu- treten und zum guten oder schlimmen Ende führen. Aeussere, wie in der Veranlagung begründete Störungen recht- zeitig zu erkennen, ist eine der vornehmsten Aufgaben des Arztes. Im allgemeinen vermag er durch Berücksichtigung dieser Momente gründlicher und nachhaltiger auf seine Patienten zu wirken als bei rein symptomatischer Behandlung. Wenn ich davon sprach, dass der angeborenen Anlage ein besonders erheblicher Einfluss auf die Entwickelung des Säuglings zukommt, so möchte ich heute nicht auf die ungünstigen Be- dingungen eingehen, die durch Missbildung aller Art gegeben sind, auch nicht auf die Schwierigkeiten, die sich uns vielfach bei der Behandlung zu früh geborener, sonst scheinbar normal gebildeter Kinder entgegenstellen. Dagegen schien es mir eine lohnende Aufgabe zu sein, die Abhängigkeit vegetativer Funktionen, speziell solcher von Seiten des Magendarmkanals vom Nervensystem zu beleuchten, da sich oftmals erst bei der Würdigung solcher Zusammenhänge eine richtige Deutung und wirksame Behandlung scheinbar schwerster Störungen ergibt. Es ist eine vielfach bestätigte Beobachtung, dass imbecille bezw. idiotische Säuglinge seltener an Ernährungsstörungen er- kranken als normale oder gar sehr sensible Kinder. Mehrere Umstände vereinigen sich hier zum Vorteil bezw. zum Verhängnis der Kleinen. Je ruhiger, je anspruchsloser ein Kind ist, um so Schlesische Gesellsch. f. vater]. Cultur. 1917. II. Bl 2 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. seltener fühlen sich seine Angehörigen zu Aenderungen der Nahrung veranlasst, desto seltener werden also Fehler durch Ueberfütterung oder unzweckmässige Mischung der Kost gemacht. Hierauf hat Czerny schon vor Jahren in den bekannten Auf- sätzen „Der Arzt als Erzieher“ hingewiesen. Ausserdem ist aber auch der Stoffverbrauch beim ruhigen Kinde erheblich geringer als bei einem dauernd unruhigen. Verbraucht doch ein unruhiges, schreiendes Kind an Kalorien bis zu 40 pÜt. mehr als in der Ruhe! Es wäre aber falsch, wollte man nur dem erhöhten Verbrauche und den nicht immer einer strengen Kritik standhaltenden Nahrungsänderungen die Schuld für die Misserfolge bei sensiblen Kindern beimessen. Schon die alltägliche Erfahrung lehrt, dass die Bekömmlich- keit von Nahrungsgemischen ausserordentlichen Schwankungen unterliegt. So ist es z. B. unmöglich, mit einer gleichförmigen Kost alle Kinder einer Anstalt zu ernähren. _ Selbst wenn es sich um annähernd gleich alte, völlig gesunde Säuglinge handelt, ist eine Einheitsnahrung z. B. in Krippen unmöglich. Auch wenn solche aus wirtschaftlichen Gründen angestrebt wird, sieht man sich sehr bald zu Aenderungen bei einzelnen Kindern genötigt. Dass nicht bakterielle Momente hierfür maassgebend sein können, kann man z. B. aus dem verschiedenen Verhalten von Zwillingen ersehen, die trotz völlig gleicher äusserer Bedingungen gelegent- lich schon nach wenigen Tagen nur bei verschiedenartigen Nahrungsgemischen gedeihen. Solche Erfahrungen lassen nur die eine Deutung zu, dass auch die jungen und jüngsten Kinder nicht nur hinsichtlich ihres äusseren Verhaltens weitgehende Unter- schiede aufweisen. Wie die Reaktionen auf Sinneseindrücke äusserst stark von Kind zu Kind wechseln, so müssen wir auch annehmen, dass die motorischen und sekretorischen Leistungen des Darmkanals den grössten individuellen Schwankungen unter- worfen sind. Wer bei künstlich ernährten Kindern noch Zweifel ob der Richtigkeit solcher Behauptung hegt, den dürften vielleicht Beobachtungen gleicher Art bei Brustkindern überzeugen. Wie sollte man es sich sonst erklären, wenn z. B. ein vollkommen gesundes Kind beim Wechsel der Amme mit Durchfall erkrankt, während andere Kinder von derselben neuen Amme mit bestem Erfolg genährt werden? Hier kann man doch wohl nur eine pathologische Reaktion des betreffenden Kindes, nicht aber eine Schädlichkeit der Nahrung als das ursächlichste Moment ansehen. Aehnlich verhält es sich mit dem Erbrechen so mancher Säug- linge, das unter Umständen lebensbedrohliche Grade erreichen kann. Wohl hat man bei vielen Kindern, die im frühen Alter jede oder fast jede Nahrung erbrachen, oftmals direkte Ver- änderungen am Pylorus feststellen und verantwortlich machen können. Doch stehen diesen Beobachtungen andere gegenüber, bei welchen jedes mechanische Hindernis unwahrscheinlich er- schien, und bei denen man deswegen zur Annahme eines rein funktionellen Pyloruskrampfes neigt. An solche Möglichkeiten Il. Abteilung. Medizinische Sektion. 3 wird man vor allem dann denken, wenn ein Kind auf einen Nahrungswechsel erbricht und sofort damit aufhört, wenn dieser Wechsel rückgängig gemacht wird. Diese Beispiele mögen genügen, um die unzweckmässige Reaktion des Magens und Darmes auf solche Nahrungsmittel zu beleuchten, die von der Mehrzahl aller Kinder ohne weiteres vertragen werden. Die richtige Bewertung der Reaktion solcher Kinder als pathologisch wird zumeist durch genauere anamnestische Angaben bezw. Untersuchungsbefunde erleichtert. In der Regel handelt es sich hier um Abkömmlinge nervöser Eltern; und bei den Patienten selbst kann man zumeist eine Reihe nervöser Störungen, wie hochgradige Unruhe, häufiges „unmotiviertes“ Schreien, Schreckhaftigkeit und oberflächlichen Schlaf finden. Doch ist es vielleicht nicht überflüssig, darauf hinzuweisen, dass die genannten äusserlich erkennbaren nervösen Störungen keines- wegs immer der Erregbarkeit des Darmkanales parallel -gehen müssen. Auch sonst sehen wir ja vegetative Neurosen an den verschiedensten Organsystemen als Einzelerscheinungen. Von besonderer Wichtigkeit ist ferner die Erkenntnis, dass nicht nur direkt an der Schleimhaut des Magendarmkanales an- greifende Reize für dessen Funktion bedeutungsvoll werden, sondern dass auch Einflüsse rein psychischer ‚Natur für ein Kind ver- hängnisvoll werden können. - Untersuchungen von Pawlow am Tiere haben ja schon vor vielen Jahren die Möglichkeit der Beeinflussung vegetativer Vor- gänge durch psychische Momente erwiesen und Krasnogorski’s Untersuchungen haben ähnliche Resultate für das junge Kind er- geben. Danach erscheint es durchaus erklärlich, dass der Wirkungs- effekt irgend welcher Nahrungsmittel nicht nur von der Art und Menge der dargebotenen Speise abhängt. Mindestens ebenso bedeutungsvoll ist die Reaktionsweise des betreffenden Kindes. So ist es denn kein Wunder, dass wir neben Kindern mit normaler Erregbarkeit und mit gutem Durchschnittserfolge bei ‚der Ernährung die beiden Extreme der Adipositas bezw. hoch- gradigen Magerkeit zumeist bei solchen Individuen finden, die sich vor allem durch die Reaktionsweise des Darmes, ausserdem aber‘ auch zumeist in ihrem ganzen Verhalten so verschieden sensibel und lebhaft erweisen. Die Unterschiede zwischen den ‘ einzelnen Kindern gehen sogar so weit, dass es gelegentlich einer recht erheblichen Nahrungsbeschränkung bedarf, um ein zum Fettansatz neigendes Kind abmagern zu lassen. Andererseits scheitert vielfach selbst das eifrigste Bemühen, ein lebhaftes, sensibles Kind zu mästen daran, dass eben die zwangsweise Fütterung sehr bald zu Erbrechen (oder seltener zu Durchfällen) führt und damit das Experiment beendet. Die Hemmung bei der Nahrungsaufnahme tritt offenbar bei den sensiblen Naturen eher und wirksamer in Kraft. So sehen wir bei Mästungsversuchen bei sehr sensiblen Kindern bereits am zweiten oder dritten Tage völlige Unmöglichkeit, es zu er- höhter Nahrungsaufnahme zu bewegen, obwohl ihm alle möglichen 1* 4 Jahresbericht der Sehles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Leckerbissen, die es am ersten Tage gern und reichlich genommen hatte, weiter bewilligt werden. Diese Reaktionsweise der einzelnen Individuen ist aber keine konstante Grösse. Sie ist mannigfachen Schwankungen unter- worfen. Freudige wie unangenehme Eindrücke vermögen je nach der Dauer und dem Grade ihrer Einwirkung schon beim jungen und jüngsten Kinde die Reizbarkeit auf längere oder kürzere Zeit zu beeinflussen und zu verändern. Vielfach bei normaler, hie und da aber auch bei nicht allzu schwer neuropathischer Konstitution tritt bei länger dauernder Einwirkung äusserer Einflüsse Gewöhnung und damit Rückkehr zu normalem Verlauf der vegetativen Funktionen ein. So z. B. beim Brustkinde, das beim Ammenwechsel an „Durchfall“ er- krankte. Dasselbe gilt für den Wegfall gewohnter und dem Kinde liebgewordener Annehmlichkeiten, wie ihn z. B. die Aufnahme eines solchen kleinen Patienten in die Klinik mit sich bringt. Bei hochgradig neuropathischen Kindern können aber die- selben Momente erheblichere und länger dauernde Störungen be- dingen. Hier kann die Trennung von der gewohnten Wärterin eine Verpflegung des Kindes zu Hause nahezu oder ganz unmög- lich machen. Häufiger ist dagegen wohl das Umgekehrte der Fall, dass die Eingewöhnung des Kindes in die Klinik enorme Schwierigkeiten bereitet, dass aber ein plötzlicher Wandel ein- tritt, sobald das Kind zu seinen alten Gewohnheiten zurückkehrt. Ein andermal hinwiederum vermag ein nur kurzes, aber energisch einwirkendes Trauma bei solchen Kindern langdauernde Nachwirkungen auszulösen. So ist mir eine kleine Patientin be- kannt, die wiederholt auf heftigen Schreck mit mehrwöchigen Durchfällen reagierte. Aehnliche, sehr nachteilig wirkende Schäden, die die Reiz- barkeit des Nervensystems sensibler Patienten vielfach stark er- höhen können, sind körperliche Erkrankungen. Gar oft vermag man alle für den neuropathischen Säugling charakteristischen Symptome bei erkrankten, zuvor normal reagierenden Kindern zu entdecken. Der Schlaf wird oberflächlich, bei geringsten Ge- räuschen oder beim vorsichtigen Versuch den Puls des schlafen- den Kindes zu tasten, fährt der kleine Patient erschreckt empor. Anstelle .der fröhlichen Stimmung tritt weinerliches Wesen und gar nicht selten kann selbst bei idealster Ernährung vollkommene Appetitlosigkeit, Erbrechen und Durchfall die Erkrankung be- gleiten. Bei anderen Kindern hinwiederum deuten die bei Fieber auftretenden Krämpfe auf die erhöhte Beteiligung des Nerven- systems hin. Je sensibler das erkrankte Kind von Hause aus ist, um so schwerer können die subjektiven und objektiven Störungen werden. Und gerade solche Kinder, bei denen schon in gesunden Tagen eine auffällige Empfindlichkeit des Magendarmtractus be- merkt wurde, können wieder besonders schwere enterale Begleit- erscheinungen aufweisen. Vielseitiger sind die Aeusserungen der nervösen Störungen, wenn neuropathisch veranlagte ältere Kinder erkranken, da die- selbe auslösende Ursache bei verschiedenen Kindern ganz ver- E E . rn Y 2 u ; II. Abteilung. Medizinische Sektion. schiedenartige Bilder hervorrufen kann. Bald werden solche Patienten durch lautes Jammern und Schreien, durch das stete Verlangen nach Gesellschaft, Unterhaltung und Hilfe lästig, bald aber schliessen sie sich von aller Umgebung ab, antworten nur wenig oder gar nicht auf Fragen. Das gewohnte Spiel der Ge- schwister ist ihnen zuwider; das liebevollste Entgegenkommen beantworten sie mit schroffer Zurückweisung. Die Kinder werden launisch und unleidlich, keine Nahrung schmeckt ihnen, keine Freude vermag sie aus ihrer Reserve herauszulocken. Sie ver- lernen Stehen und Gehen, und oftmals scheint selbst die Sprache wieder verloren zu gehen. Dass unter solchen Umständen gelegentlich auch die Er- nährung unzureichend werden kann, ist wohl begreiflich. Dass andererseits trotz ausgiebiger Nahrungsaufnahme deren Ver- wertung infolge hinzutretender langdauernder Durchfälle unmög- lich wird, so dass schliesslich extreme Atrophie, Verzögerung des Längenwachstums, ja Stillstand der Entwickelung für Monate und Jahre daraus folgt, ist ebenso verständlich. So kann sich bei den disponierten Kindern ein unheil- voller Cireulus vitiosus entwickeln derart, dass das körperliche Leiden die Reizbarkeit des Nervensystems erhöht, dass aber diese gesteigerte Sensibilität unter Umständen wieder auf den körper- lichen Zustand nachteilig wirkt. Vollkommen normale Kinder ertragen zumeist still und er- geben mit grosser Geduld und unveränderter Freundlichkeit die schmerzhaftesten Krankheiten. Also nicht die Krankheit als solche, sondern wiederum die Reaktion des von ihr betroffenen Individuums ist von solch er- heblicher Bedeutung. Am schlimmsten gestalten sich die Ver- hältnisse, wenn es sich um Kinder handelt, die an Durchfall erkranken und dabei eine stete Zunahme der Empfindlichkeit des Magendarmtractus erfahren. Man ist allerdings gewohnt, beim erkrankten jungen Kinde die Ursachen zunächst in der aus irgend welchen Gründen unbekömmlichen, eventuell zersetzten oder inficierten Nahrung zu suchen. Und das mit Recht. Die Fortschritte der Therapie der Ernährungsstörungen junger Kinder ist lediglich den vielen chemischen und bakteriologischen For- schungen zu danken. Wir haben eine Schädlichkeit nach der anderen zu vermeiden gelernt. Sieht man aber von den Maass- nahmen, die zur Bekämpfung der Folgeerscheinungen schwerer Durchfälle dienen, ab, so besteht das Wesen der diätetischen Therapie in zweckentsprechender Dosierung der den Darm treffen- den Reize unter gleichzeitiger Beobachtung ausreichender Nahrungs- zufuhr. Unsere Erfolge sind jedoch trotz genauester Indikations- stellungen noch lange nicht immer. ideal. Der Unterschied zwischen den gesunden Kindern im Privathause gegenüber den in einer Anstalt gepflegten, war stets ein sehr erheblicher. Abgesehen von den Ammenkindern, fehlt in der Anstalt, bei bei dem leider noch vielfach recht erheblichen Mangel an Pflege- personal, den Patienten zumeist die „individuelle“ oder die „na- 5 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. türliche Pflege“. Kein Schema, keine noch so treffliche Schablone vermag auf die Dauer ein Kind von normaler, geschweige ein solches von neuropathischer Konstitution zu befriedigen. Bessere Erfolge sind in einer Klinik dann zu erreichen, wenn auch hier kleinere Annehmlichkeiten zur Hebung des Wohlbefindens ge- währt werden, die nicht gerade in den: üblichen Anstalts- vorschriften vorgesehen sind. Allgemein gültige Regeln lassen sich für individuelle Pflege selbstverständlich nicht festlegen. In jedem Falle muss man eben die Eigentümlichkeiten des kleinen Kranken von der Mutter erfragen oder den Kindern selbst ablauschen. Wie bedeutungs- voll solche Kleinigkeiten sein können, mögen folgende Beispiele dartun: Der Anblick des weissen Mantels ruft bei vielen Kindern die Erinnerung an so manche Unannehmlichkeiten bei der Unter- suchung wach, dass viele der kleinen Patienten bei jeder An- näherung einer weiss gekleideten Person lebhaft zu schreien be- ginnen. Dass dadurch die Ernährung eines Kindes in Frage gestellt werden kann, erlebten wir erst kürzlich bei einem zehn Monate alten Kinde, das nur unter ständigem gelinden Zwang zur Nahrungsaufnahme zu bewegen war, dagegen sofort dieselbe Kost begierig verzehrte, als die Pflegerin es ohne die in der Anstalt übliche weisse Schürze fütterte.e Die eigenartigsten Gepflogen- heiten der Mutter, auf welche selbst eine geübte Säuglingspflegerin kaum oder nur durch Zufall verfällt, können hier grosse Be- deutung erlangen. Die. Kenntnis und Berücksichtigung dieser Imponderabilien ist deswegen unerlässlich, weil durch ihre geschickte Verwertung die Behandlung ernährungsgestörter Kinder wesentlich verbessert werden kann. Unter Berücksichtigung dieser Momente gelingt es sicher, manches Kind am Leben zu erhalten, das sonst nicht zu retten ist. Vor allem aber werden viel raschere und nach- haltigere Erfolge erzielt, als unter anderen Umständen zu er- warten wäre. [Es werden zwei Kinder vorgeführt, bei denen die Aenderung in der Art der Wartung und Pflege sowie ein gewisses Eingehen auf Wünsche bezüglich der Ernährung nach mehrmonatigem Stillstande einen erfreulichen Gewichtsanstieg und gutes Gedeihen brachte. | Solche Beispiele lassen sich beliebig vermehren. Das inter- essanteste an diesen Beobachtungen ist aber, dass die Kinder schon vor der „Freilassung“ in jeder Beziehung — qualitativ und quantitativ — einwandfrei ernährt wurden. Eine tadellose Funktion des Darmes war durch die Kost, die ihnen angeboten wurde, erreicht, eine erfreuliche Zunahme und ein richtiges Ge- deihen erfolgte aber erst, als neben der Beachtung der Darm- funktion die Berücksichtigung des individuellen Wohlbefindens trat. Sobald eben ein subjektives Wohlbefinden bei dem Kinde besteht, nimmt auch die Empfindlichkeit des Darmkanales ab, und dem Patienten kann ohne Gefahr eine reichlichere und diffe- rentere Kost gereicht werden. Was ihm früher geschadet hätte, bekommt ihm nunmehr wesentlich besser. Wir benützen also II. Abteilung. Medizinische Sektion. 7 diese kleinen Mittel zur Verbesserung unserer Erfolge. Zeiten der Erkrankung sind nicht immer geeignet zu Zwangsmaass- nahmen, wenigstens so lange keine dringenden Gründe zu solchen Härten vorliegen und durch die Nachgiebigkeit nicht ge- schadet wird. Darum reden wir auch keineswegs einer kritiklosen, nur dem Geschmack und den Launen eines Kindes angepassten Ernährung und Wartung das Wort. Auch daraus können grobe Fehler er- wachsen, wenn z. B. infolge falscher Nachgiebigkeit Rachitis bzw. Anämien sich entwickeln. Bei schweren Störungen muss in aller- erster Linie das ganze Rüstzeug unserer modernen Ernährungs- therapie in Anwendung kommen. Erst wenn damit kein rechtes Gedeihen erzielt wird, erst dann dürfen Schritt für Schritt Kon- cessionen gemacht werden. Noch aus einem anderen Grunde erscheint mir solche Ein- schränkung dringend geboten. Schon bei ganz gesunden Kindern jeden Alters sieht man infolge allzuweit gehender Nachgiebigkeit unangenehme Folgeerscheinungen auftreten. Wird z. B. ein ganz junger Säugling bei jedesmaligem Schreien herumgetragen, so er- fasst er schon innerhalb der ersten Lebenstage den ursächlichen Zusammenhang zwischen seinem Geschrei und den dadurch er- zwungenen Bemühungen seiner Umgebung, ihn durch Tragen, Wiegen oder Schaukeln zu beunruhigen. Mit einer rücksichtslosen Konsequenz ertrotzt er sich alsdann solche Annehmlichkeiten. Häufiger noch werden solche Erziehungsfehler bei kranken Kindern gemacht. Auch bei älteren Kindern sieht man, dass gar nicht selten unter allzusorgsamer Pflege, bei allzuängstlicher Ueberwachung und Behandlung das Krankheitsbewusstsein und mancherlei Kranhkeitsäusserungen länger unterhalten werden, als tatsächlich organische Veränderungen vorhanden sind. So können z. B. Hustenanfälle fortbestehen, nachdem die krank- haften Veränderungen von seiten des Halses und der Lunge längst verschwunden sind. Sobald ein disponiertes Kind erregt wird, fängt es an zu husten, zumal wenn es die Erfahrung ge- macht hat, dass ihm daraufhin oftmals unangenehme Zumutungen erspart bleiben. Dasselbe trifft wiederum mutatis mutandis für die Vorgänge im Magendarmtractus zu. Infolgedessen ist es auch hier niemals zweckmässig, falsche Nachgiebigkeit zu üben. Zumal bei schwer psychopathischen Kindern, die so besonders nachhaltig oder wiederholt auf an und für sich harmlose äussere Einflüsse re- agieren, wird man die Herabsetzung der Erregbarkeit vor allen Dingen anstreben. Hier hilft ein energisches Einschreiten, z. B. eine weitgehende Beschränkung der Mahlzeiten oder Trennung des Kindes von der nachgiebigen Umgebung weit mehr, als die besten Medikamente. Glücklicherweise in recht seltenen Fällen kommt es zur Ent- wicklung eines sehr ernsten Krankheitsbildes.. Es handelt sich dabei meist um nervös belastete Kinder zwischen 11/;,—8 Jahren, die infolge von Diätfeblern, aber auch ohne bestimmt erkennbare Ursache an heftigem Durchfall erkranken, dabei körperlich und 8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. geistig stark zurückkommen und entsprechend dem körperlichen Verfall schwerwiegende Veränderungen im psychischen Verhalten darbieten. Die Kinder werden still und teilnahmslos, weisen alles, was sonst Kindern Freude macht, zurück. Der Appetit. wechselt; es entwickelt sich ein hochgradiger Meteorismus, ja Pseudoascites; es treten heftige Durchfälle auf, die bald dieser, bald jener Therapie für einige Tage weichen, dann aber stets wiederkehren und schliesslich zu dem extremsten Grade der Ab- magerung führen. Monate-, ja jahrelange Gewichtsstillstände sind die Folge, wenn nicht gar das Kind an einem intercurrenten Leiden stirbt. Für diese langwierigen, schweren Verdauungsinsufficienzen sind allerdings verschiedene andere Ursachen verantwortlich ge- macht worden. Herter sucht bei diesen Kindern in einer schäd- lichen Darmflora die Quelle des Leidens; Heubner dagegen glaubt in einer primären Insufficienz der Verdauungsdrüsen den Grund der Erkrankung erblicken zu sollen, die meisten Autoren ver- kennen durchaus nicht die schwere Beteiligung des - Nerven- systems. Sie halten sie aber für etwas Sekundäres, für den Folgezustand des schweren körperlichen Leidens. Diese Auf- fassung hat gewiss etwas Bestechendes. Ohne das auslösende Moment der körperlichen Erkrankung wäre es wohl nur in den seltensten Fällen zu Manifestationen der schweren psychopathi- schen Konstitution gekommen. Das ist gewiss. Aber ebenso gewiss ist, dass nicht bei jedem Kinde ein körperliches Leiden so schwere nervöse Depressionszustände auszulösen vermag, und dass eine solche Therapie am raschesten zum Ziele führt, die den Zustand des Nervensystems mehr berücksichtigt als den Darm. Es folgt die Vorführung eines solchen Kindes, das seit der frühesten Kindheit an stets wiederkehrenden Durchfällen litt und dabei körperlich und geistig stark zurückblieb. Keine Therapie, selbst nicht lang- dauernde Frauenmilchernährung bis ins vierte Lebensjahr vermochte das Leiden zu bessern. Dabei zeigte der Knabe ein ganz merkwürdiges psychi- sches Verhalten; nur Dinge, die seine Person betrafen, machten ihm Freude, nur was mit Essen und Trinken zusammenhing, konnte ihn zu Lebensäusserungen veranlassen. Sonst sass er stunden-, ja tagelang still und ruhig und erregte sich nur, wenn seine Teller, Tassen und Löffel nicht am richtigen Platze lagen, oder wenn eine Falte in der Bett- decke zu sehen war, so bemühte er sich stundenlang, diese glattzu- streichen. — z Erspriessliches vermag man nur dann zu erreichen, wenn man neben der diätetischen Behandlung die nervöse Komponente des Leidens nicht vergisst. Grosse Nahrungspausen und relativ kleine Mahlzeiten ermöglichen eine Besserung der Darmstörung auch ohne allzu weitgehende Beschränkung bezüglich der Qualität der Nahrung. Sobald die bedrohlichen Darmerscheinungen be- hoben sind, sorge man trotz der geringen Neigung des Kindes und trotz seiner hochgradigen Magerkeit für Ablenkung von der Krankheit, für Unterhaltung und Spiel mit anderen Kindern. Der zunehmenden Stärkung des überreizten Nervensystems folgt alsbald die Besserung des körperlichen Zustandes. Auch bei dem vorgeführten Knaben hat die konsequente Durchführung “ UI. Abteilung. Medizinische Sektion. von grossen Nahrungspausen die Darmfunktion rasch gebessert. Kürzlich wurde er unter eine grössere Schar gleichalteriger Kinder in einer Krippe versetzt. Schon nach 14 Tagen ist eine erfreuliche Besserung in dem Verhalten des Knaben zu verzeichnen, und es ist zu hoffen, dass er dort auch fernerhin trotz der weniger speziellen Behandlung, obwohl nicht das ganze Haus sich gerade um sein Befinden kümmert, gedeihen und aufblühen werde. Die angeführten Beispiele zeigen, in wie mannigfacher Weise aus der neuropathischen Konstitution Schwierigkeiten für die Be-- handlung von Ernährungsstörungen erwachsen können. Zumal in einer Zeit, da unsere Kenntnisse über die zur gedeihlichen Ent- wicklung notwendigen Baustoffe sowie die regulierende Tätigkeit innersekretorischer Drüsen so bedeutende Bereicherung erfahren haben, scheint es nicht überflüssig, auf die Bedeutung der nervösen Veranlagung für den Ernährungserfolg hinzuweisen. Die richtige Bewertung solcher gegenseitigen Abhängigkeit lässt manche sonst rätselhafte Reaktion erklärlich erscheinen; und nur eine genaue Kenntnis der Krankheitsentstehung ermöglicht eine zielbewusste Behandlung. Il. Fall von intramedullärem Tumor, erfolgreich operiert. Von 0. Foerster. Th. S., 40 Jahre, früher immer gesund. Beginn der Krankheit im März 1915 mit Blasenkatarrh, erschwertem Harnlassen. Vom Juni 1915 ab zunehmende Schwäche der Beine und reissende Schmerzen in beiden Armen. Aufnahme im Allerheiligen-Hospital am 2. August 1915. Es besteht vollständige spastische Lähmung beider Beine, erhöhte Patellar- und Achillesreflexe, Fusscelonus, Patellarelonus, Babinski. Bauch- und Cremasterrefiexe fehlen. Vollständige Urinverhaltung. Katheterismus erforderlich. An den oberen Extremitäten schlaffe atrophische Lähmung in den Interossei, Daumenballen und Kleinfingerballen, den Flexoren der Finger, dem Palmaris longus, Abductor pollieis longus, Extensor pollieis brevis und longus, Extensor carpi ulnaris, Flexor carpi ulnaris, Flexor carpi radialis und dem Triceps. Der Tricepsreflex fehlte. Der Extensor digitorrum communis ist beiderseits schwach, der Extensor. carpi radialis intakt. Ebenso sind die Supinatoren und Pronatoren der Hand, die Beuger des Vorderarms und sämt- liche Muskeln des Schultergelenks intakt. Der Reflex des Supinator longus ist erhalten, In den gelähmten Muskeln besteht zum Teil totale, zum Teil partielle Entartungsreaktion. Die Sensibilität ist in den Beinen und am Rumpf aufwärts-bis zur Achselfalte erloschen. An den Armen ist die ulnare Hälfte des Ober- und Vorderarms anästhetisch, an der Hand ist der 5., 4. und 3. Finger anästhetisch; die Anästhesie springt mit einem stumpfen Winkel nach dem Daumenballen zu vor. Der Zeige- finger und Daumen und der Daumenballen selbst zeigen keine Anästhesie. Die Störung für Schmerz, Warm und Kalt ist räumlich etwas ausge- dehnter wie die für Berührung. Das Lagegefühl ist erloschen in den unteren Extremitäten und im 3. bis 5. Finger. Wassermann im Blut und Liquor negativ, im Liquor keine Lymphocytose, dagegen starke Eiweissvermehrung und ausgesprochene Xantochromie. Röntgenunter- suchung der Halswirbelsäule o. B. Diagnose: Es handelt sich um einen Prozess, welcher das Rücken- mark unterbricht im Bereiche des Halsmarks. Die schlaffe atropbische Lähmung der oben angeführten Finger- und Handmuskeln ist für die Lokaldiagnose ausschlaggebend, indem sämtliche vom 1. Dorsalsegment und 8. und 7. Cervicalsegment versorgten Muskeln total gelähmt sind, während die vom 6. und den weiter aufwärts gelegenen Cservical- segmenten innervierten Muskeln ganz intakt sind). Von den Muskeln 1) Vgl. Foerster, Spinale Segmentinnervation. Neurol. Zbl., 1913. II. Abteilung.. Medizinische Sektion. 11 des 7. Oervicalsegmentes ist der am höchsten gelegene, Extensor carpi radialis, intakt und der unmittelbar darunter liegende, Extensor digi- torum communis, nur geschwächt. In Uebereinstimmung mit dieser Höhendiagnose steht das Verhalten der Sensibilität. Die Anästhesie nimmt am Arme die ulnare Hälfte des Oberarms und Vorderarms ein und an der Hand den 5. bis 3. Finger; dieses und das winkelartige Vorspringen der Anästhesiegrenze nach „dem Daumenballen zu ist charakteristisch für eine Aufhebung der Sensibilität bis zum 7. Cervical- segment einschliesslich. Für die Natur des Prozesses war maassgebend der Liquorbefund, indem die starke Eiweissvermehrung und die Xanto- chromie für Tumor sprachen. Die sehr starken Schmerzen liessen am ehesten an intraduralen, aber extramedullären Tumor denken. In der Folgezeit wird die bisher spastische Beinlähmung schlaff, die Patellar- reflexe sind nur schwach positiv; Babinski positiv. Am 12. August 1915 habe ich den Fall operiert. Entfernung der Bögen des 3. bis 7. Halswirbels und 1. und 2. Brustwirbels. Dura er- weist sich gespannt, bei Einschnitt entleert sich sehr viel Liquor, es findet sich kein extramedullärer Tumor. Rückenmark äusserlich normal. Es werden die Hinterstränge auf der rechten Seite in der Längsrichtung gespalten und es findet sich ein intramedullärer Tumor, der am dicksten im Bereich des 8. Cervicalsegmentes ist. Nach oben zu geht er durch das 7. Cervicalsegment hindurch und setzt sich im Bereich des 5. und 6. Oervicalsegmentes nur mittels eines fadenartigen Fortsatzes, der genau in der Mitte des Rückenmarkes gelegen ist, fort, nach unten zu reicht der Tumor bis ins 2. Dorsalsegment hinein. Die Entfernung gelingt durch Morcellierung leicht und total. Duranaht, Muskelnaht, Hautnaht. Vollkommene prima intentio. Mikroskopische Untersuchung erweist, dass es sich um ein Gliom handelt. Allmählich ist eine vollständige Wiederherstellung der Beweglichkeit der Beine eingetreten, Patient geht ohne jede Schwierigkeit, nur besteht etwas Ataxie an beiden Beinen. Am linken Arm sind sämtliche ge- lähmten Muskelgruppen wieder voll funktionsfähig geworden und zeigen keine Störung der elektrischen Erregbarkeit mehr. Am rechten Arm sind auch die meisten Muskelgruppen wieder voll funktionstüchtig ge- worden, nur eine Lähmung der Interossei und des Adductor pollieis ist übrig geblieben mit leichter Krallenstellung des 5. und 4. Fingers. Blasenstörungen bestehen nicht. Die Sensibilität zeigt, topographisch betrachtet, dasselbe Verhalten wie vor der Operation, nur besteht keine totale Aufhebung des Gefühls mehr, sondern nur noch eine Abstumpfung für feine Gefühlsreize. Da jetzt bereits 1Y/, Jahr seit der Operation verstrichen sind und der Zustand sich eigentlich ständig noch bessert, ist zu hoffen, dass kein Recidiv eintreten wird. Hervorgehoben werden soll, dass die Entfernung des Tumors nicht nach der Elsberg’schen Extrusionsmethode vorgenommen worden ist, sondern in einer Sitzung durch vorsichtige Morcellierung. II. Erfolge der Rothmann’schen Narkosemethode bei Kriegshysterie, insbesondere bei hysteri- schem Schütteltremor. Von Dr. H. Joseph und Prof. Dr. L. Mann-Breslau. Vor einiger Zeit empfahl Kaufmann die Anwendung starker elektrischer Ströme bei der Behandlung der hysterischen Motilitäts- störungen. Es liegen aber Bedenken gegen diese Methode vor. Erstens sind etliche Todesfälle infolge der Anwendung starker Ströme bekannt geworden. Nach der Ansicht des einen von . uns!) ereignen sich diese Todesfälle allerdings nur bei der An- wendung des Pantostaten, dessen sinusoidalen Ströme nicht auf der Körperoberfläche bleiben, sondern in die Tiefe eindringen, während der faradische Strom als ungefährlich anzusehen ist. Laut kriegsministerieller Verfügung ist am 29. I. 1917 verboten worden, bei der Behandlung von Hysterie Methoden anzuwenden, welche in irgendwelcher Weise das Leben der Patienten ge- fährden, so dass die Anwendung des elektrischen Stromes in der von Kaufmann ursprünglich geforderten Weise nicht mehr statthaft erscheint, wenn allerdings auch die Gefährdung relativ sehr gering ist. Ferner sind bei Anwendung der starken Ströme in einer Dauer von 1—2 Stunden, wie es Kaufmann empfiehlt, bei vielen Patienten die Schmerzen derart, dass man aus Gründen der Menschlichkeit diese Methode häufig aufgibt oder mit schwächeren Strömen arbeitet, wobei man oft dasselbe wie mit starken Strömen erreicht. Auch Kaufmann erklärte auf der Neurologenversamm- lung in München, dass allzustarke Ströme nicht nötig seien. Wir müssen nach unseren Erfahrungen im St. Georgskrankenhaus die Kaufmann’sche Methode in gemässigter Weise als grossen Fort- schritt gegenüber den Methoden jener Zeit betrachten, in der man vielfach nur mit Medikamenten und Bettruhe arbeitete. Die Methode ist allerdings nicht neu, sie ist in dem „Handbuch der gesamten medizinischen Anwendungen der Elektrizität“ (herausgegeben von 1) Mann, Neue Methoden und Gesichtspunkte zur Behandlung der Kriegsneurosen. B.kl.W., 1916, Nr. 50. BEREITEN TI Bro hun lin hg BE HA ET LA hn a a lien ll Anla kin in nn. e at na ll Nr al, II. Abteilung. Medizinische Sektion. 13 Boruttau und Mann, Leipzig 1909—1911) von dem einen von uns bei der Behandlung der Hysterie ausführlich geschildert worden. Die suggestive Wirkung ist dort als „Schmerzerregung und Funktionserweckung“ charakterisiert, zugleich aber betont worden, dass der Erfolg durchaus nicht immer prompt, sondern oft erst allmählich eintritt. Wir haben daher schon vor der Kaufmann’schen Publikation bei der Behandlung der Hysteriker häufig mit dem elektrischen Strom gearbeitet, doch hat diese Methode nicht in allen Fällen unseren Ansprüchen genügt. Bei vielen Patienten war kein Erfolg zu verzeichnen, andere jammerten und tobten bei der Behandlung derart, dass die Methode im Lazarett in Misskredit kam. Wiederholt weigerten sich Patienten, sich weiter behandeln zu lassen, und erklärten, lieber wegen Ge- horsamsverweigerung vor das Kriegsgericht gestellt zu werden, als die Schmerzen der Behandlung zu ertragen. Kaufmann betont nun, dass der Arzt in erster Linie den Standpunkt des militärischen Vorgesetzten dem Patienten gegenüber einnehmen müsste. Nur bei ganz militärischer Handhabung des ganzen Be- triebes liessen sich gute Erfolge erzielen. Versuchsweise habe ich mich auch anfangs an diese Vorschrift gehalten, damit aber sehr wenig erreicht. Schon die ruhige Ueberlegung sagt, dass eine Suggestion nur dann möglich ist, wenn der Patient völliges Vertrauen zu seinem Arzt hat. Nun hat aber der Untergebene wohl in den seltensten Fällen unbedingtes Vertrauen zu seinem Vorgesetzten, meistens ist es nur Furcht, während wohl der Patient seinem Arzt, der sich teilnahmsvoll um ihn kümmert, völlig traut. Was ferner mich veranlasst hat, nicht das mili- tärische Vorgesetztenverhältnis zu betonen, ist das nicht so seltene Erscheinen der Hysterie schon während der Ausbildungszeit. Hier war es lediglich das Militärleben mit seinem völligen Unterordnen unter den Willen eines‘ anderen, das völlige Verzichten auf die eigene Persönlichkeit, welches die Psychoneurose hervorrief. Es ist klar, dass sich bei einer derartigen Erkrankung eine Sug- gestion nicht kommandieren lässt, dass man vielmehr auf sehr hinderliche Gegenvorstellungen stösst. Was ferner diese Methode für unsere Verhältnisse ungeeignet macht, ist die kolossale Zeit, die man zur Behandlung braucht. Wir können unmöglich bei unserem grossen Material den ein- zelnen Patienten stundenlang behandeln, wenn wir nicht andere vernachlässigen wollen. Nonne in Hamburg hat seine Kriegshysteriker mit der Hyp- nose behandelt. Nach seiner Statistik gibt er 62 pCt. Heilungen an. Ich habe diese Methode nicht angewandt, weil mir die Technik fehlt. Ausserdem scheint die Hypnose auch zu zeit- raubend und für den Arzt zu anstrengend zu sein. Sie würde sich deshalb für unser grosses Material nicht eignen und ist auch glücklicherweise nicht notwendig, denn wir besitzen in der Roth- mann’schen Methode ein Mittel, unsere Hysteriker, speziell Tremorfälle, in kürzester Zeit zu heilen. Rothmann empfahl zur suggestiven Behandlung die Narkose. Nun ist kein Patient J4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. | gezwungen, sich einer Narkose zu unterziehen, und deshalb muss vermieden werden, dass der Arzt durch brüskes, militärisches Auftreten das Vertrauen seiner Patienten verliert. Die vorüber- gehende Bewusstlosigkeit in der Aethernarkose ist nun in der Tat ein kolossai umstimmender Faktor. Sie ist meistens ein ganz neues Moment in seinem Leben, dagegen ist die Elektrizität bei vielen Hysterikern, die zu uns kommen, von Fachärzten und Nichtfachärzten angewandt worden und hat daher nicht mehr den suggestiven Effekt. Wir halten uns dabei an die von Roth- mann gegebene Vorschrift, dem Patienten suggestiv eine Spritze Aqua destillata unter die Haut zu spritzen. Unsere bisherigen Erfahrungen sind sehr günstig. Ich habe bereits 37 Fälle von Tremor nach dieser Methode behandelt und nur ein einziges Mal einen Misserfolg gesehen. Ausserdem ist die Methode schmerzlos und bedingt keine Gefahren, da man in den meisten Fällen mit 30 g Aether auskommt, selten gebraucht man 50 g. Die Sache gestaltet sich folgendermaassen: Wir reden dem Patienten gütig zu, sich eine Einspritzung machen zu lassen, die seinen Tremor beseitigt. Wir sagen ihm, die Einspritzung sei sehr schmerzhaft, ohne Narkose liesse sich die Sache nicht machen. Es wird ikm auch die Entlassung aus dem Heeresdienst in Aussicht gestellt. Der Patient willigt schliesslich ein. Ein kleiner Verband um die Einspritzungsstelle überzeugt ihn nach dem Erwachen, dass man etwas an ihm gemacht hätte. Be- sonders die Zeit nach dem Erwachen ist sehr wichtig. Leute mit Tremor der rechten Hand lasse ich sofort ihren Namen oder dergleichen schreiben. Patienten mit Gangstörung machen gestützt sofort Gehversuche. Nachdem man sie auf diese Weise überzeugt hat, dass die Störung beseitigt ist, überlässt man sie der Ruhe auf 1—2 Tage. Häufig sind erst nach dieser Zeit die Symptome geschwunden. Selten ist eine zweite Narkose nötig. Am meisten angewandt wurde die Methode bei den Tremorfällen, die, wie gesagt, mit einer einzigen Ausnahme, alle heilten. Während früher diese Hysteriker monatelang auf den Stationen lagen, sind wir jetzt in der Lage, diese Patienten nach wenigen Wochen als geheilt von ihren wesentlichsten Symptomen zu ent- lassen. Ueber die Erfolge mit dieser Methode bei Sprach- störungen können wir kein abschliessendes Urteil abgeben, weil wir kein sehr grosses Material von Aphonikern und Stotterern unter unseren Patienten haben und wir bei den wenigen auch mit der Anwendung des faradischen Stroms im ganzen gute Er- folge gesehen haben. Bei hysterischen Lähmungen haben wir bei den zwei bisher behandelten Fällen ebenfalls. günstige Erfolge mit der Roth- mann’schen Methode gehabt. In dem einen Falle handelte es sich um eine totale Lähmung des rechten Armes. Jetzt bringt Patient den Arm bis zur Horizontalen. In dem anderen Falle handelte es sich um die isolierte Lähmung des linken Daumens. Im letzten Falle wurde suggestiv in der Narkose ein Hautschnitt gemacht und die Haut durch zwei Nähte wieder geschlossen. Bl „2 rn IT 1I. Abteilung. Medizinische Sektion. 15 Dem Patienten wurde vor dieser Scheinoperation gesagt, dass eine „Verkürzung der Daumensehne“ nötig sei. Auf Grund unserer Resultate glaube ich diese Methode emp- fehlen zu können, erstens wegen ihrer Ergebnisse, dann wegen der Einfachheit und schliesslich wegen der Kürze, da man im- stande ist, an einem Vormittag mindestens 6 Patienten zu heilen. - Ich stelle Ihnen nun folgende geheilte Patienten vor: ‚1. Fall. Soldat Gr. Im Felde von März 1915 bis Juli 1916. Ur- sache: Erkältung. Art des Tremors: Lebhafter Tremor des linken Beines und Tremor des Kopfes. Beim Stehen hüpfende Bewegungen des Körpers. Gang schlotternd. Narkose. Heilung. 2. Fall. Soldat Pr. Im Felde von August 1914 bis April 1916 mit häufigen Unterbrechungen. Ursache: Ueberanstrengung. Abasia- Astasia mit allgemeinem Tremor. Narkose. Geht zunächst mit zwei Stöcken. Besserung schreitet fort. Ist bereits früher 4 mal in Narkose operiert worden, darunter 2 mal wegen Blinddarmentzündung. ö. Fall. Soldat M. Im Felde von November 1915 bis August 1916. Ursache: Einschlagen einer Granate in seiner Nähe. Art des Tremors: Tremor des Kopfes, der bei Augenschluss zunimmt. Narkose. Heilung. 4. Fall. Soldat B. Im Felde von Oktober 1915 bis Oktober 1916 mit Unterbrechung. Ursache: Streifschuss am Kopf. Er wurde be- sinnungslos. Art des Tremors: Beim Stehen Tremor der rechten Hand, Tie des Kopfes. Die Sprache ist stotternd. Narkose. Heilung. 5. Fall. Soldat N. Im Felde von August 1914 bis August 1915. Ursache: Granatsplitterverletzung. Art des Tremors: Tremor der Beine sowohl beim Stehen wie beim Liegen und im geringen Maasse Tremor der Hände. Narkose. Heilung. 6. Fall. Soldat K. Im Felde von August 1915 bis Juli 1916. Ursache: Verschüttung. Art des Tremors: Tremor der Hände und der Beine. Narkose. Heilung. 7. Fall. Soldat Gr. Im Felde von Juni 1915 bis September 1916. Ursaehe: Granatverschüttung. Art des Tremors: Tremor des rechten Beines, so dass Baueh- und Brustmuskulatur mitschüttelt. Tremor der ausgestreckten Hände. Bei:Augenschluss nimmt der Tremor zu. Nar- kose. Heilung. 8. Fall. Soldat J. Im Felde von Mai bis August 1916: Ursache: Verschüttung durch Mine. Vier Wochen später Tremor. Art des Tremors: Tremor beider Hände, der in Bettlage bestehen bleibt. Nar- kose. Heilung. ' 9.Fall. Soldat K. Im Felde von September 1915 bis August 1916. Ursache: Granatexplosion. Art des Tremors: Beim Ausstrecken der Hände Tremor; Tremor des rechten Beines beim Erheben. Zittern des Körpers beim Stehen. Gang unsicher, stampfend. Narkose. Heilung. 10. Fall. Soldat K. Im Felde von September bis Oktober 1916. Ursache: Einschlagen einer Granate in der Nähe. Art des Tremors: Tremor der Oberschenkel und der Brustmuskulatur, der auch in Ruhe- lage besteht. Stottern. Atmung beschleunigt. Narkose. Heilung. 11. Fall. Soldat L. Kehrte 1909 mit Tremor des Kopfes aus Süd- west-Afrika zurück. Ursache: War dort an Malaria erkrankt. Tremor . bestand bis jetzt Am 2. VIII. 1916 eingezogen und hierher überwiesen. Art des Tremors: Schütteln des Kopfes. Narkose. Heilung. Ist bereits früher in Narkose operiert worden. 12. Fall. Soldat P. Im Felde März bis Oktober 1915. Ursache: Einschlagen einer Granate in der Nähe. Art des Tremors: Anhaltender Tremor der linken Hand. Hand völlig leistungsunfähig. Trotz suggestiver Faradisation Verschlimmerung. Narkose. Heilung nach 2 Tagen. 16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 13. Fall. Soldat Sch. Im Felde von August 1914 vis Juli 1916. Ursache: Granatverschüttung. Art des Tremors: Tremor beider Ober- schenkel, der ausgestreckten Hände und des Kopfes. Stotternde Sprache. Narkose. Heilung. 14. Fall. Soldat P. Im Felde von November 1914 bis August 1916. Ursache: Wurde durch Granate forgeschleudert. Art des Tremors: Zittern des Kopfes. Narkose. Heilung. 15. Fall. Soldat J. Im Felde von Februar bis Mai 1915. Ur- . sache: Unterkieferschuss. Art des Tremors: Tremor des rechten Beines und des Kopfes. Narkose. Heilung. 16. Fall. Soldat L. Im Felde von Oktober 1914 bis Juni 1916. Ursache: Rheumatismus. Art des Tremors: Zittern der Beine. Narkose. Heilung. ya 17. Fall. Soldat B. Im Felde von Oktober 1914 bis April 1915. Ursache: Magen- und Darmkatarrh. Art des Tremors: Ein an Chorea erinnerndes Krankheitsbild. Gang schleudernd mit Mitbewegungen der Arme und des Oberkörpers. Fortwährendes Einknicken in den Knien beim Stehen. Zuckungen der Gesichtsmuskulatur. Narkose. Heilung. (Das Leiden hatte hier länger als 11/; Jahre bestanden.) 18. Fall. Soldat J. Im Felde von Anfang Juli bis Ende Juli 1915. ‘ Ursache: Armschuss. Hier bestand eine isolierte Lähmung des Daumens. Narkose: Scheinoperation. Schnitt von 2 cm Länge durch die Haut des Daumens. Naht. Heilung. 19. Fall. Soldat P. Im Felde von Januar bis Oktober 1915. Ursache: Beinschuss. Art des Tremors: Beim Gehen Einsinken mit dem rechten Knie, so dass es beinahe den Boden berührte. Narkose: Scheinoperation. Hautschnitt am Knie. Naht. Knickt jetzt nur un- bedeutend ein. Die anderen geheilten Fälle können nicht demonstriert werden, da sie bereits entlassen sind. ; In den letzten Tagen ist es noch gelungen, einen Soldaten mit Sprachstörung durch suggestive Narkose zu heilen. Der Flieger D. stottert seit seiner Kindheit, dabei wackelt er mit dem Kopf. Bei jeder Silbe hebt er das rechte Bein und macht ruck- artige Bewegungen mit dem rechten Arm. Wie er angibt, war er das Gespött seines Heimatsortes. Jetzt spricht er fliessend ohne Mitbewegungen. Im ganzen wurden also behandelt: Im 5 Nicht ganzen aa geheilt Isolierte Tremoren des Kopfes . 4 3 1 % ® der Arme 5 5 —_ = 2 der Beine 4 4 _ Kombinierte Tremoren . 19 19 — Isolierte Lähmungen 2 2 — 5 Gangstörungen li 1 —_ Astasia-Abasia 1 1 — Sprachstörungen . 1 1 _ | u 1 Bis zum heutigen Tage haben wir nach der Methode Rothmann 37 Fälle behandelt und nur einen Misserfolg bei einem Soldaten ER II. Abteilung. Medizinische Sektion. 17 mit Tremor des Kopfes gesehen, der zu einer zweiten Narkose nicht zu bewegen war; d.h. wir haben über 97 pCt. Heilungen. Die soeben demonstrierten therapeutischen Erfolge, die wir mit der Rothmann’schen Narkosemethode in unserer Abteilung erzielt haben, fordern dringend heraus zu einem Vergleich mit den Erfolgen der Hypnose, welche, wie Sie bereits gehört haben, von Nonne angewendet und warm empfohlen wird. Nonne ist der Ansicht, dass die Hypnose nicht nur von einzelnen hierfür besonders begabten Aerzten, sondern von jedem, der einiges Ge- schick und Verständnis für diese Fälle besitze, ausgeführt werden könne. Wir sind bisher aus äusseren Gründen noch nicht dazu gekommen, uns der hypnotischen Methode zu widmen, halten es aber jedenfalls für unsere Pflicht, es noch zu tun, schon aus theoretischem Interesse. Praktisch können wir allerdings sagen, dass wir ebenso gute oder vielleicht sogar bessere Resultate mit der Narkosemethode erzielt haben, wie Nonne mit der Hypnose. Der Prozentsatz unserer Heilungen ist grösser, wenn wir allerdings noch richt über ein so grosses Material verfügen (Nonne 62pCt., wir 97 pCt.). Interessant ist nun, dass Nonne bezüglich des Verlaufes der mit Hypnose behandelten Fälle genau die gleichen Erfahrungen gemacht hat wie wir mit der Narkosemethode. Er sagt, dass Kranke, die wieder kriegsverwendungsfähig werden, seltene Ausnahmen bilden, die meisten müssen als dienst- unbrauchbar entlassen werden. Sie sind aber vollständig er- werbsfähig für ihren Beruf, können daher meist ohne Rente ent- lassen werden. Er gibt ferner auch zu, dass gewisse Reste des Leidens in vielen Fällen bestehen bleiben, dass die Neigung zu Rückfällen ausserordentlich gross ist, und dass dieselben unter den geringsten Erregungen auftreten können. Er vermag ja auch künstlich durch Hypnose jederzeit die Krankheitserscheinungen wieder auszulösen und drückt dies so aus, dass die Erinnerungen an die Aeusserungen der Krankheit in Form von Engrammen im Hirn auch nach der Heilung noch aufgespeichert sind. Wir haben genau die gleichen Erfahrungen gemacht; leichte Reeidive des Schüttelns sehen wir bei der kleinsten Erregung eintreten, gewisse hysterische Stigmata kann man dauernd nachweisen, Das verhindert aber alles nicht die Arbeitsfähigkeit; die Leute müssen bald in ihren Beruf möglichst mit Umgehung der Truppe zurückgeschickt werden, für den Militärdienst sind sie im all- gemeinen nicht mehr brauchbar. Das praktische Resultat ist trotzdem immerhin sehr erfreulich, die Leute werden für den Zivilberuf wieder vollwertige Arbeitskräfte, sie gehen in äusser- lich geheiltem Zustande nach Hause, und der schauerliche und mitleiderweckende Eindruck des zitternden, schlotternden, hilf- losen Kranken fällt für die Umgebung fort. Theoretisch könnte man nun meinen, dass das Gemeinsame der beiden Methoden, der Hypnosemethode und der Narkose- methode, der Schlafzustand sei, dass also der Schlaf im wesentlichen dasjenige Moment sei, welches die Suggestion wirk- sam mache und die Heilung herbeiführe. Diese Auffassung ist Schlesische Gesellsch. f, vaterl, Cultur. 1917. U. = 2 18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. jedoch meiner Ansicht nach nicht richtig. Einmal steht auch nach Nonne’s Mitteilungen die Schlaftiefe durchaus nicht in direktem Verhältnis zur therapeutischen Wirksamkeit. Manche Patienten schlafen tief und leicht ein, nehmen aber trotzdem die bypnotische therapeutische Suggestion nicht an, während andere Patienten schon in leichtem Schlaf günstig beeinflusst werden. Ferner ist zu erwähnen, dass wir dieselben Resultate auch mit anderen Methoden eıreichen, bei denen keine Einschläferung stattfindet, besonders mit der elektrischen Methode. Der Schlaf kann also nicht das wesentlichste sein. Die elektrische Methode versagt nur deswegen so häufig, weil sie schon abgebraucht ist. Fast jedesmal hört man von den Patienten, wenn ihnen eine elektrische Behandlung in Aussicht gestellt wird: „Ich bin schon sehr oft elektrisiert worden.“ Damit ist eine suggestive Wirksam- keit schon ausserordentlich erschwert, und es wäre dringend zu wünschen, dass das planlose Elektrisieren hysterischer Kranker nach Möglichkeit vermieden wird, dass die Elektrisation immer nur mit gleichzeitiger zielbewusster Suggestion in Anwendung gebracht wird. Durch das viele gedankenlose Elektrisieren wird die suggestive Wirksamkeit vollständig zunichte gemacht, und es gelingt dann nur durch besondere Kniffe, etwa wie intralaryngeale oder intraurethrale Faradisation oder dgl. oder auch durch be- sonders rigorose Anwendung, wie sie Kaufmann vorschreibt, der Methode noch einen Erfolg zu verschaffen. Bei harmlosen, unvoreipgenommenen Leuten, die noch niemals elektrisiert worden sind, ist aber eine richtig angewandte Elektrisation meiner An- sicht nach immer noch das vorzüglichste Suggestivmittel und führt oft zu verblüffenden Erfolgen, wie ich (Mann) bereits in meinem früheren Vortrage erwähnt habe. Ich bin auch jetzt noch der Ansicht, dass man mit der Narkosemethode ebenso wie mit allen - anderen Suggestivmethoden nur dann einen Erfolg erzielt, wenn sie für den Behandelnden gewissermaassen ein Erlebnis vorstellt. Es muss ein Eindruck machender Vorgang sein, der sie psychisch aufrüttel. Damit würde auch übereinstimmen, dass ich unter den bei uns naıkotisierten Kranken nur zweimal Leute finden konnte, die schon früher einmal bei anderer Gelegenheit eine Narkose durchgemacht hatten. Allen übrigen- war die Narkose etwas vollkommen Fremdes und Neues und dadurch sicherlich ein Eindruck machendes Erlebnis. Wie dem aber auch sei, die Erfolge der Narkosemethode sind jedenfalls sehr gute, die Methode ist mit geringem Zeit- aufwand und gefahrlos durchzuführen, und ich glaube, sie daher warm empfehlen zu können. Ich bin mir dabei natürlich voll- kommen klar, dass sie nur eine der vielen Methoden ist, die zum Ziele führen können, und dass schliesslich jeder seinen be- sonderen Weg wählen kann. Nonne schrieb mir kürzlich, dass als Motto seiner Hypnosemethode der Spruch gelten müsse: „Wenn Du Dir nur selbst vertraust, vertrauen Dir auch die andern.“ Dies gilt nicht nur für die Hypnose, sondern auch für jede andere Methode. Sobald man sich in einer Methode sicher fühlt und dementsprechend mit Bestimmtheit dem Patienten die 4 } een wen: | 4 i 2 k ia FE a a DB a el a > re T Fed EN‘ E: ‚ll. Abteilung. Medizinische Sektion. 19 Heilung in Aussicht stellen kane und dabei auch auf geheilte Fälle verweisen kann, bildet sich in der betreffenden Abteilung eine günstige suggestive Atmosphäre aus, die die Erfolge immer mehr verbessert. Mir ist in der letzten Zeit aufgefallen, dass, seitdem wir die Methode an einer grösseren Anzahl von Fällen mit Erfolg durchgeführt haben, die Spontanheilungen, besonders der Schütteltremoren, immer häufiger werden. Eine ganze An- zahl von Kranken hat mir gesagt, es könnte vielleicht bei ihnen mit der Narkose noch etwas gewartet werden, denn es finge schon an besser zu gehen, und in der Tat verschwand bei ihnen bei gänzlich indifterenter Behandlung der Tremor allmählich vollständig. Diesen Verlauf haben wir früher bei reiner Ruhe- behandlung nur sehr selten und nach sehr langen Zeiträumen gesehen. Wir werden also jedenfalls zunächst mit der An- wendung der Methode fortfabren, ohne dabei aber andere Methoden zu vernachlässigen. Nachschrift bei der Korrektur: Die im Schlussabschnitte entwickelte Anschauung wird durch die Literatur der letzten Monate immer mehr bestätigt. Es mehren sich die Mitteilungen von glänzenden Erfolgen (bis 100 pCt. Heilungen, meistens in einer Sitzung), die mit den verschiedensten, oft erstaunlich ein- fachen Methoden!) erzielt worden sind. Vorbedingung für den Erfolg ist immer, dass das betreffende Lazarett ein reichliches Material von frischen, gut beeinflussbaren Fällen bietet, so dass die Neueintretenden eine Anzahl geheilter Fälle zu sehen be- kommen, und somit die „suggestive Atmosphäre“ sich ausbilden kann. Dann kann der konsequent psycho-therapeutisch vorgehende Arzt mit jeglicher Methode die schönsten Erfolge erzielen. 1) Siehe z.B. Hirschfeld, M.m.W., 1917, S. 524. IV: Ueber die Folgen der Kriegskost. Von Prof. Dr. &eorg Rosenfeld-Breslau. Es ist nicht zu leugnen, dass der Aushungerungskrieg die Physiognomie des deutschen Volkes nicht unwesentlich verändert bat. Nicht genug, dass die dicken Bäuche, die im lieben Deutschland wahrlich keine Seltenheit waren, bis auf wenige Paradeexemplare verschwunden sind — so sind die Gesichter vielfach hagerer und bleicher, besonders bei älteren Personen, geworden. Nicht zum wenigsten sind dafür die vielen Sorgen des Krieges und die für die meisten, besonders älteren, schwer durchzuführende Arbeitsbelastung zu beschuldigen. Item: ein grosser Teil der Bevölkerung zeigt eine Verschlechterung des Aussehens. Wie es ganz begreiflich ist, wird dieses Symptom bei Laien und Kundigen die Frage wecken, ob nicht die Er- nährung so dürftig sei, dass sie geradezu einem Zusammenbruch der Kräfte zutreibe, ein Gedanke, der um so eher entsteht, wenn man nach der eigenen geringen Einschränkung und nach mehr oder weniger eingehenden Ueberlegungen die Entbehrungen der grossen Volksmenge veranschlagt. Da hilft nun nichts zur Klärung als die nüchternen Zahlen der Statistik. Es liegt als nächstes Material vor die Statistik der Breslauer Krankenkassen während des Krieges, welche ca. 122000 Orts- krankenkassenmitglieder umfasst. So stehen uns dabei ver- schiedene Zahlen zur Verfügung, zunächst die der Krankheitsfälle überhaupt. Sie sind von 38,91 auf 100 Mitglieder in 1914 auf 29,63 im Jahre 1915 zurückgegangen. Dieser Rückgang um 25 pCt. ist sehr bemerkenswert, denn die Ortskrankenkasse um- fasst die ärmsten Mitglieder, solche also, welche durchaus nicht in der Lage sind, mit grossen Aufwendungen die Verminderung der Kost auszugleichen. Im Gegenteil trifft diese Personen jede Ernährungsschwierigkeit mit voller Wucht. Dazu kommt noch, dass 1915 ungefähr 11000 Männer fehlen, die wir uns im Heeresdienst denken müssen, und die sicherlich den gesündesten Stamm der männlichen Mitglieder darstellen. Trotzdem können wir einen Rückgang um mehr als !/, der Fälle feststellen. Diese Breslauer Zahlen sind keineswegs vereinzelt, sondern bei allen Ortskrankenkassen und Betriebskrankenkassen in Dresden, Frank- II. Abteilung. Medizinische Sektion. füart a. M., Leipzig, München lässt sich die gleiche Verminderung der Krankheitsfälle beobachten. ; Einen seltsamen Gegensatz dazu bilden freilich die Sterbe- fälle, die häufiger eine Vermehrung zeigen. Dabei müssen wir aber die männlichen und weiblichen Sterbefälle getrennt be- trachten. Hier ist es z. B. so, dass die männlichen Sterbefälle von 1,1 pCt. auf 1,5 pOt. gestiegen, die weiblichen von 0,74 pCt. auf 0,69 pCt. gefallen sind. Dagegen ist in Dresden, Frankfurt, Leipzig und München die Sterblichkeit der Männer vergrössert — in Frankfurt aufs Doppelte —, während die weibliche Sterblich- keit ziemlich gleich geblieben ist. Der Gegensatz, dass die Krank- heitsfälle gesunken und die Sterbefälle gestiegen sind, heischt eine Erklärung. Die Tatsache, dass aus den männlichen Mit- gliedern die gesundheitlich Tüchtigsten herausgenommen sind, konnte die erhöhte Sterblichkeit, aber nicht die verminderten Krankheitsfälle erklären. Dieser Gegensatz ist vielmehr dadurch entstanden, dass in den Krankenkassen auch die im Kriege ab- wesenden Mitglieder zum erheblichen Teil noch versichert bleiben, so dass wir hier in der Sterblichkeitsvermehrung der männlichen Mitglieder lediglich Kriegstodesfälle zu sehen haben. Die Leistungen der Krankenkassen sind in allen Posten zurückgegangen, so die Beträge für die Krankenhauspflege, für das Sterbegeld, für das Sterbegeld für Angehörige; auch das Gesamtkrankengeld ist stark zurückgegangen. Es genügt wohl, dabei die Ortskrankenkasse Dresden und Breslau aufzuführen, weiche 1914 13,06 und 13,48 M., 1915 aber nur 7,1 und 8,11 M. als Gesamtkrankengeld aufzu- wenden hatten.. Dabei darf nicht ausser acht bleiben, dass der Ernst der Lage die medizinischen Anforderungen der Mitglieder etwas vermindert: der Zwang des Krieges veranlasst wohl viele, über minimale Krankheiten hinwegzusehen. So bietet uns die Statistik der Krankenkassen schon eine Vorstellung davon, dass von einem schädigenden Einfluss der Kriegskost in bezug auf Krankheitshäufigkeit und der Zahl der Sterbefälle keine Rede sein kann. Nun, die Krankenkassen sind nicht die Gesamtbevölkerung. Sehen wir uns andere Schichten der Bevölkerung an: beginnen wir mit den Säuglingen, so ist deren Sterblichkeit im Jahre 1913 gewesen; 17pÜt., 1914: 18 pCt., 1915: nur 15 pCt., und 1916: 17 pCt. Es ist also gar nieht nur keine Verschlechterung eingetreten, sondern eher eine Verbesserung, welche vielleicht mit der grösseren Sorgfalt, mit der heute die Säuglinge gepflegt werden, zusammenzubringen ist, eine Sorgfalt, die durch die Stillprämien begünstigt wird. Auch das Geburtsgewicht der Kinder hat nach Posener Unter- suchungen von Mössmer ein Uebertreffen des Durchschnittes ge- zeigt: während der deutsche Säugling sonst 3250 g wiegt, wogen die Kriegssäuglinge 1915/16 3319 g. Auch fand Ruge in Berlin die Fruchtentwicklung sowie die Lactation ohne Veränderung. Betrachten wir nun das Alter der kleinen Kinder, so sehen wir in Breslau die Sterblichkeit im Alter von 1—15 Jahren im Jahre 1913:1663 — 1914:995, im Jahre 1915:1355 und im Jahre 1916:1206. Es fälllt die erhebliche Vermehrung im Jahre SEE TE Ba hl 7A N nes a Fa en wir‘ 22 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 1915 und 1916 auf; sie ist aber der Kriegskost nicht im mindesten zuzuschreiben, denn es sind 1915: 287 Kinder an Diphtheritis gestorben und im Jahre 1916: 214, so dass also die ganze Differenz durch Diphtherietodesfälle erklärt ist. Das mag ja Be- denken über die Wirksamkeit des Behring’schen Heilserums zu- lassen, gestattet aber nicht, der Kriegskost Vorwürfe zu machen. Im übrigen liegt für München ein Urteil über die Kleinkinderkost im Kriege von Pfaundler vor, welcher nachrechnet, dass dort die Kinder von 2—7 Jahren ein Kostausmaass erhalten, welches den Camerer’schen Forderungen für Eiweiss und Kohlenhydrate mehr als genügt, in Fetten knapp ist, aber an Gesamtkalorien mehr bietet, als notwendig ist. Pfaundler spricht sich sogar dahin aus, dass die Kriegskost der kleinen Kinder den Vorzug hat, geradezu die Kost der Wahl nach den Lehren der modernen Kinderärzte zu sein. Für Berlin hebt Finkelstein allerdings hervor, dass die Versorgung der kleinen Kinder eine wesentlich dürftigere als in München wäre. Betrachten wir dann das Alter der Schulkinder und Lehr- linge in Untersuchungen, wie sie z. B. in Strassburg von Schlesinger gemacht worden sind an 330 Volksschülern, an 280 Mittelschülern und 700 14—18jährigen Lehrlingen. Gegen Friedensmessungen derselben Kinder hat sich niemals ein Zurück- _ bleiben des Lungenwachstums gefunden und zwar weder in den Untersuchungen von Schlesinger noch von Thiele und Hepner. Die Ernährungszustände waren so, dass die Volks- schüler 1/, Kilo, die besser situierten Mittelschüler I ganzes Kilo gegen 1914 zurückstanden. 1916 fanden sich im ersten und zweiten Vierteljahr Abnahmen, und zwar mehr Abnahme bei den gut genährten Kindern, also Fettabnahme, die belanglos ist, im dritten Vierteljahr wurde wieder Zunahme beobachtet. Der Zustand der Kinder war völlig befriedigend, keine Rede von einer Blutarmutszunahme. Auch Thiele, der in Chemnitz Durchschnittszahlen vor und nach dem Kriege untersucht hat, fand vor dem Kriege: Gesunde... .. 143,0 cm Länge 34,5 kg Gewicht Blutarme. . . . . 143.0, = 33,2, n Tuberkulöse. . . 138,0 „ n 31,8. 5 und im Februar 1916: Gesunde... .. 145.4 cm Länge 36,8 kg Gewicht Blutarmes 14 3245 " Tuberkulöse. . . 143,7 32,2 Belanglos sind dabei eigentlich die Zahlen der beiden letzten Kategorien, da die Anzahl der Vertreter sehr klein ist; die normalen Schüler haben an Länge 2,4 cm und an Gewicht 2,3 kg zugenommen. Es ist mir übrigens auch versichert worden, dass die Schul- rektoren in Breslau weder am Aussehen noch an der körperlichen Frische der Schüler etwas zu tadeln haben. Auch bei der Untersuchung der aufs Land zu sendenden Kinder fand sich keine Minderwertigkeit, se dass ein gesund- heitlicher Zwang zur Ueberführung der Kinder aufs Land für = ar FR 3 Br je x er AR r IT. Abteilung. Medizinische Sektion. ° 23 Breslau eigentlich nicht besteht. ° Immerhin lässt sich erwarten, dass die Kinder davon gesundheitliche Vorteile haben werden. Am klarsten muss natürlich Nutzen oder Schaden der Kriegs- kost hervortreten im Bilde der Gesamtsterblichkeit. Das Breslauer statistische Amt gibt uns ja den Stoff dazu. Doch müssen wir diesen Stoff verständig benutzen. Wir müssen nämlich aufdieSterblichkeitszahlen der männlichen Bevölkerung grossenteils verzichten aus 2 Gründen: es fehlen ja von der Breslauer männlichen Bevölkerung 70—80000 Mann, welche im Felde sind. Diese sind aber zugleich derjenige Teil der Breslauer Männer, welche in Friedenszeiten fast gar keine Sterblichkeit dar- bieten. Und so würde die zurückbleibende männliche Bevölkerung eine schwere Vermehrung der Sterblichkeit erwarten lassen, weil ja alle Alten und Krüppel in ihr verhältnismässig vorwiegen. Ausserdem sind in der Sterbestatistik nicht nur die Todesfälle der Civilbevölkerung enthalten sondern auch alle diejenigen der Breslauer und auswärtigen Kriegsteilnehmer, die sich hier ereignet haben. Somit müssen wir auf die Statistik der männlichen Todesfälle verzichten, doch gewinnen wir ein gutes Bild von der Zahl der Todesfälle, wenn wir die Sterblichkeit der weiblichen Bewohner verfolgen. Es starben Frauen: 1911 1912 1913 1914 1915 1916 4973 4904 4816 5004 4805 4700 Dieser Rückgang der Sterblichkeit bei der weiblichen Be- völkerung ist nicht damit zu erklären, dass etwa die Zahl der Frauen zurückgegangen sei, sondern sie ist vielmehr gestiegen. Dezember 1912: 294000 — 1913: 299000 — 1914: 300000 und 1915: 303000. Dazu kommt noch, dass wir jetzt Tausende von Frauen hier in schweren männlichen Berufen beschäftigt sehen, bei denen die Männer ihre grössere Kraft und Wider- standsfähigkeit notwendig hatten, um sie durchzuführen, und dabei wurden diese Männer‘ von ihren Frauen gewartet und mit Nahrung versorgt, während den jetzt arbeitenden Frauen oft genug noch ein gänzer Teil der Wirtschaftsführung obliegt. Sehen wir also nun, dass trotzdem eher ein Rückgang als Anwachsen der Sterbe- fälle zu beobachten ist, so müssen wir feststellen, dass unter schlechteren Verhältnissen die Todesfälle geringer sind, und dass ‚also von einem Schaden der Kriegskost keine Rede sein kann. Gehen wir jetzt nun noch auf die Zahlen von einigen Krankheitsgruppen ein, so sehen Sie hier in dieser Tabelle die Herz- und Gefässkrankheiten. Sterblichkeit. 1911. .1912.:19132 19142 1313. 1216 Herzleiden Summa . . ....592 557 537 557 452 433 weiblich ... 2... 3312 2361 35535 203412. 256. 2271 Herzschlag Summa . . . . 225 24 246 271 269 265 weiblich”... 0.491 21427 215220143, 145° 2148 Arterienverkalkung Summa . 433 430 509 532 461 480 weiblich .. 190. 2.208.°..260. 2727251727241 SonstigeKreislaufsleiden Summa 105 89 9471017210923 weibl. 55 51 47 61 55 65 24 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 1911 1912 1913 1914 1915 1916 Gehirnschlag Summa . . . . 310 311 345 308 324 307 weiblich =. =. 2174 2>148° 27902 158 ae Geisteskrankheiten Summa . . 75 92 96 15 75 sl weiblich . 23 42 33 36 45 48 Krankheitsfälle. 1913 1913 1915 1916 (bis 1. Oktober) Geisteskrankheiten männlich 714 670 732 240 weiblich 371 430 363 152 Alkoholische Geisteskrank- heiten männlich . > ...346- »275°. 175 30 weiblich - - = 3952. 294 18 5 Es wird insgesamt und weiblich extra gerechnet. Wir sehen bei den Herzleiden insgesamt und weiblich einen starken Abfall in der Kriegszeit 1915/16. Bei den Herzschlägen gegen 1914 ganz geringfügige Veränderungen, bei den Arterienverkalkungen einen starken Abfall bei „insgesamt“, einen schwächeren bei „weiblich“. „Sonstige Herzkrankheiten“ sind annähernd gleich verlaufen. Hirnschlag „insgesamt“: gegen 1913 Abnahme, „weib- lich“: desgleichen gegen 1913. Die Todesfälle an Geisteskrank- heiten sind „insgesamt“ seit 1913 gesunken, „weiblich“ stehen sie etwa auf der Höhe von 1912. = Bei der Kritik dieser statistischen Zahlen müssen wir hervor- heben, dass sie natürlich wie Todesursachenstatistiken überhaupt einer gewissen Unsicherheit nicht entbehren, dass aber auch nicht eine Tatsache zu finden ist, die im geringsten einen Vorwurf für die Kriegskost ausmacht, ja selbst die Aufregungen und An- strengungen des Krieges finden nicht in diesen Kurven einen ent- sprechenden Ausdruck; denn selbst die Gehirnschläge beim weib- lichen Geschlecht sind trotz des Anwachsens der weiblichen Be- völkerung niedriger als sie im Jahre 1913 gewesen sind. Die Todesfälle an Geisteskrankheiten sind „insgesamt“ gesunken gegen das Jahr 1913, während die „weiblichen“ Sterbefälle im Durch- schnitt der beiden letzten Jahre die Höhe von 1912 erreicht haben. Ganz anders als die Kurve der Todesfälle an Geisteskrank- heiten verläuft die Kurve der in der städiischen Heilanstalt seit 1911 behandelten Geistesstörungen überhaupt. Wir sehen bei den Männern seit 1912 einen Abfall, der 1915 aufgehalten, 1916 geradezu einen mächtigen Absturz zeigt. Bei den weiblichen Geisteskranken beobachten wir ein ständiges Anwachsen der Zahlen bis 1914, von da ein Absinken bis 1915 und einen steilen Abfall nach 1916. Wenden wir unsere Aufmerksamkeit dem Spezialgebiete der alkoholistischen Todesfälle zu, so sehen wir 1912: 17 (5 w.), 1913: 22 (4 w.), 1914: 18 (5 w.), 1915: 8 (2 w.), 1916: 4 (2 w.) Die alkoholistischen Geistesstörungen zeigen beim männlichen Geschlecht gleiche Höhe von 1911—1913, von da an einen lang- samen, dann einen steilsten Abfall bis 1916. Die weiblichen alkoholistischen Geistesstörungen sind bis 1913 im Steigen und. von da ab im steilen Abfall. Es darf hirzugefügt werden, dass II. Abteilung. Medizinische Sektion. 25 - in der städtischen Heilanstalt seit 1. April 1916 kein einziges Delirium tremens mehr beobachtet worden ist, und dass in der Kgl. Nervenklinik während der Amtsdauer des Herrn Bumke ihm noch kein Fall von Delirium vorgekommen ist. Während wir auf diesem Gebiete nur so grossartigen Segen von der Kriegskost beobachten können, dass wir alle Veranlassung zu dem Wunsche hätten, dass diese Verhältnisse dauernde bleiben möchten, so darf nicht verkannt werden, dass eine bestimmte Krankheit mehr Opfer gefordert hat als vor dem Kriege, näm- lich die Tuberkulose. 19111912 1913 11974219157 21916 Lungentuberkulose . 570 630 550 |592 626 652 Andere Tuberkulosen 99 sl SH 287 93 94 Es sind nur die Lungentuberkulosen, die erheblich zuge- nommen haben, freilich nicht viel über das schlimmste Jahr 1912 hinaus. Nun darf man nicht vergessen, dass in diesen Zeiten viele Tuberkulöse sich nicht so schonen konnten, wie sie es sonst wohl taten. Das wird gewiss schon eine Erhöhung der Tuber- kulosesterblichkeit bewirken. Aber hier ist ein schädlicher Ein- fiuss der Kost nieht unwahrscheinlich. Ich habe früher auch immer bei der Fleischvielesserei der Deutschen, die die erste, und der Engländer, welche die zweite Stelle in Höhe des Fleischverbrauches einnehmen, 52 und 48 kg pro anno gegen 32, 24, 10 der Franzosen, Russen, Italiener, hervor- gehoben, dass es sehr wohl anzunehmen ist, dass diese Eiweiss- überfütterung im Zusammenhang mit dem gewaltigen Rückgang der Tuberkulosensterblichkeit beider Länder stehen könnte. Und jetzt müssen wir uns mit einer Fleischzahl etwas höher als die Italiener begnügen. Ausserdem hat wohl auch der Fettreichtum unserer Kost einen heilsamen oder verhütenden Einfluss gehabt. Der Deutsche hat früher etwa 60 g Fett pro Tag verbraucht — soviel wie er jetzt in der Woche zu verzehren hat. Trotzdem aber darf der Einfluss der Kost nicht überschätzt werden. Die vielen, vielen Sorgen und der schwere Kummer, den dieser Krieg im Gefolge hat, sind gewaltige Schädigungen für alle und nicht zum wenigsten für die Tuberkulösen. Aber schliesslich ist der ganze Zuwachs der Sterblichkeit kein so er- heblicher. Eine andere ausgesprochene Zehrkrankheit bietet ganz andere Verhältnisse, als man sie erwarten sollte: die Zuckerkrankheit. Da die Kriegskost ganz vornehmlich auf den Verzehr von Kohlen- hydraten gestellt ist, Fleisch und Fett nur in geringem Maasse vorhanden ist, würde man ein rapides Zunehmen der Todesfälle an Diabetes verständlich finden. Die Zahlen der Todesfälle an Zuckerkrankheit Männlich Weiblich Insgesamt 1911 61 50 111 1912 5l 49 100 1913 60 40 100 [1914] 57 58 115 1915 73 40 113 1916 33 40 73 26 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Die Tabelle zeigt uns, dass unsere vornhereinigen Ver- mutungen nicht zutreffen. Wir sehen sogar einen starken Abfall der Diabetessterblichkeit im Jahre 1916, und zwar bei der männ- lichen Bevölkerung, während die weiblichen Diabetiker in beiden Kriegsjahren niedrige Zahlen aufweisen. Ob hierbei die ver- minderte Zugänglichkeit des Alkohols oder die allgemeine Mässig- keit den Vorteil gebracht hat, bleibt zweifelhaft. Wir haben hier eine grosse Zahl statistischer Tatsachen kennen gelernt, die so günstig für die Kriegskost sind, dass wir geradezu nach einem Verständnis dafür suchen müssen, denn wir können schwerlich von der Meinung abkommen, dass wir nicht nur eine gegen die Friedenskost sehr verminderte Nahrungsmenge, sondern eine absolut unzulängliche Kost bekommen. Dazu muss man sich klar werden, wieviel wir brauchen. Wir können die Kost der Calorienmenge nach am ehesten noch in einem Grund- zuge festlegen. Es ist eine allgemeine Uebereinstimmung, dass der arbeitende Mensch 40 Calorien pro Körperkilo braucht. Das Gewicht der Deutschen — alle Klassen vom Säugling bis zum Greise gerechnet — beträgt 50 Kilo im Mittel. Der Bedarf würde also 2000 Calorien sein - Viel wechselvoller sind die Forderungen für die notwendigen Mengen von Eiweiss. Die alte Voit’sche Zahl von 118 g Eiweiss ist überwunden, und es ist durch die Schumburg’schen Untersuchungen gezeigt worden, dass die meisten Menschen in Europa und Amerika mit 70 g verdau- lichem Eiweiss auskommen. Noch tiefer sind die Ansprüche herabgesenkt durch die Untersuchungen von Chittenden, der amerikanische Soldaten von folgenden Speiselisten: Frühstück: Beefsteak 270 g, gebratene Kartoffeln 270 g, gedämpfte Zwiebeln 30 g, Braten und Sauce 60 g, Brot 180 g, Kaffee 3/, Liter mit 15 g Zucker; Mittagessen: Roastbeef 210 g, gekochte Kartoffeln 420 g, gekochte Zwiebeln 60 g, Brot 270 g, Kaffee 1 Liter mit 30 g Zucker; Abendessen: Pöckelfleisch 240 g, gekochte Zwiebeln 30 g, Brot 180 g, Fruchtmus 120 g, Kaffee 3/, Liter mit 30 g Zucker, zu einer Lebensweise mit nur 50 g Eiweiss überredete. Der Erfolg war, dass diese Leute sich ausgezeichnet wohl befanden und überraschenderweise an Muskelkraft nicht nur nicht abnahmen, sondern 200 pCt. der Muskelkraft erreichten, die sie vorher besassen. Das Gleiche wurde an athletisch geschulten Studenten bei 50—60 g Eiweisszufuhr beobachtet. In der Unter- bietung der nunmehr schon auf 50 g herabgesetzten Ansprüche ist Hindhede noch weiter gegangen, der zeigte, dass man mit 20 und 30 g verdaulichem Eiweiss eventuell auch auskommen könnte. Seine Versuchspersonen haben 3 und 4 Monate, ja 1 Jahr nur von Kartoffeln und Margarine gelebt und bei 25 g verdautem Eiweiss Gleichgewicht erreicht. Hindhede hat auf dem Hygiene- Kongress in Berlin seine Anschauung in folgender Form ausge- sprochen: „Praktisch genommen, braucht man sich gar nicht um das Eiweiss zu kümmern. Es ist fast unmöglich, das Minimum EEE ae ala Bier a en a er 2 EEE SEE haar a N DEREN ED RE BEN TSDe RER, ee YA nein < Tara 12) Dale DZ Fa Se & nee ES En II. Abteilung. Medizinische Sektion. ‚zu erreichen, nicht nur bei gemischter, sondern auch bei sehr einseitiger Kost.“ Für einen in der freien Wahl nicht beschränkten Menschen ‚ist Hindhede’s Meinung sicherlich richtig; in einem blockierten Lande kann es grosse Schwierigkeiten haben, die gewünschten Eiweissmengen einzuführen. Hindhedes niedrige Zahlen sind übrigens nur ausprobiert worden bei gleichzeitig sehr hoher Calorienzufuhr von etwa 50 Calorien pro Körperkilo. So viel ist sicher, dass mit einer Eiweisszufuhr von 50 g für den Durch- schnittsmenschen alles geleistet wird, aber wahrscheinlich ist es auch, dass das Eiweissausmaass noch niedriger gesetzt werden darf. Wir müssen uns klar machen, dass die Aufstellung eines wirklichen Normalmaasses, d. h. des Mindestnotwendigen der Er- nährung ganz erhebliche Schwierigkeiten macht. Im Grunde ge- nommen haben fast alle Untersuchungen lediglich die Gewöhnuug der betreffenden Personen festgestellt und erst die neueren Unter- suchungen von Chittenden und Hindhede haben versucht, wie in lang dauernden Stoffwechselversuchen sich die Menschen viel kleineren Rationen gegenüber benehmen würden. Ohittenden’s Versuchsmänner haben im Anfang der dürftigen Kost erhebliche Mengen an Gewicht verloren, sind aber dann fast vollständig oder vollständig im Gleichgewicht geblieben. Und da haben sich denn doch höchst merkwürdige Grundzahlen für den Stoffwechsel ergeben. So hat Chittenden an sich selbst von November 1902 an eine dürftige Kost zu sich genommen bei einem Gewicht von 65kg. Oktober 1903 wog er 571/, Kilo und blieb 81/, Monat auf dem- selben Gewichte, während er eine Kost von durchschnittlich 38 gr Eiweiss und 1580 Calorien nahm, d.h. er setzte sich ins Gleich- gewicht mit 27,4 Calorien pro Körperkilo. Aehnliche Erfahrungen habe ich in ziemlich grossem Maass- stabe gemacht gelegentlich der Durchführung der von mir ange- gebenen Entfettungskur, welche mehr oder weniger zutreffend die Kartoffelkur genannt worden ist: dabei geschah alles das, was jetzt im Speisezettel des deutschen Volkes erreicht wird. Es wurde den Zuentfettenden das Fett aus der Nahrung fast voll- ständig gestrichen, dagegen bekamen sie mageres Fleisch, Kar- toffeln und ähnliches Gemüse bis zur Sättigung. Dabei nahmen sie reichlich an Fett ab, was ja verständlich ist, da die aus solchen Stoffen freigewählte Kost gewöhnlich nur die Hälfte der Calorienmenge bot. Die Patienten fühlten sich wohl und kräftig, . meist auch zur sexuellen Betätigung. geneigt, was ich deshalb hervorheben möchte, weil von Grumme eine gegenteilige Be- fürchtung nach Gemüseversuchen ausgesprochen ist. Nun gab es eine Reihe von Patienten, die, nachdem sie einige Monate abgenommen hatten, in ihrem Gewicht fast voll- ständig konstant blieben; sie hatten sich also auf jene geringe Kost eingestellt. Ich habe maximale Fälle gesehen wie folgende: eine Frau, die bei 235 Pfund und 156 em Länge in Be- handlung kam, blieb ein volles Vierteljahr bei 224 Pfund stehen mit einer Kost von 800 Calorien, also etwa 8 Calorien pro Körper- kilo.. Eine andere Patientin nahm von 219 Pfund auf 182 Pfund 238 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. ab, und dieses Gewicht verteidigte sie dauernd bei einer Kost von 1100 Calorien, also 12 Calorien pro Körperkilo. Diese Er- fahrungen sind für unsere jetzige Lage maassgebend, denn das, was uns von England aufgenötigt worden ist, ist ein Entfettungs- experiment in riesenhaftem Maassstabe. Wir haben zuerst ziemlich viel abgenommen, jetzt aber fangen wir schon an, in unserem Körper- gewichte annähernden Stillstand zu zeigen. Wir haben uns eben ‚auf einen geringeren Umsatz eingerichtet. Dabei zeigen wir auch die Eigentümlichkeit der Kartoffelkurpatienten: die grosse körper- liche Frische und Widerstandsfähigkeit. Dass diese Ueberlegungen aus dem Mosaik von allerlei Beobachtungen ein trefiendes Bild unserer Lage schaffen, wird uns durch die Beobachtungen von Zuntz und Loewy gesichert. Zuntz und Loewy haben seit fast 30 Jahren ihren Stoffwechsel genau beobachtet, und dabei hat sich gezeigt, dass Zuntz mit einem N-Umsatz von 51 oder 52 g 24,9 Calorien pro Kilo, insgesamt 1636 Calorien verbrauchte. Im Kriege hat Zuntz nun etwa 7 kg abgenommen und zeigt nun einen Gesamtumsatz von 1366 Calorien und 22,5 pro Tag und Kilo. Der Wärmeumsatz auf den (Quadratmeter Körperoberfläche berechnet, ergab bei Zuntz im Jahre 1888: 804 Calorien, 1910: 792 Calorien und 1916: 716,5 Calorien. Bei Loewy ist der Eiweissumsatz immer höher gewesen, obwohl er der bedeutend kleinere ist. Er hat sich auf ungefähr 98 g Eiweiss eingestellt und 1429 Calorien, das sind-22,94 pro kg, verbraucht. Dagegen hat er im Jahre 1916 nach einer Gewichtsabnahme von 8 kg nur 1168,7 Öalorien und 20,5 Calorien pro kg Verbrauch. Der Calorienverbrauch für einen Quadratmeter Oberfläche betrug um das Jahr 1888 herum bei Loewy 727,6 Calorien, 1916 nur 631,4 Calorien. Das wichtige Ergebnis dieser fast 3 Jahrzehnte lang durchgeführten Beobachtungen ist, dass beide Personen als Folge der Kriegskost eine wesentliche Verminderung ihres Energie- umsatzes pro Quadratmeter Oberfläche gezeigt haben. Die Er- scheinung der Anpassung an eine verminderte Nahrungszufuhr, die wir aus Beobachtungen an Entfettungspatienten schon er- schlossen hatten, findet hier ihre experimentelle Sicherstellung. Führen wir uns vor, welche Nahrungszufuhr durch die Rationierung -in Breslau möglich ist, so haben wir in Betracht zu ziehen: 280 g Brot 62 pCt. E = K. = 255 pCt. Cal. = 714 Cal. 18 g E. 300 g Kartoffeln 240 66 g E. 25 g Zucker 103 9 g Butter 65 35 g Fleisch 40 TegE. 1162 ölgE. Diese 23,2 Roh-Calorien uäd die 31 g Gesamteiweiss werden noch durch alle die Nahrungsmittel, die irgend erreichbar sind, etwas vervollständigt werden; denn jeder wendet heute an das Essen, was er nur von Geldmitteln aufbringen kann, so dass auf eine Durchschnittszufuhr von gegen 45 g Eiweiss und einigen 30 Calorien gerechnet werden kann. Immerhin ist die Menge TITTEN ESENR AHA 2 a u, 5 a re a YD 2) Ba ae Ele ae ie, MITRREERE Be RE ng de Id Bi eine Bi le a wi LE mi and II. Abteilung. Medizinische Sektion. 2 recht knapp, und es wäre durchaus zu wünschen, wenn die Brot- menge um 100—200 g täglich gehoben werden könnte. Dieser Wunsch wäre nicht ganz unerfüllbar, wenn nicht 400000 Tonnen Gerste, anstatt sie zum Strecken des Brotes zu ver- wenden, der Brauerei übermittelt worden wären. Es wären ja für drei Monate 60—70 g Getreide — etwa 100 g Brot pro Kopf allein aus dieser verbrauten Menge zu gewinnen. Leider hat die Regierung diese Ziele nicht begünstigt. Eine grosse Hauptsache ist, dass bei dieser Ernährung für die richtige Beschaffenheit des Eiweisses Sorge getragen wird. Das Eiweiss der Nahrung muss alle Bausteine enthalten, aus denen das menschliche Eiweiss aufgebaut werden kann. Fehlt der Kost ein wesentlicher Baustein für das Eiweissmolekül, so ist der - Körper nicht imstande, das Eiweiss aufzubauen. Es sei daran erinnert, dass der Leim trotz seiner Aehnlichkeit mit dem Eiweiss nicht imstande ist, den Körper zu erhalten, weil ihm das Tryptophan fehlt. Da nun das Tryptophan nicht aufgebaut werden kann, so geht der Körper bei Leimfütterung zu Grunde, ähnlich, wie wenn er gar keinen Eiweissbaustein erhalten hätte. Bei der Knappheit unserer Nahrungsmittel mussten sie so dargeboten werden, dass alle diese Eiweissbausteine in der Zufuhr enthalten waren; deshalb war es ein Segen, dass die Not uns zwang, statt des gewöhnlichen Feinbrotes ein Kleienbrot zu geniessen; denn die Eiweisskörper des Feinmehls sind sehr unvollständige- Eiweiss- ‚bausteine, indem ihnen die Gliadine fehlen, welche in der Kleie reichlich enthalten sind. Aber allein das Brot, auch aus Kleie hergestellt, bietet noch nicht eine vollkommene Eiweissnahrung; deswegen war die Verbackung von Kartoffeln auch kein übler Griff. Um die Diaminosäuren wie das Lytin, das im Getreidekorn nicht vorhanden ist, einzuführen, müssen wir uns an Leguminosen oder an die Milch halten, — jedenfalls aber ist es als ein Glück zu begrüssen, dass wir unbewusst auf das Kleienbrot verfallen sind. Nicht als ob ich glaubte, dass gerade das Kleienbrot die richtige Lösung der Aufgabe wäre, möglichst viele Eiweissbausteine des Getreidekorns im Brot zu verbacken; denn von dem Kleien- brot erscheint viel zu viel im Kot wieder. Ich habe folgenden _ Vergleichsversuch angestellt: in einer Periode bekam die Versuchs- person neben 500 g Kartoffeln, 50 g Fleisch, 50 g Zucker, 10 g Butter und 1000 g Milch, 250 g eines richtigen Kleienbrotes von Schmidt auf der Weidenstr. Dabei wurden im Kot 6,03 g N ausgeschieden, 14,9 pCt. der Einfuhr. In einer anderen Periode bekam die Versuchsperson dieselbe Kost, nur ein Brot, welches bestand aus Feinmehl und 60 g eines eigenartig hergestellten Kleienextraktes mit der gleichen Menge N wie das Kleienbrot. Davon erschienen bloss 3,11 g N gleich 7,7 pCt. der Zufuhr, d.h. nur etwa die Hälfte des N-Verlustes beim Kleienbrot. Durch dieses Backmanöver waren ausserdem etwa 20 g Eiweiss im Kleienreste erhalten worden und dazu noch eine grosse Menge Kohlenhydrate, welche für das Vieh in Betracht kommen. Dieses Verfahren gibt uns also ein gut verarbeitbares Brot mit nicht ‚erheblich weniger Asche und reichlichere Mengen Viehfutter. 30 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Die Aufgabe eines Kleienbrotes kann auf diese Weise wesent- lich geschickter gelöst werden. Ein grosser Segen ist es auch, dass die verfügbare Menge alkoholischer Getränke so bedeutend verringert worden ist und dadurch die Widerstandsfähigkeit und Kaufkraft des deutschen Volkes erhöht worden ist: ein Mehr dieser Verringerung könnte nichts schaden. : Der grosse Lehrmeister „Krieg“ hat in diesem Punkte durch das Riesenentfettungsexperiment uns längst gelöst geglaubfe Fragen als neue Rätsel dargestellt. Er hat uns aber deren Lösung in dem Sinne wahrscheinlich gemacht, dass unser Volk trotz der Knappheit der Nahrungsmittel befähigter erscheint, alle Schwierig- keiten des Aushungerungskrieges zu überwinden. r v: Ueber Colica nephritica. Prof. Dr. deorg Rosenfeld-Breslau. Die Kriegsnephritis ist in all ihren Symptomen begrifflich übereinstimmend mit dem, was man parenchymatöse Nephritis nernt — und sehr ähnlich der Glomerulonephritis, ohne dass freilich die Tubuli ohne Beteiligung bleiben müssten. Die allermeisten Fälle zeigen zunächst Hydrops, Atembe- klemmung, Schwächegefühl, dann von seiten des Urins alle zunft- gemäss zu erwartenden Symptome: Verminderung der Harnmenge, mehr oder weniger reichlich Eiweiss, Blut, mikroskopisch ver- schiedene Arten Cylinder und Leukocyten. Der mikroskopische Befund ist meist der schulmässige. Aber nicht alle Tage finden sich die charakteristischen Elemente, die Oylinder; sondern es tritt eine Erscheinung auf, die ich vor 30 Jahren beschrieben habe: „Das spärliche Erscheinen der Cy- linder kann in dem Maasse beobachtet werden, dass tagelang kaum ein Cylinder gefunden wird und die Hämaturie das Haupt- symptom bildet.“ In der jetzigen Beobachtungszeit ist dieses Bild, das jedem Beobachter auffallen muss, mehrfach beschrieben worden. Es prägt sich auch manchmal die Erscheinung in ganz schroffer Weise aus, wie Nephritiker, die eben noch Oylinder in ausreichender Zahl aufgewiesen haben, die Cylinder völlig ver- missen lassen und nur eine Hämaturie zeigen. Dieser Zustand kann verschieden lange dauern; ich habe ihn bei ganz stark blutigem Urin mehrere Tage beobachtet, aber auch bei nur ge- ringem Blutgehalt wochenlang andauern gesehen, obwohl wir täglich das Centrifugat nach Oylindern durchsuchten. Die Erscheinung kann mit einem anderen Symptom zusammen geradezu irreführend die Diagnose beeinflussen. Das andere Symptom ist dasjenige, um das die Kriegsnephritis die Symptomatologie der Nephritis bereichert hat: nämlich die Kreuz- schmerzen. Freilich sind auch sonst Schmerzen bei Nieren- kranken zu beobachten gewesen, aber sie waren fast stets eine nebensächliche Erscheinung. Jetzt ist das ganz anders. Die Schmerzen sind eine sehr hervorragende Begleiterscheinung der 32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Nephritis geworden, welche die Aufmerksamkeit auf das Nieren- leiden lenken kann, und welche die Nierenentzündung oft um Monate überdauert. Wenn nun diese beiden Symptome zusammen- treffen, die Hämaturie und die Nierenschmerzen, so haben wir die klinischen Hauptzeichen der Nephrolithiasis beieinander, und doch gehören sie zu einer Erkrankung an Nierenentzündung. Nun kommt noch hinzu, dass die Nierenschmerzen kolikartig auftreten und sogar einseitig sein bzw. einseitig stärker sein können. Hier eine Schilderung solcher Schmerzen bei einer zweifel- losen reinen Nephritis. Sch., Artillerist, 47 Jahr, erkrankt am 21. I. 1917 unter heftigen Kolikschmerzen in der Nierengegend, welche während 3 Tage, anfalls- weise auftraten und nach dem Schoss ausstrahlen: am Tage der Auf- nahme hat Patient mehrere Morphiumeinspritzungen bekommen. Bei der Aufnahme finden sich starke Schmerzen links neben dem Nabel und in der Nierengegend zwischen Rippe und Crista ossis ilei. Die erste schnelle Untersuchung des Urins zeigt rote schlecht er- haltene Blutkörperchen und ganz selten weisse. Das Centrifugat aber klärt die Situation sofort, indem sich zahlreiche hyaline Cylinder neben vielen roten Blutkörperchen in chemischem und morphotischem Zerfalle, ausserdem Epithelien und weisse Blutkörperchen zeigen. Die besonders links vorhandenen Schmerzen blieben noch während 14 Tagen Gegen- stand der Beschwerde des Patienten. Täuschender können Schmerzen kaum Nierensteinkolik- schmerzen nachahmen, und doch lag eine Nephritis vor. Wir haben durch diese Erscheinung recht oft uns bewogen gefühlt, die Röntgenaufnahme der schmerzhaften Niere oder beider vornehmen zu lassen, wenn wir als mikroskopischen Befund immer Hämaturie zu verzeichnen hatten, und Dutzende von Malen ohne Erfolg. Vielfach wurde auch die von mir angegebene Methode, durch grosse innerliche Glycerindosen Kristallsedimente auszuschwemmen, herangezogen. Während bei den Harnsäuresteinen so gut wie immer reichlich auftretende Uratsedimente die Natur des Steins verrieten, gelang das in diesen Fällen nicht. Wir fanden nur meist Oxalatkristalle, und diese sind wohl schon als das Resultat der vorwiegend Gemüse und Reis enthaltenden Kost anzusehen. So haben sich für die Differentialdiagnose: Nierensteinkolik oder Nierenentzündungsschmerz? gelegentlich grosse Schwierigkeiten ergeben. Dass auch ausserhalb der Armee solche differentialdiagnostische Nöte auftreten können, zeigt folgender Fall: Frau J. C., 31 Jahr, bietet 1914 den Befund: Nierenkolikschmerzen rechts. Urin enthält Eiweiss und rote Blutkörperchen in chemischem und morphotischem Zerfall. Die Nieren sind ohne Druckschmerz. Die rechte Niere ist aber spontan schmerzhaft. Dieser Befund wird eine Woche lang erhoben. Röntgenbild fraglich. Nach Glycerin keine Harn- säure, aber etwas Oxalsäure. Die Patientin wird mit der Diagnose Nierenstein rechts, wahrschein- lich Oxalatstein nach Hause entlassen. 1915 derselbe Befund (klinisch und röntgenologisch). Mai 1916 der gleiche Befund: Die geringe Hämat- urie und der Nierenschmerz. Herbst 1916 finden sich aber im Urin hyaline und Epitheleylinder bei !/sprom. Eiweiss und kein Blut. 265 a EIERN Von den militärischen Erfahrungen her ist die Deutung dieser Krankengeschichte in dem Sinne möglich, dass eine unter Hämaturie und Nierenschmerz larvierte übrigens geringe Ne- phritis seit 2 Jahren bestanden und sich erst jetzt als solche ent- schleiert hat. Immerhin eine peinliche Ueberraschung, dass sich eine 2 Jahre angenommene Nephrolithiasis als Nephritis entpuppte, und das war um so bedeutungsvoller, als wegen der langdauernden Schmerzen eine Operation schon in Aussicht genommen war!). So wichtig es ist, auf diese Schwierigkeit in der Differential- diagnose hinzuweisen, so bedauerlich ist es, dass ein sicherer Entscheidungsweg bislang sich nicht für alle Fälle zu finden scheint, ausser lang fortgesetztem und sorgfältigem Suchen nach den Charakterzeichen der Nephritis: den Cylindern. Als anatomische Grundlage für die Colica nephritica dürfte wohl die Kapselspannung durch das infolge von Blutüberfüllung und Oedem vergrösserte Organ gedacht werden, wofür auch die günstige Beeinflussung der Schmerzen durch Schröpfköpfe als Beweis angeführt werden darf. 1) Es ist schliesslich ja nicht ganz ausgeschlossen, dass zuerst wirklich ein Oxalatstein bestanden hat und erst dann die Nephritis dazugekommen iist. Schlesische Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 1917. I. 3 vI. Ist der postoperative Basedowtod ein Thymustod? Kritischer Beitrag zur Frage der Bedeutung der Thymusdrüse im Rahmen des Morbus Basedow. Von Privatdozent Dr. Eduard Melchior. I Die Wandlungen, welche die theoretischen Vorstellungen über das Wesen der Basedow’schen Krankheit im Laufe der Jahre erfahren haben, sind überaus mannigfache gewesen. Von Graves als eine Form der Hysterie, von v. Basedow selbst als die Folge einer dyskrasischen Blutbeschaffenheit aufgefasst, folgten im bunten Wechsel die Sympathicustbeorien von Köben und Aran, Wietfeld’s Lehre von der primären Erkrankung des Nervus vagus, während Fer&ol, Ballet, Jendrassik u. a. das Leiden von einer ursprünglichen Läsion der Medulla oblongata abzuleiten suchten, wogegen die von Charcot und Buschan vertretene Neurosen- theorie wiederum eine Annäherung an die ursprüngliche Auffassung von Graves bedeutete. Eine praktisch brauchbare, in Einklang mit den tatsächlichen Verhältnissen stehende Theorie der Basedow’schen Krankheit schien indessen erst die besonders von Möbius im einzelnen begründete Lehre von der thyreogenen Entstehung dieses Leidens zu bringen. Möbius erblickte in der Basedow’schen Krankheit den Ausdruck einer Hyperfunktion der Schilddrüse. Wird doch dieses Organ beim Basedow stets pathologisch verändert gefunden (Rautmann); wenigstens sind einwandfrei untersuchte Fälle mit anatomisch nachgewiesener Integrität der Schilddrüse bisher nicht bekannt geworden. Möbius’ weitere Beweise für die Richtigkeit seiner Hypothese stützten sich auf den gegensätzlichen Charakter des Basedow zum Myxödem — dem nachgewiesenermaassen ein mehr oder weniger beträchtlicher Ausfall der Schilddrüsen- funktion zugrunde liegt — sowie vor allem darauf, dass es gelingt, durch operative Verkleinerung des Kropfes die Basedow- II. Abteilung. Medizinische Sektion. 35 symptome zu vermindern, ja sie in vielen Fällen völlig zu be- seitigen und damit eine Heilung der Krankheit herbeizuführen. Als ein weiterer Punkt für die Richtigkeit der Möbius’schen Theorie wäre ausserdem noch der Umstand zu nennen, dass es möglich ist, durch Verabreichung von Schilddrüsensubstanz Basedow- symptome künstlich hervorzurufen (v. Notthafft). Ebenso liesse sich der in manchen Fällen günstige therapeutische Effekt des Möbius’schen Serums — des sogenannten Antithyreoidins — in diesem ‚Sinne verwerten. 1. Bine ganz neue Aera der Basedowtheorien beginnt mit dem Augenblicke, als die Thymus, also ebenfalls ein branchiogenes Organ, neben der Schilddrüse in den Vordergrund der patho- genetischen Betrachtungen gerückt wurde. Nachdem Schnitzler als erster schon im Jahre 1894 einen postoperativen Basedowtod auf die in diesem Falle vorhandene Thymuspersistenz zurückzu- führen gesucht hatte, mehrten sich die Beobachtungen, dass beim Basedow generell eine „grosse Thymus“ offenbar recht häufig anzutreffen ist. Doch war diese Erfahrung auf das praktische Handeln ohne Einfluss geblieben, bis Capelle im Jahre 1908, vornehmlich auf Grund statistischer Ermittlungen, den Satz auf- stellte, dass die Thymushyperplasie praktisch den „Indi- kator der Schwere“ des jeweiligen Basedowfalles dar- stelle; Patienten, bei denen begründeter Verdacht auf die Anwesenheit einer grossen Thymus bestehe, seien daher von der Operation auszuschliessen. Der postoperative Basedowtod wurde somit ursächlich auf den Status thymicus zurück- geführt. Von dieser Formulierung Capelle’s hat die Forderung, dass die Anwesenheit einer grossen Thymus die Kropfoperation kontra- indiciere, bekanntlich niemals nennenswerten Einfluss erlangt; sie ist stillschweigend längst wieder aufgegeben worden, und zwar in erster Linie wohl schon deswegen, weil der klinische Nachweis der Thymusvergrösserung noch meist recht unsicher ist. Die sonstigen Gegengründe werden sich aus dem weiteren Verlaufe dieser Darstellung ergeben. Soweit ich die Literatur übersehe, hat nur noch Starck (1915) gefordert, dass erst dann, wenn der Status lymphaticus — der ja in der Mehrzahl der Fälle mit dem Status thymicus Hand in Hand geht — klinisch auszuschliessen ist, die Operation gewagt werden darf. Gegen jene indikatorische Bedeutung der Basedowthymus hatte sich im übrigen schon lange Zeit vorher A. Kocher (1902) ausgesprochen: „Der plötzliche Tod unter Narkose bei Basedow- kranken mit Thymuspersistenz kommt so gut wie bei anderen ohne Thymus vor. Die Fälle, die postoperativ unter den ge- nannten Erscheinungen sterben, sind lange nicht alle mit Thymus- persistenz behaftet.“ Eingehend habe ich im Jahre 1910 die Gründe, welche Capelle’s Forderung als unhaltbar erscheinen lassen, erläutert, doch scheinen meine damaligen Ausführungen zumeist übersehen Br 36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. worden zu sein. Za einem gleichen Ergebnisse gelangten im gleichen Jahre Leischner und Marburg an der v. Eisels- berg’schen Klinik auf Grund der Erfahrung, dass zunächst vier Fälle mit nachweislichem Status thymicus die Operation gut über- standen hatten, ja sogar, wie v. Eiselsberg ap ler berichtete, besonders gute Resultate zeitigten. Hatte also jenes Postulat Capelle’s, dass der Nachweis einer Thymusvergrösserung die Vornahme der operativen Kropfreduktion verbietet, nur eine ephemäre Existenz geführt, so ist dagegen an dem von ihm aufgestellten Satze, wonach das Verhalten der Thymus den individuellen prognostischen Gradmesser für die Beurteilung des Basedow abgibt und ihre Gegenwart für den Eintritt der postoperativen Todesfälle verantwortlich zu machen ist, um so hartnäckiger festgehalten worden. Es stützt sich diese These auf eine Statistik, wonach die Häufigkeit der Thymus persistenz s. hyperplastica bei den an interkurrenten Krankheiten gestorbenen Basedowpatienten nur 44pÜt. betragen soll, gegenüber 82 pCt. bei den an der Schwere des Grundleidens Eingegangenen, dagegen erreichte sie „beiden operativen und postoperativen Herz- toden schliesslich 95 pCt., ja, schloss bei den letzteren, wenn wir einen durch grösseren Blutverlust komplicierten, und deswegen nicht ganz einwandfreien Fall mitrechnen, mit einer Konstanz von 100 pCt. ab“. Diese vielgenannte Statistik fusst indessen, wie ich schon früher nachgewiesen habe, zum Teil auf recht unzureichenden Angaben. Wenn man so z. B. aus der Gruppe der an „inter- kurrenten — selbständigen — Krankheiten Verstorbenen“ die- jenigen Fälle eliminiert, in denen das Sektionsprotokoll jegliche Angabe über das Verhalten der Thymus vermissen lässt (d. i. fast die Hälfte des hierunter zusammengefassten Materials) sowie ferner einige Fälle, die zweifellos in die Kategorie des post- operativen Basedowtodes gehören, ganz abgesehen von einem Fall, mit grosser persistierender Thymus, der versehentlich unter die thymuslosen Fälle einbezogen wurde, so ergibt sich für die genannte Gruppe anstatt der berechneten Ziffer von 44pÖt. Thymus- trägern eine solche von 100 pCt. Aus einer eigenen Aufstellung meinerseits ergab sich im Gegensatz zu Capelle bei „intercurrent“ verstorbenen Basedow- kranken das Vorkommen einer grossen Thymus in rund 85pCt. Da nun anderseits, wie weiter unten noch auseinanderzusetzen ist, aber auch bei den eigentlichen Basedowtodesfällen eine Thymus- vergrösserung durchaus nicht etwas Obligates darstellt, sondern nur in etwa 75—85pCt. vorliegt, so dürfte sich hieraus ergeben, dass die Thymus unmöglich als Indikator der klinischen Schwere des Basedow gelten kann, umsoweniger, als gerade in schwersten Fällen ein vollständiges Fehlen bzw. Rückbildung dieses Organs angetroffen worden ist. Auf letzteren Punkt hat namentlich v. Bialy auf Grund autoptischer Angaben hingewiesen. Aber auch von chirurgischer Seite sind entsprechende Beobachtungen nicht ausgeblieben. So suchte A. Kocher in vier Fällen, bei denen die Herzbeschwerden nach mehrfachen Kropfoperationen sich nicht besserten, vergeblich Be nn a a ET 2 Due re 1 el II. Abteilung. Medizinische Sektion. 27 nach der Thymus. Durch weitere Schilddrüsenreduktion wurden zwei dieser Fälle geheilt, zwei gebessert. v. Haberer hat in einem Falle von schwerstem Basedow, bei dem er mit grosser Sicherheit eine Thymushyperplasie annahm, trotz breiter Frei- legung des Mediastinum keine Spur von Thymus gefunden. Klose’s Satz: „dass es keinen Basedow ohne Thymuserkrankung gibt“, wird dadurch also ganz wesentlich eingeschränkt. Jene Korrektur der Oapelle’schen Angaben, hat, so- weit ich sehe, an der literarischen Beurteilung derselben bisher nichts geändert. Klose, v. Haberer, Hart u.a. bringen seine Zahlen nach wie vor in die Diskussion mit herein. Matti hat sogar die Berechtigung meiner Kritik auf das lebhafteste be- . stritten: „Wenn man auch zugeben muss“, schreibt er diesbezüg- lich, „dass in einem oder anderen dieser älteren Fälle möglicher- weise dem Verhalten der Thymus nicht spezielle Aufmerksamkeit geschenkt wurde, so darf man doch annehmen, dass eine einiger- maassen beträchtliche Thymushyperplasie von dem betreffenden Obducenten beobachtet und auch im Protokolle erwähnt worden wäre“. Es genügt mir, diesen Einwand hier wiederzugeben; auf eine Verteidigung des Prinzipes pathologisch- anatomische Schluss- folgerungen nur auf objektiv registrierte tatsächliche Beob- achtungen zu gründen, darf ich wohl verzichten. — Im übrigen liegen indessen hier die Dinge noch ganz erheblich kom- plicierter. Ebensowenig nämlich, wie etwa die Beurteilung der Schilddrüsenfunktion ausschliesslich auf Grund der allgemeinen Grössenverhältnisse dieses Organs möglich ist, ist dies für die Thymus durchführbar. Eine voluminöse Thymus kann auf Grund der systematisch durchgeführten histologischen Analyse sich funktionell als unterwertig erweisen, während ein relativ kleines Organ hinsichtlich des. funktionierenden Parenchyms ‚vielleicht als hyperplastisch angesprochen werden muss. Öhne eine besondere verfeinerte und mühsame Untersuchungstechnik, wie sie Hammar für diesen Zweck angegeben hat, reicht daher selbst der exakte makroskopische Sektionsbefund einschliesslich der Gewichtsbestimmung des Gesamtorgans für eine wirkliche Beurteilung vielfach nicht aus. Bezüglich der älteren Fälle kommt hierzu noch der Umstand, dass bei Fehlen von Gewichtsangaben der Ausdruck „grosse Thymus“ oder dergl. noch recht vieldeutig ist. Wissen wir doch ebenfalls, namentlich durch Hammar’s Untersuchungen, dass die normalen Gewichtsgrössen der Thymus weit höhere sind, als dies früher meist angenommen wurde. Und tatsächlich findet sich in der Literatur manches Organ als ver- grössert angegeben, das auf Grund der Hammar’schen Zahlen durchaus als unterwertig anzusprechen ist. Mit Recht rügt daher Hammar den in diesem Zusammenhange vielgebrauchten Aus- druck: „Thymusträger“, „gleichsam als ob diese Bezeichnung nicht auf jeden normalen Menschen anwendbar wäre“). 1) Wenn ich selbst in dieser Darstellung die allgemeinen Be- zeichnungen der „grossen Thymus“ oder „Thymusträger“ beibehalten habe, so geschieht es nur deswegen, weil ich die schwierige Frage der histogenetischen Auffassung dieser „Thymusvergrösserung“ hier nicht aufrollen wollte. en 38 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Diese Gesichtspunkte dürften es rechtfertigen, wenn ich, wie Rautmann, auf dem Standpunkte stehe, nur „eindeutige und positive“ Angaben zu verwerten. Und wenn Matti!) selbst schliess- lich bezüglich der statistischen Feststellungen zu dem Schlusse gelangt: „ein zuverlässiges Urteil werden wir erst gewinnen, wenn ein genau untersuchtes, weitschichtiges, autoptisch gewonnenes Material mit exakten klinischen Beobachtungen bearbeitet werden kann“, so dürfte sich hierauf ja eine Basis der gegenseitigen Verständigung gründen lassen. II. Die Frage nun, in welcher Weise überhaupt beim Basedow eine grosse Thymus durch Uebermaass oder abnorme Beschaffen- . heit der Sekretproduktion klinische Erscheinungen in dem Ge- samtkrankheitsbilde hervorrufen kann, wird dadurch von vorn- herein eine sehr schwierige, dass über die normale Funktion der Thymus beim Menschen noch erhebliche Unklarheit besteht. Zwar sind experimentell als Folge der Thymusexstirpation beim jungen Tiere eigenartige Entwicklungsstörungen, Knochenerkrankungen vom Typus der Rachitis usw. beschrieben worden, doch sprechen, wie Hart mit Recht hervorhebt, „die tatsächlichen Erfabrungen der Pathologie des Menschen niebt dafür, dass psychische Funk- tionsstörungen mit oder ohne Kombination mit Entwicklungs- störungen des Skeletts in Beziehung zu einem Mangel oder gänz- lichen Fehlen der Thymusfunktion zu bringen sind“. Es gilt dies auch für die Thymusexstirpation im Kindesalter, zu der das sogen. Asthma thymicum schon wiederholt Veranlassung gab. Ebensowenig sind irgendwelche Folgeerscheinungen eines Thymus- schwundes im Sinne der normalen oder pathologischen Involution dieses Organs bekannt (Hart). „Aeusserst unsicher“ sind nach dem gleichen um die Thymusforschung sehr verdienten Autor die mit der Injektion von Thymusextrakt erzielten Ergebnisse. Be- züglich der Fütterungsversuche spricht sich Hart dahin aus, „dass Meerschweinchen, Kaninchen und Hunde im allgemeinen die vorsichtige Einverleibung von Thbymussubstanz in mannig- facher Form gut vertragen“. Andererseits ist ja sogar bekannt, dass gerade beim Basedow die Thymusfütterung verschiedentlich als wirksames therapeutisches Agens empfohlen worden ist, ein Punkt der ebenfalls gegen die Annahme einer bereits bestehenden „Hyperthymisation“ stutzig machen muss. Nun hat zwar Bircher angegeben, bei Hunden durch intraperitoneale Implantation einer lebensfrischen pathologischen Thymus persistens einen aus- gesprochenen „Basedow“ erzeugt zu haben, doch blieben ent- sprechende Versuche, die Gebele mit Basedowthymen selbst vor- nahm, ergebnislos. Im übrigen bedeutet es aber wohl auch eine Unterschätzung des komplicierten Basedowproblems, wenn man die Summe gewisser beim Basedow vorkommender Einzelsymptome, die man ja auf mannigfache Weise beim Hunde hervorrufen kann, nun ohne weiteres auch als „Basedow“ bezeichnet. Hiergegen 1) D. Zeitschr. f. Chir., Bd. 116, S. 455. - Il. Abteilung. Medizinische Sektion. 39 hat sich namentlich Chvostek gewandt, der mit Biedl den Standpunkt vertritt, dass das Tierexperiment nach dieser Richtung hin bisher vollständig versagt hat. Wir kennen also, wie Chvostek hervorhebt, „derzeit kein Krankheitsbild, das auf mangelhafte Funktion der Thymus, noch ein solches, das auf Ueberfunktion dieses Organs zu beziehen wäre. .. .“ Die zahlreichen Versuche, die Rolle der Thymus im Symptom- bilde des Basedow schärfer zu präzisieren, die auf die patholo- gische Funktion dieses Organs hinweisenden Zeichen im einzelnen zu umschreiben, bewegen sich daher notgedrungen auf den Bahnen der Hypothese; auf eine Wiedergabe der zum Teil sehr kompli- cierten Vorstellungen, wie sie sich z. B. bei Gapelle und Bayer finden, möchte ich hier verzichten. IV. Wenn wir uns nunmehr zurückwenden zur chirurgischez Seite des Thymusproblems bei Basedow, so musste sich die ursprüng- liche Forderung Capelle’s, die „Thymusträger“ von der Operation auszuschliessen, zunächst dadurch als unhaltbar erweisen, dass die operativen Mortalitätsprozente sowie die Ziffern der aus- bleibenden Heilung im kurativen Sinne ganz ausserordentlich ge- ringer sind als das Vorkommen einer grossen Thymus selbst. Dass sich also unter den Patienten, welche die Operation gut überstanden und auch praktisch geheilt wurden, eine ganze Anzahl von „Ihymusträgern“ befinden musste, ergibt sich durch eine ein- fache mathematische Ueberlegung. Tatsächlich berichteten auch von Eiselsberg, E. Schultze (Biersche Klinik), A. Kocher über eine ganze Reihe derartiger Fälle, bei denen allerdings der Nach- weis der grossen Thymus nur klinisch zu führen war. Doch konnte ich in einer früheren Mitteilung auch über mehrere Sektionsfälle berichten von interkurrent verstorbenen Patienten, bei denen trotz Thymushyperplasie zu früherem Termin Strumek- tomien anstandslos überstanden worden waren. Einige weitere Belege hierfür enthält die eit. Mitteilung von Hammar. In mehrfacher Hinsicht erscheint nun auch folgende Beob- achtung aus der Küttner’schen Klinik von Interesse: E. H., 39 jährige Frau, aufgenommen 18. II. 1914. Vorgeschichte: Vor 10 Jahren Operation wegen Basedowkropfes; sämtliche 4 Arterien wurden in zwei Sitzungen unterbunden. Zunächst guter Erfolg. In letzter Zeit ist der Zustand wieder schlechter geworden; besonders haben die Herzstörungen und der Exophthalmus wieder zu- genommen. Befund: Grosser, pulsierender Kropf. Halsumfang 40,5 cm. Puls in der Ruhe 138. Tremor der Hände, reducierter Ernährungszustand Exophthalmus. Herz verbreitert, systolisches Geräusch an der Spitze, grosse psychische Unruhe, Diarrhoen, Schweisse. Blutbild: 49pCt. neu- trophile Leukoeyten, 44pCt. Lymphocyten, 3pCt. Eosinophile, 4pO©t. Ueber- gangsformen. Pat. wird 3 Wochen lang vorbereitet. Operation in Lokalanästhesie und oberflächlicher Narkose. Schwieriger Eingriff wegen zahlreicher sehr zerreisslicher und leicht blutender Gefässe sowie wegen der bestehenden Verwachsungen. Dauer der linksseitigen Hemistrumektemie 5/, Stunden. Am Nachmittag zunehmende Unruhe, Puls nicht zu zählen, Tod im N Y 40 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Qultur. Collaps etwa 9 Stunden p. op. Aus dem Sektionsprotokoll: Thymus vergrössert, 40 g. Nebennieren-, Mark- und Rindensubstanz gut ent- wickelt, deutlich voneinander abgrenzbar. Auf den ersten Blick könnte nun eine solche Beobachtung vielleicht dafür sprechen, dass hier eben der Eintritt des Recidivs auf die vorhandene Thymusvergrösserung zurückgeführt werden müsse. Gegen eine solche Auffassung spricht aber entschieden folgende Beobachtung Hammar’s: 40 jährige Frau (Nr. 16 der eit. Mitteilung). Vor 2 Jahren wurden wegen Basedowkropfes in 2 Sitzungen zunächst die oberen Schilddrüsen- gefässe unterbunden, sodann die rechtsseitige Hemistrumektomie aus- geführt. „Der Zustand besserte sich nach dieser Operation sehr und Patientin fühlt sich ein halbes Jahr ganz gesund, der Exophthalmus wurde sogar verringert. Im Herbst 1914 wieder Verschlimmerung: Müdigkeit, Nervosität. Herzklopfen, Schweisse, Vergrösserung des linken Schilddrüsenlappens, in der letzten Zeit Abmagerung“. Tod (unoperiert) an akuter Streptokokkenpharyngitis. Die Sektion ergibt einen Thymuskörper von niedriger (10 g), aber normaler Grösse, „mit einem Gehalt an Parenchym, Rinde und Mark, der dem betreffenden Durchschnittswert der normalen Fälle nahe liegt“. Es würde nun naturlich ganz willkürlich und unberechtigt sein, auf den Befund eines derartigen normalen Organes den Eintritt des Recidivs zurückzuführen, dasselbe dürfte vielmehr mit dem nachträglichen Wachstum des Kropfrestes im Zusammen- hange stehen. Diese Auffassung erfährt eine wesentliche Stütze durch nachstehende Beobachtung Hart’s: „Der 30 jährige Mann hat an typischem Basedow gelitten, erkrankte an einer schweren Endocarditis, an deren Folgen er zu Grunde ging, während alle Basedowerscheinungen vorher vollständig ge- schwunden waren!). Bei der Sektion fand sich 40g schwere Thymus!) mit histologischer Markhyperplasie, aber auch den deutlichen Zeichen einer Involution jüngeren Datums.“ Die klinische Heilung des Basedow war also erfolgt, obwohl die Sektion noch eine wesentliche vergrösserte hyperplastische Thymus nachweisen konnte?). Wenn also ein kausaler Zusammenhang zwischen Eintritt des Recidivs und dem anatomischen Verhalten der Thymus abzulehnen ist, so würde immerhin rein theoretisch noch die Möglichkeit bleiben, dass der postoperative Tod in unserem Falle mit der Thymushyperplasie in Zusammenhang stände. Dass aber auch diese Deutung nicht angängig ist, lehrt nachstehende Beobachtung Brünger’s: 35 jährige Frau. Hat früher an Basedow gelitten. Die klinischen Erscheinungen waren in der Folge wieder geschwunden. Pat. wurde wegen einer Hernie operiert. Während der Operation erfolgte der Tod sehon bei Beginn der Narkose. 1) Im Original nicht gesperrt! 2) Wenn im übrigen Kocher an seinen operierten Basedowfällen auf Grund klinischer Kriterien eine Rückbildung der Thymus konstatieren zu können glaubte, so lehrt gerade dieser Fall Harts, dass dieser Vor- gang jedenfalls nicht etwas Gesetzmässiges oder gar für den Eintritt . der Heilung Notwendiges bedeutet. Il. Abteilung. Medizinische Sektion. 41 Sektion: Herz gross und sehr schlaff. „Im oberen Brustfellraum ist statt der Thymus ein grosser Fettkörper. Thymusreste darin nicht mit blossem Auge, auch nicht in Spuren erkennbar!)“‘. Status Iymphatieus besonders im Bereiche der Rachen- organe. Schilddrüse klein und derb, zeigt aber histologisch noch in Spuren Reste von typischen Basedowveränderungen, ausserdem alte, fast diffuse chronische Entzündung, die zur cirrhotischen Schrumpfung des Organs geführt hat. Also akutester Narkosentod in einem Falle von geheiltem Basedow, unter den klassischen Zeichen des Thymustodes Paltauf’s verlaufend; dabei deckt die Sektion eine total involvierte Thymus auf! In ganz eindeutiger Weise lehrt also diese Beobachtung, dass die Anwesenheit einer grossen Thymus für diese Art akuter Todes- fälle durchaus keine absolute Vorbedingung darzustellen braucht. Anderseits bestätigt sie die schon von A. Kocher hervorgehobene Tatsache, dass auch die geheilten Basedowfälle später noch in akuter Weise zu Grunde gehen können. A.Kocher denkt zur Erklärung dieses Vorkommens an das Mitspielen von Herz- veränderungen, die sich nicht wieder zurückgebildet haben; persönlich möchten wir eher eine gewisse Labilität des Gesamt- organismus annehmen, als Ausdruck einer allgemeinen konstitu- tionellen Minderwertigkeit oder mindestens Anomalie, wie sie ja nach neuerer, namentlich von Hart und Chvostek vertretener Anschauung dem Basedow überhaupt primär zu Grunde liegt, die bereits vorhanden ist, ehe die Krankheit als solche in die Erschei- nung tritt und naturgemäss auch noch persistiert, wenn vielleicht die Basedowsymptome selbst schon längst geschwunden sind. Wir werden auf diesen wichtigen Punkt noch zurückkommen. V. | Was lehren nun anderseits die praktischen Erfolge der Thymus- reduktion, wie sie beim Basedow nach den theoretischen Vorschlägen von Rehn und Hänel zuerst von Garre, sodann von Sauerbruch, v. Haberer, Rehn in einer Reihe von Fällen ausgeführt worden ist? Für die Beurteilung der Mehrzahl dieser Fälle wirkt zunächst der Umstand äusserst erschwerend, dass meist die Thymusreduktion mit der operativen Schilddrüsenverkleinerung kombiniert, bzw. successive ausgeführt wurde, so dass also der schliessliche Effekt nicht ohne weiteres einen Rückschluss gestattet, wieweit hieran die Verkleinerung der Schilddrüse oder die der Thymus beteiligt ist. Am interessantesten dürfte jedenfalls der von Oapelle und ‚Bayer veröffentlichte Fall III Garre’s von ausschliesslicher Thymusreduktion sein: 27jährige Frau. Schwerer Basedow. Entfernung eines 15 g schweren Drüsenkörpers (nach Hammar’s Tabelle eher minderwertig). Im Anschluss daran eklatante Besserung aller Krankheitssymptome, nach 5 Monaten ein an Heilung grenzender Dauerzustand. Bezüglich der übrigen Beobachtungen dürfte dagegen v. Haberer durchaus Recht haben, wenn er im Hinblick auf die 1) Im Original nicht gesperrt! 42 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. ältere Kasuistik diese durchaus nicht für geeignet hielt, „den Beweis zu erbringen, dass die Thymusreduktion allein den Basedow zur Ausheilung bringen kann, geschweige denn etwa sichere Kriterien für jene Fälle von Basedow darzutun, in welchen der Thymus die Hauptrolle zufallen soll“. Wie soll man nun aber schliesslich folgenden, viel citierten Fall v. Haberer’s interpretieren? 30 jähriger Mann. Wegen schweren Basedows sind bereits zwei Schilddrüsenoperationen vorausgegangen; trotzdem: zunehmende Ver-. schlimmerung. Stärkste Dyspnoe, Cyanose, Stauungsbronchitis, Herz- dilatation. Auf dringenden Wunsch des Kranken wird in Lokalanästhesie die Thymus in Angriff genommen und ein 3 cm langer, kaum mehr als !/,cm dicker und breiter (als ®/4 ccm grosser) sehr fettreicher Thymus- körper entfernt. Die histologische Untersuchung desselben ergibt nur spärliche Reste von Thymusgewebe zwischen Fettgewebe eingelagert. In der Folge wesentliche Besserung; eine völlige Euckinlgung des Herzens (Cor bovinum) tritt nicht ein. Die Vorstellung, dass hier die spärlichen Reste eines hoch- gradigst involvierten Organes die vorausgegangenen schwersten Erscheinungen verursacht haben sollen, so dass nach der Ent- fernung der minimalen Parenchymmenge die Störungen schwanden, ist derartig schwer fassbar, dass ich mich nicht zu ihr bekennen kann, obschon ich nicht in der Lage bin, eine andere Interpretation an ihre Stelle zu setzen. Aber man müsste ja sonst in der Tat alle quantitativen Vor- stellungen über die Beziehung zwischen Parenchymgrösse und ihre Funktion fallen lassen, wenn man in diesem Falle v. Haberer’s ein Beispiel für die deletäre Wirkung der Thymus erblicken wollte. Lieber daher eip Non liquet. Auch Chvostek lässt es fraglich erscheinen, wie weit zur Beurteilung einer klinischen Besserung nach Thymektomie „die in einzelnen Fällen vorgenommene Entfernung eines ganz kleinen Stückes der Thymus hierbei in Betracht kommt“. — Es haben schliesslich sowohl v. Haberer wie Klose ange- geben, dass die sonst so gefährliche postoperative Reaktion, wie sie wenigstens in geringer Weise beim Basedow nur selten nach Strumaoperation vermisst wird, nach den kombinierten Eingriffen weit gelinder ausfällt: „Wir kennen seitdem nicht mehr die sorgen- vollen Stunden, in denen der geschwächte Organismus der rapiden Giftausschwemmung zu erliegen drohte und oft erlag“, schreibt Klose, und v. Haberer verkündet, „dass unter dem Einflusse der Thymusreduktion die operative Therapie des Basedow viel an Schrecken verloren hat“. Dagegen sah A. Kocher nach einer solchen kombinierten Reduktion eine „ziemlich starke postoperative Reaktion, wie sie der relativ leichten Schilddrüsenoperation nicht entsprach,“ und Garr& hat nach der Thymusreduktion sogar unter 3 Fällen eine Patientin akut nach !/, Stunde verloren. Vor allem aber scheinen mir folgende Ausführungen Klose’s nicht recht verständlich zu sein: „Der Thymustod nach Basedowoperationen ist nicht, wie Eppinger meint, die Folge eines Shocks, der in den Bahnen II. Abteilung. Medizinische Sektion. 43 des Vagus zieht, sondern die Folge einer akuten Vergiftung durch die zurückgelassene Thymusdrüse. Das lehren uns die chirurgischen Erfolge. Von 130 bis Ausgangs 1911 in der Rehn’schen Klinik operierten Basedowfällen erlagen allein 8 dem Thymustod nach einfacher Schilddrüsenexcision.e In den letzten 2 Jahren haben wir nunmehr bei 200 Basedow- operationen keinen Todesfall zu beklagen. Das gibt zu denken.“ — In der Tat; denn nur in 37 dieser 200 Fälle wurde gleichzeitig mit der Schilddrüse die Thymus reseciert. Mit anderen Worten wurden also 163 Basedowstrumen als solche allein operiert ohne Todesfall. Da nun Klose selbst den Befund einer grossen Thymus für ein obligates Begleitsymptom des Basedow hält, so dürfte gerade seine eigene Statistik den Schluss nahelegen, dass der günstige Verlauf von Strumektomien beim Basedow nicht an die Notwendigkeit einer gleichzeitigen Thymusreduktion geknüpft ist. Für die Beurteilung des postoperativen Basedowtodes ist ferner folgendes zu berücksichtigen: Bekanntlich findet sich eine grosse Thymus nicht nur beim Basedow, sondern recht häufig auch bei banalen Strumen, selbst bei unterwertigen mit den Zeichen des Kretinismus einhergehenden Schilddrüsen. v. Hanse- mann, Virchow, Bartel u. a. haben hierauf hingewiesen, v. Haberer hat eine Reihe von Thymusreduktionen bei gewöhn- lichen, d. h. nicht von den klinischen Zeichen des Basedow be- gleiteten Kröpfen ausgeführt. Es mag in diesem Zusammenhange auch daran erinnert sein, dass nach Untersuchungen von Bühler, Ch. Müller, Kappis u.a. ebenso auch bei gewöhnlichen Kröpfen die eine Zeitlang als specifische Basedowsymptome gedeutete lymphocytäre Verschiebung des Blutbildes vorkommt. Trotzdem ist meines Wissens bisher noch niemals beobachtet worden, dass im Anschluss an die Operation einer ge- wöhnlichen Struma der Exitus unter dem Bilde des klassischen Basedowtodes eingetreten sei. A. Kocher hat dies speciell unter Hinweis auf 6300 Kropfoperationen der Berner Klinik betont. Als einzige mir bekannte Ausnahme von dieser Regel könnte höchstens ein von Matti kurz mitgeteilter Fall angesehen werden!); ob die spärlichen dort wiedergegebenen Daten jedoch für die Beurteilung des Falles völlig ausreichen, mag zweifelhaft bleiben. Ferner muss bei den Betrachtungen des postoperativen Basedow- todes doch auch in Berücksichtigung gezogen werden, dass sich dieser in seiner klinischen Verlaufsweise doch recht wesentlich unterscheidet von dem klassischen Thymustode Paltauf’s, wo das tödliche Ende in Gestalt einer Synkope, blitzartig, meist in tabula einzutreten pflegt. Matti hat die Richtigkeit dieses Ein- wandes zwar bestritten, ebenso v. Haberer, und ich will auch zugeben, dass tatsächlich ausnahmsweise der Basedowtod in dieser momentanen Weise erfolgen kann. Für die grosse Mehrzahl der Fälle gilt dies aber nicht. Im Gegenteil kann man hierbei sogar öfters beobachten — in unserem oben wiedergegebenen Falle 1) D. Zschr. f. Chir., Bd. 116, S. 442. 44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. war dies in exquisiter Weise zu konstatieren —, dass zunächst unter dem Einflusse der Narkose der Puls langsamer und kräftiger wird; erst allmählich nach dem Erwachen schnellt die Puls- frequenz in die Höhe bei oft rapidem Anstieg der Temperatur, das Gesicht ist gerötet, stärkste motorische und psychische Un- ruhe, profuse Schweissausbrüche stellen sich ein, und unter diesem Bilde des extrem gesteigerten, sozusagen potencierten Basedow tritt der tödliche Ausgang meist innerhalb der ersten 24 Stunden ein. Doch habe ich selbst bei schwersten Zuständen dieser Art noch eine Restitution erfolgen sehen, während bei der typischen Narkosensynkope gewöhnlich jede Hilfe versagt. vl. Wir kommen nun zu dem wichtigsten Punkte in der Kritik der Thymustheorie des postoperativen Basedowtodes. Es ist dies folgender: Wenn wirklich der klassische postoperative Basedowtod einen Thymustod darstellt, dann muss natürlich auch in jedem einelnen dieser Fälle eine grosse Thymus nachweisbar sein Ja, wenn wir das Problem richtig fassen, so müsste schon eine ein- zige Beobachtung von postoperativem Basedowtod, bei dessen Sektion eiuwandsfrei das Fehlen einer „grossen“ Thymus nach- gewiesen wird, dazu ausreichen, um jene Theorie auf das schwerste zu erschüttern. Dass nun in Wirklichkeit durchaus nicht immer bei diesen Sektionen eine grosse Thymus gefunden wurde, geht aus der Literatur einwandsfrei hervor (Landström, Kocher, Riedel u.a.). Es ist dies ja auch a priori kaum anders zu er- warten, da, wie wir sahen, gerade bei den schwersten Basedow- fällen die Thymus hochgradig involviert sein kann, ohne dass hierdurch etwa eine Milderung der Symptome bedingt würde. Aber jene älteren Fälle der Literatur genügen vielleicht nicht ganz vollständig jenem Postulate der einwandfreien pathologisch-ana- tomischen Feststellung, auf das wir trotz des Einwandes von Matti in dieser Frage nicht verzichten dürfen, wenn wir nicht den Boden der Tatsachen unter den Füssen verlieren wollen. Dafür sind aber in den letzten Jahren mehrere Fälle von „post- 'operativem Basedowtod sine thymo“ mitgeteilt worden, die wohl allen kritischen Anforderungen entsprechen dürften. Es ist hierbei zunächst der folgende Fall Pettavel’s zu nennen: = 32 jährige Frau. Schwerer Basedow. Es wurde daher zunächst nur die Art. thyreoidea superior ligier. Nach diesem leichten Eingriff steigt die Temperatur auf 38,3%, der Puls erreichte 170. Die Erschei- nungen gingen dann zurück. Etwa 6 Wochen später wurde die recht- seitige Kropfexcision in Lokalanästhesie vorgenommen. „Die Temperatur stieg am folgenden Tage auf 390, der Puls er- reichte 170, wurde trotz aller Herzmittel immer schwächer, und es trat am folgenden Tage der Exitus letalis eın“. Sektion: „An der Stelle der Thymus Fettgewebe; nur ganz geringe Reste von erhaltenem Thymusgewebe.“ Ferner hat Hart — also gewiss ein einwandsfreier Beobachter — unter 10 Autopsien nach einer Strumaoperation verstorbener Basedowkranker einmal die abnorm grosse Thymus vermisst. Dr a ae Saale Dass Ba a Aura he ld Kid nn sn na ta > Sa a Fa Da he a a a aaa nein ade al Ya nn a äh ie aan a ar UI. Abteilung. Medizinische Sektion. 45 Unter 6 Todesfällen, die Stark unter 69 en die er der Operation zuführen liess, zu verzeichnen hatte, „ergab zweimal die Sektion eine Thymus persistens, einmal einen Status Iymphatieus ohne Thymus!), einmal fehlte der Status thymico-Iymphaticus, der Sektionsbefund ergab keine Todesursache), zweimal wurde die Sektion nicht gestattet“. Schliesslich berichtet Simmond’s über einen postoperativen Basedowtodesfall bei einer 34 jährigen Frau mit einem Thymus- gewicht von4g (histologisch: normal), ferner über ein Thymus- gewicht von 5g bei einem ebenfalls nach der Operation ver- storbenen 41 jährigen Manne, mit gleichem histologischen Befunde. Ergänzt werden diese „negativen Thymusfälle“ durch fol- ‚gende weitere Beobachtung Pettavel’s: 40jährige Frau. Typischer Basedow ohne Exophthalmus. Pat. starb plötzlich ohne Operation, als sie noch in Beobachtung war. Sie war stark aufgeregt: und hatte einen bedeutenden Tremor. Die Herzaktion war eine sehr rasche. Herz nach links vergrössert. Sektion: „Kein Thymusgewebe“. “Schliesslich sei auch noch auf den bereits oben erwahnt Fall Brünger’s verwiesen: Öperationstod bei einer geheilten Basedowpatientin mit hochgradigst involvierter Thymus. Die Schlussfolgerungen, die sich aus solchen Beobachtungen ergeben, dürften nun meines Erachtens wesentlich über den Stand- punkt Starck’s herausgehen, der nur betont, „dass wir keinerlei stirkte Beweise haben für diese verhängnisvolle Rolle der Thymus- drüse“. Ich meine vielmehr: wenn die gleiche Todesart, wie sie von vielen Seiten auf das Vorhandensein einer grossen Thymus zurückgeführt wird, auch ohne diesen Befund vorkommt, dann ergibt sich hieraus in rein logischer Konsequenz, dass es offen- bar nicht die Thymus ist, welche den tötlichen Ausgang mancher Basedowoperationen veranlasst, oder auch manchen spontanen’ acuten Tod bei dieser Erkrankung herbeiführt. Wir brauchen also die Thymus zur Erklärung des postoperativen Basedowtodes nicht und gelangen somit gerade dadurch, dass wir, um mit v. Haberer’s?) Worten zu reden, „die klinischen Symptome mit dem anatomischen Befund in Beziehung bringen“ zum Ausschluss der Thymus als des bestimmenden letalen Faktors beim postoperativen Basedowtod. vn. Suchen wir nach einer anderen Erklärung des postoperativen Basedowtodes, so müssen wir sie zu allererst in der Schwere der Grundkrankheit selbst erblicken. Der Basedoworganismus reagiert eben auf alle möglichen akuten Schädigungen, also nicht zuletzt den operativen Eingriff, durch eine oft ins Vehemente gehende Steigerung der vorhandenen Symptome; erreicht diese Potenzierung einen gewissen Grenzwert, so führt sie den Tod herbei. Es ist ja auch beim Basedow nicht so, dass über jedem Falle in jedem Stadium des Leidens dieses Damoklesschwert schwebt, sondern 1) Im Original nicht gesperrt. 2) Langenb. Arch., Bd. 105, S. 30. 46 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. OCultur. es sind immer die von vornherein als schwer gekennzeichneten Formen, mit hochgradiger Tachykardie, psychischer und vaso- motorischer Erregbarkeit, die nach dieser Hinsicht besonders ge- fährdet sind. Auch das zeitliche Stadium der Erkrankung scheint hierbei nicht gleichgültig zu sein; so ist nach Stark besonders die floride fortschreitende Phase, das „Stadium incrementi“ als gefährdet anzusehen. Auf die bedeutungsvolle Frage, wie überhaupt die Rolle der Thymus im Syndrom des Basedow zu beurteilen ist, kann ich hier nicht erschöpfend eingehen; ich wies ja schon darauf hin, dass dieses Problem überaus komplieiert ist und eine abschliessende Beurteilung heute wohl noch nicht erlaubt. Immerhin lässt sich aber wohl so viel sagen, dass wir die Veränderung der Thymus beim Basedow nicht als etwas ganz Selbständiges, Isoliertes auf- fassen dürfen, sondern vielmehr nach dem Vorgange von Hart und Chvostek nur als den sichtbaren Ausdruck einer all- gemeinen Konstitutionsanomalie, wobei funktionell nun nicht nur allein mit Störungen in der Tätigkeit der Thymus selbst zu rechnen ist, sondern auch noch — von der Schilddrüse ganz abgesehen — seitens anderer Drüsen der inneren Sekretion: Ich nenne hier nur die häufige Kombination mit - Hypoplasie des Nebennierenmarks, die Beteiligung der Hypophysis, des Pankreas und vor allen die wichtige Rolle der Keimdrüsen, worauf ja schon das ganz vorwiegende Vorkommen des Basedow beim weiblichen Geschlecht, die engen Beziehungen der Krankheitsphasen zu den Sexualvorgängen der Pubertät, der Menstruation, der Gravidität sowie schliesslich des Klimakteriums hinweisen. Der Basedow fällt somit in exquisiter Weise unter den weiten Begriff der pluri- glandulären Erkrankungen, und gewiss hat man früher wohl die Rolle der Schilddrüse zu einseitig aufgefasst. Aber trotz alle- dem weisen auch die neueren Erkenntnisse darauf hin, dass doch schliesslich ‘die aus den verschiedensten Quellen hervorgehenden krankhaften Impulse zuletzt wieder gewissermaassen in dem Spiel der sekretorischen Schilddrüsentätigkeit zu sichtbarer Wirkung gelangen. Die Eingriffe an der Schilddrüse werden daher so lange im Vordergrund des chirurgischen Handelns stehen müssen, bis es vielleicht eines Tages auf pharmakologischem Wege ge- lingen sollte, die abnorme Funktion pluriglandulärer Art in die normalen Bahnen zurückzulenken. Dann werden die Chirurgen gewiss gerne vor dem Basedow das Messer aus der Hand legen. Für die Thymus aber gilt nach wie vor das Wort Chvostek’s: Ihre Hyperpiasie ist, „wie Melchior betont, .. .... kein Indikator der Schwere des Falles, sie kann bei leichten vorhanden sein, bei letalen fehlen, sie ist keine Kontraindikation für die Operation“. Literatur. Brünger, H., Ueber Operationstod bei Thyreoiditis chronica (gleich- zeitig ein Beitrag zu den Beziehungen zwischen Basedow’scher Erkrankung und Thyreoiditis). Mitt. Grenzgeb., 1915, Bd. 28, S. 213. — Capelle und Bayer, Thymus und Schilddrüse in ihren wechselartigen Beziehungen Il. Abteilung. Medizinische Sektion. . 47 zum Morbus Basedowii. Bruns’ Beitr., 1913, Bd. 86, S. 509. — Capelle, Die Beziehungen der Thymus zum Morbus Basedowii. Ebendas., 1908, Bd. 58, S. 353. — Capelle und Bayer, Thymektomie bei Morbus Base- dow usw. Ebendas., 1911, Bd. 72, S. 214. — Chvostek, Zur Pathogenese des Morbus Basedowi. W.kl.W. 1914, S. 141. — Gebele, Ueber Thymus persistens beim Morbus Basedowii. Bruns’ Beitr., Bd. 70. — v. Haberer, Ueber die klinische Bedeutung der Thymusdrüse. M.Kl. 1914, Nr. 26. — Derselbe, Thymusreduktion und ihre Erfolge. Mitt. Grenzgeb., 1913, Bd. 27, S. 199. — Derselbe, Weitere Erfahrungen über Thymusreduktion bei Basedow und Struma.. Langenb. Arch., 1914, Bd. 105, S. 296. — Hammar, Ueber Gewicht, Involution und Persistenz der Thymus usw. Arch. f. Anat. und Phys., Anat. Abt. 1906, Suppl. — Derselbe, Bei- träge zur Konstitutionsanomalie T. Mikroskopische Analyse der Thymus in 25 Fällen Basedow’scher Krankheit. Bruns’ Beitr., 1917, Bd. 104, S. 469. — Hart, Thymusstudien II. Die Pathologie der Thymus. Virch. Arch., 1913, Bd. 214. — Klose, H., Chirurgie der Thymusdrüse. Stuttgart 1912. — Derselbe, Wandlungen und Fortschritte in der chirurgischen Behandlung der Basedow’schen Krankheit. B.kl.W., 1914, Nr. 1 u.2. — Kocher, A., Ueber Basedow’sche Krankheit und Thymu». Langenb. Arch., 1914, Bd. 105, S. 924. — Matti, Untersuchungen über die Wirkung experimenteller Ausschaltung der Thymusdrüse. Mitt. Grenzgeb., Bd. 25, 1912, S. 665. — Derselbe, Physiologie und Pathologie der Thymusdrüse. Erg. d. inn. M., 1913, Bd. 10, S. 1. — Derselbe, Die Beziehungen der Thymus zum Morbus Basedowii. B.kl.W., 1914, Nr. 28 u. 29. — Derselbe, Ueber die Kombination von Morbus Basedowii und Thymushyperplasie. D. Zschr. f. Chir., 1912, Bd. 116, S. 425. — Melchior, Die Basedow’sche Krankheit. Erg. d. Chir., 1910, Bd. I, S. 301. — Derselbe, Die Beziehungen der Thymus zur Basedow’schen Krankheit. Zbl. f. d. Grenzgeb., 1912, Bd. 15, S. 166. — Pettavel, Weiterer Beitrag zur pathologischen Anatomie des Morbus Basedowii. Mitt. Grenzgeb., 1914, Bd. 27, S. 694. — Derselbe, Beitrag zur patho- logischen Anatomie des Morbus Basedowii. D. Zschr. f. Chir, 11912, Bd. 116, S.488. — Rautmann, H., Pathologisch- „anatomische Unter- suchungen über die Basedow’sche Krankheit. Mitt. Grenzgeb., 1915, Bd. 28, S.489. — Stark, H., Indikationen zur Operation des Morbus Basedowii und Operationserfolge. D: m.W., 1915, Nr. 28. — Simmonds, M., Die Thymusdrüse bei Morbus Basedowii und verwandten Krankheiten. Zbl. 1. Chir, 1914, Nr. 19, vr: Zwei Fälle chronischer Versteifung der Wirbel- säule. Gurnemanz Hoffmann. M. H.! Ich möchte Ihnen heute zwei mir fast gleichzeitig zu Gesicht gekommene Fälle von chronischer Versteifung der Wirbelsäule vorstellen, wie sie in der Literatur als Spondylitis deformans, Spondylarthritis ankylopoetica oder Spondylose rhizo- melique bezeichnet werden, je nach den klinischen Erscheinungen oder dem anatomischen Befunde so benannt. Keine dieser Be- nennungen scheint mir für dieses Krankheitsbild so umfassend und in allen Fällen so treffend zu sein, wie die von v. Bayer!) geprägte „chronische Wirbelsäulenversteifung“. Gewöhnlich unterscheidet man zwei Typen dieser fast stets erst Ende der 30er Jahre oder noch een auftretenden Er- krankungsformen, und zwar das Krankheitsbild nach a) Bechterew ‘ b) Strümpel (Pierre-Marie) . Entstehung einer Kyphose. 1. Kyphose fehlt meist. . Beginn der Versteifung inder 2. Versteifung beginnt in der oberen Wirbelsäule, die nach Lendenwirbelsäule. unten fortschreitet. 3. Freibleiben der grossen Ge- 3. Einige der grossen Gelenke lenke. versteifen ebenfalls. 4. Nervenerscheinungen, Sensi- 4. Selten Wurzelsymptome. bilitätsstörungen u.Schmerzen am Rücken, Paresen. 5. Entstehungsursachen: Here- 5. Vor allem Rheumatismus. dität, Trauma, Syphilis. Eine strenge Klassifikation ist jedoch meistens nicht möglich, da sowohl die für die Aetiologie in Betracht kommenden Momente als auch die klinischen Erscheinungen sehr oft völlig ineinander übergehen. Eine bessere Unterscheidungsform dagegen liefert das patho- Du 1) Lange, Lehrbuch der Orthopädie. Il. Abteilung, Medizinische Sektion. 49 logisch-anatomische Bild, nach dem Riedinger!) zwei Arten unterscheidet: | 1. Ostitis und Arthritis deformans (Spondylitis deformans). Die Versteifung beruht auf Unebenheiten der Gelenkflächen (Ankylosis spuria) oder brückenartiger Verwachsung der Knochen- wucherungen (Osteophyten). Dadurch kommt es teils zur Er- weichung, teils zu Neubildung, wodurch dann eine Kyphose, Skoliose oder eine Kyphoskoliose entsteht. 2. Seltenere Formen: Es tritt eine Verödung der Gelenke selbst ein, die zur Resorption der Synovia führt und dadurch wiederum zur Verwachsung der Gelenkflächen (Arthritis ankylo- _ poetica, Ankylosis vera). Sehr oft versteifen auch die grossen und kleineren peripheren Gelenke. Eine besonders schwere Schädigung der Erkrankten tritt dann ein, wenn es zur Ankylose der Gelenke zwischen den Wirbeln und Rippen kommt, so dass der abdominale Atemtypus entsteht. Ohne weiteres ist es verständlich, dass die Muskeln im Be- reich der versteiften Wirbelsäule und ebenso der genannten Gelenke in erheblichem Grade atrophisch werden. Die Patienten fallen durch ihre gebückte Haltung auf, der Kopf ist nach vorn geneigt und kann infolge der Muskelatrophie nur auf Augenblicke, so weit es die Versteifung überhaupt zu- lässt, gehoben werden. Auch der Gang sowie die Beweglichkeit der Arme weisen Anomalien auf. Sehr eindrucksvoll vermögen Röntgenaufnahmen das Krank- heitsbild zu veranschaulichen: Wir finden vor allem Spangen- bildung zwischen den einzelnen Wirbelkörpern, Exostosenbildungen, schwere arthritische Veränderungen an den Wirbelkörpern, Ver- änderungen der Zwischenwirbelscheiben und Verknöcherungen des Bandapparates. Aus den klinischen Erscheinungen erklären sich die Be- schwerden dieser Erkrankten ohne weiteres, wir beschränken uns darauf, zu sagen, dass sie im Laufe der Zeit arbeitsunfähig werden, ja in den Fällen mit Ankylosierung der Wirbelrippengelenke in- folge hochgradiger Beeinträchtigung der Atmung leicht an Pneu- monie zugrunde gehen. Leider ist man, wie van Amstel sagt, ohnmächtig zuvor- zukommen, so gut wie ohnmächtig zu heilen. Heisse Sandbäder, Massage, Gymnastik, innere Mittel (Aspirin, Jodkalium, Phena- cetin) sowie orthopädische Stützapparate können wohl zeitweilig Linderung verschaffen, ein Aufhalten des langsam fortschreitenden Prozesses ist jedoch nicht möglich. Als Illustration zu dem eben Gesagten möchte ich Ihnen zwei Herren vorstellen: 1. Herm. D., 39 Jahre alt, Holzbildhauer. Verheiratet, 5 gesunde Kinder, Frau keine Fehlgeburten. Die Mutter war eine kleine Frau mit ‚auffällig kurzem Oberkörper, aber nicht verwachsen; zwei Brüder eben- falls kurztaillig; die Schwester gross und gesund gewachsen wie der Vater. 1) Wullstein und Wilms, Lehrbuch der Chirurgie. Schlesische Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 1917, Il. 4 50 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Pat. selbst war in früher Jugend etwas schwächlich und oft kränk- lich. Es ist ihm erinnerlich, dass er sich niemals gut bücken konnte; Schmerzen hatte er jedoch nie im Rücken. Im Alter von 20 Jahren bekam er Rheumatismus im rechten Ober- schenkel, der jedoch von selbst ausheilte. Im übrigen war er stets ge- sund und arbeitsfähig, nie geschlechtskrank. Vor 5 Jahren merkte er eine stärker beginnende Steifheit im Kreuz, vorzeitiges Ermüden beim Laufen und Treppensteigen sowie rheuma- tismusartige Schmerzen im linken Bein, dann im linken Knie, so dass er das linke Bein oft „wie nachziehen musste“. Diese Beschwerden nahmen im Laufe der Zeit so zu, dass er sich fast gar nicht mehr bücken konnte. Reiben im linken Knie trat auf, er knickte öfters zu- sammen, musste mit.Stock laufen und wurde fast arbeitsunfähig. Seit letzten Sommer stellen sich auch zunehmende Schmerzen im rechten Knie ein. Befund: Kleiner, 39jähriger Mann, dessen Oberkörper auffallend kurz gebaut ist. Die Haut ist am ganzen Körper ausserordentlich trocken und abschilfernd. Linke Brusthälfte flacher als rechts, Beckenschief- stand, Schultern werden nach vorn getragen, runder Rücken, rechte Schulterblattgegend erheblich abgeflacht, rechte Schulter hängt etwas herab. Kyphose und S-förmige Skoliose der Brustwirbelsäule; Lenden- wirbelsäule flacher als normal. Rechte Darmbeingegend etwas vor- springend. Die Halswirbelsäule ist frei beweglich; mässige Steifheit der Brustwirbelsäule; Lendenwirbel und Kreuzbein völlig versteift. Bücken ist nur sehr schwer möglich, An- und Auskleiden äusserst langsam und beschwerlich. Erhebliche Atrophie der Beine. Das rechte Bein steht nach aussen rotiert. Flexion in der Hüfte nur bis 100°, Abduktion sehr behindert, Adduktion etwas besser, Innenrotation schlecht, Aussenrotation etwas freier. Das Kniegelenk ist gut beweglich. Links besteht bei leichter Flexionsstellung völlige Anukylose im Hüftgelenk; das Kniegelenk ist bei forcierten Bewegungen schmerzhaft, deutliches Reiben fühlbar. Beiderseits besteht mässiger Grad von Plattfuss. Neurologisch findet sich am Centralnervensystem ausser sehr lebhaften Sehnenreflexen und geringem abgeschwächten Gefühl im linken Unterschenkel und Fuss kein pathologischer Befund. Auf die Deutung der Röntgenbilder möchte ich in diesem wie im folgenden Falle etwas näher eingehen, weil sie mir in den meisten Publikationen etwas zu kurz gekommen zu sein scheint und manches Bemerkenswerte zeigt: a) Thoraxübersicht: Die einzelnen Halswirbel sind normal gebaut, wenngleich der unterste etwas unscharf erscheint; vor allem sind die Wirbelzwischenräume deutlich sichtbar. Die Brustwirbelsäule ist im oberen und mittleren Drittel etwas nach links convex gekrümmt, während ihr unteres Drittel einen stärkeren rechts convexen Bogen beschreibt. Die Zeichnung der einzelnen Wirbelkörper ist nicht sehr scharf und zwar weniger, als auf Ueberlagerung durch Herz und Aorta zurückzu- führen ist. Auch hier finden sich keine gröberen Veränderungen. Die Rippen sind sehr gracil und namentlich im oberen Teil ziemlich dicht zusammengedrängt. b) Kastenblende der vier untersten Brustwirbel, der Lendenwirbel- säule und des Kreuzbeins: Deutliche rechts convexe Krümmung der untersten Brust- und Lendenwirbel. Während die Wirbelzwischenräume bis zum 1. Lendenwirbel noch ziemlich deutlich hervortreten, verwischen sich von da an die Gelenkspalte und sind vom 2. Lendenwirbel an fast gar nicht mehr sichtbar, so dass dieser Teil der Wirbelsäule fast wie ein Ganzes erscheint. Vom 9. Brustwirbel bis zum 2. Lendenwirbel 51 ische Sektion. izin Med II. Abteilung. Abbildung 1 ildung 2. Abb 52 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Abbildung 3. sehen wir rechts und links bis !/; em seitlich der Querfortsätze einen scharf begrenzten Schatten. Am auffälligsten ist die ausserordentlich scharfe Zackenbildung der Lendenwirbel 2 bis 5 auf ihrer rechten Seite, die vor allem den Processus mamillaris und Processus transversus zu betreffen scheinen (Osteophytenbildung?). c) Beckenbilder: Erhebliche Ausbuchtungen beider sehr gracilen Darmbeine, besonders am Darmbeinkamm. Der Gelenkspalt des linken Hüftgelenks ist fast völlig verschwunden, rechts beginnende Verlötung von Pfanne und Kopf. Leichte Pilzhutform des rechten Oberschenkel-. kopfes. An den übrigen Gelenken keine erheblichen Veränderungen. 2. R. G., 45 Jahre alt, Kaufmann. Eltern gut gewachsen, ebenso 7 Geschwister, 1 Bruder nach Sturz mit dem Rade an Spondylitis der Halswirbelsäule gestorben. Patient ist angeblich stets gesund gewesen. 1892 hatte er infolge Durchnässung auf dem Nachhausewege von einem Tanzvergnügen in den Handgelenken beginnenden Rheumatismus, der auf sämtliche Gelenke überging und nur die Wirbelsäule frei liess. Seitdem öfters Gelenkschmerzen, : besonders in den Fussgelenken und Händen. War nie geschlechtskrank. Vor 7 Jahren entstand ohne besondere Ursache auf der linken Fusssohle am Ansatz der kleinen Zehe eine offene Stelle, die vom Arzt aufgeschnitten wurde und dann heilte. er Seit Jahren zuerst wenig beachtete, aber langsam zunehmende Steifigkeit in den obersten Brustwirbeln, die sich unter zeitweilig auf- II. Abteilung. Medizinische Sektion. 53 tretenden Schmerzen nach unten weiter fortsetzte. Vorher hatte er an der linken inneren Schienbeinseite ein vom Arzt geschnittenes Krampf- adergeschwür. Seit 3 Jahren zunehmende Fussschmerzen links; das alte Geschwür an der Fusssohle brach auf, heilte auch nicht durch ärztliche Behandlung, dagegen schloss sich ein von selbst aufgetretenes Geschwür ‘ auf dem Fussrücken am Ansatz der kleinen Zehe. Seit einem halben Jahre zunehmende Schmerzen in beiden Füssen, vor allem-in der Um- gebung der Fusswunde, zuweilen auch rheumatische Schmerzen im Rücken. Befund: Mittelgrosser, früh gealterter Mann, Turmschädel, kurzer Oberkörper, Kopfhaltung geneigt, Brustvenenzeichnung, sehr schlaffe Bauchdecken, Haut normal. In der Halswirbelsäule geringe Nick- und seitliche Bewegungen. Rückwärtsbeugen unmöglich. Runder Rücken. Sehr erhebliche S- total Kyphoskoliose. Lendenwirbelsäule abgeflacht. Beim Liegen auf ebener Unterlage entfernen sich die oberen Rücken- partien und Kopf erheblich von dieser. Rechtes Schulterblatt und hintere Rippenpartien abgeflacht. Links hinten erheblicher Rippenbuckel. Die gesamte Wirbelsäule ist vom linken Brustwirbel ab völlig versteift. Bücken sehr erschwert. Leichtes Reiben in beiden Schultergelenken, senkrechtes Heben der Arme behindert. Im rechten Hüftgelenk leichte Flexionsbehinderung, im übrigen sind Hüft- und Kniegelenke frei beweglich. An beiden Unterschenkeln, be- sonders an der linken Wade zahlreiche Varicen. Unterschenkelhaut trocken, abgeheilte Krampfadergeschwüre mit einigen weisslichen Flecken. Nach innen vom linken Schienbein, etwa in der Mitte des Unterschenkels, eine 13 cm lange, operativ gesetzte Narbe. Beide Beine etwas atrophisch, beiderseits Plattfüsse. Auf dem linken Fussrücken am Ansatz der kleinen Zehe eine fünf- pfennigstückgrosse, etwas eingezogene Narbe. In entsprechender Höhe an. der Fusssohle direkt unterhalb des 5. Metatarsalköpfchens ein Ge- schwür von Dreimarkstückgrösse (Mal perforant), der Knochen an dieser Stelle tritt nicht zu Tage. Die Sprunggelenke sind ziemlich frei beweglich, dagegen ist der Fuss selbst fast starr. Neurologisch: Linker Achillessehnenreflex fehlt, Hypästhesie für alle Qualitäten am Fussrücken und Fusssohle, sonst normal. Röntgenbefund: a) Aufnahmen der Hals- und oberen Brust- wirbelsäule gelingen nicht, bzw. sind zu undeutlich zur näheren Be- schreibung. b) Die unteren Brust- und Lendenwirbel gehen vollständig inein- ander über; die Zwischenwirbelräume sind nicht mehr sichtbar bis auf einen andeutungsweise vorhandonen zwischen 3. und 4. Lendenwirbel. Zackenbildung ist nur an wenigen Stellen in geringem Maasse vor- handen. Dagegen hebt sich ausserordentlich deutlich eine vom 1. bis zum 5. Lumbalwirbel reichende Spange ab, die wohl als Verschmelzung des Processus spinosi bzw. als Ossifikation der Ligamenta interspinalia zu deuten ist. c) Blendenbilder der Hüft- und Kniegelenke ergeben nichts Besonderes, nur zeigten die Trochanter major. Zackenbildungen und Aussparrungen. d) Blendenbilder beider Schultergelenke weisen arthritische Ver- änderungen beiderseits am Akromion auf. e) Hand- und Fingergelenke sind normal. f) 1. Füsse von oben: linkes Metatarsalköpfchen V ist zum grossen Teil verschwunden. 2. Füsse von der Seite: Ausserordentlich schwere arthritische Ver- änderungen der gesamten Fusswurzel; nur die Talocruralgelenke sind frei davon. Schwerster Senkfuss, besonders links. Rechts Spangenbildung 54 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. zwischen Os naviculare und Os cuneiforme I. Linkes Metartarsalköpfchen V ist nicht mehr sichtbar.’ Rechter Talus und Navieulare sind nach oben spitzenförmig ausgezogen. Der linke Talus verläuft ebenfalls in einer nach oben ausgezogenen Spitze. Fassen wir einmal die wesentlichsten Punkte aus den Krankengeschichten zusammen: In beiden Fällen handelt es sich um anscheinend in ihrer Jugend gesunde Individuen, wenngleich Patient 1 stets schwächlich gewesen sein und stets gewisse Be- schwerden beim Bücken gehabt haben will. Beide überstanden vor etwa 20 Jahren Rheumatismus. Geschlechtliche Infektion wird negiert. Bei Fall I seit etwa 5 Jahren zunehmende Steifig- keit der Lendenwirbelsäule, die auch die Hüftgelenke befallen hat und Schulter und vor allem Kniegelenke zu ergreifen droht; kleine Gelenke frei. Im andern Fall völlige Versteifung der Wirbelsäule vom 1. Brustwirbel abwärts, grosse Gelenke frei bis auf geringe Störungen in den Schultergelenken; dagegen schwere Arthritis beider Füsse in Verbindung mit Plattfuss, Ulcera ceruris, zurzeit abgeheilt, Mal perforant am linken Metatarsalköpfchen V. Ausserordentlich interessant ist in beiden Fällen der Röntgen- befund. Nicht allein die Wirbelsäulen, sondern auch fast alle grösseren, zum Teil auch die kleineren Gelenke weisen aller- schwerste Veränderungen auf. Es dürfte sich daher empfehlen in Zukunft bei derartigen Erkrankungen das gesamte Skelett durchzuröntgen in der Hoffnung, so vielleicht manchen wertvollen Aufschluss über das Wesen der noch ziemlich unklaren Krankheit zu erhalten. Bei beiden Patienten kein erheblicher neurologischer Befund (Untersuchung in der Königlichen Nervenklinik). Gleichwohl möchte ich bei Fall II an einen Zusammenhang zwischen der Wirbelsäulenerkrankung und der Bildung der Ulcera cruris sowie des Mal perforant im Sinne einer peripheren Neuritis annehmen. M. H.! Vergleichen Sie diese Punkte mit denen anfangs an- geführten in Schema der Einteilung in den Krankheitsbildern nach Bechterew und Strümpel (Pierre-Marie). Sie werden mir zugeben, dass keiner der beiden von mir beobachteten Fälle sich so klassificieren lässt. Ich sehe also deshalb, wie ich in der Einleitung sagte, von einer speziellen Benennung dieser Krank- heitsformen ab. Vielleicht vermögen Autopsien dieser oder ähnlicher Fälle das Wesen der chronischen Wirbelsäulenversteifung besser zu ergründen. BADEN AN" VI. Ueber Cystinurie. Von Geheimem Sanitätsrat Prof. Dr. Georg Rosenfeld-Breslau. Seit der Entdeckung des Cystins durch Wollaston im Jahre 1810 ist fast ein Jahrhundert vergangen, bevor eine ein- leuchtende Theorie über die Entstehung der Cystinurie aufgestellt wurde. Erst 1904 haben — nach den verfehlten Theoremen von Marovsky sowie Baumann und Udranszky — A. Löwy und C. Neuberg die Cystinurie als eine bedeutungsvolle Abweichung des Eiweissstoffwechsels ansehen gelehrt, bei welcher die Pa- tienten das im Körper gebildete und das als solches zugeführte Cystin nicht zerstören können, und bei der gleichartige Störungen auch im Stoffwechsel der Aminosäuren und Diaminosäuren auf- träten. Das bis dahin vorliegende Tatsachenmaterial war folgendes: Bis zum Jahre 1889 war nur bekannt, dass die .Oystin- uriker eben Cystin ausschieden. In diesem Jahre wurde: gleich- zeitig durch Udranszky und Baumann sowie durch Brieger und Stadthagen bei ihren cystinurischen Patienten zugleich die Ausscheidung von Ptomainen: Cadaverin und Putresein entdeckt. Löwy und Neuberg zeigten nun 1904 an ihrem Patienten, dass er von eingegebenem Cystin, welches aus Proteinsubstanzen hergestellt war, alles wieder im Harn ausschied, und dass ebenso Verfütterung von Monaminosäuren wie Tyrosin oder Asparagin- säure mit unveränderter Ausscheidung beider Stoffe im Harn beantwortet wurde. Die dritte Tatsache war, dass nach Dar- reichung von Diaminosäuren die obenerwähnten Ptomaine und zwar nach Lysin Cadaverin und nach Arginin Putrescin im Harn auftraten, während spontan bei diesem Patienten keine Ptomaine im Harn vorhanden waren. Es ist nun ersichtlich, wie berechtigt und bedeutungsvoll die Löwy-Neuberg’sche Theorie ist: es liegt hier auf dem Gebiete des Eiweissstoffwechsels ein Gegenstück zum Diabetes auf dem Bereich des Kohlenhydratstoffwechsels vor. Denn wie beim Diabetes ein intermediäres Stoffwechselprodukt, die Gly- kose, auch nach deren Darreichung nicht oder teilweise nicht 56 _ Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. zur Oxydation gelangt, so bleibt die Eiweissverbrennung auf der Stufe des Cystins bzw. der Amino- und Diaminosäuren stehen. So gewinnt die Cystinurie, die lange Zeit hindurch nur durch ihre grosse Seltenheit — waren doch bis 1882 nur etwa 50 Fälle literarisch bekannt! — interessierte, eine eigenartige Bedeutung, und jeder Fall muss unter den Gesichtspunkten von Löwy und Neuberg erforscht werden. Darum nehme ich die Gelegenheit wahr, Ihnen über einen Fall von Cystinurie bei einem Soldaten zu berichten. Der Artillerist K., 25 Jahre alt, hat sich wegen Schmerzen in der Nierengegend krank ‘gemeldet, nachdem er schon vorher im Lazarett in Brieg, wo er wegen eines Leistenbruchs operiert worden war, einen Stein entleert hatte. Er zeigte fast immer Spuren von Eiweiss im Urin, mikroskopisch rote Blutkörperchen in grösserer Zahl, ganz vereinzelt weisse Blutkörperchen und zahlreiche Cystinkristalle. Die Mengen von Cystin waren 0,270, 0,161, 0,280 g Cystin. Dabei wurden die Sedimente meist nicht besonders bestimmt. Unsere Cystin- bestimmungen ergaben also, - dass K. eine Cystinausscheidung von 1/ g pro Tag herum zustande brachte. Nunmehr gaben wir ihm 2 g Cystin und zwar Proteincystin — seine Ausscheidung betrug nicht mehr als an den Tagen vorher, näm- lich einschliesslich des Sedimentes von 0,088 g 0,270 g Gesamteystin. Ebenso schied er auf die Darreichung von 1 g Tyrosin und von 1,0 und 1,3 g Tryptophan nichts von diesen Stoffen aus, Feststellungen, die Herr Röhmann, von dem ich auch das Cystin, Tyrosin und Trypto- phan erhalten habe, gemacht hat. Wir haben hier also einen von dem Falle von Neuberg und Löwy recht abweichend sich verhaltenden Menschen vor uns. Er ist imstande sowohl eingeführtes Cystin in der Menge von 2 g zu verarbeiten, als auch Aminosäuren glatt zu oxy- dieren. Die Wertung auch dieses Falles wird uns nicht schwer werden, wenn wir an die Analogie zwischen Cystinurie und Dia- betes denken. Wie es sehr verschiedene Grade von Diabetes gibt, von denen die einen nicht nur die eingegebenen nativen, sondern auch die aus Eiweiss entstehenden Kohlenhydrate aus- scheiden, während andere eingeführten Zucker in hohem Maasse verarbeiten können, so auch bei der Cystinurie: der Neuberg- Löwy’sche Cystinuriker, sowie der von Brieger und Stadt- hagen, sowie von Udranszky und Baumann stellen schwere Formen der Cystinurie mit Diminurie und Diaminurie dar, wäh- rend der eben geschilderte Fall einem viel weniger intensiven Typus der Cystinurie angehört. Nun hat im März 1914 Jacoby in Gemeinschaft mit Klem- perer einen Versuch gemacht, die Cystinurie zu behandeln, der wohl von der Absicht ausging, die Steinbildung durch Cystin durch lösende Mittel in ähnlicher Weise unmöglich zu machen, wie man Steinbildung aus Harnsäure durch Gelösthalten der Harnsäure vermittelst Alkalien, oder uoch besser durch Harn- stoff zu verhindern sucht. Ebenso haben die Autoren Natr. bi- carb. benutzt, um im alkalischen Urin ein Ausfallen des Cystins und damit jede Steinbildung zu verhindern. Merkwürdigerweise LE Ye a Fe eh Se Le aa RE a aa a En in a ni 4 F Be a an a VERYETLET VETERAN ERSTEN en ” 5 II. Abteilung. Medizinische Sektion. 57 reichten aber die Folgen der Natrontherapie weit über diese Ziele hinaus: Es gelang ihnen nicht nur die Sedimentbildung aus Cystin zu verhüten, sondern erstaunlicherweise auch die Ausscheidung des gelösten Oystins auf Null zurückzubringen. Diese Erfahrung versuchten wir auch für unseren Fall nutzbar zu machen. Das Ergebnis gibt die folgende Tabelle 1 der Cystin- ausscheidung wieder. Tabelle 1. Datum Menge Cystin 26. II. 1917 2000 0,700 g —_ DIE 1480 0,450 „ _ DI, 1720 0,320 „ 2 1. TIL. 1917 2300 0,257 „ —_ DEREN, 1300 0,226 „ _ DE, 1850 0,150 „ 10 g Natron bicarbonie. A 1800 0,210, 1055 = 2 DEN, 2600 0,208 „ 10 „ > R Bas 1900 0,340 „ 10: & . TEEN 1550 0,396 „ 10 „ 2 5 SR, - 1800 0,200 „ 10, 5 5 Es ıst also die Menge des ausgeschiedenen Oystins durch 10 g Natr. bicarb. nicht beeinflusst worden. Was aber noch auf- fallender ist, ist, dass auch das Cystinsediment nicht verschwand, ja kaum vermindert worden ist, trotzdem die Reaktion des Urins bis zur alkalisch-ammoniakalischen verändert worden ist. Es erschienen bemerkenswerterweise neben reichlichen Ammoniak- Magnesiakristallen die Cystinplatten in etwa unverminderter Zahl. Diese Beobachtung ist nicht alleinstehend, denn auch L. Blum hat im stark alkalischen Hundeurin Cystin als Sediment beob- achtet. Es schien also nieht nur die Verminderung der Oystinbildung nicht immer durch Natr. bicarb. zu gelingen, sondern nicht ein- mal die Lösung des Niederschlages durch Natrium sicher zu ge- lingen. Seltsamerweise hat diese Periode völligen Versagens der Natron- therapie ein Nachspiel von gegenteiligem Charakter. K. kam nämlich am 25. IV. 1917 nochmals ins Lazarett. Am ersten Tage enthielt der Urin noch 54 mg Cystinsediment (insgesamt 0,364 g). An den folgenden Tagen aber wurde der - Urin ohne Behandlung von selbst alkalisch, und es fehlte fortan jedes Cystinsediment: (Tabelle 2.) Jetzt hat sich das Blatt so völlig gewendet, dass sogar nach dem Aussetzen des Natr. bicarb. die Periode der Oystinvermin- derung weiter anhält: selbst die Darreichung vou Phosphorsäure erzielt nicht mehr eine Cystinurie der früheren Höhe. Die Alkalisierung des Organismus ist also eine sehr nachhaltige geworden. Was aus dem Cystin dabei geworden ist, ist nicht leicht IN em Ass “33333 BIESTESZISEN SITZT EST I YESTTS TESTS SIES Menge 1550 1300 2300 2000 1350 1800 1700 1300 1900 1850 1600 1800 1950 2100 1250 2000 |. 2100 2100 1600 1500 2000 2000 1650 1700 1400 1550 1200 1900 1650 1700 1700 1600 1600 1750 1100 1200 1700 1080 2000 1050 650 2 1350 1350 1300 1650 1700 1300 1250 1100 Nicht oxydierter S. als H,SO, | | rn ® © berechnet = Bi H Sn, - l3|52 32 52 || Ss Sc 85 $ Sr Prozent ala | & 2 25 - 2 |Zä5& des Gesamt-S. mg g g g & 2 4011393] — — | —- | | — — ss1l2]| — | — | — — — 69) 2 | — | — | —I-| — — 230 — — | _ — | — 543101 — — !— | | — — 3201 - | - | —-— I —-| — _ 1361 —- | - | —- I —-| — — mar en = 26 | - ı - | - I —-| — — 5|I| - | - | - I -| — 4I- | -ı - I -|ı — - 14 I —- | - | - I —-| — — 156 (nach Glycerin) | — | — — 168 [0,229] 1,16 |131| — | — —_ 287 [0,126 1,039) 1,113] — | — — (unrein) E= 0 |(nach ulan 22) —e oe 34 = = = —='ZaNatr el a, = de na zz 2 =. 0 — —- | —- 1I-| — — do. 0I- | - | - | -| — — do. I - | —-— | - | -| — — do. 0I—- | —- | — —|ı — do. 0I — -—ı-- 1 | — — do. 411 —- | -ı - | -—-| — — do. — 1[0,131| 1,094| 1,259|2,006/0,747 | = 37,2 pCt. do. 12 |0,071| 0,464| 0,363|0,869 0,506 | =58 „ do. 19 |0,271| 1,117| 1,341|2,523 11,182 | = 46 do. 16 10,263| 1,331| 1,636|2,77311,137=41 „ (l.und 2. Tag ohne Natr.) 17 10,157, 0,829) 0,82911,329 1,000 = 54 pCt. 22 [0,228| 1,114 1.277 2.429 1,152) A e5 224 | — |, 0,861| 0,995[1,785.0,790, =44 „ Erhält (unrein) Phosphors. 64 | — | 1,022) 1,102]2,0440,942 =46 pCt. do. 0 | — |1,265| 1,323]2,38211,059|=44 „ de. Au — 10,998) 1,146|1 ‚941 0,795 = 409 ee 836 | — |1,230| 1,250|2,118/0,868 | = 40,9 „ do. 102 — | — |1,97613, 000 1 ‚w4|=341 „ do. 21 — 1,381| 1,615]2,650|1 ‚000 = Stern 280 | — | 0,979) 1,042|2,347/1 ‚305 — DE GEEN do. 56431] — | 1,165| 0,939]2,051 1,112 —=542 „ do. (unrein) 23+78| — | 0,601 0,765[1,40910,644 | =45,6 „ do. 40 | — | 1,043] 1,248 2,224 0,976: 43,38, 2 cd: 135 | — | 1,000! 1,156]2,156/1,000 =46,5 „ do. 52 ı — |1,726| 1,813]3,409,1,596 | =47 „ 0 | — | 1,026; 1,192]1,858:0,666 | = 35,8 „ 17 — | 1,028) 1,086]2,3451,259 | =53,7 „ 9 — ı1,202| 1,355]2,143/0,788 | = 36,7 „ 751 — |1,723| 1,933[3,11 11,137, =36,5 „ 44 | — | 2,015! 2,021[3,236.1,215 |= 37,5 „ 3 I. Abteilung. Medizinische Sektion. 59 aus der Bestimmung des ausgeschiedenen Schwefels zu ersehen. Denn weder der oxydierte Anteil, noch der unoxydierte Schwefel ist absolut wesentlich verändert, noch auch das Prozentverhältnis zwischen nichtoxydiertem Schwefel zum Gesamtschwefel gestiegen. Man trifft 53,7 pCt. bei 17 mg Cystin (12. VII.) oder 53 pCt. bei 12 mg (19. V.) oder 54 pÜt. bei 17 mg (23. V.), aber ebenso ‚55,6 pCt. bei 280 mg Cystin (3. VIL). Allenfalls darf hervor- gehoben werden, dass die hohen Oystinwerte 220, 224 (47 pCt., 44 pCt.), 280 (55, 6 pCt), 135 mg (46,5 pCt.) mit relativ hohen Prozentzahlen unoxydierten Schwefels zusammentreffen. Uebersehen wir nun das gesamte vorliegende Material, so "stellt sich die ganze eigenartige Störung des intermediären Ei- weissabbaues, welche wir unter Cystinurie zu verstehen haben, in sehr verschiedenen Graden dar: I. Die leichteste Form repräsentiert unser Fall: er ist im- stande, verfüttertes Oystin zu verarbeiten, kann aber das im Organismus entstandene Cystin, obwohl es dasselbe ist wie das im Versuch dargebotene, nicht abbauen, wenigstens zum Teil nicht, dagegen hat die Oxydation der verabreichten und im Organismus entstandenen Aminosäuren nicht gelitten. Er würde also als ein Fall von intermediärer oder innerer Oystinurie auf- 'zufassen sein. Man kann nicht etwa dafür endogene Cystinurie einsetzen, denn Jacoby und Klemperer. haben bei ihrem Cystinuriker endogene und exogene Cystinurie schon durch den Versuch geschieden. Während nämlich der Patient eine eiweiss- reiche Kost erhielt, schied er an Cystin aus Sediment gelöstes Cystin Gesamteystin 22 mg 324 346 82 mg 281 363 146 mg 310 716 Dagegen waren die gleichen Raten bei einer Kost aus Tee, Bouillon und Kaffee 6 45 51 34 100. . 110 13 60 13 Die Mengen konnten bei Zuckerfettdiät vielleicht noch kleiner sein. Jedenfalls ist einzusehen, dass die erste Reihe die Zahlen der intermediären oder inneren Cystinurie enthält. Der II. Grad wird von dem Löwy-Neuberg’schen Patienten vertreten. Erstens: Er scheidet im Organismus entstandenes Cystin zum Teil aus wie unser Fall: intermediäre oder innere Oystinurie! Zweitens: Er scheidet verfüttertes Cystin ganz aus; alimentäre oder Fütterungseystinurie. Drittens: Er scheidet spontan keine Amino- und Diamino- säuren aus. Viertens: Er scheidet verfütterte Amino- und Diaminosäuren zum grossen Teil aus (alimentäre aden Fütterungsaminurie und Dia- minurie). er, Dr { 60 J ahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. II. Den schwersten Grad erkennen wir an den Patienten von Udranszky und Baumann, Brieger und Stadthagen, die allerdings alle nicht vollständig untersucht sind. Sie sind durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet: Erstens: Sie scheiden im Organismus entstehendes Cystin zum Teil aus (innere COystinurie). - Zweitens: Würden sie voraussichtlich, was freilich nicht. experimentell erprobt ist, eingegebenes Cystin als solches aus- scheiden (Fütterungseystinurie). Drittens: Scheiden sie Diaminosäuren, die im Organismus entstehen, zum Teil aus (innere Diaminurie). Viertens: Würden sie eingegebene Diaminosäuren voraus- sichtlich — ohne dass die Probe vorliegt — ebenfalls aus- scheiden (Fütterungsdiaminurie). Einen Baustein zum Aufbau der Theorie der schwersten Fälle bringt der Patient von Abderhalden und Schittenhelm dar, welcher intermediäre Cystinurie und intermediäre Aminurie zeigte: er zeigte neben Öystin auch Tyrosin und Leucin spontan im Harn. Einen Uebergang bildet der Fall von Bödtker insofern, als seine Patientin bei der ersten Untersuchung Cystin samt Cada- verin und Putresein ausschied, nachher aber im Laufe von zwei Monaten zwar Üystinurie noch weiter zeigte, aber nicht mehr Cadaverin und Putresein ausschied. So hat sich in den letzten Jahren das Bild der Cystinurie als das einer sehr weitgehenden Störung im Eiweissstoffwechsel umreissen lassen. Sie steht schliesslich nicht so ganz allein da: denn auch die Leueinurie und Tyrosinurie bei der Leberatrophie und ganz besonders die Alcaptonurie haben manche verwandte Züge. Einen besonderen Reiz erhält das Kapitel Cystinurie auch noch durch die Möglichkeit therapeutischer Beeinflussung, und zwar auf so erstaunlich einfachem Wege. So hat sich der Er- kenntnis ein kleines, aber ausblickreiches Gebiet erschlossen. IX. Zur Behandlung der Fibrinurie. Von Geheimem Sanitätsrat Prof. Dr. Georg Rosenfeld-Breslau. Der Begriff Fibrinurie gestattet sehr weite Fassungen. Wenn man von der Meinung ausgeht, dass auch viele Harncylinder aus Fibrin be- stehen, kann man von einer Fibrinurie bei jeder Nephritis sprechen. Ja, wenn man die Cylindroide als Fibringebilde ansieht, so könnte man die Fibrinurie als normale Erscheinung ansehen. Dann gestatten die nicht allzuhäufigen, aber nicht gerade seltenen roten und weissen wurstförmigen Gerinnsel sie ebenfalls als Symptome von Fibrinurie zu betrachten. Hier ist sogar in der Beziehung sehr fester Boden, als es sich dabei um sicheresFibrin handelt: die weissen stammen aus Blutungen im Nierenbecken und sind wohl durch Auslaugungen entfärbt (doch darf nach dem Folgenden auch die Ursprünglichkeit der weissen Farbe nicht als unmöglich bezeichnet werden) — die roten kommen zumeist ebendaher; den Beweis der Her- kunft liefert in beiden Fällen ihre Form und ihre derbere Zusammen- pressung, doch können die roten auch einmal durch die Urethralpassage cylindrisch geformt werden, freilich ohne das feste Gefüge zu erhalten. Gesichert ist ihr Ursprungsort aus dem Nierenbecken durch Kolikattacken, welche das Herabrücken durch den Ureter öfter begleiten. Auch die roten formlosen Cruormassen, die fast immer Harnblase oder Harnröhre entstammen, gehören zum Begriffe der Fibrinurie. Alle diese letzteren Arten bieten dem Verständnis und der klinischen Deutung keine Schwierigkeiten: es handelt sich um Fibringerinnung von Blut, welches sich in den Harn aus wunden Stellen ergossen hat. Ganz anders steht es um die Fälle von Fibrinurie im engeren Sinne, wo weiche farblose Gerinnsel ohne bestimmt abgegrenzte Form entleert werden, oder der homogen entleerte Harn in toto gerinnt. Solche Fälle von Fibrinurie sind sehr selten: da ihre klinische Wertung nicht genügend durchgearbeitet ist, empfiehlt es sich, von jedem solchen Falle Notiz zu nehmen, um durch die Vermehrung der Kasuistik die theoretische Erkenntnis zu fördern. Im Jahre 1907 hat Kutner in seiner Dissertation 14 Fälle zu- sammengetragen, welche ziemlich alle in hellem Urin (auch ein Fall Quincke) weissliche lockere Gerinnsel entleerten, oder bei denen der Urin im ganzen gerann. Von diesen waren 7 Fälle ziemlich sichere Pyelitis, 2 weitere waren vermutlich Pyelitis, einer Cystitis, zwei Nierenschrumpfung (ein- mal mit Amyloid) und zwei Hydronephrose bzw. cystische Nierendege- neration. — Unter diesen 14 Fällen trat bei 3 Fällen der Tod ein. 62 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Von anderen 5 Fällen von Fibrinurie, die Quincke erwähnt, und die hier nicht aufgeführt sind, beendete bei einigen Urämie das Leben. Trotzdem darf man die Fibrinurie an sich als eine prognostisch nicht sehr ernst zu nehmende Erscheinung ansprechen. Diese trübe Wertung scheint sie nur bei Nephritiden zu haben, wo es allerdings den Eindruck macht, als ob sie ein Signum mali ominis sei, indem bei einem grösseren Teil von 7 Fällen der tödliche Ausgang gefolgt ist. Man könnte geneigt sein, solche fibrinösen Gerinnsel im Harn bei Pyelitis etwa in derselben Weise aufzufassen, wie wir sie von den Schleimhäuten des Respirationstractes kennen, nämlich als einen ausge- stossenen ceroupösen Belag der Schleimhaut der harnbereitenden Organe. Doch ist diese Auffassung, welche die Schleimhaut des Nierenbeckens schwer croupös erkrankt annehmen würde, nicht angängig, da ja zumeist die Fibrinuriker klinisch kaum irgendwie wesentlich krank sind. So auch unser Fall: W., Landsturmmann, 25jähriger Student, erkrankt im Kriege in einem Feldlazarett am 16. III. 1915 an Schmerzen in der rechten Nierengegend, Fieber, Blutharnen und Brennen beim Urinieren. Am 20. III. 1915 Abgang eines erbsengrossen Nierensteines. Hier in Breslau zeigt der sehr robuste Mann von blühendem Aussehen am 7. VI. 1917 nur etwas Druckempfindlichkeit rechts in der Nierengegend. Der Urin enthält 0,5 pCt. Eiweiss und an einem der nächsten Tage ein Gerinnsel, welches, mit NaCl-Lösung gewaschen bis keine Eiweissreaktion mehr auftritt, mit 0,5 pCt. HCl sich löst und dessen Lösung Eiweissreaktion ergibt. - Im Urin selbst 0,75 pCt. Eiweiss, rote Blutkörperchen in mässiger Zahl in verschiedener Grösse, weisse Blutkörperchen mit Ausstülpungen. Der Urin enthält fortan wechselnde Mengen von Eiweiss, von Spuren bis 0,8 pCt. und meist, aber nichtjeden Tag ein oder mehrere grosse Ge- rinnsel. Das Allgemeinbefinden ist dauernd gut. Keine Temperatur- erhöhung. Die örtliche Diagnose des Leidens konnte aus mehreren Symptomen erschlossen werden. Erstens aus dem Harn: denn dle Gerinnsel ent- hielten weisse Blutkörperchen von polymorphkernigem Charakter und rote Blutkörperchen — aber auch in gerinnselfreiem Urin fanden sich dieselben Elemente bei relativ hohem — den Eitergehalt übertreffenden — Eiweissgehalte. Darum konnte das Grundleiden schon als Pyelitis an- gesprochen werden. Dazu kommt die klinische Tatsache, dass öfter Schmerzen in der rechten Nierenseite auftraten und zwar zurzeit der Gerinnselentleerung, und die Mitteilung, dass der Abgang eines Steines beobachtet worden wäre. Die Annahme einer Pyelitis caleulosa der rechten Seite suchten wir durch Cystokopie und Ureteroskopie zu stützen. Bei der Ureteroskopie gelang es aber trotz Wiederholung nicht, Nieren- urin getrennt zu erhalten, weil Gerinnsel beide Ureterenkatheter verstopfen. Die Cystoskopie hatte uns eigentlich mehr offenbart, als wir er- warten konnten. Die Pyelitis rechts mit Gerinnselbildung rechts bestätigt zu bekommen, war uns sehr willkommen, denn der Patient hatte ja stets rechtsseitige Beschwerden. Es war auch die Pyelitis als eine calculöse aus der Vorgeschichte zu erkennen — aber wie sollten wir die links- seitigen Gerinnsel und die -Pyelitis links erklären? Es blieb eben nichts übrig, als anzunehmen, dass sie auf dem gleichen Wege wie rechts entstanden seien; nur dass, wie links die Gerinnsel ohne Empfindung entleert wurden, auch eventuelle Conerementehen ohne Sensationen abgegangen waren resp. das Nierenbecken gereizt hatten. Die näheren Bedingungen der Gerinnselbildung suchten wir so zu untersuchen, dass wir von der Lehre von der Blutgerinnung ausgingen. R Bin h \ \ , DE NEN Äh N 2 " kr USED a ni rn BE A MEAN ul lab Bed ah ra 0 LE IL. Abteilung. Medizinische Sektion 63 Die Fibrinbildung setzt drei Faktoren voraus. 1, Fibrinogen, 2. Thrombin, 3. Kalksalze. Nach den Anschauungen von Herzfeld und Klinger vereinfacht sich zwar Nr. 2 und 3 auf einen Stoff, ein Ca beladenes Abbauprodukt eines Eiweisskörpers. Doch haben wir als Thrombin Coagulen oder einen Tropfen Blutserum genommen und als Ca in Chlor- calcium. Es zeigte sich, dass, wenn man dem filtrierten frischen Urin des W. Coagulen zusetzte, die Fibrintäden reichlich anschossen, ebenso erzeugte auch CaCl, Zusatz, sowie Fibrinogenzusatz Gerinnungen. Am auffallendsten war aber ein Urin, in dem reichlich Krystall- nadeln von phosphorsaurem Kalk vorhanden waren, ohne dass eine Gerinnung zu sehen war. Als dann aber CaCl, zugesetzt wurde, trat alsbald Gerinnung ein. Das gab zu denken. Der krystallinische Calciumphosphatnieder- schlag wirkte nicht gerinnungsfördernd und zwar in einem Urin, der alle sonstigen Bedingungen der Fibrinbildung enthielt, wie durch die Gerinnung auf CaQl,-Zusatz bewiesen wurde. Warum? Vermutlich weil nicht die Anwesenheit von Ca-Salzen wirksam ist, sondern nur von Ca-Ionen. Und die Zufügung von Ca-Ionen in Form von Ca0Ql, hatte ja auch sogleich die Füllung hervorgerufen. Es war dies ein Analogon zu der Ungerinnbarkeit des Oxalatplasmas, denn diese Ungerinnbarkeit beruht doch darauf, dass durch Oxalsäure alle Ca-Ionen des Blutes als Caleiumoxalatkrystalle zu Boden geschlagen, d. h. unwirksam gemacht werden. Hier ergab sich also ein Weg, um im Körper die Gerinnselbildung zu verhüten: man müsste die in den Harn ausgeschiedenen Kalkmengen zu binden suchen. Oxalsäure dazu zu benützen, war durch ihre Giftigkeit ausge- schlossen. Citronensäure würde voraussichtlich im Organismus in Kohlen- säure verwandelt. So richtete sich unser Augenmerk gemäss dem obigen Befunde auf die Phosphorsäure, um durch die Hervorrufung von Oal- ciumphosphat die Ca-Ionen zu binden!). Da die Kalkmengen im Harn selbst bei der stark pflanzlichen Kriegskost nicht sehr grosse sind, 1/s g kaum überschreiten dürften, so genügte es vollauf, etwa 60 Tropfen Phosphorsäure am Tage als Limonade zu geben. Der Erfolg entsprach unseren Erwartungen. Seit dem Tage der Phosporsäureverab- folgung trat kein Gerinnsel mehr im Harn auf. Nur an einem Tage, wo wir, um die Sicherheit des Erfolges zu erhöhen, 100 Tropfen Phosphorsäure gaben, war ein kleines Gerinnsel zu sehen. Ob diese grosse Menge vielleicht eine Ausscheidung der Phosphorsäure auf anderem Wege bewirkt hatte, ist nicht klar. Jedenfalls hat sich sonst während der 12tägigen Phosphorsäureperiode kein Gerinnsel gezeigt. Dieselbe Erfahrung haben wir bei dem Patienten gelegentlich eines zweiten Lazarettaufenthaltes mit nur 40 Tropfen Phosphorsäure pro die gemacht: fast stets hat die Phosphorsäuredarreichung die Gerinnsel- bildung unterdrückt. Die Ausscheidung des Eiweisses blieb nicht fort, nur die Gerinnselbildung unterblieb an fast allen Tagen. Wir haben dieselbe Ueberlegung auf die Cylindrurie der Nephri- tiker erweitert. Wenn die Cylinder aus Fibrin bestehen, also eine Fibrinurie darstellten, so konnte man auch deren Entstehung durch Ca-Ionen-Entziehung zu verhüten hoffen. Freilich konnte es sich er- eignen, dass die Gerinnungsbehinderung die bei Nephritis so häufige Blutung aus Glomerulusschlingen begünstigt, denn die thrombotische, d.h. fibrinöse Verschliessung der blutenden Stelle konnte auf Phosphorsäure ebenso ausbleiben, wie die Fibrinurie. Es könnte nach den praktischen Er- 1) Auch konnte der Kalk durch die Phosphorsäure auf den Weg der Darmausfuhr gedrängt werden. TEN EN TRRETERE 64 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. fahrungen scheinen, dass die erwarteten Folgen nach der Phosphorsäure- behandlung der Nephritis auftraten. Wirsahen nämlich eine allmähliche Verminderung der Cylindrurie in einer Reihe von Fällen eintreten, sahen die Erscheinungen der Nephritis sich bei bisher lange stationären Fällen günstig wenden. Freilich darf man einwerfen, dass eine solche günstige Beeinflussung der schon stationär gewordenen Fälle auch ohne Phosphor- säurebehandlung nicht selten eintritt — und wir müssen zugeben, dass dieser Einwand anzuerkennen ist. Bei einem akuteren Falle schwanden die Cylinder ungemein schnell, aber die Cylindrurie wurde durch eine Hämaturie geringen Grades abgelöst — ob diese Erscheinung im Sinne unserer obigen Erörterung zu deuten ist, ist ingleichen fraglich: ähn- liches geschieht ja nicht so selten, auch ohne Beeinflussung bei der Nephritis — jedenfalls stimmt es mit unseren Erwägungen überein. Dem Aussetzen der Phosphorsäurebehandlung folgte alsbald das Schwinden der Hämaturie und der gewohnte Ablauf der Nephritis. Die Phosphor- säurebehandlung hat bei den stationär gewordenen älteren Fällen an- scheinend das Einsetzen einer Besserung nicht nur nicht verhindert, sondern eher begünstigt. Bei frischeren Fällen ist sie möglicherweise nicht vorteilhaft, weil sie vielleicht die Entstehung oder das Andauern einer Hämaturie ermöglicht. Die Vorstellung, welche man sich von der Wirkung der Phosphor- säure machen möchte, darf in Uebereinstimmung mit der Erörterung von Zsigmondy über die Coagulation colloider Lösungen ausgestaltet werden. Colloidale Lösungen gerinnen nicht, solange die Colloidteile, die Ultramikronen, durch elektrische Ladungen sich voneinander ab- stossen können, sie gerinnen erst, wenn ihnen die elektrische Ladung genommen wird. Tritt das ein, so entsteht eine Anziehung der Ultra- mikronen und damit Gerinnung. Derartige Entlader könnten nun die verschiedensten Stoffe sein, wie die Blutplättchen in Coagulen, wie die Ca-Ionen u. a. m. Fehlen diese Stoffe, so bleibt die Substanz — in unserem Falle das Eiweiss — colloidal gelöst, Gerinnung zu Fibrin tritt nicht ein. Diese Vorstellung dürfte eine Zusammenfassung der vielfältigen und komplicierten Theorien der Gerinnung ermöglichen. X. Demonstration eines supravaginal amputierten Uterus nach dreimaligem Kaiserschnitt. Von Geh. San.-Rat Dr. Rosenstein - Breslau. Das Präparat, das ich mir zu zeigen erlaube, ist ein unmittelbar nach dem Kaiserschnitt und der Entwicklung eines lebenden Kindes supravaginal abgesetzter Uterus, bei dem vor 7 und vor 5 Jahren schon einmal ein Kaiserschnitt mit lebendem Kind vorgenommen worden ist. Ich zeige dasselbe nicht wegen der dreimaligen Wiederholung des Kaiserschnittes — das ist nicht gar so selten, denn es sind 4-, 5- und 6 malige Wiederholungen von Kaiserschnitten bei derselben Frau mit gutem Erfolg beschrieben —, sondern weil es die Möglichkeit bietet, die einzelnen Kaiserschnittführungen zu vergleichen und auf ihren Wert zu prüfen, vor allem aber auf die Gefahren des queren Fundalschnittes hinzuweisen. Das Präparat stammt von einer 38 jährigen Frau, die, seit 12 Jahren verheiratet, schon 3 Geburten per vias natur. mit Perforation des lebenden Kindes durchgemacht bat. Wie gewöhnlich, ist auch hier die Veranlassung zum Kaiserschnitt das enge rachitische Becken, Die Frau ist 142 cm gross, hat mit 2 Jahren :laufen gelernt und zeigt mittlere Grade der Beckenenge. Dist. sp. 22, Dist. er. 24, eine Conj. vera von etwa 71/, bis 8 cm, also ein Becken mit relativer Kaiserschnittindikation. 1910 suchte sie im 4. Monat der Schwangerschaft unser Kranken- haus auf, mit der Bitte, ihr zu einem lebenden Kinde zu verhelfen. Sie willigte in den Kaiserschnitt ein, den ich ihr vorschlug. Derselbe wurde am 28. III. 1910 während meiner Abwesenheit im Krankenhause aus- geführt, und zwar wurde, im Beginn der Wehen, bei stehender Blase, nicht der klassische Kaiserschnitt, sondern der mit querem Fundalschnitt nach Fritsch vorgenommen. Lebendes Kind von 7 Pfund. Ziemlich beträchtlicher Blutverlust bei der Ineision des Uterus. Ob die Placenta getroffen wurde, ist nicht erwähnt. Die Rekonvalescenz war in den ersten Tagen gestört durch etwas Fieber und einen lästigen Meteorismus, Aufstossen, Erbrechen und schwierige Darmpassage, wie das ja leider auch nach klassischem Kaiserschnitt nicht selten auftritt. Die Frau wurde mit lebendem Kind am 14. Tage p. op. gesund entlassen. Sie kehrte zum zweiten Kaiserschnitt 1912 wieder, der am 7. November ausgeführt wurde, und zwar bei Wehenbeginn und stehender Blase. Es wurde der cervicale Kaiserschnitt mit suprasymphysärem Fascien- querschnitt gemacht. Auch hier wurde ein lebendes Kind von 71/, Pfund entwickelt. Die Operation verlief o. B. Allerdings misslang die Ab- sicht, ganz extraperitoneal zu verfahren. Das Peritoneum riss beim Schlesische Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 1917. TI. 5 66 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Abschieben an einer Stelle ein, wurde aber sofort wieder vereinigt. Da es sich um einen ganz sauberen und unberührten Fall handelte, so hat dies keinen Schaden hervorgerufen. Nachdem der Certix freigelegt, wird er l1O cm eingeschnitten und das Kind mit der Zange entwickelt. Ziemlich starke Blutung. Placenta auf Cred&. Uterus kontrahiert sich auf Secacornin subeutan gut. Nun Naht des Cervix. Naht der ab- geschobenen Blase auf den Uterus. Etagennaht der Bauchdecken. Eine Drainage wurde nicht vorgenommen. Daher wird es wohl auch kommen, dass Patientin in den ersten Tagen etwas fieberte, denn da der Cervix immer Bakterien enthält, so muss man bei cervicalem Vorgehen mit einem Quantum Bakterien rechnen und tut daher wohl immer besser, wie es auch Küstner empfiehlt, zu drainieren, einen Gazedocht ein- zuführen und am unteren Wundwinkel herauszuleiten. Abdominalerscheinungen fehlten aber ganz. Flatus schon nach 24 Stunden, der Leib war immer weich, kein Meteorismus. . Das Aussehen der Patientin sehr gut. Nachdem das Fieber abgeklungen war, verlief das Wochenbett normal, und Patientin konnte nach 3 Wochen gesund mit ihrem Kind das Krankenhaus verlassen. Zum dritten Kaiserschnitt erschien sie am 13. I. 1917. Letzte Menses 4. IV. 1916, so dass die Entbindung jeden Augenblick zu er- warten war. In der folgenden Nacht bekam sie ziemlich kräftige Wehen, und es wurde sofort, noch vor dem Blasensprung zur Operation ge- schritten. Die Frucht lag schräg, der Kopf auf der rechten Beckenschaufel, Fötalpuls rechts seitlich. Scheide steht weit offen, die vordere Scheiden- wand mit Blase prolabiert handtellergross, Mastdarm ebenfalls nicht un- erheblich prolabiert. Am Abdomen zwei Narben, eine längs verlaufende über den Nabel hinaus und eine oberhalb der Symphyse quer verlaufende, von den früheren Kaiserschnitten herrührend. Es wird nach Lumbalanästhesie mit Novocain-Suprarenin ein 20 cm langer Schnitt links neben der alten Narbe in der Medianlinie aus- geführt. Ziemlich schwieriger Zugang zur Bauchhöhle wegen breiter und vielfacher Verwachsungen des Netzes mit dem Uterus und der vorderen Bauchwand. Der Uterus herausgewälzt, wird in der Medianlinie eröffnet. Placenta, die in der vorderen Wand nach dem Fundus zu liegt, und auf die man zunächst stösst, wird bei Seite geschoben, die Eihaut ‚gesprengt und das Kind manuell entfernt. Abgenabelt, schreit es sehr bald. Die nicht unerhebliche Blutung steht nach Entfernung der Piacenta und Kontraktion des Uterus auf Secacornin und Pituglandoleinspritzungen vollends. Da die Eheleute eine Sterilisation verlangten, so wurde zur Ver- einfachung der Wundverhältnisse und sichersten Sterilisation der Uterus supravaginal mit Wegnahme der rechten Adnexe und unter Zurück- lassung der linken Adnexe abgesetzt. Typische supravaginale Ampu- tation, Knopfnähte des Cervix, fortlaufende sero-seröse Naht der Peri- tonealblätter mit extraperitonealer Versorgung der Adnexstümpfe. Die rechten Adnexe waren ebenso wie die ganze rechte Seite des Uterus- körpers vom ersten Kaiserschnitt her mit Netzteilen reichlich verwachsen und wurden deshalb nach Lösung der Adhäsionen mit dem Uterus und da sie auch unter sich Verwachsungen zeigten, mit entfernt. Nachdem auch alle Verwachsungen, auch die mit der vorderen Bauchwand gelöst waren, konnte die Peritonealnaht zum Schluss der Bauchhöhle ausgeführt werden. Dann fortlaufende Silknaht der Fascie, wobei man auf alte Silkknoten stösst, die eingeheilt zurückgelassen werden. Klammern der Hautwunde. . Die Lumbalanästhesie reichte bis zum Schluss der Operation voll- kommen aus. II. Abteilung. Medizinische Sektion. 67 Patientin hat die Operation ausgezeichnet überstanden. Die Hei- lung erfolgte reaktionslos ohne Temperaturen und ohne jede peritoneale Reaktion. Nur wird eine Zeitlang über Nacken und Kopfschmerzen, die von der Lumbalinjektion herrühren, geklagt. Patientin verlässt am 10. Tage das Bett, wird aber wegen der starken Kälte, da sie die weite Reise nach Polen unternehmen muss, erst einige Wochen später gesund mit ihrem Kinde entlassen. Der entfernte Uterus hat eine Breite von etwa 12 cm, eine Länge von 15 cm und eine Tiefe von 10 cm. Auf der Höhe des Fundus ist eine horizontal von einem Ansatz des Lig. rot. zum anderen verlaufende mehr oder weniger tiefe Rinne. In der vorderen Wand ist ein etwa 9 cm langer, tiefer longitudinaler Schnitt mit; weit klaffenden Rändern, Die Muskulatur ist hier etwa 4 cm dick. Weiter nach unten im Bereich des Cervix in der Medianlinie eine flache, rinnenförmige Vertiefung, die von der Incision des cervikalen Kaiserschnittes herrührt. An der rechten Uterusseite ist die Serosa nicht glatt, sondern uneben mit Resten von Adhäsionen und in diese mit eingebettet und inbegriffen liegen die rechten Adnexe, Tube und Ovar. Der in der Medianlinie ausgeführte Sagittalschnitt zeigt, dass die Placenta hauptsächlich in der vorderen Wand sitzt, aber hinauf bis zum Fundus reichte, dass die Wandung des Uterus überall eine Dicke von 21/,—31/; cm hat, während sie im Fundus selbst an der Narbe höchstens 1/,—®/, cm (Abbildung 1) beträgt. Ein etwa 1 cm links von diesem Schnitt gelegter Parallelschnitt zeigt, dass die Fundusnarbe noch erheblich dünner ist. Wie an beiliegender Abbildung 2 zu sehen Abbildung 1. Mo. ar und del. j [ ! | | 68 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. ist, ist dieselbe bis auf Imm verdünnt. Die Zeichnung ist fast identisch mit der von Offermann!) veröffentlichten. Wie in unserem Fall war es auch dort nicht zur Ruptur gekommen, weil die Belastungsprobe fehlte, weil der Kaiserschnitt beide Male unmittelbar sach Beginn erd Wehen bei erhaltener Blase vorgenommen wurde. Demgegenüber zeigt die Cervixnarbe eine kaum merkbare Ver- änderung des Gewebes. Eine leichte Eindellung der Oberfläche, wie man sie auch aus der Photographie erkennen kann, sonst aber ein voll- ständiges Intaktsein und Erhaltensein der Dicke der Muskulatur, die überall etwa 2 cm stark ist. Die mikroskopische Untersuchung der Narben und zunächst der Fundusnarbe des Sagittalschnittes der Medianlinien zeigt, dass dieselbe unterhalb der Serosa fast ausschliesslich aus alveolärem Bindegewebe, nach dem Uteruscavum zu aber aus Muskulatur besteht. An der dünnsten . Stelle der Narbe findet sich fast ausschliesslich Bindegewebe, seitlich und nach dem Uterus zu dünne Muskelfasern mit blassem Kern. Dagegen ist die Cervixnarbe so gut verheilt, dass man auch mikro- skopisch Mühe hat dieselbe zu finden. Dort, wo sie vermutet wird, ist nicht einmal etwas reichliches Bindegewebe vorhanden, die Muskulatur ist überall gut entwickelt und die Muskelfasern von normaler Stärke. Wir sehen also im Gegensatz zu der breiten, festen Cervixnarbe- die Fundusnarbe stark eingezogen verdünnt und zum Teil aus Binde- gewebe bestehend, an einer Stelle so dünn, dass man sich wundert, wie sie die Schwangerschaft bis zum Ende ausgehalten hat. Wäre nicht bei beiden folgenden Kaiserschnitten im ersten Beginn der Geburts- arbeit eingegriffen worden, so wäre wohl auch hier eine Ruptur ein- getreten. Demonstration von-Photographien der einzelnen Uterusdurchschnitte, die Herr Geheimrat Prof. Dr. Lesser angefertigt hat. Dafür und für die freundliche Durchsicht der mikroskopischen Präparate sage ich ihm meinen besten Dank. Jedenfalls beweist auch dieser Fall, dass dem queren Fundalschnitt. schwere Mängel anhaften. Fritsch hat ihn im Jahre 1897 wegen seiner vermeintlichen Vorzüge vor dem klassischen Kaiserschnitt emp- fohlen. Gelegentlich der Sektion einer Schwangeren durch Dr. Kauf- mann hier in Breslau, wobei der Uterus, um in dessen Höhle hinein- sehen zu können, quer am Fundus aufgeschnitten wurde, war Fritsch überrascht von der Leichtigkeit, mit der die Frucht entwickelt wurde, und von der Kleinheit der Wunde des Uterus nach Entfernung des Kindes -und der Placenta. Er empfahl darauf diese Schnittführung, die er an einem Fall aus- probiert hatte, und rühmte sie wegen der geringeren Blutung und der besseren Blutstillung, der besseren Asepsis und der leichteren Ent- wicklung des Kindes, sowie der Vermeidbarkeit späterer Bauchbrüche, da ja der Leibschnitt höher nach oben oberhalb des Nabels gelegt werden muss. In keiner Beziehung hat diese Schnittmethode aber gehalten, was. sie versprochen hat. Dagegen haben sich im Laufe der Jahre Mängel von so schwerwiegender Bedeutung herausgestellt, dass vor dieser Schnitt- führung nicht genug gewarnt werden kann. Die Gefahren des Fundalschnittes liegen in seiner Lage innerhalb- der Bauchhöhle und in seiner schlechten Heilungstendenz. Die Lage in der freien Bauchhöhle disponiert zu Adhäsionen des. Netzes md der Därme mit ihren gefährlichen Folgezuständen. 1) Mschr. f. Geburtsh., Bd. 44 (Heilung und Spätfolgen der Narbe- beim queren Fundusschnitt beim Kaiserschnitt nach Fritsch). II. Abteilung. Medizinische Sektion. 69 Eine grosse Reihe von Fällen ist in der Literatur niedergelegt, wo bald nach dem Kaiserschnitt mit querem Fundalschnitt Ileuserscheinuugen aufgetreten sind, weil durch die Involution und das Tiefertreten des Uterus die am Schnitt verlöteten Därme nach unten gezogen und abge- &nickt wurden. Wurde zeitig genug relaparotomiert, so konnte der Schaden abgestellt und die Patientin gerettet werden. * Noch gefährlicher ist die Situation, wenn die Heilung nicht per primam vor sich geht, sondern sich eine Eiterung oder ein Abscess ent- wickelt. Während beim klassischen Kaiserschnitt die Bauchwand die Gefahr gewissermaassen auffängt und den Eiterherd aufnimmt, wird beim queren Fundalschnitt eventuell die freie Bauchhöhle ergriffen, und es entsteht eine allgemeine tödliche Peritonitis. Auch solch traurige Er- eignisse sind vielfach beschrieben. Die grössten Gefahren dieses Schnittes liegen aber in seiner mangel- haften Heilungstendenz und der daraus resultierenden Rupturmöglichkeit bei wiederholter Schwangerschaft. Fast alle Autoren, die Gelegenheit hatten, die Fundalnarbe bei folgendem Kaiserschnitt wiederzusehen, be- richten, dass dieselbe in einer ganz charakteristischen Weise eingedellt ist und zwar sowohl nach der serösen als auch nach der Schleimhaut- seite zu. Schröder!) nennt dies ein Abschleifen der Wundränder, das hervorgerufen wird durch Retraktion der Muskelfasern bei den Nach- wehen. Durch das Auseinauderweichen der beiderseitigen Wundränder entsteht eine Vertiefung sowohl nach der Serosa als auch nach der Schleimhautseite zu, so dass auf dem Durchschnitt die Narbe stets gegenüber der anderen Muskulatur eine Verdünnung zeigt. Berücksichtigt man die Verlaufsrichtung der Muskelfasern des Uterus, wie es an dem Schema von Bumm deutlich zu sehen ist, so wird man nicht nur dieses Auseinanderweichen oder Abschleifen der Wundränder verstehen, sondern auch begreifen, dass der klassische Kaiserschnitt bessere Wundverhält- nisse schafft, weil die Längsmuskeln nur auseinandergezogen werden, während sie beim Fundalschnitt zum grössten Teil quer getroffen und durchtrennt werden. Wahrscheinlich ändert an diesen Verhältnissen kein Nahtmaterial und keine Modifikation der Nahttechnik. Je nachdem resorbierbares oder unresorbierbares Material zur Naht verwandt ist, geben die Ligaturen nach oder schneiden ein. Der Eindellung und Ver- tiefung folgt aussen die Serosa, innen bei folgender Schwangerschaft die Decidua, die im Bereich des Risses zuweilen bis zur Serosa heranfeichend gefunden wurde. Zudem schafft der Schnitt noch günstige Verhältnisse für die Ei- insertion. Nach der Statistik von Schröder hat sich von 25 Fällen von Narbenruptur 1Omal das Ei im Fundus und speziell in dieser Ver- tiefung der Narbe entwickelt. Es liegt auf der Hand, dass die durch die Schwangerschaft ausgezogene und verdünnte Narbe, wenn sie noch die Trägerin von Placentargewebe ist, ausserordentlich zur Ruptur disponiert. Zuletzt dürfte auch die von Fritsch gerühmte leichte Umsteckung der zuführenden Gefässe nicht unbedenklich für die Heilung sein. So unverkennbar darin ein Vorteil für die Ausführung der Operation liegt, so leicht kann durch Anämisierung des Gewebes eine kräftige Narben- bildung verhindert werden. Auch der wegen des parallelen Verlaufes der Gefässe theoretisch vielleicht gerechtfertigte Vorteil geringerer Blutung ist vielfach vermisst worden. So berichtete Braun von Fernwald in der Wiener gynäkologischen Gesellschaft, dass sowohl die Entwickelung 1) Schröder, Ueber Rupturen der Kaiserschnittnarben bei nach- folgenden Schwangerschaften. Mbl. f. Geburtsh. u. Gyn., Bd. 44. 70 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. des Kindes beim queren Fundalschnitt durchaus keine leichtere, dass aber vor allem die Blutung eine bedeutende gewesen sei. Wenn die folgende Schwangerschaft und Entbindung eine Funktions- prüfung für den Widerstand der Narben des vorangegangenen Kaiser- schnitts darstellt, so hat der quere Fundalschnitt diese Prüfung nicht bestanden, denn es sind in einer unverhältnismässig grossen Zahl Rupturen aufgetreten, die zum Tode der Frucht und der Mutter geführt haben. Natürlich kommen auch beim klassischen Kaiserschnitt Rupturen vor, aber, wenn man die Zahl der klassischen Kaiserschnitte berück- sichtigt, sehr viel seltener, weil derselbe zweifellos eine bessere Heilungs- tendenz hat und in vielen Fällen durch Verwachsung mit den Bauch- decken einen natürlichen Schutz findet. Freilich gibt es eine Sicherheit für die fiächenhafte Heilung der Schnittränder auch beim klassischen Kaisersehnitt nicht, und diese Unsicherheit der Heilung der korporealen Kaiserschnitte im Bereich des Korpus hat vielleicht mitgewirkt, die Sympathien dem cervikalen Kaiserschnitt zuzuwenden. Dieser Gesichts- punkt ist ja vielleicht hierbei nicht so sehr hervorgetreten, als vielmehr die Erweiterung der Indikationsstellung. Aber sie hat wohl mitgewirkt. Gerade die Küstner’sche Schule ist es ja, die dem cervikalen Kaiserschnitt und ganz besonders in seiner extraperitonealen Ausführung auf der Basis breitester Indikation das Wort geredet und zur allgemeinen Annahme verholfen hat. Vergleichen wir an unserem Präparat die beiden Narben auf ihre Stärke und Lage, so begreifen wir recht, warum dem cervikalen Kaiser- schnitt der allgemeine Vorzug gegeben wird. Dort eine dünne Decke, die keinem wesentlichen Druck standhält, hier eine dicke feste Narbe, die im Cervix selbst kaum als solche zu erkennen ist und jeder Geburts- tätigkeit gewachsen erscheint. Dort eine Narbe im Peritonealraum, hier eine extraperitoneal liegende, die noch den Vorzug hat ausserhalb des Eisitzes zu liegen und nicht Insertionsfläche für die Placenta zu sein. Prüfen wir noch einmal alle Schnittmethoden auf ihre Festigkeit, so erscheint der Fundalschnitt als der unzuverlässigste. Er heilt nicht besser, sondern schlechter als der klassische Kaiserschnitt und steht mit diesem der cervikalen Schnittrichtung in Bezug auf Zuverlässigkeit und Festigkeit und Indikationsbreite in jeder Beziehung nach. Bleibt der klassische Kaiserschnitt manchen Fällen unbedingt vorbehalter, so ist der Fuw#dalschnitt endgültig aufzugeben und muss, wie Martin sagt, der Geschichte der Kaiserschnittoperationen überlassen bleiben. XI: ‘ Die zukünftige Bekämpfung der Geschlechts- krankheiten. Von Martin Chotzen-Breslau. Die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten ist auf Grund der während der Kriegsjahre gewonnenen Erfahrungen von wesentlich höherer Bedeutung für die Volksgesundheit und die Bevölkerungserneuerung als bisher. Die Anzahl der Geschlechtskranken, die im Feldzuge von 1870/71 sich in Lazarettbehandlung befanden und mit ihrer Ziffer von 33 000 Er- krankten damals schon Besorgnis erregten, ist jetzt naturgemäss eine bedeutend grössere; übertrifft doch die Dauer des Krieges die früheren Feldzüge wesentlich und ist doch auch die Anzahl der gegenwärtig zum Heeresdienste Eingezogenen zu einer früher noch nie erreichten Höhe angewachsen. Selbst wenn die im März 1915 vom Grossen Haupt- quartier bekanntgegebene Mitteilung, dass die Gesamtzahl der auf dem westlichen Kriegsschauplatze an Geschlechtskrankheiten leidenden Mann- schaften etwa um die Hälfte hinter derjenigen der in der Heimat befind- lichen zurückbleibe, im Laufe der seitdem verflossenen zwei Jahre sich nicht geändert haben sollte — nach anderweitiger Mitteilung sollen die Zugänge im westlichen Feldheere 3, im östlichen 6 pro Tausend, bei den Besatzungstruppen aber noch höher sein —, so darf für die Beurteilung der kommenden Zustände nicht übersehen werden, dass auch unter der weiblichen Heimatbevölkerung die Geschlechtskrankheiten wesentlich zu- genommen haben. Es wird somit von "beiden Seiten, von den nach Friedensschluss heimkehrenden Truppen und von der heimatlichen Frauenbevölkerung der künftige Gesundheitszustand der Gesamtheit zu- gleich bedroht. Diese kommende Bedrohung wiegt um so schwerer, weil bei dem Zurückfluten der zur Entlassung kommenden Heeresangehörigen nicht nur wie bisher in den Städten, den Verkehrsmittelpunkten, sich eine grosse Menge von Geschlechtskranken anstauen wird, sondern weil auch bis in die kleinsten Dörfer diese Erkrankungen eingeschleppt und aller Voraussicht nach binnen kurzem venerische Dorfendemien hervorgerufen werden: die Landbevölkerung, der Urquell der Arbeitskräfte für Land- wirtschaft und Industrie, die ständige Erneuerungsschicht der städtischen Fabrikarbeiter, die wertvollste Schicht der Heeresrekrutierung läuft Ge- fahr durchseucht und dadurch für die Staatswirtschaft minderwertig zu werden. Es besteht die Gefahr, dass die kurz vor dem Kriege oder erst 712 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. während des Krieges geschlechtlich Erkrankten, die schon durch die mit dem Heeresdienste verbundenen körperlichen und geistigen Ueberan- strengungen an Widerstandsfähigkeit gelitten haben, selbst trotz der sorgtältigsten militärärztlichen Behandlung während des Kriegsdienstes von den Spätformen und Nachkrankheiten der Seuche häufiger befallen werden, als in Friedenszeiten ‚zu beobachten war. Ihre Arbeits- und Erwerbsfähigkeit, sogar ihre Lebensdauer wird eine verringerte sein; die statistisch einwandfrei festgestellte lebenverkürzende Wirkung der Syphilis wird bei den derart erkrankten Kriegsteilnehmern sich in erhöhtem Maasse geltend machen. Der Bevölkerungsaufbau, dessen Sinken bereits vor dem Kriege zu Besorgnissen Anlass gab, wird durch die Zunahme von Fehlgeburten, durch die häufiger zu erwartende dauernde Schädigung der Gebärfähig- keit, durch die grössere Sterblichkeit der mit Syphilis behafteten Säug- linge voraussichtlich noch stärker gefährdet als bisher. Bedenkt man, dass der Geburtenausfäll allein durch Uebertragung des Trippers unter Eheleuten vor dem Kriege in Deutschland schon auf jährlich 200 000 festgestellt war, dann kann man ermessen, welche bedeutenden Ausfälle in der nächsten Zukunft zu erwarten sind. Es kommt hinzu, dass mit der Rückkehr der grossen Massen von Mannschaften, die nach der langdauernden erzwungenen oder freiwillig auferlegten sexuellen Enthaltsamkeit sich nunmehr einer erhöhten Be- tätigung hingeben, eine bedeutende Zunahme des vorehelichen Verkehrs und infolge davon der geheimen Prostitution sich entwickeln wird. Es wird auch unfehibar ein Anwachsen der gewerbsmässigen Prostitution sich einstellen. Ein grosser Teil der jetzt hoch bezahlten weiblichen Arbeitskräfte wird seine Arbeitsgelegenheit verlieren und wird, gewöhnt an die bisherige leichte Befriedigung seiner erhöhten Lebensansprüche, sich nicht in deren Herabminderung fügen, sondern durch Hingebung sich einen leichten und einträglichen Erwerb verschaffen. Je höher die Anzahl der gewerbsmässigen Prostituierten anschwillt, um so höher auch die Ziffer der Geschlechtskranken. Alle diese Besorgnisse erfordern allgemeine Maassnahmen zur Be- kämpfung der Geschlechtskrankheiten, die über den Rahmen der bis- herigen Ausführungsbestimmungen des Reichsseuchengesetzes hinaus- gehen, um erfolgreicher als bisher gegen diese noch immer viel zu gering eingeschätzte Gefahr vorzugehen. Die Ausführungsbestimmungen zum Reichsseuchengesetze, die seit 1905 bestehen, haben für die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten eine bessere Handhabe als das bis dahin gültige Gesetz, das Regulativ von 1835, nicht geboten. Dieses Regulativ, dessen geistiger Urheber ein General, Herr v. Thiele, war, gab die Möglichkeit gegen geschlechtskranke Personen Zwangsmaassnahmen durchzuführen, wenn nach dem Ermessen des Arztes von der Verschweigung der Krankheit nachteilige Folgen für den Kranken selbst oder für das Gemeinwesen zu befürchten waren. Also schon 1835, zu einer Zeit, wo die Kenntnis von der Ueber- tragbarkeit und Ausbreitung der Geschlechtskrankheiten, von ihrer Dauer, von ihrer Bedeutung für die Nachkommenschaft bei weitem nicht so klar und so verbreitet war wie 1905, schon damals hielt der Gesetzgeber daran fest, Befugnisse zum Eingreifen zu erlangen, um Staatsbürger, die aus Unkenntnis oder Leichtfertigkeit ihre Krankheit nicht behandeln lassen wollten, zum Schutze der Gesamtheit zur Behandlung zu zwingen. Im Laufe der Jahrzehnte hat die Ausübung der: behördlichen Befugnis immer mehr und mehr abgenommen. Das lag aber nicht an etwaigen Fehlern im Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung, sondern an der Lau- II. Abteilung. Medizinische Sektion. 73 heit der Behörden, die nicht mit genügendem Nachdruck ihre Macht- mittel zur Anwendung brachten. . Das Ausführungsgesetz zum Reichsseuchengesetz von 1905, das zur Aufhebung des Regulativs von 1835 führte, verzichtete auf Bestim- mungen, die alle etwa gemeingefährlich werdenden Geschlechtskranken weiterhin hätte treffen können, und beschränkte sich darauf, nur ge- werbsmässig sich Prostituierenden gegenüber eine Zwangsbehandlung festzusetzen. Es begründete diese Beschränkung damit, dass Geschlechts- krankheiten am häufigsten durch ausserehelichen Verkehr hervorgerufen werden, und dass es daher unbedenklich und ausreichend sei, wenn die Polizei allein gegen diese vorgehen könne. Schon 1904, als der Entwurf von diesem Ausführungsgesetze vorlag, habe ich darauf hingewiesent), dass, wie von 1835 ab, auch fernerhin die Allgemeinheit eines Schutzes gegen alle Geschlechtskranken, die sich der Behandlung gewissenlos entziehen, unbedingt bedarf, dass mit dem alleinigen Herausgreifen der Prostituierten eine Lücke im Gesetze bleibe, die der Gesamtheit verhängnisvoll werden müsse. Albert Neisser hat 1905 diesen meinen Entwurf aufgenommen): „Die Entwurfbestimmung ist äusserst bedenklich. Dann gäbe es für den Arzt gar kein Mittel mehr, selbst notorisch gemeingefährliche und verbrecherisch handelnde Personen durch Meldung an die Behörde und dadurch zwangsweise von der Behörde angeordnete Schutzmaassregeln unschädlich zu machen.“ Das war deutlich genug gesprochen, aber bei den Verhandlungen über den Entwurf wurde weder im Abgeordneten- noch im Herrenhause auf diese Bemängelung Rücksicht genommen. So kam ein Gesetz zustande. das bei manchen Medizinalbeamten bis heute noch die Sehnsucht nach dem alten Regulativ von 1835 wieder auf- leben lässt. Es ist notwendig, auf diese, wenn auch weit zurückliegende Vor- geschichte des Ausführungsgesetzes zum Reichsseuchengesetze ausführlich einzugehen, um der Aerzteschaft vor Augen zu führen, dass bei derartigen ihr Sondergebiet betreffenden Gesetzentwürfen sie ihre Meinung noch um vieles nachdrücklicher zum Ausdruck bringen muss, wenn sie in den gesetzgebenden Körperschaften sich Beachtung verschaffen will. Es ist um so notwendiger, weil in der nächsten Zeit auf diesem Gebiete neue Gesetzvorschläge zu erwarten sind. Das Ausführungsgesetz zum Reichsseuchengesetze hat mit vollem Recht davon Abstand genommen, bei Geschlechtskrankheiten dieselben Maassnahmen zu treffen wie bei den übrigen übertragbaren Krankheiten. Bei Cholera-, Typhus- und Diphtheriekranken muss wegen der leichten Verbreitung der Krankheitserreger die Behörde bis zum völligen Schwinden der Erscheinungen die Möglichkeit einer Absonderung und nötigenfalls einer zwangsweisen Krankenhausbehandlung unbedingt besitzen. Selbst gegen erscheinungsfreie Baeillenträger müssen ihr Befugnisse zustehen. Geschlechtskranke bedürfen aber nicht einer dauernden Absonderung oder Krankenhausbehandlung. Ihre Krankheit kann nur bei bestimmten, kurzdauernden Erscheinungsformen auf ihre Umgebung übertragen werden; im allgemeinen werden sie nur durch ihre sexuelle Betätigung gemeingefährlich. Es ist weder notwendig, noch überhaupt durchführbar, diese trotz ihrer Erkrankung arbeitsfähigen Menschen für die sich lange hinziehende Dauer ihres Krankseins abzusondern. Es kommt bei ihnen hauptsächlich darauf an, dass sie durch sachgemässe Behandlung ihre Erscheinungen möglichst schnell verlieren und ihre Krankheitserreger durch systematisch während längerer Zeit fortgeführte Behandlung end- 1) Zschr. z. Bekpfg. d. Geschlkrkht., Bd. 2, H. 11 u. 12. -2) Zschr. z. Bekpfg. d. Geschlkrkht., Bd. 4, H. 1, S. 18. 74 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. gültig vernichtet werden, so dass bei späterer vorehelicher oder ehelicher Betätigung eine Krankheitsverbreitung nicht mehr eintreten kann. Der Geschlechtskranke, der sich aus eigenem Entschlusse ärztlich behandeln lässt, den ärztlichen Anordnungen auch in bezug auf die Behandlungsdauer gewissenhaft nachkommt und den Geschlechtsverkehr erst dann wieder aufnimmt, wenn er von seinem Arzte wieder für völlig gesund erklärt wird, ist für die Allgemeinheit ungefährlich, für ihn brauchen gesetzliche Zwangsbestimmungen nicht getroffen zu werden. Jene anderen aber, die aus Unkenntnis über die Tragweite ihrer Krank- heit oder aus leichtfertiger Absichtlichkeit sich jeder Behandlung ent- ziehen, aber trotzdem den sexuellen Verkehr fortsetzen und somit ihre Krankheit weiter verbreiten — für solche sozialen Schädlinge, gleich- gültig, ob es gewerbsmässige oder gelegentliche Prostituierte, ob es irgendwelche andere weibliche oder männliche Personen sind — muss eine Möglichkeit gegeben werden, sie der ärztlichen Behandlung zuzu- führen. Für die Schaffung einer solchen Möglichkeit ist von ausschlaggebender Bedeutung, ob die Grundlagen für eine erfolgreiche Durchführung einer nötigenfalls zwangsweisen ärztlichen Behandlung zurzeit vorhanden sind. Das ist seit 1905, seit dem Inkrafttreten der Ausführungsbestim- mungen des Reichsseuchengesetzes, in erhöhtem Maasse als vordem der Fall. Die wissenschaftliche Forschung und die Erzeugnisse der chemi- schen Industrie haben stets feiner aufgebaute und stärker wirkende Heilmittel zutage gefördert, mit deren Hilfe der männliche Tripper und seine Folgezustände, wofern die Behandlung frühzeitig eingeleitet und sorgsam durchgeführt wird, binnen kurzer Zeit zur völligen Heilung ge- bracht werden kann. Selbst der weibliche Tripper, der häufiger als der männliche zum Uebergreifen auf tiefere Organe neigt, ist im allgemeinen leicht heilbar; nur bei jugendlichen Prostituierten, die vorzeitig wieder zur freien Verkehrsausübung zugelassen werden, bleibt die Behandlung häufig eine vergebliche. Auch die Behandlung der Syphilis hat in den letzten 10 Jahren ganz ausserordentliche Fortschritte gemacht. Die Einführung der chroni- schen intermittierenden Hg-Behandlung durch Fournier, ihre Ausge- staltung durch Albert Neisser, die Erfindung des Salvarsans durch Paul Ehrlich, die Einbürgerung der gemischten Behandlung mit Hg und Salvarsan bringen eine so schnelle Beseitigung der übertragbaren Syphiliserscheinungen zuwege, schaffen eine so schnelle und bei aus- giebiger Fortsetzung der Behandlung so beständige Vernichtung der Krankheitserreger, dass auch gegen diese Geissel der Menschheit ein erfolgreiches Eingreifen zu gewährleisten ist. Ein Zweifel an der Wirk- samkeit des Salvarsans ist heute nicht mehr berechtigt. Wenn auch die Wirkung des Salvarsans auf die Nach- und Nebenkrankheiten der Syphilis heute noch nieht mit unbedingter Sicherheit erwiesen ist, "weil für diese Krankheitsformen die Zeit der Anwendung noch zu kurz ist, um ein abgeschlossenes Urteil zu fällen, so sprechen doch die bisherigen Erfolge dafür, dass selbst diese tückischen Spätformen günstig beeinflusst werden, also auch für ihre Linderung und Verhütung eine Hilfe möglich ist. Es ist also — und das ist das Wesentliche für die Forderung einer Behandlung des einzelnen Geschlechtskranken in Rücksicht auf die All- gemeinheit — die objektive Grundlage für die Durchführung einer er- folgreichen Behandlung der Geschlechtskrankeiten vorhanden. Wie aber ist das subjektive Verhalten jener sozialen Schädlinge umzustimmen, die aus Unwissenheit, Scheu oder Leichtfertigkeit sich nicht behandeln lassen wollen? Gegen die. Unwissenheit ist nur durch Belehrung über das Wesen und die Bedeutung der Geschlechtskrankheiten anzukämpfen. Schon II. Abteilung. Medizinische Sektion. 75 seit mehr als 30 Jahren haben einzelne Aerzte, seit 17 Jahren die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten in dieser Richtung unermüdlich sich betätigt. Auch die Heeresverwaltung hat seit vielen Jahren durch Belehrung der Mannschaften und sogar der Offiziere unablässig daran gearbeitet, Verständuis zu wecken für die Ge- fahren der Krankheiten und die Notwendigkeit ihrer Behandlung. Aber die Civilverwaltung, die für die wesentlich grössere Anzahl der unter ihrer Obhut stehenden Staatsbürger bei weitem mehr zu leisten hätte als die Heeresverwaltung, bleibt weit zurück. Sie müsste, wie ich das schon früher ausgeführt habe!), unter der industriellen und landwirt- schaftlichen Bevölkerung mit stärkerem Nachdrucke wie bisher sich dafür einsetzen. Die Krankenkassen nutzen ihre ärztlichen Hilfskräfte für Belehrungszwecke noch lange nicht genügend aus und selbst die Einzelbelehrung, die der Arzt dem jeweilig von ihm behandelten Kranken mit Leichtigkeit geben kann, ohne ihn überängstlich zu machen, müsste ausgiebiger und nachdrücklicher gehandhabt werden. Schwieriger ist es, auf jene einzuwirken, die ihre Erkrankung ab- sichtlich verheimlichen, jeder Behandlung sich entziehen und trotzdem - den Geschlechtsverkehr unentwegt ausüben. Die Ursache der Verheimlichung liegt im Zusammenstossen der sittlichen, religiös-sittlichen und durch die Staatsgesetze gestützten Forderung betreff des ehelichen und ausserehelichen Verkehrs mit der Uebermacht des angeborenen Geschlechtstriebes, der bislang durch die Erziehung zu wenig beeinflusst wird. Es würde die Grenzen der vor- liegenden Erörterung überschreiten, wollte ich hier ausführen, was ‘die häusliche Erziehung, die Schule und die Kirche zu leisten hätte. Ich verweise nur auf die diesbezüglichen Ausführungen des Herrn v. Bissing im preussischen Herrenhause (Sitzung v. 29. V. 1914 u. v. 8. VI. 1916), sowie darauf, dass der Vaterländische Frauenverein und andere Frauen- verbände in der letzten Zeit sich entschlossen haben, sich dieser Er- ziehungsfrage anzunehmen). Die allzu scharfe Betenung der Pflicht einer idealen sexuellen Lebensführung führte dazu, dass sogar die preussischen gesetzgebenden Körperschaften in einer Geschlechtskrankheit den Beweis „ausschweifender Lebensführung“ erblickten und den unglaublichen Beschluss fassten, einem derart erkrankten Krankenkassenmitgliede die Vorteile der Kranken- kassenhilfe zu entziehen. Welche Verblendung, aus einer Fürsorge- einrichtung ein Sittengericht, eine Vergeltungsstelle zu machen! Welche Kurzsichtigkeit, mit solcher Bestimmung das sexuelle Begehren 'unter- drücken zu wollen! Von 1883—1903, volle zwanzig Jahre, hat diese Auffassung in der Krankenkassengesetzgebung geherrscht. Es darf nicht Wunder nehmen, dass diese Brandmarkung und Aechtung des Ge- schlechtskranken in seinem Berufs- und Gesellschaftsleben die Furcht vor der Offenbarung der Krankheit im Mittelstande und den unteren Schichten bis zur völligen Verheimlichung und Vernachlässigung ge- steigert hat. Das wirkt bis heute noch fort, und das wird erst dann anders werden, wenn über die Verurteilung der Willensschwäche die Erkenntois von der unbedingten Notwendigkeit der werktätigen Hilfe siegt. Allerdings müssen Kirche, Staat und Familie zur Erhaltung der Gesellschaftsordnung danach streben, dass allein der eheliche Geschlechts- verkehr als der erlaubte angesehen wird. Aber sie dürfen sich nicht den mannigfachen Lebensumständen verschliessen, die für die Ueber- 1) Praktische Vorschläge zur Durchführung einer sexuellen Erziehung. Zschr. z. Bekpfg. d. Geschlkrkht., Bd. 12, H. 10, S. 378. 2) Vergl. Chotzen, Die Notwendigkeit einer häuslichen, sittlichen Erziehung. Breslau 1917, Köbner’sche Buchhandlung. S. 30. 76 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. tretung dieser Forderung eine milde Beurteilung beanspruchen können. Sie müssen aber noch darüber hinaus sich klar werden, dass die heran- wachsende Jugend ebenso wie sie zur sexuellen Selbstbeherrschung und zur Unterordnung des Triebes unter höhere sittliche Forderungen zu erziehen ist, sie auch zu erziehen ist zur Pflicht, im Krankheitsfalle aus Rücksicht auf die eigene Person und auf die Umwelt sich bis zur völligen Heilung behandeln zu lassen. Tatsächlich ist im Verlaufe dieses Krieges die Beurteilung der Geschlechtskrankheiten in der gesamten Bevölkerung eine wesentlich mildere geworden; die noch so berechtigten Vorwürfe selbst der näheren Familienangehörigen verstummen, wofern der Kranke sich behandeln lässt und den ärztlichen Anordnungen gewissenhaft nachkommt. Auf Grund dieser Umstimmung der Volksauffassung schrumpft die Zahl derer, die aus Besorgnis der Offenbarung sich der Behandlung ent- zogen haben, immer mehr zusammen. Es bleiben als soziale Schäd- linge nur jene übrig, die sich trotz ihrer Erkrankung vom sexuellen Verkehr nicht abhalten lassen. Der Schutz der Gesellschaft gegen solche Menschen ist mit Straf- bestimmungen zu treffen. Es liegt aber kein zwingender Grund vor, dieser wegen, die durch das Regulativ von 1835, wenn man nur wollte, immer noch zu fassen waren, durch die Ausführungsbestimmungen zum Reichsseuchengesetz allerdings nicht mehr festgelegt werden können, eime allgemeine Meldeplicht der Geschlechtskranken und eine allgemeine zwangs- weise Krankenhausbehandlung bis zum Erlöschen der Ueber- tragbarkeit einzuführen. Eine so tief einschneidende Maassnahme wäre aus gesundheitlichen Gründen nicht zu rechtfertigen, ist aus sozialen Gründen abzulehnen. : Wohl aber ist zu verlangen, dass im Interesse der Allgemeinheit ein jeder Geschlechtskranke dazu angehalten wird, dass er selbst in den Zeiten, wo seine Krankheit nicht mehr ihm sichtbare oder fühl- bare Erscheinungen macht, er aber doch noch unter der Wirkung des Krankheitsgiftes steht, ärztlich behandelt wird und zwar möglichst ohne Störung in seinem Berufe. Das ist um so nachdrücklicher zu verlangen, weil es ohne Ab- änderung der Ausführungsbestimmungen des Reichsseuchengesetzes und noch vor einer etwaigen Einbringung eines Sondergesetzes zur Be- kämpfung der Geschlechtskrankheiten erreichbar ist. Die vorbereitenden Schritte hierfür sind bereits getan. Herr v. Bis- sing hat während seiner segensreichen Tätigkeit als Generalgouverneur von Belgien im Verein mit H. Kaufmann, dem Präsidenten des Reichs- versicherungsamtes, einen Mittelweg gefunden, der zwischen drückenden behördlichen Bestimmungen und rücksichtsloser persönlicher Freiheit allein auf der Linie sozialer Fürsorge die Lauen und Lässigen einer endgültigen Heilung zuzuführen imstande ist: Die Krankenversicherung, diese unübertroffene, glänzend bewährte, volkserhaltende Schöpfung Kaiser Wilhelms I. will weit über die Grenzen ihrer bisherigen B-täti- gung hinaus den versicherungspflichtigen Geschlechtskranken helfend zur Seite stehen durch die Schaffung von Beratungsstellen, die diese Kranken bewachen und behandeln lassen sollen, solange es erforderlich ist. Das Reichsversicherungsamt tritt mit seinem weitumfassenden Aufbau und seinen reichen Mitteln in so weitgehender Form ein, wie keine auch noch so opferwillige Krankenkassenvereinigung es jemals vermöchte: sie übernimmt die Kosten, selbst wenn der Geschlechtskranke überhaupt nicht oder nicht mehr gegen Krankheit oder Invalidität versichert ist, selbst wenn er dem Kreise des Versicherungspflichtigen nur nahesteht (Angehörige der Krankheitsträger) und ohne Eingreifen der Landes- Il. Abteilung. Medizinische Sektion. AA versicherungsanstalt unbehandelt bleiben würde. Sie übernimmt die Kosten für die Reise zur Beratungsstelle und für den dadurch ent- gangenen Arbeitsverdienst, sie übernimmt auch die Zahlung eines Haus- geldes an Angehörige, wenn der Kranke der Anstaltsbehandlung bedarf. Die Zahl der Versicherungspflichtigen beläuft sich jetzt, während des Krieges, auf 18 Millionen, zu denen 12 Millionen Familienangehörige hinzukommen. Diese Zffer wird nach Friedensschluss, nach Rückkehr der unter den Waffen stehenden Versicherungspflichtigen noch wesent- lich anwachsen: fürwahr, ein so bedeutender Teil der Gesamtbevölkerung, dass von der Ueberwachung und Fortbehandlung sämtlicher ihm zuge- hörigen Geschlechtskranken eine erhebliche Besserung der allgemeinen Gesundheitsverhältnisse.mit Zuversicht zu erwarten ist! Diese Zuversicht ist um so berechtigter, weil das Reichsversiche- rungsamt gesucht und gefunden hat Zusammenarbeit mit den Kranken- kassen. Die Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Verbände haben erkannt, dass es ihr eigener Vorteil ist, wenn die Geschlechtskranken durch An- halten zu ausgiebiger, systematisch durchgeführter Behandlung möglichst schnell wieder völlig gesunde, völlig arbeitstähige Menschen werden. Nur die Beiträge möglichst vieler gesunder Mitglieder erhält eine Kasse leistungsfähig. Die bisherige jährliche Ausgabe der Krankenkassen von 10 Millionen Mark allein für Geschlechtskranke erfordert das Aufgebot aller Hilfsmittel, um eine Behebung dieses Missstandes herbeizutühren. Auch die Frauenvereine haben sich bereit erklärt, das Reichs- versicherungsamt bei der Werbearbeit zum Ausnutzen der Beratungs- stellen zu unterstützen. Sie wissen nur zu gut, dass ledige und verhei- ratete Frauen der Uebertragungsgefahr durch Männer in höherem Maasse ausgesetzt sind, als Männer der Ansteckung durch Frauen, weil — ab- gesehen von gewerbsmässigen Prostituierten — erfahrungsgemäss Männer däs Verkehrsobjekt viel häufiger wechseln als Frauen. Die Ausdehnung der Fürsorge des Reichsversicherungsamtes auf alle, also nicht nur die versicherungspflichtigen, Männer und Frauen, die mit Syphilis und Trip- per behaftet seine Hilfe in Anspruch nehmen wollen, eröffnet endlich eine bessere Aussicht, auch die von der geheimen Prostitution herstam- menden Erkrankungen einzudämmen. Für die Verbreitung der Ge- schlechtskrankheiten ist die geheime, gelegentliche, nebenberufliche Pro- stituierte infolge ihrer Massenhaftigkeit von wesentlich grösserer Bedeu- tung als die geringzifferigere polizeilich überwachte gewerbsmässige. Die gesundheitlichen Verhältnisse der letzteren durch Ausgestaltung der sanitären Ueberwachung zu bessern ist notwendig, da die bisherigen sittenpolizeilichen Bestimmungen in hygienischer Richtung nur geringen Nutzen geschaffen haben. Noch wichtiger ist es, den Gesundheitszustand der geheimen Pro- stituierten zu heben. Sie sind zumeist versicherungspflichtige Kranken- kassen-Mitglieder. Sie hatten als solche schon immer die Möglichkeit auch eine etwaige Geschlechtskrankheit auf Kassenkosten behandeln zu lassen. Sie haben aber, selbst wenn sie sich schon zur Aufsuchung ärztlicher Hilfe entschliessen, selten die Ausdauer sich so lange behandeln zu lassen, als es erforderlich ist. Dazu sind sie nur durch wiederholtes Zureden und Ermahnen zu bestimmen. Der leitende Arzt der Beratungs- stelle und seine ihm zur Seite stehenden Hilfskräfte (Fürsorgeschwestern) werden das eher zustande bringen als unpersönliche Aufrufe einer Kran- kenkasse oder Aufforderungen einer Polizeibehörde. Von der grössten Bedeutung wird — und auch das bleibt das Ver- dienst von Bissing’s — die Zusammenarbeit des Reichsversicherungs- amtes mit der Heeresverwaltung. Die Aufgabe der Militärbehörde gegenüber dem geschlechtskranken Soldaten besteht während des Krieges darin, ihn zunächst sobald. als 78 Jahresbericht der Sehles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. möglich frei zu machen von Krankheitserscheinungen, damit er aufs schleunigste seiner eigentlichen Soldatenbestimmung, der Kriegsverwen- dungsfähigkeit, wieder zugeführt werden kann. Der geschlechtskranke “Soldat ist eine wertlose Belastung des Truppenkörpers, das unangenehmste Brachliegen wertvollen Menschenmaterials. In zweiter Linie übernimmt es die Militärbehörde, sowie es der Dienst ermöglicht, auch den erschei- nungsfreien Kranken durch kurzfristige Zwischenkuren allmählich zur vollen Heilung zu bringen. Nach beiden Richtungen wird zurzeit von militärischer Seite sogar durch fachärztliche Behandlung in Sonderlaza- retten geleistet, was nur irgend geleistet werden kann. Es ist aber naturgemäss, dass das Endziel, die völlige Befreiung von Krankheits- erregern, während der Kriegszeit nur bei einem kleinen Bruchteil er- reicht wird. Deshalb ist zwischen der Heeresverwaltung und dem Reichsversiche- rungsamte vereinbart worden, dass bei der Entlassung von der Truppe, sowohl während des Krieges wie nach dem Friedensschlusse, die ver- sicherungspflichtigen geschlechtskrsnk gewesenen Heeresangehörigen den Landesversicherungsanstalten zur weiteren Ueberwachung durch die Be- ratungstelle namhaft gemacht werden sollen. Die Namhaftmachung soll wie eine Kläranlage, wie ein Abfangfilter zwischen Kriegsheer und Heimatsbevölkerung wirken. Arbeitet sie, wie sie soll, dann könnte eine Gesundung, eine Ausheilung der verseuchten männlichen Bevölkerung erreicht werden, wie noch niemals bisher. Nie- mals wieder steht ein so grosser Teil der männlichen Bevölkerung unter militärischer Aufsicht, die kraft ihrer Machtbefugnis ohne weiteres das unbedingte Recht besitzt, den Gesundheitszustand eines jeden festzu- stellen. Wird dieser Zeitpunkt nicht ausgenützt, ausgenützt durch ge- naueste Untersuchung und unbedingt sichere Zuführung zu weiterer Behandlung ist er unwiderbringlich verloren. Die Vereinbarung, die zwischen Heeresverwaltung und Kriegsver- sicherungsamt getroffen wurde, ist verheissungsvoll wie selten eine, aber in den Freudenbecher fiel ein Wermutstropfen! Die Meldung der bei der Heeresentlassung als geschlechtskrank Festgestellten soll nicht unbe- dingt erfolgen, sondern nur mit Zustimmung des zu entlassenden Sol- daten, dem allerdings vom Truppenarzte die Zustimmung eindringlich nahe zu legen ist. Wer weiss, wie bei Abfertigung von Massen ein ein- dringliches Zureden gehandhabt wird, kann sich vorstellen, was davon zu erhoffen ist. Eine nur mit Zustimmung des Geschlechtskranken erfolgende Mel- dung an die Beratungsstellen wird letztere niemals zu der vom Reichs- versicherungsamte beabsichtigten Wirkung kommen lassen. Sie werden _ dann herabgedrückt zu einer Gelegenheit für unentgeltliche Behandlung, wie es in mittleren und Gross-Städten deren bislang schon zur Genüge gibt. Es kommt nicht darauf an, eine neue Anzahl solcher Behandlungs- stellen ins Leben zu rufen, sondern darauf, einen Mittelpunkt zu schaffen, in dem die Meldungen aller im Reiche vorhandenen versiche- rungspflichtigen Geschlechtskranken gesammelt und von dem aus diese Kranken in geeigneten Zwischenräumen immer wieder zur Un- tersuchung und etwa erforderlichen Behandlung aufgefordert werden. Das ist eine Art Behandlungszwang, aber nur ein moralischer Zwang, der allein wirken will und wirken kann durch den Druck des ständigen Erinnerns an die Krankheit und des fortdauernden Anbietens unentgelt- licher Hilfe. Es ist ein Druck, der immer und immer wieder nur mit gütlichem Zureden auf jeden einzelnen Kranken Einfluss gewinnen will, um seinetwillen und um der Allgemeinheit willen. Ein Nutzen für die. Gesamtbevölkerung kann aber nur dann geschaffen werden, wenn tat- sächlich alle versicherungspflichtigen Geschlechtskranken der Ueber- 1I. Abteilung. Medizinische Sektion. 19 wachung zugeführt werden, nicht nur jene wenigen, die sich freiwillig mit ihrer Meldung einverstanden erklären. Was die eine Hand der Heeresverwaltung an wirksamem Eingreifen gewährte, hat die andere Zurückgenommen. Es ist schwer nachzuempfinden, aus welchen Beweggründen die Militärbehörde sich zu dieser Stellungnahme entschlossen hat. Eine An- zahl von Reichstagsabgeordneten fast aller Parteirichtungen richtete an den Reichskanzler die Frage, ob er bereit sei, auf die Heeres- und Marine-Verwaltung dahin einzuwirken, dass die Meldung der wäh- rend ihrer Dienstzeit geschlechtlich Erkrankten ohne deren Befragung an die Landesversicherungsanstalt erfolgen solle. Es wurde die Antwort erteilt: eine solche Entscheidung sei ausschliesslich Heeressache, weil dabei ausser Gesichtspunkten der Hygiene auch militärische Interessen in Betracht kommen, die eine solche Mitteilung an Beratungsstellen als unerwünscht erscheinen lassen können. Aus diesem Hinweis auf die militärischen Interessen, denen eine unbedingte Meldung unerwünscht sein könnte, ist eine klare Vorstellung von den Beweggründen der Militärverwaltung nicht zu gewinnen. Bei der ausserordentlichen Tragweite der augenblicklichen Einschränkung der Meldungen, die die grosszügigen Absichten des Reichsversicherungs- amtes nicht zu ihrer vollen Wirkung kommen lässt, und ein weiteres Sichverbergen und Unbehandeltbleiben ausserordentlich vieler Geschlechts- kranker unfehlbar zur Folge haben muss, ist zu prüfen, ob der Stand- punkt der Heeresverwaltung haltbar ist. Alsbald nach Bekanntwerden der Absicht des Reichsversicherungs- amtes, Beratungsstellen zu schaffen, tauchten in Aerztekreisen Bedenken auf, ob die ärztliche Schweigepflicht dem Kassenarzt überhaupt gestattet, ein Kassenmitglied, das sich ihm anvertraut habe, der Landesversiche- rungsanstalt anzugeben. Nach längerer Erörterung sind diese Bedenken allmählich verstummt. Auch von militärärztlicher Seite wird geltend gemacht, dass die Krankmeldung eines Soldaten als ein dem Truppenarzte anvertrautes Geheimnis anzusehen sei, das den Truppenarzt zur Verschwiegenheit ver- pflichte und eine Weitermeldung der Erkrankung an irgend eine andere Stelle nur nach ausdrücklicher Genehmigung des Erkrankten gestatte. Es wäre zu befürchten, dass im Falle der Weitermeldung ohne besondere Genehmigung eine Störung des zurzeit erfreulicherweise bestehenden Vertrauensverhältnisses, das den geschlechtskranken Soldaten ohne jedes Bedenken seinen Truppenarzt aufsuchen lässt, herbeigeführt werden, eine Unterlassung der Krankmeldung, eine Verheimlichung der Krankheit und schliesslich die heimliche Bevorzugung der Kurpfuscherbehandlung eintreten könnte. Die rechtlichen Bedenken bezüglich der militärärztlichen Schweige- pflicht werden selbst von den einzelnen Aemtern, die sich mit dieser Frage zu beschäftigen haben, verschieden gewertet: die des Kriegs- ministeriums und des Reichsversicherungsamtes nehmen einen entgegen- gesetzten Standpunkt ein. Der Reichskanzler hatin der oben angeführten Antwort auf die Reichstagsanfrage den Standpunkt des Reichsgerichts angeführt, das längst schon anerkannt hätte: höhere sittliche Pflichten könnten die Befugnis zur Preisgabe des Berufsgeheimnisses begründen. Liegen höhere sittliche Pflichten vor, die die Heeresverwaltung zum Aufgeben ihrer bisherigen bedingten Meldung unter Zustimmung des Erkrankten bewegen könnten? Mehrfache Gründe sprechen dafür. Die Heeresverwaltung ist ein Teil der Staatsverwaltung. Militär- behörde und Zivilbehörde -sind ausführende Beauftragte des Staatsganzen. Die Mitteilung einer der einen Behörde bekannten Tatsache an eine andere Behörde (Reichsversicherungsamt und Landesversicherungsanstalten so Jahresbericht der Sechles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. sind Teilkörper der staatlichen Zivilbehörde) kann niemals eine unbefugte Offenbarung sein, wenn sie im Sinne einer zwecks Erhaltung des Staats- ganzen geschaffenen Einrichtung erfolgt: Die Erhaltung des Staatsganzen steht höher als die Erhaltung unwesentlicher Sonderfragen der Heeres- verwaltung. Die Aufrechterhaltung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Geschlechtskranken und Truppenärzten ist — so wünschenswert es im Einzelfalle sein mag — für die milıtärärztliche Heeresversorgung belang- los. Die Militärbehörden dürfen und können nicht empfindsam sein, sie waren es nie und sind es auch jetzt nicht. Sie haben noch immer Mittel und Wege gefunden, das, was sie erreichen wollten, trotz des Widerstandes des Einzelnen durchzusetzen. Sie können den geschlechts- kranken Soldaten auch ohne das Bestehen eines besonderen Vertrauens- verhältnisses zur Krankmeldung zwingen und etwaige Verheimlichungen jederzeit durch häufigere, ausgedehntere und strengere Untersuchungen feststellen. Die Rücksicht auf das Empfindungsleben der Mannschaften ist kein stichhaltiger Grund dafür, die Weitermeldung der geschlechts- kranken Versicherungspflichtigen von deren Zustimmung abhängig zu machen. In einem Staate mit allgemeiner Wehrpflicht hat die Heeresverwaltung nicht nur im stehenden Heere die Geschlechtskranken mit allen verfüg- baren Mitteln möglichst schnell wieder zu gesunden, völlig dienstfähigen Soldaten zu machen. Sie hat aus Rücksichten der militärischen Selbst- erhaltung auch nachdrücklich darauf zu halten, dass der kranke Heeres- pflichtige sogar über seine aktive Dienstzeit hinaus, auch während der Reserve- und Landsturmpflicht, bis zur völligen Heilung überwacht und behandelt wird, damit der bei der Aushebung tür diensttauglich Befundene wieder diensttauglich wird und bis zum Ablauf seiner Heereszugehörigkeit bleibt, was er zu werden versprach. Die endgültige Heilung der geschlechts- kranken Mannschaften ist gerade, weil es sich, abgesehen von ihrer Geschlechtskrankheit, um ein völlig gesundes, kräftiges, voll leistungs- fähiges Menschenmaterial handelt, für die Militärbehörde von so grosser Bedeutung, dass — wenn sich jetzt nicht die Ueberwachung und Be- handlung durch die Landesversicherungsanstalten hätte einrichten lassen — sie selbst von sich aus an die Lösung dieser Aufgabe hätte herantreten müssen. Wenn heute der oberste Kriegsherr für diese kranken Mann- schaften eine Fortführung der Ueberwachung und Behandlung bis zum Schlusse der Landsturmpflicht anordnen würde, würde aus der Erkenntnis der gegenwärtigen Kriegserfahrung heraus die gesamte Bevölkerung mit einem derartigen militärischen Behandlungszwange sich ohne Murren ab- finden. Dank der Vereinbarung zwischen Heeresverwaltung und Reichs- versicherungsamt ist eine solche Anordnung des obersten Kriegsherrn nicht notwendig. Wenn aber diese Arbeitslast von den Schultern des Militärs auf die breiteren der gesamten Versicherungsträger übernommen wird, dann sollte die Heeresverwaltung um so weniger mit der Zustimmungserklärung des Erkrankten einen Hemmschuh anlegen, der die Wirkung einer durchgreifend erfolgreichen Fahrt bedenklich in Frage stellt. Die Militärbehörde hat die Behandlung der Geschlechtskranken auch vom Standpunkte des Bevölkerungsnachwuchses aus zu betrachten. Ihre diesbezüglichen Interessen fallen zusammen mit denen der Zivilbehörden. Beiden ist an der Aufzucht einer möglichst zahlreichen gesunden Be- völkerung sehr viel gelegen: der Zivilbehörde aus allgemeinen sozialen Rücksiehten: zur Entwicklung einer ausgiebigen Arbeits-, Erwerbs- und Steuerfähigkeit; der Militärhebörde zur Entwicklung einer möglichst hohen Rekrutierungsziffer. Das Fortschleppen ungenügend behandelter Ge- schlechtskrankheiten bis zur Eheschliessung, ihre Uebertragung auf die Ehefrau, die Hervorrufung von Fehlgeburten, die Vererbung auf die ne nn a ei Ya DE Ann a II. Abteilung. Medizinische Sektion. 8l Nachkommenschaft bewirken eine Abnahme der Heeresdiensttauglichen, der vorzubeugen ist. Das Problem der Bevölkerungspolitik erfordert die Mitarbeit der Heeresverwaltung an der Unschädlichmachung aller ge- schlechtskranken Soldaten, nicht nur jener, die einsichtsvoll genug sind, nach der Entlassung aus dem Heeresverbande sich weiter behandeln zu lassen, sondern aller, die während der Kriegszeit geschlechtskrank waren. Alle Volksschichten haben zurzeit für ein selbst rücksichtsloses Eingreifen der Militärbehörde behufs Heranziehung zur Behandlung volles Verständnis: sie erkennen die Staatsnotwendigkeit an, die grossen Menschenverluste, die der Krieg herbeigeführt hat, auszugleichen durch eine behördlich gesicherte Wiederherstellung der fortpflanzungsfähigen Ueberlebenden und durch eine Gesunderhaltung der kommenden Gene- ration. Auch die unbedingte, unbefragte Meldung der heeresentlassenen Versicherungspflichtigen wird, wie jede andere militärische Zwangsmaass- regel, hingenommen und nach kurzer Zeit als notwendig und nutz- bringend erkannt werden. Auf die unbedingte Meldung kann nicht verzichtet werden. Es ist festgestellt, dass nur 25 pCt. aller Geschlechtskranken der unteren Schichten freiwillig die Behandlung nur so lange durchführen, als es erforderlich ist. Die restlichen 75 pCt. stellen eine für das Volks- wohl zu schwerwiegende Ziffer dar, als dass man ruhig abwarten könnte, bis auch diese sich allmählich würden bekehren lassen. Die grosse Masse der Ungebildeten und Unvernünftigen braucht einen gewissen milden Zwang, um zu dem gebracht zu werden, was in ihrem eigenen Nutzen und in dem der Gesamtheit liegt. Die Heeres- verwaltung fragt auch bei der Auferlegung des Impfzwanges nicht nach der Zustimmung des einzelnen Soldaten; sie führt ihn durch, aus der Ueberzeugung heraus, damit auf dem allein gangbaren Wege dem Heere und der Gesamtbevölkerung zu helfen. Folgerichtiges Denken zwingt aus derselben Erwägung auch zur unbedingten Meldung der Geschlechtskranken an die Landesversicherungs- anstalten. Eine derartige unbedingte militärische Meldung wäre trotz des damit verbundenen Zwanges nicht einer etwaigen durch das Seuchen- gesetz aufzuerlegenden Meldepfiicht an eine Polizeibehörde gleichzu- stellen: diese wäre eine gesetzlich überwachte, mit Strafe bedrohte An- ordnung, jene nur eine zur Ermöglichung einer sozialen Fürsorge ge- gebene Mitteilung, die ohne Zwang, nur durch wiederholtes Ermahnen und Ueberreden eine Behandlung vermitteln will. Die Befürchtung, es könnte eine unbedingte Meldung eine Zunahme der heimlichen Kurpfuscherbehandlung der erkrankten Soldaten zur Folge haben, ist mit Leichtigkeit zu beheben. Das während der Kriegs- dauer bereits von den einzelnen Generalkommandos verfügte Verbot der Behandlung und der Ankündigung einer Behandlung von Geschlechts- kranken durch Kurpfuscher braucht nur für die Zeit nach dem Kriege bei den Zivilbehörden durchgesetzt zu werden. Das zu bewirken, wird der einflussreichen Heeresverwaltung nicht schwer werden. Es mutet zwar wie ein Treppenwitz der Weltgeschichte an, dass in einem kon- stitutionellen Staate, bei der Volksvertretung, der die geistige Blüte des Landes angehört, ein Verbot der Kurpfuscherei trotz langwieriger Ver- handlungen nicht durchzusetzen war, während die Militärdiktatur im Augenblicke des Kriegsausbruches diese für das Volkswohl unerlässliche Verfügung sofort traf — immerhin, jetzt werden selbst die gesetzgeben- den Körperschaften der Aufrechterbaltung des Verbotes Schwierigkeiten nicht mehr‘ entgegenstellen. Die Forderung des Kurpfuschereiverbotes ist auch von der diesjährigen Vollversammlung der deutschen Landes- versicherungsanstalten und von der Jahresversammlung der deutschen Ge- sellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankeiten im Juni 1917 ein- Schlesische Gesellsch. f. vater]. Cultur. 1917. U. 6 en 83 Jahresberieht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. stimmig erhoben worden. Die Staatsregierung wird sich ihr nicht ent- ziehen können. Aus all den angeführten Gründen ist dringend zu wünschen, dass die Heeresverwaltung ihren Standpunkt gegenüber den Beratungsstellen der Landesversicherungsanstalten noch einmal überprüft. Die Meldung darf nicht abhängig bleiben von dem Ermessen jedes einzelnen Soldaten, mag er noch so unzugänglich sein jedem verständigen Zureden, mag er noch so bar sein jeden Gemeinschaftssinnes. Sie ist so festzusetzen, dass sie der Verantwortung der Behörde, dem Bedürfnis des Volkes, dem Ziele des Reichsversicherungsamtes so vollkommen als irgend möglich entspricht. Die Aufgabe, die das Reichsversicherungsamt zum Nutzen der Gesamtheit übernehmen will, ist nur durch die einmütige Unterstützung und Mitarbeit der Aerzteschaft zu lösen. In der ersten Zeit nach Bekanntgabe der Absichten der Landes- versicherungsanstalten machte sich ein Widerstand der Aerzte bemerkbar. Zunächst aus Besorgnis vor wirtschaftlicher Schädigung. Diese Besorgnis ist grundlos: Die Behandlung der versicherungspflichtigen Geschlechts- kranken bleibt wie bisher in den Händen der Kassenärzte. Es ist an- zunehmen, dass auf Grund der Zuweisung seitens der Beratungsstellen den Kassenärzten sogar noch eine erhöhte Krankenzahl und damit eine Erhöhung der Einnahmen zufliessen wird. Ein weiterer Widerstand wurde geltend gemacht aus dem Gewissensbedenken, ob der Kassenarzt mit der Meldung des Geschlechtskranken sich einer Verletzung der Schweigepfi cht schuldig mache. Die Anschauung der Aerzteschaft neigt sich allmählich dahin, dass dies nicht der Fall sei. Ein jedes Kassen- mitglied weiss, dass es die ihm zustehenden Kassenvorteile: ärztliche Beratung, Arzneimittel, Krankengeld und etwaige Krankenhausaufnahme nur erreichen kann, wenn der Arzt der Kasse die Krankheit meldet. Was die Krankenkasse mit dieser Meldung macht, ob sie sie zur weiteren - UVeberwachung des Kranken bis zu seiner Ausheilung der Landes- versicherungsanstalt übergibt oder nicht, ist nicht Sache des Arztes, kann niemals dem Arzte als Vertrauensbruch ausgelegt werden. Die Tatsache, dass von allen auf diesem Wege von den Krankenkassen bis- her den Beratungsstellen namhaft Gemachten auch noch nicht einer sich über die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht beschwert hat, be- weist am besten, wie wenig berechtigt die ausgesprochenen Bedenken sind. In einer Sitzung der Sachverständigenkommission der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, im Oktober 1916, die sich mit der „befugten“ Offenbarung des dem Arzte anvertrauten Geheimnisses befasste, wies Herr Blaschko darauf hin, dass angesichts der zur Zeit sich geltendmachenden Ueberspannung des Verschwiegenheits- begriffes eine maassgebliche Auslegung des $ 300 notwendig wird. Die Kommission beschloss: „Mit Rücksicht auf eine wirksame Bekämpfung der Geschlechts- krankheiten möge der Reichstag bei den verbündeten Regierungen dahin wirken, dass der von der Strafrechtskommission zu $ 300 des StGB. beschlossene Zusatz: Die Offenbarung ist nicht rechtswidrig, wenn sie zur Wahrung berechtigter privater oder öffentlicher Interessen erforderlich war, vorausgesetzt, dass dabei die sich gegenüberstehenden Interessen pflichtmässig berücksichtigt worden sind, möglichst bald Gesetz werde.“ Mit der Erfüllung dieser drei Forderungen: der unbedingten Meldung aller geschlechtskranken versicherungspflichtigen Heeresangehörigen ohne deren Befragung, der Aufrechterhaltung des zur Zeit bestehenden Ver- botes der Behandlung von Geschlechtskranken durch Kurpfuscher und II. Abteilung. Medizinische Sektion. 83 der Erweiterung des $ 300, die die Angabe eines geschlechtskranken Kassenmitgliedes an den Krankenkassenvorstand ausdrücklich als befugt anerkennt, wird dem Ausbau der Krankenfürsorge des Reichsversicherungs- amtes ein Erfolg gesichert. Heeresverwaltung, gesetzgebende Körperschaften und Aerzteschaft mögen sich ständig vor Augen halten, dass die Beratungsstellen der Landesversicherungsanstalten mit ihrem vom Reichsversicherungsamte aufgestellten Arbeitsumfange eine von der Staatsregierung geschaffene Einrichtung sind, die unbedingt bestehen bleibt und im Laufe der Zeit. unfehlbar noch weiter ausgebaut wird. Es wäre zwecklos und unklug, wenn von irgend einer Seite her der Entwicklungsfähigkeit dieser Ein- richtung durch mangelhaftes Entgegenkommen Schwierigkeiten in den Weg gelegt oder nicht aus dem Wege geräumt würden. Wird freie Bahn geschaffen für die volle Entfaltung der in den Beratungsstellen ruhenden Kräfte, dann wird sich binnen wenigen Jahren erweisen, dass mit dieser aus der Not der Kriegsjahre hervorgegangenen segensreichen Einrichtung eine wesentliche Einschränkung der aus den Geschlechtskrankheiten sich ergebenden Volksgefährdung zu erreichen ist. OL, Uteruscarcinom und Streptokokken. Von Prof. Dr. Fritz Heimann. Vor etwa ®/, Jahren berichtete ich über Ergebnisse!), die sich bei der bakteriologischen Untersuchung des Üteruscareinoms herausgestellt haben. Ich will hier noch einmal kurz die Re- sultate streifen. In gleicher Weise wie in der Geburtshilfe muss auch in der Gynäkologie mit dem Begriff der „Selbstinfektion“ gerechnet werden, d. h. der Möglichkeit einer endogenen Infektion. Auch hier sehen wir dasselbe wie in allen geburtshilflichen Fällen, Herabsetzung der Widerstandsfähigkeit des Organismus und er- höhte Virulenz der Bigenkeime. Auf einer Art von Selbstin- fektion — im strengsten Sinne des Wortes trifft dies für diese Fälle nicht zu — beruhen ja auch die Untersuchungen von Liepmann, Hannes, Barth, Siegwardt, Bauereisen u. a., die beim Carcinom den Keimgehalt der Scheide bzw. des. carcinomatösen Geschwürs, die ins Operationsgebiet verschleppten Keime und schliesslich die Anwesenheit von Bakterien in Para- metrien und Drüsen feststellten.. Durch ihre Forschungen war es ihnen möglich, einen Schluss auf die Prognose des Falles zu ziehen. Damit hatte ich mich bei meinen Untersuchungen nicht begnügt. Ich wollte nicht einen Ausblick über den Verlauf des Falles gewinnen, sondern versuchen, den Fall selbst zu beein- flussen. Infolgedessen war es vorteilhafter, das Vorhandensein. der Spaltpilze vor der Operation festzustellen und eine Prognose des Falles auszusprechen. Auf Grund der damaligen, sehr aus- gedehnten Untersuchungen, die sich auf 65 Fälle erstreckten, kam ich zu dem Resultat, dass das Hauptgewicht der Unter- suchungen nur auf die Anwesenheit von Streptokokken zu legen sei. Es spitzte sich alles auf die Frage zu: sind im Üervix- sekret und damit in den Lymphspalten der Parametrien Strepto- kokken 'vorhanden oder nicht. Hierbei war es tatsächlich, wie die einschlägigen Untersuchungen ergaben, ganz gleichgültig, ob man es mit hämolytischen Streptokokken zu tun hatte oder mit 1) B.kl.W., 1917, Nr. 1. 1I. Abteilung. Medizinische Sektion. 85 anhämolytischen. Wir hatten in der ersten Zeit auch auf diese Untersuchung Wert gelegt; doch in gleicher Weise wie wir hämo- Iytische Streptokokken bei afebrilen Wöchnerinnen und anhämo- lytische bei schwerstem, sogar tödlichem Verlauf finden, konnte bei der bakteriologischen Untersuchung der Carcinome konstatiert werden, dass bei Anwesenheit von anhämolytischen Streptokokken die Patientinnen zugrunde gingen, während bei bämolytischen Streptokokken die eine oder andere mit dem Leben davon kam. Wie bereits erwähnt, betrug die Anzahl der damals untersuchten \ Fälle 65, die in zwei Serien von 36 und 29 Fällen besprochen wurden. E. Von den 36 Fällen hatten 18 positive, 18 negative Streptokokken- befunde. Die Mortalität betrug 61,1 bzw. 5,5 pCt. Unter der zweiten Serie von 29 Fällen konstatierten wir 24mal Streptokokken, während 5 mal dieselben fehlten. Unter Anwendung der prophy- laktischen Serumtherapie, wobei den Patientinnen unmittelbar nach der Operation 50 cem Aronson’sches Antistreptokokkenserum intramuskulär injiziert wurde, gelang es uns, die Mortalität. der Streptokokkenfälle auf 16,6pCt. primäre Mortalität herabzudrücken, während von den anderen Patientinnen, die keine Streptokokken in ihrem Cervixsekret aufwiesen, keine starb. Abgesehen davon ; zeigte es sich auch, dass der Verlauf nach Anwendung des “ Serums viel besser war. Die Sekretion war geringer, der Drainage- 4 kanal schloss sich bedeutend schneller als bei den gleichen nicht behandelten Fällen der ersten Serie. Diese Versuche wurden von mir nun fortgesetzt. Heute kann ich über eine zweite Serie von 26 Fällen totalexstirpierter Uteruscarcinome berichten. | | Wir wandten die gleiche Technik an, wie sie schon früher von mir beschrieben wurde. Der Affekt wird mit grossen Spe- kulen freigelegt und dann so lange mit sterilem Wasser berieselt, bis alles Blut und Sekret vollständig abgespült ist und das Spül- wasser absolut klar abläuft. Nun wird direkt aus der Cervix das Sekret entnommen, im Ausstrich, in Bouillon und auf der Agar- platte untersucht. Von den 26 Fällen sind im ganzen 4 Patien- tinnen gestorben — 15,3 pCt. Mortalität. Hierbei soll jedoch hervorgehoben worden, dass nur bei 2 Patientinnen eine Peri- tonitis festgestellt werden konnte, während bei den beiden anderen als Ursache des Todes eine Myodegeneratio cordis bzw. Herzinsuffizienz mit Coronarsklerose diagnostiziert wurde. Der . Befund des Peritoneums fiel bei diesen Patientinnen sowohl ana- tomisch wie bei einer nachträglichen bakteriologischen Unter- suchung einwandfrei aus. Die Todesursache bei diesen Patien- tinnen war so, dass die Operation an sich für den unglücklichen Ausgang keineswegs verantwortlich gemacht werden konnte. 16 mal wurden Streptokokken gefunden, während 10 mal nur Staphylokokken, Stäbchen usw. im Sekret gezüchtet werden konnten. Wiederum erhielten sämtliche positiven Fälle unmittelbar nach der Operation 50 cem Antistreptokokkenserum. Auch hier, wie übrigens auch bei anderen Fällen, auf die ich später zu sprechen kommen werde, stellten wir die gute Einwirkung fest. . Bis auf die zwei erwähnten Peritonitiden, die selbstverständlich unter die 86 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. positiven Fälle fielen, waren die Verläufe glatt und ohne Kom- plikationen. Wir haben also an Peritonitis nur eine Mortalität von 12,5 pCt. zu verzeichnen, gegen die 16,1 pCt. der früheren Serie ein erheblicher Fortschritt. Von den streptokokkennegativen Fällen verloren wir an einer peritonalen Infektion nicht eine ein- zige Patientin. Schliesslich soll hier noch der Vollständigkeit halber betont werden, dass die beiden Herzfälle sich auf beide Rubriken mit je einem Fall verteilen. Wiederum ist also an dieser zweiten Serie von 26 Fällen eklatant zutage getreten, welche hervorragende Bedeutung die Anwesenheit oder das Fehlen von Streptokokken im Cervixsekret beim Uteruscarcinom besitzt. Ich glaube, ich vermag schon jetzt zu sagen, dass es bezüglich des unglücklichen Ausganges der Fälle nur auf diese Frage hin- auskommt, auf welche Weise man der Streptokokken Herr werden kann. Schon ist es uns gelungen, die Mortalität der Strepto- kokkencareinome von 61,1 pCt. auf 12,5 pCt. herabzudrücken, während ja die Fälle, die keine Streptokokken aufwiesen, eigent- lich jetzt dauernd eine Mortalität von O pCt. aufgewiesen haben. Am Schluss meiner letzten Arbeit wies ich darauf hin, dass vielleicht die Anwendung von Röntgenstrahlen oder radioaktiven Substanzen, die aus dem Geschwür eine epithelbekleidete Fläche schaffen, insofern bessernd einwirken könnte, als ja die Mi- kroben eine gute Ansiedlungsstätte verlieren, wenn sie nicht so- gar selbst durch die Strahlen in irgendeiner Weise beeinflusst werden. Dies festzustellen, war der weitere Schritt meiner Unter- suchung. Zu diesem Zwecke musste die bakteriologische Be- forschung auch auf die Carcinome ausgedehnt werden, die lange Zeit hindurch der Strahlentherapie unterworfen worden waren. In erster Linie handelt es sich hierbei um inoperable Carcinome, bei denen man den grossen Fortschritt der Strahlentherapie, die Verwandlung des Geschwürs in eine völlig epithelialisierte, weder blutende noch sezernierende Fläche konstatieren konnte. Es kam bei diesen Versuchen nicht darauf an, den Verlauf der Operation bei Anwesenheit oder Fehlen von Streptokokken zu bestimmen, sondern nur das Verhalten der Mikroben unter einer fortgesetzten Strahleneinwirkung. Schon Bondy hat sich an unserer Klinik mit der Frage der bakteriologischen Wirkung des Mesothors beschäftigt. Die Versuche wurden mit Prodigiosus, Staphylococcus pyogenes aureus, vereinzelt auch mit Strepto- kokken in Bouillonkultur und Tetanusbazillen in hoher Schicht ausgeführt. Er benutzte 2 Präparate von 30 bzw. 15 mg Me- sothor, deren Strahlen mit 0,2 mm Silber bzw. dünner Glimmer- schicht gefiltert waren. Ich will auf die Einzelheiten dieser Ver- suche hier nicht näher eingehen, nur soviel sei gesagt, dass sich nur eine geringe Tiefenwirkung der Strahlen ergab, dass also die Bedeutung dieser für das Uteruscarecinom wahrscheinlich nur sehr gering zu veranschlagen sei. Filtrierte man überdies die Strahlen noch stärker, so war eine Wirkung überhaupt nicht zu . beachten. Nur wenn die Präparate ganz nabe an die Kultur herangebracht wurden, konnte ein geringer Einfluss konstatiert werden. Diese Handhabung fällt ja für die Praxis ganz fort, da Il. Abteilung. Medizinische Sektion. 87 in sollen Fällen die Schädigung des gesunden Gewebes eine be- trächtliche wäre. Auch sonst liegen über die Wirkung radioaktiver Substanzen auf Bakterien eine Reihe von Untersuchungen vor. In eingehender übersichtlicher Weise sind diese im Handbuch der Radiobiologie von Pfeiffer und Praussnitz geschildert. Es gelang bisher nicht, eine schädigende Wirkung der Röntgenstrahlen bei Bakterien nachzuwiesen, während man bei Anwendung des Radiums doch hier und da Erfolge konstatierte. Die ältesten Untersuchungen _ liegen etwa 20 Jahre zurück und knüpfen sich an die Namen Pacinotti und Porzelli (1899). Später sind mit exakten Me- thodenAschkinass und Caspari und Pfeiffer und Friedberger an diese Versuche herangegangen. Auch von ihnen wurde das Präparat der Platte möglichst genähert, und dabei konnte eine mehr oder minder hemmende oder sogar abtötende Wirkung beobachtet werden. Auch andere Autoren, Danysz, W. Hof- mann, Scholz, Strassmann, Wickham u. a. sind hier zu erwähnen. Schliesslich hat Halberstädter Trypanosomen in vitro bestrahlt und nahm wahr, dass sie dadurch die Fähigkeit, Mäuse zu infizieren, verlieren, während sie ihre Beweglichkeit erhalten. » Alle diese Autoren haben, wie bereits besprochen, nur im Experiment diese Frage geprüft. Es kommt jedoch darauf an, auch praktisch solchen Untersuchungen näherzutreten, und dazu eignet sich besonders das Uteruscarcinom. Natürlich war es, wie schon erwähnt, nur in den Fällen möglich, die von Anfang an in Beobachtung waren, bei denen die allmähliche Heilung des carcınomatösen Geschwürs verfolgt werden konnte. Infolge- dessen habe ich eine grössere Anzahl von Patientinnen, die meist an inoperablen Uteruscarcinomen litten, zu diesen Versuchen herangezogen. Es wurden nur gut beeinflussbare Fälle gewählt, bei denen die Besserung eben tatsächlich objektiv festgestellt werden konnte. Beobachtete man beim Wiederkommen der Pa- tientin zur nächsten Serie, dass der Affekt sich nicht gebessert, sondern entweder auf derselben Stufe stehen geblieben oder gar schlechter geworden war, so nahm ich von der weiteren bakterio- logischen Untersuchung Abstand. Die Technik war stets die gleiche, oben geschilderte. Im ganzen wurden 15 derartige Pa- tientinnen in 42 Untersuchungen in der obengeschilderten Weise studiert, und zwar wurden diese Untersuchungen 2-, 3- auch 4mal bei derselben Patientin wiederholt. Das Resultat fiel be- züglich der bakteriologischen Beeinflussung völlig negativ aus. Nicht in einem einzigen Falle gelang es, eine Aenderung des bakteriologischen Befundes nach der Behandlung zu bemerken. Fanden wir bei der ersten Untersuchung Streptokokken, so sahen wir dieselben Mikroben auch beim 4. Male, selbst wenn das Ge- schwür sich noch so schön gereinigt und in eine völlig epitheliali- sierte Fläche verwandelt hatte. Umgekehrt konnten wir beim Fehlen von Streptokokken und Anwesenheit von Stäbchen, Staphylo- kokken oder dgl. bei späteren Untersuchungen stets die früher gefundenen Bakterien wieder züchten. Dieses Ergebnis ist auch 8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. für die Praxis von ungeheurer Bedeutung; glaubte man doch durch die Bestrahlung vor der Operation auch diese lebens- sicherer gestalten zu können, dadurch dass man den Bakterien den guten Nährboden entzöge. Dies ist nun, wie die Unter- suchungen ergaben, keineswegs der Fall. Wenn auch aus dem Geschwür eine epithelialisierte Fläche geschaffen wird, die weder blutet, noch sezerniert, so bleiben doch die Bakterien, die auf dem Geschwür bzw. in der Umgebung desselben vegetiert haben, auch nach der Bestrahlung in gleicher Weise vorhanden. Weder die Entziehung eines gewissermaassen guten Nährbodens, noch die Strahlen selbst haben eine Schädigung der Bakterien, soweit man dies infolge des jetzt herrschenden Mangels an Tiermaterial ohne Virulenzprüfung sagen darf, herbeiführen können. Von diesem Gesichtspunkte also ist die Notwendigkeit einer Bestrah- lung einer Patientin vor der Operation nicht mehr aufrecht zu erhalten. Bleibt also noch der zweite Punkt übrig, auf den Küstner zuerst aufmerksam gemacht hat, und der von uns in den meisten einschlägigen Fällen beobachtet werden konnte. Es handelt sich bei der Infiltration der Parametrien häufig um einen entzündlichen nicht carcinomatösen Prozess, der durch Abheilung des primären Geschwürs ebenfalls zur Ausheilung kommt. Die Parametrien, die vorher hart und infiltriert waren, fühlen sich nach der Behandlung zart und weich an. Dieser Umstand allein lässt eine Bestrahlung vor der Operation sehr häufig als absolut notwendig erscheinen. E E f j E N XII. Wiederholte familiäre Hydrocephalie; zugleich ein Beitrag zur Frage der Geschlechts- | bestimmung. Von Professor Dr. Walther Hannes. M. H. Dieser mittelgrosse männliche Hydrocephalus, der einen Kopfumfang auch jetzt noch von 47 cm hat und sonst am Körper keinerlei Missbildungen zeigt, stammt von einer 28 jährigen 3 para, die bereits einmal beim zweiten Kinde von einem Wasser- kopf entbunden wurde. Die Wiederholung der Hydrocephalie bei mehreren Kindern einer Mutter ist an sich kein häufiges Ereignis, wenn auch Göhlis über einen Fall mit sechsmaligerund Frank einen solchen mit siebenmaliger Wiederholung dieser Missbildung bei den Kindern einer Frau berichten. Birnbaum bringt in seinem Buche der Missbildungen die einschlägigen Beobachtungen der Göttinger Klinik und teilt dabei mit, dass dort unter der Geburt nur ein- mal eine Wiederholung der Hydrocephalie zur Beobachtung kam. Die bei uns hier in Klinik und Poliklinik von Oktober 1893 bis Oktober 1911 beobachteten Hydrocephalen sind in den Disser- tationen von Hoffmann und Herfurth zusammengestellt. Es sind 28 Fälle; in einem davon handelte es sich um wiederholte Hydrocephalie. Sie können sich denken, dass ich hier infolge der Vorgeschichte besonders frühe an Hydrocephalus dachte. Die Diagnose war recht er- schwert, weil der beim knapp Fünfmarkstück grossen Muttermunde ins kleine Becken sich einsenkende Schädelteil, das Scheitelbein, fest und hart und der abtastbare Teil der Pfeilnaht keineswegs breit und klaffend war; Fontanellen waren bei stehender Blase nnd nicht beträchtlich erweitertem Muttermunde nicht zu tasten. Gleichzeitig bestanden Krampf- wehen, die mit Morphium bekämpft wurden, und die bei der äusseren Unterssuchung einen eindeutigen Befund zu erheben, hinderten. Der Kopf imponierte sogleich als gross und hart, doch nicht als Wasserkopf. Nach Blasensprung trat nach wenigen Stunden eine auffallende Dehnung der Cervix ein; aber auch bei handtellergrossem Muttermunde gelang es erst bei Exploration in Narkose mit der halben Hand zur grosslückigen sich ein wenig vorwölbenden kleinen Fontanelle zu kommen, so die Diagnose zu klären und zu sichern. Sofortige Perforation, bei u DEE an , nn 90 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. welcher sich weit mehr als ein halber Liter heller Flüssigkeit entleerte, langsame Kranioklasie des zusammengefallenen aber harten Schädels. Keine Blutung; Uterus gut kontrahiert, nach etwa 30 Minuten leichte Expression der gelösten und vollständigen Placenta. Keine Nachblutung. Gegen Abend bei gutem Puls und normaler Temperatur Schmerzen links neben dem gut kontrahierten und nach rechts gelegenen Uterus; hier ist eine deutliche aus dem Becken aufsteigende leicht schmerzhafte Resistenz zu tasten, die sich in den nächsten Tagen stetig becken- schaufel- und lendenwärts vergrössert. Es war sofort klar, dass es sich nur um ein von einer inkompleten Ruptur herrührendes subperitoneales Hämatom handeln könnte. Das Bauchfell war klinisch völlig unbeein- flusst; kein Singultus oder Erbrechen, keine Flatusverhaltung; dagegen infolge grosser Schmerzen beschleunigte fiache Atmung. Puls um 90=100. Am 3. Tage abends Temperaturanstieg bis auf über 38, am 4. und 5. Tage höheres Fieber und Verschlechterung des Allgemein- befindens, namentlich des Pulses und der Atmung. Dabei ist der Tumor in der linken Unterbauchseite sehr deutlich konturiert und bei Be- tastung recht schmerzhaft. Lebhafte Schmerzen im Kreuz. Am Morgen des 6. Tages machte die Patientin einen höchst desolaten Eindruck, und ich beschloss, wenn irgend möglich, dem so offenkundig infizierten Hämatom Abfluss zu verschaffen. Die auffallende Deutlichkeit des Tumors von den Bauchdecken her, und die circumskripte Schmerz- haftigkeit der über dem Affekt gelegenen Bauchdeckenbezirke legte die Vermutung nahe, dass hier vielleicht eine Verklebung des subperitonealen Prozesses mit dem parietalen Bauchfellblatt sich bereits anbahne. Vaginal tastete man einen links hoch hinaufreichenden Cervixspalt, also die Rupturstelle. Der Affekt im Ligament selbst lag aber dem Scheiden- gewölbe nicht so deutlich und prominierrnd an wie etwa ein Becken- exsudat. Ich ging deswegen zunächst von oben ein fand da aber sofort, dass ein extraperitoneales Gelangen zum Affekt unmöglich sei. Ein kleiner ins Peritoneum gemachter Schnitt bestätigte die Diagnose; es zeigte sich den zwei zur Tastung eingeführten Fingern der nach oben und rechts verlagerte Uterus, hinter ihm und links ein mächtiger retro- peritonealer Affekt. Peritonealhöhle frei von Blut und Entzündnngs- erscheinungen. Naht der Inzision. Nunmehr gelang es, von der Scheide aus und zwar stumpf von dem Cervixspalt aus das infizierte Hämatom zu eröffnen und durch die Cervix ein breites Glasdrain in den Affekt zu legen. Es lief alsbald langsam und stetig übelriechendes Blut ab. Augenfällig war die schon in den nächsten Stunden einsetzende und in den darauf folgenden Tagen allmählich immer deutlicher werdende Besserung. Nach etwa zwei Wochen wurde die Drainage dann weg- gelassen und trat völlige zu Beschwerdefreiheit führende Ausheilung ein. Die Uterusruptur, die ja leider, wie eben auch dieser noch glücklich ausgegangene Fall zeigt, beim Hydrocephalus auch heute noch nicht stets zu vermeiden ist, ist wohl als richtige Zerdehnung der Cervixsubstanz im vorliegenden Falle aufzufassen. Fraglos ist die Disposition dazu durch die bei der vorigen Geburt schon ebenfalls durch Hydrocephalus bedingte übermässige Deh- nung geschaffen und begünstigt worden. Auffallend schnell war diesmal nach Blasensprung die Dehnung aufgetreten und fort- geschritten. Es mag sein, dass dann die sehr langsame und be- wusst schonend ausgeführte Ausziehung des perforierten Schädels, der immer noch recht umfänglich uud für einen Hydrocephalus ganz auffallend hart war, den letzten Anstoss zum Auseinander- weichen der Öervixsubstanz gab. Das Fehlen jeglicher foudroyanten £ cz \g II. Abteilung. Medizinische Sektion. 91 Erscheinung post partum, wie Blutung und Kollaps, scheint mir auch darauf hinzuweisen, dass es sich beim Zustandekommen dieser inkompleten Ruptur um ein als Zerdehnung aufzufassendes allmähliches Auseinanderweichen des wohl an sich brüchigen Cervixsubstanzgewebes anzusprechen ist. Wenn wir in Fällen stärkerer Cervixdehnung den extraperitonealen cervikalen Kaiser- schnitt ausführen, so kann man nach Freilegung der Cervix ja auch oft beobachten, wie jetzt schon bei leichtem Druck, wie er zur weiteren Dislokation der peritonealen Umschlagfalte einerseits und der von ihr getrennten Harnblase andererseits notwendig ist, die verdünnte Oervixwand von innen nach aussen auseinander- weicht, fast ohne zu bluten, und der vorliegende Kindesteil sich frei in der Wunde präsentiert. Ganz ähnlich stelle ich mir das Zustandekommen der snbperitonealen Ruptur in solchen Fällen wie in meinem durch die Ausziehung vor; und es erscheint mir klar, dass dann auch gar keine alarmierenden Symptome, wie Kollaps oder Blutung, in die Erscheinung zu treten brauchen. Entgegen den Beobachtungen Bandl’s, der beim Hydrocephalus die grösste Ausdehnung der Risse auf der Seite des Hinter- hauptes fand, sei bemerkt, dass sich hier bei 2. Lage der Riss links ereignete. So interessant der klinische Verlauf dieses Falles, in welchem meines Erachtens der gemachte vaginale Eingriff richtig lebens- rettend wirkte, auch ist, so scheint mir ihm noch eine andere prinzipiell vielleicht ungleich wichtigere Bedeutung innezuwohnen. Gerade durch die Anregung und die Beobachtungen Siegel’s u.a. ist ja momentan die Frage der Geschlechtsbestimmung, die Frage der möglichen Geschlechtsbeeinflussung durch bestimmte Kohabitationstermine, worauf ja doch Siegel im wesentlichen herauskommt, wieder einmal brennend, ganz besonders brennend auch durch die Kriegszeit und ihre massenhaften Opfer blühenden Manneslebens. Die Altmeister der modernen Gynäkologie, ihnen voran B. S. Schultze,. huldigten der Anschauung, dass das menschliche Ei seine absolute Geschlechtsanlage bereits vor der Befruchtung besitze, dass es männliche und weibliche Eier gäbe. Auch Ahlfeld und H. Bayer sind Anhänger dieser Anschauung. Die moderne Zoologie hat nun in der Tierwelt verschiedene Beobachtungen gemacht, nach welchen es den Anschein hat, als - gäbe es kein im Ei präformiertes Geschlecht. Entweder die Art des befruchtenden Spermas oder der Zeitpunkt, wann das reife, an sich geschlechtlich neutrale Ovulum nach seiner Lösung aus dem Bierstock vom Samenfaden imprägniert werde, sei maass- geblich für die Art des erzeugten Geschlechtes. Nach Poll sind nun auch für die menschliche Samenbildung Anhaltspunkte gefunden worden, denen allerdings auch nach ihm noch nicht abschliessende Beweiskraft zugesprochen werden kann, die aber dafür sprechen können, dass im menschlichen Hoden zweierlei verschiedene Arten von Samenfäden gebildet werden. Nach Hertwig gibt es keine männlichen oder weiblichen Eier, sondern das Geschlecht wird aus dem Zeitpunkt der Kopu- lation bestimmt. Auf das Alter des reifen befruchtungsfähigen 92 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. Eies im Moment seiner Imprägnierung komme es an. Auf dieser Anschauung basiert nun Siegel mit seinen schon gestreiften Anschauungen über die Geschlechtsbestimmung. Er glaubt ja doch ganz offensichtlich nachgewiesen zu haben, dass in den sicher erweislichen Fällen, wo die befruchtende Kohabitation zwischen dem 1. und 9. Tage nach Einsetzen der Menstruation stattfand, vorwiegend Knaben erzeugt werden. Der Hinweis, dass jedoch auch ‘diese Anschauung nicht unwidersprochen blieb, möge hier genügen. So glaubt z.B. Pryll, dass seine Fälle keine Beeinflussung des Geschlechtes ans dem Alter des Eies bei seiner Befruchtung erkennen lassen. Nach Keibel ist die Frage der Progamie für den Menschen und die Wirbeltiere zurzeit noch nicht sicher entschieden, dagegen ist es zweifellos, dass bei vielen Wirbellosen das Geschlecht in den Eiern bereits bestimmt ist. Die Frage, ob Progamie, d. h. jedes Ei hat von Beginn fest- gelegtes Geschlecht, oder Syngamie, d.h. das neutrale Ei erhält durch die Befruchtung seinen Geschlechtscharakter, beim Menschen anzunehmen ist und vorliegt, ist auch jetzt noch im Fluss. Jedes Moment, das geeignet sein könnte, klares eindeutiges Material zur Stütze der einen oder der anderen Anschauung zu bringen, erscheint darum wichtig. Meines Wissens als erster hat Sippel im Jahre 1906 auf die mögliche Bedeutung familiärer Missbildungsreihen zur Lösung der hier interessierenden Frage hingewiesen, und zwar unter Ver- öffentlichung einer einschlägigen Beobachtung. Ein Mann zeugte in erster Ehe mit einer gesunden Frau 12 gesunde Kinder, 5 Knaben und 7 Mädchen; in zweiter Ehe heiratete er die ge- sunde Schwester seiner gestorbenen Frau und hatte mit ihr ein gesundes Mädchen, dann vier anomale Knaben, dann wieder zwei gesunde Mädchen. Der erste Knabe zeigte eine Spina bifida, der zweite eine ‘bald nach der Geburt zum Erstickungstode führende persistierende übergrosse Thymus, der dritte, äusserlich wohlgebildet, kam tot zur Welt, der vierte hatte angeborenes Myxödem und wurde Idiot. Da dieser Mann in erster Ehe gesunde Knaben gezeugt hatte, so muss nach Sippel in der zweiten Ehe eine anomale mütter- liche Einwirkung bei denjenigen Eiern zustande gekommen sein, aus denen sich die Knaben entwickelten. Anschliessend an diese Mitteilung berichtete dann 1907 Schirmer über ein Elternpaar, dem nach drei gesunden Knaben ein weiblicher Hemicephalus und nach je einem weiteren ge- sunden Knaben je ein weiblicher zweiter und dritter Hemicephalus geboren wurden. Sippel hat fraglos recht, dass diese Schirmer’sche Beob- achtung nicht widerspruchslos für das Vorhandensein männlicher und weiblicher Eier gedeutet werden könne, da ja auch eine gleichartige und gleichbleibende väterliche Einwirkung diese stets gleiche Missbildung verursacht haben könne. : Viel beweiskräftiger im Sinne Schultze’s, Ahlfeld’s, Sippels und anderer, dass es doch beim Menschen männliche De Se re Ba De, U II. Abteilung. Medizinische Sektion. 93 und weibliche Eier gibt, liegt die Sache in diesem Falle hier. Diese Frau hat ein lebendes gesundes Mädchen vor nahezu 4 Jahren geboren. Ihr zweites und dieses hier ihr drittes Kind sind Knaben, und zwar mussten beide wegen Hydrocephalie per- foriert werden. Dies ist zweifellos an sich schon auffallend, dass bei der Tendenz zur Wiederholung der Hydrocephalie das gesunde Kind anderes Geschlecht zeigt als die missbildeten. Hierzu kommt noch, dass die Literaturdurchsicht, namentlich der Göttinger und unserer Breslauer Fälle zeigt, dass ‘beide Geschlechter ziemlich gleichmässig teilhaben an dieser Missbildung, dass keineswegs hinsichtlicb der Frequenz das männliche Geschlecht überwiegt. Und nun gibt die Familienanamese unserer Kranken folgende sehr beachtenswerte weitere Aufklärung. Ihre Mutter hat 4 Kinder geboren und zwar 3 gesunde Mädchen und 1 Knaben, der wegen Hydrocephalie perforiert werden musste. Hier liegt es doch ausserordentlich nahe, anzunehmen, dass es sich um eine ausschliesslich in den männlichen Eiern gelegene und auf diese vererbte Anomalie handle. Suchen wir diesen eigenartigen Fall auf der Basis der Syngamie zu erklären, so wäre es doch unendlich weit hergeholt anzunehmen, dass das ‘vom Sperma in das neutrale Ei eingeführte geschlechtsbestimmende Moment bei Mutter und Tochter gerade so anomal gestaltet ge- wesen sei, dass die gleichen männlichen Missbildungen erzeugt. wurden. Dagegen wird der Fall klarer, wenn wir annehmen, dass es männliche und weibliche Eier gibt, und dass hier eine Anomalie in den männlichen Eiern vorliegt. Plate steilt sich in seiner Vererbungslehre auf den Standpunkt, dass alle reifen Geschlechtszellen getrenntgeschlechtlicher Tiere eine männliche und eine weibliche Anlage aufweisen. Und auch da, wo nach den Untersuchungen der Zoologen und Züchter eine syngame Geschlechtsbestimmung angenommen werden kann, handelt es sich nach Plate streng genommen um Progamie, da es in diesen Fällen auch verschiedene geschlechtlich differenzierte Spermien gibt. Hinsichtlich des Menschen ist Plate geneigt, mit Gutherz anzunehmen, dass es bei diesen zwei Sorten Spermien nicht gibt. So ist denn dieser Fall vererbter wiederholter Hydrocephalie unzweifelhaft geeignet, die Anschauung der Progamie im mensch- lichen Ei auch gerade den klinischen Erfahrungen Siegel’s gegenüber, die eine Betonung der Syngamie ergeben, zu stützen. Leider habe ich die in der Literatur niedergelegten Fälle von Göhlis und Frank, in denen sich 6- und 7 mal die Hydro- cephalie bei den Kindern einer Frau wiederholten, mir bisher nicht im Original zugängig machen und so auch nicht feststellen können, ob auch in diesen Fällen etwa die Hydrocephalen immer gleiches Geschlecht hatten. XIV. Ueber die tuberöse Hirnsklerose und über ihre Beziehungen zu Hautnaevi. Von Primärarzt Dr, (. S. Freund-Breslau. Auf der im Herbst 1913 in Breslau tagenden Versammlung der Gesellschaft deutscher Nervenärzte hatten besonders zwei Vorträge allgemein medizinisches Interesse, nämlich der Vortrag des Herrn Geheimrat von Strümpell: „Ueber Pseudosklerose“ 1) und der des Herrn Prof. Schuster-Berlin: „Beiträge zur Klinik der tuberösen Sklerose des Gehirns“2). Bei beiden Hirnkrank- heiten wird der Hinweis auf die Diagnose in erster Reihe durch Nichtnervensymptome gegeben. Bei der Pseudosklerose findet sich fast konstant ein Symptom am Auge, nämlich eine grün- liche Verfärbung des Hornhautrandes, und Veränderungen an den inneren Organen, speziell eine zirrhotische Verkleinerung der Leber und eine Vergrösserung der Milz, und bei der tuberösen Sklerose eigenartige Hautanomalien, vor allem das Adenoma sebaceum im Gesicht und noch andere Hautaffektionen, vor- wiegend Naevi und ähnliche Geschwulstbildungen an den inneren Organen, besonders an den Nieren und am Herzen. Einige Zeit später entdeckte ich unter den Insassen des unter meiner ärztlichen Leitung stehenden Städtischen Siechenhauses an einem mit Krämpfen behafteten 33jährigen Idioten im Gesicht eine an das sogenannte Adenoma sebaceum erinnernde symme- trisch lokalisierte Hautaffektion und am übrigen Körper eine Reihe so eigenartiger Hautanomalien, dass ich mich veranlasst sah, den Fall in der Breslauer Psychiatrisch-neurologischen Ver- einigung am 25. Mai 1914 als Fall von tuberöser Hirnsklerose vorzustellen). Es fanden sich zahlreiche rötliche Hautwärzehen symmetrisch gruppiert in den Nasenlippenfalten und in der das Kinn von der Unter- lippe abgrenzenden Falte teils flach, teils knospenförmig hahnkammartig dicht aneinandergestellt; ferner ein kleinpflaumengrosser, gelbbräun- licher, leicht erhabener Fleck rechterseits an der Stirn nahe der Haargrenze, eine Anzahl kreisrunder 1—2 markstückgrosser kahler 1) D. Zschr. f. Nervhik., 1913, Bd. 50, S. 46. 2) D. Zschr. f. Nervhlk., 1913, Bd. 50, S. 96. 3) Vgl. Sitzungsbericht, Punkt 4 der Tagesordnung. B.kl.W., 1914, Nr. 36. II. Abteilung. Medizinische Sektion. 95 Flecke an der hinteren Hälfte des Schädels, kleine gestielte Haut- fibrome beetartig gruppiert in der Mitte und an den Seitenrändern der Nacken-Rückengrenze, und schliesslich eine flächenhafte Hautver- diekung in einem handtellergrossen Bezirk der unteren Lendengegend, von derselben Farbe wie die Umgebung, von seichten Furchen durch- zogen und mit zahlreichen comedoähnlichen Punkten durchsetzt. Die Sektion am 8. Dezember bestätigte die Richtigkeit meiner Annahme. Herr Privatdozent Dr. Hanser und ich fanden an der Hirnoberfläche eine Anzahl mehr oder minder scharf begrenzter Partien, welche sich von ihrer Umgebung durch ihre hellere, grau-weissliche Farbe und beim Abtasten durch festere Konsistenz unterschieden. Wir fanden ausserdem noch Geschwülste an beiden Nieren. Sie wurden von Herrn Prof. Henke als Fibromyome diagnostiziert. Das Gehirn sandte ich unversehrt nach Berlin in das unter Leitung von Prof. Oskar Vogt stehende Neuro- biologische Institut zu Herrn Prof. Max Bielschowsky. Er bestätigte die Richtigkeit der Diagnose auch durch die mikroskopische Unter- suchung. Bei dem Studium der Literatur war ich überrascht durch die vielen Beziehungen, die die tuberöse Hirnsklerose zu den ver- schiedensten Disziplinen besitzt. Die Tatsache, dass bei ihr schwere Hirnveränderungen in fast gesetzmässiger Verbindung mit Hautanomalien zumeist Naevi und mit geschwulstbildenden Pro- zessen in anderen Organen auftreten, gibt ihr ein besonderes Ge- präge. Unsere heutige Tagesordnung, auf welcher ich als Nerven- arzt die Beziehungen der tuberösen Sklerose zu den Hautnaevi erörtern will und Herr Privatdozent Dr. Hanser über Nieren- und Herzgeschwülste bei tuberöser Sklerose sprechen wird, soll dies zum Ausdruck bringen: Nicht vur die Neurologen und patho- logischen’ Anatomen, sondern auch die Hautärzte, die Internen wie die Chirurgen sollen bei ihren diagnostischen Erwägungen mit der tuberösen Hirnsklerose rechnen. Eine besondere Be- achtung muss das Leiden auch bei den Kinderärzten und den Schulärzten finden. L Der Schwerpunkt der bisherigen wissenschaftlichen Untersuchung hat bisher auf hirnhistologischem Gebiete gelegen. Besonders in den letzten 10 Jahren sind dadurch ungeahnte Einblicke und Ausblicke gewonnen worden für die Lehre von den Missbildungen und Neu- bildungen, für das gleichzeitige Vorkommen von Missbildungen und Neu- bildungen an demselben Gehirn und auch für die engen verwandtschaft- lichen Beziehungen zwischen der tuberösen Hirnsklerose und der als Recklinghausen’sche Krankheit bezeichneten Neurofibromatose. Eine genaue Durchforschung des Systems der Drüsen, die der inneren Sekretion dienen, müsste in künftigen Fällen vorgenommen werden [Gallus]?). Dies erheischt die Minderwertigkeit der gesamten Anlage, die in manchen dieser Fälle besteht, insbesondere die mangel- hafte Genitalentwicklung. In zwei Fällen fand sich Aplasie der Ovarien, in einem dritten Infantilismus des Uterus und schliesslich einmal Atrophie der Testikeln und Ausbleiben der Pubertätserscheinungen [Gallus]. Unsere klinischen Kenntnisse bedürfen noch sehr der Ver- tiefung. Wir wissen noch sehr wenig über die Häufigkeit der 1) M. Bielschowsky und Gallus, Ueber tuberöse Sklerose, Journ. f. Psych. u. Neurol., Bd. 20, Ergänzungsh. 1. “= FE 96 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. einzelnen Symptome, den Zeitpunkt ihres ersten Auftretens, über die Fähigkeit und die Art der Weiterentwicklung der Krank- heitserscheinungen. Ich bringe Ihnen deshalb noch sehr viel Unfertiges. Trotzdem halte ich mich verpflichtet und ebenso auch Herr Kollege Hanser, in einer nicht fachärztlichen Ver- sammlung über das Thema zu sprechen, weil wir den einzigen aussichtsvollen Weg zu weiteren Fortschritten sehen in einer ge- meinsamen Bearbeitung des Krankheitsgebietes durch alle be- teiligten Disziplinen. Bisher stammte das klinische Material aus den Pflegeanstalten für Epileptiker und Idioten und zum kleineren Teil aus Siechenhäusern. Auch in der Zukunft werden diese Anstalten die Hauptfundorte für unser Material bilden. Aber es gibt rudimentär entwickelte Fälle, bei denen die Intelligenz- störung wenig ausgebildet ist oder ganz fehlt und die Krampf- anfälle sehr selten auftreten oder ganz ausbleiben. Solche Fälle dürften nicht so selten sein, als es nach ihrem Vorkommen in der Literatur den Anschein hat, da sie ohne Beschwerden ver- laufen und deshalb unbeachtet bleiben. Es gilt unseren Blick zu schärfen besonders für die in Frage kommenden Hautanomalien. Dieser Aufgabe gilt im wesentlichen mein heutiger Vortrag. -M.H.! Das Krankheitsbild der tuberösen Sklerose wurde 1880 durch eine Veröffentlichung Bourneville’s!)-Paris be- kannt. In demselben Jahre erschien auch eine durch ihre ge- diegene histologische Untersuchung ausgezeichnete Arbeit des deutschen Forschers Hartdegen?2). Die tuberöse Sklerose stellte im ersten Jahrzehnt lediglich einen anatomischen Begriff dar. Man hatte in dem Sektionsmaterial der grossen Irrenanstalten bei den Epileptikern und Idioten Gehirnbefunde erhoben, welche im wesentlichen durch das Vorhandensein ziemlich scharf um- schriebener verhärteter, manchmal geschwulstartiger Bildungen in der Hirnrinde und durch das Auftreten kleiner etwa gersten- korn- bis erbsengrosser Tumoren in den Seitenventrikeln charak- terisiert waren. i An der Hirnrinde unterscheidet man (Pellizzi, Geitlin, H. Vogt, Bielschowsky u. a.) einmal hypertrophische bzw. hyper- plastische Windungsabschnitte, welche im wesentlichen die Form und den Verlauf der betreffenden Windung beibehalten und bei nur leichter Vorwölbung mehr durch ihre hellere grau-weissliche Farbe und derbere Konsistenz auffallen, und dann zirkumskripte grössere oder kleinere Knoten, welche sich durch Ranrdfurchen gegen die Umgebung scharf absetzen und die fast konstant auf ihrer Höhe nabel- oder kraterförmige Einziehungen erkennen lassen, deren Tiefe zwischen wenigen Millimetern oder mehreren Zentimetern schwanken kann. Es gibt Uebergangsformen zwischen beiden Herdarten: seichte Deilen- bildungen auf der Kuppe der Oberfläche hypertrophischer Windungs- abschnitte. Alle Hemisphärenabschnitte können von solchen Herden betroffen sein, besonders häufig finden sie sich in den Stirnlappen, fast immer 1) Arch. de neurol., 1880, S. 81. 2) Arch. f. Psych., Bd. 11, S. 117. II. Abteilung. Medizinische Sektion. auch Herde an der medialen Fläche der obersten Stirnwindung und am Gyrus Omguli. (Abbilding 1.) ' Abbildung 1. Seitenansicht der linken Grosshirnhemisphäre meines Falles. (Die Pfeilspitzen zeigen auf tuberöse Herde.) Mit ihren klinischen Kennzeichen beschäftigt man sich erst später. Die Versuche, unter den epileptischen Erscheinungen und In- telligenzdefekten‘ derartig charakterisierte Merkmale herauszufinden, dass sich die an tuberöser Sklerose Leidenden aus der grossen Gruppe der Idiotie und Epilepsie herausheben liessen, erwiesen sich als unzulänglich. Berg!), einer der jüngsten Bearbeiter der Klinik der tuberösen Sklerose, kommt zu folgendem Standpunkt: ‚Weder die Art noch das Auftreten der epileptischen Anfälle, weder die Form noch die Entwicklung des Verblödungszustandes haben für die tuberöse Sklerose etwas Kennzeichnendes. Wir finden hier die ver- schiedensten Grade des Schwachsinns und die mannigfaltigsten Bilder der epileptischen Anfälle, wie wir sie auch sonst bei der Idiotie und Epilepsie sowie bei organischen Gehirnerkrankungen beobachten. Es liess sich dies auch nicht anders erwarten, da von dem Krankheits- ‚prozess die verschiedensten Teile des Gehirns, insbesondere die ver- schiedensten Bezirke der Grosshirnrinde in geringerem oder stärkerem Maasse in Mitleidenschaft gezogen werden können. — Demnach ist auch der körperliche Nervenbefund ein sehr wechselnder. In einigen Fällen ist er vollkommen negativ. Häufig treffen wir eine Monoparese oder Hemiparese oder eine fortschreitende beiderseitige spastische Lähmung. An Schädelmissbildungen kann sich ein Hydrocephalus finden oder ein Turmschädel oder ein Microcephalus, eine Hasenscharte oder ähnliches. In jüngster Zeit ist von Schuster und von Kaufmann je ein Fall beschrieben worden, die unter dem Bilde eines Hirntumors verliefen, 1) H. Berg, Ueber die klinische Diagnose der tuberösen Sklerose und ihre Beziehungen zur Neurofibromatose. Zschr. f. d. ges. Neurol., 1914, Bd. 25. Schlesische Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 1917. II. Ü 98 Jahresbericht der. Schles. Gesellsehaft für vaterl. Cultur. und bei denen die Gehirnsektion, abgesehen von typischen tuberösen Herden in der Grosshirnrinde, eine vom Corpus striatum bzw. Thalamus opticus ausgegangene und in den Seitenventrikel hineinragende Ge- schwulst ergab. Ein wesentlicher Fortschritt in der klinischen Dee wurde erst erreicht, als man anfing nicht allein die zerebral- bedingten Erscheinungen zu beachten sondern sein Augenmerk auf andere Organe richtete. Als weitaus wichtigste Begleiterscheinungen der tuberösen Sklerose sprechen wir jetzt die Veränderungen an der zn: an. Sie gehören in die grosse Gruppe der Naevi. Am meisten augenfällig sind die symmetrischen Naevi sebacei des Gesichts, 1891 von Pringle!) zuerst beschrieben, nach seinem Entdecker auch Pringle’sche Krankheit genannt, im Gesicht lokalisiert in Form kleiner, gelblicher oder kupferbrauner bzw. dunkelroter steck- nadelkopf- bis hanfkorn-linsengrosser, mehr oder weniger stark hervor- ragender Knötchen zu beiden Seiten der Nase und auf den Wangen in grosser Zahl symmetrisch ausgesät. Pringle hat sie mit progressiven Veränderungen an den Talgdrüsen in Zusammenhang gebracht und des- halb als Talgdrüsenadenom (Adenoma sebaceus) bezeichnet. (Abbildung 2). Abbildung 2. Symmetrischer Gesichtsnaevus in meinem Falle. 1) Mschr, f. prakt. Derm., 1890, Bd. 10, H. 5. ı II. Abteilung. Medizinische Sektion. 99 Spätere Beobachter erkennen den Adenomcharakter dieser Erkrankung nicht an, sondern rechnen sie in die grosse Gruppe der Naevi, und zwar hat mit Nachdruck zuerst Jadassohn den Standpunkt vertreten, dass derartige Affektionen weder als Adenome noch als Hyperplasien der Talgdrüsen aufzufassen sind, sondern „lediglich auf einer abnormen Keimesanlage beruhen, für die wir einen pathologisch- anatomischen Namen nicht besitzen, höchstens noch den Begriff Naevus“. Unter dem gleichen klinischen Bilde treten fibroangiom este Naevi (Darrier’s Naevi verrucosi) auf, diese können mit den Talg- drüsennaevi kombiniert sein, die letzteren können vielleicht auch in die ersteren übergehen. Es können auch Schweissdrüsenhyperplasien und Aplasien vorhanden sein, Atrophien und Wucherungen der Haarfollikel, Epithelwucherungen, weiche Naevusmassen. In ein und demselben Falle können sich verschiedene solcher Gebilde in verschiedener Zahl und An- ordnung vorfinden. Bosellinil) erklärt deshalb die Unterscheidung von verschiedenen Typen des symmetrischen Gesichtsnaevus, wie sie üblich war, für un- nötig und zwecklos. Die Follikel sind meist missbildet und verkleinert, das Bindegewebe in ihrer Umgebung ist vermehrt. Die Bildung zeigt im ganzen den Charakter einer Missbildung. Den Dermatologen ist seit Anfang dieses Jahrhunderts bekannt, dass unter den Individuen mit Pringle’scher Krankheit besonders zahl- reiche mit mangelhafter Intelligenz und mit epileptoiden Zuständen waren, ohne dass man sich über die Bedeutung dieser Beobachtung . klar war. Nach Jadassohn?) haben Pelagatti und Harbitz 1905 die ersten Fälle von Pringle’scher Krankheit mit tuberöser Hirnsklerose und Herz- und Nierengeschwülsten veröffentlicht. Mit vollem Nachdruck sind diese Beziehungen erst von Seiten der Neurologen betont worden, und zwar von Heinrich Vogt 1908 in seinem .zusammenfassenden kritischen Referat „Zur Pathologie und pathologischen Anatomie der verschiedenen Idiotieformen“ 3). Einen Ueberblick über die bisher bei tuberöser Sklerose angetroffenen Naevi gewinnt man am besten aus den Arbeiten der Neurologen Schuster 1913), Kufs 19135) und von H. Berg 19149), Schuster unterscheidet 1. solche Naevusarten, die ankeinen bestimmtenSitzgebunden sind und sich über die ganze Körperhaut zerstreut finden, darunter rechnet er a) die in der Haut liegenden flachen ganz scharf umgrenzten runden oder ovalen, linsengrossen tiefbraunen oder fast schwarzen Pigmentflecke, die sogenannten Lentigenes”), b) die das Hautniveau etwas überragenden, stecknadelkopf- bis linsengrosse graugelblichen Milchkaffeeflecke [Cafe-au-lait-Fleckel)], c) ausgeprägte, manchmal behaarte warzenförmige Naevi und 1) Mschr. f. prakt. Derm., 1910, Bd 51. 2) Die a Epitheliome. Arch. f. Derm. u. Syphilis, 1914, Bd. 117. 3) Mschr. f. Psych., Bd. 24, S. 106 ff. 4) 1. c. 5) Zschr. f. d. ges. Neurol., Bd. 18. 6) 1. ec. 7) Nach der augenblicklich gültigen Nomenklatur der Dermatologen sind Lentigenes kleine flache oder auch ganz leicht erhabene Flecke; die Caf&-au-lait-Flecke sind immer ganz glatt, blassbraun und haben sehr verschiedene, oft sehr stattliche Grösse. 7* 100 Jahresbericht der Sehles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 2. Hautanomalien, die wie der symmetrische Gesichtsnaevus sich an bestimmte Körperregionen halten, nämlich a) in der Nacken- und Halsgegend kleinste weiche stecknadel- kopf- bis erbsengrosse pendelnde Fibrome. Sie sind entweder wie in meinem Falle (s. 0.) beetartig gruppiert in der Mitte und an den Seitenrändern der Nacken-Rückengrenze oder wie in zwei der von Kufs mitgeteilten Fälle halskrausenförmig angeordnet rings um den Hals herum und besonders dicht in der Nackengegend. b) in der Becken- und unteren Lendengegend, meist in Höhe der Darmbeinkämme flächenhafte Hautverdickungen, nach Schuster von parallelen seichten Furchen durchzogen wie Chagrinleder ‘oder konfluierende Quaddeln aussehend, sie heben sich von der gesunden Haut wenig ab, haben die Farbe der normalen Haut, keine abnorme Rötung, höchstens gelegentlich einen Stich ins Bläuliche und werden infolgedessen leicht übersehen. Sie setzen sich zusammen aus Haut- partien von der Grösse eines 2—5-Markstückes. (Abbildung 3.) | Abbildung 3. Flächenhafte Hautverdieckung in der Lendengegend meines Falles. Es scheint eine Verschiedenartigkeit in dem Aussehen dieser flächen- haften Hautverdickungen zu bestehen. In meinem Falle (s. 0.) war der etwa handtellergrosse Bezirk von derselben Farbe wie die Umgebung, von ganz seichten Furchen durchzogen und mit zahlreichen komedo- ähnlichen Punkten durchsetzt. Kufs fand in dem einen Falle in einem 14,5 cm breiten und 5 cm hohen, in transversaler Richtung in der untern Lenden- und oberen Kreuzbeingegend sich ausbreitenden Areal die Haut U. Abteilung. Medizinische Sektion. 101 diffus höckerig und runzlig, livide rötlich, ‘auf der Höhe der Erhaben- heiten von wachsartigem Glanze.. In einem anderen Falle von Kufs fand sich in einem grösseren Bezirke (9:7 cm) die Haut mit vielen flachen, weichen, zum Teil ganz konfluenten blassroten oder wachsartig glänzenden Wülsten bedeckt. In einem Falle Berg’s fand sich in der Lendengegend eine über handflächengrosse Partie, die aus kleineren, quer verlaufenden Streifen zusammengesetzt und deren Oberfläche grau- blau, leicht gefältet und mit feinen kleinen Härchen besetzt war; ihre Umgebung war unbehaart. In einem anderen Falle Berg’s befand sich links von der Lendenwirbelsäule eine handtellergrosse Gruppe von höckerigen, zum Teil zusammenfliessenden Erhabenheiten, die die Farbe ‚der Haut hatten. Kufs sah in zwei seiner Fälle neben einem typischen symmetrischen Gesichtsnaevus einen sehr ausgeprägten, zum Barlow’schen Typus ge- hörigen Naevus an der Stirn; der eine Fall kam zur Obduktion und erwies sich als tuberöse Hirnsklerose. Es fand sich über der Nasen- wurzel in der Mitte der Stirn ein 5 cm langer, 3 cm breiter, durch Querfurchen in drei Lappen geteilter, fleischroter derber, in vertikaler Richtung bis über die Haargrenze hinausreichender Hauttumor, der auf der Unterlage in geringem Grade verschieblich war. In dem anderen Falle eine dicke, längliche, durch mehrere tiefe Einziehungen gefelderte, lappige Hautgeschwulst, 6 cm lang, 3,5 cm breit, das Niveau der Haut l em überragend, livide rötlich gefärbt, von mittelderber Konsistenz und auf der Unterlage in mässigem Grade verschieblich. Auch inmeinem Falle (s. o.) fand sich an der Stirn nahe der Haargrenze ein kleinpflaumen- grosser, gelb-bräunlicher, leicht erhabener Fleck. Berg berichtet, in sieben Fällen Pringle’scher Krankheit dreimal eine bandartige blassbraune erhabene Hautpartie in der Stirngegend beobachtet zu haben. Weygand hat in der Diskussion zum Schuster’schen Vortrage (s.c.) hingewiesen auf weitere Hauterscheinungen bei tuberöser Sklerose; 1. auf „starke Komedonen in der charakteristischen Ausbreitung des Adenoma sebaceum, 2. diffuse kleine Naevi verrucosi in der Richtung der Haarpapillen, 3. halbseitige Fibrome“. Kufs berichtet von seiner Meinung nach den äusseren Hautverän- derungen des Gesichts adäquaten Effloreszenzen in der Mundhöhle. In dem einen seiner Fälle ist „die Oberfläche der Zunge in der vorderen Hälfte mit roten derben, himbeerartigen Wucherungen dicht besetzt. Die grössten Knoten sind erbsengross und befinden sich in der Mittel- linie. Aehnliche, aber etwas flachere Knoten finden sich am harten Gaumen neben der Raphe und seitlich, einige am ]’rozessus alveolaris des linken Oberkiefers.. Flache papilläre Wucherungen zeigt gleichfalls noch in grosser Zahl die Schleimhaut der linken Wange“. Berg, dessen Arbeit als letzte 1914 erschienen ist, vertritt die Auf- fassung, dass „diese mannigfachen Hautgebilde für den Psychiater und Nervenarzt von besonderer Bedeutung sind, da sie bei fehlendem oder noch schwach ausgebildetem Naevus Pringle zuerst den Verdacht auf eine tuberöse Sklerose lenken können“. Ist dieser Standpunkt hinreichend begründet? Gallus!) teilte einen durch die Sektion bestätigten Fall von tuberöser Sklerose mit, bei dem nur Fibrome in der Kreuzbeingegend gefunden wurden. In dem von’ Jacob?) veröffentlichten Fall von „abortive tuberöse Sklerose* lautete die Diagnose bis zur Sektion „genuine Epilepsie mit fortschreitendem Schwachsinn“ und war der 1) Bielschowsky und Gallus (l. c.) 2) Jacob, „Zur Pathologie der Epilepsie“, Zschr. f. d. ges. Neurol., 1914, Bd. 23, S. 2f. 102 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. klinische Befund an den inneren Organen und Gehirnsymptomen völlig negativ („nur die körperlichen Bewegungen bei sonst ungestörter Mo- tilität äusserst linkisch und ungeschickt und die Sensibilität anscheinend herabgesetzt“), und an der Haut fanden sich nur auf dem Rücken und auf der rechten Brustseite einige erbsen- bis bohnengrosse pigmentierte Naevi. Bei der Sektion erwiesen sich Herz, Nieren, Nebennieren und Genitalorgane völlig normal und frei von Tumoren. Die Hirnsektion . ergab als einzig bemerkenswerten Befund einen hyperpiastisch -sklero- tischen Windungsabschnitt am oberen vorderen Pole der 2. rechten Stirnwindung von hellerer Färbung und derberer Konsistenz, der mikro- skopisch die eharakteristischen Kennzeichen der tuberösen Hirnsklerose zeigte. Dieser Fall beweist einerseits die Wichtigkeit von Hautunter- suchungen bei Epileptikern, andererseits zeigt er, wie sorgfältig die Hirnrinde abgesucht werden muss, damit nicht derartige kleine Herde bei der Sektion unbemerkt bleiben. Das gleichzeitige Vorkommen der verschiedenen Hautanomalien mit der tuberösen Sklerose -lässt sich entwicklungsgeschichtlich dadurch er- klären, dass sowohl die Hirnrinde wie die äussere Haut sich aus dem- selben Keimblatt, nämlich aus dem Ektoderm, entwickelt und eine Fehler- haftigkeit in der embryonalen Anlage dieses Keimblattes besteht. Es ist auffallend, dass alle diese im weitesten Sinne als Naevi aufzufassenden Gebilde sich mit Vorliebe immer an denselben Hautbezirken (im Gesicht, an Hals und Schulter, sowie in der Lendengegend) lokalisieren. Jadas- sohn!) weist darauf hin, dass die Häufigkeit. der Epitheliome im Gesicht auf die dort besonders komplizierten Entwicklungsbedingungen, Gesichts- spaltenverschluss, Isolierung von Gewebskeimen, durch Verschiebungen an der Oberfläche zurückgeführt worden ist. Nach Berg?) kann man sich vorstellen, dass an diesen Hautpartien, an denen sich der Körper einerseits zum Hals, andererseits zu den Extremitäten verjüngt, die Entwicklungsvorgänge der Haut sich besonders schwierig gestalten und hier deshalb in erster Linie sich Störungen bemerkbar machen. Ein Bedenken haben Sie gewiss gegen diese hohe dia- gnostische Bewertung der Naevi. Die tuberöse Hirnsklerose und ähnlich geartete Hirnleiden sind so seltene Krankheiten und die Naevi so überaus häufige Befunde. Dieser Einwand ist durchaus berechtigt, denn die Haut des erwachsenen Menschen ist nur in den seltensten Fällen frei von Naevi. Ich habe dies bestätigt ge- funden nicht nur bei 46 Idioten und Epileptikern im Städtischen Pflegehause zu Herrnprotsch bei Breslau, die ich gemeinsam mit dem hiesigen Dermatologen Herrn Dr. Wilhelm Perls untersucht habe, sondern auch bei Serien von Kriegsverletzten im Festungs- lazarett, Heilanstalt für Unfallverletzte und auch an den Insassen des unter meiner ärztlichen Leitung stehenden Claassen’schen Siechenhauses. Bei letzteren fand ich wie bei allen über 40 Jahre alten Menschen?) viele senile Warzen und sogenannte Kapillar- varizen. Uebrigens ist auch Schuster von der diagnostischen Bedeutung der Lentigenes (der sogenanten Leberflecke) durchaus nicht sehr über- zeugt, eben weil sie so häufig sich auch bei ganz Gesuuden vorfinden. Auch die übrigen Formen der Hautnaevi kommen bei völlig normalen Individuen vor. Selbst wenn sie häufig sind, sind sie noch nicht als zu 1) 1. c. (Sonderabdruck S. 17.) 2). ce: 3) Raff, M.m.W., 1902, Nr. 18. II. Abteilung. Medizinische Sektion. spät zu bezeichnen. Nur einzelne besondere Formen sollten unbedingt den Verdacht auf das Vorhandensein einer tuberösen Sklerose erwecken, und dazu scheinen mir bisher nur zu gehören die multiplen sym- metrischen Gesichtsnaevi, die halskrausenartig gruppierten Fibrome am Halse, die flächenhaften Hautveränderungen in der Lenden-Kreuzbeingegend, die von Kufs beschriebenen (s. 0.) Hautgeschwülste an der Stirn und wohl auch die ja sonst ausserordentlich seltenen Fibrome und Papillome an Fingern und Zehen [Reitmann‘!), Hintz?)]. Eine Belehrung finden wir in einer Arbeit aus der Jadas- sohn’schen Schule, nämlich in der 1898 in Bern veröffentlichten Inauguraldissertation von Ed. Michel „Beiträge zur Kenntnis der Naevi“, ; Michel hat 1000 Individuen der verschiedensten Altersstufen, Pfleglinge der Berner Krankenanstalten, auf die Zahl und die Art und Lokalisation der Naevi untersucht. Von 29 Säuglingen hat er alle ohne Naevi (einschliesslich Lentigenes) gefunden. Das jüngste Kind, das einen flachen pigmentierten Naevus an der Stirn aufwies, war allerdings nur einen Monat alt; dieser Naevus wich aber von den alltäglich beob- achteten ab, weil er die gewöhnlichen flachen pigmentierten Naevi an Grösse mehr als zehnmal übertraf. Das zweite Kind, das einen der Norm entsprechenden Naevus aufwies, war schon !/, Jahr alt, das dritte '1/, Jahr alt. Die Naevi vermehren sich im Kindesalter kontinuierlich und erreichen zur Zeit der Pubertät die für die Erwachsenen gefundene Durchschnittszahl (12—13 Naevi pro Person). — Die Anzahl der naevusfreien Personen beträgt im ersten Lebensmonat 100 pCt. (die seltenen „abnormen Naevi* abgerechnet), sie ist im ersten Lebensjahre noch sehr gross, nimmt vom zweiten zum dritten sehr rapide ab und sinkt von da bis zum 8. Jahre auf Null herunter. Nach dem 8. Lebens- jahre sind naevusfreie Personen sehr selten. Nach Michel überwiegt die Zahl der pigmentierten Naevi die der nichtpigmentierten kolossal (97,6 pCt. : 2,4 pCt.). Unter den pigmen- tierten sind die flachen Pigmentflecke, das sind die sogenannten Lentigenes, ausserordentlich häufig (95.8 pCt.), die warzenförmigen Formen und die pigmentierten Haarmäler sehr selten (je 0,9 pCt.) und die leicht er- habenen Pigmentflecke in 2,4 pCt. Sehr beachtenswert ist für uns die Feststellung Michel’s, dass er unter seinen 1000 Fällen „die sogenannten systematisierten Naevi, welche sich an bestimmte Linien auf der Haut anschliessen (speziell an die Voigt’schen Grenzlinien — und an die Grenzlinien der Haarströme), ferner die multiplen glatten Fleckenmäler, welche charakteristisch ein- seitig sind, und auch die multiplen Talgdrüsennaevi (sogenannte Adenomata sebacea) mit ihrer speziellen Prädilektion für die mittleren Partien des Gesichts“ nicht angetroffen hat (l. c., Seite 41). Michel unterscheidet die typischen und die atypischen Naevi. Unter die typischen rechnet er auch die so zahlreichen Lentigenes. Die atypischen weichen von den anderen ab durch ihre Grösse, durch ihre Farbe und ihr starkes Hervorragen und sind sehr selten. Wenn man bedenkt, dass die bei der tuberösen Hirnsklerose anzutreffenden Naevusarten mit Ausnahme der Lentigenes zum 1) Reitmann, Arch. f. Derm., Bd. 83, $. 177 (zitiert bei Jadas- sohn, 1. c., Sonderabdruck, S. 23.) 2) Hintz, Arch. f. Derm., Bd. 106, S. 277 (zitiert bei Jadassohn, “1. e., Sonderabdruck, S. 23.) 104 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. überwiegenden Teile zu den seltenen atypischen Naevi zu rechnen sind, so dürfte man doch berechtigt sein, in ihrem Vorkommen einen Hinweis auf das Bestehen analoger Hirnveränderungen zu erblicken. Zur Prüfung des diagnostischen Wertes der verschiedenen Naevusarten für die tuberöse Hirnsklerose sind neue, auf ärzt- liche Beobachtungen zu stützende Sammelforschungen notwendig, sowie weitere Obduktionsbefunde mit genauesten hirnhistologischen Untersuchungen. Besonders dürftig sind unsere Kenntnisse über den Zeitpunkt des ersten Sichtbarwerdens der Naevi, über ihr Aussehen und ihre Gruppierung in der ersten Zeit und über ihr weiteres Wachstum. Wir waren hierbei bisher fast immer nur auf unkontrollierbare Angaben der Angehörigen angewiesen. Hier müssten uns die Kinderärzte und die Schulärzte, insbesondere die Aerzte an den Hilfsschulen, Hilfe leisten durch das Auffinden suspekter Fälle und deren Zuweisung an Dermatologen und Neurologen. Sie könnten ferner durch Ausfragen der Eltern und Untersuchung der Geschwister und der Aszendenten auf Naevi und auf zerebrale bzw. psychische Krankheitszeichen wertvolle Beiträge zur Kenntnis der Ver- erbbarkeit der Naevi sowie der tuberösen Hirnsklerose liefern. Wichtig wären auch ärztliche Nachfragen nach den ersten Zeichen von Störungen der geistigen Entwickelung und von Bewusstseinstrübungen speziell von Krämpfen. Durch eine solche Arbeitsgemeinschaft werden unsere Kennt- nisse von den „Formes frustes“ der hierher gehörigen Haut- und Gehirn- krankheiten eine wesentliche Bereicherung ertahren. Ich möchte einen Fall nicht unerwähnt lassen, der mir An- fang November 1917 von der Kgl. Universitäts Kinderklinik durch die Herren Professor Stolte und Professor Aron zur Untersuchung geschickt wurde. Ein 31/,jähr. Mädchen mit zwei schwarzen unbehaarten Pigment- flecken, von denen der eine — linsengross — an der hinteren Fläche des rechten Oberarmes, der andere — über haselnussgross — hinten in Höhe des rechten Hüftgelenks sass.. Nach Angabe der Mutter waren beide Flecke schon bei der Geburt vorhanden gewesen, aber erheblich kleiner, „nur stecknadelkopfgross“, und waren erst in den letzten Mo- naten deutlich gewachsen. Die Geburt war normal leicht. Das Kind ist sprachlich verkümmert (spricht erst seit einigen Wochen „Papa“, „Mama“), geht breitbeinig, etwas unsicher schwankend, bevorzugt das Laufen auf allen Vieren. Keine Chorea, keine Krämpfe oder Abszenzen. — Am 21. Dezember 1917 bemerkte ich eine Anzahl neuer Naevi und zwar zwei schwarze, kaum stecknadelkopfgrosse 1 bzw. 3 cm nach hinten von dem oben erwähnten Naevus am rechten Hüftgelenk entfernt, ferner einen gleichen dicht nach oben und vorn vom rechten Trochant: r major, ferner einen in der Mitte der linken Leistenbeuge, und schliesslich einen in der rechten mittleren Achsellinie zwischen Rippenbogen und Darm- beinkamm, stecknadelspitzengross und tiefschwarz. — Der ursprüngliche Pigmentfieck am rechten Oberarm (s. 0.) ist linsengross (7:5 mm) und nicht behaart. Der zweite, am rechten Oberschenkel (s. 0.) 20: 121/, mm, trägt etwaein Dutzendsehr zarte helle Härchen. — Am 5. Februar d. J. Status idem. i In den letzten Jahren hat von den Dermatologen Hintz Erscheinungen der Recklinghausen’schen Krankheit bei der Pringle’schen beobachtet nnd Jadassohn auf die Analogien II. Abteilung. Medizinische Sektion. 105 beider Anomalien hingewiesen. Besonders aber sind von neu- rologischer Seite [Orzechowski und Nowickit), Bielschowsky und Gallus, Schuster, Kufs und Berg) die nahen Beziehungen dere tuberösen Hirnsklerose zur Neurofibromatose (Recklinghausen’sche Krankheit) betont worden. Nach den letzterwähnten Autoren zeigen die Hautanomalien an der Rumpf- haut und am Halse und Nacken überraschende Aehnlichkeiten: bei beiden Krankheiten sollen sich analoge Pigmentflecke, be- sonders Cafe-au-lait-Flecke, weiche Fibrome, pendelnde Papillome am Halse finden. Auch das sogenannte Adenoma sebaceum Pringle’s wurde als ein beiden Krankheiten gemeinsames Kenn- zeichen erkannt. Histologische Untersuchungen sollen die Zu- sammengehörigkeit dieser Hauterkrankungen nachgewiesen haben. Die Pringle’schen Tumoren sollen hinsichtlich ihres histologischen Baues nicht wesentlich verschieden sein von den subkutanen Fibromen bei Recklinghausen’scher Krankheit und sich nur durch ihre oberflächliche Lage und ihren Gefässreichtum aus- zeichnen. Die Beziehungen zwischen beiden Krankheiten sind noch inniger geworden, seitdem sowohl Dermatologen wie Neuro- logen darauf aufmerksam wurden, dass auch bei der Reckling- h ausen’schen Krankheit öfters eine angeborene geistige Schwäche vorkommt und seitdem bei ihr durch die histologische Forschung (Henneberg, Verocay, Orzechowski und Nowicki, Biel- schowsky) in einschlägigen Fällen zahlreiche, wenn auch mikro- skopisch kleine geschwulstartige Rindenveränderungen nach- gewiesen worden sind, die in ihrer feineren Struktur — grosse plasmareiche Gliazellen — den Befunden bei tuberöser Sklerose ähnlich sind. Die gemeinsame Wurzel beider Krankheiten besteht in einer kongenitalen Entwicklungsstörung. Ein weiteres Argument für die inneren Beziehungen zwischen beiden Krankheiten lieferte der von Orzechowski und Nowicki 1912 durch die histologische Untersuchung geführte Nachweis, dass beide Krankheiten in ausgeprägter Form an einem und dem- selber Individuum auftreten können. Das 18 jährige imbecille Mädchen zeigte klinisch die Erscheinungen eines linksseitigen Acusticustumors. Der Exitus erfolgte nach einem Exstirpationsversuch dieser Geschwulst. Es wurden Herde im Zentral- organ und in den peripheren Nerven gefunden. Am Gehirn fand sich im linken Gyrus lingualis ein markstückgrosser Knoten makroskopisch und mikroskopisch von der Art der Herde der tuberösen Hirnsklerose, und ausserdem eine grosse Zahl kleiner Herde, die aus Anhäufung grosser atypischer Zellen bestanden, stellenweise mit einer Vermehrung von Gliakernen und Gliafasern. Es kann nach Bielschowsky’s An- sicht kein Zweifel darüber auftauchen, dass die kleinen Herde in diesem Falle Vorstufen des grossen Knotens darstellen, obgleich Uebergangs- formen nicht beschrieben werden. Orezechowski und Nowicki ziehen aus ihren Befunden den Schluss, dass die Recklinghausen’sche Krankheit und die tuberöse Hirnsklerose wesensgleiche und vom pathologischen Standpunkt betrachtet vollkommen identische Prozesse sind. 1) Zschr. f. d. ges. Neurol., Bd. 11. 106 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Ein geschlossenes Bild von dem Wesen der tuberösen Hirn- sklerose gewinnt man aus den Ergebnissen der hirnhistologischen Forschung. Im engen Rahmen meines Vorfrages kann ich mich nur auf die wichtigsten Punkte beziehen und beschränke mich deshalb im wesentlichen auf die Mitteilung der Anschauungen von Max Bielschowsky, da er seinen Vorgängern durch die Beherrschung der modernsten Färbemethoden weit überlegen ist und ihre Befunde und Theorien in gerechter Würdigung ihrer Verdienste einer eingehenden kritischen Prüfung unterwerfen hat. Die prägnanteste Seite des Krankheitsprozesses besteht in einer geschwulstmässigen Entwickelung der Neure- gliaelemente. Es handelt sich nicht um eine primäre Störung in der Struktur und Orientierung der nervösen Parenchymbestand- teile. Vielmehr kommt es zu einer enormen Produktion faseriger Gliasubstanz durch Vermittelung faserbildender als Astrozyten be- zeichneter Gliazellen, besonders zu einer starken Verbreiterung der gliösen Randschicht. Man findet ferner als charakteristischen Befund zahlreiche sogenannte grosse undifferenzierte Zellen, die sogenannten plasmareichen Riesengliazellen. Es finden sich ferner ganz atypische grosse und fortsatzreiche Ganglienzellen. In den tuberösen Herden der Grosshirnrinde ist die Schichtung der Ganglienzellen und Markfasern nur dann gänzlich verwischt, wenn es zu einer derben Verfilzung der Glia durch die ganze Breite der Rinde gekommen ist. Das ist meistens der Fall in den zirkumskripten knotenförmigen Herden, besonders in den krater- förmigen Einziehungen. In den hypertrophischen bzw. hyper- plastischen Windungsabschnitten bleibt der zyto- und myelo- architektonische - Bauplan des entsprechenden Windungsgebietes immer erkennbar. In der herdfreien Rinde sind nennenswerte Verschiebungen gegenüber dem normalen Schichtungstypus der entsprechenden Zone nur selten vorhanden. Die Atypien in der Anordnung und Formgestaltung der Ganglienzellen sind nach Bielschowsky die Folgen einer über- mässigen Raumentfaltung der Glia. Unter dem Einfluss der proliferierenden Stützelemente geht ein Teil der bereits richtig orientierten und geformten Ganglienzellen zugrunde. Ein Teil von ihnen hält der Ungunst der Verhältnisse stand und entwickelt sich in morphologischer Hinsicht über das Maass der normalen Differenzierung hinaus. Es ist anzunehmen, dass diese fötalen Rindenzellen auf Veränderungen in ihrer Umgebung in einer für das reife Gehirn ganz ungewöhnlichen Weise reagieren: im Zentralgebiet der Proliferationszone werden die Ganglienzellen vernichtet, in einiger Entfernung von ihr, wo die Ernährungs- bedingungen günstiger blieben, wurden sie zu atypischen Wider- standsreaktionen veranlasst. Die früheren Forscher Pellizzi, Geitlin, H. Vogt, hatten den tuberösen Rindenprozess im Fötalleben oder in den ersten postfötalen Lebensmonaten als abgeschlossen bezeichnet. Bielschowsky sieht häufig Zeichen einer andauernden Weiterentwicklung, ein Nebeneinander von Missbildung und Neubildung. Die Weiterentwicklung manifestiert sich vornehmlich in dem Vorhandensein faserbildender Astrozyten in II. Abteilung. Medizinische Sektion. 107 ‚allen Schichten der Herde, besonders häufig in der Randzone. Auch A. Jakob vermutet in seinem Falle!) aus manchen histologischen Er- scheinungen (zahlreiche Kernfiguren in den Gliazellen, gestipptes Plasma der grossen atypischen Gliazellen, reiche Granulierung ihrer Kerne, Ab- schnürung von Kernen), dass der gliöse Wucherungsprozess in solchen Herden nicht stillsteht und einer Weiterentwicklung im postembryonalen Leben fähig ist. Bielschowsky betont, dass, wie schon Cohnheim gelehrt hat, Missbildung und Neubildung ihrem Wesen nach eng mitein- ander verwandt sind, dass Cohnheim jede Geschwulst als atypische Gewebsneubildung auf Grund einer embryonalen Anlage definiert und die Ansicht vertreten hat, dass die Mehrzahl der Missbildungen bereits mit auf die Welt gebracht wird, eine kleine Minderzahl sich aber später entwickelt. Als Termin für die erste Manifestation des Krankheitsprozesses der tuberösen Hirnsklerose glaubt Bielschowsky in voller Uebereinstimmung mit Hartdegen, Pellizzi und H. Vogt die letzten Monate des Fötallebens annehmen zu müssen. Die An- regung zu der abnorm starken Gliawucherung steht nach Bielschowsky möglicherweise mit einer Störung in der Mark- reifung der Nervenfasern in Zusammenhang, denn an mittels der Fibrillenfärbung gewonnenen Präparaten sah er im Bereich vieler Herde die Achsenzylinder marklos oder markschwach. Zum Schluss möchte ich ganz kurz die anatomische und klinische Eigenart meines Falles (s. o.)skizzieren, dessen histologische Bearbeitung Herr Prof. Bielschowsky geleistet hat. Der Fall zeigt histologisch Uebergänge zur Westphal-Strümpell’schen Pseudosklerose und beweist, dass auch die Pseudosklerose, der gleichfalls eine fötale Entwicklungsstörung zugrunde liegt, in naher verwandtschaftlicher Beziehung zur tuberösen Hirnsklerose steht. Ferner unterscheidet sich mein Fall von allen bisher histologisch untersuchten Fällen dadurch, dass bei ihm die Ventrikeltumoren nur :schwach entwickelt und nicht in die Ventrikelhöhle hineingewachsen sind, sondern den Nucleus caudatus an seiner Oberfläche durchsetzt haben. Der Fall war klinisch eigenartig durch bisher bei keinem Falle von tuberöser Hirn- sklerose beobachtete Symptome, nämlich eine Pseudoflexibilitas cerea und passagär auftretende atypische Fingerhaltungen, deren Hauptkennzeichen eine Ueberstreckung der ersten Articulatio interphalangea ist. Wir betrackten diese Symptome als Herd- symptome des Corpus striatum. Dies gilt besonders für die aktiven Fingerverbiegungen, welche sehr ähnlichen Bewegungsstörungen beim progressiven Torsionsspasmus zur Seite zu stellen sind; analoge Fingerhaltungen habe ich auch bei einigen Fällen von vorgeschrittener Paralysis agitans angetroffen. Die nähere Be- gründung für diese Annahme in meinem Falle wird in einer von Bielschowsky und mir gemeinsam erfolgenden Publikation in dem nächsten Heft des Journals für Psychologie und Neurologie geliefert werden. DE CH 8.23. XV. Nieren- und Herzgeschwülste bei tuberöser Hirnsklerose. Von Privatdozent Prof. Dr. Robert Hanser. Im Anschluss an die Ausführungen Dr. Freund’s über das Krankheitsbild der „tuberösen Hirnsklerose“ gestatte ich mir folgende ergänzende Bemerkungen. Die eigene Beobachtung betraf einen 35jährigen Mann. Es verdient diese Tatsache besonders hervorgehoben zu werden, da in der Regel an tuberöser Hirnsklerose Erkrankte das 20. Lebens- jahr nicht erreichen oder doch nur wenig überschreiten. Man könnte hieraus die Schlussfolgerung ziehen, dass das fragliche Krankheitsbild auch die schliessliche Todesursache bedeutet. Die Schwere der klinischen Symptome wie die weitgehenden makro- skopisch sichtbaren Gehirnveränderungen legen diesen Gedanken nahe. Wir müssen zu dieser Annahme greifen, wenn der Tod klinisch- „im Anfall“ eingetreten ist. Der pathologisch-ana- tomische Befund beschränkt sich in einem solchen Falle allein auf den Nachweis der spezifischen, eben das Bild der tuberösen Hirnsklerose charakterisierenden Veränderungen. Irgendeine Todes- ursache in Form einer begleitenden Erkrankung “eines anderen Organs fehlt in solchen Fällen. Aber auch morphologisch nach- weisbare Abweichungen, die den „Anfall“ erklären könnten, ent- ziehen sich bisher unserer Feststellung. Eine Zusammenstellung W. Fischer’s!), die 58 einschlägige Fälle umfasst, berichtet von 8 Todesfällen im Anfall. Wie auch sonst beim Epileptiker — um solche Kranke handelt es sich hier — in der Regel ander- weitige Organerkrankungen zur Todesursache werden, so ist auch bei tuberöser Hirnsklerose in der Regel in Lungenentzündung, Tuberkulose, Hirnhautentzündung oder dergl. in letzter Linie die Todesursache zu suchen. Auch in der eigenen Beobachtung handelt es sich um eine schwere, mit ausgedehnter Kavernen, bildung verbundene Lungentuberkulose, die schliesslich mit Pneu- 1) Fischer, Ziegler’s Beitr., Bd. 50, S. 277. Il. Abteilung. Medizinische Sektion. 109 monie einhergehend zum Tode führte. Wir können also ganz allgemein sagen, dass die tuberöse Hirnsklerose an sich keine tödliche Erkrankung ist, wenn auch keineswegs geleugnet werden kann, dass derartig geschädigte Individuen eher einer inter- kurrenten Erkrankung erliegen als sonst gesunde Menschen. Wir werden mithin in klinisch einschlägigen Fällen nicht nur nach den makroskopisch erkennbaren Gehirnveränderungen zu fragen haben, sondern auch nach der eigentlichen Todesursache suchen müssen. Das bei gewissenhafter Obduktion feststellbare pathologisch- anatomische Bild kann hiermit bereits ein vollständiges sein. Im Vordergrunde stehen klinische Symptome gestörter Gehirn- funktion. Die nachweisbaren Tuberositäten der Hirnoberfläche sind als morphologischer Ausdruck dieser Symptome anzusehen. Im Rahmen der. hier beabsichtigten Besprechung sei nochmals hervorgehoben, dass heute allgemein in diesen Gehirnverände- rungen eine kongenitale Affektion, eine Missbildung, erblickt wird. Aber auch der Nachweis von Gehirnveränderung und schliess- licher Todesursache erschöpft das bei der Obduktion gewonnene Bild keineswegs immer. Es ist bereits darauf hingewiesen ‚worden (Dr. Freund), dass eigenartige Hautveränderungen das klinische Bild vervollständigen können. Es sind, wie auch in unserem Falle, mehrere Mitteilungen bekannt geworden, bei denen gerade diese Hautaffektionen im Falle von eigenartiger mit epileptischen Symptomen einhergehender Idiotie bereits intra vitam die später bestätigte Diagnose der tuberösen Hirnsklerose gestatteten. Diese sog. „Adenomata sebacea“ werden von Jadas- sohn!) in die Gruppe der Organnaevi eingereiht, womit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass es sich um Bildungen handelt, die auf kongenitaler Grundlage beruhen: und aus an sich normalen Hautorganen bestehen. Diese sind jedoch für ihren Standort abnorm gross oder zahlreich, können selbst im eigentlichen Sinne heterotop sein. Von besonderer Bedeutung sind für diese „multiplen sym- metrischen Gesichtsnaevi“ folgende drei Tatsachen: 1. Ihre Kombination mit anderen Tumoren von Naevusnatur am übrigen Körper, wie weiche Naevi, Atherome, milienartige Gebilde, Fibrome, Angiome, Papillome, 2. ihre Heredität und 3. ihr Vorkommen bei tuberöser Sklerose. Zum ersten Punkte wäre für den eigenen Fall zu bemerken, . dass die im Gesicht festgestellten Veränderungen die Bezeich- nung Adenoma sebaceum ebensowenig verdienen, wie anders lo- kalisierte Knötchen; Untersuchung exzidierter Hautpartien vom Rücken ergaben einfache papilläre fibroepitheliale Bildungen, in denen Talgdrüsenveränderungen nicht nachweisbar waren. Auch sonst werden unter gleichem Bilde Schweissdrüsenhyperplasien (Naevi), Epithelwucherungen, fibroangiomatöse Naevi usf. gefunden. 1) Jadassohn, Arch. f. Derm. u. Syphilis, 117. Jahrg., Bd. 7—9,H. 11. Be e | 110 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Als das Wesentlichste sei betont, dass es sich um „kon- genitale Difformitäten“ handelt, dass mithin auch dieses klinische Symptom genetisch auf gleicher Stufe steht wie die das Krank- heitsbild beherrschenden Gehirnanomalien. Diese Erklärung findet aber noch weitere Stützen in eigen- artigen Tumorbildungen, wie sie insbesondere in Nieren und Herz zu finden sind. Wohl entziehen sie sich in der Regel der klinischen Diagnose. Tatsache ist, dass sie bei tuberöser Hirn- sklerose in einem solch hohen Prozentsatz gefunden werden, dass ihre Zugehörigkeit zum gesamten Krankheitsbild ausser Frage steht. Ja wir dürfen sogar so weit gehen, dass wir die Forderung für den Pathologen aufstellen, dass er bei zufälliger Feststellung derartiger multipler Tumoren an das Vorliegen einer tuberösen Hirnsklerose denkt und die Gehirnobduktion aus- führt, auch wenn ihm klinische diesbezügliche Daten nicht zur Verfügung stehen. Bei Todesfällen in den ersten Lebensjahren kann es zudem möglich sein, dass psychische Veränderungen noch nicht festzustellen waren, so dass klinisch an tuberöse Hirnsklerose nicht gedacht werden konnte. In diesem Zusammen- hang sei erwähnt, dass Stertz!) bei einem an Masern und Bronchopneumonie verstorbenen 6 Monate alten Kinde als zu- fälligen Befund ausgesprochene Gehirnknoten fand, während u.a. Ponfick2) (1901) bei einem 7 Monate alten Kinde Rhabdo- myome des Herzens und tuberöse Hirnsklerose feststellen konnte. Wie also die Hautveränderungen dem Kliniker bei ent- sprechenden idiotieformen Hinweise geben können, so verfügt auch der Pathologe über Befunde, dıe ihn ohne weiteres tube- röse Hirnsklerose vermuten lassen. : Zuerst sei der in den Nieren lokalisierten Tumoren gedacht. Die eigene Beobachtung betraf wie gewöhnlich beide Nieren. Die Grösse der Nieren überschritt um ein Geringes das Normalmaass. Die Kapsel war im wesentlichen gut abziehbar, erwies sich nur an wenigen Stellen adhärent. und konnte hier nur unter leichtem Einreisseu der Nierenoberfläche abgelöst werden. Es konnte sofort festgestellt werden, dass diese Stellen umschriebener Adhärenz auf kugelsegmentartige Vor- buckelungen der Nierenoberfläche beschränkt blieben. Diese hoben sich durch ihre blassrote bis gelbliche Farbe deutlich von der Umgebung ab und imponierten als mässig derbe Geschwülste.e Daneben liessen sich schon oberflächlich eine grosse Zahl in Farbe und Konsistenz gleich- artiger Einlagerungen nachweisen, die das Nierenniveau gar nicht oder doch nur wenig überragten. Die Grösse dieser kugeligen Knoten wechselte von Hirsekorn- bis Kirschgrösse. Auch auf der Nierenschnitt- fläche fanden sich diese Einlagerungen in grosser Zahl. Hinsichtlich ihrer Lage konnte festgestellt werden, dass sie auf die Nierenrinde be- schränkt blieben. Die von Tumoren freie Rinde war gut gezeichnet, wenn auch leicht getrübt. Eine Abweichung von der Norm konnte makroskopisch nicht gefunden werden. Die histologische Untersuchung ergab ein verhältnismässig einheit- liches Bild. Zur Bearbeitung gelangten Knoten verschiedenster Grösse. Gröbere Unterschiede waren schon nach dem makroskopisch gleich- 1) Stertz, Ziegler’s Beitr., Bd. 37, S. 135. 2)Ponfick, Verhandl. der Deutschen Path. Gesellsch., Bd. 4, S. 226. U. Abteilung. Medizinische Sektion. 111 mässigen Befunde nicht zu erwarten, da die Schnittfläche kleiner wie grosser Knoten überall festes Gefüge zeigte, Nekrosen oder dergleichen Veränderungen nicht vorlagen. Schon bei schwacher Vergrösserung überraschte die unscharfe Ab- grenzung der Knoten gegen das benachbarte Nierengewebe, das, abge- sehen von einer geringen Quellung, Trübung und unscharfen Kontu- rierung der Epithelien der Harnkanälchen Veränderungen nicht erkennen liess. Das Tumorgewebe bestand, abgesehen von einfachen Fibromen, aus einem zellreichen, sich stark durchflechtenden Material. Die spinde- ligen Zellen besassen einen stäbchenartigen, dicken, an dem Ende leicht abgerundeten Kern und erinnerten an glatte Muskelelemente. Die Länge der Fasern wechselte. Zellreichtum und hierdurch bedingte Unruhe des Bildes liessen maligne Bildung vermuten. Mitosen fanden sich jedoch nicht. Auch Metastasen in anderen Organen fehlten. In den Rand- partien der Knoten lagen vom übrigen Nierenparenchym durch Tumor- gewebe getrennte Harnkanälchen, die teils deutlich als solche zu er- kennen waren, entsprechendes Epithel und Lumen aufwiesen, zum Teil aber auch, namentlich in mehr zentralen Geschwulstteilen, nur noch angedeutet waren. Es fanden sich hier kleinere Gruppen sonst isoliert liegender epithelialer Zellinseln, die durch Vergleich als Harnkanälchen- teile angesprochen werden konnten. Nekrosen fehlten, ebenso in den Randpartien entzündliche Infiltrate. Mitten in dem Tumorgewebe fanden sich an manchen Stellen oft einzeln, häufig in Gruppen gelagerte, relativ grosse, auffallend diekwandige Gefässe, deren Wand ganz all- mählich in die erwähnten Züge glatter Muskelfasern überging. Die Media war oft eigenartig verändert, indem sie kernreich war, die Kerne unbestimmt angeordnet waren und auch die Muskelfibrillen nicht völlig ausgebildet erschienen. Bindegewebszüge in breiteren oder schmäleren Geflechten durchzogen den Tumor. Au Zellverfettung fehlte. Dagegen fand sich da und dort, insbesondere in den Randpartien, Fettgewebe. Teils waren es isolierte Fettzellen, teils grössere Inseln. Das oben charakterisierte Tumorgewebe durchzog die Fettmassen in mehr oder minder breiten Strassen. Ausserdem sind Zystenbildungen verschiedener Grösse zu erwähnen. die von einem epithel- bzw. endothelähnlichen Belag ausgekleidet sind und homogene Massen enthalten. Kalkablagerungen fanden sich nicht. Der Tumor imponiert somit als Fibro-Lipo-Leio-Myom bzw. Sarkom. Dieser Befund reiht sich in die bereits literarisch festgelegten ohne weiteres ein. Als Besonderheit wäre vielleicht zu erwähnen der histologisch maligne Charakter, auf den in der Regel nicht hingewiesen wird. Das Vorkommen der Nierengeschwülste bei tuberöser Sklerose ist relativ häufig. Vogt und Neurath berechnen etwa 40pOt. sämtlicher Fälle, während W. Fischer diese Zahl als zu niedrig bezeichnet. Er selbst konnte bei 8 Beobachtungen 7 mal Nierengeschwülste feststellen. Ihr Sitz ist in der Regel doppelseitig; ihre Lage subkapsulär, jedoch häufig derart, dass beim Ablösen der Kapsel innige Verbindung mit den Tu- moren nachweisbar wird, die häufig völlig oder teilweise aus der Niere ausgelöst werden. Ihre Grösse wechselt. Fischer konnte hühnerei- ‚grosse Tumoren beobachten. Ihre Abgrenzug gegen die Umgebung ist scharf, ohne dass etwa eine besondere Bindegewebskapsel besteht. Je nach dem Gehalt an Fett, Bindegewebe und Muskulatur wechselt der makroskopisch feststellbare Farbton, der hin und wieder an versprengte Nebennierenkeime erinnert und auf diese Weise diagnostische Irrtümer BI re K = GEN 112 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. veranlasst. Zystenbildungen deutet z. B.Bundschuhl) als Glomerulus- zysten. Sitz der Geschwülste ist mit wenigen Ausnahmen die Nieren- rinde. Stets handelt es sich um multiple Einlagerungen. Trotzdem ist in den meisten Fällen das Organ von normaler Grösse, doch konnten 2. B. Bielschowsky und Gallus?) selbst dreifache Vergrösserung nachweisen. Der histologische Aufbau ist nach den bisherigen Unter- suchungen ein sehr mannigfacher. Wir finden die verschiedenartigsten Kombinationen von Fett, Bindegewebe, Muskulatur und Gefässen, so dass wir je nachdem Be- zeichnungen wie Lipom, Fibrolipom, Leiomyom, Fibrolipomyom, Angio- fibrom usw. antreffen, ferner Diagnosen wie Angiosarkom, Liposarkom, wobei jedoch mehr das histologische Verhalten hinsichtlich Zellreichtum und Beziehung zur Umgebung zum Ausdruck kommen soll als eine klinische Malignität, die in ausgesprochen destruktivem Wachstum und vor allem Metastasenbildung zu erblicken wäre. Es sei bereits hier er- wähnt, dass trotz der sehr zahlreichen einschlägigen Untersuchungen bisher nur ein einziger Fall bekannt geworden ist, der infolge weit- gehender Metastasierung sich tatsächlich als maligne erwies. Es handelt sich um eine Mitteilung Kirpicznik’s®), die einen 23jähr. Patienten betraf, der nach operativer Entfernung der rechten, von Tumoren durch- setzten Niere, nach 8 Tagen infolge völliger Anurie verstarb. Die Sektion ergab gleiches Verhalten der linken Niere und dabei ausgedehnte Metastasen in Milz, Lymphdrüsen und Lungen. Ohne auf die feinere Histologie eingehen zu wollon, sei kurz er- wähnt, dass Fett, glatte Muskulatur, Bindegewebe, Kapillaren (meist arterielle Gefässe) in wechselnder Zusammensetzung den Tumor auf- bauen. Dazu kommen dann noch, wie auch im eigenen Fall, hin und wieder epitheiiale Einsprengungen, die entweder ohne weiteres an Tubuli contorti erinnern, oder aber in Form rundlicher Haufen oder kurzer Streifen, die von jungem, kernreichem Bindegewebe abgegrenzt werden, sich durch Vergleich- und Uebergangsbilder als Harnkanälchenteile er- weisen. Dass hier insbesondere an den Randpartien eine sekundäre Einbeziehung in den Tumor vorliegen kann, ist selbstredend nicht ab- zulehnen. Doch gibt es Stellen, wo ein Zusammenhang derartiger Kanälchen oder Kanälchenanlagen mit den fertigen Kanälchen des um- gebenden Nierenparenchyms mehr als unwahrscheinlich gelten muss. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang eine Mit- teilung Bundschuh’s!). Der Nierenbefund bei dem dreijährigen Kinde war in Kürze der, dass bei völlig normalem Bau der Marksubstanz in der Rinde, in der Umgebung zahlreicher Glomeruluszysten Herde unregelmässig gelagerter Zellen angetroffen wurden, die den Eipthelien der Tubuli contorti völlig glichen, jedoch nicht mit Nierenkörperchen in Verbindung standen und auch nicht in normale Harnkanälchen übergingen. Schon makroskopisch erkennbare, graugelbe Einlagerungen zeigen, die grössten Einlagerungen schon in den Arteriae areiformes, die kleineren erst in den Interlobular- arterien, eine verdickte Arterienwand, zunächst besonders durch Vermeh- rung der glatten Muskelfasern in der Media und Verbreiterung der fibrösen Adventitia. Aus dem engen, zentralen Lumen dieser Arterien zweigen Kapillaren ab, die im Bogen in die eigentliche Media ziehen und hier von mässig hohen epithelähnlichen Zellen überzogene, knäuelartigeSchlingen . 1) Bundschuh, Ziegler’s Beiträge, Bd. 54. 2) Bielschowsky und Gallus, Journ. f. Phys. u. Neurol.,, 1913, Bd. 20, 1. Ergänz.-H. 3) Kirpicznik, Virch. Arch., 1910, Bd. 202. II. Abteilung. Medizinische Sektion. 113 bilden. Diese Bildungen ragen später in ein zellreiches Gewebe hinein, ‚dessen Zellen den Epithelien der gewundenen Harnkanälchen ähneln. Die Knäuel geben Kapillaren ab, die ihr Blut in abnorm gebaute Venen ergiessen. Die Venen bestehen aus Endothel, dem aussen Züge epithel- ähnlicher Zellen und weiter aussen Fettgewebe anliegen. Beide Schichten werden von den veränderten Blutgefässen durchzogen. Dieser Befund ist so zu erklären, dass den anormalen Nierenrindenarterien ent- sprechende und aus ihnen hervorgehende arterielle Blutgefässe knäuel- artige Kapillaren abgeben, denen nach dem inneren Blatt der Bowman- schen Kapsel ähnliche Zellen aufliegen, z. T. führen sie auch in Herde grösserer epithelähnlicher Zellen. Eine normale Glomerulusbildung kommt jedoch nicht zustande. Die Kapillaren ergiessen ihr Blut in entsprechende Interlobularvenen. Zwischen diesen Blutgefässen tehlen nun die Tubuli contorti. An ihrer Stelle liegen unregelmägsige, manchmal in Zügen geordnete Massen grosser Zellen, die. an die Epithelien der gewundenen Kanälchen erinnern, und lipomatöses Gewebe. Es handelt sich also, abgesehen von dem Fettgewebe, um dieselben Elemente wie in der normalen Rinde, doch sind-sie in ihrem Aufbau und der gegenseitigen Anordnung gestört. Um die Genese dieser Entwicklungsstörung zu erklären, greift Bundschuh auf die diskontinuierliche Anschauung der Nierenentwicklung zurück. Nach Kupffer kommt es am Ende des Wolf’schen Ganges zu einer dorsalen Ausstülpung, die Harnleiter und Nierenbecken bildet, das seinerseits wieder Sammelröhren und gerade Kanälchen entstehen lässt. Bowman’sche Kapsein und Tubuli contorti eutwickeln sich aus einem gesonderten Nierenblastem und treten erst sekundär mit den erstgenannten Gebilden in Verbindung. Wenn die Glomeruli schon längst gebildet sind, stellen die Tubuli contorti noch solide Zellstränge dar, die allmählich gegen die Tubuli recti fortschreiten und ein Lumen bekommen. Das aus intensiv gefärbten, dicht gedrängten Zellen be- stehende Nierenblastem umgibt den Niererenkanal, der die Sammelröhren bildet, etwa in der Mitte bis zur Oberfläche herauf, während das distale Ende nur aus einem einfachen Zylinderepithel besteht. Von der Mitte des Kanals ab wird der ,Bau des Epithels komplizierter (drei bis vier- fache Lage), die Grenze gegen das Blastem schwankt. Nach Hamburger enden die Ureterzweige (Sammelröhren) der fötalen Niere mit einer Erweiterung der sogenannten Ampulle, die von einem Zellmantel über- kleidet ist. Aus diesem entwickeln. sich die Tubuli contorti dadurch,. dass einige Zellen sich enger aneinander schliessen, dass diese Zell- gruppen an Grösse zunehmen, sich radiär anordnen und in der Mitte ein Lumen erhalten. An einer Stelle kommt es zur Kompression der infolgedessen einsinkenden Wand. Das Lumen wird zu einer halbmond- förmigen Spalte. In diesen Hohlraum hinein entwickeln sich dann die Glomerulusschlingen. Die Ansicht Bundschuh’s geht nun dahin, dass die nachgewiesenen ungeordneten Zellmassen den unvollständig entwickelten Tubuli contorti entsprechen, mithin dem Nierenblastem und zwar der Hamburger- schen Zellschicht. Es handelt sich demnach um eine unvollständige Differenzierung, die ihrerseits einen regelrechten Anschluss an die Tubuli recti verhinderte. Normale Glomeruli konnten nicht entstehen, da ja die Kanälchenbildung unvollständig blieb, mithin eine aus äusserem und innerem Blatt bestehende Bowman’sche Kapsel nicht gebildet werden konnte. Es blieb infolgedessen seitens der Gefässe bei den beob- achteten Knäuelbildungen. Die Kapillarschlingen wuchsen ohne weiteres in das Nierenblastem hinein. Es handelt sich also um eine Entwick- lungsanomalie, eine Missbildung, deren teratogenetischer Terminations- punkt etwa in den dritten Embryonalmonat zu verlegen ist. Schlesische Gesellsch. £. väterl. Cultur., 1917. II. 8 114 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Auch Fischer versteht sich zu einer gleichen Deutung der Genese, doch bringt er ausserdem diese Tumorbildungen in Verbindung mit den Mischtumoren der kindlichen Niere. Konnten somit die epithelialen Beimischungen der Tumoren gene- tisch erklärt werden, so bleibt noch die Frage nach der Herkunft der Muskulatur und Fettzellen. Der bindegewebige Anteil kann ohne weiteres auf die normal vorhandene Stützsubstanz des Organes zurückgeführt werden. Was Fett und Muskel betrifft, so führte u. a. Fischer beide auf Bestandteile der Nierenkapsel zurück. Wohl gibt Fischer zu, dass die glatte Muskulatur von den Gefässen abstammen könne, entscheidet sich jedoch in Berücksichtigung des gleichzeitig vorhandenen — nach seiner Ansicht, aus der Kapsel stammenden Fettgewebes, — ebenso wie u. a. Lubarsch auch hinsichtlich der Muskulatur für diese Genese. Demgegenüber kann allerdings nicht geleugnet werden, dass eine Ableitung der Muskelzellen von den entsprechenden Zellen der Gefässe sehr wohl in Frage kommen kann. Vielfach lassen sich, wie auch in unserem Falle, entsprechende Uebergangsbilder feststellen. Will man also diese Genese gelten lassen, so wäre es erzwungen, bei dem innigen Nebeneinander des Vorkommens von Muskelzellen und Fett für letzteres trotzdem eine Abstammung aus dem Kapselfett anzunehmen. Bund- schuh denkt an metaplastische Vorgänge; das Fettgewebe entsteht nach seiner Meinung aus dem in seiner Entwicklung gestörten Blastem- gewebe. Gerade das Vorkommen isolierter Fettzellen mitten in den epithelähnlichen Zellmassen des Nierenblastems spricht gegen eine Einwanderung von anderer Stelle her. Zudem verlangt Bundschuh für verlagerte Zellen Lipombildung. Bundschuh seinerseits macht » nun wieder den Fischer gegenüber gegenteiligen Rückschluss, dass man das Muskelgewebe nicht auf Kapselelemente zurückzuführen braucht, da ja das Fett an Ort und Stelle entstanden sei. Er entscheidet sich demnach auch hinsichtlich der Muskulatur für eine Entstehung aus den Gefässwänden. Es handelt sich hier um theoretische, vorerst unbeweisbare Er- wägungen. Wie dem auch sei, für uns kommt es darauf an, auch für dieses Symptom der tuberösen Hirnsklerose, ebenso wie bei den be- reits genannten, die Annahme einer Entwicklungsstörung begründet zu haben. Es ist verständlich, dass diese Nierentumoren in der Regel klinisch unbemerkt bleiben, ihre Entdeckung mithin dem Obduzenten vorbe- halten bleibt. Auf der anderen Seite aber leuchtet ein, dass bei Zu- nahme an Zahl und Grösse diese Missbildungen schliesslich doch auf die Funktionsfähigkeit der Nieren Einfluss gewinnen müssen. Und so kann in seltenen Fällen auch der Nachweis einer Nierenschädigung in entsprechenden Idiotiefällen auf die Diagnose tuberöse Hirnsklerose hin- weisen. So erlag z. B. der Patient Kirpiezniks einer völligen Anurie. Vogt!) berichtet über Hydrops in zwei Fällen, Bonfigli (zit. nach Bundschuh) über Urämie. Im allgemeinen kann gesagt werden, dass es darauf ankommt, wie weit der Krankheitsprozess in der Niere vor- geschritten ist. Nicht viel anders liegen die Verhältnisse in den ebenfalls bei tuberöser Hirnsklerose beobachteten Tumoren des Herzens. Diese wurden bisher nur bei Individuen beobachtet, die schon in den ersten Lebensjahren ad exitum kamen. Der Gedanke liegt nahe, dass gerade der Sitz solcher Tumoren im Herzmuskel die Lebensfähig- 1) Vogt, Mschr. f. Psych. u. Neurolog., Bd. 24, S. 106. II. Abteilung. Medizinische Sektion. 115 keit beeinträchtigt. Nach Vogt tritt allein infolge dieser Tatsache der Tod so zeitig ein, dass eine Erkennung des psychischen Bildes vorher nicht möglich ist. Hierdurch erklärt sich die Tatsache, dass bisher seitens der Psychiater nur sehr wenig Fälle mit Herztumoren bekannt wurden. Auf der anderen Seite dürfte manche Mitteilung derartiger primärer Herzgeschwülste im Rahmen unserer Besprechung als ein- schlägig gelten, wo Gehirnveränderungen nicht erwähnt wurden. Auch bei zufällig gefundenen Herztumoren muss eben an das Vorliegen einer tuberösen Hirnsklerose gedacht werden. Im Vergleiche mit den Nierentumoren muss die Zahl der ‘beobachteten Herzgeschwülste als selten bezeichnet werden. Von historischem Interesse dürfte sein, dass bereits im Jahre 1862 v. Recklinghausen (zitiert nach Vogt) einen Fall von kongenitalen Herztumoren beschrieben hat, der mit zahlreichen Sklerosen des Gehirns vergesellschaftet war. Jonas!) zählt sieben einschlägige Beobachtungen unter 45 Fällen tuberöser Sklerose, während Abricossoff2) unter zehn Fällen von Herzrhabdomyomen sechsmal ein Zusammentreffen mit tuberöser Hirnsklerose feststellen konnte. Dreimal fanden sich diese Tumoren bei Neugeborenen (Bundschuh). In der Regel handelt es sich um multiple Knoten, die subepi- bzw. endokardial liegen und scharf gegen die Umgebung abgegrenzt sind. Der Rand kann in seltenen Fällen (Jonas) durch eine Lage faserigen Bindegewebes besonders markiert sein. Die Grösse der Knoten schwankt zwischen mikroskopisch nachweisbaren und walnussgrossen Gebilden. Ihre Farbe ist weiss, weissgelb, blassrot, ihre Form rund bis oval, viel- fach auch birnenförmig. Hinsichtlich des Sitzes im Herzen schwanken die Angaben. Nach Vogt und Neurath?) kann eine Bevorzugung der rechten Herzhälfte festgestellt werden, nach Bundschuh werden beide Ventrikel befallen, wobei das Septum besonders häufig betroffen wird. Das histologische Bild ist in den mitgeteilten Fällen sehr ähnlich und durchaus charakteristisch. Im Vordergrund des Bildes steht eine eigen- artige Maschenstruktur, eine Erscheinung, die früher als Kunstprodukt, als Folge der Zellschrumpfung nach Fixierung des Materials gedeutet wurde. Erst Kolisko*) brachte das gefundene Bild in Beziehung mit der embryonalen Entwicklung des Herzens, konnte er doch im Herz- muskel eines vier Monate alten menschlichen Embryos zahlreiche Lumina nachweisen, die von plattenförmigen mit Fortsätzen versehenen Muskel- zellen begrenzt waren. Kolisko brachte nun das Bild des Rhabdomyoms mit diesem Befunde embryonalen Herzmuskelgewebes in Zusammenhang - und deutete infolgedessen die gefundenen Räume als interzelluläre Spalten, die von den Muskelzellen und ihren Fortsätzen ausgekleidet werden. Diese Höhlen sind teils rund, teils oval, teils spaltförmig ausgezogen. In der Mitte oder mehr peripher liegt ein zellenartiges, fein-fbrilläres Gebilde von zuweilen körnigem Bau, das nach allen Seiten hin Fortsätze aussendet und so dem Ganzen ein spinnenartiges Aussehen verleiht. Der Kern dieser Zellen liegt im Zentrum oder an der Peripherie des Zellkörpers. Tropfenartige Bildungen in diesen Räumen ergaben positive Glykogenreaktion.e Die erwähnten Fibrillen lassen nun in besonders dünnen und infolgedessen geeigneten Schnitten deutliche Querstreifung erkennen, aber nicht allein diese, sondern auch die genannten grossen Zellen und ihre Fortsätze zeigten Querstreifung, selten in der ganzen 1) Jonas, Frankf. Zschr., Bd. 11, S. 105. 2) Abricossoff, Ziegler’s Beitr., Bd. 14, S. 376. 3) Vogt u. Neurath, Lubarsch Ostertag, 1908, Bd. 12, S. 732. 4) Kolisko, zitiert nach Seiffert, Ziegler’s Beitr., Bd. 27. \ 8* 116 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Zelle, häufig nur auf die Zellperipherie oder gar nur auf die Fortsätze beschränkt. Da nun letztere unmittelbar in das eigentliche fibrilläre Grundgewebe übergehen, erweisen sich die grossen Zellen, ihre Fortsätze und das fibrilläre Grundgewebe als ein untrennbares Ganzes. Ein bindegewebiges Stroma ist nirgends zu finden, höchstens in Begleitung der Blutgefässe. Nach Abricossoff stellt sich der ganze Knoten dar als eine Neubildung, die sich aus einem Konglomerat grosser Zellen zusammensetzt, in deren Protoplasma eine Differenzierung quergestreifter Fibrillen stattgefunden hat, die undifferenzierten Teile zerfallen und bilden Vakuolen mit Glykogentropfen. Die restierenden Fibrillen stellen das Grundgewebe der Neubildung dar. Nach Seiffert zeigt dieembryo- . nale Herzmuskelzelle das Aussehen einer Röhre, die mit Sarkoplasma, das einen Kern enthält, gefüllt ist. („Primitivröhren“, Felix, Kölliker.) An der Peripherie differenzieren sich die quergestreiften Fibrillen, während das den Kern umgebende Sarkoplasma undifferenziert bleibt. In den Rhabdomyomen kommt es nun durch Zerfall des undifferenzierten Protoplasmas zu den genannten Höhlenbildungen und eine ins Riesenhafte gehende Vergrösserung der Zellen. Abricossoff kommt daher zu dem Schlusse, dass es sich bei diesen Herzknoten um eine Entwicklungs- störung handelt, die in eine frühe Periode des embryonalen Lebens zu verlegen ist, und von der angenommen werden muss, dass eine weitere Entwicklung bei der Reife des Organs ausbleibt. Gegen ein späteres Wachstum spricht das Fehlen jeglicher Kompression des Herzmuskels und jeglicher Reaktion seitens des Herzmuskels. Also auch bei den Herzgeschwülsten eine Entwicklungsstörung. Erwähnt sei ferner, dass in seltenen Fällen (Bundschuh) auch im Herzen Lipome gefunden werden, deren Entstehung auf das subendokardiale Fettgewebe zurück- geführt wird. Doch bestehen auch hier andere Meinungen. Nach Ribbert kann auch verlagertes epikardiales Bindegewebe in Fett über- gehen, während Thorel!) in jenen „kleinen meist nicht begrenzten, runden oder ovalen Fettträubchen“, die er unter dem Endokard des rechten Ventrikels oder des Septums, selten des linken Ventrikels nach- weisen konnte, den Ausgangspunkt erblickt. Neben diesen Geschwülsten finden sich relativ häufig noch Tumoren in den Ventrikeln, die meist breitbasig aufsitzend unter gut erhaltenem Ependym in den Seitenhöhlen angetroffen werden. In einem Falle Geitlin’s war der vierte Ventrikel am Uebergang vom Goll’schen Strang in die Clava Sitz der Prominenz. Ohne auf histologische Einzelheiten einzugehen, sei erwähnt, dass auch diese Bildungen als „echte abgegrenzte, mit deutlichen Wachstumserscheinungen versehene Tumoren“ anzusprechen sind (Vogt). Vogt fasst seinen Befund dahin zusammen, dass unter dem normalen oder verdickten Ventrikelependym scharf getrennt von der Umgebung und in eine gewisse Tiefe des unterliegenden Gehirngewebes hinabreichend, gewebliche Elemente gefunden werden, die morphologisch den Gewebseinheiten der Rindenknoten anscheinend analog zu setzen sind. Es ist demnach anzu- nehmen, dass diese Ventrikeltumoren nichts weiter darstellen als eine wesensgleiche Teilerscheinung des übrigen Hirnbefundes. Mithin käme. auch für die Frage der Genese gleiches in Betracht. Auch Nebennierentumoren mit völligem Fehlen des Neben- nierenmarkes sind beobachtet worden (Bielschowsky u. Gallus). Jedoch dürften dieser Befund, ebenso wie kleine Knötchenbildungen in der Leber (Fall IV Bielschowsky u. Gallus), Knoten in der 1) Thorel, Lubarsch Ostertag, 1903, Bd. 9. II. Abteilung. Medizinische Sektion. 117 'Duodenalschleimhaut [Sailert)], Duragliome usw. als rein zufällige Befunde zu gelten haben. Anders liegen die Verhältnisse bei den erstgenannten Haut-, Nieren- und Herztumoren. Eine Zusammenstellung Fischer’s ergibt unter 58 Fällen 53 Ventrikeltumoren, 36 Nierengeschwülste, 22mal Adenoma sebaceum bzw. sonstige Hautveränderungen und 12mal Rhabdomyome des Herzens. Bielschowsky und Gallus, die über 78 einschlägige Fälle berichten, fanden 41 Nierentumoren, 28mal Adenoma sebaceum allein, 35mal verbunden mit anderen Hauttumoren ünd 11mal Herzgeschwülste.e Dabei kombinierten sich Hirn-, Haut- und Nierenveränderungen in. 25 Fällen, Hirn, Haut und Herz in 3, Hirn, Herz und Nieren in 1, und Hirn und Herz in 8Fällen. Hier kann von einem rein zufälligen Zusammen- treffen nicht mehr die Rede sein. Und diese Zusammengehörigkeit dürfte auch bei Erörterung der Genese eine Rolle spielen. Bereits bei Besprechung der Einzelbefunde sahen wir, dass es sich um kongenitale Bildungen handelte. Abgesehen von den genannten Momenten sprechen hierfür u. a. Tatsachen, wie die, dass Hartdegen (zitiert nach Vogt) im Jahre 1880 Ventrikel- tumoren bei einem 2 Tage alten Kinde fand, dass Nieren- und Hautgeschwülste in den ersten Lebensjahren angetroffen werden, dass Herzgeschwülste auf diese früheste Lebensperiode beschränkt bleiben. Nach Vogt war es Pellizzi, der im Jahre 1901 als erster den Schwerpunkt der Betrachtungen in die Entwicklungs- . störungen verlegte. Ganz allgemein kann gesagt werden, dass hier eine jener Störungen vorliegt, die das Kapitel von Miss- bildung und Geschwulst betreffen. Gestatten schon die Einzel- Befunde die Annahme embryonaler Entwicklungsstörungen, so darf auch das Gesamtbild des Krankheitsprozesses in diesem Sinne genetisch gedeutet werden. Die zahlreichen Fälle, die die früheste Jugend betreffen, lassen durch Vergleich diese Annahme auch für Fälle zu, bei denen das Alter an sich dagegen sprechen könnte. Ausserdem unterstützen diese Auffassung sonstige Zeichen der Minderwertigkeit der gesamten Anlage wie Aplasie der Ovarien, Infantilismus des Uterus, Atrophie der Testikel, Ausbleiben der Pubertätserscheinungen usw. (Bielschowsky). Eine restlose Beantwortnng dieser Frage ist unmöglich. Die Frage der kausalen Genese, nach dem Warum? bleibt unbeantwortet. Aber auch die Beantwortung der formalen Genese bereitet grösste Schwierig- _ keiten. Wir haben verschiedentlich gesehen, dass sich hier Ent- wicklungshemmung und Geschwulstbildung kombinieren, dass bald die Hemmung, bald die Tumorbildung in dem einen oder anderen Organ in den Vordergrund tritt. Dieses Nebeneinander beweist die nahe Verwandtschaft beider Prozesse und bedeutet eine Stütze der Cohnheim’schen Theorie, nach der jede Geschwulst im Sinne einer atypischen Gewebsneubildung auf embryonaler Grundlage zu deuten ist. Es erweist sich die Entwicklungs- störung in der Hirnrinde als eine Hemmung in der Differenzierung 1) Sailer, Journ, of nerv and mental diseases, 25. VI. 1898 (Neurath). 118 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. der spezifischen Nervenzellen unter gleichartiger abnormer Wucherung der falsch differenzierten Zellen, in der Niere besteht falsche Differenzierung des spezifischen Nierenblastems, Ventrikel- und Herztumoren beruhen auf Wucherung der in ihrer Entwicklung gehemmten, ungenügend differenzierten, zum Teil versprengten Zellmassen. Wir können mithin sämtliche Prozesse in einem einheitlichen Sinne deuten und mithin das Krankheitsbild der tuberösen Sklerose auf eine mit Geschwulstbildung verbundene Entwicklungshemmung zurückführen. Von verschiedener Seite ist darauf hingewiesen worden, dass in Gehirn, Herz und Niere gerade die wichtigsten und kompliziertesten Organe von der Entwicklungsstörung betroffen seien. Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass ebenso wie wir es für die Hautveränderungen betont haben, auch die tuberöse Sklerose als solche vererbt werden kann. Wir verdanken H. Berg!) eine diesbezügliche interessante Mitteilung. Es handelt sich um eine direkte Vererbung durch zwei bzw. drei Generationen. Der Grossvater, der ein Alter von 66 Jahren erreichte, geistig stets rege war, erkrankte in hohem Alter an einem durch Laparotomie erwiesenen, linksseitigen Nierentumor. Der Sohn (von Kirpicznik beschriebener Fall) hatte seit seinem 3. bis 4. Lebensjahr einen typischen Gesichtsausschlag vom Typus Pringle, litt später an epileptischen Anfällen und starb nach Operation eines kindskopf- grossen, rechtsseitigen Nierentumors im 28. Lebensjahr. Dessen Tochter, hockgradig idiotisch und körperlich minderwertig, litt seit dem 4. Lebensmonat an Krampfanfällen. Es bestand Naevus sebaceus. Tod im Alter von 8 Jahren. Die Sektion ergab eine hochgradig entwickelte Form der tuberösen Sklerose, während Herz- und Nierentumoren zwar vorhanden waren, aber gegenüber dem Hirnbefund zurücktraten. Es ist dies bisher der einzige mit- geteilte Fall von Vererbung des hier interessierenden Krankheits- bildes; immerhin Grund genug, auch dieser Frage fernerhin Be- achtung zu schenken. Es handelt sich hierbei gewiss um Fragen mehr theoretischen Interesses. Da aber meines Erachtens eine restlose Beantwortung der Frage der Vererbbarkeit von Miss- bildungen und Krankheiten in rassenhygienischer Hinsicht der- einst von Bedeutung werden kann, dürften die hier gemachten Ausführungen auch praktisches Interesse beanspruchen. Dürfte doch mit Kenntnis der klinischen und pathologisch-anatomischen Veränderungen vom Arzt und Obduzenten die Diagnose des in Frage stehenden Krankheitsbildes in Fällen möglich sein, die sich sonst der Feststellung entziehen. Je höher aber der Prozent- satz richtiger Diagnosen in einschlägigen Fällen ist, desto grösser ist die Aussicht, die Frage der Vererbbarkeit zu beantworten. 1) H. Berg, Zschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie, 1913, Bd. 19, S. 528. Dr. IR: Lebert, ‘Klinik des akuten Gelenkrheumatismus » 2 " Denkschrift der Schles. Geselischaft zu ihrem 5058 hr. Bestehen, enthaltend ' ‚Verzeichnis der in den Schriften der Sehne “ "General- Sachresister der in den Schriften: der ‚Schles, Gesellsehaft für vaterl. - Die’Schlesische Gesellschaft für‘ vaterländische‘ Erltur, %; Di 1 . Dr Richard T oerster,. Johann. Christoph Banden Selbstbiogsaphie, "Jahrg, 1, 1810,96 8%, er "| Jahrg. II, 1812, 96 S._ Verzeichnis .: us Cntır trugen ; chri! Ich Zwei Reden, gehalten von dem Reg.-Quartiermstr. Miller und Prof. Reiche des Stittungstages 'der Gesellschaft zur. ‚Beför runs: ‚der Na EEDane- una Er "am 17..Dezember 1804. ‚80, 48 Seiten, i ‘ "An. die Mitelieder ‘ler Gesellschaft zur Beförderung. der Naturkunde änd Industrie sämtliche Sehlesier, von Rector Reiche, 1809. 89..32 8. Oeffentlicher Aktus der Sehles, Gesellschaft f. waren); ‚Cultar, gehalten‘ "am 19..D ihres Stiftüngsfestes. >30, 40,8. ee Joh. George Thomas, En der Literaturgese Fe Schles, us ‚gt Beiträge zur Entomologie, "verfasst von den. Mitgliedern der entom. Se ‚Die, schles. Bibliothek der Schles. ‚Gesellschaft v. K. G. Nowack. 3% Gesellschaft und ‚Beiträge zur Natur“ “ ‚und ‚Geschichtskunde ‚Schlesiens, Tafeln. 49% 283.8,: x £ { PITHNA Hoennieke, Die 'Mireralguellen der Provinz Se) ‚lesi Dr. J..G., Galle, Grundzüge der schles. Klimatologie, 185 Dr. J. Kühn, ‚Die zw eckmäßigste ‚Ernährung des Rindviehs, 1859. 3” { Jubilium des Geh. San. „Rats Dr, Ant. Krocker, E Erlangen 1860, Dr. Ferd, Römer, Die tossile launa der silurischen,.Diluvi er ".,#Schlesien,- nit 6 lithogr. und 2 Kupfer-Tafeln. 1861... 40 Lieder:zum Stittungsfeste der ento ae a Mose en’ se ktion de Sehle: Manuskript ssedruckt. ' 1867, 2.84 > 80, alphab. Ordnung von Letzner. Sr ER Fostsetzung der in den Schriften den Schles. Gedellschatt. für en Cultur von. ‚enthaltenen Aufsätze; geordnet nach ‘den Verfassern in alphab.. Ordn.'von ul inel. enthaltenen Aufsätze eeordnet'm alphab. Folge vonDr. der Gesellschaft, (149 83. Breslau 1904, ü „Jabilsum der Universität en 1grl.. 80.88.87, BR | 202 232,, Periolische. ‚Schriften. - & eriändlanseh der Banane. B Naturkunde u, Industrie- Schlestens, | 112:8, 1806. Desgl. Bd. IE, 1. Heft, 1807. ° Correspondenzblatt,.der Sehlesischen Gesellschaft für vaterländische. Cu b " Bee 1814, » PAOSATERE au LY, 1818, Hft.1 u.djeseg.. Gorrespondenz. der Schles. Gesellsehäft: £ va erl. Cultur. 8, Bar, Desel. Bd. II (Heft 1),;80.S. mit Abhild., 1820, Bulletin 3 naturwissensehaftl. ‚Sektion! der Schles. Gesellschatt 1, 1823 h ao“ 2.00: a0. 1Ep,* Übersicht der-Ar beiten (Berichte sämtl- ‚Sectiönen), U. Veränderungen der‘ ; „Jahrg. 1824.55 Seiten EN Re 1860. 203 Seiten 40. re ENTSTEHT N ) , #220°1861. 1488 89.0, Ab: 492,8, = ! 1826, 69,0 7.40, 1. 000 02% 18622962880 m, Ab: 68. er 1871: 9 BAER » 1863. 156 Seiten 80: ak BEER BABE NOTIEREN 40, =, .»1864£. 266 8. 8, n- “Abh. 2668. - -. 1829: 072 Pi 248} N 1865. 218 S:89, n. Abi. 698: «1 21830.-9099° er 40, - .1866..267 8. 8%..n. Abh. 90.8. I EBBL, 0 re 40, 231867. 2758 80.0. Ahh. 1918. “... 183247103 Er AD: 1 -....1868. 3008. 8%, n.Abh,447 8. “1833, N0GL Nor, "2° 1.3869: 371 8.80.05 Abu. 2868. I NISSAN TAIN EN 40, A 1870. 318 8. 8%.n. Abh. 5 8. e 1885.46. ARTEN - 71871. 357 8.80,n. Abh. 252 8. IE "ur* /1836,197 . 40, Ar ‘jema. 350 8.80. n/Abh. 1718. in HREABEL ALIEN RAN - "1823. 287 8.80. n.Abh, 1438, ». 4888, IS, = 0.40, ey A882 Selten. a 1839.,226.\..* 20, det - ET 5.718340. 151 9- 40, I. ei 1876. 394 4.1841, 188 ae I 23.5 1877,..428 0.8 1. BIMTDDE EAOTE E R ATRAHDE 1848, 2727 en. 40 nebst 19.6 3879.88. 44 5... meteorol. Beob. | *.. 1880)KVLI" u ai" Ps BR 1844..239 Seen 40,5, © NE ER SEFEBBL LANE USdBE Ing a he, ”% 1945. 165... 240 Nebst . 01882..X1 V:u.482) 0) 29,807 52 S. meteorol. ‚Beob.,; = 1888. XVL wAlS . 7802 1846. 320 Seiten 40, "Nebst late 74 8; meteorol,Beoh. | 1885. X VI u. 444 Seiten 80,1 1847 404 Seiten 40, nebst | 5 n. Erg.-Ueft. 1218.80. 00 44 8, meteorol, Beoh. . 1886. XL u. 327 Seiten 80.) =: v... 1848. 248 Seiten, >20, n. Erg.-Heft 121 8,8%]; » 7,.1849. Abth. }, 180.84, 398. .EOTEST, XLIL u. 411 Seiten 8%, : n, 448. meteorol. Beob # . 1888) XX: u. 8317 Seiten 80, |“ 1850. Abth.], 2048.11, 36.8.1... ’5188% XLIV'w 287. Beiten 80, 1851, 194 Seiten 40, 1890. ve 0.829 Seiten 80. * '1s8L’XLE ‚u.402 = 80, 2 Zn, 1 1852..212 au Be t272Seit. 80.. 1853,.845 19%. 7240. 02.3891... VI u. 481 Seiten‘8% 3 1854. 288 ; 40, n, Erg.-Meft 928eit, 80, 1855. 886 : 40, \ “> 1892. VER W (368 Seiten 80 | EL REN IE Er n. Erg.-Heft 1608. 80. 1 157.840. 49, s 1893, VIE; u: 892. Seiten 8%) 1S5B: 321% 20. .. 1894. VII u. 561 Seiten 80, 4859. 228 5 40, en. Erg.-Heft. 265 8.,80, | Mitglieder-Verzeiehnie in 8%. von ‘1805 und seit 1810 alle zwei Jahre enge ier ahres-Bericht der 1918. t Band | Breslau. BP: Aderholz’ Bene ür vaterli indische Cultur, Breslau 1, Hatthinskunst 1 Hl As Sechsundneunzigster Jahres-bericht Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Breslau. G. P. Aderholz’ Buchhandlung. 1919. SE ER ER: N BE LIBRARY Inhalts-Verzeichnis des I. Bandes des 96. Jahresberichtes. Allgemeiner Bericht ‘Über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Gesellschaft im Jahre 1918, erstattet vom stellvertretenden General-Sekretär, Geh. Sanitätsrat, Professor Dr. Rosenfeld Ei NND een en N AERe A EL 5 1 Bericht über die Bibliothek . . .... VL N NE ER ER 13 Bericht über das Herbarium der Gesellschaft ONE RL U EN ae 13 Kassen-Verwaltungsbericht. 14 Berichte über die Sektionen. ll. Abteilung: Naturwissenschaften. a. Sitzungen der naturwissenschaftlichen Sektion. Benedict, E.: Temperaturbestimmung leuchtender Flammen 1 — Über die Beugung des Lichtes an den Kohlenstoffteilchen teuchtenden Flammen 1 Beutell, A.: Neroden zur fon chung, des Weserechalles det Zee 1 Cloos, H.: Zur Geologie Deutsch-Südafrikas . 1 Hilpert, @.: Über das Ausschalten großer AVecheelstrondeisn ee Balken "1 1 Milch, L.: Über Spaltenbildung im Granit von Striegau. 1 Rechenberg,@.: Allgemeine Übersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der Universitäts-Sternwarte zu Breslau . i 9 Schaefer, Clemens: Die Bahnkurve des Foueauit’schen Pendel: h 1 — Ultrarote Eigenfrequenzen der Nitrate, Metasilikate, Bromate, Jodate Chlorate, Selenate \ DONE RR NER 20 198% 1 Schubert, Martha: Ultrarote een a“ Nitrate, Metasilikate, Bromate, Jodate, Chlorate, Selenate Senftleben, Hermann: Temperaturbestimmung euch ander ilersannen N 1 — Über die Beugung des Lichtes an den Kohlenstoffteilchen leuchtender Flammen 1 b. Sitzungen der zoologisch-botanischen Sektion. Grosser, W.: Krankheiten und wo der Kulturpflanzen in 1 Schlesien im Jahre 1917 Bat Grüning, G.: Unser Schnittblumenhandel vor am Kureke EURER HEREIN 1 — Teratologische Funde . IV Inhalts-Verzeichnis. Hölscher, J.: Eine bisher noch nicht beobachtete I durch nn Insekten an Cattleya-Blättern i S 5 Lingelsheim, A.: Eine Fraßerscheinung an lan Kuospen von Ribes multiflorum W. K. SE i t — Proben von Roggen- und Wickenguntse essen, aus Dass 3 Pax, F.: Die Blütenstände der Euphorbieae N 1 — Die Entwicklungsgeschichte der Flora Bumantene 3 5 Reiter, K.: Die Pilanzenwelt der Seefelder en 3 Schube, Th.: Ergebnisse der Durchforschung der schlesischen Gefäß- pflanzenwelt im Jahre 1917 und 1918 N Re BZ — Ergebnisse der phänologischen Beobachtungen in Schlesien im Jahre 1918 3 11 — Nachträge zum Waldbaeh von | Schlesien: ? 11 c. Sitzungen der Sektion für Obst- und Gartenbau. Hölsch'er, J.: Über Zierkürbisse . 5 Langer, G. A.-Proskau: Die Tomate, ihre Pacht und Vers enduns i Schindler-Proskau: Die Jubelfeier des fünfzigjährigen Bestehens der Gärtnerlehranstalt für Obst- und Gartenbau in Proskau. Ihre Zwecke und Ziele, Bedeutung für Schlesien, Fürsorge für Kriegsverletzte . HI. Abteilung: Geschichte und Staatswissenschaften. a. Sitzungen der historischen Sektion. Holtzmann: Ist Oberschlesien ein polnisches oder ein deutsches Land?. Loewe: Aus der Geschichte des deutschen Archivwesens . b. Sitzungen der Staats- und Rechtswissenschaftlichen Sektion. Buch: Der Krieg und die Vertragsfreiheit Dyhrenfurth: Zwang und Freiheit in der Übers ansewintecharn Kann: Die Verfassung und der Charakter der bürgerlichen Gerichte in Rußland. AR 5 Leonhard: Der Kategonicche unerativh, im aller Pollak, Oskar: Der allgemeine Teil des Strafrechts im neuen ann Rechtsbuch ! Steinitz: Zwang und hen in der Übergangsmirlkchatt/ Weber: Wiederaufbau der Volkswirtschaft nach dem Kriege. — Die Steuerlast nach dem Kriege . IV. Abteilung. a. Sitzungen der philologisch-archäologischen Sektion. Foerster, R.: Martin Herz. Eine Säkularerinnerung . Richtsteig: Das Platonstudium des Rhetors Himerios V. Abteilung. b. Sitzungen der philosophisch-psychologischen Sektion. Leonhard: Der kategorische Imperativ im Weltkrieg . 2 Scholz, Heinrich: Die Ehrfurcht vor dem Unbekannten, nen url Inkonsequenzen des religiösen Agnostizismus . Inhalts- Verzeichnis. V c. Sitzungen der katholisch-theologischen Sektion. Seite Brettschneider-Wartha: Pfarrbibliotheken, ihren Nutzen und ihre Pflege il Hoffmann: Neue Erfahrungen in der Feldseelsorge . . . 2.2. 2 u:2.. 1 Negwer: Das Eherecht im neuen kirchlichen Gesetzbuch . ... . : 1 Pollak: Das Prozeßrecht des neuen kirchlichen Rechtsbuches u ba sonderer Berücksichtigung der Verwirklichung moderner prozeßrecht- kches@umdsatzesinsdemselben . .. . ...... 1 Wilpert-Rom: Wahre und falsche eu der altehmetiiehen Cab Selptmnemsı. 00. en. Br Witte-Dresden: Wege zur initsffitehen inne, 2 d. Sitzungen der evangelisch-theologischen Sektion. Hoennicke: Die Apokalyptischen Reiter. .. . . Kerr Ren a Al 1 Schaeder: Der Gott des Christentums und der Staat N INA RAS URAN ı Steinbeck: Individualismus und Kirche . . VI. Abteilung. a. Sitzungen der technischen Sektion. ‚Sarainngs-älzung ala My a i b. Sitzungen der Sektion für Kunst der Gegenwart. Foerster, R.: Vision des hl. Francesco Borgia. . .. . I Koch, Max: Gedächtnisfeier zur Erinnerung an die erste Auffühnune den Meistersinsersvon kichardl Wagner. ...... cn... 00: 1 Landsberger, Franz: Expressionismus. . . NR Vallentin, Berthold: Die Kriegsdichtung Stefan George: a 1 e. Sitzungen der Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. Buntzel: Einiges über die beim Abbau mit Spülversatz in Oberschlesien beobachteten Erdsenkungen . Ä Cloos: Boden- und Wasserverhältnisse in een a an der Nee } Dietrich: Zur Landeskunde der Rhön ; a RE Oberhoffer: Eisen und Stahl unter dem Kilgoskes LS ON 49 . d. Sitzungen der chemischen Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau). Biltz, H.: Darstellung von Phosphortrioxyd in der Vorlesung . .. . Gadamer, J.: Oxydation von Alkaloiden mit Merkuriazetat Röhmann, F.: Über die Bildung des Milchzuckers in der Milchdrüse. Ruff, O.: Zusammensetzung und Temperaturbeständigkeit der Karbide . Fed m de pol Die orientalisch-sprachwissenschaftliche, die neuphilologische und die mathematische Sektion haben keine Sitzung gehalten. Nekrologe auf die im Jahre 1916 verstorbenen Mitglieder . . .. . . 1-86 Schlesische Gesellschaft für vaterländisehe Gultur. DEE SSROERH By } 96. | Jahresbericht. | Allgemeiner Bericht. 1918. DR ER DA ER EEE >, 2ES REN ERS 2, Allgemeiner Bericht über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur im Jahre 1918, erstattet von dem stellvertretenden General - Sekretär Herrn Geh. Sanitätsrat Professor Dr. Rosenfeld. Am Sonnabend, dem 23. Dezember 1918 wurde die Ordentliche Hauptversammlung abgehalten, nachdem sie auf Grund des $ 17 der Satzung durch einmalige Anzeige in der Schlesischen und in der Breslauer Zeitung bekannt gemacht worden war. Da der Präses infolge seiner Erkrankung an der Wahrnehmung des Vorsitzes verhindert und auch der Vize-Präses nicht gegenwärtig war, so wählte die Versammlung gemäß $ 20 der Satzung ein Mitglied des Ver- waltungsausschusses zum Vorsitzenden. Die Wahl fiel auf Herrn Geheimrat Bro Dr. Bax. Der Vorsitzende stellte die ordnungsgemäße Ladung der Versammlung unter Vorlegung der betreffenden Zeitungen und Verlesung des einschlägigen Paragraphen der Satzung fest. Alsdann gab der Schatzmeister, Herr Kommerzienrat Berve, eine Übersicht über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft. Im Anschluß hieran sprach der Vorsitzende dem Schatzmeister den Dank der Gesellschaft für die der Führung der Kassengeschäfte gewidmete Sorgfalt und Umsicht aus und beantragte die Entlastung des Schatzmeisters von der seitens des Präsidiums geprüften Rechnung für 1917, welche von der Versammlung einstimmig genehmigt wurde. Hierauf verlas der stellvertretende Generalsekretär, Herr Geh. Sanitätsrat Prof. Dr. Rosenfeld den Allgemeinen Bericht über das Jahr 1918. Zunächst wurden die Verluste an Mitgliedern aufgeführt, welche die Ge- sellschaft während des bezeichneten Zeitraumes teils durch Tod, teils durch _ Ausscheiden erlitten hat. Die Anwesenden ehrten auf Ersuchen des Vor- sitzenden das Andenken der Verstorbenen durch Erheben von ihren Plätzen, Von den Mitgliedern des Präsidiums verstarben: Herr Geh. Archivrat Dr. Otto Meinardus, Delegierter der historischen Sektion, 1918. j Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterl, Cultur. Herr Professor Oskar Simmersbach, Delegierter der Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. Ferner verlor die Gesellschaft durch den Tod a. von Ehrenmitgliedern: Herrn Maler Arthur Blaschnik in Berlin; b. von korrespondierenden Mitgliedern: 1. Herrn Geheimen Rat Prof. Dr. Ewald Hering in Leipzig, 2. „Geh. Oberkonsistorialrat Probst und Prof. D. Dr. Kawerau in Berlin, 3. „. Prof. Dr. Emil Koehne in Berlin; c. von wirklichen einheimischen Mitgliedern: 1. Herrn Geh. Sanitätsrat Prof. Dr. Conrad Alexander, 2 ‚, Geh. Sanitätsrat Dr. Alter, 3) ». Dr. phil. Kurt Blaschke, 4 „„ Prof. Dr. Georg von dem Borne, ‘ 3. „ Sanıtätsrat Dr. Georg Courant, 6 „ Geh. Sanitätsrat Dr. Richard Croce, X „„ Kaufmann Rudolf Daniel, 8. Frl. Privatiere Hermine Dyhrenfurth, 9. Herrn Fabrikdirektor a. D. Robert Floegel, 10. 7 252 Bauzat Karl Grosser; ll. ,, Apotheker Siegfried Hirschstein, 12. ,„ Zivilingenieur Carl Joppich, 13. ,, Ehrendomherr Prof. Dr. Joseph Jungnitz, 14. ,, Oberingenieur Henry Koch, 15. Frau Geheimrat Küstner, 16. Herrn Kunstmaler Prof. Joseph Langer, 17. _,, Prälat, Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Hugo Laemmer, 18. „ Geh. Sanitätsrat Dr. Paul Landmann, 19. Frl. Cäcilie Molinari, 20. Herrn Oberarzt Dr. Georg Moskiewicz, 21. , Verlagsbuchhändler Max Müller, 22. ,, Stadtrat und Justizrat Dr. Gustav Neisser, 23. .». Prof. Dr. phil. Paul:Neugebauer, 24. „ Dr. phil. Louis Neustadt, 29. „ Dr. med. Ernst Orsgler, 26: 7 Drefaned. HRurıt ‚Oisielies 27. 15,5 Professors AndrenRillet, 283. , Rechtsanwalt Erwin Riegner, 23: „„ Studienassessor Dr. Franz Riegner, 30. ,, Rentier Georg Sachs, N R Allgemeiner Bericht. 3 31. Herrn Geh. Sanitätsrat Dr. Adolf Schlesinger, 32. ,„ Generaloberarzt Dr. Reinhold Scholz, 33. ,, Major d. L. und Kaufmann Arthur Stentzel, 24... sSanitätsrat Dr. Eranz Veith, 35. ., Kaufmann Oskar Wehlau, 36. ,, Sanilätsrat Dr. Max Weitzen; d. von wirklichen auswärtigen Mitgliedern: 1. Herrn Gymnasialdirektor Dr. Ernst Hoffmann in Neustettin, 20.22 Dr. med..Hl, Kinscher in Antweiler a. d. Ahr, 8, Professor Paul Kokott in Neiße, 4. ,, Rittergutsbesitzer Franz v. Loebbecke in Brieg, 5. ,, Oberbergdirektor, Bergassessor a. D. R. Lück in Laura- hütte O.-Schl, Infolge von Wechsel des Wohnortes oder aus anderen Gründen schieden aus: REN 18: wirkliche einheimische und bi) a auswärtige Mitglieder. Aufgenommen worden sind nach dem 1. Juli 1918: 21 wirkliche einheimische Mitglieder, nämlich: 1. Herr Oberlehrer Dr. Max Laugwitz, 2 Dr phil Hans’ Georc Stoklossa, 3. Frl. Dr. phil. Hedwig Bender, 4. Herr Apotheker Ewald Jakubowski, . Sekretär Gustav Glaser, Bro Drı kleimeiteh" Winkler, 2. „ Prof. Dr. Freiherr v. Freytagh-Loringhoren, 8. 7 Drofe Deabsinst Sternitz, Dur „ Geh. Justizeat Prof. Dr. Paul Rehme, 10. "Des pn Ausust Rippel, 11. Frl. Oberlehrerin Margarete Hoffmann, 12, Herr Fürstbischöfl. Registraturvorsteher Kurt Engelbert, 13. Herr Dr. med. Adolf Pinezower, ie el De med: kılly Platau, os, Helene Zeilna, 16. Herr Oberlehrer Paul Linde, 17 ‚„ Kaufmann Josef Königshoefer, 18. „ Dr. P. Bertrandus Zimolong, O. F.M,, 19. „„ Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Ernst Kornemann, 20. „ Professor Dr. Fritz Hofmann, 2: „ Zahnarzt Friedrich Luniatschek, und nach dem 1. Januar (bis zum 30. Juni) 1919 folgende 99 Mitglieder: 22. Herr Studienrat Prof. Friedrich John, 23: „ Lehrer Dr. phil. Bruno Schroeder, Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 24. Herr Mittelschullehrer Richard Nitschke, 21: „ Handelsrichter Franz Beerel, 26. ., Geh. Regierungsrat Prof. Dr. phil. Wilhelm Volz, rl: „„ Augenarzt Dr. Günther Bogatsch, 28. Justizrat Max Müldner, 29. ,, Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Franz Doflein, 302 Dr med WilhlyeBloch, 3l. ,, Zahnarzt Georg Gutimann, 2 Dr. med. Adolf Krakauer, 38. Buchhändler Dr. phil. Felix Priebatsch, 54. „ Sanitätsrat Dr. Josef Franz, 39: „». Dr. med. Ernst Fraenkel, 36. Dr. Rudolf Lobethal, 37 „ Professor Dr. Ludwig Gräper, 38. „ Dr. med. Hermann Hoepke, 39. ,„ Zahnarzt Hermann Friedebers, 40, ‚„ Zahnarzt Dr. Felix Lonsky, „ Rechtsanwalt Dr. jur. Hans Püschel, 42. ., Bergassessor Dr. Kurt Flegel, 43. Frl. Rezitatorin Marta Recksiegel, 44, Herr Stadibaumeister Max Tharann, 45. „ Prokurist Bertrand Deutsch, 46. „ Professor Wilhelm Tafel, 4%. ,, Oberlehrer Georg Fehringer, 48. .„ Oberlehrer Dr. phil. Paul Gerlich, 49, „ Realschul-Direktor Walter Vogt, 50. ‚„‚, Regierungs- und Geh. Baurat Friedr. Wilh. Schulte, Dil ‚„ Staatl. Seminardirektor Dr. phil. August Wagner, 92% „ Apotheker Max Kunz, De „ Dr. med. Hugo Hauke, 54. Chefarzt Dr. Hermann Sımon, 392 eh Fabrikbesitzer Martha Bahlinger, 56. Herr Professor Dr. med. Hans Aron, 57. ., Oberlehrer Dr. phil. Emil Schleier, 58. ‚„„ Domsakristan Dr. Berthold Altaner, 59. ‚„„ Generaloberarzt Dr. Georg Lorenz, 60. „» Dr. med. Hans-Erich Lorenz, 61. „ Professor Dr. Heinz Braune, Direktor des Schles. Museums der bildenden Künste. 2, »Kaplans Mas Brus“ 63. ,, stud. theol. kath. Graf Magnis, 64. „ Arzt und Zahnarzt Dr. med. Hugo Brasch, 55. ‚„„ Zahnarzt Martin Baer, Allgemeiner Bericht. 66. Herr Zahnarzt Dr. Paul Schaefer, 0 Zahmarzi EL Deiziadek, . Des med. Julnan Scheps, Zahnarzt Erich Kaufmann, „2 1“ " Eugen Silbermann, er I Werner Schumacher, Ss S Klötzel, a e Rudolf Neumann, N Er Martin Falk, er N Paul Gröhler, „ en Dr. Siegmund Posner, H M Arthur Olbrich, m en Edwin Schenk, A R Dr. Alfred Bild, e 5 Alfred Brill, s Er Dr. Alfred Masur, a8 " Max Salisch, Frau Zahnärztin Käthe Salisch-Fränkel, Herr Zahnarzt Ernst Boronow, ” % Stanislaus Cybulski, in u Rudolf Jaekel, " ” Heinz Aschkowitz, I 1, Ferdinand Alexander, EN Siegfried Brinnitzer, I 2% Robert Buch, s% 2 Hugo Schachtel, Frl. Zahnärztin Anneliese Fleischmann, PR 2 Frieda Marschner, Herr Zahnarzt Dr. Josef Boronow, or 5 Salo Kapauner, a R Berthold Loewy, ‚„. Arzt und Zahnarzt Dr. med. Georg Goldschmidt, „ Zahnarzt Eberhard Peter, > =. DE Dudwie Reichel, en Georg Conrad, Arzt und Zahnarzt Dr. med. Joseph Linke, „ Zahnarzt Georg Gossa, „ Oberlehrer Dr. Max Krüger, ‚„„ Masgistrats-Assessor Dr. Friedrich Ollendoriff, „ Studienrät Dr. Theodor Bögel, „ Gymnasialdirektor Dr. Alexis Gabriel, „ Zahnarzt Willi Glückmann, ‚„ Zahnarzt Walter Bimler, 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 109. Herr Privat- Dozent Dr. med. Walter Klestadt, 110. Frl. Dr. med. Marianne Franz, 111. Herr Dr. med. Richard Lewy, 19192 „. ‘Geh. Hofrat Prof. Dr. Friedrich Scehur, 113. 2, Brof#Desmed.Alexande»Bittorf, 114, „. Dr. med. Alfred Welz, 113. „ Dr. med. Fritz Schaefer, 116... Dr.med. Gustav Samson; 117. Frau Professor Helene Henke. 118. Herr Professor Dr. Erwin Rupp, 119. ,,. Oberlehrer Max Schiemanowsky, 120. ,, Dozent Dipl.-Ing. Wilhelm Gross, und 12 wirkliche auswärtige Mitglieder, nämlich: 1. Herr II. Bürgermeister Karl Werner in Königshütte OS., 2. ‚ Dr. med. Hans Schaefer in Hamnurg, 3% ‚ Stadtpfarrer August Bürger in Jauer i. Schl., 4. „Dr. P. Athanasius Burda, O.F.M. in Neisse, 5. ,, Rektor Bruno Clemenz in Liegnitz, 6. „Dipl.-Ing. Heinrich Reisner in Essen-Bredeney, 7: „ Zahnarzt Leo Gassmann in Jauer i. Schl., 3. : en Max Lewin in Reichenbach ı, Schl., % ; 5 Eugen Adler in Hindenburg OS., 10. A Fritz Adler ın Pless OS,, ul, 1; 5 Alfred Triebel in Hindenburg OS,., 12. 3 = Werner Schroedter in Bunzlau. Zum Ehrenmitgliede wurde ernannt: Sr. Exzellenz Herr Generalfeldmarschall Dr. von Woyrsch auf Schloss Pilsnitz. Zu korrespondierenden Mitgliedern wurden ernannt: Herr Prof. Dr. phil. Alfons Hilka in Greifswald, „ Geh. Regierungsrat Prof. Dr. phil. Kükenthal in Berlin. Mithin zählt die Gesellschaft: . 1014 wirkliche einheimische, 182 wirkliche auswärtige, 25 Ehrenmitglieder und 109 korrespondierende Mitglieder. Außerdem zählt die Sektion für Obst- und Gartenbau neben 94 Gesellschafts-Mitgliedern noch 82 zahlende. Die chemische Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau) zählt außer 70 Gesellschaftsmitgliederun noch 62 Sektionsmitglieder. Allgemeiner Bericht. j 7 In den Verwaltungs-Ausschuß wurden gewählt: Herr Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Foerster als Präses, ., Berghauptmann Wirkl. Geh. Oberbergrat Dr.-ng. Schmeisser als Vize-Präses, ö Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Pax als General-Sekretär, Geh. Sanitätsrat Prof. Dr. Rosenfeld als stellvertretender ”ı n General-Sekretär, Kommerzienrat Berve als Schatzmeister und Handelsrichter Allred Moeser als stellvertretender Schatz- „ bB} meister. In das Präsidium wurden gewählt: Herr Geh. Medizinalrat Professor Dr. Küstner, Stadtrat Julius Müller, Öberpräsidial- und Geh. Öberregierungsrat Dr. Schimmel- 77 29 pfennig, Bürgermeister Dr. Trentin. Oberbürgermeister Dr. Wagner. „ Als Delegierte der einzelnen Sektionen wurden in das Präsidium gewählt von der Medizinischen Sektion: Herr Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Hürthle, „ Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Kütiner, "Geh. Med.-Rat Prof Dr. Partseh, » Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Uhthoff, Professor Dr. Tietze, von der Hygienischen: Herr Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Pfeiffer, von der Naturwissenschaftlichen: Herr Professor Dr. Milch, „ Professor Dr. Cl. Schaefer, von der Zoologisch-Botanischen: Herr Professor Rudolf Dittrich, von der Sektion für Obst- und Gartenbau: Herr Professor Dr. Rosen, von der Historischen: Herr Professor Dr. Holtzmann, von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen: Herr Geh. Justizrat Prof. Dr. Leonhard, „„ Professor Dr. Weber, „, Mathematiker Dr. Wagner, von der Philologisch-Archäologischen: Herr Geh. Regierungs- und Provinzial-Schulrat Dr. Miller, 8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. von der Orientalisch-sprachwissenschaftlichen: Herr Professor Dr. Meißner, von der Sektion für Neuere Philologie: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Appel, von der Mathematischen: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Kneser, von der Philosophisch - Psychologischen: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Baumgartner, von der Katholisch-Theologischen: Herr Domherr Prof. Dr. Joh. Nikel, Domherr Dr. Anton Bergel, „ von der Evangelisch-Theologischen: Herr Professor D. Dr. Hönnicke, von der Technischen: Herr Professor Dipl.-Ing. Wohl, von der Sektion für Kunst der Gegenwart: Herr Architekt Felix Henry, „ Geh. Reg.-Rat Prof Dr. Max Koch, 3 von der Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hülten- wesen: Herr Ober- und Geheimer Bergrat Heinke, Professor Dr.-sug. Oberhoffer, ..„ Professor Dr. Cloos, von der Chemischen Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau): Herr Professor Dr. Ruff, Professor Dr. Biltz. ’ „ Über die Tätigkeit der einzelnen Sektionen berichten die Herren Sekretäre das Folgende: Die medizinische Sektion hielt 21 Sitzungen ab, einschließlich 3 klinischer Abende. Für die Periode 1918/19 sind gewählt: als 1. Sekretär, zugleich als Vorsitzender der Sektion: Herr Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Uhthoff, als 2. Sekretär, zugleich als stellvertretender Vorsitzender: Herr Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bumke, ferner: Herr Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Minkowski, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Partsch, Prof. Dr. Röhmann, Geh. Sanitätsrat Prof. Dr. Rosenfeld, , Pros Dradietze: Allgemeiner Bericht. Die hygienische Sektion. Zum Sekretär ist gewählt: Herr Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Pfeiffer. Die naturwissenschaftliche Sektion hielt 5 Sitzungen. Zu Sekretären wurden gewählt: Herr Prof. Dr. Beutell, Bros Dry Maler, Bon DES CE Schaeter, Eror De, Waetzmann. Die zoologisch-botanische Sektion hielt 6 Sitzungen. Zum Sekretär wurde gewählt: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Pax. Die Sektion für Obst- und Gartenbau hielt 2 Sitzungen. Zum Sekretär wurde gewählt: Herr Prof. Dr. Rosen, zum Stellvertreter: Herr Garteninspektor Hölscher, zum Verwaltungsvorstand: Herr Kaufmann P. Scholz. ı Die historische Sektion hielt 2 Sitzungen. Zu Sekretären wurden gewählt: Herr Prof. Dr. Holtzmann, „ Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Kornemann, Brom Dirs Sicho en auch: Die Sektion für Rechts- und Staats-Wissenschaften ‚hielt 7 Sitzungen. Zu Sekretären wurden gewählt: Herr Geh. Justizrat Prof. Dr. Leonhard, „ Oberpräsidialrat Geheimer Ober-Reg.-Rat Dr. Schimmel- pfennig, „ Prof. Dr. Weber. 1918. 10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Culiur. Die philologisch-archäologische Sektion hielt 2 Sitzungen. > Zu Sekretären wurden gewählt: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Foerster, Geh. Reg.- u. Prov.-Schulrat Dr. Miller. Die orientalisch-sprachwissenschaftliche Sektion. Zum Sekretär ist gewählt: Herr Prof. Dr. Meißner. Die Sektion für neuere Philologie. Zu Sekretären sind gewählt: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Appel, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Max Koch, Prof. Dr. Diels, Prof. Dr. Schücking. Die mathematische Sektion. Zu Sekretären sind gewählt: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Kneser, Realsehuldirektor Prof. Dr. Peche. 2 Die philosophisch-psychologische Sektion hielt 2 Sitzungen. Zu Sekretären wurden gewählt: Herr Geh. Reg.-Rat Professor Dr. Kühnemann, zugleich Vor- sitzender, Geh. Reg.-Rat Professor Dr. Baumgartner, Prof. Dr. Guttmann, Prof. Dr. Hönigswald. Die katholisch-theologische Sektion hielt 6 Sitzungen. Zu Sekretären wurden gewählt: Herr Domherr Prof. Dr. Joh. Nikel, Studienrat Dr. Hoffmann. Die evangelisch-theologische Sektion. hielt 3 Sitzungen. Zu Sekretären wurden gewählt: Herr Prof. D. Dr. Hönnicke, Kircheninspektor Propst D. Decke. un Bericht. 11 Die technische Sektion hielt 1 Sitzung. Zu Sekretären sind gewählt: Herr Prof. Dipl.-Ing. Wohl, .. Pro S@lnılunes Die Sektion für Kunst der Gegenwart hielt 4 Sitzungen. \ Zu Sekretären wurden gewählt: Herr Architekt Felix Henry, „ Baurat Karl Grosser, „„ Geh. Reg.-Rat Professor Dr. Max Koch, Professor Dr. Landsberger, ‚„ Professor Max Schneider. Die Sektion für Geologie, Eensraphie, Berg- und Hüttenwesen hielt 3 Sitzungen. Zu Sekretären wurden gewählt: Herr Berghauptmann Wirkl. Geh. Öberbergrat Dr.-Sug. Schmeißer, „ Prof. und Hüttendirektor a. D. Simmersbach, ‚„ Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Supan, ‚„ Generaldirektor Bergrat Williger, „„ Generaldirektor Eckert, „ Geh. Bergrat Heinke, „ Prof. Dr.-Sng. Oberhoffer, „ Professor Dr. Dietrich. Die Chemische Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau) hielt 3 Sitzungen. Zum Vorstand der Sektion wurden gewählt: Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Gadamer, Vorsitzender, "Prof. Dr. 0: Ruff, Beisitzer: »„ Direktor Dr. Schultz, Beisitzer, „ »tudienrat Dr. Glatzel, Kassenwart, „ Prof. Dr. Herz, Schriftführer. Allgemeine Versammlungen haben 5 stattgefunden. In ihnen wurden folgende Vorträge gehalten: 1. Am 17. Januar von Herrn Rechtsanwalt Dr. Oswald Barber von der Z.E.G,, Berlin: „Wesen und Wirken der Z.E. @.‘*. 12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 2. Am 31. Januar von Herrn Geh. Regierungsrat Dr. Friedensbure: „Die deutschen Brakteaten. Ein vergessenes Kapitel der deutschen Kunstgeschichte“. Mit Lichtbildern. . Am 14 Februar von Herrn Professor Dr. Holtzmann: „Die Weltgeschichte von 1871—1914°. 4. Am 15. Juni : | von Herrn Oberleutnant d. Res. Dr. Miksch, beim Generalgouverneur [S%) von Belgien: „Die flämische Bewegung bis zur Gegenwart“. Vor dem Vortrage überreichte der Präses Se. Exzellenz dem General- feldmarschall Dr. von Woyrsch das Diplom als Ehrenmitglied der Gesell- schaft. Im Anschluß an seine Worte wurde von der Kapelle des Fuß- artillerie-Regiments Schles. Nr. 6 „Deutschland, Deutschland über alles“ vorgetragen, worauf Se. Exzellenz seinemDanke in längerer Rede Ausdruck gab. 5. Am 23. Oktober von Herrn Professor Dr. Th. Schube: „Ergebnisse der letzten Waldstudienfahrten“. Mit. Lichtbildern. Diese Versammlung wurde von dem Generalsekretär in Vertretung des erkrankten Präses und dem durch eine Reise verhinderten Vize-Präses geleitet. Der Generalsekretär stellte den Antrag, dem erkrankten Präses die Glückwünsche der Versammlung zu seinem fünfzigjährigen Dozenten- Jubiläum und die Wünsche für baldigste Genesung aussprechen zu dürfen, welcher von der Versammlung einstimmig genehmigt wurde. Präsidial-Sitzungen haben 2 stattgefunden. Als besondere Mitteilungen und Beschlüsse aus denselben sind her- vorzuheben: Dem Mitgliede des Präsidiums, Herrn Stadtrat Julius Müller, wurden zum 50jährigen Jubiläum seiner kommunalen Tätigkeit die Glückwünsche der Gesellschaft durch den Präses schriftlich ausgesprochen; desgleichen wurden dem Ehrenmitgliede, Herrn Professor Dr. Leonhard Weber in Kiel die Glückwünsche der Gesellschaft zu seinem OÖ jährigen Geburtstage übermittelt. Die Einladungen des Knopf-Museums Heinrich Waldes in Prag- Wrschowitz zur Eröffnungsfeier und der Naturforschenden Gesell- schaft zu Leipzig zur Feier ihres 100jährigen Bestehens wurden, da die Entsendung von Vertretern nicht möglich war, durch Dank- und Glück- wunschschreiben beantwortet. Bei der am 4. Juni stattfindenden Enthüllung der Gedenktafel für Herrn Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Hermann Cohn im Geburtshause, Ring 16 wurde die Gesellschaft durch den Präses vertreten. Aöu Allgemeiner Bericht. 3 Der Vizepräses, Herr Oberbürgermeister Matting, der am 14, Mai ın das Präsidium eingeführt wurde, legte Anfang Dezember infolge Wechsel des Wohnortes sein Amt nieder. Die Satzung der Rudolf Rosenfeld-Stiftung wurde genehmigt und unter dem 29. Oktober die erste Preisarbeit ausgeschrieben mit dem Thema: „Der Einfluß des Alkoholismus auf Vorkommen und Verlauf der Tuberkulose soll durch literarische, statistische, sowie pathologisch- anatomische Untersuchungen geprüft werden.“ Die Satzung der Konrad Reichelt’schen Stiftung bildet noch den Gegenstand weiterer Beratungen. Von einem ungenannt sein.wollenden Stifter ist der Gesellschaft ein Kapital von 20000 ‚X übermittelt worden zur Förderung wissenschaftlich- medizinischer Forschung. Zunächst sollen die Zinsen desselben Herrn Geheimrat Rosenfeld zum Studium der Nierenerkrankungen und deren Heilung zur Verfügung stehen. Die Allerhöchste Genehmigung ist nach- gesucht und bereits erteilt worden. Die Satzung wird von den Sekretären der medizinischen Sektion aufgestellt und beraten werden, Bericht über die Bibliothek. Die im Austausch eingegangenen Gesellschaftsschriften und Zeit- schriften lagen in der üblichen Weise im Lesezimmer des -Gesellschafts- hauses zur Benutzung aus und wurden dann regelmäßig von der Staats- und Universitäts-Bibliotiek übernommen. Als Geschenkgeber seien mit Dank genannt: das Kuratorium der Kommerzienrat Fraenkelschen Stiftungen, die Evangelische Zentralstelle, die Generalkommission für Schlesien und die Herren Rittmeister d.L.a.D. Matthias, Geh. Justizrat Prof. Dr. Rehme, Dr. phil. Stoklossa, Dr. phil. Lingelsheim, sämtlich in Breslau. Bericht über das Herbar der Gesellschaft. Auch im abgelaufenen Jalıre brachten zahlreiche Streifzüge des Unter- zeichneten einen erheblichen Zuwachs zu der Pflanzensammlung. Von andern Beobachtern unserer Pflanzenwelt zeichneten sich wieder besonders die Herren Buchs-Frankenstein und Schalow-Breslau aus, denen auch an dieser Stelle für ihre ‘Unterstützung bestens gedankt sei. Prof. Dr. Theodor Schube. 1918. ' Be 14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Kassen-Verwaltungsbericht für das Jahr 1918. Zu dem Bestand des Gesellschaftsvermögens am 31. Dezember 1917 von in baren in Wert- Separat-Fonds papieren im : betr. Stiftungen ın bar ©” Nennwert - Vermächtnisse usw. von ll HM eh : 6.098,.21.22.22638 58 200, — “traten an Einnahmen im Jahre 1913 hinzu aa a9 1A, 51.08.39 20,000 25 169,3 7377250 820 Verausgabt wurden im Jahre 1918 24 567,27 2 500, — 2600 mithin verbleiben: er in bar 602,06 in baren Separat-Fonds betr. Stif- tungen, Vermächtnisse usw. . 4 877,80 in Wertpapieren im Nennwert von 75 600,— m nn nn Breslau, den 31. Dezember 1918. Berve Schatzmeister. hr 1918. .| Rosenfe 5 Walter- kuseabe. Beständle Unterstützungen und Wasserverbrauch: Zinsen | De. 3845.49 NR Mitglied) (isch M 277,42 2 8 a. einlı "285.80. ,.100.563.28 By 05919 f hterialien 5) aus ie h "ren, Gerichtskosten . TOR a Jahresby 75 a N Jahresbiebäud es Außeror Ku Verl. Amortisation )ezember 1918 RER . Rechnungsbuch No. 39 185. Ale durg]- Stiftung: b. Rücrrtpapiere Einnahr C, Stiftung: rtpapiere .| Reichelth No. 41 414 Errelt-Stiftung‘“ BR geschieden Mt 2600 5°/, Deutsche undjer „Reichelt-Stiftung“ . | aufgelaustiftung: ertpap'ere | Stiftung“ Bi verglichen und richtig befunden. september 191%). mächtnisse usw. A N ® Barer Separat- Wert - R Fonds betr. papiere neine Kasse. Baı Stiftungen, Ver- | iin Nenn- wert von a SP) DD — | — | 1901| 40 49 HC) | 6 000 = 2 600 |, 2500 — | 2, — | - 20000 00 los 0 78 200 28 1109 82 Tora SM Leser, Rechnungsrevisor. Kassen-Abschluss für das Jahr 1918. s FETT ge SEES ee nn Barer Separal- Werizs Barer Separat- Wert- Allgemeine Rasse. I ® Stllungen, Ver in Nenn- Allgemeine Kasse. Bun Stllungen, Ver Re ni Einnahme. en # & ZI AH Titel Ausgabe. eb K Er ES Sn N Bestand am 31. Dezember 1917 6058| 21 2269| 45 |58 200 1.| @ehälter und dauernde Unterstützungen 3.080 Be | | ‚| Zinsen vom Guthaben beim Schles. Bankverein . 357 65 2. Ilalzmug, Belenelitung und Wasserverbrauch: 2 | | | ), Bi a. Koks, Kohle, Holz. fl 3 845,49 | | 1, Mitglieder-Beiträge: b. Beleuchtung: Elektrisch “4 277,42 | | 1, einheimische für 1914 (1) 20 10), = Gas 285,86 563,28 | iv en a | e. Wasser Ne „759,49 | dlacı| 36 | N TONTIC RC r (0), au Schreibbedarf und Materialien ER 568) 65 | n TE _ 4. | Zeitungsinserate . 690) — ( 1918 (945) . 4450 5. Druckkosten Aa: 7484 25 i 6.| Versicherungen (Feuer) 44| 55 | [. auswärtige für 1915 (1) = 7.| Stempel, Steuergebühren, Gerichtskosten . u — | R R a lkllbme 2) er 9 12,— 8. | Steuern 961) 77 | m 4 , 74) S4,- 9,.| Kleine Ausgaben 546) 29 1 R KRETTL, „ 1026.— [10 788| — 10. | Porto-Ausgaben . 5 El 1 018) 53 | | 11.| Fernsprecher: No. 3702 Al 219,75 ! | 1.| Jalvesbeilvag der Provinz Schlesien 3.0001 — 5 1 31 10 We LONG O) 390| 41 5, | Jahresbeilrag der Stadt Breslau . 2000, — | 12, Instandhaltung des Gebäudes 1002| 36 1.) Außerordentliche Einnahmen: N) aoslseleel Konto RS REN | 2 Tollahrn Slhsfiian, Weilheim cite, er | 14. | Hypothekenzinsen und Amortisation 4275 2: All: ; : Barbestand am 31. Dezember 1918 602) 06 | 1 Einnahmen aus dem Gesellschaftshause: | Barer Separatfonds It. Rechnungsbuch No. 39 185. — 900 a durch Vermielungen A 2,105,— | Bestand der Rosenfeld-Stiftung: | | b, Rückvergütung für Heizung . En 128,50 | a. Nennwert der Wertpapiere —_ | — | = 6.000 [2 2 „ Beleuchtung 254,70 2.488) 20 | b. auf Sonderkonto I . - |— 624 45 Me elastitns * E al An Bestand der ROhelFelilung: = Se Ti a. Nennwert der Wertpapiere — | — ==.) — 129) (X010) "| Reichelt-Stiftung — aufgelaufene Zinsen . — | | b. auf Rechnungsbuch No. 41 414 | — 86, 15 Erlös aus 6 2600 5°/, Deutscher Reichsanleihe — = & at 1Konko DINGIchelESUnESg ER ä | E aa I, Walter-Stiftung in 50/ Deutscher Reichsanleihe 20.000 _ due Me auseeschieden122000 Do Wartet | | & ro 3 ee | & Reichsanleihe ee ne = — a u 2.000 mu | e. Erbschaftssteuer der „Reichelt-Stiftung‘ - — 2500| — Aufgelaufene Zinsen auf Konto „Walter-Stiftung‘“ — —. || il 013) 40 Bestand "der Walter-Stiftung:: | | | a. Nennwert der Wertpapiere — — — | — [20.000 et | b. auf Konto „Walter-Stiftung‘“ = — | 1013) 40 25169) 33 | 7 377) so [78200 25 169] 35 | 7 3771 80 78 200 Breslau, den 31. Dezember 1918. Berve, Schatzmeister. Bi. Geprüft, mit den Belegen verglichen und richtig befunden. Breslau, den 19. September 1910. Leser, Rechnungsrevisor. Sehlesische Gesellschaft für valerländische Gultur. III \ Ban) 96. | U. Abteilung. Jahresbericht. | Naturwissenschaften. 1918. a. Naturwissenschaftliche Sektion. ORT RR ET IT, AR EBENEN: ME N 2 By) Sitzungen der naturwissenschaftlichen Sektion im Jahre 1918. Sitzung am 16. Januar. 1. Wahl eines Sekretärs und eines Schriftführers; gewählt wurde an Stelle des ausscheidenden Sekretärs Herrn Prof. Dr. Biltz als Sekretär Herr Prof. Dr. Milch. Als Schriftführer wurde gewählt Herr Dr. Hermann Senftleben. 9, Herr Dr. Hermann Senftleben u. Fräulein Dr. Elisabeth Benedict: Temperaturbestimmung leuchtender Flammen. 3, Herr Professor Dr. Clemens Schaefer: Die Bahnkurve des Foucaultschen Pendels (mit einer Demonstration). 4, Herr Professor Dr. Albert Beutell: "Methoden zur Erforschung des Wassergehaltes der Zeolithe. I. Sitzung.am 12. Juni. 1. Herr Prof. Dr. Clemens Schaefer u. Fräulein Dr. Martha Schubert: Ultrarote Eigenfrequenzen der Nitrate, Metasilikate, Bromate, Jodate, Chlorate, Selenate. 2. Herr Dr. H. Cloos: Über plutonische Raumbildung. I. Sitzung am. 17, Juli. 1. Herr Prof.Dr. L. Milch: Über Spaltenbildung im Granit von Striegau. 9. Herr Dr. H. Cloos: Zur Geologie Deutsch-Südafrikas. IV. Sitzung am 31. Juli. 1. Herr Professor Dr. ing. G. Hilpert: 3 Über das Ausschalten grosser Wechselstromleistungen unter Ol. V. Sitzuns,amı5, Diezemiyer. 1. Herr Professor Dr. L. Mileh: Nachruf für Georg v. d. Borne. 2. Neuwahlen der Delegierten und Sekretäre der Sektion: Als Delegierte wurden gewählt: Herr Professor Dr. Clemens Schaefer und Herr Professor Dr. Ludwig Milch. Als Sekretäre wurden gewählt: Herr Professor Dr. Ludwig Milch, Herr Professor Dr. Olemens Schaefer, Herr Prof. Dr. Albert Beutell, Herr Prof. Dr. Erich Waetzmann. 3. Herr Dr. H. Senftleben und Fräulein Dr. E. Benedict: Über die Beugung des Lichtes an den Kohlenstoffteilchen leuchtender Flammen (mit Demonstrationen). 1918. N 3 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Allgemeine Übersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der Universitäts- Sternwarte zu Breslau im Jahre 1918. Mitgeteilt von Dr. G. Rechenberg. Höhe des Barometers über Normal-Null = 147,03 m. as 1. Darulle LET. DRG, ll. Temperatur der Luft reduziert auf 0° Celsius in Graden nach Celsius in Millimetern © © 5 % = oO 17) Sn Monat S 17) S = S = 7 = a Ö Ze Sea ee = =.| 2.0 Se = A = a = = A = a i= = Januar .... | 95. 765,3 | 8. | 797,9 |743,00 19. | 119 j° 10: Beer 1,29 Februar 9. 66.1 | 28. | 37,7 \.54,33 9: 1.10,9°1 17.209 82133 März....... | 15. | 5829| 25.| 373 | 51,35-| 283. | 14,6 | 26. 65 49% April 95. | 59,91 19. | 37,7! 45,20 |9.,25.| 220| 4. 1,7| 12,67 Mar... 30. 5680| 8.| 415| 49,80 | 23. 28,9 | 97. 34| 14.36 una © 9. 53,9 | 15. | 402 | 47,53 | 15. | 2779| 4 4,0] 14,80 Tal > 9%. | 5311 2.| 41,81 46,9 |9.,20.| 271.| 30. 9,3| 17,76 August .....| 22. 544| 6. 42,4| 4814| 93. | 33,2| 28. 10,4] 17,35 September..| 26. | 52,91 23. | 37,4 | 46,88 19. 386 1 21. 7,2] 15,40 Oktober ....| 30. 60,9 | 36. 120 | 50,31 1 18. | 195 1 8, 0,7| 10,11 November ..| 10. , 629 | 1. | 452 | 53,44 7.| 16,6| 2 65] 3.19 Dezember...| 15. | 59,7 | 19. | 29,0 | 46.78 | 30. 87] 14.) .40) 2348 F Febr: | Jan. | or =; Aus. : Jan. e - Jahı 2. 766,1 | "9. 797,9 |749. 10 | ge) 332 00 ea III. Feuchtigkeit der Luft IV. Wolken- 1918 a. absolute | b. relative bildung und in Millimetern in Prozenten Niederschläge | FE 8-5. © I 9) | © al 8 2% »2 Monat Selen e ei | 8.8 8.2 & | Leere 2331828 |: |=82| 23 5] |#]8]°]es5 = Se el leo as = Er: A = | a Sr aA lsaı a |sı $ Tage 252° | ZIEL Januar .....]24/25.| 7,6| 10. 1,5) 4,49 öfter]100| 14. 163 84,4] — | 14 | 17, 26,75 Februar 24. 7,6, 16. 11,7) 4,21|3.,5. 100) 18. 1501793] 5 | 9 | 14) 39,85 März 93. 801 26. 11,7) 4,451 2. 1100) 22. [9471,0] 3 | 21 | 7 11.25 Apr. 28. 106| 4. 148 7,48| öfter! 97) 10. 13270,1| — | 20 | 10. 20,85 Mae: 24. 110,4| 27. 13,3) 6,83|8.,25.|100 23. |2458,6| 10 | 15 | 6| 23.36 Junfer . 17. 113,4) 3. 3,0) 7,11 16. |100) 10. |2058,4| 1 | 20 | 9| 70,85 Jule: 17. 114,9| 1. 5,8110,66 || öfter]100 21. 133171,9| — | 18 | 13/121,35 August .....| 21. 14,2) 31. |7,9110,83| öfter) 99 23. 32]74,3| — | 15 | 16| 75,50 September...| 19. 1138| a7 |53| s92|| a0. | 99] a7. jagles7| | 18 | 10) 37,90 Oktober ....| 19. 111,5. 2. 45, 7,81] öfter]100) 2. 4983,3| — 16 15) 62,10 November ..| 7. | 9,9) 22. |3,8, 5,19 öfter 100116/24. 58851 | 2 | 14 | 14 19,40 Dezember ..| 30. | 7,0| 27. 12,9] 4,85 || öfterj100| 24. |57)87,3] 1 | 11 | 19| 68,40 Jahr | ji 14,9 | en 11,5! 6.90 | öfter|100) ya 20 74,4| 94 191 |150/561,30 k | | . | II. Abteilung. Naturwissenschaftliche Sektion. 2 V. Herrschende Winde. Januar. Die Winde, die wiederholt etwas stärker als gewöhnlich auf- traten, wehten ganz überwiegend aus westlichen Richtungen, be- sonders aus Südwest. @ebruar. Auch in diesem Monat traten die Winde wiederholt stärker als gewöhnlich auf und die Hauptrichtung war wiederum Südwest; demnächst wurden auch häufig Südostwinde notiert. ‘März. Die Winde traten stets nur in mittleren Stärken auf und kamen vorherrschend aus östlichen Richtungen, besonders aus Südost. ‚April. Die Winde traten meist nur schwach auf und kamen ganz über- wiegend aus Südost; Nordwind wurde garnicht notiert. Mai. Auch in diesem Monat traten die Winde meist nur schwach auf; sie wehten überwiegend aus Nordwest, demnächst auch häufig aus östlichen Richtungen, während Süd-, Südwest- und Westwinde ganz’ zurücktraten. „Juni, Die Winde wehten durchweg in mittleren Stärken und kamen | wiederum vorherrschend aus Nordwest, demnächst häufig aus West und Südwest. Juli. Die Winde traten stets in nur mittleren Stärken auf und wehten überwiegend aus Nordwest und West; Nordwind wurde nur ein- mal notiert. August. Die Winde kamen wiederum ganz vorherrschend aus West und Nordwest; Ostwind wurde nur einmal beobachtet. September. Die Winde traten wiederholt stärker als gewöhnlich auf und wehten ganz überwiegend aus Südwest und den dieser Richtung benachbarten Richtungen; demnächst auch häufig aus Südost, während alle anderen Richtungen ganz zurücktraten. Oktober. Die Winde, die durchweg nur. in mittlerer Stärke wehten, kamen zumeist aus Südost, demnächst auch häufig aus Nordwest, verteilten sich aber sonst sehr gleichmäßig über alle Teile der Windrose. November. Die Winde wehten ganz vorherrschend aus Südost, demnächst auch häufig aus Nordwest und West; Südwest- und Nordwinde traten ganz zurück. Dezember. Die Winde, die wiederholt etwas stärker als gewöhnlich auf- traten, wehten überwiegend aus Südwest und Südost, demnächst auch häufig aus West und Nordwest. VI. Witterungs-Charakter. Januar. Der Luftdruck war in den ersten drei Wochen des Monats unter Normal, in der letzten darüber, bewegte sich aber wiederholt in sehr starken Schwankungen. Auch die Temperatur war starken Schwankungen unterworfen; sie bewegte sich aber zumeist über Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. dem Durchschnitt, sodaß der Mittelwert sich um 4° zu hock» stellte. Die Feuchtigkeit der Luft war zu groß, ebenfalls auch die Himmelsbedeckung, und daher erreichte die Sonnenscheindauer- nur etwa ®, des normalen Wertes. Die Niederschläge gingen in der ersten Hälfte des Monats zumeist als Schnee nieder, sodaß sich: die zusammenhängende Schneedecke vom Dezember des Vorjahres bis zum 16. in wechselnder Stärke halten konnte. Am 11. wurde in der Mittagstunde das erste Gewitter des Jahres notiert. Februar. Der Luftdruck bewegte sich wiederum in recht beträchtlichen: April. Mai. Schwankungen vorherrschend über dem normalen Werte. Auch die Schwankungen der Temperatur waren wieder sehr beträchtlich; ihr Mittelwert stellte sich um 2'/, Grad zu hoch. Die Feuchtig- keit der Luft war nahezu normal, ebenfalls auch die Hiımmels- bedeckung und infolgedessen auch die Sonnenscheindauer. Die Summe der Niederschläge, die etwa zu gleichen Teilen aus Regen und Schnee bestanden, blieb um ein Geringes unter dem lang- jährigen Durchschnitt. An 7 Tagen konnte sich noch eine zu- sammenhängende Schneedecke halten, die aber immer nur wenige Zentimeter. Höhe aufwies. Der Luftdruck bewegte sich mit Ausnahme der ersten Tage des. Monats immer nur in geringen Schwankungen zumeist über dem Mittelwerte. Die Temperatur war nur in der letzten Woche des Monats unter dem Durchschnitt, sonst fast ohne Ausnahme darüber. Die Feuchtigkeit der Luft war normal, dagegen die Himmels- bedeckung zu gering, und infolgedessen übersiieg die Sonnen- scheindauer den Mittelwert um den vierten Teil. Sehr selten waren Niederschläge, und da sie auch stets in nur geringen Mengen fielen, erreichte ihre Summe nur den dritten Teil der normalen Menge. Der Luftdruck war nur an wenigen Tagen des Monats über dem Durchschnitt. Dagegen blieb die Temperatur nur an 3 Tagen darunter, sodaß der Mittelwert sich um nicht weniger als 5 Grad zu hoch stellie. Die Feuchtigkeit der Luft war zu groß, die- Himmelsbedeckung und die Sonzenscheindauer nahezu normal. Regenfälle waren auch wieder nur selten, und ihre Summe blieb um fast die Hälfte unter dem Mittelwerte. Auffallend groß war die Anzahl der elektrischen Entladungen; es wurden 6 Gewitter notiert. Der Luftdruck und auch die Temperatur bewegte sich in meist nur geringen Schwankungen um ein Weniges über dem Mittelwerte. Die Feuchtigkeit der Luft blieb beträchtlich darunter, ganz be- deutend auch die Himmelsbedeckung und infolgedessen überstieg die Sonnenscheindauer den normalen Wert um mehr als ein Drittel. Regenfälle waren wiederum selten und ihre Summe er- II. Abteilung. Naturwissenschaftliche Sektion. Du reichte daher noch nicht die Hälfte des Durchschnittswertes, Von elektrischen Erscheinungen wurden beobachtet 1 Gewitter und 1 mal Wetterleuchten. Juni. Der Luftdruck war in der ersten Hälfte des Monats meist über Normal, in der zweiten darunter. Die Temperatur war nur an wenigen Tagen darüber, und daher blieb ihr Mittelwert um 2 Grad zu niedrig. Die Feuchtigkeit der Luft war zu gering, dagegen die Himmelsbedeckung und die Sonnenscheindauer nahezu normal. Regenfälle waren nicht selten und da sie auch oft in beträchtlichen Mengen fielen, überstieg ihre Summe zum ersten Male seit längerer Zeit wieder den Durchschnittswert. Von elektrischen Erscheinungen wurde nur ein Gewitter beobachtet. Juli. Der Luftdruck bewegte sich in nur geringen Schwankungen meist unter dem Mittelwerte. Auch die Schwankungen der Temperatur waren nur gering. Die Feuchtigkeit der Luft war zu groß, ganz bedeutend zu hoch war auch die Himmelsbedeckung und daher die Sonnenscheindauer zu gering. Regenfälle waren wie ım Vor- monat sehr häufig und auch oft auch recht ergiebig, sodaß ihre Summe den normalen Wert um die Hälfte überstieg. Von elek- trischen Erscheinungen werden notiert 9 Gewitter und 1 mal Wetterleuchten. August. Auch in diesem Monat war der Luftdruck nur geringen Schwank- ungen unterworfen. Bedeutender waren die Schwankungen der Temperatur, die sich in den ersten 3 Wochen meist unter dem Mittelwerte hielt, dann aber beträchtlich anstieg, gegen Ende des Monats aber wiederum stark fiel. Die Feuchtigkeit der Luft war nahezu normal, viel zu groß war dagegen die Himmelsbedeckung, und daher blieb die Sonnenscheindauer stark unter dem Durch- schnitt. Regen fiel in nahezu normalen Mengen und es wurden 6 Gewitter beobachtet. September. Der Luftdruck war nur an wenigen Tagen über dem Durch- schnitt, sodaß sein Mittelwert um mehr als 3 Millimeter unter Normal blieb. Dagegen war die Temperatur weit darüber, und es wurden noch 4 Sommertage (Maximum über 25°) gezählt. Die Feuchtigkeit der Luft, die Himmelsbedeckung und auch die Sonnen- scheindauer entsprachen nahezu dem langjährigen Durchschnitts- werte, Regen fiel meist nur in geringen Mengen und seine Summe stellte sich daher um den vierten Teil zu gering. Von elektrischen Erscheinungen wurden noch 2 Gewitter beobachtet. Oktober. Der Luftdruck bewegte sich in beständigen und zum Teil auch recht beträchtlichen Schwankungen. Die Temperatur war in der ersten und in der letzten Woche des Monats unter Normal, sonst aber und oft auch recht beträchtlich darüber. Die Feuchtigkeit 1918. 2 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. der Luft war zu groß, ganz bedeutend zu hoch auch die Himmels- bedeckung, nnd daher erreichte die Sonnenscheindauer nur wenig: mehr als die Hälfte des Mittelwertes. Niederschläge, die durch- weg noch als Regen niedergingen, waren sehr häufig und infolge- dessen ergab ihre Summe einen fast doppelt zu hohen Wert. November. Auch in diesem Monat waren die Schwankungen des Luft-- druckes besonders in der zweiten Hälfte recht beträchtlich. Die Temperatur war in der ersten Hälfte meist über Normal, in der zweiten besiändig darunter, und es wurden schon 16 Frosttage- gezählt. Die Feuchtigkeit der Luft entsprach nahezu dem Mittel- werte, die Himmelsbedeckung war etwas zu gering und daher die- Sonnenscheindauer zu groß. Im Gegensatz zum Vormonat waren Niederschläge, die etwa zu gleichen Teilen aus Regen und Schnee- bestanden, nur selten, und ihre Summe erreichte nur etwa die- Hälfte des normalen Wertes. Dezember. Wie im Vormonat waren die Schwankungen des Luftdrucks besonders in der zweiten Hälfte sehr bedeutend. Die Temperatur war nur an den beiden ersten Tagen unter Normal, sonst aber beständig- darüber, sodaß sich ihr Mittelwert um 31/, Grad zu hoch stellte. Die- Feuchtigkeit der Luft war über dem Durchschnitt, ganz bedeutend zu hoch auch die Himmelsbedeckung, und daher blieb die Sonnen- scheindauer um den dritten Teil zu klein. Niederschläge, die in- folge der meist hohen Temperaturen zum weitaus größten Teil aus Regen bestanden, waren häufig und fielen auch oft in be- deutenden Mengen, sodaß ihre Summe den Durchschnittswert um: mehr als die Hälfte überstieg. Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultar. DSF 96. 1. Abteilung. Jahresbericht. Naturwissenschaften. 1918. ı b. Zoologisch-botanische Sektion. ER, ER NERESE SNSier 3 WR NDMALNEN RO) ee EEE Te \ ara, Sitzungen der zooiogisch-botanischen Sektion im Jahre 1918. 1. Sitzung am 17. Januar. Der Bericht des Herrn W. Grosser über Krankheiten und Beschädigungen der Kulturpflanzen in Schlesien im Jahre 1917 ist im Jahresbericht der agrikulturbotanischen Versuchs- und Samen- kontrollstation der Landwirtschaftskammer für die Provinz Schlesien für i917/18, Breslau 1918 S. 7—12 veröffentlicht worden. 2. Sitzung am 14. Februa.. Herr F. Pax sprach über Die Blütenstände der Euphorbieae. Von den regelmäßigen Blütenständen der Gattung Dichostema und den zygomorphen von Anthostema leitete der Vortragende die Cyathien von Euphorbia ab, an die sich die Gattung Synadenium anschließt. Etwas entfernter stehen schon Monadenium und Stenadenium. Noch größere Unterschiede zeigt die Gattung Pedilanthus mit hochgradig unregelmäßigen infloreszenzen. Der Blütenstand von Diplocyathium kann als ein Euphor- biacyathium angesehen werden, dessen abnorme Ausbildung auf Durch- wachsung zurückzuführen ist. Darauf legte Herr A. Lingelsheim Eine Frasserscheinung an den Knospen von Ribes multifiorum W.K. aus dem Botanischen Garten zu Breslau, die anscheinend durch Vögel ver- anlaßt wurde, vor. 3. Sitzung am 28. Februar. Herr G. Grüning hielt einen Vortrag über Unser Schnittblumenhandel vor dem Kriege. Er erörterte die früher in Breslau eingeführten Schnittblumenarten unter Vorzeigung getrockneter Exemplare, besprach die hauptsächlichsten Orte ihrer Kulturen an der Azurküste (Reviera di Ponente) bezw. die ihres natürlichen Gedeihens und die üblichen Handelswege, berührte ferner die verschiedenen Methoden der Blumentreiberei und brachte schließlich statistische Angaben, wie sie z.B. von Erlbeck in der Zeitschrift „„Soziale Kultur“ Jahrgang 1914 Band I S. 315 zusammengestellt worden sind. Im 1918. i 1 I 9 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Winter 1913 betrug hiernach das Gesamtgewicht der Blumensendungen aus Südfrankreich 14000t bei einem Gesamtwert von 25 Millionen Mark. Die eingeführten Schnittblumen und für Binderei geeigneten Pflanzen- teile stammten hauptsächlich aus 20 Pflanzenfamilien, die sich in einer nach der Masse des Importes geordneten Reihe anführen ließen. Es kamen hiernach in Betracht: 1. Rosaceen; 2. Liliaceen (inkl. Amaryllid. und Iridac.) mit Tulpen, Tuberosen, Freesien, Ruscus, Danae, Allium, Narzissen, Jonquillen, Tazetien, Hyazinthen und Zierspargeln; 3. Ranunculaceen, darunter besonders Anemonen; 4. Violaceen; 5. Mimosaceen, wenigstens 13 Arten; 6. Myrtaceen mit vielen Euca- Iyptus-Arten, 7. Caryophyllaceen, hauptsächlich Nelken zahlreicher Arten; 8. Cruciferen mit Levkojen, Lacken, Arabis-Arten; 9. Compo- siten, darunter besonders Chrysanthemum frutescens und indicum-Hybriden ; 10.Lauraceen (Lorbeerzweige, blühend undFrüchtetragend); 11.Cycadeen (Palmwedel); 12. Palmen (Ohamaerops-Blätter); 13. Papilionaceen, z. B. massenhafte Zweige von Üytisus monosperma; 14. Ericaceen; 15. Euphorbiaceen (Poinsettia); 16. Anacardiaceen (Schinus molle, der Pfefferbaum); 17. Celastraceen (Evonymus japonica),; 18. Rutaceen; 19. Solanaceen (Capsicum mit Zierfrüchten); 20. Saxifragaceen (Pitto- sporum Tobira); 21. Proteaceen (Blütenstände von Banksia, Grevillea u. dergl. fanden sich nur zuweilen in den Versandkörben). Sodann sprach der Vortragende über 3 Teratologische Funde. 1. Exzessive Vergrünung und Durchwachsung mit Hypertrichose bei der zur Gruppe Anisophyllum gehörenden Euphorbia: hypericifolia L. aus Bolivia, wobei zu bemerken ist, daß bisher bei Anisophyllum-Arten Monstro- sitäten überhaupt noch nicht beschrieben wurden. Es fanden sich häufig bis 6malige Durchwachsungen des Cyathiums. Letzteres war oft aufgelöst in seine 5 Involukralblätter, die eine spiralige Anordnung zeigten und an jeder Seite eine Stipulardrüse trugen. In den Achseln der Hüllblätter sproßten vielfach kleine, wiederum mehrfach durch- wachsene Cymulae. Schon an den winzigsten, unentwickelten Knöspchen konnte man die deutlich entwickelten Stipulardrüsen erkennen. Mitunter waren 3 leere apokarpe Fruchtknoten am Ende der Zweige zu beobachten. Als Entstehungsursache der Mißbildung kommt vielleicht übermäßige Nässe des Bodens und der Luft in Betracht. 2%. Vergrünung und abnorme Vergrößerung der Fruchtknoten bei einem Stock von Armeria maritima Willd. aus dem städtischen Schul- garten zu Breslau (Juni 1916). Es fand sich jedesmal eine auf dem Boden der Wickelköpfehen sitzende weiße Made, die sich leider nur bis zum Puppenstadium züchten ließ und einer Hymenopteren-Art anzugehören schien. In anderen Jahren wurden die Cecidien nicht wieder beobachtet. I. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. 3 3. Verdickung, spiralige Verdrehung der Stengel und Durchwachsung der Köpfchen, wozu sich bisweilen eine Echlastesis gesellte, bei Armeria vulgaris Willd. infolge einer Tylenchus-Art, die sich zahlreich im Mark der Stengel fand. (Vergl. Mattfeld, Verh. bot. Ver. der Mark Brandenburg 1916, 8. 106.) Die Exemplare der kranken Pflanzen standen ebenfalls auf einem größeren Beet des städtischen Schulgartens zu Breslau. 4. Massenhafte mannigfaliige Verbildungen der Stengel und Ähren von Lolium perenne L., wahrscheinlich infolge von Tylenchus devastatris Kühn. Die Pflanzen wurden gesammelt im September und Oktober 1916 und zwar in einem nassen, flachen Chausseegraben bei Breslau; 1917 und 1918 kamen keine Verbildungen mehr vor, wahrscheinlich fehlte die Feuchtigkeit. 5. Zahlreiche Verbildungen und eigentümliche Schlitzungen der Blätter eines Baumes von Zigwidambar styraciflua L., hervorgerufen durch den Spätfrost im Mai 1914. 4. Sitzung am 14. März. Fräulein K. Reiter sprach über Die Pflanzenwelt der Seefelder. Der Vortrag wird in den Beiträgen zur Naturdenkmalpflege, heraus- gegeben von H. Conwentz, demnächst gedruckt werden. Herr A. Lingelsheim legte vor: Proben von Roggen- und Wickengrütze (Kriegsbeute aus Litauen). Dieselben enthalten als Gewürz ziemlich reichlich Stückchen der Fruchtkörper von Rhizopogon luteolus Fr.!). Sodann demonstrierte derselbe Sporangienmaterial von Salvinia natans, welches einer Wasserblüte aus dem Teiche des Botanischen Gartens ent- stammt, und berichtet darüber folgendes: Im ‘Spätsommer und Herbst des Jahres 1917 entwickelte sich im Teiche des Botanischen Gartens eine Massenvegetation von Salvimia natans Hofim. in solchem Umfange, daß zur Zeit der höchsten Entwicklung der Wasserspiegel davon völlig verdeckt wurde, während 4Azolla caroliniana Willd., die in anderen Jahren in ähnlicher Weise größere Flächen des Teiches bedeckte, ihr gegenüber völlig zurücktrat. Mit dem Einsetzen des Frostes verschwanden die schwimmenden Fladen in die Tiefe, um bereits im Februar 1918 ihre Sporangien derart massenhaft an die Oberfläche zu befördern, daß viele Quadratmeter der Wasserfläche, besonders in den Uferausbuchtungen, von einer oft mehrere 1) Vgl. A. Lingelsheim, Khizopogon Iuteolus Fr. (Rh. virens [Alb. et Schw.] Fr.) in Grützeproben aus Litauen, in Ztschrft. f. Unters. d. Nahrungs- u. Genub- mittel XXXV, Heft 12 (1918) 482. 4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Zentimeter starken, braunroten Wasserblüte bedeckt waren. Bei dem Anfang März neu eintretenden Frostwetter war das Eis durch die ein- gefrorenen Sporenbehälter weithin rotbraun gefärbt. Die Sporangien lagen, soweit festgestellt wurde, isoliert, haben sich also unter Wasser von den Receptakeln losgelöst. Diese Beobachtung steht im Gegensatz zu einer Angabe von Luerssen!), laut welcher die ganzen Sporenfrüchte nach Verwesung ihrer Hülle an die Oberfläche treiben. Der Auftrieb der Sporangien, sowohl der Makro- als auch der Mikro- sporangien, ist außerordentlich stark und wird durch verschiedene Ein- griffe nicht herabgesetzt. Weder längeres Kochen mit Wasser, noch mit Säuren und Alkalien schwächt ihn ab, ebensowenig wirkt tagelange Be- netzung mit den letztgenannten Agentien. Erst beim Behandeln mit Äther- alkohol sinken die Sporangien nach Verlauf eines Tages unter. Die Re- sistenz des eingeschlossenen Periplasmas selbst gegen konzentrierte Schwefel- säure erwähnt übrigens auch Straßburger?). Fettes Öl und Luft in Maschen dieser schaumıgen Zwischensubstanz dürften die Hauptträger des Auftriebs sein; dazu kommt als äußerer Schutzmantel die widerstandsfähige Sporangienwand. Der Auftrieb hält die Sporangien an der Wasseroberfläche fest, wo dieselben in der wärmeren Wasserschicht die günstigsten Bedingungen für die Keimung finden, welche nur bei relativ hoher Temperatur erfolgt. Im Freien keimen die Sporangien daher gewöhnlich erst im Mai, im Warm- hause bereits binnen 8 Tagen nach einem anfangs März d. J. angestellten Versuch des Herrn Garteninspektors Hölscher in unserem Garten?). Betrefis Azolla caroliniana kann noch nachgetragen werden, daß die- selbe in dem heißen Sommer 1911 im Teiche des Botanischen Gartens zur Sporenbildung gelanste, Nach Luerssen*) war dieses Vorkommnis auf dem Kontinent bis dahin nur von Bordeaux (Botanischer Garten) be- kannt gewesen. Neuerdings berichtet darüber Lotsy°) von Antibes (Bo- tanischer Garten) und aus Holland. l) Chr. Luerssen, Die Farnpflanzen, in L. Rabenhorst, Krypt. Fl. Deutschl., Österr., Schweiz III (1889) 604. 2) E. Straßburger und M. Koernicke, Das Botan. Prakt. (1913) 568. 3) Die Erwartung, daß nach einem derartigen Massenauftrieb von Sporangien eine besonders üppige Salvinia-Vegetation folgen würde, erfüllte sielı nicht, da- gegen erschienen in größeren Mengen Wasserlinsen und nur vereinzelte Salvinia- thalli im Laufe des Sommers 1918. Überhaupt wechseln in unserem Teich in scheinbar regelloser Ordnung von einem Jahr zum andern herrschende Vege- tationen von Azolla, Lemna und Salvinia, olıne daß man eine Ursache für diese auffällige Erscheinung mit Sicherheit erkennen kann. (Nachschrift vom 19. De- zember 1918.) 4) Chr. Luerssen, |. c. 596. 5) J. P. Lotsy, Vorträge über Botan. Stammesgeschichte Il (1909) 647. Ii. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. 5 Herr J. Hölscher demonstrierte Eine bisher noch nicht beobachtete Frassbeschädigung durch Insekten an Gattleya-blättern. aus der Fürst Pleßschen Gartenverwaltung. 5. Sitzung am 14. November. Herr F. Pax hielt einen Vortrag über Die Entwicklungsgeschichte der Flora Rumäniens. Eine ausführliche Bearbeitung der Pflanzengeographie Rumäniens wird ın den Nova Acta demnächst erscheinen. 6. Sitzung am 12. Dezember. Herr Th. Scehube berichtete über Ergebnisse der Durchforschung der schlesischen Gefässpflanzenwelt in den Jahren 1917 und 1918. Des Papiermangels halber mußte im vorigen Jahre die Drucklegung meiner Zusammenstellung unterbleiben, auch im vorliegenden Berichte kann, da die Papierknappheit noch nicht überwunden ist, nur ein Auszug daraus, vereinigt mit den wichtigeren diesjährigen Beobachtungen, gebracht werden. Ich bitte deshalb die Herren, die mich mit gewohnter Ausdauer in dankenswerter Weise unterstützt haben (Buchs [B.], Burda [Bd.|, Figert [F], Knappe [K.], Kotschy [Ko.], Kruber [Kr.], Rakete [R.], Schalow [Sl.], Schmattorsch [Sm.], H. Schmidt [H. S.], Schöpke [Sp.], Schröder [Sr.], Spribille [Spr.], Walter |W,] und Zimmermann [Z.], sich mit mir auf bessere Zeiten zu vertrösten. Cystopteris fragilis. Neumarkt: Kirchhofmauer in Kertschütz, mit Asplenium Trichomanes! Aspidium Dryopteris. Falkenberg: Dambrau und Rev. Hubertusgrün! A. lobatum. Heuscheuer: bei den Wasserfällen (Wege- haupt t. B.). Asplenium septentrionale X Trichomanes. Schönau: Hogolie (K.); Bulengebirge: Mittelberg bei Neugericht (S1.)! Blechnum Spicant. Ratibor: Forst Grabowka! Botrychium Lunaria. Jauer: Pombsen (Z.)! Salvinia natans. Batibor: Buglamühle in Syrin (Ko.)! Equisetum pratense. Leubus: gegen Gleinau; um Auras mehrfach (Sl.)! E. maximum. Fran- kenstein: südöstl. von Heinersdorf (B.)!; Ziegenhals: Gr.-Kunzendorf (Sl.)!; Loslau: bei Kokoschütz mehrfach! Lycopodium inundatum. Trebnitz: Kl.-Graben (Str.)! L. complanatum. Eulengebirge: bei Köpprich mehrfach; Wartha: am Hauptwege zw. Neudeck u. dem Paßkreuze (B.)! ZL. cha- maecyparissus. Namslau: Rev. Niefe gegen Windisch-Marehwitz! Taxus baccata. Hirschberg: Kalkberg bei Boberröhrsdorf (Kr.). Abies alba, in einer Form, bei der die jüngsten Nadeln verkehrt ausgebildet sind, bei Jauer: Buschhäuser (Z.)! 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Potamoyeton polygonifolius. Liegnitz: Briese (F.). Scheuchzeria pa- Zustris. Lublinitz: Erlbruch im Ponoschauer Walde! — Anthoxanthum aristatrum. Breslau: bei der Hindenburgbrücke (K.).. —- Calamagrostis arenaria. Grünberg: zw. Günthersdorf u. Külpenau, spärlich, mit zahl- reichem Elymus arenarius (H.S.)! Deschampsia flecuosa. Strehlen: sehr spärlich im Lorenzberger Walde (Sl.)! -- Eragrostis minor. Lüben: Bahnhof (Sp.)!; Breslau: Schwalbendamm (Spr.)!; Camenz: Bahn- hof (B.)! Festuca sciuroides. Ratibor: an der Bahnstrecke Olsau-Pschow bei Belschnitz, zugleich mit .Bromus secalinus f. lasiophyllus (Ko.)! F\, vallesiaca.a Nimptsch: Gollschau, Grenzrain zw. Kummelwitz und Strachau! F. elatior X Lolium perenne. Habelschwerdt: Langenbrück (Röttcher t. Pax); schon früher bei Neiße (Winkler) und Leobschütz (Schramm) beobachtet. Bromus asper. Ziegenhals: Marmorbrüche bei Gr.-Kunzendorf (Sl.)! B. erectus. Glatz: Roter Berg, Hutstein, Wolfskoppe bei Ullersdorf (S1.)! — B. squarrosus. Frankenstein: Kleinbahnhof (B.)! Rhynchospora alba. Lublinitz: Ponoschau; Woischnik: Stadtforst! Rh. fusca. Reisicht: Torfstich (F.). Seirpus Holoschoenus. Steinau: Krehlau (F.). Carex pulicaris. Reichenstein: Heinrichswalde (B.)! (©. panniculata f. sim- plicior. Frankenstein: Gondelteich (B.)! Ü. vesicaria f. pendula Aschs. Die durch langgestielte, am Grunde lockere 2 ,„Ähren“ recht auffällige Form wird von Ascherson (Synops. d. m. Fl.) Uechtritz (herb.) zuge- schrieben; im Herb. siles, findet sie sich aber als f. pendulina bezeichnet (Breslau: vor d. Strauchwehr). Auch beobachtet bei Frankenstein: Hei- nersdorfer Wald; Friedland O.-S.: Frauenteich (B.)! C. panniculata X paradoxa. Hirschberg: Kalter Brunnen bei Grunau, Schwarzbach (Kr.)! ©. rivaria X rostrata und Ü. rip. X vesicaria. Liegnitz: Briese (F.). Juncus tenwis. Canth: zw. Viehau u. Borganie!; Ratibor: Revier Gra- bowka!; DBeuthen: Rokittnitz!; Gleiwitz: Plawniowitz! Juncus alpinus. Liegnitz: Schlachthofwiese (F.); Lublinitz: Schwarzwald bei Sodow!, Hadra! Allium ursinum. Camenz: Pilzwald (B.); Grottkau: Stadtwald! A. angulosum. Falkenberg: bei Schedlau u. im Rev. Tiergarten! 4. Sco- rodoprasum. Neumarkt: Warsine (S1.)! Lilium bulbiferum. Bolkenhain: Langer Berg bei Lauterbach, sehr spärlich! ZL. Martagon. Liegnitz: Stadt- heide (F.). Ornithogalum umbellatum. Herrnstadt: gegen die obere Stumpe- mühle!; Frankenstein: am Kommunalfriedhofe (B.)! O. tenuifolium. Leu- bus: Gleinau (Schalow)! 0. nutans. Hirschberg: Boberröhrsdorf (Kr.); Ohlau: Grasgarten auf dem Anger! Iris sibirica. Bolkenhain: in der Kohlie (W.)! Gladiolus imbricatus. Liegnitz: Vorderheide (F.). Orchis mascula. Breslau: Altenhain! Cephalanthera xiphophyllum. Ratibor: Belschnitz (Ko.)! Epipactis violacea. Rybnik: Wielepole (Sm.)! E. pa- lustris. Strehlen: zw. Riegersdorf u. Crummendorf (Sl.)! Goodyera repens. Fürstenstein: Schwarzer Graben (W.)! II. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. - 7 Salic alba X fragilis. Hirschberg: im Sattler (Kr.)! S. fragilis x pentandra. Lähn: Wiesental; Hirschberg: am Bober (Kr.)! 8. pur- purea silesiaca. Hirschberg: Kavalierberg (Kr.)! 9. aurita X cuprea. Münsterberg: Steinmühlteich bei Tepliwoda (B.)! Ulmus campestris f. suberosa. Glatz: Roter Berg (Sl.)! U. montana. Camenz: Schloßpark (B.); Woischnik: Lubschauer Grojetzberg! Asarum europaeum, gelbblühend. Sehönau: zw. Neukirch u. Probsthain (F.). Rumex alpinus. Hirschberg: Gansberg! Polygonum aviculare v. monspeliense. Frankenstein: Olbers- dorfer Ziegelei (B.)! -- Alriplex hortense. Rotwasser O.-L.: auf Garten- land (R.)! -- Amarantus pammnieulatus. Falkenberg: Wegrand bei Scheppanowitz! -- Olaytonia perfoliata. DBreslau: massenhaft in einem Wäldchen bei Carlowitz (Rosen)! Onucubalus baccifer. Löwen: gegen Hilbersdorf!; Falkenberg: Neu-Hilbersdorf!; Rybnik: zw. Moschezenitz u. Ndr.-Mschanna (Sm.)!; Tunica prolifera. Wartha: Neißeufer östl. vom Kirchhofe (B.)! -+- Dianthus barbatus. Lublinitz: Wendzin! -+- Vaccaria parvifiora f. grandiflora. Wohlau: Landwirtschaftliches Versuchsield (Ober- stein)! Cerastium brachypetalum. Liegnitz: bei den Crayner Eichen (K.)! Trollius europaeus. Silberberg: oberhalb Neudorf (B.)! Actaea spicata. Münsterberg: Eulengrund bei Bärdorf! KRanunculus trichophyllus f. Droueli. Rybnik: Forsthaus Gsell (Sm.)! R. platanifolius. Bulengebirge: Weigels- dorfer Plänel (B.)! R. lanuginosus. Glogau: Seppau! R. bulbosus. Kohlfurt: Rotwasser, sehr spärlich (R.)! Thalictrum aquilegifolium. Groß- Strehlitz: zw. Jagdschloß Malapartus u. Eichhorst! Th. minus. Winzig: Siegda!; v. silvaticum. Woischnik: Forstort Zweibrücken! Papaver Rhoeas f. strigosum. Wartha (Peschke t. B.)! Corydalis solida. Ratibor: in u. um Belschnitz (Ko.)! C. intermedia. Frankenstein: Pilzwald (B.)! Den- taria glandulosa. Rybnik: Rev. Laasen! -+ Arabis arenosa. Neurode: Bahnhof Volpersdorf (B.); Grafenort: Bahnhof (S1.)!; Falkenberg: auf dem Bahnkörper unweit der Heidersdorfer Dampfmühle! -- Nasturtium austria- cum. Reichenbach O.L.: Krischa, unweit der Schule! (Kulke); Ca- menz: Bahnhof (B.)! N. amphibium X siwestre. Hirschberg: Eich- berg (Kr.)! -- Diplotaxis muralis. Breslau: Oderufer bei Herrnprotsch (S1.)! -- Erucastrum Pollichi. Lüben: Bahndamm am Nordparke (K.)! Alyssum montanum. Steinau: Krehlau (F.). + Lunaria amnua. Bolken hain: Burg Nimmersatt (Kr.)! -- Depidium Draba. Bolkenhain: zwischen Altenhain und dem Zeisgrunde (W.)!; Herrnstadt: vor Osselwitz!; Reich- tal: zw. Skorischau u. Haugendorf (Burda)!; Breslau: zw. der Uferzeile u. der Alten Oder (Spr.)!, am Kirchhofe vor Cosel! -- Z. densiflorum. Breslau: Carlowitz (Meyer)! -- Reseda lutea. Frankenstein: unweit der Olbersdorfer Ziegelei (B.)! v. gracilis (Tenore). Breslau: Odertrift bei Cosel (K.)! Sempervivum soboliferum. Lüben: Tirlitz!; Landeck: auf dem Kreuz- berge bei Seitenberg (S1.)! Saxifraga sponhemica. -- Kupferberg: auf 8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Oultur. einer Mauer in Jannowitz (Kr.)!; Glatzer Schneegebirge: Otterstein (Pietsch). + Physocarpus opulifolius. Frankenstein: zwischen Wildgesträuch am Bahndamme (B.)! -- Amelanchier canadensis. Nimptsch: Johnsberg bei Wättrisch (Sl.)! -+ Craiaegus coccinea. Gleiwitz: Revier Quarg- hammer, weit entfernt von Siedelungen! Rubus saxatilis. Camenz: Schloßpark (B.)!; Nimptsch: Dürrhartauer Oberbusch (Spr.)!; Lublinitz: Ponoschauer und Schierokauer Wald! R. idaeus f. denudatus. Falkenberg: um Dambrau mehrfach (Spr.)! R. Wimmerianus‘). Rybnik: um DBelk mehrfach, Ornontowitz (Spr.)! R. Selmeri (= R. vulgaris v. rhammifolioides). Breslau: zw. Marienkranst u. Meleschwitz; Ohlau: um Daupe und Dupine mehrfach (Spr.)! R. thyr- soideus f. incisiserratus. Falkenberg: zw. Niewe u. Karbischau (Spr.)!; Rybnik: Skronkowitzer Mühle, Ochojetz (Sm.)! R. gliviciensis. Sohrau: Stadtwald (Spr.)! R. Wimmeri. Ohlau: zw. Teichvorwerk u. Gr.-Dupine, mit R. pyramidalis (Spr.)! R. oboranus. Slawentzitz: Heerstraßenanfang vom Bahnhofe gegen Kl.-Althammer (Spr.)! R.- Sprengel. Oppeln: zw. Przywor u. Gorasdze; Rauden: gegen Jakobswalde (Spr.)!; Rybnik: um Birkenau, Gsell und ÖOrzupowitz (Sm.)! R. ratiboriensis. Rybnik: zw. Rennersdorf u. Jankowitz, mit R. posnaniensis (Spr.)! R. varüfolius. Falkenberg: zw. D.-Jamke u. Dambrau, mit R. Schleicher: (Spr.)! R. Koehleri. Ratibor: Obora; Rybnik: Belauf Lerchenberg mehrfach (Sm.)! R. hirtus. Rybnik: Waldheim (Sm.)!; R. caesius f. glandulosus. Rybnik: am Wasser- turme; f. armatus Rybnik: Zwonowitz (Sm.)! R. orthacanthus. Breslau: zw. Marienkranst u. Gr.-Daupe; Trebnitz: Machnitz (Spr.)! R. seebergensis. Nimptsch: Dürrhartauer Oberbusch, mit R. Wahlbergi (Spr.)!, dieser auch Rybnik: gegen den Chwallowitzer Borek, Zwonowitz (Sm.)! R. nemorosus. Oppeln: Przywor (Spr.)! R. ciliatus. Oels: um Neu-Ellgut mehrfach; Falkenberg: Niewe; Rybnik: Przegendza (Sm.)!; Rauden: gegen Bar- glowka (Spr.)! Potentilla recta. Falkenberg: an der Heerstraße zw. Roßdorf u. Hubertus- srün! Rosa canina f. hispida. Rybnik: Boretiusgarten (Sm.)! R. agrestis. Nimptsch: bei Wättrisch mehrfach; Glatz: Roter Berg; Grafenort: Hut- stein (Sl... R. rubiginosa. Zobten: Weinberg, dort auch R. elliptica (Sl.); Rybnik: bei der Irrenanstalt (Sm.)! NR. tomentosa. Gogolin: Ndr.-Ellguter Kalkberge (Sl). R. dumeiorum > gallica. Nimptsch: auf dem Johnsberge bei Wättrisch (S1.). Astragalus Cicer. Steinau: Buschmühle (H. S.)! —- Vieia grandiflora. Rotwasser O.L.: auf Ackerland (R.)! V. cassubica. Gr.-Strehlitz: zw. Eichhorst u. Jagdschloß Malapartus! V. pisiformes. Jauer: Teichberg bei Willmannsdorf (Z.); Schweidnitzer Bergland: Hahnberg oberhalb der Tal- sperrenmauer (B.)!; Glatz: Roter Berg (Sl.)! ZLathyrus tuberosus. Raudten: zw. Gr.-Gaffron u. Steudelwitz! 1) Die Brombeeren nach Mitteilungen von Prof. Spribille. ll. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. 9 Geranium phaeum. Bolkenhain: Einsiedel (Kr.). -- @. pyrenaicum. Bolkenhain: Ob.-Lauterbach!; Falkenberg: nahe dem Südende von Schedlau!; Beuthen: zw. Miechowitz u. Rokitinitz! Euphorbia dulcis. Gnadenfrei: Kl.-Ellguter Tal; Camenz: Pilzwald (B.)! Viola collina. Zobten: Oelsner Berge; Glatz: Weißkoppe, Wolfskoppe bei Ullersdorf (Sl.}! Daphne Meze- reum. Münsterberg: Eulengrund bei Bärdorf! -- Oenothera grandiflora. Neumarkt: Oderufer bei Leonhardwitz; Strehlen: Riegersdorf (SI.)! Circaea alpina. Militsch: an der Krampitze bei Postel!; Lublinitz: Schie- rokau!; Gr.-Strehlitz: zw. Eichhorst u. Jagdschloß Malapartus! Hydrocotyle vulgaris. Strehlen: Louisdorf gegen Schönbrunn (Sl.)! Cicuta virosa f. angustifolia. Rybnik: Rudateich (Sm.)! Pimpinella Saxi- fraga f. dissecta. Reichenbach O.L.: Mengelsdorf! Anthriscus nitidus. Ohlau: im Schießparke! Oenanthe fistulosa. Liegnitz: Schlachthofwiese (F.). Aethusa Oynapium v. cymapioides. Münsterberg: Reumen (B.)! Archangelica officinalis. Schweidnitz: Breitenhain (B.); Reichenstein: Hemmersdorf, ‚ Heinrichswalde! Heracleum Sphondylium f. glabrum. Liegnitz: Peist (K.). Laserpicium prutenicum f. glabrum. Reichenstein: Heinrichswalde (B.). —- Caucatis daucoides. Breslau: Carlowitzer Straße (K.)! — Erica Tetralie. Frankenstein: Thielaukoppe, wohl mit Fichten- wurzelballen eingeschleppt (B.)! Primula elatior. Münsterberg: Eulen- srund bei Bärdorf!; Oberglogau: Moschen! Lysimachia thyrsiflora. Fran- kenstein: am Mannsbach oberhalb der Lohmühle (B.)! Trientalis europaea. Jauer: Pombsen (Z.). Gentiana ciliata. Landeshut: Conradswaldauer Paßhöhe!; Silberberg: mehrfach (B.)! G. campestris. Reinerz: am Hum- mel (Sp.)! @. Amarella. Schönau: am Schnaumrich bei Kauffung (K.). Menyanthes trifoliata. Wartha: an einem Wasserlaufe zw. Gierichswalde u. Heinrichswalde! Limnanthemum nymphaeoides. Rybnik: zw. Moscheze- nitz u. Nd.-Mschanna (Sm.)! Vinca minor. Silberberg: Tränkendorf, Herzogswalde (B.)!; Falkenberg: Revier Poln.-Leipe! — Oollomia grandiflora. Charlottenbrunn: Balınhof Steingrund (Meyer)! Lappula Myosotis. Glatz: Wolfskoppe bei Ullersdorf (Sl.)! Liihospermum offieinale. Breslau: Rosental, im Gebüsche gegen die Oswitzer Kirchhöfe! (v. Haugwitz). + Teuerium Scorodonia. Charlottenbrunn: Weistritztalsperre (Meyer)! Scutellaria galericulata f. pubescens. Camenz: Pilz (B.)! (+?) Bru- nella laciniata. Rybnik: Bahndamm vor der Chwallowitzer Dembine (Sm.)! Stachys annua. (+?) Hirschberg: auf Ackerland (Kr.); Breslau: Wilhelms- ruh (K.). Trebnitz: zw. Wermsdorf u. Kloch-Ellgut (W.)! + Hyssopus offieinalis. Frankenstein: Zadel (B.)! Origanum vulgare. Reichenstein: Follmersdorf!; Ziegenhals: Marmorbrüche bei Gr.-Kunzendorf. (S1.)! Atropa Belladonna. Schönau: am Hochwalde, dem schon von Schwenckfeld (1601) angegebenen Standorte von H. v. Küster wieder aufgefunden; Jauer: Eich- berg bei Pombsen (Sauer). -+- Physalis Alkekengi. Bernstadt: Straßen- rand in Prietzen! Verbasc..n Blattaria X thapsıforme Liegnitz: am 1918. i 2 10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Kirchhofe, dort auch V. Thapsus (K.)! Linaria spuria. -- Reichtal: auf einem Schutthaufen (Bd.)!; Nimptsch: Gollschau (W.)! —+ L. genistifolia. Liegnitz: Böschungen des Bahnhofs u. Bahndämme in seiner Nähe (K.)!; Breslau: Carlowitzer Straße (K.). Antirrhinum Orontium. Wohlau: Land- wirtschaftliches Versuchsfeld (Oberstein)!; Groß-Sitrehlitz: Himmelwitz! Scrofularia Scopolii. Loslau: gegen den Bahnhof! S$. alaia. Raudten: Kl.-Gaffron!; Militsch: Wirschkowitz!; Namslau: Windisch -Marchwitz!; Gleiwitz: im Plawniowitzer Forste! Lindernia Pyridaria. Steinau: Dieban (F.). Mimulus luteus. Camenz: Pilz (B.); Reichenstein: Maifritzdorf (B.)! Vero- nica aqualicaa Münsterberg: Steinmühlteich bei Tepliwoda (B.)! V. montana. Schönau: Tiefer Grund bei Tiefhartmannsdorf!; Silberberg: Mannsgrund (B.)! —- Digitalis purpurea. Schweidnitz: Gebüsche bei Pilzen (Sp.)!; Eulengebirge: Forst Lampersdorf (B.)! Melampyrum silvaticum f. dentatum. Heuscheuer: Karlsberg (B.)! + Martynia pro- boscoidea. Breslau: auf einem Rübenfelde bei Marschwitz (Pax). Utri- cularia vulgaris. Reichtal: in den „Kahlen“ bei Droschkau! T. neglecia. Proskau: Kl.-Ellgut (Kinzel). Orobanche caryophyllacea. Woischnik: am Zogelberge; dort auch O. Iutea! Asperula Aparine. Auras: Kottwitz, Leonhardwitz (Sl.)! Galium Oruciata. Ratibor: an der Alten Oder zw. Bukau u. Camin (Ko.)! @. silvestre f. Bocconei. Grafenort: Hutstein (Sl.)! @. silvaticum. Zobten: Oelsner Berge; Nimptsch: Mückenberg bei Reichau (Sl.)! Sambucus Ebulus. Habelschwerdt: Ob.-Langenau (Sp.)!; Lublinitz: Lubetzko! (Hencinski). Lonicera Periclymenun. Reichenbach O.-L.: zw. Melaune u. Döbschütz! (Kulke); Kupferberg: Jannowitz (Kr.); Rosenberg: im Stober- tale bei Alt-Rosenberg! Valeriana polygama. Ratibor: Syrinka! -+- Eupa- torium ageratoides Neustadt: Fröbel, auf der Dorfaue zahlreich (Torke)! Filago germanica. Nimptsch: Johnsberg bei Wättrisch (S1.)! Inula salicina f. subhirta. Zobten: Weinberg (S1.)! — Rudbeckia hirta. Schmiede- berg: Arnsdorf (K.)! Anthemis tinctoria. Leubus: Bahnhof (S1.); Namslau: Böhmwitz, zw. Glausche u, Schmograu (Bd.)!; Auras: Kottwitz, Peiskerwitz (S1.)!; Freiburg: Folgenhäuser u. im Zeisgrunde (W.)!; Reichenstein: Hemmersdorf!; Ratibor: Deutsch-Krawarn! An mehreren dieser Stellen wohl nur vorübergehend. A. ruthenica. Obernigk: unweit des Bahnhofs (Schwarz)! Achillea salicifolia. Auras: Raake (Sl.)! Senecio barbaraeifolius. Gleiwitz: im Plawniowitzer Walde mehrfach!; Loslau: Zawada! S. nemorensis. Falkenberg: Hubertusgrün! SS. Fuchsi. Leubus: Oderwald gegen Maltsch!; Lublinitz: Schierokau! —- Echinops sphaerocephalus. Goldberg: Wolfs- berg (K.); Reichtal: Bahndamm ‚bei Butschkau (Bd.); Camenz: Pilz; Eulengebirge: Tannenberg (B.)! — Carlina vulgaris v. longifolia. Wartha: Giersdorf (Pietsch). O. acaulis. Liegnitz: Stadtheide (F). Arctium nemorosum. Schweidnitzer Bergland: Hahnberg oberhalb der Talsperrenmauer (B.)! Car- duus erispus. Trebnitz: Sponsberg!; Falkenberg: Hilbersdorf! C. Personata. Il. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. 11 Frankenstein: Promenadenböschung bei der Unteroffizierschule (B.)! C. acan- thoides X crispus. Wansen: Kl.-Oels! Cirsium heterophyllum. Schweid- nitz: zw. Rotkirschdorf u. Würben (Sp.)! CO, palustre f. seminudum. Rybnik: vor Summin (Sm.)! ©. camım X oleraceum. Hirschberg: Schwarzbach, dort auch (0. canım X palustre (Kr.). Onopordum Acanthium. Wartha: Johnsbach (B.). Mulgedium alpinum. Bulengebirge: zw. der Schirgen- schänke u. Tannhausen; Heuscheuer: Karlsberg (B.)! Hieracium auran- tiacum. Riesengebirge: zw. dem Kochelfall u. Kiesewald; Rehorn (Kr.). H. murorum x vulgatum (H. umbrosum Jordan). Kupferberg: Bolzen- schloß (Kr.)! Andere Zwischenformen zwischen den beiden Arten, bald der einen, bald der anderen mehr genähert, finden sich bekanntlich nicht gerade selten. Darauf sprach der Vortragende über die Ergebnisse der phaenologischen Beobachtungen in Schlesien im Jahre 1918. Die Herren, die bis zum vorigen Jahre der Sache treu geblieben waren (Höhn-Hoyerswerda, Rakete-Rotwasser, Kruber-Hirschberg, Nitschke-Rawitschh Kiekheben- Breslau, Rösner - Bad Langenau, Elsner-Reinerz, Heimann-Deutsch-Krawarn, Kotschy-Belschnitz und Tischbierek-Beuthen), haben auch in diesem Jahre ihre Beobachtungs listen eingesandt; die Hofinung aber, daß nunmehr reichlicher Druck- papier zur Verfügung stehen und sich eine Übersicht der Gesamtergebnisse der zwanzigjährigen Beobachtungszeit werde veröffentlichen lassen, ist un- erfüllt geblieben: es muß davon Abstand genommen werden. Die Mühe- waltung der Beobachter wird indes wohl nicht vergeblich gewesen sein; sämtliche Notizblätter werden sorgfältig beim Herbar der Schlesischen Gesellschaft verwahrt, so daß sie, wenn wieder einmal in besseren Zeiten die Arbeit in größerem Umfang aufgenommen werden sollte, Verwendung finden können. Übrigens haben einige Stichproben ergeben, daß die 20-jährigen Durchschnittswerte von den 1908 veröffentlichten 10-jährigen nur unerheblich abweichen. — Die Herren, die sich der Phaenologie auch weiterhin widmen wollen, wenden sich vielleicht an H. Prof. Dr. E. Ihne (Darmstadt), der schon seit langer Zeit Mitteilungen aus den verschie- densten Teilen Deutschlands sammelt und veröffentlicht. Danach folgten Nachträge zum Waldbuche von Schlesien. Meine Studienfahrten zur Ergänzung unserer Kenntnisse von den „Naturdenkmälern‘“ unserer Gehölzwelt übertrafen an Ausdehnung während der 1. Hälfte dieses Jahres noch diejenigen des Vorjahrs; in der 2. Hälfte mußte ich sie wegen der immer ärger werdenden Fahrradnöte!) merklich 1) Die wirtschaftlichen Sorgen wurden mir hierbei wieder in zuvorkom- mendster Weise abgenommen; allen Gönnern und Gönnerinnen dieser meiner Arbeiten sei auch hier herzlichst dafür gedankt! 0 12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. einschränken, immerhin sind noch reichlich 4500 km auf Radfahrten und fast 1500 km auf Fußwanderungen zusammengekomman. Zahlreiche z. T. sehr wertvolle Stücke wurden dabei festgestellt und meine Glasbilder- sammlung um etwa 200 Nummern vermehrt. Ich habe in einer allge- meinen Versammlung unserer Gesellschaft (am 23. Oktober) darüber aus- führlicher Bericht erstattet und ungefähr die Hälfte der Bilder vorgeführt, hier muß ich leider, des Papiermangels wegen, von der bisher üblichen Zusammenstellung absehen und mich mit der Nennung einiger besonders hervorragender Objekte begnügen. S.13. Tinz. Im Pferdebusch eine *Erle von 3,386 (am Boden gegen 6 m) U. — 8.16. Plottnitz. Auf der Wiese nahe dem Südwestrande des Reviers eine *Eiche von 5,75 m U., der stärkste Baum des Kreises Frankenstein. — S. 21. Bobile Südwestlich vom Dorf der *,‚Breite Stein“, ein 1), m hoch aus dem Ackerlande herausragender Granitblock von 1,80 m Länge und 1,70 m Breite. Osselwitz. Am Wege nach Kadlewe der *,‚Güntherstein“; der sarkophagähnliche Geschiebeblock (L. etwa 24,, B. etwa 1Y/, m) ragt gegen 1Y/, m hoch aus dem Erdreich heraus. — S.37. Bärdorf. Am Rande des Eulengrundes (unweit des Straßensteins 68,4) prächtige *Fichten (bis zu 3 m U.) und Tannen, unter letzteren * eine von 2,85 m U. und fast 40 m H. — Liebenau. Unweit des Straßensteins 75,0 auffallende Kopfweiden: die nördlichste, vielleicht „zweibeinig‘‘ entstanden, hat reichlich 5 m U., weiterhin eine, die eine „Überbirke“ von 2/, m U. und 5 m H. derartig überwallt hat, daß diese wie ein Ast aus dem Weidenstamme herauszukommen scheint; endlich * eine, die durch eine Überbirke von 10 m H. und (am Wurzel- halse) 1 m U. zersprengt worden ist. — S. 40. Lissa. 25 m westlich vom Wege zum Kirschberge, 150 m vor der „Fuhrmannsbrücke‘“, eine vierarmige *Armleuchterfichte.. — S.45. Prauß. Im Park ein *MaB- holderbaum von 41), m U. — S. 53. Konradswaldau. Östlich vom Ort, auf einer Wiese, eine *Eiche von 6!/, m U., der stärkste Baum des Kreises Schweidnitz. — S. 56. Kl.-Gaffron. Sehr ausgedehnter Natur- park, mit Fichten bis zu 3 m U., Linden und Pappeln bis zu reichlich 6 m U., einem *Eichenvierling von 7,40 m U. usw. — Im zugehörigen Wald, an der Kreisgrenze gegen Kreidelwitz, eine „zweibeinige‘“ *Kiefer, und im J. 16, nahe dem Hauptwege, eine *,Galgenkiefer“, bei welcher der Gipfeltrieb des einen Baums oberhalb des verbindenden Astes abge- storben ist. — S. 64. Puditsch. An der Ostseite des Schlosses eine herrliche *Platane, gegen 30 m hoch, mit reichlich ? m U. — S. 65. Simsdorf. Im Schloßpark eine *Pappel von 5"), U. S. 76. Baumgarten. Am Wege von der Kirche südwärts zur Heer- straße eine *Bergrüster von 4,52 m U.— Alt-Reichenau. Am Ostrande des Krähenbusches, unweit des Grenzsteines 97, eine *Lärche mit hexenbesen- ähnlichem Gipfeltrieb: dieser ist, in etwa 20 mH., gestaucht, die z.T. sehr II. Abteilung. Zoologisch-botanische Sektion. 13 reichlich verzweigten Äste bilden annähernd eine Halbkugel von 5m Durch- messer. — S.85. Gustau. Im Parke, hart an der Heerstraße, eine *Weide von reichlich 5m U.— S. 85. Melaune. Auf dem Grundstücke 36 ein *Wacholder von 7” m Höhe und 0,65 m U. — Mengelsdorf. Unweit des „Pilzes“ eine *Galgenbuche. — S. 98. Liebersdorf. Auf dem Grundstücke 14 zwei — für diese Höhenlage sehr ansehnliche — Eichen, die *stärkere hat 5,05 m U. — Schwarzwaldau. Auf der Wiese des Grundstücks 15 eine riesige *Weide, leider durch Blitzschlag halb ent- rindet; U. noch jetzt reichlich 5 m, vor der Beschädigung gegen 5!/, m. — S. 101. Lauban. Im Hohwalde, J. 26, dicht am Wasserlauf eine *Tanne von 2,20 m U., die (auf mein Gesuch hin) als ‚Naturdenkmal“ geschont werden soll. — S. 106. Rogau. Im Parke ein *Silberahorn, der in 3 m H. reichlich 7 m U. aufweist; auf der Viehkoppel zahlreiche starke Eichen, eine von 5 m U. zeigt sehr kräftigen Wurzelanlauf (am Boden fast 9 m U.), auch auf der Wiese gegen Fuchsberg eine *Eiche von 5), mU. — Blumendorf. Einige 100 m oberhalb des südlichsten Hauses, nahe dem Bachlaufe, die *,,Scholzebuche‘“, mit 5,60 m U. eine unserer stärksten Buchen, allerdings ursprünglich ein Zwieselbaum, doch als solcher nur noch undeutlich erkennbar. — S. 112. Dauban. Die bei Förstgen angegebene *Buche gehört hierher, J. 7d; U. jetzt 3,90 m. S. 126. Falkenberg. An der Ostseite des Fahrwegs nach dem Tiergarten eine Hainbuche mit Mistelbesatz; am Westrande des Rev. Tier- garten schöne *Kiefern (bis 3 m U. und 36 m H.); am Nordostrande der Plantage eine ungewöhnlich regelmäßige *Armleuchterfichte.e — S. 129. Hubertusgrün. Beim Forsthaus ein *Wacholder von 7 m H. und 0,75 m U.; im Walde u. a. die *,Ellyfichte‘“‘, nahe der Nordwestecke (gegen den Marscheteich). Im Revierteil „Eule“, westl. vom Wege zum Lussberg, ein schöner Buchenschlag, darin die „Klara-Buche“ (U. 5 m); östlich davon eine weithin herausragende Fichte (U. 3,40 m). Am Nord- rande des Reviers, an dem vom Vorwerk Marsche herkommenden Wege die „Läusefichte‘‘, ein Riesenbaum von 3,80 m U. — Rogau. Starke *Eichen im Parke (U. bis 6 m). — Schedlau. Auf dem (geschlossenen) Kirchhof eine hohle *Linde, mit großenteils zerstörtem Rindenmantel (U. über die Öffnung 7 m!) und Luftwurzelbildung im Innern. — Tillowitz. Im Parke starke Eichen, die *größte (am Westrande der berieselten Wiese) hat 6,30 m U.; zu beachten ist auch eine sonderbar verästelte *Platane (U. 4,15 m) auf der kleinen Insel. — S. 140. Murow. Am ,‚Kopietz‘‘, einem Hügel unweit Kol. Hermannstal, und besonders an dem Pfade von ihm nach Friedrichstal, schöner Bestand mit zahlreichen Buchen (bis etwa 3 m UÜ,) und Hainbuchen; unter letzteren schwillt *eine durch eine eigentümlich zerklüftete Maser von 2!), auf 31, m U. an. — S. 143. Koblau. An der Landecke ansehnliche Buchen (bis 3,30 m U.); auf dem Spielplatz in K. 3 Pappeln von 4,70, 5,530 und 5,65 m U. — Schillersdorf. 1918. 6) 14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Die *Blutbuche im Schloßparke hat 4,75 m, die stärkste *Buche im Schwarzwalde 4,20 m U. — S. 144. Gohle. Im Revier J. 154, unweit des Straßensteins 7,1, eine *,Galgenkiefer‘; von den 2 durch einen Querast verbundenen Stämmen ist der über diesem liegende, gegen 10 m hohe Teil, da der andere Baum ihm die Säfte entzogen hat, eingetrocknet. — 5,144. Kielbaschin. Beim Gutshof u. a. eine Weide von 4mU. — Alt-Rosenberg. In Gebüschen im Stobertale Wildes Geisblatt, bisher aus O.S. nicht bekannt. Mehrere der Birken an der Heerstraße, besond. zwischen den Steinen 6,2 und 6,7, tragen Misteln. An der Straße nach Wendrin eine “"Armleuchterkiefer von 2,85 m U., am Wege nach Kiel- baschin eine *Grenzkiefer von 2,45 m U. — Wachowitz. Am Südende des Dorfes eine *Bildkiefer von 2,88 m U. — Dreilinden (früher Dzimiersch). Von den großen Linden des Gutshofes zeigt *die eine im hohlen Stamme Luftwurzelbildung. — S. 145. Laasen. Im J. 113b (früher 215), an der Stelle, wo der zur Birawka fließende Bach von der Wiese her in den Bestand eintritt, ansehnliche *Fichten (bis 3,45 m U.) und *Kiefern (U. bis 2,90 m). — S. 147. Syrinka. Auf der Besitzung des Bauers Psotta ein Feldbirnbaum von 31, m U., mit prächtiger Krone. — Eichhorst. *Buchen bis zu 3,75’m U. im J. 257, gegen Forsthaus Jaswin. Auf den Sandowitzwiesen hat die größte *Eiche 6 m U.; nahe dem der Malapane entlang führenden Fußpfade die *Hubertuseiche (U. 5,20 m). — 5. 148. Zawadzki. An der Heerstraße nach Pawonkau, bei Stein 11,2, ein *Ahorn von 3,40 m U., mit einem Heiligenbilde. Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. [CME Aa = ; 96. | I. Abteilung. Jahresbericht. | Naturwissenschaften. 1918. | c. Sektion für Obst- und Gartenbau, eu u Re 9 Bericht über die Tätigkeit der Sektion für Obst- und Gartenbau im Jahre 1918. Die Sektion für Obst- und Gartenbau versammeite sich während des Berichtsjahres in 2 Sitzungen; außerdem trat der Vorstand wiederholt zusammen, um über innere Angelegenheiten der Sektion, über Fortführung und Verwaltung zu beraten. Die Bewirtschaftung des Sektionsgartens in Klettendorf litt nach wie vor unter dem Einflusse des Krieges, und manche Arbeiten konnten aus Mangel an geschulten Kräften nicht ausgeführt werden, da die Bemühungen des Vorstandes, den seit Kriegsbeginn an der Front stehenden Sektions- gärtner Frost frei zu bekommen, erst im Laufe des Sommers Erfolg hatten. Immerhin wurde es dadurch ermöglicht, noch einen großen Teil der not- ‘wendigsten Arbeiten zu erledigen und einen geregelten Betrieb anzu- bahnen. Wenn auch die durch den langen Krieg verursachten Schäden erst allmählich beseitigt werden können, so verspricht doch der Stand der Kulturen schon jetzt Gutes für die Zukunft. Die gesteigerte Nachfrage nach gut geschulten Obstbäumen, nach Obst und Gemüse beeinflußte in recht erfreulicher Weise das finanzielle Ergebnis des Berichtsjahres. Leider hatte die Sektion einen herben Verlust ‚zu beklagen. Am 1.Oktober1918 verschied ihr verdienstvoller Schatzmeister, Verlagsbuchhändler Max Müller, der nahezu 30 Jahre lang aufopfernd und unverdrossen die mühsamen .Kassengeschäfte der Sektion verwaltet hatte. Die Sektion wird ihres treuen Mitarbeiters stets in Dankbarkeit gedenken. Die beiden Sekretäre gaben dem Entschlafenen das letzte Geleit und übersandten den Hinterbliebenen im Auftrage der Gesellschaft eine Kranzspende. Nachdem die Kasse vorübergehend durch Herrn Eugen Eitner ge- führt worden war, übernahm Herr Hoflieferant Paul Scholz in Firma Julius Monhaupt Nachf. die Stelle des Schatzmeisters. Von finanziellen Aufwendungen der Sektion sind zu erwähnen: Die Samenverteilung an die Mitglieder im Gesamtbetrage von 250 M., sowie eine Unterstützung von 100M. als Spende zur Jubelfeier des fünfzig- jährigen Bestehens der Lehranstalt für Obst- und Gartenbau zu Proskau. 1918. 2 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, Über die Sitzungen ist folgendes zu berichten: Am 4. März sprach Herr Garteninspektor G. A. Langer aus Proskau über: „Die Tomate, ihre Zucht und Verwendung“ Redner ging in seinen Ausführungen zunächst auf die Einführung der Tomate in die europäischen Gärten ein, schilderte weiter die Anzucht und Pflege im Klein- und Großbetriebe und gab verschiedene Rezepte und Anweisungen über die Verwertung der Früchte im Haushalte. Als empfehlenswerte Sorten für den Anbau empfahl Herr Langer u. a. die Sorten: Schöne von Lothringen, Lukullus und die von J. C. Schmidt in den Handel ‚gebrachte Pfirsichtomate. Als Idealfrucht bezeichnete Redner eine glatte, runde, wenigsamige Tomate, die er mit der Zeit durch sorgfältige Auslese zu erzielen hoffe. Herr Gartenbaudirektor Dannenberg gab in Vertretung des er- krankten Schatzmeisters Max Müller den Rechnungsabschluß für das Jahr 1917. Im Anschluß daran wurde der Voranschlag für 1918 vorgetragen und genehmigt. Am 22. Juni fand eine gemeinsame Sitzung der Sektion und der ‘Schlesischen Gartenbaugesellschaft statt, in welcher der Direktor der Gärtnerlehranstalt Proskau, Herr Ökonomierat Schindler, einen Vortrag hielt über: „Die Jubelfeier des 50jährigen Bestehens der kgl. Gärtnerlehranstalt für Obst- und Gartenbau in Proskau. Ihre Zwecke und Ziele, Bedeutung für Schlesien, Fürsorge für Kriegsvorletzte‘“. Die auch von den Spitzen der Behörden besuchte Versammlung folgte mit regem Interesse den durch vorzügliche Lichtbilder erläuterten Aus- führungen des Vortragenden, der noch insbesondere auf eine Stiftung hin- wies, die zur weiteren Förderung des schlesischen Obst- und Gemüse- baues ins Leben gerufen werden soll. Die Zinsen des Kapitals sollen all- jährlich zur Unterstützung strebsamer junger Gärtner verwendet werden und in erster Linie schlesischen Kriegsverletzten zugute kommen. Da die Sammlung zum Besten obiger Stiftung auch nach der Jubgffeier, die im Herbst stattfand, fortgesetzt wird, steht zu hoffen, daß sich auch fernerhin noch Gönner und Förderer des schlesischen Gartenbaues finden werden, die ein Scherflein beisteuern, damit in Zukunft recht vielen bedürftigen Gärtnern zu ihrer weiteren Ausbildung der Besuch der Lehranstalt er- imöglicht werde. II. Abteilung. Sektion für Obst- und Gartenbau. 3 Nachtrag aus dem Jahre 1917. In der Sitzung vom 17. Dezember sprach Herr Garteninspektor J. Hölscher über „zierkürbisse‘. Es ist bekannt, daß in unseren Gärten eine gro3e Anzahl Kürbis- gewächse ihrer auffallend geformten und schön gefärbten Früchte wegen als sog. „Zierkürbisse‘“ gezogen werden. Ihrer Schnellwüchsigkeit wegen lassen sich bei einiger Pflege mit vielen Arten und Varietäten im Garten und in den Gewächshäusern schnell Lauben und Laubengänge bekleiden, die herrlichsten Festons herstellen, unansehnliche Gebäude, Schuppen, Komposthaufen bekleiden und den Blicken entziehen. Zarte Arten und solche, die im Freien nicht mehr gut gedeihen, eignen sich vorzüglich zur sommerlichen Ausschmückung leer stehender Gewächs- häuser u. d. m. Bezüglich ihrer Kultur lassen sich die für den Gartenbau in Betracht kommenden Zierkürbisse in 3 Gruppen teilen, und zwar: a. in einjährige Arten, b. in ausdauernde Arten, die ohne besondere Pflege im Freien gedeihen, und c. in einjährige und ausdauernde Formen, die zu ihrem Gedeihen mehr Wärme beanspruchen und ihrer Ent- wieklung wegen dauernd unter Glas gehalten werden müssen. Alle erfordern einen kräftigen, gut gedüngten und vorbereiteten Boden, eine warme, sonnige Lage und reichliche Bewässerung. Aus der ersten Gruppe sind, zunächst die zahlreichen zierenden Formen der Gattung Oucurbita L. (Kürbis) mit ihren drei hier in Betracht kommenden Arten: C. maxima, Pepo: und ficifolia zu nennen. Von der ersten Art, C. maxima Duch., Feldkürbis, mit großen, fast stielrunden Stengeln und steifen Blättern mit abgerundeten Blattlappen, zu dem auch unsere besten Speisekürbisse gehören, ist als Zierpflanze der sogen. Turban oder Türkenbund-Kürbis, dessen Fleisch zart und genießbar ist, beliebt. Man zieht von ihm mehrere in Farbe und Größe abweichende Formen, Viel zahlreicher sind indessen die mannigfaltigen, in Größe, Form und Farbe abweichenden Früchte des gemeinen oder Schmuckkürbis, C. Pepo L., mit kantig-gefurchten Stengeln und ziemlich starren, bis- weilen marmorierten, meist 5lappigen Blättern, die in den gärtnerischen Samen -Verzeichnissen als Apfel-, Apfelsinen-, Birnen-, Eier-, Warzenkürbisse u. a. m. angeboten werden und von denen es über 100 abweichende, beschriebene Sorten gibt, die jedem Garten zur Zierde 4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. gereichen. Ihre schönen Früchte lassen sich, trocken und luftig aufbe- wahrt, lange Zeit unverändert erhalten, so daß man sie vielfach zur Aus- schmückung der Wohnräume verwendet. Die dritte Art, C. ficifolia!) Bouche (= C. melanosperma A. Br.), der Feigenblattkürbis, mit sehr langen robusten, unten verholzenden PEN: Pr ut Stengeln (er soll in der Heimat — wahrscheinlich Amerika — ausdauernd sein) und feigenblattartigen, bis fast zur Mitte 5-lappigen Blättern, hat große 20—40 cm dicke, eiförmig-rundliche Früchte mit grüner, meist weißstreifiger und gescheckter Schale, die ziemlich hart und haltbar sind. Er_ wird seiner eigenartigen Belaubung und zierenden Früchte wegen gern gezogen und ist auch an seinen schwarzen Samen leicht zu erkennen. Eine andere in unseren Gärten als Zierkürbis vielfach gezogene Gattung ist ZDagenaria Ser., Calebasse, Flaschenfrucht, deren große, in der Form sehr variierenden Früchte auch unter den Namen Pilgerflasche, form. pyrotheca; Pulverhorn, form. Gurda; Herkules- keule, form. Clava Hereulis; Trompetenkürbis, form. longissima u. d. m. verbreitet und beschrieben sind. Das weichhaarige, nach Moschus duftende Laubwerk trägt ansehnliche weiße Blüten, im Gegensatz zu den gelben Blüten der vorgenannten Gattung. Die ‘Früchte der verschiedenen Varietäten, von denen einige eßbar sind, reifen zwar bei uns in heißen Sommern, erlangen aber nicht die Härte, welche zur Verarbeitung derselben als Holzgefäße zu den ver- schiedensten Zwecken erforderlich ist. Die Lagenarien verlangen in un- .serem Klima eine sehr warme, sonnige Lage, wenn ihre Früchte zur guten Entwicklung gelangen sollen. i Sehr interessant sind auch einige Ziergurken, wie: Cucumis myrio- carpus Naud. (= C. Grossularia Hort.), mit kleinen, stachelbeerartigen Früchten. Diese Art, aus Südafrika stammend, die in den Gärten als Stachel- beerkürbis gezogen wird, bildet 1—11, m lange Stengel mit 3—7- lappigen Blättern und gelben Blüten, kleine, ungemein zahlreiche, kugelige Früchte, die anfänglich grün, später blaßgelblich, mit grünen Streifen gezeichnet sind. Eine andere Art, die Angurien-Gürke, C. Anguria L., die in ihrer Heimat Zentralamerika und Brasilien auch als Gemüsepflanze kulti- viert wird, hat langgestielte, etwa hühnereigroße, grüne und gelbgestreifte Früchte, die mit vielen Stacheln besetzt sind. Dort, wo es gilt, Mauern, Spaliere, Einfriedigungen rasch zu beklei- den oder gewisse Stellen des Gartens zu verdecken, ist‘ auch die Haar-. 1) C. fieifolia, im Handel auch als „Angurien-Kürbis“ verbreitet, soll nach Max Hesdörffer (cfr. Gartenwelt 1917, p. 385) auch als Speisekürbis sehr ge- schätzt sein. II. Abteilung, Sektion für Obst- und Gartenbau. 5 gurke,- Sieyos angulatus L., mit tiefherzförmigen, 5-eckigen Blättern zu empfehlen. Sie ist ursprünglich in Nordamerika heimisch, aber in Öst- ‚europa verwildert und eingebürgert. Die Pflanze bringt zwar weder ‘schöne Blüten noch zierende Früchte, entschädigt aber dafür durch ihre Anspruchslosigkeit, unglaublich schnellen Wuchs sowie durch eine leb- hafte Belaubung bis zum Spätherbst; auch vermehrt und verbreitet sie sieh dort, wo sie einmal angesiedelt ist, durch Samenausfall von selbst, ein Fingerzeig, die Samen tunlichst im Herbst, gleich nach der Reife, an ‚den bestimmten Platz zu säen. Sehr schöne Kletterkräuter sind auch die Scheinzaunrüben, ‚Bryonopsis Arn., von denen 2 Arten: B. laeiniosa (L.) Naud., in Ost- indien und Ceylon beheimatet, besonders die form. erythrocarpa Naud. ihrer karmesinroten, mit weißen Streifen versehenen Früchte wegen Emp- fehlung verdient. ‚Sie verlangt allerdings einen recht warmen Standort, und die Aussaat muß frühzeitig in Töpfen erfolgen, um später im Zimmer oder Frühbeet vorgezogene Pflanzen an Ort und Stelle auspflanzen zu können. Botanisch interessant ist auch die Gattung O'yclanthera Schrad., Kreis- männchen, mit ihren beiden Arten: ©. explodens Naud. und C. pedatu Schrad. aus dem tropischen Amerika, deren Stengel mittels Gabelranken klettern. Die grünlichgelben Blüten sind zwar nur unscheinbar, aber ihrer frischgrünen Belaubung wegen verdienen sie mehr wie bisher in Kultur genommen zu werden, zumal die 5samigen, elastisch aufspringen- den Früchte, wenn reif, bei der leisesten Berührung die eine Hälfte nach rückwärts rollen und ihre Samen auf große Entfernung hin ausschleudern. Von der letztgenannten Art wird eine Varietät: C. pedata Schrad. var. edulis (Cogn.) Schrad. in Peru und Bolivien der viel größeren eßbaren Früchte wegen kultiviert. Von den Zierkürbissen der zweiten Gruppe, die unsere Winter aus- halten, ist als die verbreitetste und bekannteste Gattung Pryonia L., Zaunrübe, zu nennen. Von den 8 im Mittelmeergebiet und Makaro- nesien heimischen Arten reichen B. dioica Jacq. und B. alba L. nord- wärts bis Mitteleuropa. Am bekanntesten ist wohl die letztere, die weiße Zaunrübe, die früher auch eine wichtige Rolle in der Medizin spielte. ‘Sie gedeiht ohne besondere Pflege in jedem Boden und in jeder Lage und ist eigentlich für den Ziergarten weniger zu empfehlen, aber im Park und im landschaftlichen Garten läßt sie sich dort, wo es gilt unschöne Stellen zu verdecken, vorteilhaft verwenden. Fast ebenso hart wie die vorhergehende ist die Quetschblume, die Gattung Thladiantha Bunge, deren 7—8 im nördlichen China und in der Songarei verbreiteten Arten uns in der häufig gezogenen T. dubia Bunge einen zur Bekleidung von Wänden, Zäunen usw. allgemein empfehlens- werten Vertreter stellt. Sie hat einen kräftigen, knolligen Erdstamm mit 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. weichhaarigen, aus herzförmigem Grunde breit-oval zugespitzten Blätterw und ziemlich großen, goldgelben Blüten. Leider ist sie zweihäusig. Weibliche Pflanzen, die nach stattgehabter Befruchtung länglich-eirunde, anfangs schwärzlich-grüne, reif aber bis hühnereigroße, dunkelrote Früchte tragen, sind verhältnismäßig selten. Meist sieht man männliche Pflanzen, die durch das frischgrüne Laub und die großen Blüten zieren. Etwas anspruchsvoller bezüglich ihrer Kultur ist die Gattung Kedrostis Medie,, Schnabelfrucht, mit 12 in Afrika und Östindien beheimateten Arten. Von ihnen wird hin und wieder K. africana Cogn. aus Südafrika ihrer schnabelartig-zugespitzten orangeroten Früchte wegen als Zierpflanze gezogen. Dem fleischigen, sehr brüchigen Erdstamm entspringen die mittels einfacher Ranken kletternden Stengel mit im Umriß dreikantigen, 3—dteiligen Blättern und kleinen, grünlichen Blüten. Der knollige Wurzelstock muß im Herbst herausgenommen und in einem trockenen. luftigen Raume überwintert werden. Eine ähnliche Behandlung verlangt auch die Scharlachranke, Cocecinta cordifolia (L.) Cogn. (= C. indica Wight), ein staudig-halb- strauchiges Knollengewächs von etwa 2 m Höhe mit ziemlich großen, weißen Blüten und roten Früchten aus dem tropischen Südostasien. Sie ist ausgezeichnet zur Ausschmückung von Balkonen, für Spaliere und zur Bekleidung von Baumstämmen zu verwenden, verlangt aber einen warmen und geschützten Standort und kräftigen, dungstoffreichen Boden. Eine namentlich zur Ausschmückung von Balkonen, Fenstern, zır zierlichen Guirlandenzügen noch viel zu wenig verwendete Pflanze ist Melothria punctata (Thunb.) Cogn., Haarweibchen, dem Gärtner besser unter dem Namen Pilogyne suavis (Schrad.) bekannt, mit knolligem: Erdstamm und zierlichen Stengeln. Diese Art ist auf den Sundainseln, Comoren, sowie im ganzen mittleren und südlichen Afrika heimisch und hat glänzend dunkelgrüne, herzförmige, 5-lappige, gezähnte, dem Epheu- laube ähnliche Blätter und kleine, weiße, sehr angenehm duftende Blüten. Leider ist sie zweihäusig und in den Gärten nur in männlichen Indivi- duen vertreten. Man vermehrt sie deshalb aus Stechlingen, welche sich im Frühjahre leicht bewurzeln. Sie eignet sich sowohl zur Topfkultur- als auch zum Auspflanzen im Freien. Nachdem im Herbst bei den aus- gepflanzten Exemplaren die oberirdischen Teile der Pflanze eingezogen sind, pflanzt man den knolligen Erdstamm ein und überwintert ıhn in einem hellen, luftigen Hause bei 5—16°C. Samen und weibliche Pflanzen sind schwer zu erlangen. Der schön gefransten und geschlitzten, überall auffallenden Blüten wegen ist auch die Gattung Trichosanthes L., Haarblume, mit 42 in Südostasien und Australien verbreiteten Arten zu empfehlen. Leider werden von ihnen nur sehr wenige kultiviert. Die verbreitetste, aus: dauernde Art ist wohl T. cucumeroides L., eine von Östindien bis II. Abteilung. Sektion für Obst- und Gartenbau. U Australien vorkommende Pflanze mit bracteenlosen Blütentrauben. Sie ‚besitzt eine dieke, knollige Wurzel, die in geschützter Lage unter guter Decke unsere Winter überdauert. Die melır oder weniger handförmig — 3—5lappigen Blätter sind am Rande gekerbt oder wellig gezähnt. Die mennigrote, glatte Frucht ist 6—9 cm lang und mit einem langen ‚Schnabel versehen. Eine andere Art, T. Anguina L., Schlangen-Haarblume, aus Ostindien, deren sehr zierende, oft über 1 'm lange, orangefarbene Frucht hin und wieder kultiviert wird, ist einjährig. Sie verlangt einen sehr warmen, geschützten Standort, am besten an einer südlich gelegenen Mauer. Von besonderem Zierweıt, namentlich, wenn mit zahlreichen, schönen ‚Früchten behangen, ist auch die monotypische Gattung, Abobra tenwifolia (Gill.) Cogn. (= A. viridiflora (Naud.), die in Südamerika beheimatet ist. Sie trägt zerschlitzte, beiderseits weiß punktierte Blätter und kleine, grünliche Blüten. Leider kommen die kleinen, roten wenigsamigen Beeren bei uns selten zur Reife; hierzu kommt, daß die Pflanzen zweihäusig sind, ‚man also, um beide Geschlechter nebeneinander zu erlangen, stets mehrere Pflanzen beisammen setzen muß. Im übrigen überdauert der knollige Wurzelstock unsere Winter, wenn mit Erde oder Laub bedeckt, ziem- lich gut. Von den Gattungen der letzten Gruppe, die zur guten Entwicklung in unserem Klima stets unter Glas zu halten sind, möchte ich ihrer sehr interessanten Früchte wegen die Gattung Momordica L., Balsamapfel, ‚empfehlen. / Wer in den Sommermonaten unser Wasserpflanzenhaus im Botani- schen Garten besucht hat, wird sich gewiß der zierenden Früchte erinnern, die nier alljährlich zur schönsten Vollkommenheit gelangen. Die beach- tenswerteste Art ist M. Charantıa L., die in den Tropen allenthalben ‚angetroffen wird und deren gelbe Früchte, reif geworden, sich dreilappig .öffnen und das scharlachrote Fruchtmark erkennen lassen; sie werden reif und unreif gegessen. Ähnlich ist M. Balsamina L., deren Früchte ‚auch arzneilich verwendet werden. Für größere Warmhäuser ist zur sommerlichen Ausschmückung auch der Wachskürbis, Benincasa cerifera Savi (= B. hispida (Thunb.) Cogn., der in den wärmeren Gebieten der eßbaren Früchte wegen ge- zogen wird und im tropischen Asien heimisch ist, zu empfehlen. Die großen, sehr auffallenden Früchte sind reif völlig weiß, wie mit Wachs ‚überzogen. \ Wer das Nützliche mit dem Schönen verbinden will, mag in seinen über Sommer leerstehenden Glashäusern auch die Gattung Luffa L. an- pflanzen, deren gurkenähnliche Früchte das als „Luffa‘“, vegetabilischer 3 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Schwamm oder Luffaschwamm bezeichnete Fasergewebe liefern. Die ber uns im Handel befindlichen Badeschwämme, Einlegesohlen, Mützen, Frottier- zeug werden hauptsächlich aus dem festen Fasernetz der Früchte von L. eylindrica (L.) Röm. hergestellt und aus Japan und Ägypten einge- führt. Während diese Art glatte Früchte trägt, besitzt L. acutangula (L.) Roxb. aus dem tropischen Asien ‚glatte, aber scharfkantige Früchte, welche unreif wie Gurken genossen werden. Die Aufzählung dieser Zierkürbisgewächse, die als die verbreitetsten Vertreter für unsere Gärten in Betracht kommen, mag genügen, um zu zeigen, daß die Auswahl keineswegs gering ist. Bei der verhältnismäßig leichten Anzucht und Pflege derselben wird jedenfalls jeder Pflanzenfreund und Gartenbesitzer im Anbau dieser Ge- wächse Befriedigung und eine reiche Fülle von Belehrung und Anregung; finden. TE J Sehlesische Gesellschaft für valerländisehe Gultur. ISYKHT Io 96. | III. Abteilung. Jahresbericht. | Geschichte u. Staatswissenschaften 1918. | a. Historische Sektion. oc BEN DLR BEL NEIN LANSCU ee Sf ar N AN 29 Sitzungen der historischen Sektion im Jahre ıgı8. Sıtzung am 25. Januar. Vortrag les Herrn Archivrat Dr. Loewe: Aus der Geschichte des deutschen Archivwesens. Sitzung am 4. Dezember. Vortrag des Herrn Professor Dr. Holtzmann: Ist Oberschlesien ein polnisches oder ein deutsches Land? 1918. schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. 96. ii II. Abteilung. Jahresbericht. | Geschichte u. Staatswissenschaften 1918. ' b. Staats- u. Rechtswissenschaftliche Sektion. RE RN en um WERE, SCHERE PR ISURENENB ALL J 29 Sitzungen der Sektion für Staats- und Rechtswissenschaft | . im Jahre ıg18. Am 21. Januar sprach Professor Weber über den Wiederaufbau der Volkswirtschaft nach dem Kriege. Am 25. Februar berichteten Rittergutsbesitzer Dr. Dyhrenfurth und Justizrat Dr. Steinitz über Zwang und Freiheit in der Übergangs- wirtschaft. Am 18. März sprach Professor Weber über die Steuerlast nach dem Kriege. Am 28. Juni sprach in einer mit der Ortsgruppe von „Recht und Wirtschaft‘‘ gemeinsamen Sitzung, an der sich auch der Arbeits- ausschuß für die Errichtung des Osteuropa-Instituts beteiligte, Rechts- anwalt Dr. Kann, damals Öberrichter in Warschau, über die Ver- fassung und den Charakter der bürgerlichen Gerichte in Russland. Am 8. Juli sprach Konsistorialrat Dr. jur. Oskar Pollak über den allgemeinen Teil des Strafrechts im neuen kirchlichen Rechtsbuch. . Am 29. Juli sprach Professor Buch über den Krieg und die Vertrags- freiheit. Am 3. Dezember sprach in einer mit der philosophisch -psycholo- gischen Sektion gemeinsamen Sitzung Professor Leonhard über den kategorischen Imperativ im Weltkrieg. Vorher fanden in einer besonderen Sektionssitzung die Wahlen der Sekreläre und Delegierten in das Präsidium für 1919 und 1920 statt. Ge- wählt wurde an Stelle des verstorbenen Oberlandesgerichtspräsidenten Exzellenz Vierhaus der Oberpräsidialrat Geheimer Oberregierungsrat Dr. Schimmelpfennig. Wiedergewählt wurden als Sekretäre die Professoren Leonhard und Weber und als Delegierte dieselben und Professor Wagner. Leonhard. 1918, ee A N INSU hi Ballen Schlesische Gesellschaft (hr valerländische Gultır. INA 96. Jahresbericht. IV. Abteilung. a. Philologisch-archäologische | 1918. | Sektion. ex N ee N 29 Sitzungen der philologisch-archäologischen Sektion im Jahre 1918. 1. Sitzuns am 29. April. 2 Herr Professor Dr. R. Foerster hielt einen Vortrag: i Martin Herz. Eine Säkularerinnerung. 3. Sitzung am 12. Dezembe:. Herr Studienreferendar Dr. Richtsteig sprach über Das Platonstudium des Rhetors Himerios. Wie die gesamte nachplatonische Philosophie zu Platon Stellung nehmen mußte, so war das Studium seiner Werke in verstärktem Maße Aufgabe für die Anhänger der neuplatonischen Philosophie. Im 4. Jhdt. blühte die syrische Schule des Jamblich. _ Die Neuplatoniker benutzten Platons Werke nicht nur zum Aufbau ihrer eigenen Systeme, sie be- schäfligten sich auch mit lexikographischen Arbeiten — wie Timaios rept z0v ey IMatwvı Asfewy —' und Ablk ssuin: von Kommentaren zu den Dialogen, wie z. B. Jamblich selbst, auf dessen Alkibiadeskommentar Asmus jüngst die “gesamte platonische Gelehrsamkeit Julians zurückzuführen versucht hat. Der eklektische Aristoteliker Themistios hat wie zu aristo- telischen, so auch zu platonischen Schriften Kommentare verfaßt. — Neben die Beschäftigung der‘ Philosophen mit Platon trat seit dem Auf- kommen des Attizismus die der Rhetoren. Mit dem Beginn der sog. 2. Sophistik hat er unter den Schriftstellern, deren ninoıg gepflegt wurde, einen geachteten Platz erworben; Lukian und Aristeides sind ohne ihn undenkbar. Im 4.'Jhdt. führt den Chor der Rhetoren Libanios, dessen Platonstudium sehr eingehend und vielseitig war, wie ich in meiner Disser- tation: Libanius qua ralione Platonis operibus usus sit, Vralisl. 1913, aus- seführt habe. Julian und Themistios haben, obwohl Philosophen, auch die Darstellungsweise und Sprache Platons intensiv nachgeahmt. — Bei den Kirchenvätern vereinigen sich gleichfalls das philosophische und das hetorische Interesse. Die bedeutendsten von ihnen in jener Zeit, Basileios d. Gr., Gregorios von Nazianz, Theodoros von Mopsueslia, waren Schüler des Libanios, und auch Joannes Chrysostomos gilt als solcher. In den Rahmen dieses Jahrhunderts tritt auf heidnischer Seite neben Libanios der Rhetor Himerios, der vorübergehend in Nikomedeia und Antiocheia, hauptsächlich aber in Athen doziert hat. Basileios d. Gr. und Gregorios von Nazianz sind auch seine Schüler gewesen. Im öffentlichen Leben ist er, anders als Libanios, nicht hervorgetreten: so sind seine Werke nur Reden im Rahmen der Schule und Ansprachen bei festlichen 1918. 1 I Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Gelegenheiten gewesen. Von den 80 Werken, die die Späteren von ihm kannten, sind 57 auf uns gekommen und zwar 6 Deklamationen und 5l Reden. Von den Deklamationen ist nur eine vollständig erhalten, die anderen sind durch die 2x/oya{ des Photios bekannt; von den Reden sind 23 vollständig, 10 schwer verderbt in Handschriften, 18 nur bei Photios erhalten. Himerios ist für die Kunst- und Literaturgeschichte be- merkenswert. Er erwähnt Pheidias’ Athena Lemnia (or. 21,4 p. 736 ed. Wernsd.), Lysipps Kairos (ecl. 14,1 p. 240 sqq), Erosdarstellungen (ecl. 10,14 p. 190), beschreibt Gemälde (ecl. 13,2 p. 205 sqq, or. 10,2 p. 564), nennt in Athen Anpoodevous oteyn, Zwxrpatous adAn, olxas "Irrovixou (or. 18,3 p. 708 sqq) usw. Wichtiger ist er für die Literatur- geschichte durch Kenntnis und Benutzung der alten Lyriker Alkaios, Sappho, Anakreon, Simonides, die ihm vollständiger zugänglich waren als uns. An einer Stelle (or. 21,5 p. 734) äußert er sich über die winnors geringschätzig: die Rhetoren würden besseres leisten, wollten sie auf die Nachahmung der &pyaloı turoı verzichten und vielmehr «el tı Saldarp« veoy texrtalvestar: dies zeigt Himerios als Anhänger einer modernen Richtung in der Rhetorik, die der &pyala des Libanios, Themistios, Synesios entgegengesetzt war (Norden, Ant. Kunstpr. 1? 429). Libanios (ep. 654 ed. Wolf) bezeichnet des Himerios Reden als 09 yyjarot, d. h. nicht attısch. Trotz dieser Stellung zur yinyors als Prinzip des Stils hat er in seiner Sprache nicht nur die Dichter, für die er als piXog Yelou TOMTWv Yopov (or. 4,3 p. 458) eine Vorliebe hatte, sondern auch die Prosaiker eifrig nachgeahmt: Demosthenes, Isokrates, Herodot und Xenophon. Zu Platon führte ihn zudem sein Interesse an der Philosophie, das lebhafter als das des Libanios war. Es äußert sich ın dem, was Himerios über ihr Wesen und ihren Wert sagt (ecl. 3,19 p. 86 sqg), noch deutlicher in allem, was er aus ihrer Geschichte berichtet. Er spricht über Heraklit, dessen Philosophie Platons Geist zu seinem Höhen- fluge getrieben habe (or. 11,2 p. 574 sqq), kürzer über Anaxagoras und Demokrit (ecl. 3,13 p. 84sqgq), sehr ausführlich dagegen, vielleicht unter neuplatonischem Einfluß, über Pythagoras und seine Schule (or. 29,5 p. 854 sqq, or. 11,1 p. 574, or. 14,15sq p. 640 sqq, or. 7,15 p. 534). Aus ihr nennt er den durch Herodot (3,125—157) bekannten Arzt Demokedes von Kroton (or. 53,5 p. 876 sqq) und Philolaos, den er an einer leider verderbten Stelle zu Platon in Beziehung gebracht zu haben scheint (or. 34,4 p: 882). In der langen Rede (or. 14,23 sq p. 650 sqq), die er an seinen Gönner Hermogenes, Prokonsul von Achaja, richtet, werden die bedeutendsten nachplatonischen Philosophen auf- gezählt: Zenon, Kleanthes, Chrysipp, Epikur, Pyrrhon u.a. Die spätesten, die genannt werden (or. 23,21 p. 802), sind Plutarchos von Chaironeia, Musonios und Sextos, welche der Rhetor unter den Ahnen IV. Abteilung. Philologisch-archäologische Sektion. 3 seines Sohnes nennt. Mit Epikur beschäftigt sich die 3. Deklamation (ele. 3): "Erixoupos npcvorav oUn eivar Alywv aoeßelag Yeuysı ypapyiv. Was Himerios über die Sophistik berichtet, steht bereits unter dem Einfluß Platons, besonders des Gorgias und Hippias maior. Dem Gorgias (456 B w ecl. 15 (Schenkl, Herm. 46,415)) hat er den Vergleich des Sophisten mit einem Arzt und den der Rhetorik (466B sqq ecl. 3,1 p. 66) mit einem Tyrannen entnommen. Der Hinweis auf die Betätigung der So- phisten im staatlichen Leben (or. 26,1 p. 823) und auf ihre Hochschätzung beim Volke (or. 4,4 p. 460) weist auf Hippias maior (281 C sqq und 282Bsq). Die Sophisten Gorgias, Prodikos, Hippias werden im Anschluß an die Apologie genannt (19 E co or. 4,4 p. 460 sqq). Wo er über Gorgias ausführlicher be- richtet (or. 6,5 p. 502 sqq), folgt er wieder dem Hippias maior (232 B, E). Auch Protagoras wird genannt (or. 26,2 p. 822 sqq). — Über Sokrates wird das von Platon und anderen erzählte Geschichtchen von der Be- fragung des delphischen Orakels und seiner Antwort (Apol. 21 A sg) von Himerios (or. 4,7 p. 464) wiederholt. Die Anspielung auf Sokrates’ Ge- wohnheit: xat& xuvög zdopxelv wat nAaravou (or. 34,35 p. 880), führt auf den Phaidros (228 B, 236 E). Das Gebet, das Platon jenen dort sprechen läßt: & pie Ilav Te nal &Adoı Öcor Tijöe Yeot, Soimre por vaAD Yeveonar tövöonrev (279 Bj, hat Himerios (or. 4,6 p. 464) gleichfalls nachgeahmt. Den Prozeß gegen Sokrates berührt er dagegen mit keinem Worte. Von. seinen Schülern wird Xenophon mehrfach mit Anerkennung genannt, vor allem aber Alkibiades, mit dem sich die Rhetoren gern beschäftigt haben. Himerios (or. 23,4 p. 772) rühmt dessen Schönheit, die aus Xenophons Apomnemoneumala (1, 2, 24), noch mehr aus Platons Symposion (212C sqgq), Alkibiades 1 (104A, 113 B) und dem Anfang des Protagoras (309 A, C) bekannt ist, weist (or. 8,6 p. 550 co» Prot. 309 A, Alk. 1,1510) auf seine Freundschaft mit Sokrates und auf seine Erziehung zur roArtm) apery) (or. 14,29 p. 660) in Anlehnung an den Alk. 1 (124 B, 133B) hin. Die Andeutungen über seine Kriegstaten weisen dagegen auf Thukydides und Xenophons Hellenika. \ Für die Mitteilung, daß Platon in seiner Jugend navy doyyjoat (or. 14,21 p. 644 sqq), ist nach Diogenes Laertios (3,4) Dikaiarchs Bio- graphie des Philosophen die Primärquelle. Eine Angabe über seine Reise: eis Alyunıöv te xal olg &xei mpoprjtag (or. 14,25 p. 654) stimmt fast wörtlich mit Diogenes Laertios (3,6) überein; es läßt sich schließen, daß Himerios seine Mitteilungen über Platon einem y&vog IMatwvog entnommen hat. Der Rhetor spricht ferner über Platons Anschluß an Philolaos (s. 0.), seinen Übergang zu Sokrates (or. 34,4 p. 882), durch den er nyyr) rat dpyi) pikocopiag.. tolg Üstepov wurde (or. 14,21, s. o.), ausführlicher über seine Reisen nach Ägypten, Sieilien und Großgriechenland (or. 14,25, s. 0.). So wurde Platon nepiroXog jıxpod maong uns üp YjAtov, Worte, in denen man fast schon etwas anklingen hört von den übertreibenden Angaben 4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. späterer Autoren über die Ausdehnung seiner Reisen. Himerios sprieht endlich von dem Einfluß Solons auf die Gestaltung der Nomoi (or. 26,6 p. 525) und von der Vielgestaltigkeit seiner Philosophie (or. 34,4, Ss. 0.). Sehr fein hat er (ecl. 10,1 p. 170 sqq) in den Dialogen jenes Ineinander- greifen der NdxY), guowmy) und beoXoyixi) Yewpiz und die Bedeutung des „DVog erkannt. Die 10. Rede (ecl. 10), ein rporeurtixös Aoyog, soll, wie er selbst angibt, ein Dialog nach platonischem Muster sein: Sokrates und Diogenes sind die Sprecher. Der Einfluß des Platonstudiums des Himerios äußert sich in der Ubernahme von Gedanken, Motiven und Stoffen und sprachlichem Gut aus den Dialogen in die eigenen Werke. — Der Gedanke, daß die Götter für die Menschen sorgen und die Ursache alles Guten für sie seien (or. 14,23 p. 658 u. 14,13 p. 630), geht auf die Nomoi- (10, 899 D, 300 C, 905 D) zurück, noch deutlicher weist auf das Symposion (195 A) das vom Eros Gesagte: pupla ayadı zo TWv Avdpurwv yEvos eipy&onto (ecl. 10,6 p. 182). Wenn Himerios (or. 21,6 p. 738) Zeus oopLoris nennt, stimmt er in dieser singulären Bezeichnung mit [Plat.] Minos (319 ©) überein. Den Gedanken des Phaidros, daß der »Uovog EEw elou yYopov steie (247 A), hat er (or. 13,2 p. 590) in wenig veränderter Form über- nommen. Die Dichter gelten ihm (or. 14,21 sq p. 646 qq) als Evdeor zul xoteyonevor wie im Ion (533 E, 534 B). Von den Gedanken Platons über die Seele hat Himerios sich eine lange Reihe zu eigen gemacht. Auf ihre Dreiteilung, die im Phaidros (253 C) und ausführlicher in der Politeia (4,436 A sqq) entwickelt wird, spielt Himerios (or. 34,6 p. 384) an. In Übereinstimmung mit dem Phaidon (106 D sq) spricht er (ecl. 4,4 p. 96) von ihrer Unvergänglichkeit und be- trachtet sie als eine &puovia (or. 25,5 p. 820 co Phaid. 86C, 88 D). Den Vergleich mit einem Ackerlande entnimmt er (ecl. 32,6 p. 300) dem Timaios (73B sq). Der Hinweis auf die Empfänglichkeit jugendlicher Seelen (or. 4.5 p. 462) zeigt Einwirkung des Phaidros (245 A). Die Seele schaut die Ideen selbst: auf diese Lehre desselben Dialogs (248 B sqq, 250 B sq) weisen die Worte: £vauAov pEpeı yiv VEav Twv ayarıarwy (ecl. 10,12 p. 186). Ihre Nahrung bilden Aöyor und &rtsrrim (or. 33.1 p.872, or. 14,20 - p. 644), nur diese sind ihr angemessen (ecl. 31,2 p. 283): beides geht auf die Politeia zurück (4,441 E sq, 5,400D). Die Äußerung über das Ver- hältnis des dv&ostog zum Yupostörig und des owypwy zum «aßpos (or. 34,3 p. 880) entstammt demselben Werk (3,410 D). Auf den Phaidon (65 B sqgq, 683 A) weisen die Gedanken über das unablässige Streben der Seele nach dem Größten und Schönsten (or. 14,12 p. 628) und die Betonung der Not- wendigkeit, für die Seele auf beste zu sorgen (or. 31,1 p. 862). Die drei Kardinaltugenden der dtnratavvn, dvöpela, owWppasuyn nennt er mehrmals (ecl. 32,12 p. 304 sqg, or. 27,7 p. 836) im Anschluß IV. Abteilung. Philologisch-archäologische Sektion. b) an den Phaidon (69 B). Wenn ayöpela &v poßors als &periis Löprov (ecl. 10,7 p. 182) bezeichnet wird, zeigt sich der Einfluß des Laches (191 E, 190 D sg). In Anlehnung an die Politeia (10,609 E) wird die Schlechtigkeit eine Krank- heit genannt (ecl. 32,12 p. 304). Mit dem, was Himerios über Tod und Jenseits spricht, steht er auf dem Boden des Platonismus und zwar noch fester als Libanios, bei dem man bisweilen schon an neuplatonische Einflüsse denken möchte. Auf den Phaidon (107 D) weisen die Worte der Monodie auf Rufinos: &xeioe Tenöpevont, Evda 6 dalnwv Yyroato (or. 23,23 p. 804), auf denselben - Dialog (67 E, 117 C) die Worte: £pedetag Trv Evdrevde dvaywpyarv ($ 11 p- 784), vielleicht auch der Wunsch: &yw nov pera Ydewv nlupars xal.. AATonTevars Ta oumavıa ($ 23 p. 804 co Phaid. 111 A sgg). Diesen Gedanken stehen verwandt zur Seite die nö%or, die Platon zur Einkleidung gerade der tiefsten Ideengänge dienen. Unter ihnen geht der Erosmythos aus dem Phaidros (246 A sag) allen voran, in dem bei Schilderung des philosophischen Eros die Seele und die sie treibenden Kräfte mit einem Gespann edler Rosse und ihrem Lenker verglichen werden. Die Wirkung dieses Mythos zeigt sich haupt: sächlich in der Rede auf Hermogenes (or. 14,12 sqq p. 630 sqq) und in. dem Atoyevns Y rponepmtixög (eel. 10,12 sgq p. 186 sqq). Ganz wenig ist dagegen aus dem Mythos des Symposion (180 D sqgq) über Aphrodite und Eros von Himerios (ecl. 18,2 p. 262) übernommen worden. Sokrates schied, wie der Niederschlag seiner Lehre bei Xenophon (Symp. 8,9) und Platon zeigt, die Aypoöt navönpos, Tochter des Zeus und der Dione, und Aypoöttn oupavia, Tochter von Uranos und ddaAaooe. Nur in der Übernahme dieser Zweiteilung ist Himerios ihnen gefolgt. Allein bei Platon ist dieselbe auch für Eros durchgeführt: das Symposion scheidet: "Epwra Toy Ev navönov.., Tov ö& oupayıov (180 E). Himerios stellt ähnlich den einen oVpavıog gegenüber tols ravörpors Epwor (ecl. 10,6 p. 180). Mit den Worten: &)EAw d& Univ xal Ilpwrayöpou Acyov tıva eineiv leitet Himerios (or. 21,10 p. 744 sqq) den Mythos von Prometheus und Epi- metheus ein. Von diesem liegen in Platons Protagoras (320 Dsqq) und bei Themistios (or. 27 p. 338 a sqq) ausführliche Darstellungen vor. Aus sprachlichen Indizien ergibt sich, daß Themistios die platoniısche Fassung gekannt hat; auch für Himerios beweisen dies Anklänge. Es kommt ihm bei der Erzählung des Mythos nur auf den Begriff des nowmÜ\Aety an: so ‚erklärt sich seine Gleichgültigkeit in der Gruppierung einzelner Züge des Mythos. Auffallend ist bei Himerios die Einführung der wuorg als Schöpferin der Lebewesen anstelle der veol bei Platon, noch mehr bei Themistios und ihm die Angabe, daß Zeus voDv ze xal Ypovmaowv den Menschen verliehen habe und daraus der Aöyos örov Av Avdpwrrog stamme: bei Platon stehen «&löwg und ölxy an deren Stelle. Ferner ist Himerios an mehreren Stellen (ecl. 10,5 p. 178, ecl. 23 p. 280, or. 14,11 p. 626 u. ö.) von dem anmutigen Mythos von den Cikaden aus dem Phaidros (230 C, 259 B sq) abhängig, dem auch Libanios eine Reihe von Motiven verdankt. Mit Platon (Phaid. 85 B) be- zeichnet er (or. 24,5 p. 312) die xuxvor als lepot tod AnoAAwvae. An Gedanken und Mythen hat Himerios mehr als 60 Stellen den Dialogen entnommen und zwar fast zur Hälfte dem Phaidros, in. zweiter Linie Phaidon, Politeia, Symposion, in dritter lon, Protagoras, 'Timaios. . An etwa 15 Stellen wirkt Platons Gedankenwelt in der Rede auf Hermo- genes nach, weniger in der Diogenesrede. Noch beträchtlicher ist die Entlehnung von einzelnen Motiven, von Bildern und Vergleichen, von Einzelheiten der Mythologie und Geschichte aus den platonischen Dialogen. — Wie in noch aus- gedehnterer Weise bei Libanios ist auch bei Himerios eine Reihe von Stellen nur dann verständlich, wenn man beachtet, daß der Rhetor damit auf ganz bestimmte Stellen der platonischen Dialoge hinweisen will. In der Benutzung der Dialogmotive lassen sich drei Gruppen scheiden, je nachdem er sich enger oder, was meist der Fall ist, freier seiner Vorlage anschließt oder, was er seltener als Libanios tut, nur mit wenigen Worten ‚auf eine Platonstelle anspielt. Die Stelle des Protagoras (314 A): m repl piAtaroıg xußeuygg Te nal xıvöuveuyg haben Julian (or. 6 p. 190 B) und Himerios (or. 33,2 p. 874) zur Vorlage genommen; ähnlich hat die: Frage im Euthydemos (279 C): tiv SE oopiav noD xopov rakolev; bei Aristeides (or. 49 t. 2,517,2i1 Dind.), Libanios (ep. 1074), Himerios (or. 7,15 p. 534) und Synesios (p. 537 A) Nachahmung gefunden. Eine freiere Behandlung der Stelle aus der Politeia (3,387 B): taUr& ... raparmoöoneda "Opmpov liegt bei Himerios (or. 20,3 p. 724) vor: TaDT& nEv o0v noparmmosnede Opmplöas. Die Worte des Euthydemos (294 E): odTW röppw ooplag Yxerg ahmt Himerios (ecl. 17 (Schenkl, Herm. 46,416)) nach: Yieig ToooüTo röppw ooplas Eotyjgonev. In den Worten des Rhetors: (Aryyuwvra Ev ıy) buy) (ecl. 4,26 p. 120) wird man eine Anspielung auf den Phaidon (79 C) sehen dürfen, wo es von der Seele heißt: Üuyyıa Worep nedvouog. Solche Dialogmotive entlehnt er besonders Phaidros, Politeia, Symposion, nächst ihnen Euthydemos, Theaitetos u. a. Dialogen. — Verschwindend klein dagegen ist, abweichend von Libanios, und auf- fallend gering bei der Vorliebe des Himerios für dichterischen Schmuck der Rede die Zahl der Bilder und Vergleiche, die Himerios aus den Dialogen des „Dichterphilosophen‘ in seine Reden übernommen hat. Auf den Vergleich des Politikos (293 D): &rotxlag olov ol mEALTTWY Errehrovees spielt er an (or. 28,7 p. 848). Um den Gedanken klar- zumachen, daß jemand, der eine Fertigkeit lernen will, sich an einen wenden muß, der sie versteht, führt Himerios (or. 12,3 p. 584) als Bei- spiele aöAnTis und Aıhapwödg an: im Gedanken und der Verknüpfung {V. Abteilung. Philologisch-archäologische Sektion. 7 beider Vergleiche folgt er [Plat.| Theages (126 E). — Spärlich ist das aus Platon stammende mythologische Gut bei Himerios, z. B. stimmt er (or. 33,8 (Schenkl, Herm. 46,424)) mit dem Euthydemos (2388 B) in der Bezeichnung des Proteus als ooptstig überein. — Was er aus der Ge- schichte berichtet, gehört der Frühzeit Griechenlands und Athens, der Zeit der Perserkriege, der Lebensgeschichte der großen Staatsmänner des 5. Jhrdts. v. Chr. an. Dem Timaios (23 B) entnimmt er (or. 14,31 p. 662) die Anschauung, daß die Hellenen das schönste und beste Geschlecht auf Erden seien. Mit den Nomoi (1,624 A) stimmt er (or. 29,4 p. 854) in der Behauptung überein, daß Apollon selbst den Lakedaimoniern ihre Ge- setze gegeben habe; in Anlehnung an Kritias (109 C sq) und besonders Menexenos (237 B, D sg) feiert er (or. 2,2 p. 372, or. 7,12 p. 532) wie Libanios Athen als die Stadt der Autochthonen, als die älteste Stadt, als die Bringerin aller Kultur für die anderen Völker (or. 2,3 sq p. 374 sqg). — Für seine Berichte über die Zeit der Perserkriege hat Himerios (or. 2,8 p. 382) von Platon nur eine Menexenosstelle (259 A sq) benutzt, an der die Großtaten der rpoöyovor gepriesen werden; die anderen Äußerungen über diese Zeit stehen unter der Einwirkung des Herodot und Thukydides. — Wenn von einem Angriff auf Themistokles (eel. 56,15 p. 318) gesagt ist: &Aoröopeı Ozmioroxd&n Nepipros, so verrät die Wahl des Ausdrucks Benutzung einer Politeiastelle (1,329 E sq). Unter den Staatsmännern des 5. Jhdts. hat Perikles des Rhetors besonderes Interesse erregt. Dafür freilich, daß er Schüler des Anaxagoras (or. 23,4 p. 772) und ein hervor- ragender Redner (ecl.23b,3 p. 284) war, war Platon (Alk. 1,118C, Symp. 215 E) nicht seine einzige Quelle. Aber in seinem Bericht (ecl. 16,1 p. 250) über die Söhne des Perikles, die ihres Vaters apery) nicht erreichten, folgt er dem Menon (94 B), Protagoras (319 E sq, 328 C) und Alk. 1 (118 D sg). Auch Aspasia und Diotima nennt Himerios (or. 1,18 p. 358) wie Libanios zusammen. Platon gedenkt der einen im Menexenos (235 A), der andern im Symposion (201 D). Zwar wird man wie für Libanios, so auch für Himerios eine Vorlage anzunehmen eher geneigt sein, in der beide Ge- stalten bereits verbunden erscheinen, Aristeides rhet. (or. pro IV viris t. 2,171,6 D.) oder Lukian (imag. 17 sq), doch spricht die Betonung der sort« Diotimas für Berücksichtigung auch des Symposion. An Gedanken und sachlichem Gut zusammen hat er etwa 150 Stellen der Dialoge berücksichtigt, die fast zu einem Drittel dem Phaidros an- gehören, nächst ihm Politeia, Symposion, Phaidon. Unter den Reden des Himerios ist die auf Hermogenes an erster Stelle zu nennen, sodann die Aadıa eis Kepßwvıov. “ Ebenso erheblich wie der gedanklich-sachliche Einfluß ist auch der sprachliche auf Himerios gewesen. Es handelt sich um die Nachahmung von Sätzen und Satzteilen, von Redewendungen, von einzelnen Wörtern. Von solchen Wörtern, die nur bei Platon nachweisbar sind, 8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. ontnimmt er (ecl. 32,8 p. 300) xarvoropla den Nonioi (4,715 C, 12,949 E), Gorreirig dem Phaidros (251 A co or. 22,8 p. 762), Aesuyeipoveiv der Politeia (10,617 C co or. 8,1 p. 542), nerippuros dem lon (554 A or. 23,10 p. 784). Auch solche Wörter beachtet er, ebenso wie Libanios, die bei Platon nur einmal erscheinen: vdbauynv (253 D ce ecl. 12,6 p: 202 u. ö.), öpoGv& (256 A co or. 5,13 p. 492) aus dem Phaidros, aßpvuvonar (20 C co or. 5,5 p. 484 u. ö) aus der Apoiogie, oder endlich Wörter, die bei Platon in einer speziellen Bedeutung gebraucht werden: z. B. nepırodeiv aus dem Phaidros (246 B co or. 33,4 p. 874), Sevayelv, das auch Lukian (dial. mort. 18,1 u. ö.) aus Platon geschöpft hat, aus demselben Dialog (230 C or. 10,2 p. 564). Zusammenfassend bemerke ich, daß in sprachlicher Hinsicht die Nomoi nach der Zahl der Stellen (25) am stärksten gewirkt haben, nächst ihnen die Politeia, dann erst Phaidros und Timaios, endlich Symposion, Gorgias, Phaidon. Freilich bei gleichzeitiger Erwägung des Umfangs der einzelnen Werke kommt auch hier dem Phaidros die erste Stelle zu. Unter den Deklamationen steht der TOAEWKPYLXOS (or. 2) an der Spitze. Bedeutender aber ist die Einwirkung von Platons Sprache auf die Reden, unter denen die auf Hermogenes mit 20 platonischen Wendungen die erste Stelle einnimmt. Himerios, der an etwa 300 Stellen von Platons Dialogen beeinflußt ist, hat in fast gleichmäßiger Stärke die gedanklich-sachliehe und die sprachliche Seite seiner Werke sich nutzbar gemacht. Für ihn ist ebensowenig wie für Libanios die formale Einwirkung Platons stärker als die inhaltliche gewesen. Die Kunst, die er in der pinmots entfaltet, kommt der des Libanios nahe: Doch erreicht er in der Ausnutzung der Motive aus den platonischen Dialogen und Vergleichen nicht die Ab- wechslung und yap:s jenes Rhetors. Nach der mehr cder minder intensiven Weise, in der Himerios die einzelnen Dialoge verwendet hat, lassen diese sich zu vier Gruppen zu- sammenfassen. Allen weit voran steht der Phaidros, aus dem über 60 Stellen auf den Rhetor gewirkt haben, und zwar verdankt er ıhm besonders Dialogmotive, Erosmythos und einzelne Wörter. Ihm folgen Politeia, der er vor allem Dialogmotive, Redewendungen und Gedanken entlehnt, Nomoi, die fast nur in sprachlicher Hinsicht ihn. beein- flußt haben, Symposion, dem er Dialogmotive und sprachliches Gut in gleicher Menge entnimnit, endlich Phaidon, dessen tiefer Gedanken- gehalt vor allem auf ihn eingewirkt hat. Aus diesen fünf Dialogen stammt mehr als die Hälfte seiner Platonreminiszenzen. Die zweite Gruppe von Dialogen umfaßt Timaios und Gorgias, deren formale Seite den Rhetor beeinflußt hat, Menexenos, der ihm eine Reihe historischerAngaben lieferte, und Theaitetos, aus dem mehr. Dialogmotive als Redewendungen auf ihn gewirkt haben. IV. Abteilung. Philologiseh-archäologische Sektion, 9 Die dritte Gruppe umschließt bereits weniger eifrig nachgeahmte Dialoge, wie Hippias maior, Protagoras, deren inhaltliche Seite deutlich weit stärkere Einflüsse auf ihn ausgeübt hat als die sprachliche, Euthydemos und Alkib. 1. — Berücksichtigt man bei den wichtigsten Dialogen auch den Umfang, so tritt noch deutlicher die starke Wir- kung des Phaidros hervor; ihm folgen Symposion, Phaidon, Politeia, Gorgias, Nomoi. \ ‘Von den 45 Werken, die das Corpus der platorischen Schriften umfaßt, sind 29 von Himerios in seinen Deklamationen und Reden be- rücksichtigt worden; nur auf 4 echte Dialoge, Kriton, Philebos, Lysis und Parmenides, fehlen Anspielungen. Von den unechten Platonica hat er Minos, Theages, Axiochos, Epinomis, Hipparchos benutzt. Das Platonstudium tritt in den Reden des Himerios weit intensiver als in den Deklamationen zu Tage, umgekehrt wie bei Libanios.. Nach dem Hervortreten des platonischen Einflusses bilden die Reden drei Gruppen. Allen voran geht die umfangreiche Rede auf Her- mogenes: mehr als 40 Stellen verraten hier den Einfluß der Platon- lektüre und zwar besonders des Gedankengehalts der Dialoge. Weit _ weniger von Platon abhängige Stellen weist die Aadıa eig Kepßwviov, den Prokonsul von Achaja, auf sowie der Dialog Aroyevng 7) Tponehmuxos: auch in ihnen überwiegt der Einfluß platonischer Gedanken und Stoffe. Unter dem Nachklang platonischer Gedanken steht ferner die Monodie auf seinen verstorbenen Sohn Rufinos. In der Rede eis Kwvoravtlvov roAıv nal TovAıavöv halten sich beide Interessensphären das Gleichgewicht, im Tponehntxög eis Eraipoug dagegen ist nur die Nachwirkung von Ge- danken und Stoffen der Dialoge zu erkennen. Ihm folgt der Enıd«- Aayıos eis Zeßijpov, in den ein Emtdyadauıos Sapphos verarbeitet ist. Diesen Reden gehört fast die Hälfte aller Platonreminiszenzen des Himerios an. Berücksichtigt man auch ihren Umfang, so gehen die Rede auf Kerbonios und die Diogenesrede noch der auf Hermogenes voran. Nur 6 Reden, und zwar Schulreden, weisen keine Spur der Platonlektüre auf. Er hat also zur Ausschmückung seiner öffentlich gehaltenen Reden und Ansprachen Platon mehr herangezogen als zu den nur für seine Schule bestimmten. — Unter den einzelnen Deklamationen zeigt sich Platons Einfluß am meisten in dem epideiktischen ToAepapyıxög, in dem Aristeides’ Panathenaikos nachwirkt, und zwar hat hier die spraech- liche Seite der Dialoge den stärkeren Einfluß ausgeübt. Nicht viel steht ihm die dem y£vog ötxavınov angehörende Epikurdeklamation nach, in der die Gedanken Platons die Hauptwirkung üben. Am schwächsten und nur in Redewendungen äußert sich des Rhetors Platonstudium in den beiden im Anschluß an Demosthenes gearbeiteten Deklamationen: "Yrepetöng üntp Anmocdetvoug und Ammochevng Unze Aloylvan. 1918. 2 10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Himerios hat Homer noch eifriger als Platon in seinen Werken ver- wertet. Der Einfluß Pindars, der Tragiker und Komiker erscheint ganz gering. Daß sich die Spuren des Demosthenes bei ihm in ebenso deutlicher Weise wie diejenigen Platons nachweisen lassen, möchte ich bezweifeln. Weniger als Platon haben Isokrates u. a. Redner, Herodot und Xenophon, vereinzelt Thukydides sprachliche Vorbilder für ihn ab- gegeben. Himerios hat nicht so viele Autoren in den Kreis seiner Nachahmung gezogen wie Libanios, was mit seiner Stellung zum Prinzip der wiyots zusammenhängt. Er hat Platon noch intensiver als Libanios benutzt; etwa ein Sechstel so viel von ihm beeinflußte Stellen weist er auf und steht ihm doch an Umfang des Erhaltenen bei weitem nicht in demselben Ver- hältnis gegenüber. Auch er ahmt Motive der Dialoge nach. .Sichtlich aber hat deren gedankliches Element tiefer auf Himerios als auf Libanios gewirkt. Dem Einfluß platonischer Gedanken und Stoffe hält der der Diktion die Wage. So wirken beide Seiten der platonischen Dialoge auf Himerios. Bei Julian, Themistios und den Kirchenvätern‘ steht der Einfluß der platonischen Philosophie unvergleichlich stärker im Vordergrund, dagegen weisen deren Werke auf das Studium eines kleineren Kreises von Dialogen als die des Himerios. Anderseits läßt sich bei Libanios die Benutzung von noch mehr platonischen Dia- logen nachweisen als bei Himerios. Im Anschluß daran fanden die Wahlen der Sekretäre und des Dele- gierten im Präsidium statt! Die bisherigen Herren Geh. Regierungsrat Professor Dr. R. Foerster und Geh. Regierungs- und Provinzial-Schulrat Dr. Miller wurden wiedergewählt, letzterer auch zum Delegierten im Präsidium. ee — sehlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. ya T@ V. Abteilung. 96. Jahresbericht. b. Philosophisch - psychologische 1918. | Sektion. ©,c er ER x - 28 -Sitzungen der Philosophisch-psychologischen Sektion im Jahre 1918. Sitzung am 29. Januar. \ 1. Vortrag des Herrn Professors D. Dr. Heinrich Scholz: Die Ehrfurcht vor dem Unbekannten, Konsequenzen und Inkonsequenzen des religiösen Agnostizismus. 3. Diskussion. Sitzung am 3. Dezember (gemeinsam mit der Staats- und Rechtswissenschaftlichen Sektion). 1. Wahlen. Es wurden gewählt: a. Zu Sekretären die Herren: Geheimrat Professor Dr. Baumgartner, Geheimrat Professor Dr. Kühnemann, Professor Dr. Hönigswald, Professor Dr. Guttmann. b. Zum Delegierten in das Präsidium: Herr Geheimrat Professor Dr. Baumgartner. c. Zum Schriftführer: Herr Privatdozent Dr. Marck. 2. Vortrag des Herrn Geh. Justizrats Prof. Dr. Leonhard: Der kategorische Imperativ im Weltkrieg. 3. Diskussion. 1918. Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cullur. IEK 96. | V. Abteilung. Jahresbericht. c. Sektion für katholische 1918. | Theologie. } ; ; Sitzungen der Sektion für katholische Theologie im Jahre 1918. 1. In Anwesenheit des Hochwürdigsten Herrn Fürstbischofs und des Hochwürdigsten Herrn Weihbischofs Dr. Augustin sprach am 14. Januar Divisionspfarrer Prof. Hoffmann über Neue Erfahrungen in der Feldseelsorge., Er behandelte die Organisation der Feldseelsorge, die Wege, auf denen der Feldgeistliche an die Truppen herankommt, und verbreitete sich über die Stimmung und das religiös-sittliche Verhalten der Soldaten sowie ein- zelne Hilfsmittel der Feldseelsorge. | Eine lebhafte Aussprache folgte dem Vortrag, die der Herr Fürst- bischof eröffnete. Der Vortrag ist veröffentlicht im Jahrgang 1918 des Schlesischen Pastoralblattes. 2. Am 5. Februar sprach Pfarradministrator Brettschneider aus Wartha über Pfarrbibliotheken, ihren Nutzen und ihre Pflege. Der Vortrag ging aus von der Geschichte der Pfarrbibliothek, erwies ihren Nutzen und legte Grundsätze dar für ihre Erhaltung und ihren Ausbau. Die Grundgedanken des Vortrags, dem eine Aussprache sich an- schloß, sind erweitert ausgeführt in dem Buche des Vortragenden „Der Pfarrer als Pfleger der wissenschaftlichen und künstlerischen Werte seines Amtsbereichs. 1918“. 3. Am 11. Juni sprach Konsistorialrat Dr. Negwer über Das Eherecht im neuen kirchlichen Gesetzbuch. Der Vortrag war außerordentlich gut besucht. Es schloß sich eine längere angeregte Besprechung an. 4. Konsistorialassessor Dr. Pollak sprach am 25. Juni in Gegenwart des Hochwürdigsten Herrn Weihbischofs Dr. Augustin über Das Prozessrecht des neuen kirchlichen Rechtsbuches unter besonderer Berück- sichtigung der Verwirklichung moderner prozessrechtlicher Grundsätze in demselben. Der Vortragende gab erst einen Überblick über die Gründe, warum im Prozeßrechte des Codex den modernen Prozeßgrundsätzen der Mündlich- L918. 9, Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. keit, Unmittelbarkeit, Öffentlichkeit und freien Beweiswürdigung entweder nicht oder nicht voll Rechnung getragen sei, wies darauf hin. daß man das Gesetzbuch von dem Gesichtspunkte aus beurteilen müsse, daß es gemeines Recht enthalte, das auch in Ländern mit zürückgebliebener Rechts- bildung Geltung behaupten müsse, wie in Ländern, die auf ein hochent- wickeltes weltliches Prozeßrecht hinweisen können, daß es sich ım kirch- lichen Prozesse zumeist um Streitfälle handle, die eine vorsichtig prüfende, langsame Durchführung möglich machen, und daß unter diesen Bedingungen ein wesentlich schriftlicher, sich in formalen Stufen bewegender Prozeß mehr Gewähr für Rechtssicherheit und richtige Rechtsfindung biete. Er gab sodann einen klaren Überblick über den Prozeß unter Dar- legung des Hauptschema’s und der besonderen Normen für den Straf- und Eheprozeß, in welcher Darlegung er besondere Rücksicht auf die Stellung- nahme des Prozesses zu modern-rechtlichen Prozeßprinzipien nahm und wiederholt auf die seiner Ansicht nach in Betracht kommende Einflußnahme des Klein’schen Zivilprozesses hinwies. Er bot diesbezüglich auch interessante Hinweise dahin, wie grade die modernen Grundsätze der straffen Mündlichkeit und freien Beweiswürdigung des österreichischen (Klein’schen) Zivilprozesses in entlegenen Provinzen die gleichen Erfolge zeitigten wie im Zentrum des Reiches. In der Besprechung wies Geh. Justizrat Prof. Dr. Fischer darauf hin, daß eine direkte Einflußnahme des Klein’schen Zivilprozesses nicht anzu- nehmen sei; unverkennbar sei in einzelnen Punkten der Einfluß des fran- zösischen Prozeßrechts; der Prozeß des Codex halte zwar stark am historisch Gewordenen fest und sei sehr konservativ, bedeute aber jedenfalls eine merkliche Annäherung an modern-rechtliche Prozeßgrundsätze. Auch diesem Vortrage folgte eine Aussprache. 5. Am 3. Dezember sprach Architekt Witte aus Dresden über Wege zur christlichen Kunst. Die christliche Kunst gehört nicht nur ins Gotteshaus, sondern auch in das Haus der christlichen Familie, in die Schule und auf den Friedhof. Zu warnen ist vor jener sog. christlichen Kunst, die von gewissenlosen Unternehmern fabrikmäßig hergestellt wird. Ist ein Kirchenbau oder die Anschaffung eines kirchlichen Schmuckstückes geplant, so wende man sich an Künstler, die in kirchlichem und künstlichem Sinne Gewähr bieten. Dem Künstler ist, das freie Schaffen durch eigenwillige Sonderwünsche nicht zu beschränken. Kurse an Hochschulen und Akademien sind not- wendig, besonders für die angehenden Geistlichen, desgleichen Beratungs- stellen im Anschluß an Diözesanmuseen. Am Schluß erörterte der Vor- tragende die Erfordernisse für eine geordnete Kunstdenkmalspflege. Nach dem Vortrag fanden die Wahlen statt. Domherr Prof. Dr. Nickel wurde zum 1., Studienrat Hoffmann zum 2. Sekretär gewählt. V. Abteilung. Sektion für katholische Theologie. 3 Ins Präsidium delegierte die Sektion Domherrn Dr. Bergel und Domherrn Prof. Dr. Nickel. ’ 6. Der 17. Dezember war für die Sektion ein Ereignis. Der ‚berühmte Erforscher der christlichen Malerei, Prälat Wilpert, den der Krieg aus Rom vertrieben hat, sprach vor. zahlreichen Mitgliedern, auch denen der archäologischen Sektion, und Gästen über Wahre und falsche Auslegung der altchristlichen Grabskulpturen. Glänzende Lichtbilder, die Prof. Dr. Rücker hergestellt hatte, erläuter- _ ten den Vortrag, dem auch der Hochwürdigste Herr Fürstbischof beiwohnte. Der Vortragende analysierte die Darstellungen und erwies sie als überaus einfach. An der Darstellung der Heilung des Blindgeborenen, der Ver- ‘mehrung der Brote und Fische, der Verwandlung des Wassers in Wein, .der Erhörung der Bitte der Kananäerin, der Heilung der Blutflüssigen wurde das einleuchtend gezeigt. Einen breiteren Raum nahm die Darstellung der Mittel ein, durch welche die alten Skulptoren, in die Fußtapfen der ‚alten Maler tretend, sich verständlich machten, durch die Gesten, die Gewandung und die Stellung der Skulpturen innerhalb der Komposition. Besonderes Interesse weckten die ganz neuen Erörterungen über das älteste Porträt auf einem Sarkophag der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts und die Darstellung der Kirche auf dem Felsen auf einem andern Sarkophag aus der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts, der bereits seit dreihundert Jahren bekannt ist. Sehlesische Gesellsehalt für yaterländische Cultur. TE 96. V. Abteilung. Jahresbericht. ; 2 d. Evangelische Theologie. 1918. | &c HERBNEERNRESL SE URENEELES HIRTEN 2,9 Sitzungen der evangelisch-theologischen Sektion im Jahre 1918. ro Sitzumes am 28 Januar. Vortrag des Herrn Konsistorialrats Professors D. Steinbeck: Individualismus und Kirche. 9 Sptzlume am! 16. Jul. Vortrag des Herrn Geh. Konsistorialrats Professor D. Schaedeı Der Gott des Christentums und der Staat. > Sıbzumelamell. Dezember. Vortrag des Herrn Professor D.Dr. Hoennicke: Die Apokalyptischen Reiter. 1918. dehlesisch Gesellschaft ‚für Yaterländische Gultur. “ SE | VI. Abteilung. Du bericht | a. Technische Sektion. 1918, | &,c RI BrG) Sitzungen der technischen Sektion im Jahre 1918. Es hat im Berichtsjahre nur eine Sitzung am 16. Dezember stattgefunden. Auf ihr wurde mit Stimmeneinheit der Beschluß gefaßt, die Sistierung der technischen Sektion beim Präsidium zu beantragen. Die Tagesordnung der Sitzung lautete: 1. Besprechung von Sektionsangelegenheiten, 2. Wahl der Sekretäre und des Delegierten in das Präsidium für die Jahre 1919 und 1920. Der vorsitzende Sekretär, Professor Wohl, eröffnete die Sitzung indem er darauf hinwies, daß sich die technische Sektion in den 11 Jahren, die seit ihrer Wiedererrichtung verflossen seien, leider nur eines sehr geringen Interesses zu erfreuen gehabt habe. Der Besuch der Sitzungen sei immer nur ganz spärlich gewesen und es halte infolgedessen sehr schwer, Herren für Vorträge zu gewinnen. Es wäre doch aber recht bedauerlich, wenn die Sektion eingehen müßte und die Technik dann unter den Arbeitsgebieten der Schlesischen Gesellschaft für vater- ländische Cultur nicht mehr vertreten ‚sei. Darum bäte er in eine Be- ratung darüber einzutreten, auf welche Weise die Sektion zu einem lebensfähigen Gebilde gestaltet werden könnte. In der folgenden zwei- stündigen Beratung wurden verschiedene Vorschläge hierzu gemacht, aber nach eingehenden Erwägungen als doch nicht Erfolg versprechend wieder verworfen. Schließlich wurde der folgende von Herrn Professor Hilpert gestellte Antrag einstimmig angenommen: „Nachdem heute eine zweistündige Beratung der technischen Sektion stattgefunden hat, mit der Absicht, die Lebensfähigkeit der Sektion zu heben und nachdem eine lebhafte Erörterung nicht die geringste Wahrscheinlichkeit zu einer Besserung ergeben hat, kommen die Anwesenden zu dem Antrag, die Sistierung der technischen Sektion in die Wege zu leiten. 1918. I Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Die Gründe, warum es während 11 Jahren nicht gelang, nur einigermaßen besuchte Versammlungen zu Stande zu bringen, liegen in der überwiegenden Zahl der in Breslau bereits vorhan- denen, stark besuchten Fachvereine, denen auch die Mitglieder der technischen Sektion fast ausschließlich angehören. Aus diesem Grunde beschließen die umstehenden Anwesenden einstimmig die Sistierung beim Präsidium zu beantragen.“ Anwesend waren die Herren: Betriebsinspektor v. Herrmann, Pro- fessor Dr.-Sng. Hilpert, Fabrikbesitzer Ingenieur F. W. Hofmann, Direktor Reg.-Baumeister Hönsch, ®Pipl.-Sng. Slawik, Professor Dipl.- Sng. Wagenbach, Professor Dipl.-$ng. Wohl. Zu Punkt 2 wurde beschlossen, daß die Sekretäre und der Delegierte bis zur erfolgten Sistierung im Amte bleiben sollten. Sehlesische Gesellschaft für valerländische Gultur- GEIXCET IR 28 VI. Abteilung. Jahresbericht. NEL 1918 b. Sektion für Kunst der Gegenwart. &,c Br 29 Sitzungen der Sektion für Kunst der Gegenwart im Jahre 1918. Am 7. Dezember wurde eine Sitzung abgehalten zwecks Wahlen der Sekretäre und der Delegierten in das Präsidium für 1919/20. Es wurden wieder gewählt: für Abteilung: Denkmalpflege und Heimatschutz Architekt Henry, für Abteilung: Architektur und Kunstgewerbe Baurat Grosser, der am 10. Dezember 1918 gestorben ist, für Abteilung: Dichtkunst Sr. Magnifizenz Geh. Regierungsrat Universitäts- Professor Dr. Max Koch, für Abteilung: Malerei und Bildhauerkunst Prof. Dr. phil. Landsberger, für Abteilung: Musik Universitätsprofessor Dr. Max Schneider. Zu Vertretern im Präsidium wurden: Architekt Henry und Professor Dr. Koch, zum geschäftsführenden Vorsitzenden der Sektion wurde Architekt Henry wiedergewählt. Folgende Vortragssitzungen fanden statt: Mittwoch, den 17. April. Vortrag des Herrn Dr. Berthold Vallentin: Die Kriegsdichtung Stefan Georges. Sonntag, den 26. Mai. Vorführung des der Universität geschenkten Gemäldes von Handke: Vision des hl. Francesco Borgia durch Herrn Geh. Regierungsrat Professor Dr. Foerster im Willmann- saale des Schlesischen Museum der bildenden Künste. Sonntag, den 23. Juni war die Gedächtnisfeier zur Erinnerung an die erste Aufführung der Meister- singer von Richard Wagner. Die Festrede hielt Herr Professor Dr. Max Koch. Die Feier wurde eingeleitet und geschlossen durch die Gesangs- 1918. ») Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. vorträge des Herrn Opernsänger Martin Abendroth unter Begleitung des Herrn Kapellmeister Prüwer (Klavier). Zum Vortrag kamen Hans Sachsens Wahnmonolog und Sachs’ens Ansprache „Verachtet mir die Meister nicht“. Sonnabend, den 7. Dezember. Vortrag des Herrn Professor Dr. Franz Landsberger: Expressionismus. Henry. Schlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur. 96. VI. Abteilung. Jahresbericht. c. Sektion für Geologie, Geographie 1918. Berg- und Hüttenwesen. &uc 94 Te 28 B Br) Sitzungen der Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen im Jahre 1918. In der Sitzung vom 16. Januar hielt Herr Geh. Bergrat Buntzel zunächst einen Vortrag ‚Einiges über die beim Abbau mit Spülversatz in Oberschlesien beohachieten Erdsenkungen.“ Sodann hielt Herr Privatdozent Dr. Cloos einen Vortrag über ‚Boden- und Wasserverhälinisse in Lothringen und an der Aisne‘“. In der Sitzung am 20. März hielt Herr Privatdozent Dr. Dietrich einen Vortrag. „Zur Landeskunde der Rhön‘. i. Das Klima des Rhöngebirges. Das Fehlen einer Landeskunde der Rhön hat zur Folge gehabt, daß bislang keine zusammenfassende Darstellung der klimatischen Verhältnisse des Gebietes vorhanden ist. Die älteren Darsteller, wie Jäger!) und andere, haben in ihren Reisebeschreibungen zwar stets Beobachtungen über Witte- rungserscheinungen wiedergegeben; aber alle diese Berichte enthalten doch nur Ausschnitte aus den Witterungsverhältnissen des Jahres und, da die Beschreibung, wie es bei Darstellern zu Anfang des 19. Jahrhunderts ver- 'ständlich ist, sich stets an politische Einheiten hielt, blieben diese Berichte zeitlich und örtlich beschränkt. Gewisse hervorstechende Eigentümlich- keiten des Rhönklimas, wie die rauhen Winde der hohen Rhön und die häufig auftretenden Tal- und Höhennebel wurden schließlich verallgemeinert und der Rhön als Charakteristika des Klimas zugeschrieben. — Der alte . Spruch ‚nix, nox, nebulae sunt optima munera Rhoenae‘“ zieht sich wie ein roter. Faden durch alle jüngeren Darstellungen der an die Rhön an- grenzenden Gebiete; so heißt es in der Bavaria (S. 488) von Wüsten- sachsen, jenem Örtchen in dem Talwinkel zwischen Wasserkuppenrhön und Langer Rhön: ,W. genießt die verhängnisvollen Gaben der Rhön (Schnee, Nacht, Nebel) in vollem Maße. °/, des Jahres wälzen sich die schweren, weißen Rhöner Nebel über das Märktchen hin; der Winter dauert unmäßig lang.“ Die Rauheit des Rhönklimas bot willkommene Ge- legenheit Vergleiche mit anderen, besseren Klimaverhältnissen zu ziehen. So kam es denn, daß bei allen diesen Vergleichen die Rhön wegen ihrer 1) J. A. Jäger, Briefe über die hohe Rhöne Frankens. Arnstadt wnd Rudol- stadt. 1803. 1918. 1 D) Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. tatsächlich benachteiligten Klimalage, deren Extreme besonders heraus- gehoben wurden, in jedem Falle schlecht abschneiden mußte. Alle diese Urteile gingen von der hohen Rhön aus, die nun nicht nur als ein Land der armen Leute, sondern auch als das Land eines extrem rauhen Klimas bezeichnet wurde. Die Schwierigkeit, eine Vorstellung von den wirklichen klimatischen Verhältnissen der Rhön zu gewinnen, ist auch heute noch vorhanden. Die politische Zerrissenheit der Rhön hat zur Folge, daß die Ergebnisse an den Beobachtungsstationen nicht an einer Zentralstelle bearbeitet werden. Eine weitere Schwierigkeit ist dadurch gegeben, daß lediglich ein Netz von Regenmeßstationen über die Gesamtrhön verteilt ist, und daß die Stationen mit fortlaufenden Temperaturbeobachtungen nur spärlich vor- handen sind, nämlich eine Station auf der hohen Rhön und je eine am West- und Ostrande der Gesamtrhön, in Fulda, Frankenheim und Meiningen. Über die Klimaverhältnisse der drei genannten Stationen sind Vorarbeiten vorhanden, deren Ergebnisse in unserer Darstellung bei der Berechnung der Mittelwerte mitverwendet wurden.!) Wir wollen nacheinander die drei Hauptfaktoren des Klimas, Tempe- ratur, Winde und Niederschläge betrachten. i. Die Temperaturverhältnisse. Da nur die drei bereits genannten Temperaturstationen vorhanden sind, bleibt zu erörtern, ob wir auf Grund der vorhandenen Beobachtungen in der Lage sind, eine Vorstellung von der Temperaturverteilung und dem Temperaturverlauf in der Gesamtrhön zu gewinnen. Die Rhön ist, rein topographisch betrachtet, ein Erosionsgebirge, das von tiefen Talzonen, im Westen von der Fulda, im Osten von der Werra, zur zentralen Rhön ansteigt. Da die Streichrichtung der letzteren an- nähernd parallel der Fließwasserrichtung ist, gibt uns die Lage der drei Stationen die drei wichtigsten Höhenmarken des Querprofils. Wenn Tem- peraturunterschiede innerhalb dieses Querprofiles vorhanden sind, müssen wir dies aus dem thermischen Querprofil erkennen. Fulda liegt 273 m über N.N,. in dem Fuldatale, das die Tiefenlinie zwischen Vogelsberg und Rhön bildet; in ähnlicher Lage liegt Meiningen in der Tiefenlinie zwischen der Rhön und dem Thüringer Walde in 509 m über N.N. Zwischen beiden, hoch oben auf der Hochfläche der Langen Rhön, liegt Frankenheim (754 m), das allerdings in seiner Höhe noch beträchtlich unter der Wasserkuppen- höhe (950 m) bleibt. 1) J. Deschauer: Beiträge zur Klimatologie Fuldas und seiner Nachbar- stationen. Dissert. Münster 1898. W. Georgii: das Klima von Meiningen in den Jahren 1878—1911. Dissert. Jena 1914 Fr. Simoneit: Wie kann der Wohl- stand der landwirtschaftlichen Bevölkerung auf der hohen Rhön gehoben werden, insbesondere mit Berücksichtigung der Verhältnisse in Frankenheim? Dissert. Jena 1909. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 3 Die Höhenlage Frankenheims zu den beiden Fußstationen hat zur Folge, daß die mittlere Jahrestemperatur der Höhenstationen tiefer ist als die der Fußstationen. Nach langjährigen Reihen ergibt sich als Jahres- mittel der Temperatur: Builder an aaa Kan Un u SR) Frankenheim auf der Rhön 4.99 Meminsen, . u. 208, SnlaKay0 Die für die Aufstellung der Tabellen verwendeten langjährigen Reihen (Fulda 46 Jahre, Frankenheim 26 Jahre und Meiningen 35 Jahre) lassen den mittleren Gang der Temperatur im Laufe des Jahres unabhängig von Zufälligkeiten erkennen. Januar und Juli sind die Monate der extremen Mitteltemperaturen. Tiefstand und Hochstand der Temperatur entsprechen kontinentalen Verhältnissen, die unbeeinflußt sind von den thermischen Einflüssen des Meeres. Mitteltemperaturen der Monate und Jahre nach langjährigen Reihen. (Fulda 46jähr. Mittel, Frankenheim 26 jähr. Mittel, Meiningen 35jähr. Mittel.) 1867—1912. 1887—1912. 1873— 1912. EN Mm WA M | di. Jg |.Ay | 20 On Nm DD hr Fulda!) —1.3] 0.6 3.3) 7,7 12.1) 15.7) 17.3) 16.3 12.9 8.1|3.3| 0.1|8.0 Franken- | | heim 2)| 3.8 -3.0/—0.1| 4.0) 9.0) 12.3| 13.7 12.9] 9.9| 5.5) 0.5) —2.64.9 Meiningen) |—2.0 0.2 2.8 7.3) 12.4) 15.7| 16.8| 15.7| 12.4| 7.6] 2.9)—0.41 7.6 Der Verlauf des Temperaturganges in den Monatsmitteln zeigt, wie zu erwarten, in allen drei Stationen die gleiche Form. Fulda und Meiningen differieren kaum voneinander, während Frankenheim infolge seiner Höhen- lage eine gewisse Dämpfung der Temperaturwerte erkennen läßt; im Winter gehen die Temperaturen im Mittel etwa 2° unter die Werte der Fuß- stationen, im Einzelnen naturgemäß viel tiefer herunter, — und im Sommer wirkt die Höhenlage mäßigend auf die Sommertemperatur, die im Mittel etwa 3° unter der der Fußstation bleibt. 1) Unter Benutzung der älteren Reihe (1867—1896) von J. Deschauer: a. a. O. — 2) Unter Benutzung der älteren Reihe (18837—1906) von F. Simoneit: a.a. 0. —- 3) Unter Benutzung der älteren Reihe (1878--1911) von W. Georgi: a. a. O. I A Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur., Mittlerer Verlauf der Temperatur. + Lu) oo a en “> [5°] c wer genen mn ons ann nenn um mr mm >} Die Mitteltemperaturen der Jahreszeiten ergeben für die beiden Über- gangsjahreszeiten annähernd gleiche Werte. Der niedrige Wert für den Frühling in Frankenheim ist eine Folge der langen Dauer der Schneedecke auf der hohen Rhön. Jahreszeitliche Verteilung der Temperatur. Frühling | Sommer | Herbst | Winter März— Mai | Juni— Aus. | Sept. —Nov.| Dez. —Febr. Huldar al apr, . 7.7 ae 0.2 Frankenheim . . 4.3 12.9 553 —3.1 Meiningen... . 1.2 16.1 7.6 088 Um den Grad der Kontinentalität eines Klimas festzulegen, hat A. Supan!) die Klimate nach den mittleren Jahresschwankungen gruppiert in Äquatorial- bezw. Seeklima (bis 15° Schwankung), Übergangsklima (15°— 20°), Landklima (200°—40°) und extremes Landklima (über 40°). 1) Zeitschr. f. . wissensch. Geographie. 1880 Bd. I und: Grundzüge der physischen Erdkunde. Lpzg. 1916. 6. Auflage. S. 110. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 5 Jahresmittel und Jahresschwankungen der Temperatur. | Jahres- Januar- Juli- Jahres- mittel- mittel mittel Schwankung Buldat ea. 8.0 1,5 17.3 18.6 Frankenheim. . . 4.9 LES) 13.7 17.5 Meiningen .... 7.6 20 16.8 18.8 Demnach gehören die Rhöntemperaturen auf Grund der Jahres- schwankungen zu dem Übergangsklima vom Seeklima zum Landklima. Je höher die Stationslage ist, um so mehr Tage im Jahre werden Eistage oder Frosttage sein. Wir definieren nach den Ergebnissen der Beobachtungen an den Stationen II. und III. Ordnung des kgl, preuß. Meteorologischen Instituts: E = Eistage. Maximum der Temperatur kleiner als 0°. F = Frosttage. Minimum der Temperatur kleiner als 0°, S — Sommertage. Maximum der Temperatur 25° oder größer als 25°. Dann ergeben sich aus 27jährigen Mitteln folgende Werte für Eis-, Frost- und Sommertage: | Fulda Frankenheim | Meiningen Januar... . | B 10.8 18.1 11.4 | F 21.5 28.6 22.5 Hebruarı...... | E 4.4 14.4 5.5 F 18.1 21.1 LIT Marz An! u: KE 1.6 6.8 1.8 | | F 15.0 20.6 15.0 Alba. u...,% F 7.8) 13.8 6.6 ID 0.6 | Allan ee Kl 1.6 4.0 0.7 IS) 2 0.5 1.8 une... | S 6.9 1.2 5.5 las 2: IS 2.6 7.5 August sus 7.4 1.6 6.0 September. . i S 2.5 0.3 1.6 B | 0.7 0.2 0.2 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Fulda Frankenheim | Meinigen Tem | Oktober . E 0.5 Br) 4,6 6.9 4.2 November . . E 1.6 0.2 1.4 F 1a 20.2 12.0 Dezember ....| E 6.8 15.1 12 F 74 2 | 25.9 Jahr au. ua E 25.2 58.4 11. 12x6 F| 92 | 149 96.8 Sn 29.4 6.3 | 22.5 Die Werte für das Jahresmittel der drei Stationen zeigen mit großer Deutlichkeit die nachteilige Wirkung der Höhenlage Frankenheims mit 58 Eistagen, 145 Frosttagen und nur 6 Sommertagen. Frankenheim und damit das Gebiet der langen Rhön hat 145 Frosttage, was für die Boden- bearbeitung von ausschlaggebender Bedeutung ist; wenn man bedenkt, daß dies nicht etwa bedeutet, daß fünf Monate lang Frosttage herrschen. In der Tat greifen die Zahlen für die Eistage mit hinein und verteilen sich diese beiden Gruppen so, daß die letzten größeren Höhenfröste im Mai und die ersten Eistage bereits im Oktober liegen. Damit ist die Zeit der Boden- bearbeitung auf etwa 5Monate beschränkt, während die Gebiete der Tiefenzonen bei Fulda und Meiningen noch über 6 Monate frostfreien Boden haben. Die Zahl und Dauer der Eis- und Frosttage steht in engem Zusammen- hang mit der Zahl der Tage, mit Niederschlag in fester Form, die wir jedoch erst nach einer kurzen Betrachtung der Windverhältnisse würdigen können, 2. Die Windverhältnisse. Für die drei Stationen Fulda, Frankenheim und Meiningen können wir auf Grund 26jähriger Beobachtungen ein Bild der Windverteilung ge- winnen. Die Tabelle der Häufigkeit der Windrichtungen läßt auch bei den Winden die starke Abhängigkeit von den Oberflächenformen erkennen. Häufigkeit der Windrichtungen im Mittel der Jahre 1887—1912 (26 jähriges Mittel) in °%,. N \NE| E |sE| s |sw| w nm ad stillen Kuldan la 6.4 18.4 | 3.1| 2.8| 5.3 25.9| 6.2 12.1 19.6 Frankenheim . .... | 5.5 | 8.4 110.0 | 8.6 | 5.9 112.8 130.4 114.3 4,0 Meiningen ..... 7.913/9.| 5.5 | 6.5.13.9 130.3] 9.311629 6.0 VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 7 Auf den freien Hochflächen der nördlrchen hohen Rhön kommt das Vorherrschen der West-OÖst-Komponente mit vorwiegenden Westwinden am klarsten zum Ausdruck. Das in der Tabelle gegebene Bild wird noch schärfer, wenn wir für die 3 Stationen Windflächen konstruieren, die uns den prozentualen Anteil der Windrichtungen an der mittleren Jahres- summe der Beobachtungen zeigen. N NE ln ya I“ f » ı k/ € £ / Pi hama. Nur ' % Frankenheim a _ > — Va heiningen Windflächen im 26jährigen Jahresmittel. Fulda und Meiningen zeigen vorwiegend Winde aus SW. Wir können uns die Abdrängung aus der Westrichtung nur durch das Vorhandensein und die Richtung der Täler erklären, die in beiden Fällen südnördlich verlaufen. Für die klimatische Betrachtung der Rhön ergibt sich das Vorhanden- sein einer vorwiegend aus Westen kommenden Luftströmung. Je höher wir am Gebirge aufwärts steigen und je mehr der Wald von Wiesenflächen abgelöst wird, wie auf der Langen Rhön und der Wasserkuppenrhön und 8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. endlich je ebener die Oberfläche wird, um so ungehemmier und stärker werden die Westwinde wehen. Dort, wo einmal der Wald verschwunden ist, werden nur unter den schwierigsten Bedingungen Versuche zur Auf- forstung gemacht werden können, wie die hier und da verstreuten Krüppel- buchen beweisen. Auch die Bodenbebauung wird auf der Fläche der Hechrhön durch die scharfen Westwinde gehemmt werden. Die starke Zerteilung der Öberflächenformen im westlichen Vorlande bricht und ver- teilt die Westwinde, so daß dort sowohl Wald wie Boden gegenüber der Hochrhön im Vorteil sind. 3. Die Niederschlagsverhältnisse. Die Niederschläge sind in erster Linie abhängig von den vorherrschenden Windrichtungen und den Oberflächenformen. Sehen wir von allen Einzel- erhebungen im westlichen und östlichen Rhönvorlande ab, so bleiben als Großformen im Querprofil von Westen nach Osten: der allmähliche Anstieg vom Fuldatale bis zum Fuß der Hohen Rhön, der Steilabfall der Hohen Rhön, die Hochfläche der Hohen Rhön, der Steilabfall nach Osten und der allmähliche Abfall zum Werratale bei Meiningen. Letzterer wird, neben vielen kleineren Einzelerhebungen, von der plateauartigen Masse der Geba unterbrochen. Unser Niederschlagsprofil zeigt ebenso wie es eine Niederschlagskarte der Rhön tun würde, die engen Beziehungen zwischen den Öberflächen- formen und der Verteilung der Niederschläge. Eine Niederschlagskarte würde die Isohypsen nachahmen; unser Profil ahmt das Querprofil nach. — Die Hauptwindrichtungen in der Rhön liegen von Westen nach Osten und umgekehrt, wobei die Westrichtung bei weitem die häufigere ist. [4 Niederschlagsprofil von Fulda bis Meiningen. T ) Ra 4600 un ; | = 23 = .3s2 N iv SV S % N 7 17 N PN H N \ 1 "29 A BEE EEE FEIN ESERTNE A LASER, Fulda Dielers- Gersjsid Küsten- Fraenzen- Ost: Geba leininoen hausen sachsen heim heim im ron ERieE Im FELZEN Am 6] Om 309» Rd mm Sy mm BGmem Iojmm dolmm mm rommn 0" Die Westwinde steigen im westlichen Vorlande zunächst. allmählich höher und bewirken bei ihrem Aufsteigen eine gleichmäßig nach der Hohen Rhön zunehmende Bewässerung durch Steigungsregen. Die Nieder- schlagsmenge ist am höchsten in der Zone des Westabfalles und in den VI. Abteilung. Plateau selbst, so z. B. Wüstensachsen, verständlich wird. vermag, also gewissermaßen austrocknet. wasser liefern können. schlagspendenden Westwinde steht. wir aus der Tabelle der Monatsmittel: Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 9) westlichen Teilen der Hohen Rhön, d.h. auf der Wasserkuppenrhön. Mittelwerte der Niederschläge in Millimetern: Die Quellgebiete der Flüsse in dieser Zone erhalten, da sie nur geringe Unter- brechungen des Plateaus bedeuten, fast ebensoviel Niederschlag wie das Die etwas unter Wasserkuppen- höhe bleibende Lange Rhön zeigt eine geringe Abnahme der Niederschlags- menge, was durch Höhenlage und durch das Abregnen am Westrande Je tiefer die regenbringenden Westwinde am Ostabfall absteigen müssen, desto geringer wird ihre regenspendende Kraft werden, da die um 500 m absteigende Luft wesentlich mehr Feuchtigkeit zu fassen Der erneute Anstieg an dem Abfall der Geba erzwingt erneute Steigungsregen, die aber in bezug auf ihre Menge hinter der Hohen Rhön zurückbleiben müssen, da die Quell- gebiete der Fulda und der Streu keine starken Zuschüsse an Verdampfungs- Zu alledem gesellt sich als zweite Komponente, wenigstens für die Hohe Rhön, nach den Messungen in Frankenheim, eine Ostkomponente des Windes, die aber das Niederschlagsbild vor dem Ostabfall nicht abzu- ändern vermag, da sie in ihrem Werte weit hinter der Stärke der nieder- Die Verteilung der Niederschläge auf die einzelnen Monate ersehen Franken- | | | | heim®) | 61.8| 65.2 70.9| 58.4) 80.1| 73.2| 98.2 1887— 1899] | | 19021907 | | Meiningen) | 41.1 40.3| 42.2| 37.7 51.8, 67.6| 79.1 1878—1911 | | | Die höchsten Werte werden Monat anzusehen ist. | | | 76.5, 70.6 | | 65.8 48.6 Ö | | .3| 63.5| 48.1| 62.6) 58.8 88.3 .7, 51.41 627 D Jahr .6 ) U) 64.0] 362.2 .2) 52.2] 630.4 in Frankenheim mit 93.2 mm im Juli erreicht, wie denn der Juli für die gesamte Rhön als regenreichster 1) Deschauer, a.a. ©. Tabelle nach S. 98. Der Mittelwert des Jahres wurde von Hellmann (Regenkarten der Provinzen Hessen-Nassau und Rheinland, Berlin 1914) aus nur 20j. Mittel auf 662 mm bestimmt. — ?2) nach Hellmann 912 mm. — 3) F. Simoneit, a.a. 0. S.23. — 4) W. Georgii, a.a. O. S.57. 10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Die Höhenlage Frankenheims und damit der Hohen Rhön bedinst lediglich Unterschiede in der Niederschlagsmenge, aber keineswegs in der Niederschlagsverteilung, wie das Profil der Monatsmittel lehrt. Der Verlauf der Niederschlagsverteilung auf der Hoken Rhön und im Rhönvorlande ist analog. Die Hauptregenzeit liegt zwischen April und September mit dem Maximum im Juli. Die Monate April und September sind relativ trockene Monate, was in bezug auf den September von Bedeutung für die Land- wirtschaft ist. In den Monaten März und Oktober schwillt die Regen- menge an, d. h. die Regenfälle werden häufiger, um in den Wintermonaten, d. h. von November bis Januar, ja auch noch in den Februar hinein, ihr Minimum zu erreichen, Monatsmittel der Niederschläge. Die Verteilung der Niederschlagsmengen auf die einzelnen Jahreszeiten in 0, der Jahresmenge ist folgende: (Winter = D, J, F) u. s. w. ” | | Frühling Sommer | Herbst | Winter | | Bulda A 20% | 35% a, Frankenheim... . .. 24% |...28 0.7 | ..328 on Meiningen ...... 2.1.00 MS | SAU | 21.95 Der Sommer ist ganz allgemein in der Rhön die regen- reichste und der Winter die regenärmste Jahreszeit. Die Bewölkung dagegen ist im Winter am stärksten, im Sommer am geringsten, wie die Tabelle der mittleren Bewölkung erkennen läßt. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 11 Mittlere Bewölkung nach der Beobachtungsreihe von 1887—1912 (10teilige Skala). dB MU AU MIN m Jun AU NS 0L UNE, Dil dar | | Duldansıa nn... gl d.1e.7 6.2 6.1 9.8 6.15.7| 5.7] 6.5) 7.317.4| 6.3 Frankenheim . . | 6.9 7.0| 6.4 5.9| 5.8| 5.6 5.9 5.8 5.8| 6.5| 7.217.4| 6.3 Meiningen... .. . | 7.6| 7.1| 6.5 5.9] 5.6! 5.5 5.9) 5.9 6.1) 7.1 7.78.2| 6.6 | | Da die Bewölkungsverhältnisse am Fuß der Rhön und auf ihren Hochflächen annähernd gleich sind, ergeben sich auch in bezug auf die Anzahl der heiteren und trüben Tage im Jahre keinerlei bemerkenswerte Unterschiede. Im Jahresmittel der Jahre 1887—1912 ergeben sich: heitere Tage trübe Tage Buldaı man... 32 141 Frankenheim ... 45 148 Meiningen... ... 41 | 148 Je mehr wir in die Zone der Hohen Rhön und damit in die Gebiete der Talschlüsse mit ihrem feuchten Wiesenboden hineinkommen, und je weiter wir auf die weiten Wiesenflächen der Hochrhön hinaufgehen, um so häufiger begegnen wir dicken, weißen Nebeln. Es ist gewiß bemerkens- wert, daß Frankenheim im Mittel der Beobachtungsjahre 13887—1912 im Jahre nicht weniger als 127 Nebeliage zu verzeichnen hat. Wenn wir nach dieser Zahl ein Urteil über das Rhönklima fällen wollten, so würden wir mit Recht die Rhön als besonders unwirtlich bezeichnen müssen. Gelegentlich halten die Nebel auf den weiten Hochwiesen tage- lang an, aber in den meisten Fällen handelt es sich um Frühnebel oder Abendnebel, wie wir sie über den Wiesen der Gebirgstäler überall gewöhnt sind. Der Verfasser konnte in der Zentralrhön häufig beobachten, wie die Morgennebel im Frühjahr und Herbst nur von sehr kurzer Dauer waren. Bei lang andauernden Niederschlagsperioden pflegen sich auf der Hochrhön sowie in den großen Talschlüssen und ferner im Gebiet der oberen Fulda um Hersfeld ebensolange Nebelperioden einzustellen. Die erößere Zahl an Nebeltagen anderen Gebirgen gegenüber ist begründet in den ungewöhnlich großen Wiesenflächen der Hochrhön, die große Wassermengen aufzuspeichern vermögen und dann bei einsetzender Trocken- periode längere Zeit zur Feuchtigkeitsabgabe brauchen als die Wälder und Äcker der Vorlandrhön. 13 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Die starken Winde auf freier Hochfläche, die großen Niederschlags- mengen und endlich die zahlreicher als im Vorland auftretenden Nebel machen das Klima der Hochrhön rauher als das des Vorlandes. Dazu kommt noch, bodingt durch die Temperaturabnahme, mit der Höhe die Bedeutung des Schneefalles und der Schneedecke. Wir ziehen zum Vergleich je eine Beobachtungsstation aus dem süd- lichen Teil der Hohen Rhön (Kreuzberg in der waldgebirgigen Rhön) und eine vor dem Östabfall der südlichen Hohen Rhön (Kissingen) heran, . so daß sich Parallelbetrachtungen für den Norden und den Süden ergeben. Mittlere Zahl der Tage mit Schneedeckel). Naeres-! | = Meeres | N|ıD ] F | M | A \ m jahres höhe | | | | | | Summe ® Be Kissingen. . . 5081 Ze ae — 33 Meiningen ... |309m| — | 1 | 15 | 20 u 6| 1) | 59 Frankenheim®) |754m| 2 | 7 | 23 | 24 | 24 |ı7 | 6 | ı| 104 Kreuzberg . . |900m| 3 | 8 | 30 30 | 26 ı 27 | 15 | 300049 | Ko el | Jahressumme der Tage mit Schneefall. | mittlere | größte | kleinste | | Kissingen»... ..t.. | 33 19 6 Meininsen .... | 59 | 92 23 Kreuzberg, . a 142 ar) s1 | Die Tabelie zeigt deutlich die Unterschiede zwischen dem Vorlande und der Hohen Rhön. Auf der Hochrhön haben wir bereits im Oktober die ersten Tage mit dauernder Schneedecke, während in der Regel erst im Mai die letzten Tage mit dauernder Schneedecke verschwinden. In Frankenheim, d. h. auf der nördlichen Hochrhön, liegt die Schneedecke 3!/), Monate, auf dem Kreuzberg 4!/, Monate fast ununterbrochen. Dabei ist zu bemerken, daß die Tage mit Schneefall bereits weit früher ein- setzen und erst im Mai aufhören, so daß die Hochrhön etwa 5 Monate I) Fr. Lengacker, Untersuchungen über die Schneeverhältnisse Süddeutsch- lands auf Grund der Beobachtungen in den Jahren 1890--1900. Dissert. Halle 1909. S. 15/16 und J. Steg’er, Beiträge zur Kenntnis der Dauer und Höhe der Schnee- decke in Norddeutschland. Dissert. Münster 1913. — ?) Fr. Simmert a.a. O. SERENR VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 13‘ von Schneefällen freibleibt, wie sie auch nur 5 Monate von Frösten ver- schont bleibt. Die Zahl der Tage mit Schneefall nach dem Mittel von 1887—1916 betrug!) für Frankenheim: S (0) N D J F M A M Jahr Unna DB LS a 63.1 Die Schneehöhe erreicht auf dem Kreuzberg im Mittel des Februar 41,9 em und in extremen Fällen 115 cm und gelegentlich im Mai noch bis 24 cm. Mittlere Schneehöhe in cm?). > 0) N D J F M A|'M Kemer | — 1010061 291 az l or Meiningen . . ZEN KR a aaa NK: Oi — | Kreuzberg . 0.0 | 0.6 | 1.9 117.6 !34.3 41.9 [23.6 | 8.4| 0.6 Größte Schneehöhe in cm?). S 0 N D J F M A|M Kisainsen, u Meininsen....| — 1 3 15.50.92 3805R00 7 — Kreuzberg... ... .1,.30.9320,,,.110, 415.) 1210, 7 20500935 528 | Aus dem Vorhergehenden ergibt sich die Notwendigkeit bei Beant- wortung der Frage nach dem Klima der Rhön zu scheiden zwischen der Hohen Rhön und den Gebieten des Vorlandes. Die Hochrhön ist nicht allein wegen ihrer Höhenlage, sondern auch wegen der Art ihrer Bodenbedeckung klimatisch wesentlich rauher als die tiefer liegenden Landschaften*). Die Möglichkeit, 5 Monate lang Frosttage, ebensolange Schneedecke, starke Niederschläge, zahlreiche Nebel und scharfe Westwinde zu haben, bezeichnet ein rauhes Klima im Vergleich zum Vorlande. Die weit ausgedehnten feuchten Hochwiesen, die an die Stelle des gerodeten Waldes getreten sind, saugen die Feuchtigkeit auf und tragen zur Nebelbildung bei; die Waldlosigkeit im Verein mit den nur 1) Vgl. F. Simmert a.a.0. 8.26. — 2) Vgl. F.Lengacker a.a.0. S. 27/28. 3) Ebenda S. 34/35. — *#) Trotzdem hat man in Rücksicht auf die Reinheit der Luft neuerdings den Plan gefaßt, Frankenheim nach dem Beispiele Oberhofs zu einem klimatischen Luftkurort zu machen. 14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. wenig gewellten oft fast ebenen Oberflächenformen lassen die Westwinde fast reibungslos in ungehemmter Kraft wirken. Für die Bodenverwertung sind alle diese Tatsachen erschwerend. Im Gegensatz zu der vom wirtschaftlichen Standpunkte nicht zu leugnenden Härte des Höhenklimas steht das Vorland, wie unsere Ausführungen ge- zeigt haben, klimatisch günstiger da. Die Niederschläge im Vorlande sind nicht zu hoch, sind gleichmäßig verteilt, die Frostdauer und Schneedecken- dauer gegen die Hohe Rhön um mehr als einen Monat verkürzt. Den Übergang zwischen den beiden Klimatypen finden wir in der Zone des Abfalls der Hohen Rhön zum Rhönvorlande. Il. Wirtschaftsgeographie der Rhön. Der Boden. Wie Reichtum oder Armut an Bodenschätzen den Wert der boden- ständigen Industrie bestimmen, so die Bodenarten den Wert der Wirtschaft. Wenn wir ein generelles Urteil über die Bodenverteilung in der Rhön gewinnen wollen, dürfen wir nur die großen Züge der Gesteinsverbreitung berücksichtigen und müssen von kleineren Vorkommen außerhalb der ge- schlossen auftretenden Gesteinsareale absehen. Wenn wir diese Ein schränkungen gemacht haben, ergeben sich als die beiden Hauptboden- bildner der Rhön Buntsandstein und Basalt. Der Bundsandstein ist von beiden am stärksten verbreitet; er bildet gewissermaßen den Grundstock für alle Bodenarten der Rhön. Die basaltischen Gesteine treten flächenhaft nur in einem zentralen Bande auf, das sich von der Waldgebirgigen Rhön mit immer größer werdenden Lücken bis in die Gegend von Tann und Geisa und nach Nordosten bis zur Geba hin ausdehnt. Auf kleineren Arealen treten die Basalte als Bodenbildner fast aller Kuppen der Kuppigen Rhön auf. Da Muschelkalk und Keuper als jüngere Glieder der Trias zeitlich zwischen Buntsandstein und Basalt stehen, werden wir von vorn- herein für diese beiden Gesteinshorizonte nur schmale Areale in unmittel- barer Nähe der basaltischen Deckgesteine vermuten, von denen wir wissen, daß sie früher weit größere Flächenausdehnung besessen haben. So finden wir tatsächlich den Muschelkalk sehr häufig als Gesteinshorizont unter den Basaltdecken, die Fortsetzung des Gehänges mit ähnlichem Steilabfall wie der Basalt bildend. Zwei Muschelkalkzonen durchziehen die Rhön. Die nördliche und zugleich breiteste, setzt zwischen Hünfeld und Friedewald an, greift durch die Hohe Rhön und das Gebagebiet hindurch, um schließlich südlich von Meiningen den Rand des Grabfeldes und der Haßberge zu bilden, die beide Keuperland sind. Das zweite Muschelkalkband setzt westlich von dem Wasserkuppengebiet an und greift dann, immer breiter werdend, mit breiter VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 15 Basis an den Nordwestrand des Grabfeldes heran. In der südlichen Rhön bildet die fränkische Saale etwa die Grenze gegen die unterfränkische Muschelkalkplatte. Keuper liegt in der Gegend von Hünfeld und Spahl und tritt, zum Teil von nichtvulkanischem Tertiär überdeckt, östlich Tann zu Tage. Von den geschilderten Gesteinshorizonten treten nur der Basalt und wegen der geringen Ausdehnung der Keuper einheitlich bodenbildend auf. Buntsandstein und Muschelkalk zeigen dagegen mindestens in je 3 Horizonten, die man als untere, mittlere und obere bezeichnet, starke Verschiedenheiten der Gesteinszusammensetzung, die zu einer ebensolchen der Verwitterungs- böden geführt haben. Für die wirtschaftliche Auswertung des Bodens ist es notwendig zu wissen, welche von den oben näher bezeichneten Gesteinen sandig und welche tonig verwittern, welche wasserdurchlässig und welche wasser- undurchlässig sind. Da der geologische Bau der Rhön, wenn wir von allen Einzelheiten absehen, eine gleichförmige Anordnung von W nach E um eine Südnord gerichtete Kernlinie zeigt, werden die Verschiedenheiten der Verwitterungs- böden, die die Ackerbau- und Vegetationsverhältnisse und damit die Physio- snomie der Landschaft bedingen, eine ebensolche gleichförmige Anordnung aufweisen. Der untere Buntsandstein hat seine Hauptausdehnung in den Tal- gebieten der nördlichen Vorderrhön. Die breitesten Flächen auf flach- welligem Gelände rings um die Hohe Rhön nimmt der mittlere Buntsand- stein ein. Der obere Buntsandstein oder Röth krönt im Osten hier und da die wellenförmigen Landformen des mittleren Buntsandstein, hat seine Hauptverbreitung aber als Fußbildner der Muschelkalk- und Basaltberge. Die 3 Muschelkalkhorizonte bilden größere Flächen nur in den beiden früher beschriebenen breiten Querzonen; dort bestimmen sie auch wesent- lich die Physiognomie der Landschaft in bezug auf Formen und Bebauung in der Hauptsache aber bleibt der Muschelkalk der Gehängebildner der Rhönberge und -Plateaus, und ist als soleher auf schmale Areale zurück- gedrängt. Bodengebend tritt der Keuper nur in den Hochzonen der Nord- - rhön auf. Von den Tertiärgesteinen ist der Basalt fast ausnahmslos be- stimmend geworden für die Physiognomie der Hohen Rhön und der meisten Kuppen und Restplateaus des Rhönvorlandes. Wenn man ein Werturteil über die Fruchtbarkeit des Bodens eines Gebirgslandes, wie der Rhön, abgeben will, muß man sich darüber ver- ständigen, daß außer den grundlegenden Faktoren, die durch die Höhen- lage und das Klima gegeben sind, nicht die Gesteinsart allein bestimmend für den Wert des Bodens ist. In jedem Falle treten als wichtige Faktoren die Verwitterungsformen, der Grad der Durchlässigkeit und die Böschungs- verhältnisse als von Ort zu Ort wechselnde Faktoren hinzu. Damit ergibt 16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. sich die Tatsache, daß die Fruchtbarkeit des Bodens das Produkt eines komplizierten Systems von ineinander wirkenden Faktoren ist und ferner, daß ein Werturteil über die Fruchtbarkeit eines Landes immer nur in sroßen Zügen der Wirklichkeit entsprechen kann. Für Gebiete schnellen Wechsels der Gesteinshorizonte, wie er sich bei lokalen Einbruchszonen findet, gilt ein solches Werturteil nur in beschränktem Maße. Der Bodenwert der Rhöngesteine'). a. Der untere Buntsandstein: Die feinkörnigen Sandsteine mit tonigem und kieseligem Bindemittel und eingestreuten Tongallen verwittern zu lehmigem Sand, der eine verhältnismäßig sandig-trockene Ackererde liefert. Die Ackererde ist locker und auch leicht zu bearbeiten. Tief- sründig ist der Ackerboden nur in Einmuldungen der Oberfläche und am Fuße von Abhängen; auf größeren Flächen ist der Boden ziemlich flach- gründig und trocken, gibt aber, namentlich bei guter Düngung, einen suten Ackerboden ab. Nur in wenigen Fällen sind Waldreste auf diesem Boden erhalten, wie in der Nordvorlandrhön. b. Der mittlere Buntsandstein: Die feinkörnigen bis schwach- srobkörnigen Sandsteine des Hauptbuntsandsteins haben gelegentlich ein- selagerte Tonschichten. Im ganzen ist der Verwitterungsboden sandig, sehr durchlässig und damit trocken und wegen der grobkörnigen Bestandteile häufig steinig. Es ergibt sich demnach kein günstiger Ackerboden; die Flach- gründigkeit des Bodens stellt ein zweites Hemmnis für die Bebauung dar. Trotzdem wird in einigen Gebieten der Rhön der sonst waldtragende Boden für Ackerbau verwendet, namentlich dann, wenn kein besser auswertbarer Boden vorhanden ist, wie in der Gegend von Tann, Eiterfeld und Hers- feld. Besonders erschwert wird die Bearbeitung des Bodens durch die nach Regengüssen eintretende Krusten- und Schollenbildung. Die Ver- wertung des Hauptbuntsandsteins als Ackerland beschränkt sich auf die Fußzonen rings um die Zentrale Rhön und auf die Talgehänge der Rhön- flüsse in ihrem Oberlauf. In der Hauptsache ist der Verwitterungsboden des Hauptbuntsandsteins der Träger des Waldes und zwar des Laubwaldes Bei flacher Lagerung auf weiten Flächen bedingen die eingeschalteten Ton- lagen häufig Sumpfbildung und manchmal, wie bei Helmershausen, Moor- bildung. c. Der obere Buntsandstein. (Röth): Die farbigen Schiefertone des Röth geben ein leicht und bröckelig zerfallendes Verwitterungsprodukt, 1) Vgl. Erläuterungen zu den geolog. Spezialkarten der Rhön. Außerdem: H. Bücking, Geolog. Führer durch die Rhön. Sammlung geolog. Führer, XXI, Berlin 1916. Weser und Ems, ihre Stromgebiete und ihre wichtigsten Nebenflüsse. Herausg. von H. Keller; Bd. II. Quell- und Nebenflüsse der Weser (ohne Aller). Berlin 1901. VI. Abteilung. Sektion. für Geologie, eographie, Berg- und Hültenwesen. ‘17 “einen liefgründigen Ackerboden. Leider ist die Bearbeitung des Bodens recht schwierig, da der Boden bei Trockenheit sehr schnell fest und beı großer Nässe sehr zähe wird. Trotzdem gibt der Röth bei zwar langsamem Aufgehen der Saat sel" gute Ernten. Durch künstliche Aufstreuung von ‘Sand und Kalkschutt wird der Boden aufgelockert und zu vorzüglichem Ackerboden umgewandelt. In der Regel wird der kalte und nasse Boden ‘des Röth bereits auf natürlichem Wege gedüngt. Mit wenigen Ausnahmen ‘bildet der Röth die flachen Vorstufen der Muschelkalkhöhen, von denen ‚durch Rutschung, Gekriech und Abschwemmung Gesteinsbrocken auf die ‚flache Röthvorstufe geschafft werden und so die künstliche Düngung be- wirken und einen lockeren, kräftigen Ackerboden entstehen lassen. Da ‚der Röth undurchlässig ist und einen wichtigen Quellhorizont bildet, werden alle Einmuldungen des Röthlandes, namentlich aber die Täler sehr stark durchfeuchtet sein und einen ausgezeichneten Boden für Wiesenkulturen ab- geben. Im Ganzen ist der höth aber der Träger des Ackerlandes. Wald findet sich auf ihm nur da, wo auf stark geneigten Flächen eine Feldkultur unmöglich oder doch sehr schwierig wäre und wo aus Mangel an Feuchtig- ‚keit der Boden für Wiesenanlage zu trocken wäre. d. Unterer Muschelkalk: Die dünnen, wellig gebogenen Wellen- 'kalke und die massigen Schaumkalke zerfallen in haselnußgroße Gesteins- brocken. Der Boden ist dünn, flachgründig und steinig, besonders da, wo feste Bänke zu Tage treten und damit zum Ackerbau nicht geeignet. In ‚den tieferen Geländelagen, wo der Boden etwas tiefgründiger wird, gedeiht ‚kräftiger Buchenwald. Die Wellenkalkhöhen entbehren z. Teil jeglichen dichten Baumwuchses, da sie die Niederschläge infolge ıilırer greßen Durch- Jlässigkeit nicht festzuhalten vermögen, Diese von Natur aus kahlen Berg- rücken aufzuforsten, ist trotz wiederholter Versuche ein vergebliches Be- ‚mühen gewesen. ’ e. Mittlerer Muschelkalk: Die dünnschiefrigen Meigel zerfallen in einen weichen, feuchten, wenig steinigen Boden, der schon von Natur aus und noch mehr bei künstlicher Düngung einen fruchtbaren Ackerboden ‚abgibt, der mit Vorliebe von den Landwirten benutzt wird. Da sich an den mittleren Muschelkalk die flachen, weichen Geländeformen knüpfen, wird die Eignung zum Ackerbau noch erhöht. Trotz der verhältnismäßig ‚sehmalzonigen Verbreitung dieses Bodens rings um die Rhönhöhen aus oberem Muschelkalk und Basalt ist dieser ein Hauptträger des Ackerbaues in der Rhön: Wald finden wir nur ausnahmsweise auf diesem Boden, wie am Ostabfall der Langen Rhön und am Dietrichsberge. f. Oberer Muschelkalk: Die unteren bläulich-kieseligen Kalk- steine des in klotzigen Bänken auftretenden Trochitenkalkes liefern an den - wenigen Stellen, an denen sie die Oberfläche bilden, zwar gutes Baumaterial aber nur einen ‚steinigen Verwitterungsboden, der für Ackerbau wegen seiner Flachgründigkeit kaum in Betracht kommt. Die obere Schicht, die 1918. Yy 18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. sogen. Nodosenkalke bestehen aus einem Wechsel von Kalkplatten, Mergeln und Schiefertonen; je weiter man in der Schichtenfolge nach oben kommt, um so mächtiger werden die tonigen Zwischenlagen, die dem Üestein auch die Bezeichnung Tonplatten eingetragen haben. Als Verwitterungsprodukt entsteht ein schwerer, häufig nasser, tiefgründiger Mergelboden, der als Ackerboden sehr geschälzt ist. Dort wo sich Basaltschutt zu dem Boden gesellt, wird das gelegentlich auftretende Übermaß an Feuchtigkeit ein- gedämmt und die Ackererde verbessert. Die Verwertung als Getreideland ist die häufigere, während die mehr flachgründigen Zonen Kleefelder tragen. Die Gehänge am Steilabfall sind in ihren höchsten Teilen kahl, waldlos, an ihrem Fuß in der Regel mit Wald bedeckt. Im Ganzen aber ist der obere Muschelkalk Träger des Ackerlandes. N g. Keuper: Die meist mürben, tonigen Keupergesteine geben wie der Röth einen tiefgründigen, schweren, aber nassen und kalten Tonboden, der, wie man annehmen sollte, dem Feldbau zu gute kommen müßte. In der Tat gilt das aber nur für die wenigen randlichen Gebiete des Keuper- vorkommens. Die natürliche Neigung des Keupers zu weichen Formen im Gelände führt zu einem starken Festhalten des Wassers; damit wird der Boden als Ackerboden zu feucht und dagegen besonders gut für Wiesen- kulturen geeignet, wie die Beispiele nordöstlich von Hünfeld und von Schafhausen beweisen. Die zahlreichen Basaltdurchragungen innerhalb des Keupers führen zu einer Block- und Geröllbedeckung oder Bestreuung, die nunmehr weder dem Ackerbau noch der Wiesenkultur förderlich ist. Das sind die mit Laubwald bestandenen Fußgebiete der basaltischen Kuppen. Vergleicht man die Areale von Ackerland, Wiese und Wald auf den Keuper- flächen der Rhön, so tritt der Ackerboden zugunsten von Wiese und Wald zurück. h. Die vulkanischen Gesteine: Wenn auch namentlich in der Umgebung der Milseburg die Phonolithe in der Formengebung eine be- deutende Rolle spielen, treten sie doch in bezug auf das Areal weit hinter die Basalte zurück. Der Basalt liefert einen festen, harten, lehmigen Verwitterungsboden, der von Natur aus der Träger des Waldes ist. Die Waldgebirgige Rhön und die basaltische Kuppenwelt der Vorlandrhön im Westen, Norden und Nordosten sind heute noch mit Wald bedeckt. Die Physiognomie der Landschaft ist geradezu durch die waldtragenden an Form und Vegetation aus dem Landschaftsbilde herausstrebenden Kuppen bestimmt. Auch der nördlichste Teil der Fläche der Langen Rhön und des Hahnberges tragen Wald und außerdem die höheren basaltischen Ge- hängelagen der Täler und des Abfalles der Hohen Rhön. Die weitaus meisten Flächen und flachen Buckel der Hohen Rhön und der Gebe dagegen sind die Träger saftiger Wiesen. Früher war die Hohe Rhön ein einheit- liches Waldgebirge; erst durch die von Westen und Osten her einsetzende Rodetätigkeit ist der Wald der Wiese gewichen. Die Rauheit des Klimas, 19 VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. die sich besonders in scharfen Winden und starker Befeuchtung geltend macht, vereint mit der Undurchlässigkeit des Verwitterungsbodens haben an Stelle des einmal gefallenen Waldes keinen neuen Wald setzen lassen. Erst in den letzten Dezennien hat eine mühselige Aufforstung mit Nadel- wald eingesetzt, die aber kaum über das Stadium des Versuchens hinaus- gekommen ist. Es handelt sich dabei namentlich um die Gebiete der Zentralen Rhön zwischen dem Heidelstein und Himmeldunkberge. Je breiter die Wiesenfläche ist, um so stärker ist die Wirkung der festgehaltenen Wasser, die auf der Langen Rhön zu ausgedehnten Moorbildungen geführt hat. Im Ganzen sind die Basaltböden die Träger von Wald und Wiese. i. Diluvium und Alluvium: Von den Zerstörungsprodukten der Landformen, die wir als Diluvium und Alluvium in den Tälern vorfinden, ‚birgt das Diluvium zwei Bodenarten mit entgegengesetzter Wirkung für den Ackerbau. Die Gebiete mit vorherrschend reiner Flußschotterbedeckung sınd als Ackerboden nicht zu verwerten. Um so wichtiger ist die Ver- breitung des diluvialen Lehmes, der den besten Ackerboden abgibt. Sein Verbreitungsgebiet sind, abgesehen von den Tälern, die Fußzonen der Hohen Rhön und besonders breite Flächen in der Umgebung von Fulda und Mellrichstadt. Der sprichwörtliche Reichtum der Felder Mellrichstadts (Mellerstadt hats Feld) ist eine natürliche Folge der weiten diluvialen Lehmflächen. im Tiefsten der Rhöntäler ist das gegebene Land für Wiesenkultur. ist das Diluvium das fruchtbarste Ackerland und das Alluvium reiches Wiesenland. Das Alluvium als die noch durchfeuchtete schmale Landzone Im Ganzen Die vorherrschende Verwendung der Verwitterungsböden. Buntsandstein, unterer ...... Ackerland Hauptbuntsandstein Waldland Rothe ae Ackerland Muschelkalk, unterer ....... | mäßiges Waldland müttlerer 0.2.7.0.) Ackerland oberer a ee: | Ackerland Kempen sn a | vorherrschend Wiesen- und Waldland Mulkamiısiche Gesteine... ... | Wald- und Wiesenland Dim ee Re‘ | Ackerland ENGE URL a Wiesenland Aus der obenstehenden Tabelle ergibt sich auf Grund unserer Kenntnis der Bodenverteilung die Tatsache, daß Ackerland und Waldland in bezug Die weite Verbreitung der besonders waldtragenden Gesteine, wie des Hauptbunt- vi auf das 'Areal keine großen Verschiedenheiten aufweisen werden, 20 Jahresbericht der Schies. Gesellschaft für vaterl. Cultur. sandsteins und des Basaltes, spricht für das Auftreten zahlreicher Wal- dungen im Rhönbilde. Das gegenseitige Verhältnis von Acker, Wald und Wiese erhellt aus einer Verteilungstabelle für die einzelnen Verwaltungseinheiten. Anteil von Acker, Wald und Wiese am Gesamtareal. Zue Acker | Wald Wiese Kreis 0/ | n vr Se :0 ! ’o Hersteld Ders. raen: 50.2 30.7 11.6 Hünfeldgw zer: sry 46.9 36.0 10.9 Fallad ss 43.9 30.3 17.8 Gerstelda re DET ee. 28.127.217 728.1, 122298 BkauterbachD)E 2 20.0 32.8 315 22H Gesamte 49.4 27.9 12.41 Kaltennordheim’) . ..... >41 31.5 16.3 Osthemma)n er nt 42.3 28.4 13.0 Stadtlengsfeld®)... . . . 33.8 43.0 12.5 Vacha ar Er 35.8 43.2 10.9 Wasungen® -....... 46.4 15.7 Si Meinmgensrr 2. er. 45.7 8.3 393 Salzungene Se a AT. 43.6 Brückenau sr. 2.2 > 23.5 49.4 18.6 Hammelburg 42.1 a0 35 Kissingen... 8) 28 46.9 36.4 10.8 Lohr VE RUR 22.6 66.4 5.8 Mellrichstadt ... .... 48.9 32:5 10.5 NeustadtXass2.. 0 22 35.8 34.6 19.2 x 1) Vgl. M. Lietze, Wirtschaftsgeographie der Rhön. Diss. Rostock 191%, S. 60. Danach für Hersfeld und Fulda nur für den -Rhönanteil berechnet. — 2) Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen, 20. Bd. Darmstadt 1830 und 63. Bd. Darmstadt 1913/14. Dazu schriftliche Auskunft der Großherzogl. Hessischen Zentralanstalt für Landesstatistik zu Darmstadt. — 3) Staatshandbuch für das Großherzogtum Sachsen, 1913, Weimar 1913. Dazu Akten der Großherzoglichen Steuerrevision des IV. Bezirkes; ebenso des III. Verwaltungsbezirkes. Außerdem aus den betreffenden Originalakten S. 87. Den Originalbericht der Großh. Forst- inspektion II Eisenach vom 26. I. 1911, zwecks Einbeziehung der dort aufgeführten eximierten Forstbezirke. Dazu Ortschaftsverzeichnis des Herzogtums Sachsen- Meiningen durch Vermittelung des Herzogl. Statistischen Amtes in Meiningen. — 4) M. Lietze, a. a. ©. S. 60. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 21 Die Zusammenstellung zeigt, daß im Vorland trotz starken Wald- anteiles der Ackerbau vorherrscht, mit Ausnahme der Nordrhön mit ihren weiten waldtragenden Arealen des Hauptbuntsandsteins um Vacha und Stadtlengsfeld. Gersfeld und Brückenau haben beide starken Anteil am Buntsandsteinwald, letzteres dazu an dem Gebiete des alten Salzforstes, der auf die Hohe Rhön hinaufgreift. Lohr und Lauterbach liegen beide an der Grenze der Rhön; Lohr im Buntsandsteinwalde des Spessart, Lauter- bach im Walde des basaltischen Vogelsberges. Am wiesenreichsten ist der Kreis Hersfeld, der auf den zentralen Teil der Hohen Rhön hinaufgreift, also auf jenes Plateau, das früher vermutlich reines Waldgebiet war. Für das Gesamtgebiet der Rhön ergeben sich als Mittelwerte: Acker 39.3 9%, Wald 32.2 %, und Wiesen 17.7 %, wenn die äußersten Randgebiete mit einbezogen werden. Wenn man da- gegen die Fulda- und Werralinie als Grenze nimmt, ergeben sich folgende Mittelwerte: Acker 40—45 %,, Wald 50—35 %, und Wiesen 10—15 % ‘der Fläche. Der Wald und die Waldwirtschaft. Wenn der Wald im heutigen Landschaftsbilde der Rhön mit 40 %, der Gesamtfläche ein wesentlicher Faktor ist, so war er es in früheren Jahrhunderten nahezu ausschließlich. Das Rhönland hieß Buchonien, das Buchenland!). Die Vorlandzoren der Rhön wurden, dem peripheren Fluß- wassersystem folgend, zunächst durch Rodung dem Ackerbau gewonnen, wobei die meisten Basaltkuppen gewissermaßen ausgespart wurden und bis heute ihren Buchenwald behalten haben. ‚In welcher Weise die Ro- dungen die Buchenwildnis verkleinerten, ersehen wir z. B. aus dem Werde- gang des sogen. Salzforstes, der in einer Größe von etwa 425 qkm im Jahre 1000 mit der Salzburg, der Kaiserburg Karls des Großen, von Kaiser Ötto Ill. den Bischöfen von Würzburg zum Geschenk gemacht wurde, und der heute nur noch in der Waldgebirgigen Rhön geschlossen erhalten ist?). Am längsten widerstanden der Rodung die noch heute vorwiegend wald- tragenden Buntsandstein- und Basaltböden. A. Wagner) berechnet die Verteilung des Waldes nach Formationen wie folgt: 1) J. C. W. Voigt, Mineralische Beschreibung des Hochstifts Fuld, Leipzig 1794, S.5. Schannat, Buchonia vetus, Leipzig 1724; Bavaria, IV, 1, München 1866, S. 104. Peter Scheidtweiler, Die Rhön und ihre wirtschaftlichen Ver- hältnisse. Jahr.-Ber. des Frankfurter Vereins für Geographie und Statistik, 50. Jhg., Ft. a. M. 1887, S. 180/207. — 2) Bruno Kmiotek, Siedelung und Waldwirtschaft im Salzforst, Diss. Würzburg 1900, S.1—6. Ehrenberg, Beiträge zur fränkischen. Kartographie, Archiv d. Hist. Ver. 36 (1893), mit einer Karte des Salzforstes von 1589— 1593. — 3) A. Wagner, Die Waldungen des ehemaligen Kurfürstentums Hessen. Hannover 1886. 92 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. auf Bunisandstein ...... 68.8 %, =, Basaltt. Sr ae 22.5. °% 2 }Muschelkalkaı Mrz. 8.062075 - andere Formationen... 0.1°, der Waldfläche. Wie sich der Wald quantitativ verändert hat, so auch qualitativ. Während früher in erster Linie die Buche und außerdem die Eiche den reinen Laubwald bildeten, sind namentlich im 19. Jahrhundert künstlich Nadelhölzer eingeführt worden!). Während um 1840 noch rund 50 °%, der kurhessischen Wälder aus Buchen, etwa 33 °/, aus Eichen und nur wenig über 12°, aus Nadelhölzern bestanden, hat sich das Bild jetzt zu un- gunsten der Eichenwälder so verschoben, daß jetzt etwa 48%, Buchen- wald, 9%, Eichenwald und 41°, Nadelwald vorhanden sind?). Im ganzen ergibt sich das Verhältnis Laubwald zu Nadelwald wie 3:2. Im preußischen Anteil, in dem die Neuaufforstung mit Nadelwald namentlich auf der Hohen Rhön im Kreise Gersfeld mit unendlicher Mühe trotz Schnee und Windschäden?) betrieben worden ist, zeigt das Nadelwaldareal größere Werte als im bayr. Rhönanteil. Preußische Rhön?): Laubwald 58.4 %,, Nadelwald 41.6 %,, bayr. Rhön): - 6958 In; z SA mE Die Nadelholzbestände teilen sich zu gleichen Teilen in Kiefern einer- seits und Fichten, Tannen, Lärchen andererseits?). An die Stelle des früher verbreiteten Nieder- und Mittelwaldes wird jetzt immer mehr der Hochwald gesetzt); doch begegnet eine gleichmäßige Auswertung des Waldes Hemmungen durch die verschiedenartigen Besitz- verhältnisse des Waldes. Preußische Rhön): Bayrische Rhön): 60.4 °/, Staatsforsten 34.4 %/, Staatsforsten 10.7 °/, Gemeindeforsten 31.7 %, Gemeindeforsten 28.5 °/, Privatforsten 2.5 °/, Stiftungsforsten 0.4 %, Geistliche und Instituts- 5.1 %, Genossenschaftsforsten Waldungen 22.3 °,, Privatforsten. 1)E. Küster, Die deutschen Buntsandsteingebiete, ihre Oberflächengestaltung und anthropo-geographischen Verhältnisse. Forsch. z. dtsch. Landes- und Volks- kunde, Bd.5. Stuttgart 1891. Weser und Ems, ihre Stromgebiete und ihre wichtigsten Nebenflüsse, H. Keller, Berlin 1901, S. 41. — 2) Weser Ems usw-a.a. 0.S.80. Naeh Wagner a. a. ©. 55.30 Laubwald und 44.70/0 Nadelwald. Vgl. auch C. Hessler, Hessische Landes- u. Volkskunde, Bd. I, 1, Marburg 1906, S. 380. — ®) H. Lübben, Beiträge zur Kenntnis der Rhön in medizinischer Hinsicht, Weimar 1881, S. 156. — 4) Statıstische Mitteilungen über die Landwirtschaft in Bayern, Bd. I, München 1903/05, und M. Lietze, a.a. ©. S. 74. — 5) In der Bavaria (a. a. O. S. 107) wird der Hochwald zu 870%, der Niederwald zu 13°) geschätzt. — 6) Wagner, aa, O0. — ?) Statistische Mitteilungen über die Landwirtschaft in Bayern a.2.0. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 3 In einem so waldreichen Gebiet wie in der Rhön nimmt naturgemäß die Waldwirtschaft . eine bedeutende Stellung ein. Immerhin wollen wir uns nicht verhehlen, daß der Wald im Vergleich zu anderen Bodenver- wertungsformen unverhältnismäßig wenig Menschen zu ernähren vermag. Während im Deutschen Reiche von 1000 Personen etwa 4 Personen ihren Erwerb in der Forstwirtschaft fanden, ergibt der Mittelwert für die Rhön etwa 11 auf 10001). In den waldreichsten Verwaltungsgebieten der Rhön gehen die Werte in Brückenau und Gemünden auf 24 und 21 hinauf. Daß die Holzwirtschaft namentlich in der Waldgebirgigen Rhön eine führende Rolle spielt, wird selbst dem flüchtigen Beobachter auffallen, | = Re) — . = D En Sn = > un 5 Ss = A 8 Sana: 8 se) ze I 9 ss E85 a ee ee ‚a A ren EI ea ee © 8 a 8 ee DE = Nee mE a — (nf) Fee = en [7 ee nee ae One An = ea aan aaa aaa ale an. EB ver oa aa sr ee ee use kon 2 ee sinanam ea ser m © AND TEE > *, e) nd = = 500/o > - © ae (2) —< Anteil von Acker, Wald und Wiese am Gesamtareal (in °%,) wenn er auf den Güterbahnhöfen der bayr. Rhön die hochgestapelten Stämme liegen sieht und wenn er neben den Basaltschottern die Güterzüge Baumstamm auf Baumstamm mainwärts transportieren sieht. Aber es liegt in der Natur der Sache, daß die wenigen Menschen, die, absolut genommen, der Wald ernährt, in keinem Verhältnis zu den gewaltigen Waldflächen des Landes stehen. Es gilt da für die Waldwirtschaft das Gegenteil von der Wirkung der Industrie und des Bergbaues. Der Wald ernährt auf weiten Räumen wenig, Industrie und Bergbau auf engen Räumen viel Menschen, wie ein Vergleich der Tabelle der Boden- verteilung auf S. 9 mit einer solchen der Berufsverteilung und außerdem die beiden graphischen Darstellungen erkennen lassen. 1) M. Lietze, a.a. O. S. 74/75. 74 Jahresbeiieht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. Gemünden Hammelburg Kissingen Mellrichstadt Neustadt a/S. Dermbach Meiningen Gersfeld =.© on 1:7 oo sale} =. Sonstige’ Berufe und ohne Beruf Handel und Verkehr ° Industrie und Bergbau Forstwirtschaft, Fischerei Landwirtschaft, Gärtnerei: Viehzucht Berufliche Gliederung der Rhönbevölkerung. (Verteilung der Berufsgruppen auf je 1000 Personen der ortsanwesenden- 3evölkerung, nach der Berufszälllung vom 12. Vl. 1907.) Berufsverteilung in der Rhön. (Auf je 1000 Personen der ortsanwesenden Bevölkerung.) ') Landwirt- | Forstwirt-| | Sonstige Kreise and schaft, sh ' Industrie | Handel DB Gärtnerei und und Verwaltungs-Bezirke und und Bersban Verkaite wu ohne Tierzucht | Fischerei 3 | ı Beruf Das 07 eh 399-1 5.2 358.0 123-2 154.5 Hersfeld . . . Alma 10 373.0 81.5 | 115.4 Hünfeld. :-.. . 607.4 8.5 198.1 17.3 108.7 Gersfeld . 641.0 10 115.3. | 63.1 110.5 Brückenau .. 610.9 23.8 149.4, | - 85.2) 130 Gemünden .. 532.3 25.1 222.4: |,. 126.21 29220 Hammelburg . . 570.5 4.8 115.2 | 44,9 264.6 Kissingen. . 673.5 5.8 18.35 53.4 88.5 ed AR 640.3 3.4 192.4 | 69.3 39.6 Neustadt a.S. . 674.1 4.6 148.7 73.4 99.2 Dermbach .. ll 16.6 398.5 63.3 90.5 Meininsen .. 274.9 10.6 441.7 117.2 156.5 Im Mittel - 536.0 | 11.4 245.9 81.5 | 125.2 1) Nee der Zählung vom 12. VI. 1907. Statistik des Deutsch. Reiches. > 209. Berufsstatistik. Abt. VIII. Berlin 1910. Vgl. auch M. Lietze, a.a. 0. S. 50. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hültenwesen. 25 Wiesen, Wiesenwirtschaft und Viehzucht. Die khön ist ein mit Wiesen reich gesegneles Land. Die leuchten Böden der Hohen Rhön, das sind in der Hauptsache die vulkanischen Böden, die stark wasserzurückhaltenden Einmuldungen des gebirgigen Vor- landes und endlich die Talauen, sind die Räume des Wiesenlandes. Von diesen drei Gruppen sind die Hochwiesen und die Talwi.sen diejenigen, die wegen ihrer Größe bedeutende Einllüsse auf die Wirtschaft des Landes ausüben. Die starke randliche Zertalung des Gebirges ergibt einen an- nähernd gleichmäßigen Wiesenanteil am Gesamtareal mit etwa 10—13 °/,. Die Bezirke, die auf die höheren Vorberge oder auf die Zentralrhön hinauf- reifen, zeigen wesentlich größere Wiesenanteile, die bei Gersfeld etwa 27°, erreichen. Die starken Niederschläge, die auf der Hohen Rhön zu 29%, im Mai, Juni und Juli fallen, begünstigen das Wiesenwachstum auf den Höhen. Die kräftigen, hochgrasigen Hochwiesen der Plateaurhön werden in der Regel einmal im Jahre gemäht (einschürige Wiesen). Die Heuernte beginnt am St. Kilianstag (8. Juli) und dauert ununterbrochen bis Mitte August. Die weite Entfernung der Hochwiesen von den Randsiedelungen macht eine einmalige Heuernte zur Notwendigkeit. Die Rhönbauern wohnen während der Ernte, die übrigens in den ältesten Beschreibungen der Rhön!) eingehend. gewürdigt ist, in niedrigen, weißen Zelten auf den Wiesen der Hohen Rhön. Am reichsten und ertragreichsten sind die Talwiesen der Flüsse und Bäche, die wegen der leichten Zerstörbarkeit des Buntsandsteins schon im Oberlauf erhebliche Breite erreichen. Besonders breit und ausgeweitet sind die Quellzonen und Oberlauftäler der Fulda, Ulster und Sinn. Die Talwiesen sind von Natur aus zweischürig und werden Mitte Juni und Mitte September geschnitten. Bei sachgemäßem Wiesenbau, d.h. mit Hilfe "künstlicher Düngung und geregelter Ent- und Bewässerung, die allmählich Eingang gefunden hat, können die Talwiesen im Jahre drei bis vier Mal abgeerntet werden.‘ Diese Meliorationsarbeiten reichen zeitlich noch nicht weit genug zurück, um sich in der Gesamtauswertung des Wiesenlandes schon bemerkbar machen zu können; für die Hochrhön im Kreise Gersfeld ist es leider nur bei den Versuchen geblieben, die im Jahre 1893 be- Sonnen haben?). Aus der Umgebung Irankenheims a. d. Rhön sind 1907/1908 günstige Resultate mit künstlicher Düngung der Wiesen er- zielt worden °). Das Areal der Wiesen wird durch zwei natürliche Einflüsse eingeengt, _ durch die starke Bestreuung von Basaltblöcken und durch die zu starke Durchfeuchtung. Die Flächen starker Blockbestreuung, die zumeist trocken sin’, werden als Huten (Weiden) verwendet; die Flächen starker Durch- 1) F.A. Jäger, Briefe über die Hohe Rhön. Arnstadt 1803: — 2) C. Heßler, a. a. O. S. 385/386. — 3) F. Simoneit, a.a. O. S. 44/46. - 36 Jalıresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. feuchtung führen zur Bildung von Sumpf und schließlich, bei vollständiger Stagnation des Wassers auf undurchlässiger Grundlage zur Bildung von Mooren, die den Charakter von Hochmooren annehmen. Die größten Moore liegen auf der Zentralen und der Langen Rhön, mitten in den waldlosen, weiten Wiesenflächen. Am typischsten ist das Rote Moor bei Gersfeld ausgebildet, das sich der Form nach uhrglasförmig und schwach aus der Umgebung heraushebt, aber durch seine braunrote Farbe mitten im Wiesengrün eine Unterbrechung hervorruft. Die Moore liegen über 780 m hoch. Die Hochmoore der Rhön). (Nach Messungen mit einem Polarplanimeter auf Grund der geologischen Spezialkarten.) | Areal in Mächtigkeit | Höhenlage ha | m | m | Schwarzes Moor ....... | 178.0 Be 780 Rotes2MoorS 22.0 46,5 MT. 300 Großes Moore 2a 8,7 | 8390 Kleines Moor neo 20. 5,0 | | 890 Moorlen 22. 32 Dem 558 | | 880 Gesamtareal der Moore... . 243,7 | Gesamtareal einschließlich der | moorigen Stellen...... 295,0 | Früher wurden die großen Rhönmoore erheblich abgebaut; jetzt be- schränkt man sich im wesentlichen auf die Auswertung des Roten Moores (vergl. Tafel). Früher wurde neben der Moorerde Streutorf gewonnen; heute wird nur noch die Moorerde gewonnen und in Kissingen, Brückenau, Neuhaus, Salzungen, Orb, Salzschlirf und Homburg zur Herstellung der Moorbäder ?) verwendet. Abgesehen von den Mooren bestimmen Weideland und Wiesenland in ihrer Größe den Wert der Heugewinnung und den des abweidbaren Grases und damit auch den Wert der Viehzucht in der Rhön. Weiden und Wiesen haben ganz beträchtlichen Anteil an der Gesamtfläche °). 1) B. Dietrich, Die Rhön. Eine Morphologie des Gebirges. 92. Jahresber. d. Schles. Gesellsch. f. Vaterl. Cultur. 1914, S. 46. — 2) M. Lietze, a.a.O. S. 78/79. — 3) Derselbe, a. a. O0. S. 64/65. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 27 Prozentualer Anteil des Wiesen- und Weidelandes an der Gesamtfläche. !) Pina a. u 81,00 2022,96» Kassıngen ae 12.8 Ilessiallel, 7 8 a ee 13.4. =. Mellriehstadten 20 2 14.6 - Klünteldee.. ns. 0, 113.6, = |. Neustadual say 24.8 - Gerste ld u. 39:5 - | Dermbach 0, car 121.0, - Brückenaus sun .....22 243, | Meiningem "22 07 ca. 14.0 = Hammelburen : 2... ...... Sror- Die ausgedehnten Wiesen und Weideflächen haben die Viehzucht zur wichtigsten Erwerbsquelle in der Rhön gemacht. Rindvieh- und Schweine- zucht nehmen die erste Stelle ein. Während man den Reichtum an Rind- vieh, namentlich auf den Hochwiesen der Rhön überall aus den mächtigen Herden des braunroten einfarbigen Frankenviehes erschließen kann, muß man einen Blick in die Einzelhöfe tun, um:den noch größeren Reichtum an Schweinen festzustellen. Die Herden der schwarzköpfigen Rhönschafe, denen man früher überall auf der Rhön begegnete, sind an Zahl beträcht- lich zurückgegangen. Das Zahlenverhältnis zwischen diesen 3 Tierarten hat sich im Lauf der letzten vierzig Jahre vollkommen verschoben. Als Grund dafür müssen wir zwei Ursachen annehmen, einmal die Konkurrenz mit dem Auslande und dann die Notwendiskeit möglichst schnell das Vieh großzuziehen und es auf den Markt bringen zu müssen. — Durchaus be- währt hat sich das kurzhaarige, dünnhäutige, braunrote sogen. Franken: vieh, eine Gebirgsrasse?) des Rindes, die auf der Weide erzogen und dort im Sommer ernährt wird. Es sind ausdauernde, fleißige Arbeitstiere, die genügsam in der Fütterung und trotzdem gesund und milchergibig sind °). Das Jungvieh wird zum großen Teil nach kräftiger Mast auf den Fleisch- markt gebracht*). Im Ganzen hat die Stückzahl an Rindvieh in der Rhön langsam und stetig zugenommen; in den Jahren 1873—1912 in der Provinz Hessen-Nassau um ca. 20°,. (Vgl. d. graphische: Darstellung.) Die langsame und stetige Zunahme in dem einen Falle und der große Wechsel in der Viehhaltung im anderen Falle zeigt sich besonders deutlich in den letzten vierzig Jahren. Mangels geeigneter Detailangaben für die kleineren Verwaltungsbezirke wollen wir die Verhältnisse in der gesamten Provinz Hessen-Nassau zum Vergleich heranziehen, die, was für unsere geographische Übersicht die Hauptsache ist, die gleichen Änderungen in der Viehhaltung zeigen, wie die Kleinbezirke. Nach der Statistik über die 1) Viehstands- und Obstbaumlexikon vom Jahre 1900 für den preuß. Staat. XI. Prov. Hessen-Nassau. Berlin 1903. — 2) Bavaria, IV, 1 8.286. — 3) J. Oesterreich» a.a.0. S.49. — #) J. Oesterreich, Beiträge zur volkswirtschaftl. Entwicklung der Rhön. Dissert. Tübingen 1912. I8 2° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Viehhaltung im deutschen Reiche!) ergeben sich für die Provinz Hessen- Nassau folgende Änderungen von 1873—1912 in der Stückzahl des Viehbestandes: 1873 |. 1883| 18922. 1897°.): 1900. | 1904. | 19079 Pferde.'. . | 68 300) 69 100| 75 600) 80 600, 85200) 89 300) 88 000| 87 400 Rindvieh 478 600.480 400 548 200 565 300 587 800 582 000 620 700 535 200 Schafe 612 100 554 300 410 900 390 800 305 000 232 400 226 1001152 200 Schweine . 1231 300.266 300 404 300 464 500 556 200 607 500.702 500.666 400 In graphischer Darstellung treten die Veränderungen des Viehbestandes besonders plastisch zu Tage. 1873 Pferde 1883 1892 1897 1900 190% 1907 Die Veränderung des Viehbestandes in der Provinz Hessen-Nassau. 1875—1912. 1912 Ganz anders liegen die Verhältnisse in bezug auf die Schafhaltung. Wihrend die Stückzahl der Schafe noch 1873 die der Rinder bei weitem ') Die Viehhaltung im Deutschen Reiche nach der Zählung vom 2. Dez. 1912. Berlin 1914. Vierteljahrshefte zur Statist. d. Deutsch. Reiches. Ergänz. Heft zu 1914. I. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 29 ‚übertraf!), gibt es jetzt etwa 4 mal soviel Rinder -als Schafe im Lande, wobei in dem angegebenen Zeitraum die Zahl der Schafe bis auf Y, ihres Bestandes von 1873 zurückgegangen ist. (Vgl. Skizze.) Der Grund für den schnellen Niedergang der Schafzucht ist in der Hauptsache in dem Sinken der Wollpreise durch die australische Konkurrenz zu suchen. Andererseits hat auch die Kultivierung der Hutungen und das Ablösen der Hutrechte vermindernd auf die Kopfzahl der Schatherden eingewirkt?). Wo heute noch Schafzucht in der Rhön betrieben wird, dient sie Mastzwecken?). In derselben Weise wie die Schafzucht in der Rhön an Boden verlor, ist die Schweinezucht schnell aufgekommen, teilweise wohl als Ersatz für die Schafhaltung, vielmehr allerdings wohl wegen der gesteigerten Erwerbs- möglichkeit. Die Schweinezucht stellt an Pflege und Nahrung nur einfache Ansprüche, die Anschaffungskosten sind namentlich im Vergleich zur Rinderzucht nur gering, die Mast geht verhältnismäßig schnell vor sich und, was für den Rhönbauern, besonders den Kleinbauern die Hauptsache ist, der Umsatz ist beschleunigt. Nur so ist das schnelle Zunehmen der Schweinezucht in der Rhön zu erklären.. (Vel. Skizze.) Das Streutal und das Ulstertal sind in der Rhön bekannte Stätten schwunghafter Schweinezucht geworden?). Auch die Ziegenzucht, die ja nicht nur in der Rhön an den Klein- besitz geknüpft ist, nimmt namentlich im zentralen Teil der Rhön beträchtlichen Anteil an der Viehhaltung des Kleinbesitzes. Das vermehrte Halten von Ziegen in der Zentralrhön ist zurückzuführen auf das Auftreten blockreicher Hutungen und Ödlandes. Geradezu auffallend ist die Armut an Pferden in der Rhön. Die geringe Zahl an Pferden ist keineswegs auf Terrainschwierigkeiten zurück- | zuführen. Der Grund liegt auch hier in der Kleinheit des bäuerlichen Besitzes, von dem 30—40 °/, der Betriebe unter 2 ha Fläche haben; man verwendet das nutzbringendere und billigere Rind. Wollte man nach dem, was man beim Durchwandern der Rhön sieht, auf die Viehhaltung schließen, dann dürfte man keineswegs die zahlreichen Gänseherden vergessen, die besonders die Hutungen am Ostabfall der Hohen Rhön bevölkern*). Die Hauptgänsezucht in der Rhön finden wir in den Kreisen des westlichen Vorlandes. Vergleicht man die !) L. Höhl, Rhönspiegel. Kulturgeschichtl. Bilder aus der Rhön I. Aufl. Würzburg 1892. S. 15/16 berichtet von einer Schweizerei auf dem Dammersfeld, die dem fürstlich-fuldischen Hofe gehörte. Derselbe, a. a. O. S. 18, ebenso B. Spieß, Wanderbüchlein durch die Rhön. Meiningen 1854. S. 110. — 2) Bavaria V,1. 8.288. — 3) B. Cotta, Deutschlands Boden, sein geologischer Bau und dessen Einwirkung auf das Leben des Menschen. Teill. Leipzig 1854. S. 283. — *)A.a. 0. S. 66; die Werte sind bezogen auf die Viehzällung vom 1. Dezember 1900. Vgl. auch das Viehstands- und Obstbaumlexikon vom Jahre 1900 für den preuß. Staat. XI. Provinz Hessen-Nassau. Berlin 1903. — 30 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Stückzahl der verschiedenen Vieharten in der Rhön mit der des Reiches, jedesmal auf die Einwohnerzahl bezogen, wie es von M. Lietze!) berechnet worden ist, dann ergibt sich, ‘daß die Rhön in bezug auf die Viehwirt- schaft, abgesehen von der Pferdezucht, über dem Reichsdurchschnitt steht, wie es schließlich bei einem vorherrschenden Landwirtschaftsgebiet nicht anders zu erwarten ist. Auch in bezug auf die Stückzahl an Vieh, bezogen auf die Einheitsfläche, bleibt die Rhön nur wenig hinter dem Reichsdurch- schnitt zurück, übertrifft ihn sogar für Rinder, Ziegen und Gänse. Auf 1 qkm der Gesamtfläche kommen: © 2 = a $ im Kreise 3 = E = 5 2 E 3 = = = S 3 © = :3 < ap aut DE N 5 ze ae Kuldaaa 2: | -6.5|.46.5 | 8.5) 370 | 5.7. 320er Hersfeld... .. |: 4.7.1: 40.9] 27.7. 34.8 | 7.1: 21.30 95H Hünfeld ....| 44| 36.8 | 20.0) 294 7.0, 13.3 | 905| 43 Gersfeld ....| 2.1] 4701 114| 20.3 | 8.0, TEA Brückenau. . . 1231230922107.2.9:821 412728 4.2 9.9 18.9 22 Hammelburg. .| 2.4| 34.6 | 16.3| 27.0 | 49|j 13.1 | s5L[ 34 Kissingen ...| 2.1) 39.3 | 114| 33.6 | 5.6| 15.9 | 9992| 45 Mellrichstadt. .| 1.9| 34.3.| 14.1| 29.5 | 7.2| 16.6 1089| 5.2 Neustadt a.S..| 1.4] 40.3 | 11.8| 23.6 | 5.1! 14.0 | .885| 37 Röhnmittel. ....| 3.0 38.9 | 14.6 28.1 6.1| 11.690 Ser Reichsmittel . .. .| 7.8) 35.0 17.9 31.1, 6.0 11.5 | 1024 48 Röhnüberschuss. .|—4.8 43.9 —3.3 — 3.0 +0.1 40.1 —18.5 — 0.7 Für den nordöstlichsten Teil der Vorlandrhön und das Über- gangsgebiet zum Thüringer Wald ergeben sich ähnliche Verhältnisse wie für die eigentliche Rhön. Die Schweinezucht hat auch dort aus den gleichen Gründen wie in der Rhön die Rindviehzucht nicht nur eingeholt, sondern in den Bezirken Meiningen und Salzungen sogar überholt, während die Schafhaltung noch hinter der Ziegenhaltung steht. Auf 1 qkm der Gesamtfläche?) kommen: Pferde | Rindvieh Schafe | Schweine | Ziegen Meiningen. 2.2.0... 4.1 27.4 6.8 39.1227. 90023 Wasungen ...... 2.4 34.0 11.2 27.1 11.8 Salzungen. zakre: 3 26.8 12.8 31.6 18.3 !) Bavaria. VI, 1. S. 290. — ?) Statistik des Herzogtums Meiningen. Bd. NL. Meiningen 1911. Zählung vom 1. XII. 1910. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 31 Auf 100 Einwohner kommen: | PR 1 | 1} | © a I 5 5 eb) = . eb) © = EB) = :9 [«b) | [ab) | ım Kreise = 3. = Be en E B = = s= Ne es 25) IN! :® | ıD .o va a a 02 Sl ie | as 2) | | | Hersield. | 80, 69.7 .472| 59.3 12.0 36.3| ı67A| 81 Hühnfeld ea 025 394 580, 138), 263 ge > Fear 806 195 3419| 13.7 PL aß Brückenau. . . ale >28 451 10.5, >50, Ra an Hommelbure | 41, 600.72 286| 473| 88 229 142901, 60 Kommen 0 28.524.152) 447 74|.21.2| 1323| 60 Mellrichstadt. .| 3.9| 68.5| 3282| 58.8| 14.9| 33.1, 2173 101 Neustadt as. | 2.6| 75.7| 22.1) 442) 95| 26.2) 1659 70 Röhnmittel. .....| 4.7) 65.8] 25.7 462 10.5 23.0, 1385 6.8 Reiehsmittel ... .| 7.&| 33.61 17.2) 29.8| 5.8 111] 98.3 46 Röhnüberschuss. „| —2.7 32.2 48.5 416.9 +4.7 +11.9)+40.2 + 2.2 Einen Überblick über die Verteilung der verschiedenen Viehgattungen können wir aus den Werten für die beiden hauptanteilnehmenden Regie- rungsbezirke Cassel und Unterfranken, für 1912 gewinnen. Die Vertei- lung bleibt, wie die untenstehende Zusammenstellung erweist, in großen Zügen die gleiche, wie in der Tabelle von M. Lietze für 1900; nur treten die Extrementwicklungen von Schaf- und Schweinezucht noch stärker da 20 a3 64 081 43) >25 dos. Ro hervor. Auf 1 qkm der Gesamtfläche kommen): | | {eb} Ge = = "o = BE ao © 5 & = 5 ae Far IS | S a Er | = | Ss > = | 3) (>) .- & | .® A [aan ya dp} N Ei I. jae) | | | | Po oael 55 | do | 11a a5 do an | Aa ee 35 Va03 | a8 | 334 | 85 Maag As Auch für den Meiningischen Anteil der Vorlandrhön gelten analoge Verhältnisse der Viehhaltung ?). 1) Berechnet auf Grund der Viehzählung vom 2. Dezember 1912. a. a. O. Ergänz.-Heft zu den Vierteljahrsheften für Statistik des Deutschen Reiches. 1914. 1. — 2) Statist. d. Herzogt. Meiningen. Bd. XI, Meiningen 1911. 32 Jalresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. Auf 100 Einwohner kommen: | | | Pferde Rinder Schafe | Schweine | Ziegen Meiningen ...... 3282 len 29.0 | 6.3 2 00 3089 IT Wasungen ...... 3.3212 94659, 22.15.59 1 age 15.3 Salzungen nr Ban 2 045 11.6 28.5 16.6 Für den Sachsen - Weimarischen Anteil der Rhön kommt J. Österreich !) zu folgenden Werten der Viehdichtigkeit für je 100 Ein- wohner (1911): Binder) a Sr no Schweinez.: 2.32.245.6 Schafe weniger als 33.5; da letztere Zahl auf 1907 bezogen ist. Der Ackerbau. 40—45°/, des Kulturlandes in der Khön dienen dem Ackerbau und bestimmen damit die wirtschaftliche Physio- gnomie der Rhön. Der Gebirgscharakter der Rhön ‚läßt eine überall gleichmäßige wirtschaftliche Auswertung der Ackerböden nicht erwarten. Die verschiedene Höhenlage bedingt einschneidende Hemmungen in bezug ‚auf die Zeitdauer der Bodenbebauung. Wenn auch hier und da, wie bei Frankenheim und Birx und auf der Geba Ackerbau äuf die Hochflächen der Rhön hinaufgreift, so sind das Ausnahmen. In der Regel fallen die Hochzonen wegen der starken Verkürzung der Vegetationsperiode für den Ackerbau aus. In der Kuppigen und der gesamten Vorlandrhön ‚erwachsen dem Ackerbau durch die klimatischen Verhältnisse nur un- wesentliche Belinderungen. . Damit ergeben sich für den Anbau der Halm- früchte Gegensätze zwischen Hoch und Tief, die ihren Ausdruck in der Anbaufläche von Roggen und Weizen finden. Dazu gesellt sich eine natürliche Hemmung infolge der Bodenarten, die auch für das Vorland die Anbaufläche des Weizens einengt. Die feuchten und kühlen Böden sind die geeigneten Anbauflächen für den Hafer. Wenn man diese beiden Gesichtspunkte berücksichtigt, wird man die Weizenarmut des Rhönlandes verstehen. Wenn man außerdem die verschiedenen Anforderungen mit einander vergleicht, die Sommer- und Wintergetreide an die Vegetationsperiode stellen, wird es verständlich, daß die rauheren Gegenden der Rhön zumeist nur den Anbau von Sommergetreide erlauben. Lediglich der Anbau der Kartolfel ist überall möglich; er erlangt seine verhältnismäßig größte Aus- !) Ebenda Bd. X, Meiningen 1908. a. a. ©. S. 50. x VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 33 dehnung in den Gebieten der Zentralen Rhön und tritt in den Getreide- gebieten der Vorlandrhön beträchtlich zurück. Sämtliche Getreidearten, sowie der Kartoffelbau haben von Jahr zu Jahr an Fläche zugenommen; nur der Flachsbau, der noch vor hundert Jahren eine Hauptwirtschaftsform der Rhönbewohner bestimmtet), hat an Fläche bei weitem verloren. Die Wechselfolge der Bebauung ist nicht überall in der Rhön die . gleiche. Im ganzen herrscht das System der Dreifelderwirtschaft und zwar zumeist in 6jähriger?) Fruchtfolge, mit vielfachen Abänderungen. In bezug auf die Winterfrucht scheinen sich die Landwirte, namentlich auf der Hohen Rhön), tatsächlich an eine Art Flurzwang zu halten, schon um den oft nur 3 m breiten Acker des Nachbarn nicht zu schädigen. Die Normalfolge ist: Winterfrucht, Sommerfrucht, Brache bei einfacher Dreifelderwirtschaft und Winterfrucht, Sommerfrucht, Klee, Winterfrucht, Sommerfrucht, Kartoffeln und Rüben bei doppeltem System. Bei un- günstigem Boden wird nur eine einfache Fruchtwechselwirtschaft zwischen Hafer und Kartoffeln betrieben. Die nachfolgende Tabelle gibt ein Bild von der Verteilung der ein- zelnen Fruchtarten. Bodenbebauung in °, der Ackerfläche®) ff. das Jahr 1900). Roggen | Weizen| Gerste Hafer [Kartoffeln | Flachs Baldaan 6... 24.3 |. 9.6 5.6 | 24.0 12.6 0.2 Herstel. ....[.282 104 1.6 23.4 11.4 0.4 bliüntelder 2... 2222, | 150 4.5 22.6 SL 0.2 Gersteldin a... 27.4 7.4 80 | 20.0 19,4 0.6 Brückenauı »..... 28.3 703 6.9 | 18.6 14.8 0.6 Hammelburg. .....| 17.2 I ul 0.0 Kissingen‘... ...... 152, 106 0.115, , 1939 10.6 0.1 Mellrichstadt ... . ..| 19.4 8.9 0 11.23. 110.4 8.8 0.3 Neustade 228... 19.5 8.5 | 10.2 | 15.8 10.3 0.3 Roggen und Hafer nehmen den Hauptanteil für sich in Anspruch, wenn wir von dem Hammelburgischen Gebiete absehen, wo der Gersten- bau den des Hafers um eine Kleinigkeit überflügelt hat. Die Werte für Weizen und Kartoffeln zeigen interessante Beziehungen zu einander. Hün- 1) F. Jäger, ‚Briefe über die Hohe Rhön Frankens. Arnstadt 1803. — 2) J. Oesterreich, a. a. ©. S. 47. — °) F. Simoneit, Wie kann der Wohlstand der landwirtschaftlichen Bevölkerung auf der Hohen Rhön gehoben werden, ins- besondere mit Berücksichtigung der Verhältnisse in Frankenheim? Diss. Jena 1909. — #) Vgl. M. Lietze, a. a. O. S. 62. 1918. 3 34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. feld baut viel Weizen und wenig Kartoffeln; während in den Kreisen, die auf die Zentralrhön hinaufgreifen, wie Gersfeld, Brückenau und Neustadt, der Kartoffelbau den Weizenbau an Fläche bedeutend übertrifft. Trotz der weiten Flächen des Waldes, die in einigen Bezirken die des Ackerlandes übertreffen, bleibt der Gesamtwirtschaftscharakter der Rhön, der eines Landes des Ackerbaues und der Viehzucht. Aus der graphischen Darstellung der beruflichen Gliederung (S. 24) sind diese Verhältnisse besonders klar ersichtlich. Obst- und Weinbau. Wenn auch von einem besonders gepflegten Ostbau in der Rhön nur in dem Kalkgebiet um Ostheim gesprochen werden kann, dessen 'Kirsch- baumpflanzungen in der Rhön etwa denselben Ruf genießen wie die von Werder b. Berlin für Branden»urg oder dıe von Frankeinstein für Schlesien, so summiert sich doch die Zahl aer Obstbäume, namentlich an den Land- straßen so, daß in der Rhön verhältnismäßig viel Obstbäume vorhanden sind. Wir gewinnen eine Vorstellung von der Verteilung der Obstbäume an dem Beispiel des Regierungsbezirkes Cassel nach der Obstbaumzählung vom Jahre 1900'). Anzahl in %, aller Obstbäume. Zwwetschen Apfelbäiume Birnbäume und Kirschen Pflaumen Kuldgase see 42.59 11.95 39.80.02) 5.6 Hersfeld 0.0 3249 | 11.04 50.62 58 Hünfeld 29.20 8.94 55.23 00, 2083 Schlüchtern 00 34.78 8.91 50.88 22 5215 Schmalkalden... .. 45.10: | 13.26 | 25.02 0 Gersteld m... 2 43.40 | 10.20. |) 28.38 18:02 Reg.-Bezirk Cassel.... | 37.22 | 992 | | 720 Dieses Verteilungsbild der Tabelle finden wir überall in der Rhön wieder, sei es, daß wir zu Fuß von West nach Ost die Rhön durchqueren oder daß wir mit der Eisenbahn durch die Nordwest- und Westrhön fahren; überall sind die Landstraßen mit Obstbäumen bepflanzt, unter denen die Apfel- und Pflaumenbäume bei weitem überwiegen. Die Südostrhön und ihr Vorland sind die Weinbaugebiete der Rhön. Die Gehänge des fränkischen Saaletales sind die Träger der Wein- !) Viehstands- und Obstbaumlexikon vom Jahre 1900 für den preußischen Staat, XI, Prov. Hessen-Naussau, Berlin 1903, und C. Hessler, a.a. 0. S. 430/31. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 35 'berge und Namen wie Saalecker, Wirmsthaler, Remsthaler, Feuerthaler und Hohensatzer!) sind als gute Saal- oder Frankenweine bekannt. Es ist wohl nicht zu hoch gegriffen, wenn man die Hälfte der Weine Unterfrankens zu den Rhönweinen rechnet. Im Jahre 1913?) betrug in ganz Unterfranken ‚die Rebfläche für Weißwein 4333,4 ha mit einem Geldwert von 526 157 Mk. und Rotwein 89,7 ha mit 10357 Mk., im ganzen 4423,1 ha, mit einem "Geldwert von 556 514 Mk. und einem durchschnittlichen Geldwert an Wein auf 1 ha Rebfläche von 121 Mk. Vergleicht man die Gesamtzahl der Weinberge in den Bezirksämtern ‚des bayrischen Rhönanteiles, so ergibt sich, auch schon aus älteren Daten, daß die Umgebung Hammelburgs den Hauptanteil am Rebengelände hat. Die Kleinheit des Besitzes, die oft bis 0.11 ha heruntergeht, eine Folge der ‚Erb-Grundteilungen in Unterfranken, hat hier ein Land des Zwergbesitzes?) ‚entstehen lassen. Die Weinkultur begünstigte diese Kleinbetriebe sowohl infolge der Bearbeitungsart, wie auch des Flächenwertes. Welche Rolle der Weinbau im unterfränkischen Rhönanteil im allge- meinen und in Hammelburg im besonderen spielt, zeigt eine Zusammen- stellung der Rebflächen®). Bezirksämter | Fläche in ha Ebern nanelein.nn.0 0.89 Hammelburer nn). .2. 745.32 Kissneenin ma. | 712.26 Koheeemer . 113.62 Neustadt . n a ie | 36.42 Könisshoren u... 31.21 Die Industrie. Wenn wir die Rhön als ein Land des Ackerbaues und der Viehzucht . mit vorwiegend landwirtschaftlicher Bevölkerung bezeichnet haben, so ist ‚damit noch kein Werturteil über die Erträge dieser Wirtschaftszweige ge- fällt worden. Je weiter wir in den Kern der Rhön oder namentlich auch des nordöstlichen Vorlandes hineinkommen, um so stärker werden die klimatischen Hemmungen der Wirtschaft, um so geringer der Reinertrag der Wirtschaft sein. Die durch Erbteilungen bedingten Zersplitterungen und Zerstückelungen der Einzelbetriebe tun ihr Übriges um die Ernährung ı) Bavaria, IV, 1, a. a. O. S. 283. — 2) Weinmoststatistik im Jahre 1913. Viertelj.-Hefte zur Statistik des Deutschen Reiches. XXII, Jhg. 1914. Berlin 1914. IL, S. 144. — 3) J. Wimmer, Geschichte des deutschen Bodens. Halle a/S. 1905. S. 183. — 4) Die Ergebnisse der Ermittelung der landwirtschaftlichen Boden- nutzung im Kgr. Bayern im Jahre 1893. 40. Heft der Beiträge zur Statist. d. ‚Kgr. Bayern. München 1894. 3*+ 36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. aus Eigenerzeugnissen des Ackerbaues und der Viehzucht schwierig und schließlich unmöglich zu machen. Die auf kleinen und kleinsten Schollen sitzenden Rhönbewohner müssen Hilfe oder auch Ersatz in der Industrie suchen. Den robust mit der Liebe zur Scholle brechenden Weg in die Fabriken als Arbeiter gehen nur Wenige. Der Rhöner klebt fest an seinem Grund und Boden. Da gibt es zwei Wege. Die einen gehen den Sommer über als Arbeiter in die Fabriken nach Frankfurt, Hanau, Offenbach und Umgebung oder als Bauhandwerker nach dem Rheinland und Westfalen: und kehren dann über den Winter in ihr Heim zurück, um dort in eigener Kleinindustrie inmitten ihrer Familie um Zusatzverdienst zu arbeiten; die. anderen sind den Sommer hindurch Landwirt und wandeln Winter für ‚ Winter ihren Beruf zu dem des Heimarbeiters. Eine weitere Gruppe wird durch diejenigen vertreten, bei denen die Heimarbeit den Hauptberuf bildet, während nebenher in kleinem Maße von einzelnen Mitgliedern der Familie der landwirtschaftliche Betrieb aufrecht erhalten wird. Die letzte Gruppe endlich sind diejenigen, die anderwärts, zumeist in den Vereinigten Staaten von Nordamerika,!) ihr Glück versuchen; und zwar geht der Mann in die Fremde, um dort soviel Geld zu verdienen, daß er den verschuldeten Hof wieder übernehmen kann, den inzwischen seine Frau verwaltet. ?) Das nächstliegende Naturprodukt, das dem Heimarbeiter zur Ver- fügung stand, war von jeher der Holzreichtum des Waldes. So nimmt denn noch heute die Holzindustrie als Heimindustrie die erste Stelle ein. Wie in jedem anderen Betriebe ist auch in der Holzindustrie eine aufsteigende Entwicklung zu erkennen, die bei den gröbsten Holzschnitzereien und Dreherarbeiten ansetzt und schließlich mit Hilfe von Holzschnitzschulen zur Kunstschnitzerei geworden ist. Daß wirkliche Kunstgegenstände nur in den Kunstschnitzschulen zu Bischofsheim,?) früher Poppenhausen, und Empfertshausen verfertigt werden, liegt in dem Weser der Heimarbeit, bei der die Zeitfrage der Herstellung eine wichtige Rolle spielt. Schnell und viel arbeiten ist hier die Losung, wo es um das tägliche Brot geht. Dazu kommt, daß nicht jeder zu Feinarbeiten geeignet ist. Aus diesem Grunde kann man nach den Erzeugnissen die Holz- schnitzer der Rhön in zwei Gruppen ordnen, die Grob- und die Fein- oder Kunstschnitzer. Die Zentrale für Grobwaren ist Dalherda,*) die für Kunst- waren sind die Schnitzschulen, namentlich Bischofsheim. An gröberen 1) H.Staubitz, Die Holzschnitzerei in der Hohen Rhön. Jena 1909. S. 210.— 2) M. Fleischer, Die Holzchnitzerei in der Hohen Rhön. Aus den Mono- graphien: Die Heimarbeit im rhein-mainischen Wirtschaftsgebiet. Herausg. von P. Arndt. Jena 1914. S. 441/488. M. Fleischer, Die Holzschnitzerei im Eise- nacher Oberland. Ebenda. S. 489/501. — ?) Nach M. Gau wurde die Schnitz- schule in Poppenhausen 1852 vom polytechn. Zentralverein in Würzburg begründet und 1862 nach Bischofsheim verlegt. — 4) H. Staubitz, Die Holzschnitzerei in. der Hohen Rhön (Dalherda und Umgebung). Jena 1909. S. 210/211. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 37 Waren werden hergestellt: Dachschindel, Hackbretter, Schaufeln, Metzger- mulden, Schüsseln, Wäscheklammern, Kochlöffel, Quirle und viele andere Küchengeräte, ferner Kinderspielsachen, wie Rechen, Schaufeln, Hacken, und endlich, eine besondere Rolle spielend, Holzschuhe. Die Anfertigung von Holzschuhen ist häufig zur Alleinproduktion geworden, so daß sich besondere Holzschuhmacher gebildet haben. Daneben stehen die Kunst- sehulen mit Tierschnitzereien, Heiligen- und anderen Figuren, mit kunst- voll geschnitzten Truhen, Stühlen, Möbelteilen. So manche schöne Kirchen- ausschmückung, manch schöner Barockaltar in der Rhön stammt aus der Schnitzschule von Bischofsheim.!) Zwischen beiden in bezug auf die Gegenstände der Schnitzerei stehen die aus der Schnitzschule entlassenen Rhöner, die das harte Muß zur Grobarbeit zwingt und die dann nur noch nebenher Kunstprodukte liefern; bei vielen bildet sich eine besondere Fertigkeit in der Herstellung einzelner Gegenstände heraus; so gehen Tausende von Rhöner Schwälbchen unter den verschiedensten Namen in ‚die Badeorte des In- und Auslandes. Einzelne Orte haben sich ganz speziellen Schnitzereien gewidmet, so daß diese der Heimätarbeit des Ortes ihr Gepräge geben, wie die Peitschenstockmacherei in Frankenheim a. d. Rhön?) und Kaltensundheim und die Puppenkopfschnitzerei in Tann, Ober- und Unterweid. Es liegt im Wesen der Heimarbeit begründet, daß sowohl die Zahl der Betriebe, wie die Zahl der Heimarbeiter stets veränderlich ist. Wie die Not neue Betriebe erstehen und alte wieder- aufleben läßt, so legen andererseits ein besseres Angebot oder augenblicklich günstigere Lebensbedingungen so manchen Betrieb still. Aus diesem Grunde kann die beifolgende Skizze und auch die Tabelle nur den Zweck haben, die Gegenden mit Heimindustrie ganz allgemein in ihrer Lage im Gebirge zu kennzeichnen. r Ein Blick auf die Verbreitungskarte der Holzindustrie (vgl. Tafel) zeigt ‚drei Heimarbeitszentren, von denen das der Zentralen und Südlichen Rhön die größte Ausdehnung hat. Schließlich ist es ganz verständlich, daß die -waldreichen Gebiete und die Gebiete der größten Entfernung von den Groß- verkehrswegen, die ja auch die Gebiete der Höhen und des rauhen Klimas sind, ‚Heimindustrie einführen mußten. Nicht von außen kam die Heimindustrie in diese Gebiete hinein, sondern sie entstand als bodenständige Form der Betätigung. Dalherda und Bischofsheim, früher noch Poppenhausen, sind die Kernstätten der Heimarbeit in diesem Hauptbezirk. Eine zweite Stätte der Holzheimindustrie ist das sogen. Eisenacher Oberland, in der Hauptsache das Gebiet zu beiden Seiten der mittleren Fulda mit Empfartshausen und Dermbach als Zentren. Die dritte Gruppe umfaßt zwei kleine Heimindustriegebiete in dem nordwestlichen Vorland ‚der Rhön. Sie liegen in den Waldgebieten an der Fulda östlich von 1) M. Fleischer, Die Holzschnitzerei in der Hohen Rhön, a. a. O. S. 482/484 — 2) F. Simoneit a.a. 0. S. 62/64. : 38 Jahresbericht der Schles. Ges.llschaft für vaterl. Cultur. Schlitz und in den Waldgebieten zwischen Geisa und Hünfeld. Da die Holzindustrie den Hauptanteil an der Heimindustrie hat, wollen wir die Verteilung der Heimindustrien vorweg nehmen. Die Verteilung der Heimindustrie in der Rhön. 1. Holzindustrie: a. Holzsehnitzerlju...... Abtsroda, : Altglashütten, Andenhausen, Bischofsheim, Dalherda, Dammersbach,. Dermbach, !) Diedor® Empfertshausen,, Föhlritz, Frau Rombach, Gersfeld, Gichen- bach, Ginolfs, Haselbach, Hettenhausen,. Kaltennordheim, Kippelbach, Kirchhasel, Klings, Kothen, Langenleiten, Langen- schwarz, Mackenzell, Maiersbach, Michel- rombach, Mosbach, Motgers, Neidthards- hausen, Neuglashütten, Neuwirtshaus,. Nüst, Oberalba, Oberbach, Oberelsbach, Oberweissenbrunn,Oberzell, Pfordt, Queck,, Rengersfeld, Reußendorf, Roethenrain,. Rommers, Sandberg, Schachen, Schönau,. Sieblos, Silges, Sondernau, Schmalnau, Schwarzenfels, Thalau, Unteralba, Wer- berg, Weißbach, Wildflecken, Weyhers, Zella, Ziegelhütte b. Elm. b. Holzschuhmacher .... Altglashütten, Haselbach, Kothen, Maiers- bach, Motten, Mosbach, Neuglashütten, Oberbach, Oberleichtersbach, Oberzell, Rothenrain, Schachen, Schondra,Schönder- ling, Singenrain, Schwarzenfeld, Unter- leichtersbach, Werberg, Wildflecken. ec. Kunstschnitzer ...... Bischofsheim, Dalherda, Dipperz, Em- pfertshausen, Frankenheim, Föhlritz, Ginolfs, Holzstadt, Kaltennordheim, Klings,. Neidthartshausen, Oberbach, Oberelsbach, Oberweißenbrunn,Premich,Poppenhausen,, Sandberg b. Kreuzberg, Schmalwasser, Sondernau, Aschach, Waldburg, Weis- bach, Wüstensachsen, Zella. 1) M. Fleischer, a. a. O0. Dazu die Karte der Verbreitung der Heimarbeit im Rlhein-Mainischen Wirtschaftsgebiet inP. Arndt: dieHeimarbeit i.rhein. main. Wirtsch. Gebiet. Jena 1914. — nach Philipp Andreas Remich, Tagebuch einer der Kultur und Irdustrie gewidmeten Reise. I. Bd. Tübingen 1809. S. 84; J. Oesterreich a.a.O.;M.Lietzea.a.0. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 39 d. Peitschenstockmacher Frankenheim a. d. Rhön, Kaltensundheim, e. Puppenfabrikation.... Oberweid, Tann, Unterweid. » 2. Weberei:') a. Leinenweberei........ ' Batten, Ebersberg, Frankenheim, Hel- mershausen, Hilders, Lütter, Kaltenwest- heim, Neidthartshausen, Oberweid, Ost- heim, Poppenhausen, Reulbach, Schmal- nau, Thaiden, Weyhers. br Plüschweberei....... Birx, Fladungen, Frankenheim, Gert- hausen, Kaltennordheim, Kaltensundheim, Kaltenwestheim, Klings, Mittelsdorf, Ober- weid, Öberwaldbehrungen, Ostheim, Stock- heim, Unterweid. eVeberei-)......... .... Aschenhausen, Erbenhausen, Hutzdorf, Melpers, Mittelsinn, Oberfladungen, Ober- katz, Rimbach, Sandloß, Steinwand, Unter- katz, Unterschwarz, Wohlmuthausen. 3. Korkschneider............ Dermbach, Geisa. 4. Flechtindustrie: aesbroiklechter........... Schachen. bDeRoebnlechter.....n.... Andenhausen, Dälherda, Herschfeld, Kaltennordheim. 5. ‚Peitschenschnurmacher.... Herschfeld, Kaltenwestheim, Neustadt, Niederlauer. 6. Siebmacher ..... .... 2... Fladungen, Schmalwasser. Bekonlen- 0.00.04. Oberbach. 8. Zigarrenmacher .......... Frankenheim, Gersfeld, Hettenhausen, Oberweid, Tann, Wüstensachsen, Zella. 9. Wachskerzenverzierer °’).... Fulda. Neben der Holzindustrie ist in der Rhön die Textilindustrie als Heimindustrie weit verbreitet. Auch sie war, wie es die Holzindustrie heute noch ist, zuerst eine durchaus bodenständige Industrie. Welche Rolle der Flachsbau®), der die Grundlage der Leinenweberei bildet, noch vor etwa 120 ‚Jahren gespielt hat, bezeugt Jäger in seinen Briefen über die Hohe Rhön (1803) wenn er sagt: Der Flachs ist das einträglichste 1)M. Gau, die bäuerlichen Verhältnisse im Eisenacher Oberlande des Groß- herzogtums Sachsen. Schriften des Vereins für Sozialpolitik. 1883. — noch 1809 in Fulda 70 Leinweber. — ?) nach der Karle von P. Arndta.a. O. ohne Angabe ob Leinen- oder Plüschweberei. — J. Oesterreich, Neues aus der Rhön und für die Rhön. Eisenach 1911. S. 7. — 3) A. Luckow, die Wachskerzenverzierung in Fulda. Jena 1914 S. 321/22 in P. Arndts Monographien. — 4) Lexikon von Franken. Bd. I. Ulm 1799. S. 399. AO Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Produkt dieser Gegend und durch seine Bearbeitung verdient der Rhöner soviel, daß er beinahe alle übrigen Bedürfnisse damit bestreitet. Groß und Klein erwirbt sich zur Not sein Brot durch Spinnen des Garnes, das alsdann von anderen zu Tuch, Zwillich und Barchent verarbeitet wird, so daß von dem Gedeihen des Flachses wirklich das Wohl der Rhöner größtenteils abhängt. Daß die Leinenweberei trotz mannigfachster Unter- stützungen durch die Regierung, namentlich im früher bayrischen Anteil - um Gersfeld, trotz Beihilfen an die landwirtschaftlichen Vereine, trotz Bildung von Linnenvereinen usw. ganz bedenklich zurückging, liegt an der Schwierigkeit des Flachsbaues in klimatisch so wenig begünstigten Ge- bieten wie der Rhön. Noch in den achtziger Jahren!) bildete die Weberei von „Hausmacherleinen‘‘ eine Haupterwerbsquelle in vielen Rhönorten des oberen Fulda- und Ulstertales. Jetzt ist zwar die Weberei noch häufig in den Rhöndörfern zu finden, aber doch zu einem großen Teil durch mechanische Weberei ersetzt worden. Die Erzeugnisse der Leinenweberei wurden in der Hauptsache von Händlern aufgekauft. Man konnte vor dem Weltkriege auch als Rhönwanderer hier und da Leinen erstehen. So hatte das Wasserkuppenhaus fast immer Hausmacherleinen zum Verkauf ausgestellt. In Fulda, der äußersten Grenze der Leinenweberei in der Rhön, ist die Heimarbeit in der Leinenindustrie längst durch fabrik- mäßigen Betrieb abgelöst worden, trotzdem noch vor 100 Jahren (1809) in Fulda allein etwa 70 selbständige Leinenweber saßen. Poppenhausen ist auch heute noch eine Hauptstätte der Leinenweberei, die sich von Lutter a. d. Fulda über Poppenhausen bis nach Thaiden im oberen Ulster- tale ausdehnt. (Vgl. Karte.) Für das zweite Leinenwebergebiet in der Rhön, das sich zwischen die beiden großen Gebiete der Holzschnitzerei einschaltet, von Ostheim im Tale der Streu aufwärts zieht und ins obere Fuldatal hinübergreift, gelten die gleichen Entwicklungsbedingungen wie für die Poppenhauser Gegend, d.h. auch hier ist die Leinen-Heimindustrie aus Gründen besserer Boden- verwertung, aus klimatischen Ursachen und infolge der Einführung der mechanischen Webstühle zurückgegangen. Um 1887/88 zählte man im Eisenacher Oberlande noch etwa 230 Leinenweber‘), von denen die meisten in Ostheim, Helmershausen, Neidhartshausen und Kaltenwestheim saßen. Auch die Nachfrage nach Handwebererzeugnissen, wie z.B. die nach Bettzeug durch die ländliche Bevölkerung, hat abgenommen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde ein anderer Zweig der Weberei, die Plüschweberei, von Fuldaer Fabrikanten in die Rhön verpflanzt. An vielen Stellen löste die Plüschweberei die Leinenweberei 1!) Eiter, Die Leinenweberei in der Rhön. Aus P. Arndt: Die Heimarbeit a.a.O. Jena 1911. Bd. IL. S. 161/179. — 2)M. Gau, a.a. O. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen, 41 ab; schon wegen der neuen Löhne, die die alten Wochenlöhne von etwa einem Taler weit übertrafen!). Schon in den achtziger Jahren hatte die Plüschweberei in der Form der Handweberei ihren Höhepunkt erreicht; die Einführung der mecha- nischen Webstühle und die Gründung von Fabriken verursachte einen schnellen Rückgang. Gegenüber etwa 700 tätigen Plüschwebern im Eisenacher Oberland im Jahre 1837/88 gab es 1907/08 nur noch etwa 375°). Wenn auch die handgewebten Plüsche bei weitem haltbarer und schöner als die Maschinenware sind, so hat letztere doch den ausschlag- gebenden Vorteil der Billigkeit. Die Folge für die Heimarbeiter der Rhön ist eine starke Abnahme der Hauptbetriebe und eine relative Zunahme der Nebenbetriebe, d. h. es wird noch immer durch Heimarbeit auf dem Wege der Handweberei Plüsch in der Rhön angefertigt, jedoch kann dieser nur als Zusatzverdienst im Nebenbetrieb hergestellt werden. Fast aus- nahmslos haben alle Plüschweber, die ständigen und die Winterarbeiter, ‚ihren‘ kleinen Landwirtschaftsbetrieb®). Die Plüschweberei ist heute am stärksten in der Ost- und Nordostrhön verbreitet und greift nur bei Frankenheim auf die hohe Rhön hinauf. Die Grenzen des Verbreitungs- gebietes können etwa durch die Orte Ostheim, Frankenheim und Kalten- sundheim bezeichnet werden. In den Örten Ostheim, Oberweid und Kaltensundheim ist heute wie schon in den achtziger Jahren*) der Haupt- sitz der Plüschweberei. Neben den beiden Haupterwerbszweigen der Heimindustrie, der Holz- schnitzerei und der Weberei, treten alle anderen an Zahl und Verbreitung zurück. (Vgl. Karte) Es sind Korkschneider, Stroh- und Korbflechter, Peitschenschnurmacher, Siebmacher, Töpfer, Zigarrenmacher und Wachs- kerzenverzierer. Die Flechtindustrie können wir zu den boden- ständigen Heimarbeiten rechnen; sie ist auf wenige, weit von aneinander entfernte Orte beschränkt. (Vgl. Tabelle) Auch die Töpferei?) gehört hierher. Ihr früheres und heutiges Verbreitungsgebiet liegt im hessischen Landrücken und greift nur bei Oberbach®) in das südliche Rhöngebiet ‚hinein. Allein in den letzten fünfzig Jahren ist die Zahl der Töpferei- betriebe auf !/, zurückgegangen. Die Ursachen des Rückganges liegen in der fabrikmäßigen Herstellung des Emaillegeschirres, das den einfachen irdenen Topf schnell verdrängt hat und in der Steigerung der Herstellungs- kosten auf Grund der erhöhten Holzpreise. Die meisten Heimbetriebe 1) P. Kullmann, Die Plüschweberei der Rhön. Jena 1911. S. 180/212 in P. Arndt: Die Heimarbeit. — 2) P. Kullmann a. a. 0.8.1855. — 3) P. Kull- mann, a. a. 0.8. %1. — #, M. Gau, a..,a. 0.8.80. .J. Oesterreich, a.a. 0. S. 100. M. Lietze,a.a. 0©.S. 93. —°)F. Walther, Die Töpferei in Vogelsberg im Spessart und in der Rhön. Jena 1911. S. 253/257 inP. Arndts Monographie. Bd. 2. 6) Die Krugbäckerei in Oberbach wird bereits 1800 im Geogr. statist. topograph. Lexikon von Franken S. 184, Il. Bd., um 1800 erwähnt. -1769 begründet. 42 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. beschränken sich heute auf die Herstellung von Blumentöpfen, da die Gärtner immer noch auf den Bezug vom Töpfer angewiesen sind. Immer- hin wissen wir von einer früher in großem Maßstabe betriebenen Krug- bäckerei in Neustadt?!), die die sogenannten Koblenzer Steinwaren lieferte, und von der Herstellung von Steingutwaren aus dem feuerfesten Ton von Sieblos und Abtsroda in Oberbach und Römershag’). Die übrigen Heimindustrien sind nicht bodenständig. Die Kork- schneiderei, die heute noch in großem Stile in Dermbach und Geisa fabrikmäßig und daneben, was an dieser Stelle besonders interessiert, als Heimarbeit betrieben wird, ist erst 1855 in die Rhön verpflanzt worden?). Damals wurden Korken nur in Delmenhorst bei Bremen hergestellt. Von Dermbach verbreitete sich die neue Art der Heimindustrie sehr schnell, sodaß. im Jahre 1874 im Eisenacher Oberland um Dermbach in 33 Ortschaften 126 Haupt- und 197 Nebenbetriebe eingerichtet waren. Noch heute steht die Korkindustrie der Rhön im Verwaltungsbezirke Dermbach an zweiter Stelle im Reich mit 14°, aller Reichsbetriebe*). Allerdings hat auch in diesem Zweige der Heimindustrie seit den achtziger Jahren ein Rückgang eingesetzt. Die Einführung der Korkhobelmaschine, die Herabsetzung der Einfuhrzölle auf Korkwaren aus Spanien und Portugal und die Einführung der Patentverschlüsse wurden zu starken Hemmungen der Korkindustrie. Die Peitschenschnurmacher sitzen in Kaltenwestheim und in der Umgebung von Neustadt a. d. Saale. Die noch von M. Gau?) aus den achtziger Jahren erwähnten Heimbetriebe in der Umgebung Kaltennord- heims, die etwa 90 Personen beschäftigten, sind bis auf die in Kalten- westheim eingegangen. Die Heimbetriebe der Siebmacher in Fladungen und Schmalwasser seien der Vollständigkeit halber erwähnt. In den mittelgroßen Rhönorten wurde die Tabakindustrie einge- führt. Hierher gehört dann auch die Wachskerzenverzierung?), die im Anschluß an Fabriktätigkeit in Fulda eingeführt-worden ist. Die Heim- arbeiter bekleben die ihnen gelieferten Kerzen mit Verzierungen aus Wachs- plättchen. Unser Überblick über die Zweige der Heimindustrie in der Rhön hat ihre weite Verbreitung gezeigt. Die Stätten der Heimindustrie liegen häufig weit ab von den Verkehrswegen. Die Einführung der Heimindustrie war durch die Natur des Landes bedingt, das seine Bewohner in seinen klimatisch rauhesten Teilen nicht einmal notdürftig zu ernähren vermochte. Von den zwei Wegen der natürlichen Weiterentwicklung der Heimarbeit 1) Bavaria. IV,I. S. 313. — 2) Bavaria IV,1. S. 65. — 3) M. Gaua.a.0. S. 96/102. C. Sachs, Die Hausindustrie in Thüringen, wirtschaftlich-geschichtliche Studien. II. Teil. Jena 1884. — #) C. Mittermüller, Die deutsche Korkindustrie. issert. Jena 1909. — 5) M. Gau, a.a.O. S. 106/118. — 6) A. Luckow, die Wachs- kerzenverzierung in Fulda. Jena 1914. S. 321/22. Aus P. Arndts Monograpbieen. Bd. III, 2. VJ. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 43 ist der in Rhön nur der eine, der schlechtere, bislang begangen worden, das ist der Weg zur Fabrikarbeit. Der andere, bessere Weg einer festen Organisation der Arbeitgeber und Arbeiter, wie in anderen Reichsgegenden, oder einer genossenschaftlichen Vereinigung zu gemeinsamem Vertrieb der Erzeugnisse ist nicht eingeschlagen worden. Statt dessen sitzen die Arbeiter jeder für sich, jeder „selbständig‘‘, im Gebirge verstreut mit ihrem Kleinbetriebe, stets abhängig von ihren kaufmännischen Kapitalisten in den Städten, ein jeder spezialisiert, durch die Lage im Gebirge von aller Welt abgeschnitten und an schnellen Übergang in andere Arbeit behindert !). Den Hauptgrund für diese bis ins Extrem getriebene Selbständigkeit des Einzelnen, auch des Ärmsten, liegt in der großen Liebe zur heimatlichen Scholle, die gerade in wirtschaftlich armen Gebieten eine häufige Erschei- nung ist. Wie häufig stützt sich die Eigenschaft als Landwirt bei den Heimäarbeitern der Rhön nur auf den Besitz eines verschuldeten Hauses, eines Stück Landes unter 1 ha Fläche und auf den Besitz von wenigen oder gar nur einem Stück Vieh. Dazu kommt die verkehrsgeographisch ungünstige Lage der Zentralen Rhön, die keine Querbahn und nur Stich- bahnen aufweist, die das Gebirge zu einem vom Verkehr umflossenen Stück Land macht. An manchem endlich mag die territoriale Zerrissen- heit der Rhön Schuld sein, in die sich Preußen, Bayern, Sachsen-Weimar und Sachsen-Meiningen teilen, wobei die Grenze zwischen den beiden Hauptanteilen Preußens und Bayerus in einer Höhe von 500—900 m über die Hochzonen des Gebirges zieht. Eine solche politische Zerreißung in Verwaltungsbezirke, die untereinander in keiner Beziehung. stehen, ist ein gewaltiges Hemmnis für jeden Versuch einer einheitlichen Regelung wirt- schaftsgeographischer und 'sozialpolitischer Fragen für das Gesamtgebiet der Rhön. | | Für die wichtigste der Heimindustrien der Rhön, die Holzschnitzerei, können wir die Grenze der Ausbreitung und der Existenzmöglichkeit vor- aussehen. Mit der Steigerung der Holzpreise wird der Übergang zur Vieh- wirtschaft häufiger werden müssen und wo dies nicht möglich ist, wird die Aufgabe des Kleinbesitzes die natürliche Folge werden. Der schwere Kampf ums tägliche Brot bei den Heimarbeitern der Rhön ist schon vielfach zahlenmäßig belegt worden. Der Verdienst bei zwölf- und mehrstündiger Arbeit, unter Mitwirkung sämtlicher Familienmitglieder, bleibt außerordentlich gering. Wenn man mit einem zwölfstündigen Arbeitstag rechnet, was in der Regel noch zu tief gegriffen ist, ergeben sich folgende Mittelwerte des Tagesverdienstes?): Holzschnitzer°?) (Miltel- und Südrhön) 1.20—2.40 Mark 1) R.Wilbrandt, die Weber in der Gegenwart. Jena 1906. — 2) J. Oester- reicha.a.0. S. 101/107. — ®)M. Fleischer, die Holzschnitzerei in der Hohen Rhön a. a. ©. S. 456. 44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Holzschnitzer !) (Eisenacher Oberland) 1.20—1.50 Mark Beinenweber2) ern, 2577727050 1.008 Plüsehweber), 2». 0...0.,2.222,...1650 2008 Korksehneider Je 1.....3.20. 2 2.1.50 9.007208 Diese Zahlen geben beredter als Worte die Not der Heimarbeiter wieder. Schließlich darf bei der Berechnung des Jahresverdienstes nicht vergessen werden, daß der Heimarbeiter nicht immer den ganzen Tag arbeiten kann, daß ihn seine Landwirtschaft auch in Anspruch nimmt und endlich, daß viele Rhöner nur einen Teil des Jahres Heimarbeit betreiben. Ein Grund mehr den zentralen Teil der Rhön als Land der armen Leute °) zu bezeichnen. Die Lebensweise des Rhöners ist daher äußerst dürftig und steht weiter hinter der des Fabrikarbeiters zurück. Der Umsatz der Waren und auch des Viehes liegt in vielen Fällen in den Händen israelitischer Händler, die durch ihr Geschäftsgebahren so manchen Rhönbauern in Schulden stürzen. Zwangsverkauf und gelegent- lich auch der Weg zum Alkohol sind die unausbleiblichen Folgen ®). Die von Baumbach in seiner Statistik für den Regierungsbezirk Cassel (1882) S. 130ff. gegebene Tabelle verzeichnet die Hypothekengläubiger und läßt den großen Anteil jüdischer Gläubiger erkennen. Eine letzte große Hemmung für das wirtschaftliche Aufkommen der Rhönbauern liegt in der Enge des Wohnraurnes, wo in einem oder zwei Räumen Arbeitsstätte und Wohnraum für die zumeist zahlreiche Familie vorhanden sind. Die Folgen des engen Zusammenlebens sind frühe Ehe- schließungen, großer Kindersegen und immer aufs neue Armut und Dürftig- keit der Lebensführung. Zu den eigentlichen Heimbetrieben gesellen sich eine ganze Reihe fabrikmäßiger Betriebe aller der Untergruppen, die wir bei der Heimarbeit kennen gelernt haben. In der Holzindustrie sind es besonders die Säge- wmühlen, die in ihrer Verbreitung an die Flüsse und Bäche der Rhön ge- knüpft sind. Die zweite Gruppe der fabrikmäßigen Betriebe stellt die Textilindustrie, deren Arbeitskräfte zum Teil noch Heimarbeiter sind. Die immerhin beträchtliche Zahl der Betriebe zeigt die nachfolgende Tabelle. Gleichzeitig zeigt die Tabelle, in welchen Gebieten der Rhön die meisten Nebenbetriebe vorhanden sind. Es nimmt uns keineswegs Wunder, den Bezirk Dermbach an erster Stelle zu sehen, namentlich wenn wir zum Vergleich einen Blick auf die Karte der Heimindustrien werfen. 1) M. Fleischer, Holzschnitzerei im Eisenacher Oberland a. a. 0. S.495. — 2) Eiter, Leinenweberei in der Rhön a.a. ©. — 3) Kullmann, a.a. O. S. 199. — 4) C. Mittermüller, a. a.0. S.51. — 5) W. H. Riehl, Land und Leute. Stutt- gart 1861. S. 239/240. — 6) M. Gau, a.a.0. S. 37ff. DE . VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 45 Die Zahl der Betriebe für Holz- und Schnitzstoffe und in der Textilindustrie), Verwaltungsbezirke Industrie der Holz- Dextili f il und Schnitzstoffe a nauR D: . | Hauptbetriebe Nebenbetriebel Hauptbetriebe Nebenbetriebe Buldanı aa 9... N: 217 | 82 eg 7 Genckeldaen. 2. 147 OL 18 9 Blensteldu a. u. 152 | a 36 3 Flüntelaaı ebd au. 103 | 40 68 16 Schlüchtern‘. . .... 226 | 84 14 11 Schmalkalden . ... 502 45 5 4 Bauterbach. ..... 158 7102 130 69 Eisenach u... 309 | Be 35 10, Dermbachı . ..... 350 | 134 296 135 Memmeen\... ua. 307 83 47 19 Bruckemau oc... 64 50 7 3 Gemünden .....®.. 90 54 3 -— Hammelburg. ... . 13 49 5 _ Kassıngens 2.2... 129 91 2 5. Konfschotene, . ..... 67 61 5 1 Bohn. 95 | 22 7 D Mellrichstadt. . . . . 77 | 57 11 7 Neustadassı nn 2. 100 | 104 fe) 13 Die Industrie der Bodenschätze. Von den Industrien, die durch die Bodenschätze der .Rhön ins Leben: gerufen wurden, sind manche seit langem wieder eingegangen. Wie in anderen Gebirgen, ist auch in der Rhön nach Erzen, nament- lich Silber gesucht worden. Aus dem 17. Jahrhundert ‚wird uns voin. Silberbergwerken bei Hilders?) und beim Silberhof am großen Auersberge- berichtet. Ob dort Silber gefunden wurde, ist uns nicht bekannt. Eisen ist in tertiären Absätzen gefunden worden, das um 1567 einen. Eisenhammer auf dem Holzberge, 1595 eine Ofengießerei bei Bischofsheim und 1752 ein Eisenwerk bei Oberbach entstehen ließ. Heute werden. die Eisenockermassen hier und da als Farberde gewonnen. 1) Statistik des Deutschen Reiches. Gewerbliche Betriebsstatistik Bd. 218. Berlin 1907 und Bd. 219 Berlin 1909. — 2) H. Lübben, Beiträge zur Kenntnis der Rhön in medizinischer Hinsicht. Correspondenzblätter des Allgem. ärztlichen Vereins von Thüringen, X. Jug. 1881, 8.145. Ferner: J. C. W. Voigt, Minera-- logische Beschreibung des Hochstifts Fuld, Lpzg. 1794, S. 27. 46 Jahresbericht der Schles. Gesellscliaft für vaterl. Cultur. Seit langem werden die Schwerspatgänge!) bei Altglashütten südlich von Dammersfeld, beim Silberhof und bei Oberbach abgebaut?). Der Vergangenheit gehört die Auswertung der tertiären Tonlager zur Gewinnung von Porzellan an. Die Tonlager von Sieblos und Abtsroda wurden bereits vor 150 Jahren. durch eine Fuldaer Porzellanfabrik?) verwertet. 1741 wurde auf Grund dieser Tonlager die Fuldaer Fayencefabrik begründet, die nach ihrem Rück- gange um 1758 im Jahre 1765 als Fürstlich Fuldaische Porzellanfabrik weiter arbeitete und sich besonders durch bunte und blaue Kaffeeservice einen Namen machte. Um 1800 wurde die Fabrik stillgelegt. Diese Industrien von mehr lokalem Charakter wurden abgelöst von solchen, die auf breiter Basis aufbauen konnten, wie die der Steine, Braunkohlen und Kalisalze. In der Hauptsache sind es die Basalte der Rhön, die wegen ihrer Härte besonders günstiges Schottermaterial zur Straßenbeschotterung geben. Große Basaltwerke beuten neben kleineren Brüchen die basaltischen Decken der Rhön aus; in der Waldgebirgigen Rhön in Öberriedenberg bei Brückenau, in der Zentralrhön der Bauersberg bei Bischofsheim und in der Langen Rhön bei Roth und bei Hilders, in der Vorlandrhön aın Öchsen bei Vacha, am Heftberge bei Kaltennordheim und am Ulmenstein bei Hün- feld). Daneben wird auch 'Phonolith als Schotter, Buntsandstein und Muschelkalk als Baustein verwendet. An zweiter Stelle steht der Abbau der Braunkohlen. Es sind Kohlen tertiären Alters. Ihr Verbreitungsgebiet ist an das der vulkanischen Erguß- gesteine geknüpft, die die vegetationsreichen Einmuldungen der vorvulka- nischen Landform zudeckten. Die im Profil, sei es am Gebirgsabhang (West-Ostabfall der Rhön) oder in tiefeingreifenden Tälern freigelegten Unterkanten der Basalte sind die hangenden Zonen der tertiären Braun- kohlen. Die stärkste Ausbeutung von Braunkohlen besteht heute im Letten- graben bei Wüstensachsen, wo Pechkohle und Lignit in einer zwischen I und 25 cm schwankenden Mächtigkeit nachgewiesen sind®). Seit 1912 ist der Betrieb neu eröffnet; ihm kommt jetzt die Verlängerung der Ulstertalbahn bis Wüstensachsen zu gute. An zweiter Stelle steht der Braunkohlenberg- bau am Bauersberge bei Bischofsheim, der bereits 1521 angesetzt wurde und schließlich um 1852 wieder auflebte. Die Kohlenflöze sind etwa 12 m?) mächtig und enthalten eine erdige Braunkohle, die nach H. Bücking’) weniger zum Heizen als vielmehr zur Herstellung von Stiefelwichse und schwarzer Farbe dient. An anderen Orten des Ostabfalles der Hohen 1) B. Spieß, Die Rhön. Würzburg 1867. S.214. — 2) Vgl. H. Bücking, Geolog. Übersichtskarte der Rhön 1:100000. Berlin 1914. — 3) G. Richter, Über die Fuldaer Porzellanfabrik, Fuldaer Geschichtsblätter, 1905, S. 131/35. Bavaria, a.a. 0. S. 563. — 4% H. Bücking, Geolog. Führer durch die Rhön. Berlin 1916. S. 124. — °) H. Bücking, Geolog. Führer a. a. O. S. 65/80. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 47 Rhön, wie am Eisgraben, am Dürrengraben und bei Kaltennordheim wurden früher Kohlenflöze abgebaut. Der Abbau von Kaltennordheim war von 1700—1900 in Blüte!). Zeitlich an jüngster, seiner Bedeutung nach an erster Stelle sieht das Kalivorkommen in der Rhön. Nach H. Bücking?) liegt unter der Trias ein breites Becken von Zechstein zwischen dem rheinischen Schiefergebirge und dem Thüringer Walde; der südliche Rand liegt im Spessart, etwa in der Gegend von Aschaffenburg. Am stärksten wird der Zechstein in der Nordostrhön in einer breiten Zone von Vacha-Buttlar bis Altenbreitungen auf Kali ausgewertet. In neuerer Zeit ist auf der Westseite der Rhön in Neuhof bei Fulda ebenfalls ein Kaliwerk errichtet worden. Welche Be- deutung das Vorkommen der bis 275m mächtigen Steinsalzlager (mit Kalisalz- lagern von insgesamt 7.5 m Mächtigkeit) besitzt, läßt sich bereits aus der an anderer Stelle zu würdigenden Bevölkerungskonzentration und Bevölkerungs bewegung in der Nordostrhön erkennen. Die Kaliindustrie beginnt bereits auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Eisenacher Oberlandes einzuwirken. Jetzt haben schon 13 Kaliwerke in der Nordostrhön und das in Neuhof bei Fulda eine größere Anzahl von Gruben errichtet. Bereits im Jahre 1907 waren fast 2000 Arbeiter in den Salzbergwerken beschäftigt. Eine Folge des überall im Untergrund der Rhön vorkommenden Salzes ist der Salzgehalt zahlreicher Mineralquellen. Einige der Salzquellen sind seit Jahrhunderten bekannt, wie die in Salzungen, Brückenau und Kissingen. Heim berichtet in der Hennebergischen Chronik®): ‚Da nun dieses Amt (Salzungen) an denen Grenzen Thüringens lieget, also, daß die Catten Henneberg bewohnet, und die Hermunduri Thüringen innen gehabt, so halte ich dafür, daß der, von Tacito, in dem XIII. Buch seiner Jahrbücher und dessen 57. Capitel bemerkte Streit und die Schlacht um die Salz- quellen zwischen beiden Völkern nicht füglicher könne verstanden werden, als von diesen Quellen“. Die Kissinger Salzquellen, die 823?) zum ersten Male erwähnt werden, brachten erst seit dem Jahre 1559 reicheren Ge- . wion und dann nach der Zerstörung der Saline im 30jährigen Kriege wieder seit 1655°). Die drei Quellen von Brückenau waren bereits den Fuldaer Mönchen bekanut; seit 1747 setzt ein stärkerer Badebetrieb ein®). Die Mineralquellen der Röhn liegen peripher um den Kern des Gebirges: im Lüttertal: Memlos, Weickardshof im Sinntal; Kothen, Brückenau, Oberriedenberg im Saaletal: Kissingen, Bocklet, Neustadt ım Werratal: Salzungen. !) Erläuterungen zum Blatt Tann S. 29. — 2) H. Bücking, Geolog. Führer durch die Rhön, Berlin 1916, S. 37/40. F. Beyschlag, Geolog. Übersichts- karte der Kalisalzvorkommen im Werragebiet. Herausgegeben von der Kgl. preuß. geolog. Landesanstalt. Maßstab 1:100000. — 3) J. L. Heim, Hennebergische Chronik... 1I. Teil, S. 239 ff. Meiningen 1767. — #) Bavaria, a. a. ©. S. 496 ff. 5) Bavaria, a.a. O. S.498. — 6) ebenda a.a.O. S. 462. - 48 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Gultur- Die Neimindustrie a. Rhön. & Holzschnitz-Industrie oO Tell - | Sonslie- u A:300 000. VI. Abteilung. Sektion für Geologie, Geographie, Berg- und Hüttenwesen. 49 Rotes Moor bei Gersfeld. In der im großen Hörsaal des Eisenhüttenmännischen Instituts der Technischen Hochschule abgehaltenen Sitzung vom 9. November er- folgte zunächst die Wahl der Sekretäre und Delegierten in das Präsidium für 1919 und 1920. Hierbei wurden die Herren Berghauptmann Dr. Schmeisser, Professor Simmersbach, Geh. Regierungsrat Professor Dr. Supan wiedergewählt. Herr Supan lehnte aber die Wahl wegen Krankheit ab. Herr Pro- fessor Simmersbach starb am 14. Dezember 1918. Sodann hielt Herr Professor Dr. Oberhoffer einen Vortrag über „Eisen und Stahl unter dem Mikroskop‘. pe: 1918. 4 dehlesische Gesellschalt für yalerländische Gultur. IN A 96. | VI. Abteilung. Jahresbericht. | d. Chemische Sektion 1918. ‚ (Chemische Gesellschaft zu Breslau). ©,x Er ELBE One NEO ZSON GERD RR AIR DEELUE BR ER RER RENNE SENC) Sitzungen der Chemischen Sektion (Chemische Gesellschaft zu Breslau) im Jahre 1918. Sitzung am 13. Januar. Zusammensetzung und Temperaturbeständigkeit der Karbide von O7 Run Sitzung am 10, Mai. Über die Bildung des Milchzuckers in der Milchdrüse von | F. Röhmann. Sitzung am 6. Dezember. Darstellung von Phosphortrioxyd in der Vorlesung von HoBrltz. Oxydation von Alkaloiden mit Merkuriazetat von J. Gadamer. W. Herz. 1918 Sehlesische Gesellschaft für vaterländische Gultır. TEILE E) 96. | . Jahresbericht. | Nekrologe 1918. | ©&c BBRENS, ER 2 BIO; Nachrichten über die im Jahre 1918 verstorbenen Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft für vaterl. Cultur. Alphabetisch geordnet. Am 20. August 1918 starb der Geheime Sanitätsrat Prof. Dr. Conrad Alexander, Privatdozent an der Universität Breslau. Am 15. April 1856 als Sohn des Fabrikbesitzers Siegfried Alexander zu Liegnitz geboren, war er ein Schüler des Gymnasiums seiner Vater- stadt. Nach dem Abiturium im Jahre 1875 an dieser Anstalt, studierte er in Heidelberg, ‚sowie in Breslau, und wurde Winter 79/80 als Arzt approbiert. August 1830 wurde ihm auf Grund seiner unter der Leitung von Oscar Berger angefertigten. Dissertation: Zur Lehre von den Zwangsbewegungen der Doktortitel verliehen. Seine Ausbildung zum Internisten erwarb er sich als langjähriger Assistent der medizinischen ‚Universitätsklinik unter Biermers Leitung. In diese Zeit fallen seine sämtlichen Veröffentlichungen, deren eine Gruppe sich mit den Wirkungen der damals neu aufkommenden Fiebermittel Kairin, Thallin und Antipyrin befaßte. Im Verfolge dieser Studien liegt eine Statistik über die gesamte Therapie der Typhusfälle der Breslauer Klinik aus der Dekade 1874/84/5, die eine Vergleichung der Brand’schen Bäder- behandlung mit der damaligen eingreifenden Antipyrese insoweit ermöglicht, daß ein günstiger Verlauf wie bei den gebadeten Fällen ungefähr ebenso hei Antipyrinbehandlung hervortrat. Diese Arbeiten leiteten ihn zu allerlei Mitteilungen über Nebenwirkungen von Arzneimitteln über, wobei er das Antipyrinexanthem zuerst "beschrieb. In diesen Kreis gehören andere Giftwirkungen, so Fischvergiftungen, universelles Mercurialekzem, ein Exanthem nach Tartarus boraxatus, der damals als Diureticum gelegentlich benutzt wurde. An seine . Typhusstudien schlossen sich an Mitteilungen über einen Fall von atrophischer Lähmung nach Typhus, sowie über ein pustulöses Exanthem nach Typhus. Sein Interesse an nervösen Erkrankungen führte ihn zur Veröffentlichung eines Falles von gummösen Ge-. schwülsten der Hirnrinde, und zu den klinischen und experimentellen 1918. 1 I Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. . Beiträgen zur Kenntnis der Lähmungen nach Arsenvergiftung, auf Grund deren er sich 1889 als Dozent habilitierte. Von da ab lebte er seiner Poliklinik, seiner umfangreichen Privatpraxis, in der er seine eigent- liche Befähigung als trefflicher Diagnostiker und Therapeut betätigen. konnte. Collegien hat er nur einige Jahre gelesen. Es war ihm gegönnt, sein Leben in Behagen und guter Gesundheit zu verbringen; er, als Junggeselle, war bemüht, seinen Angehörigen all das Liebe, was sonst die Ehe absorbiert, anzutun. Ein plötzlicher: schmerzloser Tod beendete ein zufriedenes Leben. Georg Rosenfeld. Nicht nur die schlesische Psychiatrie, nicht nur unser engerer Kreis- von Fachgenossen, nein der gesamte Stand der Ärzte hat einen schweren. Verlust erlitten, als am 13. Januar 1918 im fast vollendeten 75. Lebens- jahre der langjährige Direktor der Provinzial-Heil- und Pflegeanstak zu Leubus, Geheimer Sanitätsrat Dr. Wilhelm Alter, nach ganz kurzem: Krankenlager die Augen schloß. Er hatte, seitdem er — zwei Jahre vor Kriegsausbruch — in .den Ruhestand getreten war, in stiller Zurück- gezogenheit in einem kleinen Vorort im Süden von Breslau gelebt, und ‚die Zahl derer, die der schlichten Feier im Trauerhause anwohnen konnten, war — den gegenwärtigen Zeitläuften entsprechend — nur eine: . geringe; viel größer war sicherlich die Zahl derer, die mit treuem Ge- denken aus der Ferne teilnahmen, und über ganz Deutschland verbreitet der Kreis der Fachgenossen, die dem Entschlafenen eine hone Schätzung und Sympathie entgegenbrachten und denen sein Hinscheiden eine. schmerzlich empfundene Lücke bedeutet. Der äußere Rahmen, in welchem das Leben Wilhelm Alters sich abgespielt hat, war ein eng gespannter, mit wenigen Daten sind die \Wegzeichen seiner Laufbahn abgesteckt: Am 14. Mai 1843 als Sohn eines- protestantischen Geistlichen in dem kleinen schlesischen Städtchen Frauß, Kreis Nimptsch, geboren, genoß er seine Gymnasial- und Universitätsbildung in Breslau; noch vor vollendetem medizinischen Staatsexamen nahm er an dem Kriege 1866 teil; am 24. Juli 1868 trat er als Volontärarzt an der Anstalt Leubus ein, am 1. November 1869 wurde er als dritter Arzt daselbst angestellt; am 25. Oktober 1871 über- nahm er die Leitung und alleinige ärztliche Versorgung der Irren- Pflegeanstalt in Brieg.. Am 4. Juli'1884 kehrte er als Direktor an die Anstalt zu Leubus zurück und wirkte als solcher dort ununterbrochen. 2S Jahre bis zu seinem am 1. Oktober 1912 erfolgten Übertritt in den Tiuhestand. | Auf einem hinterlassenen Zettel sind von der eigenen Hand des Verstorbenen diese Angaben eingetragen, ein schlichter Lebenslauf, das Nekrologe. | / d Leben eines Beamten. Und in der Tat, man kann sich aus der Persön- lichkeit dieses Mannes die Art des preußischen Beamten nicht weg- denken: von peinlicher Pünktlichkeit und unbedingter Verläßlichkeit, geradlinig und korrekt, geordnet und zusammengerafft in allem, was er sagte und unternahm, treu und aufrecht, stets der Pflicht folgend, die ihm Richtschnur war für seine Neigung, so war er das Vorbild einer kraftvollen, harmonischen, geschlossenen Persönlichkeit, so kannten und schätzten ihn seine Vorgesetzten, so sahen und verehrten ihn seine Untergebenen. Seine Bedeutung aber war tiefer begründet. Gewiß war er ein trefflicher Beamter, aber er war nicht Nur-Beamter, er war Beamter geworden, weil das Wirken an einer öffentlichen Anstalt es so mit sich brachte und weil dies’ nicht anders sein konnte, deshalb war er es auch ganz und blieb dieser Seite seiner Stellung wahrlich nichts schuldig. Aber in erster Linie war er Arzt und Akademiker und fühlte sich als solchen. Auch für sein amtliches Denken und Handeln blieb ‚stets das Bewußtsein leitend, daß ihm die Fürsorge für kranke Menschen anvertraut war. Er hatte einen außerordentlich hohen Begriff von der Bedeutung und Würde des ärztlichen Standes. Die Ethik des Berufs war ihm eine heilige Sache und aufs tiefste bewegte es ihn, als durch den Gang der sozialen Entwicklung und die Not der Zeit auch der Ärzteschaft die Widrigkeit von Lohnkämpfen nicht erspart blieb und die alte vornehme Tradition und Geltung des Standes bedroht schien. Er wurde Mitglied des ärztlichen Ehrenrats, er nahm die Wahl zur neugegründeten schlesischen Äztekammer an und übernahm in der Zeit der heftigsten wirtschaftlichen Kämpfe, obwohl selbst unbeteiligt, den Vorsitz im Ärzteverein seines Kreises. Hochhaltung des Standes- bewußtseins und Pflege der kollegialen Gesinnung waren ihm Aus- gangspunkt und Ziel und er zögerte nicht, mit ganzer Kraft in die Bresche zu springen. Die Reife seiner Erfahrung und sein unbeirr- bares Taktgefühl schützten ihn dabei vor jedem Konflikt: mit seinem amtlichen Wirken. Als Student hatte Alter der alten Breslauer Burschenschaft der Raezeks zugehört und ein Nachhall der Begeisterung für die Jugend- ideale blieb in ihm dauernd wirksam. Wenn er auch, nachdem die Sehnsucht nach der deutschen Einheit erfüllt war, ‚politisch im Laufe der Jahre ein gutes Stück weiter nach rechts gerückt war, so behidik das Wort „liberal“ für ihn doch stets einen hehren Klang, und er machte Nahestehenden kein Hehl daraus, daß es ihm manchmal schwer ankam, mit der zunehmenden Bürokratisierung in der Verwaltung und im öffentlichen Leben sich abzufinden. Und wenn gar solche Bestrebungen in den eigenen Reihen sich zeigten, wenn praktische Ärzte, Mitglieder eines freien Standes, ohne Not von sich aus auf Verstaatlichung hin- 1# A Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. (drängten, war ihm dies besonders unerfreulich und unbegreiflich. Jede Einengung selbständiger Leistungs- und Entscheidungsfreiheit erschien ihm vom Übel, und wenn seine Person mit in Frage kam, konnte er sehr scharf, ja schroif in der Abwehr sein. Geheimrat Alter hatte eine ausgezeichnete allgemeinärztliche Durchbildung, war ein trefflicher Praktiker und geschickt in allen, auch chirurgischen Verrichtungen. Und er war mit ganzer Seele bei dem von ihm erwählten psychiatrischen Beruf. Er hatte einen vorzüglichen Blick für die Eigenart der Kranken, ein instinktives Feingefühl für ihre Gemütsstimmung und inneren Regungen. Sein Verständnis flo aus dem Herzen. Humanität als Signatur des ärztlichen Wirkens war für ihn, nicht eine Forderung und ein Schlagwort, sondern der unmittel- bare Ausfluß seines Empfindens und persönlichen Art. Sie bestimmte den Ton und Geist, der in der Anstalt herrschte und übertrug sich auf seine Mitarbeiter, von denen viele selbst seither Anstalten leiten und den Segen, der von ihm ausging, weiter breiten helfen. Wie Geheimrat Alter den Kranken gegenüber sich gab, wie er mit ihnen sprach, sie anhörte und tröstete, jeden Wunsch beachtete und ihnen Behaglichkeit zu schaffen wußte, das war alles so selbstverständlich, kam so unmittel- bar und menschlich einfach, daß die Wirkung nicht ausbleiben konnte. Und so genoß Geheimrat Alter denn auch ein ungewöhnliches Maß von Vertrauen und Verehrung bei all seinen Patienten, welchen Be- völkerungskreisen auch immer dieselben angehören mochten. Wissenschaftlich-Äiterarisch hat Alter sich nicht betätigt, doch verfolgte er dauernd — bis in die allerletzte Lebenszeit — die Fort- schritte der Forschung und wo er nur immer konnte, förderte er das Streben jüngerer Kollegen und wirkte dahin, dab die Arbeit in der Anstalt stets von wissenschaftlichem Geiste beseelt blieb und den An- forderungen des jeweiligen Wissenstandes entsprach. Regelmäßig all- jährlich in den Ferien wurden bis in die Mitte der 9er Jahre sechs- wöchige Unterrichtskurse für Studenten abgehalten, eine Reihe von Doktordissertationen fand hierbei ihre Entstehung, dem reichbegabten Kollegen Richard Sandberg, dem leider so früh verstorbenen, bot er mehrmals durch Monate einen gastlichen Arbeitsplatz, und man darf wohl sagen, daß in bezug auf wissenschaftliches Leben die Anstalt Leubus unter Alters Leitung ihrem alten guten Ruf Ehre machte und hinter keiner anderen Anstalt zurückblieb. Auch in der inneren Aus- gestaltung der Anstaltseinrichtungen hielt er stets mit der Zeit Schritt, der frühzeitigen Abschaffung der Zwangsmittel folgte später ein weit- gehender Verzicht auf Zellenisolierung und die systematische Durch- führung der Bettbehandlung, zunächst hauptsächlich in der öffentlichen Anstalt, später auf Anregung seines Sohnes (des jetzigen verdienten Direk- Nekrologe. 5 tors von Lemgo) auch in der Pensionsanstalt, welche von jener völlig losge- trennt ist und nicht nur wegen des anspruchsvolleren Krankenmaterials, sondern auch wegen der Eigenart der räumlichen Anlage solchen Um- wandlungen besondere Schwierigkeiten bot. Auch Dauerbäder wurden selbstverständlich eingerichtet und schließlich die Modernisierung der Anstalt durch Neubauten für 800 Kranke und ausgedehnten landwirt- schaftlichen Betrieb vervollständigt. Mit Vorliebe nahm Alter an den Versammlungen der Fach- genossen teil und war dort mit seiner Empfänglichkeit für jede neue Anregung und mit seiner prächtigen Freude an kollegialer Gemeinschaft und zwangloser Fröhlichkeit eine der sympathischsten, allgemein ver- ehrten Erscheinungen. Ihm selbst war der Austausch der Meinungen von je ein inneres Bedürfnis und der Ostdeutsche Verein für Psychiatrie hat ihm, der sich vor 45 Jahren mit vier Gleichgesinnten zusammentat, seine Begründung mit zu danken. Bis in sein letztes Lebensjahr hat er, seit 10 Jahren als Ehrenmitglied, fast allen wissenschaftlichen Sitzungen des Vereins beigewohnt und er hat durch die eigene rege Teilnahme auch am geselligen Beisammensein viel zur persönlichen Annäherung der Kollegen beigetragen. In diesem Kreise wird sein Fehlen ganz be- sonders bekagt werden. Das Bild des teuren. Entschlafenen wäre unvollständig, wenn nicht auch der Gastlichkeit gedacht würde, mit welcher Geheimrat Alter in glücklichen Tagen sein Haus den Freunden und vor allem den Assistenzärzten zu zwanglosem Familienverkehr jederzeit offen hielt. Und nur wer die Innigkeit: seines Verhältnisses zu den Seinigen, diese gegenseitige zarte Rücksichtnahme und fürsorgliche Liebe aus der Nähe geschaut hat, konnte das volle Verständnis gewinnen für die Gemütsart dieses kraftvollen, kerndeutschen Mannes. Sein Andenken wird in den Herzen der vielen, denen er Treue hielt, in Dankbarkeit fortleben. | Dr. Clemens Neisser. Dr. Kurt Blaschke, am 3. Juni 1892 zu Beuthen O.-S. geboren, genoß seine erste Ausbildung auf der dortigen Oberrealschule, die er Ostern 1911 mit dem Zeugnis der Reife verließ. Seinen praktischen Neigungen folgend, trat er in die Maschinenbauanstalt in Eintracht- hütte O.-S. ein, jedoch vermochte ihn dieses Arbeitsfeld für die Dauer nicht zu fesseln, und so sehen wir ihn im Herbst 1911 als Studenten der Universität Breslau wieder. Er widmete sich dem Studium der Natur- wissenschaften und Mathematik, wobei sich in ihm eine "besondere Vorliebe für Mineralogie und Chemie entwickelte. Die sorgfältige Er- ziehung, die ihm als einziger Sohn in seinem Elternhause zu Teil ge- worden war, behütete ihn vor den Gefahren der studentischen Freiheit. 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Ohne sich vom ernsten Studium abbringen zu lassen, genoß er in unver- wiüstlicher Jugendfrische die Freuden des Studentenlebens. Seine Doktor- arbeit über Wasserbindung und Basenaustausch im Desmin hatte er, trotz anfänglicher Mißerfolge, durch Umsicht und Fleiß noch vor Ausbruch des Krieges zum Abschluß gebracht. Sein Name wird in der wissenschaftlichen Literatur mit der interessanten Mineralgruppe der Zeolithe dauernd verknüpft bleiben. Nachdem er sein Doktorexamen mit dem Prädikat magna cum Jlaude bestanden hatte, zog er als Freiwilliger in den Krieg. Die freundschaftlichen Be- ziehungen zum mineralogisch-petrographischen Institut der Universität Breslau hat er auch während der schwersten Kämpfe und der größten Märsche durch regen Briefwechsel aufrecht erhalten. Die Liebe zu seinen Eltern, mit den zusammen er die kurze Urlaubspause verlebte, hielt ihn nicht davon ab, auch seinem ernsten Hang zur Wissenschaft durch Aufsuchen der Stätten seiner studentischen Tätigkeit Ausdruck zu verleihen. Seinen einzigen längeren Urlaub zu Beginn des vierten Kriegsjahres benutzte er dazu, die Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen ab- zulegen. Mit übersprudelnder Freude und der ihm eigenen, tiefen Anhäng- lichkeit für seine Studiengenossen, gedachte er vor seinem Abschied der schönen Zeiten. die ihm die Alma Mater Viadrina beschert hatte. Kaum wieder ins Feld zurückgekehrt, setzte eine feindliche Granate am 1. April 1918 seinem unermüdlichen und hoffnungsvollen Streben ein jähes Ende. Mit seinen Eltern und seinen Studienfreunden beklagt die Schle- sische Gesellschaft für vaterländische Cultur zu Breslau, der er seit dem 1. August i914 als ordentliches Mitglied angehörte, seinen frühen Heim- gang; sein lebhaftes Interesse für die Gesellschaft sichert ihm ein dauerndes freundliches Andenken ihrer Mitglieder. Breslau, Februar 1919. A. Beutell. Arthur Blaschnik, Landschaftsmaler, Ehrenmitglied der Gesell- schaft, gestorben den 10. Oktober 1918. Seine Familie war in Bries beheimatet. Er selbst aber war am 8. Dezember 1823 zu Strehlen geboren, wo sein Vater die Stelle eines Steuerbeamten * inne hatte. Dieser nämlich war 1813 im Alter von sechzehn Jahren als Schüler des Magdalenen-Gymnasiums in Breslau beim Yorckschen Corps im 1. Ostpreußischen Grenadier-Regiment als Freiwilliger eingetreten, hatte alle Schlachten von Lützen bis Belle-Alliancee mitgemacht und hatte nach seiner Rückkehr, da er das väterliche Geschäft sehr zurück- sekommen vorfand. ein Unterkommen bei der Regierung, zunächst als Hilfsarbeiter für die Vorbereitung der neuen Mahl- und Schlachtsteuer- us 95, ARE Nekrologe. 7 ‚gesetze, gefunden, war aber allmählich in die Stelle eines Königlichen Steuer-Einnehmers aufgerückt. Als solcher lebte er in Strehlen, als Arthur geboren wurde. Zehn Jahre später (1833) wurde er an das Grenz-Zoll- und -Postamt von Ziegenhals versetzt, das als Abfertigungs- station‘ für Reisende nach dem durch die Kaltwasserheilanstalt von Vincenz Prießnitz zu europäischer Berühmheit gelangten Gräfenberg von besonderer Bedeutung war. Hier machte der Knabe die ersten seiner vielen interessanten Bekanntschaften: so (1841) mit der bereits verwitweten Schwiegertochter Goethes und ihren beiden Söhnen, denen er sich als Führer in der reizvollen Umgegend von Gräfenberg und als ‚Spender geologischer Fundstücke angenehm zu machen wußte; um dieselbe Zeit mit dem in Schlesien geborenen Diplomaten, Graf Brassier de Saint-Simon, dem er nach Diktat die Antworten auf die für ihn einge- gangene Korrespondenz schrieb. Die Geschicklichkeit, mit der er sich dieser Aufgabe unterzog, trug ihm von dessen Seite das Angebot ein, ihn als Privatsekretär nach Athen zu begleiten. Aber so verlockend dies auch war, er lehnte ab, weil bei ihm der Entschluß, sich der Malerei zu widmen, feststand. Hat er doch bereits, wie er mir selbsi erzählte, in Gräfenberg Bilder von der Umgebung gemalt, die sich “es Beifalls der Kurgäste erfreuten und ihm das erste Honorar einbrachten. Ihm selbst verschaffte der vierjährige Gebrauch der Wasserkur, was selbst Landeck nieht vermocht hatte, Befreiung von einem langwierigen 'bösen Fußleiden. Sowie er daher Erlösung von den Krücken, auf denen er jahrelang hatte gehen müssen, erlangt hatte, beschloß er, zunächst zu seiner Ausbildung sich nach München und von da nach Rom zu be- geben. Auf diese beiden Stätten damaliger höchster Kunstblüte war er besonders hingewiesen worden durch die begeisterten Schilde- rungen, die der gewiegte Kunstkenner, Graf Athanasius Raczynski, Gesandter Preußens in Madrid, in einem aufsehenerregenden, kunstge- schichtlichen Werke von dem unter König Ludwig I. aufblühenden München und von dem Kunstleben in Rom entworfen hatte. Dieses Buch hatte der junge Graf Raczynski, der Neffe des Verfassers, mit nach Gräfenberg nehmen wollen, doch war es ihm auf der österreichischen Grenzstation konfisziert und nach Ziegenhals zurückgeschiekt worden. Blaschnik übernahm auf Bitten des Grafen die Aufbewahrung gegen ‚die gern erteilte Erlaubnis, das Buch lesen zu dürfen. So machte er sich 1843 auf die Wanderschaft. Zwar nicht geradeu Weges nach München, sondern erst nach Wien. Aber nicht lange war daselbst seines Bleibens. Schon im nächsten Jahre brach er zu Fuß durch Steiermark nach München auf. Hier verbrachte er 7 Jahre in eifrigem Studium der Landschaftsmalerei, die in Karl Rottmann einen ihrer ausgezeichnetsten Vertreter hatte, ließ aber auch alle anderen neu s Jahresbericht der Schles.. Gesellschaft für vaterl. Cultur. entstandenen und entstehenden Kunstschöpfungen mächtig auf sick einwirken. Jcdoch auch hier blieb das Ziel seiner Sehnsucht Italien. Nach diesem machte er: sich 1852 auf. Zwar kam er auch hier nicht schnurstracks nach Rom. Venedig und Florenz fesselten ihn ein Jahr lang. Aber am 12. Oktober 1853 hielt er durch die Porta del Popolo- seinen Einzug in der damaligen Hauptstadt der Kunst, der ewigen Roma. Er kam, nur auf sich gestellt, ohne alle öffentliche oder private Unter- stützung, und mußte sich den Unterhalt allein durch seine Kunst er- werben. Dies geschah durch Erteilung von Unterricht, noch mehr aber durch die Erzeugnisse seiner Hand. Er faßte den kühnen Plan, sowohl die gesamte antike Ruinenwelt als auch die Umgebung in Bildern und Zeichnungen festzulegen. Und die Ausführung geschah mit dem denkbar srößten Erfolge, so daß er bald nicht nur zu leben, sondern auch reichlich zurückzulegen hatte. Solcher Schätzung erfreuten sich seine Aquareile- und Zeiehnungen nicht nur seitens der Künstler sondern auch der Kunst- freunde. Schon 1858 erhielt er den Auftrag für das Reisealbum der Kaiserin Charlotte von Rußland, der Gemahlin von Nikolaus L,alle die Plätze in und um Rom aufzunehmen, welche die Kaiserin unter Führung des Preußischen Ministerresidenten Alfred von Reumont besucht hatte. Zu Weihnachten desselben Jahres traf König Friedrich Wilhelm IV. mit seiner Gemahlin Elisabeth in Rom ein und nahm im Palazzo Caffarelli, dem Sitze der Preußischen @Gesandtschaft, Wohnung. Blaschnik wurde von der Königin damit betraut, von den Fenstern und dem Garten des Palazzo aus Zeichnungen auszuführen. Auch diese fanden den Beifall der hohen Bestellerin. So konnte nicht ausbleiben, daß viele andere Aufträge von Fürstlichkeiten und den zahlreichen, damals Rom mit Vorliebe aufsuchenden Kunstmäzenen folgten. Hatte er sich anfangs die malerischen Reste des alten Rom und seiner Umgebung, die Cam- pagna, Tivoli, Frascati mit der Villa d’Este, und Olevano ausgesucht, so gab er später diese Beschränkung auf. Er reiste nach Neapel, von dessen herrlicher Umgebung er prachtvolle große Aquarelle machte, die zum Teil in dem Besitz des Fürsten Friedrieh Wilhelm von Hohenzollern- Hechingen und so nach dessen Rücktritt von der Regierung, wenn auch nur vorübergehend, nach Hohlstein in Schlesien kamen. Auch Ausbrüche des Vesuv verewigte er in zahlreichen Bildern. Und er war stolz darauf, die von seinem Landsmann August Kopisch entdeckte Blaue Grotte von Capri als erster in Bildern wiedergegeben zu haben, die mit einem aus seiner Feder geflossenen Texte 1860 in der ‚Illustrierten Zeitung‘ repro- duziert wurden. Letzteres wurde auch den Bildern zu Teil, die er in den sechziger Jahren von den durch die Ausgrabungen Napoleons II. in ihrem Aussehen stark veränderten Ruinen der Kaiserpaläste auf dem Palatin sowie vom römischen Forum machte. Hatte zu dieser Veröffent- Nekrologe. ®) lichung sein studienhalber in Rom weilender junger Freund, Dr. Benrath, heut Professor der Kirchengeschichte an der Universität Königsberg, den Text verfaßt, so fiel die Aufgabe für die zahlreichen Holzschnitte, durch welche seine Werke in illustrierten Zeitschriften, wie der genannten ‚Illustrierten Zeitung‘ und in ‚Über Land und Meer‘, zur Kenntnis weite- ster Kreise gebracht wurden, Geleitworte zu schreiben, alsbald einer Dame zu, die er in Rom kennen lernte und zu seiner l.ebensgefäbrtin erkor (1870). Es war dies die aus Berlin gebürtige Schriftstellerin Fanny Arndt, die auch nach ihrer Vermählung fortfuhr, unter ihrem. Mädchennamen F. Arndt zahlreiche Bücher, wie ‚Der Frauen-Anteil an der Weltgeschichte‘, ‚Mütter berühmter Männer‘, ‚Die deutschen Frauen in den Befreiungskriegen‘, ‚Fürst Hardenberg. Sein Leben und Wirken als Staatsmann‘, ‚Eduard Hildebrand‘, Geschichte der Familie Cairoli von 1860— 1872‘ u.a. zu verfassen und auch in der Sonntagsbeilage der Vossi- schen Zeitung viel beachtete Feuilletons über ‚Das neue Italien‘ zu schreiben. Die Begeisterung: für Rom, von der er erfüllt war, spornteiihn auch zu größtem Fleiße an, und zuletzt durfte er rühmen, nicht nur, daß seine Romstudien von denen keines andern an Treue und künstlerischer Auffassung über- troffen würden, sondern auch, daß niemand so viel aus Italien heraus- getragen habe wie er. Einen besonderen Wert haben sie auch für die Archäologie durch die Treue, mit der sie den seitdem wesentlich ver- änderten Zustand der Baulichkeiten wiedergeben. Und doch ging er keineswegs in diesen Studien auf. Er hatte ein sehr liebenswürdiges und .geselliges, zugleich aber auch praktisches Naturell, Eigenschaften, die ihn für den Verkehr mit anderen besonders geeignet machten. Auch wetteiferte er mit Kopisch in der Fähigkeit, poetischen Gefühlen und Gedanken in leicht dahinfließenden Versen Ausdruck zu verleihen. Proben sind in dem Sammelwerke ‚Deutsche Kunst in Bild und: Lied. Original-Beiträge deutscher Maler und Dichter, Jahrgang 1862, heraus- gegeben von Carl Rohrbach‘, enthalten. Diese Gaben machten ihn bald zu einem hochgeschätzten Mitgliede des Deutschen Künstlervereins in Rom. Er war der offizielle Festdichter für alle damals mit köstlichstem Humor gewürzten Veranstaltungen des Vereins. Aber auch zu dessen Sekretär und Konservator wurde er gewählt und bekleidete diese Würde von 1854 bis 1880. Als Vorstandsmitglied trat er aber auch bei ernsten Angelegenheiten hervor. So bei der Erneuerung der fast versunkenen Grabstätte des in der Jugendblüte dahingerafften schwäbischen Dichters Wilhelm Weiblinger an der Cestius-Pyramide; bei der auf Wunsch des Großherzogs von Sachsen-Weimar erfolgten Exhumierung der Leiche von Asmus Jakob Carstens.. Und als König Friedrich Wilhelm IV. bei seinem Besuche der Stadt Rom 1859 den Wunsch geäußert hatte, die Werke der in Rom lebenden deutschen Künstler. in einer Ausstellung 10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. vereinigt zu sehen, wurde Blaschnik nicht nur zum Vermittler des Yunsches ausersehen, sondern trug auch selbst nicht wenig zum Ge- lingen der Ausstellung, an der sich alle Künstler in Rom beteiligten, bei. Sie nahm mit ihren fast 250 Werken dreizehn Zimmer (des Palazzo Patrizi ein. Der König, von Blaschnik geführt, kargte nicht mit seinem Beifall. Schwere Zeiten brachten dem Verein die Ereignisse des Jahres 1866. Die auf den Schlachtfeldern ausgefochtenen Kämpfe. fanden ihren Widerhall in den Reihen der Mitglieder des Vereins. Die Mehrzahl, im Banne der ‚Ausburger Allgemeinen Zeitung‘ stehend, die sine Zertrümmerung Preußens oder wenigstens seine Rückführung auf den Umfang des Kurfürstentum Brandenburg forderte, war großdeutsch gesinnt. In dem Häuflein der Preußen stand Blaschnik in vor- derster Reihe. Er erklärte allabendlich in den Vereinsräumen, als der ‚Generalstäbler‘, an den Karten des großen Stieler die Kriegsoperationen auf den ihm wohlbekannten böhmischen Schlachtfeldern und trat den T.ägennachrichten von Niederlagen der Preußen mit den auf der Preußi- schen Gesandtschaft genommenen Abschriften der amtlichen Depeschen entgegen. Als jedoch der Ausgang der Schlacht von Königgrätz kekannt wurde, erklärte ein großer Teil der Mitglieder seinen Austritt aus dem Verein, sodaß dessen Lage äußerst kritisch wurde. Denn das Häuflein der Verbliebenen war außerstande, die Kosten der Unterhaltung aufzubringen. Blaschnik sah den einzigen Ausweg in einem an den König zu richtenden Bittgesuch um eine jährliche Subvention von 500 Talern. Es wurde von ihm aufgesetzt, dem Gesandten überreicht und nach kurzer Zeit vom König gnädig beschieden, ja, die noch heut gezahlte Subvention wurde bald auf 750 Taler erhöht. Auch nahm der König das Protektorat über den Verein an. Allmählig fand auch ein Teil der ausgetretenen Mitglieder den Rückweg in den Verein, und dieser nahm einen neuen Aufschwung. PBlaschnik bedauerte später, daß in dem 1997 erschienenen Buche ‚Deutsches Leben in Rom 1700 bis 1900° (S. 328) hierüber nicht mit genügender Klarheit berichtet worden war. Ir setzte sich deshalb mit dem Verfasser, Friedrich Noack, in Ver- kindung, und dieser versprach eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Umarbeitung für die zweite Auflage. | Aber auch für anderes hatte er Zeit. - Heißt es nicht auch: Sölesia cantai? Er hatte eine sehr schöne Baßstimme, und allsonntäglich konnte man ihn auf dem kleinen Chor der preußischen Gesandtschaftskapelle sehen, um mit wenigen Genossen den auf Bunsens Einrichtung zurück- gehenden liturgischen Teil des Gottesdienstes zu wverschönen. Auch einer Vereinigung für Ausschmückung der Kapelle gehörte er an. Erst recht hatte er Zeit für den Kreis seiner Freunde und der ihm näher- zetretenen Besucher Roms. Und dieser Kreis war sehr groß. Er Nekrologe. 11 erstreckte sich nicht blos auf Künstler, unter denen hier nur wenige genannt werden können, wie der ihm gleichaltrige Bildhauer Heinrich Gerhardt, der noch vor ihm nach Rom gekommen war und erst nach ihm von demselben schied, um, wie es heißt, 4 Tage nach dem Wieder- betreten des deutschen Bodens an Sehnsucht nach Rom zu sterben; der Bildhauer Reinhold Begas, der Maler Ludwig Knaus. Ebenso groß war der Kreis der Schriftsteller: Paul Heyse, der zum Studium der proven- zalischen Handschriften der Vatikanischen Bibliothek in Rom weilte, dessen Oheim Theodor Heyse, der Übersetzer des Catull und Aischylos, Hermann Grimm, Widmann, Leyin Schücking, Adolf Stahr und Fanny Lewald, Viktor von Scheffel, Richard Schoene. Mit Wolfgang von Goethe, dessen Bekanntschaft er in Ziegenhals gemacht hatte und der von 1852 bis 1856 preußischer Gesandtschaftssekretär in Rom war, machte er viele Wanderungen durch die Campagna. Kurze Zeit vor ihm war Ferdinand Gregorovius, der nachmalige Geschichtsschreiber und Ehrenbürger der Stadt Rom, daselbst eingetroffen. Er war ein Früh- aufsteher wie Blaschnik. Mit ihm traf er täglich früh um 6, wenn kom noch in tiefem Schlafe lag, zum Morgenspaziergange auf dem Monte 'Pireio zusammen. Mit Gutzkow, dessen ‚Zopf und Schwert‘, ihn .in München. als Kunstbeflissenen entzückt hatte, als das Ehepaar Dahn in ikm seine Triumphe feierte, durchwäanderte er jetzt zu nächtlicher Stunde die Straßen Roms, da dieser an seinem ‚Zauberer von Rom‘ schrieb. Aber auch seinen Landsleuten, die damals in großer Zahl aus Schlesien nach Rom pilgerten, stellte er sich ebenso bereitwillig als Führer wie als Lehrer im Mal- und Zeichen-Unterricht zur Verfügung. Auf längere Zeit hat er Rom nur zweimal verlassen, und zwar zum Besuch der Eltern. Das erste Mal 1859 während des italienisch-österreichischen Krieges. Er war mit einem Kurier-Paß ausgestattet, da er Depeschen der Preußi- schen Gesandtschaft zu überbringen hatte, und kam auf dem Landwege glücklich durch die von Clam-Gallas befehligten österreichischen Linien nach München. Von Warmbrunn aus, wohin sich der Vater nach seiner Pensionierung zurückgezogen hatte, besuchte er auch seine in Rom ge- ‘wonnenen Freunde, den Herrn von Haugwitz auf Lehnhaus, Herrn von Witzleben auf Steinkirche, den Freiherrn von Bissing auf Beerberg, und verlebte bei ihnen schöne Tage. Das zweite Mal kam er nach Ausbruch des Krieges 1870 auf Wunsch seines alten Vaters nach Deu:schlund. Er erlebte hier die Ereignisse des großen Krieges, aber auch den Einzug des Heldenkaisers Wilhelm I. in Frankfurt am Main, wo er zum Besuch eines in Rom gewonnenen Freundes und Besitzers vieler seiner Bilder weilte, desgleichen die Rückkehr des Dreigestirns des Großen Haupt- quartiers, Bismarck, Moltke und Roon. Auch Breslau hat er damals zum letzten Male wiedergesehen. In Warmbrunn benützte er die freie 19 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaierl. Oultur. Zeit zu Studien. Damals entstand die ‚Brettmühle in Agnetendorf‘, die sich das Jahr darauf auf der Kunstausstellung in Breslau befand. Er selbst war schon wieder, von unüberwindlicher Sehnsucht getrieben, nach Rom zurückgeeilt. Denn Rom war sein Alles geworden. Wie schwer mußte es ihm da werden, dieses für immer zu verlassen. Wenn er nur an sich gedacht hätte, wäre es nie dazu gekommen. Aber seiner Frau zu Liebe, die sich auf die Dauer nicht in das römische Leben finden konnte, entschloß er sich im Jahre 1880 dazu. Er wählte Berlin zum Wohnsitz, ebenfalls seiner Frau zu Liebe, deren Herz an diesem hing. Hier hat er zwar nicht zu malen aufgehört, aber seine eigentliche Schaffenskraft war gebrochen. Er zehrte von der Vergangenheit: Rom war der Angelpunkt seines Lebens. Nur zweimal hat er dieses bei kurzen Besuchen wiedergesehen: 1890 und 1907. Das konnte ihm jedoch nicht entgehen: über Rom war eine neue Zeit angebrochen, zwar mit kiendendem Lichte, aber auch mit tiefen Schatten. So lange seine Frau lebte, suchte er mit dieser in jedem Sommer Berchtesgaden auf. Als. diese aber 1906 gestorben war, verließ er Berlin nur noch, um in Warm- brunn die Kur zu gebrauchen und das Grab seiner Eltern zu besuchen. Zuletzt saß er, umbrandet vom tosenden Lärm der Großstadt, still in seiner Klause, seine Studien, die zu vielen Hunderten seine Mappen füllten, durchblätternd. Die Beschäftigung mit ihnen und die Rück- versetzung in die glücklichen in Rom verlebten 28 Jahre vergoldeten ihm die grauen Tage der Gegenwart. Und doch mußten zuletzt auch seine Zeichnungen und Bilder ein Gegenstand der Sorge für ihn werden. Er hatte keine Kinder und war das letzte Glied seiner Familie, ja, wie er wenigstens annahm, auch der letzte Träger seines Namens. Was sollte aus den unversorgten zahlreichen Kindern seiner Muse werden? Seine Werke waren zwar sehr begehrt gewesen, er hatte nicht nötig gehabt, auf Besteller oder Abnehmer Jagd zu machen, aber sie waren auch sehr zerstreut worden. Ihr Charakter brachte es mit sich, daß: sie in den Besitz von Liebhabern, nicht in die öffentlichen Kunstsamm- lıngen kamen. Zwar besitzt die Nationalgalerie in Berlin drei Aquarelle von ihm: ‚Das Castell von Ostia an der Tibermündung‘ — eine Zeichnung desselben ist auch in dem vom Künstler mir selbst gewidmeten kost- baren Album enthalten —, ‚Kirche und Kloster von St. Sabina auf dem Aventin‘ und ‚Aus Olevano im Sabinergebirge‘. Weitaus das Meiste aber ist in Privatbesitz, und es wird sehr schwer werden, das ‚Werk‘ des Meisters zusammenzubringen. Soll es auch das Schicksal der zurück- gebliebenen und vom Künstler liebevoll behüteten .Kinder‘ sein, in alle Welt ‘zerstreut zu werden? Um dies zu verhindern, dachte er selbst daran, sie einer ‚öffentlichen Kunstanstalt‘ zu vermachen. Und da er sich selbst allzeit als treuen Sohn Schlesiens gefühlt hatte und dieses 5 Nekrologe. 13 seinen Werken wie seiner Person die verdiente Schätzung entgegen- gebracht hatte — besonders vom Schlesischen Kunstverein waren viele seiner Werke erworben worden —, und die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur und der Verein für Geschichte der bildenden Künste in Breslau hatten ihn zum Ehrenmitgliede ernannt — war es das Nächstliegende, an Schlesien zu denken. Und so war es für mich nicht schwer, ihn zu bestimmen, das Schlesische Museum der bildenden Künste ala Erben seiner Schätze einzusetzen, wobei er allerdings dem Kuratorium die Freiheit ließ, über sie im Sinne seiner Stiftung Verfügungen zu treffen. Aber er ging noch weiter. An sich selbst hatte er erfahren, wie schwer es oft einem jungen kunstbegabten Manne fällt, die Wege der ausübenden Kunst zu beschreiten und sich durchzusetzen. Daher vermachte er auch im Einverständnis mit seiner Gattin sein Vermögen dem Museum mit der Bestimmung, daß aus den Zinsen desselben Stipendien zur Förderung der Ausbildung junger Künstler verliehen würden. So hat das kunst- liebende Schlesien alle Ursache, dem edlen Manne für seine hochherzige Stiftung Dank zu wissen. Er selbst hat sich durch sie das ehrenvollste Andenken gesichert. Möge, wenn sie in Kraft tritt, Segen auf ihr ruhen! Richard Foerster (Großenteils aus Aufzeichnungen des Künstlers geschöpft und mit Zusätzen wiederholt aus Schles. Zeitung 1919 Nr. 151, 158, 160.) Georg von dem Borne f. Am 7. November 1918 starb an den Folgen einer schweren, im Felde erworbenen Krankheit Prof. Dr. Georg Kreuzwendedich von dem Borne, Leiter der Erd- bebenwarte Krietern, Privatdozent der Geologie und Geophysik an. der Universität Breslau und Dozent an der Technischen Hochschule Breslau. Mit ihm ist einer der kenntnisreichsten, vielseitigsten und originellsten Geologen, gleichzeitig ein ungewöhnlich vornehmer, treuer und be- geisterungsfähiger Mann als Opfer des Krieges von uns geschieden. Geboren am 28. Mai 1867 auf dem Stammsitze seiner Familie Berneuchen in der Neumark, erhielt er schon als Knabe durch seinen mathematisch interessierten und begabten Vater sowie durch seinen als Geologen berühmten Großvater, den Berghauptmann von Dechen, naturwissenschaftliche Anregungen, die ihn bestimmten, sich der Geologie zu widmen. Nachdem er ein Semester in Lausanne studiert und ein Jahr bergmännisch gearbeitet hatte, erwarb er seine Ausbildung als Geologe an den Universitäten Berlin und Halle und schloß seine Studien in Halle mit seiner Doktorarbeit: „Der Jura des Urmiasees‘ im Jahre 1891. Die folgenden Jahre widmete er geologischen Studien- reisen in Amerika, Ostafrika, den Balkanstaaten und Kleinasien, bis der Tod des Vaters und die dadurch veränderten Familienverhältnisse ihn 14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. zwangen, die Verwaltung des Stammgutes zu übernehmen. Erst nach 8 Jahren konnte er zur Wissenschaft zurückkehren und begann seine Tätigkeit in einer für sein rastloses Streben sehr bezeiehnenden Weise mit einer Erweiterung seiner Ausbildung: er beschäftigte sich in den Jahren 1902—1905 mit physikalischen und mathematischen Studien «n der Universität Jena und an den geophysikalischen Observatorien zu Potsdam und Göttingen; mit einer Frucht dieser Studien, „Unter- suchungen über die Abhängigkeit der Radioaktivität der Bodenluft von geologischen Faktoren“, habilitierte er sich im Jahre 1905 auf Ver-. anlassung seines Freundes Fritz Frech in Breslau. Hier gelang es ihm durch große Energie und unter großen persönlichen Opfern, die Erd- bebenwarte in Krietern bei Breslau ins Leben zu rufen, die er bis zum Beginn des Krieges leitete; seine Arbeiten beziehen sich während dieser Zeit aber nicht nur auf seismische Erscheinungen, sondern beschäftigen sich vielfach auch mit der Radioaktivität des Bodens, der Gewässer und der Gesteine, sowie mit andern geophysischen und meteorologischen Problemen, besonders auch mit der Schallverbreitung und der „Zone des Schweigens“. In einer tief schürfenden Abhandlung über die physi- kalischen Grundlagen der tektonischen Theorien verknüpfte er Geophysik und Geologie; gleichzeitig arbeitete er auch praktisch über drahtlose Telegraphie und Luftschiffahrt. Die Vereinigung von Theorie und Praxis war überhaupt eine vorstechende Eigentümlichkeit seiner Veranlagung; zu ihr gesellte sich noch als glückliche Ergänzung eine ganz hervorragende Begabung für Konstruktion. Sein Interesse für Luitschiffahrt ließ ihn in dem letzten, leider zu kurzen Abschnitt seines Lebens zum Ingenieur und Begründer einer Fabrik werden, ohne daß seine Leidenschaft für die Theorie und für die Wissenschaft hierdurch geschwächt wurde. Nachdem er in den ersten Kriegsjahren als Ritt- meister im Osten gekämpft hatte, stellte er später seine hervorragende Begabung der neuen Flugwaffe zur Verfügung und konstruierte einen Geschwindigkeitsmesser für Flugzeuge auf hydrodynamischer Grundlage, der mit bestem Erfolge von den Fliegern Deutschlands und seiner Ver- bündeten benutzt wurde. Von schwerer Erkrankung scheinbar genesen, schuf er eine rasch aufblühende Werkstatt zur fabrikmäßigen Her- stellung seines Geschwindigkeitsmessers und anderer zur Ausrüstung von Flugzeugen erforderlicher Apparate; von neuem erkrankt, suchte er vergeblich Heilung im Schwarzwald — der Tod entriß ihn viel zu früh den Seinen, seinen Freunden, der Wissenschaft und der Praxis. Das Bild des Verblichenen wäre unvollständig, wenn es nicht das 3este an ihm stark hervortreten ließe: die Lauterkeit seiner Gesinnung, die alles Unedle von ihm fernhielt, seine Begeisterung für das von ihm als gut und richtig Erkannte, dem er jedes persönliche Opfer zu bringen Fl hi, BR \ Nekrologe. Als bereit war, seine vornehme Zurückhaltung, die nur den Nächststehenden einen Einblick in seine erstaunlich vielseitige Begabung gestattete, die Wärme und Herzlichkeit seiner Empfindungen, die in seltenen glück- lichen Augenblicken, ‚ beflügelt von einer reichen farbenprächtigen Phantasie, in Wort und Schrift künstlerisch vollendeten’ Ausdruck fanden. Den großen Verlust, den Wissenschaft und Praxis erlitten haben, beklagt auch unsere Gesellschaft, beklagen mit ihr seine Freunde als herben Schlag, der sie betroffen hat. I MNerhe Sanitätsrat Dr. Georg Courant, 1865 in Neustadt O.-S. geboren, besuchte das Gymnasium in Neiße und studierte dann von 1885 bis 1890 in Breslau Medizin. 1887 war er Unterassistent am pathologischen Institut. Nach bestandenem Staatsexamen arbeitete er zunächst im physiologischen Institut und wurde dann Assistent an der Universitäts- Frauenklinik unter Leitung von ‘Geheimrat Fritsch. Nach seinem Ab- sang veranlaßte ihn der Wunsch, ein Stück Welt zu sehen, zur Über- nahme einer Schiffsarztstelle. Zurückgekehrt, ließ er sich im Herbst 1893 als Facharzt für Frauenleiden in Breslau nieder und erwarb durch sein Können bald eine beträchtliche Praxis. Neben seiner praktischen Tätigkeit arbeitete er auch unermüdlich an seiner wissenschaftlichen Fortbildung, schrieb eine Reihe von Facharbeiten und war ein regel- mäßiger Besucher der Sitzungen der vaterländischen und der Gesell- sehaft der Frauenärzte, an deren Debatten er sich rege beteiligte. . In den letzten Jahren untergrub schweres körperliches Leiden seine früher blühende Gesundheit. Trotzdem stellte er sich bei Ausbruch des Krieges zur Verfügung und wirkte, so lange es irgend möglich war, als Arzt am hiesigen Festungs-Lazarett.. Neben seiner Wissenschaft beseelte ihn »eges Interesse für Malerei und Musik. Vertreter dieser Künste waren in dem harmonischen Kreis seines Hauses stets anzutreffen. Der Tod bedeutete für den arbeitsfrohen Mann, der nicht mehr arbeiten konnte, eine Erlösung. Dr. 07 Dyvhzenfurum Dr. Richard Croce, am 9. August 1860 in Johnsdorf bei Grottkau als ältestes Kind dies Rittergutsbesitzers und Landesältesten Anton Croce und seiner Frau geb. Tielscher geboren, bezog nach Ablegung des Maturums auf dem Gymnasium ‚zu Neiße die Universität Breslau, Tübingen und Leipzig, um an letzter Universität das medizinische Staats- examen abzulegen. Nach einer längeren Assistententätigkeit an der inneren Abteilung des Allerheiligenhospitals unter Primarius Friedländer übernahm er 1887 die Leitung der neugeschaffenen inneren Abteilung-des a 16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Hospitals der Barmherzigen Brüder. Im Jahre 1893 vermählte er sich mit Fräulein Specht. So jung er war, wuchs er rasch in diese Stellung hinein, sein Pflicht- eifer, seine Gründlichkeit erwarben ihm bald allseitiges Vertrauen. So vielseitig seine Tätigkeit durch.Übernahme der ärztlichen Obhut ver- schiedener katholischer Anstalten, durch die Ernennung zum städtischen Armenarzt, durch umfangreiche kassenärztliche Wirksamkeit und Gut- achtertätigkeit bei der Landesversichungsanstalt Schlesien, so lag für ihn immer doch der Schwerpunkt seiner Arbeit in dem Klosterhospital. Unermüdhch war er für das Wohl der ihm anvertrauten Kranken tätig, er unterstützte mit seinem wertvollen Rat auch die Verwaltung, besonders in der Zeit, in der der Umbau der Anstalt erfolgte. Gelegentlich der 200 jährigen Jubelfeier der Anstalt, im Jahre 1912 wurde seine Tätigkeit durch Verleihung des Roten Ädlerordens 4. Klasse anerkannt. Während der Kriegsjahre, in welchen die Anstalt zu einer Abteilung des Festungs- lazaretts bestimmt wurde, erwuchs ihm durch die grosse Zahl von Kriegs- erkrankungen, besonders auch auf dem Gebiet der Infektionskrank- heiten eine erhebliche Arbeit, welche ihm die Ernennung zum Geh. Sani- tätsrat, die Auszeichnung durch das Verdienstkreuz für Kriegshilfe und die Rote Kreuzmedaille 3. Klasse eintrug. Mitten aus umfangreicher Berufstätigkeit riss ihn unerwartet ohne alle Vorboten ein rascher Tod am 23. Dezember 1918 zum grossen Sehmerz seiner trauernden Gattin. Lebhaft beklagt den schmerzlichen Verlust die Anstalt, der seine Lebensarbeit galt, der Kollegenkreis, mit ‚dem er im besten Einvernehmen gewirkt hat, endlich der grosse Kreis seiner Klientel, die in ihm den stets hilfsbereiten, aufopferungsvollen, treuen Berater verlor. Partsch. Am 8. Juli 1918 starb in Breslau der Kaufmann Rudoli Daniel. Geboren am 5. Juli 1846 zu Friedland NL., übersiedelte er in früher Jugend mit seinen Eltern nach Breslau. Hier besuchte er das Gymnasium „Zum heiligen Geist“ und trat später in eines der bedeutendsten Breslauer Tuch-engros-Geschäfte ein. Im Alter von 27 Jahren begründete er in Breslau ein eigenes Geschäft dieser Branche, das er bis zu seinem Hinscheiden mit großer Energie und Umsicht leitete und zu einer weit über die Grenzen von Breslau und Schlesien hinaus bekannten und ge- achteten Firma gestaltete. Eine große Reihe junger Kaufleute sind aus der tüchtigen Schule des Verstorbenen hervorgegangen und haben ihrem dereinstigen Lehrherrn Ehre gemacht. Neben seiner angestrensten geschäftlichen Tätigkeit hat Rudolf Daniel sich mit Eifer und Hin- gebung wissenschaftlichen und wohltätigen Interessen gewidmet. Als Nekrologe. 17 Armendirektor stand er lange Jahre hindurch in städtischen Diensten. Das israelitische Waisenhaus verlor in ihm seinen eifrigsten Förderer und den Vorsitzenden seines Vorstandes. Seine besondere Liebe galt der freimaurerischen Bewegung, in der er eine bedeutende und wichtige Rolle gespielt hat. Zahlreiche kaufmännische Vereine schätzten in ihm ihren klugen, verständnisvollen und opferwilligen Berater. ' Am 13. Oktober 1918 starb in Breslau Frl. Hermine Dyhreniurth. 1852 als Tochter des Rittergutsbesitzers Dyhrenfurth in Puschwitz, Kreis Neumarkt, geboren, verbrachte sie dort fast die Hälfte ihres Lebens und zog.1884 nach dem Verkauf des Gutes nach Breslau. Schon in Pusch- witz beschäftigte sie sich viel mit Botanik und sozialer Fürsorge, Beiden Fächern widmete sie sich dann in Breslau mit großer Hingabe. Botanische Studien trieb sie zuerst unter Leitung des Oberlehrers Limpricht. Sie erstreckten sich hauptsächlich auf die Moose. Dann hörte sie bei den Professoren F. Cohn und Rosen Kollegien, arbeitete in ihrem Institut und war auch bei seiner Neuordnung mittätig. Ihre Haupttätigkeit galt sozialen Bestrebungen, namentlich der Armenpflege, für die sie trotz körperlicher Leiden unermüdlich bis zum letzten Hauch tätig war. ' Dr: 0. Dyhventwroh Das verstorbene wirkliche Mitglied der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Oultur, Direktor Robert Floegel, wurde zu Liegnitz am 31. Dezember 1848 geboren, im Hause seiner Eltern erzogen, besuchte in seiner Vaterstadt das Gymnasium und darauf die Provinzial-Gewerbe- schule, an der er die Reifeprüfung bestand, arbeitete zunächst praktisch im Geschäft seines Vaters und bezog im Jahre 1867 die Gewerbe- Akademie in Berlin, um Maschinenbau zu studieren. Er machte den Krieg 1870/71 von Anfang bis zu Ende mit und erwarb sich das Eiserne Kreuz II. Klasse. Am 1. Juli 1871 trat Floegel in die Dienste der damals gegründeten Breslauer Aktiengesellschaft für Eisenbahn-Wagenbau in Breslau als Techniker ein und wurde zunächst bei Neubauten der Gesell- schaft beschäftigt. Bei der folgenden! Erweiterung des Unternehmens rückte Floegiel an die Stelle eines Oberingenieurs, wurde Ende der neunziger Jahre Prokurist und im Jahre 1903 als Direktor in den Vor- stand der Gesellschaft gewählt, in welcher Stellung er bis zum Jahre 1912 verblieb. Ende 1912 schied Floegel auf eigenen Wunsch aus dem Werk aus, bei welcher Gelegenheit ihm die Silberne Verdienstmünze für verdienstvolle Leistungen im Bau- und Verkehrswesen verliehen wurde. Er starb am 21. 4. 1918 zu Breslau. Floegel hat sich durch Tüchtigkeit und eisernen Fleiß zu einer leitenden Stellung emporgearbeitet. In die Zeit seiner Tätigkeit fällt die 1918 9 18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. außerordentliche Entwicklung der Deutschen Waggonbau-Industrie und so mancher Fortschritt, wertvolle Verbesserungen im deutschen Eisen- bahnwagenbau verdanken dem technischen Können Floegels ihr Ent- stehen und ihre Entwicklung. Eng verknüpft ist sein Name mit dem Aufblühen der Breslauer Aktiengesellschaft für Eisenbahnwagenbau, der jetzigen Linke-Hofmann-Werke, zu deren Entwicklung und zu deren jetziger Bedeutung er, an der Seite ihres ersten Direktors Baurat Grund, in hervorragender Weise beigetragen hat. Seinen Untergebenen war er ein stets freundlicher Ratgeber und Führer, im Vorstand ein allzeit liebenswürdiger und freundlicher Mitarbeiter. Gar viele trauern aufrichtig und herzlich um den ausgezeichneten Mann, der manchem ein Freund in des Wortes edelster Bedeutung ge- wesen ist. Wen er ins Herz geschlossen hatte, der konnte felsenfest auf ihn vertrauen. Glühende Vaterlandsliebe, ein sonniger Humor, ein Herz für alles Gute und Schöne, eine unübertroffene Bescheidenheit in seinen An- sprüchen ans Leben, kennzeichnete das Wesen des trefilichen Mannes. Auch in Ingenieurkreisen genoß Floegel ob seines großen Wissens und Könnens eine hohe Wertschätzung. Der Verein Deutscher Ingenieure, welchem Floegel 44 Jahre angehörte, hat die Verdienste, die sich der Verstorbene um die Technik erworben hat, bei seinem Hinscheiden mit tiefempfundenen Dankesworten gewürdigt. Die Persönlichkeit und die Leistungen des Verstorbenen warden in unserem Kreise, dem er als wirkliches Mitglied angehörte, stets in ehrendem Andenken gehalten werden. Pıof. Heinel. Architekt Baurat Karl Grosser wurde als Sohn des hochangesehenen Zimmermeisters Karl Grosser in Schmiedeberg i.R. am 3. November 1850 geboren. Er starb in der Nacht vom 9. zum 10. Dezember 1918 in Breslau. Die Sektion für Kunst der Gegenwart verlor in ihm eines ihrer ältesten Mitglieder und zugleich den Sekretär für die Abteilung Baukunst, zu dem er am 12.Dezember 1911 gewählt worden war. Eine für das Kunstleben unserer Stadt bedeutungsvolle Persönlichkeit ist mit ihm aus dem Kreise der Schaffenden geschieden. Nun ruht er an der Seite seiner über alles geliebten Frau auf dem Breslauer reformierten Kirchhofe. Sein Leben war erfüllt von Sonnenschein. Eine starke Persönlichkeit, setzte er sich fast hemmungslos durch. Er war ein Glücklicher, ein Lebenskünstler, dem sich gern die Herzen zuneigten. Von erster Jugend an, nahm er die Eindrücke und Erlebnisse technischen Schaffens auf dem Werkplatz des Vaters in seine Seele auf. Diese frühen Eindrücke Nekrologe. 18) und die spätere Lehrzeit legten den sicheren Untergrund für sein bau- künstlerisches Schaffen, für das er bestimmt war. Bis zum 11. Jahre blieb Grosser im Elternhause. Er besuchte die Elementarschule seiner Vaterstadt und erhielt früh Zeichenunterricht durch den Schmiede- berger Landschaftsmaler und Lithographen Knippel, wie Dr. Baer (Hirschberg) berichtet hat. Vom 11.bis zum 16. Lebensjahre war er Schüler an der Realschule am ‚Zwinger in Breslau. Dann folgte seine praktische. Lehrzeit im Baugeschäft des Vaters, der sich in ihm den Nach- folger erziehen wollte. _Nach zünftiger Gesellenprüfung machte er ‚die Provinzialgewerbeschule in Brieg durch, die er in seinem 19. Lebens- Jahre verließ. Grossers Leben gestaltete sich dann reicher, als er bei seinem ‘Vater durchgesetzt hatte, daß er nach Berlin gehen durfte, um vom 19. bis 21. Lebensjahre als Hospitant die alte Bauakademie zu besuchen. Nach diesem Studium trat er in das Atelier der Architekten Kayser & v. Großheim ein, wo er sich in fünfjähriger Tätigkeit aufs Tüchtigste be- währte. Grosser half viel an Zeichnungen für die großen Wettbewerbe, z.B. an denen für das Reichstagsgebäude und übernahm die Leitung an den Bauten der rasch immer bekannter werdenden jungen Meister. Es war die Zeit, die nachahmend zu den reichen Formen der italienischen, dann zu denen der deutschen Renaissance griff und die als ihre Ausdrucks- mittel reichen ornamentalen Schmuck und eine Fülle von Ziergliedern ver- wendete. Grosser’s zeichnerische Begabung fühlte sich in diesem - Schaffen wohl. Das Anmutige war ihm Bedürfnis. Nie gab er es auf. Damals lernte er auch Seeling, Charlottenburg, und Lauser, Karlsruhe, kennen, mit denen er dann im 26. Lebensjahre die nie vergessene große ‚Studienreise nach Italien machte. Die Zeit in Rom ist wohl die hellste ‚seines frohen Lebens gewesen. Er genoß sie im Kreise gleichgestimmter Kunstgenossen, worüber Stadtbaurat Seeling in der deutschen Bau- _ zeitung berichtet hat. Die Lehr- und Wanderjahre fanden ein plötzliches Ende, als in Rom ‚der Brief des Breslauer Freundes Brost eintraf, der Grosser zur Mit- arbeit an den Ausbau des „Museums für bildende Künste“ rief. Rathey, der aus dem Wettbewerbe für diesen Bau siegreich hervorgegangene Architekt, hatte die Arbeit niedergelgt. Brost und Grosser — dieser für .den künstlerischen Teil — wurden zu Nachfolgern gewählt. — Sie voll- endeten den Bau in, wie Grosser schrieb, „selbständiger Bearbeitung - ‚des Innenausbaues“, der seinen Höhepunkt in der Ausstattung des Treppenhauses fand. — Seit dem 27. Lebensjahre, also seit 1877, war Karl Grosser zuerst gemeinsam mit Brost, nach dessen jähem Tode dann für sich ‚allein in Breslau als Privatarchitekt tätig. Er entwickelte von kleineren, 9% 20 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. zu immer größeren Arbeiten berufen, eine große, ihm Freude und Ehre- bringende Bautätigkeit in Stadt und Provinz. Sie fand öffentliche An- erkennung durch Verleihung des Stanislaus-Ordens nach dem Bau der russischen Kapelle in Görbersdorf, Verleihung des Titels Königlicher‘ Baurat nach Beendigung der Wiederherstellungsarbeiten bei der EIF- tausend-Jungfrauenkirche und des Roten Adlerordens IV. Klasse. Noch: höher schmückte ihn das Vertrauen seiner Bauherren und die Freund- schaft derer, denen er sein frohes Herz schenkte. Groß ist die Zahl seiner Bauausführungen. Sie im einzelnen zu. nennen, wäre ermüdend. Das Ziel seines Schaffens war: guter Grundriß, beste Ausführung, frohe anmutsvolle Form im Geiste geschichtlicher Vorbilder. Dabei berücksichtigte er gewissenhaft die Einzelbedingungen. der jeweiligen Aufgabe, Lage und Ortsbild. Die im Aufbau schönen. Lösungen des ‚Kaufhauses‘ und von ‚Haus Monopol‘ ohne störende Ver- bauung der alten Minoritenkirche; der Umbau Ecke Ring und Schweid- nitzerstraße mit dem Hause ‚Goldener Becher‘, das Gebäude der ‚Breslau- Brieger Fürstentumslandschaft‘ an der Tauentzienstraße in der Achse der Teichstraße, das die Oderlandschaft auf grünem Baumhintergrunde schön. belebende ‚Verwaltungsgebäude des Zoologischen Gartens‘ sind Zeugen seines feinen Empfindens für Stadtbildwirkung. In diesem Sinne schuf er zuletzt die groß angelegten Pläne für Ausgestaltung des Platzes vor: dem alten, stolzen Barockbau der Jesuiten, unserer Universität. Sein Ziel war: Es solle nicht der Einzelbau ‘der „mensa academica“ für sich gelöst, sondern es solle weitschauend im Zusammenhange mit der Um- gebung der städtebauliche Gedanke eines Universitätsplatzes- klar hervorgehoben werden. Dies scheint erreicht, wenn auch seine Pläne selbst nicht zur Annahme empfohlen wurden. Die Anerkennung‘ breitester Kreise bleibt ihm für seine Tat. Auch seine Entwürfe für eine ‚Auskunftei am Hauptbahnhof‘, für das ‚Riesengebirgsmuseum‘ in Hirsch- berg, vor allem sein Plan für eine ‚Kunsthalle des schlesischen Kunst- vereines‘, für die er eine reiche Stiftung letztwillig hinterließ, brachten ihm Ehre und Dank. Ebenso reich als in unserer Stadt entfaltete sich Grossers Tätigkeit in der Provinz. Die Schloßbauten Brynnek OS., Brauchitschdorf, Paulinum bei Hirschberg, die Lungenheilstätte bei Hohenwiese, die Bauten in Flinsberg und Schreiberhau mögen kurz aus der Menge dieser Werke genannt werden; angereiht seien ihnen noch einige wenige Bauten in. Breslau: wie das ‚Lindner’sche Haus‘, Tauentzienstraße, die ‚Schlesische Landschaftliche Bank‘, Zwingerstraße, das Haus ‚Zum Kürbis‘ an der: Schmiedebrücke, Haus Regierungsrat Schulze, Haus Grosser, Haus Grund,, die letzten in Kleinburg. — Nekrologe. 231 So umfangreiche Tätigkeit ließ ihm nicht viel Zeit, an Wett- ‚bewerben teilzunehmen. Es glückten ihm der für die Peter-Paul-Passage in Liegnitz mit dem ersten Preise und der für das Rathaus in Dresden mit Berufung zum zweiten Wettbewerb. Beide Arbeiten sind veröffent- licht, ebenso die Pläne für den Universitätsplatz. Neben dieser beruflichen Tätigkeit stand seine freudige Arbeit den künstlerischen Bestrebungen aller Art bereit, denen er Rat und Mithilfe nicht versagte. Er betätigte sich gemeinnützig in der städtischen Bau- ‚deputation, wenn wichtige Fragen zur Verhandlung standen und als Mit- glied des Ausschusses Alt- und Neu-Breslau. Er war Mitglied des Vor- standes der „Vereinigung Schlesischer Architekten“ und des „Schlesi- ‘schen Kunstvereines“, dem er in letzter Zeit besondere Dienste leistete, "wie oben berichtet is. Auch im Schlesischen Bunde für Heimat- schutz war er lebhaft tätig als Mitglied des Bauausschusses und als Vor- sitzender des Ausschusses für Kriegerehrungen. Oft berief man ihn als Preisrichter; gelegentlich ergriff er, wenn auch nicht gern, das Wort ‚als Vortragender, so dankt ihm unsere Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur die anregende Besprechung über seinen ersten Entwurf zur Breslauer Universitätsplatzlösung. — Das heitere Glück seines Lebens teilte er mit seiner Frau Kläre, geb. Jaretzki, seiner ihn ganz verstehenden, mit ihm gleichen Schritt 'haltenden Lebensgefährtin, deren frühzeitiger Tod ihn aufs tiefste traf. — Seine Kunst riß ihn noch einmal empor. Unermüdlich schaffend vergaß er auf Stunden sein Leid. — Noch einmal lachte das Glück erfolg- reichster Arbeit ihm zu, dann kam der Krieg, der grimme Zerstörer. Grosser ging im Sommer 1918 in seine Gebirgsheimat hinauf, er baute dort in Brückenberg an seinem Heime weiter — hauptsächlich gärtnerisch schaffend. — Im Oktober 1918 erkrankte er. Noch einmal sah er sein liebes Haus an der Schenkendorfstraße, dann entschlief er, betrauert von so vielen, die ihn hochachteten als den feinsinnigen und großzügig schaffenden Baukünstler und ‘die ihn liebten als den frohen, hoch- “denkenden Menschen. Der Tod nahm ihn gnädig hinweg, als die Sonne unserem Vaterland unterging. : allem Ten. Ewald Hering f. Am Anfang dieses Jahres starb im 84 sten Lebens- Jahr der Professor der Physiologie an der Universität Leipzig, Ewald Hering, der im Jahre 1879 zum korrespondierenden Mitglied unserer ‚Gesellschaft ernannt worden war. Auf dieses Mitglied dürfen wir heute mit Stolz zurückblicken, da Hering in seltenem Maße die Eigen- ‚schaften vereinigte, die der Wahlspruch unserer Gesellschaft „Scientiae ‚et patriae‘ zum Ausdruck bringt; denn nicht bloß als Gelehrter sondern auch als Mensch und als Deutscher hat Hering hervorragendes geleistet. 22 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Seine wissenschaftliche Tätigkeit ist dadurch ausgezeichnet, daß den bedeutendsten seiner Arbeiten eine allgemeine Idee zugrunde liegt, die, an den Tatsachen geprüft, zur Erklärung der Probleme des Lebens ver- wendet wird. Hierher gehört z. B. die scharfe Trennung der am Leben beteiligten antagonistischen Prozesse in dissimilatorische und assimila- torische (Zersetzung bezw. Aufbau komplizierter Moleküle) und die An- wendung dieses Gedankens auf die Erklärung der Licht- und Farben- empfindung. Das Wesentlichste seiner berühmten Farbentheorie besteht allerdings in der strengen Scheidung zwischen den auslösenden physi- kalischen Reizen und den auf psychischem Gebiet liegenden Empfin- dungen, die als eigenartige Reaktion des Körpers auf die Reize auf- gefaßt werden. Zu seinen grundlegenden Leistungen gehören auch seine Unter- suchungen über die Wahrnehmung des Raumes, in welchen er, entgegen den empiristischen Vorstellungen von Helmholtz, den Nachweis erbrachte, daß unsere Raumvorstellung in erster Linie durch die angeborenen Ein- richtungen unseres Nervensystems vermittelt und erst in zweiter durch die Erfahrung ausgebildet werde. Das Unbefriedigende einer rein nativistischen Theorie wußte Hering auch hier wieder durch einen allgemeinen Gedanken zu mildern oder zu beseitigen, dem er in seiner berühmten, durch Klarheit und Schönheit der Sprache ausgezeichneten Rede „Über das Gedächtnis als eine allgemeine Funktion der organischen Materie“ Ausdruck verlieh. Neben seinen der Sinnesphysiologie gewid- meten Hauptwerken hat Hering noch eine Reihe anderer Unter- suchungen von dauerndem Wert hinterlassen, die sich in den Gebieten der Atmung und des Kreislaufs, der Elektrophysiologie und der Histologie bewegen. Außergewöhnliches hat Hering als Vorkämpfer nationaler Ideale und Interessen für die deutsche Sache in Prag geleistet, wo er als Nach- folger Purkinje’s von 1870 bis 1895 wirkte. Seinen Bemühungen ist .die Abtrennung der deutschen Universität von der tschechischen im: Jahre 1882 zu danken. Daß diese Grüdung nur mit großem Aufwand an Arbeit und Energie möglich war, kann man sich denken. Mit welcher Kraft Hering die deutsche Sache vertreten haben muß, zeigt der Ausspruch eines tschechischen Blattes aus dem Jahre der Trennung: „Was ist Gesetz, was ist Minister, wenn der Hering nicht will“. Bewundernd und sehn- süchtig denken wir heute an einen solchen Mann. Und diese Leistung müssen wir um so höher bewerten, als Hering seinem Wirken für das bedrängte Deutschtum persönliche Opfer brachte, indem er einen ehren- vollen Ruf an die neugegründete Universität Straßburg, seiner Neigung entgegen, ablehnte. Wahrlich ein nicht gewöhnlicher Mann ist aus unserem Kreise geschieden, der die Gaben des Geistes in glücklicher und seltener Weise mit denen des Herzens verband. Hurithake: Nekrologe. 23 Am 6. November 1918 verstarb nach viertägigem Krankenlager an ‚den Folgen der Grippe Apothekenbesitzer Siegfried Hirschstein zu Breslau. Geboren am 3. August 1877 zu Lüben, besuchte er in seinem Geburts- ort die Bürgerschule bis zur Quarta, später die Gymnasien zu Glogau und Liegnitz. Im Jahre 1893 verließ er die Schule, um sich dem Apothekerberufe zu widmen. Seine erste Ausbildung genoß er in Hamburg, darauf konditionierte er vor dem Studium in Altona, Hamburg und Breslau. Seine Studienzeit verbrachte er ausschließlich in Breslau, da seine Mutter, frühzeitig ver- witwet, inzwischen dorthin übergesiedelt war. Nach bestandenem Staatsexamen kehrte er wieder nach Hamburg zurück und diente im Jahre 1902/3 sein Jahr als einjährig-freiwilliger _ Militärapotheker bei dem Garnisonlazarett Breslau ab. Im Jahre 1904 vermählte er sich und erwarb durch Kauf die Löwen- apotheke in Oppeln. Nach zweijährigem Besitz derselben siedelte er, einem lebhaften Wunsche folgend, nach Breslau über und kaufte hier die Adler-Apotheke. welche er bis zu seinem Tode besaß. Im Jahre 1914 wurde auch er zum Heeresdienste einberufen. Er war zunächst als Oberapotheker bei dem Festungslazarett; Breslau tätig, sodann bei dem Sammelsanitätsdepot Breslau. In dieser Stellung wurde er durch Verleihung des Verdienst- kreuzes für Kriegshilfe ausgezeichnet. Der allzu früh in der Vollkraft seiner Jahre Dahingeschiedene war in weiten Kreisen, nicht nur bei seinen Fachgenossen, durch sein liebens- würdiges Wesen und seinen vornehmen Charakter beliebt un! geschätzt. Die schlesischen Apotheker verdanken ihm die Gründung der Garda, Hypothekenvermittelungsgenossenschaft schlesischer Apotheker, welche er bis zu seinem Tode in hervorragender Weise leitete. Trotz seiner vielseitigen Tätigkeit in seinem Berufe fand er noch Zeit, sich mit Begeisterung der Musik zu widmen. Mit Hirs’ichstein ist ein fester gerader Charakter, ein treuer zuverlässiger Mensch dahingegangen, dessen Andenken von seinen Freunden und Fachgenossen in Ehren bewahrt werden wird. DE Kablonski. Dr. Ernst Hoffmann. Ernst Hoffmann war geboren am 19. Sep- tember 1867 zu Vitte auf der Insel Hiddensöe, die langgestreekt Rügen westlich vorgelagert ist. Seine Eltern siedelten 1877 nach Reichenstein in Schlesien über, von wo er zunächst das Gymnasium in Patschkau und von 1880 ab nach dem Tode des Vaters das Gymnasium in Jauer besuchte, wohin die Mutter verzogen war. Hier bestand er die Reife- 24 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. prüfung Ostern 1887 unter dem Direktor Richard Volkmann, der, wie bei manchem anderen, wohl auch bei ihm die Neigung zu philologischen ' Studien geweckt hat. Er studierte in Halle bis 1891 klassische Philo- logie, Religion und Germanistik, erwarb 1892 auf Grund seiner Disser- tation: Sylloge epigrammatum Graecorum, quae ante medium saeculum a. Chr. n. tertium ineisa ad nos pervenerunt den Doktortitel und bestand die Lehramtsprüfung im gleichen Jahre. 1892/93 leistete er bei der reitenden Abteilung des Feldartillerie-Regiments 6 (v. Peucker) in Schweidnitz sein Dienstjahr. Mich. 1893/95 legte er Seminar- und Probe- jahr am Kgl. Friedrichs-Gymnasium in Breslau ab und bestand im März 1895 die Turnlehrerprüfung. Als Hilfslehrer unterrichtete er an derselben Anstalt, am Progymnasium in Striegau und am Kel. Gymnasium in Hirschberg und wurde Ostern 1900 zum Oberlehrer am Kgl. Gymnasium in Oppeln ernannt und Mich. 1902 an das König-Wilhelm-Gymnasium in Breslau versetzt. Sein Unterricht zeichnete sich durch Lebhaftigkeit und Frische aus, und da er auch seinen Schülern eine herzliche Zuneigung entgegenbrachte, so lenkte die Behörde, als im Jahre 1908 für das Pro- symnasium in Goldberg ein Direktor gesucht wurde, die Aufmerksamkeit des Kuratoriums auf ihn. Das Amt stellte insofern hohe Anforderungen, als mit der Anstalt ein großes Internat verbunden ist, das gegen sechzig Waisen und Pensionäre aufnimmt und von dem Direktor ein wachsames Auge und nimmermüde Hingabe fordert. Er trat diese Stellung am 7. August 1908 an. Seine Fürsorge für das leibliche Wohl seiner Zög- linge zeigte sich darin, daß er gleich im ersten Jahre in den Kellerräumen der Anstalt ein Brausebad einrichtete mit zwölf Brausen, sodaß in 13 Stunden sämtliche Zöglinge baden konnten. Im Sommer machte er am Sonnabend nachmittag mit seinen Schülern in die reizvolle Umgegend Märsche, die er als eifriger Soldat und Reserveoffizier mit kleinen Feld- dienstübungen verband. Im dritten Jahre konnte zur Belebung des Unterrichts ein Projektionsapparat beschafft werden. Da traf es sich, daß nach Ostern 1911 für das Kgl. Pädagogium in Putbus auf Rügen ein Direktor gebraucht wurde, eine eigenartige Anstalt (100 Schüler in 8 Klassen, keine Sexta, aber getrennte Primen, an 70 Alumnen und Halbpensionäre, amtliche Beziehungen zum Fürsten Putbus und dessen Gemahlin als Mitgliedern des Kuratoriums). Das Ministerium wurde auf H. aufmerksam und berief ihn nach Berlin, er gefiel und nahm sofort an. Der Ministerialrat meinte — H. hat es mir selbst erzählt —: „Sie werden wohl zunächst mit Ihrer Gattin sprechen wollen“. „Meine Frau ? Die kommt als preußische Beamtenfrau überall hin mit“. Am 1.Juli 1911 übernahm er die neue Stellung, in der er sich sehr bald wohl fühlte. Das freundliche Städtchen, die herrliche nähere und weitere Umgebung, die anregende Verbindung von Wald, Feld Nekrologe. 25 und Wasser boten einen guten Ersatz für die heimatlichen schlesischen Vorberge. Den Schwierigkeiten des neuen Amtes, Fehlen eines Grund- stockes einheitlich vorgebildeter Schüler, der großen. Zahl der Zöglinge‘ aus allen Teilen Norddeutschlands zwischen 10 und 20 Jahren zum Teil aus adligen Häusern — im Anfang waren sogar vier Türken darunter, die allerdings nicht lange blieben — erwies H. sich völlig gewachsen. Im Verkehr mit dem fürstlichen Hause kam ihm seine gesellschaftliche Gewandtheit zu statten. Von einem urteilsfähigen Gewährsmann stammt folgendes Urteil über seine dortige Tätigkeit: „Seine schwierige Aufgabe hat er von Anfang an mit klarem und zielbewußtem Blicke erfaßt und diese jederzeit, seinen von reifen Erfahrungen unterstützten pädago- gischen Grundsätzen folgend, zum Besten der Anstalt und ihrer Insassen' erfüllt, sodaß ihm die vollste Anerkennung seiner vorgesetzten Behörde zu Teil wurde.“ Von körperlichen Übungen wurde hier besonders das Rudern in einem besonderen Ruderverein betrieben mit zwei Booten, die Tagesleistungen bis zu 74 km aufzuweisen hatten.‘ Das Baden war für die Schüler von I bis IV verbindlich. Das Pädagogium besitzt eine eigene Seebadeanstalt, die am Abhange des schön bewaldeten Goor liegt, vierzig Minuten von der Schule entfernt. ) Da brach 1914 der Krieg aus. H. hatte ihn kommen sehen. Schon am 10. März 1913 begann er eine Ansprache bei einem Schauturnen mit den Worten: „Düster umwölkt ist, wie wir alle wissen, der politische Horizont. Deutschland hat infolge des glänzenden Aufschwunges, dessen e8 sich auf allen Gebieten erfreuen kann, nur wenig wahre Freunde in der Welt. Nur unsere starke ‘Heeresmacht hindert die neidischen Gegner, über uns herzufallen, um uns womöglich von unserer stolzen Höhe herab- zureißen.“ Es war sein unablässiges Bestreben gewesen, seine Schüler körperlich zu ertüchtigen und mit feuriger Vaterlandsliebe zu erfüllen. Jetzt traten 33 seiner Zöglinge in das Heer und bis Ostern 1916 hatten schon 51 frühere Schüler des Pädagogiums ihre Treue gegen das Vater- land mit dem Heldentode besiegelt. “ Nach Beginn des Schuljahres 1916 suchte man eiıten Direktor für das Kgl. Fürstin-Hedwigs-Gymnasium in Neustettin, eine größere Anstalt von über 300 Schülern, und die Wahl der Behörde fiel auf H. Er wurde am 1. Juli 1916 dorthin versetzt. Ein Satz aus den Abschiedsworten an die Schüler in Putbus ist charakteristisch für seine Auffassung des Amtes, die auch in solchem Augenblick der Wahrheit die Ehre gab: „In der Schule ist es nun einmal unvermeidlich, daß die Neigungen und Wünsche der Jugend zuweilen den Bestrebungen und Absichten des Erziehers und Lehrers widerstreben, und so habe auch ich leider öfter, als es mir lieb war, zu schärferen Maßregeln greifen müssen. Eurem Gesamtverhalten aber glaube ich entnehmen zu können, daß wenigstens in der über- 36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. wiegenden Mehrheit Ihr von der Überzeugung durchdrungen seid, das meine Entschließungen stets nur durch die Sorge für Euer geistiges und leibliches Wohl bedingt gewesen sind.“ An dem neuen Wohnorte fand H., wie er mir gegenüber gerühmt hat, das willigste Entgegenkommen. Leider sollte sein dortiges Wirken nicht von langer Dauer sein. Noch im Sommer 1917 machte er bei einem Besuche den Eindruck eines völlig gesunden Mannes. Aber schon in den Oktoberferien mußte er — so berichtet seine Tochter — sich wegen Zuckerkrankheit in das Sanatorium des Professors Sandmeyer in Zehlendorf begeben. Der Arzt verlangte auf jeden Fall einen längeren Urlaub. Davor wollte H. jedoch nichts hören, erholte sich auch scheinbar und nahm nach den Ferien sein Amt wieder auf. In den Weihnachtsferien, die bis 1. Februar verlängert werden mußten, ging es ihm sichtlich schlechter. Doch arbeitete er mit großer Liebe an einer Neuauflage seiner Sylloge epigrammatum Grae- corum. Er äußerte zu den Seinen: „Es macht mir so viel Freude, in einem Jahre bin ich fertig.” An Kaisers Geburtstag war er mit den Amtsgenossen und deren Damen zusammen und brachte das Kaiserhoch aus. Doch von dem Tage ab nahm die Schwäche in den Beinen zu. Am 1. Februar begann der Unterricht wieder, am 4. hielt er in seiner Wohnung die letzte Konferenz ab und übergab dann die Amtsgeschäfte seinem Vertreter. Am 13. Februar 1918 ist er sanft ohne jeden Kampf ent- schlafen. Er ist in Jauer zur letzten Ruhe bestattet worden. Sein Sohn hatte im Sommer die Reifeprüfung bestanden und war als Kriegs- freiwilliger in das 42. Feldartillerie-Regiment eingetreten, dem der Vater bis 1912 als Reserveoffizier angehört hatte. Mit Ernst Hoffmank schied ein Mann von reicher Begabung, nimmermüder Pflichttreue und o]ü /ater ] : glühender Vaterlandsliebe Tran Der Zivilingenieur Karl Joppich wurde am 4. April 1854 zu Jamke im Kreise Falkenberg geboren, wo sein Vater Landwirt war. Er be- suchte zunächst die Dorfschule und später das. katholische Gymnasium zu Neiße. Da der Vater früh starb, so.mußte die Mutter die Erziehung ihrer beiden Söhne allein übernehmen. Sie war eine vortreffliche Frau, die selbst einfach, pflichttreu und von Nächstenliebe erfüllt, es verstand, auch in ihren Kindern den Sinn für Einfachheit und treue Pflichterfüllung zu wecken und zu befestigen. So haben ihr denn auch ihre beiden Söhne innige Liebe und Dankbarkeit bis über das Grab hinaus bewahrt. Aber ihre Mittel waren nur gering, da sie als Wirtschafterin auf dem Lande nur ein mäßiges Einkommen hatte, und so konnte sie es nur ihrem ältesten Sohne ermöglichen, das Matthiasgymnasium in Breslau so weit zu besuchen, um sich dem Apothekerberufe widmen zu können. Dieser Nekrologe. 37 älteste Sohn Paul Joppich, an dem unser Karl Joppich zeit- lebens mit inniger Liebe hing, ist hier als Besitzer der Apotheke zur Sonne am 10. Mai 1917 gestorben (vergl. Nekrolog der Schlesischen Gesellschaft Jahrgang 1917). Karl Joppich dagegen mußte früh das Gymnasium verlassen und trat seiner Neigung folgend als Maschinen- baulehrling in die damalige Koinonia hier in der Klosterstraße zu dem damaligen Fabriken-Kommissarius Hofmann ein. Eine bessere Lehre konnte er gar nicht finden. Damals trieben die Maschinenfabriken noch allgemeinen Maschinenbau, sie waren noch nicht so spezialisiert wie heute, und so hatte Joppich, dank der Vielseitigkeit des Werkes, Gelegenheit, den Bau von Mühlen, Zementfabriken, Wasserhaltungs- n.aschinen, Dampfmaschinen und von Dampfern, von denen heut noch einige auf der Oder fahren, von Grund aus kenren zu lernen. Und der alte Hofmann war ein hervorragender Lehrherr, dem das Wohi seiner Lehrlinge sehr am Herzen lag. So förderte er auch den jungen Joppich in jeder Weise. Da dieser sehr fleißig und befähigt war, so stieg er schnell vom Schlosser, Monteur zum Konstrukteur auf und war schließlich als Oberingenieur bis zum Jahre 1902 in der Koinonia tätig. Zu diesem Zeitpunkt begründete er mit dem Zivilingenieur Sonnabend hier das Technische Büro Germania. Auch hier war es ihm vergönnt, seine reichen Kenntnisse, seine vielseitige Erfahrung nutzbar anzuwenden, und weit über die Grenzen Schlesiens hinaus wurde er als tüchtiger In- genieur und gewissenhafter, pflichtgetreuer technischer Berater ge- schätzt und gesucht. So zeigt sein Lebensgang, daß auch bisher schon die Bahn für den Tüchtigen frei war. Vom -einfachen Maschinenbaulehrling hat sich Joppich aus eigener Kraft, ohne eine technische Schule besucht zu . haben, zu einem hervorragenden Ingenieur emporgearbeitet. Im Gegen- satz zu vielen älteren, aus der Praxis hervorgegangenen Ingenieuren, die alle Theorie als unnütz ablehnten, erkannte er frühzeitig ihren Wert. ‚Und. wenn es ihm auch nicht gegeben war, sie durch eigene Forschungen zu bereichern, so hat er sich doch unterstützt, durch die seltene Gabe, sich schnell in ein neues Gebiet hineinzufinden, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu scheiden und den Kern der Dinge herauszuschälen, gründliche theoretische Kenntnisse durch Selbststudium erworben und wußte sie überall nutzbringend zu verwerten. Ganz besonders war er ein gründlicher Kenner der Thermodynamik und der technischen Wirt- schaftslehre. Persönlich war er bescheiden und anspruchslos, dabei liebenswürdig, bereitwillig zu helfen, wo es zu helfen galt, und von großer Herzensgüte. Niemand, der ihn genauer kannte, konnte sich dem Zauber seiner Per- sönlichkeit entziehen. v 383 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Einem Manne wie Joppich konnte die Tätigkeit in seinem eigenen Geschäftskreis allein nicht genügen. Er fühlte, dab er auch die Pflicht habe, seine Kräfte in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen. So hat er 34 Jahre lang an den Arbeiten des Breslauer Bezirksvereines Deutscher Ingenieure teilgenommen, 10 Jahre lang war er Mitglied unserer Gesellschaft. Er gehörte der Betriebsdeputation der Stadt Breslau und dem Schulvorstande der hiesigen höheren Maschinenbauschule an. Und nicht nur dem Namen nach, sondern mit seiner ganzen Kraft war er in ihnen tätig und förderte ihre Arbeiten durch seine verständigen Ratschläge. | Die große Arbeitslast, die auf seinen Schultern ruhte, untergrub aber schließlich seine Gesundheit. Im Juli 1918 befiel ihn eine schwere Darmkrankheit, von der er durch eine Operation Heilung erwartete. Vergebens. Am 24. August 1918 erlöste ihn der Tod von seinen Leiden. Sein Leben war köstlich, denn es war Mühe und Arbeit. Nun ruht er neben seiner Mutter und seinem Bruder von. seiner Arbeit aus, unver- gessen von allen denen, die das Glück hatten, ihn näher zu kennen. Aber noch spätere Geschlechter werden seiner in Dankbarkeit gedenken. Hat er doch, getragen von seinem hohen Gemeinsinn, einen beträcht- lichen Teil seines Vermögens mit der Bestimmung der Stadt Breslau vermacht, daß die Zinsen zur Unterstützung bedürftiger Ingenieure und als Stipendien für Studierende der hiesigen technischen Hochschule und für Schüler der hiesigen höheren Maschinenbauschule verwendet werden sollen. Prof. Dipl.-Ing. Kosch. Joseph Jungnitz. „Der Name Jungnitz ist auf immer mit der Diözesangeschichte durch seine wertvollen Publikationen und mit dem Diözesanarchiv durch seine ordnende und sichtende Tätigkeit aufs engste verwachsen und wird allen, die in archivalischer Arbeit ihm näher traten, in lieber Erinnerung bleiben. Wer die Fülle stiller, verborgener Arbeit zu schätzen weiß, die eine den wissenschaftlichen Anforderungen. entsprechende Archivverwaltung erheischt, wird der liebevollen, hin- gebenden Arbeit des Verewigten nur in hoher Achtung gedenken, die durch das Bild seines frommen, gemütvollen, demütig dienenden Charakters noch vertieft wird.“ Mit diesen Worten hat Fürstbischof Adolf Bertram treffend all das hervorgehoben, was uns an Joseph Jungnitz mit Dankbarkeit und Liebe denken läßt: Seine fruchtbare literarische und organisatorische Tätigkeit im Dienste der Heimatwissenschaft und sein edles, abgeklärtes Menschtum. Joseph Jungnitz wurde am 17. Mai 1844 zu Niedermois bei Neumarkt als ältestes von fünf Kindern eines wenig begüterten Stellen- Nekrologe. 29% besitzers und Sattlers geboren. Vom Heimatspfarrer erhielt der begabte ' Knabe Vorbereitungsunterricht, der ihn befähigte, 1857 in die Quarta des Matthiasgymnasiums zu Breslau einzutreten. 1863 bestand Joseph Jungnitz das Abiturientenexamen und bezog die Universität Breslau, um Theologie zu studieren. Die ungünstigen Verhältnisse der damaligen Breslauer theologischen Fakultät nahmen gerade um diese Zeit durch die Berufung von Hugo Laemmer und Ferdinand Probst eine verheißungs- volle Wendung zum Besseren. Treu und fleißig benützte Jungnitz seine Studienzeit und trat nach deren Beendigung 1866 ins Priester- seminar. Der Kursus seiner Mitalumnen hatte durch eine besonders große Anzahl bedeutender und interessanter Männer sein eigentümliches Gepräge. Es gehörten ihm u. a. an: Theodor Balve, Wilhelm Flassig, Adolf Franz, Arthur König, Paul Majunke, Karl Mommert, Edmund Prinz Radziwill. Die drei damaligen Alumnatsoberen waren vorbildliche, um Heimat und Diözese hochverdiente Männer: Joseph Sauer als Rektor, Paul Storch als Spiritual, Ferdinand Speil als Subregens. Unter diesen Männern für den priesterlichen Beruf aufs Beste vorgebildet, empfing Jungnitz mit seinem Kursus am 27. Juni 1867 die Priesterweihe. Die erste Anstellung erhielt er als Kaplan in Guhrau. Hier über- raschte ihn der preußische Kulturkampf, der es mit sich brachte, daß Jungnitz volle siebzehn Jahre in eifrigster, oft weit über seine körperlichen Kräfte hinausgehender Tätigkeit auf seinem Posten verblieb. Aus diesen Jahren der Überarbeit stammte eine Lähmung der Stimm- - bänder, die Jungnitz niemals mehr verlieren sollte, und die ihn für jede größere Kanzel, für jede größere Versammlung als Redner brachlegte. Das Jahr 1883 brachte ihm eine Anstellung als Regens am Waisen- hause zur schmerzhaften Mutter in Breslau, das Jahr 1836 eine solche als Subregens am Fürstbischöflichen Priesterseminar. Im Nebenamte wirkte er seit dieser Zeit bis an sein Lebensende als Beichtvater und Berater am Mutterhause der Grauen Schwestern zu Breslau. Die schriftstellerische Tätigkeit, die Jungnitz zunächst auf populär-aszetischem, später auf heimatgeschichtlichem Gebiete seit seinen ersten Guhrauer Jahren fleißig betrieben hatte, ward ihm Anlaß, 1891 den theologischen Doktorgrad zu erwerben, Nun kamen für Jungnitz die Jahre einer ganz besonders regen und erfolgreichen wissenschaftlichen Tätigkeit, verschönt durch die ehrende vertraute Freundschaft mit Georg Kardinal Kopp, der Jung- nitz, seinen Beichtvater, am liebsten auch bei seinen Sommerauf- enthalten in Johannesberg nicht missen wollte. Das bleibende wertvolle Denkmal dieser Freundschaft ist die Grün- dung des Fürstbischöflichen Diözesanarchivs und -Museums durch Kardinal Kopp und die Ernennung Jungnitz' zum Leiter dieser großer 30 Jahresbericht der Schles: Gesellschaft für vaterl. Cultur. wissenschaftlichen Anstalten, mit denen die alte und berühmte Breslauer Dombibliothek von nun an verbunden wurde Für die Ordnung, Aus- gestaltung und Vervollkommnung dieser drei Bereiche unschätzbarer Güter der Wissenschaft und Kunst war Jungnitz so recht der Mann. Hier stand er inmitten des von ihm Geschaffenen jederzeit mit selbst- losester Bereitwilligkeit jedermann in wissenschaftlichen Anliegen zur Verfügung. Hier wurden von ihm jahrein, jahraus viele junge Theologen und Historiker mit unermüdlicher Geduld im Urkundenlesen geschult und zu selbständigen Arbeiten angeleitet. Von hier aus unternahm er, namentlich in den ersten Jahren des Bestehens der Anstalten, zahl- reiche archivalische Streifzüge.durch die Diözese, die immer wichtige Funde für Archiv, Museum und Bibliothek zur Folge hatten. Auch den wissenschaftlichen Vereinen der engeren Heimat, dem Verein für Geschichte Schlesiens, dem schlesischen Altertumsverein, der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, ebenso den wissen- schaftlichen Unternehmungen, Ausstellungen usw. der Museen, Archive und Bibliotheken Breslaus wandte Jungnitz seine freudige Mitarbeit zu, meist in Vorstandsämtern oder an sonst verantwortlichen Stellen wirkend, überall und immer in freundschaftlichstem Einvernehmen mit den leitenden Gelehrten dieser Vereinigungen oder Veranstaltungen, überall durch sein mildes Wesen’ ausgleichend, wo etwa Gegensätze sich bemerkbar machen wollten. Seit 1908 gehörte Jungnitz als Honorarprofessor auch dem Lehr- ‘körper der Breslauer alma mater an. Von äußeren Ehrungen wurde ihm 1911 der philosophische Doktortitel honoris causa und ein Ehren- kanonikat zuteil. Sein goldenes Priesterjubiläum wurde weit über die Grenzen der Heimatprovinz und Diözese als willkommene Gelegenheit zu wärmsten Kundgebungen dankbarer Verehrung gegen den bescheidenen Priester- greis benützt, und dies nicht nur von Männern in hohen kirchlichen und staatlichen Stellungen, von Männern der Kunst und Wissenschaft, sondern vielfach auch von bescheidenen und verborgenen Seelen, denen er geist- licher Berater und Führer geworden und geblieben war, denn bei aller wissenschaftlichen Betätigung hat Jungnitz seiner ersten Liebe, der ‚Seelsorge, bis in seine letzten Lebenstage die Treue gehalten. Die niemals sehr feste Gesundheit Jungnitz’' hatte in seinen letzten Jahren ihm sichtlich große Hindernisse, seinen Verehrern rechte ‚Sorgen bereitet. Seine geregelte einfache Lebensweise, seine Energie und Arbeitsfreudigkeit und auch eine Kur in Lähn halfen ihm aber immer wieder auf. So kam sein sanftes Hinscheiden am 21. Januar 1918 aller Welt überraschend. Noch wenige Tage vor seinem Tode hatte er zu einem jüngeren Freunde über seine Zukunftspläne bezüglich eines Nekrologe.. 31 beschreibenden Inventarverzeichnisses der Diözesanmuseumsbestände ausführlich gesprochen. Eine Jungnitz-Bibliographie ist in der Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens LII (1918) zusammengestellt. Es sind mit Einschluß der erreichbar gewesenen Aufsätze 162 Nummern. Als wichtigste Veröffentlichungen seien hier hervorgehoben: Geschichte der Dörfer Ober- und Nieder-Mois 1885. Die heilige Hedwig 1886. Sebastian von Rostock 1891. Petrus Gebauer 1892. Die Breslauer Ritualien 1892. Die Kongregation der Grauen Schwestern 1892. Das Breslauer Brevier und Proprium 1893. Die Grabstätten der Breslauer Bischöfe 1895. Martin von Gerstmann 1898. Charakterbilder aus dem Clerus Schlesiens, Neue Folge 1898. August Meer 1898. Die Sanctio pragmatica des Bischofs Franz Ludwig 1900. Visitationsberichte der. Diözese Breslau, 4 Teile 1902 ff. Beziehungen des Kardinals Melchior von Diepenbrock zu König Friedrich Wilhelm IV. 1903. Karl Otto 1904. Die Breslauer Germaniker 1906. Ferdinand Speil 1907. Die Breslauer Domkirche 1908. Anton Lothar Graf von Hatzfeldt-Gleichen 1908. Joseph Sauer 1913. Die Breslauer Weihbischöfe 1914. Adolf Franz 1917. Wertvolle Beiträge zur Biographie Jungnitz’ enthalten die Nach- rufe von Fürstbischof Bertram, Prälat König, Bretschneider, Wendt und Maetschke in dem bereits genannten Bande der Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens. Einen Ansatz zu seiner Selbstbiographie, reizvoll und für ihn außerordentlich charakteristisch, stiftete Jungnitz als Beitrag zu dem Büchlein: Heiliges Wissen. Heimatgrüße der katholisch- theologischen Fakultät der :Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität an ihre Studenten im Felde. Breslau 1918. ® Der kath.-theol. Sektion gehörte er seit ihrer Gründung als eines ihrer eifrigsten Mitglieder an. Er hat in ihr zwar nur einen Vortrag ge- halten (am 30. Oktober 1906 über Entstehung und Umänderung der Grenzen des Bistums Breslau), aber er hat die Sektion im Dom und in dem von ihm geleiteten Diözesan-Museum, -Archiv und -Bibliothek als der sachkundigste Kenner geführt und hat auf allen unseren Wander- versammlungen, die stets der Kenntnis bedeutender Denkmäler kirch- lieher Kunst und Vergangenheit galten, als unersetzlicher Führer aus dem unerschöpflichen Schatz seines theologischen und geschichtlichen Wissens uns reichste Anregung und Belehrung geboten. Wartha. Paul Bretschneider. D Dr. Gustav Kawerau. Mit dem Namen dieses Mannes taucht das Bild einer Persönlichkeit auf, die sich um die evangelische Kirche und um die theologische Wissenschaft hervorragende und unvergäng- liche Verdienste erworben hat, und die allen denen, die ihr näher zu 32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. treten das Glück hatten, in steter lieber Erinnerung bleiben wird. Ge- rade auch hier in Breslau und in seiner und unserer Heimatprovinz hat sein Name einen helltönenden Klang behalten. K., am 25. Februar 1847 in Bunzlau geboren, Schüler des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums in Berlin, wo er Michaeli 1863 die Reifeprüfung bestand, studierte von 1863 bis 1866 Theologie in Berlin und bestand ebendort 1867 und 1869 die beiden theologischen Prüfungen. Er wurde zuerst im Jahre 1870 Hilfs- rrediger an St. Luckas, dann Pfarrer in Langheinersdorf (Kr. Züllichau), wo er bis 1876 blieb. Darauf bekleidete er das Pfarramt in Klemzig bis 1882, um nachher als Professor und geistlicher Inspektor an das Kloster U. L. Frauen in Magdeburg berufen zu werden. Seine wissen- schaftlichen Arbeiten und seine hervorragende Befähigung für die prak- tische Tätigkeit lenkten die Augen der preußischen Unterrichtsverwaltung auf ihn, um so mehr, als er bereits am 10. November 1883 von den Universitäten Halle und Tübingen mit dem theologischen Doktorhut ausgezeichnet worden war. Später wurde er auch philosophischer Ehrendoktor von Gießen. Er erhielt im Jahre 1886 einen Ruf als ordent- licher Professor an die Universität Kiel, wo er bis 1894 blieb, um dann in gleicher Eigenschaft und als Mitglied des Konsistoriums nach Breslau überzusiedeln. Hier war er zugleich Universitätsprediger und Mitglied der theologischen Prüfungskommission in Posen. Eine Wahl zum ersten Geistlichen an der Elisabethkirche, womit die städtische Kircheninspek- tion verbunden gewesen wäre, lehnte er im Jahre 1902 ab. weil er auf seine Universitätsstellung hätte verzichten müssen, und weil ihm von maßgebender Seite nahegelegt worden war, seine ganze Kraft der Hoch- schule und,der Wissenschaft zu widmen. Seinem großen Wirkungskreise in Breslau wurde K. 1907 dadurch entrissen, daß er als Nachfolger des Freiherrn v.d. Goltz als Propst an St. Petri und als Mitglied des Ober- kirchenrats nach Berlin kam, wo er auch als ordentlicher Honorar- professor in den Lehrkörper der Universität eintrat. Am Nachmittag des 1. Advent, 1. Dezember 1918, ist K. nach kurzer Krankheit im 72. Lebensjahre sanft entschlafen. K. hat eine außerordentliche fruchtbare literarische Tätigkeit ent- wirkt; auf dem Gebiet der Reformationsgeschichte war er unbestrittene Autorität, weshalb er auch zum Vorsitzenden der staatlichen Kommission zur Herausgabe von Luthers Werken ernannt wurde. Wie hat er über- lebte Anschauungen berichtigt, neue Ergebnisse gezeitigt, die Gegner a»gewiesen, aber sich auch von ihnen belehren lassen, die großen Ge- danken der Reformatoren ins helle Licht gestellt, aber auch das Kleinste gewürdigt! Und das alles in heller Klarheit der Gedanken und in schöner wohltuender Darstellung, mit zuverlässigster Sorgfalt und mit weiten Gesichtspunkten! Er schrieb über Agrikoln 1881, über Gübel £y dr Nekrologe. 33 1882, gab 1884 den Briefwechsel von Justus Jonas heraus, arbeitete an der Braunschweiger, der großen Weimarer und anderen Ausgaben von Luthers Werken mit, gab 1894 Band III der Kirchengeschichte von W. Möller und vor allem die große Lutherbiographie von Köstlin 1903 erneut heraus, stellte den Charakter und das Wirken von Hieronymus Emser ins helle Licht, berichtete über die Versuche, Melanchton in die katholische Kirche zurückzuführen, über Luthers Rückkehr von der Wartburg usw. Predigten, zumeist solche, die er als ÜUniversitäts- prediger in Breslau gehalten hat, ließ er auf vielfachen Wunsch er- scheinen. In zahlreichen Aufsätzen und Vorträgen besprach er die Fragen der Zeit und bereicherte er unsere Kenntnis. Die evgl.: theol. ‚Sektion hat er mitbegründet. K, war ein höchst sympathischer Mensch; seine anzenehmen Um- ; g gangsformen, seine allgemeine Bildung, sein köstlicher Humor — er war ein Meister des Erzählens — seine tiefe und aufrichtige Frömmigkeit, seine Duldsamkeit bei aller Entschiedenheit, das Ausgeglichene, jeder Schroffheit Abholde seines Wesens, sein wohlklingendes Organ, das das Ohr von der Kanzel ebenso in seinen Bann zwang wie in seinen Vor- trägen und beim Gesang — alles das steht denen lebendig vor Augen, die ihn kannten. Er war nicht nur ein „Diener“, er war auch ein Herr des Worts. Manche seiner rhetorischen Leistungen waren Glanzpunkte, so die. im Breslauer Konzerthaus bei der Feier des 25 jährigen Bestehens des Deutschen Reiches gehaltene Festrede. Er liebte und übte die Musik, nicht nur die musica sacra, alles Harmonische weckte in ihm ein lebendiges Echo; die . kirchenmusikalische Förderung. der Jungen Theologen und die liturgisch reichere und schönere Gestaltung der Gottesdienste lag ihm besonders am Herzen. Daher förderte er auch mit ganz besonderem Interesse den Schlesischen Kirchenmusikverein, an _ dessen Tagungen er stets teilnahm, die er durch seine meisterhaften liturgischen Gottesdienste auf leuchtende Höhen führte und dessen Ehrenvorsitzender er war. Bei der Herausgabe des neuen Gesangbuches stand er der Kommission mit weisem Rat erfolgreich bei. Unter seiner Leitung tagte vor einigen Jahren in Berlin die zur Verbesserung und Bereicherung der Agende zusammengesetzte Kommission, in die auch der Unterzeichnete berufen war. Die geschickte Leitung der Bera- tungen, die übrigens auch seinem Rektoratsjahr in Breslau nach- gerühmt wird, das tiefe Wissen um die liturgische Entwicklung und die Forderungen der evang. Kirche, das feine Gefühl für den Wohl- klang der Sprache, das Versöhnende in seinem Urteil, das Eingehen auf die Zeichen der Zeit, nicht zum mindesten der Verkehr in seinem, mit interessanten Denkwürdigkeiten reich ausgestatteten Hause, das 1918. 3 % F e) 34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. alles läßt uns das Bild jenes trefflichen und liebenswürdigen Menschen im hellen, warmen Lichte erscheinen. x Non omnis moriar — könnte K.von sich sagen. Er würde es in seiner Bescheidenheit ablehnen. Aber evangelische Kirche und theo- logische Wissenschaft werdens rühmen: Du warst der Besten einer. Dienum laude virum — Musa vetat mori. DIDrejekze: Am 29. April 1918 verschied in Kissingen, woselbst er zur Kur weilte, der Oberingenieur Henry Koch, Vorstand der Siemens- Schuckert-Werke, Breslau. Er war am 9.Juli 1861 zu Longully in Australien als Sohn des Goldwäschereibesitzers Henry Koch geboren; bis zum 12. Jahre besuchte er die Schule in Sandhurst, dann, infolge der Übersiedelung seiner Eltern nach Europa, woselbst sein Vater in Lübeck eine Schiffswerft gründete, das Gymnasium der alten Hanse- stadt sowie das von Plön; letzteres verließ er 1884 nach bestandenem Abiturientenexamen und studierte in Bonn drei Semester Naturwissen- schaften, alsdann an der technischen Hochschule Charlottenburg Elektrotechnik. 1899 gründete er einen eigenen Hausstand und führte Frau Emma geb. Gundlach heim, welche ihm fortan als liebe- und ver- ständnisvolle Lebensgefährtin zur Seite stand. Der Ehe entstammten zwei Söhne, von welchen der ältere die Marineoffizier- der jüngere die Juristenlaufbahn einschlug. Anfang 1890 trat Koch als Ingenieur bei Schuckert & Co. in Breslau ein, ging dann 1893 zu Siemens & Halske über und wurde als Gründer und Leiter des technischen Büros dieser Firma nach Danzig berufen; nach sechsjähriger Tätigkeit in West- und Ostpreußen richtete er 1899 für die gleiche Firma das technische Büro in Breslau ein, dessen Vor- stand und Leiter er auch nach der Fusion mit Schuckert und Co, — unter der Firma Siemens-Schuckertwerke G.m.b.H.— bis zu seinem Tode blieb. Für diese Stellung war Koch im wahren Sinne des Wortes der geeignete Mann. Begabt mit einem außergewöhnlich regen Temperament, ausgestattet mit großer Arbeitskraft und zäher Energie, verband er mit seiner eigentlichen Berufstätickeit großes kaufmännisches Geschick, sowie tüchtige geschäftliche Gewandtheit. So führte er das Unternehmen immer weiter empor und im April 1912 konnte er zu seiner aufrichtigen Freude und Genugtuung das neue stattliche Geschäftshaus in der Kaiser-Wilhelm-Straße mit dem auf seine Anregung errichteten, für das zukünftige Stadtbild höchst malerischen Bogenbau, einweihen. Nicht minder wie für Namen und Ansehen der von ihm vertretenen Firma war Koch für seine Mit- arbeiter und sein Personal besorgt; für jeden von ihnen zeigte er Interesse und als der Krieg mit seinen wirtschaftlichen Nöten und Nekrologe. 39 Entbehrungen kam, griff er helfend mit Rat und Tat ein und wubte "bei seinem auf das praktische des täglichen Lebens gerichteten Sinn viel Gutes zu stiften. Zeigte sich Koch in seiner Tätigkeit als kühl berechnender, für und wider sorgfältig abwägender Geschäftsmann, so war er nach voll- brachtem Tagewerk im Kreise seiner Familie, unter Freunden und Be- kannten von übersprudelnder Daseinsfreude, von sonnigem Humor und froher Heiterkeit erfüllt; er ließ dann gern das Goethe’sche Wort: „Lages Arbeit, —- Abends Gäste, Saure Wochen, — Frohe, Feste‘ zur Tat werden. Die Freude am Lebensgenuß, welche ihn durchpulste, wußte er aber in gänzlich ungezwungener, selbstverständlicher Weise den Anderen mitzuteilen, sodaß jeder Teilnehmer die schönsten Er- innerungen an die gemeinsam verlebten Stunden nach Hause nahm. Erholung. von seiner anstrengenden Tätigkeit suchte und fand Koch in Kunst und Natur. Für alles, was unser Leben verschönt, schlug sein empfängliches Herz, für Theater, Musik und vorzüglich die bildenden Künste. Nach Holland sowie Belgien, nach den alten Kultur- stätten Italiens trieb ihn mit seiner verständnisvollen Gattin als Partnerin die Sehnsucht, Schönes zu schauen, was Menschengeist und Menschenhand geschaffen in künstlerischem Triebe. Rembrandt, Franz Hals, Rubens, Van Dyk, Dürer und Holbein, die zarte knospende Kunst des Quattrocento, die ausgereifte des Cinquecento hatten es ihm angetan und boten ihm in ihren Werken geistige Erfrischung und Er- hebung. Durch das Studium der diesbezüglichen Schriften von Muther, Springer u.a. war er eifric bemüht, sein Wissen und seine Anschau- ungen zu bereichern sowie zu vertiefen. Aber auch die erhabene Schönheit der Natur, die majestätische Einsamkeit des Hochgebirges wie die ewig wechselnde Pracht des Meeres, zogen sein Gemüt in gleicher Weise an. Und diese Liebe zur Natur, zu unserem Riesen- gebirge mit seinen stillen Wäldern und lieblichen Tälern, nicht minder zu unserer alten ehrwürdgen Oderstadt führte dazu, daß Koch im Laufe der Zeit hier bei uns sozusagen bodenständig wurde. Deshalb ist es auch nur recht und billig, wenn wir in den Jahrbüchern unserer "Gesellschaft sein Andenken als das eines treuen Schlesiers festhalten. In den letzten Jahren stellten sich bei dem rührigen und tätigen Manne Herzbeschwerden ein, welche wohl zu vorübergehenden Er- ‚holungspausen zwangen, aber doch seine rastlose Arbeitskraft nicht lähmen konnten. Erst im Winter 1917 und in den ersten Monaten des ‚darauf folgenden Jahres ließ sein Gesundheitszustand mehr und mehr zu wünschen übrig, wozu zweifellos auch die dauernden Aufregungen [B) Si 36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur während des Krieges, sowie die Sorge um das Wohl seiner Söhne, welche er mit Vaterstolz zärtlich liebte, beigetragen hatten. Anfane- April 1918 ging er nach Kissingen, von welchem er sehnlichst Linde- rung seines Leidens hoffte. Als er daselbst angekommen war, trat plötzlich mit großer Intensität eine schwere perniciöse Anämie in Er- scheinung, welche unaufhaltsam fortschreitend, nach wenigen Wochen zum Tode führte. — Ein echter kerndeutscher Mann, ein prächtiger, guter, aufrichtiger Mensch — so wird Koch im Gedächtnis bei allen, welche ihn kannten, fortleben. Ich hatt! einen Kameraden... Paul Der Am 12. Oktober 1918 verstarb in Friedenau bei Berlin das korrespondierende Mitglied unserer Gesellschaft, Prof. Dr. Emil Koehne. Er wurde geboren am 12. Februar 1848 in Sasterhausen bei Striegau als Sohn eines Landwirtes, der später mehrere Jahre hin- durch als freikonservativer Abgeordneter für die Priegnitz tätig war. Nach dem Besuch des Französischen Gymnasiums in Berlin studierte- Koehne daselbst Mathematik und Naturwissenschaften und promovierte am 26. Juli 1869 mit einer tüchtigen Dissertation über die Blütenentwick- lung bei den Kompositen. Im französischen Feldzuge wurde er am 18. August 1870 bei Gravelotte schwer verwundet und fand erst nach langer Zeit Heilung. Schon 1872 bestand er das Staatsexamen und. wirkte von diesem Jahre ab als Oberlehrer an der Friedrich Werderschen- Gewerbeschule und seit 1880 am Falk-Realgymnasium in Berlin, bis er 1913 in den Ruhestand trat. Noch konnte er in verhältnismäßiger Frische unter reger Beteiligung botanischer Kreise seinen 70. Geburtstag begehen; aber sein Leiden verschlimmerte sich im Sommer so bedeutend, daß er nach schwerer Krankheit noch in demselben Jahre verschied. Koehne hat sich um die botanische Wissenschaft grosse Ver-. dienste erworben. Er war der Monograph der Lythraceen. In zahl- reichen Arbeiten, die alle mit größter Sorgfalt durchgeführt sind, machte er uns mit dieser vorzugsweise tropischen Familie bekannt, und 1903 erschien im .„.Pflanzenreich“ eine ausgezeichnete Bearbeitung dieses Verwandtschaftskreises, zu der er noch 1907 und 1908 Nachträge lieferte. Schon 1893 gabKoehne seine grundlegende „Deutsche Dendrologie“ heraus, und seit diesem Jahre erschienen zahlreiche Arbeiten über die Holzgewächse, Mit besonderer Vorliebe beschäftigte er sich mit den Pomo- ideen und Prunoideen. Die Kenntnis der Bäume und Sträucher suchte er ferner zu fördern durch sein „Herbarium dendrologicum“, das in den Jahren 1896—1905 nicht weniger als 565 Nummern herausbrachte. Diese großen Verdienste erkannte die Deutsche Dendrologische Gesellschaft Nekreloge. | 37 ‚dankbar an, indem sie ihn zum Vizepräsidenten und später zum Ehrenmit- gliede ernannte. Nicht geringen Dank von seiten der Botaniker erwarb sich Koehne durch die Redaktion von Justs Botan. Jahresbericht. Von 1883 bis 1897 leitete er diese Arbeit, und er verstand es, nicht nur geeignete Mit- arbeiter zu gewinnen, sondern lieferte selbst ausgezeichnete Referate, Schon F.v. Müller hat ihm zu Ehren die Gattung Koehnea be- gründet, die sich später als Synonym von Nesaea erwies. Die von 0.Kuntze aufgestellte Koehneago ist gleichbedeutend mit Euosmia, und 1901 schuf Urban Koehneola, eine Komposite aus Kuba. So hat sich Koehne durch rastlose Arbeit selbst einen bleibenden Namen in der Geschichte der Wissenschaft begründet, aber auch für die Zwecke des Schulunterrichts war er literarisch tätig. Seine „Repetitions- ‚tafeln für den zoologischen Unterricht an höheren Lehranstalten‘ (1878/79) erlebten mehrere Auflagen; 1901 erschien seine „Pflanzen- kunde“ und endlich 1909 die 5. Auflage von Willkomms „Bilderatlas “les Pflanzenreichs“. Bei allen diesen Arbeiten kam ihm die großartige Fähigkeit des Zeichnens zu statten. Wer den nur im Manuskript vor- liegenden „Atlas der Lythraceen“ gesehen hat, wird sich eine Vorstellung verschaffen, wie meisterhaft Koehne die Kunst des Zeichnens beherrschte. Wer dem liebenswürdigen, immer hilfsbereiten Manne näher treten konnte, wird Koehne als Menschen nie vergessen. F.Bax. Paul Kokott, geboren den 22. Oktober 1861 zu Kattowitz, erwarb sich Ostern 1880 am Gymnasium in Ratibor das Reifezeugnis und be- stand am 6. März 1885 in Breslau die Lehramtsprüfung. Nachdem er am Gymnasium in Ratibor das Probejahr abgelegt hatte, wurde er ein weiteres Jahr an derselben Anstalt und dann ein Jahr am Gymnasium in Wohlau beschäftigt. Als Oberlehrer wurde er den 1. April 1888 am Matthias-Gymnasium in Breslau angestellt. Am 1. Juli nach Könißshütte (Gymnasium) versetzt, blieb er hier bis zum 1. April 1893. Bis 1901 war er sodann am Gymnasium Johanneum in Gr.-Strehlitz und von da an drei Jahre am Gymnasium in Sagan tätig. Am 1. April 1904 erfolgte seine Versetzung an das Gymnasium in Neiße. Am 27. Januar 1906 erhielt er den Charakter als Professor und am 12. März 1906 den Rang der Räte IV. Klasse. Ausgezeichnet wurde er am 22. Dezember 1917 durch Ver- leihung des Verdienstkreuzes für Kriegshilfe. Er starb am 14. Oktober 1918. Seine wissenschaftlichen WVeröffentlichungen bewegten sich aus- schließlich auf dem Gebiete der Mathematik. Es sind folgende: 1. Beiträge zur Theorie der kenformen Abbildung. Programm-Ab- handlung, Matthias-Gymnasium Breslau 1890. 38 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. xartkdx 2. Die Bedingungen, unter denen VYit2.xs+,x°+...x% ist. Ztsch. f. Math. und Phys. v. Cantor u. Mehmke 1900. 3. Zur Theorie der Ponceletschen Polygone. Programmabhandlung, Gymnasium Sagan 1903. 4. Das Additionstheorem der elliptischen Funktionen in geometrischer Form. Archiv der Math. u. Phys. 3. Reihe. Lampe, Meyer, Jahnke. 1902. . Untersuchungen über die Landensche Transformation. Journal für reine und angewandte Math., begründet von Crelle. Bd.124 Heft 3. 6. Die wiederholte Anwendung der Landenschen Transformation. Archiv £. Math.u. Phys. 3. Reihe VI H.1 u.4. 1904. 7. Das Abrollen der Kurven bei gradliniger Bewegung eines Punktes. Ebendaselbst IX H.1 u. 2. 1905. 8. Verallgemeinerung eines Satzes von Gudermann. Crelle, J.f. reine und angewandte Math. Bd. 132 H.1. 1906. 9. Sehnenviereck und elliptische Funktionen. Wissensch. Beilage zum Österprogramm Neiße 1910. 10. Über singuläre Ponceletsche Polygone am Kreise. Jahresbericht: der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 1915. Dr.Seidel, Direktor. algebraisch. 1 | Am 11. September 1918 starb Frau Geh. Medizinalrat Harriet Küstner. Geboren am 12. September 1861 in Klein-Flottbeck in Holstein als Tochter des Plantagenbesitzers, späteren Rittergutsbesitzers- auf Nütschau bei Oldesloe, Lorenz Booth und seiner Frau Gemahlin Laura geb. Vorwerk, war sie die Enkelin des John Booth, Bruders vor James Booth, welche beide aus Schottland eingewandert, in Klein-Flott- beck die Plantagen begründeten, die bald einen Weltruf genossen. Ihr Vater starb am 16. Januar 1887; dann zog die Mutter mitihren 5 Töchtern, von denen die jüngste bald darauf einer Nephritis erlag, nach Berlin; von hier aus verheiratete sich die älteste, Harriet, mit Dr. Otto Küstner, ordentl. Professor der Gynäkologie in Dorpat. Das erste Kind, geboren am 7. November 1890 wurde nur 13 Jahr alt; 13 Jahr nach der Geburt des zweiten (Fritz) am 17. April 1892 erfolgte die Übersiedelung nach Breslau. Hier wurden noch zwei Söhne geboren, Moritz am 5. März 1894 und Heinz am 16. Januar 1897. Obschon in den fernen Osten entrückt, waren auch die ersten Jahre der Ehe in Dorpat überaus glücklich. Mit großer Anpassungsfähigkeit begabt, empfand Frau K.die fremden Verhältnisse nicht fremd. Bald vermochte sie die Vorzüge der neuen baltischen Heimat zu schätzen, lernte diese mit ihren Bewohnern lieben, übersah leicht manche Schwierig- Nekrologe. 39 keit und Unbequemlichkeit und begriff schnell die Stellung und Aufgabe, die auf dem vorgeschobenen Posten deutscher Kultur dem deutschen Mann und der deutschen Frau erwuchsen. Hoch schlug ihr Herz, als sie vernahm, daß die deutschen Sieger 1918 in Dorpat eingezogen waren und die alte Hochschule dem Unterricht wieder wie ehedem in deutscher Sprache ihre Pforten erschloß. Im Herbst 1890 folgte ihr Mann einem Rufe nach Breslau. Hier richtete sie sich ein fürs Leben. Mit Breslau verankerte sie von vorn- herein all’ ihr Wünschen, Hoffen und Streben; sie war auch ausschlag- gebend, wenn ihr Mann an sich lockenden Versuchungen, eine andere Hochschule mit Breslau zu vertauschen, widerstand. Bald wurde ihr Haus die behagliche Stätte einer angeregten Geselligkeit. Die mannig- fachen Kunstgenüsse, welche die Metropole des Ostens bot, verschönten und veredelten das Leben. In den Ferien waren es häufig Reisen, viel- fach ins Ausland, vielfach nach dem geliebten Italien, welche Erfrischung, Erholung von der Arbeit, Freude und reiche Belehrung gewährten.. Als die Söhne heranwuchsen, immer mit ihnen zusammen, Vielfach betätigte sie sich an gemeinnützigen Bestrebungen. Mit ganz besonderer Hingabe während des Krieges. Als ihre Söhne alle an der Front waren, der älteste bereits zur ewigen Ruhe eingegangen war, war es ganz besonders ein von ihr begründeter Kinderhort, dem sie ihre fürsorgliche Neigung zuwandte. Sie war nun einmal eben eine Mutter. Und wenn es arme Kinder waren, die barfüßig ihren Sarg hier in Breslau mit umstanden, so gaben auch sie ihr Teil zum Gepräge dieses Lebens bei seinem Abschlusse. Zeitweise, meist mehrere Male im Jahre, während der Ferien, wurde der Großstadtaufenthalt mit dem auf dem Lande in Trossin, Kreis Torgau, wo ihr Gatte angesessen war, vertauscht. Auch hier war sie zu Hause. Hier lebte sie in der schönen Natur. Aber Baum und Strauch, Pflanze und Blume waren ihr mehr, als ästhetischer Genub, als bloße Landschafts- dekoration. Beruf des Vaters und Großvaters, die tägliche Umgebung während der Kinderjahre hatten bei ihr Neigung geweckt und Kenntnisse gefördert. Sie war und blieb eine ungewöhnlich gute Kennerin der heimischen Flora und bediente sich der wissenschaftlichen Bezeichnungen nicht selten zur Verwunderung solcher, denen nur die deutschen Provinzialismen geläufig waren. Hier lebte sie aber auch in und über einem verzweigten landwirtschaftlichen Betriebe und sie lebte in ihm, arbeits- und opferfreudig. Hier lebte sie auch in der Welt, der „Kleinen unseres Volkes“. Den Wünschen, der Denkweise, den Anschauungen auch der einfachen und einfachsten Leute auf dem Lande brachte sie großes Verständnis und warmes Empfinden entgegen. Sie lebte nicht über, sondern mit, unter ihnen. Wie schmerzlich wird jetzt in unserer: 40 . Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. reorganisationshaschenden Gesellschaft empfunden, daß ein derartiges Verhältnis nicht das allgemeine war. Viel Liebe hat sie da gegeben, viel auch empfangen. Kein Mann, keine Frau, kein Kind fehlte, als sie am 16. September 1918 auf dem Dorfkirchhofe zur letzten Ruhe gebettet wurde. Die Welt aber, in der sie ganz und völlig aufging, war ihre Familie, ihr Mann und seine Arbeit, ihre Kinder, deren Entwickelung und Er- ziehung. In ihres Mannes Beruf hatte sie sich völlig eingelebt; sie half ihm und unterstützte ihn bei praktischer und wissenschaftlicher Tätigkeit. In seiner Klinik war sie zu Hause. All’ ihren Beamten und Bediensteten, höheren wie niedrigen, stand sie persönlich nahe. Von ihrem heiteren, gütigen Wesen aus strahlte mancher freundliche Sonnenstreifen auch in das in strenger, entsagungsvoller Arbeit ablaufende Leben der Assistenten. Mit ihren Kindern lernte sie die alten Sprachen, so weit, daß sie ihnen bei ihren Schularbeiten helfen konnte. Sie regte sie an und unter- _ stützte sie bei künstlerischen Neigungen. Musikalisches Talent wurde, wenn sie selbst auch nicht mehr ausübend war, gefördert und zu schöner Entfaltung gebracht. Oft erquickte sie auf ihrem Leidenslager noch ein Trio oder Quartett edler Musik. Brahms und Schubert waren ihre Lieb- linge. Unter Schuberts Klagetönen verließ ihre sterbliche Hülle ihr Haus. Meisterin war sie in der feinpsychologischen individuellen Be- handlung jedes einzelnen ihrer Kinder. Deren Erziehung, wahrlich . nicht immer mit weicher Hand, war ihr alles und der Sinn und das Ziel: ihres Lebens. Und so ergriff sie ein unendlicher, unsagbarer Schmerz, als mit dem 1. August 1914 ihr die Möglichkeit vor Auge und Seele trat, sie verlieren zu müssen, als die beiden Ältesten sofort eintraten. Gewiß war sie eine selbstbewußte, aufrechte Patriotin, auch sie lebte den Stolz mit, den die Siegesjahre des Krieges in der ganzen Nation entflammten; aber immer regte sich das Mutterherz; die bange Sorge um die draußen, mit den mannigfachen Wechselfällen, ließ bei ihr ein hochgemutes Auf- jauchzen und Jubeln über die gewaltigen, unvergleichlichen Ruhmes- taten unserer Heere nicht so recht aufkommen. Das Schicksal erfüllte sich denn auch. Am 28. Januar 1916 kam ihr geliebter Ältester schwer krank von der Front nach Hause und starb schon nach zwei Tagen. Unendlich viel Liebe, unermeßlich viel Hoffnung begrub sie mit ihm. Tiefgebeugt wandelte sie jetzt ihre Tage. Und es war eigentlich nur das Bangen um die beiden Anderen, von denen der Jüngste auch bald zur Front ging, was sie aufrecht hielt. Das Ende unseres ungleichen Verteidieungskampfes gegen die ganze Welt sah sie nicht mehr. Im Frühjahr 1918 wurde bei ihr ein nicht mehr nachhaltig zu beeinflussendes bösartiges Leiden kenntlich. Sie Nekrologe. 41 trug es mit. Ergebenheit und Geduld und nicht ohne Hoffnung auf Genesung, unablässig tätig auch auf ihrem Krankenlager, bis wenige Tage vor dem erlösenden Ende das Bewußtsein schwand. Daß sie unseren Zusammenbruch mit seinen kläglichen Anteze- dentien und Folgen nicht mehr erlebte, daß ihr dieser Jammer, dieses Elend erspart blieb, könnte wirklich vielleicht als eine Wendung des Schicksals erscheinen, die mit ihrem frühen Tode versöhnen dürfte. — Sie war eine seltene Frau. Sie war eine Frohnatur, ihr fehlte nicht die Lust zum Fabulieren. Ihre Persönlichkeit, Bildung und Begabung hätte sie befähigt, das Leben von mancherlei anderer Seite anzufassen. Nichts von alledem. Keine gedruckte Zeile hat sie hinterlassen. Ihre Familie und ihre Kinder waren ihr Lebenszweck und ihr Lebensziel, ihre Lebensfreude. i Manches unausgefüllte Frauenleben tastet und irrt in Betätigungen herum, die für sublimer, für höher, für idealer gehalten werden. Ihr praktischer ‘Sinn, ihr gesunder Instinkt ließ sie beim Nächstliegenden verweilen; in ihren Söhnen sah sie das Bildungs- und Entwicklungsfähige, das war ihr Altruismus, damit wollte sie der Allgemeinheit und der Zu- kunft das Beste geben, was sie geben konnte. ‚„Die hat getan, was sie konnte“, das waren die Worte der Schrift in schöner Ausdeutung von berufener Stelle an ihrem Sarge gesprochen, das hat sie gekonnt, das wußte sie und das hat sie getan, Das war der Inhalt ihres Lebens und das sollte, so war es ihr Wunsch und Wille, sein Segen werden. „Laßt sie mit Frieden“. Josef Langer wurde am 25. März 1865 zu Münsterberg i. Schl. geboren als ältester Sohn des Kürschners Julius Langner, der ein Filz-, Strohhut- und Putzgeschäft betrieb. Fünfjährig wurde er zur Schule ge- schickt, 1876 fand er Aufnahme in die Präfektenschule (Gymnasialkurse) des Herrn Präfekten Hahn, der für Freischule, Stipendien und einen großen Teil des Unterhaltes des begabten Jungen Sorge trug. Vierzehnjährig verließ dieser die Schule, sollte zunächst Kaufmann werden, setzte dann aber seinen Wunsch, das Malerhandwerk zu erlernen, durch. Er kam zuerst nach Frankenstein in die Lehre, dann nach vier Monaten nach Münsterberg zu noch 3% jähriger Lehrzeit in das Haus eines dortigen Malermeisters. Auf ein Gesuch an den Kaiser, das der eben ausgelernte Malerlehrling in Sehnsucht nach Höherkommen und in völliger Un- kenntnis der Schulverhältnisse heimlich nach Berlin geschickt hatte, kam im März 1883 die Antwort: er sei zum Besuche der Kunstschule in Breslau zugelassen, habe aber für seinen Unterhalt durch Ausübung seines Berufes selbst Sorge zu tragen. In Breslau fand er zunächst Stellung als Malergehilfe bei der damals in Blüte ‚stehenden Malerfirma 42 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Baron, später als Hilfskraft am Stadttheater bei dem Theatermaler Oertel. Bei dieser Tätigkeit lernte er große Flächen beherrschen und das Arbeiten auf Wirkung bei breiter, einfachster Malweise. Nebenbei besuchte er die Abendklasse der Kgl. Kunst- und Gewerbeschule unter Professor Irmann, dessen Unterricht und persönlicher Förderung er viel zu danken hat. f Der Verkauf einiger Studien, die Erlangung eines Stipendium ermöglichten dem strebsamen, handwerklich vortrefflich vorgebildeten Abendschüler, Ostern 1884 als Vollschüler in die Porträt- und Aktklasse (Professor Schobelt) einzutreten. Professor Schobelt zog seinen Schüler u.a.zur Hilfe bei der Ausführung der dekorativen Gemälde für das Kultusministerium in Berlin heran. 1886 schied Josef Langer von der Anstalt, ließ sich in Breslau nieder und arbeitete anfangs für Möbelgeschäfte und andere Firmen dekorative Sachen. Sein Können wurde beachtet. Rasch machte Langer seinen Weg. Frühjahr 1887 brachte ihm als ersten größeren Auftrag die Ausmalung des neuen Saales im St. Vinzenzhause in Breslau und seiner Nebenräume, ferner den der freireligiösen Gemeinde für ein großes Gemälde: „Sonnen- aufgang in einer idealen Landschaft.“ Es ist dies das erste in der Reihe der ihm so willkommenen, dekorativen Gemälde, zu denen er sich recht eigentlich berufen fühlte. Es folgten 18838 zwei Treppenhaus- bilder im botanischen Museum: „Antike Landschaft mit Teophrast“ und „Nordische Landschaft mit Linne.“ Schon hier tritt die Figur in die Landschaft bis sie zur Hauptdarstellung wird, z. B.in der Kreuzabnahme aus dem Jahre 1913. Der Weg bis zu ihr geht über reiches Schaffen und ein nie müde werdendes Lernen. Gern verwendete er in dekorativen Gemälden das Allegorische im Sinne der Zeit, die ihm Lehre und Anregung gegeben hatte. In die Reihe dieser Schöpfungen gehören: die „Vier Jahreszeiten“ der Villa Wünsche in Greiffenberg 1889, „Musik und Tanz‘ im Hause Fitzner in Laurahütte 1893, zwei Bilder: „Weisheit und Frömmigkeit“ im Gymnasium zu Brieg (1897), der Einzug Friedrich des Großen in Breslau im Hause von Korn (i904); vor allem die großen Wandgemälde in Hilarhof bei Krotoschin für Herrn von Schweinichen, der den von ihm hochgeschätzten Meister Langer auch die Ausschmückung der Schloß- bauten in Pavelwitz übertrug. Diese Arbeiten und ein Bild der Eich- bornschen Villa und Synagoge stammen aus den Jahren 1907, 1908, 1912 und 1913. — Frau Langer-Schlaffke, seine Gattin, hat eingangs erzählt, wie Josef Langer aus eigener Kraft vom Stuben-Maler-Lehrling zum Gehilfen und zum jungen Meister wurde. Die Anerkennung, die er fand, Nekrologe. 43 trieb den Lernbegierigen an, seine Ersparnisse und freie Zeit zu immer weiterer Ausbildung zu verwenden. Er las, arbeitete und reiste viel. — 1888 ist er in Dresden, Nürnberg, München — hier trifft er Oertel wieder. Er geht über Innsbruck, Bozen nach Venedig, um über Padua, Rovereto, Trient heimzukehren. Der Winter 1890/91 führt ihn nach, Florenz, Rom, Neapel, Sizilien, Tunis. Oktober 1894 wird er Hilfs- lehrer an der Kgl. Kunstschule, an der er 1896 zu 24 Stunden wöchent- licher Lehrtätigkeit aufrückt. Er reist 1897 zu Studienzwecken nach Köln, Aachen, Lüttich und Brüssel, Brügge, Antwerpen, Haag, Amster- dam, Stockholm. Das Jahr 1898 opferte er, um in Scherrebeck die Technik des Webens zu erlernen, die er dann praktisch lehrt neben anderen Techniken, z.B. Stiekerei, Glasmosaik und FEmaille-Malerei. Mit dieser schmückt er später die Altäre, die er entwirft, auch in allen Werkzeichnungen. Groß ist die Zahl der Altargemälde, die von seiner Hand stammen. Seine Bedeutung wird mehr und mehr anerkannt. Im Jahre 1899 geht er vom 15. Mai bis 25. August im staatlichen Auf- trage zu Studienzwecken nach England, das mit seinen Museen und Werkstätten in London, Birmingham, Chester, Liverpool, Manchester, Glasgow, Edinburgh und Oxford ihn fördert. Der Reisefrohe ist 1900 in Paris, 1901 in Süddeutschland, 1902 zum zweiten Male in Paris. Den Winter 1903/04 verbringt er in Taormina, Tunis, Neapel, Rom, Florenz und Mailand. Im nächsten Jahre geht er über Brüssel, Antwerpen zum dritten Male nach Paris, um dann im Winter 1909/10 noch einmal im Süden in Serajevo, Spalato, Ragusa zu malen. So hat er in unermüd- licher Arbeit sich fortgebildet in der Richtung, die er mit starkem Eigenwillen und ohne Nachgiebigkeit gegen sich und andere vertrat. — Das hat neben anderem Persönlichem wohl sein Gesuch um Entlassung aus der Lehrtätigkeit veranlaßt. Er wollte frei sein, als die Aufträge immer zahlreicher an ihn herantraten. Der Vielseitige wurde ein viel Gesuchter. — Josef Langer hat vier evangelische und zwölf katholische Kirchen- neubauten ausgemalt, hat nach dem St. Vinzenzsaale den ‚Lichthof im Breslauer Amtsgericht‘, den ‚Saal im neuen Anstaltsgebäude zu Leubus‘, weiter das ‚Pschorrbräu‘ zweimal und das ‚Kaffee Central‘ ausgeschmückt, hat als Oertelschüler für Liegnitz und Salzbrunn Bühnendekorationen gemacht, auch die Fassadenmalereien am Hause Trelenberg, Neue Schweidnitzerstraße, und am Hotel zur Post, Albrechtstraße, geschaffen. Dazwischen hat er eine große Zahl Staffeleibilder, auch drei Selbst- portraits, semalt, Glasfenster, Kirchenstickereien, Urkunden, Adressen und kunstgewerbliche Stücke aller Art entworfen und auch dem Schlesi- schen Denkmalswerk seine zeichnerische Kraft geliehen. Mit der Zeit gewann er immer neu Gelegenheit, sich bei Wiederherstellungsarbeiter 44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. zu betätigen. Seine große technische Gewandheit, seine reichen Er- fahrungen, die gute Beherrschung der Formen, schufen seine Meister- schaft auf diesem Gebiete. Schon 1894 war er berufen, das durch Nässe starkbeschädigte Schallersche Zwickelbild „Die Prometheussage“ im Treppenhause des Museums wieder herzustellen, und so vollkommen gelangen ihm die nachfolgenden Arbeiten, daß sich ihm weit über unsere Provinz hinaus ein reiches Arbeitsfeld erschloß. Nachdem Langer die Malereien in der katholischen Kirche zu Oels wieder hergestellt und denen im Musiksaal unserer Universität ihre Schönheit wiedergegeben hatte, ließ er die Malereien der Friedenskirche in Schweidnitz neu er- stehen und fertigte die Skizzen für die Piastengruft in Liegnitz. 1903 malte er an den Fresken in der Halle des ehemaligen Augustiner- klosters in Sagan, 1904 stellt er Malereien des 16. Jahrhunderts in Chechlau OS.her. Auch die Gemälde der Aula Leopoldina unserer Uni- versität, dieses stolzen Barockbaues, danken ihm die Wiederherstellung. In freudiger Hingabe schuf er freiwillig. als sein Geschenk an Breslau, den Bilderschmuck im Rektoratszimmer auf dem Höhepunkt seines Lebens. Der Staat ehrte ihn durch Verleihung des Titel: Professor. Nach den Arbeiten im Presbyterium der katholischen Pfarrkirche in Brieg und an den neuaufgedeckten Malereien im Gymnasium zu Neiße war. Langer 1906 mit seinen Gehilfen nach Kloster .Leubus gegangen, um dort im Bibliotheksaal Decke und Fresken vor gänzlichem Verfall zu retten. — Das Jahr 1907 brachte Wiederherstellungsarbeiten in der großen Pfarrkirche von Schweidnitz und in den Kirchen von Ober- Glogau und Libenau bei Patschkau, ferner Nacharbeiten an den Decken- bildern der Hirschberger Gnadenkirche, dann die Wiederherstellung der Sgraffiten am Kreuzwege des Magdeburger Domes. Auch die aus dem 16. Jahrhundert stammenden Malereien im alten Kapitelhause am Dom zu Merseburg hat seine sachkundige, fein nach- empfindende Hand neu aufleben lassen und hat 1911 die Malereien im Hessenhofe zu Schmalkalden gefestigt, im’ gleichen Jahre die Ausmalung der Dorfkirche in Rothsürben wiederhergestellt. Die letzte dieser von allen warm anerkannten Arbeiten, die Pro- fessor Langer in mustergültiger Weise leitete und in allen Teilen mit Meisterschaft ausführte, galt dem Deckengemälde von Eibelwyser in einem Saale des Oberlandesgerichts zu Breslau. Josef Langer empfand sich als Einer, der sich selbst zu dem gemacht hatte, der er war.. Er liebte die Zeit und die Formen, die er durchlebt und die er sich in nie ermüdendem Ringen erworben hatte. Darum war er nicht geneigt, neuen Kunstrichtungen Beachtung zu schenken oder gar vor ihnen zurückzuweichen. Er wollte nicht nach ihnen hingehen. Er war ein Einsamer, der seinen Weg ging, ohne sich are Nekrologe. 45 nach Blumen zu bücken. Er liebte die Kunst der Alten, liebte” die Einzelheit und die reich entwickelte Form. Darum hing sein Herz auch an alten Stücken, darum ward er zum Sammler, dem die stummen Dinge mehr erzählten, als die Menschen, die er nicht schätzte. Als er sich eben ein neues Heim eingerichtet und mit all den schönen von ihm gesammelten Stücken geschmückt hatte, kam der Tod, leise und sanft wie ein Freund und führte ihn hinweg. Henry. Hugo Lämmer. 1835—1918. „Ein Charakterbild ganz eigener Art‘ ist der Prälat und Geheime Regierungsrat Dr. Hugo Lämmer von seinen Kollegen im Professoren-Kollegium der Breslauer Universität in der Todesanzeige genannt worden. Gewiß war der Verewigte eher alles andere als ein Durchschnittsmensch; gleichwohl war er kein Sonder- ling. Davor bewahrte ihn seine innige Liebe zur. Kirche und zum Vaterlande. Er fühlte sich in echt paulinischer Weise allen als Schuldner der Liebe, die ihm die Vorsehung als hilfsbedürftig zuführte. Als: Charakter eiehenfest, der mit seinen Grundsätzen nicht im geringsten handeln ließ, war er weich und mild wie der barmherzige Samaritan. Die milde Herzensgüte gehörte eben zu seinem Charakterbilde. Lämmer erblickte das Licht der Welt am 25. Januar 1835 in der ostpreußischen Stadt Allenstein. Als Kind einer Mischehe wurde er nach dem Bekenntnis des Vaters protestantisch erzogen. Dankt er es in seiner Konversionsschrift seinem Vater, daß er von ihm den ersten Unter- : richt zu Hause mit großer Sorgfalt erhalten habe, so sagt er: „Lob und Preis sei Gott für die Gnaden und Segnungen, die er durch das Mittel meiner Mutter mir erteilte!“ Lämmer macht keine Ausnahme von der Regel, daß hervorragende Männer ihr Bestes einer hochbegabten frommen Mutter verdanken. Schon als zartes Kind mußte er an ihrem Grabe trauern, aber sie hatte Zeit genug gehabt, um den Keim zum Lebensglücke in das Herz des Kindes zu senken. „Noch jetzt“, schreibt er 1861, „‚steht mir ihr liebliches Bild lebendig vor der Seele. Sie war eine {romme Katholikin, in deren. ganzem Wesen und Erscheinung Christus der Herr Gestalt gewonnen. Durch ihr eheliches Leben zog sich eine Kette innerer und äußerer Leiden. Sie litt und trug das Kreuz geduldig mit völliger Ergebung in den göttlichen Willen.“ In der protestantischen Schule seiner Vaterstadt wurde der Rektor Preuß auf die seltenen Talente des Knaben aufmerksam und erteilte ihm aus eigenem Antriebe neben den gewöhnlichen Schulstunden noch besonderen Sprachunterricht. Mit dieser. Vorbereitung gelang es ihm, das Alt- städtische Gymnasium schon in den Jahren 1844 bis 1852 mit bestem Erfolge durchzumachen. Der 18jährige Abiturient bezog mit großer Begeisterung für die klassischen Sprachen, namentlich für das 46 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Griechische, die Albertus-Universität in Königsberg. Der Historiker ‚Johannes Voigt, der wahrheitsliebende Vorkämpfer für die Ehre des sroßen Reformpastes Gregor VII, wählte Lämmer zum Amanuensis und wirkte durch seinen Geist und Rat bestimmend auf den strebsamen Studenten ein. Auf seinen Rat siedelte Lämmer nach zwei Semestern zu Königsberg 1853 auf die Universität zu Leipzig über. Seine Selb- ‚ständigkeit war bereits so groß, daß er den Kollegienbesuch hinter dem übermäßig eifrigen Privatstudium zurücktreten ließ, Jedes Jahr löste er die von der theologischen Fakultät gestellten Preisfragen. „Die Logoslehre des Klemens von Alexandrien“ bildete 1854 das Thema der Preisfrage; 1855 veröffentlichte der 20 jährige Gelehrte seine um- fassende Studie hierüber, die nach seinem eigenen Geständnis „den ersten Faktor im wissenschaftlichen Prozeß seiner Bekehrung zur katholischen Kirche“ bildete. Bereits 1854 war er vor Ablauf des akade- mischen Trienniums zum Doktor der Philosophie promoviert worden; als solcher bezog er zur Vollendung seiner theologischen Studien die Berliner Universität. Noch mehr als in Leipzig bestimmten den jungen Doktor hier die einander bekämpfenden theologischen Richtungen, sich in der Vorbereitung zum theologischen Doktorexamen auf das Privat- studium zu beschränken. Seine Schilderung der Zustände in dem Büch- lein „‚Misericordias Domini“ behält historischen Wert und wirkt an- regend auf jeden Universitätslehrer und -Hörer. Ein großer Schritt nach ‘vorwärts bedeutete in Berlin für ihn die Preisfrage über die quellen- mäßige Darstellung der vortridentinischen katholischen Theologie, die von der theologischen Fakultät 1856 gestellt wurde. Mit Feuereifer ging Lämmer an die Lösung. Die Preisrichter spendeten der Preis- schrift ein Lob, wie es wohl nur sehr selten einer solehen Arbeit zuteil wird. Sie erkannten darin ein „incredibile quoddam et prope singulare in quaerendis examinandisque fontibus studium“ an und nannten den Ver- fasser: „in exquirendis rebus sagacem, in existimandis prudentem, in probandis subtilem, in commentandis sollertem.‘‘ Im Jahre 1858 erschien die Arbeit deutsch im Druck unter dem Titel: „Die vortridentinisch- katholische Theologie des Reformationszeitalters aus den Quellen dar- gestellt“; heut noch nötigt sie dem Leser hohe Achtung vor der Arbeits- kraft und dem Scharfsinn des Verfassers ab. Sein nächstes Ziel, als Privatdozent an der Berliner Universität historische Theologie zu lehren, konnte Lämmer zunächst nicht er- reichen, weil er zu jung war. Daher übernahm er die Religionslehrer- stelle.an dem neuen Friedrichsgymnasium. Mit Altersdispens habilitierte er sich 1857: als Privatdozent mit der Antrittsvorlesung über ‚Papst Nikolaus I. und die byzantinische Staatskirche seiner Zeit‘, die bald darauf im Druck erschien. Im selben Jahre veröffentlichte er eine Nekrologe. 47T kritische Ausgabe des Traktates: ‚Our Deus homo‘ vom hl. Anselm. Die inneren Kämpfe um die Wahrheit fanden in diesen Arbeiten neue Nahrung. Die höchste Unterrichtsbehörde aber wurde auf den hofinungs- vollen jungen Gelehrten aufmerksam. Das Kultusministerium ermöglichte ihm im Sommer 1858 eine wissenschaftliche Reise durch Deutschland. und Oberitalien, auf der er die handschriftlichen Schätze der Bibliotheken behufs einer kritischen Ausgabe der Kirchengeschichte des Eusebius von Cäsarea durchforschen sollte. Sein Seelenkampf um die religiöse Wahr- heit wurde auf dieser Reise noch mehr 'angeregt; er fand seinen Abschluß nach der Rückkehr. Den 15. Oktober 1858 bezeichnet Lämmer als den Tag seiner Entscheidung. Er kündigte dem Kultus- ministerium seinen Austritt aus dem Protestantismus an und bat den Bischof seiner ermländischen Heimatdiözese um Aufnahme „in den Schoß der hl. römisch-katholischen Kirche.“ Die Erfüllung dieser Bitte geschah zu Braunsberg, wo Lämmer am 25. November 1858 das katholische Glaubensbekenntnis ablegte. Ebendort trat er als Priesteramtskandidat in das Seminar ein. Nach der Priesterweihe am 24. Juli 1859 ging er nach Rom, um dort nahezu zwei Jahre seine kirchenhistorischen Studien fortzusetzen. Die Ergebnisse derselben sind folgende: Eusebii Pamph. Histor. Eeeles. Libri X (1859—1862). Analecta Romana (1861). Zur Kirchengeschichte des XVI.u. XVII. Jahrhunderts (1863). De Leonis Allatti eodieibus, qui Romae in bibliotheca Vallicellana asservantur (1861). Seriptorum Graeciae orthodoxae bibliotheca selecta (1864/65). Meletematum Romanorum Mantissa (1866). De Martyrologio Romano. Parergon historico-ceriticum (1878). Sein Aufenthalt in Rom hatte auch seine Ernennung zum Konsultor der 8. Congregatio de propaganda fide pro negotiis ritus orientalis (1862) zur Folge. Besondere Erwähnung verdient ein Büchlein, das er im Mai 1861 zu Rom schrieb, worin er unter dem Titel „Misericordias Domini“ seinen „Entwicklungsgang zur hl. Kirche hin‘ schildert. Er glaubte es allen, die seine Entwicklung irgend wie gefördert hatten, schuldig zu sein, Rechenschaft von seiner Konversion zu geben. Die Schrift war schnell vergriffen. Lämmer ließ sich aber durch keine Vorstellung zu einer neuen Ausgabe bewegen. Erst 1916 nahm er auf Zureden des ihm sehr vertrauten Kanonikus Dr. Jungnitz eine Neubearbeitung vor, die als Manuskript auf die Ver- öffentlichung harrt. Ven seinem Bischof war Lämmer nach der Rückkehr von Rom im Oktober 1861 zum Subregens des Braunsberger Seminars ernannt worden. Bereits im März 1864 wurde ihm daselbst die Professur der Kirchengeschichte und des Kirchenrechts im Lyzeum Hosianum über- tragen. Dem Ruf seiner Wissenschaft verdankte er es, daß er schon im Oktober desselben Jahres auf den Lehrstuhl der Dogmatik an der 48 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, Universität Breslau und als Kanonikus in das Breslauer Domkapitel berufen wurde. Der 29 jährige Domherr und Universitätsprofessor war also schon durch seine außerordentlich schnelle und arbeitsreiche Ent- wicklung ein Charakterbild ganz einziger Art. Auch äußerlich trat es in auffallende Erscheinung, wenn die lange aszetische Gestalt in streng ‚klerikaler Tracht mit langsamem gleichmäßigem Schritt tief gesammelt ihren täglichen Weg von der Dominsel zur Universität und zurück machte. Lämmer wurde so zu einer der bekanntesten Persönlich- keiten, obschon er sonst der Öffentlichkeit möglichst fern blieb. Die Verhältnisse an der Universität zu Breslau wurden für die katholisch-theologische Fakultät durch die Apostasie zweier Professoren, die sich gegen das vatikanische Konzil auflehnten, und durch den Kultur- kampf wenige Jahre nach Lämmers Eintritt sehr unerfreulich. Gerade in diesen schweren Jahren war er .„‚eine unerschütterliche Säule kirchlicher Treue“, wie. es in seinem Nachruf heißt. Seine Arbeitskraft leistete trotz der stets schwachen Gesundheit Staunenswertes. Als Professor der Dogmatik, die er durch 18 Jahre vortrug, übernahm er in Ermangelung eines Professors der Kirchengeschichte durch 11 Jahre auch dieses Fach. Als er 1882 die Dogmatik einem Nachfolger abgab und sich auf die Kirchengeschichte beschränken konnte, ließ er sich 1884 doch wieder mit einer Doppelprofessur belasten, indem er die kirchenrechtlichen Vorlesungen übernahm und durch 25 Semester mit erstaunlicher Geistesfrische und einem vielbewunderten Gedächtnis diese Doppellast trug. Erst 1897 beschränkte er sich auf das Kirchenrecht, bis er im Sommer 1916 sich von der Verpflichtung zur Abhaltung von Vorlesungen entbinden ließ. So ist er durch seine Tätigkeit als Professor der Lehrer des gesamten Klerus der Breslauer Diözese durch Jahrzehnte geworden. Was ihm am Vortrage abging, das ersetzte er durch die Gründlichkeit und durch den tiefen Eindruck auf die jugendlichen Herzen. Seine literarische Tätigkeit beschränkte sich neben den vielen Arbeiten seines Kanonikats auf die ..‚Institutionen des katholischen Kirchenrechts“, 1886, 2. Aufl. 1891, worin er insbesondere den Scehlesiern durch die Berücksichtigung des Breslauer Diözesanrechtes große Dienste geleistet hat. 1899 ließ er seine Denkschrift: „Zur Kodifikation des Kanonischen Rechtes“ erscheinen, die der von Pius X. berufenen Kommission zur Herausgabe des neuen Codex iur. can. gute Dienste ge- leistet hat. Seine Verdienste wurden seitens der Kirche durch die Ernennung zum apostolischen Protonotar 1882 anerkannt. Staatlicher- seits wurde er durch den Titel eines Geheimen Regierunesrats 1900 geehrt. Ragte er als Professor an der Universität eigenartig hervor, so sind seine Verdienste als Canonicus scholasticus von 1864 bis 1886 nicht Nekrologe. 49 weniger grob. Als Domherr begnügte er sich nicht mit den vielen wichtigen Arbeiten, die ihm in der Verwaltung der Diözese oblagen. In der Kathedrale suchte er sich auch seelsorglich zu betätigen, indem er sich regelmäßig als vielgesuchter Beichtvater im Beichtstuhl einfand. Mit. der ihm eigenen Pflichttreue versah er außerdem durch 47 Jahre, von 1871 bis zum Tode, das Amt eines Kurators der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl.Karl Borromäus, der auch seine Schwester Theresia angehört. Mit seiner gesundien tiefen Aszese hat er auf den Geist dieser Kongregation den wohltätigsten Einfluß geübt. Eigenartig in dem Sinne eines ideal gerichteten, von strengstem Pflichtbewußtsein erfüllten Priesters, war Lämmer nach dem Vorbilde der Heiligen. Glanz und Ruhm der Welt waren ihm einfach fremd. „Wahre Größe“, so hatte er mit 26 Jahren in seiner Konversions- schrift geschrieben, „bedarf nicht eines Lobregens aus Spänen von Süßholz. Alles verfällt und verwest, was nicht in der Liebe Gottes vollbracht ist. Vor dem Tribunal des ewigen Gerichtes gilt ein anderer Maßstab als der, den die Pächter moderner Afterbildung anlegen.“ Dieser Grundsatz hat bis zu seinem 83. Jahre keine Änderung sondern eine immer schärfere Ausprägung im Leben erhalten. Seine Domherrn- stelle hat er unter Umständen niedergelegt, die seine demütige Friedens- liebe in helles Licht stellen. Die einfache, hygienisch zweifelhafte Wohnung im „alten Konvikt“, mit der er seine Kurie vertauschte, war mehr als bescheiden. Als er auch diese Wohnung infolge der Baufälligkeit des Hauses aufgeben mußte, bezog er im St. Carolusstift der Borro- mäerinnen zwei höchst einfache Zimmer. Seinen einzigen irdischen Schatz, die kostbare, sorgfältig ausgewählte Bibliothek, verkaufte er und verwendete den Erlös hauptsächlich zugunsten .der Karitas. Als er in früher Morgenstunde am 6. Januar 1918 seine Augen für diese Welt schloß, durften seine vielen dankbaren Verehrer zuver- sichtlich hoffen, daß seine Sehnsucht nach dem ewigen Lichte erfüllt sei. Seine eigene glühende Liebe zur Kirche, die ihn auch antrieb, den Kirch- weihhymnus .Üoelestis urbs Jerusalem‘ kommentiert herauszugeben, wußte er seinen Hörern einzuprägen. Fern allem Fanatismus, voll milder Versöhnlichkeit, war er doch unerschütterlich fest in der Betonung der katholischen Grundsätze auch in politischer und wirtschaftlicher Be- ziehung. Der katholisch-theologischen Sektion hat er von ihrer Gründung an angehört und ihre Arbeiten bis zuletzt mit Interesse verfolgt. Breslau-Grüneiche. BA u sustin Keo,skerı Ess: Am 23. Februar 1918 starb zu Breslau im 62. Lebensjahre der Geheime Sanitätsrat Dr. Ernst Landmann, ein nicht nur in Breslau sondern in ganz Schlesien und Posen hochgeachteter Augenarzt. Ge- t918. % 50 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. boren am 27. Juli 1856 zu Norden, Ostfriesland, als Sohn eines Fabrik- besitzers, besuchte er das Gymnasium zu Norden und Hildesheim, bestand daselbst 1877 das Abiturientenexamen und studierte in Würz- burg, Leipzig und Göttingen Medizin. Nachdem er sein besonderes Interesse der Augenheilkunde zugewandt hatte, promovierte er im Jahre 1882 nach abgelegtem Staatsexamen zu Göttingen mit der Arbeit „Über die Wirkung aseptischer, ins Auge eingedrungener Fremdkörper“ zum Dr.med. Nach kurzer Assistententätigkeit an der Göttinger Augen- klinik, wo ihn besonders der damalige Privatdozent Deutschmann anzog. kam er an die Kgl. Universitätsaugenklinik zu Prof. Förster nach Breslau, das nunmehr seine zweite Heimat wurde. Hier legte er in zirka 5 jähriger Assistententätigkeit den Grund zu seiner gediegenen wissenschaftlichen und praktischen Tüchtigkeit, die ihm, nach erfolgter Niederlassung. bald zu einer aussichtsreichen Praxis verhalf. Im Jahre 1894 übernahm er als Nachfolger von Gühmann die Leitung der Schlesischen Augen- heilanstalt. Er widmete diesem Krankenhause seine ganze Kraft. schuf notwendige Reformen, z. T.mit eigenen materiellen Opfern, mubte aber nach zirka sechs Jahren dieses Amt infolge eines schweren Typhus. der ihn an den Rand des Grabes brachte, niederlegen. Später übernahm er die neugeschaffene Stelle eines Konsiliarius für Augenkranke an den städtischen Hospitälern, dem Allerheilisenhospital, dem er schon als Försterscher Assistent: wertvolle Dienste geleistete hatte, dem Wenzel- Hanckeschen Krankenhause und der städtischen Heilanstalt für Gemüts- kranke, eine anstrengende Tätigkeit, der er aber mit großer Hingebung und Liebe oblag. Im Jahre 1907 wurde er zum Sanitätsrat, 1917 zum Geheimen Sanitätsrat ernannt. Bei Ausbruch des Krieges übernahm er die Leitung des Festungslazaretts Allerheiligenhospital. Die ungeheure Arbeitslast, die daselbst seinem, schon vorher durch verschiedene Er- krankungen geschwächten Körper, zugemutet wurde und die er als slühender Patriot gern und in uneigennützigster Weise ausübte, führte schließlich seinen völligen Zusammenbruch herbei. Nachdem er in Wölfelsgrund vorübergehende Besserung erfahren hatte, sodaß er seine Tätigkeit noch einmal aufzunehmen versuchte, erlag er einem schweren Nierenleiden. Landmann war ein Mann von vornehmem Charakter, von wahrer Kollegialität und von inniger Liebe zu seinem Berufe erfüllt. Als sich seine engeren Berufsgenossen im Jahre 1901 zur Förderung der Standes- bestrebungen in einer „Freien Vereinigung‘ zusammenschlossen, wurde Landmann in den Vorstand gewählt und übernahm im Jahre 1903 den Vorsitz, den er, trotz seiner umfangreichen Praxis und Gutachter- tätigkeit, bis zu seinem Tode. führte, wobei er auf die Hebung der materiellen Lage seiner Berufsgenossen viel Zeit und Mühe verwandte. Nekrologe. 51 Aber auch im Standesgericht des Vereins der „Breslauer Ärzte“ und in mancherlei Kommissionen war er, durch das Vertrauen seiner Kollegen gewählt, mit Erfolg. tätig und stets bemüht, das ärztliche Ansehen zur ‘Geltung zu bringen. Der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische 'Cultur gehörte er seit dem Jahre 1890 als wirkliches Mitglied an. Seine Erholungszeit brachte er als vorzüglicher Hochtourist meist in den Bergen zu, die in ihm einen großen Verehrer fanden. Er war aber auch ‚ein liebevoller Gatte, ein fürsorglicher Vater, ein treuer Freund seinen Freunden. Sein Name wird bei seinen Freunden, seinen Kollegen, seinen Patienten unvergessen sein. Ehre seinem Andenken! Sanitätsrat Dr. Franz Heılborn. Franz Heinrich von Löbbecke wurde geboren am 5. Oktober 1832 zu Breslau. Nach dem Besuche des Maria-Magdalenen-Gymnasiums “widmete er sich dem kaufmännischen ‚Berufe und erwarb die Vorkennt- nisse dazu in Geschäftshäusern in Bremen, Havre de Grace und New York. Von New York aus, wo er mehrere Jahre war, machte er größere Reisen in das Innere von Amerika. Nach Deutschland zurückgekehrt, besuchte er die landwirtschaftliche Akademie Hohenheim und mehrere größere Güter zum praktischen Studium der Landwirtschaft, dann übernahm er nach dem Tode seines Vaters, des Geh. Kommerzienrates Friedrich Eduard von Löbbecke, im Jahre 1870 die von diesem gegründete „Brieger Zuckersiederei“ in Brieg und die zu derselben gehörigen Rittergüter Groß-Neudorf, Neu-Briesen und die Scholtisei Schreibendorf, Kr. Brieg. Im Jahre 1878 kaufte er noch die Scholtisei Briesen, Kreis Brieg, und 1883 das Rittergut Garbendorf, Kreis Brieg. Der. Entwicklung der Zuckerindustrie folgend, verwandelte er im Jahre 1901 die Zuckersiederei in eine landwirtschaftliche Genossenschaftsfabrik. Nach dem Tode seines Bruders, Hugo von Löbbecke, wurde er Inhaber der im Jahre 1795 ge- gründeten Firma C.T.Löbbecke & Co., Breslau, und Besitzer der zu derselben gehörigen Fabriken. Er hat in geistiger Frische und Regsamkeit das hohe Alter von 86 Jahren erreicht. Am 30. Dezember 1918 starb er an Lungenentzündung in Brieg. Die „Brieger Zeitung‘ widmet ihm folgenden Nachruf: „Sein Leben hat sich in beständiger stiller Arbeit um die Förderung seiner großen Betriebe abgespielt. Dennoch fanden auch geistige Be- strebungen bei ihm ihren Widerhall. Vor Jahren schenkte er der Stadt zur Abrundung des Stadtwäldchens eine 9 Morgen große Wiese und vor zwei Jahren noch weitere 11 Morgen zur Anlegung eines Heldenhaines. Das größte Verdienst um die Allgemeinheit aber hat er sich wohl dadurch 48 7 52 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. erworben, daß er sich bereit fand, seinen großen Landbesitz am Rande der Stadt zu einem angemessenen Preise an diese abzutreten. Hier- durch wird es der Stadt möglich werden, die Bekämpfung der Wohnungs- not mit Entschiedenheit aufzunehmen, und vielleicht erst kommende Ge- schlechter werden das Werk des Heimgegangenen voll zu würdigen vermögen.“ Am 8. November 1918 verstarb nach kurzem schweren Leiden das Vorstandsmitglied der Vereinigten Königs- und Laurahütte, Herr Ober- bergdirektor, Bergassessor a.D. Richard Lück, Hauptmann der Land- wehr II, im Alter von 53 Jahren. Der Verstorbene ‘war 1865 in Lipine geboren, hatte aus Zuneigung zum Bergmannsberuf sich dem Studium des Bergfachs als Bergbau- beflissener gewidmet, wurde 1891 zum Bergreferendar, 1896 zum Berg- assessor ernannt und trat am 15. April 1897 in die Dienste der Ver- einigten Königs- und Laurahütte, Aktien-Gesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb. Seine reichen Kenntnisse und Erfahrungen, seine Umsicht und unermüdliche Schaffenskraft sicherten ihm bald das Vertrauen der Gesellschaft, die ihn nach seiner 1898 erfolgten Entlassung aus dem. preußischen Staatsdienst 1902 zum Mitglied ihres Vorstandes, 1907 zum: Oberbergdirektor und Leiter ihres gesamten Bergwerksbetriebes ernannte. In dieser Stellung war er seinen Beamten und Arbeitern ein treusorgender Vorgesetzter, wohlwollender Berater und teilnehmender Freund, sich selbst ein Mann eiserner Pflichterfüllung und unermüdlicher Tätigkeit. Die Steinkohlenbergwerke und Erzgruben der Vereinigten Königs- und Laurahütte nahmen unter seiner Leitung einen kräftigen Aufschwung und trugen zu dem Aufstieg des oberschlesischen Bergbaues in den letzten ‚Friedensjahren bei. Als der Krieg ausbrach, stellte er sich dem Vaterlande zur Ver- fügung und hat 4 Jahre lang an der Front und in wichtigen verant- wortungsvollen Stellungen in der Heimat sein Bestes gegeben. Durch seinen Tod kurz vor Ausbruch der Revolution ist ihm die Enttäuschung erspart geblieben, die gesamte oberschlesische Industrie und seine von ihm geleiteten Bergwerke durch Arbeiterunruhen und Streiks in ihrer \Veiterentwicklung gehemmt zu sehen. Seine verdienstvolle, von hoher Begabung für seinen geliebten Bergmannsberuf getragene aufopfernde “© Tätigkeit, sein vornehmer Charakter und seine große persönliche Liebenswürdigkeit sichern ihm bei allen, die ihn kannten, ein treues und ehrendes Andenken über das Grab hinaus. Dr. Eesjeir Nekrologe. 53 Otto Meinardus wurde am 4. Mai 1854 als Sohn des Gymnasial- . lehrers Dr. Karl Meinardus zu Jever im Großherzogtum Oldenburg ge- boren. Er gehörte einer alten Familie an, in der lebendige Teilnahme an Bildungs- und künstlerischen Bestrebungen überliefert war: deı Bruder seines Vaters war der bekannte Komponist und Musikschrift- steller Ludwig Meinardus, der Vater selbst war bis in sein hohes Alter hinein, zuletzt darin von dem Sohne liebevoll unterstützt, auf dem Gebiete der oldenburgischen Schul- und Heimatsgeschichte eifrig tätig. Seine Schuljahre verbrachte Meinardus auf dem Gymnasium zu Oldenburg, wohin sein Vater im Jahre 1860 versetzt worden war. Nach dem Abgang von der Schule widmete er sich historisch-philologischen Studien, zunächst in Jena, dann, unter dem Einflusse von Giesebrecht, in München und schließlich in Berlin, wo namentlich Waitz und Droysen ihn anzogen. Auf letzteren geht wohl auch die Anregung zu der Dissertation zurück, mit der Meinardus am 6. August 1878 in Göttingen promovierte, einer Polemik gegen die Tendenzschriftstellerei Onno Klopps, die durch ihren fast aktuellen Stoff mehr Beachtung fand als es bei Dissertationen sonst der Fall ist. Im Mai 1879 bestand Meinardus das Oberlehrerexamen, seine Neigung zu wissenschaftlichen Studien ließ ihn aber sich nach einem Berufe umsehen, der ihm gelehrte Arbeit leichter ermöglichte und es traf sich günstig, daß die gerade damals von Heinrich v. Sybel in Angriff genommene Reorganisation des preußischen Archivwesens ihm den Eintritt in die Archivlaufbahn erschloß. Das Wanderleben zwischen Ost und West des Staates, das die preußische Archivverwaltung im Interesse einer vielseitigeren Ausbildung ihrer Beamten damals für nützlich hielt, hat auch seine Laufbahn bestimmt: von 1879—1885 war er am Staats- archiv zu Hannover beschäftigt, von 1885—1894 am Geheimen Staats- archiv zu Berlin, von 1894—1900 am Staatsarchiv zu Wiesbaden, dann, am andern Ende der Monarchie, für kurze Zeit in Danzig, wo er die Aufgabe hatte, das neu begründete Staatsarchiv einzurichten, endlich wurde er 1901 als Nachfolger Grünhagens nach Breslau versetzt und hier hat er bis zu seinem Lebensende erfolgreich gewirkt. In Berlin hatte er sich als Privatdozent für neuere Geschichte an der Universität habilitiert, mit der Versetzung nach Wiesbaden hatte aber diese akade- mische Tätigkeit ihr Ende genommen. Die verschiedenen Stationen seiner dienstlichen Laufbahn haben auch der reichen und vielseitigen wissenschaftlichen Tätigkeit Meinardus die Richtung gegeben. Um nur die wichtigsten seiner zahlreichen Ar- beiten zu nennen: in Hannover unternahm der junge Gelehrte “ die Herausgabe des Urkundenschatzes des Stiftes und der Stadt Hameln und begleitete sie mit einer wertvollen Einleitung über die Entwicklung der 54 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Hamelner Stadtverfassung, in Wiesbaden ließ er im Rahmen der „Nassau- Oranischen Korrespondenzen“ eine zweibändige, auf vielseitigen archi- valischen Studien beruhende Publikation über den Katzenelnbogischen Erbfolgestreit erscheinen, die einen wichtigen Beitrag zur allgemeinen deutschen Reformationsgeschichte darstellt, in Berlin endlich zog ihn die preußische Geschichte und die überragende Gestalt des Großen Kur- fürsten in ihren "Bann und ihr hat er fortan sein Lebenswerk gewidmet, dem er bis zu seinem Ende treu geblieben ist: die Protokolle und Re- lationen des brandenburgischen Geheimen Rates, des Zentralorgans der inneren und äußeren Verwaltung des werdenden Einheitsstaates während des größten Teiles des 17. Jahrhunderts, veröffentlichte er in. sechs starken Bänden, vor dem Abschluß des siebenten, dem zwei weitere Bände noch folgen sollten, nahm ihm der Tod die Feder aus der Hand. Meinardus hat mit dieser mit peinlicher Genauigkeit und Voll- ständigkeit besorgten Publikation eine der wichtigsten Quellen zur politischen, Wirtschafts- und Kulturgeschichte des preußischen Staates erschlossen und seine Leistung wird für alle Zeiten in der Reihe der großen Aktenveröffentlichungen zur neueren Geschichte ihren hervor- ragenden Platz behaupten. Daneben veröffentlichte er eine Anzahl tief- dringender Einzeluntersuchungen zur Geschichte des Großen Kurfürsten, von denen namentlich die über den ersten Berater des jungen Herrschers, den Grafen Adam Schwarzenberg, viel beachtet wurde, wenn freilich auch das über ihn von Meinardus gefällte günstige Urteil nicht all- gemeine Zustimmung gefunden hat. Meinardus stand auf der Höhe des Mannesalters, als er im Jahre 1901 nach Breslau versetzt wurde. Sein wissenschaftliches Haupt- arbeitsgebiet hatte er längst abgesteckt, es war daher von vornherein nicht zu erwarten, daß er sich hier mit ganzer Kraft der schlesischen Geschichte widmen würde, die zudem von allen deutschen Landesgeschichten die geringste Berührung mit der allgemeinen deutschen Geschichte hat. Er hat denn hier auch nur eine größere Arbeit veröffentlicht, die einen Beitrag zur schlesischen Rechtsgeschichte im Zeitalter der deutschen Be- siedelung des Landes darstellt. Aber er hat aus lebendigem Pflichtgefühl heraus in kurzer Zeit sich die für sein Amt notwendige Kenntnis des. schlesischen Geschichtsmaterials erworben, weil er als Direktor des Staatsarchivs sich nicht auf Verwaltung und Leitung der Geschäfte beschränkte, sondern an den Aufgaben des täglichen Dienstes eifrig mit- arbeitete: er war sein fleißigster Beamter und gerade die mühevollsten und langwierigsten Gutachten und Ausarbeitungen nahm er mit Vorliebe selbst auf sich. Der stattliche Neubau des Archivs an der Tiergarten- straße, den die glücklichen materiellen Verhältnisse der Vorkriegszeit zu errichten erlaubten, wurde nach seinen Erfahrungen und Ratschlägen ao > Nekrologe. 5 | ‚als ein Musterbeispiel moderner Archivtechnik durchgeführt und die jetzt erst möglich gewordene Aufnahme und Verzeichnung großer Massen wertvollen neuen Geschichtsmaterials wurde von ihm eifrig und erfolg- reich in Angriff genommen. Mit der Neuorganisation des schlesischen Staatsarchivs, die auch in einer wesentlich gesteigerten Benutzung des- selben ihren Lohn fand, ist sein Name eng verknüpft. Die Bestrebungen, das Archiv nicht nur zu einer Schatzkammer der Wissenschaft sondern auch zu einem lebendigen Organ der Staatsverwaltung zu machen, fanden in ihm einen unermüdlichen Förderer und den Verdiensten, die sich Männer wie Stenzel, Wattenbach und Grünhagen um das Archiv - erworben haben, reiht sich das seinige gleichwertig an. Es waren eigentümliche Gegensätze, die sich in seinem Wesen ver- einigten, das wenig von der etwas massiven Art und der ruhigen Be- dächtigkeit seiner Landsleute an sich hatte. Ein ausgeprägt sanguinisches Temperament war ihm ebenso eigen wie eine zähe Arbeitskraft und ein starker Wille, das was er sich vorgesetzt hatte und für richtig hielt, auch zu vertreten und durchzuführen. Über augenblickliche Ver- stimmungen, an denen es bei seiner explosiven Art nicht fehlte, half schnell seine im innersten Kerne reine und arglose Natur hinweg und die natürliche, herzliche Fröhlichkeit seines Wesens und seine Hilfs- bereitschaft haben ihm überall schnell Freunde geschaffen, von Fach- genossen war es namentlich der Göttinger Historiker Max Lehmann, mit dem er in alter Freundschaft verbunden blieb. Unserer Gesellschaft war er gleich nach seiner Versetzung beigetreten und gehörte ihr zuletzt als Sekretär der historischen Sektion an. Meinardus war als Student Mitglied der Jenenser Burschen- schaft geworden, deren Idealen er bis zuletzt die Treue bewahrt hat. Als Politiker vertrat er gemäßigt liberale Anschauungen mit starker Be- tonung evangelischen Bewußtseins, das in den letzten Jahren auch eine mehr kirchliche Färbung annahm, wie er denn in seiner Tätigkeit als Mitglied des Presbyteriums der Breslauer reformierten Gemeinde lebhafte Befriedigung empfand. Verheiratet war Meinardus in glück- lichster Ehe mit einer Landsmännin, Amalie geb. Graepel. Aus der Ehe‘ wuchsen zwei Söhne heran, deren zweiter in der Schlacht an den Falk- landinseln als junger Seeoffizier den Heldentod gefunden hat. Nach: kurzer Krankheit verschied Meinardus am 24. Mai 1918 unerwartet während eines Badeaufenthaltes in Kissingen, seine letzte Ruhestätte fand er in Hannover. Sein Name wird im großen Bereiche der deutschen Geschichtswissenschaft und im kleineren Kreise des schlesischen Staats- archivs dauernd in Ehren bleiben und lebendige Wirkung üben. Nie wor oewe: 56 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Fräulein Cäcilie Molinari. Einem alten, aus Italien vom Comers- See eingewanderten Patriziergeschlecht entstammend, ist in Fräulein Molinari eine Dulderin dahingegangen, aber eine, die in stillem Heldentum das Leid getragen, das 33 Jahre gelähmter Kraft ihr auf- erlegten, im Sinne des schönen Wortes von Gobineau: „Die vornehme Seele hämmert der Schmerz zu Gold, der Schwächling nörgelt, hadert oder verkümmert und kommt nicht darüber hinweg.‘ Zu diesen erlesenen Seelen gehörte sie; nicht leicht ist es ihr geworden, aber durch alle Bitternisse rang sie sich durch zu einer geistigen Klarheit und einer Herzenswärme, vermöge deren sie den Mittelpunkt eines mit Verehrung zu ihr aufblickenden Kreises von Verwandten und Freunden bildete, ja darüber hinaus. Die Vielen, denen sie mit offener Hand spendete, deren Existenz sie in zahlreichen Fällen begründet hat, fanden bei ihr nicht allein den materiellen Beistand, sondern Verständnis und dauernde Anteilnahme in vollem Maß. Verschiedentlichen jungen Leuten ermög- lichte sie das Studium, und wie mancher kluge Rat ist von ihr aus- gegangen, zu nachhaltiger Wirkung. Am 22. November 1847 geboren, wuchs sie mit einer Schwester und einem Bruder auf, mit denen sie dauernd die innigste Liebe verband. Das harmonische glückliche Leben der Familie erlitt schon’ im Jahre 1857 durch den Tod des Vaters einen schweren Schlag. Damals stand das Handlungshaus, dem er angehörte in unserer Stadt, in hohem Ansehen, das Haus Molinari, das Gustav Freytag in „Soll und Haben“ verewigt hat. Das in dem Roman mehrfach erwähnte Gartenhaus an der Ohle gehörte Cäciliens Eltern und ist erst im Jahre 1893, nach dem Tode von Frau Molinari, in andere Hände übergegangen und abgebrochen worden. Die Verquiekung mit den Persönlichkeiten des klassischen Buches er- achtete die Familie stets als wertvollen Besitz. In der Kinderzeit von einer Erzieherin im Haus unterrichtet, zeigte das erwachsene Mädchen einen hohen Sinn und ein seltenes Maß von Begabung, die in der Musik, später hauptsächlich in der Malerei, zum Ausdruck kam. Eine mehrmonatliche Reise in Italien zu Anfang der sechziger Jahre, damals ein ‚seltenes Unternehmen, öffnete ihr vollends den Sinn für die Kunst und für alles Schöne. Sie wurde Schülerin des Malers Wölfl und später des Professors Schirm, der ihre Leistungen so hoch bewertete, daß er sie zu bestimmen suchte, sich ganz der Malerei zu widmen. Diese Ausschließlichkeit lehnte sie ab, arbeitete aber emsig weiter. Auf einer Studienreise in der Grafschaft Glatz, welche sie mit ihrer Freundin, Fräulein Dora Seemann, unserer hochgeschätzten Malerin, im Juni 1885 unternahm, erlag ihre zarte Konstitution den ungünstigen Einflüssen glühend heißer Sommertage. Schwer krank kehrte sie nach Breslau zurück, um nie wieder ihre Gesundheit zu erlangen. Es geschah Nekrologe. 57 alles, um ihr dazu zu verhelfen, und mit Nichtachtung körperlicher Be- schwerden ließ sie selbst kein Mittel unversucht, ohne jedoch mehr als ein unendlich eingeengtes, durch häufige schwere Niederlagen unter- brochenes Dasein zu erreichen. Wohl bäumte sie sich anfangs auf gegen ihr schweres Geschick, das ihr jede bisherige Betätigung unmöglich machte, aber allmählich rang sie sich durch zu einer geistigen Klarheit, die Jeden, der ihr nahe trat, mit tiefster Bewunderung erfüllte, und sie befähigte, den nunmehrigen Zweck ihres Daseins, mit Hintansetzung der eigenen Persönlichkeit, Vielen Vieles zu sein, voll und ganz zu erfüllen. Nicht die Mutter allein, auch die Geschwister sind ihr im Tode voran gegangen, aber Nichten und Großnichten blieb sie bis zum letzten Hauch der hochverehrte Mittelpunkt der Familie. i Bei der Wohltätigkeit, die sie mit ihren reichen Mitteln atsähre gab eine. Spende von 20000 Mark, welche sie letztwillig noch bedeutend erhöht hat, den Anstoß zur Bekämpfung der Tuberkulose in unserer Provinz, einer damals viel erörterten Frage und Bestrebungen, deren Ausführung bis dahin wegen unzureichender Mittel sich nicht verwirk- lichen ließen. Auch unser Museum erhielt von ihr durch ‚die Menzel’sche Handzeichnung eine wertvolle Sehenkung. Als glühende Patriotin folgte sie dem Krieg in allen seinen Phasen und wurde nicht müde, geistig wie materiell für unsere draußen stehenden Krieger zu sorgen. Aber ihr schwacher Körper vermochte den Ent- behrungen der Kriegsjahre nicht mehr Widerstand zu leisten. Immer mehr vergeistigte sich ihre Persönlichkeit, und am 25. Juli des Jahres, in Bad Landeck, erlosch ihr segensreiches, von tiefer Frömmigkeit ge- tragenes Dasein, innig betrauert von allen, die ihr nahe standen. Elisabeth Krocker. Georg Moskiewicz. Am 28. Juni 1918 starb unerwartet und plötzlich in seinem Vaterhause zu Breslau Dr. med.et phil.Georg Moskiewicz. M. wurde als Sohn eines angesehenen Kaufmannes am 16. Mai 1878 zu Breslau geboren. 1896 verließ er mit dem Zeugnis der Reife das hiesige Magdalenen-Gymnasium, um sich an den Universitäten Heidel- berg, Breslau und Berlin dem Studium der Medizin zu widmen. Nach absolviertem ärtzlichen Staatsexamen promovierte er in Leipzig mit der Arbeit „Über die Beziehungen des Delirium tremens zur akuten Hallu- cinose der Trinker“. Schon während seiner medizinischen Studentenzeit erwacht sein Interesse an psychologischen und philosophischen Problemen. Die kritische Beschäftigung mit Grundfragen der Psychiatrie und Nerven- heilkunde während einer zweijährigen Assistentenzeit an der Heilanstalt 58 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. für Nerven- und Gemütskranke zu Dalldorf vertiefte dieses Interesse immer mehr. Unter fortgesetzten ernsten Studien reift sein Entschluß, sich nunmehr in systematischer Arbeit ganz der Philosophie zu widmen zur Tat: an den Universitäten Berlin, Breslau, Halle und Göttingen bereitet er sich zum philosophischen Doktor vor, den er 19109 mit einer bedeutsamen Arbeit „Zur Psychologie des Denkens“ in Halle erwirbt. — An der Beendigung seiner Habilitationsschrift verhindert ihn der Krieg, während dessen er in angestrengter und selbstloser Arbeit an der städtischen Heilanstalt für Nerven- und Gemütskranke zu Breslau als stellvertretender Oberarzt wirkt. Den Anforderungen seines schweren Dienstes aber ist seine schwankende Gesundheit für die Dauer nicht ge- wachsen. Eine ernste Erkrankung veranlaßt ihn am 1. März 1918 seine ärztliche Tätigkeit aufzugeben. Ruhe und Pflege bewirken nach vielen Wochen eine scheinbare Besserung. Er faßt, neu gekräftigt, den Plan zu weiteren Studien, u.a.über die Psychologie der Hirnverletzten, an das psychologische Institut der Universität Frankfurt a.M. zu über- siedeln. Doch ereilt ihn kurz vor dessen Ausführung der Tod. In M.s Arbeiten spiegelt sich nicht nur sein persönlicher Ent- wicklungsgang; es prägt sich in ihneg zugleich auch ein Stück Ent- wicklungsgeschichte der neuesten Psychologie aus. Seine wissen- schaftlichen Interessen richten sich zunächst auf zwei von einander vergleichsweise getrennte Problemkreise: den psychiatrischen und den im herkömmlichen Sinne des Wortes psychologischen. Jener ward ihm zum Gegenstand seines fachärztlichen Studiums; an diesem be- tätigte sich sein philosophisches Streben. Es ist nun lehrreich, zu beobachten, wie die beiden Problemkreise in M.’s Arbeiten allmählig Fühlung miteinander gewinnen, um schließlich einem umfassenden wissenschaftlichen Gesichtspunkt eingegliedert zu werden. Seine erste, in Gemeinschaft, mit Franz Kramer im psycholo- gischen Laboratorium zu Breslau unter Ebbinghaus ausgeführte experimentell-psychologische Arbeit beschäftigt sich mit der Genauigkeit der Reproduktion von Bewegungen. Es war u.a.die Frage gestellt worden, wie diese Genauigkeit beeinflußt wird, wenn die reproduzierte Bewegung auf Widerstände stößt, also unter veränderter Muskel- spannung gegenüber der primären Bewegung erfolgt. Es wurden ge- wisse optimale Verhältnisse festgestellt und im Zusammenhange damit die Giltigkeit des Weber-Fechnerschen Gesetzes für die Bewegungs- empfindung erörtert. Alsbald fesselt das psycho-physische Problem, durch Busses Werk über „Geist und Körper“ zu neuer Aktualität er- weckt, M.’s Interesse. Gleichzeitig beschäftigen ihn Fragen, wie sie sich in Sterns Untersuchungen über die Psychologie der Aussage auf- rollten; weniger freilich nach der Seite ihrer praktischen Auswertung hin, Nekrologe. 59 als vielmehr im Sinne der in ihnen wirksamen denkpsychologischen Motive. Langsam aber stetig wächst er nun in die Fragestellung hinein, die seine letzte im Druck erschienene Abhandlung ‚Zur Psychologie des. Denkens‘ beherrscht. Was er in dieser, seiner philosophischen Doktor- arbeit, unverkennbar durch Husserl beeinflußt, aber doch mit voller wissenschaftlicher Selbständigkeit anstrebt, ist mit seinen eigenen Worten zu reden, eine „Phänomenologie des Denkens“. Es soll gezeigt werden, in welcher Form sich das Ziel des’ Denkens darstellt und vor allem, auf welchem Wege der sich im Denken betätigende Wille dieses Ziel erreicht. Es „soll die eigenartige Struktur beschrieben werden, welche die Vorstellungen annehmen, wenn sie unter dem Einflusse des Willens stehen. Alsdann müssen auch die Momente des seelischen Ge- schehens hervorgehoben werden, an welche sich das Aktivitätsbewußt- sein in besonderer Weise knüpft“. Von einer eingehenden Würdigung dieses Vorhabens muß hier ab- gesehen werden. Wohl aber darf mit wenigen Strichen der logische Ort umerenzt werden, den M.'s Plan im System psychologischer Forschungs- arbeit einnimmt. Sein Gegenstand ist die Denkhandlung als solche, sind die Typen, in denen komplizierte Denkhandlungen sich darsteilen, die Strukturbestimmungen, denen gemäß diese Typen sich gestalten. Der Begriff des „Sinns“ tritt dabei als selbständiger methodischer Faktor in den Vordergrund der Betrachtung; genauer: der Begriff- des Sinn- erlebnisses; die Frage, wie das Sinnerlebnis in den verschiedenen Denk- handlungen zu dem Faktor „Wille“ steht, wie sich das Gebiet des Denkens vermöge seiner Bestimmtheit durch den Sinn als „konstella- tionsbedingtes“ psychisches Geschehen anderen, nicht unter den Begriff des Denkens fallenden psychischen Vorgängen gegenüber abgrenzt. Mit ausgezeichneter Klarheit sind die Fragen gestellt und die Analyse einiger komplexester Denkphänomene durchgeführt. Freilich, noch ringt- auch M.mit den Begriffen ‚Vorstellung‘ und ‚Assoziation‘. Noch ist es ihm nicht gelungen, die Reste jener atomisierenden Auffassung des Psychischen, wie sie durch eine an physiologischen und meta- physischen Gesichtspunkten orientierte Überlieferung bestimmt war, zu überwinden. Noch ringt er mit der Aufgabe, das Denken als eine ‚Verkrüpfung‘ an sich isolierter ‚Vorstellungen‘ zu fassen und so dem. Begriff der Assoziation einen denkpsychologich definierten Inhalt zu geben. Er ringt mit diesem Problem auch, wo er sich um die Denk- psychologische Vertiefung psychiatrischer Begriffe, ich erinnere an seine Analyse der Ideenflucht, bemüht. Sehr wahrscheinlich, daß M. hier alsbald zu neuen und entscheidenden Gesichtspunkten der Be- urteilung vorgedrungen wäre; — umso wahrscheinlicher, als er nie aufhörte, sich über die philosophischen Prinzipien und die methodische 60 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater. Cultur. Folgerichtigkeit seiner Fragestellung und seiner Ergebnisse strengste Rechenschaft zu geben. M. hat denn auch die tiefen Beziehungen zwischen denkpsychologischer Forschung und philosophischer Prin- zipienlehre mit voller Schärfe erfaßt. Man überblickt jetzt sein Lebenswerk. Von Psychiatrie und Sinnes- psychologie herkommend, strebt er entscheidenden denkpsychologischen Fragestellungen zu, die ihm nicht nur neue, weitausgreifende Probleme stellen, sondern auch die Instrumente liefern, um die methodischen Auf- gaben von Psychologie und Psychiatrie in bedeutsamer Wechsel- bezogenheit zu verknüpfen. Sie bestimmten aber auch, wie seine Freunde wußten, sein Verhältnis zu den Prinzipienfragen der wissenschaftlichen Philosophie. So kurz dieses Leben war und so unvollendet es auch dem Ferner- stehenden erscheinen mag, es zeitigte doch ein wenigstens seinen immanenten Zielen nach in sich geschlossenes Werk. Manche be- deutende Leistung wäre von dem ernsten und feinsinnigen, allen Werten der Kultur dankbar erschlossenen Mann noch zu erwarten gewesen. Denn hinter seinem oft zaghaft zurückhaltend erscheinenden und weichen Wesen verbarg sich der feste Sinn des klar erwägenden, in der besten und objektivsten Bedeutung des Wortes vorsichtigen Forschers. Nicht nur in der Erinnerung seiner Freunde wird sein Andenken fortleben, sondern auch in der Geschichte seiner Wissenschaft. ERS Hönigswald. Am 1.Oktober 1918 verstarb Herr Max Müller, der langjährige und verdienstvolle Schatzmeister der Sektion für Obst- und Gartenbau. Sein Vater, der Kaufmann und Stadtälteste Ernst Hermann Müller, war einer der Begründer dieser Sektion gewesen und hatte ihr 37 Jahre lang angehört; 20 Jahre hindurch, bis kurz vor seinem Tode (1886), hatte er selbst die Sektion als erster Sekretär geleitet, mit schönem Eifer, großer Arbeitskraft und mit erfreulichstem Erfolg. Bald nach des Vaters Tod trat der Sohn zunächst als Mitglied des Verwaltungsausschusses in den Vorstand der Sektion; von 1889 bis 1918, also 29 Jahre lang, war er ihr Schatzmeister. Max Müller war am 1. Dezember 1841 in Breslau geboren. Einem angesehenen Hause entstammend, in geistig reger Umgebung auf- wachsend, absolvierte er schon mit 16 Jahren das Realeymnasium am Zwinger und wendete sich dann dem Buchhandel zu. Seine Lehrzeit verbrachte er in der Buchhandlung von Trewendt und Granier in Breslau. Einige Jahre sah er sich in der Welt um, hielt sich besonders in Wien, Genf und London auf und erwarb 1869 den Verlag von J.U.Kern in Breslau. Unter seiner Leitung und, durch seine eigene rastlose Arbeit Nekrologe. 61 entwickelte sich dieser Verlag zu einem zwar nicht umfangreichen, aber soliden und angesehenen Unternehmen, das vorwiegend juristische, ver- waltungsrechtliche und naturwissenschaftliche Werke herausbrachte. So’ ging aus dem Müllerschen Verlag die noch bestehende Zeitschrift „Cohns Beiträge zur Biologie der Pflanzen‘ hervor, die in der Ge- schiehte der Bakterienforschung eine große Rolle gespielt hat: hier ver- öffentlichte Ferdinand Cohn seine, für die botanische Seite der Bakte- riologie grundlegenden Arbeiten, und ihnen schlossen sich die ersten Untersuchungen Robert Kochs über den Milzbrand an, die auch für die medizinische Bakteriologie die Grundlage geschaffen haben. Großen Wert legte Max Müller auf die Illustration der übernommenen Werke; als mustergültige Leistung wären hier, neben anderem, die leider un- vollendet gebliebenen Weberbauerschen Pilztafeln zu nennen. Seit 1874 glücklich verheiratet, hat Max Müller in seiner Familie doch auch manchen Schmerz erlebt; vier blühende Kinder verlor er in rascher Folge durch den Tod. In den: großen Krieg entsandte er außer dem Schwiegersohn drei Söhne, die alle drei schwere Verwun- dungen erlitten. | In der Sektion hat Max Müller stets nur die wenig dankbare und doch so nötige Arbeit des Schatzmeisters geleistet, trotz des regen Interesses, das er allen gärtnerischen und botanischen Fragen entgegen- brachte. Auch bei dieser Beschränkung, die ebenso sehr seiner natür- lichen Bescheidenheit, wie seiner Neigung für praktische Mitarbeit ent- sprach, hat sich Max Müller um seine Sektion die größten Ver- dienste erworben. So wenig er mit seiner Person hervortrat, um so mehr sorgte er im Stillen, besonders, als die Sektion anstelle des auf städti- schem Gelände gelegenen Obst- und Mustergartens die eigene große Baumschule in Klettendorf begründete. Müllers kaufmännisches Können und vorsichtige Geschäftsführung gaben dem, bei der Gering- fügigkeit der Mittel scheinbar gewagten Unternehmen finanzielle Solidität und damit die Möglichkeit, in erster Linie gemeinnützige Ziele verfolgen zu können. Äußere Ehren hat der stille, zurückhaltende Mann nie gesucht und weniger gefunden, als er verdient hätte. Seine Wahl zum Handelsrichter- zeigte freilich das Ansehen, das er als Kaufmann genoß; aber seine viel- seitige Tätigkeit zum Wohle seiner Mitbürger und seine werktätige “ Menschenliebe haben selbst die kaum in ihrem vollen Umfang sekannt, die ihm nahe standen. Rosen. Am 14. Dezember 1918 erlag Justizrat Dr. Gustav Neisser zu Breslau, der langjährige Syndikus der Schlesischen Textil-Berufs- genossenschaft, einer im Anschlusse an eine “Grippe aufgetretener an [er) ND Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Lungenentzündung im 56. Jahre eines an Arbeit und Erfolgen reichen Lebens. Gustav Neisser war am 29. März 1862 zu Charlottenbrunn als Sohn des späteren Geheimen Sanitätsrats Dr. Moritz Neisser geboren. Sein Vater hatte Jahrzehnte lang als Badearzt in Charlottenbrunn segens- reich gewirkt und durch ärztliches Können und gründliche Bildung in weiten Kreisen Ansehen und Beliebtheit errungen. Die Mutter, die hochbetagt erst vor etwa Jahresfrist dem Sohn im Tode vorangegangen ist, entstammte einer Hamburger Kaufmannsfamilie. Ihre wertvollen geistigen Eigenschaften sind in dem warmherzigen Nachruf, den ihr ihre Pflegetochter im Jahresbericht der Gesellschaft für 1917 gewidmet hat, geschildert. In inniger Liebe zu dem geistig hochstehenden Elternpaar und zu seinem Halbbruder, dem für Mitwelt, Wissenschaft und Kunst leider allzu früh heimgegangenen Albert Neisser, ist Gustav Neisser auf- ‚gewachsen. Der geistige Besitz, den die Beziehungen zu diesem Kreise ihm frühzeitig vermittelten, ist wohl die Grundlage seines bedeutsamen "Wirkens geworden. Seine Ausbildung erhielt er im Magdalenen-Gymnasium in Breslau; ‚dann studierte er die Rechtswissenschaften in Göttingen, Leipzig und Breslau. Schon. hier hat das bloße Fachstudium seinen vielseitigen Interessen nicht genügt; seinen Wissensdrang fesselte vor allem die Philosophie; namentlich Lotze, den er in Göttingen persönlich gehört hatte, blieb von weittragendem Einfluß auf seine spätere Entwickelung. 1882 bestand er sein Referendar-Examen, nach Abschluß des Vor- bereitungsdienstes 1887 das Assessor-Examen. 1889 erwarb er in Breslau mit einer noch heut grundlegenden Arbeit über ‚Den Vorbehalt bei der Zahlung“ (auch abgedruckt in Gruchots Beiträgen Bd. 34 S. 275) den Doktorhut. Nach einer mehrjährigen Tätigkeit als Rechtsanwalt .am Oberlandesgericht, die seinen Neigungen nicht sehr entsprach, wurde er 1894 Geschäftsführer und Syndikus der Schlesischen Textil- berufsgenossenschaft. Erst hier fand er den Boden für die Verwertung seiner reichen geistigen Fähigkeiten, erst hier die Gelegenheit für die Befruchtung weiter wichtiger Gebiete unseres Wirtschaftslebens mit den Schöpfungen seines durchdringenden Verstandes, seiner auf das Prak- ‚tische gerichteten begnadeten Begabung und seiner meisterhaften, ihre Wirkung nie versagenden Redegabe. So kam es, daß er über die Auf- gaben seines engeren Amtskreises hinaus bald der führende Vertrauens- mann der Textil-Industrie in allen ihren Verzweigungen wurde: so wurde er bald Syndikus des Verbandes Schlesischer Textil-Industrieller, des Verbandes Schlesischer und Sächsischer Leinenspinner und des Kohlen- bezugsvereins Schlesischer und Lausitzer Industrielle. In allen diesen Verbänden, bei denen er meist auch bei der Errichtung mitwirkte, war Nekrologe. 63 er der führende Geist. Seine Leistungen auf allen diesen Gebieten lenkten später die Aufmerksamkeit der deutschen Berufsgenossen- schaften auf ihn; 1910 — gerade in der bedeutsamen Zeit der Vor- bereitung der Reichsversicherungsordnung — wurde er auch Syndikus des Verbandes der deutschen Berufsgenossenschäften. Was er hier für die Beruisgenossenschaften und für das ganze deutsche Wirtschafts- leben geleistet hat, hauptsächlich bei der Gestaltung der Reichsver- sicherungsordnung, wird, wie der ausgezeichnete Nachruf von Dr. Ostern in der „Berufsgenossenschaft“ hervorhebt, in der Geschichte der deutschen Sozialreform unvergessen bleiben; in unermüdlicher Arbeit und Pflichttreue hat er hier in ständiger Fühlung mit den Organen der Gesetzgebung dafür: gesorgt, daß die reichen Erfahrungen der Berufs- genossenschaften dem Gesetzgebungswerk nicht verloren gingen, dessen Absehnitt über die Unfallversicherung an mehr als einer Stelle nach- haltige Spuren seines geistigen Wirkens trägt. Aber nicht nur an der Schaffung dieser neuen Rechtsquellen, auch an ihrer Einzelausgestaltung und Erkenntnis hat er mitgearbeitet. Am 1.April 1911 übernahm er die Schriftleitung der „Berufsgenossenschaft“, die er als Herausgeber und durch zahlreiche eigene wertvolle Aufsätze bald zu einer anerkannten und angesehenen. Fachzeitschrift emporhob. Eine überaus wertvolle Sammlung dieser Aufsätze stellt das 1912 von ihm und Mareus heraus- gegebene Werk „Die gewerbliche Unfallversicherung der Reichsver- sicherungsordnung“ dar, die bei weitem wertvollste Gegenüberstellung der Grundsätze des alten und des neuen Rechts. Ein treuer Diener des .berufsgenossenschaftlichen Gedankens, war er daneben in allem seinem Tun und Wirken von einem warmen Herzen für das Wohl und Wehe der arbeitenden Klassen beseelt. Nichts lag ihm ferner und nichts weiter von ihm ab, als jede einseitige oder herrische Betonung des Unternehmerstandpunktes. War er doch zeit- lebens auch ein warmer Freund der sozialen Reform; der Breslauer Ortsgruppe der Gesellschaft "ür soziale Reform, die er zusammen mit Sombart begründet und lange geleitet hatte, hat er durcn gehaltvolle Vorträge und seine vielleicht noch wertvolleren Anregungen in der Dis- kussion allezeit umfassende Förderung zuteil werden lassen. Als 1914 der Weltkrieg ausbrach, rief ihn die Knappheit der Roh- stoffe, unter der die Textilindustrie allmählig zu leiden begann, zu _ neuer, weiter, segensreicher Arbeit auf dem Gebiete der Förderung des Hanf- und Flachsanbaus. Auch hier wurde er bald der Mittelpunkt aller organisatorischen Bestrebungen zur Neugestaltung wichtiger wirtschaft- licher Unternehmungen. Mit alledem aber war das Bild des geistigen Schaffens Gustav Neisser’s noch lange nicht abgeschlossen. In langjähriger kommunaler 64 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Tätigkeit, erst als Stadtverordneter, dann als Stadtrat, "hat er sich namhafte Verdienste um seine Vaterstadt erworben. Besonders für die Kohlenversorgung unserer Vaterstadt hat er hier in eifriger und um- sichtiger Arbeit gewirkt. . Als die schärfste Apres seiner isenant aber erscheint sein reiches Wissen und Können auf literarischem Gebiet. Von Jugend auf mit literafischen Interessen stark verwachsen, wandte er allen Zweigen der Literatur und Kunst Liebe und Verständnis zu; alle Muße widmete er der Pflege dieser Neigungen und so besaß er — unterstützt durch ein ganz außergewöhnliches, fast nie versagendes Gedächtnis — eine Kenntnis von Personen und Dingen auf diesem Gebiete, um die ihn mancher berufsmäßige Literarhistoriker hätte beneiden können. Seine kostbare Bibliothek, ein Ergebnis langjähriger verständnisvoller Sammel- tätigkeit, ist in dieser Beziehung ein trefflicher Spiegel seines geistigen Wesens. Diese feinsinnige Bildung, in Verbindung mit seinem vielseitigen beruflichen Wirken, machten ihn zu einem wirklich modernen Geist. Dazu traten eine tiefe Herzensgüte, eine durch Abgeklärtheit wohltuende Milde der Empfindung und eine gewinnende Liebenswürdigkeit. Alle diese Gaben, die am besten und reinsten in seiner Häuslichkeit zum Durchbruch gelangten, machten ihn frühzeitig zum geistigen Mittel- punkt eines Freundeskreises, der nun mit der Gattin, der verständnis- vollen Förderin seiner sozialpolitischen Gedanken, und mit den Kindern seinen Heimgang auf das Schmerzlichste betrauert. Dr. Arthur Lemberg. Am 8. Dezember 1918 starb im Alter von 70 Jahren der Öber- lehrer a.D. Professor Dr. Paul Neugebauer. Von der Wiege bis zum Grabe gehörte sein Leben und sein Wirken ganz unserer Vaterstadt Breslau. Er wurde am 22. Dezember 1848 als Sohn des Buchdruckers Carl Neugebauer geboren, besuchte das Matthiasgymnasium, wo er 1869 das Zeugnis der Reife erhielt, und studierte hierauf von 1869 bis 1874 Mathematik, Naturwissenschaften und mit besonderem Eifer Astro- nomie unter J. G. Galle, der bald auf ihn aufmerksam wurde und sich seiner besonders annahm. Galle übertrug ihm die Assistentenstelle an der hiesigen Sternwarte, die N. von 1872 bis 1876 bekleidete und regte ihn auch zu der 1874 erschienenen Arbeit „Über ' den Kometen des Jahres 1684“ an, auf Grund deren N.am 21. April 1874 promovierte. Im Jahre 1875 bestand N.die Lehramtsprüfung. Seine amtliche Tätigkeit spielte sich ausschließlich an Breslauer höheren Lehr- anstalten ab, an den Gymnasien zu Maria-Magdalena und Matthias, dann von 1876—1892 an der Oberrealschule und schließlich von 1892 bis zu Nekrologe. 65 seinem Übertritt in den Ruhestand im Jahre 1913 an der katholischen Realschule. Treu und gewissenhaft hat er seine Pflichten als Lehrer nach bestem Können erfüllt, mit einem Herzen voll Wärme, Liebe und Nachsicht für die Jugend. Kleinlicher Schuldrill blieb ihm zeitlebens ganz fremd, sein heiteres Gemüt, sein froher Lebensmut bewahrten ihn bis ans Ende seiner Lehrtätigkeit vor Engherzigkeit und V-erknöcherung. Es machte ihm Freude, die Jugend anzuregen und ihr aus Leben und Wissenschaft, vor allem aus der Welt der Sterne, mancherlei Fesselndes und Lehrreiches zu erzählen. So fand er mühelos den Weg zum Herzen der Jugend, vor allem, weil er selbst sich bis in seine späten Jahre einen unversieg- lichen kindlichen Frohsinn bewahrt hatte, der leicht mit dem Fühlen der Jugend zusammenklang. Er wird darum in den Herzen seiner vielen dankbaren' Schüler weiterleben. Re ! Neben seiner - Lehrtätigkeit entfaltete er jahrzehntelang eine um- fangreiche wissenschaftliche Tätigkeit auf astronomischem Gebiete. Er: besaß in ungewöhnlichem Maße die Fähigkeit, abstrakte mathematische Formeln auf die Praxis anzuwenden, ein ungeheures Zahlenmaterial spielend zu bewältigen und mit unfehlbarer Sicherheit und Zuverlässig- keit zu verarbeiten. Sein Lehrer J.G. Galle erkannte bald diese Fähig- keit Neugebauers und machte ihn mit dem Direktor der Düssel- dorfer Sternwarte, R. Luther, und mit dem Leiter des Astronomischen Recheninstituts in Berlin-Dahlem, F. Tietjen, bekannt. Durch diese Männer wurde N.auf das Gebiet gelenkt, auf dem er seine besondere Begabung am nutzbringendsten verwenden konnte, nämlich auf die Be- arbeitung der sogenannten kleinen Planeten, eines Ringes sehr zahl- reicher kleiner Himmelskörper, die zwischen den Bahnen der Planeten Mars und Jupiter kreisen. Schon als Assistent Galles übernahm N. die Berechnung zweier Düsseldorfer Planetoiden, der Proserpina (26) und der Fides (37). Den in Düsseldorf von Luther entdeckten Planetoiden galt auch eine in Florenz 1901 erschienene Abhandlung Neugebauers ‘ und ebenso sein Beitrag zur Festschrift für Galles 90. Geburtstag „Oppesitions-Ephemeriden von 14 Düsseldorfer Planeten aus den Jahren 1890—1901“. Die ständig wachsende Zahl der Entdeckungen dieser Himmelskörper machte ihre regelmäßige Verfolgung durch Rechnung höchst mühselig, und das Interesse an ihnen drohte zu erlahmen, obwohl es für spätere Untersuchungen von großer Wichtigkeit werden konnte, die Bahnen dieser Körper zuverlässig festzulegen. N.war einer der wenigen, die ausharrten und in aufopfernder Tätigkeit das vernach- lässigte Gebiet bearbeiteten. Bis zum Jahre 1900 leitete er die regel- mäßige Berechnung von rund 200 kleinen Planeten, ein Zeugnis von staunenswerter Arbeitskraft. Von 1900 an war indes die Zunahme der 1918. @) 86 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. Entdeckungen so groß, daß er sich von da an auf genäherte Voraus- berechnungen beschränken mußte. Für die Wissenschaft war diese Tätigkeit Neugebauers wichtig und nützlich, denn sie sicherte und verbesserte die Bahnen dieser Himmelskörper und machte hierdurch ihre spätere Wiederauffindung und Verfolgung, gewissermaßen ihre Verwendung für die Wissenschaft möglich. So konnte mit Hilfe des 1896 entdeckten Eros im Jahre 1901/02 die wichtigste Zahl der Astronomie, die Sonnenparallaxe, aufs genaueste bestimmt werden, so zeigten die Bahnen der sogenannten Achillesgruppe eine angenäherte Verwirklichung eines Spezialfalles des berühmten Drei- körperproblems, für den bereits Lagrange eine strenge Lösung gegeben hatte. Die Folgezeit hat also.dem unermüdlichen Rechner Recht gegeben. Heute scheint auch das Ausland, namentlich Frankreich, darauf auszu- sehen, diese, bisher nur von Deutschen geleistete Arbeit an sich zu reißen, _ weil sie sich jetzt als interessant und fruchtbar erweist. Neugebauer's Name ist auch mit der Geschichte des interessanten periodischen Kometen Brooks, 1889 V, verknüpft, der infolge starker Annäherung au Jupiter seine Umlaufzseiten ändert und bald 31 bald 7 Jahre hierzu sebraucht. Auf Grund der von N. vorausberechneten scheinbaren Bahn fand der amerikanische Astronom Aitken den Kometen am 18. August 1903 im südlichen Fisch und zwar kaum Vollmondsbreiten vom vorausberechneten Orte entfernt. N. veröffentlichte hierüber eine Ab- handlung in der Festschrift zum 70. Geburtstage des Geheimrats Pro- fessor Wilhelm Förster, „Über die Vorausberechnung der Erscheinung 1903/04 des periodischen Kometen 1889 V, 1896 VI Brooks“. Seine wissenschaftlichen Verdienste fanden auch äußere An- erkennung durch die 1893 erfolgte besondere Verleihung des Professor- titels „in Rücksicht auf seine anerkennenswerten astronomischen Arbeiten.‘ Schon vor seinem Übertritt in den Ruhestand im Jahre 1913 hatten sich bei ihm die Anzeichen der Zuckerkrankheit bemerklich gemacht, und bald nahm die Erkrankung ernste Formen an. Seine eiserne Natur überwand aber noch einmal die Gefahr, und er erholte sich wieder einigermaßen. Einem erneuten Angriff des Leidens aber erlag er nach langem zähem Ringen. So liegt nun ein langes arbeitsreiches und ver- dienstvolles Leben abgeschlossen vor uns. Erstaunlich und ungewöhnlich war seine unerschöpfliche Arbeitskraft, die ihn befähigte, neben dem an- strengenden Schuldienst täglich noch viele Stunden einer nerven- zerreibenden wissenschaftlichen Tätigkeit zu widmen, immer eingehüllt in undurchdringliche Dampfwolken aus seiner geliebten Pfeife, steis strahlend heiter, aufgelegt zu Witz und Scherz und sich kindlich freuend über jede neue Schnurre, die er zu hören bekam oder zum besten geben Nekrologe. 67 konnte. Doch nicht nur seiner urgesunden Natur hatte er es zu danken, wenn er so lange frisch und arbeitsfähig blieb, sondern auch seiner geistig ‚hochstehenden Gattin, die starken und verständnisvollen Anteil an ‚seinem wissenschaftlichen Streben und Arbeiten nahm und ihm außerdem ‚mit kluger, sorgsamer Hand unmerklich alles aus dem Wege räumte, was ihm bei seinen Arbeiten hätte unbequem oder hinderlich werden können. Seine Freunde und Amtsgenossen und seine zahlreichen ehemaligen ‚Schüler haben die Trauerbotschaft von dem Tode dieses in; Beruf und Wissenschaft erprobten Mannes mit aufrichtigem Schmerze vernommen, and sie werden ihm stets ein herzliches Andenken bewahren. Dr. Molke. "Louis Neustadt wurde am 18. Oktober 1857 in Arnswalde in der Mark als Sohn eines Rabbiners geboren. Er besuchte erst das Königliche Friedrichsgymnasium, dann das Elisabethgymnasium in Breslau, das er ‘Ostern 1877 mit dem Reifezeugnis verließ. Er studierte in Breslau Ge- schichte und bestand am 8. Februar 1883 sein examen rigorosum. Seine Doktorarbeit behandelt die Tätigkeit des Markgrafen Georg von Brandenburg als Erzieher am ungarischen Hofe. (Breslau 1883 Köbners Verlag.) Die: sorgsame Arbeit war auf Archivalien aufgebaut, ‚die er auf Reisen in den süddeutschen Archiven, die ehemals den fränkischen Hohenzollern gehört hatten, gesammelt "hatte. Markgraf Georg entstammte dem fränkischen Zweige der Hohenzollern und hatte dann in ungarischen Diensten Gelegenheit gefunden, größere Besitzungen an der schlesisch-mährischen Grenze — Jägerndorf — zu erwerben. Er war einer der ersten deutschen Fürsten, die sich der Reformation ‚angeschlossen hatten und ist ihr mit besonderer Treue ergeben geblieben. Die Beschäftigung mit diesem Markgrafen gab Neustadt Gelegenheit, mehrfach kleine Notizen und Abhandlungen über Ereignisse dieser Zeit, über die Haltung anderer schlesischer Fürsten, über Luthers Beziehungen zu Georg etc. zusammenzustellen. Angriffen der Kritik gegenüber, die ihm eine Überschätzung seines Gegenstandes vorwarfen, begründete er wiederholt seine Auffassung. Ein Auftrag einer Frankfurter jüdischen altangesessenen Familie Schwarzschild, ihren Stammbaum nach den Nachriehten des Frankfurter Stadtarchivs zusammenzustellen, führte ihn zu der Beschäftigung mit der Geschichte der Juden in Deutschland. Nach Erledigung des Auftrages siedelte er wieder von Frankfurt nach Breslau über und übernahm die Stelle als Gehilfe seines Vaters bei einer hebräischen Unterrichtsanstalt, deren Leiter er nach dem Tode seines ‘Vaters wurde. Er gründete dann. in Breslau eine Wochenzeitung 5* 68 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. „Jüdisches Volksblatt“, die eine ziemliche Verbreitung fand. Sein Ver- such, bei Wahlen die jüdische Bevölkerung nach Art des Zentrums in einer „jüdischen Volkspartei“ zu organisieren, hatte keinen Erfolg. Die Zeitung behandelte eingehend die Angelegenheiten der jüdischen Ge- meinde in Breslau, vertrat die Wünsche der jüdischen Volksschullehrer und behandelte während des Krieges die jüdischen Fragen in den im Osten besetzten Gebieten. Mehrfach nahm Neustadt Veranlassung, jüdische Verhältnisse in der Vergangenheit zu beleuchten. So schrieb er eine Arbeit über den schlesischen Ratmann Steblitzki, der zum Judentum übertrat. Eine be-- sondere Stellung innerhalb der im Judentum sich bekämpfenden Rich- tungen hat Neustadt nicht zu erringen vermocht. Persönlich auf dem Standpunkt der Orthodoxie stehend, hat er doch in den Streitig- keiten zwischen gesetzestreuen und liberalen Juden, ebenso auch in der’ Frage des Zionismus sich einer ziemlichen Neutralität befleißigt. Bei der Abwehr antisemitischer Bestrebungen wurde N. in mehrere Preß- prozesse verwickelt. Neustadt starb am 13. November 1918. Dr. Priebasssch: Dr. Ernst Orgler ist am 17. Februar 1876 in Breslau als Sohn des- Kaufmanns M.Orgler geboren. Er besuchte von Oktober 1882 —1894 das Johannesgymnasium in Breslau. Er studierte Medizin in Freiburg‘ und Breslau und machte im April 1899 sein Doktorexamen. Hierauf wurde er Assistent von Prof. Weigert in Frankfurt a.M., dann arbeitete ‘er bei Prof. Landau und Czempin in Berlin, zuletzt in der Provinzial- Hebammenlehranstalt bei Prof. Baum in Breslau. Im Jahre 1902 ließ er sich als Spezialarzt für Frauenkrankheiten in Breslau nieder. Am 1.März 1915 wurde er zum Heeresdienst einberufen, arbeitete auf der chirurgischen Station des Allerheiligen-Hospitals in Breslau, bis er Ende April 1917 an das Reservelazarett Patschkau abkommandiert wurde. Dort übernahm er die Malariastation bis zu seiner Versetzung Oktober 1918 ans Reservelazarett - Trebnitz, wo er die chirurgische Station des Klosters hatte. Am 26. November 1918 erkrankte er an einem Mandelabzeß, es wurde incidiert, am 2% November war er fieberfrei, am 30. November kam ein Lungenkatarrh hinzu, der in der.Nacht vom 30. zum 1. Dezember‘ den Tod herbeiführte. Am 22. April 1918, seinem 43. Geburtstage, starb in einem Feld- lazarett des westlichen Kriegsschauplatzes Dr. med. Curt Ossig an den "olgen einer schweren Verletzung, die er sich durch eine neben ihm ein- schlagende Granate zugezogen hatte, Nekrologe. - 69 Geboren am 22. April 1875 in Breslau, besuchte er das St. Elisabeth- gymnasium, das er Ostern 1894 mit dem Reifezeugnis verließ, studierte ' von Ostern 1894 bis Michaelis 1899 an der Universität in Breslau Medizin und beendigte die medizinische Staatsprüfung am 19. März 1900, nach- ‚dem er am 6. Februar 1900 sein examen rigorosum abgelegt hatte. Seine Doktorpromotion erfolgte am 6. Februar 1903 mit der Inaugural- .dissertation „Zur Pathologie und Therapie der Revolverschußverletzungen (des Kopfes und Rumpfes“, die in Heft 1/2 des Bandes 37 der Beiträge zur klinischen Chirurgie abgedruckt wurde. Während der Studienzeit war er aktiv bei den Breslauer Lands- mannschaften Makaria, später Vandalia. Seine spezialistische Ausbildung genoß er vom Sommer 1900 bis Mai 1904 an der chirurgischen Abteilung des Allerheiligenhospitals, dessen reiches Krankenmaterial ihm eine gründliche Kenntnis aller ein- schlägigen Krankheitsformen und praktische Erfahrung und Übung vermittelte. Durch seine Neigung zur Photographie wurde er der Be- schäftigung mit dem Röntgenverfahren zugeführt, mit dem er sich schon während seiner Assistententätigkeit intensiver befaßte. Im Mai 1904 ließ er sich als Arzt für Chirurgie und Untersuchung mit Röntgen- strahlen nieder, bald nur noch letzterer Spezialität nachgehend. Durch peinliche Gewissenhaftiekeit, Aneignung und Nutzbarmachung jedes röntgenologischen Fortschrittes, nicht zum mindesten aber auch durch das warme ärtzliche und menschliche Interesse an den ihn aufsuchenden Kranken erwarb Ossig sich eine große und treue Klientel, die infolge des ihm von seinen Kollegen entgegengebrachten Vertrauens ständig wuchs. Nebenher war er als Röntgenarzt an der Heilanstalt für Unfall- verletzte tätige und Verwaltungsarzt der Breslauer Berufsfeuerwehr. Im Ärztekollegium jener Anstalt war sein Wort stets gern gehört, seine wohldurchdachte Auffassung erweckte kaum je Widerspruch; in letzterer Tätigkeit war er nicht nur der stets unermüdliche, hilfsbereite Arzt, der unbegrenztes Vertrauen genoß, sondern auch der selbstlos beratende, gute Freund und stete Förderer aller die Feuerwehr betreffenden Ein- richtungen und Verbesserungen. Seine vielseitige praktische Tätigkeit ließ ihm nie Zeit zu größeren 'wissenschaftlichen Arbeiten; eine Reihe kasuistischer Mitteilungen röntgenologischer Natur erschien in früheren Jahresberichten der „Schles. Ges. für vaterl. Cultur“. Seiner Militärdienstpflicht genügte Ossig im SS.1887 und 1900; 1901 wurde er Assistenzarzt, 1903 Oberarzt d.R.,1910 Stabsarzt d.L. ‚Voll von glühendem Patriotismus zog er im August 1914 als Chirurg eines Feldlazaretts hinaus, machte auf den verschiedensten Kriegsschau- plätzen des Westens schwere Zeiten mit, bei seiner übergroßen Gewissen- 76 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. haftigkeit gar oft mehr als 24 Stunden pauselos und unermüdlich tätig. Kurze Urlaubszeiten gewährten kärgliche Erholung; vom letzten Urlauk- im März 1918 kehrte er nicht mehr zu seinem Feldlazarett zurück sondern wurde Regimentsarzt eines schlesischen Reserve-Infanterie-Regiments. Als er mit diesem zum ersten Male in Stellung ging, wurde er durch eine Granate verletzt; seiner Verwundung nicht achtend, eilte er zu Fuß: — sein Pferd war erschossen — der Truppe nach, blieb dort tätig, da er dringend benötigt wurde, und meldete sich — zu spät — nach 2 Tagen krank. Sorgsamste Pflege konnte ihn, der so vielen im Felde das Leben gerettet hatte, nicht mehr heilen und fern von den Seinen, in fremder Erde wurde er bestattet. Bereits im ersten Kriegsjahre hatte er das Eiserne Kreuz erhalten. Bald nach seiner Niederlassung hatte Ossig sich verheiratet und lebte in glücklichster Ehe, der zunächst nur ein Sohn entsprossen war.. Bei seinem letzten Urlaub konnte er das zweite Kind, die langersehnte Tochter, taufen lassen; das war der letzte Lichtblick seines Lebens. Wie Ossig ein liebender und fürsorglicher Gatte und zärtlicher Vater war, so war er auch seinen zahlreichen Freunden ein lieber und treuer Kamerad. Von vornehmer Gesinnung und echter Freundlichkeit des Herzens, nie sich versagend, wo er helfen konnte, auf jedes fröhliche: Wort gern eingehend, bei bescheidener Lebensführung ein Freund be- haglicher Mußestunden, so steht sein Bild als das eines kerndeutschen,. wackeren und guten Menschen vor all den vielen, die ihm nahe standen: und seiner nicht vergessen werden. Dr.&Gradenwitz. Professor Andre Pillet ist am 5. Juli 1844 in Carouge, einem Vorort von Genf, als Sohn eines Kaufmanns geboren, der aus dem savoyischen- Grenzstädtehen Saint-Julien eingewandert war. Er besuchte das alte: College seiner Heimatstadt und andere Anstalten der französischen und: der deutschen Schweiz. Bald zwangen ihn die Verhältnisse, sich auf eigene Füße zu stellen und in den Jahren des Lernens schon sein Fach,. die neueren Sprachen zu lehren. So kam es, daß er sich früh zu einer geschlossenen, selbständigen und selbstbewußten Persönlichkeit ent- wickelte, und daß er die Grundlagen seines ausgedehnten, sicheren ‘ Wissens und seine gelehrten Interessen mehr eifrigen Privatstudien als- Universitätsvorlesungen verdankte. Nachdem er schon England und Spanien gesehen hatte, ging er, zufällig gerade als der Krieg von 1870: ausbrach, nach Eisenach, und von dort holte ihn sich der Rektor Dr. Th. Bach als Lehrer des Französischen und Englischen an die eben: von der Stadt begründete Mittelschule in Breslau. Am 1.April 1871 begann die neue Wirksamkeit meines Vaters. Als Vorbedingung der späteren Anstellung galt, daß er das preußische Nekrologe. 71 Staatsexamen nachholen würde. Es ist bezeiehnend für den richtigen Blick des trefflichen Bach und wohl auch für die freiere Art der Zeit, die auf dem Gebiete des neusprachlichen Unterrichts viel zu schaffen und einzurichten hatte, daß man ein solches Experiment mit einem . Ausländer wagte, und ebenso bezeichnend für die Begabung und die Arbeitskraft des jungen Mannes, daß es gelang. An seiner Anstalt, die sich zur ev. höheren Bürgerschule und später zur ev. Realschule I aus- wuchs, ist er bis zu seiner Pensionierung als Oberlehrer (Ostern 1907) greblieben, seit 1893 mit dem Professortitel. Er war wohl der geborene Lehrer und somit nicht umsonst ein Landsmann und .ein Verehrer Rousseaus. Liebe zu Kindern war bis ins hohe Alter einer seiner aus- gesprochensten und schönsten Züge. Daß er ebenso die reifere Jugend zu verstehen und bei aller Strenge zu gewinnen wußte, zeigte die treue Anhänglichkeit vieler alten Schüler. | Mit der zweiten Heimat verwuchs er noch fester, indem er 1874 eine Einheimische heiratete, Mathilde Körte. Aus einer alten Gelehrten- {familie stammend, eine .Urenkelin des berühmten Begründers der Land- wirtschaftslehre Albrecht Thaer, eine Tochter eines Landwirts, der sich durch Werke über Schafzucht einen geachteten Namen gemacht hatte, des Kgl. Ökonomierats Albrecht Körte, teilte sie als frühere Lehrerin die Interessen ihres Gatten, wie sie sich auch gelegentlich. mit Über- setzungen und Essays beschäftigte, war ihm mit ihrem warmen Herzen und beweglichen Geiste die beste Beraterin und ebnete ihm manche Schwierigkeiten, die einem Fremden überall entgegenstehen, selbst in einem gegen Fremde so nachsichtigen Lande. Daß er unter den Breslauer Kollegen der einzige war, der das Französische als Muttersprache lehrte, war auch wieder ein Vorzug und gab ihm eine Sonderstellung; er flößte aber auch Vertrauen ein durch sein Lehrgeschick, seine Klugheit und die stolze Festigkeit seines Charakters. So traten neben der Schule manche schönen Aufgaben an ihn heran, z.B. die Tätigkeit am Lindner- schen Lehrerinnenseminar, die Beteiligung an mehreren Prüfungskom- missionen usw. Jahrzehntelang war er Dolmetscher am Oberlandesgericht für Italienisch und Spanisch. Besonders das Italienische war ihm ver- traut, das er früh gelernt hatte und gern auffrischte, und für italienische Art hatte er ein feines und humorvolles Verständnis. Am wichtigsten wurde für ihn, daß er 1888 zum Lektor der fran- zösischen Sprache an der Universität ernannt wurde. Der Beginn dieser Tätigkeit fiel noch in eine Zeit, wo dem Wirken des Lektors engere, Grenzen gezogen waren als heute, teils durch die geringere Stundenzahl, teils durch die seltsame Gleichgültigkeit der wenigen Studenten gerade segen die moderne ‚Sprache. Mein Vater erlebte den starken Aufstieg der Hörerzahlen mit, den Umschwung in der Wertung des Neufranzö- 72 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. sischen und freute sich der Mitarbeit am Romanischen Seminar. In diesem besprach er vorzugsweise freie Arbeiten der Mitglieder; außerdem bot er praktische Übungen in der französischen Syntax und abwechselnd Übersetzung eines deutschen Schriftstellers ins Französische und Lektüre und Interpretation eines französischen Schriftstellers, einmal auch eine Vorlesung über die französische Romantik. Ergänzt wurde in gewissem Sinne seine Tätigkeit, indem er von 1894 bis 1911 Mitglied der Wissen- schaftlichen Prüfungskommission war und für die zweite Stufe prüfte. Was er seinen Zuhörern gab, war neben seiner großen Kenntnis der Literatur seine vollendete Beherrschung des Französischen. Nichts lag ihm ferner, als die leidige Art, ‘die eigene Sprache als Naturbursche meistern zu wollen; darin wenigstens war er ganz Franzose. Hundertmal habe ich ihn, wenn ich in sein Zimmer trat, mit einem Wörterbuch in der Hand getroffen, einem Bande des Littre, aus dem er sich Rat holte für Ausdruck und Stil seiner Arbeiten. Selbst versucht hat er sich zuerst mit Übersetzungen aus dem Deutschen: Schillers „‚Geisterseher“, Erzählungen von Raabe, Heyse, Franzos, dazu auch spanische von Fernan Caballero.. 1894 erschien seine Programmabhandlung ‚Essai sur les Pensees de Pascal“). Schon die Einleitung über Aufnahme und Beurteilung der ‚Pensees‘ im Wandel der Zeiten zeigt, daß er nicht nur Pascal und die damalige Pascal- Literatur gründlich kannte, sondern auch weitere Umschau gehalten hatte. Der Hauptteil bespricht den Skeptizismus der ‚Pensees‘, die Ab- hängigkeit von Montaigne, den Gegensatz zu Descartes und die Ent- wicklung, Begründung, Darstellung wie auch die Folgerichtiekeit und Ehrlichkeit dieses Skeptizismus mit eindringender Kritik und einem so rückhaltslosen Freimut, daß man mitunter fast an der aufrichtigen Ver- ehrung irre werden könnte, die er doch für den Denker hatte. Inzwischen hatte ihn schon ein gänzlich anderer Gegenstand un- widerstehlich angezogen, die Geschichte des Uhrmachers Karl Wilhelm Nauendorff, der sich zuerst 1825, als er im Gefängnis zu Branden- burg a.H. wegen Falschmünzerei in Untersuchungshaft saß, für einen französischen Prinzen, nach der Julirevolution geradezu für den an- geblich aus dem Temple entflohenen Sohn Ludwigs XVI und der Marie Antoinette ausgab und mit dieser dreisten Erfindung sich und seinen Nachkommen Anhänger in Frankreich gewann. Die grotesken An- sprüche der sogenannten Survivance haben dort bis in die neueste Zeit Immer wieder die Öffentlichkeit, Gerichte und Parlament beschäftigt. Um eine eigene Zeitschrift ‚La Legitimite‘ scharen sich dilettantische, aber fanatische Verteidiger, denen es gelungen ist, selbst angesehene Per- !) Wissenschaftliche Beilage zum Jahresbericht der evangelischen Realschule I zu Breslau, Ostern 1894, Nekrologe. N me ‚sönlichkeiten zu überzeugen oder wenigstens zu beunruhigen. Mein Vater rannte also keine offene Tür ein, als er sich zu einem ent- scheidenden Gegenstoß entschloß. Seitdem ein hochverehrter Freund unserer Familie, der ausgezeichnete Staatsrechtler Ludwig von Rönne, der einst als junger Referendar Nauendorffs Enthüllungen protokolliert hatte und sich noch für den Fall interessierte, ihn durch seine Er- zählungen angeregt hatte, rüstete er sich durch lange, leider nur zu oft unterbrochene Studien und ausgedehnte archivalische Forschungen, bis er 1912 bei Picard in Paris mit der ersten Lieferung seiner ‚„Recherches‘ hervortrat. Eine zweite und eine dritte folgten ziemlich rascht). Die Fortsetzung des Druckes verhinderte der Krieg, den Abschluß des Manuskriptes der Tod. Die erschienenen Teile machten Eindruck, wurden lebhaft besprochen und erweckten starke Erwartungen. Der Verfasser hatte noch vieles zu sagen und besonders Wichtiges. Auch so bleibt ihm das Verdienst, manche dunklen und mit Absicht ver- dunkelten Punkte in Nauendorffs Leben aufzuhellen, ein einschneidendes und beschämendes Ereignis wie den Falschmünzerprozeß genau und fesselnd zu erzählen und die erwiesenen Tatsachen mit den Ent- stellungen des traurigen Helden und seiner kritiklosen Anhänger zu vergleichen, das Bild des Abenteurers und Betrügers mit sicherer, er- barmungsloser Hand zu zeichnen und die innere Unmöglichkeit der Legende jedem Urteilsfähigen darzutun. Die Arbeit an dem Buch war für meinen Vater der Stolz und die " Freude seines Alters. Er hatte früh den Abschied genommen; auch die Tätigkeit als Lektor gab er mit dem Universitätsjubiläum 1911 auf. Sein Haus war still geworden: die einzige Tochter war jung gestorben, ‚die beiden Söhne waren in der Ferne. Noch waren ihm ruhige, vehag- liche Jahre beschieden. Mit seiner Gattin reiste er regelmäßig in die alte Heimat, an der sein Herz hing. Auf der letzten dieser Reisen erlebte er in der französischen Schweiz den Ausbruch des Weltkriegs und zu- gleich das Aufflackern eines Deutschenhasses, der ihm ungerecht und sinnlos erschien und ihn tief verletzte. Die Entbehrungen und Ent- täuschungen, die der Krieg mit sich brachte, trug er gefaßt; doch die längere Krankheit meiner Mutter und ihr Tod am 12. Juni 1918 wurden auch ihm zum Verhängnis. Bald darauf traf ihn ein leichter Schlag- anfall. Er schien sich zu erholen, fühlte aber seine Kraft gebrochen, sein Leben unnütz, sein Ende nahe. Es kam nach einem zweiten, schwereren Anfall sanft, wie unabweislich in den Abendstunden des 8. Novembers. 1) Recherches faites en Allemagne sur l’horloger Charles-Guillaume Nauen- dorff, pretendu fils de Louis XVI et de Marie-Antoinette. I. L’Acquisition du droit de bourgeoisie a Spandau. 1912. — II. L’Arrestation a Brandenburg sur le soupgon de fabrication de fausse monnaie. 1912. — Ill. Ses Antecedens devant le Tribunal. 1913. 74 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Was seine Familie ihm war und ihm verdankte, ist hier nicht der Ort zu sagen. Auch in einem größeren Kreise wurde er nicht leicht übersehen und wird er nicht schnell vergessen werden: eine eigenartige, kraftvolle und vornehme Erscheinung unter den alten Breslauer Schul- männern, die er würdig auch an der Universität vertrat; ein Romane nach Aussehen, Namen, Muttersprache und Voraussetzungen und doch zum Deutschen geworden und durch seine Arbeit für Generationen schlesischer Lehrer und Schüler verwoben mit einem Stück bester schlesischer Kultur. Königsberg ji. Pr. Alfred Pillet. Den Heldentod fürs Vaterland starben im 4. Kriegsjahr, kurz nach- einander, die beiden Söhne des verstorbenen Geheimen Sanitätsrat Dr. Oscar Riegner, ehemaligen Primärarzt der chirurgischen Abteilung des Hospitals zu Allerheiligen, die wirklichen Mitglieder Rechtsanwalt Erwin Riegner und Oberlehrer Dr. phil. Franz Riegner.- Rechtsanwalt Erwin Riegner war am 18. Februar 1881 zu Breslau geboren. Er besuchte das Magdalenen-Gymnasium seiner Vater- stadt und erlangte daselbst am 10. September 1900 das Zeugnis der Reife. Darauf widmete er sich an den Universitäten Breslau, Tübingen und München dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften. Am 11. Juli 1904 bestand er in Breslau die erste und am 8. September 1909 in Berlin die zweite juristische Staatsprüfung mit dem Prädikat „Gut“. Nach seiner Ernennung zum Gerichtsassessor nahm er im Winter 1909/10 an einem staatswissenschaftlichen Fortbildungskurse in Berlin teil. Hierauf war er als Hilfsrichter beim Amtsgericht Liegnitz. und beim Amts- und Landgericht in Breslau tätig. Im November 1911 wurde er als Rechtsanwalt beim Landgericht in Breslau zu- gelassen. Wegen Kurzsichtiekeit und Sehschwäche war er seiner- zeit für untauglich zum Militärdienst befunden worden, trotzdem meldete er sich bei Ausbruch des Krieges sofort als Kriegsfreiwilliger, wurde jedoch nicht angenommen. Erst im Herbst 1915 wurde er dann als Landsturmmann zu den Garde-Pionieren eingezogen und machte den Feldzug in Rußland mit. Im Januar 1918 wurde er zum Leutnant d.L. befördert. Als solcher nahm er in einem Minenwerferbataillon an den schweren Kämpfen im Westen teil und wurde mit dem Eisernen Kreuz I. und OH. Klasse ausgezeichnet. Am 29. Mai 1918 erlitt er bei siegreichem Vordringen eine schwere Verwundung am Knie, welcher er am 15. Juni 1918 im Lazarett zu Ludwigshafen am Rhein erlag. Die ihm von seinem Bataillons-Kommandeur, seinen Kameraden, Mannschaften, Berufs- kollegen und Freunden gewidmeten Nachrufe zeugen von der Beliebtheit und hohen Wertschätzung, deren er sich in allen Kreisen erfreute, mit ‚Nekrologe. ; 75 welchen er in Berührung kam. Schlicht, einfach und vornehm war sein ganzes Wesen; wen er mit seiner Freundschaft auszeichnete, besaß ihn voll und ganz als einen Freund von unwandelbarer Treue. Er war ein scharfsinniger Kopf und ein für sein Fach begeisterter Jurist. Anfangs mit Justizrat Sittka zusammen arbeitend, gelang es ihm, durch seine tüchtisen Kenntnisse, seine große Gewissenhaftigkeit, seine nie ermüdende Arbeitsfreudigkeit, seinem eisernen Fleiß und seiner großen Menschenfreundlichkeit, bald seine Praxis immer mehr zu erweitern. Sein umfangreiches Wissen, seine vornehme kollegiale Gesinnung und seine sewinnende gesellige Frische erwarben ihm in Breslau eine achtungsvolle Stellung unter den Juristen, und hohe Erwartungen. knüpften sich an seine Zukunft. Erwin Riegner war ein begeisterter Bergsteiger und eifriges Mitglied des Alpenvereins. Als ihm im Lazarett zu Ludwigshafen er- öffnet werden mußte, daß die Abnahme des verletzten Beines im Ober- schenkel erforderlich sei, war sein erstes Wort „dann ade Berge“. Leider war die Blutvergiftung bereits soweit fortgeschritten, daß auch die Amputation nicht mehr im Stande war, sein Leben zu erhalten. Auch die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur verliert in Erwin Riegner ein reges Mitglied; vaterländische Gesinnung und deutsche Treue haben ihn in das Feld geführt und auch wir wollen ihm in dem- selben Sinne ein dauerndes, ehrenvolles Andenken bewahren. Oberlehrer Dr. Franz Riegner war am 23. Juli 1882 geboren. Er besuchte zuerst das Gymnasium zu St. Maria-Magdalena und bestand Ostern 1902 am Realgymnasium zum heiligen Geist die Reifeprüfung, studierte darauf in Breslau und Marburg Naturwissenschaften und Mathematik. Seiner militärischen Dienstpflicht genügte er vom '1.Oktober 1903 bis 30. September 1904 beim Feld-Artillerie-Regiment Nr.6 in Breslau. Am 21. Mai 1909 wurde er auf Grund seiner Disser- tation: „Chemische Beiträge zur Kenntnis basischer Konstitutions- facies granitischer Gesteine‘ in Breslau zum Dr. phil. promoviert. Vom 1. April 1909 bis 31. März 1911 war er erster Assistent am Mineralo- gischen Institut der Universität Breslau und bestand am 22. Dezember 1910 die Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen. In der Zeit von Ostern 1911 bis Ostern 1913 leistete er sein Seminarjahr an der Oberrealschule, sein Probejahr an der Realschule 2, dem Elisabeth- eymnasium und der Öberrealschule ab. Am 1.April 1913 wurde ihm die Fähigkeit zur Anstellung an höheren Schulen zuerkannt und er wurde dem Königlichen Wilhelmsgymnasium sowie vom Herbst ab der Evang. Realschule 2 überwiesen. Von der Mobilmachung an ununter- brochen im Felde stehend, immer an den schwersten Kämpfen teil- 76 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. nehmend, Inhaber des eisernen Kreuzes, fiel er als Leutnant d.L. am 13. April 1918 inmitten seiner Batterie. Bei Estaires liegt er begraben. Die Nachricht von der Ernennung zum Oberlehrer in Hirschberg hat ihn nicht mehr erreicht. Mit ihm ist ein.Mann dahingegangen, der mit hervorragenden Gaben nicht nur des Geistes, sondern auch des Herzens ausgestattet war. Er war ein scharfsinniger, klarer und kritischer Kopf, er verfügte über ein gediegenes Wissen, besonders in der Mineralogie, ‚das ihm die Wertschätzung des verstorbenen Direktors des Mineralo- - gischen Instituts, Geh. Reg.-Rats Prof. Dr. Hintze sicherte, und er ver- stand es infolge eines außergewöhnlichen pädagogischen und erziehe- rischen Geschickes in gleicher Weise Kenntnisse seinen ihn hochver- ehrenden Schülern zu übermitteln, wie auch ihren Charakter zu bilden. Vorbildlich in seiner vornehmen Lebensauffassung, pflichteifrig und streng gegen sich selbst, treu dem, dem er in Freundschaft verbunden war, stets hilfsbereit, ohne je nach einer Gegenleistung zu fragen, wurde er von seinen Freunden als das Vorbild eines deutschen Mannes geliebt und verehrt und von seinen Berufsgenossen, die noch viel von ihm er- warteten, hochgeschätzt. Seit März 1911 verheiratet, war es ihm nur wenige Jahre vergönnt, das Glück eines innigen harmonischen Familien- lebens zu genießen. Sein früher Tod bedeutet einen unersetzlichen Ver- lust für seine junge Frau, seine drei kleinen Kinder, für seinen Freundes- kreis, für Schule und Wissenschaft. Sanitätsrat Dr. Heintze. \ Georg Sachs, geboren am 10.März 1845, nahm in Breslau, seiner Vaterstadt, eine angesehene und vielfach einflußreiche Stellung ein. Nach Abschluß seiner Schulbildung auf dem Realgymnasium am Zwinger und Beendigung seiner Lehrzeit trat er in das unter der Firma Sachs & Wohlauer bestehende Geschäft seines Vaters ein, das er nach dessen Tode zunächst mit einem Gesellschafter, später als Alleininhaber fort- führte und zu so hoher Blüte brachte, daß es zu den führenden Handels- häusern der Webwarengattung zählen durfte. Seine durch Selbst- studium und auf großen Reisen vertiefte Bildung, sein weiter Blick und seine reiche Erfahrung lenkten bald die Aufmerksamkeit der kauf- wännischen Kreise auf ihn. Die Berufung in Ehrenämter bei den ver- schiedenen Handelsvereinigungen war der Ausdruck des Vertrauens, das ihm seine Berufsgenossen bekundeten, und das auch von amtlicher Seite durch Ernennung zum Handelsrichter — ein Amt, das er am hiesigen Landgericht lange Jahre mit Auszeichnung bekleidete — ent- gegengebracht wurde. In gleicher Weise bemühten sich gemeinnützige, gesellive und künstlerische Anstalten und Vereine, seine Mitwirkung an leitender Stelle zu gewinnen. So war er u.a. Vorstandsmitglied der Nekrologe. FERTe Gesellschaft der Freunde, der Ersten Brüdergesellschaft, des Bohnschen Gesangvereins, des Jüdischen Schwesternheims. Was aber, über die Grenzen der Wirksamkeit eines erfolgreichen Kaufmanns und. guten Bürgers hinaus, seinem Leben höhere Bedeutung und über: seine Zeitlichkeit wirkenden Wert verlieh, war die unermüdliche Arbeit, _ die er im Dienste der Menschenliebe mit höchster Aufopferung und hin- sebender Bereitschaft bis zu seinem Tode geleistet hat. Wer eines Rates bedurfte, wer in Not und Bedrängnis nach Hilfe ausschaute, konnte keine bessere Zuflucht finden, als bei ihm; denn er riet und half, nicht weil es ihm um Weltgeltung zu tun war, sondern aus heißem Herzens- drange. Und weil er sich nicht von flüchtigen Mitleidsanwandlungen leiten ließ, nicht wahllos und unbedacht gab und gewährte, sondern nach gewissenhafter Prüfung und genauer Abwägung aller Verhältnisse, konnte er erreichen, was gedankenlosem Wohltun versagt ist. Mit Welt- und Menschenkenntnis ausgestattet, wußte er den rechten Weg und die reehten Mittel zu finden, das zu tun, was im gegebenen Falle zum Er- folge führen mußte. Immer bereit, selbst Opfer zu bringen, verstand er es meisterhaft, für eine gute Sache zu werben; und sie war schon ge- borgen, wenn er sich nur ihrer annahm. So hat er Unzählige in aller Stille aus unglücklicher Vermögens- oder Familien-Verstrickung erlöst und einem lebenswerten Dasein zugeführt. Und es war keine Über- treibung sondern gerechte Anerkennung, wenn man von ihm sagte, er sei der geborene Vormund. Der Mann des allgemeinen Vertrauens, als der er galt und der er war, dessen heitere und bis ins Alter frische und wagemutige Persönlichkeit schnell die Herzen gewann, wird als ein wahrer Wohltäter und Menschenfreund fortleben in dem Gedächtnis derer, die um ihn wußten. Weil. Dr. Adoli Schlesinger. Am 3. November 1918 ist der praktische Arzt Geh. sanitätsrat Dr. Adolf Schlesinger im 78. Lebensjahre zu Breslau gestorben. Er war am 16. Dezember 1840 in Breslau geboren. Er besuchte das Elisabethgymnasium und studierte nach bestandener Reifeprüfung in Breslau Medizin. Nach seiner Approbation als Arzt ließ er sich in Breslau als praktischer Arzt nieder, mußte aber bald nach Ausbruch des deutsch-französischen Krieges in Feld. Nach dem Kriege wurde er Assistenzarzt an der chirurgischen Abteilung des Allerheiligen- Hospitals unter Geheimrat Riegner, wo‘ er mehrere Jahre blieb. Dann ließ er sich wiederum in Breslau als praktischer Arzt nieder. Er gewann bald durch seine persönlichen Eigenschaften und die gute Ausbildung das Vertrauen eines großen Kreises von Familien. Er war überhaupt der Hausarzt in des Wortes bester Bedeutung. Freud und Leid seiner Familien erlebte er mit. Seine Patienten hingen an ihm mit vorbildlicher 78 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Treue bis in das hohe Alter hinein. Mehrere Generatonen in derselben Familie hat er ärztlich versorgt. August 1914, anläßlich seines fünfzig- jährigen Doktorjubiläums, war er Gegenstand allgemeiner Huldigungen. Im Dienste der gesundheitlichen Verhältnisse der Stadt und besonders des Allerheiligen-Hospitals war er jahrelang als Mitglied der Gesund- heitskommission tätig. Gerade dieser Seite seiner Tätigkeit hat er stets seine besondere und allgemein anerkannte Sorgfalt gewidmet. Als Sch. starb, wurde von der großen Schar der Patienten wie um einen nahen Angehörigen getrauert. Bach. In der Nacht vom 17.zum 18.Mai 1918 verstarb nach längerem schwerem Leiden der Generaloberarzt a.D. und stellvertretende Korps- arzt des VI. A.-K. Dr. Reinhold Scholz. Er war geboren am 29. September 1858 als Sohn des Rentners Ernst Scholz zu Runzen, Kreis Ohlau, genoß seine Schulbildung auf dem Gymnasium zu Ohlau und studierte von Michaelis 1880 bis Michaelis 1884 in Breslau und Freiburg i.B. Medizin. Am 25. März 1885 erhielt er in Breslau die Approbation als Arzt, worauf er im Fehruar 1886 zum Doktor promoviert wurde. Im Jahre 1890 legte er dann noch die Kreis- arztprüfung ab. Nach seiner Dienstzeit als Einjährig-Freiwilliger beim Inf.-Regt. Nr.51, bezw. als einjährig-freiwilliger Arzt in Liegnitz, trat er in das aktive Heer über und blieb von da ab bis 1891 in Breslau -beim Grenadier-Regiment Nr.10. Während dieser Zeit (1888) verheiratete ‚er sich mit der Tochter Minna des Gutsbesitzers Ernst Zirpel, doch blieb ihnen leider das Glück des Kindersegens versagt. Von 1891 ab wirkte er als Stabsarzt beim Inf.-Regt. 46 in Posen, bis ihn 1899 die Beförderung zum Oberstabsarzt für fast 5 Jahre nach Stettin in das Feldartl.-Regt. Nr.38 verschlug. Hier konnte er seinen bisherigen Neigungen, sich spezialistisch mit Augen- und Ohrenheilkunde zu beschäftigen, intensiver nachgehen. In gemeinsamer eifriger Arbeit mit seinem damaligen Chef, dem jetzigen Obergeneralarzt Prof. Dr. v. Kern, wurden die bekannten Kern-Scholz’schen Sehproben herausgegeben (erschienen 1904 zu Berlin bei Hirschwald), welche bis jetzt bei allen militärischen Augenunter- suchungen, namentlich bei Musterungen, in Gebrauch waren, da sie mit einfachsten Hilfsmitteln auch bei schwierigen Fragen eine zuverlässige Bestimmung der Sehschärfe ermöglichten. Von Juni 1904 ab ist Scholz dann dauernd in Breslau geblieben und hat sich als ein echtes Breslauer Kind mit unbegrenzter Anhänglich- keit an seine Heimatprovinz gezeigt. Über 7 Jahre sorgte er als Re- gimentsarzt für das Wohl des Leibkürassier-Regiments, bis er 1912 zu- gleich mit seiner Beförderung zum Generaloberarzt zum Garnisonarzt Nekrologe. 79 der Festung Breslau berufen wurde. Als der große Krieg 1914 ausbrach, übernahm er zugleich den verantwortungsreichen Dienst als Chefarzt des Festungslazaretts, führte ihn auch nach seiner am 9. Januar 1917 erfoleten Verabschiedung weiter und wurde schließlich am 10. März 1917 zum stellvertretenden Korpsarzt VI. A.-K. ernannt. In der Stellung als Chef- und Garnisonarzt hat Scholz Außerordent- liches geleistet. Die Einrichtung der vielen — etwa 30 Lazarettabtei- lungen —, die Versorgung derselben mit Ärzten und Pflegepersonal, die Ausrüstung der in hastiger Folge aufgestellten etwa 120 überplan- mäßigen Sanitätsformationen, die auf ihn einstürmenden, vielseitigen Wünsche unzähliger Personen, sowie die Durchführung hygienischer Maßnahmen im Standort. und die Leitung des Festungsgesundheits- ausschusses, erforderten ganz ungewöhnliche Arbeitskraft, so daß oft ohne Mittagspause bis in die Nächte hinein gearbeitet werden mußte. Dabei kam der Verstorbene allen Personen mit Freundlichkeit entgegen. Drei Charakterzüge seines Wesens: ausgeprägtes Pflichtgefühl, per- sönliche Anspruchslosigkeit und Sparsamkeit’ im Interesse der Heeres- verwaltung traten während der Kriegsjahre beständig in Erscheinung. So konnte Scholz es nicht über sich gewinnen, ein geräumiges Chef- arztzimmer im Hauptlazarett einzurichten. Er wollte dem Lazarettdienst für seine Person keinen Raum entziehen und arbeitete dalter mit seinem Stabsarzt und mehreren Schreibern in einem einzigen Zimmer, in dem täglich hunderte von männlichen und weiblichen Personen ein- und aus- gingen, während dazwischen fortwährend das Telefon rasselte und mit lauter Stimme bedient werden mußte. Diese nervenaufreibende Tätigkeit, vereint mit der verdorbenen Luft im Zimmer, hat sicherlich mit den Keim zu seinem frühen Hinscheiden gelegt, so daß der Kommandierende General in seinem Nachruf mit Recht sagen konnte: „Auch er ist für sein Vaterland gestorben“. Scholz war in seinem. unruhigen Wesen überall auf dem Posten und hielt auf strenge Disziplin. Dabei sorgte er, daß nirgends zuviel verbraucht wurde, namentlich hielt er in den letzten Jahren auf größte Sparsamkeit in Bezug auf Beleuchtung. Es konnte passieren, daß er nach dem Verlassen des Lazaretts wieder umkehrte, um nachzusehen, ob überall die überflüssigen Lampen ausgelöscht waren. Als Mensch war Scholz durch sein schlichtes, leutseliges Wesen, durch sein freundliches Entgegenkommen und durch seine ständige Hilfs- bereitschaft nicht nur in seinem weiten Freundeskreise, sondern auch bei Allen, die ihn kennen gelernt hatten, beliebt. Innige Zuneigung zu seiner Gattin brachte ein glückliches Familienleben mit sich. Be- sonderes Interesse wandte er dem Verein für die Geschichte Schlesiens und der Kolonialgesellschaft zu. Letzterer gehörte er viele Jahre hin- durch als Vorstandsmitglied der Abteilung Breslau an. 30 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Seine persönliche Bescheidenheit sprach sich auch besonders in der Bewertung von Orden und Ehrenzeichen aus, von denen er außer dem‘ E.K.H. Klasse und dem Roten Adlerorden 3. Klasse mit der Schleife noch sieben besaß. Am Grabe konnte ihn daher der Militäroberpfarrer nicht nur als einen hervorragenden Sanitätsoffizier, sondern auch als eine von der lautersten Gesinnung beseelte schlichte und gerade Persön- lichkeit schildern, die nie etwas anderes aus sich zu machen strebte, sondern sich gab, wie sie war, handelte, wie sie dachte, und redete, wie sie handelte. Schon 1916 traten bei ihm zuweilen ohne besondere Veranlassung leichte Ohnmachtsanwandlungen auf, welche zuerst als Meniere’scher Schwindel gedeutet wurden, die dann sich besserten, um gegen Weih- . nacht 1917 in verstärktem Maße wiederzukehren. Bald wurde es klar, daß es sich um eine Arteriosklerose in der Gegend der Varolsbrücke des Gehirns handelte. Unter Auftreten bulbärer Symptome und wieder- holten damit verbundenen Schluckpneumonien ist unser Scholz sanft dahingeschieden. : Wohl ihm, daß er den 10. November 1918 und seine Folgen nicht mehr zu erleben brauchte ! Grüning. Am 14. Dezember v.J.entschlie! Oskar Simmersbach im Alter von 47 Jahren, zu früh für seine Familie, zu früh für seine Freunde, deren er viele, in der Welt zerstreut, hatte, viel zu irüh für Technik und Wissenschaft, die seine Lebensaufgabe waren. Erst sein Nachlaß hat ein abschließendes Urteil darüber ermöglicht, wie vielseitig und kenntnisreich dieser Mann war, mit und neben der Aufgabe, die Jugend ins Leben einzuführen. Auch er muß als Opfer des Krieges gelten; als Sachverständiger des Reiches und des Heeres war er im besetzten Gebiete des Westens tätig und kehrte, fast am Schlusse der Tätigkeit von der Grippe erfaßt, zurück. Erst schien es, als ob die Grippe ihr Opfer lassen wollte, dann aber warf sie ihn mit erneuter Wucht auf das Totenbett. Dem Stamme nach Westfale und seit früher Jugend im Elternhause in Bochum, folgte er auch in der Laufbahn dem Vater: er wurde Hütten- mann. Nach “Abschluß des Gymnasiums in Bochum besuchte er die Technische Hochschule in Aachen, diejenige von Berlin und befaßte sich zum Abschluß des Studiums mit volkswirtschaftlichen Studien an der Universität Leipzig. Und schon zeigte sich, das was ihm im Leben stets vorgeschwebt hat, sein Bestreben, die bisher alleinherrschende Empirie durch Wissen- schaftlichkeit zu ersetzen. Im Jahre 1895, gleich nach beendetem Studium, Nekrologe. 81 ersehienep seine „Grundlagen der Kokschemie‘“, die in Fachkreisen Auf- sehen erregten; aber erst als Professor in Breslau kam er dazu, eine zweite Auflage erscheinen lassen zu können. Seine Grundlagen der Kokschemie sind in mehrere fremde Sprachen übersetzt, ein Beweis, wie sehr auch, das Ausland nach wissenschaftlicher Bearbeitung der erundlegenden Probleme der Industrie drängte. Nach verhältnismäßig kurzer Zeit der praktischen Lehre, die er zum Teil auch in Oberschlesien verbrachte, fühlte er Kraft in sich, eine der schwierigsten Aufgaben der Eisenhütten-Technik selbständig zu lösen; 1899 übernahm er die Leitung der Hochofen-Anlage in Kramators- kaja und sodann die Hochöfen in Sulin. Nur, wer selbst im Auslande war, kann beurteilen, welche Schwierigkeiten sich einem Betriebs- leiter, fern von aller Zivilisation, völlig auf sich selbst gestellt, ohne sich irgend welchen kollegialischen Rat in den fremden Verhältnissen verschaffen zu können, entgegenstellen. Hier holte er sich auch seine Frau, aus altem westfälischem Ge- schlecht, das einst nach Südrußland ausgewandert war. Dauernde Arbeiterunruhen, die ja ihre Wellen bis an unsere Ostgrenzen warfen, veranlaßten ihn, dann in die‘ Heimat zurückzukehren und, nachdem er sich noch vielfach in. der Welt umgesehen, die Leitung der Gesellschaft für die Erbauung von Hüttenwerks-Anlagen in Düsseldorf zu über- nehmen. Die dritte Wohnungs-Einrichtung mußte hier das junge Ehepaar erwerben; die erste war der Raub bolschewistischer Zustände geworden, und Simmersbachs Zeugnisse tragen die Spuren davon: sie sind aus den Schutthaufen herausgesucht. 1908 erhielt er einen Ruf an die Technische Hochschule in Aachen; es war ihm aber gestattet, seine Tätigkeit in Düsseldorf fortzusetzen, die ja doch seinen Schülern wesentlich zugute kam. Im Jahre 1909 erhielt er die Berufung an die in der Gründung be- findliche Technische Hochschule zu Breslau, und für das Institut, das ihm hier anvertraut war — das Eisenhüttenmännische Institut — gelang es ihm, die Industrie in so hohem Maße zu interessieren, daß Simmers- bachs Schöpfung als ein Muster-Institut bezeichnet werden muß, nicht dem Umfange nach, denn die Oberschlesische Industrie war in ihrer Leistungsfähigkeit begrenzt, wohl aber in der sorgfältigen Durchbildung aller Einrichtungen, welche den Studierenden den Übergang in die Praxis erleichtern. Rückschauend muß es als der Höhepunkt in seiner emsigen Tätig- keit bezeichnet werden, als im Herbst 1911 der Verein Deutscher Eisen- hüttenleute, der mächtigste Verband unserer Schwerindustrie, aus Anlaß 1918. 6 32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. der Eröffnung des Eisenhüttenmännischen Instituts an der Tgehnischen Hochschule eine Festtagung in Breslau abhielt. Es ist ungemein schwierig, wie schon zu Anfang betont, Simmers- bachs Arbeit gerecht zu würdigen. Für jeden seiner Schüler hatte er Interesse, und hatte er seine Fähigkeiten erkannt, so brauchte dieser um seine Zukunft nicht Bange zu sein, er hatte in Simmersbach einen väterlichen Freund, der bemüht war, ihn an die richtige Steile zu bringen, und nicht nur den abgehenden Studenten, sondern auch den Ingenieur, der sick schon Erfahrung er- worben hatte. So hatte Simmersbach gleichsam ein Netz gegenseitiger Beziehungen um sich und die ausübende Industrie geschlungen, und die Industrie stellte ihm gern Mittel zur Verfügung zur Ausbildung seiner Schüler oder für Versuche. : Seine literarischen Arbeiten zeugen von seinem Fleiß; er selbst hat die Zahl seiner Arbeiten für das Organ des Vereins Deutscher Eisen- hüttenleute „Stahl und Eisen“ auf 150 angegeben; daneben laufen noch zahlreiche Aufsätze und Broschüren, wie über die Eisenindustrie 1906 erschienen, über die technischen Fortschritte im Hochofenwesen 1906 -erschienen, Monographien über unsere großen Industriewerke in dem bekannten Ecksteinschen Verlage, deren Abschluß Simmersbach leider nicht erlebt hat. Ebenso ist eine umfassende Darstellung alles dessen, was die Herstellung gebrauchsfähigen Eisens erfordert, nur im Entwurf vorhanden. Schlesien, und insbesondere Breslau, war Simmersbach eine zweite Heimat geworden; wo ihn nicht schon Jugendfreundschaften fesselten, erwarb er sich neue und stellte seine privaten Interessen hinter dem Allgemeinwohl zurück. Viele öffentliche Körperschaften, und nicht nur Breslaus allein, konnten sich seiner Mitarbeit erfreuen. Bei der Gesellschaft für vaterländische Cultur arbeitete er in der geologischen Abteilung mit; als Eisenhüttenmann lag ihm die Rohstoff- Versorgung seines Vaterlandes und insbesondere des engeren Gebietes Oberschlesiens am Herzen. Städtische Angelegenheiten förderte er als Mitglied der Betriebs- Deputation wie auch als Kurator der Maschinenbau-Schule, Als die Breslauer Friedrich-Wilhelms-Universität Sonderkurse ein- richtete für Wirtschaft und Verwaltung, beteiligte er sich daran durch Abhaltung von Vorträgen, und die Gründung des Osteuropa-Instituts fesselte ihn so, daß er dem Vorstand dieses Instituts beitrat; war er doch genauer Kenner der Verhältnisse unserer östlichen Nachbarn; bei einer Studienreise hatte er auch die geologischen Verhältnisse Klein- asiens kennen gelernt. Nekrologe. 83 An den Arbeiten im Interesse des Reiches im besetzten Gebiet nahm er Teil wesentlich aus dem Gesichtspunkte, die Industrie unserer Nach- barländer für sich selbst und seine Schüler zu erforschen. Viele Pläne, viele Vorarbeiten brachte er mit, als er von seiner Reise aus dem Westen heimkehrte. Wenn auch der Name Simmersbach in der Eisenindustrie unvergänglich sein wird — seine Werke folgen ihm nach —, so wäre es doch undankbar, nicht seiner herzgewinnenden Persönlichkeit zu gedenken, großzügig in allem, was er dachte und tat, und seines überaus glücklichen Familienlebens, das ein so jähes Ende fand. Dr Inoserh. 0. Tl’emer Am 14. Juli 1918 verstarb in Breslau der Kaufmann Major d.L.a.D. Arthur Stentzel. Am 26. April 1844 als Sohn des Fürstlich Pleßschen Generaldirektors Stentzel in Vorhaus, Kreis Hainau, geboren, besuchte er die evgl. Stadt- schule in Pleß, darauf das Gymnasium in Ratibor und Breslau. Nach abgeschlossener Schulbildung widmete er sich dem. kauf- männischen Berufe, den er in einem Getreide- und Holzexportgeschäft in Danzig erlernte; ebenda diente. er sein Jahr ab und machte danach als Unteroffizier den Feldzug von 1866 mit. Seine weitere Ausbildung führte ihn nach England, wo er zunächst zwei Jahre in Liverpool, dann ein Jahr in Manchester tätig war. Von da folgte er 1870 bei Ausbruch des Krieges gegen Frankreich dem Rufe zum Heere. Bei Wörth schwer verwundet, kehrte er aber bald wieder zu seinem Regiment zurück und erhielt Weihnachten 1870 als Offizier das Eiserne Kreuz. Im August 1871 gründete er hier seine Roheisen-Großhandlung und wurde später noch Kgl. Lotterieeinnehmer. Jahrzehntelang hat Arthur Stentzel im Breslauer Leben eine führende Stellung eingenommen; wohl bei allen vaterländischen Be- strebungen war er beteiligt und stand oft an leitender Stelle. Durch seine zahlreichen Ehrenämter ist er weitesten Kreisen bekannt gewesen und überall genoß er Verehrung und Hochschätzung. Als Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender des Schlesischen Bismarckvereins hatte er eine Huldigungsfahrt zu dem Alten im Sachsen- walde vorbereitet. Vor allen anderen war er die treibende Kraft für die Errichtung eines Bismarckdenkmals in Breslau, sowie für die An- lage des Bismarckbrunnens. Unter seiner Mitwirkung wurde die Ortsgruppe Breslau des Deutschen Flottenvereins gegründet, deren Blühen seiner werbenden Kraft als Jangjährigem Vorsitzenden hauptsächlich zu danken ist. 34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Für die Kommune betätigte er sich als Stadtverordneter. Mehrere Jahrzehnte hatte er das Ehrenamt als Handelsrichter inne. Von 1908 bis zu seinem Hinscheiden gehörte er als Vertreter der städtischen Körperschaften dem. Schlesischen Provinziallandtage an. Seit 1901 war Stentzel Mitglied des Ältesten Kollegiums des Vereins christlicher Kaufleute. Mit besonderer Hingabe widmete er seine volle Kraft der Kfm. Zwinger- und Ressourcen-Gesellschaft, deren leitender Vorstizender er durch 25 Jahre gewesen ist und um welche er sich unvergängliche Verdienste erworben hat. Mit Leib und Seele ist er Soldat gewesen und stets hat er es tief empfunden und beklagt, daß es ihm seine vorgerückten Jahre unmöglich machten, mit hinauszuziehen für die heilige Sache des Vaterlandes. Eine stadtbekannte Persönlichkeit ist mit ihm dahingegangen, welcher in den weitesten Kreisen ein ehrendes Andenken bewahrt bleiben wird. A.Möser. Am 6. April 1918 erlag in Breslau einer chronischen Nieren- entzündung Sanitätsrat Dr. Franz Veith, Als Sohn eines Arztes wurde er in Fraustadt am 16. September 1866 geboren, an dem Tage, an welchem sein Vater aus siegreichem Krieg heimkehrte. Mit der Über- siedelung seines Vaters kam Veith 1869 nach Breslau. Hier ist er auf- gewachsen und hat als Arzt gewirkt. Seine Gymnasialausbildung erhielt er auf dem Matthiasgymnasium, studierte von 1885 an in Heidelberg und Breslau Medizin, machte 1889 sein Staatsexamen und promovierte im gleichen Jahre mit einer Arbeit: Über Vaginalepithel und Vaginal- drüsen. | 1891 ließ sich Veith in Breslau als Arzt nieder und behandelte nach der homöopathischen Methode. In rastloser Arbeit, von früh bis spät tätig, brachte er seinen zahlreichen Patienten Hilfe und seine glänzenden Erfolge erwarben ihm bald den Ruf eines ausgezeichneten Praktiker: Mit einer sicheren Diagnostik verband er eine umfassende Kenntnis des großen homöopathischen Arzneischatzes, und seine reichen Erfahrungen, verbunden mit großer persönlicher Liebenswürdigkeit, trugen ihm überall unbedingtes Vertrauen und unbegrenzte Hochachtung seiner Patienten ein. Sein Wirkungskreis wuchs immer mehr, und nicht zuletzt haben wohl die Anstrengungen der umfangreichen Praxis, die sich nicht nur über Breslau und die Provinz Schlesien erstreckte, sondern auch im ganzen Osten Deutschlands Wurzeln gefaßt hatte, mit dazu beigetragen, daß seine Erkrankung rasche Fortschritte machte. Zahlreiche Reisen. die Veith aus ärztlichem Interesse unternahm, führten ihn über ganz Europa, über Teile von Asien, Afrika und Amerika. Nekrologe. 35 Als der Krieg ausbrach, trat Veith, der kurz vorher aus dem militärischen Verhältnis entlassen war, sofort wieder als Arzt zur Truppe, machte im September 1914 die Kämpfe und den Rückzug vor Nancy mit und kam dann, als seine Truppe bei der Belagerung Ant- werpens eingesetzt worden war, beim Vormarsch nach der flandrischen Küste über Gent, Ostende, Nieuport. Längere Zeit lag Veith, der in- zwischen zum Öberstabsarzt und Chefarzt einer Sanitäts-Kompagnie ernannt war, in der Nähe von Ypern; er nahm hier mit Teil an dem erfolgreichen ersten Gasangriff größeren Maßstabes im April 1915. Veiths Verdienste an der Front wurden durch Verleihung des Eisernen Kreuzes und des sächsischen Albrechtsordens erster Klasse mit Schwertern anerkannt. Ein Herzleiden zwang ihn, im. August 1915 in die Heimat zu gehen. Hier wirkte er als Militärarzt am Lazarett zu Patschkau und zuletzt in Breslau. Ein gütiges Geschick hat es ihm, dem begeisterten Patrioten, erspart, Deutschlands Niederlage zu erleben. Dr.Sommerfeld. Am 15. April 1918 starb in Breslau im 53. Lebensjahre der Sanitäts- rat Dr. Max Weitzen, Er war am 28. Februar 1866 in Oppeln geboren, besuchte daselbst bis zu seinem 10. Lebensjahre die evangelische Volks- schule und trat dann in die Sexta des dortigen Gymnasiums ein, das er Ostern 1886 mit dem Zeugnis der Reife verließ. Er studierte aus- schließlich in Breslau und beendete am 24. März 1891 sein ärztliches Staatsexamen. Seine Promotion erfolgte am 21. Juli 1891 in Leipzig. Oktober 1981 ließ sich Weitzen in Breslau als praktischer Arzt nieder und assistierte neben seiner praktischen Tätigkeit vom Oktober 1892 bis Februar 1903 im Breslauer Institut für Unfallverletzte und im Breslauer mediko-mechanischen Institut. Die jahrelange Beschäftigung mit diesem Spezialgebiet veranlaßte Weitzen, die allgemeine Praxis aufzugeben und sich ganz der Orthopädie und Massage zu widmen. Im Jahre 1903 errichtete er hierselbst ein orthopädisch-heilgsymnastisches Institut. Von Natur mit großen Körperkräften ausgestattet, ein glänzender Turner, manuell außerordentlich geschickt, war Weitzen zur Ausübung der Orthopädie und Massage wie geschaffen. Sein Institut erfreute sich daher bald nach der Eröffnung eines sehr regen Zuspruchs. Er war ein Feind jeglicher Schablone und legte besonderen Wert darauf, jedes an einer Rückgratverkrümmung leidende Kind persönlich zu massieren. Trotzdem mit zunehmender Praxis gewaltige Anforderungen an seinen Körper gestellt wurden, gab er das Prinzip der persönlichen Behandlung nicht auf und häufig arbeitete er, was bei ihm viel sagen wollte, bis zur Erschöpfung. 1918. 1 86 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Als in Breslau das Institut der Schulärzte eingeführt wurde, bewarb sich Weitzen um eine Schularztstelle, die ihm auch sofort übertragen wurde, da man von seinen orthopädischen Kenntnissen gerade auf diesem Gebiete den größten Nutzen erwartete. Diese Erwartung hat sich voll erfüllt, und es ist ihm auch Anerkennung nicht versagt geblieben. Be- sonders glücklich war Weitzen, als er die allgemeine schulärztliche Tätigkeit aufgeben durfte und zum orthopädischen Schularzt ernannt und ihm die Unterweisung der Breslauer Lehrerschaft im orthopädischen Schulturnen übertragen wurde. Hier kam ihm außer dem fachärztlichen. Wissen seine hervorragende turnerische Befähigung sehr zu statten. Die Stunden, die Weitzen dieser Tätigkeit widmen durfte, bereiteten ihm eine besondere Befriedigung und waren für ihn direkt eine Erholung. Die vier letzten Jahre seines Lebens waren für Weitzen durch em Magenleiden sehr getrübt. Er litt dauernd an Hyperacidität, und es tauchte bei ärztlichen Untersuchungen öfters der Verdacht auf, ob nieht ein Magen- oder Duodenalgeschwür vorläge. Seine starke und wider- standsfähige Natur jedoch überwand alle Beschwerden und ließ ernst- hafte Bedenken nicht aufkommen.: Bei einem Aufenthalt im Gebirge, der ihm zur Erholung angeraten worden war, erbrach er plötzlich eine große Menge Blut und wurde schwerkrank nach Breslau zurückgebracht. Nach einem langen Krankenlager erholte er sich aber wieder‘so voll- kommen, daß er sogar seine Praxis in vollem Umfange aufnehmen konnte. Bald jedoch stellten sich die alten Beschwerden wieder ein, sodaß sich Weitzen zu einer Operation entschloß. Bei dieser wurde ein großes Magengeschwür festgestellt, dessen radikale Beseitigung un- möglich war. Trotz günstigen Operationsverlaufs ging Weitzen an einer nicht zu stillenden Blutung aus dem Geschwür zu Grunde. Ein treuer, hilfsbereiter, arbeitsfreudiger Mensch ist vorzeitig mit ihm dahingegangen; seine Angehörigen und Freunde werden sein An- ‚denken hochhalten. Dr.Ferdinand Fuchs. Druck von Grass, Barth & Comp. (W. Friedrich) in Breslau. En Dr. Ferd. Römer, Die fossile Fauna der silurischen Diluvialgeschiebe von Sadewitz bei Oele "Verzeichnis der in den Schriften der Schles, ‚Gesellschaft von 1804-1863 inkl. enthaltenen Aufsätz 3 . Die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. I. Die Hundertjahrfeier Ge = II. „Geschichte Jahrg. I, 1810, 96 S. Jahrg. III, 1812. 96 S. Jahrg. V, 1814, Hf.iwa je Jahrg. 1824. 55 Seiten 40, & abrg. 1860. 202 Seiten 40. Jahrg. 1895. VII u. 560 Seiten 80, | 7 e ] = : ae | sämtlicher vn der Sohle Gesell Tr lt | ultır 1erausaRg henen St | 1. Einzelne Schriften. = = IE e Zwei Reden, gehalten von dem Reg.-Quartiermstr. Müller und Prof. Reiche ersten F des Stiftungstages der Gesellschaft zur Beförderung u: Naturkunde und In: ustrie | Tesiene am 17. Dezember 1804. 80. 48 Seiten. S An die Mitglieder der Gesellschaft zur Beförderung der Nat nde und Industrie Schle sien: sämtliche Schlesier, von Reetor Reiche, 1809. 3%. 328, \ Oeffentlicher Aktus der Schles. Gesellschaft £. vater. Cultur, gruen am 19, -Deabr.” 31 ihres Stiftungsfestes. 80%. 40 S. Joh. George Thomas, Handb. der Literaturgesch. v.Schles., 1824. 80. 372 S., en Preiss Beiträge zur Entomologie, verfasst von den Mitgliedern der entom. Sektion, mit 17 Kpft. 8 Die schles. Bibliothek der Schles. Gesellschaft v. K.G. Nowack. 80, 1835 oder später erschi nen, Denkschrift der Schles. Gesellschaft zu ihrem 50jähr. Bestehen, enthaltend die Geschichte der S et en ‚Beiträge zur Natur- und Geschichtskunde Seele, 1853. Mit: 10 li Tafeln. 40. 232 & ; x Dr. J. A. Hoennicke, Die Mineralquellen der Provinz Schlesien. 1857. 89. 166 N gekr. Pı j Dr. J. G. Galle, Grundzüge der schles, Klimatologie, 1857. 40, 127 8. Bee Dr. J. Kühn, Die zweckmäßigste Ernährung des Rindviehs, 1859. 3% 242 S., a Preiss chri Dr. H. et Klinik des akuten Gelenkrheumatismus, Gratulationsschrift zum 60 jähr.. Doktor- Jubiläum des Geh. San.-Rats Dr. Ant. Krocker, Erlangen 1860. 3%. 149 8. Schlesien, mit 6 lithogr. und 2 Kupfer-Tafeln. 1861. 4%. 70 S. 3; Lieder zum Stiftungsfeste der entomologischen und botanischen Sektion der Schles. Gesellschaft, als Manuskript gedruckt. 1867. 8%. 92 S. _alphab. Ordnung von Letzner. 1868. 380, Fortsetzung der in den Schriften der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur von 1864 bis, 1876 ink enthaltenen Aufsätze, geordnet nach den Verfassern in alphab, Ordn. von Dr. Schneider. ZN General-Sachregister der in den Schriften der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur von 1804 DS 1876 inel. enthaltenen Aufsätze zeordnet in alphab=Folge von Dr. Schnei ders uLy der Gesellschaft (149 S.). Breslau 1904. Dr. Richard Foerster, Johann Christoph ande Selbstbiographie, Festschrift zum bundertiährigen Jubiläum der Universität Breslau. 1911. 80. 33 S. 2. ern Schriften. a Verhandlungen der Gesellschaft f. Naturkunde u. Industrie Schlesiens. 80. Bd. I, Hit. 1; 218 ss, ut 112 S. 1806. Desgl. Bd. II, 1. Heft. 1807. ae Be Correspondenzblatt der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, 40, >11, 4311300. IV, 1813, Hft.1 u.2je968.| „ VL 1815, Hft. 1,968. Correspondenz der Schles, Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 80, Bd. I. 362 8. mit. zu 1819 u se Desgl. Bd. II (Heft I), 80 S. mit Abbild., 1820, ° x Bulletin der Bla Sektion der Sehles. a 1—11, 1822, 3% ; (0 E 1-10, 1824. 8. Übersicht der Arbeiten (Berichte. sämtl, Sectionen) u, . Veränderungen ’der Schl. Ges. £. va. Gultur: » 1825. 4 _ » 49, . 1861. 1485 8°. n. Abh. 492 8. n.Erg.-Heft57 Seit. 80, = 1826. 65 5 40, o 1862. 1628. 8%. n.Abh, 4168. D 1896. VIII u.4748.80n. Erg- = ..1827. 79 = 40, | » 1863. 156 Seiten 80, Heft V, 56 Seiten 80, "1828. 97.» 40, «e 1864. 266 8.80% n. Abh. 2668. - 1897. VIILu.4868. 80 n.Erg,.- . 1829, 72 . 40, o 1865. 218 8. 8%. n. Abh. 69 8. Heft VI, 64 Seiten 8% =», 1830. 95 . 49, = 1866. 267 8. 80, n. Abh. 90 8. : 1898. VII u. "192 Seiten $ » 1831, 96 . 40, . 1867. 275S 80. n. Abh. 191 S. . 1899. VILu.3808S. 8%. n. ‚Erg. “0 1952. 105: 40, |... 1888. 3008. 80,n. Abh.447 8. | "Heft VAL, 85 Seiten 5. « 1833. 106 a 40, = - 1869. 371 8. 8°. n. Abh. 236 S. . 1900. VIII u. 668 Seiten 80 Mn =» 1834. 143 - 40, -- 1870. 318 S. 80,n. Abh. 858. n. Erg.-Hett 36 Seit. 80, = 1835. 146 - 40, 1871. 3578.80. n. Abh. 2528. -» 1901. IX u. 562 Seiten 80, » 1836. 157 s 40, 1872. 350 8.83% n. Abh. 1718. s 1902. VIII u. 564 Seiten 80, = 1837. 191 . 49, 1873. 2878.80,n. Abh.1488S.| - 1903. VIII u. 601 Seiten 80. » 1838. 184 - 40, 1874. 294 Seiten. 30, - 1904. X u. 580. 8. 80. n. Erg. . 1839. 226 D 40, 1875. 326 a 80, & HeftVIH, 152 Seiten®0. » 18340. 151 - 2, 1876.34 = 80, » 1905. VIT u. 730 Seiten 80, » 1841.18 = 40, 1877. 428 = 80, | = . 1906. VIIL u.6648.80n. Erg.- » 1842. 226 » 1878. 331 » BO Heft VIIL, 186 Seit. 8%, 1843. 272 0 40. nebst 41 S. meteorol. Beob. 1344, 232 Seiten 40, =» 1845. 165 - 40, nebst 52 S. meteorol. Beob. « 1846. 320 Seiten 40, nebst 1879. XX. u,473 Seiten 8%. "» 1907. X und 600 Seiten 8%. 1880.XVI u.291 '» 80 » 1908. XI und 650 Seiten 8%, 18831.XVI u.424 . 80 “ 1909. X und 844 Seiten 8%, 1882. XXiV 432 =» 80, ».- 1910. Bd.I: VI u. 332 8% 1883. XVI w483 » 80 » I: VIII u. 472 8. 1884, XLI u.402 80, -» 1911. Bd.I: VI u.518 80, } > .o a . u . 0 ..» “ ve eo .o ..0 74 8. meteorol.Beob. 1885. XVI u 444 Seiten 80, » II: VIII u. 210 80, » 1847 404 Seiten 40. nebst > n. Erg.-Heft, 121 8. 80, s 1912. Bd. I: VI u. 602 8%. 44 S. meteorol. Beob. » 1886. XL u. 327 Seiten 80. » II: VI u.250 80, -» 1848. 248 Seiten 40, n. Erg.-Heft 121 S. 80, : 1913. Bd.I: VIu.95480n. Erg - » 1849. Abth.I, 180 8, 11,598. 1837, XLIl u, 411 Seiten 8%, Heft VII, 409 Seit. 1: n.448. meteorol. Beob 1888. XX u. 317 Seiten 80, = II: VI u. 200 80, su 0n « 1850. Abth.I, 2048. II, 36 8. 1889. XLIV u. 287 Seiten 80, « 1914. Bd.I: VI u. 550 80, « 1851. 194 Seiten 40, 1890. VII u. 329 Seiten 8°, - 11: VI u.236 80, «= 1852. 212 . 40, n. Erg.-Heft 272Seit. 8°. -» 1915. Bd.I: VI u. 254 80, ”211853,.845 7. 40, « 1891. VAl. u. 481 Seiten 80, » II: VIu 138 80, » 1854. 288 . 40, n. Erg.-Heft 92Seit. 80. - 1916. Bd. I: VI u. 300 80, - 1855.26 - 4, 1892. VIL u. 351 Seiten 80 - 11: VIu. 180 80. » 1856. 242 . 40, n. Erg.-Heft 160 8. 80. : 1917. Bd.I: VI u. 300 80, £ 2) a « 1857. 347 „ 49, = 1893. VIL u. 392 Seiten 80, | - II: VI u.168 9. .. 1358. 224 - 40, . 1894. VIL u. 561 Seiten 80, = 1918. Bd.I: VI u. 210 1859, a “ 40, n. Erg.-Heft 265 S. 80, Te n: ‚VIII u.188 3% neunzigster Jahros-Boricht der Breslau. 6 PD. Aderholz‘ Buchhandlung. sische Gesellsch ft für vaterländische Cultur, Br lau h Matthiaskuns J | Sechsundneunzigster Jahres-Bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Breslau. 6. P. Aderholz’ Buchhandlung. LINIE le az: ABERART YEW YORK 2 al CAL GARDBN Inhalts -Verzeichnis des Ii. Bandes des 96. Jahresberichtes. Berichte über die Sektionen. I. Abteilung: Medizin. a. Sitzungen der medizinischen Sektion. (Die römischen Zahlen zeigen den Teil, die arabischen die Seitenzahlen an.) Aron, Hans: Über akzessorische Nährstoffe und ihre Bedeutung für die nn Ernährung des Kindes. ... . a ee an ul 22) — Zum Vortrage (T. II S. 49) Schlußwort 3 a — Gehäufte kleine, nicht epileptische Anfälle (Narkorepaie) ET A ee Bittorf: Zum Vortrage (T.1 S. 63, 65, 66) von Pfeiffer, Henke und Minkowski i 86 Bleisch: Scheinkatarakt bei Amesenhäit eines Fremdkörpers (Kupfer- splitters) im Augeninnern . .. EN here ll a0 — Zur Optochinamblyopie und Dekocdiniattneiuinte N a Sa Bossert, O.: Die choreatisch-athetotische Form der zerebralen Kinder- lähmung . : ; 237 Bumke: Zum lerlark er. L S. 06) von Shlocrsier End eine 6 RL — Suggestibilität, psychogene Reaktion und hysterischer Charakter. . Il 70 — Zum: Vortrage (T. II S. 70) Schlußwort '. . 2. .....n l 44 Colden: Zum Vortrage (T. 1 S. 18) von Uhthoff N) Coenen: Fall von Lungenverletzung . 1.38 — Demonstrationen: Basedowthymuss.% 0 sauna aan 1 46 Oesophagotomie . I 46 Varix aneurysmaticus NEN REN EN ST TR TS A BR Operierte Blasenspalten . . . . MR ER Se RER USE Großes Sarkom der rechten sen RR I 47 — Zum Vortrage (T. II S. 59) von Rother 50 = Br (T. I S. 63, 65, 66) von Pfeilfer, Henke un Mahn 7281 Cyran: Hypophysenschädigung durch Schädelbasisfraktur er Dreyer: Zum Vortrage (I LS.) von, Rietzs vw ey 0 a iuete — Zum Vortrage (T.I S.14) von Legal ..... al al) 3 — Neuzeitliche Operation des Zungen- und htm dla dlen lahm Al IV inhalts -Verzeichnis. Dreyer: Zum Vortrage (T.1 S. 63, 65, 66) von Pfeiffer, Henke und Min- kowski . DE eo > - — Empfiehlt für die so häufigen schlecht Be torpiden Kriegs- wunden folgende Methode . Forschbach: Zum Vortrage (T.II S. Di von Bleisch Foersier, O©.: Klinische Demonstrationen aus der Pathologie und Therapie der Verletzungen und Erkranküngen peripherer Nerven des Rücken- marks und Gehirns i ._— Zum Vortrage (T.II S.53) von Sera 5 _ m = (7.123.326) 7 „ Bange: ee > (T.1 S. 26) Schlußwort. Frank: Zum Vortrage (T. Il S.1) von Bleisch. - — &AÄtrophische Lähmung des M. trapezius, der en Tmngenhalfie und Rekurrensparalyse . Fraenkel, L.: Zum Vortrage (T.1I S. I) von Heimann. — Zum Vorirage (T.1I S.55) von Kuznitzky Et: Freund, Walter: Zum Vortrage (T.1 S. 63, 65, 66) von Pfeiffer, Henke und Minkowski . ee => Gerson: Fail von Lanugohaarwachstum am ganzen Be nach Ver- letzungen peripherer Nerven . — Zur Aetiologie der Addison’schen Koanen Ed der Skleroderh Goebel: Zum Vortrage (T.I S. 11) von Tietze . Goerke: Otogene eitrige Meningitis — Eigentümliche Form der Mitielohrtuberkulose Hanser: Zum Vortrage (T. IS. 63, 65, 66) von Pfeiffer, Henke, und Min- kowski . — Histologische Untersuchungen Dei Klinische. Gashrincht Heimann: 5 Jahre Strahlentherapie . — Zum Vortrage (T.I S.1) Schlußwort . — Inoperabler linksseitiger Tonsillarkarzinom — Zum Vortrage (T.I S. 55) von Kuznitzky Heinze: Zum Vertrage (T. I S.26) von Foerster und Lange Henke: B" a5 (T.1S.1) ,„ Heimann. a ER ER (a1 Hl S.59) ’ Hother - — Pathologische Anatomie der Grippe . Hinsberg: Zur Operation der Stirnhöhleneiterungen — Zur Operation der malignen Nasengeschwülsie.. : a; Hürthle: Über die Möglichkeit, den zur Unterhaltung der orale Strömung in der Blutbahn erforderlichen Druck theoretisch zu berechnen . Jadassohn: Zum Vortrage (T.I S.1) von Heimann. — Zum Vortrage (T. II S. 73) von Gerson . . — Fall von Favusherd . — Demonstrationen: Fall mit Kerion Celsi und einem Lichen trichophyticus . Sklerodermie in zirkumskripten Herden . Kriegsmelanose. a a eh bemd full Jul jun mm amd bel al uk u dumm uf del \oL ERIG Eifer) Bm gu DD OR I I Su > Bu) er} [er] 67) 68 er} ww Inhalts-Verzeichnis. Jadassohn: Demonstrationen: Sehr hochgradiges Lupuskarzinom auf einem seit 15 Jahren bestehenden, Lupus. mit De m viel behandelten Fall mit allen. zum Teil er (om, zum Teil es Bestiel an, sich scharf absetzenden Tumoren im Gesicht und am Skrotum Fall mit außerordentlich multiplen Tumoren am ganzen Körper Moulage einer Patientin mit multiplen Epitheliomen am Rumpf I — Über die Trichophytien Als Jaretzki: Zwei Fälle von lenhannan der Band mach Trauma . Koltowski: Zum Vortrage (T.1 Kriebel: Rhinosklerom . ' 3.26) von Foerster und Lange ® Küstner: Zum Vortrage (T.I S. 1) von Heimann . — Zum Vortrage (T.1I S. 20) von Rother. — e 2 (T.1 S. #7) von Coenen. NE TEN Me — 5 5 (T. 1 S. 63, 65, 66) von Pfeiffer, Henke und Minkowski Küttner: Zum Vortrage (T.I S. 12) von Tietze . — N N (A RR DS —_ “ Mn (TTS. 15), Wertheim . — 24 hL (aaSsztD) rn. Aetzer — Demonstrationen: Riesenhafter Tumor der Kreuzbeingesend . SD Zwei Fälle von typischer Ranula . — Krankendemonstrationen . - Kuznitzky: Eine praktische Methode zur Messtine are Röntgen >» Zi S = ® =] ! el lc a) a|2 | "8 25; 82! 2521|. lese s|21=|2'3 3|8 “en al xl (913 20. 19x a 1 7.2 oa en 11 31x16 1914 7480 ss sl ol 1) 113) als 1 TS x]L 1915 25 45) 28! 5| 21 —/|—-|1ı9| a| 2| 1 1.1 34. x11. 1916 29.46 1713| 3\ 2lası 4 1 241 1. L—1.V. 1917 18.26.51. 3 | 22.204014 1,9. 1%. 1210 | Summa I273l146l104 12 | 7| 4 omma brstas1oa 12] 7 al olesjıa 7] 5a 7 5|42 Sitzung vom 1. Februar 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Schriftführer: Herr Partsch. Hr. Bleisch: Zur Optochinamblyopie und Optochintherapie. (Siehe Teil II.) Diskussion. Herr Minkowski: Es ist selbstverständlich, dass ein Mittel, welches die Gefahr der Erblindung mit sich bringt, nicht zur allgemeinen An- wendung bei einer Krankheit empfohlen werden kann, die in der Mehr- zahl der Fälle ohnehin günstig verläuft. Doch sind damit die Akten - über die Chemotherapie der Pneumonie noch nicht geschlossen. Es muss vor allem nach wirksameren und ungefährlicheren Mitteln gesucht werden. ‚Einstweilen ist aber das Optochin das wirksamste Spezifikum gegen die Pneumokokken, das wir besitzen, dessen Wirksamkeit nicht nur experi- mentell begründet ist, sondern bei frühzeitiger Anwendung auch am Krankenbett unverkennbar hervortritt. In gewissen Fällen, so bei Kranken, die durch eine Pneumonie besonders gefährdet erscheinen, namentlich auch bei postoperativen Pneumonien, kann die Anwendung des Optochins mit der nötigen Vorsicht auch jetzt noch indiziert er- scheinen. In einzelnen Fällen schien das Mittel geradezu lebensrettend gewirkt zu haben. So z. B. in einem Falle, wo nach einer Milzexstir- pation bei schwerer hämorrhagischer Diathese mit Thrombopenie am Tage nach der Operation eine schwere Pneumonie einsetzte, deren voll- kommen ausgebildete Erscheinungen durch Optochin innerhalb von 24 Stunden beseitigt wurden, so dass die schon aufgegebene Patientin am Leben erhalten werden konnte. Vorsichtige Dosierung — nicht über 6 mal 0,25 in 24 Stunden — und vor allem sofortiges Aussetzen des Mittels beim Beginn der ersten leichtesten Sehstörungen (Aenderungen der Farbenempfindung) sind unerlässliche Bedingungen. Besondere Vor- - sieht ist bei benommenen Patienten geboten, die über ihr Sehvermögen nichts aussagen können. Ob wirklich die unlöslichen Präparate (Opto- chinum basicum) weniger gefährlich sind, erscheint noch zweifelhaft. 10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Selbstverständlich üben gleiche Dosen eines unlöslichen Präparates eine weniger intensive Wirkung aus, aber dafür kann die fortdauernde Resor- ption der noch in den Verdauungsorganen enthaltenen Substanz nicht so rasch ausgeschaltet werden, wenn die ersten Störungen des Sehver- mögens sich bemerkbar machen. Herr Uhthoff erinnert zunächst an die günstigen Berichte über Optochinwirkung bei Ulcus corneae serpens aus dem Jahre 1913. In vollem Umfange haben sich diese überaus günstigen Berichte bei dieser Pneumokokkenerkrankung der Hornhaut nicht bestätigt, was auch mit des Redners Erfahrungen übereinstimmt, wenn auch günstige Wirkung in vielen Fällen konstatiert werden konnte, so doch nicht in allen. Ja, es liegt sogar gelegentlich eine gewisse Gefahr darin, dass die Optochin- therapie allein zu lange angewendet wird, der Prozess sich verschlechtert und der günstige Moment für die Kauterisation resp. die Spaltung nach Saemisch verpasst wird. Redner geht sodann noch auf seine eigenen Beobachtungen über Opto- chinsehstörungen und vor allem auf seine beiden Sektionsbefunde mit anatomisch nachweisbaren Degenerationserscheinungen im Opticusstamm (Marchi-Degeneration) etwas näher ein und legt Abbildungen dieser Ver- änderungen vor. Auch die Ganglienzellen der Netzhaut waren in diesen Fällen scheinbar mitbetroffen, wenn auch das anatomische Material (erst 28 Stunden nach dem Tode gewonnen) nicht mit Sicherheit die An- stellung der feineren Untersuchungsmethoden auf Degeneration der Netz- hautganglienzellen gestattete. Die Veränderungen in den Optikusstämmen waren sehr deutlich. Auffallenderweise sind diese seine wichtigen Be- funde für die Frage der Optochinsehstörungen bisher in der Literatur nicht erwähnt resp. übersehen worden, während der Herr Vortragende sie heute ausführlich referiert hat. Redner steht auf dem Standpunkte, dass alles darauf ankommt, wie hoch der Wert des Mittels für die Kupierung der Pneumonie einzu- schätzen ist, und das muss der interne Mediziner entscheiden. Ist die Wirkung wirklich so günstig, wie es in einer Reihe von Publikationen angegeben wird, dann müssen wir uns mit gelegentlich auftretenden Sehstörungen abfinden. Andere Mitteilungen stehen aber wieder nicht auf dem Standpunkte, dass die Wirkung des Optochins als so günstig anzusehen sei, und dann fallen diese unangenehmen Nebenwirkungen des Optochins auf das Sehorgan schon viel schwerer in die Wagschale, wenn auch zu hoffen ist, dass eine vorsichtigere Dosierung des Mittels, rechtzeitiges Aussetzen bei beginnenden Seh- und Hörstörungen, die Störungen von seiten des Auges seltener und geringfügiger hervortreten lassen werden. Auf jeden Fall ist der Eintritt einer solchen stärkeren Sehstörung oder wenn auch vorübergehenden Erblindung, für den Kranken, die An- gehörigen und den Arzt ein sehr fatales Ereignis, das nicht gering ein- zuschätzen ist. Denn wenn auch die Störungen gewöhnlich wieder ziemlich weitgehend rückgängig werden, so kennen wir doch jetzt eine ganze Reihe von Fällen, wo erhebliche Sehstörungen dauernd bestehen geblieben sind. Herr Frank empfiehlt das Optochin. basic. Bei Pneumonien, die besonders schwer sind, ist die Verabfolgung am Platze. Es muss in den ersten 24 Stunden angewendet werden bei Milchdiät, mit gleichen Intervallen bei der Darreichung. Herr Forsehbach: Vor Erlass des kriegsministeriellen Verbotes haben wir das Optochinum hydrochloricum in etwa 10 Fällen auch bei der Malaria tertiana angewendet in Dosen von 5 mal 0,2 resp. 4 mal 0,25 pro die. Immerhin sind diese Dosen zunächst 7 Tage lang fort- Va ee 2 re A 3 Fo: va Be By Zr rer Lea Bea Haha 1 ee ! ; & = Medizinische Sektion. I. Abteilung. 11 gegeben worden, und die Optochinbehandlung wurde dann weitergeführt wie die Chininbehandlung nach Nocht. Sehstörungen haben wir bei diesem Verfahren nie auftreten sehen. Was den antimalarischen Effekt ‚des Optochins angeht, so sind wir zu dem Schluss gekommen — den auch namhafte Malariaforscher teilen —, dass das Optochin dem Chinin in keiner Weise überlegen ist, auch in den Malariafällen versagt, die sich chininrefraktär erwiesen. Hr. Tietze: Ueber entzündliche Diekdarmtumoren. Bericht über sieben vom Redner in den letzten Monaten beobachtete Fälle. Davon gehörten drei der akuten Form an (Aszendens-Kolitis, Perisigmoiditis), vier boten das ausgesprochene Bild der chronischen, tumorbildenden, entzündlichen Bindegewebsentwicklung im Bereich der Darmwand und ihrer Nachbarschaft, also vier im Bereich des Colon descendens und der Flexura sigmoidea. In einem Falle handelte es sich um einen faust- grossen zirkumskripten Knoten, der operiert werden konnte, in den anderen bestanden mässige, mit der Bauchwand verwachsene Tumoren. Uebersicht über die Literatur, Sektions- und Operationsergebnisse. Schwierigkeit der Abgrenzung gegenüber wirklichen Neoplasmen. Relativ neu ist für diese Fälle die Ausnutzung des Röntgenverfahrens. In einem der vom Redner mit Dr. Schiller beobachteten Fälle ergab sich‘ 61/; Stunden nach Baryummahlzeit das Colon descendens sehr schmal gefüllt, bandartige, scharf umschriebene Stenose nach der gut gefüllten Flexura sigmoidea überleitend, keine Füllungsdefekte wie beim Carcinom. Bei Röntgeneinlauf und Durchleuchtung füllt die Flüssigkeit die Flexur, bleibt einen Augenblick stehen, durcheilt dann schnell das Colon descen- dens. Es entsteht der Eindruck, dass der Darm den Inhalt plastisch von sich stösst; es bestehen also ähnliche Verhältnisse wie bei der lleozökaltuberkulose (Stierin). Im Verein mit dem klinischen Befund erschien dieses Ergebnis von ausschlaggebender Bedeutung. Sitzung vom 15. Februar 1918. Vorsitzender: Herr Tietze. 1. Hr. Tietze gibt eine kurze Uebersicht über Röntgen- und Ope- 'rationsbefand bei Magenleiden. Diskussion. Hr. Dreyer erwähnt einen kürzlich von ihm operierten Fall, bei dem nach dem Röntgenbilde eine sichere Pylorusstenose angenommen werden musste. Die Operation ergab jedoch einen an der kleinen Kur- vatur und zwar in ihrer kardialen Hälfte sitzenden Tumor, während die ganze distale Magenhälfte vollkommen frei war. Aehnliche Fälle hat auch Kühnau beobachtet. 2. Hr. Tietze: Zur Behandlung grosser Thoraxempyeme. Die Frage nach der zweckmässigsten Behandlung grosser Empyem- höhlen ist zurzeit in der Chirurgie aktuell (zahlreiche Fälle von „Total- empyemen“ nach Schussverletzungen der Lunge, Methode von Melchior). Redner verweist auf eine von ihm vor Jahren angegebene Methode, die später von Wilms selbständig zur Erzielung einer. Thoraxschrumpfung bei Lungentuberkulose erfunden wurde und unter dem Namen Pfeiler- resektion allgemein bekannt ist. Bei dem Empyem ist die Methode immer eine Sekundäroperation, welcher früher die einfache Rippen- resektion und Eröffnung der Pleurahöhle möglichst am tiefsten Punkt vorausgegangen ist. Schnitt wie bei der Schede’schen Thorakoplastik bogenförmig um den Thorax herum in ein oder zwei Zeiten (Hälften). Da jetzt unter Lokalanästhesie operiert wird, lässt sich der Eingriff ge- 12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für Salon) Cultur. wöhnlich in einer Sitzung erledigen. Im Gegensatz zur Schede’schen Thorakoplastik wird aber die Pleura nicht durchschnitten, sondern es werden nur im Bereiche des Schnittes extrapleural Rippenstücke ent- fernt, die Wunde unter Drainage wird vernäht oder vorläufig tamponiert. In der früher angelegten Fistel bleibt ebenfalls ein Drain, oder es wird durch eine neue Oeffnung ein solches in die Pleurahöhle eingeführt. wesentlich erschien es dem Öperateur, die Pleuraschwarte nicht zu durchtrennen. Die Ausheilung der Höhle kommt doch dadurch zustande, dass die Lunge von den Rändern her sich an die Thoraxwand anlegt, dass zuerst gewissermaassen die Komplementärräume verschwinden. Von hier aus wird bei nicht durchtrennter Pleuraschwarte ein konzentrischer Zug auf Lunge, Zwerchfell und Thoraxwand übertragen. Ist die Pleura weit aufgesehnitten, so fällt dieser konzentrische Zug fort, der um- schnittene Thoraxwandlappen schrumpft, die Bedingungen für die Aus- dehnung der Lunge sind ungünstiger. Es kommt hinzu, dass nach den Experimenten von Garre ein Pneumothorax, der mit der Aussenluft durch ein kleinkalibriges Rohr kommuniziert, nicht die schweren Ver- änderungen des Atmungstypus zeigt wie ein breit offener, und wenn auch beim Empyem die Lunge durch Schwarten fixiert ist, so werden doch Volumenschwankungen bei enger Fistel nicht möglich sein — sonst würde ja eine Heilung bei einfacher Rippenresektion nie eintreten können —, und diese Schwankungen werden zur Dehnung der fixieren- den Schwarten und zur Entfaltung der Lunge beitragen. Auch wenn man den Bogenschnitt nicht anwenden und nicht von vorn und hinten resezieren will, so soll man jedenfalls die Pleura nicht breit aufschneiden, sondern extrapleural die hinteren Rippenwinkel entfernen. Der früher vom Redner publizierte Fall ist völlig ausgeheilt, in den letzten Monaten hat er nach gleicher Methode zwei Fälle selbst operiert, je einer wurde von Hoffmann-Schweidnitz und Bröer-Breslau dem- selben Verfahren unterzogen. Zwei Fälle sind in S Wochen ausgeheilt, bei einem Falle, der vorgestellt wird, besteht noch eine kleine Fistel, die von Fäden oder Knochennekrosen herzurühren scheint. Der Fall von Bröer ist noch nicht ganz geheilt. Die Methode erscheint sehr leistungsfähig, ihr Tone ist die ge- ringe Verstümmelung der Brustwand. Diskussion: Herr Melchior. 3. Hr. Tietze: Transperitoneale Nierenexstirpationen. In Deutschland gilt der Flankenschnitt für Nierenexstirpationen als Methode der Wahl. Ausländische Chirurgen stehen der transperitonealen Nierenexstirpation freundlicher gegenüber. Albarran berichtet in seinem Buche über mehr als 300 Nierenexstirpationen, von denen etwa 1/, auf transperitonealem Wege ausgeführt worden sind. Vortragender hat während seiner Tätigkeit im Allerheiligen-Hospital 47 Nierenexstirpationen durch Flankenschnitt mit 7 Todesfällen und 12 transperitoneale mit 3 Todesfällen ausgeführt, dazu 2 Probelapara- tomien. Während von ihm früher die transperitoneale Methode nur ganz ausnahmsweise ausgeführt wurde, hatte er im Kriege wiederholt Gelegen- heit, die leichte Zugänglichkeit der Niere von vorn zu beobachten und hat deshalb im letzten Jahre die transperitoneale Nierenexstirpation etwas häufiger vorgenommen. Vorgeworfen wird dieser Methode der grössere Schock und die grössere Gefahr der Infektion. Es ist dies zuzugeben, doch hat sie zweifellos auch gewisse Vorzüge: 1. die bessere Uebersicht über das Operationsgebiet und damit die leichtere Entscheidung darüber, ob der Fall operabel ist oder nicht; 2. die Möglichkeit, als ersten Akt der Operation die Nierenarterien zu unterbinden und so die Operation recht blutleer zu gestalten. In Anerkennung dieser Vorzüge wurde bis- Medizinische Sektion. I. Abteilung. 13 her in Deutschland die transperitoneale Nierenexstirpation gewöhnlich für übergrosse Tumoren reserviert. Vortragender wendet sie auch in diesen Fällen an, hat aber gerade gefunden, dass bei nicht übergrossen beweglichen Tumoren die transperitoneale Methode ausserordentlich ein- fach auszuführen und als eine geradezu elegante Operation zu bezeichnen ist. Strenge Indikationen lassen sich für die Wahl des einen oder anderen Verfahrens nicht aufstellen. Im allgemeinen soll der trans- peritoneale Weg jedenfalls für aseptische Fälle reserviert bleiben, wenn auch in der Abteilung von Vortragendem eine vereiterte Niere von Ober- arzt Brade auf diese Weise glücklich entfernt wurde. Dass bei Schuss- verletzungen des Bauches von vorn her operiert werden muss, ist klar, aber auch für stumpfe Bauchfellentzündungen mit Nierenblutungen, die eine Operation aufnötigen, wird sich unter Umständen der transperi- toneale Weg empfehlen. Angewandt wurde ein Schrägschnitt über die Länge der tastbaren Geschwulst oder ein Querschnitt bis zur Mittellinie ‚(letzterer sehr empfehlenswert). Die exstirpierten Tumoren, die zum Teil gezeigt: werden, hatten sich entweder medial oder lateral vom Kolon in ihrer Hauptmasse eingestellt. Einmal hatte der Tumor, ein mächtiges, isoliertes Hypernephrom, das Colon transversum stark nach unten ge- drängt und das Lig. gastrocolicum vorgestülpt. In zwei Fällen, einmal Sarkom und einmal ein isoliertes Hypernephrom, war der Magen, bzw. der Pylorus so stark komprimiert und vorgestülpt, dass im ersten Falle auf Grund des Röntgenbildes ein Tumor, von der hinteren Magenwand ausgehend, angenommen worden war, während man im zweiten Falle (es war ein verhältnismässig kleiner, höckeriger Tumor zu fühlen) einen Pylorustumor diagnostiziert hatte. Das Peritoneum wurde je nach der Stelle der stärksten Hervorwölbung inzidiert, d. h. entweder median oder aussen vom auf- oder absteigenden Ast des Kolons. In zwei Fällen konnte das Peritoneum der rückwärtigen Bauchwand vollkommen ge- näht und die Bauchhöhle ganz verschlossen werden. In den anderen . Fällen wurde durch Gazebeutel oder ein mit Jodoformgaze umwickeltes Drain tamponiert bzw. drainier. Um die Gefahr der Tamponade durch die freie Bauchhöhle hindurch und die ihr folgende Bildung von Ad- häsionen zu verhüten, empfiehlt es sich auch bei Vorgehen median vom Kolon, den Peritonealschnitt der hinteren Bauchwand vollkommen zu vernähen und durch eine besondere Inzision aussen vom Dickdarm Tampon oder Drain herauszuleiten. Aus diesem Grunde ist auch der Querschnitt empfehlenswerter als ein Längs- oder Schrägschnitt. Diskussion. Hr. Küttner bevorzugt den Lumbalschnitt wegen der günstigen Abflussbedingungen und operiert transperitoneal nur bei unsicherer Diagnose nach Probelaparotomie. Er demonstriert das sehr seltene Prä- parat eines Tumors der Ileozökalgegend, der sich als hydronephrotische rechte Seite einer ins Becken verlagerten Hufeisenniere herausstellte und mit Erfolg transperitoneal reseziert wurde. 4. Hr. Tietze: Aneurysma der A. vertebralis. Durchschuss der linken Halsseite, Plexuslähmung im oberen Strang, arterio-venöses Aneurysma, das als ein solches der Carotis angesprochen wird. Es geht aber von der A. vertebralis und V. jugularis communis aus und gehört der ersten Strecke der Vertebralis an.: Sehr schwierige Operation. Unterbindung der Arterie ist unmöglich wegen abundant einsetzender Blutung. Der von der Vene ausgehende Anteil des Sackes war mit diesem Gefäss zusammen vorher reseziert worden. Die Blutung aus dem arteriellen Anteil des gemeinsamen Zwerchsackes wurde durch Plombierung mit Muskelstücken nach Küttner gestillt. Heilung mit Verschwinden der Aneurysmasymptome. 14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Diskussion. Hr.Küttner: Die Annahme desRedners, dass Vertebralis- Vorletsudpen und Aneurysma häufiger seien, als bisher angenommen, hat sich be- stätigt, er erhielt nach Erscheinen seiner Arbeit über dies Thema Mitteilungen von 9 weiteren, durch verschiedene Chirurgen im- Felde beobachteten Fällen. Besprechung der anatomischen Verhältnisse und der vom Redner für diese schwierigen und gefährlichen Eingriffe ae gebenen Operationsmethoden. 5. Hr. &oerke: Otogene eitrige Meningitis. Demonstration von 3 Fällen zur Heilung gelangter eitriges Meningitis einmal nach akuter, zweimal nach chronischer Mittelohreiterung. Erörterung der Therapie: 1. Ausscheidung des primären Eiterherdes und sorgfältige Verfolgung des Weges, den die Infektion gegangen ist. Dura-Inzisionen nur bei lokaler Indikation. 2. Häufige und ausgiebige Lumbalpunktionen. 3. Urotropin innerlich. 6. Hr. Legal: Extensionsschienen ans Telegraphendraht und Stärkegaze zur Be- handlung der Frakturen. ' Redner hat, angeregt durch die Mitteilung von Moering, welcher aus dem obengenannten Material Lagerungsschienen für frischverletzte Extremitäten angegeben hat, aus dem gleichen Material Extensionsschienen konstruiert, welche hauptsächlich zur Behandlung von Oberarmfrakturen mit gutem Erfolge angewendet wurden. Hergestellt werden die Schienen aus zwei zueinander parallel ver- laufenden und gegeneinander verstrebten Telegraphendrähten, die durch Bewickelung mit Stärkegaze ihre Auflageflächen erhalten. Das Prinzip der Behandlung ist die Extension mit Heftpflasterstreifen und Lagerung des Oberarmes auf einer Triangel mit im Ellenbogen recht- winklig gebeugtem, horizontal gestelltem Unterarm. Die Schiene wird aus zwei Teilen hergestellt. Der eine Teil besteht aus der senkrecht dem Thorax anliegenden Fläche, von deren oberem Ende die den Oberarm tragende horizontale Fläche, von deren unterem Ende ein schräger Fortsatz ausgeht, der zur Verbindung und Verstrebung mit dem zweiten Teil der Schiene dient. Die Auflagefläche für den Oberarm trägt am distalen Ende einen nach oben abgebogenen Fortsatz, der zur Aufnahme der Extensions- schraube dient. Der zweite Teil besteht aus der dem Unterarm zur Antlage dienenden Fläche; von ihr führt ein Verbindungsstück dem erst- genannten Verstrebungsstück entgegen. Beide Teile können für rechts und links benutzt werden, können stets vorrätig gehalten werden und werden je nach der Länge des Oberarmes zusammengepasst und mit- einander durch Stärkegaze verbunden. Die Auflagefläche aus Stärkegaze kann bei komplizierten Frakturen je-nach Lage der Wunde ausgeschnitten werden. Redner zeigt noch ein anderes Modell, welches dadurch, dass die einzelnen Flächen gelenkig miteinander verbunden sind, eine Frühmobili- sation unter Beibehaltung der Extension ermöglicht. Die Resultate waren sehr zufriedenstellend. Zur Behandlung von Frakturen im unteren Drittel hat die den Unterarm tragende Fläche an beiden Enden, gleich der den Oberarm tragenden, nach aufwärts gebogene Fortsätze, die ebenfalls zu Anbringung je. einer Extension dienen, so dass ein guter Ausgleich der Dislokation der Fragmente gewährleistet wird. Bei Extensionsbrüchen kann so ein Längszug am Unterarm nach den Fingern zu und ein Querzug am unteren Ende des Oberarmes nach dem Ellenbogen zu ausgeübt werden. Auch weitere Züge lassen sich Medizinische Sektion. I. Abteilung. 15 durch Anbringung von entsprechenden Drahtbügeln von diesen aus aus- üben. Es werden mehrere Fälle im Röntgenbild gezeigt, die mit diesen Schienen mit sehr gutem Erfolge behandelt worden sind. Auch zur Extension der unteren Extremität wurde eine Schiene demonstriert, die bei einem Falle von Fraktur des Oberschenkels und komplizierter Fraktur des Unterschenkels unter gleichzeitiger Anwendung von Freiluftbehandlung mit sehr gutem Resultat angewandt wurden. Diskussion. | Hr. Dreyer weist auf den von ihm benutzten einfachen Verband aus Oramer-Schienen bei der Fract. supracondyl. hin. 7. Hr. Wertheim erörtert die Symptomatologie, Diagnose und operative Therapie der Kleinhirnbrückenwinkeltumoren und demonstriert einen Soldaten mit im Anschluss an ein Trauma — Sturz vom Pferde im Feldzug 1914 — entstandener Kleinhirnbrückengeschwulst (Zyste ?) der neben rechtsseitiger Erkrankung des Ramus cochlearis und vestibularis nervi acustici und Parese des Nervus facialis beim Barany’schen Zeige- versuch spontanes Vorbeizeigen des rechten Armes im Schulter- gelenk nach aussen aufweist, das sich dadurch als Reizsymptom erweist, dass bei künstlich durch Drehung des Pat. auf dem Drehstuhl erzeugtem Nystagmus nach rechts das normale reaktive Vorbeizeigen des rechten Armes nach links erhalten ist. (Wäre das spontane Vorbeizeigen des rechten Armes nach rechts Ausfallssymptom — z. B. bei Kleinhirnprozess —, so würde das normale reaktive Vorbeizeigen des rechten Armes nach links bei künstlich erzeugtem Nystagmus nach rechts wegen Zerstörung des Tonuszentrums für die Innenbewegung des rechten Armes in der rechten Zerebellarhemisphäre nicht erfolgen können.) Zum Beweis für die eventuellen diagnostischen Schwierigkeiten wird - das Schläfenbeinpräparat eines während der Krause’schen parazere- bellaren Operation des supponierten Tumors im pontinen Wirbel an Atmungslähmung defunkten Kanoniers demonstriert, bei dem der histo- logisch sich als kleinzelliges Rundzellensarkom erweisende Tumor im wesentlichen an der Dura der mittleren Schädelgrube flächenhaft ent- wickelt, allerdings auch über die Pyramidenkante hinweg, teilweise auf die hintere Schädelgrube übergegriffen hatte. Zum Schluss wird auf die Aehnlichkeit vieler Symptome bei dem sog. Barany’schen Syndrom kurz hingewiesen. Diskussion. Hr. Küttner hebt unter den acht von ihm operierten Kleinhirn- brückenwinkeltumoren zwei Fälle hervor, ein sehr seltenes piales Chole- steatom der Gehirnbasis, welches sich von der mittleren Schädelgrube gegen den Kleinhirnbrückenwinkel entwiekelt und typische Symptome hervorgerufen hatte, und einen Fall von ungewöhnlich grossem Tumor, den er mit Erfolg in einem Lazarett des flandrischen Kampfgebietes entfernt hat. Er operiert stets zweizeitig von der hinteren Schädelgrube aus. Erhebliche Schwierigkeiten bietet die Indikationsstellung, wenn gleichzeitig Lues besteht und fortschreitende Augenveränderungen zur Eile nötigen. 8. Hr. @oerke: Eigentümliche Form der Mittelohrtuberkulose. Bei einem vor fast einem Jahre beiderseits aufgemeisselten Soldaten ‚ keine Tendenz zur Heilung. Beide Wundhöhlen weisen einen schleim- hautähnlichen Ueberzug auf, in dem mikroskopisch Tuberkel nachgewiesen werden können. 9. Hr, Kriebel: Rhinosklerom. Vortr. hatte Gelegenheit, in den letzten 2 Jahren 6 Fälle von Sklerom der oberen Luftwege zu beobachten. Drei davon waren russische Kriegsgefangene, einer eine Zivilperson aus Russisch-Polen und E w = “ r= 2 Ri $ 16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. zwei stammten aus Schlesien. Der erste vorgestellte Patient, ein Knabe von 15 Jahren aus der Gegend von Leobschütz, war Anfang April 1916 wegen Diphtherie desLarynx dem Krankenhause übersandt worden. Befund: Zu beiden Seiten der Mitte des Septums je ein derbes, knotiges, leicht blutendes Infiltrat; unterhalb der Stimmbänder subglottische Wülste; inspiratorischer Stridor. Verdacht auf Sklerom, doch konnte die histo- logische Untersuchung diese Diagnose nicht erhärten. Oktober 1916 kam Patient mit hochgradigem Stridor wieder. Befund derselbe, sub- glottische Wülste reichten fast bis zur Medianlinie. Entfernung der Tumoren in der Schwebe’ versagten, da sie jedem schneidenden Instru- mente widerstanden. Laryngofissur. Abimpfen von Blut auf Agar-Agar. Nach 24 Stunden reichliche Kolonien von grampositiven Kurzstäbehen mit Kapseln. Möglichste Entfernung der Tumoren. Acht Tage nach der Operation Einsetzen einer Kanüle wegen lebensbedrohender Atemnot: von der Mitte der subchordalen Wülste sprangen zwei Wülste ins Kehlkopflumen vor und verlegten es völlig. Autovakzin subkutan (100 Millionen). Temp. abends 37,6, Kopfschmerzen; nächsten Tag 400 Millionen. Temp. 40,9, Schüttelfrost, Erbrechen. Am dritten Tage konnte die Kanüle entfernt werden. Alle zwei Tage Autovakzin. Gute Heilung. Entlassung nach 21/, Monaten. Nase und Kehlkopf völlig frei. 2. Fall: Frau aus Breslau. Seit 40 Jahren die Stadt nicht ver- lassen. Seit 8 Jahren bemerkte sie Schwellung der Nase. Begab sich deswegen in Behandlung. Diagnose nicht gestellt. September 1916 ins Krankenhaus. Befund: Nase kolbig verdickt, aus beiden Nasenseiten Tumormassen, die den Einblick in die Nase verlegten. Nasenrachen voll von knotenartigen Tumormassen. Operation nach Löwe: Aus- räumung der Tumormassen aus der Nase. Behandlung mit Autovakzin. Im Laufe von 3 Monaten 20 cem Vakzin (700 Millionen Keime im cem). Histologische Untersuchung ergab typisches Rhinosklerom. Vorstellung nach einem Monat. Kleiner Knoten am linken Nasenausgang. Nach 5ccm Vakzin verschwunden. Jetzt ein Jahr völlig geheilt. Patient 1 nach 5/, Jahren kleine Knoten am Septum. Subglottischer Wulst links. Erneute Immunisierung noch im Gange. Nach den Er- fahrungen des Vortr. ist der Rhinosklerombazillus im frischen Blutaus- strich, im Gewebe und in ganz jungen Kulturen Gram +, in älteren ausgesprochen Gram —. Diagnose leicht, wenn man nur an die Möglichkeit der Krankheit denkt. Histologische Untersuchung kann täuschen. Immer die typischen Kapselbazillen zu finden. Viel Aussicht verspricht die serologische Dia- gnose. Agglutination des Serums Skleromkranker mit dem Bac. rhino- sclerom. bis 1: 100. Komplementablenkung vorhanden; doch fand Vortr. sie nicht so einwandsfrei wie andere Untersucher. Für höchst beachtenswert hält Vortr. die epidemiologische Bedeu- tung. Er glaubt, ° dass durch die Eigenart des jetzigen Krieges, durch den Verkehr mit russischen Kriegsgefangenen, durch das jahrelange Leben unserer Soldaten in den verseuchten Gebieten das Rhinosklerom weitere Verbreitung in Deutschland finden wird. Er verlangt, wie es schon von Streit, Gerber, Jurasz, Brunner und Jakobowski ge- fordert wurde, staatliche Aufsicht über diese Volksseuchen, Gründung eines Zentralinstituts auch in Schlesien, das dem verseuchten Gebiete am nächsten liegt. Aufklärung der praktischen Aerzte über die Diagnose. Behandlung nur in einem mit allen Mitteln eingerichteten und von sachkundigen Aerzten geleiteten Zentralinstituts. Therapeutisch verspricht die Immunisierung am besten mit Auto- vakzin die besten Erfolge. Bi Fe 3 A Re Fe a EEE ! BEER RUE T Y ? . a Be ” = ki I. a | =” Kr e he a ee a a a Zu a Er Medizinische Sektion. I. Abteilung. 17 Sitzung vom 22. Februar 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Schriftführer: Herr Partsch. Diskussion zum Vortrage des Herrn Tietze: „Ueber entzündliche : Diekdarmtumoren“. Hr. Goebel: Ob die Tumoren des Colon ascendens und der Flexura sigmoidea miteinander zu vergleichen sind, erscheint mir insofern zweifelhaft, als erstere so gut, wie immer akuter und vorüber- gehender Natur (im Sinne der Perityphlitis), letztere chronisch sind. Ich sehe dabei ab von den entzündlichen Verwachsungsschwellungen der Flexura hepatica, ebenso wie natürlich von den chronischen Tumoren spezifischer Natur (Tuberkulose, Lues). Soweit ich Herrn Tietze ver- standen habe, waren seine beiden Beobachtungen von Tumorbildung im Colon ascendens auch akuterer Natur. Zur Genese der entzündlichen Tumoren des S romanum kommen drei Momente in Betracht: Lageveränderungen des Organs, Verletzungen resp. Geschwüre der Schleimhaut und Kotstauungen. Das eine dieser Momente bedingt dann wieder das andere und umgekehrt, so dass ein dauernder Cireulus vitiosus die Chronizität des Leidens unterhält. Hier- bei besteht, wie schon viele Autoren hervorgehoben haben, eine weit- gehende Analogie mit den chronisch-entzündlichen, stenosierenden Rektum- tumoren, unter denen bekanntlich die luetischen resp. gonorrhoischen Prozesse eine besondere Rolle spielen. Trotzdem Rieder auf die mikro- skopischen Befunde, besonders an den Venen des Plexus haemorrhoidalis als diagnostisch wichtig hingewiesen, scheint noch keine Einheitlichkeit in den Ansichten über die Rolle der Lues oder Gonorrhoe zu herrschen. Am Lebenden ist es in der Tat sehr schwer, eine sichere Diagnose zu stellen. Ich habe noch vor kurzem im Lazarett einen Soldaten ange- troffen, der monatelang durch verschiedene Lazarette mit der Diagnose Mastdarmfistel gegangen und auch äusserlich mit Inzisionen behandelt war. Eine genaue Untersuchung meinerseits zeigte eine vollständige Umwandlung des Reetums in ein starres, verengtes Rohr, mindestens 10 cm hinauf. Die mikroskopische Untersuchung eines exzidierten Stüekchens zeigte nichts Spezifisches.. Und doch war es klinisch das- selbe Bild wie das luetischer Mastdarmstrikturen, die ich früher im Hamburg-Eppendorfer Krankenhause nur allzu oft sehen konnte! Wasser- mann war auch negativ. _ Bei den entzündlichen Tumoren der Flexura sigmoidea ist jeden- falls auch an luetische Genese zu denken und Wassermann’sche Reak- tion anzustellen! Die Rolle des Graser’schen Divertikels bei der Sigmoiditis chronica ist sicherlich eine grosse, aber ich glaube nach eigenen Erfahrungen und aus der Literatur ersehen zu können, dass andere Momente, wie Fremdkörperreizungen (Knochen, Gräten), Ulzerationen der Schleim- haut usw. eine ebenso grosse Rolle spielen, genau wie im Mastdarm. Gestatten Sie mir, Sie noch auf eine besondere Aetiologie grosser entzündlicher Tumoren der Flexur aufmerksam zu machen, die zwar für unser Klima keine Rolle spielt. Ich habe in Aegypten öfter einen grossen entzündlichen Flexurtumor beobachtet — und zweimal operativ angegangen —, der durch die Ablagerung der Eier des Bilharziawurms (Schistosomum haematobium) in die Schleimhaut des Darms und in das Gewebe und die Lymphdrüsen des Mesosigmoideums hervorgerufen war. Der von unserem Landsmann Bilharz entdeckte Nematode lebt in den Venen des Bauches, vorzüglich der Pfortader — ich gebe Ihnen hier Exemplare herum — und legt seine Eier in der Schleimhaut der Blase, der Nieren und Ureteren und der Urethra und in der Darmmukosa ab. Schlesische Gesellsch. £f. vaterl. Cultur. 1918. TI. 2 Re eK 18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Die mit einer Chitinhülle umgebenen Eier, die an einer Stelle eine spornartige Spitze tragen, werden mit dem Urin oder Stuhl nach aussen befördert. Sie bedingen Reizungen der Schleimhaut, polypöse Wuche- rungen, Ulzerationen; sie werden in das Bindegewebe, in die Lymph- drüsen fortgeschwemmt und veranlassen entzündliche Reaktionen, so dass diese enorme Tumorbildung des Darms, verbunden mit Stenosierung in- folge der starren Infiltration aller Darmwandschichten (Demonstration!) sehr wohl verständlich wird. Eine kurze Beschreibung der Präparate habe ich im Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene, 1906, S. 1, gegeben. Und ebenso, wie die entzündlichen Prozesse der Flexura sigmoidea in unserem Klima ein Analogon im Rektum haben (s. o.), ebenso auch kann das ganze Rektum in ein starres Rohr durch diese Infiltration in- folge Eiablagerung des Bilharziawurms verwandelt werden. Für diese Fälle ist die Ausschaltung der Kotpassage durch Anlegen eines Anus praeternaturalis oberhalb der entzündlich tumefizierten Teile eine vor- . zügliche, nicht nur palliative Maassnahme. Einen Fall mit Bilharzia- struktur des Rektums, den ich zuerst für Karzinom gehalten hatte, traf ich nach Jahr und Tag in einem andern Krankenhause Alexandriens mit vollkommen ausgeheiltem Rektum wieder, um sich seinen Anus praeternaturalis schliessen zu lassen, dessen Anlage nun gar nicht mehr verständlich schien. Der Anus praeternaturalis dürfte auch für die entzündlichen Pro- zesse des S Romanum die Operation der Wahl und der Resektion des Tumors oder der Enteroanastomose vorzuziehen sein. Hr. Dreyer erwähnt einen Fall, der zunächst ganz das Bild eines Tumors der Flexura sigmoidea darbot, sich dann aber als Spasmus erwies. Hr. Minkowski erwähnt einen von Mikulicz operierten Fall von Aktinomykose des Colon ascendens, der als karzinomatöser Tumor im- ponierte und erst bei der Operation als Aktinomykose erkannt wurde. Hr. Küttner erwähnt zwei Fälle von tumorartiger Blinddarm- aktinomykose, welche, ganz im Gegensatze zur sonstigen Erscheinungs- form der Bauchaktinomykose, unter dem Bilde eines scharf umschrie- benen, in einem Falle sogar verschieblichen Tumors der Ileozökalgegend auftrat. Unter der Wahrscheinlichkeitsdiagnose Karzinom bezw. Tuber- kulose wurden die Geschwülste einschliesslich des angrenzenden Colon ascendens und untersten Ileums reseziert, die aktinomykotische Natur ergab sich erst bei der mikroskopischen Untersuchung. Die Heilung konnte längere Zeit verfolgt werden. Hr. Uhthoff stellt einen 27jährigen Patienten vor, der iufolge von Botulismus (Genuss verdorbener Wurst) von einer schweren Sehstörung mit vorübergehender Erblindung und Ausgang in partieller Sehnerven- atrophie unter den typischen Erscheinungen des Botulismus befallen wurde. Es ist dies die einzige Beobachtung, wo Redner schwere Seh- störungen bei Botulismus sah, während sonst die gewöhnlichen Verände- rungen von Störungen der äussern und innern Augenmuskulatur zur Beobachtung kamen. Im Anschluss an diese Beobachtung erwähnt Redner einen andern Fall, wo nach Genuss von mit Methylalkohol versetztem Rum ebenfalls vorübergehende Erblindung mit Ausgang in partielle Sehnervenatrophie und dauernde schwere Sehstörung eintrat. Der Rum wurde von Geh.- Rat Pohl untersucht und Methylalkohol festgestellt. Redner geht dann noch auf die Eigenart dieser Sehstörungen näher ein und verweist auf den Unterschied zwischen ihnen und der chronischen Alkoholamblyopie. Er hält es für praktisch wichtig, gerade in der jetzigen Zeit auf diese Gefahr der Schnapsverfälschungen hinzuweisen, die ein besonderes kli- nisches Krankheitsbild hervorrief. Medizinische Sektion. I. Abteilung. 19 Hr. F.Röhmann weist auf die neueren Beobachtungen von Th. v. Fellenberg hin, nach denen gewisse, aus Trestern hergestellte Brannt- weine kleinere und auch grössere Mengen Methylalkohol — 30 bis 40 pCt. des Gesamtalkohols — enthalten können und auf die Erfahrungen ‚Schweizer Augenärzte, denen zufolge bei dauerndem, übermässigem Ge- nuss solcher Branntweine Erkrankungen des Sehorgans eintreten. Hr. Golden erwähnt — mit Rücksicht auf die zurzeit bestehende Häufung von Erkrankungen infolge Genussesverdorbener Nahrungsmittel — ' einen kürzlich beobachteten Fall von Botulismus. Eine ganze Familie erkrankte mehr oder weniger an Darmstörungen nach dem Genuss eines schlechten Schweines, dessen Verwertung der Tierarzt noch gestattet hatte. Ein Familienmitglied bekam eine schwere Akkommodationsstörung - der Augen. Die Allgemeinsymptome, Trockenheit der Schleimhäute und Stuhlverstopfung, stark hervortretend; daneben Herpes der Hüftgegend. Hr. Colden glaubte auch in diesem Falle bezüglich der Augenstörung die Prognose quoad restitutionem zurückhaltend stellen zu müssen. Hr. Uhthoff: Auf die Bemerkungen von Herrn Röhmann ver- weist Redner noch einmal auf das Charakteristische der Methylalkohol- Sehstörungen gegenüber der chronischen Alkoholamblyopie, wie sie in der von Herrn Röhmann angezogenen Mitteilung aufgetreten zu sein scheint. 2. Hr. Aron hält seinen angekündigten Vortrag: „Ueber akzes- sorische Nährstoffe und ihre Bedeutung für die Ernährung des Kindes.“ (Die Diskussion wird vertagt.) Sitzung vom 1. März 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Sehriftführer: Herr Röhmanın. Der Vorsitzende Herr Uhthoff gedenkt zunächst des schweren Ver- lustes, den die medizinische Sektion durch das Dahinscheiden des Augen- arztes Geh. Sanitätsrat Dr. Ernst Landmann erlitten hat. Redner geht auf das verdienstvolle Leben und Wirken des dahingeschiedenen allverehrten Kollegen etwas näher ein, dessen Andenken in der Gesell- schaft unvergänglich bleiben wird. Vor der Tagesordnung. 1. Hr. Tietze: I. Transplantationen aus der Fibula. 3 Fälle. a) Knochentumor der Uina, in der Mitte der Diaphyse. Resektion. _ Implantation eines entsprechenden Stückes aus der Fibula. Heilung, gute Funktion. b) Osteosarkom des oberen Humerusendes bei einem älteren Manne. - Resektion von reichlich einem Drittel des Humerus. Freie Transplantation der oberen Hälfte der Fibula mit ihrem Gelenkkopf. Heilung. c) Traumatischer Defekt des oberen Humerusendes (Schussfraktur). Ersatz wie in Fall 2. Aufflammen des scheinbar erloschenen Infekts. Der Knochen heilt nicht ein, stösst sich aber nur in einzelnen Sequestern ab, zuerst das Köpfchen, dann einzelne Sequester des Diaphysenanteiles, ein Knochenstück ist noch geblieben. Dieser Prozess ist vorläufig noch nicht einwandsfrei zu deuten. i II. Röntgendiagnose von Magenerkrankungen und Operations- befund. Die Röntgenuntersuchung chirurgischer Magenerkrankungen hat sich als ein unentbehrliches Hilfsmittel erwiesen, das sich namentlich für die Beurteilung der beim Uleus notwendigen Eingriffe als wichtig er- wiesen hat. Wenn auch im einzelnen Irrtümer vorgekommen sind, so hat sich doch im allgemeinen eine sehr erfreuliche Uebereinstimmung 3 n 20 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. zwischen Röntgen- und ÖOperationsbefund ergeben. Demonstration von Diapositiven und Präparaten. 2. Hr. Minkowski stellt einen Fall von Schwarzwasserfieber ‚vor. Tagesordnung. 1. Hr. Rother: Kriegshernien. (Siehe Teil II.) Aussprache. Hr. Rosenfeld macht darauf aufmerksam, dass, wenn auch die Kriegskost Hernien, eingeklemmte und nicht eingeklemmte, stark ver- mehrt auftreten lässt, doch die Gesamtsterblichkeit an Magen- und Darmleiden nicht nur nicht gestiegen, sondern vermindert ist. Ganz besonders sind die Todesfälle an Pr auffallend stark zurückgegangen. Hr. Küstner: Zu der Bemerkung des Herrn Vortragenden, be- treffend die Finnen, möchte ich daran erinnern, dass die gleichen Beob- achtungen bei den Esten von v. Wahl und v. Zoege-Manteuffel in Dorpat gemacht worden sind. Auch bei dieser Völkerschaft findet sich ein unverhältnismässig langes Mesenterium der Flexura sigmoidea, in- folgedessen eine unverhältnismässig bewegliche Flexur und infolgedessen wieder eine beträchtliche Häufigkeit der Axendrehung dieses Darm- abschnittes. v. Wahl bringt diese anatomische Eigentümlichkeit mit der vorwiegend vegetabilischen Ernährung der Esten in ätiologische Beziehung. Nun sind die Finnen und Esten ethnologisch sehr nahe ver- wandt. Beide Stämme sind fast reine Mongolen. Deshalb dürfte das lange Mesenterium der Fiexur als Rasseeigentümlichkeit anzusprechen sein. Auf Grund dieser Rasseeigentümlichkeit erst lässt dann die vor- wiegend- vegetabilische Ernährung eine Häufung der Axendrehungen der Flexur zustande kommen. Hr. Most: Auch mir fiel nach meiner Rückkehr aus dem Felde das häufigere Auftreten von eingeklemmten Schenkelhernien und zwar vor allen Dingen von eingeklemmten Schenkelhernien bei Frauen auf, die zudem relativ oft gangränös waren. Ich glaubte es zunächst auf eine Verschiebung in der Schwere und Art des operativen Materials zurückführen zu müssen, da während des Kriegs auch in Breslau ver- schiedene Chirurgen und Krankenanstalten, die jetzt Militärzwecken dienen, ausfielen. Erst die bekannte Arbeit König’s in Marburg und eine Aussprache mit einem Chirurgen in der Provinz belehrte mich eines andern. Interessant war mir in dem Vortrage des Herrn Vorredners, dass er auch ein Ansteigen in der Frequenz der lleusfälle infolge innerer Einklemmung beobachtet hat. Auch diese Erfahrung konnte ich im letzten Jahre bestätigen: auffallende Fälle durch Adhäsionen, Ver- wachsungen u. dgl. infolge alter Entzündungen, früherer, Jahre zurück- liegender Laparotomien u. dgl. Mir ist ferner noch aufgefallen das häufigere Auftreten von Anal- leiden, periproktischen Abszessen, Hämorrhoiden, hämorrhoidalen Mast- darmfisteln und -fissuren. Auch dies glaubte ich auf die vorwiegend vegetabilische Kost mit ihren reichlicheren Stuhlverhältnissen und viel- leicht dadurch bedingte häufigere Läsionen, Infektionen und Stauungen an der Schleimhaut des Analringes zurückführen zu müssen, und ich möchte fragen, ob auch der Herr Vorredner solche Erfahrungen gemacht hat und ob sie vielleicht anderwärts gemacht worden sind. Hr. Stolte macht darauf aufmerksam, dass im Kindesalter auch ein gehäuftes Auftreten von Rektumprolapsen beobachtet wird, das genau so wie die Häufung der Hernienfälle auf eine Lockerung der binde- gewebigen Fixation durch den Fettschwund zurückzuführen sein dürfte. Medizinische Sektion. I. Abteilung. 2. Aussprache zum Vortrag des Hr. Aron: Ueber akzessorische Nährstoffe und ihre Bedentung für die Ernährung des Kindes. Hr. Stolte: Es ist bedauerlich, dass wir die akzessorischen Nähr- stoffe noch nicht in chemisch reiner Form in Anwendung bringen können. Dadurch allein wäre der unwiderlegliche Beweis für deren hohe Bedeu- tung erbracht. Andererseits aber sprechen die klinischen Erfahrungen dafür, dass neben den bisher bekannten wesentlichen Nahrungsbestand- teilen andere in kleinen Mengen wirksame Stoffe für die Ernährung und Gesunderhaltung des Menschen zumal während der frühesten Jugend von grosser Bedeutung sind. Am sichersten erwiesen ist deren Wert für das Zustandekommen und die Behandlung der Barlow’schen Krankheit, aber auch sonst wird so mancher Ernährungserfolg wohl nur mit der Annahme, dass Stoffe der genannten Gruppen daran beteiligt sind, erklärt. Hr. F. Röhmann wendet sich zunächst gegen die Einteilung der „akzessorischen Nahrungsstoffe* in alkohollösliche Stoffe und Lipoide. Die wirksamen Stoffe seien in gewissen Fällen auch alkoholunlöslich und wenn Aetherextrakte wirksam seien, so sei dies die Folge, dass jene Stoffe nur lipoidlöslich, aber nicht selbst Lipoide seien. Es sei bisher kein Grund dafür vorhanden, anzunehmen, dass solche „akzessorischen Nahrungsstoffe* stets in unserer Nahrung vor- handen sein müssen. Auf Grund des vorliegenden Tatsachenmaterials vertritt er die Anschauung, dass „Ergänzungsstoffe“ nur’ dann für die Ernährung notwendig sind, wenn die Nahrung längere Zeit und in ein- seitig überwiegender Menge „unvollständige“ Eiweissstoffe enthält, wie dies bei der Beri-Beri, Skorbut und Pellagra der Fall ist (Ernährung mit den unvollständigen Eiweissstoffen der Zerealien), oder Eiweissstoffe, die durch längeres Kochen u. a. verändert sind (Barlow’sche Krankheit). Die nächste Aufgabe besteht darin, die wirksamen Stoffe, wie sie auch nach den Versuchen des Vortragenden im Alkoholextrakt der Kleie enthalten sind, rein darzustellen, was ja schon von verschiedenen For- schern, aber nach der Ansicht des Redners in nicht befriedigender Weise versucht worden ist. Hr. Aron: Die Frage, ob Zufuhr akzessorischer Nährstoffe unter allen Umständen erforderlich ist, lässt sich schwer beantworten, solange wir die chemische Natur der akzessorischen Nährstoffe nicht kennen. Wir wissen ja von einer „gemischten Kost“ niemals, welche Mengen oder Gruppen akzessorischer Nährstoffe diese ausser den Hauptnähr- stoffen, Riweiss, Fett, Kohlehydraten, Mineralstoffen und Wasser noch enthält. Experimentell lässt sich die Wirkung akzessorischer Nährstoffe vorerst nur bei ganz bestimmten, in besonderer Weise dargestellten Nährstoffgemischen nachweisen; auch sind die akzessorischen Nährstoffe für den wachsenden Organismus ohne Frage von weit grösserer Be- deutung als für den erwachsenen. Beim Kinde macht sich ebenfalls der Mangel an akzessorischen Nährstoffen nur bei bestimmten Kost- formen bemerkbar; ausserdem ist der Bedarf an akzessorischen Nähr- stoffen bei den einzelnen Kindern, wie schon betont, individuell recht verschieden gross. Die von mir unterschiedenen zwei Gruppen akzessorischer Nährstoffe, vegetabilische Extraktstoffe einerseits, mit Organfetten vereint vorkom- mende Substanzen andererseits, sind nicht nur durch die verschiedene Art ihrer Löslichkeit charakterisiert. Wichtiger als dieses Unterschei- dungsmerkmal ist ihre vollkommen verschiedenartige Herkunft, die Tat- sache, dass nur die Anwesenheit beider Gruppen eine Nahrung voll- kommen ausreichend macht, und die Feststellung, dass sich die Wirkung der einen Gruppe nicht durch die der anderen ersetzen lässt. Die £ = 22 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. von mir durchgeführte Unterscheidung der beiden Gruppen akzessorischer Nährstoffe hat sich auch für die praktische Ernährungstherapie beim Kinde als wertvoll erwiesen. Ueber die Natur der akzessorischen Nährstoffe habe ich mich mit Absicht nicht näher geäussert. Häufig werden die akzessorischen Nähr- stoffe „Ergänzungsstoffe* im Sinne des Herrn Röhmann, d.h. Abbau- produkte des Eiweisses sein, weil das Eiweiss der Nahrung unvollständig ist. In anderen Fällen, zumal bei den von mir gewählten Beispielen kann es sich aber kaum um Eiweissbausteine handeln, oder diese müssten Eigenschaften besitzen (Hitzezerstörbarkeit), die sich von denen der uns bisher bekannten Eiweissbausteine wesentlich unterscheiden. Nur ganz kurz möchte ich den Einwand zurückweisen, dass man von akzessorischen Nährstoffen erst dann sprechen dürfe, wenn man sie „vorzeigen“ kann. Ian der Biochemie können wir viele Stofe nicht darstellen, sondern müssen uns darauf beschränken, ihr Vorhandensein durch ihre Wirkungen nachzuweisen. Auch Toxine oder Antitoxine hat man noch nicht „vorzeigen“ können, und über die Natur der Fermente wissen wir nicht mehr als über die der akzesso- rischen Nährstoffe, aber niemand wird an der Existenz der Toxine, Anti- toxine oder Fermente zweifeln. Als ich im Jahre 1912 zum ersten Male ausgeführt habe, „dass gewisse Komponenten der Nahrung in ähnlicher Weise als Wachstumsreize oder Katalysatoren wirken mögen wie die Hormone“ und „dass den Estraktivstoffen eine gewisse Bedeutung für den Ablauf des Wachstumsvorgangs und somit für die Ernährung des wachsenden Körpers zukommt“ (Handb. d. Biochemie, Erg.-Bd. S. 668/69), haben viele maassgebende Forscher eine solche Auffassung noch ent- schieden abgelehnt. Die meisten dieser Autoren haben im Laufe der Jahre aber die Existenz „akzessorischer Nährstoffe“ und ihre Bedeutung für die Ernährung des wachsenden Organismus anerkannt. Es bedeutet auch kein Aufhalten der wissenschaftlichen Forschung, wenn man jetzt mit dem Begriff der „akzessorischen Nährstoffe“ so ope- riert, wie ich es in meinen Ausführungen getan habe. Im Gegenteil, die Ernährungslehre hat auf diesem Wege neue interessante Tatsachen ans Licht gebracht, die sich praktisch als von grosser Bedeutung erwiesen haben. Sitzung vom 8. März 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Schriftführer: Herr Röhmanın. Vor der Tagesordnung. Hr. Partsch stellt einen Fall von Karzinom in einer Kieferzyste vor. Er betrifft einen 5ljährigen Kaufmann, der das erste Mal im Jahre 1911 zur Behandlung kam wegen einer am rechten Gaumen seit längerer Zeit bestehenden, ohne schmerzhafte Empfindung sich ent- wickelnden Geschwulst. Man konnte rechts eine starke Vorwölbung des Gaumens von den Schneidezähnen nach der Gegend der Mahlzähne ziehen sehen und bis in die Mitte des (raumens feststellen. Die Schleimhaut über der Geschwulst zeigte keine sichtbare Veränderung. Nahe der Mittellinie fühlte man, dass die Geschwulst dem Drucke nachgab, der Zahnfortsatz selbst zeigt keine Veränderung. Eine an der erweichten Stelle vorgenommene Punktion ergab dünne, eitrige Flüssigkeit, die Leukozyten und Epithelien enthielt und alkalisch reagierte. Im Ober-. kiefer standen nur die Zähne vom ersten Backenzahn ab rechts und links, die mittleren Schneidezähne waren gelockert, der laterale Schneide- zahn links fehlte. Nachdem noch durch die Röntgenaufnahme die N RAT ae Medizinische Sektion. I. Abteilung. 23 Zystennatur des Tumors festgestellt war, wurde der Tumor von vorn her eröffnet, indem aus dem Mundvorhof über den rechten Schneidezähnen ein breiter Lappen ausgeschnitten wurde, nach dessen Abheben völlig fester, unnachgiebiger Knochen zutage trat. Mit dem Bohrer musste der Knochen 3 mm tief angebohrt werden, ehe man die Zystenhöhle er- reichte. Es wurde eine etwa fünfpfennigstückgrosse Platte fortgenommen und damit der Zugang zur Zyste gewonnen. Nach Entleerung des eitrigen Inhalts wurde ihr Inneres gemessen, sie ist 4!/, em tief, 2 bis 3 cm hoch und reicht bis an den Nasenboden, ohne diesen vorzuwölben. Buckelartig springen in die Zyste die Wurzeln der beiden rechten Schneidezähne vor, ohne dass sie aber in die Zyste hineinreichen. Bei Beleuchtung der Höhle sieht man vom Gaumen her einen über zwei- markstückgrossen Fleck zum Zeichen, dass dort der Knochen umfang- reich fehlt. Der ausgeschnittene Lappen wird in die Zyste eingeschlagen und durch Tamponade festgehalten. Die Heilung erfolgte ohne Kom- plikation, nur fiel auf, dass bei der Besichtigung der Höhle sich in der Tiefe weissliche Beläge zeigten. Sie wurden wiederholt bei der Aus- spülung entfernt und erwiesen sich mikroskopisch als aus Epithelzellen bestehend. Der Gaumen flachte sich während der Heilungszeit deutlich ab, die Höhle schrumpfte, aber die weissen schuppenartigen Beläge ver- schwanden nicht vollkommen, so dass damals schon an eine leuko- plakische Veränderung der Zystenwand gedacht wurde. Der Patient blieb dann aus der Behandlung weg und stellte sich erst im Oktober 1917 wieder in der Klinik vor. Er gab an, dass die Vorwölbung am Gaumen nie ganz geschwunden sei, aber seit ungefähr einem Viertel- Jahre eine deutliche Vergrösserung erfahren habe, so dass die nach der ersten Operation getragene Prothese ihm unerträglich wurde. In den letzten Wochen sei an der Stelle, wo die Prothese am meisten drückte, am Gaumen, ein Geschwür entstanden. Gleichzeitig habe er bemerkt, - bei den immer noch fortgesetzten Ausspülungen der Zyste, dass aus der Höhle gelbliche Flocken, gelegentlich auch etwas Blut gekommen sei. Bei der Untersuchung sieht man den von der ersten Operation her- rührenden Eingang zur Zyste noch nicht geschlossen, dagegen mit weichen blumenkohlähnlichen Massen angefüllt. Durch sie hindurch gelangt die Sonde in die Tiefe der Höhle. Am Gaumen ist eine reichlich mandel- grosse Vorwölbung mit einem Geschwür zu sehen. Der Rand des Ge- schwürs ist wallartig, der Grund unregelmässig zerklüftet. Durch eine der Spalten gelangt die Sonde in die Zystenhöhle, wo man sie von dem Zahnfortsatz aus von vornher fühlen kann. Drüsenschwellungen sind nicht zu fühlen. Es war kein Zweifel, dass sich hier in der Zystenhöhle ‚ein Karzinom entwickelt hatte, welches nach dem Gaumen zu durch- gebrochen war. Die mikroskopische Untersuchung aus der Geschwürs- fläche entnommener Stücke bestätigte den Befund. Am 25. Oktober 1917 wurde zur Exzision des Tumors in Lokalanästhesie geschritten. Der Gaumentumor wurde ovalär umschnitten und von dem Knochen abge- hebelt. Von der Vorderseite her wurde der Eingang der Zyste um- schnitten und dort mit dem Zystenelevatorium bis auf die Zystenwand vorgegangen. Die Zyste liess sich in ihrer ganzen Ausdehnung nach hinten von der knöchernen Wand, ii welcher am Nasenboden schon ein grösserer Defekt entstanden war, vollständig gut auslösen, bis auf die Partie reehts dicht hinter dem Eckzahn, hier kam man beim Ablösen in die Zysteuhöhle hinein, hier wurde der Knochen mit dem Meissel fortgenommen. Die Höhle wurde tamponiert, der Tampon mit einer vor der Operation gefertigten Zelluloidprothese festgehalten. Vorn wurde die Schleimhaut vernäht. Bis auf ein leichtes Oedem des rechton Augen- lides war der Verlauf reaktionslos, so dass schon am achten Tage der Patient in ambulatorische Behandlung übergehen konnte. Die breite 24 Jahresbericht der Schles, Gesellschaft für vaterl. Cultur. Granulationsfläche, welche unter dem Tampon entstand, überzog sich allmählich unter Pinselungen mit Höllensteinlösung mit Epithel, so dass in der dritten Woche der Patient bereits seine alte Prothese wieder - tragen konnte. Bald aber machte sich hinter der Stelle des Eckzahns ein neuer Auswuchs karzinomatösen Gewebes geltend, so dass hier der ganze Knochen fortgenommen werden musste, wobei der Boden der Nasenhöhle ungefähr hanfkorngross eröffnet wurde. Der entstandene Defekt wurde plastisch mit einem aus der Schleimhaut der Wange herübergezogenen Lappen gedeckt, der mit dem medialen Rande des Defekts vernäht wurde. Die linksseitigen Zähne gaben noch genügend Befestigung für die Zelluloidprothese, die nun wieder mit Unterlagerung von Jodoformgaze über die Operationsstelle gelegt wurde. Der Lappen heilte gut ein und nur an schmalen Stellen blieben Granulationsflächen übrig. Ungefähr vier Wochen später entstand links von der Narbe ein ungefähr linsengrosser, flacher Tumor von deutlich karzinomatösem Charakter, der ebenfalls umschnitten wurde und von dem Gaumen mit Meissel abgetragen wurde. Die Stelle wurde tamponiert und Oberfläch- lich mit Mastix bestrichen. Die Ueberhäutung des Defektes ging rasch vor sich, so dass der Patient bereits Ende Januar entlassen werden konnte. Er hat sich dann später zur Deckung des Defektes eine neue Prothese arbeiten lassen, die er jetzt unbehindert trägt. Der Fall hat theoretisches Interesse insofern, als er nach meiner Literaturkenntnis zum ersten Male das Entstehen eines Karzinoms in einer Kieferzyste einwandsfrei beweist. Von der alten Theorie Cohn- heim’s, welche den Ausgangspunkt der Geschwülste in embryonalen Keimen und embryonal versprengten Resten suchte, mussten ja die Kiefergeschwülste von besonderem Interesse sein, weil hier sicher em- bryonal versprengte Keimc, oder besser gesagt, aus dem embryonalen Leben zurückgebliebene Keime in Form der sogenannten Malassez’schen Reste anatomisch bekannt waren. Man hat diese Reste als Ausgangs- punkt für viele epitheliale Geschwülste, die man unter dem Namen der Adamantinome zusammenfasst, angesehen. Gelegentlich hat man auch für Kieferkarzinome eine solche Entstehung angenommen, ohne aber den zwingenden Beweis dafür zu liefern. Im vorliegenden Falle ist nun das Karzinom aus den Epithelien der Zystenwand entstanden und hat sich zunächst in der Zystenhöhle verbreitet, bis es seinem bösartigen Cha- rakter entsprechend, sowohl in den Knochen, in der Gegend des Eck- zahns vordrang, also auch die Gaumenschleimhaut an der Stelle, wo der Knochen schon fehlte, durchwuchs. Damit ist die Möglichkeit, dass die Malassez’schen Reste wirklich der Ausgangspunkt eines Karzinoms werden können, zum ersten Male einwandsfrei erwiesen. Besonders interessant ist dabei, dass in der Zyste eine eigentümliche Epithelver- diehtung von vornherein beobachtet wurde, die man als Leukoplakie an- - sprechen musste. Der Veränderung ist ursprünglich keine besondere Bedeutung beigemessen worden, es dürfte aber kein Zweifel sein, dass sie, wie wir das von der Leukoplakie der Zunge und der Wange wissen, das Vorstadium zu der Entwicklung des malignen Tumors Veranlassung gegeben hat. Auch diese Veränderung ist in den Zysten bisher nicht beschrieben. Es wirft diese Beobachtung auch ein Schlaglicht auf das Entstehen der Leukoplakie, bei der man vielfach entzündliche Verände- rung der Submukosa als Ursache der epithelialen Wucherung und Ver- hornung annahm, Im vorliegenden Falle, wo eine eigentliche Submukosa fehlte, scheint doch das Epithel als solches in erster Linie in Wucherung geraten zu sein. Vom praktischen Standpunkt aus bietet der Fall Interesse insofern, als trotz der Malignität des Tumors man mit einer Exzision des Zystenbalges bei der Entfernung auskam und sie nur nach- träglich durch die Exzision der lokalen Rezidive ergänzen musste. Es ee Medizinische Sektion. I. Abteilung. i 25 liess sich eine Fortnahme des Gaumendaches in diesem Falle vermeiden und der Defekt plastisch durch Verziehung der Wangenschleimhaut decken, so dass nunmehr eine gutsitzende Prothese ohne Obdurator an- gefertigt werden konnte. Tagesordnung: Hr. Partsch hält seinen angekündigten Vortrag: Ueber Knochen- ° pflanzungen. (Siehe Teil II.) = Sitzung vom 15. März 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Sehriftführer: Herr R öhmann. Vor der Tagesordnung. Hr. Küttner: Demonstration eines riesenhaften Tumors der Krenz- beingegend und zweier Fälle von typischer Ranula bei Erwachsenen. Hr. Rahm stellt einen 18jährigen Fleischerlehrling vor, der ein an Rotlauf erkranktes Schwein geschlachtet hatte und tags darauf 2 Bläschen an der Dorsalseite beider Handgelenke bekam. Brennen und Jucken an den erkrankten Partien, breite Iymphangitische Stränge, die nach oben zogen, und schmerzhafte Achseldrüsen führten den Pa- tienten zum Arzt, der ihn wegen Blutvergiftung der chirurgischen Klinik Breslau überwies. Bei der Aufnahme in die Klinik am 7. III. 1918 zeigten sich an der Volarseite beider Handgelenke 2 etwa talergrosse, elliptisch und scharf begrenzte, flammend rote, etwas erhabene Hautstellen, von denen lymphangitische Streifen zu den vergrösserten und schmerzhaften Achsel- drüsen zogen. Temperatur 37,0. Anamnese und klinisches Bild führten zu der Diagnose Rotlauf; der bakteriologische Nachweis der typischen - Rotlaufstäbehen konnte erst erbracht werden, nachdem ein Stück der erkrankten Hautpartie sofort nach der Exzision in Bouillon gebracht und bebrütet wurde. Die Erreger wurden so in Reinkultur und dann auch im Tierversuch (weisse Maus, Taube) nachgewiesen. (Die Präparate werden demonstriert.) Das klinische Bild, wie es bei der Aufnahme bestand, änderte sich nun nicht wesentlich. Fieber trat nicht auf. Der Patient fühlte sich dauernd wohl bis auf das Jucken und Brennen an ‚den erkrankten Stellen. Es schossen nun auch an benachbarten Stellen, so 2. B. an der Dorsalseite des linken Daumens, am Handrücken usw. neue Krankheitsherde auf, die meist in Form von Quaddeln entstanden. Einige dieser Quaddeln gingen in 12—24 Stunden wieder zurück, von anderen kroch der Krankheitsprozess dann langsam weiter, in dem am Rande immor rote breite Wälle sich vorschoben, während hinter ihnen die Haut ihre entzündliche Röte verlor, bläulichrot wurde, stark schuppte und ihr normales Niveau wieder einnahm. Nach etwa 3 Tagen war so fast die Hälfte beider Unterarme von Rotlauf überzogen. Tagesordnung. Hr. Rosenfeld hielt seinen angekündigten Vortrag: Die äusseren Symptome des Diabetes. (Siehe Teil I1.) - Aussprache: Hr. Minkowski. Hr. Jadassohn spricht Ueber die Trichophytien. (Siehe Teil IL.) 26 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Sitzung vom 22. März 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Schriftführer: Herr Röhmanın. Vor der Tagesordnung. Hr. Jadassohn stellt ein Sjähriges Mädchen mit einem Favusherd unter dem linken Auge vor, welcher ausgezeichnet ist durch ein sehr grosses, ausserordentlich tief in die Haut eingelagertes und diese stark komprimierendes Skutulum und, durch starke Entzündung in der Um= gebung. Diese Favusherde in der nur mit Lanugo besetzten Haut ent- stehen meistenteils durch Infektion von Mäusen aus (mit Achorion Quinckeanum) und sind im Gegensatz zu dem Favus des behaarten Kopfes sehr leicht zu heilen. (Trotz der ausserordentlich tiefen Ein- lagerung ist auch in diesem Fall die Heilung ohne jede Narbenbildung erfolgt.) Tagesordnung. 1. Hr. Rosenfeld hält seinen angekündigten Vortrag: Kriegskost und Gesundheit. (Siehe Teil II.) Aussprache: Hr. Minkowski hält grosse Vorsicht bei der Ver- wertung der Statistik geboten. Nicht alle Schlussfolgerungen des Vor- tragenden dürften zutreffend sein. Ueber allen Zweifel erhaben sei allerdings die Tatsache der Zunahme der Tuberkulose. Es ist unbedingt notwendig die Nahrungszulagen für Tuberkulose freigebiger zu gestalten, da die Ausbreitung der Tuberkulose die Allgemeinheit gefährde, und der Einfluss der Ernährung dabei die grösste Rolle spiele. Nicht nur auf die Menge, sondern auch auf die Beschaffenheit der Nahrung komme es an. Besonders nachteilig wirke- wahrscheinlich die Eiweiss- und Fett- armut. Das Massenexperiment der Kriegsernährung spreche keineswegs zugunsten der niedrigen Werte des Eiweissminimums. Die auskömm- liche Eiweissmenge sei durchaus nicht die bekömmliche. Sitzung vom 12. April 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Schriftführer: Herr Rosenfeld. Tagesordnung. 1. Hr. 0. Förster: Klinische Demonstrationen aus der Pathologie und Therapie der Ver- letzungen und Erkrankungen peripherer Nerven des Rückenmarks und Gehirns. (Siehe Teil II.) 2..Hr. Dr. Lange zeigt zunächst 10 Kriegsnenrotiker, die mit Hypnose behandelt und rasch, meist in einer Sitzung, symptomfrei ge- macht wurden. 1. Rechtsseitige Hemiplegie, Taubheit und Hyperhidrosis nach Granatverschüttung im Juli 1917. 24 Stunden bewusstlos. Jetzt noch leichte Behinderung im rechten Schultergelenk (positiver Röntgenbefund), sonst symptomfrei. 2. Versteifung des Kniegelenks, hysterische Anfälle nach Granat- wirkung im Mai 17. 3. Tremor des rechten Armes und des linken Beines, spastische Lähmung des rerhten Beines, Aphonie, allgemeine nervöse Beschwerden nach Granatexplosion im Mai 17. 4. Mutismus und allgemeiner Schütteltremor nach 2maliger Vor schüttung bzw. Minenexplosion. Medizinische Sektion. I. Abteilung. 27 ‚d. Allgemeiner Tremor, Gangstörung, Aphonie nach Gasvergiftung im August 16 und Verschüttung im Unterstand im September 16. Die Aphonie wurde durch suggestives Faradisieren in einer Sitzung sofort beseitigt. Das Zittern und die Gangstörung blieben unbeeinflusst. Fünf ' in längeren Zeitabständen immer wieder unternommene Hypnoseversuche schlugen fehl, da der Mann absolut nicht zum Einschlafen zu bringen war. Kurz vor der geplanten Verlegung auf eine auswärtige Abteilung - gab er an, uie einschlafen zu können, weil ihm jedesmal der Kopf nach rechts gedreht würde, wobei er eine schmerzhafte Spannung im Halse habe und von einem unwiderstehlichen Schluckreiz befallen wurde; auch höre er auf dem linken Ohr nicht gut. Nochmaliger Hypnoseversuch, der sofort gelingt, als der Kopf nach links gelagert wird. Heilung. 6. Kontraktur des linken Ellbogengelenks nach Granatsplitter- verletzung im linken Oberarm (Bizeps) im Mai 16. 7. Höchstgradiges allgemeines Schüttelzittern, vollständige spastische Abasie, entstanden im Mai 16 bei der Ausbildung in der Garnison; nie im Felde gewesen. 8. Aphonie, rechtsseitiges Schüttelzittern, linksseitige Ohrenbe- schwerden nach Feuerwirkung und Erkältung im Juli 17. 9. Rentenempfänger mit allgemeinem Schüttelzittern, Aufregungs- zuständen, Gangstörung, hochgradiger Sprachstörung nach Mineneinschlag im August 15. 10. Schlaffe Lähmung der linken Seite nach Granateinschlag im Juni 1915. Die Gelegenheit dieses klinischen Demonstrationsabends wollte ich nieht vorübergehen lassen, ohne Ihnen einige in der letzten Zeit auf unserer Neurotikerabteilung symptomfrei gemachte Patienten vorzu- stellen und die vorzüglichen Behandlungserfolge zu unterstreichen, die wir mit der Hypnosebehandlung bei derartigen Kranken fortdauernd er- zielen. Wir haben die Hypnose auch früher schon gelegentlich mit gutem Erfolge in Anwendung gebracht, haben aber doch in der Haupt- sache mit faradischer Suggestion, konsequenter Uebungsbehandlung, Bettruhe im Dunkelzimmer usw. behandelt. Erst seit Ende November 17 ‘ nach meiner Kommandierung auf die Abteilung des Herrn Prof. Nonne in Hamburg bin ich dazu übergegangen, ausschliesslich mit Hypnose zu behandeln. Die Erfolge sind, wie gesagt, ganz vorzüglich. Wir haben insgesamt 90 pCt.‘ Heilerfolge; in manchen Monaten sind wir sogar noch etwas höher gekommen. Der Rest entfällt auf sogenannte Refraktäre und solche Leute, bei denen fortbestehende organische „Reiz- quellen“ die funktionelle Störung dauernd fest fixieren. Durch die Behandlung wird, namentlich gilt das für die motori- ‚schen Rsizerscheinungen, das Krankheitsbild in einen latenten Zustand überführt und kann durch eine entsprechende Suggestion in Hypnose jedereit wieder hervorgerufen werden, wie dies zuerst Nonne gezeigt hat. Ich erlaube mir jetzt, Ihnen dies an folgenden 5 „geheilten“ Kranken zu zeigen: 1. heftiges Drehzittern des Kopfes, 2. allgemeines Schüttelzittern, 3. linksseitige Pseudoischias, 4. Aphonie, 5. hochgradiger Tremor mit Dysbasie, hochgradiges Stottern. Sie sehen, dass bei jedem. dieser Kranken in Hypnose der alte Krankheitszustand prompt wieder hervorgerufen werden kann. Hierbei ist mir aufgefallen, dass bei manchen Patienten die Reproduktion nur mangelhaft, bei einigen wenigen überhaupt nicht gelingt; ferner, dass es durch entsprechende kräftige Suggestion in wiederholter Hypnose gelegentlich gelingt, die Anspruchsfähigkeit des latenten motorischen Erinnerungsbildes sehr abzuschwächen, so dass beim Reproduktions- versuch die Erscheinungen viel matter zum Ausbruch kommen als vor 28 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. der Behandlung. Möglicherweise liegt in dieser Richtung ein Weg, der zu einer grösseren Dauerhaftigkeit. der Heilerfolge führt. In jedem Falle aber kann schon jetzt als erwiesen angesehen werden, dass für die Be- handlung der hier besprochenen Krankheitszustände die Hypnose nicht nur ein Heilverfahren unter vielen anderen darstellt, sondern dass sie die Methode der Wahl ist. (Die Diskussicn wird vertagt.) Sitzung vom 19. April 8 Vorsitzender: Herr Uhthoff. Schriftführer: Herr Rosenfeld. Der Vorsitzende begrüsst Herrn Generalarzt Dr. Spiering als Gast. Vor der Tagesordnung. Hr. Tietze: Demonstration von Operationspräparaten. a) Cyst- adenom des Pankreas, faustgrosser Tumor, ausgezeichnet durch seine kleinzystische Struktur. Patientin, 60 Jahre alt, hatte vor der Opera- tion Zucker, der nachher verschwand. Heilung. b) Ausgedehntes Karzinom des Colon ascendens, Resektionspräparat. Eigentümliche Beteiligung des Appendix, der als stark erweiterter Zapfen dem Tumor aufsitzt.. Heilung. Tagesordnung. 1. Hr. Severin: Klinische Erfahrungen über Hydroatophan. (Siehe Teil II.) Aussprache. Hr. Förster berichtet über seine günstigen Erfahrungen. Hr. Gerson: Bei dem betreffenden Patienten mit myasthenischer Bulbärparalyse bestand deutliche myasthenische Reaktion — nach 20 bis 25 Reizungen hörten die Zuckungen im Fazialisgebiet auf. Nach mehrmonatigem Gebrauch der 406 Tabletten hörten die Zuckungen erst nach 40—50 Reizungen auf. Auch das körperliche Be- finden wurde besser. Später trat aber wieder Verschlechterung ein. Hr. Pohl: Klinisch gut beobachtete Fälle haben den Wert von Experimenten. Deshalb ist der von Herrn Severin beobachtete Fall von Oesophaguslähmung und seine Besserung durch das Tetrahydro- atophan besonders wertvoll, weil er lehrt, dass dieser Körper auch auf das Vaguszentrum, somit auf die Medulla oblongata wirkt. Ich will ferner erwähnen, dass es gelungen ist, aus der Reihe det reduzierten Atophene noch ein reduziertes Methylatophan und Ind- atophan darzustellen, die in gleicher Richtung wie das Tetrahydroatophan wirksam sind. Hr. Minkowski: Die Wirkungen des Hydroatophans zeigen eine gewisse Analogie mit den Wirkungen des Strychnins. Es ist daher wahrscheinlich, dass auch die Indikationen für die Anwendung des Mittels die gleichen sein werden. Selbstverständlich kann der Erfolg bei unheilbaren Leiden nur ein vorübergehender sein; bei heilbaren Nervenkrankheiten, wie z. B. bei Neuritiden, dürfte indessen die Hei- lung durch das Hydroatophan sehr erheblich beschleunigt werden können. Wie beim Strychnin kann man aber Erfolge nur erwarten, wenn auch wirksame, nicht zu kleine Dosen angewendet werden. 2. Aussprache zu den Vorträgen der HHr. 0. Förster und Lange vom 12. April 1918. ae, Wa RE Kr ’ RENT EREN a Bar a 53 gr N a var na use er. Y Medizinische Sektion. I. Abteilung. 29 Hr. Förster demonstriert noch einige Fälle. Hr. Bumke berichtet im Anschluss an die Demonstration des Herrn Förster über eine Schule für Hirnverletzte, die seit über einem Jahr der Kriegsbeschädigtenschule in der Pestalozzischule angegliedert ist. In dieser Schule unterrichten zurzeit 6 Hilfsschullehrer. Gleich- zeitig werden die Verletzten in den Werkstätten bzw. in der Land- wirtschaft beschäftigt. Die Erfolge sind zufriedenstellend. Eine ganze Anzahl von Hirnverletzten konnte einer bürgerlichen Tätigkeit wieder zugeführt werden. Im Anschluss an diese Einrichtung ist eine Be- ‚ ratungsstelle für Hirnverletzte eingerichtet worden, um die früher, vor Einrichtung der Hirnverletztenschule, schon entlassenen Verletzten der Fürsorge wieder zuzuführen. , Hr. Heinze berichtet über seine Erfahrungen über Hypnose- behandlung. : Hr. Koltowski: Ich habe auf der Neurotikerabteilung von Herrn Prof. Mann in den letzten Monaten die Hypnose ebenfalls in zahl- reichen Fällen neben anderen suggestiven Methoden angewandt und . möchte meine Erfahrungen kurz mitteilen. Ich halte die Hypnose ebenfalls für eine wertvolle Bereicherung unserer therapeutischen Hilfsmittel, möchte jedoch nicht so weit gehen wie Herr Lange und sie als das Mittel bezeichnen, dem allein die Zukunft gehört. Wir wenigstens haben auf unserer Abteilung die Beobachtung gemacht, dass die von Rothmann angegebene Narkosen- methode, die von L. Mann bereits 1916 hier warm empfohlen wurde, der Hypnosentherapie, wenigstens was die Behandlung der Zitterer an- belangt — das betone ich ausdrücklich —, überlegen ist. Es ist zu- nächst zu berücksichtigen, dass die Hypnose infolge der beschränkten Hypnotisierbarkeit der Patienten nicht immer verwendbar ist. Nonne, der es infolge seiner Autorität verstanden hat, sich ein hervorragendes suggestives Milieu zu schaffen, berechnet die Hypnotisierbarkeit in den letzten Abhandlungen mit 70 bzw. 80 pCt.; im allgemeinen dürfte sie jedoch wesentlich geringer sein. Die Narkose ist im Gegensatz hierzu in allen Fällen anwendbar, auch da, wo vielleicht wegen heftiger Schüttelbewegung des Kopfes usw. die Hypnose nicht oder mindestens -sehr schwer durchführbar ist. Der Erfolg der Rothmann’schen Be- handlung ist nach unseren Beobachtungen bei den Zitterern auch schneller und sicherer, besonders in den Fällen, wo andere therapeu- tische Maassnahmen völlig versagt haben. Ich habe z. B. Zitterer mehr- mals, in einzelnen Fällen bis IOmal, hypnotisiert, ohne auch nur den geringsten therapeutischen Erfolg zu haben, während l—2mal vorge- nommener Rothmann Heilung herbeiführte. Ich möchte hierbei be- tonen, dass die betreffenden Leute ausgezeichnete hypnotische Medien waren, die nicht nur alle posthypnotischen Befehle ausführten, sondern sogar posthypnotisch Halluzinationen hatten. Ich erwähne das, um zu . zeigen, dass die therapeutische Suggerierbarkeit nicht immer parallel ist der Tiefe der Hypnose, sondern sich oft umgekehrt proportional zu ihr verhält; denn es gelangen mir andererseits Heilungen von Zitterern ‘ darch eine Hypnose, die man kaum noch als solche bezeichnen kann; ‘es liess sich gerade ein ganz leichter kataleptischer Zustand erreichen bei völligem Erinnerungsvermögen. Schliesslich habe ich den bestimmten Eindruck gewonnen, dass die durch Rothmann erzielten Heilerfolge wesentlich stabiler sind als die durch andere Maassnahmen, insbesondere auch durch Hypnose erreichten. Rezidivfähigkeit war bedeutend geringer, wie auch die Katamnese ergab. Zwei Tage nach ausgeführtem Rothmann konnten wir bereits Arbeits- therapie einleiten, mit leichter beginnend, ansteigend, bis der Mann schliesslich bei seiner Berufsarbeit endigte. Wenn er sich selbst als 30 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. voll erwerbsfähig bezeichnete — das war durchschnittlich nach 4 Wochen der Fall — wurde er als kr. u. unter 10 pCt. entlassen. “Die Roth- mann’sche Methode sollte daher zumindesten in allen den Fällen an- gewandt werden, in denen andere Methoden nicht zum Ziele führen, und die gegen sie immer wieder vorgebrachten Bedenken sollten schon wegen der ausgezeichneten Erfolge fallen gelassen werden. Andererseits hat mir die Hypnose sehr wertvolle Dienste geleistet bei Gang- und Sprachstörungen, Krampfanfällen, besonders auch bei allen psychogenen Beschwerden; in vereinzelten Fällen habe ich auch bei Bettnässen, wenn alle anderen Maassnahmen versagt haben, eine Heilung in dem Sinne erzielt, dass es mir gelang, geeignete Medien posthypnotisch zu veranlassen, des Nachts mehrere Male zu erwachen. Bis jetzt habe ich Rezidive der so Geheilten noch nicht zu Gesicht be- kommen, kann aber Bestimmtes über deren weiteres Ergehen nicht an- geben. Auch konnte ich einige Male schlechte Angewohnheiten, wie übermässig starkes Rauchen, beseitigen, indem ich widerlich sauren Geschmack der Zigarette suggerierte. Der Erfolg hielt allerdings nur einige Wochen an. In den letzten Tagen habe ich auch die Hypnose zur Differentialdiagnose zwischen Hysterie und Epilepsie benutzt, um die Beobachtungszeit zu verkürzen und um auf die Angaben der Wärter, die meistens nicht sehr präzise sind, weniger angewiesen zu sein. Diese Methode ist jedoch nur mit Einschränkung zu verwerten und hat nur in positivem Sinne direkten Wert. In negativem dagegen, d. h. lassen sich keine Krampfanfälle in der Hypnose auslösen, ‚so ist das Vor- handensein von hysterischen Krampfanfällen natürlich nicht ausge- schlossen, und es darf die Diagnose Epilepsie nicht ohne weiteres ge- stellt werden. Hr. 0. Förster (Schlusswort). Sitzung vom 3l. Mai 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Schriftführer: Herr Tietze. Der Vorsitzende Herr Uhthoff gedenkt zunächst des Dahinscheidens dreier Mitglieder und zwar zunächst des Generaloberarztes Dr. Reinhold Scholz. Er ist im wahren Sinne des Wortes auf dem Kampffeld in der Heimat gefallen. Wer von Anfang des Krieges an einen genauen Einblick in die Tätigkeit des Dahingeschiedenen nehmen konnte, der musste sich sagen, dass von ihm eine übermenschliche Arbeit ge- leistet wurde, besonders in den ersten Jahren in seiner Tätigkeit als Chefarzt des Festungslazaretts. Sein Zimmer im Festungslazarett war sowohl der Konzentrationspunkt für die ganze gewaltige Kriegssanitäts- organisation für den Bereich der Festung Breslau, und der Mittelpunkt aller Arbeit und aller Anordnungen war Scholz selbst. Mit einer Pfliehttreue und einer Ausdauer hat er der Sache seine Kräfte geopfert, die kaum ihresgleichen haben dürften. Vom frühen Morgen bis in den späten Abend ist er nicht von seinem Platze gewichen. Es war za viel für eines Mannes Kraft, das musste sich jeder sagen, der einigermaassen einen Einblick in diese gewaltige Aufgabe gewonnen. Aber er hat sie durchgeführt im Interesse des Vaterlandes bis zum letzten Augenblick, wo sein Geist und seine Kraft erlahmten und eine tückische Gehirn- erkrankung ihn aufs Krankenlager warf. Wir haben ihr oft hier in unserem Kreise unter uns gesehen, er nahm an allen Verhandlungen, die wichtige militärische Sanitätsangelegenheiten betrafen, den regsten Anteil. Medizinische Sektion. 1. Abteilung. al Schon vor dem Kriege hatte er die Absicht, von dem Schauplatz seiner segensreichen Tätigkeit abzutreten und auszuruhen. Es kam anders. Der Krieg forderte seine ganze Kraft, und er gab sie dem Vater- lande bis zur Neige getreu bis in den Tod. Ehre seinem Andenken für alle Zeiten. Als zweites Opfer des Krieges haben wir den Heimgang unseres allgemein beliebten Kollegen, des Stabsarztes d.R. Dr. Kurt Ossig zu beklagen. Er fiel fern von der Heimat auf dem Kampffelde. Ossig zeichnete sich durch ein tiefes gediegenes Wissen auf seinem Arbeits- felde (Röntgenologie usw.) aus und war dabei ein vornehmer, bescheidener und stets hilfsbereiter Kollege. Wohl viele von uns haben sich von ihm "Rat und Belehrung geholt. Er war ein ruhiger, objektiver und ge- diegener Forscher und ein ausgezeichneter Arzt im besten Sinne des Wortes. Sein Andenken wird bei uns unvergänglich bleiben. Und noch den Tod eines dritten Mitgliedes und Kollegen haben wir zu beklagen. Sanitätsrat Dr. Courant ist aus der Vollkraft des Lebens und .aus seiner so segensreichen Tätigkeit heraus durch den Tod ab- berufen worden. Er galt auf seinem Arbeitsgebiet (Frauenheilkunde) als ein hervorragender Vertreter und als ausgezeichneter, wahrhaft menschlich fühlender Arzt; daher auch die grosse Dankbarkeit und An- erkennung, die ihm von allen Seiten, sowohl von seinen Kranken als auch von seinen Kollegen gezollt wurde. Ehre seinem Andenken über das Grab hinaus. Ich bitte, sich zum Andenken der Dahingeschiedenen ;von Ihren Sitzen zu erheben. : Tagesordnung. 1. Hr. Stolte demonstriert a) hochgradige Magenerweiterung beim jungen Kinde. Das 5 Jahre alte, etwa 7000 g schwere, extrem magere Kind mit enormem Bauchumfarg hatte bis zum vierten Jahre nur von flüssiger Kost gelebt und abwechselnd an Obstipation und Durchfall ge- litten. Das Krankheitsbild erinnerte an das der Kinder mit vhronischen Darmstörungen auf nervöser Basis, doch machte die enorme Auftreibung des Epigastriums bis zum Nabel, das Anschwellen des Leibes nach der Nahrungsaufnahme und das Kollabieren des Leibes nach Aufstossen eine lokale Erkrankung des Magens wahrscheinlich. Das Röntgenbild be- stätigt diese Vermutung: unmittelbar nach der Aufnahme von Kontrastin dehnt sich der Magen von der rechten Bauchseite bis zur linken, spätere Aufnahmen zeigen eine enorme Luftblase, die Zwerchfell und Herzspitze nach oben drängt und daneben eine Dilatation des Magens bis herab auf die rechte Darmbeinschaufel. Die chemische Tätigkeit des Magens ist herabgemindert infolge Hypazidität bei Vorhandensein von Pepsin und Lab. Die Entleerung des Magens ist nicht behindert, ohne dass Peristaltik wahrnehmbar ist, scheint der Mageninhalt in das Duodenum überzufliessen (Pyloruslähmung?), Farbstoffe durchwandern den Magen- Darmkanal in 24 Stunden. Das früher allzuhäufig diagnostizierte, noch jetzt bei den Franzosen überschätzte Leiden der Gastroparese im frühen Kindesalter hat genaueren Untersuchungen nicht standhalten können. Nur bei Pylorusstenosen konnte erheblichere, bei künstlich ernährten Säuglingen eine geringgradige, niemals jedoch solch erhebliche Gastrektasie beobachtet werden. Es müssen wohl angeborene Momente (mangelhafte Muskelentwicklung) neben Ernährungsfehlern am Zustandekommen des Leidens beteiligt sein. b) Vorführung eines Kindes mit hochgradiger Stauung im Gebiete der Vena cava superior infolge von Bronchialdrüsentuberkulose. Das 4 Jahre alte Kind, entsprechend entwickelt, zeigt auf der linken Brust- seite eine stark varikös veränderte, kleinfingerdicke Vene, die sich von oben her mit Blut füllt. Auch der leicht ödematöse, zyanotische Kopf 32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. lässt die hochgradige Abflussbehinderung im Gebiete der Vena cava superior erkennen. Verschärftes Atmen im zweiten und dritten Inter- kostalraum rechts, sowie starke Abschwächung des Atemgeräusches von der dritten Rippe abwärts bei normalem Perkussionsschall über der rechten Lunge machen auch eine Kompression des rechten mittleren und unteren Bronchus wahrscheinlich. Der komprimierende Tumor bedingt nur eine etwa 1—2 cm breite, dem Sternum parallelgehende Dämpfung. Diesem Befunde entspricht das Röntgenbild, das einen Schatten in gleicher Ausdehnung und eine zipfelförmige Fortsetzung Em Schattens nach der rechten Lunge zu erkennen lässt. Der vorzügliche Ernährungszustand sowie der ungemein langsame Verlauf — die ersten Symptome wurden schen vor zwei Jahren fest- gestellt — machen es wahrscheinlich, dass der komprimierende Tumor aus tuberkulösen Bronchialdrüsen besteht. 2. Hr. Vogel: Ich wollte mir erlauben, Ihnen einen ziemlich stark ausgeprägten Fall von Melanodermatitis toxica oder Kriegsmelanose kurz vorzustellen, die jetzt in vermehrter Zahl in industriellen Betrieben beoabachtet werden und überall die Aufmerksamkeit der Aerzte, be- ‚sonders der Dermatologen, erregt haben. Es handelt sich um eine 43jährige, in der Munitionsanstalt in Carlowitz beschäftigte Rüstungsarbeiterin, die früher stets gesund ge- wesen sein will uud seit Oktober vorigen Jahres eine zunehmende Braun- färbung des Gesichts wahrgenommen hat. Sie selbst führt die Erkran- kung auf eine heftige, mit starker Änschwellung verbundene Entzündung des Gesichts zurück, die im Anschluss an den Gebrauch einer Glyzerin- seife entstanden sein soll. Nebenbei ist sie geneigt, auch ihrer Be- schäftigung, dem Auftrennen von Säckchen mit Schwarzpulver, eine ur- sächliche Bedeutung beizumessen. Wichtiger erscheint mir noch die Tatsache, dass sie in dem der Erkrankung vorausgehenden Vierteljahre im sog. Lackiersaale tätig war und dort auch jeden zweiten Tag die Maschinenölung vorzunehmen hatte. Wie Sie sehen, besteht jetzt bei der Kranken eine hochgradige, fast negerähnliche Hyperpigmentation des Gesichts, in geringem Grade auch der Hände und Unterärme. Der übrige Körper ist frei. Die bei ähnlichen Fällen oft auch stark hervortretende Hyperkeratose ist hier weniger ausgeprägt. Auf derartige eigenartige Hautmelanosen, die merkwürdigerweise bei unseren Soldaten kaum je beobachtet wurden, hat bekanntlich im vorigen Jahre zuerst Prof. Riel in Wien aufmerksam gemacht und für seine Fälle eine der Pellagra analoge alimentäre Intoxikation an- genommen, also Ernährungseinflüsse, wie sie bei der heutigen oft minder- wertigen Qualität und Zusammensetzung selbst der einfachsten Nahrungs- mittel leicht möglich sind. Andere Autoren wie Prof. Hoffmann-Bonn, Blaschko-Berlio, Galewsky-Dresden halten für die Ursache äussere Schädigungen der Haut, chemische und mechanische Irri- tation derselben durch die oft sehr minderwertigen oder verunreinigten Kriegsöle und -salben, wobei der Licht- und Wärmestrahlung noch eine unterstützende (sensibilisierende) Wirkung zukommen soll. Diese Theorie dürfte vielleicht auch auf unsere Patientin zutreffen, deren Melanose also als das Endstadium einer durch Kriegsseife und -Schmieröle ausgelösten akuten Dermatitis + Belich- tungsfolge aufzufassen wäre. Die Behandlung bestand bisher in der Ausschaltung der- verur- sachenden Schädlichkeit, in der Anwendung von depigmentierenden Mitteln, wie Perhydrolspiritus und Hydrargyrum praecip.-Salben, hat aber ebensowenig wie in den bisher beschriebenen Fällen einen merk- lichen Erfolg gezeitigt. ET EEE a a: Medizinische Sektion. I. Abteilung. | 35 3. Hr. W. Uhthoff spricht über plastische Operationen im Bereich des Gesichts und des Auges, die er meist an Kriegsteilnehmern ausge- führt hat, und die er in etwa 60 Diapositiven mit dem Projektionsapparat zur Darstellung bringt. Er teilt das Material in mehrere Hauptgruppen ein und erörtert dies@lben nacheinander. a) Die Ptosisoperationen, bei denen er der Hess’schen Ope- ration den Vorzug gibt. Auch die übrigen Operationsmethoden werden hierbei erörtert. | b) Die perforierende Kontinuitätstrennung der Augen- lider. Besondere Sorgfallt bei Anwendung der Suturen, sowohl der konjunktivalen als der kutanen ist nötig mit ausreichender Entspannung der zu vereinigenden Lidstücke. c) Ersatz von defekten Augenlidern: a) wenn nur die äussere Hautdecke zu ersetzen ist, b) wenn ausser der äusseren Haut auch die Konjunktiva zerstört ist. Hierbei werden die verschiedenen Methoden und ihr Wert besprochen. Der gestielte oder seitlich verschobene Lappen beherrscht hierbei hauptsächlich das Feld. Die schwierigere Aufgabe der Herstellung eines defekten inneren Lidblattes kommen eben- falls eingehend zur Erörterung. d) Die Operationen bei nicht zerstörten, aber narbig völlig verzogenen und ektropionierten Lidern. Die grosse Be- deutung einer ausgiebigen Entfernung der Narben und Deckung des entstandenen Defektes. e) Die totale Zerstörung des Konjunktivalsackes. Ein Ersatz dabei ist oft sehr schwierig und unmöglich, so dass der Patient oft besser daran ist, wenn nach Exzision der narbig zerstörten Kon- Junktiva die Orbita geschlossen wird und eine Müller’sche Prothese an einem Brillengestell oder durch direkte Befestigung zur Anwendung kommt. Redner erwähnt auch die Esser’schen Vorschläge zur Wiederherstellung eines zerstörten Konjunktivalsackes. f) Die Verfahren bei Zerstörung der knöchernen Orbital- wand (Knochen, Knorpel, Fettimplantationen usw.). g) Wird die Frage von der etwa vorzunehmenden Im- plantation nach Entfernung des Augapfels in den Muskeltrichter von Knochen, Knorpel, Fett usw. erörtert. Im ganzen ist ein derartiges Verfahren überflüssig, und die Exenteratio bulbi statt der Enukleation ist bier in erster Linie zu erwähnen. h) Redner bespricht die verschiedenen Formen der Pro- thesen nach Verlust des Augapfels eventuell auch Zerstörung des Or- bitalgehaltes. Sitzung vom 14. Juni 1918. Vorsitzender: Hr. Unthoff. ‚Schriftführer: Hr. Minkowskı. Vor der Tagesordnung. Hr. Dreyer spricht über die nenzeitliche Operation des Zungen- und Mandbodenkarzinoms, weist auf die Bedeutung der Lympbgetäss- injektionen Küttner’s und den Wert der Braun’schen Lokalanästhesie für diese Operationen hin und betont, dass man auch bei ausgedehnter Operation in der Mundhöhle mit Kieferdurchsägung den gesamten Ein- griff (Ausräumung der submentalen, der beiderseitigen submaxillaren, sowie der tiefen zervikalen Drüsen links und rechts und Operation im Munde) in einer Sitzung mittelst etwas abgeänderter Schnittführung (s. Abbild.) ausführen kann. (Krankendemonstration.) Schlesische Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 1918. T. 3 Be. 34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Schnittführuug bei rechtsseitigem Sitz des Karzinoms. Tagesordnung. i. Hr. Hans Aron: „Gehäufte kleine, nicht epileptische Anfälle (Narkolepsie)“. (Krankendemonstration‘) Es wird ein 10 jähriger Knabe vorgestellt, welcher nach Angabe der Mutter seit etwa 11/, Jahren täglich zahlreiche kurzdauernde Krampf- antälle haben soll. Der 14 Monate gestillte Knabe hat sich normal entwickelt, Masern und Keuchhusten durchgemacht und öfter an Luft- röhrenkatarrh gelitten. Im Herbst 1916 soll er eine Halsentzündung gehabt haben und während der Rekonvaleszenz bei einer 3 stündigen Fahrt im offenen Wagen zum erstenmal einen kurzdauernden Schwindel- anfall. Seitdem sollen täglich immer häufiger diese kurzen Anfälle auf- treten, in letzter Zeit sogar stündlich. Verletzt hat sich der Knabe bei diesen Anfällen niemals, auch nie eingenässt. De ER a Le rn an war z & = Be 7 = m BT : g A 7 a 3 = Ir i Medizinische Sektion. I, Abteilung. - 35 Der für sein Alter kräftig gebaute Knabe ist geistig recht geweckt. Die Pulsschlagfolge ist ausgesprochen unregelmässig. Der erste Herzton ist an der Spitze zeitweilig etwas unrein, der zweite Pulmonalton deut- lich gespalten. Weitere Besonderheiten lassen sich am Herzen nicht feststellen; die übrigen inneren Organe sind gesund. Die Sehnenreflexe sind etwas lebhaft; bei Augenschluss tritt leichtes Lidflattern auf, im übrigen ergeben sich. bei Untersuchung des Nervensystems keine Be- sonderheiten. Während des Krankenhausaufenthaltes konnten nun die Anfälle des Knaben eingehend beobachtet werden. Die Antälle treten täglich etwa 6—12 mal in unregelmässigen Zwischenräumen auf. Kurz ehe der An- fall kommt, merkt es der Knabe und sagt, dass ihm schwindlig wird; geht er oder steht er, so hat er noch immer Zeit, sich rasch auf den Boden zu legen, auch auf gepflastertem Wege, ohne dass er sich ver- letzt. Während des Anfalles selbst werden Arme und Beine in leicht gebeugter Stellung krampfartig fixiert gehalten. Die Hand krallt sich, einige wenige klonische Zuckungen erschüttern die Extremitäten. Die Atmung wird angestrengter, das Gesicht erbleicht und nimmt eine leicht zyanotische Färbung an; der Speichel wird zwischen die Zähne gepresst. Die Augen blicken stier in die Luft; bei mehreren Antällen wurden auch einige schlagförmige nystagmusartige Zuckungen der Augäpfel be- obachtet. Nach etwa !/—!/, Minute Dauer löst sich der Kramptzustand meist unter tiefem Autseufzen. Der Knabe ist im Augenblick wieder bei sich, weiss sofort, wo er sich befiudet, z. B. beim Spazierengehen im Garten, von wo er gekommen ist, und antwortet auf Fragen unmittelbar nach dem Anfall ebenso, als ob nichts vorgegangen wäre. Eine Er- innerung für das während des Anfalls Geschehene besteht jedoch nicht, Beı 5 Anfällen ist es gelungen, trotz der sehr kurzen Dauer der Anfälle die Pupillarreaktion und den Babinski’schen Reflex zu prüfen. Die Pupillen sind während der ganzen Dauer des Antalls weit und reagieren ‘nicht auf Licht. Gleich nachdem sich der Anfall gelöst hat, tritt die Pupillarreaktion prompt ein. Der Babinski’sche Reflex ist, während des Anfalls geprüft, deutlich positiv; besonders gegen das Ende des Anfalls streckt sich beim Bestreichen der Fusssohle die grosse Zehe derartig intensiv, dass man an die Fussstellung bei Friedreich’scher Krankheit erinnert wird. Auch dieser Reflex verschwindet, sobald der Knabe wieder zur Besinnung kommt. Im Verlaufe der Sitzung trat ein typischer Anfall bei dem Knaben auf, und es gelang auch das ge- schilderte Verhalten der Reflexe zu demonstrieren. Da nach Untersuchungen von Mann bei derartigen gehäuften kleinen Anfällen Beziehungen zur Tetanie bestehen, wurde die Erregbarkeit der “ peripheren Nerven genau studiert. Eine mechanische Uebererregbarkeit des Nervus peroneus konnte nicht festgestellt werden. Die elektrische Erregbarkeit geprüft am Nervus medianus ergab Werte, die zwar sehr niedrig sind, aber wohl noch nicht als pathologisch bezeichnet werden können. _So lag die K. Oe. Z. stets über 5M, für die K.S.Z. wurden aber Werte von 2/,—1Ma, für’die A. S. Z. Werte von 11/,—2 Ma beob- achtet. Der Erwähnung wert erscheint noch, dass gelegentlich ber Be- obachtung der Pulszahl eine ganz besonders auffällige Arhythmie fest- gestellt wurde und wenige Minuten darauf ein Anfall auftrat. Man darf also vielleicht annehmen, dass die sonst schwer zu erklärende Arhythmie bei dem Knaben mit den nervösen Erscheinungen im Zusammenhang steht, Die wichtige Frage, ob es sich im vorliegenden Falle um eine Er- scheinungsform der Epilepsie, der Hysterie oder um ein besonderes‘ Krankheitsbild handelt, das sowohl von der Epilepsie als auch von der Hysterie geschieden werden muss, möchte ich folgendermaassen beant- worten: B 36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Wenn bei einem Kinde so häufig wie bei diesem Knaben echte epileptische Anfälle auftreten, so haben wir fast regelmässig eine Schädi- gung der gesamten Iutelligenz zu konstatieren. Weiterhin wäre auch einmal bei einer echten Epilepsie eine Verletzung oder wenigstens ein Eınnässen zu erwarten gewesen. Die für die Epilepsie so charakte- ristischen Nachwehen und die Aura fehlen bei den Anfällen unseres Knaben vollkommen. Gegen die Annahme, dass es sich um eine Erscheinungsform der Hysterie handeln könnte, sprechen das Fehlen der Pupillenreaktion und das Auftreten des Babinski’schen R-flexes während des Anfalles. Das beobachtete Krankheitsbild reiht sich am besten einer Anzahl von Fällen ein, die man teils als „Narkolepsie“, teils, vielleicht richtiger, als „gehäufte, nicht epileptische Anfälle (Absencen) im Kindesalter“ (Friedmann) bezeichnet hat. Nach der Ansicht der meisten Autoren muss man dieses Krankheitsbild scharf von der genuinen Epilepsie trennen, vor allem hinsichtlich der Prognose, weil auch trotz grosser Häufigkeit der Anfälle die latelligenz niemals Schaden leiden soll. Die nahe liegende Befürchtung, dass ein derartiges Krank- heitsbild in eine genuine Epilepsie übergehen könne, scheint nach den bisher vorliegenden Beobachtungen nicht begründet. Ia einigen Fällen wird berichtet, dass sich die Antälle ebenso plötzlich, wie sie auf- getreten sind, auch wieder verloren haben. So möchte ich auch in unserem Falle die Prognose als günstig bezeichnen, jedenfalls unver- gleichlich vıel günstiger, als wenn es sich um eine Epilepsie handelte. Therapeutisch haben wir bisher eine Bromkur versucht. Trotz Steigerung der Gaben bis auf 3g Bromnatrium täglich über 2 Wochen hindurch, gelang es nicht, die Anfälle zu unterdrücken. Der Knabe wurds zwar unter den grossen Bromgaben schläfrig und matt, die An- fälle traten aber trotzdem in fast unverminderter Zahl auf. Dieses Ver- sagen der Bromtherapie ‚ist auch nach den Beobachtungen anderer Autoren für das Krankheitsbild der grhäuften kleinen Anfälle 'charakte- ristisch und kaun ebenfalls noch als Beweismoment dafür angeführt werden, dass es sich hier um etwas anderes als um Epilepsie handelt. Wenn auch der vorgestellte Fall ein recht seltenes Krankheitsbild darstellt, so schien es doch wichtig, auf dieses etwas näher einzugehen, weil die Unterscheidung dieser Form von Anfällen im Kindesalter von den echten epileptischen praktisch von grösster Bedeutung ist. So wäre es verfehlt, ja geradezu schädlich, das Kind etwa mit anderen eplilep- tischen Kindern in einer Heilanstalt unterzubringen. Da die Brom- therapie vollkommen versagt hat, haben wir zunächst begonnen, dem Knaben Caleium chloratum in grösseren Dosen (5 g täglich) zu geben; über die Wirkung dieser Medikation kann vorerst noch nichts gesagt werden. Aussprache. Hr. L. Mann: Der vorgestellte Fall scheint mir durchäus charak- teristiscb für das in Rede stehende Krankheitsbild. Ich habe eine ganze Anzahl derartiger Fälle gesehen und habe immer als ganz besonders ausschlaggebend für die Diagnose das vollständige Versagen der Brom- therapie gefunden. Selbst auf sehr grosse Bromdosen reagieren diese Anfälle gar nicht, während im Gegenteil die kleinen epileptischen Antälle (sogenannte Absencen oder Petit mal) in ausgezeichneter Weise durch Brom beeinflusst werden. Prognostisch ist zu sagen, dass diese kleinen, gehäuften, nicht epileptischen Anfälle in der Regel nach Verlauf einiger Jahre plötzlich und ohne ersichtlichen Anlass ebenso wieder ver- schwinden, wie sie gekommen sind, und dass trotz jahrelangen Bestehens dieser Anfälle die psychische Eatwieklung der Kinder nicht leidet. Dies ist praktisch natürlich ausserordentlich wichtig, damit den Eltern nicht Medizinische Sektion. 1. Abteilung. { 37 eine beunruhigende, ungünstige, nachher sich als falsch 'herausstellende Prognose gesagt wird. Uebrigens habe ich auch von Kalziumtherapie keinen Einfluss auf die Anfälle gesehen. Was die elektrische Erregbar- keit anbetrifft, die ich in einigen dieser Fälle als gesteigert gefunden habe (ein Befund, der später von Friedmann bestätigt worden ist), so scheint ja auch im vorliegenden Falle eine, wenn auch leichte Erregbarkeitssteigerung vorzuliegen. Ich bemerke im übrigen, dass ich durchaus nicht bei allen Fällen die Erregbarkeitssteigerung gefunden habe und nehme daher an, dass nur für einen Teil der Fälle die spas- mophile Diathese die Grundlage für die Entstehung des Leidens abgibt, dass dasselbe aber auch auf einem andersartigen psyehopathischen Boden erwachsen kann. Pupillenstarre habe ich ebenfalls in einem Fall, den ich bereits beschrieben habe, während des Anfalls beobachten können, Babinski ist von mir noch nicht festgestellt worden. : 2. Hr. O. Bossert: Die choreatisch-athetotische Form der zere- bralen Kinderlähmung. DEU Vortragender stellt einen Sjährigen Knaben vor, dessen Vater au Tuberkulose gestorben ist. Die sonstigen Angehörigen des Knaben sind alle gesund; er selbst hat ausser einer Augenentzündung vor einem Jahr niemals Krankheiten durchgemacht. Ende September 1917 ist der Knabe auf dem Glatteis susgerutscht und auf den Rücken gefallen. Hernach soll er sich nicht wohl gefühlt haben.. Wenige Tage nach dem Fall zuckte er eigentümlich mit den Armen und konnte den Kopf nicht aufrecht halten. Seitdem sollen die Arme andauernd bewegt werden, und aus diesem Grunde wird der Knabe der klinischen Beobachtung zugeführt. Der Knabe ist leidlich entwickelt, hat einen für sein Alter ziemlich kleinen Sckädel, seine Sprache klingt nicht ganz artikuliert, und zunächst erscheint sein Sensorium nicht ganz frei. Zeitweise zeigt er ein auf- fallendes Schlafbedürfnis. In den oberen Extremitäten treten dauernd Zuckungen auf, die bald mehr choreatischer, bald mehr athetotischer Natur sind, und die auch im Schlaf anhalten. Mit Vorliebe bält er die Beine angezogen, im übrigen fehlen meningeale Symptome. Die Intelligenz des Knaben ist dem Alter entsprechend, sein psychisches Verhalten ist etwas eigentümlich, er ist sehr schüchtern, bald auffallend verdriesslich, bald wieder recht munter. Am rechten Auge sieht man deutliche Maculae corneae, sonst ist der interne Befund bedeutungslos. Eine Spezialuntersuchung in der Augen- und Ohrenklinik ergibt ganz normale Organverhältnisse. Die Wassermann’sche Reaktion ist negativ, die Intrakutanreaktion mit Tuber- kulin 1:1000 ergibt eine starke Reaktion von skrofulösem Charakter. Die Patellarreflexe sind nicht auffallend lebhaft, der Gurdon’sche Reflex ist ab und zu angedeutet. Weder das Babinski’sche noch das Oppen- heim’sche Phänomen besteht, die Kremaster-, ebenso die Bauchdecken- reflexe sind sehr lebhaft und zeigen keine Differenz zwischen rechts und links. Der Gang des Knaben ist, wenn er aus dem Bett gebracht wird, zunächst leicht ataktisch, die Ataxie verschwindet jedoch nach längerem Gehen. Zugleich geht er etwas nach vorne gebeugt. Das Romberg’sche Phänomen ist negativ. Beim Beklopfen des Schädels hört man keine Schallunterschiede, Schmerzen werden dabei nicht geäussert. Die Ober- ‚flächen- desgleichen die Tiefensensibilität ist völlig erhalten. Die Muskulatur ist im ganzen bypotonisch, doch ergibt die weitere Untersuchung, dass die unteren Extremitäten vorübergehend deutliche, ja fast unüberwindliche Spasmen zeigen, ohne dabei von einem positiven Babinski’schen Phänomen begleitet zu sein. Diese Spasmen treten namentlich dann auf, wenn der Knabe rasch aus dem Bett auf den 38 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Boden gebracht wird und stehen soll. Er steht zunächst mit Spitzfuss, und die ersten Schritte fallen ihm schwer. Da am Tage nach der Aufnahme in die Klinik starke Stirnkopf- schmerzen geäussert werden, wird eine Lumbalpunktion gemacht, bei der der Druck zunächst 400, bei weiterem Ablassen 350 bzw. 300 mm Wasser beträgt. 5 cem klares Punktat werden abgelassen, in dem der Eiweiss- . gehalt nicht erhöht und die Zellen nicht vermehrt sind. Nach der Punktion fühlt sich der Knabe viel wohler. Eine wenige Tage später vorgenommene Lumbalpunktion wegen wieder auftretender Kopfschmerzen und grosser Unruhe ergibt niedrigere, doch noch nicht ganz normale Druckwerte bei gleicher Beschaffenheit des Punktats. Auch nach dieser zweiten Punktion tritt deutliche subjektive Besserung ein. Berücksichtigen wir nun den Beginu der Erkrankung im späteren Kindesalter, die fehlenden Krämpfe in der Anamnese und den Mangel einer Iatelligenzstörung, beachten wir fernerhin die choreatisch-athe- totischen Bewegungen, die auf die oberen Extremitäten beschränkt sind, den auffallenden Spasmus mobilis in den unteren Extremitäten und die Teilnahme der Nacken- und Artikulationsmuskulatur an der Störung, so dürfen wir wohl annehmen, dass hier eine yeıhältnismässig seltene Form der zerebralen Kinderlähmung vorliegt, die von Freud die „choreatische bzw. athetotische Parese“ benannt wurde. Ueber die Aetiologie des Leidens ist nichts Sicheres auszusagen. ob das Schädeltrauma in irgendeinem Kausalzusammenhang dam . steht, wagen wir nicht zu entscheiden. Dass es sich um einen eigentlichen Tumor handelt, ist unwahr‘ cheiu- l:ch beim Fehlen sicherer Herdsymptome. Bei den wechselnden Spasmen und dabei fehlenden Babinski’schen Phänomen möchten wir am ehesten an wechselnde Reize, die die Gehirnoberfläche treffen, denken. Die Prognose der Erkrankung möchten wir nicht günstig tellen. Bis jetzt haben wir eine symptomatische Therapie eingeleitet und haben durch Lumba'punktionen die starken Kopfschmerzen des Kindes beseitigt. Bsi allzu grosser Unruhe und Verdriesslichkeit haben wir von kleinen Luminaldosen gutes gesehen. In Anbetracht des vermehrten Hirndrucks möchten wir eine Schwmierkur bzw. eine Behandlung mit Santalöl einleiten. 3. Hr. Ing. Lühdorft (als Gast) hält einen Vortrag mit Demonstra- nonen: Ueber den Sanitätshund, speziell auch im Dienste der Kriegs- linden. Sitzung vom 28. Juni 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Schriftführer: Herr Minkowski. Vor der Tagesordnung. Hr. Coenen demonstriert einen Patienten mit Lungenverletzung, dem durch den Stosszahn eines Elephanten der Thorax durch- spiesst wurde. Das gereizte Tier bearbeitete den Mann zuerst mit dem Rüssel, warf ihn hin und spiesste ihn dann. Der Stosszahn ging in der Nähe der linken Achselhöhle quer in die Brust und soll nach der bestimmten Angabe des Verletzten auch in die linke Brusthöhle vor- gestossen sein. Dafür spricht, dass sich zwischen rechter Brustwarze und rechter Achselhöhle eine runde gequetschte Hautstelle befand, die den Eindruck machte, als wenn sie durch eine Prellung von innen heraus entstanden wäre. Wenn die bestimmte Angabe des Patienten zutrifft und der Stosszahn wirklich in die gegenüberliegende Brustseite eingedrungen war, so musste dies ohne Verletzung der lebenswichtigen Organe des vorderen Mediastinums geschehen sein, was nur so zu er- N en Medizinische Sektion. I. Abteilung. 39 klären ist, dass der Thorax im Moment der queren Durchspiessung eine Deformation erlitt und im Tiefendurchmesser stark erweitert wurde, so . dass die Zwischenräume des Mediastinums sich vergrösserten und ein Vorbeigleiten des Zahnes möglich war. Mit dieser Erklärung steht im Einklang, dass der Patient auf beiden Thoraxhälften mehrfache Rippen- brüche und ausgebreitetes Hautemphysem hatte. Rechts war ein ausserer Pneumothorax, liuks war der Pneumothorax, der nur ein innerer hätte sein können, fraglich. Infolge dieser Rippenbrüche und des Pneumothorax erschien der ganze Thorax starr und bewegte sich bei der Atmung beiderseits nicht. Nur das Zwerchfell wogte heftig auf und ab. Der Patient war im höchsten Grade zyanotisch und kurz- luftig. Daher wurde die Thorakotomie links unter Druckdifferenz- narkose gemacht. Resektion mehrerer Rippen links unter bogenförmiger Schnittführung, Herauswälzen der linken Lunge und Naht eines klein- fiogerdicken Loches von beiden Seiten am vorderen Rande der Lunge. Darauf unter stark geblähter Lunge luftdichter Verschluss der Thorax- wunde und Exzision und Naht der darüber gelegenen 6 cm breiten Stichwunde.e Am folgenden Tage wurde, da sich wieder Oppressions- erscheinungen einstellten, durch Punktion 1 Liter Blut entleert, dann ' folgte glatte Rekonvaleszenz, so dass der Mann jetzt nach 2 Monaten wieder seinem Zirkus nachreisen kann. Tagesordnung. 1. Hr. Schäffer: Ueber Strongyloides intestinalis und seine kli- nische Bedeutung. Bei einem Soldaten, der seit seiner Tätigkeit auf dem italienischen Kriegsschauplatz an hartnäckigen chronischen Diar- rhoen litt, fanden sich Strongyloideslarven in grosser Anzahl im Stuhl. In der Kultur wurde ausnahmslos die direkte Metamorphose in die filari- forme Larve beobachtet. — Eine ausführlichere Mitteilung erscheint nach Abschluss therapeutischer Versuche unter den Originalien dieser Wochenschrift. 2. Hr. Bumke hält seinen angekündigten Vortrag: Suggestibilität, psychogene Reaktion und hysterischer Charakter. (Siehe Teil II.) Sitzung vom 12. Juli 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Schriftführer: Herr Partsch. Hr. Uhthoff: Auch heute muss ich leider die Sitzung mit Worten des trauernden Gedenkens eröffnen für einen dahingeschiedenen Kollegen, der uns allen sehr nahe gestanden hat. Der Priv.-Doz. Prof. Dr. Julius ‘Sehmid ist nach schwerer Krankheit am 6. Juli 1918 verschieden. Wohin man hört, nur Worte tiefer Trauer und unbegrenzter Aner- kennung! Die Universität beklagt in ihm einen ihrer besten Dozenten für innere Medizin mit tiefgründigem Wissen und grossen wissenschaft- lichen Verdiensten besonders auf dem Gebiete der Stoffwechselerkran- kungen. Das Allerheiligen-Hospital hat in ihm einen, seiner besten Primärärzte verloren, der sich durch seltene Pflichttreue und Hingabe an den ärztlichen Beruf auszeichnete. Selbst nachdem er seine töd- liche Erkrankung selbst erkannt hatte, hat er es sich nicht nehmen lassen, bis zuletzt seine ganzen Kräfte in den Dienst der Kranken und Verwundeten zu stellen. Unter seinen Kollegen hatte er keinen Feind oder Neider, was bei seinem lauteren Charakter und seinem bescheiden- gütigen, stets hilfsbereiten Wesen nicht anders sein konnte. Seine Kranken verehrten ihn und hingen an ihm im Gefühl tiefster Dankbarkeit. 40 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater Cultur. Ein gerader aufrechter Mann, ein ausgezeichneter Kollege und Arzt, an dem wir uns alle ein Beispiel nehmen Kunun ist von uns geschieden. Ehre seinem Andenken! Tagesordnung. 1. Hr. Cyran demonstriert einen Fall von Hypophysenschädigang durch Schädelbasisfraktur. Es ist ein jetzt 48jähriger Mann, der im Oktober 1902 als Lokomotivheizer einen Unfall dadurch erlitt, dass er mit dem Kopf zwischen die Puffer zweier Eisenbahnwagen geraten ist. Er wurde im bewusstlosen Zustande, aus dem Mund und linken Ohr blutend, ins Kreiskrankenhaus (Waldenburg) eingeliefert, wo eine links- seitige Gesichtslähmung- und Schädelbasisbruch festgestellt wurde. Nach etwa drei Wochen stellte sich aus dem linken Nasenloch ausgehende Gesichtsrose und nach einer weiteren Woche eine Hornhautverhärtung mit Geschwürsbildung im Bereich der Augen- lidspalte des linken Auges ein. Ende November wurde in der Schlesi- schen Provinzial-Augenklinik auf der linken Seite vollständige Lähmubg des Fazialis (VID), Trigeminus (V), Trochlearis (IV), An.- duzens (VI), Olfaktorius (MD) und Akustikus (VIII) tele ln Das linke Auge war entzündet (Keratitis neuroparalytica). Mitte Dezember wegen eines eitrigen Ohrausflusses nach der chirurgischen Klinik überwiesen, machte er zweimal linksseitige Gesichtsrose durch. Im”Mai’1903 bestätigte Dr. C. Storch in der Universitätsnerven- poliklinik (Matthiasstrasse) die oben angegebene Lähmung der Hirn- nerven und konstatierte ausserdem Gleichgewichtsstörungen, die für linksseitige Labyrintherkrankung sprachen, was Prof. Hins- berg bald darauf bestätigte. Kramer fand im Jahre 1912 den von Dr. Storch erhobenen Be- fund unverändert, und erst Dr. Stöcker fiel im Jahre 1915 — und jetzt kommt das Interessante an dem Fall — das Fehlen der Be- haarung in den Achselhöhlen und in der Genitalgegend und ausserdem der geklagten Impotenz entsprechende Hodenatrophie besonders auf der rechten Seite auf, die jetzt durchaus augenfällig ist Rechts ist vom Hoden so gut wie gar nichts vorhanden. Sie sehen die Kau- und mimische Muskulatur der linken Gesichtshälfte in einem Kon- trakturzustand. Die Haut ist hier völlig unempfindlich. Es besteht linksseitige Anosmie und Nasentropfen, der Geschmack auf der linken Zungenhälfte ist aufgehoben. Der linke Bulbus ist geschrumpft. Auf dem linken Ohr ist mässige Schwerhörigkeit vorhanden; bei Fussaugen- schluss Neigung nach hinten links zu fallen. Sonst neurologisch nichts Krankhaftes. Irgendwelche sonstigen dystrophischen Veränderungen sind durch das Auge nicht festzustellen. Der Kehlkopf ist ganz nackt, die Sehilddrüse sicherlich atrophisch. Der Harn ist frei von Eiweiss und Zucker, die Harumenge und die Temperatur normal, das Gesichtsfeld nicht eingeschränkt. Wir wissen von zahlreichen Beobachtungen von ler. und Gross, sowie anderen, dass die Hypophyse Kastration bei Menschen und Tier mit Volumszunabme (Vermehrung der Eosinophilen) beantwortet. Cushing’s und Biedl’s Exstirpationsversuche beim Tier haben andererseits gezeigt, dass partielle Entfernung des Vorderlappens der Hypophyse zu Haarausfall, Hoden- bzw. Ovarienatrophie und zuweilen zu akuter Schilddrüsenatrophie führt. In unserem Falle hat offenbar der Unfall ein derartiges Experiment beim Menschen durchgeführt. Wir können annehmen, dass die durch den Unfall gesetzte Schädelbasisfraktur noch eine Alteration der Hypo- physe und zwar ihres Vorderlappens zur Folge gehabt hat, die dank Medizinische Sektion. I. Abteilung. 41 der Korrelation der inneren Drüsen untereinander, auch die Generations- drüse in den Schädlichkeitsbereich gezogen hat: Soweit ich die Literatur bisher überschaue, steht dieser Fall ver- einzelt da. 2. Hr. Jaretzki demonstriert zwei Fälle von Elephantiasis der Hand nach Trauma. Ich erlaube mir die Vorführung zweier Fälle von elephantiastischer Schwellurg der Hand nach vorangegangenem Trauma, die wegen ihrer Seltenheit und wegen der ungewöhnlichen Maasse der Schwellungserscheinungen von Interesse sein dürften. Der erste Fall ähnelt sowchl. nach seiner Aetiologie als nach dem anatomischen Krankheitsbilde dem 1902 von Vulliers und Secer6tan zum ersten Male beschriebenen sogen. „harten traumatischen Oedem (des Handrückens“. Die in den etwa 50 seitdem beschriebenen Lite- raturveröffentlichungen einigermaassen konstant wiederkehrenden Cha- rakteristika, nämlich die Härte des kaum Druckstellen hinterlassenden Oedems, seine proximale scharfe Begrenzung in der Handgelenksgegend sowie die eigentümliche Beschaffenheit der blassen, leicht schwitzenden und etwas schilfernden Haut finden wir auch hier wieder. Nur das starke Maass der Schwellung und die Beteiligung der enorm verdickten Finger an derselben dürfte den bekannten Rahmen des Krankheitsbildes überschreiten. Als Trauma wirkte in diesem Falle das Herabfallen eines kleinen Baumstammes auf den Handrücken. Es trat bereits nach zwei Tagen ein beträchtliches Oedem des Handrückens auf. Aeussere Ver- letzungen fehlten. Röntgenbild ergab Bruch des 3. Mittelhandknochens. Die im Laufe der nächsten Wochen folgende Behandlung mit Hoch- lagerung und Heissluft änderte nichts an der Schwellung. Die nunmehr angewandte Massage verschlimmerte sie sogar. Letzteres deckt sich mit den Erfahrungen einer grossen Anzahl von Autoren über das harte traumatische Oedem und brachte Schlichting und Patry zu. der all- gemein wohl sicher nicht gültigen Ansicht, dass die meisten dieser Fälle auf Selbstverstümmelung des Patienten durch fortgesetztes Reiben der Haut zurückzuführen seien. Ueber den Verlauf der nunmehr ein reich- liches Jahr bestehenden Erkrankung sei nur noch kurz angeführt, dass die Schwellung mit geringen Maassschwankungen und unter ständiger Verhärtung unverändert fortbestanden hat. Die Bewegung in den Ge- lenken und damit die Gebrauchsfähigkeit der Hand ist heute etwa auf 1/, bis 1/4 der Norm herabgesetzt. Eine vor einigen Monaten einsetzende Phlegmone des Handrückens machte Wiederaufnahme des .bereits ent- lassenen Patienten ins Lazerett und Inzisionen des Unterhautzellgewebes erforderlich. Die Wunden sind sehr langsam geheilt; die Schwellung der Hand blieb unverändert. ‘ Der zweite Fall bietet verschiedene Abweichungen vom Typ des sogenannten harten traumatischen Oedems der Hand dar. Es fehlt die scharfe Abgrenzung der Schwellung in der Handgelenksgegend, sie reicht ° vielmehr bis in die Eilenbogengegend hinauf; die Finger sind in enormem Grade verdickt. Der Haut fehlt die Neigung zum Schwitzen sowie die eigentümliche Blässe. Nur Abschilferungen bestehen auch hier. Vor allem übersteigt das Maass der Schwellung durchaus die Grenzen der bekannten Schilderungen des harten traumatischen Oedems. So misst die Handmitte 91/; cm mehr als auf der gesunden Seite, der Finger- umfang ist sogar annähernd verdoppelt. Die Schwellung des Unterarms ist allerdings weniger erheblich (3 cm gegenüber dem gesunden Arm): ‘Wir haben es durchaus mit einer elephantiasisartigen Erkrankung zu tun, die offenbar nur bis in die Tiefe der oberflächlichen Faszie reicht und daher eine verhältnismässig erstaunlich gute Beweglichkeit in den Gelenken gestattet (wie wir es bei der Elephantiasis der unteren Ex- tremitäten beobachten). 42 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Als Trauma wirkt in diesem Falle eine oberflächliche Granatsplitter- | verletzung am Handrücken, die so geringfügig war, dass Patient bei der Truppe bleiben konnte. Die Wunde ging nach wenigen Tagen jedoch in Eıterung über und machte Lazarettbehandlung nötig. Gleichzeitig trat eine sich allmählich verstärkende Schwellung der Hand und des Unterarms auf. Ausgedehnte Inzisionen, die im dritten Krankheitsmonat gemacht wurden und bei denen das Unterhautzellgewebe als „verdickt, glasig aussehend und mit heller Fiüssigkeit durchtränkt“ gefunden wurde, schaffen eine mehrwöchige Abschwellung. Der Versuch, die Schwellung und Gelenkversteifung durch Massage weiter zu bessern, hat Wieder- verstärkung der Schwellung zur Folge. Während die ursprüngliche Wunde als kleiner, oberflächlicher, wenig sezernierender Defekt bestehen bleibt, verstärkt sich nunmehr die Schwellung trotz Ruhigstellung, feuchter Verbände und Hochlagerung mehr und mehr. In diesem Stadium Auftreten eines Erysipels, das bald abklang. Die unförmliche Schwellung und der geschwürige Hautdefekt am Handrücken bestehen seit dieser Zeit unverändert fort. Das Röntgenbild weist, abgesehen von einer deutlichen Atrophie sämtlicher Hand- und Fingerknochen, die wohl als Aktivitätsatrophie aufzufassen ist, keine Veränderungen auf. - Einige kurze Bemerkungen über die Pathogenese dieser beiden elephantiastischen Schwellungen auf Grund der vorliegenden Literatur mögen folgen. Die in beiden Fällen charakteristische Schwellung ist zweifellos zunächst auf eine Säftestauung, sodann auf die allmählich auftretende Gewebswucherung der Unterhäut zurückzuführen. Die Lite- ratur über das harte traumatische Oedem, dessen Härte ja doch auf einer besonders starken Unterhautbindegewebswucherung zu beruhen scheint, bringt für die Entstehung dieser Wucherung mannigfache Er- klärungen. Thöle und Aravantinos glauben an Ablagerung der festen, namentlich der fibrinbildenden Stoffe aus dem infolge Stauung ausgetretenem Blut- und Gewebsplasma, während andere Autoren, wie Strohmeyer, eine chronische Eatzündung des Koriums und Unterhaut- zellgewebes (bei infizierten Wunden infolge toxischen Reizes) verant- wortlich-machen. Auch über die Eatstehung des Stauungsprozesses sind die Meinungen geteilt. Für die Fälle von Trauma mit infizierten Wunden (wie bei Fall 2 Erysipel und Lympbangitis) dürfte die z.B. von Stroh- meyer und Hohmann gegebene Erklärung ausreichend sein. wonach die Stauung auf entzündlicher Veränderung der oberflächlichen Lymph- gefässe (gelegentlich auch der Venen), auf toxischer Grundlage beruht, welche zu einer Schwellung des Eadothels und damit zur Verengerung oder gar zu völligem Verschluss der abführenden Gefässe führt. Für die offenbar überwiegende Anzahl von Fällen des harten traumatischen Oedems ohne äussere Verletzungen scheint hingegen die Erklärung Thöle’s zu Recht zu bestehen. Nach ihm ist die Stauung eine Folge “ der durch den "mechanischen Reiz des Traumas erfolgten Schädigung der Gefässwandung, die an Elastizität einbüsst. Die Folge ist eine chronische Hyperämie und chronische Verstärkung des Lymphtranssudates. Es stehen sich also die Ansichten von passiver und aktiver Stauung gegen- über. Für die auffallend scharfe Absetzung des harten traumatischen Oedems (wie wir sie auch in Fall 1 sehen) wird von Levy die Begren- zung der chronischen Lymphgefässentzündung durch das Ligamentum carpi dorsale verantwortlich gemacht. Die Therapie der elephantiasti- schen Schwellungen wird bekanntlich ebenfalls stark umstritten. Von operativen Methoden haben sich keilförmige Exzisionen nach Huber und Fadendrainage nach Handley am meisten bewährt. Der Erfolg der letzteren, bei der durch Einführung und Einheilung dieker Seidenfäden unter die Haut die Bildung neuer Lymphbahnen erstrebt wird, scheiterte in unserem zweiten Falle an der Infektiosität des ganzen Gewebes. Da Medizinische Sektion. I. Abteilung. ng die Hand, weniger wegen der Versteifung der Gelenke als wegen ihrer enormen Schwere und der offsnbaren Unmöglichkeit, die der letzteren im heutigen Stadium wohl grösstenteils zugrunde liegenden starken Pachydermie operativ zu beseitigen, kaum wieder gebrauchsfähig werden dürfte, ist die vom Patienten selbst gewünschte Absetzung beabsichtigt. 3. Aussprache über den Vortrag des Herrn Bumke: Suggesti- bilität, psychogene Reaktion und hysterischer Charakter. Hr. Rosenfeld: Zu den interessanten Darbietungen des Herrn Bumke, nach denen Hysterie und Simulation wegen der Gleichheit des seelischen Vorganges nicht zu trennen seien, darf wohl hingewiesen werden auf die fast völlige Unmöglichkeit das Schüttelzittern zu simu- lieren. Die Nachahmung selbst des grobschlägigen Tremors ermüdet in kurzer Zeit so beträchtlich, dass es kaum denkbar erscheint, den Tremor längere Zeit vorzutäuschen. Wenn das aber auch gelänge, ‚so würde sich voraussichtlich am Stoffwechsel des Simulanten die absichtliche Nachahmung erkennen lassen. Der schüttelnde Hysteriker vollbringt mit dem Schütteln seiner Glieder immerhin eine nicht geringe Arbeitsleistung, Nun müsste er für diese Arbeitsleistung ein Plus an Nahrungsmitteln zu sich nehmen, um aus ihrer kalorischen Energie seine Bewegungs- leistung zu bestreiten. Man sieht aber, dass die Schüttelzitterer keines- wegs eine vermehrte Nahrungsaufnahme haben und auch nicht an Körpergewicht abnehmen. Versuche, welche ich unternommen habe, um im Roaspirationsstoffwechsel die Schüttelzitterer zu beobachten, konnten leider durch die Ungunst der Verhältnisse nicht durchgeführt werden. Der Simulant würde aber unbedingt ein Plus von Nahrung ge- brauchen und daran erkannt werden. Ausser diesem Probleme bietet der Schüttelzitterer eben in der mangelnden Ermüdung eine zweite höchst auffallende Tatsache, welche freilich ihr Gegenstück in zwei bereits be- kannten Tatsachen findet. Die erste ist eine Beobachtung am Bergonie- schen Entfettungsapparat. Die zu entfettende Person macht in jeder Sekunde oder noch öfter Zuckungen mit den Hauptmuskelgruppen des Körpers und zwar unter Belastung mit 50 kg und mehr. Dass sie dabei nicht wesentlich an Fett abnimmt, habe ich schon früher ausführlich mitgeteilt. Sie ermüdet aber trotz. mehrstündiger Arbeit nicht, und das dürfte darauf zu beziehen sein, dass diese Zuckungen durch elektrische Erregung und nicht durch Willenserregung zustande kommen, denn die Willenserregung scheint die Vorbedingung für Ermüdungswirkung zu sein. Das zeigt sich bei einer zweiten Gelegenheit, nämlich dem von dem Ingenieur Taylor eingerichteten psychologischen Wirtschaftssystem: psychological management!). Durch ein eigenartiges Kommandosystem werden Schauflern ihre Bewegungen vorgeschrieben. Hierdurch — so- wie durch einige andere Einrichtungen: Auswahl der Schaufeln, Regelung der Form der Bewegung — werden die Schaufelleistungen auf das vier- fache gesteigert. Ein Mann, der sonst; 16 Tonnen bewegte, konnte jetzt 59 Tonnen pro Tag leisten ohne grössere Ermüdung. Auch hier ist dieses Ausbleiben der Ermüdung durch die Ersparung des Willensimpulses beim Arbeitenden erklärlich: ebenso wie der Schrittmacher dem Rad- fahrer die Ermüdung durch seine Anstrengung etwas vermindert. Diese beiden Tatsachen: Die Ermüdung und der Mehrverbrauch im Stoffwechsel werden wohl als Kennzeichen des Simulanten bestehen bleiben. Hr. Ludwig Mann: Es ist zweifellos richtig, dass die Hysterie nur solche Erscheinungen produzieren kann, welche unserem Bewusst- sein und unserem Willen unterworfen sind, welche daher auch simulier- bar sind. In der Erscheinungsform müssen sich daher simulierte und ‘1) B.kl.W., 1915, Nr. 20, S. 520. 44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. hysterische Symptome prinzipiell gleichen. Ein durchgreifender Unter- schied liegt aber in manchen Fällen in der Intensität und Dauer des hysterischen Symptoms: ein Schüttelkrampf oder eine tonische Kon- traktur kann für einige Minuten in genau derselben Form von jedem Gesunden willkürlich produziert werden. Das ununterbrochen gleich- mässige Bestehen dieser Erscheinungen, wie es in manchen Fällen tage-, wochen- und monatelang beobachtet wird, kann aber willkürlich nicht hervorgebracht werden, wegen der sehr bald eintretenden Muskelermü- dung, wie schon der Herr Vorredner ausgeführt hat. Mir ist dieses Phänomen der fehlenden Ermüdung bei den Hysterischen stets sehr auf- fallend gewesen. Sollte man nicht an eine besondere Form der Muskel- innervation, etwa durch sympathische Fasern (vergl. den Vortrag von Dr. Frank in unserer Gesellschaft) dabei denken können? Auch bei den Anästhesien lässt sich manchmal eine Intensität und Däuer der Erscheinungen konstatieren, welche sicher nicht simulierbar ist, indem die Patienten zu keiner Zeit auf ganz überraschende, noch so intensive Reize reagieren. Dabei lässt sich die Anästhesie natürlich in genau der gleichen Form und Ausdehnung für kurze Zeit bei an- gespannter Aufmerksamkeit simulieren. Diese extremen Fälle lassen also ganz sicher das bysterische Sym- ptom als nicht simuliert erkennen. Bei der überwiegenden Zahl der landläufigen, leichteren hysterischen Symptome ist die Unterscheidung aber aus irgendwelchen klinischen Eigentümlichkeiten schlechterdings unmöglich. Ich möchte nun im Anschluss daran den Herrn Vortragenden fragen, wie er sich forensisch in diesen Fällen stellt. Bei der Mehrzahl der Fälle bleibt uns als ausschlaggebend für unser Urteil doch nur der „allgemeine Eindruck“, den der Patieut macht; ein sehr unsicheres Kriterium! Sollen wir nun in den jetzt so häufig zur gerichtlichen Ab- urteilung kommenden Fällen von Simulationsverdacht dem Richter die Unmöglichkeit der Unterscheidung klarzumachen suchen? Es ist dies eine recht schwierige Situation, da Anschauungen über das Wesen der Hysterie, wie sie der Herr Vortragende entwickelt hat, naturgemäss beim Laien auf wenig Verständnis stossen werden. Hr. Bumke: Der Satz, die meisten simulierten Symptome lassen sich von psychogenen nicht trennen, darf natürlich nicht umgekehrt und nicht dahin missverstanden werden, dass nun etwa alle psychogen ent- standenen Störungen einfach als simuliert aufgefasst werden. Schon die normale Suggestibilität setzt Mechanismen in den Gang oder stört sie, .die sich willkürlich nicht beeinflussen lassen. Auf pathologischem Gebiete gilt das erst recht. Ja, es scheint, als wenn hier auch Bewegungsformen selbständig und vom Willen unabhängig werden können, die ursprünglich willkürlich geregelt wurden. Trotzdem ist die Ueberführung eines Simulanten, wie der Vortragende Herrn Mann gegenüber bemerkt, gelegentlich doch möglich, z. B. dann, wenn der Simulant aus der Rolle fällt und die Suggestion, unter der er angeblich steht, vorübergehend vergisst. Oft freilich sind wir auf einen mehr subjektiven Eindruck angewiesen, auf den wir uns vor — richt natürlich nicht berufen können. Hr. Clemens Neisser-Bunzlau möchte die Auffassung nicht ohne Einschränkung anerkennen, dass die Symptome der funktionellen Psychosen in der Hauptsache aus dem normalen Seelenleben heraus verstanden werden können, dass sie zurzeit nur Steigerungen bzw. Uebertreibungen normal-psychologischer Züge darstellen. Es steht dem entgegen, dass auf psychologischem Gebiete durch Quantitäts- und Intensitätsunterschiede vielfach tatsächlich Qualitätsunterschiede bedingt werden, wie an Medizinische Sektion. I. Abteilung. ‚49 einer Reihe von Beispielen näher dargelegt wird. _ Es ergeben sich da- durch unter Umständen ganz neu- und andersartige psychologische Tat- bestände, woran sich wiederum nicht mehr verpflichtbare sekundäre Bewusstseinsvorgänge und Symptome anknüpfen. Auch für die Hysterie mit ihrer Dabilität der Affekte und ihren Reproduktionsstörungen und Bewusstseinsschwankungen und der Neigung der Vorstellungen zur sinnlichen Plastizität usw. kommen solche Gesichtspunkte in Betracht. 4. Hr. Tietze: Krankendemonstrationen. a) Jackson’sche Epilepsie, entzündlicher Tumor in der rechten Zentralregion. Trepanation, Exstirpation, Heilung bzw. Besserung. 7jähriges Mädchen, seit Geburt „Kinderlähmung“, seit einigen Monaten Krämpfe nach dem Typus der Jackson’schen, im linken Arm beginnend, mit Bewusstseinsverlust einhergehend. Linksseitige spastische Lähmung in Arm und Bein, Fazialis nicht beteiligt, keine Sprachstörungen, keine Veränderungen im Augenhintergrund, links Babinski, keine Sensibilitäts- störungen. Flacher, beetartiger Tumor in der vorderen Zentralregion, im oberen Teil. Exstirpation. Die histologische Uutersuchung ergibt ent- zündliches Granulationsgewebe ohne spezifischen Charakter. Die Krämpfe -sind bisher nicht wiedergekehrt. Die Lähmungen sind zurückgegangen. b) Endotheliom der Dura mater. Frau in. mittleren Jahren. Der "Tumor hatte die rechte Seite des Stirnbeins dicht über dem Auge durch wuchert und erschien, flach erhaben, unter der Haut. Keine nervösen Er- scheinungen. Operation vor einem Jahre. Endotheliom der Dura mater, Gehirn nicht beteiligt. Kein Rezidiv. Vor einigen Wochen Deckung des Schädeldefektes durch ein Transplantat aus der Skapula. ce) Cholesteatom der Stirnhöhle. Wird ausführlich beschrieben werden. d) Resektion eines Abschnittes der vorderen Thoraxwand wegen Metastase nach Mammakarzinom. Resektion eines Teiles der Pleura (Ueberdruck). Deckung durch Hautplastik. Redner teilt im Anschluss an den vorgestellten und aus der Ueber- schrift erkenntlichen Fall mit, dass seine operativen Erfolge bei Mamma- karzinom in den letzten zwei Jahren nach seiner Rückkehr aus dem Felde nicht günstige gewesen sind. Während ihm eine frühere Statistik 75 pCt. örtliche Heilungen: (25 pCt. Heilungen nach drei Jahren) ergab, sind in der letzten Berichtszeit örtliche Rezidive und frühzeitige Meta- stasen so häufig geworden, dass etwa nur 25 pCt. ohne dieselben ge- blieben sind. Redner kann, da die Technik dieselbe geblieben ist, die Uebung zugenommen hat, dieses Ergebnis nur auf zwei Umstände schieben, entweder sind die Patientinnen unter dem Druck augenblicklicher Ver- hältnisse weniger widerstandsfähig als früher, oder es handelt sich um einen ungünstigen Einfluss der Röntgenbestrahlungen, denen alle diese Frauen nach der Operation ausgesetzt wurden. Es wäre nicht unmög- lich, dass die verabfolgten Dosen zu niedrig gewesen sind und als Reiz- dosen gewirkt haben. 5 e) Vorführung von Bildern übergrosser Strumen und einer Kropf- karte von Schlesien 1). Aussprache. Hr. Rosenfeld bemerkt zu dem Fall von Mammaresektion, dass die Reizwirkung der Röntgennachbehandlung der wahrscheinlichere Grund der Rezidive ist, da ja die Statistik der Krebstodesfälle in den Kriegs- jahren keine erhöhte Disposition durch die Kost, sondern eine Abnahme’ der Krebstode ergeben hat. 1) Vgl. Sammelstatistik der Breslauer chirurgischen Gesellschaft. Simon, B.kl.W., 1914. 46 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Sitzung vom 19. Juli 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Schriftführer: Herr Partsch. Vor der Tagesordnung. Hr. Coenen demonstriert: a) eine durch Operation gewonnene, 15 g schwere, 12 cm lange, 5 em breite und 1—1!/, cm dicke Basedowthymus 'von einer 20jährigen Patientin mit deutlichen Basedowsymptomen (Ex- ophthalmus, Tremor, vasomotorischen Störungen, leichte Erregbarkeit, Moebius’sches Symptom). Die grosse persistierende Thymus liess sich Tbymus nach der Exstirpation der linken, auch 15 g wiegenden Schilddrüsen- hälfte, von 5cm Höhe, 4 cm Dicke und 4!/, cm Breite, von der Drossel- grub& aus stumpf enukleieren, ohne dass eine grössere Blutung entstand. Nur einige tiefe Mediastinalvenen bluteten schaumig, konnten aber ge- fasst und ligiert werden. Das Missverhältnis der grossen persistierenden Thymus zu dem kleinen Kropf ist sehr hervorstechend. b) Ein durch Oesophagotomie von der rechten Halsseite aus ent- ferntes Uhrrädchen mit langer Achse und Zähnen, das von einem 5jäh- rigen Kinde vor 7 Wochen verschluckt und fest im obereren Teil des Oesophagus eingespiesst war. Die von der jauchenden Oesophaguswunde drohende tiefe Halsphlegmone wurde durch 8 Tage lange energische Tieflagerung des Oberkörpers, so dass das Bett fast in 45° zum Erd- boden geneigt war, vermieden. Hinterher kurzdauernde Oesophagus- fistel, die sich von selbst schloss. c) Einen Varix aneurysmatieus bei einem 20jährigen Matrosen, der am 9. XI. 16 verschüttet wurde. Bald darauf Schwellung des linken Beines und Aneurysmabildung der Art. und Vena femoralis. Operation desselben und Unterbindung dieser Arterie unterhalb der Profunda am Medizinische Sektion. I. Abteilung. 47 15. III. 17. Im August 1917 Zunahme der Beinschwellung und Rauschen am Unterschenkel bemerkt. Bei der Aufnahme in die Klinik wurde ausser einer verheilten Narbe im Scarpa’schen Dreieck eine ausgiebige Bildung ven kleinen Krampfadern und ein Ulcus cruris mit braunen UNI ENT. A. V tib. post. x Gefaßfiste! Hauträndern oberhalb des inneren Knöchels festgestellt. An der Innen- seite der linken Unterschenkelhältte war ein daumengliedgrosser, pul- sierender und bis hoch in die Saphena rauschender Varixknoten, der still wurde, wenn man zentral von ihm abdrückte. Die Diagnose lautete; Varix aneurysmaticus und Varizenbildung infolge Quetschung. Die Ope- ration: legte einen daumengliedgrossen, pulsierenden Varix frei, der sich aus einer grösseren Vene des Saphenagebietes entwickelt hatte und durch die Fascia cruris hindurch mit zwei nebeneinander verlaufenden stroh- halmdicken Venen mit der Vena tibialis post. in Verbindung stand. Diese Vene hatte nun mit der gleichnamigen Arterie eine stecknadel- kopfgrosse Anastomose, eine richtige Gefässfistel (X), ohne Zwischensack. Es folgte Exstirpation (Dr. Weil, 20. VII. 18). Die starke-Schwellung und “Ulkusbildung des Beines erklärt sich durch die Stauung, die in den traumatisch entstandenen Varizen dadurch erzeugt wurde, dass das durch die Gefässfistel in die Vena tib. post. einströmende arterielle Blut den Venenrückfluss hemmte. Es lagen somit ähnliche Zirkulationsver- hältnisse vor, wie sie vom Vortragenden früher einmal in der verfehlten Idee der Varizenheilung durch die arteriovenöse Anastomose der A. pro- funda und V. saphena geschaffen und von Oedem und Schwellung ge- folgt waren (Chir. Kongr., Berlin 1911). d) und e) Zwei nach Maydi vor 6 Jahren von ihm operierte Blasen- spalten. Das erste Kind war bei der Implantation der Ureteren in die Flexura sigmoidea 1 Jahr, das zweite 6 Jahre alt. Beide Kinder haben sich gut entwickelt, zurzeit keine Erscheinungen von Nierenreizung und können Urin und Fäzes 2—3 Stunden und nachts länger halten. f) Ein sehr grosses Sarkom der rechten Brustwand, das am 4. VII. 18. bei einer 16jährigen Patientin unter Druckdifferenznarkose mit Resektion von 6 bis zu 20 cm langen Rippenstücken, mit Resektion eines handtellergrossen Stückes des rechten Zwerchfells und des unteren Viertels des rechten Unterlappens exstirpiert wurde. Fortlaufende Naht des Lungenstumpfes und des Zwerchfelloches und Sicherung dieser Nähte durch Knopfnähte. Darauf Schluss der bogenförmigen Thoraxwunde mit fortlaufender und Knopfnaht. Am Ende der Exstirpation heftiger Kol- laps, der eine schnelle Beendigung des Eingriffs erforderte. Pat. erholte sich aus dem Kollaps unter Exzitantien; am 6. VIII. 18 Punktion:und 48 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. a = 16jähriges Mädchen 17 Tage nach der Brustwand-, Zwerchfell- und E Lungenresektion. : er ; a > . Brustwandsarkom mit Zwerchfellstück (X). > e RES e Er ce EEE SEN RT DEREN, Medizinische Sektion. I. Abteilung. 49 Brustwandsarkom mit Lungenstumpf (xx). Absaugung von 1/, Liter Blut aus der rechten Brusthöhle, seitdem nor- male Rekonvaleszenz und geheilt entlassen. Der Tumor ist ein gross- zelliges Rundzellensarkom mit zahlreichen Mitosen und alveolärer Struktur. Die Ausmaasse desselben sind 20 X 14 x 11 cm; das Gewicht 11/, kg. Aussprache. Hr. Küstner fragt, ob in den beiden demonstrierten Fällen Sym- physenspalt vorlag. Es scheint der Fall gewesen zu sein. Er fragt weiter, wie sich heute die Chirurgen zur Trendelenburg’schen Ope- ration stellen, bei welcher erst der Symphysenspalt geschlossen und später durch einfache Anfrischung die Blase formiert wird. Bedingung für das Gelingen dieser Operation ist, dass man die Patienten in. zartester Jugend in Behandlung bekommt. Sonst sind die Becken- knochen in den Ileosakralgelenken nicht mehr beweglich genug, um einen Symphysenschluss zu ermöglichen. ; Die wenigen Fälle, die Redner operiert hat, betrafen schon ältere Leute. Hier machte er Plastiken durch Lappenverschiebung, welche die Patien- tinnen vielleicht einigermaassen, ihn selbst nicht befriedigten. Sie liegen weit zurück. In einem Falle, in dem vor einigen Jahren Redner die Im- plantation des die Ureterenmündungen tragenden Stückes der Blasen- wand in die Flexur sich vorgenommen hatte, kam der Plan nicht zur Ausführung, weil die Mutter der kleinen Patientin die Operation nicht wünschte. Tagesordnung. 1. Hr. Rother: Ein Fall primärer Magentnberknlose. (Siehe Teil II.) Aussprache: Hr. Rosenfeld erwähnt einen von ihm beobachteten Fall von Sand- uhrmagen auf tuberkulöser Grundlage. Die Magensonde ging im Röntgen- bilde nur im oberen Kugelabschnitt des Magens quer herüber, während darunter eine helle Magenkugel mit Speisenteig sichtbar war. Da bei dem Pat. Spitzeninfiltration und Diarrhoen bestanden, wurde die Sand- uhrform von tuberkulösen Peritonealveränderungen abgeleitet, was auch die Sektion bestätigte, indem ein Peritonealband mit vielen Tuberkeln die Einschnürung des Magens bewirkte (vgl. Zbl. f. inn, Med., 1903, Nr. 7.) Sehlesische Gesellseh, f. vaterl. Cultur, 1918, TI. 4 50 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Hr. Henke weist auf seine früheren Aeusserungen über die anato- mischen Formen der Magentuberkulose im Anschluss an die Demonstra- tion von Severin hin und bespricht einen kürzlich von ihm beobach- teten, von Hr. Zeebe näher untersuchten Fall einer seltenen Art der Genese der Magentuberkulose. Hier war ein tuberkulöses Drüsenpaket von aussen her in den Magen durchgebrochen und hatte auf diese Weise tuberkulöse Geschwüre in der Magenwand gesetzt. Hr. Bruno Oppler: Nur wenige Worte, m. H., möchte ich vom Standpunkt des medizinischen Klinikers bzw. Praktikers zu dem eben Gehörten bemerken. Die tuberkulöse Erkrankung des Magens ist zweifellos sehr selten, doch bestimmt nicht so selten, wie bis vor kurzem angenommen wurde und wie sie noch heute diagnostiziert wird. Wenn ich unter meinem Material 4 zweifellose Fälle habe, so nehme ich die 5—10fache Anzahl an, die nicht festgestellt wurde. Steht uns nicht ein Operations- oder Obduktionsbefund zu Gebote, so können wir ja über eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose!). nicht hinausgelangen. Wenn ich von denjenigen Fällen absehe, die nur den pathologischen Anatomen interessieren, bleiben neben den extrem seltenen infiltrierenden Fällen, von denen ich einen gesehen habe, nur die ebenfalls seltenen Fälle der einfachen Ulkusbildung (die prognostisch ungünstiger, sonst aber klinisch nicht anders sind wie das Ulcus einzelner — abgesehen von der Allge- meinerkrankung) und die den Pylorus stenosierende, häufig geschwulst- bildende Form. Diese ist weitaus die häufigste und kann zu mancherlei Irrtümern Veranlassung geben. Sie kann zwar ebenfalls, wie das ein- fache stenosierende Pylorusgeschwür durch interne Behandlung zur Hei- lung kommen und wird vielleicht sogar seltener rezidivieren, wird aber noch öfter wohl Anlass zu operativen Eingriffen geben, weil der häufig vorhandene Pylorustumor, die Stagnation der Ingesta bei meist fehlender Salzsäure und vorhandener Milchsäure die Fehldiagnose eines Karzinoms fast unausweichlich machen. Bei klarer Sachlage wird sich der Opera- teur dann mitunter mit einer Gastroenterostomie begnügen können, meistens aber wohl die Resektion des Pylorus vorziehen. Beide Ein- griffe werden in der Mehrzahl der Fälle zur Heilung führen. Die Kenntnis dieser Form ist darum so wichtig, weil die Fehldiagnose eines Pyloruskarzinoms in prognostischer Hinsicht mehr als unerwünscht ist. So wurde z. B. in einem meiner Fälle der dringende Rat einer Opera- tion abgelehnt, und der Kranke triumphierte, als er zunächst auch ohne eine solche genas. Ferner gehören zweifellos eine Reihe nach Resektion dauernd geheilt gebliebener Fälle von Pyloruskarzinom in diese Rubrik, da eine genaue pathologisch-anatomische Untersuchung des Tumors ja nur im kleineren Teile der Fälle stattfindet. Sie beeinflussen dann er- heblich die Statistik der ja sehr seltenen Dauerheilungen.. Auf mancherlei anderes, z. B. auch die sehr interessanten Ulkusfälle kann ich heute nicht mehr eingehen. Hr. Coenen operierte vor kurzer Zeit eine vor den apfelgrossen Kardiadrüsen ausgegangene Magentuberkulose unter der Diagnose Karzi- nom (Tumorbildung, fehlende Magensäure). Die Prognose der chirurgi- schen Tuberkulose ist nach seiner Ansicht in der Kriegszeit erheblich verschlechtert worden. 2. Hr. Rosenfeld: Kriegskost und Kraftleistung. (Siehe Teil II.) 1) Anm. bei der Korrektur: Wie vorsichtig man mit der Wahr- scheinlichkeitsdiagnose sein muss, zeigte mir vor kurzem der Fall eines jungen Mädchens mit Lungentuberkulose, bei der sich eine schwere Pylorusstenose entwickelte. Die von Herrn Küttner vorgenommene Operation ergab ein einfaches stenosierendes Ulcus des Pylorus ohne irgendwelche Anzeichen für Tuberkulose. Medizinische Sektion. I. Abteilung. öl Sitzung vom 11. Oktober 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Schriftführer: Herr Tietze. Der Vorsitzende widmet Herrn Geh. Sanitätsrat Prof. Dr. Conrad Alexander folgenden Nachruf: en Unsere Gesellschaft hat abermals einen herben Verlust erlitten. Prof. Dr. Conrad Alexander ist im 62. Lebensjahr durch den Tod abberufen worden. Er war ein Sohn unserer Nachbarstsdt Liegnitz, aber seine Lebensarbeit gehörte Breslau, und hier vollendete er seine Studien und seine spätere medizinische Ausbildung besonders unter der Leitung von Heidenhain und Biermer, bei letzterem war er längere Jahre Assistent an der hiesigen medizinischen Klinik. 1889 habilitierte er sich als Privatdozent. Sein Streben galt hauptsächlich der Therapie, wofür auch besonders seine. Arbeiten über das Antipyrin und über die Wirkung der Thallin-' salze u.f. Zeugnis ablegen. Aber auch auf klinischem Gebiete hat er eine Reihe wertvoller Arbeiten geschaffen, unter denen ich besonders seine Monographie über die Lähmungen nach Arsenikvergiftung, sowie seine Arbeiten über Abdominaltyphus und Fischvergiftung hervorheben möchte. Er verfügte über eine grosse Klientel, und viele Patienten ge- denken seiner in dankbarer Verehrung. In unserer Gesellschaft war er ein oft und gern gesehenes Mitglied, den Sie alle kannten, und dessen Tod wir aufrichtig beklagen. Ich bitte Sie, sich zur Ehrung des Dahingeschiedenen von Ihren Sitzen zu erheben. Tagesordnung. 1. Hr. Hinsberg: a) Zur Operation der Stirnhöhleneiterungen. Zur Beseitigung von Stirnhöhleneiterungen wird heute fast aus- schliesslich die Killian’schn Operationsmethode angewandt. Ihr Prinzip ist Ihnen bekannt: unter Erhaltung einer dem Supraorbitalrand ent- sprechenden Knochenspange wird die faziale und die orbitale Wand der Stirnhöhle fortgenommen und durch Resektion der vorderen Siebbein- zellen eine dauernde, weite Oeffaung nach dem Nasenraum geschaffen. Angestrebt wird eine möglichst ausgedehnte Verödung der Höhle dadurch, dass sich die Stirnhaut von vorn her, der Orbitalinhalt von unten her in die Höhle hineinlegt und mit ihren Wandungen verwächst. Die Re- .sultate der Killian’schen Operation sind sehr günstig quoad Heilung und auch der kosmetische Effekt ist recht gut, so lange es sich nicht um sehr grosse und vor allem nicht um tiefe Höhlen handelt. Bei solchen ist aber eine unter Umständen doch recht erhebliche Einsenkung unver- meidlich und vielfach sehr entstellend. Aus diesem Grunde haben wir in den letzten Jahren wiederholt eine Methode angewandt, die zuerst von Jansen 1893 veröffentlicht wurde und die später von Ritter weiter ausgebaut wurde. Sie unterscheidet sich von der Killian’schen dadurch, dass nur die orbitale Wand der Stirnhöhle reseziert und ein breiter Abfluss nach dem Nasenraum geschaffen wird, während die faziale Wand völlig unberührt bleibt. Die Folge ist das Fehlen jeder Einsenkung und, wenn die Operationswunden primär ge- näht werden, überhaupt jeder sichtbaren Spur der Operation. Es fragt sich nur, ob auch der Zweck der Operation, die Heilung der Eiterung, sicher erreicht wird. Theoretisch lässt sich dagegen einwenden, dass eine Verödung der Höhle bei grösseren Höhlen damit nicht erzielt wird, aber es scheint, dass das auch nicht Vorbedingung für die Heilung ist. Erstens gelingt es ja doch recht häufig durch rein intranasale Maass- nahmen, vor allem Erweiterung des Ductus naso-frontalis, Stirnhöhlen- eiterungen zu heilen, wobei dann selbstverständlich die Höhle vollständig 4* a SR N Pa RB Ra am ia aa Eh kis N BE Fa a ne I Bad ni 52 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. erhalten bleibt. Und zweitens bleibt auch bei der Killian’schen Operation wenn nicht immer, so doch meist unter dem medialen Teil der Spange ein toter Raum, den die mobilisierten Weichteile nicht ausfüllen können, und trotzdem tritt Heilung ein. Nun, m.H., hier wie überall entscheidet der Erfolg, und der spricht entschieden zu Gunsten der Jansen’schen Methode. Ich möchte ihnen heute 3 Patienten zeigen, bei denen in kurzer Zeit vollständige Heilung mit, wie ich glaube sehr gutem kosmetischen Resultat erzielt worden ist. Bei den beiden Soldaten handelt es sich um Kriegsverletzungen mit langdauernder Eiterung aus der durch die Verletzung gesetzten Oeffinung, die bei dem einen in der Mitte der Stirn, beim anderen am Supraorbitalrand lag. Die Narbe an der Stirn bei dem einen und am Oberlid beim anderen hat mit der Operation nichts zu tun. Bei dem Knaben, den ich Ihnen als dritten vorstelle, handelt es sich um eine Erkrankung sämtlicher Nebenhöhlen beider Seiten mit . Polypenbildung, die zu einer hochgradigen Auftreibung des Nasenrückens geführt hatte. Sie werden von der Eröffnung der linken Stirnhöhle keine Spur sehen. Ich möchte nun selbstverständlich die Jansen’sche Methode keines- wegs als für alle Fälle brauchbar empfehlen, sie ist für sehr hohe und gekammerte Stirnhöhlen — ob solche vorliegen, zeigt uns ja das Röntgen- bild — nicht brauchbar, da die Oeffaung von unten her nicht genügend Zugang zu dem oberen Teil der Höhle schafft, für tiefe und niedrige Höhlen aber, wie sie bei unseren Patienten vorlagen, leistet sie Ausgezeichnetes b) Zur Operation der malignen Nasengeschwülste. Die Therapie der malignen Nasengeschwülste hat bisher sehr wenig. befriedigender Resultate geliefert: die Geschwülste kommen meist erst in unsere Behandlung, wenn ausser der Nasenhöhle selbst auch der grösste Teil der Nebenhöhlen vom Tumor ergriffen und die Wandungen zum Teil zerstört sind. Trotz möglichst gründlicher Operation tritt fast stets in kurzer Zeit ein Rezidiv auf, und die Zahl der nur durch Operation geheilten Fälle ist zu zählen. Auch die Bestrahlung mit Röntgenstrahlen oder Radium allein hat bisher keine brauchbaren Resultate geliefert, während durch die Kombination beider Methoden: Operation und Be- strahlung, die Heilungsaussichten anscheinend erheblich günstiger ge- staltet werden. Der Operation fällt dabei die Aufgabe zu, zunächst möglichst alles Krankhafte zu entfernen, sodann aber für die Strahlen-. applikation durch Schaffung einer breiten Einfallspforte möglichst günstige Bedingungen zu schaffen. Einige Fälle, die wir nach diesem Prinzip behandelten, zeigen Ihnen am besten, wie wir vorgehen: Durch einen Hautschnitt, der in den Augenbrauen beginnt, seitlich an der Nase ver- läuft, an die Nasenflügel umbiegt und die Oberlippe und Mittellinie durchtrennt, wird die Aussenfläche der Nase und Nebenhöhlen freigelegt, diese selbst werden dann durch entsprechende Knochenresektion breit eröffnet, der erkrankte Orbitalinhalt wird nötigenfalls ausgeräumt. Während wir früher die Hautwunden primär vernähten, ein Verfahren, das kosmetisch ausgezeichnete Resultate liefert, lassen wir jetzt diese Wunden offen, wie Sie es hier sehen. Dadurch ist einmal eine sehr energische und exakte Strahlenapplikation ermöglicht, zweitens aber, und das ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil, ist die Höhle dauernd ausgezeichnet übersichtlich, von jeder nur im geringsten verdächtigen Stelle kann sofort eine Probeexzision gemacht werden und eventuell notwendige Nachoperationen sind frühzeitig, leicht und schonend aus- führbar. Bei dem einen Fall, den ich Ihnen zeigen möchte, einem 4 jährigen Kind, handelte es sich um ein von der linken Kieferhöhle ausgehendes Medizinische Sektion. I. Abteilung. 93 Osteosarkom, das die ganze Nase ausfüllte und in die Orbita durchge- brochen war, so dass der Bulbus geopfert werden musste. Auch bei der 61 jährigen Frau handelt es sich um ein Sarkom, und zwar um ein kleinzelliges, sehr schnell wachsendes, das im Begriff war, den harten Gaumen zu perforieren. Es ist aber ein Zufall, dass ich Ihnen heute gerade 2 Sarkome vor- stellen kann, bei den übrigen, etwa 25 von mir operierten Fällen lagen ausnahmslos Karzinome vor, wie das auch bei den beiden anderen demonstrierten Patientinnen, einer 57 und einer 71 jährigen Frau, der Fall war. _ Alle Patienten waren vor der Operation hochgradig kachektisch, sie haben sich sämtlich ausgezeichnet erholt. Die Mortilität der Opera- tion ist gering, etwa 4 pCt. Ueber das Endresultat lässt sich noch nichts sagen, da die Beobachtungszeit — beim ältesten Fall 7 Monate — noch zu kurz ist, bis jetzt war ein Rezidiv jedenfalls noch nicht nachzuweisen. Die Bestrahlung mit Radium und Mesothorium wird in meiner . Klinik vorgenommen, die Kapseln lassen sich von der äusseren Oeffnung aus sehr bequem an jeder beliebigen Stelle der Höhle anbringen und fixieren. Ueber die Röntgenbestrahlung, die die Herren der Hautklinik freundlichst übernommen haben, wird Ihnen Herr Dr. Schäfer berichten. Hr. Schäfer berichtet über die Bestrahlungstechnik, die im Röntgen-Institut der Hautklinik bei malignen Nasengeschwülsten postoperativ angewandt wird. Es werden nur Röntgen-Tiefenbestrahlungen vorgenommen, die da- durch besonders günstige Absorptionsmöglichkeiten im Tumorgewebe vorfinden, dass durch die vorangegangene Operation ein breiter Zugang geschaffen worden ist. Durch keine störende Knochenwand geschwächt, können jetzt die Röntgenstrahlen in Gewebstiefen dringen, die früher nur unvollkommen und daher: immer unter Gefahr einer Reizwirkung auf das Tumorgewebe erreicht werden konnten. Selbstverständlich bedient man sich möglichst harter Strahlung und das von der Coolidge- oder Symmetrie-Apparatur gelieferte Primär- . strahlengemisch wird mit 4mm Aluminium, öfters noch mit 1/; mm Zink, gefiltert. Meist wird trotz der guten Zugangsmöglichkeit durch die Operationswunde auf mehrere Einfallspforten nicht verzichtet und der Tumor unter Benutzung des Lokalisators auch von der Mundhöhle oder Schläfengegend her unter Kreuzfeuer genommen. Was die Dosierung anbetrifft, wird mit 2—3 Normaldosen pro Feld begonnen und nach 2 Wochen noch eine weitere Normaldosis gegeben; nach einem Monat wird der Turnus wiederholt. Wenn sich zurzeit auch noch ein endgültiges Urteil über den Wert dieser postoperativen Bestrahlung nicht abgeben lässt, so sind doch — entsprechend der bei anderen malignen Tumoren erzielten Erfolge — bier besonders gute Resultate zu erwarten, weil den Röntgenstrahlen durch die vorangegangene Operation der Weg gebahnt wird, wie u.a. auch Kuznitzky und Ledermann gefunden haben, z. B. auch die malignen Tumoren des Nasenrachenraumes auf die postoperative Be- strahlung mit radioaktiven Substanzen sehr gut reagieren. ‘2, Hr. Hürthle bespricht die Möglichkeit, den zur Unterhaltung der normalen Strömung in der Blutbahn erforderlichen Druck theo- retisch zu berechnen. Die Berechnung setzt voraus 1. ausreichend genaue Kenntnis der Form und Dimensionen der Blutbahn, 2. die Anwendbarkeit des Poiseuille’sohen Gesetzes auf den Blutstrom. .; y Sen K/uE ’ RER Sn 5 a, EN EN ERTE a a N Ey 94 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. = = Der ersten Forderung wird durch zwei Arbeiten von Mall und Miller entsprochen, welche die Dimensionen der Bahn der Arteria mesenterica und der Art. pulmonalis festgestellt haben. Zur Erfüllung der zweiten Forderung werden Beweise dafür beigebracht, dass das Poiseuille’sche Gesetz auf den gesamten Blutstrom angewandt werden darf. Die Berechnung des Druckverbrauches längs der Bahn der Art, mesenterica hat nun ergeben, dass der grösste Teil des Druckes im präkapillaren Gebiet verbraucht wird, so dass am Anfang der Kapillaren nur noch ein Druck von etwa 12 mm Hg herrscht, was gut mit neueren Messungen des Kapillardruckes übereinstimmt. Die Gesamthöhe des be- rechneten, zur Durchströmung der Bahn erforderlichen Druckes ist nicht grösser als der experimentell bestimmte (100 mm Hg), so dass die An- nahme einer aktiven Beteiligung der Arterien an der Fortbewegung des Blutes überflüssig wird. In der Bahn der Art. pulmonalis war der berechnete Druck gleich- falls nicht grösser als der experimentell bestimmte (10—20 mm Hg), und die Berechnung gab zugleich die Erklärung für den grossen Unter- schied des Druckes in der Körper- und Lungenbahn. Sie besteht darin, dass die Durchmesser der Arterien im präkapillaren Gebiet der Lungen- bahn wesentlich grösser sind als in der Körperbahn, die Widerstände also entsprechend geringer. Sitzung vom 25. Oktober 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Schriftführer: Herr Tietze. Vor der Tagesordnung. Hr. Heimann zeigt eine Patientin mit einem inoperablen links- seitigen Tonsillarkarzinom, das ihm vor 13/, Jahren von der Halsklinik zugeschickt wurde. Röntgenbestrahlung mit einem eigens konstruierten Spekulum. 7 Serien; Ca 1000 x. Der Tumor ist völlig geschwunden; keine Drüsen. Die Frau ist vollkommen arbeitsfähig. Die letzte Be- strahlung liegt !/, Jahr zurück. Tagesordnung. 1. Hr. Küttner: Krankendemonstrationen. Fälle von schnellendem Knie, Enchondrom der Hand, Arthropathie bei Syringomyelie und Tabes, Mammakarzinom beim Manne, ungewöhnlichem traumatischen Aneurysma, grossem Hautkarzinom der Bauchdecken, tuberkulösem, - einen lebenden Ascaris lumbricoides enthaltenden Abszess der Nierengegend ohne‘ Ver- bindung mit dem Darm, perforiertem Oberkieferkarzinom, äusserlich sehr ähnliche Fälle von Tuberkulose, Aktinomykose, bronchiogenem Karzinom am Halse (Wichtigkeit der Probeexzision und der genauen Untersuchung des Eiters). 2. Hr. 6erson: Zur Aetiologie der Addison’schen Krankheit. (Siehe Teil II.) Aussprache. Hr. Minkowski Der Beweis, dass die Pigmentbildung bei dem vorgestellten Patienten unter dem Einflusse des verabfolgten Thyradens zustande gekommen ist, scheint nicht erbracht zu sein. Wohl be- obachtet man Pigmentierung der Haut beim Morbus Basedowii, wie bei der Sklerodermie, wobei die Annahme von Funktionsstörungen endo- kriner Drüsen nicht unwahrscheinlich ist. Die Zusammenhänge sind Au lie? “3 2 : | MR ai A a Medizinische Sektion. I. Abteilung. 55 jedoch noch vollkommen ungeklärt. Selbst beim Morbus Adädisonii kann die Pigmentablagerung nicht einfach als eine Folge des Adrenalin- mangels angesehen werden. Redner beobachtet gegenwärtig einen Fall von Morbus Addisonii, bei dem durch regelmässige, dreimal täglich wiederholte Injektion von je 0,0003 Adrenalin eine auffallende Besserung der Adynamie und Zunahme des Körpergewichts, Steigerung des Blut- druckes und Blutzuckergehaltes, jedoch keine Abnahme der Pigmen- tierung erzielt werden konnte. In der herrschenden Lehre von der gegenseitigen Beeinflussung der endokrinen Drüsen ist viel Hypothe- . tisches. Warum der Vortragende bei der Erklärung der Pigmentbildung unter dem Einflusse des Thyradens auf die -vermittelnde Rolle des Pankreas zurückgreift, ist nicht recht klar. Veränderungen der Bauch- speicheldrüse mit Pigmentablagerungen findet man bei der besonderen Form des sog. „Bronzediabetes“. Doch handelt es sich um ein ganz anderes eisenhaltiges Pigment (Hämosiderin), dessen Ablagerung nicht Folge, sondern Ursache der Pankreaserkrankung zu sein scheint. Hr. Jadassohn bemerkt, dass er über Adrenalin bei Sklerodermie keinerlei Erfahrungen habe. Die günstigen Erfolge des Herrn Gerson seien sehr anffallend, zumal ja die Wirksamkeit des Adrenaiins von manchen Seiten noch bestritten werde. Was die Beziehungen der Sklerodermie zur Schilddrüse angeht, so sind solche immer wieder betont worden, und in einzeinen Fällen hat man auch wirklich den Eindruck, als wenn ein Zusammenhang bestünde. Vielfach wird ja die Sklerodermie als ein Symptomenkomplex mit ver- schiedener Aetiologie aufgefasst. Versuche mit Schilddrüsenbehandlung hat Redner in Bern, wo ja die Struma eine so grosse Rolle spielt, bei vielen Fällen von Sklerodermie gemacht, aber nie auch nur einiger- maassen deutliche Erfolge gesehen. In letzter Zeit hat er eine aller- dings sehr atypische Sklerodermie im sog. hypertrophischen Stadium bei Behandlung mit Thyreoidin gut zurückgehen, wenn auch nicht heilen sehen. Im Schrumpfungsstadium könnte man eine wirkliche Heilung auch dann kaum erhoffen, wenn Schilddrüsenveränderungen der Sklerodermie zu Grunde lägen. Hr. Rosenfeld: Bei Behandlung eines Falles von Morbus Addisoni mit Suprarenin und Solarson wurde eine solche Besserung erzielt, dass der nubierbraune Patient für sonnenverbrannt gehalten und als k.v. eingestellt werden sollte. Die Braunfärbung ist durch Suprarenin nicht im geringsten beeinflusst worden. 3. Hr. Kuznitzky: Eine praktische Methode zur Messung harter Röntgenstrahlen. In Anknüpfung an den Wintz’schen Vortrag teilt Vortragender die von ihm angegebene Methode!) mit, welche eine Do- sierung harter Röntgenstrahlen für den praktischen Gebrauch ermöglichen soll. Bei dem herrschenden Mangel an allgemein verwendbaren exakten Messmethoden ist diese als Notbehelf gedacht, bis etwas Besseres und Brauchbareres an ihre Stelle gesetzt werden kann. Da sie ihren Voraus- setzungen nach nur annähernd richtig sein kann, erhebt sie natürlich auch nicht den Anspruch, als exakte Messmethode zu gelten, sondern soll lediglich dem Praktiker über die jetzigen, ganz ungeordneten Zu- stände auf dem Gebiete der Tiefendosimetrie hinweghelfen. Ferner war für den Vortragenden der Gesichtspunkt maassgebend, dass dem Praktiker unbedingt eine für ihn brauchbare Methode, nach der er dringend ver- langt, an die Hand gegeben werden müsse, da er sonst, falls Schädigungen eintreten, dem Gericht wehrlos ausgeliefert sein könnte. Auf der anderen Seite könne nicht gefordert werden, dass der Praktiker, eben weil er 1) M.m.W., Nr. 42. 56 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. nicht exakt dosiert, nunmehr die Bestrahlungen vollständig unterlasse, und dass die Behandlung mit härtester Röntgenstrahlung den wenigen iontometrisch messenden Instituten und Kliniken in Deutschland reserviert bleibe. Die Methode hatte lediglich die Aufgabe, in der Tiefe eine aus- reichende biologische Wirkung zu gewährleisten, dabei Röntgenschädigungen zu vermeiden und ferner leicht ausführbar zu sein. Vortragender glaubt, dass diese Forderungen in ausreichendem Maasse erfüllt werden. I. Zunächst gehen wir von etwas ganz bekanntem aus, nämlich von folgendem: Wir nehmen eine Röntgenröhre, versehen sie mit einem 3 mm starken Aluminiumfilter und bestrahlen durch dieses hindurch bei bekanuter Belastung und in bestimmter Entfernung eine Sabouraud- Noire-Tablette oder einen Kienböckstreifen. Die Zeit, welche man be- nötigt, um die Teinte B. der Tablette bzw. die nötige Schwärzung des Streifens zu bewirken, wollen wir als Aluminiumoberflächendosis (Al O) bezeichnen. Von dieser ist bekannt: 1. dass sie biologisch gut wirksam ist und zum Zerfall von ober- fiächlich gelegenen Karzinom- oder z. B. Tuberkuloselymphomzellen aus- reicht, 2. dass sie selbst in doppelter Dosis absolut sicher unschädlich ist, d. h. Erytheme oder sonstige Nebenwirkungen vermeidet; sogar in drei- facher Dosis ist sie noch fast ganz unschädlich. Welche Tiefenwirkung ergibt diese Aluminiumdosis? II. Zu diesem Zwecke nehmen wir eine Absorptionskurve derselben Röhre unter 3 mm Aluminiumfilter auf und zwar mit dem Fürstenau- schen Intensimeter und einem Aluminiumphantom, durch das die Ab- sorption in verschiedener Tiefe gemessen werden kann. Die so erhaltenen Werte für die Strahlenausbeute in der Tiefe tragen wir am besten in Form einer Kurve in ein logarithmisches Raster ein. Auf diesem bilden die Ordinate die verschiedenen Entfernungen nach der Tiefe zu, und auf der Abszisse sind die Zahlen analog der Intensimenter-Skala als F-Ein- heiten eingetragen. Die nach der Absorption erhaltenen Werte — wo- bei wir behelfsmässig annehmen müssen, dass I mm Aluminium an- nähernd 1 cm menschlichen Gewebes entspricht — stellen den Nutz- effekt der Strahlung in einer Minute dar (Al T). Nunmehr nehmen wir mit derselben Röhre eine zweite Ab- sorptionskurve auf, und zwar unter !; mm Zink. Die erhaltenen Werte können wir in analoger Weise mit Zn T bezeichnen. Ill. Was ergibt nun ein Vergleich dieser beiden Kurven? Zu- nächst sehen wir, dass Zn T immer kleiner ist als Al T. Das liegt daran, dass unter Zink mehrStrahlung absorbiert wird als unter Aluminium; und zwar ist ZunT immer um einen bestimmten Faktor kleiner als Al T, den ich mit X bezeichnen will. Wir werden also folgende Gleichung erhalten: X. Zzaf= AIT AIT 5 ZnT.. Anders ausgedrückt würde das heissen: Wenn ich unter Zink be- strahle, so bekomme ich — in einer Minute — immer X mal weniger, als wenn ich unter Aluminium bestrahle. Wenn ich also — in 1 Minute — unter Zink das Gleiche geben will, so werde ich Xmal länger bestrahlen müssen. Die Zeit, welche ich also brauche, um unter Zink das Gleiche in derselben Tiefe zu erzielen, als unter Aluminium oder: die Dosis, die ich unter Zink geben will (ZnO), wird Xmal grösser sein müssen. Medizinische Sektion. I. Abteilung. 57 a ZnO=X . AIO AIT ne „ ): a) An einem Zahlenbeispiel wird die Methode gleich ganz verständlich sein: Nehmen wir an, dass in6cm Tiefe AIT =6 F, ZT =3 E ist, so wird X=6:3=2 sein. Ich muss also unter Zink zweimal länger bestrahlen, um in derselben Tiefe die gleiche Dosis unter Zink zu er- halten. ZnO ist ein Dosisminimum. Es kann unbesorgt verdoppelt werden, da die dann resultierenden Werte immer noch inerhalb der Unschädlichkeitsgrenze liegen. Mit diesem Verfahren arbeiten wir an unserer Klinik länger als !/, Jahr mit bestem Erfolge. Schädigungen haben wir bisher noch nicht beob- achtet, und die klinischen Resultate sind recht befriedigend. Aussprache. Hr. L. F'raenkel: Zu den Ausführungen des Herrn Wintz habe ich zwei Bemerkungen zu machen, zunächst eine historische: Die Bestrahlung der Eierstöcke zwecks Aufhebung ihrer Funktion ist von Breslau ausgegangen. Halberstädter, damals Assistent der dermatologischen Universitätsklinik, hat 1905 die ersten experimentellen Ovarialbestrahlungen vorgenommen; hierzu wurde er angeregt durch die Beobachtung, dass die Röntgenologen oft Azoospermie und Sterilität bekamen. Halberstädter konnte hochgradige Verkümmerungen der Ovarien von Kaninchen durch Röntgenbestrahlungen erzielen; er hat mir die bestrahlten Ovarien samt den unbestrahlten Organen der anderen Seite vorgewiesen; sein Mitarbeiter Specht, der in Neisser’s und meinem Laboratorium die bestrahlten Ovarien genauer histologisch & untersuchte, hat festgestellt, dass nicht nur der Follikelapparat, sondern - auch die interstitielle Drüse hochgradig verkümmert waren. Auch auf die praktische Bedeutung dieses Effektes der Strahlen, wie wir sie jetzt kennen und zur Heilung hartnäckiger Blutungen in Anspruch nehmen, wurde bereits damals hingewiesen. Meine zweite Bemerkung knüpft an die Ausführung von Wintz an, Er wonach die Amenorrhoe entweder sofort naclı der Bestrahlung oder nach einer einmaligen Menstruation eintrete, nämlich je nachdem, ob das Corpus luteum bereits zur Zeit der Bestrahlung vorhanden . war oder nicht; er könne das fast jedesmal voraussagen und zwar mit solcher Zuverlässigkeit, dass mittels der Strablenbehandlung der Ovula- tionstermin wissenschaftlich festgestellt werden könnte. Wintz fusst hierbei, wie man sieht, auf dem Gesetz von der Funktion des gelben Körpers, welches ich Ihnen in früheren Vorträgen hier auseinandergesetzt habe. Wie von Wintz ist die Korpusluteumfunktion auch von den meisten anderen Autoren anerkannt; wo das noch nicht der Fall ist, beruht das meist auf einer missverständlichen Auffassung meiner Ar- beiten: Nicht die Menstruation wird durch das Corpus luteum ausgelöst, sondern die prämenstruellen und prägraviden Veränderungen der Gebärmutter. Ueber den Ovulationstermin habe ich gleichfalls als erster Unter- suchungen angestellt, die den heut geltenden Anschauungen zugrunde liegen. Durch physiologische Untersuchungen der gesunden Organe der lebenden Frau habe ich gezeigt, dass nicht, wie man bisher an- nahm, Ovulation und Menstruation zusammenfallen. oder, wie andere dachten, keine zeitliche Beziehung haben, sondern dass der Ovu- lationstermin in das Intermenstrum trifft, schwankend zwischen dem 10.und 24. Tag, am allerhäufigsten am 18. oder 19. Tag nach Beginn der letzten Menstruation. Spätere deutsche und ausländische Untersucher, die ebenfalls mit physiologischen Methoden 88 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. e arbeiteten, haben das vollkommen bestätigt, ebenso Herr Triepel mittels embryologischer Forschungen, die er Ihnen hier vorgetragen hat. Autoren, die pathologisch-anatomische Präparate daraufhin untersuchten, waren unter sich uneins; sie fanden teils den 8.—14. Tag als häufigsten Termin der auch nach ihrer Meinung zeitlich schwankenden Ovulation, ein anderer Autor fand präzis den 15. Tag. Wiewohl man die anatomische Unter- suchung prinzipiell der physiologischen vorziehen könnte, so sehem-Sie doch schon aus Differenzen der Autoren, dass auch diese Methode ihren Haken haben muss. In meinem Handbuch der Sexualphysiologie des Weibes habe ich Vor- und Nachteile jeder der beiden Methoden ob- jektiv dargestellt und kritisch abgewogen; ich möchte mit Hinblick auf die neu entstandene Diskussion auf das dort gesagte verweisen. Der Hauptnachteil der anatomischen Untersuchungsmethode besteht in der = krankhaften Beschaffenheit der Objekte. Im übrigen ist die Differenz der z Anschauungen weder gross, noch wichtig; ich habe ja jederzeit betont, dass der Ovulationstermin in gewissen Grenzen schwankt, und dass meine physiologischen Untersuchungen gar nicht ambieren, den Termin auf den Tag genau zu bestimmen, vielmehr eine Differenz von 1—4 Tagen durchaus offen lassen. Das Wichtige ist die Kenntnis der Tatsache, dass die Ovulation meist zu einem bestimmten Termine im Inter- menstrum stattfindet, das ist für jedes physiologische Verstehen wichtig, gibt einen Einblick in das Wesen der Kriegsamenorrhoe, lässt die Schwangerschaftsdauer umeinige Tage verkürzt erkennen usw. Nun komme ich auf die Ausführungen von Wintz zurück; Sie sehen jetzt ohne weiteres, dass es unmöglich ist, jedes Mal voraus- bestimmen zu wollen, ob durch die Bestrahlung das werdende oder fertige Corpus luteum mit Sicherheit getroffen ist oder nicht, ausser in den allerersten Tagen nach der oder in den allerletzten Tagen vor der Menstruation, keinesfalls aber lässt die Bestrahlung sich zu einer 2 wissenschaftlichen Prüfung des Ovulationstermins benutzen. Schwankt schon die Menstruation bei normalen Frauen zwischen 21—31 Tagen Intervall, so kann man für die noch labilere Ovulation sicherlich das gleiche voraussetzen; um so mehr in den krankhaften Fällen, um die es sich hier handelt, bei schweren Blutungen, klimakterischen Verhält- 3 nissen usw. ‚Meine weiteren Beobachtungen und Forschungen über diese ganzen, Er zurzeit wieder besonders aktuell gewordenen Fragen werden gelegentlich in zusammenfassender Form an anderer Stelle mitgeteilt werden. w a MR Er vr Be, Li: T DE RAN JENE rn Hr. Schaefer berichtet über die Erfolge bei dem Krankenmaterial, ö an dem im Röntgeninstitut der Kgl. Hautklinik dass neue Messverfahren angewandt worden ist: Die Methode wurde bei der Bestrahlung vieler tuberkulöser Lymphome und maligner Tumoren benutzt. Letztere wurden dem Institut durch die medizinische, Augen- und Ohrenklinik überwiesen. Es handelte sich meist um ungünstig lokalisierte, schwer zugängliche, aber doch ver- hältnismässig gut kontrollierbare bösartige Geschwülste des Augenhinter- grundes, der Orbita, der Nebenhöhlen, des Nasenrachens, des Kehlkopfes, der Mamma, ferner um Tumoren der Hypophyse, um Hodgkin, Leukämien usw. Seit etwa 7”—8 Monaten wurde mit dem neuen Verfahren dosiert; 37 bisher kamen keine ungünstigen Nebenwirkungen zur Beobachtung. Die Erfolge waren in jeder Hinsicht zufriedenstellend.. Ganz be- sonders trat dies bei den Tumoren der Hypophysis in Erscheinung, über die noch anderweitig berichtet werden wird. Diese Feststellung ist des- wegen von Wichtigkeit, weil dadurch der gegen die Methode eventuell zu erhebende Einwand einer Unterdosierung hinfällig wird (starke Ab- sorption durch die Schädelkapsel!). a Le sn d 4 - E B. 2 u, ; E - n 4 ö w- Medizinische Sektion. I. Abteilung. 59 Bei der Röntgenbehandlung der äusseren Tuberkulose (der Haut, der Drüsen, der Sehnenscheiden usw.) wurde das 3—4 mm starke Aluminium- filter verwendet und damit bei dem schon vor dem Kriege bekannt schweren Material der Breslauer Klinik, das sich jetzt um über das Dreifache vermehrt hat, gute Erfolge erzielt. - Bei der Behandlung oberflächlicher Dermatosen wurde ebenfalls ge- filterte Strahlung verwendet und zwar nach Hrn. Knznitzky’s Vorgang das 1/, mm starke Aluminiumfilter benutzt, das die weiche Strahlenkomponente des Röntgenlichtes abfiltert und so gegen ungünstige Nebenwirkungen (Erytheme, Teleangiektasien, Atrophien usw.) einen hinreichenden Schutz bietet. Die Erfolge waren den mit ungefilterten Strahlen erzielten Heil- resultaten mindestens gleichwertig. Dagegen muss eine therapeutische Ueberlegenheit der härteren Strahlen über die weichen abgelehnt werden, da diesen keine besondere spezifisch-wirksame. biologische Eigenart zu- zukommen scheint. Hr. Heimann: Ich möchte mir gestatten, im Anschluss an die Auseinandersetzungen von Herrn Kuznitzky mit einigen Worten auf den Vortrag, den wir vor einigen Wochen von Herrn Wintz aus Erlangen gehört haben, einzugehen. Hierbei will ich auf physikalische Auseinander- setzungen verzichten und nur zur Klinik der Tiefenbestrahlung reden. Von vornherein muss dabei betont werden, dass, so wichtig und interessant, ja so unbedingt notwendig physikalische Versuche sind, schon allein um die Bestrahlung auf eine wissenschaftliche Basis zu bringen, so unersetzlich die Ansicht des Klinikers ist, der die Erfolge und Misserfolge am Kranken- bett sieht. Vor etwa ®/, Jahren durfte ich vor Ihnen über die Resultate berichten, die wir in fünf arbeits- und erfahrungsreichen Jahren an der Klinik mit der Strahlentherapie zu verzeichnen hatten. Ich möchte mich nicht wiederholen, nur kurz darf ich vielleicht erwähnen, dass wir im ganzen mit weit über 200 Bestrahlungen wegen Myomen und Methro- pathien aufwarten konnten, von denen etwa 150 persönlich nach soundso viel Jahren von mir nachuntersucht wurden. Die Erfolge waren glänzend, die Blutungen waren geschwunden, die Tumoren, die mitunter beträchtliche Grösse hatten, waren geschrumpft, die Patientinnen völlig gesund und arbeitsfähig. Die Technik der Bestrahlung war diejenige, die sich in allen Fällen als bequem für‘ die Patientinnen, als sicher zum Erfolge führend gezeigt hatte. Wir haben nicht die Erlanger Methode, nur eine Sitzung anzuwenden, benützt und sind so, wie ja Herr Wintz auch be- tont hat, mit dieser, wie gesagt für die Patientinnen absolut nicht an- strengenden Bestrahlung (eine Sitzung dauert etwa 7—8 Minuten) zur vollsten Befriedigung ausgekommen. Im letzten Jahre haben sich selbst- verständlich unsere Erfahrungen entsprechend vergrössert, und ich kann Ihnen heute über ähnliche Resultate berichten, so dass wir, auch wenn wir in kurzer Zeit die Erlanger Methode für andere Bestrahlungen nach- prüfen wollen, für Myome und Methropathien bei der von uns geübten Technik bleiben. ; Ganz anders verhält es sich mit den Karzinomen. Hier lassen die Erfolge mit den bis dahin üblichen Behandlungsmethoden sehr viel zu wünschen übrig. Es sind da sicher die Erlanger Vorschläge aufs wärmste zu begrüssen. Auch unsere eigenen Erfahrungen mit der Karzinom- behandlung sind nicht gut, besonders was die „vorläufige Heilung“, wie die Ausdrucksweise jetzt allgemein heisst, anbetrifft. Ich berichtete damals über 300 Fälle von inoperablen Karzinomen — nur ganz wenige Fälle waren wegen einer Komplikation operabel — und Grenzfällen. Nur in sieben Fällen konnte nach vier Jahren diese „vorläufige Heilung“, in nur 13 Fällen eine Besserung konstatiert werden, während sämtliche übrigen Patientinnen gestorben, verschollen, also wahrscheinlich ebenfalls zugrunde gegangen sind. In den letzten ®/, Jahren hat sich das Material 60 Jahresbericht der Sehles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. natürlich entsprechend vergrössert, leider aber haben die Erfolge keines- wegs unsere Ansicht geändert. Wir haben weiter an dem Ausbau der Technik gearbeitet und uns wieder mehr der Behandlung mit Mesothor zugewendet. Ich glaube, mit Bestimmtheit heute auf Grund unserer Er- fahrung sagen zu können, dass auch mit Mesothor allein eine Heilung des Uteruskarzinoms — nur von diesem will ich sprechen — nicht herbeizuführen ist, eine Ansicht übrigens, die auch die Erlanger Klinik in vollstem Maasse teilt. Es ist bis zum heutigen Tage nicht möglich, die Mengen, die man mit Mesothor verabreicht, so zu dosieren, dass man zu einem Optimum der Bestrahlung kommt. Alles das, was bisher über Dosierung publiziert worden ist, beruht auf Empirie, infolgedessen ist auch eine systematische Anwendung des Mesothors nicht möglich. Die Eichungs- . versuche, die von Krönig angegeben wurden, wobei das Mesothor auf die gesunde Haut in verschiedenen Zeitabständen aufgelegt wird, haben gänzlich im Stich gelassen, etwas, was ich aus meiner eigenen Erfahrung bestätigen kann. Und so ist es gar nicht zu verstehen, wenn von manchen Autoren in letzter Zeit — besonders von Heymann-Stockholm — Karzinomfälle publiziert werden, in denen nach dreimaliger Einlage von etwa 180 mg Radiumbromid 20—22 Stunden lang während eines Zeit- raumes von einem Monat das Karzinom zum Verschwinden gebracht wurde. Ein weiterer grosser Nachteil der Mesothorbestrahlung ist das Auf- treten der Nebenschädigungen, die auch bei grösster Vorsicht bis zu einem gewissen Grad nicht vermieden werden können, daran ändern auch die für diese Zwecke angegebenen Apparate Kolpeurynther, Paraffin- beigabe, Bleispekula nichts. Das Mesothor bzw. Radium wirkt eben die gleiche Zeit, die es auf Karzinomzellen strahlt, auch auf das gesunde Nachbargewebe ein und schädigt dieses selbstverständlieh in gleicher Weise, wie die krebsigen Elemente. Auch diese Schädigungen sind die Ursache der mangelnden Dosierung, die, wie ja Wintz prachtvoll aus- einandergesetzt hat, für die Röntgenbestrahlung in einwandfreier Weise zu bewerkstelligen ist. Natürlich können wir auch mit der Mesothor- bestrahlung, wenn wir zu gering dosieren, Reizungen des Gewebes ver- anlassen, und daher ist der Gedanke Warnekros’ gleichzeitig mit Mesothor vaginal und von oben durch Röntgenstrahlen das Karzinom anzugehen, ein sehr glücklicher. Hier werden tatsächlich die Reizdosen vollkommen ausgeschaltet. Was die prophylaktische Bestrahlung beim Ulkuskarzinom anlangt, so sind auch weiterhin die Ergebnisse recht günstig. Die Frauen stellen sich pünktlich nach der Operation alle vier Wochen zur Bestrahlung ein und erhalten 500—600 X vaginal, und so sehen wir auch ferner das Ausbleiben jeglicher Rezidive. p Schliesslich noch ein Wort zur Operation des Karzinoms. So be- stechend die Ausführungen des Herrn Kollegen Wintz waren, so muss doch erst, wie er ja selber gesagt hat, das Endresultat abgewartet werden. Sollten die Ergebnisse, was wir nicht hoffen wollen, enttäuschen, so ist das für die Operateure, die während der vielen Jahre die doch immerhin technisch nicht ganz leichte Radikaloperation von oben nicht mehr aus- geführt haben, ein schwerer Schlag, da ja auch in der operativen Gynä- kologie dauernd gearbeitet werden muss, um auf der Höhe zu bleiben. Jedenfalls gehen wir an der Klinik von unserem Standpunkt, die operativen Fälle zunächst noch zu operieren, nicht ab, um so weniger, als die Ge- fahren erheblich vermindert werden, wenn Operateur und Assistent gut aufeinander eingearbeitet sind. Ich konnte vor etwa 3/, Jahren über eine Serie von 29 Karzinomfällen berichten, bei denen die Mortalität 12 pCt. betrug. Vielleicht hat es Interesse zu erfahren, dass seit dieser Zeit eine Serie von 31 Totalexstirpationen ohne Todesfall von Herrn Geheimrat Küstner oder mir operiert worden sind (die 32. ist, wie Mediziaische Sektion. I. Abteilung. Gl autoptisch festgestellt wurde, an einer Grippe am 10. Tage ohne dass das Peritoneum nur irgendwie affıziert war, zugrunde gegangen). Betonen will ich hierbei, dass auch bei diesen Fällen sorgfältigste bakteriologische Untersuchungen, die Streptokokkenkarzinome von den übrigen trennen, angestellt wurden. Diese Serie gibt uns wohl noch mehr die Berechtigung, an der Operation des Uteruskarzinoms zunächst festzuhalten. Nach der Tagesordnung. Bemerkungen zur Behandlung der Inflaenza. Hr. WalterLustig: Die Machtlosigkeit in der Behandlung schwerer Grippekranker und die vielen dabei auftretenden Todesfälle veranlassten mich zu Versuchen mit Seruminjektionen. In Betracht kamen zu- nächst die rapid verlaufenden Fälle mit Lungenkomplikationen, ein oder doppelseitiger Pneumonie, diffus verteilten broncho-pneumonischen Herden und Empyem, denen gerade die blühendsten Menschen in kurzer Zeit erlagen. Angewandt wurde das Diphtherieheilserum 10—15 ccm intra- venös. Die Injektion wurde, wenn nötig 4—5mal — an den folgenden Tagen — wiederholt. Es sind damit in über 30 Fällen günstige Resultate erzielt worden. Ich stelle weiter fest, dass die Injektion, besonders bei Empyem-Operierten auch mit doppelseitiger Pneumonie äusserst günstig wirken. Während die Mortalität vor der angewandten Therapie bei dieser Grippeepidemie sehr gross war, sank diese auffallend. In zwei Fällen mit doppelseitiger Pneumonie der Unterlappen und broncho-pneumonischen Herden in den Oberlappen versagte auch diese Therapie. Allerdings waren es Fälle, bei denen die Lungenentzündung bereits einige Tage bestand und von denen einer eine starke Hämoptoe hatte. Daher möchte ich noch betonen, dass sich besonders frische Fälle zu dieser Behandlung eignen. Dass es sich dabei nicht um eine spezifische Diphtherieserumwirkung handelt, sondern um eine reine Serumwirkung, beweisen die Erfolge, die wir auch mit Tetanusantitoxin erzielt haben. Jedoch haben wir letzteres seltener angewandt. Die Serumkrankheit habe ich bis jetzt nicht auftreten sehen. Der Verlauf derselben ist auch in der ganz überwiegenden Mehrzahl von Fällen derart harmlos und schnell vorübergehend, dass sie gegen- über dem Segen, den die Serumtherapie mit sich bringt, überhaupt nicht in Betracht kommt (Jochmann). Ausserdem kommt sie nicht nur bei Reinjizierten vor, sondern auch bei erstmalig Injizierten. Trotzdem sollte man bei Soldaten, die Tetanusantitoxin früher einmal bekommen haben, diese vorgeschlagene Therapie nur in schweren Fällen anwenden. Zur Verhütung der Serumkrankheit wird empfohlen Chlorkalzium 0,75—1,0 per os oder subkutan drei Tage lang. Ich fühle mich verpflichtet und bei der sich schnell verbreitenden Epidemie berechtigt, diese Behandlung vorzuschlagen, einmal damit sie andern Ortes nachgeprüft werde, dann aber auch, falls sie sich als brauchbar erweist, auch andern Erkrankten zugute kommt. Hr. Rosenfeld: Bei der vorgerückten Zeit will ich nur durch eine kurze Bemerkung Ihre Aufmerksamkeit auf die in meinem Lazarett ge- übte Influenzabehandlung lenken. Wir geben vom ersten Tage an 1 bis 3 Injektionen von Supersan (Dr. Berliner) und ein- bis dreimal täglich Tet. Digitalis 30 Tropfen. Seitdem haben wir keinen deutschen Grippekranken mehr verloren. Die Kur wird als Herzprophylaxis angewandt, darum er- reicht sie bei den weit später eingelieferten Kriegsgefangenen viel weniger. 62 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater!. Coke Sitzung vom 8. November 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Sehriftführer: Herr Minkowski. 1. Hr. Bleisch: Scheinkatarakt bei Anwesenheit eines Fremd- körpers (Kupfersplitters) im Augeninnern. Patient (Landsturmmann G.) erlitt am 2. VII. 16 im Felde Ver- letzungen an Nase, Stirn und linkem Auge durch Verschüttung; am 7. V. 18, also. nach nahezu 2 Jahren, sah ich ihn zum ersten Male; er klagte damals über Punktesehen in dem linken Auge. Es wurde damals folgender Befund erhoben, wie er auch heute noch besteht: Das linke Auge ist äusserlich völlig reizlos; bei seitlicher Beleuchtung sieht man in der Linse eine scheibenartige Trübung; dieselbe hat ein bräunlich gefärbtes Zentrum, von dem aus Strahlen nach der Peripherie hin ausgehen, so dass das Bild einer Sonnenblume entsteht; die Strahlen schillern in schönen Farben (rot, grün, gelb). Ueber diesen Befund war ich zunächst sehr erstaunt, da ich ihn trotz der grossen Zahl der untersuchten Mannschaften noch nicht erhoben hatte; um so überraschter war ich allerdings, als ich bei der Durchleuchtung des Auges feststellen musste, dass diese Trübung fast vollkommen verschwand, dass es sich also um einen Scheinkatarakt, um ein optisches Phänomen handelte. Die weitere Untersuchung ergab einen im Glaskörper fiottierenden, gelblich schimmernden kleinen Fremdkörper — zweifelsohne einen Kupfersplitter. Sehnerv und Augenhintergrund sind normal. Sehschärfe = ®/; der Norm. Gesichtsfeld normal. — Es entsteht nun die Frage: Kann man die oben beschriebenen Veränderungen: Scheinkatarakt und das Schillern (Iridi- sieren) der Linsenoberfläche mit der Verletzung in ursächlichen Zu- sammenhang bringen bzw. kann man aus diesen Veränderungen auf Anwesenheit von Kupfer im Augeninnern schliessen, und wie ist das Zustandekommen derselben zu erklären. Die erste Frage ist wohl mit Ja zu beantworten. Im November-Dezemberheft 1917 der Klinischen Monatblätter für Augenheilkunde beschreibt D. Vogt-Aarau in einer Arbeit: „Ueber Farbenschillern des vorderen Rindenbildehens der menschlichen Linse“ drei Fälle gleicher Art; in allen drei Fällen hat es sich um Kupfersplitter im Augeninnern gehandelt. Einen ähnlichen Fall beschreibt Kümmel im Zentralblatt für praktische Augenheilkunde Juli-August 1918: „Ueber Linsenveränderungen bei Anwesenheit von Kupfer im Auge.“ Nun noch kurz einige Bemerkungen über die physikalischen Grund- lagen dieses merkwürdigen Phänomens. Bezüglich des Entstehens des Scheinkatarakts hat man an aller- feinste subepitheliale Strukturveränderungen der Linse gedacht, die als Gitter wirken; bezüglich des Zustandekommens des Farbenschillerns — Iridisierens — liegt es nach Vogt am nächsten, an Interferenzfarben zu denken, - wie man sie an feinsten übereinandergeschichteten GlespEuer oder an dünnen Blättchen beobachten kann. Aussprache. Hr. Uhthoff stellt im Anschluss an die Demonstration von Hrn. Bleisch einen 32jährigen Pionier H. Sch. vor, der am 17. IX. 17 durch Explosion einer Sprengkapsel von einer Handgranate eine Ver- letzung beider Augen durch Eindringen je eines kleinen metallenen Fremdkörpers (Messing) erlitten hat. Auf beiden Augen besteht der soeben von Hrn. Bleisch geschilderte Befund einer partiellen „ Scheinkatarakt“ unter der vorderen Linsen- kapsel. Es findet sich im "auffallenden Lichte eine zentrale subkapsulär gelegene scheibenförmige Trübung mit grauem Zentrum und etwas RE WET ES > Medizinische Sektion. I. Abteilung. 63 stärker grauer ringförmiger Begrenzung, von der radiäre grauliche Strahlen bis an die Peripherie gehen, den Aequator der Linsen aber nicht ganz erreichen. Der Befund ist beiderseits ganz gleichartig, und im durchfallenden Lichte ist tatsächlich von diesen scheibenförmigen Trübungen mit den strahligen Ausläufern nichts zu sehen. Der Reflex dieser Trübungen ist bei seitlicher Beleuchtung leicht bräunlich-rötlich, aber nicht eigentlich in Regenbogenfarben irisierend. Beide Bulbi sind zurzeit reizlos. Auf dem linken Auge beträgt die Sehschärfe mit — 2 resp. 8 — 1 cyl. Ax.tor. S= ®ıs. Das Gesichtsfeld ist frei. Die: Papille sowie der sonstige Augenhintergrund erscheint normal,. nur peripher nach unten innen liegt präretinal ein kleiner metallisch glän- zender Fremdkörper mit einem kleinen atrophischen Chorioidalherd un- mittelbar hinter demselben (Aufschlagsstelle). Das rechte Auge hat mit — leyl. Ax. tor. eine Sehschärfe von S=*/,; und zeigt erhebliche periphere Gesichtsfeld-Beschränkung besonders nach aussen. Nach unten innen ist eine deutliche Netzhautruptur mit zirkumskripter Netzhaut- ablösung nachweisbar. Ein Fremdkörper ist zurzeit nicht nachweisbar, soll aber früher auch hier sichtbar gewesen sein. Nach oben aussen am Limbus corneae findet sich eine kleine Narbe von perforierender Wunde, durch welche jedenfalls der Fremdkörper eingedrungen ist. . Die Trübung liegt beiderseits bei der Betrachtung mit der Zeiss- lampe unmittelbar unter der der Linsenkapsel und setzt sich aus lauter kleinen punktförmigen graulichen Trübungen zusammen. Bei Unter- suchung mit der Nernst-Spaltlampe tritt auch ein leichtes Irisieren dieser feinkörnigen Trübungen hervor. Im Röntgenbilde finden sich beiderseits kleine Fremdkörper, von denen je einer intraokular in jedem Auge lokalisiert werden kann. Es handelt sich hier somit um den Befund, wie ihn kürzlich Purtscher (Zbl. f. Aughlk., März-April 1918, Bd. 42) eingehend be- schrieben und gewürdigt hat und wie er schon vorher von Erbl, (Zbl. f. Aughlk., Nov. 1907) und Goldzieher (Zbl. f. Aughlk. 1895) erwähnt wurde. Auch Esser (Zbl. f. Aughlk., Sept.-Okt. 1918, Bd. 42) und Kümmel (Zbl. f. Aughlk., Juli-Aug. 1918, S. 97) haben analoge Mitteilungen gemacht. Der vorgestellte Fall ist insofern ein Unikum, als der gleiche typische Befund auf beiden Augen gleichzeitig nach Eindringen eines kleinen metallischen Fremdkörpers infolge der Explosionsverletzung auf- trat. Ob es sich um Kupfer oder Messing handelt, kann nicht mit Sicherheit entschieden werden. 2. Hr. R. Pfeiffer: Zur Aetiologie der diesjährigen Influenza- eur Während der Influenzaepidemie des Jahres 1891 gelang es dem Vortragenden, in dem Auswurf und in dem Lungengewebe bei Influenza- Bronchitis und Influenza-Pneumonie einen bis dahin unbekannten winzig kleinen Bazillus aufzufinden, der durch seine biologischen Eigenschaften, besonders durch seine obligate Hämoglobinophilie wohl charakterisiert war, und der von ihm als Erreger der epidemischen Influenza ange- ‚sprochen wurde. Diese Auffassung wurde auf Grund zahlreicher Be- stätigungen durch hervorragende Bakteriologen, pathologische Anatomen und Kliniker allseitig angenommen. Trotzdem fehlte es nicht an An- griffen gegen die ätiologische Bedeutung des Pfeiffer’schen Bazillus, die sich vor allen Dingen darauf stützten, dass diese Mikroorganismen bei späteren Ausbrüchen von Grippeepidemien vielfach vermisst wurden und umgekehrt gelegentlich unter Umständen gefunden wurden, wo eine direkte Beziehung zur Influenza nicht ohne weiteres ersichtlich war. Diese Angriffe liessen sich aber leicht entkräften. Einerseits ergab es > RR La a = 64 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. sich, dass das klinische Bild der Grippe keine ätiologische Einheit dar- stellte; dass hier also ähnliche Verhältnisse vorliegen, wie z.B. bei der Typhusgruppe, wo neben dem echten durch den Koch-Ebert’schen Bazillus hervorgerufenen Abdominaltyphus die klinisch sehr ähnliehen Krankheitsbilder der Paratyphen vorkommen, dienurdurch den Nachweisder Erreger mit Sicherheit diagnostiziert werden können. Andererseits war der gelegentliche Befund von Infiuenzabazillen auch ausserhalb einer Epidemie auf Grund unserer sonstigen bakteriologischen Erfahrungen keineswegs auffallend, wenn vorher, wie dies in dem Jahrzehnt von 1889—1899 der Fall war, eine so weitgehende die ganze Bevölkerung in Mitleidenschaft ziehende Durchseuchung stattgefunden hatte. Lange fortgesetzte Untersuchungen an verschiedenen Orten haben dann auch ‚ergeben, dass diese sporadischen Influenzabazillenbefunde nach dem Abklingen der grossen Epidemie allmählich aufhörten. So gibt Selter an, dass er in Bonn vom Jahre 1904 ab Influenzabazillen nicht mehr zu sehen bekommen hat. Auch im Institut für Infektionskrankheiten sind seit 1908 I.-B. Befunde nicht mehr erhoben worden, obwohl darauf besonders geachtet wurde. Die Infiuenzabazillen sind also keineswegs ubiquitäre Mikroorganismen, sondern mit den Infiuenzaepidemien eng verknüpft. Besonders beweisend dafür ist eine kleine echte Influenza- epidemie, die in Königsberg in den Jahren 1896—1898 herrschte und hei derScheller nachwies, dass auf der Höhe der Epidemie die Erreger nicht allein bei typischen Infiuenzaerkrankungen, sondern auch bei Er- krankungen anderer Art und selbst bei scheinbar Gesunden in zahl- reichen Fällen nachweisbar waren, während nach dem Erlöschen der Epidemie auch die Influenzabazillen vollständig verschwanden. Als im Sommer dieses Jahres, aus Spanien eingeschleppt, die In- fluenza von neuem in pandemischer Verbreitung in ganz Europa auftrat, wurde sofort von den Bakteriologen nach dem Influenzabazillus gesucht mit merkwürdig verschiedenen Ergebnissen. In München, in Frankfurt, anfangs auch in Berlin, wurden Influenzabazillen nicht gefunden. Andere Untersucher waren glücklicher und konnten sehr bald über positiven Nachweis der Pfeifferbazillen in zahlreichen Fällen berichten. Es sollen hier nur ganz kurz die Ergebnisse berichtet werden, diein dem Breslauer hygienischen Institut erhoben worden sind. Untersucht wurden bis jetzt 217 Sputa, die mit der klinischen Diagnose Influenza eingesandt wurden. Davon waren Infiuenzabazillen positiv 112, gleich 51,6pCt. Die Zahl der Bazillen war in der Mehrzahl der positiven Fälle ganz enorm, so dass die Präparate direkt damit übersät waren. Vielfach waren die - Infiuenzabazillen so gut wie rein vorhanden. Als Mischinfektionen in anderen Fällen wurden gefunden Staphylokokken, Streptokokken, Pneumo- kokken, Mikrococeus catarrhalis. Die Befunde der diesjährigen Epidemie ‘entsprechen nach jeder Hinsicht den Feststellungen des Vortragenden in den Jahren 1891 und 1892. Genau wie damals wurden ferner In- fiuenzabazillen nachgewiesen in zahlreichen Sputis, die zur Untersuchung auf Tuberkelbazillen eingesandt waren. In einer gewissen Zahl von Fällen, die vielfach auch Kinder betrafen, ergab sich, dass eine Influenza- bazilleninfektion das klinische Bild der Tuberkulose vorgetäuscht hatte; auch das entspricht den Erfahrungen der Jahre 1891/92. Bei 30 Fällen von Infiuenzapneumonie war der Nachweis der In- fiuenzabazillen in den Lungen, in den Bronchien und der Trachea in 20 Fällen positiv. Mehrfach waren die Infiuenzabazillen in dem Lungen- gewebe und zwar in den typischen lobulären Herdchen fast rein nach- weisbar. Sie wurden ferner mehrfach im Gehirn und in der Milz nach- gewiesen, ferner in pleuritischen Exsudaten und in Lumbalpunktaten, die post mortem entnommen waren. l Medizinische Sektion. I. Abteilung. 65 Die Gesamtheit der Befunde spricht entschieden dafür, dass die Influenzabazillen auch mit der diesjährigen Grippeepidemie in ätiologi- scher Beziehung stehen und bilden eine Bestätigung der früheren An- gaben des Vortragenden. Die negativen Untersuchungsergebnisse mancher Autoren hatten zu der Auffassung geführt, dass die Influenzabazillen nicht die eigentliche Ursache, sondern nur eine sekundäre Infektion der Iufluenza darstellen,, und der Gedanke lag nahe, dass es sich um ein ultravisibles Virus handeln könnte. Versuche von Selter über die Erzeugung der Iufluenza durch filtrierte Sekrete von Inffuenzakranken haben jedoch keineswegs zu einwandsfreien Ergebnissen geführt. Entsprechende Versuche von Kruse sind völlig negativ. verlaufen. Dem gegenüber steht der positive Ausfall einer Infektion mit Influenzabazillenreinkultur, die der patho- logische Anatom Kretz von sich selbst berichtet. Weitere Infektions- versuche an Menschen mit [ufluenzabazillenreinkulturen swürden bald Klarheit geben, aber derartige Experimente involvieren doch eine so grosse Verantwortung, dass Vortragender sich dazu nicht entschliessen konnte. Hervorzuheben ist gegenüber den Einwürfen Mandelbaum’s, dass die Influenzabazillen von dem Vortragenden beim Ausbruch der Epidemie gleich bei den ersten typischen Fällen in einem hohen Prozent- ' satz (von weit unter fünf wahllos herausgesuchten akuten Fällen) nach- gewiesen werden konnten. 3. Hr. Henke: Zur pathologischen Anatomie der Grippe. Vortr. geht zunächst von dem Standpunkt aus, dass die augenblick- lieh herrschende epidemische Seuche identisch ist mit der Influenza, wie sie Europa 1889 heimgesucht hat. Das pathologisch-anatomische Bild der Basslhne wird in seiuen grossen Zügen natürlich fast überall gleichartig geschildert, aber es be- stehen doch Unterschiede in dem quantitativen Hervortreten der einzelnen Teilerscheinungen der Krankheit. Das hat seinen Grund zum Teil wohl auch darin, dass zu Anfang nur über eine kleinere Anzahl von Krank- heitsfällen berichtet wurde. Ungefähr 100 Sektionen liegen dem Material zu Grunde, über das im Einzelnen berichtet wird: Es werden abgetrennt als 1. Gruppe solche Fälle mit foudroyantem klinischen Verlauf, die offenbar toxisch bedingt sind durch das Freiwerden der Endotoxine der Erreger (Oeller). Bei ihnen steht bei der Autopsie ein hochgradiges hämorrhagisches Oedem der Lungen im Vordergrund. Klinisch hat man bei ihnen direkt massiges Lungenbluten gesehen. Das sind auch die Fälle, bei denen ängstliche Gemüter im Anfang an Lungen- pest gedacht haben. Die zweite, grösste Gruppe umfasst die Fälle, bei denen ausge- sprochene Lungenentzündungen und Pleuritiden die Todesursache dar- stellen. Bezüglich der für die Grippe charakteristischen Tracheitis und Bronchitis, die der Ausgangspunkt dieser Erkrankungen natürlich ist, wäre für das Breslauer Material festzustellen, dass bedeutend seltener, wie anderenorts (Berlin, Frankfurt a. M.), oberflächlich nekrotisierende Entzündungen gefunden werden (höchstens 5 pCt., einmal Geschwürs- bildung). Die schwere eitrige oder hämorrhagische Bronchitis ging oft so diffus über den grössten Teil der Lungen bis in die feinsten Bronchen hinein, dass man den Eindruck hatte, dass der Tod an Erstickung ein- getreten war. Die tödlichen Lungenentzündungen waren überwiegend Lobulär- Pneumonien von hämorrhagischem Charakter, oft konfluierend, so dass ganze Lungenlappen ergriffen zu sein schienen. Infarktähnliche Herde unter der Pleura werden, gegenüber Oberndorfer, bronchogen ge- Sehlesische Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 1918. T. 66 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. deutet, nicht hämatogen. Die Herde kommen in länger verlaufenden Fällen zur Abszedierung und sind dann oftmals der Ausgangspunkt für die hinzutretenden Pleuritiden und Empyeme. — Andere Fälle, auch klinisch durchaus als Grippe imponierend, boten mehr dasBild einfacher Hepatisationen, wie bei der genuinen Pneumonie. Dann werden auch gewöhnlich Pneumokokken gefunden, wie denn überhaupt für die Schwere ‚der Erkrankungen die Mischinfektion, vor allem die mit Streptokokken, eine ausschlaggebende Rolle spielt. Gross war die Zahl der tödlichen Pleuritiden und Empyeme (auch bei teilweise hämorrhagischem Charakter der Exsadate). In einem Falle war auch durch die Lymphgefässe des Zwerchfells die Entzündung auf das Peritoneum übergegangen und hatte durch diffuse eitrige Peritonitis (Streptokokken) getötet. Von den anderweitigen Lokalisationen (3. Gruppe) seien erwähnt Perikarditiden, meist bei gleichzeitiger Pleuritis, Enteritis, wachsartige Degeneration der Bauchmuskeln usw. Bezüglich der Frage, welche Personen als besonders gefährdet zu gelten haben, tritt gegenüber den Erfahrungen früherer Influenza-Epi- demien, wonach alte und geschwächte Personen besonders leicht der Seuche erliegen, auch am Breslauer Material hervor, dass vollkräftige Menschen zwischen ungefähr 18 und 35 Jahren vorwiegend unter den Todesopfern zu finden sind. Die Beobachtung Oberndorfer’s aus München, dass der Status thymo-lymphaticus dabei eine Rolle spielt, konnte nicht bestätigt werden. Auch Herzfehlerkranke und Tuberkulöse schienen nicht in besonderem Maasse gefährdet. 4. Hr. Minkowski: Zur Klinik der @rippe. Das wunderbarste in der Geschichte der Grippe ist das kurze Ge- dächtnis der Menschheit für die früheren Epidemien, dass bei jedem er- neuten Auftauchen der Seuche sie als eine „neue“ Krankheit begrüssen liess. Alles, was im klinischen Bilde bei der diesjährigen Epidemie als bemerkenswert hervorgehoben wurde, ist auch bei früheren Epidemien schon beobachtet und beschrieben, so besonders erschöpfend von Leichtenstern. Dass in bezug auf die Schwere des Verlaufs, die Häufigkeit und die Art der Komplikationen jede Epidemie ihre Besonder- heiten hat, beobachtet man bei allen Infektionskrankheiten. Neben der wechselnden Keimvirulenz und der besonderen Art der Misch- infektionen spielen die Lebensverhältnisse und die Wider- standsfähigkeit der befalleneu Individuen dabei wahrscheinlich die entscheidende Rolle. Es liegt nahe, die stärkere Verbreitung der Eiterungserreger infolge der vielen eiternden Wunden, der mangelnden Hautpflege und besonders des Seifenmangels, sowie die her- abgesetzte Widerstandsfähigkeit infolge des Biweiss- und Fettmangels in der Nahrung für die besondere Schwere der diesjährigen Epidemie verantwortlich zu machen. Das relative Verschontbleiben der höheren Altersklassen — das übrigens auch schon bei früheren Epidemien be- obachtet wurde — erklärt sich wahrscheinlich aus einer Immunisierung durch die vorausgegangene Epidemie, die stärkere Beteiligung der weib- lichen Bevölkerung in dem Heimatgebiete sicher durch die Abwesenheit der Männer, die die Krankheit im Felde durchmachten. Wenn auch die Gesamtzahl der Opfer bei der diesjährigen Epidemie besonders gross zu sein scheint, so bleibt die relative Mortalität der Grippe doch sehr gering, wenn man die grosse Morbidität berücksichtigt. Alle Zahlenangaben über die letztere dürften viel zu niedrig sein, weil die Mehrzahl der leichten Fälle nicht mitgezählt wird. Der Kliniker sieht von der Krankheit hauptsächlich die beiden Seiten, die ihre ernste Bedeutung bedingen: Die Schwere ihrer Komplikationen und ihren un- günstigen Einfluss auf andere Krankheitszustände. Medizinische Sektion. I. Abteilung. 67 Nach den persönlichen Eindrücken und Erfahrungen des Vortragen- den, der die Epidemie von 1889/91 noch in Erinnerung hat, wären von den Besonderheiten des gegenwärtigen Seuchenzuges hervorzuheben: Die grössere Neigung zu Hämorrhagien, die sich schon in dem viel häufi- geren Auftreten von Nasenbluten äusserte, während der fliessende Schnupfen an Bedeutung zurücktrat, dementsprechend auch die Mittelohr- katarrhe und Erkrankungen der Nebenhöhlen der Nase seltener waren. Wiederholt wurde schwere DLaryngitis mit Stenoseerscheinungen und Pseudocroup beobachtet. Tracheitis mit Substernalschmerz ist be- sonders häufig. Die Eigenart der wichtigsten Komplikation, der Influenza- pneumonie, tritt im klinischen Bilde nicht weniger hervor, wie im anatomischen. Zwar kann alles, was bei der Influenza vorkommt, auch sonst bei Pneumonie beobachtet werden, aber die Ausnahmen werden hier zur, Regel. Von 71 Pneumonien verliefen 27 letal. Häufiger als sonst ist neben der Schwere der Allgemeininfektion die Ateminsuffizienz,, die Erstickung, die Todesursache, manchmal schon bei der Bronchitis mit starker Schleimhautschwellung und profuser Sekretion (dem „Catarrhe asphyxique grippal“), vor allem bei dem schon frühzeitig auftretenden akuten hämorrhagischen Lungenödem, das in seinem stürmischen. Verlauf an das Bild schwerer Kampfgasvergiftung erinnern kann, dann bei der übermässigen Verkleinerung der respiratorischen Fläche durch Ausbreitung der Infiltration über fast die ganze Aus- dehnung beider Lungen. In anderen Fällen auffallend geringer physi- kalischer Befund (zentrale Infiltrate, disseminierte lobuläre Herde), oder: protrahierter Verlauf mit verzögerter Resolution, vor allem aber die haupt- sächlich durch die Sekundärinfektion mit Staphylokokken verursachte Neigung zu Eiterung. Auffallend ist die Inkongruenz zwischen Schwere der Allgemeininfektion, Eiterung und Bakterien- gehalt der Pleuraexsudate, neben foudroyant verlaufenden Em- pyemen mit schwerster Allgemeininfektion, blande schleichend sich ent- wickelnden Eiteransammlungen und rein serösen Exsudaten, die von Streptokokken wimmeln, und doch wochenlang nicht in Eiterung über- gehen. Von den Erfolgen der Behandlung solcher Fälle mit Punktions- drainage ist Vortragender nicht befriedigt. Er zieht die Eröffoung des Thorax mit Rippenresektion ' vor. In einem Falle wurde ein spontan entstandener Pyopneumothorax beobachtet mit Staphylokokken und Pfeiffer’schen Influenzabazillen im Exsudat. Häufig wurde im Krank- heitsverlauf und in der Rekonvaleszenz myokardiale Schwäche mit Tachy- auch mit Bradykardie, sehr selten Endokarditis beobachtet, dagegen wiederholt Perikarditis: ein Fall mit grossem eitrigen Peri- kardialexsudat wurde mit Erfolg operiert, ein anderer mit serofibrinösem,, strepto- und staphylokokkenreichem Exsudat starb nach der Operation infolge beiderseitiger Thrombophlebitis der Ven. anonymae. — Das Blutbild zeigte häufig im Anfang Leukopenie, später Leuko- zytose. — Die Beteiligung der Verdauungsorgane trat im ganzen mehr zurück. Doch wurden einige Male schwere gastrische Störungen mit kaum stillbarem Erbrechen, wiederholt profuse Diarıhoen, in einigen Fällen mit hämorrhagischen Entleerungen beobachtet. Ein Milztumor war nur in einem Teil der Fälle nachweisbar. In 2 Fällen schloss sich an diese Störungen intensiver Ikterus an. In 3 Fällen wurde einseitige Parotitis beobachtet; in einem Falle mit günstigem Ausgange, 2 Fälle verliefen letal. — Febrile Albuminurie wurde wiederholt, hämorrhagische Nephritis ein paar mal beobachtet. — Ver- 'hältnismässig selten schienen bei der Epidemie die Affektionen des Nervensystems, wenn man von einigen Fällen auffallender psychischer Begleiterscheinungen absieht. Sie beschränken sich auf einige Fälle von vorübergehendem Meningismus und ein Fall von Meningitis, 5* 68 Jahresberieht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Enzephalitis und periphere Lähmungen wurden nicht beobachtet. — In mehreren Fällen traten im Anschluss an typische Grippe Gelenk- _ schwellungen auf. In einem Falle schloss sich an die Grippe eine Polyarthritis acuta an; der Patient hatte aber schon früher an Gelenk- rheumatismus gelitten. Hier handelte es sieh vielleicht um die Provo- kation eines Rezidivs durch die Grippe. Eine solche Provokation einer latenten Infektion zeigte sich in auf- fallendster Weise in einigen Fällen von Malaria. Ein ungünstiger Einfluss der Grippe auf bestehende Krankheit zeigte sich besonders in einigen Fällen von Diabetes und Nephritis. Gerade- zu auffallend erschien im Gegensatz zu der Epidemie von 1889/91, wie selten eine ungünstige Rückwirkung der Grippe auf den Verlauf der Lungentuberkulose in die Erscheinung trat. Vielleicht lag das an der zufälligen Zusammensetzung des Beobachtungsmaterials. Hierüber dürften die Erfahrungen der Heilstätten Aufklärung geben. Auch eine ungünstige Wirkung auf Herzkranke schien nicht in gleicher Weise hervorzutreten wie bei der früheren Epidemie. Zu erwähnen wäre noch, . dass in einem Falle von schwerem Asthma, im Gegensatz zu sonstigen Erfahrungen, die Anfälle nach überstandener Grippe wesentlich milder zu verlaufen schienen. Die Aussprache wird vertagt. Sitzung vom 29. November 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Schriftführer: Herr Minkowski. 1. Hr. Jadassohn stellt vor: a) Ein Kind mit Kerion Celsi und einem Lichen trichophytieus. Die Infektion stammt von dem Vater des Kindes, der eine Bartfliechte gehabt hat. Das Kerion ist nicht sehr tief und nicht sebr akut entzündet und hat als oberflächliche Tricho- phytie begonnen. Dsr daneben bestehende Lichen trichophyticus ist am Körper mässig stark disseminiert. Zugleich besteht ein analoges klein-papulöses Exanthem an der Stirn (das Kerion findet sich dieht am Stirnrande auf dem behaarten Kopfe), an den Seitenteilen des Gesichts und am Hals. Wie alle Kinder mit Lichen trichophyticus, so reagiert auch dieses stark auf Trichochytin. Fälle, wie der vorgestellte, sind wichtig für die Frage der Pathogenese des Lichen trichophyticus. Von den 3 überhaupt vorhandenen Möglichkeiten der ektogenen, hämatogenen und lymphogenen Entstehung kommt für die regionäre Ausbreitung, wie an der Stirn usw., speziell die ektogene in Frage; für die dissemi- nierten Fälle, und speziell auch für die nodösen Herde an den Unter- schenkeln, die dabei vorkommen, die hämatogene. In dem vorgestellten Falle könnte es sich um eine Kombination handeln, denn für die Ent- stehung des Lichen trichopbyticus ist ja nichts weiter notwendig, als dass Pilzelemente oder -produkte mit der allergischen Haut in Berüh- rung kommen. = b) Einen sehr aussergewöhnlichen Fall von Sklerodermie in zir- kumskripten Herden in ausserordentlich starker Ausbreitung, mit sehr hochgradig pigmentierten Herden in der Umgebung an den unteren Ex- tremitäten, zugleich am Rumpf Stellen von sog. kartenblattartiger Sklerodermie. ec) Zwei Fälle der viel besprochenen Kriegsmelanose, deren einer schon sehr lange besteht und sehr intensiv braun verfärbt ist (Gesicht, Rumpf, Genitalien und obere Extremitäten), vielfach mit Lichen ruber- ähnlichen Eifloreszenzen und in netzförmiger Anordnung. Bei dem Medizinische Sektion. 1. Abteilung. 69 anderen Fall ist vor allem auffallend eine stark ausgesprochene Lokali- sation der Pigmentierungen in der Gürtelgegend und eine Pigmentierung an den Unterschenkeln mit diffuser Infiltration. An den Unterschenkeln sind pemphigusartige Blasen vorhanden, und die Epidermis ist dort leicht abreibbar (Nikolski’sches Phänomen), während an den Armen und am Rumpf dieses Phänomen nicht hervorzurufen ist. Es muss un- entschieden bleiben, ob es sich bei. diesem anscheinend lokalisierten Pemphigus um einen Zusammenhang mit der Kriegsmelanöse handelt. Die Fälle, die in der Breslauer Klinik von Kriegsmelanose und -Dermatitis beobachtet worden sind, sind recht zahlreich, in der letzten Zeit aber auffallend seltener geworden. Bei den meisten von ihnen ist eine ‚Schädigung mit Schmieröl, Kriegssalben usw. zu konstatieren. In wenigen Fällen ist dieser Nachweis nicht gelungen, während Herr Schäffer bei seinem Material meist keinerlei äussere Einwirkung konstatieren konnte. Das klinische Bild ist ausserordentlich mannigfaltig. Speziell interessant sind die Lichen ruber- und Pityriasis rubra pilaris-ähnlichen Veränderungen. Einmal konnte von uns auch eine Pigmentierung der Mundschleimhaut konstatiert werden. In bezug auf die Pathogenese der Hautveränderungen ist hervorzuheben, dass, wie bei dem zweiten der vorgestellten Patienten ersichtlich, auch durch mechanische Ein- wirkung (Gürtel) die Pigmentierung provoziert werden kann, also nicht nur durch Licht (wie wir das bei einzelnen unserer Patienten konsta- tieren konnten) und durch chemische Einwirkung (Schäffer). Das All- gemeinbefinden ist bei den vorgestellten Patienten, wie bei fast allen in der Klinik beobachteten, recht gut, der Verlauf ganz ausserordent- lich schleppend. d) Ein sehr hochgradiges Lupuskarzinom auf einem seit 15 Jahren bestehenden, mit Aetzungen anderweitig viel behandelten Lupus. e) Einen Mann mit maltiplen, zum Teil ulzerierten, zam Teil fast gestielten, sich scharf absetzenden Tumoren im Gesicht und am Skrotum. Die Erkrankung begann im Januar 1917 an einem Leber- fleck am Rücken, welcher sich in eine schnell wachsende Geschwulst umwandelte und exzidiert wurde. Vom pathologischen Institut wurde damals die Diagnose Sarkom gestellt. Im Mai 1918 traten die Wangen- -tumoren auf, dann auch die am Skrotum. Ausserdem bestehen zahl- reiche disseminierte, fleckige und warzenförmige Naevi am Körper. Das Allgemeinbefinden ist gut. Auf das histologische Bild, das am meisten an maligne Naevustumoren erinnert, soll später noch eingegangen werden. Es muss fraglich bleiben, ob es sich um multiple Metastasen eines malignen Naevustumors handelt oder um multiple maligne Um- wandlungen einzelner Naevi. f) Aeltere Frau mit ausserordentlich multiplen Tamoren am ganzen Körper, die nach einer Drüsenoperation am Unterkiefer im Jahre 1916 sich allmählich entwickelt haben. Die meisten Tumoren sind subkutan, einzelne von dunkelbläulicher Verfärbung auch intra- kutan. Die histologische Untersuchung der subkutanen Tumoren ergab ein nicht typisches, am meisten an Epitheliome erinnerndes Bild, bei dem Herr Hanser trotz des Fehlens von Pigment die Annahme, es könne sich um pigmentfreie Melanome handeln, aussprach. In Schnitten von einem kutanen Tumor wurde dann ein Bild wie bei den malignen Naevustumoren festgestellt. Die weitere Untersuchung ergab, dass die erst exzidierten Tumoren ganz dunkel gefärbt und auch histologisch als Melanosarkome diagnostiziert worden waren. Die Patientin ist jetzt hoch- gradig kachektisch. (Die nachträglich von Herrn Schäffer von der medi- zinischen Klinik vorgenommene Untersuchung des Urins auf Melanin und Melanogen hat ein negatives Resultat ergeben.) I ET Ba Er 2 he rar Eh he 70 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. g) Moulage einer Patientin mit multiplen Epitheliomen am Rumpf, von denen die Mehrzahl in Form ganz flacher, oberflächlicher Herde schon seit vielen Jahren besteht. Einzelne, namentlich eines an der rechten Hüfte, sind zu einem sehr grossen, tief ulzerierten Tumor ausgewachsen, merkwürdigerweise in ganz analoger Art, wie das von Herrn Küttner vor kurzer Zeit vorgestellte Karzinom in der gleichen Loka- lisation. Die histologische Untersuchung ergab an den flachen Herden ein multizentrisch entstehendes, ganz oberflächliches Basalzellenepi- theliom. Auch bei den tiefen Geschwüren handelt es sich um ein Basal- zellenepitheliom. Die Basalzellenepitheliome am Rumpf sind an sich sehr selten und in dieser multiplen Form mit tejlweiser Umwandlung in tiefe Geschwüre noch k&um beobachtet. 2. Hr. Schaefer stellt im Anschluss an die demonstrierten Fälle von Karzinomen der Haut 3 weitere Epitheliomfälle vor, die in dem Strahleninstitut der Hautklinik radiotherapeutisch behandelt worden sind. Aus dem reichen Ca-Material wurden gerade diese Fälle heraus- gegriffen, weil sie — obwohl histologisch und klinisch voneinander ver- schieden — übereinstimmend die grossen Vorzüge dartun, die die Radio- therapie der Epitheliome gegenüber den anderen Behandlungsmethoden auszeichnet. a) Ein ausgedehntes, tief ulzeriertes Kankroid, ein Spinalzellen- epitheliom, das die ganze Schläfe und die Gegend über der Ohrmuschel bedeckt hatte. Chirurgisch hätte man hier nur unter Zuhilfenahme komplizierter operativ-plastischer Verfahren vielleicht etwas erreichen können. Durch Mesothoriumbestrahlung gelang es, ein ebenso thera- peutisch wie kosmetisch gleich gutes Resultat zu erzielen. b) Ein Basalzellenepitheliom, das in Form eines Uleus rodens ein tiefes, kraterförmiges Geschwür in die Jochbeingegend gesetzt hatte. Jetzt glatte Narbe! c) Eine Patientin, die schon vor einigen Jahren geheilt demenkkeier. worden ist, um die Dauerresultate der Methode darzutun. Die Frau litt Anfang. 1913 an einem ausserordentlich grossen Narbenepitheliom an Stirn und Schläfe, das damals einer kurzen Mesothoriumbestrahlung unterzogen wurde. Trotzdem keinerlei Nachbehandlung stattgefunden hat, ist sie während der ganzen Zeit — also fast 6 Jahre hindurch — völlig erscheinungsfrei geblieben. 3. Hr. Minkowski demonstriert: a) Die Abbildungen eines Falles von elephantiastischer Verdicekung einer unteren Extremität mit Lymph- angiektasien an der anderen Schenkelbeuge und am Skrotom, sowie periodischem Chylusabflass aus der Harnröhre bei einem 10jährigen Knaben mit angeborener Pulmonalstenose; b) einen Patienten, der monatelang an einer Pleuritis sieca mit fühlbarem Reiben gelitten hatte und bei dem die quälenden Schmerzen durch Anlage eines künstlichen Pneumothorax beseitigt wurden. 4. Hr. Frank demonstriert einen Patienten mit atrophischer Läh- mung des M. trapezins, der rechten Lungenhälfte und Rekurrens- paralyse. Es handelt sich um das bekannte Symptomenbild der Vagus- Akzessorius-Hypoglossuslähmung, die hier dadurch bedingt wurde, dass dem Patienten ein Granatsplitter einige Zentimeter hinter dem rechten Warzenfortsatz eindrang und an der Schädelbasis in der Gegend des Foramen jugulare stecken blieb. Besonders interessant in dem vorge- stellten Falle ist die Beteiligung der Schlingmuskulatur, die auch ob- jektiv durch einen anscheinend bis jetzt nicht beschriebenen röntgeno- logischen Befund erkannt werden konnte. Die seit der Verletzung ziem- lich unverändert fortbestehenden Schlingbeschwerden äusserten sich Medizinische Sektion. I. Abteilung. 71 darin, dass der Patient feste Speisen überhaupt nicht herunterbringt, und. dass breiige Speisen seiner Empfindung nach einige Zeit in der rechten Halsseite stecken bleiben, während Flüssigkeiten bei einigem Nachschlucken gut passieren. Bei der Röntgendurchleuchtung mit Baryumbrei sah man einen schmalen, keilförmigen, mit der Spitze nach unten zeigenden Raum seit- lich von der oberen Halswirbelsäule sich füllen, der sich, wenn Patient leer nachschluckte, ganz langsam wieder entleerte. Es handelt sich zweifellos um den Sinus piriformis, aus welchem die Speisen infolge der Lähmung der Constrietores pharyngis nicht momentan wieder heraus- gepresst wurden, sondern nur allmählich herausgewürgt werden konnten. Mit dem Kehlkopfspiegel war denn der Brei auch deutlich zu sehen. Auf dieses objektive Symptom einseitiger Vaguslähmung, die, abgesehen von der Beteiligung des Rekurrens, nicht immer leicht zu erkennen ist, wird ‘in Zukunft zu achten sein. Eine Schwäche dss rechten Gaumenbogens, die anfangs bestanden zu haben scheint, war zur Zeit der Beobachtung nieht mehr nachweisbar. 5. Hr. Gerson: Ein Fall von Lanugohaarwachstum am ganzen Körper nach Verletzungen peripherer Nerven. R. wurde im Juli 19138 an der rechten Schulter und der linken Ellbeuge verwundet. Dadurch erlitt er eine Lähmung des ganzen rechten Plexus brachialis und links eine Lähmung des Nervus medianus. Rechts wurde noch ein Aneurysma der Art. axillaris später durch Operation entfernt. Dem Kranken fiel auf, dass sich nach der Verwundung an den Armen und am Körper, soweit er sehen konnte, Haarwachstum einstellte. Man sieht jetzt überall auf der Brust, an den Schultern, an den Armen, auf dem Bauche und dem Rücken eine lanugoartige Behaarung, die auch die besonders von Voigt und Langner beschriebenen Spaltlinien und Wirbel zeigt. Diese neue Behaarung hebt sich deutlich von der alten gröberen Behaarung ab, sowohl in der Farbe, als auch in der Stärke und Anordnung. Hypertrichosis ist nach Verletzung peripherer Nerven sowohl allein, als auch im Verein mit einer Reihe anderer trophischer Störungen mehr- fach beschrieben worden, aber fast immer im Bereich der verletzten Extremität. Ich habe sie en. gar nicht selten so beobachtet und habe dabei die neue Feststellung machen können, dass in dem Gebiete des verstärkten Haarwachstums die Tiefensensibilität gesteigert ist. Die Oberflächensensibilität ist entweder aufgehoben oder mindestens herab- gesetzt. Diese Feststellung hat natürlich ganz allgemein bei peripheri- schen Nervenverletzungen Gültigkeit. Das gesteigerte Haarwachstum ist daher wohl nur als eine bei erhöhter Tiefensensibilität mit in die Erseheinung tretende Hyperfunktion aufzufassen. ‚Oppenheim hat nun einen Fall beschrieben, bei dem nicht nur im Gebiete der verletzten Extremität, sondern auch noch an einer ganz entfernten Körperstelle gesteigertes Haarwachstum auftrat. Eine Er- klärung dafür hat er nicht gegeben. In unserem Falle müssen wir annehmen, dass die von den ver- letzten sensiblen Nerven dauernd ins Rückenmark einfliessenden ge- steigerten Reize eine Steigerung der Tiefensensibilität am ganzen Körper reflektorisch hervorrufen, wenn auch nicht in so hohem Grade, wie es sonst für ein kleines Gebiet geschieht, und dass daher hier nur ein ge- ringeres Haarwachstum angeregt wurde. Es bleibt aber eine sehr merkwürdige Erscheinung, dass Schuss- verletzungen einen Vorgang wieder hervorrufen können, der normaler- weise ins Fötalleben gehört. 12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 6. Aussprache zu den 6rippevorträgen. Hr. Leichtentritt: Herr Pfeiffer hat Ihnen vor 3 Wochen über die bakteriologischen Erfahrungen bei der diesjährigen Grippeepidemie berichtet. Er konnte Ihnen mitteilen, dass der Nachweis der Influenza- bazillen in einem grossen Teil der Fälle sowohl im Sputum, als auch in den inneren Organen sichergestellt wurde. Von grösster Bedeutung scheint es hierbei zu sein, dass der Nachweis der Bazillen sofort in den zuerst untersuchten Fällen stattfinden konnte, nicht erst im weiteren Verlauf der Epidemie. Ist doch behauptet worden, dass Pfeiffer erst im Jahre 1892 den Infiuenzabazillus entdeckte, zu einer Zeit, wo die damalige Influenzaepidemie bereits ihren Höhepunkt überschritten hatte, dass also diese Bakterien nicht die Erreger der pandemischen Influenza seien, vielmehr den Bakterien der Sekundärinfektion angehören. Dies entspricht den Tatsachen nicht; ist doch in der Arbeit Pfeiffer’s „über die Aetiologie der Influenza“ aus dem Jahre 1892 zu lesen, dass bereits 1890 bei Durchmusterung von mikroskopischen Präparaten vom Sputum Infienzakranker ‚Pfeiffer diese Bakterien sah und als etwas - Aussergewöhnliches erkannte. Präparate, die ihm von Martin Kirchner übersandt waren, wurden damals bereits mikrophotographiert. Der Züchtung dieser Bakterien stellten sich allerdings zunächst erhebliche Schwierigkeiten entgegen; sie gelang bekanntlich erst Pfeiffer 1892 auf hämoglobinhaltigen Nährböden. Diesmal, wie bei der Epidemie der 90er Jahre, wurden die Bakterien bereits in ihrem Beginne gesehen; gehäufte Infiuenzabazillenbefunde, sowie Auftreten der pandemischen Erkrankung fallen zeitlich zusammen. Dass der Infiuenzabazillus in epidemiefreien Zeiten vermisst wird, dafür sprechen Untersuchunger Selter’s, der in Bonn vom Jahre 1904 an nach Influenzabazillen ver- geblich fahndete, ebenso Untersuchungen des Robert Koch- Institutes unter Neufeld’s Leitung seit dem Jahre 1912. Jetzt erst bei dem Wiederauftreten der pandemischen Influenza konnte Neufeld diese Bak- terien in grösserer Menge mit Regelmässigkeit nachweisen. Gegen solche ausführlichen Forschungen verschwinden die vereinzelten Influenza- bazillenbefunde bei akuten Infektionskrankheiten, wie sie von einzelnez Autoren, Jochmann, Wohlwill, Klieneberger u.a. m. beschrieben wurden, wo man annehmen muss, dass es sich nach der Durchseuchung der Bevölkerung mit Infiuenza um hartnäckige Bazillenträger handelte. Herr Pfeiffer teilte Ihnen vor 3 Wochen mit, dass wir 217 Sputen, die uns mit der Diagnose Influenza eingesandt waren, untersuchten, und dass von diesen 217 znnähernd 53 pCt. Infiuenzabazillen enthielten, eine Zahl, die die Uhlenhuth’schen Befunde von 46 pCt. noch um einiges übertrifft. Einzelne Autoren haben sogar noch eine grössere Anzahl von positiven Befunden erheben können. Es waren dies allerdings besonders gut ausgewählte Fälle und kleine Untersuchsreihen. Wenn man be- denkt, dass die Sputa, die uns eingesandt waren, bisweilen von klinisch nicht Influenzakranken stammen, dass ferner ungeeiguetes Material zur Untersuchung kommt — im Sputum, das nicht frisch entleert ist und das nicht in sterilen Gefässen aufgefangen wird, bekommen die Begleit- bakterien nur zu leicht über das labile Gebilde des Influenzabazillus die Oberhand — wenn man alles dies bedenkt, ist die Zahl von 53 pCt. als relativ günstig zu bezeichnen. Wie wesentlich eine gute klinische Auswahl der Fälle für ein positives Resultat ist, ergibt sich aus den Untersuchungen der letzten 3 Wochen zwischen dem Vortrag von Herrn Pfeiffer und dem heutigen Tage. In dieser Zeit wurden 63 Sputa untersucht, ein grosser Prozentsatz der Fälle stammte aus der Kinderklinik, war also besonders gut beobachtet; bei diesen Untersuchungen erzielten wir an- nähernd 65 pCt. positive Resultate. Medizinische Sektion. 1. Abteilung. 73 Auffallend ist, dass gerade bei den akutesten Fällen Influenza- bazillen vermisst werden. Vielleicht lässt sich dies aus immunisatori- Vorgängen im Organismus erklären. Oeller hat erst kürzlich darauf hingewiesen. Der Influenzabazillus gehöre offenbar zu den Endotoxin- bakterien, zu den Bakterien, die ihr Gift erst im Augenblick der Ver- nichtung im Organismus produzieren. Die Giftwirkung wird also stärker sein, je besser der Abwehrmechanismus des Körpers funktioniert; funk- tioniert er gut, so werden die in den Körper eindringenden Bakterien bald der Auflösung verfallen, können also im Blut oder den Sekreten - gar nicht oder sehr schwer nachgewiesen werden. Diese Toxikämien seien also die akutesten Formen des Influenzaverlaufes. Funktioniere der Abwehrmechanismus weniger gut, so entstehen subakute Fälle, bei denen der Nachweis der Bakterien auch leichter sei. Vielleicht hat Fischer recht, wenn er diese Verhältnisse als Grund annimmt, dass gerade die kräftigsten Indlviduen, deren Abwehrmechanismus besonders gut funktioniere, infolge der übermässigen Ueberschwemmung des Körpers mit Endotoxin der Toxikämie erliegen. Kurz erwähnen will ich noch eine Reihe von 228 Sputumunter- suchungen, die mit der Diagnose Tuberkulose eingesandt waren, bei denen sich in 25 pCt. der Fälle statt der Tuberkelbazillen Influenza- bazillen, oft in Reinkultur, nachweisen liessen. Es handelte sich hier offenbar um Fälle von chronischer Influenza oder um eine Kombination von Influenza mit Tuberkulose, Tatsachen, auf die Pfeiffer bereits im Jahre 1892 hinwies. Eine Anzahl besonders gut beobachteter Fälle konnten wir durch die Liebenswürdigkeit der Kinderklinik in dieser Hin- sicht feststellen. Herr Pfeiffer hat Ihnen des weiteren von 30 zur Sektion ge- . kommenen Infiuenzafällen berichtet, die aufs genaueste bakteriologisch verarbeitet wurden. Bei 18, d. h. in 60 pCt. liessen sich positive Re- sultate in Lunge, Trachea, bisweilen sogar in Milz, Gehirn und Lumbal- punktat feststellen. In einem Teil der positiven Fälle fand sich der In- fiuenzabazillus gemeinschaftlich mit anderen Bakterien: Streptokokken, Staphylokokken, Pneumokokken, Micrococcus catarrhalis, in einem anderen liess er sich in völliger Reinkultur aus den inneren Organen züchten. Dieser Befund erscheint mir von höchster Bedeutung. Ver- schiedene Autoren, denen der Nachweis der Influenzabazillen aus der Leiche gelang, kounten ihn stets nur mit den obenerwähnten Bakterien vergesellschaftet feststellen. Sie kamen daher zur Behauptung, dass die Menschen nicht an der Infektion mit Infiuenzabazillen zugrunde gingen, sondern an der Sekundärinfektion. Einen exakteren Beweis für die Pathogenität des Influenzabazillus könnte natürlich nur der Versuch am Menschen bringen. Wenn man aber die Präparate der Lungen der an Influenza zugrunde gegangenen mustert, wo sich effektiv nichts anderes als Influenzabazillen im mikroskopischen Präparate findet und auf der Platte eine Reinkultur von Influenzabazillen gedeiht, wenn man ausser- dem aus den inneren Organen, Milz und Gehirn, diese Bakterien züchten kann, es sich bei den Verstorbenen offenbar um septische Prozesse ge- handelt hat, so lässt man sich leicht von der pathogenen Natur des In- fiuenzabazillus überzeugen. Und dass auch der pathologische Anatom Anhaltspunkte durch- die Anamnese und durch die anatomischen Befunde für die Reinheit solcher Fälle hat, wird bewiesen, dass Herr Hanser in der Serie der 30 untersuchten Fälle bei den letzten 8 uns den Hin- weis gab, dass es sich um besonders reine Fälle handelte; bei diesen konnte auch die bakteriologische Verarbeitung möglichst frühzeitig post mortem erfolgen. Dies erscheint von besonderer Bedeutung, von diesen 3 Fällen waren 7 positiv, zum grössten Teil in Reinkultur und von neuerdings 8 untersuchten Fällen, die uns ebenfalls als typische Grippe- » 74 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. fälle überwiesen waren, enthielten alle 8 fast Reinkulturen von Influenza- bazillen. Besonders markant erscheint mir ein Kind, bei dem in der Kinderklinik die Diagnose Tuberkulose gestellt war und bei dem klinisch sich noch eine Influenza aufpfropfte. Im Sputum dieses Kindes wurden Influenzabazillen nachgewiesen, Tuberkelbazillen liessen sich bei der ein- maligen Untersuchung trotz Antiforminanreicherung nicht auffinden. Das Kind kam zur Autopsie; während der linke Oberlappen käsige Prozesse typisch tuberkulöser Natur aufwies, liessen sieh im Unterlappen Ver- änderungen feststellen, die Herr Hanser als typisch für Influenza bezeichnete. Dass er damit Recht hat, beweist Ihnen eben diese Platte, - die eine Reinkultur von Influenza aufweist, also klinisch, bakteriologisch, pathologisch-anatomisch liess sich der Influenzaprozess typisch und ein- deutig feststellen. Während alle die Bakterien, die von anderen Autoren zum Teil als Sekundärinfektionen bezeichnet werden, zum Teil wie der Diplostrepto- kokkus von Bernhard als Erreger angesprochen wird, nichts weiter darstellen als die bekannten Bakterien der Entzündung der Luftwege, brachte uns einzig und allein der Influenzabazillus, zeitlich zusammen- fallend mit den epidemisch auftretenden Erkrankungen in klinischer, bakteriologischer und pathbologischer Beziehung etwas Neues oder zog vielmehr etwas in Vergessenheit Geratenes ans Tageslicht. Mitteilungen Kruse’s, Selter’s und Angerer’s über die invisible Natur des Gripperregers bedürfen ihrer Ungeklärtheit wegen noch der Nachprüfung. Zum Schluss noch ein Wort über die Bestätigung der Influenza- diagnose durch serologische Methoden. Vereinzelte Autoren, so vor allem Levinthal, Neufeld und Papamarku, Uhlenhuth u. a. m. haben in dem Bilutserum Influenzakranker spezifische Agglutinine auftreten sehen. Die Anstellung des sogenannten „Influenzawidals“ wird durch einen von Levinthal angegeben Nährboden besonders erleichtert. (Demonstration dieses Nährbodens.) Unsere Erfahrungen über den In- Auenzawidal sind noch zu gering, um uns ein Urteil darüber zu ge- statten. Hr. Rosenfeld: Die Beobachtungen an mehr als 298 Fällen in meinem Lazarett von Influenza aus der 2. Periode der Epidemie haben manches interessante Material ergeben. 1. Die Infektiosität war in dieser Periode unvergleichlich geringer als bei der 1. Welle. Während damals ganze Korridore an einem Tage erkrankten, haben wir diesmal an Hausinfektionen nur etwa 80 Fälle zu verzeichnen. Es scheint, als ob die leichte erste Erkrankung eine Immunisierung erzielt hat, und wir haben auch nur selten eine Er- krankung bei jemandem gesehen, der bei der 1. Influenzawelle erkrankt gewesen ist. Die Mischinfektionen haben keinen wesentlichen Schaden gebracht. Die Nierenkranken wurden durch eine Influenzaerkrankung nicht getötet, ja ihre Nephritis wurde nur sehr vorübergehend etwas ver- stärkt. Auffallend war die geringe Erkrankungsneigung der Phthisiker. Von der ganzen Lungenabteilung erkrankte nur einer und überstand die Krankheit leicht. Auch sonst sind kränkliche Personen nicht durch die Influenza getötet worden, trotz teilweise schwerster Erkrankung. Die klinischen Erscheinungen waren meist sehr schwere: Lungen- entzündungen, einseitig und doppelseitig, mit Pleuritis exsud. waren das geläufige. Die Gefahr bestand bei diesen Fällen nicht sowohl wie bei den Patienten des Herrn Minkowski im Ersticken an den eitrigen Bronchitiden, sondern mehr im Ertrinken im Lungenödem. Fast alle unsere Pneumoniker, die tödlich erkrankten, haben wir an Lungenödem Medizinische Sektion. I. Abteilung. 75 verloren. Die Lungen schäumten nur so bei der Eröffnung. Es zeigt sich darin die ungeheure Giftwirkung des Infektionsträgers. Eine sehr grosse Gefahr lag in dem Auftreten von Empyemen, die dabei eine Operation öfter nicht mehr zuliessen. Von Besonderheiten sind hervorzuheben: Perikarditiden, Hämorrha- gische Pleuraexsudate, schwerste Blutungen aus der Nase, die in einem Falle zu Kopferysipel führte, das unter Pinselung mit Pyoktanin, wie wohl stets, zur Heilung kam. Polyserositis, Pneumothorax in 2 abge- kapselten Herden, tödliches Hautemphysem, wahrscheinlich von einem Dungenriss rechts ausgehend. Von der Bauchgrippe haben wir nur sehr wenige Fälle gesehen, bei denen bei der Sektion nur einzelne stark injizierte Schleimhaut- partien sich fanden. Ein Fall bot in der Kurvenform mit den richtigen steilen Kurven eine Nachahmung einer Typhuskurve (alle sonstigen Symptome fehlten aber). Die nervöse Grippe haben wir in sehr schlimmen Formen gesehen. Bei klinisch ohne Herdsymptome verlaufenden Fällen fanden wir einmal Hyperämie der Pia, einmal mässige Konvexitätsmeningitis. Mit Herd- symptomen (Augenmuskelparesen und Krämpfen im rechten Arm) eine blutige Suffusion der Pia am basalen Teile des linken Frontalhirns und in der Fossa Sylvii. Ein Fall bot schwere Benommenheit, Sprachlosig- keit und rechtsseitige Armlähmung, wurde gebessert. Die Nieren wurden nur vorübergehend gereizt, nicht dauernd ge- schädigt. ‚ Interessant sind die therapeutischen Erfahrungen. Wir haben drei Mittel versucht: Das Diphtherieserum nach der Empfehlung des Herrn Lustig: es hat, in der Menge von 5 ccm pro die angewendet, keinen deutlichen Erfolg gezeitigtt. Wir haben in einem Falle, wo die Impfungen zu kurze Zeit her waren, Rinderserum benutzt. 2. In Gemässheit derUntersuchungen von Wiechowski über die Fähig- keit der Entgiftung bei Tierkohle habe ich nach dem Vorgange des Herrn J. Pohl eine 5proz. Tierkohlenaufschwemmung in 3 Fällen in die Lendenmuskulatur eingespritzt. In einem Falle gingen die bedrohlichen Erscheinungen auf der Lunge und das Fieber zurück, der Patient genas, bekam aber einen Abszess, der eröffnet werden musste. Bei den anderen trat keine Besserung und kein Abszess ein. Bei der Sektion fand sich in einem Fall die Kohle reaktionslos im Gewebe. 3. haben wir das Supersan des Herrn M. Berliner und Digitalis- tinktur vom ersten Tage der Erkrankung an angewendet und zwar je nach der Schwere des Falles 1—4 x Supersan subkutan und 30—90 Tr. Tet. digitalis. Die Bedeutung beider Medikationen sehen wir in der vorbereitenden Stärkung des Herzens, an das durch die ausserordentliche - Giftwirkung des infizierenden Organismus hohe Anforderungen gestellt werden. Ihre volle Wirkung ‘scheinen sie nur entfalten zu können, wenn sie zeitig genug zur Anwendung kommen, um die mit der An- wendungsdauer steigende Kräftigung wirklich erreichen zu können. Das Ergebnis war ein sehr günstiges: seitdem wir diese Behandlung anwendeten, seit dem 14. Oktober, also etwa 7 Wochen lang, ist uns’ kein Infiuenzafall der hiesigen Truppen trotz schwerster Erkrankung gestorben; bis dahin 5 und nachher (18. Okt.) noch einer, der nicht damit behandelt worden war. Die Sterblichkeit der hiesigen betrug alles zusammengerechnet 6pCt., seit Einsetzen der Supersan-Digitalis- Methode OpCt. Von der auswärtigen (195 Fälle) sind uns dagegen 40 gestorben. Das erklärt sich aus der Tatsache, dass diese Fälle meist erst 8—14 Tage draussen krank waren und dadurch oft in sehr ge- . schwächtem Zustande zu uns kamen, so dass wir Todesfälle auf dem Transport, am Tage der Einlieferung, oder am 2. Tage erlebten. Die 16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Grippe ist eben oft eine an sich schwere Erkrankung, deren Gefahren durch Mangel an Schonung noch um vieles erhöht werden. Hr. Stolte: Im Gegensatz zu den früheren Grippeepidemien, bei denen alle Alters- und Berufsklassen gleich empfängiich waren, konnten wir bei den Kindern während der diesjährigen Influenzaepidemie nicht so viel schwere Fälle beobachten. Die Zahl der Erkrankungen war eine ungemein hohe. Wenigstens solange wir rein klinisch ohne Zuhilfenahme der .bakteriologischen Untersuchungsmethoden die Diagnose stellten. Und hierzu halten wir uns für berechtigt, weil einmal ein gehäuftes Auftreten gleichartiger Erkrankungsfälle beobachtet wurde und weil ferner bei einer ganzen Anzahl von Fällen mit gleichen klinischen Sym- ptomen die bakteriologische Bestätigung der Diagnose gelang. Die Zahl der Todesfälle war eine recht geringe. Ungeheuer gross dagegen die Zahl der Leichtkranken, die zeitweilig 60, ja 70 pCt. der Besucher der Poliklinik ausmachten. Je jünger das Kind war, um so weniger empfänglich schien es zu sein; um so seltener erkrankte es, und um so leichter war der Verlauf. Erst gegen Ende der Epidemie nahm die Erkrankungsziffer im Säuglingsalter zu und konnten wir auch unter den jüngsten Kindern Todesfälle beobachten, In der Mehrzahl der Fälle war der Verlauf ein günstiger. Es trat ein mehrtägiges Fieber mit unter Umständen starker Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens und grosser Hinfälligkeit auf. In einigen wenigen Fällen boten die Kranken ein masernähnliches Aussehen dar. Sie zeigten Konjunktivitis, Schnupfen und Lichtscheu, ganz wie zu Beginn der Masern, hier und da wurde dieser Allgemeineindruok noch durch leb- hafte fieberhafte Rötung des Gesichtes verstärkt. Zumeist aber war das Untersuchungsresultat ein recht dürftiges. Vielfach bestand nur eine intensive Rötung der Zungenspitze (eine Glos- sitis marginalis), daneben eine leichte ödematöse Schwellung und Rötung des Rachenringes, die ebenfalls oft nur die Breite von 1/,—1 cm aufwies und intra vitam wie bei der Autopsie nur Teile des weichen Gaumens und den obersten Abschnitt der Epiglottis umfasste. Andere Male be- stand ein trockener Schnupfen und ein leichter Rachenkatarrh mit‘einer vielfach auffallend geringfügigen Beteiligung der regionären Lymphdrüsen. In nicht seltenen Fällen konnten wir auch die von Citron beschriebenen hellen kleinen Bläschen auf dem weichen Gaumen beobachten. Zu diesen Erscheinungen trat vielfach eine mehr oder weniger weitgehende Beteiligung des Respirationsapparates, die zumeist nur in einem trockenen Katarrh des Larynx und der Bronchien bestand. Die Kinder bekamen eine rauhe, aphonische Stimme und unter Umständen einen typischen Krupphusten, beides Symptome, die auch bei der Diphtherie und beim Pseudokrupp vorkommen, die sich aber von diesen beiden Zuständen durch den ungemein langen unveränderten Bestand und die Möglichkeit des Schreiens mit klarer Stimme unterschieden. In anderen Fällen musste die Schleimhaut der tieferen Luftwege in ausgedehntem Grade hyperämisch und geschwollen gewesen sein. Hier fand sich eine mehr oder weniger hochgradige Zyanose, die bis zur Dunkelblaufärbung der Lippen und Wangen führte. Bei der Auskul- tation war nur ein ausserordentlich abgeschwächtes, vesikuläres Atmen, dagegen keinerlei Zeichen der Lungenverdichtung wahrzunehmen. Dieses Stadium machte einen äusserst bedrohlichen Eindruck, und doch. habe ich gesehen, dass sich solche Kinder erholten. Dieses Auftreten von Zyanose ist jedoch nichts für die Influenza allein Charakteristisches. Ich habe es in ganz gleicher Entwicklungsweise auch im Beginn von Masern beobachten können. Auch hier bedeutete es meist ein ominöses Zeichen, wenngleich auch diese Patienten am Leben bleiben können. Nachdem diese Erscheinungen der Zyanose infolge eines diffusen Katarrhs Medizinische Sektion. I. Abteilung. 77 des Bronchialbaumes einen bis mehrere Tage bestanden hatten, schloss sich gewöhnlich eine mehr oder weniger schwere Bronchopneumonie an, die vielfach auch ohne ein solches Stadium der Zyanose im Anschluss an die katarrhalischen Erscheinungen im Nasenrachenraum auftrat oder auch die alleinige Lokalisation der Influenza darstellte. Es scheint, als ob die Unterlappen der Lungen häufiger als die Oberlappen erkrankten. Die bronchopneumonischen Herde nahmen rasch an Umfang zu, kon- fluierten vielfach zu scheinbar lobären Pneumonien. Unter Umständen imponierte das Leiden, wenn ausgesprochene Zyanose, dıffuses Rasseln über sämtlichen Lungenabschnitten und gleichzeitig Leber- und Milz- schwellung auftraten, wie eine miliare Tuberkulose. Aber der ungemein rasche Entwicklungsgang bis zur Höhe der Erscheinung, dann das ganz allmähliche, sich über viele Wochen hinziehende Abklingen der Sym- ptome und nicht zuletzt die ungemein charakteristischen Auskultations- erscheinungen können vor solcher Fehldiagnose schützen. Wenn auch zu Beginn der Erkrankung ein äusserst feinblasiges, klingendes Rasseln zu überwiegen pflegte, so wie wir es bei den Bronchopneumonien der jungen Kinder gewohnt sind, so stellt sich doch vom 2. oder 3. Tage ab an dessen Stelle ein gröberes, sicher auf weitere Lumina des Bron- chialbaumes zu beziehendes Rasseln ein, ein Rasselgeräusch, das durch die Iatensität des Phänomens dem Ohre ungemein nahe erscheint und das sonst nur bei Bronchektasien, d. h. multiplen zylindrischen Er- weiterungen der Bronchien vorzukommen pflegt. Die Kinder werfen in dieser Zeit sehr reichliche Mengen eines geballten, schleimig-eitrigen, vielfach gelblich-grünen Sputums aus, in dem niemals Tuberkelbazillen, dagegen immer wieder, so oft wir es darauf untersuchten sozusagen eine Reinkultur von Infiuenzabazillen gefunden wurde. Wenn sich dieser Zustand einmal ausgebildet hat, so pflegt: er ungemein lange fortzubestehen. Wir haben in der diesjährigen Influenza- epidemie die alten Erfahrungen von Leichtenstern und insbesondere von Vogt mehrfach bestätigen können. Unter Umständen kann der Prozess nach 3—4 Wochen vollkommen abklingen. Andererseits vermag ich Ihnen gerade am heutigen Abend zwei Kinder vorzuführen, bei denen seit 5 bzw. 7 Monaten derselbe Zustand unverändert fortbesteht. Das grössere Mädchen erkrankte Anfang August an äusserst heftiger diffuser Bronchopneumonie. Im ersten Augenblick konnte man bei der schweren Zyanose, der Milz- und Leberschwellung an eine Miliartuberkulose der Lungen denken, aber schon nach kurzer Zeit verschwand das feinere Rasseln und trat das charakteristische mittelgrossblasige, dem Ohre so nahe klingende, metallische, beinahe knackende Rasseln auf, das wir -wohl auf Bronchiektasen zurückführen müssen. Bei dem Knaben be- standen zunächst die Erscheinungen der Lungenentzündung im rechten Unterlappen: Dämpfung, Bronchialatmen und Rasseln. Es schloss sich eine leichte, serofibrinöse Pleuritis an. Bis zum heutigen Tage- dauert die Dämpfung unverändert fort, und seit 4!/, Monaten besteht das eben geschilderte, äusserst charakteristische Atemgeräusch weiter. Auch hier werden wir nach dem Vorgange von Vogt annehmen müssen, dass es ‚sich um Bronchiektasen handelt, im letzteren Falle dürften daneben ehronisch-pneumonische Prozesse vorliegen. Es ist ausserordentlich lehrreich, dase die seinerzeit von Vogt aus- gesprochene Vermutung, dass Bronchiektasen zumeist im Kindesalter schon entstehen, und dass sie fast immer auf Influenzainfektionen zurück- zuführen seien, bei der jetzigen Epidemie solch eine Bestätigung ge- funden hat. Wie Herr Bossert an der Kinderklinik mit Herrn Beichtentritt am hygienischen Institut in gemeinschaftlicher Arbeit feststellen konnte, haben wir nicht weniger als 20—25 Kinder unter unserem poliklinischen Material herausgreifen können, bei denen sich EN a EA a a 7183 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. im Anschluss an eine akute Erkrankung, die wir entweder auf Grund des Untersuchungsbefundes selbst als Influenza deuteten, oder die ana- mnestisch aus solcher hervorgegangen zu sein schien, den gleichen Befund erheben können. In allen Fällen, bei denen wir auf Grund des geschil- derten Untersuchungsbefundes den Verdacht auf Infliuenzainfektion hatten, handelte es sich um Reinkulturen von Influenzabazillen. Daher ist wohl die Annahme berechtigt, dass die hier vorgeführte Lungenerkrankung etwas Spezifisches darstellt, und dass tatsächlich der Influenzaerreger ursächlich in Betracht kommt. Dass bei solchen Kindern Bronchiektasen bestehen, ist von Vogt seinerzeit nachgewiesen worden. Dass das Sputum nicht den charakte- ristischen unangenehm fötiden Geruch aufweist, ist offenbar darauf zurückzuführen, dass es sich nicht um sackförmige Bronchiektasen handelt, sondern nur um spindelförmige bzw. zylindrische Erweiterung der kleinen Bronchien, so dass es hier nicht zu Stagnationen des Sekrets und nachfolgender Zersetzung kommt. Recht interessant ist auch, dass selbst bei vielmonatigem Bestehen die Bronchiektasen immer noch In- fiuenzabazillen ohne sichtbare Beimengung anderer Bakterien beherbergen. So häufig Lungenerkrankungen vorkamen, so selten haben wir auf Influenza zu beziehende Störungen von seiten des Magendarmkanals ge- sehen. Dass im hochäeberhaften Stadium Appetitlosigkeit bestand, ist verständlich. Erbrechen kam, soviel ich mich erinnere, kaum vor, und auch Durchfälle, die mit Sicherheit als Infliuenzafolgen anzusprechen ge- wesen wären, gehören zu den Seltenheiten. Der soeben von Herrn Leich- tentritt mitgeteilte Befund von Infiuenzabazillen in der Darmschleim- haut ist ja ausserordentlich interessant. Aber gerade im Hinblick darauf, dass vielfach behauptet wurde, dass ruhrartige Durchfälle bei Influenza auftreten können, möchte ich darauf hinweisen, dass in all denjenigen Fällen, die wir wegen dieses Verdachtes untersuchen liessen, nicht In- fluenza, sondern Ruhr gefunden wurde. Es ist dies ein Beweis, wie vor- sichtig man zu Zeiten von Epidemien mit der Deutung der einzelnen Krankheitssymptome sein muss, wie leicht man sonst fatalen Irrtümern zum Opfer fallen kann. Ob bei den Durchfällen der Influenzakranken stets eine Ansiedelung der Infiuenzabazillen auf der Darmschleimhaut stattfindet, möchte ich bezweifeln. Es erscheint durchaus wahrscheinlich, dass bei einer so toxisch wirkenden Infektionskrankheit, wie sie die Influenza darstellt, parenterale Durchfälle auftreten können. Die Schwere der Erkrankung machte sich, abgesehen vom hohen Fieber und erheblichen Allgemeinerscheinungen, auch dadurch bemerkbar, dass wir bei sehr vielen Kindern einen nicht sehr weichen, infektiösen Milztumor fanden, der den Rippenbogen um 1—2 Querfinger überragte. Zumeist war neben der Milzvergrösserung auch eine Schwellung der Leber wahrnehmbar, die vermutlich in den meisten Fällen als Ausdruck der Kreislaufschwäche aufzufassen war. Im Gegensatz zu Angaben aus früherer Zeit war der Verlauf der Erkrankung mit Milzschwellung (etwa 30 pCt. aller Fälle) kein besonders schwerer. Der Versuch, bei solehen Kindern im Blute Influenzabazillen nachzuweisen, ist uns nicht geglückt. (Weitere Aussprache wird vertagt.) Medizinische Sektion. I. Abteilung. 79 7 Sitzung vom 13. Dezember 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Schriftführer: Herr Partsch. Vor der Tagesordnung. 1. Hr. Dreyer empfiehlt unter Vorstellung einer Reihe von Fällen für die so hänfigen schlecht granulierenden torpiden Kriegswunden folgende Methode: Bestreichen der Wundfläche mit 5 proz. Jodtinktur, Autlegen von mit — nicht zu alter — 3 proz. Wasserstoffsuperoxyd- lösung getränkter Gaze, darüber zum Abschluss undurchlässigen Stoff, z. B. Billroth- oder Seidenlappen. Der Verband wird täglich erneuert. Bei empfindlicher Haut Bestreichen der Wundumgebung mit Salbe. 2. Zur Aussprache: Grippe. Hr. Dreyer erwähnt als Kuriosum folgenden Fall: 62 jährige, sehr dekrepide Frau kommt wegen grossen stenosierenden Kropfes mit der Bitte um Operation. Untersuchung ergibt ausser dem Kropf ein rechts- seitiges Pleuraexsudat und inkompensierten Mitralfehler. Ueberweisung in interne Behandlung. Von dort nach 3 Wochen entlassen. Exsudat beseitigt. Mitralfehler leidlich kompensiert. Auf inständiges Bitten der Pat. wird vom Vortr. die Operation des Kropfes vorgenommen. Zunächst glatter Verlauf, nach 2 Tagen rapider Verfall. Der zugezogene Internist konstatiert Grippe und zwar schwere Lungenform. Prognose absolut infaust. Nachdem die Pat. 3 Tage zwischen Tod und Leben geschwebt, beginnt sie sich zu erholen und wird völlig gesund. Tagesordnung. 1. Hr. Stertz: a) Periodisches Schwanken bestimmter Hirnfank- tionen (Dysarthrie und Dysbasie) bei einem 64 jährigen Manne. (Siehe Teil II.) 'b) Demonstration eines Falles von progressiver lentikulärer Degeneration (Wilson’sche Krankheit). Alfred K., 14 Jahre alt. Vorgeschichte: Eltern gesund, 6 gesunde Geschwister, 4 Fehlgeburten der Mutter. Von Nervenkrankheiten in der Familie nichts bekannt. Schwere Geburt, vom 9. bis 18. Monat Krämpfe, verlangsamte Entwicklung, später gut vorangekommen. Winter 1916/17 ‘viel Kopfschmerzen. Januar 1918 Kopftrauma beim Schlittenfahren. Winter 1917/18 manchmal Fieber. Juni 1918 Entwicklung einer Sprach- und Schlingstörung, wurde steif und unbeholfen, ging auch wohl geistig etwas zurück (?).. — Befund: Blass, dürftig genährt, schwächlicher Körperbau. Innere Organe o. B. Leber nicht fühlbar, Urin frei von pathologischen Bestandteilen, kein Kornealring. Maskenartiger Gesichts- ausdruck, fast völlige Unbeweglichkeit aller Gesichtsmuskeln. Rechter - Mundwinkel etwas nach aussen gezogen, Mund halb offen. Augenschluss mangelhaft, Augenbewegungen frei. Zunge fast gar nicht, Gaumensegel wenig bewegt. Die Kiefer haben eine leichte Tendenz zu spastischem Schluss. Sprache grob gestört, Konsonanten fast gar nicht gebildet. Beim Reihensprechen und -lesen werden nur die ersten Worte verständ- lich, dann fast nur die Vokale langgezogen und monoton aneinander- gereiht. Beim Essen werden die Speisen mit den Fingern in den Bereich der Backen gebracht und dann mühsam gekaut. Der Schlingakt ist sehr erschwert und verlangsamt. Grössere und harte Bissen bekommt K. nicht herunter, Flüssigkeiten gelangen leicht in die Nase und den Kehlkopf, ein Teil fliesst auch zwischen den Lippen ab; das letztere gilt auch von dem reichlich abgesonderten Speichel. Während des Sehluckens treten allerlei Mitbewegungen im Gesicht, den oberen und unteren Extremitäten auf. Hals und Nacken sind ziemlich frei beweglich, 80 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. die Körperhaltung ist starr und aufrecht, das Bücken anfangs nicht behindert, bei Wiederholung der Bewegung immer langsamer und weniger ausgiebig. Die Bauchdecken sind etwas gespannt, Aufsitzen aus dem Liegen ähnlich wie das Bücken. Atmung von geringer Extensionsbreite, vorwiegend diaphragmal, ab und zu tiefere Atemzüge unter Stridor. Arme meist in leichter Ellbogenbeugekontraktur. Bei passiven Be- wegungen bei leidlicher Kraft gleichmässige Spasmen, die mehr die Adduktoren und Beuger als deren Antagonisten betreffen, peripherwärts geringer werden. Das rechte Handgelenk und die Finger sind voll- kommen frei von Spasmen, während links solche ganz geringen Grades nachweisbar sind. Händedruck links herabgesetzt, die Faust öffnet sich beiderseits nur langsam und unvollständig. Spreiz- und Adduktions- bewegung der Finger von vornherein schwach, unvollkommen, langsam, nach einigen Wiederholungen ganz erlahmend. Dasselbe gilt von allen feineren Fingerbewegungen. Rasche Bewegungsfolgen sind ausgeschlossen, Die Opposition von Daumen und kleinem Finger kann nur zwei- bis dreimal ausgeführt werden, dann versagt K., sucht mit der anderen Hand zur Hilfe zu kommen, da er den Daumen aus der Oppositions- stellung nicht sogleich herausbekommt. Im Handgelenk können 6—8 aufeinanderfolgende Beuge-Streckbewegungen mit Mühe geleistet werden. Allerlei Mitbewegungen in benachbarten, aber auch entfernten Muskel- gruppen sind bei allen diesen Bewegungsversuchen wahrzunehmen, ins- besondere ist eine Irradiation von Impulsen in den rechten Quadrizeps sehr häufig. In den Beinen nimmt wie in den Armen die Kraft distal ab. Bei leichter Equinovarusstellung ist die Dorsalfliexion des Fusses beiderseits eingeschränkt, links deutlich paretisch, die Zehenbewegung ist: links fast aufgehoben, rechts stark eingeschränkt. Auch in den Beinen besteht proximalwärts Hypertonie, links vorwiegend in den Beugern im Knie, rechts in den Streckern. Der Gang ist etwas steif, die Fusssohlen schleifen ein wenig; Andeutung von Retro- und Lateral- pulsion. Die Arme schwingen nicht mit. Kehrtwendungen schwerfällig, ohne Schwung in kleinen Schritten. — Es besteht eine grosse Neigung des Pat., in gewissen Stellungen, wie sie durch Zufall aktiv oder infolge von Mitbewegungen entstanden sind, zu verharren, ganz besonders wenn inzwischen die Aufmerksamkeit in Anspruch genommen ist („Pseudo- katalepsie“; passiv erzeugte Stellungen werden nicht beibehalten). Im übrigen ergibt die neurologische Untersuchung keine Abweichungen von der Norm. Niemals wurde das Babinski’sche Zeichen festgestellt. Tremor wurde bisher nicht beobachtet. Die Spinalflüssigkeft erwies sich zyto-. logisch und chemisch als normal, Wassermann war hier bei höherer Auswertung (1,0) positiv, bei 0,5 zweifelhaft, bei 0,2 negativ. Das Blutserum reagierte negativ. Psychisch zeigte sich K. wenig regsam, euphorisch in bezug auf seine Krankheit, er klagte niemals über etwas. Die Intelligenzprüfung ergab keine Defekte. Eine mit Rücksicht auf das zweifelhafte serologische Ergebnis durchgeführte antiluetische Kur blieb ohne Erfolg. Die Zusammenfassung der kardinalen Symptome ergibt: I. eine eigenartige Koordinationsstörung, beruhend auf Verlang- samung, Erschwerung aller Bewegungen, Unfähigkeit zu prompter Inner- vation und Erschlaffung der Muskeln, daher besonders grosse Unbeholfen- heit bis zur Hilflosigkeit überall dort, wo ein kompliziertes rasches Spiel der Muskeln erforderlich ist. II. Ionervationsschwäche besonders der distalen Extremitätenmuskeln und des Gesichts. Bis zu baldigem Versagen gesteigerte Erschöpfbarkeit bei Bewegungsfolgen (Adiadochokinesis). Medizinische Sektion. I. Abteilung. 8l III. Verbreitete Neigung zu Mitbewegungen, „pseudokataleptische* Erscheinungen. IV. Hypertonien und beginnende Kontrakturen. a Aus der Kombination dieser Hauptsymptome lassen sich alle Krank- h} heitserscheinungen des Pat. ableiten. In Verbindung mit dem negativen & Anteil des Befundes (Fehlen von Py.-Symptomen) gestatten sie die ‘ sichere Diagnose der Wilson’schen Krankheit. Genauere Mitteilung er- folgt an anderer Stelle. Aussprache. r Hr. Mann-Berlin: Der vorgestellte Fall erinnert an zwei Fälle, 4 die der verstorbene R. Stern bereits im Jahre 1894 hier in dieser a Gesellschaft vorgestellt hat. Ich erinnere mich dieser Fälle besonders i genau, weil der eine derselben meinem eigenen Material entstammte | und ich damals an den Untersuchungen Stern’s teilnehmen konnte. Beide Fälle waren traumatischer Natur (Kopfkontusionen). Die Schwan- kungen zeigten erheblich kürzere Perioden, in dem einen Falle 2 bis | 6 Sekunden, in dem anderen 3—29 Sekunden und betrafen sämtliche \ Grosshirnfunktionen, motorische, sensible, sensorische, psychische Funktionen, während in dem soeben vorgestellten Falle nur die Funktion der motorischen Koordination, also wesentlich eine Kleinhirnfunktion betroffen ist. : Stern dachte damals ebenfalls daran, dass periodische Veränderungen in der Blutversorgung der Gehirnrinde den Schwankungen zugrunde liegen könnten und versuchte dies durch Beobachtung des Augenhinter- grundes mit dem Augenspiegel nachzuweisen, was jedoch nicht gelang. Vielleicht wäre auch in dem vorgestellten Falle eine Untersuchung des Augenhintergrundes während der Schwankungen zu empfehlen. 2. Fortsetzung der Aussprache über @rippe. Hr. Küstner berichtet über zwei Fälle von Status eclampticus, die er im Gefolge von Grippe während dieser Epidemie beobachtet hat. ' Beide Male war es nicht zum Ausbruch von Krampfanfällen gekommen, sondern es waren nur Beschlagensein des Sensoriums, gedunsenes Ge- sicht und plötzlich einsetzender hoher Eiweissgehalt des Urins das Charak- teristische. In dem einen Falle (in der Konsultationspraxis) befand sich die Gravidität am Ende, doch bestanden noch keine Wehen. Das Kind wurde lebend durch Kolpohysterotomie entwickelt, unmittelbar danach schwanden die Eklampsiesymptome. Bald danach setzte eine schwere doppelseitige Pneumonie ein, der die Kranke erlag. In dem anderen Falle erfolgte die spontane Geburt und alsbald danach völlige Genesung. Vielleicht gehört noch ein dritter Fall hierher, in welchem von der Grippe nur berichtet, diese aber ärztlich nicht beobachtet war. i Man nimmt vielfach an, dass die Eklampsie während der letzten Jahre, ‘wohl unter dem Einflusse der veränderten Ernährung, seltener ge- worden sei. Sicher ist sie in dem Tätigkeitsbereich des Redners erheblich seltener geworden. Um so auffallender waren ihm während der Grippe- epidemie diese Beobachtungen. Wenn es sich nicht um zufälliges Zu- sammentreffen, sondern um ätiologische Zusammenhänge handelt, könnte man vielleicht die Beziehungen, die die Grippe zu Nierenerkrankungen hat, mit in Betracht ziehen. - Hr. Coenen macht auf die chirurgischen Komplikationen bei Influenza aufmerksam. Diese sind meist Folgen der Mischinfektion mit Strepto- kokken, Pneumokokken und Staphylokokken. Meist bestehen diese Kom- plikationen in serösen oder eitrigen Entzündungen der grossen serösen Höhlen (Pleura, Perikard, Peritoneum) und werden bestimmt durch den Streptokokkus. Demnach handelt es sich oft um ein schweres septisches Schlesische Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 1918, I, 6 1 ur v NR 82 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Krankheitsbild, wie bei einer Streptokokkenphlegmone. Von 22 Empyemen der Pleura starben 6, also mehr als der vierte Teil. Offenbar kommen auch viele leichte Empyeme bei der Influenza vor, denn zwei von den- selben heilten, nachdem steriles trübes Exsudat nachgewiesen war, durch Resorption ohne Fieber aus. Ein interlobäres Influenzaempyem wurde ausgehustet und genas. Nur einmal wurden im Empyemeiter Infiuenza- bazillen nachgewiesen. Von drei Perikarditen führte eine mit serösem, streptokokkenhaltigem Exsudat trotz Perikardiotomie schnell unter den schweren Erscheinungen einer eitrigen Mediastinalphlegmone mit Throm- bose der Venae anonymae unter einer steilen Temperaturkurye und Schüttelfrösten zum Tode. Eine andere eitrige Perikarditis mit diekem rahmigen Eiter wurde durch Perikardiotomie geheilt. In einem dritten Falle war die Perikarditis kompliziert mit einem Empyem und einer eitrigen Peritonitis. Letztere war durch Hindurchwandern der Strepto- kokken durch das Zwerchfell nach unten entstanden und entwickelte sich vom linken Hypochondrium aus. Der umgekehrte Weg der Pleura- infektionen vom Peritoneum aus ist wegen der Saugwirkung der letzteren bekanntlich viel häufiger. Nach einem Infiuenzaempyem bei einem kleinen Kinde erschienen Pneumokokkenmetastasen mit Eiterungen in den Ge- lenken. Das Kind starb, obwohl sonst die Pneumokokkengelenke pro- gnostisch günstig sind. Die meisten Komplikationen wurden in Breslau am Ende und nach der zweiten Epidemie beobachtet, also Anfang No- vember 1913. Hr. E. Neisser: Schwierigkeiten ergeben sich oft in der Diagnose gegen Typhus. Milzvergrösserung ist bei Grippe zwar selten, mit Typhus gemeinsam aber die Bradykardie, wohl eine Toxinwirkung, und eine Leukopenie mit Lymphozytose, die erst beim Eintreten von komplizie- render Lungenentzündung in eine Hyperleukozytose übergeht. Das Supersan ist kein Allheilmittel, drei damit behandelte Pneumoniefälle kamen zum Exitus. Sein Hauptindikationsgebiet ist offenbar die chro- nische Pneumonie. Es mehren sich neuerdings Folgezustände meist ambulant behandelter Grippe mit lange sich hinziehenden subfebrilen Temperaturspitzen ohne besonderen klinischen Befund, speziell ohne Lungenerscheinungen, Krankheitszustände, die schon früher (Franke) als chronische Influenza beschrieben wurden. Hr. Hanser: Im Anschluss an die soeben gehörten Ausführungen Hrn. Neisser’s über „chronische Influenza“ weise ich darauf hin, dass Hübschmann (Leipzig 1916) bereits derartige Fälle beschrieben hat. Als Erreger konnten Pfeiffer’sche Infiuenzabazillen festgestellt werden. Der pathologisch-anatomische Befund war in chronisch indurativen Pro- zessen gegeben, die teils zu dem Bilde der Bronchiolitis obliterans, teils zu dem bronchektatischer Veränderungen geführt hatten. Da sich gerade in letzter Zeit einschlägige Fälle in unserem Sektionsmaterial häufen, steht zu befürchten, dass wir in Zukunft häufiger mit derartigen Folge- erscheinungen der Grippe zu rechnen haben. Es dürfte sich bei diesen Befunden um dasselbe handeln, worauf Herr Stolte bereits vom klini- schen Standpunkte aus hingewiesen hat. Praktisch müssen wir aus dieser Erfahrung die Schlussforderung ziehen, auch der Gripperekon- valeszenz weitgehendste Beachtung und Vorsicht angedeihen zu lassen. Nach dem Referate von Herrn Henke erübrigen sich für mich aus- führliche Darlegungen. Ich beschränke mich daher auf einige durch die Referate bzw. Diskussionsbemerkungen angeregte Punkte. Herr Minkowski trat in seinem Referate dafür ein, dass der Tod in den in wenigen Tagen letal verlaufenden Fällen auf Er- stickung infolge mangelnder Respirationsfläche zurückzuführen sei, wäh- rend Herr Rosenfeld davon sprach, dass der Verstorbene gleichsam Medizinische Sektion. I. Abteilung. 83 in seinem eigenen Oedem ertrunken sei. In beiden Fällen Erstickung, aber m. E. pathologisch-anatomisch keineswegs gleiche Befunde. Es handelt sich vielmehr um zeitliche bzw. graduelle Unterschiede. Auch unser Material bestand vorzugsweise aus besonders kräftigen Menschen e der besten Altersklasse. Mithin war die klinisch festgestellte Grippe Ä einwandfrei Todesursache, sei es Grippe für sich oder aber Grippe mit Folgeerkrankungen. Es drängt sich die Frage auf, warum der eine Patient innerhalb kurzer Zeit ad exitum kommt, während ein anderer erst nach längerem Verlauf der Krankheit erliegt. Warum gerade gesunde Individuen der Influenza zum Opfer fallen, hat Herr Leichtentritt ausgeführt. Abgesehen von diesen individuellen Schwan- kungen, die schwere und leichte Krankheitsfälle erklären, zeigt das bei tödlichen Fällen festgestellte anatomische Bild Verschiedenheiten, die sich mit den zeitlichen Verhältnissen des Krankheitsbildes decken, E die aber auch eine gewisse Erklärung dafür geben, warum in dem einen Falle der Tod innerhalb kurzer Zeit eintreten musste, warum er in einem anderen Falle erst später, etwa nach mehreren Tagen, er folgen konnte. Von diesem Gesichtspunkte aus kann folgendes fest- gestellt werden. Den akutesten Verlauf sah ich bei zwei Russen, die ich in Herren- protsch zu sezieren Gelegenheit hatte. Beide waren unter stürmischen Erscheinungen mit Schüttelfrost erkrankt, zeigten bald Blut im Auswurf, bis schliesslich das ausgesprochene Bild einer Hämoptoe den Tod herbei- führte. Die Obduktion ergab ausserordentlich voluminöse Lungen, deren Schnittflächen, ohne irgendwie Substanzzerstörung zu zeigen, geradezu im Blute schwammen. Luftbläschen fanden sich so gut wie gar nicht. Ich möchte daher in diesem Befunde nicht ein Lungenödem erblicken, sondern ein über sämtliche Lungenabschnitte ausgebreitetes Stadium der Anschoppung. Das Wesentlichste dabei ist, dass kein Abschnitt frei bleibt. Die bis zur klinischen Hämoptoe führende Blutung war dabei grösstenteils auf die durch den Influenzabazillus bedingte toxische Ge- fässschädigung zurückzuführen, die wir ja auch sonst in Form hämor- rhagischen Charakters der entzündlichen Veränderungen auch bei weniger akut verlaufenden Fällen fanden. Dies wäre m. E. die von Herrn Rosenfeld erwähnte Todesart. Steht nun das Krankheitsbild unter etwas geringeren toxischen Er- scheinungen, dann kann ein weiteres Stadium erreicht werden. Die An- schoppung führt zur Hepatisation. Wir finden dann — meist lobulär — bei äusserst blutreicher Schnittfläche diffus über sämtliche Lungen- abschnitte verbreitet ausgesprochen hämorrhagische Verdichtungsherde, die so eng liegen, dass tatsächlich zur Respiration befähigtes Lungen- parenchym nicht mehr vorliegt. In solchen Fällen muss ganz unab- hängig von der toxischen Komponente der Tod infolge von Erstickung im Sinne von Herrn Minkowski eintreten. Je grösser nun etwa lufthaltige, meist ausgesprochen emphysematöse Partien sind, desto ausgesprochener wird die Hepatisation, deren charakte- ristisches Merkmal die Neigung zur Hämorrhagie bleibt. Der Tod er- klärt sich dann in Erwägung der Ausdehnung des anatomischen Pro- zesses, der toxischen Schädigung und der individuellen Widerstandskraft. Bis zu diesem Stadium sind die Fälle rein, d. h. frei von Misch- infektion. Herr Leichtentritt teilte Ihnen mit, dass es schliess- . lich gelang, bei diesbezüglicher Auswahl des Materials in einer ersten Reihe von 8 Fällen 7 mal, in einer zweiten von 6 Fällen stets In- fiuenzabazillen zu züchten. Das Charakteristische des anatomischen Bildes ist der hämorrhagische Charakter der Lungenveränderung. Wenn wir auch nicht so weit gehen dürfen, dass dieser Befund als spezifisch gilt, so muss er uns zum mindesten in der Zeit einer Epidemie, meines 6* ed al > m Ar an Bot. Dt a eh 3 x r . u Be a a ah a an ah se ei Fe en a en nd nn A Ent aa Ben u Sun Zn 84 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Erachtens aber auch im Einzelfalle auf Grund unserer gewonnenen Er- fahrung ausserhalb einer Epidemie an Influenza denken lassen. Jeden- falls glaube ich mit Nachdruck festlegen zu sollen, dass bei sachge- mässer Auswahl des Materials und sachkundiger bakteriologischer Unter- suchung Befunde erzielt werden, die gegen alle Anfeindungen die Ver- mutung zur Tatsache machen, dass der Pfeiffer’sche Bazillus den Er- reger der jetzigen Grippeepidemie darstellt. Gestattet freibleibendes Lungenparenchym eine weitere Entwicklung des Prozesses, dann wird die Hämorrhagie durch die Tendenz zur Eite- rung, Abszessbildung abgelöst, bis schliesslich hochgradige und somit ungemein rasch zunehmende Pleuraempyeme schliessliche Todesursachen bilden. Auch dann gelingt es noch, Influenzabazillen nachzuweisen, meist aber finden sich Staphylo-, Strepto- usw. Kokken, die infolge- dessen vielfach als spezifische Erreger angesprochen wurden. Doch handelt es sich hierbei um Misch- bzw. Sekundärinfektionen, infolge derer anscheinend sehr schnell der Influenzabazillus vernichtet und seine Züchtung unmöglich gemacht wird. Hinsichtlich des anatomischen Be- fundes in diesem Stadium erinnere ich an das, was Herr Henke ausführte. Von ganz besonderem Interesse ist nun eine Beobachtung, die mit Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass bei Grippe beobachtete Darm- erscheinungen ebenfalls spezifischer Natur sein können. Es handelt sich um den Darm (Demonstration) eines 8 Monate alten Kindes. Wie Sie sehen, fanden sich im Colon ascendens, auf dieses beschränkt, schwere, mit dysenterischem Schorf belegte Schleimhautveränderungnn. Bei der sonst frischen Leiche war dieser Befund kompliziert durch das Vor- handensein zahlloser — wohlgemerkt auf diesen Herd beschränkter — Gasblasen. Genaue bakteriologische Untersuchung ergab für Dysenterie keine Anhaltspunkte, was bekanntermaassen nicht beweisend gegen Dys- enterie angesprochen werden darf. Infiuenzabazillen fanden sich bei Entnahme oberflächlich liegenden Materials nicht. Dagegen konnten aus dem Inhalt der Gasblasen, deren Ursache bakteriologisch allerdings nicht geklärt werden konnte, Reinkulturen von Influenzabazillen gefunden werden. Den Darmbefund mithin mit Sicherheit als spezifische Influenza anzusprechen, ist selbstredend nicht angängig. Aber der Hinweis auf diesen Befund ist gerechtfertigt, zumal klinisch Darmerscheinungen das Bild bei Influenza beherrschen können. Spezifische Bazillen sind bisher nicht gefunden worden. Der Gedanke liegt nun nahe, dass der Ab- schluss der Bazillenherde durch Gasblasen die Influenzabazillen am Leben erhält, die sonst offenbar rasch überwuchert und abgetötet werden. Es wäre also möglich, dass wir hier einem Zufall — infolge der Gas- entwicklung — den Nachweis der Erreger verdanken, die meines Er- achtens im Einklang mit dem sonstigen Influenzabefunde mit Vorsicht als spezifisch gelten dürfen. Da bisher gleiche Mitteilungen nicht vor- liegen, wollte ich an dieser Stelle des interessanten Befundes gedenken. Hr. Walther Freund berichtet über Grippeerfahrungen in den städtischen Anstalten Kinderobdach und Säuglingsheim. In ersterer An- stalt fand Mitte Oktober während des Höhestadiums der städtischen Epidemie eine Einschleppung der Infektion statt, die binnen 4 Tagen von 12 Erwachsenen und rund 100 Kindern von 2 bis 14 Jahren alle bis auf 6 Kinder ergriff, wobei sich im Einklange mit sonstigen Angaben eine Inkubationszeit von 1 bis 2 Tagen herausstellte. Zuerst erkrankten die Erwachsenen und älteren Kinder, weniger rasch die anscheinend nieht ganz so empfänglichen jüngeren. Diese Epidemie war im ganzen leicht, arm an schwereren Komplikationen; immerhin sind 7 Todesfälle an Pneumonien zu verzeichnen, drei davon erwiesen sich bei der Ob- duktion als typische Grippepneumonien (hämorrhagisch-eitriger Cha- Medizinische Sektion. I. Abteilung. 85 rakter, Erweichungsherde, Empyem). Ausgang in Bronchiektasen wurde in keinem Falle beobachtet. Während hier kein Zweifel über den einheitlichen Charakter der Epidemie und ihren Zusammenhang mit der allgemeinen Epidemie be- steht, liegt die Sache verwickelter bei der Beurteilung des Materials im Säuglingsheim, da bekanntlich bei Säuglingen Grippeausbreitungen jahr- aus jahrein namentlich in der kalten Jahreszeit ohne jeden Zusammen- hang mit Epidemien der Gesamtbevölkerung gelegentlich beobachtet werden können. Bei der ersten Breslauer Epidemie im Juli dieses Jahres erkrankten kurz nacheinander im Säuglingsheim 30—40 Personen des Pflege- und Hauspersonals, eigenartigerweise aber kein einziger Säugling, wiewohl die Erwachsenen vielfach in krankem oder noch infektiösem Zustande ihren Dienst versehen haben. Dies Verhalten erinnert an die ver- schiedentlich aufgestellte Behauptung einer Immunität der Säuglinge gegen Influenza; allerdings wurden Influenzabazillen bei den Erwachsenen, von denen eine Anzahl darauf hin untersucht wurden, durchweg nicht gefunden. Ueberdies änderte sich das Bild bei dem Wiederaufleben der Stadtepidemie im Oktober. Um diese Zeit erfolgten zahlreiche Auf- nahmen von Pneumonien bei aus Grippefamilien kommenden Säuglingen. Trotzdem sahen wir zunächst wochenlang nur sporadische leichte katar- rhalische Erkrankungen, wie sie um diese Jahreszeit auch sonst beob- achtet werden, ohne nachweisbar kontagiösen Charakter, nichts also, was auf jene Grippepneumonien als Infektionsquelle zurückzugehen schien. Gleichzeitig erkrankten auch wieder 20—30 Schwestern an typischer Grippe. Nach einiger Zeit fanden sich nun aber in einzelnen Teilen des mit gegen 150 kranken Säuglingen überbelegten Hauses katarrhalische Erkranknngen in grösserer Zahl, die sich deutlich in zwei grosse Gruppen schieden: I. Leichte fieberhafte Katarrhe der oberen Luftwege mit mehr oder weniger schwerer Darmstörung (Dyspepsie bis Intoxikation), in grosser Anzahl, meist gutartigen Verlaufs, vorwiegend serienweise auf- tretende Hausinfektionen. II. Schwere und schwerste Erkrankungen der tiefen Luftwege, grösstenteils von auswärts eingeliefert, teilweise aber auch im Hause infiziert. In dieser Gruppe bestand naturgemäss eine hohe Mortalität, so dass wir aus diesen 3 Monaten über ein Obduktions- material von 39 Pneumonien verfügen, von denen 19 von anatomischer Seite als charakteristische Grippebefunde (hämorrhagischer Charakter) angesprochen wurden. Von bemerkenswerten Komplikationen sind zu nennen 3 Fälle von eitriger Meningitis (Pneumokokken und Meningo- kokken), 2 Fälle von eitriger Peritonitis (neben diesen noch 6 Fälle von kolossalem Meteorismus bei enteral und pneumonisch komplizierten Fällen, die man geradezu als „Pseudoperitonitis“ bezeichnen könnte) mehrfach Empyeme, Mischinfektionen mit Tuberkulose, Pertussis, Di- phtherie, Syphilis u. a. Der Gesamtüberblick bietet ein Bild von grosser Vielgestaltigkeit: Neben vielem Alltäglichem und sicher Unspezifischem zweifellos auch gruppenweise Zusammengehörigkeit nach Schwere, Verlauf, Kontagiositäts- grad und anatomischem Befund. Es scheint, als ob die Stadtepidemie sich hier verschiedenartigsten anderen Infektionen superponiert und in dieser Vergesellschaftung besonders schwere und eigenartige Bilder er- zeugt hätte. Unter diesen Umständen lag es nahe, sich dem von Friedemann kürzlich in der Deutschen med. Wochenschr. gemachten Vorschlage der Verwendung eines polyvalenten Pneumo-Streptokokken- serums zuzuwenden. (Dresdener Serumwerk.) Wir haben bisher 14 meist schwerste Fälle damit behandelt (1 mal oder wiederholt 20 ccm intramuskulär). Von diesen sind 5 gestorben, weitere 4 in Heilung übergegangen, ohne dass diese sicher als Serumwirkung in Anspruch ge- NT, 86 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. nommen werden kann; dagegen sahen wir in 5 weiteren Fällen (dar- unter 4 schwersten) einen deutlichen, ja teilweise überraschenden Um- schwung auf die Injektion hin eintreten, ähnlich wie dies auch Friede- mann von einigen seiner Fälle mitteilt. Einer dieser Fälle erlag aller- dings einem nachträglich wieder eintretenden Fortschritt seiner Krank- heit, die übrigen sind in ausgesprochener Rekonvaleszenz. Dieses Er- gebnis ermutigt jedenfalls zur Fortsetzung der Serumbehandlung, namentlich angesichts der geringen Aussichten der rein symptomatischen Behandlung schwerer Fälle von Säuglingsgrippe, und wird aus diesem Grunde trotz des bisher nicht sehr grossen Materials hier mitgeteilt. Hr. Bittorf erwähnt unter den Hauterscheinungen ausge- sprochen scharlachartige Exantheme, die aber mit Beteiligung des Kinndreiecks, ohne Scharlachzunge und -angina, mit Konjunktivitis und scheinbar ohne nachfolgende Schuppung verlaufen. Herpes war bei der zweiten Epidemie wesentlich seltener. Auch in der zweiten Epidemie zeigten unkomplizierte Fälle Leuko- penie, bei Komplikationen tritt Leukozytose auf, doch können gerade die schweren und schwersten Grippepneumonien häufig Leukopenie zeigen. Milzschwellnng war öfters feststellbar. Nephritis wurde als gutartige hämorrhagische und nicht hämorrhagische mit sehr reichlicher Eiweiss- ausscheidung, kaum verminderter Harnmenge verlaufende Form beob- achtet. Letztere fand sich besonders bei den schwersten Fällen von Grippepneumonie. Es handelte sich nicht um Nephrosen, da sich stets im Sediment als Entzündungszeichen Leukozyten fanden. Ulzeröse Stomatitis kam vereinzelt, einmal eine schwerste phleg- monöse Glossitis zur Beobachtung. Von Komplikationen war auch bei der zweiten Epidemie die serös- eitrige, eitrige und eitrig-hämorrhagische Pleuritis sehr häufig, bei denen sich die Behandlung mit häufigen Punktionen wieder bewährte. Nicht zu selten wurde eitrige und nicht eitrige Parotitis, einigemale metastatische Muskelabszesse beobachtet. - Die Otitis media war im Gegensatz zur ersten Epidemie relativ häufig, ebenso Neuritiden und Neuralgien. Dreimal trat eitrige Meningitis — einmal unter dem klinischen Bilde schwerer basaler Meningitis — auf (Erreger je einmal Strepto- und Pneumokokken). : Trotz weiter Uebereinstimmung in den einzelnen Symptomen in beiden Epidemien zeigten sie doch in der Kombination und Schwere ge- wisse Differenzen. Sitzung vom 4. Oktober 1918. Vorsitzender: Herr Uhthoff. Schriftführer: Herr Rosenfeld. R Der Vorsitzende teilt mit, dass auf Einladung der Sektion Herr Wintz-Erlangen einen Vortrag über Strahlentherapie halten werde. Hr. Wintz: Neue Gesichtspunkte über Strahlentiefentherapie mit besonderer Berücksichtigung der Behandlung des Careinoms. (Siehe Teil II.) Medizinische Sektion. I. Abteilung. 37 Nachtrag zur Sitzung vom 19. Juli 1918. Hr. Hanser: Histologische Untersuchungen bei klinischem 6as- brand. Redner berichtet über die Ergebnisse histologischer Untersuchun- gen, die er gemeinsam mit Hrn. Coenen ausführte. Er gibt einen orientie- renden Ueberblick über den derzeitigen Stand der bakteriologischen For- schung, wobei insbesondere der Streitfrage Conradi-Bieling einerseits, Pfeiffer und Bessau’s u. a. m. andererseits gedacht wird. Auch der Histologe vermag in vorsichtiger Kritik zu bakteriologischen Fragen Stellung zu nehmen. Spezifische histologische Merkmale gestatten in manchen Fällen, z. B. bei Tuberkulose, Paralyse, Fleckfieber, ätio- logische Diagnose. Beim Gasbrand bzw. den synonymen Benennungen, wie Gasödem, Gasphlegmone, Gasgangrän, ist dies nur beschränkt mög- lich. Das an sich charakteristische Krankheitsbild besitzt eine auf- fallende Variationsbreite, die nicht allein auf Wirkung eines Erregers zurückzuführen ist, sondern meist auf gleichzeitige Wirkung von spezi- . fischen Nicht-Fäulniserregern und Fäulniserregern. Histologische Untersuchungen stossen auf grosse Schwierigkeit, zumal Sektionsmateria. als unbrauchbar, Operationsmaterial nur als teilweise verwertbar gelten darf. Dazu kommt, dass der Nachweis spezifischer Erreger noch nicht spezifische Krankheit bedeutet. Der Gasbrand ist eine Erkrankung des Muskels. Die ersten Vor- gänge spielen sich im interstitiellen Gewebe ab. Als charakteristisch haben Gasblasen zu gelten, deren extremste Bilder durch runde Aus- ‘ sparungen zwischen gut erhaltenen Muskelfibrillen bzw. an Stelle zer- störter Muskulatur gekennzeichnet sind. Eine durch amorphe, z. T. fibrinreiche Gerinnungsmasse charakteri- sierte Oedemflüssigkeit bereitet das Gewebe vor. Es folgen dann reihenweise im laterstitium liegende grampositive sporenlose Stäbchen (Fraenkelbazillus) in relativ gut erhaltener Um- gebung, während im zentralen Bereiche des Primärinfektes wahllos ver- teilte Sporenbildner (vorwiegend Uhrzeigerbazillen) in ödemreicher, vor- geschritten zerfallener Umgebung nachweisbar sind. Dieser Befund würde sowohl die Umzüchtungstheorie Conradi-Bieling’s stützen, wie die Annahme Pfeiffer und Bessau’s, nach der der Fraenkelbazillus als spezifischer Nichtfäulniserreger wirkt, während der Uhrzeigerbazillus auf dem so vorbereiteten Boden Fäulnis erregt. Die histologisch feststellbare Muskelveränderung ist charakterisiert durch Kernmangel, einem wirren Wechsel gut erhaltener, quergestreifter Muskelelemente, grob und kleinschollig zerfallener Fibrillen und völlig amorpher, in Oedemflüssigkeit schwimmender Massen. Dabei kann z.B. einerseits eine gut erhaltene Fibrille ihre Querstreifung verloren haben, während ein kleinstes Zerfallstückehen tadellos quergestreift erscheint. Hervorzuheben ist, dass die Oedemzone ebenso wie meist die Zone _ sporenloser Bazillen Entzündungszellen vermissen lässt. Die vital feststellbare Blutleere des erkrankten Muskelbezirkes ist nicht auf Thrombose, sondern auf Kompression der Gefässe von aussen (durch Gas, Oedem usw.) zurückzuführen. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die an anderer Stelle er- folgende ausführliche Mitteilung verwiesen. Shih vesellschafl für valrindische Gulr, FIXED ER 96. Medizin. Jahresbericht. a) Medizinische Sektion. 1918. | II. Abteilung. oe EIN BR EDEN 3 240) Sitzungen der medizinischen Sektion im Jahre 1918. L. Zur Optochinamblyopie und Optochintherapie. Von Augenarzt Dr. Bleisch, Stabsarzt d. R., leitender Arzt der Augenabteilung am Hauptfestungslazarett Breslau. Ueber Optochinamblyopie ist schon einmal in dieser Gesell- schaft im Mai 1916 gesprochen worden; damals berichtete Herr Geheimrat Uhthoff über drei Fälle von Sehstörungen nach Optochingebrauch. Inzwischen sind zahlreiche neue Fälle von schwerer toxischer Schädigung des Sehorganes nach Gebrauch dieses Mittels beschrieben worden; ihre Zahl beträgt jetzt, wie ich mich in der einschlägigen Literatur überzeugt habe, über 60; Schreiber berechnet in einer Arbeit im Archiv für Opthalmologie die Sehstörungen auf 6 pCt. Uhthoff hat inzwischen, was ich als besonders wichtig hervorheben möchte, auch pathologisch- anatomisch die Schädigungen des Optikus durch Optochin nach- gewiesen, worauf ich . später noch zurückkommen will. Ich bin in der Lage, über einen Fall zu berichten, den ich längere Zeit beobachtet habe, und der zurzeit noch in Beobachtung steht. Es handelt sich um eine Patientin, die am 29. I. 1917 an rechts- seitiger Pneumonie erkrankte; als am fünften Tage der Prozess mit ‘ dauernd hohem Fieber auch auf die linke Seite übergriff, erhielt sie 0,5 g Optochinhydrochlor, und zwar mittags 11 Uhr; nach 1/, Stunde stellte sich Brechreiz und sehr starkes Ohrensausen ein; das zweite Pulver 0,5 g bekam sie nach neun Stunden abends 8 Uhr, das sie aber erbrach; am nächsten Tage morgens 11 Uhr erhielt sie das dritte Pulver, das ‚sie wiederum erbrach. Abends stellten sich Brennen in den Augen und Flimmern ein, gegen 9 Uhr konnte sie nur noch mit Mühe ihre Angehörigen erkennen, bald darauf erfolgte völlige Erblindung; der Zustand tiefster Erblindung hielt vierzehn Tage an, dann besserte sich das Sehvermögen allmählich. Nach sieben Monaten, am 30 VIII. 1917 sah ich die Patientin zum ersten Male; sie klagte darüber, dass sie Gegenstände und Personen von den Seiten nur sehr schlecht erkennen könne, es besteht Unmöglichkeit, Farben zu unterscheiden, auch kommt es ihr vor, als würde es eine ganze Zeit eher dunkel, als es in Wirklich- keit ist (also hemeralopische Beschwerden). Ich fand damals Optikus- grenzen beiderseits leicht verschleiert, Retinalgefässe sehr verengt, an mehreren Stellen weissliche Einscheidungen, also einen Bau RL Befund. R. 6/12, S=L. 6/8 bei Emmetropie. Gesichtsfeld für Weiss und Farben erheblich konzentrisch eingeengt, für Farben auf 5 bis 10%, wie Schemata zeigen; ich habe die Patientin Schlesische Gesellsch. f, vaterl, Cultur. 1918. IL 1 2 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. seither mehrmals untersucht; die subjektiven Beschwerden sind zurzeit noch dieselben, objektiv besteht auch jetzt noch eine deutliche Verengung der Netzhautgefässe, an vereinzelten Stellen leicht weissliche Einscheidung, Optiei normal; Gesichtsfeld auch jetzt noch für weiss und namentlich für Farben konzentrisch eingeengt; Hemeralopie: am Foerster’schen Plotometer 3 mm Diaphragma nach zehn Minuten. Dieser Zustand dürfte jetzt nach elf Monaten als ein dauernder anzusehen sein. Pat. hat also nach Optochin. hydrochlor. per os (3 x 0,5) — 2 Pulper wurden nach ihren Angaben erbrochen — eine vollkommene Amaurose von zwei Wochen Dauer bekommen, als schwere bleibende Schädi- gung die Gesichtsfeldeinschränkung und die Hemeralopie bei leicht pathologischem Augenhintergrundsbefunde. Um Ihnen das Bild der Optochinintoxikation noch vollständiger zu zeichnen, seien einige Fälle aus der Literatur angeführt, die längere Zeit augenärztlich beobachtet sind. Birch-Hirschfeld beschreibt in der Zeitschrift für Augenheilkunde einen Fall; es handelt sich um einen 2ljährigen Soldaten, der an Pneu- monie erkrankt, am Tage der Einlieferung ins Lazarett von 8 Uhr abends an vierstündlich 0,25 Optochin. hydrochlor. erhielt; zwei Tage später Ohrensausen, Sehstörang und Benommenheit; er hatte im ganzen 2,75g erhalten. Am Tage nach dem Auftreten der Sehstörung ist in dem Krankenblatte notiert: Patient kann nichts sehen; rechte Pupille reagiert ein wenig auf Licht, linke gar nicht. Augenärztlicher Befund nach fünf Tagen: Verengung der Arterien, deutlich ausgesprochenes Oedem der Netzhaut, beide Papillen erscheinen blass, verschleier. Vier Wochen später: Ermüden beim Lesen, Verschleierung der Gegenstände im Freien, Papillen blass; Gefässe der Retina teilweise eingescheidet. Gesichtsfeld für Weiss um 20 bis 400 am meisten nach aussen eingeengt, für Blau auf 10°, bei Rot in etwas geringerem Maasse beschränkt; in den nächsten Wochen geringe Erweiterung des Gesichtsfeldes für Weiss, während die Einschränkung für Farben bestehen bleibt; Netzhautödem bildet sich zurück, Blässe der Papillen und Enge der Arterien bleiben jedoeh bestehen. Einen Fall von schwerer Sehstörung beschreibt Weidner in einer Dissertation aus der Strassburger Königlichen Augenklinik im Jahre 1917: eine zwölf Stunden anhaltende vollständige Amaurose, die auf 3 g Optochin. hydrochlor. per os eintrat. Die Dosierung war dabei die übliche: 6 x 0,25 in vierstündigen Intervallen während zwei Tagen. Wenn auch die Amaurose nach Aussetzen des Mittels zurückging, so blieb doch eine starke Einschränkung des Gesichtsfeldes und eine Herab- setzung der Sehschärfe; nach einem Jahre bestehen diese Veränderungen immer noch. Dazu kommt ein pathologischer Augenhintergrundsbefund: Atrophie der Papille, Verengung der Renitalgefässe. Endlich möchte ich noch einen Fall von Sehstörung nach Optochin. hydrochlor. erwäbnen, den v. Hippel beschreibt; es handelt sich um einen 65jährigen Patienten, der an Pneumonie erkrankte und von seinem Hausarzte mit den üblichen Mitteln behandelt wurde; am fünften Tage der Erkrankung erhielt der Patient von seinem Sohne, der als Feldunter- arzt die Optochinbehandlung in einem Lazarett kennen gelernt hatte — ohne Wissen des Hausarztes — 6 x 0,25 Optochin. hydrochlor. zwei- stündlieh von morgens 8 Uhr bis abends 6 Uhr —=1,5 g, am folgenden Tage noch einmal 4 x 0,25, im ganzen 2,5 gin zwei Tagen. Darauf stellte sich Ohrensausen, Flimmern und in kürzester Zeit völlige Er- blindung beider Augen ein. Das Mittel wurde darauf sofort ausgesetzt. In der zweiten Nacht nach der Erblindung konnte Patient angeblich wieder etwas sehen, am nächsten Morgen aber nicht mehr. Dieser Zu- stand blieb fünf Tage lang unverändert, seitdem nahm Patient wieder ° a A TE Medizinische Sektion. II. Abteilung. 3 schattenhafte Umrisse wahr. Objektive Untersuchung: mittelweite Pupillen, auf konzentriertes Licht keine Verengung, Medien klar, Papillen etwas unscharf begrenzt, schneeweiss, Arterien sind verengt, zum grossen Teil unsichtbar, Venen gleichfalls sehr eng; an zwei Gefässen der rechten Netzhaut an umschriebenen Stellen weisse Begleitstreifen, ferner zwei kleine Blutungen. In der Woche nach der Untersuchung besserte sich das Sehvermögen. Genaue Untersuchung 3!/, Monate nach Eintritt der Amaurose. Pat. gibt an, dass es dauernd Dämmerung für ihn sei, bei wirklicher Dämmerung sieht er noch entsprechend schlechter; beim Uebergang aus dem Tageslicht in ein mässig verdunkeltes Zimmer ist er hilflos. Das Sehen in die Ferne ist viel schlechter als früher, vor ‚allen Dingen ist er aber nicht mehr imstande, richtig zu lesen. Er kann wohl gewöhnlichen Druck herausbringen, es ist aber kein fliessendes Lesen, da ihm immer Buchstaben ausfallen und er deshalb nicht vor- wärts kommt. Sehprüfung: Rechts ohne Glas S = 0,4, Gläser bessern nicht; mit + 3,5 D Nieden 9, also ganz grossen Druck. Links ohne Glas S=0,7, mit + 3,5 D Nieden 9 mühsam buchstabierend von Wort zu Wort. Gesichtsfeld konzentrisch eingeschränkt auf etwa 40°. Bei Prüfung. auf zwei Meter liessen sich ganz kleine unmittelbar am Fixierpunkt gelegene absolute Skotome nachweisen. Kleine farbige Objekte wurden bei zentraler Betrachtung meist richtig benannt; im grössten Teil des Gesichtsfeldes war aber die Wahrnehmung von Farben aufgehoben; von den Stilling’schen Tafeln konnte keine einzige entziffert werden. Der Lichtsinn erwies sich beim Messen mit dem Pieper’schen Adaptometer als sehr beträchtlich herabgesetzt. Die Pupillarreaktion war wieder vorhanden; die Papillen sind weiss, etwas unscharf begrenzt, die Gefässe immer noch im höchsten Grade verengt; die Arteria temporalis superior am rechten Auge zeigt auf eine kurze Strecke eine ziemlich breite, intensiv weisse Einscheidung; an der Makula kein krankhafter Befund; v. Hippel bemerkt, dass man kaum fehlgehen wird, wenn man den jetzigen Befund als endgültig ansieht, da 31/, Monate seit dem Eintritt der Erblindung verfiossen sind und Patient in den letzten Wochen keinerlei Veränderungen mehr bemerkt hat. Der Patient hat also infolge der Optochinbehandlung eine schwere dauernde Schädigung seines Seh- vermögens erlitten, wobei die Unmöglichkeit, fliessend zu lesen, besonders hervorgehoben werden muss. Fragen wir uns nun, wodurch diese schweren Sehstörungen bedingt werden. Birch-Hirschfeld spricht gelegentlich der Mitteilung des oben erwähnten Falles die Ansicht aus, dass bei der Öptochinvergiftung, ähnlich wie bei der Chininamblyopie, neben der Gefässverengung auch eine toxische Wirkung auf die Ganglienzellen‘ der Netzhaut und auf die Nervenfasern des Optikus anzunehmen sei. ‘Uhthoff hat, wie ich bereits eingangs erwähnte, pathologisch- anatomisch diese Schädigung des Optikus nachgewiesen. Bei dem ersten Fall handelt es sich um Optochin-Sehstörung mit vorübergehender Amaurose. Patient hatte 3,5 bis 4,0 g Optochin. hydrochlor. in zwei Tagen erhalten; zwei Tage später war er vollkommen amaurotisch; die völlige Erblindung hielt einen Tag an, dann stellte sich wieder etwas Sehen ein. R. 1/10, S: L. Finger 2 m, beiderseits zentrales Skotom. Der ophthalmoskopische Befund war normal, speziell auch keine ‚Veränderung der Netzhautgefässe. Patient kam nach einigen Tagen ad _ exitum. In den Schnitten durch den orbitalen Optikusstamm waren Veränderungen im Sinne eines Zerfalls der Markscheiden der Sehnerven- fasern vorhanden, es handelte sich um Veränderungen in Form von schwarzgrau gefärbten Scheiben und tropfenförmigen Gebilden. Bemerkens- 1* 4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. wert ist in diesem Falle der negative ophthalmoskopische Befund und das Fehlen von Gefässerscheinungen und ischämischer Trübung der Retina, wie sie bei der Chininamblyopie oft angegeben wird. Jedenfalls zeigt der hier mitgeteilte Fall die ausserordentlich wichtige Tatsache, dass unter dem Einfluss des Optochins direkte Degenerationserscheinungen des Sehnerven eingetreten sind. Einen zweiten, wichtigen und ausführlichen Sektionsbefund gibt Uhthoff im Januarheft 1917 der Klinischen Monatsblätter für Augen- heilkunde. Es handelte sich um einen Patienten, der schon längere Zeit schwer leidend war (Leberzirrhose und Peritonitis), während die pneumonische Affektion relativ geringer war. Patient hat 9 mal 0,25 Opt. hydr. in 36 Stunden, also 1,5 g in 24 Stunden bekommen. Die totale Amaurose, welche unter Öhrensausen einsetzte, dauerte etwa 2 Stunden, dann stellte sich exzentrisch nach unten etwas Sehen ein (Finger 1—1!/, m); nach weiteren 4 Stunden war die Sehschärfe auf Finger in 7 m gestiegen unter dem Bilde einer erheblichen konzentri- schen Gesichtsfeldeinschränkung auf beiden Augen. Bei einer weiteren Untersuchung am folgenden Tage hat sich das Sehen nicht wesentlich gehoben, die konzentrische Gesichtsfeldeinengung ist etwas geringer ge- worden. Der ophthalmoskopische Befund zeigt rechts deutliche Rötung der Papille, Gefässe etwas weiter als normal, die Grenzen der Papille leicht verschleiert (beginnendes Oedem der angrenzenden Retina). Links: Papille sehr ausgesprochen gerötet, Retinalgefässe etwas erweitert, grau- rötliche Trübung (Oedem) der angrenzenden Retinalpartien, die sich allmählich nach der Peripherie verliert. Patient starb am dritten Tage nach eingetretener Sehstörung an Leberzirrhose und Peritonitis. Die anatomische Untersuchung dieses typischen Falles von akuter Optochin- amblyopie ergab nun neben den älteren Veränderungen der Intoxi- kationsamblyopie (Alkohol-)Degeneration des papillomakulären Optikus- bündels, frische Degenerationserscheinungen (Marchi-Degeneration) der Markscheiden als Ausdruck der Optochinintoxikation; diese frische Dege- neration ist unregelmässig und herdförmig im Optikusstamm verbreitet, erreicht zum Teil einen hohen Grad bis zum völligen Zerfall der Nerven- faserbündel. Uhthoff erklärt mit diesem Befunde das Auftreten der akuten Sehstörung. Auch erscheint es ihm wahrscheinlich, dass bei der Stärke der Veränderungen in diesem Falle wohl nicht mit einer Wiederherstellung des früheren Sehvermögens zu rechnen gewesen wäre. Bemerkenswert ist auch in diesem Falle die erstmalige Gelegenheit, einen ausgesprochenen pathologischen Augenspiegelbefund bei Optochin- amblyopie anatomisch zu kontrollieren, dasselbe fand in einer ödema- tösen Durchtränkung und Schwellung der Papillen und der angrenzenden Retina seine Erklärung. Aehnliche Fälle, wie die eingangs mitgeteilten, beschreiben Schrei- ber, Pincus, Hess, Simon, Pollnow, bei denen noch monatelang nach Gebrauch von Opt. hydr. Herabsetzung der Sehschärfe, Einengung des Gesichtsfeldes und hemeralopische Beschwerden bestanden. Der Ausspruch Morgenroth’s, auf dessen Veranlassung bekanntlich das Optochin in die Chemotherapie der Pneumonie eingeführt wurde: „Die Nebenwirkungen des Optochins bei innerer Darreichung bestehen haupt- sächlich in Sehstörungen, die der Chininamblyopie entsprechen und die nach allen Erfahrungen ohne dauernden Nachteil vorübergehen“, muss jetzt als widerlegt angesehen werden. Auch die Bemerkung van der Veldens im Jahresbericht für ärztliche Fortbildung (Februar 1916), dass nach Optochingebrauch niemals eine dauernde Schädigung zurück- geblieben sei, und dass keinerlei Kontraindikation gegen die Anwendung dieses Mittels bestehe, muss als nicht mehr zutreffend bezeichnet werden. Wenn er damals in seinem Berichte dem praktischen Arzte empfiehlt, Medizinische Sektion. II. Abteilung. 5 ausgiebig von diesem Mittel Gebrauch zu machen, so muss jetzt an- gesichts der vielen Dauerschädigungen gerade der Praktiker nachdrücklichst vor dem Gebrauch dieses Mittels gewarnt werden. Bei dem weiteren Ausbau der Chemotherapie der Pneumonie hat es nicht an Versuchen gefehlt, diese schweren Sehstörungen zu vermeiden und zum Schwinden zu bringen; damit komme ich auf die Dosierug des Mittels und auf die Modifikation in seiner Anwendung. Bezüglich der Dosierung des Präparats sagt Morgenroth, dass die schweren Sehstörungen durch Ueberschreiten der von ihm als zulässig angegebenen Dosis 6 mal 0,25 pro die in vier- stündigen Intervallen hervorgerufen wurden; das ist zweifellos in einigen Fällen erwiesen, so in einem Falle, von Feilchen- feld, wo der Patient in 30 Stunden 5g erhielt; auch in dem von mir beobachteten Falle entspricht die Dosierung nicht den Vorschriften; jedoch beweisen die eingangs zitierten Fälle und andere mehrere, dass selbst bei richtiger Dosierung schwere dauernde Schädigungen auftraten. Neuerdings gibt Morgenroth an, die Maximaldosis des Öpt. hydr. auf 0,2 g, die Tagesdosis auf 1,2 g zu reduzieren; diese reduzierte Menge soll gleichmässig über die 24 Stunden des Tages, also alle 4 Stunden 0,2 —= 1,25 verteilt werden. Neben der auf dieser Weise durchgeführten gleichmässigen Verteilung des Mittels in kleinen Gaben kommen aber noch andere Gesichtspunkte in Betracht. Morgenroth selbst hatte auf Grund seiner Tierversuche die Ansicht vertreten, dass gegenüber dem leichtlöslichen und daher ausserordentlich rasch resorbierbaren salzsauren Optochin die schwerer lösbaren und langsamer resorbierbaren Präparate der Ester und die Base des Optochins, das Optochinum basicum und O. salicylicum besondere Vorteile bieten, indem sie bei gleicher Wirkung weniger toxische Nebenwirkungen entfalten; denn da die Konzentration im Blut von der Konzentrasion im Magen-Darmkanal in jedem Falle abhängig ist, ist auch die Wahrscheinlichkeit grösser, dass schädliche Konzentration bei den schwerer löslichen und lang- samer resorbierbaren Verbindungen leichter vermieden werden. Von dieser Erwägung ausgehend, verwirft Mendel das leicht lös- liche Optochin. hydrochlor. vollständig und wendet nur die Base an: 5 x je 03 = 1,5g. Von dem Optochin. salieyl.-Ester werden Dosen von 0,2 (10 X in 24 Stunden) also 2 g vorgeschlagen. Endlich wird betont, dass die Anwendung des Optochins eine be- stimmte Diät erfordert, welche die gleichmässige Resorption des Arzneimittels regelt und dafür sorgt, dass nicht etwa im Magen sich die salzsaure und leicht lösliche Verbindung entwickelt. Zu diesem Zwecke schlägt Rosin vor, bei jedesmaiiger Darreichung des Optochins die Salzsäure des Mageninhaltes durch reichliches Alkali — einen gehäuften Teelöffel doppelkohlensaures Natron, am besten in Fachinger Wasser zu neutralisieren, während Mendel zur Bindung der Magensäure Milchdiät vorschlägt, die wohl zurzeit praktisch nicht durchführbar sein dürfte. Auf eine weitere ‘Modifikation in der Anwendung des Optochin. basicum macht gleichfalls Mendel aufmerksam. Er beobachtete bei 40 Pneumonie- kranken, die mit Optochin. basicum und Milchdiät behandelt 6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. worden waren, doch Sehstörungen, und zwar warendies Patienten, bei denen schon vorher eine chronische Nierenerkrankung bestand, oder mit der Pneumonie gleichzeitig eine akute Nephritis ein- gesetzt hatte. Danach scheint es ihm festzustehen, dass die toxischen Sehstörungen nach therapeutischen Optochingaben nur dann auftraten, wenn durch Schädigung der Nierensekretion eine starke Retention des Alkaloids in der Blutbahn stattfindet. Es wird daher ratsam sein, in jedem Falle von Pneumonie vor Ein- leitung der Optochintherapie die Urinuntersuchung vorzunehmen und bei nachgewiesener Nephritis überhaupt auf die Chemotherapie zu verzichten oder mit besonders vorsichtigen kleinen Dosen vor- zugehen. Bei Auftreten von prämonitorischen Intoxikations- symptomen, Augenflimmern, Ohrensausen, ist die Medikation natür- lich sofort abzubrechen. Leschke glaubte, das Ohrensausen als klinisches Merkmal für die Stärke der Optochinkonzentration im Organismus betrachten zu können, und empfiehlt deshalb besonders darauf zu achten, um beim stärkerem Auftreten, noch bevor Seh- störungen sich einstellen, die Behandlung aussetzen zu können. Ob bei Beobachtung dieser Modifikation und Vorsichtsmaassregeln die Sehstörungen gänzlich vermieden werden können, muss ab- gewartet werden. Vollständig sind sie, wie aus der Literatur hervorgeht, auch dabei nicht ausgeblieben, jedoch war ihre Zahl geringer und sie waren vorübergehender Natur; es muss aber verlangt werden, dass auch diese Fälle augenärtzlich auf Hinter- grundsveränderungen und auf die Funktion des Auges (Gesichts- feldbeschränkung, Hemeralopie) genau kontrolliert werden. Dass die nach Optochins basicum auftretenden Sehstörungen doch nicht so ganz harmlos sind, beweist ein von Warburg, in der Münch. med. Wochenschr. mitgeteilter Fall: Bei-einem 45 jährigen Patienten trat nach eintägigem Gebrauch von Optochin. basicum (allerdings 2stündlich 0,2 g) eine schwere Amaurose auf, die sich ersi nach 4 Wochen zu bessernanfing; ein genaueraugenärztlicher Befund fehlt. Ueber die Wirkung des Optochins auf die Pneumonie selbst, möchte ich nur folgendes bemerken: das Optochin soll den parasitären Erreger der Pneumonie vernichten, diese Wirkung soll dann ganz besonders frappant sich zeigen, wenn die Ohemotherapie möglichst bald nach erfolgter Infektion — in den ersten drei Tagen — ein- setzt, also zu einer Zeit, wo der Sitz des Erregers noch lokalisiert in der Lunge ist. Gegenüber der symptomatischen Behandlung soli die günstige Wirkung der Chemotherapie bestehen in einer wesent- lichen Verkürzung der ganzen Fieberkurve, in einer frühzeitigen kritischen oder Iytischen Entfieberung und in einer Erleichtung des ganzen Krankheitsverlaufes; ob das Optochin die Mor- talität der Pneumonie herabsetzt, erscheint mir aus den mit- geteilten Statistiken zweifelhaft; ich möchte mir jedoch als Ophthalmologe über diese Dinge ein Urteil nicht erlauben, sondern die Beurteilung den Internisten überlassen; für mich kam es nur darauf an, Ihnen über die bei diesem Mittel ge- machten augenärztlichen Erfahrungen zu berichten. Von den Verfechtern der Chemotherapie der Pneumonie wird häufig in der Literatur der praktische Arzt aufgefordert, möglichst um- N EEE Medizinische Sektion. II. Abteilung 7 fangreich von dem Optochin Gebrauch zu machen; vom augen- ärztlichen Standpunkte möchte ich dagegen folgendes bemerken: 1. Das Opt. hydr. hat, auch wenn es in kleinen Dosen ge- geben wurde, in zahlreichen Fällen zu vorübergehender Amaurose und zu Sehstörungen schwerster Art geführt, dieselben waren in vielen Fällen bleibend, vom augenärztlichen Standpunkte sollte daher das leichtlösliche Opt. hydr. nicht verordnet werden. - 2. Ob durch Verordnung der schwer löslichen Chininderivate, des Opt. bas. und salicyl. und durch Beobachtung der oben an- geführten Modifikationen und Vorsichtsmaassregeln (gleichmässige Verteilung, kleine Dosen, Diät usw.) die Sehstörungen gänzlich zu vermeiden sein werden, ist abzuwarten; es hat erst genaueste Beobachtung und sorgfältiges Studium des Mittels in den Kranken- häusern und Kliniken stattzufinden, ehe es dem Praktiker emp- fohlen werden kann, ich möchte mich in dieser Beziehung dem Standpunkt v. Hippel’s anschliessen, dass jede durch ärztliche Behandlung herbeigeführte Erblindung nicht eine Nebenwirkung, sondern ein furchtbares Ereignis für den Betreffenden und seine Familie ist und geeignet, das Ansehen des Arztes beim Publikum aufs schwerste zu gefährden. Welche Stellung — und damit komme ich zum Schluss — das Sanitätsdepartement des Kriegs- ministeriums dem Optochin gegenüber einnimmt, geht aus fol- gender Verfügung hervor: „Kriegsministerium, San.-Depart. Berlin, 24. Juli 1917. Nr. 1781/7. 17 S. J.-Nr. 9917. Die beim Feldheere gemachten Erfahrungen mit Optochin haben ergeben, dass sein Heilwert bei Lungenentzündungen zweifelhaft ist, da andererseits nach inneren Gaben von Optochin schwere Augenbeschädigungen beobachtet sind, ist seine An- wendung in Zukunft zu unterlassen.“ AT in pn FE un, SAT age LERNEN Ale IE. \ \ Ueber Knochenpflanzung. Von Prof. Dr. Partsch, Geh. Med.-Rat. Der grosse Lehrmeister Krieg hat mit seinen zahlreichen, mannigfaltigen Verletzungen, besonders auf dem Gebiet der Knochen- krankheiten und ihrer Heilung, eine solche Unsumme reicher Er- fahrungen gebracht, dass jede einzelne Frage der Behandlung gefördert worden ist und die Erfahrungen gesichtet werden müssen, um unsere theoretischen Anschauungen und praktischen Vorschläge zur Behandlung zu verbessern und immer sicherer zu gestalten. Das trifft ganz besonders zu für die Frage des Knochenersatzes der infolge der umfangreichen Verletzungen und des Zugrunde- gehens grosser Knochenabschnitte, durch die Eiterungen, welche den Weichteilverletzungen folgen, hervorgerufen werden. Wir waren für die Frage des Knochenersatzes schon durch die Erfolge vor dem Kriege für ihn gut gerüstet. Ueberblickt man die Entwicklung der ganzen Frage, so ist kaum ein anderes Gebiet vorhanden, auf dem sich die Entwick- lung so stark an die wissenschaftliche Forschung und das Werden unserer theoretischen Kenntnisse anlehnte, wie das der Knochen- pflanzung. Sie ist im wesentlichen ein Kind des letzten halben Jahrhunderts. Wenn auch ältere Erfahrungen vorlagen, wenn es Walter z. B. schon 1820 gelang, ein bei der Trepanation des Schädels ausgeschnittenes Knochenstück wieder in den Defekt einzupflanzen und zur Einheilung zu bringen, so waren diese Fälle doch nur vereinzelt, mehr kuriose Wunder, als dass aus solchen Erfahrungen Grundsätze für die Behandlung abgeleitet worden wären. Erst als Ollier, Ende der 50er Jahre, auf experimen- tellem Wege die Frage angriff und besonders das Einheilen des Knochens mit der Knochenhaut lehrte und die knochenbildende Kraft der verpflanzten Knochenhaut erwies, schien die Grundlage für eine praktische Verwendung gegeben. Aber merkwürdig lange hat die Forschung geruht, ehe praktische Erfolge beim thera- peutischen Handeln zu erzielen waren. Erst musste die ganze Wundbehandlung umgestaltet und auf sicheren Boden der Asepsis gestellt sein, ehe man von einer systematischen Ausbildung dieser Behandlungsmethode sprechen konnte. Die Experimente wurden unter dem sicheren Schutze der Asepsis unter neuen Verhältnissen Medizinische Sektion. II. Abteilung. 9 wiederholt und mit ihnen kehrten neue Anschauungen für unser Handeln ein. Die sorgfältigen Untersuchungen Barth’s, von dem kritischen Auge Marchand's überwacht, stellten die Frage auf ganz anderen Boden. Barth sah bei der Verfolgung seiner Ex- perimente und der mikroskopischen Untersuchung der dadurch gewonnenen Präparate, dass von einem eigentlichen Einheilen des Knochens in das Lager, welches ihn neu aufnahm, streng ge- nommen, keine Rede sei. Nach seiner Ansicht stirbt der über- pflanzte Knochen an seiner neuen Stelle, gleichgültig, ob er mit oder ohne Knochenhaut verpflanzt ist, ab, und wird durch neu- gebildeten Knochen ersetzt, so dass also eigentlich der über- pflanzte Knochen zugrunde geht und nur eine Schablone für den neu zu bildenden Knochen abgibt. Dadurch kam Barth auf den Gedanken, dass es eigentlich ganz gleichgültig sei, ob man lebenden Knochen mit oder ohne Periost überpflanze, oder ob man toten Knochen längere Zeit aus seiner Verbindung mit dem Körper gelöst und in indifferenten Flüssigkeiten aufbewahrt, oder selbst ausgekocht und aller Bindegewebsfasern beraubt, verpflanze. Das führte zu dem Gedanken, der von Gluck ganz besonders verfolgt wurde, dass man ganze Knochen mit ihren Gelenk- abschnitten ersetzen könne durch aus Elfenbein modellierte Ersatz- teile, bei denen man noch den Vorzug hatte, dass man sie mög- lichst den anatomischen Erfordernissen, welche der einzelne Fall bot, anpassen könne. So wurde der Vorschlag gemacht, nicht nur Knochen, sondern auch ganze Gelenke zu ersetzen und damit Glieder bewegungsfähig zu erhalten, deren Gelenke man wegen Erkrankung opfern musste. Und in der Tat sind Resultate, welche man allerdings vereinzelt auf diesem Wege erzielen konnte, ganz erstaunlich gewesen, und unsere Gesellschaft hatte das Glück gehabt, die kühnen Operationen Küttner’s in ihren Resultaten verfolgen zu dürfen, bei denen ein ganzes Hüftgelenk aus der Leiche ersetzt und zur Einheilung gebracht werden konnte. Auch die Erfahrungen Lexer’s mit dem überraschenden Erfolge der Einheilung und zu voller Funktion führenden Einpflanzung von Kniegelenken, dürfen als das Aeusserste dieser Pflanzungskunst angesehen werden. Und doch zeigte die weitere Verfolgung der Frage, dass die Sicherheit des Erfolges und der Ausbau der Methode an die Ueberpflanzung lebenden Knochens geknüpft sei. Wieder war es die theoretische Forschung, welche zeigte, dass der radikale Standpunkt Barth’s gegenüber den vielen praktisch erzielten Er- folgen nicht festzuhalten war. Eine grosse Zahl der mit Ver- pflanzung toten Materials behandelten Fälle wurde nur vorüber- gehend geheilt. Später oder früher traten Fisteln auf mit Ab- sonderung, die nur zur Ausheilung zu bringen waren, wenn man den eingeschalteten Fremdkörper entfernte. Da und dort hatten sich wohl grössere Knochenmassen über die eingepflanzten Enden weggeschoben und gaben dadurch eine gewisse Festigkeit her, aber zu einer wirklichen Einheilung und einem Aufgehen des Implantats in der Funktion des Knochens kam es häufig nicht. Axhausen verdanken wir den Nachweis, dass für die endgültige 10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Einheilung die Ueberpflanzung der Knochenhaut von wesentlicher Bedeutung sei. Er konnte zwar die Erfahrungen Barth’s für den Knochen selbst bestätigen, von dem auch er annimmt, dass er absterbe. Aber dafür könne die Knochenhaut direkt einheilen und gäbe das Material her für die Ersetzung des abgestorbenen Knochens in seinem vollen Umfang. Er zeigt, wie Gefässe die Zellen der Knochenkörperchen vollständig verschlingen, wie der alte Knochen von den Haversischen Kanälchen aus, in welche hinein neue Gefässe von der Knochenhaut aus einwachsen, die alte Knochensubstanz resorbiert wird unter Auftreten zahlreicher Östeoklasten, an anderer Stelle aber wieder durch Anbildung von Knochensubstanz ersetzt wird, so dass allmählich der Knochen ganz neu auf der Basis des alten Knochengerüstes, des über- pfianzten Knochens neu gebildet wird. Diese Auffassung hat nicht allein sich im Tierexperiment erwiesen, sondern auch eine grössere Zahl von Fällen, bei denen es möglich wurde, am Menschen die verpflanzten Knochen zu untersuchen, schienen diese Auf- fassung zu erhärten und zu einer Art Axiom zu machen. Aber eine Zahl anderer Erfahrungen liess doch dem Gedanken Raum geben, dass, wenigstens in einzelnen Fällen, eine wirkliche Ein- heilung des Knochens, ohne dass er abzusterben braucht, möglich sei, und so sehr Axhausen seine Theorie vertrat, wollten die Stimmen nicht verstummen, welche einer wirklichen Einheilung des Implantats das Wort redeten. So wurden Fälle beobachtet, bei denen der eingepflanzte Knochen trotz eingetretener Eiterung wenigstens teilweise zur Einheilung kam, während ein Teil des Knochens sich nekrotisch abstiess. Klapp glaubte darin den Beweis zu sehen, dass der Knochen lebend geblieben sein müsse, weil nur lebender Knochen die Veränderungen zu erzeugen ver- möchte, welche zur Abstossung toten Knochens erforderlich sind. Axhausen beschrieb einen solchen Fall, bei welchem ein Meta- tarsus mit seinem Gelenkkopf an die Stelle eines durch Karzinom zerstörten Oberarmkopfes eingepflanzt worden war und bei dem sekundär das Köpfchen nekrotisierte und sich abstiess, während der grösste Teil des in die Markhöhle des in den Oberarm ein- gekeilten Knochens eingewachsen blieb. Axhausen glaubt, dass die Nekrose des Knochens nicht immer eine Demarkationszone hervorrufe, sondern dass in der Substanz des Knochens die Ab- grenzung zwischen toter und lebender Substanz erfolge, aber an dem abgebildeten Präparat sieht man noch deutlich, dass die Vorgänge, welche zur Demarkation geführt haben, sich wirklich auch an dem Knochen selbst abgespielt haben, so dass meines Ermessens nach die Anschauung von Klapp nicht obne weiteres als widerlegt anzusehen ist. Auch ich habe schon vor dem Kriege in der Breslauer chirur- gischen Gesellschaft das Präparat eines implantierten Stückes Ulna zum Ersatz tuberkulösen Metacarpus demonstrieren können, bei dem nach vollständiger Einheilung wegen Weiterschreiten der Weichteiltuberkulose die Hand amputiert werden musste, so dass _ das Präparat untersucht werden konnte. Medizinische Sektion. II. Abteilung. hl Wie Sie sich selbst überzeugen können, kann man mit blossem Auge auf dem Querschnitt das eingeheilte Ulnastück in der Mächtigkeit eines Metatarsus sehen. Ein tuberkulöser Herd hat sich an der einen Seite des Präparats angelegt, anscheinend von dem Wundbett aus, in welchem die Ulna eingebettet war. Der hier neugebildete Knochen lässt deutlich neue Tuberkelknötchen innerhalb der Zone des neu gebildeten Knochens erkennen. Das würde zunächst nicht für das vollkommene Einheilen des Knochens sprechen, aber dass ausser diesem tuberkulösen Herd an der gegenüberliegenden Seite des eingepflanzten Knochens, im Bereich des alten Knochens, deutliche Tuberkel sich finden, ist wohl doch nicht anders zu erklären, als dass der Knochen vollständig mit seinem ganzen Gefässsystem in organische Verbindung mit der Um- gebung getreten ist und an deren Schicksal gleichmässig Anteil ge- nommen hat. Der Knochen hat dabei ein Aussehen, dass kaum jemand auf den Gedanken kommen würde, es handle sich um einen implantierten, weil alle reaktiven Erscheinungen an den Haversischen Kanälchen, sei es in Form von lakunärer Resorption, sei es in Form von Auflagerung von neuer Knochensubstanz, vollkommen fehlen. Auch treten die Knochenkörperchen mit dem blauen Kern ihrer Zellen deutlich im ganzen Präparat auf. Ich habe schon damals der Meinung Ausdruck gegeben, dass es doch wohl möglich sein müsste, in einzelnen Fällen ' . von einer wirklichen Einheilung von Knochen zu sprechen, ohne dass der Knochen absterben und erst neu ersetzt werden müsse. Ein Vor- gang, der jedoch ziemlich reichlich Zeit in Anspruch nimmt und der doch nicht ohne Aenderung des Bildes des Knochens sich vollziehen kann. Auch eine neuere im Kriege gemachte Erfahrung hat mir diese meine Anschauung bestätigt. Ich werde Ihnen die Röntgen- bilder eines Mannes zeigen können, bei welchem ich ein Stück Beckenkamm zum Ersatz eines grösseren Substanzverlustes im linken Oberarm nach einer schweren Schussverletzung eingepflanzt habe. Die Einheilung erfolgte so gut, dass ich schon in der vierten Woche einen festen Verband entbehren zu können glaubte, da genügende Festigkeit vorhanden war. Trotz der anbefohlenen Schonung des Armes hantierte der Patient mit ihm so energisch, dass er beim Aufschlagen auf den Tisch seine Festigkeit verlor. Es lag nahe zunächst zu glauben, dass das Implantat an einer der Stellen, wo es in den Knochen inseriert war, nachgegeben und ausser Verbindung getreten wäre. Das Röntgenbild aber zeigte, dass das Implantat an seinen Enden mit beiden Knochenstücken fest verwachsen, aber in seiner Mitte gebrochen war. Es wurde ein Gips- verband angelegt und nach ungefähr 3—4 Wochen ein neues Röntgeu- bild angefertigt, das nun zeigte, dass an der Stelle des Bruche eine deutliche Kallusbildung eingetreten war und dementsprechend die Festigkeit wieder zugenommen hatte. Man sah in der Gegend des Kallus zu beiden Seiten der eingepflanzten Spange neugebildet Knochen auf- treten, den man wohl nicht anders als Kallus deuten kann. Das lässt sich wohl nur so erklären, dass das eingeheilte Knochenstück voll und ganz in organische Verbindung mit seiner Umgebung getreten ist und infolgedessen bei der eingetretenen Verletzung reaktive Erscheinungen wie normalen Knochen bot. Man kann sich doch schwer vorstellen, dass ein abgestorbener Knochen ausser seinem Ersatz auch noch die Neubildung von Knochen zu leisten imstande wäre. Dass dieser eingepflanzte Knochen an und für sich zu wachsen vermag, wenigstens in 12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. seiner Dicke, werde ich an einem andern Fall ebenfalls zeigen können und damit nur die Zahl der Fälle vermehren, in denen schon früher das Wachstum und die Formveränderung des einge- pflanzten Knochens beobachtet wird. Gerade diese Lebenserschei- nungen des eingepflanzten Knochens haben die Ueberzeugung ge- festigt, dass man doch, wenn irgend möglich, lebenden Knochen verpflanzen solle, weil man nicht nur mit grösserer Sicherheit ihn einzuheilen vermag, sondern von ihm erwarten könnte, dass er in ganz anderer Weise wie der tote Knochen sich nach dem Transformationsgesetz umformen und entsprechend der mechani- schen Beanspruchung durch Zug und Druck folgen könne als der tote Knochen. So ist wohl der Umschwung eingetreten, dass man die freie Knochepplastik wesentlich bevorzugt gegenüber der Ein- pflanzung toten Knochens und diese nur beschränkt auf die ab- solut dringenden, anders nicht zu behandelnden Fälle. Ich will deshalb auch auf diese Frage nicht weiter eingehen, sondern nur weiter über die freie Knochenplastik sprechen. Man wird sich klar werden müssen über die Bedingungen, unter denen der Knochen am besten einheilt, über die Frage, welche Methode man zur Befestigung des Implantats befolgt und wie man sonst durch vorsichtige Nachbehandlung das Resultat der Einheilung sichert. Die erste Frage über die Bedingung der Einheilung wird mag verschieden beantworten müssen, je nach der Natur und dem anatomischen Verhalten des einzupflanzenden Knochens. Zunächst dürfte wohl sicher sein, nach den bisherigen Erfahrungen, dass die Erhaltung des Periost und seine Ueberpflanzung dem Implantat einen gewissen Schutz gibt und die Einheilung be- günstigt. Es soll dabei nicht verschwiegen werden, dass auch Knochenstücke ohne Periost zur Einheilung kommen können, an- scheinend aber nur Stücke geringeren Volumens, und dass bei der Einpflanzung grösserer Knochenpartien, wie z. B. der Fibula, die Erhaltung des Periosts das Resultat wesentlich sichert. Man wird sich wohl die Einheilung so vorstellen müssen, dass zu- nächst das Implantat durch Umspülung von Lymphe vor der Vertroeknung gesichert und in seiner Lebensfähigkeit erhalten bleibt, bis es den von den Gefässen des Wundbettes aus sich allmählich entwickelnden Gefässen gelingt, vielleicht mit der Benutzung der Gefässe des Implantats, eine anfangs geringe, später eine immer weiter sich ausbildende Zirkulation herzu- stellen und so das Implantat allmählich in den Säftestrom des Körpers einzubeziehen. Das wird um so leichter gelingen, je weniger starr das Implantat an seiner Oberfläche ist, je leichter es für die Gefässe angriffsfähig wird und je schneller und grösser der Bereich der Ernährungsbahnen ist, mit denen das Implantat mit der Umgebung in Beziehung treten kann. Aus diesem Grund wird natürlich ein Röhrerknochen mit seiner harten, festen Korti- kalis viel ungünstigere Verhältnisse bieten als spongiöser Knochen, in dessen Maschen und Markgewebe sich sehr viel rascher neu- gebildete Gefässe einsenken und auf diese Weise die Ernährung herstellen können. 1 ä | Medizinische Sektion. II. Abteilung. 13 . Nach dieser Richtung hin sind verschiedene Vorschläge gemacht worden, ohne dass bis jetzt ein endgültiger Entscheid über ihren Wert abgegeben werden könnte. Man hat vorgeschlagen, die harte Kortikalis mit Bohrlöchern zu versehen, und durch sie hindurch das Einwachsen der Granulationen leichter zu ermöglichen. Man hat ferner das Periost mehrfach einzuschneiden empfohlen, um auf diese Weise die Ernährung zu begünstigen. Dass das Implantat während der Operation vor jeder Vertrocknung gehütet werden muss, ist wohl selbstverständlich. Es wird deshalb sofort, nachdem es gewonnen, in Tupfer mit warmer Koch- salzlösung eingehüllt, um jeder Verdunstung vorzubeugen. Eigenartig klingt der Vorschlag, die Markhöhle des Knochens mit indiffertem Material auszufüllen, weil das Knochenmark am allerlabilsten sei, am ehesten absterbe und auf diese Weise das Schicksal des Implantates ungünstig beeinflusse. Mir stehen in dieser Hinsicht keine Erfahrungen zu, so dass ich mich über die Notwendigkeit des Vorschlages nicht zu äussern ver- mag. Von wesentlicher Bedeutung für die Sicherheit der Einheilung ist die Art und Weise der Verbindung des Implantats mit den Enden des Knochens, in den es eingefügt werden soll. Hier sind sehr verschiedene Methoden angegeben und geübt worden. Zunächst will ich erwähnen, dass man von dem Gesichtspunkt aus, die Ernährung des Implantats vom Periost her nach Möglichkeit sicher zu stellen, der freien Plastik mit Einsetzung eines fernher genommenen Knochenstücks die Verschiebung von Knochenmaterial aus der nächsten Umgebung des Defektes gegen- übergestellt hat. Verschiedene Autoren (Pichler, Reichel, Esser) ‚haben dieser Methode den Vorzug zu geben geglaubt, gegenüber der freien Plastik wegen der Sicherheit des Erfolges. Dabei ist man von verschiedenem Standpunkt ausgegangen, sei es, dass man zur Deckung des Defektes Knochen benutzte, den man mit dem subkutanen Gewebe und der deckenden Haut durch Ausschneidung eines Lappens aus der Umgebung in den Defekt verpflanzt, oder dass man wie Pichler nicht die Haut, sondern nur unter ihr liegende Schichten, Faszie und Muskel- substanz zur Bildung des Lappens verwendete, mit dem man den Defekt deckte. Sicherlich ist dieser Weg sehr viel komplizierter, als die freie Plastik, weil er die Deckung und Verschiebung des Lappens in einer Richtung verlangt, in’ der nicht selten der Stiel stark torquiert und die Ernährung beeinträchtigt wird; ferner ist er ohne neue Narben nicht ausführbar und infolgedessen geknüpft an die Beweglichkeit der Haut in der Umgebung des Defektes. Damit erscheint der Erfolg in vielen Fällen durch das Verhalten der Weichteile in der Umgebung des Defekts unsicher und gefährlich. Die vorliegenden Erfahrungen be- treffen hauptsächlich den Unterkiefer, und nur Reichel hat auch günstig verlaufende Fälle an Extremitäten beschrieben. Was nun die freie Plastik anlangt, so hat man die Verbindung mit dem umgebenden Knochen zunächst so gewählt, dass der Knochen eingeklemmt wurde in den Defekt, entsprechend den Knochenrändern, die vorlagen, oder die man sich dnrch Abtragen des Knochens formte. Weil diese Art der Einfügung nicht immer die genügende Festigkeit bot, ist man auch dazu übergegangen, durch Knochennähte das Implantat mit den Rändern des Knochendefektes zu verbinden und damit die Lage des Implantats zu sichern. Die vorliegenden Erfahrungen sprechen nicht für die Knochen- naht. Die Durchbohrung des Implantats, die zur Naht notwendig ist, setzt Manipulationen voraus, welche mechanisch das Gewebe des Im- plantats beeinflussen, es an der Stelle des Bohrloches quetschen oder durch das Bohren erhitzen und auf diese Weise ‘die Nekrose des Knochens begünstigen, wenigstens sind häufig die ganzen Implantate oder Stücke desselben mit der Umgebung des Bohrloches zur Abstossung gekommen. Auch die Erfahrung, die man im Kriege mit der Knochennaht gemacht 14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. hat, spricht nicht für diesen Weg der Befestigung, selbst auch dann, wenn man die Durchbohrung des Implantats vermeidet und die Naht nur durch die Enden des Defektes zieht, um durch die durchgelegte Knochennaht das Implantat fester zwischen die Wundränder zu klemmen. Man hat dann versucht, das Implantat mit den Knochenstücken zu verbolzen, eine Methode, die wesentlich bei den Röhrenknochen Ver- wendung gefunden hat, indem man einen Röhrenknochen in die Markhöhle des Knochenendes, oder einen HElfenbeinstift in die Mark- höhle des Implantats und gleichzeitig in die Markhöhle des Knochen- endes eingeschoben hat. Letztere Methode kompliziert natürlich die Einheilung, weil sie zu der Einheilung des lebenden Knochens noch die Einheilung eines Fremdkörpers hinzufügt. Eine Art Bolzung ist in vielen Fällen am Unterkiefer gemacht worden, wo man die Enden des Implantats entweder so zuspitzte, dass man sie in "die Spongiosa des Knochens eindrücken konnte, und auf diese Weise das Implantat be- festigte, oder dass man die Enden des Defektes zuspitzte, um sie in das Implantat zu drängen, vorausgesetzt, dass dieses Knochensubstanz ent- hielt, in welche andere Knochen eingeschoben werden konnten. Die erste Methode setzt eine Bearbeitung des Implantats voraus, welche ihm keineswegs günstig ist, insofern es einmal festgehalten werden muss für die Vornahme der Bearbeitung und andererseits mechanisch leidet gerade an jenen Stellen, mit welchen es mit den Knochenrändern in direkte Verbindung tritt, wo also eine möglichst rasche Verklebung gewünscht wird. Ist die Oberfläche mit Feile und Raspel bearbeitet, so füllen sich die Maschen der Spongiosa durch Feilstaub des Knochens, oder das. Mark ist davon durchsetzt, so dass voraussichtlich eine direkte Ver- bindung erschwert ist. Die Bearbeitung der Knochenenden des Defektes stösst noch auf grössere Schwierigkeit, weil ihre feste Lage die Bear- beitung mit Feile und Zange erschweren. Mir ist mit zunehmender Erfahrung am praktischsten eine anscheinend in der Literatur nicht er- wähnte Methode erschienen, welche dem Pfropfen der Gärtner nachge- bildet ist. Wie diese ihr Reis am sichersten dem Baumast einfügen, indem sie das Reis von beiden Seiten keilförmig zuschneiden und es in einen in den Ast gelegten Spalt einfügen, damit sich möglichst reich- liche Flächen der beiden in direkte Verbindung zu bringenden Gebilde miteinander berühren, erscheint mir dieser Weg auch für die Einfügung des Implantats in den Knochen besonders ratsam. Das Implantat kann gleich bei seiner Entnahme mit dem Meissel so gestaltet werden, dass seine Enden keilförmig verlaufen. Die Ränder des Defektes lassen sich, wenigstens in den meisten Fällen, durch zweckmässig gestalte Meissel so aufspalten, dass sie federn, und dass die Möglichkeit geboten wird den Krochenspan ganz ähnlich wie bei der Pfropfung in den Spalt zu treiben. Wenn man den Spaltmeissel mit einer hebelartigen Drehvor- richtung an seinem oberen Ende versieht, so ist man imstande durch feine Drehungen sich genau eine Vorstellung von der Naehgiebigkeit und der Elastizität des Knochens zu machen, und man kann dann durch feine Drehungen, ähnlich wie der Klavierstimmer in feinster Form die Saite anspannt, den Spalt im Knochen zum Klaffen bringen und ihn so erweitern, dass sich das keilförmige Ende des Implantats bequem in den Spalt einschieben lässt und von dem federnden Knochen so fest gehalten wird, dass sich eine weitere Befestigung fast erübrigt.. Klapp schiebt das Präparat in Periosttaschen, die an den Bruchstücken abge- hoben werden. Lindemann bevorzugt die Einpflockung des Implantats in den Knochen oder des Knochens in das Implantat. Meiner Erfahrung nach hat die Federkraft des gespaltenen Knochens die sicherste Be- festigung der Lage des Implantats. Ausser dieser Sicherung muss nun auch die Feststellung der Knochen- DD 02 5 Zen u De a nn 1 ER a a ne: a | | | | } | Medizinische Sektion. II. Abteilung. ‚15 enden, in welche das Implantat eingefügt wird, erfolgen. Das lässt sich im allgemeinen an den Extremitäten durch den Gipsverband sehr leicht erfüllen, schwieriger gestaltet sich die Aufgabe am Unterkiefer, worüber ich später noch besondere Bemerkungen machen werde. Das Wichtigste für die Einheilung ist die Herstellung eines aseptischen Wundbettes. In dieser Hinsicht werden die Einpflanzungen nach Resektionen bei Tumoren ganz anders zu beurteilen sein, wie bei Knochenverletzungen mit umfangreichen Entzündungsprozessen akuter oder chronischer Art. « Haben wir im ersten Falle bei geschlossenem Tumor ein vollständig aseptisches Wundbett für die Einpflanzung, so muss es im anderen Falle erst durch Ausschneiden der Narbe zurecht gemacht werden. Dass durch bakterielle Einschlüsse in die Narben leicht neue Entzündungsprozesse vor ihrer Exstirpation wieder angefacht werden können, ist leider eine nicht ganz selten zu beklagende Kompli- kation. Die Transplantation bei vorausgegangener Entzündung und Eiterung kommt erst in Frage, wenn aseptische Verhältnisse hergestellt sind, d. h. eine vollständige Ausheilung der lokalen Entzündungsprozesse stattgefunden hat. Alle Fisteln müssen endgültig geschlossen sein, ehe man an die Transplantation denken kann. Die Hartnäckigkeit der Abstossungsprozesse am Knochen stellen die Geduld des Arztes und des Patienten oft auf harte Probe. Nicht immer kann man sich durch das Röntgenbild einen sicheren Ueberblick ver- schaffen, ob noch Knochensplitter und Sequester der Abstossung harren und die Fisteln unterhalten, manchmal liegen die Sequester in derbere Knochenmassen eingehüllt, werden so verdeckt und unterhalten lange die Eiterung. Wiederholte Eingriffe ermüden die Geduld des Patienten, und doch ist meist ohne Freilegen des Herdes keine Heilung zu erzielen. Ich möchte hier einen kleinen Kunstgriff mitteilen, der ermöglicht, in solchen Fällen die Sequester möglichst rasch nach aussen zu befördern. Ich würde dies nicht erwähnen, wenn nicht in neuerer Zeit von Leser eine viel umständlichere Methode veröffentlicht worden wäre, um zu solch versteckten Sequestern zu gelangen. Leser dilatiert mit Quellstiften die Fistel und erweitert sie, so dass er bequemer zu dem Sequester ge- langen kann. Aber die Quellung wird gelegentlich von Fieber begleitet, das von Zerfall der durch die lange Eiterung veränderten Granulationen herrührt. Die Herausziehung des Quellstiftes geht nicht ohne leichte . Blutung vor sich, so dass man eine Uebersicht über den Fistelkanal nicht gewinnen kann. Ich verwende schon länger als zehn Jahre die Methode, dass ich in den Fistelkanal je nach seiner Länge ein mehr oder weniger grosses Stück Höllenstein so tief als möglich einführe, die Umgebung der Fistel . mit Paste bestreiche und den Stift unter dem Verbande seinem Schicksal überlasse. Anfangs bestehen leichte Beschwerden, die aber im Verlauf von wenigen Stunden nachlassen. Nach 4—5 Tagen stösst sich bei dem Verbandwechsel aus der vollständig reaktionslosen Fistel die ganze granulierende Auskleidung in Form eines Pfropfes aus, so dass man mit Herausnahme desselben einen kleinfingerdieken Hohlgang bekommt, der die Uebersicht über den Fistelgang gestattet. Oefters kommt der Sequester schon hinter dem Pfropf heraus, in anderen Fällen lässt er sich leicht mit einer Pinzette oder einem Häckchen entfernen. Man hat auf diese Weise nicht nötig, neue operative Eingriffe, die doch immer wieder neue Narben setzen, zu machen und hat andererseits den Vorteil, dass die frisch aufspriessende Granulationsschicht meist den Fistelkanal in kurzer Zeit schliesst und rasch vernarbt. Natürlich bleiben auch einzelne Fälle übrig, wo ein operatives Eingreifen nicht zu umgehen ist. Immer- hin aber kürzt diese Methode die Fistelheilung wesentlich ab. Ist alles gut vernarbt, so ist damit immer noch nicht gesagt, dass in der Tiefe 16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. nicht noch vereinzelte entzündliche Herde bestehen; sie sind insofern tückisch, als sie als latente Infekte bei der Neueröffnung der Narbe durch den Schnitt wieder aufleben und die primäre Heilung der neuge- schaffenen Wunde stören. In diesem Sinne vermögen auch scheinbar reizlos eingeheilte Geschosssplitter ungünstig zu wirken. Mir ist es wiederholt vorgekommen, dass ein in der Nähe der Narbe in ganz ge- sunder Haut geführter Schnitt primär verheilte, während die benachbarte Narbe ihrerseits zerfiel und für sich Eiterung anregte.. Man wird sich in den Fällen, wo man unvermutet auf solches Herde stösst, bei der Operation auf die Ausschneidung der Narbe zwischen den Bruchenden beschränken und die Transplantation auf die Zeit der vollständigen Heilung verschieben. Auch von dem Gesichtspunkt aus, dass man mit der Exzision der Narbe die Ernährungsverhältnisse für das Implantat bessert, indem die reichere Gefässversorgung nach primärem Schluss die Ernährung des Implantats begünstigt, hat es sein Gutes, das Wundbett durch primäre Exzision der Narbe so günstig als möglich zu gestalten und nicht Exzision der Narbe und Implantation zugleich vorzunehmen. Ich glaube, jedenfalls davon in einzelnen Fällen Gutes gesehen zu haben, und bin der Meinung, dass namentlich alle plastischen Operationen vor- her vorgenommen sein müssen, ehe man die Transplantation des Knochens macht. Sie wird zweifellos komplizierter, wenn man sie mit der plastischen Operation verbindet. Ein zweites ist die sorgfältige Blutstillung, bevor man das Implantat in die Wundhöhle einlegt. Heisse Kochsalzkompressen pflegen in dieser Beziehung günstig zu wirken. Auch kann man von dem Jungengel’schen Jodbläser zweckmässig Gebrauch machen, auch kommt die Adrenalinwirkung bei der Lokalanästhesie der blutstillenden - Wirkung zugute. Man hat darüber. gestritten, ob nicht das Noyakain und Adrenalin die Lebensfähigkeit des Implantats oder der Umgebung derselben schädige. Ich habe deutliche Nachteile durch die Lokalanästhesie in dieser Beziehung nicht feststellen können. Meist genügt die in der Zeit des Ausschneidens des Implantats ausgeführte Tamponade der Wunde mit vorübergehendem Hautschluss durch Klemmzangen für die Blutstillung vollständig. Sie wird wesentlich unterstützt durch die nach der Ein- fügung des Implantats anzulegende Naht. Das Implantat muss selbstverständlich am besten nur mit sterilen Instrumenten angefasst, vor jeder stärkeren mechanischen Quetschung nach Möglichkeit behütet und vor Vertrocknung gesichert werden. Ist es nach einer der oben geschilderten Methoden eingefügt, so wird es durch periostale Katgutnähte mit der Umgebung verbunden oder die nächsten Weichteile über dem Implantat so fest gerafft, dass durch die Naht sowohl die Wunde vor Blutung gesichert, als auch das Implantat in sein Lager fest eingedrückt wird. Eine weitere Nahtschieht vereinigt die oberflächlichen Weichteile, eine dritte die Haut. Von einer Drainage oder Tamponade ist dringend’ abzuraten. Die Wunde soll so versorgt werden, dass tote Räume, die sich mit Blut füllen könnten, möglichst ausgeschaltet werden. Was mit der freien Knochenplastik zu erreichen ist, möchte ich näher erläutern an den von mir behandelten 16 Fällen von Pseudarthrosen des Unterkiefers, zumal gerade diese Fälle für die freie Plastik relativ ungünstige Verhältnisse bieten. Mit der Zunahme der Kopfschussverletzungen in diesem Kriege durch den Schützengrabenkrieg und beim Niederwerfen im Vor- springen, haben natürlich die Unterkieferverletzungen erheblich zugenommen. Es liegt auf der Hand, dass die schweren Split- Medizinische Sektion. II. Abteilung. 107 terungen und Zertrümmerungen des Knochens das Zustandekommen von Pseudarthrosen begünstigt und die bei der Wundheilung auf- tretenden infektiösen Prozesse vom Munde aus die Zerstörung des zerträmmerten Knochens vermehren. Es kommt noch ein Moment in diesem Kriege dazu. Während nämlich in früheren Kriegen man lediglich auf die knöcherne Vereinigung der Schuss- brüche Wert legte, ohne sich um die Gebissverhältnisse wesentlich zu kümmern, hat man in diesem Kriege dank den Fortschritten der Zahnheilkunde, die Wiederherstellung normaler Artikulation in den Vordergrund gestellt und dadurch Pseudarthrosen häufiger zustande kommen sehen, weil man dem die Bruchstücke einander nähernden Narbenzug durch die den Biss regulierenden Apparate entgegenwirkte..e. Und so ist denn auch die Zahl der Pseudar- throsen eine relativ grosse; ein genaues prozentuarisches Ver- hältnis zu den Schussbrücken des Unterkiefers ist vorläufig noch. nicht festzustellen, sicher aber sind sie viel zahlreicher als bei den Friedensverletzungen. Dass bei ihrem Zustandekommen die mangelhafte Feststellung der Bruchstücke eine gewisse Rolle spielt, zeigt die Tatsache, dass man der Pseudarthrose am öftesten begegnet am Uebergang des oralen Teils des Unterkiefers in den aufsteigenden Ast, wo Hilfsmittel zur Befestigung des letzteren gegenüber dem horizontalen Ast kaum anwendbar sind oder im Stich lassen. _ Hier muss man- sich über die Lageveränderung des zentralen Stückes, das schwer abzutasten ist, zu vergewissern suchen. Selbst die Röntgenaufnahme lässt hier manchmal im Stich, weil nur bei starker Biegung der Wirbelsäule der aufsteigende Ast gut auf die Platte zu bekommen ist. Zweckmässig macht man von der stereoskopischen Aufnahme Gebrauch, die nach dem Hauptmeyer- schen Verfahren die Verwendung komplizierter Apparate über- flüssig macht. Ba Grössere Spalten innerhalb des horizontalen Astes lassen sich, wenn das vordere und hintere Stück bezahnt ist durch auf- gelegte brückenartige Apparate fest gegeneinander stellen und verheilen manchmal noch nach längerer Zeit knöchern, so dass man in diesen Fällen viel länger warten muss, ehe man wirklich von einer Pseudarthrose sprechen kann als bei den erstgenannten Fällen. Von meinen Fällen ist nur einer vor dem 200. Tage nach der Verletzung operiert und zwar am 176. Tage, alle anderen viel später, einer sogar erst am 607. Tage. Dasselbe Moment, welches die Pseudarthrose begünstigt, er- schwert auch zugleich die Implantation, insofern das zentrale Bruch- stück sich nicht feststellen lässt und durch die Schluckbewegungen mitbewegt wird. Diese Uebelstände haben Klapp zu dem Ratschlag gebracht, die Reste des aufsteigenden Astes zu entfernen und durch Ein- pflanzen eines Metatarsus zu ersetzen und die gelenkige Verbindung herzustellen. Meiner Meinung nach soll man die Exstirpation auf das Aeusserste beschränken und lieber jedes kleine Stück, das noch gelenkig verbunden ist, zu erhalten und bei der Transplantation Schlesische Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 1918. II. 2 | Fr a ar a Er Tr a a A ra Te 5 a Be a TE Ei u [y es ER ENT EEE EI N WEN ET ER ’ x ai ae j vr -18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. zu verwerten suchen, ehe man einen in seinem Erfolg viel un- sicheren und auch die Tragfähigkeit des Fusses leicht beein- trächtigenden Knochenersatz macht. Man kann hier nur durch vollständige Festlegung des Bisses, durch festes Aufeinanderstellen des Ober- und Unterkiefers einiger- maassen für Ruhestellung sorgen. Aber auch diese Maassnahme ist nicht ganz gleichgültig, insofern rein flüssige Ernährung trotz zweckmässiger Auswahl und Zusammensetzung der Nahrung, bei Verabfolgung der notwendigen Kalorienmenge doch stets ein Herab- gehen des Körpergewichtes im Gefolge hat. Eine weitere Schwierigkeit bietet das Verhalten von Zähnen, welche ihrem Aeusseren nach vollständig unversehrt sind und doch durch Zerfall ihrer Pulpa Entzündungsprozesse anregen, die entweder Fisteln hartnäckig unterhalten, auch wenn deren Maul gar nicht in unmittelbarer Nähe des Zahnes gelegen sind, oder bei operativen Eingriffen entzündliche Prozesse erzeugen. - Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Nähe der Mundhöhle und der Möglichkeit, dass man bei der Vorbereitung des Wund- bettes leicht die häufig narbıg die Knochenenden überziehende Schleimhaut verletzt und auf diese Weise unvermutet eine Ver- bindung zwischen Mund- und Wundhöhle herstellt, die im Augen- blick ganz unbemerkt bleiben, sich aber im weiteren Verlauf recht störend gelten machen kann. Soist es mir begegnet, dass bei der Exzision der Narbe eine feine Oeffaung der Schleimhaut bei der Operation ganz unbemerkt blieb und nur lediglich sich da- durch ausprägte, dass der nach der Operation entleerte Speichel geringe blutige Beimischung zeigte. Aber diese feine Oeffnung genügte, um den Wundverlauf zu stören, die narbige Schleimhaut zum Zerfall zu bringen und die Ausstossung des Implantats herbei- zuführen. 2 Der Anschauung Esser’s, dass die Mundschleimhaut ohne weiteres durchlässig wäre für verschiedene Bakterien, und des- halb schon jede Wundhöhle in der Nähe des Mundes sich von ihr aus infizieren könne, kann ich nicht beistimmen. Die Schleim- haut ist im Gegenteil ein ausserordentlich sicherer Schutz zur Verhütung irgendwelcher eitriger Infektion. Besonders schwierig liegen die Verhältnisse, wenn es sich um umfangreiche Defekte handelt, die zu beiden Seiten des Mittelstückes einsetzen, letzeres ohne jeden Zusammenhang mit dem Kieferknochen in den Weichteilen des Mundes flottieren lassen. Hier stösst natürlich die Befestigung auf grosse Hinder- nisse, da das Mittelstück meistens dann recht klein, durch ent- zündliche Prozesse verändert, für die Befestigung des Implantats kaum Haftfläche bietet. Ich habe aber doch in einem Falle in einer Sitzung durch doppelseitige Transplantation ein solches Mittelstück so feststellen können, dass es für eine Prothese genügend Halt bot und zum Sprechen und Kauen ungestört benutzt werden konnte. Da dieser Fall einen Lehrer betraf, so war der Gewinn, den die Operation schuf, ein besonders grosser. Andere Schwierigkeiten entstehen, wenn das Mittelstück vollständig fehlt und nur Reste eh en mh Adam mn = 12 0 un 1, Medizinische Sektion. II. Abteilung. | 19 der beiden horizontalen Aeste vorhanden sind. Meist zieht dann eine feste Narbe die restierenden Bruchstücke so fest aneinander, dass dieselben einwärts umgelegt und die Zähne ausser Kontakt mit den Oberzähnen einwärts zu liegen kommen. Wenn nicht hier frühzeitig für eine Spreizung der Fragmente durch zweck- mässige Apparate gesorgt worden ist, kommt eine so feste Narbe zustande, dass der Versuch, sie zu dehnen, meist den Bestand der etwa vorhandenen Zähne sehr erheblich gefährdet und hier durch die dehnenden Apparate eher die Zähne aus ihrer Lage gedrängt werden, als dass die Narbe nachgibt. Hier bleibt nur übrig, den Mundboden plastisch neu herzustellen und erst nach dieser Plastik den Ersatz des Kinns durch Einpflanzen von Knochen zu ‚bewerkstelligen und damit den neuen Kieferbogen zu bilden. So können sich die Verhältnisse gerade am Unterkiefer ausser- ordentlich mannigfach gestalten und jeder Fall zu besonderen Maassnahmen Veranlassung geben. Hier ist die Behandlung an . das innige Zusammenarbeiten des Chirurgen mit dem Zahnarzt geknüpft, zumal auch die plastischen Operationen durch ortho- pädische Apparate, welche den Weichteilen genügende Unterlage oder eine bestimmte Spannung geben, ausführbar sind. Von den 16 Fällen ist 1 noch in Behandlung), 1 hat eine weitere Operation verweigert, 2 haben noch keine vollständige Festigkeit, dagegen sind 12 Fälle mit vollständig fester Vereinigung geheilt, jeden- falls ein sehr zufriedenstellendes Resultat, welches für die freie Knochen-. plastik spricht. In 3 Fällen musste zweimal operiert werden, in 2 von ' diesen lag die Ursache des Missarfolges in einem Narbenzerfall, entfernt von der Operationswunde mit Eiterung. die allmählich auf die Wund- höhle übergriff und zur Ausstossung des Implantats führte. Im zweiten ‚Falle kam eine vollständige Aufsaugung des ersten Implantats zustande, einmal trotz primären Verlaufs und Einheilen des Implantats, ohne jede Fistelbildung, im anderen Falle mit geringer Fistelbildung. Die Pseud- arthrose blieb noch bestehen, :wurde nach der Einpflanzung nach vorüber- gehender Festigung wieder manifest. Die zweite Operation führte dann zu einem vollständigen Erfolge. Die Forderung Esser’s, dass man von einem solchen nur sprechen könne, wenn der Patient wieder vollkommen in normaler Weise kauen könne, kann ich allerdings nicht als berechtigt anerkennen, denn das Kauen ist doch nicht allein von der Festigkeit des Kieferknochens, sondern in erster Linie von dem Verhalten der Zähne, und wo diese fehlen, von dem Verhalten der Mundschleimhaut abhängig. Starke Narben, narbige Verwachsungen der Schleimhaut mit den Kieferstümpfen, oder vorspringende Knochenkanten, können das Kauen so schmerzhaft machen, dass auch bei festestem Knochen das Tragen eines Ersatzstückes unmöglich wird, oder beim Kauen lebhafte Schmerzen entstehen. Die Heilung muss als vollkommen angesehen werden, wenn die früheren Bruchstücke nicht mehr gegeneinander federn und der Knochen sich vollkommen fest erweist. Patienten, bei denen das Gebiss ausreichend erhalten oder zweckmässig ersetzt werden konnte, sind wieder vollständig kriegsfähig .geworden. Leider ist es nicht mög- lich gewesen, über alle Patienten einen späteren Bericht zu erhalten. Was die Entnahme des Implantats anlangt, so habe ich sowohl Rippe als auch Schienbein und Beckenkamm verwendet, habe aber den letzteren nach den früheren Erfahrungen den Vorzug geben müssen. Wenngleich die Rippe einen Vorzug darin besitzt, dass sie ringsum von 1) Inzwischen fest verheilt (Nachschrift). .e 20 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Periost umkleidet ist, und dass im allgemeinen ihre Entnahme einen funktionellen Defekt nicht herbeiführt, so ist sie doch nicht sehr leicht für die Form des Defektes zu bearbeiten, sie fügt sich nicht leicht in den platten Knochen des Unterkiefers ein und verlangt besondere Be- arbeitung oder besondere Befestigung. In einem. meiner ersten Fälle musste ich die Ausstossung des Rippenstückes mit deutlicher Resorption an den angelegten Nahtstellen beklagen. Auch ist die Gefahr der Er- öffnung des Pleuraraums nicht immer ganz leicht zu vermeiden. Gegen die Verwendung des Schienbeins, das ja leicht zu erreichen ist, spricht die Härte und Sprödigkeit des Schienbeinknochens, der häufig beim Ab- meisseln bricht und damit für die Pseusarthrose keine besondere Festig- keit gibt. Auch ist die Bearbeitung des spröden Knochens bei der Ein- fügung des Implantats durchaus nicht leicht. Endlich kommt dazu, dass in einzelnen Fällen die Festigkeit des Schienbeins so leidet, dass bei relativ geringfügigen Verletzungen das Schienbein bei der Entnahme- stelle bricht, gegen die Verwendnng des: Schieubeins spricht. Der Beckenkamm hat demgegenüber eigentlich nur Vorzüge. Er gibt durch seine Spongiosa günstige Bedingungen für das Einheilen, er lässt sich leicht bearbeiten, aus ihm lassen sich sogar leicht gebogene Stücke, wie sie für den Unterkiefer zweckmässig sind, herstellen. Die periostale Bekleidung ist gut, der Schluss der Entnahmestelle leicht und irgendeine funktionelle Störung nicht zu befürchten. Die leichte Be- arbeitung durch den Meissel, mit dem man gleich von vornherein die zweckentsprechende Form des Implantats herstellen kann, ist zweifellos ein grosser Vorzug, zumal auch noch feinere Bearbeitungen, wie sie bei der Einpassung des Implantats erforderlich sind, leicht mit Luer’scher Zange ausgeführt werden können. Die Operation selbst wird sehr er- leichtert durch die Lokalanästhesie. Ich habe zweimal bei besonders ängstlichen Patienten in Narkose operiert, habe aber dabei die un- gemeinen Nachteile empfunden. Sie liegen hauptsächlich darin, dass man wegen der Unterhaltung der Atmung auf die Feststellung der Kiefer verzichten muss, und sie erst nach der Operation, nach Beendi- gung der Narkose vornehmen kann, und auch dann noch ist die Gefahr, dass der Patient bei etwaigem Erbrechen in Erstickungsnot kommt, eine sehr unangenehme. Deshalb habe ich später ausschliesslich die Lokal- anästhesie verwandt. Sie stösst allerdings auf Schwierigkeiten, wo um- fangreichere Narben der gleichmässigen Verbreitung der Injektions- flüssigkeit Schwierigkeiten entgegensetzen. Man muss dann möglichst die Leitungsanästhesie zu Hilfe nehmen, die entweder nach Gadd oder vom Munde her am dritten Ast des Trigeminus ausgeführt wird, und durch Zuhilfenahme einzelner Punkte an der äusseren Haut ergänzt wird. Auch die Anästhesie vom Ganglion oticum aus ist am Platze, aber leider nicht immer sicher ausführbar, weil der vorgelagerte auf- steigende Ast die richtige Führung der Nadel unmöglich macht. Dass die Anästhesie auch gleichzeitig in ihrer blutstillenden Wirkung Vorteile bringt, habe ich bereits erwähnt. Sie ist ein grossartiger Fortschritt, der jedesmal den Operateur dankbar empfinden lässt die Erleichterung und die Annehmlichkeit, die sie gegenüber der Narkose besitzt. Zusammenfassend muss ich nach diesen Erfahrungen sagen, dass die freie Knochenplastik ein leistungsfähiges Verfahren zur Ueberbrückung grösserer Knochendefekte darstellt, und dass die gegen dasselbe erhobenen Einwendungen (Wunschheim, Esser, Pichler) nicht als durchschlagend anerkannt werden können. Zur Implantation scheint der Beckenkamm vor der Rippe den Vorzug zu verdienen, mit dem Material aus dem Schienbein aber ziemlich gleich zu stehen, was die Einheilung anlangt. Die Be- Medizinische Sektion. Il. Abteilung. 21 —— arbeitungsmöglichkeit ist wegen der geringeren Sprödigkeit zweifel- los beim Beckenkamm grösser. Die Lokalanästhesie hat auf die Lebensfähigkeit des Implantats keinen nachteiligen Einfluss. Es steht zu erwarten, dass die Erfahrungen des Krieges dahin führen, dass auf dem Gebiet des Knochenersatzes nach Resektionen von der Implantation mehr als früher Gebrauch gemacht werden wird, allerdings wahrscheinlich nicht primär bei der Resektion, sondern nach vollständiger Wundheilung und nach Ablauf einer Zeit, in welcher das Rezidiv des Tumors nicht mehr zu fürchten ist. So möge aus der blutigen Saat des Krieges Segen quellen für den Frieden. II. Ueber die Trichophytien. (Allgemein-Pathologisches und Klinisches.) Von Prof. Dr. Jadassohn - Breslau. Die ausserordentliche Zunahme der Trichophytien, über die jetzt aus den verschiedensten Teilen Deutschlands berichtet worden ist, betrifft auch Schlesien, und besonders die Breslauer Zivil- und Militärbevölkerung. Einige in der letzten Zeit erschienene Arbeiten betrafen speziell die praktische Bedeutung dieser Krank- heiten, ihre Behandlung und Prophylaxe. Ich habe in Bern reichlich Gelegenheit gehabt, solche Kranke zu sehen, und wir haben uns dort, besonders angeregt durch die bekannten Arbeiten Bloch’s, viei mit ihnen beschäftigt. Ich möchte heute, wenn auch nur in grossen Zügen, die allgemein pathologische Bedeutung, welche die Tr.!) in den letzten Jahren gewonnen haben, schildern und daran einige praktische Bemerkungen auknüpfen. Zu den bis vor kurzem allein bekannten Dermatomykosen (Favus, Trichophytien,. Pityriasis versicolor, Erythrasma) sind hinzugekommen: einmal Pilzerkrankungen, welche den Namen Dermatomykoseu eigentlich nicht mit vollem Recht tragen, weil es sich dabei um Erkrankungen handelt, welche sich zwar auch sehr gern in der Haut, hier aber vorzugsweise im kutanen und subkutanen Gewebe lokalisieren und sich auf dem Lymph- und Blutwege verbreiten: das sind die Sporotrichosen, die Blasto- mykosen und einzelne andere seltene Formen. Aber auch die eigentlichen Dermatomykosen, die doch noch immer vorzugsweise Erkrankungen der epidermalen Gebilde sind, haben mannigfachen Zuwachs erhalten (s. u.). Theoretisch sind diese Mykosen besonders bedeutungsvoll für die Infektionslehre. Lange Zeit hindurch hat man sie als rein lokale Infektionen in der allgemeinen Pathologie kaum be- rücksichtigt. Das war schon vor den modernen Forschungen nicht berechtigt, denn die Dermatomykosen geben besonders lehr- reiche Beispiele für die Bedeutung der natürlichen allge- meinen und lokalen Resistenz und für deren Verschiedenheit bei anscheinend sehr ähnlichen Erregern. So kann man unter 1) = Trichophytie, Trichophytien. Medizinische Sektion. II. Abteilung. 23 ihnen 2 Gruppen bilden: solche, bei denen trotz reichlicher An- wesenheit von Pilzen an der Oberfläche des Körpers von Konta- giosität nicht die Rede ist: Pityriasis versicolor und Erythrasma; dann aber die anderen Dermatomykosen, die mehr oder weniger kontagiös sind: Favus und Trichophytien. Auch durch zahlreiche Inokulationsversuche sind diese Differenzen erwiesen. Bei der ersten Gruppe zeigt sich die lokale Resistenz ebenfalls sehr auf- fallend. Trotz der Unzahl der in den Schuppen vorhandenen Pilze der Pityriasis versicolor sind es fast immer nur die be- kannten Prädilektionsgegenden, die erkranken. Dabei ist es doch nicht zweifelhaft, dass die Pilze auch an andere in gleicher Weise bedeckte und gewärmte Körperstellen gelangen. Noch deutlicher ist dieses Verhältnis beim Erythrasma. Trotzdem an der inneren Seite der Oberschenkel die Pilze in Massen in den Schuppen wuchern, siedeln sie sich auf der an- liegenden Skrotalhaut meist nicht an. Bei der zweiten Gruppe sind die Kontagiositätsverhältnisse noch sehr verschieden. Die glatte Trichophytie der Kinderköpfe und noch mehr die Mikrosporien sind, wenn man nach den En- und Epidemien in Frankreich und England urteilen darf, fast „obligat pathogen“ oder, anders ausgedrückt, die Disposition ist (unter den Kindern) aligemein verbreitet. Der Favus ist un- zweifelhaft kontagiös, aber in viel geringerem Maasse. Er bedarf zur Infektion besonders intimen oder langdauernden Zusammen- lebens, vielleicht auch einer besonderen Disposition. Die ober- flächlichen Tr. der mit Lanugo bedeckten Haut und die tiefen Tr. des Kopfes und der Bartgegend sind ansteckend, aber wenigstens unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht in besonders hohem Grade; denn auch bei der Sykosis kommt die An- steckung doch wohl nur dadurch so häufig zustande, dass beim Rasieren die Pilze unmittelbar in Epidermisläsionen eingeimpft werden. Die Epidermophytien wiederum scheinen unter speziellen Be- dingungen stark ansteckend zu sein, wie gerade die Kriegserfah- rungen bewiesen haben. So gibt es also auch hier eine ganze Stufenfolge in der Stärke der Kontagiosität: von der fast gar nicht kontagiösen Pityriasis versicolor, bei der die spezielle Dis- position das Ausschlaggebende ist, zumal die Pilze wahrscheinlich sehr vielfach in der Aussenwelt vorkommen, bis zu der fast ohligat kontagiösen Mikrosporie. Aber auch für die Abwandlung der Disposition in Resistenz und umgekehrt unter den verschiedenen natürlichen Bedingungen geben einzelne dieser Krankheiten interessante Bei- spiele. Die Pityriasis versicolor verschwindet oft im Winter spontan und kehrt im Sommer wieder (Einwirkung des Schweisses?). Sie ist bei Kindern und Greisen sehr selten. Der Lichen tricho- phytieus ist eineausgesprocheneKinderkrankheit. Am auffallendsten aber ist, wie besonders Bloch betont hat, die natürliche Resistenz der Kopfhaut der Erwachsenen gegen die Mikrosporien und die glatten Trichophytien der Kinderköpfe. Diese heilen ‚spontan ab, wenn die Kinder in die Pubertät kommen, während sie sonst fast 24 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. nur durch Röntgenstrahlen zu beseitigen sind. Auch der Favus befällt die Kopfhaare der Erwachsenen kaum je und geht, wenn auch nicht mit derselben Gesetzmässigkeit, nach der Pubertät zurück, um schliesslich meist von selbst auszuheilen, ehe noch alle Haare zerstört sind; und doch gelingen Inokulationsversuche an der glatten Haut auch der Erwachsenen. Es ist ja bekannt, wie sehr sich das Hautorgan und speziell das Haartalgdrüsensystem unter dem Einfluss der Geschlechts- entwicklung verändert und einen wie grossen Einfluss diese Ver- änderung auf die Nosologie der Haut hat (cf. Akne). Auch die geographische Ausbreitung der Dermatomykosen ist nicht ohne Interesse. Nicht bloss, dass gewisse Pilzarten in manchen Ländern häufig, in anderen seltener oder gar nicht vor- kommen — es ist auch sehr auffallend, dass die schon erwähnten Mikrosporien und die glatten Trichophytien der Kinderköpfe, die in England und Frankreich als sehr kontagiös angesehen werden, zwar in Deutschland ebenfalls vorkommen und kleinere En- und Epidemien bedingen, dass sie aber eigentlich bisher bei uns nur sehr geringe Neigung gezeigt haben, sich stärker auszubreiten. Trotzdem aber darf man sich nicht in Sicherheit wiegen. Ich habe die ersten Mikrosporien in der Schweiz schon 1899 in ein- zelnen Fällen gesehen und obgleich damals nicht isoliert wurde, und die Fälle nicht rationell behandelt und geheilt werden konnten, hat eine Ausbreitung der Erkrankung nicht stattgefunden. Später sind dann auch in der Schweiz verschiedene grössere Epidemien zustande gekommen. Der von mir beobachtete Herd in einem Waisenhause im Kanton Freiburg ist fast von selbst erloschen. Woran dieser Wechsel in der Kontagiosität liegt, ist schwer zu sagen. Auffallend ist auch, dass die gleiche Pilzart in verschiedenen Ländern eine verschiedene Pathogenität haben kann. Besonders gefesselt aber haben uns im letzten Jahrzehnt die Untersuchurgen über die erworbene Immunität bei den Triehophytien und die damit in engster Beziehung stehenden Allergieerscheinungen!). Diese Forschungen knüpfen an die von Neisser’s zu früh verstorbenem Assistenten Plato gefundene Tatsache an, dass mit dem Filtrat längere Zeit in Bouillon gewachsener und dann verriebener Trichophyton- kulturen bei Personen mit tiefen Tr. Reaktionen hervorgerufen werden können, nicht aber bei Normalen. Es war dann vor allem Bloch mit verschiedenen Mitarbeitern, welcher auf breiter Basis die Allergie und die erworbene Immunität bei dieser 1) Ich habe mich bei dieser kurzen Darstellung der allgemein- pathologischen Verhältnisse ausser auf die grundlegende Darstellung Bloch’s in meiner „Sammlung zwangloser Abhandlungen auf dem Gebiete der Dermatologie“, Halle, Bd. II, auf die seither erschienenen Arbeiten Bloch’s und Pecori’s, ferner auf die Publikationen aus der Berner Klinik (Hanawa, Guth, Saeves, Chable), auf die Arbeit Sutter’s aus der Baseler Klinik (Dermat. Zschr., 1917, Februar; hier die Literatur), und auf eine noch nicht publizierte Arbeit Sutter’s aus der Breslauer Klinik gestützt. Medizinische Sektion. II. Abteilung. 25 Krankheitsgruppe untersuchte. Er impfte als erster in syste- matischer Weise Tiere (als das geeignetste erwies sich das Meer- schweinchen) mit Trichophytonpilzen und mit dem ihnen nahe verwandten Pilze des auch beim Menschen vorkommenden Mäuse- favus (Achorion Quinckeanum) und konnte als erste wichtige Tatsache feststellen, dass seine Tiere durch das Ueberstehen der Krankheit immun gegen weitere Impfungen wurden. Zugleich wies er dann auch mit von ihm hergestelltem Trichophytin nach der Pirquet’schen Methode nach, dass Menschen mit tiefer Tr. eine Hautallergie gegen dieses Pilzprodukt aufweisen, ganz ähn- lich wie Tuberkulöse gegen Tuberkulin. Es war An asKen dass diese Allergie lange Zeit nach Ueberstehen der kutanen Erkran- kung noch fortbestand, woraus man mit Wahrscheinlichkeit schliessen konnte, dass positive Tuberkulinreaktionen nicht das Bestehen aktiver Tuberkulose, ja nicht einmal uns Vorhandensein von Bazillen zu beweisen brauchen. Auf dieser Basis ist nun weiter gearbeitet worden: und wir haben jetzt schon recht ausgedehnte Erfahrungen auf Grund der mannigfachen Tierversuche und der Beobachtungen beim Menschen. Natürlich sind aber noch viele Fragen im Fluss. Im Rahmen des heutigen Vortrages kann ich nur das Wichtigste von diesen Ergebnissen mitteilen: Die Inokulations-Tr. bzw. die durch das Achorion Quincke- anum bewirkte Erkrankung der Meerschweinchenhaut ist ein be- sonders charakteristisches Beispiel für eine typisch und spontan zur Abheilung verlaufende Infektion, welche sowohl mykologisch wie histologisch genau verfolgt werden kann. Nach der Ein- reibung der Pilze wachsen nach den Untersuchungen von Saeves im Gegensatz zu früheren Befunden die Pilze augenscheinlich recht schnell aus — auch während der klinisch als Inkubations- zeit erscheinenden Periode; es beginnen bald unbedeutende Ent- zündungserscheinungen, die sich langsam steigern. Die Höhe der Erkrankung ist dadurch charakterisiert, dass plötzlich eine ausser- ordentlich intensive Entzündung einsetzt, die Epidermis und die obersten Partien der Kutis werden, wie ich mit Hanawa kon- statieren konnte, partiell nekrobiotisch, und eine sehr starke polynukleäre Leukozytose führt zu ihrer. Abstossung. Damit ist die Heilung im wesentlichen abgeschlossen. Denn wenn auch noch Pilze an der Oberfläche des Schorfes existieren, so kommt es doch im allgemeinen nicht mehr zum Eindringen derselben, und nur wenn die Allergie sich nicht stark genug entwickelt, können diese Pilzreste noch Abortiv-Knötchen in der Umgebung des ursprünglichen Herdes hervorrufen (Saeves). Bei den Reinokulationen der Tiere hat sich ergeben, dass die Immunität jedenfalls in vielen Fällen keine absolute ist, sondern sich mit Ueberempfindlichkeitserscheinungen manifestiert. Die Tiere können auf eine neue Impfung mit Pilzen mit einer „so- fortigen“ akuten Entzündung reagieren. Nach den Versuchen Hanawa’s kann man histologisch feststellen, dass der Ablauf der Erkrankung auch bei den schon einmal erkrankt gewesenen Tieren vorhanden sein kann, dabei aber auf ganz kurze Zeit zusammen- 26 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. gedrängt wird. Hier kann die Abstossung in Form einer wirklich massigen Demarkation mit einem dichten Wall schnell degene- rierender Eiterkörperchen erfolgen. Aus solchen Wiederimpfungen resultiert aber keineswegs immer das gleiche Bild, es werden vielmehr je nach den gewählten Be- dingungen. sehr verschiedene Resultate erhalten. Diese bilden augenscheinlich eine fortlaufende Reihe von einer Erkrankung, die der Erstimpfung nach sehr ähnlich verläuft, nur mit geringer Abkürzung und Milderung, bis zu der erwähnten, akutesten und intensivsten Frühreaktion und dann wieder zu klinisch fast oder ganz vollständiger Reaktionslosigkeit, welche ich als „erworbene absolute Immunität“ (man sagt auch „Anergie“) bezeichnet habe (ef. Hanawa). Welches Resultat eintritt, das hängt ab von der Virulenz der zu der ersten wie zu den weiteren Inokulationen benutzten Pilze und dementsprechend von der Intensität der Er- krankungen und von der Häufigkeit der Reinokulationen. Spätere Inokulationen brauchen — wie Saeves und Sutter für Tiere und Menschen gezeigt haben — kaum noch irgendwelche Ent- zündungserscheinungen zu ergeben. Die Annahme, dass diese Ueberempfindlichkeitsreaktionen amykotisch sind, hat sich im allgemeinen nicht als richtig er- wiesen. Jedenfalls finden sich während des Ablaufs der Reaktion kulturell und besonders bei Schnittuntersuchungen auch mikro- skopisch Pilze auf der Haut; aber in den spätesten fast oder ganz entzündungsfreien Reinokulationen hat sie Sutter beim Menschen vermisst, ebenso wie Saeves in den letzten der wiederholten Tierinokulationen. Der Heilungsprozess der Reinokulation ‚scheint also das eine Mal in einer akuten Elimination durch allergisch bedingte Ent- zündung zu bestehen, welche am meisten an die Heilung eines Furunkels erinnert. Ganz ähnlich ist, wie Lewandowsky fest- gestellt hat, die Art der Abheilung bei dem berühmten Koch- schen Versuch, in dem Nekrose der Reinokulationsstellen mit Tuberkelbazillen eintritt. Bei späteren Pilzinokulationen aber fehlt die Reaktion mehr oder weniger vollständig, und es entsteht der Eindruck, als wenn die Pilze (wegen „Rezeptorenverbrauch“ ?) gar nicht mehr angreifen könnten, d. h. als wenn es sich um für das betreffende Tier nicht mehr pathogene Mikroorganismen handelte. Interessante Resultate haben auch die Trichophytin- Untersuchungen ergeben. Das nach der ursprünglichen Plato- schen Vorschrift hergestellte Trichophytin erwies sich oft als sehr schwach. Bei der Pirquet’schen Reaktion schienen ursprüng- lich wesentlich nur die tiefen, nicht aber die oberflächlichen Formen zu reagieren. Wir haben aber in Bern auch bei nicht infiltrierten Herden Reaktion gesehen und bei tiefen blieb sie gelegentlich aus, und dann konnten wir auch eine Reinokulier- barkeit nachweisen. Wir und andere sind dann sehr bald zur Intradermomethode übergegangen, welche hier, wie beim Tuberkulin, die viel feinere ist. Bloch hat auch die Art der Darstellung geändert, um durch Zerstörung der Pilzkörper stärker wirkende Medizinische Sektion. II. Abteilung. E7, Substanzen zu erhalten. Doch scheint, wie aus den Untersuchungen Sutter’s hervorgeht, dabei die Spezifizität zu leiden, denn er hat auch bei Normalen entzündliche Reaktionen, die sich freilich von der typischen Trichophytin-Reaktion nach verschiedenen Richtungen unterschieden, erhalten. Die Trichophytinreaktion ist eine Gruppenreaktion. Die ver- schiedenen Trichophytonpilze wie Mikrosporon und Epidermophyton geben Produkte, aufwelche die Patienten mittieferTr.kutan reagieren. Man kann sich. statt des Trichophytins auch der Pilze selbst bedienen. Sehr oft haben wir und andere zeigen können, dass Patienten mit tiefen Herden auf Inokulation lebender Pilze eine Frühreaktion bekommen, und dass dann die Inokulation nicht oder nur sehr unvollkommen angeht. Aber auch hierbei gibt es Ausnahmen. So hat Guth in einem Berner Fall nach starker Frühreaktion einen fast typischen Krankheitsablauf beobachtet. Statt der lebenden Pilze kann man auch tote benutzen (wir töteten sie mit Aether ab). Die Ueberempfindlichkeit der an Tr. Erkrankten kann geradezu dazu benutzt werden, um bei Kulturen festzustellen, ob sie zu der Gruppe der Dermatomyzelpilze gehören. Nach unseren bis- herigen Untersuchungen (v. Sinner, Sutter) geben abgetötete nicht- pathogene Pilze die kutane Reaktion nicht. Die pathogenen geben sie aber auch dann, wenn die experimentelle Inokulation der lebenden Pilze zu einer Infektion nicht führt, weil die besonderen Terrainbedingungen fehlen, wie beim Epidermophyton und beim Mikrosporon Audouini, und da diese Pilze auch für Tierversuche nicht gut brauchbar sind, kann die eben beschriebene Methode geradezu zur Charakterisierung einer Kultur als einer von pathogenen Pilzen benutzt werden. Bei den erst geimpften Tieren hat sich gezeigt, dass die Trichophytin-Ueberempfindlichkeit vollständig ausgebildet ist in dem Augenblick, in welchem der eben beschriebene Höhepunkt der Krankheit klinisch und histologisch erreicht ist. Es besteht also sehr wohl das Recht, die akute eliminierende Entzündung als den Ausdruck der durch die Antigene bedingten Antikörper- wirkung anzusehen. So kommt man dazu, auch bei der experi- mentellen Tier-Tr. an von Pirquet’s Auffassung der Inku- bationszeit zu denken. Dieser hat bekanntlich gemeint, dass die letztere dauert bis zu dem Augenblicke, da durch die Reaktion der Antikörper mit den Antigenen die Krankheit sich klinisch manifestiert. Bei der Tr. sehen wir zwar schon vor der akuten Reaktion banale Entzüngungserscheinungen. Der plötzliche Um- schwnng dieser bedingt aber ein ganz anderes Krankheitsbild. + Aehnlich liegen die Verhältnisse bei der Hautinokulations-Tuber- kulose des Meerschweinchens; auch hier zuerst banale Entzündung mit reichlichen Bazillen; das charakteristische Bild der Tuber- kulose kommt erst zustande, wenn die Allergie entwickelt ist und dadurch viele Bazillen zugrunde gehen (Lewandowsky). Auch bei der Syphilis wachsen in der Kaninchenkornea die Spirochäten zuerst ohne wesentliche Reaktionserscheinungen (Levaditi). Der Primäraffekt ist schon als ein allergisches Phänomen aufzufassen; auch er tritt manchmal plötzlich auf. i Die Erkenntnis der die gesamte Haut betreffenden Allergie und Immunität bewies im Gegensatz zu der früheren Auffassung, 28 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. dass auch bei den Trichophytien der Organismus eine wichtige Rolle spielt; denn die Stoffe, welche die Allergie bedingen, können doch wohl nur auf dem Wege der Zirkulation in das ge- samte Hautorgan gelangen. Trorzdem aber scheint die Haut das einzige Organ, das dabei eine aktive Rolle spielt. In diesem Sinne sprach auch Bloch’s Versuch, dass die Tr.-Allergie mit einem transplantierten Hautstückchen auf einen anderen Menschen übertragen werden könne. Alle Bemühungen, durch Injektion der Pilze in Unterhautzellgewebe, Peritoneum usw. die Allergie hervorzurufen oder Antikörper im Serum nachzuweisen, schlugen fehl. Man glaubte, dass nur die „Symbiose von lebenden Pilzen und Haut“ zur Entwicklung der Allergie führe. Es hat sich nun aber gezeigt, dass es auch durch Einreibung von toten Pilzen oder selbst von Trichophytin (Bloch) oder durch Intradermoinjektion toter Pilzsuspensionen (Sutter) ge- lingt, eine gewisse Allergie zu entwickeln. Dass der Organismus bei der Inokulations-Tr. der Meerschweinchen sehr leiden kann, beweisen die häufigen Todesfälle bei sehr reichlich oder sehr oft geimpften Tieren, deren Ursache freilich noch nicht auf- gefunden ist. Dass bei den Tr. die Möglichkeit hämatogener Ausbreitung besteht, hat Saeves durch Tierversuche klargestellt. Das klinische Krankheitsbild der lichenoiden Tr. (s. u.) hatte den Gedanken nahegelegt, dass metastatisch entstehende Haut-Tr. beim Menschen vorkommen könnten. Durch intrakardiale Injektion von Sporen- emulsion ist es gelungen, multiple Tr.-Herde in der Haut zu er- zeugen, welche in allem Wesentlichen mit den durch äussere Inokulation bedingten übereinstimmen. Dadurch war zum ersten- mal der Beweis für die Möglichkeit hämatogener Hautinfektion mit eigentlichen Dermatomyzelpilzen erbracht worden. Aber auch dabei hat sich gezeigt, wie „dermatotrop“ diese Pilze sind; denn in den inneren Organen waren auch bei solchen Tieren Pilz- lokalisationen bisher nicht nachzuweisen. Ich babe Ihnen in grossen Zügen die wichtigsten Resultate der tierexperimentellen Untersuchungen vorgeführt. Auf dieser Grundlage können wir jetzt die Tatsachen der menschlichen Pathologie wesentlich besser verstehen. Aber die Mannigfaltig- keit des Geschehens ist beim Menschen viel grösser als beim Tier und daber sind die Gesetzmässigkeiten bei ihm viel schwie- riger aufzudecken. Ganz äbnlich sind bekanntlich die Differenzen bei der Tuberkulose des Menschen und des Meerschweinchens. Haben die Experimente unser Verständnis für die Klinik der Tr. vertieft, so haben klinische und mykologische Studien ihr Gebiet erweitert. Bis vor kurzem unterschied man nur den „Herpes tonsurans“ und das Kerion des behaarten Kopfes, die Sycosis parasitaria, den Herpes squamosus, eircinosus, vesiculosus der glatten Körperhaut, das Eczema marginatum und die Nagel- trichophytien. Jetzt wissen wir, dass am behaarten Kopfe die glatten Tr. von den Mikrosporien abzusondern sind, dass das Eczema marginatum ebenso wie die Mikrosporie durch von den anderen Trichophytonpilzen abweichende Pilzformen bedingt ist, Medizinische Sektion. II. Abteilung. : 29 dass das Epidermophyton inguinale des ersteren nicht bloss an der Innenseite der Oberschenkel und in den Achselhöhlen scharf begrenzte ekzemähnliche Formen, sondern auch reichliche Herde am Körper bedingen kann. Auch an den Händen und Füsssn ent- stehen durch Myzelpilze sehr mannigfache bald banal aussehende, bald sogenannte „dysidrotische“, bald mehr tylotische Dermatosen. In deren Aetiologie spielen verschiedene Pilzformen eine Rolle. Unter den Krankheiten, die wir als Trichopbytien am Körper diagnostizieren, begegnen uns immer wieder einmal Fälle, aus denen wir ein Achorion Quinckeanum und ähnliche Arten kultivieren, Pilze, welche, wie schon erwähnt, zwischen denen des Kopffavus und der Tr. stehen. In einem solchen Tr.-Kreis entsteht dann oft plötzlich ein typisches Favus-Skutulum. Neben den tief infiltrierten eitrigen Formen in Haar und Bart gibt es solebe in selteneren Fällen auch an der nur mit Lanugo be- deckten Haut, und manche tiefe Tr. machen wegen des Fehlens akuter Entzündungserscheinungen ganz den Eindruck chroni- scher Granulationsgeschwülste (Granuloma trichophyticum Ma- joechi). . Durch die systematischen Untersuchungen Sabouraud’s und mancher anderen Forscher sind unsere mykologischen Kepntnisse von den Pilzformen sehr viel umfangreicher und genauer ge- worden. Wir kennen jetzt eine sehr grosse Zahl von kul- turell und mikroskopisch, speziell in ihrem Verhältnis zu den Haaren verschiedenen Pilzarten, welche sich in der Häufigkeit ihres Vorkommens in den verschiedenen Ländern wesentlich unterscheiden. Mit deren Schilderung aber will ich Sie nicht aufhalten, weil das zu wenig allgemein-pathologisches und prak- tisches Interesse hat. Bei den klinischen Formen sind maassgebend für die Verschiedenheit der Bilder, ganz abgesehen von der Indivi- dualität der Haut, vor allem zwei Momente: nämlich die Pilz- art auf der einen und die Eigenart der befallenen Hautgegend auf der andern Seite. Bestimmte Pilzformen bedingen vorzugs- weise die glatte Tr. der Kinderköpfe, bestimmte das Kerion und die Sykosis, und bei wirklich exakter klinischer Untersuchung kann man wohl zwischen den bisher zusammengefassten Krank- heitsbildern noch Differenzen herausfinden, welche oft wenigstens die Wahrscheinlichkeitsdiagnose der Pilzvarietät gestatten. Ebenso wichtig aber für die wesentlichen Unterschiede ist die spezielle Beschaffenheit der Hautgegend. So sehen wir, wie ein glatter, schuppender Tr.-Herd tief infiltriert und eitrig wird, wenn er auf eine Gegend mit tief eingepflanzten markhaltigen Haaren über- geht, wie an der Stirn, am Bart oder auch an den Zilien und am Mons Veneris. Von Bedeutung ist auch, ob die Pilze mehr oder weniger unmittelbar vom Tier auf den Menschen über- tragen werden, oder ob die Infektion immer und immer wieder von Mensch zu Mensch erfolgt. Wie schon Lesser, so ist es auch mir in Bern aufgefallen, dass dort, wo die in die Klinik kommenden Tr. meist unmittelbar von Tieren stammen, 30 Jahresbericht der Scehles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. die sehr stark entzündlichen Formen vorwiegen. Bloch hat dann speziell bei den Tr., aber auch bei den Mikrosporien und beim Favus diejenigen, welche geringe entzündliche Erscheinungen hervorrufen, als die humanen Formen von den zu starker Ent- zündung führenden animalen unterschieden. Die humanen Pilze finden sich im allgemeinen viel reichlicher in den Läsionen, sie halten sich viel länger, sie bedingen die chronischen Affektionen, bleiben aber an der Oberfläche lokalisiert. (Hornschicht und Haare). Aus diesen Gründen sind die durch sie bedingten Er- krankungen im allgemeinen besonders kontagiös und treten in grossen En- und Epidemien auf, während die animalen Formen sich in allen diesen Beziehungen gegensätzlich verhalten. Aber auch hier muss man sich vor zu schematischer Auffassung hüten, denn das Mikrosporon furfur und minutissimum, sowie das Achorion Schoenleini sind ausgesprochen humane Pilze, und doch sind die durch.sie bedingten Erkrankungen, wie erwähnt, nicht bzw. relativ wenig kontagiös. Bei den tiefen Tr. des Bartes sind mir bei der jetzigen Epidemie Differenzen aufgefallen, welche gerade von diesem Standpunkte aus interessant sind (s. u.). Bei dem in manchen Richtungen differenten Verhalten der Tr. menschlichen und tierischen Ursprungs spielt die verschiedene Allergisierung eine wichtige Rolle. Bei den letzteren ist sie, wie man aus den Trichophytinreaktionen ersehen kann, im allgemeinen stark, bei den ersteren schwach oder fehlend. Sind die humanen Pilze also ursprünglich ebenfalls animal gewesen, so müsste man annehmen, dass sie durch die Symbiose mit der mensch- lichen Haut allmählich ihre aggressiven Eigenschaften mehr oder weniger eingebüsst haben. Aus der Art der Allergieentwicklung sind die meisten Er- scheinungen im Verlauf der menschlichen Tr., wenn auch natür- lich noch nicht restlos, zu erklären. Schon die zentrale Ab- heilung und das periphere Fortschreiten in Ringform, sowie die zentralen Rezidive, die dann zu den zierlichen Iris-, Kokarden- formen usw. führen, sind wohl auf vorübergehende lokale Allergie zurückzuführen, trotzdem es uns bisher noch nicht mit Sicherheit gelungen ist, das experimentell nachzuweisen. Während bei den oberflächlichen Formen die allgemeine Allergisierung ausbleibt oder nur unbedeutend ist, wird sie bei den tiefen meist recht hochgradig. Die bei ihnen oft sehr hochgradige eitrige und granulierende Entzündung wird wohl durch die stärkere Virulenz der Pilze bedingt, zugleich aber dringen diese Pilze in die tiefer eingepflanzten Haarbälge und Haare tief ein und geben so in der Tiefe zu einer starken Entzündung Anlass. Dadurch ge- langen die Pilze nach dem im allgemeinen leicht stattfindenden Untergang der Follikel in unmittelbare Berührung mit dem kutanen Bindegewebe. Es kommt zu einer stärkeren Resorption der Antigene und zu starker Bildung der Antikörper, wodurch dann nicht bloss die allgemeine Allergisierung, sondern auch wiederum die lokale Reaktionsfähigkeit gesteigert wird. _ Diese Differenzen in der Allergisierung zeigen sich auch in einem Punkte, der allgemein-pathologisch zu interessant und _ Medizinische Sektion. II. Abteilung. _ 31 praktisch zu wichtig ist, als dass ich ihn hier ganz übergehen könnte. Je stärker nämlich die entzündlichen Erschei- nungen sind und je mehr die Erkrankung den Charakter einer Granulationsgeschwulst annimmt, um so spär- licher sind die Pilze zu finden und umgekehrt. Ich habe auf diese Differenzen bei den Dermatomykosen und auf die sich dabei ergebenden Analogien mit anderen Infektionskrank- heiten, speziell mit Tuberkulose und Syphilis, weiterhin auch mit Lepra, schon vor langer Zeit hingewiesen. Mehr und mehr hat sich ergeben, dass die Unterschiede in der Zahl der In- fektionserreger und in der Intensität des Entzündungsprozesses vor allem auf allergische Vorgänge zurückzuführen sind. Immer wieder hört mau, wenn es z. B. bei einem Kerion oder einer Sykosis nicht gelingt, die Pilze zu finden, dass das doch be- sonders bei so hochgradigen Prozessen recht leicht sein müsste. Die gleiche falsche Vorstellung findet man bei der tertiären Lues. Mit der Allergie hängen auch noch drei weitere Phänomene zusammen, auf die ich hier ebenfalls nur kurz hinweisen möchte: einmal nämlich die von, verschiedenen Seiten konstatierte, in meinem Berner Material besonders auffallende Tatsache, dass die anscheinend schwersten Formen der tiefen Tr., die Kerion- und die ihm ähnlichen Sykosisfälle (s. u.) eine ausgesprochene Tendenz haben, spontan bzw. auf leichte und verhältnismässig indifferente Behandlung in relativ kurzer Zeit, d. h. in mehreren Wochen, zurückzugehen, während die scheinbar mildesten Formen: die glatten Tr. der Kinderköpfe und die Mikrosporien wie erwähnt im allgemeinen nicht spontan ablaufen und therapeutisch, abge- sehen von der nur durch die Elimination der infizierten Haare wirkenden Röntgenstrahlung sehr schwer zu beeinflussen sind. Es ist mir ferner in Bern schon lange aufgefallen, dass die Melker, Stallknechte usw., wenn sie eine Sykosis gehabt haben, nicht mit Rezidiven in die Klinik kommen, trotzdem Gelegenheit zu neuer Infektion sicher oft gegeben ist. Es scheint also eine Immunisierung gerade bei diesen akutesten, unmittelbar von den Tieren kommenden Formen einzutreten, während sie bei anderen Trichophytien, selbst manchen tiefen, sich nieht entwickelt. Endlich können wir durch die Allergie ein Krankheitsbild erklären, das ich vor einigen Jahren in Bern aufgefunden habe und das seither von uns und anderen eingehender studiert worden ist. Ich habe diese Erkrankung, um an Bekanntes anzuknüpfen und wegen der Aehnlichkeit mit dem Lichen scrofulosorum als „Lichen triehophytieus“ oder „lichenoide Trichophytie* bezeichnet. Bei vielen Kindern mit Kerion Oelsi, sehr viel seltner bei Männern mit Sycosis parasitaria (bisher nie bei oberflächlicher Trichophytie) tritt ein mehr oder weniger stark verbreiteter Ausschlag besonders am Rumpf, seltner an Extremitäten und Ge- sicht, auf, der oft aus disseminierten oder gruppierten kleinen, blass bis intensiv roten wesentlich follikulären Knötchen zu- sammengesetzt ist. In anderen Fällen entwickeln sich einem seborrhoischen Ekzem ähnliche Plaques. Manchmal treten auf den Knötchen feinste Hornstacheln (Lichen spinulosus) oder 32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. auch kleine Pusteln auf. Es kann im Beginn auch zu fast schar- lachartigen Ausschlägen kommen, wie das Sutter an der hiesigen Rlinik beobachtet hat. Sehr selten finden sich dem Erythema nodosum ähnliche Knoten an den Unterschenkeln (Bloch). Das Allgemeinbefinden ist in einzelnen Fällen, wie wir das seltner in Bern, etwas häufiger in Breslau gesehen haben, stark in Mitleiden- schaft gezogen. Hohes Fieber, Veränderungen des Blutbildes, Lymphdrüsen- und Milzschwellungen, nach Sutter auch Rötungen an der Mundschleimhaut, können den akuten Ausbruch des Exanthems begleiten. Immer ist eine starke Reaktion auf Tri- chophytin vorhanden. Wir haben das gleiche Bild auch einmal bei einem durch Mikrosporon bedingten Kerion gesehen (Chable). Pilze sind in den kleinen Hautelfloreszenzen bisher nur zwei- mal gefunden worden; einmal mikroskopisch von Guth in Bern und einmal kulturell von Sutter in Breslau. In einzelnen Fällen findet man alle Uebergänge zwischen den Lichen-Effloreszenzen und Herden, die ganz an oberflächliche Trichophytien erinnern. Neben den disseminierten Formen kommen anch solche vor, bei denen sich die Knötchen um einen Trichophytieherd unregel- mässig ausgesprengt finden (corymbiform) oder auch nur an den oberen Partien des Rückens und an der Brust. Ich habe die auch praktisch nicht unwichtige Affektion von vornherein in Analogie mit dem Lichen scrofulosorum als aller- gische Reaktion gegen Pilze aufgefasst, wofür auch sprach, dass bei Trichophytin-Reaktionen (besonders bei der von mir benutzten Tiehophytin- und Trichophytin-Salbeneinreibung in Analogie mit Moro’s Tuberkulin-Methode) und bei Reinokulationen triechophytin- überempfindlicher Individien lokal ganz analoge Bildungen zu- stande kamen, ebenso wie wir Lichen scrofulosorum- Effloreszenzen bei Tuberkulin-Reaktionen sehen. Bloch hat, von dem gleichen Stand- pnokte ausgehend, den Tuberkuliden entsprechend von „Tricho- phytiden“ gesprochen. Ich hatte zuerst an ektogene, von dem Kerion auf die Haut gelangende Pilze gedacht, Bloch an hämatogenen Transport von Toxinen oder Pilzen. Diese letztere Auffassung ist speziell durch die schon erwähnten Experimente von Saeves gestützt worden, nach denen eine haematogene Infektion der Haut mit Trichophyton-Pilzen bei Tieren möglich ist. In dem gleichen Sinne, wenn auch nicht mit Sicherheit, sprechen die erwähnten Allgemeinerscheinungen und der Sutter an der hiesigen Klinik gelungene Nachweis von Pilzen in einer regionären Lymphdrüse beim Kerion; doch kann auch Iymphogener Transport von Pilzen oder Toxinen und ektogene Auto Inokulation speziell zu den erwähnten lokalisierten Formen des Exanthemsführen. Die letztere Annahme wird dadurch gestützt, dass Dubois bei einer oberflächlichen Trichophytie auch auf der nicht erkrankten Haut Pilze kulturell nachgewiesen hat, und dass bekanntlich bei Patienten mit isolierter Trichophytie unter feuchten Verbänden neue multiple Herde auftreten können, was das latente Vorhandensein von Pilzen auf der Haut sehr wahrscheinlich macht. — Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, durch diesen kurzen Ueberblick Ihr allgemein-pathologisches Interesse für diese Krank- Medizinische Sektion. II. Abteilung. : 33 heitsgruppe zu erwecken. Die mannigfachen Analogien zu schein- bar so weit abliegenden Krankheiten wie Syphilis und Tuber- kulose sind offensichtlich. Für experimentelle Immunitätsfor- schungen ist hier noch ein weites Feld. — Zum Schluss möchte ich noch einige klinische Bemer- kungen anknüpfen. Die Zunahme der Trichophytien bezieht sich in Breslau auf die verschiedenen Formen. Es kommen mehr Kinder mit Kerior (recht oft mit Lichen trichophyticus) in . die Klinik, wie das bei dieser Erkrankung gewöhnlich ist, be- sonders vom Lande. Der mikroskopische Nachweis von Pilzen ist dabei nicht immer leicht, besonders dann nicht, wenn die Entzündung auf der Höhe an- gelangt ist. Ich möchte Sie daher auf einen Kunstgriff aufmerksam machen, den Pellizzari vor vielen Jahren angegeben hat. Man kann manchmal Pilze leichter finden, wenn man mit einem kleinen scharfen Löffel Partikel aus dem Gewebe auskratzt und diese in Kalilauge unter vorsichtigem Erwärmen aufweicht. Man sieht dann öfter pilzhaltige Haarstümpfe, während solche an der Oberfläche nicht zu entdecken sind. Die gleiche Methode ist natürlich auch für die Sykosis zu verwerten. In einzelnen Fällen scheint sich das Kerion in Breslau ganz langsam aus längere Zeit oberflächlich bleibenden Trichophytien zu entwickeln. Die glatten Trichophytien der Kinderköpfe, die sonst hier sehr selten waren, sind jetzt in einer nicht ganz kleinen Zahl von Fällen zur Beobachtung gekommen, einmal auch in einer kleinen Endemie in einem Waisenhaus. Das Krankheitsbild ist namentlich im Beginn sehr wenig auffallend und charakteristisch. Dabei aber ist die Frühdiagnose, da diese Formen ja besonders im Ausland als recht kontagiös gelten, besonders wichtig. Man muss daher betonen, dass alle zirkumskripten schuppenden Stellen der Kopfhaut der Kinder einer speziellen Untersuchung bedürfen. Doch darf man nicht einige der gut sichtbaren längeren Haare epilieren, sondern man muss (Sabouraud) mit einem Skalpell, einem kleinen scharfen Löffel, der Kante eines Objektträgers oder einer Epilations- pinzette die Schuppenauflagerungen abschaben; dann sieht man schon ‚bei schwacher Vergrösserung die ganz kurzen, mit Pilzelementen voll- gestopften, oft gebogenen Haarstümpfe. Die Epidermophytien sind jetzt in Breslau ebenfalls häufiger. Wiederholt haben wir auch den Favus der Körperhaut gesehen, der durch Achorion Quinckeanum bedingt war. Das Hauptinteresse kommt aber jetzt unzweifelhaft den Triechophytien des Bartes zu. Dabei ist mir zunächst klinisch aufgefallen, dass bei den tiefen Fällen zwei sehr verschiedene Krankheitsbilder auftreten: einmal scharf abgesetzte, hoch ge- wucherte, fast tumorartige. an der Oberfläche oft unregelmässig höckrige und eiternde Formen, die nach allen Richtungen hin dem Kerion Celsi, d. h. den tief infiltrierten und wuchernden Triehopbytien der Kinderköpfe entsprechen, und dann mehr diffus infiltrierte Formen mit einzelnen Furunkel-ähnlichen Knoten, welche sich nicht oder nur flach gewölbt über die Hautobeıfläche erheben und ohne mikroskopische Untersuchung bzw. Trichophytin-Reak- tion oft schwer von den banalen, als Sykosis non parasitaria be- zeichneten Pyodermien zu unterscheiden sind. In unserer Literatur sind mit einzelnen Ausnahmen diese Unterscheidungen nicht oder Schlesische Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 1913. II. 6) 34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. nur unvollkommen gemacht, besonders von Sabouraud aber werden sie scharf hervorgehoben. Dieser Autor nennt die ersteren Formen geradezu Kerion. Das ist an sich gewiss berechtigt; nun kommt aber der Name „Sykosis“ gerade von dieser Form her; man kann nur diese mit einer durchschnittenen, auf die Haut aufgesetzten Feige vergleichen. Das Einfachste wird es wohl sein, wenn man die beiden Formen als zirkumskripte, tumor- oder kerionartige und als diffus infiltrierte furunkelähn- liche Bart-Triehophytien auseinanderhält. Es war besonders interessant, dass in dem Zahlenverhältnis der beiden Typen zwischen hier und Bern sehr auffallende Unterschiede vorhanden sind. In Bern waren die Kerionformen ganz gewöhnlich und die diffus infiltrierten sehr selten. Hier sind die letzteren ausser- ordentlich häufig; die ersteren haben wir in den letzten Monaten nur in wenigen Exemplaren beobachtet. 2 Nun kommen in Bern die Trichophytie - Infektionen und ganz be- sonders die Kerion- und Sykosisfälle meist unmittelbar durch Berührung mit kranken Tieren, speziell mit Rindvieh, zustande; die Barbierstuben- infektion habe ich dort sehr selten gesehen. In Breslau aber ist das Gros der Sykosisfälle unzweifelhaft auf letztere zurückzuführen. Es wird weiterer Untersuchungen bedürfen um festzustellen, ob auch hier die kerionartigen Fälle mehr oder weniger unmittelbar vom Vieh stammen. Die beiden Arten unterscheiden sich aber nicht bloss in ihrem Aussehen, sondern auch in ihrem Verlaufe. In Bern habe ich immer betont, dass die Sykosis wie das Kerion trotz der sehr hochgradigen Erkrankung recht gutartig ist; im Verlaufe von mehreren Wochen sinken bei einfacher Behandlung mit feuchten Verbänden mit essigsaurer Tonerde die grossen Knoten zusammen, die Eiterung hört auf, die Haut wird glatt, Rezidive treten nicht auf. Die jetzt in Breslau gewöhnliche Sykosis hat aber einen viel schleppenderen Verlauf und ist sehr viel schwerer zu be- einflassen, setzt auch manchmal Rezidive. Es liegt natürlich nahe, diese Differenzen auf verschiedene Pilzvarietäten zurückzuführen. Wir sind jetzt nicht im Besitz der für systematische Pilzuntersuchung bisher fast ausschliesslich an- . gewendeten von Sabouraud angegebenen französischen Präparate (Maltose und Pepton) und deswegen sind die Schlüsse aus den Kulturen noch nicht ganz bindend, solange nicht mit bestimmten deutschen Produkten systematische Kontrolluntersuchungen vorgenommen worden sind. Das eine kann ich aber doch schon sagen, dass in den furunkel- artigen Formen, die wir bisher untersucht haben, das Trichophyton cerebriforme der Erreger war, während bei einzelnen Kerionfällen eine Gipseumart wuchs, und das stimmt nun insofern ganz mit den Angaben Sabouraud’s überein, als auch nach ihm das Trichophyton gipseum, neben niveum und faviforme, Kerion-, das cerebriforme die von mir als „furunkelähnlich“ bezeichnete Sykosisform, auch in Paris, bedingt. Das letztere ist interessant, weil dieser Pilz von Sabouraud nicht beim Tier gefunden worden ist (von Plaut bei Katzen), dagegen sowohl in Paris als auch in Parma besonders im Bart vorkommt. Auch in Deutschland macht dieser Pilz unzweifelhaft jetzt und wohl schon seit langer Zeit menschliche En- und Epidemien. Er kann auf den Köpfen der Kinder glatte Tr. bedingen und im Bart ober- fächliche Herde mit bestäubten und abgebrochenen Haaren (Lewan- Medizinische Sektion. II. Abteilung. 35 dowsky), welche den glatten Kinderkopf-Tr. sehr ähnlich sehen und früher oder später in diffus infiltrierte, chronisch verlaufende Formen übergehen können. So sehen wir denn; dass dieser Pilz nach ver- schiedenen Richtungen in der Mitte steht zwischen den animalen und den humanen Typen. Dazu kommt noch, dass er nach Sabouraud’s Nomenklatur ein Neoendothrix ist, d. h. es finden sich immer Haar- formen, welche im Stadium des Einwachsens der Pilze in die Haare, im Ektothrixstadium verharren, das ja bei allen Haaren im ersten Beginn der Pilzinvasion vorhanden ist. Es liegt also sehr nahe anzunehmen, dass die Ektothrixform einen stärkeren Reiz auf die bindegewebige Um- gebung des Haares ausübt als die Endothrixform, da ja bei jener die Pilze unmittelbar ans Bindegewebe stossen (wenigstens gilt das inner- halb der Tr.-Gruppe, denn die Mikrosporien gehen ja trotz der Sporen- scheiden um die Haare mit geringer Entzündung einher). Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass dieser in Deutschland augenscheinlich auch nach anderen Feststellungen schon seit längerer Zeit besonders verbreitete Pilz eine Zwischen- oder Uebergangsform zwischen den humanen und animalen bildet. Es bleibt noch genauer . zu untersuchen, wie sich die Allergieverhältnisse bei den Kerion- und - furunkuloiden Sykosisformen verhalten. Was die Trichophytine überhaupt angeht, so habe ich seit Jahren viel mit ihnen gearbeitet. Die diagnostische Bedeu- tung ist nicht sehr gross, weil eben doch die Diagnose meist . durch “den Pilznachweis gelingt. Immerhin werden gerade bei den furunkelartigen Formen negative Pilzbefunde durch negative Trichophytinreaktionen gestützt und durch positive korrigiert werden können. Wir verwenden seit längerer Zeit die Intradermomethode. ‚An ihrer Spezifizität ist nicht zu zweifeln, wenn auch, wie schon erwähnt, starke Trichophytine auch bei Normalen eine Reaktion bedingen können. Durch genügendes Ausprobieren der Konzen- trationen kommt man wohl immer zu einer scharfen Differenzie- rung zwischen Trichophytikern und Normalen. Die Wirkung der Trichophytinbehandlung habe ich in Bern aus dem einfachen Grunde schwer beurteilen können, weil meine dortigen Kerion- und kerionartigen Sykosisfälle, wie schon erwähnt, auf einfache Behandlung gut reagierten. Unsere: bisherigen Versuche bei den hiesigen furunkuloiden Formen haben zu hervorragenden Re- sultaten nicht geführt, wenn es uns auch schien, dass der Ver- lauf durch wiederholte Intradermoreaktionen neben der sonstigen Behandlung abgekürzt wurde. Das gleiche schien der Fall zu sein bei den schon früher erwähnten Emulsionen abgetöteter Pilzkulturen, die als einzige Unannehmlichkeit neben der diffusen entzündlichen Reaktion kleine derbe, manchmal steril abszedierende Knötchen bedingen. Hier könnte man jetzt sehr wohl an eine Wiederholung des Bloch- schen Versuches einer „Ableitungstherapie* denken. Bloch hat bei einem in langer Zeit nicht heilenden Falle tiefer Tr., bei dem die Triehophytinreaktionsfähigkeit fehlte, diese durch . Einimpfung eines starke Allergie bedingenden Pilzes geweckt und dadurch die Heilung der ursprünglichen Krankheit herbeigeführt. Ich habe solche Versuche ‘ in Bern bei glatter Trichophytie und Mikrosporie der Kinderköpfe an- gestellt, trotzdem sich Bloch davon nichts versprochen hatte. Er meinte, dass die Trichophytininjektion, da das Trichophytin im Krank- 3% 36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. heitsherd auf keine Umstimmung treffe, um einzusetzen, gar keinen Sinn habe, und es würde „selbst wenn dem nicht so wäre, seinen Wirkungsbereich: die spezifische Entzündung nicht bis dahin erstrecken können, wo die Infektionserreger sitzen, nämlich in die Haare oder Nägel“. Bei den glatten Trichophytien und den Mikrosporien der Kinderköpfe sind doch aber mikroskopisch sehr deutliche Entzündungs- erscheinungen vorhanden, und es wäre also doch jm Prinzip möglich, durch eine Einimpfung virulenter Pilze hochgradige Allergie und damit eine eliminatorische Entzündung hervorzurufen. Diesen Gedanken hatte schon Sabouraud für den Favus erwogen. Meine Versuche aber haben positive Resultate bisher noch nicht ergeben, vielleicht weil ich keine genügend starke Allergie provozieren konnte. Subkutane Trichophytin- injektionen scheue ich, weil mir die dadurch bedingte Fieberreaktion zu stark erschien, und weil man hoffen kann, durch Intradermoappli- kation die Hautallergie auch im Krankheitsherde genügend zu steigern. Sonst hat die Therapie grosse Fortschritte leider nicht ge- macht. Bei den oberflächlichen Formen der lanugobehaarten Haut bevorzuge ich Sublimat-Benzoetinktur, %-Naphtholsalben, Epi- carin- und Salizylspiritus. Bei den glatten Tr. der Kinder- köpfe lasse ich, wie es Doessekker an der Berner Klinik eingeführt hat, gleich nach der Röntgenepilation schon zur Ver- hinderung der weiteren Uebertragung einen Zinkleimverband an- legen,. der nach 18—20 Tagen abgenommen wird, und an dem dann ein grosser Teil der Haare hängen bleibt. Es muss dann aber noch längere Zeit nach der vollständigen Epilation mit des- infizierender Behandlung des Kopfes (verdünnter Jodtinktur) fort- gefahren werden; denn man kann auch nach der Epilation an den erkrankt gewesenen Stellen massenhaft Pilze finden. Das Kerion Celsi und die kerionartigen Formen der Sykosis heilen unter feuchten Verbänden und Hitze. Wie weit dabei Röntgen- behandlung und Trichophytin den Erfolg beschleunigt, kann ich noch nicht sagen. Die Hauptschwierigkeit liegt zurzeit in der Behandlung der oberflächlichen und furunkuloiden Tr. des Bartes. Da sind die Ansichten sehr geteilt, zunächst schon in bezug auf das Ra- sieren. Meines Erachtens sollte es unterbleiben, man sollte sich auf Kürzen des Bartes mit der Schere beschränken. Dann auch in bezug auf die Röntgenbehandlung. Die einen wollen nur die oberflächlichen Formen bestrahlen, um durch die Epilation das Tieferwerden zu verhindern, die anderen nur die tiefen. Dritte fürchten bei beiden oder bei einer der beiden Formen Ver- schlimmerung. Ich habe solche nicht gesehen und würde bei dem jetzigen’ Stande unserer Kenntnisse auf die Bestrahlung der tiefen Formen nicht verzichten wollen, freilich nur auf solche Bestrahlung, die wirklich zur Epilation führt. Dass die Wirkung oft keine durchgreifende ist, erkläre ich mir damit, dass in dem Granulationsgewebe infizierte Haarstümpfe zurückbleiben. Die pessimistische Anschauung, dass es der medikamentösen Therapie nicht gelingen könne, durch Heilung der oberflächlichen Formen das Tiefergreifen zu verhindern, vermag ich in dieser Allgemeinheit nicht zu teilen. Manchmal aber tritt unzweifelhaft trotz aller Bemühungen die tiefe Infiltration ein. Die manuelle Medizinische Sektion. Il. Abteilung. OT Epilation habe ich noch nicht üben lassen. Sie scheint mir (wenn Röntgenapparate zur Verfügung stehen) vor der durch Röntgen- strahlen keinen Vorzug zu haben, wohl aber den Nachteil mecha- nischer Reizung. So werden wir also zunächst gegen die thera- peutisch schwer angreifbaren Formen mit einer Kombination von feuchten Verbänden, Hitze, Röntgenstrahlen, Trichophytin, weiter- hin Pyrogallol, Resorzin, Schwefel usw. kämpfen müssen. Ueber die Klingmüller’sche Terpentintherapie habe ich dabei noch ' keine Erfahrung. Ueber die Prophylaxe möchte ich heute nur einige Worte hinzufügen. Die Kinder, die vom Landaufenthalt in die Städte zurückkehren, sollten auch auf Pilzerkrankungen untersucht werden. Wo man speziell die glatte Tr. und die Mikrosporie der Kinderköpfe findet, muss man die Spiel- und Schulgenossen mehrfach kontrollieren. Auch die Pilzerkrankungen der Tiere sollten mehr beachtet werden. Die Hauptsache bleibt aber doch die Hygiene der Barbier- und Frisierstuben. Neben der Einschleppung aus den besetzten Gebieten, neben der Ausbrei- tung durch die Gasmasken und neben dem Import durch die Kinder hat unzweifelhaft die notgedrungen geringere Sauberkeit beim Rasieren eine grosse Bedeutung für die Ausbreitung der Bart-Tr. Könnten die Verordnungen, wie sie in manchen Städten bestehen, jetzt wirklich durchgeführt werden, dann würde es wohl nicht schwer sein, die Epidemie zu unterdrücken. Unter den augenblicklichen Verhältnissen aber wird die Hauptsache sein: ein generelles Verbot der Bedienung mit Hautkrankheiten im Gesicht behafteter Personen in den Barbierstuben und Schaffung von Gelegenheit zur Pflege des Bartes im Anschluss an die Poli- kliniken und Lazarette, Untersuchung der Soldaten so oft nur immer möglich, auch auf Tr., möglichste Isolierung und schleu- nigste Behandlung. Auch auf diesem Gebiete hat uns der Krieg eine Fülle wissenschaftlich interessanten Materials, vor allem aber praktisch wichtige Aufgaben gebracht; praktisch wichtig, denn die Bart- flechte bedingt nicht bloss Schmerzen, sie kostet auch viel Geld und Medikamente und — was das Wichtigste ist — sie entzieht eine zrosse Anzahl unserer Mannschaften auf Wochen dem Heeres- dienst. Pe ee u yr IV: Die äusseren Symptome des Diabetes. Von Geh. Sanitätsrat Prof. Dr. Georg Rosenfeld. Die ältere Medizin hat in ungleich höherem Maasse die In- spektion gepflegt und ihr mehr Wert beigemessen als die moderne Zeit. Dafür sind wohl mehrere Umstände bedeutungsvoll ge- worden. Nachdem das ganze Rüstzeug der Auskultation, Per- kussion, später der chemischen, elektrischen, bakteriologischen, mikroskopischen, radioskopischen Methodik zu exakter Beobachtung ausgebaut war, war es verständlich, dass diese nicht so greifbaren Symptome in Vergessenheit gerieten. Und schliesslich erschienen sie für die Leute der Neuzeit, die eine totale, möglichst viel- seitige Untersuchung des ganzen Körpers sich anerzogen hatten, grösstenteils entbehrlich. Wen interessierte es gross, die gelbe Farbe des Herzleidenden zu beachten, den schon die Feststellung des systolischen Geräusches und der rechtsseitigen Verbreiterung der Herzfigur unterrichtet hatten. Und doch sind auch dabei Werte verloren gegangen: denn manche dieser Regeln sind Hin- weise auf Gedankenzusammenhänge und somit Abkürzungswege, die die alten Kliniker eben gehen konnten, und die ihnen manche Diagnose ermöglichte. So ergab gerade die gelbe Herzleidenfarbe die Möglichkeit, einen durch Herzleiden verursachten Stauungs- katarrh, der einmal in den oberen Lungenteilen vorherrscht, von der vermuteten Phthise zu unterscheiden, so erleichtert die Zyanose des Gesichts die Erkennung der Miliartuberkulose, so ermöglicht sich die Diagnose Situs inversus aus dem Tieferhängen des rechten Hodens. Oder die berühmten Geruchsdifferential- diagnosen zwischen Masern und Scharlach, die Geruchsdiagnose der Phthise, die sich mit ihrem faden und süsslichen Geruch schon von vornherein erkennen lässt. Von Geruchsdiagnosen ist der Neuzeit nur geblieben die des Diabetes durch den Azetongeruch, der Lungengangrän durch den Foetor des Atems und des Alkohol- geruchs bei der Trunkenheit, der urinöse Geruch bei Incontinentia urinae. Eine Krankheit, bei der die Inspektion sehr wenig, beachtet wird, ist der Diabetes. Nur die schilfernde Haut, eventuell mit Neigung zu Furunkulose, Gangrän sind, die geläufigen Schilde- rungen. Im Jahre 1906 habe ich versucht, den Zusammenhang x 7 “ t A ART m Gl a EA ad nl a u nansl un nu a una 24 iÜ Öl lin. nme linn 1 Hl za PS er Br nn Medizinische Sektion. II. Abteilung. 39 @ zwischen der Zuckerkrankheit und der abschilfernden Haut aufzuklären, und zwar indem ich die Menge des Hauttalges, welchen der Mensch in 24 Stunden bei verschiedener Ernährung. ausscheidet, zu bestimmen unternahm. Zu diesem Zwecke trugen die Versuchspersonen wollene Unterwäsche, Hemd und Unterhose, ohne sie abzulegen, während der Versuchszeit. Dadurch wurde der Hauttalg von der Wäsche aufgenommen, aus der er dann am Schluss der Versuchsperiode extrahiert wurde. . Während der einzelnen Perioden wurde die gleiche Eiweissmenge und die gleiche Kalorienzahl gegeben, nur insofern abgewechselt, dass in der einen Periode ein Teil der Kalorien in Form von Fett, in der andern von Kohlenhydraten gegeben wurde. Es zeigte sich, ‚dass bei Fettkost weniger Hauttalg (rund 1g) als bei Kohlen- hydratkost (2 g) gebildet wurde. Nun liess sich annehmen, dass der Diabetiker wenig Hauttalg absondere, da er ja, wenn selbst mit Kohlenhydraten genährt, nicht von ihnen lebte, da er sie ungenützt ausschied — es musste bei ibm die niedrigere Fettkosttalgmenge erwartet werden. Das ergab auch die tatsächliche Beobachtung. In einem Falle zeigte sich sogar eine ganz minimale Talgmenge: hier trat im unmittelbaren Anschluss an den Versuch ein Kar- bunkel im Nacken auf. Das liess folgende Vorstellungen zu: der wenige Hauttalg lässt die Haut des Diabetikers leicht ab- schilfern und schützt sie nicht genug gegen die Infektion mit Eiterbakterien. Um diese Vermutung zu erhärten, wurden Haut- talgbestimmungen bei experimenteller, durch Bromgenuss er- zeugter Akne angestellt. Der Versuch von Ludwig, aber be- sonders der von E. Kuznitzki verlief ganz in diesem Sinne. Kuznitzki nahm während des ganzen Versuches die gleiche Kost. In einer 4tägigen Vorperiode bestimmte er seinen Haut- talg: 1,2 g pro die. Dann nahm er 10 Tage genügend Brom- natrium ein und bekam dadurch eine reichliche Akne: in dieser Zeit hatte er nur 0,7 5 Hauttalg, also nur etwa 60 pÜt. der sonstigen Menge. In der Nachperiode ohne Brom hob sich der Hauttalg auf 0,9g. So lässt sich der Zusammenhang zwischen Diabetes und Hautabschilferung und Furunkulose begreiflich machen, wenn auch zugestanden werden muss, dass mehrfache Wiederholungen dieser Versuche "zur Sicherung wünschenswert wären. Die Haut der Diabetiker bietet aber noch ausser diesen Zügen eine eigenartige und bedeutungsvolle Erscheinung, näm- lich eine häufig auftretende besondere Verfärbung. Und zwar ist es eine purpurfarbene Rötung, oft in oblonger Form entlang dem oberen Rand der Risoriusfalte, eine „purpurne Hektik“, die aber auch auf dem Jochbein gelagert sein kann und ein besonders frisches Aussehen vortäuscht. Mir ist ein junges, sehr hübsches Mädchen in Erinnerung, das trotz schwerster Erkrankung diese Purpurwangen noch so zeigte, dass sie geradezu ein blühendes Aussehen darbot. Als ich sie mit diesem Aussehen über ihr Schwächegefühl u. dergl. hinwegzutäuschen suchte, sagte sie das leicht im Gedächtnis bleibende Wort: ja, ja, die Auslage ist ganz gut, aber im Laden ist nichts mehr zu finden. Oft genug hat 40 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. der Diabetiker einen eigenartigen Pfirsichteint, in dem die Ab- schilferung der Haut und jene eigene Rötung zugleich sich aus- drückt. Diese Rötung ist nur ein Erkennungssymptom, das nicht einem besonderen Stadium oder Grade angehört, also keinerlei prognostische Bedeutung hat. Anders das folgende Symptom: das ich das Symptom der Pökelzunge nennen möchte. Denn dies ist ein für die Pro- gnose wichtiges Symptom. Es bandelt sich um einen Zustand der Zunge, die mit einer ihres Schleimhautüberzuges beraubten Pökelzunge die grösste Aehnlichkeit hat. Es sieht aus, als ob das dunkelrote und trockne Muskelfleisch der Zunge ohne jede Papillarbedeckung vorläge. Dieses Phänomen tritt nur bei vor- geschrittenen Fällen von Diabetes auf und ist ein Zeichen von übler Vorbedeutung, das ich nur in einem Falle sich habe bessern sehen. Sonst gingen die Fälle mit der dunkelroten, trocknen, nackten Pökelzunge ziemlich schnell zugrunde. Das Symptom befällt manchmal erst allmählich die ganze Zunge und ist an- fänglich auf eine keilförmige Fläche in der Mitte lokalisiert. Das dritte äussere Diabetesymptom gibt der ganze äussere Ha- bitus vieler Diabetiker ab. Es handelt sich um solche Kranken, die noch nicht ganz fettarm geworden sind, deren körperlicher Habitus ist durch den Gegensatz zwischen ihrem mageren Ge- sicht und dem fetten Bauch gekennzeichnet. Dieses Sym- ptom darf man wohl aus der Stoffwechselanomalie des Diabetikers, der schlechten Verwertung der Kohlenhydrate, ableiten. Um das verständlich zu machen, ist es nötig, auf die verschiedenen Typen der Fettleibigkeit einzugehen. Die Belegung der Fettdepots ist nämlich eine andere, je nach dem Ursprungsmaterial des Fettes. So charakterisiert sich der durch alkoholische Getränke überfett gewordene Mann durch ein rotes volles Gesicht, reichlich fetten Rumpf, dicken Bauch, ge- wöhnlich nicht mit besonders diekem Gesäss und mageren Beinen. Dies ist ein ganz auffallendes Phänomen in der körper- lichen Erscheinung des fetten Alkoholisten. Dahingegen bietet der durch übermässige Kohlenhydrate Fettleibige das Bild eines an allen Stellen des Körpers wohlausgepolsterten Menschen: die Fettanhäufungen sind zwar auch am Bauch am stärksten, aber überall im Gesicht, an den Armen, Beinen, Hüften findet sich gleichmässig reichliche Fettdeposition. 3 Bei den durch Fett selbst gemästeten Personen überwiegt das Bauchfett sehr: aber auch hier ist alles von Fett strotzend: hier gibt es die enormen Nackenwülste in erster Reihe, hier ist selbst Fuss- und Handrücken dureh Fettlagen gerundet, hier die fetterfüllten Hängebacken. Doch finden sich diese nur bei den höheren Graden, sonst ist hier das Gesicht noch einer der fett- ärmeren Teile. Während also beim Alkoholisten die Beine dünn bleiben, ist bei Fettkonsumenten das Gesicht nicht besonders reich an Fett, während der Nascher eine mehr gleichmässige Fettanhäufung zeigt. Diese Regeln werden viele Ausnahmen schon deshalb zeigen, weil öfter die fettmachenden Substanzen kombiniert werden. Medizinische Sektion. II. Abteilung. 41 Jedenfalls ist das häufigste Phänomen, dass die Bauchhaut bei jeder Nahrung das früheste Fettdepot grösseren Umfangs ist. So ist die Bevorzugung des Bauches als Fettdepot für das Fett des Fettvielessers und des Alkoholikers ein Anhalt für die Erscheinung des fettbäuchigen Diabetikers mit magerem Gesicht: die Fetterzeugung aus Kohlenhydraten, die das Gesicht besonders rundet, ist ihm ja versagt. Ein weitgehendes Verständnis eröffnen die Beobachtungen bei Entfettungskuren. Wird doch die Erkrankung an Diabetes in den meisten Fällen in der Wirkung einer solchen Kur gleich- kommen. Bei Entfettungskuren schwindet zwar am meisten das Bauchfett, aber am sichtbarsten das Gesichtsfett, denn die grosse Fettabnahme am Bauche hinterlässt immer noch verhältnismässig grosse Fettschichten, während ein paar hundert Gramm Fettver- lust im Gesicht sofort den Typus zur Hagerkeit verändern. Also Besonderheiten in der Ablagerung und in der Hergabe des Fettes, die beide im Zusammenhange mit dem Wesen des Diabetes stehen, erschliessen uns ein volles Verständnis für die Eigenart des diabe- tischen Habitus. Wir sehen, dass diese äusseren Symptome des Diabetes darum eine Beachtung verdienen, weil sie die Diagnose erleichtern, die Purpurhektik — über die Prognose unterrichten — das Pökelzungensymptom — und Einblicke in die Wesenheit der Zuckerkrankheit gestatten — die Hautabschilferung und die schmalwangige Fettbäuchigkeit. > “ri N: Ueber akzessorische Nährstoffe und ihre Be- deutung für die Ernährung des Kindes. Von Prof. Hans Aron. Die Erkenntnis, dass es ausser Eiweiss, Fett, Kohlehydraten, Mineralstoffen und Wasser noch andere Nahrungsbestandteile gibt, die für den Nährwert oder den diätetischen Effekt einer Nahrung von ausschlaggebender Bedeutung sein können, hat sich nur langsam Bahn zu brechen vermocht. Durch eine grosse Reihe tierexperimenteller Untersuchungen ist aber jetzt einwandfrei nachgewiesen worden, dass Nahrungsgemische, welche nur aus den oben genannten Hauptnährstoffen in gereinigter Form be- stehen, für die Ernährung nicht genügen. Wie sich andererseits in mannigfach angeordneten Versuchen zeigen liess, kann man aus Nahrungsgemischen, bei deren Verfütterung Versuchstiere dauernd gut gedeihen, ohne den Eiweiss-, Mineralstoff- oder Ge- samtkaloriengehalt der Nahrung nennenswert zu beeinflussen, gewisse Nahrungsbestandteile entfernen, die für die Gesunderhal- tung der Tiere unentbehrlich sind. In wieder anderen Fällen ist es gelungen, nur durch gewisse Koch- oder Trocknungsprozesse Nahrungsmittel derart zu verändern, dass eine vorher in jeder Beziehung für die Ernährung genügende Nahrung diese Ansprüche nicht mehr erfüllt. : Von grösster Bedeutung ist schliesslich gewesen, was uns die Untersuchungen über die Entstehung und Heilung des Skorbuts, der Beri-Beri und verwandter Erkrankungen gelehrt haben: Wenn Menschen und Tiere längere Zeit hindurch ausschliesslich mit gewissen einseitigen Kostformen, denen es an keinem der be- kannten Nährstoffe mangelt, ernährt werden, so entwickeln sich bei ihnen in der Form wohl wechselnde, aber durchaus charak- teristische Krankheiterscheinungen. Durch geringfügige Aende- rungen in der Form der Ernährung oder der Zubereitung der Nahrung oder durch eine an Nährwerten bedeutungslose Zugabe anderer Nahrungsmittel ist man imstande, das Auftreten dieser verschiedenen skorbutartigen Erkrankungen zu verhüten oder wieder zu beheben. Uebereinstimmend haben alle diese Beobachtungen und Unter- suchungen zu dem Ergebnis geführt, dass in einer Kost, welche Medizinische Sektion. II. Abteilung. 43 auf die Dauer für die Errährung ausreichen soll, neben reinem Eiweiss, Fett, Kohlehydraten und Salzen noch andere Nahrungs- bestandteile enthalten sein müssen, Nährstoffe oder Nährstoff- gruppen, die wohl am besten nach Hofmeister’s-Vorschlag ganz allgemein als „akzessorische Nährstoffe“ bezeichnet werden. Dass man auf die akzessorischen Nährstoffe und ibre Be- deutung für die Ernährung erst verhältnismässig spät aufmerksam geworden ist, erklärt sich aus der Tatsache, dass eine leidlich abwechslungsreiche gemischte Kost meist genug akzessorischer Nährstoffe enthält. Erst bei Ernährung mit gewissen, einseitig zusammengesetzten oder durch eingreifende Prozesse veränderten Nahrungsgemischen tritt überhaupt ein Mangel an akzessorischen Nährstoffen auf, und diese Art der Ernährung muss gewöhnlich in gleicher Weise eine ganze Zeitlang fortgesetzt werden, bis die Folgeerscheinungen mangelhafter Zufuhr akzessorischer Nährstoffe zutage treten. Untersuchungen über den Einfluss verschieden- artiger Ernährung auf den wachsenden Organismus haben gelehrt, dass bei der Ernährung wachsender Tiere akzessorische Nähr- stoffe eine besonders bedeutungsvolle Rolle spielen, und dass ganz allgemein die Notwendigkeit, akzessorische Nährstoffe in der Nahrung zuzuführen, sich am deutlichsten dann geltend macht, wenn die Nahrung nicht nur das Material für die Erhal- tung des Organismus, sondern zugleich auch für den Aufbau neuer Körpersubstanzen liefern muss. Die bei diesen Studien gemachten Erfahrungen erweisen sich nun für die Kinderheilkunde als praktisch interessant und wichtig. Sie lehren uns eine Reihe bekannter Erschei- nungen, welche beim jungen Kinde in den Perioden raschen Wachstums zumal bei gewissen Kostformen auftreten, als Folgen mangelhafter Zufuhr akzessorischer Nährstoffe zu betrachten und zu behandeln. Die Kenntnis der akzessorischen Nährstoffe und ihrer Rolle bei der Ernährung des Säuglings und jungen Kindes wird uns das Verständnis für zahlreiche ernährungstherapeutische Maassnahmen eröffnen, welche die bisher in der Ernährungslehre übliche Berechnung des Nährwertes der Nahrung nicht zu er- klären vermochte, und wir werden zeigen können, wie bedeutsam eine richtige Rinschätzung des Wertes und der Wirkungsart der akzessorischen Nährstoffe bei der Ernährung und Diätetik des Kindes ist. Ueber die- Natur der akzessorischen Nährstoffe ver- mögen wir bei dem heutigen Stande unserer Kenntnisse nur einige ganz allgemeine Angaben zu machen. Bis zu einem gewissen Grade lassen sich die akzessorischen Nährstoffe zwar von den übrigen Nahrungsbestandteilen trennen und in Extrakten anreichern, eine vollständige Isolierung und exakte chemische Charakterisierung der akzessorischen Nährstoffe ist bisher aber nicht gelungen. Bei allen derartigen Versuchen hat sich vielmehr ergeben, dass die akzessorischen Nährstoffe ihre spezifischen Wirkungen durch ein- greifende chemische Prozesse, oft auch schon durch länger dauerndes Erhitzen auf höhere Temperaturen verlieren. Deshalb dürften die von Funk mit Hilfe derartiger, die Wirkungen 44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. akzessorischer Nährstoffe zerstörender Operationen aus gewissen Nahrungsmitteln isolierten und mit dem geschickt gewählten Schlagwort „Vitamine“ bezeichneten Substanzen nur wenig mit den akzessorischen Nährstoffen zu tun haben, ganz abgesehen davon, dass ein ernährungstherapeutischer Effekt für die Funk’- schen Vitamine bisher nicht nachgewiesen ist. Für die uns interessierenden Fragen kommen besonders zwei, ihrer chemischen Natur wie ihrer Wirkung nach durchaus ver- schiedenartige Gruppen akzessorischer Nährstoffe in Betracht. Die erste Gruppe umfasst Substanzen, welche wir unter den sogenannten Extraktstoffen der Vegetabilien zu suchen haben. Diese chemisch bisher nicht näher untersuchten Extrakt- stoffe sind wasser- und alkohollöslich, lassen sich von Fett und Eiweiss verhältnismässig leicht, aber nur schwer von den letzten Resten Kohlehydraten befreien. An Extraktstoffen dieser Art besonders reich sind die äusseren, die Kleie liefernden Schichten der Körnerfrüchte; Stoffe ähnlicher Art finden sich in vielen frischen Früchten und den grünen Gemüsen. Derartige Extraktstoffe, die sich aus Weizenkleie gereinigt darstellen oder aus Gerstenkörnern in Form des Malzextraktes gewinnen lassen, vermögen nun, wie ich experimentell nachweisen konnte, Wachstum und Entwicklung junger Tiere unter gewissen Bedingungen in entscheidender Weise zu beeinflussen. Die ge- wählte Versuchsanordnung liess keinen Zweifel darüber aufkommen, dass hier in den Extrakten enthaltene Nährstoffe, die mit dem Eiweiss-, Fett-, Kohlehydrat- und Mineralstoffgehalt der Nahrung in keiner Beziehung stehen, einen ernährungstherapeutischen Effekt ausüben, wie wir ihn bisher noch nicht kannten. Wurden junge wachsende Ratten mit einem Nährstoffgemisch aus Kasein, Butter, Stärke und Weizenkleie gefüttert. so gediehen sie sehr gut und nahmen normal im Gewicht zu. Wurde in diesem Nährstoff- gemisch die Kleie durch chemisch reine Zellulose ersetzt, und wurden die Tiere mit einem völlig analog zusammengesetzten Gemisch aus Kasein, Butter, Stärke, Salzen und Zellulose gefüttert, se gediehen sie viel schlechter, nahmen weniger im Gewicht zu und gingen sogar nach einiger Zeit zugrunde. Sobald man aber diesen schlecht gedeihenden Tieren, ohne ihre Nahrung irgendwie zu ändern, und um jede Geschmacks- wirkung auszuschliessen, getrennt vom übrigen Futter eine kleine Menge aus Weizenkleie oder Malz gewonnenen Extraktstoffe in konzentrierter Form verabreichte, nahmen sie prompt im Gewicht zu. Das Gedeihen oder Nichtgedeihen der Tiere erwies sich bei unveränderter Hauptnahrung, bei praktisch gleichbleibendem Ei- weiss-, Fett-, Kohlehydrat- und Mineralstoffangebot nur abhängig von der Zufuhr der aus Kleie oder Malz gewonnenen Extrakt- stoffe, die völlig getrennt von der übrigen Nahrung in kleinen einmaligen Tagesdosen verabreicht wurden. Meine Beobachtungen über die Wirkungen von Extraktstoffen sind kürzlich von Langstein und Edelstein nachgeprüft worden, welche Versuche an wachsenden Ratten in gleicher Weise an- geordnet und mit ganz ähnlichen Futtergemischen ausführten, wie ich früher angegeben habe. Nach den Untersuchungen dieser Forscher lassen sich übrigens ähnliche ernährungstherapeutische Medizinische Sektion. II. Abteilung. 45 Wirkungen wie durch die Extraktstoffe der Getreidekörner z. B. auch durch Zusatz frischen Grünkohls zur Nahrung erzielen. Es handelt sich hier offenbar um die Wirkungen ähnlicher Stoffe, wie sieHolst, Fröhlich, Eijkmann u.a. durch Extraktion von frischen Gemüsen, Blättern und Früchten dargestellt haben. Alle diese Extraktstoffe aus frischen Vegetabilien üben, ohne einen nennenswerten Nährwert zu besitzen, im Tierversuch einen grossen ernährungstherapeutischen Effekt aus und heben, in kleinen Mengen skorbuterregenden Nahrungsgemischen zugesetzt, deren schädigende Wirkung vollkommen auf. Bei meinen Untersuchungen über die Ernährung wachsender Ratten hatte sich sehr bald herausgestellt, dass die Extraktstoffe nicht die einzigen Nahrungsbestandteile sind, welche einem aus reinen Nährstoffen dargestellten Futtergemisch zugesetzt werden müssen, damit dieses eine dauernde gesunde Entwicklung der Tiere gewährleistet. Es erwies sich von grösster Bedeutung, ob der Nahrung ein kleiner Prozentsatz Butter beigemischt wurde, oder ob ein ohne Butter nur aus Kasein, Stärke, Kleie und Salzen bereitetes Nahrungsgemisch verfüttert wurde. Bei butter- freien Nahrungsgemischen gediehen meine Versuchstiere zwar erst wochenlang genau so wie bei entsprechender etwa 2 pÜt. Butter enthaltender Kost, nach einiger Zeit, oft erst nach Monaten trat aber Gewichtsstillstand ein, dann wurden die Tiere elend und gingen unter äuffälliger Kachexie meist an Pneumonien zugrunde, während die mit einer kleinen Butterbeigabe ernährten Vergleichs- tiere keine Störungen zeigten. Wie ich schon früher ausgeführt habe, liessen sich diese eigentümlichen Wirkungen der Butterzulage durch die geringe Vermehrung des Fettgehaltes der Nahrung nicht erklären, es musste vielmehr angenommen werden, dass in der Butter andere lebenswichtige Nährstoffe enthalten sind, welche der Körper un- abhängig von den Extraktstoffen auf die Dauer nicht entbehren kann. Vornehmlich durch die Untersuchungen von Stepp an jungen Mäusen und die Studien amerikanischer Forscher an wachsenden Ratten sind wir nun darüber aufgeklärt worden, dass tatsächlich gewisse, in Alkohol lösliche und daher durch Alkoholextraktion extrahierbare Stoffe in der Nahrung nicht entbehrt werden können. Diese Nährstoffe, welche im Tier- und Pflanzenreich eng vereinigt mit den Fetten vorkommen, chemisch aber nicht den Charakter der Fette tragen, gehören zu einer Gruppe von Substanzen, die man auch als Lipoide bezeichnet hat. Eine nähere chemische Charakterisierung der in kleinen Mengen ernährungs- therapeutisch so wirksamen Stoffe ist bisher noch nicht ge- lungen. Dagegen wissen wir, dass die einzelnen, natürlich vor- kommenden Fette als akzessorische Nährstoffe wirksame Lipoide in ganz verschiedenen Mengen enthalten. Während geringer Zu- satz von Butter oder auch nur von Milch zu einer im übrigen ausreichenden Nahrung einen starken wachstumsfördernden Ein- fluss ausübt, gedeihen die Tieren bei Verabreichung gleicher Mengen Schweinefett, Oliven- oder Mandelöl mangelhaft, übrigens 46 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater. Cultur. ein schlagender Beweis dafür, dass hier nicht der Fettgehalt als solcher eine Rolle spielt, sondern dass es sich um eine spezifische Wirkung nur bestimmter Fettarten handelt. In dieser Hin- sicht als wirksam haben sich nach den Untersuchungen von McCallum und Davis sowie Osborne und Mendel vor allem gewisse Organfette erwiesen, nämlich das Butterfett, das Fett der Vogeleier und das Fett gewisser Fischlebern, der Lebertran. Diese in gewissen Fettarten enthaltenden Substanzen stellen also eine zweite von den Extraktstoffen voll- kommen verschiedene Gruppe akzessorischer Nährstoffe dar. Für wachsende Ratten erwiesen sich beide Arten akzes- sorischer Nährstoffe in gleicher Weise auf die Dauer unentbehrlich, jedoch gewinnt man aus den verschiedenen Tierversuchen den Eindruck, dass ungenügende Zufuhr von Lipoiden andersartige Wirkungen zeitigt als Mangel an Extraktstoffen. Während die Extraktstoffe die Gewichtszunahme, das Gedeihen der Tiere direkt in ausgesprochener Weise beeinflussen oder in anderen Fällen das Auftreten skorbutartiger Erkrankungen verhüten, scheint der Lipoidgehalt der Nahrung weniger für das Wachstum, als für die allgemeine Widerstandfähigkeit des Körpers von grosser Bedeutung zu sein. Lipoidmangel setzt trotz des reichlichen Angebotes an anderen Nährstoffen die natürliche Resistenz des Körpers herab. So sehen wir lipoidarm ernährte Tiere z. B. häufig Pneumonien erliegen, oder es treten bei extrem lipoidarmer Nahrung Augen- eiterungen auf, die nach den Untersuchungen von Freise, Gold- schmidt und Frank pathologisch-anatomisch der Keratomalazie entsprechen. Wenn sich auch die Ergebnisse der Tierversuche nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen lassen, so finden wir doch die bei diesen Studien gewonnenen Gesichtspunkte über die Wirkungen der beiden Gruppen akzessorischer Nährstoffe durch verschiedene praktische Beobachtungen und Erfahrungen auf dem Gebiet der pädiatrischen Diätetik bestätigt. Wir können, wie ich jetzt aus- zuführen versuchen will, feststellen, dass derartige Nahrungs- bestandteile, nämlich Extraktstoffe der Vegetabilien und gewisse Lipoidsubstanzen, bei der Ernährung des Säuglings und jungen Kindes unter bestimmten Be- dingungen eine bedeutsame, aber wohl keineswegs ge- bührend bewertete Rolle spielen. Auch hier handelt es sich durchgehends um ernährungstherapeutische Effekte, die sich durch die bisher in der Ernährungslehre ausschliesslich ge- übte Betrachtungsweise nicht erklären lassen, die wir aber ver- stehen und richtig beurteilen können, wenn wir die Wirkungen der akzessorischen Nährstoffe, wie sie uns der Tierversuch kennen gelehrt hat, in Betracht ziehen. Es ist eine der fundamentalsten Tatsachen dass die Mutter- milch, welche für den jungen Säugling während der Zeit der intensivsten’ Wachstumsvorgänge das optimalste Nährstoffgemisch darstellt, doch auf die Dauer verabreicht, keine ideale Entwicklung zulässt. Allerhöchstens durch. das erste Lebensjahr hindurch können wir ein Kind ausschliesslich mit Frauenmilch ernähren. Medizinische Sektion. II. Abteilung. 47 Das gleiche gilt für die Ernährung mit Kuhmilch, auch wenn die Kinder lange Zeit bei künstlicher Ernährung gut gedeihen. Schon im zweiten Lebenshalbjahr erweist es sich meist als vorteihaft, zu der reinen Milchnahrung eine Beikost zu geben, und gegen Ende des ersten Lebensjahres sind wir bei allen Kindern genötigt, allmählich zu einer gemischten Kost überzugehen. Derartige Aenderungen in der Ernährung sind oft von einschneidender Wirkung auf das Gedeihen der Kinder. Säuglinge, welche bei der reinen Frauenmilchernährung wochenlang im Gewicht nicht mehr zunehmen wollen, sehen wir auf Zulage einer Gemüsemahl- zeit, deren Eiweiss- und Kaloriengehalt ganz geringfügig ist, ge- radezu aufblühen oder bei Ersatz einer Frauenmilchmahlzeit durch einen an Nährwerten ärmeren Brei wieder flott im Gewicht ansteigen. Das Charakteristische der Nahrungsänderungen besteht fast immer darin, dass die als Beikost verabreichten Nahrungsmittel reich an Extrakistoffen sind. Offenbar ist das Bedürfnis nach solchen Extraktstoffen bei den einzelnen Kindern recht verschieden, bei manchen macht es sich früber, bei andern später geltend. Während die meisten Säuglinge bei künstlicher Ernährung mit den üblichen Kuhmilch- mischungen wenigstens einige Monate gut gedeihen können, gibt es gewisse Kinder, die gegen den Mangel der akzessorischen Nährstoffe aus der Gruppe der Extraktstoffe auffällig empfindlich sind. Bei diesen, durch eine besondere Diathese prädisponierten Kindern entwickeln sich, wenn sie ausschliesslich mit den in der üblichen Weise sterilisierten Kuhmilchmischungen ernährt werden, skorbutartige Krankheitserscheinungen, welche man als Barlow’sche Krankheit bezeichnet. Das Verständnis für die Genese dieser Krankheit ebenso wie anderer skorbutartiger Erscheinungen ist uns überhaupt erst durch die Kenntnis der Wirkung akzessorischer Nährstoffe eröffnet worden. Wir können die Barlow’sche Krank- beit geradezu als Prototyp der Folgeerscheinungen mangelhafter Zufuhr vegetabilischer Extraktstoffe bei sonst vollkommen aus- 'reichender Kuhmilchernährung auffassen. Lässt sich doch gerade so wie im Tierexperiment zeigen, dass die Erscheinungen der Barlow’schen Krankheit bei sonst unveränderter Ernährung auf Zulage geringer, an Nährwerten bedeutungsloser Mengen irgend- welcher an Extraktstoffen reicher Nahrungsmittel rasch zurück- gehen. Etwas grünes Gemüse, kleine Mengen frischer Früchte oder einige Teelöffel Apfelsinensaft sind erprobte Heilmittel bei Barlow’scher Krankheit, ja es ist auch gelungen, bei Milchkost entstandene Barlow’sche Krankheit ohne irgendwelche Aenderung in der Zusammensetzung und Herstellung der Nahrung nur durch Verabreichung von Extraktstoffen aus Rüben zum Verschwinden zu bringen. Handelt es sich bei der Barlow’schen Krankheit um Kinder, bei denen der Bedarf an akzessorischen Nährstoffen schon früh- zeitig in die Erscheinung tritt, so gibt es andererseits Kinder, welche sich auch bei reiner Milchkost bis in das zweite Lebens- jahr hinein gut entwickeln können. Je älter die Kinder werden, desto deutlicher zeigt sich aber, dass Milch allein als ausschliess- 48 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. liche Nahrung für die Kinder nicht genügt, und bei allzureicher Milchkost sehen wir stets gewisse Krankheitserscheinungen auf- treten. Unter den Folgen der einseitigen Milchkost ist in erster Linie eine gewisse Anämie zu nennen, welche man gewöhnlich auf mangelhafte Zufuhr von Eisen zurückzuführen pflegt. Nicht unbedeutende Muskelschlaffheit gehört aber ebenfalls zu diesem Bilde, und die Entwicklung der Rachitis wird sicherlich durch eine derartige Ernährungsform in hohem Grade begünstigt. Die Notwendigkeit, bei allen Kindern im zweiten und dritten Lebens- jahre den Anteil der Milch in der täglichen Kost einzuschränken, eine zwar an Kalorien und Eiweiss oft ärmere, an Extraktstoffen aber reichere Ernährungsform zu wählen, vermögen wir eigentlich erst zu erklären, seitdem die hohe Bedeutung der Extraktstoffe experimentell nachgewiesen wurde. Von diesem Gesichtspunkt werden wir verstehen, warum für die Ernährung der Kinder im zweiten und dritten Lebensjahre gerade vegetabilische Nahrungs- mittel so wichtig sind, welche wir als reich an Extraktstoffen betrachten können. Wenn ferner gewisse Formen der Anämien junger Kinder bei geeigneter Nahrungsänderung oft überraschend schnell ausheilen, so ist das sicherlich ebenfalls nicht allein auf die Zufuhr von Eisensalzen zu beziehen. Auch hier müssen wir die akzessorischen Nährstoffe aus der Gruppe der Extraktstoffe wohl als bedeutungsvolle Heilfaktoren betrachten. Zu den Erscheinungen, welche wir auf Grund unserer früheren Kenntnisse noch nicht recht erklären konnten, gehören die eigen- artigen Wirkungen, welche bei längere Zeit hauptsächlich mit Kuhmilch ernährten Säuglingen durch Malzextrakt erzielt werden können. Schon aus den Untersuchungen Usuki’s war bekannt, dass reine Maltose nicht die gleichen Wirkungen hervorzurufen vermag wie der Malzextrakt. Es müssen also ausser den Kohlehydraten noch andere Bestandteile des Malzes an dem eigenartigen Nähr- effekt dieses Nährpräparates beteiligt sein. Wir werden auf Grund unserer tierexperimentellen Erfahrungen über die Wirkung der Extraktstoffe des Malzes nicht mehr daran zweifeln, dass auch hier akzessorische Nährstoffe aus der Gruppe der Extraktstoffe, die ja im Malzextrakt besonders reichlich vorhanden sind, eine wichtige Rolle spielen. Für ältere Kinder werden wir eines besonderen Nährpräparates meist entraten können. Ihnen können wir, ähnlich wie dem Erwachsenen, die Extraktstoffe der Getreidekörner auch in Form von Gebäck oder Mehl aus dem vollen Korne des Getreides zu- führen. Derartige, geeignet hergestellte Produkte des gesamten Getreidekornes sehen wir als-eine willkommene Ergänzung für die Ernährung jüngerer Kinder an. Wir haben deshalb in der letzten Zeit unser Bestreben darauf gerichtet, das volle Korn des Brotgetreides in eine Form überzuführen, in der es auch von Säuglingen gut vertragen und ausgenutzt wird. Wenden wir uns nun zu der Frage, ob auch die ak- zessorischen Nährstoffe, welche sich, mit gewissen Fetten vereinigt, unter den sogenannten Lipoiden finden, bei der Ernährung des Säuglings und jungen ru 49 —— Medizinische Sektion. II. Abteilung. Kindes eine Rolle spielen! Wenn wir eine Nahrung nach den bisher in der Ernährungslehre geltenden Regeln beurteilen, so dürfte es keinen Unterschied ausmachen, ob dem Organismus eine gewisse Kalorienmenge in Form von Kohlehydraten oder in Form von Fetten zugeführt wird, da ja beide Nährstoffe in gleicher Weise als Brennstoffe dienen. Die praktische klinische Erfahrung hat nun schon seit langem gelehrt, dass es für den Säugling keineswegs das gleiche ist, ob sein Energiebedarf, genügende Eiweisszufuhr vorausgesetzt, zum grössten Teil durch Kohlehydrate gedeckt wird oder ob in der Nahrung ein Teil des Kohlehydrates durch Fett ersetzt wird. Mit kohlehydratreichen Nahrungsgemischen ernährte Säuglinge sind im allgemeinen gegen Infekte viel weniger widerstandsfähig als Kinder, die zwar keineswegs mehr Kalorien, wohl aber mehr Fett in der Nahrung erhalten. Fett in der Nahrung des Säuglings ist immer jenes Butterfett der - Milch, das sich auch im Tierversuch von so grosser Bedeutung für die Resistenz des Organismus erwiesen hatte. Der hohe Grad natürlicher Immunität, den wir bei fettreich ernährten Säuglingen im Gegensatz zu fettarm ernährten beobachten können, wäre - demnach analog den Befunden der Tierversuche auf gewisse lipoidartige, mit dem Fett der Milch zugeführte akzessorische Nährstoffe zurückzuführen. Diese Auffassung von der Bedeutung des Milchfettes gestattet uns nun auch eine einfache Erklärung der vielfach bestätigten Tatsache, dass mit Frauenmilch ernährte Säuglinge im allgemeinen viel resistenter gegen alle Infekte sind als künstlich ernährte Kinder. Denn die Frauenmilch ist weitaus fettreicher als irgend eines der andern künstlichen Nahrungsge- mische, welche wir auch schwer ernährungsgestörten Kindern ohne Schaden verabreichen können. Die Resistenz erhöhende Wirkung der Frauenmilchernährung scheint uns durch den hohen Fett- gehalt dieser Nahrung, den Reichtum an Lipoiden vollauf erklärt, und wir können gänzlich auf die Annahme irgendwelcher hypo- thetischer Immunstoffe verzichten, welche manche Forscher | in der Frauenmilch als „arteigener“ Milch gesucht haben. In diesen Anschauungen, dass den Wirkungen der Frauen- milch nichts Geheimnisvolles oder Wunderbares innewohnt, be- stärken uns klinische Beobachtungen, welche wir in der letzten Zeit gemacht haben. Selbst bei jüngsten Säuglingen konnten wir, wenn sie ein mit Butterfett angereichertes Nahrungsgemisch („Buttermehl-Nahrung“ nach Gzerny und Kleinschmidt) er- hielten, einen so bemerkenswerten Grad allgemeiner Resistenz feststellen, wie wir ihn sonst nur bei Frauenmilchernährung zu sehen gewohnt sind. Für die Tatsache, dass gerade diejenigen Nahrungsfette, welche sich im Tierversuch als besonders reich an akzessorischen Nährstoffen erwiesen hatten, auch die allgemeine Resistenz des kindlichen Organismus vermehren, liesse sich noch anführen, dass auf Grund klinischer Erfahrungen Sahne, Butter und Eier als wertvolle Hilfsmittel angesehen werden müssen, um die all- gemeine Widerstandsfähigkeit des Körpers gegen Tuberkulose auch bei älteren Kindern zu heben. Schlesische Gesellsch:. £. vaterl. Cultur. 1918. IT. 4 50 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Schon seit langem steht bei Laien und Aerzten der Leber- tran als Stärkungsmittel für junge Kinder in hohem Rufe. Ebenso sichergestellt wie die spezifischen Wirkungen dieses Präparates bei Rachitis und Spasmophilie scheinen mir auf Grund klinischer Erfahrungen die guten Erfolge, welche man durch eine Leber- tranzulage bei manchen schlecht gedeihenden oder bei tuber- kulösen Kindern erzielen kann. Jede Lebertrantherapie ist in erster Linie eine Ernährungstherapie, die Medikamente Phosphor, Jod, Eisen oder Kreosot, welche mit dem Lebertran verabreicht werden, treten gegenüber der Wirkung des Leber- trans selbst an Bedeutung weit zurück. Mehrere Teelöffel Leber- tran täglich regelmässig verabreicht, stellen eine gar nicht unbe- deutende Fettzulage zur täglichen Kost dar. Neben der Fett- wirkung haben wir es auch hier wiederum sicher mit spezi- fischen Wirkungen im Lebertran enthaltener anderer Nährstoffe aus der Gruppe der Lipoide zu tun. Denn nach den tierexperimentellen Untersuchungen ist gerade der Lebertran ganz besonders reich an solchen als akzessorische Nährstoffe wirksamen Bestandteilen. Wenn den Eiern eine besondere Nährwirkung zukommen sollte, so müsste man auch hier den Lipoiden eine wichtige Rolle einräumen, ja man könnte die Frage aufwerfen, ob nicht überhaupt jene therapeutischen Effekte, welche man früher dem Lezithin zu- geschrieben hat, eigentlich als Wirkungen der akzessorischen Nähr- stoffe aus der Gruppe der Lipoide betrachtet werden müssten. Mit diesen beiden eben beschriebenen Gruppen ist die Reihe der akzessorischen Nährstoffe, welche sich überhaupt in unsern Nahrungsmitteln finden und welche unter gewissen Bedingungen bei der Ernährung eine Rolle spielen können, wahrscheinlich noch nicht erschöpft. Dafür scheint mir za sprechen, dass ganz allgemein Kinder, die wir längere Zeit hindurch mit irgendeiner künstlichen Milchmischung ernähren, zuerst recht gut gedeihen, dann aber bei der gleichen Nahrungsmischung auch bei Steigerung der Menge keine rechten Fortschritte mehr machen. Die Nahrung scheint sich gewissermaassen zu erschöpfen, und es genügt dann oft, auf eine beliebige andere Nahrungsmischung überzugehen, um die Kinder wieder zu guter Gewichtszunahme zu bringen. . Gerade bei schwer gedeihenden Kindern machen wir häufig die Erfahrung, dass es ungünstig ist, ihnen täglich ein und dasselbe streng vorgeschriebene Nahrungsgemisch zu geben, und dass wir bessere Erfolge erzielen, wenn wir eine gewisse Abwechslung eintreten lassen. Je mannigfaltiger die Kost, je abwechslungs- reicher die Nahrung ist, desto. grösser ist auch das Angebot an den ‚verschiedenen akzessorischen Nährstoffen, und desto geringer die Gefahr, dass zeitweilig Mangel an einem dieser Nährstoffe eintreten könnte. Diese Beispiele dürften wohl genügen, um die Ueberzeugung zu erwecken, dass akzessorische Nährstoffe bei ernährungsthera- peutischen Maassnahmen häufig eine ausschlaggebende Rolle spielen, und dass diese Nahrungsbestandteile für die normale Er- nährung des Körpers und die gesunde Entwicklung des Kindes Dia BEN N N race En a a 8 Zu x rs d, 2 ht ara nun lite 7 Medizinische Sektion. II. Abteilung. Seal unerlässlich sind. Wenn wir uns aber nun darüber äussern sollen, in welcher Weise die akzessorischen Nährstoffe im Organismus wirken und welche Aufgaben sie beim Ernährungsvorgang zu er- 'füılen haben, so vermögen wir zuerst nur Vermutungen aufzustellen. Gewiss ist, dass die akzessorischen Nährstoffe als Energie- 'spender, also für den Kraftwechsel keine Bedeutung besitzen; kann sich doch der Stoffwechsel auch ohne akzessorische Nähr- stoffe. wenigstens eine Zeitlang anscheinend ungestört abwickeln. Vielmehr. scheint es sich bei den akzessorischen Nährstoffen um Substanzen zu handeln, die ganz oder teilweise für den normalen Aufbau bestimmter Zellgruppen oder Zellprodukte oder für den normalen Ablauf gewisser Organfunktionen erforderlich sind. In diesem Sinne wäre denkbar, dass in gewissen einseitig zusammen- gesetzten Nahrungsgemischen bestimmte Baustoffe fehlen, welche der Körper auf die Dauer nicht entbehren kann, und dass diese fehlenden Baustoffe durch die akzessorischen Nährstoffe ersetzt und ergänzt werden. Die in mancher Beziehung verlockende Annahme, dass die fehlenden Stoffe nur Eiweissbausteine sind, und dass die akzessorischen Nährstoffe „unvollständige“ oder durch chemische Prozesse veränderte Eiweisskörper der Nahrung zu „vollständigem“ Eiweiss ergänzen, lässt sich aber mit der Fülle des experimentell erwiesenen Tatsachenmaterials, wie erst kürzlich Stepp ausführlich dargelegt hat, unmöglich in Einklang bringen. Meiner eigenen Auffassung würde am ehesten die Annahme entsprechen, dass die akzessorischen Nährstoffe für die Tätigkeit bestimmter Organe oder für gewisse Organfunktionen unentbehr- lich sind: sei es nun, dass die akzessorischen Nährstoffe Sub- stanzen oder Substanzgruppen liefern, welche der Organismus. aus andern Nährstoffen nicht zu bilden vermag, oder sei es, dass die akzessorischen Nährstoffe als solche auf gewisse Funkti»nen an- regend wirken. Wenn ‘wir die Wirkung der akzessorischen Nähr- stoffe mit der anderer uns bekannter Substanzen vergleichen sollen, so erinnern sie in vieler Hinsicht an die Produkte der inneren Sekretion, die Hormone, und ich habe deshalb früher von '„Reizstoffen“ gesprochen. Von diesem Gesichtspunkt erscheint bemerkenswert, dass Bickel kürzlich aus Spinat ein Sekretin hergestellt hat, ein Befund, der darauf hindeuten könnte, dass die vegetabilischen Extraktstoffe vielleicht für die Absonderung oder die Bildung der Verdauungssäfte von besonderer Bedeutung sind. Ein weites neues Gebiet ist durch die Kenntnis der akzessori- schen Nährstoffe der Forschung erst jüngst erschlossen worden, und so darf es nicht Wunder nehmen, wenn viele Probleme noch der Klärung bedürfen. Jedenfalls zeigen aber schon die bis- herigen Forschungsergebnisse, dass wir die alten zur Lehrmeinung gewordenen Anschauungen über die Bedeutung der einzelnen Nahrungsbestandteile in wichtigen Punkten ergänzen und aus- bauen müssen. Nur exakte tierexperimentelle und kritische klinische Studien werden die für die Ernährungslehre grund- legenden und praktisch so wichtigen Fragen nach der Bedeutung der akzessorischen Nährstoffe einer endgültigen Lösung näher bringen können, und die in unseren heutigen Ausführungen ver- 4” 52 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. tretenen Anschauungen sollen vorerst nur als Arbeitshypothese und als Grundlage für weitere Forschungen betrachtet werden. Kurze Literaturübersicht. (Eine ausführliche Zusammenstellung der hier interessierenden Literatur ‘findet sich in einer soeben erschienenen sehr lesenswerten Arbeit von Stepp, Ergeb. d. inn. Med. u. Kindhlk., Bd. 15, S. 257.) - Aron, Biochemie des Wachstums. Jena 1913. B.kl.W., 1914, Nr. 21; Mschr. f. Kindhlk., 13, 359. — Bickel, B.kl.W., 1917, S. 74. — Boruttau, D.m.W., 1915, Nr. 41. — Czerny und Kleinschmidt, Jb. f. Kindhlk., 86. — McCallum und Davis, Journ. biol. Chem., 14, 40; 15, 167; 19, 245; 20, 641; 21, 179. — Eijkmann, Virch. Arch., 148, 523 und 149, 187. — Freise, Goldschmidt und Frank, Mschr. f. Kindhlk., 13, 424. — Freise, Mschr. f. Kindhlk., 12, 685. — Freudenberg, Mschr. f. Kindhlk., 13, 141. — Funk, Die Vitamine, Wiesbaden 1914. — Goldschmidt, Arch. f. Ophth., 90, 354. — Holst und Fröhlich, Zschr. f. Hyg., 72, 155; 75, 334; Journ. of hyg., 7, 619. — Langstein und Edelstein, Zschr. f. Kindhlk., 16, 305. — Osborne und Mendel, Journ. of biol. chem,, 12, S1; 15, 167, 311; 16, 423; 17, 401; 20, 379; 24, 37. — Osuki, Bioch. Zschr., 65, 158. — Röhmann, Ueber künstliche Ernährung und Vitamine. Berlin 1916. — Stepp, Zschr. f. Biol., 57, 135, 59, 366; 62, 405; 66, 339 u. 365. D.m.W., 1913, Nr. 18. — Tachau, Biochem. Zschr., 65, 253. — ‚Usuki, Jb. f. Kindhlk., 72, 18. 2 S v1. Klinische Erfahrungen mit Tetrahydroatophan. Privatdozent Dr. Severin, Stabsarzt d. R. = M. H.! Sie erinnern sich vielleicht, dass ich ungefähr vor einem Jahre an einem klinischen Abend in der Vaterländischen Gesellschaft zwei Soldaten und zwar zwei Brüder mit Myotonia conpgenita, mit sogen. Thomsen’schen Krankheit vorstellte, die ich im Felde zur Untersuchung bekam und als felddienstunfähig in die Heimat entlassen hatte. An demselben Abend berichtete Herr Geheimrat Pohl über die physiologischen Wirkungen des Tetrahydroatophans!t), eines neuen, pharmakologisch hoch- interessanten Körpers. Er demonstrierte im Tierexperiment so- wohl beim Kalt- wie beim Warmblüter nach einer einmaligen Injektion einen Zustand, der auffällig an das Krankheitsbild der Myotonia congenita erinnerte. Das Tetrahydroatophan ist ein durch naszierenden Wasser- stoff gewonnenes Reduktionsprodukt des in der Gichttherapie wohlbekannten ‚und bewährten Atophans, der Phenylchinolin- karbonsäure. Dieses hydrierte Atophan ist ein weissgelbgefärbter, kristallinischer, wasserunlöslicher Körper. Beim Kaltblüter wird nach einer einmaligen Injektion von 5—20 mg das Tier bis 5 Wochen, beim Warmblüter nach einer Injektion von 150 mg ungefähr 24 Stunden krank. Die Tiere bieten in dieser Zeit ein eigentümliches Bild. Schon einige Stunden nach der Zufuhr des‘ Hydroatophans entwickelt sich eine hochgradige Steigerung der Reflexerregbarkeit von ungewöhnlicher Dauer: auf gröbere äussere Impulse hin, nach kräftigen Bewegungen tritt eine Dauerkon- traktion, ein Tetanus der in Aktion gesetzten Muskeln ein, so 2. B. Dauerstreckung der Extremitäten, Opistotonus usw. Doch genügt nicht, wie bei der Strychninvergiftung, die blosse Be- rührung des Tieres oder die Erschütterung seiner Unterlage, um diese Phänomene auszulösen. Man muss schon das Tier zu kräftigen aktiven oder passiven Bewegungen zwingen, um diese 1) Da es eine ganze Reihe von Hydroatophanen gibt, so betone ich, dass sich meine Ausführungen nur auf das von den Chemischen Werken Grenzach dargestellte und physiologisch geprüfte Tetra- hydroatophan beziehen. 54 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. tetanischen Dauerkontraktionen auszulösen. Nach einer kurzen Erholungszeit können "dieselben Muskelkontraktionen wieder von neuem zur Auslösung gebracht werden. Rührt man das Tier in der Ruhepause nicht an, so zeigt z. B. der Kaltblüter tagelang gar keine Abnormität, er liegt scheinbar normal, gesund da und macht sogar spontan kleine Bewegungen, die krampflos verlaufen, ähnlich wie bei der Myotonia congenita. Beim Kaltblüter, nicht beim Warmblüter, beobachtete Pohl nach der Muskelerschlaffung noch starke fibrilläre Zuckungen der gesamten Muskulatur. Dieser ganz eigenartige Zustand dauert beim Tier durch Tage bzw. Wochen an, um je nach der Höhe der einverleibten Dosis ent- weder mit einem Dauertetanus tödlich zu enden oder allmählich abklingend zu verschwinden. Diese durch Hydroatopban bewirkte Steigerung der Reflex- erregbarkeit, die tetanische Dauerkontraktion der Muskulatur, ist nach Geheimrat Pohl spinalen Ursprungs. Denn er konnte diese Erscheinungen noch nach hoher Rückenmarksdurchtrennung, nach Halsmarkdurchschneidung, beobachten und nach vorsichtiger Narkose zum Verschwinden bringen. Weiterhin spricht für den spinalen Angriffspunkt des Hydroatophbans nach Pohl die lumbale Injektion: wenige Minuten nach der Injektion tritt dieselbe Stei- gerung der Erregbarkeit mit tetanischer Streckung der unteren Extremitäten, nachfolgender Unerregbarkeit und alsbaldigem Wiedereintritt der Phänomene ein. Die Analyse der fibrillären Muskelzuckungen beim Kaltblüter lehrte, dass sie peripheren Ursprungs sind. Man kann also beim Tier vermittelst des Hydroatophans mit einer einmaligen Dosis einen Zustand erzeugen, der fast ähn- liche Erscheinungen aufweist wie die Myotonia congenita; nach genügender Ruhepause starke, sekundenlang andauernde, künst- lich durch kräftige Bewegungsimpulse auslösbare Muskelkontrak- tionen, ein Zustand, der beim Warmblüter stundenlang, beim Kaltblüter wochenlang bestehen kann. Diese im Tierexperiment durch Geheimrat Pohl beob- achteten interessanten physiologischen Wirkungen des Hydro- atophans!) mussten selbstverständlich zu seiner klinischen Anwendung und Erprobung auffordern und zwar bei den verschiedensten Erkrankungen des Zentralnervensystems, die mit- einer Herabsetzung der Reflexerregbarkeit einhergehen, so besonders bei allen Motilitätslähmungen auf Grund einer Er- krankung des Rückenmarks oder der peripheren Nerven. Wenn ich heute schon trotz eines kleinen klinischen Materials — die Beschaffung grosser Mengen des Mittels bereitete in der Kriegszeit grosse Schwierigkeiten durch die grosse Inanspruch- nahme der chemischen Fabriken — meine klinischen Erfahrungen über die Hydroatophanbehandlung mitteile, so veranlassen mich dazu die doch recht günstigen Resultate, die mit dem neuen Mittel schon erzielt wurden. 1) Näheres siehe Pohl: Die physiologischen Wirkungen des Hudız atophans. Zschr. f. exper. Path. u. Ther., 1917, Bd. 19. META RT PORL WER ED 5) N RRNELER NEE DIE ED DER TR RENNEN ULHAL PET > B Rn) = RE 2 “ ‘ \ N . 4 | Medizinische Sektion. II. Abteilung. 55 Was zunächst die Applikation angeht, so habe ich das Tetrahydroatophan beim Menschen ausschliesslich innerlich, per os, in Tablettenform gegeben. Was seine Dosierung angeht, so habe ich wegen der völligen Unkenntnis seiner Wirkung beim Menschen, ähnlich wie Tanquerel des Planches das Strychnin bei der Behandlung, von Lähmungen eingeführt und stets angewendet hat, das Hydro- atophan in meinem ersten Falle bei einem schweren Tabiker in allmählich steigenden Dosen bis zum Eintreten von Krampf- . zuständen gegeben. Ich begann vorsichtig mit 0,1 g pro die und erreichte ganz allmählich aufsteigend in 5 Wochen erst die Tagesdosis von 1g. In der 6. Woche bei einer Tagesdosis von’ 1,2 g traten dann die ersten Krampferscheinungen auf, nachdem der Patient in diesem Zeitraum fortlaufend im ganzen ungefähr 17 g des Mittels bekommen hatte. Nach dieser groben Orientierung habe ich dann folgende Dosierungsform gewählt: Begonnen wird mit O,1g. Die Dosis wird täglich um O,1g gesteigert, so dass schon nach 10 bis 12 Tagen 1—1,2g erreicht ist. Diese Dosis (5—6mal täglich 0,2 g) wird noch während weiter 8—10 Tagen fortgegeben. Nach- dem so. der Patient etwa 20 Tage hindurch regelmässig Tetra- hydroatophan gebraucht bat, wird das Mittel für 8—10 Tage aus- gesetzt, dann folgt. wieder derselbe Turnus. Aehnlich wie bei der Naunyn’schen!) subkutanen Strychninapplikation kann bei der zweiten und den späteren Serien sofort mit grösseren Dosen .0,2, 0.3, 0,4—0,5 begonnen werden. Meine klinischen Erfahrungen über die Wirkung des Hydroatophans erstreckten sich bis jetzt nur auf einen Fall von Tabes dorsalis und auf Fälle von peripheren Lähmungen: Poly- neuritis, Radialislähmung, postdiphtherische Lähmung, _ Oeso- phagusatonie. ; Eine sehr günstige Wirkung sah ich zunächst in einem Falle von Tabes dorsalis2), der klinisch seit Jahren das ausge- sprochene Bild des ataktischen Stadiums der Krankheit bot mit allen dazu gehörigen objektiven Symptomen. Besonders lästig empfand der Kranke ein starkes Spannurgsgefühl in der Bein- muskulatur. Beim Gehen hatte er das Gefühl, als wenn die Beine mit Gummibändern umschnürt seien, das den freien Gang stark behinderte. Ausser hochgradiger Ataxie bestanden jedoch keine eigentlichen Lähmungen oder Spasmen. Weiterhin bestand ein ausgesprochenes pelziges Gefühl der Unterextremitäten. Beim Gehen mit nackten Füssen hatte er dauernd das Empfinden, als wenn er auf Sammet ginge. Gefühl für spitz und stumpf, warm und kalt war erloschen. Im Verlauf der Behandlung mit Hydro- 1) Naunyn: Mitteilungen aus der Medizinischen Klinik zu Königs- berg, 1888. 2) Aehnlich günstige Resultate konnte Herr 0. Foerster aus der Nervenabteilung des Festungslazaretts Breslau bei zwei weiteren Fällen von Tabes dorsalis feststellen. Günstig beeinflusst wurde von ihm ferner ein Fall von myasthenischer Bulbärparalyse und ein Fall von Muskelatrophie infolge von Neuritis nach Malaria. 56 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. atophan verlor sich zuerst sehr bald das Spannungsgefühl in der Beinmuskulatur, das Gefühl des Eingeschnürtseins,. Das Aus- schreiten wurde freier und ungehinderter, der Gang leichter. Diese Besserung nahm während der weiteren Behandlung noch stetig zu. Die Ataxie blieb jedoch im wesentlichen unverändert. Nach einigen Wochen . der Behandlung verlor sich auch das pelzige Gefühl. Er spürte wieder deutlich den kalten oder warmen Fussboden unter seinen nackten Füssen. Dieser günstige - therapeutische Erfolg wurde ungefähr in 5—6 Wochen erreicht und blieb auch noch mehrere Monate nach Aussetzen. des Mittels bestehen. Von den Fällen mit peripheren Lähmungen möchte ich kurz folgende hervorheben: Zunächst einen Fall von Polyneuritis unbekannter Ur- sache. Bei der Aufnahme bestand motorische und sensible Läh- mung der Unterextremitäten mit Atrophien, Anästhesien, An- algesie, Thermanästhesie, Parästhesien, Fehlen der Reflexe, jedoch ohne komplette Entartungsreaktion, ferner motorische Schwäche der Bauch- und Oberextremitätenmuskulatur ohne Scnsibilitäts- störungen. Der Zustand bestand seit 1 Monat. Ich hatte hier die Bebandlung in den ersten 5 Tagen sofort mit hohen Dosen, mit 1g des Mittels pro die begonnen und nach 5tägiger Pause dieselbe mit täglich steigenden Dosen 4 Wochen lang fortgesetzt. Nach ungefähr 10tägiger Behandlung mit Hydroatophan schwanden zunächst die Sensibilitätsstörungen‘ der Unterextremitäten: das Gefühl für Berührung, Temperaturunterschiede kehrte zurück, dann der Fusssohlenreflex. Nach weiteren 8 Tagen gingen die motorischen Lähmungen der Beine allmählich zurück. Nach 4 Wochen machte Patient schon Gehversuche. Kurz vor dem Aussetzen des Mittels traten fibrilläre Muskelzuckungen der Ex- tremitäten auf. Auffallend war in diesem Falle die schrittweise fortschreitende Besserung bald nach Einsetzen der Hydroatophan- therapie ohne sonstige therapeutische Maassnahmen. In einem weiteren Falle handelte es sich um eine typische Radialislähmung infolge Tornisterriemendrucks mit pelzigem Gefühl im Radialisgebiet ohne Entartungsreaktion. In diesem Falle gab ich sofort grössere Dosen 4 mal 0,2 g pro die. Nach 4 Tagen trat auffällige Besserung, nach 6 Tagen fast völlige Heilung ein. In einem weiteren, aber schweren Falle von postdiphthe- rischer Lähmung mit motorischen Lähmungen der Arme und Beine und leichten Sensibilitätsstörungen an den Unterextremi- täten schwanden prompt nach 6tägiger Hydroatophanbehandlung die sensiblen Störungen. Im weiteren Verlaufe der Behandlung trat auch allmähliche Besserung der motorischen Lähmungen ein. Der Erfolg war hier nicht so eklatant, wie in den übrigen Fällen. Eine recht günstige Wirkung des Hydroatophans sah ich im letzten Falle, in einem Falle von Atonie oder Hypokinese der Speiseröhre. Seit 2 Jahren klagte der Patient nach einem im April 1916 erlittenen Sturz von 4 m Höhe und Verschüttung durch 2 Zentner schwere Säcke über erschwertes Schlingen, nach Medizinische Sektion. II. Abteilung. 57 _———— Genuss fester Speisen über stark brennende Schmerzen und Druck- gefühl kinter dem Sternum, über ein Gefühl des Steckenbleibens des Bissens in der Speiseröhre, das stets erst nach reichlichem Wassertrinken verschwand. Auch nach Genuss weicher Speisen bestand stets das Gefübl des Liegenbleibens des Breies im Oeso- phagus, jedoch ohne Schmerzen. Nur flüssige Speisen wurden beschwerdefrei genossen. Objektiv bestand normaler Sonden- befund, sogar ein leichtes Gleiten der Sonde. Die Diagnose wurde durch das Röntgenverfahren gestellt: Verlängerung der ösophagealen Schluckphase, Liegenbleiben der dünn- bis diek- breiigen Wismutmassen im Halse, in den Valleculae und Sinus piriformes, band- und streifenförmige Ausbreitung schon des ersten Wismutbissens über den ganzen Oesophagus und Liegen- bleiben desselben. Nach 3 Stunden erst war die Speiseröhre frei von Wismut. Trotz 2jähriger Behandlung war keine Besserung eingetreten. Nach 3 Hydroatophanserien gingen schon dünn- breiige Wismutmassen glatt- und restlos in kurzer, geschlossener Säule durch. Von ganz dickbreiigen Wismutmassen gehen jetzt bis 7 Bissen ebentalls prompt durch, erst der 8. Bissen bleibt haften. Dabei jedoch zeigt der Oesophagus im Röntgenbiid starke peristaltische Bewegungen, und nach 1/; Stunde schon ist der Bissen verschwunden, der Öesophagus leer. Dieser Fall steht noch in Behandlung; er illustriert auffällig die günstige Wir- kung des Hydroatophans auf die schon seit 2 Jahren bestehende hochgradige motorische Schwäche der Oesophagusmuskulatur. Das sind kurz meine klinischen Erfahrungen über die Wir- kung des Hydroatophans. Dauernden Nachteil von dem Mittel habe ich nicht geseben. Unangenehme, jedoch schnell vorübergehende Nebenwirkungen - sah ich nur in dem ersten Falle von Tabes dorsalis, bei dem das Mittel über 6 Wochen lang gegeben wurde, bis Krampf- zustände eintraten: und zwar Steifigkeit und Schwere der Zunge und der Beinmuskulatur, Schluckbeschwerden, sekundenlang dauernde tetanische Zuckungen in der Gesichts- und Oberarm- muskulatur bei aktiven Bewegungen, die in der ersten halben Stunde alle 2—3 Minuten, dann seltener auftraten und in 2 bis '3 Stunden sich ganz verloren. In der ersten Viertelstunde be- stand noch heftiges Angstgefühl, Unruhe, Atemnot, Puls- und Atembeschleunigung. Nach Aussetzen des Mittels gingen diese Nebenerscheinungeu in wenigen Stunden zurück. Bei richtiger Dosierung habe ich jedoch nie mehr solche unangenehmen Er- scheinungen gesehen. Das Tetrabydroatophan wirkt nach meinem kleinen klini- schen Material also günstig bei motorischen und sensiblen Lähmungen spinalen bzw. peripheren Ursprungs und zwar am besten in den Fällen, bei denen keine kompletten Para- Iysen, sondern stärkere und schwächere Paresen bestehen, d.h. also da, wo der Verkehr auf motorischen und sensiblen Bahnen nicht vollständig unterbrochen, sondern nur erschwert ist. In diesen Fällen ist eine bedeutende Beschleunigung der Besse- rung, des Rückgangs der motorischen Lähmungen und der Sen- ee A Bd er a ER ue ee Br, Fe TR: 2 SE gr na Ze ee 58 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. sibilitätsstörungen nicht zu verkennen. Auch die glatte Musku- latur ist der Einwirkung des Mittels unterworfen. Aebnlich wie wir beim Strychnin Besserung von Blasenlähmung sehen, so sahen wir in unserem Falle eine auffallende Beeinflussung der Oesophagusmuskulatur. Man muss sich vorstellen, dass auf den Bahnen, die zwar auf die physiologischen Reize noch nicht ansprechen, unter Hydroatophanwirkung Impulse infolge erhöhter Erregbarkeit der spinalen Ganglien doch wirksam werden, so dass die _ Muskeln zu einer Zeit, wo sie willkürlich sonst noch nicht be- wegt werden können, wieder in Tätigkeit treten. Ich hatte keine Gelegenheit, das Hydroatophan bei spasti- schen, also zentralen Lähmungen anzuwenden; möglicherweise wird es auch hierbei verwendbar sein und, so paradox es klingen mag, ähnlich dem Strychnin die Spasmen heruntersetzen, wenn man sich vorstellt, dass es die geschädigten reffexhemmenden zentralen Bahnen erregen kann (Naunyn |. c.). Unmittelbar könnte es noch zu einer Steigerung der Störung kommen durch Einwirkung auf die reflexvermittelnden Bahnen. Da aber die spastischen Lähmungen nicht als Reiz-, sondern als Ausfalls- erscheinungen aufzufassen sind, könnte bei einer unvollständigen Ausschaltung der refiexhemmenden Pyramidenbahnen das Hydro- atophan erregend auf diese einwirken und so die spastischen Lähmungen günstig beeinflussen. Hlerdurch fände die paradoxe Erscheinung ihre Erklärung!). Das Studium mit Hydroatophan bringt uns wieder in Er- innerung, dass man mit derartigen Mitteln, die die Erregbarkeit der spinalen Neurone steigern, bei mannigfachen Erkrankungen des Zentralnervensystems eine wertvolle Unterstützung der Thera- pie in Händen hat. Gegenüber der Wirkung des Strychnins sei noch die gleich eingangs erwähnte, auffallend lange Nachdauer der erhöhten Reflexerregbarkeit und der tetanischen Dauer- kontraktionen durch Hydroatophan, sowie seine Ungiftigkeit bei vorsichtiger Dosierung betont. Selbstverständlich ist erst an emem grossen klinischen Ma- terial — wenn uns eine genügende Menge des Mittels zur Ver- fügung steht — eine ganz genaue Analyse der Wirkung des Hydroatophans bei den einzelnen Erkrankungen des Zentral- nervensystems möglich. 1) Nachtrag: In letzter Zeit sah ich auffallend günstige Resultate in mehreren Fällen von spastischer Parese und -Blasenstörungen bei multipler Sklerose. Vo. Ein Fall primärer Magentuberkulose. x A Von 5 Oberarzt Dr. Rother, stellvertretender Sec.-Arzt. Die relative Seltenheit einer tuberkulösen Magenerkrankung, die nach dem Urteil des pathologischen Anatomen Thorel „eine Rarität am Sektionstische“ darstellt, rechtfertigt die Demonstration eines Falles, den ich kürzlich operiert habe. ‘ Es handelt sich um ein 26jähriges Mädchen, dessen Stiefvater und auch eine Stiefschwester an Lungentuberkulose starben, dessen Eltern und Geschwister jedoch noch leben und gesund sind. Sie selbst war in ihrer Jugend und auch späterhin niemals ernstlich krank, vornehmlish litt sie nicht an Halsdrüsen, hatte nie über Nacht- oder Tagschweisse zu klagen, kein Husten, kein Auswurf. Im Oktober 1916 musste sie im Anschluss an das Mittagbrot er- brechen, hatte jedoch in dem folgenden Vierteljahr keinerlei Magen- beschwerden. Erst Anfang 1917 bekam sie zeitweise nach dem Genuss von Fleisch und Brot Magendrücken. Diese Beschwerden nahmen bald an Stärke zu, so dass sie im Sommer 1917 Brot nur noch in ganz ge- ringen Mengen zu sich nehmen konnte. Erbrechen trat jedoch erst im März d. J. ein und zwar immer nach dem Genuss von Brot, Kartoffeln und Fleisch. Das Erbrochene war niemals schwarz oder blutig, roch indifferent. Die Schmerzen traten unmittelbar im Anschluss an die Nahrungsaufnahme ein und hielten 1/„—1 Stunde lang an. Während des letzten 1/, Jahres konnte sie nur noch geringe Mengen Schleimsuppe und Gries vertragen, alles andere erbrach sie. Bei dieser Lebensweise nahm sie innerhalb des letzten Vierteljahres 12 Pfund ab, im ganzen seit ihrer Erkrankung 20 Pfund. Stuhlgang war dauernd normal. Die Untersuchung der Pat. ergäb keine nachweisbaren Veränderungen der inneren Organe, insbesondere konnte an den Lungen klinisch und röntgenologisch keine Erkrankung festgestellt werden. An Haut und Schleimhäuten waren bei der Virgo intacta keinerlei Residuen einer luetischen Erkrankung zu sehen. Das Abdomen war weich, nirgends bestand Druckschmerzhaftigkeit, in der Magengegend war keine Resistenz zu tasten. Die Untersuchung des Mageninhalts nach Probefrühstück ergab Fehlen freier Salzsäure, Ges.- Acid. 12. Blut: — Uffelmann: —. Mikroskopisch fanden sich Pflanzen- reste, Stärke und Hefe. Die röntgenologische Durchleuchtung (Dr. Schiller) ergab folgenden Befund; Hakenmagen, tiefster Punkt in Nabelhöhle. Normale Peristaltik, ‚keine deutliche Antrumperistaltik. Zwischen Antrum und Bulbus duodeni eine schmale Brücke mit unregelmässiger Begrenzung. Bulbus duodeni nn. 60 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. dauernd gefüllt. Gute Entleerung des Magens. Kein umschriebener Druckpunkt am Magen oder Duodenum. Nach 5 Stunden nur noch ge- ringer Bodenbelag im Antrum. Baryum im Ileum und Colon ascendens. Auf Grund dieses Befundes wurde der Verdacht auf Ulkus der Regio praepylorica ausgesprochen, jedoch auch als Ursache der unregel- mässigen Begrenzung Spasmen dieser Gegend in Frage gezogen. Die Operation wurde auf Grund des Röntgenbildes beschlossen. Der Magen. liess sich ziemlich gut vorziehen. Aeusserlieh war zunächst gar nichts an ihm zu sehen. Die Serosa war spiegelglatt, nirgends war eine Narbe zu entdecken. Nur erschien der zunächst vorliegende Pylorus eigentümlich rot, ein Kontrast, der um so stärker wurde, je mehr man den prä- pylorischen bzw. kardialen Anteil hervorziehen konnte. Es zeigte sich dabei, dass etwa vom Pylorus an 10 cm oralwärts die ganze Magenwand von einer fammenden Röte eingenommen war, die sich deutlich von dem mehr grauweissen Farbenton des anderen Magenabschnittes unterschied. Die Grenze zwischen beiden war ganz scharf. In dem gefärbten Gebiet konnten einzelne Gefässe nicht unterschieden werden, sondern es war alles mehr diffus verwaschen. Diese Magenpartie fühlte sich zweifellos viel derber an als der übrige Abschnitt, ja man konnte an der grossen Kurvatur etwa an der Grenze der Verfärbung gegen die Kardia hin ein derbes Gebilde wie eine Narbe tasten, ferner honnte man das Duodenum wie den oralen Magenabschnitt gegen die beschriebene Partie einstülpen, wobei man am Pylorus einen ganz derben Ring zu tasten glaubte, während auch der kardiale Eingang in den geschilderten Abschnitt derber und verdickt erschien. Von einem Ulkus fühlte man aber nichts, Ver- wachsungen mit der Nachbarschaft bestanden nicht. Das Duodenum war mit einem leichten Pannus bedeckt, an der grossen Kurvatur lagen kranzförmig einige kleine Drüsen. Man konnte den Befund nicht recht deuten, hielt es aber für möglich, dass sich in diesem Bezirk ein Schleim- hautulkus finden könnte, deshalb wurde die hintere Anastomose be- schlossen und zwar natürlich ohne Pylorusverschluss, weil man ja über den Sitz des fraglichen Ulkus nichts Sicheres aussagen konnte. Als der Darm schon angenäht und der Magen eröffnet war, sah man sich auf einmal einem flachen, rillenförmigen Schleimhautgeschwür an der Hinter- wand und grossen Kurvatur gegenüber, das sich ziemlich weit pylorus- wärts zu erstrecken schien. Da die Anastomose in den Bereich des Geschwürs gefallen wäre, wurde die Resektion beschlossen. Die Ver- nähung der Stümpfe gelang sehr gut, es wurde die hintere Anastomose ausgeführt. Das Präparat stellte ein annähernd 10 cm langes Magenstück dar, dessen Schleimhaut hyperämisch geschwellt erschien. Die Wand war deutlich verdickt. Nahe der Schnittfläche am kardialen Teil sieht man auf der Schleimhaut ein mindestens einmarkstückgrosses flaches Geschwür mit speckigem Grund und teilweise unterminierten Rändern, in dessen Nachbarschaft die Schleimhaut leicht papilläre Erhebungen zeigt. Zwei ähnliche Geschwüre aber schmäler und ohne Exkreszenzen in der Nachbar- schaft,.finden sich auf. der Schleimhaut des Pylorus und ziehen sich, indem sie zwischen sich einen kleinen Zwischenraum lassen, ringförmig um ihn herum, so dass ungefähr ?/, seiner Zirkumferenz von ihm gebildet werden. Es war schon vor der Eröffnung des Magenlumens der Verdacht einer Tuberkulose ausgesprochen worden. Jetzt bei Einsichtnahme der Schleimhautverhältnisse drängte sich derselbe mit verdoppelter Stärke auf. = Di mikroskopische Untersuchung (Prof. Dr.Hanser) ergab folgenden efund: Die klinische Diagnose der Magentuberkulose konnte erst nach An- fertigung zahlreicher verschiedenen Stellen entnommener Schnitte be- stätigt werden. Die verschiedenen Schnitte geben im wesentlichen fol- gendes Bild: Medizinische Sektion. II. Abteilung. 61 Die makroskopisch feststellbaren Wulstungen der Schleimhaut treten histologisch in Erscheinung in der Form, dass breite, gut erhaltene, stärker sezernierende Schleimhautpartien abwechseln mit schmäleren Stellen, in denen bei starker entzündlicher Infiltration nur noch Reste der Drüsenelemente nachweisbar sind, und ferner Stellen, wo die Schleim- haut völlig fehlt und durch eine gefässreiche oberflächlich von reichlich Entzündungselementen bedeckten Granulationsschicht ersetzt ist. An solchen Stellen bestehen spaltförmige geschwürige Schleimhautein- senkungen. Der Rand solcher Einsenkungen enthält, wenn auch nicht: sehr deutlich, grössere Zellen, die als Epitheloidzellen gelten können, mithin die Annahme einer Tuberkulose stützen würden. Die Entzündung der. Schleimhaut ist an solchen Stellen besonders ausgesprochen und reicht über die sonst erhaltene, an diesen Stellen jedoch defekte Mus- cularis mucosae hinaus. Die Lymphfollikel sind deutlich vergrössert. Die bindegewebige Submukosa ist auffallend breit, um die Gefässe findet sich nicht spezifische kleinzellige Infiltration. Auch die Muskulatur ist breit. Ihre Interstitien sind überall in mässigem Grade kleinzellig in- filtriert. In ganz vereinzelten Präparaten kann nun an der Grenze zwischen Mukosa und Submukosa Knötchenbildung nachgewiesen werden. Diese besteht bei relativ scharfer Abgrenzung aus epitheloiden Zellen, in deren Mitte in einem der Präparate eine Riesenzelle nachweisbar ist. Nach diesem Befunde dürfte es wohl berechtigt sein, in gleicher Topo- graphie liegende, wenn auch nicht charakteristisch begrenzte Nekrosen als tuberkulös aufzufassen. Die Heilung verlief reaktionslos, Pat. konnte 3 Wochen p. o. ent- lassen werden mit einer Gewichtszunahme von 44,5 auf 46,0 kg. Heut, 3 Wochen später, hat sie laut brieflicher Mitteilung weitere 3 kg zuge- nommen. Der Appetit ist sehr gut, sie verträgt alles, nur nach dem Genuss von Fleisch hat sie Aufstossen. Im allgemeinen fühlt sie sich sehr wohl. Wie bereits im Anfang hervorgehobdn, stellt die Tuberkulose des Magens eine recht seltene Erkrankung dar. Simons fand unter 2000 Sektionen Tuberkulöser nur 8 mal tuberkulöse Magen- geschwüre und Glaubitt konnte unter 12528 Sektionen (zit. nach Brunner) der Kieler Klinik 47 Ulcera feststellen. Nach Alter und Geschlecht werden Personen unter 30 Jahren, hauptsächlich Frauen, betroffen. Die Erkrankung ist in den meisten Fällen eine sekundäre, eine Begleiterscheinung der Lungentuberkulose zusammen mit tuberkulöser Erkrankung des Darmes. Isolierte Magentuberkulose konnten Ricard und Öhevrier unter 107 Fällen von Magen- tuberkulosen nur 3 mal feststellen und bis 1913 stellte Nöllen- burg aus der Literatur 6 Fälle zusammen; Severin liess in diesem Jahre in einer Dissertation von Wahler den siebenten von Melchior operierten Fall veröffentlichen. — Die Infektion erfolgt auf 5 verschiedenen Wegen: per os, hämatogen, auf dem Lymphwege, durch Infektion von der Serosa her und schliesslich kommt die antiperistaltische Bewegung des Darmes in Frage (Zesas), die aus dem gleichzeitigen Vorhandensein von tuberkulösen Duodenalgeschwüren bei Magengeschwüren geschlossen wurde. Per os wird mit dem Sputum und mit der Nahrung der Tuberkelbazillus eingeführt. Es gelingt bei Tierversuchen, mit Milch und tuberkulösem Fleisch eine Magentuberkulose hervor- zurufen. Die häufigste Art beim Menschen ist die Infektion 62 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. durch. verschlucktes Sputum. Die normalen HClI-Mengen des Magens scheinen dem Eindringen des Tuberkelbazillus einen gewissen Widerstand entgegenzusetzen. Erst eine gewisse Funktionsherab- setzung der Magenschleimhaut, die sich in Achlorhydrie bzw. Hypochlorhydrie ausdrückt, and die in der Mehrzabl der Fälle bei tuberkulösen Individuen festgestellt wird, begünstigen die An- siedelung desTuberkelbazillus. Auch Epitheldefekte, kleine Erosionen auf katarrhalisch entzündeter atrophischer Schleimhaut, andere Ulzera bietendem Tuberkelbazillus Ansiedlungsbedingungen. Fürihre Seltenheit wird der Mangel an Follikeln angezogen, die im Darm den Sitz der Erkrankung bilden. Die Magentuberkulose tritt in drei Formen auf: 1. als tuber- kulöses Geschwür. Dieses tritt meist solitär, jedoch auch multipel auf, und Gossmann konnte bis 14 Geschwüre feststellen. Ihre Grösse schwankt zwischen Stecknadelkopf- und Handtellergrösse. Der Lieblingssitz ist die Gegend des Pylorus und in der Nähe der grossen Kurvatur. Makroskopisch erscheinen sie meist rund mit etwas erhabenen derben Rändern, die etwas unterminiert er- scheinen. Die Basis des Geschwürs ist granuliert, graurot, mit weiss-rötlichen Knötchen bedeckt, in denen mikroskopisch grössere epitheloide Zellen, zuweilen Riesenzellen und Tuberkelbazillen gefunden werden. Sie nehmen die Mukosa und Submukosa ein, und ihr Boden erreicht manchmal die Muskularis des Magens. An den Gefässen finden sich oft entarteriitische und endophlebi- tische Prozesse. Neben der rein ulzerösen Form unterscheidet man 2. die hypertrophische (nach Poncet-Leriche) und die fibröse Form, von der man wieder zwei Untertypen unterscheiden kann, je nachdem das Epithel oder die Mukosa betroffen ist: durch die epitheliale Reizung entsteht eine adenomatöse Proliferation, durch die submuköse eine zirkumskripte oder diffuse Infiltration. Alle dıei Typen, besonders die beiden letzten, können mit Stenosen- .bildung einhergeheu. Die Folgeerscheinungan der Stenosenbildung gehören zu den hauptsächlichsten Symptomen des Ulkus, tragen jedoch, wie alle übrigen, gegenüber dem gewöhnlichen Uleus callosum oder dem Karzinom keinen spezifischen Charakter. Hier wie da treten Schmerzen auf, die entweder in direktem Zu- sammenhange mit der Nahrungsaufnahme stehen oder auch un- abhängig von dieser auftreten können. Allmählich tritt Er- brechen auf mit seinen drei von der Entwicklung der Stenose abhängigen Phasen, die Ricard und Chevrier als Erbrechen infolge Ueberladung, das ‘bald nach dem Essen sich einstellt, zweitens als Vomissement reactionel, das weniger Zusammenhang mit dem Essen hat und zu jeder Tageszeit auftreten kann, und drittens als Vomissement par trop-plein zeichnen, das seltener, aber alle 2—3 Tage mit üblem Geruch sich einstellt. — Hämatemesis war unter 147 von Arloing gesammelten Fällen 13 mal eingetreten. Als charakteristisch für die tuberkulöse Stenose wird Diar- rhoe genannt, die jedoch in manchen Fällen fehlt, oder an deren Stelle Obstipation steht. Ebenso steht es mit dem Magenchemismus. Betont wird das Vorhandensein von unterwertigen oder ganz Medizinische Sektion. II. Abteilung. 63 fehlenden Salzsäuremengen, jedoch findet Brunner z. B. unter 9 Fällen von tuberkulösem Magenulkus -4mal freie HCl, 3mal Fehlen derselben, in einem Falle Hypersekretion und Hyper- chlorhydrie, 3mal war die Milchsäureproduktion —+, und für Kar- zinom sprechende Anazidität 4 Milchsäure fand sich in 2 Fällen. Aus allen diesen angeführten Symptomen lässt sich kein charakteristisches Bild aufbauen, aus dem die Diagnose tuber- kulöses Ulkus mit Sicherheit hervorgeht. Ricard und Chevrier kommen zu dem Resultat, dass es zuverlässige Zeichen nicht gibt, jedoch einige Symptome, die die Diagnose wahrscheinlich machen. Sie nennen als erstes Diarrhoe, dann die Existenz multipler geschwollener Drüsen, die den Charakter tuberkulöser Drüsen zeigen und schliesslich das Blutbild, dem jedoch nach Lieblein (Brunner) keine maassgebende Bedeutung beikommt. Die Tuberkulininpjektion, für die Petruschky warm eintritt, und die durch Temperaturanstieg, lokale Reaktion, Verschwinden der Magensymptome bei Abwesenheit klinischer Lungenerschei- nungen die Spezifizität des Prozesses erweisen soll, wird ebenso scharf von anderen (Öurschmann) zurückgewiesen, da eine zu starke Lokalreaktion die Gefahr eines Zerfalls des Ulkus und konsekutive Peritonitis heraufbeschwören kann. Abgesehen davon, dass irgend ein latenter Herd im Organismus jenen Ausschlag von Temperaturerhöhung usw. zeitigen kann. Wenn ich noch das Röntgenbild ins Auge fasse, vermag uns dieses wohl über Sitz und Ausdehnung einer Magenaffektion Auf- schluss zu geben, auch die Spezifizität lässt sich, was das Karzinom anbelangt, an dem optischen Bilde erkennen, jedoch für das Er- kennen eines tuberkulösen Ulkus haben wir bisher keine Anhalts- punkte. Diese Schwierigkeit der Diagnose ist noch nicht beim aut- optischen Befunde überwunden, wie dies der Fall Lipscher’s lehrt, bei dem Kliniker, Chirurg und bei der Sektion der patho- logische Anatom die Diagnose Karzinom stellten, erst die mikro- skopische Untersuchung stellte Tuberkulose fest. Differentialdiagnostisch kommen ausser Ulcus simplex, kallösem Ulkus, Karzinom andere Neoplasmen seltener in Frage. Dagegen kann auch Lues des Magens in Betracht kommen: als Voraus- setzung dafür wird man die Anamnese nach dieser Richtung hin erhärten müssen. Der makroskopische Befund wird meist alle 3 Stadien syphilitischer Gummen feststellen können, flache rund- liche bis ovuläre Knoten, ulzerierte Gummen, bei denen der Substanzverlust der Schleimhaut kleiner ist als der des suüb- mukösen Lagers, und endlich das dritte Stadium der Vernarbung, das man nach Chiari aber nur dann als syphilitisch deuten kann, wenn man es unter anderen unzweifelhaften gummösen Herden findet. Mikroskopisch wird die charakteristische Beteiligung der Gefässe, die kleinzellige Infiltration um dieselben herum, die Ver- dickung bis zur vollständigen Obliteration den Ausschlag geben. Die Therapie wird sich in den Fällen, die mit anderen tuberkulösen Erscheinungen kombiniert sind, nach dem Zustand des Patienten richten, konservativ oder operativ. Im übrigen 64 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. werden dabei die Gesichtspunkte für die Beekndlung des gewöhn- lichen Ulkus bzw. des Karzinoms zur Glurtung kmmen. Die Operation wird zum Ziele Ausschaltung desb aholetuösen Herdes haben, also die Resektion; gelingt diese nicht wegen ausgedehnter Verwachsungen, zahlreicher Drüsenpakete im Mesenterium, so kommt die Gastroenterostomie in Frage, die wenigstens um einiges die Prognose bessern kann. Stelle ich noch kurz retrospektiv unseren Fall diesen allge- meinen Ausführungen gegenüber, so wird zunächst festgestellt, dass es sich bei der 26jährigen Patientin um eine primäre Magentuberkulose handelte, deren Genese unklar geblieben ist. Sie hat sich langsam entwickelt und zu erheblichen Magen- beschwerden geführt bei verhältnismässig geringer Ausdehnung des objektiven Befundes. Die diagnostischen Hilfsmittel wiesen wohl den Weg, wenigstens verdachtsweise, auf Magengeschwür. An eine Spezifizität des Prozesses konnte jedoch um so weniger gedacht werden, als alle Hinweise auf Tuberkulose fehlten: tuber- kulöse Komplikationen, Diarrhoen, Bluterbrechen. Die endgültige Entscheidung des tuberkulösen Charakters brachte die histo- logische Untersuchung, die das Vorhandensein typischer Knötchen erwies, die relativ scharf abgegrenzt aus epitheloiden Zellen be- standen. In einem dieser Knötchen wurde eine Riesenzelle nach- gewiesen. Der Form nach war es ein tuberkulöses Ulkus, das in der Reihe der bisher veröffentlichten Fälle von primärer Magentuberkulose als 8. Fall figuriert. Literatur. Brunner: Tuberkulose, Aktinomykose, Syphilis des Magendarm- kanals. Dtsch. Chir., Bd. 46. — Tappeiner: Tuberkulöse Pylorus- stenose. Bruns’ Beitr., Bd. 66. — Keller: Zur Pathogenese und Therapie der Magentuberkulose. Bruns’ Beitr., Bd. 88. — Nöllen- burg: Ein Beitrag zur Tumorform der Magentuberkulose. Bruns’ Beitr., Bd. 99. — Brade: Demonstration eines Falles von Magentuberkulose. B.kl.W., 1910. — Melchior: Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. 1913, Bd. 26, H. 2. — Alexander: Arch. f. klin. Med., 1906, Bd. 86. — Petruschky: Zur Diagnose und Therapie des primären Uleus ventr. tubereul. D.m.W., 1899, Nr. 24. — Simmonds: Ueber Tuber- kulose des Magens. M.m.W., 1900, 5. 317. — Curschmann: Klinischer Beitrag zur Tuberkulose des Magens. Brauer’s Beitr. Tbe., Bd. 2, H. 2. — Ruge: Ueber primäre Magentuberkulose. Beitr. z. Klin. d. Tbe., Bd. 3, H. 3. — Orth: Experimentelle Untersuchung über Fütterungs- tuberkulose. Virch. Arch., 1879; S. 217. — Thoret: Fünf Fälle von Magentuberkulose. Festschrift des neuen Krankenhauses in Nürnberg, 1398. — Gossmann: Ueber das tuberkulöse Magengeschwür. Mitt. Grenzgeb. 1913, Bd. 26. — Zesas: Die Tuberkulose des Magens. Zbl. f. d. Grenzgeb. des Kieler pathol. Instituts, 1913, Bd. 16. — Pfanner: Kasuistischer Beitrag zur Kenntnis der tuberkulösen Pylorusstenose. Mitt. Grenzgeb., 1914. — Simon: Magentuberkulose. Med. Sekt d. schles. Gesellsch. f. vaterl. Kultur, 1914. — Schlesinger: Die Pylorus- tuberkulose und der tuberkulöse Wandabszess des Magens. M.m.W., 1914. — Severin: Pylorusstenose mit Magenektasie infolge primärer Magentuberkulose. B.kl.W., 1917, Nr. 50. N } N BE Zus HL U as Aa ha TaN LP lan Ar ae n 5 cl Ya zul, vn. Kriegskost und Körperkraft. Von Geh. Sanitätsrat Prof. Dr. Georg Rosenfeld. Wohl alle Menschen werden ihr Urteil über die een liche Beschaffenheit der Deutschen nach dem subjektiven Ein- drucke, den die blassen Wangen und die abgemagerten Figuren vieler Landsleute machen, bilden und ungünstig formieren. Denn Blässe und Abmagerung sind in Friedenszeiten ja krankhafte Symptome gewesen — und mit Recht: denn wer in Vollernährung wie in Friedenszeiten ist und dabei abnimmt, ist krank: das darf als richtig gelten. Ganz anders aber in Unterernährung: wer unter solchen Umständen blass und mager wird, der wird das ganz physiologischerweise — der ist nicht krank. Immerhin ist es schwer genug, die Mitwelt von diesem ungünstigen Urteil über die Gesundheit des deutschen Volkes abzubringen. „Unter- ernährung“ wird einem entgegengehalten — als ob das bei den so überfütterten Deutschen ein Malheur wäre — und selbst die Aerzte rechnen alles und jedes als bedrohliches Symptom auf. Wir haben aber ein Mittel, diesen Pessimismus durchaus abzu- wehren, — und das ist die Betrachtung der statistischen Zahlen des städtischen statistischen Amtes über die Lebens- und Sterbe- verhältnisse. Sie haben uns gezeigt, dass in der weiblichen Be- völkerung — denn nur an ihr, die ungefähr dieselbe wie in Friedenszeiten geblieben ist, können Vergleiche der Friedens- und Kriegszeiten angestellt werden — fast alleKrankheiten in denKriegs- jahren weniger Todesfälle gezeitigt haben als im Frieden. Und zwar sind vermindert‘(oder gleichhoch) die Todesfälle an Infektions- krankheiten, wie Masern, Scharlach, Rose, Blutvergiftung, Keuch- husten, Typhus, Gelenkrheumatismus, Brechdurchfall, Lungen- entzündung. 1915/16 hatten wir eine mässige Diphtheritisepidemie. Die Erkrankungen der inneren Organe sind viel weniger tödlich gewesen: Leberkrankheiten, Blinddarmentzündung, Nieren- und andere Harnerkrankungen, Herz- und Gefässkrankheiten, Atmungskrankheiten; gleichgeblieben Lungenentzündung. Die Stoffwechselkrankheiten sind vermindert: Paidatrophie, ja Diabetes, trotz der jetzigen Unmöglichkeit einer richtigen Diät. Schlesische Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 1918. II. 5 66 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Naturgemäss sind die vom zwangsmässig verringerten Alkohol- verbrauch abhängenden Erscheinungen: Alkoholismus, Krämpfe und Nervenleiden, Selbstmord an Zahl geringer geworden. Auch die schweren Hautkrankheiten haben weniger Opfer gefordert trotz der erschwerten Hautpflege — und merkwürdiger- weise auch Krebs und andere Neubildungen. Wie die letztere Tatsache zu deuten ist, hängt wohl mit der Tatsache zusammen, dass die karzinomfähigeren alten Leute, die zahlreicher gestorben sind, die Zahl der Krebse vermindert haben. Vermehrt hat sich die Sterblichkeit lediglich bei den Greisen und Greisinnen und den Tuberkulösen, freilich in sehr bedeu- tendem Maasse bei beiden Gruppen. So steht ein statisches objektives und durchaus günstiges Bild unseres Gesundheitszustandes dem eingangs berichteten sub- jektiven Eindruck gegenüber. Diese Zahlen sind am einfachsteu an den Ziffern der Todesfälle zu erkennen, wenn wir die gesamten Zahlen nehmen und sie in Mille auf die weibliche Bevölkerung ausdrücken. 190 2, 210g 16,84 pM. 1918. .....4866 16,6 „ 1314 2.5004 100,5 1915.22... 2.4805 161; 1916... An 2 160, 1917 5170 IT Man sieht also, wie sich die absoluten Todeszahlen 1915 und 1916 senken, wie aber wieder 1917 eine Erhöhung über das Niveau 1914 eintritt. Dasselbe drückt sich in den Millezahlen aus, die 1915 und 1916 um ebensoviel unter die niedrigste Friedenszahl herabgehen, wie 1917 sich über 1914 erhebt. Dass diese letzte Zahl aber nur durch die Todesfälle an Tuberkulose und Altersschwäche gehoben ist, sehen wir an den Sterblichkeitszahlen ohne Alters- und Tuberkulosetote. absolut pM. 1912.02... 24014 13,8 1913 2. 0.4091 13,8 1914 252 2151 14,1 1915. 2220228821 12,3 191622 222° .2,.53029 12,5 LIE 0,00 .2.0.2803865 13,2 In diesen Verhältniszahlen haben wir den klarsten Ausdruck für die vorteilhafte Gestaltung des Gesundheitszustandes: unter Berücksichtigung der Schwankungen in der Zahl der weiblichen Bevölkerung sehen wir in den niedrigen Verhältniszahlen die Tatsache ausgedrückt, dass bis auf Senium und Tuberkulose alle Krankheiten an Tödlichkeit verloren haben- Unsere Bevölkerung ist eben bei aller Unterernährung gesünder geworden und die grosse Angst um die Unterernährung hat sich als müssig er- wiesen. Ja eigentlich zeigen diese Vergleiche, dass im Gegenteil die Ueberernährung der Friedenszeit eine grössere Gefährdung des Lebens darstellt als die Kostknappheit der Kriegsjahre! - da re Fe N a 7: Medizinische Sektion. II. Abteilung. 67 Einen weiteren Einblick in den Gesundheitszustand gestatten uns neben den Sterblichkeitszahlen die Erkrankungszahlen der Bevölkerung. Wir können uns wohl an dem Zahlenwerk des ersten Krankenkassenverbandes mit seinen grossen Mitgliederziffern von etwa 140 000 genügen lassen. Die Erkrankungszahlen betrugen: 1914 1915 1916 1917 absolut: 115565 103247 115774 123563 pCt.: 116,05 106,54 114,65 120,93 Während also im 1. Kriegsvolljahre die Erkrankungen ab- solut und prozentual einen erheblichen Rückgang zeigten, der zum Teil wohl auf die reichliche Arbeitsgelegenheit im Gegensatz zur früheren Arbeitsknappheit beruhte, ist nachher die Erkran- kungszahl gestiegen. Da spielen nun zwei Umstände eine grosse Rolle. Erstens ist die Zahl der weiblichen Mitglieder mächtig angestiegen, die der männlichen gesunken. Und die weiblichen Mitglieder haben stets schon im Frieden eine grössere Erkran- kungsziffer aufgewiesen und stehen jetzt unter noch ungünstigeren Arbeitsbedingungen wie vorher. Nun einerseits legt ihnen die Erschwerung der Nahrungsbesorgung ein wesentliches Mehr von Arbeit auf — andererseits haben sie viel seelische Not und Sorge um Angehörige durch den Krieg zu ertragen. Und nicht zuletzt kommen die vielen Gesundheitsgefährdungen dazu, die die Frauen durch Uebernahme so vieler Männerberufe auf sich genommen haben: das Fahren der elektrischen Bahnwagen bei jeder Witte- rung, das Geleiten der Eisenbahnzüge bei allen Unbilden des Wetters u. a. m., das sind Schädlichkeiten, denen die Frauen früher nicht ausgesetzt gewesen sind. Das lässt die Erhöhung der weilichen Krankheitsfälle verstehen. Zweitens aber sind andererseits auch die männlichen Mitglieder kränker als früher, weil sich viele aus dem Krieg beschädigt zurückgekehrte unter ihnen befinden und. die Erkrankungszahlen erhöhen. Damit wird die ganze Zunahme der Jahre 1916 und 17 zwar durch die Schä- digungen des Körpers durchaus begreiflich, aber sie stellt sich nicht als ein Zeichen durch die Kostknappheit gestörter Gesund- _ heit der Bevölkerung dar. Nun wird noch vielfach der Kost nachgesagt, dass sie die Kraft und die Ausdauer der Bevölkerung vermindere. Die einfachste Beobachtung unseres Lebens widerlegt zwar diese Ansicht: denn wir haben ja fast alle ein gewaltig gesteigertes Maass von Arbeit zu leisten und vollbringen schon 4 Jahre die Aufgabe, ohne zu ermatten. Wer hat früher je Frauen bei der schweren Kohleabladearbeit, Kinder beim Bewegen so erheblicher Lasten ge- sehen! Man sollte meinen, all dies gäbe einen genügenden Beweis für das Erhaltensein der Körperkraft unserer Bevölkerung. Wem aber damit noch nicht schlüssiges Material genug ge- boten ist, dem möge über sportliche Veranstaltungen unserer Bevölkerung berichtet werden, die eine noch hellere objektive Beleuchtung ergeben. Die subjektiven Urteile sind darüber schwankend: der eine, der Leiter unseres Turnwesens der älteren 5* 68 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Qultur. Riegen, gab mir den Bescheid, dass keinerlei Unterschied gegen - früber zu sehen sei, ein anderer unserer Turnobersten meinte, dass bei ernsthaften Anstrengungen ein Versagen doch zu- be- fürchten sei: also bei hypothetischen Voraussetzungen eine pessi- mistische, bei Betrachtung der tatsächlichen Leistungen eine optimistische Beurteilung. Immerhin gab der vom Sportklub Schlesien vor kurzem : an- geregte Armeegepäckmarsch unserer Jungmannschaften eine gute Gelegenheit, die Frage objektiv zu beurteilen. Er erstreckte sich über 221/, Kilometer und wurde von einer grossen Zahl Jung- mannen, d. h. unter Kriegsernährung stehender Jünglinge, be- stritten. Der 1. Sieger brauchte zur Ueberwindung dieser Auf- gabe 2 Stunden und 42 Minuten. Es waren das zwar 6 Minuten mehr als im Jahre 1916, aber die Verhältnisse waren auch andere als vor zwei Jahren. Damals waren aus ganz Deutsch- land die besten Geher unter den Jungmannen zusammengesucht, um so einen besseren Sport zuwege zu bringen. In diesem Jahre waren nur schlesische Jungmannen an dem Wettstreit beteiligt. So ist der geringe Unterschied, der an sich nicht wichtig ist, durch die Einengung des Konkurrentenkreises verständlich. Es hat also das 4. Kriegsjahr kein wesentliches Nachlassen der Kraft im Sport unter den Ernährungsverhältnissen der Zivil- bevölkerung — unter denen ja die Jungmannen stehen — ge- zeigt, denn 7 Minuten 12 Sekunden Marschzeit mit Belastung für 1 Kilometer ist bei 22,5 Kilometer langem Wege eine durchaus annehmbare Leistung. Von. besonderem Wert wird dieser Erfolg, wenn man nun noch den Körperzustand in Betracht zieht, in dem diese jungen Leute durchs Ziel gingen. Sie kamen wohl zum Teil mit ge- röteten Gesichtern und tüchtig durchschwitzt an, aber bei keinem einzigen fand sich eine unregelmässige, aussetzende Herztätigkeit. Einige hatten ja, wie das immer kommt, den Wettstreit unter- wegs aufgegeben, einige weil sie vielleicht wirklich nicht mehr weiter konnten — so zwei sehr kleine 16jährige Jungmannen —, andere weil sie die Ueberflügelung durch die Sieger um ihre Energie gebracht hatte. Von hervorragender Bedeutung waren die Ergebnisse der Urinuntersuchung. Seit den Leube’schen Studien an Soldaten nach dem Marsche. wonach sich in einem erheblichen Prozent- satze der Untersuchten Eiweiss im Harn zeigte, ist diese Beob- achtung ungezählte Male bestätigt worden. Oft waren 20—30 pCt. der Beteiligten albuminurisch geworden, und die Höhe des Eiweiss- gehaltes war nicht selten auf 0,1 pCt. angegeben. Dabei hatte sich auch ein mikroskopischer Befund an Zylindern und anderen Nierenreizungszeichen feststellen lassen. In unserer Beobachtung des Marsches waren 51 Teilnehmer untersucht worden. Dabei hatte sich nur in einem Falle eine irgendwie grössere Biweiss- ausscheidung gefunden, und zwar bei einem Bewerber, der schon vor dem Marsche Eiweiss aufgewiesen hatte. In vier weiteren Fällen waren noch Spuren von Eiweiss mit der Heller’schen Ueberschichtungsprobe zu finden. Alle übrigen Urine waren mit Li Klsaniyn 4 2 E '% E “ E BE ET NEL u eh ua Baar In na Ge F De 5 We N u % ERLERNT 5. Mr Peer SR TTER gi aa & RR 5 al 2 Medizinische Sektion. II. Abteilung. 69 der Koch’schen und der Heller’schen Probe eiweissfrei, also unter Anwendung der sonst betätigten Methoden. ‘ Nur auf Salizylsulfosäure zeigte eine grössere Zahl Teil- nehmer noch die mit diesem Verfahren eben nachweisbar mini- malen Spuren mit diesem und mit dem Jolles’schen Reagens. Dabei ist mikroskopisch nichts Patbologisches zu finden gewesen. Bei der Ueberteinheit dieser Reagentien spielen diese Minima an sich keine Rolle, können aber gewiss, da bei anderen Beob- achtungen nicht angewandt, Vergleiche nicht ermöglichen. Ver- gleichen wir nun unsere Beobachtung mit denen anderer Autoren (bei gleichen Reagentien), so ergibt sich, dass eine sehr viel ge- ringere Prozentzahl an Albuminurien dem Breslauer Marsch ge- folgt sind. Es darf dabei vielleicht als Hilfsmoment angesehen werden, dass ja doch die Ernährung der Wettbewerber eine typisch nierenschonende war: denn ganz Deutschland kann jetzt annähernd als Nierensanatorium mitRücksicht auf seine Kost angesehen werden. Jedenfalls können wir unsere Betrachtungen dahin zusammen- fassen, dass die Kriegskost die Widerstandsfähigkeit des Volkes weder gegen die überwiegende Mehrzahl der Krankheiten — siehe die günstigen Sterbestatistiken — noch gegen Erkrankungen — wie man wohl aus den Krankenkassenzahlen schliessen darf — noch gegen Anstrengungen — siehe die geringe Zahl von Albumin- urien — in irgendeinem erkennbaren Maasse herabgesetzt hat. IX. Suggestibilität, psychogene Reaktion und hysterischer Charakter‘). Prof. Dr. Bumke, Direktor der psychiatrischen und Nervenklinik in Breslau. Alle funktionellen Psychosen besitzen insofern Beziehungen zueinander, als sie demselben Boden, der normalen Psyche ent- stammen. Ihre Symptome müssen lediglich als quantitative Steigerungen normaler seelischer Eigenschaften aufgefasst werden. Dementsprechend bleiben diese Krankheitserscheinungen — im Gegensatz zu denen der organischen Störungen — dem Gesunden psychologisch stets verständlich. Ja in vielen Uebergangsfällen lässt sich eine scharfe Grenze zwischen Gesund und Krank über- haupt nicht ziehen. Ebensowenig aber ist auf diesem Gebiete eine scharfe Trennung der einzelnen Krankheitsformen möglich. Manische, melancholische, paranoide und hysterische Einzelsym- ptome treten zu allen möglichen Verbindungen zusammen, und reine Typen sind verhältnismässig selten. Aus diesem Grunde müssen auch zwischen der psychogenen Reaktion und dem hysterischen Charakter Beziehungen bestehen. Aber diese Beziehungen sind nicht viel inniger als die zwischen den übrigen funktionellen Psychosen auch, und insofern ist der Versuch gerechtfertigt, den Typus der psychogenen Reaktion dem des hysterischen Charakters möglichst scharf gegenüber zu stellen. Die psychogene Reaktion knüpft an die normale Sug- gestibilität an. Diese ist viel grösser, als man gemeinhin glaubt. Empfindungen, Bewegungen und sogar Reflexvorgänge (Milehsekretion, Menstruation, die Tätigkeit des Magens, der Blase usw.) lassen sich bei sehr vielen Menschen beeinflussen, und die Suggestibilität von Ueberzeugungen, Gefühlen und Stimmungen steht erst recht ausser Zweifel. Insofern hat die gelegentlich aufgestellte Behauptung, wir seien alle etwas hy- sterisch (Moebius), eben so recht wie die andere, nach der es eine Krankheit Hysterie überhaupt nicht gibt (Hoche), voraus- gesetzt nämlich, dass man unter Hysterie eben nichts als eine 1) Eine ausführliche Darstellung erscheint demnächst in einem Buche des Verfassers: „Die Diagnose der Geisteskrankheiten.“ ! EB a er iin. da « FINE 1} N OL Medizinische Sektion. II. Abteilung. 71 pathologisch verstärkte Suggestibilität versteht. Das Maass dieser Beeinflussbarkeit ist nicht nur individuell verschieden, sondern hängt auch von äusseren Umständen und von der jeweiligen körperlichen Verfassung des einzelnen ab. Darauf beruhen die psychogenen Erscheinungen im Beginn mancher organischer Ge- hirnkrankheiten, nach gewissen Vergiftungen und Infektionen, so- wie endlich im Gefolge seelisch erschütternder Ereignisse. Auch der namentlich während des Krieges erneut vorgenommene Versuch, eine besondere „Wunschhysterie“ abzugrenzen, ist nicht gelungen. Zweifellos steht häufig hinter den psychogenen Sym- ptomen der eingestandene oder nicht eingestandene Wunsch, einen Vorteil (Rente) zu erreichen oder eine unbequeme Situation (Schützengraben) zu vermeiden. Aber in manchen anderen Fällen wirkt die Befürchtung, dass ein Symptom eintreten könnte, ebenso, und entscheidend ist immer nur die Erwartung. Im ganzen liegen diese Verhältnisse viel verwickelter, als sich mit den Mitteln der täglichen Umgangssprache überhaupt ausdrücken lässt. Oft wohnen die Absicht, gesund zu werden, und der Wunsch, die Vorteile des Krankseins weiter zu geniessen, in demselben Bewusstsein neben- einander, und dann kommt es darauf an,. welcher von beiden Willen der stärkere ist. Deshalb ist die Abgrenzung der psycho- genen Reaktion von der Simulation in manchen Fällen schlechterdings unmöglich. Zu beachten ist aber auch hierbei, dass die Suggestibilität auch solche Mechanismen in Betrieb zu setzen oder zu stören vermag, die willkürlich nicht beeinflusst werden können; das erlaubt uns gelegentlich, die Annahme einer reinen Simulation : von vornherein auszuschliessen. Aus demselben Grund wird andererseits auch die Abgrenzung von der neurasthenischen Re- aktion grundsätzlich schwierig und in manchem Einzelfall un- möglich. Ob ein Weinkrampf, ein Durchfall, eine Pulsbeschleuni- gung und dergl. als psychogen oder neurasthenisch angesehen werden müssen, lässt sich aus dem Symptom allein niemals schliessen, und auch die Analyse der Gesamtpersönlichkeit wird uns in dieser Hinsicht häufig nicht fördern. Während es sich also bei dem psychogenen Symptom stets um eine im Prinzip ausgleichbare und -prognostisch somit günstig za beurteilende Störung handelt, ist die Krankheit „Hysterie“ ein sehr ernstes Leiden, das zwar seine Erscheinungen proteus- artig wechselt, im ganzen aber jeder Therapie trotzt und nur scheinbar vorübergehend heilt. Hier handelt es sich um eine Erkrankung der gesamten Persönlichkeit, eine Konstitutions- anomalie, die mit anderen Formen der psychopathischen Anlage durch zahllose Uebergänge verbunden ist und vielen von ihnen _ einzelne ihrer Symptome leiht, die aber wie alle funktionellen Formen gelegentlich auch einmal verhältnismässig rein auftritt und dann wenigstens die meisten überhaupt vorkommenden hysterischen Charakterzüge in einem Individuum vereingt. Jaspers hat das Wesen des hysterischen Charakters auf die Formel zu bringen versucht: „Anstatt sich mit den ihr gegebenen 12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Anlagen und Lebensmöglichkeiten zu bescheiden, hat die hy- sterische Persönlichkeit das Bedürfnis, vor sich und anderen mehr zu erscheinen, als sie ist, mehr zu erleben, als sie er- lebnisfähig ist.“ Wir werden diese Definition durch den Hin- weis auf die Labilität der Affekte, das Ueberwuchern der Phan- tasietätigkeit, die Unwahrhaftigkeit, den Eigensinn, den Egois- mus, die gesteigerte Suggestibilität und nicht zuletzt auf die Insuffizienz dem wirklichen Leben gegenüber (vgl. die „Problema- tischen Naturen* Goethe’s!) noch ergänzen müssen. Aber sie ist zweifellos die beste, die bis heute gegeben werden kann. Die Grundabsicht des Hysterischen, etwas zu erleben und nach aussen Beachtung zu erzwingen, erklärt, weshalb manche Patienten eine ausgesprochene hypochondrische Tendenz zeigen und gelegentlich auch psychogene Lähmungen, Anfälle und Dämmerzustände bekommen. Der Arzt sieht diese Fälle am häufigsten; schon aus der forensischen Praxis aber ergibt sich, dass andere Typen, bei denen das Hypochondrische ganz weg- fällt, doch wohl noch öfter vorkommen. Die Freude am Skandal, am Klatsch, die übertriebene Frömmigkeit, die immer wieder-. kehrende Neigung, sich in der Krankenpflege und dergl. zu be-- tätigen, erklären sich auf diese Weise ebenso wie die durch die äusseren Verhältnisse nicht begründeten Ladendiebstähle, die Ver- hältnisse, die frigide Frauen anfangen, die pseudologistischen Er- findungen, die Selbstverletzungen und die Selbstmordversuche. Der letzte Grund für all diese Bemühungen, die eigene Per- sönlichkeit in den Mittelpunkt des Interesses wenigstens für eine kleine Gruppe von Menschen zu rücken, liegt in der Anomalie des Gefühlslebens, dem die normalen Reize des Lebens nicht genügen, und das deshalb perverse Reize aufsucht. Hierher stammt auch die theatralisch gefärbte, gewaltsame Steigerung der Aus-- drucksbewegungen, aus denen häufig hysterische Anfälle hervor- gehen. Dazu kommt die Suggestibilität der Erinnerungen, die dem Kranken gestattet, unangenehme Erlebnisse zu eu iT und nur vorgestellte pseudologistisch zu realisieren. Auch diese Symptome lassen sich in ihren feinsten Aus- läufern überall bis in die Psychologie des gesunden Menschen verfolgen, deren Eigentümlichkeiten die Hysterie gewissermaassen nur im Vergrösserungsglase widerspiegelt. Insofern ist es hier auch ganz unmöglich, eine moralische Betrachtung der Krankheits- äusserungen durch ein medizinisches Machtwort ein für allemal zu verhindern. Immerhin ist es ein Fortschritt, dass uns die grundsätzliche Unmöglichkeit einer solchen Trennung wenigstens bewusst geworden ist. Hier wie auch sonst auf dem Gebiete der funktionellen Störungen kann die Diagnose der „Krankheit“ im technischen, sozialen Sinne, die bei den organischen Psy- chosen als selbstverständlich gefordert werden muss, im Einzel- fall schlechterdings unmöglich werden. X. Zur Aetiologie der Addison’schen Krankheit und der Sklerodermie. Von Dr. M. 6erson. Der Gefreite R. wurde im April 1918 durch einen Granatsplitter am linken Arm verwundet, dadurch bekam er eine Radialislähmung, be- ginnend am Musculus supinator longus. Während der Behandlung trat bei ihm an der rechten Gesichtshälfte ein Oedem auf. Dieses nahm all- mählich zu, ging auf die Augenlider und die Wangen über, wurde härter und führte zu einer Verengerung der Lidspalte.e Nachdem R. 8 Tage “ lang dreimal täglich 5 Tropfen Suprarenin bekommen hatte, war die sklerodermieartige Schwellung vollkommen geschwunden. Die linke Hand (die Seite der Verletzung) zeigte bei ihm eine ausserordentlich starke Auftreibung, und zwar nicht nur ein Oedem des Unterhautzell- gewebes, sondern auch die Knochen und Sehnen und wohl auch die anderen Gewebsteile waren sehr stark verdickt und aufgetrieben. Da ich bereits bei mehreren anderen Fällen mit solchen trophischen Störungen Thyradentabletten mit einigem Erfolg angewandt hatte, er- hielt auch dieser Kranke dreimal täglich eine Tablette ä& 0,15 g. Nach etwa 10 Tagen entwickelte sich bei ihm eine auffallende Braunfärbung am ganzen Körper, die an den folgenden Tagen immer stärker wurde und allmählich an den Prädilektionsstellen besonders hervortrat. Nach 4 Wochen waren die Stirn und die Wangen, der Hals und die Schultern stärker bronzefarben, die Streckseiten der Arme wurden mehr befallen, weniger die Beine. Die Konjunktiven verfärbten sich, soweit sie in der Lidspalte lagen; der behaarte Kopf blieb frei, ebenso die Nasenspitze, die Augenlider, die Lippen, die Hohlhand und die Fusssohlen. An der Mundschleimhaut und am harten Gaumen waren keine blauschwarzen Flecken zu finden, dagegen zeigte der weiche Gaumen eine deutlich dunklere Verfärbung. Der linke, durch den Schuss verletzte Arm, zeigte die Bronzefärbung viel stärker als der rechte. So ist hier zum ersten Male experimentell eine Bronzefärbung er- zeugt worden. Bisher ist das trotz aller Bemühungen und der ver- sehiedenartigsten Versuchsanordnungen im Tierexperiment niemals ge- lungen. - Zum Vergleiche erlaube ich mir, einen zweiten Patienten vorzu- stellen, bei dem sich von selber allmählich eine typische Bronzefärbung entwickelt hat, die nach seiner Angabe im Jahre 1916 begann und langsam fortgeschritten ist. Hier handelt es sich wahrscheinlich um eine (Geschwulst der Nebennieren (Hypernephrom). Auch hier ist die bi" Pa Yopi Ran han, DEE a an cv But ci lea 24 BT a DENE AA we kin An 1a Aa di te Fre Zn sd De ED A) nd HF F 5 eh 74 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Bronzefärbung an den typischen Hautstellen stärker aufgetreten, aber an der Mundschleimhaut und am harten Gaumen sind keine Flecken zu finden. Bei einem dritten Kranken, der eine Schussverletzung am rechten Unterarm erlitten hat mit Verletzung des Nervus ulnaris und medianus und teilweiser Verletzung des Nervus radialis, war die Haut an der Hand dunkel-schwarzbraun verfärbt und zeigte besonders an den Fingern eine Bildung von grossen Schuppen. Die Braunfärbung wurde am Unter- arm etwas heller, ging noch auf den Oberarm über und reichte bis handbreit über das Ellenbogengelenk, wo sie mit einer deutlichen Grenz- linie aufhörte. Nachdem der Mann zur Entfernung der Schuppen mehrere Handbäder bekommen hatte, zeigte sich eine zarte, wesentlich hellere Haut als an der gesunden Hand. Aber schon nach mehreren Tagen war diese Haut wieder viel dunkler geworden als an der gesunden Seite. Wir haben also hier eine durch das Trauma hervorgerufene lokale Bronzefärbung der Haut, wobei besonders zu berücksiehtigen ist, dass auch die Nerven mitverletzt sind. Bei dem ersten Fall war ja auch bei der allgemeinen Bronzefärbung die Seite der Nervenverletzung viel Aunkler gefärbt als die gesunde. So bedingt die Nervenverletzung eine Störung in den Vorgängen beim Auf- und Abbau der Haut. Bei diesen drei Kranken fiel mir, wie schon früher bei vielen anderen, auf, dass sie zu einem Typus gehören, den man teilweise als Vagotonie- bezeichnet hat. Diese Menschen haben enge, etwas langsam reagierende Pupillen, langsamen Pulsschlag, brauchen viel Wärme, beim Bestreichen der Haut erscheint die „ligne blanche surrenale“1), sie schwitzen gar nicht oder nur sehr schwer, ihr Blick ist scharf und hart, sie haben ein kalt- berechnendes, sicheres, mehr egoistisches Wesen, halten sich alles etwas fern und betrachten alles wie aus weiter Ferne. Ihre Antagonisten, die Sympathikotoniker dagegen haben meist weite, schneller reagierende Pupillen, ihr Puls ist beschleunigt und etwas labil, sie brauchen weniger Wärme, schwitzen sehr leicht, beim Bestreichen der Haut erscheint schnell eine breite rote Linie?), sie haben einen milden, weichen, gradaus gerichteten Blick, sind schnell erregbar und leicht begeistert, sprechen leidenschaftlich, müssen alles gleich mit Wärme tun und führen und sofort mit der ganzen Persönliebkeit mit- reagieren. Die abnormen Erscheinungen von seiten des Magen-Darmkanals und die vermehrten oder verringerten Periodenblutungen zeigen von vorn- herein keine so charakteristischen Merkmale, dass sie eindeutig auf einen Typus hinweisen, erst im Verein mit einer Reihe anderer Sym- ptome sind sie zu deuten. Die Veränderungen des Blutbildes mögen hier unberücksichtigt bleiben. Ich hatte schon früher bei einer Reihe von Vagotonikern festgestellt, dass ihnen das Sekret des chromaffinen Systems — das Adrenalin — mangelt, das auf Grund einer Reihe experimenteller Ergebnisse als Stimulans des Sympathikus aufgefasst wird. Daraus schloss ich, dass diese Menschen, etwas grob ausgedrückt, einen geringeren Tonus im Sympathikussystem haben, und dass das daran schuld sei, dass ihr Vagus- 1) Ein sofortiges Ansprechen der übererregbaren Vasokonstriktoren, daher wird die Haut auf Bestreichen weiss und rötet sich langsam und spät etwas. 2) Dermographie, durch sofortiges Reagieren der übererregbaren Vasodilatatoren. Medizinische Sektion. II. Abteilung. 75 system in einen erhöhten Tonus gelangt. Ich nehme an, obwohl noch andere Möglichkeiten vorhanden sind, dass die Vagotoniker eine Hyper- tonie im Vagus!), und eine Hypotonie im Sympathikus haben, und so müssten umgekehrt die Sympathikotoniker eine Hypertonie im Sym- pathikus und Hypotonie im Vagus haben. So liegt hier eine Störung des Gleichgewichtes vor, und die krank- hafte Ueberreizung in dem einen Teile tritt in die Erscheinung, wenn der Antagonist sich in eiuem Zustande der verminderten Erregung (oder elektrischen Ladung) befindet. Ich möchte hier zuerst diesen Gedankengang der Gleichgewichts- störung vom Zentralnervensystem auf das vegetative System übertragen. Und dass die inneren Sekretionsdrüsen in so enger Beziehung zum vegetativen System stehen, scheint mir eine, wenn auch sehr hypothetische phylogenetische Betrachtung zu veranschaulichen. Da stelle ich mir vor, dass zuerst Sekrete bestimmter Zellen die Regulierung von anderen Zell- gruppen, später von Organen leiteten. Als sich das vegetative System entwickelte, übernahm es einen Teil der Regulierung, musste dafür aber in enger direkter Abhängigkeit von diesen bestimmten Zellen, den späteren „inneren Drüsen“, bleiben, die die fermentative Regulierung behielten. Dann kam das Zentralnervensystem und übernahm, diesen beiden übergeordnet, viele Funktionen und die Leitung im grossen, blieb aber von dem vegetativen Nervensystem und den inneren Drüsen, deren Funktion es zum Teil übernommen hatte, abhängig und dauernd beeinflusst und musste bei krankhaften Störungen sofort mitgeschädigt werden. Das gilt besonders für die Anlage des Zentralnervensystems, für dessen Entwicklung und dauernde Funktion, aber auch für alle anderen ÖOrgansysteme, wenn auch wohl in verringertem Grade. In diesen von den Eizellen sehr früh abgespaltenen Zellen liegen wohl auch zum Teil die Vorgänge angelegt, die die Vererbung der körper- lichen Formen und Charakteranlagen weiter bedingen. Bei den inneren Drüsen kann die Funktion dem Grade und der Art nach verschieden sein, so dass sich bei dem aufeinander eingestellten Zusammenwirken aller Drüsen nach der mathematischen Wahrscheinlichkeitsrechnung Millionen von Variationen.ergeben. Ein kleines Plus oder Minus nach der einen oder anderen Seite wird aber nicht gleich als krankhafte Störung, sondern mehr als besondere Betonung. der einen oder anderen körperlichen und geistigen Eigenschaften in die Erscheinung treten. Sehr deutlich kommen diese Eigentümlichkeiten zum Ausdruck im Be- ginn von Infektionskrankheiten, wo z.B. die einen mehr mit dem Rachen- und Bronchialsystem reagieren, die andern mit dem Magen- darmkanal, die dritten mit dem Nervenmuskelsystem. Das dürfen wir nicht als verschiedene Verlaufsarten auffassen, sondern müssen darin eine sofort ausgelöste Reaktion der gerade überempfindlichen und auf die Toxine sofort ansprechenden Organsysteme erblicken. Für die Therapie ergibt sich da, um das Gleichgewicht im vegetativen System herzustellen, die Aufgabe, entweder den erhöhten Tonus herab- zusetzen oder den verminderten Tonus des Antagonisten zu erhöhen. Den erhöhten Tonus herabzusetzen, schien mir von vornherein sehr wenig aus- sichtsreich, da z. B. bei der Sympathikotonie es wohl nicht gut gehen würde, den erhöhten Gehalt an Adrenalin (die Hyperadrenalämie nach Bied]) herabzudrücken. Die ist im Körper zu fest verankert, um in erreichbarer Weise verändert werden zu können. Für aussichtsreicher hielt ich von vornherein den anderen Weg und bin deshalb dazu ge- 1) Vgl. von Dziembowski, B.kl. W., 1918, Nr. 38, dort ist auch teilweise a Literatur angegeben. 76 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. kommen, Vagotonikern Adrenalin zu geben, also den Tonus in ihrem Sympathikus (Antagonisten) zu erhöhen und dadurch das Gleichgewicht herzustellen. Von dem allgemeinen Gesichtspunkte der Gleichgewichtsstörung im vegetativen Nervensystem aus eine Reihe von Krankheitserscheinungen beobachtend, habe ich zunächst bei der Sklerodermie den vagotonischen Typus gefunden, dann aber auch noch bei einer Reihe ursächlich schein- bar ganz verschiedener Krankheitsbilder; es tritt zumeist die krankhafte Störung nur an irgend einem Organ des Körpers besonders hervor. Besonders hervorheben möchte ich 3 Fälle von Sklerodermie, die geheilt wurden, und einen, der gebessert wurde. Daneben seien kurz erwähnt 2 Fälle von Bronchialasthma, die seit der Behandlung frei von Anfällen blieben, während 2 andere gebessert wurden, und 1 Fall einer eigenartigen psychischen Störung, die, soweit die Beobachtung reicht, geheilt wurde. Der erste Fall von Sklerodermie, den ich geheilt vorstellen konnte, betraf eine Dame, die im Jahre 1913 Schwellungen am Daumen und Zeigefinger beider Hände bekam. Diese Schwellungen wurden allmählich hart und verbreiteten sich langsam fortschreitend auf die anderen Finger und Handflächen, an beiden Händen symmetrisch angeordnet. Im August 1917 trat eine Schwellung im Gesicht auf, die von selbst im Oktober wieder schwand, aber im November desselben Jahres wieder kam und sich jetzt, langsam an Stärke und Härte zunehmend, “über das ganze Gesicht verbreitete, auch das rechte Ohr und die Bindehaut des rechten Auges ergriff. Die Finger waren jetzt so hart und steif geworden, dass- die Beugebewegungen sehr stark behindert waren und die Haut an der Streckseite der Zwischengelenke beim Beugen einriss. Die Behandlung begann Anfang August 1918. Die Dame erhielt in der ersten Woche 3mal täglich 5 Tropfen Adrenalin, in der zweiten Woche ömal 8 Tropfen täglich, dann andauernd 6 Wochen lang 3mal täglich 5 Tropfen. Nach 2 Wochen trat die erste Besserung im Ge- sicht, nach 4 Wochen deutliche Besserung an beiden Händen auf. Jetzt ist die Gesichtshaut frei, sogar die feinen Hautfältelungen sind wieder- gekommen; an den Fingern ist die Haut wieder weiss, weich und zart, bis auf ein paar kleine rote Flecken. Die Bewegungen sind voll- kommen frei. Die beiden anderen geheilten Fälle betrafen harte Schwellungen im Gesicht, die langsam nach 2—3 Monaten bei der gleichen Therapie ab- heilten und bei dauerndem Adrenalingebrauch nicht rezidivierten. Bei einem dieser Fälle gab ich zuerst 3 Tage lang Thyraden, von der Voraussetzung ausgehend, dass die Schilddrüsensekrete die Neben- niere fördernd beeinflussen sollen; da trat aber zur chronischen noch eine vielleicht zufällige akute Schwellung hinzu, die- auf Adrenalin schnell schwand. Der 4., nur gebesserte Fall betrifft eine sehr langsam entstandene Sklerodermie, symmetrisch angeordnet an den 3einhalb ersten Fingern beider Hände. Alle diese 4 Fälle betreffen Frauen im Alter ven 38 bis 50 Jahren, alle 4 haben die oben angeführten Zeichen der Vagotonie gezeigt, obwohl alle 4 eine etwas vergrösserte ul haben. Bei dem eingangs beschriebenen Falle, der zuerst eine Siiorodermie im Gesicht zeigte, fand sich keine vergrösserte Schilddrüse, aber, wie bereits erwähnt, auch er gehört zum Typus der Vagotoniker. Die beiden geheilten Fälle von Bronchialasthma betreffen ein Kind von 51/, Jahren und ein Dienstmädchen von 28 Jahren. Medizinische Sektion. II. Abteilung. 7 Das Kind war vom 1. Monat an wegen dauernden trocknen Hustens und häufiger Anfälle in ärztlicher Behandlung. Ueber allen Lungen- teilen hörte man Giemen und Pfeifen, daneben bestanden adenoide Wucherungen und rechtsseitige Mittelohreiterung. Auch war das Kind dauernd gereizt und weinerlich und war nicht mehr zu leiten (neuro- pathische Störungen). Nachdem es 3 Tage lang 3mal täglich 3 Tropfen Adrenalin erhalten hatte, trat Besserung ein. Dann bekam es 2mal täglich 3 Tropfen und war nach 4—5 Wochen geheilt, auch die Eiterung am Mittelohr hörte auf, es wurde munter und leicht zugänglich und blieb dauernd frisch und gleichmässig gut gestimmt. Das Dienstmädchen litt seit seinem 10. Jahre an dauerndem trocknen Husten, an Heuschnupfen und an alle 2—4 Wochen auftreten- den heftigen Asthmaanfällen. Nach langandauernder Adrenalinbehand- . lung blieben Husten und Anfälle schon 2 Jahre lang fort. Ich betone immer wieder, dass beide Kranke die Zeichen der Vagotonie zeigten. Noch ganz kurz will ich eine merkwürdige Geistesstörung bei einem vagotonischen Kinde erwähnen. Der Knabe war 6!/, Jahre alt, hatte sich normal entwickelt, kam auf die Schule und lernte wie die anderen schreiben und lesen. Da wurde er im Verlaufe mehrerer Monate völlig teilnahmslos und unauf- merksam, wurde deshalb auf die Hilfsschule gebracht. Auch da ging es nicht, es trat sogar eine noch zunehmende Verblödung ein, so dass er stundenlang auf demseiben Fleck sass und vor sich hinstierte, bis er wo anders hingesetzt oder hingelegt wurde. Nachdem er 2 Jahre lang Adrenalin bekommen hatte, zeigte sich die erste Besserung, die dann dauernd fortschritt. Zuerst kam er in die Hilfsschule, ein halbes Jahr später konnte er sogar wieder am gewöhnlichen Schulunterricht teilnehmen, kam allerdings jetzt, über 9 Jahre alt, in die_7. Klasse. Alle Kranken, die Adrenalin bekamen, hatte ich jede Woche daraufhin angesehen, ob irgendwelche allgemeinen Störungen auftraten, und jedesmal den Urin auf Zucker und Eiweiss unter- sucht. Da zeigte sich bald, welcher Körper das Adrenalin braucht und wo es Reizerscheinungen macht. Klinisch noch sehr interessant erscheint mir die verschieden- artige Schilderung von zwei Arten von Herzneurosen. Bei Vago- tonie: Heftiger Druck und Schmerz in der Herzgegend, die Hände werden weiss und kalt, es tritt Angstgefühl ein und Be- klemmung auf der Brust. Dagegen bei der viel häufigeren Herz- neurose bei der Sympathikotonie: heftiges Herzklopfen und schlagende Pulse, grosse Aufregung mit Angstgefühl, die Hände werden rot und heiss, und es tritt Schweissausbruch ein. Auf die. speziellen Krankheitsbilder aus der Gruppe der Sympathikotonie und deren therapeutische Beeinflussung durch Erhöhung des Tonus im Vagussystem (also durch die Pilokarpin- gruppe mit dem Yohimbin und Nikotin, das Cholin und die Pankreaspräparate) will ich hier nicht näher eingehen. Es sei nur kurz erwähnt, dass ich bisher noch keine länger andauernden Erfolge gesehen habe. Kehren wir noch einmal zurück zu dem Symptom der Bronzefärbung bei der Addison’schen Krankheit, so liegt zunächst. 78 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. der Vergleich nahe mit einer Reihe von Bronzefärbungen bei ‘anderen Krankheiten. Nehmen wir zuerst die Basedow’sche Krankheit heraus. Das ist ja gerade nach der alten Anschauung das ausgesprochendste Symptomenbild der Sympathikotonie. Be- rücksichtigen wir aber die Feststellungen von Eppinger und Hes, dass im Verlaufe des Morbus Basedowii mehr die Zeichen der Beteiligung des Vagussystems in den Vordergrund treten können, so liegt die Vermutung nahe, dass es sich wohl auch bei der Basedow’schen Bronzefärbung um eine Störung des Pigmentstoffwechsels auf der Grundlage der Vagotonie handeln kann. Ich hatte bisher keine Gelegenheit, das zu beobachten, “ fand auch keine Angaben darüber. Dass die’ bei der Sklero- dermie nicht gar so seltene Bronzefärbung, ganz allgemein ge- sprochen, mit den Symptomen der Vagotonie in Verbindung ge- bracht werden kann, liegt ja nach der obigen Darstellung sehr nahe. Hierbei muss noch berücksichtigt werden, „dass (aus Biedl, I, 284) die Adrenalinsymptome der Basedow’schen Krankheit auf einer Steigerung der Empfindlichkeit bestimmter Sympathikus- apparate für das im Blute stets vorhandene Adrenalin beruhen. Die Sensibilisierung würde durch die Schilddrüsenstoffe herbeigeführt werden in analoger Weise, wie die Hypophysen- stoffe die Gefässwände für Adrenalineinwirkung überempfindlich machen“. Aber noch von einer anderen Seite her kann bei Vago- tonie die Bronzefärbung ausgelöst werden. Ich beobachtete bei einer Dame mit dem typischen Zeichen der Vagotonie, dass sie bei allen ihren drei Schwangerschaften im 6. Monat am ganzen Körper ziemlich stark bronzefarben wurde, mit besonderer Bevorzugung der Prädilektionsstellen, dass diese Bronzefärbung sich bis zum 8. Monat steigerte, im 9. Monat abnahm und nach der Entbindung schnell schwand. Hier war also die gesteigerte Funktion der Geschlechtsdrüsen das aus- lösende Moment. Interessant ist noch bei dieser Dame, dass sie im Beginn aller Schwangerschaften an sehr schwerem Erbrechen litt. Deshalb habe ich mir vorgenommen, auch dieses Symptom der inneren Sekretionsstörung im Beginn der Schwangerschaft bei Frauen mit Vagotonie mit Adrenalin zu behandeln. Nach einer Angabe im Lehrbuch der Hautkrankheiten von Lesser sollen die Bronzefärbungen bei Schwangerschaft nicht gar so selten sein (Seite 178). Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass Biedl!) der erste experimentelle Nachweis des Einflusses der Nebenniere auf den Pigmentstoffwechsel gelungen ist, doch betont er noch besonders in Uebereinstimmung mit den experimentellen Befunden von Königstein, der die gesteigerte Tätigkeit. der Haut zur Pigmentbildung an nebennierenlosen Hunden nachge- wiesen hat, dass die Marksubstanz der Nebenniere nicht der für 1) Innere Sekretion, 1916, Bd. 1, S. 487. Medizinische Sektion. II. Abteilung. ” 79 die Pigmentbildung einzig in Betracht kommende Anteil der Nebenniere ist. Wir sind noch sehr weit davon entfernt, uns eine spezielle Vorstellung von allen bei der Pigmentbildung zusammenwirkenden Vorgängen machen zu können, vielleicht sind auch noch die Angaben, dass die Schilddrüsenstoffe die Pankreastätigkeit hemmen und bei Adrenalinmangel Störungen der sympathischen Inner- vierungen der inneren Drüsen eintreten, von Bedeutung. Ich habe die klinische Beobachtung gemacht, dass bei Vagotonien der Pigmentstoffwechsel auf viererlei Weise gestört werden kann: 1. durch Schwangerschaft, 2. bei Sklerodermie, 3. experimentell durch Sehilddrüsenstoffe, 4. lokal durch Nervenverletzungen. xl. Ergebnisse der Untersuchungen über Röntgen- tiefentherapie aus der Universitäts-Frauenklinik Erlangen unter spezieller Berücksichtigung der Dosierung beim Karzinom. Priv.-Doz. Dr. Hermann Wintz. Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zunächst der medizinischen Sektion der Vaterländischen Gesellschaft und ihrem Vorstand, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Uhthoff, für diese, mich so ehrende Einladung meinen Dank auszusprechen. Die Aufforderung zu diesem Vertrag, die ich Herrn Prof. Heimann verdanke, er- reichte mich erst in Budapest, so dass ich auf die Demonstration von Patienten oder Tabellen und physikalischen Kurven verzichten muss. Ich gestatte mir daher, Ihnen einen Ueberblick zu geben über die im Laufe der letzten fünf Jahre gemeinsam mit Herrn Geheimrat Prof. Dr. Seitz gemachten physikalischen Versuche und der darauf aufgebauten klinischen Behandlungsmethoden und ihrer Resultate. Die Röntgentiefentherapie ist heute noch eine sehr junge Wissenschaft. Wir stehen mitten in ihrem Ausbau, und es wäre daher verfrüht, aus dem bisher Erreichten Vorschriften oder Dogmen aufstellen zu wollen. Doch glauben wir, dass unsere heute vorliegenden Resultate und Erfolge schon soweit beachtens- wert sind, dass wir sie weiteren Kreisen empfehlen können, und dass sie wert sind, auch von anderer Seite auf breitester Basis nachgeprüft zu werden. Zweck der Röntgentiefentherapie ist es, eine therapeutisch genügend wirksame Röntgenstrahlenmenge an einen bestimmten Ort im Körper zu senden, sei es um eine vorhandene maligne Neubildung zu zerstören oder auch nur die innere Sekretion des ÖOvariums umzustimmen. Wir müssen hier betonen, dass die Schwierigkeit darin be- steht, eine genügend wirksame Dosis zu erreichen. Die Durchdringungsfähigkeit der heute erzielbaren Röntgen- strahlen ist ja so gross, dass es ohne weiteres gelingt, grosse Medizinische Sektion. II. Abteilung. Sl Mengen von Röntgenstrahlen in den Körper zu senden. Aber die Vorbedingung zur Röntgentiefentherapie hat uns erst die Natur gegeben, und zwar damit, dass sie die verschiedenen Zellen des Körpers verschieden empfindlich gegen Röntgenstrahlen gemacht hat. Wenn auch schliesslich alle Zellen im Körper durch eine genügend grosse Röntgenstrahlenmenge und entsprechend lange Einwirkung geschädigt werden können, so ist doch der Sensi- bilitätsunterschied gross genug, dass eine rationelle Tiefentherapie ausgebaut werden konnte. So ist z.B., wie ich hier meinen späteren Ausführungen vorweg nehmen will, nach unseren exakten Messungen der Sensibilitätsunterschied zwischen Ovar und Haut so, dass das Ovar dreimal so empfindlich ist als die Haut. Ueber die Wirkung der Röntgenstrahlen auf die Zelle sind wir uns noch lange nicht im klaren. Die Versuche hierüber sind ausserordentlich schwer anzustellen und werden wohl der Friedens- arbeit vorbehalten sein, da nur mit allem verfügbaren Material die Frage weiter geklärt werden kann. Man muss nach den heutigen Verhältnissen annehmen, dass es sich um chemische Einwirkungen auf die Zellen handelt. Allerdings scheint es nicht so einfach zu sein, wie Schwarz und Werner angenommen haben, die die Bildung von Cholin aus Lezithin unter der Wir- kung der Röntgenstrahlen festgestellt haben. Wir verfügen selbst über grosse Versuchsreihen über die Wirkung von Cholin auf verschiedene Körperzellen. Hierbei ergab sich, dass das Cholin eine ähnliche Wirkung hat wie Röntgenstrahlen, dass wir sogar Kastrationen durch Injektionen mit Cholin hervorrufen konnten. Den exakten Nachweis von Cholin, das nur unter Röntgen- - strahleneinwirkung entstanden ist, konnten wir nicht erbringen. Ebensowenig sehen wir noch klar in der Frage, welche Röntgenstrahlen den günstigsten Effekt auf die zu bestrahlenden Zellen haben, und ob es ein Optimum oder eine oberste Grenze gibt in der Härte und Durchdringungsfähigkeit der Röntgen- strahlen. In der Literatur finden wir die Ansicht vertreten, dass nur die absorbierte Strahlung einen therapeutischen Effekt aus- zulösen vermag. Wir glauben jedoch aus unseren Versuchen schliessen zu können, dass auch die durchgehende Strahlung durch die Auslösung sekundärer £-Strahlen wirksam ist und dass daher zunächst keine oberste Grenze für die Penetrations- fähigkeit der Röntgenstrahlen angenommen wird. Sind diese Fragen noch wenig geklärt, so haben uns dafür unsere Untersuchungen nach anderer Richtung weitgehend Auf- schluss gegeben, nämlich die Feststellung der für die einzelnen Erkrankungen therapeutisch wirksamen Dosis und ihrer Messung durch exakte Methoden und Instrumente. Das von der Röntgenröhre ausgehende Licht ist nicht einheitlich. sondern es handelt sich um eine zusammengesetzte Strahlung ganz ver- schiedener Wellenlänge. In der Praxis bezeichnen wir die Strahlen verschiedener Wellenlänge als harte, mittelharte und weiche Röntgen- strahlen und wollen damit die Penetrationsfähigkeit veranschaulichen. Je kleiner die Wellenlänge, desto durchdringungsfähiger sind die Röntgenstrahlen. Der Qualität der Strahlen parallel geht aber auch die Absorbierbarkeit. Wenn also mit einer Röntgenröhre irgendeine Schlesische Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 1918. II. 6 82 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Körperpartie bestrahlt wird, so werden die der Röntgenröhre zunächst gelegenen Körperschichten eine ungleich grössere Röntgenstrahlenmenge erhalten, als die tiefer gelegenen Schichten, denn je mehr weiche Strahlen- anteile das Röntgenlicht enthält, desto stärker ist die Absorption in den oberflächlichen Schichten. Soll also bei der Röntgentiefentherapie eine bestimmteMenge Röntgen- strahlen-Energie an einen, tief im Körper liegenden Ort gebracht werden, so wird die darüberliegende Gewebsschicht immer eine vielfach grössere Strahlenmenge erhalten. Dieser Umstand ist aber nicht gleichgültig, denn, wie ich eingangs erwähnt habe, sind alle Körperzellen, in ent- sprechender Abhängigkeit von der Zeit der Einwirkung, für die Röntgen- strahlen empfindlich. Es setzt also die Gefahr der Röntgenschädigung des darüber liegenden Gewebes, vor allem der Haut, der Röntgen- bestrahlung vorzeitig ein Ziel, ohne dass in solchen Fällen die thera- peutisch wirksame Dosis in der Tiefe erreicht ist. Die ersten Ver- suche, dieses Hindernis in der Röntgentiefentherapie auszugleichen, führten zur Verwendung von Filtern. Von den verschiedensten Autoren sind alle möglichen Vorschläge von Filtermaterialien gemacht worden, Leder, weil es in seinen Absorptionsverhältnissen der Haut ähnlich sein sollte, Metalle, weil diese gleichmässiger absorbieren. Von Gauss und der Freiburger Schule eingeführt, war das 3 mm Aluminiumfilter jahrelang das Filter für Röntgentherapie. Die Filtrierung bei der Röntgenbehandlung wird häufig mit dem im Laboratorium gebräuchlichen Flüssigkeitsfilter verglichen: Die festen Substanzen bleiben auf dem Filter zurück, die Flüssigkeit geht restlos durch. Bei der Filtrierung der Röntgenstrahlen jedoch ist diese Trennung der im ursprünglichen Gemisch enthaltenen Anteile nicht auf die gleiche Weise durchzuführen. Nur beim Radium gelingt es ungefähr aus dem ursprünglichen Strahlengemisch die therapeutisch wertvollen y-Strahlen ungeschwächt herauszunehmen, -wenn wir die unerwünschten a- und ß-Strahlen abfiltrieren. Es sind hier die einzelnen Strahlenkomponenten. in ihrer Qualität sehr weit voneinander entfernt. Bei den Röntgen- strahlen ist dies nicht möglich. Durch unsere Filtrierung nehmen wir zwar die weichen und eventl. auch die mittelharten Strahlen heraus, vermindern aber auch die härtesten, bisher erzeugbaren Röntgenstrahlen in ihrer Intensität wesentlich. Je stärker das Filter also genommen ist, desto geringer wird die Gesamt-Intensität, desto länger muss bis zum therapeutischen Effekt bestrahlt werden. Das Ziel einer zweckmässigen Filtrierung geht dahin, einen Vergleich zu finden zwischen der Erzielung bestmöglichster Strahlen- qualität in einer praktisch nicht zu langen Bestrahlungsdauer. Von der Röntgenröhre gehen Strahlen verschiedenster Wellenlänge aus, sie treffen vorher auf das Filter, — die weichen und mittelharten Strahlenanteile werden in verschiedenem Maasse verschluckt. Es lässt _ sich nun theoretisch voraussagen, dass die therapeutisch zweckmässige Strahlenqualität diejenige ist, welche durch die dem bestrahlten Teil übergelagerten Gewebsschichten nicht mehr verändert wird. Wir be- zeichnen einen solchen Zustand als „praktische Homogenität“. Streng genommen dürfte der Ausdruck „homogen“ nur für ein Röntgenstrahlen- bündel gebraucht werden, das nur Strahlen der gleichen Wellenlänge enthält. Eine solche Homogenität ist aber im allgemeinen nicht not- wendig. Ein Röntgenstrahlenbündel, das eine Fleischschicht von 10 cm Dicke (grössere Tiefen kommen für die Tiefentherapie selten in Betracht) mit unveränderter Qualität durchsetzt, genügt vollkommen unseren An- forderungen, ist aber, wie die spektrographischen Aufnahmen zeigen, keineswegs im physikalischen Sinne homogen. Diese „praktische Homogenität“ kann also durch entsprechend starke Filtrierung erreicht werden. Die Dicke eines solchen Filters hängt ab Medizinische Sektion. IL Abteilung. 83 von der Strahlenqualität, die von der Röhre ausgeht. Es ist daher ohne weiteres ersichtlich, dass nicht von einem, für alle Röhrenarten brauchbaren Filter gesprochen werden kann. Die Feststellung der notwendigen Filterdicke geschieht entweder durch die sogenannte Absorptionskurve oder für die Praxis durch die Messung der prozentualen Tiefendosis. Als einzig zuverlässiges Mess- instrument für derartige Versuche kommt nur das Elektrometer mit der Ionisationskammer in Betracht. Wir haben uns ein zuverlässiges und biologisch richtig gehendes Instrument aus dem im Jahre 1914 von Szillard bei Reiniger, Gebbert & Schall A.-G. herausgebrachten Instrumente geschaffen und im Jahre 1914 in den Fortschr. a. d. Gebiete der Röntgenstrahlen beschrieben. Seine hier kurz skizzierte Einrichtung ist so, dass ein Elektrometer-System durch eine bestimmt hohe Spannung aufgeladen wird, wobei der eine Pol in einen Graphitstift endigt. Er ist umschlossen von einer sehr dünnwandigen Kammer aus Fiber, die in ihren inneren Flächen ebenfalls mit Graphit belegt ist und mit der Erde in leitender Verbindung steht. Graphitstitt und Kammerbelag sind durch Bernstein gut voneinander isoliert. Ein Ausgleich gegen Erde kann also nicht stattfinden, das eingeschaltete Elektrometer wird, gutes Funktionieren des Instrumentes vorausgesetzt, lange Zeit die gleiche Spannung anzeigen. Lässt man aber ein Röntgenstrahlenbündel die Fiber- kammer durchsetzen, so wird die Luft zwischen Stift und Fiber- kammer leitend, es fliesst die Ladung des Instrumentes zur Erde; die Entladung wird am Elektremeter beobachtet, und die für einen bestimmten Zeigerablauf verbrauchte Zeit reziprok als Dosis gesetzt. Mit einem solchen Instrument haben wir alle unsere Messungen vorgenommen und haben damit auch die übrigen gebräuchlichen Mess- methoden kontrolliert. Will man mit Hilfe der Absorptionskurve den Homogenitätspunkt (nach Lilienfeld) bestimmen, so blendet man ein feines Strahlen- bündel aus und schaltet in den Strahlengang Aluminiumplättchen von l mm Dicke ein. Es wird nun am Iontoquantimeter (unser Instrument) oder Edelmann’schen Elektrometer die Ablaufszeit bestimmt und auf einem logarithmisch geteilten Papier (nach Weissenberg) eingetragen. Auf diese Weise erhält man eine Kurve, die von einer bestimmten Filterdicke an gerade verläuft, da von diesem Punkt ab das Ab- sorptionsverhältnis zwischen den einzelnen vorgeschalteten Alu- miniumplättehen gleich ist. Von der durch den Homogenitätspunkt bezeichneten Filterdicke an, ist die Strahlung praktisch homogen. Den praktischen Verhältnissen entnommen ist die Bestimmung der prozentualen Tiefendosist). Sie gibt uns gleichzeitig eine Vorstellung über die in 10 cm Gewebstiefe vorhandene Strahlenmenge. Zur Be- stimmung der prozentualen Tiefendosis schreiben wir vor, dass ein Ab- stand von 23 cm Fokus Oberfläche gewählt werden muss, das Einfalls- feld auf der Wasseroberfläche ist 6X8 cm gross. Gemessen wird in der Mitte dieses Strahlenkegels bzw. unter dem Wasserkasten. Man kann nun feststellen, dass mit steigender Filterdicke die prozentuale Tiefendosis wächst. Damit wird der Wert der Filtrierung ohne weiteres verständlich. Ich verweise auf nachfolgende Zahlen, die so gemessen sind, dass unter gleichbleibenden Betriebsverhältnissen (selbsthärtender Siederöhre am Symmetrieinduktor bei 165000 Volt Spannung) verschie- dene Filter in den Strahlengang geschaltet wurden: 2 bzunältriert....... 8 pCt. 2. Imm Aluminium .. 10 „ 3. 3mm Aluminium... 15 1) cf. M.m.W., 1917, Nr. 28. 6* ia a Tr 84 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 403: Zink 23 pCt. der Oberfläche, die mit 100 pCt. angesetzt ist, die Dosis in der Tiefe beträchtlich gesteigert werden kann. Für den geschilderten Betrieb iss also das 0,5 Zinkfilter das zweckmässigste Filter für Tiefentherapie. Dass es sich bei anderen Röhren anders verhält, zeigt z. B. die Coolidge-Röhre. Hier muss zur Erreichung einer praktischen Homogenität mit mindestens 15 mm Aluminium oder, wie es bei uns gebräuchlich ist, mit 0,5 Zink und 4 mm Aluminium filtriert werden. Eine Verbesserung der Strahlenqualität ist in den letzten Jahren auch erreicht worden durch die Steigerung der an der Röhre angelegten Spannung. Je höher die an der Röhrenelektrode liegende Spannung ist, desto beschleunigter werden die Kathodenstrahlen, desto grösser ist also die Wucht, mit der der Anprall an die Antikathode erfolgt. — Es hat sich aber in Versuchen, die gleichzeitig die Engländer Richardson und Barnes, ferner Dessauer!) und unabhängig auch wir angestelit haben, gezeigt, dass die Erhöhung der Spannung über 140000 Volt hinaus keine härteren Strahlen mehr aus der Röntgenröhre austreten lässt. Wohl aber legten wir in eigenen Versuchen dar, dass die mit 140000 Volt erreichte harte Strahlenqualität wesentlich vermehrt wird. Das Resultat dieser Untersuchungen ergibt aber auch ferner, dass die quantitative Vermehrung des harten Strahlenteils durch weitere Steigerung so beträchtlich sein kann, dass eine vor allen Dingen für die Karzinomdosis wichtige Zeitersparnis eintritt. Ein weiteres Moment, das für. die Röntgentherapie sehr störend empfunden wird, ist die Abnahme der Intensität der Strahlen im Quadrat der Entfernung. Auch diesem Umstand musste die Forschung, die eine Verbesserung der Tiefendosis bezweckte, ihr Augenmerk zu- wenden. Einige Zahlen sollen zeigen, wie sehr die quadratische Strahlen- abnahme, die man gewöhnlich mit dem recht unzutreffenden Ausdruck Dispersion belegt, für die Tiefendosis ins Gewicht fallen kann. Die Intensität einer Strahlung beträgt in einem Abstand von 20 cm ge- messen vom Fokus der Röntgenröhre 100 Einheiten, in einem Abstand von 40 cm dagegen nur mehr 25. 75 pCt. gehen in diesem Falle nur durch die Dispersion verloren. Für die von uns normal angewendeten Verhältnisse resultiert folgendes: 100 Einheiten in 23cm Abstand entsprechen 48,5 Einheiten in 33 cm Abstand, also in 10 cm Tiefe ein Strahlenverlust durch Dis- persion von 51,5 pCt. Wir sind aber imstande, den Dispersionsverlust zu verbessern, wenn wir den Gesamtabstand von der Röntgenröhre ver- grössern. Das bringt allerdings wieder einen grossen Zeitverlust mit sich, es kann aber auch unter Umständen notwendig sein, eine ö3—4cm dicke, direkt unter der Haut gelegene Geschwulst zu bestrahlen, mit einer Dosis,. die der Grösse der Erythemdosis sehr nahe steht. Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als jeden möglichen Faktor, den wir verbessern können, in Betracht zu ziehen. Wir müssen den Strahlen- gewinn in der Tiefe durch verlängerte Zeit, wenn auch manchmal recht teuer, bezahlen. Mit unserer vorhin genannten Berechnung verglichen, hätten wir bei einem Oberflächenabstand 50 cm in 10 cm Tiefe nur mehr einen Dispersionsverlust von 31 pCt. 1) Dessauer hat dann über 200000 Volt hinaus härtere Strahlen gefunden. Medizinische Sektion. II. Abteilung. ICE In den letzten Jahren ist die für die Therapie angewendete Spannung wesentlich erhöht worden. Wie wir vorhin erwähnt haben, hat diese Erhöhung eine grosse Penetrationskraft der Strahlen mit sich gebracht. Damit ist gleichzeitig ein neuer Faktor, der für die Tiefen- dosis eine grosse Rolle spielt, in Erscheinung getreten: Die Sekundär- strahlung. Die ersten Veröffentlichungen über die Sekundärstrahlung sind von Barkla und Sadler. Wir unterscheiden heute 3 Arten der Sekundärstrahlung, nämlich: die sekundären /-Strahlen, die Fluoreszenz-Strahlen und schliesslich die Streu-Strahlen. Die sekundären $-Strahlen sind in Kathodenstrahlen trans- ferierte Röntgenstrahlen. Sie entstehen im Gewebe und haben also eine sehr geringe Reichweite. Während man deshalb ihre Rolle bisher als unbedeutend annahm, sind wir auf Grund der Resultate bestimmter Versuche heute von ihrer Wichtigkeit überzeugt. Die therapeutische Wirkung "unserer härtesten Röntgenstrahlen sowie der y-Strahlen wird ausschlaggebend beeinflusst durch das Entstehen der # Strahlen, so dass also für die Tiefentherapie nicht allein die absorbierte ein- fallende Röntgentsrahlenmenge in Frage kommt. Die zweite Art der Sekundärstrahlung ist die Fluoreszenz- strahlung. Sie ist eine im physikalischen Sinne homogene Strahlung und wird vom getroffenen Körper oder Metall selbst ausgesendet und ist in ihrer Art für den ausstrahlenden Körper typisch. Die im prak- tischen Röntgenbetrieb in Betracht kommende Fluoreszenzstrahlung ist eine ziemlich ‘weiche Strahlung. Sie kann sich daher unangenehm geltend machen, wenn man z. B. das Filter direkt auf die Haut legt; dann erhöht die Eigenstrahlung des Filters die Hautdosis um ein be- deutendes. Eine wichtige Rolle hat auch die Fluoreszenzstrahlung bei der Kienböckmessung gespielt. Die praktisch wichtigste Rolle der Sekundärstrahlen spielen die Streustrahlen. Hier handelt es sich um reflektierte Röntgenstrahlen. - Die Streustrahlen haben also genau die gleiche Strahlenqualität, wie die verwendete primäre Röntgenstrahlung. Sie wird vom Orte ihrer Ent- stehung nach allen Seiten hin ausgestrahlt, addiert sich also in der Richtung der primären Strahlung zu diesen. Es hat somit gar keinen Wert, die Streustrahlung ahhalten zu wollen, sie kann im Sinne der Strahlenvermehrung nur erwünscht sein. Da sie im Verlaufe des ganzen primären Strahlenkegels entsteht, so haben wir durch die Streustrahlung nicht nur eine Addition im Verlauf der primären Strahlung, sondern es entsteht eine, den ganzen primären Strahlenkegel durchkreuzende, auch aus der näheren Umgebung herkommende Strahlung. Aus dieser Tatsache resultiert das Ergebnis, dass, je grösser der einfallende Strahlenkegel ist, um so mehr wächst die Tiefendosis durch die hinzu- kommende Streustrahlung. Man kann den Beweis sehr gut mit der vorhin beschriebenen Anleitung zur Messung der prozentualen Tiefen- dosis führen, es ist nur nötig, in einem Falle die Messung suszuführen mit einem Einfallskegel von 6X8 cm, der in der Tiefe von 10cm am Boden des Wasserkastens zu einer Grösse von 9X13 cm angewachsen ist, im anderen Falle mit einem durch Blende verkleinerten Kegel von der Einfallsgrösse 1Xl1 cm. Die beiden Skizzen stellen diese Mess- anordnung dar. Bei Beispiel 1 misst man dann die einfallende primäre Strahlung und die zu ihr addierte Streustrahlung und erhält eine prozentuale Tiefendosis unter bestimmten Filter- und Röhrenverhältnissen von 23 pCt. Unter gleichen Bedingungen, aber ausgeblendetem Einfalls- kegel Beispiel 2 erhält man dann eine prozentuale Tiefendosis von 86 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 13 pCt. Die Erhöhung der Strahlenmenge von 13 auf 23 pCt. wird be- wirkt durch die Streustrahlung. Eine zielbewusste Tiefentherapie musste von allen diesen, die Tiefendosis begünstigenden Momenten ausgiebigen Gebrauch machen. So baut sich denn auch unsere heutige Bestrahlungsmethode auf eine Vereinigung aller Faktoren, die die Tiefendosis erhöhen, auf. Bevor ich zunächst dazu übergehe, die Technik der Erlanger Frauenklinik zu beschreiben, muss ich noch einen kurzen Ueberblick über den Stand der heute möglichen Messung der Röntgenstrahlen geben. Die exakte Dosierung ist der Grundstein, auf dem die Röntgen- therapie aufgebaut wurde. Es lief daher der weitaus grösste Teil un- serer Untersuchungen und Versuche auf die Auswertung einer exakten Dosimetrie hinaus. Das vorhin kurz skizzierte Iontoquantimeter ist das von uns nun seit 5 Jahren gebrauchte und während dieser Zeit all- mählich verbesserte Instrument. Mit ihm messen wir einen bestimmten Entladungsablauf und stellen die Zeit fest, die der Zeiger braucht, um einen festgelegten Sektor der Skala zu durchwandern. Wir können dann schliesslich die Zeit reziprok als Dosis setzen. Wir finden z. B., dass in einem bestimmten Abstand von der Röntgenröhre die Ent- ladungszeit des Instrumentes 20 Sekunden beträgt. Wir setzen nun anstelle der Messkammer die Oberfläche des vorhin beschriebenen Wasserkastens und bringen die Messkammer hinter den Wasserkasten in den Strahlenkegel, haben dann also eine Messung für Oberfläche und - Tiefe. Für letztere geht nun der Zeigerablauf in 100 Sekunden vor sich. Setzen wir nun die Zeit als Dosis. so können wir sagen: werden auf der Oberfläche des Wassers 100 Einheiten verabfolgt, dann misst man in der Tiefe 20 Einheiten oder in diesem Falle eine prozentuale Tiefen- dosis von 20. Auf Grund dieser Messung können wir uns eine Vorstellung machen sowohl über die Härte als auch über die Intensität der von der Röntgen- röbre ausgehenden Strahlung, denn je grösser die Intensität, desto rascher ist der Entladungsvorgang am Iontoquantimeter, desto kürzer die abgelesene Zeit; je härter die Strahlung aber, desto grösser ist die prozentuale Tiefendosis. Waren wir so im Stande, die Röntgenstrahlen laboratoriums- technisch richtig zu messen, so war der nächste Schritt, die Messung am Patienten vorzunehmen, um so auch .die willkürliche, Iontoguantimetereinheit mit einer biologischen Einheit in Koalition zu" bringen. Als geeigneten Ausgangspunkt nahmen wir die Haut. Die Erythemdosis ist ein schon lange in der Röntgentherapie eingeführter Dosierungsbegrifl. Seine Genauigkeit galt allerdings bisher als keine Medizinische Sektion. II. Abteilung. nt 87 besonders grosse, weshalb es etwas eigenartig erscheinen mag, wenn wir eine exakte Messung der Röntgenstrahlen fordern und nnn als Grund- lage die Erythemdosis einführen wollen. Unsere vergleichenden Unter- suchungen haben aber gezeigt, dass die Anwendung härtester Strahlung und die Filtrierung auf praktische Homogenität die Haut zu einem auf- fallend gleichmässig reagierenden Testkörper macht. An der angeblich ungleichmässigen Reaktion war also die früher verwendete Strahlen- qualität schuld, ferner musste auch das Urteil der Untersucher un- sicher sein, da die Voraussetzung einer exakten Dosierung nicht gegeben war. Es hat aber auch die Anwendung härtester Strahlen die Möglichkeit, die Haut als „Testkörper zu verwenden, dadurch gebessert, dass die Reaktionsbreite* der Haut bei unserer Strahlung eine viel grössere ist. Wir stellten also zunächst fest, welche Menge an Strahlung die normale Haut im Durchschnitt zu vertragen vermag, und haben als Testreaktion eine bestimmte Hautveränderung auszulösen uns zum Ziele gesetzt. Unsere Standartdosis wird durch jene Strahlenmenge dar- gestellt, die nach 8—10 Tagen eine Rötung der Haut und nach 4—5 Wochen eine zarte Bräunung mit sich bringt. Wir legten dann diese Dosis mit einem Mittelwert am Iontoquantimeter fest und bezeich- neten sie als Hauteinheitsdosis. Sie entspricht 35 Sektoreneinheiten und wird in unserem Dosenschema mit 100 pCt. angesetzt. Von dieser biologischen Einheit ausgehend, haben wir dann die übrigen Dosen bestimmt : und sind heute auf Grund unserer Messungen und klinischen Erfahrungen zu folgendem Abschluss gelangt: Hauteinheitsdosis ..... . 100 Kastrationsdosis....... 34 Sarkomdosis ...... 60—70 Karzinomdosis.. . . . 100—110 Mastdarmdosis........ 135 Muskeldosis ........ 180 Es ist mir natürlich nicht möglich, hier auf die näheren Versuche, die zur Feststellung dieser Dosenhöhe geführt haben, einzugehen. Es ist aber ohne weiteres verständlich, dass die Resultate nur mit exakten Messmethoden und mit reichlichen Kontrollen unter sehr vorsichtiger Beurteilung gewonnen werden konnten. So ist z. B. die Karzinomdosis das Resultat messtechnischer Versuche, histologischer und klinischer Beobachtungen. Die Höhe der Dosis ist so gross, dass nach ihrer Applizierung. Karzinomzellen sicher zum Rückgang gebracht werden. Hat man diese Dosis an die Stelle des Karzinoms, z. B. eines Portio- Karzinoms gebracht, so werden innerhalb der nächsten 6—8 Wochen die Symptome schwinden, und der tastende Finger findet dann die Portio geschrumpft und fast immer mit normaler Schleimhaut über- kleidet. Bei dieser Dosenmessung konnten weiterhin wichtige Ergebnisse festgestellt werden: 1. Bei der Hauteinheitsdosis zeigte es sich, dass der bisher an- genommene grosse Unterschied in der Empfindlivhkeit der Haut ver- schiedener Individuen nicht existiert. Es schwankt die Empfindlichkeit der Haut im Durchschnitt um 10 pCt. bis 15 pCt. der Hauteinheits- dosis, also eine Schwankung, die so gering ist, dass sie ausserhalb der praktisch in Betracht kommenden Grenze ist, denn klinisch gesprochen ist diese Schwankung nicht einmal so gross, wie der Dosenunterschied, der zwischen der Verbrennung 1. und 2. Grades liegt. Es gibt aller- dings, wie ich hier nur nebenbei bemerken möchte, Unterschiede in der Sensibilität der Haut, die aber sich in den meisten Fällen vorher feststellen lassen. Unter anderem ist die Haut vom Nephritiker um BE ai Se, > BD a a De A a NT Ss8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 30—40 pCt. empfindlicher als die Haut eines Gesunden. Die An- nahme einer Hauteinheitsdosis wird durch diese Ausnahmen nicht wankend. 2. Die Darmdosis. Unter ihr verstehen wir jene Dosis, die, auf den Mastdarm konzentriert, von diesem eben noch vertragen wird. Wir machen also hier gewissermaassen eine Ausnahme im Schema der übrigen Dosenfeststellung, da die Karzinomdosis oder Sarkomdosis oder die Kastrationsdosis die sichere Zellschädigung bzw. Zelltod bedeutet, während die Höhe der Darmdosis von den Zellen der Darmschleimhaut noch ertragen wird. Diese Grenzenangabe ist aus der praktischen Röntgentherapie entnommen und für den praktischen Betrieb auch wichtiger als diejenige, die eine Zerstörung der Darmschleimhaut be- deuten würde. Die Wichtigkeit der Feststellung der Darmdosis sehen wir darin, dass diese Grösse die Karzinomdosis um etwa 30 pCt. über- schreitet. Das ist aber sehr bedeutsam für die Tiefentherapie, da nur dieser nachgewiesene Sensibilitätsunterschied die Röntgentherapie des Uteruskarzinoms berechtigt. Wäre eine neuerdings durch die Literatur gegangene Ansicht richtig, dass es harte Röntgenstrahlen gibt, die den Darm verbrennen, aber Haut und Karzinom intakt lassen, dann würde - dies zum Aufhören jeder Röntgentiefentherapie zwingen. 3. Die Muskeldosis. Dass bei einer Strahlenkonzentration von 180 pCt. der Hauteinheitsdosis der Muskel zerstört wird, ist wichtig zu wissen, da diese Grösse durch zufällige Konzentration kurz unterhalb der Haut erreicht werden kann; es können somit Einschmelzungen im Muskel und Nekrosen entstehen, ohne dass diese Stellen direkt von oben getroffen sein brauchen!). Auf der Messung der biologischen Dosen haben wir nun unsere Bestrahlungsmethode ausgearbeitet. Die Möglichkeit, danach dosieren zu können, setzt voraus die Kenntnis der Menge der in der Tiefe des Ovariums oder Tumors wirksamen Strahlung. Diese Grösse lässt sich beim Menschen nicht ohne weiteres messen. Wir können nur an solchen Stellen Messungen machen, bei denen wir das Messinstrument, d.h. die Iontoquantimeterkammer in eine Körperhöhle einschieben können, Zur Not können Messungen auch zum Vergleich herangezogen werden. die unter einem Arm oder Bein vorgenommen sind. Doch sind letztere wegen der teilweise ausfallenden Streustrahlung nicht ganz exakt in Rechnung zu setzen. Wir haben gemessen mit eingeführter Kammer im Rektum oder in der Vagina bei mehr oder weniger dicken Patienten und haben den Abstand bestimmt: Die Zahlen, die wir fanden, deckten sich weitgehend mit den Messungen unter dem Wasserkasten, so dass uns die Grösse der wahren Dosis an der Stelle der Wirkung auch durch Messungen in verschiedenen Wassertiefen klargemacht werden kann. Unter Vereinigung dieser Methoden konnten wir feststellen, dass wir zwischen Haut und Ovar einen Strahlenverlust durch Abnahme im Distanzquadrat und Absorption von 75 pCt. haben, eine Zahl, die durch unseren Kompressionstubus um einige Prozent verbessert werden kann, die aber durch diesen Tubus vor allem auf eine für die meisten Patienten ziemlich gleiche Grösse gebracht wurde. Auf der Grundlage der notwendigen Dosis am Orte der Einwirkung und dem nun bekannten Strahlenverlust baut sich unsere Bestrahlungsme- thode auf, Wenn wir vorhin gesagt haben, dass z. B. die Kastrationsdosis gleich 34 pCt. der Hauteinheitsdosis ist, so wird zweckmässig diese Dosis am Ovarium folgendermaassen erreicht: Durch direkte Bestrahlung von vorne lässt sich eine Dosis in der Tiefe erhalten, die in Abhängigkeit von der Grösse des Einfallskegels 1) Unser Kompressionstubus schaltet jetzt diese Möglichkeit aus. Medizinische Sektion. II. Abteilung. | 89 23—27 pCt. der H.E.D. beträgt. Die noch fehlende Röntgenstrahlen- menge muss daher durch ein weiteres Feld, das zweckmässig von der Rückseite gegeben wird, ergänzt werden. Liegt die Patientin auf dem Bauche und wird die Röhre nunmehr von hinten direkt über das Ovarium zentriert, so lässt sich von dort aus ans Ovarium eine Dosis von 15—20 pCt. der H.E.D. erzielen. Sie ist kleiner als die Dosis von vorne infolge der grösseren Entfernung des Ovars von der Haut und der stärkeren Absorption der dazwischen liegenden Knochen. Man kann also die Kastrationsdosis leicht erreichen, ohne bei mittelstarken Per- sonen die bedeckende Haut allzusehr zu belasten. Wir benötigen heute zur sicheren Herbeiführung einer dauernden Amenorrhoe durchschnittlich 4 Felder, pro Ovarium 2. Die gesamte Zeitdauer ist dabei ungefähr 120—130 Minuten. Der klinische Erfolg hat die Richtigkeit unserer Messungen eben- falls bestätigt. Wir veröffentlichen demnächst eine Reihe von 500 nach- einander ausgeführten Kastrationen in einer Sitzung, die den prompten Eintritt der Amenorrhoe in einer ganz bestimmten Abhängigkeit von der Regel zur Folge hatten. Auf den gleichen Prinzipien baut sich unsere Technik der Karzinom- bestrahlung auf. Ich habe vorhin dargelegt, dass die Karzinomdosis 110 pCt. der H.E.D. ist. Auch diese Grösse kann nur erreicht werden durch Konzentration von verschiedenen Seiten. Wir können z. B. ein Portio-Karzinom direkt senkrecht von vorne bestrahlen, in gleicher Weise von hinten. Damit erhalten wir im günstigsten Fall 50 pCt. der H.E.D. an die Stelle des Tumoıs. Wir müssen daher noch schräge Einfalls- felder zu Hilfe nehmen, die ebenfalls für die Grösse der Tiefendosis weit ungünstiger sind, einmal infolge der durch die Schrägstellung ver- schlechterten Dispersion und auch besonders für die hinteren Einfalls- felder verschlechterten Absorption. Daher müssen wir rechnen, dass wir zur Summation der 110pCt. der H.E.D. durchschnittlich 6 Einfalls- felder benötigen. Unsere Messungen haben uns dann gezeigt, dass in dem angenommenen Falle als Portio-Karzinom 110 pCt. der H.E.D. am Tumor sicher erreicht werden. Die Grösse des Konzentrationsfeldes beträgt ungefähr 9 X13 cm. Während wir bei der Kastrationsdosis uns mit der einmaligen Einwirkung begnügen können, ist es beim Karzinom damit nicht geschehen. Das liegt aber nicht daran, dass die Karzinomdosis zu gering von uns angenommen ist, sondern an der Ausbreitung des Karzinoms. Es weiss jeder Operateur, dass auch bei schein- bar nur lokalen Veränderungen, an der Portio z. B., selbst die an der Beckenwand gelegenen Drüsen karzinomatös verändert sein können. Aus diesem Grunde genügt es nieht, nur den Primärtumor zu bestrahlen, sondern es müssen auch die ganzen Ausbreitungsmöglichkeiten des Karzinoms unter die Einwirkung der Karzinomdosis gesetzt werden. Da wir aber eine grössere Fläche als 9X 13cm heute im Becken nicht mit der die Kar- zinomdosis bildenden Strahlenmenge belegen können, so muss . partienweise bestrahlt werden. Wir gehen dabei bis zu einem gewissen Grade schematisch vor und bestrahlen in der ersten Sitzung den Priwärtumor, nach 6 Wochen das rechte Parametrium, nach weiteren 6 Wochen das linke Parametrium und schliesslich nach 8 Wochen nochmals den Primärtumor. Die angenommene Pause zwischen den einzelnen Bestrahlungen ist keine willkür- liche, sondern sie wurde von uns festgesetzt auf Grund unserer 90 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Erfahrungen über die Blutuntersuchung. Jede Röntgenbestrah- lung, bei der die Karzinomdosis in Körpertiefe verabfolgt wird, bringt eine starke Schädigung aller Blutbestandteile mit sich, von der am sichtbarsten die auffallende Abnahme der weissen Blutkörperchen ist. Es werden aber auch deutlich erkennbar die roten Blutkörperchen geschädigt, so dass nach der Bestrah- lung freies Hämoglobin im Blut, und Eisen im Urin nachgewiesen werden kann. Eine mehrere Tage nach der Bestrahlung auf- tretende, genz auffallende Eosinophilie muss auch als Folge des Zerfalls roter Blutkörperchen gedeutet werden. Erwähnt soll auch die von uns zum ersten Male nachgewiesene Schädigung der Blut- lipoide sein, die wir in einem gewissen Zusammenhang mit dem Röntgenkater bringen. Diese kurze Darlegung der Bestrahlungstechnik des Uterus- karzinoms zeigt auch gleichzeitig die Schwierigkeiten, die der Röntgenbehandlung des extragenital gelegenen Karzinoms gegen- überstehen. Es ist kein Zufall, dass gerade die Gynäkologen die ersten Erfolge bei der Röntgenhehandlung des Karzinoms erzielt haben. Kein Organ im Körper liegt so zentral und damit für die konzentrierende Röntgenbehandlung: so günstig, wie das Uterus- karzinom. Vergleichen wir dagegen nur das Magenkarzinom, so wird es uns ohne weiteres klar, dass die Konzentration von 110 Prozent der H.-E.-D. auf eine flächenförmig ausgebreitete Neubildung fast unmöglich erscheinen muss. Wir müssen in diesem Fall z.B. zu einem möglichst grossen Abstand greifen, um die Dispersion zwischen Haut und dem nahe gelegenen Tumor mög- lichst zu verbessern. Dieses eine Beispiel möge zeigen, dass die verschiedene Lage des Karzinoms im Körper für die Behandlungs- aussichten heute ausschlaggebend ist. Daher kann auch nicht ohne weiteres, die beste Apparatur vorausgesetzt, der technisch noch so gut geschulten Röntgenschwester ein Karzinom übersandt werden mit der Bestimmung, dass die „Karzinomdosis“ verabfolgt werden soll. Den Ausschlag für den Erfolg gibt heute die unter Zuhilfenahme pathologisch-anatomischer Lagevorstellungdes Tumors wohl überlegte und exakt durchgeführte Einstellung des Röntgen- strahlenbündels.. Damit ist die Röntgenbehandlung eine genau so exakte Methode geworden wie die Ausführung der Operation. Zu dieser Ansicht muss sich die Allgemeinheit allmählich durch- arbeiten; genau so wenig, wie ein vortrefflich eingerichteter Ope- rationssaal und ein glänzendes Instrumentarium jeden Arzt zum guten Öhirurgen macht, ebensowenig kann die Anschaffung eines Apparates und einer mit den besten Zeugnissen ausgestatteten Röntgenschwester einen Erfolg für die Karzinomtherapie ver- sprechen. Zur Illustration dieser Behauptung wollen Sie sich noch einmal unsere Behandlungsmethode des Uteruskarzinoms vergegenwärtigen. Wenn von den vorhin beschriebenen 6 Ein- fallspforten nur eine unrichtig eingestellt ist, dann geht das Röntgenstrahlenbündel vorbei und die Konzentration wird am Tumor nicht erreicht. Es bleibt dann nicht nur der gewünschte Erfolg am Primärtumor aus, sondern es besteht auch die Gefahr, dass der vorbeigehende Strahlenkegel Karzinomzellen trifft, die Medizinische Sektion. II. Abteilung. 91 dann von der ungenügenden Röntgenstrahlenmenge gereizt, zu wuchern anfangen. Es konnte nämlich vor Seitz und mir ein- wandfrei die Existenz der Reizdosis nachgewiesen werden an Tumoren, die von ungefähr 30—40 Prozent der H.-E.-D. getroffen worden waren. Eine weitgehende Bestätigung dieser Dosenhöhe erfuhr ich erst dieser Tage aus der Besprechung mit einem ungarischen Röntgenologen, der mir über mehrfach beobachtetes explosives Wachstum an Magenkarzinom klagte. Seine Aufzeich- nungen ermöglichten eine Dosenberechnung nach unserem Schema, seine Filtrierung auf „praktische Homogenität“, einen Vergleich mit unseren Strahlenqualitäten. Die von ihm am Tumor appli- zierten Dosen, die er fürenorm gehalten hatte, ergaben zu seiner Ueberraschung etwa 40 pCt. der H.-E.-D., womit wiederum ein ganz anders gearteter Beweis für die Richtigkeit unserer Messungen gefunden war. Noch eine kurze Bemerkung über die Frage der prophylak- tischen Bestrahlung und der Bestrahlung von Rezidiven. Dass die Bestrahlung eines Rezidivs von vornherein un- günstigere Verhältnisse ergibt als ‘die eines Primärtumors, ist fraglos. Ich habe gezeigt, dass die Schwierigkeit der heutigen Karzinombestrahlung liegt in der Konzentration der 110 Prozent - der H.E.D. Diese Dosis zusammenzubringen ist aber um so schwieriger, je grösser das Ausbreitungsfeld des Karzinoms ist. Gerade beim Rezidiv haben wir es nun mit oft recht grosser Ausbreitung zu tun. Für die prophylaktische Bestrahlung kann natürlich nur das gleiche gelten, was wir bisher aufgestellt haben. Die prophy- laktische Bestrahlung will auch die durch das Messer nicht ent- fernte Karzinomzelle unschädlich machen. Solange wir nun nichts Gegenteiliges wissen, müssen wir annehmen, dass die durch den operativen Eingriff irgend wohin verpflanzte oder zurückgelassene Karzinomzelle die gleiche Röntgenstrahlendosis zu ihrer Abtötung braucht, als wir es für das Konglomerat des Primärtumors auf- gestellt haben. So weit also die Zahlen zerstreut sein können, auf einen so grossen Bezirk müssen wir logischerweise 110 Prozent der H.E.D. verabfolgen. Zum Schlusse noch eine Beantwortung auf eine für den praktischen Röntgenologen bedeutsame Frage. Wir haben aufgestellt, dass die einzige Methode, die heute exakt richtige Messungen erlaubt, die elektrometrische Messung mit Hilfe einer lonisationskammer ist. Nun sagt der praktische Röntgenologe mit Recht, dass mit dieser Behauptung ihm jeder Glaube an die bisherigen Dosierungsmethoden und damit jegliche Dosierungsmöglichkeit genommen ist. Die iontometrische Mess- methode ist nicht nur sehr schwierig auszuführen, sie verlangt auch eine längere Einarbeitung und eine ‚vom Hilfspersonal nicht vorauszusetzende Genauigkeit. Gibt es nun gar keine Möglich. keit, mit Hilfe der bisherigen Methoden eine annähernd richtige Dosierung durchzuführen? : Eine der verbreitetsten Messmethoden ist die Messung mit dem Kienböckstreifen. Wir haben in einer grösseren Arbeit 92 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. bereits im Jahre 1916 die Fehler des Kienböckstreifens aus- einandergesetzt, haben vor allen Dingen dargelegt, dass dem Kienböckstreifen drei Fehlerquellen anhaften gegenüber unserem exakt messenden Iontoquantimeter. Erstens ist die Empfindlichkeit eine bedeutend geringere für verschiedene Dosenhöhen; zweitens nimmt die Empfindlichkeit des Kienböckstreifens für Röntgenstrahleneinwirkung ab, je härter die gemessene Strahlung ist; drittens können die Silbermoleküle des Kienböckstreifens durch Erregung ihrer Fluoreszensstrahlen grössere Röntgenstrahlenintensitäten vortäuschen, als tatsächlich im Augenblick vorhanden sind. Unter Berücksichtigung dieser Momente lässt sich jedoch mit Hilfe des Kienböckstreifens eine praktische Dosierung durchführen. Durch die Filtrierung auf praktische Homogenität, also für die selbsthärtende Siederöhre mit 0,5 Zink ist mit Sicherheit jene Gegend im Spektrum, die eine spezifische Silberstrahlung hervor- rufen könnte, überwunden. Es kann daher wohl Röntgenstrahlen- intensität gleicher Qualität (gefiltert mit 0,5 Zink) verglichen werden, nicht aber solche ungefilterter, 3mm Aluminium ge- filterter und 0,5 Zink gefilterter Strahlung. Für diesen einfachen Intensitätenvergleich spielt auch die Abnahme der Empfindlich- keit bei Härterwerdeu der Strahlung keine Rolle. Es bleibt also nur die Frage, ob der Kienböckstreifen überhaupt hinreichend empfindlich für zinkgefilterte Strahlen ist. Wir können dies auf Grund vieler Versuche bejahen und für den praktischen Röntgen- ologen die Behauptung aufstellen, dass jeder für Vergleiche im eigenen Institut den Kienböckstreifen benützen kann, wenn er einmal festgestellt hat, welche Schwärzung des Kienböckstreifens, vervielfachtmit einer Zeitangabeuntergleichbleibenden Bedingungen, ein Hauterythem hervorzurufen vermag. Wir warnen vor der Uebermittlung anderswo. gewonnener X Zahlen, da hierdurch die bestehende Unsicherheit der Kienböckdosierung vermehrt wird. Wichtig ist hierbei, gleiche Betriebsbedingungen einzuhalten, wozu eine Kontrolle durch die Funkenstrecke ein recht gutes Hilfs- mittel darstellt. Mit diesen geringen Anhaltspunkten muss sich der praktische Röntgenologe zunächst vorbescheiden. Friedens- arbeit der grossen Institute wird es sein, eine Dosierung auszu- arbeiten und im Verein mit den grossen Fabriken diese so fest- zulegen, dass dem praktischen Röntgenologen geeichte Apparate und geeichte Röhren zur Verfügung gestellt werden können, so dass der Praktiker eine hinreichend exakte und verlässliche Dosierung nach Zeit, wie wir sie heute in der Bestrahlungs- abteilung der Erlanger Frauenklinik schon durchführen, möglich sein wird. Da ro ar a ST TeA XI. ‚Ueber periodisches Schwanken der Hirnfunktion. Von Prof. Dr. Stertz. Im Jahre 1910 habe ich unter der Bezeichnung „periodisches Schwanken der Hirnfunktion“ (Arch. f. Psychiatrie, Bd. 48) einige Beobachtungen veröffentlicht, deren Besonderheit darin bestand, dass bei den Kranken — durchweg älteren Leuten — in regel- mässiger periödischer Wiederkehr von einigen Minuten kurze Phasen von Bewusstseinstrübung mit Ausfall verschiedener Hirn- ‚funktionen sich einstellten, die ich vermutungsweise mit angio- spastischen Zuständen auf dem Boden der Arteriosklerose in Verbindung brachte. Als „durchbrochenes Bewusstsein hat dann Oppenheim (Neurol. Zbl., 1917) eine interessante hierher ge- hörige Mitteilung gemacht. Sie betrifft ein elfjähriges Kind, welches — schon vorher zum Auftreten kurzer Anfälle von Be- wusstseinsstörung disponiert — im Anschluss an eine Influenza und Otitis media in ausgesprochener Weise das Symptom des periodischen Schwankens des Bewusstseins bekam. Es ergibt sich daraus, dass der Kreis der ätiologischen Beziehungen des letzteren der Erweiterung bedarf. Kürzlich hatte ich nun von neuem Gelegenheit, das perio- dische Schwanken gewisser Hirnfunktionen — diesmal nicht des Bewusstseins — in einem höchst instruktiven Falle zu beob- achten und in der medizinischen Sektion der Schlesischen Gesell- schaft für vaterländische Kultur zu demonstrieren. Wengleich es auch diesmal nicht möglich war, eine in jeder Beziehung befrie- digende Lösung des Phänomens zu finden, so möchte ich doch, um eine Anregung zu weiterer Forschung aaf diesem eigenartigen Gebiet zu geben, auch diesem Fall eine eingehende Beschreibung widmen. Krankengeschichte: W. W., pensionierter Vorschmied, 64 Jahre, Aufg. 2.—30. XI. 1918. Familienanamnese o. B. Infektionen und Intoxikationen negiert. Mitte August des Jahres Schmerzen in allen Gliedern, etwas unsicher beim Gehen; eingenommenes Gefühl im Kopf. Es stellten sich sodann sehr häufige ganz kurze Anfälle von Unfähigkeit zu sprechen und von 94 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. starkem Taumeln beim Gehen ohne begleitende Bewusstseinsstörung ein. Eingeleitet wurde der Zustand jedesmal durch ein brennendes Gefühl um den Mund herum. Leichte Störungen machten sich auch beim : Kauen und bei manuellen Verrichtungen bemerkbar. Wenn er z. B. en. mit einem Hammer Kohlen zerklopfte, „wollte die Hand auf einmal nicht mehr folgen“. Ebenso erging es ihm bei der Handhabung des Essbestecks. Er hatte das Gefühl, dass er manchmal durch verstärkte = Willensimpuise die Hemmung überwinden konnte. Schlaf und körper- liche Funktionen blieben ungestört. Auf psychischem Gebiet machten sich Veränderungen nicht bemerkbar. Befund: W. ist entsprechend seinen Jahren gealtert, hat rechts einen Altersstar. Die Temporalis sind geschlängelt, die Radialarterien etwas verhärtet, der Blutdruck nicht wesentlich erhöht. An deninnereen Organen und am Nervensystem kein pathologischer Befund. DieHBaltung ist im ganzen etwas steif, der Gesichtsausdruck wenig bewegt. Psychisch u bietet W. nichts Auffallendes. ze Sprache: Während der Unterhaltung fällt von Zeit zu Zeit auf, _ E- dass Pat. nicht weitersprechen kann. Er entschuldigt sich mit schwer verständlichen Worten: „jetzt kommt es wieder“, macht ein paar Ver- legenheitsbewegungen, wohl auch einen Versuch, weiter zu sprechen, stockt von neuem, bis er auf einmal wieder gut verständlich heraus- bringt: „jetzt ist es vorüber“, worauf die Unterhaltung wieder eine e Weile ungestört weitergeht. Haltung, Aussehen blieb dabei vollständig unverändert. Um nun dieses eigenartige Intermittieren der sprachlichen : Funktion hinsichtlich Form, Dauer, Zwischenraum zwischen den ein- zelnen Perioden genauer kennen zu lernen, wurde der Pat. zu fort- laufenden Leistungen, Hersagen der Zahlenreihe, der Monate zum Vor- lesen eines Lesestücks aufgefordert. Es stellte sich dabei folgendes heraus: die Anfälle von Dysfunktion, die ich weiterhin der Kürze halber „negative Phasen“ nennen will, traten alle 21/,—4'/, Minuten auf und dauerten im allgemeinen 12—15 Sekunden, wie das untenstehende Dell a ZEN I a U rar. > ” REN über etwa eine halbe Stunde fortlaufenden Lesens geführte Protokoll er . zeigt. - >= = | e | Zeit | Dauer | Intervall : Be Beginn 9.31V. | : | u I 9.32 I. to=Sek.=2i} E- 1I 9.341, | 19523 21/, Min. : I 9.36%; | 19#35 I FESE a IV 9.40 DEE Sul 2 V 9441, | 9 Be 3 VI 9.47 | Kae SE, VII | 9 501/, | 1025 NEE VIII 9.53 +0. A IX 953°, Se Sf X 9.563/, | 125 3 = Nur die 9. negative Phase wich insofern von dem Ergebnis zahl- reicher, auch bei anderen Versuchen gewonnener Resultate ab, als sie erheblich zu früh eintrat, dafür aber leichter verlief. Beginn und Ende ist nicht ganz genau zu bestimmen, weil sich die Störung innerhalb einer allerdings ganz kurzen Zeitspanne ein- und ausschleicht. Die Artikulation wird sei Beginn der negativen Phase undeutlicher. Die Sprache nimmt einen bulbären Beiklang an. Der Redefluss wird ver- langsamt, stockend, sekundenweis unterbrochen. Man hat den Eindruck, Medizinische Sektion. II. Abteilung. 95 _ als ob Pat. mittels vermehrter Willensanstrengung der ihm zum Be- wusstsein kommenden Innervationsbehinderung Herr zu werden sucht. Die letztere ist graduell etwas verschieden, auch an verschiedenen Tagen, hat manchmal vollständige Unverständlichkeit zur Folge. Silbenzahl und allgemeines Wortgefüge bleibt aber erhalten. Gang: Der Gang ist im allgemeinen, ganz besonders nach längerem Sitzen ein wenig unsicher, breitbeinig, bei etwas steifer Haltung und gelegentlichem leichten Schwanken. Ia der negativen Phase wird die sonst flotte und gleichmässige Schrittfolge gestört. Einzelne Schritte werden kleiner, verlangsamt, im Entstehen etwas gehemmt. Das Taumeln verstärkt sich wesentlich. Im Anfang ist Pat. dabei mehrfach zu Boden gefallen, jetzt ist das nicht mehr der Fall. Selbst Kehrt- wendungen führen bei aller Unbeholfenheit nicht mehr zu grobem Gleich- gewichtsverlust. \ "Schrift: Die negative Phase kennzeichnet sich beim fortlaufenden Schreiben dadurch, dass die sonst flotte Schreibweise sich auf einmal verlangsamt, mühsam wird. Durch ausfahrende Bewegungen, ungleich- mässiges Aufdrücken werden die Buchstaben entstellt, ohne dass aber Fehler des Wortgefüges dabei unterlaufen. ‚ Andere Bewegungen: Bei näherem Zusehen weisen auch alle motorischen Funktionen in der negativen Phase zum mindesten leichte Störungen auf. Bei Zielbewegungen der Arme macht sich rechts wie links eine ganz leichte Erschwerung, Unregelmässigkeit im zeitlichen Ablauf, leichtes Vorbeifahren am Ziel bemerkbar. Beim fortlaufenden Kniehackenvyersuch wird ebenfalls der Schwung des Beines etwas un- gleichmässiger, das Knie oft nicht ganz erreicht, ohne dass aber grobe ‚ausfahrende Bewegungen beobachtet werden. Die Prüfung der motorischen Kraft ergibt in der negativen Phase keine merkliche Ab- nahme. Das Ergogramm zeigt in der letzteren leicht unregelmässige, im Durchschnitt etwas kleinere, zum Teil etwas verzögerte, dann wieder beschleunigte Ausschläge. Das Bewegungsspieil beim Tasten kleiner Gegenstände erscheint ein wenig erschwert. Augen-, Zungen-, Gesichts- und Kieferbewegungen sowie der Schluckakt gehen in der negativen Phase mit einer geringen objektiv nicht recht deutlichen, aber subjektiv stets angegebenen Erschwerung vor sich. Ein Glas Wasser wird hastig, etwas ungeschickt, aber doch ohne grobe Störung heruntergeschluckt. Die Körperhaltung im Sitzen und Stehen ändert sich nicht. Bei Fuss- und Augenschluss tritt ein geringes Schwanken ein. Tremor, unwill- kürliche Bewegungen sind ebenso wenig feststellbar wie eine Aenderung des Muskeltonus. Sensorische und sensible Funktionen: Hören und Sehen ist in der negativen Phase subjektiv und objektiv ungestört. Das gleiche gilt auch für die verschiedenen . Qualitäten der Hautempfindung. So werden z. B. feine Berührungen, die nacheinander an den verschie- densten Körperstellen appliziert werden, nicht nur stets wahrgenommen, sondern auch ebenso genau lokalisiert wie in der positiven Phase. Auch die Stereognosie ist nicht gestört. Reflexe: Pupillen-, Sehnen-, Haut- und Schleimhautreflexe weisen in der negativen Phase keine wahrnehmbaren Veränderungen auf. Der Puls ist ebenfalls hinsichtlich Frequenz und Beschaffenheit unverändert, was auch aus den aufgenommenen Sphygmogrammen hervor- geht. Das Gleiche gilt auch von der Atmung. Bei der Aufnahme des Plethysmogramms, das in der üblichen Weise am Vorderarm ge- wonnen wurde, während Pat. fortlaufend zählte, stellte sich zunächst mit dem Beginn der negativen Phase ein unregelmässiges Ansteigen der Kurve ein. Bei einer Fortführung der Versuche ergab sich aber, dass dabei eine Fehlerquelle nicht berücksichtigt war, nämlich die vermehrte 96 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Anstrengung, durch welche Pat. die Dysfunktion der Sprache zu über- winden suchte. Verzichtete man auf jede sprachliche Kenntlichmachung der negativen Phase, deren Turnus ja bekannt war, so liess das beliebig fortgeführte Plethysmogramm jede grobe Schwankung vermissen. Vaso- motorische Erscheinungen traten in der negativen Phase nirgends zutage. Der Lumbaldruck betrug bei einem am 24. XI. ausgeführten Versuch in horizontaler Seitenlage 90 mm Wasser. Als nun Pat. fort- laufend zu zählen begann, stieg er bis auf 270 mm Wasser, stellte sich dann unter respiratorischen Schwankungen von 1—2 cm auf 210 mm ein. Bei Eintritt der negativen Phase wurde eine erhebliche Schwankung des Druckes weder in positiver noch in negativer Richtung beobachtet. Bewusstsein: Schon aus einem Teil der bisher erwähnten Unter- suchungen ergibt sich, dass das Bewusstsein während der negativen Phase nicht getrübt ist. Insbesondere ist hierfür ein Beweis die Unver- änderlichkeit der Reizschwellen für sensorische und sensible Eindrücke, ferner die deutliche Selbstwahrnehmung des Zustandes während seines ganzen Verlaufes. Einen Vergleich der Auffassungsfähigkeit in der posi- tiven und negativen Phase gestattete auch ein Verfahren, dem zufolge Bilderbogen mit annähernd der gleichen Menge von Hauptbestandteilen je 5 Sekunden lang exponiert wurde. Es zeigte sich dabei, dass in beiden Phasen die gleiche Anzahl derartiger Hauptbestandteile wahr- genommen und nachher reproduziert wurde. Ebenso konnte Pat. nach- träglich einen Satz reproduzieren, den man ihm in der negativen Phase vorgehalten hatte. Daraus ergibt sich auch, dass die Merkfähigkeit dabei nicht gestört ist. Ohne weiteres liess sich feststellen, dass die verschiedenen Funk- tionsstörungen stets vollkommen synchron auftraten. Bei oft wieder- holten Versuchen konnte im Laute der ganzen Beobachtungszeit mit kleinen quantitativen Schwankungen stets das gleiche Verhalten beob- achtet werden. Insbesondere zeigte sowohl die Dauer der negativen- Phasen wie die der Intervalle in den oben angegebenen Grenzen eine auffallende Uebereinstimmung. Ob die Versuche im Sitzen, Stehen oder Liegen ausgeführt wurden, machte einen Unterschied nicht aus. Die Symptome der Ermüdung bei länger fortgeführter Untersuchung, z. B. bei einhalbstündigem, ununterbrochenem Vorlesen unterscheiden sich nicht von den unter normalen Verhältnissen anzutreffenden. Weder beeinflussen die negativen Phasen den Eintritt der Ermüdung, noch um- gekehrt die Ermüdung die negativen Phasen. Diese Erscheinungen sind also ganz unabhängig voneinander. Spätere Nachuntersuchungen ergaben eine subjektive und objektive Besserung des Zustandes. Einige Wochen nach der Entlassuug war eine intermittierende Gangstörung nicht mehr zu bemerken, die Störung der Sprache nur noch in Andeutungen. Zusammenfassung: Es handelt sich in vorliegendem Falle um eine in kurzen Perioden immer wieder auftretende Störung motorischer Funktionen, die sich besonders deutlich als Dysarthrie und Dysbasie bemerkbar machte. Eine gewisse Unsicherheit des Ganges hatte sich im Verlaufe der Erkrankung als Dauererschei- nung eingestellt, während die Sprache sonst ungestört blieb. Die genaue Analyse des Falles hat einmal Aufschluss gebracht über den spontanen Charakter, die Aufeinanderfolge und die Dauer der periodischen Funktionsstörung, dann aber über den Umfang der motorischen Dysfunktionen über die augenfälligen Erschei- nungen hinaus und über die fast vollkommene Beschränkung der Störung auf das motorische Gebiet. re Ir RT Medizinische Sektion. II. Abteilung. Was diesen Fall von meinen früheren und auch dem kürzlich von Oppenheim beschriebenen Fall unterscheidet, ist der Um- stand, dass das Bewusstsein an den eigenartigen Zuständen nicht beteiligt ist. Auf den ersten Blick hätte es wohl nahegelegen, die synchron auftretende Störung der Sprache und das Taumeln auf eine plötzlich eintretende Benommenheit zu beziehen. Indessen ging schon die Angabe des Kranken dahin, dass in der Konti- nuität der Bewusstseinsvorgänge keinerlei Unterbrechung auftrete und in Uebereinstimmung damit ergab die Untersuchung, dass von einer nennenswerten, in irgendeiner Form fassbaren Trübung des Bewusstseins in den negativen Phasen keine Rede sein konnte. Jede Analogie zu epileptischen Absenzen oder auf dem Boden psychopathischer Dispositionen entstehender Bewusstseinsstörungen kommt also hier in Fortfall. In der Tat ist, soweit mir bekannt ist, ein dem Fall W. gleicher bisher nicht beschrieben worden. Denn auch das, was Grass& und D£&jerine unter dem „inter- mittierenden Hinken des Zentralnervensystems“ verstehen, stimmt, wie ich am anderen Orte ausgeführt habe, nicht vollkommen mit dem hier beschriebenen Falle überein. Eine nahe Beziehung zu irgendeiner Form des intermittierenden Hinkens!) kann schon deshalb nicht hergestellt werden, weil bei dem letzteren Auftreten und Turnus der Dysfunktion durch Ermüdung und Erholung, jedenfalls durch Inanspruchnahme oder Ruhe des betreffenden ‘Organs mit bedingt wird, während wir es hier mit einer höchst eigenartigen autochthonen Periodizität zu tun haben. Fügt es der Zufall, so sehen wir die negative Phase ganz am Beginn einer Untersuchung sich einstellen, wo von einer Ermüdung noch nicht _ die Rede sein kann, und die eigenartige Parästhesie um den Mund herum gemahnt auch den sich selbst überlassenen Patienten an das Auftreten seiner Anfälle. Gerade durch diese selbsttätige, einer eigenen Steuerung unterliegende Periodizität bekommt die Störung einen höchst eigenartigen, nicht vollkommen erklärbaren Charakter, was sie allerdings mit manchen anderen periodischen Vorgängen des menschlichen und tierischen Organismus teilt. Oppenheim verweist in dieser Richtung auf eine endogene Anlage, die durch eine hinzutretende Schädlichkeit manifest wird. In zwei meiner früheren Fälle war das Vorhandensein einer psychopathischen Disposition bemerkenswert. In dem hier in Rede stehenden Falle ist aber nichts derartiges nachzuweisen. Als ursächliche Schädigung habe ich in den früheren Fällen hauptsächlich Arterio- sklerose angenommen, und auch bei W. spricht das Alter und die Beschaffenheit der peripheren Arterien für die Bedeutsamkeit dieses ätiologischen Momentes. Man könnte sich allenfalls vorstellen, dass ein langsam fortschreitender Krankheitsprozess in einem Arteriengebiet zu einem intermittierend darin auftretenden Spasmus führen könnte, welcher dann die periodischen Dysfunktionen ohne organische Dauerschädigung zur Folge haben würde. Sieht man 1) Vgl. auch den Determann’schen Fall von intermittierendem Hinken der Beine, der Zunge und eines Armes. Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk., 1905. Schlesische Gesellseh. f. vaterl. Cultur. 1918. II. 7 98 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, von der Periodizität ab, so habe ich schon früher (l. c.) auf analoge Funktionsstörungen hingewiesen, die uns als Folgen von Angio- spasmen in der’ Hirnpathologie begegnen. Die Zahl der Beispiele liesse sich noch durch die „pseudourämischen“ transitorischen Lähmungen (Aphasie, Hemianopsie, Amaurose) bei Nephritis ver- vollständigen. Auch ihnen liegen, wie angenommen wird, angio- spastische Zustände der betreffenden Gefässgebiete zugrunde, die wiederum auf der Grundlage der Arteriosklerose entstehen. Letzteres ist durch Obduktionsbefunde bei solchen transitorischen Lähmungen gelegentlich bestätigt worden (cf. Vollhard im Hand- buch für innere Medizin). Werden hier einzelne Anfälle lokaler Ischämie ohne Dauerschädigung des Gewebes ertragen, so ist es im Falle W. von besonderem Interesse, zu sehen, wie sich solche Anfälle mit extremer Häufigkeit wiederholen können, ohne dass konstante Ausfälle entstehen. Das ist zweifellos nur möglich unter der Voraussetzung einer genauen Ausbalanzierung der Dauer und Tiefe der ischämischen Anfälle, wie sie wiederum nur das Werk eines Zufalls sein kann. Und hierin mag eine Erklärung für die ausserordentliche Seltenheit solcher Fälle liegen. Der Gedanke an eine angiospastische Bedingtheit des Zu- standes hat den Versuch nahegelegt, den Turnus der Anfälle im Pletbysmogramm wieder zu finden. Wenn das nicht gelungen ist, so möchte ich darin keinen Gegenbeweis gegen die angio- spastische Theorie erblicken, da eine Kreislaufsstörung von mut- maasslich so geringfügigem Umfang sich nicht auf die allgemeinen Verhältnisse der Blutverteilung im Körper projizieren müsste. Auch eine Veränderung des Lumbaldruckes brauchte nicht unbe- dingt angenommen zu werden, weil gegenüber der lokalen Schwan- kung der Blutverteilung auch innerhalb des Gesamtgefässsystems des Gehirns Ausgleichsmöglichkeiten vorhanden sein könnten. Hingegen ergaben Versuche durch Einatmenlassen von Amylnitrit auf die angenommenen Angiospasmen einzuwirken, zwar kein konstantes und eindeutiges, aber immerbin bemerkenswertes Resultat. 29. 11. fortlaufendes Lesen, Einatmen von Amylnitrit nach I]; Beginn des Versuchs 1 Uhr 8 Min. I. 1,81/, Dauer ca. 15 Sek. ee II. 1,12 x BB; } Intervall 33/, Min. I: 1,19 % 38: n = 7 = IV. 1,23 Pi ” ” 12 ” ” 4); ” Während des Einatmens trat bei dem Patienten eine Rötung des Gesichts und ein subjektives Gefühl von Eingenommensein des Kopfes auf. Die nächste negative Phase trat erheblich später und leichter auf, als es der Norm entsprach. Eine Wiederholung des Versuchs hatte aber ein anderes Ergebnis insofern, als sich das freie Intervall auf 2—1!/, Min. verkürzte, während die An- fälle von Dysfunktion auffallend leicht und auch schneller als sonst abliefen. Wenn Pat. auf eine Verordnung von Nitroglyzerin 1 pCt. 3mal täglich 5 Tropfen nach 14 Tagen sich gebessert wieder einstellte, so möchte ich dennoch es dahingestellt sein lassen, Medizinische Sektion. II. Abteilung. ob diese Besserung post hoc oder propter hoc eingetreten ist. Jedenfalls spricht einiges dafür, dass eine Beeinflussung des A standes auf diesem Wege möglich ist. Eine zweite Frage geht nun dahin, sind speziell a - logisch die in der negativen Phase zu beobachtenden Erscheinun- gen unter einem einheitlichen Gesichtspunkt zu betrachten, und sind sie wenigstens annähernd einer Lokalisation zugänglich? Wie gesagt, trat bei oberflächlicher Betrachtung zunächst nur eine Dysarthrie und Dysbasie hervor, die keinen anderen Zusammen- hang als den der Gleichzeitigkeit zu haben schienen. Aber die genauere Analyse zeigte, dass eine allgemeine, motorische Funk- tionsstörung die negative Phase begleitete. Welcher Art diese in ihren Elementen ist, lässt-sich nicht ohne weiteres sagen. Mit den naturgemäss groben Prüfungsmethoden, die bei der Kürze der negativen Phasen zur Verfügung stehen, lässt sich feststellen, dass’ eine merkliche Abnahme der motorischen Kraft, eine Verände- rung des Muskeltonus und der Sehnenreflexe nicht auftritt. Auf die Natur der innervatorischen Störungen wirft aber am ehesten die subjektive Empfindung des Kranken und der allgemeineEindruck während der negativen Phase ein Licht. Beide gehen dahin, dass in den Erregbarkeits- oder Leitungsverhältnissen der betreffenden motorischen Zentralorgane Widerstände intermittierend auftreten müssen, die bei den motorischen Einzelleistungen allenfalls über- wunden werden können, bei einer rascheren Aufeinanderfolge von Innervationen (Sprache, Schrift, Gang) aber zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Leistungen führen müssen. An welchem Ort sich innerhalb des motorischen Systems die periodische Funktionsstörung einstellt, ob kortikal, subkortikal, nukleär lässt sich aus der Form der Störung nicht sicher ent- scheiden. Denkt man sich die letztere als einen konstanten Aus- fall, so würde man vielleicht die Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf eine Pseudobulbärparalyse stellen. In jedem Fall ist man zu der Annahme einer bilateral-symmetrischen Affektion genötigt, welche im Hinblick auf nicht allzu seltene Erfahrungen auf hirn- pathologischem Gebiet keine grossen Bedenken hat. 18 | yerzeltinb i ‘ ‚sämtlicher von der Schles, Gesellschaft für für valerl. Cult rg | ik Bane Schriften. : Zwei Reden, gehalten von dem Reg.-Quartiermstr. Müller und Prof. Reiche bei der a Feier. des Stiftungstages der Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde und Industrie ‚Schlesiens ? am 17. Dezember 1804. 80, 48 Seiten, a) 7 An die Mitglieder der Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde und Industrie Schlesiens und an sämtliche Schlesier, von Rector Reiche, 1309. 8%. 328. 2 Oeffentlicher Aktus der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, gehalten am 19. Dezbr. 1810 zur Feier ihres Stiftungsfestes. 8% 408. Joh. George Thomas, Handb. der Literaturgesch. v. Schles,, 1824. 80, 372 S., gekrönte Preisschrift. Beiträge zur ee verfasst von den Mitgliedern der entom. Sektion, mit 17 Kpft. 1829, BER. 17 Die schles. Bibliothek der Schles. Gesellschaft v. K.G. Nowack. SO, 1835 oder später erschienen, © Denkschrift der Schles. Gesellschaft zu ihrem 50jähr. Bestehen, enthaltend die Geschichte der Schles. Gesellschaft und Beiträge zur Natur- und Geschichtskunde Schlesiens, 1853. Mit 10 ‚lithogr. = EI. £ r 3 Tafeln. 40%. 2832 S. N. Dr. J. A. Hoennicke, Die Mineralquellen der Provinz Schlesien, 1857. 8. 166 S8., gekr. Preisschrift. | Dr. J. G. Galle, Grundzüge der schles. Klimatologie, 1857. 4. 278. er ® Dr. J. Kühn, Die zweckmäßigste Ernährung des Rindviehs, 1859. 30%, 242 S,, gekr. Preisschrif. B: Dr. H. Lebert, Klinik des akuten Gelenkrheumatismus, Gratulationsschrift zum 60 jähr. Doktor- En Jubiläum des Geh. San.-Rats Dr. Ant. Kro eker, Erlangen 1860. 8%. 149 S. R Dr. Ferd. Römer, Die fossile Fauna der silurischen Diluvialgeschiebe von Sadewitz bei Oels in. E Schlesien, mit 6 lithogr. und 2 Kupfer-Tafeln. 1861. 40. 70 S. Lieder zum Stiftungsfeste der entomologischen und botanischen Sektion der Schles. Gesellschaft, als, 3 b Manuskript gedruckt. 1867. 8%. 92 S. } 3 Verzeichnis der in den Schriften der Schles. Gesellschaft von 1804—1863 inkl. enthaltenen Aufsätze in. Br alphab. Ordnung von Letzner. 1868. 80, = Fortsetzung der in den Schriften der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur von 1864 bis 1876 inkl. ä enthaltenen Aufsätze, geordnet nach den Verfassern in alphab. Ordn. von Dr. Schneider. General-Sachregister der in den Schriften. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur von 1804 bis 1876 inel. enthaltenen Aufsätze seordnet in alphab. Folge von Dr. Schneider. S Die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. I. Die Hundertjahrfeier (125 8.). I. Geschichte ‘ der Gesellschaft (149 S.). Breslau 1904. Dr. Richard Foerster, Johann Christoph Handke’s Selbstbiographie, Festschrift zum hundertjährigen =: \ Jubiläum der Universität Breslau. 1911. 80. 38 S. 2. Periodische Schriften. Verhandlungen der Gesellschaft f. Naturkunde u, Industrie Schlesiens. 80%. Bd. I, Hit, 1, 218 S,, . 2, . ® 112 S. 1806. Desgl. Bd. II, 1. Heft. 1807. ; un - Correspondenzblait der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, 4%, ; j ; Jahrg. I, 1810, 96 S. Jahrg. III, 1812. 96 S. Jahrg. V, 1814, Hft, ıu. 2je 58. % 49, < 1866. 267 8. 8°. n. Abh. 90 8. « 1898. VIII u. 492 Seiten 8%, : 1831, 6 = 40, -» 1867.2788 80. n. Abh. 1918. « 1899. VILu.3308. 80, n.Erg.-. 3 1959108 40, | 1868. 3008. 80. n. Abh. 447 8. | Heft VIL, 85 Seiten &, . 1833.16 40 | = 1869.3718.80.n.Abh.2368.| - 1900. VIII u. 668 Seiten 80, » 1834. 143 = 40, e 1870. 318 S. 8%, n. Abh. 55 S. n. Erg.-Hett 36 Seit. 80, » 1835. 146 » 40, & 1871. 357 8.80. n. Abh. 252 8. » .- 1901. IX u. 562 Seiten 80,° 775 - 1856. 157 5 40, . 1872. 3508.80. n. Abh. 1718. = 1902. VIII u. 564 Seiten 89, =» 1837. 191 . 49, = 1373. 2878.80, rn. Abh.148S. - - 1903. VIII u. 601 Seiten 8°, » 1838.14 - 4, =» 1874. 294 Seiten. 80, . 1904. X u. 580 8. 8°. n.Erg.- » 1839, 226 » 40, > 1875. 326 5 go, HeftVIIL 152 Seiten 80, -» 1840. 151 = 40, . 1876. 394 . 80, . 1905. VII u. 730 Seiten 8. » 1841.18 » 40, =: 1877. 428 - 80, » 1906. VIIlu.6648.80n. Erg » 1842. 226 D 40, = 1878. 331 . 80, : Heft VIII, 186 Seit. 8. . 1843. 272 40, nebst = 1879. XX, u.473 Seiten 80, 1907. X und 600 Seiten 8, 52 S. meteorol. Beob. 1883. XVI w48 «80 « II: VIII u. 472 80. » 1846. 320 Seiten 49, nebst 1884. XLI u.402 =» 380 « 1911. Bd.I: VI u.518 8%. 74 S. meteorol.Beob. 1885. XVI u.44Seiten 80, » II: VIII u. 210 80, « 1847 404 Seiten 40%. nebst n. Erg.-Heft. 121 S. 30, . 1912. Bq.I: VI u. 602 80. 44 S. meteorol. Beob. -» 1886. XL u. 327 Seiten 8°. » II: VI u.250 80. » 1848, 248 Seiten 40, n. Erg.-Heft 121 S. 30, - 1913. Bd.I: VIu.95480n.Erg » 1849. Abth.I, 180 8.,1I, 398. » 1887. XLII u. 411 Seiten 80, Heft VII, 409 Seit. 5 n.448. meteorol. Beob = 1888. XX u. 317 Seiten 80, « 1I: VI u.200 80, = 1850. Abth. I, 2048. II, 368. « 1889. 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