JAHRESHEFTE DES ÖSTERR. ARCHÄOL. INSTITUTES I

TAFEL I

Lehr- u. Versuchsanstalt f. Photogr. in "Wien

BILDNIS EINER JUNGEN GRIECHIN IN WIEN

JAHRES HEFTE

DES ÖSTERRKICHISCHICN

ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTES

IN WIEN

BAND I

-MIT 7 TAFELN UND 94 TEXTFIGUREN

WIEN

ALFRED HOLDER

K. U. K. HOF- UND UNIVERSITÄTS-BUCHHÄNDLER 1898

Druck von Ruhoi.k M. Koiiuer in BrOnx

ÜBERSICHT DES INHALTS

Seite

O. lU'.XXl)*. )1\ !•' liililnis (mikt jung'on (iricchin ( laf. Ii i

Adamklissi ncn-li riiinuil 122

StiiM'torso (liT .\kr()])()lis igi

P. V. Ull-:>IKOWSKl Tarentincr Krlic-lfragmente (Taf. 11) 17

Zwei Scul]iluri>n der praxitclischen Schule (Taf. \') 18g

E. BOK.MAXN Neue .Militärdiplome 162

F. CUMONT V.'m neues Psephisma aus Amphipoli.s 180

R. HI'lJiERDEY Eine zweisprachige Inschrift aus Lykien 37

M. IIOERNES Wanderung archaischer Zierformen 9

li. HULA Metagraphe attischer Kaiserinschriften 27

J. JLITHNER Siegerkranz und Siegi-rbinde 42

E. K ALINK A ]\Iittheilungen aus Constantinopel 31

V. KOHLER Zur Bilinguis von Isinda in Lykien 212

\V. IvUBITSCHEK Heroenstatuen in Ilion 184

G. NIEMANN Zur Basis des Tropaeums von Adamklissi 138

\V. REICHEL Zum Stierfänger von Tiryns 13

]•;. Ri-.ISCH Athene Hephaistia (Taf III) 55

K. SCHENKE Der Georgos des Menandros 49

R. v. SCHNEIDER Oinochoe aus Eretria (Taf. IV) 143

1-'.. SZANTO Archäologisches zu Goethes Faust 93

Bronzeinschrift von Olympia (Taf \T, \TI) i97

!•". W'ICKHOFF Der zeitliche Wandel in Goethes Verhältnis zur Antike

dargelegt am Faust 105

A. WIl.illLM Ein Vertrag des Maussollos mit den Phasi-liten i i<i

Hl'-.im.AI r

Spalte

Provisorisches Statut des österreichischen nrchäolofjischcn Institutes I

O. BENNDOIi!'' und R. Hl'',BKRnKV Vorläufige Berichte über die Grabungen von Kphesus ... 53

E. BORM.NNX und K. K.VI.INK.V Hericht aus Bulgarien ^'

F. BL'LIC Komische Cislcrnc in Sahma ... -v^

Spalte

M. GLAVINIC und W. KUBITSCHEK Ein Denarfund in Dalmatien 83

F. HILLER V. GAERTRIXGEX und E. KALIXKA Weihung einer koischen Schiffsmannschaft

in Saniothrake? 89

E. KALIXKA Die Cathedrale von Herakleia . 3

Antiken zu Periuth 105

H. MAIONICA Inschriften in Grado 83, 1:5

C. PATSCH Piombo der legio XI Claudia aus Gardun 121

A. V. PREJIERSTEIX Die Anfänge der Provinz Moesien -145

\V. M. RAMSAY und E. KALIXKA Zu kleinasiatischen Inschriften 95

G. SCHÖN Mosaikinschriften aus Cilli 2g

J. STRZYGOWSKI Die Cathedrale von Herakleia 15

H. VYSOKY Archäologische Miscellen 139

R. WEISSHÄUPL Alterthüraer in Pola und Umgeliung 97

A. WILHELM Epigraphischer Bericht aus Griechenland 41

Zur Bronzeinschrift von Olympia l,S. igyff.) 195

Michael Glavinic 197

Bildnis einer Jumjen (irieehin.

hlLl 1.

Noch ininiiT (itlniMi sich lii'Uniische (iräber und srlinikcii uns in iliriMi Drnkmalcn menschliche (iestalten, die- mit unniiltolbtirer Wirkung- wieder in (his Lehen treten. Auch das kür/lieli nach Wien gelangte liildnis einer jungen liriechin, iil)er dessen l'"iuidunist,indi' leider keine Nachriclit Norliegt, gehört in die stillen Reihen jener liellenisclii'n ( iralimale. Ks ist kein gegenständlich

t)der ki.msllerisch hervorragen- des Stück, mit welchem diese Zeitschrift ihren neuen Lauf be- ginnt. Aber wie alle Arbeiten jener glücklichen' Zeit besitzt es den Reiz ursprünglicher Frische, und die Eigenart seiner Form macht es in mehr als einem Sinne lehrreich.

Eine anmuthigc; Mädchen- gestalt, nicht mehr Kind und zur Jungfrau noch nicht erwachsen; in der jugendlichen Tracht des ungegürteten dori.schen Chitons, dessen Überschlag auf den Ober- armen /.usamm(Migeknöpft ist, so dass sich Halbärmel zu bilden scheinen: ohne (Mnen andern Schmuck als dim natürlichen des Haupthaares, welches voll in den Nacken hinabfidU und zierlich über der .Stirne aufge- wunden ist: in der einen Hand eine große Granatfrucht, mit der andern den Lieblingsvogel an die Brust drückend, doch nicht spielend oder liebkosend mit ihm beschäftigt, vielmehr mit einem lei.sen, durch die leichte Kopfneigung ver- stärkten Zuge von Trauer im (lesiclit den ernsten Blick verloren in die Ferne richtend: als Ganzes wie in allen F.inzellieiten gleicht die Erscheinung den

j.xlirfslu'fte des österr. archäol. Institutes Ud. I. .

l'i^. I r.ililiiis einer jungen (iricohin.

typischen Erinnerungsbildern, welche die Griechen der altern Zeit auf die Ruhe- stätten ihrer Todten setzten. Auch was die überwiegende Mehrzahl dieser (jattung auszeichnet, ein sicherer Antheil an höchsten Vorzügen der Kunst bei mehr oder minder handwerklicher Entstehung, findet sich in gleicher Mischung wieder. Über dem schlichten, reinen Gesammteindruck vergisst man, was in der Anlage minder gelang, die Ausführung unausgeglichen ließ. Spricht doch die nämliche zarte und sanfte Empfindung aus dem Werke, welcher die Grabgedichte der grie- chischen Anthologie beim Abscheiden unvermählt gebliebener Jugend so oft ergreifenden Ausdruck geben, und wie Obertöne dem Accord Klangfarbe ver- leihen, fließen diese dichterischen Erinnerungen bereichernd in die Betrachtung über. Etwas wie die Klage, in welche Erinna vor dem Grabdenkmal ihrer jungen Freundin ausbricht: Bä^xavoj äaa' A;'5a, drängt sich auf die Lippen.

Die Figur ist mehr als ein Drittel unter der Natur die Höhe beträgt nur 0'45'" die Gesichtslänge o'og™ und aus einem zwar sehr homogenen, aber minderwertigen ISIaterial, einem feinen Kalkstein von warmer, stellenweise röth- licher Färbung gearbeitet. Die Rückseite ist vernachlässigt, nicht einmal angelegt, die Ausführung nur für die Vordersicht berechnet, hier aber von strenger Sorgfalt und im Eindruck erhöht durch die von kleinen Ver- letzungen abgesehen vollständige Erhaltung, auch durch deutliche und noch jetzt belebend wirkende Reste der einstigen Bemalung, welche direct auf- getragen war. Dunkles Roth steht an dem ganzen Granatapfel, lichteres am Ge- wand und Haar, in SjDuren findet es sich noch an den Lippen und Augenbrauen, voll in den Augensternen, während die Pupillen augenscheinlich durch weiße Färbung hervorgehoben waren. Auffällig ist eine durch die Tracht und ihre Be- handlung mitverschuldete Überbreite des Körpers, ein ungleiches Maß der Arme, die Kürze des linken, Dinge, die sich natürlich nicht durch die den Ent- wickelungsjahren eigene Ungleichheit im Wachsthum der Gliedmaßen erklären. Der Kopf hat erwachsene Formen.

Das Werk ist schwerlich jünger als die Mitte des vierten Jahrhunderts v. Ch. Bei Provincialsculpturen freilich und mit einer solchen hat man es nach dem verwandten Material zu tlum bleibt es misslich, stilistische Kriterien in Zeitansätze umzuwerten, da der Geschmack der Kunstcentren voreilt, die Praxis abliegender Orte in jeweilig rascherem oder langsamerem Tempo und in geringerer Einheitlichkeit der Leistungen zu folgen pflegt. Aber nach einer Zeitrichtung hin ausschlaggebend bleiben die jüng.sten Stilelemente, über die man, nachdem sie einmal Eingang und Verbreitung fanden, nicht hinaufgehen kann. Dass kaum

versucht ist, das ideale Schema der Gesichtsformen einem indivicUiellen kindlichen Ausdruck zu nähern, entspricht altgriechischer Weise, und auch nach der fjestalt des Gewandes, welches die Körperform nicht verhüllend lieht, eher entstellend zu- deckt, nach den steifen l'lattfalten am Leibe namentlich und den in künstlicher .Symmetrie zurechtgelegten des Umschlages, dessen Unterrand wie ein hoch- liegender (iürtel \erl,'iuft, auch nach der tlachen Bildung der Augen mit ihren scharfumris.senen Lidern müsste man an eine frühere Entstehung glauben. Aber die hohe dreieckige schöne Stirn, die das vorquellende Haar malerisch umgibt, ist jiraxitelisch, und die Form des Haarknotens, von dem ein anmuthig freier Wellenlauf von Linien herabspielt, vielbesprochenen Apollontypen eigen, die nicht vor der Mitte des vierten Jahrhunderts entstanden sind. Dies dtnitet auf die an- gegebene Zeit, und eine alterthümelnde Ungleichmä(3igkeit im \'ortrage der Einzelformen kann wohl einem Provincialwerk da noch zugetraut werden. Der Epoche Alexanders des Großen mit ihrem durchgreifenden Wandel dos Ge- .schmacks liegt es jedesfalls stilistisch schlechthin voraus und wird es auch zeitlich gewiss vorausliegen.

Die annähernd ovale Standfläche der Sculptur zeigt keine Verdübelung, überhaupt keine Befestigungsspur und ist auch an den Rändern vollkommen ungeglättet. Man hat also nicht das Obertheil einer aus zwei Stücken zusammen- gesetzten Statue vor sich, sondern eine Halbfigur, die irgendwie architektonisch verwandt war. Anschluss an eine Rückwand fordert die unbearbeitete Hinterseite, und die Verletzungen der untern Faltenränder scheinen darauf hinzuweisen, dass die Sculptur in eine leichte Vertiefung, sei es ihrer Basis, sei es des Architektur- gliedes, das ihr als Basis diente, eingelassen war. Dieser Befund lehrt also, dass die wie immer beschaffene Gestalt des Grabmals in der Haujitsache vom Bekannten abwich.

.Halbfiguren sind in flachem Ornament oder in tektonischer Verwendung an Geräthen und Gefäßen nichts Ungewöhnliches. Auf Hermenschäften sind sie in der berühmten Serie der \'illa Ludovisi, jetzt Buoncompagni, häufiger namentlich in Darstellungen des Herakles und Pan, neu(^rdings auch in einem aus Rhamnus stammenden fein drapierten Exemplar') bekannt. In kleinen Terracotten wurden seit alters Bü.sten hergestellt, welche unten über der Brust horizontal endigen, zuweilen auch tiefer am Leibe abgeschnitten sind."-) In der statuarischen Bildnerei

') 'E-.pyi|i£pl; äpx. 1891 r.:-/. 7 p. 57. grccqucs 1873 pl. II; AntiquitOs du Bosphore

-) Beispiele bieten u. A. Monuments grecs publica Cimmerien II pl. LXX a 4; Corapte rendu de la

par l'association puur rcncouragcment des etudes commission imp. arclicol. 1888 pl. VI 4; Reinacli.

der Griechen dagegen gehören reine Halbfiguren zu den Seltenheiten. Der Kunst Athens sind sie fremd. Die ungezählte Menge attischer Grabdenkmale, so weit sie in Conzes und seiner Mitarbeiter großem Werke oder anderweitig übersehbar ist, gibt durchweg immer die ganze Gestalt die meines Wissens einzige Aus- nahme, die schöne Stackelbergsche Stele aus Attika im Vatican,'') wo die Todte im Blätterkelch des Akroterions erscheint, ist eben dieser ornamentalen Verbindung halber nur scheinbar und dass die Wiener Halbfigur nothwendig anderer Herkunft sein muss, bedarf nach allem Gesagten keiner Erinnerung. Schon das Material, auch wohl der Granatapfel, den ich als sepulcrales Beiwerk nur aus

anderen Landschaften^) zu belegen weiß, schlie- ßen sie von attischer Kunst aus.

Aus Thera ist in das Nationalmuseum zu Athen eine weibliche Halbfigur aus Marmor, beinahe einen Meter hoch, gekommen, von der die nebenstehende photographische Reproduction (Fig. 2) einen Begriff gibt.^) Sie wurde mit abge- brochenem Kopfe in der Nähe von Phira ge- funden, zusammen mit einem oblongen Posta- mente, auf dem in Lettern vorchristlicher Zeit die Grabinschrift steht: 5 dy.\xoi acprjpwi^sv Au3t- v.Xeicv SwcpavTou TCOcca? apexäg evsxa y.oci awcfpocjüva?. Aus Anaphe hat Ludwig Ross'') ein weiteres Beispiel, die Halbstatue eines mit Chiton und Himation bekleideten Mannes, abgebildet und bemerkt, dass in Thera und Anaphe statuarische Halbfiguren neben ganzen Statuen als Auf- sätze über den Grabcellen der dortigen Adels- geschlechter häufiger vorkommen, und dass diese Bilder in römischer Zeit zu bloßen Büsten zusammenschrumpfen. Auch viereckige, ,einen Fuß und darüber

Fig. 2 Marmor aus Thera in Athen.

necropole de Myrina jü. XXVII I2 p. 388 mit weiteren Nachweisen.

^) Die Literatur bei Hübner, Bildnis 'einer Römerin S. 17, 1.

*) So auf den altspartanischen Stelen, dem Harpyienmonuniente von Xanthos, der Stele der l'olyxena aus Larissa, einem Relief von Megara (athcn. Mittheil. II 194, 14), von Aigina (a. a. (). VIII Taf. XVII, indes hier wohl nur Apfel).

^) Im Kataloge v. .Sybels n. 416, von Kabbadias n. 780. AVie Hiller von Gaertringen mir freundlich nachweist, gab eine Abbildung Cigalla in der athe- nischen Zeitschrift Ilavätopa VII 1856/7, S. 213 fig. Die Inschrift wird im dritten Bande des Inselcorpus n. S73 (vergl. n. 1026; 1038) wiederholt werden.

") Ludwig Ross, archäologische Aufsätze II Taf. XVn c. S. 510; vergl. I 65 und R. Weil, athen. Mittheilungen I 251.

im Quailral haltonde Aufsätze' vieler Sarkophagdeckel in Rhenaia j^laiibt er wegen der Vertiefungen, die ihre Oberfläche zeige, bestimmt, einen ähnlichen Schmuck zu tragen. Ein Kenner des Inselgebietes, Friedrich Freiherr Hiller von (iaertringen, schreibt mir, dass er solche Halbfiguren nur auf Thera und Anaphe gesehen und bei seinen Ausgrabungen auf Thera in größerer Zahl in und um di«- Stoa Basilike am .Markte und beim rcmp(>l des Ajinllon Karneio-s, theils in natürlicher Größe, theils etwas kleiner, alle aber mit einer Höhlung für den Einsatz eines Kopfe.s,

gefunden habe. Doch ist von einer andern dorischen :g "^ 1^ Tn.sel, wie R. v. Schneider bemerkte, aus Melo.s, ein aller-

dings sehr unscheinliches Exemplar, eine kleine weib- ^ f,/ liehe Halbfigur von Marmor, welche Fig. 3 in \ierfachor

V t- ^gS^ Verkleinerung reproduciert, vor Jahren in die kaiser-

'^., liehe Sammlung nach Wien gelangt. Die Provenienz

ist durch die Person des Vermittlers verbürgt, den ich J . darum befrug. Dies Stück ist aus römischer, die andern

g aus helleni.stischer Zeit, und der gleichen Epoche gehört

^j >• eine bekleidete weibliche Halbfigur /u Kj'rene an,

"* ' welche in der Nische einer architektonischen Grabfront

Fig. 3 auf einem niedrigen Postamente steht.') Wenn ein

Marmor aus Mclos in Wi.n. \-^.,.,.^^^ .^^,f ^ie Veduten ist, Welche die Werke von Pacho und Smith and I'urcher von dieser Grabfront bei mannigfachen Abwei- chungen im l-,inzelnen doch im ganzen übereinstimmend geben, ist ein zweites Exemplar von Ivyrene,**) gleichfalls eine bekleidete Halbfigur darstellend, nur weniger tief abgeschnitten und anders bewegt, auch besser erhalten, durch Vattier de Bourville vor fünfzig Jahren in den Louvre gebracht worden, worauf Heron de Villefo.sse mich aufmerksam zu machen die Güte hatte.

Alter i.st eine an der spanischen 0.stküste in Elche (Ilici) gefundene, in ihrem bizarren Zierat höchst singulare Kalksteinsculptur,") ein Mittelding von Halbfigur

') P.icho, voyage dans la Marmarique pl. Calalogue sommairc des raarbres antiqucs du Louvre

LXXXVIII p. 384. Smith and Porcher, discoveries n. 1777.

at Cyrenc pl. 19 p. 29 ff. ") Academie des inscriptions et heiles Icttrcs,

*) Abgebildet in den Archivcs des missions coraptes rendus 1897. ^- 5^5 folg. Heuzey, revue

scicntil'iques 1850 tom. I n. 10 pl. 10 p. 580 ff. in d'assyriologie III 96 ff. = Bulletin de corresp. hellen,

dem Berichte von V.ittier de Bourville. Besprochen XV 609 f. Über die Geschichte des Ortes E. Hübner

von Heuzey, figures de femmes voili-es in den Monu- CIL II 479 und übet die Sculpluren von dem bcnach-

mcnts grccs publiiis par l'association pour l'encoura- harten Cerro de los Santos, für deren Echtheit Heuzey

gemcnt des etudes grecqucs 1873 n. 2 p. ;;. eintrat, vgl. CIL II Suppl. n. 352 1 und Epliem. epigr.

und Büste in Lebensgröße, mit Resten von Bemalung, welche Pierre Paris kürzlich für den Louvre erwarb und Heuzey als ein unter altgriechischen Einflüssen stehendes provinciales Werk von hohem kunstgeschichtlichem Interesse veröffent- lichte. Unter der Natur, aber in der Gattung der Terracotten von auffallender Größe ist eine aus dem sicilischen Megara stammende Halbfigur, eine Frau mit hochalterthümlicher Frisur, von Kekule, vielleicht eher noch etwas zu spät, in den Anfang des sechsten Jahrhunderts angesetzt.^") Archaisch jünger und gleich- falls aus Thon ist das Obertheil einer lebensgroßen Figur im Museo Biscari in Catania, ,vermutlich aus Kamarina'"), in Kekules schönem Werke an erster Stelle mitgetheilt, möglicherweise ebenfalls hiehergehörig, obwohl der Verlauf des unteren Randes, wie ihn die Radierung Ottos wiedergibt, für einen Bruch spricht und nicht sicher erkennen lässt, ob ein Stück Standfläche erhalten sei.

Es ist Weniges und noch sehr Disparates, was ich an Belegen für den , Augenblick zu bieten weiß: schade, dass P. von Bienkowski in seiner auf reichen Aufnahmen beruhenden Studie über die Geschichte der Büstenform die Halb- figuren ausschloss.*^) Aber sehr beachtensw^ert scheint mir, dass es dorische Orte sind, auf welche die Fundzeugnisse führen, wie sich denn auch für die Wiener Figur eine dorische Provenienz herausgestellt hat. Commendatore Barzilai in Triest, von dem ich sie im vergangenen Herbste für Wien erwarb, hatte auf meine Bitte die Güte, genauere Nachforschungen anzustellen und theilte mir als sicheres Ergebnis derselben mit, dass sie aus Durazzo in Albanien stamme, wo sie in der Nähe der Stadt ausgegraben worden sei, um dann mit anderen unbe- deutenden Stücken, die ich gleichfalls erwarb, als Balla.st einer griechischen Segelbarke nach Triest zu kommen.

Über die Topographie und die Alterthümer der Kerkvraeischen Colonie

III 35. [Soeben veröffentlicht Paul Jamot, gazette des Höhe der Terracotte wäre eine Theilung der Form

beaux arts 1898 Mars p. 239 ff. das interessante Stück auch bei einem sehr primitiven Stande der Technik

noch einmal und citiert eine mir noch nicht zugäng- unnöthig gewesen, und wenn man sie wünschte,

liehe Abhandlung von Pierre Paris, monuments et hätte man sie gewiss in die Gürtellinie der be-

memoires de la fondation Piot IV 136 ff.] kleideten Gestalt, nicht unter die Hüften in die

*") Kekule, Terracotten von Sicilien Fig. I, wo Mitte der Oberschenkel verlegt, bemerkt ist: ,dafür, dass der unterste Theil des ") Kekule, Terracotten von Sicilien Taf. I S. 58. Körpers in der Weise, wie es hier vorausgesetzt '^) P. v. Bienkowski, historya ksztaltöw biustu werden müsste, besonders gearbeitet und angesetzt staro'iytnego, Krakau 1895, '^'° P- 3' ' "^'""^ Halb- worden wäre, ist mir ein anderes Beispiel nicht be- ligur der Isis (?) aus Villa Borghese erwähnt w'ird. k,annt; aber es ist wohl denkbar, dass man so ver- Ein auf Kalkstein in Vordersicht gemaltes Knie- fuhr, um die Schwierigkeiten der Herstellung zu stück einer weiblichen Figur beschreibt Milchhöfer, verringern' und der Erklärungsversuch die Seltenheit athen. Mittheilungen V 194. der Sache illustriert. Bei der nur 0'4 in betragenden

Kl)iclammis, spiilor Dvnhachiuni, woraus sich der heutijro Xam«' Durazzo r-nt- wickelte, hat zuerst Heuzcy in (Miier liclitvollen Abhandlung seines Makedonien gewidmeten Expodilionswerkes ausführliche Nachrichten gegeben, denen eine

durch Adolf Exner und l'hili]!]) Forch- heimer gelegentlich gewonnene kleine Nachlese gefolgt ist.") Nun ist die Mehr- zahl der von Heuzey abgebildeten Sculp- turen der alten Stadt in der That aus Kalk- stein gearbeitet, und wenngleich unter ihnen ein im Stile völlig gleichendes Stück fehlt, so ist doch auch die ganze Epoche, (l(>r die Wiener Halbfigur angehört, dort noch unvertreten. Darf man ein Grabmal aus der Mutterstadt Kerkyra, welches in das Museo Naniano nach Venedig gelangte und in den Monumenta Pacciaudis zuerst gestochen ist, '^) als Anhalt benutzen jllllll llj I j I' ' j' lill U\ JJJJll es ist ein stelenartiges, nur 27 römische

' ^ ' "^ ~ ^ Palm (o'58'") breites Heroon mit hoher

Basis und zwei canellierten Säulen, die, wie es scheint, ein dorisches Gebälk trugen und eine statuarische Darstellung des Todten umgaben, von der der Stich einen Torso auf dem Boden liegend zeigt so würde die Wiener Halbfigur ihren Maßen nach eine solche Reconstruction an sich erlauben: das Kerkyraeische Grab- mal gehört nach seiner Inschrift, welche die ganze Breite der hohen Basis ein- nahm, dem dritten, vielleicht noch d(>m vierten Jahrhunderte v. Chr. an. Mehr

Fig. 4

Hcrstellungsversuch von George Niemann.

freilich als eine Möglichkeit der architektonischen Verwendung soll damit nicht

") Heuzey et Daumct, mission archiologique '^) Museo Naniano n. 60, nach Paciaudi, monu-

<le Maccdoine p. 349 392, pl. 27 30, plan H. menta Peloponnesia II 189; Mustoxidi, illustr.

Kxncr und Forchheiraer, archäologisch-epigraphische Corciresi I 109. Die Inschrift CIG II 1886; Kaibcl,

Mittheilungen XVI 245 247. Epigrammata gracca n. 184.

vermuthet sein und will die vorstehende Skizze George Niemanns (P"ig. 4) nicht erweisen. Es bleibt denkbar, dass die Figur von Epidamnus, wie diejenigen von Kyrene und Thera, auf einem bloßen Postamente stand. Die noch unbekannten Gräberformen von Epidamnus können allein entscheiden.

In seiner feinen, früheren Auffassungen zuneigenden Betrachtungsweise glaubt Heuzey die Verwendung von Halbfiguren auf Gräbern zusammenhängend mit der Idee von Erd- und Unterweltsgottheiten, die aus der Tiefe ihres Elements hervorragen. Dass Gedanken dieses Darstellungskreises in vereinzelten Fällen die Form des Gräberschmuckes mitbestimmten, wie bei der IStackelbergischen Stele im \'atican oder der reizvoll aus dem Rankenwerk eines Akroters vorschreitenden Mädchenge.stalt, die wie eine im Frühling wiederkehrende Ivora anmuthet, möchte ich nicht ganz in Abrede stellen, finde es aber auch in diesen Ausnahmsfällen nicht erwiesen und einen künstlerischen Bestimmungsgrund für sich allein ent- scheidend. Stellt sich der besprochene Brauch in fortgesetzter Beobachtung wirklich als dorische Eigenart heraus, so wurzelt sie in Charakterzügen dieses Stammes, die eine Wahlverwandtschaft mit römischer Sinnesweise aufzeigen. Als Kopf, Büste, Brustbild, Halbfigur herrscht hier die Imago durchaus und steht zu den griechischen Grabdenkmalen, die das ,totum ponere' befolgen, in einem oft hervorgehobenen Gegensatze, der auf innerlich verschiedene Bedürfnisse zurück- geht. Jeder sittliche Ausdruck, bemerkt Goethe vor der Cena Lionardos, gehört nur dem oberen Theil des Körpers an ; jeder ästhetische, darf man in griechischem Sinne ergänzen, vollendet sich in der ganzen (restalt. Abkürzungen der Figur sind unseren durch Kopf, Gesicht und Auge beherrschten Erinnerungsbildern eigen und bieten, indem sie diesen Hauptinhalt der Erinnerung stärker sprechen lassen, ein nächstes Kunstmittel, den Gemüthsausdruck oder die geistige Potenz der Person zu steigern. Während das Repräsentationsbild überall die Gesammt- erscheinung fordert, beschränkt sich daher jedes intimere Portrait die Aufgabe, und wie tausendfach hat die christliche Kunst in solcher Einschränkung ihre höchsten Stoffe beseelt. Die herrlich empfundenen Robbias, die Ecce homo, die zahl- losen lieblichen Madonnen und markigen Portraits der Renaissanceplastik würden an ihren eigensten Vorzügen einbüßen, wenn sie die ganze Figur böten. Und ähnlich .steht es bei der bekannten Bildnisgruppe eines römischen Ehepaars im Vatican, die in ihrer einfachen Herzlichkeit Niebuhrs besonderes Wohlgefallen erregte, ähnlich auch hier bei der jungen Griechin von Epidamnus.

O. BENNDORF.

Wanderung' archaischer Zierformen.

X;u"h(l(Mn kür/licli j. r>(")l\lau und Saiii Wide iii\kcnische und jiingcrfi ost- griechischi' ( )inanu'nti' als Stammformen mitteleuropäischer Ziermotive nach- gewiesen haben, soll hier durch Gegenüberstellung von Abbildungen ein weiterer kleiner P)eitrag zu dem ('a])itel vom Nachleben ostmittelländischer Kunst i?) bar- barischen Ländern geboten werden.

Fig. 5 (nach Ohnetalsch-Richter, KviJros, die ]'>ibel und ilumer Taf. ("CX\'I g) ist ein vogelleibförmiges Thongefäß (Um- frühesten Eisenzeit aus Parasolia, mit aufgemalten ge.strichelten Rändern, sowie Gruppen concentrischer Kreise und schleifenförmiger Spiralen. Das letztere Ornament, welches auf rhodischen Vasen häufiger als auf cyprischen vorkommt, entstand nach Ohnefalsch-Richter (1. c.

.4**,.-

Fig. 5 Parasolia. Cypern.

.S. 493, vgl. 367, A. i) „möglicherweise auf Kypros aus dem concentrisclu-n Kreis- ornamenf' und kam von Cvpern nach Rhodos, um dort dann weiter umgebildet zu werden. Die immerhin seltene Umgestaltung des concentrischen Kreisornamentes in solche Schleifen geschah vermuthlich unter dem Einflüsse des mehrreihigen, mykeni.schen Spiralmusters, auf das, wie ich glaube, auch die zwischen auf- und absteigenden geraden Linienbündeln stehenden concentrischen Kreise zahlreicher älterer Thongefäße Cypern.s, zum Beispiel 1. c. CCXVI 7; 12 zurückzuführen sind. Darin liegt wohl mehr Entstellung fertiger fremder Muster als eigene Erfindung. Fig. 6 (nach M. Mach, die Kupferzeit in Eurojia -, S. 33 Fig. 32) ist ein Thon-

Jallrcslu'ftc des östcrr. .irchilol. Institutt-s J!il. I, ;

lO

krüglein aus dem kupferzeitlichen Pfahlbaue im Mondsee Oberösterreichs. Es zeigt das eben erwähnte Schleifenornament in der Ziertechnik der älteren, vor- eisenzeitlichen Töpfe Cyperns, nämlich vertieft und weiß eingelegt; Much hat es mitgetheilt, ohne auf das cyprisch-rhodische Schleifenornament hinzuweisen, da- gegen andere, nicht minder schlagende Übereinstimmungen zwischen den \''er- zierungen der cyprischen und der AIondsee-Keramik hervorgehoben. Aus der 1. c. S. 138, Fig. 58 und 60 gegebenen Parallele sieht man, wie das nach meiner An- sicht aus einer zweireihigen Spiralkette entstandene cyprische Ornament aus abwechselnden concentrischen Krei.sen und schrägen geraden Linienbündeln schon auf Cypern in ein planloses Gemenge kreisrunder und viereckiger Figuren zerfiel. In diesem weiteren Verfallsstadium kam es nach Mitteleuropa, später, als zum Beispiel in Butmir correcte flächenbedeckende Spiralmu.ster, vertieft oder erhaben, sich einbürgerten, und etwa zur selben Zeit, als ebenfalls richtig gezeichnete Spiralmotive, in Malerei ausgeführt, an anderen Orten des thrakisch- illyrischen Culturkreises Fuß fas.sten, um bald wieder dem einheimischen barba- rischen Kunstgeschmack zu weichen.

Eine ähnliche Parallele bieten Fig. 7 und 8. Erstere (nach Schliemann, Ilios S. 473, Fig. 520) zeigt ein „ornamentiertes Stück Elfenbein, zu einer trojanischen siebensaitigen Leier (?) gehörig". Schliemann theilt es der „verbrannten Stadt" zu; es stammt aber wohl, wie so manches angeblich in dieser Schichte Gefundene aus der sechsten, mykenischen. Die Füllung krummlinig begrenzter Band- flächen, zum Beispiel der Flügelstreifen an Sphingen, mit Zickzacklinien ist der Elfenbeinschnitzerei der m^'kenischen Zeit sehr geläufig. Sonst herrscht in dieser Zeit auch wohl die umgekehrte Verknüpfung geometrischer und krumm- liniger Motive, zum Beispiel Füllung von Zickzackbändern mit Spiralen an den Halbsäulen vom „Atreus-Schatzhause". Fig. 8 (nach Hampel, Alterthümer der Bronzezeit in Ungarn, Taf XXXI i /') ist das Bruchstück eines bronzenen Beilhammers, dessen Fundort nicht näher bekannt ist. Abge- sehen von der An- ordnung des Motives stimmt die Verzierung ziemlich genau mit Fig. 7 übercin. .Sie

Fin

Troj.T, nat. Gr.

1 1

l'"ig. <j lioloyna. nat. Gr.

ist, so wie sie hier erscheint, in rnyarn unj^ewöhnlich; aber die Hälfte dieses Doppelblattes, das einfacht; Sichelbkitl, bildet in verschiedenartijrer, oft üppig reicher, oft auch regelloser Anwendung das (irundelement der specilisch- ungarischcn liron/,ezeit-Decf)rati(in, an dncn durch eigenartige Entwicklung ver- schleierter Herkunft aus dem niykenischen ( 'ulturkreise nicht zu zw(Mfeln ist. Fig. 6 (nach Muntelius, ('i\ilisatii)n ]Mimiti\'e en Italie I, A Taf. g, Fig. 50 = /)' Taf 87, [""ig. 14) zeigt eine beim Arsenale zu Rologna in einem Rrandgrabe

gefundene goldene Kahnfibel mit alterthümlich kurzem Nadelhalter. Die Gräber dieses Locales enthielten außer anderen (ioldsachen noch manches Importstück (zum Beispiel einen Fisch aus Bernstein, eine aegyptisierende (ilaspaste), deren Analogien in Mittelitalien viel häufiger vorkommen als in der PoeVjene. Sie stammen aus der voretruskischen Periode Oberitaliens, und zwar aus dem jüngeren Abschnitte der sogenannten „\'illanovastufe", etwa um Ooo v. Chr. Tn dieser Zeit gelangten Arbeiten höheren Kunststils nach (Jberitalien wahrscheinlich nicht üV)er den A]i])ennin, sondiM'n auf dem Seewege durch die ,\dria. Die springenden und sich um- sehenden Thiere auf dem Bügel, sowie das Pflanzenornament auf dem Xadel- halter der Fibula sind in feinstem „lavoro granulato" ausgeführt. Schlecht charakterisierte laufende Vierfüi31er sind typisch für eine gewisse Classe „proto- korinthischer" \'asen Italiens, und man hat nicht ohne Grund vermuthet, dass die.se Thierreihen auf Jagdscenen zurückgehen, aus welchen sie auszug.sweise gewonnen seien. Das .scheint auch bei den springenden Thiergestalten der (iold- fibula der Fall zu sein. Abgesehen von der ausgesprochenen Verderbnis fehlt es nicht an einer gewi.ssen Stilverwandtschaft mit den Thierfiguren mykenischer

Arbeiten, namentlich der Dolchklingen, Goldringe und geschnittenen Steine: man vergleiche zum Beispiel die Hinschge.stalt auf der Platte eines Goldringes aus dem 4. Schachtgrabe: Schliemann, Mykenai, S. 259, n. 334 (hier Fig. 10 nach Perrot-Chipiez VI, S. 83Q, Fig. 420). Aus geschlossenen, sinnvollen Compositionen solcher Art scheint, in doppelter Verschlechterung, das bunte Thiergemenge auf der l'ibel herzustammen.

Es ist gewi.ss recht merkwürdig, dass wir Zeugnisse eines ähnlichen Pro- cesses aus dem armenischen Hochlande besitzen. Fig. 11 ist eines der Bruchstücke

Kig. 10 Mykcn.ii nat. Gr.

eines gravierten Bronzegürtels von der Paradiesfestung bei Kalakent (nach Virchow, Über die culturgeschichtliche Stellung des Kaukasus, Physikalische

Abhandlungen der königl. preußischen Akademie 1895, Taf. I, n. IT). Der Gürtel stammt aus einem Skeletgrabe der ersten Eisenzeit Transkaukasiens, ist umrahmt mit dem mykenischen Muster schuppen- förmiger concentrischer Kreisausschnitte und zeigt neben zahlreichen anderen Thieren, worunter 'flügel- lose Greife besonders häufig sind, auch eine menschliche Figur.

Virchow, der eine genetische Anknüpfung für diese Kunst ganz wo anders als im mvkeni- schen Culturkreise sucht, sieht in dem Ganzen eine Jagdscene von originellem (xehalte, worin ich ihm nicht folgen kann. Alles an diesen transkaukasischen Gürtelblechen, deren a. a. O. 18 Stücke mitgetheilt werden, weist auf mykeni- schen und noch jüngeren griechischen Einfluss hin. Doch ist hier nicht der Ort, näher darauf einzugehen.

Die Bronzefibel Fig. 12 (nach Montelius 1. c. Taf 31, Fig. 4, hier auf Grund einer von Prosdocimi gesendeten Zeichnung besser als Not. d. Scavi 1882 IV 15 und Materiaux 1S84, S. 15, Fig. 18) ist von Prosdocimi, Xot. 1. c. S. 22 f. un- richtig beschrieben worden, und Chantre, sowie Montelius sind ihm hierin gefolgt.

Fig. I I Kalakent, nat. Gr.

,,..,„

i

Fig. 12 Este, nat. Gr.

Fig. 13 Tragliatella.

Er nennt sie ,,di un sol getto", obwohl die beiden Seitentheile und die Arme der Reiter eingezapft sind. In den Pferden sieht er „cavalli marini", obwohl das Fehlen der Beine, wie bei den Reitern nur dazu dient, das Object als Fibel ver- wendbar zu machen. Auf dem mittleren Pferde sitzt .statt des Reiters ein Vögelchen,

13

von dorn man in der Abbildunj^' nur den Schwan/, sieht. Die Figuren aul dun CrouiHMi der drei l'ferde nennt Pro.sdocinii »un' appendice forata, a cui probabil- mente doveva pssere attaccata una catenella con pendagli." Dies ist ebenfalls iiniirhiiu;. (hl jene Figuren nichts anderes sind als ch-ei kauernde ÄfFchen; das Luch in jcdcMn ist der freie Kaum zwischen dem eingezogenen Unterleibe und den auf die Knie gestützten I{llbogen. AfFchen in dieser Stellung sind nichts Ungewöhnliches auf kleinen bronzenen Schmucksachen der vorgeschrittenen ersten Fisenzeit Italiens (Fibeln aus Cologna veneta und Corneto, Ührlöffelchen aus Xovilaral Drei Fibeln von Corneto (Not. d. Sc. 1896, S. 16) zeigen die Äffchen sogar auf IM'erden. Das .Vtrclien auf der Pterdecroupe kehrt wieder auf einer Fibel, die in einem Baden'schen l'unudus gefunden i.st (Linden.schmit I\'. XIV 3). Von den so häutigen Vögelchen auf Pferden und anderen vierfüßigen Thieren soll hier nicht die Rede sein. Aber wie kommt der Affe an diesen Platz? Ich weiß dies nur durch fremde Vorbilder zu erklären, von welchen auch in der hier Fig. 13 (nach Ann. dell' inst. 1881 tav. F) wiederholten Reiterge.stalt des Thon- kruges von Tragliatella eine Spur erhalten zu sein scheint. (Jrund und Ursprung dieser seltsamen Zugabe zu dem beschildeten Krieger b(>darf einer Aufhellung.

Wien. M. HOFKXFS.

Zum Stierfänger von Tiryns.

Zu dem berühmten, vielbesprochenen Fre.scogemälde des Stierfängers aus dem Palaste von Tiryns mögen auch heute noch einige Bemerkungen am Platze sein, um die erste Publication,') von der alle folgenden abhängig blieben, in nicht unw'esentlichen Punkten zu berichtigen.

Mit freundlicher Frlaubnis des Ephoros Herrn D. Chr. Tsuntas gebe ich unter Fig. 14 von der oberen Hälfte des Bildes eine neue Zeichnung, die ich nach sorgfältigen (xelatinpausen herge.stellt habe. Die gestrichelten Linien zeigen die Brüche an, die mit Punkten umgrenzten Stellen sind als Reste von Deckweiß zu verstehen.

]-".in X'ergleich mit Gillierons im übrigen so trefflicher Wiedergabe zeigt, dass bei letzterer vor allem der Ko])f des Stieres Einbuße litt. Das schematisch

') E. F.ibricius in Schliemanns „Tiryns" S. 345 34S, dazu Taf. XIII von K. GiUicron.

14

abgerundete Stutzköpfchen lässt von der lebensvollen Durchbildung, die der Maler anstrebte, beinahe nichts ahnen. Die Stirne springt mächtiger vor, der Nasen- rücken zeigt etwas von der energischen Wölbung, wie sie die Stierköpfe auf den Goldbechern von Vaphio charakterisiert. An Stelle der elegant geschwun- genen Volute, die das Nasenloch vertreten soll, erblicken wir auf dem Originale ein Sv-stem flott hingestrichener blauer Linien als Innenzeichnungen für die ganze Schnauze sammt dem Maule, an das eine richtig gebildete Unterlippe an-

jLtUJJ

Fig. 14 TafelgemSlde von Tiryns.

.schließt. Das Auge stellt sich nicht als eine bloße Kreislinie dar, sondern als weites blau gezeichnetes Oval, innerhalb dessen die Pupille, pastos aufge- tragen, sich noch andeutet, und wird überwölbt vom Brauenbogen, der wie die kurzen .Stirnhaare in gelber Farbe gegeben war. Das aufgespannte breite Ohr hat Gillieron als einen sich über das Genick ziehenden Fellflecken missdeutet, und die Hörner ließ er an dem oberen weißen Grenzstreifen des Bildes endigen, während sie sich thatsächlich, in dicker Farbe aufgetragen, über die beiden

15

oberen Streifen hinaus bis in den obersten Kandstreifen hinein erstn^cken. Dieses gewaltige (ielu'lrn \erstärkt den lündruck des mächtigen Thieres wesentlich. Über- haupt nn'rkl man überall, wie viel Mühe der Maler aufwandte, sein Bestes zu leisten. Bekanntlicli ist der Schwanz iles Thieres dreimal verändert (die Spitzen des ausgeführten Schweifes verlaufen hinter der Wade des Mannes), und die Vfirder- beine sind fünfmal umgestaltet (nicht viermal wie bei (iilli('>ron: auch der linke Vorderhuf war ursprünglich gestreckter gehalten). Aber auch die Nackenlinie ist dreimal vorgezeichnet, bis der Hals genügend verengt und der als wünschens- wert empfundene Knick in den Halswirbeln erreicht war.

\'n-\ (1cm in Sprungstellung auf dem Stiere knienden Mannt' liat man bisher zwar die Körperhaltung mehrfach besprochen, den Koiif jedoch unerörtcM't gelas.sen, offenbar weil man ihn gradeaus nach links gerichtet glaubte. Das war jedoch nicht der Fall. Allerdings ist von diesem Kopfe nicht viel erhalten. Ein grölierer und zwei kleine Flecken Deckfarbe zeigen nur, dass er wie der übrige Körper weii3 aufgetragen und die Haare .sowohl als die Innenlinien des Gesichtes .schwarz oder gelb übergemalt waren. \'on der äulJeren Form ist jedoch in blauer Vor- zeichnung' der beiderseitige Halscontur, das Kinn, die Oberlipije und der l'nter- tluMl der Nase noch kenntlich. Der Kopf war also rückwärts nach rechts gedreht, was schon aus der Wendung des Überkörpers sicher zu er.schließen wäre. Son.st ist der (irund um den Kopf so verrieben, dass sich weiteres nicht feststellen lässt. Gewiss ist nur noch, dass er barhäuptig war, weil über ihm bis zum Rantl- streifen die blaue Grundfarbe sichtbar i.st, wie dies auch (rillieron richtig angibt.

Auch über die Technik des Bildes muss ich von Fabricius abweichen, der 1. c. S. 346 bemerkt: „Der (irund rings um die Figuren ist blau, und zwar ist die blaue Farbe um den mit Weiß zuerst grundierten .Stier herumgezogen, dessen Contur sich von dem hier dicker aufgetragenen Blau deutlich abhebt. Während also der Stier direct mit Weiß grundiert ist, hat der Maler die Figur des Mannes auf den blauen Grund mit Deckweiß aufgetragen. An .Stellen, wo das Deckweiß abgesprungen ist, kommt der blaui- (irund wieder zum N'orschein". Mir .scheint dagegen der Sachverhalt folgender: die vermuthlich unreine Kalkoberfläche wurde zunächst durchaus hellgrau grundiert. Die.se (jrundierung kommt nicht nur in großen i'artien am Körper des Mannes zum Vorschein, wo das Weiß abgefallen ist (s. Gillieron), sondern in kleinern Fleckchen auch am Stiere. Auf diesem Grund sind mit pastoser blauer l'arbe beide Figuren in ilen l'mrissen ausgezeichnet: die.se Contur lässt sicli auch an dem Manne verfolgen. Innerhalb der N'orzi'ich- nung ist der Stierk<"ir])er mit (hinner gelblichweißer Deckfarbe ausgefüllt. Mine

i6

dickflüssige weiße Farbe wurde für das Innere des Stierauges, die Hörner und für den ganzen Körper des Mannes verwendet. Nun erst folgten die Correcturen des Stierschweifes und der Vorderbeine, und darauf wurde der ganze Bildgrund bis an die Vorzeichnungen blau gestrichen. Da aber die corrigierten Theile bereits umrandet und gedeckt waren, haftete die blaue Farbe nicht fest an ihnen, und sie kamen später wieder zum Vorschein. Zum Schlüsse geschahen die Innen- malereien am Stiere mit dünner und dicker braunrother und dünner gelber Farbe und diejenigen am Manne mit dünner gelber und schwarzer Farbe. Letztere wurde außerdem hier und da als (jrenzfarbe verwendet, wie am Bauche des Stieres, an den Fußsohlen und am linken Schenkel des Mannes und an Stellen, wo Theile des Gemäldes einander überschneiden. Direct auf die blaue .Schichte des Grundes ist, soviel ich sehen kann, nur ein Detail, vermuthlich als Nachtrag, gemalt, nämlich das (xenital des Stiere.s. Dieses, pastos aufgetragen, hängt auch nicht mit dem Körper zusammen, wie es sollte, und unter ihm tritt jetzt an einer kleinen ausgesprungenen Stelle der schön erhaltene blaue Grund zutage.

Ungenau ist schließlich Fabricius' Bemerkung: „Das ornamentierte Band am oberen Rande der Darstellung besteht, von oben nach unten gezählt, aus einem blauen, gelben und weißen Streifen, im gelben Streifen siiid rothe Vertical- linien aufgetragen." Vielmehr sind alle drei Streifen mit farbigen Linien ver- ziert gewesen : nicht nur der mittlere mit verticalen braunrothen, sondern auch der untere, wie ich das in der Zeichnung andeutete, mit schrägen schwarzen, der oberste auf gelbem Grunde mit senkrechten blauen Linien. Allerdings sind diese Ornamente fast ganz erloschen. Der Rand des obersten (blaugelben) Streifens kragt gegen die verticale Ebene des Bildfeldes etwas vor. Diese Partie ist rechts stark ver.stoßen, links über dem Stiervordertheil erkennt man aber, dass mit dieser Vorkragung ein Rahmen hergestellt werden .sollte, dessen ursprünglich scharfe Kante durch dicht aneinander gereihte Fingereindrücke in den nassen Kalk zu einem plastischen Saumbande gestaltet wurde. Über dieser Randmarke ist die Tafel derart glatt horizontal abge.schnitten, wie es nimmermehr durch einen zufälligen Bruch geschehen könnte. Da nun überdies ebendort links die gelbe Bemalung des Bildrahmens in einem längeren Streifen deutlich auf die horizontale Schnittfläche übergreift, halte ich für sicher, dass unser Bild überhaupt kein „Wandgemälde" im eigentlichen Sinne war, wie man allgemein annahm, sondern ein .selb.ständiges Tafelbild, vielleicht die Platte eines längeren Frieses. Der Vergleicli mit dem weit kleineren Tafelbildchen aus Mykenai (Darstellung des gerüsteten Mannes zwischen zwei Frauen) bietet sich von selbst dar; es ist

aber schon der unebenen Rückseite wegen die nur an i'iiicm circa o-j'" breiten „Saumschlage" um den Rand her geglättet, sonst rauh gelassen ist wahrscheinlich, dass die fertige Platte nicht frei aufgestellt, sondi^rn r-ntwedcr in einen Holzrahmen oder direct in die Wand eingesetzt wurde.

AihiMi. WOLFGANG REICHKL.

Tarentincr Kclicffragmcnte.

Tafel II,

Im Museo civico zu Tarent finden sich eine Anzahl Relieffragmente von anscheinend pentelischem Marmor, welche im October 187g auf dem Kreuzungs- punkte der Via di Mezzo mit dem Vico della Pace daselbst ausgegraben worden sind und offenbar zu einem und demselben Monumente gehörten. Sie gelten allgemein für Theile eines hellenistischen Tempelfriese.s, welcher Kämpfe taren- tinischer Griechen mit Japygen und Messapiorn <larstelle. Mit ihnen glaubte man von dem Tempel auch den Torso einer gelagerten Giebelfigur und die Karyatide eines Cellapilasters zu besitz(>n. In diesem Sinne wurden sie veröffentlicht von L. Viola, Notizie degli scavi tav. VIII ]>. 383 ff. und Fr. Lenormant, Gazette archeologique 1881 pl. 30. 31 p. 154. Auch W. Heibig, bull. d. inst. 1881 p. 195 sprach sich in einem kurzen Berichte über den Fund auf gleiche Weise aus.

Seither sind drei neue Bruchstücke hinzugekommen, die ich mit Einwilligung des Herrn Director Giulio de Petra unter Assistenz des Soprastante Herrn Caruso in Tarent photographieren konnte» und hier mit einem Ausdruck des Dankes für die Förderungen, welche die k. Akademie der Wissenschaften zu Krakau meinen Studien gewährte, zum erstenmale vorlege.

Als ich im Apparate des Wiener Institutes kürzlich Zeichnungen von zwei Relieffragmenten gleicher Art zu Aquileja, die hier als Sarkophagreste erkannt waren, kennen lernte, konnte ich mich der Anerkenntnis nicht entziehen, dass auch die Tarentiner Stücke von keinem Friese .stammen können. Nähere Ver- gleiche ergaben dann, da.ss sie von einem besonders schönen griechischen Sarkophage römischer Zeit herrühren, der, als Kline gedacht, an den vier Ecken der Langseiten mit Karyatiden und ringsum mit mythologischen Schlacht.scenen geschmückt war, während auf seinem Deckel ein oder zwei Rundfiguren ruhten. Das Hauptstück seiner N'orderseite, die Darstellung eines Schiffskampfes, wieder-

Jalireshcfte des östcrr. archlicl. Institutes lld. I. 3

i8

holt sich voller auf einem bekannten Venezianischen Relief und erhielt sich in Bruchstücken anderer Exemplare zu Athen und Aquileja. Auch für das attische Bruchstück und vielfach für das Venezianische Relief war Provenienz von einem Friese angenommen worden, was sich nunmehr gleichfalls als irrthümlich heraus- stellt. Ich zähle zunächst diese Wiederholungen auf:

I. Relief in Venedig aus der Sammlung Grimani: Dütschke V n. 295, wo die Literatur angegeben ist. Nach Photogr. Alinari la n. 12914 verkleinert auf Tafel II. Das Relief ergänzt das Tarentiner besonders nach links und unten, während dieses nach der rechten Seite hin mehr bietet. Unwesentliches i.st ver- schieden, namentlich in der Decoration der Schiffe, die in Tarent schlichter und einfacher erscheint. Eine größere Differenz bilden Kopf und Hand eines lanzenschleudernden Kriegers, der auf dem Tarentiner Relief zwischen den beiden letzten Schiffen zum Vorschein kommt. Der Sarkophag, zu dem das Venezianer Relief) gehörte, war grö(3er in den Dimensionen, die Ausfüh- rung feiner auf dem Tarentiner.

IL Fragment in Athen: Fig. 15 nach Richard Schöne, griechische Reliefs Taf. X n. 56 p. 30 ff. Der in Rückensicht einsteigende Jüngling stimmt genau überein, dagegen ist der in Vordersicht stehende bewegter; er senkt den linken und erhebt den rechten Arm, als ob er etwas schleudern wollte.-)

III. „Relieffragment aus weißem Marmor im Museum zu Aquileja, erworben 1895 zu Venedig: Mittheilungen der Centralcommission 1897 S. 80, Fig. i. Hoch o'45'", breit 0-95'", dick 0-15™. Allseitig gebrochen, links unten Rest einer

Fig. 15

Relief II in Athen.

') In den Beschreibungen von Otto Jahn und Dütschke ist Folgendes zu berichtigen. Der über die bärtige Leiche diagonal aufsteigende Gegen- stand ist kein Ruder, sondern ein behufs sicheren Auftrittes mit Schuppen versehenes Schiffsbrett, das die Stelle der in älteren Darstellungen vorkommen- den Schiflfsleiter vertritt. Der letzte Jüngling links oben im Hintergrunde hielt keinen Stab in der Linken, sondern in beiden Händen ein jetzt abge- brochenes Ruder. Der Gegenst.ind über seinem linken Unterarme ist ein Schiffstau. Der untere Hoplit im zweiten Schiffe schleudert keinen Stein, sondern hielt eine jetzt abgebrochene Lanze in der- selben Weise wie auf D. Die bärtige Leiche dürfte ein Barbar sein; der Schild, auf dem sie ruht, ist flacher und kleiner als die gewölbten Rundschildc

der Griechen und ähnelt demjenigen des Barbaren- jünglings auf G.

^) Die sogenannte Marathonschlacht des Reliefs von Brescia (Dütschke IV n. 386), das Schöne einem Friese zuschrieb, von dem er in dem Venezianer Relief einen w-eiteren Bestandtheil zu erkennen glaubte, ist im Gegenstande, im Stile und in der Ausführung verschieden. Die Maße stimmen nur an- nähernd, die Ornamente sind ähnlich, aber nicht gleich; auch die Identität des Marmors kann bei Sarkophagen nichts beweisen. Überdies wären zwei gelandete Flotten in einem Friesrelief, zumal ein- ander entgegengekehrt, schwer vorstellbar, und spe- ciell für die Schlacht von Salamis, an die Schöne beispielsweise erinnert, sind Landungskämpfe unwahr- scheinlich.

'9

I'roHliiMuni^-, (larühiT Wasser durcli Wellen angedeutet. Links oben Rest eines aufgeschwungenen Schittsschnabt'ls, von dem eine T.andungsbrücke an das Ufer herabführt. Von der I'riu-ke ist linkshin ein be.schildeter Grieche kopfüber in das Was.sor gefallen, genau wie auf I. .\uf der Landungsbrücke ist ein nackter (irieclienjüngling zusaniniengebrochen, dem ein andringender Feind das Seil wert in die lernst stößt. Geringe Arbeit." Fig. i6 nach einer Zeichnung des Malers L'lorian ( ioldberg", von diMii auch l""ig. 17 herrührt.

Fig. 16 Relief III in Atjuileja.

Fig. 17 Relief IV in A(iuileja.

IV. „Relieffragment aus \veil3em Marmor ebendaselbst, gefunden 1895 bei den Grundmauern einer altchristlichen Kirche zu Monastero bei Aquileja. Hoch 0-44'", breit 0-33'", dick 0-19'". In etwas größeren Maßverhältnissen wiederholt sich die Kämpfergruppe auf dem Landungsbrett, dessen obere Fläche wie auf I

geschuppt ist. Rechts im Grunde der nackte Torso eines nach rechts Gefallenen, der in etwas abweichender Lage doch der Barbaren- leiche auf l entspricht."' Fig. 17.

Mit Hilfe dieser Wiederholungen er- lauben die Tarentiner Fragmente annähernd eine Reconstruction des Sarkophages zu ver- suchen.

,i und /) passen aneinander an und rühren von einer Ecke des Sarkophages her. A ist o"37"' hoch, o'32™ breit. Capitell eines linken Eckpilasters auf beiden Seiten ver- ziert mit Astragalenschnur, Eierstab, lesbi- schem Kyma und einer Doppelranke am

3*

V

Fig. 1 8 Rclieffragnicnt A zu Tarcnt.

20

(

VN,^*W

5JSO(L '"oor

Fig. 19 Relieffragment B zu Tarent.

Abacus, das Eckei von einer Palmette bedeckt. Recht.s vom Abacus beginnt ein Maiandersj^stem. Vor dem Pilaster der Oberkörper einer Karyatide mit Armelchiton, auf der rechten Schulter aufliegendem Obergewande und einem hohen Kalathos auf dem gewellten, in zwei Locken auf die Schultern fallenden Haar; der erhobene rechte Arm stützte das Capitell. Rechts der steinschleudernd erhobene Unterarm eines Mannes. Fig. 1 8 nach meiner Photographie.

7/ hoch 0-25 "\ breit 0-53'", mit der anpassenden Seite des Eckpila- sters o'q'". Das ar- chitektonische Or- nament gleichartig bis auf eine feine Rankenspirale am Abacus statt des Maianders. Unter- halb die Spur eines von einer rechten Hand wag- recht gehaltenen Lanzenschaftes, der sich mit dem Zipfel einer flatternden Chlamys auf die Ne- benseite von ^4 fortsetzt. Fig. 19 nach meiner Photographie.

C hoch 0-23'", breit 0-46'". Oberes Randstück mit dem nämlichen Ornament wie auf .4 der Maiander voll entwickelt. Fig.20 nach meiner Photographie. D hoch 0-42 "', breit 0-42 '", gröl3te Relief höhe cog'", größte Dicke der Reliefplatte wie überall sonst o. i"'. Allseitig gebrochen, oben Rest von Eier- stab und Astragalus. Drei geschwungene Schiffshintertheile mit fünftheiligen Aplu.stren per.spectivisch nebeneinander nach rechts vorgeschoben, die Schiff.s- wände mit Flachreliefs verziert: auf dem jenseitigen ein Delphin und eine nackte Nereide getragen von einem bärtigen Triton, der ein Ruder und mit der Linken ein undeutliches Geräth erhebt, am Rande ein Blätterstreifen; auf dem mittleren

Fig. 20 Relieffragment C zu Tarent.

^-»^

einander entgegengewandt zwei Tritone, die auf einer Musclieltrompete blasen, der bärtige mit einem Kuder, am Rande eine spiralförmige Ranke mit Rosetten;

aLif dem diesseitigen ein Delijliin, ein Seelöwe und ein Seeliock, auf dem ein I-'.rot reitet. An dem mitt- leren Schiffe Rest eines horizontalen Riegels und der Ansatz der Schiffs- trcppi'. In ilim der Ober- ilieil eines bärtigen Krie- gers mit korinthischem . ■^^^- _. . ^_ Helm, Rundschild (Schz.

Ji\ V l^^Bt ^HJfc^^-"' i *, J/ - (iorgoneion), Klappenpan-

zer und eingelegter Lanze, dahinter das bekleidete l.ruststück einer weitern Figur. Zu beiden Seitendes jenseitigen Schiffes zwei be- helmte Köpfe, der jugend- liche mit einer lanzen- zückenden Hand. Fig. 21 nach meiner Photographie. E hoch und breit 0-27'". Torso einer t'hiton- figur, kopfüber gestürzt auf den Rundschild, der mit einem schlange.nlosen Gorgoneion geschmückt ist. Oben Re.st eines Schiffskieles. F^ig. 22 nach Notizie degli .scavi 1881 Tav. VlII 3.

/'" hoch 0-38'", breit 0-51'". Reste von fünf

Kriegerfiguren. Die von links er-ste nackt, nach

' ^HBj^^ili^^'fMM^y rechts Nordringend, .Schiltl und Schwertscheide

auf der linken Seite, den rechten Unterarm nach vorhandenen Tiruchspuren augenscheinlich mit dem Schwert erhoben. Ihr entgegen ausschreitendes linkes Bein, Chiton und Rundschild (Schz. Gorgo- neion) der zweiten ]'"igur. Dit' dritte schritt im gegürteten Chiton nach rechts. Zwischen ihren Beinen das (iesäß der vierten, die in Rückensicht auf der

Fig. 21 Relicftr.igmcnt D /.u Tarenl.

l'"ig. 22 Rclicffragmc-ut E lu Tarent.

22

Fig. 23 Relieffragment F zu iareui.

rechten Körperseite

lag-. Über dem Gesäß

anscheinend das linke

Bein der fünften, die

besonders stark nach

rechts bewegt war.

Fig. 23 nach meiner

Photographie.

G hoch o'5'", breit

o"49'". Oberes Rand- stück mit Resten von

vier Kriegerfiguren

und einem Pferde- kopfe. Die von links

erste Figur schritt

in Vordersicht nach

rechts, einen in Verkürzung oval erscheinenden Schild (Schz. Flügelgreif) vor'^den

Leib haltend und den be- helmten Kopf rückwärts niederrichtend; unterhalb des Schildes fallen schwere Gewandfalten ruhig herab, während über dem Schilde abflatternde zum ^'orschein kommen. Die zweite Figur hat flacheres Relief und ist im Hintergrunde wohl zu Pferd nach links an- stürmend gedacht ; man sieht von ihr den über die Achsel emporgezogenen Schild, die im Rücken weit hinweg- wehende Chlamys, die rech- te Hand im Lanzenwurfe und den bartlosen Kopf Relieffragmenl Ü xn Tarent. mit wildbewegtem Haar;

23

auch (las Haar di's i'ihobt'ni'ii l'ti'rdckdijfcs schildcrl dir- (icwalt des An;^''i-iffs. Die dritte l-'iyur tliclit mit riickwärts i^criclitcti'm Kopfe nach rechts, das Motiv der ersten l'igur von /•' wicdcrliDlciid, imd die gleiche Richtuny liiUt im Hinter- j^riuide die vierte ein, ein Ijchclmtcr bärtiger Krieger, bekleidet mit einer Chlamys, in wdclier rechtwinklig gebogen der rechte Arm durchscheint, nach dieser Arm- haltiuig und den Pro]i()rtionen möglichorwt^ise auch er zu T'ferde. Fig. 24 nach ineiner Photograjjhie.

II hoch 0-4'", breit o-.^o'"- Rechtes l^ckstück mit dem Torso einer .1 ent- sprechenden Karvatidi» in Armelcliiton und einem ( )bei-ge\vande, das sie mit der

Rechten am Oberschenkel ge- fasst hielt, während der abge- brochene andere Arm das ("api- tell stützte. Hinter ihr imCtrunde verschwindet nach rechts der mit einem Pilos behelmte Kopf einer ("hlanivsfigiu". Die rechte Hand der Karyatide verdeckt der behelmte Kopf eines nach rechts zusammenbrechenden Kriegers. , _ . (Jber diesem sieht man von innen

__^ftj: l - 1 einen Rundschild mit Kand-

^^^^^E)>. Y schlinge und innerem Bügel, ge-

^%^^*i, , _ halten von einem linken Unter-

arm, dessen Hand sich an der Schlinge im Contur verfolgen lässt, wtihrscheinlich von einem zweiten Krieger, der den Schild angreifend oder schützend über dem Gefallenen vorhielt. Über dem .Schilde erscheint von einer im Prohl nach rechts gerichteten Figur der rechte Arm, dessen Hand auf die rechte Schuller (unklar weshalb, schwerlich nach einer Wunde, eher tragend) zurückgreift, und wo man den Kopf der Figur erwarten sollte, eine räthselhafte h'orm, die ich nicht zu deuten weii3, keinesfalls ein Helm. Das Relief ist flacher und minder sorgfältig. F"ig. 25 nach Photographie.

/ hoch 076'", breit ü-85'", dick 0'52"'. Torso einer halb gelagerten männ- lichen Gewandfigur, die sich mit dem linken Ellenbogen auf einen Polster aufstützt; die Rückseite flüchtig behandelt. Fig. 26 nach Xotizie degli scavi 1881 Tav. \T11.

\'

Fis

Relifffr;i;'mL-nt // /,u T.irciU.

24

Eine Pi'üfung dieser Fragmente lehrt zunächst, dass sie nicht alle auf einer Seite des Sarkophages Platz finden können. Es würde sich dabei eine Länge des Sarkophages von weit über drei Metern ergeben, was zu seiner etwa auf 1-2'" zu berechnenden Höhe und zu den Maßen der Deckelfigur, welche die Naturgröße wenig überschreiten, außer Verhältnis stände. Sicher ist ferner, dass die Karyatide .4 die linke Ecke einer Langseite bildete, das anschließende Stück B einer Nebenseite, die Karyatide H der geringeren Reliefhöhe und der geringeren Arbeit halber an die rechte Ecke der Rückseite gehörte. Der stein- schleudernde Arm auf ,4, der sich auf I an einer im Schiffe kämpfenden Krieger- figur wiederfindet, macht dann wahrscheinlich, dass das Flottenfragment Z) von der nämlichen Langseite herrührt und von ^4 durch keine Lücke, vielleicht nur durch das Motiv des auf das Schiff Kletternden II getrennt war. Das Orna- mentstück C scheint dem Bruche nach unmittelbar an D oben anzupassen, und nach Maßgabe von I, 11 und III muss der Kopfüber- stürzende E unterhalb D an- genommen werden. Rechts wird dann die durch II und III bezeugte KämpfergrujDpe auf dem unteren Ende der Schiffsbrücke ange- schlossen haben. Es sind sonach für drei Seiten des Sarkophages Schlachtscenen, für den Deckel eine gelagerte Figur, für die Ecken der Langseiten Karyatiden, für die vordere Langseite ein Schiffskampf erwiesen, und fraglich bleibt nur, wo die beiden Fragmente F und G anzuordnen sind. Da sie gleich vorzüglich gearbeitet sind und gleiche Reliefhöhe haben, bin ich geneigt, sie auf der Hauptseite zu vermuthen, obwohl dann meiner Berechnung nach immer nocl; eine missliche Länge des Sarges, etwa 2-8'", resultiert und es als Übelstand empfunden werden kann, dass ein Figurenmotiv, dasjenige des mit Schild und Schwert nach rechts schreitenden nackten Kriegers, in unmittelbarer Nachbar-

Fig. 26 Torso 7 zu Tarent.

schatt (lo])]»'!! \<iikam. Xatiirlich würdi' mir erscheinen, dass F mit dem ver- muthliclK'ii l\.am])tc »tu cim-n ToilttMi oder Gefallenen annähernd die Mitte der Vorderseite einnahm uml (/' weiter rechts zu stehen kam, wodurch sich die dort abwärts und zurück gewendeten Köpfe erklären würden.

Ist diese V^ermuthuny richtig, so ergäbe sich die folgende Situatiim. (iriechen haben ihre Flotte in Feindesland anfänglich unbehelligt gelandet. Die Schiffs- brücke wurde herabgeschlagen, die Mannschaft ist theilweise unbewaffnet aus- gezogen. Doch stieß sie bald auf einen übcnl(>genen Feinil und verwickelte sich in einen hartnäckigen Kam])f, aus dem die einen fluchtartig sich auf die Schiffe zurückziehen, während andere ihn fortsetzen. Die blinde Wuth eines zu Pferde einstürmenden Barbaren, Leichen, Sterbende und Verwundete, so ein von der Schiffsbrücke rettungslos kopfüber ins Meer Stürzender, malen die Wirrnis des Treffens.

Da die Composition als .Schmuck von Sarkophagen verwendet war, i.st von vornherein wahrscheinlicher, dass sie einen epischen, nicht einen histori.schen Vorgang darstellte, und für (Miien geschichtlichen \'()r\vurf gebricht es an jeder Andeutung. Unter den epischen Stoffen ist die Epinausimachie schon durch die Landung.sbrücke, um anderes zu übergehen, ausgeschlossen. Auch an die troische Landungsschlacht erinnert keiner der in Dichtung und Kunst charakteristischen Züge. Möglich wäre ilagegen die mysische am Kaikos, an die bei dem \'enezianer Relief I Welcker, neuester Zuwachs des Bonner Museums S. 20 und Otto Jahn, archäologische Zeitung XXIV 220 gedacht haben. Mit den Fragmenten des Telephosfrie.ses, die sich nach Robert auf diesen Gegenstand beziehen (Jahrbuch III 91 ff.), bestehen wirklich gewisse Ähnlichkeiten. Dass sich die Griechen wie hier während der Schlacht auf die Flotte zurückziehen, wird von Pindar Ol. IX 72 bezeugt. Die berittenen Barbaren würde die Schilderung des Philostratos Heroikos II 299 ed. Kayser verständlich machen, wonach Telephos -oÄÄTjV |dv izr.'Zx TjxpexaTTS, Tzo/Mj'i Se itztzjY fiyz ot toü; |icv i/. trj: 0;:' aOitj) M'jsi'a;, 0: 5c iy. tcov xvw Jbawv aDVc|iäy_oijv. oO; 'A[jt'o'j; xs. ol r.0'.rj-y.l xaJ.oOa: 7.ai i:'::;:ü)v 7i;ii|i£vxs xa: yxXx aO-wv icivovta;. .Sehr wohl könnte die P'igur auf H, welcher der sonderbar zurück- gebogene Arm zugehörte, einen Leichnam aus der Schlacht getragen haben, dann also Thersandros, den Diomedes in der Kaikosschlacht hinwegträgt. Allein sicher ist die.se Auffassung der Figur nicht, und da das hauptsächlich wichtige Motiv des Weinstocks, in den sich Telephos verwickelt (Jahrbuch II 250), vollkommen fehlt, lässt sich für diese Deutung vor der Hand nur ein gewisser Grad von Wahrscheinlichkeit in Anspruch nehmen.

J,-ihrcshcftc des östcir. archäol. Institutes Bd. I. i

26

Dass die ersten Berichterstatter sich auch über die Entstellungszeit des Reliefs täuschten, ist angesichts der blendenden Ausführung des Figürlichen begreiflich. Heute bedarf es indes nur eines Hinweises auf das architektonische Ornament, namentlich die Gestalt des Eierstabes, vmi einen griechischen Geschmack, der über dem specifischen der hellenistischen Zeit hinausliegt, unverkennbar zu finden. Ähnlich im Ornament sind die Relieffriese aus Knidos in Kos (Reisen im südwestlichen Kleinasien I Taf. IV), die Reliefs des Hekatetempels von Lagina aus Sullanischer Zeit (Newton, Cnidos and Halicarnassos pl. 79, 80). Offenbar war für die bildliche Composition eine Vorlage benützt, die in allen Hauptsachen an den Stil der sogenannten zweiten attischen .Schule erinnert; ihre nächsten Verwandten in Bezug auf die Einzelformen sind am Mausoleum von Halikarnass und auf der Ficoronischen Ci-sta zu suchen. Andererseits weist die malerische Fülle der Com- position, namentlich die Anwendung verschiedener Reliefschichten und das durch vorzügliche Modellierung gehobene Licht- und Schattenspiel der Formen über die Kunst des vierten Jahrhunderts abwärts. Über das erste vorchristliche Jahr- hundert hinaufzugehen, widerräth der übertrieben elegante Rückschwung der Schiffsschnäbel, ihr plastischer .Schmuck. Proportionen und Darstellungsweise der Seewesen, die Art der Karyatiden, das mit Schuppen besetzte Schiffs- bret u. A. m. So dürfte der Tarentiner .Sarkophag in die Zeit der griechi- .schen Renaissance auf italischem Boden gehören, welche seit dem ersten vorchristlichen Jahrhunderte bis auf Hadrian unbekümmert um die Einflüsse römischer Xationalkunst den Stil der classischen Zeit fortbildete und auf dem Gebiete der Sarkophagplastik gelegentlich Triumphe feierte. Würdig zur Seite stellen sich die Tarentiner Fragmente dem Sarkophage Casali bei Jacobsen in Kopenhagen, dem kürzlich im Thermenmuseum zu Rom aufgestellten Sarkophage römischen Fundortes, dem Relief mit Gallierkämpfen zu Mantua (Dütschke IV 887), welches Conze mit Recht dem Grabmale von St. Remy zeit- lich nahestehend fand. Das geringer, und vor allem flacher gearbeitete Venezia- nische Relief findet in seiner Technik, namentlich im Typus der Köpfe, die nächste Analogie an dem schönen Hippolytsarkophag zu Girgenti. Decorations- werke ersten Ranges sind beide, und zu beklagen ist nach dem Fundberichte Violas,'') dass der Schatz der Tarentiner Stücke unvollständig gehoben ward.

••) Viola a. a. O. S. 383 : ,Mi si assicura da essendo stato trovato nuUa di sano, si depose ogn'idea, persona che fu presente alla scoperta, che altri an- si passö innanzi, e si trasportarono soltanto que' massi, cora avrcbbcro potuto prcndersene, ma che non, poco sospettando che potessero valere a qualche cosa'.

27

'J'an'iit wäre es mmikt kunstn'ichi.'ii \'in"gang(;iihcit .scluildij^, dif dralniiijf wieder auf/.uni'liincii und auch die in der Erde zurückgelassenen unbedeutenderen Frag-

uuMUi' in ( iründlichlvcil /Li liehen.

Krakau. . PETER von I'.II-".XK< )\VSK I.

Metagraphe attischer Kaiserinschriften.

Dil' im Altcrtlunii ()i"t(>r gerügte Unsitte, ältere» I''.hn'nhil<lnisse durch Ver- änderung des Kopfes oder auch durch bloßes Umschreiben ihrer Dedications- schrift neu zu verwerten,') griff in der nachchristlichen Zeit immer weiter um sich und verschonte selbst die Statuen der Kaiser nicht. Was dem Oranius Marcellus als ISIajestät-sverbrechen angerechnet wurde, einem .Standl)ilde des Augustus einen Kopf des Tiberius aufgesetzt zu haben,-) scheint nur hinsiclitlirli der Kürze des Inter- valls ein vereinzelter Fall gewesen zu sein und wurde jedesfalls mit der Zeit immer häufiger. Manchmal wurde sogar die alte Inschrift nicht getilgt, sondern ihr nur die neue angereiht, oder, was noch schlimmer war, die alte wurde zu einer neuen ergänzt, wodurch unregelmäßige Titulaturen entstanden. Beispiele hiefür bieten die folgenden attischen Steine, welche ich vor fünf Jahren mit l.ollings Erlaubnis im Hofe des Nationalmuseums zu Athen aufnahm und nach guten Abdrücken achtfach verkleinert veröffentliche. Den Abdruck \-on n. 4 danke ich der (iüte Herrn Dr. A. Wilhelms.

I. Platte aus weißem Marmor, unten und oben Randleiste, rechts unten ge- brochen; 0-57'" hoch, ü-4ij"' breit, 0-07"' dick, Buchstabenhöhe Z. 1 3 0-028"', Z. 4 0-025 '".

f\ y -^

AYTOKPyO^^OpOZ AÜToxpaTopo;

flAhoyKTlCTOY

') Vgl. F.. Curtius d. Stadtgcsch. v. Athen -) Tacitus ann. I 74 addidit Hispo . . . alia

S. 260 Anm., Curt Wachsmuth d. Stadt Athen im ifl statiia ampulato capite Augusti effigiera Tiberii Alt. I S. 664 .\nm. 3, 668, 679. inditam.

4*

28

Die letzte Zeile unterscheidet sich durch Buchstabenhöhe und Schriftcharakter, namentlich die Verwendung einer späteren, erst seit Hadrian häufigeren Form des Sigma auffallend von den früheren. Die Züge sind flüchtiger und minder tief eingehauen, die Apices, welche in Z. i 3 sehr schwach, aber regelmäßig geschwungen erscheinen, sind hier geradlinig. Die Zeichen links oben über Z. i sind verwischt und vielleicht die Reste eines misslungenen Anfangs.

Die Platte verkleidete die Vorderseite einer Statuenbasis, welche das Bild des Augustus trug. Als dieses durch das Hadrians ersetzt wurde, erweiterte man die Augustusinschrift durch den Zusatz 'Aop'.avoO y.-hxo'j. Dass hiebei die richtige Titulatur unbeachtet blieb, verschlug nicht.s. In Dittenbergers, aus einer Abschrift Ulrich Köhlers gewonnener Lesung CIA. III 430 wird also die Bezeichnung y.-isxr,; mit Unrecht auch Augu.stus gegeben. Die veränderte Form des Sigma in Z. 4 bot schon die Abschrift Köhlers.

2. Basis aus weißem Marmor, Profil oben und unten verschlagen; 0-48'" hoch, 0-82'" breit, 0-47"" dick; die Vorderseite rechts stark verscheuert; Buchstaben- höhe Z. I 3 0-035'", Z. 4 0-04'".

AY rO\^ PATOPOr!< AO AO.o.pä.0,0: Ka-Mapoc-

0EOY YIOY ^.soo'uioo

ji TOY SeßaaJTOÖ

' 'lOvjcAl > Apo

T'.ßspjt'o'j Katsapoc.

J^

Die Disposition von Z. 4 verbietet die im CIA. III 431 gegebene Ergänzung von y.yJ. im Anfange, auch weist die Art und namentlich die größere Höhe der Buchstaben, die in einer Schlusszeile ungewöhnlich wäre, auf eine andere Hand. Demnach muss man annehmen, dass die Basis, zu welcher diese Platte gehörte, nicht zwei Statuen, Augustus und Tiberius, trug, was ohnehin ihre Masse im höchsten Grade unwahrscheinlich machen, sondern bei einer nachträglichen Verwendung für Tiberius eine Zusatzzeile erhielt. Dass dann beim Namen des Tiberius ^e'^ocozii fehlt, ist nicht ohne Analogie.')

Doch noch ein drittesmal wurde der Stein benutzt, und zwar für Hadrian. Auf der Rückseite (links gebrochen, Buchstabenhöhe 0-036 '") steht, noch unver- öffentlicht:

') Vgl. CIL. III 2975 und Dittcnberger Hermes VI 131.

TIZTl-1 ' OPlAAPIANni ^

2y

\V.7.: 7. TI-JTT,

^(i)xf)P'. kann nur auf der Statuenplinthe angebraclit gewesen sein, da die erste Zeile an iIimii oherrn Kando clor Platte steht. Z. 4 Ende Interpunction?

3. Basis aus bhuu'ni Stein, unten verschlagener Ablauf, oben gebrochen; Höhe, soweit erhalten 0-32'", Breite o-ss'", Dicke o'3g"'; Buchstabenhöhe Z. 1 und 3 0-035'", Z. 4 o-02b 0-042 '".

ZTO Y

VI O

Die letzte Zeile steht in Rasur.'') Doch ist diese so nachlässig durchgeführt, dass noch Reste der Schriftzeichen zu sehen sind, welche sie ursprünglich ein- nahmen. Diese lassen sich mit Sicherheit zu den Worten ergänzen:

XJ£(>oj[vt KXa]'j5:o)t K[ajia[ajp[:

Es war also die Statue des Augu.stus, wie in der vorhergehenden Inschrift zu einer des Tiberius, so hier zu einer des Xero umgewandelt oder durch sie ersetzt worden. Als dann das Andenken des Xero verflucht wurde, tilgte man die Inschrift und ergänzte die Augustusinschrift flüchtig zu einer des Vespasian. Dabei wurde freilich die Bezeichnung 9-£0'j 'jEoO in Z. 2 unverständlich. Ihret- wegen die ergänzte Inschrift auf Titus zu beziehen, i.st deshalb nicht wahr- scheinlich, weil es am natürlichsten ist, die Tilgung und die Umschreibung der Zeile in dieselbe Zeit zu versetzen. Genauigkeit der Titulatur aber ist das letzte, was man bei solchen Inschriften zu erwarten hat. Jeden Zweifel behebt die In- schrift, welche Herr Dr. Wilhelm auf der Rückseite las (in 0-105'" hoher, 0-405'" breiter Cartouche. I'uchstabenhöhe 0-02'"):

*) Herr Dr. Wilhelm schreibt mir d.irüber: tilgt .... Unter dieser 0-067 " hohen Rnsur folyt,

„Durch 0-02™ Zwischenraum getrennt, folgte eine durch einen ganz schmalen Streif vielfach bcschndigtcr

Zeile auf dem Steine, von der nur noch Reste über Oberfläche getrennt, eine zweite Rasur, in der

der Vespasianinschrift sichtbar sind. Für diese ward wiederum, leider nur ganz wenige Spuren früherer

ein Streifen von 0-067"" Höhe ausgemeißelt und so Schrift sichtbar sind." die frühere Schrift, und zwar wohl zwei Zeilen ge-

30

CeBACTUJlTlTO)! Ssßaaxwi Titwi

Der Stein ist also mindestens viermal für Kaiserinschriften verwendet g worden. Außerdem trägt er noch auf der linken Seitenfläche eine Schreib-

~ Übung der Zahlen i g. So sind wohl die roh eingekratzten Buchstaben

B

r zu deuten, die sich nach Wilhelms Angabe dort finden:

Z H

0 Ol, [i y 0 B Q L, r^ yi-

Angesichts dieser Thatsachen kann ich die Vermuthung nicht unterdrücken, dass noch in zwei anderen Fällen offenbare Unregelmäßigkeiten der Fassung sich ähnlich erklären. So CIA. III 434:

O S © E O

3 A T O P OS Hiezu bemerkt Dittenberger: 'legendum videtur ^sßaaxoö Kataapjoj, 9'£o[0 utoO, AüxoxjpaTOpog: quamquam rectus et legitimus nominum ordo aliter se habet.' Handelt es sich auch hier um zwei Inschriften, so ist zu ergänzen: Aüxoxpaxopos Kaiaapjoj d-£o[i) uloö Ssßaaxoö Auxox]päxopo5 ['ASpcavoü? etc. Ähnlich scheint es bei CIA. III 519 zu stehen:

O S 0 E O Y

AYTOKPATOPOS AAPIANOY wozu der Herausgeber sich folgendermaßen äußert:

'I. e 0; %-eoü A'jxoxpaxopo; 'ASp;avoO. Vox O-eo; hie sine dubio de

vivo imperatore usurpata est; nam aliter non adderetur Aüxoxpäxopoj. Ouod per se quidem minime insolens est (Hermae VII p. 215); sed ordo vocabulorum offen- sionem aliquam habet'. Der An.stoß wäre behoben, sobald man liest: Auxoxpaxopog Ka[3ap]og ö'soö [uEoö Zsßaaxoö AOxoxpäxopoj 'A5p:avoO [^OXu\i.rJ.o^j Zur Augustusinschrift wäre eine Hadrianinschrift hinzugefügt worden. Überblickt man alle diese merkwürdigen Fälle, so kann es nicht leicht ein lehrreicheres Symptom geben für den Niedergang des Wohlstandes und des öffentlichen Geschmacks in Athen während der ersten Kaiserzeit.

Wien, Februar 1898. E. HULA.

.Sl

Mittheilungen aus Constantinopel.

Das scltcni" MniuimciU, das liii-iiiit zum erstcnniali; verüffciUlicht wird, lag' jähre lani^' unbrachtct am Ilothninm-n dos österreichisch-un.üi'ari.schen Botschafts- palais in Hujukdcri', wuliin es nacli drr wohlbcgründctcn Ansicht seines lüit- deckers, Franz l^'i-cilnTni xon (alice, gelegentlich cinrr l<c|)aralui- aus dem Schachte jenes lininnens gebracht worden sein dürfte. Baron F. ("alice hatte die Güte, mich vnn seinem I'"unde zu vorständigen und bei der Lesung der stark verwaschenen und verriebenen Schrift zu unterstützen. Fs i.st eine Giebel.stele aus weißem Marmor, 40 (ohne (riebel o'33)"' hoch, o\5t5"' breit, o-8'" dick, unten gebrochen, rückwärts gerauht. Im (ii(>bel ist eine um einen Stab sich windende .Schlange dargestellt, die dn-i .VkrotiM^ien sind jetzt ganz bestoßen. Die Inschrift hat elegante, wenn auch nicht ganz regelmäßige Buchstaben, die anfang.s wenig über Q-i'" hoch sind, unten aber beträchtlich kleiner werden, und dürfte ihrer äußeren Form nach dem ersten vorchristlichen Jahrhundert ent.stainmen. Ein Fac- simile bietet die nächste Seite und für die Lesung im Einzelnen sei vorweg das Folgende bemerkt:

Z. I ayoujievo'j, Z. 7 epyo'j (nach den attischen .Seeurkunden) und Z. g Ti'iiwv YXmy.ou ergänzt von A. Wilhelm; Z. 6 ai nach \'orschlag A. Wilhelms, der als

ParalleLstellen IGIns. I 58 iv ipimioXioc a ovo|ia ta, athen. Mitth. XV

134 £v zp'.riiaciXix oi. 5vo|ia EOavSpta '^tficcj^i und bull. corr. hell. XI 265 iv vr^: oiv.f,i-M'. /ji £raypacpr;<t> UapÖ-evo; anführt ; Z. 8 zu Kapxijidvrjj vgl. KapxKa|xos CIA II 1247 Z. 3.

Unter dem Obercommandanten A. Terentius A. f. Varro, dem der Xauarch Eudamos wohl als factischer Befehlshaber der Flotte beigesellt ist, und unter dem Trierarchen Kleonikos, der Abtheilungscommandant sein mag, steht eine offenbar koische Tetrere, deren Stab und militärische Bemannung namentlicli angeführt werden. Ein solches Verzeichnis einer Schiffsbesatzung liegt z. B. auch CIA II 959 vor, nur ist diese Inschrift namentlich bei den Chargen verstümmelt: ddch war die Ergänzung leicht mi'iglich nach [Xen.] \\{h,va((i)V r.oX'.zzia. 1 2 01 xu,i£pvf(-at xxi oi XE?v£ua-ai xai ol ijEvxr^xövxapxoi xai oi 7:p(opä-ai y.a.1 oi va'j-r^i'ot. Auch den vxj-Yfbi finden wir in unserer Inschrift wieder, falls die Ergänzung Z. 7 das Kichtige trifft. Erschöpfend hat über die .Seeofficiere .\. Cartault La triere Athenienne 224 ff. gehandelt; er erblickt wohl mit Ri-cht im -EvxTjXÖvxapxos einen Verwaltungsbeamten, gestützt auf [Dem.] T.pb^ IloX'jxXda 25 5:ä y^p exsivou Tzzrcrf xovrapxoOvTo; xa: r^yopa^Exo •/.od dwjXtax£xo. Der /X£vxr;x6vxapy_o^ entspricht also unserem

32

r^

■- 'LA

Ar , ...'E

AOYTEPF

M 0^ T ^ ^ ^NlkOT

'^öY ; fir\pR - iiT®i-.r )- ^

oYTOY^TOAOYnAMToXAY noYA^Y \OYYiOYoYApp_r\No^

\-

.1

yaPXoTNtoZ ETA A

TPl-'PÄPyoYNToEl<A\

ToY-ETPHPEa7/\iEn

i/ ' ' EAPIIT ^ : -EY^T.

■MoTeEYrENc

h

. I "»■

Schiifscommissär : und, was besonders interessant ist und vielleicht mit der traditionellen Pflege der Heilkunst auf Kos zusammenhängt, auch der Schiffs- arzt fehlt hier nicht. Die Zahl der PY^^aten in unserer Inschrift, die mindestens 20 beträgt, erscheint zunächst hoch, weil die attischen Trieren des pelopon-

nesischen Krieges nur zehn hatten und danach B. Graser de veterum re navali 38 für Tetreren 1 4

berechnet; vgl. jedoch J.

Kromaj'er Philol. LVI 481 ff.

Der Schlan- genstab ober- halb der In- .schrift stellt augenschein- lich das Stadt- wappen von Kos dar; auf koischenMün- zen findet er sich zuerst in der Periode 88-50 V. Chr., einbeachten.s-

wertes Zusammentreffen mit unserem Zeitansatz der Inschrift, und kehrt auch nach dieser Periode vereinzelt wieder (vgl. den engli.schen Münzkatalog).

Es ist selbstverständlich, dass unter dem Commando des römischen Legaten außer der koischen Tetrere noch viele andere Schiffe standen, für deren jedes ein solches Verzeichnis angelegt worden sein dürfte; und ich vermuthe, dass in

AOYNikv.k-_.;, K^Y M Y .;<. .uite^eii^Pat*

TIMOC^O-^ B^Nj- - .,;, ... < ^ AN, YNik rOr^^YßToY

ÖPA^Y^xNAP )^ lENo^ '^<0-JiMoKP^ToYHPAroPA'L n \A^ I ^AN ToY -: Y NO Ao < ) - xE k Pay i Ao Y NolL'i -Tln/ riMOKAEYi-- ;j,ioTlMo<: I TEYlt^^rv/üKPAYH^AVlJ

V AT^rro^ N 1 1^ «^r Of : AI or E M Ö ' ' ^ L: OKAVO^ ßT OYAjvJ a( .ANTirorvo5.-\l 1Y A^oYKAA^-lHrPATM^yAPlYT NorNIKokAEYlTT-^, VY^A-' NaPöY

\NEk Aryi

.53

joder der an der Flotille betheiligten Städte alle diese \'erzeichnisse nebeneinander aufgestellt waren, die an der Spitze je den Namen der betreffenden Stadt trugen. Ob aber dir l'ri'isiadt P>y/,an/ selbst, in deren Weichbild der .Stein gefunden wurde, auch herangezogen war, oder ob das geschlossene N'crwallungsgebiet der l*ro\inz Asien, /u der damals Mysien, Lydien, Karlen samnit den aiolischen, ionischen, dorischen .Stallten aul.ler Kluxlos gehörten, für die ganze Flotte auf- kommen musste, so dass

'Ay|ou|i]£fv'ou -oO (j-öÄou "av-öc A'j-

Äo'j 'r£p£[vjtiou AO[X]o'j utoO OOxfpfovo; 7:p£a,j£'Jt[ä, va]yap"/_oOv:o; Ivjoä- 5 [lO'j x[oO ], "piTypapyoOv-o; KÄ^c-

o]vtX!JU [X0"j] El)[xdp7:]0U- -£-pTjp£tl);. XI Br.['.-

Ylpa'.f|a , epyou llz]::j:a-pär:ou t|oO

'Aa|i[o5]Ü)p[o'j. -/jjjiEpvä-a]; Ka[p7.t|i£vrjl5 'Apiaxjw- wjjxoi», [z;]p(ji)p£[i»c T:[i]to[v TItj/.ou. x£X]£'jaxi|;

10 'Api]axo7.[paTrj; 5!;. r;iv]xrjx[6vxap]yJo]s 'AyY^CTa|v-

opjoj 'Ef pyoxEAO |uc. i^ttpöc |v]o; 0£uy£vc<|u'

£i^i,jaxai Alxjiöxpixog "Ex-.fav[x:]5a, 6[pjaa'Joaiio; (-)paa'j|ilx- y^ou, XLx[oJx[X7i;| K[Ä]£[tvia, 'E/iijxfpaxr^]; T£A£3txpäx[o'j.

■5 Tt{.i6[i>£]o; fi'. 'Av[xfoyo; E'jcf)d]v[o]u, Ntx[ay16pa? |3' xoO Bpao-jävSpIcJu, [E|£voo[öx]o; 'r'.|toxpäxo'j. 'ilpayöpx: TIpac;9ä'/:o'j, [Z]£voS6[xo; 'EJ/£xpaxi5&u. Xia:;(ov Tt|iGxX£0;. [Z£]vöxtj.i05 [Kpaclxc-jj, Ka[XIJtxpäxrj; 'Apsafxo- 7:|d;;;;ou. X'.xay6p[al; |A]Loy£[v]o['j. Nolx6|iaxo; j3' xoO 'Ava|E!- den Legaten A. Teren-

2o X]a. "AvxJyovoc |"Av-äv]5po'j, KjajÄXixpäxr,; XapLax[co'j. tiusA. f Varro mit einer

E'jxI'.vg; X:xo-/./.c'j;. ll|pa;:a|; [0£]uSa||iou. 'A|v|5Jpcx[rjio; bereits näher bekannten

M£|v£x|X]£Oc Persönlichkeit identifi-

cieren zu können. Das mei.ste Anrecht hierauf hat wohl der A. Terentius A. f \'arro der bilinguen Inschrift aus Delos eph. epigr. IV p. 43 n. 77, den Mommsen am lieb.sten mit jenem Terentius \'arro gleichsetzen möchte, welcher nach Angabe der allerdings minder zuverlässigen Commentare zu ilen Verrinen (div. 7, 24) etwa a. 75 reus ex Asia ... de pecunüs repetundis . . . est accusatus absolutus(iue est a O. Hortensio. Näher bekannt ist noch A. Tert'utius A. f. N'arrci Murcna, di-r 25 gegen ilie .Salasser siegreich

J.ihri-shc-ft.- (Ii-s .M.-rr ;ir.h;i..l. lni,liiut,-> ll.i I -

die Stele aus einer ihrer Küstenstädtc, z. B. Ky- zikos, nach Con.stantino- pol verschleppt worden wäre, wage ich nicht zu entscheiden. Ebenso unsicher bleibt vorläufig der Zweck, zu dem das Geschwader aufgeboten wurde. Der Obercom- mandant A. Terentius \'arro mit dem Titel npsajjc'jxx; war vielleicht einer von den drei oder mehr Legaten, die dem .Statthalter Asiens zuge- theilt wurden.

Wichtig wäre es,

34

kämpfte und 23 als Consul endete; aber obwolil ihn Cicero (epist. XVI 12, 6 a. 49) vertraulich A. ^^arro (A. Varroni, quem cum amantissimum mei cognovi tum etiam valde tui studiosum, diligentissime te commendavi) nennt (daneben Cic. epist. XIII 22, i a. 46 Varro JMurena und Varro in unmittelbarer Folge), ist es doch fraglich, ob in einer officiellen Urkunde sein ererbtes Cognomen IMurena fehlen konnte (vgl. Mommsen eph. epigr. IV 43). Zeitlich könnten außerdem etwa noch in Betracht kommen der Zeuge im Process des Caecina (6q) A. Terentius (Cic. pro Caec. g, 25), der Tribun Terentius 54 (Cic. ad Att. IV 17, 3), der Varro, der 43 V. Chr. ad ludibrium moriturus Antonii digna illa ac vera de exitu eins magna cum libertate ominatus est (Vell. II 71), endlich der Varro, der vor 20, nach Liebenam Forschungen I Legaten 361 25 2^ Statthalter Sj'riens war und vielleicht trotz Liebenams Einspruch doch, wie IMommsen res gestae divi Augusti ^ 165 vermuthet, mit dem 23 von Agrippa nach Syrien geschickten Varro iden- tisch ist; doch dürften die Letztgenannten schon zu jung sein. Auch wäre durch ihre Identificierung mit unserem Legaten wenig gewonnen, sowie es auch belanglos ist, ob der -/£X£'jat3:[s 'Apt]aTOx| pätr^j olq] mit dem 'AptaioxpotTTjs ji' Paton and Hicks inscriptions of Cos 416 identisch ist.

Sprachlich ist das w in TStpr^pews merkwürdig. Eine Abweichung von der sonst befolgten Regel erblicke ich ferner in ['EJxsxpaxtSo'j Z. 17, das nach Analogie von 'Ex;fav[tc]oa Z. 13 enden sollte. Dagegen lege ich auf die LTnregelmäßigkeit von K>.[£o]vtxoy Z. 5/6 neben f(-)£]'j5a[[.io'j] Z. 21, von 'EfpyoT£Xo]uc Z. 11 neben den gleichartigen Genetiven auf o'j, von [Kpx]T£'j; Z. 18 statt des gewöhnlichen Kpä- Tr;TC; kein Gewicht, weil an allen diesen Stellen die Möglichkeit offen bleibt, dass das Richtige noch nicht gefunden ist. Für die Stufe des Dorismus der Inschrift sind die contrahierten \"erbalformen mit o'j charakteristisch.

Herr H. Albertall, Vertreter des k. k. Telegraphen-Correspondenz-Bureaus in Constantinopel, war so liebenswürdig, mir Eintritt in ein türkisches Haus Galatas zu verschaffen, in welchem er eine lateinische Inschrift wusste. Diese ist in einen 075'" hohen, 07'" breiten, 0-23'" dicken Marmorblock sehr sorgfältig eingegraben, aber in der rechten Hälfte ganz verrieben, weil der Stein lange Zeit als Schwelle gedient hat. Am oberen und unteren Rande der Vorderseite verläuft eine schmale, seichte Rinne, in die Lagerfläche ist rechts und links ein viereckiges Dübelloch eingetieft. Die Inschrift lehrt, dass der Stein wohl mit anderen zusammen eine .Statuenbasis gebildet hat. Die Eigenthümlichkeit, dass der Name des Geehrten im Accusativ steht, ist bei einer Inschrift, die aus einer griechischen Gegend

35

stammt, kaum auffällig. Schwierig aber ist es, den Ursprungsort der Inschrift zu bestimmen. Nach Constantinopel .selbst, das niemals römi.sche Colonie war, kann sie nicht gehören. Vielleicht darf man sie, zumal da der Geehrte Priester des Kai.sers Claudius war, in des.sen Regierung.szeit sie auch noch fallen muss, iler olaudisrluMi Colonie Apri /uwei.sen; diese .scheint die älteste römische Colonie

COLON I SEPTIM

5ACTICL/ CAESARL

Colon! L. SeptUni[uni . t\iliitut) Ani{ctisi) Val{eulem) sac{erdotem)Ti. Cl[audii 5 Caesari[s quiuqiiicuiiülcni) [

d{ecurinnnui) [diccrcto)

aut thrakischem Boden gewesen zu sein und kann ganz wohl zur tribus Arnensis gehört haben; vgl. Kubitschek Imperium Romanum tributim discriptum 239. Auch die ein.st in Gallipoli befindliche Inschrift CIL III; 725 = 7381 eines L. Calea L. f. Arn. Rufus, der also gleichfalls der Arnensis angehört, mag aus Apri verschleppt .sein, das halbenwegs zwischen Constantinopel und Gallipoli liegt; so würde sich wenigstens ihre lateinische Textierung, an der Mommsen Anstoß nahm, einfach erklären.

Im Anschlüsse an diese beiden Di'ukmäler mögen zwei an die Direction des kais. ottomanischen Museums in Stambul eingesandte Inschriftencopien ihre .Stelle finden, in deren Veröffentlichung Dr. Halil Hdhem Bej, dem ich wie seinem Bruder, Excellenz Hamdi Bej, für persönliche Theilnahme an meinen Arbeiten und für deren wirksame Unterstützung zu aufrichtigem Danke verpflichtet bin, freundlich einwilligte. In W'iran (Wilajet: Angora, Kaas: Tschurum) wurde fol- gende Inschrift gefunden:

36

Up'.T/.o: npc|iw n P I C k o C rXuy.'jT'iTW -7.-pl a[T]T;-

TA^ICVTATCU nATPICH "

CACCHAHVANAPI- ^ y./,'j-c[ö)] cocciV;. jjtw-

sIcAYTOCOfflHBiai r_ I . ,

CANI AMEMTOJCLN- 3av[i,jc a|i£i.i-:w; £v-

GA A E K A A E C 0 K TCUA Y- 9.« c^y^i^s- Öxtü) Xu-

KoßANTCUN XPYCOY u^ ^w/.^^y.^ ü/.tiu aj

KAlAPrYPOYYMON y.o.iävTcov. vp'j^roO

10 £ X O N T A e Y e H N I A- , ,

CUCtiPOCYNHCCYN CYNOC "''■'^' ='-PT'-'p^'-' \-':,'/l\bv {Y)

iN Q A A i KEITAIAANHMHCXA- -. -o '

Pin / n ^ ^^^ syynoi. SDÖ-r/zia

£ T 0 A; G . C M^ acö-^^pocTUvr^S cr'jv£6v[w]-

£v9-ä5£ y.zl-sci- iiVT^iir^; yi- ptv £Xo[u]g ovo. Die Zeitrechnung- des Fundgebietes ist meines Wissens noch nicht fest- gestellt: da aber Tavium wahrscheinlich nach dem Datum der Besitzergreifung Galatiens durch die Römer {2^ v. Chr.) rechnete (Kubitschek in Pauly-Wissowas Realencyklopädie I 646), so dürfte dieselbe Ära auch für unsere Inschrift anzu- setzen sein, so dass ovo dem Jahre 229 nach Chr. Geb. entspricht. Ins dritte Jahrhundert würde man nach Inhalt und Form diese Grabschrift auch ohne Jahresangabe versetzen.

Die Lesung wird verschieden ausfallen je nach dem Grade von Ungenauigkeit, den man bei der Copie vorauszusetzen geneigt ist. Da in BICjJCANI sicher ein T, das vermuthlich mit N ligiert Avar, übersehen i.st, so darf man eine übersehene Ligatur mit T unbedenklich auch in Z. 3 und 4 annehmen. Die Schreibungen ä|_i£|iT(oc und Ä'j/.o^JxvTwv. osxxos; (statt Ocxxoaci und r/ovTa (statt v/yn'.) möchte ich dagegen nicht dem Copisten zur Last legen. Zweifellos waren Verse beabsichtigt, deren einziges halbwegs gelungenes Beispiel der Hexameter 'z-J^Ki^'t äv5pi xÄ'jtw !3oq;irj j^twoavTt ä|i£[^iTWS ist; nur so lassen sich die ionische Form ao-^iri, Ausdrücke wie y.XuzM, 0£7.ä5£;, Xuxo^jxv'wv, E'Jil/jvia, endlich die poetische Wendung xp'JCJoO -/.od äpyjpG'j |7;o/.a]öv(?) iyyrcoc £'j8'ryvia a(i)'.ppoa'jvr;; a'jv£Üv[(;)], falls meine Auffassung der Stelle das Richtige trifft, erklären.

Gar keine Schwierigkeiten bietet die o-i02"' hohe, o"q3"' breite, in 7'" dicke Platte mit einer Doppelinschrift, aus deren Wortlaut nicht ersichtlich ist, ob sie einem Grabmal oder Khrendenkmal angehörte, was Beides möglich sein könnte untl nur aiu Original zu entscheiden wäre:

37

A'.Y'JT.:

;a

AirYHTlA K-/.aT<ovjjio^j THNEAYTOyrYNAIKA

EI<ATßNY*^OY _.,-. ;3,,j-.;. «lAOOEANHPAIfElAOY

T H I E A Y T H I ^' " " ,' '"

DVrATPOy il'UYatpo; -, ,

5 HAEIASTHN , -|15c;ac rv/ , , , , '

OYTATETEPA ^ ; ' xrjv £auTOu yuvaixa

« I A O O EA N i)'UYai£<-£>p« cptXoö'sav 'Hpay.|X|£f5oo

Das ^^'l•\\■ancltschatls\■^'^llällnis dürfte wohl so sein, dass der dalU; der l'liilothi'a diM- jüns-pro lirudrr ihrer ( iroLhiiutter war; Hodeia, die Tochter der Ai.n'viitia und Multei- der l'hilothea, war mit 1 lerakleich's xcriiuddt.

i:. K AI.IXKA.

Eine zweisprachige Inschrift aus Lykien.

Die nachstehi'iid in unt^ef.ihr achtfacher \'erkh.>ineniny wieder^X'gebene Inschrift findet sich an einem über rs'" hohen, o'65"' breiten, o\54"' dicken Kalksteinpfeiler, der inmitten der Trümmer den- lykischen Bergstadt Isinda,') etwa ilritthalb Stunden westlich \ im Antiphellos bei dem Dorfe Bclleiiklü, anscheinend noch in situ steht. Die Oberseite zeigt eine rechteckige Eintiefung, in welche ursprünglich irgeml ein Aid'satz, vielleicht ein Weihgeschenk, eingelassen war: sie ist 0'04"' tief und ()"33"' X »'37 '" groß. Die Inschrift ist an di>r westlichen Breitseite des Pfeilers eingegraben und dinxh den Einfluss der Witterung in so hohem (Irade verwaschen, dass ich sie bei meinem ersten Besuche im Jahre 1895 nicht bemerkte unil erst im folgimden Jahre l)ei günstiger l'eleuchtung Spuren iler Ij'ki.schen Zeichen zu iM-kennen vermocht(\ .Ms der zu mehr als zwei Drittel \-erscluittete Stein bloßgelegt war, zeigte sich unter dem h'kischen auch ein griechischer Text, leider noch ärger zerstört iils die größeren imd tiefer eingegrabenen lykischen Zeilen. Ich widmete dem Studium des Originales zwei volle Tage und verzeichnete, was ich an .Schrift zu erkennen glaubte, in der Hoffnung, mit Hilfe zweier Abklatsche ilie l^esung noch weiter fördern zu können. Leider sah ich mich darin getäuscht; die verwitterten, auf dem Steine oft nur

') Vi;l. Hcberilcy-K;!!!!!];;!, Ik'riclit über zwei Reisen im S. W. Kleinisicn. Al)li. der .\k,->demic lier Wiss. in Wien 1 Sg6 S. 30.

38

durch dunklere Fär- bung in Umrissen er- kennbaren Buchsta- ben hinterließen auf dem Abklatsche nur unsichere Spuren, so dass es mir vielfach unmöglich war, das vor dem Original Ge- lesene auf dem Ab- klatsche wieder zu er- kennen. Anderseits hat die Beschäftigung mit letzterem an man- chen Stellen Neues mit Sicherheit erge- ben, leider nicht ge- nug, um in dem zu- nächst wichtigen grie- chischen Theile eine befriedigende Ergän- zung zu ermöglichen. Ich stelle daher im folgenden die Origi- nalabschrift und die Lesung nach dem Abklatsche einander gegenüber, wobei ich bemerke, dass der Ab- klatsch zunächst unab- hängig behandelt und erst nachträglich mit der Originalabschrift verglichen und über- prüft wurde.

Suchen wir, soweit

x;.-

Ai^y

pfr T

nni^ r+oBAA.,.N.

PPB +-rTEI^TTT

ET

A;

T

~^:

E E f ^+'^:

^■.3TE. ioBE

L'^i^S $TE:Y^TEtA;5' E : x^YTE:T'^T^|•■E E

-^.^AM^ ^ ETE:T^T'^PF E -^iT -i" fC XM -.J A A/^l

^

TE;A A/^

t

^-T'^-EEA

"■-■-'■

i-.-^: 1 /]\ A \ si,/^

, EAAAE I - f'. E T Al l^-M/]^A/;sA/\

£.T E-5i TPßß/^AE-

M^I .^ene:t^T/M E

aE:a

+ E--.-:.^

|< OM ^ I ME.T

'.VTEAHTAl K XE

■:. _M I AIAICATE N|; I Y AEI^ATHJ-

AITHN I K HA/oP '■aHE ; eiNAiAEA\HTE

AAHNP EPlTOYT-n.tMYnE p T-n-N n OAlT-TuN/MH.'ENiA ^a/fI' a'^T^. "AYM/ '■

IM

N-^5 I

\^x^XT^'#,^^^H^j"E'^p'E,A>f^Jy;5_ S

M-YAll t-

aytjt.

lEKE |,V^, ''■ E 5" T-O. NO

s. N ENOAHT PAPAIN AI IToY ANTEiJ KAIAPA

= T-^5ANToY5AEA^ '°NEnEITAF^iAYTü-v

AYTolOitElAET^j;/,^,

^YA Paxmasxiai AJ,-^.^

25

.V»

J5

■(o

45

^

'V':^

^Vi^i ^^i^ii^r^^i ss.c^ i ^^

die zerrüttete Überlieferung gestattet, uns über den In- halt des griechischen Thei- les klar zu werden, so zeigt sich derselbe als ein in den h'ormi-ii nicht wesentlich vom (iewöhnliclion abwei- chender Beschluss einer nach griechischem \'orbil- de organisierten Gemeinde (vgl. besonders Z. 33—35) bezüglich einer Festfeier (Z. 26) zu Khren eines unbe- kannten (iottes, bei der auch eine 3-/.r,vo7:o::a Z. 32, stattfand. Sie scheint all- jährlich wii'di-rkchrend ge- wesen zu s(>in, Z. 30 '/.oLz' £Vi[aux6vJ. In oexäty, Z. 31 steckt vielleicht der Rest eines genaueren Monats- datum.s. Z. 32 35 [iv) eEe:-

va: 11^2 [

yvwjiir// ~io\ to'j-wv Otce^

[ jir^-Tc I Töjv -•jA--öy/

|ir({>£vt verbietet Abände- rung.s- oder Aufhebungs- anträge seitens der Bürger- schaft. Ganz unklar bleibt der nächste Abschnitt, doch muss er nach Mal3gabe des Folgenden Restimmungen über die Thätigkeit der Priesterin enthalten haben. Z. 40 ff", im 2s rj teps'.a (li) uüa|7.oü]OT)-o:;[ otojcxw

40

OLuvoiQ aXXr^v lipzixv trifft X'orsorge für den Fall, dass die Priesterin sich diesen Bestim- mungen nicht fügen sollte, und verfügt sofortigen Ersatz, eventuell auch aus fremdem Lande, Z. 42 [isxaTüSii'Miisvov. Wer sie beizustellen habe, bleibt unklar; besonderes Gewicht wird darauf gelegt, dass der Ersatz noch in demselben Jahre statthabe, sv zw. h/iTj-C'K iy.sfvw: Z. 43. Sonst ist nur am Schlüsse noch erkennbar, dass eine Mehrzahl von Personen, vielleicht die a'JToi von Z. 41, deren genauere Bezeichnung wohl in Z. 40 fin. verloren gegangen ist, mit einer Strafe von 1000 Drachmen bedroht wird.

Mehr als diese ganz allgemeinen Züge vermag ich den traurigen Resten nicht abzuringen; vielleicht glückt es anderen, die Erkenntnis des Zusammenhanges weiter zu fördern, sicherlich aber wird man auf Herstellung eines zusammenhängenden Textes verzichten müssen. Dies ist umso bedauerlicher, als in der Inschrift zum ersten- male eine längere h'kisch-griechische Bilinguis vorzuliegen scheint, welche, über die einfachen Formeln sepulcraler und anathematischer Texte hinausgehend, uns wert- volle Atifschlüsse über die noch immer räthselhafte lykische Sprache bieten könnte.

Haben wir aber in der That eine Bilinguis vor uns ? Die äußere Gestalt des Monumentes und die Art, wie die beiden Inschriften auf demselben ange- bracht sind, lässt dies zunächst glaublich erscheinen. Bei näherer Überlegimg spricht aber doch Manches dagegen. Vorerst ein rein äußerliches Moment. Der lykische Text füllt 2J[^/.^ Zeilen zu etwa 32 Buchstaben, der griechische 28 Zeilen zu etwa 38 Buchstaben, d. h. in gleich großer Schrift würde der griechische Theil den Lykischen um etwa ein Drittel übertreffen. Das steht in directem (iegensatz zu dem, was die sonst bekannten durchaus bilinguen Texte von Lirnyra und Tlos-) lehren, da in diesen stets das Lykische mehr Raum erfordert als das Griechische. Auch inhaltlich begegnen wir Schwierigkeiten. Das Griechische endet mit einer Strafandrohung von 1000 Drachmen ; weder Zahl- zeichen noch die wohl bekannte ]\Iünzbezeichnung ,ada' stehen in dem sicher zu lesenden und fast vollständig erhaltenen Schlusspassus des Lykischen. Ander- seits findet sich im Lykischen viermal (Z. 13, 15, 17, 20) der Eigenname Qeziqa, den es trotz der weitgehenden Zenstörung des Griechischen schwer halten dürfte, in ihm ebenso oft unterzubringen.

Alles dieses scheint den Gedanken nahezulegen, dass wir es nicht mit einem in zwei .S|irachen abgefassten Documente, sondern mit zwei gesonderten, auf den- selben Gegenstand bezüglichen Schriftstücken zu thun haben. Dazu stimmt eine weitere Erwägung. Der Name Qeziqa ist in leichter orthographischer ^''ariante

^) .Sclimich II 19; F.enndorf, Anzeit;er der phil.-liist. Classe d. Akademie d. AViss. Wien l8y2 n. 18 vom 20, Juli.

1'

aus diM" Stele von XaiUlms liekaniit, deren l-'.ia'ielUer sieli Solin eines Harpagos und ,tiihes' Neffe eines Oeziga nennt iSiid Z. 2-,/h). An Identität der beiden Per- s{)nlichkeit(»n ist allerdings niclit zu denken, da die Stele dem V. S. a. (". an- irehört.'') Wohl aber ist zu bedenken, dass von dem Namen der von Harpagos' Sohn a. a. < ). anrge/ählten X'ortahren (oiUm" noch lebiMiden Verwandten, wie ich lieber glauliiMi lui'irhtei sieh /war niehrer(>, ebenso wie sein eigener, auf Münzen, in den zahh'i'ieheii ( i i'abschriften ilagegen nur einmal ,Oezi(ia"i und einmal Ilar- pagos') linden, beide nicht als ( irabinhaber, sondern durch den Zusatz ,f|ntafata', den auch der als König \on Lykien bekannte Perikles (Theo]ionip l*"ragment iii) stets führt, als Dvnasten gekennzeichnet. Auch der Herod. \' 1 1 <)8 als Comman- danl der hkischen .Schiffe genannte K'j^jcpv.; ist nach der einleuchtenden \'er- besserung von .Six'') eines Ko'j'jixx; .Sohn (bisher las man l\'j^j£pv:'j"/.c; —iy.x). in dem wir luischwer mit ilem genannten (ieli-hrten einen lykischen Oeziqa wiedererkennen werden. Offenbar waren diese Namen in dem ( ie.schlechte des Harpagos erblich, und die einzelnen (xlieder der Familie als Dynasten, .sei es neben, sei es unter dem Herrscher von Xanthos über I.ykien zerstreut a'jyysvlcjiv oOr/.z [lip'JZ pocjO.io:; heißt es ja im I'.pigramm der Stele Z. 8. Dürfen wir als(.) in dem <Jeziqa unserer Inschrift einen Nachkommen, \ ielleicht einen l-'.nkel des Oezicja der .Stele erkennen, dessen Herrschaft sich um und \ielleiclu auch über Isinda erstreckte dass das Geschlecht aui-h in dieser degend eintlussreich war, zeigt die Harpagosinschrift aus dem kaum j .Stunden entferntim Tsciiindam so ist es vielleicht nicht zu gewagt, anzunehmen, dass Oeziqa und der Demos von Isinda sich zur Feier einer Landesgottheit vereinigt und ilie beiderseitig übernommenen Verpflichtungen auf unserer Stele aufgezeichnet haben. ( )b dann als .Subject zu 5i5cT(o Z. 41 Qeziqa zu denken und sein Name in den Zeilen 35 38 zu ergänzen ist, mag dahin gestellt bleiben: sehr wahrscheinlich i.st es nicht, dass der Demos von Isinda von dem ihm jedesfiiUs nicht unterstehenden Qezirja in obiger Form sprechen konnte. Dagegen begreift sich so das Erscheinen des Stadtnamens (denn Isnt... f)der Iznt. . . Z. 2 1 wird man doch nur ungern anders deuten wollen) mitten im ('ontex.te des Lykischen, da dann keine XiUhigung xorliegi, ihn auch im griechiscluMi Theile vorauszusetzen, wo er, abgesehen von der einli'itenden l'ormel, kaum leicht zu erklär(>n wäre.

••) Vj;l. Benndorf, Reisen im südwestl. Klein- ') Xanthos Sclini. 8 '/.. 2.

asicn Bd. I .S. 89. Dcccke phil. Wochcnsclir. 1888 ') Insclir. v. Tsdüiulam, Hcbcrdey - KalinUa,

S. 827 f. J. Fnihcrt Museon de Loiivain XII (1893) a. a. O. S. 32n. 39.

p. 240 ff. '■) Vgl. Babclon, Pcrscs Aclicmenides S. Xtlll.

J.-ihrcshcl'li: des östcrr. .irchiiuL Institutes liil. r 6

42

Ich verkenne nicht, auf \vie schwankem Grunde alle diese Combinationen aufgebaut sind, glaubte aber doch den ^"ersuch machen zu sollen, wenigstens vermuthungsweise eine Vorstellung über Inhalt und Entstehung des interessanten Denkmales zu gewinnen. Nur darauf muss noch hingewiesen werden, dass nach obigen Erörterungen unser Qeziqa etwa um die Mitte des IV. S. a. C. anzusetzen wäre, eine Epoche, in der wir auch aus epigraphischen Gründen unser Monument entstanden denken müssen.

R. HEBERDEY.

Siegerkranz und Siegerbinde.

Wer Gelegenheit hatte, zu Ostern i8q6 den unbeschreiblichen Jubel im \'ollbesetzten athenischen Stadion zu beobachten, als der Grieche Luis im mara- thonischen Laufe den Preis errang, der gewann eine \'orstellung von der elementaren Begeisterung der Zuschauer bei den alten Nationalspielen, wenn der Sieger ausgerufen und von Preisrichtern und ^'olk mit Ehren überhäuft wurde. Der Eindruck dieses weihevollen Momentes spiegelt sich in schriftlicher wie monumentaler Überlieferung, und es dürfte eine zusammenfassende Behandlung dieser Nachrichten nach Bötticher, Arch. Zeit. 1853, 7 ff. und .Stejjhani, C'ompte rendu 1874, 208 ff. nicht überflüssig erscheinen.

In der Natur der Sache ist es begründet und geht auch aus Thuk. \' 50 mit Sicherheit hervor, dass die Verkündigung des Sieges unmittelbar nach dem Wettkampfe stattfand. Dass auch sofort eine, vielleicht bloß vorläufige Bekränzung erfolgte, hat Petersen, Phidias 44 dargethan. Nach dieser officiellen Ehrung, gewöhnlich wohl gleich nach der Verkündigung, bricht nun der Enthusiasmus des Volkes hervor. Die Verwandten und Freunde dringen in das Stadion ein, umringen den Sieger, schütteln ihm beglückwünschend die Hände und schmücken ihn mit Kränzen und bunten Bändern.') Hierauf beginnt er seinen Rundgang

') Suidas, dessen Nachricht in letzter Linie auf xöv lioo.zi'j'jy x'j. t' ä't.Xct -/.aXcTjc e2s|</vto xa; ir^\i.'ji'.a

Eratosthenes zurückgeht (cf. .Schol. Eur. Hec. 569) jj.sv "/P'JjÜ) OTE'fävcu ävso'rj-av oj; j).S'j8'Epoy;ra tTjV

s. V. ■x^o•.o:[^'.VJ]>.^'/•j'.^ . . . eiie'i oe r^o^wtio yiup!; 'EX/.aoa. :5ia ?e ETa'.viouv te xa: npojTjpyo vto tuansp

ä9-/.u)V äyiuvi^Eaä-ai, -&b; y.y.T, savta; o\ |J.ev xati si;).;av b.^'l.rrt-Q. Plut.Pericl. 28. Dieses siegesfrohe Umdrängen

Vj ouycEVEtav jipoj-^xovTEg OTEoavoo; «veSouv. Nach des glücklichen Kämpfers ist angedeutetaufeinemVasen-

Thuk. V 50 betritt Lichas den Hippodrom und bild Gargiulo, rec. des mon. II 70, wo auf einen mit

schmückt seinen siegreichen Wagenlenker: ::poEX8-(üv Kränzen und Binden bereits reich beschenkten Epheben

e; Z'i'/ ayiüva ävE^-fjOE tov r^'rjjyo'J. Thuk. IV 121 zwei Manteljünglinge mit weiteren Tänien zukommen.

43

(Uircli (las Stadion, einen waiiren Triiimphziig, auf dem er von der versammelten Menije mit rauschendem Ueifall und lautem Zuruf begrü(3t und mit Zweigen, Kränzen und Uinden und mit einem wahren Hlumenregen überschüttet wird. Dies war dir IMiyllnliolie. Später kam sogar die Sitte auf, den Athleten zu beschenken, ihm Aptd und Kleidungsstücke zuzuwerfen, di(! er dann aufgesammelt hinwegtrug. .\uch naeli dm SpielcMi, außerhalb des Stadion, wiederholten sich die ( )vationen. Man hob den defeierten auf die .Schultern und warf ihm immer und immer wieder Blumen und Binden zu.-)

Der jMomcnt, wo der Sieger, mit Kränzen und liändiTu behangen, die Hände mit Zweigen und Tänien beladen, einherschreitet oder vor die Preis- richter tritt, ist in einer Reihe von Vasengemälden festgehalten. Zu dem reichen Verzeichnis bei .St(>phani kommen mehrere, zum Theil bezeichnende Beispiele hinzu :

I. Lekythos, Cab. des med. 4439, deren Kenntnis ich einer freundlichen .Mittheilung Hartwigs verdanke. Ein Ephebe hält in beiden vorgestreckten Händen Zweige, Kranz, Tänie: Oberarm und rechtes Handgelenk sind mit Tänien umwunden. .Vn einer Stele lehnt ein .Schild.

2. Vasenbild im .\pparat d. vnm. Instit. XXI \()b, vormals Campana, jetzt Eouvre. Ein nackter, nach rechts stehender Jüng- ling hat die Haare mehrfach mit Zweigen umschlungen, in .Schulterhöhe läuft ein Kranz um seinen Körper, auf den vor- gestreckten Händen mehrere Zweige und drei Kränze, am rechten Oberschenkel eine Tänie.

3. Innenbild der Berliner Schale 4221 (Fig. 27). Bekränzter Jüngling nach rechts schreitend, je eine breite Binde um den Eeib und um beide Arme und Oberschenkel,

Fig. 27 Schale in Berlin. hält Zweige in den vorgestreckten Armen.

') Find. Ol. IX gl tpü)-a; 0' h^'^ptizzi SoXiu [isvot STE'.pävoo? lK5t;8-E3av, oi 3^ ävujTJpu) toüto örep

äittiuT! 3a[ia330'.; oirip/ETO v.uxXov 03-:a ßoä. Bakchyl. TjV Xo:kvj, sßaXXov tot; «va-si; xai o'j),),0".;. Ka\ vOv

XI 17 r.oKit^ 8' öjis' 'A),s5[i3]au.')v »'/[O'Jeiuv Jv heSau iii'ji:z\-oiii:::^a-/äti i:(mv^.!^t>^l.ivli•.i^:oo^(l)■.\'J<^■s•.l^^uvai,

otjsavo'. Kippa; snsiov xpaieoä^ r,pa i:avvixo;o n'Aa;. KEtaXot, •/'.■:iuv\.zy.o'ii, rsrai'^y?, xpr^K:?«;. iiö G'jvifjd's;

Scliol. Kur. Hec. 569 Epaio:3-;v(;; 'ir^z: zi'A 7'^^ xr/.).«« rsptvo3TO'jvrac i.-;s'.ytit -Ji. oioojiEva. V<jl. noch

i3u).).oßoX;o; -lüv /,o!:tü>v 0: ;i5v eyT'^? xaiV,- Find. Fylh. IX 123 IT; Fiat. Folit. X 521 E; Faus.

6*

4 +

Fi".

Schale in Prag.

Fig. 2g Hydria in München.

4. Schale im Besitze von L. Pt)llak. Auljen beiderseits Jünglinge im Komos. Innen- bild (Fig. 28) : Nackter Jüngling nach rechts, das Haupt mit Kranz und roth aufgetragener Binde umwunden, einen Stock unter der linken Achsel, eine Binde am rechten Oberarm, ist etwas nach vorn geneigt und hält in den vorgestreckten Händen roth gemalte Blätter oder Blumen. Umlaufend : ö nxt; -a-xiJjz,.

5. Hydria in München 377. Links von einem bärtigen Mantelmann ein Diskobol vmd ein Läufer, rechts die Fig. 2g abgebildete Gruppe : Ein Mann in durchscheinend ge- zeichnetem Mantel ist damit beschäftigt, einem jugendlichen Sieger eine Binde um das Haupt zu legen. Der letztere hat den linken Arm und Oberschenkel mit je einer langen rothen Binde umschlungen; um den Hals hängt ihm, wie es scheint, eine Hals- kette,^) und in den vorgestreckten Händen hält er Blätterzweige nebst einem dünnen Kranz in roth.

Die Darstellungen sprechen klar. In den vier ersten ist wie bei Gerhard, auserl. \'asenb. IV 274 der Vorgang geschildert, wie der als Sieger ausgerufene Athlet, nachdem die Zu- schauer ihn mit Kränzen und Binden ge- schmückt, auch die umherliegenden Blumen- spenden aufgenommen hat und nun durch die Rennbahn dahineilt. ,Vuf der Münchener Hydria und verwandten Darstellungen ist wohl der Endpunkt dieses Ganges vergegen- wärtigt, und dem Athleten wird, wie es

IV 7, 3; Plut. Caes. 30, Quaest. symp. VIII 4, I ; . Tim. Lex. Plat. s. Dio Chrysost. IX 14; Appian bell. civ. II 27; ävooo'J|j.Evoi.

') Vgl. AUropolisscherlie lOO

7:sp'.'/Ycipd[J.EVo: und laiv;».;

45

scheint, mniniflir auch dir' ufficielle Anrrkenmin^ zuthcil. Ihr äiilicres Zeichen ist nicht i'in Kran/, wie man erwarten würde, sondern eine liinde, und dieser Umstand tühn uns auf (he xon 15(")tticher aufgeworfene I-'rage, welche Hedeutung der Tänie als Siegeszeichen bei den öffentlichen S])ielen zukonmit.

Das von I'aus. \'I 20, ig erwähnte Krzbild d(M- I lippodameia im 1 li|i])i>droni zu ()lynii)ia mit der für Pelops bestimmten Siegerbinde beweist keinesweg.s, dass die I'>in(li' ursjirünghch war und auch in der Folgezeil vor dem Kranze unmittel- bar nach dem Siege übergeben w urtle. llippodameia ist ja selbst der Preis für des Pelops Sieg und kann nicht als Preisrichterin, sond(>rn höchstens als Zu- schautM'in handeln, indem sie dem schmucken Fremdling durch diese Aufmerk- samkeit ihre Zuneigung kund gibt. Vi-rwirrung stiftete auch die Knai)i)heit einer anderen Stelle Paus. I\' 2, 2 Ai/a: 5s sipYOjxIvMV -r/zr/.aO-:« -oO ä-'(7)voc Aa7.s5a;|iov:wy 7.ai^-?ix£v £-: övG|ia-:: -oO Wrj^ixüov 5r,iioo apjia. i:öv oi r,Y.oyo'/ r:/.-ipy:r.y. i'/iZypz-t aO-ö; -x'.v'a- xx: £-■ -oüxm [ixa-;yoOaiv aOiöv oi 'EÄÄavooiV.sc:. (Bötticher a. a. ( ). 9). Lichas that, als er seinen Wagenlenker nach der Siegesverkündung mit einer Tänie schmückte, durchaus keinen P.ingriff in die Rechte der Hellanodiki-n (das y.'j-.iz .steht im (jegensatze zu (-)rj|3a'!wv), sondern, wie aus Thuk. \' s" und Xenoph. Hell. III 2, 2 1 hervorgeht, hatte er zu einer Zeit, da die Spartaner von den Spielen ausgeschlo.ssen waren, unter dem Namen der Thebaner ein Zweigespann eingestellt, nach dem Siege aber schmückte er ostentativ den Wagenlenker, um zu zeigen, dass er, der Spartaner, der Besitzer sei. Und deshalb wurde er von den Hellanodiken gepeitscht, während gegen sein Vorgehen unter friedlichen \'erhältnissen nichts einzuwenden gewesen wäre. Auch darum konnte die Ehrung des Wagenlenkers nicht die Bedeutung eines Eingriffes haben, weil ja die tihre und der Kranz eines Wagensieges bekanntlich dem Besitzer des Gespannes gebüi'te.

Können somit diese Erzählungen für die Anwendung der Tänie als officielles Siegeszeichen nichts beweisen, so spricht die .spätere Überlieferung, die nur Kranz untl Palme kennt, entschieden dagegen. Nur Pollux III 152 erwähnt nach längerer Aufzählung der für die Bekränzung üblichen Termini, wobei stets nur vom Kranze die Rede ist, zum Schluss auch: -xivuocja:- Ivio-j^w/ yxp sipr^xiv STa'.viouv xa! 7:po3f,£a3:v ('.)a-£p äil-Ar^Tfi (Xen. Hell. \' i, 3). Es ist aber bezeichnend, dass der knappe und wortkarge Grammatiker diesen Au.sdruck belegen zu müssen glaubt und ilabei nur eine Stelle anzuführen weilJ. wo sich das -a:v:oOv deutlich auf das den Sieger umdrängende Publicum bezieht. So zeigen denn auch die auf athletische Wettkäm])fe bezüglichen Darstellungen aus späterer Zeit, wie z. B.

46

Bilder sich bekränzender Athleten^), Ehrenreliefs für Gymnasiarchen und Agono- theten'') u. dgl. durchwegs zwar Kranz und Palme, doch keinerlei Andeutung einer Siegerbinde, ein Hinweis darauf, dass sie damals offenbar keinen in- tegrierenden Bestandtheil der officiellen Siegesgabe bildete.

Diesen Ergebnissen für die spätere Zeit stehen nun Vasendarstellungen des 5. Jahrh. gegenüber. Nebst der Münchener Hydria (Fig. 29) das Schaleninnenbild Arch. Zeit. 1853, Taf 52, 3 und die panathenäi.sche Amphora Catal. of greek vas. Brit. Mus. II B 138, klein abgebildet Gerhard, etrusc. camp. Vasenb. B 30. Auf

allen ist der Moment wieder- gegeben, wo ein Mann im Mantel, augenscheinlich der Preisrichter, dem Athleten eine Binde um das Haupt windet. Ob es sich um öffentliche Wettspiele handelt, könnte in den beiden ersten Fällen zweifelhaft sein. Die auf Vasenbildern erscheinenden atli- letischen Vorgänge sind ja nach den aufgehängten Geräthen und anderen Anzeichen in der Regel in der Palästra zu localisieren, wo sich die Meister am bequem- ,sten ihre Vorwürfe holen konn- ten. Die Ungezwungenheit, mit der der Jüngling auf Fig. 28 wäh- rend des Einsammelns bereits den Stock ergriffen hat, und vollends Gerhard, auserl. Vasenb. IV 275 (von Stephani a. a. O. 162 unrichtig erklärt), wo der bekränzte und mit Bändern ge- schmückte Sieger, dem auf der Gegenseite ein Preisrichter einen Kranz ent- gegenbringt, nicht nur den Stock, sondern auch ein Lekythion und sogar ein ihm von einem Verehrer geschenktes Häslein am Arme aufgehängt trägt, all dies stimmt nicht gut zum Ernst der Festspiele, sondern deutet eben

■') Vgl. das Atlilctenmosaik im Lateran; das auch Älteres: Bull. d. inst. 1 866, 212 (Benndorf) ;

Rclicfcapitäl Abli. d. Wien. Sem. XII S. 91; Arch. Mon. d. inst. X 48 f. ;; g 11.

Zeit. 1864, Taf. 153; Clarac II 200 N. 221; Müller- '■>) Berichte d. sächs. Ges. XXV (1873) Taf. I;

Wieseler II 52, 653 b; eine römische Relieffifjur im Staclielberg, Gräber d. Hell. Taf. II 3; .Steinsitz aus

athenischen .Museum, sowie zalilrciclie .Münzen. Doch dem Dionysostheater, Darcmberg-Saglio III Fig. I995-

Fifi

Pelike in Florenz.

47

Fi^. 31 Sclialc in Miimlicii.

aul' I'ri>lK'käm])ft' in der Kiiv^-schnli' oder im ( ryninasion hin, hc\ diMiiMi etwa nur lue Angehüriycn ;in\\X'.scncl wan-n. l'.bendahin sind wohl auch zwei Scenen

zu verweisen, die, der W'ürth' eines feierlichen Momentes entln-hrcnd, die Auszeichnung eines Athk'ten chircli eine liindc am Arme vorstellen: auf einer Pelike zu hlorenz U)\\ {V\g. 30) und einem Schaleninnenbild München 554 (Fig. 31). Erhöhte Bedeutung ist hingegen der genann- ten T'reisam])h()ra lieizumessen, da die Darstelhmg nothwendig auf einen X'organg hei den I'anathe- näen bezogen werden muss. Links sitzt ein halb- bekleideter Jüngling, offenbar der Preisrichter, auf einem Klappstuhl nach rechts, damit beschäftigt, einem mit vorgestreckten Armen, von denen Binden herabliängen, sich vorbeugenden Athleten eine Tänie um das bereits bekränzte Haupt zu legen. Rechts davon zwei wegschreitende Männer. Der Sieger ist offenbar nach (hmi Ausrufen im Stadion \iin den Zuschauern durch Tänien und Phyllobolie geehrt worden und tritt jetzt vor den Preisrichter, um den officiellen Lohn, Kranz und Binde, entgegenzunehmen.

Über Athen hinaus ist dieses \"asenbild freilich nicht beweisend, doch hilft die Literatur weiter. Xenoph. Symp. V g tw Y.xipm-i [i/j -a'.vi'ac xaÄx 'f.ATjiixTa ävaolfiii.aTa -apä -wi -/.p'.Tfov yEvl^iKai deuti't lilol.i allgemein an, dass bei Agonen auch bloß P>intlen als Siegespreise ertheilt werden konnten. I^oi d(>n Lakedaimoniern sollen für diesen Zweck Riemen üblich gewesen sein: Hesych .s. v. ^J^•.iXr,T.^;; i|iävucC olz xvaooO^: Ax-/.£2ai|iovioi xo-j; vr/.r,'^öp0'jc. Ausdrücklich auf die Isthmien bezieht sich jedoch Find. Ol. IX 83 Tipocevia 5' äpeta -' fjP.vkv Tiiixopo; 'Iai)-|u'xi3: Aa|i;:po|ixxo'j Htxpa'.;. Auf panhellenische Spiele überhaupt geht Bakchyl. XIII 1(13 ('Ail-ava) [Jiupiwv t" 7|5r, |uxpa'.aiv äv|£|p(ov |£|a-:£-.fäv(i)a£v £il'£:pac [£|v IlaVcÄÄxvwv xeO-Xo:^. Das Find. Schdl. erklärt: [lixpx:; vOv TOü ax£q;xvoi; xxi txC: vr/.x:;. [ifTpx'.c yxp evooÖ'Sv kov ■j-v^ivw/ 7.x: o'.xoTjIixtx r.v.yJ.Ky. eiwiI'Xcj: 3'jv5£iv. [itxpx'. y.'jpfw; ci xtxö cpxa/.cwv v.ot). cbpapuov yivöiisvoL !jX£'.favo:- £v ■/.%-%-/ ^^Tpv. 5s 7:x; axECfxvo; [itxpa Asysxai, (1)5 xxl svxaOö'X (vgl. Eu.stath. A 15 1. 1''^ fr. und II 1068, 26 ff.). Diese etwas gesuchte figürliche Auffassung beweist nur. dass in hellenischer Zeit die Binde offenbar keine officiellc Rolle mehr spielte, und man daher auch für die frühere den gleichen Zustand voraussetzte. .\ber mit Unreclit. Dass n'xpx ziemlich gleichbedeutend mit xx:v:x ein Fand bezeichnet, das bei festlichen ( ielesjeidieiten neben Kränzen verwendet wurde, zeiyt .Xtlii-n. XII

48

535 c xav.iov Ss (6 'AÄx'.ßixor^c) |i£"x xaOxa sf; xrjv Tra-pioa ia-EYXVwaE xa; 'AiTr/.aj xpir^pc'.c flaXXw xa: [iiTpa;; v.a: -ua'.viac;. (Plin. n. h. VII i lo) Und so trifft denn Pindar selbst eine genaue Scheidung: Isthm. IV 62 Xäi^ißavs oi atscfavov. cpsps 0' £'j]iaXXov [v.-pm. Dem- gemäß wird auch an den anderen Stellen die Grundbedeutung gemeint sein. Ebenso wie [i'Tsa hat man auch -tspdv als Umschreibung für Kranz aufgefasst: Find. Ol. XI\' 22 'i-j. oi vlav -/.öÄ-oi; -ap' sOoöco'j IKaa; EaT3-j:ävwa£ y.'joJfiwv äsil-Äoiv -Tspor^: yat-av. Pyth. IX 1J5 TzoXÄä es 7:pöab-£v ;:-:£pä oicx-o r.y.i'j. Das Tertium zwischen Kranz und Flügel ausfindig zu machen ist aber nicht gelungen (vgl. Boeckh III 225), da sich der Vergleich nur auf die flatternden Enden einer Binde beziehen kann. .So stimmen die Epinikien zu der panathenäischen Vase.

Gegenüber dem seit der Einführung der äytovE; i-tzx'/lzx: stets als Haupt- zeichen des Sieges angesehenen Kranze niuss die Tänie gewiss eine Nebenrolle ge.spielt haben. Vermuthlich verfolgte man ursprünglich mit ihrer Anbringung den praktischen Zweck, die Zweige des Kranzes am Haupte zu befestigen, wofür auch die Zeichnung der Londoner Freisamphora spricht. Den Kranz sammt der Binde trug der .Sieger wohl bis zu seinem Einzüge in die Vater.stadt. Waren die Zweige einmal verdorrt, so wird er sich bei festlichen Anlässen als preisge- krönter Kämpfer die Binde allein umgelegt haben. Dies und gewi.sse künstlerische Erwägungen dürften der Grund sein, we.shalb an Siegerbildern in älterer Zeit die Tänie dem Kranze vorgezogen wurde. (Diadumenos des Folj-klet, ferner Paus. V II, 3, VI I, 7 und 4, 3, IX 22, 3). So hält auch die Nike am Zeusbilde in Olympia eine Tänie: Paus. V 11, i.

In späterer Zeit, wo sich Binden als selbständiger Siegespreis nicht mehr nachweisen lassen, erscheinen die Kränze meist mit bunten Bändern umwunden, die rückwärts eine Schlinge bilden und herabhängen (vgl. das Find. Schol.) wohl ein Rest der ursprünglich neben dem Kranze verliehenen Siegerbinde. Verschwunden ist die.se letztere, wie es scheint, schon in der ersten Hälfte des 4. Jahrh. ; denn auf der panathenäischen Amphora Mon. d. inst. X 48 f 5 (bald nach üf'V Mitte des 4. Jahrh.) wartet der Freisrichter mit Kranz und Palme auf den Ausgang des Kampfes. Dagegen hört das Publicum keineswegs auf, den siegreichen Athleten durch Zuwerfen von Zweigen und bunten Tänien seine Sympathien zu beweisen. I\Ion. d. inst. X 48 g 1 1 ist es dem einen der beiden Sieger geschehen, und dass sich die Sitte bis in späte römische Zeit forterhielt, beweist ein jüngst gefundenes rohes Stuckgemälde in Carnuntuni, wo ein Bruch- stück eine rothe Binde an dem .Schenkel eines Athleten zeigt.

Prag. JULIUS JÜTHXl.R.

49

Der Georgos des Menandros.

Das von J. Nicole') vor kurzem veröffentlichte Papyrusblatt, welches ein Bruchstück des (ieorgos des Menandros, 88 Verse, bietet, ist ein unschätzbarer Fund, da wir daraus nicht bloß einzelne Scenen einer Komödie dieses Dichters kennen lernen, sonilern auch die Composition des Stückes wenigstens einiger- maßen zu erschließen vermögen. Zudem war der Georgos ein hervorragendes Drama des Dichters, das zu Quintilians Zeit, der es selbst zu Rom auf der Bühne sah, sehr beliebt war. Bisher hatten wir die Composition des Menandros uns nur aus den Bearbeitungen des Terentius verdeutlichen können; jetzt liegt uns doch wenigstens ein zusammenhängendes Stück einer seiner Komödien vor.

Freilich ist auch hier der Kritik und Erklärung noch ein weites Feld ge- öffnet. Das Blatt-) ist theilweise zerstört und unleserlich, die Abschrift zeigt zahl- reiche Fehler. Der Text Nicoles ist durch das, was verschiedene Cjelehrte, ins- besondere H. Weil und F. Blaß in ihren Anzeigen beigebracht haben, überholt und ganz unbrauchbar.') Eine photographische Reproduction des Papyrus und eine genaue Durchfor.schung des.selben wird über vieles, was bis jetzt unklar ist, Licht verbreiten. Wir verzichten daher hier darauf, so lockend es auch sein mag, über die Ergänzung und Emendation im einzelnen zu sprechen,*) sondern be- schränken uns bloß darauf über die Composition eine Vermuthung vorzutragen.

Das Blatt enthält auf der Vorderseite zuerst den letzten Theil eines Momi- loges eines jungen Mannes (wir wollen ihn der Kürze wegen, obwohl ein An- haltspunkt nicht vorliegt, Kleinias nennen). Nach den erhaltenen Versen befindet er sich in einer sehr schwierigen Lage. Sein Vater (Gorgias; denn das ist wohl sein Name) will ihn nämlich mit seiner Halbschwester verheiraten, und zwar soll die Hochzeit noch an diesem Tage (das Stück beginnt nämlich gegen Abend")) stattfinden. Kleinias ist der Sohn des Gorgias aus dessen erster Elhe; aus einer zweiten hat dieser einen anderen Sohn, Kleainetos, und eine Tochter,

') Le laboureur de Menandrc fraginents inedits muss man sicli an die Absclirift bei Xicole SS. lo, 23,

sur papyrus d'Egypte decliiffrcs, traduits et com- 16, 38 halten, da seine Ergänzungen vielfach un-

mcntes par J. Nicole. Bale et Gencve 1898. richtig sind.

^) Die Vorderseite enthält nach dem Texte ') Bei den Versen, die angeführt werden, sind

Nicoles die Verse 35 59 und 5 24, die Rück- die Ergänzungen durch Klammern bezeichnet,

seile die Verse 62 108. Der Schluss des Blattes, Nähere Angaben darüber, von wem die Ergän-

der wohl nicht viele Verse enthielt, ist verloren. zungen herrühren, schienen überflüssig.

•") Ich citiere nach dem Texte Nicoles; doch '•') v. 48 [nplv la^]spas. Oder TTjoä' la^tspa;?

J.ihrcshefte des üstcrr. archäol. Institutes Bd. I. J

50

die für Kleinias bestimmte Braut. Vielleicht hat die zweite Frau eine reiche Mit- gift ins Haus gebracht, und der haushälterische Gorgias will das Geld zusammen- halten oder geht der Gedanke von der Frau aus, die, während sich Gorgias nur mit seinem Gütchen befasst, das Regiment im Hause führt/') Nun ist aber dem jungen Manne in Korinth, wohin er eines Geschäftes wegen gesandt worden war,') etwas passiert, was die ganze Sache verrückt. Er hat sich dort in ein Mädchen verliebt und es verführt. Daher steht für ihn die Frage so, ob er das Mädchen aufgeben oder die Schwester, der er herzlich zugethan ist, durch sein Zurücktreten be- schimpfen soll. Sein Bruder Kleainetos scheint von der Sache zu wissen, und er wünscht daher jetzt nicht mit ihm zusammen zu treffen. Die Braut befindet sich bei dem Vater auf dem Landgute. Wir müssen daher annehmen, dass er erst kürzlich von Korinth heimgekehrt ist und wohl nur etwas durch seinen Sclaven Daos, der ihn nach Korinth begleitet hat, aber nach der Ankunft gleich auf das Landgut gegangen ist, erfahren hat. So steht er vor der Thüre seines väterlichen Hauses in Athen, unschlüssig, ob er anpochen solle oder nicht. Endlich geht er fort, ohne anzupochen, nur darauf bedacht, wie er die Ehe mit seiner Schwester vermeiden könne.

Die Lage des Kleinias ist noch dadurch schlimmer geworden, dass die Mutter des Mädchens, das er verführt hat, Myrrhine, mit ihrer Tochter zugleich nach Athen gekommen ist. In Korinth muss es Scenen gegeben haben, und Kleinias muss in seinem Monologe, wie aus Quintilian XI 3, 91 erhellt, die rührenden Klagen der Myrrhine mit deren Worten angeführt haben.

Diesem Monologe, der die Eingangsscene bildete, gieng der Prolog voraus, der gewiss vieles enthalten haben wird, was den Zuschauer über die Situation, Localität, Scenerie und die Personen aufklärte. Wer ihn gesprochen hat, lässt sich nicht bestimmen; möglicher Weise eine allegorische Person. Wenn etwas auf das Zeichen 5 über dem ersten Verse zu geben ist, ließe sich annehmen, dass der, welcher sich dieses Stück abschrieb, ihm noch ein jivoc, (ßto?) MsvavSpou, auch einen xxxxAoyos xwv SpaiiaTWV vorangeschickt hat. So könnte allerdings unser Blatt das sechste des Codex gewesen sein. Es treten nun zwei Frauen auf, Myrrhine und Philinna. Die letztere, unstreitig die ältere (v. 106 xexvov), ist eine Anverwandte oder vielleicht die Amme der Myrrhine. Diese scheint sie nach ihrer Ankunft in Athen sogleich aufgesucht zu haben. Der Dichter hat die beiden Figuren nach dem bei den Alten so beliebten Motive des Contrastes zusammen-

^) Vgl. V. 85, wo Daos zu sagen scheint: ") v. 39 f. [sldö); a]unPsprixög, ä [i' ä;:oXiuXsxsv

[fu]vaix{ 1' (näml. oxXrjpös iaxiv 6 fepuv). [iiji65Tf]](iov sij K6piv9-ov siii Tipästv xtva.

51

gestellt. Myirliine ist eine weiche, schüchterne, gerne in Klagen sich ergehende Natur, die andere eine entschiedene und zum Handeln rasch entschlossene. Beide sind selbstverständlich attische Bürgerinnen. .Sie unterreden sich über die .Situalidii. Während .Mvrrhine den unschlüssigen Kleinias lieber fahren la.ssen als drängen will, nininit IMiilinna den entgegengesetzten Standpunkt ein. Zu einer Entscheiiiung kommt es nicht, da der Sclave des Gorgias, Daos, auftritt und Mj'rrhine zuwarten will.

Daos, der in dieser Komödie offenbar die Seele der ganzen Intrigue ist und sie leitet, tritt mit einem anderen .Sclaven, .Syros, auf Beide sind mit Kränzen beladen, welche (iorgias von dem Landgute aus, wo er weilt, zur Ausschmückung des Hauses schickt. \'on dem (inte aus soll mit b'.inbruch d(>r Nacht, die Braut zu dem Bräutigam in das Stadthaus geführt w^erden. In launiger Weise schildert Daos nach dem Vorbilde Xenophons (Cyr. VIII 3, 38) das Gütchen, das wie durch- schnittlich ilie Landgüter in Attika viel Plage macht, aber so gut w-ie nichts trägt. Da tritt Myrrhine vor mit den Worten: v. 20 xaOxa -avx' tiz "^^üj yäjio'jj, die mit bitterer Ironie gesprochen als Frage oder Ausruf gefasst werden können. Aus der Antwort des Daos m xafpe tzoXXol, Muppivr^ ersehen wir, dass er sie gut kennt. Wir müssen daher annehmen,, dass er seinen Herrn, den Kleinia.s, nach Korinth begleitet hat. Myrrhine erwidert in demselben Tone wie früher: tzolvj y.xi fz, \ o'jvex' eD'Swpouv ysvviy.oc xs xai y.67\i:oc. Daos mtiss also versprochen haben die Sachen zu ordnen und scheint jetzt ganz seinem Versprechen zuwider zu handeln. Während nun Mvrrhine dies spricht, hat die resolute Philinna einige von den Kränzen ohne weiteres zerrissen. Ihr gelten die Worte des Daos: yijvau XI 7zpizzf4; worauf sie ihm droht, dass nicht Worte, sondern Thaten, soferne die Götter ihr gnädig seien, ihn belehren werden.

Durch die Zerstörung des Schlus.ses des Blattes ist für uns der Zusammenhang unterbrochen. Die Rückseite führt uns in eine neue Scene ein, in welcher sich Daos mit der Frau des Gorgias unterredet. Offenbar hat er das Gespräch mit den beiden Frauen fortgesetzt und sie zu beruhigen gesucht. Dies ersieht man daraus, dass er ihnen später den von ihm entworfenen Plan, den Kleinias aus- führen soll, mittheilt. Eine gute Botschaft hat er ja ihnen zu bringen (v. 103 [euayJysXtaaail'a: xafOx'| sytüy' eßouXoiir^v). Unterdessen ist Sj^ros mit den Kränzen ins Haus gegangen, worauf die l'rau des Gorgias aus dem Hause tritt, um Näheres über die Ankunft ihres Mannes und die Heimführung der Braut zu erkunden. Bei der Beantwortung ihrer Fragen verfährt Daos nach der Manier, wie sie in der alten F.rzählung hervortritt, die Anastasius Grün in dem bekannten Gedichte

52

„Gute Botschaft" behandelt hat. Auf die Frage, wie es draußen stehe, antwortet er: „Ganz gut", um so die Frau auf gute Art auf das Folgende vorzubereiten.**) Dann erzählt er in behaglicher, selbstgefälliger Breite, dass sich Gorgias beim Hacken im Weinberg den Fuß verletzt habe. Nachdem er der Frau mit seiner Schilderung die Hölle heiß gemacht hat, schwächt er die Sache allmählich ab, so dass von der schweren Wunde und Geschwulst nur ein bisschen Hinken übrig bleibt. Dass eine Übertreibung vorliegt, steht außer Zweifel; vielleicht ist aber anzunehmen, dass die Geschichte ganz und gar erfunden ist. Daos will begreiflicher- weise nicht Gorgias seine Tochter heimführen lassen. Vielleicht hat er, um dies zu erreichen, Gorgias gegenüber ein uns unbekanntes Mittel angewendet und die Geschichte der Frau seines Herrn nur erzählt, um ihr es zu erklären, wenn Gorgias nicht eintrifft. Aus v. 67 ersieht man, dass der Verkehr zwischen der Stadt und dem Landgute kein lebendiger war. Die Frau unterbricht die Erzählung des Daos durch einen Klageruf und eine Verwünschung, beruhigt sich aber schließlich und meint nur, es wäre an der Zeit, dass der alte Herr die Plackereien ließe. Mit den Worten v. 83 [ayav] xtj eax; axXr;p6s 6 yspwv tw Jjc'w scheint sie ins Haus zurückzutreten.

Die folgenden Verse sind äußerst schlecht erhalten oder entziffert; aber das ergibt sich mit Sicherheit, dass die beiden Frauen, die sich während dieses Intermezzo zurückgezogen haben, wieder hervortreten und Daos ihnen nun seinen Plan auseinandersetzt und sie auffordert, ihn kräftig zu unterstützen. Dieser Plan besteht darin, an Stelle der bestimmten Braut die Tochter der Myrrhine auf einem Wagen in das Haus zu führen, was bei der Verschleierung der Braut wohl denkbar ist. Das wird Kleinias besorgen.'') Er ist ein guter Junge. Wenn er gefehlt hat, so ist es aus Liebe geschehen.'") Myrrhine zweifelt an dem Gelingen. Der Vater werde hindernd in den Weg treten; immer sei sie vom Unglück ver- folgt gewesen.") Daos beruhigt sie damit, dass die Liebe über alle Schwierigkeiten den Sieg davontragen werde, indem er beifügt v. 102 f. ecjti ok | [axoto]; sf; zb TOooOx' eOxxöv rj x e[pr;i.i]ta. So nimmt er denn von den Frauen Abschied. Nach seinem Weggange bricht die Unruhe bei Myrrhine in Verzweiflung aus, weshalb Philinna zu ihr sagt: xi 7i£Ko[vJiha5, xexvov; | |t( TisftjTiaxets [a]zpo^oüa(x xäg ytipocg; Myrrhine erwidert: xi yäp, [<I)c|Xtvv'; dnopo\)\xoi.i vOv xt 7T0if;(j[at] [iz 5el. Mit der

*") Daos bedient sich der Hausfrau gegenüber ^} v. gOf. [s;idv]£taiv r;5r] 5a')p', äjistaiv si? ä'fpöv |

einer vertraulichen Sprache, die uns beinahe an [j£0]-f|o]; Xaßcuv.

Frechheit zu grenzen scheint. Offenbar ist er ein '") v. 91 [7ia9-r)||i' £ita9-£ u y.otvov.

alter Diener des Hauses, der sich etwas heraus- ") v. 100 f. ^|Jii[v STCSTai] iiuavJXßl'/ | |ä-E]v£?. nehmen kann.

53

Antwort der I'liilinna: [/.lex]; t;vo; r; Tcaf; äoTi" loOto y.O'joevl [iX)M TipoaTjXe'.] '^) schließt dii' Kiickscitc ili's l'ilatt(>s.

Aus diesen Worten ergibt sich, dass über der Geburt des Mädchens ein Geheimnis waltet, das ]\[yrrhine offenbaren soll. Dies ist der einzige Ausweg, der einen guten Erfolg verbürgt. Dass Myrrhine eine Athenerin ist und ebenso der Vater des Mädchens ein Athener, steht außer Zweifel; denn sonst könnte von einer Heirat zwisclu'n dem Miidclii-n und Kh^inias, welche ja ilcn Scliluss des .Stückes biUlct, nicht die Rede sein. Wer ist aber der Vater? Ks muss doch ein besonderer (irund vorliegen, weshalb Myrrhine sich auffordern lassen muss, das Geheimnis zu enthüllen, l^nd doch kann sie nur so das erlangen, was sit; vor allem anstrebt, die Rettung der Ehvc. ihrer Tochter und deren Cilück.

Darnach vermuthe ich, dass das Mädchen die Tochter des Gorgias ist. Wie das gekomnuMi ist, darüber wird die Zuscliauer der l'rolog belehrt haben. .Man kann sich diMiken, dass die Eltern Myrrhinens nach Korinth ausgewandert sind und sie nach deren Tode dann allein dastand. Da entspann sich nun zwischen ihr und dem zufällig in Korinth weilenden Gorgias das Verhältnis, dessen Frucht jenes Mäilchen war. Was Gorgias und ISlyrrhine begegnet war, das sollte sich nach Jahren bei seinem .Sohne und Myrrhinens Tochter wiederholen, (rorgias hatte Myrrhine verlassen, und diese hatte, wie es ihrem noblen .Sinne ents])richt, unter- lassen, an ihn Ansprüche zu .stellen. Der Sohn des Gorgias, wenn auch ein un- schlüssiger Charakter, denkt doch edler. Und dieses Moment ist für die Lösung nicht ohne Bedeutung. Myrrhine hat als stille Dulderin in Armut gelebt und ihr Kind aufgezogen. Für sich selbst konnte sie verzichten, für ihr Ivind nicht so leicht.

Ob Kleinias um das Geheimnis weiß, lässt sich aus dem Bruchstück nicht entnehmen. Man möchte fast das Gegentheil vermuthen.") Dass aber Daos unter- richtet ist, kann nicht zweifelhaft sein. Der Plan, den er entworfen hat, sein sicheres Auftreten sprechen dafür. Auch erklären sich so die sonst dunklen Worte v. 94 f. xy;v yap ~a.lo' (j~ea[yrfX]oi,i yaiteiv. xscfaAa'.dv eax'. toöto toO tzol^/xö: /.öytiu ; denn allerdings wird die Hauptsache, auch wenn die Tochter Myrrhinens an die Stelle der bestimmten r>raut tritt, nicht geändert, <la Kleinias ja, wie es au.s- gemacht war, die Tochter des Gorgias untl seine Halbschwester heiratet.

Über den weiteren \'erlauf lies .Stückes können wir mit Ausnahme einer horhbedeutenden .Scene wenig ermitteln. Dass das Bruchstück (fr. loo K.) einer

'-) So hat ilicse Stelle Weil schon ergänzt. Daos an Kleinias gerichtet sind, so würden die Worte

") Wenn wirklich die Verse fr. lOO Worte des xofr;? eXs'jO-cfac eU iffoO-' f|XU)v dies bestätigen.

54

Scene angehören kann, in welcher Daos den zögernden Kleinias zum Handeln antreibt, ist eben bemerkt worden. Sicher ist es, dass die Hauptperson des Stückes Gorgias, von welcher dieses den Namen Georgos erhalten hat, erst dann auftrat, als die Intrigue schon durchgeführt war und es sich um die Lösung handelte. In welchem Zusammenhange aber Gorgias die Worte fr. 97, die ihn so trefflich charakterisieren, gesprochen hat, bleibt für uns unklar. Er sei, so sagt er, ein schlichter Landmann, mit den Dingen in der Stadt ganz und gar nicht bekannt, aber sein Alter mache, dass er an richtigem Verständnis andern gegenüber etwas voraus habe. Somit ist er ein i\Iann, der billigen Worten nicht unzugänglich ist.

Dagegen gehören die Bruchstücke 93, 94, 95 wohl der hochdramatischen und pathetischen Scene an, in welcher Myrrhine gegenüber Gorgias auftritt. Unerkannt von ihm (denn die Jahre und die Armut haben sie sehr verändert) erzählt sie ihm, was ihrer Tochter widerfahren ist, ohne gleich den Thäter zu nennen. Auf seine Frage, warum sie nicht versucht habe, ihr Recht geltend zu machen, spricht sie die schönen Verse fr. 95, die so beredt die hilflose Lage des Armen schildern. Als nun hierauf Gorgias erwidert, der Thäter werde der ver- dienten Strafe nicht entgehen, da sich jedes begangene Unrecht räche (fr. 94), muss sie zu dem Geständnis schreiten, dass der Verführer sein eigener Sohn sei. Es ist begreiflich, dass der Alte da aufbraust und über das Unrecht klagt, das man ihm angethan habe, worauf ihn Myrrhine mahnt, sich nicht von der Auf- wallung beherrschen zu lassen (fr. 95). Doch damit ist noch nicht die Lösung herbeigeführt. Gorgias würde nicht sofort in die Heirat eingewilligt haben ; auch musste ja über den Vater des Mädchens und über dessen bürgerliche Abstammung die nöthige Auskunft werden. Daher gibt sich Myrrhine als jenes Mädchen zu erkennen, das Gorgias einstens verführt und verlassen hat, und weist nach, dass Gorgias der Vater ihrer Tochter ist. So vollzieht sich schrittweise die Lösung.

Eine solche Entwicklung ist gewiss des Menandros, der ja gerne pathetische Scenen in seine Komödien einflocht, vollkommen würdig. Was den weiteren Inhalt des Stückes betrifft, so ist es sehr wahrscheinlich, dass auch für die Ver- heiratung der Tochter des Gorgias aus zweiter Ehe entsprechend gesorgt war und somit das Stück mit einer Doppelhochzeit schloss.

Was hier vorgetragen wurde, ist freilich nichts als eine Vermuthung; aber wie die Dinge liegen, bleibt nur dieser Weg übrig, um die Composition des Stückes zu erklären. L^nd so kann ich wohl diese Blätter ruhig zur Würdigung vorlegen.

Wien, am 10. Februar 1898. CARL SCHENKE.

55

Fig. 32 Kopf der Staluc aus Kreta im Louvre (Fig. 35).

Athene Hephaistia.

Tafel III.

Im .Eranos X'indobonensis' (AVien 1893) S. 2 1 habe ich darauf hingewiesen, das.s die Inschriften ("lA 1 3 1 S und ^k) auf die von Alkamenes gearbeitete Tempel- gruppe des athenisch(Mi Hephaisteion bezogen werden müssen. Wenn ich des weiteren auf (irund eini^s in den Inschriften gegebenen Hinweises eine Replik jener im Hephaisto.stempel aufgestellten Athenestatue in einer Figur der Villa Borghcse wiederzuerkennen vermeinte, so war das ein Irrthum, zu den mich die ungenügenden Abbildungen dieser einer späteren Epoche angehörenden Statue verführt hatten. Aber die Spur, die mich damals leitete, war, glaube ich, doch keine völlig trügerische. Und du ich miMiie, ihr heute mit besserem Erfolge nachgehen zu können, so mag es nn der Zeit sein, die vor Jahren angekündigte Untersuchung mit einem in mchrcM-en Punkten vermehrten Material wieder auf- zunehmen.

Der Inschriftstein CTA I 318 überliefert uns den Rechenschaftsbericht einer Commission, der die Sorge für die Errichtung zweier zu einer Gruppe vereinigten

56

Statuen übertragen worden war. Auf der Vorderseite des Steines waren die Gelder verzeichnet, die der Commission von den , Schatzmeistern der anderen Götter' überantwortet worden waren. Die Arbeit hatte Ol. 8g, 4 (421/20) begonnen:

kiiioxizixi ayaXf-iocTOtv y^f^avco xwv spytov ekI 'Apwxffwvog dpyovioq], die Commission hat

noch im folgenden Jalire Ol. go, i, ferner wieder Ol. go, 3 und go, 4 (417/6) Gelder erhalten, während für das Jahr Ol. go, 2 keine Einnahme erwähnt wird. Da der Stein unten gebrochen ist, so wäre denkbar, dass der Rechenschaftsbericht auch noch ein späteres Jahr umfasste; doch wird sich uns später ergeben, dass aller Wahrscheinlichkeit nach die Statuen wirklich Ol. go, 4 vollendet und aufgestellt worden sind. Von dem Verzeichnis der Ausgaben sind nur noch wenige, arg verstümmelte Zeilen auf der linken Schmalseite des Steines erhalten, in denen vom Transport und der Aufstellung der zwei Statuen die Rede war. Es ist klar, dass diese äyäX|xaxe, die von einer staatlichen Commission mit den Geldern des Götter-Schatzes errichtet werden, für einen von staat.swegen erbauten Tempel bestimmt gewesen sein müs.sen, um dort als ,Cultbilder' zu dienen, wie wir mit einem nicht ganz zutreffenden Ausdruck zu sagen pflegen. Die Inschrift gibt also eine Parallele zu dem Rechenschaftsbericht der für das Goldelfenbeinbild der Athene Parthenos eingesetzten Commission [eTctaTaxat dfäXiixzoc, ypuaoö] CIA I 298 IV I S. 146 f.

Auf dem zweiten Inschriftstein CIA 131g ist uns ein Bericht über die Aus- lagen erhalten, welche durch die Verfertigung und Aufstellung zweier auf einem Bathron vereinigten Tempelbilder verursacht worden sind. Obwohl dieser Stein bei der Kapnikaräa, der Stein CIA I 318 aber bei S. Dimitrio Katephori gefunden worden ist, so sind doch beide wegen der vollkommen gleichartigen Voraus- setzungen der Inschriften schon von Köhler und Kirchhoff mit vollem Recht als Theile des Rechenschaftsberichtes einer und derselben Commission betrachtet worden ; es werden sich im Verlaufe der Untersuchung ausreichende Thatsachen ergeben, um die Zusammengehörigkeit der beiden Inschriften als völlig gesichert erscheinen zu lassen.

Auf dem Steine CIA I 31g sind uns noch acht Ausgabeposten erhalten, die sich auf Materialanschaffungen für zwei Statuen und auf deren Aufstellung im Tempel beziehen. Darunter steht in größeren Buchstaben : OilKE'I'AAAION FXXXHHHA was Kirchhoff sinngemäl3 und wohl auch im Ausdruck richtig zu ^6|X7iavxos ävaA(i)|xaxJo5 xecpäXaiov FXXXHHHA ergänzt hat. Diese Subscriptio lehrt uns mit Sicherheit, da.ss die jetzt noch vorhandene Inschrift nur die rechte Hälfte eines in zwei Columnen geschriebenen Ausgabenverzeichnisses bildete.

57

( iUUklichiiweise genügt ilas Erhaltene, um eine Vorstellung von den Statuen zu grhcii, (leren Kosten hier verzeiclinet waren. Z. i lesen wir: yaXxö; £(üvrjf>[rj . . . . xäXav-a . . . |xa£o£/.a xa; [ivaf Sexa Tt(^irj [xoö xaÄa>/xou Tpi|axovxa jü£</i£ opayjixi. Auch wenn wir vor xawexa die denkbar niedrigste Zahl ergänzen, kämen wir immer auf eine so bedeutende Gewichtsmenge, dass die Annahme, das l'.r/. sei bloü für nebensächliche Zuthaten bestimmt, ausgeschlossen erscheint. Vielmehr umfasste wohl (lii's(>r Posten das Krz, aus dem die Statuen selbst hergestellt worden sind; ilenn auf die .\nnahme, dass wir es hier mit Hroncestatuen zu Ihun haben, führen auch die übrigen Angaben der Inschrift.

Wir erfahren aus Z. 5 und g (s. u.), dass zu einem ävi>£|iov unter dem .Schilde Zinn in größerer Menge verwendet worden i.st, und ich glaube, allein schon die Thatsache, dass ein .solches Beiwerk aus Zinn oder verzinntem I-Crz herge.stellt wurde, genügt, um Marmor als Material der Statuen auszuschlief3en. I-"ür Hronce- statuen passen ferner auf das beste die \'orbereitungen, die für die Aufstellung der Figuren getroffen werden, Z. 18: üXcc £wvT,!lr^ -10 xXi|iax£ -oir^ax'.. £v oh -m dya^na-e £3r/j'£a8'r;V xx: £-.p' (ov ol Xi\)-o: £3£xo|ii^gvto ol £; 10 [iaft'pov xai -.fäpca: ,jXi)'pov TOiv äyaliiaTGiv v.y.l zoci O'jpx; xa: txpiwaai -£p: xw ÄyHnoczt y.%'. xÄ{[iax£ -pö; -7. txp-.a. Wir erinnern uns dabei, dass auf der Erzgießerei-.Schale in Berlin Xr. 2294 die colossale Broncefigur eines weitausschreitenden nackten Jünglings innerhalb eines großen viereckigen Gestelles von Holzbalken dargestellt ist, da.s, wie Blümner (Technologie und Terminologie IV 332) erklärt, wohl dazu diente, Leitern anzulegen, auf denen stehend die Arbeiter die Fertigstellung der Figur vornehmen konnten. Vor allem aber waren natürlich besondere (ierüste erforderlich, um die Statuen auf der Basis aufzurichten ; denn dass es sich um .Statuen von colossalem Maßstab hanilelt, geht deutlich aus diesen, sowie aus den früheren Angaben der Inschrift hervor.

Mit diesen Thatsachen stimmt endlich auch die Höhe des Kostenprei.ses von 5 Talenten 3350 Drachmen, in dem auch alle Nebenau.slagen mitinbegriffen erscheinen. Der Preis einer lebensgroßen Broncestatue von Durchschnittsgüte darf mit rund 3000 Drachmen angesetzt werden ; so viel war ein ävopix; wert zur Zeit des Kynikers Diogenes (Diog. Laert. VI 2, 35 Boeckh, Staatshaush. I' 135), so viel soll CIA II 251 (zwischen 307 und 301 v. ("hr.) eine vom Demos gewid- mete Eixwv xaXxfj kosten; vgl. Friedländer, Sittenge.schichte Roms IIP 284.

Für eine mit besonderer .Sorgfalt gearbeitete Broncestatue von 2 2V/jfacher Lebensgröße wird man also einen Preis von nicht weniger als 2 27» Talenten an- setzen müssen. Zwei- bis zweieinhalbfache Lebensgröße ist aber ein Maßstab, der

Jahrcshcf'.c des üstcrr. arcfaiiul. Institutes Hd. 1. g

58

für Tempelstatuen aus der Zeit des peloponnesischen Krieges als durchaus üblich bezeichnet werden darf.

Dem glückliclien Zufall, dass für ein Beiwerk der Broncegruppe Zinn ver- wendet und besonders in Rechnung gestellt wurde, danken wir aber noch den Aufschluss über eine Einzelheit, die uns die Namen der dargestellten Gottheiten zu ermitteln verhilft. Wir lesen Z. 5: xat-ttspo; äovTjS-T) i? x6 av9-£no[v xäXavxov] xx: i^jAtxaXavxGV xa: j-iva: tXy.o<j'. [xper? xal] T^iJiijivarGV, xi-Xmioy otaxoatuv xp[täx]ovxa opa/fiöv. xt[ifj- ferner Z. 9 : i-itcjö-o; loZq epyaaa|XEVo;; xo av8-£|xov 5to xrjv ä7-!5a xal xwv tlEXäXwv xöv öaxepov upoaiitaO-wS-lvxwv, endlich Z. 12: (ji6Xui3§o; xw äv9-£[«p.

Neben einer der Statuen befand sich demnach ein Schild, dem ein avS-siiov, eine Blume oder ein Blattwerk als Untersatz oder Unterstützung diente. Eine schild- bewehrte Gottheit, also Ares oder Athene, war somit eine der beiden Figuren der Gruppe. Für Ares glaubte Köhler bei der ersten Veröffentlichung der Inschrift (Ann. dell. instit. 1865, 315) sich entscheiden zu sollen, indem er die Gruppe auf Aphrodite und Ares bezog, während Wachsmuth, Stadt Athen 11 422, 3 die beiden dyaX(iax£ auf Ares und Enyo deuten wollte. Beiden Vermuthungen wird, glaube ich, die Grundlage schon allein durch die Angaben entzogen, die Pausanias über die Statuen des Arestempels denn nur an diese könnte gedacht werden uns übermittelt hat, I 8, 4 : £Vi)-a aya>.|iaxa 060 jiiv 'AcppoSixT^? x£ixai, oe xoO "ApEWg lizolypt^ 'AXxa|xEvrjC. xy;v Se 'AS'rjVäv ävr;p lläpto?, ovo[ia Se aOxC) Aoxpo? (ein Name, der, nebenbei bemerkt, wohl in 'Ayopccxpixog zu verbessern ist). EvxaOft-x xx: 'EviioOg ayaXfiä Eaxiv, Ir.o'.rpm 01 TzaXhzc, ol IIpa^cxEXou;.

Denn mit Sicherheit scheint mir aus diesen Worten hervorzugehen, dass die Ares-Statue des Alkamenes mit keiner der beiden Aphroditefiguren zu einer einheitlichen Gruppe verbunden, sondern ein selbständiges Werk war. Ebenso ist auch die Statue der Enj'o offenbar von der des Ares getrennt gewesen, und sie müsste daher auch dann für die Gruppe der Inschrift CIA I 3 1 9 außer Betracht bleiben, wenn man annehmen wollte, dass das Werk der Praxiteles-Söhne eine jüngere Ersatzfigur für eine Enyo-Statue des V. Jahrhunderts gewesen sei.

So kann also die schildbewehrte Gottheit, die jene Inschrift voraussetzt, nur Athene gewesen sein, und bei Athene wird auch leichter verständlich, wieso Blumen und Blattwerk dem Schilde zur Stütze dienen konnten ; denn unter ihm pflegt sich die Schlange zu bergen, deren natürliches Versteck durch jenes xv9-£|j.ov angedeutet sein mochte. Die andere Gottheit aber, die mit Athene zu einer Gruppe vereint war, kann nur Hephaistos gewesen sein; denn nur dieser hat Cult- und Tempelgemeinschaft mit Athene. Mit Recht hat daher auch schon Milchhöfer in

59

seinen ,Schnftquellen' zu F.. Curtiiis Stadtgeschichte von Athen (S. X u. S. XXXII) die beiden besprochenen Inschriften auf Hephaistos bezogen. Dann darf es aber auch als selbstverständlich gelten, dass wir in jener Gruppe von Hephaistos und Athene eben die Tempelgruppe des Hephaistostempels zu sehen haben. Denn es gab sicherlich keinen zweiten Tempel, in dem eine staatliche Commission aus tlcn Gassen iwv äXXwv i)-£(T)v eine solche Gruppe hätte aufstellen können. Für den Hephaistostempel ist aber nicht n\ir die Cultgemeinschaft von Athene und Hephaistos vielfach bezeugt, sondern auch eine Tempelgruppe der beiden Gottheiten ausdrücklich von Pausanias erwähnt I 14, 6: 'l'izkp oi tcv K£pa;|i£:xöv xa; a-oäv tTjV xaXo'j|Ji£vr^v pa'jO.z-.oy vaog icTT'.v 'H-.fa:;a-ou . xa: ö-i [ilv i-f a.X\ix 0: ;:ap£a-:r^x£v 'Afk/^ä;, oOoiv ^^aO|ia £-o;o'j|tr// xöv ZTzl 'Ep7j)'0vü;) ir^iaziiityoq Xoyov, -b Zi äyaA|ia öpö)V ~f,i Ai^r^vä? y'^*'-"'-'^'^; ^'/S'"' "^^'^S i'f S-atXjious, Atßuwv TÖv i-iöO-ov cvra eupiaxov . toüto'.; yap £3-;v eüpr^iilvov IIocjEtotovo; xai Xt|ivrjS Tpitwvtooc d-uyctxipix. £?va; xa: o;i xoO-o yXa'jxo'j; £rva: (hrj-tp xx! -ö) IIo^jE'.oöjv. to'jj öcp8-aX(iou5.

Wie nun einerseits selbstverständlich ist, dass man die Tempelbilder der beiden Götter, denen das Fest der XaXxefa galt, in kunstvoller Metallarbeit au.s- führte, so fügt sich andrerseits das Einzige, was dem Pausanias an der Athene- Statue auffällig schien, die yXa'jxo: ö:f9-aX[j.o: aufs beste zu dem Bilde der Statuen, das die Inschrift erschließen lässt. FXauxo! b^^al^o: sind helle, weißgraue oder blaugraue Augen mit mattem Silberglanz. Nach Plato Tim. 68 C entsteht '{Xoejv.i-i, xuavoO Xeuxw x£pavvu|i£VOu, und (^i£Xav6|ijiato; .steht im Gegensatze zu •(Xxjv.ö^^t.-oc, (Plato Phaedr. 253 D), vgl. R. Hildebrandt Phil. 46, 203. Diese lichten Augen, die auch sonst als für Athene charakteristisch gelten (Luk. dial. deor. XX p. 262), müssen an der Athene-Statue in ungewöhnlicher Weise (etwa mit Zuhilfenahme von Silber?) wiedergegeben gewesen seien, und das wiril uns bei einem Werke nicht wundernehmen, an dem auch ein so seltenes Material wie Zinn bei dem xvÖ-£[^iov verwendet war. Dass neben der Athene des Hephai.steion auch die Schlange dargestellt war, sagt Pausanias nicht ausdrücklich, aber sein Hinweis auf den Xdyo; Itv. 'Ep:y_9-ovtw erinnert uns daran, dass er bei der Schlange unter dem Schilde der Parthenos die Bemerkung macht: £:rj o'äv 'Ep:x9-6v:os oüto; 5 opxxwv.

Eine entscheidende Be.stätigung aber für die Richtigkeit unserer Voraus- setzung, dass die iy(xX[^ia-:£ der Inschriften CIA I 318 und 31g wirklich die Tempel- bilder des Hephaisteion seien, bringt die CIA IV i p. 64, 35 b veröffentlichte und neuerdings mehrfach be.sprochene Inschrift über die Ordnung des penteterischen Hephaistosfestes.') A. Wilhelm hat kürzlich (Anzeiger der Wiener Akad. 1897

') R. Scholl, Athenische Festcommissionen v. Wilamowitz, Aristoteles u. .\then I 329. E. (Sitzungsber. d. bair. Akad. d. Wissensch. 1887), Curtius, Arch. Anzeiger 1894, 37-

8*

6o

XXVI S. 2) festgestellt, dass diese Inschrift mit dem kleinen CIA I 46 abgedruckten Bruchstück zusammengehört und mir freundlichst einige Mittheilungen über die beiden Stücke, die zwar nicht mit ihrer beschädigten Vorderfläche, wohl aber mit ihrer Bruchfläche aufeinander passen, zur Verfügung gestellt. In CIA I 46 ist uns ein Theil der Überschrift des Volksbeschlusses erhalten, mit der Datierung nach dem Archon Aristion (Ol. 89, 4 = 421/20) vmd der Prytanie der Hippothontis (die eine der ersten Prytanien des Jahres 421/20 war); Z. 5 ist noch das Wort 7i;£VC£x[rjpt; . . . erkennbar, in Z. 7 ergänzt Wilhelm das Datum des Hephaistos- festes : nuavotpj^wvog x[ptTT;t cpihivovxos]. Aus den vielfach arg verstümmelten Resten von CIA IV I 35 b, wie sie von Kirchhoflf gelesen worden sind, lassen sich leider nicht mehr alle Einzelheiten dieses (offenbar damals, d. i. im Sommer 421, erst eingesetzten) penteterischen Festes erkennen, dessen Höhepunkt eine große Lampadedromie gebildet zu haben scheint. Aber so viel geht insbesondere aus Z. 8 hervor (toO 'H-.pa(cTioi) y.a: ifj; 'Ai^rjvatag), dass das Fest dem Hephaistos und der Athene gemeinsam galt. Kein Zweifel also, dass es sich an den gemeinsamen Culttempel dieser beiden Gottheiten, an das Hephaisteion anschloss, und man wird gewiss keinen passenderen Anlass zur Einrichtung der neuen Feier denken können als die Vollendung jenes Tempels (vgl. Wilhelm, Anzeiger d. Wiener Akad. 1895 IX S. 2). Zweifelhaft kann nur bleiben, ob die erste Feier .schon in jenem Jahre 421 stattfinden sollte oder damals erst für die Zukunft bestimmt und nach Ablauf einer Penteteris abgehalten werden sollte. Von größtem Interesse ist nun Z. 29, wo es heißt: xöv oi pu>[xb^ xij) "'Hcpat[aTW ESpucjaxw v.od T;ayaX|ia xo xoO 'Hcpawjxou noiYiadzoy i] ßouXr; xaS'oxc av aöxf) oo-/.y^. Da Kirchhoff"s Ergänzung nicht nur dem Sinne nach die einzig zulässige ist, sondern auch der Buchstabenzahl nach gerade dem verfügbaren Raum entspricht, so dürfen wir als sichere That- sache ansehen, dass erst im J. 421 an die Errichtung eines Altares und eines Cult- bildes, die doch beide gewiss für den Tempel bestimmt waren, gegangen wurde. Die Bule soll die Sorge für die weitere Ausstattung des Tempels übernehmen vermuthlich war damit die Weisung verknüpft, bis zur nächsten Penteteris alles fertigstellen zu lassen.

In der Inschrift CIA I 318 liegt uns nun der Rechen.schaftsbericht einer staatlichen Commission vor, die eben in diesem Jahre 421/420 die Obsorge über die Herstellung einer Tempelgruppe übernommen und während 4 Jahre weiter geführt hat. Es müsste doch ein merkwürdiger Zufall sein, wenn es sich hier und dort um zwei verschiedene Tempelstatuen handeln sollte, die zu gleicher Zeit von Staatswegen in Auftrag gegeben worden wären. Vielleicht könnte es auf den

6i

ersten Blick Bedenken errej^en, dass in CIA I\' i, 35 b nur von einem [äya/.iia xoO 'Hcpai!j|xou die Rede scheint, während C lA i 318 und 319 von einem Statuen- paar handeln. Aber in dem Volksbeschlusse ist ausdrücklich der Bule über- lassen worden, das ri'in])('ll)il(l nacli eigenem (mtdünkcn zu Ijestimnu-ii, und es war vermutlili( h für den Antragsteller, wie für joden Athener, selbstverständlich, dass in dem gemeinsamen Heiligthum nou iie])haist()s und Athene derCiott nicht allein, sondern mit der Mitbesitzerin des Tempels in einer druppe vereinigt dar- gestellt werilen sollte. Für die Kürze des Ausdrucks kann der Inschriftstein CIA II 114 eine Parallele bieten; dort ist auf einer Seite der Be.schluss ver- zeichnet, ein [äya^iia tm 'H:paiax(p| -/.x! tr, 'Ai^r^vx t?( 'Hcpataxt'a zu weihen, während auf der anderen Seite ilie Weihinschrift den llephaistos allein nennt: fj jiouÄY) Y^ £7ki ^Ul^oo6xo'J apyovxos ävlvl-r^xev 'Hcpatcjxci).

Nur als auf eine Möglichkeit möchte ich noch darauf hinweisen, dass die xpäzel^a, für deren Herstellung CIA I 31g Z. 15 ein Lohn ausgeworfen wird, ein vor den Tempelbildern aufgestellter Altar für unblutige Opfer sein könnte, da oiFenbar auch der Altar, den Hephaistos im Hinterraume des Erechtheion besaß, älmlichem Culte diente. Aber mit dem |j(i)|ig;, den die Bule in (T.\ 1\' 1, 35 b zu errichten übernehmen soll, wird man diese xpir.z'Co!. nicht gleichsetzen können, abgesehen davon, dass der Zusammenhang der Inschrift CIA I 319 auch eine andere Bestimmung des ,Tisches' denkbar erscheinen lässt.

Neben diesem, wie ich glaube, zwingenden Zusammentreffen der in den verschiedenen Inschriften gegebenen Thatsachen ist es von geringem Gewicht, aber doch niclit bedeutungslos, festzustellen, dass aucli der I-'undort der Inscliriften CTA I 318 und 31g sich mit ihrer Herkunft aus dem Hephaisteion sehr wohl vereinigen lässt. Die beiden Steine sind, wie schon vorher erwähnt wurde, an zwei weit von einander abliegenden Punkten gefunden worden, CIA I 318 bei S. Dimitrio Katephori, also etwa an dem Kreuzungspunkt der Prytaneion- imd Kyrrhestos-Straße (.\. Munimsen, Athenae Cliristianae 78), CIA I 319 bei der I<a]inikaräa. Merkwürdigerweise sinil nun gerade an diesen beiiiim Punkten und überhaupt fast nur dort andere Hephaistcs-Inschriften gefunden worden, bei der Kapnikaräa die Inschrift CIA TV 33 b, bei .S. Dimitrio das zu die.ser In- .schrift gehörige Fragment CIA 1 40 und der Stein CIA II 114. Offenbar ist gerade zur Zeit, wo bei der Kapnikaräa und bei S. Dimitrio gebaut wurde, das Hephai.sto.sheiligthuni als Fundstätte verwendbarer Bau.steine au.sgebeutet wonien. Eben darum darf man aljer nicht aus den l-'undorten der Inschriften einen Schluss auf die Lage des Hephaisteion ziehen wollen, vielmehr .scheint mir nach wie vor

62

die Vermuthung, dass das sog. Theseion mit dem Hephaistostempel gleichzu- setzen sei, die größte Wahrscheinlichkeit für sich zu haben. Ich hatte gehofft, dass im Theseion vielleicht noch das Fundament der Basis sich nachweisen lassen würde, auf der die Colossalstatuen von Hephaistos und Athene ihren Platz hatten, und Dörpfeld hat auf meine Bitte im Februar 1893 eine kleine Versuchs- grabung im westlichen Theil des Tempels vorgenommen. Es wurde nun von der Schwelle der byzantinischen Thüre (in der Westwand) nach Osten zu ein Längsgraben, dann nach Süden noch ein Quergraben gezogen, beide i-^°^ tief. Allein es zeigte sich, dass von antiken Fundamentmauern keine Spur mehr übrig geblieben war, da der ganze Boden im Mittelalter durchwühlt worden war, um darin die Gräber kirchlicher Würdenträger anzulegen. Von dieser Seite her ist also keine Entscheidung zu erwarten, und ich darf daher hier von einer Behand- lung der topographischen Streitfrage umso eher absehen, als Bruno Sauer, der bereits aus den Standspuren der Giebelböden des Theseion Giebelgruppen aus der Hephaistos- und Erichthonios-Sage nachzuweisen versucht hat (Arch. Anzeiger 1897, 84), eine umfassendere Untersuchung über den Tempel und seine Sculpturen in Aussicht gestellt hat.

Für die Cultbilder des Hephaistostempels, die uns hier zunächst allein be- schäftigen, lässt sich aber über das aus den Inschriften Erschlossene hinaus des weiteren auch noch der Name ihres Verfertigers feststellen. Denn es kann kein Zweifel sein, dass die Hephaistos-Statue, die im J. 416 im Hephaisteion aufgestellt worden i.st, nicht verschieden ist von jenem berühmten Hephaistos des Alkamenes, von dem Cicero de nat. deor. I 30 und Valerius Alaximus VIII 1 1 erzählen.

Alkamenes stand gerade zu jener Zeit, als die Statuen des Hephaisteion im Staatsauftrag vergeben wurden, auf dem Gipfel seines Ansehens, und man müs.ste ihn als Künstler der Tempelbilder voraussetzen, selbst wenn nicht aus- drückliche Zeugnisse die Hephaistos-Statue ihm zuweisen würden, die Hephaistos-Statue, denn wer wie jene römische Autoren schlechtweg von dem Hephaistos in Athen spricht, der denkt eben an das Cultbild des Hephaistos- Tempels.

Gegenüber einem auf das Jahr datierten Kunstwerk des Alkamenes muss der Wunsch, Repliken aus unserer monumentalen Überlieferung nachzuweisen, beson- ders lebhaft sich regen. Und einen kleinen, nebensächlichen, aber eigenartigen Zug hat uns die Inschrift CIA I 319 übermittelt, der als ein äußeres Erkennungs- zeichen solcher Repliken dienen zu können scheint : das avi^ejidv unter dem Schilde der Athene. Der Wortlaut der Inschrift lässt es im Zweifel, ob dieses dcvi)-£{iov

63

ganz aus Zinn oder nur aus verzinnter Broncc bestand. Die beträchtliche Gcvvichts- menge des verwendeten Metalls lässt aber jcdesfalls für das Anthemon einen größeren Malistab vermuthcn ; dass auch noch während der Arbeit sich die Nolhwcndigkcit ergab, einige nizoü.OL nachträglich beizufügen, lehrt Z. lo. Nun war es zwar eine naheliegende Auskunft, den Schild, der zur Seite der Göttin steht, auf eine Basis aufzustützen, wenn man bei dem Rundschild einen allzugroOen Durchmesser vermeiden wollte, damit er nicht seitlich verdeckend oder nach vorne vorspringend die Linien der Composition störe. Allein es er- scheint als ein durchaus origineller (ieilanke, dass als Untersatz des Schildes bei eli'r Athene Hephaistia nicht ein Sockel oder eine Rodenerlnihung gewählt wurde, sondern eine ,Blume', ein BlattwcM'k.

Gewi.ss sollte dieses Blattwerk, das in der hellen Farbe des Zinnes augen- fällig genug sein mus.ste, nicht als bedeutung.sloser Zierat erscheinen; ich weiß es aber, wie ich vorhin schon andeutete, nicht anders zu erklären, als durch die Voraussetzung, dass unter dem Schilile verborgen, unter Blattwerk oder Blumen hcrvorknninu'nd die Scldange dargestellt war. Mag aber dem sein, wie ihm wolle, jedesfalls ist di(>se künstlerische Form der Schildstütze .so vereinzelt, dass sie als ein wertvoller Behelf bei der Suche nach Repliken jener Athene Hephaistia ver- w'ertet werden darf. Freilich bin ich bei der er.sten Suche nicht ganz auf die richtige Fährte gekommen. Ich fand in der Athene Borghese (Fig. 36), die mir zu jener Zeit nur in den Abbildungen bei Overbeck, Ber. d. sächs. Gesellsch. d. Wissen.sch. zu Leipzig XIII (1861) T. i u. XVII (1865) T. i vor Augen stand, eine Darstel- lung der Athene, die durch die Tracht und die schräge Aigis als Friedensgöttin gekennzeichnet, ihren Schild auf Akanthos stützt, und glaubte hierin Grund genug für die Annahme gewonnen zu haben, dass die Borghese'sche Statue von der Athene Hephai.stia abhängig sei. Allein, so sehr ich auch heute an der Annahme festhalten möchte, dass die Borghese'sche Statue in enger Beziehung zu dem athenischen Tempelbild stehe worauf ich noch späterhin zurückkommen werde so sicher lehrt die genauere stilistische Prüfung der Statue, dass wir es hier mit einem "Werke zu thun haben, das zwar in seiner Ge.sammtanlage wohl auf das Vorbild phidias'scher Typen zurückgehen könnte, in der Durchführung des Einzelnen aber, vor allem in der Behandlung des Gewandes die Einflüsse praxiteliscluT Kunstart wiederspiegelt, vgl. Furtwängler, Meisterwerke d. griech.. Plastik 556, 742. Für das also, worauf es uns in erster Linie ankommen würde, für die Erkenntnis der Kunstart jener Athene desAlkamenes kann die Borghese'sche Statue uns keinen Gewinn bringen.

64

Heute glaube ich eine andere Statue aufzeigen zu können, die mit den äußeren Kennzeichen, die uns die Inschrift CIA I 319 an die Hand gibt, ausge- stattet, in ihrem gesammten stilistischen Charakter so deutlich das Gepräge der Zeit trägt, in der die Tempelbilder des Hephaisteion geschaffen worden sind, dass wir sie als eine Copie der Athene des Alkamenes betrachten dürfen. Es ist das die Athene-Statue des Museums von Cherchel, die von V. Waille, de Caesareae monumentis T. IL 20 und besser bei Gauckler, Musee de Cherchel T. XV i abge- bildet ist. W. Amelung hat mich zuerst darauf hingewiesen, dass diese Athene, die schon von dem französischen Gelehrten als die Copie nach einem Original des ausgehenden Y. Jahrhunderts erkannt worden ist, ganz in der Weise, wie die Inschrift es voraussetzt, ihren Schild auf Blattwerk aufstützt.^)

Ich wiederhole in Fig. ^:i die Abbildung der Statue, die Gauckler veröffent- licht hat, und gebe daneben eine Photographie der Seitenansicht, die ich der Güte P. von Biehkowskis verdanke. Die Statue, der leider der Kopf fehlt, ist gegen- wärtig i-2'^^ hoch, sie ist aus parischem Marmor gearbeitet und wurde in der Nähe der ,porte d'Alger' gefunden.

Die Göttin steht in aufrechter Haltung da, die Last des Körpers ruht auf dem rechten Fuß, der linke ist leicht zurückgesetzt. Der Kopf fehlt, ebenso der rechte Arm, über dessen Ergänzung Gauckler S. 13g bemerkt: ,le bras droit etait leve, s'appuyant probablement sur la lance.' Ich möchte glauben, dass der Oberarm entweder fast horizontal zur Seite oder mit leichter Neigung nach abwärts gestreckt war, während der Unterarm am Schafte emporgriff. Der linke Oberarm geht dem Oberkörper parallel herab, der linke L^nterarm ist gebrochen, offenbar lehnte die Hand an dem jetzt fehlenden Schild. Dieser stand auf der gröl3tentheils noch wohlerhaltenen Akanthospflanze auf. Ob die Ansätze am linken Bein nur zur Stütze des Schildes dienten oder zum Theil von den Windungen der vSchlange herrühren, vermag ich nach der Abbildung nicht zu entscheiden. Die Göttin trägt den dorischen, seitwärts offenen, gegürteten Chiton, der Überschlag fällt über die Mitte des Oberleibes herab. Die Aigis ist als eine schmale Schärpe schräg um den Oberleib gelegt, so dass sie auf der rechten Schulter aufruht und das Gorgoneion, das die Mitte der Aigis bezeichnen soll, seitwärts unter die linke Brust gerückt enscheint. Das breite, derbe Gesicht der Gorgo mit dem wirr ge- sträubten Haar zeigt noch Anlehnung an den alten Typus.

^) Seither habe ich durch eine freundliche Mit- bindung gebracht und mit der .Athene mit der Ciste'

thcilung Bruno Sauers erfahren, dass auch er, un- des Louvre (Fig. 35) zusammengestellt hat; er wird

abhängig von Amelung und mir, die Athene Cherchel darüber in seinem Buche ,Das sogenannte Theseion

mit der Athene der Inschrift CIA I 319 in Ver- und sein plastischer Schmuck' ausführlicher sprechen.

Wie (las Standnmtiv, so weist uns auch die ( icwaiiillji'liaiiilluii;,'' auf ein Original aus den letzten Jahrzehnten des V. Jahrhunderts, das man nacii den großen, rundlich vertieften und wenig gebrochenen Faltenzügen, die in der Vorder- ansicht beherrschend hervortreten, aus Bronce sich zu denken geneigt sein wird.

-i-:.L«iLlifc^

Fig- 33 Statue des Musäe~CIierchel.

Ganz richtig hat auch schon Gauckler die Statue mit den Worten gekennzeichnet : „C'est une copie assez soignee d'un original en bronce de l'epoque attique, qu'on peut dater, semble-t-il, des dernieres annees du V. siccle." Und auch darin wird man ihm \ii'l!eicht Recht geben dürfen, dass die Statue mit einer Anzahl änderer in Cherchel gefund(>nen Copien zusaninienzustellen ist, die in der Zeit lubas II. und

Jahrosbcfto des österr. archäol. Institutes lid. I. g

66

vermuthlich im Auftrage des Königs selbst für seine Hauptstadt Caesarea hergestellt worden sind; unter ihnen ragen die beiden (ebenfalls bei der Porte d' Alger gefundenen) Frauenstatuen hervor, die kürzlich Kekule von Stradonitz in dem 57. Berliner Winckelmannsprogramm in ihrer hervorragenden Bedeutung als Copien nach Originalen der phidias'schen Zeit gewürdigt hat. Dass auch die Athene, die aller- dings nicht von gleich guter Arbeit ist, dennoch auf gleiche vornehme Herkunft zurückblicken kann, hoffe ich im Folgenden zu zeigen.

Was zunächst die äußere Charakteristik der Athene von Cherchel anlangt, so scheint sich diese auf das beste den Vorstellungen zu fügen, die wir von einer Athene Hephaistia uns bilden müssen. Die Athene, die dem Hephaistos zugesellt ist, ist eine freundliche, friedfertige Göttin von mütterlich wohlwollender Art; sie theilt sich, wie uns das schon in Solons Gedichten entgegentritt (13, 49B.), mit Hephaistos in den Schutz von Kunst und Handwerk, sie i.st uns in ihrer trau- lichen Art im Parthenon-Ostfries vor Augen gestellt; helmlos, nur mit .schmaler, schrägumgelegter Aigis angethan, steht sie Hephaistos gegenüber auf einem Relief von Epidauros (Fig. 37), das ich späterhin noch genauer besprechen werde. In ähnlicher Art tritt uns auch die Athene von Cherchel entgegen, nicht in der stolzen, strengen Haltung, nicht mit den breiten, mächtigen Formen der Partheno.s, son- dern in lässigerer, freierer Bewegung, schlanker und leichter im Aufbau der Gestalt. Der Chiton, über den der Überschlag ungegürtet frei und lang herabfällt, ist eine Tracht, die nicht für rasche, heftige Bewegung im Kampfe, wohl aber für ruhiges •Walten im Hause passt. Die Aigis ist mit Bedacht so umgelegt, dass sie kaum noch als schreckliche Wehr empfunden wird. Wie ein bedeutungsloses Gewand- stück ist sie schräge nach Art einer Schärpe nachlässig um den Oberkörper gelegt, das Gorgoneion ist zur Seite gerückt, als wäre es ein gleichgiltiges Schmuckstück, die Schlangen sind zu einem zierenden Saumbesatz geworden. Dass hierin eine wohlerwogene Charakteristik liegt, lehrt ein Vergleich mit anderen Athenefiguren, an denen die Aigis in äußerlich verwandter Art aus ihrer natürlichen Lage verschoben ist. Die zahlreichen Beispiele der Vasen, wo die (iöttin eine solche Lage der Aigis gewählt hat, um für eine bestimmte Handlung größere Bewegungsfreiheit zu gewinnen, können hier bei Seite bleiben. Im Zu- stande des Kastens hat auf der olympischen Stymphaliden-Metope Athene die Aigis wie eine Chlamys nach der linken Schulter verschoben. Ahnlich ist das Motiv in einer Statue des römischen Thermenmuseums (Bullet, della comi.ss. archeol. comunale di Roma XXV T.XIV) ; die Göttin ist in friedlicher Ruhe gedacht, aber mit einem Rucke des Armes kann die Aigis wieder in eine Lage gebracht wertlen.

6?

in der sie als Wehr und Waffe diont. Ein dauerndes Beharren in friedlicher Gesinnung scheint angedeutet in der Tracht des Athenetypus, der durch die bekannten Casseler und Dresdener Statuen vertreten ist; hier ist die breite Aigis schräg um den Oberkörper gelegt und enge an den Leib gegürtet. Den un- kriegerischen Zug, der darin sich auszusprechen scheint, hat man längst schon als eine Stütze für die Vermuthung verwertet, dass dieser Athenetypus auf die Lemnia des Phidias zurückgehe.") Aber wenn aucli für den Augenblick die Göttin in dieser Tracht niclit kampfbereit ist, in der mächtigen, den Leib der Göttin deckenden Aigis ist doch der schreckenerregende Charakter des Schutzgewandes noch kräftig zum Ausdruck gebracht, und es ist noch ein weiter Schritt bis zu dem völligen Aufgeben aller Kriegsbereitschaft, wie sie in der Statue von Cherchel uns begegnet.

Durch die schmale Form der .schräg umgelegten Aigis steht dieser Statue die Athene des Parthenon-Westgiebels schon beträchtlich näher. Ich zweifle nicht, dass durch diesen Zug die unkriegerische Mission, die Athene innerhalb der Giebel- Composition als Pflanzerin und Schützerin des Ölbaumes erfüllt, gekenn- zeichnet werden soll ; denn nicht das gewaltthätige Eingreifen der Kriegsgöttin, sondern die überwältigende Erscheinung der kampflos-sieghaften Athene hat iler Künstler des Giebels zum Ausdrucke bringen und in der Gestalt des zurück- prallenden Poseidon wiederspiegeln wollen. Immerhin hat doch auch hier noch die Aigis, wenn sie auch nur als unzureichender Schutz des Leibes erscheint, in der Art, wie sie stramm um den Leib gespannt und über der Mitte der Bru.st mit dem Gorgoneion bewehrt ist, den apotropäischen Charakter noch deutlich gewahrt. Die.ser Charakter erscheint dagegen fast völlig verblasst in der (koptlosen) Statuette des Akropolis-Museums, Le Bas, Voy. archeol. T. 23 (Friederichs- Wolters 474). Um den Chiton, dessen langer Überschlag mit eingegürtet ist, ist hier die stark eingerollte Aigis, schräg wie eine Zierschärpe umgelegt; nur darin, dass auch hier das Gorgoneion noch in der Mitte der Brust aufsitzt, ist

') Die Bedenken, welche gegen die von Furt- vereinbaren lässt, so sind die Unterschiede zwischen wänglcr vermuthete Zugehörigkeit des Bologneser dem Bologneser Kopf und dem Kopf der Parthenos, Kopfes auch angesichts der zusammengesetzten von dem uns die Repliken doch eine feste und Dresdener Statue sich aufdrängen, habe ich in greifbare Vorstellung vermitteln, so groß, dass sie Lützow's Zeitschr. f. bild. Kunst VII 153 ange- innerhalb des Rahmens einer einheitlichen Künstler- deutet; vgl. Jaraot, Monum. grccs Nr. 21 22 S. 24 f. entwicklung kaum verständlich erscheinen. Die Nimmt man die Zusammenrügung für richtig, so Voraussetzung endlich, dass die Lemnia des Phidias steigt damit nur umso mehr die Schwierigkeit, das unbehclmt gewesen sei, schwebt zu sehr in der Luft, Werk auf Phidias zurückzuführen. Denn wenn sich um bei der Entscheidung der Frage eine Rolle der Dresdener Torso mit der Eigenart der Parthenos spielen zu können.

9*

68

das bedeutungsvolle alte Schema gewahrt. Die Statuette, der man gerne mit L. Ross (Arch. Aufsätze I 85) den Namen einer Athene Ergane geben würde, ist deutlich jünger als die Parthenos, es lässt sich aber leider nicht ausmachen, ob sie als selbständige Schöpfung im Geiste der phidias'schen Schule oder in gewollter Abhängigkeit von einem Werke der großen Plastik man könnte auch hier wieder an die Lemnia des Phidias denken entstanden ist. In ganz ähnlicher Weise begegnet uns die schmale schrägumgelegte Aigis auch noch an einem zweiten auf der Akropolis gefundenen Athene-Torso, der bei Conze, Sitzungsber. d. Berliner Akademie 1893, 211 abgebildet ist.'*)

Aber auch diesen beiden Statuetten ist die Athene von Cherchel noch weit überlegen durch die tiefergreifende und consequenter durchgeführte Charakteristik friedlicher Sinnesart, wie sie in dem seitwärts verschobenen Gorgoneion, der Schmalheit der schärpenartigen Aigis, dem ungegürteten Gewandüber- fall zu Tage tritt. Und hat nicht in ähnlicher Weise, wie die Aigis auch der Schild seine Bedeutung als kriegerische Wehr fast verloren, wenn er unter und auf Blumen ruht, nur als Schutz für die Schlange bestimmt, die (wie ich wenigstens für das Original annehmen möchte) darunter sich barg? Und auch die Lanze, die man in der Rechten voraussetzen muss, wird durch die lässige Art, mit der die Hand an sie hinaufgreift, mehr als Stütze, denn als Waffe erschienen sein.

Diesem friedlichen Gesammtcharakter konnte kein Eintrag geschehen, wenn, wie ich nach Maßgabe der Athene des Louvre (Figur 35) annehmen zu müssen glaube (s. S. 73), auf dem Kopfe der Göttin ein Helm saß. Denn zu sehr ist in der Volksvorstellung der Helm mit dem Bilde der Göttin verwachsen, als dass eine Colossalstatue der Athene im V. Jahrh. ohne ihn vorausgesetzt werden konnte. Wenn es in der Bilderzählung des Parthenonfrieses dem Künstler zulässig schien, Athene in einem bestimmt charakterisierten Zeitpunkt, während der Dauer des Festzuges, allen Zwanges göttlicher Machtfülle entkleidet, im Hausgewande an der Seite ihres Freundes Hephaistos darzustellen, so konnte Ähnliches doch dort nicht gestattet sein, wo es galt, ein dauerndes Bild zu schaffen, in dem das ganze Wesen der Göttin in seiner überwältigenden und doch milden Art zum Ausdruck kommen musste. Und wenn es richtig ist, dass die Athene Cherchel mit Hephaistos gruppiert war, so mochte sie des Helmes umso weniger entbehrt haben, als nach der Cultgeschichte des Hephaisteion wie ich später-

*) Außer Betracht darf die Pergamener Athene an der die Aigis spielerisch zu zwei nach Art von des Berliner Museums (Conze a. a. O. 209) bleiben, Kreuzbändern umgelegten Streifen umgebildet ist.

69

hin zeigen werde aller Wahrscheinlichkeit nach die Waffen der (jöttin eben von Hephaistos geschmiedet waren.

Wenn aber wirklich die Athene von Cherchel eine Athene Hephaistia ist, dann sind wir von vornherein 7.11 der Annahme gedrängt, dass ihr Typus in Athen geschaffen worden ist ; denn wo anders als im athenischen Hephaisteion könnte der Anlass zur Erfindung einer solchen Athene-Gestalt gegeben gewesen sein? Und da gewinnt nun das äußerliche Beiwerk, von dem wir ausgegangen sind, die Akanthosptlanze unter dem Schilde, eine erhöhte Bedeutung. Denn es ist klar, da.ss kein Copi.st aus eigener Laune der Stütze unter dem Schild die Form einer Pflanze geben wird, um sich unnütz die Marmorarbeit zu erschweren; nur daraus, dass am Original ein solches avD'ciiov vorhantlen war, erklärt es sich, dass ein gewissenhafter Copist und als solcher stellt sich der Verfertiger der Athene Cherchel dar auch diese Einzelheit mit herübergenommen hat. Dieses avd-eiiov ist für die Statue des Hephaisteion durch CIA I 319 bezeugt. Dass aber etwa gleichzeitig in den letzten Jahrzehnten des V. Jahrh. auch an einer zweiten Statue, die statt jener als Vorbild der Figur von Cherchel zu gelten hätte, das merkwürdige Motiv verwertet worden sein soll, wirtl man gewiss nicht als walir- scheinlich betrachten.

Aber auch noch auf anderem Wege lässt sich für die Annahme, dass das Vorbild der Athene von Cherchel in einem berühmten Kunstwerk Athens zu suchen ist, der äußere Wahrscheinlichkeitsbeweis erbringen; denn die Figur steht in unserem Denkmälerbestand keineswegs vereinzelt da, vielmehr legen Repliken und Umbildungen Zeugnis für die einflussreiche Rolle ab, die ilem Originale zukam.

Repliken vermag ich jetzt drei alle in Rom anzuführen. Alle drei weichen darin von der Figur von Cherchel ab, dass Schild und Akanthos- blüte fehlen und die linke Hand der Göttin an die Hüfte gelegt erscheint. Es bedarf wohl keines Beweises dafür, dass die Athene Cherchel das ursprüngliche Motiv bewahrt hat; kein Copi.st wird aus Eigenem durch Zudichtung .solchen Beiwerkes sich .selbst erschwerende Umstände schaffen, dagegen i.st wohl be- greiflich, dass eilfertige Marmorcopisten es vorzogen, sich den unbequemen Mar- morschild zu ersparen und dafür das b(!deutungslose, in jüngerer Zeit vielfach verwendete Motiv der eingestützten Hand zu verwenden.

Die bekannteste unter den Repliken ist die kleine Athene des Mus. Chiara- monti n. 63 (Mus. Chiaramonti T. 14, Clarac 467, 880), die ich Tafel III nach einer neuen Aufnahme P. Arndts ubhiUle. Die Figur ist i'39™ hoch, der Körper aus feinkörnigem gelblichem, der nicht zugehörige, in die Höhlung des Gewandaus-

70

Schnittes eingelassene Kopf aus großkörnigem weißem Marmor gearbeitet. Im Nacken ist noch das untere Ende des ursprünglichen Haarschopfes erhalten. Beide Arme sind ergänzt, die vier Fingerspitzen der Hand am Gewand auf der linken Hüfte sind alt. Das Faltenspiel der Gewandung ist etwas reicher und

mannigfaltiger als an den anderen Repli- ken, mehr dem Marmor-Stile angepasst.

Die zweite Replik steht im Garten des Casino Pallavicini-Rospigliosi, Matz-Duhn I S. 165, n. 622, Phot. des röm. Instit. n. 44, vgl. Petersen, Röm. Mittheil. 1890, 67. Die unter Fig. 34 abgebildete Photo- graphie danke ich der freundlichen Ver- mittlung W. Amelungs, dem ich auch für eine genauere Untersuchung der arg verstümmelten Figur verpflichtet bin. Danach ist der Kopf, dessen abgespaltene Vorderhälfte jetzt neben der Statue liegt, sicher nicht zugehörig. Die Figur ist i'25", ohne Kopf roy™ hoch; der Kopf war in den Halsausschnitt des Gewandes einge- lassen. Am Rücken ist noch ein Rest des Haarschopfes erhalten. Der ganze rechte Arm und der linke von der Mitte des Ober- arms bis zur Hand sind modern, ebenso ein Stück am unteren Rand des Überfalles. Der einfache Charakter der Faltenbehand- lung des Bronceoriginals ist ebenso wie die alterthümliche Formgebung des Gorgoneion vom Copisten treu gewahrt. Wahrend der Körper aus großkrystallinischem gelbli- chem Marmor gearbeitet ist, besteht der Kopf aus feinkörnigem weißem Marmor. Ergänzt sind daran außer dem Helm- busch die ganze Nase, die Lippen und das Kinn, desgleichen der größte Theil des Halses sammt dem Haarschopf, der die Verbindung zwischen dem Reste der Haare auf dem Rücken der Statue und den Haaransätzen unter dem Nackenschirm des Hel- mes herstellen soll. Während an der linken Seite des Kopfes die Haarpartie modern

l-'ig- 34 Statue des Casino Pallavicini Rospigliosi.

7'

überarbeitet ist, um sie den ergänzten Theilen anzupassen, ist hinter dem rechten (Mir, \V(i dor IJberarbciter versäumt hat, einzugreifen, noch erkennbar, dass unter (li'iii llclni ursprünglich nur kurze Löckchen älinlich denen über der Stirne hervorkamen, die jetzt unvermittelt an den angesetzten Haarschopf stoßen.

Die dritte, auch sclion von Petersen bemerkte Replik steht in Villa Borghese, n. CCX\'II. Sie ist noch üliltM- zugerichtet wie die übrigen, und ich glaube daher davon absehen zu kcinnrn, eine Photographie des Stückes abzubilden, die Amelung für mich herzustellen liie Freundlichkeit hatte. Die Figur ist i'5(S"' hoch, aus großkrj'stallinischem gelblichem Marmor. Kopf und Hals sind ergänzt, ebenso der rechte Arm. Der linke Arm mit der an die Hüfte gelegten linken Hand i.st antik, mit .\usnahme der Finger. Frgänzt sind ferner, außer einzelnen Faltenpartien an dem rechten Arm und an dem rechten Schienbein, der untere vorstehende Rand der Aigi.s, der untere l<.and des Peplosüberfalles, die Füße und die Basis. In den antiken Partien des Gewandes, ebenso wie im strengen Typus des Gorgoneion stimmt die Statue mit dem Exemplar Pallavicini überein.

Die drei Repliken bringen zu dem, was die Statue von Cherchel über ilas Original uns lehrte, nicht viel Neues hinzu. An der Athene Cherchel scheint kein Ansatz eines in den Nacken fallenden Haarschopfes, wie ihn die römischen Re- pliken zeigen, mehr erhalten zu sein; wir werden also dort gleich knappes oder noch kürzer gehaltenes Haar als bei diesen Repliken voraussetzen müssen. Was die Haltung des rechten Armes betrifft, so haben die Ergänzer der römischen Statuen mit Unrecht zum Theil schon dem Oberarm eine Richtung nach aufwärts gegeben: wie die Form der Einsatzlöcher und ilie Lage der Schulter lehrt, war der Oberarm aus der horizontalen Lage vielmehr leicht nach abwärts gesenkt, während der l'nterarm, im l^llenbogen abgebogen, vermulhlich nach der Lanze emporgriff.

Bemerkenswert aber ist vor allem der verschiedene Maßstab der Repliken. Während das Exemplar Borghese nur wenig unter Lebensgröße zurückbleibt, haben die anderen Repliken (ohne den Kopf) eine Höhe von roy'" (Pallavicini), i-i8"' (Chiaramonti), 1-20'" (Cherchel). Daraus darf man, .so auffällig dies zu- nächst scheinen mag, mit ziemlicher Sicherheit auf üVjerleben.sgroßen Maßstab des Originales .schließen. Denn Statuetten und lebensgroße Figuren werden, wenn auch nicht immer, doch in der überwiegenden Mehrzahl der Repliken, in ihrem ursprünglichen Maß.stab copiert, Colossalstatuen dagegen werden in den ver- schiedensten Maßverkleinerungen und ganz vorzugsweise in den bescheidenen Maßverliähnissen von Statuetten wiedergegeben.

72

Zeigen die italischen Repliken, dass das Vorbild der Athene Cherchel auch für die römischen Kunstliebhaber nicht ohne Interesse war, so lehren uns die erhaltenen Umbildungen der Figur, dass sie auch den griechischen Künstlern lange als vorbildliches Werk vor Augen gestanden haben muss.

Überaus lehrreich ist in dieser Hinsicht die ,Athene mit der Ciste', die aus Kreta in das Louvre- Museum (n. 847 des Catal. sommaire) gekommen und von Jamot in den , Monuments grecs' 21 22 {1893/4) T. 1 2 veröffentlicht worden ist. Unter Fig. 35 ist die Abbildung der französischen Publication wiederholt, Fig. 32 gibt die Seitenansicht des Kopfes nach einer Photographie, die Amelung nach dem Gipsabgüsse aufgenommen hat.

Die Statue ist i'42"' hoch und von flüchtiger, aber griechischer Arbeit. Sie ist nicht völlig ausgeführt worden, was insbesondere an der Rückseite und am linken Arme deutlich ist. In Stellung und Gewand stimmt die Statue Zug um Zug mit der von Cherchel überein; auch der fehlende rechte Arm muss, nach dem Einsatzloch zu schließen, ebenso wie dort bewegt gewesen sein. Aber völlig verschieden ist die Haltung des linken Unterarmes und die Form der Aigis: im linken Arme, von der Aigis getragen und geschützt, ruht die Ciste mit der Erichthoniosschlange. Wie ist einerseits diese äußerliche Verschiedenheit, anderer- seits die enge Übereinstimmung zwischen der Athene des Louvre und der von Cherchel zu erklären? Sollen wir glauben, dass derselbe Künstler, der das Vorbild der Athene von Cherchel erfand, sich selbst in einer zweiten Statue, die Athene mit der Erichthonios- schlange darstellte, genau copiert habe? Ungleich wahrscheinlicher ist gewiss die An- nahme, dass das Vorbild der Pariser Athene in gewollter Anlehnung an die ,Athene Hephaistia' geschaffen ist. Und in der That ist ja die Cultlegende von Erichthonios, die der Darstellung der , Athene mit der Ciste' zugrunde liegt, im Geschichtenkreis der Athene Hephaistia zu Hause. Die , Athene Kurotrophos' ist gerade die

Fig. 35 Statue aus Kreta im Louvre.

73

mit lIc']ihaistos verbundene Göttin, so dass wir aus dor Ähnlichkeit der beiden Statuen eine weitere Bestätigung für die Annahme gewinnen können, dass in der Statue von ("horchol dio Athene des Hephaisteion copiert ist. Denn wir verstehen leicht, dass ciuciii Künstler, der eine \''()tivstatue der Athene Kuro- IrojiliDS zu schaffen hatte, es nahe liegen mochte, in iluldigung für das im Hephaisteion aufgestellte ("uUhild den Typus ih-r 1 Ie[)haistia der verwandten Aufgabe anzupassen.

Von gröi3tem Interesse i.st aber dieses Abhängigkeitsverhältnis der beiden .Statuen für uns vor alltMn deshalb, weil die Athene des Louvre ihren antiken Kopf besitzt. Der in den Nacken fallende Haarschopf stimmt genau zu den Resten des Haares, die an den römischen Repliken der Athene Cherchel er- halten sind: und wer die sklavische Abhängigkeit erwägt, mit der an dem Körper der Athene des Louvre die Formen jener anderen .Statue nachgebildet sind, der wird der Annahme, dass auch der Kopf von demselben Vorbilde copiert ist, das .Schwergewicht größter Wahrscheinlichkeit zugestehen müssen. Freilich könnte infolge des veränderten Motivs auch Ausdruck und Haltung des Kopfes verändert worden sein. Aber selbst diese Drehung und Neigung des Kopfes würde ganz wohl auch mit dem Tvpus der Athene Cherchel vereinbar sein, wenn, wie sich uns vorher als wahrscheinlich (>rgeben hat, unter ihrem Schilde die Erichthoniosschlange sich barg.

Gibt uns die Athene des Fouvre den deutlichen Beweis dafür, dass der von uns- ermittelte Typus der Athene Hephaistia einem athenischen Künstler aus der Zeit um 400 oder später vor Augen .stand, so fehlt es auch sonst nicht an Statuen, an denen man die Einwirkung jenes Typus zu verspüren vermeint.

Von allen den großen .Schöpfungen der phidias'schen Epoche können wir aus den folgenden Jahrzehnten lange Reihen von Umbildungen nachweisen, die wie die verhallenden Brechungen eines vielfältigen Echos für die weckende Kraft des Aufrufes zeugen. Zum Theile betreffen diese Umbildungen nur Äußerlich- keiten, indem z. B. Attribute vertauscht werden oder das Doppelgewand an .Stelle des einfachen, der Mantel zum Chiton tritt, zum Theile greifen die Änderungen tiefer, indem eine andere Ponderation zugrunde gelegt oder auch Stanil- und Spielbein im Sinne des Spiegelbildes vertauscht werden; besonders zahlreich aber sind die \'arianten, in denen das Bestreben zu Tage tritt, die alten Typen dem neueren Zeitgeschmacke stilistisch anzupassen, indem durch leichte Änderung des Standmotivs und freiere Behandlung des bewegten Gewandes die classische Schöpfung zu einer modernen umgewandelt wird.

Jabrcsheftc des üstcrr. archäol. Institutes Itd. I. 10

74

Derartige, im Sinne jüngerer Kiinstweise umgeschaffene Varianten lassen sich, glaube ich, auch für die Statue von Cherchel noch nachweisen. Als solche möchte ich z. B. den (am Pagus bei Smyrna gefundenen) Torso in Berlin n. 75 betrachten. Stellung und Haltung der Arme stimmen mit unserer Athene überein; doch trägt die Göttin unter dem dorischen Chiton ionisches Untergewand. Die Linke war gesenkt; der rechte Oberarm gieng, nach dem erhaltenen Ansätze zu schließen, fast horizontal vom Körper ab, an der rechten Hüfte ist noch ein Ansatz der Stütze vorhanden, die zu dem Arm emporführte. Die Aigis ist etwas breiter, das Gorgoneion mehr nach der Mitte gerückt. Der Kopf fehlt, „hinten hängt ihr ein Haarschopf'' (Conze). Trotz der mannigfachen Abweichungen im einzelnen scheint mir hier doch die Anlehnung an unseren Typus sicher zu stehen.

Durch das charakteristische Motiv der schrägen Aigis ist ferner mit der Athene Hephaistia auch der Athenetypus verknüpft, der in einer Statue von Ince Blundell Hall vorliegt, bei Michaelis, Anc. marbles S. 339 n. 9 (Clarac 473, 89g B. Furtwängler, Statuenkopien im Alterthum, Abhandl. d. bair. Akad. d. VVissensch. XX 3, S. ;ii T. V). Das Gewand ist im ]\Iarmorstile der nach- praxitelischen Zeit umgebildet. Der Überfall ist eingegürtet, wie bei der Parthenos. Auf der linken Schulter liegt ein Mäntelchen auf; der linke Arm war gesenkt.

Xoch weiter abgeändert ist das Gewand an der Athene zu Xewby Hall (Michaelis, Ancient marbles S. 529 n. 23, Clarac 462 Ä, 888 B), wo zu dem Chiton der Mantel tritt, der auf der linken Schulter aufliegt und um den Unterleib geschlagen ist; die Linke war gesenkt, die Rechte hielt die Eule, wie bei einer von Michaelis angeführten Broncestatuette zu Erbach.

Selbst die sogenannte Athene Agoraia des Louvre (Fröhner n. 121, Clarac 320, 871, Amelung, Basis des Praxiteles S. 24) darf vielleicht noch in die Einflussreihe unseres Athenetypus gestellt werden, wenn auch bereits eine zu lange Kette von heuen Motiven zwischen beiden Werken liegt, um eine directe Abhängigkeit behaupten zu lassen.

Mit Sicherheit aber darf man eine solche Abhängigkeit für die vorher er- wähnte Athene Borghese n. 183 (Heibig, Führer II n. 928], die Fig. 36 nach neuer Aufnahme abgebildet ist, behaupten.

Der Kopf ist nicht zugehörig. Ergänzt ist der rechte Arm mit dem Ärmel, ebenso der linke von der Mitte des Oberarmes abwärts. Der größere Theil des Schildes und der darunter verborgenen Schlange ist alt. Das Stellungsmotiv der Athene von Cherchel i.st hier mit einer praxitelischen Ponderation vertauscht, bei der die Last des Körpers auf dem linken Fuße ruht, während der rechte zur

75

Seite gesetzt ist. Die linke llaiul liegt auf dcni Schililc, dr-r aiit einer Akanthr)s- pflanze aufruht; der rechte Arm, der etwas stärker gehoben gewesen zu sein scheint als bei der Athene von Cherchel, stützte sich auf die Lanze; an der rechten Hüfte ist noch ein Stück der Stütze erhalten (ähnlich wie an dem Berliner Torso n. 75 s. o.), welche tlen Arm mit dem K i'n- ])er verband. Die schärpenartige Aigis ist noch stärker eingerollt wie dort, so dass das Gorgoneion halb verdeckt wird. Die stüm- perhafte Arbeit der Statue gibt uns die (iewähr, dass der Verfertiger des Borghesischen Exemplars den vorliegenden Typus nicht neu geschaffen, sondern nach einem anderwei- tigen Vorbilde copiert hat. Mit Recht hat man dieses Vorbild zusammengestellt mit einem Artemistypus praxitelischer Art, der in zahlreichen Repliken vor- liegt (vgl. Furtwängler, Meister- werke 354, Amelung, Basis des Praxiteles 21, Klein, Praxiteles 307). Man darf aber nicht die Athene aus jener Artemis in der Weise sich abgeleitet den- ken, dass an Stelle des Köcher- bandes die Aigis getreten und in die gehobene rechte Hand die Lanze statt des Pfeiles ge- legt worden .sei. Vielmehr scheint mir der ganze äußere Aufbau der Statue nur verständlich, wenn dem Künstler die Athene Hephaistia vor Augen stand und von ihm im Geiste praxitelischer Kunstart umgeschaffen worden ist. Denken wir uns etwa das Werk im vierten Jahrhundert entstanden als eine Votiv- Statue für das athenische Hephaistrion, so wird es leicht verständlich erscheinen,

10»

Fig. 36 .St:itue der Villa Borghese.

76

dass der Künstler in Äußerlichkeiten an das Cultbild mit bewusster Absicht sich anschloss, dass er nicht nur die Tracht und die Waffen, nicht nur den Schild und die Schlange, sondern auch das Pflanzenwerk unter dem Schilde beibehielt. Die verführerische Vermuthung, die mir von befreundeter Seite geäußert wurde, es sei das Original der Borghesischen Figur eben jenes Weih- geschenk, das nach dem Ausweis der Basis CIA II 114 im J. 343/2 von der athenischen Eule dem Hephaistos und der Athene Hephaistia aufgestellt worden ist, wird, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, durch die Standspuren auf jener Basis ferngehalten, die ich vor Jahren im inneren Hofe des athenischen Nationalmuseums gesehen habe.

Zu dieser Reihe von Statuen, die unter dem Einflüsse der Athene Hephai- stia stehen, glaube ich noch als weitere Zeugen für den athenischen Ursprung des Typus zwei attische Reliefs fügen zu dürfen, das unten Fig. 37 abgebildete Relief aus Epidauros, für das ich späterhin noch genauer attische Herkunft und bewusste Abhängigkeit von den Tempelbildern des Hephaisteion nachzuweisen versuchen werde, und das fragmentierte Urkundenrelief bei Schöne, Griech. Reliefs XVI 77 (Le Bas T. 48, Friederichs-Wolters 1169). Auf letzterem sehen wir Athene behelmt in gegürtetem Chiton, mit sehr schmaler schrägumgelegter Aigis; der linke Arm hängt längs des Körpers herab nur die obere Hälfte der Figur ist erhalten der rechte Arm war vorgestreckt, vermuthlich um zu bekränzen.'^)

Lässt sich auf Grund aller dieser Denkmäler für den Typus der Athene Cherchel mit voller Sicherheit die Herleitung von einem angesehenen athenischen Tempelbilde behaupten, so erübrigt noch die Frage, ob dieser Typus auch der letzten Voraussetzung, die wir an die Athene-Statue des Hephaisteion knüpfen mussten, genügt, der Voraussetzung nämlich, dass er von der Hand des Alkamenes geschaffen sei.

Wir besitzen über Alkamenes nur eine überaus dürftige Überlieferung, immerhin lässt sich, wie ich (Eranos Vindobonensis S. 20 f.) zu zeigen versucht habe, daraus das eine erkennen, dass Alkamenes der eigentliche Fortsetzer und treueste Erbe der phidias'schen Kunstart gewesen ist.

Kein großer Neuerer auf dem Gebiete der Typik, kein gewaltiger Erfinder in der Wiedergabe neuer Bewegungsmotive, hat der Künstler überkommene

^) Dass dieser Athene-Typus auch in der Malerei Vorlegebl. A T. IX l) schließen. Die behelmte

nachgewirkt hat, darf man vielleicht aus der schönen Athene trägt da ähnliche Gewandung und eine schräge

Pclikc von Kertsch in der Ermitage zu St. Peters- schärpenartige Aigis; der rechte Unterarm ist erhoben,

bürg (1793 Stephani, Compte rendu 1860, 2, Wiener der linke Arm geht am Körper herab.

77

IsiinstfnrnK'n feinsinnig weitergefülut, klui^ und mit glücklichem Nachempfinden der gegebenen Aufgabe charakteristisch angepasst.

Schon oben ist darauf hingewiesen, wie an der Figur von Cherchel bei aller äußerlichen Verwandtschaft zur Parthenos des Phidias doch scharf und zielbewusst durch eine Reihe kleiner Züge die friedfertige, freundliche Göttin, die Pflegemutter des lÜMclithonios gekennzeichnet ist. Wie gut zu dem (iesammt- charakter der Statue der Kojif der Athen«; des Louvre sich fügt, darf jetzt wohl betont werden, nachdem ich vorher die möglichen Bedenken, die gegen die Verwertung jener Figur als Copie der ,Hephaistia' erhoben werden könnten, nicht verhehlt habe. Dieser im Ausdruck noch strenge Kopf, der aber durch die feinen Formen des schmalen Gesichtes und die sanfte Neigung etwas Mildes und fast Zärtliches gewinnt, ließe uns den Künstler in ähnlicher Weise wie Kephi- sodot als einen Vermittler zwischen der phidias'schen Herbe und dem ,Sentiment' in den Köpfen des I\'. Jahrhunderts erscheinen.

Freilich mit der ,Venus Genetrix', die Furtwängler und nach ihm andere dem Alkamenes zuschreiben, wüsste ich unsere Athene nicht zusammenzubringen; aber meine Bedenken gegen diese Rückführung (Francs Vindobon. 18) sind dadurch, dass die Hypothese seitdem mehrfach wiederholt, aber in ihrer Begründung nicht verstärkt worden ist, nicht entkräftet worden. Ich vermag innerhalb der phidias'schen Schule keinen Platz zu finden für jenes Werk, das in durchaus ver- schiedener künstlerischer Auffassung herbe Zierlichkeit mit schwungvoller Be- wegtheit paart "). Ich vermag auch nicht zu glauben, da.ss die Aphrodite ev xt,-0'.;, die als OOpavta der Nemesis verwandt war, v^on einem Künstler wie Alkamenes in solcher Weise hätte dargestellt werden können. Wenn Furtwängler, Meister- werke der griechischen Plastik 741 mir eingewendet hat, die philosophische Würdigung, die Plato Sympos. p. 180 D von der Aphrodite Urania gibt, habe auf Alkamenes keinen bestimmenden Finfluss üben können, so wird damit die Be- deutsamkeit jener philosophischen Charakteristik nicht aus der Welt geschafft. Denn nicht, dass der Schöpfer der Aphrodite Urania dieselben Ideen wie Piaton gehabt habe, habe ich behauptet, wohl aber, dass jene Charakteristik des Piaton nur ausgesonnen werden konnte, wenn eine entsprechende Grundlage in den \'nlks\-()rstellungen, in der ("ultsage und damit übereinstimmend auch in den Tempelbildcrn der Aphrodite Urania gegeben war.

Ich denke mir die Aphrodite des Alkamenes vielmehr in dem kürzlich von

'') Vgl. AVintcr, 50. Berliner Winckelmannsprogramm (1890) S. 119.

78

Amelung') behandelten Typus der angelehnten Aphrodite, wie er uns einerseits in der Berliner Statuette n. 586, andererseits in der Statue von Neapel (Arndt- Amelung, Einzelverkauf 5 1 2) und in einer Umbildung auf dem Relief des Laterans n. 482 (Benndorf-Schöne T. XIII, 2) vorliegt. Ich sage ausdrücklich: im Typus, denn es bedürfte einer genaueren Untersuchung der Varianten, um festzustellen, inwieweit für eine derselben auch stilistisch die Abhängigkeit vom Werke des Alkamenes behauptet werden darf*)

Dagegen ließen sich wohl mit der Kunstart unserer Athene vereinigen die Statuen, die Winter auf Alkamenes zurückgeführt hat,^) wenn ich auch seiner Beurtheilung der Pergamener Hera-Statue und der Marmorgruppe von der Akro- polis (Antike Denkmäler II T. 22) nicht in allen Punkten zuzustimmen vermag. Allein es ist hier nicht meine Absicht, eine Monographie über Alkamenes zu geben umso mehr darf ich daher die Münchener Salber -Statue übergehen, die kürzlich Klein durch die schwanke Brücke einer Wortconjectur mit dem Namen des Künstlers verbunden hat'") es genügt für meine Zwecke, daraufhinzuweisen, dass das Wenige, was bisher mit einiger »Sicherheit über die Kunstart des Alka- menes ermittelt werden konnte, in keinerlei Widerspruch zu unserer Vermuthung über die Athene von Cherchel steht, ja dass vielmehr diese Statue in höherem Grade als bisher irgend ein anderes Werk den Anspruch erheben kann, als Grundlage für die Erkenntnis vom Stile des Alkamenes zu dienen.

Ich wende mich nunmehr nochmals zur Cultgruppe des Hephaisteion zurück mit der Frage, ob nicht auch von der zweiten Figur der Gruppe sich noch eine Vorstellung gewinnen ließe. Über den Typus des Hephaistos geben uns die literarischen Nachrichten nur bezüglich eines Punktes genaueren Aufschluss. Cicero de nat. deor. I 30 berichtet, dass der Hephaistos des Alkamenes hoch- gepriesen werde, „in quo staute inu troque vestigio atque vestito leviter apparet claudicatio non deformis." Wortreicher umschreibt die gleiche Beobachtung, die offenbar ein Gemeinplatz der Gebildeten geworden war, Valerius Maximus VIII 1 1 : „tenet visentis Athenis Vulcanus Alcamenis manibus fabricatus . praeter cetera enim perfectissimae artis in eo praecurrentia indicia etiam ilhid mirantur, quod stat

') Jahrbücher der Alterthumsfreunde im Rhein- ^) Arch. Anzeiger 1894, 43. vgl. Kekule, Über

hiniie 1897, 15'^f' eine weibliche Gewandstatue aus der Werkstätte der

"") In der Berliner Statuette hat Milchhöfer Parthenonliguren S. 20. Einwände hat Furtwängler

Arch. Jahrb. VII S. 208 die Aphrodite des Alkamenes, erhoben, Über Statuenkopien im Alterthura, Abhandl.

Furtwängler (in der englischen Übersetzung der d. bair. Akademie XX 3, S. 15.

.Meisterwerke' S. 71) die Aphrodite Urania des '") Klein, Pra.titeles ;o; Arch.-epigr. Mittheil, aus

Phidias erkennen wollen. Österreich XIV 6.

79

(lissiimilatae claiidicationis siib vcste Icviter vestigium rc'])raesentans, iit mm exiirobrans tamque vitium, ita tani(>n ccrtam projirianKiuc (Um notam decorc significans." Wir wotcUmi uns nicht mit der l'iagc! c)uäl(Mi, in \\elt;lii'r Weise der Künstler das Hinken sirhtl)ar gemacht habe, ohne dass man es sah. Xur soviel ist aus jeniMi Hetraclitungen klar, dass die l'ij^ur des Hephaistos dem Heschauer gestattete, an ein verborgeni^s Gebrechen in den I'x'inen des (iottes /.u glaulx-n. Der Nachdruck, mit dem in jenen IVnnerkungen das (iewand hervorgehoben wird, nöthigt nns zu tler Annahme, dass Hephaistos in langem, bis nahe zu den Knöcheln reichendem (iewande dargestellt war, das wir nicht als Chiton, sondern als ein stoffreiches Himation uns zu denken haben werden.

Aus den \'ermuthungen, di(^ über die .dissimulata claudicatio' ausgesprochen werden, darf man vielleicht auch des weiteren schließen, dass Hephaistos nicht stramm aufrecht, sondern mit eingebogenem, scheinbar eingeknicktem Fuße da- stand, und da treten uns sofort die ält(>ren Männer des I'arthenonfrieses in die Erinnerung, die, in weite Mäntel gehüllt, auf Stöcke gelehnt, den Panathenäenzug erwarten. Hier setzt nun bestätigend und för- dernd ein schon mehrfach er- wähntes Reliefbild ein, das He- phai.stos mit Athene gruppiert zeigt.

Dieses Relief, das unter Fig. 37 nach einer neuen Zeichnung Gillierons abgebildet ist, stammt aus Epidauros und befindet sich seit einigen Jahren im atheni- schen Nationalmuseum im Saale der Votivreliefs. Ich hatte, da das Stück wegen seiner Bezie- hungen zum athenischen Hephai- stoscult meine Aufmerksamkeit auf sich zog, mir vom (ieneral- ephoros Kavvadias im Winter 1892/3 die l'.rlaubnis zur \'er- ÖfFentliclumg erbeten; seitdem Fiy. 37 Relief aus Epidauros in Athen.

8o

ist das Relief durch die vom deutschen arch. Institut besorgte photographische Auf- nahme allgemeiner bekannt geworden und kürzlich von Furtwängler, Sitzungs- berichte der IMünchener Akademie, 1897, 290, publiciert worden.

Das sehr verstümmelte, jetzt aus vier Stücken zusammengesetzte Relief ist 075™ hoch und in seinem jetzigen Zustand o"65™ breit; es besteht aus pente- lischem Marmor und zeigt die sichere und scharfe Arbeit, die wir an den attischen Reliefs aus der Zeit um 400 kennen. Die kräftige, einfach profilierte untere Randleiste und das reicher gegliederte mächtige obere Abschlussglied zeigen, dass wir es hier weder mit einem Votivrelief noch mit einem Urkundenrelief, sondern mit einer architektonisch verwendeten Platte zu thun haben, die man sich metopenartig eingelassen, etwa als den .Schmuck eines Altares oder einer größeren Basis zu denken hat. Dazu stimmt, dass rechts noch das Stück einer abgeschrägten pfeiler- artigen Leüste erhalten ist, die nach Art eines Triglyphons das Reliefbild von einer zweiten ähnlichen Darstellung getrennt haben mag. Links ist der Stein gebrochen, doch geht aus der Composition des Erhaltenen klar hervor, dass die vollkommen in sich geschlossene Darstellung keine weiteren F"iguren mehr umfasste.

Rechts steht Athene in ruhiger Haltung linkshin gewendet ; ihr linker Fuß ist seitwärts zurückgesetzt, so dass er nur mit den Zehen den Boden berührt. Die Göttin i,st mit dem gegürteten dorischen Chiton bekleidet ; über dem vorgestreckten rechten Arm wird der Zipfel eines schmalen Aläntelchens sichtbar. Die Aigis läuft als schmale, schräge Schärpe von der rechten Schulter zur linken Hüfte ; ihre ausgeschweiften Säume erinnern an die Aigisform, die bei der Athene von Cherchel und der Athene des Parthenon -Westgiebels sich findet, ihr oberer Rand hängt nach vorne über; von dem Gorgoneion glaubt man noch eine Spur zwischen den Brüsten zu erkennen. Die Partie von den. Knien bis zur Mitte der Gestalt fehlt, ebenso der linke Arm ; dieser muss, wie der erhaltene Contur der Schulter lehrt, schräge nach abwärts gerichtet gewesen sein, er mag locker den Speer gehalten haben. Zur rechten Seite der Göttin lehnt der Schild, dessen Gorgoneion den jüngeren Typus eines ebenmäßigen Frauengesichtes zeigt.

Der vorgeneigte Kopf ist stark verstoßen, deutlich erkennbar ist aber, dass er keinen Helm trug, das Haar scheint im Nacken kurz aufgenommen. Die Rechte ist vorgestreckt und fasst an den korinthischen Helm, den der gegen- überstehende Gott ihr entgegenhält. Denn als Gott dürfen wir den links stehen- den bärtigen Mann, der Athene sich zuwendet, schon seiner Größenverhältnisse wegen bezeichnen. .Seine äußere Erscheinung sowohl, wie die Handlung, in der

8t

er dargestellt ist, lassen keinen Zweifel darüber, dass wir in ilun Hephaistos zu erkennen haben. Er lehnt auf einem Stab, der unter der linken Schulter einge- stützt ist; sein linkes Bein ist völlig entlastet, auch das rechte Bein etwas ein- geknickt. Ein weiter Mantel umhüllt die linke Schulter und den Unterleib, .so dass Brust, rechte Schulter und Arm frei bleiben. An dem stark bestoßenen Kopf ist Haar und Bart kurz gehalten. Mit der Rechten hat er den Hflm am Nackenschirme derart gefasst, dass die Vorderseite des Helmes der Göttin zuge- kehrt ist ; damit ist deutlich ausge.sprochen, dass Athene die Empfängerin ist ; sie hat ihre Rechte au.sgestreckt, um von unten in die Höhlung des Helmes hinein- zufahren und ihn so auf die Hand zu nehmen.

Wie ist nun diese Scene zu verstehen? Spätere Denkmäler zeigen uns wohl gelegentlich Athene auf Besuch in Hephaistos Werkstatt (vgl. z. B. die beiden Medaillons des Antoninus Pius bei Fröhner, Medailles de l'empire Romain S. 51 u. 65). Aber dass wir hier in dem Helm nicht etwa ein Geschenk erkennen dürfen, das für einen Schützling der Göttin verfertigt worden ist, sondern dass vielmehr der Helm für die Göttin selbst bestimmt ist, das hat der Künstler so deutlich als möglich dadurch ausgesprochen, dass Athenes Kopf noch unbehelmt ist. Und so soll wohl auch den- Schild, der zwischen Hephaistos und Athene auf dem Boden steht, als ein Geschenk betrachtet werden, das soeben von Hephaistos der Athene überreicht worden war. Es liegt uns also hier eine Sagen-Version vor, wonach Athene ihre Schutzwaffen von Hephaistos empfangen hat. Vielleicht darf man eine literarische Spur dieser Version erkennen in den Worten, mit denen Apollodor Biblioth. III 188 (14, 6) seinen Bericht über die Geburt des Erichthonios einleitet: 'A9-r/;x . . iylvc-o irpi? "II-.fa'.c;-:ov 8-Xa y.%-y.^7.z<ji'j'x: 0-SAO'jaa, obwohl der Wortlaut auch die Möglichkeit offenlässt, dass der späte Autor nicht an die CTzXot. der Athene, sondern an Waffen, die für einen griechischen Helden be.stimmt waren, dachte. Allein es bedarf wohl keiner weiteren Zeugnisse, um die an sich ver.ständliche Sagenversion zu erhärten, dass Hephaistos, wie er Skeptron und Aigis des Zeus verfertigt hat (II. II 102, XV 310), auch Athenes Helm und Schild gearbeitet hat. Wenn die naive Volksvorstellung im VI. Jahrh. Athene mit allen den Waffen gerüstet, die damals in Gebrauch waren, aus dem Haupte des Zeus emporspringen lässt, so hat daneben eine mehr rationalistische und vielleicht auch ältere Version die Göttin völlig waffenlos oder nur mit den alten Waffen, der Aigis und Lanze, geboren werden und die neueren Metallwaffen, Helm und Schild, erst von Hephaistos Händen verfertigt werden lassen. Zum Uberflus.se haben wir auch noch ein zweites bildliches Zeugnis für diese Sagen-

Jabrcshcfte des üstcrr. arcbüol. Institutes Bd. I. 11

82

form in einem archaistischen Flachrelief, das, aus Griechenland stammend, in die Sammlung Jacobsen in Kopenhagen gekommen ist und von Arndt, La Glypto- theque Ny-Carlsberg T. 20 veröffentlicht worden ist. Athene steht dort in Vor- dersicht mit dem Schild am linken Arm, den gehobenen Speer in der Rechten, aber ohne Aigis und Helm. Sie wendet den Kopf rechtshin zu Hephaistos, der mit der erhobenen Rechten ihr den Helm darreicht, während die gesenkte Linke den Hammer hält; der Gott ist nackt, nur ein kleines Himation ist um seine Arme geschlungen. Wenn für Athene hier das alterthümliche Promachos-Schema gewählt ist, so ist dies vielleicht nicht nur aus archaistischer Ziererei, sondern in Hinweis auf die bei Apollodor vorliegende Sagenform geschehen, wonach eben bei Überreichung der Waffen die Liebesgier des Hephaistos entbrennt; dass Athene den Gott mit der Lanze abgewehrt habe, erzählt Eratosthenes, cataster. 13; vgl. Hygin. astron. 11 13.

Jede solche Erinnerung an übel angebrachtes Liebesbegehren des Hephaistos ist aber auf dem Relief von Epidauros durchaus ferngehalten. In Züchten und Freundschaft sind die beiden Gottheiten einander gegenübergestellt, Hephaistos reicht Athene die Waffen, deren sie im Kampfe zum Schutze der Athener bedarf. In dieser Auffassung des Verhältnisses, glaube ich, dürfen wir dieselbe geistige Stimmung wiederfinden, aus der heraus die Tempelbilder des Hephaisteion ge- schaffen sind, und es mag daher nicht unnütz sein, wenn wir, bevor wir die Beziehungen des Reliefs zu jenen Statuen nach der formalen Seite hin prüfen, uns die Frage vorlegen, inwieweit die gedanklichen Voraussetzungen, die dem Relief zugrunde liegen, sich mit den Vorstellungen decken, die bei der Schöpfung jener Tempelbilder ma(3gebend waren. Dazu ist es nöthig, mit einigen Worten auf die in jüngster Zeit vielbehandelte Erichthonios-Sage '^) einzugehen, die man als die Basis für das Zusammenwirken und das freundschaftliche Verhältnis von Athene und Hephaistos zu betrachten pflegt. Doch wird es sich empfehlen, dabei die beiden Elemente der Sage, die Liebeswerbung des Hephaistos und die Geburt des Erichthonios, getrennt zu betrachten.

Für die den Mythographen geläufige Erzählung, dass Hephaistos nach Athene begehrt habe und von ihr zurückgewiesen worden sei, liegt das älteste Zeugnis auf dem amykläischen Thron des Bathykles von Magnesia vor, unter dessen Reliefschmuck auch dargestellt war: 'AS'rjVx dwr/.ovxoc «Tioqisijy&ucia "llcpatatov

") Preller-Robert, Griech. Mythologie I 198; und Athen II 128; Usener, Götternamen 189; Er- Harrison, Class. review 1895, 87; Dümmler bei matinger, Die attische Autochthonensage bis auf Pauly-Wissowa II 1958; v. Wilamowitz, Aristoteles Euripides (Berlin 1897).

83

(Paus. 111 iS, 13); die misslicho Auskunft, dass I'ausanias falsch gesehen oder ge- deutet habe, wird umso weniger glaubwürdig erscheinen, als ein archaistisches Relief auf einem Altarfragmente, das jetzt vor dem Faustinatempel auf dem römischen Forum liegt (Arndt-Amelung, Einzelaufnahmen antiker Sculpturen Ser. III n. 818), eine gewisse Parallele zu jener Darstellung zu bieten scheint. Dort sehen wir Athene (behelmt) in lebhafter Bewegung linkshin entfliehen, verfolgt von Hephaistos, der d<'n Hammer geschultert trägt und mit der Rechten einen Zipfel des zurückflatternden Mantels der (iöttin gehascht hat. Ein Gemälde des gleichen Inhaltes beschreibt Lukian tz. xoö oixo'j 27.

Bathykles mag die Geschichte von Hephaistos Liebeswerbung .schon aus der ionischen Heimat mitgebracht haben; im ionischen O.sten sind nach den über- zeugenden Darlegungen von U. v. Wilamowitz (Göttinger Nachrichten 1895, 238) auch ilie schwankhaften Erzählungen von Aphrodites Untreue und von Heras Fesselung" unil Lösung gedichtet worden, denen ilie verwandte Sage von Hephaistos und Athene im VII. oder VI. Jahrh. sich zugesellt haben mag. Wie diese Er- zählung im einzelnen verlief, und wann sie nach Athen gebracht wurde, vermögen wir nicht mehr festzustellen. Aber gewiss ist, dass sie erst auf attischem Boden verknüpft worden ist mit der Geburtssage des l-'.richthonios. Die Erichthonios- Sage htit offenbar unter dem luntlu.ss der veränderten religiösen und politischen Verhältnisse im Laufe der Jahrhunderte sehr \erschiedene Formen durchgemacht, die wir nicht mehr alle im einzelnen zu verfolgen vermögen. Uns interessieren die verschiedenen Versionen hier nur so weit, als sie sich auf den ,erdgeborenen Gott' beziehen, für den die beiden Namen Erichthonios und Erechtheus in der älteren (voreuripideischen) Sage als gleichwertig neben einander stehen; die andere Seite dieser Gestalt, ihr Verhältnis zu Poseidon-Erechtheus, kann in diesem Zu- sammenhang unerörtert bleiben.

Die Vorstellung, dass Erichthonios-Erechtheus ein Sohn der Erde gewesen .sei, geht gewiss noch in die Zeit zurück, da er bloß als der Stammvater des herrschen- den Geschlechtes verehrt wurde; ursprünglich vielleicht vaterlos gedacht, mag er später als Sohn des Kekrops gegolten haben. Sehr frühe muss dann Athene in Beziehung zu Erichthonios gesetzt worden sein. Dass sie in attischer Sage jemals als die leibliche Älutter des Erichthonios gedacht worden sei, wird man kaum annehmen dürfen, da einerseits die Mutterschaft der ,Erde' schon feststand, andererseits die Vorstellung von Pallas Athene als einer jungfräulichen Göttin früh zur Herrschaft gelangt war; umso nachdrücklicher mag ihre Rolle als Pflegemutter des Erdgeborenen betont worden sein, wofür schon die Ilias (II 547)

84

Zeugnis ablegt. In etwas jüngerer Zeit erst, als bereits auch die Athener des Kerameikos sich als auTÖyö-ovs; zu fühlen begannen, ist Hephaistos zum Vater des Erichthonios geworden, nachdem in den verschiedenen Bevölkerungsschichten eine Zeit lang verschiedene Vorstellungen neben einander lebendig gewesen sein mögen. Als Sohn des Hephaistos und der Ge erscheint Erechtheus in der Stammsage der Eteobutaden (Ps. Plut. Vit. x orat. 843). Als Sohn des Hephaistos war Erichthonios bei Hellanikos Fragm. 65 (Harpokr. s. v. Tlava^a^aoa), ebenso, wie es scheint, bei Pindar und in der Danais*-) bezeichnet. ''Hcpa{'jtou'>TCar5£; heißen die Athener bei Aischylos Eum. 13. Dieses Hervortreten des Hephaistos im athenischen Staatscult wird man am besten mit den kleisthenischen Umwälzungen in Verbindung bringen dürfen, wobei schon die demokratischen Ansätze der solonischen und peisistratischen Zeit vorgearbeitet haben mögen.

Die Anrechte, die ursprünglich vielleicht unabhängig von einander Athene und Hephaistos auf Erichthonios erworben hatten, hat die (in Anlehnung an die novellistische ionische Hephaistos-Sage geschaffene) schmutzige Version, die von Euripides Fragm. 917 ausführlich erzählt wird, in der Weise zu vereinigen gesucht, dass sie Erichthonios durch Hephaistos gezeugt und von der Erde ge- boren, gleichzeitig aber Athene als Urheberin der Zeugung erscheinen lässt. In wie weit diese Version allgemein und officiell recipiert worden und wann sie zuerst aufgekommen ist, lässt sich genauer nicht feststellen. Aber dass in irgend einer Weise schon vor der Zeit der Perserkriege Athene, Hephaistos und Erich- thonios verknüpft gewesen sein müssen, geht daraus hervor, dass den Vasen- malern schon in der Zeit des mittleren rothfigurigen Stiles diese Verknüpfung geläufig erscheint. Auch wenn wir von der Vase München 345 (Monum. d. inst. I, T. 10) absehen wollen, wo die Deutung des bärtigen Gottes auf Hephaistos bezweifelt worden ist, so kann doch die Berliner Schale 2537 (Monum. d. inst. X 39, Wiener Vorlegebl. B i) nicht wesentlich später als 460 entstanden sein, keinesfalls aber scheint es mir zulässig, mit Robert (Die Marathonschlacht in der Poikile S. 75) diese Schale bis nach 437 herabzurücken. Noch weniger darf man heute, wo die Einsetzung des neuen Hephaistienfestes auf 421/20 datiert ist (s. o.), die Beziehungen zwischen Athene und Hephaistos erst mit jener Cultfeier oder mit dem damals erfolgten Tempelbau anheben lassen. Vielmehr haben wir in jenem 421/420 eingerichteten penteterLschen Feste nur eine glänzendere Neu- gestaltung eines einfacheren älteren Festes und in dem damals vollendeten

'^) Harpokrat. s. v. aÜTOx9-ovss, wo mit Töpffer, 'Epix^oY.o'/ zbv 'Hcpataxou (cod. xal "Hcpaiaxov) iv. fSj; Attische Genealogie 114' wohl zu lesen ist: cpaotv <fav^vai.

85

ll(']ili;iist(ist('mj)el einen Neubau zu erkennen, der an Stolle einer älteren, wohl vorpersischen (iründung trat, ganz ebenso, wie dies für die in der gleichen Zeit erbauten Tempel in den Heiligthümern des Dionysos, des Ares, der Aphrodite Urania theils ausdrücklich bezeugt ist, theils sicher vorausgesetzt werden kann.

Es ist wohl möglich, dass ähnlich wie jene Vasenbilder auch die officielle Cultsage des Hephaisteion die Vorgeschichte der Geburt des Erichthonios im Dunkeln gelassen und sich dabei Ijeruhigt hat, Hephaistos als Vater und Athene als Pflegemutter des Erichthonios zu betrachten. Gerade im Kerameikos sind ja zwischen diesen beiden Gottheiten auch Beziehungen angebahnt gewesen, die von der Erichthonios-Sage völlig unabhängig waren. Schon in solonischer Zeit ist Athene die Schirmfrau des athenischen Gewerbfleifies und rückte so all- mählich in ein näheres Verhältnis zu dem kunstfertigen Schutzpatron des Hand- werkes. Wie Bruder und .Schwester, wie Freund und Freundin finden sie sich zusammen in der Sorge für das athenische Volk und die ganze arbeitsame Menschheit; so sehen wir beide vereint bei der Ausstattung der Anesidora auf dem Schalenbild Elite ceram. III 44 (Ro.scher Lex. d. Mythol. I 2057) und bei der Betrachtung des Panathenäenzuges auf dcMii Ostfries des Parthenon. Wie sie hier vertraulich und zwanglos, aber in den Schranken der Ziemlichkeit mit einander verkehren, so hat gewiss auch Alkanienes bei der Schöpfung der neuen Tempelbilder den Gedanken an Hephaistos unglückliche Liebeswerbung völlig zurücktreten lassen und nur das ungetrübte Freundschaftsverhältnis der beiden zu gemeinsamem Schutz der attischen Autochthonen verbundenen Patrone attischer Arbeit vor Augen zu stellen beabsichtigt. Dieser kün.stlerisch geläuterten Auf- fassung hat Piaton, indem er die Volks- und Cultvorstellungen hier wie so oft zu philosophischer Verklärung emporhebt, schwungvollen Ausdruck verliehen im Kritias p. log C: "lisyataTC? ok xo:vr)v xa: "Aih/^vä ^ujiv lyoT.z^ Sl[ix jiev äo£X'.frjV ex -aüxoö -a-p6;, ajia cl ^iXosocpta ^•.Xo-tyyl'x xs i-l xa aOxi £Ai^6vx£;, oüxco [xtav ä|i'|(i) Xf/^'.v -TjVO£ xrjv x^pav siÄrj/a-ov w; otxsiav xai Tzpöo^fopov apsxf/ xai (fpovr^aet Tie^fuxuiav, ävopa; 5i äyaS-oü; i\).TZoirpo(,^r:zz aCixöyO-ova; ijzl voOv 'iiHaoLV x''r,'j i'^; TioXtxeia; xä^iv.

Ganz aus derselben religiösen und künstlerischen Stimmung heraus ist nun aber auch das Relief von Epidauros ent.standen und, wie es aller Wahrschein- lichkeit nach attische Arbeit ist, so dürfen wir mit Sicherheit behaupten, dass es aus dem Vorstellung-skreise des athenischen Hephaisteion, unter dem Einflüsse der Anschauungen, die in den Tempelbildern verkörpert waren, entstanden ist. Wo könnte auch eher als dort die Version entstanden sein, dass erst der Schutzherr der athenischen y_a.Xv.Blc, der mit ihm verbündeten Stadtgöttin die Waffen verfertigt habe?

86

Und nun dürfen wir wohl einen Schritt weiter gehen und die Behauptung aufstellen, dass dem Künstler des Reliefs auch bei der Gestaltung seiner Figuren die athenischen Tempelbilder vor Augen geschwebt haben. Nur handelte es sich ihm natürlich nicht um eine Nachbildung der Tempelbilder, vielmehr sind in seiner Composition die Statuen gewissermaf3en lebendig geworden und zu einer Handlung zusammengetreten, die das Freundschaftsverhältnis, das die Götter verbindet, dramatisch vor Augen stellt. Denn die Annahme, dass auch in der Tempelgruppe selbst die beiden Gottheiten durch das Motiv der Helm- Übergabe, die doch nur eine momentane Action i.st, zu einander in Beziehung gesetzt waren, würde ich bei dem Mangel zutreffender Analogien handelt es sich hier doch um Colossalfiguren nicht zu vertreten wagen. Vielmehr möchte ich glauben, dass die Athene des Reliefs zur Athene Hephaistia des Alkamenes in dasselbe Verhältnis zu setzen ist, in dem so viele Athene-Figuren der attischen Votiv- und Urkundenreliefs zur Parthenos stehen.

Furtwängler hat allerdings (Sitzungsber. d. jMünchener Akademie 1897, 290) gerade in der Athene des epidaurLschen Reliefs eine Nachbildung der von ihm reconstruierten Lemnia des Phidias erkennen wollen. Nun würde zwar gewiss die für jene ,Lemnia' vorausgesetzte Haltung und Bewegung sich wohl erklären lassen, wenn die Göttin, wie in dem Relief, mit Hephaistos gruppiert gewesen wäre. Aber wie einerseits der auf die ,Lemnia' bezogene Athenetypus aus stili- stischen Gründen nicht mit der um 420 entstandenen Athene des Hephaisteion zu- sammengebracht werden kann, so war andrerseits die Lemnia des Phidias, soweit wir wissen, eine Einzelfigur. Wie ich also nicht glaube, dass der Reconstruction der ,I^emnia' aus dem Relief eine Stütze erwachsen kann, so scheint es mir andrer- seits von vornherein einleuchtend, dass es einem Künstler, der um 400 Athene mit Hephaistos vereinigt darstellen wollte, unendlich viel näher liegen musste, statt der Einzelfigur des Phidias die Gruppe des Hephaisteion zum Vorbild zu nehmen. In der That stimmt die Athene des Reliefs im Standmotiv und in der Gewandbehandlung ungleich genauer mit der Athene von Cherchel als mit den Dresdener Torsen überein ; von entscheidendem Gewicht scheint mir auch hier wieder die Form der Aigis. Verändert erscheint auf dem Relief die Haltung der Arme, weil eben die Figur aus einer ruhenden in eine handelnde umgesetzt werden musste ; des weiteren musste natürlich Athene hier, wo sie ihren Helm erst von Hephaistos empfangen soll, unbedeckten Hauptes dargestellt werden. So wenig der Künstler die Absicht haben mochte, das athenische Tempelbild zu copieren, so sehr stand er, wie wir Ahnliches an der Kunstproduction jener

»7

Zeit so vielfach beobachten, bei (Um- Darstellung seiner Athene Hejjhaistia unter dem zwingenden Bann des von Alkamenes geschaffenen Idealtypus, in dem die Genossin des Hephaistos körperliche Form gewonnen hatte.

Erscheint aber in dieser Hinsicht das epidaurische Relief mit dem athe- nischen Hephaistosheiligthum enge verknüpft, so wird man gewiss auch in der Gestalt des Hephaistos ein Echo der athenischen Tempelstatue erkennen dürfen. Wie sehr der allgemeine Typus der Kunstart der phidias'schen Schule entspricht, ist schon vorher durch den Hinweis auf die ,älteren Männer' des Parthenonfrieses beleuchtet worden. Die Gewandung der Figur ist dieselbe, die wir für die Statue des Alkamenes glaubten voraussetzen zu müssen ; die Stellung der Beine, insbe- sondere die Art, wie das linke im Knie vorgeschobene Bein völlig entlastet erscheint, wäre wohl geeignet, die Vorstellung zu erwecken, dass der (jott infolge Schwäche der Beine hinkenden Gang habe.

In einer Statue mochte derartiges kaum so stark betont sein, der Gott musste aufrecht .stehen, aber .schwerlich konnte er ganz des Stabes entbehren, hat doch selbst im Sitzen der Hephaistos des Parthenonfrie.ses der Stabes-Stütze nicht völlig entrathen wollen. Setzen wir nun in ähnlicher Weise, wie wir dies vorher bei der Figur der Athene beobachtet haben, auch die Gestalt des Gottes im Geiste aus einer handelnden in eine ruhende um, so werden wir aus der einfachen Composition des Reliefs ein in der Hauptsache zutreffendes Bild von den Tempel- bildern des Hephaisteion gewinnen. Nur werden wir uns dort Athene zur Rechten des Hephaistos stehend zu denken haben, so dass der gehobene Arm mit der Lanze die Außencontur der Gruppe bildete, während der Schild, unter dem die Schlange sich barg, und zu dem die (iöttin ihr Haupt neigte, zwischen Athene und Hephai.stos zu stehen kam. Was aber die .Statue des Hephaistos selbst betrifft, so kann nach allem, was wir bisher ermitteln konnten, keinesfalls der kürzlich von Furtwängler, Meisterwerke S. 1 20 auf den Hephaistos des Alkamenes zurück- geführte Casseler Torso als Grundlage für einen Reconstructionsversuch dienen. Allein .schon die Tracht die Exomis würde eine solche Rückführung un- möglich machen, ganz abgesehen davon, dass auch noch andere gegründete Bedenken die Deutung des Torso auf Hephaistos überhaupt in Frage stellen, vgl. Arndt-Amelung, Photogr. Finzelaufnahmen antiker Sculpturen, Text zu 331. In gleicher Weise erscheint aber auch der von Amelung einer Hephai.stos-Statue zugewiesene Torso in Florenz (Dütschke II 267) durch seine Tracht ausgeschlo.ssen. Wir werden uns vielmehr den Hephaistos des Alkamenes ähnlich den Asklepiostypen des V. Jahrb., etwa nach Art der bei Clarac T. 546, 1 151 CT. 551, 1 160 C abgebildeten

88

Statuen vorzustellen haben. Und die Hoffnung darf als nicht allzu kühn erscheinen, dass unter den Statuen, die auf den Namen des Asklepios gehen, eine genauere Untersuchung noch eine Replik dieses Hephaistos erkennen lassen wird. Wird doch auch bei manchen der auf Asklepios gedeuteten Gestalten der Reliefs die Deutung auf Hephaistos mehr, als bisher üblich war, in Betracht gezogen werden müssen. So sehen wir auf dem bekannten Urkundenrelief Friederichs-Wolters II 72 (Le Bas T. 3g, Schöne, Griech. Rel. XII 62) der Athene (im Typus der Parthenos) einen Mann gegenübergestellt, der im Typus dem Hephaistos des epi- daurischen Relief so nahesteht, dass neben den mannigfachen für die Figur vorge- schlagenen Namen gewiss auch der des Hephaistos Erwägung verdient, mag der Gott nun als Vertreter einer auswärtigen Stadt oder des attischen Demos zu betrachten sein. Und ebenso könnte man vielleicht geneigt sein, auf dem kürzlich von Hartwig (Bendis S. 5) veröffentlichten Relief der Sammlung Jacobsen in dem bärtigen, auf einen Stab gelehnten Mann (neben Bendi.s) eher Hephaistos als Asklepios zu sehen, da sich für den auf Lemnos heimischen Feuergott leichter eine Beziehung zu der mit Fackellauf geehrten thrakischen Göttin denken ließe als für den Heilgott; aber es ist allerdings zuzugeben, dass dieser T3'pus in der Zeit, in der das Relief entstanden ist (329/8 v. Chr.), sonst nur für Asklepios und gleichartige Götter nachweisbar ist.

Die enge Verwandtschaft des Hephaistos- und Asklepiostypus erfährt übrigens noch eine besondere Beleuchtung durch die Thatsache, dass gerade Alkamenes auch eine Asklepiosstatue für Mantineia und zwar wahrscheinlich eben in der Zeit um 420 v. Chr. geschaffen hat. Schon Eranos Vindobonensis S. 22 habe ich darauf hingewiesen, dass gerade der auf den älteren Votivreliefs des athenischen Asklepieion erscheinende Typus des auf seinen Stab gelehnten Asklepios auf eine Schöpfung des Alkamenes zurückgehen dürfte. Der Asklepios- cult ist am Südabhang der Burg uin 420 v. Chr. eingebürg'ert worden (A. Körte Athen. Mitth. XVIII 249), und man wird die ^Vrmuthung als berechtigt gelten lassen müssen, dass wie das mantineische, so auch das athenische Tempelbild des mit großen Ehren aufgenommenen Gottes in der Werkstatt des Alkamenes in Auftrag gegeben worden ist.

Bei der Ähnlichkeit, die wir für die von Alkamenes geschaffenen Gestalten des Asklepios und Hephaistos ihrer Gesammtanlage nach voraussetzen müssen, wäre freilich von umso größerem Interesse, zu wissen, wie die beiden Götter in der Einzeldurchführung, insbesondere in der Auffassung der Köpfe von einander differenziert waren. Leider versagt aber hier das epidaurische Relief Nur so v[el

8o

werden wir ihm wohl entnehmen dürfen, dass der Hephaistos des Alkamenes noch nicht die Handwerkermütze getragen hat, die ihm in der bekannten Herme des Museo Chiarmonti gegeben ist. Mag also dieser von Brunn begeistert ge- würdigte Kopf iiniiii'rhin in seinen charakteristichen Zügen auf die von Alka- menes geschaffene Norm zurückgehen, als eine (",o])ie des athenischen Tempel- •bildes wird man ihn nicht betrachten dürfen. Vielmehr waren es wohl erst die Künstler der Folgezeit, die das genrehafte Element in dem Wesen des Gottes stärker betont und seine Handwerkernatur auch in der Tracht (Exomis und Kappe) zur Darstellung gebracht haben. Alkamenes hat in seinem Tempelbild den Typus des vollgereiften, werkthätigen Mannes, wie er im Kunstkreis des Phidias ge- schaffen wortien war, zu der gcittlichen Hoheit emporgetragen, die dem fürsorg- lichen Schutzlicrrn aller arbeitsfleißigen Athener eignete, uml hat so den neuen Idealtypns geschaffen, der den Schöpfungen iler S])äteren als (irundlage diente.

Ich kann diese mit dem Namen der Athene Hephaistia überschriebene Studie nicht abschließen, ohne des einzigen Denkmals zu gedenken, das uns jenen Namen in Verbindung mit einem Bilde der Göttin überliefen hat. Es ist dies das Bruchstück einer bemalten Thontafel athenischer Her- kunft in Berlin, n. 2750, das zuerst Bröndsted, Voyage dans la Grece II T. XLII, dann Benndorf, (iriech. und sicil. Vasenbilder T. I\^ 2 (Wiener Vorlegebl. .Ser. III 2, 3; veröffentlicht hat; Fig. 38 gibt eine photographische Aiifnalime de« Pinax, die ich der Freundlichkeit Winters verdanke. Wie die Form des oben giebelförmig ab- geschlossenen Stückes lehrt, haben wir es hier mit dem Rest einer \'otiv- tafel zu tluin, für deren genauere Beschreibung ich atit l-'urtwänglers Katalog verweisen kann. Nach Zeichnung und Farbengebung, die in ihrer Wirkung der Polychrom-Afalerei nahe kommt, wird man den Pinax den letzten Jahrzehnten des V. Jahrhunderts zuweisen müssen.

Jahresheftc dos östcrr. .irchüul. Institutes Bd. I. 12

Fig. 38 Thon-Pinax in Herlin.

Die Darstellung des Fragmentes hat ebenso wie die Inschrift der Giebel- leiste die merkwürdigsten Deutungen erfahren. Bröndsteds Erklärung, dass die Flügelfigur neben Athene Eris dargestellt und die Inschrift L^S-rjvata "HcpataTOV dfjLÜvsiat gelautet habe, bedarf heute keiner besonderen Widerlegung mehr. Aber auch der jüngste Deutungsversuch von E. Curtius, Arch. Anzeiger 1894, 37, wonach in der Flügelgestalt Eros zu erkennen und die Darstellung zu einem Bilde der durch Eros mit Hephaistos verbundenen Athene zu ergänzen sei, ist aus äui3eren und inneren Gründen unannehmbar. Denn nicht der Liebesgott ist es, der Hephaistos und Athene im attischen Culte verbindet, vielmehr setzt die Verbindung der beiden Götter voraus, dass Hephaistos alles unzeitige Liebes- bemühen um die jungfräuliche Göttin bei Seite gelassen hat. Aber auch zur Ausfüllung des auf dem Pinax verfügbaren Bildfeldes würde die Gestalt des Hephaistos nicht ausreichen, denn die Ranke der Palmette im Giebelfelde lehrt uns, dass das Erhaltene wenig mehr als ein Viertel, höchstens ein Drittel der ursprünglichen Breite der Tafel darstellt. Endlich i.st es unmöglich, die Buch- staben H*I>A auf eine rechts befindliche Figur zu beziehen; da der Maler die ganze untere Giebelleiste für die Inschriften zur Verfügung hatte, musste er die einzelnen Namen unmittelbar über den betreffenden Gestalten anbringen. Schon aus diesem Grunde liegt es nahe, die ganze In.schrift auf die eine Figur der Athene zu beziehen, über deren Haupt sie steht. Da eine genaue Prüfung lehrt, dass (wie auch Furtwängler betont) die Punkte hinter A6HNAIA nur ein Inter- punctionszeichen, nicht etwa ein Jota sein können, so scheint mir nur die von Th. Bergk (Marburger Programm v. 18. Nov. 1863, S. 4) vorgeschlagene Ergän- zung Aö-rjvaca "Htfataxta zulässig. Die Flügelgestalt neben Athene wird man aber gewiss mit Benndorf a. a. O. S. 19 als Nike und nur als Nike erklären dürfen. Damit wird der Kreis der Deutungen, die das fragmentarische Bild erlaubt, schon wesentlich eingeschränkt. Conze hat den Pinax auf einer Tafel der "Wiener Vorlegeblätter (III T. II) mit dem Vasenbild Monumenti d. inst. III 30 zu- sammengestellt, wo Athene den von Ge emporgereichten Erichthonios entgegen- nimmt, und Nike mit einem Kranz auf den Knaben zufliegt. Aber bei der Athene des Pinax i.st ein solches Bewegungsmotiv durch den geradeaus gerich- teten Blick ebenso wie durch die Haltung des Armes ausgeschlossen. Vielmehr spricht alles dafür, dass hier die Göttin in hochaufgerichteter ruhiger Haltung dargestellt war.

Die Art, wie der von der Aigis umhüllte linke Arm vorgestreckt erscheint, hat wohl in manchen Beschauern den Gedanken an die im

9'

Kampfe vorstürmende Göttin erweckt. Aber wie könnte Nike rechts hinzu- fliegen, wenn dort ein Gegner Athenes sich befand? Mir scheint vielmehr, dass der knäuelartig zusammengeschobene Schlangenbesatz der Aigis nur dann seine Erklärung findet, wenn der Unterarm im Kllenbogengelenk gehoben war, wo- durch die Aigis auf dm ( )bciarm zurückgeworfen werden musste.'

Die (xöttiii wird also mit der Linken den Speer aufgestützt haben, wie die Hope'sche und l'arnese'sche Athene, etwa in dcv Art der Reliefs bei Schöne T. XIII 64 otler XXII 94. Üb die Rechte an die Hüfte gelegt war oder mit einem Attribute (etwa einer Schale) vorgestreckt war, das entzieht sich der Ver- muthung. \'on dem fehlenden Theile des Bildes aber wird man sich dann eine Vorstellung nach Analogie der Urkunden- und \'otivreliefs machen müssen, auf denen die von Athene entsendete Nike einem \-fini \'cilkc geehrten oder als Wettkämpfer preisgekrönten Manne zufliegt. Warum ist aber hier an Stelle des für die Stadtgöttin sonst üblichen Typus der Parthenos ausdrücklich die Gestalt der Athene Hephaistia eingesetzt? ich wüsste nicht, an welcher Art von Sieg gerade die Göttin dieses Beinamens sonst betheiligt sein könnte, als an dem Siege im Fackelwettlauf Und da treten uns sofort eine Anzahl VasenbiUler ins Gedächtnis, auf denen der siegreiche Fackelläufer neben dem Altare steht und von Nike bekränzt wird, vgl. Ant. du Bosphore Cimmerien T. 63, 4: 5 (Stephani, Katalog du Ermitage n. 2010), Arch. Jahrb. VII 149, Fröhner, Coli. Tyszkiewicz T. XXXV. Nach diesen Vorbildern werden wir uns etwa rechts von Athene den Altar zu denken haben, dessen Feuer der von Nike bekränzte Läufer mit der Fackel anzuzünden im Begriff steht, daneben den Gymnasiarchen oder einen zweiten Fackelträger aus der Läuferreihe der siegreichen Phyle.

Von den drei Festen, an denen während der letzten Jahrzehnte des V. Jahr- hunderts ein von Staatswegen organisierter F'ackelwettlauf stattfand, den Pana- thenaeen, Promethien und Hephästien kann nur das panathenäische Fest für die Deutung unseres Pinax in Betracht kommen.") Es handelt sich bei dem Fackel- lauf, wie schon Wecklein erkannt hat, um die mciglichst rasche Übertragung eines reinen heiligen Feuers von einem Ort zum anderen. Dass der Wettlauf der Fackelträger bei dem Heiligthum der Akademie, in dem neben Athene auch Hephaistos und Prometheus verehrt wurden, seinen Ausgang nahm, bezeugt Pausanias 1 30, 4, vgl. Apollodor bei .Schob Soph. Oed. Col. 56. Von dort ist das Himmel.sfeuer des Prometheus an den Hephai.stien zum Heiligthum des Hephaistos

") Wccklein, HenncsVII 437, Benndorf.Zeitschr. Jalirl)., \'ir 141), Ad. .Schmidt, Handb. der griech. f. Österreich. Gymnasien 1875, 607, A. Körte, Archiiol. Chronologie 281.

12*

92

im KerameikoS;, an den Panathenaien zur Burg emporgetragen worden, während an den Promethien, wo der Fackellauf ein Nachbild des ersten Feuerraubes war, eine Rückübertragung des Feuers von dem Hephaistos-Heiligthum (vgl. Plat. Protag. 321 C) oder von dem Gemeindeherd der Hestia (vgl. Istros bei Harpokr. s. v. Xa^iTzäg) aus stattfinden mochte. Weder an den Promethien noch an den Hephästien war ein Anlass gegeben, ein Weihgeschenk für einen Sieg im Fackellauf gerade der Athene Hephaistia darzubringen : dass aber auf dem Berliner Pinax neben Athene nicht etwa noch Hephaistos dargestellt war, geht aus der Stellung der Nike ebenso hervor, wie aus der umständlichen Bezeich- nung der Göttin als Hephaistia. Umso besser passt die vorausgesetzte Bestimmung dieser Votivtafel zu dem Fackellauf der Panathenaien. Der Preis, den der Sieger bekam, war nach Au.sweis der Inschrift CIA II 965 eine Hydria, die vielleicht im Namen der Phyle vom Gj'mnasiarchen geweiht wurde, während es dem Einzelnen überlassen blieb, einen Pinax zu weihen. Dass wirklich derartige Votivbilder in der Pinakothek vorhanden waren, geht daraus hervor, dass Pole- mon in seinem Buche -zpl tiov £v torc Tzooimkoäoic TC'.vaxwv Anlass fand, über Fackel- lauf zu handeln (Harpokrat. s. v. XoL\xTzdi; vgl. Griech. Weihgeschenke S. 40 u. 59); möglich also, dass dort auch der Berliner Pinax einst seine .Stelle hatte.

Zu welchem Altar der Akropolis das prometheisch-hephästische Feuer ge- tragen wurde, wissen wir nicht. Wie an den grof3en Altar im östlichen Theil des Burgplateaus, so könnte man auch an den Altar der Athene Nike oder an einen besonderen Altar in der Nähe des Burgeinganges denken; denn es kann dabei ebenso ein Einleitungs- oder Voropfer, wie das Hauptopfer des Panathe- naienfestes in Betracht kommen.

Die Athene-Figur des Pinax kann über diesen Punkt so wenig Aufschluss geben, wie die vorher erwähnten Vasenbilder. Eine Statue, die den Xamen der Hephaistia geführt und dem Maler als Vorbild hätte dienen können, ist auf der Akropolis nicht nachweisbar. Höchstens die Athene Lemnia des Phidias könnte als Bild der dem Hephaistos verbundenen Göttin aufgefasst und entsprechend benannt worden sein. Dass diese Statue die Darstellung des Pinax beeinflusst habe, wäre wohl möglich, aber nachweisen lässt es sich nicht. Denn ebenso denkbar ist, dass der Maler bloß aus seiner eigenen künstlerischen Auffassung heraus das Bild der Göttin geschaffen und dass er eben deshalb es für nöthig gehalten hat, dem Bilde den Xamen beizuschreiben. Dass aber die Athene, der der Fackellauf der Panathenäen gilt, als Hephaistia bezeichnet wird, wird uns nicht auffällig erscheinen, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass gerade die Athene

93

clor ßury, der ilas Stadtfest gilt, in mehr als einer Beziehung mit llephaistos verknüpft ist. Im Krechtheustempel, wo sie in engste Verbindung mit Erech- thciis-lÜMchthonios gesetzt ist, hat auch Hephaistos einen Altar; die Arbeit am Peplos, der an diMi Panathenaien dargebracht wird, beginnt an dem Feste der Chalkeen, die mit den Hephästien gleichbedeutend sind (vgl. A. Mommsen, Heor- tologie 313). Die Procession der Panathenaien nimmt auf dem Ostfries des Par- thenon die Göttin in Gemeinschaft mit Hephaistos entgegen. Und Plato Grit. ti2 B setzt in seinem Ur-Athen ein gemeinschaftliches Heiligthum der Athene und des Hephaistos auf der Akropolis voraus.

So liegt es nahe, anzunehmen, dass auch im Culte ein Theil der Pana- thenaienfeier, vielleicht gerade das erste Opfer nach dem B'ackellauf, der Athene Hephaistia zugewiesen war. Vielleicht ist gerade im Zusammenhang mit der Regeneration des Hephaistoscultus, die uns die Inschrift GIA IV 35 b für das Jahr 421 kennen lehrt, auch am panathenäischen Fest Athene Hephaistia zu neuen Ehren eingesetzt worden, so dass das kleine Pinaxfragment zu den gleichen Ereignissen in Beziehung gesetzt werden darf, von denen die im Ein- gang dieses Aufsatzes' behandelten Inschriften Zeugnis ablegen.

Innsbruck. EMIL REISCH.

Archäologisches zu Goethes Faust.

Ausübend wie betrachtend stand Goethe der bildenden Kunst durch sein ganzes Leben nahe, und wenn es zu verschiedenen Zeiten auch verschiedene Epochen und Richtungen waren, die auf ihn bestimmenden Einfluss gewannen, so hat er sich doch der Antike, seitdem er ihr überhaupt nahe gekommen war, nie wieder entfremdet. Diese durch Decennien festgehaltene Neigung aus zu- fälligen Umständen zu erklären, wäre auch dann kaum zulässig, wenn er weniger gewöhnt gewesen wäre, sich über seine Gedanken und Empfindungen Rechen- schaft zu geben; einem stets Prüfenden und dabei stets stark Empfindenden gegenüber ist es vollends immöglich.

Glücklicherweise hat uns Goethe selbst sein Verhältnis zur Antike enthüllt und auf die Wurzeln hingewiesen, mit denen sich Liebe und Bewunderung für das Altertluun in seiner Seele festklammerten. Auf einen Vorwurf der Über-

94

Schätzung antiker Kunst antwortend, hat er in seinem Aufsatz ,Antik und modern' den Grundsatz vertreten, dass es „keiner Zeit versagt sei, das schönste Talent hervorzubringen, aber nicht jeder gegeben, es vollkommen zu entwickeln." Eine solche Zeit sei die Antike gewesen, deren Kunstwerke und das gilt ebenso für die bildende Kunst wie für die Poesie den Betrachter nicht wie etwas Gemachtes anmuthen, sondern gleichsam als freie Xaturerzeugnisse her- vortreten. Wenn er als die Elemente, aus denen sich diese günstige Wirkung zusammensetzt, die Klarheit der Ansicht, die Heiterkeit der Aufnahme und die Leichtigkeit der INIittheilung auffasst, so sieht er diese als Qualitäten an, die aus- schließlich oder vorzüglich dem Alterthum eigen waren. Hierin findet Goethe den dauernden Eindruck der antiken Kunst begründet, hierin hält er sie für vorbildlich un^l mustergebend auch für die moderne Zeit. In Gegensatz zu Kunstwerken dieser Art stellt er solche, denen man die Mühe und Pein der Production anmerkt, die, weil sie aus Reflexion erzeugt sind, wie etwas Gemachtes erscheinen und daher im Betrachter nicht befreiend, sondern beängstigend wirken, weil sie ihm etwas von der Pein ihrer Verfertiger mittheilen. Offenbar denkt sich Goethe seine Forderung nur dann erreichbar, wenn der Künstler des Stoffes völlig Meister geworden ist, die Trübung und peinvolle Wirkung aber für unaus- weichlich, wenn der Stoff und die eigene Empfindung des Künstlers in einem Kampf miteinander liegen, in dem keiner Sieger bleibt, so dass sich in die objective Darstellung ein subjectives Empfinden des Künstlers mischt, das vom Betrachter als etwas von jener Getrenntes erkannt wird. Schuld an einem solchen Unterliegen kann aber offenbar nur der Mangel eines jener drei Elemente sein, die die Größe der antiken Kunst begründen und die er fordert, wenn er den Wunsch ausspricht: „Jeder sei auf seine Art ein Grieche, aber er sei's".

Wenn in diesen Ausführungen des Siebzigjährigen nur die Trennung der Darstellung von der eigenen Empfindung des Künstlers zum Zwecke größerer Naturwahrheit, stärkerer Illusion und der Herbeiführung kräftigeren Interesses am Kunstwerke veiiangt wird, ohne dass direct ein Zusammenhang solcher Kunstanschauungen mit den philosophischen Überzeugungen Goethes hervor- leuchtet, so finden wir in einer früheren Epoche seines Lebens (1805) dieselben Forderungen schärfer und plastischer ausgesprochen und zugleich in Beziehung zu dem pantheistischen Bekenntnis Goethes gesetzt. In seiner Charakteristik Winckelmanns nämlich kennzeichnet er den Begründer archäologischer Wissen- schaft als eine antike Natur und sieht deslialb in ihm den prädestinierten Inter- preten antiker Kunstwerke. Unter antiker Xatur versteht er aber eine unge-

95

stückelte Natur, die als ganzes wirkt, sich eins weiß mit tler Welt und die daher die objective Außenwelt nicht als etwas Fremdartiges empfindet, das zu der Innern Welt des Menschen hinzutritt, sondern wie er sagt, „in ihr die antwortenden (iegcnhilder zu d(>n eigenen Empfindungen erkennt". Der \^orzug dieser pantheistischen Weltanschauung für den Künstler oder Kunstinterpreten besteht, wenn man die Goethe'sche Forderung, die früher charakterisiert wurde, festhält, darin, dass nun Welt und eigene Person als ein ungetheiltes Ganzes empfunden wird, dass also der Künstler sich selbst und seine Empfindungen ebenso wie die objective Welt und als einen Theil derselben darstellen kann. Der Zwiespalt zwischen subjectiver Empfindung und objectiver Außenwelt, der in die Kunstdarstellung etwas Fremdes und Peinvolles bringt, wird aber bei jener Einheit von Person und Natur unmöglich. Es ist nur eine andere Seite denselben Sache, wenn für Goethe die Folge dieses Sicheinsfühlens der Person und Welt, dieser pantheistisch-antiken Lebensauffassung auf moralischem Gebiete die ist, dass Unglück ertragen und Glück genossen wird, während sie auf intellectuellem Gebiete dazu führt, alle Fähigkeiten, die dem Menschen gegeben sind, gleichmäßig zu entwickeln. In beiden Fällen spielt die Empfindung von der Identität des Menschen und der Natur die Hauptrolle. Kaum eines Wortes bedarf es auch, um zu erinnern, dass für die , Klarheit der Ansicht' und die (Heiterkeit der Aufnahme', die er als die receptiven Elemente der antiken Kunst preist, der eigentliche Nährboden wieder eben jene pantheistische An- schauung ist, die auch mit dem dritten Element der ,Leichtigkeit der Mittheilung' vereinbar ist.

So lange nun die Einheit zwischen Empfindung und Welt besteht, wird durch die künstlerische Darstellung zugleich ein Inneres und ein Äußeres, die in höherem Sinne Eines sind, geboten. Wenn aber der Bruch der Persönlichkeit mit der Außenwelt eingetreten ist, wird die Empfindung des Künstlers etwas von der Außenwelt Verschiedenes. Diesen Unterschied empfindet Goethe, wenn er sagt: „Das was geschah, hatte für sie (sc. die Alten) den einzigen Wert, so wie für uns nur dasjenige, was gedacht und empfunden wurde, einigen Wert zu gewinnen scheint''.

Das Problem des Unterschiedes zwischen antiker und moderner Kunst ist in diesen Worten gelöst, so gut für die Poesie wie für die bildende Kunst. In gutem wie in schlimmem Sinne darf man von der modernen Kunst behaupten, dass sie in höherem Maße als die Antik(> auf die Darstellung des Empfundenen ausgeht und diese von der des (jeschehnisses trennt oft bis zu seiner völligen

96

Verdrängung und dass umgekehrt die Antike in ihrer schlichten Darstellung des bloßen Geschehnisses nicht eigene Empfindungen darstellt, sondern die immanenten Empfindungen des Geschehnisses im Beschauer herv^orruft. In der vollen Herausarbeitung des psychologischen Momentes, in der Analyse und Section der psychischen Vorgänge bei völliger Verdrängung des Geschehens, wofür die modernste Kunst manche Beispiele bietet, hat diese unantike Kunst- übung ihren Gipfel erreicht, und wenn man zuweilen glauben könnte, dass unsere Poesie Gefahr laufe, sich in eine Literatur der Memoiren und Selbst- bekenntnisse aufzulösen, so wird man die Meinung Goethes insoweit wenigstens festhalten müssen, als sie ausspricht, dass der Weg, der die moderne Kunst von der antiken entfernt, sie aixch von der Kunst überhaupt entfernt. Denn in je höherem Grade sich die Kunst von der Darstellung des Geschehnisses zu der der Empfindung gewandt hat, desto wissenschaftlicher und desto unkünstlerischer ist sie geworden.

Solche Kunstanschauungen festigten das innere Verhältnis Goethes zur antiken Kunst und be.stimmten seine Empfindung mit. Wo er daher als archäo- logiscKer Forscher sich in die erhaltenen Reste vertiefte, wusste er die Bestätigung dieser Überzeugung immer wieder zu finden. Suchte er doch auch in den griechischen Werken technisch unausgebildeter Perioden die Keime eben jener Vorzüge auf, die er eigentlich nur an den Werken reifer oder überreifer Kunst bewunderte.

Konnte ihm daher die antike Kunst nichts Todtes bleiben, so musste er auch der Reconstruction von Bildwerken, die bloß literarisch überliefert sind, be.sonderes Interesse widmen, wie er denn die Übersetzung der polygnotischen Bilder im Pausanias und der bei Philostratus überlieferten ins Bildliche als ein besonders ,geistreiches Geschäft' empfand und förderte. Die lebendige Vor- stellung, die er sich von solchen reconstruierten Bildern machte, schwebte ihm ähnlich wie die wirklich gesehenen bei seiner dichterischen und literarischen Production mit solcher Lebhaftigkeit vor, dass sie ihn über die Schranken der Zeit hinweghebend aufforderte, die künstlerischen Gedanken der Antike poetisch zu verwerten. Welchen Einflu,ss z. B. die Polygnotische Iliupersis auf die Ge- staltung der Helena im Faust genommen, habe ich an anderen Orten des näheren auszuführen versucht.') Ebenso finden sich Beziehungen auf Philostratus an mehreren Stellen. Einige antike Bildwerke, die Goethe im Faust vor- geschwebt haben, bespreche ich in den folgenden Zeilen, mit dem Wunsche, dass von anderen anderes noch Verhüllte ans Licht gebracht werde.

') Zeitschrift f. d. österr. Gymnasien 1895, ^- -^9 ff-

97

I. Die Lemuren.

Mit Fausts Erblindung' ist das Trauerspiel seines Lebens abgeschlossen. Denn während er nun zu vollbringen eilt, was er gedacht hat, ruft Mephisto- pheles in der Vorahnung, dass nunmehr die Wette erfüllt werden inuss, statt der Arbeiter, die nach Fausts Geheiß den (iraben aufwerfen sollen, die Lemuren herbei, die ihm das Grab scliaufeln sollen. Fs sintl fratzenhafte Gestalten, die sich so zwischen die Lebensthaten des ewig Strebenden und zwischen den nach seinem Tode entbrannten Kampf der himmlischen Mächte schieben und den schauerlichen Übergang von lebendiger Schaffensfreude zum kämpf- und schmerz- losen Dasein im Jenseits, den wir Sterben nennen, vermitteln.

Da.ss Lemuren bei den Römern die abgeschiedenen Seelen bedeuteten, zu deren Versöhnung alljährlich eine nächtliche Feier veranstaltet wurde, ist bekannt genug, ebenso dass sie später mit den ,lar\-ae', den bösen Gei.stern, die in der Unterwelt ihre Ruhe nicht gefunden haben, identificiert und von den ,lares' oder guten Geistern unterschieden wurden. In diesem letzteren Sinne müssen sie hier genommen sein. In welcher Gestalt sie sich Goethe gedacht hat, spricht Mephisto- pheles aus, wenn er sagt:

Herbei, herbei! Herein, herein!

Ihr schlotternden Lemuren,

Aus Bändern, Sehnen und Gebein

Geflickte Halbn.ituren !

Dieser Schilderung entspricht eine bestimmte bildliche Vorstellung, die man sofort mit einer irgendwie conventionellen Darstellung Abgeschiedener in Ver- bindung bringt, welche als skelettartige Gestalten von Zeit zu Zeit die Frde heimsuchen. Aber es kann auch mit Bestimmtheit dasjenige antike Bildwerk nachgew'ie.sen werden, dem Goethe diese Vorstellung entlehnt hat.

Im Jahre i8og war von Bauern in der Nähe von Cumae eine Grabkammer mit drei Sarkophagen und drei über je einem derselben angebrachten Basreliefs entdeckt worden, die veröffentlicht wurden und über die sich Goethe in seinem Aufsatze: ,Der Tänzerin' Grab (1812) geäußert hat. Alsbald wieder ver.schüttet, sind sie von Olfers frisch ausgegraben und 1830 in den hi.storisch-philologischen Abhandlungen der Berliner Akademie, S. i ff. Taf. 1—5, wieder veröffentlicht und besprochen worden.') Das erste dieser Bilder stellt eine um ein Triclinium gelagerte Gesellschaft von Männern vor, der eine Tänzerin ihre Künste vormacht.

') Die Zeichnungen, welche Olfers von einem in dreifacher Verkleinerung. Nach Olfers Angabe

.geschickten Künsüer' nach den fein in Stuck aus- betragt die Länge eines Basreliefs ungefähr rsS"",

geführten Reliefs anfertigen ließ, wiederholt Fig. 39 die Höhe ungefähr o-ö™.

J.-ihreslicfte dos östcrr. arch'üol. Institutes Bd. I. 13

98

i^^^S^c

ty>J€r'

Das zweite zeigt uns drei skelettartige Figuren, die jedoch nach Art der antiken Skelettdarstellungen nicht bloß das menschliche Knochengerüste bieten, sondern wie Menschen aussehen, denen Blut und Fleisch genommen ist, also etwa wie

mit Haut überzogene Skelette, von denen das mittlere tanzt, während die beiden anderen zusehen und eines von ihnen Bei- fall klatscht. Das dritte Bild stellt end- lich wieder die Tän- zerin in ihrer vollen menschlichen Gestalt dar, jedoch offenbar in der Unterwelt, wo sie vor den Schatten ihre Künste zeigt.

Diese merkwürdige Bilderreihe erkannte Goethe als eine cycli- sche Darstellung, be- stimmt zurErinnerung an eine früh verstor- bene Tänzerin, und suchte in ihr die Darstellung dreier menschlicher Zustän-

/!

■ü---

f

AM.

ä

\^

de, „welche alles

\. enthalten, was der

Mensch über seine Gegenwart und Zu- kunft wissen, fühlen, wähnen kann." Im ersten Bilde erkennt er die Tänzerin im Leben, wie sie bei einem Gastmahl ihren Beruf ausübt, im zweiten Bilde sieht er in dem tanzenden Skelette dieselbe Tänzerin nach ihrem Tode, aber bevor sie noch in die Unterwelt gekommen

Fig. 39 Reliefs eines Grabes bei Cumae.

99

ist, „in dem traurigen Icnuirischen Reiche", wo sie auch niclit aufhört, die Genossen ihres Zustandes durch ihre Kunst zu erheitern, aber „ein wahres Bild der trau- rig'en Lomuron'' ist, „denen noch so viel Muskeln und Sehnen übrig bleiben, dass sie sich kümmerlich bewegen können, damit sie nicht ganz als durchsichtige Gerippe erscheinen und zusammenstürzen." Ein Blick auf die Abbildung der drei Lemuren lehrt, dass es in - der That aus Bändern, Sehnen und Gebein geflickte Halbnaturen sind. Tm dritten Bilde endlich sieht Goethe die Tänzerin bereits in der Unterwelt, wo dt^r versöhnte Schatten seine menschliche Ge.stalt wieder erlangt hat.

Olfers hat in einigen Details die Goethe'sche Erklärung unzweifelhaft be- richtigt. Nur in einem Hauptpunkt, der Auffassung des ersten Bildes, scheint er gegen Goethe einen Rückschritt gemacht zu haben. Er fasst es nämlich als Todtenmahl für die ge.storbene Tänzerin auf und sieht in der tanzenden Gestalt eine minder treffliche Kunstgenossin, die zu Ehren der Verstorbenen den Tanz aufführt. Das soll durch die derbere und ungraziösere Darstellung der Tänzerin des ersten Bildes gegenüber der auf dem dritten ausgedrückt sein. Aber abge- sehen davon, dass eine Verschiedenheit sich wenigstens aus der gegebenen Zeich- nung nicht entnehmen lässt, bleibt nur die Wahl, entweder die cyclische Com- position zu bestreiten und die drei Platten nicht auf die Schicksale denselben Person zu beziehen oder zuzugestehen, dass auch im ersten Bilde die bestattete Tänzerin selbst dargestellt ist. Freilich wird Olfers darin Recht haben, dass dieses erste Bild ein Todtenmahl und nicht ein Gastmahl ist. Aber dann muss es ein Todtenmahl sein, das einer anderen Person galt und in dem die bestattete Tänzerin zu Lebzeiten in der Ausübung ihres Berufes dargestellt war, wenn man nicht eine kühne Symbolik des Künstlers annehmen will, der die zur Dar.stellung gebrachte Tänzerin an ihrem eigenen Grabe oft geübte Ceremonien ausführen ließe. Eine dritte Auffassung wäre noch möglich, wenn man annähme, dass es sich nicht um das Grab einer Tänzerin, sondern irgend einer beliebigen Person handelt und ilir zu Ehren eine so im eigentlichen Sinne lebendige Action, wie der Tanz, in den drei .Stadien des Lebens, des Übergangsstadiums und des Daseins in der Unterwelt dargestellt wäre. Man müsste dann im ersten Bilde den Todtentanz am Grabe der verstorbenen Person erblicken, im zweiten und dritten Bilde nicht mehr als den allgemeinen Gedanken ausgesprochen finden, dass nach dem irdischen Leben die Actionen des Lebens erst eine widerwärtige, nachher aber eine versöhnlichere Gestalt gewinnen. Dieser Gedanke würde sich aber so sehr der Goetheschen Auffassung nähern, dass wir ihn nicht zu verfolgen brauchen.

13*

Nach Olfers Versicherung ist das Gelagbild in der Mitte der Grabkammer über dem mittleren Sarkophag angebracht: das nacli Goethes Anordnung zweite steht links, das dritte rechts vom Eingang.

Die Goethe'sche Anordnung steht und fällt mit der Annahme einer cycli- schen Composition. Der Schatten in der Unterwelt ist nothwendig ein späteres Stadium als das Skelett. Denn wenn die bekannten Skelettdarstellungen, wie sie zuletzt noch durch den Fund von Bosco Reale zutage getreten sind, von der Auf- fassung jenes pessimistischen Epikuräismus ausgehen, der das Problem von Tod und Leben dadurch löst, dass er zum frohen Lebensgenüsse auffordert, weil nach dem Tode alles vorbei sei, und wenn daher die die.ser Weltanschauung folgende Kunst in den Skeletten ein Memento mori hinstellt, das eigentlich ein Memento vivere ist, so muss sie allerdings die widerwärtigste Gestalt bilden, die der menschliche Körper in seinem Wandel annimmt, das „lemurenhafte Scheusal" gleichsam als die nach dem Leben ewige Gestalt des Menschen auffassen und darauf verzichten, ein späteres Stadium, in welchem der Schatten in der Unterwelt sich wieder der menschlichen Gestalt nähert, darzustellen oder auch nur begrifflich zuzulassen. Wenn aber ein Fortleben in der Unterwelt geglaubt und dargestellt wird, so kann der Zustand, in dem der Körper Skelett ist, nur ein vorübergehender sein und hat seinen Platz zwischen Leben und Jenseits. Die wenigen Darstellungen tanzender Skelette, die wir besitzen-), berechtigen uns nun nicht, das zweite Bild aus seinem Zusammenhange zu lösen, die cyclische Composition der drei Bilder zu leugnen und damit unserem Skelettbilde einen Platz in der Reihe jener Darstellungen zu geben, die von einer Unterwelt nichts wissen. Mag der Künstler immerhin von solchen Bildwerken beeinflusst gewesen sein, die Thatsache, dass auf allen drei Bildern der Grabkammer eine tanzende Figur den Mittelpunkt bildet, macht die Richtigkeit der Auffassung Goethes wahrscheinlich.

Zweifellos nun scheint mir zu sein, dass eben dieses Bild Goethe vorgeschwebt hat, als er den Lemuren im Faust ihren Platz gab. Seit 1812 mindestens hat er es gekannt, im zweiten Relief die Gestalten als Lemuren bezeichnet und sie so beschrieben, wie sie dargestellt sind. In der Positur der tanzenden lemurischen Gestalt sieht er zudem etwas Komisches, nicht etwas Edles wie in den Bewegungen der Tänzerin auf dem ersten und dritten Bilde. „Bekleide man dieses lemurische Scheusal mit weiblich jugendlicher Muskelfülle, man überziehe sie mit einer blendenden Haut, man statte sie mit einem schicklichen Gewand

') Treu, de ossium hum.inorum larvarumque apud antiquos imaginibus pag. 37 sqq. n. 108 bis in.

lOI

aus . . ., so winl man eine von diMi komischen Figuren sehen, mit denen uns Harlekin uml Colombine unser l.i'hrn lang zu entzücken wusstcn." Der Tlrund für eine suklic Darstellung liegt ihm in dem Kunstprincip, wonach das Wider- wärtige und Abschi'ulichi' nur knmiscli bi'handclt und dargestellt werden kann. Und so sieht er auch in dem liMiuirischrn Bilde die Erfahrung bestätigt, „dass uns die komischen und neckischen Exhibitionen solcher Talente oft mehr aus dem Stegreife ergötzen, als die ernsten und würdigen". Ebenso sind aber die Lemuren im Faust trotz ihrer widerwärtigen und scheul.k>ligen Gestalt oder wegen derselben zugleich in kcmiischer Positur zu dmiken. Deshalb singen sie ihren dem Iddtengräberlied im Hamlet nachgebildeten Text „mit neckischen (ieberden grabend", genau sowie auch die widerwärtige Gestalt des Todten- gräbers im Hamlet durch Komik geniiklert wird. Vergleicht man das Lemuren- lied im Fau.st mit dem Todtengräberlied im tiamlet, so findet man die ersten beiden Zeilen der ersten Strophe fast wörtlich übereinstimmend, die letzten zwei so variiert, dass, während das Lied im Hamlet bloß allgemein des jugendlichen Vergnügens gedenkt, im Faust speciell der Tanz erwähnt wird, den die singen- den Lenun-en in frischer Jugend geübt haben und dessen sie sich nun erinnern. Als einen antiken Geniestreich bezeichnet es Goethe, dass in dem Bildercyclus „zwischen ein menschliches Schauspiel und ein geistiges-') Trauerspiel eine lemu- rische Posse, zwischen das Schöne und Erhabene ein Fratzenhaftes hineingebildet wird." So .steht auch die Lemurenposse zwischen den menschlichen und den himmlischen Schicksalen Fausts.

II. Zu Philostratos.

Als Faust von Chiron erfragen will, wo er Helena finden könne, und dieser ihm in der Wundernacht plötzlich begegnet und von Faust zum Bleiben auf- gefordert wird, erklärt er, niclu rasten zu können, und lässt Faust aufsitzen. Während d(>s Rittes erfährt Faust von ihm, dass er die Helena ,,auf diesem Rücken" getragen habe.

Sie fasste so mich in das Haar Wie du CS thust.

Er erzählt, wie er sie über die Sümpfe bei Eleusis getragen,

da sprang sie ab und streichelte die feuchte Mahne . .

Niemand wird verkennen, dass Chiron als Centaur gedacht werden muss, der auf seinem eigenen Kürken einst Helena trug und jetzt Faust trägt. Wie ') Zu verstehen als Trauerspiel der Geister, etwa im Sinne von geistisch.

I02

der zügellose Reiter die INIähne des Pferdes fasst, so diese das Haar des Chiron. Ihn als Reiter zu denken, hinter dem Faust oder gar Helena auf dem Pferde- rücken sitzen, wäre ein abgeschmacktes Bild, das man sich nur vorzustellen braucht, um zu wissen, dass es dem Dichter nicht vorgeschwebt haben kann. Dennoch sagt Faust beim Herannahen des Chiron:

Ein Reiter kommt herangetrabt Er scheint .von Geist und Muth begabt Von blendend weißem Pferd getragen Ich irre nicht, ich kenn' ihn schon Der Philyra berühmter Sohn!

Der Widerspruch ist leicht gelöst. Von ferne sieht Faust nicht, dass der Herantrabende ein Centaur ist, und hält ihn für einen Reiter. Vom Dichter ver- langen, dass er den Faust ausdrücklich den Irrthum bekennen lässt, wäre mehr als Pedanterie. Aber erinnert wird er sich dabei der Stelle in den 'AytlXeo); xpc^at des Philostratos (Imag. 342, 25 ff.) haben, wo als besondere Kunst des Malers gepriesen wird, wie er den Centauren Cheiron so trefflich gemalt habe, dass man nicht unterscheiden konnte, wo der Mensch aufhört und wo das Thier anfängt, so dass die hybride Gestalt natürlich erschienen sein muss und daher am leichtesten mit der natürlichen und gewöhnlichen Verbindung von Mensch und Pferd, mit einem Reiter, verwechselt werden konnte.

Das wird umso wahrscheinlicher, als gleich in den folgenden "Worten eine Beziehung auf Philostratos, freilich nicht auf die imagines, sondern auf den Heroicus vorliegt. Chiron belehrt den Faust über die Zeitlosigkeit der ,, mytho- logischen Frau", und Faust erwidert:

So sei auch sie durch keine Zeit gebunden ! Hat doch Achill auf Pherae sie gefunden Selbst außer aller Zeit

Die Sage, nach welcher Achilleus nach seinem Tode auf der Pontosinsel Leuke mit Helena zusammentrifft und dort mit ihr in Ehegemeinschaft lebt, steht ja bekanntlich im Heroicus des Philostratus, und die Einsetzung von Pherae statt Leuke muss auf einem Irrthum beruhen, veranlasst durch die Beziehungen Pheraes zu Achill. Dass Goethe eine Insel und nicht eine Stadt gemeint hat, folgt schon aus der Anwendung der Präposition ,auf statt: ,in'. An die Stelle des Achill der Sage ist dann Faust selbst geschoben, der im dritten Acte mit Helena in abgeschiedener arkadischer Gegend ebenso sich selbst und seiner Liebe lebt, wie Achill mit Helena auf der Insel, und mit ihr einen Sohn zeugt, dem Goethe den Namen Euphorion, wie ihn der Sohn Achills und Helenas führt, gegeben hat.

I03

III. Kraniche und Pj-gmäen. In der classischen Walpurgisnacht treten die Pygmäen auf, die sich zum Kampfe rüsten. Ihr Generalissimus heißt sie die Reiher schießen,

Dass wir erscheinen Mit Helm und Schmuck

Nachdem sie den Befehl vollführt, kommen die Kraniche des Ibykus als privilegiiTtc Kächor jtnles Mordes, beklagen, den Tod ihrer Verwandten und erblicken die Mörder im neuen Schmuck,

Missi;est:ütclc Begierde Raubt des Reihers edle Zierde. Weht sie doch schon auf dem Helme Dieser Fettbauch-, Krummbein-Schelme

Sie rufen zur Rache:

Keiner spare Kraft imd Blut, Ewige Feindschaft dieser Brut!

Dieser starke, dauernde Verwünschung in sich schließende Rut muss natürlich die bestimmte Beziehung auf die Feindschaft der Pygmäen und Kraniche haben und diesen Mythus durch einen neu gedichteten aitiolngisch rechtfertigen. Aber Goethe wird dabei weniger die Homerstelle vorgeschwebt haben, als die t3'pische Verewigung dieses Kampfes in der bildenden Kunst, die ihn allein zu einer so geläufigen Sache gemacht hat, dass der Dichter mit Aussicht auf das \^erständnis der Wissenden darauf anspielen konnte. Bei der großen Zahl solcher Dar- stellungen wäre es müßig zu fragen, welches Bildwerk ihm vorgeschwebt hat, wenn zu seiner Zeit nicht sehr viel weniger Pygmäenbilder bekannt gewesen wären als heute. Dazu kommt noch, dass der Schmuck einer Erklärung bedarf, den sich die Pygmäen auf Helm oder Haupt nach der Tödtung der Reiher anlegen und der die Kraniche besonders empört. Es sind das entweder die Reiherfedern, die sie an ihre Helme heften, oder der ganze Scalp der ermordeten Reiher. Xoch deutlicher wird an einer späteren Stelle auf den Reiherschmuck angespielt, wo Thaies dem Homunculus den Kampf der Kraniche schildert, die „mit scharfen Schnäbeln, Krallenbeinen-' auf die Kleinen niederstechen. Er ver- kündet die drohende Niederlage der Pygmäen mit den Worten : „Was nützt nun Schild und Helm und Speer? Was hilft der Reiherstrahl den Zwergen?" Das wird .sicherlich auch aus der bildenden Kunst stammen, ist aber kein so häufiges Motiv, dass wir das Suchen nach bestimmten Bildwerken aufgeben müssten.

Von Kampfscenen zwischen Pygmäen und Kranichen, die Goethe sicherlich gekannt hat, bietet sich zunäch.st die Vase bei Tischbein-Hamilton*) dar, in der

*) Tischbein, coUcction of engravings from ancient vases etc. II, 7.

I04

die Pygmäen jedoch völlig ohne Kopfbedeckung auftreten, vielmehr ihr krauses schwarzes Kopfhaar deutlich gezeichnet erscheint. Sonst würden sie als Fett- bäuche der Goethe'schen Vorstellung entsprechen, und als unbehelmt seine Pyg- mäen vor dem Reihermord vergegenständlichen können. Aber irgend eine Dar- stellung, in der die Pj^gmäen einen Kopfschmuck getragen haben, muss nebenher der Erinnerung Goethes deutlich gewesen sein.

Ein geschnittener Stein der Berliner Sammlung (Furtwängler n. 7588) der aus der Stoschischen Sammlung stammt, war Goethe nicht nur aus Winckelmanns ,Description des pierres gravees du feu Baron de Stosch' bekannt, sondern lag ihm auch im Abdruck vor. Wenigstens spricht er in seiner 1827 abgefassten Recension der deutschen Übersetzung des Winckelmannischen Werkes, von der „Sammlung der von dem Originale genommenen Abdrücke, welche von Carl Gottl. Reinhard gefertigt worden und in zierlichen Kasten auf das schicklichste angeordnet, zu nicht geringer Erbauung vor uns stehen", und in einem „Schema der Fortsetzung" setzt er sich vor, die „Geschichte des Künstlers Reinhardt" zu geben, „welcher jetzt sowohl Glaspasten als Massenabdrücke den Liebhabern gegen billige Preise über- liefert" und insbesondere „die Sammlung im Einzelnen sorgfältig durchzugehen".

So leidet es keinen Zweifel, dass er den Abdruck des Steines gesehen hat; fraglich kann nur sein, wie er die Darstellung interpretierte. Die beiden Pyg- mäen, die hier mit Kranichen kämpfen, tragen eine Kopfbekleidung, welche Otto Jahn in seiner Besprechung-') für eine „Art Hahnenkamm" gehalten hat. Er nahm an, dass die Pygmäen nach der Vorstellung des Künstlers zuerst einen Kampf mit den streitbaren Hähnen bestanden und sich nach dem Siege deren natürlichen Kopfschmuck aufs Haupt gesetzt hätten, mit dem sie nun zum Streit gegen die Kraniche ausrücken. Wäre Goethe auf dieselbe Interpretation ver- fallen, so läge die Analogie klar zu Tage, er hätte dann bloß an die Stelle der Hähne die Reiher gesetzt. Wie es scheint, trägt aber wenigstens der eine der Pygmäen und zwar der oben stehende nur eine Mütze von allerdings seltsamer Form, während der unten stehende eine Kopfbedeckung hat, die in einen nach unten spitz zulaufenden langen Stiel endigt. Dieser ist sicherlich als Zierde der Mütze oder des Helmes gedacht und muss wohl als die Feder irgend eines Vogels gedeutet werden, wobei die Reiherfeder selbst nicht ausgeschlossen ist. Solche Darstellungen sind ja nicht vereinzelt. Auch in dem pompejanischen Wandgemälde der casa dei capitelli colorati'^) sind deutlich an den Helmen der

'") Otto Jahn, Archäologische Beiträge, S. 424; ") Zahn, Ornamente II 30, vgl. Heibig Wand-

gemälde n. 1528.

10.5

Pygmäen seitlich abstehende Helmbüsche befestigt, die entweder Federn oder Hahnenkämme darstellen sollten. Diese hat Goethe nicht mehr gekannt, so wenig wie einige andere ähnliche Darstellungen. Wenn sich also zum Vasenbild bei

Tischbein noch eine z\V(Mte liililliche Darstellung hinzugesellte, der die Stelle üb(M- den Koijfschniuck der Pygmäen verdankt wird, so möchte ich kein Be- denken tragen, den Stoschischen Stein dafür in .\iispruch zu nehmen.

Wien. EMIL SZANTO.

Der zeitliche Wandel in Goethes Verhältnis zur Antike

dargelegt am Faust.

I. In den einleitenden Capiteln der vorangehenden Untersuchung luii Fniil Szanto mit feinem .Sinne ilargelegt, wie Goethe durch seine Art zu denken und zu empfinden noth wendig immer wieder zur Betrachtung der antiken Kunst zurückgelenkt wurde. An sechzig Jahre hat er am Faust gearbeitet. Was er als Jüngling begonnen, hat er als Mann fortgesetzt, als Greis vollendet. Während dieser langen Zeit war er bei der Erfindung und Ausgestaltung immer wieder auf die Antike gewiesen, schon deshalb, weil eine der Hauptpersonen der Tragödie Helena ist, die in dieses Zauberspiel aus den Tiefen der griechischen Vorzeit auftaucht. Ein Mann, der durch lange Perioden seines Lebens im Zweifel ist, ob er sich nicht der bildenden Kunst berufsmäßig widmen soll, der die Begründung der Cieschichtc der Kunst, zunächst der antiken Kunst in seiner Jugend enthusi- astisch theilnehmend miterlebt, der ihre Entwicklung unablässig verfolgt und selbst eingreifend fördert, um endlich mit einer weitüberschauenden Duldsamkeit am Schlüsse s(Mnes Lebens alle Epochen der Kunstentwicklung eindringentl zu er- fassen, musste in .seinem Verhältnisse zur Antike mannigfache Wandlungen durchmachen. In einem Gedichte, wo immer nou ihr die Rede ist, dessen Ausführung sein ganzes Leben umfasst, mü.s.ste, sollte man meinen, sich die Entwicklung seiner Kunstanschauung, gleichsam schichtenweise abgelagert, nach- weisen las.sen. Ja, man könnte versucht sein, Goethes Verhältnis zur bildenden Kunst, wie es sich in einzelnen Partien des Faust kundthut, als Leitmu.schel zu benützen, mit der man in einzelnen Fällen die betreffenden Abschnitte der Zeit ihrer Entstehung nach bestimmen könnte.

Jahresheftc des östcrr. arcbäol. Institutes Bd. I. lA

io6

Ich habe niemals ohne Rührung die Veränderungen beobachtet, die Schiller mit Hektors Abschied vornahm. „Willst dich, Hektor, ewig mir entreißen, wo des Aeaciden mordend Eisen dem Patroklus schrecklich Opfer bringt?" und „Theures Weib, geh', hol' die Todeslanze, lass mich fort zum wilden Kriegestanze!" singt Amalie in den Räubern. So sprachen nicht die Helden des epischen Dichters. Das sind die aufgeregten Gestalten der Kunst des achtzehnten Jahrhunderts mit fliegenden Mänteln, weit ausgreifenden Beinen und in die Luft geworfenen Armen, wie sie Schiller auf jeder Tapete, auf jedem Kupfer an der Wand oder im Buche sehen konnte, wie sie ihm in gebauschten Gewändern auf der Schaubühne ent- gegentraten. Naiv war er jener Vorstellung der Antike gefolgt, die er aus der ihn umgebenden Darstellung unwillkürlich aufgenommen hatte. Als ihn nun Goethe auf die antike Kunst hingewiesen hatte, so wie er und seine Freunde sie schätzten und nachbildeten, auf eine gehaltene, etwas steife Kunst, deren edle Einfalt man vor allem schätzte, da wollten jene leidenschaftlich flatternden Worte nicht mehr passen, und Schiller änderte sie im neuen antikisierenden Kunst- geschmack um. „Will sich Hektor ewig von mir wenden, wo Achill mit den un- nahbarn Händen" heißt es jetzt, und „Theures Weib, gebiete deinen Thränen, nach der Feldschlacht geht mein feurig Sehnen" , Verse, die gut unter Tischbeins Homer nach Antiken stehen oder den Vorwurf für eine zarte Composition Angelicas bilden könnten.

Zeigt nun dieses Beispiel, wie selbst bei einem Manne, der der bildenden Kunst ganz fremd gegenüberstand, ihre Einwirkung auf seine Darstellung mächtig umbildend wirkte, so dürfte es berechtigt erscheinen, nach der zeitlichen Wandlung auszublicken, die bei Goethe die Betrachtung der antiken Kunst er- fahren hat, so weit sie sich in einem ausgedehnten Gedichte, wie im Faust, der Beobachtung darbietet.

In der ersten Periode seines Schaffens, die uns jetzt im sogenannten Urfaust rein vorliegt, steht er der äußeren Umgebung völlig unbefangen gegenüber. Es ist kein Versuch gemacht, die Zeit Maximilians, in die das Schauspiel verlegt ist, wie wir aus den ältesten Entwürfen zum zweiten Theile wissen, irgendwie zu charakterisieren. Die Stube im Bürgerhause mit ihren Bettvorhängen, dem Groß- vaterstuhl, mit dem .sandbestreuten Boden wird geschildert, wie sie in der Zeit von Goethes Jugend typisch war. Das Bild der Mater dolorosa mit dem Schwert im Herzen, das sich erst am Ende des 1 6. Jahrhunderts verbreitet hatte, wird ohne Be- denken verwendet, wie denn Goethe auch der Ausgabe des Fragmentes von 1790 die Nachbildung eines Kunstwerkes des 17. Jahrliundert.s, einer Radierung Rembrandts,

IÖ7

zur Charakteristik \(>n Faustens Zimmer vorausstellt. Wo dii' Mali-rei lifiin1i<;h und volksthümlich war, da fand Goethe damals den nächsten Zuj^ang zu ilir. Die Strassburger Freunde hatten ihn verlacht, weil ihn mehr als die berühmten Stücke der Dresdner Gallerie dii- kleinen Scenen Domenico Fetis anj^ezoj^en hatten, auf denen sich die Parabeln Christi auf volksbelebten italienischen Märkten abspielten. Dass Rembrandt seine Scenen aus der heiligen Geschichte in Scenen aus dem unmittelbaren Volksleben verwandelte, entzückte ihn. „Das Haften an ebendenselben Gegenständen", schreibt er in ,Falconet und über Falconet', „an dem Schrank voll altem Hausrath und wunderbaren T.umpen hat Rembrandt zu dem Einzigen gemacht, der er ist". An anderen .Stellen bricht zuweilen ein echtes Rococogehaben durch. Im geistig lichtbringenden achtzehnten Jalniuindert hatte sich auch materielles i.irliU erlangen überall verbreitet. Das Capitel von Notre Dame in Paris hatte die ehrwürdigen bunten (ilasfenster seines Domes beseitigen und das gothi.sche Meisterwerk der ungeheuren Fenster mit nüchternem weißem Glase füllen lassen. Sie meinten ihre Kirche dadurch zu verschönern. Faust theilt die.se Empfindung: „Weh! .steck' ich in dem Kerker noch? Verfluchtes dumpfes .Mauerloch, Wo selbst das liebe Himmelslicht, Trüb durch gemalte Scheiben bricht".')

Als Goethe vor der Rückrei.se von Rom 1788 den Faust wieder vornimmt, im Garten der Villa Borghese die Scene in der Hexenküche au.sführt, hatte er sich neu in den alten Ton hineingefunden. Er entwirft das Ganze mit der Erinnerung an ein Gemälde. Es ist keines von den kürzlich gesehenen klassischen Bildern Italiens, sondern ein niederländisches in einer deutschen Sammlung, ein Bild der Dresdner Gallerie, das sich mit seiner Vorstellung von Hexen und Zauberwesen verbunden hatte. Es zeigt einen Geisterbanncu- mit einem gro(3en aufgeschlagenen Buche vor sich, neben dem ein Meerkater steht, den Kessel am Herde, die Hexe, die durch den Rauchfang herabfährt, spielende Kätzchen und so fort.-) Dieses Bild hat er in lebendige Worte übersetzt. In dem Zauberspiegel der H<^xenküche erscheint zum erstenmale die antike Heroine, nicht als .Statue, nicht in den Formen der antiken Kunst, die Goethe jetzt in Italien studiert hatte, sondern mit „hingestrecktem Leibe" (W. A. 14 v. 2438) wie eine Venus Tizians. Auch hier mag mehr als jedes andere Bild die liegende \'(mius, die aus dem

') \V. A. I.J, ^98 .(üi. Im tTrfausl licißt es zugeschrieben, ist mit dem .Munoijramme H. H. imil

von Auerbachs Keller „das verlliuht niedrige Ge- dem Jahre 1631 bezeichnet. Die Vermuthungen hol-

wölbe." W. A. 14 S. 263. ländischer Kenner über den Autor linden sich in

^) Es war zu Goethes Zeit dem Adriacn Brouwcr Würmanns Katalog n. 1378.

>4*

io8

Hause des Jeronimo ]Marcello in die Dresdner Gallerie gekommen war, der Phantasie den ersten Anlass gegeben haben. Es ist das schöne, jetzt als Giorgione erkannte Bild (Nr. 185), das Tizian nach dem frühen Tode Giorgiones vollendet hatte. In dieser Zeit ist ihm antike Mythologie und antike Kun.stform noch nicht noth- wendig identisch. Für die natürlich fließenden Verse des Faust holt er sich die Form aus der modernen Kunst heraus, die nun schon seit Jahrhunderten die beliebteste und wirksamste geworden war. Später hat er sich von der volks- thümlichen Verkörperung der antiken Schönheit abgewandt, wenn auch die schalkhaften Worte, mit denen Julie im ,Sammler' eine solche venezianische Venus auf die Staffelei stellt, auf die alte Neigung hindeuten.

2.

Mehr als zwanzig Jahre waren vergangen, als Goethe, abgesehen von dem gelegentlichen Entwürfe der Hexenküche und einigen Änderungen bei der Aus- gabe des Fragmentes, wieder an eine folgerichtige Arbeit am Faust gieng. Die große Lücke des Fragmentes wurde zwischen den Jahren 1797 und 1801 und wieder im Frühjahre 1806 ausgefüllt mit den Ereignissen der Osternacht, dem Spaziergang vor dem Thore, den Gesprächen mit Mephistopheles. Die Prologe und die Walpurgisnacht wurden gedichtet, anderes wie die Kerkerscene rhvthmisch vollendet und endlich mit wichtigen Scenen des zweiten Theiles begonnen. Er hatte sich bei diesen Zusätzen und Änderungen in Sinn und Ton des Jugend- werkes lebhaft hinein empfunden. Durch die Vertiefung des Inhaltes und die Steigerung des künstlerischen Vermögens hatte er die Zeugnisse seiner jugend- lichen Gestaltungskraft noch zu überbieten vermocht.

Die Weise dieser Mittelscene wollte er auch im zweiten Theile beibehalten. Wir haben dafür ein merkwürdiges Zeugnis. Ein Blatt von Goethes Hand mit dem Entwürfe zur ersten Erscheinung der Helena hat sich erhalten.-') Von spar- tanischer Scenerie wie in der heutigen Helena oder auch nur von dem ver- zauberten Schlosse in Deutschland, „dessen Besitzer in Palästina Krieg führt", das in der Nacherzählung der Faustprojecte von 1824 erscheint, die für das vierte Buch \'on Wahrheit und Dichtung bestimmt war,') ist nirgends die Rede. Die Situation bildet eine Parallele zum Spaziergang vor dem Thore. An einem „freundlichen Orte" im „Rheinthal", ich suche Goethes abgerissene Worte zu deuten und zu verbinden an einem Teiche mit „Rohr" bewachsen, von „Schwäntm" besucht, entwickelt sich fröhliches Jahrmarkttreiben. „Tanz", das

'j \V. A. 15, 2. Abtli. .S. i«4, Paralip. 84. '; AV. A. 15, 2. Abth. S. 176.

lOQ

(ilückspiel: „(irad oder Unj^rad- werden erwähnt, „schöne Weiber'', wohl meist „Mägde", haben eine Zigeunerin, „Egypterin" sagte Goethe, (vergleiche die Wt)rte des Zigeuners: „ich bin Johann von Löwenstein aus Klein-Egypten" in der (ieschichto dos Gottfried von Berlichingcn) herbeigelockt, ilic durch „schweigende Orakel. Kartenschlagen und Händedeutung'' ihren ärmlichen (iewinn sucht. Da erscheint Helena. „Die Frau mit der siidliehen Hautfarbe ist ihr vertraulich, sie will eine ihrer Dienerinnen in ihr erkennen, sie spricht sie an als Herr.scherin: „Mägilen befiehlt eine spartanische Fürstin". Die Egypterin macht „alberne Spässe", Helenas „\'erdrießlichkeit" wächst, und sie erwiedert „weitere Reden" der Egypterin mit einer ..Drohung". Die .\ntwort der Egypterin darauf, die die völlig geänderten Zeitumstände hervorhebt, ist in ihren .Schlussversen angeführt:

Und das heilige Menschenrecht Gilt dem Herren wie dem Knecht Brauch nichts mehr nach euch zu fragen Darf der Frau ein Schnippchen schlagen Bin dir längst nicht mehr verkauft Ich bin Christin, bin getauft^)

Das „Erstaunen" Helenas mag grenzenlos gewesen sein, die Egypterin „zuerst aus dem 0[sten]" gekommen belehrt sie über Ort und Umgebung. Helenas „Jammer" ertönt, „dass sie Venus wieder belogen", ihre „Klage der Schönheit" ertönt, der die Egypterin „das Lob der Schönheit" entgegenhält. Der Helena, „in Bangigkeit, wem sie angehört" wird von dem AVeibe „Trost" zugesprochen, es wird „Faust gerühmt," der nun herzukommt. Helena „will zu den ihrigen", Faust sagt ihr, sie seien ..alle dahin, sie selbst aus Elysium geholt." Helena bezeugt ihre „Dankbarkeit. Heidnische Lebensliebe" erwacht; Faustens „Leidenschaft" und „Antheil" thut sich kund und Helena „widmet sich Fausten".

Auch hier ist eine Darstellung und Empfindung von antiker Art noch wenig zu verspüren. Alles athmet die ruhige heimatliche Schönheit der Haupt- partien des ersten Theiles. Richtig ist bei dem Ausbruche von Helenas heidnischer Leben.sliebe auf Odyssee XI 488 ff. hingewiesen worilen, wo Achilles seine L^nzu- friedenheit mit dem Hades ausspricht.'') Die leidenschaftliche Hingabe an Homer als Naturdichtfer, die Goethens Jugend erfüllte, klingt hier noch nach. Wie lieblich und kräftig wäre der zweite Theil geworden, in dieser Weise durch- geführt, mit seinem Kaiser Maximilian, der sich Faustens Mantel wünscht, um

■'') Fr. Strehlke, Paralipomena zu Goethes P'.aust, das sonderbarste, was die Ausleger des Faust bisher Stuttgart 1891 n. loo will in der Egypterin Mephi- geleistet haben, stopheles erkennen. Ein getaufter Teufel ist wohl •*) Strehlke a. a. O. p. 185.

HO

zu den Gemsenjagden in Tirol zu segeln, mit diesen Helenascenen und mit dem himmlischen Schlüsse, der aus dieser Zeit noch erhalten ist. Das Blatt mit der besprochenen Seite enthält noch das bedeutende Zeugnis für einen plötzlichen Wandel von Goethes Stilgefühl. Er hatte das Geschriebene nochmals überlesen. Das deutsche Volksthümliche tritt zurück, der Knittelvers verschwindet, Helena erscheint ihm als eine Königin des griechischen Theaters, und er schreibt, auch in der Form entschlossen zu ändern, einen antiken Trimeter nieder:

„Wie hässlich neben Schönheit ist die Hässlichkeit",

den er zwar sogleich wieder durchstreicht, aber dann doch in wenig geänderter Form „Wie hässlich neben Schönheit zeigt sich Hässlichkeit" (v. 8810) in die neue Helena aufnimmt.

Dieser Wandel darf uns nicht überraschen. Die antike Poesie war inzwischen ein zu mächtiger Factor in Goethes Schaffen geworden, als dass er, sobald er an die Helena von Griechenland kam, den Faust noch im alten Stile hätte fortsetzen können. In den Elegien, den Epigrammen, im Reinecke Fuchs hatte er antike VersmalBe verwendet. So sehr strebte seine Poesie nach einer Renaissance der Antike, dass er den heimischen Stoff von Hermann und Doro- thea in Hexameter zwang und damit dieses einfache und innige Gedicht, das wie kein zweites das tiefste Wesen des deutschen Volkes wiedergibt, dem einfachen Manne aus dem Volke unverständlich machte. Goethe war 1799, eben ein Jahr bevor er die Helena schrieb, ernstlich an eine Fortsetzung des Homer gegangen; ein verlorenes Gedicht des epischen Cyclus hatte er in seiner Achilleis wieder herstellen wollen. Nun erhält im Jahre 1800, es wird wohl im September gewesen sein, Helena ihre classische Form. Gegen dreihundert Verse schreibt Goethe nieder, erfüllt von der Erinnerung an antike Poesie und antike Kunst. Wenn auch nicht ein oder das andere Kunstwerk sich nachweisen lässt, das ihm vor Augen stand, die plastische Gestaltung jeder Figur weist auf ein Erfülltsein mit classischen Bildwerken. Emil Szanto hat nachgewiesen, dass auf die Fort- setzung der Helena im Jahre 1825 die Beschreibungen verlorener antiker Kunst- werke durch Pausanias und Philostratos entscheidend einwirkten.') Zu Goethes begeisterter Schilderung der Helena Polygnots hat seine Helena ihr gutes Theil beigetragen, und so fand die Polygnotische Helena später in der Goethischen ihr Spiegelbild.

Vielleicht schon früher hatte Goethe Erinnerungen an antike Kunstwerke

'') Emil Szanto, Zur Helena im Faust, Zeitschrift .für österr. Gymnasien, 48. Jahrg., AVien 1897 p. 289 ff.

1 1

zur Ausgestaltung spiner ]KU'tischon X'orwürfe herbeigerufen. In späteren Ar- beiten über Philostratos gibt doetlie einer Gruppe, in die er die philostra- tischen Bilder vertheilt, den Titel : See-, Wasser- und Landstücke. Er hat darin die jAndrier' (l'hil. Itii. T 25), folgendermaßen ausgezogen: „Andros; Insel von Bacchus begünstigt, der Ouellgott auf einem Lager von Traubenblättern, ertheilt Wein statt Wassers; sein Fluss durch.strömt das Land; Schmausende versammeln sich um ihn her. Am Ausfluss ins Meer ziehen sich Tritonen heran zur Theilnahme. Bacchus mit großem Gefolge besucht die Insel.'' In den Nach- trägen zu Philostrats Gemälden hat er die Andrier dann ausführlich mitgetheilt. Aber lange vor dieser andauiTndcn T^cschäftigung mit Philostrat hatte er ihn im Faust vor Augen, im ,F,inschläferungsliede', wie er selbst den Gesang der Geister nennt,**) unter dem Faust in Schlaf fällt.") Herrlich ist darin die bunte Verwirrung des Traumes wiedergegeben, und zugleich durch eine gewisse rhythmische Monotonie das Einschläfernde der Verse zum Ausdruck gebracht. Das Lied beginnt nicht mit dem jjhilostratischen Gemälde. Erst öffnet sich über dem Träumenden das (xewölbe, wir hören von schönen Jünglingen, die in den Lüften schweben, die Sehnsucht der Sterblichen erregen. Das ist aus einer indischen Sage ge.schöpft, die erzählt, wie eine Brahmanenfrau im See, aus dem sie Wasser holte, das sich in ihren reinen Händen ballte, einen in der Luft .schwe- benden Sjdphen gespiegelt sieht, der solche Sehnsucht in ihr erregt, dass sie darüber ihre Wunderkraft verliert. Goethe hatte diese Sage schon im Jahre 1780 kennen gelernt,^) sie aber enst 182 1 im Paria ausführlich behandelt. Hier im F.inschläferungsliede erscheint sie bei ihm zum erstenmale. Betrachten wir die Verbindung der verschiedenen Elemente im Liede :

Schwindet, ihr duniceln Wölbungen droben! Reizender schaue 1450 Freundlich der blaue Äther herein ! Wären die dunkeln Wolken zerronnen ! Sternelein funkeln,

') In einem Briefe an Zelter I 419, n. 158.

') Einzelne Worte und Wendungen aus dem EinschlUferungslied sind in der Übersetzung der Andrier wiederholt. Hiebei auffallig ist mir der Gebrauch von „Einige" und „.\ndere'' wo das grie- chische Original noch sprachlich durchgefühlt wird. Es heißt im Liede „Einige klimmen über die Höhen, Andere schwimmen über die .Seen" und in

1455 Mildere Sonnen

Scheinen darein.

Himmlischer Söhne

Geistige Schöne,

Schwankende Beugung 1460 Schwebet vorüber.

Sehnende Neigung

Folget hinüber; . . .

der Übersetzung einige trinken, andere wälzen sich schon an der Erde" und „Einige, schon trunken" etc. Auch die „Inseln" klingen an, wo geschildert wird, wie die strotzenden Trauben über die Felsen hinaushangend über dem Meere schweben und Wasser- und Landvögel herankommen, Lese zu halten.

'■') In einer Übersetzung von Sonnerats Reisen nach Ostindien und China.

112

Hat uns der Dichter erst durch atmosphärische Bilder in ein mildes Klima geführt, wo die Sylphen Sehnsucht wecken, so verlässt er nun die indische Sage in einem Übergange, der in seiner tiefen Poesie ihm ganz allein angehört, zu Philostratos drängend :

Und der Gewänder Wo sich für's Leben

Flatternde Bänder Tief in Gedanken,

1465 Decken die Lander, Liebende geben. Decken die Laube,

Nun folgt eine freie Nachbildung des Philostratos von den ,Andrien' aus- gehend, während die ,Inseln' (Phil. Imag. II 17) vorschwebend mitwirken.

1470 Laube bei Laube! Die sich auf Wellen

Sprossende Ranken! 149° Gaukelnd bewegen; Lastende Traube Wo wir in Chören

Stürzt in's Behälter Jauchzende hören.

Drängender Keltei ; Über den Auen

1475 Stürzen in Bächen Tanzende schauen,

Schäumende Weine, 1495 Die sich im Freien Rieseln durch reine Alle zerstreuen.

Edle Gesteine, Einige klimmen

Lassen die Höhen Über die Höhen,

1480 Hinter sich liegen, Andere schwimmen

Breiten zu Seen 1500 Über die Seen, Sich um's Genügen Andere schweben ;

Grünender Hügel. Alle zum Leben,

Und das Geflügel Alle zur Feme

1485 Schlürfet sich Wonne, Liebender Sterne,

Flieget der Sonne, 1505 Seliger Huld. Flieget den hellen Inseln entgegen.

Der WeinstrotB, die Singenden, die Tanzenden sind aus den ,Andriern' genommen, die Inseln selbst, die Vögel, die herbeiflogen, den ,Inseln', das ganze traumhaft zusammengehalten durch die Erinnerung an das Mosaik von Palestrina, wo vorne eine Laube, daneben der strömende Fluss, dahinter die Felsen mit Schweifenden und Kletternden aller Art erscheinen.'") Das ist das erstemal, dass antike Kunst oder wenigstens eine Reminiscenz an sie im Faust vorkommt.'')

Als die Helena erschienen war, schreibt Goethe an Zelter: „Nun aber soll das Bekenntnis im Stillen zu Dir gelangen, dass ich durch guter Geister fördernde Theilnahme mich wieder an den Fau.st begeben habe und zwar gerade dahin,

'") In seiner Arbeit über Philostratos hatte schläferungsliedes klingen noch nach in dem Chore

Goethe das Mosaik von Palestrina zwischen den Nil „AVaruni doch erschallen" in dem Festsjüel „Was

und den Inseln als n. 70 a eingeschaltet. wir bringen" 1802.

"; Der Rhythmus und die Empfindung des Ein-

"3

wo er aus clor antiken W'olki- sich niodoiiassend, wieder seinem bösen frenius begegnet. Sage das NiemandiMi ; dies aber vertraue ich Dir, dass ich von diesem I'unkte weiter fortzuschreiten und die Lücke auszufüllen gedenke, zwischen dem völligen Srhluss, der selum längst fertig ist."' Zu diesem P>riefe vom Jahre 1827 gesellt sieh i-ine Aul.ierung an Sulpiz Tioisseree vom 3. August 1H15 „das I-Lnde ist fertig und sehr gut und grandios gerathen, aus der besten Zeit."

Dass die bildende Kunst bei der Vollendung der Schlussscene mitgewirkt, geht aus einer Mittheilung Eckermanns hervor, zu dem Goethe sagte: „Übrigens werden Sie zugeben, dass der Schluss, wo es mit der geretteten Seele nach oben geht, sehr schwer zu machen war, und dass ich bei so übersinnlichen, kaum zu ahnenden Dingen mich sehr leicht im \'agen hätte verlieriMi können, wenn ich nicht meinen poetischen Intentionen durch die scharf umrissenen christlich kirchlichen Figuren und Vorstellungen eine wohlthätig beschränkende I-'orm und Festigkeit gegeben hätte."

An diesen ganz unzweideutigen Worten Goethes, die das Ende seines Faust in die zweite Arbeitsperiode an dem Werke, also in das Ende des 18. oder den Beginn des 19. Jahrhundertes .setzen, wollte man neuerdings mäkeln, sie sollten „doch nur in irgend einem be.schränkten Sinne verstanden werden dürfen." '-) Ludwig Friedländer hatte die überraschende Entdeckung gemacht, dass der Chor „Waldung sie schwankt heran" von einer Danstellung mit dem Leben der Ein- siedler der thebaischen Wüste im Campo Santo zu Pisa beeinflusst sei, die Goethe durch einen Stich Lasinios kennen gelernt habe.") Dehio, der richtig er- kannte, dass auch die vorangehende Scene von anderen Tafeln in Lasinios Kupferwerk über den Campo .Santo beeinflu.sst sei, meinte dann, der ganze Schluss müsse nach der Bekanntschaft mit T-asinios Publication fallen.") Das trifft aber eben nur für die Stellen zu, die sich auf den Campo Santo beziehen und Entwürfe und Ausgeführtes weisen auf eine andere Zeit der Entstehung.

Goethe hatte folgenden ersten Entwurf für die .Schluss.scenc niedergeschrieben: „Chor der Büßerinnen . . . Maria Magdalena . . . Die Samariterin . . . Chor . . . Gretchen . . . Seel. Knaben . . . Gretchen . . . Mater gloriosa . . . Doctor

'^) G. Dehio im Goethe-Jahrlnuh VII. H;uul des Todes zuerst an dem Tiecksclicn Roman Stcrbalds

(Frankfurt a. M. 1886) S. 264. Wanderungen kennen gelernt. Tieck beschreibt den

") Deutsche Rundschau 1881, Jänner. Felsen nicht nach einer künstlerischen Vorlage. Er

") G. Dehio a. a. O. 2G3 (T. Im Goethe- Jahr- gibt einen Auszug aus Vasaris Beschreibung im Leben

buch 1887, S. 24g. hat Jakob Minor behauptet und des Orcagna. V'asari hatte Goethe schon früher gelesen.

es gelegentlich wiederholt, (iuellie habe den Triumph

J.ihroshcfto des üstcrr. .archilol. Institutes Hil. I. I5

114

Marianus . . . Chorus in Excelsis" und gleich darunter dieses Schema nochmals wiederholt, indem er der Magdalena, die er nun Magna Peccatrix nennt, und der Samariterin als dritte Büßerin Maria Egyptiaca beifügt, das übrige aber un- verändert lässt.'") Genau folgt diesem Schema die Ausführung von Vers 12032 an, bis zum Schlüsse. Ein echt Maximilianischer Schluss dieser Chorus mysticus. Der alte Kaiser hatte in einen Entwurf seiner allegorischen Lebensgeschichte eigenhändig hineingeschrieben „In fine devocio mystica." "') Wie wir beob- achten konnten, dass Goethe im ersten Entwürfe zur Helena ein Gegenstück zum Spaziergang vor dem Thore schaffen wollte, so finden wir hier ein Gegen- stück zum Vorspiel im Himmel; das klingt in den Liedern der Osternacht fort und ihnen hat sich vielleicht sogleich die Ausführung dieses Theiles angeschlossen. Über die ^'erbindung dieser letzten Scene mit dem Vorangehenden war sich Goethe lange unklar. In der zusamtnenfassenden Erzählung des Inhaltes des zweiten Theiles (1824), wie er ihn in früheren Jahren beabsichtigt hätte, weicht er einer Erklärung aus. Es kommt ihm die wohl ausgeführte Scene ins Ge- dächtnis, und er sagt, nachdem er die Ereignisse des vierten Actes erzählt hatte, „wie es weiter ergangen, wird sich zeigen, wenn wir künftig die Fragmente, oder vielmehr die zerstreut gearbeiteten .Stellen dieses zweiten Theiles zusammen räumen und dadurch einiges retten, was dem Leser interessant sein wird." '')

Später im Jahre 1831, als er den fünften i\ct arbeitet, hat er an ein Gericht üijer Faust gedacht, bei dem Mephi.stopheles gegen die Entführung von Faustens Seele appelliert. Er schreibt zum Schlüsse seiner ersten Seite „Engel entschweben. Mephist. zur Appellation''"") und in einer weiteren: „Meph. ab zur Appellation. Da Capo. Himmel . . . Christen . . . Mutter . . . Evangelisten . . . und alle Heiligen . . . Gericht über Faust."'") Daran hätte sich der vollendete Schluss gefügt. Bei der Ausführung ändert er den Plan nochmals, gibt die Gerichtsscene auf und fügt, geführt durch das Bild im Campo Santo zu Pisa, die Scene in den Berg.schluchten mit den Gesängen der heiligen Väter ein. Als diese .Scene vollendet war, schreibt er mit erleichtertem Aufathmen in sein Tagebuch am 12. Juli 1831: „Die \'erbindung gelang mit der Hauptpartie." Nur war an dem Schlu.sse etwas zu ändern. Er spielte früher im Weltenraume. Die Worte Gretchens lauteten ehemals:

'^) W. A. 15, 2. Alitli. p. 244 P.ir. i()6. '") AV. A. 15, 2. Abtli. p. 177 Par. 63.

"') Simon Laschitzer, der Tlieuerdank, Jahrl). ''') W. .\. 15, 2. Abth. p. 243 Par. 194.

der kunsth. Sammlungen des AUerh. Kaiserhauses. '") W. .•\. 15, 2. Abth. p. 243 Par. 195.

"5

12069 njctzt neige Hcn Erdball zu Füßen

12072 Dein Antlitz gnädig meinem dlück. Im Arme den Süßen

Der früh Geliebte, Den göttlichsten Knaben

Nicht mehr Getrübte [12080] Von Sternen umkränzet 12075 Er kommt zurück. Zum Sternall entsteigst du."-")

Verweile, weile

Dil' X'iTsp nach 12075 mussttMi j(;tzt falliMi. Über den Rergschluchten der Erde, mit tlenen die Scene nun begann, konnte nicht d(M- I'".r<lban unter den Füßen der Jungfrau schweben. Malerisch hat die Scene vielleicht dadurch ver- loren. Der Herausgeber des Faust in der Weimarer Ausgabe hatte zu den weg- gelassenen X'ersen, sonderbar aus seiner Rolle fallend, geschrieben „einem Ge- mälde nachgedichtet."-') Aber das wäre kein l')ikl aus dem Mittelalter, sondern ein l'.ild von (iiiido Keni oder einem anderen seiner italienischen und spanischen Zeitgenossen gewesen, das hier hätte vorliegen können. Zur Zeit als Goethe den Schluss des Faust dichtete, hatte er zur mittelalterlichen Malerei kein wie iinmer geartetes Verhältnis. Was er gegen Eckermann au.sspricht, es hätten ihm kirch- liche Kunstwerke zum \'orbilde gedient, ist dennoch richtig, doch sind es andere Dinge als das italienische Trecento.

Maria schwebt über der Weltkugel, Chöre heiliger Büßerinnen ziehen ihr ilurch die Luft entgegen, einzelne lösen sich los, und ein Dreiverein von bedeu- tenden Frauen fleht sie an für Gretchen, das sich nun an die gnadenreiche Jungfrau schmiegt, selige Knaben umkreisen den aufschwebenden Faust, ein heiliger Verehrer der Maria gesellt sich anbetend zu den Gruppen im VVeltenraume, ein mystischer Chor be.schließt die Scene, gesungen wohl von allen Heiligen des Himmels, von deren Anwesenheit bei dem Gerichte vorher uns ein anderer Entwurf berichtet, wo sie mit den Evangeli.sten und der Mutter Gottes um Christus den Richter v-ersammelt waren. Es würde nicht vieler Änderung bedürfen, wollten wir eine der großen Kuppelmalereien in den Barockkirchen Roms be- schreiben, die Goethe gesehen hatte. In S. Agnese hat Cirro Ferri den offenen Himmel gemalt, die Heiligen und Evangelisten auf Wolken gelagert. Vereine blühender Engelknaben schwc^ben dazwischen, verzückte Mönche heben sich in höhere Regionen, die heilige Jungfrau schwebt hernieder, gütig Agnesen die Hand zu reichen, um sie zu ihrem Sohn hinaufzuführen. Das Mädchen, schüchtern aus einem Kreise heiliger Märtyrerinnen hervortretend, neigt sich demüthig vor der Königin des Himmels. Goethe könnte seine Erinnerung durch die sehr ver- breiteten Stiche des Niclas Dorigny nach jener Kuppel wieder aufgefrischt haben,

-") \V. A. 15, 2. Abth. S. 167 f. ■'} Erich Schmidt ebenda S. 167.

«5*

ii6

die wie eine Illustration der letzten Scene des Faust aussehen. Aber das mag ein Zufall sein. Alle diese Kuppeln sind mit Glorien bemalt, von Lanfranco, von Pietro da Cortona und seinen Schülern. Oder diese haben, wie für die kleinen Kuppeln von St. Peter, die Zeichnungen für die Mosaiken geliefert. Viele dieser Kuppelfresken sind gestochen. Die Kuppel der Chiesa Xuova mit den schwe- benden Engeln, die in Chören herumziehen, die Leidenswerkzeuge tragend, könnten noch auf die letzte Ausgestaltung der Scene eingewirkt haben. Heute werden diese Schöpfungen, schon als technische Leistungen bis jetzt unübertroffen, von dem Kunstpöbel so wenig beachtet, dass die liebliche Kuppel von S. Agnese, der ich eben gedachte, in den gangbaren Reisehandbüchern unerwähnt bleibt, während die Sculpturen der römischen Frührenaissance, meistentheils Alfanzereien im .Schreinerstil, deren sich ein ausgelernter Handwerksgeselle schämen müsste, um- ständlich belobhudelt werden. Diese Leute verhimmeln gewisse Stilperioden im ganzen, weil sie die Leistungen im einzelnen nicht mehr zu beurtheilen vermögen. Das war zu Goethes Zeit anders. Wer über Kunst etwas schreiben wollte, dem ward auch zugemuthet, von der Kunst etwas zu venstehen. Es wäre einem gebildeten Beobachter unmöglich gewesen, an so großartigen Leistungen verachtend vorüber- zugehen. Goethen waren gerade die römischen Kuppelmalereien durch die Bildung des Einzelnen nahe gebracht. Vielleicht hätte er sich in die richtunggebenden lombardischen Vorbilder in jener Zeit schwerer hineingefunden. Auf den römischen Kuppeln waren die herkulischen Männer, die vollendeten Frauenkörper und die zarten Knaben der Antike um- und nachempfunden, und er befand sich behaglich unter diesen Gestalten, weil ihre .Schöpfer dasselbe schon versucht hatten, was ihm damals zu einem wirklichen Kunstprincipe geworden war, die Antike nach- zuahmen. Ihrer Classicität halber hatte er diese Gebilde betrachtet und darum ließ er sie vor seinem Urtheile gelten, als sie sich in phantastischer Lebendigkeit mit seiner Poesie vermählten.

3- Über die Antike her war Goethe zu Raphael gekommen, auf diesem Wege war er zu den Bolognesen fortgeschritten und hatte selbst die späteren Nach- fahren Annibales oder Domenichinos, weil er sie auf dieser Straße fand, theil- nehmend begleitet. Solcher Führung bedurfte es in spätem Jahren nicht mehr. Er ist voll V'On antiken Kunstwerken, er benutzt sie noch öfter als früher im Faust, besonders die classicierenden Perioden der neuen Kunst bewundert er noch so wie früher, aber sein Interesse ist breiter geworden, er hat sich der mittel- alterlichen Kunst wieder zugewandt, er nimmt auf die realistische Kunst des

13- Jalirhunclcrts Rücksicht, und die Aussclimückung der Kapelle in den Wahlver- wandtschaften ist dafür das bezeichnendste Beispiel. Welch einen (iegensatz bietet sie mit ihren Engeln, die alten Niederländern nachgezeichnet sind, zu dem Saale der N'ergangenheit im Wilhilm Meistor, wo die Wände mit blässlich antiki- sierenden Scenen verziert sind, l'nd doch liegen diese Erfindungen nur zwölf Jahre auseinaniler. Er behandelt die antike Kunst oft dialektisch, indem er sie von Menschen anderer Zeitalter beurtheilen lässt, und gegen den Schluss des l''aust hin sogar polemisch.

In der Helena niil ihr l)eginni i<Sj5 die neue Arbeit am Faust ruft er Polygnotische und l'hilostratische X'orstellungen zu ihrer würdigen .Vusgestaltung herbei.-'-) Als sich Helena schau(h'rnd bewusst wird, sie sei zum Opferthiere be- stimmt, und Rettung sucht, schildert Phorkyas Fau.stens Burg im (iebirge, „so wohl in Fugen mit spiegelglatten Wänden", an denen selbst der Gedanke abgleitet, vmd setzt sie ironisch in Gegensatz zu den cyklopischen Mauern der alten Griechen, die rohe Steine sogleich auf rohe Steine stürzten (9017 9025). Als bei der Beschreibung des Innern der Burg dem antiken Chor das Wort jWappen' fremd klingt, weist Phorkyas auf die .Schildzeichen der griechischen Helden hin, indem sie die Wappen ganz richtig als etwas Analoges erklärt, das nur im Mittelalter den Krieger niclit individuell bezeichnet, sondern in der Familie forterbt {9028 9043). Goethe konnte diese Schildzeichen nur an den griechischen Vasen kennen lernen.

Antike und mittelalterliche Architektur werden sich dann auch in der Scene des er.sten Actes im Rittersaal gegenübergestellt, wo Flaust von den Müttern Paris und Helena heraufführt. Die Wände des Saales öffnen sich, und vor dem Kaiser und dem Hofe erscheint ein dorischer Tempel, den der Astrologe sogleich beschreibt: ,,Durch Wunderkraft erscheint allhier zur Schau, Massiv genug, ein alter Tempelbau. Dem Atlas gleich der einst den Himmel trug Stehn, reihen- weis, der Säulen hier genug; .Sie mögen wohl der Felsenlast genügen, Da zweie schon ein groti (ieljäude trügen." (6403 6408). Ihm antwortet der Architekt-''): „Das war' antik! ich wüsst' es nicht zu preisen, Es sollte plump und überlästig heißen. Roh nennt man edel, unbehülflich groß. Schmal-Pfeiler lieb' ich, strebend gränzenlos; Spitzbögiger Zenith erhebt den Geüst; Solch ein (iebäu erbaut uns

^-) Emil Szanto a. a. O. p. 289 ff. von Loeper in seinem Commentar die Triglyplie mit '■') Als weiter vor dem Erscheinen der Geister dem Dreischlitz an der Leier des .\pollo. Das geht der Tempel zu klingen anfangt, und es heißt: „Der noch etwas über die übliche Gelehrsamkeit der Faust- Säulenschaft, auch die Triglyphc klingt" erklärt Herr commentare hinaus.

n8

allermeist." (640g 6414). Der Unterschied dorischer und gallischer Baukunst könnte nicht besser wiedergegeben werden. Als nun gar die sagenberühmten Gestalten von Paris und Helena erscheinen, Paris nach dem antiken Schema des Ausruhens, den Arm zierlich über das Haupt legt, nennt das der deutsche Kämmerer eine Flegelei (6465, 6466). Die Damen finden an Helena den Kopf zu klein, den Fuß zu groß (6502, 6503), was etwa noch heute naives weibliches Empfinden an einer antiken Venusstatue zu tadeln fände. Als sich aber Helena über Paris beugt, um ihn zu küssen, wird eine Dame an ein Gemälde von Luna und Endymion erinnert (6509). So geschieht hier dem hochgebildeten Dichter das Umgekehrte, was Shakespeare mit Giulio Romano g'eschah, als er ihn in ein .Stück einführte, das im Alterthume spielt: denn die Dame am deutschen Kaiser- hofe im Mittelalter konnte kein antikes Sarkophagrelief, kein pompeianisches Ge- mälde mit Luna und Endymion gesehen haben. Bei Goethe ist vielleicht ein Scherz mit im Spiele, sagt er doch einmal: „was uns von wahrer Poesie übrig geblieben, lebt und athmet nur in Anachronismen''.'*)

Anderswo erscheinen glänzende Bilder im Stile der italienischen Renais- sance. Homunculus über dem schlafenden Faust schwebend, erkennt seinen Traum und beschreibt ihn. Faust sieht im Traume, wie Zeus Leda, Helenens Mutter, als Schwan überrascht. Goethe wetteifert in diesen allerschönsten Versen mit dem Bilde des Correggio in Berlin, das er Zug für Zug nachbildet (6903 bis .6920). Auf ältere italienische ^lalerei geht die Darstellung Faustens in der vor- angehenden Beschwörungsscene zurück; „Im Priesterkleid bekränzt ein Wunder- mann" (6421). Er hatte in einem der Tafehverke Young William Ottleys die Darstellung des .Simon ]\lagus gesehen, nach einem alten Fresco in der Ober- kirche von Assisi. Im weiten Faltengewande bekränzt, schwebt ei", von fünf Engelknaben gehalten, in der Luft.-^) Goethe muss, als er diese Tafel gesehen hatte, diesen Wunderthäter sogleich mit seiner Vorstellung von Faust verbunden haben, er lässt ihn so bekleidet nicht nur in der letzten Scene des ersten Actes erscheinen, sondern in der .Schlussscene, und zwar in ihrer ersten Hälfte, die zuletzt gedichtet wurde, wieder, und zwar von Engeln getragen, die er dann nach und nach überwächst, um die Gruppe so umzubilden, wie sie im längst- gedichteten zweiten Theile der Schlussscene erschien, als eine von Engelknaben umkreiste Gestalt.

^^) Aus der Anzeige von Maiuonis Adelchi. Intended to illustrate tlie histor)- of tlie restoration

^^) Young William Ottley, A .Series of Plates, of the Arts of Design in Italy. London l8;6.

engraved after the Paintings and .Sculptures of the Plate VI.

most eminent Masters of the early Florentine School.

IIQ

riootho konnte rocht ijut von Kaiser Maximilians X'orliebe für iMummenschanz, wrnn nicht aus ik-r Iradilinn, so doch aus dorn WeilJkunig wisscMi. Als er das Maskenfest am kaiserlichen Hofe darzustellen hatte, hat er sich an di-n Triumph- zug Maximilians erinnert, den der Kaiser hatte in Hol/, schm-iden lassen. Hier wie dort v\nv Ki'ihe ])hantastisrher .Schauwagen, die von einem Herold eingeführt wurden. Dass der i'riumphzug Maximilians wirklich die; er.stc Anregung gab, wird durch die KnähUMn zur (lewissheit, die in Hatternden Kleidern auf märchen- haften Thieren sitzend die Wagen lenken. .Sie waren das directe Vorbild für den Knaben Lenker*''\ d(>r das X'iergespann führt hier ist wieder der antike .SduniMiwagiMi \'(ni)ild - auf dem flaust als Plutus steht. Um das Maskentreiben und einen der Prunkwagen insbesondere auszugestalten, hatte sich (ioethe noch eines anderen Hilfsmittels bedient. Das festlustige Florenz hatte im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert an dem Carnevalstage Wagen durch die Stra(3en ziehen sehen, welche, von den ersten Kün.stlern geschmückt, mit Menschen gefüllt waren, die eigens für diesen Zweck abgefasste Lieder sangen. Die ersten davon hatte Lorenzo Magnifico gemacht. Das Ganze war von der .Vntike ausgegangen. Mit einem bacchischem Zuge, römischen .Sarkophagen nachgebildet, für den Lorenzo sein berühmtes „Quest' e Bacco e Arianna" gedichtet, scheint der Anfang gemacht worden zu sein. Diese Lieder wurden gesammelt und mit der Zeit veröffentlicht. Josef Bayer hat zuenst darauf hingewiesen,-') dass die Gruppe, wo die Klugheit, auf einem Elephanten sitzend, Furcht und Hoffnung, als die größten Menschenfeinde, angekettet hat, einem Liede dieser Sammlung nachgebildet ist, dem ,Trionfo della Prudenza'-*) von einem unbekannten Autor. Nur nachgebildet, denn Goethe hat die etwas platten italienischen Verse nicht benützt, sondern nur die Allegorie übernommen und in seiner Weise vertieft, aber für die plasti.sche \'orstellung wieder ein italienisches Kun.stwerk der Renaissance vor Augen gehabt, den ihm so vertrauten Triumph Caesars von Mantegna. Daher kommt das feine jugendliche Wesen auf dem Elephanten, das ihn mit einem Stäbchen von Elfenbein lenkt (in dem italienischen (jedichte steht dii- Klugheit auf einem Wagen), daher ilie über ihr schwebende X'ictoria mit den ausgebreiteten Flügeln. Auch die wie zufällig

-'') Im Programme zu dem Triumphzuge heißt ^") Im Abendblatte der Wiener Neuen Freien

es: „Kin Knäblein soll Fuhrmann sein und die Presse vom 29. August 1884.

Reimsprüche führen". Jahrb. der Kunstsamml. des -') Mir liegt die zweibändige Ausgabe von

allerh. Kaiserhauses I S. 455. Goethe hatte das da- 1750 vor: Tutti i Trionfi, Carri, Mascherate o

raals ungedrucktc Programm nicht gekannt, aus der Canti Carnascialeschi andati per Firenze. (In Cosmo-

Darstellung jedoch die Absicht herausgelesen. poli 1750), hier findet sich der Triumph der Klug- heit I S. 35 fl'., von einem Unbekannten.

untereinander gewürfelten Gruppen in dem fröhlichen Maskentreiben, bevor die großen Wagen erscheinen, dürften vielleicht mit der besprochenen Sammlung italienischer Lieder zusammenhängen. Gärtnerinnen, Gärtner mit Früchten, die Mutter, die ihre Tochter verheiraten will, Fischer und Vogelsteller, Holzhauer, Pulcinelle, Trunkene, Parasiten, Parzen, Furien, wilde Männer,^^) sind von dorther genommen, ja sogar die Nymphen, die den großen Pan umgeben, gehen auf einen Verein florentinischer Damen zurück, die dem Großherzog ihre Huldigung in dieser Verkleidung darbrachten."") Auch hier hat Goethe den italienischen Text nirgends direct benützt, der auch meistentheils zu obscön gewesen wäre, sondern er hat sich die (xruppen von diesen Maskenzügen ausgewählt und zu ihnen neue Worte gedichtet.

Wie hier italienische und deutsche Kunst, der Nachklang deutscher und italienischer Feste zusammenwirkte, so ist in der classischen Walpurgisnacht ein ähnliches Zusammengehen von antiker und moderner Kunst. Den Hintergrund bildet eine Landschaft mit Ebene, Fluss, Meeresbucht, mit Erdbeben, JNIeteorfall und Mondeslicht, die nur ein Maler von der Größe und Kühnheit Tintorettos wiedergeben könnte. Aber selbst diese großartigen Landschaftsbilder, scheinbar einheitlich der Phantasie entsprungen, gründen sich zum Theil auf Philostratos, dessen Sümpfen die Schwäne vom Peneios entnommen sind, wunderbar verbunden mit der Landschaft von Correggios Leda (v. 7295 7312). Selbst ein so gering- fügiges Detail, wie die Erwähnung der thessalischen Zauberfrauen, die den Mond herunterziehen 8034 8036, geht auf ein griechisches Vasenbild zurück.-") Sphinxe und Greifen, Sirenen und Centauren treten auf, und dass auch hier nicht immer die alte Kunst als Ganzes wirkte, sondern dass ein einzelnes Beispiel maßgebend werden konnte, hat E. .Szanto in der vorausgehenden Untersuchung beim Chiron gezeigt. Nereiden und Tritonen, Doriden auf Delphinen, sind alle der antiken Kunst auf Sarkophagen und Fresken nachgebildet, aber im einzelnen

^'■*) Ebenda. Uoraini che vendono fiore von anonym I 50, Buffoni e Parasiti von dem Lasca II

Batista dell' Ottonajo II 346, Giardinieri von Tommaso 450, Lanzi imbriachi von dem Giuggiola II 302,

Raffacani II 536, Annestatori (Pfropfer) anonym Lanzi trinciatori von demselben II 303 etc., Trionfo

I 65, Contadini che vendono frutti, anonym I 84, dcUe tre Parche, anonym I 29. Trionfo delle Furie

Fruttajuoli von B'illippo Cambi I 227, Canto di von Giovan Batista Strozzi I 254, Uomini salvatichi

vedove, che menano le figliuole a mostra per trovar von Pierfrancesco Giambullari I 206.

loro marito, von Guglielmo detto il Giuggiola II 323, ^") Ebenda. II 560 Canto delle Ninfe, anonym.

Pescatori von Michele da Prato I 24 8, Canto del lauro ^') Tischbein, Collection of engravings from

di Guglielmo Angiolini I 143 etc., Uccellatori alla ancient vases III 44; ich verdanke den Hinweis

Civctta von dem Giuggiola II 326, Uccellatori col Robert von Schneider. Gufo von dem Lasca II 484 etc., Tagliatori dei Boschi,

I 21

schwebten doeli wieder neuere Kunstwerke vor. Denn die mit l'Alelsleiiien und (ioldschmuck verzierten Nereiden sind nicht antik, sondern es mochte (joethe Dürers Am\-nii>ne ()d(>r ein l*)latt des Stechers 1. P. mit di'm N'o^i'l in den Sinn gekommen sein. Der Seismos ist der Pi>rsonification des Erdbebens nachgebildet unter dem Kerker des Petrus in den RafFaelischen Tapeten.-'-) Noch sonderbarer wirkte die Antike und Kaffael oder die Antike durch Raffael bei der Schöpfung- der Galatea, denn RalTacl halle das Fresko, das (ioethe nachbililele, nach einer Beschreibung des i'hilostratos gemalt. Ein großer Künstler hatte die Beschrei- bung in ein Bild umgest>tzt untl ein congenialer (leist dieses l'iild in einer be- rauschend dramatischen SciMie benützt.

Es ist ausführlich besprochen worden, wie für den letzten Act des Faust Lasinios Stiche für den Campo Santo von Pisa benutzt worden sind. -'*•') Ich habe darauf hingewiesen, wie auch Ottleys Florentinische Schule mit einwirkte, und will nur hier daraufhinweisen, dass auch der rosenstreuende Engel aus dem Fresco des Signorelli in Orvieto (ioethe aus diesem Buche bekannt wurtle.'") Düntzer, der in seinem Faustcommentar behauptet: „Engel, welche, indem sie Rosen streuen, eine Seele zum Himmel geleiten, finden wir häufig auf alten (iemälden," dürfte es schwer wertlen. ein einziges Beispiel dafür aufzubringen. Doch auch hier sind es nicht die Engel des Signorelli, die für die Formen, was auch bei dem vereinzelten schwer möglich gewesen wäre, allein das Vorbild gegeben hätten. Ist auch das lange Faltenhemd (11708) von diesem Engel von Orvieto genommen, die Vorstellung der Körperformen dieser Engel, die Mann und Weib verführen (11782), das „bübisch-mädchenhafte Gestümper", wie Mephistopheles sagt (11687), deutet auf jene weichen Gebilde hin, wie sie in dem Dionysos und anderen träumerischen Knabengestalten die antike Kunst geschaffen, bedenkliche Gebilde, die endlich in die Darstellung der Hermaphroditen selbst ausarten, die von der Renaissance herübergenommen und auf die Engel angewandt wurden, die bei Bernini und auch schon früher in jenen zweideutig sinnliclien l''ormen erscheinen, „wie frömmelnder Geschmack sich's lieben mag'' (11688). Es mag sich darum der Teufel wohl anmaßen, dass er bei Sclujpfung griechischer Kunstwerke^ insj)!- rierend mitgewirkt habe:

„Ihr wisst wie wir, in ticfvcrruclitcn Stvinilcn, Vernichtung sannen raenschlichem Geschlecht; Das Schändlichste, was wir erfunden, Ist ihrer Andacht eben recht." (11689 11692.)

■'''} Das sah zuerst Heinrich Brunn, die philo- ^') Von Dehio a. a. O.

stratischen Gemälde S. 295 Anm. 8. •'^) Platc LIV.

Jahreshette des östorr. archUul. Institutes lld. 1. I (j

122

So wandte sich Goethe im Faust zum Schkisse mit einem herben Tadel zur antiken Kunst, denn keine noch so tiefe Neigung vermag ihm den Blick zu trüben, wenn er ein Abweichen von dem Echten, Wahren und Natürlichen be- merkt, das seinem Wesen gemäl3 war.

Man könnte sich denken, dass der Faust nach allen Seiten liin durchforscht würde, dass alle die Anregungen, die die Kunst, die Wissenschaft, die Poesie und das Leben hinein geknüpft hatten, aufgefunden würden, und dass wir die Arbeit des Genies von Schritt zu Schritt verfolgen könnten. Von dem Innern des schöpferischen Geistes würden wir darum freilich nicht mehr wissen. Es wäre aber eine Freude gottesdienstlicher Art, in des Dichters erleuchtete Werk- statt treten zu können und zuzusehen, wie ihm das Gedächtnis und die Erfahrung als treue Mägde die Steine herbeibringen, mit denen er das Wundergebäude seiner Erfindung aufführt.

FRANZ WICKHOFF.

Adamklissi noch einmal.

In der Schrift ,Intermezzi' hatte Adolf Furtwängler die These zu begründen versucht, dass der tropaeumbekrönte Rundbau von Adamkli.ssi in der Dobrudscha nichts mit Trajan und den dacischen Kriegen zu thun habe, sondern einen Sieg des M. Licinius Crassus über die Bastarner in den Jahren 29 28 v. Chr. verewigte, (legen den negativen Theil dieser These war meine Erwiderung im XIX. Bande der archäologisch-epigraphischen Mittheilungen gerichtet. Sie zeigte, dass Furtwängler eine dem Trajan gewidmete ]Münze des benachbarten Tomis, die das Tropaeum von Adamklissi darstellt, übersehen hatte ; dass der Name des unmittelbar zugehörigen Römerortes ,Traianenses Tropaeenses' mit der Ent- stehung des Baues zusammenhänge; dass in den Kampfdarstellungen seiner IMetopen, wenn auch in naiv un\ollkommener Ausführung, Porträtbilder Trajans beab- sichtigt, also .Scenen der dacischen Kriege zu erkennen seien ; dass sich die monumentale Trajansinschrift aus dem Jahre loij n. Chr., von der zusammen- hängende Theile unter den Trümmern und auf dem Dache der Ruine zum Vor- schein kamen, als Dedication des Baues an der Basis des Tropaeums befunden habe; schlief31ich, dass eine literarisch unbezeugte Sclilacht Trajans in der Do- brudscha, worauf das Siegesmal mit Siclierlieit schließen liei.i, durch eine neuer-

12.?

dings in der Nähe entdeckte Inschrift nach Tocilescos und 'Iheodor Monimsens l-'rg-änzung bestätij^t worden sei. Auf den positiven Theil der These einzugehen, versagte ich mir unter diesen klarliegendon Umständen, weil ich es dem (iegner nicht unnöthig erschweren wollte, seine X'crmuthung wieder aufzugeben.

Mit dieser Kiicksichinahnir habe ich mich getäuscht. In einer neuerlichen Besprechung des Monuments, welche die Sitzungsberichte der Münchener Aka- demie 1897 Heft 11 enthalten, zieht Furtwängler vor, über den begangenen Irrthum hinwegzuleiten. Seit meiner Erwiderung, die ihm ,al)solut Nichts Xeues' enthielt, habe seine Erklärung sich lediglich »erweitert und vertieft', wozu ihm u. a. auch jene i'.rwiderung , anregend und dadurcli förderlich' gewesen sei. Factisch hat er aber seine \'(>gation, di(^ den historischen Haui>lu;ewinn unseres \Vi>rkes über Bord warf, zurückgenommen. Während er in einer ungemein überlegenen Ausführung früher die Lage von Adamkli.ssi ,ganz unvereinbar' fand mit dem weit entfernten Schauplatze von Trajans Dakerkriegen, hat er jetzt nichts mehr dagegen einzuwenden und tritt imserem historischen Schlüsse viel- mehr schlechtweg bei. Während er die große Trajansinschrift früher wie etwas Belangloses ignoriert und als heterogen bei Seite geschoben hatte, ist sie ihm jetzt zu einem Bestandtheile des Denkmales von selbständigem Denkmalswert geworden. Aber mit diesem Fortschritt der Einsicht verquickt sich eine Folgerung, die ihn wieder aufhebt. Hatte er in den , Intermezzi' auf einen augusteischen Ursprung des Baues gerathen, weil ihm die Trajansinschrift vollkommen fremd sein sollte, so ist ihm jener Einfall inzwischen nur umso gewisser geworden, ob- wohl er ihre Zugehörigkeit jetzt einräumt. Ich .selbst freilich habe diese Folgerung venschuldet. ^Nleine Erwiderung enthielt, nachdem sie die Unmöglichkeit dargethan hatte, die Inschrift dem Baue abzusprechen, den folgenden Passus : „Furtwängler könnte daher seine an den Thatsachen .scheiternde \'ermuthung von der Entstehung des Baues in augusteischer Zeit, um wenigstens ihre Logik noch /u retten, nur durch die Annahme über Wasser halten, dass an dem vermcM nt liehen Sieges- ni a 1 e des Licini us ("rassus nach trags weise ein Siegesmal Kaiser Traja ns aufgeheftet worden sei. Al)ei- auch diese Hilfe zerschellt" u. s. w. Diesen ironi.sch hingeworfenen (iedanken griff Furtwängler in vollem Ernste auf und spann ihn als Leitmotiv seiner Palinodie des weiteren aus, ohne die missliche Herkunft des Gedankens zu berühren. Nach dem neuesten Stande seiner Über- zeugung soll Kaiser Trajan an dem Baue des Crassus eine Erinnerungstafel angebracht haben, die seinem eigenen Siege in der Dobrudscha galt. Ein zeich- nerischer X'ersuch Bühlmanns, die Bekrönung des Baues anders zu reconstruieren,

124

unterstützt diese jüngste Hypothese, und da sie Fernerstehenden möglich erscheinen kann, wenigstens dem Zeugnis der Inschrift nicht mehr offen wider- spricht, sehe ich es mir nicht erspart, auch ihr noch eine Prüfung zu widmen, obwohl die nach dem Stande unserer Überlieferung höchlich befremdende Haupt- sache, auf die es vor allem ankam, dass sich der dacische Krieg Trajans wirklich bis ans schwarze Meer erstreckte, durch Furtwänglers nachträgliche Anerkennt- nis zwischen uns erledigt ist.

Die ursprüngliche These, so behend sie alles auf den Kopf stellte, war wie ein kurzer Frocess plan und klar; was man jetzt glauben soll, ist eine Häufung ersonnener Annahmen, die an die verwickelten Themen antiker Sophisten- declamationen erinnert. Aus früherer Zeit ist nur ein glücklicher Feldzug von Bedeutung, den die Römer an der unteren Donau gegen die Barbaren führten, derjenige des Crassus, bekannt. Dass er durch ein Siegesmal in jenen Gegenden ausgezeichnet worden sei, ist nicht überliefert, indessen denkbar, und wenn wir von Adamklissi nichts als das Tropaeum und die nackte Ruine besäßen, würde er in der zeitlichen Reihe historischer Möglichkeiten an erster Stelle zu er- wägen sein. Wir besitzen und wissen aber mehr: einerseits dass an der Basis römischer Tropaeen die Weiheinschrift des Siegers stand,') anderseits, dass an der Basis des Tropaeums von Adamklissi in größten Lettern der Name Trajans angeschrieben war. Wer diesen Sachverhalt, wie Furtwängler neuerdings zugibt und noch immer Crassus, nicht Trajan, für den Stifter des Tropaeums hält, muss einfachem Unglauben begegnen. Nicht anders beschaffen ist ein weiteres Moment. Wo immer Siegesdenkmäler zu Stande kommen, pflegt jeder Krieg sein eigenes Denkmal zu erhalten. Ich wüsste nicht, dass irgend eine Zeit anders verfahren sei, und wäre namentlich begierig, einen Beleg dafür aus römischer (jeschichte kennen zu lernen. Dass man gar über ein volles Jahr- hundert hinweg Siegesdenkmäler contaminierte, dass ein erobernder ruhmbegieriger Kaiser, statt sich durch ein selb.ständiges IMonument zu verherrlichen, einem älteren Bauwerke größten Stiles eine schlichte Erinnerungstafel anfügte, und dass eine solche Selbstbescheidung gerade von Trajan, einem der ersten Bau- herren aller Zeiten, zu erwarten sei, wie bitter sind diese gesammten Zumuthungen. Zu alledem aber soll man ein Zufallswunder, dass die im Baue verbliebene Dedica- tionsurkunde des Crassus spurlos verschwunden sei, während sich von derjenigen

') Monument.ile und schriftstellerische Belege mente der Statue anzubringen, sind erbracht Adam- für diese Sitte, die sachgemäll dem Brauche folgt. klissi S. 104, I. Der Constantinsbogen contarai- dic Dedicationsinschrift einer Statue an dem Posta- niert Bildwerke, nicht Siegeszeichen.

12.S

Trajans zwiilf colossalo Fragmontblöcko erhifilten, wie etwas Selbstverständliches hinneiimen. Min solches Knäuel höchster Unwahrscheinlichkeiten als eine histo- rische Thatsache zu producieren, ist jedesfalls eine undankbare Aufgabe, und es ist daher billig, das {yeschick zu würdigen, das sich ihrer spielend zu entledi- gen weiß.

!• "urtwängler setzt voraus, dass um den Besitz des alten Monuments zwischen Kömern und Barbaren gewissermaßen Krieg geführt worden sei: ,.das Tropaion, der Zeuge vergangenen römischen Ruhmes, römischer Ehre, von den Barbaren entweiht und besudelt", sei „von Trajan siegreich zurückgewonnen" und dann neu dediciert worden. Demgemäß ergänzt er den Schluss der Trajansinschrift beispielsweise: Daconivt c.vcrcyfii [äcTtcfn tropaciiiu rccipcratiiin rit]e [dedicavif und bemerkt, dass P)ücheler diesen Entwurf geprüft und ihn unter X'oraussetzung der Richtigkeit seiner Prämissen gut befunden habe.

Aber ich fürchte nicht, Sinn und Absicht des verehrten Bonner Meisters zu verfehlen, wenn ich an der epigraphischen Fassung ihre sachliche (jrundlage prüfe. Anstößig ist zunächst ,rite'. In erzählender berichtender Rede kann wohl ein anderer von dem Dedicierenden ,rite dedicavif sagen, schwerlich aber der Dedicierende lapidar von sich .selbst, zumal als kaiserliche Majestät, die ihr ordnungsgemäßes Vorgehen nicht wohl als etwas Versicherungsbedürftiges be- handeln kann ; auch ist nach einer Analogie für das in dieser Verbindung befremdliche Wort vergeblich gesucht worden.*) Wichtiger i.st, dass das Tropaeum doch nur dann .zurückgewonnen' und dieser Wiedergewinn so grandios ver- kündet werden konnte, wenn die Provinz oder mindestens ihr östlicher Theil zeitweilig nicht etwa ephemer bei einem der rasch zurückgewiesenen Einfalle, die auch nach den Zeiten Ovids nicht aufhörten an die Barbaren verloren gegangen war, und ein solcher Verlu.st Mösiens ist unbezeugt : unter Domitian, wo er am ehesten denkbar wäre, ward die Verwaltung der Landschaft in ein Ober- und Unterland getheilt, und aus der letzten Zeit dieses Kaisers ist ein untermösischer Statthalter bekannt. (Geradezu unvorstellbar ist aber, da.ss in der

-) Herr Dr Josef Zingerle hatte die Freund- 5 der traurigen Copie einer lusitaniscben Inschrift

lichkeit, die Bände des CIL daraufliin durclizu- II 745 ASTURSTU|REIIRITIL.\S hat Mommsen

nehmen, fand aber kein Beispiel für die Verbindung fragend vermuthet: ast(aiitc) Vrs(o) Tiirci [J.J ril[e]

von ,dedicavit' mit einem Adverb überliefert. In einer /. a. s. Hübner dagegen: Astur CS 7"««/ [f(iliiis)

Inschrift aus dem J.ahre 350 n. Ch. VIII 498 steht: fratcrj I. a. s. Von Interesse ist VII 45 von

ayam feliciier coiisecravit. Von einer spanischen Bath ,in finiJameiitis acdificii aliciiiiis privali":

n 1923 lag er iiiore dedicavil abschriftlich vor, Lociiiti religiosum per iiisolciitiain liiniliiiii Virtiili

was aber ein Abklatsch nicht bestätigte; für ex el ii(uiniui) Aug(usti) rej'iirgalum icäJuiil C. Sci'C-

iiiore vermuthcte .Mommsen iileiiitjue. Zu Z. 4 und liiis Emerihis c(eiillirio) reg..?

126

historischen Erinnerungsurkunde eines solchen Feldzuges nicht die Zurück- eroberung der Provinz, sondern der Wiedergewinn eines Gebäudes in der Provinz als Ergebnis des Feldzuges allein hervorgehoben werden konnte. Der Ausdruck ,tropaeum reciperatum' passt wohl auf ein aus factischen Waffen errichtetes bescheidenes Erzmal, das dem Feinde, der es entfernt hatte, wieder entrissen wurde, unmöglich auf das Symbol eines thurmhohen Steincolosses, der tmverrück- bar auf seiner monumentalen Basis stand; denn nicht um ideale Ehrenzeichen an sich, mag ihr nationaler Wert noch so scharf empfunden werden, sondern um das reale Land, in dem sie stehen, entbrennen Kriege.

Das Unvorstellbare steigert sich, wenn man der angenommenen neuen Dedication auf den (irund geht. Oft genug konnte ja ein Anathem späterhin eine zweite Weihung erfahren, wenn es durch eine Veränderung seines Standortes oder durch eine Veränderung an sich selbst die frühere Weihe verlor; allein keiner dieser Fälle trifft hier zu. Von einer Zerstörung des Baues durch die Barbaren, die allerdings eine neue Dedication hätte nach sich ziehen können, vermied Furtwängler mit Recht zu sprechen. Kein Stein der Ruine lässt etwas anderes als die natürlichen Veränderungen der Zeit erkennen, zeigt das geringste Merkmal einer Ausbesserung oder Zuthat. technisch ist der ganze Bau, wie Niemann wiederholt hervorhob, wie aus einem Gusse in rascher einheitlicher Arbeit vollendet. Nicht eine Zerstörung also, nur -eine Entweihung und Besudelung des Baues durch die Barbaren soll eine neue Dedication veranlasst haben, indes wie rathlos lässt die Rhetorik dieser vagen Ausdrücke. Gewiss mag ja der durch und durch massive, unersteigbare Rundbau, der infolge eines verborgenen Klam- merverbandes seiner Steinverkleidungen allenthalben niet- und nagelfest war, von feindlichen Horden vielleicht mehr als einmal umringt und in ohnmächtigem Zorne verwünscht worden sein. Aber was für eine Entweihung und Besudelung, die zur Aufpflanzimg einer warnenden Schrifttafel anreizte, thatsächlich an ihm begangen werden konnte, wüsste ich ernsthaft nicht zu vergegenwärtigen, und bei seiner geschilderten Beschaffenheit würde jeder etwa ersinnliche Frevel in den Begriff eines Piaculum fallen, das als solches wohl ein Lustrationsopfer zur Folge hat, mit nichten aber eine neue Dedication, wie zahlreiche Fälle der Arvalacten lehren. Die Begründung wäre also hinfällig, auch wenn sie auf mehr als eine reine Behauptung hinausliefe. Eher ließe sich mit einigem Schein daran erinnern, dass eine feindliche Besitzergreifung des Landes das Anathem dem Besitze des römischen Gottes entzog, und dass nach Rückerlangung der Provinz die Dedi- cation de.shalb zu wiederholen gewe.sen .sei : doch stritte auch hiergegen die

127

Überlieferung.''') Wie ein aus feinilliciior (icfangenschaft zurückkehrender Kömer sein mit ihr verlorenes Bürgerrecht ,iure postliminii' ohne weiteres zurück- erhält, wie der private Grundbesitz einer wiedergewonnenen Provinz ,iure post- liminii' ohne weiteres den alten Eigenthümern wieder zufällt, so lebt bezeugter- mal3en. wie mir College Mitteis nachweist, auch dev sacrale Charakter dort belegener Heiligthümer im gleichen Falle ipso iure wieder auf, ohne eine zweite Dedication zu fordern. Kurz die Sache ist, wie man sie auch betrachtet, unhaltbar, daher auch Versuche aussichtslos wären, sie besser zu formulieren.

Um seiner Crassusthese freie Bahn zu schaffen, sucht Furtwängler alles Entgegenstehende mit (icwalt hinwegzuräumtm. So den wichtigen Namen der Römerstadt .Traianenses Tropaeenses.' Früher hatte er es für , reine Willkür' erklärt, dass wir aus dieser ethnischen Xamensform den Eigennamen ,Tropaeum Traiani' ableiteten : der Ort habe nur ,Tropaeum' geheißen, für die Entstehung des Monuments sei daraus nichts zu folgern. Jetzt kehrt sich der \'orwurf ,reiner Willkür' gegen ihn selbst, da er sich inzwischen überzeugte, dass auch der Eigen- name der Ortschaft die trajanische Bezeichnung enthalten musste. Doch ver- bindet er mit diesem Widerruf sofort einen zweiten, um ilas unbequeme Zeugnis trotzd(>m zu beseitigen. Er stellt nämlich, was ihm früher selbst nothwendig schien, dass der Stadtname für das Monument beweisend sei, plötzlich in Abrede ; die kaiserliche Bezeichnung bezeuge eben nur für die Stadt, nicht für das Monument eine Begründung durch Trajan. Allein mit dieser wunderbaren Unterscheidung, die der Routine eines Scholastikers Ehre machen würde, übersieht er die Haupt- sache, dass Stadt und Monument schlechthin zusammengehören. Hätte sie wirklich, wie Furtwängler ausführt, nach dem Siegesmal des Crassus ,Tropaeum', nach ihrem (iründer , Traiani' oder ,Traianum' geheifBen, so läge in der vereinigten Bezeichnung eine historische l-"älschung vor. Würde doch niemand den Stadt- namen ,Tropaeum Traiani' anders haben verstehen können, al.s dass auch das

^) Uig. XXXX villi 15, 5. Pomponius libro priores dominos redire nee aut publicari aut pracdae

trigensimo scptimo ad Quintum Mucium. Postliminii loco cederc: publicatur enini ille ager qui ex hostibus

ius competit aut in bello aut in pace. In bello, cum captus sit. Redemptio facultatem rcdcundi praebet,

hi, qui urbis bosles sunt, aliqucm e.\ nostris ceperunt non ius postlimini rautat. XI 7, 36 Pomponius

et intra pracsidia sua perduxerunt: nam si eodem libro vicensimo sexto ad Quintum Mucium. Cum

bello is reversus fuerit, postliminium habet, id est loca capta sunt ab hostibus, omnia dcsinunt rcligiosa

perinde omnin restituuntur ei iura, ac si captus ab vel sacra esse, sicuti homines liberi in Servituten!

hostibus non esset. 15, 20, I Pomponius libro pervcniunt: quod si ab hac calamitate fucrint libcrata,

trigensimo sexto ad Sabinum. Verum est expulsis quasi quodam postliminio rcversa pristino statui

hostibus ex agris quos ccperint dominia eorum ad restituuntur.

Siegesmal, das er zur Voraussetzung hatte, da er ja ohne dessen Existenz überhaupt nicht gebildet werden konnte, von Trajan herrührte.

Und weiter die trajanische Münze von Tomis mit dem Bilde von Adam- klissi, wobei die Eigenart Furtwänglers noch eindrücklicher zu Tage tritt. In den ,Intermezzi' hatte er den Hauptinhalt unserer Publication kurz wiederholt und die Wiederholung mit den Worten geschlossen: „Wir haben alles angeführt, worauf die Deutung, die hier Trajan und die Dakerkriege sieht, sich stützen zu können glaubte." Die ausführlich behandelte Münze, auf die wir uns allerdings mitstützten, fehlte in der Recapitulation. Ich schloss daraus, dass sie übersehen worden sei, erfahre aber jetzt, dass sie mit Absicht fehlte: „ich habe diese Münze in meiner früheren Abhandlung nicht erwiihnt, weil ich es für unnütz hielt, besonders hervorzuheben, was so klar auf der Hand Hegt, dass sie für die Ent- stehungszeit des Tropaeums nur einen terminus ante quem abgibt." Mithin entgieng Furtwängler, dass diese Behauptungen sich contradictorisch widersprechen und 'zu den folgenden Schlüssen nöthigen.

Entweder war ihm die erste Behauptung gegenwärtig, als er die zweite .schrieb: dann würde er mit dieser zweiten sich selbst beschuldigen, wis.sentlich Unwahres veröffentlicht zu haben, indem er e i n Argument verschwieg, während er vorgab, alle mitzutheilen. Oder die er.ste Behauptung war ihm nicht gegen- wärtig, als er die zweite schrieb: dann wäre diese zweite eine Ausflucht, und auch ihrer Begründung nach als solche zu behandeln. Selb,stredend nehme ich das letztere an. Denn den eigenthümlichen Wert der Münze von Tomis hat Pick in Beherrschung des numismatischen Materials bündig auseinandergesetzt. Ilir P>ild steht in der endlos langen Serie römüscher Münzdarstellungen von Tropäen vollkommen vereinzelt da. Der gewöhnliche stadtrömische Typus, der sich auch in den Provinzen oft wiederholt, stellt das Waffenmal auf eine gerade Linie und umgibt es mit Plguren von stehenden oder hockenden Gefangenen. Die trajani.sche Münze von Tomis läs.st die Gefangenen weg und stellt das Tropaeon auf einen Unterbau, will also anerkanntermaßen das Monument von Adamkli.ssi wiederholen. Anerkannt ist auch, dass damit der Sieg Trajans in der Dobrudscha geehrt werden sollte, wie denn der Kaisername ungewöhnlicher Weise dativisch im Sinne einer Widmung aufgeprägt ist. Welches quid pro quo hätte nun aber der Verfertiger der Münze erzeugt, wenn er, statt sich an die übliche Formel des stadtrömischen Tropäentypus zu halten, die jedes Missver- ständnis ausschloss, den Sieg Trajans durch das Tropaeum des Crassus ehrte.

Schließlich der naive \'ersuch eines Kaiserporträts, worüber Furtwängler

129

mich immer abspricht, (ihni- dio Originale zu kennen, oliwolil ihm gesagt war, warum eine Beurtheilung dieser Frage nach der Fublication unzulässig sei. Unter den fünfzig erhaltenen ,,Metopcn"-Reliefs, die den Unterbau kranzartig umgaben, stellen sechs den Stifter des Denkmals in verschiedenen Situationen dar. Charak- terisiert ist er durch hc'ihere Statur, durcli die Begleitung eines Adjutanten oder ein Gefolge von Praetorianern, durcli den Gestus der Adlocution und auch, wo er in Panzertracht auftritt, durch das Fehlen von Helm und Schild. Dieses letztere Di.stinctiv i.st besonders wichtig, da es nicht jedem F'eldherrn zukommt, sondern für den Kaiser typisch ist, wie namentlich die Trajanssäule lehrt, auf der er über

neunzigmal heim- und schildlos erscheint, selb.st das einemal, wo er als Retter in die Schlacht persönlich eingreift. Den vor- liegenden Reliefreihen, die einen Krieg mit Daciern und anderen Barbaren .schil- dern, waren also jene sechs Kaiserbilder in der nämlichen Weise eingeordnet, wie eben die Trajanssäule den Kriegsherrn in wechselnden Abständen immer wiederholt. Den traurigen Eindruck der Metopen ver- schärft der üble Zustand ihrer Erhaltung, den der Lichtdruck un.serer unter schwie- rigen Verhältnissen aufgenommenen Photo- graphien vielfach noch ungünstiger hin- stellt. In sorgfaltiger Betrachtung erkennt man aber an den Originalen, dass ihre ungeübten Verfertiger mit zwar ärmlichen und kleinen, aber nicht undeutlich bleibenden Mitteln den Kaiser au.szuzeichnen bestrebt waren. In Metopo 39 i.st von .seinem Kopfe der obere Theil, in Metope 44 einigermaßen der ganze Kojif (nhalten. Diesen letzteren wiederholt Fig. 40 nach einer etwas besseren neuen Photographie, die ich Tocilesco danke.')

Vergleicht man nun alles Erhaltene durch, so tritt hier, wie übereinstimmend in Metope 39, die Absicht einer Porträtbildung herau.s. Das Auge ist groß und hochliegend, die .Stirn zwischen den Brauen in scharfe Feilten gelegt, der rechte

Fij;. 40 .\us XIctope 44.

■*) Für Metope 27 berichtige ich ein in unserer Hnkerhand, der Kaiser. Er hat die höhere Statur und

Puhlication untergelaufenes Versehen. Hier ist die das größere .Sehwert. Er, nicht die andere Figur,

Figur rechts mit dem zerstörten Kopf, nicht diejenige liält den Feldherrnslal).

J;dlri'shoftc tU'S östcrr. arrhaol. Institutes Hil. I. jy

I30

Mundwinkel verzogen, das Ohr relativ sorgfältiger behandelt, das Stirnhaar in Büschelpartien endend, was lediglich an diesen beiden Kaiserköpfen vorkommt, während es sonst in schematischen Parallelsträhnen geradlinig ausläuft. Auch hat das Haar über der Stirn hohes Relief, während es am Hinterkopf schwach ist und gegen die Gewohnheit doi-t, wie ich mir eigens skizzierte, von rückwärts schräg nach dem Ohre hin in die Höhe gekämmt ist. Dieser an falsches Haar erinnernde Unterschied kehrt an der capitolinischen Trajansbü.ste (Bernouilli 11 2 Tafel XXIV b) auffallend ähnlich wieder, und andere Trajansköpfe, so besonders deutlich das Wiener Exemplar, zeigen vor den Ohren kleine, aus der Haarmasse auf die Backen vortretende Vierecke, in denen Perückenschließen erkannt worden sind. Wie ein künstlerisches Porträt des Trajan au.ssieht, ist kein Geheimnis, über das man Belehrungen entgegenzunehmen hätte, am wenigsten durch die von Furtwängler beliebten bildlichen Zusammenstellungen, über die ich mich nur in Schärfe äußern könnte. Neben der geschilderten Haartracht gibt aber die Form der niedrigen breiten Stirn mit ihren Falten und der verzogene rechte Mund- winkel Erinnerungen an die Natur, die zwar i'echt hilflos und bescheiden sind, wie ich nie verkannte, aber im Punkte der Treue nicht hinter sehr vielen Trajansköpfen in den von Kün.stlerhänden gearbeiteten Reliefs der Trajanssäule zurückstehen. Köpfen, die in den Verhältnissen und Einzelformen untereinander so bedeutend variieren, dass, wenn man sie aus ihrer Umgebung herausschnitte, in flüchtiger Betrachtung gar manche eher schwieriger zu erkennen wären wie in Adamklissi. Ich habe früher mitgetheilt, dass mir diese Ähnlichkeit der Kaiser- köpfe auffiel, bevor ich in die Untersuchung des Monumentes eintrat, nicht in Befangenheit .später, wie Furtwängler allein glaubhaft findet, und dass sie es war, die mich an der vorgefassten Meinung, dass das Monument einer späteren Zeit angehöre, zuerst irre werden ließ. Jetzt hat der einzige, der die Originale nach uns eingehender untersuchte und mit den Porträtbildungen Trajans in langjähriger Beschäftigung mit den Reliefs der Trajanssäule wohlvertraut ist, Conrad Cicho- rius, den Sachverhalt gewissenhafter Weise bestätigt, obschon ,nur widerwillig', wie er selbst bekennt, da er seiner sonstigen Auffassung durchaus entgegen war.^) Wollte Furtwängler von seiner ursprünglichen These einen Theil noch retten,

^ C. Cichorius, die Reliefs des Denkmals von nischen Baubefunde, der in Untersuchungen von rein

Adamklissi, „Philologisch-historische Beiträge, Curt gelehrter Natur vorsichtig beachtet, nicht ignoriert

Wachsmuth überreicht" S. 16 des Sonderabdruckes und übergangen werden sollte. Die Begründungen

fasst die Metopenreihc als einen Nachtrag auf, den von Cichorius hat Furtwängler meist treffend zurück-

das trajanische Monument in der Zeit Constantins gewiesen, die "Weise seines Vorgehens kann ich

erhalten habe. Dies ist unmöglich nach dem tech- freilich auch hier nicht billigen.

'3'

so war OS begreiflich, dass or gogen die eben besprochenen (hi'i Momente: Stadtname Tropaeum Trajani, Trajansmünze von Tomis mit dem liilde von Adamklissi, \'ersuch einer Darstellung Trajans in den Metopen , einen neuen Sturmlauf nahm. I'iieten dies(> .Momente doch, elie wir nicht über eine viel ge- nauere Kenntnis von der Entwickelung der Ikiuformi-n und ihrer Ornamente und von der h'ntwit'kelung des militärischen Ausstattungswesens in der Kaiserzeit verfügen, neben und nach der Hauptsache, der großen Trajansinschrift, die zu- nächst entscheidend(*n, weil vorderhand allein fassbaren Anhaltspunkte, um die Kntstehungszeit des Monuments zu bestimmen. Sie zu negieren war vergeblich, und noch vergeblicher sind die Argumente, mit denen Furtwängler seine Vermuthung positiv zu begründen glaubt. Im ersten Zugreifen zerrinnen sie unter den Händen.

Nach dem ausführlichen Bericht des Dio LI 23 if. unternimmt M. Licinius Crassus im Jahre 29 v. Chr. als Proconsul von ^Makedonien und Legat Octavians einen Kriegszug gegen die Dakor und Bastarner. ^'eranlas.st i.st der Krieg durch die letzteren, welche die Donau und den Balkan überschreiten und über das heutige Sofia südwärts in das der Provinz Makedonien benachbarte Gebiet der thrakischen Dentheleten einfallen, wo sie den Römern gefährlich werden. Crassus rückt gegen sie vor, und da sie sich kampflos über den Balkan wieder zurück- ziehen, bekriegt er zunächst die Myser, augenscheinlich in dem heutigen Serbien, und stöf3t dann auf sie selbst beim Kebrosflusse (Cibrica, östlich von Widin), wo sie in der Nähe der Donau sich zuwartend aufgestellt haben. Hier kommt es zu einer entscheidenden Schlacht. Crassus lässt das Heer in einem Walde nächtigen und einzelne Posten im Freien aufstellen. Die Bastarner werfen sich auf diese \'orhut, verfolgen sie in den Wald und werden von der vorbrechenden Übermacht hier wie auf der Flucht zu ihren rückwärts aufge.stellten Wagen, wo sie Weiber und Kinder haben, bewältigt. „Ihren König Deldon tödtete Crassus mit eigener Hand und würde dessen Rüstung als Spolia Opima dem Jupiter Feretrius geweiht haben, wenn er Oberfeldherr (d. h. als Legat, nicht Mandatar des Octavian) gewesen wäre." Überlebende kommen um in der Donau, in einem Walde tlurch Brandlegung, umzingelt in einer Schanze oder verstreut im Lande; der Rest besetzt eine Veste, die Cra.ssus mit Hilfe des Getenkönigs Roles erobert. Dieser wird Bundesgenosse der Römer, und Crassus zieht durch Thrakien, von Winterkälte und dem feindlichen Verhalten der Bevölkerung leidend, wieder nach Makedonien zurück. Mit Octavian erhält er die Ehren des Triumphes, Octavian allein den Imperatortitel.

Im folgenden Jahre stehen die Bastarner nochmals an der Grenze Makedoniens

im Gebiete der Dentheleten. Crassus überfällt sie, besiegt sie zum zweitenmale und dictiert ihnen nun den Frieden. Von da an ist in dem Berichte Dios von den Bastarnern nicht mehr die Rede. Crassus wendet sich vielmehr zur Rache gegen die Thraker, unterwirft die Älaider und Serder, verheert das Gebiet anderer thrakischer Stämme mit Ausnahme des östlichen der Odrysen, denen er die Thallandschaft von Philippopel zutheilt, und steht dem befreundeten Getenkönige Roles im Norden gegen einen anderen Getenkönig Dapyx erfolgreich bei. Er erobert die feste Burg des Dapyx und überwältigt das Volk, das sich mit seinen Herden und sonstigen Schätzen in die geräumige Höhle Keiris geflüchtet hatte, durch Zumauerung der Eingänge. Dann wendet er sich östlich auch gegen andere, der Herrschaft des Roles nicht unterstehende Getenstämme und erscheint an der Donau vor Genukla, der sehr starken Veste des Königs Zj-raxes, in der sich die römi.schen Feldzeichen befinden sollten, welche C. Antonius im Jahre 6i v. Chr. bei Istropolis an Geten und Bastarner verloren hatte. Er bestürmt Genukla zu Land und Wasser und erobert es nur mit großer Anstrengung, obwohl der König Zyraxes selbst sich an der Abwehr nicht betheiligte, sondern mit seinen Schätzen {[xEiot. Tcöv ypmixtov) in das Land der Skythen zurückgezogen hatte. Eine Bekriegung der Artakier im Haemus beendet diese glücklichen Feldzüge, welche die Interessen- sphäre des römischen Reiches bis an den Lauf der Donau erweiterten.

Diesen Berichten des Dio entnimmt nun Furtwängler einen topographischen Beweis für die Errichtung des Tropaeum durch Crassus in Adamklissi. „Genukla," sagt er in den ,Intermezzi' S. 63, „lag an der Donau, ohne Zweifel nicht weit von Istropolis, also auch ganz in der Gegend von Adamklissi." Und weiter: das „Denkmal errichtete er am Endpunkte des Feldzuges .... gerade da, wo ein früherer römischer Feldherr [C. Antonius] sich schmählich hatte schlagen und die Feldzeichen rauben lassen". Diese ausgehobenen Worte an sich machen eine Widerlegung entbehrlich. Istropolis, wo C. Antonius sich schlagen ließ, liegt im Mündungsgebiete der Donau an der Küste des schwarzen Meeres, in Luftlinie zwanzig Stunden weit entfernt von Adamklissi. Also es ist nichts als das Be- dürfnis einer reinen Hypothese, welches diese zwanzig Stunden von einander entfernten Orte in einem zuversichtlichen ,gerade da' zusammenzieht. Dass die Veste Genukla ,nicht weit von Istropolis' lag, ist selbst indirect nirgends über- liefert, Genukla sonst vollkommen unbekannt. Dio bezeichnet es als 10 eüspxii- xaiov iffi Z'jpa^ou äpyfj; T£tx^; und der Schilderung, die er von seiner schwierigen Eroberung gibt, entspricht kein Platz des Stromufers in dem flachen Tafellande der oberen Dobrutlscha. Zu suchen ist es nordwärts in di-r unteren I )ol)rudscha.

133

\\(i iliT I'"liiss i'iii (icbir;^''!' umströmt und \'(>ii den F'estunyen Matschin und Isiiktsclii l)cli<Trsilit wild, die beinahe um das Doppelte noch weiter von Adamklissi entlegen sind. Wie der l'>eweis für dic> Ortlichkeit ist dann auch das Motiv der von Antonius xcrlorentMi Keld/eichen aus der Luft gegriffen. ])io sagt uielil, dass sie in (ienukla wirklicii vorhanden waren, nur dass Crassus davon hörte, sie sollten dort \-oi'haudeu sein, und i\,\. I )io weitei-hin \on iliniMi schweigt und nicht berichten kann, was er als römischer Historiker und Senator zur Tilgung einer erlittenen Schmach pflichtmäßig berichten müsste, dass ('rassus sie wirklich zurückerbeutctc, so folgt nothwendig, tlass entweder die Nacliricht über den Ort ihrer Aufbewahrung falsch war, oder dass Zyraxes sie sammt seinen sonstigen Schätzen \-on (ienukla mit in das Sk\-thenland genommen hatte. In dem einen wie in dem anderen Falle haben sie schlechthin nichts mit Adamklissi zu .schaffen. Ab(!r die Metopenreliefs sollen die deutlichste; Darstellung der großen Bastarnerschlacht des Crassus enthalten. Dann würde das Tropaeum wohl vier- hundert Kilometer weiter westlich an dem Cibricaflusse stehen. Und wie kläglicli sind die Deutungsversuche, die dies bewei.sen sollen. Dreißig Metopen bieten Kamjifbilder, alle ohne jede scenische Bezeichnung, mu" auf zweien kommen Bäume vor. Trotzdem soll es keine , vollständigere Illustration' zu der Wald- schlacht an der Cibrica geben. Als ob es nirgends sonst Bäume in der Welt gäbe. Nach Dio sind es die Barbaren, die in den Wald eindringen, das Umge- kehrte schildert Metope 31, wo es ein Römer ist, der gegen den auf einen Baum geflüchteten Barbaren vorrückt. In Metope 32 steht der bepanzerte, heim- und schildlose Kaiser mit zwei Praetorianern auf einer Bodenanhöhe zwisch(>n zwei P)äumen und legt die rechte Hand an den Stamm des einen, in augenscheinlich zuwartender oder beobachtender Haltung, wie wir sagten und unser (iegner selber richtig findet; dann sollte man aber meinen, dass die anderen Kampfscenen, wenn sie wirklich eine geschlossene Reihe bildeten und nicht in zwei oder mehrere gesonderte Gruppen zu vertheilen sind, was unsicher, aber weit wahrscheinlicher ist, eine im offenen Felde sich abspielende Schlacht schildern, die der Kaiser von seinem gedeckten Standorte aus leitet: demnach wieder das gerade Gegentheil von dem Berichte Dios. Metope 54 zeigt den mit Panzer und Lanze bewaffneten, und wieder heim- und schildlo.sen Kaiser nach rechts über einen Barbaren hinwegsprengend, der zwischen den Vorderbeinen des Pferdes zusammenbrechend scheinbar in der Luft schwebt; die Hinterbeine des Pferdes stehen auf einer oblongen Basis. Ungeschickt genug, aber vollkommen deutlich wollte der Ver- ertiger des Reliefs den bekannten, statuarisch oft wiederluilten Typus des

134

Kaisers wiedergeben, der über einen am Boden liegenden Barbaren als Sieger hinwegreitet. Dem Berichte Dios zu Liebe wird daraus ein römischer Oberst, der einen Bastarner in die Donau sprengt, also selber mit in die Flut versinkt: räthselhaft dabei freilich, was die oblonge Basis unter dem Pferde bedeutet; etwa einen von Barbaren errichteten Ouaibau am Donauufer? Und wo bleibt die Hauptsache der Schlacht, dass Crassus mit eigener Hand den König Deldon tödtet? Dann soll auch wieder anderes, mit diesem Ereignis nicht Zusammen- hängendes in den Bildercyklus eingemischt sein, wenn man nur erführe, woran dies zu erkennen sei. Metope 8 gibt eine nach rechts bewegte Schafherde, wie auf der Trajanssäule Herden dem Abzüge der Dacier folgen; keine Spur einer scenischen Andeutung. Furtwängler aber denkt sich ohneweiters Menschen hinzu und entdeckt im leeren Felde die Höhle Keiris, „in der eingeschlossen die Geten mit ihrem Vieh umkamen". Doch ich breche ab. Ich mag nicht aussprechen, wie ich es für den Stand unserer Studien empfinde, dass von einem so begabten und verdienten Archäologen derartig tolle Interpretationen überhaupt in Dis- cussion stehen.

In gleicher Weise missbraucht werden weiter die Waffendarstellungen, über die Petersen so erschöpfend alles Erforderliche gesagt hat, dass ich nur eine Bemerkung allgemeinerer Art hinzuzufügen habe. Wenn die Form der nämlichen Rüstungsstücke in den nämlichen Bildwerken den einen Fachmann auf die Zeit des Augustus, den anderen auf die Zeit des Constantin schließen lässt, also eine Divergenz der Meinungen von nicht weniger als drei Jahrhunderten hervorruft, so kann es für Unbefangene wohl kein schlagenderes Einbekenntnis geben, wie gering noch unser Wissen über diese Dinge entwickelt ist. Was sich für eine besonnene Forschung hieraus als methodisches Gebot von selbst ergibt, brauche ich nicht erst zu begründen. Überall und jederzeit hat man vom Sicheren für das Unsichere gelernt, nicht umgekehrt.

Das Wichtigste von allem ist aber, dass die durch Crassus im Donaugebiete erreichte politische Lage die Möglichkeit eines grofSen Römerbaues in der Dobrudscha ausschließt. Nach dem ersten Feldzuge (29 v. Chr.), der in der Mitte der Balkanhalbinsel gegen die Bastarner gerichtet war, desgleichen nach dem zweiten, der ihn ins östliche Getenland bis nach der Dobrudscha führte, kehrt Crassus (wie das einemal ausdrücklich, das anderemal indirect überliefert ist) kämpfend in seine Provinz Makedonien zurück. Er ist immer siegreich gewesen, hat einzelne Stämme für den Augenblick unterworfen, Bündnisse mit dem Geten- könige Roles und den ( )drysen geschlossen, durch das (rlück seiner überlegenen

'35

Wiitlrii alU'iitluilbcii l'iirrlit imd Scliri'rki'ii \-eii)n'itet und di«? Maclils])liäro des römisclKMi Roichcs mit dicsni l'.ii'olgcii tliatsächlicli zum erstenmale bis an den Laut diT Donau ausniMlchnt , aber festen Landbesitz nirj^'cnds erzii'li. Später noch nuiss er sich ^craunic Zeit hindurcli, wie l)io 1.1 27, i weiter erzählt, mit Myseni und anderen XTilkerscliat'ten lierumschlagen, „die sich weder unterworfen hatten noch in ein l*'reundscliaftsverhähnis eintreten wollten und den höchsten Werth nicht nur aul die eigene Freiheit legten, sondern andere Stämme zu Übermuth und .\l>lall aufreizten." Das gewaltige Hebrusbecken, welches Make- doniiMi von den jenseits des Balkans hausenden \'(")lkerschaftc>n abschied, blieb noch auf Deci^mien hinaus ein gefährlicher Herd der Revolution und ist erst dritthalb .Menschenalter später mit dcv Begründung der Provinz Thracia unter Kaiser Claudius zu geordneteren Zuständen gekommen. Erst im Jahre 11 v. Chr. kam im .Xorden Makedoniens ein römischer District mit einem Legion.s- conmiando, das zunächst im Centrum der lialkanhalbinsel, in der J3ardania, unter Tiberius dann an der Donau lag, als Anfang einer Provinz Moesia zustande, die ein Menschenalter später dem Donauufer entlang sich gegen Osten ausdehnte. \'orher waren diese Gebiete einheimischen Künsten zu Lehen gegeben. Nur die Griechen- städte an der Küste des schwarzen Meeres standen,- aber unter Augustus auch nur nominell, unter römischer Oberhoheit.'"')

Wie es aber jenseits der Stadtmauern dieser griechischen Küstenorte land- einwärts aussah, wissen wir aus den beredten Schilderungen des im Jahre g n. Chr. nach Tomis verbannten Ovid. Wer einmal im Zusammenhange aufmerksam dem Tenor seiner traurigen Ergüsse gefolgt ist, wird zwar manches gern als dichteri.sche Übertreibung in Abzug bringen, erhält aber ein deutliches eindrück- liches Rild von der im Lande herrschenden Anarchie. Barbareneinfall auf Bar- bareneinfall, und kein römi.sches Militär zur Stelle; Tomis .selbst mehr als einmal bedroht ; nur ein einzigesmal kommt Hilfe herbei, aber bezeichnenderweise als eine Expedition \dn der oberiMi Donau herab auf Schiffen (ex Ponto IV 27 ff.). „Eigene Legionen hatte Rom für diese fernen Landschaften nicht übrig", -sagt Mommsen R. G. \' 14 in dem Bilde, das er von den politischen Folgen der Feld- züge des Crassus entwirft, und damit ist alles gesagt. In einem Lande, wo man seines Lebens nicht sicher ist, errichtet man keine Prachtbauten, die wie die Moles von Adamklissi auch bei einem Massenaufgebot von Händen Jahre für die Voll- endung fordern. Durchaus undenkbar wäre dies in d(>r ilamaligen Dobrud.scha ohne

'^) Eine ausfülirlicliu Darlofjunt; iil)cr die [•".lU- llcflc dieser Zcitsclirift eine mir im Manuscript sleliuny der mösisclicii l'rovinz will im nächsten l)cU;innte Aliliandlung A. von Prenicrstcins geben.

136

eine starke Militärbedeckung", und Crassus hätte eine solche Truppe bei seinem Rückzug nach dem himmelweit entfernten Makedonien nicht zurücklassen können, ohne sie einem sicheren Verderben preiszugeben. Damit stimmt auch Ovid. Nicht als ein Argument, aber als eine Bestätigung sei es nebenher bemerkt, dass er das von Tomis nur eine Tagereise weit abliegende Monument nicht kennt. Wie klagt der Arme über die Monotonie seiner Klagen, wie hascht er nach jedem Zuge, sie dichterisch zu beleben! Stand das gewaltige Römerdenkmal wirklich wie ein Fels in der brandenden Völkerflut, die er schildert, welches große Motiv hätte er sich an ihm entgehen lassen?

So viel ich zu erkennen vermag, bezeichnen die Studien Furtwänglers über Adamklissi nur an zwei Punkten einen Fortschritt. Dem einen der drei ver- schiedenen Barbarenstämme, den Petersen nach der Haartracht als möglicherweise germanisch erkannte, hat Furtwängler den Namen Bastarner gegeben, was zwar weder bewiesen noch beweisbar ist, aber ein auf die Lage der Dinge an der unteren Donau passender plausibler Name wäre. Und weiter hat er von meiner scharfen und von ihm wörtlich übernommenen Formulierung des LIbelstandes, der mit der Niemannischen Recon.struction der Tropaeuminschrift verbunden war, sich anregen lassen, mit dem Architekten Bühlmann eine andere Lösung dieser schwierigen Frage zu ersinnen. In beiden Hinsichten ließ er sich freilich zu den unmöglichsten Folgerungen hinreißen, aber die architektonische Skizze, mag sie auch in dieser Form nicht das Richtige treffen und einem technischen Detail- protalem gelten, das zu der historischen Frage ganz außer Beziehung steht, be- grüße ich als eine nützliche Anregung. Niemann selbst wird sich dazu äußern, und wenn er auch jetzt mit einem negativen Ergebnis schließt, so bleibt doch zu hoffen, dass die von Tocilesco mit so rühmlichem Eifer betriebenen Aus- grabungen in der Römerstadt Adamklissi uns noch um weiteres Reconstructions- material bereichern werden.^)

Leider muss ich mit einer nicht zur Sache gehörigen Bemerkung schließen. In der ersten Besprechung unserer Publication hatte Furtwängler meinen beiden

") Noch will ich einen interessanten Beitrag Aug. 2g; Dio LV lo), die hier in Frage stehenden

Eugen Bormanns mittheilen. „Die nach F. im Baue Rechte des Juppiter Capitolinus auf Mars ultor

verbliebene StiftungsurUunde des Crassus müsste übertragen wurden. Die Erbauung einer Kapelle

gleichfalls dem Mars ultor gewidmet gewesen sein. des Mars ultor auf dem Capitol im J. 20 v. Chr.

Allein dies erscheint sacralrechtlich nicht möglich, steht dem nicht entgegen. Dagegen wurde das erste

da erst mit Einweihung des Tempels dieses Gottes auf Tropaeum, von dem wir nach dieser Änderung wissen

dem Forum des Augustus im J. 2 v. Chr., wie aus- (Tacitus, ann. II 22), außer dem Jup]iiter aucli dem

drücklich und zuverlässig überliefert ist (Sueton Mars geweiht, und diesem an erster .Stelle.

1.37

Arbeitsgenosson Worte ilcr Aiicrkciiiumj^-, mir selbst eine übermütliiye Kritik gewidmet (Jntermezzi' S. 56 ff.). Ich Iiab(; sie ignoriert ihren Inhalt zog er seither stillschweigend zurück und licrühre sie auch jetzt nur deshalb, weil da\on Licht auf sein weiteres \'erhaUen fiillt. In diT zweiten Besprechung näm- lich, an einem akademischen Orte, der von polemischen Ergüs.sen sonst .strenge Schlackenreinheit fordert, zog er vor, statt einer Anerkenntnis seines Irrthumes, die er zunächst sich selber schuldete, mir die Genugthuung eines persönlichen Angriffes zu bieten (S. 266 ff.). Durch meine energische Abwehr seines Einfalles ernstlich getroffen und gereizt, wie ich sehr begreiflich finde, linderte er sich die .Situation durch den tröstlichen (iedanken, ilass ich seine gegenwärtigen \'erdi(Miste um Adamklissi mir gewiss noch einmal eben so .still aneignen werde, wie es mit früheren in der Publication von Gjölbaschi geschehen sei. Das Belei- digende dieser Prophezeiung verpufft aber jetzt in der komischen Wirkung, die sie für jeden Leser dieser Zeilen erhält, und in der milderen Stimmung, die ein solcher Humor erzeugt, will ich aucli die andere Unterstellung vorderhand nur als eine starke Selbsttäu.schung zurückweisen. Was ich an wie immer beschaffenen Ergeb- nissen und Überzeugungen in der Publication von Gjölbaschi vortrug, habe ich in langjährigen Anstrengungen, mit denen ich pflichtgemäß von allen Seiten zu lernen bemüht war, mir zu vollem Eigenthum erworben, und ist in meinen voraufliegenden Veröffentlichungen als solches für jedermann schrittweise verfolgbar; auch habe ich weder da noch sonst wissentlich irgendwem eine Anerkennung versagt, auf die er vollen Anspruch haben konnte. Wohl aber könnte Furtwänglor in dem ganzen objectiven Inhalte dieser Darlegungen, wenn er überhaupt noch sehen will, ein sehr scharfes Spiegelbild seiner eigenen Gewissenhaftigkeit erblicken.

Xoch einmal habe ich hiernach ernsthaft auf die Sache eingehen wollen, Nicht ohne fortgesetzte Selbstüberwindung, wie ich bekenne, da ja kaum ein anderer Nutzen davon ersichtlich i.st, als dass die wissenschaftliche Arbeitsweise, in welcher Furtwängler neuerdings sich selbst wie andere berau.scht, nach ihrer Beschaffenheit deutlicher erkannt werde. Die Pflicht, welche mir die in Adamklissi übernommene Aufgabe zuwies, sehe ich aber mit dieser meinerseits letzten Äußerung nunmehr erfüllt. Der historische Stoff, den wir fassen und darbieten durften, verlangt neu einsetzende Förderung von mehr als einer Seite. Auch dem Talent Furt- wänglers bietet er Spielraum, sich fruchtbarer als bisher an ihm zu bethätigen.

OTTO BI^NNDORF.

Jahresbeftc des üstcrr. archliul. Institutes HJ. I. iS

138

Fig. 41 Sechseckpteiler von einem Friedliofe bei Adamklissi.

Zur Basis des Tropaeums von Adamklissi.

Professor Bühlmann hat sich der dankenswerten Mühe unterzogen, eine neue Reconstruction des Aufsatzes auf dem Monumente von Adamklissi zu entwerfen, in welcher er meinen Entwurf durch eine Schrifttafel an einer Seite des Sechsecks ergänzt. Diese Ergänzung des sechsseitigen Aufbaues, welche Bühlmann als das Ergebnis einer späteren Veränderung des ursjn-ünglichen Bauzustandes betrachtet wissen will, ist sinnreich erdacht, aber hinfällig, weil für die vorausgesetzte Ver- änderung in technischer Hinsicht gar keine Anhaltspunkte vorhanden sind. Zudem lassen sich die Formen der Werkstücke, welche Bühlmann benützt, dem (irundgedanken seines Entwurfes nicht anpassen.

Bühlmann benützt die Steine mit angearbeiteten Bogenstücken, welche in unserer Publication auf Seite 3g abgebildet sind, als Unterstufe des Waffenfrieses. (Fig. 42 a) Sie dürfen aber in dieser Weise nicht verwendet werden, weil sie erstens in der Höhe um o-04"' von einander abwiMchiMi. und weil zweitens die etwa

"39

1-5"' botragende Si)ann\veitc der ergänzten Segmentbogen in gar keiner Beziehung steht zu der etwa 3'" betragenden Zwischen weite der lickpilaster.

Diese vorausgesetzte Stufe hat nur Sinn als „Überschneidungsglied", wurde \iin unten fast gar nicht gesehen unil brauclite deshalb auch nicht geschmückt zu werden.

Die Hauptstütze des Entwurfes Bühlmanns ist aber der Eckpfeiler (Fig. 42 &), dessen in unserer Publication Seite 40 mit folgenden Worten Erwähnung geschieht: „Dieser Pfeiler wurde nicht beim Monumente gefunden, hat eine größere Höhe als jene (d. h. die beim Rundbau selb.st gefundenen Pfeiler), nämlich 2-14 '", eine andere Basis und, nach der Messung Herrn Dr. Dregers, einen Kantenwinkel \iin 1 14"." ^'gl. Fig. 41.

Diese Beschreibung bedarf der Ergänzung und Wrbesserung. Ich habe den fraglichen Pfeiler nicht gesehen, da derselbe lange nach Abseid uss unserer Unter- suchungen auf einem Friedhofe gefunden wurde ; aber durch die Gefälligkeit des vor kurzem vorübergehend in der Dobrudscha weilenden Architekten Otto Richter bin ich nun in der Lage, eine genaue Auf- nahme des Pfeilers hier mitzutheilen. Der Pfeiler ist unten abgebrochen, daher seine ursprüngliche Höhe unbekannt ; die jetzige Höhe beträgt 2-34'", der Kantenwinkel misst 113 114", die beiden Ansichtsflächen sind verschieden behandelt : links ist der ange- arbeitete Pilaster 0^345 '" breit und zeigt fünf Canelluren, welche längs des ganzen Werkstückes bis zum Bruche hinunter- laufen; das Capital besteht aus drei Akan- thusblättern. Die rechte Ansichtsfläche zeigt in ihrem oberen Theile den gleichen Pila- ster und dasselbe Capital, aber die fünf Canelluren laufen nicht soweit hinunter wie auf der linken Seite; vielmehr ist der untere Theil des Werkstückes in seiner ganzen Breite von o'5 1 '" jds ein für sich

bestehender Pilaster behandelt, auf dessen Fi;;. 42 Ergiinzungsversuch Bühlmanns.

18*

140

Capital unvermittelt der obere Pilaster daraufsteht. Neben dem oberen schmalen Pilaster bleibt Raum für den Ansatz des Ornamentes, dessen Fortsetzung auf einem anstoßenden Werkstücke anzunehmen ist. Vgl. Fig. 43.

Der untere Pilaster war offenbar noch breiter als o'5 1 '" und griff auf das anstoßende Werkstück über; da nämlich die Mitte des zweiten Akanthusblattes von der stumpfen Kante 0-28'" entfernt ist, so dürfte die Breite 0-50'" betragen haben. Der ganze Pfeiler muss eine Höhe von mindestens vier Metern gehabt haben, wobei ich annehme, dass die Höhe des unteren Pilasters etwas mehr als das Vierfache seiner Breite betrug.

Die Bearbeitung der oberen horizontalen Lagerfläche mit ihren zwei breiten Klammerlöchern beweist, dass beiderseits Werkstücke an den Pfeiler anschlössen. Die verschiedene Behandlung der beiden Ansichtsflächen unseres Pfeilers weüst aber mit Bestimmtheit darauf, dass auch die anstoßenden Flächen verschieden

waren. Wahrscheinlich befand sich rechts ein Bogen, welchem das Zwischencapitäl als Kämpfer diente, während das Orna- ment den Bogenzwickel füllte. Dagegen dürfte die linke Seite eine ununterbro- chene Fläche geboten haben, entsprechend dem ungetheilten Pilaster.

Ich habe in der OBERFLACHf nachstehenden Skizze

(Fig. 44) den Versuch gemacht, den be- schriebenen Pfeiler am Aufsatze des Rundbaues zu ver- wenden.

Eine Combination der beim Monumente selbst gefundenen

Sechseckpfeiler und des dazu passenden verkröpften Gesims- -stückes mit diesem

Fig. 43 Aulnahme des .Sechseckpfeilers (Fig. 41). neuen Pfeiler kann

"Ij

Li

QVERSCHNITT

C (MTIMeTEf\

141

ich mir nur in drr Weise denken, dass man (!f>n niederen in seiner Zu- sammensi'tzuny bereits nachgewiesenen sechsseitigen Tropaeum-Unterbau auf einen zweiten aus der i'orm des neugefundenen Pfeilers abgeleiteten höheren Unterbau einfach aufsetzt. Das ganze Sechseck würde dann eine Höhe von mehr als neun MeiiTu erhalten; nämlich 47 '" für die obere Ordnung sammt Waffenfries und niindest(ms fünf .Meter für die Luitcre Ordnung nebst einge- schaltetem l'ul,i- und Deck-Gesimse.

Ob man diese Combinaticm und das daraus sich ergebende Höhenverhältnis annehmen will, ist zunächst eine Frage des künstlerischen Empfindens. Beweise gibt es weder dafür noch dawider. Augenfällig ist die verminderte Wirkung des Tropaeums gegenüber dem thurmartigen Unterbau, (iegen die Zugehörigkeit des neugefundenen Pfeilers spricht das mangelnde (ileichgewicht iler Pilaster- breiten, nämlich 0-43'" bei den altcMi Pfeilern, o-^^"\ resp. 0-56'" bei dem neuen; ferner die verschiedene Bildung der Capitäle. \'or allem bemerkenswert aber ist es, dass auch durch diese gewagte Combination jene beiden Fragen, welche Anlass gaben, die Endgiltigkeit der von mir publicierten Reconstruction anzuzweifeln, keine Lösung finden, nämlich die Frage der Inschrifttafel und die l'Vage der Verwendung jener .Steine mit angearbeiteten Bogen.stücken, welche Bühlmann als Zwischenstufe verwendet.

Es liegt nahe, die sich ergebende ungetheilte Fläche des unteren Stock- werkes für die Bauinschrift in Anspruch zu nehmen und eben diese Bau- inschrift als einen Beweis für die Zugehörigkeit des Eckpfeilers zum Rundbau zu betrachten.

Ebenso nahe liegt der (iedanke, dass jene Bogenstücke Theile der Rund- bogen bildeten, deren Vorhandensein mit einiger Sicherheit aus den Formen des Eckpfeilers geschlossen werden kann.

Aber die vorhandenen Stücke der Inschrifttafel können nicht mit diesem Eckpfeiler verbunden gewesen .sein, weil sie an ihrer oberen Lagerfläche .schmale Klammerlöcher aufweisen, der Eckpfeiler aber breite, schwalben- schwanzförmige. Ebenso können jene .Steine mit den Bogenstücken nicht den ihnen scheinbar gehörigen Platz zwischen den Pilastern des unteren Stockwerkes eingenommen haben, weil der Radius dieser Bogensegmente nur etwa I '" beträgt, während die Pilasterzwischenweite, welche der Bogen über- spannen musste, etwa 3 '" mis.st.

Gehörte der Eckpfeiler nicht zum Rundbau, so bedingt der 1-und di(> An- nahme eines zweiten sechsseitigen .Mimunientes in der Nähe von .\damklissi.

142

Mir scheint es wohl verständlich, dass die Formen des die Gegend beherr- schenden Denkmals Nachahmung fanden. Die Frage, ob ein zweites sechsseitiges Monument existierte, bleibt offen, solange nicht erneuerte Grabungen in der vStadt Tropaeum dieselbe entscheiden.

GEORGE NIEMANN.

Fig. 44 Ergänzungsversuch mit Verwendung des neugefundenen Eckpfeilers.

143

Oinochoe aus Erctria.

•lafcl IV.

Das auf l'aifl 1 \' von \(irnc, Fig. 45 \(in der Seite abgebildete (iefälJ aus der an den schönsten Erzeugnissen attischer Keramik so ergiebigen Nekropole von Eretria') fesselt im glei- chen Maße durch seine guten wie schlechten Eigenheiten die Aufmerksamkeit des Be- schauers. Ks hat die Form der Oinochoe, aber in jener Abart, bei welcher der Schwer- punkt des Gefäßes in der Höhe .seiner Schultern liegt, und die sich zu der anderen, bei der er nahe dem Fuße liegt, genau so verhält, wie die gewöhn- lich als nolanisch bezeichnete Amphora zur sogenannten Pelike. Da der vordere Theil der Wand unseresWeinkruges als ein mit Trauben und Blät- tern bekränzter Frauenkopf gebildet ist, so stellt er sich in die an Typen untl Indivi- duen reiche Classe der Kopf- und Gesichtsvasen ein.

Uralt ist der .Stamm- baum dieser Gefäße, die ihren Ursprung in den primitixen Groteskformen nehmen, wie sie jedes nur einigermaßen be- gabte Naturvolk im Spiele mit der bildsamen Materie an seinen lür den laglichen

') Erworben im Dcccmber 1897 für das kunsthistorischc Hofmuseuni, wo es in der Antiken- saramlung Saal VIII Schrank 9 aufgestellt ist.

Jabresbcftc des ü:itcrr. arckiüil. Institutrs HJ. I. ]q

l''S!' 45 Seitenansicht der Oinochoe.

144

Gebrauch bestimmten irdenen Töpfen zu erzeugen liebt. In den Zeiten der höchsten Vervollkommnung hellenischer Kunst waren es zwei trotz des gleichen Stoffes, den sie verarbeiteten, in ihrem Betriebe nicht durchaus identische Handwerke, die wie um die Wette dergleichen als menschliche und thierische Figuren gestaltete Vasen in verschiedener (xröße auf den Markt brachten, vielfach auch zu gemeinsamem Schaffen sich hiebei vereinigt zu haben scheinen. Die Hohlformen für die organi- schen Gebilde, die der Töpfer an seinen Gefäßen verwandte, erhielt er von dem Koroplasten gleichsam im Tausch gegen die Mundstücke und Henkel, die dieser für seine zu Ol- und .Salbfläschchen umgestalteten Figürchen bedurfte, welch letztere wiederum der Vasenmaler, falls sich Raum dafür bot, mit seinen Eierstab- und Rankenornamenten versah. Eine weitgehende Theilung der Arbeit in den keramischen Werkstätten der Alten ist vorauszusetzen und durch ihre bildlichen Darstellungen auf den Vasen selbst auch bezeugt, (ileichwohl möchte man geneigt sein, diese Groteskbildungen in die beiden natürlichen Gattungen zu sondern, und der Versuch, hier zu unterscheiden, dürfte schwerlich in vielen Fällen missglücken.-) Denn wfenn der Koroplaste den Hohlraum seiner Statuette zum Behälter machte und ihn alsdann mit einer Mündung und allenfalls mit einer Handhabe ausstattete, so geschah dies mehr zu gefälligem Scherze als zu wirk- licher Nutzung, während der Töpfer bei allem spielenden Umformen und Aus- gestalten des Topfes und seiner Theile nicht dessen Eignung zum Gebrauche außer- acht lassen mochte. So verhüllen und verleugnen seine Erzeugnisse nicht ihren Zweck, und im Gegensatze zu jenen des Koroplasten walten über sie die für alle Gefäße geltenden tektonischen Gesetze. Von diesem Gesichtspunkte aus gibt sich die Oinochoe aus Eretria als Werk eines Töpfers zu erkennen und will als solches beurtheilt werden.

Sehen wir von einigen jeder Regel spottenden Bizarrerien ab, so sind es drei oder vier Gattungen von Kopfgefäßen, die seit den letzten Decennien des sechsten Jahrhunderts'') in attischen Töpfereien erzeugt wurden: das Trink- horn in Form verschiedener Thierköpfe, insbesondere von solchen mit spitzer Schnauze, da es seiner Bestimmung nach spitz zulaufen sollte; der zweihenklige Becher mit zwei hermenartig aneinander geschlossenen, nach entgegengesetzten Seiten blickenden Köpfen, zumeist des Silens und einer Nymphe; der einhenklige

^) Vgl. auch M. CoUignons Bemerkungen in den ^) Mittheilungen des deutschen archäologischen

Monuments grecs pul)lies par l'association pour Instituts, römische Al)theilung, Band V l8qo S. 318 f.

l'encouragement des etudes grecques en France vol. (E. Reisch). 11 nos 23—25 1897) S- 60 f. 66 f.

'45

Rechor in der (u-stalt nur eines dieser Köpfe und die vorwiegend als Frauen- oder als iMohrenkojit" modellierte schlanke Kanne mit dreilappigem Ausgusse und hochgeschwungenem Henkel. (Fig 46') Bei diesen vier Gattungen ist der Kopf

nicht schmückende Zuthat, sondern constituierender Haupttheil. Seine Umrisse und I.inien sind die des Gefäßes, das durch ihn und nur mit ihm besteht. Unser \ViMnkrug ordnet sich in keine der genann- ten Kategorien ein, trennt sich vielmehr von ihnen durch seine technische Herstellung. Am nächsten steht er noch den Kannen mit den Frauenköpfen, die aus zwei, aus Modeln gepressten Hälften, der einen mit dem Antlitze und der anderen mit tlem Ilinter- haupte, zusammengefügt wurden. Entgegen diesem Verfahren hat der Töpfer unserer Oinochoe ihren Körper wie bei jedem anderen Gefäße auf der Dreh- scheibe fertig gestellt, bevor er aber den Hals an- fügte, das vordere Stück ihrer Wandung herausge- schnitten, um an dessen Stelle die aus einer Form gewonnene Maske zu setzen. Den Ausschnitt machte er um Fingerbreite kleiner als die Maske i.st, so dass sie noch auf dessen Ränder zu liegen kam und, in weichem Zustande angepresst, beim Brennen sich um so inniger mit dem Gefäße verbinden konnte. Der Thon, in dem sie geformt wurde, ist von anderer Be- schaffenheit als der des Topfes.

Von vorne gesehen fügt sich die Maske vortrefflich in die Vase ein. Ganz im Sinne der Gefäßform verläuft ihr äußerer Contur. lln- Haar scheint über der Stirne wie niedergedrückt und zur Seite gedrängt unter tlem Gewichte des Mund.stückes, hinter dem der nur mäßig ausgebogene Henkel sich gleichsam verbirgt, denn es sollte, ungestört in seinem schön geschwungenen Profile, ähnlich wie an dem in Corneto gefundenen Becher des attischen Töpfers Charinos'') den Anlilick eines auf dem Haupte la.stenden Polos darbieten unil sich so zu har- monischer Einheit mit dem Kopfe zusammenschließen. Besieht man aber den Krug von der Seite, so zeigen sich alsbald Mäng(>l in der Combination von

Fig. 46 Vase der kaiserlichen .Sammlung.

*) Nach einem Gefäße aus der .Sammlung Lamberg ^) Römische MiUheilungen Band V Tafel XI,

im kunsthistorischen Holmuscum Sa.al VII Schrank 6 v^'l. S. 314. n. 422; der untere Theil der Nase ist ergänzt.

146

Maske und Topf. Die Maske folgt hier nicht mehr den natürlichen Umrissen des Gefäßes, die, von Nase und Kinn durchbrochen, von . der Stirne nicht erreicht werden. Geradezu ungefällig schneiden in spitzem Winkel Hals und Unterkiefer in den Körper der Vase auf Kosten ihres Fassungsraumes ein. Man vergleiche das Profil unserer Oinochoe mit den vorhin erwähnten Kannen (Fig. 46), und man wird sofort dieser Fehler inne werden. Sie heben die Illusion einer Metamor- phose der starren Topfform in ein lebendiges Wesen auf, und Topf und ISIaske erscheinen nun wie willkürlich aneinander geflickt, ein Eindruck, der sich, als die letztere ihren frischen Farbenschmuck hatte, nicht unerheblich verstärken musste. Noch sind an ihr Spuren der weißen Untermalung, wie sie an Terracotten gebräuchlich war, sowie Reste hellblauer Farbe am Augenstern, schwarzer an den Brauen, blassrother an den Lippen sichtbar, während das ursprüngliche Grün der Weinblätter sich in Dunkelblau umgesetzt hat. So ließ der Töpfer die Maske sich bunt von dem schwarz gefirnis.sten Kruge abheben, auch hierin die bewährte Tradition missachtend, der zur Folge für die Frauenköpfe an jenen Kannen nur die in der Vasenmalerei üblichen Farben in Anwendung gekommen sind. Lässt auch das Ganze unbefriedigt, so erkennen wir in der Maske für sich ein besonders anmuthiges Stück ihrer Gattung. Umgeben von der breiten Fülle des Haares, in das ein traubenschweres Geäste geflochten ist, bietet sich das fein- geschnittene Antlitz dar mit schlanker langer Nase, kleinem, von schmalen Lippen umsäumten Munde, einem zarten Kinne, dessen Mitte ein Grübchen ziert. Eigen- thümlich sind die Proportionen. Die Stirne ist zwar nur um geringes kürzer

als das Untergesicht, die Nase aber be-

trächtlich länger als beide. Ähnliche Längenverhältnisse zeigen auch die Arethusaköpfe auf den syrakusischen iMünzen, insbesondere auf den Deka- drachmen des Kimon, des Euainetos und des von Evans gefundenen „neuen" Künstlers, der sein Werk mit H< oder N< signierte (Fig. 47)''). Was die im einzel- nen von einander abweichenden Köpfe

'■') Arthur J. Evans, Syracusan Medaüions and their engravers in the light of recent finds London, 1892 (vermehrter Abdruck aus Numismatic Chronicle 1891) Taf. IV (new artist, Fig 47 wiederliolt\ VIII (Kimou), IX (Euainetos).

Fig. 47 Syrakusische Dckadrachmc nach Evans.

•47

in einer Stilgemeinschaft vereinigt, theilt mit ihnen auch unsere Terracotta, wie gering ihr Ivunstwert gemessen an diesen unerreichten Meisterwerken der treff- lichsten Künstler erscheinen mag. Die sanfte Schwellung der Stirne, die Zeichnung der Nase und deren Abstand von .Miiiul und Auge wiederholt sich dort und da in nalio NcrwandtiM" Weise.

Die .\hnlichkeiten mehren sich, ziehen wir jene Münzen zur Verglei- chung heran, die den Kopf der syrakusischen Nymphe im Dreiviertelprofile, also fast \<>n vorne, zeigen. Nach Ev-ans scharf- und feinsinnigen Unter- suchungen hat ilm so zuerst Kimon für die Tetradrachmen geschnitten, und dieses Bild wurde sofort nicht bloß auf Münzen sicilischer Städte, sondern auch im thessalischen Larisa und auf ,Satrapcnmiin/.iMi der Aeolis und von Kilikion nachgeahmt.') Unabhängig oder doch nur in loser Abhängigkeit davon steht eine längere Reihe annähernd gleichzeitiger Münzbilder, welche Köpfe anderer Gottheiten von vorne darstellen. Herakleidas und Cheirion bildeten so den Apollon für Katana,**) Theodotos für Klazomenai,") Eukleidas die Athena für Syrakus/") Euainetos den gehörnten Flussgott Hipparis für Kamarina,") um nur einige von Künstlern bezeichnete Werke dieser Art zu nennen, denn die Köpfe von vorne werden von nun an durch das ganze vierte Jahrhundert sehr zahlreich und sind für dessen Münzpräge charakteristisch, obgleich sie sporadisch schon um die Mitte des fünften Jahrhunderts auftauchen.'-) Möglicherweise hatte auch vor Kimon der mit $ sich zeichnende Stempel.schneider den Kopf der lakinischen Hera von vorne auf die Münzen von Pandosia ge-setzt,") und sicher- lich gehen den syrakusischen mit dem Nvmphenkopfe von vorne die Didrachmen von Neapolis zeitlich voran mit dem nach rechts in Dreiviertelsicht gewandten Kopfe des Parthenope, der das wahre Urbild von Kimons Arethusa ist. Aber Evans hat auch glaubhaft gemacht, dass er von demselben Kimon in etwas früherer Zeit, etwa 415 gearbeitet wurde, w^ährend de.ssen syrakusische Tetra- drachmen nach den Forschungen des englischen Archäologen im Jahre 409 entstanden sind.'^)

■>) Evans Taf. III S. 74 f. ") Head 16, 18.

'1 Herakleidas: Head, a guide to the coins of '-) So in Troezen, Cataloguc of grcek coins in

the ancients (London 1881) Taf. 25, 25. Weil, Die the British Museum, Peloponnesos pl. XXX 17

Künstlerinschriften der sicil. Münzen (44 Berliner S. 165, wie mir Wilhelm Kubitschek nachweist. Winckclmannsprogramm 1884) Taf. 3, I; Cheirion: ") Furtwängler, Meisterwerke der griechischen

Weil a. a. O. Taf. 3, 3. Plastik S. 145. 147 = Masterpieces of greek Sculp-

*) Head 19, 26. Gardner the types of greek ture ed. by E. Seilers S. 106. 107. coins 10, 37. '*) Evans a. 1. c. S. 70. 75 f. 145.

»K) Head 26, 31. Weil 3, 7.

148

Mit diesen JMünzbildern im allgemeinen, insbesondere aber mit Kimons Arethusa zusammengehalten, zeigt die Terracottamaske ein ganz ähnliches Ver- hältnis von Haar und Gesicht. Wie die Nymphenköpfe der Münzen hat auch sie das Haar in der Mitte getheilt. Wie dort ist durch dasselbe eine beränderte Stirnbinde gezogen und sind die Ohren von ihm verdeckt. Der eingeflochtene Kranz mit den dreilappigen und den gezähnten fünflappigen Blättern, mit den Weintrauben, den zwei kleineren über der Stirne und den zwei groi3en, die längs der Wange herabhängen, mit den zwei apfelförmigen Früchten und mit den da und dort verstreuten einzelnen Beeren findet sich allerdings auf den Münzbildern nicht, und nur entferntere Analogien bieten hiezu die schweren Lorbeerkränze, mit denen Herakleidas und Cheirion pj .g xetradrachme ihre Apollonköpfe geschmückt haben. Geringeres Gewicht fällt des Kimon.

wohl auf die ähnliche Bildung der Augen, die an der Terracotta ziemlich schematisch gehalten sind, und auf den gleichen Halsabschnitt, da dieser geradeso auch an den oben erwähnten fabriksmäßig erzeugten KopfgetälBen typisch wiederkehrt.

Dem Gesagten nach muss das Gefäß aus Eretria wohl noch in den letzten Decennien des fünften Jahrhunderts, spätestens im Beginne des vierten entstanden sein. Die Übereinstimmungen der ihm eingefügten Terracottamaske mit den Münzbildern bezeugt das gleiche Empfinden, das hier wie dort, allerdings mit einem verschiedenen Einsätze künstlerischer Potenz, gewaltet hat, und wie sich der Stil der letzteren aus der durch Phidias zur dominierenden Macht erhobenen attischen Kunst herleitet,'*) so fällt ein Strahl aus dieser Welt nie wieder ge- schauter Schönheit auch auf unseren Weinkrug, das Werk eines bescheidenen Töpfers, und macht ihn wert unserer Betrachtung.*")

Wien, im Juli 1898. ROBERT von SCHNEIDER.

"■) Furtwängler, Meisterwerke S. 143 ff. ^ wandtscliaft der Münzbilder mit den Thonköpfen

S. 104 ff. der englischen Ausgabe, vgl. Taf. VI aus Granmlcliele, Kekule Terracotten von Sicilien,

ebenda. Taf. 9 und 10, auf welche Evans a. 1. c. .S. 209

'=) Dagegen leuchtet mir nicht ein die Ver- Note 6 verweist.

149

Ein Vertrag des Maussollos mit den IMiaseliten.

Die Inschrift, der nachstcliciuliT Aufsat/ frilt, ist von dem verewigten Pro- fessor Gustav Ilirschffld im Jahre 1874 in einem Hause zu Adalia entdeckt und für die Rerliiici- Museen erworben worden. Seit der ersten \'er()fFentlichung^) durch tlen l-'inih'r luehnnals-i, zuletzt in der Beschreibung ihn- Berliner antiken Sculpturen n. 11 78 und in W. Judeirhs Kleinasiatischen Studien S. 256 abgedruckt, enlbelirt die ITrkunde trotz ihrer nicht gewöhnlichen Betleutung noch immer aus- reichender I'^rkliirung. Sie vollständig und durchaus zuverlässig herzustellen ist allerdings bei der Verstümmlung des Steines schwerlich möglich und auch mir nicht gelungen. Dennoch glaube ich das Verständnis des Textes einigermaßen fördern und die Lösung der Räthsel, die er aufgibt, wenn auch nicht vorlegen, so doch vorbereiten zu können. Ich verkenne keineswegs, dass mein Versuch nur weniges erledigt, vieles offen lässt und neben sicheren, unmittelbar einleuch- tenden auch unsichere, selbst unwahrscheinliche Lesungen und Erwägungen vorträgt. Aber, wie die Sache liegt, kann nur willige Erörterung der ver- schiedensten Möglichkeiten der Wahrheit näherführen. Möge diese, wo ich irre, in Bälde von (ilücklicheren gefunden werden.

Die Inschrift steht auf einem Stücke weißen Marmors, das o^^i'" hoch, o'jj'" breit, rechts und unten vollstänelig, sonst gebrochen ist. Die Erhaltung ist eine so vorzügliche, da.ss die Arbeit des Steinmetzen sich noch luHite Buchstabe für Buchstabe verfolgen lässt: nach der Vorzeichnung sind erst Reihen von Löchern eingebohrt, dann die Linien gleichmäßig ausgetieft worden. Die Abbildung auf S. 150 ist nach einer Photographie hergestellt, welche der Director der Antiken- abtheilung der königlichen Museen zu Berlin, Herr Kekule von Stradonitz, be- sorgen zu lassen und zur \'<M-fügung zu stellen tue Güte hatte.

Lesung und Deutung dessen, was die erhaltenen elf Zeilen l)ieten, bereiten an sich keine irgend erhebliche Schwierigkeit: vgl. die Lnischrift auf .S. ]-,i.

In der ersten Zeile ist von einem Schwüre bei Zeus, Halios und Ga die Rede. Es ist irrig, wenn Bezzenberger zu Anfang Tiputjävie? liest das an dritter Stelle erhaltene Zeichen i.st x, nicht i und Judeich nach dem die Zeile schließenden xa: unsichere Reste eines dreieckigen Buchstaben ver-

') Mün;Usbcrichte der Berliner Akatl. 1874, 716. Dialektinschriftcn n. 1269 (erste vollständige Lesung ^) Bezzenberger, Beiträge V 337; Griechische nach Abklatsch und berichtigter Abschrift).

ISO

zeichnet. Z. 2 darf £|_iii£v]sLv lot; a)|J.oAoyr^|j.£VOLS Tioxi als sicher gelten; zu Anfang der dritten Zeile war also der andere vertragschließende Theil genannt. Dann ist aßJXajBeü);' önöaavxov 5s xa; <I>a- gegenüber der in dem Verzeichnisse der Berliner Sculpturen gewählten Abtheilung ä|ioaav xovSe die einzig zulässige Lesung. Denn der Imperativ ist sicher und auch in seiner Form nicht an- zutasten; schon Bez- o^J^f'.ii -i-v v„^ V: ! ;■ r

zenberger hat auf die zahl- reichen gleicharti- gen Impe- rative tpe-

pGVTOV U.

s. w., auch

iS-ov ■'') der bekannten Inschrift aus Myti- lene über die Rück- kehr der Verbann- ten'') ver- wiesen. Wenn in

einem rhodischen Actenstücke'') auf der Stele zu Ehren des Eudemos von Seleukeia ein solcher Imperativ zu stehen scheint (-apay.a/.sOv-ov Z. 23), so ist dem schwerlich

är/i!HAyV>'jn;A,

') Vgl. K. Hirt, Indogermanische Forschungen VII 182; (_). Hoffmann, Griechische Dialekte II 83. 364.

■*) Griechische Dialektinschriften n. 2 14 ; O. Huff- mann, Griechische Dialekte II 55; vollständiger nach

richten und Inschriften, die sich auf die Rückkehr der Verbannten, die Ordnung der Besitz%'erh.ältnisse nach Revolutionen u. s. w. bezichen , wäre ebenso lehrreich als dankenswert.

^) Von mir herausgegeben und erläutert in

Patons Lesungen in Michels Recueil d'inscriptions Heberdeys und meinem Berichte über unsere Reisen grecques n. 356. Nebenbei, eine Sammlung der Nach- in Kilikien logff. In der Deutung der Formel T0t3-

I.SI

Bedeutung beizulegen, da die Inschriften von Rhodos, soviel ich sehe, nur die regel- iTiä(3ig gebildeten Imperative mit langem 0-Laute kennen und jener Stein auch sonst Schreibfehler aufweist. Mit tl>a beginnt so will es die Logik der Sprache der Name der 7,um Eide verpflichteten Gegenpartei: er muss ebenso auch zu Anfang der Zeile gestanden haben. Von einer schriftlirlien Äußerung des Maussollos spricht Z. 4 (in einem Nebensatze, wie der Coniunctiv zeigt). Dann sicher xatx ix oder vielmehr xaiä za,[ü-i, denn zu Ende der Zeile ist für einen weiteren Buchstaben durchaus Platz; die Abbildung in der Beschreibung der Berliner Sculpturen rückt die letzten erhaltenen Zeichen zu weit nach rechts. In der nächsten Zeile

wird man nach Z. 2 emisvötv xoTc, (biioXoyjr^- |.iEvo;; zu lesen haben; e;atpö)V-£; jj3«cr:[X- bleibt zunächst tlunkrl. Dann ist wii-derum JlaüsatDXÄog genannt und m-ben ihm erschei- nen die Phaseliten •I>aay,/.'.-; Reste eines weiteren Buchstaben, wie sie Judeich ver- zeichnet, vermag ich nicht zu erkennen. Der Name der Phaseliten wird also Z. 3 und 4 einzusetzen und auch zu Anfang der folgenden Zeile zu ergänzen sein: (I'aarp.JiTäv si' -;v3; c-^tlXo'/z: i\i [ir^ai . Z. 8 scheint nur die Lesung ysyp ]a[Tc]-«'. oder allenfalls a[v]xai möglich. Sodann beginnt ein neuer Satz: zw oh z[>.npoij^-z n-ri-. Z. g -■j'.y.'i ^/.7.-.yJ.7.■:^l^•■i^\'i^'.^•t otV.a;; die Form des Infinitivs ist als rhodisch bekannt. Die vorletzte Zeile nennt wiederum die vertrag-

oiio^javrs; A:'a v.y.': AX'.ov v.yl i'äv v.y}.

£|i|tsv]srv -0;; tö|ioXoYr;|i£vo'.5 7:01!

ä.j]Xx,j£(i);" ö|i6axv"ov oi v.y.'. <I>z- l[]a'J3CiWAXo; ypiiLr^TÄ'. v.ctxy. -a . -r/^EVOis e;xipwv-£? |ia.a:[X-. xjatxoixas ilaüjswXXo; «taar^vi [x- -:xäv £i' x:vcj o-^ziXo-iz: i\<. [ap': -y. . xa:. xftv ci EM.nsoail'S a'jv- -acav xaxaXx'.f i)-r,[^i£'.v Zi/.%-

4'aarjlXtxx;; •/.%'. (Paarj^cxa; ilx'ja | :;o)X/,- -t xai ilaÜTCJwÄAo; öjioXoyT^iwv . .

ds s8ö3-y):av npoSsvia'. st:; niav iy.y.Xyjatav Z. i6f. war, so lange Parallelen fehlten, Zurückhaltung ge- boten; im Hinblicke auf das Präseript des folgenden Actenstückes ISojsv -wt äänoai Iv Tai dsOxspcv iy.y.Är,- aiai Z. 26 erklärte ich, sie bedeute vorläufige Ge- währung von Proxcnien in einer ersten Ekklesie, der in einer zweiten Ekklesie die endgiltige Ent- scheidung folgte. Mit mehr Sicherheit lässt sich über die Frage der y.0p(u3i; rhodischer Psepliismen, die nach Swoboda (Volksbeschlüsse 17 ff.) erneuter Be- handlung bedarf, aber in dieser Anmerkung nicht erledigt werden kann, urtheilen, seit feststeht, dass S~i |iixv iv.v.Xrfli'x-t zum Gegensätze hat krX d'jo iv.- y.XT|3£aj. So heißt es in dem soeben BCH 1897, ^^^ veröffentlichten Beschlüsse aus Ptolemais : "ESojEv -f/i {nuÄfji xal Tö)'. 8T|H(i)i [IlT0>.Ena'.4]u>v (ergänzt

Jabresheftc des üsterr. arcbaol. Institutes Bd. I.

Jouguct. mir selir zweifelhaft) et;', ä'jo sy.y.Xifjaiaj. Der Herausgelier hat die rhodische Formel zur Er- klärung nicht herangezogen. Dass diese in einem Psephisma der von Ptolemaios Philadelphos gegrün- deten -Stadt Oberägyptens, die, wie Strabon 813 sagt und die Steine bestätigen, ein aöa-rjiJta ■noXvzvn.m Ev TW 'EXÄTjviy.ip Tpö~(j) besaß, ihr Gegenstück findet, und ebenda auch die (allerdings jälirigcn) Prytanen o'jv T(p 5Etvt wiederkehren, die wir in dem durch seine EÜvojiia (Strabon 652) berühmten Rhodos (vgl. Ililler von Gärtringen, Athen. Mitth. 1895, 39°^-) kennen, ist höchst beachtenswert. Es ist nicht an der Zeit, ohne weiteren Anhalt und nähere Unter- suchung Schlussfolgerungen auszusprechen, aber auch nicht verfrüht, auf dieses Zusammentreffen hinzu- weisen. In Antiocheia am Orontes gilt die probulcu-

20

15^

schließenden Theile, und zwar zweimal, nebeneinander: «Saar; |Ä(xa'.5 xa! tDaar^Xtia? Mauc>;[cr(üXX- . .; auch in der letzten suche ich neben Maussollos wiederum die Phase- liten: <I>aar;),öTa]t y.a: (nicht ojizai mit Bezzenberger) JlaücjatoÄAo;. Sonderbarerweise ist das letzte Wort noch nicht hergestellt worden: G|ioXoYrjawv[ . . kann nur zu oiio'koyrp(ay[zi ergänzt werden: der an vorletzter Stelle zur Hälfte sichtbare Buch- stabe ist (1), nicht o. Die Urkunde schloss, das zeigt der Coniunctiv, mit einem abhängigen Satze.

Wie schon der Finder erkannte, liegen in der verstümmelteti Inschrift Reste eines Vertrages {onoloYioi) zwischen Maussollos'') und den Phaseliten vor. Augen- scheinlich ist der Stein, einst in Phaseiis aufgestellt, von dort nach Adalia ver- schleppt worden. Den Dialect des Schriftstückes als rhodisch zu erweisen genügt die Form des Infinitivs xaxa?,a'-pi)-rj|i£iv; thatsächlich ist Phaseiis als Gründung der Rhodier bekannt'). Die Erwähnung des Maussollos bestimmt den Vertrag zeitlich; er stammt aus den Jahren zwischen 377, in dem Maussollos die Satrapie Karlen übernahm, und 353 v. Chr., seinem Todesjahre. Eine genauere Datierung versuche ich nicht: für die Zeitgeschichte sei auf W. Judeichs Darstellung (Kleinasiatische Studien 2;]^ ff.) verwiesen.

Paläographisch ist der Stein ein Stück ersten Ranges. Leider gibt die Abbildung, die in dem Verzeichnisse der Berliner Sculpturen veröffentlicht ist, schon der starken Verkleinerung wegen von der Schrift keine zutreffende An- schauung. Ueberhaupt wird die Hand des Zeichners trotz allem Geschick, aller Sorgfalt und allem Sachverständnisse ein völlig treues Bild inschriftlicher Denk- mäler nie zu liefern vermögen, nie die Vielgestalt der Buchstaben und den ihre Eigenart und Wirkung bestimmenden Schnitt zuverlässig zum Ausdruck bringen, an schwierigen Stellen niemals eine unabhängige Lesung ermöglichen, da sie nur eine Auffassung des Thatbestandes, nicht den Thatbestand selbst vor Augen führt. Die vorstehend mitgetheilte Photographie erlaubt eine richtigere Beurtheilung und überhebt mich der unter allen Umständen unzulänglichen Be- schreibung. Die elegante Erscheinung der Buchstaben, die durch vornehme Zeichnung und leisen Schwung der Linien, A'erdickungen und hie und da beson- dere Striche an den Enden bedingt wird, ist in einer Inschrift noch der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts bemerkenswert, befremdlich aber nur für den, der

niatische Formel der attischen Ps6phisraen (In- Miis. 1893, -57'i P- Kretschmer, Kinleitung in die

Schriften aus Pergamon I 160; H. Swoboda, Rhein. Geschichte der griechischen .Sprache 327. Mus. 1891, 509.) ') S. W. Schulze ebenda 251'.

'') Über seinen Namen W. .Schulze, Rhein.

seine Vorstellung von der Entwicklung griechischer Schrift aus den leblosen, irre- führenden Tvpendnu-kon unst-ror Veröffentlichungen und den Anweisungen der Handbücher, niclit \c>n den l)i'nkmälern selbst und den allein \-erlässliclien Re- productionen durch Abdruck uiul l'hotographie bezieht. Erfreulicher Weise bricht sich, namentlich durch 1 )itti'nl)ergers ausgezeichnete Bearbeitung di-r Inschriften von Olvnipia und einzelne Untersuchungen, wie die vim i'l. Jacobs über dir 1 heorenlisten aus Thasos**), allmäldich die l'.rkenntnis Bahn, dass der ebenmäßigen Ausgestaltung griechischer Schrift rein kalligrapliische Veränderungen und die Ausbildung von Zierformen unmittelbar gefolgt sind und dass auch in dieser Entwicklung der grie- chische Osten dem Westen vorangegangen ist. Mit der gro(3en Masse gleichzeitiger attischer Inschriften verglichen erscheint die Inschrift von Phaseiis jung. Aber es ist Zeit, zu betonen, dass .\ttika, wie einst sein alterlhiimliches Alphabet, so späterhin einfache Schriftfornicn und die freier (iestaltung hinderliche '3T0'.7_t,5öv- Ordnung der Buchstaben länger als andere (iebiete festgehalten hat. In dieser beengenden Gewohnheit der Gzoiyri^bv-Ordnung ist auch die Unempfindlichkeit attischer Inschriften gegen die natürliche Silbentheilung am Ende der Zeilen, die unsere Inschrift von Phaseiis durchgeführt zeigt, begründet. \\'ii> das Schweigen der Handbücher und die Praxis lehrt, wird die SiUientlu-ilung vnn <lfn Epi- graphikern bisher nicht ausreichend gewürdigt"), kaum gelegentlich beachtet, meist aber deshalb schief beurtheilt, weil die Beobachtung, dass die attischen Steine sie, wie man sagt, um 200 v. Chr. einführen,'") irrig verallgemeinert wird. Wie bereits vereinzelte Inschriften archaischer Alphabete, so zeigen nicht wenige Denkmäler des fünften und besonders des vierten Jahrhunderts aus verschiedenen Gebieten, namentlich dem (3sten, und selbst aTOi/r^civ geschriebene L'rkunden jener Zeiten aus Attika in wechselnder Zeilenlänge die aus dem Elementar- unterrichte") von altersher geläufige Übung der Silbentheilung.

Eine Ergänzung der Urkunde kann wenig.stens theilweise mit Aussicht auf Erfolg versucht werden, weil der schriftliche Ausdruck von \'erträgen gewisse Formeln forilert, die griechisch, namentlich in Besiimmungi-n von wechselseitiger Geltung, selbst in der Wortstellung mit bezeichnender Keinlieit und Schärfe au.s- geprägt sind.

*) E. lacobs, Thasiaca 1893. '°) Vgl. Meisterhans, Grammatik der attischen

") So ist z. B. in der von E. Hula und E. Szanto Inschriften - 6; Br. Keil, Hermes 189O, 598.

veröfFcntlichten Inschrift aus Kasossos (Silzunys- ") Fpccysiv "xai äva-f'-T"""''*'-"' ■''5c"i auXXaJcijv

berichte der Wiener Akademie, philos. hist. Cl. Dionys. de comp. verb. 25; vgl. J. Krall, Mitthei-

Bd. 132, II 23, vgl. Athen. Mitth. 1896, 239) die lungcn aus der Sammlung der P.ipyrus Erzherzog

Abtheilung der ersten neun Zeilen zu ändern. Rainer IV 12Gff.

20*

154

Ich beginne mit Zeile 9 und 10, die eine Herstellung geradezu herausfordern. Denn Z. 10 standen aller Wahrscheinlichkeit nach zwei parallele Glieder: MaüaawÄ/.ov ^xar[\)dioai xa: CDaarjAita; i\Ia'ja[c7ü)XXwt. Es bedarf nur eines Wortes, um den Anschluss an Z. 9 zu gewinnen: 5ixai;[56[t£Lv; ein -/.od vor Maüa'jW/'.Aov einzu- setzen ist keineswegs geboten. Auch in dem letzten Satze der Urkunde kehrt das Paar wieder; wenn anders die Ergänzung der vorhergehenden Zeile richtig ist, können nur wenige Zeichen fehlen: in der That entspricht dem Sinne wie dem Räume nach ■/,av^' S y.a (J?a.ariXi-a,]i xal MaüaawÄXog 6i.ioXoyTjawv[xi. Dass die Zeilen wirklich nicht länger waren, zeigen nun auch andere Sätze. Erstens ist Z. 2/3 unzweifelhaft £|.iiX£v]£rvxoti; (b[i.oXoyTj|i£voi; Tiox: [<I>aaTjXi-ca; und dann nicht etwa, wie bisher geschehen, y.aXwc, sondern dc5öXw;'-) xai ajiJXaßewg zu ergänzen: wiederum fehlen ungefähr 20 Buchstaben zur Linken. Zweitens füllt Z. 4/5 /.axa ■ca[ü -x £|i.|i£V£lv Tot; w|-ioXGyr;]i.i£VOL5 ebenso genau die Lücke. Drittens ergibt sich Z. ö, 7 ungezwungen MaüaatoJJvC/g <i>a3r^Xt[tai; xal JMauaawXXw: «taa/^Jitäv £1 '!:tV£S öcf£tA0VTi. Fünf Zeilen sind auf Grund der Voraussetzung, dass zur Linken des erhaltenen Stückes etwa je 20 Buchstaben verloren seien, einleuchtend ergänzt: somit darf diese Voraus- setzung selbst als bewiesen gelten.

Um die Herstellung, freilich nicht mit gleicher Sicherheit, weiterzuführen, setze ich Z. 6 ff. ein. Hier ist von Geldbußen die Rede, die Maussollos den Phaseliten und Phaseliten, die eine solche schulden, dem Maussollos in einer gewissen Zahl von Monaten zu entrichten haben, ^'or y.y.zyZ'.-Ay.c. und vermuth- lich dem Artikel wird das Verbum zu ergänzen sein: doch wohl r/.tivoviw ^ ■'), und da damit augenscheinlich ein neuer Satz beginnt, 5£. Wie viele Monate als Frist für die Zahlung gewährt waren, entzieht sich unserer Kenntnis. Ich schlage beispielsweise £|j, [irjai [tp'.aiv vor. Dieselbe Frist begegnet in dem bekannten Eide der Drerier: a ßw).« -pa^dv-(ov zxocjXOV xov -/.oaixi'ovxa axaxfjpa; 7:£vxaxoatO'j; äcp' ai; y.ct. £|_ißxlrjt «iiEpac £v xpt|irjvcüt''*). Wie in dieser Inschrift könnte man versucht sein auch in der von Phaseiis die xaxaScV.a:, dem Zusammenhange mit dem Vorangehenden zu Liebe, zunächst auf Verweigerung oder Versäumnis der Eidesleüstung'*) zu beziehen; da aber jeder beschränkende Zusatz fehlt und die sprachliche Form

'-) Vgl. o:tov5ag äSöXou; xai äpXapet; in den '^) Zuletzt in Ch. Michels Recuei) d'inscriptions

Vertrügen Thulc. V 18, I und 47, i; tnjisvöj T-g grecques n. 23 (vgl. Gott. gel. Anz. 1898, 206) C

5'Jli.nax'? y.y.-'J. jufy.£(|i£va 5f/.ai(i); y.ai ä^XajJms Z. 21 ff. Drei Monate Frist in nicht näher kennt-

za't äSdXms in der Schwurformel ebenda 47, 8; lichem Zusammenhange: Inschriften von Pergaraon

Stxaiu); y.ai ädöXoJs xa[i äpXa;;«); CIA IV I p. 141 I 245 BZ. ly {. a]i4ipoXac[a .... 5]txaaaaa0-at iv

n. 42; ?f/.a'wj v.tt.1 äddXo); Thuk. IV 18, 9; r.iatiT); [|irivEaai Tp]iaoi. xai äei/.oj; CIA IV 1 p. 142 n. 52. 53. ^^) Vgl. CIA I 9, IV i p. 10, 27,;.

") Vgl. z. B. Thuk. V 49.

155

des Bc'iliiiiiunyssatzes daiaul' hiii/.u\v(>i.sen scheint, dass es sich um Ijoreits be- stohcndr, nicht erst kiiiit'tig sicli ergebende \'criilli(litimi;cn haiididt, wird der Satz allgemein zu fassen sein, als Nachtrag zu den uns verlorenen iiestimmungen, auf die Z. S durch y.yA) q~i 7:poy£Yp]a[7:]Ta'. verweist. Diese Lesung yi'(p\oi,[T:]-x: ist geboten, wenn der iheilweise zerstörte Buchstabe vor -xat ein - ist. Aller- dings schien mir derselbe dem Abklatsche nach allenfalls auch ein v sein zu kclnnen: doch theilt mir {'.rieh l'ernice i'reundlichsl mit. er halte mit Rücksicht auf die l'>eschädieune- des .Steines r. für sicher. Übrigens fiele es auch schwer für a.vTat eine angemessene Ergänzung zu finden; in einem Zusätze, der etwa durch i-^' äc xx eingeleitet, den Zeitpunkt ausdrücklich bezeichnete, von dem an die ilreimonatliche P"rist gerechnet ist, wäre der Coniunctiv des Aoristes zu erwarten. Auch ist es wohl selbstverständlicli, dass die frist von der rechts- kräftig erfolgten \'erurlheihmg an und, falls diese dundi den voiliegenden Vertrag ausgesprochen oder bestätigt war, eben von dessen Abschluss an läuft. Erheblichen Schwierigkeiten unterliegt die Ergänzung der Zeilen 2, 4 und 6. Ich beginne mit der letzteren. Alle Erwägung hat von £Ea:f>wv-£; [ixa:- auszu- gehen. iEaipstv ,herausnehmen' findet sich im (jegensatze zu evu'.U'lvai, wie S'.-.fx.pv.-/ so häufig"') im Gegensatze zu Tipoqxid-iyoi.'., in einer auf spätere Abänderung bezüg- lichen Bestimmung tles Vertrages zwischen Lyttos und Hierapytna. '') In dem Sinne des Herausnehmens, Weglassens (z. B. aus einer Reihe von Bestimmungen) kann das Wort vielleicht auch liier verstanden werden. Der Vorschlag, den R. Scholl zweifelnd, wie selbstverständlich, bei Judeich vortrug, Sxxa zx '/Mpix A[]a633Ci)/.Xo; ypÄ'ji/jtai s^aopövis; ib [jocai[Htßc. scheint mir keinen fasslichen Gedanken und keine mögliche Fügung zu ergeben, geht aber richtig von der Erwägung aus, dass ita:- p£iv in jener Bedeutung an dieser .Stelle niu' dann zu begreifen ist, wenn im \'or- angehenden gewissermaßen ein Complex namhaft gemacht oder gedacht war, dem ein bestimmtes Glied entnommen werden soll. Der ganze Satz bezieht sich auf Eidesleistung. In seinem Inhalte i.st der Eid für beide vertragschließende Theile gleich (xÄxä xaü-uä"*) £|i]i£V£rv xot; 6)\i.oXo'(ri\xiyo'.z}; nur die Formel des .Schwure.s, der den Eid begleitet, kann hier wie sonst für jeden einzelnen verschieden sein. Bei

'") P. Graetzels Sammlung solcher Bestinimunyen M. FrUnkel. wIl' mir scheint, irrig: „welche Maß-

(Dc pactionum inter Graecas civitates factarum . . . nahmen eine jede der beiden Städte innerhalb

appcUationibus etc. 58) ist unschwer zu vervoll- ihres eigenen Interessenkreises künftig auch

ständigen. Einen gleichartigen Satz des Freundschafts- belieben möge". Oixsto; wird auch hier, wie sonst

Vertrages zwischen Sardes und Ephesos (Inschriften (vgl. z. B. oixstoTEpo; xaipö? Polyb. III 8, 9) ,gc-

von Pergamon II 268) DE Z. 20f. xaSta de •jTzif.y^B'.i eignet, angemessen' bedeuten.

Sapäiavot; -/.od 'KcfEoioi; e!; xöv 5.tm'i-ol xpovov y.al '') In Michels Rccueil n. 29, Z. 6 f.

div tt a! -iXs'.j o!y.£iOT£pov pouXsOscovxai übersetzt '"*) Vgl. Thuk. V 18, 9.

156

welchen Göttern die Phaseliten zu schwören haben, ist Z. 4 augenscheinlich nicht ausdrücklich angegeben; dagegen nennt die erste Zeile Zeus, Halios, Ga als Schwurgötter, und dem ganzen Zusammenhange nach können es nur Vertreter der Gegenpartei sein, also entweder Maussollos, neben ihm vielleicht Artemisia, ferner gewisse Untergebene und Unterthanen des Satrapen, oder seine Bevoll- mächtigten, denen dieser Eid obliegt. Aber es folgt nach b^öimxzz A:a v.t). 'AXtov xaE Täv noch ein -/.cd: unstreitig liegt es am nächsten, durch dies xat ein neues Glied des Schwures mit den früheren verbunden zu denken; so hat denn auch E. Ziebarth, nicht ohne den A'^orschlag ausdrücklich als unsicher zu bezeichnen, xaJ ['Apea xal Ail-r^vätv ^®) vermuthet. Nun haben, so scheint es, die Phaseliten bei ihrem Schwüre irgend etwas, was sich auf den König bezieht xh ßaa;[X-, auszulassen; auf eine gleichzeitige und vielleicht zu wiederholende, nicht eine einmalige vorhergehende Handlung deutet die Zeitform. So mag man an- nehmen, es sei von Maussollos und den Seinen ein Schwur gefordert, der ihnen als Unterthanen des Perserkönigs zukam, den Griechen der freien Stadt Phaseiis dagegen fremd war: der sogenannte Königseid. Wir kennen ilm aus späterer Zeit in zwei Formeln. In dem berühmten Vertrage zwischen Smyrna und Magnesia-") schwören Z. 59 f, 69 f. die y.axoiy.o'.^') und die Smyrnaier bei Zeus, Ge, Helios und anderen ausdrücklich und nicht ausdrücklich genannten Göttern, die xa-cotxot außerdem noch, nicht aber die Smyrnaier, tt;v toO ßacjiXsw? SeP^eüy.o'j xü/^r^v. So ist der Eid auch durch Strabons Bericht 557 über das Espov Mr^vög Oapva/.o'j-') bekannt: ex[|irjaav 5' ol [jaadsis tepov xoOxo cuxw? de, ÖTisppoArjV waxe xov ßaatXtxiv xaXou|X£Vov opxov xoöxov OLTzirfriym jT^xi^yV ßaaiXew?' v.od ,M;^va Oapväxou'. Oder der Schwur lautet geradezu auf den Namen des Herrschers: G|-ivu[^ii ^xaiXia IlxoXejiatov u. s. w.; das ist der in den Urkunden der Ptolemäerzeit oft erwähnte öpxoq ßaaiXtKO? ^^), der äpxog oeßäcixetos^'') oder a£jiaa[i'.wxaxog-'') der Kaiserzeit. Ein Beispiel mag genügen; der Eid von Assos^^): 'OiiviJO[-i£V Aia S(üx-/]pa xai iI-eöv Kabapa 2]£Jiacjx6v. Für unsere Inschrift kommt aber noch eine dritte Formel in Betracht: die Perser schwören bei den ^zol [ia.'jiktiO'.. So Kambyses bei Herodot III 65, so auch Histiaios vor Dareios

'") De iureiurando in iure Griieco quaestiones 22. -') F.. Beurlier, De divinis honoribus quos accepe-

Irrig spricht Ziebarth, auf dessen Ausführungen über runt Alexander et successores eius (Paris 1890) 69.

Spxo? rfxojpwg, v6|it|ios u. s. w. ich verweise, von einem ^*) CIG n. 1933, jetzt CIG.Sept. III l, 643.

Eide der Prytanen der Phaseliten, vgl. oben S. 14g. ^^) Reisen in Kililcien 57, 132. Vgl. Mommsen,

^"j In Michels Recueil n. 19. Staatsrecht II 768 f.; Marquardt-Wissowa, Sacral-

2') Vgl. A. Schulten, Hermes 1897, 532. wesen 463; Ziebarth a. a. O. 26.

^^) Vgl. Th. Reinach, Mithradate Eupator24i; -'') Papers of the American .School I 50,

P. Pcrdrizct BCH 1896, 89; P. Kretschmer, Einlei- ßruns-Moramsen FIR'' 237. tung in die Geschichte der griechischen Sprache 198.

157

chcmla \' loo; auch Seleukos ruft bei Appian Syr. 60 TtKV-a; toO; ßadiXeioy; fl-EOÜ; ati. Noch in Charilons Roman ruft der karische Satra]) Mithradates V 7, 10 i)3o: iJX'jiAZ'.o: £-0'jpävio; -t y.a.i u-o/it-övio:. Welche Formel dem Vertrage des Maus- sollos und der Phaseliten zuzutrauen sei, bleibt zunächst zweifelhaft. Namentliche Nennung des Grosskönigs ist schon mit Rücksicht auf den Raum unwahrscheinlich. TüyjjV ßaatXewc t'ülli passend die Lücke, ebenso d'sou; ßaaiXeto'j; ohne den vielleicht wünschenswerten, aber nicht unentbehrlichen Artikel: tl'io'jg ■zobc, ßaciXeious erscheint etwas zu lang. Zu (iunsliii der Formel Tü/r^v pxaiXiw^ wage ich nicht die aus zwei Stücken zusammengesetzte Inschrift aus Myla.sa (Le Bas-Wadd. n. 369, 370) T'j/r/. £-:'^avst |iacj;Ä£w; beizubringen; sie bleibt besser aui3er Spiel'-'). Wie diese Inschrift unbedenklich auf Maussollos selb.st bezogen worden ist, so würde auch die Schwur- formel T'j/r/,/ |jaatA£(i)c, den Perserkönig betreffend, in einer Urkunde aus Maussollos Zeit kaum zu beanstanden sein. Indes vermag ich diese besondere Frage hier nicht zu verfolgen, auch nicht auf die persische Vorstellung von dem Zxi\un'/ toO ,jaa'./,£wg und die griechische von seiner lüyji einzugehen -% Ich bescheide mich in der Lücke d'zob^ '^xa'.ldo'j^ oder xu/y^v [iaatAEw; für möglich zu halten.'") Z. 6 wird man sodann kaum anders als xb Spxoov"') ergänzen können. Ein Neutrum ist gefordert; zb [ix'ji.XiMi Svo[^ia klingt nicht bezeichnend genug, 10 [iaat^EWi; "'iyrjV oder ßaaiXstoy; ^-eoü^ zu grammatisch. .Statt ein Adiectiv (j^aatAEio; oder ^jaa'.Är/.öc) einzusetzen, bevorzuge ich paat[A£ü); Spx:ov schon der Kürze wegen, da die weiteren Ergänzungen in Z. 6 r/wXivovxw Se xäg? y.]a-xSi'xa; allein fünfzehn Stellen beanspruchen. Freilich muss dahingestellt bleiben, ob die Vermuthung überhaupt zutrifft, dass vom Königseide, zum er.stenmale in einer griechischen Urkunde, die Rede sei. Den Gedanken, dass £Ea'.p£iv wie in bekannten Verbindungen von der Auswahl und Zuweisung einer Ehrengabe oder eines Ehrentheils (beim Opfer) an den König zu verstehen sei, vermag ich nicht zu verfolgen. Für diese wie für andere Stellen kann nur das fehlende Stück selbst Aufklärung bringen.

Wie bereits bemerkt, ist Z. 4 von einer schriftlichen Äußerung des Maussollos

-') Wie mir E. .Sz.into niittlicilt, ist die Zusammen- -■') Für das Fehlen des einleitenden -^ [lijv vgl.

Kchörigkeit beiderlnsehriftcnlieineswefjs gesichert. Nur CIA IV I p. 20, n. 71 '/.. 27.

die allerdings aus dem vierten Jahrhunderte stammende •"') Vgl. Thuk. VI 52 und 72 (beidemal v<m

Inschrift^a3i/.i(i);ist neuerdings wiedergesehen worden. .Syrakus) ö|jtiaai aÜTOl; -b äpxiov r, (ir;v iias'.v äpy_='.v

-'*) Ich verweise auf E. Rohde, Der griechische ör.ri äv STLiaTWVTai und die noch nicht richtig gewür-

Roman 278 und die trefflichen Bemerkungen und Zu- digte Inschrift Kaibel IGrSic. 7 ebenfalls aus Syrakus:

sammenstcUungen von O. Puchstein, Reisen in Klein- äpxiov ßouXä; x[al ] xal Töv äXXojv [rcoXi-äv.

asien und Nordsyrien 339 ff. Dazu auch v. Gut- Häufig bei Herodot (z. B. VII 132: li öfxiov i!i3s

schmid, Kleine .Schriften IV 104; Fr. Cumont, Revue sTy^s) und bei späteren Schriftstellern, d'histoire et de litterature religieusc I 447.

158

die Rede. Augenscheinlich hat diese in irgend einer Form die Eidesleistung der Phaseliten zu bestimmen. Der Coniunctiv ypatj'^j'ca: fordert im Vorangehenden ein y.a. Aber einfach xa8'' S y.a, vor dem die Lücke durch OasryAtTa: TCavxc; oder $aarjXiTäv xl xpya,'. gefüllt werden könnte, scheint zu allgemein und zu undeutlich. Vielleicht hatte Maussollos schriftlich zu bezeichnen, wer von den Phaseliten den Eid leisten sollte, ob die ganze Bürgerschaft'"), ob die Beamten, ob eine bestimmte Zahl Auserwählter'-). So denke ich an oüg XLväg xa oder (etwas kurz) OTioao'j? xa. Auch das Medium ypacpeaU-aL würde so zu seinem Rechte kommen. Indes bleibt die Ergänzung unsicher, da auch andere Möglichkeiten vorliegen. Sollte Maussollos die Formel des Schwures bezeichnen, der den Eid der Phaseliten zu begleiten hatte?

Wie der verstümmelte erste Satz der Urkunde eingeleitet war, entzieht sicii unserer Kenntnis, zumal nicht feststeht, wer neben Maussollos den Eid zu leisten hatte. War es Artemisia,^^) so mag man, nur beispielsweise, Spxo'jc oe SdvTov MaucrawXXoj xa! 'Apx£|Xicjta toi; Tupscji^cCJi zoig OaarjX'.xäv, oder £|.i7:£3w3av:ov 5s xaOxa M. X. 'A. oder ähnliches vermuthen.

Noch ist Z. 9 in dem letzten Satze der Urkunde unergänzt geblieben. Er beginnt: xcov 5c £|X7zpoa9'£ a'jv . Nur ein Substantiv kann hier gestanden haben; passend wird der Genetiv von dem folgenden oöxaj 56ii£:v abhängig gedacht, nur ein Wort erlaubt der Zusammenhang: a\)v[poXxiiov oder, wenn man lieber will, 'jUv[aXXaY|ixxwv.^'') Gilt die Bestimmung den qizpoaÖ-s a'jv^oXat«, deren gerichtliche Behandlung von weiterer Verständigung abhängig gemacht wird, so muss der Zeitpunkt, von dem aus gerechnet gewisse ,Verbindlichkeiten' (um diesen allgemeinsten Ausdruck zu wählen) als ,frühere' oder ,spätere' erscheinen, ent- weder unzweideutig an sich ersichtlich oder ausdrücklich bezeichnet sein. 'l'jüEp -(ov Tzpo'ftyovixiiy^^ ~ap' sxaxipo'.j ä5:xY)[-ixxtov imd Onsp xwv üaxEpov £yyovo(-i£Vü)v äoixTj- [xxxwv trifft der Vertrag zwischen Hierapytna und Priansos '•■') Z. 57, 63 ge- sonderte Verfügung, augenscheinlich mit Rücksicht auf die Zeit der Vereinba- rung. Tä Eyx/Tji-ixxa oaaa £ov Aiyaleacji xa! 'OÄ'j|i7^/;Vor; -posS-E xäj OiioÄoyöa; 7:avxa

^') So i;r]Xu|i|3piavs'. tzx'/zb- (dem neuen Bruch- zeichnend, dass die Erythraier auch ihr Statue und

stücke zufolge), nicht, wie bisher ergänzt ward, 5:[av- Kranz widmen (Dittenberger, Sylloge n. 84; Michel,

är;|is£ CIA. IV i p. 18, n. 61 a Z. 25f. vgl. Anm. 37. Recueil n. 501).

'-) AVie in dem Vertrage Thuk. V 18, 9: •") Dass Z. 8 ä|i irrpi, Z. g I;i7ipc/a0-s steht,

öpy.O'j; ik ^TOiTiaaaO-ai l\0-r)va£ou; Ttpö; Aay.e3ai|iovtou; beweist schwerlich gegen auv[fioXa£u)v] ; bekanntlich

■/.ai TO'J; Sumiaxo'Js xa'a TiiXst;- ö\vt''rizuy/ 5s töv sind die Inschriften in diesen Dingen keineswegs

^-'.Xojpiov äpxov sxaTspot löv |is"fiaTOV, lüxaxafäsxa consequent.

äy.äaxifj; i;öXe(os. Vielleicht ebenso kT.~v.y.oi.iiBv.a, in ^■'j Zuletzt abgedruckt in Cli. Michels Recueil

der ersten Zeile des Psephisma CIA II n. 18. d'inscriptions grecques n. 16.

•'^) Für ihre Stellung neben Maussollos ist be-

159

OiaXeXOaö'a'. heißt es in einer Inschrift iius Aigai^''); höaa 5' a/./.z /_Tj|i|j6Xx'.a 7:pi iv (nach Dittenberger, Sylloge n. 4Ö) Tof; toiwxaL? xxX. in dem Vertrage der Athener mit Selymbria CIA IV i p. 18, n. 61 a^''). So wären auch in unserer Urkunde die sjiTipoaÖ'E auv,i6Xx:a als CTuv[^6Xa:a aus der Zeit vor Abschluss des gegenwärtigen Vertrages im Gegensatze zu zukünftigen ayv,i6Xa:a, deren Behandlung vermuthlich in dem verlorenen Theile der Inschrift geregelt war, verständlich ohne jeden Zusatz. Fehlte ein solcher indessen nicht, so musste er in Form eines mit nplv eingeleiteten Satzes erscheinen; und in der That steht Z. 9 der Infinitiv %axaXa'.p8-r^[i£'.v, der in dem gegebenen Zusammenhange kaum anders als eben von einem vorangehenden Tzp'y oder 7ip:v ri abhängig gedacht werden kann.'*) Dann aber ist -stav der Aus- gang eines Substantivs, das das Subject des Satzes abgab. Es handelt sich also um ein geschichtliches Ereignis; welcher Art, würde zataXa-^ H-/,ji£iv entnehmen lassen, wäre das Wort nur eindeutig. Nahe liegt es für's erste, y.axaXa|x^xve'.v von dem Besetzen einer ürtlichkeit '"') zu verstehen und deren Xamen in -a:av zu suchen. So könnte man allenfalls an die der Ostküste Lykiens vorliegende Insel denken, die nach Skj'lax Periplus 100 Dionysias, nach Plinius V 35 Dion3\sia hieiS'"'). Aber davon abgesehen, dass für die Zeit unserer Inschrift doch wohl die durch den Periplus bezeugte Namensform zu gelten hat, wie soll es überhauj)t wahrscheinlich werden, dass die Besetzung gerade dieser sicherlich unbedeu- tenden Insel je die Phaseliten und Maussollos zu einer Neuordnung ihrer recht- lichen Beziehungen veranlasst hat? Es mag Örtlichkeiten genug gegeben haben, die Gegenstand der dunklen, immer nur vorausgesetzten Begebenheit sein konnten; ihre Namen und ihre Geschichte sind für uns verschollen und verloren. Deutungs- versuche in dieser Richtung führen schon infolge unserer Unkenntnis der \'er- hältnisse zu keiner glaublichen Ergänzung. Das gesuchte Wort kann aber, wenn

'^) Ebenda n. 13, vgl. Gott. gel. Anz. 1898, 205. Recueil n. 17) Z. 8 ij ifpoüpLOV rj /,:\ii'/x y.aTaJ.aiißavYj,

■") An die bekannten Bruchstücke schließt Z. 12 i) tfftbpia, f) Xi|ilvas -/.sfraXanßävnjTa'. verweisen

CIA I 113 rechts oben, ein unveröffentlichtes Stück können. Die Beziehung auf Philipp hatte übrigens,

links unten an. seiner früheren Ansicht entgegen, auch Ulrich Köhler

■"*) Vgl. Kühner, Ausführliche Grammatik - II mittlerweile anerkannt (Berliner Sitzungsberichte

959 ff. 1892, 511'.)

•"*) So z. B. in der Inschrift von Zelea: Bechtel, '"') In der Karte zu den Reisen in Lykien u.s.w.

Jonische Inschriften n. 113 Z. 6 sj o5 i) ä/.p6~oXt; und der Specialkartc vom westlichen Kleinasien ist

xa-iXa-^S-rj üiiö tö)V TioXiTtöv. Als ich in den Arch.- der Name dem Eilande nördlich von Olympos bei-

epigr. Mittheil. 1894 S. 35 ff. die Inschrift CIA II geschrieben, richtiger in den Forraae orbis .antiqui

n. 160 behandelte, hätte ich für meine Ergänzung Z. 7 der nordöstlich von den beiden Chelidonien und der

oüäs K6?.ia(ia oiiih x^^Jp-ov oder oüds KÖXiv oüds Cspi äxpa gelegenen Insel Garabusa (Krambusa)

cppoi>]piov y.a-:a>.i;'^o|i[a'. oüSI J.'.|iiva auf den Vertrag zugetheilt. [Vgl. jetzt E. Kaiinka in der Festschrift

der Gortynier und Lappaier BCH 1885 S. 6 (Michel für Heinrich Kiepert 172.]

J.lhrcshcfto des üsterr. archiiul. Institutes Bd. I, 21

i6o

es ein Eigenname sein soll, ebensowohl der einer Person, einer männlichen oder weiblichen, sein. Unberechenbar ist das Spiel des Zufalles; aber ist es wirklich nur trügerischer Zufall, dass der Name der Schwester und Gattin des Fürsten Rlaussollos sich ungezwungen, dem Räume entsprechend ''), ergänzen ließe?

Ich leugne es nicht, der Gedanke Artemisia in diesem Zusammenhange genannt zu sehen, erscheint abenteuerlich und romanhaft. Dennoch fordert er eine kurze Prüfung. Wäre wirklich 'Apzz\i'.]:j'.m zu lesen, so böten sich zwei Möglich- keiten der Erklärung.

In den östlichen Gebieten der griechischen Sprache ist y.aTaXa[^i,3avs:v in einer Bedeutung üblich, die dem Attischen bekanntlich fremd ist: es bezeichnet den Sieg vor Gericht ■'•). Demnach würde Artemisia einst in irgend einem Handel mit den Phaseliten vor Gericht unterlegen und diese Verurtheilung Anlass des vor- liegenden Vertrages geworden sein; beliebig mag die Phantasie sich mühen, für ein solches Ereignis rechtlich und geschichtlich denkbare Formen zu finden. Aber "/.aTaXa[^ijjäv£iV heißt auch ergreifen, gefangennehmen*'). Sollte Artemisia einst von den Phaseliten, etwa mit den Rhodiern im Bunde, festgenommen worden sein und die Phaseliten im Besitze dieses kostbaren Pfandes eine neue günstige Regelung ihrer Rechtsverhältnisse Maussollos gegenüber versucht und gegen Artemisias Auslieferung erreicht haben ? Ein solcher Handstreich konnte in den Kriegen, die Maussollos mit den Lykiern und den Griechenstädten zu füliren hatte**), wohl vorkommen.

Die Ergänzung mag für einen Augenblick verführerisch erscheinen, aber weit entfernt an sich einleuchtend zu sein, gewinnt sie näher besehen nicht an Wahrscheinlichkeit. Ich verwerfe sie, aber ich weiß auch keine andere völlig über- zeugende Ergänzung vorzutragen. Trotzdem komme ich immer wieder auf die

■") Allerdings ergeben sich, die Ergänzung mowitz, Euripides Hippolytos 237 und Dittenberger,

auv[ßo>.aC(uv vorausgesetzt, für die Lücke nur 17, Hermes 1897, 34- Nebenbei: ist zu der in der

schreibt man Tiplv ij, nur 18 Buchstaben, während Inschrift von Olbia er%vähnten (üvr, -(«v ;iapavo|ir]-

in Z. 3, 5, 8, II je 20, in Z. 7: 22 Buchstaben oavTiuv schon auf Josephus A. J. XII 176 (vgl.

fehlen; auv[aX>.a7]i.a-(ov ergäbe drei Zeichen mehr. 181. 183) verwiesen worden: xal -&v älixpTGVTOJV

Aber das -erhaltene Stück beweist genugsam, dass elg xöv oXv.O'/ aÜToä -ag oüataj dva7:£]JL'.}j£iv a'J-(Tj xai

man überhaupt mit Schwankungen rechnen darf. *fäp toüio ToTj TsXsai auvsitOTpäoxE-o ?

Deshalb würde ich auch nicht wagen, neben döjisiv *^) So Piaton Gesetze 12, 944 c xxTaXaiißavö-

Ma'J33(i)Ä/ov in Z. 10 3s 5ö|i£iv M. (22 statt 20 Buch- |i£VOj ÜTzb zSy/ -ioXs|iio)v u. s.

Stäben) von vorneherein für unmöglich zu erklären. **) Vgl. W. Judeich, Kleinasiatische Studien

") So in den Inschriften von Teos in Ditten- 237 ff. Über Artemisia und die Rhodier besonders

bergers Sylloge n. 349 b. Z. 58, Olbia ebenda n. 354 Vitruv II 8. 14 f.; dazu Benndorf bei Gr. Tocilescu,

Z. 21, Eresos in Michels Recueil j4 Z. 20. Bekanntlich Das Monument von Adamklissi 135. auch in Antiphons Tetralogien; darüber v. Wila-

i6i

vorgeschlagene Gliederung des Satzes zurück; wer einmal in gewissen Einfällen befangen ist, vermag nur schwer neuen Erwägungen Raum und Recht zu geben. Freilich könnte man vermuthen, es sei von der Verbindung xwv oe £(i.-poai>£ 'juv- mit ot'xa; überhau])t abzusehen, statt auv[|ioXatwv etwa auv[[j6Xwv oder Tjy[fio/MV*'') zu lesen und mit c'.y.xz ein zweiter Satz zu beginnen, oder, wenn jene Verbindung und l-.rgänzung festgehalten wird, wenigstens für 7.a-:aXa':fO-r/|i£CV eine andere Fügung als die Abhängigkeit von einem vorau-sgesetzten r.piy zu suchen. Aber es will mir nicht gelingen, auf Grund solcher Auffassung die zerrissenen Satz- stücke in Ciedanken und Worten zu vereinen.

Nur eine Bemerkung sei gestattet. Bestünden die oben erörterten Möglich- keiten der Deutung und Ergänzung zu Recht, so wäre neben dem .Vbschlusse des Vertrages ein anderer, diesem vorausliegender Zeitpunkt für die Behand- lung der TJvicAxia mai3gebend und, während über die auv,ioÄai« der Zukunft in dem verlorenen Theile der Inschrift Verfügung getroffen war, die Zeit zwischen dem Ereignisse, dessen Erwähnung Z. 9 vorausgesetzt wird, und dem Abschlüsse des Vertrages überhaupt nicht berücksichtigt. Das mag auffallen, wäre aber verständlich, wenn jener räthselhafte Vorgang zu völligem Abbruche der Be- ziehungen zwischen Maussollos und den Phaseliten geführt hätte und Tr/^AXoL'.x aus der Zwischenzeit thatsächlich nicht vorlagen. Unleugbar ist es jedoch das einfachste, in dem Satze -pLV -/.aTXÄa^ö-rji^isiv eine Beziehung auf den Abschluss des V^ertrages selbst zu finden. Dies versucht ein sehr beachtenswerter Vorschlag, den ich Herrn St. N. Dragumis verdanke und mit seiner freundlichen Einwilligung hier mittheilen darf: nply opxwfiojai'av oder lav 6py.töji.o]atav xataXacp9'T(|i£iv. So gern ich aber dem ausgezeichneten Kenner griechischer Inschriften beistimmte, so scheint mir doch die Deutung auf Vollzug der Eidesleistung, dem Sinne der Stelle trefflich entsprechend, sprachlich nicht völlig gesichert.^''). Gegen meinen Einfall -p:v Tav in-^i'j ^ix]:s'.x\ x3cxaAa'.fi)-r([i£:v'') ,bevor dem zwischen Maussollos und den Phaseliten schwebenden Streite (eben durch den vorliegenden Vertrag) Einhalt gethan ward', lässt sich mit Recht einwenden, der Ausihuck klinge für eine Urkunde nicht bestimmt genug.

*^) Über den Unterschied zwischen ouvpiöXa'.a aufgenommen. Herr Dragumis wäre geneigt im Hin-

und aüvJoXa oder |'j|ißo>.a{, wie es attisch im fünften blicke auf unsere Inschrift ^uXoiisvo; üittx: si STi

Jahrhundert, auch CIA II 11, heißt (v. Wilamowitz, |i£-:ay.iv»iT>) sTy) ^ äjioXofia, £äsi5t) TjSpE xa-Ei>.ii)|i(isvT,v

Hermes l888, 240), Dittenberger, Hermes 1881, 188. zu schreiben.

") Thuk. V 21, 3 crg.Hnzte man zu I;:sl5y, rfifi *') Vgl. Herod. VII 9, 2 xotTa/.aji^iivS'.v -i;

xaTS'.Xrjiinivas, wie überliefert ist, früher tä; o;;ov?a; dia-.pop(xs; äiiqpiopaoia z. B. Inscr. Brit. Mus. n. 403

aus 21, l; jetzt ist Krügers Vcrmuthung xa-E'.Xr)|i- mehrmals. Iiivou; (nämlich Toi; Aaxs5a'.|iov!ciu;) wohl allgemein

102

Aufklärung über diese dunkelste, aber auch wichtigste Stelle der Inschrift erhoffe ich von dem Scharfsinne und der Unbefangenheit anderer; inzwischen sei folgende Lesung, die einige Zeilen (3. 5. 7. 8. 10. 11.) der Urkunde richtig und sicher herzustellen meint, in anderen, für deren Ergänzung verschiedene Möglichkeiten vorliegen, bloß beispielsweise und mit allem Vorbehalte einen Vorschlag einsetzt, weiterer Prüfung anheimgegeben:

Xog y-oil 'Ap-C£jJ.ia:a ? ö^i03]xvx£s Aia y.ai "AXiov v.ocl Täv y.a:

^eobg jiasiXsEo'j;? sixj-isvjerv zoiq ü)[ioXoyri[X£vo'.c r.ov. OaayjXtxa; äSdXw; xai äßjXaßsw?' ö[i6aavxov 5s xai «Sa- arjXixäv ou; xivä?? -/.a JlJaüsawXXog ypä'|r;xat xaxä Ta[i)-

5 £[jitJi£vetv xor$ (I)[.ioXoY]rj[i£VOLg i^aipövxES ßaai[X£-

w? 8pxiov? . Exxivövxw 51 xäg x]axa5txxj Ma'jcawXXo; OaarjXt- xa-.; xa: Ma'jaawXXwi <l>a!jr]X]txäv £t xiv£5 ö-^£cXovx: £[ji iirpl xpccjtv xa9-' Sxt 7:poy£yp]a[-]xa'.. xwv 5^ e\i.Tipoa^z tjv- ßoXat'wv -p:v ]jtxv xaxasXx'f a^T^ji-Eiv, SiV.aj

10 56[i£'.v MatjaawXXov ^aar^JX^xat? xai Oacjrpixa; Maua-

cwXXw: xx8-' S xa «JaarjXtxajt xxS MaücawXXoc 6(ioXoy:^!jü)v[xu

Athen. ADOLF WILHELM.

Neue Militärdiplome.

Der Freundlichkeit Herrn Professor Brunsmids danken wir es, dass wir hier das Facsimile einer vor kurzem gefundenen und in das Agramer Museum gelangten Platte eines Militärdiploms wiederholen können. Wie Prof Brunsmid später erfuhr, war dieselbe Ende Mai i8g6 vom Gehilfen des Mitrovitzer Fischers Adam Salzmann beim Fischfange in der Nähe des Dorfes Bijela Crkva, etwa drei Kilometer von Raca im Mitrovitzer Bezirk aus der Save gezogen worden. Die erste Nachricht und Abschrift erhielt Brunsmid von Herrn Nuber in Essek, der die Platte selbst erwerben wollte. Doch gelang es, sie gegen einen mäßigen Preis dem Museum zu sichern.

Es ist die zweite Tafel des Diptychon, die, der gleichartigen Beschaffenheit der Militärdiplome entsprechend, auf der inneren Seite den Schluss der Urkunde

i63

enthält, auf drr äul.liTiMi dir (ji't/.t vcrsc-liwiniclonon) Siogol der siobon Zeugen mit ihicMi Xaincn. L'biMhau]it ist tue Form bis auf die Stellung der Löcher und der Schutzleisten der Siegi^l die gewöhnliche; aber überraschend wirkt die Stärke der Platte. Sie wiegt 835-5 (iramm, während z. B. von dem unten S. 168 ff. wieder- gegebenen, vollständig erhaltenen anderen Diplom des Agramer Museums die erste 1 1 4'3, die andere 118 (iranitn wicut. Dies uml ein sehr auffallender Fehler ließen den X'crdacht entsteluMi, dass es eine moderne Copie sei, doch erscheint, wie ein bewährter Kenner antiker Broncearbeit, Herr Bildhauer Sturm jun. ver- sichert, der antike Ursprung zweifellos: auch ist die Mächtigkeit der Platte, wie sich gleich zeigen wird, durchaus in Orilnung. Ich gebe zunächst die MaÜe und die Umschrift des Textes. Breite 0-182 o-i83"', Höhe 0-15 1 0-152'", Dicke 0-003"'; auf der Außenseite beträgt die Entfernung der Schutzleisten vom entfernteren Rand 0-105'", vom näheren 0-076"'. ihre Höhe 0-006"'.

Umschrift innen:

ant si qiii] cae{l)ibes essen/, cum üs, qitas postca dtixissenf, dumtaxat singuli singiilas, idibtis Febr{uariis).

cohort{is) II Hispanoniiu, citi praesi | (5:1 C. Cavaritts Prisctis, equili \ Dasenfi Dasniciii f(ilio) Cornac{att) et {L)orae Prososü filiac tixori eins et <v4.?> Einer ito f{iUo) eins (10) et Turnnae filiae eins {et E)meritae filiae eins. Descriptnui et recognitmn ex liibiila aciica. qnae fixa est Rouiae in Capitolio in aede \ Fidei p{opnli) R{omani) {l)citcrc sinisteriore \ (15) ex{t)risecns.

Umschrift außen:

L. l'itelli Sossiani P. Sen'iti Adiiitoris

O. Vibi Siinrici A. Cascetli Successi

T. (G)ra(f}ti Val{e)ntis M. Heleni Primi

C. Antist[i] Marini

Tni Innern ist die .Schrift tief und deutlich eingehauen, aber einzelne Buch- staben sind unvollständig, indem einzelne oder mehrere Querstriche fehlen. So steht Z. I Stelle 4 I statt L, Z. 8 vor ORAE nur die untere Hälfte einer .senk- rechten Hasta, Z. 11 11 I für ET E, Z. 14 in latere I für L, Z. 15 Stelle 3 I für

164

T; ich habe diese Buchstaben in ( ) eingeschlossen. Die starke Vertiefung vor et in Z. 9 sollte wohl kaum ein Buchstabe sein. Eigentliche Fehler kommen nicht vor.

Auf der Außenseite sind die Buchstaben weit seichter und sicher von einer andern Hand eingegraben. Unvollständige Buchstaben sind wohl auch in Z. 3 zu erkennen, indem statt CRAITI wohl (G)i'ci(f)tl gemeint war und in Va{lc)utis

OVXLSS^N'T-. DVMm%-ATSl NCVU'SfNt ... ;^ LQ^Ui I

Irfiqis^f r^Ä^TiiuiAF-Vv oft-

X)PSc>RJfT\^XV\^£T ^£CCaKI IT^vM t^f^:•v/tA(#'^

Zweite Tafel eines Militärdiplomes in Agram, Innenseite.

in der Mitte _ 1 steht. Das seltene Cognomen Saiirici Z. 2 ist vielleicht kelti- schen Ursprungs.') Aber sehr auffallend ist der Fehler Z. 4 ANTISTS für Autist[i\ Da der Anfang der Urkunde mit dem Kaisernamen fehlt und wohl in Folge eines Versehens auf der Innenseite nach der Bezeichnung des Tages die des Jahres durch die Consuln ausgefallen ist, so ist die Zeit unseres Diploms zunächst un- sicher. Zu deren Bestimmung ist das wichtigste Anzeichen die Angabe der Ört-

') Vgl. den Stempel eines arretinischen Gefäßes den ebenfalls in keltischen Gegenden vorkommenden zu Genf CIL XII 5686, 790 Samici m[anu), sowie Töpfernamen Saiii'anns,

i65

lichkoit, wo der Originalerlass des Kaisers in Bronce eingegraben zu sehen war: Roinac in Capilolio in aedc FiJei p{opnli) l\'(onuuii) latere sinisicriore cxtrisccus. Nach der Zusammenstellung, die Mommsen ClI. III S p. 2034 gegeben hat, ist vom Jahre 90 an die Angabe ininii>r /// iiniro /'o.s7 liniplitin Jivi Ang{ns/i} üJ Minnviiiii; die vorluTgclicndiMi Ix'n'inncn alle mit /;; ('apilnlid, das weitere ist verschieden. In dem bisher ältesten Diplom vom J. 52 ist es acclis Flilci pupiili k'auunii parle

1

1

1 M ' '

1 ]

^n>/ i

1

> ' (

'' i ' J l

'^

1

T 1 T i< .1

^*W^

Zweite Tafel eines Militiirdiplomes in Agrum, Außenseite.

dexteriovc. im nächstiMi vom J. Oo ad latus siiiisfr{iin!) acdis tlic)isar(iiui) cxtrisccus; die acdis Fidci p. R. kommt als benachbart noch in d<'n Diplomen der Jahre 80 und 86 vor.

Es scheint an sich einleuchtend und wird durch die Nachricht von Julius Obsequens zum J. 44 und Die 45, 17 zum Jahre 43 v. Chr. über die durch den Sturm herabgeris.senen Hahnlac acucac ex aedc Fidei' oder xä; . . ^xr^Xa; toc . . . "sp: töv TV,; ll{ax£(i)j vEwv -poausTirjYUtas bestätigt, dass die T^ronccurkimden auf dem C'apitol zunächst am Tempel der Fides p. R. befestigt wurden. Wenn nun von den Origi-

i66

nalen der Militärdiplome das älteste vom J. 52 an diesem Tempel selbst angebracht war, die späteren aus den Jahren 60 bis 86 an Stellen in dessen Nähe, so erscheint die Folgerung berechtigt, dass von einer bestimmten Zeit an, zwischen den J. 52 und 60, der Raum am Temjsel selbst wegen Überfüllung nicht mehr gebraucht wurde. Da das neugefundene Diplom aber wieder den Fidestempel nennt, so ist anzunehmen, dass es wie das vom J. 52 vor jenen Zeitpunkt fällt, also ent- weder vor 52 oder zwi- schen 52 und 60.

Zu diesem Ansätze stimmt, dass von den Namen der sieben Zeu- gen keiner auf einem andern Diplom vor- kommt, während es von der Zeit Vespasians an Sitte wurde, dieselben Personen wiederholt als Zeugen zu verwenden.

Schließlich stimmt dazu die anfangs be- fremdende Beschaffen- heit der Platte. Von dem ältesten Diplom des J. 52 geben die Antichitä di Ercolano in dem Vor- worte zu Band V (danach in der Augsburger Aus-

Militiirdiplom vom J. 152 in Agrani, erste Tafel Außenseite.

gäbe wiederholt) einFac-

simile in Kupferstich, und diese Kupferplatten selbst sind wieder bei Marini, Arvali, auf den Tafeln zu p. 440 abgedruckt. Dieselben müssen nach den Maßangaben bei Fiorelli, catalogo, iscriz. Latine n. 1149 (Höhe o- 1 7 7 '", Breite 0-149 "') flie Größe des Originals haben.

Nun sind die Dimensionen unserer Platte, wie ich mich durch Auf- legen derselben auf die Marini'sche Tafel überzeugt habe, identisch; ich

i67

zweifle nicht, (l;iss aurh die Stärke und das Gewicht fast identisch sein

werden. -)

Es hat sich also in diesen Urkunden die Entwicklung vollzogen, dass die erst

massiven und schweren Stücke immer leichter gemacht wurden ; unsere so schwere

Platte wird daher an den Anfang der Entwicklung gehören.

Xacli dem l'undorte des Diploms ist anzunehmen, dass sich der Erlass

auf die Truppen der Provinz lllyricum oilor mit späterem Namen Pan-

nonia bezog, und das wird dadurch zwei- fellos, dass die Truppe, wel- clicr d(;r Ent- lassene ange- hört hatte, die cohors II Hi-

spanorum nach dem Di- plom vom J. 60 (U) in llly- vico, nach de- nen aus den

Jahren 80 (XIII = XI p. 854 84 (XVI). 85 (XVII = XII p. 855)

/)/ Pannonia stand. Im J. loS scheint sie nach lIL 111 6273 in Dacien gestanden

zu haben.

Die Völkerschaft der Coniac{atc.<;), aus der der Entlassene stammte, wird

von Plinius n. h. III (25,) 148 in der alpliabetisch geordneten Liste der popiili

Militärdiplom vom J. 152 in Agram, erste Tafel Innenseite.

j) [Obige Vermuthung kann ich dank der Liebens- noch mehr als die der Zeit nach folgenden Diplome,

Würdigkeit der Ncapelcr Museumsverwaltung jetzt von denen nur eine Tafel erhalten ist. Die vom

durch bestimmte Angaben ersetzen : vom Diplom des 2. Juli 60, jetzt in Wien (II nach der Zählung des

Jahres 52 wiegt Platte I 915 Gramm, Platte II aller- Corpus S) wiegt 545'8 Gramm, die vom 15. Juni 64,

dings merklich weniger, 625 Gramm, aber immer jetzt in München (III) 500 Gramm.]

Jahreshefte des österr. arcbäul. Institutes Bd. I. 23

i68

Pannoniens angeführt. Ihr Sitz war Cortiacimi, das von Ptolemaeus zweimal in dem Capitel über Pannonia inferior II 15 (16) angeführt wird, § i = 2 (yj xaxa Kopvaxov eTCiCTxpocpr; xoO Aavoußcou uoxaiioö) und §3^4 unter den T^oXet? . . b-o xov Aavoiißtov 7ioxa(.i6v. ferner in den Itinerarien (sieh CIL III p. 421) und der Notitia dignitatum (Occ. XXXII 3 = 22; 12 ^ 31, vgl. VI. 102 Coniacenses und V 122 = 272, wo überliefert ist Comiacenses). Die Stelle an der Donau, wo danach Cornacum mit ziemlicher Genauigkeit fixiert wird, ist in nordwestlicher Richtung etwa 46 Kilometer in der Luftlinie von der Stelle der Save entfernt, an der das Diplom ausgefischt wurde.

Der Name des Entlassenen kommt z. B. C III 4276 als Nominativ (Dases) und Genetiv (Daseufis) vor ; der Name des Vaters wiederholt sich bei dem Inhaber des Diploms vom J. 149 (Arch. epigr. Rlitth. XVI S. 223 ff. = CIL III S p. 1986 n. LXI).

Der Name der Gattin, wohl sicher Lora '), ist wie der ihres Vaters (Prososiiis) einheimisch und vielleicht neu ; dann folgen die Namen des Sohnes und zweier Töchter. Von diesen ist der der älteren Tochter (Tiirnna) einheimisch und scheint mit dem Namen der vom Fundort weiter donauabwärts gelegenen Ortschaft Taitniiiniii in Verbindung zu stehen.

Dagegen sind die Namen des Sohnes und der jüngeren Tochter Emeritus und Einerita römisch und augenscheinlich von den enierita stipeiiclia abgeleitet. Es scheint nicht auffallend, dass der Soldat Dases seinen Kindern solche auf das Soldatenverhältnis bezügliche Namen gab, auch ohne dass dieselben für seine Kinder und ihn selbst passten.

Im Einverständnis mit Prof. Brunsmid füge ich von dem andern, voll- .ständig erhaltenen Diplom des Agramer Museums Facsimiles von beiden Seiten der ersten Tafel (Abb. sieh S. 166 und 167) und Umschrift aller vier Seiten hinzu. Dasselbe war 1890 südlich von Ilace bei Sid im Bezirke von Mitrowitza ge- funden und von Brunsmid in einer Abschrift, die kein Facsimile sein sollte, im älteren Vjestnik 13 (1891) S. 33 ff. herausgegeben worden. Danach ist der Text wiederholt von Hülsen Rom. Mitth. 6 (1891) S. 335 f., wieder mit Benutzung meiner Copie CIL III S p. 1987 n. LXII. Die Platten sind dünn, ohne Rand, hoch 0-14'°, breit o-ii8'"; schwer ist Tafel I ii4'3 Gramm, Tafel II 118 Gramm.

^) Vgl. den keltischen Namen Loriniis bei Holder, Sprachschatz II Sp. 287.

169

außen : iinp. Caes. divi Hadriani f., divi Traiani Parthici uep.. divi Nervae prouep.. T. Acliiis Hadriauiis Aiiioitiittis Aug.

Pitts, poiit. Utax:, Ir. pot. XV, iiiip. II, cos.

IV, p. p. iis, (5) qiii militaveniitt (5)

in classe praetoria Raveuitaie, qiiae est stib Ttilicaitio Capitone

praef(ecto), sex et viginti stipeitdis emeritis dimissis honesta ntissione, qttoriim no(.io)niina sitbscripta sunt, ipsis liberis posterisqne cortitn civitatem Roviavam dedit et conttbittm cum ttxoribus, qtias liiiic habuisseitt, cum est civitas

iis data, atit, (15) si qiii caelibes essent, cum iis, qttas postea dtixissciit, dtimtaxat siugttli singttlas,

itoii. Sept. (15

C. Novio Prisco L. Itilio Romtilo cos. [ex armoritim) cjtst{ode)] (jo) C. I 'alerio Annaei f. Dasio Scirt{ont) ex Dalmat{ia). descript. et recogiiit. ex tabiil. aer.. qitae ßxa est Romae in mtiro post t[e]mpl. divi Atig. ad Minen-ain.

außen :

.1/. Servili Getae L. Pulli Chresimi M. Sentili lasi Ti. Iiili Felicis

imp. Caes. divi Hadriani f.,

divi Traiani Parth. n.,

divi Xervae pron.,

T. Aellitis HaJriantts Antoninus Aug.

Pitts, p. m., ir. pot. XV, imp. II. cos. is^n. Ch.

IV, p. p. iis, qtii militaver.

i<,py classe praetoria Raliennate {sie), qitae est stib Tuticanii (sie) Capitone

praef., XXVI stipend. emerit. dimiss. Jtoitisi {sie) mission., qtior. nontin. sttbscript. sunt, ipsis über, posterisq. (10) eor. civil. Roman, dedit et conitb. cum uxorib., qnas tutic habuis., cum est civil.

is data, axt {sie), si qtii caelib. essen., cum is, quas postea dtixiss., dumtaxat siitguli singiilas, = ni) non. Sept. Prisco et Romttlo cos.

ex gregale C. Valerio Annaei f. Dasto {sie) Scirt. ex Dalnt.

C. Itili Silvatti L. Pulli Vc'locis P. Ocili Prisci

22"

170

In dem minder sorgfältigen Exemplar innen sind mehrere Fehler. Durch Weglassen von Querstrichen ist Z. 8 HONISI statt HONEST entstanden; durch Zufügung eines solchen T für I in Dasio in II Z. 4; zweimal gesetzt am Ende von Z. 2 und Anfang von Z. 3 ist der Buchstabe L {Ael\liiis); verhauen ist Z. 5 IP für IX, Z. 6 LI für V und II für lO, und Z. 12 X für V, indem der linke Strich zu weit rechts gerathen ist.

Das Auffallendste ist, dass der Entlassene innen als ex gregale bezeichnet wird, aul3en als ex armor{um) ctisf[ode). Indes ist im Originale und einigermaßen auch im Facsimile zu erkennen, dass ex arntor. cust. auf einer Rasur steht, die den größten Theil der Zeile betroffen hat. Sicher stand hier früher auch ex gregale; man kann Reste eines senkrechten Striches unter A. einer Rundung vor M, eines senkrechten Striches innerhalb C erkennen. Die Änderung i.st wohl so zu erklären, dass unser Dasius, als der Praefect die Liste der zur Entlassung kom- menden Mannschaften einsandte, noch gregalis war, aber zum aniioiiuui) cust(os) avanciert war, als der Bescheid von Rom zurückkam.

Auf den weiteren Inhalt gehe ich hier nicht ein und vermerke nur Ritter- lings Beobachtung, dass dies Diplom das älteste ist, in dem dem Namen des Commandanten der Truppentheile, denen der kaiserliche Erlass gilt, der Titel zugefügt ist, hier praef{ccfo). Von jetzt an geschieht das regelmäßig ; aber in den Diplomen der Jahre 148, 149 und 150 geschah es nicht, so dass die Änderung zwischen 150 und 152 erfolgt zu sein scheint.

Das Museum zu Sofia, von dessen Diplom vom 23. März 178 ich in dem vor kurzem erschienenen Band XX der Arch.-epigr. Mittheilungen S. 164 167 dank der Freundlichkeit des Directors V. Dobrusky genaue Facsimiles publi- cieren konnte, ist kürzlich durch ein Geschenk des Herrn Ivan Lozanov zu Widin in den Besitz eines andern Militärdiploms gekommen, das bei dem Dorfe Negovanovci im Bezirk Widin gefunden und von Herrn Lozanov 1897 erworben war. Dobrusky hat es unter Beigabe genauer Reproductionen der vier Seiten in dem Sbornik XIV (1897) bekannt gemacht und ebenso in den comptes rendus der Pariser Akademie 1897 S. 498 ff., wo zu S. 499 eine Heliogravüre der Außen- seite von Taf I beigegeben ist. Endlich habe ich im Einverständnis mit Dobrusky das Diplom in einer Sitzung der vereinigten antiquarischen Sectionen der Dresdener Philologenversammlung kurz besprochen (sieh Verhandlungen S. 92). Für eine neue Publication in dieser Zeitschrift liat Dobrusky neue photographische Auf- nahmen beigesteuert, nach denen die auf S. 174 177 wiedergegebenen Facsimiles

lyi

herge.st(>llt sind. Tcli füs^c ITmschriftcn und einige Bemerkungen liiii/.u. TTöhe der

Tafeln o'i7"', liieite oi4()"'; (icnvicht Non Tatcl I 341 (iramm, von Tafel 11 4511 ( iraniin.

aiil'fM : innen :

//;//'. Cciisiir (///'/ \\s/hisicii// /'. /;;//'. (\icsar Jh'i l'cspci.siiiiü /.

Dniiii/iiiiins I .[ii^i^iis/iis ( icriiiiiii/ciis, I Idiiii/niims \ .lii^i^'iis/ns (icniuiuictis,

poulifiX uuixiunis. \ tribuiiic. pniilifcx iiuixinins. \ /ri/'nuic.

polestat. XIII, potestat. XIII,

im/'. XXII. i'os. .Vi 7, [ ccn.-ior pcrpc- iuip. XXII, cos. XVI, \ cciisnr pcrpc- 93 "• Ch.

/////N. /'. /'. I litiis, p. p. I

(5) cqiiilibn.^ li pLililihiis, i/ni iiüliUnü (5) ei/ni/ilvi.s cl pcililihu[s\ qiii uiilihiul

in Ulis lri\bus et ciilidrUhiis iinvcui, in alis tri\bns et coliortibiis unrein,

i/iiiie iippelldutiii' I cptüe cijipettiiiitiir

^'11 I'üiiiKuiioniui et ■'^('tiiiuiia nova et ^'11 I l'iiiniouioniiii et ^'^Claudia nova et

''praeto\i-iü et ^'I Cilieuni et ■'! Cisipadensinm et

3''7 Cretitm \ et *'^/ Ftaviii J/isj'ciuoniii! niilliiiria et 5)/ Aiitio'(io)eliensiuui et "II Galloniui

Macedonica et y'^IIII I Raetonint et ^'>V Gallonim et

9)1' Hispanonini et I sunt in Mocsia stipcriore siib Cv. Aeniitio Cica\trieiila Ponipein

Longino,

i^praetoria \ et '*/ Cilieiini [e]t 'U Cisipadensiuni et

i^I Cretiim et *U I Flcivia Hispaiicnmi uiilliaria et "•'I Aiiti('\(io)chensiHm et °>II Gallornm

Macedonica et \

i^IIII Raelonim et «'I' Galloniiii et

'"l' Hispa\uorniii

et sunt in Moesia superiore \

snb Cii. Aeiiiilio Cieatrieiita Ponipeio

Lon\gino,

qui qiiiuii et Tiee\ua stipendia ant qiii qitiiia et vicena stipendia \ (15) \_ant

pliira menientiit. item di\(is)missis honesta missioue emeritis stipeudüs, |

qiiornui nouiiiut subscripta sunt, ipsis liberis \ posterisque eoruni cii'itülent deilil et eounbi\nni cum

uxoribns.

plii]ra ntenienint, item d/mi.ssis \ Iiouesta missione emeritis .stipendiis, \ quKiiim nouiiiui subseiipld sunt, ipsis li\beris posterisque [for]//;« eirilateni de\dit et ennubiuiii cum

uxoribus.

quüs tune liabuissent, cum \ est eivitas qitas tuuc\K2o) liabuisseiit, cum est civitas

iis data. üs data,

aiit. si qui ecielibes essent. aut, si qu[i] \ caelibes esseut.

172

cum I (^°' h's, qnas postea diixissent, diimtaxat singtüi \ singiilas. i6. Sept. a. d. XVI k. Domit[iauas) \

T. Pomponio Basso L. Silio Dcciano

COS. I

cohort(is) I Cisipadcusinm, ctii pracst\ L. Cilniiis [L.] _/". Poiii. Scciiin/ns, \

(25)pcditi I L. Cassio Cassi f{üio) Lariseu{o). \ descriptum et recognifttrn ex tabula

aenea, \ quae fixa est Romae in uniro post teiiiplnui \ divi Aug. ad

Miiievvam.

cum iis, qnas postea duxissent, \

duuitaxat singnli siugulas.

a. d. X\'I k: Domit(ianas) \

T. Pompouio Basso L. [Sili]o Deciauo

COS. I

cohort{is) I Cisipadeiis[i]uu?, cui pracst\ (25)L. Cilnius [L.] /. Pouu Sccuudus, \ pe[d/]ti I L. Cassio Cassi [f(ilio)] Larisen(p). \ [d]escriptiim [et r]ecognitnm ex tabula

ae\nea, quae Jixa c[s]t Romae.

außen :

Cu. Egnati \'italis

L. Pulli Hcraclaes P. Ca Uli T7/<;//5

0. Orji Cupiti

C. luli Saturnini

0. Aemili Sotericlii

L. Pulli Sperati Die Exemplare innen und außen stimmen genau miteinander überein, bis auf die Abkürzungen; selbst die Zeilentheilung ist vielfach die gleiche, nämlich am Schlüsse der Zeilen i. 2. 3. 4. 5, wieder 15 außen (16 innen), 21 26 außen (22 27 innen). Der einzige Unterschied ist, dass die genaue Ortsbestimmung am Schlüsse in niuro post teuiplum divi Aug(usti) ad Minervam innen fehlt.

Auf der Innenseite von Tafel I ist die Schrift im ganzen sorgfältig und gut. Häufig ist das T von einem I nicht zu unterscheiden. Ebenso steht für G ein C in Z. 2 AVCVSIVS, Z. lo CALLORVM, Z. 14 CINO, unterschieden ist es als G Z. 2 in GERMANICVS und Z. il GALLORVM. In Z. 5 steht am Ende von PEDITIBVs statt des S ein E, in v^elchera der mittlere Querstrich verküm- mert ist. Z. 8 CI für ET vor fCISIPADENSIVM. Am Schlüsse dieser Zeile E I ! statt ETI, vom letzten Strich sind Reste erkennbar.

Die Innenseite von Tafel II ist flüchtiger ein- gegraben und manche Buchstabentheile sind ausge- lassen oder später erloschen. Z. I = 15 ist von AVT PLVRA leidlich erhalten RA, vorher un- deutliche Reste von TPLV. -*- Z. 3 == 17 ist in

NOMINA im M der vierte Strich außer dem Punkt unten nicht ausgeführt, ferner wegen einer Verletzung zwischen N und A Raum gelassen. Z. 4 = 18

zu sehen.

Z. :

19 ist statt B

statt EOR nur erst ö. d.ann ö eingegraben. Z. 6 = 20 fehlt in •^\M der zweite Strich des V. Z. 9 ^ 23 von SILIO nur O deutlich, vorher undeutliche senkrechte Striche. Z. 10 = 24 in CISIPADENSIVM das

25 von LFP 12 = 26 von

PEDITI scheint T ziemlich erhalten, von PE und I Spuren. Z. 13 = 27 ist F ganz verschwunden, das L zu Anfang und LA im Cognomen sehr verstümmelt. Z. 14 = 28 sind verschwunden zu Anfang D ganz, E bis auf geringe Spuren, weiterhin ETR ganz. Z. 15 = 29 S verschwunden.

letzte I verschwunden. Z. 11 = wenig Reste erhalten I •" ''. Z

'73

Auf der Außenseite von Tafel I ist in Z. 24 der entsprechenden Stelle des Innentextes das zu

(6 V. u.) der den Vatersnamen bezeichnende Buch- erwartende I^ m(')(;lich. Stabe fast viillij; verlöscht; doch scheint hier wie an

Nach (It'n Titeln des Kitisers Doinitiaii tiilll i.li'f J'liiass, aus dem das JJiplom einen Auszug ciuhii'lt, in das J. (j^ n. ("Iir. In tler Bezeichnung des Monatstages (A'17 /■. I liiiitit(idiias) = 16. September) erscheint zum (»rstcnmal inschriftlich der Name Domitianus für den ()cti)ber, indem nach Sueton Doniit. 13 Kaiser Domitian post . . . i/iiiis hiiniiplios Germanici cogtiomine assitiiipto, Septembrem menseni et Üclobrent ex appelhitionibus suis ('•crmanicmn Dnmitiamtmqtie traiisnominavit, qtiod altera stiscepissct iinpcrinin. ullcni luitiis esset; vgl. Martial epigr. IX i; Macrobius I, 12, 36; die Andeutung von T'linius panegyr. 54 und für den October Cassius Dio 67, 4. Inschriftlich war bisher die Verwendung des Namens Germanicus für den September durch die Inschrift von Sassoferratn (Sentinum) Orelli 4949 = C. XI 5745 mit AT// k. Germanicas belegt, die auch ich in der Anmerkung in die Zeit Domitians gesetzt habe.'')

Das Consulnpaar war bisher unbekannt. Von dem ersten T. Pomponius Bassus wusste man seit längerer Zeit, dass er in den Jahren 96^99 Statthalter von Cappadocien und (jalatien gewesen ist (sieh Liebenam, Legaten S. 174), seit einiger Zeit durch eine Inschrift von Ephesos (bull. d. com Hell. X i886 p. 95), dass er 79/80 Legat des M. Ulpius Traianus, Vaters des späteren Kaisers, als Proconsul von Asien war. "Weiter wusste man aus dem Patronatsdecret CIL VI 1492 und zwei Stellen der tabula Veleias C. XI 1147 III 13 u. 53, dass er zu Anfang der Regie- rung Trajans in dessen Auftrag die Alimentareinrichtung durchgeführt hat, viel- leicht, wie ich in der Anmerkung zur tabula Veleias C. XI p. 220 vermuthet habe, für die zwei aneinander .stoßenden Regionen I Campanien und \\\ lürurien.

Der zweite ("onsul L. .Silius Decianus war bisher unbekannt,") doch be- gegnen seine Namen unter denen des Q. Roscius Sex. f. Coelius Murena Silius Decianus Vibullius Pius lulius Eurycles Herclanus Pompeius Falco der Inschrift von Tarracina C. X 6321 und dessen Sohne.s, des vielnamigen Consuls des Jahres 169; sieh seine Inschrift aus Tibur C. XIV 3609.

Als Statthalter von Moesia superior erscheint hier Cn. Aemilius Cicatricula Pompeius Longinus. Zweifellos ist derselbe identisch mit dem Statthalter Pan- noniens am 20. Februar 98, der im Diplom dieses Tages (XXVII = C. III p. 862

*) Vorher hatte diesellie Änderung des Monats- ') Der Zeit nach würde es möglich sein, in ihm

namens Caligula vorgenommen nach Suetons vita c. 15 den aus Emerita in Spanien gebürtigen Freund

in mcmoriam palris Scpicmbrem iiieitsfin Gcniitjiii- Martials Decianus zu erkennen ; sieh Friedländcr zu

cum appcUaiit. Martial I 8.

174

n. XIX) mit den Worten genannt wird in Pannonia siih Cii. Pinario Aemilio Cicafriciila Pompcio Longino. Über ihn hat Ritterling Arch.-epigr. Mittheil. XX S. 12 14 gehandelt und hat ihn identificiert mit dem prätorischen Statthalter von Judaea am 13. Mai 86 Cn. Pompeius Longinus des Diploms XIX (^ C. III p. 857 n. XIV) und dem gleichnamigen Consul suffectus am 27. October 90 des Diploms XXI (C. ins p. 1965). Diese beiden Identificie- rungen werden in- sofern bestätigt, als, wie wir jetzt sehen, der Stattlialter von Pannonien das Con- sulat vor dem Jahr 93 bekleidet hat. Übrigens bietet er das zweite Beispiel

der Verwaltung von Moesia supe- rior vor derjenigen der angrenzenden Provinz Pannonien ; dasselbe haben wir bei L. Funisulanus Vettonianus, vgl. Ritterling a. a. O. S. 1 1 und unten Anm. 8.

Unser Militär- diplom ist das erste, das Auxilien der

Militärdiplora vom J. 93 in Sofia, erste Tafel Außenseite.

etwa IG Jahre früher durch Theilung der Provinz Moesia entstandenen Provinz Moesia superior") aufführt. Da diese eine Besatzung von zwei Legionen, der IUI Flavia und

•') Das Diplom XIV vom 19. September 82 mit den Worten quae sunt in Moesia siib u. s. w. macht es wenigstens wahrscheinlich, dass damals die Pro- vinz noch nicht getheilt war. Andererseits war der

eben erwähnte Lucius Funisulanus Vettonianus, der im September 84 (nach Diplom XVI C. III S p. 1963) und noch September 85 (nach Diplom XVII = C. III p. 855 n. XII) Pannonien verwaltete, vorher nach

25

'75

drr \'II Claudia liatti-, so erhebt sich die I'rage, ob die in dem kaiserlichen Erlass aufgeführten Auxilien die der ganzen I'rovin/. sind oder dii- einer I.egion zuge- theilten. Letzteres ist schon der Zahl wegen, 3 Alae und (> ("oliorten, fast un- zweifelhaft. Nach den beiden wenig Jahre späteren Erlässen für die Auxilien der Schwesterprovinz JMoesia inferior von demselben 14. August tjy (CIL III S p. 1970 n. XXX und p. iqyi n. XXXI) bestand dort der Verband der der einen Legion zugetheilten Auxilien aus 3 Alae und 7 Cohorten, der der andern aus

Mililärdiijlom vom J. 93 in Siilia, erste Tafel. IniK-nseitc.

3 Alae und 6 Cohorten. Die Stärke ist also wenig verschieden. Zudem sind als Be.satzungstruppen von Moesia superior in dieser Zeit mit größerer oder ge- ringerer Sicherheit etwa gleich viel Auxilien bekannt, die in un.serem Diplom nicht aufgeführt sind, die also der anderen Legion zugetheilt sein werden.')

CIL III 4013 (und XI 571) leg. pro pr . . . . Mocsiac mich, dass diesen Verband {jebildet haben von Alcn

supcrioris, also 83 oder Anfang 84. die Bosporanorum, I Hisp(anorum) Carapagonum und

') Dr. Ritterling vcrmuthet in einem Briefe an vielleicht die Tauriana, von Cohorten die I Thracum Jahrcshofto des üsterr. .irchäul. Institutes Bd. I. tj

Von den im Diplome aufgezählten Truppenabtheilungen kommen zwei, eine Ala, die Claudia iiora. und eine Cohorte, die F Hispaiiornui, in dem Diplom vom ig. September 82 vor (C. III S p. i960 n. XIV), das für die Truppen von Germania superior bestimmt war, aber an diejenigen, die noch ,/// Germania' waren, mit den Worten ,ifcit! in ala Claudia iiova et cohoriibus diiahus III Galloruiu et \' Hispaiioniiu, qiiae sunt in Moesia' 3 Abtheilungen anschließt, die damals wohl eines Krieges wegen aus dem germanischen Heere nach Moesien

Militardiplora vom J. 93 in Sofia, zweite Tafel, Innenseite.

abcommandiert waren. Dieselben sind hier geblieben, und die Cohors III (xallorum .stand nach dem einen Diplom vom 14. Augu.st 99 {XXX = III p. 803 n. XX) in Moesia inferior, während die beiden andern, wie wir jetzt sehen, Äloesia superior zugewiesen wurden, ^^on den übrigen in unserm Diplom erwähnten

Syriaca (wohl auch die II und IUI Thracum Syriaca), Roinanorum, vielleicht auch die II Flavia Numidarum I Aur. Dardanorum, II Flavia Commagenorum, It und IUI Hispanorum. Hispanorum, III Brittonuni, III canijiestris civium

'77

Abilii-ilungcn wartMi zwei odtn" drei bisher unbekannt: für die andern war die Zugehörigkeit zum Ilcor von ]\[oe,sia supcrior größtentheils bereits mit größerer oder geringerer Sicherheit viM-nuillicl wurden. Fcli füge in der Anmerkung**) über die einzelnen einige l'cmerkungen hinzu, bei denen ich Mittheilungen Ritterlings verwerten konnte.

Schließlicli ein paar Bemerkungen zu den Personennamen des Diploms.

Als Commandant der cohors I Cisipadensium wnrd ein L. Cilniiis L. f.

j O 1^ j

C V^.j] /

^: ) \i

kv\ k h

^ ^ I K/v

I )'\' l" 1 I

Kh l

^ iM I

NfaKff^

^^•M:(A^

\in'f\ii K

■■Ti— ii^ii']

Militärdiplom vom J. 93 in Sofia, zweite Tafel, Außenseite.

Poni{piiiia) Seciuidits genannt. Der Mann mu.ss dem Ritterstande angehören und ist wohl nicht weiter bekannt. Aber der verhältnismäßig seltene Gentilname Cilnius macht es wahrscheinlich, dass er mit der seit alter Zeit (Livius lo, 3) in

'} Von der ala II I'anitoniorum hatte schon Ci- Zeit, in der sie zur Besatzung dieser Provinz gehörte,

chorius bei Pauly-Wissowa I Sp. 1254 bemerkt, dass ist wohl auch der in Mitrovitza (Sirmium) zum Vor-

sic vermuthlich zu den Auxilicn von Mocsia superior schein gekommene Grabstein eines Soldaten dieser

gehörte, weil auf der Donauinsel bei Rama (C. III Ala (C. III S 10223) zuzuschreiben. Später wurde

S 8074, 5/») ein Ziegel von ihr gefunden war. Der sie nach Dacien verlegt und dort hatte sie das Castell

^3'

Arretium ansässigen vornehmen Familie der Cilnier in Verbindung stand, mit der auch Maecenas, wohl von mütterlicher Seite, verwandt war. Dazu stimmt, dass er der Tribus von Arretium, der Pomptina angehörte, ebenso wie Maecenas, dessen voller Name, wie ich einmal bemerkt habe, C. Maecenas L. f. Pohl (C. VI 21 771 = Grut. 945, 10) war, und der Senator der Zeit des Tiberius C. Ciliiius P. f. Pohl Pactiiins der Inschrift C. VI 1376.

Dass in dem Namen des entlassenen Soldaten L. Cassio Cassi f. Lariscu. der Vater mit dem Gentilnamen bezeichnet ist, findet in anderen Diplomen Analogien, so in dem vom 2. April 134 XLVIII = XXXI\' mit L. Sextilio SextiJi f. Pudeiäi Stohis und denen vom 18. Februar 168 LXXII = XLV mit Valerio Valeri f. Valenti Ratiar{ia) und vom 23. März 178 LXXVI (C. III S p. 1993, besser Arch.-epigr. jNIitth. XX p. 163 ff.) mit Wilcrio Wi/eri f. Valenti castr{is). Die Unregelmäßigkeit, dass das Cognomen fehlt, ist bei den aus dem Orient stammenden Soldaten nicht auffallend; sie findet sich gleicherweise in dem fast

von Szamos-Ujvar inne; sieh C. III 832; S074, 51J; Arch.-epigr. Mitth. XIV p. 172 u. 175; vgl. auch C. III 1 100 und 1483.

Über die ala Claudia nova hat Cichorius bei Pauly-Wissowa I Sp. I237f. die früher bekannten Notizen zusammengestellt. Da sie aus Germania superior, unter deren Auxilien sie im Diplom des J. 74 (XI ^ C. III p. 852 IX) erscheint, nach dem Diplom vom J. 82, wie oben bemerkt, nach Moesia gesendet war , so war sie vermuthungsweise mit der für das J. 105 in Moesia inferior bezeugten ala I Claudia Gallorum des Diploms XXXIII (XXII) identificiert worden. .Seitdem ist im Castell von Tum- Severin (Drubeta) an der Donau der Grabstein eines vetieranus) ex dcc(urio)ie) al(ae) Cl(audiaf) zum Vorschein gekommen (Arch.-epigr. Mitth. XIX p. 215 n. 74), der der Zeit ihrer Zugehörigkeit zu Moesia superior angehören wird. Unser Diplom hat dieselbe für das Jahr 93 bestätigt.

Die ala praetoria (sieh Cichorius Sp. 1258) war im Jahr 85 nach dem Diplom XVII (XII) in Pan- nen ien, zur Zeit des Todes Trajans im Orient. Unser Diplom beweist, dass sie in der Zwischenzeit nach Moesien gekommen war, wohl infolge der Kriege Domitians gegen die Daker.

Der Aufenthalt der cohors I Cilicum in Moesia superior war durch die von Doraaszewski in Nisch (Naissus) abgeschriebene Grabschrift C. III S 8250 bezeugt; im J. 134 war sie nach dem Diplom XLVIII (XXXIV) in Moesia inferior, wo sie später blieb.

Die cohors I Cisipadeitsiuin, die erst durch unser Diplom bekannt geworden ist, ist, wie bereits Dobrusky bemerkt hat, in der istrischen Inschrift C. V 8185 zu erkennen L. Campanius \ L. f. Pol. Verccundus [yelteraii. leg. IUI Scy[th. \ s]ignifer, {centurio) cho'rtis) [/ | C]isipadensium [te']stamento fieri n(xs/[/]. Nach dieser Inschrift wird unsere Cohorte schon in der ersten Hälfte des I. Jahr- hunderts zum e.xercitus Moesiacus gehört haben, der nach den Denkmälern des Jahres 33/34 (C. III 1698) die legio IUI Scythica umfasste. Der Stamm, aus dem die Cohorte wohl frühzeitig ausgehoben wurde, wird, wie Dobrusky gesehen und Cagnat comptes rendus 1. c. p. 502 not. 2 angeführt hat. bei Plinius n. h. V 4, 27 als Nachbar der großen Syrte in Afrika erwähnt: ifide Syrtis maior circuitu DCXXV, aditu autem CCCXII. iiide accolit gens Cisippadum.

Die cohors I Cretuin schien bisher nicht bekannt. Aber Ritterling hat gesehen, dass der in allen bisher be- kannten Exemplaren zu Anfang verstümmelte Ziegel- stempel, von dem ein Exemplar früher aus der Trajans- brücke zwischen Turn-Severin und Kladovo herausge- zogen war (C. HI 1703, 2) und drei Exemplare neuer- dings in Turn-Severin gefunden wurden (Arch.-epigr. Mitth. XIX p. 219 n. 82, 3) co\h I CRE auf diese Cohorte zu beziehen ist, nicht, wie man früher meinte, auf eine cohors I civiuni Romaiwrnin ecjuilala.

Die / Flavia Hispaiioruin milliaria ist, wie mir Ritterling bemerkt, sicher identisch mit der coh(ors) I Flavia Ulpia Hispaiioruin inil\Jiaria) c(ifiuin) !\(oma-

'79

gleichzeitigen Dijilom vom Jahro q8 (XXVII = XTX) /'. /iis/cio Agrippac f. Cyrrli. Ob zum Schlüsse Lariscii{o) oder I.üriscn[si) zu lesen ist, weiß ich nicht, ebenso wenig, welche Stadt Larisa gemeint ist.

Wie vielfach bemerkt ist (sieh Mommscn (' 1 1 1 S p. 2035), erscheinen von der Zeit Vespasians an in den Diplomen häufig dieselben Personen als Zeugen. Demgemäß konnnen von den 7 Zeugen unseres Diploms tue der Stellen 1. 4. 5 O. Orhus Cupiius, !.. I'ullius vSperatus, Cn. Egnatius Vitalis in dem zeitlich nächst- stehenden, um 2 Monate älteren Diplom vom 13. Juli 93 (XXIII = XVI) an den Stellen 2. 5. 3 vor, L. Pullius Speratus aui3erdem in den Diplomen vom i 3. Juni 80 (XXII = XI 1) und vom 19. September 82 (XIV 4) und vielleicht in dem vom 14. Juni c)2 (XXII = XV 6 oder 7), auch wohl sicher Q. Ortius Cupitus in dem eben angeführten Diplome Stelle 5, wo O. (JKFICl .... überliefert ist. Ferner erscheint n. 3 O. Aemilius Soterichus im Diplom vom 24. November 107 XXXX'l I, wo Sofcrici geschrieben ist, und n. 7 P. Caulius Vitalis in denen vom 19. Januar 103 (XXXII = XXI 4), 13. Mai 105 (XXXIII = XXII 7), 30. Juni 107

iioruni) cq(uilata) (diesWort fügt der Meilenstein hinzu) des dacischen Meilensteins C III 1627 und der daci- schen Diplome vom 17. Februar 1 1 o (XXX VII = XXV) und aus der Zeit des Pius (dipl. LXX = XI, IV). Die im J. 107 in Mauretania Caesarensis stehende 7 F/rti^/u Hispanonim ist zweifellos verschieden.

„/ Anliocliciisinin war, so viel mir bekannt, bis jetzt noch nicht bezeugt. Sie tritt ergänzend zu den cohorks Afamciwniin, Ascaloiütanonim, Chalcu/e- noriiin, Daiiiascenoruin, Tyrionim u. s. w., und zeigt, dass wohl alle größeren Stadtgemeinden Syriens durch ihre Contingente im römischen Heere ver- treten waren." RITTERLING.

Die II Galloniin MaccJonica stand nach dem eben erwähnten Diplom vom 17. Februar IIO (XXXVII = XXV) d.imals in Dacien, und deshalb wird sie mit der als cohors II Gallorum cqtiilala in der zeitlich wohl nicht weit abliegenden Inschrift C. II 3230 {p>\i(fecto coborlis II Galloniin etjiiitalae in Dada) genannten identisch sein. Etwa um die Mitte des zweiten Jahrhunderts war ihr Präfect der aus einer Reihe von Inschriften von Cilli bekannte T. Varius Clemens (C. III 521 1. 5212. 5214. 5215, alle mit piacf. coli. II Gallorum Macedonicae). Verschieden ist sie von der II Gallorum, die nach denDiplomenXXXI. XXXIII (= XXII). XXXVIII in den Jahren 99, lo;; und vor dem J. 114 in Mocsia inferior lag.

Von der //// Raclonim war bisher nur der -Aufenthalt in Cappadocien während der Statthalterschaft .\rrians unter Hadrian nach der extsccc; za-" "AXavwv zu Anfang (es scheint a-sJpa; Tf,; -ZB-ipzrii -Cr/ 'Paicuv überliefert) und der in Armenien zur Zeit der Notitia dignitatum (Or. XXXVIII 28) bekannt. Präfect von ihr war 1.. Baebius luncinus (C. X 6976 = Dessau 1434) wohl unter Trajan ; ob damals die Cohorte noch in Moesia stand oder bereits nach dem Orient abgeg.tngen war, scheint unsicher.

Die I' Gallorum war für die Jahre 84 (nach Diplom XVI) und 85 (Diplom XVII = XII) für Pan- nonien bezeugt. Dem Aufenthalt in Moesia superior, den unser Diplom zeigt, wird zuzuweisen sein die Grabschrift aus Turn-Sevcrin eines vel{eranns) co- h{ortis) V Galilornm): Arch.-epigr. Mitth. XIX p. 213 n. 71; ebenso der in Szerb-Poszeszena be- merkte Ziegelstempel mit CoHVG; (Arch.-epigr. Mitth. XIV p. in n. 12 = C. III S 12436).

Von der V Hispanonim habe ich schon oben gesagt, dass sie aus Germania superior, wo sie das Diplom vom J. 74 (XI = IX) nennt, im J. 82 nach Diplom XIV nach Moesien abconimandiert war. Hier ist sie also in Moesia superior geblieben, und den- selben -Aufenthalt bezeugt auch eine Grabschrift aus Xumidien C. VIII 4416 eines dcc(urio) V Hisp(a- noriitn) proviitciae Moesiac sup(frioris), die wohl dem dritten Jahrhundert angehört.

i8o

XXXV = XXIV 3), I. September 114 (XXXIX = XXVI 7). Neu erscheinen n. 2

(C. lulius Saturninus und 6 L. Pullius Heracia, wenn nicht der erstere im Diplom

vom 14. Juni 92 (XXII ^ XV 2) zu erkennen ist, wo CI'VLI . . . ., der zweite

in demselben Diplom 6 oder 7, wo L-PVLLI .... und L'BVLLI gelesen ist.

Doch ist an der ersteren Stelle ebenso gut möglich die Ergänzung zum Namen

des C. lulius Clemens, Zeugen in den Diplomen XIV (J. 82), XVI (84), XXI (90),

an der zweiten zu dem eines andern L. Pullius.

E. BORMANN.

Ein neues Psephisma aus Amphipolis.

Amphipolis ist merkwürdig arm an alten Inschriften ^). Es ergieng der berühmten athenischen Colonie wie manchen anderen Orten, die bis in die byzantinische Zeit blühten. Die spätere Stadt hat auf Kosten der früheren gelebt und ihre Denkmäler allmählich verzehrt. Wenn ich die Zahl ihrer Psephismen um eines vermehren kann, so ist dies bloß einem glücklichen Zufall, der die Erhaltung veranlasste, zu verdanken. Die flache Marmorstele (Höhe rii"". Breite Älaximum 0-34"'), worauf der Text geschrieben ist, war nämlich in römischer Zeit zur Bedeckung eines der zahlreichen Felsengräber verwendet, die in den Akropoli.s- hügel eingeschnitten sind. Im vorigen Jahre wurde sie von einem Bauern, der nach Alterthümern suchte, umgestürzt und später in die Kirche geschafft, wo ich sie vorfand. Wie man auf der Zeichnung S. 181 sehen kann, ist die Schrift mit Ausnahme einiger Buchstaben, nur längs der linken Seite und des untern Randes erhalten, wahrscheinlich weil der Stein mit einem Streifen auf dem Felsen ruhte, wo er der Verwitterung nicht ausgesetzt war. Die folgenden Ergänzungen wollen meist nur den vermuthlichen Sinn der Urkunde wiedergeben: -)

"EJ-coug? . . . cc:\i yij[.iVÄa:ap7_[G; xtpe^zic,

'E]7:£l $tXOTTi05 [ o'j ToO cf'.Äayavt-t'a: [xa: -po9"jjj,Lat

') Die früher bekannten sind bei Dimitsas 'H ^) AVertvoUe Anregungen danke ich dem Scharf-

MaxeSovta iv XJS-otg etc. Athen 1896 p. 690 ff. ge- sinne Dr. AVilhelms, der so freundlich war, die

sammelt. Seit dem sind noch einige hinzugekommen, Druckproben dieses Artikels durchzusehen. Seine

vgl. Perdrizet, Bull, de corr. hell. XIX {1895) p. 109 ff. Ergänzungen von Z. 27 2g. 33 36. 50 53 habe

J. Arthur u. R. ilunro, Journ. of hell, studies 1896 ich ganz aufgenommen. Seine Bemerkung, dass die

p. 313 ff. Einige kleinere Texte aus dieser Ge- Inschrift genau nach Silben abgetheilt sei, veranlasste

gend werden in der Revue de l'Instruction publique mich Z. 26 "fvrjaiwj zu vermuthen. en Belgique, October 1898 erscheinen.

i8i

^

TOYT. AL-vi

IN EOi M- ^

> itii-iAinnoz jFiJv :

'INAfXHNETl!' /

, TO'^'+iA.o^rAeiA' /^

jroiHIAWANl-.i 'n friTHNTPlMH 'MENOYTOvn

.KOiNnNriPo:: lMHf..:AnoiE^

rNpXOENTO^' Tr^NATTOTOY TOr.AAlONTO ■<-'

f:ixPONONAAt::+

AXeCNTOZTTAM EniAOYETHNA ETVMZinQNTOr ErrFCA/^KENTTAi::

rroiHrENTAAii j<OMi::NONnoi(' i

nPOrTAJTlANT MNAZIONE:n> E-XOME;NHNTPlt XOPH.rEITOAAE

noMENArroAi

nslKAIMCrAAi

OENAYTniEKl

PONClZTOE/\AI(

NE015:emae:!1v:%

MErAAO^YXIA

nPEXBYTPPCv

AOYeaiApKAi

TOYEAnonAl/^ 35 nOAEXETAlTt'- EKAXToNnoiO. nOZOYNkAlOIA NaNTAITHNEi KAETriNnOl'- ArAOHlTYX>

noAnriNTa

CnAlNESAJ+lAir

TONT'r'MNAI"!.

TAeiAlKAlAfiA/^

TEAEITAKATHN

ZA1AYTON0AA/\O

XAAKHIiriiNAE

rENEEeAiYnoT

ÖlEPEYrEniTE 50 ©inNXAPlNTOY +HMaNEIZAYTC

rowriApAnAi:!!-'

riNEZeAlTQN eEETAMENOv NEnNYnAPX<

^AYTHEonn

r,KEYAi:0HKAi ;

^ENElETHAHNAIOiNl ,.^ THNCIkONAEIITONEni*ANEZTA 60 TONTOYrYMNAZIOYTOnON-4

■no'.-rpa: cpav£[pa)T£pav v.%-y. Tr,v 7:p(i)xr;V xp:|iry[vov

|J.£VOU XOÖ TC 10 XOIVÖJV TipO'3[6oO)-/

b/B'/ß-hno:; Twv a-i ToO £Xa:ov 15 £t xpöyov xAv.-^[e:w

ET^tSoüg XT/V [X£C7i;oucav notpav ? £A},£t^ov-o; [5c -/.a: .... £7i£0wx£v 7:a[p' Eauxoö- aXXw; 2s £- 20 7U0tVj7£v -i O'.[y.oaoc ür.kp /:po;5£- X6(i£vov 7:ci:ou|if£vo; xy^v x(T)v vewv -poaxaatav, x[rjv ok v.xzx yj- [ivaa;ov £iit[[i.£/.£iav xaxi ci xr,v

£XO|J.£Vr^V XptXl-lTjVOV Sc'JXipOV £-

25 yoprijBi äX£[i[i[ix £■/. xö)v io'tov G- -0[ji£cva5 ä[vä?v(0|ia. Ix: et yvr,3:- w; xa: |1£yäX[o[1cP(T); ttxv |i£p:3- 0-£v aijxö): £X x[(jjv or^iioaiojv Siä:fo- pov £''c £Xai[ov s/xpisaxo zoic,

30 V£o:g- £v5£'.xv[ujj,£vo; es xy,v aOxoO |X£7aXo(j;uxta[v u-EOs^axoi' xoi>; 7rp£a,3ux£po'j[g 9i/.avi>pü)7:w;- äxo- Xoüö'w; 7.xl [xots Tcaxpc'o:; r^ tiöX;; xoüs d7;ö 7wac5[ti)v ^^iÄoxc|iou; ä-

35 Tzooiyz-xi xTi[v xaxati'av äs: -pbq

Tcwg o'jv xa: 0: a[XXot £tpd|j.:XXo: y-'- vwvxai xr)v £[-;[^i£X£iav 7i£p: e- xxaxwv i:oto[ü|i£voi cno-joxioxlpav 40 äyaö'i^: ™X*i['; 5£^öx^^o:: xcov 'Aft-^i-

TtoXixwv xo[rj

£-aiv£3ai tl>:X:[--ov olu

l82

yaö-iat xai ä9[Xa[pyL)ptai /^t e/wv So]a- y(v£ai)-ai xwv [ xa-

45 teXei TSC xax' rj[[J.ap eüWvtüV '? xa: t:|i^- xl-£axa[.i£Vou

ax: aCiTÖv 9'aXXo[0 axs^ävwL xal eixovt 55 vewv G7i:xp7_[wa'.v i-

•/aXxfji . xfjV Se [ävayopE'ja^v xax' sxo; ^ aüxr^; ö-w[; r^ sr/.cov s-ljxeäwj xaxa-

YEveaö-ao O-o x[oö oxav axE'jaaO-y;; xx: [x6 (jjrjcpia|j,a avaypa-

6 EspEÜ; £n'.X£[Xfji XT/V ihuafav xwv Hu- cp£v Eij axrjXr^v Xi&t'vrjV [cxa{)-^: Ttxpx

50 &t(üv X*P''' '^^'^ ['^^i yEyovuLxs ü- xtjV Etxova Et; xöv ETt/^avIata-

cp' ^[icov dq a'jxö[v xt[Jix; cpxvEpx; eJ- 60 xov xoO yui_ivaacoii x6-ov.

Z. I. "Exou;: wahrscheinlich das Jahr der macedonischen Ära von 148 v. Chr. Es folgte der Name des eponymen Beamten, der die Stelle eines anderen einnimmt, welcher eradiert worden ist. Dr Kaiinka vermuthet dagegen oJ[ veoc, vgl. Z. 30, 55.

Z. 5 ff. Ähnliche Gedanken sind oft ausgedrückt, z. B. Petersen-Luschan, Reisen 11 179 'i'7i£p^a>.A6|jLEVov xwv Tipoyovwv xtjV ev zcäc, äStaXeiTCXot; EUEpyEatats Xap,up6xrjxa.

Z. 8. Die Ergänzung xaxx xyjV TipwxrjV xpi[xr^[voy ist sicher; vgl. Athen. Mitth. VIII 318 n. 2 (Tralles) yuiivaaiapyi^aavxa xwv xp:wv yu|ivac;t(i)v xv)v rcptöxr^v XExpäfiTjVov. So ergibt sich ziemlich gewiss für Z. 2^ 24 xaxx xrjv] t/o^iivYiV xpi'fiyjvov . . .

Z. 6 13. Den Sinn vermag ich nicht zu errathen, zu Z. 10 vgl. CIG 2214 Z. 6 (Chios) dTO xfjs -[po^Jöoou xf^g Seooiievtjs xax« xi t]jY-pLa|a,a xoO [Sr^i^ou] und Petersen- Luschan, Reisen II 112, XIV G.

Z. 13. Der Gymnasiarch scheint zu dem von der Stadt gelieferten Ol anderes hinzugeschenkt haben. x\hnliche Lobreden sind häufig; vgl. Bull. hell. XIII {1889) 335 = Michel n. 544, 16 (Themisonion) 'id-YjV.s. §£ xa! aX£i[.ia (sie) uxp' lauxoü 5i' 'öXou xoö iv'.x'jxoO und Rev. archeol. 1888 S. 221. Vgl. Rev. d. etud. gr. II 31 (Apameia) yujivaacap/oOvxa ex xwv tocwv Ziyjx. r.öpou Sr^iioatou Si2o[x£vou. ^'gl. unten zu Z. 25.

Z. 20 vermuthet Dr Wilhelm „B]T:oir^:jEV xx 5;'[-/.xLa xaxx xb evSeJxojaevov -o;o'j- [lEvoj mit einem gewöhnlichen, allerdings sehr viel schwächeren Ausdrucke."

Z. 20. Vgl. CIA II 594 Z. 14 (Salamis, 127 v. C.) v^cpEv . . . xr^v xpyjiV . . . Scxatws (sc. ö yu(ivaatapxog) ; Bull. hell. XVII 1893 S. 95 n. 11 Z. 6 £-Eax[axr;(j£V xwv . . . w]v Stxaiojj.

Z. 22 2^. Vgl. CIG 6819, Z. ^T, xr]V . . . xwv veojv Tipoaxxaoav Eiiax^^iiovä xe xx: npi- TkO'jsav iiotrjaä|X£vov (xov yu[ivaaiapxov). CIG 2360 = Dittenberger 348 := Michel 402 (Ceos) Z. 23 xa; xäXXa £7it|j,£X£rai)-ai xx xaxx yunvxstov. Dittenberger 246 = Michel 327 (Sestos) Z. 31 ff. ytj|ivaatapxG; xe aEpEÖ'Ei; x^j xe E'jxa^fx; xwv EcpT^jiwv xx: xwv VEtov

•83

Tipo£VOT^3-rj, TT)? SXXrj? t\)T/Yj[\.oaivric, x-/]; -/.xxx xi yuiivaaiov i'mXii^tzo. Mouaerov 1876 p. 76 p'.o, (Perg-amon) l.m\itXyi<)'i-/zot, z-f^c, x£[X£:a; xtov] vewv ;xa;5£:as xa! xoa|i[t6]- TTjXo; xa: xwv xaxä z'o yiJii[vzCTiov ä'ÄÄwv] ävxa^c'tos xoD xaxa-jxTjaavxo; 5Y,|to'j. Vg-1. IGSI 1 256 = Michel 552, Z. 13 14.

Z. 23—27. CIA II 594 (Salamis, 127 v. C.) Z. <S 7tpo[c;£]5a7isc'/rj3£ Tipö; xi n£p'.c7fMv aCix(}) £is IXxtov £x X(ov t5üov. Petcrsen-l.uschan, Kcisen II 112 XIV (i 9 (Rhodia- pulis) xi |ioV £x xwv orj|Aoaüov 7:öp(t)v 7xpciX£[|A£V« y;a,pCl,6\iEvoi, £y xiTjv Kitov -ävxx ävaXwjiaxa 7xcioLiii£v&;. . . Vgl. oben /u Z. 6 u Z. i ,5.

Z. JcS. Ich hatte [rcpö; [-ispoajii-cv aiixiö: ix x[(ov i5{(ov a-^tl'ovov |.i'j]pov £15 x6 fiXatov u. s. \v. vermuthc't. Das |iüpov scheint zwar nur in sj)äteren Inschriften genannt zu sein: lUill. lu-ll. XI ,^76 Z. 27 (Panamara) Eyuiivasiäpyrjaav . . . k'llcaxv ok xa; xafg y"'^""?^ TwäaaLj IXaiov xa! iiüpa und XV^ iy8 n. 140 Z. 19 (Ebend.) x6 £?>a:ov xa: [.wpa xa: xa x£X£töxaxa X(T)V äX£'.|-i|xäx(i)v. [Polvb. 31, 4; Gomperz, .\rch.- epigr. Mitth. XX 171 [i'jpa xai a>,£t[in.axa. Wilhelm.] Es wird aber wohl zu den £7ca).cf|iiiaxa gehören, die öfters erwähnt werden, z. I>. .Sestos Z. 37. 78 (tusxpaj xa: £:iaA£C[inaxa). Doch ist Dr. Wilhelms Ergänzung vorzuziehen.

Z. 31. Vgl. Inschr. von Sestos, Z. 85 XaiiTxpäv Tioir^aaiiEvo^ xr^v OtloSo/J/V.

Z. 32 35. ^'gl• Inschr. von Sestos, Z. 8(1 ff. Vva cjv c. Sy^iioc cfaivr^xa: . . . xo'jc äixö xvjc TtpwxVjC YfX'.y.ix:; cftXoxtjj.O'j; ytvoi-Uvou; . . . ärcoor/ciiEvoj.

Z. 36 39. Vgl. Inschr. von Sestos Z. 87 ff, von Themisonion Z. 30 ff. u. s. w.

Z. 41. Das 0 am Ende des Erhaltenen ist sicher. Ich hatte an xo:; äÄc:'^o[i£vots gedacht, vgl. CIG 6819 Z. i ; aber die Formel ayaS-rj: liyr^i, die Angabe des Jahres am Anfang der Inschrift, die Worte xwv 'A[icpi7toXixtT)v scheinen nur für einen öffent- lichen Beschluss zu passen. Mein Freund Prof Charles Michel schlägt mir zr,[ic, tjve- Spocg] vor mit Hinweis auf TJvius XLV j,2, i Proiiiiiifui/iini, qnoJ ad statttiii Macedoniae pcrtiucbat, senatores, qiios syuhcdms vocaiit, legendos esse quorinn cnusilin res pithlica adiiiinisfrarc/iir.

Z. 45. „Ich vermuthe mit iler bei ilen Präiiositionen xaxx und [i£xx so häufigen Auslassung der zweiten Silbe vor folgendem Artikel: -x xa(xä) xrj[v apyjjv." [Wilhelm.]

Z. 47. Vgl. Inschr. von Sestos Z. 05 ävä 7:äv £XOj und 102 xxx' £v:a'jxdv. „Da Z. 48 yEVEaö-a: steht, nicht y:v£a!)'a: oder y£:'v£ail-a:. ist wolil von einem einmaligen Acte, nicht von einer xax" £Xo; wiedei-holten ävayöp£'ja:; die Rede: demnach Z. 47 vielleicht xwv x:nwv?"* [Wilhelm.]

Z. 41). I)r Wilhelm hatte öxav| ö t£p£'j; £7::-£[Äf/. xr,v {)"j3:av xwv ]ipoiirJi>:wv vermuthet (vgl. A. Mommsen, Feste der .Stadt Athen 1S93 S. 340 ff.), aber dafür

Jabrcsbcflo des üstcrr. archüol. Institutes Bd. I. ^ 24

iS4

ist der Raum kaum genügend. Die üijö-ia wurden bekanntlich in zahlreichen Städten gefeiert. Der Inhalt der interessanten Bestimmung kann leider nicht genau festgestellt werden. Der ispeug ist jede.sfalls der Kaplan des Gymnasiums. Vgl. die Inschr. von Lapethos bei Sakellarios Kuupiaxä 1898 S. 17g yujivacjtapxos xai lepzb; tov £V zm y'j|_iva7:w it-swv d. h. Hermes und Herakles (CIG 6819. Inschr. von Sestos Z. 68 ff. 78 f.)

Z. 54. Die ungebräuchliche Form -/.aS'saxajxEVOu scheint die einzig mögliche Ergänzung.

Z. 58. In der Inschrift von Themisonion (Michel 544 Z. 54) wird ähnlich bestimmt, dass die Stele neben dem Bilde aufgestellt werden soll.

Aus den angeführten Parallelstellen geht hervor, dass unser Beschluss eher bekannte Thatsachen bestätigt, als neue aufweist. Dass im Gymnasium zu Amphi- polis, welches hier zum erstenmal erwähnt wird, das akademische Jahr (wenn man so sprechen darf) in Trimester eingetheilt war, ist fast die einzige Nachricht, die sich anderswo nicht wiederholt. Sonst entsprechen alle Einzelheiten dem allgemeinen Charakter der griechischen Gymnasiarchie,^) weisen aber auf ein ziemlich frühes Stadium der Entwicklung dieses Amtes hin. Der Gymnasiarch ist nicht bloß, wie gewöhnlich in der Kaiserzeit, ein opulenter Bürger, der zwar große Summen für die äXcitpoiiSVOi .stiftet, aber die tägliche Leitung der ihm an- vertrauten Anstalt einem Stellvertreter überlässt; denn neben seiner Freigebigkeit wird besonders die factische Fürsorge, die er für 7:pc3,j'Ji£poi und vioi bewies (Z. 20 f 30 f. 45?), gepriesen. Nach dem Inhalte sowohl wie nach dem Charakter der Schrift scheint das in Z. i leider verstümmelte Datum im ersten Jahrhundert V. Chr. etwas später als die große Inschrift von Sestos angenommen werden zu müssen.

Brüssel. FRANZ CUMONT.

Heroenstatuen in Ilion.

Eine Basi.s, die heute im Louvre steht, hat einst die Statue des Priamos ge- tragen. Der greise König sprach den Besucher mit dem stolzen Distichenpaar an:

y.xl |j,£Ta Xao-4;[6]vov ^r^o? ulzoq Yjpxsax rA-p-Q, xTEfva 0' WyikXfjT. '(■i^pa.oc. eu-^paSfTj-

') Vgl. GloU in Daremberg et Saglio Dictionnaire stellt, aber die historische Entwickelung der Gymnasi- s. V. t. II 1677 ff. der ein reiches Material zusammen- archie nicht scharf genug zeichnet.

. i85

^5 Sexaxov 5' iy.pixri'jy. ITaveXXrjVtov svia'jtov. Ttpög 5i |itxov |i'>t?i'j; o'j-ij £/_£'. 2'jvaaiv.

Wi) der Sii'iii j^efunden worden ist, war schon dem ersten Herausgeber, (lein (Olnnrl Leiike, unbekannt, der ilm noch im Schlnsso dr-s Herzogs von I)urkingham in Stowe sali. Zuletzt hat ihn Kaibel i^ldlS n. iji^4 und p. 698) nach Rom oder dessen Niilic verwiesen und vermuthet, dass ihn ßuckingham seihst während seiner Ausgrabungen bei Rom gefunden habe: ,origo certa videtur Italica'. Dem ist aber nicht so. Schon (j. V. de I*>nhn hat ihn zu Anfang des vorigen Jahrhunderts gekannt und, wie sein dem l'.ckhelschen Inschriftencodex beigebundenes Manuscript p. 134 n. 9 zeigt, die vollständiger als heute erhaltene Inschrift copiert „dans le cimetiere d'un village Türe ä deux heures de chemin en de9a des ruines de Troye, sur un piedestal bien conserve."

Diese Priamos-Basis ist nicht das einzige inschriftliche Zeugnis dafür, dass

d'w [Heuser der Ivaiserzeit die Helden der trojanischen Sage in marmurnen oder

ehernen {Bildnissen vor sich sahen oder vor sich hinstellten. In Halileli, wenige

Kilometer nordöstlich von llion, hat sich auf dem türkischen Friedhofe eine

Basis aus weißem Marmor gefunden, die zu einer Statue des ,kleineren' Aias

gehörte :

Tvxxpiri yxS'CiV'ua xaxEa/s jic IX'.är v.lx,

dlv-m 'E)./.a5t7.av -/.suilGiiEva ^.ayoaiv.')

und auf Hektor hat Kaibel ein Distichon gedeutet, das Hunt auf tlem f'riedhofe von Eski Atschiköi, südwestlich von llion, copiert hat:

orov Zc'j; wpasv, ofcv "()\xrjpoc, ecp[r)].^)

Es ist schwer die Frage abzuweisen, ob nicht diese drei Inschriften in den gleichen Zusammenhang gehört haben, ob nicht die Statuen, auf die sie sich beziehen, in einer und derselben Heroengallerio aufgestellt waren. Die Priamos- und die Aias-Inschrift werden den Heroen in den Mund gelegt, und beide sind auf die gleiche .Stimmung des Beschauers berechnet, der so dachte wohl der Dichter erst nachdem er die Statue betrachtet und die Reminiscenzen aus dem l-'pos an .seiner Seele hat vorüberziehen lassen, die Inschrift erblicken und lesen sollte. Die Inschriften ergänzen den Gedankengang des Beschauens, sie wiederholen ihn nicht, und ebensowenig erklären sie die Bildwerke.

') Nach Schliemanns Lesung Troia 258 n. XIV; -) CIG 3626. Kaibel n. loSo.

ältere Abdrücke CIG 3632. Kaibel n. 108 1.

i86

Sorgfältigere Schriftproben dieser Verse zu vergleichen, wäre erwünscht. Die Priamos-Basis hat öfter Ligaturen, die beiden anderen Inschriften verbinden niemals die Buchstaben unter einander. In allen dreien scheinen nur die Formen A. E. 2 verwendet zu sein. In der ersten werden einzelne Buchstaben über die Zeile hinaus vergrößert. Sowohl unter der zweiten Columne der Priamos-Basis wie unter dem Epigramm auf Aias ist in der linken Ecke ein s eingegraben. Jene Basis ist 078'" hoch, 0-43™ breit, diese misst o-g" Höhe, und vielleicht bloß deshalb, weil sie an beiden Seiten ,Anschluss für eine Schranke' zeigt, o'öß"" Breite. Von der dritten Basis ist uns das Wenigste bekannt; durch ihren Dialect .stellt sie sich ganz nahe an die Aiasinschrift. Ich möchte den kleinen Differenzen im Äußern der drei Basen kein nennenswertes Gewicht beimessen und erlaube mir nur beispielshalber daran zu erinnern, dass die Gallerie der Bildnisse berühmter Römer in Arretium eine recht buntscheckige Reihe ver- einigt: denn

CIL XI 1826 ist 0-45" hoch, 0-25"' breit CIL XI 1829 ist 0-35 "h., 0-265"' br , 0135'° d.

CIL XI 1827 , o-ss" 0-28" CILXIl830„ 0-27", 0-27™ 0-l35™„

CIL XI 1828 , 0-425"' 03™ CIL XI 1832 , o-28°'„ 0-28"" , o-i7"" ,

Und ebenso variieren die Dimensionen der zahlreichen Hermenschäfte, die um das große Bas.sin in der Villa von Welschbillig aufgestellt waren, bedeutend genug, obwohl die Herstellung dieser Hermengallerie allem Anscheine nach zu gleicher Zeit erfolgte und so rasch durchgeführt wurde, dass (wie auf dem Heldenberg bei Wetzelsdorf X.-Ö. in dem das Grabmal des Feldmarschalls Radetzk}- umgebenden Parke) nicht zeitig genug die erforderliche Anzahl von Mustern aufgebracht und die Wiederholung der gleichen Typen vermieden werden konnte ; in Welschbillig schwankt die Höhe der Schäfte zwischen 0-89 und roi '", die Breite zwischen 0-26 und 0-37 ", die Tiefe zwischen 0-24"' und 0-3 1 ".

Endlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass keines der Epigramme den Namen des Abgebildeten zeigt; wenn überhaupt, so stand er wahrscheinlich immer auf der oberen Plinthe.

Dass in Halileli, wo die Basis des Aias gefunden worden ist, auch die Inschrift CIG 3606 'IXtsr; tö[v] 7:azpiov 9'£[öv] Aiv£:av copiert worden ist, will ich hier hinzufügen, obwohl ich mir für diesen Altar oder für diese Statue auch ganz wohl einen anderen Aufstellungsort als für jene drei Basen mit den Epi- grammen denken kann. Dass unsere Basen im oder am Heroon Hektors ge- standen haben, in welchem äv va-l^xt;) ^p^;"/^: Kaiser Julian die eherne Statue

i87

Ht'ktors unil ihr j^i-j^cnülxT eine des Achilleus sah,^) glaube ich nicht, da wenn irgendwo so hier in lier hini;ailimii^cn Ausfiihniii),'- des kaiserlichen Briefes ein Schluss ex silentio statthaft erscheint, i'.hi-i- w ird es am Platze sein zu erwägen, ob die im Zeitalter des Commodus und des severianischen Hauses neben älteren Typen auftretenden neuen Münzbildcr des Zeü; 'loaEo;, des "A-öXXcov "Ey.axo;, der Gruppe Av/sbr^; "jV^pootiir,, des Aäpoavo;. des IIpia|ioe. des Xsa-wp, des 'IXo; nicht etwa der niinilichen Reihe wie jene angehören. Das gäbe eine Gallerie der (iötter und Heroen des troischen Sagenkreises, deren Existenz wir auch oIhk; jedes Zeugnis von vorneherein für eine, ja selbst für mehr als eine Stelle in und bei Ilion erwarten dürfen: eine Gallerie, für die Analoga zu suchen, leicht genug fiele, aber, besonders seit die Sculpturen von Nimrud Dagh bekannt geworden sind, für den Zusammenhang die.ser Zeilen eigentlich überflüssig wäre. Nur mit einem AVorte sei der in den Handbüchern zusammenge.stellten Serien von .Statuen, Büsten und Keliefdarstellungen von Heroen, berühmten Männern, Philosophen, Dichtern, Kaisern gedacht; man wird annehmen dürfen, dass derlei .Serien ge- wöhnlich planmäßig zusammengesetzt wurden, z. Y'>. nach genealogischen Rück- sichten, nach Berufsstellungen, ja selbst nach den die eine oder die andere Art von berühmten Facten charakterisierenden Eigenschaften; so hat erst kürzlich Radinger bei Behandlung der Epigramme des dritten Buches der Anthologia Palatina, die in Kvzikus im ']"em])el der ApoUonis ei^ Ta at'jAo-iväx^x eyiypanxo. -t^'.iyoy-x ävayÄü-.pou; taioptac. das einigende Band der ganzen Serie im Begriff der Mutter- liebe wiedergefunden. Es ist wohl ein die späte Zeit und die unorganische Behandlung des (ianzen charakterisierender Zug, wenn im or,n.G'jiov Y'j|Avajiov Toü £7:'.xaXGU|i£vou Z£'j:i7:-o'j , dessen Statuen.schmuck Chri.stodoros (im zweiten Buch der Anthologie) mit poetischer Begabung, wenn auch nicht in einwand- freier Auffassung beschrieben hat, die äYä/.[ia-:a ])romiscue durch einander ge- würfelt sind und beispielsweise nicht weniger als je drei .Statuen des Apollon und drei der Aphrodite unter ihnen erscheinen, also vielleicht von verschiedenen Orten dahin verschleppt waren.

'j Hermes IX 258 = Brief 78 bei Hcrllcin, „Ilion in medium Pario de m.irmore facti

Auf eine ähnliche Aufstcllunj;, vielleicht an anderer stant contra Phrygius Hector vcl Graius Achilles,"

Stelle in Ilion, weisen die Worte des Epigramms vorausgesetzt, dass es um die Richtigkeit der An-

n. 367 der Rieseschen Anthologie („de st.itua Hcc- gaben von Material und Standort besser .tls um d.is

toris in Ilio, quae vidct Achillem et sudat") = IV Latein steht, in welchem sie vorgebracht werden, p. 421 n. 521 Bährens hin:

i88

Das oben erwähnte Manuscript Bohns trägt die Aufschrift: „Inscriptions Grecques et Latines recu- eilies en differens endroits voisins de la Propontide et de l'Hellespont, par P. G. F. de Bohn." Es ist, ich glaube nicht zu irren, dasselbe Manuscript, von dem P. Christian Edschlager soc. Jesu (ver- muthlich an den gelehrten P. Frölich) schreibt: er habe einige Inschrifttexte erhalten „a D(omino) Bohn Nobili Dane homine docto, qui et annos aliquot Con- stantiuopoli egit et Bosphorum, Propontidem par- temque Hellesponti accurate inspexit, inscriptiones plures a me sub variis numeris relatas conscripsit, ac praeterea aliarum inscriptionum a se repertarum autografum alterum mihi dono dedit, quod ad te mitto, in quo Gallice exponit, quibus in locis eos exscripserit. Idem modo Parisiis agit editurus ea omnia, quae de Constantinopoli, Bosphoro etc. multo accuratius quam Gillius aut Gillotus conscripsit. Opus hoc avide exspecto, nam hominis accuratam inda- gandi rationem compertara habeo, Chartas aliquas et manuscripta eins iam inspexi spondeoque fore doctis gratissima" (auf dem letzten Blatte seines gleichfalls dem Eckheischen Codex beigebundenen Manuscriptes), Es scheint nicht, dass die von Edschlager angekündigte Publication des Bohnschen Reiseberichtes erfolgt ist; wenigstens habe ich sonst vergeblich danach gesucht und auch in dem für die kleinasiatische Commission der Wiener Akademie angefertigten Literaturindex keine Bestätigung dieses Versprechens gefanden. Folgende Stücke aus Bohns Manuscript sind, soviel ich sehe, nicht anderwärtsher bekannt geworden:

n. 2 „ä Herakliza (=Perinthos> dans le mona- stere de St. George devant la porte de l'Eglise sur un marbre qui sert aujourd'hui de base ä un pillier de bois; enfonce en terre." Die Inschrift bezieht sich augenscheinlich auf Herakles, den Oikisten Perinths, 'IiüvMV liv x-ia-rjv, und scheint in daktylischem Metrum abgefasst gewesen zu sein :

OYf^rA_AW\Vj

n. 6 „ä Gallipoli sur un marbre dans le mur d'une maison particuliere proche de la marine*": ein allerseits gebrochenes Stück einer Grabinschrift:

[. . y.axsTXS'Jaaa 10 Xa-d-

I |i'.ov? £ji',a'j-:t!) y.ai tf, -,'a[iis-fj

';ma.]iY.i |iou ^axXi()7tiod[6Trj

(Vatersname)]oj' toü; da Xo'.-

es folgte das Verbot, andere Leichen dort einzubetten.

n. 15 „sur un marbre dans le cemetiere Türe de Kamaris," also aus Parion:

OSBAAENTIANOSKAAES,

Bruch nur rechts angedeutet. Außer dem Namen Valentianus, der sonst recht selten vorkommt, und dem hier vielleicht ein römisches Gentile vorausgeht, ist kein AVort erkennbar.

n. 16 „dans le meme cemetiere"

Ar/sToypjos;

ä.7taTOÖpto;

'AX\y.\s.r,-nii y.txi Zrjvö; H[sl7a/.U)[vJtj[n]

Vaters- und Sohnesname sind vom Namen eines Festes oder wahrscheinlicher eines Monats .ibgeleitet und beanspruchen weder einzeln noch durch ihr Zu- sammentreffen weitere Erörterung. Aber, als ich bei dieser Gelegenheit mich über die Häufigkeit der Ableitung von Personennamen aus Monatsnamen zu orientieren suchte Vorarbeiten liegen leider nicht vor , drängte sich mir die Überzeugung auf, dass Julius und Junius als Cognomina kaum öfter aus mit dem entsprechenden Gentüicium hervorgegangen, son- dern Derivata von Monatsnamen seien, so gut wie das häutige Januarius oder December. Alle römischen Monatsnamen erscheinen unter den Cognomina ver- treten, selbst Augustus, freilich nicht alle gleich häufig, am seltensten begreiflich genug der an Februa und Febris gemahnende Februarius.

n. 17 „k Usbek (das, wenn die geographische Abfolge nicht gestört ist, zwischen Parion und Kios gelegen sein musste, und mit dem ich deshalb Ozbeg nördlich von Kremaste, nordöstlich von Dardanos nicht zu identificieren wage) dans le cemetiere Türe sur un marbre long."

0M«(C0YfcnAP#6WI!i'<-BAcAeN£TlS(J>iÄMMi^HUJIM Ä

ou x(ai) IIap[!)-]Evio'j y.od Ba3tJ.(iou) Iv Iti sy.a |i.ri(vi) Mar]« lv?(f/.T'.rävü;) a

Den drei Eigennamen mag ein (pxoSoiiriihi) (o. ä.) Sonst enthält die Handschrift noch Copien von

ÜKÖ vorausgegangen sein. CIG 2018 f. 3621. ^öi^b. 3650. 3652 f. 3724 f.

Der Mai des J. 651 1 der conslantinopolitanischcn 3/29 f- 3736 f. CIL III 385. 726 f. Dumont-Homolle

AVcltära fällt in das Jahr 1003 n Chr. (Regierung Milanges p 429, von denen einige auch heute noch

des Basilios II Bulgaroktonos) und in ein erstes Beachtung verdienen. Indictionsjahr.

Wll.lll-.L.M KrF'.II'Snil'.K.

Zwei Sculptureii der praxitelischen Schule.

Tafel V.

Zu den wenigen Bronze.statuetten, die als genaue Copien b(>rühmter, großer Statuen anzusehen sind, gehört der sogenannte Xarcisso aus Pnnipei im National- museum zu Neapel. \'on ihm war bis jetzt nur eine einzige Wiederholung aus Marmor bekannt, diejenige in den Uffizien n. 208, deren Ergänzung Bayersdorfer für ein Werk des Michelangelo, H. WölfFlin, Jungendwerke des Michelangelo S. 74 f. für eine Arbeit aus dem Kreise von Sansovino erklärte.') Indes befindet sich in rhercliell eine zweite, bessere Replik des Werkes, welche ich mit Be- willigung des Maires, Herrn Cotte, photographieren konnte und, da sie auch Gaucklers Aufmerksamkeit (Musee de Cherchell 1895) entgieng, hier zum ersten- mal veröffentliche, und zwar zu besserem Vergleich neben der florentinischen, die nach der Photographie Alinaris I 1185 mit ihr auf Tafel V zusammen- gestellt i.st.

Der Torso, aus feinstem parischem ]\larmor, gegenwärtig 0-92 '" hoch, gehörte wahrscheinlich, obwohl der Fundort unsicher ist, zu den inschriftlich gerühmten ,marmore quot Pario vivunt spirantia signa', mei.st Copien kunstgeschichtlich bedeutender Werke, mit welchen die ,splendidissima Colonia Caesariensis' nach Vorgang des gelehrten und auch als Kun.stschriftsteller thätigen Juba II. ihre öffentlichen (lebäude und Plätze geschmückt hatte. In den ÄTaßen entspricht er fast genau dorn l-lor(>ntiner Torso; es dürfte also wohl die Originalgröße sein. Unwesentliches ist in dem Ziegenfell verschieden. Während das Florentiner Exemplar mit dem Neapler genau überein.stimmt, ist das Fell an dem afrikanischen Torso flacher gehalten, bedeckt auch einen Theil der Hrust und die linke Schulter.

') Zur Literatur bei Hauser, Jahrb. d.J. IV 1 13 f. ^) R- Brustwarze bis Nabelmittc otS" (am

ist zu fügen Michaelis Jahrb. VII 95 n. l4, 98 n. 54a Florentiner 0'205 "); Nabel bis linke Knieseheibe

und Amelung Führer n. 103; die Neapler Statuette O'SI" (am Florentiner 053""); Hüftenbreite in der

jetzt auch bei CoUignon, Hist. de la sculpt. gr. II Höhe des Pubesansatzes O 28™ (am Florentiner 0'292°'). FiS 234-

igo

Der Kopf war auch hier stark nach links geneigt, von den an der linken Hüfte zierlichst aufgestützten Fingern sind noch Ansatzspuren vorhanden. Das linke Bein, an dem die Länge des Oberschenkels einigermaßen auffällt, war leicht vorgesetzt; der rechte Oberschenkel ist an derselben Stelle gebrochen, wo an dem Florentiner Exemplar eine geflickte Stelle die Berührungsfläche einer ab- gearbeiteten Stütze anzeigt.

Wird an dem Florentiner Torso die ungemein weiche Behandlung des Fleisches gerühmt, so wirkt dasselbe an der afrikanischen Copie noch edler und feiner. Während an jenem nämlich eine üppige Fettunterlage die Muskulatur des Körpers fast ganz verhüllt, ist hier die Brust und der Bauch in jener zarten, aber präcisen Modellierung ausgeführt, welche man an der Xeapler Bronze mit Recht zu bewundern pflegt. So dürfte die afrikanische Copie dem Originale, welches wahrscheinlich in die erste Generation nach Praxiteles gehört, näher stehen, und bei der Beurtheilung des Stiles wird von ihr auszugehen sein.

In diesem Zusammenhange sei es mir erlaubt, meine Auffassung eines anderen Werkes der praxitelischen Schule, der nur im Gipsabgüsse von R. Mengs erhaltenen Satyrstatue in Dresden, auf Grund erneuter Untersuchung zu berich- tigen.^) An dem linken Oberschenkel erscheint seitwärts ein runder, seichter Ausschnitt, welcher nur die Berührungsfläche einer abgemeißelten Stütze, wohl eines Astes von dem Stamme, der daneben stand, darstellen kann. Thatsächlich passt die ganze Stellung viel besser zu einer leicht mit dem linken Arm sich anlehnenden, als zu einer freistehenden Figur. Außerdem i.st der obere und der untere Rand der Xebris abgearbeitet: an der Xebris selbst sieht man eine rund- liche Einsenkung, wohl Anstoßfläche eines abgemeißelten Gegenstandes. Auch die Oberfläche des linken Armes sieht nicht ganz unversehrt aus. So darf man nicht mehr an einen einschenkenden, sondern einen ausruhenden Satyr denken, welcher vielleicht nach Analogie von Clarac-Reinach II i, 137 Fig .5 in der mit dem linken Arm vorgehaltenen Xebris außer Früchten das kleine Dionysoskind trug, während die Rechte mit der Weintraube oder dem Pedum erhoben war.

Auch in Bezug auf den Stil ergab die wiederholte Betrachtung, dass der Körper in anderer Manier modelliert ist als der Kopf; der Torso zeigt eine ausgesprochen hellenistische Vorliebe für naturwahre sehnige Muskulatur, während der Kopf gut praxitelisch ist. Dr. F. Herrmann, dem diese Anomalie ebenfalls auffiel, wäre geneigt anzunehmen, dass der Kopf ursprünglich nicht zu der Statue gehörte, nach welcher der Abguss genommen war; darauf würde nach ihm die

'; Kevue archöol. I895 t. V; jetzt auch Clarac-Rt-inach II i, 134. Kig. 5.

igi

Lage iliT Ilalsgrubi» hindrutin, welche sicli bei der gegenwärtigen Wi-ndimg des Kopfes nicht erkläre, wohl aber, wenn der Torso einem tanzenden Satyr des obgenannten Schemas gehörte. Indes schien mir die Halsgrube an der Stelle, wo sie jetzt erscheint, überhaupt unmöglich; es dürfte vielmehr eine zufallige Beschädigung sein, die bei der Abarbeitung des oberen Randes der Nebris ent- stand. L'brigens würde die Bruchlinie des aufgesetzten Kopfes nothwendig irgend eine .Spur an dem (iipsc hinterlassen haben, was nicht der Fall ist. Ms ist somit nicht undenkbar, dass der Körpc>r bereits im Alterthume von dem Copi.sten in späterem Sinne überarbeitet wurde, während der Kopf sammt dem Halse und dem anliegenden Theil der Brust den praxitelischen Stil behielt.')

Krakau. PF.TER von BIENKOWSKI.

Stiertorso der Akropolis.

Die berühmten Grabungen des Generalephoros Kabbadias, die den Boden der Akropolis von Athen bis auf den gewachsenen Fels untersuchten, sind neuerdings auf den Nordabhang der Akropolis ausgedehnt worden und haben auch hier, wie bekannt, wichtige Ergebnisse zu Tage gefördert.') Unter die.sen neuen F'unden erregte miMn Interesse, als ich im .Xoveniber v. J. die .Stätte be- sichtigte, eine alterthümliche Sculptur aus weißem Marmor, welche hoch oben an dem Abhänge, etwa halbwegs zwischen Propylaien und Poliastempel, noch auf der Stelle lag, wo sie ausgegraben w'orden w-ar. Jetzt ist sie auf die Stufen des Eingangsthores der Propvlaien gebracht, und auf diesen Stufen zeigt sie die Pliotographie, die ich mit Kabliadias freundlicher Zustimmung in Fig. 49 ver- öffentliche. Den Umriss der .Sculptur deutlicher, und zugleich ilen einstigen Stand, in dem sie zu denken ist, gibt in Fig. 50 eine Skizze Wolfgang Reicheis, dem ich auch eine nachträgliche Untersuchung des Originales danke, welche meine Wahrnehmungen bestätigte.

F's ist der Torso eines Rindes, an den großen (ieschlechtstheilen als Stier kenntlich und nach den Maßen etwas unter Lebensgröße. Die Breite beträgt

■•) [Der geehrte Verfasser wolle hierzu die Be- fragmente, oben S. 17 ff. unlerlief D.is auf S. 21 merkung gestatten, dass sich die Auffassung Herr- Fig. 21 abgebildete Bruchstück hatte bereits Eugen manns meines Erachtens durch eine weit größere Petersen, Römische Mittheilungen V 78 nach einer Wahrscheinlichkeit empfiehlt. Auch sei an dieser Photographie Violas wiederholt und den Sarkophag- Stelle ein Übersehen berichtigt, welches bei Ver- Charakter der Reliefs in Kürze festgestellt. O. B.] öffcntlichung des Aufsatzes über die Tarcntiner Relief- ') Ephiraeris archäol. 1897 p. I f. "iv. I 4. Jaliri'slu'fle des üsterr. archjiol. Institutes Htl. I. 25

192

Fig. 49 Stiertorjo der Akropolis.

jetzt i"3*i"'> 'lie Höhe o'68"', die Dicke dagegen nur 0-44 '", da ein Theil der Rück- seite, und zwar von der vSchulter längshin bis zu dem Gesäße, abgeflacht und

grob geebnet ist. Ob dies nicht erst bei einer späteren Verwendung des Stückes geschah, ist vor seiner Wieder- aufrichtung nicht sicher zu beurthei- len. Bis zu jener Abflach ung näm- lich sind die rück- wärtigen l'heile

Fig. 50 Einstiger Stand des Stiertorsos Fig. 49.

des Leibes voll- kommen ausgear- beitet und die An- lage aller Formen führt durchaus auf eine Rundsculptur; auch sjDricht gegen ein Hochrelief, dass Reste oder .Spuren von Befestigung an einer Rückwand oder von einem

einstigen Zusammenhang mit ihr fehlen. Wenn sich jene Abarbeitung daher als antik und ursprünglich herausstellt, so muss das Werk irgendwie gegen eine

193

l'"l,'irlip goschobon, jcdcsfalls rückwärts der I 'ctraclitunj,'' cntzoj^-iMi j^ewesen sein. Auch von initcn fehlt es an einer Stütze, ihi die Standart eine solche entbehrlich niaclite. Die Hinterbeine, das linke voran, schräy einstemmend, war der Stier mit dem ifanzen Vorilertheile zu Roden gebeugt und hatte hier unmittelbaren Halt, wi'im nicht an dem aiilVuhenden Kopfe, was an sich wahrscheinlich, aber nicht melir erweislich ist, so doch an den stark knieenden oder flach ausgestreckten Beinen: denn nur hei einer derartigen llaltimg kann der Contur des Kückens mit demjenigen d(>r Ilinterschenkel einen spitzen Winkel bilden und erklären sich namentlich die vier Hautfalten, welche an dem Ansätze des rechten Vorderbeines angegeben sind. Auf eine heftige Bewegung deutet auch der abgebrochene Scliwan/. Mit Sicherheit erkennt man in der Seitensicht, dass er nicht abwärts gerichtet, sondern kreisfiirmig emporgeschwungen war. und merkwürdigerweise ist keine .Stelle ersichtlich, wo er den Kücken oder Leib mit seinem lüide be- rührt lialien könnte.

Das ungewöhnliche Motiv ist als Schema des Kampfes von Theseus mit dem marathonisclien .Stiere und in archaischer Kunst ausschli(M.ilich als solches bekannt. Wie vollkommen das Erhaltene damit übereinstimmt, lehrt ein Blick auf das

Fig. 51 Sclialciiliilil des .Musco arclieoloj;ic() zu Kloren/,.

rolhligurige \'aspnbild, welches l'ig. 51 nach eiinT l'ublication L. A. Milanis-) um die Hälfte verkleinert. Eine Darstellung diesi'r 1 heseusthat befand sich als

^) L. A. .Mllani, Tazza ili Chachrylion, Musco italiano di aiilictiitä dassica III luint. I tav. III.

194

Weihgeschenk der Marathoniei" auf der Akropolis zwischen Poliastempel und Propylaien, und diesem einstigen Standort entspricht die Stelle des Fundortes am Xordabhange der Burg auffallend genau. In älterer oder neuerer Zeit wird der Torso also, wie so vieles andere, von der Burg herabgefallen sein und einen Rest jener Gruppe darstellen.

Pausanias I 27, 9 ff . berichtet über das Weihgeschenk Folgendes: 'AveO'Scjav y.at xAAo Br^asoj; spyov v.a: 6 Xöyoc. outw^ ic. ccjxh i'/ti. K^ypl xyjv a/J:i^v yf/V xa! ifjV inl TtOT;a[.uT) T£^^plV■. xaOpo; £A'j|ia[v£XO. TcxXai ok depo, xa {l-rjpEx cpojispwxspa V^v xor$ dvö-pwTioig. WS 0 x' £V N£[.i£a Xewv xal 6 Ilxpvaaioc. xa! SpaxovxEg xf;5 'FAXioo^ r^alXa.yoö. xal 5j 7X£pE KaXuSüjva xa: 'Epui-iavO-ov xa! x'^; Kopivd-iocc. £V Kpo|i'jcov!. waxs xa! iliyezo xa i-dv ävELvai xyjV y/)v, xa oe to; i£pa eItj %-zOiV, os xa! i; xiiiwptav ävS'pwrcwv ä^£r!j9'at. xa! xoOxov OL Kpr^xE; xov xaOpcv ic: xy^v yv)v -q.i'^a: a^fhi IIocjELOOJvä '^av.v, '6v. li-aXäaarjj apy/ov Mtvt05 xfjg 'EAXr/zixri; oüoevös lloaeoSöJva Vjysv aXÄO'j i)-£gO [läAAov £v xliiTj. xo|i'.3- a)-fjvat ]i£v 5y; xöv xaOpov xoöxov (paaw ic, IlEXoTCOvvrjaov ix KpY|XYjS xa! 'HpaxÄ£r xiöv cwÖExa xaXoui-iEVWV £va xa! xoOxov yEVECTÖ-ai. lov äS-Xov. (oc, ok kc, x6 usStov äcf£t9'r| Apystwv, cp£6y£t ota xoO Kopiv9-tou ta9-|-ioö. cp£uy£c Si kc. yr^v xyjv 'Axx'.xyjV xa! x^g 'Axxixf;g ij 5yj[.iov xov ^lapaS-wvLwv xa! aXXo'j; x£, OTioaoi? kr.ivr/z. v.csi). Jlt'vw Tcatoa 'Av5p6y£wv (xtxexxelvs. Mcvw; va'ja'.v et:" Afhrjvaj -X£'J3aj. o'j yäp e-eü+exo ävaixJo'j; £iva'. cjcpä; xY;g AvopöyEü) xeXeuxf;?, e; xoaoOxov ExäxcoaEV. s; ö cj'jVE/zopYjö-Yj o[ TiapO-EVO'j; £; KpYjXY^v £;:xä xa! Tiatoa; raou; ä'yE'.v xw A£yoi.i£V(o Mi'vw xaüpw xöv sv Kvwa^ AajiüpivÖ'OV otxYjCja:. xov ok bi xw MapaÖ-iovc xaOpov uaxEpov ÖrjcjEi»; e; xyjv äxpoTioXcv EXäaat xa! i)"jC7ai AlyE-a: xyj l^£ÖJ. xa: äväS-Yjiiä sax: xoö oyj[.iou xoO JlapaO-cüvEwv.

In dieser .Stelle gehören nur die gesperrten Worte zur eigentlichen Periegese, alles Übrige ist Logos, der die mythische Geschichte des mara- thonischen Stieres erzählt. Über das Weihgeschenk selbst erfährt man also nur, dass es von den Marathoniern herrührte und die That des Theseus vergegen- wärtigte. In welcher Weise der Künstler die That aufgefasst hatte, i.st nirgends angedeutet und blieb dem Verständnisse des Betrachtenden überlassen. Es war daher irreleitend, wenn nach anderen auch die Verfasser des ausgezeichneten numisma- tischen C'ommentars zu Pausanias in dem letzten Satze der Logospartie, dass schließlich Theseus den Stier auf die Akropolis getrieben und der (xöttin ge- opfert habe, eine Aussage über das Weihgeschenk vermutheten und frageweise eine attische Bronzemünze darauf bezogen, die einen nach rechts hinter einem Rind ausschreitenden nackten Jüngling oder Mann darstellt. Das Bild dieser Münze ist nur von wenigen geringen Exemplaren bekannt und auch auf den beiden v(M-hältnismäl3ig besten, welche I-'ig. 52 nach Imhoof-Blumer und Percy

105

Fin

-Vllisclic Bron/,c

inuiiicn.

(iardiiLT-') wiedergibt, in \v(!sentlichen Dingen undeutlich. Mit iIit Nacktheit der l*'igur ist allerdings ihr mythologischer Charakter gegeben, aber in welcher Handlung sie zu denken sei, bleibt zweifelhaft. Der Stier schreitet nicht, sondern

scheint ruhig dazustehen, und dass er vor- wärts getrieben würde, wäre in der Bewegung des Manne.s, der gleich einem heftig ausschrei- ti'ndi-n Kämpfer zum "Wurfe ausholt, indem er wie im Zielen den linken Arm horizontal vorstreckt, zum mindesten mit einer Übertrei- bung ausgesprochen, die an sich unglaubwürdig ist. Aber auch wenn diese Deutung zu Recht bestünde, würde das Bild nicht das Ergon des Theseus bezeichnen können, welches nach aller Überlieferung in der Bändigung des Stieres oder einem Kampfe mit ihm besteht, und von einem Ergon des Helden spricht Pausanias ausdrücklich. Das Bewegungsschema des vermeintlichen The.seus gleicht dem blitzschleudernden Zeus Polieus auf einigen attischen Münzen, und wie auf diesen letzteren vor Zeus sich zuweilen ein Altar findet, kiinnte in dem hier vor ihm stehenden Rinde das berühmte Opfer der Diipolien angedeutet sein, woran auch Beule ■*) bereits gedacht zu haben scheint. Ich will dies nicht als Vermuthung, nur als eine denkbare Auskunft aus- sprechen, da vielleicht einmal bessere Exemplare einen andern Aufschluss geben, muss aber die, wenn auch unter Vorbehalt, hingestellte Möglichkeit, dass sich das Münzbild auf das Weihgeschenk der Marathonier beziehe, nach dem Gesagten ganz in Abrede stellen.

Das Bruchstück der (xruppe ließ noch ihren Gegenstand erkennen, versagt aber eine Vorstellung, wie er durchgeführt war. Es fehlt an jeder Spur, die über die Haltung der zweiten Figur etw^as lehren könnte. Am natürlich.sten ist die Annahme, dass Theseus auf dem Xacken des Stieres kniete und die Fesseln, in denen er ihn fieng, vielleicht auch wie in Fig. 5 1 den Schwanz anzog. Es würde sich dann eine reliefartig componierte Gruppe ergeben, womit das über die Rückseite Gesagte in Minklang stünde, und die Stricke konnten in Erz ausgeführt sein, wie umgekehrt in der benachbarten Theseusthat, dem Funde der Gnorismata,^) Alles aus Erz und nur der Felsim aus Stein war. Aber unter den zahlreichen

^) Imlionf-Blumcr and l'crcy Gurdner, A numis- ') Beule, Monnaics d'Athencs S. 399, wo der

matic commenlary on Pausanias, Journal of hellcnic Zeichner die Fiyur unbiirtig gab. sludies 18S7, p. 146 DD Athens VII (Locbbecke), ■') Wieselcr, Göttinger gelehrte Nachrichten 1886

VIII (Vicnna). Im Wiener Cabinct ist jetzt ein zweites, .S. 65 ff. und dazu das Relief vom Henion von

noch schlechteres E.\emiilar, wie Kubitschek mittheilt. Gjölbaschi laf. XIX II.

Kunstdarstellungen''') variieren die zeitlich nahestehenden rothfigurigen Vasen- bilder die Scene so vielfach in den Einzelzügen, dass kein näherer Aufschluss aus ihnen zu gewinnen ist. Überdies geben sie den Stier fast ausnahmslos nach links und können schon deswegen nicht von diesem Werke abhängen, wie sie denn über- haupt nichts weniger als Nachbildungen eines Originales sind, höchstens An- regungen von einem solchen empfangen haben können. Jedesfalls ist die Fesselung in der älteren Kun.st durchaus vorherrschend und auch das zuweilen vorkommende Einfangen nur als ein Voract dazu begreifbar oder wie in der Theseionmetope nach Wilhelm Kleins einleuchtender Erklärung unmittelbar damit verbunden, während eine rein athletische Bewältigung dem Geschmack einer späteren Zeit zusagte. So ergibt ein junges anonvmes Epigramm der Planudea,") dessen Lemma den Bezug auf eine statuarische (iruppe des Theseus mit dem marathonischen Stier ausspricht, einen ganz anderen \'orwurf, da es den Helden auf dem Rücken des in die Hinterknie sinkenden Thieres sich einstemmen und ihm mit den in die Nüstern vmd an das Hörn greifenden Händen das Genick brechen lässt :

UaOi^ia 't/yr^i impo-j zt -/.x: mipo^, wv ö [xev äÄ/.x ^•^pa ß:rj ßpiö'ci. yjix ~i-xivo[i£vo;'

Tva; 2" xr/zr.o'jz yvä|inT(ov. -7./.a[i.r,c;iv sj-iapisv Aa:?^ |fj-/.TY,pac. osciTspT, es vApoiz.

äcTpayä/.O'j; o'i'/Al'.Zf •/.%: aO/Evx Ö-T^p One '/^p^j'v oa|j.vx(^i£Vo; -/.pxTsparc wxAaasv si; 6;::a(jj. Aber mit oder nach der Fesselung wäre die Tödtung durch eine Waffe nicht als unmöglich abzuweisen, da ja die Erzählungen der Vasenbilder deutlich darauf anspielen, dass das Opfer des Stieres den Abschluss der Handlung bildet*) und der besprochene letzte Satz der Logospartie dabei einen volleren Sinn erhielte. Es ist schade, dass im Wiener Fragment der Hekale des Kallimachos die gewiss meister- liche Schilderung fehlt, welche hier zu vergleichen von höchstem Interesse wäre.") Die schönen klaren, aber theilweise noch etwas harten Formen deuten auf einen Meister der reif archaischen Kunst. Wären Kopf und Füße erhalten, so würden stilistische Vergleiche vielleicht eine genauere Zeitbestimmung ermög-

l'*^^*^"- OTTO BENNDORF.

") Außer Mihini a. a. O. vyl. Walüicr Müller, ') Anlhol. Plan. IV 105.

die Thescusmetopen vom Theseion .S. 26 35 und *") Vergl. Walther Müller a. a. O. S. 32 ff.

Jane E. Harrison, Journal of hellenic studies 1889 '') Th. Gompcrz, aus der Hekale des Kallimachos,

p. 231 ff.; dazu die Schale des Aison, Antike Denk- .Sonderabdruck aus dem VI. Bande der Mittheilungen

mäler II 1 und das Relief von Sunion, Athenische aus der Sammlung der Papyrus Erzherzog Rainer

Mittheil. VI 234 Taf. IX D. Wien 1897 S. 7.

197

Bronzeinschrit't xon Olympia.

Tafel VI, VII.

Die auf der beigegebenen Doppeltafel in Originalgröße farbig abgebildete Bronzeplatte ist durch die freundliche Vermittlung eines auswärtigen Fachcollegen, dem sie ein durchreisender griechischer Sammler zum Kauf angeboten hatte, vor kurzem für Wien erworben und diMii archäologischen Institute zur Veröffent- lichung übiMiasson worden. Xach Angabe des früheren Besitzers war sie zu Olympia ,in iler Xähc tler deutschen Ausgrabungen' zutage gekommen, und die in jedem Sinne wichtige Urkunde, welche sie trägt, bestätigt diese Herkunft von der Altis durch ihren Dialect wie durch ihren geschichtlichen Inhalt.

Die Platte ist in der Stärke ein(!s Centimeters durch (iuss herge.stelll und hat jetzt ein Gewicht von 2S00 Gramm. In den vier Ecken sitzen noch eiserne Xägel, die sie einst auf einer wahrschiMnlich steinernen l'läche befestigten und nunmehr auf der Hinterseite abgebrochen sind. T^eini Auftragen der Schrift, das mit einem dreikantigen .StirhmeilJel in sehr tief und sicher geführten Furchen erfolgte, wurde auf diese Nägel Rücksicht genommen und der erforderliche Raum durch Einrücken der Buch.staben um je eine Stelle ausgespart. Die .Schriftseite ist von einer besonders schönen, in wechselnden Tönen grünen Patina überzogen und zeigt an den Nägeln und Nagellöchern, wie begreiflich, stärkeren Ro.st. In der Mitte der vorletzten und drittletzten Zeile haben ilerbe Hiebe eines scharfen Instrumentes nicht nur die Patina, sondern auch kleine Theile der Bronzeoberfläche selb.st weggehauen. Sonst ist die Erhaltung tadellos, die Lesung, die gleich anfangs kaum irgendwo Anlass zu Zweifeln bot, nach erfolgter Reini- gung sichergestellt. Diese Reinigung vollzog der Restaurator der kaiserlichen Kunstsammlungen, Herr W. Sturm sen., mit bcnvährter Sorgfalt.

Die Schrift ist .streng azoc/y^ov/ angeordnrl und bietet Charaktere, die in die zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts, und zwar eher gegen die Mitte als gegen das Ende hinweisen. Aus dieser Epoche hat uns der Boden von Olj'mpia bisher sehr wenig Inschriften, und noch weniger in eleischem Dialect, geschenkt, welch letztere in ihrer Masse aus beträchtlich älterer oder jüngerer Zeit stammen.

Es ist das ausgebildete ionische Alphabet, das uns hier begegnet: bloli das 28. Zeichen der 12. Zeile V- ist diesem Alphabete fremd. Der Buch.stabencomplex in dem es sich findet, verbot es für ein etwa missrathenes H oder X zu halten sicher hat nie ein zweiter Verticalstrich dat^estanden auch ein Zahl- oder

Drachmenzeichen wcir des Zusammenhanges wegen unmöglich, und so ließ es sich nur als ein aus H differenziertes Zeichen von eigenthümlichem Lautwert auffassen. Die epigraphische Überlieferung kennt es auf böotischem Boden, wo es Dittenberger (zu IGS n. 1888) als einen Mittellaut zwischen e und i er- kannte, und wie hier als Hauchzeichen in den Tafeln von Herakleia, an die mich A. Wilhelm brieflich zu erinnern die Güte hatte.

Die Formen der Buchstaben, namentlich die AFllAV, das nicht zu breite H, das E mit unbedeutend kürzerem Mittelstrich, ergeben mit Sicherheit die ange- führte Zeitbestimmung, und allein das ^ ohne Verticalstrich scheint sich ihr nicht ganz zu fügen: doch konnte die Entwickelung dieses Buchstabens in Elis immerhin der Schriftweise anderer Orte vorausgeeilt sein. Die einzelnen Zeilen scheinen durch leicht vorgerissene Horizontallinien von einander getrennt gewesen zu sein, unter- halb der vorletzten Zeile wenigstens ist der Rest einer solchen Linie noch be- merkbar. Innerhalb dieser Linien sind einzelne Buchstaben zuweilen nach oben oder unten um ein Geringes verschoben, so dass ihre unteren Enden oder Hasten keine völlige Horizontale bilden, so namentlich der fünfte der neunten Zeile, der wie die folgenden beträchtlich tiefer gestellt ist, als der vierte.

In der Regel .stoßen die unter einem Winkel zu einander stehenden Hasten prompt zusammen, aber an mehreren Stellen ragt eine oder beide über den Kreuzungspunkt hinaus; häufig setzt z. B. der ^littelstrich des Ny an die linke Verticalhaste nicht unmittelbar an oder kreuzen sich die schrägen Ha.sten des Alpha und Lambda. Bei dem My hält manchmal der Schnittpunkt der mittleren Hasten nicht genau die Mitte ein. Gelegentlich convergieren parallele Striche etwas, wie beim s in ysvwvxao von Z. 8. Durchwegs sind die 0 und Q kleiner, manchmal auch die A. Das ö in twv von Z. 8 hat einen Punkt in der Mitte. An drei Stellen in der ersten Zeile und an einer in der vierten finden sich zwischen je zwei Buchstaben in wechselnder Höhe kreisförmige tiefe Punkte, die aber von keinerlei Bedeutung sind, da sie offenbar von kleinen Gussbläschen herrühren. Wir geben zunächst eine Transscription mit folgender Übersetzung: ö'Eo;- x'jya. xxip oh ysvsarp [la: :p'jya5£Örj(^i |ix5£ ■/.- a.z' ÖTzorov xpG-ov, naxE epatvxizBpxv [lizs d-r^A'jz- ipocv, i-iaxc XX y_pr,|_iaxa SajiocjMiiev a: os v.p q:uya5- doi od Xi XX j(pT;|iaxa 5a|xoatGia, cpeuylxw ttoxxw A- 16p -B<j)X'j|i7i[(j) aijiaxop -/.a: -/.axiapx:wv ö 5r^A0|irjp avdaxop fjcjxw zt,rpzw ok y.y.i xx cfuyaSeuavxi xot 0- r,/.o|i£vo: vo^jXixxtjV xx: xxxxiuov y)|i£V 5aax y.x ü-

109

cjxapiv yevfov-x'. xtov -sp: II'jppojvx oaji'.opyföv xo- fp 51 iii «(sjatata |iä äTioSoaiai jid-re e7.-£|i']jat /p- lo TjUaia totp cpuyäoeaai' ai 5e x: xaüxwv ~xp -o Ypa|i- |ta -OLEOt, d;xoxtV£XW ocTwXaaiov x(ö xx r/.-qi-x /z- l 1(0 -/.a ir.CfOCo-y.'.- xi oi x;p äoeocÄxwhai £(v) xälv) axxÄav (öp äYaÄ|iaxo'^wpav eövxa -ioyr^^/. „Die Sippenglieder soll man nicht verbannen auf keinerlei Weise, weder ein männliches noch ein weibliches, noch soll man ihr Vermögen einziehen. Wenn aber jemand verbannt und wenn er das N'ermögen einzieht, so soll er (selbst) flüchtig sein vom Zeus zu Olympia wegen I*>lutschi.üd, und wenn der

verwünscluMi lässt, so soll cv unxcrlct/.lich sein. Es soll aber d(Mn, der

\(>rbannt wurde, wenn cv will, freistehen zurückzukehren und straflos zu sein um aller Dinge willen, die geschehen sind nach dem Jahre, in dem Pyrrhon und (lenossen Demiurgen waren. Die nächsten Verwandten aber sollen das Vermögen den Flüchtlingen weder herausgeben noch hinaussenden. Wenn aber jemand etwas von diesem gegen diesen Beschluss thut, so soll er büüen das Doppelte von dem, was er hinaussendet, und von dem, was er herausgibt. Wenn aber jemand auf der Stele auslöscht, so soll er Strafe leiden wie ein Dieb von (iötter- bildern."

Die Überschrift Hsd;- xü/x findet sich ebenso auf den etwas älteren Inschriften Dittenberger-Purgold n. 37 und 38, während die etwas jüngere n. 39 .schon Wcdp- X'j/x hat. Die archaischen Inschriften von Elis zeigen ein ziemlich regelloses Schwanken zwischen a und p. .Später wird der Rhotacismus strenger, und in der Kaiserzeit ist er völlig durchgeführt. Unsere Inschrift hat das p durchgehend, mit Ausnahme von Hsö; der Überschrift, wo sich in der starren Formel die ältere Art bewahrt hat.

§ I. xarp OS ysvcxrp [li -.fj^xocörjn [ixSs xxx" ökoIow xpö-sv. [yizz ipjsva'.xlpav |i.xx£ S-r^X'Jxepav, [laxe y_pTj[iaxa 5a[^ioa;w|i£v.

Die W(5rte xatp yEVcaip können an sich Dative oder Accusati\-e sein. Denn die entsprechende Accusativform, im Aeolischen gewöhnlich, ist auch für das Elei.sche belegt durch die Inschriften von Olympia n. 39 Z. i 5 xaxacc'x'.p . . . yi^izep und n. 2 Z. 3 |jivar^. . . xx(x)^^^Jxa'.;. Der Zusammenhang erfordert hier den Accusativ. Dann kann xxtp yEVExrp Subjcct oder Object sein. Im ersten Falle hätte man es mit einem l-.xilrci-ht der ( ieschlechter zu thun. tlas auszuüben ihnen vom Staate verboten würde: im zweit<'n Falle würde der (irundsatz ausgesprochen, dass man Angehörige der Geschlechter nicht verbannen dürfe; denn unmöglich kann es

Jiihrcshefte des österr. archiinl. Institutes Hd. 1. 26

200

sich um das Verbot, ganze Geschlechter zu verbannen, handeln. Die zweite Er- klärung wird nahegelegt durch die Zusätze EpcjEvaaspav und d-rihjxipoi.w. die ebenso sicher auf einzelne Personen gehen, wie sie grammatisch auf 'fzvzi bezogen werden müssen. Es muss also ysvcz als Collectivbegriff gefasst werden und hier nicht Sippe als Einheit, sondern die Sippenangehörigen bedeuten. Ob damit aus- gedrückt sein soll, dass dieser Schutz nur den Adelsgeschlechtern zu Theil werden soll, oder ob jeder Eleier Mitglied einer yevsä war, lässt sich bei unserer Un- kenntnis der Verfassung nicht ausmachen. Nach dem schon aus Homer bekannten Comparativ von d-f^o^ ist auch der von epar^v statt des Positivs gesetzt, das letztere Wort bietet übrigens statt des eleischen äppev- die aus dem Ionischen eingedrungene Form. Für den Comparativ verweist mich A. Wilhelm auf zCoppiv- TSpov in der In.schrift von IMantineia: Keil, Göttinger Nachrichten 1895 S. 349 if.; vgl. Dittenberger, Hermes 1893 S. 472. Schwer zu erklären ist der Infinitiv Sa|ioatw|j.£V nach Analogie von yvwj^isv neben cpuyaSsirjV. Das Wort cf^jyaSsfw ist transitiv zum Unterschied vom intransitiven cpuyaSs'jto in Z. 6, während attisch cp'jyaoeuw beide Bedeutungen vereinigt. Das verbindende 5s am Anfang hat seine Analogie in der Inschrift von Olympia n. 5. Dieses Beispiel und der Anfang mit der solennen Formel erweisen, dass kein Zusatzgesetz vorliegt.

§ 2. a: OB Tip cp'jyaSefot od ze ix ypr^naia, oajxoatota. cfc^yetw tiottw A:öp T;wyjj[iT:[(i) aqixTop y.7.1 y.xv.ocpx'M^^ 6 Sr^Xciir^p ivicczo^ rpiu).

Wer entgegen der Bestimmung des ensten Paragraphen eine Verbannung vornimmt oder Güter einzieht, wird selber mit Verbannung bedroht. Das kann offenbar nur ein Magistrat sein, der kraft seiner Gewalt exiliert, oder ein Privat- mann, der den Antrag in den Berathungskörpern stellt. Der dem Gesetze so Zuwiderhandelnde soll vom Heiligthume des Zeus weg fliehen, was offenbar bedeutet, da.5s er sogar von der Asylstätte des Gottes ausgeschlossen ist. Wie hier Tjpoc; mit dem Genetiv in dieser Bedeutung steht, so haben wir in gleichem Sinne Tipö; mit dem Accusativ in der Inschrift von Olympia n. 11, wo es heißt: .'i^ifV Ä'JTÖv noTtöv l'.y.. Das wollte Ahrens verstehen als: fliehen zum Zeus und interpretieren, dass der Flüchtling, des gesetzlichen Schutzes beraubt, nur mehr den sacralen Schutz genießen sollte, während Dittenberger verstand: ,ein Ver- bannter sein in seinem Verhältnis zum Zeus', eine Erklärung, die sich sachlich mit dem Wortlaut unserer Inschrift deckt. Wenn ferner von dem cpc'jyeTiü der Genetiv aqiato; vielleicht mit vorher zu supplierendem w; abhängig gemacht wird, so ist für die Prägnanz des Ausdrucks der Gebrauch der Verba des An- klagens und X'erurtheilens heranzuziehen. Es wird die gegen die Gesetze vor-

20I

genommene VorhannunL,'' imil ("(itiriscation einer T*>Uit.srlinl(l t^rloichgestellt und so gealindet oilcr, was wciiij^cr wahrscheinlic^li ist, die als Strafe für widerrechtliche Ivxilierunj;" xcrhäni^lc XCrhannung wird einem Todesurtheil gleichgesetzt. Ver- bannung uiul Tod wird auch sonst vielfach gleich gehalten. Man kann sich durch freiwillige Verbannung dem Todesuithi-il entziehen und i-s folgt, wenn man das ausges])i(>c-hene \'erhannungsurihi-il missachtet, von selbst Todesstrafe. Ahnlich wird aucli in diT Klu'tra zwischen Skillus und l'^lis (In.schriften von Olympia n. i'i Z. jj) infolge der Beilegung eines Aufstandes angeordnet, dass Personen, die sich innes bestimmten Delictes schuldig gtMnacht haben, wenn sie geflohen sind, als Mörder verurtheilt werden sollen, wenn sie aber in der Heimat geblieben, sich d(Mn (ierichtsverfahrcn vor bezeichneten Personen zu unter- zii'hcn, also dann wohl keine Todesstrjife zu erduldiMi haben: oao'. 5' f^pp[ov. x]p:il'£VX(üv xv5pocfö|vof ö oi £v5a|i£(i)v TiapEtV; xa 7:01; xtÄ. Die I'"olge ist, dass der Flüchtling straflos getödtet werden kann. Demnach ist unsere Stelle zu ver- stehen: ,er soll flüchtig sein als verurtheilt wegen' oder ,wie wegen Blutschuld'.

Schwieriger i.st die folgende Bestimmung, von der zunächst das Prädicat Äväaxop yjaxw := ävaxog eaTU klar ist: ,er soll unverletzlich sein.' Das .Subject steckt in dem räthselhaften STjXo|xr;p. Die Bedeutung von •/.y.z'.T.py.iw^ ergibt sich hingegen aus diMii in der Inschrift von (llympia Dittenberger-Purgold n. 2 überlieferten Aorist xaTiapa'jcjsie, der von einem xaxtapaüio = xa9-i£p£'jw abgeleitet werden muss, einem Wort, das gleichbedeutenil mit y.oi.zt()y_o\ia.i verwünschen, verfluchen ist. Die Wortform y.a-c'.apafwv kann nun entweder (Genetiv pluralis \'on einem y.aaia.podo'v (mit der Bedeutung ^'erwünscllung) oder das Particip eines X'erbums xaTtapatw sein. Übersetzt man streng lautlich ins Attische xaO-tEpErov und y.T.lki^z'M, so sind beide Wörter unbelegt. Während aber hier der (ienetiv jeder Construc- tion widerstrebt, gibt das Particip den erwünschten .Siim: .wenn er \iMilucht, so soll er unverletzlich sein'.

Es bliebe also die Schwierigkeit, dass neben don xxTixpa'jo) der citicrtiMi Inschrift, welches lautlich der attischen Form xxil-.sps'jd) mit dem im Fleischen geläufigen Übergang des £ in 7. entspricht, ein y.xz'.apxlui existieren sollte. Der- selben Erscheinung begegnen wir aber in unserer Inschrift selbst, in der neben einem attisch unb(degten rfu-fnozluy ein auch attisch gewöhnliches cf^yaoEuw vor- kommt, freilich mit der Bedeutungsnuance, dass das erstere transitiv, das zweite intransitiv ist. Wir dürfen also vielleicht das Verhältnis aufstellen '^'rfMfJM : '.f'jya- Secü) = xaxiapauü) : xaitapaJio. und wie cfjyaoc'jd) den Zu.stand des X'erbanntseins, <f\)'(a,OE'.(a aber das Versetzen in diesen Zustand bezeichnet, so müsste, da xaTiaprjo)

26*

202

die Handlung des Verwünschens ausdrückt, xaTiapaiw ,in die Handlung des Ver- wünschens versetzen', also ,verwünschen machen' oder ,zur Verwünschung zulassen, oder jverwünschen lassen' bedeuten. Wird nun jemand für unverletzlich (unklagbar) erklärt, wenn er eine andere Person zur (öffentlichen, mit (3pfern verbundenen) Verwünschung zulässt, so ist er ein priesterlicher Functionär, und 2r,/.0|irjp müsste demnach der Name eines solchen sein, wie der inschriftlich und durch Hesychius belegte tEpöjix?. Wird hingegen jemand für unverletzlich erklärt, der (durch einen Priester) verwünschen lässt, so kann das jeder Privatmann sein, und wir hätten zu erwarten, dass die Stelle lautete: xaxiapat'wv 6 5r/,oi.i£VGp ävxa-op YJatw. ,wenn irgendwer, der will, verfluchen lässt, so soll er unverletzlich sein'. Wenn es jemandem gelingt, orjÄoi-ir^p als orjX6\iBVOp zu erklären, so wäre die Schwierigkeit gelöst; ich weiß jedoch dafür nichts vorzubringen.

Feierliche mit Opfern verbundene Verwünschungen, die als besondere Schädigungen des verwünschten Individuums galten und als solche bestraft wurden, hat es in Olympia gegeben. Die Rhetra der Eleier (Inschr. v. Olympia n. 2) verhängt über einen solchen Verwünschenden die Verbannung. Die Stelle lautet: Ila-piav {^app=v y.al ys-zsav v.xl txj-ö- ai Zi z:- ■/.y-:7.^xjiz:z. .'äppsv öp .'ahz'.o. Kirchhoff hatte die .Stelle so gefasst, dass Phratrie, Geschlecht und was dazu gehört, geschützt werden sollten, und wer sie verwünscht, fliehen solle, wie wenn er einen (einzelnen) Eleier verflucht hätte. Blass und ihm folgend Dittenberger haben HaTpfav als Eigennamen gefasst und in der Stelle die Bestimmung gefunden, dass der staatsfremde Patrias mit seiner Sippe geschützt werden und eine gegen ihn ausgesprochene Verfluchung dieselbe Strafe der Verbannung nach sich ziehen solle, wie wenn sie gegen einen Bürger (also einen Eleier) ausgesprochen worden wäre. Beide Erklärungen setzen ein früheres Gesetz vorau.s, das die Verwünschung verbot, sei es nun die eines einzelnen im Gegensatz zu einem Geschlecht, sei es die eines Bürgers im Gegensatz zu einem Fremden. Wie immer sich die Sache verhalten mag, die \'erfluchung eines Einzelnen sowohl wie eines Ge- .schlechtes war unter bestimmten \'()raussetzungen, vielleicht wenn sie durch Opfer beim Altar des Zeus erfolgte, unter Strafe der Verbannung verboten, und es ist nicht anzunehmen, dass ein solches Gesetz, wenn es auch alt genug ist, bis zur Zeit unserer Inschrift aufgehoben worden wäre. Wurde nun jemand, der trotz bestehendem Verbot einen Eleier ins Exil gejagt und daher selbst die Strafe der Verbannung verwirkt hatte, von den \'erwandten des Exilierten verflucht, oder ließ der priesterliche Functionär eine solche Verfluchung zu, so bedurfte es einer besonderen Bestimmung, um diese Personen straflos zu machen, und

203

eben diese Bestimmung ist in den Worten /.xTtapaitüv . . avaaxop y^-JK)) enthalten. Da in den Verwünschungsformeln, die wir kennen, in der Regel nicht bloß die Person, der der Fluch eigentlich galt, sondern auch ihr ganzes (leschlecht mit verflucht wurde, so ist die Sorgfalt der (iesammtheit, welche Verwünschungen verbot, ebenso verständlich, wie die Ausnahme, welche in unserem Falle zu Ungunsten des an einer \'orl);Lnnung Scluildtragondcn gemacht wurde, wirkungs- voll gewesen sein muss.

§ 3. icipzta y.xi xa lyuyaOEÜav": ~ol SrjÄojievoc vos-txxTjV xa; ä.-zi.\v.o'/ YJiicV ö^sa xa Oorapiv ysviD'/ta: -wv Tzepl Ilüppwva oan'.opyöv.

Der schwache Aorist mit Schwund des Sigma ist eine bekannte Erschei- nung des eleischen Dialectes. So r.rjäfL-'x: Inschrift von Olympia n. 39 und ebenda i^ioiTjacjaa:. \'gl. Meister, Griechische Dialekte H 51. Ebenso steht hier '^•j-j'xOc'jxvt'. statt cf'JYa5£'j3av-t. Neu ist hingegen —. für v. Die älteren eleischen Inschriften, welche für Delta Zeta schreiben, drücken Zeta durch einfaches oder doppeltes Delta aus. Wenn in der Folgezeit bei fortwährendem Schwanken, welches Zeichen dem Lautwert des Zeta im Eleischen am entsprechendsten sei, in einer bestimmten Epoche, wie unsere Inschrift lehrt, auch einmal der Versuch gemacht wurde, es durch Doppel-Tau wiederzugeben, so hat das seine Analogien in Kreta, wo sogar im Anlaut das Gleiche geschehen ist. Vgl. G. Meyer, (xriech. Grammatik ■' .S. 338.

Wir haben tUso ein voaxf^^siv anzunehmen und ä--ä|i'.ov als ävT,|i'.ov zu erklären. Über den wirklichen Lautwert ist damit nichts gesagt. Auffällig ist ferner der Plural '(biwn%'. als Prädicat zu einem Neutr. plur., und die Form iiGTapiv. Zwar dass die Lautgruppe £p zu ap wird, entspricht den uns bekannten (iesetzen des eleischen Dialectes. Vgl. Meister, Griechische Dialekte II 2g. Nur müsste us-apov erwartet werden. Wie aber aus üaTa-o; üa-äxio; gebildet wurde, so ist auch ein Os-clpiog beziehungsweise O^täp'.ov anzusetzen, das nach bekannten Analogien zu CcTüäpiv geworden sein konnte.

Klar ist, dass dieser Paragrai>h den Exulanten die Heimkehr gestattet und ilmen Sti'aflosigkeit zusichert. Wären dies aber alle thatsächlich im l^xil lebenden Pei-sonen, so wäre nicht der Aorist cp-jy^SsOavu; mit xa zu erwarten, sondern das Präsens. Der Aorist spricht dafür, dass jene Personen gemeint sind, die entgegen der Bestimmung des ersten Paragraphen und infolge einer im zweiten Paragraphen vorgesehenen Übertretung derselben exiliert worden sind. Damit stimmt, dass ihnen Straflosigkeit für Delicte zugesichert wird, die später als tlas Jahr des I'yrrhon dasjenige, in dem ilieses Gesetz erlassen wurde

204

und von dem an daher Verbannungen nur widerrechtlich erfolgen konnten begangen worden sind. Eine solche Amnestie pro futuro hatte nur dann einen Sinn, wenn die künftigen Verbannungen, die eben durchwegs verboten wurden, für den Fall als sie dennoch erfolgten, illusorisch gemacht werden sollten. Einem schon vor dem Jahre des Pvrrhon Verbannten wäre nur mit einer Amnestie für Delicte, die wirklich oder angeblich vor diesem Jahre begangen wurden, gedient gewesen, und wer solche Exulanten verstehen will, müsste sich zu der zwar logisch möglichen, aber dem uns bekannten Sprachgebrauch zuwiderlaufenden Erklärung verstehen, dass 'ja-spov hier nicht nachher, sondern vorher bedeutet, eine Bedeutung, die aus der Vorstellung von dem, ,was hinter einem gewissen Zeitpunkte liegt', zu gewinnen wäre. Eine solche Sprachschwierigkeit zu ver- meiden, wird man sich zu unserer Erklärung entschließen müssen.

§ 4. xorp ok ETz" öi(a)'j'.'j-x [ix aTCOOÖacja'. \idae ky,Tzi\i']ia,'. zx -/pij\ix-x lolp (f^yicsaa:.

Der erste Gedanke, l\ala-x als Genetiv eines Eigennamens zu fassen, konnte nicht festgehalten werden, nicht nur weil dieser nicht belegt ist, sondern weil die Interpretation sachliche Schwierigkeiten macht. Zieht man aber die Glosse des Hesychius ä'aaijTa' t-;-;:zz%, Aiayj/.oc 'HScovoic hieher, so wird es zunächst keine Bedenken erregen, Doppelsigma durch einfaches ersetzt zu sehen. Auch die Präposition irl lässt sich nach Analogie von £-1 rShd u. dgl. und 01 i'iz aaciiaxa als 0: ay/iaTsr; erklären. Ebenso in der Inschrift aus Tegea IGA n. 68 xo:<5> a(a)cjtcjTa -öä-r/.s;. Es sind also die nächsten Verwandten des Verbannten gemeint. Nun kann xotp £7:' ö:(a)cj:aTa wieder sowohl Dativ als Accusativ sein. Wäre es Dativ, so würde allgemein verboten sein, das Vermögen des Verbannten dessen Angehörigen aus- zufolgen {i.r.oob'j'jy.: für ir.oZi'j^-x'. wie Tzoi^xrs'jx: Inschriften von Olympia n. 39 für 7öOTj(a)a!j9-at und unsicher di^oAJA'jasai für xr.bXhja^ca ebenda n. 38) und ebenso es den P"lüchtlingen ins Exil nachzusenden. Diese von E. Bormann unterstützte Auffassung hat den Vorzug, zwischen i-ootrs'jx: und iy.r.iyi.'^x: streng zu scheiden und die durch die Verbannung miterfolgte Güterconfiscation vorauszusetzen. Wenn ich ihr nicht folge, so geschieht es mit Rücksicht auf die Wortstellung, die nach meiner Empfindung verändert werden müsste. Es wäre wenigstens \i.x i-oodasa; XX ypiiiixxx. [läte i-ATze[i<lixi zu erwarten, vielleicht auch zoip '^uyäSsaai anders zu stellen gewesen.

Soll nun xorp irz' ä(!3)cj:ax3c der Accusativ sein, so würde den \'er\vandten selbst verboten, die Güter der Flüchtlinge zurückzuerstatten oder nachzusenden. Hier entstünde nun wieder die Schwierigkeit zu erklären, auf welche Weise die (xy/iazzl: in den thatsächlichen Besitz der (iüter gekommen sein sollten. Wurde

205

nämlich das Vermöjyen des Verbannton von staatswegen eingezogen, so kr)nnte eine Restitution desselben, sei sie legal oder illegal, nur wieder von Organen des Staates vorgenommen werden. Nach attischem Recht erfolgt mit jeder Verbannung, au(3or bei der wegen unfreiwilligen Mordt's und beim Ostrakismos, (iütereinziehung (hirrh den Staat (vgl. Meier-Schünianii. .\u. Proccss [l.ipsius] 11 i|.s!Si. Die delischen .\ni])hikti()nen haben freilirli, wie aus ('I.\ II S 1 4 /' Z. :?,s ff. hervorgeht, bei ä£:'.f'jyt'a normiiTte (ieldstrafen verhängt, (loch bezog sich doi-t das \'crbannung.s- urtheil nur auf die heilige Stätte. Endlich beweist der in den beiden ersten Paragraphen unseres Gesetzes gebrauchte Ausdruck caiioaitoiiev schlechthin die Einziehung zu Gunsten des Staates. Aus diesen Schwierigkeiten führt zunäch.st die Annahme, dass das widerrechtliche A'erbannungsurtheil schon erfolgt und die Verbannung schon ins Werk ge.setzt sein konnte, ohne dass auch schon die Einziehung des Vermögens erfolgt war. so dass dieses sich aucli im Besitze der äy/ta-st; befinden konnte. Sodann konnte sich das \'erbot der Vermögensrück- .stellung auch auf diejenigen Flüchtlinge beziehen, die sich freiwillig aus politi- schen Gründen in X'erbannung begeben hatten und gegen die daher weder ein Verbannung-surtheil erfolgt noch die Confiscation der Güter verhängt worden war. Diese etwa als herrenlos einzuziehen, konnte aber der Staat keine An.stalten treffen, weil der freiwillig Exilierte zurückkehren konnte und, wenn er nicht zurückkehrte, für seinen Todesfall das Erbrecht der df/ia-zl:; eintrat. Eine beson- dere Obsorge der nächsten Verwandten, ja sogar des Ge.schlechtes oder selbst höherer Einheiten für das \'ermügen des einzelnen ist überdies innerhalb des griechischen Rechtes begreiflich, wo uns eine Art Eigenthumsrecht der Familie in einem Heimfallsrecht, in einer zu Gunsten der Familie beschränkt(>n Testier- freiheit und ähnlichen ( irundsätzen, überall entgegentritt.

Der (irund des Verbotes der Vermögensrückerstattung an die Flüchtlinge kann nur in dem Wunsche liegen, ihre Rückkehr zu erzwingen, bei welcher sie natürlich in ihren Besitz wieder eingewiesen worden wären, während Ausfolgung des Vermögens sie mit dem Leben in der I'remdc vielleicht befreundet hätte.

g 5. ai oi -'. -7:'jz(<v/ r.y.^ xo '(^i.^]i.!x. T.o'.io:. i-oxivsTw Si-Atzaiov "to xa ix-qi-a xa: T(o xa ä-ocö)-a;. Mit .Strafe bedroht ist in diesem Absatz natürlich nur die Über- tretung des im vorhergehenden Paragraphen festgesetzten X'erbotes, wenn sich auch die Unbehilflichkeit des Ausdruckes auf weiter gehende Übertretungen be- ziehen ließe. Das au in -ca-jTwv i.st aus dem Nominativ eingedrungen und die Form daher Genetiv Neutr. Plur., wie in einem gleichen Falle Dittenberger, Inschriften von Olympia zu n. j .Sp. g erkannt hat. Die Strafe des DupUims. bei

206

gewaltsamer oder bewusster Übertretung gesetzlicher oder vertragsmäßiger Be- stimmungen in Griechenland gewöhnlich, findet sich speciell in Elis überliefert, Inschriften von Olympia n. 2. 3 und 4. Wem das Duplum zu bezahlen ist, wird nicht gesagt, vermuthlich dem Staat, und zwar von dem Verwandten, der dem Flüchtling das Vermögen zurückerstattet hat. Der Betrag des Zurückerstatteten ist die (Grundlage für die Bemessung des Strafduplums.

Der Coniunctiv i-/.T:£i.iT:3! ohne Jota widerspricht den sonst belegten Formen ävaTsO-äi und ooD'äi (vgl. Meister, Griechische Dialekte II 65), das erstere in der zweifellos etwas späteren Inschrift n. 39 bei Dittenberger-Purgold vorkommend, und erklärt sich vielleicht am einfachsten durch Einfluss des Arkadischen, das das Iota im Conjunctiv nicht hat. \'gl. Meister, Griechische Dialekte II 112.

§ 6. at Tip ÄoeaÄxwhxi £|v) Tä:(v) axäXav, wp äyaX|.iaxo<:fti)pav sövta -xa/r^v.

Dass hier die Strafbestimmung für denjenigen, der die Inschrift unkenntlich macht, getroffen ist, bedarf nach allen Analogien kaum einer Erwähnung. Dass die in der Altis aufgestellten Inschriften dem Zeus heilig waren, beweist die Schlussformel in der Inschrift von Olympia n. 2 ö [TiQva; '"apö; 'Oaujit^Jx'.. Wer sie verletzt oder entfernt, durfte daher wie ein des Sacrilegs Schuldiger behandelt werden, und ihm die vStrafe, die dem Dieb von Götterbildern bestimmt war, zu verhängen, scheint den Umständen entsprechend zu sein. Ahnlich heißt es in einer Inschrift von lasos (Anc. gr. inscript. ot the British Museum III 440) r,v ci z'.i [ty;V aTTjAr^v] d:pav[(ürj; r^ Ypa|iiiaxa], -aaylxw d)? EspoTjÄoc. Die Heteroklise von ÄY5tÄ[.iaxo'.p(i)pav gibt wohl auch zu keinem Bedenken Anlass. Dagegen ist das Verbum des Nebensatzes unklar. Verlangt wird ein Optativ, das Wort geht also auf ai aus und der Complex ETA^TAAAN ist daher sv (= s:;) xa(v) 3xäAav zu lesen. Die Inschrift ist aber auf einem T.'.vy.z und nicht auf einer Stele eingetragen, folglich war die Bronzeplatte in eine Stele eingelassen. Das räth.selhafte Zeichen h , das vor a: steht und zweifellos aus H differenziert ist, kann ich nicht anders denn als rauhen Hauch verstehen. Wir haben es offenbar mit einer Aori.stform auf sa: zu thun. Das Fleische wirft das Sigma des Aorists aus, wofür das -.^'jya- Zvjy.v-j. unserer Inschrift selb.st ein Beispiel ist, und wofür die zur Stelle citiei'te Damokratesbronze zwei weitere bietet. Eine Übergangsform, in der das ursprüng- liche Sigma noch als rauher Hauch gehört wurde, anzunehmen ist nothwendig. Wenn dieser zur Zeit unserer Inschrift noch gehört wurde, .so ließ er sich durch H nicht wiedergeben, weil dieses Zeichen schon als langes e gewertet wurde; es lag also nahe, aus dem H ein Zeichen dafür zu differenzieren, und zwar dasselbe, das aucli in Herakleia als Hauchlaut, wie im Böotischen für den Mittellaut zwischen

207

e uml i. gebrauclit wurde. Dagegen spricht das 'fJYaSeuavTi in Z. 6, das diesen Übergangslaut nicht hat: abor violleicht wurde er dort wegen des leise an Digamma anklingenden und unmittelbar vorhergehenden u nicht mehr gehört. Somit hätten wir ein Wort iozx/r.im anzunehmen, das sich nicht leicht erklären lässt. Am nächsten liegt, an das bei .\eseh. Su])])!. 1 71) bezeugte 5£j,-00|.ta'.: auf- schreiben zu (lenk<'n. das aus os/.to;, im Kretischen auch 5a/.T0c (die Schreibtafel), hergeleitet ist. Min y.oxAziM in der Bedeutung von .Schrift auslöschen wäre daher ganz gut begreiflich; aber in äOcaXtou das £ zu erklären, bietet sich keine Hand- habe. .Sollte ein Schreibfehler vorliegen? Das wäre noch immer wahrscheinlicher als eine Ableitung von «or^Xoc mit Rücksicht auf das homerische oesXo; = Sfj/.o;, wobei das Tau uniM-klärt bliebe. Der Accusativ, von £v = £i; regiert, müsste freilich nach .\nalogie des Verbums ohne .\lplia privativum gedacht sein.

Der Itilialt des Gesetzes lässt sich daher folgendermaßen zusammenfassen:

1. W'rbannungen und (niterconfiscationcMi gegen (Teschlechtsangehörige sind vi'rboten.

2. Zuwiilerhandelnile trifft ilie Strafe der \'erbannung, und solenne Ver- wünschung gegen sie ist gestattet.

3. Den trotzdem \'erliannten ist die Rückkehr unter (iewährung einer Amnestie gestattet.

4. Die Rückerstattung des Verm(")gens an die Verbannti'u ist für die facti- sche Dauer des Exils verboten.

5. Die Übertretung dieses Verbotes wird an di-n .Schuldigen mit der ßulJe des Doppelten von dem erstatteten Betrage geahndet.

6. Die Zer.störung der Inschrift wird mit der .Strafe des .Sacrilegs bedroht. F.in solches (iesetz, das den Zw(»ck hat, \'erbannungen und ("ontiscationen

für die Zukunft zu verhüten und auf di>n Willen der f'.xilierten einen leisen Zwang zur Rückkehr auszuüben, ist nur denkbar, w(>nn infolge von politischen Parteistreitigkeiten, wie -sie zwischen Aristokraten uml Demokraten in (iriechen- land tobten, Kxilierungen in größerem Umfange vorgekommen waren und sich nun die N'erhältnisse so weit geändert hatten, dass an eine Consolidierung des Staatswesens gedacht werden konnte.

iJberblickt man die Cieschichto von Elis, so findet man innerhalb des vierten Jahrhunderte.s, das allein in Betracht kommt, einen solchen X'erfassungsconflict zunäch.st für das Jahr 364 verbürgt. Xenophon, Hellen. \'ll 4, 15, erzählt von den demokratischen Parteihäuptern Charopos, Thrasonidas untl Argeios, denen die Oligarchen .Stalkas, Mipjjias uml .Stratolas gegenüberstanden. In vcrrätherischem

Jahreshefte des östcrr. archrml. Institutes Bd. 1. 27

208

Einverständnisse mit den Arkadern suchten die Demokraten von Elis die Akro- polis zu besetzen, wurden aber von den Oligarchen zurückgeschlagen. Mit Argeios und Charopos begaben sich vierhundert Bürger, sämmtlich demokratische Partei- gänger, ins Exil. Sie hatten sich in Pylos festgesetzt und wurden im folgenden Jahre, nach Xenophon, Hellen. VII 4, 28, theils in der Schlacht getödtet, theils gefangen und dann hingerichtet. Aber es scheint, dass nicht alle von diesem Schicksale getroffen wurden, und dass einzelne eleische Flüchtlinge sich wieder in Griechenland aufhielten. Jedesfalls war die demokratische Partei nicht vernichtet. Aus dem Jahre 362 ist uns in den mit einander zu verbindenden Inschriften CIA II 57 Z' und 112 ein Bündnisvertrag zwischen Athen einerseits unil den Achäern, Eleiern, Phliasiern anderseits erhalten, in welchem, wie U. Köhler, Athen. Mittheilungen I 204 f des Näheren ausführte, gegenseitig der Bestand der Verfassungen, obgleich dieselben verschieden waren, garantiert wird. Und da sich die Stelle lav . . t'.; . . -r,v . ."-oX'.Tcfav . . v) xrjv 'HÄsi'wv -/.a-:a/.'jv; fj] [lEit'taTf, y] cfu-,'a[5£Liv; xiva;. [Jor^iJ-siv 'Afl'rjvatoü; xJoutoi^ mit auf Elis bezieht, so war dort die Gefahr, dass die Demo- kraten wieder die Oberhand gewinnen und die Oligarchen exilieren würden, min- destens ins Auge gefasst. Eine Verfassungsänderung erfolgte aber nicht, und von eleischen Verbannten hören wir bis zur Zeit des Ausganges des heiligen Krieges nicht.s. Erst bei dieser Gelegenheit berichtet Diodor X^'I 13, dass nach dem Unter- gang des Phalaikos die von diesem geworbenen .Söldner von den eleischen Flücht- lingen zu einem Zuge gegen ihre Heimatstadt gedungen und von den Eleiern in Verbindung mit den Arkadern vernichtet wurden. Es ist uns mithin für das Jahr 346 der vergebliche Versuch eleischer Flüchtlinge, sich der .Stadt zu bemächtigen, bezeugt. Fraglich kann nur sein, ob diese Exilierten mit den Emigranten des Jahres 364, beziehungsweise mit deren Nachkommen identisch sind, oder ob un- mittelbar vor 346 eine neuerliche Massenexilierung stattgefunden hatte. Von einer Rückkehr dieser Verbannten erfahren wir nichts, und das Fehlschlagen ihres Versuches gegen die .Stadt hat gewüss ihre Repatriierung auch weiter ver- hindert. Sie dürften sich, untereinander und mit ihren Gesinnungsgenossen in der Heimat durch allerhand Beziehungen verbunden, in (Griechenland herum- getrieben haben. Die eine Voraussetzung für unser Gesetz, dass Elis bis in die Mitte des vierten Jahrnunderts hinein durch Exilierungen zu leiden hatte, trifft also zu. Zweifellos blieben die Oligarchen noch weiter im Besitze der Macht: wenigstens scheint es nach Pausanias IV 28 und V 4, q, dass die Fleier sich im Kriege gegen Philipp neutral verhielten, weil dieser die oligarchischen Machthaber unterstützt hatte.

209

Nach der Schlacht bei Chaironeia zog Philipp in den Pcloponnes und erreichte dort die Unterwerfung wie der meisten Staaten, so auch der Kleier (Aelian VI i). Bis 338 hatten sich also die Verhältnisse in Elis nicht verändert. Nur eine Bürgschaft für den I''()rtbestan(l diT Oligarrhii' konnten ferner die Bestimmungen des von Philipp abgehaltenen I '.undestages zu Korinth sein. Garantierten sie doch die Krhaltung der augenblicklich be.stehenden Verfassungen und bedrohten die- jenigen, die sie zu stürzen unternahmen, mit dem bewaffneten l.inschreiten des gesammten Bundes.

.\ber zwei Bestimmungen des Bundesvertrages mussten auf die Verhältnisse in P.lis zurückwirken. Zunächst die Be.stimmung, dass in den Bundesstädten zu politischen Zwecken keine Toili-suriheile, Verbannungen, fiüterein/.iehungen, Land- auftheilungen, Schuldenerlässe und Sclavenbefreiungen .stattfinden dürften, ein Verbot, das unter die Controle des Bunde.srathes und bestimmter Commissäre ge.stellt war: [Dem.] XVII 15 eaxt yap ev Taf; auvö'rjxai^ i-.mzAS.'.zi)-si.: xoü; TJveopsOo'^ xa; y.xl xou; ir.\ xf; y.o:vrj z'jXa.xri x£xay|i£vou; 07:105 ev laXz xo'.vtDvoiiaa:; <;6/.£cji xf^; s'.pTj'/r^; |iTj yr/vdjvxai tlavaxoi -/.od ■^■jya.i r.xox xou; xe:|1£vou; xa:; -öaeo: vöiio'jc. if-ffik /pr(|ixx())v or, |i£Ü3c;c. [ir,5c ■'■/,; ävaoaa[to:'. jir,5c XpS'ov ävto/.OTiai. ]ir,5c orj'jAHiy iXB-jd-z^^üos:: in'. v£WX£pta[uT). Wollte man in Elis dieser Bestimmung nachkommen, so hatte man bei bestehender oligarchischer Verfassung weniger auf die Verhütung der demo- kratischen Übel, wie Landauftheilungen, Schuldenerlässe, Sclavenbefreiungen be- dacht zu sein, als auf die der oligarchischen Misstände, wie Todesurtheile, \'er- bannungen und Gütereinziehungen. Die beiden letztgenannten werden denn auch in unserem Gesetze verboten, dem Wortlaute nach sogar in weiterem Umfange, als es der Bundesvertrag erheischte, indem nicht einmal X'erbannungen auf Grund der Gesetze (wie die wegen Todtschlages) ausgenommen werden, vielleicht weil sich diese Ausnahme von .selbst verstand.

Eine zweite Bestimmung des Bundestages zu Korinth verfügte, dass Elücht- linge aus den Bunde.sstädten mit bewaffneter Hand nicht zum Kriege gegen eine andere Bundesstadt ausziehen dürften, widrigenfalls di(^ .Stadt, aus der sie auszögen, als außerhalb des Bundes stehend angesehen werden müsste: [Dem.] XVII 16 £3-'. yip ys.-fpxis.\iiyo'A i/. xtov -öXctov xiov xoLvwvouaiov xf,; eipr^vr^; |.itJ^ £C£rva'. (puyäSa; öp|iT^3a'Atx; OTzla. iizi'^ipz'.'^ i-.\ <:oÄ£[i(|) £;:• \xyfiz\iix'/ r.iA'.v X(7)V \\.fzv/o-j'j6y/ xf,; ECpTjVr^;. £L 2c |iyj, Ixanovoov zhoL: xr/; TtöXcv, i; t^; äv opjiTjSwaiv. Offenbar liegt die ratio dieser Bestimmung darin, dass die Bunde.sstädte für ein mildes Regiment, das niemanden zur I-lucht außer Landes nöthigt, verantwortlich gemacht werden sollen, damit die Bundesstädte von den üblichen bewaffneten Einfällen fremder Elüchtlinge

27*

2IO

verschont würden. So weit diesem Theil des Bundesbeschlusses nicht schon durch das Verbot der Verbannung" nachgekommen war, musste verhindert werden, dass überhaupt FUichtlinge existierten, und wenn sie existierten, musste ihnen durch alle Mittel die Rückkehr erleichtert werden, insbesondere aber jenen, die seit Abschluss des Vertrags in das Exil gegangen waren, und auf die daher auch der Zusatz £7. xcüv 7:6Ä£tüv öpiiTj^avTag Anwendung finden konnte. Wir sehen, dass die Eleier auch dieser zweiten Bestimmung des Bundestages durch unser Gesetz gerecht geworden sind.

Aber wie gut auch Zweck imd Sinn des Gesetzes fth" die durch den Bundestag von Korinth gegebenen historischen Bedingungen passen, so scheint es dennoch nicht in diese Zeit zu gehören, sondern sich auf die identischen Bestimmungen des um zwei Jahre später von Alexander abgehaltenen zweiten Bundestags zu Korinth zu beziehen. Denn allzu rasch drängten die Ereignisse. Der unvermuthete Tod Philipps stellte zunächst das Verhältnis zwischen Makedonien und (iriechenland wieder in Frage. Alexander musste zuerst die von Philipp überkommene Suprematie wieder herstellen und im Jahre 330 wurden erst die eben besprochenen imd wahrscheinlich nicht ausgeführten Beschlüsse neuer- dings beschworen. Aber der Zug Alexanders nach lUyrien und das verbreitete Gerücht seines Todes, vor allem aber die persischen Hilfsgelder, die an griechische Staaten mit dem Ersuchen des Königs, sich ihm anzuschließen, geschickt wurden, riefen wieder eine Gährimg hervor, imd unter denen, die sofort von Makedonien abfielen, befanden sich auch die Eleier. Die raschen Operationen Alexanders und insbesondere die Zerstörung Thebens lösten diese antimakedonische Coalition, und nach dem Falle Thebens unterwarfen sich mit den anderen Staaten die Eleier sofort.

Dieser Zeitpunkt ist offenbar derjenige, in welchem unser Gesetz gegeben wurde. Elis hatte sich nunmehr völlig dem Alexander und den Bundesbeschlüssen gefügt und verbot daher im Sinne der Bundessatzungen die Verbannungen. Ja, es gieng weiter. Arrian I 10, i ff. berichtet, dass die Eleier nach ihrer Unterwerfung ihre Verbannten wieder aufgenommen hatten, weil diese Parteigänger Alexanders waren. Man hat aus dieser Stelle geschlossen, dass unmittelbar vorher die makedonischen Parteigänger aus Elis verbannt und nun bei geänderter Sachlage zurückberufen wurden. Mag dies der Fall sein oder mögen, was ich eher annehmen möchte, die jetzt Zurückberufenen eben jene seit dreißig Jahren im Exil weilenden Eleier gewesen sein, die als Demokraten vertrieben wurden und die dem Alexander freundlich gesinnt waren, weil sie von ihm die Repatriierung erhofften, in beiden Fällen steht diese Maßnahme in unverkennbarem Zusammen-

21 I

hang' mit den Tendenzen, dio aus dem nun zu Tage gekommenen eleischen Gesetz sprt'cluMi, und es scheint nicht zweifelliaft, dass die durch Arrian bezeugte Rückberufung der \'erbannten ein Glied in der Kette von V'erfügungen war, von der wir ein zweites Glied in unserem (tesetze erkennen. Die Gleichzeitigkeit IxMdcr Bestimmungen ist sduiil wahrscheinlich.

Die Amnestie, die im Gesetze ausgesprochen ist, läuft von dem Jahre, in dem Pynhon Mponym der Demiurgen war. Das ist das Jahr des Gesetzes selbst. Wir kennen zu wenig eleischc Inschriften, um beurtheilen zu können, ob der Xame Pyrrhon in Elis häufig gewesen ist; in anderen griechischen Gegenden i.st er selten. Da darf denn wenigstens erwogen werden, ob der in der Inschrift genannte Eponvm identisch ist mit dem einzigen uns aus l\lis bekannten Pvrrhon, ilem (iriinder der skeptischen Schule. Wenn Waddington (Pvrrhon et le Pyrrhonisme in den Seances et Travaux de l'Academie des sciences morales et politiques 1876, S. 4i4ff.) dessen Lebenszeit auf 365 275 v. Chr. schätzt, so beruht dieser Ansatz auf der Angabe des .Suidas, dass er unter Philipp von Makedonien und darüber hinaus lebte, dass die iii. Olympiade als Zeit seiner Blüte angegeben wird, und dass er neunzig Jahre alt gestorben sein soll. Etwas willkürlich wird dabei angenommen, dass er 24 bis 30 Jahre alt gewesen .sei, als er mit .Vlexaniler nach Asien zog, während nichts hindert, ihn auch einige Jahre älter zu machen. Nicht zu bezweifeln ist nämlich die Angabe, dass er dem Anaxarch folgend den Alexanderzug mitgemacht und so auch die indischen Gymnosophisten und die Magier kennen gelernt habe. Er kann also, als er nach Asien zog, dreißig Jahre oder selbst älter gewesen sein und unmittelbar vorher ganz gut das Amt eines Demiurgen in seiner Heimat bekleiilet haben.

Die bei Laertius Diogenes IX 11, 4 bewahrte Xachriclit des .Vntigonos von Karystos, dass er anfänglich arm und unberühmt war und sein Leben als Maler fristete, muss uns an dieser Annahme nicht irre machen, da wir den Zeitpunkt seines Glückswandels nicht kennen. Daneben liegt die zeitlose Über- lieferung vor (Laert. Diog. ib. 5), er sei von seiner Vaterstadt so geehrt worden, dass man ihn zum äpxispsü; machte und um seinetwillen allen Philo.sophen die Atelie verlieh. Mag er das Priesteramt vielleicht auch erst in späteren Jahren, etwa nach der Rückkehr vom Ale.xanderzug erlangt haben, dass er vorher Demiurg gewesen sein kann, lässt sich an und für sich nicht bestreiten.

Dennoch ist die Identificierung des Demiurgen mit dem Philosophen nicht mehr als eine Möglichkeit, freilich eine solche, die chronologisch vorzüglich stimmt, und die, wenn sie Gewi.ssheit würde, zu tiefer führenden Combinationen

212

Veranlassung geben könnte. Würde man doch dem Demiurgen einen gewissen Einfluss auf ein in seinem Amtsjahre zu Stande gekommenes Gesetz nicht absprechen können und bei der Verbindung Pyrrhons mit Anaxarch auf eine indirecte Einwirkung Alexanders schließen. Unmittelbar nach Ablauf seines Amtsjahres müsste er sich dann nach Asien begeben haben, wohin Alexander im Jahre, nachdem das eleische Gesetz gegeben war, aufbrach.*)

Wien, Anfang August 1898. EMIL SZANTO.

Zur Bilinguis von Isinda in Lykien.

Die oben S. 37 von dem Entdecker Herrn Heberdey sachkundig und be- sonnen besprochene h^kisch-griechische Inschrift aus der alten Bergstadt Isinda, zwischen der ^Mündung- des Xanthos und des Mvros der Insel Megiste gegenüber, gibt mir Anlass zu ein paar Bemerkungen, welche wenigstens mein Interesse bekunden und, wenn es dessen noch bedürfen sollte, die Aufmerksamkeit anderer auf den merkwürdigen Fund lenken mögen. Dass der lykische Text mit dem an mehreren Stellen zu lesenden Dj'nastennamen ,Oueziqa' sich mit dem grie- chischen, nach den erhaltenen Trümmern ein Gemeindebeschluss, inhaltlich nicht decken kann, hat der Herausgeber gezeigt; aber auch darin ist ihm beizustimmen, dass die beiden Texte sich auf denselben Gegenstand, nämlich den Cult einer bestimmten (rottheit, genauer ein jährlich wiederkeln-endes religiöses Fest, be- zogen haben müssen') und gleichzeitig sind. Wenn jedoch Heberdey weiter die griechische Inschrift aus paläographischen Gründen in die Mitte des vierten Jahr- hunderts setzt und inhaltlich für einen Beschluss einer nach griechischem Vorbilde organisierten, also lykischen Gemeinde erklärt, so vermag ich ihm hierin nicht oder wenigstens nicht unbedingt zuzustimmen. Die Inschrift muss nach meinem Urtheil, welches sich auf den Gesammttyinis der .Schrift, wie sich derselbe in dem augenscheinlich treuen Farsimile darstellt, stützt, älter sein und gehört noch dem fünften Jahrhundert an; über den Ausgang des Jahrhunderts mit derselben

*) Zu Z. 8 (.S. 203) erklärt A. Wilhelm üiTip'.v ä2;aA-(i)lia;£ -aiv) OTX/.av als Optativ auf als statt

als Adverbialbildung mit dem Hinweis insbeson- £;e anzunebmen.

dere auf aÜTanEptv in der Inschrift von Gortyn, ') Ira Anfang stand nach einer kurzen Eingangs-

Recueil des inscript. juridiques III S. 400 '/.. 14, formel: &-<«; äv (Bezeichnung der Festes] auvTsXij-

und bemerkt zu Z. 12 (.S. 207) die Jlöglichkeit, -ai [xaXiös x-X.

213

hinaufzugehen, verbieten nicht sowohl die Buchstabenformen, als der Umstand, dass die Diphthonge überall ausgeschrieben sind. liass es damals lykische Stadt- gemeinden gegeben habe, welche sich in ihren berathenden und beschlieöenden Versammlungen der griechischen S])rache bedienten, während die Grabmäler beweisen. <lass wcnigstcMis noch im dritten Jahrhundert die heimische Sprache allgeuKMU im (iebrauche gewesen sei, ist kaum glaublich; das auf der sogenannten Harpagosstele stümperhaft eingemeißelte griechische Epigramm lässt sich ebenso- wenig dafür anführen, wie wenn in vereinzelten Fällen auf einem älteren (irab- mal der lykischen Inschrift der Name des Inhabers des (jrabes griechisch bei- oder übergeschrieben ist. Anders als in Lykien lagen die Dinge in Karlen, wo wegen der griechischen Colonien auf der Küste wenigstens seit dem Beginn des vierten Jahrhunderts das (iric>chisciie aurli in den .Stadtgemeinden karischer Nationalität das heimische Idiom verdrängt hat: in Lykien von dem benachbar- ten Rhodos her eingedrungenes (jriechisch würde dori.sch gefärbt sein. Die, soviel sich erkennen lässt, in tadellosem Griechisch abgefas.ste und correct geschriebene Inschrift \on Isinda nöthigt, an griechischen Ursprung zu denken. .\ls in der Mille der sechziger Jahre des fünften Jahrhunderts die Athener und ihre Ver- bündeten ausfidirtMi, das Bundesgebiet auf die südwestlirlien Küst(>n K.leina.siens auszudehnen, wurden, von Karien abgesehen, außer Telmessos die in einer ("on- föderation oder richtiger in einem Lehensverbande stehenden .Städte der Niede- rung des Xanthosthale.s, Lykiens im engeren Sinne, zum Anschlüsse gebracht und bei der Festsetzung des cpopo? diese und andere abhängige Stadtgemeinden in der Umgebung in einer .Svntelie zusammengefasst;-) damals scheinen griechi- sche lünwanderer sich zu einer (iemeinde in oder bei Isinda vereinigt zu haben, l-ür den hiernach an dieser .Stelle vorauszu.setzenden Zu.stand bietet die bekannte halikarna.ssische Inschrift aus der Mitte des fünften Jahrhunderts eine Analogie, welche im Eingange den .Sj'llogos der griechischen Halikarnassier und der kari- schen .Salmakiteer und den Dynasten Lygdamis als gemein.sam beschlief3end nennt. Die Gottheit, von deren Fe.stfeier auf der Stele von Isinda gehandelt war, ist wegen der Priesterin für eine weibliche Gottheit zu halten: wenn in der grie- chischen Inschrift unter gewissen Umständen die Berufung einer Priesterin von außen angeordnet war, so .scheint darin zu liegen, dass das bezügliche Heiligthum

') Das und nichts anderes besagt der Artikel also sind die Perser in Pampliylicn tliatsäclilich in der

.V'jy.'.ot v.xi auvlTsXsi;) in der Tributquotenlistc des Abwehr gewesen. Es ist unerlaubte Willkür, wenn

Jahres 446/5. Dass die Operationen Kimons auf der man die Dinge umkehrt und jene Operationen auf

karisch-lykischcn Küste der Doppclschlacht am Eury- die Doppclschlachl folgen lässt. mcdon vorausgeg.ingcn sind, ist die Überlieferung;

214

als Filiale eines anderen älteren Heiligthums, vielleicht des in den Zeiten des 13'kischen Städtebundes als Bundesheiligthum genannten Letoons bei Xanthos gegolten hat, dessen Inhaberin uns mit dem lykischen Namen nicht bekannt ist. Die athenische Herrschaft in Lykien hat bekanntlich nicht länger als ein Menschenalter gedauert.

Die Harpagosstele von Xanthos hat Herr Heberdey mit Recht für älter erklärt als die Stele von Isinda. Der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts dürfte auch der Sarkophag des Kodaras bei Limyra angehören (Heberdey- Kalinka, Bericht über zwei Reisen im südwestlichen Kleinasien S. 14; der Name ist von dem auf der Harpagosstele gelesenen Namen ,Kodala' nur orthographisch verschieden). Zu den älteren Bilinguen sind die Aufschriften des Grabes von Kadyanda, Reisen in Lykien II S. 193, zu rechnen (vgl. die griechische Auf- schrift des Grabes von Limyra ebenda .S. 35 n. 50). Weiter herab führt das Amyntasgrab von Telmessos, welches nach der Aufschrift in die Zeit um den Anfang des dritten Jahrhunderts zu setzen ist (Reisen I S. 40 n. g und Taf. XVII). In eine etwas spätere Zeit weisen die Inschriften des Felsengrabes von Kyaneai (Reisen II S. 22 n. 27) und des Sarkophages von Trj'sa (Benndorf, Das Heroon von Gjölbaschi S. 227). Die Masse der bilinguen und der griechischen Inschriften gehört den späteren Jahrhunderten an.^)

Die Lösung der verwickelten und schwierigen Probleme, welche das alte Lykien und seine Cultur .stellt, ist seit der ensten österreichischen Expedition dahin im J. 1S81 in ein neues Stadium getreten. An die umfassendste Erkun- dung der lykischen Denkmäler durch diese Gelehrten hat sich in neuester Zeit die genauere Untersuchung und stilgetreue Aufnahme der Felsendenkmäler Phrygiens angeschlossen. Immer klarer stellt sich heraus, dass die vornehmste Aufgabe, welche die gelehrte Forschung im westlichen Kleinasien zu erfüllen hjit, in dem Nachweise des in seinen Anfängen hinter der historischen Über- lieferung noch zurückliegenden Eindringens der griechischen Cultur in diese Länder beschlossen ist.

Berlin. ULRICH KÖHLER.

^) Beiläufig: der auf einer lykischen Münze ge- es der Erwähnun;^ wert gewesen, dass in der grie-

lesene Name jChäpruma' (Catal. of the Br. Mus. I-ycia einsehen Tradition eine Stadt Kariens namens Ka-

p. XXXVII f. Tf. VI 14) wird in Gemäßheit der Tipina vorkommt (Diodor XIX 68, 5). Homonymie

hinsichtlich der Bedeutung dieser Legenden hcrr- einer lykischen und einer karischen Stadt würde

sehenden Ansicht für einen Dynastennamen erklärt, wenigstens nicht beispiellos sein, und das ist vielleicht das Richtige. Immerhin wäre

BK I 15 LATT

Provisorisches Statut für das k. k. österreichische archäologische Institut in Wien.

Genehmigt mit Krl;iss dos k. k. Ministeriums für Ciiltus imd L^nterricht vom 30. Dccembcr 1897, Z. 2820.

Das U. k. österreichische archäologische Institut hat die Aufgabe, die vom Staate untcrnoniincncn oder geförderten Forschungen auf dem Gebiete der classischen Archäologie zu leiten und zu überwachen.

Das Institut ist eine Staatsanstalt und wird aus Staatsmitteln dotiert und erhallen.

Zum Wirkungskreise des Institutes gehören:

a) die Durchführung archäologischer Reisen, Expeditionen und Grabungen;

b) die Herausgabe wissenschaftlicher Publi- cationen ;

c) die Oberleitung der selbständigen staatlichen Antikensammlungen ;

dj die Überwachung aller staatlich sub- ventionierten archäologischen Grabungen;

c) die Förderung der archäologischen .Studien österreichischer Stipendiaten im Auslande.

§ 3.

Der durch das Allerhöchst genehmigte Statut vom 21. Juni 1873, R. G. Bl. Nr. 131 bestimmte Wirkungskreis der k. k. Central-Commission für Erforschung und Erh.altung der Kunst- und histo- rischen Denkmale, insbesondere der I. Section dieser Commission, bleibt durch die Aufgaben des archäo- logischen Institutes unberührt.

Bei allen wichtigeren inländischen Angelegen- heiten hat das Institut im Einvernehmen mit der Central-Commission für Kunst- und historische Denk- male vorzugehen und sich ihrer Unterstützung gewärtig zu halten.

§ 4- Das österreichische archäologische Institut hat seinen Sitz in Wien und untersteht unmittelbar dem Ministerium für Cultus und Unterricht.

Jabresbefte des österr. .-irchäol. Institutes, Rd. 1 IlcibLitt.

§ 5-

An der .Spitze des Institutes steht ein vom Kaiser ernannter Director mit dem Range und den Bezügen eines ordentlichen Professors der Wiener Universität.

Demsellien sind beigegeben : ein Vicedirector mit dem Range und den Bezügen der VII. Rangs- classc der Staatsbeamten und vier Secrctäre mit dem Range und den Bezügen der VIII. Rangsclasse der Staatsbeamten. Diese Functionäre werden vom Minister für Cultus und Unterricht ern.innt.

Dem Institute ist femer das erforderliche Hilfs- personale für den Kanzlei- und Rechnungsdienst beigegeben.

Für die Agenden technischer Natur sind die erforderlichen Fachkräfte von Fall zu Fall gegen entsprechende Remuneration vom Director des Institutes beizuziehen.

Den außerhalb Wiens verwendeten Functionären des Institutes werden zu ihren normalraäßigen Be- zügen in der Regel besondere Zulagen bewilligt.

§ 6.

Der Director hat alljährlich dem Ministerium für Cultus und Unterricht einen ausführlichen Jahres- bericht über die Thätigkeit und über die fmanzielle Gebarung des Institutes zu erstatten.

Demselben obliegt es ferner, an dieses Ministerium in allen wichtigeren Angelegenheiten, so insbesondere bezüglich der Berufung von Mitgliedern, der Personal- angelegenheiten der Vorstände der selbständigen staatlichen Antikensammlungen und der Functionäre des Institutes, der Aufnahme des Hilfspersonales, der Bewilligung ständiger Remunerationen, der Organisation größerer, namentlich aller neuen Unter- nehmungen die entsprechenden Vorschläge zu erstatten.

Der Director ist dem Ministerium für die Ge- barung mit jenen Geldverlägen verantwortlich, welche alljährlich demlnstitute in Verwaltung gegeben werden.

I

§ 7. Die Abgrenzung der Competenz zwischen dem Director des Institutes und dem Ministerium für Cultus und Unterricht wird in der Instruction für den Director, beziehungsweise in der Gescliäfts- ordnung für das Institut geregelt.

§ 8.

Die Functionäre des Institutes unterstehen in dienstlicher Beziehung unmittelbar dem Director, ebenso die Vorstände der selbständigen staatlichen Antilcensammlungen in allen Angelegenheiten der Verwaltung der Sammlungen, der Veranstaltung von Grabungen und der Herausgabe von Publicationen.

Die Sammlungsleiter und Secretäre haben sich mit dem Director über alle beruflichen Angelegen- heiten in fortlaufender Correspondenz zu halten.

§ 9- Zur Stellvertretung des Directors in Fällen seiner Verhinderung ist der Vicedirector und in dessen Verhinderung ein vom Ministerium für Cultus und

Unterricht zu designierender Secretär des Institutes berufen.

§ 10.

Dem österreichischen archäologischen Institute gehören außer den systemraäßig angestellten wissen- schaftlichen Beamten als Mitglieder an :

a) die Professoren der archäologischen Wissen- schaft an sämmtlichen österreichischen Universitäten;

h) die Vorstände der selbständigen staatlichen Antikensammlungen ;

(■) die vom Minister für Cultus und Unterricht eigens hiezu ernannten Persönlichkeiten.

Die Mitglieder des Institutes werden einmal ' des Jahres zu einer Berathung in Angelegenheiten des Institutes einberufen, welche unter dem Vorsitze des Ministers für Cultus und Unterricht oder des von ihm zu bezeichnenden Stellvertreters stattfindet.

§ II. Die staatlichen Behörden und die vom Staate erhaltenen oder subventionierten wissenschaftlichen Institute und Vereinigungen sind berufen, das archäologische Institut zu unterstützen.

Die Cathedrale von Herakleia.

An der Nordküste der Propontis liegt, malerisch auf der sanft vom Meer aus ansteigenden Lehne eines Hügels hinangebaut, das durch Getreideliandel wohl- habende Griechendorf Eregli, das die Stätte des alten Perinth bezeichnet. Unter dem spätantiken Namen Herakleia spielt Perinth in der Kirchenge- schichte des Orients eine wichtige Rolle als eine der ersten Metropolen, und heute noch zeugen die Reste einer ansehnlichen Cathedrale, die einsam außerhalb des Dorfes auf der Höhe liegt, von der Pracht entschwundener Tage. Der mächtige Bau scheint seit Jahrhunderten seiner Bestimmung ent- zogen zu sein. Der Metropolit hat seinen Sitz in Constantinopel aufgeschlagen, und der Gottesdienst wird in der modernen Dorfkirche abgehalten.

Die Bedeutung des Baues und seiner künst- lerischen Ausgestaltung bestimmte mich, bei einem Aufenthalt in Eregli, Herbst 1896, so gut ich ver- mochte, einen Grundriss und eine Beschreibung davon zu entwerfen. Er ist nach OSO, wo der Altar liegt, orientiert und hat den Zugang auf der entgegen-

gesetzten Seite. Die Mauern sind fast noch in voller Höhe erhalten; innen ist er von Schutt gesäubert, außen aber stark verschüttet, so dass er wie ins ansteigende Erdreich hineingetrieben aussieht und es mir nicht möglich war, die Außenseite ganz zu vermessen. Als Material sind in den untern Schichten meist Quadern verwendet, die bei einer späteren Ausbesserung stellenweise durch Ziegel ersetzt wur- den; darüber erhebt sich ein schöner Ziegelbau. Ringsherum im Innern waren Malereien angebracht, bei denen man deutlich zwei Perioden unterscheiden kann, indem ältere, äußerst sorgfältige und alter- thümlich strenge Fresken, deren Farben sich ganz frisch erhalten haben, durch spätere von grober Zeichnung und geschmackloser, derber Farbengebung gedeckt wurden.

An die Kirche schließt sich in südwestlicher Richtung ein ausgedehntes System von Tonnen- und Kreuzgewölben an, die, in zwei Stockwerken ange- ordnet, meist kleinere Räume bilden, wahrschein- lich Wohn- und Nutzräume für die Geistlichkeit

der Metropole. Sie sind einheitlich aus Ziefjeln her- gestellt, deren Striictur nur an einzelnen Stellen durch roh behauene Quadern oder Bruchsteine unterbrochen wird, und hatten an den Wänden Stuckverkleidung, die bis auf geringe Spuren abge- fallen ist und unbemalt gewesen zu sein scheint.

in die Rückwand drei gewölbte Nischen, rio"" breit, gegen 3'" hoch, eingeschnitten, die später mit Bruchsteinen roh ausgefüllt und mit Stuck verkleidet wurden. Die ältere Malerei, hier rein ornamental, nimmt auf die Nischen Rücksicht, die jüngere, figür- liche, geht darüber hinweg. Über dem Gesimse im

^il n '• r. .1 i"Y"

I : 400

Fig. 1 Grundriss, aufgenommen von Kaiinka.

Fig. 2 Grundriss, aufgenommen von Strzygowski.

Die Mitte der Kirche ist an den vier Seiten von vier Bogen begrenzt, auf denen sich eine Kuppel erhebt, die nur ornamental bemalt worden war und später nicht übertüncht wurde. Unter dem gegen den Altar hin gelegenen Bogen liegt eine 0'64" breite

Schwelle mit beistehendem l'rofil. Die Ein- l^ arbeitungen in ihrem Miltelblock zeigen,

/ dass hier eine verschließbare Thüre das

f dahinter gelegene Presbyterium abtrennte.

Mit diesem beginne ich die Beschreibung.

Der Fußboden des Presbyteriums liegt in der

Höhe der Schwelle und besteht aus ungleich großen

Steinplatten, während die übrige Kirche mit Ziegeln

r ' gepflastert war. Die verticale Wandfläche

V^ ist beim Gewölbeansatz durch ein ganz

einfach geformtes Gesimse abgeschlossen, das nur in der Apsis etwas reicher gegliedert ist.

Der Wand der Apsis entlang läuft eine im

\ ganzen rsö" breite, auf vier Stufen sich

^- erhebende Exedra herum, die aus Steinen

und Ziegeln hergestellt ist. In mittlerer Höhe sind

Gewölbe der Apsis sind von der Hand des jungem Malers zwei Figurenreihen übereinander gestellt, dazwischen eine Inschrift, die ich wie die anderen Inschriften nur mühsam mittels eines Fernglases aus- nehmen konnte; ich gl.aubte, eine längere Zeile zu

erkennen f i-pv(sv) 6 ["pi) a'.(öv<i)v 'irapyiov ^|i(Tiv (I)

und unmittelbar unter dem Gesimse eine kürzere (II). Alle diese gemalten Inschriften der Kirche sind aus Rücksichten auf den Druck Sp. 7 f. zusammengestellt und im Text durch Nummern ersetzt.

Diesseits der Apsis dehnt sich das Presbyterium beiderseits in zwei Nischen aus. In der der Apsis näheren, links vom Eingang, ist an die Wand eine niedrige I " breite Bank aus Ziegeln angebaut, deren Sitzfläche Steinplatten bilden. In die zwei von der Apsis entfernteren Nischen ist je eine mehr als mannshohe Thüröffnung gebrochen, die nachträglich mit Bruchsteinen ausgesetzt wurde. Auch in diesen Thcilen ist die ältere Malerei durchaus omamental und berücksichtigt die Thüren, während die jüngere, figürliche, sie übertüncht; die letztere lieli oberhalb

1*

I:

5H KTMi^r rer0N,0PB^^iG>JCJ\iYn4'xcA>j— *H^--^riiLN i^'ecT b T Q^mmmf i:MM0£m ib' t i n o cMmu c i vi/mm/m

mngpe '^'OKTONi qTöiP^A^

KHfYieconeN tiko

X;IC XC

r

M:

0

5 H

I CJ

KCUJOC

XnirKOCM örTDm,~tf

^ ÖXCTOMG 11. \\ ^ NOCTnfpqi

M:

eeoACjp«

^0K4

T/1/1H

TOC

T4YT,

w- K4'noc ^^- I LON. orJL/oc,

eXPIM4

Tice

CXC 4v1^^

ä<:lCü>JeKOIMH

e H dCAS

I IC XC

NOCGMhKM xx]i:l4CI/\q0C

hmgoychc mTiMoeeoc .xzi4pee4C

OA

/

0 4^ p^<H/*<

ZCüTIKOC XffiNeO<t>YTCC

fflo'-^ reoKAOc

m.4ßP4Mioc

der erwähnten Bank, hart unter dem Gesimse, die In- schriftreste III (. . . . ä[vO'p(i)7;]5'J Tivö; ) erkennen.

Die Nische gleich links vom Eingang ins Presbyterium ent- hält zwei antike Steine: in der gegen die Apsis gelegenen Ecke einen runden, einfach profilierten Untersatz, 0'75™ hoch, Durchm. 0"42'°, oben Dübelloch; in der andern Ecke eine vierseitige Säulenbasis, 0'355"' breit, o'öS™ hoch, o'sej" tief, mit herum- gehendem Ablauf und aufgesetz- tem Säulenfuß. (Fig. 3.)

Zwischen Apsis und Schwelle befindet sich eine 2T)0™ breite, i 'So™ tiefe Plattform, die von Quadern umsäumt und vorn mit einem vor- springenden Trittstein versehen ist. Auf ihr ist ein 0"93"' hoher, r75" breiter, r20™ tiefer Altar aus Ziegeln und unregelmäßigen Steinen errichtet, ge- deckt mit einem einzigen Marraorblock.

Fig. 3 Säulenbasis.

Von den beiden AVand- vorsprüngen, welche die Schwelle des Presbyteri- ums verbindet, ist der linke wie auf eine Plin- the gestellt, welche die Höhe der Schwelle hat, w-ährend der Fußboden der Kirche um die Höhe der Schwelle tiefer liegt als der des Presbyteri- ums. In dem rechten ist nahe an seiner West- w.uid eine uncanellierte, monolithe .Säule einge- mauert, die von einer älteren Anlage stammen muss, eine ganz gleiche an der gegenüberliegenden Ost- wand. Beide Vorsprünge sind an den einander zuge- kehrten Seiten mit figürlicher Malerei aus beiden Perioden geschmückt und tragen einen Bogen, dessen Bilder augenscheinlich noch aus der älteren Periode stammen und nie übermalt worden sind. Es sind beiderseits drei Felder, die oberhalb des Gesimses ansetzen und im Scheitel des Bogens einander treffen. Die beiden untersten Felder sind arg zerstört, so dass ich nur rechts die Reste eines Schiffes zu er- kennen vermochte; auch bei den übrigen war die Besichtigung durch die Höhe und den Erhaltungs- zustand sehr erschwert. Auf dem zweiten Bilde rechts ist ein von vier Säulen getragener Baldachin dargestellt, unter dem auf einem Altare ein Buch liegt; diesseits wird ein Kind mit der Beischrift 'Ir^aoO; Xptaxij u[iö;] (IV) einer rechts stehenden Frau, der nr^xTip S-soO (V), entgegengehalten; von oben sieht M(oij[crij;] (VI) zu. Der Gegenstand des

lO

obersten Hildes rechts ist ^ ppE'fOxtovta ToO 'Hp(o?o'j

(VII) mit der Beischrift VIII ("Itoav/Tj; ) rechts.

Auf der linken Hälfte des Bogcns ist das zweite Bild yj neaG5:evi[i(]|xoaTrl (IX), das oberste 6 Xpiorog ;[(i)]H£vos t6v napd[Xuxov] (XI) mit der Beischrift X ('Iii]O0'j; Xp'.3Td;) oben.

Von der rechten Seitenwand der Kirclie trettn zwei hohe Nischen zurück, deren Gewölbe in jüngerer Zeit nicht übermalt worden sind. Die dem Altar nähere Nische zeigt in der Wölbung der

sonstigen Wandsimses in einer Horizontalen liegt, ist reich verziert. Die Epistylblöcke tragen mit Ausnahme des letzten eine altgriechische Inschrift (Dumont-HomoUe Mclanges 379 n. 69), die am genauesten, aber noch nicht abschließend, von J. H. Mordtmann in den arch.-epigr. Mittheilungen VIII 215 f. vcröfTcntlicht worden ist. Auf dem linken, vor dessen Anfang ein kleines Fragment eingeschaltet ist. steht die unter XVI a, auf dem rechts anschließenden die unter XVI b wiedergegebene Inschrift. Man wird

IHa:

'z^iEnoNTQz Ti-iNEn A PXEiANnon/\ioY -«««^

ITQllMAAOllArAAM/ailNrOlIAKIAKEI^ENOlIEiNJAYTnEZEN'OAHrKAIMNJM/LQMATQN v'<=^

AP

ISEb:

"0/\ Y

M

n

n«AlE/\EY0EPiaikAIEABEl

N-l Z E B A Z T l-l

/\MPI<IAr!-inA inYPlZ/\APKlOYAri «TlKOYOVrMTl-lPTO

nANTONTOYDATPOIkATAllcl^rAlAlAANEei-IKE

Apsis den Tod Marias, in dem davor gelegten Bogen zwei Heilige, deren Köpfe einander im Scheitel- punkt des Bogens trcflfen: links 6 [ä]-f(ioj) 'ItooEvvTjj ö AaiiaoxTjVi; (XII), in der linken Hand ein aufge- rolltes Blatt haltend mit neun Zeilen in rother Schrift (XV 6 Y.ci.-i.Xr,\-.\-.c- lOL'i-r^ y.apTüi; . . . oOpavi; £Xp['')]|i3c'noE), rechts 6 Koanä; 6 7L0tr|[-»;s] (XIII). In der anderen Nische war die Malerei in gleicher Weise angeordnet, ist aber jetzt nahezu ganz verschwunden. Der zwischen den beiden Nischen gelegene Thor- bogen ist nur w-enig über 2™ hoch und war ebenso mit zwei Heiligen bemalt; später wurde die Öffnung zugemauert und übermalt. Die senkrechte Wand über den Nischen und der dazwischenliegenden Thüre war mit Gemälden der jüngeren Periode in sieben Feldern geschmückt, von denen über jeder Nische zwei standen. Kenntlich ist nur noch die

I Inschrift eines Feldes über

der zweiten Nische (XIV ÖEoSiupo') to'j OTplaTrjXlccTot)?). \iUt.Jai Nach oben ist diese

i^t^yt^oiät- Wandfläche von einem antik-

ionischen Epistyl in drei Blö- cken und daraufliegendem zugehörigen Gesimse in fünf Blöcken abgeschlossen (Fig. 4). Das Gesimse, dessen obere Begrenzung mit der Fig. 4 Epistyl. unteren Abschlussfläche des

l

LSU/t^jL^

den dreizeiligen Block, in dessen zweiter Zeile am Ende Schrift jetzt nicht mehr sichtbar ist, ehemals aber gewiss vorhanden, wahrscheinlich in den Stuck- überzug seicht eingehauen war, als das Mittelstück, den zweizeiligen als das Ende einer längeren Bau- inschrift zu betrachten haben, deren Anfang verloren gegangen ist, so dass sich etwa folgende Ergänzung ergibt;

Z. I [A'JTOxpxTopL Kafjapi '.\?p'.av(7) Sspasrwi] '0/,ij]i-!o) xai 'EXeuO-spiov. y.al la^scvrj Isßas-:^ [xrj v£ü)-ipa A'i)p.]»i[tpt]' 5;i-ov:^j -r,-/ j-ocp^siav no:t?.!ou

Z. 2 ['louEvxtO'j KiXaou T'.zo'j A'J-^i5£o'j OEvfou ilsuripiavoä] Axy/.lx rr|-x'.T:'jp:j AapxCou 'Aaia- T'.xo'j S-ufdxTip ti [Espiv ajv x^ e'.xov. SeoO Kata]ap[os xajl zoXz äXXoi; ä-fdXnaaiv tot; ävay.E'.|iEvotj ev aÜTÜ EvtoXii; xai ävxXtü- [idxtov

Z. 3 ;idv-(!)v TO'j :iaTpij y.axaaxsudoKoa äv£9-r)xs.

Zu Z. I Mitte vgl. CTG 435 (x^s vstotipa; ohne und mit 0-so'j); der herrschende Sprachgebrauch würde via? A. ohne Artikel erwarten lassen, aber die Er- gänzung von Z. 2 fordert einen längeren Ausdruck. Die Ergänzung des Statthalters (vgl. D. Kalopothakes De Thracia provincia Romana 5 1 : Verba Sis-ivxo; XT)V snapxs'.av ne forte putes de procuratore dici) hat eine gewisse Stütze am Praenomen. P.Iuventius Celsus, der

1 1

12

Traiansmiinzen mit der Aufschrift 'lou. KsXa. Ttpeo. IIspiv9-t(«v prägen ließ, kann sehr wohl noch in den ersten Regierungsjahren Hadrians Legat von Thra- kien geblieben sein. Die Stiftung des Tempels hängt dann vielleicht mit einem Aufenthalt des Kaisers Hadrian in Perinth während seines einjährigen Zuges von Antiocheia nach Rom 117/8 zusammen.

Darüber erhebt sich ein Bogen, der jetzt bis in halbe Höhe mit Bruchstein und Mörtel ausgefüllt ist. Diese Füllung wurde offenbar gleichzeitig mit der der andern Öffnungen vorgenommen und war auch hier von einer Bemalung der so hergestellten Fläche begleitet.

Der Bogen, welcher den Älittelraum der Cathe- drale gegen den Eingang hin begrenzt, war ganz ähnlich bemalt wie der gegen den Altar zu ge- legene, unten an der senkrechten Wand mit Figuren aus beiden Malperioden, jetzt stark zerstört, oben in der Wölbung mit sechs aus älterer Zeit stammen- den Bildern, von denen sich die drei der rechten Hälfte leidlich gut erhalten liaben. Der Gegenstand des untersten ist gegeben durch die Inschriften XVII ('Iriaoü? Xp'.aTÖ; d[v]ay.£i|i[svos], 2t[[i](ovo?) und XVIII (voaEVTjy.''a xoü Xsitpo'j). Das mittlere unterscheidet sich dadurch von den anderen Gemälden der Kirche, dass keine Figur durch den Heiligenschein ausgezeichnet ist: auf einem Teppich sitzt wie eine Amtsperson ein Mann, vor den sich ein anderer hinzuknien scheint; rechts davon sitzt ein Mann auf einer Bank; der Vordergrund ist mit kauernden Gestalten gefüllt. Im obersten Felde der Wölbung ist diesseits einer Gebäudewand, deren Eingang durch einen Vorhang verschließbar ist, ein mit Speisen besetzter Tisch dargestellt, der wohl im Innern des Gebäudes zu denken ist. Um den Tisch herum sitzen speisend mehrere Gestalten, von denen eine rechts hastig zu- greift; im Hintergrunde rechts steht ein Heiliger in AUocutionsgeberde.

Links vom Hauptraum und dem ihn links be- grenzenden Bogen ist ein länglicher Seitenraum wenig sorgfältig aus Ziegeln und Bruchsteinen ange- baut, der so hoch überwölbt ist, wie die gegenüber- liegende Nischenwand. Unterhalb des Ansatzes des hohen Gewölbes ist in der Hauptwand ein Gesimse eingelassen, ganz ähnlich dem oben beschriebenen, nur niedriger angebracht. Auch die niedrigen Seiten- wände sind von Bogen überspannt. In der Thür- öffnung der Hauptwand ist nachträglich, wie es scheint, ein niedriger Thürstock eingesetzt; die der anschließenden Westwand ist die Mündung eines

schmalen, etwa 2"5™ hohen Ganges, der jetzt ganz voll ist von Schutt. Die Malerei ist bis auf undeut- liche Spuren zerstört.

Die ganz aus Ziegeln gebaute Thürwand der Kirche durchbrechen drei Thore, das mittlere 2'48™, die seitlichen 2'14™ hoch. Über dem Wandgesimse, das dem die Inschrift tragenden vollkommen gleich ist, erheben sich, entsprechend den drei Thüröff- nungen, drei gleich hohe Bogen, von denen die zwei seitlichen zugemauert sind, während der mittlere eine gewölbte Nische bildet. Über die ganze Wand spannt sich ein mächtiger Bogen, der zu beiden Seiten des Hauptthores oberhalb der Nische durch je eine schmale Querwand mit einfachem Pfeilercapitell gestützt wird. Die dadurch entstandenen drei Hohl- räume sind nachträglich wieder in rohester Weise ausgefüllt und übermalt worden, wie denn überhaupt die ganze Thorwand mit Malerei bedeckt war. Am besten erhalten hat sich das Gemälde in der Wöl- bung der Nische, wo Christus in einem Sarge sitzt, während seine Beine heraushangen (Auferstehung). Die Beischriften (XIX älvaTtsJawv £y.o:\ir,i)-q [(b]s X£U)[v], 'lY;ao(is XpioTO?, |ir|Xrjp 9-soü) sind mit Aus- nahme des ersten Wortes noch gut lesbar.

Der innere Thürsturz des Hauptthores ist antik ; unter einem ionischen Kyma stufen sich drei Fascien ab, in deren Winkel je eine Perlen- schnur gelegt ist. An der Außen- seite sind alle drei Steine des Thür- stockes gleich profiliert (Fig. 5). Dieses Profil kehrt fast unverändert an der Außenseite der beiden Neben- thore wieder, die an der Innenseite

ganz einfach gebildet sind. Über jeder der zwei Seitenöffnungen ist innen ein nicht weit hineinreichendes Gewölbe aus- gespart, das mit zwei stehenden Heiligen geschmückt ist.

Der einspringende Raum rechts von der Thor- wand ist gleichfalls von einem hohen Bogen über- deckt, der oberhalb des Gesimses der Eingangswand ansetzt. In den beiden Hälften des Bogens stehen zwei Heilige Mcuuo^g (XX) und T'.|i6i)-so; (XXI). Auch die in dieser Wand befindliche Öffnung, die gleich den anderen verschüttet und mit Stuckmalerei überzogen wurde, ist oben gewölbt. Die Wand dieses ganzen Raumes ist in der unteren Hälfte aus Quadern gefugt, ebenso die Wandtheile links vom Eingang, während der hier hinzutretende Anbau, der bloß Malerei der zweiten Periode aufweist, nur

Thürstuckpr<.>)il.

13

»4

aus Ziepcln und Bruchsteinen ohne jede Sorgfalt hergestellt ist. Ein hoher und dann ein niedrij;er Bo{;cn, in dem wieder iwci Heilige stehen, führt hier in ein enges, von einer flachen Kuppel gedecktes üe- mach. An den Wänden oben sieht man Brustbilder: an der Wand, durch die wir eingetreten sind, [B]aa(Xsto; (XXII), rechts 6 S-io; Z(üx;y.6; (XXIV). an der dem Eingange gegenüberliegenden Wand 'ApiS'a; (XXIII) und darunter in ganzer Figur Nsitpu-o; (XXV) und i &-ftos FioxXo; (XXVI), im Bogen der Ausgangswand oben zwei Brustbilder, . rechts 4 [5-f.o;] esi/.[ö-fo;] (V) (XXVII), links eines, dessen Inschrift ich nicht entziffern konnte, unten zwei Heilige und an der beiderseits vorspringenden Thorwand zwei Engel, rechts 6 SCf^s] 'PavEaijX] iXXVIII), links [6 «Tio;] M[ixaT,X]C!') (XXIX), ganz unten lineare Decoration. Der Thorbogen ist circa I™ hoch; die Schwelle bildet eine aus einem Steinblock bestehende Stufe.

Vor die Thorwand der Kirche ist nachträglich ein aus Ziegeln, Quaderstücken und Bruchsteinen flüchtig mit dickem, schlechtem Mörtel zusammen- gefügtes Mauerviereck vorgelegt worden, das mit einer Tonne überdacht ist, in deren Mitte über den beiden Hauptthoren zwei Stichkappen ange- bracht sind. Von der Malerei, mit welcher der Raum ringsum ausgestattet war, ist nur eine Figur der Eing.ingswand 'Aßpä]iio; (XXX) kenntlich. Der Thürstock, der in die äußere Hälfte des Einganges

schicdcnartig ist, scheint ein späterer Zusatz zu »ein; über die Ncokorie Perinths vgl. W. Büchner de neo- coria IU4 fl". Der Ncbencingang der Vorhalle, der an

iDmierm

AYTOWATO PAK«JIaP* AZEITnMI(aEE©YH>® ETZEBHnEPTINAKA

lEaATTomPABIKOM AAIAß!-N»orv?eilcB MEnrTONHBOYAF iCAIOAhMOSTON NEAJ^OPHN nEPlNeiPJ^

'A-farHJ'. "'')/.Tj. Aüt'i-/.p.a-Ofa Kadapa A. SsTitiniov Seo'jrjpov Eti3£jf/ ri£p-!va-/.a 5 üs^aoTiv 'Apap'.y.iv 'Ad'.a^r/vty.ivIIapO-txolv Mä-,'i3-:ov f( fO'j'Ml xal 6 3>jno; Träv vs(i)y.ipo)v II=p'.vO-{iuy.

Fig. 7 Statuenbasis.

die Stelle einer kleinen Apsis der Innenseite getreten ist, hat zu Pfeilern des Thürstockes zwei ionische Epistyle mit Perlenschnüren an den Kanten der Fascien und einem einfachen Kyma darüber. Über dem reicher profilierten Thürsturz ist ein monolither

a) oben b) scitlicli.

Fig. 6 Thürstockprofile.

Fig. 8 Thürsturz und Entlastungsbogcn.

eingesetzt ist, hat unschönes Prolil, vgl. Fig. 6. Links von diesem Eingange setzt außen ein bis zur linken Wand reichender Vorbau an, der in ganz später Zeit äußerst roh aus alten Quadern mit grobem Mörtel ausgeführt wurde und unbemalt blieb. In ihm ist die Inschrift CIG 2022 (Dumont-HomoUe Milanges 388 n. 74 c) vermauert (Fig. 7). Es ist eine r34'" hohe, o'54"' breite Maimorbasis mit Fuß- spuren oben; die erste Zeile, deren -Schrift völlig vcr-

Entlastungsbogen angebracht (Fig. 8). Außen, links von der Thüre, ist in beträchtlicher Höhe mitten in der Mauer ein Bogen eingeschaltet, der innen früher mit Stuck verkleidet war.

Wünschenswert wäre eine technisch genaue Aufnahme der ganzen Kirche und ihrer Gemälde, damit eine der bedeutendsten Metropolen der orien- talischen Christenheit für die Wissenschaft, soweit es noch möglich ist, gerettet werde.

Wien, Juni 1897. ERNST KALINKA.

15

i6

Die Palaia Metropolis von Eregli ist im Jahre 1889 von mir und vorher schon von russischer Seite aufgenommen worden. Ich besuchte sie zur See von Konstantinopel aus im Verein mit Paul Arndt. An- haltender Sturm verhinderte leider eine vollständige Aufnahme; wir mussten zu Lande abreisen, ich mit der Absicht, bei günstigerem Wetter zurückzukehren. Als mir dann Herr von Nelidow, der russische Bot- schafter, die prachtvollsten photographischen Auf- nahmen des Baues vorlegte, verzichtete ich auf einen zweiten Ausflug in der Annahme, dass eine russi- sche Publication unmittelbar bevorstehe. Diese ist bis heute nicht erfolgt ; ich benütze daher gern die freundliche Einladung Kalinkas, seine Notizen zu ergänzen und den Bau kunstgeschichtlich zu be- sprechen.

Man hat viel und mühsam über den altbyzanti- nischen Centralbau bis auf Justinian und die Sophien- kirche gearbeitet ; dass aber die zielbewusste Ent- wicklung erst mit dieser Zeit beginnt und erst unter den Komnenen zum Abschluss gelangt, ist nicht weiter beachtet worden. Die Dinge liegen indes im Orient ähnlich wie im Occident: wie man dort nach einer befriedigenden Lösung auf dem Ge- biete der gewölbten Basilika sucht, die verschieden- sten Systeme aufstellt und schließlich im 12. Jahr- hundert die Gothik allgemein annimmt, so hat man in Byzanz bis ins 12. Jahrhundert einen Centralbau ge- sucht, der allen Anforderungen des Cultus entsprechen und einen Typus geben sollte, der, klar gegliedert, sich im Großen wie im Kleinen passend anwenden ließ. Diese endgiltige Lösung ist jenes auch von den Slaven übernommene Bauschema, wo eine mittlere, auf vier Pfeilern oder Säulen ruhende Kuppel die Kreuzung von vier Tonnengewölben überdeckt und vier durch kleinere Kuppeln überdeckte Eckräume den Bau äußerlich zusammen mit den Vorhallen zu rechteckigem Abschluss bringen. Daraus ragen im Osten außer der Hauptapsis noch die Apsiden von Prothesis und Diakonikon dreiseitig hervor.

In einem Aufsatze über die Neamoni aufChios (Byz. Zeitschrift V 1896 S. 138 ff.) habe ich jenes Bauschema nachgewiesen, welches, der endgiltigen Lösung unmittelbar vorausgehend wie etwa das bur- gundische oder das der Auvergne dem gothischen , als der Bautypus der macedonischen Zeit um das Jahr 1000 etwa gelten darf. Dafür ist charakteristisch, dass die Hauptkuppcl zu imposanter Entfaltung

kommt, indem sie allen drei Apsiden in der vollen Breite vorgelegt ist und auf einem doppelten Stützen- viereck ruht, welches, durch ein System von Streben verbunden, die Nebenräurae zu keiner rechten Ent- wicklung kommen lässt. Typische Vertreter sind die Klosterkirchen von Daphne bei Athen, Hosios Lukas zwischen Parnass und Helikon, die Panagia Likodi- mou in Athen, die Kirche des hl. Theodor in Mistra und ohne Nebenräume das Katholikon der Neamoni auf Chios.

Ein dritter Typus ist die im Jahre 873/74 ^"^t" standene Kirche von Skripü (Orchomenos) (Byz. Zeitschrift III 1894 S. I ff.). Wie altromanische Kirchen der Provence Ansätze zur Gothik zeigen, so gibt dieser hellenische Klosterbau das später allein- herrschende Komnenenschema im Keime, d. i. eine von massiven Mauern gebildete Kreuzanlage, deren Kuppel zurücktritt neben den fast basilikal drei- schiffig entwickelten Längsräumen, die, durch Tonnen überwölbt und in die drei Apsiden auslaufend, fast selbständig nebeneinandergelegt sind. In der That werden sie in den InscJiriften als gesonderte Kirchen genannt.

Greifen wir noch weiter auf die datierten Central- bauten der altbyzantinischen Zeit zurück, so kommen wir auf die Sophienkirche, S. Sergius und Bacchus und S. Vitale, alle drei geistvolle Lösungen von Problemen, die weniger vom Standpunkte der prak- tischen Brauchbarkeit, als vom dem einer hochent- wickelten, theoretisch-speculativen Architektur ge- schaffen sind.

Treten wir nun vor die Metropolis des byzan- tinischen Herakleia, bezw. des alten Perinthos, so zeigt ein Blick auf den Grundriss (Fig. I und 2), dass sich derselbe keinem der vorgeführten Typen unmittelbar an- schließt. Das, was daran auffällt, ist die dominierende Rolle, welche der Kuppel zufällt, die kreuzförmige An- ordnung der Nebenräume und deren straff central- symmetrische Anordnung. Man gehe aus von der Hauptapsis, beachte, wie zwischen ihr und hinter dem die Kuppel tragenden Gurtbogen ein oblonger Raum zurückspringt und das gleiche Motiv sich links und auf der Eingangsseite wiederholt. Die rechte Seite könnte ursprünglich ebenso angeordnet gewesen sein, bis man dann einen schmuckvollen Einbau vornahm, der die Kirche mit dem angren- zenden Patriarchat oder Kloster verband.

Die Kuppel, heute leider zum größten Theil

17

i8

eingestürzt, nähert sich in den Dimensionen dem Diirrhschnittsmatic der Kirchen vom spätmacedo- nischen Typus, ihr Durclimcsscr von /•60'" steht sehr nahe dem von Daphni mit 7'85"', dem der Kirche der Neamoni mit 7*80 '" und bleibt nur wenig zurück hinter dem der Hauptliirche von llosios Lukas mit 8" 10"°. Die kreuzförmige Anordnung ist wesentlich anders als im spatbyzantinischen Typus, wo die Tonnen in der Kreitc des Kuppeldurch- messers auf die Kuppel ausmünden. In Kregli wird der Raum zuerst durch die Gurtbügen eingeschnürt, worauf die Tonne über die Kuppelweite zurück- springt, so dass die dadurch entstchenilen Neben- räume nicht radial, sondern tangential wie eiuer- gelegt erscheinen. Ich kenne für diese Art der -An- ordnung nur eine Parallele in der bisher noch un- publicierten Koimesis - Kirche von Nicaea (Isnik). Dort ist der Architekt sogar soweit geg.angen, dass er die Tonnen thatsächlich quergelegt und, um das nöthige Auflager zu gewinnen, zwischen den Kuppel- raum und die Tonne zwei Pilaster eingeschoben hat, welche den Ansatz des Gewölbes tragen. Diese Kirche aber ist vor dem 1 1. Jahrhundert entstanden, aus welcher Zeit etwa ihr Mosaikschmuck stammt. Von Bedeutung für die Datierung der Kirche in Eregli ist ferner die Einziehung der Innenseite der Eingangswand, so dass ein Segmentausschnitt entstand. Dieses Motiv wiederholt sich oft in den um das Jahr lOOO entstandenen macedonischen Bauten: in der Neamoni wird durch solche Aus- schnitte (und Zusätze) das Quadrat in eine Folge von acht Nischen umgesetzt (siehe Byz. Zeit- schrift V Taf. I 2 und II), in Daphni und Hosios Lukas sind auf diese Art die zwischen Hauptapsis und Kuppel eingeschobenen Räume seitlich ausge- baucht (vgl. die Grundrisse bei Lambakis, XpiaxtavixTj äpxaioXofta -rijs (lov^s ia-^v£ou und Ch. Diehl, L'eglise et les mosaiques du couvent de S. Luc en Phocide), in Daphni kehrt das Motiv als seitlicher Abschluss des Eso-Narthex w-ieder. Es sind immer Kreis- segmente, nicht Halbkreise.

Nach all dem liegt es nahe, die Metropolis von Herakleia in die Zeit um, besser vor lOOO zu da- tieren, weil sie sich in der Einfachheit und Strenge der Gruppierung noch mehr dem Typus der durch die Klosterkirche von SkripCi vertretenen frühmace- donischen Zeit nähert. AufTallend ist der Mangel der durch den Ritus geforderten Seitenapsiden. Auf der linken .Seite konnte ich zwar noch einen ver- schütteten Raum nachweisen, dieser öfl'nete sich aber Jabrcshcftc des üsterr. arcbäul. Institutes Bd. I Beiblatt.

nicht nach dem Presbyleriuni, sondern nach dem linken Seitenraum. (Vgl. dagegen Kaiinka, der beider- seits Thüren, die jetzt mit Bruchsteinen ausgefüllt sind, sah. Auch gibt er an, dass in die Rückwand der H.iuptapsis drei Nischen vertieft sind.) Außer- dem scheint die Hauptapsis nach außen rund, statt, wie es sonst allgemein im Orient feststehend ist, polygonal abzuschließen. Das können aber nur Nach- grabungen feststellen, weil sich der Schult um die Kirche sehr angehäuft hat.

Von der inneren Ausstattung haben sich nur wenige Spuren erhalten. Daphne, Hosios Lukas, die Neamoni zeigen die Wände incrustiert mit Marmor, die Gewölbe mit Würfelmos.aik, das Paviment mit farbigen .Steinmustem geschmückt. In Eregli hat sich von alldem nichts erhalten oder die Kirche war überhaupt nicht in dieser reichen Art ausgestattet. Das heutige Paviment besteht aus Ziegeln, die Mauern sind kahl. Auch diesen Thatsachen gegenüber möchten wir auf eine Datierung des Baues in eine Zeil schließen, die der Aufführung der Klosterkirche von Skripii naheliegt; denn auch diese entbehrt alles prunkenden Schmuckes edler Steinsorten und wie hier in Eregli, so finden sich auch dort Säulen nur ganz ausnahms- weise einmal verwendet. Das wird um das Jahr lOOO wieder wie in altbyzantinischer Zeit ganz anders.

Die Malereien der Palaia Metropolis sind arg zerstört. Nach den Resten zu schließen, hat sich der Maler bereits an das .Schema gehalten, welches mit dem spätbyzantinischen Kirchenschema kanonisch wird: die Scenen, die man sonst in den Tonnen- gewölben, die radial und kreuzförmig auf die Haupt- kuppel ausmünden, vertheilt sieht, hat er zu je sechs in die f6o 1'75™ breiten Gurtbogen zusammenge- pfercht und zwar, soweit ich aus der Zerstörung heraus noch festzustellen vermochte, nach der Haupt- apsis zu, d. i. über der Ikonostasis die Jugend Christi (Darbringung, Kindermord, Paralytenheilung, Christus im Tempel lehrend, die untersten Felder zerstört), gegenüber im Bogen nach dem Eingange zu die Heilung des Aussätzigen, ein Gastmahl, Fuß- waschung, Abendmahl und im linken (Nord-)Bogen : die Himmelfahrt Christi, die Thomasscenc und Christus unter den Aposteln stehend, also den Schluss nach dem Leiden. Man wird bei aufmerksamem Vergleich finden, dass dazu die Notizen Kalinkas stimmen. Die Gemälde des Südbogens sind gänzlich zerstört.

In der segmentformigen Apsis an der Eingangs- scitc ist Christus jugendlich auf einem Throne sitzend gegeben, an seiner Seite rechts Maria und

19

20

links eine zweite Figur, ein Engel, Johannes der Täufer oder der Localheilige. Die Beischrift, von der noch Reste vorhanden sind, lautete nacli Gen. 49, 9 : 'AvaTtsoMV lxoi|iTi9-rj (ug Xemv, xal <bg av.<>\xwi Ttg ifEpEi aOxov. In den Kirchen des Berges Athos sieht man an derselben Stelle über dem Eingange zu der gleichen Inschrift dargestellt Christus als Kind schlafend nach der Vorschrift des Malerbuches (ed. 2. Athen, 1885 S. 252, deutsche Ausgabe von Schäfer S. 401): „Ober das Thor mache Christus als dreijähriges Kind wie er auf einer Decke liegt und das Haupt in seine Hand stützt, und die Gottes- gebärerin, wie sie mit Ehrfurcht vor ihm steht; und um ihn Engel, welche Fächer halten und ihn fächeln." Kaiinka glaubte Christus mit heraushängenden Beinen in einem Sarge sitzend zu sehen; man mag an dem Gegensatze unserer Notizen beurtheilen, wie stark zerstört die Malereien sein mögen. Nach meinen Aufzeichnungen würden wir eine Darstellung vor uns haben, wie sie so oft über dem Eingange der Kirchen, aber zumeist nach außen, d. i. nach dem Narthex zu vorkommt (vgl. Strzygowski, Cimabue und Rom S. 91/2). Die flache Wand neben dem Bogen der Eingangsseite zeigt zwei Martyrien, südlich glaubte ich die Kreuzigung Petri zu erkennen. Über dem nördlichen .Seitenportal an derselben Wand waren noch Theile eines Erzengels zu erkennen, der eine Lanze nach vorn stieß.

Sehr auffaflend ist im Grundriss der Kirche die Art, wie der rechte Querarm von der Ausbildung der übrigen Kreuzarme abweicht. Wir sehen dort, dass der die Kuppel tragende Gurtbogen erweitert ist und einen Einbau aufnimmt, in dem ein mittlerer Durchgang und zwei seitliche Nischen zu einem symmetrisch gegliederten Ganzen verbunden und durch Einmauerung antiker Friesstücke geziert sind. Zwei in die Kuppelpfeiler eingelassene Säulen ver- stärken den Eindruck des Schmuckvollen, welchen die ganze Gliederung macht. Der Durchgang führt zu einer Flucht von Räumen, die sich an der Süd- wand der Kirche einheitlich zusammenschließen in einem tonnengewölbten Räume, an den sich nach dei Kirche zu eine Exedra anlehnt. Von hier aus hatte offenbar die Priesterschaft ihren Zugang, das Volk strömte von Westen herein. Es ist nun immer- hin möglich, dass die beiden kleinen Apsiden zu- sciten dieses Südeinganges Prothesis und Diakonikon sein sollen, die sonst links und rechts von der Hauptapsis liegen. Es wäre das ein ganz einzig da- stehender Fall. Als Schnnuk der östlichen dieser

beiden Apsiden notierte auch ich die Koimisis, d. i. den Tod Mariae. Das würde nun nicht zum kano- nischen Schmuck der Prothesis passen, wo sonst stets Christus den Cyclus beherrscht. Ebensowenig würden in die Prothesis die beiden Dichter Kosmas und Johannes Damaskenos gehören. Die senkrechte Wand darüber hatte Darstellungen der Kriegerheili- gen, wie man sie an dieser Stelle, d. i. im Quer- schiff, in allen athonischen Kirchen findet.

Wenn die Priesterschaft durch den Südeingang in die Kirche trat und sich nach Osten wandte, stand sie vor der Ikonostasis, von der noch 0"63™ breite Spuren da sind und Theile eines Fußgesimses mit dem Profil der attischen Basis von sehr schlechter Arbeit. In der Mitte bemerkt man Spuren der Thür- pfosten ; dieselben stehen nur 0"7'° von einander ab. Der Altar lag l'92" hinter der Ikonostasis und hatte einen von vier Stützen getragenen Überbau; die Standspuren in den Ecken sind i'SS" in der Richtung Nord-Süd von einander entfernt. Dahinter in der Apsis stieg man über drei durchschnittlich 0'2 " hohe und breite Stufen zu einer halbrunden Plattform von 0'73™ Breite empor.

Vom plastischen Schmucke der Kirche fand ich außer den reich profilierten Pfosten der Eingangsthür ein Steinfragmemt , das vielleicht zur Ikonostasis gehört haben könnte. Es war auf einer Seite mit einem von unten einschneidenden Halbkreise, dar- über mit einem einfach gekehlten Profile geschmückt und zeigte im Mittelfelde drei dreistreifige, ineinander geflochtene Bänder, wie sie zu allen Zeiten in der byzantinischen Kunst gebraucht wurden. Besonders reich an Beispielen sind die Kirchen von Skripü, Hosios Lukas und Mistra. Leider konnte ich das Stück in EregH nicht photographieren; der zur Zeit meines Besuches herrschende .Sturm vereitelte alle Bemühungen.

Glücklicher war ich in der heutigen Ortskirche, Hagios Georgios. In ihrem für die Windsbraut un- zugänglichen Innern boten sich Objecte, deren Auf- nahme für die fatale Situation draußen in der Ruine einigermaßen entschädigen konnte. Es scheint, dass man beim Aufgeben der alten Metropolis einzelne Stücke hieher gerettet hat. Die Ikonostasis ist sehr reich in Holz geschnitzt und datiert, wenn ich recht notiert habe, aus dem J. 1725. Die auf Sp. 21. 22 stehende Abbildung (Fig. g) überhebt mich einer Beschreibung. Ich möchte die Aufmerksamkeit nur auf die großen Ikonen lenken, welche, von Säulen umrahmt, in mittlerer Höhe erscheinen. Dort ist im

21

22

Bilde links Johannes der Täufer gegeben, geflügelt, fesselt; es mag zum älteren Bestände der Palaia

mit seinem eigenen Haupte in einem Kelch zu Metropolis gezählt haben.

Füßen. Der Typus ist durch slavische und neu- Wir stehen vor einem jener sehr seltenen Tafcl-

Fig. 9 Eregli, Goorgskirclie : Alte Ikonostasis. Aufnahme von J. Strzyjjowski.

griechische Ikonen auch im Abcndlande bekannt. bilder, die in Mosaik ausgeführt sind. In dem Gesammt- Zwischcn diesem Bilde nun und der Seitenthür bilde der Ikonostasis sieht man, wie sehr dieses kost- rechts ist in die Ikonostasis ein Bild eingelassen, bare Stück von der Zeit mitgenommen ist. In der welches unsere Aufmerksamkeit in hohem Maße Mitte unten ist ein großes Stück ausgebrochen, an

2*

den Seitenrändern sind ebenfalls Theile verloren gegangen. Glücklicherweise ist die Hauptsache un- versehrt. Die Tafel ist 0-68 "" breit und 0-93" hoch {Fig. 10). Wir sehen Maria mit dem Kinde dar- gestellt. Maria, etwas nach rechts gewandt, ist ganz eingehüllt in eine dunkelblaue, mit Gold geschmückte Paenula, welche auch den Kopf umschließt und tief in die Stir- ne gezogen ist. Die kleinen, schmalen Au- gen sind nach vorn auf den Beschauer ge- richtet. Die Nase ist sehr

lang und schmal , der Mund sehr klein. Sie hat

die rechte Hand mit dem

Handrücken nach außen vor die Brust erho- ben und weist so auf den

Christuskna- ben, der ihr im linken Ar- me sitzt. Die- ser ist fast in

Vordersicht, leicht nach links gewendet gegeben , mit kurzem, locki- gem Haar und langem Ge- sicht. Er ist bekleidet mit einem hellgrü- nen , durch

Gold belebten Untergewand, das einen schwarz ge- ränderten Clavus zeigt, und mit einem dunklen Obergewand. Die rechte Hand hält er erhoben. Nach orthodoxer .Sitte hat man diese segnende Hand mit Blech überzogen. Die linke Hand scheint im Schöße eine Rolle zu halten. Die beiden

Gestalten tragen die gewöhnlichen Beischriften

I C XC und i^'1-p 0Y > aber mit einem Zusätze, der das Mosaik besonders wertvoll macht, nur leider in der Photographie nicht erkennbar ist: Maria wird darin aus- drücklich als Hodigitria bezeichnet. Ich kenne noch zwei Mosaikbilder der Panagia, welche, als Tafelraosaiken

liir

OY R

Fig. 10 Eregli, Georgskirche; Mosaik der Hodigitria. Aufnahme von J. Strzygowski.

IC A'* angefertigt, mit der Hodigitria von Eregli in Parallele zu bringen sind. Die eine wird im Bema des Katholikons von Chilintari auf dem Athos, die andere in der Kirche der Ilxvx-fia Mo'j- ■/Ä'.toT'.-aa im Phanarviertel zu Konstanti- nopel auflje- wahrt. Beide sind stark zer- stört und die letztere über- dies derart mit Schmutz be- deckt,dass man die Mosaik- technik nur noch in den Niraben fest- stellen kann. Die Mosaik- tafel von Chi- lintari ist 0'5 7"" X o-38°'groß. Maria ist in strengster Vor- dersicht gegeben. Das Kopftuch ist wieder tief herab in die Stirne gezogen, die müden Augensterne blicken geradeaus, die Nase ist lang und unten sehr breit, der Mund sehr klein. Auf den Wangen hat sie rothe Flecken, das Oval ist lang, die Formen spitz. Christus in einem gelben Gewand mit viel Gold, erhebt die rechte Hand im sogenannten

^5

2ft

lateinischen Sejjcn, die Linke ist mit einer Rolle gesenkt. Mnria hält ihn wieder im linken Arm und erhebt ihre rechte Hand wie in Kregli vor die Brust. Nach der Zusam- menstellung der athoni- schen Madonnen „Wvni- T^pa 4-toy.{aoij dnl xofll "\0'(u'' finden sich in Chilintari nicht weniger als sechs wunderthätige Madonncnbilder: I. f; Tptxsp^'>aa, 2. I'aXax-o- -pocfoOaa, 3. xoij WxaO-;- OTOU, 4. -j) IlaTtaSixYJ, 5. und 6. ohne nähere Be- zeichnung. Von diesen kommt zur Tdentificicrung mit unserem Mosaik nur die TptXEpo'jaa in Be- tracht, wenn sie auch der dem Buche beige- gebene russische Kupfer- stich im Gegensinne und Christus mit namenzeich- nender Hand zeigt. Die- selbe soll als Wunder gewirkt haben, dass dem hl. Johannes Damaskenos (t vor 754) die abge- hauene Rechte wieder anwuchs.

Das Mosaikbild in der Panagia Mouchliö (vgl. über diese Kirche Gedeon 'E-ffpa-^oi Xiü-o: xal xEpd|ita a. p3t'), wie die Kirche im Volk heißt, ist 079 X 0'48"' groß. Von der ursprünglichen Composition ist nicht mehr viel zu erkennen ,- heute hält die in Vorder- sicht gegebene Ma- <lonna das Kind mit beiden Händen vor sich. Dieses ist ohne alle Zeichnung nur als ein langgestrecktes Etwas zu erkennen.

Zu dieser Gruppe von <lrei Madonncnbildern,

I >K>kn

.\ufnalimc von

denen ich das bekannte MosaikbihI einer Maria orans in der erzbischiiflichen Kapelle in Ravenna nicht anreihe, weil es wahrscheinlich ursprüng- lich an einer Mauer aus- geführt war, gesellen sich noch einige Tafelmosaiken mit männlichen Heiligen, so der fast zerstörte Ni- kolaos im Kloster Stavro- nikita und die hl. Georgios und Dcmctrios im Kloster Gcorgiou am Alhos, auf die ich hier nicht weiter eingehen will. Ausge- schlossen bleiben die überaus feinen Miniatur- mosaiken, deren es zer- streut eine ganze An- zahl gibt. Die eigentli- chen Tafelmosaikcn könn- ten zur Aufstellung an Ikonostasen bestimmt ge- wesen sein , in der Art, wie heute noch die Hodi- gitria in Eregli angebracht ist. In derDatierung dieser .Stücke werden wir ohne Rücksicht auf die Le- gende, welche der Tpixs- pO'j3X von Chilintari an- hängt , verhältnismäßig weit heruntergehen müs- sen, ncUhigenfalls bis an die Grenze, wo man im Osten überhaupt noch .Mosaiken arbeitet, d. i. l)is ins 13. oder 14. Jahr- hundert.

In der Georgskirchc von Eregli befindet sich auch ein Sarkophag 2'54°' X 075 ■" groß, der auf der Vorderseite Kreuze in Bogenstellungen zeigt, ähnlich wie das auch auf ravennatischen Sarko- phagen vorkommt. Ich schließe diesen Aufsatz, indem ich auf eine Inschrift hinweise, die sich in derselben Kirche befindet und

Au liitcktur^türk mit Im J. Strzygowski.

27

28

im Zusammenhange mit dem Steine, auf dem sie steht, und den sie begleitenden Ornamenten von Inter- esse ist (Fig. II). Sie lautet:

4* ■t

OTePnNOC0VT(J0CC0PKPV THCeAVMf\T0Vpr0V)UI\PTYP 96IAHKAPAHBPV0I/C/1H0IUBP 62(i)HP(iJCICKAyN01/ClHnOI\

niCTtt)cnpoc6PxovnflCTic

K!VeATTOH61/P01CT01/nOeO wycrAPKPHHHTlC gn/ZORA

tli/HCP€l6Pfl

oiniönpoKeiTAinAaHw/THc

HXRPIC-:-

'0 TSfOTVÖs o5to({) (bg aop&(s) xpü-

nxst X£9-(o)s rfjg 6-au|j,axoi)pfou liäpTupo(s)

rXuxsptaj 5 8-siav xapav Ppuouaav 5|ißpo[u]

9-au[nx-c(ov äg ojv pfflais xaiivouaiv tioX-

nta-L(os zpoajpxo'j Tiä; Tt; (Xfvrj xapSta

y.ai i>äTTOv sSpoig xo'j 7io3-ou-

|iEvou Xüaiv. (1)5 -fip xpYJvK) Ttg ßXü^ouoa Jtu'^; psiS-pa 15 oijxw iLpoy.sixa'. itäatv aüxf/j

[Die Inschrift, die ich nach einer Photographie Strzygowskis gelesen und facsimiliert habe, ist bereits von J. H. Mordtmann Arch.-epigr. Mittheil. VIII 226 f. veröffentlicht, wo auch die nöthigen Erklärungen und quellenmäßigen Notizen über die Geschichte der heiligen Glykeria gegeben sind. Darin allerdings dürfte Mordtmann irren, dass der Stein aus einem Sarkophag hergestellt ist; vielmehr scheint ein an-

tiker Pilaster zu einem Reliquienschrein umgearbeitet worden zu sein, in dessen halbkreisförmiger Nische das Haupt der Heiligen verwahrt war. Zum Metrum wäre zu bemerken, dass die iambischen Trimeter nicht ganz fehlerfrei gebaut sind, dass aber dafür nach byzantinischer Sitte die vorletzte Silbe jedes Verses den Ton trägt. E. KALINKA.]

Wir haben es mit einem antiken Architravstück [?] zu thun, welches, wie die Abbildung zeigt, reich mit einem lesbischen Kymation und Perlstab umrandet und profiliert ist. Im Felde sind unten zwei Paar Akanthusblätter übereinander ausgearbeitet. Darüber ist die byzantinische Inschrift angebracht, die dem Schriftcharakter nach dem 9. Jahrhundert ca. ange- hört. Darunter sind ganz flach Blätter profiliert: in der Mitte eine Palmette, an den Seiten je drei Epheu- blätter aus einem Stiel entspringend, genau so ge- arbeitet, wie in einer Gruppe von Denkmälern, in deren Mittelpunkt die Ornamentik der Kirche von Skripü steht. In Theben, Mistra (aus Sparta), Per- gamon und Konstantinopel findet man verwandte Omamentstücke. Sie alle gehören dem 9. Jahrhundert an. (Vgl. darüber meinen Aufsatz in der Byz. Zeit-

schrift III li

S. II ff.)

Über der Inschrift ist eine halbrunde Nische ausgebrochen und darüber, wahrscheinlich in Stuck ein Medaillon hergestellt mit der verblichenen Dar- stellung der Märtyrerin Glykeria, welche unter Antoni- nus in Thrakien starb und in Herakleia bei- gesetzt wurde (vgl. das obige Citat Kalinkas); der Stein barg ihren Kopf. Darüber ein Aufsatz mit der Inschrift: 'Avsxatvia9-») ■^ Tcapoijaa 5iä i£ö8ö)v AT|HT|XptO'j ä",'vd3TS'j '/u^pi.yo'i AI'ilA d. h., dass eine Erneuerung im J. 1741 stattgefunden habe. Die metrische Inschrift führt uns zurück in die Tage, wo mit Basilius Macedo jene Renaissance der by- zantinischen Kunst eintrat, in deren Gefolge auch die alte Metropolis in Eregli entstanden oder umge- baut worden sein mag. Wir wissen von einem älte- ren Baue in Herakleia, einer der bl. Glykeria ge- widmeten Kirche, die Kaiser Heraklius (610 41) besucht hat. Möglich, dass die Palaia Metropolis mit ihr identisch ist.

Graz. JOSEF STRZYGOWSKI.

29

30

Mosaikinschriften aus Ciili.

12

D

13

\Vcnij;c Schritte entfernt von dein < )rlc, wo im Jahre 1K89 ein hedculendcr Mosaikfund (;eniachl wurde, der sich jetzt im Jnanncum iu Graz bclindct, wurden im verllosscncn Jahre noch bedeutendere Mosaiken aufgedeckt. Letztere bedeckten den Boden einer allchristlichon HasiliUa. Am 20. Mai 1897

stieß man auf die Unifangs- maucr der Ap- sis bei den Grundaushe- bunf;en für den Bau des neuen Postge- bäudes in der Ringstraße; in den folgenden Tagen wurde ein Mosaik- streifen, der sich in einer

Breite von 2*70 ■" längs derApsiswand hinzog, bloß- gelegt. Dieser Streifen ent- hielt in einem Muster, das aus Quadraten, Dreiecken und Rauten zusammen- gesetzt war, zwei Inschriften, von denen die eine (I) in der Mitle unmittelbar vor dem Bischofsitze (?) .angebr.icht war, während sich die .andere (2) links vom Bischofsitzc und der ersten Inschrift befand. Außerdem wurden noch II Inschriften (3 13) im Mittelschiffe aufgefunden, deren Lage aus der beige- gebenen Skizze (Fig. 12) ersichtlich ist. Ich gebe im folgenden vorläufig diese 13 Inschriften mit Ergän- zungen und den nothwcndigstcn Bemerkungen.

Krinncrt sei noch, dass der unter dem Hofe des jetzigen I'ostgebäudes liegende Theil nur zum ge- ringsten Theile bloßgelegt worden ist. Kerner hat der Mosaikboden an den erhaltenen Stellen durch verschiedene Einflüsse sehr gelitten. Selbst in den letzten 50 J-ihrcn dürften die Mosaiken, die bei ihrem Auffinden nur ungefähr o'Go"" unter dem Niveau lagen, manchen Beschädigungen ausgesetzt gewesen sein. Der Platz war nämlich in dieser Zeit

8

1

()

10

E

11

Fip. 12. .Mtchristlichp il.isilik.i in Cilli.

Irei mit Ausnahme eines kleinen Thciles, auf welchem eine Osteria erb.iut war. In den letzten Jahren wurde derselbe gar nicht benützt; in den fünfziger Jahren war hier, wie ich vernehme, ein Gemüse- garten angelegt. Später wurde der Platz an herum- ziehende Truppen zum Aufschlagen ihrer Buden, Ringelspiele u. s. w. vermietet. Spuren, welche eingerammte Pfähle im Mosaikbodcn hinterließen, waren an einigen Stellen bemerkbar.

Kurze Nachrichten über die Funde wurden während der Ausgrabungen gelegentlich in den Grazer Tagesblättern gebracht. Vgl. „Deutsche Wacht" in Cilli vom 3. Juni und I. Juli. Ich ordne im folgenden die Inschriften nach ihrer räumlichen Ver- theilung. Den Buchstabenformen nach dürften sie frühestens ins ausgehende Alterthum fallen.

'SFPO^Xl

. . US f(ccit) p(eJcs) CCXL

Die einzeilige Inschrift enthält außer dem Reste eines Namens, von dem etwa 4 Buchstaben fehlen, die Angabe der Flächenfuße, welche der Spender legen ließ. Das Rechteck, von welchem die Inschrift eingeschlossen ist, ist 0"20™ breit und mit Aus- schluss des fehlenden Thciles o'So™ lang. Es war von einem noch theilweisc erhaltenen Flechtbande (spira) umschlossen.

Jiisliiiia

[iiiisj Jiac

onus f(ecit) p(edes)

CXX

Einem in 5 Felder gcthciltcn Kreise von 0'78 "* Durchmesser eingeschrieben. Im ersten Felde eine Taube mit einem Zweige, in den vier folgenden die Inschrift. Den Kreis umschloss ein O' 15"" breites Flechtband; die dasselbe abschließende äußere Kreislinie mit einem Durchmesser von I'IO™ war einem Quadrate eingeschrieben. Hie- durch ergaben sich an den vier Ecken des Qua- drates freie Räume, von denen die beiden unteren mit je einer Taube und wahrscheinlich je einer ara

31

32

mit Flamme ausgefüllt waren; die linke Ecke oben enthielt eine ara (?) mit Flamme und ein Blatt, rechts war nur mehr das Blatt erhalten.

Leo scyjlnstictis cl Pro']piul^tjii']s? lllcccniul) /(<•./«)■■•]

In Zeile 3 hat Prof. Bormann beispielsweise Proyinqus oder Propincus vorgeschlagen. Über scolasliciis (scholasticHs) vgl. Schreiber in Wetzer und Weites Kirchenlexikon X. Bd., 2. A. s. v.

^P ATV5

[i\/i7] xiiii\_inus] I et Bero\_iiicc] \ /{ecenini) p(edes)

LXX I Holii'jomliis | [et | /(ecenint p(cdes)...']

Die Anordnung der einzelnen Zeilen der In- schriften 3, 4, 5 habe ich auf der beigegebenen Fig. 12 durch Horizontallinien ersichtlich gemacht.

Aur]e

litis? e]t De

siderius? c]uin s

H!.s] /{eceruitl) p(edes) XL

Ma

ximi?']iiiis

(•/] ürsa

/{ecerunl) p{edes) XL

Diese beiden Inschriften sind am 31. Juli bei den Aushebungen zur Anlage des Stiegenhauses aufgefunden worden. Beide waren von einem Kreise mit 0"6™ Durchmesser umschlossen. In Zeile 3 der Inschrift n. 6 scheint zwar die Buchstabenan- zahl gegen die Ergänzung Desiderius zu sprechen, doch schwankt die Anzahl der Buchstaben in unsern Inschriften öfters in auffallender Weise. Man ver- gleiche z. B. in n. 9 die beiden letzten Zeilen mit den vorausgehenden. Doch sind sicherlich auch andere kürzere Namen nicht ausgeschlossen.

8.

^

I.V. •■•';

^ 'COKV/VXyA/

w

Maxi^iiiis I c[/ ] I Simpie\_x et fam\ul'\i

eortim Sim\_p\lici2tis et Maxim [in^us /{eceriint Ipiedes) . . .] XX

Diese Inschrift und die drei folgenden lagen in einer Flucht von Osten nach Westen durch ein oder zwei Mosaikmuster von einander getrennt. Die Breite des Streifens betrug l'2'", die zweite Ausdehnung der Inschriftflächen belief sich bei den ersten zwei Inschriften gleichfalls auf ungefähr r2™, bei den letzten aber auf ungefähr 0'6™. In der Inschrift n. 8 war in der rechten Ecke oben eine Taube. Die erste Zeile und die rechts befindlichen Reste der zweiten Zeile lagen höher als die folgenden. Von der zweiten Zeile ist wohl nur mehr das ET am Anfange zu lesen; die übrigen Reste ließen die ursprünglichen Buchstaben nicht mehr bestimmen, besonders weil die Steinchenreste vollständig verschoben waren. In Zeile 4 waren am Anfange und am Schlüsse Dachziegeltrümmer in den Mosaikboden eingetrieben. In der ersten Ver- tiefung waren dadurch die Steinchen vollständig aus ihrem Zusammenhange gebracht, während in der zweiten die Reste des M noch deutlich erkennbar waren.

33

.V4

'■ OPIM.AI' ^

Oplali[^a]fiiis

c]l Aiirclia

cum famu

lis suis OI'la[ti'\a

5 HO et Desidcrio [^t\cccrunt) p(cdcs) . . .] .V

Der rcciKc Theil mit den vier BuclistLibenrestcn lag höher als der linke. Bei der Zerstörung des vorausgehenden Theiles wurden auch einige Buch- staben verschoben und weiter auseinander gerückt. In der ersten Zeile war nach Optati kein A zu lesen. Nach Zeile 4 ist aber wohl Optatianus zu lesen, so dass demnach in Zeile i der Ausfall des A anzunehmen wäre. In Zeile 3 f. ließen die Reste deutlich fauui.lis erkennen.

Abrnhasir

cum suis

Ae)cyil) picdcs) XL

In Zeile l ist vom vorletzten Buchstaben nur so wenig erhalten gewesen, dass auch Y mög- licherweise hier gestanden haben kann ; doch scheint mir das Y nicht recht wahrscheinlich, da ich im Falle der Angabc der Herkunft eher SVR(us) er- warten würde.

In der linken Kcke unten war eine Taube an- gebracht.

_ Jiihreshrfte ili-» ostcrr. .-ircliiutl. Institiitt-s Kl. l hciblatt.

\JK5[Cl/\iVJ5x

tlNOAl/MOSA r(C[l\VJAII?W<

Ursicinus

et Xoiiitosa

fecenint f(edes) XXX

v/3 V/C^EI

<,•■/.)

Cvl/

SV.--' '

Marcelliii iis v(ir) c\hirissiinHs) cl\ lAm^aiitialfieiiiina)

cyarissiiiui)'] | \el U]rsuls {?)..' ] ] in [i«e nt]o-

riit[m eil iii\ suis /{ecerutit) \_p(edes) . . .]

In Zeile 5 sind vielleicht die Buchstaben S und .■\ zu lesen, in Zeile 6 ist der Rest eines R sicher.

Von den aufgefundenen Inschriften ist diese die größte. Sie ist von einem doppelten Streifen einge- fasst. Der äußere ist mit einem schönen Flechtbande ausgefüllt, der innere mit Ranken. Einschließlich des Randes beträgt das Inschriftfeld gegen 2"5 "" in der Breite und etwas über 2'5 ■" in der Länge, eine genaue Feststellung war nicht möglich, da der südliche und westliche Theil fehlten. Die Inschrift liegt in der Mitte des Mittelschift'es. Unmittelbar nach der Inschrift war der Mosaikboden gänzlich verschwunden, doch ergab sich aus dem westlicher liegenden Thcile desselben, dass der ganze breite nachfolgende Streifen mit Kreisen ausgefüllt war. Offenbar haben wir in Marccllinus einen der Haupt- spender vor uns.

35

5 V[Kf\0' tTANTC

^rlAN^ ■Doo

S[e]vcra et Anto

/{cccninl) picdcs) CXX{

Von den aufgefundenen Theilen des Mosaik- bodens wurden die Steinchen herav.sgenommen und im Localmuseum in Cilli aufbewahrt. Nur die letzte Inschrift blieb, etwas verletzt durch das Wegnehmen des vorausgehenden Musters, im Boden liegen, da wegen der hoch aufgeschütteten lockeren Erde das weitere Arbeiten an dieser Stelle zu gefährlich erschien.

Ich füge noch die wenigen Inschriften bei, welche ebendort gefunden wurden, aber mit der Basilika nicht im Zusammenhange stehen : fünf römi- sche Ziegel mit dem .Stemjiel der leg. II. italica und zwei Sarkophaginscliriften. Die eine von diesen kam unter dem Niveau der Basilika zum Vorschein. Das O'l™hohe, 0.08" breite und 0'03™ dicke Mannor-

fragment dürfte zu einem kleinen .Sarkophagdeckel von o'lG™ Länge und O'l™ Breite aus gleichem Materiale gehören, welcher ebenda aufgefunden wurde. Erhalten sind nur wenige Reste. In Zeile I erkenne ich den Rest eines M, wohl von D(is) M{anibus). In Zeile 2 stand etwa \Scciiii]diiia.

Die zweite Inschrift befand sich auf einem I'l8™ langen, 0'87"' breiten, o'ö" hohen Sarkophag aus Bacherer Marmor, dem jetzt der Deckel und die untere Platte fehlen. Er mag in dieser Zurichtung als Brunnenkranz verwendet und von seinem Stand- orte hierher versetzt worden sein. Der Brunnen war mit Bruchsteinen ausgelegt, über welchen eine durch- brochene Platte lag, die nach ihren Dimensionen ur- sprünglich nicht zum Sarkophage gehört haben kann. Auf diese Platte war der Sarkophag verkehrt gelegt; infolge dessen wurden die letzten nach oben gerich- teten Zeilen der Inschrift durch das überfließende Wasser des Brunnens fast bis zur Unleserlichkeit verwaschen. Ich lese: Cassitis . Pri iniautis . v{ivns). /{etil) I s/7;; et Tcixn\tiac 7/([/]/flt' | coniiigi ;»|c[«]"- [[f;is];'[;;wt']. Gefunden wurde das .Stück am 7. Juli 1897 '™ Fund.amentgraben für die rückwärtige Ab- schlussmauer des neuen Postgebäudes. Jetzt befinden sich die Funde insgesammt im Localmuseum in Cilli.

Cilli, Jänner 1894. GEORG SCHÖN.

Römische Cisterne in Salona.

Auf dem als Landspitze endenden Felsrücken, der das Thal des Jaderflusses bei Salona von dem Dujmovacathal gegen Spalato scheidet und das Dörfchen Vranjic, ,Klein Venedig', trägt, sind seit mehreren Jahren bei zufälligen Anlässen alte Gräber und Inschriften gefunden worden. Der Felsrücken liegt nur einen halben Kilometer entfernt von der Stadtmauer von Salona und gehörte unzweifelhaft zum ager Salonitanus. Bis jetzt hat er vorzugsweise altchristliche Funde geliefert, hie und da aber auch antike, vgl. BuUettino di archeologia e storia dal- mata 1889 p. 17, 1891 p. I45 148, 1896 p. 49; 98 100.

Ende October v. J. stieß ein Bauer bei Ar- beiten auf seinem daselbst gelegenen Felde (Cataster- parccUe 4379 der Steuergemeinde Salona), unweit der Brücke, welche auf dem Wege nach Vranjic über die Eisenbahn führt, auf Reste eines antiken

viereckigen Gebäudes. Nach meinen Weisungen grub er dasselbe aus und untersuchte die Umgebung im Laufe der folgenden Monate. Was dabei zu Tage trat, habe ich genau prüfen und aufnehmen können, ehe alles zugeschüttet wurde, um den Grund mit Weinstöcken neu zu bepflanzen.

Die beistehenden Zeichnungen (Fig. 13, 14) von der Hand des Herrn Professor A. Bezic in Spalato geben in verkleinertem Maßstabe den Grundriss und einen Durchschnitt des Baues, der ein Oblongum von 1 1 "' Länge zu 7'5 " Breite darstellt und vom Boden auf I hoch erhalten ist. Die Grundmauern sind O'g'" stark, nur die südliche ist schwächer und variiert in der Stärke, da sie die Unebenheiten des P'elsens, dem sie vorgesetzt ist, ausgleicht. Benutzt ist zur Construction das Ortsgestein, mit Ziegeln ge- mischt; das Gemäuer ist 0'03'" stark mit Cement überzogen. Der Boden des Gebäudes besteht aus

37

kleinen, 0'02"' dieUcn Zicj;elplallen von scclis- SO-Ecltc mit Recht zwei weitere voraussetze. Die

cckiyer Gestalt, welche mosaikartig iusanimcngesetit SW-Ecke bildet ein Knie, so dass innen 5 Ecken

und mit einer o'lS" dicken Gussmasse überzogen vorhanden sind. In jeder dieser Ecken sitzt ein

sind. Es ist hydraulischer Mörtel, wie an der diocle- kleinerer Pfeiler von 0*4 "■ .Seitenlange, während

tianischcn Wasserleitung, der aus pulverisiertem die übrigen größer sind und ein Seitenmaß von

^■MiotjicJfy^AAik: AX^-

l*'ig. 13 Liinffsdiirchschnitt der Cisternc.

Kig. 14 Grundriss der Cisterne.

dalmatinischem Kalkstein, kleinen Thonstückchen und ungelöschtem Kalk besteht, ähnlich den Vor- scliriften Vitruvs VIII 7, 14 für das opus signinum. Innerhalb der Grundmauern sind in regelmäßigen Abständen quadratische Pfeiler angebracht, jetzt 19, ursprünglich 21, wenn ich in der unausgegrabenen

O'äS"" haben. Sechs Pfeiler stehen in der Mitte, die andern vor den Wänden, und zwar constructiv unverbundcn, aber in den Ecken mit einer besonders dicken Schichte Cement ausgedichtet, der auch alle freien Pfcilersciten bedeckt. Dass die Anlage als Wasserbehälter diente, ist hiernach klar: es ist die

3*

39

erste römische Cisterne. die in Salona zu Tage kam. Wie zahlreiche, anderwärts aus römischer Zeit er- haltene Bauten dieser Art wird sie eingewölbt und in der Wölbung, worauf einige runde Ceraentstücke schließen lassen, mit Einleitungsröhreu versehen ge- wesen sein. Räthselhaft blieb mir nur die Bestimmung von zwei kleinen Postamenten bei a und b im Grund- risse, welche bloß 0"2™ hoch sind.

Als Ausfluss diente ohne Zweifel ein Canal, welcher vor mehreren Jahren im Süden 5™ über dem Felsrücken auf der Catasterparcelle 4696 con- statiert worden ist. 15" gegen Norden sind Stücke einer im Durchmesser metergroßen Amphora ge- funden wor- den, und noch etwas weiter gegen Nord- westen Mauer- werk eines Ge- bäudes und

Stücke von

ZiegelfuBbo- den zusammen

mit vielen Bruchstücken von Dachzie- geln, von de- nen fünf, jetzt im Museum von Spalato

befindliche,

Fabriksmar- ken tragen: [Fl.'] Roma[tii oder Aleti} Ro- ma[>ti, Ev']a-

risl\_i, Pa\nsiana, Pans^imia], Pcinsia\^iia]\ auch zwei ziemlich gut erhaltene Broncen von Tacitus und Valen- tinianus. Offenbar wohnte hier ein Salonitaner, der sich die Cisterne zur Ableitung des Dachwassers bauen ließ, da der diocletianische Aquäduct und der Jader- fluss zu weit, in Luftlinie über einen Kilometer, entfernt waren.

In der Ecke C des Grundrisses kamen drei aneinanderpassende Fragmente eines Kalksteinreliefs zum Vorschein, die ich für das Museum erwerben konnte. Das Relief ist 0"46'" hoch und jetzt o'57"' breit, nach links fehlt mindestens ein Drittel Breite. Nachforschungen nach dem Reste sind bis jetzt erfolglos geblieben.

1-ig.

Man erkennt zwei Götter nebeneinander in Vordersicht stehend und von einem dritten linker- hand noch den linken Fuß mit einem herabhängen- den Gewandzipfel. In der Mitte steht Neptun, be- kleidet mit einem Mantel, der den Oberkörper frei- lässt; mit der Linken stützt er den Dreizack auf, in der gesenkten Rechten hält er einen Delphin, dessen Schwanz sich um seinen Unterarm windet. Rechts in jugendlicher Gestalt Vulcan mit dem Pileus, in der Linken Hammer und Zange vor sich hin haltend, mit der Rechten eine brennende Fackel hoch an dem Schafte erfassend, der wie bei Neptun spiral- förmig gewunden ist. Zwischen ihnen am Boden ein

cylindrisches, niedriges Ge- räth mit kol- benartig kur- zen Füßen, worin der Ara- boss des Got- tes nicht zu

verkennen ist. Auffällig schleift der

linke Fuß Vulcans nach, was man auf seinen bekann- ten Beindefect beziehen könn- te, wenn nicht deutlich viel- mehr ein Un- geschick des

Verfertigers vorläge, der auch die Proportionen der Gestalten verfehlte und dem Neptun genau die nämliche Beinstellung gab. Bemer- kenswert ist dagegen seine jugendliche, völlig nackte Erscheinung, &x die mir nur aus archaischer Kunst Beispiele bekannt sind, während späterhin die E.Komis und der bärtige Typus Regel war. Auch für die Fackel in seiner Hand ist mir kein weiterer bildlicher Beleg zur Hand, obwohl die Fackel an dem Feuergotte, dem zu Ehren Fackelwettläufe ge- halten wurden, auf das natürlichste sich von selbst erklärt. Gedacht mag er neben Neptun in sym- bolischem .Sinne sein, und für die späte Kntstehungs- zeit die Reliefs, das schwerlich älter als das vierte Jahrhundert n. Chr. ist, ließe sich nicht unpassend

Neptun und Vulcan.

41

42

eine Darstclluni; der vier Elemenle verimitlien, so dass dann linUerhand neben Feuer und Wasser die Lufl- nnd Hi>nmclsj>olthcil Jupiter, mit dem Scepler und etwa dem Adler in der gesenkten Rechten, weiterhin al>cr etwa Juno als Erde zu denken wäre; vergl. Thiele, Hermes XXXI 72 ff. Doch ist es gerathcner, auf solche Vcrnuitliun};en /,u

vcrzidilen, da weder in den Kundumständen noch in der Korm des Reliefs ein sicherer Anh,alt für seine einstige Verwendung und Hestimmung gegeben ist. Nur dass es decorativ in eine Wand eingelassen war, macht der Rahmen wahrscheinlich, der das Kclicfbild von allen Seiten umgab.')

Spalato, Jänner lXy8. 1-K. BULIC^.

Epigraphischer Bericht aus Griechenland.-)

(Wiftlcrliult aus dein Anzri^jer dor philos.-bisttirischen Classc der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien 1897

n. XXVI mit einzelnen nachtriiylichen Änderungen.)

Von dem hohen k. k. .Ministerium für Cultus und Unterricht zur Unterstützung der von Österreichern in Griechenland betriebenen classischen .Studien nach Athen entsendet, habe ich seit Herbst 1894, gleich- zeitig seitens der königlich preußischen Akademie der Wissenschaften mit einem Auftrage betraut, meine Studien über griechische, insonderheit attische In- schriften an Ort und .Stelle w'ieder aufnehmen und dank der ebenso wohlwollenden als wirksamen Förderung, die loir die Herren Generalephoros I'. Kavvadias und Epimelitis B. Leonardos jederzeit an- gedeihen lielicn, an der Neuordnung und -Ausbeutung der vordem durch den verewigten H. G. Lolling geleiteten Inschriftensammlung des Xationabiiuscums zu Athen thcilnehmen können.

Die Ergebnisse meiner Forschungen, soweit sie attische .Steine .angehen, gedenke ich demnächst theils in einer größeren Abhandlung unter dem Titel ,.\ttische .Studien', theils in kleineren Aufsätzen vor- zulegen. Umfängliche neue Texte mitzuthcilcn, wie sie den verwöhnten Epigraphikern unserer Tage andere .Stätten liefern, ist mir nicht gegönnt, .\llerdings ist die Zahl der unveröffentlichten Stücke, die das Nationalmuseum birgt, keine ganz geringe und der Zuwachs, den zufalliger Kund oder systematische Grabung bringen, erfreulicherweise noch immer ein ansehnlicher. .\ber auch in dem Bestände, den das .Sammelwerk der Berliner Akademie bucht, hat der große Trümmerhaufen der altischen Inschriften noch

manchen .Schatz ungehoben vorbehalten. Über Er- warten reich ist der Gewinn, den auch nach Kirch- hoffs, Köhlers, Hittenbergers und Lollings grund- legender Arbeit eindringende Erklärung und zu- treflende Ergänzung der bereits bekannten und vor allem richtige Zusammensetzung der noch nicht als zu einander gehörig erkannten Bruchstücke erzielen kann. Ohne spätere Zeiten auszuschließen, haben sich meine Bemühungen bisher vornehmlich den Urkunden des fünften und vierten Jahrhunderts zugewendet. Nicht nur w'eil die große Zeit Athens die Forschung zunächst beansprucht; wie Beschränkung überhaupt durch die Weite der Aufgabe, so war diese Wahl durch das Bedürfnis der Sammlung, deren Ordnung von den älteren zu den jüngeren Steinen vorzuschreiten hat, und durch die Thatsache geboten, dass eine neue Bearbeitung des ersten Bandes des Corpus Inscriptionimi .Atticarum und seiner Supplemente dringend wünschenswert erscheint. Inwieweit dieser Aufgabe und der Ergänzung und Berichtigung der übrigen Theilc des Corpus von mir vorgearbeitet ist, lässt der nachstehende Bericht ersehen, der indes nur über die hauptsächlichsten Ergebnisse roehr- jäliriger Studien Auskunft geben will.

Zu dem Psephisma über Salamis CI.\ IV i p. 57, I a hat noch Lolling, ohne diesen Fund gleich einem früheren (p. 164) selbst veröfTentlichen zu können, ein neues, leider wenig ausgiebiges Stück gefügt. Die Verordnung über die eleusinischcn Mysterien CIA I i.

*) nie unausgejfraben geliliebene Kckc der Cistcrne ist, wie Monsignor HuMi mir kürzlich schriet», nachträglich auf- gedeckt wonlen. Dabei fanden sich die zwei dort vermuthetcn Wandpfeiler und zwischen ihnen ein o'j Imch erhaltener, o'25 X o' j III großer Cinal zur l'änleilnng des l>achwassers.

O. B.

'} Die Einwilligung zur Wiederholung dieses epigraphi- schen Berichtes und der folgenden archäologischen erthcilte die philosophisch-historische Classc der kaiserlichen .Akademie der \A'issensch.aftcn in ihrer Sitzung vom 10. März d, J.

() }'.

43

44

IV I p. 3 (L. Zieheu, Leges Graecorum sacrae 3) enthält meiner Ergänzung nach C Z. 19^. das Gebot, die Einweihung bei jedem Mysten einzeln, bei allen auf gleiche Weise, nicht aber -/.aTi tiX'^S'g; vorzu- nehmen. In die Mitte des fünften Jahrhunderts gehört das gemeiniglich in das vierte gesetzte Psephisma über die t,n\i.^oXa.i der Phaseliten II 1 1 . In zwei noch unveröffentlichten Bruchstücken, I 86 und IV I p. 125, 557 erkenne ich Reste des Vertrages der Athener und Samier nach dem samischen Kriege. Einen mächtigen, von LoUing aus drei Stücken, da- runter I 544, zusammengesetzten Block erweise ich als untersten Theil der Stele I 37; die Inschrift lehrt, dass die Summe der Tribute, die Athen durch die Schätzung des Jahres 425/4 einzuziehen gedachte, mindestens 960 Talente betrug. Das gleichfalls auf die Tribute bezügliche Psephisma I 38, zu dem übrigens auch IV 1 p. 25, 116™ gehört, ist von Kleonymos beantragt, wie IV I p. 141, 39 17, ein Stück der Praescripte, zeigt. Der Beschluss über die Feier der Hephaistien IV I p. 64, 35 b wird durch die Praescripte I 46 datiert und stammt demnach aus dem Jahre 421/0 v. Chr., wahrscheinlich dem Hochsommmer 421 : ein Ergebnis, das auch für die Baugeschichte des unter dem Namen The- seion bekannten Hephaistostempels von Bedeutung ist. Zu dem Vertrage der Athener und Argeier CIA I 50 haben sich mehrere neue Bruchstücke mit unbedeu- tenden Resten des Reliefs finden lassen. Ein von den Herren L. PoUak und F. Freiherr Hiller von Gärtringen auf der Insel Siphnos abgeschriebener, leider sehr verstümmelter Stein, den ich mit Erlaubnis der Finder zum erstenmale veröffentlichen darf, ent- hält, wie ich zeige, denselben Text wie eine von Baumeister einst in einer Sammlung zu Smyrna ge- sehene, seither vergessene und verschollene Inschrift (Monatsberichte der Berliner Akademie 1855 S. 197), die ich längst auf Maßnahmen der Athener zur Durchführung einheitlichen Maß-, Münz- und Gewichts- wesens in den Bundesstätten bezogen hatte. Das Relief einer kürzlich unweit des Marktthores aufge- deckten schwer verständlichen Urkunde zeigt ganz wie das schöne, von P. Wolters Athen. Mitth. 1887 S. 378 herausgegebene Relief in Sparta, Apollon und Artemis, den Omphalos mit den zwei goldenen Adlern in der Mitte. Die herrschende Ansicht über das Verhältnis der auf der .Stele II I c verzeichne- ten Beschlüsse ist zu berichtigen und das Psephisma Z. 3 ff. durch den Nachweis zu datieren, dass in Praescripten fünf Vorsitzende namentlicli genannt

waren (vgl. Thukydides VIII 67, Aristoteles tcoX. 'A*. 30). Drei Stücke : I 74 (Relief), I 36 und IV i p. 195, llö'-* verbinden sich zu einem Psephisma für ApoUonophanes von Kolophon, nicht weniger als fünf Stücke, von denen eines nocli unveröffent- licht ist, I 104. 105. 87. IV I p. 196, 116= zu einem Beschluss über die Entsendung athenischer Parteigänger nach dem Hellespont. Neue Stücke kommen, um anderes zu übergehen, hinzu zu I 55i I 93, IV I p. 21, 26a; IV I p. 24, 116^; I 99 ist mit I 54, I 70 mit I 23. 24, I 67 mit 84. 85 zu vereinigen; IV i p. 63, S^cä an 34 ii (dazu auch I 35), IV I p. 126, 61 rt an I 108 anzupassen. Durch Ergänzungen bereichere ich die Psephismen über Neapolis IV I p. 16, 51 und Selymbria IV I p. 18, 61 a (I 113 passt oben rechts, ein unver- öffentlichtes Stück unten links an).

Besonderer Behandlung unterziehe ich eine Reihe von Urkunden, die der Gerichtsbarkeit des Polemarchen Erwähnung thun. Der herkömmliche Glaube an ein allen Pro.\enoi zustehendes Recht der Kpiaoioc, Tipög TOV 5ioXe|Jiapxov ist irrig und beruht auf falscher Ergänzung der Psephismen II 42 und 131. Meine Vermuthung, es sei in beiden Inschriften statt Jipoaoäw vielmehr ii; 5iy.a; zpi; töv 7coXi|iapxsv zu lesen, wie ich schon vor Jahren auf Grund allge- meiner Erwägungen und mit dem Hinweise auf I 81 vorschlug, ist nunmehr durch ein noch unver- öffentlichtes Bruchstück bestätigt, das in der Formel thatsächlich die Worte -zac, äixas enthält und als untere linke Ecke zu der Stele gehört, deren obere rechte Ecke IV 2, 5 ii ist. Der Beschluss I 81 wird sich meiner Lesung nach auf einen öffentlichen Arzt beziehen. Die verstümmelte Urkunde IV I p. 23, 116/', in der bisher nur zw'ei nichtssagende Formeln ergänzt waren, lässt sich, obgleich nicht mehr als 10 Buchstaben in der Zeile erhalten sind, unter Berechnung von je 36 Buchstaben mit Sicherheit herstellen und berichtet von einem merkwürdigen Processe, den die Stadt Eretria durch eine Gesandt- schaft in Athen anhängig machte. Auch den bisher räthselhaften Stein II 20 ist mir zu deuten gelungen. Wie meine Ergänzungen (mit Benutzung von Formeln der Urkunden demosthenischer Reden) lehren, ge- hört der Beschluss in das fünfte Jahrhundert und gilt dem Schutze eines gewissen Aristonus, wahr- scheinlich des von Thukydides II 22 erwähnten Aristonus aus Larisa. Weiterhin stelle ich die Reste zusammen, die uns von ähnlichen Beschlüssen zu Gunsten athenischer l'arteigänger erhallen sind. Die

45

46

Lesiint; ik-r SiiicUc 1 X'), 1 \' I p. .;. "U.i wir.l bcriclnij;t uiul vcrvoUstäruli;;!, IV I p. li)4, wOz von nicht mehr als 8 Huchslalicri in der Zeile auf 40 erKänzt, auch II 33 lier};cslelU.

Im Verhältnisse zu der Zahl der Stücke nicht so reich, aber immerhin ansehnlich sind die Nach- trS(;e, die Ergänzunjj und Zusammensetzung für die Psephismen der von U. Kühler bearbeilcten Theilc des Corpus ergeben. CIA II I verbinde ich mit IV 2, 1 1 /■; II <) mit I V 2, 73 ,;'■; II 24 mit IV 2, 86 t- und einem unveröfTcntlichten Hrockcn; 11 32 (und neue Bruch- stücke) mit IV 2, 135 (•; II fj8 mit IV 2 p. 293, 4328; IV 2, 88 </ mit II 138/': IV 2, 116/' mit Il6c; II 246 mit II 253, II 164 mit IV 2, 240/'; II 97c mit IV 2, 345 c. Nicht weniger als sechs Stücke, eines erst kürzlich bei den Ausgrabungen am Xordalihangc der Akropolis gefunden, ein anderes noch unver- öffentlicht in Athen, ein drittes in Kopenhagen auf- bewahrt, II 25 (IV 2 p. II), II 10, IV 2, 35 f vereinigen sich, leider nicht ohne Lücken, zu Pse- phismen für einen Seher Namens Sthorys, der den Athenern zur Zeit der Schlacht von Knidos Dienste leistete. II 268 passt unmittelbar an IV 2, 264 c an; der Beschluss gilt vermuthlich Apollonides, dem Freunde des Demetrios, den auch eine Inschrift von Ephesos ehrt (Inscr. Brit. Mus. 448). IV 2, 1352 <• ziehe ich zu dem stattlichen, noch niclit lurausge- gebenen Bruchstücke eines Psephisma für lo'joaväpoj 'I".Xt3-:o') l-j-aÄr,--:'.!;;. Mit neuen, meist unbedeuten- den Bruchstücken verbinde ich ferner II 16, II 73 /, II 103 b (dazu ein .Stück RelieQ, II 127, II '34. 'j5> II i-(> (IV 2 p. 131). Durch erheb- lichere Ergänzungen oder Berichtigungen bereichere ich IV 2, 65 b (Vertrag der -»Vthener mit Kersebleptes, Berisades und Amadokos); IV 2, 88 b, wo die un- mögliche Lesung Z. 17 izepl 7:pG-,'6vo)v durch Tispl Ttpijivtuv zu ersetzen ist der Beschluss gilt der Ernennung von Ttpöjsvo'., vermuthlich in Kyrene; II 584, das Psephisma von Aixonc für Demetrios von Phalcron; die früher von mir zusammengesetzten Urkunden IV 2, 318 c und 371 c. Das von E. Cur- tius und O. Benndorf erörterte Stück II 639 glaube ich in vollem Umfange herstellen zu können; der Beschluss verordnet, damit das Götterbild seine Weihe wieder erhalte, die Übertragung der Eizoviy.ol -'.vaxs; und anderer des Heiligthums unwürdiger Gegenstände aus dem Tempel (offenbar des Askle- pios) in die Halle und verbietet die Aufnahme weiterer Anatheme. In diesem Zusammenhange er- örtere ich die |i=Ti3-S3'.; und iisTSTT'.Ypavr) der Weihe-

geschenke und berichtige nach eigener -Abschrift die Lesung der BCH I89I .S. 337 veröffentlichten In- schrift aus Hypata. Kleinere Beiträge gebe ich ferner zu II 18, 66 b, 225, 238, 205, 267. i<i-' 309. 42« (IV 2 p. III), IV 2, 574/) u. a.

Von wichtigeren neuen Stücken aus der In- schriftensammlung des Nationalmuscums erwähne ich hier nur einen Beschluss für einen Koer, der sich um Athens Versorgung mit Getreide Verdienste er- worben hatte; ein längeres Psephisma über den Ab- schluss von a^npoXa mit den 'i'eniern; einen nur mit äußerster .Mülic zu entziffernden Beschluss aus dem Jahre des Archon Neaichmos; ein sehr ver- stümmeltes Psephisma über Bürgerrechtsverlcihung, meinen Ergänzungen nach durch eine Botschaft Polyperchons veranlasst. Dank der liebenswürdigen Erlaubnis des Herrn K. D. Mylonas darf ich zwei bei den Ausgrabungen vor dem Dipylon gefundene Inschriften, die eine aus dem Heiligthume der KaX/,{3-rj, die andere aus dem -iiuvo; der Tech- niten, einst auf dem Weihegeschenke des Poseidippos aufgestellt (vgl. CIA II 626), veröffentlichen. Von hervorragender Bedeutung ist ein im Peiraieus ge- fundener Beschluss der Orgeonen der Bendis aus der Mitte des dritten Jahrhunderts v. Chr., den Herr J. Dragatsis in der Zeitung 'Ava-fsw/jatg vom 17. Januar 1896 mittheilt und ich mit seiner gütigen Einwilligung demnächst in vollständigerer Lesung herausgebe; dazu kommen auf einem zweiten .Steine noch zwei andere Beschlüsse derselben Orgeonen (vgl. P. Hartwig, Bendis, S. 27).

Soviel über die Psephismen vorrömischer Zeit.

Nicht minder erfreuliche Ergebnisse erzielt planmäßige Sichtung anderer Gruppen von Urkun- den, so der Hcrmokopidcnsteinc und der Verzeich- nisse der Cf '.aXxi SiiXs'jMspiy.ai. Die zahlreichen Bruch- stücke der Verlustlisten, durch unveröffentlichte noch zu vermehren, vertheilen sich auf verhältnismäßig wenige große Denkmäler, so dass der Versuch einer Beziehung auf bestimmte Kriegsjahre und Schlachten nicht aussichtslos erscheint. Diese Verlustlisten fordern ebenso eine besondere neue Bearbeitung wie die für die Literaturgeschichte so wichtigen Verzeichnisse der preisgekrönten Aufführungen, Dichter und Schau- spieler aus dem Heiligthume des Dionysos. Zu den Inschriften II 977 habe ich eine Reihe ansehnlicher, noch unveröffentlichter Bruchstücke hinzugefunden, die sowohl an sich wie für die Zusammensetzung des ganzen Denkmals von erheblichster Bedeutung sind. Die bisherige Anordnung wird mehrfach be-

47

48

richtigt. P^.ines der neuen Stücke gehört, an II 977 / unmittelbar anpassend, der Liste der alten Komiker an. Eine neue Ausgabe hoffe ich im Vereine mit Herrn Professor G. Kaibel zu veranstalten.

Einzig in seiner Art, aber traurig besch.idigt ist ein Stein, der einst in 10 Spalten sämmtliche Mitglieder des Rathes verzeichnete. Leider ist der größte Theil der Inschrift völlig unkenntlich ge- worden; nur die Enden der Spalten imd die Liste der Beamten: -fpa(iiix-£Ü; y.ata Tip'jTavsiav (npogsvo; nij;*.a7dpou ä.x.Hp5oijaios vgl. CIA IV 2, 128 fcn), -[■pa|i|iaT£u; iröt ürnitoi, äva^pacpso;, ära ta (j;r,cp£a|j,a-a, äv-'.-fpacpsüj, Taiita; t^i pO'jXfj', xa|j,ta; -mv eig äva8rj(ia, x'^pog sind leserlich geblieben.

Besonders reichen Ertrag versprechen die sehr vernachlässigten Inschriften römischer Zeit. Meine attischen Studien geben nur einige Proben. Die E-^. äpx- 1894 S. I72ff., 241fr. veröffentlichte Stiftungs- urkunde aus Eleusis, mit der sich übrigens, wie ich höre, gleichzeitig auch Herr St.N. Dragumis erfolgreich beschäftigt hat, erlaubt vollständige Herstellung, so- wie die richtige Anordnung der Bruchstücke, die dem Herausgeber entgangen war, gefunden ist (vgl. jetzt Athen. Mitth. 1897 S. 381). Zu der Ur- kunde CIA III 5 hat schon LoUing ein neues Fragment gefügt. Merkwürdig und zugleich erfreulich sind zwei Zusammensetzungen von Urkunden hadriani- scher Zeit. Das bisher räthselhafte Stück III 4g, an- geblich eine kaiserliche Verordnung des dritten oder vierten Jahrhunderts n. Chr., im Peiraieus gefunden, vervollständigt, im Bruche unmittelbar anpassend, den

1890 bei den Ausgrabungen westlich vom Thurme der AVinde entdeckten Brief der Kaiserin Plotina an ihre Freunde in Athen ('Ecf. äpy^. 1890 S. 143, H. Diels, Archiv für Geschichte der Philosophie

1891 S. 486) über die Nachfolge in der Schule des Epikur. Das von Eustratiadis in der XlaÄrf-CEVsaia vom 12. Januar 1868 und von C. Curtius im Philo- logus 1870 S. 694 veröffentlichte, aber in das CIA III nicht aufgenommene Stück eines einst im Peiraieus vor dem ääi'fiia aufgezeichneten Kaiserbriefes hatte ich zu Anfang des Jahres 1895 ^^ einer Sitzung des kaiserlich deutschen archäologischen Institutes zu Athen besprochen und ergänzt. Meine Deutung und Herstellung hat sich nachträglich in über- raschender AVeise bestätigt; in der auf Tenos ver- mauerten, von B. Latyschew BCH 1882 S. 250 herausgegebenen Inschrift liegt, augenscheinlich aus dem Peiraieus verschleppt, das fohlende zugehörige Stück vor.

Ich schließe an diesen Bericht über meine attischen Studien einige besondere Mittheilungen.

Die nur durch Fourmonts Abschrift bekannte Urkunde CIG I 1118 (,Argis in hortis'), zwar öfter besprochen, aber bisher nicht ergänzt und so merk- würdig, dass A. Schäfer sie für unecht erklären wollte, enthält meiner Herstellung nach eine Er- klärung griechischer .Staaten an einen Abgesandten der Satrapen über die Beziehungen zum Großkönige, abgegeben nach dem Abschlüsse einer zcivr; sipTJvr]. Meine Ergänzungen ergeben für alle Zeilen gleich- viel Buchstaben; also war die Originalurkunde aTOiXT/Ssv geschrieben, wie für die Zeit, aus der sie stammt, ohnehin wahrscheinlich ist. So wird zugleich die Richtigkeit meiner Lesung und, wenn es dessen noch bedürfte, die Echtheit der Inschrift erwiesen.

Durch Herrn Michael K. Krispis Vermittlung hat mir im .Sommer dieses Jahres Herr Professor N. Koronaeos, damals in Chalkis, die Aufnahme einer l'7" breiten, 0'8™ hohen, 0"I5™ dicken Marmorplatte mitgetheilt, die am Fuße des so- genannten Bcci>pOpoOvi östlich von Chalkis aufgedeckt worden ist. .Sie trägt unter der Überschrift nicht weniger als 33 Kränze, je II in der Reihe, in der ersten von Lorbeer-, der zweiten von Eichen-, der dritten von Ölblättern. Über den Kränzen steht die Angabe des Agones, in den Kränzen (falls zwei zu nennen waren, theilweise auch außerhalb) der Name des oder der Sieger. Nach Herrn Koronaeos' dankenswerter Abschrift theile ich die Inschrift, die dem zweiten oder spätestens dem Anfange des ersten Jahrhunderts v. Chr. angehören mag, mit allen den Berichtigungen mit, die sich mir bei Be- sichtigung des nunmehr nach Athen gebrachten, trotz neuerlicher Beschädigung trefflich erhaltenen Denk- mals ergeben haben. Übrigens ist der Stein mittler- weile von Herrn P. A. Papavassiliu in der Zeit- schrift 'A9-r)vä IX S. 449 ff. und von Herrn P.Kavvadias in der 'Ecpif)|ispi? äp^aioXo-fixi] 1897 S. 195 ff. mit einer vorzüglichen Phototypie veröffentlicht worden. 'E[n!. f;-f]en6[v)og Ti|ia(p]xt5[ou toO A]ija'.a-:pä-o[u. ArjIxTjxpio; AvSpondy^ou i-iiisArj-r,; -,'3vdii=vo; toO -;ij|ivaa(ou ällÄa iipoiOrf/.sv sv | -itöt i-;mr. xröv 'Hpa- ■/.Ästtov Y.'xi £vix(üv oBe-

(Erste Kranzreihe) Hatoaj TravnaiSa;' doX'.yo^r r/.auxCa; TXa'jxiou oxaStov KXstüv XaptXXou XaXv.i- dsy;- StauXov l4Xs;iiia/,(5; Osojsviäo») XxXy.'.5E'J; T-xAr,'/- Zora'jpoj 6£o:favo'j 'Avxiv/E'ij T.'r(\iri'r ApiE- |u5(opi; Nf/.io'J AvTioys'J;- zav/.pax'.ov Astovidrjs Xpxs- Ädo'j XaXv.tSsüj.

49

50

xiSs'JS' oraS'.ov Bpi|iio;IIapa|iovouXaXy.'.?£');' ?£a'jXov llapocjiovo; SsvixpiTO'j XaXv.tis-Jj- TiaXr^v HsoxX^g Apxi'i'J XxXx'.di'J; -'JYiir'v .Vs'V/.'.'>; KajTpiv.to; As'j- xiou 'Ptoiiatoj.

(Zweite Krnnzreihc) Tiav/.pdx'.ov ÖsoxXfj; Ila'j- oavtou XaXxiäsu;.

'E^igßojv 2iX'.xov 'A-fsXao; <[>v.(ovo; XaX-/.'.52')j aiäStov T'.iiapxiiTi; A'jaiaxpa-roy XaXy.iis'Jj- Sia'jXov 'Ilpo^'-Xo; Zo)i-;:o'j XaXx'.5s'j;- t;:7H0V 'A-o?.Xo?o)po; IlOppo'j XaXy.'.äsüj- -äXr;v IIoTiX'.oj 'Qpap'.o; Mv.\ivi 'Pco|iaTo;- T.'y'^\iii'r A;ov)oto; IIapa|iivou XaXxidsu;- itavy-päTiov E'Jy.piToj Il'jppiy.ou XaXx'.Ss'J;.

"A-fSviiou;- oraS'.ov 'A3-/Xr,-'.a5T|; E'Jxsipor; XaXy.iSeO;" Jtsv-aOXov <I>iXtvo; Aiovuawu -aXr^v "Apxia; 'Apyjo'j XaXy.i3£Ö;'

(Dritte Kranzreilie) j:'j-fii>)V Mäapxo; 'Epivv.o; Maapy.oy 'Pu)|ia!';; y.oc: X!xav5p^; KXso^ivo'jXaXy.tds'Jj- ravxpi-'.ov 'Ap-Ejiiiwpo; Ila'joocvi^'j XaXy.'.SE'J;.

'AvSpa;' äiXix^v lUp'.XXoj Mvrjaijiäxo'J XaX- y.;53'j;- oTOfdiov A5Xo; KopvrjX'.oj AüXou 'Poinatoj diauXov MsvavSpo; Mvrjaiiiaxo'J XaXx'.Ssö; :xsv:a6Xov MoT/,:o)v 'Ep!ia:;iXo'j XiXy.'.5e'Jj' 7;dXT|V KaXX'.y.pitTij "A]i'')VTO'j XaXy.iSs'J;' T;')"f|i'iv E'.pr)vxJoj 'AXjJivJpou "AvTioxE'J; y.al <l>t.X6vtxo; Asiovteo'j XaXy.t5E'J;' -xv- xpä-iGV 'Epiioc'^iXoj 'Epiia^iXou XaXxiäsO;.

"AvSpa;' dTiXtTYjv HoJiXtos Koifx-to; TiTO'j 'Poj- liaTog.

"IiiTiO); Sia'jXov 'Av3pi|iaxo; AyjHT|Tpio'j XaX- xiäsö;.

Die erste Zeile, die über dem Scliriftfelde mitten auf dem erhöhten Rande der Platte steht, lautet nach Papavassiliu :

'E[xäpaJlE (i[övols Tijiapxl'Svj; Ao]o'.a-pa-0'j , nach Kavvadias:

'EXäls£a]£ nolvlo; Ti|ia|p]xi31r,; . . .J'ja-.iTpxTol'j.

Ich erkenne an zweiter Stelle die trügerischen Spuren eines X oder A nicht an, sondern sehe ein 11 und ijlaube mich daher, in engstem Anschlüsse an die weiterhin erhaltenen Reste, zu folgender Lesung berechtigt:

'E[jcl ^]e(iö|v]o; Ttjia[p]x'8[ou toü A]uoto-:piTo[u. Nach einem fj-fSjKBv datieren auch die Athen. Mitth. 1881 S. 161 ff. und die von mir BCH 1892 S. 92 ff. herausgegebenen Inschriften; wie ich verrauthct hal)e (ebenda S. 97), ist dieser ■i^-[z\\(m der erste Beamte des yLO'.ibt z&i EüpotEiov.

Nur wenige Bemerkungen seien mir an dieser Stelle erlaubt.

In dem ersten Worte der zweiten Zeile der Überschrift -nit ist I, erst ausgelassen, über der Zeile eingetragen. Unter dem völlig deutlichen Namen XapiXso'j in dem zweiten Kranze der ersten Reihe steht zwischen A und E ein A, und zwar zwischen zwei Punkten; solche sind auch oberhalb jenes E angebracht. Somit ist XapiXXo'j zu lesen ; dieselbe Art der Berichtigung begegnet in Handschriften, vgl. Bast, Commentatio palacographica .S. 857, und die neueren Handbücher. In der Überschrift des vorletzten Kranzes war das Wort dicXiTT/V ursprüng- lich mit EI geschrieben, aber E ist getilgt.

Für die neben H vereinzelt verwendete Form I-I darf ich auf meine Bemerkung, ebenfalls zu einer Inschrift aus Chalkis, in den Arch.-epigr. Mitth. 1894 ^- 44 verweisen.

Gelegentlich einer gemeinsam mit Herrn Pro- fessor W. Dörpfeld unternommenen Reise nach Ar- kadien und Ithaka habe ich ferner vor Kurzem in Vitrinitsa im Gebiete der ozolischen Lokrer eine hervorragend wichtige Inschrift abgeschrieben, von deren Fund mich in Athen die Herren Professoren Rhusopulos und Ikonomu freundlichst unterrichtet hatten. Der Stein ist angeblich vor einigen Jahren auf den Höhen am Meere zum Vorschein gekommen, auf denen man die alte Stadt 'J'olophon suchen darf. Rechts und unten leider verstümmelt tr,agt die O'^ö"" breite, 0'4™ hohe und o'o87™ dicke Marmorplatte in wohlerhaltener Schrift auf der linken Schmalseite eine Xamenliste, auf der Vorderseite unter der Über- schrift 'A-faÖät '[ix'^' ^" -7 Zeilen von bis über 70 Buchstaben einen Vertrag in lokrischem Dialekte, eingeleitet durch die Worte : 'E-i TOlaSe A'.ävTEiOi xxi i T.t'K:^ }ia.p'jy.O(.U)r/ Aoxpot; dvEäijavTO -i- xipa[; .... Die y-dpa;, die auch in den weiteren Bestimmungen des Vertrages mehrfach erwähnt werden, sind die zwei Jungfrauen, welche die Lokrer vielfacher Über- lieferung zufolge .-luf Geheiß des delphischen Orakels zur Sühne für den Frevel des -■Vias der Athena Ilias (die übrigens unweit von Tolophon im Gebirge zu Physkos einen Tempel besaß, CIG Sept. III I, 349 ff.) als Dienerinnen nach Ilion zu senden hatten. Der Schrift nach, über deren Entwicklung in Lokris mir allerdings zur Zeit ein zuvcrl.issiges Urthcil nicht zusteht, dürfte die geschichtlich und rechtlich ungewöhnlich bedeutsame, in ihrer Verstümmelung nicht leicht verständliche Urkunde der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts v. Chr. angehören.

Athen, Februar 189S. A. WILHELM.

Jahrcsbeftc des üslcrr. archiiol. Institutes lld. 1 IWiblatt.

Bericht über eine Reise in Buls^arien.

^B^.'ri(■ht II der LialkanciUinnission, wiederholt aus dem Anzeifjor der philosophisch -historischen Classe der kaiserl. Akademie

der Wissenschaften in Wien 1898 n. \'I.)

Mit dem k. k. Baupraktikanten Herrn H. Kgger auf Wien unternahmen wir im August und September V. J. eine archäologisch-epigraphische Orientierungs- reise nach Bulgarien, über die wir hier eine vorläufige Mittheilung erstatten.

Das Museum von Sofia enthält einen reichen Schatz namentlich inschriftlicher Denkmäler, der hauptsächlich dem Wirlcen des gegenwärtigen Leiters, Professors V. Dobrusky, verdankt wird. Unermüdlich ist dieser Gelehrte bestrebt, alle wichtigeren Antiken, welche im Lande neu zutage kommen oder von den Gebrüdern Skorpil wie von ihm selbst auf ausge- dehnten Reisen erkundet werden, vor der Vernichtung zu retten und in Sofia der wissenschaftlichen Ver- wertung zuzuführen. Die größeren Denkmäler sind hier in einer prächtigen alten Moschee untergebracht, die hoffentlich bald endgiltig für die Zwecke des Museums bestimmt und dementsprechend baulich ausgestaltet wird. Diesem Lapidarium, das nacli Zahl, Bedeutung und Mannigfaltigkeit der Objecte schon jetzt den ansehnlichsten beizuzählen ist, galt während eines zweiwöchentlichen Aufenthaltes das erste Stu- dium. Herr Egger nahm einen Plan der Moschee auf und zeichnete merkwürdige Architekturstücke, während uns die Entzifferung neuer oder schon be- kannter, aber ungenügend gelesener Inschriften be- schäftigte. I.,ängere Bemühungen kostete diebedeutende griechische Steinurkunde über die unter .Septimius Severus erfolgte Gründung des Emporiums Pizos mit der Namensliste der Ansiedler, insbesondere der Erlass des kaiserlichen Statthalters in der letzten Columne. Manche noch nicht nach Sofia gebrachte Denkmäler wies uns Herr Dobrusky in Notizen oder Abschriften nach. Um die epigraphische Aufnahme des Museums zu vollenden, blieb ein Mitglied des archäologisch-epigraphischen Seminars, Herr Victor Hoffilier, der uns nachgereist war, fünf weitere Wochen in .Sofia zurück.

In Begleitung des mit dialektologischen For- schungen betrauten bulgarischen Universitätsprofessors Milctic reisten wir dann über Philippopel nach Varna. In Philippopel gewährten Ausbeute die mit der Bibliothek verbundene Localsammlung, die sich kürz- lich durch neue Funde, unter anderem die unvoll- ständige Ehreninschrift eines römischen Beamten mit der namentlichen Aufzählung der zahlreichen .Stifter,

bereicherte, außerdem unter Führung des Bibliothekars Herrn Tacchella junior einzelne ältere Bauten und die großen Friedhöfe außerhalb der Stadt.

In Varna schloss sich der dortige Gymnasial- professor Herr Karl Skorpil an, der, theilweise mit seinem Bruder Hermenegild, Bulgarien in allen Richtungen antiquarisch erforscht und eine sehr große Anzahl von Inschriften, Bildwerken, Straßen- zügen, Befestigungsbauten, Lager- und Stadtanlagen zeichnerisch aufgenommen hat. In Varna wurde außer mehreren neu gefundenen Antiken ein ansehnlicher Bau, anscheinend aus guter römischer Zeit, untersucht und die Sammlung der griechischen Metropolie aus- gebeutet. Diese besitzt auch ein epigraphisches Manu- script, hauptsächlich Steine von der Küste des schwarzen Meeres enthaltend, welches Bormann mit freutidlicher Erlaubnis des Bischofs e.xcerpieren konnte. »

Von Varna aus besuchten wir .Schumla, dann die alte Bulgarenresidenz Preslav, wo gerade Privat- docent Zlatarski aus Sofia im Auftrage der fürstlichen Regierung Grabungen veranstaltete, und weiter Mar- cianopolis, wo ein kürzlich ausgegrabener halbkreis- förmiger Ouaderbau vermessen wurde. Einzelnes ergab sich wie überall auf den türkischen Friedhöfen; be- sonderes Interesse boten die in griechischer Sprache abgefassten altbulgarischen Denkmäler dieser Gegend, von denen eine größere Zahl verglichen wurde. In jedem Sinne ragt unter ihnen ein in der Nähe von Madara an einer gewaltigen, grottenreichen Felswand angebrachtes Kolossalrelief hervor. Es stellt einen Reiter mit seinem Hund auf der Löwenjagd dar und ist auf drei Seiten mit langen, leider sehr beschä- digten Inschriften umgeben. Eine in den Archäologisch- epigraphischen Mittheilungen XIX S. 247 veröffent- lichte Zeichnung Skorpils, die zum erstenmale ein genaueres Bild des Ganzen bot, schien zu zeigen, dass hier Namen der bulgarischen fhane Krum und Omurtag vorkämen, während das Bild aus älterer Zeit stammen dürfte. Diese Verrauthungen zu verifi- cieren und die Lesung weiter zu fördern, erwies sich ohne Errichtung eines hohen Gerüstes als unmöglich. .\ur .\nregung Bormanns soll jedoch das Monument für das Museum in Sofia demnächst in Gips abge- gossen werden, und so steht zu hoffen, dass die für die bulgarische Geschichte einzigartige Bedeutung

53

54

>k"ssi'll>fn bald in aliscliliclk'mk'r Weise fcstt;cslcUl werden kann.

L'ni^cfahr aus gleicher Zeil wie die Inschrift wird wohl auch eine sehr große Anlage bei den Dörfern Abeba und Söjütlü herrühren, w'clche bisher räthselhaft war. Sie besteht in einer annähernd oblongen Befestigung mit Wall und Graben, die etwa 6 Kilometer lang und 3 Kilometer breit ist; ungcfiihr in ihrer Mitte ist ein Viereck von Steinmauern, Thürmcn und Thorcn unter der Erddecke zu erkennen. Bormann vermuthcte, dass hier ein römisches Castrum durch eine .iltbulgarische Befestigungsanlage erweitert worden sei, und eine mühelose Nachgrabung dürfte diese auch von den andern gebilligte Vermuthung wohl zur Sicherheit erheben.

Für die von Varna aus zu unternehmenden letzten Reisen theilten w-ir uns. Mit den Herren Skorpil und Dobrusky, dessen Betheiligung die bulgarische Regierung in dankenswerter Weise gestattet hatte, durchstreifte Bormann die Küstengegend nach Norden bis zur rumänischen Grenze. Auf dieser Route fanden sich namentlich in Baltschik (Dionysopolis) neue In- schrifsteine, die mittlerweile ins Nationalmuscum gekommen sein werden, darunter ein Gladiatoren- rclief. Jenseits der Grenze, In Mangalia (Kallatis), emplieng uns Professor Tocilescu, IJirector des Bukarester Museums, um uns über das wieder auf- blühende Constantza, das antike Tomi, nach Adam- klissi zu geleiten. Hier bildeten außer dem von Kaiser Trajan errichteten gewaltigen Tropaeum und den neuerdings in der Nähe ausgegrabenen Resten des zugehörigen Mausoleums gefallener Soldaten und

eines noch rhthsclliaften concentrisrhen Baues den Gegenstand des Studiums die l)edeutendcn, in den letzten Jahren aufgedeckten Theile der Civilstadl Tropaeum Traiani: die vorzüglich erhaltenen Stadt- mauern mit Thürmcn, zwei Thore, mehrere Basiliken u. a. .\uf der Rückreise hatte Bormann Gelegen- heit, im Museum zu Bukarest mit Professor Tocilescu einige Gruppen epigraphischer Denkmäler zu ver- gleichen. — K. Skorpil bereiste von Adamklissi aus das Grenzgebiet von Bulgarien und Rumänien. Der Hauptzweck, den er dabei verfolgte und erreichte, war, den Gang der römischen Heerstraße von Tro- paeum Traiani nach Abrittum und die genaue Lage dieser .Stadt zu ermitteln, die als ein Knotenpunkt römischer Straßen anzusehen ist.

Kaiinka und Architekt Kgger durchritten von Burgas aus, stellenweise auf wohlcrhaltencn Römer- straßen, die westlich und südlich gelegene Gegend sammt der Stätte von Deultus und fanden dabei einzelne neue Inschriften. Erheblicher wurde der epigraphische Bestand vermehrt für das von Kaiinka allein besuchte Sozopolis, das bisher vorwiegend Denkmäler des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. lieferte, und für Mesembria, das auf einer Küstenfahrt nach Norden besucht wurde.

Für die Förderung, die wir seitens der k. u. k. Vertretungen zu Sofia, Varna und Burgas, sowie von der fürstlich bulgarischen Regierung erfuhren, be- ehren wir uns hier unseren ergebensten Dank zu wiederholen.

EUGEN BORMANN. Wien. ERNST K.\UNKA.

Vorläufige Berichte über die Ausgrabungen in Ephesus.

I.

( Wicdcriiiilt aus dem Anzeiger der philosophisch-historischen Classe der kaiserlichen Akaileinic der Wissenschaften

in Wien 1897 n. V-VI.)

Von dem Wunsche geleitet, dem österreichischen

Studicnbctricbe Antheil an der internationalen Erfor- schung des Orients fortzuerhaltcn, ertheilte Se Excel- lenz der Herr Minister für Cultus und Unterricht, Dr Paul Freiherr Gautsch von Frankenthurn, mir vor vier Jahren den -\uftrag, das Project zu einer größeren Ausgrabung vorzulegen. Im Zusammenhang mit unseren sonstigen kleinasiatischen Arbeiten schlug ich Ephesus vor. wo nach dem bekannten Vorgehen

des Engländers J. T. Wood ein gründliches Ein- setzen angezeigt erschien, eine Voruntersuchung aber erst näher orientieren sollte. Dieser Plan erhielt sich in der Folgezeit durch das geneigte Interesse, das Sc Exe. Herr Sectionschef Vincenz Graf Baillct- Latour ihm schenkte, und nach dem Wiedereintritt des Herrn Ministers in die Regierung ist er von diesem ins Werk gesetzt und mit einer unablässig persönlichen Fürsorge gefordert worden, für die sich

4*

55

56

ihm meine Arbeitsj^enossen mit mir beruflich lief ver- pflichtet bekennen.

Die gewünschte Voruntersuchung kam im Früh- jahre 1895 (lurch die Hilfe zweier Männer zustande, denen ich heute Dank nur auf das Grab legen kann. Ein hochdenkender Wiener Kunstfreund, dessen Ge- dächtnis zahlreiche öfTentliche Stiftungen verewigen, und dem nun auch in der Geschichte unserer Studien ein Ehrenplatz gesichert ist, Herr Carl Ferdinaml Mautner von Markhof, ermöglichte sie mir durch eine namhafte freie Widmung, die er unter wach- sender Anthcilnahmc im folgenden Jahre verdoppelt

wiederholte, und für die Ausführung lieh mir Gchcim- rath Dr Carl Humann in Smyrna seine treue Hand. Nach den berühmten Grabungserfolgen in Pergamon für jedes archäologische Vorhaben im Orient wie ein wissenschaftlicher Generalconsul thätig und öster- reichischen Forschungen insbesondere von jeher in freundschaftlicher Verbindung zugethan, lieferte Humann ein durch Planaufnahmen unterstütztes tech- nisches Gutachten, welches die Grundlage für unser seitheriges Beginnen in Ephesus bot, und widmete ihm, von der vorgesetzten Behörde in Berlin auf unsere Bitte in entgegenkommender Weise beurlaubt, zwei Monate eigener Arbeit, die letzten in voller Thatkraft, die er aus seinem in Selbstvergessenheit

hohen Aufgaben geweihten Leben noch zu ver- geben hatte.

In der weiten Thalebene des Kaystros (Fig. 16), welche südlich von Smyrna sich im beständigen Vor- rücken gegen den Golf von Scalanuova öffnet, erhebt sich, zwei Stunden von der Küstenlinie entfernt, in isolierter Lage die anmuthige Berglandschaft beherr- schend, ein 87"' hoher Hügelrücken, der eine mittel- alterliche Veste und das ärmliche Türkendorf Aja- soluk trägt. Nahe an seinem WestfuR stand einst der von König Kroisos geschmückte AVunderbau der Artemis von Ephesus, bis zu dem einst "die See heranreichte. Überliefcrter- maßen in der Umgebung dieses Heiligthumes und zweifellos auf dem Hügel von Ajasoluk lag die alt- griechische Stadt Ephesus, von der sich sonst kein Bau- rest mehr erhielt. AVie ich in einer Abhandlung der Denkschriften demnächst zu zeigen hoffe, sind die Schick- sale der Stadt hauptsächlich aus der Naturgeschichte des Thai'es zu begreifen als ein in Etappen geführter Kampf mit dem Meere, von dem sie das fortschreitende Alluvium des Flusses und seiner Neben- bäche immer weiter abdräng- te. AVie rasch sich der Boden erh()hte, zeigt der alte Stylo- bat des Artemision, der nach Humanns Nivellement rund dritthalb Meter über dem .Spiegel der .See erhoben ist, heute aber durchschnittlich siel)en Meter tief unter der offenen Feldebene liegt. Um acht bis neun Meter also hat sich der Thalgrund hier durch wechselnde Sand- und lehmartig fette Erdschichten im Laufe von dritthalbtausend Jahren erhöht. Dieses AVachsthum der Alluvion erklärt, dass im 4. Jahrhundert v. Chr. der .Stylobat des Tempels lieim Neubau nach dem herostratischen Brande um heinahe 3 '" höher herausrückte, und dass zu Beginn des dritten Jahrhunderts vor Chr. König Lysiraachos die ganze Stadt eine halbe Stunde im Thale weiter westlich an die zurückgewichene Küste verlegte. Diese Neubegründung, welche das Artemision außer- halb im Lande zurückließ, wurde in bedeutendem

8 9 10 lU.

I-'ijj, 16 Kavstrosebenc,

57

58

Maßstäbe (lurcli^fführl und mit ciiioni noch ^roßen- Ihcils aufrcditcn liönij;liilicn Mauerung cin;;csclik)ssen, iler über das RücUjjral zweier Hcrye Iiinwej;, in weitem, ^efjeii acht Kilometer lanfjem Umkreise, von Küste /.u Küste lief. Doch das Naturgcscliick verfolgt die Stadt auch hier; ein Hafen, der aller Wahrschein- lichkeit nach in ihr Weichljild hereinreichtc, ver- sandete trotz einer Dammwehr, die Könij^ Attalos errichten ließ, schon im zweiten Jahrhundert. Erst die Verwaltung; iler Kömer, unter der l'".phesus die erste .Stadt Asiens wurde, mit besonderem Nach- druck Kaiser Hadrian, nahm den Kampf mit dem Meere in weiteren Maßregeln wieder auf und schuf ein aus};edehntes tiefes Hafenbecken, dem starke Schutzbauten, die sich weithin längs der Dünen er- strecken, Jahrhunderte hindurch freie Ein- und Aus- fahrt sicherten. Aber längst ist auch diese kaiserliche .\nlage rettungslos versumpft, das Grundwasser des Hafenbeckens beinahe durchaus von einer dicken Vegetationskruste überzogen, aus der Schilf wald- arlig dicht und hoch emporschießt, und die St.adt jetzt durch Marschland fünf Kilometer weit vom Meere abgetrennt. .Seit dem Ausgange des Mittel- alters verließen sie die Bewohner, ihr Gebiet ver- ödete und wird der herrschenden l'ieliorluft halber vom Verkehre gemieden. Aber mit seinen wild- umwachsenen Trümmern, regellos emporstchendcn Säulen und hochragenden Ruinen stellt es einen auch durch seine Räthsel reizvollen Complex historischer Überlieferung dar, der in neuerer Zeit glücklicher- weise nur theilweise angetastet worden ist und in der That nicht um des Gewinnes einzelner Funde w'illen in Schatzgräberei, sondern in and.iuernd ge- duldiger Arbeit als Ganzes ausgebeutet sein will: ein schweres, aber lohnendes Pensum, das eine lange Reihe von Jahren und planmäßig energische An- strengungen erfordert.

Hier, an dieser jetzt Budrunia genannten Stätte der hellenistisch-römischen Stadt, und dritthalb Kilo- meter ostwärts an dem Arteniision, wünschten wir mit einer Voruntersuchung Auflilärungen zu gewinnen Die traurig zusammengeschwundenen Überbleibsel des Artemision liegen in einer oblongen Grube, die sich 170™ lang, 1 00 ^ breit, in dem flachen Felde aufthut. Es sind bunt starrende Marmorwerks lücke von kolossalem Maße aus den Zeiten des Kroisos, .\lexanders des Großen und der mittelalterlichen Epoche, über denen seit 25 Jahren Bäume wieder aufgewachsen sind und nietlcre Vegetation wuchernd sich ausbreitet. Die Ränder <ler Grube liililen hohe

Schutthügel, die von den englischen Ausgrabungen lierrühren; den ganzen l'latz, der dem Britischen Museum gehört, friedet eine Steinmauer ein, die fast tausend Meter lang ist. Was zutage liegt, lässt auch Kundige rathlos. Bekanntlich hat die That des Privat- m.annes Wood, der sein in persönlicher Bravour jahrelang gesuchtes Ziel hier glücklich erreichte, das Britische Museum um wertvolle .Sculpturen, die Epi- graphik um wichtige Urkunden bereichert. Aber da ihm ein Beruf für die Aufgabe, insoweit er durch Vorbildung bedingt ist, abgieng, und keine Tech- niker zur .Seite standen, welche das in Wirrsal Auf- gedeckte sachverständig hätten beobachten und in Klärung zeichnerisch festhalten können, ist über den einzigartigen Baubefund ein vielleicht nie mehr ganz zu lichtendes Dunkel zurückgeblieben, der Wissen- schaft aber damit ein Zusammenhang entzogen, nicht minder kostbar wie das einzelne Material, das ihr die Spoliation in Zerrissenheit schenkte. Die von Wood veröffentlichten Pläne sind leider nahezu wert- los, und unter den vielen .Seltsamkeiten, die sein fast im Sinne einer Sportleistung geschriebenes Buch ent- hält, sind wenige so auffällig wie die, dass er den mit praxitelischen .Sculpturen geschmückten Altar des Heiligthums im Innern der Cella annahm, wo kein .Stein darauf führt und führen kann. Lässt er sich doch griechischer Cultussitte entsprechend nur als ein vor der Eingangsseite errichteter architektonischer Bau denken, der dem von Humann gefundenen Altar des Tempels der Artemis in dem benachbarten Ma- gnesia zeitlich vorauflag und wahrscheinlich als Vor- bild diente. Die kostspieligen Grabungen Woods hatten sich auf den Tempclgrundriss beschränkt, die Umgebung nur flüchtig berührt, die Westseite, die er wohl mit Recht als Eingangsseite annahm, ganz ununtersucht gelassen. Es erschien sonach nicllt aus- sichtslos, dass im Westen des Artemision noch Reste des Altars und dort wie anderweit in der Nähe Theile des gewaltigen Aufl)aues vom Tempel selbst, der im Einsturz weite Strecken bedecken musste, vor allem des noch fehlenden Frieses, zu finden wären. Ein Versuch nuisste jcdesfalls für die Ge- schichte des Baues neue Daten liefern.

Humann hatte für mich zwei Felder im Gesamnit- ausmaß von 6000 Quadratmetern angekauft, von denen das eine im Norden, das andere im Westen an das britische Terrain anstößt. Auf diesen beiden Feldern ließen wir im Laufe eines Monates mit lOO Arbeitern vier trichterförmige Löcher von 40 150 Quadrat- metern Grundfläche schlagen, acht Meter tief bis in

59

6o

den Urboden, den wir in circa 80 Centimeter See- höhe erreichten. Diese fortlaufend beobachteten, wiederholt photographierten und in ihren Ergeb- nissen umständlich vermessenen Arbeiten ergaben mit einer kritischen Durchprüfung der Wood'schen Erzählungen, dass das Artemision nach dem Gothen- brande des Jahres 263 n. Chr. nur dürftige Wieder- herstellungen erfuhr und schon im späteren Alter- thume als Steinbruch diente. Nur so ward ver- ständlich, dass wir auf dem in beträchtlicher Aus- dehnung bloßgelegten Boden an keiner .Stelle, selbst nicht in dem bis auf 10" Entfernung heranreichenden nördlichen Grundstücke irgend ein Bauglied des Tempels erhielten. Im Westen fanden wir einen über- lebensgroßen Marmorkopf der hellenistischen Epoche, fünf griechische Inschriften der Kaiserzeit, über zwanzig heterogene Architekturglieder und in letzter Tiefe nach Beseitigung des Grundwassers ein aus polygonen Marmorblöcken gebildetes Pflaster nebst einigen Sculptursplittern und zahlreichen Gefäß- scherben des sechsten und fünften Jahrhunderts. Die Pflasterstelle findet sich in der Achse des Tempels dicht an der Mauer des britischen Terrains, 55 60™ entfernt von der Westfront des Tempels. Da in der zweiten westlich noch weiter abliegenden, in der Grundfläche noch größeren Grube kein Pflaster wie überhaupt nichts Nennenswertes zum Vorschein kam und Pflaster auch in den beiden Gruben des Nord- feldes bis auf 40" Entfernung vollkommen fehlte, so ergab sich, da an einen Straßenzug nicht zu denlcen ist, dass wir wahrsclieinlich in die Umgebung eines Vorbaues gestoßen waren, und dass der Altar, wie ohnehin zu vermuthen stand, in größerer Nähe des Tempels unter Woods Schutthügeln gesucht werden muss. Vielleicht gibt eine Darlegung unserer Ergeb- nisse, die ich der angekündigten Abhandlung vor- behalte, in London den Anstoß, unser wissenschaftlich angezeigtes E.xperiment auf dem britischen Terrain fortzusetzen und eine genaue Aufnahme der Ruine von Stein zu Stein damit zu verbinden, die der Kunstgeschichte bei der Größe des Objectes, wann immer, nicht mehr vorenthalten werden kann.

Waren uns am Artemision Enttäuschungen nicht erspart, so erwiesen sich drei Versuchsgräben, die wir in der hellenistischen Stadt auf dem' kurzweg Agora genannten Terrain zwischen dem römischen Hafen und dem Theater ausheben ließen, umso er- giebiger. Die Stellen waren zufällig gewählt, und überall kam in der Tiefe Architektur aus mannig- faltigen edlen Marmorarien zum Vorschein, außerdem

acht Eriesplattcu eines bedeutenden Bauwerkes der ersten Kaiserzeit mit Guirlanden und Ochsenköpfen, mehrere wohlerhaltene Marmorköpfe und eine Menge von Sculpturfragmenten, deren wir an einer Stelle bis zu zweitausend auflasen. Alles zeigte Spuren eines verheerenden Brandes, der sich mit Wahr- scheinlichkeit auf die Gothenzerstörung des Jahres 263 n. Chr. zurückführen ließ und früher oder später mit einem Zusammenbruch der Gebäude verbunden war. Auf den Trümmern dieser Katastrophe hatten dann spätere Geschlechter in kümmerlichem, aus älterem Material zusammengestücktem Mauerwerk neue AVohnungen aufgeführt, meist ohne in die Tiefe zu fundamentieren. Der Untersuchtmg in hohem Grade hinderlich war das drei Fuß tiefe Grund- wasser, das nach einem sofortigen Nivellement gleiche Höhe mit dem Spiegel des Hafenbeckens zeigte und sich aller Anstrengungen unerachtet nicht beseitigen ließ, da der Zufluss durch das schüttere Geröll sich weit stärker erwies als das Ausschöpfen und Aus- pumpen mit allen Leuten. Was zu finden war, musste buchstäblich aufgefischt werden, und genauere Auf- nahmen waren unter solchen Umständen nur bis zu einem gewissen Grade möglich. Aber die Energie Humanns leistete mit der Truppe geschulter Arbeiter, die er mir zugeführt hatte. Erstaunliches, und trotz tropischer Glut ließ er es zum Schlüsse sich nicht nehmen, auch die Frage der Ableitung des Grund- wassers in der versengten Thalebene für uns selber zu studieren. Stand ihm doch nach dem über- raschenden Erträgnis seiner aufs Geradewohl gezo- genen, verhältnismäßig kleinen Gräben fest, dass man an der vornehmsten Stelle der Stadt auf einer Fund- stätte stehe, in der reguläre Ausgrabungen mit Aus- sicht auf eine reiche Ernte einzusetzen hätten.

Nach diesen Voruntersuchungen habe ich im vorigen März denjenigen Theil des Stadtgebietes von Ephesus, der sich vom Fuße der umschließenden Berge bis zu dem Hafensumpfe hinzieht und das aus der Apostelgeschichte bekannte Tlieater ein- begriffen — ein Areal von 340.000 Quadratmetern, etwa 60 österreichische Joch, darstellt, von dem F.igenthümer, der ein Tschiflik von ein paar Meilen Grundfläche bewirtschaftet, angekauft, auch die nö- thigen Vorbereitungen für eine größere Ausgrabung getroffen. Ein im Orient zeitweilig engagierter gali- zischcr Ingenieur stellte nach Humanns Angaben und eigenen Vermessungen einen über zwei Kilometer langen, vier Meter breiten Entwässerungscanal her, der den Hafenspiegel und damit das Grundwasser

6l

62

ilcr A^ora um die crforilerlicliun drei Kuli llialsiiclilicli erniedrigte. Kinc 800'" lanj;c Keldbahn mit 14 Waggons erwarb ich, die den ausgehobenen Schutt in den Hafensumpf abfuhrt und damit ein ungehindertes Fortschreiten ermöglicht. Zwei Ruinen der St.idt wurden l)cnut/.t. um Magazine für die Funde und die Werkzeuge anzulegen, auf einem in Ajasoluk acqui- rierten Grundstück wurde für uns und unsere Gäste ein Unterstandshaus geb.iut, um dessen Einrichtung Frau Louise verw. Humann sich gütig bemühte, ein

'"'*».

'^<ü.

^^^.

'ifl,

"^^^nd^

'^•^^

l'"iff. 17 ÖsU^rr. Gr.ibungsgebict,

Geb.Hude in der Nähe als Wohnung für die Arbeiter gemietet. Noch im Frühjahre konnten dann unter Leitung meines Stellvertreters, Herrn Dr Rudolf Heberdey, die Grabungen beginnen, und länger und ununterbrochen haben wir sie im Herbst, vom 3. Sep- teml)cr bis Ende November, mit fünf Aufsehern, einem Zimmermann, einem Schmiede und über hundert Taglöhncm fortgesetzt. George Niemann lieh mir wieder seine Mitwirkung, neben ihm trat der Architekt Herr Josef Dell ein. Für topographische Aufnahmen und photogrammetrische Arl)eiten war uns Herr Hauptmann Anton Schindler von der k. u. k. .Militär-

akademie in Hcurlauliung zugethcilt. .Aushilfe leistete für einige Wochen Herr l)r Wolfgang Reichcl.

Ich versuche kurz das l)isher Erreichte zu be- schreiben, obschon dies ohne Hilfe von Zeichnungen in Anschaulichkeit kaum möglich ist, umsomehr als uns selbst noch mancherlei unklar blieb, da wir mitten in der Arbeit abzubrechen hatten. Vgl. Fig. 17. Gleich zu Beginn stießen wir am Hafen auf die Marraorstufen eines in Sechscckwinkeln sich hin- ziehenden Quaibaues, den wir auf circa 40"" Länge ausgruben. Er trug eine zwei Stock hohe Hallenanlage, mit der in stumpfem Winkel anstoßend eine östlich vom Theater her laufende Colon- nade verbunden war. Der stumpfe Winkel dieser Co- lonnade und die Sechseck- winkel des Quaibaues, des- sen Ostfront sich concav ein- biegt, haben der zweistöcki- gen Halle an rhombischen Basen und allerhand selt- samen Capital- und Gebälk- verkröpfungen eine barocke Form aufgcnöthigt, die das besondere Interesse der Ar- chitekten erregte, namentlich Herrn Dells, der diesen Bau- befund aufnahm. Die Auf- schrift von sechs Architrav- blöcken lehrte, dass die An- lage aus Erbschaftsgcldern unter dem Asiarchen Nike- phoros, wahrscheinlich in Hadrianischcr Zeit, errichtet war. Mehrere in die Stylo- batplatten eingehöhltc, h.ilb- sphärische Vertiefungen, die wir mit Sand genau aus- maßen wohlerhalten sind zwei kleinere zu 6'6 und 6'8 Liter und eine größere zu I3"95 Liter Cubikinhalt stellten sich als römische Hohlmaße von 12 und 24 Sextarien heraus und können, da sie ohne Abllussvorrichtungen sind, nur für trockene Ware gedient haben, gewiss für Getreide, so dass eine Börse hier angenommen werden darf, ähnlich dem attischen Deigraa am Piräushafen.

Ostlich weiter einwärts vom römischen Hafen dominiert über hohen Schutthügeln eine malerische Ruine, aus Reihen mächtiger Quaderpfeilcr mit auf-

63

64

setzenden Backsteinwölbungen bestehend, jetzt, un- bekannt weshalb, als das große Gymnasium bezeichnet. Sie hat unterirdisch lange, schmale Gänge mit ein- zelnen größeren Kammern, die wir vorläufig ausmessen ließen, soweit es das darin anstehende Grundwasser erlaubte; an die Ruine selbst, deren oberstes lockeres Gefüge bei dem ersten Erdbeben wie ein Kartenhaus zusammenbrechen wird, konnten wir uns noch nicht wagen. In augenscheinlichem Zusammenhange mit diesem Gebäude aber stand, im Felde östlich zwischen ihm und dem verschütteten hellenistischen Hafen, eine von .Säulenreihen und zurückliegenden öffent- lichen Räumen umgebene großartige Platzanlage früh- römischer Zeit, von der wir bisher drei Theile bloß- gelegt haben.

An zwei Stellen, mit einem Süd- und einem Nordgraben, hatten wir sie schon im Frühjahre 1895 berührt, und das damals Gewonnene galt es zunächst weiter zu verfolgen. Sowohl bei dem Süd- wie bei dem Xordgraben mussten mittelalterliche Bauten durchbrochen werden, um auf den drei bis vier Meter tiefen antiken Boden zn gelangen. Jetzt sind die zwischenliegenden mittelalterlichen Bauschichten säramtlich im Zusammenhange aufgedeckt und liegt somit ein Theil der nachantiken Stadt im Grundrisse zutage. Er besteht aus einer in elendem Flickwerk zusammengcstümperten 130™ langen Hallenstraße, an die auf beiden Seiten gleichartige Bauten sich an- schlössen : kleinere und größere Privatwohnungen, darunter zwei Peristylanlagen mit spätrömischen Mo- saiken, ferner Magazine, Kaufläden und eine öffent- liche Latrine: diese durch eine Zwischenmauer in zwei gleichartige Theile geschieden, beide Theile mit Vorräumen, deren Thüren so gelegt sind, dass man von der Straße aus nicht in das Innere sehen konnte. Unter den spärlichen Einzelfunden dieser Schichten sind zwei Setzwagen aus Bronce, die eine mit einer Aufschrift KAPnOY+ auf dem Wagebalken, be- merkenswert. Für die Zeitbestimmung des Stadttheiles ergab sich insofern ein Anhalt, als nicht nur ältere Säulen, hellenistische wie römische Capitelle, eine griechische Inschrift und eine frühestens dem 3. Jahr- hundert angchörige lateinische, sondern auch einige mit Kreuzen versehene altchristliche Bauglieder als Constructionsmaterial verwandt waren. Herr Dell ver- maß diesen Coniple.\ gleichfalls, dem er ein sieben- wöchentliches Studium zuwandte.

Vorläufig ließen wir ihn bestehen, obwohl er nicht zu erhalten ist, wenn das Ältere unter ihm er- forscht werden soll, und wandten uns dem Xordgraben

zu, in dem 1893 so viel Sculpturbruchstücke zum \'orschein gekommen waren. Wir giengen in ihm nach drei Seiten so weit vor, bis das Centrum der genannten ganzen Platzanlage als eine propylaion- artige Ein- und Durchgangshalle zutage stand. Ge- schlossen war sie im Norden und Süden durch west- östlich verlaufende Mauern, die Ostseite gegen den verschütteten hellenistischen Hafen, die Westseite gegen das sogenannte große Gymnasium, in dessen Axe sie zu liegen scheint, durch je fünf korinthische Säulen von prächtigem Corallinamarmor geöffnet. Wände und Boden waren mit buntfarbig wechselnden Marmorplatten ausgelegt, vor den Säulen standen Postamente mit Statuen aus weißem Marmor und Bronce, die bei dem erwähnten Brande herabgestürzt waren. Auch jetzt lasen wir w'ieder Hunderte von Sculpturstücken auf und nahmen alles hier Gefundene mit nach Wien, um in Studien, die an Ort und Stelle unmöglich waren, zu versuchen, was dem Ruin wieder abgewonnen werden könnte. Ehe diese Arbeit abgeschlossen ist, was noch auf geraume Zeit hin nicht der Fall sein kann, würde eine Beschreibung interessanter Einzelheiten eher irreleiten als orientieren. Von dem Propylaion aus zog sich westlich gegen das große Gymnasium zu als Einfassung des vier- eckigen Platzes so wenigstens stellt sich uns heute der Sachverhalt dar eine lange Colonnade, deren Südhälfte wir zum großen Theile ausgegraben haben. An dieser Südcolonnade liegt, nach Norden offen, auf den drei übrigen Seiten geschlossen, ein in re- präsentativer Pracht ausgestatteter Saal von außer- ordentlicher Größe, das Hauptobject, das wir im Vorjahre gewannen. Hier nahm George Niemann den schwierigen Baubefund auf. Der Saal ist rechteckig und misst im Innern von Nord nach Süd 16, von West nach Ost 32". Im Norden communicierte er mit der Colonnade durch acht breite Öffnungen, welche von sieben gesäulten Pfeilern korinthischer Ordnung gebildet waren. Die durch Halbsäulen mächtig verstärkten Pfeiler standen auf großen Posta- menten und hatten etwa 8'" Höhe; ein nach Dübel- löchern constatierbares niederes Gitter zwischen ihnen schloss den Saal gegen die Colonnade ab. Überdeckt war er, wie allenthalben vorhandene Kohlenreste und Dutzende von 35 Cenlimeter langen Eisenkrampen bewiesen, von einer bei der gegebenen Spannweite enormen Holzconstruction, die ohne Innenträger war, wie der gut erhaltene Fußboden des Saales lehrte. Der Boden besteht aus einem teppichartig gegliederten Belag von Platten geometrischen Zuschnitts, hergestellt

65

66

in Korm von Kreisen, Qiuulrnten, Roclilccken, Urcis- fiirmi};cn und rcchtcckij^en Bordüren aus im ganzen 13 verschiedenfarbigen Marmorarien, die sich in ge- ralligcm Wechsel beständig wiederholen und theilwcisc, wie namentlich ein sehr schöner Verde antico, von seltenem Werte sind: unseres Wissens das einzige aus dem Alterthume erhaltene Beispiel eines der- artigen Pavimcntes. Mit seiner Eleganz wetteiferte die Marmorhcrrlichkeit der Wände. An und über dem erhaltenen Sockel mit polychromen Platten aus- tapeziert, welche Bronceslifte auf einer Stuckunterlage festhielten, mochten sie durch ihre in zwei Ordnungen übereinandergestellten Säulen, durch ihre einsprin- genden Nischen, vorspringenden Tabernakel und den mannigfaltigsten Schmuck von Statuen und Statuetten, von Relieftafeln, Friesen und Ornamentrahmen, in Korm wie Farbe ein ähnliches Luxusspiel der Aus- stattung entwickeln wie die Architcklurgattung, welche der namentlich aus Pompeji bekannten skenographi- schen Wandmalerei als Vorbild diente. Mit Ausnahme der Nordoslecke des Saales, wo im Mittelalter, wie es scheint, eine kleine Kirche eingebaut war, neben der wir eine Reihe Gräber, aus Thonplatten gebildet und ohne alle Beigaben, aushoben, hatte auf dem bis zu 7'" hohen Schutte des Gebäudes nichts Späteres gestanden. Aber für die Baubedürfnisse jüngerer F.pochen war er derart durchwühlt und ausgebeutet, dass erst ein sehr eingehendes Studium der unge- zählten Decorationsreste, die wir aufsammelten und geordnet in dem benachbarten Magazine bargen, lehren kann, ob und wie weit eine mehr als wahr- scheinliche Reconstruction im einzelnen erreichbar sei. Von der Bauinschrift, die sich in colossalen Lettern auf dem äußern Architrave hinzog, waren bloß drei Blöcke übrig, welche das Datum sei es der Errichtung oder der Restauration, den Charakteren nach aus Hadrianischcr Zeit, STii] 7;puTavs[(o; KÄ]'j"0'j Toä "Ap'.aTiojvo; ergaben, und für die speciellere Be- stimmung des .Saales hat sich etwas Sicheres bisher nicht ermitteln lassen. Aufschluss darf man aber von den Grabungen erAvarten, die wir iiier in diesem Jahre fortzusetzen denken.

Auch von den Broncestatuen, die längs der Außenfront vor den gesäulten Pfeilern standen, des- gleichen von den Inschriften ihrer Postamente war nach bloßen Fragmenten meist nicht viel mehr als ihre Existenz festzustellen; die Inschriften sind nach Gymnasiarchen datiert. Nur gegen Westen in der Colonnade über die .Saalanlage hinaus, wo die schwersten Gebälkstücke in unberührten Haufen zusammenlagen

Jahreshefte des östcrr. .irchrLO). Institutes Bd. I Heiblatt.

und der .Schutt noch höher aufgeschichtet war, kamen zwei Statuen zum Vorschein, in Theilen, um deren Rettung sich Herr Heberdey mit dem Aufseher Nikola Verdienste erwarb.

Die eine ist aus ßronce, etwas überlebensgroß, und stellt einen stehenden unbekleideten Jüngling von edlen Formen dar. Der Kopf, die rechte Hand und der rechte Fuß sind untadelhaft erhalten. .So weit die Zusammensetzung des Übrigen bisher gel.ang, erkennt man, dass die Figur fest auf dem rechten Beine stand und das .Spielbein im Knie gebogen zur Seite setzte. Die Arme giengen abwärts, der rechte Unterarm quer über den Leib, die geschlossene Rechte hielt, nach ihrer Innern Höhlung zu schließen, einen irgendwie cylindrisch geformten Gegenstand; Reste der linken Hand lehren, dass sie mit gekrümmten Fingern, wahrscheinlich nach oben, offen war; der Kopf ist mit gesenktem Blick, die Augen hohl, nach der linken Schulter hin geneigt. In diesem Aufliauc und dem gesammten .Schema der Bewegung gleicht die Figur einer Marmorstatue der Uffizien Nr. 59, welche (mit geringeren Repliken im Louvre und Br.accio nuovo des Vatican) auf ein attisches Bronce- werk wohl noch des fünften Jahrhunderts zurückgeht und einen anscheinend sich salbenden oder ölcin- gießenden Athleten darstellt. Unsere Bronce, die in ihrer Vollendung an sich den Eindruck eines Origi- nales gibt, wiederholt nun offenbar jenes attische Werk, jedoch nicht im Sinne einer Abschrift, sondern wie eine Übersetzung in die freiere Vortragsweise einer jüngeren Zeit. Man verfolgt dieses Verhältnis .an dem schönen, geschmeidigeren Flusse der überaus kräftigen Körperformen, soweit sie bis jetzt zurück- gewonnen sind, und mit besonderer Bestimmtheit an der Eigenart des Kopfes. In der Haltung und im Grundbaue, namentlich aber Zug für Zug in allen Eigenheiten des kurzlockigen Haares, sind sich beide Köpfe gleich. An dem Florentiner hat aber das Haar ein geringeres Relief und eine stumpfere gröbere Ausgestaltung, während es sich an der Bronce in buntem, mannigfach unterhöhltem Lockenspiele ablöst, und das Gesicht hat eine Umformung aus schlichter Strenge in volle Anmuth erfahren. In der Vordersicht ist das einfache Oval der älteren Zeit in eine volle Rundung der Gesammtform übergegangen, auch die Flächenentwicklung vcrschliffener, so dass man sich an jugendliche Kopftypen erinnert sieht, die mit der Kunst des Skopas , im Zusammenhange stehen ; in der Profilansicht, die sich durch feinste Zartheit der Durchbildung auszeichnet, glaubt man einen jüngeren

5

67

68

Bruder oder einen jüngeren Verwandten des praxite- lischen Hermes vor sich zu haben. Eine Verschmelzung solcher Elemente würde sich von einem späteren Künstler der sogenannten zweiten attischen Schule sehr wohl vergegenwärtigen lassen, und vor Praxiteles und Skopas ist die Umbildung des älteren Typus, welche unsere Bronce erkennen lässt, keineswegs vorstellbar. Ich muss mich für jetzt auf diese kurze, durchaus vorläufige Notiz beschränken und füge nur noch Angaben über die Fundumstände hinzu. Die Statue lag vor einer aus ionischen Säulen gebildeten, vollständig wiederherstellbaren AVandaedicula, auf deren Boden ein niederes viereckiges Postament nicht viel unter Augenhöhe steht; augenscheinlich war sie von diesem Postament, das keine Spuren der Be- festigung und nur Theile noch von der einstigen Inschrift trägt, herabgefallen. Die Inschrift war nach einem Proconsul, einem Schreiber und dem Gymna- siarchen L. Claudius Frugianus datiert, ihre Charaktere schienen uns auf augusteische, jedesfalls frührömische Zeit zu deuten. Dass ein älteres Werk hier zu neuer Aufstellung kam, wäre nicht ausgeschlossen.

Die zweite Statue wurde in der Nähe auf dem Boden der Halle gefunden, ihren ursprünglichen Standort kennen wir nicht. Sie ist in sorgsam po- liertem weißen Marmor gearbeitet und stellt auf einer an den Schmalseiten gerundeten Plinthe in überlebens- großen P'ormen einen nackten Knaben vor, der mit untergeschlagenem linken Beine auf dem Boden sitzt, eine eingefangene Ente mit dem linken Arme steif niederdrückt und, mit dem rechten Arm zur Abwehr in die Luft fahrend, in Erregung aufblickt. Das reiz- volle Motiv, das in geringen Copien, die sich im Vatican und in Florenz finden, auch in ähnlicher Verwendung anderweitig sich wiederholt, ist vortreff- lich durchgeführt, liebenswürdig namentlich das Gesicht des Kindes mit dem offenen Munde, und stellt sich dem berühmten Knaben mit der Gans zur Seite, dessen geschlossenere Composition auf Boethos zurück- geht. Die Figur ist jetzt wiederhergestellt.

Im Bauschutte des Saales gewannen wir unter anderem mannigfache scharf anpassende Theile einer vorzüglich gearbeiteten Gruppe aus schwarzem Basalt, deren Composition sich in den Grundzügen allmählich herauskl.ärte. Eine .Sphinx, am Leibe wie eine Löwin geformt, hat sich mit cmporgeschlagencn Flügeln auf einen rücklings über einem Felsen liegenden nackten Griechenjüngling geworfen, den sie mit den Tatzen zerfleischt. Die technische Durchführung dieser sel- tenen, statuarisch noch unbekannten Darstellung ver-

räth in den fein polierten Fleischtheilen, den leicht gerauhten und daher ins Graue spielenden, höchst sauber gezeichneten Haarpartien, auch dem gewählten Steinmateriale nach, die nämliche oft bezeugte Kunst- schule, der die schönen Kentauren im Capitol ent- stammen, welche aus der Villa Hadrians von Tivoli herrühren und die Künstlerinschrift des Aristeas und Papias aus dem nahen Aphrodisias im Maiander- thale tragen. Die Proportionen des Jünglings sind etwa ein Drittel unter Lebensgröße, alle Seiten der Sculptur von gleichmäßiger -Sorgfalt; die für eine AVandnische ungeeignete Gruppe muss daher im Saale gestanden haben, wie ingleichen einige monu- mentale Becken, so ein wiederherstellbares großes Luterion aus Basalt, wohl auch eine Colossalligur aus weißem Marmor, in der wir nach nackten Partien von Armen und Beinen ein heroisches Kaiser- bildnis vermutheten. Von der Porträtstatue eines bär- tigen Griechen ist namentlich der treffliche Kopf vorhanden, von einer weiblichen Idealstatue des reif archaischen Stiles gleichfalls der Kopf, beide aus weißem Marmor, der letztere mit strähnig ciseliertem Haar und strengen edlen Gesichtsformen. In die Menge des Übrigen, erst flüchtig Untersuchten, will ich mich nicht verlieren, um noch eines größeren Broncefundes zu gedenken, den uns das Glück an einer offenbar ebenfalls unberührt gebliebenen Stelle in dem erwähnten mittelalterlichen Einbaue der Nord- ostecke des Saales zuführte.

Er bestand aus zahlreichen durcheinander ge- fallenen .Stücken, die sämmtlich mit einer dicken Kruste von Kohle und trockenem Schlamm über- zogen waren, aber theilweise schon in Ephesus sich ausschälen ließen, vollkommen in Wien gereinigt werden. Aneinander gefügt sind jetzt die separat ge- gossenen oberen Bestandtheile eines candelaber- artigen Räuchergeräthes. .Sein etwa auf anderthalb bis zwei Meter Höhe zu schätzender Aun)nu und die Art der reichen Verzierungen muthen pompe- janisch an, finden für uns wenigstens heute in Pom- peji die nächsten Parallelen. Das oberste Theilstück ist ein rechteckiges Becken, oben 27 X 24 Centi- mcter breit, durch das sich innen ein Rost von Metallcylindern zog; außen ist es allseitig in Relief mit einem Flechtbande, Akanthosornamenten, einem Perlstab, Voluten und hängenden Palmetten verziert. Den nach unten nächstfolgenden Theil bildet ein neun Centimctcr hohes capitellartiges Kugelstück, das mit einem doppelten Blattkelche geschmückt ist. Dann folgt eine 14 Centimeter hohe Doppelbüste des

69

7o

liärligcn Herakles, der den Schleier der Omplialc, und der Omi)hale, die das LöwcnfcU des Herakles auf dem Kopfe trägt; abgeschlossen ist sie unten durch einen separat gegossenen massiven Ring, der pcrlstabähnlich aus gleich großen Kugeln zusammen- gereiht ist. Der untere Aufbau des Geräthes ist noch nicht klar. Man hat unter anderem drei blattartig gebogene, 30 Centimeter hohe Fußständer, welche aus Platten zurcchtgcschnitten und .auf der Außen- seite mit Löwenmasken und Akanthos ausgestattet sind, eine oblonge, am Rande gerippte Platte, Theile einer vierkantigen hohen Mittelstützc, einen knorrigen Baumstamm, einige Blattzweige, drei S-förmig gebo- gene Ranken, aus deren unteren Blatlkelchen die acht Centimeter hohen Obertheile von Kröten auf- steigen, ausstaffiert mit der Keule und dem I^öwen- fell des Herakles. Zugehörig waren wohl einige Relicfappliquen, ein in Ruhe gelagerter Herakles, zwei knieende Eroten. Nicht undenkbar wäre Zuge- hörigkeit selbst für die milgefundenc 40 Centimeler hohe Gruppe eines zusammenbrechenden Kentauren und des kämpfend auf ihm knieenden Herakles, da freistehende Gruppen dieser Art öfters auf den Basen pompej.inischer Candelalier neben .Stützen oder knor- rigen Baumstämmen vorkommen.

Unter den sonstigen Funden und gelegentlichen Erwerbungen, die mir der Kunsthandel des Orients vor zwei Jahren zuführte, hebe ich zum Schlüsse noch hervor das Untertlieil einer marmornen Aphro- ditestatuette, die sich mit dem linken Ellenbogen auf ein archaisches Idol stützte und den linken Fuß wie die Aphrodite des Phidias auf eine Schildkröte setzt; eine fj" hohe Gewandherme des bärtigen Dionysos (?) aus schönem gelblichen Marmor, eine decorativ frische Arbeit wohl noch des fünften Jahr- hunderts, und einen ausgezeichnet erhaltenen poly- kletischcn Hermeskopf von strenger Ausfuhrung mit aus dem Haar emporstchendcn Flügeln, ein Werk von kunstgeschichtlichem Interesse.

.•\n Inschriften sind uns im Laufe der beiden Jahre aus Ephesus und Umgebung im ganzen gegen dreihundert, meist allerdings fragmentarischen Charak- ters, zugewachsen. Die wichtigste ist 5°" über dem Boden auf einer Quader des Thurmes eingegraben, der den Namen „Gefängnis des heiligen Paulus" trägt und von Ernst Curtius für die Lage von Alt- cphesus in Anspruch genommen wurde, aber nach- weislich der St.adtmauer des Königs Lysimachos an- gehört. Sie war hier unbemerkt geblieben und ist zuerst von einem Mitgliedc unseres Serainares, Herrn

Julius Banko, gesehen worden; ich copierte sie auf einem Holzgerüst und habe Abdrücke von ihr ge- nommen. Sie bezieht sich auf den Bau der Stadt- mauer des Königs Lysimachos, gibt den Namen des Thurmes und des Hügels, auf dem er steht, als nüp-fog xo'j 'AG^ijcc-fOU nd-fou, auch den Namen der westlichen Hügelkuppe der Stadtmauer als Hermaion und bezeugt, dass am Fuße des Hügels zu jener Zeit Meer war.

An geodätischen, beziehungsweise photogramme- trischcn Aufnahmen lieferte Herr Hauptmann Anton Schindler in unermüdlicher Anstrengung einen Plan des Stadtgebietes im Maßstabe von I : 15. 000, eine Gesammtfläche von circa 38 Quadratkilometern dar- stellend; einen Catasterplan der Ortschaft Ajasoluk mit der mittelalterlichen Veste und dem Artemision, circa 2'3 Quadratkilometer im Maßstabe von I : 5000; einen Catasterplan des österreichischen Grundbesitzes, circa r2 Quadratkilometer im Maßstabe von I : 2500; Einleitungsarbeitcn für eine geographische Karte der Umgebung im Maßstabe von i : 50.000.

Eindringende Studien widmete George Niemann auch den am Orte erhaltenen Monumenten altorien- talischer Baukunst. In der Veste Ajasoluk, unter den Hütten des Dorfes und rings in der Ebene stehen noch vierzehn Moscheen, außerdem drei Badeanlagen und eine merkwürdige Turbe mit einem Dache in Form einer achtseitigen Pyramide. In Grundriss, .•\ufriss und Veduten reproducierte Niemann die ge- waltige sogenannte Sultan Selim-Moschee, die als ein Muster des strengen und doch zugleich prächtigen Stiles älterer mohammedanischer Architektur an die arabischen Bauten Siciliens erinnert. Sie besteht aus einem von Arkaden umgebenen Vorhofe und der eigentlichen Moschee, deren aus Ephesus stammende .Säulen in weiter Stellung zwei Kuppeln tragen. Die Kuppeln sind innen mit herrlichen Terracottafließen verkleidet, am Boden liegen Trümmer eines Pracht- thores mit Resten von Ornamentmalerei und Ver- tiefungen für eingelegte Steinmosaiken, wie sie ähnlich im Theater von Ephesus vorkommen. Die mehr als 50™ lange Hauptfa^ade des Gebäudes wendet sich gegen Westen. Sie bestellt aus weißen Marmor- blöcken, die einem antiken Baue, aber schwerlich dem Artemision, wie man früher meinte, entnommen sind, und hat reichumrahmte Fenster von schönsten Verhältnissen und ein hohes, mit Steinmosaik aus- gelegtes Portal, über dem sich das Minaret erhebt. -■\n dem Portal ist in Relicfarabeskcn eine monu- mentale Inschrift erhaben ausgemeißelt, die wir 1895

71

72

formen ließen. Die Formen verwahrt die Gips- gießerei des österreichischen Museums für Kunst und Industrie, woselbst Ausgüsse beziehbar sind. Einen solchen übergab ich dem kais. ottomanischen Antiken- museum in Constantinopel, dem wir unter anderem auch die altgriechischen Reliefs eines Grabes von Isinda in Lykien durch Herrn Herberdey im ver- gangenen Herbste zuführten; einen zweiten dem orientalischen Institut der Universitüt "Wien. Hier entzifferte den Wortlaut das w. M. Herr Professor

Dr. Josef Karabacek. Seinen freundlichen Mitthei- lungen zufolge tragt die Moschee ihren heutigen Namen mit Unrecht, ist vielmehr auf Befehl Sultans Isa I. von Aidin erbaut und die Bauinschrift am 13. Januar 1 375 angebracht worden; der Sultan ge- höre also, wie er früher bereits vermuthet, der Dy- nastie des Ai'dinoghlu eines der Zehnfürsten nach den Seldschuken an, deren Genealogie und Ge- schichte er 1871 festgestellt habe.

OTTO BENXDORF.

11.

(Wiederholt aus dem Anzeiger der philosophisch-historischen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in

Wien 1898 n.\TI-Vni.)

Die Unternehmung von Ephesus wurde im ver- gangenen Jahre fortgeführt mit einem Staatszuschusse und PrivatbeitrSgen, die wir der andauernden per- sönlichen Fürsorge ihres Veranlassers und Beschützers, Seiner Excellenz des Herrn Ministers für Cultus und Unterricht Dr Paul Freiherm Gautsch von Franken- thum, von Seiten ungenannter Gönner zu danken hatten. Nach einem ungewöhnlich regenreichen Winter begannen die Arbeiten Anfang April und wurden mit einer wechselnden Zahl von 70 bis 100 Arbeitern, von den beiden Hochsommermonaten abgeselien, un- unterbrochen bis zum 5. December fortgesetzt.

Im Frühjahre standen mir zur Seite Herr Dr Wolfgang Reichel und Herr Dr Julius Jüthner, als Architekt der Assistent der k. k. Staatsgewerbeschule in Wien, Herr Victor Höfert. Im Herbste übernahm Hofrath Benndorf selbst die Leitung und trat Pro- fessor George Niemann, unterstützt durch Herrn Höfert, wieder ein, ebenso für die kartographischen Arbeiten in neuerlicher Beurlaubung des k. und k. Kriegsministeriums Herr Hauptmann Anton Schindler, und zu kürzerem Aufenthalte Herr Professor Dr Philipp Forchheimer von der technischen Hochschule in Graz, der den ephesischen Wasserleitungen ein- gehende Studien widmete.

Zunächst galt es, den Plan der städtischen Anlage zu ermitteln, von der wir im Jahre 1896 einen großen Saal, nach seinen kostbaren Incrustationen vorläufig als Marmorsaal bezeichnet, aufgedeckt hatten. Das architektonische Hauptresultat dieser Arbeiten fasst die nebenstehende Skizze (Fig. 18) zusammen, indem sie im Maßstabe I : 1200 den Lauf der antilcen Mauern, ohne spätere Ein- und Überbauten zu be-

rücksichtigen, voll ausgezogen gibt, wo sie bis auf den Grund bloßgelegt wurden, in punktierten Um- rissen, wo sie mit Wahrscheinlichkeit zu erschließen waren.

Die Mitte der Anlage bildet ein annähernd 70" im Quadrat messender, marmorgepflasterter Hof C, den eine g'S" tiefe Säulenhalle umgibt. Die Zahl der Säulen bestimmt sich nach den Standspuren auf dem Stylobate der Südseite auf 26 an jeder Seite. Am Westende der Südfront sind noch vier Basen- sockel erhalten, der östlichste an der gegen den Hof gekehrten Nordseite ausgezeichnet durch ein kleines Relief, das Herakles und Telephos als Säugling unter der Hirschkuh darstellt. An der Rückwand der Halle zog sich, zeitweilig durch Thüren oder offene Säulenstellungen unterbrochen, eine mit polychromen Marmorarten vertäfelte AVand- decoration hin, deren Sockel im Südwesten noch in situ erhalten ist. Im Inneren des Hofes scheint nach dem negativen Ergebnis eines diagonal durchgezogenen Versuchsgrabens keinerlei Bauwerk, Tempel oder Altar gestanden zu haben. Füge ich noch hinzu, dass um das Peristyl in Nord und Süd eine Reihe von Sälen und ^ Gemächern sich symmetrisch ent- sprechen, so findet das Ganze seine nächsten Ana- logien in den großen Märkten kleinasiatischer Städte, wie sie in Magnesia a. M. und Priene zutage getreten sind, und wird demnach auch ohne einen epigraphischen Anhalt mit Wahrscheinlichkeit als Agora der frühen Kaiserzeit bezeichnet werden können.

Die decorative Pracht der ganzen Anlage gieng in einer großen Feuersbrunst zugrunde, die wir dem Gotheneinfalle des Jahres 263 n. Chr. zuschreiben

73

74

tliirfcn. Nach dieser K;il;istrophe, die mit einem vollkommenen Znsammenbiuclie alles Aufjjehenden verbunden war, wurde nnr ein llicil des Ganzen, der westliche, alsbald wieder iu öfTcntlicIicn Zwecken auf- und umj;cbaut, wiihrend der Mittclraum und die Säle der iil)ri^;en Seiten lanjje Zeit brach la;;en und

B.

LfZSl

^ Planskizze im Maßstabe1;1200

au[^. u^ez vVHoeferl

Fiff. i8 Agor.i der frülien Kaiserzeit

wohl erst beträchtlich, sp.iter durch die von Osten her vordringende priv.-ite Bauthätigkeit ausgebeutet und mit einem Netze von Hausmauern überzogen wurden, welche schlecht construicrt und nicht bis in die Tiefe fundamentiert sind. Dieser Sachverhalt er- klärt die große Verschiedenheit der Erhaltung: während die Mauern an der \Vestfront in mannig- fachen Umbauten heute noch bis 6™ hoch stehen,

sind sie in den übrigen Theilen last durchgängig bis auf ein gleichmälliges Niveau von o"X- ro'" über dem antiken FuUbuden abgetragen.

Den Haupteingang zur Agora vermittelte in der Mitte der Ostseitc das Propylaion I), mit je vier Säulen zwischen zwei Antenpfeilem, im Innern an Fuliboden und Wänden mit polychromen Marmor- platten belegt und mit Reihen von Statuen ge- schmückt, von denen die in Bericht I Sp. 6o und 64 erwähnten Trümmer her- rühren. Zu beiden Seiten erkennt man in den späten Hausmauern die Grundrisse von je drei Gemachem; in dem süd- lich an die Propylaicn an- grenzenden stießen wir auf Wandverkleidungen von M.armor und ein Fuß- bodenmosaik aus weißen Steinchen.

Die Mitte der Süd- seite nimmt der , Marmor- saal' .-h ein, an der Nord- seite liegt ihm der in den Maßen völlig entspre- chende Saal Ai gegen- über. Von der inneren Ausgestaltung des letz- teren war eben noch zu erkennen, dass sie der von Ai ähnlich war, ohne ein genaues Gegenstück zu bilden.

Schmale Corridore £1—* scheiden -li und ,4:: im Westen und Osten von je zwei etwa halb so breiten Räumen 7<i— •• Nur der südwestliche /Vi konnte bis jetzt genauer untersucht werden. Er zeigt die .Spuren mehrfachen Umbaues. Nach dem Gothcnbrande wurde zunächst der Eußboden im Innern um etwa 2"* gehoben und an Stelle des älteren Nordeinganges eine 7™ breite Treppe .ingelegt. In einer noch späteren Epoche wurde auch der Kußboden des Äußeren auf die gleiche Höhe gebracht, die Treppe überbaut und an

B3

75

76

ihrer Stelle eine rj" breite Tliür errichtet. Viel- leicht gleichzeitig oder nicht lange darauf grenzte man vor dem Nordeingange einen 33™ langen, 15" breiten Hof durch eine mit Nischen verzierte Bruch- steinraauer ab. In demselben fand sich im Schutte in Fußbodenhöhe nachstehende Inschrift: D. n. Coii- staiili I tnax. vict. ac \ Iriiiiiifalori, | semper Aug. | L. Cael. Montius I v. c. procons. \ Asiae, index \ sacr. cognii. \ atrio thcnnarum \ Constatiiiananim \ fäbricato excul\toqiie consti\tutit (sie) dedica\i<itque.

Dieser Epoche entstammt die Gestalt, in der der .Saal B\ auf uns gekommen ist. Der 32™ lange, 20™ breite Innenraum ist durch zwei korinthische Säulen- stellungen in ein breites Mittelschiff und zwei auf- fallig schmale Seitenschiffe geschieden. Mächtige Ziegelpfeiler an den Längswänden trugen Bogen- stellungen, welche in Frieshöhe mit den Innensäulen durch Tonnengewölbe verbunden waren, über welchen vermuthlich ein nach außen ansteigendes Pultdach lag, während das Mittelschiff unbedacht blieb. Den Hauptzugang bildete außer der erwähnten Nordthür ein Südthor, zu dem man unter einem von zwei ge- waltigen spiralcannelierten Säulen getragenen Vor- dache über eine niedrige Treppe hinanstieg. Den Aufgang flankieren zwei Bassins, aus je fünf Fries- reliefs mit Ochsenköpfen und Guirlanden zusammen- gestellt, welche derselben Serie wie die im I. Berichte Sp. 60 erwähnten angehören.

Es kann kaum zweifelhaft sein, dass wir in diesem Bauwerke das atrium tUermarum der obigen Inschrift aus dem Beginne des 4. Jahrhunderts n. Chr. zu erkennen haben. Verwendung des Raumes als Kauflialle bezeugt eine an einem Säulensockel flüchtig einpunktierte Inschrift: lojtog iGt'i cfUfaTräv.

Ungefähr um diese Zeit wurde auch der Corridor E\ im Norden geschlossen und zu einer Latrine um- gestaltet. Die Längswände waren mit einfachen Stuck- malereien geziert, deren Hauptbestandtheil in Mannes- höhe sorgfältig aufgemalte Inschriften bilden, von denen zwei auf uns gekommen sind:

I. Aaj T.rjü x'.vriia; y.al wji, }(spl nazpov äsipa; y.(ai) iJv^Sx; -/.padirjO-sv, äXov dl -[ö] aöjna äovrjaaj, ij övi/ojv y.i^üjv cppiva tspiiso iit,5o as -faaTT|p |iij7i0-s AujtniaEtsv lnöv itoti SöJita iioaövtcc.

II. "Av |nj -f sXtunsv TÖv fiiov tov 3pa-iTr|V

-tVfÖVTSS ij Tp'JCpMVTSJ yj XeX0U|12V01,

öi'y/ri-/ sauTotj :;pOi£vo'j;i£v :iav"0XE ävajtouj öpÄvTES EÜ-uxsoxepous.

.\us der Nordwestecke von Si führt eine noch in situ erh.altene marmorne Doppelthür in die Gemächer der Westfront, von denen aber bis jetzt nur ein ganz geringer Theil freigelegt ist. Fest steht nur, dass hier das Niveau schon ursprünglich ungefähr auf der Höhe lag, auf welche es in ßi erst durch die ge- schilderten Umbauten gehoben wurde. Gewaltige .Steinpfeiler, welche gegen Norden in eine durch- laufende Mauer übergehen, sind im Osten und Westen angeordnet, stehen aber in keinem ersichtlichen Zu- sammenhange mit den in Material und Technik nahe verwandten Mauern und Pfeilern des angrenzenden sogenannten großen Gymnasiums.

Vor jedem der bisher aufgegrabenen vier Pfeiler stand eine Basis; von zweien sind die Inschriften erhalten, darunter die auf dem Plane mit a bezeichnete, welche für die Datierung der ältesten Bauperiode wichtig ist:

["ApT£|w5i 'EcfEoJat (eradiert)] xat AOtoxpa-opi | Kaiiapi isgaaTWL xai -& (sie) vEtoxoptoL 'EcpEaiwv | 5T|J1(üc Eiil äv9-u7iaT<JU Ho. KaXo'jsiaiou 'Pouawvoj (zw. 84—87 n. Chr.) KXauäta | itiXiitTiou -/.al MsXiaaii); a-r^izr^f, Tpo^iiiK) Esp-^ vt[al] vtpu-avi[;] | äv»3-r]XEV, ■;panna-[E'Jov:oj] Ti[J3. K]X. Apta[-L(!)]vo; -[oO A]a'.-1 apx'J'J, ä-';-/.a':E3[-rpE]v [i-l -cpaJUM-aC'swj xoO] i 5ri|iou "I[o'jX]ioij [TO-'.av[oa.

Eine zweite, bilingue (6) ist der Artemis, Kaiser Traian und dem S^|ioj von Ephesos gewidmet ; Weih- geschenk war eine Gruppe, Dädalus und Icarus.

An Sculpturfunden zeigte sich das Innere der iVgora unergiebig; der alsbaldige Wiederaufbau der AVesthälfte und die später von Ost nach AVest all- mählich vorschreitende Ausbeutung der Ruine hatte eben nur an dem Punkte {c auf dem Plane), wo sich die Broncestatue, ,der Knabe mit der Ente' und die meisten der Architekturfragmente gefunden haben, eine Stelle unberührt gelassen, und diesem Umstände danken wir die Erhaltung dieser Kunstwerke. Vor der Nordfront von Bi lag aber in hohem Schutte ein colossaler Marmorlöwe römischer Arbeit.

Dagegen lieferte der Schutt am Südende der Latrine und des Saales Bi bis nun an 100 theilweise umfangreiche Bruchstücke eines großen Hochreliefs mit ungefähr lebensgroßen Figuren decorativer, aber flotter Arbeit der ersten Kaiserzeit. Mindestens zwölf meist ruhig stehende Figuren sind bereits mit .Sicher- heit nachzuweisen, ergänzende Funde voraussichtlich. Interessant sind zwei Flussgötter, ein weiblicher Kopf, neben dem links ein Ve.sillum erscheint, das als Ab-

77

-iciclien einen Stern in der Öffnung eines Halbmondes zeigt, sowie eine isisartige Gestalt in Fransengewand mit pilosähnlichem Hut auf dem sorgfältig gedrehten Lockenhaar.

Als zweites Grabungsobject wurde im Herbste das Theater in Angriff genommen. An den West- hang des Panajir-Dagh gebaut, öffnet es sich gegen den großen Hafen hin. Der hoch den Berg hinansteigende Zuschauerraum misst an seinem von mächtigen Gewölbebauten getragenen unteren Ende über 200"" im Durchmesser; zwei Diazomata scheiden ihn in drei Ränge, auf dem obersten Umgange lief eine Säulcnstellung hin. Hoher Schutt, aus dem die verschiedenartigsten, aus kostbaren Marraorsorten gefertigten Sculptur- und Architekturfragmente empor- ragen, bedeckte die Orchestra, ein Trümmerberg von über 100" Länge und 15°" Höhe bezeichnete die Stelle des Skenengcbäudes. Auch nach Woods schädigenden Tastgrabungen blieb es eine lohnende Aufg.ibe, dem Baue ein gründliches .Studium zu widmen.

Aus technischen Gründen wurde von der Ebene her liegonnen imd in etwa sechs Wochen die Rück- seite und ein Theil des Inneren der Skene, sowie ein Stück der Südparodos bloßgelegt. Drei Bau- perioden lassen sich mit Sicherheit erkennen: die ursprüngliche, gewiss noch der Stadtgründung ange- hörige Anlage, ein römischer Umbau aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts n. Chr., endlich mehrfache Restaurationen aus späterer Zeit. Auf den ersten römischen Bau bezieht sich die in zwei gleichlau- tenden Exemplaren am Nord- and Südeingange an- gebrachte Inschrift Wood Great Th. Nr. 3, auf die späteren die beiden bisher nur aus ungenügenden Ab- schriften bekannten Epigramme CIG 2976 = Le Bas 150 und Rh. Mus. XXXIV S. 212 (vergl. Anlh. Pal. IX 694), welche hier nach neuer Lesung wiederholt werden mögen (Kaibel: ,IV fere saeculi videtur') :

I. TipHEo y.ai ay.T|Vfj; noX'j|-,'T,3-so; r/.Tod-i jiiiivojv MijiaX'.vo'j y.ÄE'.voi; if-fllias'.v t,56|1£voj, r/.z. 0-sä-po'j y.Oy./.ov -sptciji'.ov | IjEaacoaeV navSajiä-üjp 3= yj.i-ioi | v.if> ipr,-,'oaOvr,i. E'j-'jx«»;.

II. Tyjv ^piapijv ä'|T5a, y.apTSpov £p|ia a-faTpcj, | ?gpxsO xai a-aüiiajs töv äj-.ov oly.ia-:ripa | irjÄE-^aviO; 'Eyisou, jipo^EpiaTspov "Av3poy.), is, | Ms33a>.'.viv, |is-f°'^'iS Aair,; |i£-fav EfVuvrrjpa.

Hellenistischer Zeit entstammen der größte Theil ilcr Umfassungs- und Stützmauern des Zuschauer- raumes, eine lange Terrassenmauer, welche die Bühne im Westen begrenzt, und ein zierliches gesäultes Brunnenhaus ionischen Stiles mit Löwenköpfen als Wasserspeiern, sowie der Kern des Skenengcbäudes, der durch spätere Umbauten mehr verklcidi-t und überdeckt, als beeinträchtigt wurde.

Über die Bedeutung des hier Aufgedeckten ist vor Abschluss der ganzen Grabung ein sicheres Urthcil noch nicht möglich; man erkennt eine Reihe nebeneinandcrliegendcr, etwa quadratischer Kammern, welche sich durch Thüren nach einem überwölbten Gange öffnen, der in dieser Gestalt dem römischen Umbau angehört und durch einen Mittclgang mit der Orchestra zu communicieren scheint. Die Kammern waren zweigeschossig, die sorgfaltig gearbeiteten Quaderwände zeigen deutlich die Löcher und Lehren für die Balken und Bretter der Decke; in ihnen fanden sich, aus den oberen Theilen der scaenae frons herabgestürzt, mehrere Sculpturcn, viele Inschriften und massenhaft Thonlampen und Terrasigillata- fragmente.

Von Sculpturen nenne ich eine Marmorstatue der Nemesis-Tyche, langgcwandct, mit Polos auf dem Haupte, Palmzwcig in der Rechten, Füllhorn in der Linken. Ein Greif sitzt an ihrer rechten Seite, Welt- kugel und Steuerruder an der linken vervollständigen die Reihe der Attribute. Nemesiscultus bezeugt auch die aus einer späteren Mauer an der Nordparodos gehobene Inschrift:

!\-fa!)^ T6z[v).] | 'H -iX;; i-s3y.[£-j]a3=v -.0 -po- v[r;i]|ov -.o~> Ne[h]£3[s;o!j] | iv. ::poad3(o[v Aa£(y)]a; ni-:E'/T£/,/.[r|; | -,'p]aiijixtE')Ov[To;ll 51. :\poT/y.rjt[oy | ()1'1t,3;'>') Mia-ptSlä-O'j].

Ein bärtiger Marmorkopf, Porträt etwa des 3. Jahrhunderts n. Chr., interessiert durch eigenartigen Kopfschmuck, einen schmalen Reif, auf dem kleine Büsten aufsitzen. Fragmente ähnlicher Köpfe traten 1896 .auf der Agora zutage, ebendaher stammt ein Stück eines Broncecxemplars. Von den Inschriften, worunter eine Reihe wichtiger Fragmente aus dem dritten Jahrhundert v. Chr., sei hier ein Brief des M. Aurel und L. Vcrus wiedergegeben:

A'JTOxpiTwp Kxi3ap Mäpy.o; .\'Jpr|J.to; 'Avror/ctvo; ! ilcpasTo; xal AÜTOxpiTwp Katsxp Ao-V/.;^ '^'J^fJ I iapaTTÖj '.\p|isvtay.öj iViK-lm Eüp'jy.Xsi | y.aipsiv. |

'0-.: |i£v 'iTt ävl)'j-äT(i)v JoOivua 35 t^ -fspo'jaia Tmv 'K-,fS3i(i)v I Xo-,'i3TT,v sy.s£'/0'.; I3e; nspl (uv f^nipstj äva;;EpEiv, aÜTÖ; ts sü-fv'* l'^"""); si>jX(03a; iT.:<r:%-

79

8o

|i£vo; y.al rjiisi; 5ti toOto S7is|ivy,367i|L£V. d); nv) fai5i(o; ävaYsaöac -iivas xt?) jtapadsrfiiair o Se itfiÄTOv f;|üv svioivwaas, | zb vispl -cö)v äp-fupöiv eixovrav 7ipä-f|j.a öj; ä>.r|9o); zfiz rjusTspag auvxropijae | [ws] TCpoa3e6[iev&[v] SfyÄiv iaxt oQi v.aX tyjv stg Tag äXXag spojxrjost; ä-^op|iT|v a'j|J,pE [^Xt;(V)]hsvov. Ta; ouv st-/.6va; xöjv AÜToy.pa-6p(ov, aj äjiozslaOai Xi^st; £v Tto o'jvö[äpt|(o TO'Jxe) TiaXaia;, Ivi |i£v Xd-fo) -aaoc; Sox'.|j.a5o|iEv cfJuXaxö'^vai xc>i; övonaaiv, i'f o ][?] -fi-fovsv aCi-wv hvidozYi, st; Se ^[lExspou; x"P°"'''^'JP°'S H^j^iv xi xf;; öXY]g Exstvrj; | [|i]£X!x:f£ps'.v xxX.

An der Südpnrodos fand sich außer kleineren Bruchstücken ein größerer Block der Salutariosin- schrift Hicks Brit. Mus. CCCCLXXXI.

Einem Funde, den Otto Benndorf bei einer topo- graphischen Recognoscierung auf dem Panajir-dagh machte, danken wir den Gewinn eines eigenartigen Rundbaues aus späthellenistischer Zeit. Hoch am Abhänge dieses Berges südöstlich über dem Theater, etwa 100"" über dem Meeresspiegel gelegen, be- herrschte er das ganze Thal mit reizvollem Ausblick über die Hauptniederung der St.adt und den großen Hafen zum Meere.

Zwar stand außer dem im Gebüsch bisher unbe- merkt gebliebenen wohlerhaltenen Fundament wenig mehr in situ, doch förderten die Grabungen so viele Bau- glieder zutage, dass George Niemann eine im wesent- lichen gesicherte Herstellung des Ganzen zu geben vermochte. Auf viereckigem, nach allen Seiten frei- stehendem Fundamente erhob sich ein cylindrischer Bau, massiv aus Gusswerk hergestellt und mit Marmor verkleidet. Der Unterbau, 8" breit und tief, und 2™ hoch, ist aus sorgfaltig behauenen Rusticaquadern hergestellt und gleicht in der Technik den aus dem zw'eiten Jahrhundert stammenden Stützmauern des Zuschauerraumes im Theater von Magnesia a. M. (Dörpfeld, Ath. Mitth. 1894, S. 66, Taf. IV.) Der Oberbau war zweigeschossig. Über einen niedrigen Kreiswulst von 6"5 " Durchmesser hochkantig ge- stellte Platten bildeten den Sockel; einfach profilierte Decksteine vermittelten als oberer Abschluss den Übergang zum ersten Stockwerke, einer rings- geschlossenen Rundcella mit zwölf dorischen Halb- säulcn, Architrav, Triglyphenfries und Geison. Darüber baute sich als zweites Geschoss ein ionischer Peri- pteros, zwölf zierliche Säulen auf niedrigen Basen vor eine glatte, frieslosc Wand gestellt. In beiden Geschossen, besonders aber im ionischen, weichen die einzelnen Architekturglieder in auffälligster Weise von dem üblichen Forraenschcma ab, so namentlich

im Capitell das an der Innenseite regelmäßig ge- bildet, an der Außenseite von einem Rankengeflecht derart überwuchert ist, dass Voluten und Echinus vollkommen darunter verschwinden. Nicht völlig klar- gestellt ist der obere Abschluss; wahrscheinlich lei- teten ein oder zwei Zwölfeckstufen zu einer niedrigen runden Attika über, die wieder das Dach in Gestalt einer sechseckigen .Stufenpyramide trug. Der Be- krönung des Ganzen sind vielleicht zwei Fragmente eines roh bearbeiteten runden Stammes oder Pfahles zuzuweisen.

Leider gibt keine Inschrift Aufschluss über Zeit und Bestimmung des Bauwerkes. Die Technik und Durchbildung der Einzelforraen gestatten indessen, den Bau der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts V. Chr. zuzuweisen.

Die Lage innerhalb des Stadtgebietes wie die architektonische Gestaltung schließen einen Bau von sepulcraler Bedeutung aus, der Mangel eines zugäng- lichen Innenraumes den Gedanken an Verwendung im Cultus. Die Nähe des Theaters lässt zunächst an die Tripodenstraße und das Lysikratesmonument denken ; doch wird man eine speciell attische Sitte, die überdies auch in Attika zu jener Zeit längst außer Übung gekommen war, nicht ohneweiteres nach Kleinasien übertragen dürfen. Auch die Größe des Baues wäre für ein choregisches Denkmal auf- fällig und würde die finanziellen Kräfte eines Privat- mannes jener Epoche überschritten haben. So führt alles dazu, in dem Monumente ein Erinnerungszeichen an einen militärischen Sieg zu erblicken. Dann mögen die erwähnten Reste eines Baumstammes oder Pfahles von einem Tropaion, das den Bau krönte, herrühren; Rundbauten als Tropaienträger sind ja bekannt, die .Sitte, Tropaien zu errichten, für Ephesus selbst durch .Xen. Hell. I 2, 10, Plut. Ale. 29, I bezeugt. Einen bestimmten Anlass freilich namhaft zu machen, mag bei der lückenhaften Überlieferung der Geschichte von Ephesus gewagt erscheinen, doch wird ein Hin- weis gestattet sein auf den Seesieg der Epheser bei Kyrae über den attalischen Kronprätendenten Aristo- nicus (133 oder 132 v. Chr. Strabo XIV p. 64G. Vgl. Wilcken, Pauly-Wissowa R. E. II S. 962), der sicherlich zu der Begünstigung der Stadt seitens der Römer bei Einrichtung der Provinz Asia beitrug.

In christlicher Zeit wurde das Fundament des damals schon großentheils verfallenen Baues mit in eine kleine Kapelle einbezogen, auch sonst traten an der Bergseite später Mauern an dasselbe heran. Sculpturfunde mangelten ganz, ebenso Inschriften,

8i

82

;ili};csehcn von einer christlichen Grabschrift, dagegen fanden sich im Schutte massenhaft Bruchstücke ver- schiedenartiger Thonware, viele Lampen und eine Anzahl Terrasigillatafragnicntc mit griechischen und lateinischen Stemiicln.

Die Anlagen zur Wasserversorgung der Stadt schildert Herr Forchhcimer wie folgt: „Als die Ephescr zuerst gcnölhigt waren, Wasser in die Stadt zu leiten, werden sie die Quellen eines Baches ge- fasst haben, neben dem heute der Weg nach Azizieh im Thalgrundc führt. In der hellenistischen Zeit brachten es Thonrohrleitungen auf den Kalkstein- abhang südlich der sogenannten Agora und stellten es dort in der bedeutenden Hohe von go" über Meer zur Verfügung. Zwischen 4 und 14 n.Chr. wurde über das genannte Thal ein dem Augustus gewid- meter dreibogiger .'Vquäduct erbaut, der die Inschrift CIL III 424 trägt und von Prof. Niemann und Herrn Höfert genau aufgenommen wurde. Doch genügte die eine Leitung nicht mehr; raan vereinigte die im Kalkzuge südöstlich von Scalanuova entspringenden Höhlenwässer von Deirmen-dere und Kel-tepe zu einem Gerinne, führte dieses mit sanftem Gefalle die Lehnen entlang, überquerte die Thäler mit 15 zum Theile gewaltigen Bogenstellungen, unterfuhr auch wohl die Erdhügel mit Stollen und brachte die Wassermasse auf den Sattel südlich vom sogenannten Gefangnisse des Paulus in das Weichbild der Stadt. Dann folgte wieder ein Gerinne und ein über 600" langer, überwölbter Gang, der über dem Kern der .Stadt 60™ über Meer sein nunmehr freigelegtes Mundloch hatte. Wie ein Zerrbild dieser hervor- ragenden Anlage erscheint ein Gerinne mit besonders hässlichen Bauten, welches den Nord- und Ostfuß des Panajir-Dagh umzieht. Kleinere Anlagen, Thon- rohrstränge von verschiedenen ärmeren Quellen, eine Cisterne oberhalb des Theaters, ein ummauerter und überwölbter, also aufstaubarer Wildbach an der Straße nach Magnesia unterstützten die großen Quell- leitungen."

„Auch dem Tempelbezirke des Artemisium wurde aus weiter Entfernung, von Kaja-bunar 23 Kilo- meter Weges von Ajasoluk Wasser zugeleitet, mit ähnlichem Gerinne und ähnlichen, wenn auch nicht so zahlreichen Kunstbauten, wie sie die Lei-

tung von Deirmen-dere aufweist. Für die Fortsetzung des Gerinnes hielt man einen langen Bogenaquäduci, der vom Hahnhofe durchbrochen jedem Rei- senden sofort in die Augen fällt. Allein die Kämpfer der Bogen liegen höher als das Gerinne, der Aquä- duct kann daher nicht mit ihm in Zusammenhang gestanden haben. Dagegen könnte man eine Beziehung desselben zu zahlreichen in Ajasoluk vermauerten oder verstreuten Steinröhren vermuthen. In Graz vor- genommene Versuche zeigten, dass Steinstränge Hoch- druck von 100™ und mehr aushalten konnten, und unterstützten die Annahme, dass der Aquäduct einen Steinstrang getragen habe, der Wasser bis in die Burg von Ajasoluk brachte."

„Auch die Türken haben Spuren ihrer Thätigkeit hinterlassen, neben dem Bogenaquäduct Thonrohr- stränge verlegt und zur Sicherung gegen hohen Druck die bekannten Su-terasi-Thürmchcn errichtet, endlich auf der Burg vier gedeckte Cisternen erbaut und eine den Gipfel krönende byzantinische Kirche in eine vermöge ihrer Lage weithin sichtbare Cisterne verwandelt."

„Herr Fritz Dörner hat im Laboratorium des Herrn Professor Emich an der technischen Hoch- schule in Graz aus einem Thonrohrstrange der antiken Stadt stammende Dichtmasse untersucht und gefunden, dass sie hauptsächlich kohlensauren Kalk, geringe Mengen anderer anorganischer Stoffe und 3'4 Proc. organische Substanz enthält. Sie könne Ölkitt, wie ihn Vitruv erwähnt, sein, der im Laufe der Zeit organische Substanz verlor."

Herr Hauptmann Schindler hat die Karte der Umgebung von Ephesus (Radius 10 Kilometer) in Angriff genommen und die Aufnahme des Ostens und Südens im wesentlichen zum Abschlüsse ge- bracht.

Auf einem AusHuge nach dem vier Stunden nördlich gelegenen Küstenorte Notion constatierte Otto Benndorf, dass daselbst in neuerer Zeit Sculp- turen ausgegraben worden sind, welche die ein- gehenden Berichte von Schuchhardt und Wolters aus dem Jahre 1886, auch die Mittheilungen von Chamonard und Legrand aus dem Jahre 1891 nicht erwähnen. Einen näheren Bericht hoffen wir dem- nächst bieten zu können.

RUDOLPH HEBERDEY.

J.ihreshcfte des östcrr. archäol. Institutes Bd. I Beiblatt.

83

84

Ein Denarfund in Dalmatien.

In Krusevo bei Obbrovazzo, dem antiken Clam- verstreut; docli gelang es, bereits 98 Stücke wieder

betae, haben Bauern im Deceraber 1897 einen kleinen zustand zu bringen und samrat einem diesem Funde

Silberschatz von etwa 150 Denaren und Ouinaren angehörigen silbernen Ringe im Museum von S. Do-

sowie einigen Schmuck gehoben. Der Fund wurde nato zu vereinigen. Es sind folgende Typen vertreten:

A. Denare:

Acilia n. 8 (Babelon) Claudia I (2). 5. 15 (3) lulia 9 (2). 10. 11. Pomponia 6. 7. 21

Aemilia 8 Considia I 26(2). 105. 1 15. 158 Porcia 3

Antonia I. 51 (2 St.). Cordia I Licinia 16 (2). 24 Posturaia 10 (2)

77.105.106.113(2). Cornelia 50 (2) Maiania I (2) Rustia 3

114. 117. iig. 121. Fabia 15 Mallia I Scribonia 8

127. 133. 135. 136 Fannia I (2) Mamilia 6 Titia 2

Aurelia 20 (2) Fufia I Marcia 8. 1 1 (2). 28 Valeria 7

Caecilia 47 Furia 19 Mussidia 4. 8 Vibia 2. 17. 18

Calpurnia i Gellia I Nonia I Augustus n. 18 (Co-

Cassia 8. 10 Herennia I Poblicia 9 hen^).2l. 43(2) 98.

Cipia I Hosidia I. 2 Porapeia 22 137. 257. 259. 275

JB. Ouinare:

Antonia 42 (2) Cornelia 5 1 Porcia 7 Rubria 4 Augustus 14 (2)

Alle Stücke gehören dem jüngeren Fuß an, nach dem 84 Denare auf ein Pfund Silber geschlagen werden; das älteste Stück, Valeria n. 7, kann noch vor 200 geschlagen sein, der jüngste Typus, Au- gustus 43, fällt in das Jahr 2 v. Chr. Alle Exem- plare sind gut erhalten, die augusteischen zeigen zum Theil noch Stempelglanz; um diese Zeit also dürfte der kleine Schatz vergraben worden sein. Da bis rund etwa loo v. Chr. 13 .Stücke, von da bis J. 60 26, bis J. 41 weitere 32, bis J. 28 16, bis

91

zum jüngsten Gepräge bloß IG Stücke reichen, darf man annehmen, dass die noch nicht wieder auf- gefundenen Exemplare hauptsächlich den Decennien nach Caesars Tod angehört haben und wegen ihrer besseren Erhaltung einen größeren Kaufwert zu besitzen schienen, daher leichter Käufer fanden. Diesem Sachverhalt entspricht es auch, dass in dem Funde von Krusevo seltenere Sorten bloß aus der Zeit Caesars des Sohnes stammen.

GLAVINIC.

KUBITSCHEK.

Inschriften in Grado.

Die in früheren Zeiten herrschende Verschleppung von Denkmälern Aquilejas macht den seit Jahren im Auftrage des Ministeriums unternommenen Versuch, sie in einem illustrierten Kataloge zu vereinigen, zu einem mühevollen Unternehmen. Für dieses Werk habe ich im vorigen Sommer den Antikenbestand von Grado während eines längeren Aufenthaltes daselbst untersucht. Mancherlei findet sich zerstreut in den Straßen und Höfen der Stadt. Was im Jahre 1869 anlässlich von Renovierungen, die im Dome vor- genommen wurden, zutage kam, ist an einer Außen- wand seiner Sacristei eingemauert und auf einem von Girotto entworfenen Blatte flüchtig abgebildet in der .Schrift von G. Caprin, lagune di Grado, Trieste 1890

p. 221. Später zum Vorschein Gekommenes wurde hinter der Apsis des Domes deponiert, allwo auch gebrochen auf dem Boden eine schöne Säule aus der alten, jetzt traurig verputzten Vorhalle des Domes liegt. jVuch konnte ich aus Steinhaufen, die sich hinter der Domkirche im Laufe der Zeit gebildet hatten, einige antike Reliefs und Inschriften gewinnen und dort, getrennt von einer Menge interessanter mittel- alterlicher Denkmäler, zu einer vorläufigen Sammlung vereinigen.

Dem Bürgermeister des Ortes, Herrn Giovanni Corbatto, danke ich die Kenntnis eines in seinem Besitze befindlichen 78 Folioseiten starken Manu- scriptes, das der Priester P. M. Corbatto im Jahre 1862

85

86

vcrfasst und 'Notizic suU' isol.-i e citt;\ di Grado' betitelt hat. Außer mannigfaltigen Nachrichten über die Localgcschichte behandelt es in drei Abschnitten das Mosaik des Domes (p. 24 27), die in Grado 1860 gcfimdenen Sarkophage (p. 58 60) und die Inschriften (p. (Ji 63). Das meiste in diesem letzteren Theile hat er aus älteren, schon im CIL V benutzten Werken übernommen, auch Modernes zugefügt und einige Inschriften, die nie in Gradu waren. Ich gebe im folgenden nach der Reihenfolge des Corpus eine Übersicht der bisher bekannten epigraphischen Denk- mäler von Grado und vervollständige sie durch Inedita und Auszüge aus Corbatto, wo er aus Autopsie mit- theilt oder mitzutheilen scheint. Verschiedenheiten seiner sonstigen Lesungen anzufüliren wäre unnütz. I. CIL V n. 504. Corbatto n. i. Aus Capodistria, früher nUschlich Grado zugeschrieben. 2. n. 725. Corb. n. 6. Pais n. 62. Noch am Hause n. 133 der Domkirche gegenüber. 3. n. 748. Corb. n. 14. Seit 1832 im Museum zu Padova. 4. n. 751. Corb. n. 20. 5. n. 816. Corb. n. 16. 6. n. 838. Corb. n. 32. Verschollen, früher vor dem bei Caprin a. a. O. ]). 151 und 152 abgebildeten großen Stadtthor. 7. n. 89g. Corb. n. 5. Pais n. 72. Noch über der Thür der Kirche S. Rocco. Schlecht abgebildet bei Bertoli p. 131 n. 153, wenig besser bei Gregorutti, Archeografo Triestino XIII 1887 p. 154 n. 218, nach einer genauen Zeichnung L. Michaleks neu in Fig. 19.

erhalten und am Gesicht beschädigt, blickt aufwärts und hält das Vexillum, dessen Fahne aus einem frei an einem Querstabe herabhängenden, unterhalb be- fransten viereckigen .Stück Zeug besteht, in derRechten, während er die Linke an den Knauf des weg- gebrochenen Schwertes zu legen scheint. Derjenige links hält das Vexillum, von dem unten noch der Rest des Schuhes sichtbar ist (vergl. A. v. Doma- szewski, die Fahnen 77 flF.), in der Linken, während er die Rechte senkt; an einem rechtsläufigen Wchr- gehängc ein Langschwert. Gregorutti und Pais halien

EX auf beiden Fahnen .fj^TT "^kannt; die Schrifl-

züge sind sehr undeutlich, und erst ein .\bklatsch bestätigte mir die Richtigkeit ihrer Lesung. Die Inschrift muss sich auf die Darstellung beriehen, wird daher zu lesen sein : D{is) M{ainbiis). Aiir{eliiis) Sossiiis v{exillariiis) /(egioiiis) IV F(laviac) v(ivus) fecit s(ibi) et Iul{io) Valent(i). Vor ihrem Schlüsse erkennt man Reste von zwei weit von einander ab- stehenden Buchstaben, zwischen denen nichts in der Zeile stand: möglicherweise B und Q, so dass etwa an b{ene) q{uicscaytt) gedacht werden könnte.

8. n. 988. Corb. n. 29. Pais n. 79. Seit 1894 im Museum zu Aquileja. 9. n. IO35. Corb. n. 30. 10. n. 1099. Corb. n. 10: 'in un gradino di porta nella casa Monferrä dirimpetto alCampanile'. 1 1. n. 1099. Corb. n. g. 12. n. 1159 fehlt bei Corb., diente

Fig. 19 Sarkophagplatte in Grado.

Vorderseite eines Marmorsarkophages, 0*49 hoch, 1'8 ■" breit, unten gebrochen. In der Mitte eine große, mit flachen Nagelköpfen befestigte Tabula ansata, zu beiden Seiten je ein von Säulen getragener Bogen mit dem Relief eines in Vordersicht stehenden Fahnenträgers, beide vollbärtig mit kurzem Haupt- haar, in gegürteter Armeltunica und quer von der Schulter herabhängendem, verbrämtem und bespangtcm Mantel. Derjenige rechts nur bis zu den Knien

als Pflasterstein vor dem Hause Fachinetti n. 170, jetzt hinter der Dorakirche; unterer Theil einer Grab- platte aus Kalkstein mit breitem Rahmen, 0"45 "' hoch, 039 breit, 0M2 dick; Lettern 0-04— O'Oj " hoch, aus dem zweiten Jahrhundert n. Ch. Vom T in Z. l nur noch ein Rest vorhanden. 13. n. 1272. Corb. n. ig, aus Aquileja stammend, im Palazzo des Marchese Mangilli zu Udine. 14. n. 127g. Corb. n. 8. Pais n. 8g, jetzt im Museum zu Aquileja. 15. n. 1307.

6*

8?

88

Corb. n. il, Pais n. 91, jetzt ebenda. Übersehen wurden die Apices auf O und zweitem A in Z. I, auf V in Z. 2; es fehlen jetzt die beiden ersten Buchstaben in Z. 4 und 5. 16. n. 1362. Corb.

n. 26 aus Bertoli.

1366. Corb. n. 21 und

gleichlautend wiederholt n. 27 mit der Bemerkung ,Leggevasi in Barbana, portata li da Grado'. In Z. i ist wohl zu lesen . . . ia]c Lainyrae. 18. n. 1386. Corb. n. 17. 19. n. 1405. Corb. n. 28. 20. n. 1428. Corb. n. 7 mit der Angabe: ,incassata nel muro dell'atrio del Duomo'. 21. n. 1454. Pais n. 105. Gregorutti, archeografo Tr. XIII 156 n. 220. 22. n. 1607. Corb. n. 15, wohl Rest einer

Grabschrift mit der in Aquileja häufigen Wendung l^contrLi] votii\_in. 23. n. 1634, von Corb. p. 26 fälsch- lich unter die Mosaikinschriften des Domes gesetzt.

24. n. 1669. Corb. n. 4, jetzt im Hofe hinter dem Dome, 0'25™ hohe, o'23™ breite, 0'045™ dicke Marmor- platte, auf der die von Früheren beschriebenen eingra- vierten Figuren kaum noch bemerkbar sind. Zu Ende von Z. 2 Rest von T, in Z. 6 Ligatur von V und M.

25. n. 8301, jetzt in Aquileja, 0'29™ hohes, 0"33"' breites Fragment einer 0"I05™ dicken Marmorplatte mit 0'03 hohen zierlichen Buchstaben.

(Fortsetzung folgt. ^

Aquileja. H. MAIONICA.

Die Jahre.shefte des österreichischen archäologischen Institutes treten an Stelle der Archäologisch-epigraphischen Mittheilungen aus Österreich-Ungarn, welche zu erscheinen aufhören, und setzen die wissenschaftliche Richtung dieser Zeitschrift fort. Zusendungen werden an die Adresse des Institutes Wien IX Türkenstraße 4 erbeten.

WIEN, den 30. März i

Otto Benndorf.

BEIBLATT

Wcihunn einer kölschen Schi

(Zu Jalirc;

Die schöne und wertvulle Siele der Koer, die uns überraschenderweise der Hof des österreichisch- unyarischen Botscluiftspahiis /,u Hujukdere bescherte, ist von ihrem Hcrausgelier, ]■".. Kalinlca, bereits in ihrer Bedeutung;, namentlich für das Seewesen der Alten, gewürdigt; mir sei es noch vergönnt, sie von einem besonderen Standpunkte aus zu betrachten, der sich wohl als der rhodische bezeichnen lässt. Krcilich wird das sichere, wie auch immer gestaltete AbhängigUeitsverhältnis von Kos zu Rhodos, das aus dem wichtigen Sacralgesetze ') hervorgeht, gemeinig- lich nur für die kurze Zeit von 189 167 v.Chr. zu- gegeben, während man die Schriftzüge mit dem Her- ausgelicr nicht früher als in das erste vorchristliche Jalirliundert setzen möchte; aber wie sich anderwärts die Belege mehren, dass der Schlag, den Rhodos nach dem Perseuskriege von Rom erhielt, in seinen Folgen nicht so nachhaltig war, als man sich früher vorstellte, und dass zum wenigsten die Zeit der mithradatischen Kriege für die reiche Insel eine Nach- blüte bedeutet, so wird sich auch hier herausstellen, dass die rhodische Hegemonie noch kenntlich ist.

Zunächst freilich gehört die l^rkunde der Stadt Kos, wie Überschrift und Wappen bezeugen; durch das letztere vermehrt sie unsere Kenntnis der mit dem Stadtwappen geschmückten Inschriftsteine ^) um ein interessantes Beispiel. Nach der sehr ausführ- lichen Datierung, welche die directen Vorgesetzten bis zum Commandantcn des .Schiffes, diesen mitein- geschlossen, aufzählt, folgte, scharf abgehoben, im Nominativ der Stab und die Besatzungsmannschaft. Sie sind es also, welche unter den Zeichen der staat- lichen Autorität die Tafel gestiftet haben ; schwerlich aus dem einzigen Grunde, um ihre N.amcn zu ver- ewigen, sondern gleichzeitig auch um für Sieg und glückliche Heimkehr den Göttern zu danken, d. h.

1) Toepffcr, Beiträge zur griechischen Atterthumswissen- schnft 206; S. Rcinach, Rcv. des et. gr. IV 1891, 355 f.; zu- letzt GDI 3632.

2) Vgl. zuletzt V. Perdrizel, Hnll. de corr. hell. XX 1896, 549 ff.

3) Inschriftstcicn von M.ignesia a. M. und Ther.i, die am Orte verblieben sind, tragen das Stadtwappen. Aber nur am fremden Orte wird man zur Unterscheidung K(p(üV,

Jahreshefte des üslerr. archUul. Institutes, lid- I Heiblatt.

ffsmannschat't in Saniothnike?

hefte I 31.)

als ein Weihgeschenk. Und dieses wohl kaum auf ihrer Heimatinsel, etwa im Haupttempel des Askle- pios. wo das Stadtwappen, aber kaum noch die Überschrift Ktutov erklärlich wäre.') Man sucht ein auswärtiges, anerkanntes Heiligthum, das vor allem bei den Seefahrern beliebt war. Als solches bietet sich ungesucht der Bezirk der großen Götter von Samothrake. Dort ist eine .Stele gefunden worden, deren Vorderseite die Aufschrift KütKixYiViMv] und das Stadtwappen von Kyzikos trägt, daneben wohl erst in späterer Zeit mit allerlei, soweit wir noch sehen können, lateinischen Graffiti bedeckt; be- schrieben von O. Rubensohn nach einer Mittheilung des gelehrten Arztes Phardys, danach gesehen und richtig erklärt von O. Kern. Auf der Rück.seite steht die eigentliche Weihung, um deren historisches Ver- ständnis sich Rubensohn Verdienste erworben hat; auch hier hilft Kerns Revision, deren Ergebnis das Facsimile zeigt, mehrfach weiter.^) Wir lesen da etwa Folgendes:

['Er.i TOü ästvog Imza.py^su)'], ir.l ^aatXetu; 31 sv Sa- [lioS-pqjxis -oü 8etvoj i:apf;oa]v (V) ol trLpaie'jaansvot [|is-ä a-paTjyj-foO &v9->Tti-o'j

[y.al vauap/ou xoO Sslvo; y.a|i äpy,ov-os 'Av?p£a xal Tpt- [Tipapxo'jvtoj TO'j 5c!vo; \v'>G-yL]'. E'JaE|i£i;* Sstvx xa]'. iaiia-fopa? [«l'iJXtay.o'j ^) (und andere Namen) Darunter setze ich die Datierung der Kocrstele, wie sie Kaiinka gibt:

^-[■['''■'I^HI"'!'''-' ~^'^ c-.i/.ou zavTÖ; A'j- 2

Xo'j Tspe[v]-fou Aü[X]ou ulo'j Oüapptuvo; ;;pEaߣUT[ä, va]uapx.o'Jv:!3; EOdä-

|iou -[o'j ], TptTjpapxo'jVTo; KÄ[s]- 5

[o]vtxou [xo-i] Eü[y.äpii]ou -STpT^ps«);, a: st:Ii]-

[fjpasfjä , lp-;oi> nEJtatorpäxou -[oO]

|'AX|i[o8;ö)p1o'j]-

AO-YJvaftOV u. s. w. hinzugefügt haben ; in der Heimat ver- steht sich ohne Zusatz von selbst, d.läs Bürger der Stadt gemeint sind.

*) O. Rubensohn, Die Mystcrienheiligthümer in Eleusis und Samothrake 1892, 227 ff. O. Kern, Ath. Mittli. XVIII

1893, 356 ff-

5) So nach A. Wilhelm, Arch.-cp. Mitth. aus Österreich XX 1897, 71 Mitte.

7

91

Ich schlage hier vor, um mit den Kleinigkeiten zu beginnen, das Kolon hinter TpiTif.apyoOvxoj zu tilgen und sich den TpiVjpapxoS "£"pr|P£to; ruhig ge- fallen zu lassen; zum Genetiv te-pT,pstü5, nach der Koine mit Endung e(o; für dorisch loj vom Nominativ TSTp'^p'.; gebildet, der unbelegbar scheint, vergl. aus Rhodos'') 't£"pr,p£(ov, wie man jetzt wohl vorziehen wird zu betonen. Weiter mache ich die Möglichkeit geltend, an Stelle des Erbauers des Schiffes den heimischen Eponymos zu setzen; dann würde die Z. 7

[-flpacf[a , |J.ovapxou IlE]iaiaTpa-:^'j ~[oS\

obwohl man vielleicht mit Recht Bedenken tragen wird, diese Behörde inmitten all der Kriegsleute ohne zwingende Veranlassung einzusetzen.

Im übrigen springen die Ähnlichkeiten beider Inschriften in die Augen, auch ohne die von mir in der Ergänzung des samothrakischen Steines ver- suchten Nachhilfen. Die Verschiedenheiten sind nicht gering; namentlich fehlt in der Koerstele jeder Hinweis auf Samothrakes Behörden und Cult. Kam dergleichen darin vor, so müssen wir es in den Schluss versetzen, was keine Schwierigkeiten haben dürfte; wenn nicht iiüaiac sOaeßsi;, so doch S-soTj ToT; iv Zafio3-pqfy.a j^apiaTVJptov ist leicht er- gänzt. Es versteht sich für den, der gelernt hat, dass bei den Griechen überall die Individualität zur Geltung kommt, von selbst, dass derselbe Zweck von Angehörigen zweier Städte auch zu gleicher Zeit auf verschiedenem Wege erreicht wird. Trotzdem liegt es mir fern, den Schluss als sicher zu bezeichnen; nur eine Möglichkeit ist es, die auf einer Reihe von Analogien beruht, wenn ich es ausspreche, dass die koische Stele sich sehr gut als Seitenstück zu der Weihung der Kyzikener erklären lässt, gleichartig durch das Stadtwappen, durch die Datierung im allgemeinen, durch die Bezie- hung auf den Seekrieg unter Roms Oberleitung, durch die vom Schriftcharakter ungefähr bestimmte Zeit, und im besonderen durch die Vorgesetzten.")

Von diesen war der Commandant sicherlich ein

6) IGIns I 45. Auf den Spr.ichgebr.iuch des Rhodiers Zenon führt H. Ullrich, De Polybii fontibus Rhodiis diss. Lips. 1898, 6j das Polybianische (XVI 5, i) ^-CptTfjpapXsTv (eti.im de quinqueremi dictum!)" zurück.

^) Die äußere Möglichkeit der Verschleppung ist unnöthig zu beweisen ; auf einen Fall, dass ein Stein von Saraothrake nach den Dardanellen gekommen ist, hat O. Kern, Beitrage für Dicls 1895, 105 Anm. 2, hingewiesen ; natürlich konnte der Stein, einmal verladen, ebensogut nach den Dardanellen wie nach Constantinopel kommen.

8) Vgl. den Index bei Paton-Hicks S. 372. EÜxXEtXOU scheint es nicht gewesen zu sein, obgleich auch dies gut koisch

Koer; dafür spricht der sicher ergänzte Name des Vaters E'j"/.ap7;o;.') Auch der Name des Nauarchen E'JSajios ist auf Kos häufig; aber der Titel ist aus- gesprochen rhodisch. Wir kennen auch einen rhodi- schen Nauarchen des Namens, dem die Ehre geworden ist, den großen Hannibal in seiner einzigen .See- schlacht zu besiegen. °) Das war 190 v. Chr.; es könnte sich hier also nur etwa um den Enkel han- deln. Der wichtigste von allen ist der Führer der ganzen Flotte A'jäo; Tspsvxios AüXo'j uio; Oöäppcuv T^psoßs'jxä^, denn er ist datiert. Die stadlrhodische Basis (IGIns I 48), die ein Werk des Künstlers Plutarchos von Rhodos trug, lehrt uns einen namen- losen Rhodier kennen, der zu fünf hochgestellten Römern gieng; zuletzt -otI A'jäcv TepsvT'.ov A'jXo(u) üiöv O'jxppojva 7:pE3^s'jTav Pioitaiiov. C. G. Brandis meint'") als Gesandter auf einer einzigen Rundreise durch Asien und Makedonien. Bestätigte sich diese Auffassung, so würden damit die Beziehungen zu allen fünf Römern auf fast denselben Zeitpunkt fallen. Das wäre wichtig, und darum muss ich hier nochmals auf die Frage nach der Zeit dieser Inschrift zurückkommen.

Die Plutarchinschrift von Rhodos habe ich am Tage ihrer Auffindung bis auf das Jahr genau zu datieren geglaubt. Nach dem Imperator-Titel, den der dritte Römer, L. Licinius L. f. Murena, schon führt, kann sie frühestens in das Jahr 82 fallen. Den ersten Römer, AäOy.tGV KopvrjX'.ov As'jxiou 'Jtov ' 3-fa-a-föv dvS-UJia-ov 'Ptunaituv, hielt ich für Sulla; da seine Ernennung zum Dictator im November 82 nicht berücksichtigt ist, konnte die Inschrift meiner Ansicht nach nicht wesentlich jünger sein; also fiel sie offenbar in das Jahr 82. Dagegen erklärte Th. Mommsen ") Sulla wegen der unzutreffenden Titulatur und aus einem anderen Grunde für ausgeschlossen. Was die Titulatur betrifft, so ist dieses Argument jetzt nicht mehr so beweiskräftig, seit in Halikarnass von Hula und Szanto genau der gleiche Verstoß nachgewiesen ist.'-) Auch ein zweites Argument ist

ist. Beiläufig möchte ich Z. 8 statt des unverständlichen Namens Ka[pXl|ieV7jl^, dessen Herstellung sich nur auf die Velsen'sche Lesung von CIA II 1247 b Kapy.'.SajlOä stützt (vgl. Bechtel-Fick, Gr. Personennamen 90I, das naheliegende

Kapxiiisvr); vorziehen; vgl. Kap-L3a|ia;, Kap-rivixo;.

.■\uch der attische Name dürfte aus KapTtSällOS verlesen sein.

9) Vgl. IGIns in 103, 13.

10) Brandis, Gott. gel. Anz. 1895, 647 ff.

11) MommSen, Sitz.-Ber. Berl. Ak. 1892, 845 ff.

12) Sitz.-Ber. Wiener .A.k. 1894. 29. ': [AsJÖXlolv

KJopvT^Xiov Asuxiou ucö[vl Sü/,Xa[v] otpaxrj-föv äv9-ü-

7:a-0V 'P(0|la;u)V. Auf diese Inschrift macht mich jetzt auch

93

94

wohl nicht mehr unbedingt zwingend. Mommsen hatte die ersten drei Romer für Statthalter von Asia gehalten; dann konnte allerdings Murena nicht wohl durch einen anderen Statthalter Asiens von seinem unmittelbaren Amtsvorgänger Sulla getrennt sein. Aber für den zweiten Römer, Asüxtov KopvKjX'.ov Asuxfou uEöv Ai'/TsXov äv9-C)7caTOV, könnte die Vcr- muthung von Brandis zutreffen, dass es sich um einen Statthalter von Makedonien handelt. Dies hatte auch Theodore Reinach''') vermuthet, und wenn auch sein Hauptargument, die Angabe einer saraothrakischen Inschrift, nach seiner eigenen gütigen Mittheilung auf einen ,lapsus memoriae' zurückgeht, während die Gleichsetzung mit dem Freilasser des Alexandros Polyhistor, Kcy/r^X'-o;, AsvTOU?.oj (Suid. s. "AÄE|av5poj VI), bestehen bleibe, so wird damit die Vermuthung selbst, auf die Brandis ja auf ganz anderem Wege gekommen war, noch nicht beseitigt. Und jedesfalls hält Reinach auch jetzt an seiner Deutung des ersten Römers auf Sulla fest. So gelingt es vielleicht, die Thätigkeit des Varro in das Jahr 82 festzulegen; aber auch die weitere Bestimmung 82 74, die sich Mommsen aus der Übernahme des Oberbefehls gegen Mithradates im J. 74 durch den vierten, noch als äv-iTanix; bezeichneten Römer Lucullus ergibt, wäre schon willkommen, um die koische Stele als eine neue Urkunde von Bedeutung für die Geschichte der mithradatischen Kriege freudig zu begrüßen.

Um die Entstehung dieser Weihungen noch näher zu erklären, möchte ich nur noch mit einem Worte an die Vereine erinnern, welche die Mann- schaften eines Schiffes unter sich bildeten. Die Basis der Künstler Epicharmos, Vater und .Sohn, die keines- falls lange nach loo v.Chr. fallen kann, da Epichar- mos Vater noch einem Mitkämpfer der rhodischen Seeschlachten von 200, 197 und 190 eine Statue ge- setzt hat,") nennt ein i;a|ioO-pa'.-/.;aa-:äv Msaoviujv y.oiviv und ein 2a|i'ii)-pa;x'.xa':äv y.ai Ar,[iv".xaiäv "oiv 0'jva-:paxg'joz[iivu)v xoivöv. Also auch hier haben wir die großen Götter mehrfach vertreten; sie hatten Eilialen auf Rhodos und der rhodischen Insel Kar- pathos; doch zeugen auch die Inschriften von Samo- thrake von der Anwesenheit rhodischcr Bürger.'"') Nicht minder war Samothrake in dieser Zeit bei den Römern Mode; außer den lateinischen Graffiti be- weist dies der Unterbefehlshaber des Lucullus, \'oconius, der £v SaiioO-faxi;) |i'jO'jj»svo; xai ::avy,Y'jpi- ^(ov xaO-uoTopTjSe."')

So kehrt die Betrachtung immer wieder zu der merkwürdigen Kabireninsel zurück, von der die ver- bindenden Fäden nach allen Seiten führen. Ob als Ariadnefaden oder als trügerisches Gewebe, mag in erster Linie der entscheiden, dessen anregende Zeilen den Anstoß zu dieser Skizze gegeben h.aben.

Berlin, Mai 1898.

F. HILLER v. GAERTRIXGKN.

Der freundlichen Aufforderung des geehrten Herrn Verfassers, mich zur Sache zu äußern, ent- spreche ich dankbar durch folgende Bemerkungen:

Die Einreibung der Stele in die Kategorie der Weihgeschenke und ihre Verknüpfung mit der weit- berühmten Cultstätte von Samollirake kann umso natürlicher erscheinen, als eine Verschlcpj^ung von Samothrake nach Constantioopel oder Bujukdere bei der zweiten Conzeschen Expedition stattgefunden haben könnte, nach deren Abschluss Matrosen des assistierenden Kriegsschiffes ohne Vorwissen der" Unteniehmung in der That einige Steine entfernt und nach Pola gebracht haben. Wenn ich trotzdem an der Deutung des Denkmales als einfachen Kata- loges festhalten zu sollen glaube, so geschieht dies

Th. Keinach aufinorksAra, wie schon früher Maurice Holleaiix in einfm Briefe an mich die richtige Schlussfolgcrung daraus Kpzogcn h.it.

13) Th. Reinach. Mithr.idates Eupatar, deutsch von Oützp 1805, 474 Anm.

14) IGIns III loj = Sitz.-Bcr. Bert. Ak. 1895, 471 ff. 1^) Kilns I (j. Vgl. den Abschnitt bei Ziebarth. Griech.

hauptsächlich deshalb, weil mir seine Eigenart von der des kyzikenischen doch wesentlich verschieden zu sein scheint: dort die Bezeichnung der Weihen- den als [n63-a]i eüasßsT;, hier nichts, was sacraten Char.akter beanspruchen könnte; dort eine ausdrück- liche Datierung ['E;;: TO'5 is'.voj ir.r.ipyzut], ir.i paii- ÄEw; 5s jv la[|ic!>pxxr)], hier eine einfache Auf- zählung der für den Kriegszug fallweise eingesetzten, also zu einer Datierung nicht recht geeigneten Cora- mandanten, worin ich eine Datierung umso weniger zu erblicken vermag, als auch in der kyzikenischen Stele die Comniandanten unverkennbar nur als solche

erscheinen (oi 3Tp3tTS'jad[isvoi [[li"» aTparrj^oü

ävO-u-ä-o'j Y.-X.). -\n einen TptTjpapxoj ■:£':p>;p£o>; hatte auch ich gedacht und trete jetzt dieser Lösung

A'crcinswesen nS ff. »OTpaT'.tOTa'. -\'crLMnigiingcn' und für Rhodos-.Samothrakc Ath. Mitth. XVIIl iSgj, 385 ff.

Ifi) Plut., Luc. 13. Andere Kömer CIL III 71J sqq. und s«inst ; Th. Reinach, Rev. des et. gr. V 1892. 204, 7; Kern, .\th. Xlitth. XVIIl 189J, 374 ff. Es liegt nicht in meiner .Ab- sicht, das reiche Thema zu erschöpfen.

95

96

bei, obgleich sonst der ganze Stab der Tetrere im Nominativ genannt i%t. Die Form it-fYjpztog möchte ich aber nicht aus einem Nominativ TSTp'^pig ableiten, sondern für eine Analogiebildung nach dem uncontra- hierten Plural-Genetiv (vgl. Kühner-Blass, Grammatik 123') halten. Evident und meine Vermuthung sichernd ist der wertvolle Nachweis des oberstcom-

niandierenden A. Terentius Varro in einer rhodischen Inschrift und die dadurch gewonnene genauere Zeit- bestimmung, wobei die Familienverhältnisse der Murenae und Varrones mit Recht unerörtert blieben, da sie sich mit dem jetzt zu Gebote stehenden Material meines Erachtens nicht weiter ins Klare bringen lassen. ERNST KALINKA.

Zu kleinasiatischen Inschriften.

(..\rch.-epigr. ilittheilungen XIX 31 ff.)

No. 7. KapTioif öpoj (lioS-fflTr;; 'Wdm -/.%'. ii£[i eü]- Xfj'i or y.al AI s[ö]xiiv. I see no objection to the mention of Zeus after y.ai: dedications to two Gods are common.

No. 14. The title ::(pEaßü'cspo;':') y.ai äpx'-sps'J;, used of a Christian priest, is remarkable.

Dr Sarre's transcription, xiv i>e6v |tjiio)v ävx- ftvtüoxovrss, cannot be accepted. He does injustice to the accuracy of his own copy by twice altering it, for he changes fy|iTv to f/jitöv and omits ö, i. e. oi. If we suppose that the engraver erred slightly in the two ligatures, which Dr Sarre interprets as -(ov 3-e)- and -(öv i)|i)[«)]v, the text reads äpxiEpE'j; -o'i iHoO f^iilv. & äva-fivmaxovTES EÜ^aaTE ÜTisp ejicü.

No. 19. Read laui[ot;l ävE3-rj3av -.b Je07[o;]: the monument was double, representing two doors side by side: this form of tombstone is not uncom- mon in Phrygia, but I do not know tliat tlie term ^S'j-fos is elsewhere applied to it.

No. 20. Read liit ISitp ivSpl KÄaTiopivtcp, an intcresting metamorphosis araong the rüde Phrygian villagers of the name KaÄ-ipv.oj.

No. 22. Read El [it; |ivr,p.Ei«i zay.CE]p-f£a "/.Eipa j;p03oCaEi: the formula is common.

No. 24. Read, perhaps, £Ü-:ux'a s3-:a('.) £aov Zj^i ii p'(j).

P. 35. Suverek can hardly be .Soatra; it is not on the direct line of road from Laodiceia Katake- kaumene to Archclais & Cacsareia, where as .Soatra was: see Histor. Geogr. p. 343.

P. 35. Between Kaballa and Tchigil the only serious change is B to G; for K to TCH and A to I are easy and far from rare in the changes that havc come over the ancient names in Turkish mouths. In Kaballa, I take B as representing a consonant which was not easy for Greeks to pronounce, and which was made B by them, while the Turks havc

made it into G. But it is quite probable that Dr Sarre may be right in placing Kaballa nearer Ico- nium than I have put it, see J. G. C. Anderson in the forthcoming number of the Journal of Hellenic Studies.

P. 48. I congratulate Dr Sarre & Dr Osborne on the discovery of Karallia at Üskeles. This site satisfies all the conditions better than Bey-Sheher, where I suggested that K. might have been situated, but where I found no evidence that an ancient city existed. The reasons stated in Histor. Geogr. p. 390 show that Karallia was situated somewhere not far from Bey-.Sheher; and Dr Sarre seenis to have found the exact site.

P. 51. In i8gO Hogarth & I saw the ruins which Dr. Sarre describes as Paris-Beleni Tcholuk (seeHistor. Geogr. p. 405). The indications were already sufficient to show exactly where Pariais should be found; and, as Dr. Sarre mentions, it was entered on my map Hist. Geogr. p. 330 (for reasons stated p. 390 ff.) before we began the journey on which we found the site. We omitted to ask the name of the site, by which Dr. Sarre has now coniirmed the Identification.

No. 2g. Remerabering how often T is read on stones instead of T, I would suggcst in line 3 6 [TjuvaäEtov äf,]iGs; and should like to have the stone re-examined in Order to look for traces of omitted letters, added above or at the side of the line, giving the reading Tuv(ßpi)a5ecov. It is almost certain that Tymbriada or Timbriada was situated in this Valley.

No. 30. Read, perhaps, A[üp]. IlavO-oj e.-=i\ir^zsM IHpojva [to'j SöTvGg y.]ai 'Avvav xxX. Dr Sarre alters his own copy to read [^^]avvav, but 'Avvav is a common Pisidian name ((Tities and Bishoprics of IMirygia I p. 337).

97

98

[Dr. F.. Kaiinka Iias kindly examincd thc im- stand in print. Evcntliouyli llic pmposal for no. jo prcssions, and appends somc notcs; but it sccms is wrong, it would occur lo othcrs, and it is well l)est to Icavc my suggestions uncliangcd, as tlicy to havc it disprovcd oncc for all.]

W. .M. RAMSAV.

Nach neuerlicher l'rüfuni; der AhUlalsclie crgilit sich mir Kol^endcs:

No. 7 AK !Y also wohl Ai[s]l H'JXV'; cf. n. 27 Z 3.

No. 9 Z. 1 wohl [AaÄ]Xa.

No. 22 Z. I fiTIL circa 13 Buchstaben fehlen, dann KP etc., also in der That etwa E]i ■:i[j nvrj- |ji£i(ü xoey.ojsp-fsa etc.

No. 24 Drei byzantinische Trimeter.

Xo. 29 Z. 3 am Anfani;c des l-'.lhnikon ist T sicher.

No. 30 Z, I Anfang ANnA^^ISOC: nach dem ersten A ist N sicher, vor © dagegen stand gewiss nicht N ; Z. 2 Anfang NA, wodurch die in den Arch.-cpigr. Mitth. gegebene Ergänzung der Stelle bestätigt wird. ERNST KA I.INKA.

Alterthümcr in Pola und Umgebung.

Pola.

1. In der Via dell' Arena n. 8 stieß man bei der Grundaushebung für einen Neubau in einer Tiefe von 2 2'4'° unter dem heutigen Niveau auf eine antike Straße, welche in starkem Gefälle von der .ilten Via Flavia aus (vgl. Mitth. d. Centralcommission 1897 S. I ff.) gegen die Karolinenquelle hinführt. Sie war mit verschieden geformten, bald vier-, bald fünf- oder auch sechseckigen Steinplatten von o'l8'" bis o"2™ Dicke gepflastert, welche auf einer 0"3™ bis 0'4"' dicken Schichte gestampfter rother Erde ruhten; letztere lag auf dem Felsboden. Linkerhand, gegen die Via Flavia zu gesehen, fanden sich noch die Cordonsteine. Der rechte Rand der Straße wurde nicht aufgedeckt, so dass auch die Straßenbreite unbestimm- bar bleibt. Links von der Straße zog sich trottoir- ähnlich in einer Breite von circa l'-,"' ein Pflaster aus Thonziegeln (0'45 : 0"3 : O'oö""), an das links der gewachsene Fels anstand; die Straße war dem- nach mindestens zum Theile in diesen eingesprengt. Von kleineren Fundstücken kamen bei den Aus- grabungen bloß zwei kugelförmige .Steingewichte zum Vorschein, deren Handhaben fehlten; ihr Gewicht beträgt I5'74 und 63 Kilogramm.

2. Um für den Bau eines neuen Molos Material zu gewinnen, wurde die alte .Stadtmauer zwischen der Porta Gemina und der Via Kandier samrat der vorliegenden Erdböschung abgetragen. Erstere bestand aus zwei hintereinander liegenden Gussmauern mit Bruchsteinvcrkleidung, von welchen die straßenseitige fS", die hügelseitige 2"9°' Dicke besaß. In dieser waren Löcher für die GerüstbalUen sichtbar. Unter

der Böschung kamen in einer Entfernung von 32'^ "^ die Reste zweier Thürme von lo'S" Breite und yi'" Tiefe zum Vorschein. .Sie waren ebenfalls aus Gusswerk aufgeführt, aber mit großen Kalkstein- quadern verkleidet, und ruhten auf oblongen Kalk- steinplatten, welche, nach Klammerlöchern zu schlie- ßen, zum Theile von anderen Bauten herrührten. Darunter fand sich, mit der Inschriftfläche nach unten gekehrt, ein Grabstein mit folgenden Inschriften, die wie alle weiteren, hier mitgetlieilten nach meinen Copien und Abklatschen in Wien unter gütiger Mit- wirkung Eugen Bormanns revidiert worden sind:

P. CiiiiHiitiiis Optaliis VIvir ' Aug(ustalis) v{i- v:is)f(ecit)sibiel\ Caiiitiitiae Vilali lixori [et lib[crtis) libertabHsq(u(). \ H<oc)iii(oiitiiiicii- I11111) h{ercdcm) n(on) s(equctur).

liPCANNVTll

OPTATro- ['

]tAP.:ATÄJ-PR.IMIl

IN-F-inxxiUi /;

/.■.(U'v f' lor(ica) P. Cannutii Optati d L. Aratri Primi. 5 In /(rollte) p(edes) XXX II IS in agr(o) p{cdes) XXIIX.

"i™ breit, O'ql"" hoch.

0-23'

dick und bloß rückwärts unbearbeitet. Oben zeigt er

99

lOO

Klammerlöclier, rückwärts an der rechten Schmal- seite einen Ausschnitt von 0'I35™ Breite und O'oS™ Tiefe. Die Inscliriften sind nebeneinander angebracht und einzeln umrahmt; die quadratischen scharf und tief ausgeschnittenen Buchstaben (0'03 0'085 " hoch) weisen wohl in die erste Kaiserzeit.

Unter dem Steine lagen menschliche Knochen. Dieser Umstand, sowie die Größe und Schwere der Platte machen es nicht unwahrscneinlich, dass sie innerhalb der ehemaligen Grabstelle des P. Cannutius und L. Aratrius selber gefunden wurde. Dass die Stadtmauer um r8™ verdickt wurde, beweisen die oben angeführten Fundthatsachen; den Befestigungs- arbeiten mag ein Theil des anstoßenden Friedhofes zum Opfer gefallen sein.

Nebst der erwähnten Inschriftplatte kamen im Mauerwerk der Thürme zwei Stücke eines Gesimses von 0'3™ Höhe und o'68™ Tiefe zum Vorschein- Gegenwärtig werden die privaten Gartengründc hinter dem abgetragenen Stück Stadtmauer bis zum .Straßenniveau abgegraben. Dabei traten bis jetzt Reste von Hausmauern und 24 Ziegelgräber zutage. Letztere erwiesen sich durch ihre Lage innerhalb der Wohnräume oder doch in der Höhe derselben säramtlich als sehr spät. Drei Grabziegel zeigen den Fabriksstempel AFAESONI^' (CIL V 81 10, 81): A{iili) Facsoiii A{uli) f{ili}. Über diese Funde denke ich nach Beendigung der Erdarbeiten im Zusammenhange zu berichten.

3. Im Hause n. 13 der Riva del Mercato fand man bei Anlegung einer Senkgrube kleine .Stücke dünner iLarmorplatten und profilierter Marmorleisten. In den Fundamenten einer Mauer sah man bei der- selben Gelegenheit nach Angabe des Hausbesitzers „eine marmorne Säulentroramel von etwa i"0™ Durch- messer". Schon vor etwa 10 Jahren waren daselbst nach der gleichen Quelle bedeutende Stücke von marmornen Säülenschäften ähnlichen Durchmessers gefunden worden. Die genannten Funde weisen nach Maßen und Material auf einen glänzenden Bau; Marmor scheint in Pola äußerst selten verwendet worden zu sein. Über die Zeit desselben könnte vielleicht folgender Inschriftrest Aufschluss geben, der sich auf einem jener Plattenfragmente fand:

Das Fragment ist bloß oben vollständig und trägt in der oberen Schmalfläche links zwei Nagel- ) löcher. Am linken Rande ist es o'OI3'",

formen stimmen zur Zeit des Septimius .Severus. Vgl. CIL V 2821.

4. Im Hause Via Kandier n. 31 kam die Inschrift CIL V 8154 wieder zum Vorschein. Sie lautet:

/SEXTlAli

Sf.i7/i([t'] P/-ot:o/'[e'] C. Appitlciui Vitalis 5 coii[iiigi.

P"\/l ^°°^' 0-02 °> dick. r" ' Die Inschrift dürfte C. Fu\_lvio Fl'^au-

«^-3' \tiano zu ergänzen sein. Die Buchstaben-

Am Schlüsse von Z. 2 hat der Steinmetz ein F statt E eingehauen.

5. Auf dem Campo Marzio stieß man bei Grund- aushebungen auf Reste römischer Hausmauern, einen Brunnen und zwei Säulencapitäle. Eines der letz- teren ist korinthisch und von sorgsamer, wenn auch trockener Arbeit. Leider ist es ziemlich stark be- schädigt.

6. Vor dem Haupti:)ortal der Marinekaserne und im Hause Negri rechts vom Staatsbahnhofe wurde je ein Ziegelgrab gefunden. An letzterer Stelle waren dem Todten zwei Balsamarien gewöhnlicher Art bei- gegeben. Vor kurzem hörte ich, dass auch beim Bau des Bahnhofes römische Gräber zum Vorschein ge- kommen seien. Ein ebendort gefundener Sarkophag aus , Marmor' soll verschleppt worden sein.

Veruda. An der Spitze der Bucht von Veruda in un- mittelbarer Nähe der Villa Banfield deckten .Schatz- gräber Mauerreste, vielleicht einer Kapelle, und drei gemauerte Gräber auf. Letztere sollen nur Knochen enthalten haben. Aus den Mauern wurden ein korinthisches Capital und große bearbeitete .Stein- blöcke herausgearbeitet. Man darf daraus auf die Nähe einer römischen Ansiedelung schließen, die mit Wahrscheinlichkeit auf dem benachbarten Hügel zu suchen ist. Dass dieser ein Castelier getragen hat, ist nach seiner Form und zahlreichen Stückchen von Topfscherben, die dort gefunden werden, sicher.

Val Bandon. Bei Anlage eines Weges und einer Eisfaljrik kamen an verhältnismäßig weit auseinanderliegenden .Stellen Reste von Hausmauern und Mosaiken zum Vorschein. Eines der letzteren misst in seinem auf- gedeckten Theile circa I2'0"' in der Länge und i'o"

lOI

I02

in der Hreilc; es ist aus l)l;\U};raucn Marmor« ürfrl- chen zusammengesetzt. Ein zweites, noch zur Hälfte erhallen, war kreisförmig (Durchmesser circ.i la'O"); es ist schwarz, mit zwei weißen concenlrischcn Strei- fen umrandet und mit uhregelmälüg gestellten und geschnittenen oder auch nur gebrochenen Marmor- stückfn bunt gemustert. Kin dritter kleinerer Rest, ebenfalls schwarz, besitzt eine Bordüre von abwech- selnden vcrschiedenfixrbigen Rhomben und Oblongen in schwarzem Grunde. An derselben Stelle fand man die Basis einer Doppelsaule (Durchmesser O'jj"" und O'^S"") sowie Schaftstücke einer uncancllierten Säule (Durchmesser 0'30°') und einer eben solchen Halbs.äule (Durchmesser O'SI™). Über andere Funde von Val Bandon vgl. Mitth. d. Centralcomni- 1892 S. 123, 65.

Lavarigo.

In der Campagna Wassermann wurde auf einem Platze von etwa 20 Schritten im Gevierte, der über die Umgegend etwas emporragt, eine Grabplatte von 0"83'" Breite und Höhe und 0'24™ Dicke ausge- graben. Die rechte und die linke Schmalseite sind mit Weinranken geschmückt. Die Inschriftfläche ist stark verwittert, die Inschrift selbst von einer tiefen Rille umrahmt. Die Buchstaben sind zum Thcilc modern nachgeritzt. Bormann erkannte Folgendes:

I I

1¥I.|V^CFFV^'

niviK.A^d

05TIIJAE" M AXIMILLAE-VXO

V F

\

Illllliii/] I [<■/ Fajbia L. 1. jViJ- Ißallis] . C. hilius

c. y.-] fhs[c]»hi

Illlllvir Aug(u- slalis) I Hostiliae M. [/.] I Maximil- lae uxo[ri\\ v{ivHs) f(ccit\.

I. Die In S. 19, iCIL V

I I AO ISTFISIBIE

OPlRAeDNi 10 RVF AE HEVREJ AE SPHRAGI AE M0DE5T

"VPfRAeON

Altura.

Schrift Mitth. d. Centralcomm. 1895 5) lautet nach neuerlicher Lesung:

Der Stein ist in der Kapelle Kostajnica unmittelbar über dem Erdboden eingemauert. Oben ist er vom Weidevieh rund abgerieben, links von Mörtel bedeckt. Als ich diesen zum Theile wegschlug, zeigte sich hier die Inschrift abgemeißelt. Die letztere ist demnach unten und vielleicht auch oben vollständig,

links hingegen unvollständig; sie besaß ursprünglich mindestens die doppelte Breite des erhaltenen Theilcs (0"4"'). Rechts scheint nur weniges zu fehlen.

Z. I in. scheint mir M sicher. Z. 2 nach LS ist der Stein ausgebrochen. Das V der früheren Lesungen ist unwahrscheinlich. Es dürfte ein Buch- slabe mit verticaler Haste dort gestanden haben, wenn mich der Abklatscil nicht täuscht, T. Z. 6 fehlt in meiner Abschrift die letzte Haste.

2. In unmittelbarer Nähe der genannten Kapelle wurde in einer Eeldmauer ein Kalksteinfragment von O" 15™ Dicke gefunden. Linksund unten ist die Umrahmung erhalten.

-MAXiM

Nesactium. Auf dem Hügel Vesazze (Gradina) bei Altura förderten Schatzgräber Mauer- und Säulenrcste zu- tage. Bei meiner letzten Anwesenheit an Ort und Stelle konnte man an dem verschiedenen Grün des Graswuchses deutlich die alte Straße erkennen, welche von der Altura-Scite her zum Hügel hinan- führte. Die archäologische Gesellschaft von Istrien ist mit den Besitzern der betreffenden (irundstücke liehufs Ankaufes derselben und Ausrührung von Nachgrabungen in Unlerh<andlungen getreten, die aber meines Wissens bis jetzt zu keinem Resultate

geführt haben.

C a r n i z z a.

Bei Anlage einerneuen Straße Camizza-Varcschi wurde eine .Steinurne gefunden, die nebst verbrannten Knochen folgende Gegenstände enthielt:

1. Einen gut conservierten römischen Spiegel (Durchmesser o'l6") aus stark legiertem Silber mit bronzenem Griff. Letzterer war abgelöst. Zu seiner Befestigung hatte ein quadrates Silberplätlchen ge- dient, das ebenfalls erhalten ist.

2. Eine Haarnadel von dreieckigem Querschnitt (0'I45°' lang) aus gutem Silber, deren oberes Ende in einen Delphin ausgeht.

3. Zwei Salbfläschchen aus weißem Glas.

Die Kunde sollen durch Geschenk in das Museum von Parenzo gekommen sein.

Während seiner dienstlichen Verwendung in Kreta erwarb der k. u. k. Fregatlen-Capitän M. Pictruski R. v. Siemuszowa im vorigen Jahre in der Suda-Bai einen mit griechischen Inschriften bedeck- ten Kalksteinblock und brachte ihn nach Pola, wo er in Polykarpo in dessen Villa aufgestellt ist. Der

I03

I04

Block ist rückwärts unbearbeitet, oben und rechts mit Dübellöchem versehen. In der Breite misst er 0'34™ (A) -f- 079™ {B), in der Höhe 0'36™, in der Tiefe bei A 0'5 ™, bei B, wo die Inschriftfläclie um 0'04" zurückweicht, bloß 0^46 ™.

Er gehörte einer mit Inschriften bedeckten Mauer an, welche C. Wäscher in den Jahren 1862 und 1864 unter den Ruinen der kretischen Stadt Aptera bloßgelegt hat (Archives des missions scienti-

r oj ^ I o T npost HoiK

."a^^ TAlB^S^AArifeAl ,-A?/XI^ Eine

fiques I deuxieme serie p. 432 ff., 439 ff.). Die Inschrif- ten veröffentlichte B. HaussouUier, bull, de corresp. hellen. III 41 8 ff. nach Abschriften, die er von den Originalen auf einer Reise durch K.reta genommen hatte, im Typendruck mit lehrreichen Erläuterungen, darunter auch die Proxeniedecrete des jetzt in Pola befindlichen Blockes, von dem ich ihres mannig- fachen Interesses halber die folgende Wiederholung im Facsimile hersetze:

^"]f>» '-ipy.^ [• s^ t;£]v. BaaiÄEoc njpouaiocv ^aatX£U)[; Ilpoyaiou TipoSEvov

5 ^|l£V Xal E'JEp-fE-

Tocv aÜTOV xxi äy.YO-

vo;.

'E5g£e tS'. ^(oÄä; -/.xi

Tö)t äd|-i(U[. Nr/.ia;

10 K]apat(jD stTiö. Aivxtaopiv Sxi- Tipd^toj üpouatsa, Aiov'Jai[o]v l\7:3cTou- p]tou Nr/.o|ir;5'^, iiv-

15 Ti]-ioptv [i]ia'.7i:i[pio]j.

l g^m? e I Ä H ö5 Ami A E t ^c^-T T AA ®x-3 4. a A ©^^

jy^iMcU ^ ENSiNTTI N 1 1)'^ f^f ^[Nl^ H T-^^H £ T E ^A H o Ts^i K?^ f^ 1 ^4^

105

io6

Fl "E!o;[e tat fjmXöi.'. xai tiTh d[a|i.(i)i. 6 ?sTva eTjisv. EnE'.irj 6 jjaatXs'j; 'AtaXo; ^iXo; [Oiidpy^oiv 5ia rtpo- "f6v(ov Jipovoiav itof/iat rcspl -(« xot[v(iJ t«)v Kpijxwv xal täiai -äj xöjv 'AntapaCoiv 7t6Xio; xal xo![; jtapa-fs-

5 vonivots Tto-' aO[T]ov Tau it[ä]3av ^iXav!)-p(0!:£av Iv[3e£- xvuxai- äsiox*"" ""' ^ii>Xäi xal xwi ia|Ki)'. aTE'^av(i)a[a'. ^a3iJ.£a "ATTaÄov aixovi x^Äxiai lEÄsCai, cUts xa [pw- Xr/xat TiEtöv, sIts xa [e]cf" Un-iui, ai xa ;:poaipfJxai, xap'j- XÜ^I'sv iv Ttvt [x](ijv ä-ftuviuv xfiiv axEcpavixnjv, i;ii(i[E-

lo Xej •f£V£38-io xot; xöaiiots 67:0); xapuxöi";, '^lisv Ss aüxro xal Ttp Edpiav xal äauXiav x[a]l äxiXE'.av xal äa^aXs'.av

xa[l] -[0-

XE|i,mi xal E!pT,va; xal dv t.O.: xal iv xo?j >.'.|iEvoij; xal

jevoXol-f- fjo!>a[i] xal 4p|i(jE3U-a". xal aOxöK xal xol; ix-fivo'.j xal

x[a] Xo'.Tii ['Ji:- äpxs[i]v äsa xa xot; äXP.ot; sOep-fExa'.;.

J steht auf dem Blocke linker-, li reclitcrhand. In .1 Z. I ist i; unsicher. In Z. 3 und 4 sind die punktierten Hasten von II l' auf dem Steine sichtbar. In B Z. 10 ist X unsicher.

Die unter l'ola 1—5, Lavari(;o und Altura 2 auff;cführton Kleinfunde kamen mit Ausnahme zweier Grabzict;cl (Pola 2) in den Augustus-Tcmpcl.

Pohl, März 1898. R. WKISSHÄUPL.

Antiken zu Perinth.

Der Bedeutung, die Perinth im Alterthum und unter dem Namen Hcraklcia im Mittelalter zukam, entspricht die Zahl der Denkmälerfunde, die der Stadtboden schon in geringer Tiefe zutage fördert. Seit das türkische Antikengesetz in Kraft steht.

^EVrENICENGAAETlCKErrAlAPET-AE^ TYNAIKlAJN'HCoYniAjnoTETinEN^^WpN AZIONEinEN^nAPQENIKHNAAAoXoN föOMEPOCTinA'twPlCEAAIMWN c 'KAlMOlToVTEKPlGHEirrAMonElC BANAToCf lAlKlHC^AOYKoYXd ViJZ MlTQCHfArEMOlPWNKArW Ti-T

, rAU 1 LKNONEMPinAPÄmZS: TA^l^JNYN K.AAIWTI-IN ^ AK'PITöNMEM d)oMEMoErEf£CIN

Fig. 20 Giabstelc zu Perinth.

sammeln sie sich erfreulicherweise im Orte selbst an; und besonders die griechische Kirchengemeinde hat sich durch .\nlage einer kleinen, noch unbe- achteten Sammlung, die im Pfarrhof untergebracht ist, ein Verdienst erworben. Auf meinen thrakischen Reisen, über die ich noch zusammenhängend zu be- richten gedenke, erhielt ich im Herbst 1896 Gelegen- heit, diese Sammlung aufzunehmen, und theile ihren damaligen Bestand nunmehr in Copien und anspruchs- losen Skizzen mit. Bei der Umzeichnung einiger Jahrcshefle des österr. arcbüol. Institutes lid. I Heibhitt.

.Skizzen konnte ich Photographien zu Rathe ziehen, die der Director des kais. russischen archäologischen Institutes in Constantinopel, Exe. .Staatsrath Uspensky, mir gütigst übermittelte, wofür ich mich ihm auch hier überaus dankbar bekenne.

I . Marmorstele 07 1 " breit, 0'6 1 "■ hoch (davon o-lS'" Giebelhöhe), 0'055 "* dick, Buchstaben 0'02 hoch; im Giel)elfclde Schild, Akroterien (P.almetten) verstoßen, zu beiden Seilen Hall)- säulen mit Volutencapitäl. Vgl. Fig. 20.

Eü"fEvig £v3-d3s xi; xEtxai, äpsxfj 5e Y'jvaixojv,

T;S OÜirtUJIOXE XIJ £VX(0|UOV ä£iov Et-EV.

T^apO-Evtxvjv 3' äXox^v ^O-ovEpo; xi; ä^topiaE 3ain(ov xal |fji xoOx' ixptO'T;- eC; "fdnoj £;; 3-dvaxoj. y.'.xir,; 3' oüx, o\>x önioJS (J--"^» ^1'!^'!^ Motptüv. .s xi-,'(i) XYjv cptXo[x]Exvov sikTj napi [x](ü3£ xa-^m vOv xXaidi XTiV xxp'.X'iv n£|i-^6n£vos ■f£V£aiv.

Hsi3cxo; i;o'jai(ovy[; f((y)a|Xta . "lc]'J[a]x[o]u xK TluCvaixi.

Der Schwulst dieser ungelenken Verse verwehrt ein volles Verständnis. Z. 3 ;xap!)-£vtXT)v = als Jung- frau gefreit (ix -apl>=vituvl, daher £?; '.'anoj sCj iVavaxi; als Variante zu dem geläuligeren eC; ^ii; eCj 3-avax^;. Demzufolge kann sich not Z .5 wohl nur auf die Ver- storbene beziehen. [Theodotos hat neben dem Grabe seiner Gattin für sich selbst die Ruhestätte bereitet, seines .Schicksales sicher, dass sf; "fä|io; sf? O'avaxoj auch für ihn gelte. O. B.] Z. 6 tjXixItjJ vielleicht = £j i^Xixir,;, die doppelte Negation wohl zur Verstärkung.

Z. 7 vgl. xal Molpv); |i£xo5 f^-fx-[sv l; x^oj IXä^lv in

8

I07

io8

einer unedierten Grabschrift aus Xanthos; TL.-jS. ist der Sprechende, wie [ic]icpo|isvo; Z. lo beweist, der Gatte.

UICMENAnAClßfOTOlCßlOCOlinE FACHKEl zr T^YTOKArucYNÖfW U KIANÖC A PrYPOTEXhK nATPOr ÖAlöYzrEnPIAM+^OIKON AIUJt^% mAENlAEElElNAlETE PöN 0 eH€^aEI1^ TEAU: EinPöEIl

XA!fE^]ö^^S^AEITA

als Buße angedrohten fünf Silberpfundc, eine gewichts- raäßige Preisangabe, die den Stein in das vierte Jahr- hundert herabrückt; über XtTpaivgl. Mommsen, Jlünzwesen 838.

3. Marmorstele (Fig. 22) unten gebrochen, 045 "^ breit, 0"57"' hoch, 0'o6 dielt, Buchstaben 0'0I5"' bis 0'025 " hoch; im Giebelfeld Kranz mit seitlich flatternden Bändern, große Eckakroterien (Halbpalmet- ten), je eine Rosettenblume in den Zwickeln; in der Mitte des vertief- ten Inschriftfeldes stehendes Mäd- chen in Unter- und Obergewand, das auch den Kopf umhüllt; in der stärker vertieften oberen Hälfte des Inschriftfeldes zu beiden .Seiten je eine offene Hand 'über die sepul- crale Verwendung dieses Symbols vgl. zuletzt Heberdey-Kalinka, Be- richt über zwei Reisen im südwest- lichen Kleinasien 1896 S.52 '), näher der Mitte rechts eine Grabstele (?), links ein Ruder, wie Bormann ver- niuthet; darunter die Inschrift, deren erste, oberhalb des Schriftfeldes stehende Zeile ganz verwittert ist.

Fig. 21 Grahstele zu Pcrinth-

,2; ]i£v a-a3t (ipo-Gi;

lizpxc ly.v.

toOxo y.ä-fd) auvopöjv Mowiavög dp-fupoTSXvr,; Tia-poj npojJoJ.ioo i-p;a|ir]v otxov aJrövo;.

|ir|5£vi 51 ijstvai iTspov 9-s[3]d-s. sl 5s [it] -/e, Stüosi TipoaTEiiiO'j äp","Jpou XsiTpa; ^sv'e. ya'ps TTScpoSsiTa.

2. Marmorstele (Fig. 2i) in drei Stücke gebro- chen, unten unvollständig, o'Sy™ breit, 0'925"' hoch, O'OS™ dick, Buchstaben o"03 hoch; Inschriftfeld (0*67 "^ breit, o'3 " hoch beschrieben, darunter 0'3 leter) zwischen zwei Halbsäulen mit Blattcapitäl; darüber zwischen zwei Palmzweigen gerundetes, sich stufenweise vertiefendes Giebelfeld mit dem Mono- gramm Christi in Kranz, beiderseits eine Rosette.

Dem ersten He.iameter fehlt vor und nach ßio; je eine Kürze; die folgenden werden immer fehler- hafter, und die letzten Worte von Scuaet an sind wohl durch kein Metrum mehr gebunden. Beachtens- wert sind das Gewerbe des Silberarbeiters und die

S 6 P I N 9 1 A f AT&C KC Y\V, Ü AC A A AT

-AiA(ijC€'THnoi\& '

l-iff. 22 Cirabslele zu Perinth.

K'j[ -f/ ilx7]dvYi[?] mio-lsiva[5]i[?] n£piv9-£a|

y.a-eav.=üaaa XaT[6] |Jitov (b; k-&•^ ay.y.\%,r.-±- st Tt;

[•:'.■/]» !>a-.Jjs|-:a'., dojiei Trj 7iö?.£'. | (Srjvipia) ,^^' y.ai Sn

Txiieiu) 1 (5y,vapia) .p[v:'.

log

Z. 4 ).a-0|i'.ov oder XaTd|i'.v ist eine in Thrakien sehr hiiulige Beieiclinunj; des Grahes. [Vgl. u. A. auch die Inschrift aus Ephesos, Festschrift für Heinrich Kiepert, S. 250 und S. 256 Z. II.] Z. 5 cü; = ungcHihr, ähnlich wie plus minus in lateini- schen Inschriften.

4. Marniorplatteo'97'" breit, 0'5f)5"' hoch, o'Oö"" dick, Buchstaben 0'035 hoch; an den Rändern sechs Diiliellocher.

I

YP^EPACElNOCEPACEINOVnEPlNGIOC VAHCTETAPTI-nEYANGlAOCZnNfCAKpPO

NnNCATEEKEVACATOVnOPVfCTONEMA^ TnKAIT-irAYKYTAflMOYCYhBIAKAAYAlATi 'BEFIACnCTPATACnCTPATOYEToMAEMOl EETnZ a KTl KAT A © E C TAIOWANSOYAOM AI r^TAAETHN'EAEYTNMOYmAENlElONEl NAlETEPoNTlNAEinTlKON'EeHNAIEnE! AnCEmnOAEl M, kfAlTOiClCAHPONO MOICMOY'X/B^XAIPE^ TTAPOAE ITA

_a_

_n_

AüpI^Xto;) 'EpaasTvo; 'Epaosivou üspivO-io; (fuXf/; TS-üäpTr^; EOavfl-idoj ^(7)7 xai ^po- v(öv xxT£3xs'iaja -t O-ip'jxTOv i\ix.-)- Tw xai T^ -fÄyxuTccTTj jio'j auvpio) KÄa'jdia T'.-

5 ßapfa ZiüüXfizx SojJtpäTO'j sjov ?e |iv. ioTtu ^öivTi y-a-aO-sa-ai iv äv pO'JXojxai [istä Se tt/v -3J.£'j-rjV jioy nr,5£vl ilov st- vst'. £T£piv T'.vK iStoTf/.öv "sO^va'., s-si dojac. rf( -oÄsi (dr^väpia) '^ y.al toij y./.rjpovi-

10 |iot; notj {5ii]vipia) . X"'P- i^apodstTa.

Beachtenswert ist die Bezeichnung des Grabes durch ü;t(3pu)C-ov und das in jener Gegeud unge- wöhnliche IStü-iy.dv als Verstärkung von Itipov, ferner die Schreibung xaTxO-ia-ai äv äv poOÄojia;, endlich die Zuweisung einer Buße an die Erben wie Duraont-HomoUe, Md-langcs 369 n. 62 ''M.

Neu scheint die Tribusbezcichnung IV Kuanthis, die mit der bloßen Zahlangabc, ohne Cognomen, in n. II wiederkehrt, wie auch in n. 7 und 10 die zweite und sechste Phyle ohne Cognomen genannt sind.

Die Platte mag einem kleinen Grabbau angehört haben, der dem unterirdischen Hyporykton aufge- setzt war.

5. Marmoraltar 0'37 "" breit, 0'()4"' hoch, o 1:5"' lief, Buchstaben 0025°' hoch; oben und unten ein- facher .■\blauf (0-34°') vom, links und rechts; vom verschlagen.

AYP KOPNOYTOE

KOFNIOYTOYTTElPli

eiOEcjJYAKCEYANf

elAOCRATEEKEYA

CATOAATOMINHnW

TWKKTPtTYHKIMOY

AYP-TTAYAEIKHAIIW

AEmAENAETEPON

FAHeWAIEIAETlI

TOAmiXIETEP ON

TTTmAKAiAeEce/«

AWIEimoPtElMOYH rroAEi-A-q)

A'Jp(r,X'.o;; Kopvo'JTO Kr,(,w)-.v> IUp(v- tko; ?'Mf/; EOav- {KSo{ y.axaay.s'ja-

; aa tt >.aTi|uv d|ia'j- T<7) y.E -fi Ywey.i |io'j AOp(r,/.';a) IIa'jJ.2!vT,-

äs'.(T) ik ]iT,iiva iTspov pÄrjiHlvxi eE ii -:'.;

' TOÄnr^as; STEpov

iiifz=: -pojTiijio'j rfi

Ci. Marmoraltar 0-385 ■" l)reit, i-|8 '" hoch, o'3()5 "" tief, Buchstaben 0-03 "• hoch; das dreiseitige Profi! ist glatt weggearbeitet, der Stein dient jetzt als Pfeiler; oben 0'2r) '", unten 0*44 leer.

l-0A/\Töl1lNIr'NT.:

■^OMniMAYTOKAm

lYNßinMOYAYPKYPI

/\AAlin20f^N0YKAl

TOETEKNOEMOY E

EONAEOYAENIEINAIE

rEPONTINAKATAOEie

TlAPOP^AlTlTOYTA'i' ^

]OYNAaZElTEnOAl)(t

-ii X[a]-d|i'.v aüv -Cn ßdJH«) snauxö) y.ai tt/ s'jvpt«) ]iv) A'JpfyjXia) K'jpi- /.i9i i;(o^O|i£voo xai 5 -oij TEzvot; |io'j- i- föv 3e oO?£vi Eivat 1- TEpdv -'.va y.aTa\)-sa!>a[; v, -apopOfa'. ■:•. -oO ■:iv'-'"J- ; O'jv 5tÖ3E'. Tf, rd/.i {ir,/iy.yLi V.

Her Name des Grabherrn mit dem Verbum y.XTäay.sOaaa muss auf dem oberen .\blauf gestanden haben.

8*

1 1 i

I 12

7. Marmorstele 0-36™ breit, 0'68" hoch, 0-095™ tief, Ruchstaben o'02 " hoch; Schild im Giebelfeld; die Schrift verwaschen. Vgl. Fig. 23.

Arch.-epigr. Mitth. VIII 223 n. 56, der noch in Z. das w gesehen hat.

TTEPINeiOS jY «Iß EeHKATFNi;TH.V-n TOirrohEIEINMOY

AYPÄioNYy:ifl.-K ■■-

THl^TPIMOYA- P

' \ rorr i ErKj2,i-i 1

^EMAETF^QrJEH EINEKATAGEtGETi

nOAE! -^t -'AIPETi

A'Jp(7JXto;') Xpuaö-fovos llsptvS-toj 9 uXrjs ß' sO-rjxa -rjv axrjXXTjv tot; -fovstjiv [lou A'jp(vjXf(o) iwvya(o) 5

x[a]i Tf, p,rjTpi (lOu Aüp(r;X£a) Xp'jaoü-n ^7i[t| TU) jiv)- 5£v[a] Ixepov äg- Etve xaTaiVeaä-s ti- va, ä[7il£i äujast t'itj 10 -iXsi (5r/vdpta) cp'.

Xalps it|a- pooslTa.

Grabslele zu Perinth.

Ob Z. 7 die Präposition itacistisch s;iy) ge- schrieben war, ist zweifelhaft; zu der Analogie- bildung -fovslaiv Z. 4 vgl. G. Meyer, Griechische Grammatik - 375.

8. Marmorstele 0-39 ' dick, Buchstaben o"025 Rosette. Vgl. Fig. 24.

breit, 055™ hoch, 0-07'" " hoch ; im Giebelfeld

■AYPrEMN HANAPI

rAYKYTATASATY

Pn HTOPAIAAATO

KiNE:(j>Al<An:THA

AHMÄNEGHCAOrAN

AEETEPONKATA'ÖH

TEAQZEITHnoAEKf

.4'Jp(YjXta)2e|j.vr) ävSpi

po) r^-jöpaoa. Xa.zö- H'.v, i-f Ol xai QXYiX- Xr^v äviOr/za 0; av 5 ik STspov xaT[a]0-^- Ts, 5t6a=i Tf; TioXs'.

(äyjvdpta) cf '.

Fi^- 24 Gr;il>stcle zu Perinth.

9. Marmorstele 0'I4"' breit, 0'g7 hoch, Buch- staben o'025'" hoch, im Fußboden vermauert; .Schrift abgetreten, darunter 0^275 '" leer; J. IL Mordtmann,

AYPYK

Nl Avr

AE UNAr

AVP'^or

TOYNIC AYRtiOP ; ICÜN :^NTro

'aMENT

. TIIAI-N

1 , :-! M-l

Aüp(r)XCo)) l'nE-

vi[(ü]- Aü[p(r;Xio;)

ÄEtovä;,

Ai)p(vjXtos) <I>o[p-

ToOvi;,

Aup(ijXto;) <I>op-

i]iui'/

a]'jVTp6-

90) i^rj-

x]a|i£v t[T|- IC

V oJxijXifjv

|iv]yjnr)-

S Xap-

IV.

10. Marmorstele (Fig. 25) o'44'" breit, o'85" hoch, Ol"" dick, Buchstaben 0'03™ hoch, im Giebel das Monogramm Christi; unten vorn einfacher Ablauf.

Die Grabschrift geht gegen Schluss in Verse über, die in ähnlichem Wortlaut für die Verfluchung herkömmlich waren; vgl. K.aibel, Epigrammata 406, 1 3 f.: öpcpavä Tsv.va Xi[Ti]oi':o, xr;po[v] ßiov, otKov £[p]tj- [iov, äv K'jpl TidvTa SiiioiTO, xocxtöv 'jTti y^etpa; 5Xo(tTo]; dazu Arch.-epigr. Mitth. XIX 37. Durch diese Verse und die ganze übrige Stilisierung wie auch durch die Xamengebung und die Schreibweise hängt die Inschrift so eng mit der antiken Tradition zusammen, dass man sie trotz des Giebelmonogranims, hier noch des einzigen Merkzeichens christlicher Herkunft, und trotz des Stadtnamens Herakleia, der zu Ehren Maxi. raians eingeführt worden sein mag und daher in der Zeit Eutrops und Ammians schon eingebürgert war, kaum weit über das dritte Jahrhundert herabrücken darf. Zu diesem Ansatz stimmt auch, wie Prof. Ku- bitschek bemerkt, die hergebrachte Festsetzung der Buße nach Denaren, deren hohe Summe (11500)

> 1.^

114

allerdings schon auf eine enorme Kntwcrlung des Cicldcs sclilicßcn lasst.

broclicn; J. II. Mordtmann Arch.-epigr. Milth. VIII 225 f. n. 61. Vgl. Fig. 26.

AYP/V\APK€AAOCÄI ore NO YCH^AI<A€W

THCnoAITHC4'YA HCeKTHCK AT€CI< eVACATOAATOAAT MlNGMAYTüJIC€T-ir AY K YTAT-I M O Y f Y N e I< I AYP APT 6 M I AU P AKA 1 TOICH KNolCMoYITlC EE P o N"oA ^4-C 1 K ATAoe'qE Al£ I T-noA I rPo C TIH°YX APIN-X-öAt E 1 AET!CKA1<°Y| P n-C I To YT°A AToH 1 P ^JA NA"E KNAAinoITorYNEKAl XI-PAI^c MI Y P I nANTAAPAH °ITol<AKUAJYnoXIPoCoA[TE XEP°IC n- P'AITA <^

^'^S- 25 Grabstelc zu Perinth.

Aip(i5Xto;) MäpxsXXo; Ai- o-fsvouj 'HpaxXsm- TTj; ;icX£-r); cpuX- fji Ix-:-»); xaxssx- e\iioa.-o /,axd<Xax>- (iiv S|iau-:d) XE xf/ -f-

Ä'JX'JxäXT, (lO'J -fuvs-

xi A'Jp(-r;X£a) Apxsjitäcupx xai

Totj xixvoi; |iou- t xi?

Ixspov xoXnT,at xaxaO-E3l)-s,

8(ö[o;t x^ -i/.'. T.f'jz-i<i0'i X"

äpiv (8Tjvap;a) |i'j(p'.a) .a^'- e! ?j xt; xxxo'j-

p-f>io; xoOxo Äaxi|i'.v,

yjipav,

•/.XXMV ÜTOXtpSJ ÖÄtXH.

öpipavä

xsxva

ÄiKO'.XO

fTJVS

xa

SV n'jpl

-avxa

dpajio'.xo

xa

XO)

■/.spoiJ

-;a|po?;xa.

II. Marmorsiclc vermauert, o-jQ™ hoch, 0-45°" breit, Buchstaben O'oj 0-02'° hoch; späte, derbe Schrift; Inschriftfcld zwischen zwei Pilaslern, über denen sich ein Bogen erhebt, dessen Mitte das Mono- gramm Christi cinnimmmt; linke Ecke oben wcgge-

AKAAAWAIMaI H'AKAewT-cnoAlKcl)

YAI-CTT-TApTKal^KA MATHlYMPlHnoYfcAlToi

C^ilATATo/CMoTEKN oICE I AETlCToAMHCI^ B"EPoNriNAKATAeeCo" AlAhC!A°roKrl^aEtv£W ret-AKPiCEICToYKPIN

Fig. 26 Grabstele zu Perinth.

<I>/,(ao'j'.o;) Ka/.a-/?i(ov | 'Hpax/.swxr;; -<;/.ixT|j ■^[•)/.ff- XExäpxr,; exxt,3' 4||ia rT,[|i]EX[a] ',% a'j|i;£ü) |Wj -/.ai x&l|; (piXxdxotj (lou xdxvlois' sl x'.j xoXnT^oi | I-Kpiv XLva xaxa3-Ea[0-]lat, ätüai Xd^ov xtü {^^(^) £v rj||upa xp;3c[{u]; xoü xpiv|[o|iivoi)':r].

Diese Grabschrift ist nach der christlichen Schluss- formel ersichtlich jünger als die voranstchende; vgl. numont-Homolle, Melanges 41 5 n. 86-2 xaxapav 5e vi l-/_T, i-ii, -/.(upioj'j 0-(£o)0 -avxoxpaxopc; isxr,; äv xoÄ|ii3y) ävüjrjV xöväs xöv xi^tov lo; xJ; eäsOseo; xoO u(Eo)5 xoü 9{eo)ü. In Z. 4 ist der ursprünglich ausge- lassene Name der Frau überschriftlich nachgetragen.

12. Marmorplatte oben und unten gebrochen, 0-22 ^ hoch, 0-085 ■» dick, Schriftfeld 0-17"" breit, Buchstaben CGI 0-025°" hoch; das Schriftfeld ist von zwei Pfeilern begrenzt.

ocaajö 6T(

\Mi-ic:ei e-TEp

ohTirroiHCR Td li'-foj'-T-UU

115

ii6

[Name und Demotikon e3-r,y.a ^iiauTco /.al -f, -,"jv5-] xi lJ.|o[u] a-ijX- X]riv 3; äv 8s to-

5 6[v] ti icoiTJas, 5(i)3st jipoa-

5=a/;o"iy.w

(är]vapta -e-r.i-/.:- |j.Opta). 10 xEps-s [-xp- o5]s[l-a'.. Unter 5sj-0T'.y.iv ist natürlich der Fiscus zu ver- stehen; Prof. Kubitschek verweist auf x'jpiazi; ^ijy.oj und fiaaiÄ'.xiv. Wie n. 10 wegen der Anführung von Denaren in der Buße wohl noch vorconstantinisch. 13. Marmorplatte 0-2" hoch, 0-5" breit, o-oy" dick, Buchstaben 0035™ hoch.

7

XA v/h/ AOTKlOCAriÄIOCPO-)

y_a[tps T;apo5£l':a? Ao'jy.'.o; "\-;i5ioj 'PoO[cfo; ....

Das Gentile Agidius, das auf Agis zurückzu- führen wäre, scheint neu zu sein; sollte es ver- schrieben sein für Acilius (ein L. Acilius Rufus Prosopogr. imp. Rom. I 9 n. 63) oder Atilius? Das C von Ao'Jxto; ist aus T corrigiert. [Ein Gentilname Agedia ist neuerdings constatiert, Prosopogr. n. 321. F.. Bormann.]

14. iMarmorplatte im Boden eingelassen, hoch, 0-68™

nun N I u I

MIM I- -I MIM

breit, Buch- hoch ;

v_

15. Marniorfragment im eingelassen, 0'48" hoch, 0"53" Buchstaben 014™ hoch.

16. Marmorstele (Fig. 27) in vier .Stücke gebrochen, r38"' hoch, 083™ breit, o 14'" dick, Buchstaben O'Oj"" hoch. Die Mitte nimmt ein

0-12™ dick, Stäben 0'5 "" ganz verwaschen.

Vielleicht rühren die .Striche nicht von Buchst.iben, sondern von einer Riefelung des Steines her. Boden breit, XlT")^ 10:"

vertieftes Relieffeld, 064" breit, 0-52™ hoch, ein, in welchem ein bärtiger Soldat, mit Ärmeltunica, Sagum und Schuhen bekleidet, in Vordersicht steht; an seiner linken Hüfte hängt das Schwert von einem Ledergürtel herab, der so befestigt ist, dass seine schmalen Enden durch einen Ring gezogen, dann zurückgebogen und eingeknöpft sind; der Unke Arm hält einen ovalen Buckelschild, die abwärts gestreckte rechte Hand einen cylindrischen Gegenstand (Rolle?). Darüber Giebel mit Schild und Speer, in den Akro- terien die Buchstaben D und M. Unter dem Reliet- feld in einem 0'23^™ hohen Felde vier Zeilen.

<iu>

MlLITlt\EG^lHTAIICAE ANTOrNinmNAE^YlX ITy ANt^XXXVIMiriANj^^i

>^ \JIIVSHERES''F<

Fig 27 Grabstele zu Perinth.

D{is) M{aiiibiis), Eqiiestryi) Paulo militi leg(iOHis) III. IlaUcac Anioniiiianae, vixil 5 aiino\_s] XXXVI, mill} ilnvil) aii{iios) XV'I, Aii[i-(eUiis) \'a/c?}riiis hercsßacitnidiiin) c{iirnvil).

Die legio III. Italica wurde zur Zeit des Kaisers Marcus Aurclius neu gebildet; ihr Beiname Antoni- niana führt auf die Zeit Caracallas.

17. Marmorstele (Fig. 28) unten abgeschnitten, oSi)"" hoch, 0'9l"' breit, O oS^dick. Buchstaben O'075"'

117

i8

hoch. In eincmO'/ö"' breiten, 0'5I "" hohen, eingetieften Felde steht .-ils Relief in Vordersichl ein mit Ärmel- tunica und Saguni bekleideter Krieger, dessen Füße weggeschnitten sind ; an seiner Linken hängt das

Fig. 26 Grabstele zu Perinth.

Schwert von einem Gürtel herab, der linke Arm hält einen Ovalschild, der erhobene rechte eine Stange, die in der Jlitte von einem durch Hinge durch- gezogenen Riemengeflecht, für das ich keine Paral-

vollkommene Analogie, weist aber darauf hin, dass signumähnliche Stangen die Statio des Bencficiarius bezeichneten. Über dem Rclicffeld Giebel mit Ro- sette, in den .■\krotcricn die Buchstaben D und AI. Im linken Zwickel oben sind zwei conccntrische Kreise eingemeißelt, deren äußerer cradiert ist.

18. Marmorstcle (Fig. 2()) unten gebrochen, 0'82™ hoch, 0-62 "• breit, o-ll"" dick, Buchstaben 0'09'" hoch. In einem eingetieften, 0445"' breiten, 0'4'" hohen Felde ist als Relief der Oberkörper eines mit gegürteter Ärmeltunica und Sagum beklei- deten Mannes von vorne sichtbar, dessen linker .■\rm durch einen Ovalschild verdeckt wird, und dessen abwärts gestreckte rechte Hand einen streifen- artigen, leicht gekrümmten Gegenstand in zwei Lagen hält, der sicher keine Rolle in Schrägansicht ist; Prof. R. v. Schneider dachte an ein aplustre, wozu stimmen könnte, dass Perinth Stationsort einer Flotte war. Im steilen Rcliefgiebcl Schild und Speer, in den Akrotericn die Buchstaben D und M.

19. Marmorstele (Fig. 30) oben gebrochen, 0'6™ breit, 075 hoch, o 08™ dick mit O'I l "" hohem, 0'25"' breitem Zapfen unten; kam quergclegt zu neuer Verwendung, indem der größte Theil der Fläche geglättet und innerhalb eines eingeritzten Viereckes (0'375™ breit, O'SJ"" hoch, unten 0-095" leer) be- schrieben wurde (Buchstaben 0"025"' hoch'.

Fig. 2g Grabstdc zu Prrinth.

lele kenne (sicher kein Amentum), umwunden ist, während die Spitze ein herzförmiges, durchbrochenes Metallplättchcn mit einem Knopfaufsatz, der den Gedanken an eine Lanze von vorneherein ausschließt, bildet. Auch Prof. A. v. Domaszewski kennt keine

^'E* 30 Grat>stetc zu Perinth

Dej'osilio infjiit is nomine I'rs\iili inliisi?) qiii v\ixil

iiniiis sex el 1 iiieiises V'IIl et \ liies (die Zahl fehlt)

de scUol\a seciinda sc\tiliirior{iim).

VÜT die verschnörkelte Form des F Z. I findet

sich auch bei Le Blant Paleographic des inscriplions

iig

I20

latines du III <? siecle ä la fin du Ylle kein gleiches Beispiel; die erste Ziffer nacli menses bedeutet VI; das S in Z. 3 kann eine Interpunction, beziehungs- weise ein Abkürzungszeichen sein. Das Monogramm Christi am Anfang und am Ende, welch letzteres der Steinmetz schon in der letzten Textzeile zu schreiben begonnen hatte, weist, wie die secunda scutariorum, in nachconstantinische Zeit, der auch die ganze Stilisierung des Textes entspricht. Die in scholae getheilten scutarii (Schildträger) scheinen an die .Stelle der Prätorianer getreten zu sein Der kleine Ursulus war offenbar eine Art Lagerkind.

20. Marmortorso des jugendlichen Dionysos in Lebensgrölie (.Fig. 31); Kopf, Arme und Unter- schenkel weggebro- chen. Körper nackt, weiche, volle Formen;

rechtes Standbein: Oberleib schwach nach rechts gewendet; linke .Schulter höher als die rechte; knapp oberhalb der rechten Hüfte viereckiger Stü- tzenansatz. Zu beiden Seiten des Halses fal- len Locken auf die Brust, während die Haare am Rücken ein scharf beschnittenes Viereck bilden. Dio- nysos mag mit der Linken am aufgestütz- ten Thyrsos empor- gegriffen und in der

gesenkten Rechten

l'iir. ^i Dicinysostorst» zu Perinth. c u i ^ j

■* •^ eine Schale oder der-

gleichen gehalten haben; der Typus ist hellenistisch ; vgl. Clarac-Reinach 1597. 1617. 1619.

21. Marmortorso des sandalenbindenden Hermes (Friederichs-AVolters 1533) in Lebensgröße (Fig. 32,1; Kopf, linke Schulter samrat Arm, rechter Unter- arm, beide Beine von der Mitte der Oberschenkel an weggebrochen. Das linke Bein hat gestanden, der rechte Oberschenkel war hoch emporgehoben und der Oberkörper so stark nach links vorgeneigt, dass in der Bauchgegend tiefe Falten eingeschnitten sind. Der rechte Oberarm reicht außerhalb des rech- ten Oberschenkels knapp neben ihm herab. Über das rechte Bein war ein Gewandstück (Chlarays?)

Hermestorsi' zu l'erintli.

gelegt. Die Kör- performen sind kräftig und tro- cken.

22. Gruppe einer römischen Panzerstatue mit kleiner gebildeten Barbaren aus Mar- mor. Panzerstatue

in anderthalb- facher Lebens- größe; Kopf, rech- ter Arm, Beine

weggebrochen ; linkes .Standbein; Lederpanzer ohne Reliefs; Tunica

gefranst, reicht bis zu den Knien; darunter Subu- cula; Sagura, auf rechter Schulter durch Fibel fest- gehalten, fällt über den im Ellenbogen gehobenen linken Unterarm; um die Mitte des Lederpanzers Binde. Rechts von der Panzerstatue, etwas vor sie gerückt, bekleidete Figur in Vordersicht auf rechtes Knie gesunken; die Hände waren am Rücken gebunden. Rechts davon ein mit Hose und Schuh bekleidetes linkes Bein einer sonst ganz weggebrochenen Figur, die wohl gleichfalls kniete; sie reichte der Hauptstatue etwa bis in die Mitte der Oberschenkel und scheint mit einem zottigen Fell be- kleidet gewesen zu sein. Die Gruppe, die links vom Feldherrn wohl durch symmetrische Barbarenfiguren zu ergänzen ist, muss von einem Siegesdenkraal her- rühren.

23. Gewandstatue in Lebensgröße aus Marmor (Fig. 33); Kopf, Unterarme und Unterschenkel fehlen. Rechtes Standbein; rechter Arm gesenkt, linker Arm im Ellenbogen vor- gestreckt. Auffällig ist, dass das bis zu den Knien reichende Ober- gewand so kunstvoll wie eine Toga umgeschlungen ist, ferner der gurt- artige Theil um die Mitte des Leibes und der von der linken Schulter herabfallende Streifen.

24. Marmorplatte (Fig. 34) 0'33" hoch, r53" breit, O'IIJ" dick, oben abgeschnitten, links, rechts und unten gebrochen. Friesrclief: in der Mitte Hermenschafl auf hoher Basis, rechts davon großer

Fig- 3i Marmor- torso zu Perinth.

121

122

Kru«; und zwei kleinere Gegenstände (Trinksclialcn?), am rccliten Ende mächligcr Kranz (wohl ^^etall- kranz mit Goldverzierungen gemeint) mit hcrabfal-

25. Marmorplatlc (Fig. 351 links und rechts ge- brochen, 018" hoch, 0'42'° breit, 0-14"" dick. Stück eines Friesrcliefs, bestehend aus Blattguirlandcn, die

^^i^^

1*"'S- jt i-"iK'spl,ittc ZU Perimli.

'■'K- .>5 Marmorplattc zu I*erinth.

Icndcn Bändern; links vom Ilenucnschaft Dreifuß an Stierköpfen befestigt sind; oben rohes Eierstab- und ähnlicher, nur kleinerer Kranz, am linken Knde motiv. Über der linken Guirlande, von der etwa die Rest eines I'almzweiges. Hälfte erhalten ist, liegende Granate.

ERNST KALINKA.

Piombo der legio XI Claudia p. f. aus Gardun.

Im l'.ullcttino Dalmato XVI lOf) hatte F. Bulic eine in (iardun ') gefundene ,tessera di piombo' mit der Inschrift LEG XI veröffentlicht. Da dieser knappen Notiz nicht zu entnehmen war, welcher Classc von Antiquitäten das Bleitäfclchcn angehöre, und jedes außerhalb Burnums, des Hauplquarticres der legio XI, zum Vorschein kommende Denkmal dieses Truppenkörpers lür seine Garnisonsverhältnisse von Bedeutung ist, so erbat ich mir das Fundstück von Monsignore Bulic zu einer nochm.aligen Publi- cation.

Dasselbe {Fig.36<; und />) bildet ein o"029"' langes und o'Olö"" hohes, oblonges Bleiplältchen von un- gleicher, zwischen drei und fünf .Millimeter variierender Stärke. Aufdem Avers stehtin erhabenen, o'ooj" hohen Buchstaben leg{ioniS) XI; über dem 2. und 3. Buch- staben und den Zahlzeichen ist der vortretende Rand erhalten. .Auf der Rückseite (Fig. 36/') linden

iibu ati:> tj.irju

sich zwei flache, 0"002"' breite Rillen,, die in eine etwas größere ovale Verticiung einmünden, und ist am oberen Rande dieser Vertiefung sowie an dem

') Oer für diesen Ort übliclie nnitkc N.ime Dclminium

Coliürt meines Erachtens sicher /np.inj.ic im lliivnoptilji' .in

trotz des ncuerliclicn liintrt-tons des verdienten Nest«»rs der

Jahrcstiefte des üstcrr. archäol. Institutes Ud. I Beiblatt.

unteren Ende der einen Rille ein Heraustreten der Bleimasse über die Horizontale der Plattenränder zu bemerken.

Man hat also den Abdruck einer zusammenge- knoteten Schnur, die einer starken Pressung ausgesetzt war, zu erkennen, was im Verein mit Form, Größe und Material des Plättchens für einen Stempel wäre ein härteres Metall (Bronze, Eisen"! gewählt worden dasselbe als eine Plombe charakterisiert. Dass solche Controlcsiegel in verschiedenen Zweigen der römischen Verwaltung in Verwendung standen, ist bekannt ; beispielsweise verweise ich auf die Plombe des Zollamtes von Mohacs^) mit der zweiseitigen Aufschrift Robtiri Cl(audii) V . . . . . {servi) vil{ici).

Aus diesem Piombo allein dürfte man nicht schließen, dass eine VexiUation der XI. Legion in Gardun garnisonierte, es hätte ja leicht mit einem Transporte aus Bumum dorthin kommen können. Wir besitzen aber drei weitere, in ihrem Zusammen- hang noch nicht gewürdigte Zeugnisse für die -An- wesenheit der Eilfer im Prätorium der legio VII: zwei Inschriften und einen Ziegclstempel alle drei in der unmittelbaren Nähe von Gardun ge- funden.

I. CIL III 2708 vgl. 9725: L. Alliiis L. f. Fahia, signij\er) leg. XI, aiiiior. XXX. slip. X. Ii. s. c. L. Slalieniis L. f. Fabi^a] Caliiliis fos. Gefunden

dalm.itinischcn Arcliäologen, G. Al.iJcvid, für Gardun im liullottino Dalmato XX 102 ff.

■' .\. V. Diiraasicwski, Arih.-epigr. .Mitlli XIII 130 f.

123

124

in Trilj ,ad traiectum Ccttinae' (etwa zwei Kilometer nordöstlich von Gardun); daselbst von Hirsclifeld auf dem Friedhofe gesehen.^;

2. CIL III 271 1: P. Apnlaniis F.f. Pol. Sabi- iiiis domo £[/]o;-[c]./., //-/. mil. leg. XI X. IM. ,Rep. ad ccclesiam S. Michaelis ad Cettinara'; geraeint ist, wie mir auf Befragen Director Bulic bestätigt, die jetzige Pfarrkirche von Trilj, etwa zwei Kilo- meter von Gardun entfernt. CIL III p. 281 ist die Inschrift irrthümlich mit Vrlilia im oberen Cetina- tliale in Verbindung gebracht worden. AVas die drei Buchstaben, auf die sicher noch mchreres folgte, zu bedeuten haben, ist unklar.

3. Runder, blass- gelber Hypocauslum- säulenziegelvon o'o8™ Höhe u. o-ig"" Durch- messer; auf der einen -Seite in einer O'OI" h<dien, o'oSy"" langen rechteckigen Eintie- fung die erhabenen, 0'0I2" hohen, jetzt

sehr verwaschenen Buchstaben lcg{io>üs) XI C{laudiae) Jiine) f{idclis). Vgl. Fig. 37- Gefunden in Dolac bei Gardun, vgl. Bu- lic, Bull. XIV S. 117 n. 401 ; jetzt im Mu- seum in Spalato. Bis jetzt waren in Dalma- tien nur gestempelte

Dachfalzziegel be- kannt.

Vereint beweisen diese drei Monumente,

dass ein Detachcment der Legion in Gardun stationiert war, und zwar ein stärkeres, da es von einem Tribun (n. 2) commandiert war. Der Umstand, dass die Mannschaft daselbst Ziegel geschlagen, daher auch gebaut hat, und die wiederholten Todesfälle auch n. 2 wird ein Grabstein sein zeigen weiter, dass die Dislocierung von längerer Dauer war. Auch wird

Fig. 37 Hypocauätumzicgel von D0I.1C bei Gardun.

man, da in den beiden Inschriften und auf der riombe die Beinamen Claudia pia fidelis noch fehlen, der Ziegelstempel sie aber bereits hat, vielleicht folgern dürfen, dass die Abtheilung bereits vor dem Jahre 42 n. Chr. nach Gardun commandiert worden war und daselbst nach dem Pronunciamento des Le- gaten Caraillus Scribonianus noch verblieben ist. Doch ist es auch möglich, dass Abtheilungen der Legion zweimal in Gardun waren, vor dem Jahre 42 und etwa nach dem Abmärsche der leg. VII nach Mösien, wo diese bereits im Jahre 66 nachweis- bar ist (Mommsen CIL III p. 280 vgl. p. 358 und Rom. Geschichte V-* S. 200 Anm. I; Doma-

szewsUi, Rhein. Mu- ^ :. seum 1892 S. 213).

Der Grund dieser auffallenden Maßre- gel, im Haupllagerder Vn. Legion eine Ve- xillation der XI. ein- zuquaitieren, entzieht sich unsererKenntnis. Die nächste Vermu- thung W'äre, dass das , Hausregiment' aus- wärts weilte und das Detachcment der Le- gion von Burnum die Werke unterdes be- setzt hielt. In Dal- matien jedoch war die VII. Legion im Jahre 42 sicher; das beweisen schon ihre damals erworbenen Beinamen. Es wäre auch denkbar, dass Ve.\illationen der bei- den dalmatinischen Legionen für längere Zeit zu einer gemeinsamen Action, zu einem Straßen- oder Brückenbaue etwa, zusammengezogen waren, wie dies auch sonst wiederholt bezeugt ist. Vgl. CIL III 2908 ivgl. p. 1635). 3200 (vgl. 10158). Mommsen, ebenda p. 280.

Sarajevo. C. PATSCH.

') In dem von Bulic HuU. XX S. iji n. 2370 publiciertcn Fragmente aus Caporice (südlich von Trilj) wird sicher der zweite Mann der obigen Inschrift L. Sta{tiemis'\ f\llu[lus'\ in der StelUmg eine,s [im]mun[is'\

wiedergenannt. Auch er wird der XI. Legion angehört haben. Da sich die Keste der ersten Zeile leicht zu stO'Ti'li'"- diornm)] X . . . . ergänzen lassen, so w.iren auch in dieser Inschrift zwei Soldaten genannt.

125

126

BAßVRlVS-ANFA^S VIVPOS5IBE PETROMAEAVCf CONlVClNCOM QVAEVDCMEC^ ANNXLVa

j8 a Sarkophag des Haburius Anthus in Grado, Hauptscite.

Inschriften in Grado.

(Kortsetzung, sieh oben S. 8j.) Corb. p. 58: „II Sigr. Rocco Pitacco pittore in- siyne d'Udine, Irovandosi in Grado ncll' anno indi- cato (1860), si rcse ben mcrito di una bella scoperta. .. nel piazzalc laterale del Duomo. Osscrvando cjjli a caso nel sorlir da esso per tal parte... un pezzo di marmo bianco lungo c sottile a filo del suolo, su cui mise il piede, si arrestö mettendovi attenzione: abbassandosi si mise a scoprire il terrcno contornante e... si scopri esscr quello un coperchio di sarcofayo. Scopertolo dal terreno e levatolo si scopri di sotto il Sarcofago, elie veniva chiuso da esso coperchio. Escavandosi il terreno all' intorno... si scoprirono altri due Sarcofaghi, c poi un altro, in tutti, quattro adunque, tre col loro coperchio ed uno senza. Tutti sono d'un solo pezzo, e grandi... II primo . . . [n. 27] piii grande di tutti gli altri, e di marmo (di) Grcco, e deve esser stato di famiglia molto cospicua cssendosi trovato nel fondo, eniro di esso, una lastra di marmo di tutta l'estensione del fondo lisciala e sottile, della grossezza di un oncia e mezza, d'egual qualitä, forata, stata raessa, egli 0; m.inifesto, per con- scrvare piii bcne i cadaveri, restando asciutti nel dis- farsi. , . II secondo £ anche di marmo (di) Greco, ma senza iscrizione. II tcrzo [n. 26] i: di pietra bianca, coU'im- pronta d'esser di epoca molto piii rimota degli antcce- denti, e dall'iscrizione si giudica del sccol secondo. II quarto era di pietra bianca, ma siccomc era lutto cor- roso c logoro nel fondo, abbisognando il Comune di matcri.ilc, gcttato a pczzi, sc ne servi essa dei medesimi

Fig. 38 b Sarkophag des ßabnrius Anthns in Grado, Nebenseite.

in un ristauro che fecc eseguire. Dall'impronta ch'avea giudicando dovea essere qucsto assai piii vccchio dcirantcccdcnte. In questi Sarcofaghi non si trovö nicntecheCristianesimo indicasse. .. Ecccttuato il primo in tutti gli altri tre vi si trovarono moUc ossa (erano quasi pieni) coi vasi lacrimali di vetro che sembra- vano inargentalf. F.scavando questi .Sarcofaghi si trovö

9*

127

anclie un tiimulo, falto con pietre cotte, in cui deve essere stata sepolta una donna, e di qualche distinzione, mentre si trovarono sotto il suo teschio quattro aghi che le donne adoperano nell'acconciatura del loro capo: si trovö sulle ossa del petto un pezzettino di abito di seta (alcune fila unite cioe per parlar esatta- raente...) di color verde: e piii abbasso si trovö eziandio la Vera od annello che in dito doveva avere... I quattro a^hi con la vera in discorso sono di ottone. Escavando i Sarcofaghi in discorso si trovo anche una raoneta di metallo che... si ritiene essere di Teodosio il grande . " Drei Sarlvopliage stehen noch auf dem Platze vor dem linken Seitenschiffe des Domes.

streifen, der auf der Vorderseite durch den Rahmen der Inschrift unterbrochen wird. Dieser Rahmen hat rechts und links geschweifte Verzierungen. Zu beiden Seiten der Inschrift je ein stehender nackter Erot innerhalb zweier uncanellierter Säulen mit attischen Basen und unverzierten Kelch capit eilen, auf die ein Flachbogen unmittelbar aufsetzt. Die Eroten tragen in symmetrischer Haltung auf der einen Schuller ein cylindrisches Gefäß mit undeutlichem Inhalte und in der freien Hand eine Weintraube mit einem Zweig. Im Relieffelde neben ihren Hüften D{is) M{aiiibi(s), im Inschriftfelde: Bahiiritis Aiithiis viv(jis) pos{uil) sih' i) et Pclroiüac Angciii cjyniugi iitcomp{araHU),

TCANIORESTITVTO ETMEMMIAENICENI CONlVCIBVSQyMXER . ^^^., JNSESINEVLLAQVAERELL I I ANN I SXXlll DI EBVSXX)^ Fl LI IPARENTIFVSPO WTI^ W

^JP^i

^'S- 39 Sarkophag des T. Canius l^eslitutus in Giado.

26. n. 8342. .Sarkophag mit dachförmigem Deckel, aus Kalkstein (Fig. 38« und h') i 32™ hoch, 2'26"' lang, ril™ tief, bis auf den thcil- weise abgebrochenen First und Verscheuerungen in den Reliefs vollkommen erhalten; die rückwärtige Längswand ohne Verzierung. Der 05 "" hohe Deckel, der auf den Nebensciten durch Klammern mit dem Sargkasten verbunden war, hat die Form eines Adler- daches mit Andeutung des Firstes, der Flach- und Hohlziegel und vier überschweren Akroterien. Der Kasten erhebt sich auf einer breit ausladenden pro- filierten Basis und hat oben einen schmalen .Sims-

quac vix(it) mectim anii{ox) XL 1 7. Die Zahl lautete ursprünglich XLVII, ein I wurde eradiert; in Z. I ist die Ligatur unvollständig. Die Buchstaben sind o 03 bis 0'07 hoch. In den Giebeln des Deckels jederseits ein schlangenhaariges Medusenhaupt, auf den Nebenseiten des Sarges je ein flacher Giebel mit Eckakroterien, der auf zwei .Säulen ruht, die denen der Vorderseite gleichen. Zwischen den Säulen der linken Nebenseite tragen zwei flüchtig gearbeitete nackte Eroten auf den Schultern eine Guirlande; das entsprechende Feld der rechten Nebenseite ist ohne Relief und nur gerauht.

129

>30

27. n. 8353. Corb. p. 59. Sarkophag mit dach- förmigem Deckel, aus Marmor (Fig. 39), 1-63" hoch, 2'33™ breit, r22 ■" tief. An den vier Ecken des Sarges stehen auf einer Roden- Iciste Pfeiler mit attischen Basen und korin. thisierenden Kapitellen, die einen prolllier- ten Fries tragen. Die Felder zwischen diesen Pfeilern sind auf der Rückseite und den Nebenseiten nur gerauht als Rustica mit schmalem Randschlag. Auf der Vorder- seite halten zwei symmetrisch bewegte nackte F.roten, die auf eigenen Basen stehen und nur angelegt sind, den Rahmen der Inschrift. Der Deckel hat die Form eines Adlerdaches mit First, Flach- und Hohlziegeln und vier übergroßen, rück- wärts sphärischen Eckakrotcrien, auf denen D{is) M{aiiibiis) steht; im Inschriftfclde: T{ito) Canio Restitiilo et Mcinmiae Niceni coiiitigibiis qiii vixer(unl) in sc sine Ulla qiuicrcll{a) aiiiiis XXIII dicbus XXX Jim parenlibiis posiicntnl. In Z. 6 ist ein Apex sicher über fdii, möglich /.. 4 über i'illa, indessen liegen vielleicht nur Fchlhiebe beim Einmeißeln der Inschrift vor. Die Buchstaben sind o'Oj "' bis O'oy™ hoch. Der dritte Sarkophag ist gleichfalls aus Marmor. r34 "" hoch, 2'2I lang, 1"I3"' tief, und schriftlos; sein Deckel unterscheidet sich von den beiden durch die geschweifte Form der F^ckakroterien.

langgelockten Eroten, welche die Schriftlafel halten, 074'" hoch. 0'3I'" und O'TS'" breit; r<.Iit- nii Eni.-

JPERPETVAE

(evtyches

)siQ- ET LI AT

G I

Fig. 40 Fragmente einer Sarkoph.igplattc in Grado.

Seciiritati] yerpcitiae ' [ ins] Eulyches \ [vivns fecill

sib{ij et I [ iiic Ampyiate \ [coitin'\gi \ [pientis']siinae.

28. n. 8383. (Fig. 40.) Zwei Bruchstücke der Vorderwand eines Marmorsarkophages mit nackten

Kijj. 41 GrilbsteU' des P. Annius Caeneus in ürailo.

Spur eines Pilasters. Der Erot rechts hält eine bren- nende Fackel aufrecht, der andere hielt sie vielleicht gesenkt, ein in Aquileja seltener vor- kommendes Motiv, das sich u. a. auf einem von dort stammenden Reliefsleine zu Buttrio wiederholt. Z. 5 ist coiiin']gi auffällig wegen des sicheren Punktes nach und des leeren Raumes vor G.

29. n. 8975. Corb. n. 25. Eine freie Skizze bei Caprin a. a. O. p. 221. Bruch- stück einerGrabstcle aus Kalkstein (Fig. 41). im Besitz des Bürgermeisters Corbatto, 0"5 ■" hoch, 0'26— 0'32°' breit, 0*09 OTl™ tief, auf drei Seiten sculpiert, rückwärts und unten gebrochen. Die Stele ist eingefasst von einem Abacus mit einem Kymation von gelappten großen Blättern, ihr oberstes Glied bildet ein schmälerer viereckiger .'\ufsatz. dessen Nebenseiten mit je einem großen Akanthoskelch ge- schmückt waren. Am Schaft der Stele: D\is) M{ani- biis)\ P(nbli) AnniCacnci {? I'(nblins)^ CilniusCaenens] let Ä]niiia Eucarpia j \_parenles /]ilio Ipieulissimo].

I II

i.V

An der Vorderseite des Aufsatzes, doch abwärts über das Kymation herabreichend, in mäßigem Relief und geringer Ausführung eine Darstellung der Auf- fahrt des Ganymedes. Aus einem geöffneten Blatt- kelche, der in das Kymation rechtshin überläuft, links sich über dasselbe in die Hohe zieht, erhebt sich der Oberkörper des Knaben. Er ist mit einer Chlamys bekleidet und hat anliegendes kurzes Haar, das in schematisch alterthümlichen Rillen gezeichnet ist; die verstoßene linke Hand ruht geschlossen an der Brust, die erhobene Rechte hat einen aus dem Kelche hervorkommenden Blütenstengel erfasst, sichtlich um die Blüte zu pflücken. Auf den Schultern aber sitzen die Klauen des Adlers, der die Flügel mächtig ausbreitet und den Kopf seitlich herabneigte: Kopf und Brust sind abgesplittert, das -\uge aber erhalten. Das interessante Denkmal ist in der langen Reihe von Ganymedesdarstellungen völlig singulär und ein deutliches Beispiel für die vorbildliche Ver Wendung des Mythos an Knabengräbern. [Am nächsten steht eine Marmorgruppe in Catajo (Thiersch, Reisen I 310), in der Ganymedes den Hals des entführenden Adlers umschlingt und Blumen und Früchte in dci Hand hält (während er sonst als Jäger oder Hii: charakterisiert wird), also in Anthologie begriffen i- wie Kora beim Raube des Hades. Dass die Blunuii dieser Gruppe gewiss mehr bezeichnen sollten ;ii- bloß „das anmuthige Spiel der sorglosen Juger.l wie Otto Jahn, archäolog. Beiträge 19 auslegte, viel mehr der Natursymbolik des Mythos gelten, nach der Ganymedes wie Hebe und so viele andere Ge- stalten des Volksglaubens ein Bild alles aufblühenden und hinsterbenden AVachsthums ist, zeigt hier der mit so viel Absichtlichkeit dargestellte Blattkelch, aus dem Ganymedes mit halbem Leibe hervorragt. O. B.]

30. n. 8977. Corb. p. 60. Pais n. 152. Gregorutti, Archeografo XIII 157 n. 221. Marmorsarkophag ohne Deckel, 072 ■>» hoch, 2-15™ lang, 0-67'" tief, gefunden 1812 in Grado, früher im Besitze der Familie Marocco, 1893 ■'OD Piemontese für das Museum angekauft. Die Vorderwand ist durch Randleisten in drei Felder ge- gliedert, deren mittleres r25 " breites, 072™ hohes in 0'05 7 " hohen Buchstaben die Inschrift trägt:

JFLÄVIAE 'ICONI

B-EN E^MEMTAJE

HER E D E S'P O S VEf^^T

Der im CIL mitgetheilten .\bschnft fehlen die Apices und A in Z. 2. Die beiden anderen Vierecke sind gleich groß und haben Rustica zwischen den Leisten. Auch die Xebenseiten haben Rustica inner- halb einer Randeinfassung, die nach oben, wo sich Klamraervertiefungen finden, bogenförmig verläuft. Ende des 2. Jahrhunderts.

31. Pais n. 190. Viereckige Aschenurne aus Kalkstein ohne Deckel, rückwärts abgeschlagen, 0-22™ hoch, 0-36" breit, 0-24™ tief, 1885 aus dem Hause n. 144 für das Museum erworben. Vergl. Mittheil. d. C. C. i8go S. 158 n. 27. Die 003™ hohen Buchstaben aus dem III. Jahrh. n. Chr. über- schreiten die ursprüngliche Randeinfassung auf der rechten oder linken Seite in den drei ersten Zeilen mit je zwei, in der letzten Zeile mit je einem Buch- staben. Z. 2 ist deutlich I statt L {leg.), nach iiniii- gusiori (sie!) ist ein Punkt angebracht.

^ ,T,

32. Pais n. 253; Gregorutti, Archeografo XIII 157 n. 222. Bruchstück einer Marmorplatte 0"34'" hoch, o'Os™ breit, O'II"" dick, 1897 aus dem Hause n. 65 für das Museum erworben. Die sehr verwaschenen, 0'o6 7" hohen Buchstaben weisen in das zweite Jahrhundert:

I VL! A

. . . a[t ?'\iiis Ca . et Julia [. . . . pa']renies.

33. Das von Pais n. 316 und Gregorutti, Archeografo XIII 158 n. 223 angeführte Bruchstück ist an der Außenwand der Küche im neuen Gebäude des Giacomo Tognon in Grado (via Bagni) ein- gemauert. Die Platte aus Kalkstein ist 0'3l'" breit, 0.29™ hoch; die schönen 0'075™ hohen Buchstaben aus dem I. Jahrhunderte n. Chr.

i5i

«34

34. Das Bruchstück l)ci GrcjjoruUi n. 225 konnte ich nicht linden.

35. Eckcippus aus Kalkstein, 1888 aus dem Mause n. 29 für das Museum erworben, veröfTcnl- liclit Mittheil. d. C. C. 1893 ■'^- n. 21.

36. n. 883 gelangte in das Museum zu Kslc.

37. n. 1095.

38. n. 1187 ist nunmehr verschiillcn.

39. n. 1195, nach Capodaglio in Iiar1)ana, aber daselbst nicht mehr zu linden.

40. n. 83-', :i"s der Sammlung Circj^orutti seit 1894 im Museum.

41. n. 8497. 42. n. 8528. 43. n. 8530.

44. n. 1373 = n. 1428 = n. 1457 wurde im CIL dreimal und immer verschieden, je nach den Angaben' Kandlcrs (n. 1373), Cortenovis (n. 1428) und Pocockes (n. 1457) veriiffcntlicht und zwar zwei- mal mit der fast übereinstimmenden Anyabe ,in atrio ecclesiae cath'. oder in ,ecclesiae vestibulo'. Auch Corbatto vcrzeiclinct zweimal diese Inschrift; das einemal unter n. 7 (v<;l. n. 20 dieses Verzeich- nisses), das andcrcmal vielleicht unter n. 23 nur die erste Zeile, und beidemal gibt er an : ,Sta incassata ncl muro dcU' atrio del _Duomo', oder ,nell' atrio del Duomo'. Leider ist diese Inschrift bei der AViederhcrstcllung der Vorhalle des Domes verloren gegangen.

45. Die n. 1454, Pais n. 105, Gregorutti, lapidi n. 228 und Archeoj^rafo XIII 156 n. 220 veröflent- lichte Inschrift wurde bei der Renovierung des Hauses

das Museum erworben. Der Eckcippus aus Kalkstein ist oben und rechts .ibgebrochcn, die Höhe beträgt Oc)3'°, die Breite 0-27'", die Dicke 0-017"'. '^'<= Buchstaben sind 0'03'" hoch und von der zweiten Zeile abwärts ist die Oberfläche mit dem Spilz- hammcr gerauht (vgl. n. 21 dieses Verzeichnisses).

Aus Corbatto, der, wie bemerkt, auch Inschriften nicht antiken Ursprunges in sein Verzeichnis aufnahm, hebe ich noch die beiden folgenden, mir unbekannten, aus, deren erste wohl den ,falsae' beizuzählen ist, jedesfalls so nicht antik sein kann.

46. Corb. n. 1: ,ncir isola Gorgo'.

QVINTV^ Cl.AKV

.^

A L B A X V S

ACCKXS V. K.

47. Corb. n. 13 ,si leggeva scolpita in picira alla Porta grande del CastcUo'.

(Guzzon De Rossi Pozzctto) n. 108 als Bau- stein an Antonio Corbatto verkauft und 1898 für

'Ev3-i5£ y.5i-:E "p^za |is-i z'^[ß rMÜvj'r} aOx^;

5r;3i'j3[a i-.r, -.y.]iY.m-/-.x [~]iv:3. [£xo;|ir,D-r,:-] T.fö s; £i?[ö>v ]v.

Das Schluss-; war vielleicht ein Blatt, da das letzte W ort wohl den Monatsnamen im Genitiv gab.

48. [-"ig. 42. Fragment einer Sarkophagplatte von weißem Marmor, aus vier Bruchstücken zusammen- gesetzt, 0'86'"hoch, rj"' breit, 0'I35™ dick, im Hofe der Kirche, angeblich gefunden bei Wiederherstellung der Vorhalle unter der jetzt abgetragenen schönen Mittelsäule; nach der rückwärtigen Aushöhlung wahrscheinlich einmal verwandt als Altannensa. Links ein Eckpilaster mit schmucklosem Capital,

135

i;i6

P{iiblio)?']Aemi!w F [/o I £»]-

lycheli p\_atri] \ qualluo)-{i'iro i(u- ri) ii{icundo)'] \ oniamenl{is) decti- [_rionalibus\ | or- nat{o)a sph'itdißo ordiinc] \ Aq{uili:i- ensiiim ßl(ii) et hcred(cs) palr\_is posHcninr\ 1 .4t(HJ-

lii Sabinianiis

in[I (■//-] I et

Philifpus c[/ Seve-

riniius? .

Fig. 42 Sarkopliagplatte in Grado.

darüber ein prolilicrter Fries und die Umrisse einer weggemeißelten Relieffigur innerhalb einer Bogen- stellung; naclcter geflügelter Jüngling, der mit unter- geschlagenem linken Beine aufrecht stand, die rechte Hand an die Hüfte stemmte und mit der Linken eine große Fackel (?) aufstützte. Auch der Rahmen der Inschrift ist unter Tilgung einiger Buchstaben abgemeißelt. Bessere Arbeit des zweiten Jahr- hunderts.

50. Bruchstück einer ilarmorplatte, 0-i5™ hoch, O'Oj™ breit, 0-I25'" dick, aufbewahrt wie n. 48. Rechts Überrest einer breiten Kante, sonst ge- brochen. Gute, 0"05™ hohe Buchstaben des dritten Jahrhunderts :

AVEXVSTA '^CERVNT-SIBI

et

;]ii Vciiiisla . . .[/]ftv/-«H/ sibi .

49. Vier Bruchstücke einer Marmorplatte, 0'73'° hoch, 0'79™ breit, O'IS"" dick, tmten Spur einer Randeinfassung, gefunden und aufbewahrt wie n. 48. Schöne, 0'06 0.07°" hohe Buchstaben derselben Zeit. P. .\emilius Eutyches ist gewiss mit dem in n. 48 genannten identisch.

PATERTILS^''

P{iiblio)lAemili{o)] Severia[iio filio] P(nbliiis) Aemiliiis Eut){ches] pater J>iiss[iiii . . .

^I. Fragment einer Marmorplatte, 0'28'° hoch, 0-4 1" breit, 0"05"" dick, gefunden und aufbewahrt wie n. 48. Rechts Rest einer Pilasterleiste, o-oe" hohe Buchstaben des dritten Jahrhunderts. .

null . . .

XXX iiu-ii(ses) II.

52 (7, b. Zwei rings gebrochene, vielleicht von einer Inschrift herrührende Fragmente aus Kalkstein,

die ich als Pflastersteine vor dem Dome verwandt fand, a O'30"' hoch, o'2l'" breit, OM45"' dick, Z. 2

137

>3«

mit O'l"' holicii Riiclistabcn, jetzt im Hofe der Kirche. l> dient noch als l'flasterstein, o"23"' hoch, 0'29™ breit, ein Fragment mit dem Ol 4'" liehen Buchstaben T.

53. Bruchstück einer Kalksteinplatlc, 0'3;'" hoch, 0'28'" breit, eingelassen in die aus Ziegeln und Sleinbruchstückcn zusammengesetzte Mensa des Altars der raater dolorosa im Baptistcrium. Schöne, 0'045™ bis o OaS"" hohe Buchstaben des zweiten Jahrhunderts.

54. Rechte obere Kckc eines Grabaltars aus Kalkstein, auf einem Steinhaufen hinter der Kirche, 0-48" hoch, 0-3 1™ breit, o-ia"" dick, mit Randein- fassung, in der oben sich eine kleine Vertiefung mit Blciresten für einen Stift fmdcl, mit 0'ü8 '"

hohen Lettern. ,

IVS I

55. Fragment einer Marmorplalte, oben Rand- leiste, 0-35'" hoch, o'9i"' breit, o'i3"' dick, mit 0'07'" hohen sehr abgewetzten Buchstaben; diente als Stufe im Geschäfte der Brüder Marchcsini, jetzt hinter der Kirche.

57. Bruchstück einer Kalksteinplatte, 0"I3"' hoch, o'57"' breit, o"2y'" dick, mit o'oös"" hohen schönen Buchstaben; als Schwelle verwandt im Hause n. 60.

V .\r, R- 1- XX »]n agr(iiiii) p{ciics) XX.

58. Kalksteinplalte als Pflaster verwandt im Hause n. 298, für das Museum 1897 erworben, 0-<f hoch, 0'4I°' breit, O'i;'" dick, mit 0'o6— 05™ hohen sehr verwaschenen Buchstaben.

D(«) AHaiiil'iis) A]iit-c[l- io \'ii[Ii<i- o civ . . r

59. Fragment des Mittelstücks einer Grabara aus Kalkstein, oö"" hoch, 077"' breit, oS"" dick, mit O'Og" hohen Buchstaben, ausgehöhlt für eine Brunneneinfassung bei der Werfte des Romano Marocco, 1 897 für das Museum erworben.

l)c\m\ctt-'\ius I:'asstis

5^). Fragment einer Kalksteinplatte, eingemauert in der Vorhalle des Hauses n. 100, 0'35™ hoch, O'Sö"" breit, 0-14°' dick, mit o-oG"" hohen Buchstaben des ersten Jahrhunderts; die Inschriftfläche mit dem Spitzhammer gerauht.

NAEDEAE ■^SVSCEPTO

l"ll(VN Ho]iiiic äcae [i/o/]o siisccpto lai . . . ye]c[if]riiii[li

Ub(crlis) h\b(eiia. busque).

60. n.

Gregorutti, Archcografo XHI

158 n. 224 ist das Bruchstück einer Platte aus Kalkstein (Gregorutti: marmo fino bianco), welche früher als Pflaster bei der „Piazza Patriarcato" vor der Domkircbe verwendet und auf meine Veran- lassung in das provisorische Museum hinter der Sacristei übertragen wurde. Höhe 0"2g°', Breite 0'37°', Dicke 0'075"'. Die Buchstaben sind O'oS"' hoch und sorgfältig.

Aquileja. llllNKHir MAKiNIc A.

Jahreshefte des österr. archäul. Institutes BJ. I Beiblatt.

139

[40

Archäologische Miscellen.

1. Hermes mit dem Beutel.

S. Reinach, Pierrcs gravces pl. 78 n. 9 hat aus Levesque de Gravelle eine im Cabinct Arundel be- findliche Gemme mit der Bemerkung ,Mercure et fcmme inconnue' wieder herausgegeben. Links steht Hermes mit Flügelpetasos und Chlamys, in der Rechten ein Kerykeion, mit der Linken einer ihm zugewandten Göttin den Beutel hinhaltend. Diese sitzt ruhig auf einem profilierten Baugliede oder Untersatze, geschmückt wie es scheint mit einer Stephane, bekleidet mit einem kurzärmeligen Chiton und einem schleicrarlig den Kopf umhüllenden Mantel, dessen Ende sie im Schöße mit der Linken fasst, während die Rechte mit ausgestrecktem Zeige- finger hoch erhoben ist. Die Erklärung bietet ein bekanntes pompejanisches Wandgemälde, welches im Gegensinne die .Scene deutlicher wiederholt (Heibig n. 362; Müller-AViescler II 30, 330). Hier ist die Göttin als Demeter charakterisiert durch die geflochtene' Ciste, auf der sie sitzt, den Ährenkranz im Haar und die Fackel, die sie mit der Rechten hält; mit der Linken breitet sie den Mantel im .Schöße zu einem Bausche aus, um den Beutel des Hermes in Empfang zu nehmen. Die wesentlichen Züge beider Darstellungen auf dem geschnittenen Steine wird in der Rechten der Göttin Fackel oder .Scepter ausgefallen oder unbemerkt geblieben sein stimmen so genau überein, dass man auf ein zu Grunde liegendes Original geführt wird, das wohl nur als Gemälde und sicher nicht vor.ile.xandrinisch gedacht werden kann. Denn die Bedeutung der Scene ist ausgesprochen allegorisch. Demeter als Erd- göltin ist Mutter des Reichthums, der in ihren Saaten aufsprießt, und der im alten Epos als Swryjp Eacüv oder ^pio'jv.o; gefeierte Hermes konnte nur in einer Epoche, die den Reichthura als Capital zu ver- gegenwärtigen gewohnt war, zum Plutodotes mit dem Beutel werden, wie er denn in den späteren, nament- lich römischen Denkmälern weitaus am öftesten mit diesem Attribute auftritt.

Wie Otfried Müller erkannte, scheint denselben Gedanken eine Veroncser Grabstele auszudrücken, die er neben dem Gemälde wiederholte (Müllcr- Wieseler II 30, 329). Hier hält Hermes der auf einem Felsen sitzenden Ge beide sind inschrift- licli bezeichnet einen Gegenstand hin, in dem Müller einen Beutel sah. Zwar hat Stark, De Tellure dea p. 35 in diesem Gegenstande vielmehr eine

Schale vermuthet, und Dütschke IV n. 416 dies vor dem Originale l)estätigt, aber die sehr divergierenden Deutungen, welche die Scene infolgedessen erfuhr, die Literatur bei Wieseler, Denkmäler der alten Kunst, II ' S. 497 sind insgesammt künstlich und befriedigen nicht. Wenn die Erde Nass em- pfängt, das ihr ein Gott liingießt, wird dies nach zahl- reichen Analogien (vgl. Petersen, Arch.-epigr. Miuh. IV 163) am natürlichsten im Sinne verliehener Frucht- barkeit zu verstehen und eine Variante der näm- lichen Vorstellung sein, welche die Übergabe des Beutels andeutet.

Im Grunde verändert sich der Gedanke nicht, wenn er nun auch in umgekehrter Fassung auftritt und Hermes einer Erdgottheit den Beutel nicht gibt, sondern ihn von ihr, wenn man will, als capitali- sierte Ernte, zurück erhält, wie auf dem Neapeler Prometheussarkophage, wo er von Hera einen solchen in Empfang nimmt (Welcker, alte Denk- mäler II Taf. XIV 26). Denn dass auf diesem durch- weg von gelehrter Symbolik inspirierten Bildwerke, die zwischen den Hauptgöttern von Himmel und Meer thronende Hera einen Bezug zur Erde ausspreche, worauf Otto Jahn zuerst hinwies, werden auch die- jenigen nicht in .Vbrede stellen, welche sich der be- rühmten ^^'elckerschen Auffassung der Hera als Erd- gottheit überhaupt nicht oder nur bedingt anschließen.

2. Zum sogenannten Senecakopfe. Jeder Besucher des Palazzo Pitti, der die herr- lichen Räume nicht allzu eilig durchschritten hat, erinnert sich wohl des schönen Bildes von Rubens, das Justus Lipsius darstellt, wie er vertrauten Schülern eine Stelle aus dem vor ihm offen liegenden Buche erklärt'). Es sind reife Männer, die seiner Rede horchen, würdig ihres Meisters. Zu seiner Rechten sitzt, die Feder in der Hand, Philipp Rubens. In dem sympathischen Manne, der in einem Buche blättert, zu seiner Linken, glaubte man Hugo Grotius zu erkennen. Ma.i Rooses benennt ihn aber mit triftigeren Gründen Johannes Woverius, der die beiden Rubens auf ihrer italienischen Reise 1602 begleitete und nebst l'hili]ip Rubens des Lipsius Lieblingsschüler war. Der Maler sellist stellte sich bescheiden neben seinem Bruder beiseite, nur wie ein zufälliger Gast den gelehrten Erörterungen der

1) ^l. KtHjses, L'oeuvrc de 1*. P. Rul)ons (Antwerpen iHiio) Miiiil IV S. 203 n. 977 Tafel 300.

141

142

drei Männer lauschend. Rooses setzt die Entstcliunj; des Hildes in das Jahr jCiOZ, wie es denn auch j>leich manchem Werke aus der Frühy-cit des Meisters noch befangen in der Composition erscheint, während es anderen zufolge') nach der Erinnerung erst lülO gemalt worden wäre.

Im Hintergrunde malte Rubens eine Nische und in dieselbe die in zahlreichen Wiederholungen vorhandene antike Büste, welche seit Fulvio Orsini bis auf Winckelmann unangefochten als Bildnis Senecas galt. Hatte sie der Maler gewählt dem Upsius zu Ehren und gleichsam attributiv zu ihm gedacht, da dieser Gelehrte sich mit dem römischen .Stoiker viel beschäf- tigte und ihn auch edierte (Antwerpen 1605)? Und ist es vielleicht eine Stelle aus dessen Werken, die Lipsius im Bilde seinen Freunden und .Schülern erklärt? Der Beschauer mag sich immerhin in diesem Sinne das Parergon ausdeuten und wird einen Beleg für die Kichtigkeit seiner Auffassung in dem von Rubens gezeichneten Titclbildc der 1637 heraus- gegebenen Opera Omnia des Löwener Humanisten finden'), auf dem wir die Hermen des Seneca und des Tacitus sehen, der zwei classischen Autoren, um deren Kritik und E.\egese Lipsius sich am meisten verdient gemacht hat. Aber in jedem Falle hatte dieser antike Porträtkopf mit seinen durch- furchten und verwitterten Gesichtszügen das volle künstlerische Interesse des großen Vlämcn. Wie wir aus einem Briefe des Peirescius an Gevaerts vom 17. Jänner 1620 erfahren*), besaß er nebst antiken Büsten des Cicero und des Chrysipp auch

2) Hurckhardt. Der Cicerone II 896 (It-r 7. Auflage.

3) Rouses Hand V Tafel 370.

■*) (lachet, Lettrcs inetlitcs de P. P. Rubens S. 2 : je vouljrois bicn pouvoir faire un voyajje en ce pays-la pour en avoir la veue (du Cal>inet de Rubens) et surtuut de ces bellcs tcstcs de Cicerwn, de Srni*quc et de Chrysippus, dont je lui desroberois pDüsible un^potit grifFunncment sur du papier s'il le me permetti>it.

*) In der Vorrede zu den von Lipsius edierten Werken des Seneca aus der Officina Plantiniana 1615 beiflt es von diesem Marmorkopfe : Altcram quam spectas cfflgiem (s. unten), e prottityp» raarmoren idem Kubenius expressit : quod Roma allatum, in clogantissimo Sluseo suo asservat, jilane idem cum ejusdcm Pliilosopbi simuhlcro apud IH"*"™ Cardinalem F.arnesium exstantc et a Fulvio Ursino inter Iltustrium im.agines, FabriUambergensi.-; commcntario illustratas, non satis ad amussini cdito. Pracrogativani utrumque hanc habet, quod cum nummis, quibus ipsum Senecae nomcn inscriptum , pcrquam exacte conveniat. Vgl. Itcrnoulli, Rom. Ikonographie I 277.

6) Zeichnungen im Britischen Museum, Rooses Band V S. 212 n. 140). 1405.

~} K4ioses Band A' S. 14. Danach hat J. Faber senior den Seneca für eine zweite Serie gestochen, ebenda S. 16.

eine antike Re]ilik des , Seneca' in .Marmor. Er hatte sie in Rom erworben''), wiederholt gezeichnet'"') und gemalt, und nach diesen Vorlagen wurde sie von E. Vorstermans 1638") und von Cornelius Galle dem Vater gestochen, von letzterem für die zweite Auflage des Lipsiusschcn .Seneca vom Jahre 1615 *). In diesem Buche findet sich noch ein zweites Blatt von demselben Stecher nach einer Zeichnung des Rubens, das den sogenannten ster- benden Seneca, den ,pccheur africain' aus der Samm- lung Borghese im Eouvre') darstellt, eine Figur, die Rubens in einem Gemälde der Münchencr Pinakothek'") in den Mittelpunkt einer größeren Composition stellte, indem er um sie einen Schüler, der die letzten Lehren des sich verblutenden Philo- sophen aufschreibt, einenSclavcn, der seineraHcrm die letzten Dienste erweist, und zwei römische Soldaten, die Abgesandten des Nero, gru])picrte. Wohin jene Replik des Senecakopfes gekommen ist, wissen wir nicht. Wahrscheinlich verkaufte sie Rubens mit seinen anderen antiken Kunstschätzen 1625 dem Herzog von Buckingham").

Seit Winckelmann Fulvio Orsinis Deutung bestritt, suchte sie zwar Visconti noch zu retten, und Com- paretti einen anderen Römer, den berüchtigten L. Calpurnius Piso Caesoninus, an die Stelle von Neros Lehrer zu setzen;'-) gleichwohl brach sich die Über- zeugung Bahn, dass wir in dieser in so vielen E.\em- jilaren vorhandenen Büste ein Werk hellenistischer Kunst vor uns haben.''') Zunächst wollte man einen Dichter der Diadochenzeit in ihr erkennen, so

8) Rooses Band V S. 119 ff.

9) Clarac-Reinach I 165 2. Schreiber, ,\thenische Mit- theilungen 1885 S. 397. Phot. von Giraudon 1384.

1") Rooses Band IV S. 258.

ti) Michaelis, Ancicnt marblcs in Great Britain S. 12 flF.

1-) Curaparctti und de Petra, La Villa Ercolanesc S. 15 (F.

t3) Den bekannten Repliken ist jetzt hinzuzufügen: Furt- wangler, S<ammlung Somzee Tafel XXVI, und der dort ange- führten Literatur: Galerie des marbrcs antiques du Musce Campana ä Rome . . . par H. d'Escamps Taf. 73; Brunn, Beschreibung der Glyptothek 4. Aufl. n, 272 ; Amelung, Führer durch die .'\nliken in FUirenz n. 15 (= Dütschke III 58), n. 165 (= Dütschke III 530) ; Guida del Museo nelle Terme Diocleziane p. 10 n. 14 S. 56 n. 8 ; Michaelis, Ancient marbles in Great Britain, Ince Blundell Hall n. 217 r, Richmond 30; Matz-Duhn 1770, 1771, 1772 (wahrscheinlich modern); Dütschke III 396, IV lOo; Neapel- Portico dei Italbi n. 6185, 6»*6, 6187. Vgl. .-luch Schreiber, Literarisches Centralblatt 1897 Sp. 629 f. Kin mittelntüOiges Exemplar sah ich im vorigen Jahre in Florenz in der Hausflur der Casa Buonarotti über der Ein- gangsthür. Diese Büste ist hei Dütschke nicht angeführt, i.ci.ler war dieselbe so hoch und überhaupt so ungünstig auf- gestellt, dass ich sie nicht näher iintcrsm lu-n konnte.

143

144

Dilthey den Kallimachos, Brizio den Phüetas von Kos.''') In jüngster Zeit hat man sich aber auch von diesen Versuchen abgewandt, und man vermeint in dem interessanten Kopfe ein Gegenstück zu den Horaerporträts, ein hellenistisches Phantasiebildnis einer alten Dichtergröße zu finden. So hat ihn neuerdings Furtwängler auf Hipponax, '"j Arndt gar auf Archilochos gedeutet."') Dies struppige bärtige Porträt meint ersterer könne unmöglich irgend einen der höfischen Dichter der Diadochenzeit dar- stellen. Diese um die Gunst der Höfe buhlenden und von ihr lebenden Leute müssten wir uns noth- wendig als rasiert und von wohlgepflegtem Äußeren denken, da nur einige Philosophen dieser Zeit sich gegen die herrschende Mode aufgelehnt hätten und ihren Bart wachsen ließen. Die nähere Charakteristik des Kopfes, die Furtwängler gibt, scheint weniger seine Hypothese bedingt zu haben, als von ihr be- stimmt zu sein. „E? sei nicht der natürliche Verfall des Alters dargestellt," sagt er; „der Mann brauche nicht besonders alt zu sein, da er noch vollen kräf- tigen Bartwuchs habe. Allein sein Gesicht sei von Leidenschaften durchwühlt. Der Ausdruck sei der des zornigen geifernden Eiferers, der die Schärfe seines rücksichtslosen Spotts, seiner giftigen Heftig- keit über alles ergieße. Man glaube ihn zu hören, wie er zankt und spottet und geifert, zur eigenen Hässlichkeit noch verwahrlost, weil Rücksicht auf andere ihm fremd sei."

Es ist mehr als fraglich, ob wir diese Physio- gnomie wirklich nur so und nicht auch anders auf- fassen dürfen. Dagegen, dass wir hier ein Porträt des Hipponax vor uns haben, lässt sich vor allem anführen, dass die gelehrten Grammatiker der ale- .Kandrinischen Zeit allerdings den sprachlichen Aus- druck des Dichters mit den dröhnenden Compo- sita und die Metriker seine Choliaraben studierten, aber mit nichten seine schmutzigen Verse volks-

einem Komiker, wie Diphilos, auf die Bühne ge- bracht wurde, und zwar als Liebhaber der .Sappho, um die lesbische Sängeiin durch dieses Verhältnis recht gründlich vor den Zuschauern lierabzusetzen. Es ist schwer einzusehen, was einen Künstler der Diadochenzeit veranlassen mochte, gerade diese, damals halb verschollene literarische Größe zum Gegenstande seiner Darstellung zu machen, und so können wir Furtw-änglers Deutungsversuch nicht über- zeugender finden als die übrigen.

3. Repliken praxitelischer Werke.

Zu der von \V. Klein, Praxiteles S. in ge- gebenen Liste von Gemmen, die den Sauroktonos dar- stellen, kommt ein fünftes Exemplar im Musee Fol. IX 6, das wegen der Veränderungen, welche die Darstellung erfuhr, nicht ohne Interesse ist. Ab- gesehen von der abweichenden Beinstellung, die sich auch an anderen Repliken wiederholt (Klein S. 121 f.', fällt nämlich auf, dass die Stelle des Baumstammes, an dem die Eidechse emporkriecht, ein Pilaster mit ionischem CapiteU einnimmt. Aber ein Pfeil in der Rechten des Gottes beseitigt jeden Zweifel ül>er die Absicht des .Steinschneiders, der übrigens in der links angebrachten Legende M. TITI wohl den Namen des Bestellers eintrug. Nach dem Te.xte zu der Tafel des angegebenen Werkes soll sich auch eine statuarische Replik des Sauroktonos im Musee Fol befinden. Dem Kleinschen Verzeich- nisse (S. lo8) wäre sie gleichfalls zuzufügen.

Unter den Wiederholungen, welche Klein S. 396 von der Gruppe des Silen mit dem Dionysoskinde aufzählt, fehlt ein Kopf des Silen im Museo delle Terme Diocleziane (Guida IV n. 13 p. 44). Er ist von geringer Arbeit und an der rechten AVange verstoßen, Nase und Büste sind ergänzt.

Prag, Juli I8c)8. H. VVSOKY.

14) Annali dcll' Inst. 1873 S. 98—106, vgl. bull, dell' Inst. 1880 S. 12.'; (Mau) ; Kayet, Monuments de l'art antique Band II Tafel 59; ferner .\rch;iol. Zeltung 1880 S. 35 (Robert) und Athen. Mittbeil. 18S5 S. 396 (Schreiber)

Ijj Sammlung Somzee S. 37. Vgl. Berliner philol. A^'uchon- sclirift 1898, S. 433 434 (Körte).

IG) Furtwängler, Sammlung Sumzee, S. 36.

145

146

Die Anfänge der Provinz Moesien.

I. Nationale Gliederungen in der ersten Kaiserzeit. Im Bereiche der späteren Provinz Moesien war, wie übemll in Landen der Barbaren, die alther- gebrachte Gau- und Stammesverfassung, neben der sich nur dürftige Ansätze zu städtischer Enlwickelung finden, die wichtigste Grundlage für die zu errichtende administrative Organisation. Eine Untersuchung über die ältere moesische Verw.iltungsgeschichte muss daher von der Ethnographie der Landschaft im Zeiträume der Occupation ihren Ausg.ang nehmen. Beiträge dazu lieferten Karl MüUenhoff, Deutsche Alterthumskunde III 125 163 (über Geten, Mjser und Dakcr), dann Mommsen. Rom. Gesch. V 1 1 f. und A. V. Domaszewski, Die Entwicklung der Provinz

Moesia, Neue Heidelberger Jahrbücher I 196 f., neuerdings auch H. Kiepert in den Formac orbis antiqui XVII (lUyricum et Thracia; dazu Patsch, Wiss. Mitth. aus Bosnien V 352), W. Tomaschek, Die alten Thraker, Wiener Sitzungsberichte, phil.- hist. Classe CXXVIII, 4. Abb., und A. Schulten, Rhein. Mus. NF L 533 ff. Die häufigen Ver- schiebungen in der moesischen Bevölkerung, welche durch das Nachdrängen der Stämme nördlich von der Donau verursacht wurden, und die Mehr- deutigkeit der Benennungen Moesi und Moesia er- schweren hie und da den Gang der Untersuchung, die hier nur für die erste Kaiserzeit geführt werden soll. Einen nicht zu unterschätzenden Behelf bietet dagegen die Reichseintheilung des Diocletian, deren

147

148

Ergebnisse hier naturgemäß fast durchwegs mit jenen Bezirken zusammenfallen, aus deren allmählicher Vereinigung das römische Moesien erwachsen war (vgl. C. Jullian^ Revue historique XIX 336 ff.). Es entsprechen sich die Landschaft Dardania der ersten Kaiserzeit und die gleichnamige Provinz im vierten Jahrhunderte, das Gebiet der Scordisci und die Provinz Moesia prima, die civitates Moesiae et Treballiae und die Dacia ripensis am rechten Donauufer, die sogen, ripa Thraciae und die Provinz Moesia secunda mit dem am rechten Donauufer gelegenen Theile von .Scythia. Dem Wege der römischen Occupation folgend, gehen wir in der Richtung von AVesten nach Osten vor. Kein Zweifel kann obwalten über die Dardania im äußersten .Südwesten der späteren Provinz Moesien. Über ihre Abgrenzung hat v. Domaszewski, Arch.- epigraphische Mitth. XIII 147 ff., besonders S. 151, gehandelt (vgl. auch D. Kalopothakes, De Thracia provincia Romana 6 f. und Toraaschek a. a. O. S. 23 ff.). In der Organisation Diocletians bildete die Dardania eine Provinz für sich.

An die Dardaner schließt sich nordwestlich das Gebiet der Scordisci an, welche gegen Westen über die von A.v. Domaszewski a.a.O. S. 130 ff. festgestellte moesisch-pannonische Grenze hinübergriffen und nach Osten über den Margus (h. Morava) hinaus siedelten, wo sie die Moeser und Triballer zu Nachbarn hatten. Vgl. Strabo VII C. 31 8: tpxTjaav S' ouxoi Jiapa löv 'IsTpov äf/ipTjjiivot Six«! V. HSV [is-faXoi iixopäia-xoi xaXoujisvo'., Gt äe piKpoi- ol (iev liExaju 5ueIv no-üX|icT)v l|j,paXXövt(i)v sij TÖv "loTpciv, ToO TS Noapo'j (richtig: Save) xoü Tiapä tY/v 'Zz'[s.'^i\.f.'r[i fsovToj y.al to'j Map-fou . . . , oE Se (iixpoi touxou TiEpav, auvajt-ovxE; Tpi^aJ-Äotj -xai M'jaot;, und Plinius n. h. III 148: (im östlichen Pannonien) mons Claudius, cuius in fronte Scordisci, in tergo Taurisci (dazu Moramsen, CIL III p. 415 ; G. Zippel, Die römische Herrschaft in Illyrien bis aufAugustus I77f.; MüUenhoff, DA HI 146 f.; Tomaschek S. 49). Bald nach ihrer Besie- gung im J. 739/15 (unten Sp. 158 f.) verschwanden die Skordisker fast ganz aus Moesien und zogen sich auf den äußersten Südosten Pannoniens zurück ; ihr Gebiet wurde wohl von Bewohnern moesischen Stammes eingenommen (Zippel S. 178). Das später als Lager wichtige Viminacium erscheint als stadtähnliche, befestigte Niederlassung schon in dem Rhetoren- bcispiel beim Auetor ad Herennium (um 608 86) IV 54, 68, nach der einleuchtenden Herstellung von Kr. Marx, Rhein. Mus. NF XLVII 157 ff.: ,urbem Viminacium sustulit.' Dagegen lässt sich über

das Alter von Singidunum (Legionslager seit den Flaviern) nichts Bestimmtes sagen. In der Eintheilung des Diocletian war die sogen. Moesia superior (prima) mit den Hauptorten .Singidunum und Viminacium gerade auf die ehemaligen Sitze der Skordisker be- schränkt.

Südöstlich von dem Skordiskerlande, nördlich von der Dardania erstreckt sich längs der Donau das Gebiet der Moeser im engeren .Sinne (Tomaschek S. 47 ff.) und das der Triballer (ebenda S. 87 ff.). Beide werden meist vereint genannt; so Strabo VII C. 318 (s. obenl und ebenda: jisii äs -rjv x&v Sxopdtay.cov ^topav -api |i£v Tov "laxpov •^ xöv TpijiaXXtöv xai iluatTiv laxtv, . . . xai xi IXt) xöc t^; ptxpäs xocXotJUEvr,; ly.oit-ia; x^; Ivxg; 'laxpGü . . . ü:t£poixo'jac 5' oixot zai KpipuJoL y.al oi Tp(0'fXG56xat XE-^opEvot xöjv TiEpi, KaXXaxtv xal TG|iEa XXL "laxpQv xoraov. Vgl. ferner:

Strabo VII C. 305 : Tiapx (iev O'jv 'EXXrjaiv oi Fixai -fvtopijovxai [läXXov 5ii ouvexei; xaj HExavaaxaast; ecf' sxocxEpa xoO 'laxpou 7totEia8-ai xal xgT; MoiaoTj ävap.sp.txS'at xal TptpaXXojv 5' e8-vos, Öpxxixöv 5v, x6 aOxi -i::ovO-e xoOxo.

Plinius n. h. III 149: provincia quae Moesia appellatur . . . in ea Dardani, Gelegen, Triballi, Timachi, Moesi, Thraces Pontoque contermini Scythae.

n. h. IV 3: Dardanis laevo (d. h. im Westen, richtig: im Norden) Trilialli praetenduntur latere et Moesicae gentes, a fronte (d. i. im Norden, richtig: im Osten) iunguntur Medi ac Denseletae, quibus Threces u. s. w. ; die um 90 Grade verschobene Orientierung deutet auf Benützung der Karte des Agrippa.

n. h. IV 41: aversa eius (Haemi) et in Histrum devexa Moesi, Getae, Aodi, .Scaugdae Clariaeijue, et sub eis Arraei Sarmatae . . . Scythaeque et circa Ponti litora Moriseni Sithoni; zur Stelle MüUenhoff a. a. O. S. 146, I, Zippel S. 239.

CIL V n. 1838 (Ehreninsclirift aus lulium Carni- cum; Zeit des K. Claudius): praef(ecto) c[i]vitat(iuni) Moesiae et Treballia[e].

Cassius Dio, der an dieser Stelle nach seiner Versictierung (LI 27, 2) die Völkernamen genau nach den Quellen wiedergibt, LI 23, 3 zum J. 725/29: Baaxapvai 5e ilxüO-at xs äxpi,ä(«g v£vo|ii5axat, xai xdxE x6v 'laxpov Siaftavxs; xvjv xe Muaiotv xrjv xctx' ävxiTiEpas o^&v zocl (lExi xgOxo xai TpipaXXGu; 6|i6pous aüx^ övxaj xo6j xe Aapäävou; sv xf; xtiipcf x^ EXEtviuv oExG'jvxa; sxEipioaavxo.

Am genauesten gibt Ptolemaeus die Wolinsitze der Moeser und der Triballer an :

149

'5o

III 9, 2 (Moesia superior): %%zv/yty. ii tt/; £Ttafy,ia; Ti |isv npi; ■:■§ AaXua-'? Tpf/.opvrjva'.ci, Ti 5s -fij -(J) K'.3ipp(p 7:o-a|i<i) Muioi, li Se |i£Tas'J nvxijvj'.oi, -i 3e npö; 1:5 Maxsdovi? iäpJavoi (dazu Tomasdiek S. 49 f.).

III 9, 3: 'PaiTtapia JI'jsiöv, xo/.iovta.

III 10, 4 (Moesia inferior): xaTSXO'jat 8s tt,; v.i-.i» Sl'jsix; -i nsv 3u3H'.y.i Tp'.paXXoC u. s. w.

11 1 I o, 5 : Otoxos Tp'.paXXmv.

l'tolcmacus verlegt die Moeser ein Xame, der an den angerührten Stellen stets den einzelnen Stamm bezeichnet ins östliche Obernioesien, westlich vom Grenzflusse Ciabrus (h. Cibrica; Tomaschek S. 51) in die Gegend von Ratiaria; damit kommt im wesentlichen auch die Darstellung der Ereignisse des J. 725/29 bei Dio LI 23 Ende und 24 Anfang überein (Zippel S. 239). Die bei Dio LI 23, 5 erwähnte Festung der M'jaoi, welche Crassus im J. 725/29 einnahm, wird wohl mit ihrem bei Ptolcmaeus ge- nannten Hauptort Ratiaria, dem nachmaligen Lager, identisch sein. Die Triballcr hingegen, ihre un- mittelbaren Nachbarn, die sich ehedem bis zur Donaumündung ausgedehnt hatten (Zippel S. 154), wohnten nach Ptolcmaeus im Westen Untermoesiens bei Oescus. Dass sie aber auch nach Westen über den Ciabrus nach Obermoesien hinüberreichten und wahrscheinlich südlich von den Moesern längs des Gebirges sich hinziehend sowohl mit den Dardanern als auch mit den Skordiskern Fühlung nahmen, ergibt sich aus den Aufzählungen bei Strabo und Plinius, welche, obgleich im ganzen von Westen nach Osten fortschreitend, den Triballern ihren Platz vor den Timachi (am Fluße Timachus, h. Timok; v. Doma- szcwski, NHJ I 196, 3) und vor den Moesern an- weisen. Der Nordabhang des westlichen Haemus scheint übrigens, wie unten gezeigt wird, zur Landschaft der thrakischcn Serdcr, der Zoipi:v.r„ gehört zu haben. Der alte Vorort der Triballer ist nach Ptolcmaeus Oescus, in flavischer Zeit wahrscheinlich Lcgionslager. Damit scheint denn auch die Lage der CIL V n. 1838 genannten civitatcs Moesiae et Treballiae ermittelt. Nach v. Domaszewski a. a. O. S. I97 war das Gebiet derselben , gleichen Umfangs mit der späteren Provinz Moesia inferior, wodurch auf die spätere Theilung der Provinz Moesia in eine obere und untere Hälfte Licht fällt.' Indessen berechtigt nichts, der Landschaft Moesia im engeren Sinne (bei Dio LI 23, 5 M'jai;, sonst M'jjia) und der damit verbundenen Treballia (TpißaXX'.xi) bei Strabo und Dio LI 22, 7) eine für den Sprengel eines Praefcctus so ungewöhn-

liche Ausdehnung zu geben. Zudem lagen die eigent- lichen Sitze der Moeser in der Kaiscrzcit nach Ptolcmaeus, der sie am schärfsten bestimmt, ganz außerhalb der Moesia inferior, während den Osten der Provinz nicht Moeser oder Triballer, sondern Getcn und Skythen bewohnten (s. unten). End- lich war zur Zeit jenes Praefcctus der mittlere und östliche Theil des späteren Untermoesiens überhaupt nicht römisch, sondern unterstand, wie wir sehen werden, dem thrakischcn Clientelfürsten. Im ganzen und großen dürfte das Territorium der civitates Mocsiac et Treballiae, dessen östliche Grenze gegen die ripa Thraciae in der Folge näher untersucht wird, der Provinz Dacia ripensis mit den Städten Ratiaria und Oescus gleichzustellen sein, der nördlichen Landschaft des neuen Daciens, welches im J. 271 von Aurelian aus den zusammenstoßenden Theilen von Moesia superior und inferior gebildet wurde (Marquardt, StV I'' 312; J. Jung, Die romanischen Landschaften 403 mit A. 2). Wie die ursprünglich auf ein be- schränktes Gebiet sich beziehenden Namen Moesi und Moesia nach und nach auf die ganze Provinz ausgedehnt werden konnten, soll unten erörtert werden. Der Behauptung MüUenhoflTs, DA III 148 f., dass die Moeser als solche irgendwann eine Art Hegemonie an der unteren Donau ausgeübt hätten, widersprechen die thatsächlichen ethnographischen Verhältnisse (vgl. Tomaschek .S. 49'.

Im Osten der Triballer, welche schon frühzeitig als Stammverwandte und Nachbarn der Moeser unter dem Namen der letzteren mitbegrift'en wurden, wohnten bis an den Pontus zu Beginn der Kaiserzeit Ange- hörige des thrakischcn Stammes, die zumeist als Gelen zusammengefasst werden; dazu kommen im äußersten Nordosten Moesicns noch verschiedene skythische Völkerschaften. Vgl. dazu:

Ovid ex Ponto IV 9, 77 (vom J. 16): hie (Flaccus) tenuit Mysas gentes in jjace fideli, [ hie arcu fisos tcrruit ense Getas.

Strabo VII C. 300: 'I~~r|jio/.',"ii r,3av irsy.s'.vx tmv M'jowv xai 9p3cx(öv xa; Tstäv.

Plinius n. h. IV 41 (oben Sp. 14S), wo als öst- liche Nachbarn der Moeser die Getcn und eine Reihe sarmatischer und skythischer Stämme genannt werden.

Dio LI 22, 6. 7: oi 3' (iaxoU srt' ä|i;fit£pa toO 'l3TpO'j vsiiovtai, äXk' 0! |Uv 6-i "aSs aÜToO xai npi; rg Tf.'fx'/My.fj c!xo'j-/^s;, i; ts "rov t»;; Mu:;»; vo]iiv TSÄoOat, xa: il'tz'A. -./.ir^'i rapx toI; "ivj in:y_(i>pi(;:;, &V!/|ia!^ov:a'..

Dio LI 27, 2 (zum J. 725 29): TO |isv -fip -iXai

151

152

M'ja^i (hier allgemeine Bezeichnung für die Stämme im Westen der späteren Provinz) -J xal Tiza.: 7;äaav

Bio LXVII 6, 2: i-fM ^ip oK'' FiTa; TCJ; O-Ip TO'j AJjio'j -xpi -öv "loTpov oixo'jv-a;.

Nach zahlreichen Stellen der ovidischen Tristien und Briefe exPonto, dieMüllenhofflll 159 f. zusammen- getragen hat, waren Geten (Toraaschek S. 92 flF.), welche auch die Weltkarte des Augustus dort ansetzte (Müllenhoff S. 145 Anra.), und neben ihnen Sarmaten zahlreich in und um Tomis angesiedelt. Von dem an der Grenze zwischen Untermoesien und Thrakien gelegenen Mesembria berichtet schon um 100 v. Chr. der sogen. Skymnos (Geogr. graeci minores, ed. C. Mueller I p. 225) v. 738 f.: TCEpi "cyjv östöpsiav 5e lO'j xaXo'j[i£V5'j I Ai|iou itdXi; §3-:l J-s-fOiiEVT) MsaT;|i- ppta, I t-^ Opay.ia Ve-'.y.fj -üe auvopijoyaa -;fi. Bei Strabo VII C. 318 und Ptolemaeus III 10, 4 (dazu C. Müller I I p. 463) werden mehrere Völkerschaften (darunter die Kpöjujoi, TproY^oSu-a'.) angeführt, in welchen Müllenhoff a. a. O. S. 143 f. (rgl. S. 163) mit Recht Geten erkennt (über die üp-axoci bei Die LI 27, I vgl. Tomaschek a. a. O. S. 50, in Pauly-Wissowas RE II 1304'. Dagegen haben .Stammesongehörige der eigentlichen Moesi, wie wir auch aus Ovids Schweigen sehen, seit der ersten Kaiserzeit in diesen Gebieten nicht gewohnt. Viel- mehr stellt der Dichter ex Ponto IV 9, 77 f. (s. o.) die vollständig unterworfenen Völker im Westen, in der römischen Provinz, als ,Mysas gentes' den noch immer unruhigen Getae der Gegend von Tomis ent- gegen. Wenn sich Theile des moesischcn Stammes vorher auch im Osten der späteren Provinz aufgehalten haben mögen, so sind sie hier doch durch die von Strabo VII C. 303 und C. 305 (oben Sp. 148; vgl. auch CIL XIV n. 3608 zum J. 62/63 n- Chr.) er- wähnten Masseneinwanderungen der Geten völlig verdrängt worden.

Wegen ihrer nahen Verwandtschaft mit den südlich des Haemus ansässigen Stä;nmen werden die Geten schon frühzeitig als , Thraker' angesprochen, umsomehr in der Kaiserzeit, wo ihre Landschaft, mit Ausnahme der griechischen Küstenstädte, dem thraki- schen Reiche und dann zunächst der Provinz Tliracia angehörte. So bezeichnet der sogenannte .Skymnos v. 750 die umOdessos und Dionysopolis wohnenden getischen Krobyzen als KpsJiO^ouj Op^xa; (vgl. aber v. 738 f., s. oben); Strabo VII C. 296 meint vorzugsweise die Geten, wenn er von Thrakern zu beiden Seiten des Istros spricht; Plinius n. h. III 149 (oben Sp. 148)

fülirt als Nachbarn der Moesi ausdrücklich nur die .Thraces Pontoque contermini Scythae' an. Eine Sanct- Gallner Glosse (C. Gl. IV p. 241, 30) erklärt ,Gete: gothi et traces' (vgl. Th. Birt, Rhein. Mus. NF LI 517).

Die Gemarkung des Getenlandes gegen Westen, d. i. gegen die civitates Moesiae et Treballiae fällt mit der von Augustus festgestellten Westgrenze des thrakjschen Antheils nördlich des Haemus zusammen, welche unten auf Grund der Grenzregulierung ,inter Moesos et Thraces' im J. 136 verfolgt werden soll. Im ganzen ist die TBZ'.y.y] etwa identisch mit der Provinz Moesia inferior (secunda) in jener Ausdehnung, welche ihr in der diocletianischen Ordnung zukam.

Zu nennenswerten städtischen Niederlassungen hat es diese wenig sesshafte Bevölkerung, deren Wanderleben Horaz c. III 24, 11 f. (J. 725/29) schildert, in vorrömischer Zeit kaum gebracht; die bedeutenderen Orte, wie Durostorum, Novae, Prista, sind sämmtlich aus Legions- und Auxilienlagern der flavischen und traianischen Epoche erwachsen.

Im äußersten Nordosten zwischen Ister und Pontus, in der sogenannten Dobrudscha, wohnten hauptsächlich .Skythen; ihr Gebiet, welches Strabo VII C. 318 als Ti E/r, -7. Tf;; |iixpä; -/.aXo'jjiEvr,; Sxua-ia; ■;fy; EV'ij 'la'po'j nennt, bildete seit Diocletian den diesseits der Donau gelegenen Theil der Provinz Scythia, zu der nach CIL III n. 764. 768 damals auch Tomis gehörte. Im Donaudelta selbst saßen etwa seit Beginn des letzten Jahrhundertes v. Chr. Bastarner; vgl. Strabo VII C. 305 : "pi; 5e -aij EZpoJ.X'.; \iB-;iXr) v^aöj S3itv f/ nsüy.Tj- y-a-as/^cvTE; 5' a'J-T,'/ Ba3-dpva'. ÜEUxTvii zpoirffopEuS-YiSav ; dazu Ptolemaeus III 10, 4: zi. ä£ a-6[ia-a ÜEUXtvo!; Ovid trist. II 198 (J. 9): proxima Basternae Sauromataeque tenent (Zippel S. 168 f.; Ihm in Pauly-Wissowas RE III III f.). L^m das J. 725/29 war dieser Zweig der Bastarner getischer Herrschaft unter- worfen; die von Antonius im J. 695/59 an die Bastarner verlorenen Feldzeichen (Dio XXXVIII 10, 3) wurden zur Zeit des Crassus angeblich in der Feste Tiv'j'r/.Xo^ aulbewahrt, welche damals dem Getcnfürsten Zyraxes (Dio LI 26, 4), vorher aber wohl den Bastarnern gehörte. Genukla, EÜEpy.EaxaTov •rf,; Zupagou äpx^S "^'X^S' ■*^'^'' "^'^'^ D'° ^™ Istros .angelegt und ist ohne Zweifel gleich Troesmis und Aegisus im Mündungsgebiete des .Stromes, wahr- scheinlich nächst der von Bastarnern besiedelten Peuke, zu suchen (vgl. Benndorf, Jahreshefte I 132 f.)

Zum Schutze der Hellenenstädte des Hinterlandes waren im untersten Thcilc des Donaulaufcs, der

"53

»54

ycwühnlicbcn Einbruchstcllc der Barbaren, am steil abfallenden Uferrande frühzeitig Castellc errichtet worden. Ovid nennt als solche ex Pento IV g, 70 das von Domitian zum Legionslagcr erhobene Trocsmis und ebenda 18, 1 1 ff. Aegisus, welches später ganz hinter Troesmis zurücktiitt, als ,velus urbs' sagenhaften Ursprunges und Hauptfestung der Thraker (vgl. IV 7, 21 ff. ; Tomaschek in Pauly-Wissowas RE I 477.)

An der Ostküste des späteren Mocsiens lagen endlich die griechischen Gründungen Istros, Tomis, Kaliatis, Dionysopolis, Odessos, Mesembria, deren ursiirünglich ionische Bewohnerschaft stark mit getischen und sarmatischen Elementen versetzt war (MüUenhoff, DA III 160). Diese Handelsplätze haben nicht nur vermöge ihrer stammverschiedenen Be- völkerung, sondern insbesondere wegen ihrer städti- schen Gestaltung seit jeher eine verwaltungsrechtliche Ausnahmestellung eingenommen.

Nachdem Auseinandergesetzten zerfällt das spätere Mocsicn zur Zeit der römischen Occupation in zwei große Stammesgebiete, ein dardanischmoesisches und ein getisch-thrakisches, zu welchen dann noch als drittes das Territorium der griechischen Küstenstädte kommt. Dieser dreifachen (iliederung entspricht bis zur/.eit Domitians die römische administrativeOrdnung. Etwa zu Beginn unserer Ära entsteht im Lande der Dardaner, Moeser und Triballer ein römischer Districl mit einem Legionscommando, welches zunächst in der Dardania, dann seit Tiberius am moesischen Donauufer seinen Sitz hat. Dagegen war das Geten- land, der mittlere und östliche Theil des nach- maligen Untermoesiens von Augustus dem thrakischcn Clicntelstaate zugewiesen, bei dem es bis 46 n. Chr. verblieb, um dann noch bis Ende des zweiten Jahr- hundertes wenigstens rechtlich einen Theil der provincia Thracia zu bilden. Der schmale Küsten- streifen mit den Griechenstädten endlich stand bereits seit Augustus, allerdings nur nominell, unter römischer Herrschaft und war zuerst an Macedonien, später an den moesischen District angegliedert.

II. Die römische Land.schaft an der unteren

Don.iu bis auf Domitian.

Die Kriege der Römer an der unteren Donau,

wie in Thrakien, sind im letzten Jahrhunderte der

Republik sämmtlich Von den Stalthaltern Macedo-

niens geführt worden (Zippel S. 157 fr.; Aug. Wilh.

Zumpt, De Macedoniac Romanorum provinciac praesi-

dibus, Comment. epigr. II 153 272). Dasselbe gilt

von der früheren Zeit des Augustus. M. Licinius

Jiihreshcfte des öslcrr. archänl. Institutes Ud. I Iteihl.itt.

Crassus (Cos. 724/30; über ihn Prosopogr. II 275 n. 126; Gardthauscn, Augustus II 21 r, 35), der im J. 725/29 das große Eroberungswerk an der unteren Donau erfolgreich begann (Mommsen, RG V 12 (f.; Zippel S. 235 fT.), war nach Dio LI 23, 2 i; le tT|V Ma-/.E?ov{av -/.al dj -»jv 'EXXdioi. Jtsn90-E(j, also con- sularischer Proconsul von Macedonien. Mit diesem Imperium vereinigte er jedoch als Befehlshaber kaiserlicher Truppen andere gab es damals im römischen Reiche nicht die Befugnisse eines kaiserlichen Mandatars, d. i. nach der später geläu- figen Ausdrucksweise eines legatus Caesaris pro praetore (vgl. L. Ganter, Die Provinzialverwaltung der Triumvirn 50 IT.); er war, wie Dio LI 24, 4 fvgl. LI 25, 2) bezeugt, nicht aÜToy.fdTwp 3Tpa-:r,-;o; (anders Zippel .S. 242). Diese staatsrechtlich bemerkens- werte Doppelstellung, die ich an anderem Orte ein- gehender erörtern werde, ist in der Zeit der Trium- virn und in den ersten Jahren des Augustus bis 727, 27 bei allen .Statthaltern, nach diesem Zeitpunkte bei den Proconsuln der Senatsprovinzen, soweit sie mit Bewilligung des Herrschers Truppen befehligten, durchwegs die Regel und daher auch für die Nach- folger des Crassus in Macedonien, welche in unserer Überlieferung als Feldherm des Augustus auftreten, vorauszusetzen.

Bei der Theilung der Provinzen im J. 727/27 wurde Macedonien dem Senate zugewiesen (Dio LIII 12, 4) und sollte regelmäßig von einem Praetorier verwaltet werden (Str.-ibo XVII C. 840). Die Be- hauptung Dios LIII 12, 2, der Senat habe damals nur jene Provinzen erhalten, welche eines Heeres nicht bedurften, ist bereits von Zippel S. 247 und Mommsen, StR II' 263, I als für diese Zeit un- richtig zurückgewiesen worden; ohne Besatzung konnte damals weder lUyricum noch Macedonien gehalten werden. Das Vorhandensein einer solchen beweist die Anklage gegen den Praetorier M. Primus bei Dio LIV 3, 2 zum J. 732/22, dass er ohne Befehl des Princeps als Proconsul M.icedoniens mit den thmkischen Odrysen Krieg geführt habe (tt,; May-sdoviaj äp^t«'' 'ÜSp'Jaai; i-oHfirps; Mommsen a. a. O. A. 3; Gardthausen, Augustus I 631; II 344, 12; 530, 51). Noch zwei Decennien später, kurz vor dem J. 754/ 1, werden zwei Männer prae- torischcn Ranges, P. Vinicius (Cos. 2 n. Chr.; Prosopogr. III 436 f. n. 44f>) und P. Silius (Cos. suff. 3 n. Chr.; ebenda p. 244 n. 506), zweifelsohne in der Eigenschaft von Proconsuln der Senatsprovinz Macedonien, als Truppencommandantcn bezeugt durch

155

156

Velleius II lOl, 2: sub initia stipendiorum raeorum tribuno militum mihi . . . , quem militiae gradum ante sub patre tuo, M. Vinici, et P. Silio auspicatus in Thracia Macedoniaque u. s. w. Für den Erstge- nannten bestätigt dies die Ehreninsclirift von Kallatis (Mangalia) an der damals mit Macedonien verwalte- ten pontiscben Küste Arch.-epigr. Mitth. XIX lo8 n. 62 (mit Bormanns Bemerkungen): '0 5[yj|ioj]|

IIo-ÄCd) 0'jiv'.-/.{[(i) Mapy.oo uiw | ü]naTaY(b -<•>

r.3.[zfiu>v. v.od sO=p-fs]'|-r| [ia'JToO]; das ungewöhnliche 0:^a-aYÖ; charakterisiert, obgleich es der oben er- wähnten rechtlichen Doppelstellung nicht völlig ge- recht wird, doch deutlich den Statthalter mit consula- rischer Gewalt, der zugleich Heerführer ist.

Die gewöhnliche Besatzung Macedoniens wird wohl kaum den Stand einer Legion sammt Auxilia überschritten haben; selbst der consularische Pro- consul Africas gebot im Frieden über nicht mehr als eine Legion. Die Lager des exercitus von Mace- donien, dem wohl die nachmals moesische legio V Maccdonica, sowie die cohors II Gallorum Macedo- nica (in dem neuen obermoesischen Militärdiplom vom J. 93) angehört haben, befanden sich wahr- scheinlich im Nordosten der Provinz; man könnte an die augustische Colonie Philippi denken. Dafür spricht auch der Rückmarsch des Crassus im Winter 725/29 durch das Land der .Serder und Maeder, unter Umgehung der Dardania (Zippel S. 240). Von letz- terer, dem spateren Sitze der Legionslager, spricht noch die auf die AV eltkarte des Agrippa (gest. 742/12) zurückgehende dimensuratio provinciarum c. 1 1 (Geogr. latini min., ed. Riese p. 11) als von den jdesertis Dardaniae'; ebenso Plinius, wohl nach älterer Vorlage, n. h. IV 3: Epiros . . . feram (gentem) Dardanos habet.

Neben den eben erwähnten Praetoriern nennen uns die hauptsächlich Kriegsereignisse registrierenden Annalen der Zeit nach 727/27, wie wir noch sehen werden, auch Consularen, so M. LoUius, L. Calpurnius Piso, als Heerführer in Thrakien und an der unteren Donau. Der etwa denkbaren Annahme, dass schon seit 727/27 neben dem praetorischen Proconsul Macedo- niens als dem Civilstatthalter ein consularischer Legat des Kaisers mit einem größeren Legionscommando gewissermaßen der Vorgänger des moesischcn Legaten dauernd im Grenzgebiete gegen die Donau zu gestanden wäre, wird durch die erwiesenen mili- tärischen Functionen der praetorischen Proconsuln Macedoniens der Boden entzogen; auch die außer- ordentliche Mission des damaligen Praetoricrs Tiberius

im J. 739/15 (unten Sp. 158 f.) ließe sich kaum damit vereinigen. Mommsens nachher wieder aufgegebene Vermuthung (Eph. epigr. II p. 250), dass Moesien als Provinz bereits im J. 725/29 begründet wurde, erledigt sich durch den Nachweis, dass auch die späteren Kriege der Römer in den nördlichen Balkan- ländern immer noch von Macedonien aus geführt wurden; der siegreiche Zug des Crassus hatte nur eine Erweiterung der römischen Interessensphäre gegen die Donau zur Folge (vgl. Benndorf, Jahreshefte I I34f. I. Zum Zwecke ausgedehnterer Unternehmungen wurde vielmehr, wie in lUyricum, welches bis zum J. 743/11 Senatsprovinz unter einem praetorischen Proconsul war. auch in Macedonien von Fall zu Fall die Schutztruppe von auswärts verstärkt und die Statthalterschaft wie der militärische Oberbefehl vielleicht extra sortem einem Manne höheren Ranges, d. 1. einem Consularen übertragen, der natür- lich zugleich Mandatar des Kaisers war. Zum Theile wirken hierin noch dieselben Rücksichten fort, die zur Zeit der Republik für die Zuweisung der Provinzen an Consularen und Praetorier maßgebend waren; vgl. Cicero in L. Calpum. Pisonera 16, 38: (Macedonia,) ex qua aliquot praetorio imperio, consulari quidem nemo rediit, qui incolumis fuerit, quin triumpharit.

Die Geschichte der Kämpfe an der unteren Donau, die zunächst noch immer Defensivkriege zum Schutze der macedonischen Grenze waren, bestätigt das eben Gesagte. Im J. 731/23 kämpfte, wie bereits erwähnt, der Praetorier M. Primus als Proconsul von Macedonien ohne Bewilligung des Kaisers gegen die Odrysen im östlichen Thrakien. Dieselbe Stellung wie er nahmen wohl auch die beiden Feldherren bei Dio LIV 20, 3 (zum J. 738/16) ein:

xal fj llay.Edovia O-ö ts tmv AsvS-öXrjTräv -/.xl ür.o TiTiv 2y.opäiazu)v i-opO-rjO-vj. Iv -z -fi 6pixY) npiispov |i£v Mäpv.oj AÖXJ.IG; 'P'j\ir,-dX-A-Q S-sito -s Ttov toO Koi'jo; 7:ai3ü)v y.al i-i-pör.ip öv-'. ßorj9-(7)v BTjaaoü; y.aTSSTpi'iaTO Itieitk 3e AoOy. ;o; FaiojSa'jpoiiaTa; iv. Tf,; a'JTTjj atTtaj y.paTyjaa; O-ip -ov 'JjTpov ä^sojaaTO (vgl. Boissevains Anm.; Zumpt a. a. O. p. 254).

Der Erstgenannte ist sicher der bekannte M. LoUius, Consul im J. 733/21 (Prosopogr. II 295 n. 226). Seine Verwaltung Macedoniens und die Kämpfe in Thrakien müssen vor das J. 738/16, in welchem er Legat in Germanien war, gesetzt werden; dazu stimmt auch das Jipitepsv bei Dio, der an dieser Stelle, wie häufig, die Ereignisse mehrerer Jahre zusammenfasst. In dem zweiten Namen A(3'Jy.lo; Fd'.o; (vgl. Pro- sopogr. II 305 n. 296; ist, wie Boissevain aus dem

157

I5S

Gebrauche römischer Namen l)ci l)io erweist, nidil AoOxio;, sondern der zweite Bestandtheil verderbt. Damit entfallt die von Zumpt {jebilligte Conjectur 'lo'jvio; räioj, worunter der Coasul des J. 737/15 C. lunius Silanus zu verstehen wäre. Chronologisch wenig wahrscheinlich ist der Vorschlag Boissevains Ao'jx'.o; nXXoi, d. i. L. Caninius Gallus, Cos. 717/37. Auch der [legalus pro] pr(aetore) Augusti Caesaris der fragmentierten Inschrift von Tusculum Bull, comun. XXIII (1895) '59 (^fil- P- -80) = Notizie degli scavi 1895 p. 350, der den erhaltenen Völker- namen zufolge im Nordosten Pannoniens kämpfte, kann nicht wohl, wie Prosopogr. III 495 n. I ange- nommen wird, der bei Dio gen.annte Führer der thrakischcn Expedition sein. Unter den zeitgenössi- schen Consularcn, die uns ja sämmtlich bekannt sind, findet sich kaum ein pal.aeographisch passender Name; wahrscheinlich ist an einen Praetorier zu denken. Vielleicht hilft ein wenig beachtetes Zeugnis bei Strabo VII C. 303 weiter: Eti -fip s^' TJiiwv (d. h. nach dem J. 690/64; vgl. B. Niese, Hermes XIII 33 ff.) XlX'.o^ Kä-o; iisTiy-iasv sx ~^; -Hpaia; ti'j 'la-po'j r.tns |i'jpiä5a; ai(i\ii-io'/ TKifi. iGn rsTöiv, 6|ioyXo)-to'j tot; 6p!f;'.v siWou;, e!s iriv 6p?xr,v xoei V'jv gIxo'Jj'.v aÜTiO-i Mo'.aoi xaXo'Jusvoi u. s. w. Monimsen, R. g. d. A.- 132 hält den hier Genannten für den Consul des J. 757/4 n. Chr. Sex. Aelius Catus (Prosopogr. I 14 n. 118; v. Rohden in Pauly- Wissowas RE I 491 n. 35 \ der dann nach seinem Consulate kaiserlicher Legat an der unteren Donau gewesen sein müsste. Doch hätte sich der bei dem 18 n. Chr. schreibenden Strabo vorausgesetzte Assi- milationsprocess von 50.OOO Geten an die Moeser selbst bei näherer Stammverwandtschaft unmöglich in dem kurzen Zeiträume zwischen etwa 5 und 18 n. Chr. vollziehen können; auch .Strabos i~t ä^' f/|it&v weist auf einen entfernteren Zeilpunkt. Es steht also nichts im Wege, .auch bei Dio statt des ver- derbten Aoüxtos räto; mit sehr leichter Änderung Ao'ix'.o; Kä-o; zu schreiben und beide Stellen auf einen wie soviele andere Praetorier dieses Zeit- raumes — nicht näher bekannten L. Aelius Catus zu beziehen, der etwa der Großvater des Consuls Sex. Aelius Q. f. L. n. Catus (so die fasli cos. Capi- tolini CIL I^ p. 29, vgl. p. 164) oder sein Oheim sein könnte. Derselbe hätte dann im J. 738/16 als practorischer Proconsul von Macedonien den Krieg gegen die Sarmaten geführt und die 50.000 Geten auf dem diesseitigen Donauufer angesiedelt. Diese Mallrcgcl, welche im J. 62/63 n. Chr. nach CIL XIV

n. 3608 = Dessau n. 986 (plura <iuam centum mill(ia) Transdanuvianor(um) ad praestanda tributa cum coniu- g'ibus) ac liberis et principib(us) aut regibus suis transduxit; dazu v. Domaszewski, Rhein. Mus. NF XLVII 209 ff.; Prosopogr. 11147 "• if'i- St. Gsell, Essai sur le regne de l'empercur Domitien 155) von dem Statthalter Moesiens Ti. Plaulius Silvanus in größerem Umfange wiederholt wurde, bezweckte offenbar am linken Donauufer eine Art wüster Vcr- theidigungszone zu schaffen.

In den Spätherbst oder Winter des folgenden Jahres 739/15 scheinen einige erfolgreiche kriege- rische Unternehmungen des Tiberius an der unteren Donau zu fallen. Von den Bearbeitern des Eusebius (ed. Schoenc p. 142 f.) berichtet unter diesem J.ahre Georgios Synkellos: Tt^spio; Kai3ap O0lv?'.xo'j; xal TO'j; Xotito'j; -apaxs'.nsvoy; Trj Hpixrj O-stajsv: die armenische Übersetzung des Eusebius: Caesar Tiberius Vindicenses et oranes, qui circa Thraciam erant, subegit; endlich Hieronymus: Tiberius Vinde- licos et eos qui Thraciarum confines erant, Romanas provincias facit (Zippel S. 24C). Dass Tiberius im nämlichen Jahre in Radien und an der Grenze Thra- kiens thätig gewesen sein soll, ist weiter nicht auf- fallend, da der raetisch-vindelikische Krieg mit dem Siege vom I. August 739/15 so gut wie abgeschlos- sen war, dagegen die Kämpfe an der unteren Donau zumeist mitten im Winter stattfanden, wo unter dem Drucke der Skythen, Bastarner und Sarmaten die nördlich der Donau wohnenden Volksmassen fast alljährlich über den zwischen Deccmber und Februar fest zugefrorenen Strom hinüberwanderten und die Bewohner des rechten Ufers vor sich her drängten (vgl. Strabo VII C. 305).

Nach zuHilligen Spuren unserer dürftigen Über- lieferung handelt es sich um Kämpfe gegen dieselben Völkerschaften, mit denen die Römer nach Dio LIV 20, 3 bereits im Vorjahre 738,16 Krieg geführt hatten, nämlich gegen die Skordisker und die Bar- baren von jenseits der Don.au. Unter den von Tiberius eroberten Landschaften lUyricums nennt Vcllcius II 39, 3 die Scordisci im Westen des späte- ren Moesiens (oben Sp. 147) als durch Krieg f.armis') botmäßig gemacht: Raetiam autem et Vindelicos ac Noricos Pannoniosque et Scordiscos novas impe- rio nostro subiunxit provincias; ut has armis, ita aucloritate Cappadociam populo Romano fccit stipcn- diariam. Diese nur hier erwähnte Waffcnlhat des Tiberius muss nach der Fassung bei Velleius und wegen der Lage der Skordisker in der Zeit der ractisch-

159

i6o

norischen und dalmatisch -pannonischen Kämpfe des Tiberius, jedenfalls aber vor dem J. 742/12 erfolgt sein, zu welchem Dio LIV 31, 3 berichtet: xot; iy.opoJaxoij 6|i6pots is aO-öJv xai 6|ioay.suo'.s ouat a'j|inax5is Sti (laXca-a /pyjadjisvos (Zippel S. 303). Der Ansatz bei Eusebius unter 739/15 wird dem- nach richtig sein. Der Name des mons Claudius (Velleius II 112, 4 zum J. 6 n. Chr.; Plinius III 147: mons Claudius, cuius in fronte Scordisci, in tergo Taurisci; Mommsen, CIL III p. 415; Kiepert, Formae, Text zu XVII, .S. 6, 66) sollte möglicher- weise die Erinnerung an aen Sieg des Tiberius festhalten.

Mit diesen Kämpfen wird wohl auch ein Sieg des Tiberius über die Daker zusammenhängen, welchen wir allerdings nur aus einer poetischen, aber wahrscheinlich zeitgenössischen Quelle erschlie- ßen können. In der sogenannten consolatio ad Eiviam (Bährens PLM I p. 97 ff.\ welche man jetzt mit Hirschfeld, Die kaiserlichen Grabstätten 3, wohl der augustischen Zeit wird zuweisen müssen, findet sich V. 383 ff. eine im ganzen zeitlich geordnete Aufzählung der von den beiden Söhnen Livias, Tiberius und Drusus, bis zu des letzteren Tode er- rungenen kriegerischen Erfolge (dazu E. Hübner, Hermes XIII 2371.):

quod spes implerunt maternaque vota Nerones, quod pulsus totiens hostis utroque duce 385 (Rhenus et Alpinae valles et sanguine nigro decolor infecta testis Isargus aqua, Danuviusque rapax et Dacius orbe

remo to A])pulus (huic hosti perbrcve Pontus

iter) Armeniusque fugax et tandem Dalmata supplex 350 summaque dispersi per iuga Pannonii

et modo Germanus Romanis cognitus orbis).

V. 385. 386 weist hier auf den raetisch-vindeli- kischen Krieg des Tiberius und Drusus 739/T5 hin; V. 389 auf die Mission des Tiberius in Armenien 734/20, soviel ich sehe, die einzige aus der chrono- logischen Folge herausfallende Begebenheit; 389. 390 auf den pannonisch-dalmatischcn Krie^' des Tiberius 742/12 bis 745/9; V. 391 auf den germanischen Zug des Drusus 745/9. Der in v. 387. 388 angedeutete Feld- zug gegen die Donauvölker und gegen die dakischcn Appuli, die vermuthlich um den späteren Hauptort Apulum herum saßen, wäre demnach nicht früher als 739/15 und anderseits vor dem durch das , tandem'

in v. 389 als beträchtlich später bezeichneten illy- rischen Krieg 742/12 ff. zu setzen. Mit dem von Tiberius zurückgewiesenen Beutezuge der Daker nach Pannonien im Winter 744/10 (Dio LIV 36, 2: oi iaxol Tov 'loTpov TiSTirj'fOTa äia^avis; Xsiav E-/, TT/; Ilavvoviag äTiE-c£Htiv:c ; dazu Mommsen, R. g. d. A. ■* 131) kann die hier vorausgesetzte In- vasion kaum identisch sein; vielmehr handelt es sich wegen der Worte ,huic hosti perbreve Pontus iter' um eine der häufigen Überschreitungen der Donau in ihrem Mündungsgebiete. So dürften auch diese Kämpfe in das Ende 739/15 gehören. Für die Annahme, dass Tiberius damals und zu Beginn des folgenden Jahres Macedonien als praetorischer Proconsul verwaltet hätte, fehlt es an einem ent- scheidenden Beweise. Vielleicht war es bloß eine vorübergehende Aushilfe, welche Tiberius als lega- tus Augusti pro praetore dem .Statthalter von Mace- donien zu leisten hatte.

Fast parallel mit der großen und erfolgreichen Action des Agrippa und Tiberius in lUyricum läuft die Thätigkeit des L. Calpurnius Piso pontifex (Cos. im J. 739/15; Gardthausen I 182; II 84, 4; 396, 30; 600, 26; Groag in Pauly -Wissowas RE III 1396 f.) in Thrakien. Aus Pamphylien, wo er als legatus Augusti pro praetore wahrscheinlich von Syrien beschäftigt war (Marquardt, StV I - 'M?. 4. ^gl- S. 375, 5), wurde er im J. 741/13 nach Macedonien berufen; vgl. Dio LIV 34, 6 zum J. 743/11 : («s !>5v o5-i; (OüoXc-faiaos) zs zmz' kKoiei •/.od ol ii'.aXsTai (im Nordosten Thrakiens; Tomaschek S. 72, Kalopothakes p. 17 f.) ty)v May.säovtav &v.ocY.o\)fi-;(iuv, Aouy.io; Htatov äx Xla.\x:puXia^, r^; '^PX^i itpsaeiäx.!)-!] a^iatv. Die Vermuthung Zumpts a. a. O. p. 255 f., dass statt iv. IlaiicfUÄia; zu lesen sei £X Mujta;, welche auch bei Zippel S. 245 f. und jSlommsen RG V 14 Anm. (vgl. auch S. Peine, Berliner Studien II 328 f.) Beifall gefunden hat, ist aufge- geben, seitdem man das Epigramm des Antipatros Anthol. gr. X 25 (v. 3 f. 3ö; [is 81' S'jTzXtazoio Tipoc; A3i5a xüjiaxo; §X8-£iv, | Xlsiauivos SoXix^ vrjl o'jvsoto- Itsvov) auf die Reise des Piso nach seiner Provinz bezogen hat (Prosopogr. I 286 n. 249; vgl. auch Boissevains Note zu Dio). In dreijährigen Kämpfen von 741/13 bis 743/11 warf Piso den von dem Dionysospriester Vologaisos angefachten .-\ufstand der Thraker nieder, an welchem sich vielleicht auch die nördlich des Haemus an der Donau sitzenden .Stämme betheiligten; vgl. Velleius II 98, 2: legatus Caesaris tricnnio cum iis belUivit . . . Asiae securi-

I 62

tatcni, Macedoniac paccm rciUliilit. Mit Ziiinpls Con- jcctur fällt auch die Annahme, dass Piso einer der ersten oder der erste kaiserliche Legat der ncu- crrichtelen Provinz Moesien gewesen wäre (Mommscn, RG V 2 1 f.; vgl. Zippel S. 246; Tomaschek S. 75). Kr kann also nur proconsularischer Statthalter von Maccdonien gewesen sein, welches Velleius und Die namentlich erwähnen; auch das Epigramm des Anti- patros Anth. Pal. VI 335, wonach die macedonische xauaCif] nunmehr das Haupt des italischen Feldherrn Piso bedeckt, scheint darauf anzuspielen. Die Be- zeichnung als legalus Caesaris (vgl. .Seneca epist. XII I, 14: huic et divus Augustus dedit secreta man- data, cum illum praeponcret Thraciae, quam perdomuit) bezieht sich auf die zweite Seite seiner Doppelbe- fugnis, das militärische Commando. Entsprechend werden in der Sache gewiss richtig bei Vel- leius, wie bei Livius und Florus, auch andere Pro- consuln in ihrer Eigenschaft .ils Heerführer als legati pro praetore bezeichnet (Ganter a. a. O. S. 4g f.). Die bisherigen Kämpfe an der unteren Donau waren, wie sie auch in der Regel von den .Statt- h.iltcrn der Senatsprovinz Macedonien geführt wurden, wesentlich Defensivkriege zur Sicherung der Nord- grenze dieser Landschaft gewesen. Dies tritt besonders hervor bei dem ersten dieser Feldzüge unter Augustus, dem des M. Licinius Crassus vom J. 725 29 (Dio LI 23, 3 f.; vgl. Mommsen, RG V II, l), aber auch bei den folgenden Begebenheiten, wo regelmäßig erst die Einfälle der Barbaren in Macedonien den Anstoß zu einer Action seitens der Römer geben. Immerhin hatten die ununterbrochenen Kämpfe zwischen 73iS/i6 und 743/11, namentlich auch die Siege des Tibcrius über die Daker im J. 739/15 und 742/12, letzterer auf pannonischem Boden errungen, endlich die Ruhe bei den Völkerschaften Thrakiens und der unteren Donau nothdürftig hergestellt, den römischen Kinfluss wesentlich gefestigt und das bis an die Donau er- weiterte Thrakien zu einem Schutzbefohlenen Staate unter der Herrschaft des Odrysenfürsten gemacht. Zwischen 743/1 1 und dem großen p.annonisch-dalma- tischen Aufstand der Jahre 6 9 n. Chr., also durch volle fünfzehn Jahre, schweigen unsere Quellen von kriegerischen Unternehmungen an der unteren Donau; es ist eine Zeit friedlicher Organisation, deren wich- tigstes Ergebnis wohl die Errichtung eines ständigen Militärcommandos an der unteren Donau gewesen ist. Dadurch geschah der Forderung, dass Senatsregiment und militärischer Oberbefehl thunlichst zu trennen seien, auch für Macedonien Genüge, indem die Ver-

Ihcidigung der Donaugrenze dem dortigen l'roconsul abgenommen wurde. Die macedonische Schutztruppe, welche bisher wohl nur im Bedürfnisfalle auf viel- leicht zwei Legionen verstärkt wurde, die legio V Macedonica samml den Auxilicn (oben Sp. 155) wurde jcdesfalls damals in das neue Heer übernommen, das aus zwei Legionen unter einem consularischen legatus Augusti pro praetore, dem Vorläufer des kaiserlichen Statthalters von Moesien, bestand. Die Gründung des Militärdistrictes am unteren Donaulaufe ich ver- meide es mit Absicht, unter Augustus von einem ,moesischen' Comm.ando zu sprechen ist verhältnis- mäßig spät vor sich gegangen, zwischen ungefähr 754/1, wo der Proconsul von Macedonien noch als Heerführer bezeugt wird (oben Sp. 154 f.), und dem J. 6 n. Chr., in welchem nach Dio LV 29, 3 (vgl. Vel- leius II 112, 4) zu Beginn des pannonischen Krieges der Consular A. Caecina Severus (Prosopogr. I 256 f. n. 80; Groag in Pauly- Wissowas RE III 1241 n. 24) als TTJj 7t>.if]aiox(opou Mua£a; äpxMv fungierte und Macedonien, zu dessen Schutze gegen dakische Einfälle (Dio LV 30, 5 xal -,'äp 1; tt/V Jlay.sdoviav Ä'jOi; svipaXov) Caecina vom Kriegsschauplatz zurück- kehrte, bereits eine provincia inermis gewesen sein dürfte. Die aus Agrippas (gest. 742/12) Weltkarte geflossene dimensuratio provinciarum kennt noch nichts Entsprechendes; auch lUyricum urafasst nach Agrippanur Dalmatien undPannonien (v.Domaszewski, Arch.-epigr. Mitth. XIII 130 ff.). Zu dieser Ent- stehungszeit stimmt es denn auch, dass die Lager der Legionen, die im benachbarten Pannonien längst die Savelinie besetzt hatten, das etwa in gleicher Höhe befindliche moesische Stromufer erst unter Tiberius erreichten, unter dem, wie ich anderwärts zeigen werde, in Pannonien i>ercits viel nördlicher die hiberna von Carnuntum errichtet wurden.

Der Mittelpunkt des neuen Militärdistrictes, die Dardania, wird von Strabo (VII C. 315 f.), ebenso wie das Skordiskerland (VII C. 318), in ethnographi- scher Beziehung zu Illyricum gerechnet. Doch dürfte derselbe, beziehungsweise das spätere Mocsicn trotz der Bedenken Mommsens, RG V 13, I (vgl. dagegen CIL III p. 270) auch in administrativer Hinsicht einen Theil jenes ausgedehnten Ländercomplexes ge- bildet haben, der unter dem Gesammtnamen Illyricum außerdem noch Dalmatien und Pannonien, also Illyricum im engeren Sinne, mit den Annexen Noricum und Raetien in sich schloss und sich in der .Steuer- verwaltung bis ins 3. Jahrhundert hinein erhielt (Marquardt, StV 1 - 296 f.). Dass wir es hier nicht

i63

164

liloß mit einem ethnGyrapliischen Zusiimmenhang oder mit einer Xeueinführung derZollorganisalion Hadrians, sondern ähnlich wie bei den tres Galliae mit einem viel älteren, wahrscheinlich in der Reichsstatistik des Augustus festgelegten verwaltungsrechtlichen Begriffe zu thun haben, zeigt die feste Abgrenzung von lUyri- cum gegen das bis 46 n. Chr. selbständige thrakische Reich (später die ripa Thraciae), die sich nur aus dem Gesichtspunkte der ersten Kaiserzeit erklären lässt, sowie die Anführung der ,provincia quae ^loesia appellatur' in der Beschreibung Gesamrat-fllyricums bei Plinius n. h. III 149, w'ozu die Bezeichnung der Mooser als lÄ/.'jpi^i bei Flavius losephus de belle lud. II 16, 4 § 369 ed. Niese (zum J. 66) stimmt. Auch Appian Illyr. 6: xo'.v^ dE 7;(xv"a; 'IX?.ijpida rJYi'JVTa'., 59-sv iiev äp;a|iBvo'. -f,ads -rf/; äijr,;, o'jy. eo/ov sOfEiv, xp^V*"'^'- 5' a'J*'5 "/.»'- vüv, weist auf eine frühere Zeit als die Hadrians. Eine ursprüngliche Vereinigung von ganz Illyricum unter einem Oberstatthalter bleibt noch zu erweisen. Da- gegen war nicht bloß die Steuerverwaltung, sondern auch die Vcrtheidigung lUyricuras, zu dem als Annex, wie unten gezeigt wird, noch das thrakische Clientel- reich kam, eine einheitlich organisierte, wie die Nachricht über die Anlage des Donau-Limes bei Rufius Festus breviar. 8, die Aufzählung der militäri- schen Vorkehrungen an der ripa Danuvii bei Tacitus ann. IV 5 (zum J. 23) und die wiederholte Zu- sammenfassung der Heere von Pannonien, Dalmatien und Moesien als ,Illyrici e.\ercitus' (Tacitus bist. II 60. 85 ; vgl. I 76, II 74) beweist. Insbesondere war in der ersten Kaiserzeit für den Bedürfnisfall ein ge- meinsames Commando im illyrischen Ländercomplexe vorgesehen; dasselbe trat z. B. im J. 6 n. Chr. ein, wo auch die Legionen von der unteren Donau und die thrakischen Hilfstruppeu den Befehlen des Tiberius unterstanden, ebenso wahrscheinlich bei der dakischen E.xpedition des Lentulus (unten Sp. 168 f.).

Der neue Militärdistrict begriff unter K. Augustus lediglich das Land von der späteren pannonisch- moesischen Grenze bis zu der unten festzustellenden Westgrenze des Getenlandes, der nachmals sogenannten ripa Thraciae in sich, welch letztere zum thrakischen Reiche gehörte. Unter dem römischen Legaten standen also außer der erst kürzlich besetzten Dar- dania (oben Sp. 155) das Gebiet der Scordisci (oben Sp. I47f.) und dieSitze der Moeser und Triballer, somit alles in allem die spätere Moesia superior und der westliche Theil Untermoesiens. Dies bestätigen die Angaben über die östliche Erstreckung des durch

die Eroberungen des Tiberius begründeten lUyricums; so Velleius II 29, 3 (oben Sp. 158}, welcher als östlichstes dadurch dem Imperium Romanum einver- leibtes Gebiet Ulyricums die Scordisci aufführt ; dann Sueton Tiberius 16 : perseverantiae grande pretium tulit (Tiberius) tote Illyrico, quod inter Italiam regnumque Noricum et Thraciam et Macedoniam interque Danubium flumen et sinum maris Adriatici patet, perdomito et in dicionem redacto, wo nicht der Pontus Eu.\inus, wie man sonst entsprechend der Erwähnung der beiden anderen AVassergrenzen erwarten müsste, sondern Thrakien als östliche Be- grenzung Ulyricums genannt wird. Noch nach dem Jahre 46 n. Chr., wo Thrakien römische Provinz wurde, hat Illyricum, dessen Begriff der von Augustus festgestellte geblieben war, die sogenannte ripa Thra- ciae, das östliche Moesien, nicht mit eingeschlossen; dies zeigt deutlich Flavius losephus de hello lud. II 16, 4 § 368 f. ed. Niese zum Jahre 66, und ebenso das , publicum portori lUyrici et ripae Thraciae'. Im Süd- osten reichte die Treballia und damit das römische Gebiet nicht bis an den Nordabhang des westlichen Haemus heran ; das mittlere Üescus-Thal gehörte wohl schon damals zum thrakischen Reiche, später sicher zur provincia Thracia. Die Angabe des Ptolemaeus III 10, I (vgl. III II, 1I, wonach Moesia inferior im Süden begrenzt wird nicht durch den Haemus, sondern Bp^y.Tj; |isps'. tw äiiö toO Kiäßps'j (Grenzfluss zwischen Moesia superior und inferior) d-kp zi/'i Arjiov t6 5po; u. s. w., wird bestätigt durch die Inschrift von Mezdra bei Vraca Arch.-epigr. Mitth. XIV 159 n. 50 = XV 205 n. 70 = Dumont-Homolle p. 564, Q^ wonach das Territorium der i;E[p]5[t!)]v 7:iX;; bis dorthin sich erstreckt haben dürfte (Kalo- pothakes p. 6f. ; Kiepert Fomiae a. a. O. S. i\

Der kaiserliche Legat an der unteren Donau befehligte als Consular nach einer seit Augustus ständigen Regel mindestens zwei Legionen sammt Hilfstruppen. Bei Tacitus ann. II 46 rühmt sich Maroboduus mit Bezug auf die Ereignisse des Jahres 6 n. Chr.: sc duodecim legionibus petitum duce Tiberio inlibatam Germanorum gloriam servavissset mox condicionibus aequis discessum (dazu Mommsen, R. g. d. A.- 71). Diese Zahl setzte sich zusammen aus den germanischen Legionen, die C. Senlius Saturninus führte, und aus den Legionen Ulyricums, welche Tiberius bei Carnuntum an der Donau ge- sammelt liatte (Velleius II 109, 5: ipse a Carnunto . . . exercitum, qui in Illyrico merebat, ducere in Marco- mannos orsus est). Dass unter den letzteren auch

i6.S

|A6

die Legionen von der inneren Donau siili lieliinden, erhellt daraus, dass dem Legaten derselben, A. Caccina Scverus, gleich zu Heginn des pannonisch- dalmatischen Aufstandes die Aufgabe /.ulicl, eine Verstärkung herbeizuholen und zwar nicht etwa aus seinem Districtc, sondern ,ex transmarinis . . . pro- vinciis', wahrscheinlich aus Syrien (Vellcius II 112, 4: excrcitui, quem A. Caecina et Silvanus Plautius consulares ex transmarinis adduccbant provinciis; anders Mommsen, RG V 37, l). Nimmt man nun mit Mommsen a. a. O. an, ,dass von den zwölf Legionen, die gegen Marohoduus im Marsche waren, ... so viele, als wir bald nachher in Germanien finden, also fünf auf dieses Heer kommen, so zählte das illyrische Heer des Tiberius sieben'. Anscheinend sind auch diese Legionen cbensoviele, als noch nach dem Kriege in Illyricum standen, nämlich zwei in Dalmatien, drei in l'annonicn und endlich was auf diesem Umwege wahi scheinlich gemacht werden sollte zwei Legionen im unteren Donaulandc. Die y^ager der beiden Legionen waren nach ilem Brauche jener Zeit von den übrigen hiberna lUyricums nicht allzuweit entfernt. AVie v. Doraa- szewski, NHJ I 199 ff. ausfuhrt, befanden sie sich, bis auf Domitian im Westen des späteren Moesiens während die Vertheidigung des Ostens dem thraki- schcn Clientelfürsten oblag. In augustischer Zeit waren sie, da sie zunächst dem Schutze der Cultur- länder im Süden der Balkanhalbinsel dienten, noch nicht an den Ufern des ürcnzstromes angelegt, son- dern weiter südlich im Inneren des Landes, wahr- scheinlich bei Naissus (Xis), dem Hauptorte der Dardania, wo sie durch eine Heeresstraße Naissus- Lissus (Tomaschek, Wiener Sitzungsbcr., phil.-hist. Cl. XCIX S. 442) mit den dalmatischen Garnisonen in Fühlung gestanden sein dürften. Dafür spricht n.ich V. Domaszewski auch ,die Beobachtung, dass die Dar- dania die einzige Landschaft Moesiens ist, in welcher die auxilia nach civitates ausgehoben wurden, eine Recrutierungsform, die für die augusteischen Militär- districte bis auf die Zeit des pannonischen Aufslandes allein üblich war'. Bei dieser Aufstellung blieb das Donauufer selbst, ähnlich wie im nördlichen Pannonien, zunächst unbesetzt. .\ls im J. 6 n. Chr. die beiden Legionen der Dardania und die thrakischen Hilfs- truppen zum gnißtcn Theile nach Pannonien abge- zogen waren und das Land von Truppen entblößt dastand, fanden hier nach Die LV 30, 4 ff. neuerdings Einfälle der Daker und Sarmaten statt, zu deren Bekämpfung der Legat des Mililär-

dislrictcs A. Caecina Severus sowie der Xhraker- könig Rhocmctalkes aus Pannonien an die untere Donau zurückkehrten. Diese Ereignisse stellten wohl die Unzulänglichkeit des bisherigen Vertheidi- gungssystemes in Ijewegteren Zeiten in grelles Licht, und so wurde denn noch in den letzten Jahren des Augustus ein weiterer Fortschritt in der Sicherung des unteren Donaulaufes gemacht:

Florus II 28: Daci monlibus inhaerent. inde Cotisonis rcgis imperio, quotiens concretus gelu Danuvius iunxerat ripas, decurrere solebant et vicina populari. visum est Caesari Auguste gentcm aditu difficillimam summovere. misso igitur Lentulo ultra ulteriorem reppulit ripam; citra praesidia con- stituta. sie tum Dacia non victa, sed summota atque dilata est. (2g) Sarmatac patentibus campis inequitant. et hos per eundem Lentulum prohibere Danuvio satis fuit u. s. w.

Das Datum für die Anlage der praesidia hängt mit der strittigen Chronologie der dakischen Expedi- tion des Cn. Cornelius Lentulus zusammen. MüUcnhoff IH 155 f. setzt diese bald nach der des Crassus rm J. 725/29 an ; dem widersprechen aber die von Tacitus ann. IV 44 für Lentulus bezeugten ,trium- phalia de Getis' (S. Peine, Berliner Studien II 335 f.), da die ersten Triumphalornamente im J. 742/12 für Tiberius beschlossen wurden. Borghesi, Oeuvres V 301 und Nipperdey zu Tacitus a. a. O. haben an das Jahr 744/10 gedacht, in welchem jedoch so- viel wir wissen die römischen Truppen die Donau nicht überschritten haben (oben Sp. 160). Zwischen 743' II und 758/6 n. Chr. werden überhaupt keine Kämpfe an der unteren Donau erw.ähnt. Dagegen spricht der um 18 n. Chr. schreibende .Slrabo von einem jenseits der Donau geführten dakischen Kriege als einem Ereignis der jüngsten Vergangenheit, be- sonders VII C. 304: y.ai 5Y| xai vjv, vjvixa liun'|sv iTi a'JTO'J; OTpaTs(av o XspasToj Kaliap (vgl. § 13 C. 304). Mit Recht verlegt daher Mommsen, R. g. d. A. ^ 131 f. den Feldzug des Lentulus in die letzten Jahre des Augustus. Wenn er aber meint: .expeditionem eam Romanorum primara transdanu- vianam a Lentulo factam esse a. 759, quo teste Dione (55, 30) tarn Daci quam Sarmatae Moesiara infestarunt ... et partem ([uodammodo fuisse belli l'annonici a. 759 761' (vgl. RG V 38; Peine a. a. O.), so dürfte damit kaum das Richtige getroffen sein. Bei dem zumal im ersten Jahre mit größter Anspannung aller Kräfte geführten Kampfe gegen die aufständischen Pannonicr und Dalmater ist eine

löy

iö8

jedesfalls bedeutende Opfer erheischende Expedition ins Innere Dakiens, vielleicht sogar mit der Absicht einer Kroberung, in vorhinein schwer denkbar. Auch ist es nach Dios Zeugnisse nicht Lentulus, sondern A. Caecina Severus, der Legat des Militärdistrictes an der unteren Donau in den Jahren 6 (Die LV 30) und 7 n. Chr. (LV 32), gewesen, der im Kriege gegen die Daker und Sarmaten im J. 6 befehligte (Die LV 30, 4: ÜEOUTJpou d; -crjv Muaiav, äioi -ce zoi>g iaxoü; xal loa; 22a'jpG(i(XTa; 7top9-o'jvta; aütyjv änäpavxo;), der sie mit Hilfe der thrakischen Truppen schlug und im Winter 6 auf 7 vollständig aufrieb, so dass er im Frühjahr 7 wieder zur illyrischen Hauptarmee einrücken konnte (LV 32, 3 lov DsG'jfjpov iv. tf/; M'J3tas Tcpoatovua). Übrigens war auch dieser auf moesischem Boden geführte Krieg nach Dios Be- richte nur defensiver Natur.') Lentulus erscheint daher auch nicht in der Liste der Legaten des Tiberius im pannonisch- dalmatischen Kriege bei Velleius II 116, in der ein so hervorragender, mit den Triumphal- ornamenten ausgezeichneter Führer gewiss nicht hätte fehlen dürfen.

Der dakische Feldzug des Cn. Cornelius Lentulus, den Mommsen a. a. O. p. 131, I mit dem im J. 24 n.Chr. verstorbenen Consul des Jahres 736-18 iden- tificiert hat (Prosopogr. I 451 n. 1121), ist demnach jedesfalls nach dem J. 7 n. Chr. und wahrscheinlich auch nach Abschluss des pannonisch-dalmatischen Krieges im J. 9, in die allerletzten Jahre des Augustus zu setzen. Auf diese Zeit weisen auch die Worte Strabos VII C. 305, der fast übereinstimmend mit Florus den Erfolg des jüngsten dakischen Zuges dahin zusammenfasst: (Aaxoi) s-f^us |i£V f,-/.rn)a'. -o'ji CiTiaxoustv 'Pü)|iaio)V, oÜTiio S' sialv ()-.oysipi.o<. lEXim- Sii la; SV. z&v Fepiiaviüv äXT.iSa.^ TioXsiiiwv övxmv TSt; 'P(i)|iaiot;. Allem Anscheine nach ist es der nämliche Dakerkrieg, der nach Orosius VI 22, 2 um das J. II n.Chr. ausbrach: quas (lani portas) e.x eo (d. i. seit 752/2) per duodecim annos quietissimo semper obseratas otio ipsa etiam robigo signavit, nee prius umquam nisi sub e.xtrema senectute Augusti pulsatac Atheniensium seditionc et Dacorum com- motione patuerunt. Auf Episoden desselben Krieges

1) Dem Caecina scheint damals von den in lUyricum be- schäftigten Truppen die legio XX (später Valeria Victrix zubenannt) beigegeben worden zu sein. I3icselbe gehörte, wie man allgemein annimmt, zu den für den pannonisch-dalma- lischen Krieg neu gebildeten Truppenkorpern, nahm im J. 6 n. Chr. unter dem Legaten von lUyricum M. Valerius Mesal- linus an den Kämpfen theil (Velleius 11 IIa, 2: cum seml- plena legionc vicesima) und wurde im J. 9 nach Germanien

beziehen sich, wie nach ilommsen des näheren A. v. Domaszewski, NHJ I Igo ff. ausgeführt hat, mehrere allerdings sehr local gefärbte Schilderungen barbari- scher Einfalle im J. 12 n. Chr. in den pontischen Briefen des Ovid.

Nach Mommsens Vermuthung (R. g. d. A. - 131) wäre Lentulus im Dakerkriege Legat von Moesien gewesen. Wahrscheinlich wurde der Feldzug jedoch von Pannonien aus von dem dortigen Legaten unter- nommen. Zunächst nennt Strabo, unsere einzige Quelle für die Details, VII C. 3 1 3 .Segestike (Siscia"! in Pannonien ein- sücpuss 6pii7)T)jptov tip npö; Aaxoü; 7ioÄs|itp. Es wäre ein unwahrscheinlicher Anachro- nismus, wenn sich dies wirklich nur auf die alsbald fallen gelassenen Absichten des Caesar im ersten illyrischen Feldzuge (31 29 v. Chr.) beziehen sollte, der nach Appian Illyr. 22 die .Stadt in seine Gewalt zu bringen wünschte m- Ta|J.i£to) xp1''^M--''^5 ^s '^^''' Axy.iTjv xxi BaaTapvtov ;:6Xe|jiov (Zippel S. 236; Gardt- hausen II i'62, l6j und nicht vielmehr auf die jüngste erfolgreiche daher wohl eij^uic; Expedition ins dakische Gebiet. Ferner fand der Einbruch nach Dakien durch das Thal des Marisos (h. Marosch), auf welchem nach .Strabo VII C. 304 die Kriegs- vorräthe zugeführt wurden, vielleicht in der Richtung gegen den militärischen Mittelpunkt des Landes, die Sitze der schon 739/15 (oben Sp. 159) bekriegten Appuli statt, jedesfalls also von den Lagern des südöstlichen Pannoniens aus, nicht, wie die Züge Domitians und Traians, vom moesischcn Stromufer her, wo es damals noch an militärischen Stützpunkten mangelte. Die bei Florus anschließend erwähnten Kämpfe gegen die Sarmaten können ebenfalls vom Osten Pannoniens her erfolgt sein. Auch die Ent- sendung desselben Cn. Cornelius Lentulus zu den meuternden pannonischen Legionen im J. 14 (Tacitus ann. I 27; Mommsen a. a. O. p. 132 Anm.) würde recht wohl zu seinem ehemaligen Commando daselbst passen. Vielleicht ist er der unmittelbare Nachfolger des M. Aemilius Lepidus (Legat im J. 8,9 n. Chr.) und der Vorgänger des Q. lunius Blaesus (im August 14) gewesen. Selbstverständlich nahm auch der Legat des Districts an der unteren Donau im J. 12 n. Chr.

geschickt. In die J. o -g fällt demnach auch die in Mocsia in- feriorgefundene Inschrift CIL III Suppl. n. 7452 eines L. I'linius Sex. f. l*'ab(ia) domo Trumplia mil(es) lcgl.ionis) XX (,zu der- selben O. Hirschfeld, Riim. Mitth. II 152, dagegen Prosopogr. XII 51 n. 373)- Der Fundort des Steines am rechten Ufer des Flusses Oescus (Isker), in einer Gegend, wo erst viel später ein I.egionslager entstand, deutet auf eine römische Vorposten- stellung an der thrakischen Grenze.

IÖ9

•7°

wohl schon C. l'oppaeus Sahimis (v. Domaszcwski, Rhein. Mus. NF XLV 2; v<;l. rrosopogr. III 80 n. 627) an diesem Kcldzug Antheil, zumal nach Ovids Schilderungen, wie nachmals unter Domitian und Traian, auch im äußersten Osten des spateren Moesicns •jekSmpft wurde. Wahrscheinlich fiel seinen beiden Legionen im Bunde mit den thralcischcn Auxilien die Sicherung des unteren Donaulaufes zu, wo die Barbaren, vor den im Westen des D.aker- reiches eingedrungenen Römern zurückweichend, theilweise mit Erfolg ihrerseits Einfälle gegen .Süden ins römische Gebiet versuchten.

Die Errichtung der römischen praesidia, über deren Beschaffenheit v. liomaszewski, Arch.-epigr. Mitth. XIII 141 f. und die dort angeführte Stelle des Prokop de aedific. IV 5 zu vergleichen ist, im südöstlichen Hannonien und im Westen des späteren Moesiens etwa von Taurunum bis zur Grenze des verbündeten Thrakerreiches, beginnt demnach in den letzten Jahren des Augustus, 12 14 n. Clir., zum Theil vielleicht schon während des Krieges. Ovid ex Pento IV 7, 27 f. (donec duminea devecta Vitellius unda I intulit, exposito milite, signa Getis) erwähnt eine Donauflotillc, welche den Legaten Vitellius sammt seiner Legion im Frühjahr 12 n. Chr. zum Entsätze des im Donaudclta gelegenen Aegisus (h. Tuldza) brachte (vgl. Prosopogr. III 452 n. 502; dagegen v. Domaszcwski, NHJ I igo f.); bereits da- mals dürfte an dem römischen Ufer ein fester Anker- platz (etwa in Ratiaria, wo später die classis Flavia Moesica anlegte) bestanden haben. Ungefähr derselbe Zeitpunkt ergibt sich für die Begründung des Donau- Limes überhaupt aus einer Notiz des Rufius Festus breviarium 8, wonach bald nach dem batonischen Kriege (6 9 n. Chr.) ,limes inter Romanos ac bar- baros ab Augusta Vindelicum perNoricum, Pannonias et Moesiam est constitutus' (dazu Zippel -S. 305 f.). Für die größeren Ufercastelle an der unteren Donau wurden voraussetzlich solche Plätze gewählt, welche Stromübergänge beherrschten, und wo in den Winfer- monaten December bis Februar eine ausgedehntere Eisbildung stattfand, die bisher von den Barbaren regelmäßig zu Einfallen in das römische Schutzgebiet

-) Zu den Schilderungen OvIds vgl. Jtisef R. von Lorenz- Liburnau, Die Dtmail, ihre .Strümiingen und Abl.igrrungen, Wien 1890, 22 f.: ,Bei G.ilaz auf der Strecke zwischen den F.inmündungcn des Screth und des Pruth blieb n.'tch den Aufzeichnungen eines dort stationierten österreichischen Con- suls binnen 26 Jahren (1837—1862) die Donau nur sechsmal von einer stehenden Eisdecke frei. I->ic Stellung des Eises erfolgte siebenmal im December, zehnmal im Jänner, dreimal J.-ihreshcftc des östcrr. archäol. Institutes Bd. I Beiblatt.

benützt worden war (vgl. Oio LIV 36, 2 zum J. 744/12; Florus a.a.O., oben .Sp. 166: zahlreiche Stellen Ovids bei MüllenhofT, DA III 159).^) Man wird hier zunächst an Singidunum, Viminacium, Ratiaria und Oescus denken dürfen. Die Verbindung mit den hiberna der Legionen in der Dardania wurde durch eine binnenländische Postenkette (vgl. Praesi- diura Pompei, Pracsidium Dasmini, Horrca Margi in den Itinerarien) hergestellt. Auch .an der Grenze gegen das thrakische Gebiet süd- und nordwärts des Haemus waren bereits oder wurden damals praesidia Romana errichtet, welche der Thrakerkönig Rhasku- ])Oris im J. H) auf seiner unfreiwilligen Reise nach Rom wahrscheinlich auf der Straße zwischen Serdica und Naissus passierte (Tacitus ann. II 67). Der Grabstein CIL III Suppl. n. 7452 (oben Sp. 167 A. l) markiert die Stelle eines solchen pracsidium.

Die Besatzung dieser praesidia, in der Regel wohl -Auxiliartruppen, hie und da vexilla der Legio- nen, die im Nothfalle auch durch Provinzialmilizcn (levis armatura) verstärkt werden konnten (Mommsen, Hermes XXII 554, 2, vgl.S. 548), stand im östlichen Abschnitte zunächst, wie es scheint, unter den Be- fehlen eines von dem Legaten ernannten und von ihm abhängigen Militärbeamten ritterlichen Ranges, der gleichzeitig eine delegierte Jurisdiction in den Uferbezirken ausübte, nämlich des praefectus civita- tium Jloesiae et Treballiae. Kenntnis von diesem neuen Amte, welchem an einer anderen Stelle des Donaulaufes der etwa gleichzeitige praefectus ripae Danuvi et civitatium duarum Boiorum et Az.aliorum CIL IX n. 5363 entspricht (vgl. auch Marquardt, StV I - 554. 4)> haben wir durch eine Inschrift aus luHum Carnicura aus der Zeit des K. Claudius CIL V n. 1838 ^ Wilmanns n. 1618 = Dessau n. 1349:

C(aio) Bacbio P;ubli) f ilio) Cla'udia) Attico II vir(o) i'ure) [d icundo)], primo pilo) leg ionis) V Mace- donic ac), praefecto) c[i]vitat ium) Moesiae et Tre- ballia[e, prajef ecto) [cijvit atium) in Alpibus) raari- tumis, t[r,'ibuno)] mil'itum) coh(ortis) VIII pr(aetoriae), primo pilo) iter(um), procurator,i) Til^beri) Claudi Caesaris Aug(usti) Germanici in Norico civitas Sacva- tum et Lai.ancorum.-')

im I*'ebru.ir. . . Der Stand des Eises dauerte also durchschnitt- lich 44 Tage.' Dazu Ant<m Swarowsfcy, Geographische \h- handlungen, herausg. von .\. Penck V ti. 27. j6. 66.

3) Die analoge Ergänzung Momrasens in CIL VI n. 31747 ^ n. 3836 Z. 6 : [iudici electo ab imp. n. per prov. Mo]cs(tam) Treb[alliam] u. s. w. scheint durch die späte Zeit (um 258 n. Chr.) ausgeschlossen.

171

172

Dass unter Moesia nicht die Provinz gemeint sein kann, sondern die von den Moesern im engeren Sinne bewohnte Landschaft, zeigt schon die Hinzu- fügung der Treballia. Der Umfang beider wurde bereits oben (Sp. 14g f.) gegen v. Domaszewslii festge- stellt. Insbesondere ist das hier genannte Amt nicht mit jener Praefectur identiscli, welche Ovid ex Ponto IV 7, I f. für die Gegenden am Pontus Euxinus bezeugt. Nach v. Domaszewski, NHJ I 196 (vgl. S. 198) fällt die Praefectur des Atticus in die Regie- rung des Claudius (41 54), welcher jedesfalls sein spätestes Amt, die Procuratur Noricums, angehört. In diesem Falle müsste Baebius Atticus seine mili- tärische und administrative Laufbahn zum größten Theile in den dreizehn Jahren des Claudius durch- messen liaben, was bei einer regelmäßigen Inter- vallierung der Stellungen kaum denkbar ist. In dem Wesen des exponierten Praefecten liegt ferner erstens, dass es damals in Moesia und Treballia keine Legions- lager und daher keine unmittelbare Jurisdiction des Legaten gab; auch in Pannonien und Dalmatien wurden die barbarischen Landestheile, welche außer- halb des von den regulären Truppen besetzten Ge- bietes lagen, durch praefecti civitatium verwaltet, die regelmäßig den Officieren des betreffenden Pro- vinzialheeres entnommen wurden (vgl. v. Domaszewski S. 196). Zweitens weist die Bezeichnung Moesia für eine enger begrenzte Landschaft auf eine Zeit hin, wo es eine Provinz Moesien noch nicht gab. Mit dem Regierungsantritte des Tiberius ist in beiderlei Hin- sicht eine durchgreifende Veränderung eingetreten (unten Sp. 173 f.). Andererseits empfiehlt es sich wegen des Umstandes, dass Atticus unter Claudius die Procuratur Noricums bekleidete, nicht unter die letzte Zeit des Augustus, das J. 13 oder 14, hinabzugehen.

Angenommen, dass Atticus gleich in den ersten Jahren des Claudius (seit 41), vielleicht zum Theil noch unter Gaius, Procurator in Noricum war, so liegt zwischen dieser Stellung und der Praefectur im J. 13 oder 14 n. Clir. ein Zeitraum von etwa dreißig Jahren, welchem dann noch eine vielleicht fünfzehn- jährige militärische Dienstzeit bis zum Primi]jilat vorangegangen war. Für die drei oder vier zwischen 15 und 41 n. Chr. bekleideten Functionen ist be- sonders die Abneigung des Tiberius gegen Neu- ernennungen der Beamten in Rechnung zu ziehen;

vgl.Tacitus ann.ISo und besonders SuetonTi!)erius4l : rei p. quidera curam usque adeo abiecit, ut postea (seit 27 n.Chr.)... non tribunos militum praefectosque,ncn provinciarum praesides uUos mutaverit. Das Alter des Baebius Atticus am Ende seiner Laufbahn, als er sich in seiner Heimatstadt lulium Carnicum zur Ruhe setzte, wird also kaum viel über sechzig Jahre betragen haben. Wir haben bisher mit Bewusstsein vermieden, von einer Provinz Moesien oder auch nur von einem moesischen Militärcommando zu sprechen. Unter Augustus bildete das spätere Moesien wahrscheinlich nur einen Theil einer provincia, nämlich lUyricums, ebenso wie Dalmatien und Pannonien. Aber auch das dortige Militärcommando dürfte damals noch kaum jenen Namen geführt haben. Im Monum Ancyr. kommt Moesia überhaupt nicht vor; ver- muthlich hat Augustus die spätere Provinz mit unter dem Gesammtnamen lUyricum begriffen (vgl. V 44; anders Mommsen, RG V 13. I). Noch der im J. 30 n. Chr. schreibende Velleius kennt in der Schilde- rung der augustischen Zeit ebensowenig, wie der Geograph .Strabo um 18 n. Chr., den Namen Moesia ; unter den von Tiberius unterworfenen illy- rischen Landschaften nennt ersterer II 39, 3 (oben Sp. 158^ wo der Ausdruck ,provincias' die Er- wähnung von Moesia erwarten lässt, lediglich die .Scordisci (oben Sp. 147). Der Name Moesia haftet, wie die sogleich zu besprechende Stelle des Dio LI 27, I f. und der praefectus civitatium Moesiae et Treballiae zeigt, während der ganzen augustischen Zeit an einem geographisch eng begrenzten Theile der späteren Provinz, dem Gebiete der Moesi (Muasii. Allerdings macht Cassius Dio, der übrigens auch in einer Rede (LIII 7, 1 1 im J. 727/27, wo es gewiss noch keine Provinz Moesien gal), den Augu- stus -Tjv Mrjaiag x^'P"*^"' erwähnen lässt, bereits zum J. 6 n. Chr. den A. Caecina Severus, welchen Velleius II HO, 4 einfach als ,consularis' bezeichnet, zum ,raoesischen' Legaten (LV 29, 3: ö t^; KXT^awjC'Jp'^'J Muata; äpx,(ov); doch ist dies offenbar nur eine von den bei Dio so häufigen Übertragungen späterer Namen und Verhältnisse auf die ältere Zeit und findet ein Seitenstück ebenda LVIII 25, 4 (zum J- 35)3 wo Poppaeus Sabinus, der Statthalter des noch ungetheilten Moesiens als -f;; M'jaia; iy.xzi- pa;... r/i'änovs'jaag bezeichnet wird.""^

^) Der ofHcicUu N.imc für das C"min.amlo an der unteren Donau unter Augustus ist uns nicht überliefert. Der kaiser- liche Legiit mag sich etwa als legatus Caes.iris Augusti i)ro practorc i n Ulyrjco (nicht Iliyrici) beüeichnct haben ; ähnlich

nannte sich noch C. Uinmidius C. f. Ter. Durmiiis Quadratus als Statthalter von Dalmatien oder Pannonien leg(atus) divi Clandi in Illyrico (CIL X n. 5182).

'7.5

'74

Die V^crwcndiinj; des Namens Mocsia für den ganzen Militiirilistrict bcfjinnt erst unter Tiberius mit der Xeugeslaltunf; Illyricums und der Balkan- länder. Im J. 15 n. Clir. übertrug Tiberius dem Consular und Statthalter von Mocsia C. Poppaeus Sabinus auch die bis dahin dem Senate zugewiese- nen Provinzen Macedonia und Achaia; vgl. Tacitus ann, I 80 : prorogatur Sabino provincia Moesia, additis Achaia ac Macedonia (dazu I 76). Erst Claudius gab im J. 44 .Maccdonicn und Achaia wieder dem Senate zurück (v. Domaszewski, Rhein. Mus. XF XLV I ff.). Unter dem Oberstatth.alter der vereinig- ten Provinzen, der den Titel eines legatus Moesiae führte (CIA III n. 616 = Eph. epigr. I p. 109 f.) und zugleich Oberbefehlshaber des raoesischen Heeres war, stand nach v. Domaszewskis überzeugender Beweisführung ein Legat praetorischcn Ranges, der als Commandant der zwei moesischen Legionen den moesischen District verwaltete; vgl. Tacitus ann. II 66 zum J. 18 n. Chr.: Latinius Pandusa pro prae- tore Moesiae, und die .anderen Stellen bei v. Doma- szewski S. 3 f. Die römische Landschaft an der unteren Donau bildete nunmehr einen District des großen durch die Vereinigung der Balkanl.änder ent- standenen Provinzialgebietes unter dem Namen Moesia, der uns zuerst in der eben angeführten .Stelle bei Tacitus ann. I 80 zum J. 15 n. Chr. und seitdem häufig begegnet. Auch die Inschriften scheinen auf die ersten Jahre des Tiberius zu füh- ren. So ist der auf einer Basis etwa claudischer Zeit CIL IX n. 5363 geehrte L. Volcacius Primus unmittelbar nach seiner Praefectur im nördlichen Pannonien, die nach einem von mir anderwärts ge- gebenen Beweise vor der Errichtung des Stand- lagcrs zu Carnuntum (um das J. 17 n.Chr.) gesetzt werden muss, trib(unus) milit'um) lcg(ionis) V Mace- donicae in Mocsia gewesen. Dagegen kann CIL III Suppl. n. 8261 (praefcctus) coh ortis) I Thracum Syr iacac) in Moesia equitatae, dazu v. Domaszewski, NHJ I 198, 2) und ebenso CIL XII n. 1358 (pra[ef(ecto) coh(ortis) I? Brac]arum Augustanorum, praeposilo vexillationi exercitus M[oesiaci]) wegen der darin erwähnten ,<iuinque dccuriae' nicht vor Gaius geschrieben sein. Vielleicht hängt damit auch zusammen die von Marquardt, StV I - 302, 6 ver- dächtigte, von Zippel S. 245 mit Recht in Schutz genommene Angabe von Appian lUyr. 30: v.tX -Xslov (nach 6H2ly2) O'jdev a5pov £-'. tyJ; 'P(U|iaio)v 3r||io- xpatia; s; Maacj; -fcvönsvov, oü3' i; cpopov Osa-

Tipsph'j T'y'5 iicTi tiv iö^ajtov Tii; 'l'iDnafot; aOTO- •/.piTOpoj -j'svoiiivo'j. Und ebenso zu Ende desscllicn l'apitcls: xai Ttjlipio; ef/.s (to'j; M'jscj;) y.a-ri ttjv liivapxov ijo'jjfav. Wie man sieht, beruht die allerdings irrthümliche Vermuthung Appians, dass Moesien erst unter Tiberius unterworfen wurde, auf der von ihm .als Verwaltungsbcamten gewiss richtig beobachteten Thatsache, dass Moesia als Bezeich- nung für eine Provinz erst -ifii Tilierius in den Steuerrechnungen vorkam.

Von dieser Zeit hält «he .Ausdehnung des Namens Moesia für das Land, Moesi (M'ja^'.) für die Bevölkerung etwa gleichen Schritt mit dem Zuwachse der Provinz Moesien. Im allgemeinen äußert sich darüber Dio LI 27, I f.: -zb |i£V -fip -äJ.a'. <d. h. um das J. 725/29) MoaoJ TS v.aX Ti~T. -Ssav ■zr,'/ |i£-a- i'j ■z'A TS A:]WJ y.ai to'j "Ijxpo'j oüiav £vi|iOVTO- -poV- dv:o; to'j xpivi'j y.al s; ä/.Xa tivc; 7.'j-.Srt dviiia-ra HE-eJiaXov xai |i£-a -üa'jTa i; ti tt^; Musiag 5v5|ia -äv3" 63a ö iaoijo; ä; tov 'IjTpov £n^>J.o)v, üiisp -E TT,; AEX'iaTia; y.ai ÜTTsp Tf^; May.siGvia; t-^; ts Op^xr;;, ä-i T^; llavvoviac; ä^ip!?^;. 3'j-,'y.axo)pr,y.£. y.ai s3T'.v £v a'JToT; äXJ.a sO-vyj -o/./.i y.ai oi Tpi- ^aÄXoi noTE -po3a-(-c.ps'j!l-oVTE;, 01 ts Aap3avoi, y.ai vjv oOt(i) y.aX'i')|iEVO;. Zur Zeit des Strabo (um 18 n.Chr.; vgl. VII C. 303 oben Sp. 157) wurden die um 738/16 im engeren Moeserlande angesiedelten Geten gleich- falls Mo;3o£ genannt. Ferner fasst Ovid ex Ponto IV 9, 77 f. (vom J. 16 n. Chr., oben Sp. 150) die der römischen Provinz angehörigen Völkerschaften, wozu nach Plinius III 149 (oben Sp. 148) insbesondere die Celegeri, Triballi, Timachi, Moesi (im engeren Sinne) zählten, .als ,Mysas gentes' zusammen und stellt ihnen die dem Thrakerkönige unterthänigen üet.ae ent- gegen. Gleich ihm nennen Strabo VII C. 300 (sni- y.Eiva Twv M'jaöjv y.ai ßpqcxwv xai FsTöiv), Plinius IV 41 (oben Sp. 148), sowie Cassius Dio LI 27, I für die ältere Zeit zwei Hauptstämme, Moeser und Gelen, als Bewohner des unteren Donaulandes. Als dann zu Ende des zweiten Jahrhunderts das ehemals thiakische Gctenland ganz der Moesia inferior ein- verleibt worden war, haben die Römer nicht auch die Einheimischen auch die dortigen Geten als Moeser zu bezeichnen angefangen; vgl. Dio LI 22, 7 (oben Sp. 150) von seiner Zeit: (rsTai) -pö; T^ Tpißa>.Xiy.-j oiy.oOvTs; I; ts -ov Tfyj Mu3£a; vo|i6v TEX0O31 y.ai M'jaoi, ;:),tjv napä -ol; Ttccvu i:;'.- XtDpCo'.;, dvoiiäJovTa'.. So nennt denn auch Appian Illyr. 6 (Muao'j; tg'j; ev EOpto;:?) y.ai Ö3a ä/j.a änopa TSUTO;; EV dsjt^ tS'j 'IjTpo'j y.aTa-ÄsovT: (T>y.Y,Tat) nur

12«

/ :>

nb

die Myser als Hauptvolk Moesiens. Nach Dio LI 27, I wurden auch die Dardaner unter dem Namen der Moeser mitbegriffen; doch ist es bemerkenswert, dass die Dardania bis ins vierte Jahrhundert, wo sie wieder eine Provinz für sich bildete, in dem Rahmen der Provinz Moesien stets ihren Sondernamen be- hauptete; vgl. z. B. Ptolemaeus geogr. III 9, 4 (xal T^S Aapdavias S' toXsi;), Orosius I 2, 57. 59 (vgl. 55), wo neben Moesia noch speciell die Dardania genannt wird, u. a. Ein sonderbarer Zufall hat es gefügt, dass seit dem Ende des dritten Jahr- hunderts der Name Moesia gerade jener Landschaft nicht mehr officiell zukam, von welcher er ausge- gangen war, nämlich dem ehemaligen Bezirk der civitates Moesiae et Treballiae; denn eben dieses 6renzgel)iet zwischen Moesia superior und inferior war im J. 27 1 von Aurelian als Dacia nova einge- richtet worden.

Die endgiltige Feststellung der Bezeichnung Moesia für den ganzen Militärdistrict hatte zur Vor- aussetzung die A'erlegung wenigstens eines Legions- ciuartieres und damit auch des Amtssitzes des Legaten aus der Dardania an die Donau ins eigentliche Moeser- gebiet. In Pannonien wurde, wie ich an anderer .Stelle nachweisen werde, in den Jahren 14 17 ein Legions- lager aus der Savegegend in den Norden der Provinz, nach Carnuntum an die Donau verlegt. Umso eher musste dies an der unteren Donau geschehen, wo zuvor die Entfernung der hibema von der Reichs- grenze eine viel geringere gewesen war als in Pannc- nien, und dadurch die Anlage und Sicherung der Verbindungsstraßen und der Etappenstationen aus dem Binnenlande nach dem Donauufer viel rascher zu bewältigen war. Bereits seit dem J. 15 scheint die Jurisdiction und der militärische Befehl am Donau- ufer, speciell in der eigentlichen Moesia nicht mehr von einem Praefectus, sondern von dem für Moesien bestellten praetorischen Legaten ausgeübt worden zu sein. Von L. Pomponius Flaccus (Cos. 17 n. Chr.), dem ersten, der nach der Vereinigung der Balkan- länder, noch im J. 15 n. Chr., diese Stellung bekleidet hat (V. Domaszewski, Rhein. Mus. a. a. O. .S. 5; Prosopogr. III 76 n. 538), schreibt Ovid ex Ponto IV 9, 75 f. (vgl. oben Sp. 151):

praefuit his, Graecine, locis modo Flaccus, et illo

ripa ferox Istri sub duce tuta fuit. hie tcnuit Mysas gentes in pace fideli,

hie arcu fisos terruit ensc Getas.

Gleichzeitig wurden, wie später ausgeführt werden soll, auch die griechischen Küstenstädte am Schwar-

zen Meere, die bisher unter dem Schutze des Statt- halters von Älacedonien standen, dem Legaten Moesiens zugewiesen.

Auch der Bericht des Tiberius an den .Senat im J. 23 bei Tacitus ann. IV 5 lehrt, dass damals, ebenso wie in Pannonien, die Legionen bereits an den Strom vorgeschoben waren und wenigstens eines der Lager im moesischen Stamralande sich befand: ripamque Danuvii legionum duae in Pannonia, duae in Moesia attinebant. Um das J. 15 n. Chr. wird, ähnlich wie in Pannonien, wo anfangs nur die 15. Legion an die Donau kam, zunächst die eine der beiden Legionen aus der Dardania an das Donauufer, ins Gebiet der Moeser verlegt worden sein. Ihre dortigen hiberna mögen mit v. Domaszewski, NHJ I 198 (vgl. Mommsen, RG V 194, l) bei Ratiaria (oben Sp. 149) zu suchen sein; sie waren mit der Dardania durch eine Militärstraße verbunden, die durch das Thal des Timacus (Timok) nach Xaissus (Nis) führte. Erst in den späteren Jahren des Tiberius, schwerlich vor 33/34, ist noch ein zweites Legions- lager am Strome entstanden, wahrscheinlich bei der sehr alten Feste Virainacium (oben Sp. 147) im ehe- maligen Gebiete der Skordisker, wo es sowohl Mommsen als v. Domaszewski gesucht haben. Die Straße durch den Kasan-Pass, die der Verbindung der beiden Lager an der Donau gedient haben muss, ist nach der in zwei Exemplaren erhaltenen Bau- inschrift erst im J. 33 34 angelegt worden. Vgl. CIL in n. i6g8, dazu Add. p. 1024; F. Kanitz, Wiener Denkschriften, phil.-hist. Cl. XLI, II 31 ff., dessen irrige Lesung des einen E.xemplares (,trib. pot. XXX') von Jul. Neudeck, Archaeologiai ertesitö NF XIV (1894I 79 und G. Tegläs, Archaeologiai közle- menyek XX (NF XVII 1897) 68 f. berichtigt wird:

Ti(_berio) Caesare Aug(usti) fi,ilio) Augusto impc- rator(el pont(ifice) max(imo) tr(ibunicia) pot(estate) XXXV. Leg(io) IUI Scyti^hicai et leg'io) V Mace- donica.

Aus dem Beinamen der legio IUI Scythica, welcher aus den Kämpfen im Donau-Delta, in der sogen. Scythia minor (z. B. der Wiedereroberung von Troesmis durch L. Pomponius Flaccus im J. 15) herrühren dürfte, möchte man schließen, dass sie ilir Lager in dem jenen Gegenden näher gelegenen Ratiaria hatte, während die V Macedonica vielleicht in Viminacium lagerte. Einer etwas späteren Zeit dankt das Legionslager zu Oescus seine Entstehung (v. Domaszewski a. a. O. S. 198); vielleicht erst

1/7

■7«

unter Traian wurde das Lager zu Singidunum er- richtet (ebenda A. 4).

Mit der Übersiedlung der Legionen an die Donau ist die Provinzialisierung des damaligen Moesiens durchgeführt. Bereits bei Tacilus ann. I 80 zum J. 15 erscheint die ,provincia Mocsia'; ebenso in der von Domaszewski, Rhein. Mus. NK XLV I ff. behan- delten Inschrift CIL XI n. 1835 = Dessau n. 969 des Practoriers Martius Macer, der ,leg(atus) Ti(beri) Claudi Caes[aris Aug(usti)pr(0)] pr(aetorc) provinc(iae) Moesiae leg(ionis) IV Scyt[hic(ae) et leg(ionis)] V Macc- d onicac)' war (vgl. auch Prosopogr. II 350 n. 258); in der Grabschrift des Ti. Plautius Silvanus CII- XIV n. 3608 = Dessau n. 986 (zu den Kämpfen im J. 62/63: pacem provinciae et confirmavit et protulit, dazu oben .Sp. I57f); endlich bei Plinius in der Dar- stellung lUyricunis n. h. IH 14'!; provincia quac Mocsia appellatur.

Bei der oben geschilderten militärischen Orga- nisation hat es bis auf Domitian sein Bewenden gehabt. Wie v. Domaszewski, Rhein. Mus. NK XLVIII 240 darlegt, blieb bis in die flavische Zeit der Kern der Grenzwehr an der unteren Donau in dem Dreieck vereinigt, das durch die Flussläufc des Margus (Morava) und des Utus (Vid) im Westen und Osten begrenzt wird. Hier in Viminacium, Ra- tiaria, Oescus, also in der alten römischen Land- schaft, hatten die vier Legionen des damaligen moesischen Heeres ihre Standlagcr inne, während das zuvor thrakische Gebiet weiter östlich bis an die Mündung des Grenzstromes nur von Auxilien besetzt war. Erst mit der Errichtung der Provinz Moesia inferior, welcher wenigstens im Westen ein Stück des alten römischen Districtes zugewiesen wurde, unter Domitian hat auch diese Landschaft in Troesmis und Durostorum Legionslager erh.iltcn.

Auch die Gründung römischer Gemeinwesen in Mocsien war bis auf Hadrian beinahe ganz auf das alle römische Kernland, das dardanisch-mocsische Stammesgebiet beschränkt (vgl. Kubitschek, Imperium Romanum 237 f.). In der Wiege der Provinz, der Dardania, entstand in der colonia Flavia Scupi die erste römische Stadt Moesiens (CIL VI n. 3205; C. III p. I460; Tomaschck, Wiener Sitzungsber., phil.- bist. Cl. XCIX 43- ff.) Unter dem Schutze der Lager zu Viminacium und Ratiaria erwuchs am nördlichen Ufer der Donau das später zu Dacien gerechnete municipium Flavium Drobcta (Kubitschek a. a. O. p. 230; v. Domaszewski, Rhein. Mus. a. a. O. S. 241). Es folgten mit der Verlegung der Legionen in andere

Lager Ratiaria und Oescus, beide coloniac Ulpiac.

V'iminacium ist municipium Aclium (Mommscn, CIL III p. 264); Singidunum allein, welches am Längsten Legionslager blieb, erhielt vielleicht erst im 3. Jahi- hundert Stadtrecht (CIL III p. 265). Zahlreiche römische Inschriften, neben welchen sich nur ganz vereinzelte griechische fmden, geben von der Romani- sierung der Landschaft Zeugnis. Ungleich langsamer gicng, wie wir im folgenden Abschnitte sehen werden, auch die städtische Entwickclung der ripa Thr.aciac, jenes Thciles von Moesia inferior vor sich, der bis zum J. 46 einen Theil des thrakischen Clicntelslaales bildete.

III. Das thrakische Gebiet an der unteren Donau. Der mittlere und östliche Theil des späteren Untermoesiens, der noch in späterer Zeit als Wohnsitz der Geten bezeichnet wurde (oben Sp. ijOf.), stand zur Zeit der Unterwerfung der Moeser und Trib.iUer durch M. Licinius Crassus im J. 725/29 unter der Botmäßigkeit getisrher Stammesfürsten. Als einen solchen erwähnt Cassius Dio LI 24, 6 den Roles ('PujXou . . . re-ojv T'.vtov Jantisü);). Nach Dio unterstützte er den Crassus sowohl nach der Schlacht am Ciabrus (Cibrica) bei der Vernichtung der letzten Reste der geschlagenen Bastarner (LI 24, 6', als auch in dem Kampfe gegen den Getenhäuptling Zyraxes im Mündungsgebiete der Donau (LI 26, I ff.); sein Machtbereich wird etwa dem späteren thrakischen Antheile nördlich des Haemus entsprochen haben (vgl. Zippel S. 239 ff.). Dio erzählt ferner LI 24, 7 : 8 PoiXif); -pig töv Kaijapa £Ä9-(l)v yO.o; ts e-; TOÜTtp xai a6(i|iaxo; svo|i£a!)Tf). Wahrscheinlich fand diese Zusammenkunft zu Korinth statt, wo der Caesar auf der Durchreise von Asien nach Brundisium im Sommer 725/29 einige Zeit verweilte (Gardthausen II 273).

So bestand seit der Expedition des Crassus im Getengebiete ein Clientelstaat unter einem einheimi- schen Fürsten. An eine thrakische Herrschaft im Norden des Haemus ist für diese Zeit nicht zu denken, urasomehr als das eigentliche Thrakien in beständigen inneren Kämpfen begriffen war. Crassus hat im J. 725/29 die Macht des um die Vorherrschaft ringenden Odrysenstammcs, dessen Gebiet nach Strabo VII fr. 48 C. 33 1 bisher ndvra; to'j; ir.ö "E^po'j ■/.%'. KMl^iAKTi lisxpi '0?T,33oO rf^;, -apaÄta? ü-EpoixoOvra; umfasst hatte, allerdings gestärkt, indem er ihm einen Theil der den Bessern gehörigen Landschaft am Hebrus (Maricai zuwies. Doch ist

179

i8o

damals von einem Bündnis zwischen den Römern und den Odrysen noch immer nicht die Rede; noch um das J. 732/22 führte der Proconsul Macedoniens M. Primus einen Krieg gegen die Odrysen, allerdings iniussu principis (oben Sp. 154). Um das J. 738/16 finden wir die römischen Statthalter Macedoniens wieder auf der Seite der Odrysen. In hartnäckigen Kämpfen, welche fast ununterbrochen von etwa 738/16 bis 743/11 währten, hat Augustus endlich die thrakischen Stämme südlich des Haemus zur Ruhe gebracht (oben Sp. 161) und zu einem einheit- lichen Gebiete zusammengefasst, dessen Herrschaft dem Fürsten des odrysischen Stammes übertragen wurde. Der 743/11 zur Regierung gelangte Rhoeme- talkes (Mommsen, Reges Thraciae inde a Caesare dictatore, Eph. epigr. II 254) wird zuerst als jener bezeichnet, der ganz Thrakien unter seinem Scepter vereinigte; vgl. Tacitus ann. II 64: omnem eam nationem (Thraecum) Rhoemet.-tlces tenuerat. Der Schutz der Römer legte Gegenverpflichtungen auf, insbesondere Gefolgschaftsdienste gegenüber dem römischen Commandanten, welcher wieder seinerseits angewiesen war. den Thrakern fallweise Hilfe zu leisten. In gewissem Sinne bildete das verbündete thrakische Königthum einen Annex des großen illyrischen Commandos. Dies tritt hervor im panno- nisch-dalmatischen Kriege des J. 6 n. Chr., wo nach Velleius II 112, 4 die thrakischen Bundestruppen unter Rhoemetalkes im Gefolge der Legionen des Legaten A. Caecina auftraten (equitatui regio, quippe magnam Thracum manum iunctus praedictis ducibus Rhoemetalces, Thraciae rex, in adiutorium eins belli secum trahebat) und von Caecina befehligt wurden (Dio LV 30, 3 : TO'j 'Pu|i,vjTaX-/.o'j zo~) 0pa-/.6; :ipo7ie|i;{j3-Ev:o; &-' afizob^ h~b ~o~) Zsouripou). Desgleichen noch später in der Schilderung, die Kaiser Tiberius bei Tacitus ann. IV 5 im J. 23 n. Chr. von den Vertheidigungsraaßregeln in lUyricum ent- wirft; et Thraeciam Rhoemetalces ac liberi Cotyis, ripamque Danuvii legionum duae in Pannonia, duae in Moesia attinebant, totidem apud Delmatiam locatis, und dazu IV 47 zum J. 26: rex Rhoemetalces cum auxiliis populariura . . . venere.

Noch Strabo VII fr. 10 C. 329 (vgl. fr. 9), der wegen des Vergleiches des thrakisch-macedonischen Complcxes mit einem Parallelogramm auf einer Karte, jedcsfalls auf der des Agrippa (gest. 742/12) fußt, lässt Macedonicn und Thrakien gegen Norden xfj voounEv») £ÜO-E£!f ■i'paiiiLYi ZTi 5ia Bspxiaxou Spouj y.ai Sxapdou -/.ai 'Oppr^Äoy y.ai 'VrAi—f,^ v.al AV|iou be-

grenzt werden und nennt VII fr. 48 C. 33 1 in der 6p^y.y) au|iKaaa keine von den Völkerschaften nörd- lich des Haemus. Erst nach Agrippa, wahrscheinlich gleichzeitig mit der eben besprochenen Regelung der Verhältnisse im .Süden des Haemus wurde auch der östliche Theil des Landes zwischen Haemus und Ister, derselbe, den um das J. 725/29 der Getenfürst Roles als Client der Römer beherrscht hatte, zum Reiche des Rhoemetalkes hinzugeschlagen ^vgl. Zippel S. 2431.; Mommsen, RG V 13, 1; v. Domaszewski, NHJ I 193). Damit war die Herr- schaft der Odrysen nahezu in jenem Umfang wieder- hergestellt, den sie im fünften Jahrhunderte nach Thukydides II g6. 97 gehabt hatte (Kiepert, Lehr- buch der alten Geogr. 321; Hock, Hermes XXVI 77 ff.). Die Westgrenze dieses Gebietes, welches noch in späterer Zeit den Namen ripa Thraciae be- wahrte, gegen den römischen Disfrict hat sich bis ins zweite Jahrhundert hinein unverändert erhalten und soll unten dargestellt werden. Dagegen waren die Griechenstädte am Pontus, wie wir noch später sehen werden, von der Herrschaft des thrakischen Clientelfürsten ausgenommen.

In dieser erweiterten Gestalt erscheint Thrakien in der allerdings aus heterogenen Quellen zusammen- getragenen Darstellung bei Plinius n. li. IV 40 ff., in welcher außer 25 südlich vom Haemus wohnenden Völkerschaften auch 9 nördlich des Gebirges sess- hafte .Stämme genannt werden 41; oben Sp. 148). Die Nordgrenze bildete nach § 42 die Donau: ita finit Hister a septentrione; vgl. § 44: Thracia altero latere a Pontico litore incipiens, ubi Hister amnis inmergitur (vgl. Kalopothakes a. a. O p. 3. 13 f.; da- gegen A. Schulten, Rhein. Mus. NF L 535, l). Nach der Chorographie des Mela wurde Thrakien ,qua latera agit, Histro pelagoque' begrenzt (II 2, 16); die Städte am .Schwarzen Meere vom Donau-Delta südwärts werden bei ihm gleichfalls unter Thrakien angeführt (II 2, 22'.

Insbesondere lag dem thrakischen Fürsten, da die Quartiere der römischen Legionen weit weg vom Pontus und der Istermündung im Westen der spä- teren Provinz sich befanden, der militärische .Schutz der ripa Thraciae und des , kleinen Skythiens' gegen die Einfälle der Barbaren ob (v. Domaszewski, NHJ I I93\ wobei er allerdings im Nothfall auch die Unterstützung des römischen Befehlshabers in Macc- donien (Velleius II lOI, 2, oben Sp. 154), später im mocsischcn Districtc beanspruchen konnte. Nach Ovid ex Ponto I 8, 15 ff.;

iSi

r82

hanc ferus, Odrysiis inopino Marie pcrcmptis, cepit et in re};cm sustulit arnia Getcs u. s. w.

und ebenda IV 7, 25 (T.:

Sitlionio re<;i fcriis intcrcepcral illani hostis et ercptas yiclor habebal opes,

beherbergte Aegisus nahe derDonauniiindung, welches im Dakerkriege des J. I 2 n. Chr. i<)l)cn Sp. 167 f.; von den Geten eingenommen und von dem Odrysen- könige wieder entsetzt wurde, eine tlirakische Be- satzung und Wühl auch tlirakisolic Kriegsvorräthc. Die Beihilfe der Römer, wahrscheinlich einer I,egion unter ihrem Legaten (oben Sp. Kuji, welche in dem an römische Adresse gerichteten Briefe IV 7 bezeugt wird, konnte in dem an den Thrakerfürsten sich wendenden Gedichte I 8 unerwähnt bleiben, vcr- muthlich, weil hier auf seinem eigenen (iebiete eben letzterer der berufene !''ührcr war.'') Auch das west- licher gelegene spätere I.egionslager Troesmis, welches nach Ovid e.\ Honte IV 9, 79 im J. 15 von dem römi- schen Legaten entsetzt wurde (oben .Sp. 17G'), war damals wohl ein solcher thrakischer WafTenplatz. Kerner erbittet Ovid in einem Gedichte an den Sohn des Rhoemetalkes, Kotys (ex Ponto II 9 vom J. 12/13, vgl. A. 5) den Schutz des Thrakerkönigs unter Hinweis auf die Nachbarschaft Tomis' und des thrakischen Gebietes; vgl. v. 4: me tibi finitimi parte iaccre soli; v. 9. 10; v. 37: tu quoquc fac profugo prosint tua castra iacenti; v. 79 f.; tua nunc vieinia pracstet, in iusso possim tutus ut esse loco. Noch unter Tiberius im J. 18 n. Chr. reichte die thrakische Herrschaft bis an die Sitze der Sky- then und Bastamer nördlich von den Donaumün- dungen heran; vgl. Tacitus ann. II Ö5: (Rhescupo- ris) Thraecia . . . omni potitus . . . simul bellum ad- versus Bastarnas Scythasque ])raetendens novis pedi- tum et equitum copiis sese firmabat iZippcl S. 243 f.; Mommsen, RG V 194, i). Entsprechend berichtet Tacitus ann. II 64 über die etwa 12/13 "• Chr. von Augustus vorgenommene Theilung zwischen Kotys

und Rhaskuporis II (Prosopogr. III I28f. n. 42): arva et urbes et vicina Graccis fso auch die Nach- barschaft von Tomis) Cotyi, quod incuUum, fcrox, ad- nexum hostibus (also das Donauufer, Rhescuporidl cessit. Diese Zeugnisse widerlegen die Annahme V. Domaszewskis, NHJ 1 194 (mit A. 3>, dass beim Regierungsantritte des Tiberius das ganze Land nönllich des Haemus von dem thrakischen Clicntcl- staatc aljgetrennt und einem römischen praefectus civi- tatium unterstellt wurde (oben Sp. 14g f. 170 f.). Ohne Zweifel erhielt Rhoemetalkes, der Sohn des im J. 19 abgesetzten Rhaskuporis (Mommsen, Ejih. cpigr. II p. 2j6: Prosopogr. III 131 n. 51), in der bei Tacitus ann. II 67 erwähnten Theilung unter Tiberius den westlichen Theil des Thrakerreiches, denselben, den zuvor sein Vater innegehabt hatte, somit auch das entsprechende Stück der ripa Thraciae. Nach der .Schilderung des Aufstandes der ,Coelalctae Odru- saequc et Dii' im J. 21 bei Tacitus ann. III 38 (pars turbant praesentia, alii montem Haemum trans- grcdiuntur, ut rcmotos populos concirent) gehörte das Land nördlich des Ilaemus noch immer zu Thrakien. Nach Tacitus ann. IV 47 regierte Rhoeme- talkes noch im J. 26. Mommsen hält es für möglich, dass er noch unter Tiberius starb oder abdanken musste, und dass seine Herrschaft vorläufig unbesetzt blieb (dagegen Prosopogr. a. a. O.); keineswegs ist aber damals sein Antheil oder auch nur das zuge- hörige .Stück der ripa Thracia in eine geordnete römische Verwaltung übernommen worden. Die Gleichgiltigkeit des Tiberius für das Geschick der unteren Donauländer gieng, seitdem er sich im J. 27 auf Capri zurückgezogen hatte, so weit, dass er (wahrscheinlich nach dem Tode des tüchtigen Statt- halters Poppaeus Sabinus im J. 35) selbst die Pro- vinz Moesien den Beutezügen der Barbaren von jen- seits der Donau preisgab (Sueton T'iberius 41: Moc- siam a Dacis Sarmatisque . . . vastari neglexerit).

In der östlichen Hälfte des Thrakcrrciches, welche im | 19 an die N.ichkommen des Kotys

'») Welclion thr;ikiscllcn Fürston Oviil meint, ist fr.lglifli, da wir das Todesjahr des Klloonietalkes nirlit kennten. Immcrliin passt die Ansprache ex Ponto 1 8, 21 ff. {geschrieljen im Herbst 12 n. Chr., vg]. v. 28): .it tibi, rex aevo, detiir, fortissiine nostro, semper honorata sceptra tenere manu u. s. w., wohl besser auf den in Kämpfen ergrauten Itundcsgcnossen der Römer, Rhoemetalkes (I*rosopogr, III ijof. n. 50), als auf dessen Nachfolger Kotys (ebcnd.a I ^76 f. n. 1269), dessen .ingeninm mite et amoenum' Tacitus .ann. II 64 hervorhebt, und den Ovid in einem etwas späteren Gedichte (ex Pcmto II 9, pe- schrielton spätestens ij n. Clir.) wegen seiner dichterischen

Itestrcbungen preist, ohne auf kriegerisclie Ruhmesthaten hin- zuweisen. .\us der Art und Weise, wie Ovid sich als ein noch wenig Bekannter (vgl. v. 3 f.) dem Schutze des Kotys em- pfiehlt, wie er zuvor den seines Vaters genossen (v. 37 tu quoquc f.ic profugo prosint tu.a castr.a u. s. w.), gewinnt man den Eindruck, dass Kotys damals eben erst die Regierung angetreten hatte. Der Tod des Rhoemetalkes und die Theilung des Tlirakerreiches zwischen Kotys und Rhaskuporis scheint alsi» nach *lem Herbste 12, etwa in die Wende 12/13 "■ C'hr. zu fallen.

i83

184

gefallen war, führte seit diesem Jahre der Praetorier Trebellenus Rufus (Prosopogr. III 334 n. 230) eine vormundschaftliche Regierung anstatt des minder- jährigen Sohnes des Kotys, gleichfalls Rhoemetalkes geheißen (ebenda III 131 f. n. 52, welche nach- gerade den Charakter einer Occupation annahm (Mommsen, Eph. epigr. II p. 257). An der Erhe- bung gegen die versuchte Einführung des römischen Conscriptionssystemes im J. 26 haben sich, wie MüUenhoff, DA III iGi vermuthct, auch die Volks- stamrae im Norden des Haemus betheiligt * vgl. Tacitus ann. IV 47 f.).")

Die eben geschilderten Ereignisse hatten die Einziehung des von drei Seiten vom römischen Provinzialgebiet eingeschlossenen thrakischen Clientel- staates vorbereitet. Nach der kurzen Unterbrechung der Jahre 38 46, in welchen der von Gaius in seine Herrschaft wieder eingesetzte Rhoemetalkes noch einmal ganz Thrakien unter seinem Scepter vereinigte, machte Kaiser Claudius im J. 46 Thrakien zur römi- schen Provinz. Thrakien erlitt dabei zunächst keine Einbuße an seinem bisherigen Umfange; insbesondere kam die Landschaft nördlich des Haemus nicht etwa an Moesien, sondern verbliels V)eim .Stammlande. Dies zeigt die Übersicht der Reichstruppen im J. G6 bei Flavius losephus de hello lud. II 16, 4 § 368 f. ed. Niese (dazu v. Doraaszewski, Rhein. Mus. NF XLVII 213), nach welcher der raoesische Theil lUy- ricuras im Westen noch immer von Thrakien begrenzt wurde (§369: oi d' äTio -roiTojv (Bpcfxtov) 'RÄupioi x'/jv [isXpt AaXiiaxiav (X^iotsiivoiievtjv 'laTpw xaToixs'JV's; ; oben Sp. 164). Das ganze thrakische Territorium, schon damals als provinciaThracia (CIL III n.6123 ^Dessau n. 231 vom J. 61/2) bezeichnet, unterstand in Sachen der Civilverwaltung einem kaiserlichen Procurator (Marquardt, StVI-314; Kalopothakes p. 47). Diesem scheint jedoch der Legat von Moesien übergeordnet gewesen zu sein; jedesfalls führte erden militärischen Oberbefehl über die in der Provinz Thracia, vor allem am Donauufer dislocierten Auxilien nach losephus a. a. O. zweitausend Mann (vgl. J. Jung, Zeitschr. für die österr. Gyran. XXV 690 f.; v. Do- maszewski a. a. O. S. 213 f.). Insoferne erscheinen die Thraces bei Plinius n. h. III I4q als ein Theil der provincia Moesia. Nach CIL VI n. 3828 wurde

6) Die damals erwähnte ,Sugambra cohors' des C. Pop- paeus Sabinus (ann. IV 47) ist wohl identisch mit jener, welche in dem Militärdiplom XXXI tCIL III Suppl. p. 197 1) vom J. 99 als I Sugambrorum veterana, in dem Diplom XLVIII (XXXR'') vom J. 134 als coh. I Claudia (wohl nur Ehrenname ;

der Patronat der colonia Flavia Pacis Deultensium in Thrakien im J. 82 verliehen [Avijdio Quieto leg ato) Aug usti). Nach Mommsen sahen Liebenam, Forschungen I 389 if., Kalopothakes p. 48 f., Klebs, Prosopogr. I 189 n. 1172, v. Rohden in Pauly- Wissowas RE II 2385 n.8, denen Homolle bei Duroont, Melanges 523 widerspricht, den Genannten für einen der ersten Legaten von Thracia an, obgleich dieses nach dem Nachweise von St. Gsell, Essai sur le regne de Tempereur Domitien 138, 6 noch im J. 88 von einem Procurator verwaltet wurde. Wir werden den T. Avidius Ouietus wohl ohneweiters als Legaten von Moesia ansprechen dürfen, der im J. 82 die Deduction von Veteranen der legio VIII Augusta nach Deultum leitete.

An diesen Verhältnissen scheint dadurch nicht viel geändert worden zu sein, dass unter Domitian, wahrscheinlich zur Zeit seines Dakerkrieges, um 86 bis 89 (Gsell a. a. O. p. 135 ff.), Moesien in zwei Provinzen, Moesia superior und inferior zerlegt und vielleicht gleichzeitig, spätestens aber unter Traian, Thracia einen eigenen Legaten praetorischen Ranges erhielt. Wegen der eigenthümlichen Stellung, welche die ripa Thraciae in der Verwaltung jener Zeit ein- nimmt, muss hier der Versuch gemacht werden, auf Grund einer scheinbar widerspruchsvollen Überliefe- rung die Competenzen der Statthalter von Moesia inferior und von Thracia sachlich und örtlich näher zu bestimmen, eineFrage, dieneuerdings von^Mommsen, RG V 282, I, B. Pick, Wiener Numismatische Zeit- schrift XXIII 33 f. und Kalopoth.akes a. a. O. p. 7. 37 f. behandelt worden ist.

A. Das militärische Obercommando des Legaten von Moesia inferior hat sich im I. und 2. Jahrhundert ülier ganz Thrakien erstreckt. Nach Plinius epist. ad Traian. 43 (52) schickte die Gemeinde von Byzanz alljährlich einen Gesandten ,ad eum qui Moesiae praeest publice salutandum' ab (vgl. auch Traian 44 (53); Marquardt, StV I'- 314, 3; Kalopothakes p. 48). Es erklärt sich dies nicht so sehr aus den Handelsbe- ziehungen zu den moesischen Hafenplätzen (Mommsen, RG V 280, 2), sondern daraus, dass die Byzantiner, welche damals unter dem Statthalter der Senatsprovinz Bithynien, einer provincia inermis, standen, und wohl auch die dazwischen liegenden thrakischen Gebiete

anders ilommsen, Hermes XIX 46, 3) Sugambrorum, dann in CIL HI n. 600 als coh(ors) I Sygambrum erscheint und zum excrcitus von Moesia inferior gehörte. Vgl. E. Ritterling, Korrcspondenzblatt der "Westd. Zfh^chr XVI 2^S.

i8s

l86

auf den militiirisclicn Schutz des untc-rmoesischcn Legaten angewiesen waren, der das nächste gröliere Heer befehligte; vgl. Plinius ad Traian. 77 (81 ): prac- cepisti Calpurnio Wacro, cl. v., dem Legaten von Moesia inferior (Prosopogr. I 278 n. 220; Groag in Pauly- Wissowas RE III 1374 n. 53) ut legionarium ccnlurionem Byzantiuin mitteret (dazu Tralans Antwort 78 (82); J. Jung a. a. O. S. 674). Die nach CIL III Sup))!. n. 7418 = 12337 = Arch.-epigr. Mitth. XVII 216 n. 118 (unter Caracalla) in Thracien stationierte coh orsl II [L]u[c ensium)] wird in den älteren Militärdiplomen XXXIII (vom J. 105) und XXXVIII (vor dem J. 114) als zum exercitus von Moesia inferior gehörig angeführt (vgl. auch v. Do- maszewski, Rhein. Mus. NF XLVIl 214. i .

B. Jene Landstriche zwischen Haemus und Donau, welche einst einen Bestandtheil des thraki- sclien Reiches bildeten, sind auch nach der Errich- tung des untermocsischeu Coramandos in gewissem Sinne im Verbände der provincia Thracia geblieben. Nach Sueton Tiberius 1 6 (toto lUyrico, quod . . . p a t e t ; vgl. Sp. 164) grenzte Illyricum noch zu seiner Zeit (um 120) im Osten nicht an den Pontus, sondern an Thrakien, hatte mithin noch immer den von Augustus festgestellten Umfang. Noch gegen Ende des zweiten Jahrhundertes wurde in der von Hadrian organisierten ZoUverw.altung das ,thrakische Stromufer', die ri])a Thraciae, Moesien gegenübergestellt, soweit letzteres schon unter Augustus römischer Provinzboden war und zu Illyricum gerechnet wurde (vgl. Mommsen zu CIL III n. 751 ; H. Kiepert, Lehrbuch der alten Geogr. 331 f.). Nach den Inschriften CIL III n. 751 = Suppl. n. 7434 = Dessau n. 1855 vom J. 161/8 (Nikopoli an der Donau) und n. 753 = Suppl. n. 742g (unweit Oescus, h. Gigeni hieß der illyrische Zoll, als er noch an conductores verpachtet wurde, ofliciell .publicum portori lUyrici et ripae Thraciae' 1 v. Doma- szewski Arch.-epigr. Mitth. XIII 134). Ferner führt Ptolemaeus III 1 1, 7 die nördlich des Haemus gelegene Stadt Nikopolis ;:pö; 'IcjTpov (h. Stari Nikup; vgl. F. Kanitz, Donau-Bulgarien und der Balkan I- 185 ff.) als Nt-/.ö:;oX'.; y; ;;£pl Afjiov unter den südlich des Haemus gelegenen [leaGvctoi rf,; Öpiv-r;; an (vgl. Müller a. a. O. p. 481 ; Mommsen, RG V 282, I ; Kalopothakes ]). ;. 7. 37 f.). Auch die Münzen von Nikopolis nennen, wie B. Pick a. a. O. S. 33 f. bemerkt, bis in die Zeit des Commodus die Namen der Statthalter von Thrakien. Wenn al)er Nikopolis selbst thrakisch war, musste doch wohl die Eparchie dieser .Stadt, die ihrem schon seit Traian bezeugten Beinamen -po; J.ihrrshcf;c <li-s üstorr. .irchäol. In.vtltutrs Hil. I )!<-ilil.itt.

"laxpv/ zufolge sich bis an das Donauufer erstreckte, mit zu Thrakien gerechnet werden. Dazu stimmt denn auch die gleichzeitige Bezeichnung dieses Ufer- abschnittes als ripa Thraciae. Am Nordabhange des Haemus südlich und südwestlich von Nikopolis setzen Kalopothakes p. 16 f. und Kiepert, Formac a. a. O. S. 2 vielleicht mit Recht die thrakischc Strategie ()0a?c-/.T,3i-/.ri (Ptolemaeus III, 11, 6) an.

Die ripa Thraciae fällt nicht etwa, wie Marquardt, StV r- 303 f. und Kiepert a. a. O. S. I nach Mommsens Vorgange annehmen, mit der Provinz Moesia inferior zusammen. Eine genauere Ermittlung ihrer westlichen Grenze gegen jenen Theil Untermoesiens, welcher schon vor der Einziehung Thrakiens römisch gewesen war, scheint noch möglich mit Hilfe einer bisher in drei Exemplaren bekannt gewordenen Inschrift, welche eine im J. 136 auf Befehl K. Hadrians vorgenommene Grenzregulicrung ,inter Moesos et Thraces' bezeugt:

E.\ auctoritate impieratoris) Caesaris divi Traiani Parthici fili divi Nervac nepotis Traiani Hadriani Augusti) p(atris) p(atriael pont(ificis) raaximi trib(uni- ciae) potestatis XX co;n's(ulis) III M. Antius Rufinus inter Moesos et Thraces fines posuit.

Von dieser Inschrift fanden sich:

1. ein Exemplar (Add. zu CIL III n. 749 p. 9q2) zu Hotnica (Hodnitza) an der Rosica, einem Neben- fluss der Jantra (s. w. von Stari Nikup-Nikopolis, n. w. von Tirnovo^ ; zur Lage vgl. C. Patsch, Wiss. Mitth. aus Bosnien V 348 mit Kärtchen;

2. ein zweites (Arch.-epigr. Mitth. XV 20q n. 79 = CIL III Suppl. n. 12407) nördlich davon, im Süden des Dorfes Butovo (Kreis Tirnovo, Bez. Paskalcvci, s. ö. vom Knie der Osraa bei Bulgaren!) ;

3. das dritte (CIL III n. 749, vgl. Add. p. 992, Suppl. p. 1338) in oder bei Svistov (Novae).

Mommsen, welcher nur n. I. 3 kannte und an- nahm, dass letzteres vom Haemus verschleppt wurde, schloss daraus (TL III p. 992 : 'Videntur igitur duae provinciae olim ita divisae fuisse, ut Haemus mons univcrsus cum Thracia contribueretur, ripensia cum praesidiis suis legato Moesiae parerent' (vgl. auch Müller zu Ptolemaeus I I p. 463. 481 ; Mommsen, RG V 282, l; Kalopothakes p. 7, 3; Kiepert, Formae XVII). Zusammengehalten mit dem, was über die Zugehörigkeit von Nikopolis und seiner Kparchie und der ripa Thraciae überhaupt zur pro- vincia Thracia gesagt wurde, weist die Reihe der Terminalcippen, die ja südwestlich vom thrakischen Nikopolis vorübergeht, vielmehr auf eine vom Haemus an die Donau in südnördlichcr Richtung verlaufende

isy

i88

Grenzlinie .inter Moesos et Thraces', die doch wohl mit der alten Gemarkung des thrakischcn Clientel- staates gegen Illyricum, beziehungsweise Moesien identisch ist (oben Sp. 152). Von einem nicht naher zu bestimmenden Punkte nördlich des Haemus, viel- leicht anschließend an die von West nach Ost ver- laufende Grenze des gleichfalls thrakischen Gebietes am Nordabhange des westlichen Haemus (oben Sp. 164), zog dieselbe südwestlich von Nikopolis ~p6j "loTpov (Stari Nikup) an Hotnica und Butovo vorbei und schloss sich dann vermuthlich dem Laufe des Asamus (h. Osma) bis zur Mündung an; aus dieser Strecke dürfte das in der Gegend von Novae (Svistov) gefundene Exemplar n. 3 herrühren. Jedesfalls ge- hörte das von Justinian napi töv Tto'aiiov 'laxpov angelegte Castell Nikopolis (Prokop de aedificiis IV II p. 307, 23), das heutige Nikopoli an der Donau östlich von der Osma-Mündung, wie schon der Name sagt, noch zur Eparchie von Nikopolis und mithin zum Gebiete der Thraces; es ist, wie schon Mommsen angedeutet hat, gewiss kein Zufall, wenn in der dort gefundenen Inschrift CIL III n. 75 1 = Suppl. n. 7434, welche das p(ublicum) p'ortori) Illyrici et ripae Thra- ciae erwähnt, der anderwärts (CIL III n. 753 = Suppl. n. 7429) abgekürzte Zusatz , ripae Thraciae' voll ausgeschrieben ist. Die hier geschilderte Linie ist wohl einerlei mit der späteren Grenze zwischen der Dacia ripensis und der Provinz Moesia inferior; letztere dürfte, nachdem der westliche Theil der früheren Moesia inferior an das im J. 271 neuge- bildete Dacien gefallen war, an Umfang annähernd der ehemaligen ripa Thraciae (einen Theil der Küste zugerechnet) gleichgekommen sein. Noch in der diocletianischen Ordnung zeigt sich eine Nachw'irkung des älteren Zustandes, indem Moesia inferior (secunda) mit den Provinzen des inneren Thrakiens zur dioecesis Thraciae zusammengelegt wurde, während Moesia superior, Dacia ripensis und mediterranea zur Dioecese von Illyricum gehörten.

Auch die östliche Grenze der provincia Thracia im Norden des Haemus dürfte wenigstens theoretisch dieselbe geblieben sein wie zur Zeit der letzten thrakischen Könige; es gehörte dazu das Land bis zum Donau-Delta, mit Ausschluss der Territorien der Griechenstädte am Pontus (wohl auch von Markiano- polis) und des municipium Tropaeum Traiani (Adam- Klissi; vgl. die Inschrift eines untermoesischen Statt- halters Arch.-epigr. Mitth. XVII 106 n. 511.

C. Das Gebiet, welches den Truppen Unter- nicesiens zur Dislocation zugewiesen war, konnte sicli

selbstredend nicht auf die kleine Landschaft der Triballcr mit Oescus zwischen Moesia superior und der ripa Thraciae beschränken. In seiner detaillierten Beschreibung III 10 weist Ptolemaeus, dessen An- gaben hier wie überhaupt in den Donauprovinzen die Verhältnisse der traianischen Zeit schildern (v. Domaszewslii, CIL III Suppl. p. 1349; Arch.-cpigr. Mitth. XIII 144; Rhein. Mus. NF XLVI 605; Kalopothakes p. 3), die gesammten Oite (darunter die Lager Durostorum und Troesmis) und Völker- schaften längs der ripa Thraciae gewiss mit Recht dem unteren Moesien zu. Die Südgrenze von Moesia inferior gegen Thrakien wird nach ihm (III 10, I, vgl. III II, II nicht durch den Haemus gebildet, sondern 6p:^y.rj; (lEpsi xöj äTto -roü Ktdßpou (Grenzfluss zwischen Ober- und Untermoesien) ü-sp xöv ATiiov ■CO Spcj (also nördlich des Haemus) |i£Xpt "oö etiI Ttv IIovTOv TTSpato; (d. i. Meserabria; vgl. III 10, 4; II, 3; dazu Müller zu Ptolemaeus I I p. 463; Kalopothakes p. /f.; oben Sp. 164). Auch bezeichnet er III II, 6 die nördlichen Strategien Thrakiens nicht als südlich des Haemus, sondern als Tipö; |-iEv Tai; Muaiaij xai nspi xov Al^v/ -.0 öpo; gelegen.

Der scheinbare Widerspruch der unter B und C zusammengestellten Zeugnisse löst sich meines Er- achtens ungezwungen durch die Annahme, dass hier an der Donau zwischen der Provinz Thrakien und dem Commando von Moesia inferior ein ähnliches Verhältnis bestanden hat, wie zwischen der Provinz Gallia Belgica und den Militärdistricten von Germania superior und inferior; mit anderen Worten, Moesia inferior wäre ursprünglich zu einem guten Theile nur ein District der provincia Thracia gewesen. Rechtlich hat die ripa Thraciae und ihr Hinterland während des I. und 2. Jh. zur Formula der Provinz Thrakien gehört; ganz entsprechend wurden die den germani- schen Militärdistricten einverleibten Erwerbungen am rechten Ufer des Rheins im Kataster der Stamm- provinz Gallia Belgica geführt (vgl. Geogr. lat. min., ed. Riese p. I29:istae omnes civitates Irans Rhenum in formulam Belgicae primae redactae; dazu K. Müllen- hoff, DA III 322 f.; J. Jung, Die romanischen Land- schaften 195, 2; 249, 2; Gsell a. a. O. p. 19I f.). Auf das ganze Gebiet, welches ehemals dem thraki- chen Reiches zugehörte, erstreckt sich, wenigstens in der Theorie, auch die Civil- Jurisdiction des prae- torischcn legatus Augusti pro praetore provinciae Thraciae, jedoch nur soweit, als sie nicht durch das stärkere militärische Commando des consularischen Legaten von Moesia inferior gehemmt wird. In der

iS,j

rgo

Praxis wurde {;cwiss sehr bald, wie in der (iallia Bclgica, eine territoriale Grenze festgesetzt, die wir freilich nicht (genauer kennen lernen (vgl. unter C). Namentlich der militärisch wichtige Uferstreifen, die ripa Thraciac, fiel, ohne rechtlich aus der provincia Thracia auszuscheiden, yanz dem I.c^'aten von Untermoesicn zu, dessen Compelcnz in militärischen Dingen sich übrigens, gleich der des obergermanischen Legaten in der Belgica, über ganz Thrakien erstreckte (unter A); dagegen verblieb das Binnenland am Haemus mit Nikopolis dem thrakischen Legaten.

Die Grenzregulierung , inier Moesos et Thraces' im J. 136 ist, obgleich die Wendung ,inter provincias MoesiaminferioremctXhraciam' vielleicht geflissentlich umgangen wurde, im Rechtssinne dennoch der Ab- grenzung zweier Provinzen gleichzuhaltcn. Sie geht daher nicht etwa wie die dalmatischen Terminationen zwischen zwei civitates einer Provinz, durch den Provinzstatthalter oder auf dessen Befehl, sondern unmittelbar ,ex auctoritatc' des Princcps vor sich (vgl. CIL XII n. 113). Die persönliche .Stellung des im übrigen nicht näher bekannten M. Antius Rufinus, den man nach Moramsen gewöhnlich für einen Legaten von Untermoesien hält (so Prosopogr. I go n. 621; V. Rohden in Pauly-Wissowas RE I 2565), ist ange- sichts dieses speciellen Auftrages ganz irrelevant und kommt daher in der Inschrift nicht zum Ausdrucke.

n. Mit dem Ausgange des zweiten Jahrhundertes wurde diesem complicierten Zustande ein Ende gemacht; fortan bildete der Haemus in seinem ganzen Verlaufe die Grenze zwischen Untermoesien und Thrakien als Provinzen. Dies war vielleicht schon zur Zeit des Commodus der Fall, unter welchem die Münzen von Nikopolis zuletzt einen Statthalter Thrakiens nennen 1 Pick .S. 51; Kalopothakes p. 53 n. 10), jedesfalls aber unter Scptimius Severus; auf allen Münzen dieses und der folgenden Kaiser aus Nikopolis, sowie in den dortigen Inschriften aus dem dritten Jahrhunderte (z. B. Arch.-epigr. Mitth. X 243 f. n. II vom J. 201; XV 211 n. 86; XVII 181 n. 28 unter Gordian) erscheint der Name des Statthalters durchwegs mit dem Zusätze OixaTsOovTOS, was auf den consularischen Legaten von Moesia inferior hinweist (Pick S. 34; Kalopothakes p. 37 f.). In der Folgezeit bezeugen auch .\nimian XXVII 4, 12 und andere (bei Mommsen,Cir- III p. 14;; C. Müller a. a. O. p. 481) die Zugehörigkeit von Nikopolis zu Moesia inferior. Nach Dio LI 22, 7 (oben Sp. 150) wurden die den Triballern benachbarten Geten zu seiner Zeit als Moeser, nicht etwa als Thraker be-

zeichnet. Auch auf der Inschrift des illyrischen Zolles vom J. 182 CIL III n. 752 = Suppl. n.7435 = Dessau n. 1856 (aus Nikopoli an der Donau) kommt der Zusatz ,ripac Thraciac' nicht mehr vor.

Gewiss mit Unrecht hat Kalopothakes p. Jy f. n. 44 aus den beiden Inschriften des L. Vitennius (oder Vettius) luvenis aus der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts auf eine Moesia inferior und Thracia zugleich umfassende Competenz eines con- sularischen Legaten geschlossen. Die eine Inschrift aus Philippopolis, bei Dumont-HomoUe, Mcl.nnges d'archcologic et d'cpigraphie 345 n. 60, mit Ona- Tsüov-o; TT/j Opa[i]y.(öv i-apxcta; gehört ohne Zweifel einer thrakischen Legation an, welche luvenis, wie manche seiner Vorgänger (z. B. L. PuUaienus Gargilius Antiquus nach CIL III Suppl. n. 7394; T. .Statilius Barbarus nach Arch.-epigr. Mitth. XV 105 n. 42, XVIII 118 n. 35) als consul designatus daher adulatorisch ü;:a-g6;vT0S bekleidete; ähnlich er- klären sich thrakische Münzaufschriften wie Cat. Brit. Mus. Thrace 150 n. 23: ''iT.(%zz'rjT.r,-) tI»ap(io'j) \-{fj<.T.T.s.vi'jn IlepdvOtmv) ; Mionnet .Suppl. 451 n. 14G6 (allerdings nach Vaillant): Or:(a-:s03v:o;) Tap-fiXiou ^vxixo'j (dazu Kalopothakes p. 38, l). Dagegen steht nichts im Wege, die zweite Inschrift aus dem damals moesischen Nikopolis Dumont a. a. O. p. 364 n. 62'' = Arch.-epigr. Mitth. X 243 n. 10 mit üTiKTSÜovTO; £7:apxtas OOt-svvwu 'lou^Eviou äv-[t]aTpa- TVjYO'J, welche HomoUe und die Prosopogr. a. a. O. ohne Grund für aus Thrakien verschleppt halten, auf eine spätere Statthalterschaft desselben Mannes in Moesia inferior zu beziehen.

Mit der neuen Ordnung wurde Thrakien ein selbständiges Militärcommando; die dortige Inschrift einer Cohorte vom J. 199 CIL III Suppl. n. 7418 = n- 12337 (= Arch.-epigr. Mitth. XVII 216 n. 118) nennt als ihren Befehlshaber den Legaten Thrakiens C. Caecina Largus (Kalopothakes p. 55 n. 7; Proso- pogr. I 256 n. 76).

Die Durchdringung des thrakischen Gebietes im Norden des Haemus mit römischen Elementen ist spät und unvollständig vor sich gegangen; eigentlicli hat sie nur die Ufcrlandschaft an der Donau er- griffen. Von Claudius bis auf Domitian lagerten hier nur Auxilicn; nach loscphus (oben Sp. 183) standen um das J. ()6 in ganz Thrakien bloß etwa 2000 Mann Hilfstruppen, während römische Legionen nach wie vor nur in der alten moesischen Landschaft statio- nierten (oben Sp. 177; vgl. Mommsen, RG V 194, l.) Erst mit der Errichtung des untermoesischen Com-

13*

igi

192

mandos durch Domitian wurden hier zwei Legions- lager gegründet, eines für die V Macedonica bei der ehemaligen thrakischen P'este Troesmis, welches nach einer schönen Bemerkung von Gsell p. 215, 7 viel- leicht bei Statius silvae V 2, 136 f. vom J. 95 lan einen jungen Legionstribunen) geraeint ist:

an te septenus habebit Ister et undoso circumflua coniuge Peuce ? (vgl. auch Martial VII 84, 3 vom J. 92 und XI 3, 3 f. vom J. 96), ein zweites für die I Italica zu Durostorum (später in Novae; v. Domaszewski, CIL III Suppl. p. 1349; Gsell p. 206.215). Geschützt durch Durostorum und Troesmis entstand um Traians Siegesdenkmal herum das raunicipium Tropaeum Traiani als erste und lange Zeit einzige römische Gemeinde dieser Gegenden, die als [Tr]aianenses Tropaeense[s] schon in einer Inschrift vom J. 115/6 (Arch.-epigr. Mitth. XVII 106 n. 51) genannt wird (vgl. Bormann a. a. O. S. 108; Benndorf ebenda XIX 184 f. mit Bormanns Bem.). Dazu kommt viel später, wahr- scheinlich nach dem Markomannenkrieg M. Aureis, das bisherige Legionslager Troesmis (v. Domaszewski, Rhein. Mus. XF XLVIII 244, 3, vgl. XLV 206), fortan der Amtssitz des sacerdos provinciae für Untermoesien mit Ausnahme der Hexapolis (Kalo- pothakes p. 68; Patsch, Wiss. Mitth. aus Bosnien

V 349 mit A. 6), dann nicht vor dem dritten Jahr- hundert Novae. Damit ist hier im Gegensatze zu der reichen städtischen Entfaltung des moesischen Westens die Gründung römischer Gemeinwesen .ab- geschlossen (vgl. Kubitschek, Imperium Romanum 238). Im .Süden des Landes, am Nordabhange des Haemus, der auch am längsten unter dem Legaten von Thrakien blieb, macht sich vorwiegend griechi- scher Einfluss geltend. Die Neugründungen dieser Landschaft, Nikopolis und Markianopolis aus der Zeit Traians (Kalopothakes p. 3. 37), die sich an die zahlreichen Städteanlagen desselben Kaisers im Inneren Thrakiens anreihen (a. a. O. p. 25), wurden mit griechischem Stadtrechte begabt (Mommsen, RG

V 194 f. 283; Jung, Die romanischen Landschaften 371 f.) und sind, wie die zahlreichen Münzen und öffentlichen Inschriften in griechischer Sprache bis ins dritte Jahrhundert hinein zeigen, auch niemals zu römischen Municipien umgestaltet worden (anders Kalopothakes p. 25. 38).

IV. Die griechischen Städte am Pontus.

Die (iriechcnstädte am l'ontus, die den Ostrand des römischen Moesiens einnahmen, waren l>creits im

J. 682, 72 von dem Proconsul Macedoniens M. Teren- tius Varro Lucullus erobert worden (Zumpt, Comment. epigr. II 181 f.; Zippel S. 165 f.; Marquardt, StV I - 302, 6). Sie scheinen zu Rom zunächst im Ver- hältnis von civitates foederatae gestanden zu haben; w.ahrscheinlich waren sie, wie Mommsen, RG V i;, I vermuthet, die Bundesgenossen der Römer an der unteren Donau, welche nach Dio XXXVIII 10, 3 (xo'j; aujiiidx^'J; äv zfl Muaiq;) die Bastarner gegen die Bedrückungen des römischen Statthalters Hybrida im J. 695/59 2" Hilfe riefen. Bald darauf kamen die .Städte am Pontus von Olbia bis ApoUonia zu- gleich mit den Bastarnern unter die Herrschaft der Daker (Zi])pel S. 2l6\ welche von der Zwingburg Genukla an der Donaumündung aus (oben Sp. 152) die Landschaft in Botmäßigkeit hielten. Erst M. Licinius Crassus brachte Genukla zu Falle, zerstörte das Reich des Zyraxes und stellte die römische Oberhoheit am Pontus wieder her. An die Stelle des foedus scheint schon damals, ähnlich wie bei Byzanz, das zuerst eine foederata, dann eine libera civitas war und endlich abgabenpflichtig wurde (Mommsen, RG V 280, 2; Marquardt, StV I - 85, I ; Henze, De civitatibus liberis 62 ; Kalopothakes p. 32», die Einbeziehung der griechischen Küstenstädte in den Provinzialverband und die Unterstellung unter den Proconsul Macedoniens, unter dessen Obhut auch Bjzanz sich befand (Kalopothakes p. 32 mit A. 6^, getreten zu sein. In der dimensuratio provinciarum c. II iGeogr. latini minores, ed. Riese p. 11), welche auf die Chorographie des 742/12 verstorbenen Agrippa zurückgeht und noch kein Moesien kennt, wird die an den Hellespont anschließende ,pars Ponti', d. h. der Küstenstreifen im Osten des noch von Stammes- fürsten regierten Thrakiens und des später moesischen Getengebietes als Anhang zur Provinz Macedonien angeführt: Macedonia et Hellespontus et pars Ponti tiniuntur ab Oriente mari Pontico, ab occidente desertis Dardaniae, a septentrione flumine Istro, a meridie (mari) .'Vegaeo u. s. w. (vgl. MüUenhoff, DA III 239). Noch um das J. 754/1 ehrte der Demos von Kallatis den Proconsul von Macedonien P. Vini- cius M. f. durch eine Basis Arch.-epigr. Mitth. XIX 108 n. 62 loben Sp. 155!. So lagen die Verhältnisse noch zur Zeit, da Ovid als Verbannter in Tomis weilte. Der Umstand, dass Ovid dort interniert (rele- gatusl werden konnte (L. M. Hartmann, De e.xilio apud Romanos 29 f. 31 ; vgl. K. J. Neuraann, Hermes XXXII 475\ zeigt, dass diese Gegend nicht etwa einen Tlicil des tlirakischen Clicntelslaalcs bildete.

'93

"J4

wie V. Domaszewski, NHJ I ifß annimmt, sondern dass hier vielmehr römischer Provinzboden war. Ovid spricht dies ausdrücklich in der Elegie an Augustus trist. II 197 f. vom J. <j n. Chr. aus, wo er die Lage des durch einen schmalen Streifen römischen Herrschaftsgebietes mit Macedonicn zu- sammenhängenden Tomis sehr bezeichnend schildert:

hactenus Euxini pars est Romana sinistri, proxima Bastcrnae Sauromataeque tenent.

hacc est Ausonio sub iure novissima vixque haeret in imperii margine terra tui.

Auf seiner Landreise von Tcmpyra nach Tomis um das J. 8 n. Chr. hatte Üvid von einem vornehmen Römer Sex. Pompeius, den wir deshalb trotz des Widerspruches in der Prosopogr. III 64 n. 450 für den ProcoDsul Macedoniens werden ansehen dürfen, sicheres Geleite erhalten (ex Ponte IV I, I und 5, 33 f.; dazu v. Domaszewski a. a. O. S. 193 f.l und wurde von ihm auch in Torais mannigfach unterstützt (IV 5, 37 f.: addita praeterea vitac quoque mulla tuen- dae I munera, ne proprias attenuaret opes). Demnach war das Gebiet von Tomis und damit auch die südlich davon gelegenen Griechenstädte damals vielleicht noch immer dem Statthalter Macedoniens untergeben, mit dessen Provinz der Küstenstreifen am Pontus auch territorial zusammenhieng, während er von dem Militär- commando im späteren westlichen Moesien durch den thrakischen Antheil getrennt war. Dass die .Städte am Pontus nicht etwa zu letzterem gehörten, sondern an das Thrakerreich angrenzten, bezeugt Ovid ex Ponto II 9, 4, 79 f. und bestätigt Tacitus ann. II 64 (oben Sp. 181 f.).

Dem Namen nach waren also die griechischen Städte am linken Pontus mit ihrem Gebiete Theile einer römischen Provinz; in Wirklichkeit hatte die römische Reichsverwaltung dringendere Aufgaben zu lösen, als sich um die Regelung der dortigen Ver- hältnisse zu bekümmern (Ovid ex Ponto I 2, 73 ff.). Angesichts der beständigen barbarischen Kinfalle (MüUcnhoff, DA III 159 f.; v. Domaszewski, XHJ I 190 ff.; oben Sp. 1671.) und der zerfahrenen inneren Zustände konnte Ovid noch im J. 13 sagen (ex Ponto " 5. 17):

vix hac invenics totum, mihi crede, per orbem,

ijuae minus Augusta pace fruatur humus. Römische Besatzungen hat es damals, wie wir sahen (oben Sp. 177), im Mündungsgebiete der Donau über- h.iupt nicht gegeben ; auch von den Geten in der Umgebung von Tomis sagt Ovid ex Ponto I 2, 83:

maximn pars hominum nee te, pulcherrima, curat, Roma, nee Ausonii militis arma timct.

Bei unvorhergesehenem Herannahen der Feinde werden die Thore von Tomis geschlossen; auf ein Lärm- zeichen von der städtischen Warte tritt eine heimi- sche Miliz, in welche auch Ovid zu seinem Leid- wesen eingereiht war, unter die Waffen (trist. IV I, 69 ff.; ex Ponto I 8, 7 ff.). Ein wirksamerer mili- tärischer Schutz war damals nur von dem benach- barten Thrakerfürsten, dem sich daher auch Ovid ex Ponto II 9 (v. J. 12,13) angelegentlich empfiehlt, zu erwarten (oben Sp. iSof.). Auch die städtische Rechtspflege ließ bei dem ungebändigten Charakter dieser halb griechischen, h.alb barbarischen Bevölke- rung viel zu wünschen übrig, trist. V 7, 47:

non metuunt legcs, sed cedit viribus accpuim victaque pugnaci iura sub ense iacent.

V 10,43: adde, quod iniustum rigido ius dicitur ense, dantur et in medio vulncra sacpe foro.

Die Reorganisation der Balkanländer zu Beginn der Regierung des Tiberius hat auch hier einen Umschwung zum Besseren bewirkt. Bei der Ver- einigung Moesiens, Macedoniens tmd Achaias wurde die bisher anscheinend zu ^lacedonicn gerechnete Landschaft am linken Pontus dem praetorischen Legaten von Moesien, der dem Statthalter des Gesamratgebietes untergeordnet war (oben Sp. 173), zugetheilt. Dieses Amt bekleidete damals, im J. 15, der Praetorier L. Pomponius Flaccus (Cos. 17 n. Chr.; oben .Sp. 175), von welchem Ovid ex Ponto IV 9, 75 sagt:

praefuit bis, Graecine, locis modo Flaccus, et illo ripa ferox Istri sub duce tuta fuit u. s. w.

und ebenda v. 119 f.:

is quoque, quo laevus fuerat sub praesidc Pontus, audierit frater forsitan ista tuus.

Zur Vertretung dieses Statthalters, der im westlichen Moesien residierte, wurde damals, wie v. Domaszewski, XHJ I I94 f. gezeigt hat, ein von ihm ernannter und abhängiger militärischer Vcrwaltungsbeamter an den Pontus entsandt, der aber jedesfalls mit dem praefcctus civitatium Moesiae et Treballiae nichts ge- mein hat (oben Sp. 171). Nach v. Domaszewski hätte er den Titel praefectus civitatium geführt, der indessen hier, wo es sich um Gemeinden griechischen Rechtes handelt, kaum statthaft scheint; wahrscheinlich war er pr.iefectus orac maritimac (vgl. Marquardt, StV I '

195

igb

S54> 4; 11^ 535 mit A. 6; 537 mit A. 4). Als erster wurde zu diesem Amte Vestalis berufen, ein Sohn des Königs Donnus und Bruder des praefectus civitatium in den Alpes Cottiae, des M. lulius Cottius, bisher primus pilus in einer moesischen Legion (Prosopogr. III 408 n. 302);' vgl. Ovid ex Ponto IV 7, I ff.:

raissus es Euxinas quoniam, Vestalis, ad undas,

ut positis reddas iura sub axe locis, aspicis en praesens, quali iaceamus in arvo.

Zur Aufgabe dieses Praefectus gehörte es, das Ver- theidigungswesen und die Rechtspflege (, reddas iura') am linken Pontus nothdürftig in Ordnung zu bringen. Dass dies einigermaßen gelang, zeigt vielleicht am besten der Umstand, dass Ovid mit Ausnahme eines von Pomponius Flaccus zurückgeschlagenen Über- falles der Feste Troesmis (ex Ponto IV 9, 79) in dem zwischen 14 und 16 verfassten IV. Buche der epistulae ex Ponto von neuerlichen feindlichen Inva- sionen, besonders im Gebiete von Tomis, völlig schweigt, wahrend die Tristien und die vorhergehenden Bücher ex Ponto bis zur Ermüdung Klagen über diesen Gegenstand variieren. Auf die Rückkehr ruhigerer, geordneter innerer Zustände deutet die AViederaufnahme der in der letzten Zeit der römi- schen Republik und unter Augustus ganz aussetzenden localen Münzprägung in Tomi zur Zeit des Tiberius (Mionnet Suppl. II 183 n. 731; Münzen mit dem Bilde des Gaius bei P. Becker, Beiträge zur genaueren Kenntnis Tomi's und der Nachbargebiete, Jahns Jahrbücher für Philol. und Paedag. Suppl. XIX 360; Pick a. a. O. S. 57) und die Äußerungen eines be- haglicheren municipalen Lebens in Ovids spätesten

Gedichten; so die Veranstaltung von Spielen am Geburtstage des divus Augustus, bei w-elchen der Dichter als Agonothet fungierte (ex Ponto IV 9, 115 f. vom 15/16), die Verleihung der ä.-AXe'.'X an Ovid von Seiten der Tomiten wie der Nachbar- gemeinden und seine Bekränzung (ebenda 101 ff.; IV, 14, 51 ff.).

Als Kaiser Claudius im J. 44 Macedonien und Achaia wieder dem Senate übergab, kam das Küsten- gebiet am Pontus nicht an Macedonien zurück, sondern blieb unter dem Legaten von Moesien. Die folgenden Ereignisse, auch die Einziehung des thrakischen Reiches im J. 46, haben an der Ver- waltung des linken Pontus nichts geändert; sein Gebiet wurde durch die Eroberungszüge des moesischen Legaten Plautius Silvanus in den J. 62/63 noch über den Ister hinaus beträchtlich erw'eitert (v. Doma- szewski, Rhein. Mus. NF XLVII 209 ff.). Seit der Errichtung der Provinz Moesia inferior unter Domitian bildeten die griechischen Küstenstädte von Istros bis Mesembria mit ihren Territorien einen festen Bestandtheil der neuen Provinz, deren Legaten sie im Gegensatz zu einem großen Theile der ripa Thraciae nach den von Patsch, Wiss. Mitth. aus Bosnien V 34g zusammengestellten Belegen sofort unmittelbar unterstellt waren. Doch hebt sich das seit dem I. Jh. bestehende xoivöv x"^;, 'EjaTiiXsto; lO'J e'JMvuiiO'j IIovTO'j, über welches neuerdings Kalo- pothakes p. 65 ff. und Patsch a. a. O. gehandelt haben, noch immer als besondere Organisation mit einem eigenen Kaisercultus, dem der novcapxii; vor- steht, von der übrigen Moesia inferior ab, deren sacerdos provinciae seinen Amtssitz zu Troesmis hatte (oben Sp. 191).

Wien ANTON v. PREMERSTEIN.

Zur Bronzeinschrift von Olympia.

(S. oben S. 197 ff.)

Für das räthselhafte äSsaJ.-tuha'.E in Z. 12 möchte ich den folgenden Erklärungsversuch zur Erwägung stellen. Durch Ptolemaios Hephaistion bei Photios Bibl. 151 fc 15 Bekk. (FHG IV 30;) ist ddXTOS für ä-faO-ä; als kretisch bezeugt: i\.v~r;v(up 3s 6 lij KpTj-txä; •;pd'l>aq EaTopia; dsX-ra dia d'f°'8'^» sTvat y.al (ytXojtoXis (vgl. über diese Bei- namen Lehrs, Quacstiones epicae 20) toO; "fap

Kpf;-:«; -0 ä-(a.^m SsXxov y.aXslv. Schon von Klee- mann, Reliquiarum dialecti creticae p. I (Dissert. Halens. I) 31 ist zu diesem SdXxoj mit Zustimmung anderer Forscher (G. Meyer GrGr ' 266, W. Prell- witz, Etymologisches Wörterbuch 47) ßeXxLcüv ßsXxt- 0x0; gestellt worden; wie ßot>Xo|iai, das man mit jener Sippe in Verbindung bringt, in den dorischen und dem eleischen Dialecte als Br,Xci|iat erscheint, so hatte

197

iqS

krclischcs iiX-.'^i im clcisclien clicnfalU i als Anlaut zu zeigen. Von diesem piX-oj konnte äpeXtsj ge- bildet werden, durch Vorsetzung des sogenannten a priv., das in dieser wie in anderen Zusammen- setzungen, mit Aristoteles Metaph. A 22 zu reden, den Sinn des lyaüX«); ex^iv (vgl. W. Schulze, Quacsti- ones epicae 148 *) gab. D.izu gehört äßsXxspoj und äpsXTSfia, das ich nicht mit OsthofT, Indogermanische Forschungen VI I ff. als eine Art humoristischer Wortschöpfung ,ohne das Bessere' ,wem es an dem Besten fehlt' deuten möchte. Wie ßs^To; ,tiichtig, tauglich, gut' heißt, so hat öcpsX-c.; .untüchtig, un- brauchbar' in äjäsÄTSpo; den .Sinn , einfältig' gewonnen. Von diesem ä^Xxo; wäre ein Verbum ä'fe/.~6m so gebildet wie äia-io) von äiaio; oder äSrj/.öiu von ädT;Xo;, äxupöü) von äy.'jpo;, in der Bedeutung .un- brauchbar machen, beschädigen, vernichten'. Dass dies der Sinn des Wortes äisaX-iohais sei, lehrt der Zusammenhang und die gleichartige Bestimmung am Schlüsse der Bronzeinschrift n. 9 in Dittcnbergers Ausgabe : a; 3i ttp ti 'jpd-^BX Tat zadaXioiTO v.~X.

Kine erhebliche .Schwierigkeit lässt dieser Er- Idiirungsversuch, so sehr er dem Consonantcnsystem des Wortes gerecht wird, allerdings ungelöst, da auf der Bronze nicht äisXTcuhais oder, mit einem wohlbegreiflichcn Wandel, ädaXTüihats , sondern äSsaXtojhats steht. Sollte diese Schreibung auf Wiedergabe schwankender Aussprache zurückgehen, wie nach Dittcnbergers Bemerkung zu Inschrift n. 4 seiner Sammlung nachweislich öfter, wenn etwas aus Versehen eingehauen war, das Richtige gleich dahintergesetzt ward? Ungernc wird man der so sorgfältig eingezeichneten Urkunde Schreibfehler zu- trauen, und doch glaube ich die Frage aufwerfen zu dürfen, ob nicht auch y.at y.a in dem von dem Herausgeber, wie ich glaube, kaum richtig erklärten .Satze Z. 6 fl. nur durch unzeitige Erinnerung des Schriftstechers an die gewöhnliche Verbindung aX xa verschuldet ist. Ohne hierauf einzugehen, will ich nur noch für xotp iTZ äaiSTK auf TÖv ir.i'r/KZ-.'^-i in der größeren lokrischen Bronzeinschrift (CIGSept. III 334) Z. 17 verweisen.

Wien, 17. üctober 1808. A. WII.IIKL.M.

Den Namen des Damiurgen Pyrrhon vcrnuuhct Friedrich Marx auf einer Bronzeraünze des British Museum (Peloponn. pl. XIV 16 S. 71 n. II5), welche rechtshin den lorbeerbekränzten Zeuskopf, auf dem Avers ein in gleicher Richtung galoppierendes Pferd und die Beischriften oben FA, unten l'YP aufweist:

in der Einleitung S. 38 auf Pyrrhos von Epirus als den Befreier von Elis bezogen. Gleichartig ist ein in Wiener Privatbesitz befindliches Exemplar um 4 Millimeter größer mach F. Kenners freundlicher Mittheilung) ein drittes des Wiener Cabinets, auf dem das Pferd trabt und zwischen seinen Beinen V steht.

O. B.

Michael Glavinic.

Am 21. August d. J. ist in Zara das Instituts- mitglied Michael Glavinid aus dem Leben geschieden.

Zu Makarska am 14. October 1833 geboren, nach erreichter Vorbildung dem Studium des classi- schen Alterthums an der Wiener Hochschule ge- wonnen, seit 1858 am Gymnasium zu Spnlato auf- steigend Supplent, Professor und Director, erwarb er sich in dieser Bcrufsstellung bleibende Verdienste zu- gleich um die Alterthümer seiner Heimat, denen er in Vorliebe von Jugend auf forschend zugethan war. Ge- fördert von Alexander Conze und Theodor Mommsen, zu dem er während eines einjährigen Urlaubes als nach- Icmender Mann in ein persönliches Schülerverhältnis trat, wirkte er insbesondere elf Jahre lang als Leiter des Museums von Spalato durch glückliche Reformen.

erfolgreiche Gr.^bungen und das mit Alacevic begrün- dete BuUettino Dalmato, welches dem Kronlande die Dienste eines antiquarischen Sammelorganes fortleistet. Auch in Zara, wo er vom Jahre 1883 an das Amt eines Landesschulinspectors bekleidete, bewährte er sich als Conservator der Centralcommission für Kunst- und historische Denkmale und schuf hier mit Profes- sor Giovanni Smirich ein staatliches Museum, das in den ehrwürdigen Räumen von S.m Donato jetzt eine Zierde der Stadt bildet.

Unter Entwürfen für neue größere Unterneh- mungen ereilte ihn der Tod, der nicht bloß für unser Institut, dessen Entstehen er mit Hoffnungen be- grüßte, einen Verlust bedeutet.

hiC

JAHKliSHEFTE DES ÖSTERK. ARCHÄOL. INSTITUTES I

TAI- EL n

Licl.iJi. J. Lüwy Wien

riiul. .Vliiiari

RELIEF GRI.MAXI IN VENEDIG

Uli-

^ *

I MIKI -illEFTK DES ÖSTKUK. AKCIlÄOr.. INSTITUTES I

TAEEL m

Lichtdr. J. Löwy AVien

STATUE IM MUSEO CHIARAMONTI

lAIIRICSHKFTE DES ÖSTliKU AkClIÄOI. INSTITUTES I

lAFKI. IV

Lichldr. der k. k. Hof- u. Staalsdruckcrci

OINOCMOE AUS E RET RIA

#*B-^

JAHRESHEFTE DES ÖSTF.RR. ARCHÄOL. INSTITUTES I

TAFET, V

I.ichtdr. der k. k. MgT- u. Sta>ttsdruckcri:i

Phot. Alinari

STATUE

] X KI.O RKN Z

TORSO IN ciiruciii:!.

JAHRESHEFTE DES OSTERR. ARCHÄOL. INSTITUTES

K4^4-. p-4^f-E"N,-^

1 P 1 ^. PC

Farbendr. der k. k. Hof- u. Staatsdruckerei

INSCHRIFT

TAFEL VI VII

~ "" rrf ["nirfr TflT TMiinwIPl

■rry-i

'3N OLYMPIA

^' *

*;. -4'. i'fi.

^'"^^r-w-wn-wm

■% .*■

:# J^-. 3

#

.•^ ^.

>.'•

« ■# # 'ii •^ ;5^ '€ •* a#

# t f ^f.f ,# .* Vf f ;-f /•■

'* t „•*

4ii ^ 4i ' f -* •*■■

•% ^i 4e. ^ -m *i ^^ :"

*4'*« j4 jr» t?- -

t I -^ H -i-i

wmm^'

«rr «

■^.j*

W^"^'^

%■ ■%

*^ ^.11 <$. « « ^ -9-

f # > ^i> # # .#.. '^f!. t vr- . •' ■: it^ ?i^ ^ # # **!>' -(^ *f '

t ^ # i^ :i * ■* W^'^'t # # f .f

- ■■ '^ ■■-'• -^ ^ f #.t ^.Ä..*-

.' ■* ■"■■«

1 1 1

^^^^^^^^L».'^ '

■f .f

,'m m'M

f^-^

.*^*..«

•# -^ ^'

-^ ^ <^. *, .% % 4f.

«I ^ i I v* -^1 *^

M H ^1 M V -fc" .*■ ^* ''*"■:.