l'f^ l^ibrarü oi tlj^ P^us^um OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. jFoun'De'ö in prfbatc suiiscrfption, in 1861. No,//J, yfOyHjJ, JAHRESHEFTE des Vereins für vaterländische Naturkunde in WÜRTTEMBERG. Herausgegeben von dessen Redactionscommission, Prof. Dr. H. v. Molil in Tübingen ; Prof. Dr. H. v, F^eliling-, Prof. Dr. O, Fraas, Prof. Dr. W, Kraitss, Dr. ^V. Ifleiizel, in Stuttgart. VW SECHSZEHNTER JAHRGANG. (Mit drei Steintafelu.) STUTTGART. Verlag von Ebner & Seubert. '" 1860. Sehnellpressendruck der J. G. Sprandel'schen BuchdrucKerei. Inhalt. Seite I. Angelegenheiten des Vereins. Bericht über die vierzehnte Generalversammlung in Stuttgart, den 24. Juni 3 859. Von Prof. Dr. Krauss 1 Rechenschaftsbericht. Von Prof. Dr. Krauss . . . . 2 Rechnungsablegung. Von Apotheker Weismann . , . 18 Wahl der Beamten 21 Wahl des Versammlungsortes für 1860 22 Antrag wegen Herausgabe der meteorologischen Jahres- berichte 22 Nekrolog des Oberbauraths V. Bühler. Von Prof. Dr. Fraas 24 Nekrolog des Prof. Zenneck. Von Prof. Dückert . . . 26 II. Aufsätze und Vorträge. 1) Zoologie und Anatomie. Inselbildung durch Korallen und Mangrovebüsche im mexi- kanischen Golf. VonDr. D.E. Weinland (mitTaf.I.) 31 Paolo Bernabö's grosse orientalische Menagerie. Von Georg V. Martens 64 Notizen zur Anatomie der Boa constrictor L. Von Med.-Rath Dr. Hering 103 lieber das Os interparietale und das Vorkommen von abor- tiven Schneidezähnen im Oberkiefer bei mehreren Arten der Gattung Hyrax. Von Dr. G. v Jäger (mit Taf. II.) 158 Die classischen Conchylien-Namen. Von E. v. Martens 175 Zwei Neuseeländer in Stuttgart. Von G. v. Martens . 285 Notiz über eine Formica (Myrmica). Von Oberförster Dr. Nördlinger 289 IV S( 2) Botanik. Fähigkeit der Pflanzenwurzel, feste oder gebundene Stoffe aufzulüsen. Von W. Neubert Mittel, welche die Natur benützt, um die Erhaltung der Species im Pflanzenreich zu sichern. Von Oberstudien- Rath Dr. V. Kurr Beiträge zur württembergischen Flora. Von Oberamtsarzt Dr. R. Finkh 1 3) Mineralogie und Geognosie. Ergebnisse der Bohrarbeiten auf Steinkohlen in Württem- berg. Von Bergrath v. Schub 1er Ueber den Torf bei Söflingen. Von Apotheker Dr. Leube Schachtbau von Friedrichshall. Von Prof. Dr. Fr aas Photographische Bilder von Steinbrüchen. Von Prof. Dr. Fraas Lagerungsverhältnisse des Lias auf dem linken Neckar- Ufer. Von Dr. Carl Baur. Eine academische Preis- schrift (mit Taf. III.) - $ 4) Chemie, Physik und Meteorologie. Ueber den Pankratiustag. Von Dr. P. Zech Chemische Analyse der Wildbader Thermen. Von Prof. Dr. H. V. F e h 1 i n g Chemische Untersuchung der Teinacher Mineralquellen. Von Prof. Dr. H. v. Fehling III. Kleinere Mittheilungen. Missbildung der Blätter von Aristolochia Sipho L. ... Ueber Diceras im schwäbischen Jura Analyse des Steinsalzes aus dem Schacht von Friedrichshall Bücheranzeige ^ AiigelegeiilÄeiten des Vereins. Bericht über die vierzehnte Generalversammhing in Stuttgart den 24. Juni 1859. Von Prof. Dr. Kr aus s. In den durch die Güte des Herrn Handelsgärtner Schickler mit Farnkräutern geschmückten Sälen des Museums fand sich zur diesjährigen Versammlung eine ansehnliche Anzahl von Mitglie- dern aus verschiedenen Theilen des Landes ein. Die bei der- selben gehaltenen Vorträge lieferten den erfreulichen Beweis, wie sehr sich der Verein bestrebt, alle in das weite Gebiet der Natur- wissenschaften einschlagenden Fragen, welche für das engere Vater- land von Wichtigkeit sind, auf die Tagesordnung seiner Forschun- gen zu setzen. Auf den Tischen waren aufgestellt: Bohrzapfen aus den Steinkohlenversuchslöchern von Ingelfingen und Dürr- menz , welche aus dem bunten Sandstein , Zechstein und Todt- liegenden in einer Länge bis zu 2 Fuss und einem Durchmesser von 5 Zoll erbohrt sind (vergl. Jahreshefte 1859, 3tes Heft); ferner eine Sammlung Söflinger Torfstücke mit den darin ent- haltenen Pflanzen und Knochenresten ; eine schöne Encriniden- Platte aus Hall, als Geschenk von Oberamts- Arzt Dr. Kapff in Esslingen; viele württembergische Petrefacten und einige sel- tene Vögel aus Württemberg. An den Wänden hingen 20 photo- graphische Aufnahmen von Steinbrüchen, welche die wichtigsten Schichtendurchschnitte aus der Umgebung von Stuttgart auf die anschaulichste Weise darstellen ; dieselben sind im Auftrag von Prof. Dr. Fraas durch Photograph Blumenthal schön aus- geführt. Württemb. naturw^. Jahreshefte. 1860. Is Heft. 1 Die Verhandlungen wurden nach 9 Uhr durch den Ge- schäftsführer, Oberstudienrath Dr. v, Kurr, eröffnet. Der erste Vorstand, Professor Dr. v. Rapp, der durch Acclamation zum Vorsitzenden erwählt wurde, hob in seiner zur Begriissung' der Versammlung gehaltenen Rede hervor, dass bei jeder Jahresversammlung die erfreuliche Mittheilung zu machen sei, wie sehr sich der Verein eines von Jahr zu Jahr blühenderen Zustandes erfreue. Dei Vereins-Secretär Prof. Dr. K r a u s s trug folgenden Rechenschaftsbericht für das «Fahr 1858—59 vor: Meine Herrenf Das verflossene fünfzehnte Vereinsjahr, worüber ich die Ehre habe, im Namen Ihres Ausschusses Bericht zu erstatten , bietet mir bei dem geregelten und gedeihlichen Fortgang der Vereins- geschäfte wenig Stoff, wesshalb ich mich kurz fassen kann. Der Verein kann auf sein fünfzehnjähriges Wirken im Ge- biete der vaterländischen Naturkunde und der Naturwissenschaften überhaupt mit Befriedigung zurückblicken. Mit jedem Jahr ver- mehrte sich die Zahl seiner Mitglieder, vollendet liegen alle 15 Jahrgänge der Vereinshefte vor Ihnen, zusehends wächst die Bibliothek und die Sammlung württembergischer Naturalien und in jedem Winter werden mit dankenswerther Bereitwilligkeit von kundigen Fachmännern lehrreiche Vorträge üher alte und neue Erscheinungen auf dem weiten Gebiete der Naturwissenschaften gehalten. Mögen daher die Mitglieder des Vereins und dessen Gönner mit fortdauernder Theilnahme unser gemeinnütziges In- stitut in einer Zeit unterstützen, welche so manchen andern friedlichen Bestrebungen störend entgegen tritt. Was nun die nennenswerthen Vorkommnisse in der Vereins- thätigkeit des abgelaufenen Jahres betrifft, so sah sich Ihr Aus- schuss in Folge der allgemeinen Preissteigerung genöthigt, dem Verleger der Jahreshefte einen Aufschlag von 2 fl. per Druck- bogen zu bewilligen. Zu gleicher Zeit wurden auch die Diffe- renzen wegen der rückständigen Tafeln zwischen der Redactions- — 3 — Commission und dem Verleger auf eine befriedigende Weise geordnet. Ferner hat Ihr Ansscluiss beschlossen, über diejenigen neuen von Verfassern oder Verlegern eingeschickten Schriften, welche der Vereinsbibliothek von Werth sind, die gewünschte kritische Anzeige in unsere Jahreshefte in möglichst gedrängter Fassung zu geben. F]ine Note des K. statistisch -topographischen Bureau's, in welcher wegen der künftigen Veröffentlichung der klimatisch- meteorologischen Berichte, deren Ermittlung dem Ressort des Bureau's zugewiesen worden , in den Jahresheften angefragt wurde , beantwortete Ihr Ausschuss dahin , dass diese Berichte aufgenommen werden sollen , sobald das Manuscript vollständig und druckfertig vorliege. Nach dem Plane Dove's und den erst kürzlich von der K. Akademie der Wissenschaften in Berlin eingesandten meteorologischen Berichten hat sich der Ausschuss dahin vereinigt, dass in Zukunft ein Anschluss an dieses nun- mehr allgemein in Deutschland angenommene System geschehe, worüber heute ein Antrag gestellt werden wird. Für die vaterländische Naturalien-Sammlung sind in diesem Jahre wiederum einige seltene Gegenstände durch Mitglieder und Gönner des Vereins überschickt worden, über welche Sie das Nähere später vernehmen werden. Ihr Ausschuss erkennt es mit dem grössten Danke an, dass einzelne Mitgheder jede Gelegen- heit benützen , zur Vermehrung und Verschönerung der Samm- lung das Ihrige beizutragen, und wünscht, dass diese erfreuliche Betheiligung auch fernerhin dem Verein erhalten bleibe. Damit aber auch die übrigen Mitglieder sich aufgefordert fühlen möch- ten, regeren Antheil an dieser ^Aufgabe des Vereins zu nehmen, so hat Ihr Ausschuss ein Circular an sämmtliche nicht in Stutt- gart wohnenden Mitglieder ergehen lassen. In diesem Circular sind alle diejenigen württembergischen Naturalien verzeichnet, welche der Sammlung noch fehlen oder erwünscht sind. In den Winter- Versammlungen, in welchen die üblichen belehrenden Vorträge gehalten wurden, sprachen der Reihe nach die Herren 1* — 4 — Dr. Zech über die Bewegung der Electricität im luftverdün- nenden Räume, erläutert durch Experimente, Prof. Dr. V. Fehlin g über allotropische Zustände verschie- dener Elemente, Prof. Dr. Fr aas über die Geschichte der Schmucksteine, Dr. Zech über das Barometer, Dr. We Inland über Haiti und seine Bewohner, wozu auch die Frauen und Töchter der Vereinsmitglieder eingeladen waren, und Prof. Dr. Köstlin über eine neue Art der Vermehrung im Thierreich {Parthenogenesis). Zum correspondirenden Mitglied wurde Dr. Gustav Jäger, Docent an der Universität in Wien, ernannt. Ich schliesse diesen Bericht mit der Aufzählung der Mit- glieder, deren Tod der Verein im verflossenen Jahr zu bedauern hat. Es sind: Oberstlieutenant v. Baya in Stuttgart, Professor Pistorius in Oberensingen , Finanzrath Dr. v. Sick in Stuttgart, Bau- und Gartendirector v. Wild in Stuttgart, Pfarrer Komm er eil in Schopfloch, welcher sich durch seine meteorologischen Beobachtungen verdient gemacht hat, Freifrau v. Hügel, geb. v. Gemmingen, in Kirchheim, eine durch Geistesbildung und Bescheidenheit gleich aus- gezeichnete Frau , welche durch ihr lebhaftes Interesse für Geognosie und Petrefactenkunde bei vielen Natur- forschern in freundlichem Andenken bleiben wird, endlich Oberbaurath von Bühl er in Stuttgart und Professor Zenneckin Stuttgart, über welche beide Sie einige Worte der Erinnerung vernehmen werden. Auch ein früheres Mitglied, Kanzleirath Benz in Stuttgart, welcher sich früher um die vaterländische Conchyologie Verdienste erworben hat, ist in den letzten Tagen mit Tod abgegangen. — 5 -^ Die Vereins-Sammlung hat vom 24. Juni 1858 bis 1859 folgenden Zuwachs erhalten: I. Säugethiere. a) Als Geschenke: Cervus Elaphus L., Hirschkalb, aus dem Leonberger "Wald, von Herrn Theodor Lindauer; Mus Ratius L., Weibchen, aus der K. Maierei bei Cannstatt, von Herrn Med.-Rath Dr. Hering; Mus minutus Fall., Weibchen, aus Warthausen, von Herrn Baron R. v, König, Sciurus vulgaris L., Männchen, schwarze Varietät, aus Blaufelden, von Herrn Postmeister Gundlach; Sciurus vulgaris L., jung, aus Monakam, von Herrn Schulmeister Ackermann; Vesperugo Pipisfrellus Keys, et Blas., Sorex vulgaris L., altes Weibchen, aus Wäscbenbeuren, von Herrn Prof. Dr. Krauss. b) durch Kauf: Cervus Capreolus L.^ Bock im Sommerkleid, Cervus Capreolus L., Spiessbock, Cervus Capreolus L. , Schmalreh , Cervus Capreolus L,, Rehkiz, Felis Catus i., Weibchen, Varietät, Sciurus vulgaris L., in drei verschiedenen Varietäten, Arvicola glareolus Sund. , Männchen , Mus sylvaticus L., altes Männchen. II. Vögel. a) Als Geschenke: Tetrao Tetrix L., Männchen im üebergangskleid aus dem Aalbuch, von Herrn Controlleur Fuchs in Heilbronn; Accipiter Nisus Fall., altes Weibchen bei Nürtingen, von Herrn Ingenieur Riegel; Astur palumbarius Bechst. , zweijähriges Weibchen , von Herrn Kameralamtsbuchhalter Hahn in Waiblingen; Astur palumbarius Bechst., Nestvogel, von Herrn Revierförster Glaiber in Urspring; Emberiza Cia L., Männchen, bei Schussenried, von Herrn Apotheker Valet in Schussenried; — 6 — Mergus Merganser L., Weibchen, Mergus albellus Selby, junges Männchen, von Herrn Revierfijrster Probst in Heiligkreuzthal ; Tetrao ürogallus L., grosses Männchen, Verschiedene Vogeleier, von Herrn Dr. E. Scbüz in Calw; Coracias Garrula L., altes schönes Männchen, von Herrn Revierförster Jäger in Nattheim; Passer domesticus Briss., weisse Varietät, von Herrn H. Ploucquet; Oriolus Galhula L., junges Männchen, von Herrn Dr. Julius Hoffmann; Corvus Cornix L., altes Weibchen, Picus minor L., altes Männchen, Fringilla coelebs L., Männchen im Winterkleid, von Herrn Prof. Dr. Kr aus s, b) durch Kauf: Cyrus cinerea Best., junges Weibchen, bei Neckarsulm, Nyroca (Anas) ferina Flemni., junges Männchen, bei Ulm, Anser torquatus Bei., Männchen, bei Leonberg, Falco Aesalon L., junges Weibchen, Corvus monedula L., altes Männchen und Weibchen, Yunx torquilla L. , altes Männchen und Weibchen , Fringilla coelebs L. , altes Männchen , Emberiza müiaria L., altes Weibchen, Emberiza schoeniclus L., altes Männchen, Alauda arborea L., altes Männchen, Alauda arvensis L., altes Männchen, Anthus arboreus Bechst., altes Männchen, Motacilla alba L. , altes Männchen , Turdus viscivorus L., altes Männchen, Sylvia curruca Lath. , altes Männchen , Sylvia hortensis Lath., altes Männ'chen, Sylvia Hyppolais Lath., altes Männchen, Sturnus vulgaris L. , altes Weibchen, Sitta europaea L. , altes Weibchen, Parus major L., altes Männchen, Parus palustris L., altes Männchen, Rusticilla tithys Brehm , weisse Varietät , Oriolus Galbula L., jung, Colymbus glacialü L., junges Männchen. III. Reptilien. Als Geschenke: Triton punclatus Latr., ganz jung, bei Cannstatt, Lacerta stirpium Daud., Eier, Rana viridis Roesel, sehr grosse Kaulquappe, Bombinator igneus Merr. , Kaulquappen, von Herrn Präparator Bauer; Coronella laevis Laur., aus Utzmemmlngen , von Herrn Prof. Dr. Fraas; Triton tristatus Laur., ganz jung, bei Stuttgart, von Herrn Prof. Dr. Krauss; Anyuis fragilis L., bei Neuenbürg, von Herrn Reallehrer Friz. IV. Fische. Als Ge schenke : Cobitis taenia L., Cobitis barbatala L., Esox Lucius L. , JjOta vulgaris Cuv. , Thymallus vexillifer Ag., Alburnus bipunctatus Heck, et Kn., Barbus fluviatilis Ag., Leuciscus rutilus Val. (major) et jun., Squalius lepusculus Heck., sämmtlich aus der Blau bei Ulm, Chondrostoma Nasus Ag. , Chondrostoma ? , Tinea vulgaris Cuv., Salmo Hucho L., Abramis Brama Cuv., Leuciscus Virgo Heck., Aspro Zingel Cuv., Leuciscus rutilus Val., von Hen-n Professor Dr, Acerina vulgaris Cuv. (Kaulbarsch)^, im Neckar bei Heilbroun, Alausa vulgaris Val. (Maiflsch), im Neckar unterhalb Heilbronn , Esox lucius L., Squalius lepusculus Heck., Idus melanotus Heck, et Kn.., Abramis Vimba Cuv. , Acerina Schraetzex Cuv., Cottus Gobio L., Alburnus bipunctatus Heck, ei Kn., Aspius rapax Ag. , Aspro vulgaris Cuv., Squalius dobula Heck., Carassius moles Ag., Carassius vulgaris Nils. , Lucioperca Sandra Cuv., Barbus fluviatilis Cuv., Blicca argyroleuca Heck., Scardinius erythrophthalmus Bon., Acerina vulgaris Cuv., Abramis dobuloides Oünth., sämmtlich aus der Donau bei Ulm, Veesenmeyer in Ulm; Blicca argyroleuca Heck., Scardinius erythrophthalmus B., Cyprinus Bex cyprinorum Bl., Cyprinus Carpio L. , Carassius moles Ay., — 8 — . Chondrostoma Nasus Ag., mit monströser Schnauze, Leuciscus rutilus Val. (major), sämmtlich aus dem neuen Hafenbasin in Heilbroun, von Herrn Kaufmann Drautz in Heilbronn; Leuciscus rutilus Val. , Junge , Squalius lepusculus Heck., Junge und Alte, im Neckar bei Berg, von Herrn Präparator Bauer; Gohio vulgaris Cuv., vom ganz jungen bis zum halbgewachsenen Fisch, Alburnus bipunctatus Heck, et Kn. , in verschiedenen Altersstufen , Alburnus lucidum Heck, et Kn. , in verschiedeneu Altersstufen , Leuciscus rutilus Val., Squalius lepusculus Heck., Squalius dobula Heck., sämmtlich im Neckar bei Berg, Cottus Gobio L. , Phoxinus laevis Ag., Cobitis barbatula L., aus Bächen bei Boll, Rhodeus amarus Ag. , Männchen und Weibchen , Perca ftuviatilis Cuv., im Neckar oberhalb Heilbronn, Squalius dobula Heck., Junge, Abramis Brama Cuv., Chondrostoma Nasus Ag., im Neckar unterhalb Heilbronn, Alburnus lucidus Heck, et Kn., Perca fluviatilis Cuv. , Junge , im Böckinger See , Leuciscus rutilus Val., in der Brenz bei Königsbronn, Scardinius erythrophthalmus Bon., im Neckar bei Untertürkheim, von Herrn Prof. Dr. Kr aus s, V. C r u s t a c e e n. Als Geschenk: Astacus saxatilis Koch., aus Bächen bei Boll, von Herrn Prof. Dr. Krauss. VI. Insecten. Als Geschenke: Eine Sammlung sehr schön erhaltener Schmetterlinge aus der Umgegend von Stuttgart, bestehend aus 93 Arten und 212 Stücken, von Herrn Dr. Julius Hoff mann; Eine Sammlung sehr schön erhaltener Puppen von Schmetterlingen aus der Umgegend von Stuttgart, bestehend aus 79 Arten und 206 Stücken, Naucoris cimicoides Fabr., aus den Sümpfen bei Degerloch, von Herrn Präparator Bauer; — 9 — Eine Sammlung von 4R Käfern aus dem Oberamt Calw, von Herrn Schulmeister Ackermann in Monakam; Larven von Ledra aurita Fabr. und Stratiomys strigata Fabr. aus der Um- gegend von Stuttgart, von Herrn Prof. Dr. Krauss. VII. Arachniden. Als Geschenk: Chelifer cancroides Oeoffr., von Herrn Prof. Dr. Krauss. VIII. Helminthen. Als Geschenk: Ichthiobdella stellata Kollar , auf Weissflschen, Ascaris Mystax, durch eine jung^ Katze gebrochen, von Herrn Prof Dr. Krauss. IX. Mollusken. Als Geschenke: Eine Sammlung von Land- und Süsswasserschneckeu aus der Umgegend von Ulm, von Herrn Gutekunst in Ulm; Helix pomatia L. var. sinistrorsa und var. scalariformis ^ in sehr schönen Exemplaren, von Herrn Dr. Emil Schüz in Calw. X. Petrefakten. Als Geschenke: Bos- und Rhinoceros-Reste aus dem Diluvialschutt von Unterriexingen , von Herrn Oberamts- Arzt Dr. Werner in Vaihingen; Eine Sammlung von Torf mit den darin enthaltenen Pflanzen- und Knochen- resten aus Söflingen, von Herrn Apotheker Dr. Leube in Ulm, Eine schöne Encriniten-Platte aus dem Muschelkalk von Hall, von Herrn Oberamts- Arzt Dr. Kap ff in Esslingen, XL Pflanzen.* (Zusammengestellt von G. v. Martens.) Herr Oberamts - Arzt Dr. Robert Finckh in Urach theilte uns wieder zwei Algen mit. - 10 — Herr Pfarrer Kemmler in Unter - Sontheim , Oberamts Gaildorf, be- schenkte uns mit 39 Phänogamen , wovon zwei dem Verein noch fehlten, vorzüglich aber mit den weiteren Ergebnissen seiner eifrigen und gründ- lichen Forschungen auf dem noch reiche Ausbeute liefernden Felde der blüthenlosen Gewächse., 78 Arten, wovon 30 unserem Verein noch fehlten, darunter 28 zum ersten Mal in Württemberg gefundene, wie unter andern die hübsche Aneura mulUfida Dumortier , Verrucaria papillaris Fries, Sagedia fuscella Fr., CoJlema tenax Acharius und 8 weitere Flechten, unter den Pilzen Hydnum suaveolens ScopoLi, Lycoperdon granuLatum Walli'oth und die in den Blumenköpfen der Sonnenblume entstehenden schwarzen harten Knollen des Sclerotium compactum Decandolle. Von Herrn Bergraths-Registrator Krauser erhielten wir die edle Schaf- garbe (Achillea nobilis L.) und die Mannstreue (Eryngium campestre L.) aus der Gegend von Vaihingen an der Enz , von Herrn Professor Dr. Krauss Kapseln der Schneeglocke (Leucojum vernum L.) und von Herrn Lehrer H. Lörcher in Sternenfels, jetzt in München, 14 Phänogamen, wovon 4 für unsere Sammlungen und eine weitere selbst für unsere Flora neu sind, nämlich die rosige Melde (Atriplex rosea L.) , welche in ziemlicher Menge an zwei Stellen bei dem Nippenburger Hof auf Schutt entdeckt wurde, in ruderaüs y einem für den Pflanzenforscher werthvollen, aber bei den Fortschritten der Cultur in unserem glücklichen Württemberg immer seltener werdenden Standorte. Unser vieljähriger Correspondent, Herr Apotheker Valet in Schussen- rled, theilte uns wieder 16 Pflanzenarten mit, darunter die für unsere Flora neue Orchis Traunsteineri Sauter aus dem an subalpinen Pflanzen so reichen Wurzacher Ried. Von Herrn Finanzrath G. Zell er in Stuttgart empfingen wir sechs für die württembergische Flora neue Algen. Endlich hat der Custos des Vereinsherbars dasselbe mit 75 Gewächs- arten aus den Umgebungen von Stuttgart vermehrt, darunter 7 in der Flora von Württemberg beschriebene Brombeersträucher und 61 Pilze, von welchen 19 noch nicht in Württemberg beobachtet worden waren, ein Beweis, welch weites Feld von Entdeckungen einem sich mit dieser Pflanzenklasse beschäf- tigenden Forscher noch- offen steht, darunter Agaricus armeniacus Schaeffer, teuer Seh. , mclaleucus P., vibratilis Fr., hydrogrammus und castaneus Bul- liard, Hydnum candicans Fr., Rhymovis involuta P., Dardalea biennis Fr. und Cryptosporium Aesculi Fr.; dieser letztere Pilz überzieht gesellig die abgestorbenen Zweige der Rosskastanien unserer Planie als ein rauher kohl- schwarzer Schorf, seit mehr als einem halben Jahrhundert wirft jeder Sturm diese Zweige den Tausenden, welche vorüber wandeln, vor die Füsse, den- noch wusste bis zum 18. Mai 1859 Niemand, dass ein Cryptosporium im Lande zu finden sei. Herr Schultheiss Latsch von Zill hausen , Oberamts Balingen, über- — 11 - sandte uns den bandförmigen Stamm eines Hartriegels (Cornus sanguinea L.), eine bei Holzptlanzeu seltene, dem Halineukamm (Ceiosia cristata L.) unserer Gärten ähnliche Erscheinung, und vou Herrn Emil Schütz, Med. Dr. in Calw, erhielten wir ein Stück von einem ungewöhnlich dicken Stamme des Seyenbaums (Juniperus Sahina L.) , welcher bei uns zwar nirgends wild, aber doch öfters in den Gärten des Landvolks als ehemalige Heilpflanze an- getroffen wird. Im Ganzen sind seit dem letzten Rechenschaftsbericht 81 Arten und Abarten von Gefässpflanzen und 153 von Zellenpflanzen, zusammen 234, eingekommen, darunter 75 Pilze, so dass die Zahl von diesen im Laufe eines Jahres verdoppelt worden ist. Noch fehlen 119 Gefässpflanzen, meist solche, welche nur an einer oder wenigen Stellen des Landes vorkommen, einige davon mögen wohl wieder verschwunden sein , wie Trapa natans L., Echinops sphaerocephalus L., Chenopodium urhicutn L. , Xanthium struma- rium L., Scirpus mucronatus L., Marsilea quadrifoLia L. und manche andere, welche in neuerer Zeit vergebens an ihrem frühereu Standorte gesucht wurden. Die Vereinsbibliothek hat folgenden Zuwachs erhalten: a) durch Geschenke: Notes pour servir ä une descript. g4.o\. des Montagnes rocheuses par Jul. Marcou. (Separatabdruck.) Geneve 1858. 8". Geschenk des Verfassers. Ueber die geologische Stellung der Sotzka- Schichten in Steiermark, von Dr. F. Rolle. Wien 1858. 8'\ (Separatabdruck.) Geschenk des Verfassers. Etudes geologiques sur le De'partemeut de la Nievre' par Th. Ebray. ler fascic. Paris 1858. 8". Geschenk des Verfassers. Morphologische Studien über die Gestaltungsgesetze der Naturkörper über- haupt und der organischen insbesondere. Gebildeten Freunden allge- meiner Einblicke in die Schnpfungsplane der Natur gewidmet. Von Dr. H. G. Bronn. Winter 1858. 8». Vom Verleger zur Anzeige in den Jahresheften. Beiträge zur näheren Kenntniss einiger an der Grenze der Eocen und der Neogen-Formation auftretenden Tertiär-Schichten, von Dr. Fr. Rolle. (Separatabdruck.) 8". Geschenk vom Verfasser. üeber Symmetrie und Regularität als Eintheilungs-Principien des Thierreichs, von Dr. Gust. Jäger. Wien 1857. 8". (Separatabdruck.) Geschenk vom Verfasser. Das Os humeroscapulare der Vögel, Vergleichend anatomisch untersucht von Dr. Gust. Jäger. Mit 3 Tafeln. Wien 1857. 8°, (Separatabdruck.) Geschenk vom Verfasser. \ — 12 — Württemb. uaturwissenschaftliche Jahreshefte. Bd. XV. Heft 1. 2. 1859. Geschenk vom Verleger. Verhandlungen des naturhistorisch - medicinischen Vereins zu Heidelberg. Nro. V. 1858. 8». Geschenk des Vereins. American Geology. Letter on some points of the Geology of Texas , New- Mexico, Kansas and . Hebraska ; adressed to Mrs. J. B. Meek and F. V. Hayden by Jules Marcou. Zürich 1858. 8°. Geschenk des Verfassers. Berichte des naturwissenschaftlichen Vereines des Harzes für die Jahre 1840 — 1856. 8 Hefte 4». Geschenk des Vereins. Forhandlinger ved de skandinaviske Naturforskeres Syvende Mode. I. Chri- stiania 1857. 8. Das Christiana - Silurbecken , chemisch -geogn ostisch untersucht von Theodor Kjerulf. Christiania 1855. 4°. Bemaerkninger angaaende Graptolitherne af Christ. Boek. Christiania 1851. 40. Inversio vesicae uriuariae og Luxationes femorum congenitae hos samme Individ, iagttagne af Lector Voss. 4*^. Christiania 1857. Observatlons sur les pheuomenes d'erosion en Norvege recueillies par J. C. Hörbye. Christiania 1857. 4«. Fortsatte Jagttagelser over de erratiske Phaenomenes of Hörbye. 8". Quelques Observatlons de Morphologie vegetale faites au jardin botanique de Christiania par J. M. Norman. Christiania 1857. 4°. Physikalske Meddelelser ved A. Arndtsen udgivne af Dr. Chr. Hansteen Christiania 1858. 4^ Geschenke der k. Universität in Christiania. Kritische Untersuchung der Arten des Molluskengeschlechts Venus bei Linuse und Gmelin mit Berücksichtigung der später beschriebenen Arten, von Dr. Ed. Römer. Kassel 1857. 8». Vom Verleger zur Anzeige in den Jahresheften. • Tagesfragen aus der Naturgeschichte. Zur Belehrung und Unterhaltung für Jedermann vorurtheilsfrei beleuchtet von Dr. Giebel. 2te Aufl. Berlin 1858. 8«. Vom Verleger zur Anzeige in den Jahresheften Die Klassen und Ordnungen des Thierreichs , v^issenschaftlich dargestellt in Wort und Bild. Von Dr. H. G. Bronn. Bd. I. Lief. 1—4. Leipzig und Heidelberg 1859. 8». Vom Verleger zur Anzeige in den Jahresheften. Die Entwicklung der organischen Schöpfung. Auszugsweise vorgetragen bei der 34steu Versammlung zu Carlsruhe von H. G. Bronn. Stuttgart 1858. 8°. Geschenk vom Verfasser. - 13 — Die entomologische Section der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur in ihrem 50jährigen Bestehen. Von A. Letzner. Breslau 1858. 80. Geschenk vom Verfasser. Sur le Neocomien dans le Jura et son role dans la serie'" stratigraphique par Jules Marcou. 1858. (Extrait.) Geschenk vom Verfasser. Achtzehnter Bericht über das Museum Francisco-Carolinum. Linz 1858. 8". Geschenk von Carl Ehrlich. Das Buch-Denkmal. Wien 1858. 8«. Geschenk von Carl Ehrlich. Address delivered at the anniversary Meeting of the geolog. Soc. of London on the 19. Febr. 1858, by Portlock, President. London 1858. 8». Geschenk vom Verfasser. Verhandlungen des uaturhistorisch-medicinischen Vereins zu Heidelberg. VI. 8". Geschenk von dem Verein. Documents sur les tremblements de Terre au Perou , dans la Colombie et dans le Bassin de l'Amazone par A. Perrey. 8^^. (Extrait du Tome VII, des Mem. de l'Acad. Roy. de Belgique.) Geschenk vom Verfasser. La Bourgogne, revue oenologique et viticole par Ladrey. Livr. 1. Janvrier 1859. Dijon, 8». Geschenk vom Verfasser, üeber die Krystallformen des Epidot , von V. Ritter v. Zepharovich, (Separatabdruck der Wiener Sitzungsberichte.) 8°. Geschenk vom Verfasser. Das Wirbelkörpergelenk der Vögel, von Dr. Gustav Jäger. 8^. (Separat- abdruck der Wiener Sitzungsberichte.) Musculus lumbocostalis vergleichend anatomisch untersucht von Dr. Gustav Jäger. 8^ (Separatabdruck aus Müller's Archiv 1851.) Geschenke vom Verfasser. Ueber einige neue Acephalen- Arten aus den untern Tertiärschichten Oester- reichs und Steiermarks. Von Dr. F. Rolle. 8'^. (Separatabdruck der Wiener Sitzungsberichte 1859.) Geschenk vom Verfasser. b) Durch Austausch unserer Jahreshefte, als Fortsetzung: Bulletin de la soci^te ge'ol, de France. 2. Ser. Tome XIV. feuill. 46 — 57. 1856-57. Table generale des articles pour le XlVe vol. Tome XV, feuill. 7 — 51. 1857—58. Tome XVL feuill. 1—35. 1858-59. Paris 8^. Soci^t^ des sciences naturelles du Grand-duch^ de Lnxembourg. Tom. IV. Ann^e 1855-56. Luxembourg 1857. 8«'. — 14 — Erster Bericht des uaturhistorischen Vereins in Augsburg. 1848. 4° Eilfter Bericht des naturhistorischen Vereins in Augsburg. 1858. 8°. Natural history Review and Quaterly Journa] of Scienc. of Dublin, Vol. V, Nr. 2—4. 1858. 8«, The Quarterly .Journal of the geolog. society of London. Vol. XIV. Part. 2. 3. 4. 1858. Vol. XV. Part. 1. 1859. 8°. Jahresbericht der naturforschenden Gesellschaft Graubündens. Neue Folge. 3ter Jahrgang. 1856—57. 8°. Berichte der naturforschenden Gesellschaft in Freiburg. Nro. 28, 29, 30 u. 31, 1858, sammt Titel und Index zu Bd. I. 8*^. Witterungsbeobachtungen an der Station zu Bamberg für 1857, -von B. Ell- ner. IV. Jahrgang. Beilage zum dritten Bericht der naturforschen- den Gesellschaft Bambergs. 8*^. Tübinger üniversitätsschriften aus dem Jahre 1854 u. 1858. 1855 — 58. 4°. Istes, 2tes und 5tes Zuwachsverzeichniss der k. üniversitäts- Bibliothek- zu Tübingen. 1853—55. 4". 33 Dissertationen, meist medicinischen Inhalts. 8**. Memoires de la Societe Royale des sciences de Li^ge. Tom, XI und XII. Liege 1858. 8», Bulletins de Vacademie royale des sciences, des lettres et des beaux arts de Belgique. 26. Annee. 2e ser. Tom. 1 — III. 1857. 8^. Annuaire de l'academie roy. des sciences de Belgique. 1858, 24e ann^e, Bruxelles 1858. 12». Viert t'ljahrsschrift der naturforschenden Gesellschaft in Zürich, Jahrg. II. Heft 1—4, 1857, Jahrg. IIL Heft 1, 2, 1858. 8». Jahrbücher des Vereins für Naturkunde im Herzogthum Nassau. Heft 12. Wiesbaden 1857. Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Mathema- tisch-naturwissenschaftliche Classe. Bd. XXIII— XXXIII. 1857—58, Wien. 8°. Bijdrageu tot de Dierkuude. Uitgegeven door het konigl. zoologisch Genot- schap Natura Artis Magistra te Amsterdam. "Aflevering 7. 1858. fol. Verhandelingen der koninkl. Akademie van Wetenschappen, Deel IV — VI. Amsterd, 1857—58, 4^. Verslagen en Mededeelingen der k, Akademie van Wetenschappen. Afdee- ling Letterkunde. Deel III. Stuk 1—3. 1857—58, Afdeeling Natur- kunde. Deel VIL Stuk- 1—3. 1857—58. Amsterd. 8", Jaarboek ^an-de k, Akademie van Wetenschappen gevestigd te Amsterdam. April 1857 bis April 1858. Amsterd, 8", Catalogus van de Boekerij der k, Akademie van Wetenschappen, Deel I. Stuk 1, Amsterd. 1858, 8^, Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. IX. Heft 4. 1857. Bd. X. Heft 1 3. 1858, Berlin. 8°. — 15 - Bulletin de la^Soci^tö Vaudoise des sciences naturelles. Tom. II. Nr. 10. Tom. III. Nr. 20. 22. 23. Tom. V. Nr. 41 et 42. Tom. VI. Nr. 43. ~ Lausanne 1857—58. 8» Catalogue de la blbliotheque de la Socl 2—6. Mai, Juill., Sept., Nov. 1843, Janv. 1844. „ Vn. Aun^e 1844. „Vm. „" 1845. Zhme se'r. Toin. L livr. 1, Mars 1849, livr. 4. Sept. 1849. „ IL 2ere partie, livr. 5. 6. Nov. 1849, Janvr. 1850 cpl. " II ^ " " li^r. 1 — 4. Mars, Mai, Juill. et Sept. 1 850 cpl . „ III. part. 1 et 2. Annee 1850. 1851. „ VII. part. 1. 1855. „ VIIL 1856. compl. 3feme se'r. Tom. I. 1857. 8^. Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg. Jahrg. 13. 1858. 8". Annual Report of the Board of Regents of the Smithsonian Institu- tion etc. for the Year 1856. Washington 1857. 8^ Meteorology in its Connection with Agriculture for 1856. By Prof. J. Henry. Washington 1858. 8". Catalogue of the described Diptera of N. America. Prepared for the Smiths. Institution by Osten Sacken. Washington 1858. 8°. Catalogue of North-American Mammals, chiefly in the Museum of the Smiths. Institution. By Spencer F. Baird. Washington 1857. 4». Transactions of the Academy of Science of St. Louis. Vol. L Nr 2 1858. ,8«. Proceedings of the American Association for the Advancement of Science. X. Meeting, held at Albany, New- York 1856. ^I- « V „ Montreal, Canada Fast 1857. Cambridge 1857—58. 8". The Crustacea and Echinodermata of the Pacific Shores of N. America. By W. Stimpson. 1857. 8^. Prodromus descriptionis animalium evertebratorum , quae in expeditione ad Oceanum paciflcum septentrionalem, a Repubfica foederata missa, C.Bing- gold et J. Rodgers ducibus, observavit et descripsit W. Stimpson Pars m, IV. V. 8'\ — 17 - Proceedings of the Boston Society of nat. History. Vol. VI. Bog. 11—22. Mai 1857 bis April 1858. 8*^. Boston Journal of nat. History etc. Vol. VI. Nr. 4. Roston 1857. 8". Proceedings of the Academy of nat. sciences of Philadelphia. Vol. I. 1841-43 bis Vol. IV. 1848-49. Titel und Index von Vol. VIII. 1856. Von Vol. IX. 1857 Bogen 8—16, von Vol. X. 1858 Bogen 1—9 und 1a. Abhandlungen der naturhistorischen Gesellschaft in Nürnberg. Heft 2. 1858. 8». Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. Herausgegeben von dem naturwissenschaftlichen Verein für Sachsen und Thüringen in Halle. Jahrg. 1858. Band XI. 1858. 8". 35ster Jahresbericht der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Enthält die Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft im Jahr 1857. Breslau. 8''. Correspondenzblatt des zoologisch - mineralogischen Vereins in Regens- burg. Jahrg. XII. 1858. 8«. M^moires de la societe des sciences naturelles de Strasbourg. Tom. V. livr. 1. 1858. 4°. Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preussischen Rheinlande und Westphalens. Jahrg. XIV. Heft 3. 1857, Jahrg. XV. Heft 1-4. 1858. Bonn. 8". Erster und zweiter Jahresbericht des naturhistorischen Vereins in Pas sau für 1857 und 1858. 8«. Report of the Commissioner of Patents for the Year 1856. Agriculture. Washington 1857. 8".. Me'moires de la Societe imperiale des Sciences naturelles de Cherbourg. Tom. V. 1857. Cherbourg 1858. 8«. Kreil, Anleitung zu den magnetischen Beobachtungen, 2te Auflage (als Anhang zu Bd. XXXII. der Wiener Sitzungsberichte). 1858. 8". Annais of the Lyceum of nat. history of New- York. Vol. I— V. 1824—52. von Vol. VI. Nr. 1—4 u. 6—13. 1853—58. 8°. Siebenter Bericht der oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde, Giessen 1859. 8». Memoires de l'Acad^mie imp. des sciences, arts et belies -lettres de Dijon. 2e ser. Tom. VI. Ann^e 1857. 8". Bulletin de la Societe des sciences natur. de Neuchatel. Tom. IV. 3e Cah. Neuchatel 1858. 8°. Annales de l'Observatorie physique central de Russie etc. par ICupfer, Ann^e 1855. Nr. 1 u. 2. St. Petersbourg 1857. 4». Compte-rendu annuel par A. T. Kupfer. Ann^e 1857. St. Petersbourg 1857. 4°. Württemb. naturw. Jahreshefte. 1860. Is Heft. 2 - 18 - Jahresbericht der Wetteraüischen Gesellschaft für die gesammte Naturkunde für das Gesellschaftsjahr 1843— U, 1844-45, 1845— 4G, 1846-47, 1847—50, 1&50-51. Hanau 1844—51. 8°. Der Wetterauer Gesellschaft für Naturkunde zur Feier ihres 50jährigen Be- stehens am 11. August 1858 im Namen der Gesellschaft der ge- sammten Naturwissenschaften zu Marburg. Inhalt: üeber die chemi- sche Constitution organischer Verbindungen, von Prof. Dr. Kolbe. 4°. Hierauf berichtete Apotheker Weismann als Kassier des Vereins über den Stand der Kasse Folgendes. Rechnungsablegnng bei der Generalversammlung zu Stuttgart den 24. Juni 1859. Ich habe die Ehre, der hochverehrten Versammlung Bericht über den Stand der Vereinskasse zu erstatten und zwar über die Rechnung des löten Jahres 18''%g. Am 1. Juli 1858 betrug das Vermögen: a) Capitalien fl. 3397. 36. b) Ausstände 5. 24. c) Cassavorrath 84. 41. d) Zuwachs der hessisch. Loose 18. — fl. 3505. 41." Ein Ausstand des vorigen Jahres mit . fl. 2. 42. wurde bezahlt. Von dem Grundstock wurden an Activ- Capitalien heimbezahlt fl. 400. — An Capitalzinsen wurde eingenommen . fl. 130. 30. Nach der vorigen Rechnung war die Zahl der Mitglieder und Actien 362. Zuwachs in dieser Periode 32 und zwar nach der Reihen- folge durch die Herren: Ebner, Tnspector der Feuerversicherung, Apotheker Fr. Neidhardt, Stabsmajor de Challadez in Bern, Apotheker Mayer in Heilbronn, Hauptzollamts-Controlleur Fuchs in Heilbronn , - 19 — Schultheiss Letsch in Zillhausen, Dr. Hofacker, Chemiker, Hofarzt Dr. Kornbeck, Revierförster Gauss in Rossfeld, Buchhändler Köhler, V. Vi seh er, Adolph, Wilhelm Raht, Oekonom, Professor Tröster in Esslingen , Oberregierungsrath v. S c h m i d 1 i n , Finanzrath Schwab, Apotheker V ö 1 1 e r in Bömiigheim , S. Hoheit Hermann, Prinz von Sachsen-Weimar, Gutsbesitzer Knapp von Holzgerlingen , Cuno Graf v. Degen feld, Otto Baron v. T e s s i n , Buchhändler E n g e 1 h o r n , Professor Schwenk in Ludwigsburg, Edmund Baron v. Ow, Apotheker Becher in Heubach, Oberamts-Wundarzt Dr. Gmelin in Geislingen, Finanz-Assessor D o r r e r , „ „ Knapp, Kaufmann A. Kinzelbach, Reallehrer Peter in Heilbronn, Chemiker A. Ungerer in Pforzheim, Apotheker Moll in Kirchheim, „ Hahn in Güglingen. Die Actienzahl 394 hat sich durch den Austritt von 9 Mit- gliedern um 9 vermindert; die Ausgetretenen sind die Herren; Oberförster v. Brecht in Leonberg, Fabrikant Schönleber in Bietigheim , Oberamts-Arzt Dr. Höring in Heilbronn, Dr. Philosoph. Klunzinger. Gestorben sind: Medic.-Rath Dr. Becher, Rector v. Kieser, 2* — 20 — Graf V. Seckendorf, Oberamts-Arzt Dr. Roos, Oberstlieutenant v. Bayha. Die Zahl der Actien ist 385 mit ebenso vielen Mitgliedern, welche ä fl. 2. 42 fl. 1039. 30. betragen; davon wurden 384 bezahlt mit . . 1036. 48. im Ausstand blieben 1 2. 42. Als Beitrag pro IS^'^g von der KÖnigl. Centralstelle 75. — Die ausserordentliche Einnahme beträgt ... 10. 48. Auf den Grundstock wurde in dieser Periode hin- gelehnt fl. 600. — Die laufenden Ausgaben betragen: 1) für Porto etc fl. 33. 30. 2) „ Mobilien 40. 37. 3) „ Vermehrung der Sammlung 405. 15. 4) „ Buckdrucker- etc. Kosten 414. 59. 5) „ Reinigung und Miethe . 32. 22. 6) „ Aufwärter 122. — 7) „ Abgang — — 8) „ ausserordentli. Ausgaben 17. 39. 9) „ Steuer etc 21. 52. fl. 1088. 14. Vermögens-Nachweisung des Vereins auf den 1. Juli 1859. Am 1. Juli 1858 war der Activ-Capitalstand . . fl. 3505. 41. Hiezu hingeliehen . . 600. — ~~ fl. 4105. 41. Hiezu die Activ-Ausstände .... 5. 24. „ den Cassenbestand 52. 15. Zuwachs an den hessischen Loosen . 27. — fl. 4190. 20. Davon Ablösung 400. — Rest somit Vermögensstand . . . . fl. 3790. 20. — 21 - Am 1. Juli 1858 betrug das Vermögen: a) Capitalien . . . fl. 3397. 36. b) Ausstände ... 5. 24. c) Cassavorrath . . 84. 41. d) Zuwachs der hessi- schen Loose . . 18. — fl. 3505. 41. ' Somit Vermögens-Zunahme fl. 284. 34. Wahl der Beamten. Nach den §§. 12 und 13 hat die Generalversammlung die Wahl der Vorstände und derjenigen Hälfte des Aus- schusses, welche in diesem Jahr auszutreten hat, vorzuneh- men. Auf den Antrag von Finanzrath Es er und Professor Duck er t wurden die bisherigen Vorstände, Professor Dr. V. Rapp und Oberstudienrath Dr. v. Kurr, durch Accla- mation wieder gewählt und die bisherigen Ausschuss- mitglieder beibehalten. Der Ausschuss besteht hienach aus folgenden Mitgliedern: Zurückgebliebene: Oberreallehrer Dr. Blum in Stuttgart, Finanzrath Es er in Stuttgart, Professor Dr. Fleischer in Hohenheim , Professor Dr. Fr aas in Stuttgart, Professor Dr. Hochstetter in Esslingen, Obermedicinalrath Dr. v. Jäger in Stuttgart, Professor Dr. Köstlin in Stuttgart, Oberstudienrath Dr. v. Kurr in Stuttgart. Neugewählte: Professor Dr. v. Fehling, Medicinalrath Dr. Hering, General-Stabsarzt Dr. v. Klein, Professor Dr. Krauss, Dr. W. Menzel, Bergrath Dr. v. Schübler, Apotheker Weis mann, sämmtlich in Stuttgart. — 22 — Zu Ergänzungs-Mitgliedern des Ausschusses wur- den in der Sitzung des Ausschusses vom 8. September gewählt: Professor C. W. Baur, Chemiker Dr. Marx, Dr. P. Zech, Finanzrath Zeller, sämmtlich in Stuttgart. In derselben Ausschuss - Sitzung wurden die bisherigen Secretäre, General - Stabsarzt Dr. v. Klein und Professor Dr. Krauss, der bisherige Kassier, Apotheker Weismann, und die bisherigen Mitglieder der Redactions-Commis- sion bestätigt. Nach einstimmiger Wahl ist für die nächste General- versammlung Tübingen bestimmt. Prof. Dr. v. Rapp ist ersucht worden, das Amt des Geschäftsführers zu übernehmen. Oberstudienrath Dr. v. Kurr stellte nun im Auftrag des Ausschusses wegen der Herausgabe der meteorologischen Jahresberichte folgenden Antrag: Der Ausschuss hat schon früher auf eine Anfrage des K. statistisch - topographischen Bureau's die Erklärung gegeben, dass die meteorologischen Jahresberichte wie bisher in die Jah- reshefte aufgenommen werden sollen, sobald das Manuscript voll- ständig und druckfertig abgeliefert werde. Unterdessen sind uns von der K. Akademie der Wissenschaften in Berlin die nord- deutschen meteorologischen Berichte pro IS'^Vss' welche nach dem in Deutschland angenommenen Plane des Pr^of. Dove in Berlin ausgearbeitet sind , zugekommen , und nach erfolgter Prüfung hat der Ausschuss die Ansicht gewonnen, dass wir uns, wenn wir überhaupt die meteorologischen Berichte in Württem- berg fortsetzen wollen, diesem von Dove schon bei der Natur- forscher-Versammlung in Carlsruhe vorgelegten Plane zur einheit- lichen Bearbeitung der meteorologischen Berichte in Deutschland anschliessen müssen. Der Ausschuss hat hierauf in der Sitzung vom 17. Juni einstimmig den Beschluss gefasst: dass in Zukunft die meteorologischen Berichte in Würt- temberg nur dann in die Vereins-Jahreshefte aufgenommen - 23 — werden sollen, wenn sie nach dem Plane von Professor Dove verfasst sind und in Uebereinstimmiing mit den norddeutschen Berichten stehen. Der Ausschuss legte daher diesen Antrag der heutigen Gene- ralversammlung zur Beschlussnahme vor und fügte noch hinzu, dass er den Beschluss nebst einem von Dr. Zech ausgearbei- tetem Programm dem K. statistisch-topographischen Bureau mit- theilen werde. In der Debatte über den vom Ausschuss vorgelegten Antrag äusserte sich Dr. Zech wie folgt: „Bei dem Antrag, der Ihnen Tj,orgelegt ist, handelt es sich nicht um eine Aenderung der Beobachtungen: die Beobachtungs- Journale bleiben nach wie vor dieselben, sondern blos um die Art und Weise, in welcher die Resultate der Journale veröffent- licht werden sollen. Gleichmässigkeit der Redaction ist hier Hauptsache ,- aber eben diese suchen wir in unsern meteorolo- gischen Berichten vergebens: z. B. vom einen Beobachtungsort findet man die tägliche mittlere Temperatur, vom andern nur die monatliche. Auf der Carlsruher Versammlung der Natur- forscher hat Dove erklärt, dass monatliche Mittel für die Tem- peratur nicht genügen und alle Meteorologen aufgefordert, fünf- tägige Mittel zu nehmen. Sollen also unsere meteorologischen Berichte nicht hinter dem jetzigen Standpunkt der Wissenschaft zurückbleiben, so ist eine Aenderung ihrer Abfassung nöthig und es fragt sich nur, in welcher Weise. Ich glaube, die Antwort darauf ist kurz. Das meteorologische Institut in Berlin veröffent- licht seit mehreren Jahren in monatlichen U ebersichten meteoro- logische Beobachtungen von ganz Norddeutschland und darüber hinaus bis Tilsit und Memel auf der einen, Frankfurt und Mann- heim auf der andern Seite. Das Einfachste ist also gewiss, an diese unter Dove's Leitung ausgegebenen Berichte sich anzu- schliessen und ich bitte Sie, im Interesse der Wissenschaft, Ihren Ausschuss zu ermächtigen , dass er in diesem Sinne eine Aende- rung herbeizuführen suche." Finanzrath Dr. Zell er bemerkte hiezu , dass im Etat des K. statistisch - topographischen Bureau's eine Summe für meteo- — 24 — rologische Instrumente und Beobachtungen ausgesetzt sei und dass es sehr zu wünschen wäre, wenn der Ausschuss seine An-- sichten über diesen Gegenstand in der angegebenen Weise dem Bureau mittheilen wolle, damit die nothwendige üebereinstimmung zwischen der Behandlung der württembergischen Aufzeichnungen und derjenigen anderer Länder erzielt werde. Die Generalversammlung erklärte hierauf einstimmig, dass sie mit dem oben gestellten Antrag des Ausschusses vollkommen einverstanden sei und dass die meteorologischen Berichte in Württemberg nicht mehr in den Vereins - Jahresheften veröffent- licht werden sollen, wenn sie nicht wie die norddeutschen Be- richte ausgearbeitet sind. Nekrologe. Prof. Dr. Fr aas trug den Nekrolog des Oberbauraths V. Bühl er vor. Der Sitte getreu, dass wir am heutigen Tage vor Allem uns der Mitglieder des Vereins erinnern , die im Laufe des Jahres vom Schauplatze ihres irdischen Wirkens abgerufen worden sind, erlauben Sie mir einige Worte des Andenkens, die ich dem im Frühling d. J. verstorbenen Oberbaurath Georg Wilhelm Christian V. B ühler nachrufe. Am 2L Januar 1797 als jüngster Sohn des Limpurg Solms- Assenheim'schen Rentbeamten und Kammer -Raths zu Oberroth, Oberamts Gaildorf, geboren und im Gymnasium zu Schwäbisch- Hall mit tüchtigen Schulkenntnissen ausgerüstet, wollte er anfangs der Forstwissenschaft sich widmen. Er vertauschte jedoch schon im Anfang des Jahrs 1814 den Wald mit dem Felde, d. h. ging, hingerissen von der Begeisterung der deutschen Jugend , als Frei- williger unter das Militär und war bis zum Pariser Frieden Ober- Kanonier bei der K. Artillerie. Eine besondere Vorliebe für das Baufach veranlasste ihn, seinen Beruf abermals zu ändern und im Jahr 1816 in die Schule des Haller Landbaumeisters, späteren K. Hofbaumeisters Klinsky einzutreten und sich hier unter der Leitung der tüchtigsten Meister jener Zeit für seine spätere Lauf- bahn auszubilden. Im Jahr 1818 bereiste er den Rhein, Holland und Frankreich zur Besichtigung dortiger Wasserbauten und wurde - 25 - ihm bereits 1819 als erste öffentliche Arbeit der Kanal- und Schleusenbau zu Heilbronn übertragen. Im Jahre 1821 — 27 brachte er als Strassen-Inspector zu Weingarten zu, wo er den Bau dortiger Holzbrücken vervollkommnete, 1827 — 41 in Ulm, wo er durch den Bau der steinernen Donaubrücke sich ein blei- bendes Denkmal schuf. Vom Jahr 1841 an lebte er hier in Stuttgart als Oberbaurath beim K. Ministerium des Innern, an- fänglich mit dem Eisenbahnbau beschäftigt, von dem er jedoch 1843 zurücktrat, da er seine Ansicht im Collegium nicht durch- setzte, die gerade in den wichtigsten Fragen der Steigungs-Ver- hältnisse bei Eisenbahnen vom neueren System abwich. Es trat eben hier der unbeugsame Wille zu Tag, welcher den Verstor- benen in all seinem Thun und Treiben bezeichnete , ein fester, nahezu starrer Charakter, der ihn in seinen vielseitigen, wissen- schaftlichen Arbeiten leitete. Er suchte sein Wissen wo möglich immer zu einem gründlichen Wissen zu machen , und was er an sich selbst und seinen Bauten schuf, dauerhaft und vollendet nach Form und Inhalt zu schaffen. Als Erbe seiner umfangsreichen, geognostischen Sammlung, die jetzt im Besitz des K. Naturalien- kabinets ist, tritt mir der Verstorbene in seinem ganzen Wesen immer näher, näher als bei der Zurückgezogenheit und Abge- schlossenheit des Mannes während seines Lebens je möglich war. Von Anfang an war ihm klar, — das spricht sich in seiner Samm- lung mir täglich aus, — dass der Geognost mit einer gewissen Habsucht Massen sammeln muss , um zu sicheren Resultaten in der Paläontologie und Geologie zu gelangen. Und so sammelte er denn 40 Jahre lang unermüdlich Alles zusammen, was ihm ein Beitrag erschien zur Würdigung der geognostischen Verhältnisse des Landes, und sammelte meist mit Geschmack und grosser Pünktlichkeit, zugleich eine Reihe von Dienst -Untergebenen im Sammeln unterweisend. Er hat redlich sein Theil beigetragen zum Aufbau des naturwissenschaftlichen Gebäudes, das nur auf den Grund einer grossen Anzahl von Einzelbeobachtungen erbaut werden kann und hat seinen Platz sich gesichert in der Reihe der schwäbischen Sammler, nicht nur, weil er das Schwabenland landab landauf durchsammelte, sondern auch mit schwäbischer - 26 — Treue und Gewissenhaftigkeit Alles freundlich in seine Arme schloss, was auf seinem Geognosten-Weg ihm begegnete. Ausser seinem Heimathland Hall hat er namentlich der Bodensee-Gegend seine Aufmerksamkeit geschenkt und seine Untersuchungen theil- weise in Abhandlungen niedergelegt. Neben der Sammlung von Naturalien beschäftigten den unermüdlichen Mann historische Forschungen. So schrieb er in den letzten fünf Jahren seines Lebens nach alten Urkunden eine Geschichte der Saline Hall, ein Werkj das in fünf grossen Foliobänden geschrieben vorliegt, als Beweis von der eisernen Willensfestigkeit des Mannes, der etwas Begonnenes mid einmal Erfasstes nicht wieder fahren liess, bis es vollendet vor ihm lag. Eben diese anstrengende, mühe- volle Arbeit zog ihm nach dem Ausspruch des Arztes und der treu besorgten Gattin , die ihm in all seinen Arbeiten nach Kräften mithalf, die schmerzhafte Krankheit zu, der er am 5. März d. J. erlag. Es überleben ihn seine wissenschaftlichen Sammlungen und technischen Arbeiten und rufen uns zu: exegit monumentum aere perennius. Prof. Dückert trug hierauf den Nekrolog des Professors Zenneck vor. Prof. Ludwig Zenneck, zu dessen Erinnerung ich einige Worte sprechen soll, stand zwar nicht oft in der Reihe der Redner dieses Vereins, aber er war doch einer der eifrigsten Beförderer der Vereinszwecke, denn er hat in seinem 80 Jahre langen Leben hauptsächlich für württembergische Naturkunde gearbeitet und gesammelt. Man schrieb noch 1779, als er zu Tübingen den 13. Sep- tember geboren wurde ; sein Vater war der ritterschaftliche Be- amte, Secretär Zenneck; seine von ihm hochverehrte Mutter eine geb. Guggen berger. In Tübingen besuchte er zuerst die lateinische Schule und trat im Jahr 179^ in das theologische Seminar Bebenhausen. Die Neigung zum Naturstudium wurde schon frühzeitig wach im Knaben; er las gerne, wie er selbst sagte, in Prälat Oetin- ger's alchymistischen Schriften, gab sich mit Witterungsbeob- achtungen ab und legte eine Sammlung von Schmetterlingen und — 27 - Käfern an. Besonders soll M artin et's und Buffon's natur- historische Beschreibungen seine Vorliebe zum Naturstudium ent- schieden haben. So sah man ihn während des — durch den Einfall der französischen Armee im Jahr 1796 vom Schwarzwalde her — mehrere Monate lang unterbrochenen Unterrichts im Seminar — in Wäldern und Feldern umherschweifen — den Pflanzen und Insekten nach. Von 1797 — 1802 brachte Zenneck auf der Universität Tübingen zu, wo er sich philologischen, philosophischen und theologischen Studien hingab ; vorzugsweise aber hörte er gerne die naturwissenschaftlichen Vorlesungen bei Storr und Kiel- meyer — und Beider Namen hat er immer mit Dank und Verehrung ausgesprochen. Nach Vollendung seiner Studienzeit war er mehrere Jahre Hofmeister im In- und Auslande, auch kurze Zeit im Kirchen- dienst als Vikar. 1812 wurde er Lehrer der Naturfächer am Tafinger'schen Institut in Stuttgart. Als Zenneck im Jahr 1814 von geistlichen Hülfsgeschäften dispensirt wurde , entsagte er gänzlich der Theologie und dem Kirchendienst und wandte sich nun mit ganzer Kraft des Geistes ausschliesslich dem Studium der Naturwissenschaften zu. Zu diesem Zweck begab er sich 1817 mit Staatsunterstützung, von dem damaligen Minister des Innern und des Kirchen- und Schul- wesens— Otto — protegirt, zu weiteren naturwissenschaftlichen Studien nach Paris, wo er neben Benützung der reichen Samm- lungen Vorlesungen bei ßiot, Tilet, Thenard, Cloquet hörte. Als im Jahr 1818 die Akademie in Hohenheim in's Leben gerufen wurde, erhielt Zenneck eine Professur der Chemie und Botanik. Hier hatte er ein Amt nach Neigung und nach seinen Wünschen , dem er auch mit allem Eifer oblag. In diese Zeit fällt es, dass er seine Flora von Stuttgart und dessen Umgebung herausgab , eine Sammlung von Insekten Württembergs anlegte, die er bis zum Schluss seines Lebens zu vermehren suchte ; aus- — 28 ~ serdem lieferte er Beiträge in verschiedene naturwissenschaftliche Journale. 1820 verehelichte sich Zenneck mit L. Diezel, Tochter des Rentamtraanns Diezel in Erkenbrechtshausen , — eine glück- liche, aber kinderlose Ehe, die durch den Tod der Frau im Jahr 1831 wieder aufgelöst wurde. Die Naturforscher- Versammlungen, deren erste im Jahr 1824 in Würzburg war, hatten für Zenneck ein grosses wissenschaftliches Interesse; oft besuchte er diese Versammlungen, um im Umgang mit Fachgenossen neue Nahrung für seinen Geist zu finden — und scheute selbst im hohen Alter weite Entfernungen nicht; so hatte er die Versammlung in Wien im Jahr 1855 noch besucht. Das Jahr 1828 setzte Z. in Quiescenz wegen Aufliebung der naturwissenschaftlichen Stelle in Hohenheim , was von Z. sehr schmerzlich empfunden wurde. Er blieb seit dieser Zeit ausser amtlicher Thätigkeit und wählte Stuttgart zu seinem Wohnort. Hier machte er sich durch chemische Vorlesungen, die er privatim hielt, nützlich — überliess sich im Uebrigen seinem Privatstudium und bei dieser Gelegenheit muss sein unermüd- liches Forschen in Chemie und Botanik erwähnt werden. Seine rastlose Thätigkeit und sein Eifer, nützlich zu wirken, waren es auch, die ihn bestimmten, Stuttgart mit Tübingen zu vertauschen, wo er von 1831 — 38 als Privatdöcent Vorlesungen über Agriculturchemie und Entomologie hielt. 1838 zog er wieder nach Stuttgart, wo er eine zweite Ehe schloss mit L. Stein, der Tochter des vormaligen Justizdirectors Stein; auch diese glückliche, ebenfalls kinderlose Ehe wurde nach wenigen Jahren schon wieder getrennt, indem seine Frau im Jahr 1844 nach langen, schweren Leiden starb. Auch nach Z.'s Wirkungskreis in Tübingen bestand seine Beschäftigung in Privatstudien mit Chemie, Physik, Entomologie, Botanik und schriftstellerischen Arbeiten. Der landwirthschaftliche Verein hatte Z. dreimal mit Preisen ausgezeichnet. Im Jahr 1832 erhielt er den chemischen Preis nebst einer — 29 — silbernen Medaille für einen von ihm erfundenen Chi orometer, der als neu und nützlieh auch im Auslande anerkannt wurde. Im Jahr 1836 erhielt er den chemischen Preis für einen ver- besserten Eudiometer; wiederum im Jahr 1839 bekam er die silberne, technische Medaille für eine sinnreiche, zweckmässige Einrichtung von zwei Saccharometern zu Bestimmung des Zuckergehalts durch Gährung. Z. war auch correspondirendes Mitglied mehrerer auswär- tiger gelehrter Gesellschaften, wie er auch an den Bestrebungen unseres Vereins den regsten Antheil genommen hatte. Seine letzte Arbeit, die ihn seit 1855 beschäftigte, war eine Untersuchung der Bäume und Gesträuche zur Winterzeit, — oder eine Winterbotanik , wie er sie nannte , — eine Lieblingsarbeit des Verstorbenen , die er als letztes Kind mit grösster Sorge und Vorliebe auf dem Herzen trug. Noch in den letzten Lebenstagen beschäftigte er sich damit, und die schon ziemlich reichhaltige Knospensammlung hoffte er im Frühling dieses Jahres wieder aufnehmen zu können. Seine Thätigkeit, seine einfache Lebensweise hatten ihn bis sechs Monate vor seinem Ende gesund erhalten; er litt auch jetzt nicht an einer örtlichen Krankheit, sondern das Mark seines Lebens war aufgezehrt ; er unterlag der Altersschwäche. Z. war sich immer sehr hart im Leben und sein Geist übte stets eine Herrschaft über seinen Körper aus. Als er schon länger kränkelnd, von der freundlichen Win- tersonne auf die Strasse gelockt wurde und kaum mehr die Kraft hatte, in seine über drei Treppen hohe Wohnung sich zu schlep- pen, sagte er zu seinen fast todtmüden Beinen: „ich will doch sehen, ob ihr mich nicht mehr hinauf bringt, ihr müsset," — und sie gehorchten zum letzten Mal; er konnte seitdem nicht mehr ausgehen, seine Kräfte schwanden allmählig und er ver- schied den 4. Januar 1859. Zum Schluss will ich rühmend erwähnen, dass er seine sehr grosse Insektensammlung der Universität Tübingen vermacht hat und eine zweite kleinere nebst physikalischen Instrumenten der Realschule in Stuttgart. — 30 — Vorträge, I. Dr. P. Zech sprach über den Pankratiustag. Es ist in Deutschland eine beinahe jedes Jahr wiederkeh- rende Erscheinung, dass im Frühjahr nach längerer schöner und warmer Witterung ein Rückschlag in der Temperatur eintritt und es knüpft sich daran die alte AVetterregel über die gefürchteten Tage Pankratius, Servatius und ßonifacius in der Mitte des Mai. Dieser Rückschlag rührt daher, dass die Wärme im Südwesten Europa's rasch gegen Norden vorrückt, während die Kälte im Nordosten und im nördlichen Asien nicht weichen will. Die Folge davon ist, dass verhältnissmässig benachbarte Gegenden sehr verschiedene Temperatur haben und dass eine gewaltsame Ausgleichung nöthig wird. Der heurige Mai gibt ein Beispiel solcher Ausgleichung und der Vorgang lässt sich gut übersehen nach den Witterungsberichten, die täglich Morgens 7 Uhr auf telegraphischem Wege von ganz Europa auf der Pariser Stern- warte einlaufen und von den meisten Pariser Blättern veröffent- licht werden. Alle angeführten Beobachtungen gelten also für Morgens 7 Uhr. In den ersten Tagen des Mai herrschte Frühlingswetter in ganz Europa, das Thermometer stand zwischen 10 und 16 Grad Celsius , das Barometer etwas unter dem Mittel , der Wind war schwach , der Himmel meist bedeckt. Nur in Petersburg war es auffallend kalt, nur 2 Grad gegen 9 bei uns, 11 in Paris, 15 in Turin (Beobachtungen von höherem Norden als Petersburg kommen keine nach Paris). Am 3. und 4. Mai beginnt der Nordwind den Südwind zu verdrängen , zuerst in Oberitalien : der kalte Nordstrom verursacht in der warmen feuchten Luft bedeutende Niederschläge. „Es regnet fortwährend," heisst es vom östreichischen Hauptquartier am 4. Mai. Erst gegen Ende der Woche am 7ten und 8ten zeigt sich der Nordstrom bei uns mit steigendem Barometer und langsam sinkendem Thermometer. Am 8. Mai tritt in Petersburg plötzlich ein übermässiger Luft- druck ein und steigt in den folgenden Tagen bis zu 7 Linien über dem Mittel. Zugleich wird bei uns der Nordstrom immer - 31 - stärker, der Himmel wird heiter, die Temperatur sinkt bedeu- tend, in der Nacht vom Pankratius auf Servatius bis auf 4 Grad. Auch in Petersburg zeigt sich jetzt der Nordwind, der aber am 15. Mai in Westwind übergeht: zugleich steigt das Thermometer, das Barometer sinkt und am 17. Mai ist die Ausgleichung voll- endet: das Barometer hat überall den normalen Stand erreicht, Petersburg, Brüssel, Turin, Brest, Bayonne haben alle gleiche Temperatur, 10 bis 11 Grad. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese Ausgleichung durch einen sogenannten Aspirationswind erfolgte. Denkt man sich in einer Röhre am vordem Ende einen Saugapparat, so wird sich beim Saugen zuerst die Luft in Bewegung setzen, welche vorne ist, und die übrige allmählig nachfolgen. Liegt das vordere Ende im Süden, das hintere im Norden, so wird ein Nordwind in der Röhre gehen , welcher zuerst im Süden sich zeigt , erst später a|ich im Norden. Als Saugapparat haben wir uns die durch die Wärme in Südwest -Europa verdünnte Luft zu denken: kältere, schwerere Luft musste gegen die verdünnte einströmen und dieser Nordstrom verbreitete sich begünstigt von dem hohen Luftdruck im Norden, sofern von hier aus längere Zeit Luft nachfliessen konnte, bis Petersburg und vielleicht noch viel weiter nach Nor- den. Ist eine hinreichende Menge Luft nach Süden geschafft, so hört die Ursache des Saugens auf, die Ausgleichung ist hergestellt. Es ist klar, dass die Ausgleichung desto stürmischer ist, je später sie eintritt, weil bei steigender Sonne Wärme und Kälte sich immer näher rücken. Der Rückschlag wird also weni- ger empfindlich sein, wenn er schon im April eintritt: später als Mitte Mai tritt er sehr selten ein und daher kommt es, dass die drei Tage Pankratius, Servaiius und Bonifacius hauptsächlich als gefährliche gelten, IL Dr. D. F. Weinland aus Esslingen sprach über Insel- bildung durch Korallen und Mangro vebüsche im mexi- kanischen Golf. (Hiezu Tafel I.) Während meiner Reise nach Westindien (im Jahre 1857) brachte ich geraume Zeit in einem kleinen Hafenstädtchen auf — 32 — der südwestlichen Landzunge der Insel Haiti zu, — einer Loca- lität, wie geschaffen für den Geologen, Zoologen und Algolo- gen, — von der der Naturforscher nur durch das böse Sumpf- klima , welches das gelbe Fieber erzeugt , wieder vertrieben werden kann. Der Name des Städtchens, Corail, lockte mich hin und ich ward nicht getäuscht. Schon die Pracht einer Landschaft, wie man sie selbst unter den warmen Himmelsstrichen nur selten findet, hätte mich für die beschwerliche Küstenfahrt, die mich von der Stadt Jc^r^mie dahin brachte, entschädigen können. Der herrliche Hafen, der eine Flotte von hundert Linienschiffen beherbergen könnte und in welchem in der That kaum so viele Fischerkähne herbergen , ist nach aussen umgürtet von einem Kranz mit grünem Gebüsch bedeckter Inselchen, verschieden in Grösse, von einer Quadratruthe bis zu mehreren Morgen. Ein Blick auf diese stille, tiefblaue Wasserfläche, die durch Ebbe und Fluth so gut wie nicht gestört wird,* mit dem hellblauen Himmel darüber, mit den Hunderten von Inselchen in der Fern- sicht, ruhigen, grünen Funkten, nach denen das Auge sich immer sehnt, wenn es in's endlose Meer hinausblickt, mit den Fischer- booten da und dort, und dem Städtchen am Land, hinter dem sich unmittelbar das mit Urwald bedeckte Gebirge erhebt , und das Alles im tropischen Licht, mit seinen scharfen Contouren — ein solcher Blick gewährt jedem empfänglichen Gemüthe den un- mittelbarsten , reinsten Naturgenuss. Aber w^elche herrlichen Schätze eröffnen sich hier erst dem geübteren Auge des Naturforschers! Kann er doch hier auf die allerdeutlichste Weise sehen, wie Inseln sich bilden. Eines Tages Fahrt durch jenes Inselmeer war mir mehr werth, als die gelehrteste geologisch-zoologische Abhandlung über Inselbildung und Korallenbau, und so werde ich denn auch im Folgenden keine gelehrten Theorieen vortragen, sondern einfach referiren, was ich gesehen und gedacht, während ich zwischen und auf jenen Oasen des Meeres kampirte. • Bekanntlich beträgt der Unterschied von Ebbe und Fluth im mexika- nischen Golf an der Nordküste der grossen Inseln kaum einen Fuss. — 33 — Wie immer, wo wir eine Insel, ein Land betreten, so macht auch auf diesen kleinen Eilanden des mexikanischen Golfs die Pflanzenwelt den ersten, grossen Eindruck auf uns. Das Thierleben ist verborgen , will erst aufgesucht sein , und sein stilles Wirken entgeht den meisten Reisenden. Die Vegetation nun auf jenen kleinen Inseln besteht — wer sollte es glauben — überall und allerwärts fast ausschUesslich aus einer einzigen Pflanzenart; es ist der Mangrove- oder Leuchter-Baum, Rhizophora Mangle L., ein schöner Baum oder Busch mit dichtem, schon tief unten beginnendem Laubwerk und einer Menge Zweigen, die unter einander wie die Lianen im Urwald ein undurchdringliches Netzwerk bilden. Nähern wir uns einem solchen kleinen Man- grove-Eiland von einem bis zwei Quadratruthen Grösse, so fällt uns sofort auf, dass da noch kein Fussbreit Land ist; der ganze Haufen dieser Mangrovebüsche, die Öfters bis zwanzig Fuss hoch werden, steht mitten im Wasser, und man fragt sich, wie kom- men die Bäume dahin? Ich war so glücklich, in Corail den ganzen Reproductions- und Vegetationsprocess dieser Pflanze an einer Reihe von Hunderten von Exemplaren in allen Entwick- lungsstufen zu verfolgen, und da ich ihn in keiner der mir be- kannten botanischen Handbücher beschrieben finde, so will ich denselben kurz berühren : Der Mangrovebaum , der immer nur am oder im Meere wächst, hat eine vollkommen spindelförmige, ein bis anderthalb Fuss lange Frucht (Fig. 1. A.). Dieselbe ist etwa fingerdick, unten zugespitzt, hat aber doch ihren Schwerpunkt in dem unter- sten Drittheil, indem sie dort am meisten anschwillt. Vermöge dem Standort des Baums fallen von einem Hundert dieser Früchte sicher die Hälfte in's Meer. Ist nun das Meer unter dem Baum seicht, d. h. nicht tiefer, als etwa ein bis anderthalb Fuss, so spickt die Frucht in den Meeresboden , namentlich wenn dieser sandig ist, und damit ist der neue Baum unter Wasser gesäet. Denn diese Frucht hat eine Eigenthümlichkeit, die uns mit Recht mit Staunen erfüllt und die sie eben zum Inselbau unter Wasser geschickt macht, die nämlich, dass der Körper der Frucht selbst unten die Wurzeln und oben die Cotyledonen treibt (Fig. 2), indem Württemb. naturw. Jahreshefte. 1860. Is Heft. 3 — 34 — der Embryo durch die ganze Frucht von oben bis unten reicht. — Aber damit hätte sie ihren Zweck noch nicht erfüllt; das eine Stämmchen im Meere würde vor Wind und Wogen seine auf- rechte Stellung kaum behaupten können und eine Insel könnte es vollends nie bilden. So sendet denn dieses zarte, fingerdicke Mangrovebäumchen, sobald es nur einen halben Fuss über Meer ist (Fig. 3) , eine starke , steife Luftwurzel schräg zum Meeres- boden hinunter, und wenn es höher wird, eine zweite längere, stärkere md so fort (Fig. 3. A. B. C), bis 'am Ende ein Stamm dasteht mitten im Meer, der von zwanzig bis dreissig schiefen Stützen wohl getragen ist. Dieses grosse Sieb um den Baum herum dient nun dazu , Schlamm und alle Arten vegetabilischer und animalischer Reste, die Wind und Wellen dahin treiben, festzuhalten und so allmählig Land über Meer zu bilden , das man denn auch bei grösseren Mangrove - Inseln selten mehr vermisst. Ich habe oben die Voraussetzung gemacht, dass das Meer unter dem Baum, von dem die Frucht fällt, seicht sei; ist es nun aber tief, so wird die Frucht von den Wellen fortgeführt, an's Ufer oder vielleicht an eine ferne Sandbank geworfen werden und kann im letztern Falle einen neuen Mangrovebusch grün- den, vielleicht Hunderte von Meilen vom Mutterbaum entfernt. So viel über diesen merkwürdigen Inselbaum. Aber die Frage , die uns nun bei dem Aufbau einer Insel weiter interes- sirt, ist die: Wie wird der Meeresboden von der Tiefe herauf so hoch gehoben, dass die Mangrovefrucht Wurzel fassen kann,' d. h. bis etwa einen Fuss unter dem Meeresspiegel ? Hier tritt das Thierlebenin seiner vollen Bedeutung auf. Die Kalkskelette oder Schalen der Millionen von Wirbelthieren und Mollusken , vor Allem aber der Strahlthiere und unter diesen wieder der Polypen , die sämmtlich Meeresbewohner sind , nah- men in den verflossenen geologischen Epochen und nehmen auch in der gegenwärtigen einen wesentlichen Antheil an der Erbauung von Inseln und von Continenten. Wir sagen mit Absicht nur „einen wesentlichen", denn so viel als man früher wohl ihnen zuschrieb, bewirken sie nicht. Zwar glaubte der grosse Natur- — 35 — forscher und Reisende Forster, ans Korallenstücken, die er aus ungeheuren Meerestiefen heraufholte, schliessen zu können, dass die Korallen wirklich von solchen Tiefen herauf bis zur Oberfläche bauen ; dies ist aber sicher irrthünilich. Die Unter- suchungen von Darwin und Dana in der Südsee, die von Agassi z in Florida, die von Ehrenberg im rothen Meer und meine eigenen Beobachtungen in Haiti haben bis zur Evidenz gezeigt, dass alle Korallen, die unter sechszehn Faden, d. h, etwa hundert Fuss Meerestiefe gefischt werden, abgerissene und herabgefallene todte Stücke sind, und dass keine heute lebende Korallenart, die beim Inselbau irgendwie in Betracht kommen könnte , tiefer leben kann , als sechszehn Faden. * So hoch also muss der Meeresboden vom Innern der Erde aus ge- hoben sein , wenn eine Korallen-Insel entstehen soll. Wenn wir nun näher auf die inselbauenden Korallen ein- gehen, so sind die Pfeil er- Korallen , die in sechszehn Faden Meerestiefe l^ben können, die Astraeen. Sie allein sind im Stande , kolossale Felsmassen zu bilden , ich habe bei Jeremie in Haiti Exemplare von Astraeen von acht Fuss Durchmesser und sechszehn Fuss Höhe gesehen. — Aber diese Astraeen bauen nun nicht herauf bis zur Meeres-Oberfläche, sondern nur bis etwa sieben Faden (fünfzig Fuss) unter dem Meeresspiegel, dann folgen die Maeandrinen, welche mehr breite, flache Bänke bilden, sie bauen bis etwa zwei Faden unter dem Meeresspiegel, dann werden sie abgelöst von den zerbrechlichen, viel verzweig- ten, meist hirschhornähnlichen Madreporen und den senkrechte Fachwerke bildenden Milleporen. Diese reichen bis unmittelbar unter die Meeres-Oberfläche. lieber die letztere hinaus baut natür- lich keine Koralle, denn die Polypen sterben fast plötzlich, so- bald sie der Luft ausgesetzt sind. Vergegenwärtigen wir uns also einen solchen Korallenthurm, wie er von hundert Fuss Meerestiefe bis zur Oberfläche herauf- strebt , noch einmal , so sehen wir folgendes Baumaterial : • Andere Korallenarten , z. B. die Edelkorallen an der Küste von Algier, werden noch in einer Tiefe von melireren hundert, ja bis neunhundert Füssen gefischt. Siehe G. v. Martens, Italien; II, p. 458. 3* - 36 — Erstens: massige Astraeen von etwa sechszehn Faden bis sieben Faden ; sodann : flache Maeandrinen von sieben bis zwei Faden, endlich Madreporen und Milleporen von zwei Faden bis unmittelbar unter den Meeresspiegel. Die letzteren stark ver- zweigten Korallen aber sind nun äusserst geeignet , allen Sand und Muschelschalen und alle von der Tiefe heraufgeworfenen Korallenstücke und deren Detritus zwischen ihren zackigen Gabeln und Fächern festzuhalten , und so bildet sich am Ende eine Saribank, auf der die Mangrove - Frucht Wurzel fassen kann, und damit, ist der Grund gelegt zur Terra firma mit all der Herrlichkeit, die hier in Luft und Licht sich entwickeln soll. Wenn dieser bestimmte Hergang , namentlich in Beziehung auf den Mangrovebaum , auch nur auf den mexikanischen Golf beschränkt bleibt, wo sicher in jedem Jahrtausend Hunderte von kleinen Mangrove-Inseln den Küsten der grossen Inseln und des amerikanischen Continents entlang entstehen, so ist doch zu ver- muthen und aus den Darstellungen anderer Reisenden ersichtlich, dass der Hergang auch in andern tropischen Meeren ein ähnlicher ist, und wir dürfen wohl uns darnach einen Begriff machen, wie etwa und welche unserer fossilen Korallenarten in geologischen Zeiten die damaligen Inseln und Continente aufrichten halfen. — Wir haben bis hieher öfters vom Bauen der Korallen ge- sprochen und unsere Leser mögen sich dabei namentlich die Frage aufgeworfen haben , wie die Korallen sich an beliebigen Orten ansetzen können , wo zuvor weit und breit keine waren. Dies führt uns auf eine kurze Betrachtung über das Thier der Korallen, d. h. den Korallenpolypen, und vor Allem über dessen embryologische Entwicklung. Eine genauere Kenntniss der Thiere der verschiedenen Koral- lenarten ist bekanntlich seit langer Zeit eines der grössten Desi- derata der Zoologie. Dies hat seine natürlichen Gründe. Bei weitem die meisten Korallen nämlich leben in tropischen Meeren, in den europäischen lebt nicht eine einzige Art, die als Insel- bauer in Betracht kommen könnte. Dies könnte uns auch einen Wink geben über die Temperatur der Meere, in denen sich unser jurassischer Korallenkalk gebildet hat. So konnten also nur - 37 — reisende Naturforscher uns Auskunft bringen; allein diese war bis jetzt von geringer Bedeutung. Weltumsegelnde Reisende halten sich in der Regel zu kurze Zeit an einem Orte auf, als dass sie so schwierige und zeitraubende Untersuchungen , wie die über Korallenpolypen sind, anstellen könnten. Mit Ausnahme Darwin's, Dana's und Ehrenberg's, die, jene in der Südsee, dieser im rothen Meer, sehi' schöne Untersuchungen gemacht haben , brachten sie immer nur jene kuriosen Steinmassen zurück, die uns in allen Museen hiero- glyphisch ansehen. Freilich es ist leichter, Korallen zu packen, als halbe Tage lang in einem tropischen Klima am Mikroskop zu warten, bis das scheue Thierchen beliebt, seine Tentakel aus- zustrecken, oder bis es gelingt, eines derselben so zu anatomiren, dass man über seine Struktur, seine Fortpflanzungs-Organe u. s. f. in's Klare kommt. Ich war hauptsächlich der Korallen wegen nach Haiti gereist und war entschlossen, die Insel nicht eher zu verlassen , bis ich einen genügenden Einblick in die Natur der- selben mir verschafft hätte. Dazu hatte ich nun auch in Corail treffliche Gelegenheit. Nicht nur gibt es dort ausgedehnte Koral- lenriffe , meist aus Astraeen bestehend , sondern es ist nament- lich auch der Boden der stillen Lagunen zwischen jenen aussen liegenden Riffen und dem Hauptland der Insel auf morgengrosse Strecken hin buchstäblich bedeckt mit kleinen Astraeen , Sider- Astraeen, Poriten, Manicinen, Madreporen, Milleporen und Gor- gonien. Aber der Aufenthalt in Corail war in anderer Beziehung nicht der angenehmste. Wo der Mangrove wächst, soll kein Euro- päer leben , sagt der Haitianer ; doch ich verliess mich auf ein anderes Dictum dieses Volks, dass nämlich der Europäer von dem gelben Fieber nicht leicht mehr als einmal in einem Sommer er- griffen werde ; nun hatte ich es schon durchgemacht, ehe ich nach Corail ging, ich vertraute dem Freibrief, den ich dadurch be- kommen, und bin jetzt froh darüber. Der Bau der Polypen im Allgemeinen ist in unsern zoolo- gischen Handbüchern richtig angegeben, nur des Zusammenhangs wegen sei er hier kurz berührt, und ich habe in Fig. 4 einen solchen Polypen skizzirt. Man denke sich einen Becher, der . - 38 - oben an seinem Rand einen Kranz von wurmfÖrmigen Anhängen, Tentakeln (Fig. 4. B.) genannt, trägt, der Boden des Bechers wäre die Fussscheibe des Polypen (Fig. 4. A.) , womit er sich festsaugen kann. Dieser becherförmige Körper ist aber oben nicht ganz offen , sondern durch eine Scheibe geschlossen , die eine längliche Spalte, den Mund, in der Mitte hat; ferner hat der Becher im Innern keine einfache Höhle, sondern er ist durch parallele, verticale Scheidewände in Kammern getheilt, die z. B. bei der Gattung Anthea durch Einkerbungen des oberen Randes angedeutet sind. Die Consistenz des 'ganzen Thiers ist eine fleischige, sehr contractile Masse, so zwar, dass sich z. B. eine Anthea gigantea, eine bis jetzt unbeschriebene Riesenactinie von zwei Fuss Kronendurchmesser, die ich in der Nähe von Corail entdeckte und die in Fig. 4 skizzirt ist, auf ein Halb- kügvdchen von zwei Zoll Durchmesser zusammenziehen kann. — Solcher Polypen nun gibt es zweierlei , skelettlose oder nackte, und Skelett- oder Korallenpolypen, üebrigens ist dieser Unter- schied mehr von geologischer, als von zoologischer Bedeutung; er besteht nur darin, dass bei den Korallenpolypen die genannten Verticalplatten im Innern und namentlich die Fussscheibe Kalk absondern, bei den andern nicht. Zudem findet man alle Ueber- gänge und namentlich lebten in den früheren Perioden unserer Erde viele Arten solcher Korallenpolypen , bei denen nur die Fussscheibe Kalk absonderte. Ich habe in Haiti nackte, in Ge- sellschaft lebende Polypen , d. h. Aktinien gefunden , die mit dortigen Korallenpolypen in Bezug auf die Struktur der Weich- theile in Ein Genus gehörten , und es ist unsere Ueberzeugung, dass so noch viele Gattungen der nackten Polypen , oder Akti- nien, von denen wir in der Zoologie drei Familien mit fast dreissig Gattungen zählen , zu Gattungen von Korallenpolypen gehören, mit andern Worten, dass die bisherige Haupt- eintheilung in nackte und Korallenpolypen in zoologischer Beziehung verfehlt ist. Aber wie ent- stehen nun, das ist die Frage, diese ungeheuren Korallen- kolonien, namentlich die Asträen, die als Inselbauer von so grosser geographischer Bedeutung sind. Hier kommt die Em- - 39 — bryologie der Korallenpolypen in's Spiel, die ich eben auch in Corail sehr hübsch an zwei Arten verfolgen konnte. Entlang den vertikalen inneren Scheidewänden nämlich sitzen beim reifen Korallenpolypen abwechselnd Eierstöcke und Testikel. Aus den Eiern, deren jedes Individuum Millionen producirt, schlüpfen' solange dieselben noch am Mutterorgan haften, Embryonen aus, die mit dem Mutterthier keine Spur von Aehnlichkeit haben. Es sind mikroskopische, über und über bewimperte Kügelchen, die eben vermöge ihrer Wimpern wie Infusorien lustig , oft zu Tau- senden, in dem Innern der Mutter, d. h. ihrem Magen und selbst in die Tentakel hinein schwimmen. Nach einiger Zeit verlassen sie die Mutter und zwar durch die einzige Oeffnung, die sich an derselben vorfindet, — den Mund; das ist die Geburt der Koral- lenpolypen. So schwärmen denn in der Fortpflanzungszeit, welche aber für verschiedene Arten eine verschiedene ist, Myriaden dieser mikroskopischen Embryonen in der Nähe der Mutterstöcke und an den Uferfelsen umher; Millionen werden wohl oft durch eine Welle in's Meer hinausgerissen und sind verloren; eine andere Welle wirft Millionen auf's trockene Land; Millionen mögen sich an Orten festsetzen , wo sie nie wachsen können , da jeder Art, wie wir oben sahen , ihre bestimmte Meerestiefe angewiesen ist, — aber wenn nur Einer von einer Million eine seinem Wachsthum entsprechende Lokalität findet, so hat die Natur ihren Zweck, die Fortpflanzung der Art, erreicht, und wenn dieser Eine an einem Ort sich festsetzte , wo vorher kein Korallenstock war, vielleicht hunderte von Meilen vom Mutterstock entfernt, so hat er (wie ähnlich oben die fortgeschwemmte Mangrovefrucht) den Grund zu einem neuen Korallenfelsen gelegt, der vielleicht nach einigen tausend Jahren als Insel über der Meeresoberfläche erscheint. Jene Embryonen nämlich saugen sich, sobald sie irgendwo einen festen Punkt vorfinden, daran an. Ein Instinkt, der sie gerade an die ihnen günstigen Plätze führen würde, ist nicht wohl an- zunehmen ; desshalb eben producirt die Natur solche Massen, dass vermöge einer einfachen Wahrscheinlichkeitsrechnung noth- wendig der Eine oder der Andere am rechten Ort sich anheftet. Ich fand einmal die Wände eines Glaskübels, in welchem ich die — 40 — Korallen zu beobachten pflegte, eines Morgens ganz mit einem feinen Ueberzug bedeckt und bei näherer Untersuchung ergab es sich, dass derselbe ganz aus Embryonen von Pontes bestand, von welcher Korallenart ich Abends zuvor ein Stück in den Kübel gelegt hatte. — Die Stelle, womit sich der Embryo fest- gesaugt hat, wird der Fuss; bald sprossen oben am entgegen- gesetzten Ende sechs Knötchen heraus, dies sind die ersten Ten- takel. Doch sind die Formen des Thierchens noch sehr variabel und ist dasselbe noch ausserordentlich beweglich. Ich sah es öfters in diesem Zustande auf der Seite sich fortwälzen oder kriechen wie eine Schnecke. Das Wachsthum geht nun aber sehr schnell vor sich und ebenso schnell, wie es scheint, die Vermehrung, obgleich ich diese nie an einem von mir selbst erzogenen Korallenpolypen beobachten konnte. Dagegen habe ich noch ganz jugendliche schon voll Eier gefunden. Die Ver- mehrung geschieht durch Eier allein , wenn es eine Einzelkoralle, z. B. eine Fungia ist, durch Eier und durch Theilung oder Sprossung aber, wenn es eine Gesellschaftskoralle ist. Jene kolossalen Astraeenfelsen , von denen ich oben gesprochen , sind jeder von einem einzigen Embryo hergekommen und zwar nur durch Hervorsprossen neuer kleiner Individuen zwischen den Alten. Dadurch bekommen diese Felsen immer eine konische Form und stürzen dann wohl auch leicht über. Der Stock lebt am Ende nur noch an der Oberfläche und die unteren Partieen, die vielleicht vor Hunderten von Jahren entstanden und gelebt, sind jetzt nur noch die todten Fundamente für das obere herr- liche Leben. Die Madreporen-Colonieen, die beim Inselbau kaum weniger wichtig sind, entstehen einfach durch Seitensprossung. Schwieriger sind die Maeandrinenkolonieen zu erklären , die namentlich in der jetzigen Epoche, aber auch schon im Tertiär- gebirge und in der Kreide zahlreich vertreten sind und grosse Bänke bilden. Ich will nur kurz erwähnen, dass hier die schöne Manicina areolata als Typus dienen und den complicirteren Formen, wie z. B. der kolossalen Maeandrina cerebriformis zur Erklärung dienen kann. An einer Reihe von Exemplaren von den verschiedenen Altersstufen jener Manicina nämlich, die in - 41 - Corail ausserordentlich häufig ist, kann man sich leicht über- zeugen, dass die verwickelte Form der erwachsenen, handgrossen Manicina einfach durch fortgesetzte Einfaltung des Randes aus der ursprünglichen, allen jungen Polypen gemeinsamen Kreisform hervorgegangen ist, so zwar, dass jetzt anstatt des ursprünglichen einfachen Mundes entlang den Rinnen der Koralle viele Mund- öffnungen sich finden, die auf eine Tendenz zur Bildung einer Mehrzahl von Individuen hinweisen, während auf der andern Seite wieder der Nahrungskanal und die den Gräten entlang verlaufenden Tentakelreihen dem ganzen Korallenstock gemein- schaftlich angehören. Aehnlich verhält es sich bei der genannten Maeandrina cerebriformis. Doch wir haben vielleicht schon zu lange bei diesen zoolo- gischen Betrachtungen verweilt, daher sei nur noch Ein geologisch wichtiger Punkt erwähnt, nämlich die Chronologie der Koral- lenstöcke, d. h. ihre Alters- und Wachsthumsverhältnisse. Nach den Untersuchungen der bedeutendsten , schon oben genannten Naturforscher, die über Korallen Studien gemacht haben , war man überein gekommen , das Wachsthum der Riff- und Insel -bauenden Stöcke nur etwa auf ein bis zwei Fusse in hundert Jahren zu berechnen. Noch während meiner Anwesen- heit in Nord-Amerika aber brachte der unermüdliche Zoolog und Geolog Agassiz von Florida Resultate mit, die ein viel lang- sameres Wachsthum beweisen würden, nämlich nur einige Zolle in Einem Jahrhundert. Seine Berechnung beruhte wesentlich auf jungen Korallenstöcken , die sich auf Backsteinstücken angesetzt hatten, welche von einer auf einer Insel erbauten Festung der Nord- Amerikaner in Florida herrührten und von denen man genau das Jahr wusste , wann sie in's Meer geworfen worden waren. (Wenn ich micli recht erinnere, wurde die ganze Festung durch einen Orkan oder eine Sturmfluth in's Meer gestürzt.) Agassiz berechnete daraus das Alter eines einzigen Riffs oder einer Insel, die von zwölf Faden Meerestiefe bis an die Ober- fläche heraufgebaut wäre, auf 25,000 Jahre und darnach das Alter der vier concentrischen halbkreisförmigen Korallenriffe, die — 42 — — sämmtlich ans heute noch lebenden Arten bestehend — die Siidspitze von Florida umgeben und bilden, auf 100,000 Jahre. * Die Korallenarten, die den obigen Beobachtungen und Be- rechnungen zu Grunde liegen, waren, so viel ich weiss, Maean- drinen. Diese und die Astraeen sind die solidesten , sie haben das kalkreichste Skelet und es war zu vermuthen, dass sie lang- samer bauen, als die porösen und vielverzweigten Arten, wie die Madreporen. Desshalb eben aber war es auch gewagt, von jenen Maeandrinen aus auf das ganze Riff, die ganze Korallen-Insel und namentlich auch auf das Wachsthum der Madreporen zu schliessen. Ich bin im Stande, gerade in Beziehung auf die Madreporen eine Beobachtung mitzutheilen , die ein bedeutendes Licht auf deren Wachsthum wirft, das die Zahlen von Agassiz nicht un- bedeutend verändert. In der oben genannten Bucht von Corail und zwar zwischen diesem Städtchen und der schönen , aber nach kaiserlichem Gebot unbewohnten Insel Caymites sah ich häufig Zweige der grossen Madrepora alcicornis oft mehrere (drei bis fünf) Zolle über dem Meeresspiegel hervorragen. Diese Zweige über Wasser waren natürlich todt, denn wie wir wissen, sterben die Korallenpolypen bald, wenn sie der Luft ausgesetzt sind-, aber der ganze übrige Korallenstock — soweit unter Wasser befindlich — war voll Leben. Gestört, durch Schiffe umgeworfen oder dergleichen waren diese Stöcke nicht, sie sassen fest auf ihrem ursprünglichen Stand- ort. Es waren also jene Zweige nicht durch äussere Gewalt der Luft ausgesetzt worden. Diese Beobachtung machte ich im Monat Juni. Selbstverständlich beschäftigte mich nun lebhaft die Frage: Wann sind diese, jetzt über Wasser stehenden Korallenzweige gewachsen? Diese wichtige Frage glaube ich nun durch folgende Be- trachtung beantworten zu können: Während der drei Winter -Monate December, Januar und Februar weht an der ganzen Nordküste von Haiti, an der auch Corail liegt, ein constanter, sehr heftiger Nordwind, der den Meeresspiegel, während der genannten Jahreszeit, entlang der • So weit ginge also nach Agassiz zum mindesten die Entstehung der heutigen Thierwelt zurück. — 43 - ganzen Nordküste der Insel immer um fünf bis acht Fiisse höher hält, als dies in den andern Jahreszeiten und namentlich im Sommer der Fall ist. — Nur in diesen Monaten können jene dünnen Zweigchen, die im Juni über Wasser standen, gewachsen sein. Dies beweist nothwendig für die Madreporen (also für die zwei obersten Faden der Korallen- Insel oder des Korallen -Riffs) ein viel schnelleres Wachsthum, als es mein verehrter Freund Agassi z so scharfsinnig für die Maeandrinen berechnet hat. Wenn Astraeen und Maeandrinen nur drei Zolle im Jahrhundert bauen, folglich um von zwölf zu zwei Faden Meerestiefe herauf zu kommen , 20,000 Jahre bedürfen, so könnten nach meiner Rechnung die Madreporen, die noch die zwei letzten Faden bis an die Oberfläche zu bauen haben, zu diesem ganzen Bau nur noch ein einziges Jahrzehnt nöthig haben. Aber es kommen hier so viele Zufälle in's Spiel, dass man nur annähernd von bestimmten Zahlen sprechen kann, und es sind noch viele Beobachtungen, ja es wären, wie L. Agassiz es im Sinn hat, systematisch wiederholte periodische Messungen nöthig, um über diese interessante Frage auch nur einigermassen in's Klare zu kommen. Ich habe mir erlaubt, hier in dem continentalen Württem- berg, in einem Verein für vaterländische Naturkunde über Korallen und Inselbildung im fernen atlantischen Ocean zu sprechen ; allein die Geologen wenigstens werden mich wohl entschuldigen. Sie wissen, dass wir dort in den tropischen Meeren die erklärenden Analoga für all die mannigfaltigen Thierformen suchen müssen, die in unseren württembergischen Kalkgebirgen versteinert liegen. Wie oft, wenn ich dort am Strande von Haiti herumwanderte, auf den modernen — überall durchlöcherten. Höhlen einschlies- senden — Meerkalkfelsen von Thierarten gebildet, die heute noch daneben im Meere leben , oder wenn ich die lebenden Cidariten aus den Löchern des Ufergesteins herausschlug, erinnerte ich mich an meine Heimath, die rauhe Alp, an den Coralrag von Hohen- wittlingen, der jenen Meeresbildungen von heute so sehr gleicht, dass nur die organischen Einschlüsse mir den grossen Zeitunter- - 44 — schied in's Gedächtniss zurückriefen. — Dort in Haiti kann man sehen, wie ein Corah*ag, ein Solenhofer Schiefer entsteht, langsam durch Jahrtausende wächst. Erklärung der Tafel I. Fig. 1. Rhizophora Mangle Linne. Ein Zweigchen mit einer Frucht, fünfmal verkleinert. A. Der Körper der spindelförmigen Frucht. B. Kelch, aus dem die Frucht herausfällt, wenn sie reif ist. C. Querdurchschnitt durch Kelch und Frucht bei c. D. Querdurchschnitt durch Kelch und Frucht bei d. Fig. 2. Rhizophora Mangle L. Eine keimende Frucht. A. Der Körper der Frucht, wie in Fig. 1. A. B. Die erste Blattknospe. C. Die "Wurzeln unten an der Frucht herTorkommend. Fig. 3. Rhizophora Mangle L. A. Ein zwei Fuss hohes Bäumchen. B. Ein drei Fuss hohes Bäumchen. C. Ein Tier Fuss hohes Bäumcheu. Fig. 4. Anthea gigantea Weinland. A. Fussscheibe. B. Tentakel. (Der Polyp ist schön dunkelroth , mit braunen , rothgeköpften Armen. Nachher fand ich eine mit blauen Fühlerköpfchen , und endlich noch eine mit dunkelgrünen Armen und hellgrünen Köpfchen. Der Kronendurchmesser dieser Anemone beträgt zwei Fuss. — Ich fischte sie bei Corail in drei Faden (18 Fuss) Meerestiefe.) III. Bergrath v. Schübler berichtete über die Ergebnisse der Bohrarbeiten auf Steinkohlen in Württemberg. lieber die Wahrscheinlichkeit , in Württemberg Steinkohlen zu entdecken , ist in unserer ersten Jahresversammlung im Jahr 1845 von unserem verehrten Mitgliede Hrn. Prof. Quenstedt ein Vortrag gehalten worden , welcher durch die mit der leb- haftesten Entschiedenheit ausgesprochene Ueberzeugung, dass in der Tiefe unserer Flötzgebirge Steinkohlen zu erwarten seien und dass man zehn gegen eins für das Vorhandensein setzen könne, allgemeines Interesse erregt und zu neuen Bohrversuchen Auf- Wurttt), natiirATso: Jahreshefte 5'I.Ja}ire.lfi60. l'af.I J). WdvilandcM,. ad. riat. 1 all .V. LÄd/?iv: . HUtüuirt. — 45 — munterung gegeben hat. Die Schwierigkeit blieb immer, die Punkte zu bestimmen, wo diese aufgesucht werden sollen. Eine zu diesem Zweck im Jahr 1846 von dem K. Finanz- ministerium berufene Commission von Sachverständigen sprach sich für die Vornahme an drei Punkten aus, nämlich am obern Neckar zwischen Sulz und Schramberg, am untern Neckar in der Gegend des Enzthals und am Kocher bei Niedernhall. Die Vorbereitungen zu diesen auf bedeutende Tiefe vorzu- nehmenden Bohrarbeiten und die Anlernung der nöthigen Tech- niker für die verbesserte Bohrmethode des Ingenieurs Kind verzögerten die Arbeiten, bis die Nothstände des Jahrs 1848 einen Aufschub auf mehrere Jahre geboten. Indessen war die preussische Regierung nach Uebernahme der Fürstenthümer Hohenzollern veranlasst worden, einen Bohrversuch auf Stein- kohlen am obern Neckar bei Dettingen vorzunehmen, welcher im Jahr 1854 begonnen wurde und mit manchen Unterbrechun- gen bis auf die Tiefe von 1900 Fuss niedergebracht worden ist. Derselbe ist seit Jahresfrist nicht vorgeschritten, soll aber nach der nothwendigen Verwahrung gegen Einsturz noch weiter fort- gesetzt werden. Nach den Angaben der dortigen Bergbeamten soll daselbst das Bohrloch bei 4 — 500 Fuss den bunten Sandstein durch- sunken haben und die von da an bis auf die Tiefe von 1900 Fuss durchbohrten Schichten werden als Rothliegendes angesprochen. In Württemberg wurde im Jahr 1855 ein Punkt bei Dürr- menz bestimmt, wo nach Durchbohrung von 339 Fuss im Muschel- kalk der bunte Sandstein erbohrt wurde und die herausgeförderten Proben von Bohrmehl und von Bohrzapfen zweifelhaft Hessen, ob der bunte Sandstein bei der nach sonstigen Erfahrungen zu 800 bis 1000 Fuss angenommenen Mächtigkeit durchsunken sei, oder ob die bis zur Tiefe von 1849 Fuss durchsunkenen Schichten von Sandstein und Thon zum Theil dem Rothliegenden zuge- theilt werden sollen. Indessen war im Jahr 1857 bei Ingelfingen ein zweiter Bohr- versuch mit Anwendung von Dampfkraft begonnen worden, wel- cher Gelegenheit gab, die bei den bisherigen Arbeiten übrig bleibenden Zweifel zu lösen. — 46 — Der Bohrversuch wurde im bunten Sandstein angesetzt und in abwechsehiden Schichten von Sandstein und Thon bis zur Tiefe von 1418 Fuss fortgesetzt, hier wurde ein graulichschwarzer Schieferthon von 18 Fuss Mächtigkeit erbohrt und unerwartet in einen sehr festen Kalk eingeschlagen. Die ausgehobenen Muster von Bohrmehl und Bohrzapfen zeigten einen dolomitischen Kalk, welcher sich auch nach den eingeschlossenen , wiewohl ziemlich undeutlichen Petrefakten als Zechstein zu erkennen gab. Einzelne Gypsschnüre Hessen der Vermuthung Raum, dass die Gyps- und Steinsalzformation des Zechsteins hier zu erwarten sein dürfte, welche bei unserm Salzreichthum keineswegs zu wün- schenden Lagerverhältnisse sich bis jetzt jedoch nicht eingestellt haben. Der Zechstein "hat eine Mächtigkeit von 80 Fuss gezeigt und nach dessen Durchbohrung hat sich die sehr freundliche Er- scheinung ergeben , dass ein weisser grobkörniger Sandstein er- bohrt wurde, welcher die Hoffnung zu Auffindung des Stein- kohlengebirges neu beleben muss. Bis zum 15. Juni war dieser Sandstein auf 23 Fuss Mächtigkeit verfolgt worden. Ueber die näheren Ergebnisse der beiden Bohrversuche geben die von Herrn Bergrath X eil er mitgetheilten Auszüge aus den Bohr- registern und die von Herrn Prof. F r a a s gezeichneten Profile ausführliche Nachweisung. Von grosser Wichtigkeit ist die neuerdings bei Dürrmenz gemachte Erfahrung, dass auch hier der Zechstein sich von ganz gleicher Beschaffenheit findet und dass die Mächtigkeit des bunten Sandsteins an beiden Punkten sich ziemlich gleich verhält, indem derselbe bei Dürrmenz 1558 Fuss, bei Ingelfingen 1401 Fuss mächtig gefunden worden ist. Diese Uebereinstimmung lässt darauf schliessen, dass die Regelmässigkeit der Schichtenfolge, welche Württemberg auszeichnet, auch in den bisher unbekannten tiefern Flötzschichten der zwischen dem Schwarzwald, dem Oden- wald und dem Thüringer Wald eingeschlossenen grossen Mulde sich finden wird , was jedoch für die Auffindung der Steinkohle theils Vortheile , theils Nachtheile erwarten lässt Würden die zwischen dem Zechstein und dem altern Stein- kohlengebirge an andern Orten beobachteten altern Flötzschichten — 47 -- in gleichförmiger Lagerung sich in unserer Mulde finden, so ist nicht unwahrscheinlich, dass die Ablagerungen des Rothliegenden und des Kohlensandsteins eine Mächtigkeit von 1000 bis 1500 Fuss erreichen dürften yncl der Bohrversuch bei Ingelfingen bis zu einer Tiefe von 2500 bis 3000 Fuss fortgesetzt werden müsste, was, abgesehen von den künftigen Schwierigkeiten der Schachtförde- rung, für das Bohrgeschäft selbst die zulässige Tiefe überstei- gen könnte. Die Hoffnung des Gelingens wird dagegen gehoben, wenn das unter den regelmässig gelagerten Schichten des Zechsteins und des bunten Sandsteins zu vermuthende Steinkohlengebirge dieselbe Unregelmässigkeit durch Mulden und Sättel zeigt, welche wir in andern Gegenden kennen und welche besonders die geognostische Karte von Dechen über das Steinkohlengebirge an der Ruhr augenscheinlich macht. Sind die Jüngern, sehr regelmässig horizontal gelagerten Flötzschichten auf einen durch die Faltenbildung des altern Stein- kohlengebirges und durch Rücken gestörten Untergrund gelagert, so würde die Erreichung des Steinkohlengebirges wesentlich er- leichtert, wenn mit dem niederzntreibenden Bohrloch ein Sattel und nicht eine Mulde getroffen würde, und der Fall ist recht wohl gedenkbar, dass ein solcher Sattel bis in die Jüngern, nicht gehobenen Flötzschichten hereinragt. Die Mächtigkeit des Zechsteins von 80 Fuss stimmt mit der Mächtigkeit desselben an mehreren Orten Norddeutschlands über- ein. Spuren des Kupferschieferflötzes sind aber nicht gefunden worden und es ist daher zweifelhaft, ob der fragliche Sandstein als Weissliegendes angesprochen werden kann , oder ob wir den- selben als einen Sattel des Kohlengebirges ansehen dürfen. Jedenfalls ist der durch den Bohrversuch bei Ingelfingen erzielte Aufschluss für die Erforschung der Lagerungsverhältnisse Württembergs von dem höchsten Interesse, da wir dadurch nicht nur die bis jezt nicht erschlossene Formation des Zechsteins, sondern auch eine von den Verhältnissen des RothUegenden am Schwarzwalde wesentlich verschiedene Sandsteinformation aufge- funden haben, welche die Gewissheit gibt, dass der Granit des - 48 - Schwarzwaldes und des Odenwaldes, welcher an den Rändern der Mulde von dem bunten Sandstein m der Regel unmittelbar überlagert ist und nur an einigen Stellen das Rothliegende und Spuren des Steinkohlengebirges zeigt, in den von dem Rande entfernteren Stellen mit Flötzschichten bedeckt ist, welche sich am Rande nicht zeigen. Wichtig ist dabei, dass bei Dürrmenz auf einer Entfernung von acht Poststunden von dem Granit des Wildbades und bei Ingelfingen auf einer Entfernung von etwa 16 Poststunden von dem Granit «^ es Odenwaldes die Mächtig- keit des bunten Sandsteins sich ziemlich gleich verhält, und auf eine Entfernung von 20 Stunden von Dürrmenz nach Ingelfingen in nordöstlicher Richtung die Mächtigkeit des bunten Sandsleins von 1558 auf 1401 Fuss sich vermindert. Diese Gleichförmig- keit der Flötzlager lässt auf eine Uebereinstimmung in den Ver- hältnissen schliessen, unter welchen sich das jüngere Flötzgebilde des bunten Sandsteins in dem Meere, dessen Untergrund die altern Flötzschichten bildeten, abgelagert hat. Aus einer Vergleichung der Formationsgrenzen mit dem gegenwärtigen Meeres -Niveau ergibt sich, dass die obere und die untere Grenze des bunten Sandsteins bei Ingelfingen höher liegen, als bei Dürrmenz. Bei Dürrmenz liegt die obere Grenze des bunten Sandsteins 524 Fuss württemb. über dem Meer, bei Ingelfingen 740 Fuss, die untere Grenze des bunten Sandsteins ist aber bei Dürrmenz 1033 Fuss unter dem Meer, bei Ingelfingen 696 Fuss unter demselben. Es lässt sich hieraus schliessen, dass sich unsere Mulde gegen Norden mit der P^rweiterung auch verflacht und die altern Flötz- schichten sollten ungeachtet der grössern Entfernung von dem Urgebirge eine geringere Mächtigkeit ^egen Norden zeigen, was das ßohrgeschäft erleichtern würde. Mit diesem Verhalten der altern unter dem bunten Sandstein gelagerten Flötzschichten in den Kochergegenden würde das Ver- halten derselben am obern Neckar bei Dettingen nicht im Wider- spruch stehen, wenn daselbst auch nach der Annahme der preus- sischen Bergbeamten das Rothliegende unmittelbar unter dem bunten Sandstein gelagert sein sollte. Nachdem bei Dettingen in verschie- denen Schichten von Sandstein und Thon von grösstentheils rother - 49 - Färbung eine Tiefe von 1900 bis 2000 Fuss ersunken wurde, ist es wohl anzunehmen, dass daselbst der bunte Sandstein, welcher am untern Neckar eine Mächtigkeit von 1400 bis 1500 Fuss ge- zeigt hat, durchbohrt ist, und die frühern Bohrversuche bei Schrara- berg und Buhlbach machen es nicht unwahrscheinHch , dass hier auch das Rothliegende unmittelbar auf den Porphyr und Granit aufgelagert sein könnte. Wird berücksichtigt, dass die weiter süd- lich gelegenen Gebirge des Schwarzwaldes und der Schweiz die Steinkohlen-Ablagerungen nirgends zeigen, während diese in nörd- licher Richtung am Saume des Thüringer Waldes und in west- licher Richtung in den Saargegenden in mächtigen Ablagerungen sich finden, so scheint die Erforschung der nördlich gelegenen FiÖtzformationen besondere Beachtung zu verdienen und die Hoffnung, die Steinkohlen in erreichbarer Tiefe aufzuschliessen, neue Unterstützung zu gewinnen. Dabei dürfen wir uns nicht verhehlen, dass unser Bergsegen ein ausserordentlich glücklicher genannt werden müsste, wenn so- gleich die ersten in der grossen Mulde vorgenommenen Bohrver- suche die Steinkohle in bauwürdiger Mächtigkeit und Tiefe auf- schliessen würden , und dass der grosse Zweck auch noch die Vervielfältigung der Bohrarbeiten rechtfertigen wird. Einer bei dem Bohrversuch bei Ingelfingen beobachteten Er- scheinung glaube ich noch erwähnen zu sollen , nämlich der da- selbst in verschiedenen Schichten des bunten Sandsteins und des Zechsteins ausströmenden Kohlensäure, Wie bei den frühern Bohrversuchen bei Niedernhall haben sich im bunten Sandstein schwache Soolen gezeigt und wie in der Generalversammlung vom Jahr 1856 für die Erscheinungen bei Haigerloch und Berg- felden von mir entwickelt wurde, ist auch hier anzunehmen, dass diese nicht aus unbekannter Tiefe des sehr fest geschlossenen Gebirges, sondern aus einzelnen Flötzschichten ausströmen. Auch hier können die aus den Feldspathen gebildeten Thone kiesel- saure Salze abgeben und aus den verschiedenen Verbindungen von Kalkerde, Bittererdc und Thonerde mit Schwefelsäure, Koh- lensäure, Salzsäure und Kieselsäure werden die leichtlöslichen Salze und unter diesen die Bicarbonate von Kalkerde und ßitter- Württemb. aaturw. JabresUefte. 1860. Is Heft. 4 - 50 - erde in der Auflösung und die schwerlöslichen Silikate in den Niederschlägen sich zeigen , wobei die kieselsaure Thonerde als die schwerlöslichste Verbindung aus den leichtlöslichsten Bisili- katen des Kahs und des Natrons sich niederschlagen sollte. IV. W. Neubert sprach über die Fähigkeit der Pflanzen- wurzel, feste oder gebundene Stoffe aufzulösen. Es wurde schon vielfach darüber gestritten, ob die Pflanzeu- wurzel üTiS der Erde nur die zur Ernährung der Pflanze nothwen- digen Stoff'e aufnehme, oder ob sie auch umgearbeitete oder der Pflanze entbehrliche Stoffe wieder ausscheide? — Das Für und Gegen beider Ansichten fand schon die scharfsinnigsten Verthei- diger, allein immer noch fehlt ein definitiver Entscheid. Einen solchen zu liefern, kann nie meine Absicht sein, indem meine schwachen Kräfte weit hinter denen der anerkanntesten Männer vom Fache zurückstehen, aber ebensowenig möchte ich in einer Gesellschaft von Freunden der Naturkunde Fakta verschweigen, welche dazu beitragen können , der Sache etwas näher zu rücken. Es handelt sich vorerst nicht darum, den Beweis zu liefern, dass die Wurzel entbehrliche Stoffe ausscheide, dass sie gleich- sam excernire, sondern lediglich nur, dass sie ebensowohl zu Ausschwitzungen befähigt ist, wie zu Einsaugungen. — Den ersten Fingerzeig in dieser Beziehung gab Lieb ig, welcher durch Experimente fand, dass Kali, Ammoniak- und Phosphor- salze in der Erde so zersetzt werden , dass Kali , Ammoniak und Phosphorsäure gebunden bleiben und durch Wasser auf gewöhn- lichem Wege nicht mehr löslich sind. Da nun erwiesen ist, dass die Pflanze solche Stoffe aus der Erde aufnimmt, so muss noth- wendig die Frage entstehen: wie geht es zu, dass sie dieselben aufnehmen kann , wenn sie im Wasser nicht löslich sind ? — Die bis jetzt beobachteten Erscheinungen können zu der Annahme berechtigen, dass die Wurzel an ihrer Spitze eine Säure (wahr- scheinlich Kohlensäure) ausscheide, welche die Lösung der ge- bundenen Stofl'e bewerkstelligt und sie zur Aufnahme in die Pflanze taughch macht. Einen besonderen Halt gewinnt diese Ansicht durch die Beobachtung, dass Steine so von Wurzeln - 51 — angegriffen werden , dass man vertiefte Linien ganz sichtbar an denselben veij^olgen kann , welche von den an sie angeschlosse- nen Wurzeln gleichsam eingefressen sind. Eine mechanische Ein- wirkung der äusserst zart beschaffenen Wurzelspitze auf harte Steinmassc ist eine Unmöglichkeit, weil keine Friction stattfindet, es muss also wohl auf chemischem Wege geschehen, und hiezu muss ofienbar die Wurzclspitze selbst den nöthigen Stoff liefern. Für die Pflanzenkultur ist diese Entdeckung von höchster Wichtigkeit, denn sie zeigt uns deutlich, dass Stoffe, welche in reinem Zustande in Wasser sehr leicht löslich sind, bei der Ver- mischung mit Erde von dieser gebunden werden und in dieser mittelst Wasser nicht mehr löslich sind, also in ihr aufbewahrt bleiben, bis die Pflanze, welche sie zu ihrer Nahrung bedarf, die Lösung selbst bewirkt. Sie zeigt uns auch, dass Regen und üeberschwcmmungen diese Stoflfe der Eide nicht entführen kön- nen, sondern dass im Gegentheile die Erde aus dem ihr zuge- führten Wasser Stoffe aufnimmt und festhält, also an Stoffen, welche zum Pflanzenleben nothwendig sind, durch Ueberschwem- raungen reicher wird. Versuche, diese Frage betreffend, sind sehr leicht anzu- stellen. Nimmt man reine, nicht mit Düngertheilen vermischte Erde und schüttet dieselbe in Wasser, in welchem eine verhält- nissmässige Portion Kali aufgelöst ist, und filtrirt das Wasser wieder von der Erde ab, so ist in diesem filtrirten Wasser kein Kali mehr enthalten, was man augenblicklich daran sehen kann, dass darehi getauchtes Lakmus- oder Curcuma-Papier nicht mehr reagirt , das Kali ist also von der Erde aufgenommen und ge- bunden worden , und zwar auf eine Weise , dass das Lakmus- Papier durch die Berührung mit derselben ebensowenig afficirt wird, wie von destillirtem Wasser. Tiefer eingehende Versuche, bei welchen man die einer gewissen Quantität Erde übergebene Menge Kali genau bemisst, diese Erde zur Pflanzenkultur ver- wendet und später die in der Pflanze zu findende Menge Kali ebenso genau untersucht, wie die durch die Pflanzenkultur der Erde entnommene Menge, werden bald ein grösseres Licht über diesen geheimnissvollen Vorgang im Pflanzenleben verbreiten und 4* — 52 — ohne Zweifel noch von grossem Werthe für die gesammte Pflan- zenkultur werden. Nachtrag. Man hat in neuerer Zeit in grossen Städten , in welchen der ausserordentliche Wasserbedarf mittelst ungeheurer Wasserleitun- gen und Filtriranstalten gedeckt wird , gefunden , dass das Wasser der Wasserleitungen für die feinere Pflanzenkultur in Gärtnereien nicht so tauglich ist, als anderes Wasser, welches die Wasser- leitung und Filtriranstalt nicht passirt hat. Es entstand alsbald der Glaube , das Wasser nehme in den eisernen Röhrenleitungen Stoff*e auf, welche den Pflanzen nicht zuträglich seien. Weit ent- fernt, diesen Glauben als irrig zu erklären, könnte es aber doch der Fall sein , dass die geringere Tauglichkeit des Wassers aus den grossen Leitungen weniger einer Beimischung zuzuschreiben wäre, welche das Wasser von den Röhren erhielte, als vielmehr einer Entfremdung nährender Stoff*e, welche beim Filtriren durch Sand, Kohle und Lehm gebunden und zurückgehalten werden. Eine chemische Untersuchung der Stoffe, durch welche das Wasser filtrirt wird, sowohl vor als nach dem Gebrauch, wird gewiss Aufschluss über dieses Räthsel geben. V. Apotheker Dr. Leube in Ulm las über den Torf bei Söflingcn Folgendes vor: Es dürfte mir vielleicht erlaubt sein, die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf ein vaterländisches Natur -Erzeugniss zu wenden, das von Tag zu Tag von grösserer Wichtigkeit wird, nämlich auf den Torf. Ich habe in neuester Zeit für meinen Geschäftsbetrieb eine grössere Fläche von Torfgründen bei Söflingen im Blauthal bei Ulm erworben, deren Eröffnung mir Gelegenheit zu verschiede- nen Beobachtungen gab , und ich erlaube mir dieselben einfach als solche der Versammlung mitzutheilen, da sich aus denselben manche Studien über die Torfbildung ergeben dürften. Vor Allem habe ich vorauszuschicken, dass sich die Söflinger Torflager in mehrfachen Beziehungen von den oberschwäbischen Torfmooren — 53 — unterscheiden. Während nämlich bei letzteren der Torf fast un- mittelbar zu Tage geht, liegt auf den Soflinger Torfschichten ausser der gewöhnlichen Ackerkrume von 2 bis 3 Fuss eine bis zu 12 Fuss mächtige, aus Kalktuffsand und Kalktuff bestehende Masse, so dass äusserlich das Vorkommen von Torf lediglich nicht erkennbar ist. Unter dieser Ueberlagerung folgt eine 6 bis 8 Fuss mächtige Schichte von schwärzlichem, plastischem Thon, der stark kalkhaltig ist und eine grosse Menge kleiner, meistens verwitterter Süsswasserschnecken enthält. In diesem Thone schon finden sich viele Pflanzenreste , die zum Theil in Torfsubstanz übergegangen sind. Unter dieser Thonschichte beginnt die erste Torfablagerung, welche wieder mehrere Abarten schichtenweise unterscheiden lässt. Die oberste, 2 Fuss mächtige Schichte ist nicht ganz com- pakt und mit vielen Pflanzenfasern, Bast etc. durchdrungen. Die zweite in einer Mächtigkeit von 3 bis 4 Fuss enthält Torf, der beinahe ganz aus Holz- und Wurzelresten besteht und finden sich hierin häufig noch ganz wohl erhaltene Bäume und Wurzeln. Die dritte, 10 bis 11 Fuss mächtige Schichte liefert das werthvollste Brennmaterial. Der Torf aus derselben ist sehr dicht, ziemlich schwarz und beinahe ganz in Kohle umgewan- delt, indem er nur ganz wenige zarte Pflanzenreste enthält. Die vierte, einen Fuss mächtige Schichte ist mit TufiFsand durchdrungener Torf. Ich habe diese verschiedenen Torfsorten unmittelbar von der Grube aus auf ihren Wassergehalt untersucht. Bis zum luft- trockenen Zustand verlor: Nro. 1 38^0 Wasser, „ 2 34'/.% Wasser, . 3 43V, 7o ^ « 4 46V, 7o « In 100 Theilen lufttrockener Waare der dritten Schichte sind dann enthalten: 25% Wasser, 40% Theer, Paraffin etc., 35 % Kohle. — 54 — Die letztere, an der Luft stark erhitzt, hinterlässt 6% Asclic, was am besten für die Vortrcfflichkeit dieses Materials spricht. Sehr interessant scheint mir das Vorkommen von Kohle von dem Aussehen der gewohnlichen Holzkohle, welche theils lose, theils neben Resten mit völliger Holztextur in der zweiten holzreichen Schichte sich findet. Ich habe wenigstens diese Kohle bei den vielen andern Torfen, die ich zu beobachten schon Ge- legenheit hatte , nie wahrgenommen. Man wird daher mit Be- stimmtheit annehmen können, dass sie in der That von durch Feuer verbranntem Holz herrührt, und würde dieses Vorkommen den Beweis liefern, dass die oberen Schichten der Torflager zu einer Zeit sich gebildet haben, wo Menschen schon gelebt haben, worauf auch einige im Torf gefundene Gegenstünde hindeuten. Eine weitere interessante Erscheinung sind die Gasentwick- lungen , welche sich hie und da beim Stechen des Torfs bemerk- bar machen. Es entwickelt sich unter deutlichem Zischen ein dem Schwefelwasserstoff gleichkommendes Gas. Im Abraum und in dem Torfe selbst fanden sich verschie- dene Gegenstände, die ich vorzuzeigen mir erlauben werde, da sich aus denselben vielleicht ein Schluss auf das Alter des Torfs ziehen lassen kann. Unter diesen befinden sich: 1) Muscheln einer Unio. 2) Ein Backenzahn und zwei Hauzähne von einem Schwein. 3) Ein Zahn von einem Esel. 4) Viele Zähne und Knochen vom Hirsch, mehrere Fuss im Torf liegend. 5) Ein zarter zugehauener Feuerstein 8 Fuss mitten im Torf. 6) Ein Stückchen eines Messerhefts mit einem Loch von einem Stift herrührend, 12 Fuss im Abraum. VI. Ober-Studienrath Dr. v. Kurr sprach über die Mittel, welche die Natur benützt, um die Erhaltung der Species im Pflanzenreich zu sichern. Dieselben bestehen 1) in der Erzeugung keimfähiger Samen, 2) in der Bildung von Bulbillen, Knollen, Keimknospen, Blatt- Rosetten, Wurzel- und Stammausläufern u. dergl. - 55 — ad 1) Die Erzeugung keimfähiger Samen ist eine so allge- meine Erscheinung, dass man sich gewöhnlich nur wundert, wenn sie nicht stattfindet; auch ist die ganze Organisation der Blume in der Regel so eingerichtet, dass sie stattfinden muss. Kommt aber ein solches Fehlschlagen vor, so geschieht es: a) bei zu- sammengesetzten Blüthenständen , wie beim Mais, der Ross- kastanie, manchen Akazien und ähnlichen Leguminosen, beson- ders an den zuletzt aufgegangenen Blumen, entweder weil sie verkümmert sind oder weil die zuerst abgeblühten bereits Früchte angesetzt haben, welche alle Säfte hinwegnehmen, so dass die später blühenden, selbst wenn sie befruchtet wären, sich nicht entwickeln können. Fallen doch aus demselben Grunde sogar völlig gesunde junge Früchte an den Rosskastanien und sogar an unsern Obstbäumen häufig ab, noch ehe sie die halbe Grösse erreicht haben. Ein weiterer Grund des Fehlschlagens liegt b) in der unvollständigen oder ungleichen Entwicklung der Befruch- tungsorgane. Dieser Fall kommt hauptsächlich bei Treibhaus- pflanzen, sodann bei verkümmerten Blumen, z. B. bei Muscari comosum , bei den Randblumen von Viburnum Opulus u. dergl., sowie bei ganz und halb gefüllten Blumen vor, wo die Staub- gefässe und Stengel ganz oder grösstentheils sich in Blumen- blätter verwandelt haben, c) Endlich kann auch ungünstige Witterung zur Zeit der Blüthe solche herbeiführen, wodurch die Befruchtung verhindert oder vernichtet wird. Dagegen hat die Natur unzählige Mittel aufgeboten, um die Erzeugung keimfähiger Samen oder Sporen zu sichern. Dahin gehört : 1) das Vorherrschen der Zwitterblumen bei den Phanero- gamen und selbst bei vielen Moosen. 2) Die Lage, Stellung und das Grössenverhältniss der Be- fruchtungsorgane, welche in der Regel so sind, dass der Blumen- staub auf die Narbe gelangen muss. Sehr auffallend ist dieses bei den Malvaceen, den Compositen, den Leguminosen und bei den Gräsern. Bei manchen Gewächsen sind dabei noch beson- dere Vorkehrungen getroffen. Z. B. bei Ruta graveolens beugen sich die Staubfäden der Reihe nach über die Narbe , bei der — 56 — Berberitze sind die Statibfäden reizbar und legen sich bei jeder Erschütterung oder Berührung um die Narbe an, bei Gloriosa superba dreht sich der knieförmig gebeugte Griffel so, dass die Narbe an den Staubfäden vorbeistreift. 3) Lage und Stellung der Blumenkrone , Schliessen und Oeffnen derselben. Dahin gehört z. B. das Ueberhängen vieler Blumen , z. B. von Lilium Martagon und calcedonicum , von Fritillaria imperialis u. dergl. , wo nach der Befruchtung der Narbe, welche bei aufrechter Stellung höher sein würde, als d'e Staubgefässe , der Frifchtstiel sich aufrichtet. Dahin gehört das Schliessen der Blumenkrone gegen Abend oder bei Regenwetter, die Connivenz der Blumenblätter bei den Leguminosen. 4) Die Befruchtung vor oder während dem Aufblühen der Blu- menkrone, wie sie unter Anderm hauptsächlich bei den Glocken- blumen (CampanulaJ und bei vielen Compositen stattfindet. 5) Der Schutz durch den Kelch, besonders aber durch die Blumenkrone, welcher nicht allein vor dem Aufblühen, sondern auch nach der Befruchtung noch sich um die Befruchtungsorgane zusammenlegt und sie gegen Regen, Sonnenhitze, Kälte u. s. w. schützt, wie z. B. beim Apfelbaum. 6) Die Unempfindlichkeit mancher Blumen gegen die zuletzt angeführten Schädlichkeiten. Am auffallendsten fand ich dieses bei Pyrus japonica, wo sich sogar Eisklumpen in den Blumen gebildet hatten , welche in der Sonne wieder schmolzen , ohne dass die Befruchtungsorgane dadurch gelitten hätten. 7) der Schutz der Blumentheile durch Hüllblätter, Grannen, Blattscheiden u. dergl. , wie er hauptsächlich bei Getreidearten und andern Gräsern , bei Schirmpflanzen , Compositen u, s. w. vorkommt. Ganz besonders sind diese Schutzmittel bei den Nahrungs- pflanzen des Menschen vorhanden und hier muss namentlich auch der Weinstock erwähnt werden, dessen Blumenkrone oben ver- wachsen bleibt und sich unten so ablöst, dass dieselbe eine schützende Mütze über Griff'el und Staubfäden bildet, die so lange bleibt, bis die Befruchtung vor sich gehen will oder wirk- lich geschehen ist. — 57 — Bei Blumen getrennten Geschlechts könnte man am meisten erwarten, dass die Befruchtmig entweder vereitelt oder Bastard- bildung häufig herbeigeführt würde; aber auch hier gehört Beides zu den Seltenheiten. Hier kommen hauptsächlich folgende Um- stände zu Hülfe: 1) Grosser Reichthum an männlichen Blumen und an Blu- menstaub, wie bei den Nadelhölzern, dem Hanf, Mais, den Wei- den, Pappeln u. s. w. 2) Die Gleichzeitigkeit des Aufblühens der männlichen und weiblichen Blumen. 3) Das Zusammenleben von männlichen und weiblichen Pflanzen derselben Species. Die beiden letzteren Fälle sind namenthch bei wildwachsenden Weiden sehr schlagend , wo — sobald sie sich selbst ausgesäet haben — immer beide Ge- schlechter im Gebüsch beisammen und gleichzeitig blühend ge- trofifen werden. 4) Die grosse Empfänglichkeit der Narbe für den eigenen Pollen ihrer Species und die weit geringere für fremden Blüthenstaub. Endlich muss überhaupt die oft überreiche Erzeugung keim- fähiger Samen aufgezählt werden, welche bei manchen Gewächsen viele Tausende beträgt. Dazu kommt noch die lange Lebensdauer vieler Bäume, Sträucher und ausdauernder Kräuter und Gräser, wovon eine Pflanze oft ausreichen würde, um ganze Länder in wenigen Jahren zu bevölkern. Würden bei einer solchen Pflanze auch Reihen von Jahren vorübergehen, ohne dass sie auch nur einen Samen erzeugte, so wird sie desto gewisser es in den nächsten Jahren wieder reich- lich ausgleichen, und wenn sie selbst vielleicht durch frühern Tod daran verhindert wäre, so wären Tausende ihrer Schwester- pflanzen bereit, den Ausfall gut zu machen. Aber auch abgesehen von der Samen - Produktion hat die Natur noch unzählige andere Mittel , um die Species fortzu- pflanzen. Dahin gehört die Erzeugung von Bulbillen in den Winkeln der Blätter, wie bei Dentaria bulbifera^ Saxifraga cernuttj Lilium tigrinum, oder innerhalb der Blumenscheide, wie bei Allium carinatum, oleraceum^ scorodoprasum , die Eni- — 58 — stehimg von Brntzwiebcln bei den meisten Liliaceen, von Brut- knollen bei einer Menge von Gewächsen der verschiedensten Familien, z. B. Dioscorea, Convolvulus, Helianthus, Solanum^ Cy-perus; die Entstehung von ßlattrosetten zwischen den Blumen oder aus Prolificationen derselben, wie bei Poa aJpina vivipara, bei Juncus bufonius, ferner aus der Wurzel oder dem unteren Theil des Stammes, wie bei Saxifroga, Sedum, Sempervivum, DianthuSy oder von Ausläufern, wie bei Fragaria, Potentilla, Triticum repens oder andern Gräsern, bei Mentha u. s. w. Zu den merkwürdigsten Fortpflanzungsweisen gehört aber gewiss diejenige durch die Blätter, wie sie bei Bryophyllum calycinumj Begonia Eex und Gloxinia vorkommt. Fällt ein Blatt derselben, selbst wenn es halb abgestorben wäre, auf die Erde, so erzengt sich bei den zwei erstgenannten Pflanzen aus jedem Stück eines Blattes eine junge Pflanze, bei Gloxinia aber ent- steht am Grunde des Blattstiels eine Knospe, woraus sich die neue Pflanze bildet. Bisher war nur von Phanerogamen die Rede, es ist aber kein Zweifel, dass die Natur auch bei den Cryptogamen, die sich in der Regel durch Sporen oder Keimkörner oder auch durch Theilung fortpflanzen, noch ähnliche aussergewöhnliche Wege ein- schlägt, um die Species zu erhalten. Bei manchen Schachtelhalmen kommen z. B. Bulbillenbil- dungen an den unterirdischen, kriechenden Stamm, bei manchen Farrnkräutern am Wedel vor, so z, B. bei Aspidium hulbiferum; bei Asplenium rhizophylhim und proliferiim wurzelt die Spitze der Mittelrippe oder des verlängerten Blattstiels im Boden und bringt eine neue Pflanze hervor. Bei den Laubmoosen bilden sich in den Blattwinkeln am Grunde des Stammes vieler Gat- tungen rundliche, bulbillenartige Körper, welche abfallen und neue Pflanzen hervorbringen. Bei den Flechten entstehen nicht allein aus den Sporen , sondern auch aus dem sogen. Keim- pulver, das da und dort aus dem alten Laub hervorbricht, neue Pflanzen , und bei den Pilzen gibt das aus den Sporen entstan- dene Pilzgewebe (sogen. Mycelium) einer Menge junger Pflanzen das Leben. Bei den niedersten Algen, den Diatomeen, sehen — 59 — wir endlich die Fortpflanzung durch Theilung der Mutterpflanze allgemein auftreten. So hat der Schöpfer Alles weislich geordnet, wie es Gene- sis I. 11 heisst: „Die Erde lasse aufgehen Gras und Kraut, das sich besame, und fruchtbare Bäume, da ein jeglicher nach seiner Art Frucht trage und habe seinen eigenen Samen bei sich selbst auf Erden. Und es geschähe also." VII. Prof. Dr. Fr aas theiltc eine kurze Geschichte des denkwürdigen Schachtbaues von Friedrichshall mit, dessen glückliche Vollendung für unser Land zu wichtig ist, als dass nicht auch in dem Vereine für vaterländische Naturkunde der Hergang näher erzählt und eine kurze Geschichte desselben in diesen Heften niedergelegt werden sollte. Am 2. Januar 1854 wurde unter der Leitung des K. Berg- raths Herrn v. Alberti mit dem Abteufen des 20 Fuss lichte Weite messenden Schachtes begonnen und ging die Arbeit ohne Schwierigkeit durch den geschlossenen „Kalkstein von Friedrichs- hall« zu einer Tiefe von 342 Fuss nieder. Diese Tiefe ward erreicht am 25. Mai 1855. In der Nacht auf den 2 Osten aber brachen nach einem Schusse, da zum grossen Glücke kein Arbeiter auf der Sohle war, wilde Wasser an, welche in sechs Stunden den Schacht 270 Fuss hoch anfüllten. In der Früh 7 Uhr war schon die 91pferdige Cornwalliser Dampfmaschine im Gang nebst der I5pferdigen liegenden Hochdruckmaschine, welche per Minute 200 Cubikfuss aus dem Schachte pumpten. Bis zum 10. August arbeiteten die Maschinen, doch war nie möglich, tiefer als 250 Fuss tief das Wasser zu bewältigen, wesshalb die Maschinen stille ge- setzt wurden. Nach Beiziehung der Herren Bergrath Bilfinger von Stuttgart und Ober-Ingenieur Beindorf von Stärkerode ent- schloss man sich nunmehr, einen zweiten Schacht 124 Fuss 5 Zoll nördlich vom erstem abzuteufen und dort eine Cornwalliser Ma- schine von 226 Pferdekräften aufzustellen und so den starken Wasserandrang von Schacht Nr. I zu vermindern. Am 12. No- vember 1855 ward mit dem Schacht Nro. II begonnen, der bis zum 30. April 1857 eine Tiefe von 330 Fuss erreichte. MuU — 60 — war somit noch 12 Fuss von der gefahrvollen Wasserschichte ent- fernt und horte nun mit der Arbeit auf, brachte Pumpen und Maschinen in Ordnung und führte am 28. Mai 1857 ein drei- zölliges Bohrloch auf die AYasserschichte nieder. In der Minute sprangen 20 Cubikfuss Wasser auf; aus einem zweiten Bohrloch von 44 Linien im Durchmesser flössen 120 Cubikfuss aus und aus acht Bohrlöchern , die niedergetrieben wurden , stiegen am 4. Juli, bis zu welchem Tage die Bohrarbeit währte, 220 Cubik- fuss per Minute. Indess war man im Schacht Nro. I mit vieler Mühe bis zu 300 Fuss Tiefe hinabgekommen, 50 Fuss tiefer, als im August 1855. Aus diesem Schacht wurden per Minute 200 Cubikfuss zu Tage gefördert, somit in beiden Schächten zu- sammen 420 Cubikfuss, oder 26 württembergische Eimer, per Minute oder 1560 Eimer per Stunde oder 37,440 Eimer im Tag. * Das sah trübe aus: so viel Schächte, so viel Wasser. In der ganzen Umgegend, im Umkreis von drei und vier Stunden fielen in sämmtlichen Brunnen die Wasser, in der nahe gelegenen Saline Wimpffen fiel das Wasser in Sohlenbohrlöchern , die Teuchel stunden in der Luft und die Pumpen sogen nimmer auf, so sehr schöpften die gegen 400pferdekräftigen Maschinen sämmtliche Grundwasser der Gegend aus, aber dennoch keine Möglichkeit, den Schacht vollständig zu sümpfen. In Nro. II wurden nun die Bohrlöcher verschlossen und 25 Fuss über der wasserführenden Schichte ein Querschlag auf Nro. I getrieben , um sämmtliche Maschinenkräfte auf Einen Punkt zu concentriren. Am 18. Juli wurde der Querschlag 5 Fuss breit und 6 Fuss hoch angefangen und war am 27. September 120 Fuss lang. Es stand demnach noch 4 Fuss 5 Zoll Gebirge zwischen dem Querschlag und dem wassergefüllten Schacht Nro. I. Am 30. December ward derselbe mittelst eines Bohrlochs angezapft und stunden am 1. Oktober die Wasser 320 Fuss tief am Querschlag mit einem Zufluss von 250 Cubikfuss per Minute. Das gab frischen Muth. Auf Nro. I wurde die 91pferdige Maschine stille gesetzt, die Pumpen ein- • Dreimal mehr als das fliessende Wasser des ganzen Stuttgarter Thaies beträgt 1 — 61 — gebaut und der Schacht gereinigt. Am 24. Oktober waren sie fertig; zwei Pumpen von 20 Zoll Durchmesser waren bis auf die Sohle in's Wasser gehängt und ergossen ihr Wasser in den Quer- schlag, von da lief es nach Schacht Nro. II, aus welchem es mit der 226pferdigen Maschine zu Tage gehoben wurde. Ausser- dem gössen im Schacht Nro. I zwei Pumpen von 13 Zoll Durch- messer zu Tage aus, so dass Nachts II Uhr die Wasser ge- sümpft waren und mit dem Aufräumen und Fördern begonnen werden konnte. Nach 2 7» Jahr kam man nun wieder auf die Sohle, auf welcher bis an den Bauch im Wasser zwischen den vier Saugpumpen innestehend gearbeitet werden musste. Es ergab sich nun, dass die Wasser alle nur aus einer handhohen dolomitischen Zwischenschichte über den Gyps mergeln ausbrachen, einer Schichte, welche viele Stunden im Umkreis alle Wasser sammelte und in der Nähe von Gundelsheim z. ß. und andern Orten zu Tage ausgeht. Diese Schichte mittelst eines gusseisernen Mantels abzudämmen , war nunmehr die Aufgabe. Am 27. November konnte bereits der erste gusseiserne Ring bei 349 Fuss Tiefe trotz eines Wasserzuflusses von 400 — 425 Cubik- fuss per Minute gelegt werden. Am 24. December wurden die Röhren an dem gusseisernen Futter geschlossen, welches 23 Fuss 7 Zoll lichte Weite und 10 Fuss 5 Zoll Höhe hatte. Der Zu- fluss verminderte sich nun auf 25 Cubikfuss per Minute, welcher durch die Fugen des Mantels wie Staub hervortrat. An diesem Wasser wurde sich nicht länger mehr aufgehalten, sondern so- gleich weiter abgeteuft, da später eine 3 Fuss dicke wasserdichte Mauer in dem gusseisernen Futter aufgeführt werden sollte. Bei 354 Fuss wurde der Mauerfuss aufgesetzt und am 5. Februar 1858 mit der Mauerung begonnen. Am 12. Mai desselben Jahres war dieselbe fertig. Bei 3 Fuss Stärke hat die Mauer 16 Fuss lichte Breite und ist, wie gesagt, 354 Fuss hoch. Der Mörtel, mit welchem gemauert wurde, ward aus Trass (aus dem Brolil- thal am Rhein) und weissem Kalk von Friedrichshall gefertigt. Die Ziegel wurden von Wallonen in Feldbrennereien gefertigt. Nach gehöriger Erhärtung wurde am 1. September 1858 der Schacht leer gepumpt und die Röhren in der Mauer geschlossen. — 62 — Es scliwitzen noch 400 Cubikzoll Wasser per Minute durch, was jedoch so viel wie nichts mehr heisscn will. Das Abteufen im Gyps ging rasch von Statten und am 14. März 1859 wurde bei 535 Fuss Tiefe ein Lager von krystallinischem, klarem Steinsalz erreicht, das eine Mächtigkeit von 47 Fuss hat. Die Strecken werden 30 Fuss hoch und 21 Fuss breit, die Pfeiler 3 Lachter allwege. Hiemit ist nach 5 V4 jähriger harter Arbeit und einem Aufwand von nahezu einer Million Gulden das grosse Werk ge- lungen, Dank dem energischem Wollen des K. Ministeriums der Finanzen und dem Muth und der aufopfernden Entschlossenheit der mit dem Bau Retrauten. Eine neue Aera eröffnet sich für den württembergischen Salzliandel mit diesem Jahre, indem von nun an bei der beabsichtigten Förderung von täglichen 1000 Cent- nern sich die Salzproduktion des Landes von 800,000 Centnern auf 1,1 Million und noch mehr ohne w^eiterc Schwierigkeit stei- gern lässt. VIIL Prof. Dr. Fr aas zeigte der Versammlung eine An- zahl photographischcr Bilder von hiesigen Steinbrüchen, die er durch Herrn Blumenthal hatte aufnehmen lassen, um den wissenschaftlichen Werth solcher Aufnahmen für die Geognosie zu prüfen. Die Aufnahmen geschahen durchweg von einem Stand- punkt aus, auf welchem die in bestimmter Richtung streichende Gesteins-Zerklüftung in die Augen fällt, die in ihrem Detail Er- scheinungen darbietet, welche durch Wort und Schrift kaum wie- dergegeben werden können. Die Uebergänge von festen Gesteins- bänken zu schieferigen Thonen, Mergeln, Sanden u. dergl. , die Art der Verwitterung und Zerbröckelung werden auf eine Weise vor Augen geführt, dass solche Bilder bei Lehranstalten in Er- manglung von Excursionen deren Stelle am ehesten vertreten. Die Aufnahmen geschahen bei grellem Sonnenlicht, wodurch die Bilder Schlagschatten bei jedem hervorspringenden Eckchen des Gesteins erhielten und ein ungemein plastisches Bild aller Ver- hältnisse gewonnen wurde. Von jedem Steinbruch wurde ein Gesammtbild aufgenommen, welches sämmtliche Schichten nach Massgabe der Mächtigkeit jeder einzelnen Bank profilirt, neben - 63 - diesem Gesammtbild wurde eine specielle Aufnalime von kleineren Partieen aus dem Steinbruche genommen , welche bei grösserem Massstab die Detailverhältnisse nachweist. Ist dies im Allge- meinen der objectivc Werth der Bilder, so dürfte deren histori- scher Werth nicht zu übersehen sein. Bekanntlich verändert sich im Laufe der Zeit jeder Steinbruch, namentlich bieten bei dem ungeheuren Consum von Baustein in den Stuttgarter Brüchen oft schon nach Jahresfrist die hiesigen Steinbrüche ein so verändertes Bild, dass man sich kaum mehr in den früher abgebauten Schichten orientirt. Bei dem raschen Auskeilen des Werksteins, an dessen Stelle unvermuthet der Leberkies tritt, muss es offenbar für Detail- studien von hohem Werthe sein, das naturgetreue Bild von den Schichtenverhältnissen zu erhalten , das der Steinbruch zur Zeit der Aufnahme gerade darbot. — Was schliesslich die Kosten der Bilder anbelangt, so erklärt sich der Künstler bereit, für 1 fl. Abzüge von den Bildern zu liefern. Eine einzelne Aufnahme kommt ungefähr auf 10 fl. zu stehen. II. Aufsätze und Alihaiiclluiiseu» !• Paolo Bernabo's grosse orientalische Menagerie. Von Georg von M arten s. Als ich vor einem Jahre „noch eine Menagerie" schrieb, glaubte ich den Schliiss meiner Berichte über durcli Stuttgart gewanderte Menagerien geliefert, zum letzten Mal die Geduld und Nachsicht der Leser unserer Jahreshefte in Anspruch ge- nommen zu haben; aber meine lieben Vereinsgenossen haben sich nun einmal gewöhnt, mich als ihren Referenten über diesen Gegenstand zu betrachten , und unter den Freunden , die mich zur Schilderung auch der diessjährigen Menagerie aufforderten, befanden sich zwei ausgezeichnete Zoologen, unser verehrter Vor- stand Professor Dr. von Rapp, welcher dieser Menagerie zu- lieb von Tübingen hieher gereist war, und der Vorstand der Stuttgarter Naturaliensammlung, Professor Dr. Krauss, wel- cher mir seine Unterstützung bei der Bestimmung der zweifel- haften Thiere zusagte und mit der ihm eigenen Geduld und Beharrlichkeit gewährte, und so wage ich es auf ihre Verant- wortung, zum siebenten Male aufzutreten. Herr Bernabb hatte das grosse Schützenfest zu Zürich mitgefeiert, dann seine Thiere in Friedrichshafen vorgezeigt und traf Montag den 1. August in Stuttgart ein. Die Bude befand sich an der nämlichen Stelle , wie die in diesen Heften (1851. I. Seite 43) beschriebene Kreuzbergi- sche und hatte die gleiche Einrichtung, ihr an Grösse wenig nachstehend; auch hier drei Zuschauerplätze, neun Fourgons gegenüber und hinter diesen, doch noch innerhalb der Bretter- wand ein Ofen zum Kochen und die von dem Personal der Anstalt bewohnten Wagen, da der Eigenthüraer, il Padrone, und die acht Wärter, theils Lombarden, theils Oesterreicher, die sich aber dennoch sehr gut mit einander vertragen, sämmtlich in der Bude wohnen, essen und schlafen. — 65 — Jeder Fourgon trägt nur einen grossen langen Kasten von starken Brettern, vorn mit eiseinen Stäben geschlossen, der aber durch bewegliche Scheidewände, welche man einschieben und herausziehen kann, in zwei bis vier Kammern abgetheilt wer- den kann. Die zwei der Stadt zugewandten Seiten der Bude waren _ von Aussen mit zehn grossen Gemälden behängt, auf denen die f^in der Bude enthaltenen Thiere in Lebensgrösse abgebildet sind, ihre Kämpfe und der Fang derselben, Polar- und Saharascenen. Diese Gemälde zogen eine Menge Zuschauer herbei, deren Phan- tasie durch das Brüllen der unsichtbaren Bären, Löwen und Tiger, das Geschrei der Papageien und die von Zeit zu Zeit ertönende Musik einer Orgel mit Trompeten- und Flötenstimmen noch mehr aufgeregt wurde , so dass diese Gemäldeausstellung mehr Besucher und Bewunderer hatte, als die gleichzeitige der sieben rheinischen Kunstvereine im Kunstgebäude ; trat dann der dreier Sprachen kundige Erklärer heraus und ladete das Publicum mit lauter Stimme zum Anblick der grossen Fütterung ein, so fehlte es nie an Leuten, welche der Versuchung nicht wiederstehen konnten, den für eigene Ernährung bestimmten Sech- ser aufzuopfern, um der Mahlzeit der Tiger, Wölfe und Croco- dile anzuwohnen. Die Thiere werden in dieser Menagerie so reichlich ge- nährt, wie ich es noch in keiner anderen gesehen habe, Mor- gens erhalten die meisten als Frühstück eine Tasse Milch, selbst die alten Löwen und Tiger, nur die Leoparden verschmähen diese unmännliche Kost. Abends nach 6 Uhr ist die Haupt- fütterung, für alle Fleischfresser die einzige Mahlzeit^ welcher ein Trunk frischen Wassers vorangeht. Sechsundzwanzig Fleisch- fresser, darunter fünf kleine, erhielten während der heissesten Sommertage, wo sie viel schlafen und weniger Appetit haben, täglich 110 Pfund Rind- und Hammelfleisch, bei kühler Witte- rung bis anderthalb Centner, die Pflanzenfresser eben so reich- lich Gras, gelbe Rüben, Gurken, Kopfsalat, Endivien und Abends in Zuckerwasser eingeweichtes Brod, selbst feineres Obst, Bir- nen, Aepfel, Zwetschgen, Trauben. Württemb. aatarw. Jahreshefte. 1860. Is Heft, 5 — 66 - Die armen Geschöpfe sind eingesperrt, so sollen sie es so gut als möglich haben, sagte mir Bernabb, auch gewähre es einen viel schöneren Anblick, sie wohlgenährt in ihrer vollen Kraft zu sehen, als so abgezehrt und mager, wie man sie oft sehe. Dieser Italiener rechnet ganz richtig, wenn er den Man- gel an Freiheit, die nun einmal solchen Subjecten nicht gewährt werden kann, durch materiellen Wohlstand ersetzt, die unüber- troffene Schönheit seiner Thiere zieht eine ungewöhnlich grosse Zahl vcu Besuchern herbei und begünstigt die Fortpflanzung in der Gefangenschaft, worin seine Menagerie alle von mir bis- her gesehenen ebenfalls weit übertrifft. Abends gegen 8 Uhr bekommen alle Thiere ein Lager von frischem Stroh, welches Morgens wieder weggeräumt wird, dann werden die Behälter der Sicherheit wegen und als Schutz gegen Erkältung mit Bretterwänden verschlossen , die oben ein kleines Fenster haben. Den 2. August wurde die Bude eröff"net, ich beeilte mich, zu abonniren und trat ein, das leichte Zeltdach hielt zwar den Sonnenschein ab , aber auch den Luftzug , in der den ganzen Tag der Sonne ausgesetzten Hütte herrschte eine tropische Hitze von 25 bis 26^ R. und folglich auch eine tropische Mittags- ruhe, die grossen Thiere lagen meist schlafend weit ausgestreckt in ihren Kammern und athmeten auffallend stark, der Wolf hing wie die Hunde seine Zunge heraus, die Brust der meisten hob und senkte sich, wie die Meereswellen an stillen Sommer- tagen, es musste ein grösserer Theil der verdünnten Luft einge- athmet werden um den gleichen Theil Sauerstoff" aus derselben zu scheiden. Ein ungewöhnlich grosser brauner Landbär (ürsus Arctos L.) eröffnete die lange Reihe der Raubthiere, er soll aus Kamtschatka und erst vier Jahre alt sein, ist aber so dunkel- braun, beinahe schwarz, dass ich ihn Anfangs für einen Baribal hielt, bis mich die derberen Umrisse und die hellere Stirn über- zeugten, dass ich weder einen Baribal, noch den von Fr. Cuvier und Schinz (Tab. 50 Fig. 1) abgebildeten Ursus Arctos Sibi- riens, sondern einen echten Landbären, wenn auch ungewöhn- - 67 - lieh gross und dunkel, vor mir hatte, bei Schinz (I., 299) Ursus Arctos e. niger, fronte applanata vel transverse concava, vellere fusco nigricante, rostro supra fusco-rufo, aber doch nicht, wie er unrichtig vermuthete, ein altes Thier. Bernabb, der die Mahlzeit immer selbst austheilt , sagte zuweilen zu ihm , er solle darum bitten , da richtete sich das grosse Thier auf den Hintertatzen aufrecht in die Hohe, fasste das Gitter mit beiden Vordertatzen und rüttelte es so heftig, dass der Wagen schwankte und manche Zuschauer ein Herab- stürzen des ganzen Behälters besorgten. Jetzt erhielt er einen sechspfündigen Laib schwarzes Brod, Hess ihn aber liegen und rüttelte wieder, worauf er einige Pfund Fleisch bekam, nun war er zufrieden, schob das Brod auf die Seite und verzehrte be- haglich das Fleisch, erst wann er damit zu Ende war, wandte er sich zum Brod, nahm es zwischen die Vordertatzen und war auch bald damit fertig. Dieses heftige Rütteln nahm er Öfters auch freiwillig vor, wenn die Mahlzeit seiner Meinung nach zu lange ausblieb. Gab man ihm den Brodlaib wagerecht aufgeschnitten, so frass er zu- erst das Weiche heraus und erst zuletzt die etwas bittere Rinde. Von mir nahm er gern Birnen und Pfirschen, noch lieber Pome- ranzenbrödchen und Zimmtsterne an, ich legte sie auf das Wagen- rad und er holte sie sehr geschickt mit den plumpen langkralli- gen Vordertatzen herein, trotz der Schwierigkeit, dass er jede Tatze zwischen andern Eisenstäben herausstrecken musste, somit sie nicht beisammen zurückziehen konnte. Ein junger Eisbär (Ursus marüimiis L.) war kleiner als sein dunkler Vetter, ziemlich ruhig und träge und w^urde selbst bei kühlem Wetter täglich mehrere Mal so reichlich mit kaltem Wasser überschüttet, dass sein gelblichweisser Pelz ganz strup- pig aussah und er wohl nur in der Nacht dazu kam, ein trock- nes Kleid anzuhaben, indessen behagten ihm diese kühlen Sturz- bäder ganz gut. Er bekam wie sein Nachbar Brod und Fleisch, hatte aber nicht die Geduld, mit ersterem zu warten, sondern packte es kaum hereingeworfen an, kam dann das Fleisch, so Hess er das noch vorhandene Brod vorerst liegen und verzehrte es als 5* — 68 - Nachtisch nach dem Fleische. Seine Sohlen sind gegen die Sitte fast aller Thiere dicht mit langen Haaren besetzt, weil er im Freien stets auf dem Eise lebt , wo diese Behaarung sich nicht abreibt und den Fuss gegen die strenge Kälte schützt. Den 23. August sollte der Behälter des braunen Bären zu grösserer Sicherheit eine Bodendecke von starkem Eisenblech er- halten und zu diesem Zwecke der Bär entfernt werden, die Scheidevrand wurde zur Hälfte herausgezogen, die beiden Bären, die sich schon so oft gehört hatten, konnten sich nun auch sehen, allein keiner bezeugte die geringste Neigung dem andern einen Besuch abzustatten, ich war begierig zu sehen, wie die Sache enden werde, endlich wurde der braune Bär mit Stangen hinübergetrieben , er fürchtete sich sichtbar vor dem kleineren Eisbären, der ihn brüllend empfing, es schien sich ein ernster Kampf entspinnen zu wollen , aber der Wärter schloss schnell die Scheidewand wieder zu, das Beisammenleben wurde zur Nothwendigkeit, beide ergaben sich in ihr Schicksal, legten sich nieder und blieben zwar etwas misstrauisch , doch friedlich bei einander, bis der neue Boden gelegt war und der grosse Bär nach dem italienischen Sprüchwort : Besser allein, als in schlim- mer Gesellschaft, gerne in seine trockene Wohnung zurückkehrte. Hier zeigte er sich aber mit der Neuerung sehr unzufrieden, ich fand ihn noch am folgenden Tage mit vergeblichen Versuchen beschäftigt, das Blech wieder wegzureissen. Der zweite Wagen trug in seinem weiten Behälter eine africanische Löwen- Familie von seltener Grösse und Schön- heit, der Löwe ein ernstes ruhig und mit Würde auf und abge- hendes Thier mit prächtiger dunkler Mähne und langen Haaren an der Mittellinie des Bauches, erinnerte mich lebhaft an Vene- digs Marcuslöwen, denn die Venetianer bildeten ihr Wappenthier, wie die Berner ihren Bären, viel naturgetreuer ab, als man in anderen Ländern die Wappenthiere , z. B. unseren deutschen Reichsadler erblickt, beide aus dem gleichen Grunde, weil sie oft Gelegenheit hatten, es lebend zu sehen. Auch die Löwin war schön, gross gewachsen und bestä- tigte die oft gemachte Bemerkung, dass unter allen Katzen die — 69 — Löwen am wenigsten Katzen sind; die Tochter in Pest den 24. Januar 1858 geboren, verlebte in Stuttgart ihren neunzehn- ten Monat, sie war beinahe eben so gross wie die Mutter, aber schlanker und hatte noch, wie die jungen Cuguare, die bei der Mutter völlig verschwundenen dunkleren runden Flecken, welche die Löwenjugend an die Leoparden knüpfen, Sohlen und Schweif- quaste waren bei allen drei kohlschwarz. Die Lustigkeit des Löwenmädchens bildete einen lebhaften Gegensatz zum Ernste der Eltern, es sprang in gewaltigen Sätzen von einem Ende des Behälters zum andern, an Wand und Decke hinauf und forderte die Mutter zu Scherz und Spiel neckend auf, bei der reichli- chen Mahlzeit ging es aber ganz anständig her, jedes verzehrte ruhig seinen Theil, ohne dem andern etwas zu missgönnen oder gar nehmen zu wollen. Eine zweite Löwen -Familie, Bewohnerin des dritten Wagens, wurde für asiatisch ausgegeben, wird aber wohl auch africanisch sein. Der Löwe war noch etwas grösser, als sein Nachbar, die Mähne heller und glatter, die Schultern nicht be- deckend, sonst kein Unterschied, namentlich die Fortsetzung der Mähne an der Mittellinie des Bauches eben so reich ; eine bret- terne Scheidewand trennte ihn von Gattin und Kindern, er war daher unruhiger, brüllte oft im tiefsten Bass, schaute durch eine Spalte hinüber und versuchte die Scheidewand mit den Tatzen zurückzuschieben. Zutraulicher als der andere Hess er sich gern von dem Herrn und den Wärtern streicheln und schmiegte sich dabei an das Gitter an , wie eine Hauskatze , doch war auch seine ZärtHchkeit gefährlich, so drückte er einmal dem Ober- wärter die streichelnde Hand so gewaltig gegen die eisernen Stangen, dass dieser sie gebrochen glaubte und einige Tage lang Schmerzen darin empfand. Die schöne grosse Löwin hatte Anfangs Mai zu Mühlhau- sen im Elsass drei Junge geboren. Eines davon kaufte der hie- sige Besitzer eines zoologischen Gartens, Gustav Werner, in Zürich, mit den beiden andern hauste sie jetzt als treue, sorg- same Mutter; nach Katzenart stillte sie dieselben noch immer, obgleich sie schon Zähne hatten und Fleisch frassen. — 70 — Beide sahen sich völlig gleich, von der Grösse eines mitt- leren Hundes, etwas kraushaarig und struppig, noch stark auf hellerem Grunde dunkel gefleckt, besonders lebhaft am Kopfe, über jedem Auge ein dunkler Ring, ähnlich den Flecken der schwarzen Rattenfängerhunde, in Italien Vieraugen genannt. In- dessen war eines davon männlich, das andere weiblich, und die- ser Unterschied zeigte sich auffallend in ihrem Benehmen , denn was ein Hacken werden will, krümmt sich bei Zeiten. Die junge Löwin war sanft und gemüthlich wie die Mutter, der Löwenknabe aber keck, dreist, unruhig und händelsüchtig, beim Spiel immer der Angreifer, er wollte immer zuerst trinken, drängte Mutter und Schwester von der Blechschüssel weg und liess oft sein Fleisch liegen, um den anderen das ihrige wegzu- nehmen. Rührend war es oft zu sehen, wie sie die besten Stücke de Kindern liess und dann das aufräumte , was diese liegen Hessen, so ein Stück Leber und die Knochen, sie gab sich viele Mühe , diese zu zerbeissen , es krachte oft laut , wie bei tien Hyänen, allein man sah wohl, dass ihre Backenzähne nicht dar- auf eingerichtet waren ; ein würfelförmiges Stück blieb ihr vier Mal fest zwischen den Zähnen stecken , sie machte ein klägli- ches Gesicht mit tiefen Furchen quer über die Nase, langte mit den Pfoten nach demselben, machte es mit den Krallen los, dass es herausfiel, nahm es aber jedes Mal wieder auf, bis sie es bezwang, obschon gutes Fleisch vor ihr lag, das sie den Kin- dern liess. Ein anderes Mal sah ich den Sohn die Mutter heftig an- packen, er schlang die Vordertatzen fest um ihren Kopf, so dass ich eine Verletzung der Augen besorgte, sie machte die Augen zu und liess ihn gewähren, als er es aber zu arg machte, legte sie nur eine Tatze fest über ihn,- dass er sich gar nicht rühren konnte; nach einer Weile liess sie ihn wieder los; er hatte ge- nug und blieb nun ruhig. Als gegen Ende Augusts die Hitze nachliess und die Jun- gen etwas mehr herangewachsen waren, gab ihnen die Mutter förmlichen Unterricht in der Jagd, sie machte ihnen die Sprünge — 71 — vor, die Handgriffe mit den Tatzen, die zum Fang der Beute nöthig sind und hatte gelehrige Schüler; dass solche zu lebens- länglicher Gefangenschaft bestimmt dieses Unterrichts nicht be- durften, kam ihr freilich nicht in den Sinn. Mitten in der langen Katzenreihe bildete eine Tiger- Familie den Glanzpunkt dieser Menagerie, der Tiger wie die Tigerin prächtige, grosse, reinliche Thiere, höher, schlanker und gewandter als die Löwen, die Grundfarbe der Lichtseiten lebhaf- ter als fuchsroth, beinahe orange, Unterseite weiss, die senk- rechten Streifen kohlschwarz, zahlreich, auf dem Rücken oft zu- sammenhängend, ohne Spur einer Uebereinstimmung mit der ' Leopardenzeichnung, der Tiger unterscheidet sich kaum durch einen stärkeren Backenbart von der Tigerin. Auch sie sind jetzt getrennt, da die Tigerin am Tage ihrer Ankunft in Stutt- gart wie die Hauskatzen vier Junge gebar, wovon eines gleich nach der Geburt starb und jetzt in Werner's zoologischem Garten ausgebälgt zu sehen ist. Als ich die anderen drei zum ersten Male sah, lagen sie zerstreut auf dem Boden herum und schliefen, ungefähr von der Grösse eines Meerschweinchens, hellgelblich mit engen schwärz- lichen Querstreifen. Die Mutter lief im engen Räume auf und ab, scheinbar unbekümmert um sie, doch ohne je eines zu tre- ten, ein Wärter konnte hineinlangen, eines herausnehmen und es uns zeigen. Den 6. August krochen die Jungen herum, aber schlecht und langsam, den Bauch auf dem Boden schleifend, noch blind herumsuchend, eines schrie ganz wie ein neugeborenes Menschen- kind, die Mutter nahm es ins Maul und trug es wie eine Kin- derwärterin auf und ab, legte es dann nieder und beleckte es, ein Zuschauer wunderte sich über dieses Tragen im furchtbar gezähnten Rachen, wobei das Tigerkind wie todt ohne sich zu rühren auf beiden Seiten herabhing, wie soll sie es denn sonst machen, fragte der Wärter; wie könnte es sonst Tiger geben kann man ebenso denen antworten, die sich wundern, bei dem grausamsten aller Raubthiere solche Mutterliebe, diese Erhalterin der ganzen Schöpfung, zu finden. — 72 — Saugen sah man diese Säuglinge nur selten und immer so, dass die Mutter sich dabei von den Zuschauern abwandte, die- sen den Rücken zukehrte, dennoch gediehen sie sichtbar, sie soll sehr viel Milch geben, schon am neunten Tage waren sie auf- fallend gewachsen, Bernabb nahm eines heraus, seine Augen waren offen, aber trüb bläulichgrau, ohne Bewegung und Aus- druck, er sagte uns, sie blieben 12 Tage blind, lebten 2 Monate nur von der Muttermilch und blieben zwei Jahre lang ziemlich gutmüthig, wahrscheinlich bis zum vollendeten Wachsthum. Das Herumtragen eines Jungen wiederholte die Tigerin oft und stöhnte dabei mit einem eigenen halblauten Ton, als wollte sie es besänftigen, auch schien es oft, sie suche einen Ort auf um es zu verstecken, wie es die Hauskatzen zu thun pflegen; bei dem Niederliegen nahm sie sich sehr in Acht, keines zu drücken. Den 16. Tag konnten die Jungen schon sehen, aber noch immer nur schlecht gehen, so dass sie dabei oft sich überschlu- gen und umfielen, so breit sie auch die schwachen Füsschen stellten. Schon jetzt stellte sich heraus, dass das männliche viel unruhiger war und häufiger schrie und herumgetragen wurde, als die weiblichen; am 5. September, bei kaltem Regenwetter, fand ich alle drei im hintersten Winkel dicht bei einander, um sich gegenseitig warm zu erhalten. Der 8. August war ein ungewöhnlich heisser Tag, der Thermometer stieg im Schatten auf 27,5" R., in der Sonne auf 45", Bernabb nahm mehr aus Mitleid, als weil es nöthig ge- wesen wäre, einen brodlosen Mann aus der Stadt, welcher schon bei Kreuzberg als localer Aushelfer gedient hatte, als Hilfs- wärter an. Abends sollte oder wollte dieser neue Wärter das Geschäft der Reinigung der Behälter vor der Fütterung, wo die Thiere am aufgeregtesten sind, besorgen, war aber, wie ein Zu- schauer sich ausdrückte „angetrunken« und langte leichtsinnig anstatt sich wie die anderen eines eisernen Kratzers zu bedie- nen, welchen selbst die Tiger scheuen, mit dem Arm unter das Gitter hinein, um mit einem Tuche abzuwischen ; bei den Bären kam er ungestraft davon, allein schon der africanische Löwe — 73 — packte ihn mit den Vordertatzen, die anderen Wärter sprangen herbei und rissen ihn weg, doch bei dem jungen Leoparden ging es ebenso , sie machten ihm ernstliehe Vorstellungen und warnten ihn, er aber wollte seinen Muth zeigen, berief sich auf seine Erfahrung und streckte auch bei dem Tiger den .Vrm weit hinein ohne den Tiger dabei anzusehen, während es allgemeine Menagerieregel ist, solchen Gegnern gegenüber, wie im Zwei- kampfe, stets seine Augen scharf auf die ihrigen zu richten. Da fuhr der ruhende Tiger blitzschnell auf und fasste seinen Arm mitten zwischen dem Elbogen und dem Handgelenke, der Un- glückliche blieb vor Schrecken sprachlos stehen, die anderen Wärter sprangen mit eisernen Stäben herbei, es gelang aber lange nicht, den Tiger durch Schreien und Schlagen zu bestim- men, seine Beute aufzugeben, er biss sich zum zweiten Mal fest, erst als er den Rachen zum dritten Biss öffnete, gelang es , den Mann schnell wegzuziehen, der Vorderarm war morsch entzwei gebissen, die beiden Knochen ragten zersplittert hervor und die Hand hing wie ein Tuchlappen herab, so lief er auf die Was- serkufe zu, um durch Eintauchen des Armes in kaltes Wasser das Blut zu stillen, man verband ihn eilig und brachte ihn so- gleich in das Catharinenhospital, wo ihm noch denselben Abend der Arm über dem Elbogen abgenommen wurde, da an Heilung einer solchen Wunde nicht zu denken war. Der Tiger hatte warmes Menschenblut gekostet und blieb lange aufgeregt, wild und drohend, dennoch hatte der Oberwär- ter die Kühnheit, am 13. August nach der reichlichen Mahlzeit die Hand durch das Gitter zu stecken und ihn zu streicheln, natürlich ihm dabei freundlich, aber fest und unverwandt in die Augen blickend. Der sechste Wagen enthielt zwei Leoparde (Felis Leo- pardus Temmincicj, Männchen und Weibchen, angeblich aus Per- sien, schlanker und niedriger als Löwe und Tiger^ der Schwanz um eine gute Spanne länger als die Hinterfüsse, daher sie ihn immer etwas aufwärts gebogen hielten, um den Boden nicht zu berühren. Die Farbe des Rückens und der Seiten war heller, als ich sie je bei ähnlichen Thieren gesehen, isabellfarbig mit — 74 — ringförmigen Rosetten von 3 bis 5, oft zusammen fliessenden schwarzen Flecken, die vom Licht abgewendeten Theile weiss mit runden vollen schwarzen Flecken, was man nach einem zu einer Zeit, als man den echten Tiger noch nicht kannte, in allen Sprachen eingeführten Gebrauche getigert nennt. Die Leoparde waren lebhafte gewandte Thiere, die sich gut mit einander vertrugen, er etwas mager, sie wohlgenährt, sie haben schon fünf Mal Junge gehabt, die alle glücklich aufgezo- gen und bis auf einen gegen andere Thiere vertauscht wurden. Dieser eine, im August vorigen Jahres in München geboren, somit ein Jahr alt, befand sich auf der anderen Seite der Tiger im vierten Wagen, getrennt von den Eltern; die Grundfarbe des Fells war noch heller, gelblich weiss, die Grösse nahezu gleich. Als junges Thier war dieser Leopard sehr lustig und munter, er unterhielt oft die Zuschauer durch gewaltige Sprünge an die Wand und die Decke des Behälters hinauf, ganz wie in einer früheren Menagerie die jungen Cuguare (Felis concolor L.), wann das Fleisch kam, lag er oft ruhig an einem Ende des Behälters, lauerte darauf und sprang dann unversehens mit einem Satz dar- nach, wie eine Katze nach einer Maus, und wie diese mit der gefangenen Maus, spielte auch er mit dem ein paar Pfund schweren Fleischklumpen, warf ihn mit den Tatzen in die Höhe und erhaschte ihn wieder mit einem Sprung und dieses Alles ohne jemals ein Thier gefangen, etwas wirklich erjagt zu haben, aus blossem angebornen Triebe. Bei dem immer lebhafteren Verkehr mit dem seit Erfindung der Dampfschiffahrt Europas Nachbar gewordenen America kommt in den Menagerien, wie bei den Kirschnern, der americanische Tiger oder Jaguar {Felis Onza L.) viel häufiger vor, als der asiatische , und so traf ich auch hier drei schone männliche Jaguare an , die derbste und plumpste aller Katzen , untersetzt wie die Urbewohner Südamericas, wie die Tiger schlank und Anmerkung. Onza. nicht On^a, oder gar Onca, wie oft ge- schrieben wird, ist der spanische und portugiesische, Jaguar der guara- nische Name des americanischen Tigers. — 75 — hoch gleich den Hindus sind, ungemein kräftig, mit den charak- teristischen ein bis drei kleinen Flecken im Centrum der ring- förmigen Rosetten. Trotz der vielbesprochenen Grausamkeit dieses furchtbarsten Raubthieres Americas befand sich jeder der drei Jaguare in Gesellschaft eines anderen Raubthiers und vertrug sich ziemlich gut mit demselben. Einer hatte einen weiblichen Panther aus Java (Felis Pardus ß melas Peron) zum Stubenkameraden er- halten, schlanker, eben so lang aber nicht so hoch , mit länge- rem Schwanz, kohlschwarz, so dass die Flecken nur bei starker Beleuchtung sichtbar wurden. Diese Pantherin lag fast immer ruhig in einem Winkel, der Jaguar dagegen lief häufig dicht an Wand und Gitter im Kreise herum und stieg dabei jedes Mal über die Pantherin hinüber, ohne sie zu berühren und ohne dass diese sich im Geringsten in ihrer behaglichen Ruhe stören Hess, als aber B e r n a b b ein lebendes Huhn in den Käfig warf, blieb der Jaguar ruhig, die Pantherin dagegen erhaschte es im Augenblick mit einem Sprunge, biss ihm die Hauptader am Halse auf und sog ihm mit sicht- barem Behagen wie ein Marder das Blut aus, war blutdürstig im strengsten Sinne des Wortes, man sah am Halse deuthch die Bewegung des Schluckens, nach dem Blute wurde der Kopf ver- zehrt , dann ging es an das Ausrupfen der Federn , ein Ge- schäft, das ungeschickt von Statten ging, da ihr Rachen sich lange nicht so gut dazu eignete, wie der Schnabel eines Habichts, endlich frass sie das ganze Huhn sammt Eingeweiden und Kno- chen auf und Hess nur die im ganzen Käfig zerstreuten Federn liegen , leckte die Blutflecken am Boden auf und wandte sich nun erst dem Ochsenfleische zu, welchem sie das lebenswarme Huhn aller Schwierigkeiten ungeachtet vorgezogen hatte. Kamerad des zweiten Jaguars war ein noch nie gesehenes Thier, ein den 18. Juli 1858 in Salzburg geborener Bastard des Jaguars mit der schwarzen Pantherin, der Mutter ähnlicher als dem Vater, aber statt schwarz bläuHchgrau, so dass die schwarzen Fleckenringe deutlich hervortraten. — 76 — Den 15. August war wieder ein deutscher Wärter so un- vorsichtig , mit dem Arm hineinzulangen , pfeilschnell fuhr der Panther auf seine Hand und verletzte sie mit den Krallen , so dass sie stark blutete, der Wärter wurde darüber so auf- gebracht, dass er eine starke eiserne Stange ergriff und wieder- derholt nach dem Panther stach, so dass er ihn getödtet haben würde, wenn er ihn getroffen hätte, dieser aber, obschon in der Menagerie geboren und nie im Freien gewesen, wich mit be- wunderungswerther Gewandtheit den Stössen aus, welche stets nur die Bretterwand des Behälters lauthallend trafen und erhielt sich so unverletzt bis Alessandro kam und den Wärter ernst- lich zurecht wies, einem unvernünftigen Thiere könne man es nicht übel nehmen, wenn es nach seiner Natur sich benehme, am Wärter sei es, verständig zu sein, die Hände ausserhalb des Gitters zu halten und das Thier unverwandt anzuschauen, so lange man mit ihm zu thun habe. Es wurde mir klar, welche ungeheure Gewandtheit und Schnelligkeit dazu gehöre, um ein solches Thier mit Lanzen oder Wurfspiessen zu erlegen und wie in Südafrica nur die Kugel- büchse seiner Vermehrung hat Schranken setzen können. Am dritten Jaguar fiel mir der Verlust der scharfen Eck- zähne auf, ein Wärter erzählte mir, man habe ihm, als er eilf Monate alt gewesen , die Eckzähne mit einer Zange abgekneipt und die Nägel an den Pfoten abgeschnitten, um ihn abzurichten, allein, obschon er in der Menagerie geboren unbekannt mit der Wildniss unter Menschen aufgewachsen war, sei er doch immer ganz unzähmbar geblieben, auch erinnere ich mich nicht, je von einem arbeitenden Jaguar oder anderem americanischen Thiere gehört zu haben, als wäre die Geistesbegabung dort auch bei den Thieren geringer. Mit den Mitbewohnern seiner Zelle , zwei gut erhaltenen Hyänen (Hyaena striata Zimmermann) vertrug sich dieser Jaguar ganz gut, obgleich sie kleiner und schwächer als er waren; ich sah ihn zuweilen mit einer von ihnen spielen, wäh- rend die andere ruhig in einem Winkel blieb, die Hyäne rich- tete die langen Borsten ihres Rückenkammes steil empor, wo- — 77 — durch sie grösser erschien und benahm sich ganz unerschrocken, auch fiel von beiden Seiten keine Verletzung vor. Bei der Fütterung wurde jedoch der Jaguar durch eine eingeschobene Wand von den Hyänen getrennt und über Nacht wurde er zu seinem Nachbar, dem jungen Leoparden versetzt, der ihm ebenbürtiger war. In früheren Menagerien bekamen die Hyänen beinahe nur Knochen und es wurde behauptet, dass sie solche dem Fleische vorziehen, hier macht man zwischen Löwen und Hyänen keinen Unterschied und ich fand, dass auch die letzteren das Fleisch den Knochen vorziehen. Zwei 0 c e 1 0 1 e wurden als Tigerkatzen aus Brasilien, das kleinste Tigergeschlecht, angekündigt, sie waren kleiner, dunkler lebhafter und schöner gefärbt als die unserer Naturaliensamm- lung, nicht viel grösser als Hauskatzen, aber hochbeiniger. Man hat die von Brasilien über Gujana, Mexiko und Louisiana bis zum Arkansas verbreiteten Ocelote (Felis Pardalis L.J in eilf Arten gespalten, dann wären diese Felis elegans Lesson; es sind wilde, grausame Thiere, so blutdürstig wie die Marder, wenn man ihre Zelle reinigte, fuhren sie immer auf Eisenstab und Tuch los und währenn der Fütterung mussten sie durch eine Scheidewand getrennt werden, da sie gegen die Sitte anderer Katzen einander das Fleisch rauben wollten. Ein schöner Wolf aus Russland war ein würdiger Reprä= sentant der Hundegattung, er sah so ehrlich , offen , selbst gut- müthig aus, wie ein tüchtiger Haushund, wenn sich aber die Zeit der Fütterung näherte, konnte man die ganze Schattenseite der Gattung, die Gierigkeit, die Hast und die Unverträglichkeit der Hunde bei dem Fressen an ihm wahrnehmen. Noch lange ehe die Reihe an ihn kam, merkte er an der Aufregung der anderen Gefangenschaftsgenossen, dass die er- sehnte Stunde gekommen sei, sprang und scharrte mit den Vor- derfüssen und gab sich alle mögliche Mühe, durch das Gitter nach dem fleischbringenden Herren zu sehen. Die Gattung Canis zeichnet sich durch einen weiten Schlund aus und hier konnte man das Sprüchwort: Er frisst wie ein Wolf, ganz begreifen. — 78 — Mit der grössten Heftigkeit fuhr er auf das vorgezeigte Fleisch los und schluckte ungeheure Stücke von mehr als zwei Zoll Durchmesser, selbst grosse Knochen rasch hinunter, hatte er die Weite seiner Speiseröhre überschätzt und blieb ein allzugrosses Stück am Eingang stecken, so wurde in grösster Eile ein Theil davon krachend abgebissen und der Versuch wiederholt, selbst die härtesten spitzigsten Knochensplitter wurden ohne Schaden hinuntergeschluckt und verdaut, der aufgelöste weisse Kalk giebt dann das graecum albura der ehemaligen Apotheken. Eine gefleckte Hyäne vom Cap (Byaena Crocuta Zim- mermann) hatte das Unglück, der Zellengenosse dieses Russen zu sein, obschon in ihrer Heimath unter dem furchtbaren Namen Tigerwolf bekannt, obschon grösser und stärker als er, sah mau doch, dass Linn^ sie mit Unrecht den Hunden beigezählt hat, dick, träge, unbehilflich, besonders schlecht auf den Hiiiterfüssen, lag sie meistens ruhig in einem Winkel ohne den Plackereien des lebhaften, flinken, aufgeweckten Kameraden einen anderen als einen höchst passiven Widerstand entgegenzusetzen. Zahl- reiche Narben und Wunden, besonders am Kopfe, bezeugten seine Misshandlungen, während er ganz frisch und unverletzt blieb, da sie zwar grässlich schrie, mit furchtbarem Rachen und grellen Blicken drohte, aber nie zum Beissen kommen konnte. Bei der Fütterung stellte sich ein Wärter mit einem eiser- nen Stabe an die Zelle und suchte beide auseinander zu halten, aber mit wenig Erfolg, die Hyäne frass ruhig, und langsam, der Wolf aber hatte immer sein Auge auf sie, ersah sich die Gele- genheit und sprang unversehens mit unglaublicher Gewandtheit und Schnelligkeit über oder unter die Stange durch, der Hyäne ihre Portion entreissend und verschlingend, während er die sei- nige einstweilen liegen Hess, wenn er nicht schon damit fertig war, sogar von dem Wasser jagte er sie weg und trank allein. Einige Mal sah ich Bernabb, um diesem Uebel zu steuern, dem scharrenden Wolfe ein schönes Stück Fleisch mit einer Hand vorhalten und ihn so lange damit beschäftigen, bis die Hyäne das mit der andern Hand zugeworfene verzehrt hatte. Ein ander Mal wurden sie durch eine eingeschobene Bret- — 79 — terwand getrennt, der Wolf merkte gleich die Absicht, wurde äusserst heftig und unruhig und versuchte wiederholt gegen die Scheidewand anspringend solche umzuwerfen. Ein capischer Schakal (Canis mesomelas Schreher), Tkenli der Hottentotten, hatte ganz den Bau und das Betragen unserer Füchse, er war etwas kleiner, hatte denselben buschigen Schweif, und sehr lebhafte Farben, fuchsroth, der kohlschwarze Rücken weiss getüpfelt, er war allein , lief oft unruhig auf und ab und frass nichts anderes als Fleisch, gesottenes jedoch eben so gerne als rohes. Zwei nordamericanische Waschbären (Procyon Lotor StorrJ lebten friedlich und ruhig beisammen, bekamen wie die Raubthiere regelmässig Fleisch, nahmen aber auch von mir gern gesottenes Fleisch, Zucker, Hausbrod, Weissbrod, Zimmtstern, Pomeranzenbrödchen , Reine Claude -Pflaumen und Trauben an, Birnen aber und Eierpflaumen Hessen sie liegen. Gegen das Ende des Augusts starb einer dieser Waschbären, der andere schien sehr traurig und war einige Tage unruhig, bis er sich nach und nach in seine Einsamkeit schickte. Nicht so gut wie diese harmlose drollige Nordländer ver- trugen sich zwei südamericanische Rüsselbären oder Coati, jähzornige, bissige Thiere, wenig dem ihnen von dem Prinzen von Neuwied gegebenen Namen der geselligen (Nasua socialis) entsprechend, sie stellten die zwei Arten vor, in welche man sie gespalten hat, der eine grösser hellgraubraun, der andere kleiner, Lichtseite dunkelbraun, Schattenseite lebhaft orange. Der grös- sere nahm oft beide Fleischportionen für sich in Anspruch und griff den schwächeren heftig an, wenn er auch zulangen wollte, dieser stellte sich dann eingeschüchtert aufrecht wie ein aufwartender Hund in einen Winkel und rührte sich nicht, bis der andere satt war. Gesottenes Ochsenfleisch war beiden so angenehm wie rohes, auch Anderes nahmen sie an, gesottene Kartoffeln, Hausbrod in Zuckerwasser eingeweicht, Weissbrod, Zimmtsterne, Chocolade, Pomeranzenbrödchen, süsse Birnen , Aepfel, Pflaumen, Zwetsch- gen, Feigen, Pfirschen und Trauben, so den Uebergang von den Fleischfressern zu den Pflanzenfressern bildend» -- 80 — Ein junger Ichneumon wurde für den berühmten ägyp- tischen Crocodilenfeind ausgegeben, war aber wohl der ostindi- sche (Herpestes griseus Desmarest). Kopf fleischfarbig durch die schwache Behaarung durchschimmernd , der Leib schlank auf kurzen Füssen, die Farbe aus schwarz und weisslichgelb gemengt. Er schlief fast immer eingerollt in seinem kleinen hängenden Käfig, den der nächste Affe oft aus boshaftem Muthwillen un- barmherzig schüttelte und rüttelte. Bei der Fütterung erhielt er Fleisch, von mir nahm er auch gesottenes Fleisch und Trauben an, an einer halben Birne leckte er, bis sie umfiel, die Schalenseite nach oben, nun gab er sich viele Mühe, sie wieder umzukehren, bis es nach wiederholten Versuchen gelang, worauf er sie verzehrte, Zucker aber und Pflaumen verschmähte er. Interessant war das Beisammensein zweier einander sehr fremden Thiere, einer orientalischen Zibethkatze {Viverra Civetta L.) und eines Ratel oder Honigdachses [Gulo mellivorus Storr). Die Zibethkatze ist wie unsere wilde Katze grau, schwarz gestreift und gefleckt, aber schlanker, länger, nicht so hochbeinig und steht so zwischen Katze und Marder in der Mitte, mit der Verlängerung des Leibes sind auch schmal zugespitzte Schnauze und Schwanz gegeben , das ganze Thier ist gewandt und zum Baumerklettern geeignet. Der Honigdachs ist das gerade Gegentheil, kürzer aber brei- ter, besonders auffallend flach, das heisst der horizontale Durch- messer des Körpers grösser als der senkrechte und so sind auch bei ihm mit der Verkürzung des Leibes kurze stumpfe Schnauze und Schwanz gegeben. Die dicke, zähe, locker anliegende Haut ist schwarz, an der Unterseite durch die schwache schwarze Behaarung stark durchscheinend , viele Stellen ganz kahl, weil er sich überall reibt, die Oberseite dagegen dicht und derb be- haart, wie bei dem Stachelschwein und Igel und heller als die Unterseite, auf dem Scheitel ein grosser länglichrunder weiss- grauer Flecken, auf dem Rücken ein länglicher grösserer grau mit weissem Rande an beiden Seiten, die kurzen dicken Füsse — 81 - haben, besonders die vorderen, sehr grosse starke, krumme Kral- len, die längste über einen Zoll lang hervorstehend ; die kohl- schwarzen Augen sind auffallend klein und vermehren das drollig plumpe der Physiognomie, alles deutet auf ein vergraben leben- des Thier, das sich in der Lebensart dem Maulwurfe, Igel und Ameisenbären anschliesst. Nach Dachsmanicr schlief unser Ratel viel, wobei er sich wie ein Igel zu einer Kugel einrollte, oft legte er sich auf den Rucken, um sich behaglich zu kratzen und zu lecken und wäh- rend die Zibethkatze auf und abging, machte er sich dadurch Bewegung, dass er lebhaft und schnell abwechselnd vorn und hinten omporhiipftc, ohne damit von der Stelle zu kommen, was possirlich aussah, aber die Bewegung zu sein scheint, die er beim Graben macht. So gab es manche ruhige friedliche Stunde unter ihnen, wurde er aber unruhig, so tyrannisirte er die Haus- genossin, indem er sich, den dichten Pelz des Rückens wie einen Schild vorhaltend, gegen sie schob und drängte, unter sie fuhr und sie umwarf oder sie gegen die Wand drückte, während sie ohne von ihren scharfen Zähnen Gebrauch zu machen, ihm bloss auszuweichen suchte, als ich ihm aber einige Stücke Zimmt- sterne gab, nach denen er sehr begierig war, zeigte sich die Ueberlegenheit der Gewandtheit über die Stärke, trotz seiner Demonstrationen nahm sie ihm ein Stück um das andere vor dem Maule weg, so dass er die wenigsten versuchen, fast keines ganz verzehren konnte. Beide wurden als Raubthiere behandelt und mit rohem Fleisch gefüttert, nach welchem der Honigdachs eine heftige Be- gierde zeigte, einige Mal gab er sich Mühe den über ihm woh- nenden Rüsselbären aufrechtstehend mit seinen langen Krallen einen Theil des ihrigen zu nehmen, was ihm auch hie und da gelang. Gesottenes Ochsenfleich schmeckte ihm vortrefflich , er fieng darüber Händel mit der Zibethkatze an, der es auch behagte, und bettelte lange um mehr, indem er auf den Hinterfüssen sitzend die beiden Hände mit den Bärenkrallen durch das Git- ter streckte und kurz abgebrochen bellte. Wüi-ttemb. naturw. Jahreshefte. 1860. Is Heft. 6 — 82 — Ausser Fleisch frassen beide, wie Bernabb bemerkte, nur süsse Sachen, Zimmtsterne, Reine Clauden und Trauben, der Ratel auch in Zuckerwasser eingeweichtes Brod, die Zibethkatze auch Pomeranzenbrödchen , Damas de Tours und Eierpflaumen, Feigen und süsse Geishirtlesbirnen, beide aber kein Brod, keine Kartoffeln und keine Aepfel. Zwei harmlose Stachelschweine [Hystrix cristata L.) aus Norii ifrica begannen die Reihe der von Pflanzenkost leben- den Bewohner dieser Thiergesellschaft , sie hielten sich immer ruhig dicht an einander im Hintergrunde ihres Käfigs, nur ein- mal hörte ich einen vom Explicator mit dem Stocke aufgestupft mit seinen Stacheln rasseln ; das Fleisch ging unbegehrt an ihnen vorüber, dafür erhielten sie Kopfsalat , Endivie , Gurken, gelbe Rüben, gesottene Kartofleln und in Zuckerwasser eingeweichtes Brod, ich reichte ihnen Birnen, sie nahmen sie wie die Eich- hörnchen zwischen die Vorderpfoten mit langen krummen Kral- len und schauten begehrlich nach mehr. Noch harmloser als die scheuen Stachelschweine benahm sich ein australischer Känguruh mittlerer Grösse, dunkelgrau mit röthlichem Schimmer am Hals und Nacken, ein frommes, stilles Thier, das sich anrühren und streicheln Hess, meist ruhig sitzend, bei kühlem Wetter die langen Hinterfüsse und den lan- gen dicken Schwanz dicht beisammen auf dem Stroh ausgestreckt, den Oberleib darüber gebeugt, die kurzen Vorderfüsse an die Brust gedrückt mit gesenktem Kopfe, so sich bei seinem dichten Pelze möglichst warm haltend ; zuweilen hüpfte er um sich Bewegung xu machen, so gut es ging aufrecht mit gleichen Füssen im Käfig herum, wobei der schwere Schwanz die Stelle einer Balancirstange vertrat, es war ganz die Ortsbewegung der Singvögel, die auch immer hüpfen, nie gehen. Kopfsalat, Endivie, Gurken, grüne Bohnenhülsen behagten ihm sehr, an den gelben Rüben verzehrte er zuerst die Blätter. Von mir nahm er Reine Claudepflaumen, Pfirschen, Trauben, Aepfel und Birnen an, die er auch sitzend mit den kurzen Händen hielt und daran herunternagte, was sich ganz hübsch ausnahm. Kartoffeln, Brod und anderes Backwerk Hess er Hegen. — 83 — Wir fanden diesen Känguruh in Goulds Praclitwerk über Neuhollands Fauna als HaJmaturus Bennetti Gould abgebildet, den Brush Kangaroo der Colonisten von Tasmania, wo er häu- fig gejagt wird, sein Fleisch ist ein behebtes Wildpret, die Felle liefern die einzige Art von Oberleder für die Stiefeln und Schuhe der Wohlhabenden und werden zu Tausenden ausgeführt. Nach Gould hält dieser Busch-Känguruh in Englands Klima aus und vermehrt sich jetzt im Freien in einigen Parks, seine weitere Verbreitung in Europa wäre dahvir eine würdige Aufgabe fürdie Acclimatisations-Vereine,Hobarttownhat nämlich eine mitt- lere Wintertemperatur von + 4,48 R. , London + 3,33, und es wäre interessant zu erfahren, ob und unter welchen Um- ständen auch diese Grenze überschritten werden könne. Mit Affen war auch diese Menagerie, wie gewöhnhch reich- lich versehen, der grösste und stärkste aus der verrufenen Gruppe der Paviane befand sich abgesondert von den anderen in einem grossen Behälter unter dem Namen Waidmann , es war der in Sennaar, Abyssinien, Kulla und Dongola lebende Cynocepha- l.us Bahuin Desmarest^ mit lang vortretender schwarzer Schnauze und grün und dunkelgrau gemengter Farbe der Haare. Er betrug sich immer still und ruhig, beunruhigte nie seine Nach- barn, die Stachelschweine und den Känguruh, nahm was man ihm reichte sanft und artig aus der Hand und war der einzige Affe dieser Menagerie, welcher Nüsse mit Leichtigkeit aufbeissen konnte, Birnen biss er den Stiel ab und schob sie dann ganz ins Maul, wann der Explicator vor ihn trat und den Zuschauern erzählte, dass er aufrecht gehe wie ein Mensch und sich mit Stöcken und Steinen wehre, richtete er sich jedes Mal zur Be- kräftigung des Gesagten aufrecht in die Hohe, nur ein paar Mal sah ich ihn, wie Petz am andern Ende der Reihe, das Git- ter fassen und seine Behausung heftig rütteln, als das Mittag- essen zu lange ausblieb. Die anderen vierzehn Affen hatten ihre Wohnung in acht Käfigen des neunten Wagens, wo sie auf frischem Stroh, zu zwei oder mehr beisammen um sich warm zu halten, die Nacht 6* - 84 — zubrachten, bei Tag wurden aber die meisten an dünnen Ketten um den Hals gebunden vor und neben ihrem Wagen , um den Tapirpferch und Reiherküfig bis dicht an den zweiten und drit- ten Phitz vertheilt, wo sie ihr Wesen als die Hanswurste der Gesellschaft zur grossen Belustigung der Zuschauer trieben. Der ruhigste und friedlichste von allen war ein südameri- canischer C a p u z i n e r {Cebiis Caimcinus Erxleben), von B e r- nabb Si paju genannt, sehr hellfarbig, gelblich mit dem bleichen Gesichte eines alten Mannes und langem braunen Wickelschwanz, von welchem er jedoch hier keinen Gebrauch machen konnte; freundlich, ruhig, doch fest und mit scharfen Zähnen versehen, hatte er sich die Achtung seiner Nachbarn erworben, welche sich nicht leicht getrauten, ihm etwas zu nehmen, ihn nie neckten. Er hatte schon eine angegriffene Lunge und wenig Appetit und war daher wähliger in seiner Kost, mit einer Nuss gab er sich viele Mühe, klopfte damit auf den Tisch, rieb sie, versuchte sie aufzubeissen und warf sie endlich weg, aus den Gurken klaubte er die Kerne heraus und ass nur diese, beim Anisbrod klaubte er sorgfältig die Aniskörner heraus und wann vor Schlafengehen gesottene Kartoffeln ausgetheilt wurden, rieb er die seinigen auf dem Tische und las die abfallenden mehligen Brosamen auf. Der Nachbar des Capuziners war ein Man gab ei aus Congo (Cercopithecus fuUginosus Fr. Cuvier), in der schlanken Gestalt der ostafricanischen rothen Meerkatze (Jahreshefte HI. S. 95) gleichend, eben so gross, mit ähnlichen Gesichtszügen, aber russfarbig, an der Unterseite hellgrau, auffallend durch weisse Augenlieder, übrigens wie jene ein stiller ernster Affe. Die graugrüne Meerkatze aus Guinea {Cercopithecus griseoviridis Desmarest) auf dem Anschlagzettel der Harlequin, einer der seltensten Affen, genannt, von Bernabb aber Cala- trici, ist wirklich kaum von der häufigen südafricanischen Calli- triche [Cercopithecus sahaeus Desm.) verschieden. Es war einer der reinlichsten Affen, die Oberseite grün und grau gemengt, die Unterseite milchfarbig, Gesicht und Hände schwarz, nicht angebunden, dafür aber beständig in seinen Käfig eingeschlos- — 85 — sen, vor welchem er zuweilen Besuche von anderen Affen, wie die Nonnen im Sprechzimmer, erhielt. Vier untersetzte Affen mit vorgezogenem schwarzem Ge- sichte und röthlichgelber beinahe fuchsrother glatter langer Be- haarung, gegen den Rücken dunkler, der Schwanz länger als die verhältnissmässig kurzen Hinterfüsse, nicht grösser als Haus- katzen, von Bernabb Papilioni genannt, waren wirklich noch nicht halbgewachsene Paviane {Cynocephalus Sphinx Wagner). Einer dieser Paviansknaben befand sich zwischen stärkeren Nachbarn und war daher ungemein schüchtern und ängstlich, er legte sich bittend auf das Wagenrad , streckte die Hinter- hände so weit als möglich aus, um etwas ausser dem Bereiche seiner Nachbarn zu erhalten, und schrie dann vor Angst, dass sie es ihm abnehmen , die drei andern dagegen , welche in der Nähe der Zuschauer ihren Platz hatten, von keinem stärkeren Nebenbuhler bedroht wurden und reichliche Geschenke bekamen, waren ungemein muthwillig, plagten und neckten Jeden, der in ihren Bereich kam und in Ermangelung anderer, sich unter sich selbst; so reichte ich einmal dem Mongoz eine Birne, der nächste Pavian nahm sie ihm weg und schob sie in seine Backentasche, nun gab ich dem Mongoz einen Pfirschenschnitt, der Pavian nahm auch diesen und behielt ihn in den Händen, raubte endlich auch dem Hutaffen eine Birne und hielt sie mit den Hinterhänden fest, ich gab ihm eine tüchtige Ohrfeige, er schrie, hielt aber doch alles fest. Der böse Nachbar des schüchternen Pavians erwies sich als ein Lapondre (Jnuus nemestrinus Geoffroy), von Bernabb Lapone genannt, aus den Sundainseln, gelbbräunlich, gegen den Rücken und auf dem Scheitel dunkler, mit hellbräunlichem Ge- sicht und kurzem, einwärts gebogenem Schwänze, dem unserer zahmen Schweine nicht unähnlich. Als einer der unruhigsten und unartigsten Affen hatte er seinen Platz in dem abgelegen- sten Winkel erhalten, den Zuschauern fast unerreichbar, so dass er sich nur mit Aufrütteln des Ichneumons, Quälen des jungen Pavians und Necken der Wärter, die er an die Kleider packte, die Zeit zu vertreiben suchte. — 86 — Der berüchtigte Magot {Inum Sylvanus Wagner) aus der Barbarei, der Affe, welcher mit den Kameelen Jahrhunderte hin- durch auf Europa's Märkten zur Belustigung herumgeführt wurde» bis eine strengere Polizei diesen Wanderungen ein Ende machte, Oberseite hellgelbbräunlich, Unterseite weiss, breiter als andere Affen, einer der bösartigsten, war ebenfalls ausser dem Bereiche der Zuschauer ziemlich kurz angebunden, daher seine Lieblings- beschäftigung darin bestand , sich möglichst lang auszustrecken, um seine Nachbarn mit den Hinterhänden, die er so gut als die der Arme gebrauchen konnte, bei der Kette zu fassen und her- anzuzerren, wobei sie oft schlecht wegkamen. Diese Nachbarn waren drei junge nur halb gewachsene Javanische Makako's [Macacus Cynornolgus Desmarest) hell- grünlichbraun mit hellem, fleischfarbigem Gesicht und Händen, die unartigsten und muthwilligsten aller Affen dieser Menagerie, daher an kurzen Ketten in den tiefsten Hintergrund gestellt. Sie balgten und neckten sich unaufhörlich unter einander, doch wie muthwillige Schulknaben innerhalb gewisser Grenzen, so dass trotz allen Geschreies und vieler Grimassen keine ernstliche Ver- letzung vorkam, nur einmal sah ich den Magot einen dieser jun- gen Javaner heftig in die Schwanzspitze beissen , dieser war über den unerwarteten Ernst höchst erschrocken , schrie , jam- merte und versteckte sich hinter ein Brett, seine Kameraden be- wiesen sich sehr theilnehmend, schmeichelten und trösteten ihn, er bewegte lange den sonst schlaff herabhängenden Schwanz hin und her wie ein wedelnder Hund, hat also hinreichende Muskel- kraft zu dessen Handhabung als Balancirstange. Man konnte ihnen, so begehrlich sie auch waren, beinahe nichts geben, da sie statt nach der Birne zu greifen die Hand fassten und zu beissen suchten, gelang es ihnen eine Mütze zu erhaschen oder den Rock zu erreichen, so suchten sie solche mit den Zähnen zu zerreissen, bissen auch in jeden Stock, den man ihnen vorhielt, so dass die Wärter Jedermann vor ihnen warnten und selbst nicht ungezupft sich ihnen nähern konnten, dennoch nöthigte sie Bernabb bald eine aufrecht sitzeride, bald eine betende oder aufrecht stehende Stellung anzunehmen — 87 — und wie eine Scbildwache zu grüssen, oder wie Karyatiden die Hände über dem Kopfe zusammen zu legen, was sich um so possirlicher ausnahm, als man ihnen wohl ansah, wie ungern sie es thaten, sie blieben keine Secunde länger in der anbefohlenen Stellung, als so lange er sie ansah. Er nannte sie Culi rossi und rühmte sie als molto intendevoli, sehr gelehrig, Abends nach beendigter Fütterung, wann sich die meisten Zuschauer entfernt hatten, gab er ihnen Unterricht, er Hess sie auf einer langen wagerecht befestigten Stange wie Seiltänzer mit der Balancir- stange in beiden Händen vor- und rückwärts laufen, springen, sich auf den Rücken legen und sich überschlagen, das Schwie- rigste sagte er mir, sei, sie dahin zu bringen, dass sie wie der Mensch aufrecht auf zwei Füssen gehen, sie seien so wenig als die Hunde dazu gebaut, habe man sie so weit gebracht, dann lernten sie schnell und ohne Mühe vieles Andere. Dass sie un- gern und nur gezwungen lernen, entschuldigte er damit, dass es für sie etwas unnatürliches sei; der, den er gerade unter der Hand hatte, sei ihm in Zürich entkommen und habe sich 14 Tage lang in den Gärten um die Stadt herumgetrieben, manchen Schaden gestiftet, selbst Fensterscheiben zerbrochen, ohne dass es möglich gewesen wäre, seiner habhaft zu werden, bis er endlich in einen Stall gegangen sei, den man schnell zu- geschlossen habe ; auch hier sah ich einen ihm aus den Hän- den schlüpfen und auf das Dach der Bude üüchten, wo es lange währte bis man ihn wieder einfing. Man brauche, fuhr er fort, viel Geduld und zwei volle Jahre Zeit, und habe man sie endlich mit vieler Mühe abge- richtet, so stürben ,sie ; den ersten Husten überständen sie glück- lich, der Harlequin habe stark gehustet, als er ihn kaufte, huste aber jetzt nicht mehr und sei munter und gesund, ein alter Makako sei schon ein geübter Seiltänzer gewesen, aber jetzt schwindsüchtig und seinem Ende nahe. Dieser lebte jetzt von den andern Affen getrennt ohne Kette in einem Käfig im hintersten Winkel der Bude, hustete ganz wie ein lungenkranker Mensch, lag ebenso auf seinem Stroh auf der Seite ohne sich zu rühren und liess nur die lebhaften Augen rollen. Ein Wärter nahm ihn her- — 88 ^ aus, die Behaarung war noch schön und glaft, das Gesicht aber auffallend blass, er schmiegte sich traurig an den Wärter an, der ihn h-ebkoste und tröstete, mir aber dabei erzählte, er sei! so lange er noch gesund gewesen, der bösartigste -v-on allen Affen gewesen. Jetzt war sein Muthwillen gebrochen. Bern ab b reichte ihm eine Birne , er versuchte sie anzubeissen und liess sie dann fallen, von einer Traube nahm er nur einige Beeren. Den Schluss machte ein Hut äffe, Bonnet chinois (il^aca- cus siniciis Desmarest) aus Bengalen, auch grünlichbraun mi^ hellem Oesichte und Händen, kenntlich an den vom Scheitel strahlenförmig ringsum auslaufenden langen glatten Haaren, welche einige Aehnlichkeit mit einem chinesischen Hute haben,' der kleinste und friedlichste Affe dieser Menagerie. Am äusser- sten Ende dicht neben den Zuschauern angebunden, liess er sich von Jedermann anrühren und streicheln, sprang uns zutraulich auf die Schulter oder in die Arme und entzog sich den Necke- reien der Paviane gewöhnlich durch Herabklettern auf der ent- gegengesetzten Seite des Tisches; als man ihm am Tage vor der Abreise den Capuziner zum Gesellschafter gab, schloss er gleich eine zärtliche Freundschaft mit ihm, während die meisten andern Affen viel Unfug trieben. Die Affen sind vielleicht in noch weiterem Umfange als der Mensch Allesesser {Omnivora), im freien Zustand vorzüglich auf Baumfrüchte angewiesen, nehmen sie auch in der Gefangenschaft jede Art von Obst an, ausserdem erhielten sie hier Morgens Milch, den Tag über Aepfel, Birnen, Pflaumen, Trauben , gelbe Rüben, Gurken, Kopfsalat, Endivie, Abends gesottene Erbsen, Ackerbohnen und Kartoffeln und in Zuckerwasser eingeweichtes' Brod, von den Zuschauern nahmen sie gern Alles, was Bäcker und Zuckerbäcker backen, Chocolade, Zucker, was mich aber sehr überraschte, war, dass der freigebige Bern ab b sie auch bei der Austheilung des rohen Fleisches nicht überging, die Paviane, der Harlequin und die Makako's verzehrten es auch, nur der Capuziner und der Hutaffe verschmähten es. Gekoch- tes Fleisch fressen sie lieber, bemerkte mir B er nah b, als nicht alle zulangten, die Hustenden erhielten warmen Thee und Ger- — 89 • - stensclileim. Im ücberfliiss sind sie leichtsinnig und vcrscliwcn- deriscli, bei Mangel genügsam , als einer eine Bohnenhülse er- hielt, öffnete er sie, ass die Bohnen und warf die Hülse weg, die sein Nachbar aufnahm und verzehrte, ein anderer schälte seine Birne, der Nachbar las die Schalenstücke auf. Ein Mongus [Lemur Mongoz L.) aus Madagaskar war ein scheues stilles Nachtthier mit lockerem, weichem, rauchgrauem Haar, spitziger Schnauze und grossen runden Eulenaugen, ge- mildert durch die kaffeebraune Farbe der Iris, der Schwanz län- ger als der Leib, locker und reich behaart, als warmer Mantel, er sa^ meist zusammen geknäuelt ruhig an einer Stelle, Hess sich berühren und streicheln und nahm von mir Birnen , Pfir- schen und Pomeranzenbrödchcn leise mit den Händen an, Fleisch und Chocolade nahm er nicht und war überhaupt bald satt. Der Hutaffe hatte ihn in seinen Schutz genommen , hielt ihn immer dicht an sich und that sehr zärtlich mit ihm, nahm ihm auch, ein seltener Fall bei Affen, niemals weg, was ihm ge- geben wurde. Mit den benachbarten Pavianen spielte er öfters, ohne sie im Mindesten zu fürchten , war zwar nie der erste Angreifer, wies aber aufrecht auf den Hinterhänden stehend jeden Angriff entschieden ab. Er war mit einem ledernen Riemen um den Unterleib an eine Schnur gebunden , die sich zuweilen mit der Kette des HTutaffen verwickelte, in solchen Fällen wissen sich die Affen ge- ^ wohnlich nicht zu helfen, den Hutaffen aber sah ich zwei Mal die Schnalle des Riemens seines Schützlings aufmachen, dieser benützte sogleich seine Freiheit, schlich sich das erste Mal leise in das 'Gebiet der anderen Affen hinüber, die ihn freundlich auf- nahmen, dos zweite Mal aber auf das Zeltdach hirauf, so dass es viel Zeit und Mühe kostete, ihn wieder einzufangen. ' Unter den Thieren, welche Bernabb als harmlos frei zwi- schen den Zuschauern des ersten Platzes herumlaufen Hess, war das seltenste und merkwürdigste 6in Tapir (Tapirus america^ nus Schreber) aus Cayenne , nach der Ankündigung das erste Exemplar der Art, welches in Europa gesehen wird, wie auch — -90 — Oken (VIL, 2, S. 1141) bemerkt, dass es wenig Sammlungen in Em'opa gebe, wo er sich finde und dass Lebendige gar nicht zu uns kämen, indessen befand sich schon im Jahre 1815 in der Menagerie des Königs Friedrich von Württemberg ein leben- der Tapir, welcher nach seinem Tode in die Stuttgarter Natu- raliensammlung kam. Man nennt den Tapir gewöhnlich das grösste in Südame- rica vorkommende Landthier, allein alle Auchenien und einige südamericanische Hirsche sind grösser 5 er hat so ^anz das Ausse- hen eines Dickhäuters, dass er am Besten einem recht grossen wohlgemästeten Schweine verglichen werden kann, untersetzt wie dieses, mit dicken kurzen Füssen , tonnenartig rundem Leib, niedrig gehaltenem Kopfe und kurzem Rüssel; diesen drei Zoll langen Rüssel bewegte und handhabte er wie das Rhinoceros, nahm Aepfel und Birnen damit vom Boden auf und schob sie unter die Zähne, auch fiel mir die Aehnlichkeit seiner Augen und seines Blickes mit denen des Nashorns auf, doch ohne die Tücke desselben, der Erklärer nannte ihn daher nicht unpassend das americanische Rhinoceros, der hohe Hals mit kurzer aufrech- ter Mähne erinnert wie der Euter mit zwei Zitzen an das Pferd. Die Haut ist ausserordentlich dick, ohne Falten glatt ausgespannt und fühlt sich wie ein Brett an, der Explicator wiederholte jedes Mal, dass weder ein Speer noch eine Flintenkugel hindurch gehe und nach S t e d m a n machen sich die Karaiben Schilde aus der- selben. Die Haare sind steif und hart, aber so kurz und glatt anliegend wie bei dem Wallross, die Farbe des ganzen Thieres ist gleichförmig hellgrau ohne die geringste Abschattung weder nach oben noch nach unten. Er lag fast den ganzen Tag auf der Seite, alle Viere von sich streckend, da ihm die Dicke und Kürze des Halses und der Füsse und die gespannte dicke Haut sehr wenig Abwechselung in der Stellung gestatten, am liebsten in der durch das Begiessen des Eisbären entstandenen Pfütze. In den heissesten Tagen war er ganz mit Fliegen bedeckt, die auf ihm herumliefen, ohne dass er sich im Mindesten darum bekümmerte, als er einmal bei den Makako's vorbeiging, sprangen zwei derselben auf seinen Rücken, — 91 — und wenn er in SGinem Pferch mit den Vorderfüssen emporstieg, wurde er von dem Magot heftig angegriffen , ohne sich mehr darum zu bekümmern, als um die Fliegen. Fast bei jeder Erklärung wurde er mit Stockschlägen zum Aufstehen genöthigt, mit Schlägen aus dem Pferch heraus die ganze Länge der Bude spazieren getrieben und wieder in sol- chen hinein, so dass sein Rücken voller heller Striemen war. Einmal gab ich ihm, als er gerade noch im PfercK einge- schlossen lag, grüne Bohnen und Birnen, er stand auf und nahm sie ganz artig mit dem Rüssel mir aus der Hand , sie erregten In ihm grosse Begierde nach mehr, er wollte mir wie gewöhn- lich folgen und versuchte mit dem Rüssel den Strick loszubin- den, welcher die eiserne Gitterthür zuhielt, dann diese zu öffnen oder zurückzuschieben. Es ging nicht, da zerhieb er wie Alexan- der den Knoten, indem er sich mit solcher Kraft gegen die Thüre stemmte, dass die eisernen Stäbe sich bogen und ein zolldickes Brett des Bodens, in welches der Thürpfosten einge- fügt war, morsch entzwei brach, er schritt über die eingestürzte Thüre und kam ganz friedlich , als wäre nichts geschehen , auf mich zu, wurde aber von den herbeigeeilten Wärtern unbarm- herzig geprügelt und wieder in sein Gefängniss hineingetrieben, ohne dass er die geringste Spur von Aufregung und Widersetz- lichkeit gezeigt hätte. Der würde die ganze Hütte zusammen- reissen, wenn er wollte, sagten sie, und meinten, als ich ihn be- dauerte, er spüre von den Schlägen doch nicht viel. Am meisten fiel mir seine Stimme auf, die er selten hören Hess, eine ganz feine , nicht laute Sopranstimme , so dass man kaum errathen konnte , dass sie von einem so grossen Thiere komme. Seine Kost war rein vegetabilisch, trockenes und eingeweich- tes ßrod, Endivie, gelbe Rüben, Kartoffeln und Gurken und von Besuchern gereichtes Obst, die grössten Eierpflaumen frass er mit sammt dem Stein , den man unter seinen Zähnen krachen hörte. Ein Paca (Auchenia Alpaca Desmarest) aus Peru, hatte die Gestalt eines Lama ohne dessen Grösse zu erreichen, Länge — 92 — des Leibes 3 Fiiss 9 Zoll pariser Mass, Höhn bis zur Schulter 3 Fuss, ganze Höhe veränderlich, wenn er den Kopf am höch- sten trug 4 Fiiss 5 Zoll , mir gerade an die Schulter reichend, das ganze Thicr kohlschwarz, sehr mager, aber dick erscheinend durch seine halbkrausc herabhängende Wolle. Diese Wolle ist länger als die Vicunnawolle, nach memer Messung volle sieben Zolle, aber nicht so fein, er kommt nicht wild vor und, wird au der Westseite der Anden wie bei uns das Schaf vorzüglich dieser Wolle wiegen gezogen. Der Paca unserer Menagerie war ein stilles frommes Thier das bequem und gemächlich zwischen den Zuschauern herum spa- zierte, sich auch berühren liess , aber die vier schaufeiförmigen zwei Zoll lang aus dem Maule hervorstehenden gelben Schneide- zähne der untern Kinnlade vermehrten noch das dumme un- freundliche Aussehen , welches die Auchcnien mit dem dadurch sprüchwörtlich gewordenen Kameel gemein haben, auch bemerkte ich nie etwas an ihm, das von Intelligenz gezeugt hätte, er be- nahm s'ich ganz wie ein Schaf, war das älteste Mitglied der Gesellschaft, wahrscheinlich schon sehr alt, und erhielt als Kost gelbe Rüben , Endivie , KartofTeln und gesottene Erbsen und Ackerbohnen, von mir nahm er gern Obst an und lief mir lange nach, wenn er etwas erhalten hatte. Während der heissesten Tage traf ich ihn immer stehend an, den ersten September legte er sich aber in meiner Gegen- wart nieder, zuerst niederknieend wie ein Kameel, dann sich auf die Seite legend wie der Tapir, den Kopf auf dem erhöhten Strohlager. Ein anderes Mal sah ich ihn so sitzen, dass man gar nichts von seinen Füssen sah, die Hinterbeine nach vorn, die Vorderbeine nach hinten gebeugt, den Bauch auf allen ruhend und so Alles warm gehalten unter der üppig reichen Wolldecke. Ein schüchternes stilles Geschöpf gab mir Bern ab o als eine Antilope gibha aus Guinea an, mir schien es am Besten mit Antilope phalerata Hamilton Smith aus Congo übereinzustimmen, welche aber selbst nur eine junge Antilope scripta Desmarest, der bunte Bock der Colonisten am Cap, sein dürfte. -^ 93 — Unser bunter Bock hatte einige Aehnliclikeit mit einem Reh, war aber kleiner, leichter und zierlicher gebaut, die Füssc sehr dünn, der Kopf lang gestreckt mit zugespitzter Schnauze , die Ohren sehr gross, graulich, weiss gesiiumt, vor solchen zwei viel kürzere, rückwärts gerichtete, gerade, scharf zugespitzte, schwarze Hörner, der Rücken etwas gewölbt, der Schwanz sehr kurz, kaum sichtbar. Die Hauptfarbe war röthlichgelb, durch Abschat- tung gegen den Rücken und Kopf schwärzlich, an der Untej- Seite in weiss übergehend; über den Rücken ein Strich von weissen mit schwarzen untergemengten Haaren, wovon an jeder Seite sieben schmale weisse Streifen senkrecht herabgingen, dar- unter ein wagerechter und einige weisse Flecken zwischen den Augen und der schwarzen Nase, an den Füssen über den Klauen weisse Flecken und ein schwarzer Ring, wie bei Antilope ijicta. Die Höhe vom Rücken bis zum Boden betrug 2 Fuss 5 Zoll pariser Mass, den Hals trug er aber so verschieden, dass sich die ganze Hohe nicht gut bestimmen Hess, ßernabb sagte, er sei noch ganz jung und bekomme über einen Fuss lange Hörn er. In ruhigen Zeiten hielt er sich auf dem ersten Platze auf, wurde es aber zu voll oder wurde er von den Besuchern zu viel berührt, so zog er sich unter den Bretterboden des dritten Platzes oder unter die Wägen zurück. An einem schönen Sommermorgen ging ich mit meiner Toch- ter Luise in die Bude, um sein Bild aufzunehmen, ich lockte ihn mit Stückchen Weissbrod, die er mir gerne aus der Hand nahm, berühren Hess er sich aber ungern und fuhr rasch nach der Hand, als wollte er beissen, ich spürte seine Lippen und Zähne, doch nur als leichten Stoss, Luise begann zu zeichnen, nun wurde er aber neugierig, lief auf sie zu, besah und beroch die Papiere und Farben und wollte die grünen Bänder der Mappe fressen, die er für Gras hielt. Ich suchte ihn möglichst freund- lich in eine bessere Stellung zu bringen, allein die Geduld ging ihm bald aus, er entsprang und schlüpfte unter den dritten Platz. Nachdem wir lange vergebens gewartet hatten, ob er nicht wie- der hervorkomme, hatte Herr ßernabb die Gefälligkeit, ihn — 94 - durch einen Wärter einfangen zu lassen , ein Schnupftuch um seinen Hals zu schlingen und ihn mir so als Gefangenen zu über- geben. Nun hielt ich ihn in passender Stellung fest und suchte ihm möglichst zu schmeicheln , er war eingeschüchtert und ver- hielt sich ziemlich ruhig, obschon es nicht an Anlässen zum Gcgentheil fehlte, er hatte bei der Jagd eine blutige Verletzung an einer Schulter erhalten, mit zunehmender Hitze stellten sich blutdürstige Stechfliegen ein und plagten uns beide, er schnappte nach ihnen oder zitterte mit der Haut an der Stelle, wo sie sassen und ich merkte nun, dass er auch meine ihn berührende Hand für Fliegen hielt, wie die Bänder für Gras. Die andern Thiere wurden neugierig oder glaubten, ich füttere ihn, bald drängte sich der Paka gravitätisch zu uns, bald wurde der Tapir auf seinem gezwungenen Spaziergang vorbeigetrieben, selbst der Kronenreiher kam heran, am beschwerlichsten war aber der Casuar, welcher noch so oft mit Faustschlägen, Fusstritten und Ohrfeigen fortgejagt unaufhörlich wieder kam und sich zwischen uns und die Malerin stellte ; so ging es zwei Stunden lang fort, dass mir der Schweiss von der Stirne herablief bis das schöne Bild fertig und gleichzeitig die Geduld des armen Gefangenen zu Ende war, er machte eine heftige Anstrengung, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, ich liess ihn in dem Glauben, dass er sich selbst be- freit habe und sah ihn an diesem Tage nicht wieder; über Nacht war aber Alles vergessen und am folgenden Tage nahm er wieder Birnen, Zwetschgen und Pomeranzenbrödchen aus meinen Händen, als wäre nichts vorgefallen. Ein neuholländischer Casuar {Casuarius novae Hol- landiae Latham) hatte den Kopf und Schnabel eines welschen Hahnes, auch etwas nackt und blaulicht, der Leib dicht und an- liegend befiedert, gelb, grau und schwarz gemengte, wie grobe Haare herunterhängende zweifahnige Federn. Er mass von der Spitze des Schnabels bis zum hintern Ende gerade fünf Fuss, die Höhe wechselte ab, da er sich bald aufrechter, bald gebück- ter hielt, übertraf aber die des Paca und betrug zuweilen bis fünf Fuss zwei Zoll. Er ist das grösste Landthier von Austra- lien, das kein ihn an Höhe, vielleicht nicht einmal an Gewicht übertreffendes Säugethier hat. - 95 - Dieser Casuar war das dümmste und gntmüthigste Thicr der ganzen Menagerie, da bei ihm die Intelligenz fördernden Vorderglieder ganz verkümmert und unbrauchbar sind ; rück- sichtslos drängte er sich durch die Zuschauer, von Stössen und Schlägen sah ich gar keine Wirkung, weder Furcht noch Zorn. Seine derben plumpen Füsse braucht er lediglich nur zum Gehen und hebt sie dabei hoch auf, gewohnt durch niederes Gebüsch zu wandern, wie die Känguruhs, wenn er niedersass streckte er sie aucli wie ein Känguruh gerade nach vorn und bedeckte und wärmte sie mit dem Leibe. Ich fragte einen Wärter, wohin er den Kopf lege, wenn er schlafen wolle, da er ihn nicht wie der Strauss unter einen Flügel stecken könne , er sagte, er habe es nicht genau beobachtet, glaube aber unter den ganzen Leib, was das abgeriebene Hörn des indischen Casuars etwas erklä- ren würde. Er war auf einem Auge blind und verdrehte daher oft son- derbar den Kopf wenn er etwas ansehen wollte. Gefüttert wurde er mit Brod und gesottenen Kartoffeln, so hatte , als ich einmal zusah , der Wärter eine Schüssel mit in Zuckerwasser eingeweichtem Brod in einer Hand und reichte ihm mit der anderen ein Stück davon nach dem andern, indem er es ihm vor den Schnabel hielt, worauf der Casuar es wie ein Strauss, doch mit mehr Ruhe nahm und ganz hinunterschluckte, ohne je den Versuch zu machen, selbst in die Schüssel zu greifen. Ein Kronenreiher [Grus pavonina Cuvier), von den Fran- zosen Oiseau royal, daher in dieser Menagerie Königsvogel ge- nannt, ein bekannter schlanker zierlicher schwarzer, durch seinen bunten Kopf und seine Krone gelblicher schmaler Federn auf- fallender Vogel aus der klugen Familie der Kraniche , war das gerade Gegentheil seines plumpen neuholländischen Kameraden. Er hatte ganz die Bewegungen und Sitten eines Kranichs, war zurückhaltend und liess sich nicht berühren ; als er wie der Paca und Casuar sehen wollte , was ich mit dem bunten Bock anfange und ich ihn wegtrieb, nahm er es sehr übel, hob die Flügel und die langen Federn des Halses wie ein Kampfhahn - 96 — in die Höhe, sali mich zornig und laut schreiend an, war aber doch so klug zu gehen und wegzubleiben. Inconsequent war es aber, dass er, während er sich gegen Menschen kühn zur Wehr setzte, vor dem kleinen Pavian fürchtete und sich in den inner- sten Winkel seines Käfigs zurückzog, wenn dieser am Gitter her- umklctterte und ihn muthwillig an den Federn zupfte, während er durch das Gitter seinen scharfen Schnabel hätte brauchen können, der Affe aber nicht seine Zäbne. In diesen Käfig konnte er frei aus und eingehen, was er oft that, gefüttert wurde er mit Brod und Kartoffeln, nahm auch von mir zugeworfene Wecken- brocken an und pickte am Kraut der gelbea Rüben , ein Mal sah ich ihm lange zu, wie er auf- und abgehend Fliegen von der Bretterwand wegfing, er pickte ganz leicht mit dem spitzi- gen schwarzen Schnabel pfeilschnell nach ihnen und nur selten gelang es einer, noch rechtzeitig zu entkommen. Die Papageien der Menagerie wurden als allgemein bekannt nie erwähnt, es waren sechs Americaner, ein Paar bunte Ara's {Psittacus Äracanga L.\ ein Paar blaue Ara's {Psittacus Ara- rauna L.) und ein Paar gewöhnliche grüne Papageien {Psittacus aestivus L.\ dann ein Paar africanische graue Papa- geien {Psittacus erythacus L.) und ein ostindischer Cacadu {Psittacus moluccensis Gmelin). Kletterthiere wie die Affen, brauchten die Papageien wie jene die Füsse als Hände, doch nahmen sie Alles mit dem Schnabel aus der Hand und brach- ten CS erst aus diesem in die Pfote, wie jene vertrugen sie sich sehr gut wann sie nichts zu essen hatten, bekamen aber oft laute Händel, wenn man ihnen etwas gab. So reichte ich ein Mal jedem der beiden Africaner ein Stück Zwieback, sie fanden ihn hart, der eine Hess sein Stück fallen, der andere aber tauchte das seinige in das Wasser, der erste nagte nun an dem eingeweichten Stück des Kameraden, dieser Hess es sich eine Zeit lang gefallen, als aber der Nascher ihm auch den letzten Bissen aus dem Schnabel zog, wurde er böse und biss sich lange mit ihm herum. Im Ueberfluss waren sie sehr verschwenderisch, sie verderben weit mehr als sie verzeh- ren, sagte ein Wärter. - 97 ^ Der Cacadu war in seiner Einsamkeit sehr ernst und still, ich hörte nie einen Laut von ihm, auch nahm er nie etwas von mir an, er kannte keinen anderen Zeitvertreib als am Holz zu nagen, so weit seine Kette es gestattete. Ein Araeanga tauchte ebenfalls wie die Schwäne und Wasch- bären was man ihm reichte, wenn es hart war, in das Wasser, den Zwieback mit gutem Erfolg, mit schlechtem den Zucker. Der Alligator {Crocodilus Lucius Cuvier) in dem südli- chen Theile der vereinigten Staaten von Nordamerica ist jetzt ein Handelsartikel, der so häufig nach Europa eingeführt wird, dass man ihn fast in jeder Menagerie, in jeder Naturaliensamm- lung sieht, die lebenden sind aber meist kleine junge Thiere, Bernabb's Menagerie dagegen enthielt den grössten von mir gesehenen, angeblich 9 Jahre alt. Dieser Alligator befand sich in einer dunkeln durch Blech- kästen voll warmen Wassers und darüber gelegte wollene Decken erwärmten Kiste, aus welcher er bei jeder Erklärung meist von zwei Wärtern hervorgehoben und auf einen mit Flanell bedeck- ten Tisch gelegt wurde, wo er flach und träge lag und sich kaum bewegte. Die grellen Katzenaugen, der grosse breite Rachen und die sichtbaren scharfen Zähne gaben ihm das Aus- sehen von Dummheit und Grausamkeit, durch welches so viele Amphibien dem Menschen verhasst sind, besonders wenn der Wärter bei der Erklärung dem ünthier den Rachen weit auf- sperrte und man zwischen den Zähnen die hellröthliche breite ganz angewachsene und unbewegliche Zunge sah, ein scharfer Gegensatz zur Schlangenzunge. Ein Mal hob ihn der stärkste der Wärter allein in die Höhe, damit er von jedermann gesehen werde, ich wunderte mich darüber und fragte ihn, welches Gewicht sein Alligator habe? Hundert und fünfundzwanzig Pfund, war die Antwort. Ein anderes Mal nahm ich zur allgemeinen Verwunderung der zahlreichen Umstehenden mein Messband aus der Tasche, setzte ihm den Anfang auf die Nase und mass ruhig fort bis zur Schwanzspitze, es ergaben sich 5 Fuss 9 Zoll pariser Mass, also ziemlich Gewicht und Länge eines Mannes. Württemb. naturw. Jahreshefte. 1860. Is Heft. 7 — 98 — Den 23. August wurde ich eingeladen einer Fütterung des Alligators, der einzigen während seines Aufenthalts in Stuttgart, anzu- wohnen. Man füllte sehr zweckmässig eine Badewanne mit lauem Wasser und legte ihn hinein. Die grosse Wanne war für ihn zu kurz und er musste in einen Bogen gekrümmt darin liegen, dennoch behagte sie ihm vortrefflich, er war nur wenig leichter als das Wasser und befand sich miter dem Wasserspiegel, so dass nur die Augen und die Nasenlöcher sich über demselben befanden, man sah, warum die einen wie die anderen so unge- wöhnlich höckerartig über der Scheitellinie erhöht sind ; hielt ich die Hand über die Nasenlöcher, besonders wenn er vom Untertau- chen herauf kam, so fühlte ich deutlich seinen kalten Athem. Das Futter bestand in lebenden etwa halbpfündigen Barben (Barbus ftuviatüis Flemming\ die man nach einander ins Was- ser setzte. Mit einer der einer Fischotter wenig nachstehenden Gewandtheit tauchte er unter, drehte sich im Kreise herum und fing den Fisch, obschon er von seinem treiflichen Schwimmorgan, dem Schwänze, fast keinen Gebrauch machen konnte, und die armen Barben sich nach ihrer Sitte auf dem Grunde haltend, ihr möglichstes thaten, ihm zu entkommen. Der Fang erfolgte natürlich immer so, dass der Fisch quer im Rachen lag, der Alligator biss ihn todt, dass die Schwimm- blase zersprang oder heraustrat, hatte dann einige Mühe, ihn über Wasser so zu wenden, dass er in die rechte Lage kam, der Länge nach, den Kopf gegen den Schlund, dann aber wurde er in einer Secunde hinuntergeschluckt. So verschlang er in kur- zer Zeit sechs Fische, dann war er aber satt und fing zwei weitere nicht mehr. Die Fischefütterung im Wasser stand in lebhaftem Gegen- satz zu der langsamen unbehilflichen Fleischfütterung im Trocke- nen anderer Menagerien und zeigte das auf dem Lande so träge Thier in seinem Elemente als würdigen Nachfolger jener gräss- lichen schwimmenden Amphibien, welche ein Hauptzug in dem traurigen düstern Charakter der dunkeln nebelvollen Vorwelt ohne sichtbare Sonne, Mond und Sterne waren. -. 99 — üeber der Fütterung wurde es Abend, die zahlreichen Zu- schauer bemerkten , dass sich der Blick des Thieres nach der Mahlzeit belebe und schrieben dieser zu , was die Abnahme des Lichtes bewirkte, der schmale schwarze Strich auf der gelben Iris erweiterte sich zu einem breiten Oval und näherte so das Auge dem der Tagthiere. Zwei Riesenschlangen wurden ganz wie der Alligator in einem Kasten warm gehalten und auf demselben Tische vorge- zeigt, eine davon als Boa du Senegal. Ich sah sie hier zum ersten Mal und wäre geneigt, sie wirklich für den am Senegal vorkommenden Python hieroglyphicus Schneider zu hal- ten, Herr Professor Kraus s glaubt, dass sie wohl der indische Python regius sei, sie war dunkler und gleichfarbiger als die Pythons, so dass sich die Zeichnung weniger hervorhob, viel- leicht rührte diese Dunkelheit nur von dem Alter und der ge- ringeren Durchsichtigkeit der Oberhaut her, diese Schlange hatte nämlich auch milchweisse Augen und war blind, der Wärter ver- sicherte mich aber, sie bekomme wieder schwarze Augen und werde sehend, wenn sie sich häute. Sie wurde zuweilen in lauem Wasser gebadet, so am 23. August vor der Fütterung, zu dieser wurde sie auf den gedeck- ten Tisch gelegt und, ihr ein lebendes Huhn dicht vor den Rachen gehalten, sie berührte es einige Mal mit der Zunge, ohne jedoch zuzugreifen, der Wärter sagte sie sei schüchtern, was auch wahrscheinlich ist, weil sie sich bewusst war, durch die Annahme des Huhns sich auf einige Zeit in einen ganz wehr- losen Zustand zu versetzen. Man legte sie also wieder in die Kiste und das lebende Huhn dazu. Nach einer halben Stunde wurde die Kiste geöffnet, die Schlange hatte richtig das Huhn bei dem Kopfe gepackt und es, zwei Ringe um dasselbe schlin- gend, erdrückt ; so wurde sie auf den Tisch gelegt, wo sie nun, da der Anfang gemacht und der Appetit erregt war, unbeirrt durch das Gedränge der Zuschauer fortmachte. Es ging sehr langsam , mit Pausen von einigen Minuten griff sie den Rachen möglichst weit aufsperrend vorwärts, rückte aber jedes Mal kaum um ein paar Linien weiter, bis der grösstc 7* -. 100 — Durchmesser des Huhns sich innerhalb der stark ausgedehnten Kinnlade befand, die spitzigen rückwärts gerichteten Zähne ver- hüteten indessen jeden Rückschritt und der ungemein dehnbare Hals bot keine Schwierigkeit mehr, sobald daher mit jedem neuen Biss statt der bisherigen Zunahme der Spannung der Kinn- laden eine Abnahme derselben erfolgte, ging es schnell, noch waren nur die ausgestreckten Füsse sichtbar, noch ein Schluck und das ganze Huhn glitt in den Magen hinab. Ein zweites Huhn hatte das gleiche Loos, war aber dieses Mal das letzte. Die andere Schlange war eine brasilianische Riesen- schlange [Boa Constrictor L.) mit einer Reihe sehr deutlicher elliptischer Flecken über den Rücken und lebhafter bunter Zeich- nung an den Seiten. Mit dieser wurde gar kein Versuch ge- macht, sie sei krank, habe schon mehrere Monate nichts ange- nommen und werde wohl bald sterben. Wirklich fand man sie auch, als man am 4. September die Kiste öffnete um sie vorzuzeigen, todt, sie wurde für die K. Naturaliensammlung gekauft und von den Herren Medicinalrath Dr. Hering, Generalstabsarzt Dr. von Klein und Professor Dr. Kraus s in Oberstudienraths Dr. von Kurr's und meiner Anwesenheit die Section vorgenommen, deren Resultate der erst- genannte von uns die Güte hatte, in dem nachfolgenden Auf- satze zusammenzustellen. Mittwoch den 10. August brach bald nach Sonnenunter- gang ein an tropische Orkane erinnerndes Gewitter über Ludwigs- burg aus, der heftige Regen drang in die Häuser, die Ziegel- dächer wurden vielfach beschädigt, hundertjährige Linden nie- dergeworfen. Stuttgart, drei Stunden südlich von Ludwigsburg, befand sich am Saume dieses Orkans , schwarze Wolken sperr- ten den Wiederschein der abnehmenden Dämmerung ab und er- setzten dieselbe durch ein ununterbrochenes Wetterleuchten, immer heller leuchteten die Blitze, bald vernahm man auch das ferne dumpfe Rollen des Donners und auch dieses steigerte sich schnell zu lauten Schlägen; endlich brandeten die Sturmwellen auch an unserer Menagerie , die grossen Segeltücher des Zelt- daches wurden aufgerollt, als wären es Schnupftücher, hell bleu- — 101 — dend leuchteten die Blitze vom pechschwarzen Himmel, ein dichter Regenguss schlug an die Tliierbehälter und da sie der Wetterseite zugekehrt waren, auch in sie hinein, selbst die Bret- terwände des Baues schwankten und drohten zu weichen ; wir hatten harte Arbeit, sagte mir ein Wärter, überall zu wehren, zu helfen. In der Thierwelt entstand die grösste Aufregung, zu dem gellenden Geschrei der Papageien, Aras und Affen gesellte sich der tiefe Bass der brüllenden Jaguare, Tiger und Löwen, welche hohe Sprünge machten, selbst die zwei jungen Löwen sprangen so hoch, wie noch nie geschehen, die Hyänen heulten, das unhar- monische Concert übertönte selbst den Donner. Mancher wird diese bei den grossen Katzen sich am hef- tigsten äussernde Aufregung für eine Wirkung der Elektricität erklären, ich glaube es nicht, mir scheint vielmehr das starke Licht der Blitze Thieren mit Nachtaugen weher zu thun als an- deren und das Knallen der einschlagenden Blitzschläge hatte eine so grosse Aehnlichkeit mit dem der Jägerbüchsen, dass es wohl ernste Besorgnisse in den Thieren erregen konnte, deren Angst noch durch das Rufen und Rennen der Menageriemannschaft ver- mehrt wurde. Montag den 5. September ging ich Nachmittags zum letzten Mal in die Menagerie und fand sie schon in völliger Auöösung begriffen, die Gemälde waren abgenommen, Schreiner und Schlos- ser sägten und hämmerten, die freien Thiere wurden in Käfige gesetzt, der Paca mit einigem Widerstreben von seiner Seite mit- telst einer ansteigenden Brücke, der Kronenreiher fing ein ge- waltiges Geschrei an, Bernabb packte ihn aber ohne weiters bei den um sich schlagenden Flügeln und schob ihn in den Käfig, in welchen er so oft freiwillig hinein gegangen war. Gerade als man das Segeldach abnehmen wollte, kam ein hefti- ger Platzregen, ganze Bäche flössen durch die Bude, der Regen schlug an vielen Stellen durch, wir mussten unsere Schirme auf- machen, die Wärter zogen ihre Paletots an und der dritte Platz, welcher die volle Traufe des nicht straff genug gespannten Zel- — 102 — tes erhielt, wurde schnell von den wenigen Zuschauem verlas- sen; ich gab noch dem Babuin, den Stachelschweinen und der guten Antilope einige Birnen, wünschte Bernabb eine glück- liche Reise und schied von meinen fünfunddreissigtägigen Be- kannten , welche den folgenden Tag die Reise nach Gerraers- heim. Speier und Worms antraten, worauf Bernabb in Frank- reich unter einem milderen Himmel die Winterhütte aufzuschla- gen gedachte. 2. Notizen zur Anatomie der Boa constrictor L. Von Med.-Rath Dr. Hering. Die am 6. September im K. Natm'alicn-Cabinet seclrte Boa war 9 Fuss 9 ZoU Dec. lang, wovon 3 Zoll auf den Kopf kommen; sie war ohne Zweifel an Erschöpfung zu Grunde ge- gangen, denn sie hatte seit längerer Zeit keine Nahrung mehr angenommen; als Ursache hiervon beschuldigte Bernabb zwei haselnussgrosse Beulen am vorderen Oberkiefer- Rande, nahe den Nasenlöchern; ihr Inhalt war käseälmlicher Eiter; sie soUen bei Schlangen öfter vorkommen und mögen durch das Anstossen des Kopfes an den Kasten, worin die Thiere gehalten werden, ent- stehen. Das Innere der Boa war ganz ohne Fett (andere Exemp- lare, die ich secirt habe, enthielten manchmal mehrere Pfunde Fett), das Bindegewebe sulzig, die Muskeln waren blass, die grossen Blutgefässe und das Herz fast ganz blutleer. Der Magen und Darmcanal enthielten keine Spur von Nahrung und nur im äussersten Darmende waren noch Spuren von Faecal-Materie, darin 8 feine spitzige Zähne, welche ohne Zweifel aus den kran- ken Kiefern der Schlange selbst herausgefallen und verschluckt worden waren. Der Schlund ist sehr dünnwandig und die weiteste Parthie des Verdauungs-Canals; er geht unmerklich in den Magen über, dessen Häute dicker sind und nach abwärts einen deutlichen Pylo- rus bilden ; der Darm fängt enge an, ist innen gefaltet und wird erst gegen das Ende {Cloaka) wieder weit. Die ganze Länge des Verdauungs-Canals erreicht kaum die Körperlänge des Thieres. (Bei Python Tigris fand ich den Schlund massig aufgeblasen, 6 Dec- Zoll im Durchmesser, den Magen 473-6, den Darm l'/^-S Zoll, die Länge des ganzen Canals 8 Fuss.) — 104 — Die Leber ist aalähnlich , in eine stärke Haut eingeschlos- sen, die Gallenblase liegt weit von ihr und enthielt ungefähr 1 '/o Unzen dicke, braungrüne Galle ; die Leber wird von der hinteren Hohlvene durchbohrt. Die Milz ist klein, nur theilweise zellig, sonst mehr drüsenähnlich (weshalb Meckel diesen Schlangen die Milz absprach) ; die Bauchspeicheldrüse ist, wie beinahe alle Eingeweide lang und schmal. Es ist kein Cavum thoracis oder dbdominis vorhanden, sondern die sämmtlichen Eingeweide ste- hen durch lockeres Bindegewebe unter sich und mit den Wän- den des Leibes in Verbindung. Die Nieren sind lang gezogen, gekerbt, die Harnleiter sehr lang, sie münden in die Kloake ; ebenso verhält es sich mit den Eileitern nach Form und Endigung; sie sind plattgedrückt weisslich ; die Eierstöcke waren ganz geschwunden. Auffallend klein ist das Herz, es hat 2 Zoll Länge und wiegt nur 9 Drachmen ; seine Lage ist frei in einem fibrösen Herzbeutel, in die linke Vorkammer mündet die Lungenvene, in die rechte die vordere und hintere Hohlvene; eine unvoll- ständige Scheidewand trennt die Ventrikel in einen linken sehr muskulösen und den rechten dünnwandigen, aber weiteren Theil ; der Bulbus aorticus communicirt mit beiden Herzabtheilungen (Kammern). Die meisten Schlangen haben nur die rechte Lungenhälfte, die linke ist ganz rudimentär; Boa und Python haben dagegen ein sehr stark entwickeltes linkes Lungenrudiment, es war in diesem Falle iVo Fuss lang und hatte die Dicke eines Kinds- arms, während die rechte Lunge 3 Fuss weit in den Körper hinabreicht und viel weiter als jene ist; indessen ist nur der obere Theil auf etwa 9 Zoll lang schwammig, weiter abwärts sind nur noch Zellen an der Lungenwand und ganz unten ist sie ein einfacher Schlauch. Die Luftröhre ist eng, aber ver- hältnissmässig länger als bei anderen Gattungen, ihre Knorpel- reife sind hinten geschlossen. Im Bindegewebe längs des Darmcanals und der Lunge lagen mehrere durchsichtige rabenkieldicke Rundwürmer (ange- — 105 — füllten Lymphgefässen ähnlich) von 8 — 10 Dec.-ZoU Länge; es ist die Filaria bispinosa Diesg., alle Exemplare sind weiblich. Die Lunge beherbergte etliche ausgebildete Exemplare von Pentastoma proboscideum R. federkieldick und bis zu 3 Zoll lang ; neben diesen fanden sich kleine, durchsichtige, gekrümmte Würmer von nur 1 Linie Länge , die sich als Junge des Pen- tastoma darstellten. Eine dritte Species von Würmern, die ich beim Auswaschen des Darmcanals fand, gehörte zu der Gattung Strongylus R. und zwar zu dem von D i e s i n g abgetrennten Genus Diaphanoce" phalus, dessen 3 bis jetzt bekannte Arten in americanischen Schlangen leben. Bis jetzt war kein Rundwurm (ausser obige Filaria) in Boa constrictor gefunden und die hier erhaltene Species ist ohne Zweifel neu. Die weiblichen, die Mehrzahl bildenden Exemplare sind 8 — 10 Mm. lang, die männlichen da- gegen nur 5 — 7 Mm. bei 0,30 Mm. Dicke. 3. Chemische Analyse der Wildbader Thermen, * Von Prof. Dr. H. v. Fehling. Die Wildbader Thermen, schon im Mittelalter durch ihre heilkräftigen Wirkungen berühmt, sind namentlich seit den letzten 25 Jahren in Aufnahme gekommen, wie das der jährlich wach- sende Besuch von Leidenden aus so verschiedenen Weltgegenden zeigt. Indem die hohe Staatsregierung die Wichtigkeit des Gegen- standes erkannte, beurkundete sie ihr Interesse für Wild bad da- durch , dass sie durch Bohrungen neuer Quellen, namentlich seit 1838, das Wasserquantum hinreichend vermehrte, um die stets sich vergrössernde Anzahl von Bädern gewähren zu können. Von 1838 bis 1846 wurden 27 neue Bohrlöcher in einer Tiefe von 60' bis gegen 200' getrieben. Die Temperatur des Wassers be- trägt nach Versuchen, welche der verstorbene Bergrath Degen s. Z. in Verbindung mit Hrn. Oberfinanzrath v. Nördlinger und Hrn. Baurath Fischer anstellte, meistens zwischen 38" und 40^ C. Die Quellen wurden alle im festen Granit erbohrt, nur zwei Quel- len kommen aus einem Gang, der mit wenigem Granit ausge- füllt ist. Die Thatsache, dass in den letzten Jahrzehnten die Anzahl der Quellen so wesentlich vermehrt ward, wie die Bedeutung des Gegenstandes überhaupt veranlassten das Kgl. Medicinal-Colle- gium, mich mit der Analyse der Wildbader Thermen zu beauf- tragen, da nur ältere Analysen existiren, von denen wohl allein die 1837 von Degen von der damals neu erbohrten Trinkquelle (s. unten S. 124) heute noch Vertrauen verdient. • Die Hauptresultate dieser Analyse sind schon im Auftrag des K. Medi- cinal-Collegiums von Ober - Med. -Rath Dr. Cless im Wiirttemb. Medicin. Correspondenz-Blatt Bd. XXIX. (1859) No. 32 veröffentliclit. — 107 - Eine vorläufige Untersuchung einer grössern Anzahl von Quellen Wildbads zeigte mir, dass der Salzgehalt derselben in 100000 Wasser bei allen übereinstimmend zwischen 56 und 57 beträgt, dass weiter auch der Gehalt von Chlornatrium bei allen nahe 24 liegt. Danach erschien es ganz nutzlos alle Quellen zu untersuchen, was auch der grosse Zeitaufwand nicht erlaubt haben würde. Nach Verabredung mit dem Badearzt Hofrath Dr. Burck- hardt und nach seinem Vorschlag wurden daher 3 Analysen vorgenommen, nämlich : 1) die der Quelle No. 10, in der Trinkhalle befindlich, welche hauptsächlich zum Trinken benutzt wird; 2) die der Quelle No. 19 im Katharinenstift, welche den zum Trinken benutzten Brunnen im Hofe des Katharinenstiftes allein speist, und mit anderen Quellen zusammen die Bäder in dieser Anstalt versorgt; 3) die eines Gemenges des Wassers von 10 verschiedenen Quel- len, nämlich aus den Bohrlöchern No. 5, 6, 7, 11, 12, 14, 15, 16, 17 und 24. Die Analyse dieses Gemenges hat, in Verbindung mit dem oben erwähnten Umstand über den Gehalt verschiedener Quel- len an Salzen überhaupt und namentlich an Chlornatriura hin- reichend bewiesen, dass alle diese Quellwasser gleiche Zusammen- setzung und unstreitig daher gleichen Ursprung haben. OaalKativc Aüalysc. Es ist bekannt, dass die Wildbader Thermen, so ausge- zeichnet durch die heilkräftigen AVirkungen und durch die wun- derbaren Erfolge mancher Kuren, sehr wenig fremde Salze enthalten, doch darf man nicht glauben, dass das Wasser „fast so rein sei wie destillirtes Wasser," wie man zuweilen sagt ; viele Brun- nenwässer sowie gutes Flusswasser enthalten weniger Salze als das Wildbader Wasser; selbst manche Mineralquellen enthalten weni- ger, so die Quellen von Gastein (in 1 Pf. = 2,50 Gran), Pfäf- fers (1,78 Gran), Badenweiler (1,50 Gran), Teinach (die Dintenquelle enthält 0,89 Gran). Der Unterschied zwischen dem Wasser von — 108 — Wildbad und dem Brunnenwasser in den meisten Gegenden des Landes liegt darin, dass das Wildbader Wasser ausser den Car- bonaten keine Salze von Kalk und Magnesia, dagegen viel kohlensaures Natron enthält, in Folge davon seifenartig wirkt, und auf den Körper das Gefühl von sehr weichem Wasser her- vorbringt, während in dem gewöhnlichen Brunnenwasser des Landes kein kohlensaures Natron vorhanden ist, dagegen viel kohlensaurer Kalk , namentlich Chlorcalcium und schwefelsaurer Kalk, wodurch solches Wasser mehr oder weniger hart erscheint, indem sich bei Berührung mit der Haut leicht Kalkseifen bilden. Die qualitative Untersuchung des Wildbader Wassers zeigte nach dem Kochen im Niederschlag kohlensauren Kalk und koh- lensaure Magnesia nebst Spuren von Eisenoxyd und Thonerde ; in Lösung finden sich dann kohlensaures Natron und Chlornatrium, schwefelsaures Natron, etwas schwefelsaures Kali und Kiesel- säure ; die letztere ist im Wasser wohl wenigstens theilweise mit Natron verbunden; da das Wasser aber überschüssige Koh- lensäure enthält, so lässt sich auch annehmen, dass dadurch die Kieselsäure abgeschieden und im Wasser in Lösung enthalten sei. Nach seinen Bestandtheilen ist das Wildbader Wasser also ein schwach aber deutlich alkalisches Wasser, seine zerstörende Wirkung auf verschiedene organische Stoffe namentlich Wolle und Leder erklärt sich hinreichend aus diesen Bestandtheilen und der Wärme des Wassers. Ob seine heilkräftigen Wirkungen sich auch durch diese Bestandtheile und durch die gleichmäs- sige Wärme erklären lassen, ist eine Frage , welche die chemi- sche Analyse nicht zu beantworten hat; will man um die Wir- kungen zu erklären annehmen, dass die in diesem Wasser ent- haltene Wärme eine eigenthümliche oder „natürliche Erdwärme** sei, oder dass das elektrische Verhalten des Wassers ein eigen- thümliches sei, so sind das leere Worte^ so lange die Forschung nicht nachgewiesen hat, dass einerseits die chemischen Bestand- theile nicht hinreichen zur Erklärung* der heilkräftigen Wirkun- gen, oder dass andererseits das physikalische Verhalten des Was- sers wirkhch ein eigenthümliches sei. 1828 sagte v. Schwerz, der mit Recht berühmte Director von Hohenheim : (Praktische — 109 — Anleitung zum Ackerbau. Stuttgart bei Cotta) über die Wirkung des Düngers: „0 des verwickelten gordischen Knotens, den die ^scharfsinnigsten algebraischen Formeln wohl nimmer lösen, „selbst die pfropfenzieherförmigen Atome des Cartesius nicht zu „Tage fördern werden. Es ist nicht gut, sagt Plato, die Auf- „suchung der Dinge zu weit zu treiben. Die Naturwissenschaf- „ten finden ihre Grenzen, über die hinaus Isis Schleier das Ge- „heimniss deckt; oder kann Jemand uns das Wesen von Kraft, „Leben und Bewegung enthüllen ?" Heute Weiss man wenigstens so viel mit Sicherheit, dass der Dünger in passender Form dem Boden die ihm zur Ernährung der Pflanzen fehlenden Elemente geben muss, und man begreift kaum , dass man je darüber hat in Ungewiss- heit oder Zweifel sein können. Die Forschung hat hier nach- gewiesen, was willkürliche Annahme über elektrische oder ther- mische oder andere unbekannte Einflüsse immer im Dunkeln gelassen hätten. Die qualitative Analyse des Mineralwassers ward auf dem ge- wöhnlichen Wege vorgenommen ; sie ergab ausser den angeführten Bestandtheilen sehr geringe Mengen von Ammoniak, Lithion, Baryt, Strontian, Mangan, Zinn, Salpetersäure, Borsäure, Arsenige Säure, Phosphorsäure und organische Substanz. Um diese Stoff'e nachzu- weisen waren etwa 100 Liter Wasser zum Theil zur Trockene eingedampft ; aber selbst bei dieser Concentration gelang es nicht Jod, Brom und Fluor nachzuweisen. Es ist nicht unwahrschein- lich, dass man auch von diesen Körpern Spuren finden wird, wenn man sehr bedeutende Massen Wasser eindampfen würde. Bei der qualitativen Untersuchung des Wassers ergab sich ferner, dass das Wasser Kohlensäure enthält, ohne die ja die Carbonate von Kalk und Magnesia nicht hätten in Lösuncr sich finden können. Dass die Menge dieser durch Kochen aus- treibbaren Kohlensäure nicht sehr gross sein kann, ergiebt sich daraus, dass das Wasser eine Temperatur von 35^ bis 40^ C. hat, und dass es an der Luft nicht merkbar perlt. Neben Kohlen- säure enthielt das aus dem Wasser beim Kochen entweichende Gas Stickstoff und Sauerstoff. — 110 - Quantitative Analyse. Diejenigen Bestandtheile, welche in nicht zu kleinen Mengen vorhanden waren, so dass sie noch bestimmt werden konnten, sind : Chlor, Schwefelsäure, Kieselsäure, Kohlensäure, Kalk, Magnesia, Kali, Natron, Eisenoxydul. Die quantitative Bestimmung fand in der gewöhnlichen Weise statt, meistens war hierzu ein Quantum von 4 bis 5 Liter Wasser erforderlich, was durch Eindunsten zuerst heinreichend concentrirt werden musste. Kalk und Magnesia fanden sich voll- ständig in dem beim Eindampfen erhaltenen unlöslichen Rück- stände; die Alkalien w^urden in dem Filtrat des eingedampften Wassers als schwefelsaures Salz bestimmt, nach Abzug der be- kannten Menge von schwefelsaurem Kali und Natron, die als solche im Wasser vorhanden waren und der Menge von Sul- fat, welche dem Chlornatrium entspricht, blieb diejenige Menge, wel- che ursprünglich im Wasser als kohlensaures Natron vorhanden war. Eine besondere Erwähnung erfordert die Analyse der im Was- ser sich findenden Gase; diese sind theils im Wasser so gelöst, dass sie erst durch Auskochen desselben gewonnen werden, theils steigen sie aus den Quellen in den Bädern selbst in die Höhe, in einigen Quellen in grössern in anderen in ganz kleinen Blasen, meistens periodisch nach bald längeren, bald kürzeren Zwischen- räumen. Das Aufsammeln sowie die Analyse der Gase ward in Ge- meinschaft mit Dr. C. Marx vorgenommen, der mir hier die >Yesentlichste Hülfe leistete. Zur Bestimmung der freien Kohlen- säure ward das Wasser nach dem gebräuchlichen Verfahren in Flaschen von bekanntem Volumen mit Chlorcalcium und Am- moniak gefällt; da die Menge des Niederschlags gering war, Ziagen wir es vor, den Niederschlag statt ihn zu titriren, als schwefelsauren Kalk zu bestimmen, wonach dann die Kohlen- säure berechnet w^ard. Um die beim Auskochen des Wassers entweichenden Gase aufzusammeln, diente das von Bunscn in seiner „Gasoraetri- schen Methode" (Braunschweig 1857) angegebene Verfahren und i — 111 — die dort beschriebenen Apparate. Die Gase wurden in Wildbad selbst mit aller nöthigen Vorsicht gesammelt, die sogleich zii- geschmolzenen Glasröhren nach Stuttgart gebracht und das Gas dort untersucht. Dieses Gasgemenge enthält vorwaltend wie zu erwarten Kohlensäure und zugleich Stickstoff; es zeigten aber auch die wiederholten Versuche immer etwas Sauerstoff, obgleich die grösste Vorsicht angewandt wurde, die Beimengung von atmosphärischer Luft zu verhindern. Das in dem Wasser aufsteigende Gas entwickelte sich zum Theil ziemlich gleichmässig aber in kleinen Bläschen, so dass zu- weilen mehr als 4 Stunden nöthig waren , um 50 bis 70 C. C. aufzusammeln, in einzelnen Quellen tritt das Gas in so grossen Blasen auf, dass man die angegebene Menge oft in wenigen Minuten sammeln kann. Das Gas wurde in kleinen Arzneiglä- sern von etwa 60 C. C. Inhalt aufgesammelt, es fehlten nur die Mittel, die Gläser sogleich zuzuschmelzen , desshalb wurden sie unter Wasser sehr gut zugekorkt und ohne sie aus dem Wasser zu nehmen wurden sie in ein Gefäss mit Wildbader Thermal- wasser gebracht, dieses luftdicht verschlossen und so nach Stutt- gart transportirt. W^ir versuchten ein ander Mal die einzelnen Gläser nach dem Verkorken schnell zu verharzen, den Hals dann in ein ganz mit Wasser gefülltes hinreichend weites Glasrohr zu bringen und durch Caoutchouc luftdicht zu verschlicssen. Wir fanden in dem Gasgemenge hauptsächlich Stickstoff neben einigen Procen- ten Kohlensäure und etwas Sauerstoff. Degen giebt an, in dem frei aufsteigenden Gase nur Stickstoff und Kohlensäure, keinen Sauerstoff gefunden zu haben, wir haben daher alle mög- lichen Vorsichtsmassregeln angewandt, den Zutritt von atmo- sphärischer Luft zu verhindern ; wir haben uns dadurch überzeugt, dass Sauerstoft^ wirkheh einen Bestandthcil der aus dem Wasser sich entwickelnden Gase ausmacht, was ja auch schon an und für sich als nicht unwahrscheinlich angenommen werden durfte. Dass Degen Sauerstoff nicht nachwies, liegt allein an der vor 20 Jahren so wenig genauen Methode der volumctrischen Gas-Analyse, die durch Bunsen, Regnault und Andere erst in den letzten 10 Jahren so wesentlich vervollkommnet ist. - 112 — I. Trinkquelle No. 10. (in der Trinkhalle befindlich.) Temperatur der Quelle 34 ,»5 C. = 27,°6 E. 1) Specifisches Gewicht. Eine Pipette, 99,69758 Grm. destillirtes Wasser von 18° C. fassend, hielt als Mittel aus mehreren Versuchen bei 18^ — 99,76173 Grm. Mineralwasser. 99 76173 Speciflsches Gewicht bei 18 ^ = ^^'^^^^^ ^ 1,000643 1 Liter Wasser bei 34,^5 C. = 994,99137 Grm. (1 Liter destillirtes Wasser bei 4" C. = 1000 Grm.) 2) Chlor. 999,982 Grm. Wasser = 0,577 Grm. Chlorsilber = 0,2351038 Grm. Chlornatrium. 997,254 Grm. Wasser == 0,577 Grm. Chlorsilber = 0,2351038 Grm. Chlornatrium. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 23,5433 Grm. Chlornatrium. 3) Sc[h wefelsäure. 3986,484 Grm. Wasser = 0,321 Grm. schwefelsaurer Baryt = 0,110120 Grm. Schwefelsäure. 4002,518 Grm. Wasser = 0,329 Grm. schwefelsaurer Baryt = 0,112961 Grm. Schwefelsäure. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 2,792 Grm. Schwefelsäure. 4) K i e s e 1 s ä|u r e. 3703,246 Grm. Wasser — 0,232 Grm. Kieselsäure. 2995,880 „ „ = 0,187 „ „ Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 6,252 Grm. Kieselsäure. 5) Eisenoxydul und Thonerde. 19260,0 Grm. Wasser = 0,0050 Grm. Eisenoxyd = 0,0072 Grm. kohlensaures Eisenoxydul. 19260,0 Grm. Wasser = 0,0105 Grm. Thonerde. — 113 — In 100000 Grm. Wasser 0,037 Grm. kohlensaures Eisenoxydul und 0,055 Grm. Thonerde. 6) Kalk. 4002,518 Grm. Wasser = 0,5245 Grm. schwefelsaurer Kalk = 0,38566 Grm. kohlensaurer Kalk. 3349,570 Grm. Wasser = 0,4365 Grm. schwefelsaurer Kalk =: 0,32095 Grm. kohlensaurer Kalk. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser =z 9,614 Grm. kohlens. Kalk. 7) Magnesia. 3703,246 Grm. Wasser = 0,0505 Grm. pyrophosphors. Magnesia =z 0,03822 Grm. kohlensaure Magnesia. 4002,518 Grm. Wasser = 0,0545 Grm. pyrophosphors. Magnesia = 0,04124 Grm. kohlensaure Magnesia. Im .Mittel 100000 Grm. Wasser = 1,031 Grm. kohlens. Magnesia. 8) Kali. 4007,580 Grm. Wasser = 0,1625 Grm. Kalium-Platinchlorid = 0.05782 Grm. schwefelsaures Kali. 4007,150 Grm. Wasser = 0,1550 Grm. Kalium-Platinchlorid = 0,05515 Grm. schwefelsaures Kali. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 1,414 Grm. schwefeis. Kali. 9) Natron. 4001,920 Grm. Wasser = 1,932 Grm. schwefelsaure Alkalien. 4001,920 „ „ = 1,944 „ Im Mittel in 100000 Gr. W. = 48,427 Grm. schwefeis. Kali u.Natron. und darin: 1,414 G. schws. Kali (==:0,6501 Schwefels.) 3,802 G.schws.Natr.(=2, 1420 Schwefels.) 28,598 Grm. schwefeis. Natron (entsprech.— 23,543 Chlornatrium. Danach 14,613 Grm. schwefeis. Natron entsprech. = 10,908 Grm. kohlensaures Natron. 10) Kohlensäure, a. Gesammte Kohlensäure. 431.7 CC. W. V. 340,5 C.=0,292 Gr. schwfels.Kalk=0,09447 G. CO2. 553.8 „ ©,364 „ 0,11776 „ WUrttemb. aaturnr. Jabreshefte. 1860. Is Heft. 8 ^ 114 - 601,6 CC. W. V. 340,5 C.=0,332 Gr. schwfels.Kalk=0, 10741 G.CO,. 500,9 y, 0,334 ^ 0,10805 „ 440,9 r> 0,292 „ 0,09447 ^ Im Mittel enthält 1 Liter Wasser von 34<^C. = 0,2151 Grm. Kohlensäure, oder: 100000 Grm. Wasser = 21,6182 Grm. Kohlensäure. b. Gebundene Kohlensäure. In 100000 Gr. Was. in 9,614 Gr. kohlens. Kalk =4,2301 Gr. Khls. 1,031 „ „ Magnesia =0,5305 „ 0,037 „ „ Eisenoxyd.==0,0140 „ 10,908 „ „ Natron ==4,1829 „ Gebundene Kohlensäure 8,9575 Grm. c. Freie Kohlensäure. In 100000 Grm. Wasser (21,6182—8,9575 =) 12,6607 Gr. Kohlensäure = 76,463 C. C. bei 34,°5 C. und mittlerem Barometerstand (0,721 M ). 1 Liter Wasser enthielt danach bei mittlerem Druck =76,100 C. C. Kohlensäuregas. 11) Gesammtsalze. 429,632 Grm. Wasser = 0,2430 Grm. Salze, 608,887 „ „ = 0,3442 „ 480,138 „ „ == 0,2721 „ In 100000 Grm. Wasser in Mittel 56,580 Grm. Salze. 12) Gase, aus dem Wasser durch Auskochung erhalten Das Gas bestand in 100 Vol. aus: Kohlensäure 36,49 — 37,56 — 31,79 Stickstoff 59,61 — 59,98 — 63,94 Sauerstoff 3,90 — 2,46 — 4,27 Nach Entziehung der Kohlensäure, berechnet sich in 100 Vol. Stickstoff 93,9 •— 96,0 -— 93,8 Sauerstoff 6,1 — 4,0 — 6,2 — 115 — n. ftuelle No. 19 im Kalharinenbad, Diese Quelle speist den Brunnen im Hofe des Katharinenstifts, sowie das Weiberbad im Katharinenstift. Temperatur 39,^5 C. oder 31,% R. 1) Specifisches Gewicht. Das Gewicht des Wassers verhält sich zu dem von destil- lirtem Wasser (bei 18 « c.) =r 99,76553 : 99,69758; das spec. 9976553 Gewicht ist daher ^^^^^^^- = 1,0006815 1 Liter Wasser von 39,^5 C. wiegt daher = 993,26445 Grm. (destillirtes Wasser bei 4" = 1000 Grm.) 2) Chlor. 1000,412 Grm. Wasser =: 0,6065 Grm. Chlorsilber = 0,2471239 Grm. Chlornatrium. 996,326 Grm. Wasser = 0,6036 Grm. Chlorsilber = 0,2459422 Grm. Chlornatrium. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser =^ 24,694 Grm. Chlornatrium. 3) Schwefelsäure. 3993,476 Grm. Wasser ~ 0,3465 Grm. schwefelsaurer Baryt = 0,11897 Grm. Schwefelsäure. 4000,860 Grm. Wasser = 0,3486 Grm. schwefelsaurer Baryt = 0,119537 Grm. Schwefelsäure. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 2,9832 Grm. Schwefelsäure. 4) Kieselsäure. 4000,000 Grm. Wasser = 0,2485 Grm. Kieselsäure. 4000,000 „ „ =. 0,2480 „ Im Mittel von 100000 Grm. Wasser = 6,206 Grm. Kieselsäure. 5) Eisenoxydul und T honerde. 19300,0 Grm. Wasser = 0,0051 Grm. Eisenoxyd = 0,00739 Grm. kohlensaures Eisenoxydul. 19020,0 Grm. Wasser = 0,0050 Grm. Eisenoxyd == 0,00725 Grm. kohlensaures Eisenoxydul. |19020,0 Grm. Wasser = 0,0112 Grm. Thonerde. In 100000 Grm. Wasser in Mittel = 0,038 Grm. khls. Eisenoxydul, und 0,059 » Thonerde. 8* — 116 — 6) Kalk. 3985,320 Grm. Wasser = 0,5300 Grm. schwefelsaurer Kalk = 0,3897 Grm. kohlensaurer Kalk. 3993,476 Grm. Wasser = 0,5313 Grm. schwefelsaurer Kalk =^ 0,3906 Grm. kohlensaurer Kalk. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 9,780 Grm. kohlens. Kalk. 7) Magnesia. 3993,476 Grm. Wasser = 0,0545 Grm. pyrophosphors. Magnesia = 0,0412 Grm. kohlensaure Magnesia. 3993,280 Grm. Wasser = 0,0543 Grm. pyrophosphors. Magnesia = 0,0411 Grm. kohlensaure Magnesia. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 1,031 Grm. kohlens. Magnesia 8) Kali. 4000,860 Grm. Wasser = 0,1566 Grm. Kalium-Platinchlorid = 0,05586 Grm. schwefelsaures Kali. 4000,560 Grm. Wasser =^ 0,1580 Grm. Kalium-Platinchlorid = 0,05639 Grm. schwefelsaures Kali. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 1,402 Grm. schwefeis. Kali. 9) Natron. 2927,530 Grm. Wasser = 1,413 Grm. schwefelsaure Alkalien. 4002,635 „ „ = 1,944 „ „ » Im Mittel in 100000 Gr. Was. = 48,417 Grm. schwefelsaure Alkalien darin 1,402 Gr.schwefels.Kali(==0,64478 ^ Schwefels.) 4,151 Grm. schwefelsaures Natron (—2,3384 Schwefels.) 29,996 Grm. schwefelsaures Natron (= 24,694 Chlornatrium.) 12,868 Grm. schwefelsaures Natron (= 9,606 kohlens. Natron.) 10) Kohlensäure, a. Gesammte Kohlensäure. 415,4CaWas.v.39,<>5C.=0,257Gr.schwfl.Kalk=0,08315G.Kls 442.7 „ =0,274 « =0,08865 « 430.8 » =0,264 „ =0,08541 „ 454,4 , =0,284 „ =0,09188 « . — 117 - 1 Liter Wasser von 39,^5 C. im Mittel — 0,20022 Grm. Kohlens. 100000 Grm. Wasser = 20,1578 „ „ b. Gebundene Kohlensäure. 100000 Gr. Was. enth. 9,780 Gr.kohlens. Kalk, darin 4,303 Gr.Kls. 1,031 „ „ Magnesia, ^ 0,540 „ 0,038 „ „ Eisenoxydul „ 0,014 „ 9,606 yy „ Natron, „ 3,988 „ 8,845 » c. Freie Kohlensäure. 100000 Grm. Wasser enthalten (20,158—8,845) 11,313 Grm. oder 69,442 C. C. freie Kohlensäure. 1 Liter Wasser von 39,^5 enthält bei mittlerem Barometerstand = 68,9746 C.C. freie Kohlensäure. 11) Gesammtsalze. 293,870 Gr. Wasser b. 150— 160<> C.getrock. = 0,1666 Grm. Salze. 279,065 „ 0,157 „ 438,632 „ 0,248 „ Im Mittel in 100000 Grm, Wasser = 56,497 trockener Salze. 12) Gase, durch Auskochen des Wassers erhalten. Das Gas in 100 Volumen enthielt: Kohlensäure 20,89 — 32,17 Stickstoff 75,01 — 64,50 Sauerstoff 4,10 — 3,33 oder nach Absorption der Kohlensäure Stickstoff 94,8 — 95,1 Sauerstoff 5,2 — 4,9. — 118 -- in. Das Wasser aus 10 verschiedenen Quellen gemischt. (Aus den Bohrlöchern No. 5, 6, 7, 11, 12, 14, 15, 16, 17 und 25.) Die Temperatur lässt sich im Mittel zu 36° C. annehmen. 1) Specifisches Gewicht. Das Gewicht des Wassers verhielt sich zu dem von destil- lirtem Wasser (bei 18^ C.) = 99,7524 : 99,69758, daher das 99 7524 specif. Gewicht = ^c^'arjK^ = 1)0005499 1 Liter Mineralwasser bei 36° C. wiegt daher = 994,3875 Grm. 2) Chlor. 996,286 Grm. Wasser = 0,5932 Grm. Chlorsilber =r. 0,241704 Grm, Chlornatrium. 999,520 Grm. Wasser — 0,5960 Grm. Chlorsilber = 0,242845 Grm. Chlornatrium. In 100000 Grm. Wasser im Mittel 24,269 Grm. Chlornatrium. 3) Schwefelsäure. 3945,780 Grm. Wasser = 0,3384 Grm. schwefelsaurer Baryt = 0,116051 Grm. Schwefelsäure. 4051,110 Grm. Wasser = 0,3450 Grm. schwefelsaurer Baryt — 0,118412 Grm. Schwefelsäure. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 2,9322 Grm. Schwefelsäure. 4) Kies elsäure. 2996,021 Grm. Wasser = 0,189 Grm. Kieselsäure. 3998,876 „ « = 0,252 „ „ Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 6,304 Gr. Kieselsäure. 5) Eisenoxydul und Thonerde, 19250,0 Grm. Wasser = 0,0048 Grm. Eisenoxyd = 0,00696 Grm. kohlensaures Eisenoxydul. 19250,0 Grm. Wasser = 0,0135 Grm. Thonerde. In 100000 Grm. Wasser 0,036 Grm. kohlensaures Eisenoxydul. 0,070 « Thonerde. — 119 - 6) Kalk. 3998,876 Grm. Wasser = 0,5374 Grm. schwefelsaurer Kalk = 0,39514 Grm. kohlensaurer Kalk. 2996,021 Grm. Wasser = 0,4025 Grm. schwefelsaurer Kalk = 0,29595 Grm. kohlensaurer Kalk. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 9,879 Grm. kohlens. Kalk. 7) Magnesia. 3998,876 Grm. Wasser == 0,054 Grm. pyrophosphors. Magnesia = 0,04086 Grm. kohlensaure Magnesia. 6812,620 Grm. Wasser = 0,091 Grm. pyrophosphors. Magnesia = 0,06886 Grm. kohlensaure Magnesia. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 1,016 Grm. kohlens. Magnesia. 8) Kali. 3942,612 Grm. Wasser = 0,1575 Grm. Kalium-Platinchlorid = 0,05604 Grm. schwefelsaures Kali. 3747,886 Grm. Wasser = 0,1515 Grm. Kalium-Platinchlorid = 0,05391 Grm. schwefelsaures Kali. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 1,435 Grm. schwefeis. Kali. 9) Natron. 3888,340 Grm. Wasser = 1,858 Grm. schwefelsaure Alkalien. 3993,650 „ „ = 1,905 „ ^ „ Im Mittel 100000 Gr. Was. = 47,742 Grm. schwefelsaure Alkalien. dann 1,434 Grm. schwefelsaures Kali (== 0,65954 Grm. Schwefels.) 4,034 Grm. schwefelsaures Natron (= 2,2727 Grm. Schwefels.) 29,430 Grm. schwefelsauresNatron(= 24,269 Grm. Chlornatrium.) 12,844 Grm. schwefeis. Natron (r= 9,588 Grm. kohlens. Natron.) 10) Kohlensäure, a. Gesammte Kohlensäure. Die gesammte Kohlensäure ward hier bei drei einzelnen Quellen bestimmt und aus den nahe übereinstimmenden Resulta- ten das Mittel genommen: ^ 120 — a. Quelle No. 14. 534,5 C.C. Was. = 0,344 Gr. schwefls. Kalk = 0,11129 Gr.Kohls. 502,5 „ 0,325 ^ 0,10515 „ 413.5 „ 0,262 „ 0,08477 „ Danach enthält 1 Liter Wasser = 0,2075 Grm. Kohlensäure. ß. Quelle No. 15. 438.3 C.C, Was. := 0,278 Gr. schwefls. Kalk = 0,08995 Gr.Kohls. 463.0 „ 0,293 „ 0,09479 „ 540.4 „ 0,353 „ 0,11421 „ 496,3 „ 0,309 „ 0,09997 „ Danach enthält 1 Liter Wasser = 0,2057 Grm. Kohlensäure, y. Quelle No. 24. 415.1 C.C. Was. = 0,262 Gr. schwefls. Kalk = 0,08477 Gr. Khls. 449.6 „ 0,286 „ 0,09253 „ 541,6 „ 0,346 » 0,11194 „ 471.2 „ 0,300 „ 0,09706 » Danach enthält 1 Liter Wasser = 0,2057 Grm. Kohlensäure. Im Mittel nach diesen drei nahe übereinstimmenden Bestim- mungen war in 1 Liter Wasser von 36^ C. = 0,2063 Grm. Kohlensäure angenommen. 100000 Grm. Wasser enthalten also = 20,7503 Grm. Kohlensäure. b. Gebundene Kohlensäure. In 100000 G. Was. sind 9,880 G.kohls. Kalk, darin 4,3 470G.Kohl3. 1,016 „ Magnesia, „ 0,5327 „ 0,036 „ Eisenoxydul „ 0,0137 » 9,588 „ Natron, „ 3,9798 „ 8,8732G.Kohls c. Freie Kohlensäure. In 100000 Grm. Wasser beträgt die gesammte Kohlensäure = 20,7503 Grm. Gebundene Kohlensäure 8,8732 „ Freie Kohlensäure = 11,8771 Grm. oder 72,105 C. C bei mittlerem Barometerstand. 1 Liter Wasser von 36 ^ C. enthielt danach bei mittlerem Druck = 71,698 C. C. Kohlensäure. — 121 — 11) Gesammte Salze. 441,506 Grm. Wasser = 0,2500 Grm. Salze. 424,054 „ » = 0,2395 „ » 416,194 „ „ = 0,2361 „ „ Im Mittel in 100000 Grm. Wasser 56,602 Grm. Salze. 12) Gase durch Auskochen des Wassers erhalten. Das Gas enthält in 100 Volumen: Quelle No. 14. Quelle No. 15. Kohlensäure 41,51 45,27 Stickstoff 55,14 53,69 Sauerstoff 3,35 1,04 Nach Absorption der Kohlensäure berechnet sich in 100 Vol. Stickstoff 94,2 94,6 Sauerstoff 5,B 5|4 122 IV. Zusammenstellung der Resultate, 100000 Grm. Wasser enthalten: Kohlensaurer Kalk . , Kohlensaure Magnesia . Kohlensaures Natron Kohlensaures Eisenoxydul Thonerde Schwefelsaures Natron . Schwefelsaures Kali . . Chlornatrium .... Kieselsäure .... Summa der fixen Bestand- theile Freie Kohlensäure . . 1 Liter Wasser von Quellen- teraperatur und bei mittle- rem Druck enthielt an Kohlensäuregas An Bestandtheilen, die in so geringer Menge auftreten, dass sie nicht wohl quantitativ bestimmbar sind, enthielt das Wasser : Organische Substanz, Ammoniak, Salpetersäure, Lithion, Borsäure, Baryt, Phosphorsäure, Strontian, Arsenige Säure. Manganoxydul, Zinn. Quelle No. 10. Trinkhalle. Quelle No. 19. Katharinenstift. Wasser von 10 verschiede- nen Quellen. 9,614Grm. 9,780 Grm. 9,880 Grm. 1,031 „ 1,031 „ 1,016 „ 10,908 „ 9,606 „ 9,588 „ 0,037 „ 0,038 „ 0,036 „ 0,055 „ 0,059 „ 0,070 „ 3,802 ,, 4,151 „ 4,034 „ 1,414 „ 1,402 „ 1,435 „ 23,543 „ 24,694 „ 24,269 „ 6,252 „ 6,206 „ 6,304 , 56,656 Grm. 56,967 Grm. 56,632 Grm. 12,661 „ 11,313 „ 11,877 „ 76,100 C. C. 68,974 C. C. 71,698 C.C. 123 — Werden die Resultate der Analyse auf 1 Pfund Wasser = 7680 Gran berechnet, so sind darin enthalten 2. *^. i"* w w 2 o o c a a CO CQ ^ N 2. cd' o CO c i so et) tu CO CO ö CLi o o o p- a- fD CD p p o W CD B O X P^ w w o o o E s s CD CD CD CO CO P P e B >-« <-t CD CD CO ^ I O CD ö 22. P* w C5 O CO o o h- o O «£> OO CO t-k O O CO o o o o o o fcO 00 bO tfa- O -3 O 00 h-' CO OS CO CS oo Oi er» ü» «a CT« 00 CO H-» CO -^ CO o O j^ "bo CO GO C" 00 1— "^ "co b* «£) H-» CO c;x t-» C5 O bS bö 00 OS O Oi bS CO CO OO CS CO O J-* O ■rf^ "oo "^- -^ o o OS C5 -^ 05 C3 C5 bS o ^ o oo o o er» t£> CO bS P P P "^ ^ "-a CO --1 c^ -a o t-* -a bs H-* > C^ bO OD CO ^ H- «^a CS O -3 -;^ P P p - CS CO CS oo CS cn CT» "^ C« 00 CO H- OS <1 U) CT« &9 O p p CS bS 00 CS oo 00 »f^ Ü» rf:» 00 i-* CS 00 o O CS O 00 00 bO (-* t-» CT» c;n p ^ bS O CS bS o CO bS bO o o O *1 -5 CO O CO >-* CO OCOfcObSrfä-OOOrf^ o t-* o^^o^PP C5CS-5-3rfi-»>30«;OH- 05ütcscscr»«r>cst£^ u (D (O cn P g: ö » «» O P i^ I-* U) bO <^ ^ 3^ V *CO *H- oo CS H- H^ CO 3^ <^ 3^ i"* S^ S' "ll ^ "o CO o -^ O O O oo bO üt b3 CS 00 00 >-i 00 bö ü» CO rt». C3 >-» ** -Ji -a -a o ^ C> CX> CO 00 — 124 - Zur Vergleichung mögen hier noch die Resultate früherer Analysen der Wildbader Quellen angeführt werden. Die älteste Analyse soll auf Veranlassung von Dr. J. Kerner von dem Chemiker Staudenraayer in Ludwigsburg ausge- führt sein ; er erhielt aus 1 Pfund Wasser : kohlensaures Natron ^^f^^ Gran Kochsalz Glaubersalz kohlensauren Kalk schwefelsauren Kalk Eisen Summe der Salze /32 132 /32 32 : Spur. 1 Gran 1830 wurden die Badequellen von S ig wart und Weiss, 1837 die damals neu erbohrte Trinkquelle von Degen unter- sucht; in 1 Pfund Wasser ward an trockenen Salzen gefunden: Kohlensaurer Kalk Kohlensaure Magnesia Kohlensaures Natron Kohlensaures Eisenoxydul Thonerde Schwefelsaures Natron Schwefelsaures Kali Chlornatrium Kieselsäure Summe der Salze Sigwart und Weiss. Degen. 0,34 Gran 0,70 Gran 0,70 0,09 0,53 0,70 0,20 Spur. Spur. 0,40 0,28 0,20 0,14 1,82 1,89 0,39 0,51 4,58 Gran 4,31 Gran Die Analyse von Degen zeigt grosse üebereinstimmung mit der oben gegebenen ersten Analyse der Trinkquelle , beson- ders wenn man berücksichtigt, dass die Hülfsmittel der Analyse 1837 weniger vollkommen waren, als sie es heute sind. — 125 — Zum Schluss geben wir noch die Gase, welche aus ver- schiedenen Quellen frei aufsteigen, und in der oben (S. 111) an- gegebenen Weise gesammelt wurden. 100 Volumen Gas enthalten: Aus Quelle No. 6. Frauenbad Abtheil. IV. Stick- stoff. Sauer- stoff. Kohlen- säure. Verhältniss von Stick- . Sauer- stoff. • Stoff. 95,9 95,9 2,3 2,0 1,8 2,1 97,6 : 2,4 97,9 : 2,0 Aus Quelle No. 7. Frauenbad. 95,4 94,9 1,6 1,5 3,0 8,6 1,8 1,7 98.3 : 1,7 98.4 : 1,6 Aus Quelle No. 14. grosses Herrenbad. 97,0 96,5 1,2 1,8 98.7 : 1,3 98,1 : 1,8 98.0 : 1,9 98.1 : 1,8 97.8 : 2,1 97,8 : 2,1 91,0 ; 9,0 Aus Quelle No. 15. kleines Herrenbad. 95,8 95,9 1,9 1,8 2,1 2,1 8,8 2,3 2,3 Aus Quelle No. 24. Wannenbad für Herren. 95,6 95,6 89,9 2,8 2,3 1,8 III* Kleinere Iflittlieiliingen. Missbildung der Blätter von Aristolochia Sipho L. Herr Eugen Dreiss, Apotheker in Gmünd, hat an den Verein Blätter des aus Nordamerika stammenden lianenartigen Tahakpfeifenstrauches (Ari- stolochia Sipho L.) eingesendet, welche eine merkwürdige Missbildung zeigen. An dem sonst ganz einfach breit herzförmigen Blatte bilden sich in den Theilungslinien der Rippengebiete längliche Oeffnungen, wie bei Dracontium pertusum L., als Anfang eines gelappten Blattes, diese Löcher heilen wieder zu, aber sonderbarer Weise so , dass nicht der Saum des Lochs zusammen- wächst, sondern dieser sich nach der untern Fläche des Blattes umschlägt und das Blatt einige Linien weiter einwärts zusammenwächst, wie bei einer Naht mit Einschlag an Kleidern, die Rippen werden dabei unregelmässig verzogen, der Blattrand stellenweise eingebuchtet. Die Pflanze, von welcher diese Blätter stammen, befindet sich in einem gegen "Westen gelegenen Garten und zeigt sehr häufig diese Erscheinung, während andere Exemplare in anderen Gärten stets lauter normale Blätter entwickeln. Alexander Braun, Professor der Botanik in Berlin, hat schon in der Naturforscher - Versammlung zu Stuttgart vom Jahr 1834 auf diese Missbildungen aufmerksam gemacht (Flora oder botanische Zeitung 1835 Band L Seite 41) und ich habe sie seitdem ein paar Mal an einer ebenfalls gegen Westen stehenden Aristolochia Sipho im Stuttgarter Schlossgarten beobachtet, ohne mir dieselbe erklären zu können, Verletzungen durch In- sekten habe ich nicht entdecken können, vielmehr blieben durch Schnecken zerfressene Blätter unverändert iu durchlöchertem Zustande, ein Zerreissen des Parenchyms durch zu rasches Wachsthum der Rippen liesse sich wohl annehmen, aber immer bliebe das Räthsel des Zusammenwachsens, der Heilung des Risses mit Vemarbung, ungelöst. Q. v. Martens. — 127 — üeber Diceras im schwäbischen Jura. Kaum hatte im vorigen Jahre Quenstedt am Schlüsse seines Jura pag. 823 sich geäussert: Die Diceraten - Kalke , welche bei Kelheim unter dem dortigen Solnhoferschiefer liegen und im französischen Coralrag eine so wichtige Rolle spielen , sind auffallender Weise in Schwaben noch nicht ge- funden — und kaum hatte zur gleichen Zeit Oppel (Jahreshefte XIV. pag. 144) es niedergeschrieben: im obern Jura Württembergs fehlen die typischen Diceraten-Schichten, weshalb wir erst zu versuchen haben, deren muthmass- liche Aequivalente zu entdecken — kaum war dadurch unser weisser Jura an seiner Ehre angetastet , als wäre er bei uns mangelhafter denn anderswo, so liess er auch schon Herrn A. Wetzler in den Ober-Stotzinger Stein- brüchen finden , was man wollte. Er hat im vorigen Jahre noch mehrere Exemplare Diceras in der unteren Bank des dortigen Kiesel-Oolits, der wilde Portländer genannt, entdeckt, was wir diesen Herbst durch gemeinschaftliche genaue -Schichten- Aufnahme näher zu constatiren versuchten. Das im XHI. Jahrgang der Jahreshefte pag. 105 mitgetheilte Profil des grossen Ober- Stotzinger Steinbruchs hat sich im Laufe der indess verflossenen 3 Jahre nur wenig verändert, der dort zu 8' Mächtigkeit angenommene oolitische Stotzen ist nur noch 5' mächtig und in den zu 5' berechneten wilden Oolit hat sich eine 6zöllige oolitische Thonbank eingekeilt. Die darunter liegenden Krebsscheerenkalke mit Teilina, Lucina, Solen, Pholadomya und Pagurus- Scheeren sind in ihrer ganzen Mächtigkeit von 7' jetzt abgebaut und lagern deutlich auf den knorrigen Köpfen des Massen -Kalkes auf. Die Diceras fanden wir in dem zunächst dem Ober-Stotzinger Schlosse gelegenen Stein- bruch in der untersten Kiesel-Oolitbank mit Nattheimer Astraeen und Cida- riten über den dort 6' mächtigen Platten-Kalken , sie werden selbst wieder von höher gelegenen Platten-Kalken überlagert. In dem zweiten an der Asselflnger Strasse gelegenen grossen Steinbruch fand Herr Wetzler die Diceras gleichfalls in der untersten kieseligen Oolitbank mit den in Chalce- don verwandelten Corallen-Stöcken über den Platten-Kalken. Dass demnach die Diceraten -Kalke hier in das System der Krebsscheeren-Platten fallen, ist uns über allen Zweifel. Die Species ist die von Kelheim, mit der aus- gesprochenen Rinne des Ligaments, die Dr. Franck Lucü nennt und Gold- fnss {Chamo) specioaa. Fraat. Bücher -Anzeige. Reise durch die Felsen - Gebirge und die Hum- boldt-Gebirge nach dem stillen Ocean. Eine Skizze von Dr. J. Schiel. Schaffhausen. Brodtmann- sclie Buchhandlung. 1859. Verfasser hat im Jahr 1853 und 54 als Naturforscher das Corps be- gleitet, -welches im Auftrag der Regierung der Vereinigten Staaten die Eisen- bahnlinie vom Mississippi zum stillen Ocean zu untersuchen hatte und war dabei wesentlich als Geologe thätig. Die ebenso interessante als gefahr- volle Reise (der Führer der Expedition Capitän Gunnison verlor mit vie- len Anderen des Corps bei einem üeberfall der Utah-Indianer sein Leben) ist zwar nur in ihren Umrissen skizzirt, ist aber vollständig übersichtlich und klar , was die klimatischen und geognostischen Verhältnisse anbelangt. Die Oede und Einförmigkeit der Prairie setzt sich in den geschichteten Felsarten am Fuss der Rocky mountains noch fort, als wenn in den Meeren, aus denen sich die Schichten gebildet hatten, eben so wenig organisches Leben gewesen wäre, als gegenwärtig hier zu finden ist. Die dunkelgrauen Kalke mit Gryphaeen und Ammoniten-Eindrücken, auf welche Marcou die Existenz der Juraformation gründet, fand er auch, hält es aber doch für gewagt, auf grosse Verbreitung des jedenfalls rudimentären Zustandes dieser Formation Schlüsse zu ziehen. Im üebrigen sieht er in den geognostischen Verhältnissen der Felsengebirge wohl vollkommen richtig Spuren der ausge- dehntesten Verwaschungsprocesse, in Folge derer ganze Formationsglieder von der Oberfläche verschwinden. Der Winteraufenthalt bei den Heiligen von Utah, das gräuelvolle Leben derselben und die ersten Verwicklungen, welche später den Mormonenkrieg herbeiführten, sind kurz und pikant geschildert. Die Resultate der Barometer-Messungen der wichtigsten Punkte sind auf einer Tabelle am Schlüsse des Büchleins beigefügt. . F. I* Aufsätze und Abhandlung-en. 1. Chemische Untersuchung der Teinacher Mineralquellen. Von Prof. Dr. H. v. Fehling. Von den Mineralquellen in Teinach sind fast nur altere und nicht vollständig durchgeführte Analysen vorhanden; das K. Medicinal-Collegium sah sich daher veranlasst, mir die Ana- lyse der wichtigeren Quellen dort zu übertragen. Teinach hat eine Reihe von alkalischen Säuerlingen, welche theils schon seit alten Zeiten bekannt, theils erst in den Jahren 1839—41 erbohrt sind. Schon Tabernäniontanus erwähnt in sei- nem 1605 gedruckten „ W a s s e r s c h a t z" der dortigen Quellen, die selbst noch früher einen Ruf ihrer Heilkräfte wegen hatten; 1472 verlieh Graf Eberhard im Bart „dem Hans Huss, Bürger von Calw, wohnhaft in der Tainach, auf 10 Jahre lang den Wasser- zins, das Bad daselbst und auch das Umgeld an der Tainach, da das Bad ist, um jährliche 20 Pf. 10 Seh." Neben den schon seit älteren Zeiten in Teinach bekannten Quellen wurde 1788 eine neue entdeckt, und endlich wurden in den Jahren 1839—41 mehrere neue Quellen erbohrt. Die älteren Quellen entspringen in einer Vertiefung des Brunnenhauses und werden hier in steinernen Kästen gesammelt. In älteren Zeiten waren vier Sammelkästen vorhanden, nach denen die Quellen benannt wurden: die Dächleinskastenquelle (weil der Kasten früher einen dachförmigen Deckel hatte), die Württemb. naturw. Jahresbefte, ISr.O. 2s und 3s Heft. 9 - 130 - Mittelkasten- und die Wandkastenquelle. Diese Quellen stehen in einiger Communication mit einander, was sich auch daraus ergibt, dass nach dem Ausschöpfen eines der Kästen der Abfluss aus den andern Kästen aufhört. Doch ist der Gehalt der einzelnen Quellen an Salzen nicht ganz gleich. Neben diesen Quellen findet sich noch die Dintenquelle, welche mit den vorgenannten in keiner Verbindung steht; die Quelle war schon in älteren Zeiten bekannt und auch benutzt, vielleicht auch schon gefasst, sie wurde aber verschüttet und dann erst 1822 wieder beachtet, worauf sie 1824 neu ge- fasst ward. 1839 ward nun zuerst in der Nähe des Brunnenhauses eine neue Quelle erbohrt, die Lauben quelle, welche seit Erboh- rung der andern Quellen aber nicht mehr benützt wird. Mit dieser Quelle scheint die Wiesen quelle in Verbindung zu stehen, welche am 24. Mai 1839 auf einer Wiese hinter dem Badhause erbohrt wurde. Im October 1841 ward eine neue Quelle aufgefunden im Bette des Teinachbaches selbst, der desshalb nachher in ein neues Bett geleitet ward; diese Quelle, daher Bachquelle genannt, steht mit der Wiesenquelle im Zusammenhang, was sich schon aus der Thatsache ergab , dass nach der Erbohrung der Bachquelle die Ergiebigkeit der Wiesenquelle bedeutend ab- nahm ; auch haben nach den früheren Analysen beide Quellen fast genau den gleichen Gehalt an verschiedenen Salzen. EndUch ward im April 1841 noch die Hirsch quelle auf der Hirschwiese am südlichen Rande des Thals erbohrt; diese Quelle scheint mit keiner der andern im Zusammenhang ■zu stehen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ward nach Vor- schlag der Herren Oberamtsarzt Dr. Müller und Badearzt Dr. Epting beschlossen, eine genauere Analyse von folgenden •<5uellen vorzunehmen : Bachquelle, Hirschquelle, Dintenquelle. - 131 - Auf den AVuiisch der genannten Aerzte ward dann auch die Bestimmung des Eisens, der Kohlensäure und der Salze über- haupt in der Wiesenquelle und in der Dächleinsquelle vorge- nonunen; eiue vollstäudige Analyse dieser beiden Quellen erschien unnöthig, bei der Wiesenquelle wegen der Uebereinstimmung mit der Bachquelle, bei der Dächleinsquelle wegen des weniger häu- figen Gebrauchs. Die ältesten Untersuchungen der Teinacher Quellen sind von J. G. Gnielin: Dissertatio inaugur. ehem. sisf. celehrium Wür- temb. nostr. acidularuni Teinacensium spiritusque vitrioli vola- tilis et ejus phlegmatis examen per reagentia §'c. Tubingae 1727. Diese wie die späteren Analysen von Dr. Chr. Jac. Zahn in Calw (1788) beschränken sich auf eine qualitative Untersuchung. Leibmedicus Dr. Jäger bestimmte 1799, und nochmals 1801 in Gemeinschaft mit Hofmedicus Dr. Müller, Oberamtsarzt in Calw, den Gehalt der älteren Quellen an Kohlensäure. Apotlieker Federhaff in Calw machte 1826 und 1830 zuerst eine vollständige quantitative Analyse der Dächleinsquelle und der Dintenquelle; später wurden dann diese wie die neueren Quellen von Degen, von Rampold und von S ig wart untersucht. Nach einer genauen Messung voii^ April 1843 liefern alle Teinacher Quellen, mit Ausnahme der Dintenquelle, in der Mi- nute 85,2 Schoppen = 39,1 Liter Wasser. Qualitative Analyse. In qualitativer Beziehung kommt das Wasser der verschie- denen Quellen nahezu mit einander überein. Das Wasser ist stark perlend und reich an Kohlensäure, beim Aufkochen scheidet sich kohlensaurer Kalk mit kohlensaurer Magnesia und mehr oder weniger Eisenoxyd ab , zum Theil mit etwas Manganoxyd und Thonerde gemengt; in Lösung bleibt kohlensaures Natron mit Chlornatrium, schwefelsaurem Natron und Kali und Kiesel- säure. Ausser den aufgeführten Bestandtheilen enthält das Wasser noch Spuren von Körpern, die sich entweder in dem Schlamm - 132 - der Quellen oder in dem durch Abdampfen von 50 — 100 Liter Wasser erhaltenen Salzrückstand auffinden lassen. Quantitative Analyse. Die in grösserer Menge und in festen Verbindungen vorhan- denen Bestandtheile sind: Chlor, Schwefelsäure, Kieselsäure, Kohlensäure, Kalk, Magnesia, Natron, Kali, Eisen, Thonerde, Mangan. Das Wasser der verschiedenen Quellen ist nicht sein: reich an Salzen , es musste daher eine gTÖssere Menge des Wassers zu den einzelnen Analysen durch Abdampfen in einer grossen Platinschale concentrirt werden. In dem nach dem Eindampfen des Mineralwassers bleibenden im Wasser unlöslichen Rückstand fanden sich die Carbonate von Kalk und Magnesia, nebst Eisen- oxyd, Thonerde und zum Theil Manganoxydoxydul. Das Filtrat enthielt Chlornatrium, schwefelsaures Kali und Natron und koh- lensaures Natron, welches letztere Salz sich durch Titriren aus der Kohlensäure bestimmen Hess. Zur Bestimmung des Eisens und Mangans war das Wasser sogleich beim Füllen der Flaschen mit einer abgemessenen hinreichenden Menge Salzsäure versetzt, um alle Kohlensäure auszutreiben, und die Abscheidung von Eisen und Mangan beim Transport zu verhindern ; natürlich wurde bei der Quantitätsbestimmung des Wassers auf die Menge der zugesetzten Salzsäure Rücksicht genommen. Von den Gasen wurde die gesammte, im Wasser enthaltene Kohlensäure bestimmt, zu welchem Zwecke das Wasser in der bekannten Weise beim Füllen sogleich mit Chlorcalcium und Ammoniak gefällt wurde ; der ausgewaschene Niederschlag gab beim Titriren den Gehalt an Kohlensäure. Das in dem Wasser in meistens grösseren Blasen in die Höhe steigende Gas, sowie dasjenige, welches durch Auskochen daraus erhalten war, wurde, in der früher (s. diese Hefte XVI. Jahrgang 1860. Heft 1. S. 110) angegebenen Weise gesammelt. Das Wasser zu den nachstehenden Analysen ward Ende Mai 1859 in meiner Gegenwart geschöpft, verkorkt und verpackt. - 133 - Das Aufsammeln der Gase, sowie auch die Bestimmung der Kohlensäure nahmen Dr. Marx und ich im September 1858 vor; nur bei der Wiesenquelle ward auch diese Bestimmung im Mai 1859 vorgenommen. I. Hirschquelle. Diese Quelle, 190 Sehritte oberhalb des Brunnenhauses auf der Hirschwiese gelegen, ist in einer Tiefe von 88' 2" erbohrt; das Bohrloch geht 55' durch Kies und Geröll, dann durch Sand- steinschichten, mit Thonlagern abwechselnd, zuletzt durch eine 20' mächtige Schichte von rothem Sandstein. Die Quelle lieferte anfangs 12 Schoppen, später durchschnittlich 10 Schoppen in der Minute. Das Wasser ist ganz klar und perlt stark, es entweicht fortwährend Gas in reichlicher Menge, daher sich auch nur sehr wenig Absatz im Brunnentrog bildet; der beim Kochen des Was- sers erhaltene Niederschlag ist kaum durch Eisen gefärbt und erscheint daher fast rein weiss. Die Temperatur der Quelle be- trug am 9. Sept. 1858 Mittags 9^,0 C. = 7^2 R.; nach Müllers Angabe ist die mittlere Temperatur 9^ C. = 7^,8 R. 1) Specifisches Gewicht. Gleiche Volumina Quellwasser und destillirtes Wasser bei 20 <^ C. wiegen 99,87522 und 99,65975 Grm.; 9987522 das specifische Gewicht ist daher = ö^fCq7T '^ 1,002162. 1 Liter Quellwasser von 9^,0 C. wiegt daher 1001,9896 Grm. 2) Chlor. 1081,370 Grm. Wasser = 0,1425 Grm. Chlorsilber = 0,058063 Grm. Chlornatrium. 1058,601 Grm. Wasser = 0,1398 Grm. Chlorsilber = 0,05696 Grm. Chlornatrium. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 5,376 Grm. Chlornatrium. - 134 - ' 3") Schwefelsäure. 1041,996 Grra. Wasser = 0,210 Grni. schwefelsaurer Baryt = 0,072010 Gnu. Schwefelsäure. 2093,049 Grm. Wasser = 0,406 Grm. schwefelsaurer Baryt = 0,13922 Grm. Schwefelsäure. Im Mittel m 100000 Grm. Wasser = 6,780 Grm. Schwefelsäure. 4) Kieselsäure. 12000,00 Grm. Wasser = 0,6545 Grm. Kieselsäure. In 100000 Grm. Wasser = 5,454 Grm. Kieselsäure. 5) Eisen Oxydul und T hon erde. 6758,00 Grm. Vv^asser = 0,0105 Grm. Eisenoxyd = 0,0152 Grra. kohlensaures Eisenoxydul. 6758,00 Grm. Wasser = 0,0081 Grm. Thonerde. 12000,00 Grm. Wasser = 0,0202 Grm. Eisenoxyd = 0,0293 Grm. kohlensaures Eisenoxydul. 12000,00 Grm. Wasser = 0,016 Grm. Thonerde. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 0,2345 Grm. kohlensaures Eisenoxydul = 0,126 Grm. Thonerde. 6) Kalk. 991,162 Grra. Wasser = 0,9095 Grra. schwefelsaurer Kalk = 0,6687 Grm. kohlensaurer Kalk. 842,524 Grm. Wasser = 0,7735 Grm. schwefelsaurer Kalk = 0,5688 Grm. kohlensaurer Kalk. 1149,617 Grm. Wasser = 1,054 Grm. schwefelsaurer Kalk = 0,775 Grm. kohlensaurer Kalk. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 67,465 Grm. kohlens. Kalk. 7) Magnesia. 842,524 Grm. Wasser = 0,245 Grm. pyrophosphors. Magnesia = 0,1854 Grm. kohlensaure Magnesia. 1149,617 Grm. Wasser = 0,3365 Grm. pyrophosphors. Magnesia = 0,2546 Grm. kohlensaure Magnesia. 991,162 Grm. Wasser = 0,284 Grm. pyrophosphors. Magnesia = 0,215 Grm. kohlensaure Magnesia. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 21,948 Grm. kohlens. Magnesia. - 135 - 8) Kali. 2152,005 Grm. Wasser = 0,114 Gmi. Kaliiim-PIatinchlorid = 0,04056 Grm. schwefelsaures Kali. 1838,316 Grm. Wasser = 0,104 Grm. Kalium-Platinchlorid = 0,03701 Grm. schwefelsaures Kali. 3105,340 Grm. Wasser = 0,167 Grm. Kalium-Platinchlorid = 0,0594 Grm. schwefelsaures Kali. 2174,270 Grm. Wasser = 0,134 Grm. Kaliura-Platinchlorid = 0,0476 Grm. schwefelsaures Kali. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 2,000 Grm. schwefeis. Kali. 9) Natron, a. Schwefelsaures Natron. Von 6,780 Grm. Schwefelsäure sind 0,9178 Grm. an Kali gebunden, daher 5,8622 Grm. Schwefelsäure an Natron, entspre- chend 10,402 Grm. schwefelsaurem Natron. b. Kohlensaures Natron. 1052,940 Grm. Wasser enthalten an Natron gebunden = 0,169 Grm. Kohlensäure = 0,4071 Grm. kohlens. Natron. 1064,849 Grm. Wasser enthalten an Natron gebunden = 0,1709 Grm. Kohlensäure = 0,4117 Grm. kohlens. Natron. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 38,665 Grm. kohlens. Natron. 10) Kohlensäure. a. Gesammte Kohlensäure. 436,4 CG. Wasser von 9^0 C. = 1,342 Grm. Kohlensäure. 452,4 J7 » 57 57 = 1,406 57 57 459,3 )? n 77 57 = 1,404 57 r> 469,7 r 57 57 57 = 1,426 57 r) 469,8 Tl 57 57 57 = 1,428 57 57 471,6 57 57 57 57 = 1,448 57 57 474,4 n 57 57 77 = 1,445 55 57 476,9 n 57 57 57 = 1,476 57 57 Im Mittel enthält 1 Liter Wasser von 9^,0 C. = 3,066 Grm. Koh- lensäure oder 100000 Grm. Wasser = 305,990 Grm. Kohlens. — 136 - b. Gebundene Kohlensäure. In 100000 Gr. W. in 67,465 Gr. kohlens. Kalk = 29,6847 Gr. Khls. 21,948 „ ks. Magnesia =11,4966 „ 0,235 „ „ EisenoxydI. = 0,0889 „ 38,665 „ kohls. Natron = 16,0497 „ 57,3199 c. Freie Kohlensäure. In 100000 Grm. Wasser (305,990 — 57,3199 Grm. =) 248,670 Grm. freie Kohlensäure. 1 Liter (1000 C.C.) Wasser von 9^0 C. enthält daher 2,491643 Grm. oder bei der Quellentemperatur und mittlerem Luftdruck (724 m. m.) = 1373,461 C.C. freie Kohlensäure. 11) Gesammtsalze. 272,092 Grm. Wasser = 0,412 Grm. Salze. 222,787 „ , = 0,3365 „ 275,175 „ „ = 0,416 „ „ Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 151,212 Grm. Salze. 12) In sehr geringer Menge vorhandene Substanzen. Ausser den angegebenen Substanzen Hessen sich bei Anwen- dung von grösseren Mengen Wasser noch folgende nachweisen : Organische Substanz. Blei. Ammoniak. Arsenige Säure. . Zinn. Strontian. Salpetersäure. Lithion. Baryt. Borsäure. Fluor. Die Reaction auf Antimon gab ein nicht sehr deutliches Resultat ; Kupfer , Mangan , Phosphorsäure , Jod und Brom liessen sich dagegen nicht nachweisen. 13) Gase, in der Quelle frei aufsteigend. Diese Gase enthielten Kohlensäure und Stickstoff, und höch- stens 0,1 Proc. Sauerstoff; bei 4 Analysen fand sich; Kohlensäure Stickstoff 83,1 bis 85,3. 16,9 bis 14,6. - 137 - Im Mittel 84,20 Kohlensäure auf 15,73 Stickstoff, 0,07 Sauerstoff. 14) Gase, durch Auskochen des Quellwassers erhalten. Das durch Auskochen erhaltene Gas enthielt Kohlensäure, Stickstoff und etwas Sauerstoff; es wurden bei 3 Analysen 93,2, 97,0 und 98,9 Kohlensäure erhalten, 1,8, 0,8 und 0,2 Sauerstoff, daher im Mittel 96,4 Kohlensäure, 2,7 Stickstoff, 0,9 Sauerstoff. II. Bachquelle. Diese Quelle liegt etwa 60 Schritte von der Hirschquelle und 300 Schritte von der Wiesenquelle; beim Erbohren dieser Quelle zeigten sich in einer Tiefe von 59' im rothen Sandstein die ersten Spuren von Sauerwasser; durch verschieden gefärbten Sandstein, mit einzelnen dünnen Schichten von Thon abwechselnd, niedergehend, erhielt man bei 127' eine stark hervorsprudelnde Quelle von Sauerwasser. Das Nachlassen der Wiesenquelle machte es nöthig, den Abfluss der Bachquelle um 2' höher zu legen, worauf auch die Wiesenquelle wieder reichlicher floss. Die Bachquelle lieferte anfänglich bis zu 57 Schoppen Wasser in der Minute. Das Wasser dieser Quelle perlt stark, es entwickelt fort- während reichlich Kohlensäure; beim Kochen bildet sich ein durch Eisenoxyd gelblich gefärbter Absatz, der sich auch in ge- ringer Menge im Trog ansammelt. Die Temperatur der Quelle betrug am 9. Sept. 1858 Mittags = 9^8 C. = 7^8 R.; nach Müllers Angabe beträgt die mittlere Jahres emperatur 10^,0 C. = 8^0 R. 1) Specifisches Gewicht. Gleiche Volumina Quellwasser und destillirtes Wasser von 18^ C. wiegen 99,9335 und 99,69758 Grm.; - 138 - 9993350 das specifische Gewicht ist daher = = 1,002366. 1 Liter Wasser von 9<^,8 C. wiegt daher = 1002,13345 Grm. 2) Chlor. 863,333 Grm. Wasser = 0,1566 Grm. Chlorsilber = 0,06380 Grra. Chlornatrium. 864,868 Grm. Wasser = 0,1564 Grm. Chlorsilber = 0,06372 Grm. Clxlornatrium. Im Mittel in 100000 Grm. AVasser = 7,390 Grm. Chlornatrium. 3) Schwefelsäure. 877,720 Grm. Wasser = 0,2472 Grm. schwefelsaurer Baryt = 0,08478 Grm. Schwefelsäure. 864,357 Grm. Wasser = 0,242 Grm. schwefelsaurer Baryt = 0,08298 Grm. Schwefelsäure. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 9,630 Grm. Schwefelsäure. 4) Kieselsäure. 7892,08 Grm. Wasser = 0,454 Grm. Kieselsäure. 3995,10 „ „ = 0,227 „ 4050,01 „ „ = 0,238 „ Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 5,770 Grm. Kieselsäure. 5) Eisenoxydul und Man gan oxy dul. 4540,1 Grm. Wasser = 0,024 Grm. Eisenoxyd = 0,0348 Grm. kohlensaures Eisenoxydul. 4540,1 Grm. Wasser = 0,0035 Grm. Manganoxydoxydul = 0,00526 Grm. kohlensaures Manganoxydul. Spuren Thonerde. In 100000 Grm. Was. = 0,766 Grm. kohlens. Eisenoxydul, und 0,116 Grm. kohlens. ManganoxyduL Spuren Thonerde. 6) Kalk. 768,136 Grm. Wasser = 0,750 Grm. schwefelsaurer Kalk = 0,5514 Grm. kohlensaurer Kalk. - 139 - 736,843 Grm. Wasser = 0,71 == 1,531 11 55 476,3 „ 5) 55 55 = 1,641 55 55 507,4 „ 55 55 55 = 1,791 55 55 512,3 „ 55 55 55 = 1,751 55 55 839,8 ^ 55 55 55 = 1,857 55 55 Im Mittel enthält 1 Liter Wasser von 9^8 G. = 3,4483 Grm. Kohlensäure und 100000 Grm. Was. = 3,44095 Grm. Kohlens. b. Gebundene Kohlensäure. In lOOOOOGr. W. in 71,569 Gr. kohlensaur. Kalk = 31,490Gr. Khls. 18,205 „ kohls. Magnesia = 9,536 „ „ 0,766 „ ks. Eisenoxydul = 0,290 „ „ 0,116 „ k. Manganoxydl. = 0,044 „ „ 59,720 „ kohlens. Natron = 24,790 „ „ 66,150Gr.KhIs. c. Freie Kohlensäure. In 100000 Grm. Wasser (344,095 — 66,150) = 277,945 Grm. freie Kohlensäure. 1 Liter (1000 C.C.) Wasser von 9^8 C. enthält daher = 2,78538 Grm. oder bei Quellentemperatur und mittlerem Druck = 1539,576 C.C. freie Kohlensäure. 11) Gesammtsalze. 300,402 Grm. Wasser = 0,545 Grm. Salze. 250,592 „ „ = 0,454 „ 341,976 „ „ = 0,617 „ In 100000 Grm. Wasser im Mittel = 180,969 Grm. Salze. 12) In sehr geringer Menge vorhandene Substanzen. In dem durch Abdampfen grösserer Menge Wassers erhal- tenen Rückstand und in dem aus der Quelle sich absetzenden Sinter liess sich nachweisen, aber nicht quantitativ bestimmen: - 141 - Organische Substanz. Kupfer. Lithion. Arsenige Säure. Blei. Ammoniak. Salpetersäure. Zinn. Strontian. Borsäure. Baryt. Fluor. Phosphorsäure. Die Reaction auf Antimon war nicht sehr stark, doch deut- lich; Jod und Brom liessen sich nicht nachweisen. 13) Gase in der Quelle frei aufsteigend. Diese Gase enthielten Stickstoff und Kohlensäure, aber Sauerstoff höchstens 0,01 Proc. Das Gasgemenge enthielt bei 6 Analysen : Kohlensäure Stickstoff •89,5 bis 91,3 auf 10,5 bis 8,7. Im Mittel 90,46 Kohlens. auf 9,53 Stickstoff und 0,01 Säuerst. 14) Gase durch Auskochen des Wassers erhalten. Bei 2 Versuchen zeigte sich, dass das Gas zu mehr als 99,9 auf 100 aus Kohlensäure besteht ; in dem Rest ist neben Stickstoff eine Spur Sauerstoff. III. Dintenquelle. « Die Dintenquelle Wegt in der nordwestlichen Ecke des Brunnenhauses. Die Quelle liefert nahe 1^2 Schoppen Wasser in der Minute. Das Wasser ist frisch farblos, wird aber schnell gelblich und trübe, indem sich Eisenoxydhydrat ausscheidet; im Brunnenkasten findet sich ein reichlicher gelber ockeriger Ab- satz. Das Wasser perlt nicht und enthält nur wenig Kohlen- säure; beim Auskochen wird nur eine geringe Menge Gas er- halten. Die Temperatur der Quelle M^echselt nach Müller zwischen 6^2 C. und 10^0 C. (5*^ und S^ R.) ; am 9. Sept. 1858 Mittags betrug sie 11 V C. oder 9*^,3 R. - 142 - 1) Specifisches Gewicht. Gleiche Volumina Mineralwasser und destillirtes Wasser von 18^ C. wiegen 99,7047 und 99,69758 Grm.; 9970470 das specifische Gewicht ist daher = \^^^^^,, = 1,0000714. 9969^58 1 Liter Wasser von 11^7 C. = 999,6644 Grm. 2) Chlor. 7556,247 Grm. Wasser = 0,0895 Grm. Chlorsilber = 0,036467 Grm. Chlornatrium. 7485,343 Grm. Wasser = 0,0903 Grm. Chlorsilber = 0,036671 Grm. Chlornatrium. Im Mittel in 100000 Grm. Wa.-ser = 0,487 Grm. Chlornatrium. 3) Schwefelsäure. 5654,535 Grm. Wasser = 0,131 Grm. schwefelsaurer Baryt = 0,04492 Grm. Schwefelsäure. 7485,343 Grm. Wasser == 0,173 Grm. schwefelsaurer Baryt = 0,05932 Grm. Schwefelsäure. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 0,793 Grm. Schwefelsäure. 4) Kieselsäure. 15000,0 Grm. V/asser = 0,152 Grm. Kieselsäure. 50500,0 „ ,, = 0,549 „ ,, Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 1,050 Grm. Kieselsäure. 5) Eisenoxydul und Thonerde. 21475,447 Grm. Wasser = 0,2611 Grm. Eisenoxyd = 0,3786 Grm. kohlensaures Eisenoxydul = 0,0153 Grm. Thonerde. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 1,763 Grm. kohlensaures Eisenoxydul, und 0,071 Grm. Thonerde. 6) Kalk. 4930,274 Grm. Wasser = 0,2635 Grm. schwefelsaurer Kalk = 0,193 Grm. kohlensaurer Kalk. 4951,631 Grm. Wasser =-- 0,2677 Grm. schwefelsaurer Kalk = 0,1968 Grm. kohlensaurer Kalk. Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 3,953 Grm. kohlens. Kalk. - 143 - 7) Ma<:^nesia. 10649,579 Grm. Wasser — 0,223 Grm. pyrophosphors. Magnesia = 0,1687 Grm. kohlensaure Magnesia. 4930,274 Grm. Wasser = 0,0955 Grm. pyrophosphors. Magnesia = 0,0723 Grm. kolilensaure Magnesia. 11593,542 Grm. Wasser = 0,250 Grm. pyrophosphors. Magnesia = 0,189 Grm. kohlensaure Magnesia. Im Mittel in 100000 Grm. Was. = 1,560 Grm. kohlens. Magnesia. 8) Kali. 15921,58 Grm. Wasser = 0,648 Grm. Kalium-Platinchlorid = 0,23057 Grm. schwefelsaures Kali. 7653,01 Grm. Wasser = 0,3235 Grm. Kalium-Platinchlorid = 0,11511 Grm. schwefelsaures Kali. Im Mittel in 100000 Grm. Was. = 1,476 Grm. schwefeis. Kali. 9) Natron, a. Schwefelsaures Natron. Von 0,793 Grm. Schwefelsäure sind 0,6786 Grm. an Kali gebunden, daher 0^1144 an Natron, entsprechend = 0,203 Grm. schwefelsaurem Natron. b. Kohlensaures Natron. 7538,006 Grm. Wasser = 0,0319 Grm. Kohlensäure = 0,07685 Grm. kohlensaures Natron. 10084,315 Grm. Wasser = 0,0425 Grm. Kohlensäure =-- 0,1024 Grm. kohlensaures Natron. Im Mittel in 100000 Grm. Was. = 1,017 Grm. kohlens. Natron. 10) Kohlensäure. a. Gesammte Kohlensäure. 971,9 CG. Wasser von 11 V C. = 0,125 Grm. Kohlensäure. 959,2 7) 5? 7) 7) = 0,125 7) 949,8 7) 7) 7) 7) = 0,130 7) 947,1 n 7) 7) 7) = 0,128 7) 946,8 7) 7) 7) 7) = 0,130 7) 952,3 7) 7) 7) 7) = 0,132 7) Im Mittel enthielt 1 Liter Wasser von 11 V C. = 0,1343 Grm. Kohlensäure oder 100000 Grm. Was. = 13,444 Grm. Kohlens. — 144 — b. Gebundene Kohlensäure. In 100000 Gr.W. in 3,953 Gr. kohlensaur. Kalk = 1,7393 Gr. Khls. 1,560 „ kohls. Magnesia = 0,8171 „ „ 1,763 „ kls. Eisenoxydul = 0,6687 „ „ 1,017 „ kohlens. Natron ==0,4221 „ „ 3,6472 Gr.KhIs. c. Freie Kohlensäure. 100000 Grm. Wasser enthalten (13,444 — 3,6472) = 9,7968 Grm. freie Kohlensäure. 1 Liter Wasser von llV C. enthält daher 0,09793 Grm. oder bei der Quellentemperatur und mittlerem Druck 54,501 C.C. freie Kohlensäure. 11) Gesammte Salze. 841,812 Grm. Wasser = 0,097 Grm. Salze. 783,501 „ „ = 0,089 „ 893,702 „ „ = 0,103 „ Im Mittel in 100000 Grm. Wasser = 11,473 Grm. Salze. 12) In sehr geringer Menge nachweisbare Substanzen. Diese Körper wurden theils in dem in* dem Quellkasten sich absetzenden Sinter, der hauptsächlich Eisenoxyd ist, nach- gewiesen, theils in dem durch Eindampfen von etwa 100 Liter Wasser enthaltenen Rückstand. Organische Substanz. Kupfer. Lithion. Arsenige Säure. Zinn. Ammoniak. Salpetersäure. Blei. Strontian. Phosphorsäure. Antimon. Baryt. Borsäure. Mangan. Fluor. Die organische Substanz, die hier reichlicher als in den andern Quellen auftritt, gab nicht die Reaction auf Quellsäure und Qnellsatzsäure ; Jod und Brom Hessen sich nicht nachweisen. Das AVasser der Dintenquelle enthält so wenig Gas, dass man keinen Versuch anstellte , es aufzusammeln. 145 - IV. Wiesenquelle. Die Wiesenquelle liegt am nördlichen Rande des Thaies, nur drei Schritte von dem Mühlkanal des Teinachbaches ent- fernt, und zwar zwischen Bach und Kanal. Diese Quelle, in einer Tiefe von 137' 4" im Sandstein erbohrt, lieferte im An- fang 22 Schoppen Wasser in der Minute. Nach der Erbohrung ehier dritten Quelle versiegte sie, so dass jenes Bohrloch wieder verstopft werden rausste, wornach sie wieder reichlich floss. Auch nach Erbohrung der Bachquelle nahm die Wiesenquelle ab; sie nahm aber wieder zu, nachdem diese und die Lauben- quelle höher gespannt waren; jetzt liefert sie 10 Schoppen in der Minute. Das Wasser perlt stark, ist dem der Bachquelle ganz ähnüch, enthält reichlich Kohlensäure wie diese, ist aber reicher an Eisen. Die Temperatur der Wiesenquelle ist im Mittel 9^9 C. = 7^9 R.; am 9. Sept. 1858 Mittags betrug sie 10^4 C. = 8^3 R. 1) Specifisches Gewicht. Gleiche Volumina Mineralwasser und destillirtes Wasser von 18^ C. wiegen 99,9316 Grm. und 99,69758 Grm.; 9993160 das specifische Gewicht ist daher = = 1,002347. 1 Liter Mineralwasser von 10^4 C. = 1002,064 Grm. 2) Eisenoxydul und Mangan oxydul. 4892,460 Grm. Wasser = 0,0631 Grm. Eisenoxyd = 0,09149 Grm. kohlensaures Eisenoxydul und 0,012 Grm. Manganoxyd- oxydul = 0,01806 Grm. kohlensaures Manganoxydul. 100000 Grm. Wasser enthalten daher 1,870 Grm. kohlensaures Eisenoxydul und 0,369 Grm. kohlensaures Manganoxydul. 3) Kohlensäure. a. Gesammte Kohlensäure. 500,5 C.C. Wasser von 10'',4 C. = 1,698 Grm. Kohlensäure. 462,5 , „ „ „ = 1,632 „ Württemb. naturw. Jahreshefte. 1860. 2s und 3s Heft. 10 » » 71 n = 1,619 7) » » » n = 1,580 11 r> -T) V n = 1,610 7) 11 r> 11 1) = 1,544 11 - 146 - 467,6 C.C. Wasser von 10^4 C. = 1,628 Grm. Kohlensäure. 466,9 „ „ „ „ - 1,619 „ 460,3 457,1 455,7 452,2 Im Mittel in 1 Liter Wasser von 10^4 C. = 3,474 Grm. Kohlen- säure oder 100000 Grm. Wasser = 346684 Grm. Kohlensäure. b. Gebundene Kohlensäure. 743,87 Grm. Wasser enthält in Salzen 0,4576 Grm. Kohlensäure. 100000 Grm. Wasser enthalten 61,516 Grm. Kohlensäure. c. Freie Kohlensäure. 100000 Grm. Wasser enthalten (346,684 — 61,516) = 285,168 Grm. freie Kohlensäure = 1579,881 C.C. bei mittlerem Druck. 1 Liter Wasser von 10^,4 C. bei mittlerem Druck enthält daher 1583,042 C.C. freie Kohlensäure. 4) Gesammtsalze. 403,944 Grm. Wasser = 0,731 Grm. Salze. 339,928 „ „ = 0,614 „ Im Mittel in 100000 Grm. Wasser == 180,797 Grm. Salze. 5) Gase, aus der Quelle aufsteigend. Dieses Gas enthielt viel Stickstoff neben Kohlensäure und wenig Sauerstoffgas; drei nahe stimmenden Analysen geben im Mittel : 95,9 Stickstoff. 2,7 Kohlensäure. 1,4 Sauerstoff. 6) Gase durch Auskochen erhalten. Das Gas enthielt bei drei Versuchen in 100 mehr als 99,9 Kohlensäure; der Rest ist hauptsächlich Stickstoff, doch ist auch eine Spur Sauerstoff darin. 147 V. Däcfileinsquelle. Die Dächleinsquelle, zu den ältesten Teinacher Quellen ge- hörend, liegt in der südöstlichen Ecke des Brunnenkastens; sie- schliesst drei Hauptquellen in sich , deren Wasser stark perlt und auch reichlich Kohlensäure entwickelt. Dasselbe enthält sehr wenig Eisen und der beim Kochen sich bildende Absatz erscheint rein weiss. Die Quelle liefert in der Minute etwa 3^2 Schoppen Wasser; im Mai 1828 lieferte sie 5^5 Schoppen, im Sommer 1811 nur 2^,5 Schoppen Wasser. Die mittlere Tem- peratur des Wassers ist nach Müller 9V C. = 7^,5 R. ; in den heissen Sommern 1804, 1811, 1812, 1822, 1825 und 1834 stieg sie auf 10^6 C. = 8*^,5 R.; im März 1802 war sie auf 7^8 C. = 6^,2 R. gefallen; am 9. Sept. 1858 Mittags betrug sie 9V C. = 7V R. 1) Specifisches Gewicht. Gleiche Volumina Mineralwasser und destillirtes Wasser von 18^ C. wiegen 99,8335 Grra. und 99,69758 Grm.; 9983350 das specifische Gewicht ist daher = — - = 1,001363. 1 Liter Mineralwasser bei 9V C daher = 1001,139 Grm. 2) Eisenoxydul. 6520,0 Grm. Wasser = 0,0065 Grm. Eisenoxyd = 0,0094 Grm. kohlensaures Eisenoxydul. 100000 Grm. Was. daher = 0,145 Grm. kohlens. Eisenoxydul. 3) Kohlensäure. a. Gesammte Kohlensäure. 431,4 C.C. Wasser = 1,032 Grm. Kohlensäure. 440,4 , V) = 1,052 456,7 , n = 1,074 456,9 , V = 1,085 463,2 „ 7) = 1,095 466,0 , V = 1,100 - 148 - 468,8 C.C. Wasser = 1,118 Grm. Kohlensäure. 489,2 „ „ = 1,U0 ., 518,5 „ „ = 1,225 „ 556,4 , , = 1,285 „ Im Mittel in 1 Liter 2,364 Grm., oder in 100000 Grm. Wasser = 236,140 Grm. Kohlensäure, b. Gebundene Kohlensäure. 1561,180 Grm. Wasser enthielt in Salzen 0,5764 Grm. Kohlens. In 100000 Grm. Wasser = 36,920 Grm. Kohlensäure. c. Freie Kohlensäure. 100000 Grm. Wasser enthalten (236,140 — 36,920) = 199,220 Grm. freie Kohlens. 1000 Grm. enthalten bei mittlerem Barometerstand 1100,858 C.C. oder 1 Liter 1102,102 C.C. freie Kohlensäure. 4) Gesammtsalze. 162,293 Grm. Wasser = 0,165 Grm. Salze. 301,565 „ „ = 0,3075 „ „ 248,355 „ „ = 0,2530 „ Im Mittel in 100000 Grm. Wasser 101,830 Grm. Salze. 5) Durch Auskochen des Wassers erhaltenes Gas. Das Gas, welches bei einem Versuch durch Auskochen er- halten würde, gab bei der Analyse in 100 Theilen = 64,2 Kohlensäure. 34,1 Stickstoff. 1,7 Sauerstoff. VI. Zusammenstellung der Resultate. Wir wollen nachstehend die Bestandtheile der verschiedenen Quellen nach den vorstehenden und nach älteren Analysen zu- sammenstellen. 149 - 1— ' ^ Q W Q w ^ H ^ P^ W w f^ 5 § <-D er? i ^ 1^ 2. fD* 1 1 fD ^ CD o* 2^ fD o fT s o er fT B CO 1 o CO o fT c CO fD cn o 2. c' 3 ■-s So' CS fD i-S fD m P C fD 02 p ff p —: fD P ff fD fti 2. cd' tdS i" ES fD CO s P 3 § o H l:^ P crc? ?^ 3i c» • s s 5^ ^ fD . ^ !25 m p P^ r fD . o (TD 1 i D2 fD fD • ^ 1 fD 3 o O B i p' ^ fD 3 'S fD h-» CO CO ^ «—• ><< p3 i-i (*^ so: !:t ^ , , , , , *-si a • . P o p -^ E5 ^ Ci- r i-S ' * * tL ' * •-S Q ,__i K) 1-J~ CO 3 Ox --J CO 1— ' Ox I— ' -^1 -^ tö 1— i * OO -1 I— i J^ J^ ^OO ►f^ ^ JD J3 JD OO )— k ^ $ JT) "o "fcO ^ ^ "to -c 1— ' "— 1 "~J "k) ^ P S- 8 OO "C" ^f^ OO -1 CD ^f^ Cn ^ h-i 05 bO o 05 11 ^ ^ -^ Ot to o O CS O 2 Ci Oi o o^ CD CO a 1-? ^ ? Oi Oi ^ p 5 3 r^ * § H-* M) )— i CD -o5 5* OO tf^ (UT 1— i OO to Oi 1— k p -3 _0O H— 1 Zjx Ox to ^ o JD _00 1— l j-a flj^ J^ "ci ""oi "tfi- "oo "o "h^ h- ' 1 ^ "05 CD "I^ PS "o fD 3_ V -a -3 Ox —1 o O bO 1 OO 05 ►f^ Oi '1 S' Oi O t— * ^f^ 05 o b© Ci <^ Cjx CO CT -<. s 3 1— ' o p iS Q 3 Q Oi bO 1 <1 ,_, O 8 o p . 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Seit dem Jahr 1834, in welchem die Flora von Württem- berg von Schub 1er und von Märten s erschienen ist, sind im Gebiet dieser Flora über 160 Arten von Phanerogamen neu entdeckt und ist eine Menge von zwar früher bei uns bekannten, aber seltenen Pflanzen an neuen Standörtern aufgefunden worden. Da das oben genannte Werk längst vergriffen ist, so wäre eine neue Auflage desselben oder eine neue Bearbeitung der würt- tembergischen Flora ein zeitgemässes Unternehmen. Jedenfalls dürfte es, so lange ein solches Werk noch nicht in Aussicht steht, für diejenigen verehrten Leser unserer Jahreshefte, welche sich für die vaterländische Flora interessiren , nicht unerwünscht sein, wenn ich meine vor 11 Jahren angefangenen periodischen Berichte über neue Pflanzen und neue Standorte hier fortsetze. An die letzte derartige Mittheilung aus der Feder unseres ver- ehrten Herrn v. Martens (in den Jahr.esheften XVI. S. 9 — 11) soll sich das Nachfolgende anschliessen als Ergänzung und zu- gleich als Fortsetzung meines letzten Berichts im Jahrgang XV. S. 90. Exemplare der nachgenannten Pflanzen werde ich für das Vereinsherbar anzuschaff'en bemüht sein, soweit es nicht bereits von mir und Andern geschehen ist. Im vorigen heissen Sommer fehlte es mir an Zeit und Lust, Excursionen zu machen , ich habe daher aus der hiesigen Gegend nur eine einzige Neuigkeit anzuführen, nämlich das Ver- hascum Schiedeanum Koch. (= T^. Nigro-Lychnitis) , das ich im Seeburger Thal an einem Waldrand in Gesellschaft der El- tern fand. - 154 - Glücklicher war unser neues Vereinsmitglied, Herr Regi- mentsarzt Dr. Hegelraaier, dem der friedliche Feldzug des vorigen Sommers Gelegenheit gab, im nordwestlichen Theil un- seres Gebiets mehrere seltene Pflanzen an bisher noch nicht bekannten Standörtern aufzufinden. So die Calendula arvensis L. in Weinbergen um die Ruine Eisenburg bei Bissingen an der Euz; die bisher blos um Ulm gefundene Centaurea ponicu- lata L. an sonnigen, felsigen Abhängen des Enzthals zwischen Vaihingen und Rosswaag; Salvia sylvestris L. an der Land- strasse zwischen Illingen und Mühlacker; Mentha rotundifolia L. häufig um Vaihingen an der Enz; Blitiim rubrum Reichb. an verschiedenen Stellen in und um Weinsberg; PotentUla supinah. ebendaselbst. Früher schon fand derselbe Verhascum collinum Schrader. im Steinlachkies oberhalb Tübingen mit V. Schraderi und nigrum ; ferner Yerhascum adulterinum Koch, im Neckarkies bei Sulz, gleichfalls unter den Stammeltern; Dentaria digitata Lam. an einem weiteren neuen (nunmehr dritten) Standort in der Gegend von Sulz, nämlich in Bergwaldungen des Dobelthals zwi- schen Sulz und Dornhan ; Cirsium hybridum Koch, auf feuchten Waideplätzen bei Sulz. In der an subalpinen Pflanzen reichen Gegend von Ba- lingen fand Herr Revierförster von Entress I^osa alpina L. im Staatswald Lautereck bei Laufen; ferner die bisher blos bei Isny gefundene Gentiatia campestris L. auf Bergwiesen zwi- schen Burgfelden und Pfeffingen ; ferner die Salix nigricans Fries. In derselben Gegend , und zwar bei Onstmettingen, fand Herr Apotheker Fischer von Haigerloch die Specidaria kybrida D. C. Im Oberamt Hall bei Untersontheim fand Herr Pfarrer K emmier Festuca loliacea Huds. auf Wiesen; ebendaselbst in einem Wald Rumex sanguineus L. a) viridis; an einem Wald- rand bei der Flechenbacher Mühle O.A. Crailsheim Hieracium rigidum Hartmann; ebendaselbst Poa fertilis Host, an feuchten Stellen; bei Markertshofen O.A. Crailsheim Salvia sylvestris L. Auf Feldern bei Schussenried fand Herr Apotheker Valet die Sagina apetala L. in grosser Menge, eine Pflanze, die - 155 - wegen ihrer Kleinheit und unscheinbaren Gestalt leicht über- sehen und darum wahrscheinlich seltener gefunden wird, als es sonst der Fall wäre. Sie wird wenigstens in den Werken über die deutsche Flora nicht als besonders selten bezeichnet, während die württembergische Flora von Schub 1er und von Martens nur 2 Standorte davon anführt, Frommenhausen und Altenstaig. Ausserdem fand Herr Valet in dem durch seine Flora, wie auch zoologisch durch das Vorkommen des Birkhuhns (Tetrao tetrix L.) interessanten Buchauer Ried mehrere schöne Exem- plare des Mibes nigrum L. an einer minder feuchten Stelle mit Arundo phragmifes u. s. w. Die nicht uninteressante Flora des Hohentwiels, die Herr V. Martens kürzhch beschrieben hat, * beherbergt noch einige andere , von ihm nicht erwähnte Pflanzen , nämlich Allium ca- riüatum L. oberhalb dem Standort der Oxytropis pilosa, Allium vineale L. und die bei uns noch nie gefundene Iris variegata L., welche nach Doli (Flora von Baden, 1857, Band I. S. 393) in Weinbergen auf der Südwestseite des Berges , sonst aber als Seltenheit in Oesterreich und Böhmen vorkommt. Ausserdem findet sich nach Doli am wilden See bei Wildbad die Listera cordata R. Br., und auf dem Konzenberg bei Tuttlingen Taxus haccata L. In den neueren Heften der vom statistisch-topographischen Bureau herausgegebenen Oberamtsbeschreibungen sind folgende Standorte seltener, zum Theil neuer Pflanzen angegeben, wenn gleich ohne Nennung der Gewährsmänner. Ich mache diese Pflanzen hier namhaft im Interesse derjenigen Leser, denen jene Oberamtsbeschreibungen nicht zu Gebot stehen und mit dem Wunsch, dass etwaige Finder dieser Pflanzen Exemplare davon als urkundliche Dokumente ans Vereinsherbar einsenden möch- ten , welches ja doch die Grundlage für eine etwaige neue Landesflora bildet. Es soll nämlich vorkommen: Hemerocallis flava L. bei Kirchheim u. T. ; Ejnpogium Giyjelini Rieh, in * In der „Geschichte von Hohentwiel" von General v. Martens. Stuttgart, 1857. S. 237—240. — 156 - Wäldern beim Reussenstein ; Blitum virgatum L. , Xanthium strumarium L., Orobanche rubens Walin., Lepidium Draba L., Vicia tenuifolia L. bei Aalen; Blitum capifatum L. bei Gschwend; Asperula tinctoria L. bei Oberkochen; Aconitum variegatum L. bei Unterkochen ; Gnaphalium margaritaceum L. bei Dorndorf O.A. Laupheim; Lonicera periclymenum L. bei Zavelstein ; Stenactis hellidiflora AI. Br. bei Unter-Reichenbach O.A. Calw. Von den genannten Pflanzen sind (wenn wir die aus den Oberanitsbeschreibungen citirten vorläufig als zu wenig verbürgt noch übergehen) neu für die Flora von Württemberg Yei^hasciim Schiedeanum , collinum, und adulterinum, und die Iris varie- gata: die übrigen sind theils als Seltenheiten, theils dadurch interessant, dass sie bisher als charakteristische Eigenthümlich- keiten anderer Landestheile angesehen wurden, wie z. B. das bei Aalen und bei Reutlingen ''' vorkommende Xanthium strumarium früher für eine Eigenthümlichkeit der Unterlandsflora, Gentiana campestris für eine Eigenthümlichkeit der oberschwäbischen Flora gehalten wurde, und so mehrere andere. Zum Schluss führe ich noch eine Merkwürdigkeit der Ur- acher Flora an, nämlich das verwilderte Vorkommen des Wall- nussbaumes {Juglans regia L.). Ursprünghch aus Fersien stammend, wurde dieser Baum im Mittelalter über Griechen- land und Itahen nach Deutschland verpflanzt, wo er, wie es scheint, überall cultivirt wird. Nirgends jedoch finde ich eine Angabe von verwildertem Vorkommen desselben. Hier um Urach ist er in ziemlicher x\nzahl verwildert in den durch ihre Steilheit fast unzugänglichen, mit Steintrümmern bedeckten und darum von der Buche , weniger von der Esche und dem Ahorn gemiedenen Halden dreier verschiedener Berge, in einer Höhe von 1800—2000 Fuss, also im obersten Drittheil der Berge. Diese sind der Galgenberg, die Eichhalde, der runde Berg mit der sog. Hölle, einem Theil des Uracher Spitalwalds. Die äl- testen Stämme sind nach dem Urtheil Sachverständiger 60 — 100 * S. die Jahreshefte VII. S. 198. - 157 - Jahre alt^ rühren also aus einer Zeit her, wo es noch keine Forstkultur gab, und sind am unteren Durchmesser bis 16 Zoll dick. Sie haben natürlich nicht den üppigen und schönen Wuchs der kultivirten Exemplare unserer Thalgründe , sie bleiben viel- mehr kurz und sterben von oben her ab. Allein sie tragen doch reife Früchte, wenn auch weniger vollkommene und zahlreiche, als die cultivirten. Einen Nutzen bringen sie übrigens dadurch nicht, denn die Früchte werden von den Jacken {Corvus glan- darius) , Eichhörnchen und Haselmäusen mit grosser Begierde gefressen. Es sind neben den alten auch viele jüngere Exem- plare verwilderter Nussbäurae vorhanden. Urach, im März 1860. 3. Ueber das Os interparietale und das Vorkommen von abortiven Schneidezähnen im Oberkiefer bei mehreren Arten der Gattung Hyrax. Beobachtet von Dr. G. v. Jäger. * (Mit Tafel II.) Die zufällige Gelegenheit, mehrere Schädel von Hyrax capensis nnd habessinicus (welche das K. Naturalienkabinet vorzugsweise dem Freiherrn v. Ludwig vom Cap und dem nordafrikanischen Reisenden, Herrn Hofrath Dr. v. Heuglin, verdankt) untersuchen zu können , veranlasst mich zu einer vergleichenden Beschreibung der einzelnen Schädel. Ich be- schränke mich dabei auf die ungefähre Angabe des Alters der betreffenden Individuen und des Verhältnisses der Backzähne des Ober- und Unterkiefers, namentlich in Absicht auf ihre Zahl und den Grad ihrer Entwicklung. Es schien mir dies für die vorliegende Untersuchung zu genügen, die ich I. mit den Bemer- kungen über das Os inter parietale beginne und sie durch die auf Taf. II. beigefügten Zeichnungen zu erläutern suche. Um das Verhältniss des Os interparietale zu den übrigen Knochen des Schädels bei den Arten der Gattung Hijrax zu verdeuthchen, habe ich die von Cuvier Tab. 64, Fig. 5 der Octavausgabe der Oss. foss. vom Jahr 1836 mitgetheilte Ab- bildung der oberen Seite des einem Thiere von mittlerem Alter * Ich beziehe mich dabei auf die Abhandlungen aus der mensch- lichen und vergleichenden Anatomie von W. Gruber, Petersburg 1852, namentlich auf die 2te Abhandlung, das Os interparietale der Säuge- thiere überhaupt, und die 3te Abhandlung, über Ossa Wormiana an Säugethierschädeln, woselbst auch die betreffende Literatur angeführt ist. ~ 159 - entnommenen Schädels von Hyrax capensis auf Tab. II. Fig. 1 copiren lassen, auf welcher das Os interparieiale mit i bezeichnet ist. Um jedoch die Beschaffenheit der einzelnen Schä- del genauer zu bestimmen, insbesondere auch in Beziehung auf die abortiven Schneidezähne und die von ihnen zurückgebliebene Spur in dem Vorhandensein von leeren Alveolen hinter den normalen oberen Schneidezähnen scheint es nothwendig, die ein- zelnen Exemplare kurz zu charakterisiren. Eine ausführliche Beschreibung der Form der einzelnen Zwischenscheitelbeine scheint indess überflüssig, da sie durch die Zeichnungen hin- länglich verdeutlicht ist. Ä. 1) Von dem Hyrax capensis stellt Fig. 2 das Os interparietal e des Schädels eines aus den Eihäuten genom- menen, aber ohne Zweifel reifen Fötus dar. Auf jeder Seite des Ober- und Unterkiefers sind 3 breite Backzähne vollkommen entwickelt, der vorderste (kleine) einwurzelige oben links noch erhalten, aber nur wenig aus der Alveole hervorragend, rechts ausgefallen, die Alveole offen; von den 4 unteren Backzähnen der 4te hinterste erst im Durchbrechen. Auf der linken Seite des Oberkiefers findet sich unmittelbar vor der Naht y des Os incisivmn (Fig. 21) , welche von der Seite des Schädels sich nach dem Foramen incisivum {n Fig. 20) fortsetzt und zunächst hinter dem (grossen) Schneidezahn ein abortives Zähnchen in der Form eines kleinen, runden, weissen Knöpfchens, ungefähr von der Form eines Hirsekorns, aber kaum von der Grösse eines Steck- nadelkopfs ; auf der rechten Seite fehlt dasselbe, ohne eine deut- liche Spur in dem Zwischenkiefer zurückgelassen zu haben. — Die Kronen der Zäluie des Unterkiefers, wie bei allen folgenden Exemplaren des IL capensis und habessinicus , 4 an der Zahl, sind wie bei den ganz jungen Thieren überhaupt nach oben in 3 tiefe Einschnitte getheilt, die um so mehr durch Abreibung verschwinden, je älter das Thier ist. Sie sind daher 2) an dem Schädel des Skelets eines ohne Eihäute vom Cap gekommenen, noch nicht ganz reifen Fötus ebenso tief als bei Nr. 1. Der erste obere einwurzelige Backzahn rechts vor- handen, links ausgefallen , aber die Alveole vollständig erhalten, - 160 - wie bei Nr. 1 , 3 vollständige breite Backzähne im Oberkiefer. Im Unterkiefer 3 Backzähne, der vorderste zweiwurzehg und der hinterste 4te noch zurück. Von den abortiven Zähnen ist nur eine undeutliche Spur zurückgeblieben in der blos auf der rechten Seite vorhandenen leeren Alveole. Dazu gehört das Os inter- parietale Fig. 3. 3) Der Schädel von dem Skelet eines noch jungen Thieres, der in Absicht auf Grösse ungefähr in der Mitte zwischen den Fig. 4 und 5 1. c. von Cuvier abgebildeten Schädeln steht; er ist also etwas kleiner als der Fig. 1 nach Cuvier copirte Schädel. "Wie an letzterem, sind an dem Schädel Nr. 3 die Nähte zwischen sämmtlichen Knochen noch sehr deutlich , na- mentlich auch die Naht zwischen dem Kieferknochen und Zwi- schenkieferknochen. Es sind 7 Backzähne im Oberkiefer, von welchen aber der hinterste noch wenig aus der Alveole hervor- ragt, der vorderste einwurzelige tief abgerieben und dem Aus- fallen nahe ist. Im Unterkiefer sind nur 5 Backzähne, von welchen der hinterste nur wenig aus der Alveole hervorragt. Von den abortiven Scheidezähnen oder ihren Alveolen ist keine deutliche Spur vorhanden, nur an der Gränze der Naht zwischen Os maxillare und incisivum eine kleine Oeffnung, welche auf das frühere Vorhandensein eines abortiven Zahnes gedeutet werden könnte. Dazu gehört das Os inter parietale Fig. 4. 4) Einzelner Schädel, an welchem sämmtliche Nähte noch wohl zu erkennen sind. Von den 6 Backzähnen ist der vor- derste einfache dem Ausfallen nahe, der hinterste 6te mit seiner Krone noch nicht ganz in der Höhe des 5ten Backzahnes, die 4 vordersten, in einer Reihe stehenden Milchzähne sind ziemlich tief abgerieben. Hinter jedem Schneidezahn eine kleine leere Alveole innerhalb der Gränze des Os incisivum. In dem Unter- kiefer nur 5 Backzähne. Os interparietale Fig. 5. 5) An dem Schädel von dem Skelete eines sehr alten Thieres sind die Nähte kaum mehr zu erkennen und an der Stelle des Os interparietale ist nur eine ovale, vertiefte, flache Grube, die'mehr einer zusammengezogenen hinteren Fontanelle ähnhch ist. Die 5 hinteren Backzähne sind vollständig, aber — 161 - tief abgerieben ; es fehlen also die 2 vordersten Backzähne. Der Zwischenraum zwischen den Backzähnen und dem Schneidezahne des Oberkiefers beträgt 5 Linien. Im Unterkiefer sind 6 Back- zähne, welche so nahe an die Schneidezähne reichen, dass auch nicht ein einwurzeliger Zahn in dem Zwischenräume Platz ge- habt hätte. Hinter jedem Schneidezahn des Oberkiefers befindet sich eine deutliche leere Alveole. Nr. 6, 7, 8, 9, 10. Ich füge den voranstehenden Beschrei- bungen nur die Zeichnung des Os int er parietale von 5 weiteren Schädeln ron H. eapensis unter Fig. 6 — 10 bei, um die Form- verschiedenheiten desselben zu ergänzen, da die sonstige Be- schreibung der Schädel kein besonderes Interesse darbietet. Zu mehrerer Erläuterung der Stellung der leeren Alveolen hinter den Schneidezähnen des Oberkiefers, beziehungsweise des muthraaasslich in ihnen enthalten gewesenen abortiven Zähnchens, füge ich Fig. 20 die Abbildung der Gaumenfläche des Schädels Nr. 4 von H. capensis bei, auf welcher ich zur Bezeichnung der Stelle der leeren Alveolen die Buchstaben xx gewählt habe. Die Seitenansicht desselben Schädels, Fig. 21, zeigt den Abstand des ersten einwurzeligen Backzahnes von den Schneidezähnen deutlich und zugleich die Stelle der leeren Alveolen xx vor der Naht y zwischen dem Os inaxillare und incisivum und so- mit ihre Stellung in letzterem selbst an. In der Abbildung Cu- vier's von der Gaumenfläche des Schädels von H. capensis 1. c. Tab. 64, Fig. 2, von welcher in der Fig. 19 auf unserer Tafel II. der vorderste Theil copirt ist, hat der Zeichner glücklicher Weise die Stelle der leeren Alveolen der muthmaasslichen abor- tiven Schneidezähne mit einem Punkte auf jeder Seite ange- deutet, über welche jedoch von Cuvier nichts gesagt ist.' Die ihnen zunächst stehenden Buchstaben 7i n bezeichnen vielmehr der Beschreibung von Cuvier 1. c. p. 260 zu Folge die Fo- ramina iticisiva. Zugleich bezeichnet aber Cuvier mit dem Buchstaben a die Milchschneidezähne und mit ß die Ersatz- schneidezähne des Oberkiefers mit der weiteren Bemerkung, dass während einiger Zeit 4 Schneidezähne im Oberkiefer vorhanden seien, wie bei dem Rhinoceros unicornis. Dies ist in Beziehung - >Vürttemb. uaturw. Jalireshefte. ISCO. 2s und 3s Heft. 11 - 162 - auf letzteres ohne Zweifel vollkommen richtig, allein bei keinem der von mir beobachteten oder nach Mittheilungen von Freunden beschriebenen Schädel findet sich trotz ihres verschiedenen Alters eine Bestätigung dieser Annahme. Die Zweifel, die sich mir daher in dieser Beziehung aufdrängten, scheinen auch durch die Aeusserung Ehrenbergs * Bestätigung zu erhalten. Er sagt nämhch in der Beschreibung des H. ruficeps: „Dentes quatuor incisivi superiores pro monstro potius, quam pro statu juve- nili, ut Cuvier vult, habuerim." B. Von Hyrax habessinicus Ehrenb. wurden von Hrn. Hofrath Dr. v. Heuglin 4 einzelne Schädel und 1 ganzes Skelet dem K. Naturalienkabinet geschenkt. Von den Schädeln ist 1) nur wenig kleiner, als der Schädel Nr. 4, Fig. 5 des H. capensis. Auf jeder Seite des Oberkiefers sind 6 Backzähne, einschliesslich des vordersten einwurzeligen, der hinterste 6te ist noch ganz in der Alveole verborgen. Im Unterkiefer nur 5 Backzähne, von welchen aber der hinterste 5te kaum aus der Alveole hervorragt. Hinter jedem Schneidezahn des Oberkiefers eine leere Alveole, die indess weniger getrennt von der Alveole der normalen Schneidezähne ist, doch ohne dass beide Alveolen zusammenflössen, wie dies zwischen den Alveolen der Milch- und Ersatzschneidezähne bei vielen Säugethieren , namentlich auch dem Rhinoceros , Schwein u. s. w. stattfindet. Das Os interparietale (Fig. 11) ist auf der linken Seite bereits ver- wachsen, so dass nur noch eine Spur der Naht zu erkennen ist. 2) Der Schädel eines ausgewachsenen Thieres hat 7 regel- mässige Backzähne im Oberkiefer, von welchen der Iste 2 Wur- zeln hat und also an die Stelle des einwurzeligen (Milchzahns) getreten zu sein scheint. Hinter jedem Schneidezahn eine kleine leere Alveole. Die Schneidezähne stehen etwas weiter von ein- ander ab , sind schwächer und schärfer dreikantig , als die des H. capensis. Das Os interparietaJe fehlt, wie Fig. 14 zeigt, vöUig oder ist so vollkommen verwachsen, dass keine Spur mehr von ihm übrig ist. * Symbolae physicae. Pars Zoologien. Hyrax rußceps, p. 1. - 163 - 3) Erwachsener Schädel, im Ober- und Unterkiefer 7 Back- zähne enthaltend, hinter den Schneidezähnen sehr kleine leere Alveolen. Os interparietale, Fig. 12, sehr klein. 4) Einzelner Schädel, fast von gleicher Grösse wie Nr. 3. im Oberkiefer 7 , im Unterkiefer 6 Backzähne. Hinter den Schneidezähnen kleine leere Alveolen. Das Os interparietale von eigenthiimlicher pyramidaler Form. Fig. 13. 5) Der Schädel eines erwachsenen , von Gondar durch Hrn. Dr. v. Heuglin mitgebrachten Skelets hat im Unterkiefer und im Oberkiefer 7 Backzähne. Hinter den Schneidezähnen die kleinen runden Alveolen wie bei dem vorigen. Von dem Os interparietale ist, wie Fig. 14 zeigt, keine Spur mehr übrig. C. Hyrax silvestris. Ein aus dem von Herrn Mis- sionär Dieterle aus Westafrika mitgebrachten, unvollständigen, aber durch seine dunkelbraune Farbe ausgezeichneten Balge entnommenes Skelet dürfte als dem H. silvestris angehörig vor- erst angenommen werden. Es gehörte jedenfalls einem jüngeren Thiere an. In dem Oberkiefer finden sich 4 entwickelte Back- zähne mit Einschluss des vordersten einwurzeligen. Der 5te hinterste ist noch nicht aus der Zahnhöhle herausgetreten. Die Schneidezähne stehen etwas weiter aus einander als bei H. capensis , hinter jedem befindet sich gleichfalls eine kleine leere, auf der linken Seite mehr verwischte Alveole. Im Unter- kiefer finden sich nur 4 entwickelte Zähne. Das Os interpa- rietale, Fig. 15, zeichnet sich von dem aller Exemplare von H. capensis und habessinicus dadurch aus, dass von der Mitte des fast parallelipedischen 0. interpar. ein zungenförmiger, in eine Pyramide sich endigender Fortsatz sich nach vornen zwi- schen die Scheitelbeine erstreckt. In der Mitte dieses Fortsatzes befindet sich eine sehr kleine Oeffnung. Da es mir sehr wünschenswerth war, über meluere Ex- emplare der angeführten und anderer Species von Hyrax in den genannten Beziehungen Aufschluss zu erhalten, so wandte ich mich zunächst an meinen verehrten Freund und Collegen, Hrn. Andr. Wagner in München, welcher die Güte hatte, mir un- ter dem 23. Nov. 1859 folgende Notizen mitzutheilen ; ,,Die - 164 - Münchner Sammlung besitzt 4 Schädel von Hyrax , nämlich 1 von H. capensis und 3 von H. arhoreus, letztere von den verschiedensten Altersständen. Bei allen diesen Schädeln findet sich hinter jedem oberen Schneidezahn eine Alveole, welche sehr klein, aber immer sehr regelmässig gestaltet ist. Keine dieser Alveolen enthält ein Zähnchen; sie sind alle leer, aber schon ihr regelmässiges Vorkommen beweist, dass sie wenig- stens im frühesten Alter Zähnchen umschlossen haben. — In der Form des Os intcrpar. ist zwischen beiden Arten ein sehr erhebhcher Unterschied. Bei H. capensis ist das 0. interpar. zungenförmig, d. h. erheblich länger als breit, nach der Längen- erstreckung fast gleich breit, vorn mit stumpfer Zuspitzung. Bei H. arboreus ist das Zwischenscheitelbein kurz und drei- eckig, denn die Breite an der Basis macht das Doppelte der Höhe dieses Dreiecks aus, und zwar hat dasselbe bei den 3 Schädeln des H. arboreus die gleiche Form." Es nähert sich also der bei dem Schädel B. 4, Fig. 13 des H. habessinicus gefundenen Form. Nach dem Ergebniss der Vergleichung der vielen Schädel (mit Einschluss der Cuvier'schen Abbildung Fig. 1), 11 von Hyrax capejisis und 5 von H. habessinicus , scheint die Form des Os interpar. dieser Arten zwar bei den verschiedenen In- dividuen mehr oder weniger zu variiren , wenn auch die ver- schiedenen Formen von einer Hauptform abgeleitet werden können; wir bezweifeln daher einigermaassen, ob die verschie- dene Form des Os interpar. als charakteristisches Merkmal der verschiedenen Arten gelten könne, wie dies Hemprich und Ehrenberg* anzunehmen scheinen. Es nähert sich sogar die Form des Os interpar. von Cavia aguti nach den Tab. IL Fig. 16 und 17, welche wir zur Vergleichung beifügen, einigen Formen desselben von Hijrax , dass man darin eine weitere Affinität zwischen Hijrax und Cavia finden könnte, wenn anders die Beschaff'enheit des Hirns vom Byrax auch mehr dem Bil- dungstypus des Hirns bei Nagern sich näherte. * Symbolae physicae. Pars zoologica, 1828, p. 3. - 165 - Aus den voranstehenden Beobachtungen ergibt sich I. in Beziehung auf das Os interparietale, dass dasselbe bei den verschiedenen Arten von Hijrax, welche wir genannt haben, in den verschiedenen Altern derselben in der Regel als abge- sonderter Knochen vorhanden ist und nur an dem Schädel des sehr alten IL capensis Nr. 5 an der Stelle desselben eine flache Vertiefung sich findet, wie sie etwa durch Zusaninienschrumpfung einer Fontanelle sich bilden würde, ohne dass es jedoch ge- stattet wäre, daraus die Entstehung des Os interpar. überhaupt von einer früher vorhanden gewesenen Fontanelle abzuleiten. Es ist vielmehr das Os interjmr. als ein in der Regel abgeson- derter Bestandtheil des Schädels anzunehmen, der schon bei dem nicht ganz reifen Fötus von IL capensis, Nr. 2, vorhanden ist und durch alle Altersstufen mit weniger Ausnahme sich erhält, wenn gleich seine Form einige Verschiedenheiten zeigt, welche indess weder für die verschiedenen Alter derselben Species, noch als charakteristischer Unterschied der verschiedenen Species be- zeichnet werden können. Es bieten namentlich die Umrisse des Os interpar. keine auffallenden Verschiedenheiten dar, und der Mittheilung von A. Wagner zu Folge scheint auch bei H. ar- boreus die Form des Os interpar. nahezu mit der eines von mir in andern Sammlungen gesehenen Schädels, Fig. 8, von H. capensis übereinzukommen, indess sich allerdings das Os inter- par. an dem Schädel von H. habessinicus, Fig. 13, durch seine pyramidale Form auszeichnet. Auch die abweichende Form des Os interpar. an dem muthmaasslichen Schädel von H. silvestris, C. Fig. 15, kann, abgesehen davon, dass sie nur auf eine ein- zelne Beobachtung sich stützt, nicht einen specifischen Unter- schied begründen, sofern Grub er (1. c. 3te Abbild. Tab. II. Fig. 3) dieselbe Form beinahe an einem Schädel von H. ca- pensis fand, welche ich daher Tab. II. Fig. 18 copiren Hess und welcher sich auch die Form des Os interpar. des Exemplars Nr. 3, Fig. 12 von IL habessinicus nähert. G ruber scheint durch diese scheinbare Anomalie veranlasst worden zu sein, den hinteren , dem Os interpar. anderer Exemplare mehr entspre- chenden Theil b. als Os interpar., den vorderen, mehr zungen- - 166 - förmig-pyramidalen Theil a. als Os. Wortniatium zu bezeichnen. Es scheint dies indess insofern nicht wohl zulässig, als diese vordere Abtheilung a. blos als weitere Entwicklung der rhom- boidalen oder zungenförmig-pyramidalen Grundform des Os in- terparietale bei dem H. capensiSj habessinicus und arhoreus sich darstellt und der Bezeichnung als Os i7iterpariefale nicht minder entspricht, als der hintere Theil b., von dem er nur durch eine Naht geschieden und jedenfalls zwischen die beiden Scheitelbeine eingelagert ist und ohne Zweifel ebenso oder so- gar noch früher mit der Altersentwicklung verschwinden wird, als das eigentliche Os interparietale b., da a. noch vollständiger als b. zwischen die beiden Ossa parietaUa eingekeilt ist. Es ist also kein Grund vorhanden, den Theil a. von dem Os interpar. als Os Wormianum zu trennen, um so w^eniger, als in den meisten andern Fällen die Zwickelbeine (Ossa yVormiana) keine solche regelmässige Stellung haben und nur selten , namentlich beim Menschen, symmetrisch auf beiden Seiten vorkommen, so dass ihnen in der Regel nicht die Qualität eines regelmässigen, bei allen oder doch bei den meisten Individuen einer bestimmten Gattung vorkommenden Bestandtheils des Schädels zukommt. Von mehrerer Bedeutung, als die immerhin mehr oder weniger wechselnde Form des Os interparietale scheint uns II. das beinahe beständige Vorkommen von 2 klei- nen leeren Alveolen hinter den oberen Schneide- zähnen der 4 bis jetzt in dieser Beziehung untersuchten Arten von Hyrax zu sein, das bisher, wie es scheint, nicht beachtet wurde , w^as um so mehr zu verwundern ist , als diese Oeffnungen oder leeren Alveolen sehr leicht in die Augen fallen, wie denn Herr Generalstabsarzt v. Klein dieselben als- bald an einem einzelnen, in seinem Besitze befindlichen Schädel bemerkte. Jedenfalls wurden sie nicht auf das Vorhanden- gewesensein eines abortiven Schneidezahns hinter den grossen Schneidezähnen im frühesten Alter der angeführten Arten von Hyrax gedeutet. Ob diese Eigenthümlichkeit allen Arten von Hyrax zukommt, somit als Charakter der Gattung Hyrax an- zunehmen sei, wird sich erst in Folge weiterer Untersuchungen - 167 - ergeben. Ciivier* führt in der ersten Abhandlung über//. capensis an, dass er nahe an der Naht zwischen Kiefer und Zwischenkiefer einen sehr kleinen Zahn gefunden habe, der auch in der dazu gehörigen Abbildung deutlich ausgedrückt ist. Er bemerkt dabei, dass dieses Zähnchen wahrscheinlich mit dem von Pallas ** Dens accessorius genannten übereinkomme. Cu- vier nimmt keinen Anstand, dieses Zähnchen als Caninus zu bezeichnen, wenn gleich Pallas nach dem Texte „molares nu- mero ubique quaterni cum minore in superiore maxilla utrinque ante reliquos accessorio" darunter blos den vordersten kleinen, einwurzehgen Backzahn verstanden haben konnte, der, wie es scheint, bald ausfällt. Jedenfalls aber steht er nur nahe an der Gränze des Kiefers und Zwischenkiefers und nicht in- nerhalb der Gränze des letztern, und er kann daher ebenso wenig als der bald verschwindende Milchzahn eines Caninus^ denn als der Milchzahn eines Incisivus angesehen werden, da dem erwachsenen Hyrax ein Caninus fehlt und es als Charakter des Incisivus gilt, dass er in dem Os intermaxillare w^urzele. Es, entspricht dieses meist bald ausfallende Zähnchen vielmehr dem ersten einwurzeligen Backzahn, wie dies aus den nachfol- genden Bemerkungen erhellt. In der Abbildung ohne Zweifel desselben Skelets im 11. Bd. 1. Abtheil, der 2. Quartausgabe der Ossem. foss. fehlt dieses Zähnchen an der betreffenden Stelle. Das entsprechende Zähnchen ist vielmehr in Fig. 4 der folgenden Tafel deutlich hinter der Naht des Os incisivum gezeichnet; auch erwähnt Cuvier pag. 136 nichts von diesem Zähnchen. Er bemerkt nur über die grossen Schneidezähne des Oberkiefers, dass die Ersatzschneidezähne auf der äusseren Seite der Milch- schneidezähne durchbrechen, so dass eine Zeit lang 4 Schneide- zähne im Oberkiefer sich finden, wie in dem Oberkiefer des einhörnigen Rhinoceros. In der Octavausgabe der Oss. foss. Tom. III. p. 252 fehlt auch die in der Quartausgabe p. 136 gemachte Bemerkung; ebenso ist die in der Abhandlung in dem * Ann. du Museum d'hist. nai III. Bd. p. 177. ** Specilegia anatomica. Fase. II. p. 22. — 168 — 311. Bande der Annales du Museum p. 177 geäusserte Ansicht nebst deren Belegen nicht wiederholt. Die Abbildung des Ske- lets eines jungen Thieres, Tab. 63, und des Schädels, Tab. 64, Fig. 4, ist unverändert der Quartausgabe entnommen. In der 1830 erschienenen Monographia Hyracis * ist das Resultat der Section von 2 reifen Fötus des H. capensi^ angegeben , jedoch ohne specielle Beschreibung der Zähne dieser Species in ver- schiedenen Altern, wohl aber im Eingange der Pars zoologica des Dens molaris anticus seu spurius (nach Des märest ca- ninus y nach Cuvier conicus simplex maxillae superioris) er- wähnt, der also mit dem Detis accessorius von Pallas identisch wäre, und bei mehreren der oben beschriebenen Schädel des K. Naturalienkabinets ausdrücklich angeführt wurde. A. Wag- ners ** Beschreibung zu Folge ist die Zahnformel für das , Milchgebiss des Hyrax ^/4 Schneidezähne und ^^4 Backzähne, und für die Ersatzzähne ^/4 und ^/t. In der Note spricht er sich gegen die Ansicht Cuviers, jenes Zähnchen einem Ca- ninus zu parallelisiren, aus, indem das kleine vordere Zähnchen durch seinen Anschluss an die Reihe der Backzähne und durch sein Ersetztwerden von einem ächten zweiwurzeligen Backzahn als Milchzahn des ersten Backzahnes angenommen werden müsse. Mit der Beschaffenheit der Milchzähne und Ersatzzähne bei H. capensis kommt nach A. Wagner *'•'* die bei dem H. sil- vestris Teramink stattfindende nicht überein, indem die Zahl der Milchbackzähne nur 3, die der Ersatzzähne nur 6 betragen soll. An dem von Westafrijia erhaltenen, höchst wahrscheinlich dem H. silvestris zugehörigen Exemplar des K. Naturalienkabinets finde ich oben 4 Backzähne, einschliesslich des vordersten ein- fachen, ebenso 4 Backzähne im Unterkiefer. Die Alveole hinter den oberen Schneidezähnen ist auf der linken Seite mehr ver- wischt, auf der rechten jedoch noch erkenntHch. An allen von mir untersuchten Schädeln des H. capensis * Diss. inauguralis Praes. W. Rapp autor Herrn. Kaulla Tub. 1830. ** Schreber, Säugethiere. Supplementband IV. p. 311. *** Schreber, Säugethiere. Neuester Supplementband p. 513. - 169 - und habessinicus, und nach A. Wagner auch an den Schädeln von H. arboreics, finden sich hinter den grossen Schneidezähnen auf gleiche Weise leere , aber regelmässig runde Alveolen , in welche ich eine feine Sonde meist kaum eine halbe Linie tief ein- führen konnte ; jedoch war keine derselben deutlich von unten ganz ausgefüllt, wenn sie auch zum Theil mehr oder weniger verwischt waren. Es ist also unzweifelhaft anzunehmen, dass die muth- maassHch in ihnen enthalten gewesenen Zähnchen sehr bald und sehr leicht ausfallen, so dass nur an einem Fötus von H. capcmsis auf der ein en Seite (vgl. oben A. 1) ein Zähnchen sich fand, das jedoch durch seine Kleinheit und abgerundete Form mehr den abortiven ZähneiT anderer Säugethiere, namentUch des Kameeis und des Rhinoceros entspricht. Die abortiven Zähne dieser Thiere fallen gleichfalls bald aus und hinterlassen nur mehr oder weniger deutliche Spuren ihres früheren Vovhandengewesenseins in den mehr oder weniger erkenntlichen Ueberresten ihrer Al- veolen. Es ist demnach nicht wahrscheinlich, dass sich nach Cuviers Angabe {Oss. foss. Octavausgabe , III. Bd. p. 262) während einiger Zeit 4 Schneidezähne im Oberkiefer befinden, indem doch wohl in dem einen oder andern der vielen Schädel von sehr verschiedenem Alter, über welche ich ausser den oben beschriebenen mir genaue Auskunft verschaffen konnte, ein sol- cher Milchzahn sich ohne Zweifel erhalten hätte. Es scheint vielmehr, dass das abortive Zähnchen trotz seines frühen Ver- schwindens die Stelle eines Milchzahnes vertritt und dass den grossen Schneidezähnen, welche schon bei dem Fötus bedeutend hervorragen, keine Milchzähne vorausgehen und dass sie über- haupt gar nicht ersetzt werden, wie dies dagegen z. B. bei den Nagern , namenthch den Hasen , * der Fall ist. Letztere bieten aber, wenn die hinter den grossen Schneidezähnen stehenden kleinen Schneidezähne ausgefallen und nur noch ihre leeren Al- veolen übrig sind, eine allerdings blos äussere Analogie mit den Hyrax dar, indem die leeren Alveolen der absichtlich entfernten kleinen Schneidezähne der Hasen ganz dieselbe Stellung haben, * Vergl. Owen, Odontographie, p. 410. - 170 - wie die leeren Alveolen der abortiven Schneidezähne der Hyrax. Wenn nun damit sowohl, als durch den Mangel eines Eckzahnes und den ziemlich grossen Zwischenraum zwischen den Back- zähnen und Schneidezähnen, sowie durch die Form des Körpers der Hyraxarten überhaupt und ihre Nahrungsweise u. s. w. eine Verwandtschaft mit den Nagern nicht zu verkennen ist, so tritt auf der andern Seite die Verwandtschaft der Hyrax mit den Dickhäutern in der Eigenthümlichkeit ihres Skelets, zumal der grossen Zahl von Rippen, und namentlich mit dem Rhinoceros in der Beschaffenheit der Backzähne und der Hufen der Zehen hervor. Es kommt dazu noch die Eigenthümlichkeit eines abor- tiven Zahnes hinzu, welche in der Abtheilung der Nager bisher nicht beobachtet worden ist. * Es ergibt sich demnach die Be- deutung, welche neben der Form des ganzen Körpers und ein- zelner Organe, namentlich der Zähne, auch die Entwicklungs- erscheinungen der einzelnen Organe für die Affinität der Gattungen, und ebendamit auch für die Classification der Gattungen haben muss. Wenn, wie dies bei der Gattung Hyrax der Fall war, die Wage lange zwischen der Einreihung in die Abtheilung der Nager oder der Dickhäuter schwankte, ** so scheint diese nach überwiegenden Gründen jetzt auf die Seite der Dickhäuter sich zu neigen, nachdem durch die Auffindung auch vieler kleinerer fossiler Dickhäuter *** die Verschiedenheit des Grössenverhält- nisses bei den lebenden Nagern und Dickhäutern ihre Bedeutung für die Classification mehr verloren hat. Da indess das abortive * Mir selbst war dieser abortive Schneidezahn bei der ersten Un- tersuchung des vom Cap erhaltenen Fötus (vgl. meine Osteol. Bemerk. Acta Nat. Curios. Acad. Leop. Carol. XXVII. P. 1. pag. 122. Note 1) entgangen. Er kam erst nach der Maceration an dem trockenen Schädel dieses Fötus (A. 1 oben) zu Tage. ** Storr bezeichnet den i/i/rax, welchen Pallas unter dem Namen Cavia capensis beschreibt, schon in seinem Prodromus methodi Mamma- lium, 1780, p. 40, Note k, mit dem Namen Prucavia als dotibus quam plurimis a Caviae genere distinctum animal. *** ßich. Owen hat sogar einem derselben den Namen HyracO' therium leporinum gegeben, jedoch zugleich bemerkt, dass das fossile Säugethier mehr dem Chaeropotamus sich anreihe. — 171 — Ziüinclien bis jetzt, soviel mir belvannt, nur einmal, und so- gar nur auf einer Seite eines Fötus von H. capensis gefunden worden ist, so dürfte darin eine Aufforderung für die weitere Untersuchung dieses Vorkommens liegen, für welches ich mit A. Wagner eine Bestätigung in dem beinahe constanten Vor- kommen der leeren Alveolen hinter den grossen Schneidezähnen finden zu dürfen glaubte, indem ich weder einen Schädel mit Milchzähnen der Schneidezähne, noch einen Schädel im Zahn- wechsel der Schneidezähne habe erhalten können, der von der Beschaffenheit der früher beschriebenen Schädel abgewichen wäre. Dies veranlasste mich, nachdem mehrere hier wohnende Naturforscher das Vorhandensein eines abortiven Zähnchens in dem Schädel des Fötus von H. capensis (A. 1) an der Stelle, an welcher in den älteren Schädeln die leeren Alveolen sich finden, bestätigt hatten, auch mehrere auswärtige Freunde um Mittheilung der etwa in den angegebenen Beziehungen interes- santen Notizen zu bitten, welche zur Bestätigung oder Berich- tigung der obigen Beobachtungen dienen konnten. Zunächst verdanke ich Herrn Dr. Günther, welchem seine Anstellung bei dem britischen Museum in London die reichste Gelegenheit zur Untersuchung der fraglichen Verhältnisse darbot, folgende Angaben: 1) Von 6 Exemplaren von H. capensis und habessi- nicus ist das betreffende Loch in den Schädeln junger Indivi- duen deutlich, in alten verschwindet es. In keinem ist der Zahn noch vorhanden (der nämlich als abortiver Zahn für immer verschwindet. J.) , doch ist die Oeffnung auch nach Herrn Dr. Günthers Mittheilung in einem ganz alten Schädel einer wei- teren Species von Fernando Po noch vorhanden. 2) In dem Schädel eines aUen Ehinoceros imicornis ist nur ein grosser Zahn in jedem Zwischenkiefer (wie bei Eh. hicornis) und ohne ein weiteres Loch, während in dem Schädel eines jungen Rh. unicornis in dem Zwischenkieferknochen hinter dem grösseren Zahn noch ein kleinerer sich befindet, dessen Lage dieselbe ist, wie in H. capensis. Cuvier macht schon auf die Ueberein- stimmung zwischen dem Hyrax und Bh, utiiconiis in der Zahl von 2 oberen und 4 unteren Schneidezähnen aufmerksam. Es — 172 — kann somit um so eher die Uebereinstimmung der Stellung des fraglichen Zahnes, beziehungsweise seiner Alveole, in dem Ober- kiefer des Eh. unicornis und der Oeffnung hinter den Schneide- zähnen des H. capensis zur Bestätigung der Annahme dienen, dass diese Oeffnung bei dem Hyrax früher einen abortiven Zahn beherbergt habe. Blainville sagt in Betreff des Kameeis (pag. 19 des 5. Bandes der Osteographie) : „ä la machoire les Incisives manquent entierement, comme c'est Tordinaire, ou qu'il en reste une partie seulement par exception.'* Er führt dann pag. 91 an, dass man Goethe die Bemerkung verdanke, dass wirklich 2 Zähne in dem Os maxillare der Kameele vorhanden seien, wie dies schon Camper in der Beschreibung der Epizootie von 1769 angegeben habe. Der Fortsetzung von Schre- ders Säugethieren, 5. Theil, 2. Band, 1837, pag. 1786, zu Folge fand A. Wagner jedoch bei Vergleichung des Schädels eines alten Kameeis mit dem eines jungen (von Pisa aus der dortigen Heerde erhaltenen), dass der Zwischenkiefer des jungen Kameeis auf jeder Seite 2 Zähne enthält, der des alten nur einen. Dies stimmt mit dem Schädel eines jungen, mit 2 kleinen Höckern versehenen Bastardkameeis (von einem weiblichen 2hückerigen und einem männlichen 1 höckerigen der Stutt- garter Menagerie) übereiu. Beide Zähne sind sehr klein und abge- rundet; davon wird nur der hintere ersetzt, so dass die Zahnformel des erwachsenen Thieres Vs ^/i ^/e = ^/lo ist, wenn man nämlich den hinteren, einem Caninus ähnlichen Zahn als ersten molaris ansieht. Der Ersatzzahn des Incisivus gleicht sehr einem Caninus und konnte auch eher dafür gehalten werden, weil die Naht zwischen Os incisivum und maxillare, wie es scheint, frühzeitig und so vollkommen verschwin- det, dass die frühere Trennung nicht mehr zu erkennen ist. Dabei zeichnet sich das Kameel und Lama dadurch aus, dass einer der Schneidezähne des Neugebornen nicht wieder ersetzt wird und also wirklich ein abortiver Zahn ist; der hintere Schneidezahn hält daher gewissermaassen die Mitte zwischen einem abortiven und Milchzahn ; mit jenem hat er die Form, mit diesem die Nachfolge eines Ersatz- zahnes als Charakter gemein. Unter Bezugnahme auf die pag. 131 meiner osteologischen Bemer- kungen (Nova Act. Nat. Cur. XXVI. Bd. P. 2) beigefügten Angaben finden sich also solche abortive Zähne 1) bei den Whalen, an deren Stelle keine eigentlichen Zähne, sondern Barten sich bilden; 2) blos abortive Zähne bei Halicore und Manatus im Ober- und Unterkiefer, welche nicht wieder ersetzt werden; 3) mehrere abortive Zähne finden sich vielleicht bei dem Hippopotamiis ; 4) bei Rhinoceros unicornis we- nigstens im Unterkiefer; 5) bei Phaeochaeres Fallasii v. d. lloeven blos - 173 - im Unterkiefer, während sie in dem zahnlosen Oberkiefer wahrschein- lich nie vorhanden waren, indess hei Phaeochaeres Aeliani im Ober- und Unterkiefer beständig Schneidezähne vorhanden sind. V. d. Hoeven führt, Handb. der Naturgesch. p. 677, sogar eine von Hodgson unter dem Namen Porcula Salvania beschriebene kleine Art von Schwein aus Nepaul an (Proceed. Zool. Soc. 1847, pag. 115), welche versteckte Schneidezähne hat, welche niemals aus den Kiefern hervorbrechen; übrigens hat das Thier sonst alle Charaktere der Gattung Sus-, 6) bei dem Kameel im Oberkiefer, ebenso 7) bei dem Hyrax. — Es sind so- mit von den Säugethieren, bei welchen sich abortive Zähne, nament- lich abortive Schneidezähne, finden, mehrere vorzugsweise pflanzen- fressend, jedoch ist diese Annahme nur bedingt richtig, sofern ohne Zweifel, trotz übereinstimmender Nahrungsweise, die Schneidezähne des Phaeochaeres Pallasii im Unterkiefer abortiv sind und dem erwach- senen Thiere im Ober- und Unterkiefer fehlen, bei dem Phaeochaeres Aeliani dagegen, wie bei den verschiedenen Arten von Sus im Ober- und Unterkiefer beständig sind. 8) Nach den bisherigen Beobachtungen scheint nur, dass bei fleischfressenden Thieren abortive Zähne nicht vorkommen, Avenn auch einzelne Milchzähne sehr bald ausfallen, ohne wieder ersetzt zu werden: allein die Milchzähne überhaupt sind bei Pflanzen- und Fleischfressern wenigstens eine Zeitlang im Gebrauch, indess die abortiven Zähne meist bald ausfallen, wenn sie aus dem Zahnfleisch zum Vorschein kommen, so dass ihr Hervortreten über das Zahnfleisch mehr als eine blose Ausstossungs-, nicht aber als eine Functions-Entwicklung sich darstellt. Herr Dr. Weinland hatte die Gefälligkeit, mir aus der Sammlung des Senkenbergischen Stifts einen von Rüppell mit- gebrachten Schädel von H. capensis mitzutheilen, der einem noch jüngeren Fötus als Nr. 1 und 2 angehörte. Es findet sich dar- an keine Spur eines Zähnchens oder einer leeren Alveole vor der Naht des Os indsivum, wohl aber auf der rechten Seite unmittelbar hinter dieser Naht das von Cuvier als Caninus bezeichnete kleine Zähnchen in einer Reilie mit den Backzähnen. Ebenso verhält es sich auf der linken Seite, aber in derselben Alveole findet sich nach aussen ein abgerundetes Knötchen von der Färbung der übrigen Zahnkronen, das mit dem abortiven Zähnchen in Nr. 1 von H, capensis verglichen werden könnte, wenn die Annahme gestattet wäre , dass hier das abortive Schneidezähnchen mit dem einfachen als Caninus oder dem als erster Backzahn anzusehenden Zahne in einer Alveole vereinigt - 174 - sei , aus welcher auch dieses Zähnchen bald ausfällt. Es ist jedoch vielmehr anzunehmen, dass die gemeinschaftliche Alveole den bald ausfallenden einwurzeligen Milchzahn des ersten Back- zahnes und zugleich den nach innen stehenden Ersatzzahn be- herbergt habe. Auf allen Fall findet sich dieser einwurzelige erste Backzahn bei den jüngeren und älteren Schädeln , bei welchen er noch erhalten ist, entschieden hinter der das Os in- cisivum und maxillare trennenden Naht in letzterem. 4. Die classischen Conchylien-Namen. Von Eduard v. Martens. Einleitung. Die Namen, welche in den gegenwärtigen Systemen der Naturgeschichte gelten, zerfallen, vom philologischen Standpunkt aus betrachtet, in vier Classen : 1) classische, welche in den alten Schriftstellern als Bezeichnung derselben Gegenstände vorkommen, z. B. LimaXj Mytilus; 2) übertragene Wörter, welche bei den Classikern an- dere Gegenstände bezeichnen, z. B. Trochiis, Malleus; 3) abgeleitete und zusammengesetzte, aus alten Wörtern neu gebildet, z. B. Cyclostoma, Faliidina; 4) barbarische, die weder im Lateinischen, noch im Griechischen wurzeln. Zu den übertragenen gehören nicht nur jene, deren Anwendung durch eine gewisse Formähnlichkeit gerechtfertigt ist, sondern auch alle mythologischen Namen; diese finden sich sehr zahlreich in unserer systematischen Nomenclatur ver- treten und haben im Allgemeinen die empfehlenden Eigenschaften, wohlklingend und dem Gedächtniss meist schon bekannt zu sein; aber der Umstand, dass sie ganz willkürHeh dieser oder jener Sache beigelegt werden können, hatte auch zur Folge, dass derselbe Namen von Verschiedenen an verschiedene Thiere ver- geben wurde, so finden wir nicht selten dieselben Nereidennamen aus Hesiod bei Krebsen, Schnecken, Würmern und Polypen — 176 - wieder {Dolo, Spio, Nesaea). Hier bietet das Vorkommen im Meere noch ein schwaches Band zwischen Namen und Gegen- stand, gänzlich fehh dieses bei anderen und Montfort hat die Anwendung solcher Namen auf die Spitze getrieben, indem er eine sonst Krötenschnecke genannte Conchylie Apollo nannte. Andere verirrten sich von der Mythologie in die Geschichte, wie Leach imt JRoxanie ^ oder gar in die alte Geographie, wie derselbe mit Thiatira, Mysia, Bithynia (Letzteres scheint die ursprüngliche Schreibart zu sein, erst Spätere schrieben, eine für den Gegenstand passendere Etymologie suchend, Bytliinia von ßvü-og, Tiefe, die Schnecke lebt aber in geringer Tiefe). Eine eigenthümliche Complication unserer ersten und zwei- ten Abtheilung liegt im Namen Tethys vor, welcher, wie schon Olivier nachwies, aus dem Ttj&vov des Aristoteles für die jetzigen Ascidien, Tetinotti der genuesischen Fischer, entstand und durch eine Reihe von Verwirrungen bei Linne der jetzt so benannten Seeschnecke blieb, in einer Form, welche der alten Mythologie entlehnt ist : diese kennt eine Thetis und eine Tethys, z. B. bei Catullus Carmen 64, 28, 29. Tene Thetis tenuit pul eher riina Neptunine? Tene suam Tethys concessit ducere neptem? Für den Schneckennamen gibt die Erinnerung an seinen Ursprung der Orthographie Tethys den Vorzug, aber es ist des Gleichlauts wegen nicht zu billigen, dass in neuester Zeit da- neben Thetis für eine kleine neuentdeckte Muschel benützt wird. Die zusammengesetzten Namen sind in der Regel leicht zu verstehen und oft recht bezeichnend, nur werden sie nicht selten gar zu lang, z. B. Onychoteuthis. Zuweilen half man sich durch Verkürzen, wie Solemya statt Solenotnya, was immerhin angehen mag, so lange es deutlich bleibt, zu stark zusammengezogen, so dass wirkliche Wurzelsylben verloren gehen, ist aber z. B. Myodora aus 3Iya und Pandora. Diese Sitte, aus zwei bekannten Gattungsnamen einen drit- ten zusammenzusetzen, zuweilen passend, ist oft ziemlich übel angebracht und übelklingend, besser ist es noch, dem alten Gattungsnamen die Bezeichnung eines wesentlichen neuen Kenn- - 177 — Zeichens vorzusetzen, z. B. Pterodoris und das obenerwähnte Onychoteuthis, doch namentlich von in dieser Art bezeichnenden Namen tauchten in neuerer Zeit monstra horribiUa dictu in Frankreich auf, wie Buccinanops (Buccinum ohne Augen) und Doridigitata {Doris mit fingerförmigen Kiemen); räthselhaft ist mir die Bedeutung von Hydrocena und Ophicardelus , sollten vielleicht Schreibfehler zu Grunde liegen. Abgeleitete Namen liebte Lamarck, er benützte zu ihrer Bildung ausser wesentlicheren Kennzeichen auch den Standort (Paludina)^ selbst die vorherrschende Farbe (Melania, so dass man jetzt eine Melania pallida, rufa, viridis hat, ent- sprechend Linn^'s Cyanella lutea) und am liebsten gleichzeitig den früheren Namen derjenigen Art, welche ihm der Typus der neuen Gattung war, so bei Janthinaj Sanguinolaria, Delphinulay Phasianellay Ovtda, selbst bei den drei letztgenannten wählte er, wie es scheint der Gleicbmässigkeit wegen, das Femininum; jene Regel hat aber noch den Uebelstand, dass er, um eine Tautologie zu vermeiden, auch den Speciesnamen unberechtigt änderte; er erreichte dieses nicht einmal bei Ovida oviformis (aus Bulla ovum L.) und hier ist auch die Diminutivform übel gewählt, da doch Jeder zunächst an ein Hühnerei und nicht an ein Straussenei denkt, während sie bei dem Fasan und dem Delphin allerdings ganz in der Ordnung ist. Auch durch eine blosse Ab lei tungssylb e aus dem Namen einer Gattung den neuen für oine verwandte zu bilden, kommt bei Lamarck vor (^Bullaea, Helicina, Hclicella) ^ es wurde in neuerer Zeit oft wiederholt {Olivina, Olivella, Bissoina, Bissoella) und wird nur dann raisslich, wenn mehrere gar zu ähnlich laute'n; so besitzt die Conchyliologie neben Bulla eine Bullaea , eine Bullia, eine Bullina und eine Bullinula, denen noch überdies aus ganz anderem Stamme {ßov-lff^og, Ochsenhunger) Bulimus nebst den davon abgeleiteten Bulimulus , Buliminus (und Bu- limina für einen Rhizopodon) nahe treten; schon lange vorher hatte Ad an so n eine ganz andere Gattung französisch Buliri genannt, ohne über die Etymologie Rechenschaft zu geben, was 0. F. Müller zu BuUinus latinisirte, andere als Buliyius für Württeinb. naturvv. Jahreshefte. 18(50. 23 uud Ss Heft. 12 - 178 - Bulimus brauchten. Angesichts solcher Gleichklänge ist man herzlich froh, dass nicht alle vorgeschlagenen Namen geltend bleiben, sondern manche wieder in das Meer der „unHebsamen Synonymie" untertauchen. Eine andere Methode, aus Einem Namen mehrere zu machen, ist das Anagramm, wovon Linne mit Mahernia aus Her- mannia das erste Beispiel gab, dann Leach mit Dacelo aus AlcedOj bei Schnecken in jüngster Zeit Gray mit Milax aus Limax] bei den Crustaceen scheint etwas Aehnliches im Spiele zu sein, indem sich in einer Familie sinnlose Namen, wie Ciro- lanüj Nerocila, Olencira, Anüocra und mit einziger Aenderung des r in v Livoneca, alle von Leach, Schlag auf Schlag folgen. Diese führen uns zu einer zweiten Abtheilung barbari- scher Namen, den ganz willkürlich aus Buchstaben zusammengewürfelten; bei Adanson war eine solche Namen- gebung Grundsatz und er wandte sie um so öfter an , als er nur Einen specifischen Namen für jede Art, nicht eine Veibin-^ düng des Gattungs- und Arten-Namens, wollte und jedes Wort, welches sonst noch eine andere Bedeutung hatte, verv,'arf. In der neueren Nomenclatur ging auch hier Leach voran mit Wörtern, wie Ilaminea^ Medora, BitUum, und andere Englän- der folgten, während namentlich in Frankreich, doch auch in Deutschland, Adanson sehe Namen in grosser Zahl mit An- hängung einer lateinischen Endung wieder eingeführt wurden, z. B. Felaniciy Mesalia , Fossarus , Osilmus, Dosinia, Mutela und andere. Manche glaubten , Adanson habe seine Namen der Sprache der Neger am Senegal entlehnt, dieses sagt er selbst aber nur bei dem einen, Sakem für Purpura haemastoma. Eine solche Methode, aus lebenden Sprachen die Namen zu entlehnen, ist gegenwärtig bei höheren Thieren, namentlich bei Fischen, Mode; es lässt sich bei diesen dafür geltend machen, dass die Arten von dem einheimischen Volke oft richtiger, als von früheren Systematikern, unterschieden wer- den und es für den Forscher an Ort und Stelle wesentlich ist, diese Landesnamen zu kennen, w^ährend der ferner Stehende dadurch zugleich eine Andeutung über das Vaterland erhält; >v - 179 - dagegen sind sie selten wohlklingend und nicht selten weiss man gar nicht, wie man sie aussprechen soll. Am besten und am wenigsten ungleichartig machen sich natürlich die Namen, welche aus Tochtersprachen des Lateinischen entlehnt sind, nur kommt man dabei öfters in Verlegenheit, wie weit die Latini- sirung gehen soll oder darf, so liegt es z. B. sehr nahe , aus dem italienischen Arhorello ein lateinisches Alhurnellus wieder herzustellen und damit eine falsche Ableitung zu verhüten, aber andererseits wäre es mehr als misslich, aus dem genuesischen Puntazzo einen Punctacius zu machen, obgleich dies unzweifel- haft die entsprechende lateinische Form wäre, weil das Wort punctum bei den Alten nicht wie die entsprechenden pimta und pointe im Sinne von Spitze vorkommt, man würde eher an einen getüpfelten als an einen spitzschnauzigen Fisch denken. Für die niedern Thiere ist eine derartige Uebertragung von Namen aus lebenden Sprachen desshalb weniger am Platze, weil die wenigsten derselben sich auf Eine Art oder auch nur Eine Gattung beschränken; einzelne Beispiele kommen vor, so ApJysia teretnidi Mang, Neritina barbaback Ferussac, ein Name, welcher glücklicherweise dem älteren, Neritina bengalen- siSj weichen muss. Zuweilen werden übrigens auch gut lateinisch gebildete Namen fälschlich für barbarisch gehalten, so die Linne'sche Tellina gari, von Schumacher gar als Gattungs- name Gari aufgestellt und noch neuestens von einem kritischen Schriftsteller als sinnlos gebrandmarkt; gari ist einfach der Genitiv von garum , delikate Brühe , und wurde zuerst von Rumph angewandt, um das malaische bia bocassan zu über- setzen, wie er unmittelbar vorher Tellina saxaÜUs und Teilina arenosa als Uebersetzungen aufführt. Barbarisch im Sinne der Philologie und dazu noch will- kürhch in ihrer Anwendung sind auch die Namen, welche von bestimmten, meist um die Wissenschaft verdienten Personen entlehnt sind, eine Ehre, welche L i n n e für die höchste in der Botanik erklärte, aber den Zoologen verweigern wollte; nur als Speciesnamen wandte er in wenigen Fällen Personennamen im Genitiv auf die Thiere an, z. B. Vorticella Bolteni; seitdem - 180 - ist dieses häufig geworden und bei Manchen nicht ohne Grund zur Regel, wenn sie einen früher gegebenen Namen umzuändern genöthigt sind, das Andenken an den ersten Namengeber so zu erhalten, z. B. Pecten Philippi F. für Pecten gibbus Philippi non Lamarck. Aber auch für Gattungen sind Personen- namen jetzt bei den Thieren und namentlich bei den Schnecken Mode, alle mit dem unvermeidlichen Anhängsel — ia, ausser Rlssoa und Montag ua , neben welchem auch ein latinisirtes Montaciita für ein ganz anderes Thier vorkommt. Cavolinia und Cuvieria sind sogar für Thiere verschiedener Classen ver- wandt, während auch die Botaniker drei Gattungen Caulinia und zwei Cuviera haben ; komisch macht sich Chemnitzia für ganz kleine Schnecken, wodurch sich der gute Chemnitz wohl wenig geehrt fühlen möchte, da er besonders auf grosse Con- chyhen sah und im Gegensatz zu seinem Vorgänger Martini diejenigen unter der Grösse einer Erbse grundsätzHch aus seinem Conchyliencabinet aussciiloss. Am w^eitesten gingen mit Hul- digungsnamen Payraudeau und Risso, ersterer, indem er fast jedem Franzosen in Corsica, von dem er freundüch aufge- nommen wurde , dieser mochte sich um Conchylien kümmern oder nicht, mit einer für neu gehaltenen Schnecke ein Compli- ment machte, letzterer, indem er seine Gattin und die Frauen seiner Freunde damit verewigen wollte, so hat er eine Gattung Fidelis mit der Art F. Theresa und eine Gattung An7ia mit der Art A. Massenoe, ja sogar einem seltenen schwärzlichen Fische seiner Makellosigkeit wegen, wie er sagt, den Namen seines verstorbenen Vaters und damit seinen eigenen gegeben. Dagegen dürfen wir es dem guten Macgillivray nicht ver- argen, wenn er seinen Töchtern zu Ehren, welche ihn bei dem Sammeln und Aussuchen der kleinen Conchylien aus dem Sande wesentlich unterstützten, von den so gefundenen Arten eine Odo- stomia Marianne, eine andere Odostomia Annae nannte. Auch Frauenzimmernamen im Nominativ kommen in neuester Zeit als Gattungs- oder Artbezeichnung zuweilen vor , z. B. Helix Eu- genta, Amalia als Untergattung von Limax. Nachdem wir so den weiten Kreis unclassischer Namen in - 181 - einzelnen Beispielen überblickt und manchen formell angreifbar gefunden haben, müssen wir der Mehrzahl derselben die Ge- rechtigkeit widerfahren lassen, dass sie, von materieller Seite betrachtet, bestimmt umschriebene, haltbare Begriffe bezeichnen nnd seit ihrer Entstehung, wenn auch manche in etwas ver- schiedener Ausdehnung bei verschiedenen Schriftstellern, be- zeichnet haben. Weniger ist dieses natürlich bei den über ein Jahrtausend älteren classischen Schneckennamen der Fall , sie gelten jetzt theilweise in ganz anderem Sinne und die ursprüng- liche Bedeutung lässt sich bei manchen kaum ermitteln, während es oft gewiss ist, dass sie nicht demjenigen Thiere zukommen, welches jetzt in unseren Systemen so benannt ist. Es versteht sich von selbst, dass es mir nicht einfallen kann, die in der jetzigen Nomenclatur unrichtig angewandten Namen uiuändern zu wollen, so wenig als die vorhin gerügten; der Name erfüllt im Wesentlichen seinen Zweck , wenn der Leser weiss oder erfährt, was darunter zu verstehen sei, wie weit er elegant, passend und bezeichnend ist, ist Sache des Autors, der ihn als Denkmal seines guten oder schlechten Ge- schmacks in die ¥/elt setzt; wir freuen oder ärgern uns darüber, wenn wir ihn zum ersten Mal hören, werden auch wohl durch geeignete Namen beim Aufsuchen uns unbekannter Gegenstände in der Literatur gefördert, zuweilen auch irre geleitet; aber sobald wir mit der Sache bekannt sind, der Name uns nicht mehr neu ist, wird er gleichsam zu einem Eigennamen und wir denken so wenig an seinen Ursprung, als bei den Wörtern des täglichen Verkehrs. Die Nomenclatur ist mit Recht dem Al- phabet verglichen worden, sie ist unumgängliches Mittel, aber nicht Zweck der Wissenschaft; das Sichten der Synonymie hat sein Gutes, aber die Jagd auf ältere verschollene Namen, um damit allgemein bekannte zu verdrängen, ist in ihrer Wirkung nicht besser, als das willkürliche Aufbringen ganz neuer. In Betreff der alten classischen Namen hat man schon^ namentlich auch in der Botanik, gefragt und gestritten, ob sie Gattungen oder Arten bezeichnen; die Frage lässt sich nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten, sie muss für jeden Namen — 182 - Ijesonders erhoben werden und lässt sich im Allgemeinen durch eine Verweisung auf die lebenden Volkssprachen am deutlichsten erörtern. Je mehr praktisches Interesse ein Thier für den Menschen hat, desto bestimmtere Bezeichnungen hat dieser für dasselbe geschaffen. So gibt es Wörter^ welche nicht nur eine bestimmte Art, sondern einen bestimmten Alterszustand oder das Geschlecht in derselben bezeichnen, z. B. Kalb, Rind, Kuh, Stier; es gibt aber eben so gut Wörter, welche Thiere nicht nur verschiedener Gattungen, sondern selbst verschiedener Classen umfassen, so das Wort Wurm, welches Anneliden, Entozoen, Insekten-Larven und in den nordischen Sprachen auch Schlangen bezeichnet; die näheren Bezeichnungen Regenwurm, Spulwurm, Apfelmotte und dergl. sind mehr in Büchern und bei durch Bücher Gebildeten vorhanden, als im Munde des Volkes, dieses sieht sich diese Geschöpfe nicht näher an, alles, was sich wurmförmig bewegt, ist bei demselben in Einer Verdammniss ; es dürfte nicht mehr zu entscheiden sein, ob der Name das erste Mal auf einen Regenwurm oder auf einen Spulwurm an- gewandt wurde. Aehnlich verhält es sich mit dem AVort Schnecke, es bezeichnet eine ganze Classe von Thieren, wird aber natürlich am häufigsten von denjenigen Arten gebraucht, mit denen man am meisten zu thun hat, also von Helix po- matiaj weil diese gegessen wird, und von Limax ugrestiSj weil dieser in den Gärten und Feldern am meisten schadet, ferner von Arion ater^ Helix nemoralis, hortensis und arhustorum^ weil diese häufig und gross genug sind, um aufzufallen; man kann nicht sagen, das AVort gehöre ursprünglich dieser oder jener Art an, es lässt sich nicht mehr errathen, bei welcher es zuerst angewandt wurde; ähnlich verhält es sich mit dem la- teinischen Namen Cochlea für Helix adspersa und vcnniciilata; wolil davon zu unterscheiden ist aber die Ausdehnung oder Uebertragung specieller Namen auf mehr oder weniger ähnliche Thiere, welche dem betrefi'enden Volke später durch Ausdehnung seines Verkehrs bekannt wurden, namentlich finden solche Ueber- tragungen in Colonien statt und um so leichter, weil die Ge- legenheit zur Vergleichung fehlt. So bezeichnet das germanische ~ 183 — Bär und Hirsch offenbar die bestimmten Arten Ursus arctos und Cervus elaphus, aber Niemand wird dieselben Namen dem Ursus americanus oder Cervus canadensis versagen, ja am Cap geben Holländer den Namen Hirsch in Ermangelung der Gattung Cervus einer Antilope (A. caama Cuv.), eben so den des ihnen fabelhaft gewordenen Elennthiers nur der Grösse wiegen der Antilope oreas , die Portugiesen in Brasilien sogar dem Tapir, wenn es richtig ist, dass aus Elanta durch Miss- verständniss el Atita entstanden ist. Umgekehrt erkannten Eng- länder und Franzosen in Canada das Elennthier nicht wieder, da es ihrer Heimat fehlt, obgleich ihre Sprache einen Namen dafür hatte, und gaben ihm neue, Moosedeer , Orignah Ganz eben so ist es zu beurtheilen, wenn Aelian griechische Schnecken- namen, wie arjQv^, y.oilog , auf Schalthiere des rothen Meeres anwendet, man darf die daselbst angegebenen Eigenschaften nicht als Kennzeichen zur Deutung des Namens überhaupt be- ' trachten, eher als Unterschiede von denjenigen, denen eigentlich diese Namen zukommen. Es dürften überhaupt in der längst vergangenen Zeit, als die betreffenden Wörter zuerst in Gebrauch kamen, die Begriffe von Genus und Species für Thiere gar nicht vorhanden gewesen sein, „Kalb" und „Wurm" gleich berechtigt, coordinirt gewesen und jene Begriffe erst aufgetaucht sein, als sich einzelne Men- schen oder Menschenclassen anhaltender und lebhafter mit ge- wissen Thieren beschäftigten, also die Jäger, Fischer und dgl.; diese fühlten das Bedürfniss, eigene Namen für Thiere zu haben, welche die Andern noch nicht kannten, wenigstens noch nicht unterschieden hatten, und halfen sich nun so gut sie konnten, bald fügten sie den schon vorhandenen nähere Bezeichnungen hinzu, so dass, was ursprünglich das Verhältniss des Indivi- duums zum Begriff überhaupt bezeichnet hatte, allmäWig das der Art zur Gattung bezeichnete, zunächst natürlich in Adjec- tivform, woraus aber nicht selten zusammengesetzte Subtantiva entstanden, z. B. das griechische ^slavdeTogj das deutsche Grün- specht; diese Zusammensetzungen bezeugen, dass der Artbegrifl im Wesentlichen, d. h. als über dem Individuum und unter der - 184 - Gattung in seiner Ausdehnung stehend, zum Bewusstsein ge- kommen sei, denn man konnte offenbar erst von einem Grün- specht reden, nachdem durch manchen einzelnen grünen Specht die Vorstellung davon geläufig geworden war. Wh leicht überhaupt specifische Unterschiede als individuelle aufgefasst werden , so lange man nur Ein oder wenige Exemplare kennt, hat schon mancher Naturforscher an sich erfahren. Diese Methode , das geniis proximum und eine differentia specißca im Namen auszudrücken, hatte noch den Vortheil, dass sie auch dem Laien verständlich blieb, der, wenn er auch den Schwarzadler nicht kannte , doch durch das Wort „Adler" auf einen ihm bekannten Begriff' geführt wurde; aber sie reichte nicht aus, man traf auf Geschöpfe, die sich nicht so einfach und selbstverständlich andern bekannten anschlössen, oder fand jene Bezeichnung zu schleppend und gebrauchte nur eine Be- zeichnung der Eigenschaft als Namen, so entstanden die Thier- naraen, welche aus den gleichzeitig lebenden Sprachen mehr oder weniger deutlich etymologisch erklärbar sind, wie <:ToXvnovg, ^vydgyog, Rothkehlchen, Bachstelze und dergl. ; hieher gehören auch die Fälle, wo Namen anderer bekannter Gegenstände, Natur- oder Kunstprodukte, der Formähnlichkeit wegen einfach auf das betreff"ende Thier übertragen wurden, so nTs'ig, dova^. Ganz neue Stammwörter tauchten seltener auf, entweder onomatopoetische, den Lauten der Thiere nachgeahmt, z. B. ßgvag, bubo, Uhu, drei von einander unabhängige Auffassungen desselben Tones, oder Fremdwörter, welche mit dem Thier aus dem Auslande kamen, z. B. ovTraxri , Kameel, Elephant. Auf dieser Stufe wurde die Nomenclatur der Thiere von der Schrift und insbesondere von dem ersten wissenschaftHchen Zoologen, Aristoteles, angetroff'en; er schloss sich ihr im Allgemeinen an und bildete sie in einzelnen Fällen weiter aus; •wir dürfen wohl ohne weiteren Beweis annehmen, dass die von ihm einfach genannten Namen grossentheils in ganz Griechen- land bekannt und allgemein gebräuchHch, die, welche er mit 6 nalovfisvog (der sogenannte) einführt, besondern Gegenden oder Menschenclassen eigenthümlich waren. Nur wo er aus — 185 - wissenschaftliclien Gründen mehrere unter eigenen Namen be- kannte Thiere zusammenzufassen wünscht, an deren Aehnlichkeit man früher nicht dachte , sieht er sich zu neuen Bezeichnungen genöthigt, die er zuweilen aus dem Namen des bekanntesten Gliedes der Gruppe bildet, wie ra 'KSQioTSQOidri , die Tauben- artigen, was wir einfach mit „die Tauben" übersetzen können, da wir diesen Namen von der Haustaube auf die verschiedenen wilden Arten ausgedehnt haben, während die Griechen für jede eigene Wörter hatten [cfdtra, tqvjwv u. s. w.) und daher unter TzsQiaxsQa nur die Haustaube verstanden, wie wir unter Wiesel nicht auch den Iltis und unter Hund nicht auch den Wolf, noch öfter aber bezeichnete er seine höhern Abtheilungen, unsern Ordnungen und Classen entsprechend, mit Eigenschafts- wörtern, wie rä yaiixptövvya, die Krummklauigen , t« xaQiaQo- dovra^ die Spitzzähnigen (unsere Raubthiere), r« fialay.oorqaxa, die Weichschaligen (unsere Crustaceen) ; diese Bezeichnungen sind ihm mehr Diagnosen als Namen, indem er, wo Ein Kenn- zeichen nicht ausreicht, mehrere verbindet, z. B. rä öiiala y^ä ovK dfiqjöddvra , die zweihufigen und nicht beiderseits gezahnten für unsere Wiederkäuer, ohne aus diesen verschiedenen Begriffen Ein Wort zusammenzuschmieden, wie in neuerer Zeit zuweilen geschieht, wie Pneumonopoma für Schnecken mit Lunge und Deckel; er spricht selbst mehrmals von namenlosen Abtheilun- gen und wie wenig er überhaupt beabsichtigte , eine systema- tische, d. h. nach wesentlichen Aehnlichkeiten abgestufte No- menclatur einzuführen, zeigt z. B. ganz deutlich das Beispiel von y.olowg (hist. an. IX, 24.), unter diesem Namen führt er drei verschiedene Arten {^idrj) an, wahrscheinlich auf Grund der Volkssprache, aber nicht die der Dohle näher stehenden Raben und Krähen, denn diese hatten ja eigene Namen, dagegen nach jenen dreien noch einen weiteren Vogel, dessen wesentliche Verschiedenheit als Schwimmvogel er selbst anerkannte. Es erklärt sich dieses ganz einfach aus dem Sprachgebrauch des Volkes, auf die weniger bekannten, eigentlich namenlosen Arten den Namen der allbekannten Dohle auszudehnen. So blieb es im Wesentlichen bis Linnc'; die vorhandenen — 186 — ' Namen wurden je nach Bedürfniss ausgedehnt, durch Beiwörter vervielfältigt und näher bestimmt^ neue Namen durch Zusammen- setzungen oder nach Aehnlichkeiten gebildet, z. B. die Eich- horn'schen Infusoriennamen Fänger, "Wasserbesen, Radmacher u. s. w., oder fremde eingebürgert, letztere zuweilen mit komi- schen Missverständnissen, Verdrehungen und unrichtigen An- wendungen, wovon namentlich die Nomenclatur der Amphibien noch jetzt viele Spuren zeigt (Tupinambis y Agama , Ameiva, siehe Lichten Steins Erläuterungen zu Marggrave). Bei der immer steigenden Zahl der Thiere, welche man kennen lernte, musste das nie durchgeführte Streben, für jedes Thier einen einzelnen Namen zu haben , immer mehr an Aus- sicht verHeren und zugleich die Systematik der Uebersicht wegen an >yerth gewinnen; die doppelten Namen dagegen, welche genus proximum und differentiam specificam bezeichnen, deren viele längst vorhanden waren, empfahlen sich damit um so mehr und es ist Linne's Verdienst, sie consequent durch die ganze specielle Naturgeschichte durchgeführt zu haben, so consequent, dass ganz allbekannte Namen wenigstens ein Epi- theton Omans sich gefallen lassen raussten, z. B. Canis fami- liariSy Ehqjlias maximus, Homo sapiens (was Hall er nur durch vernunftfähig übersetzt wissen wollte) ; wo er schon eigene Namen für verschiedene Arten derselben Gattung antraf, wurden diese statt der Beiwörter dem Gattungsnamen nachgesetzt, so Canis lupus, Canis vidpes, und in gleicher Weise, wo der ur- sprüngliche Namen der Art zu dem der Gattung erweitert wurde, für die Art zuweilen ein tautologischer hinzugefügt, wie Cervus claphus, Sus scrofa oder gar Scomher scomber. Die grossen Vortheile dieses Systems mussten durch zwei Nachtheile erkauft werden, erstlich die Wandelbarkeit der Namen je nach der systematischen Ansicht, wie die immer fortschrei- tende Zerfällung der grossen Gattungen zeigt, und zweitens die gänzliche Losreissung der wissenschaftlichen Sprache von der Volkssprache, die freilich schon beginnen musste, sobald die in der Literatur niedergelegten Kenntnisse die im Gesammtvolk lebenden und traditionellen an Ausdehnung übertrafen. — 187 — In der Literatur hatten, als Linnc auftrat, die ursprüng- lich aus der Volkssprache stammenden Namen, von ihrem Mut- terboden getrennt, sonderbare Schicksale erfahren und mehrere Perioden durchlaufen. Bei dem Wiedererwachen der Natur- wissenschaften nach der Nacht des Mittelalters erging es den ersten Zoologen wie den Schülern, welche in eine neue Wissen- schaft eingeführt werden; sie fühlten sich so überwältigt durch die. Menge der ihnen von ihren Lehrern überlieferten Kennt- nisse, dass sie nur diese sich anzueignen strebten und eine er- schöpfende Kenntniss der Natur darin erblickten, welcher weiter nichts hinzuzufügen sei. Die Alten hatten ihre Kenntnisse nach und nach erw^orben und in Form einer Blumenlese oder (eigent- lich nur Aristoteles) einer vergleichenden Anatomie und Physiologie , theilweise auch zoologischen Geographie , nieder- gelegt. Die Schüler machten sich Tabellen, um den auf einmal überlieferten Stoff übersehen zu können , sie führten die von ihren Lehrern angedeuteten Eintheilungen durch, und indem sie dieselben nur erklären, durch Beispiele erläutern wollten (z. B. Rondelet), kamen sie, sobald sie die lebendige Natur befragten, wie es dem Forscher so oft ergeht, über ihr erstes Ziel hinaus zur Bildung natürlicher Gruppen oder Familien; da aber die wenigen Kennzeichen, welche in den Schriften der Alten auf- zufinden waren , in der Regel auf die ganze Gruppe passten oder oft vielmehr die Gruppe nach diesen Kennzeichen gebildet war, da ferner die ins x\uge fallenden Verschiedenheiten der Arten bei der geringen Anzahl derer, die man kannte, weniger beachtet wurden, das geographische Vorkommen nur sehr un- vollständig bekannt war, namenthch noch nicht leicht behauptet werden konnte, dass diese oder jene Art im Mittelmeer nicht vor- komme, und somit ein wesentliches Moment, um auf dem Wege der Ausschliessung die Namen zu deuten, noch fehlte, so ergab es sich ganz natürlich, dass dieselben -auf ganze Reihen und Gruppen von Arten mit mehr oder weniger Recht angew^andt und zu zusammenfassenden Gattungsnamen wurden; die darunter begriffenen Arten wurden anfangs gerne durch Ordnungszahlen -- 188 - {Tellina altera, T. tcrtia) , später durch eine Art Diagnose unterschieden. Der Natur der Sache nach sind es einige natürhche arten- reiche Gattungen oder Famihen im heutigen Sinne, welche sich bei den verschiedensten Eintheilungsgründen und oft unter ver- schiedenen Namen wiederholen, so unsere Cypraeen als Conchae Veneris oder Porcellanae, die Oliven als Bhombl cyUndrici bei Li st er, Cochleae cylindroideae bei Gualtieri, Cylindri bei Rumph, die Conusarten als JKhombi pyramidales bei L i s t e r , Volutae bei R u m p h und ArgenviUe, Cochleae co- noideae bei Gualtieri, und in ähnlicher Weise die Neriten, Patellen, Trochus, theilweise auch die Flügelschnecken {Strom- bus). Andere, wenn auch noch so naturgemässe Gattungen wurden, weil sie zu arm an Arten schienen oder nicht hinläng- lich auffallende Kennzeichen boten, oft sehr einseitig in die schon vorhandenen untergesteckt oder naturwidrig zusaramenge- häuft; hieher gehören bei den Aelteren die Abtheilungen der Schraubenschnecken {Clausilia , TuriteUa und Mitra zugleich enthaltend), Trompeten {Limnaeus und Buccinum) oder gar Schröters ,, erdschneckenförmig gewundene Schnecken'' (Helix, Valvata und Dolium)^ unter den Linne 'sehen Gattungen na- mentlich Bidla, Voluta, Turbo^ je auf ein einziges, nicht einmal immer zutreffendes Kennzeichen als Eintheilungsgrund gestützt. Bei den älteren Conchylioiogen herrschte als Eintheilungs- grund der erste Eindruck der allgemeinen Schalenform vor, na- mentlich also das Grössenverhältniss des sichtbaren Theils der einzelnen Windungen untereinander 3 aber solche Unterschiede waren zu fliessend, schon Li st er (1685) benützte daher zur Eintheilung auch die Eigenschaften der Mündung, welche festere Charaktere versprach, Argenville (1742) unterschied darnach die Meerschnecken ohne Canal in die drei Gattungen Limagons ä bauche ronde, L. ä bouche aplatie und L. ä bouche demi- ronde, welche Gattungen Linn^ unter den Namen Turbo, Trochus und Nerita adoptirte; Linne' ging aber noch weiter, indem er auch die Schrauben-, Trompeten- und Stachelschnecken in die ebengenannten, oder so weit sie einen Canal zeigten, - 189 — nach der Richtung desselben in die drei Gattungen Murex, Sti^ombus und Biicdnum verth eilte. So hatte der zweite Eintheilungsgrund dem ersten immer mehr siegreiche Concurrenz gemacht ; der gemüthliche und schreibselige Pastor Schroeter bezeichnet den Uebergang von einem System zum andern , er hieng anfangs wie sein Freund Martini, der Begründer des grossen Conchylienwerkes , noch an dem Alten, so in seiner Geschichte der Flussconchylien (1779), ging aber nachher wie Chemnitz, welcher das von Martini begonnene Werk fortsetzte, mit Sack und Pack in das Lager der Linneaner über (Einleitung in die Conchyiienkenntniss nach Linne 1784). In Linnd findet diese Periode ihren Abschluss; es ist anzuerkennen, dass , wenn einmal nach Einem Kennzeichen allein die Eintheilung durchgeführt werden sollte, kein passen- deres zu finden war, als die Mündungsform bei den Schnecken, das Schloss bei den Muscheln , aber gerade seiner Consequenz wegen sind bei ihm die Namen am meisten von ihrer ursprüng- lichen Bedeutung entfernt worden, nicht nur speciell auf andere Gattungen übergetragen, sondern auch formell, indem sie fast nur noch a priori gebildete Begriffe, Fächer für eine bequeme Uebersicht bezeichnen; ich erinnere nur an den Linne 'sehen Begriff von Ostrea, welcher zugleich Pecten umfasst; beide sind allerdings anatomisch verwandt, aber doch in ihrer äussern Er- scheinung und Lebensthätigkeit so verschieden, dass sie in keiner Volkssprache unter Einem Namen zusammengefasst wer- den. Gleichzeitig hatten Guettard, Geoffroy, Adanson (1757) und 0. F.Müller (1774) die Kenntniss der Weich- t heile (der sogenannten Thiere der Schnecken und Muscheln, als ob die Schale nicht auch ein Theil des Thieres wäre) gel- tend gemacht, und so veiuienstlich auch dieses Streben an sich war, doch die Nomenclatur dadurch nicht verbessert, sondern durch Uebertragung der vorhandenen Namen auf diese neuen, grundverschiedenen und oft noch ziemlich einseitigen Begriffe die Verwirrung vergrössert; man vergleiche z. B. die Gattung Buccinum bei Linne' (Dolium, Cassis, Nassa, Terehra um- - 190 - fassend) und Müller (Limnaeus , Melanla und Achatina um- fassend), sie haben nicht Einen Charakter und nicht Eine Art mit einander gemein, obwohl sie beide auf den Trompeten- schnecken der älteren Conchyliologen fussen ; auch seiner Gattung Nerita hat Müller Fremdartiges aufgebürdet, gegen welches die Vereinigung mit Natica bei Linne bei dem da- maligen Stande der Kenntnisse entschuldbar ist; aber hiemit bereitete sich auch schon das Heilmittel vor, in jenen Abthei- lungen lagen doch die Keime natürlicher Gattungen und eine -Verbindung beider Systeme konnte zu solchen führen. Die Fortschritte der Paläontologie und Anatomie führten eine neue, dritte Epoche herbei; während die vorhin genannten Forscher sich fast ganz auf die Stellung der Augen, die Zahl der Fühler und das Vorhandensein eines Deckels beschränkten, dehnte Cu- vier (Memoires sur les mollusques, 1802—1816) die Berück- sichtigung auf alle Organe aus, namentlich auch auf die des Athmungs- und Fortpflanzungssystems, welche ihm feste Stützen für höhere Abtheilungen lieferten. Die Paläontologie aber erhob, zunächst durch das Vorkommen im Pariser Tertiärbecken auf- gefordert, die Frage: welche Conchylien gleichen sich unter ein- ander so sehr, dass man von den Lebensbedingungen der einen auf die der andern schliessen darf? Das Vorkommen auf dem Lande , im süssen Wasser oder im Meer , dem man vorher höchstens zuweilen für die Unterbringung nirgends passender Arten unter Helix oder Turbo eine berathende Stimme zuer- kannte, wurde jetzt zwar nicht wieder Eintheilungsgrund, wie in den ältesten Systemen , denn es sollte ja für die fossilen erst durch das System sich herausstellen, aber sein Zusammenstim- men ein wichtiges Kriterium für die Wahl der Kennzeichen. Es ist das Verdienst von Lamarck, jene Frage für die grosse Mehrzahl der Schal thiere beantwortet und natürliche Gattungen hergestellt zu haben, während wir Cuvier die Abtheilungen höheren Grades (Ordnungen und Classen) verdanken. Natürlich schufen Beide nicht Alles neu, sondern es fehlte nicht an Vor- arbeiten und Andeutungen, welche sie benützen konnten und be- nützten (ich erinnere im Grossen nur an Pallas, im Detail an - 191 - Brugu iere, Montfort, S cliii maclier u. A.); eben so selbst- verständlich ist es, dass die fortschreitende Kenntniss, nament- lich in den Weichtheilen, weitere Aenderungen mit sich bringen musste , so namentlich die Berücksichtigung der Zähne auf der sogenannten Zunge oder Reibmembrane der Schnecken, ein Ein- theilungsgrund , welcher, wie die Fresswerkzeuge im Thierreich überhaupt, ebenso wichtig als bis in das Detail der Gattungen und Artengruppen brauchbar ist und dessen Anwendung gegen- wärtig auf der Tagesordnung der Malakologie steht. Leider fehlt es für die Muscheln noch sehr an ähnlichen , durchführbaren Charakteren. Es ist ein schönes Zeugniss für die Urtheilskraft von Cu- vier und Lamarck, dass die über so viele Arten ausge- dehnten , in das Einzelnste eingehenden Untersuchungen der letzten Jahrzehnte zwar nur die wenigsten ihrer Abtheilungen ganz unverändert gelassen, aber doch die allermeisten nur leicht raodificirt, von einzelnen fremdartigen Bestandtheilen befreit und oft mehr umgetauft als umgewandelt haben. Seit der Zeit Lamarcks haben sich die alten Namen, wenn auch immer noch zuweilen unrichtig angewandt, doch im Allgemeinen ihrer alten Bedeutung wieder genähert, dass sie .wesentlich unter sich übereinstimmende, vielseitig charakterisirte Einheiten bezeichnen. Die Geschichte der Namen in dieser dritten Epoche ist bekannt und in den Handbüchern zu finden; welchen Thieren sie aber im classischen Alterthum zukommen mochten und wie sie, die oben allgemein angedeuteten Schick- sale durchlaufend, endlich bei Linnö' und Lamarck an diesem oder jenem haften blieben, dies zu untersuchen ist der Zweck der folgenden Arbeit. Die Reihenfolge und Motivirung der Umwandlungen ergibt sich leicht aus einer Vergleichung der verschiedenen Schriften der zweiten Epoche in chronologischer Reihenfolge, aber ihre ursprüngliche Bedeutung zu ermitteln ist schwieriger und zu- weilen ganz unmöglich. Nach den von den Alten erwähnten Eigenschaften sie systematisch in unsern Lehrbüchern aufzu- finden, geht gar nicht, jene sind zu allgemein und oberflächUcb - 192 - angegeben , aber wo die beschreibende Naturgeschichte uns im Stiche lässt, reichen zwei Schwesterwissenschaften uns die hülf- reichen Hände, die Lehre von der geographischen Vertheilung der Thiere und die vorgleichende Sprachkunde, erstere das Feld der Auswahl eng umgränzend, letztere auf bestimmte Arten hin-, weisend. Wissen wir nämlich erst, welche Arten von Schal- thieren überhaupt im Mittelmeer leben und wie häufig, welche vorzugsweise von den gegenwärtigen Anwohnern, selbstverständ- lich zunächst als Nahrungsmittel, gekannt und aufgesucht, mit welchen Namen sie von ihnen bezeichnet werden, so haben wir eine Grundlage für die Beantwortung unserer Frage gewonnen, viele Arten sind ausgeschlossen, einzelne der besondern Berück- sichtigung empfohlen. Stimmen jetzt die von den x41ten so spärlich angegebenen Eigenschaften zu, ergeben sich die gegen- wärtig im Munde des Volkes geltenden Namen als iVbkömm- linge der alten, so haben wir den Grad von Wahrscheinlichkeit erlangt, welcher überhaupt noch zu erlangen ist, und gerade jenes Zusammenstimmen im Einzelnen wird uns überzeugen, wie die alten Namen, im Munde des Volkes vielfach umgeformt, doch ihre wesentliche Bedeutung beibehielten, während sie in der Literatur nicht leicht die Form , aber oft den Inhalt wechselten. Schon Rondelet in MontpelHer und Belon, dieser durch seine Reisen in Griechenland und Kleinasien besonders dazu angeregt und befähigt, haben gleichzeitig bei dem Wiederer- wachen der Naturwissenschaften die Lösung von dieser Seite mit theilweisem Erfolg angegriffen und sind daher besonders zu berücksichtigen : aus eigener Anschauung sich ein Urtheil bil- dend , wurden sie Autoritäten für spätere Schriftsteller , welche für unsere Frage wenig Neues lieferten ; namentlich scheint mir Aldrovandi ganz unbrauchbar, höchstens als Repertorium für die Stellen der Alten dienlich, denn er ist reiner Compilator ohne nähere Sachkenntniss, daher manche Arten, z. B. Aporrhais (Pes Pelecani) , an verschiedenen Stellen als verschieden aufge- führt werden; während uns in Rondelet und Belon die eigene Beobachtung erfrischend anweht, wirkt die weitschweifige Gelehr- - 193 - samkeit dieses Sammlers wie erstickender Staub, verhüllend und entmuthigend. In neuerer Zeit ist meines Wissens wenig für die Lösung dieser Aufgabe geschehen; namentlich ist Griechenland in Be- zug auf seine Meerthiere und die einheimischen Namen derselben noch wenig bekannt; von letzteren findet man leider nur dürf- tige Angaben in der französischen Expedition en Moree, mehr in verschiedenen Reisen, so bei Tournefort und bei dem Geognosten Dr. Fiedler (Reise durch alle Theile des König- reichs Griechenland in den Jahren 1831 — 1837. Leipzig 1841. 2 Bde. 8*^); neuere Angaben über den Busen von Jero auf Metelin (Lesbos) suchte ich vergebens; Aristoteles führt mehrere Eigenthümlichkeiten von dort an, wornach solche eben- sowohl für die Erklärung desselben, als für die zoologische Geo- graphie überhaupt von Wichtigkeit sein würden. Weit besser ist Italien in der Gegenwart bekannt, aber im Alterthum war es umgekehrt; die meisten Nachrichten und Na- men, welche bei itaUschen Schriftstellern vorkommen, sind von den Griechen entlehnt; glücklicher Weise können wir indessen gerade hier den vorhin zu Hülfe gerufenen Wissenschaften die Sätze entlehnen: 1) dass im ganzen Umkreise des Mittelmeers bei gleicher Bodenbeschaffenheit die Schalthiere der grossen Mehrzahl nach dieselben und meist in ähnlichem Häufigkeitsver- hältnisse sind, und 2) dass manche griechische Wörter sich in den Dialecten derjenigen Mittelmeerküsten, wo einst griechische Colonien blüh- ten, bis auf die Gegenwart erhalten haben; solche führt mein Vater (Italien Bd. II. S. 508) namentlich für Neapel auf, aber auch am obern adriatischen Meere finden sich dergleichen, so heisst in Venedig ein Blumentopf piter vom griechischen mß^og (irdenes Fass), die Wassermelone angitria nach dem gleich- lautenden griechischen Worte, der Todeskampf der Sterbenden angonia, die Schildkröte galana (nach islMviq) u. s. w. So sind es denn auch neben den bekannten Werken für Neapel von P 0 1 i und delle Chiaje namentlich 0 1 i v i {zoologia adriatica, Bassano 1792. 4^), Plucär (der Fischmarkt zu Württemb. naturw, Jahreshefte. 18G0, 2s uud 3s Heft. 13 - 194 - Triest. 1846. 8^), und Petter (Beschreibung von Dalmatien. Gotha 1857. 8^), welche mir werthvolle Anhaltspunkte für die Identification durch Angabe der einheimischen Namen und der praktischen Verwendung lieferten. Ihr Zeugniss bestätigt und ergänzt das, was ich bei einem mehrwöchentlichen Aufenthalt mit meinem Vater in Venedig und Neapel in Erfahrung brachte, und tritt ein, wo diese mich verlässt. Für die Kenntniss der gegenwärtig in der Provence geltenden Namen bin ich meinem verehrten Freunde Dr. Ewald in Berlin verpflichtet, welcher mir die neuere Departements -Beschreibung von Marseille mittheilte. Die von mir benützten Ausgaben der hauptsächlichsten Classiker sind : Aristoteles historia animalium ed. Bekker. Berlin 1829. 8^. — 'rzsol ^ujcov fiOQiiov , griechisch und deutsch von Frantzius. Leipzig 1853. 8^ — de generatione animalium ed. Bekker. Berlin 1839. 8^. Xenokrates aem Trjg cltzo xmv ivvögcov rQoq)rjg, ed. Koraes. Paris 1814. 8^. (lebte unter Kaiser Nero.) Plinius naturalis historiae libri XXXVII rec. Jul. SiHig. Hamburg und Gotha 1851—1858. VIII Bde. 8^. (geb. 23, gest. 79 J. nach Chr. Geb.) Athen aeus Deipnosophistae, rec. Dindorf. Leipzig 1827. III Bde. 8^ (lebte um das Jahr 155 n. Chr. Geb.) Aelian de natura animalium, ed. Jacobi. Jena 1832. 8.^ (im dritten Jahrhundert n. Chr. Geb.) Alle Prosaiker sind nach Buch und Kapitel, die Dichter nach Gesang und Vers citirt, die Paragraphen habe ich, da sie in vielen Ausgaben fehlen oder eine abweichende Umgränzung haben, nicht angeführt; der kleine Nachtheil, bei dem Nach- schlagen mehr durchlesen zu müssen, wird überwogen durch den Vortheil, sich die Stelle im Zusammenhang vorzuführen. Nur bei dem langen Kapitel IV, 4 in Aristoteles historia animalium, welches oft angeführt werden musste, wurden theilweise die Stellen durch init., fin., sub fin. näher angedeutet und bei Plinius neben dem Kapitel die Section in der Sillig'schen Ausgabe. - 195 - Auf die Ceplialopoden und die Avenigen nackten Mollusken, welche die Alten nennen, habe ich mich nicht eingelassen, da ich hier dem schon vielfach Erörterten nichts Neues hinzuzu- fügen hatte. K Olllag. Coclea. i:tö8loq. Aristoteles hist. an. lY, 1, 4. VIII, 13. IX, 37. gen. an. III, 11. Yarro de re rustica IJI, 14. Dioscorides 11, 11. Plinius YIII, 39 (59). IX, 32 (51). 56 (82). XI, 37 (62). XXX, 6 (15). 14 (43). Athenaeus II, 63. Koy).La.g, Coclea, ist der eigentliche Name für die Land- schnecken; nur selten und ausnahmsweise wird er auf Meer- schnecken übergetragen und mehr von systematischen Schrift- stellern als vom Yolke , wie das deutsche Wort Schnecke, Plinius XXXII, 11 (53), Aelian XI, 21. Xenokrates da- gegen unterscheidet y.. z}'aXdTzia und isnoruoi , Meer- und Landschnecken; erstere seien unverdaulicher, III, 23. Koraes bemerkt dabei, dass sich dieses Wort in der Form xo^Xibg bei den Neugriechen für Landschnecken erhalten habe , neben dem bei den Alten nicht vorkommenden oallaxog oder oaXioy.a (von oialov , Speichel, Schleim). Erst im Italienischen (chiocciola, neap. cozza) und Französischen (coquille) ist er auf alle Schal- thiere ausgedehnt worden , wenn diese Namen nicht eher von Conchylium stammen. Einige wollen Koyliag von einem Zeit- wort yoylM, winden, ableiten, viel eher wird aber dieses, wenn es überhaupt vorhanden war, als Abstraction von dem concreten Begriff Schnecke herzuleiten sein. Die in den Schriften der Griechen und Römer erwähnten Landschnecken zu deuten, hat 1820 Ferussac in einem sehr ausführlichen Aufsatze mit viel Sachkenntniss und richtigem Takte versucht (histoire naturelle des mollusques terrestres et fluviatiles. II. S. 97). Sie werden selten in einer andern Be- - 196 - Ziehung als wegen ihres Nutzens als Speise oder gar als Arz- nei genannt; Kennzeichen sind entweder gar keine oder nur sehr unbestimmte angegeben , so dass eine Identification sich meist nur auf die Angabe des Vaterlandes stützen kann; Ferussac hat dieses wohl erkannt, aber doch dürfte die unterdessen fort- geschrittene Kenntniss des verschiedenen Vorkommens einige Aenderungen seiner Deutungen begründen. Koyh'ag bedeutet bei Aristoteles nur einmal einen Fisch (bist. an. V, 9) , sonst immer eine Landschnecke , oft ausdrück- lich noch als 6 xrjQcaTog bezeichnet, im Gegensatze zu yJyXog, aber eine genauere Bestimmung lässt sich nicht geben, als die, dass er vermuthlich darunter die grösseren, häufigeren und den Menschen zur Nahrung dienenden Helixarten, welche in Griechen- land sich finden, zunächst verstand, also Helix aperta, figu- lina, cincta, ligata, lucortim, adspersa, v errtiicu- lata, namentlich auch H. Codringtoni var. parnassia Roth (Malakozoologische Blätter 1856, S. 2)., welche gegen-- wärtig oft in Menge in Athen zu Markte kommt. II. adspersa und vermiculata will Ferussac ausgeschlossen wissen, weil sie keinen Kalkdeckel machen und Aristoteles einen solchen erwähne, aber derselbe nennt nur allgemein ein t'jiy.d'/.vfma, Hülle (bist. an. VIII, 13), worunter der Papierdeckel von IL adspersa und vermiculata ebenso gut verstanden sein kann. Da Aristoteles nur im Allgemeinen spricht und nur Eigen- schaften nennt, welche so ziemlich allen Landschnecken zukom- men, so könnte man versucht sein, den Namen y.oxUag als all- gemeine Bezeichnung für alle Landschnecken aufzufassen, wenn nicht au einer Stelle (bist. an. IV, 4) neben ihnen und den Meerschnecken gegenüber noch y.oy.dlia genannt würden; dieser Name kommt sonst nirgends mehr vor, scheint auch wenig ge- bräuchlich gewesen zu sein , da Aristoteles ra y.alovfieva vtzo- Tivciov y.oy.dha (die von Einigen sogenannten y.) sagt; etymolo- gisch lässt sich darin eine Verwandtschaft mit yoyyv'/.ia sehen, andererseits an y.6y.iit]Qvxsg voraussetzt, bist. an. V, 15 am Ende. Diese Stelle zeigt auch, dass er eine bestimmte Art darunter meint und dass somit diejenigen Unrecht haben, welche Strombos als allgemei- nen Begritf für gewundene Schnecken überhaupt auffassen; Aristoteles gebraucht dafür den Ausdruck otQo^ßüjöri, Strombos- artige, z. B. part. an. IV, 5, und auch dieser Umstand, dass er damit gerade diesen als Beispiel der gewundenen Schalen nimmt, stimmt gut zu der gethürmten Form dieser Schnecke, bei wel- cher die Windungen zahlreich sind und einen in die Augen fallenden Theil der Schale bilden, was gar nicht auf diejenigen Schnecken passt, welche in der gegenwärtigen Systematik Strom- bus heissen und von denen keine einzige im Mittelmeer vor- kommt; Risso lässt zwar einen Strombus bei Nizza leben, aber Niemand hat ihn aufgefunden und die Yermuthung hegt nahe, dass dieser Avenig zuverlässige Schriftsteller den an ver- schiedenen Mittelmeerküsten fossil vorkommenden , oft sehr gut erhaltenen Strombus coronatus Defrance für lebend gehalten hat. Die vorlinneanischen Conchyüoiogen , wie Rondelet, Belon, Rumph, Gualtieri, wandten den Namen Strombus nicht mit Un- recht auf die gethürmten oder sogenannten Schraubenschnecken an, gleichbedeutend mit Turbo, womit es Theodor von Gaza übersetzt, und oft bestimmter auf die rauhen, mit einem Aus- schnitt versehenen Schraubenschnecken, welche jetzt den Namen Cerithium führen, nur Lister gleichbedeutend mit seinem Rhom- bus auf die jetzigen Oliven, Adanson mit Rouleau auf die Gat- tung Conus. Linne wurde vermutliHch durch Cerithium palustre und andere, welche er des vortretenden Aussenrandes wegen mit den Flügelschnecken vereinigte, veranlasst, die so gebildete Gattung Strombus zu nennen; nach der nothwendigen Abtren- nung der Cerithien und einiger anderen nicht dazu gehörigen Formen bheb nun dieser Name den durch die Organisation ihres - 221 - Fusses und ihrer Augen ausgezeichneten tropischen Flügel- schnecken, welche den Alten nicht bekannt waren. Kochlos. Aristoteles hist. an. lY, 4 init. et sub finem. — part. an. lY, 5. Xenokrates III, 21. Aelian an. nat. XIY, 28. Kochlos ist ursprünglich offenbar dasselbe Wort mit Koch- lias, wird aber von Aristoteles neben demselben genannt, also davon unterschieden. Es sei eine gewundene Meerschnecke mit einem Rüssel wie die Purpurschnecke, sie beherberge zuweilen kleine, den langschwänzigen Flusskrebsen ähnliche Crustaceen, welche Aristoteles von den Bernhardkrebsen {Pagurus, bei ihm Kagylvia) zu unterscheiden scheint. Die anatomischen Yerhält- nisse dieser Meerschnecken werden erörtert, als Typus der ganzen Classe; dieser Umstand und dass sie uiyaloi genannt, ihnen die kleineren Schnecken, bei denen die Organe der ge- ringeren Grösse wegen undeutlich seien, entgegengestellt werden, zeigt, dass wir es mit einem Thier von bedeutenderen Dimen- sionen zu thun haben, der Rüssel, „ein Mittelding zwischen Zunge und Stachel," verweist auf Troschels Unterordnung Prohoscidea , zu welcher namenthch die Buccinoideen gehören, und hier bietet sich uns sogleich Doli um galea^ die zweit- grösste Schnecke des Mittelmeers dar. In Yenedig führt D. galea den Namen Porcela, man findet aber in conchyliologischen Werken des vorigen Jahrhunderts die Nachricht, dass ein Dolium, und dieses ist das einzige des Mittelmeers, bei den Neugriechen cocholi oder cacholi patar genannt werde; ich kann leider diese Angabe nicht weiter, als bis zur deutschen Ausgabe des Rumph von Chemnitz pag. 54 zurückverfolgen und habe daher kein Urtheil über die Glaub- würdigkeit derselben, cocholi könnte mit y^ox^og zusammenhängen, patar bleibt unklar, vielleicht könnte es eine Nebenform von TzaravTi , Schüssel, sein, wie im Lateinischen patera von patina; - 222 - jedenfalls scheint es eine nähere Bestimmung zu enthalten und also darauf hinzudeuten , dass cochoU Schnecken überhaupt, nicht unser Dolium insbesondere bedeute. In demselben allgemeinen Sinne braucht Aelian das Wort xox^-og , da er demselben vr^Qkrig unterordnet; Frantzius hat aber Unrecht, wenn er es auch bei Aristoteles über die Theile der Thiere einfach mit Schnecke übersetzt, da es hier offenbar eine bestimmte Art bezeichnet, worauf ihn seine eigene Ueber- setzung hätte aufmerksam machen sollen (S. 195: es haben sie aber eben so wie die Schnecken auch die Kreiselschnecken, z. B. die Purpurschnecke und die Trompetenschnecke. Hier ist statt Schnecken Kochlos und statt Kreiselschneeken die übrigen gewundenen Schnecken zu verbessern). So unsicher die oben versuchte Deutung des Kochlos ist, so kann ich mich doch nicht entschliessen, ihr diejenige vorzu- ziehen , welche Theodor von Gaza angebahnt hat , indem er denselben mit Umhüicus übersetzt, ein Wort, welches einer gewissen Formähnlichkeit wegen öfters auf den kalkigen Deckel der Turboarten, namentlich des Ttirbo rugosus L. , übertragen wurde; mit eben so viel Recht oder Phantasie vergleichen die venetianischen Seeleute heutzutage denselben mit eineni blutigen Auge und 'nennen ihn Occhio de Santa Luzia. Gaza's umblri- ciis scheint Belon bewogen zu haben, die y-öx^.og des Aristoteles auf Turbo rugosus zu beziehen, aber die von Aristoteles er- wähnte Beschaffenheit des Rüssels widerspricht dieser Deutung, wie auch der anderweitigen Annahme, er möchte wie xo/Amg, neben welchem er genannt wird, eine Art Landschnecken sein. In Bezug auf diese Zusammenstellung lässt sich überhaupt zu Gunsten des DoUum anführen, dass dieses durch sein kurzes Gewinde und seine weite Oeffnung einige Formähnlichkeit mit den grösseren Landschnecken, Belix Jucorum, cincta, aperta, hat, und gerade das Verhältniss der Namen y>6yJ.og und y.oyh'ag darauf hinweist, yöx'^-og sei grösser, während Turbo rugosus die in Kleinasien und Griechenland häufige Helix Jticorinii an Grösse nicht übertrifft. Xenokrates nennt zwar keinen y,6-)(^Xogy wohl aber mehrere - 223 - Arten von xo^h'ag aus dem Meer, darunter neben dem Tritons- horn eine runde, worin man das Oel aufgiesst. Plinius XXXII, 11 (53) übersetzt: rotundae in oleario usu coeleae, und dieses und dass erst nachher von kleineren gesprochen wird, deutet auf eine grosse Art, man denkt unwillkürlich an Dolmm galea, die geräumigste Schnecke des Mittelmeers, und dieses kommt wie- der der obigen Deutung zu Hülfe. Linne war also nicht auf unrechtem Wege, wenn er eine damit verwandte Schnecke, von welcher oder einer ähnlichen Rumph erzählt, dass sie in Am- bonia zum Abschöpfen des Oels diene, Buccinum olearium nannte. Rondelet bezog die Schnecke des Plinius der Grösse wegen auf den nur in den Tropenmeeren vorkommenden Turbo marmoratifs L., welcher daher auch den Namen Turbo oJearius erhielt. Bei den systematischen Schriftstellern kommt Cochlus nicht als Gattungsname vor, was wegen der Unsicherheit seiner Deu- tung sowohl, als wegen der Aehnlichkeit mit Cochlea erfreulich ist. Nur eine x4rt der Gattung Turbo wird seit Linne T. coch- lus genannt, oft'enbar im Anschluss an Gaza's Deutung, obgleich diese Art nicht im Mittelmeer, sondern im indischen Ocean zu Hause ist. N 1] Q € i T 1] g. Nerita. 'A v a q i i: ri g. Aristoteles bist. an. TV, 4. 8. Y, 15. — part. an. lY, 5. Athenaeus III, 30. 31. Aelian bist. an. XIY, 28. Recluz im Journal de conchyliologie 1856 pag. 45 gibt eine Uebersetzung einer Stelle des Aristoteles, worin er to i'KiKcilviJfia Tovzo ya i'oixs tivai (og asoHMf^cc mit leur coquille qui fait alors Toffice de couvercle übersetzt, also annimmt, die- selbe habe keinen Deckel. Ich glaube die Worte, sie hängen an Felsen, wenn sie to i'Kiadlv^^a zurückbeugen, bezeichne ganz deutlich den bei festsitzendem Fusse auf dessen hintern Theil aufliegenden Deckel, und das weitere ist nur eine er- ^ 224 - klärende Vergleicliung desselben mit Deckeln im menschlichen Haushalt ; ^'Kixdlvi^ffxa , -wörtlich das darüber gedeckte , kommt bei Aristoteles auch für die Kiemendeckel der Fische, bist. an. II, 13, und für die deckeiförmigen Kieferfüsse der Krabben, bist. an. IV, 3, vor, also stets für einzelne als Deckel an einer Oeffnung fmictionirende Organe, nie für die ganze Körperbülle oder Schale. Nerita ist demnach eine gedeckelte, glatte Meerschnecke von unbedeutender Grösse, an Klippen festsitzend, von Aelian als schön gerühmt; dieses alles passt gut auf die Arten der Gattung TrochuSf welche noch heutzutage am obern adriatischen Meere diesen Namen in Diminutivform, Iseridola, führt, Boerio erwähnt ihn für Trochus fragarioides Lam. oder muta- hilis Philippi, Plucär für Tr. comilus L. und Tr. alhidus Gm. gleich varius Olivi. Die Trochusarten gehören zu den buntesten und auf Felsengrund häufigsten Schnecken des Mittel- meers, Tr. fragarioides und der ihm nahe verwandte Tr. ar- ticulatus Lam. gleich Draparnaitdii Payr, sind von Spanien bis in den griechischen Archipel (Tournefort) und an die syri- sche Küste (J. Roth) häufig. Neben vrjQsiTrig kommt bei den Alten auch die Form dvciQlTr^g vor; Aelian leitet das Wort von Nereits ab und gibt nach allzukurzer Beschreibung eine lange Metamorphosenmythe. Theodor von Gaza übersetzt Natex (Ursprung des jetzigen Gattungsnamens Natica), dasselbe von veTv , schwimmen, her- leitend, und hiezu würde eine Stelle bei Plinius IX, 33 (52) passen, wo einige Neritae lesen, doch findet man in den meisten Ausgaben VeneiHae statt Neritae und sonst kommt der Name bei Plinius nicht vor. Das Wort natex scheint nirgends volks- thümlich gewesen, sondern von Gaza neugebildet worden zu sein. Belon wandte den Namen Nerita auf die einem Trochus ^ namentlich dem genannten Tr. fragarioides ähnhche, ebenfalls an Felsen klebende Litorina litorea der Nordsee und die ihr wenig ähnliche Natica oUa Serres des Mittelmeers an, welche Risso vielleicht nach einer Nerita und Vetierea vermittelnden Les- art der oben erwähnten Stelle bei Plinius Neverita Josephiniana - 225 - nannte, Rondelet nur auf Litorina Utorea , Lister auf die ihr verwandte Litorina obtusata und die dieser letzteren wieder- um nur in der äussern Gestalt ähnlichen sogenannten Mond- schnecken mit halbkreisförmigem Munde, kurzem Gewinde und ohne Nabel, welchen der von Linn^ angenommene Name fortan geblieben ist, nachdem sie ihn oft äusserer Aehnlichkeit wegen mit der jetzigen Aatica theilen mussten. Geoffroy und 0. F. Müller begriffen sogar, von einseitigen Charakteren ausgehend, auch Paludinen und Cyclostomen darunter. Wie wenig der Name Nerita den jetzt so benannten Schnecken zukommt, wie noch in neuester Zeit zuweilen ange- nommen wird, ergibt sich daraus, dass von dieser Gattung im Mittelmeer nur eine oder zwei noch nicht erbsengrosse Arten zwischen Zosteren nicht häufig und vom Volk ganz unbeachtet leben, Nerita viridis und die bis jetzt nur bei Toulon und Nizza gefundene Nerita Matonia Eisso. Der heutige Name Trochus stammt von tq^^m , laufen; ursprünglich bezeichnete er ein Rad, dann zur Zeit der ersten römischen Kaiser einen Kreisel oder ähnliches Spielzeug^ so klagt Horaz über die gleichzeitige Jugend: Nescit equo rudis ^ Haerere ingenuus puer Venarique timet, ludere doctior Seu Graeco jubeas trocho Seu malis vetita legibus alea. Od. III, 24, 54—58. und auch Ovid scheint ein solcher Held gewesen zu sein, da er im poetischen Frühling die römischen Spiele vermisst: nunc pila, nunc celeri volvitur orbe trochus (Trist. III, 12, 20). Dieses erinnert mich lebhaft daran , wie in den Strassen Stutt- garts im Frühling nach dem Aufthauen und Auftrocknen die vorherrschenden Kinderspiele und darunter auch das mit dem Kreisel (Tänzer) in jährlich regelmässig wiederkehrender Reihen- folge einander ablösen. Rondelet brauchte zuerst das Wort Trochus für kreisei- förmige Schnecken, bei Aristoteles gen. an. III, 6 kommt zwar Württemb. naturw. .Jahreshefte. 1860. 2s und 3s Heft. 15 - 226 - ein Thier Namens Trochus vor und Salviani erwähnt es unter den Wasserthieren, man vermuthet aber darin den Dachs, viel- leicht richtiger, da es in Aegypten vorkommen soll, das Zibetthier. Concha Venerea. Xo ig iv ri. Plinius IX, 33 (52). Athenaeus III, 45. Das Segeln deutet auf Argonauta oder vielmehr auf die von ihm erzählte Fabel ; dieser kommt jedoch schon vorher unter den Namen Nautiios oder Pompilos, IX, 29 (47), und Nauphus, IX, 30 (49), bei Plinius vor. In einem früheren Ka- pitel, IX, 25 (41), wird eine der Venus heilige Muschel und eine damit zusammenhängende Fabel erwähnt, von welcher He- rodot, obgleich jener Zeit näher stehend, nichts weiss; bei ihrer Beschreibung wird sie mit der Echeneis remora vermengt, auf welche Nigers Angabe, sie sei fusslang und fünf Finger breit, passt, während die dem Mutianus entlehnten Worte: concha utroque latere se colligente, eine Deutung auf Cypraea zulassen, wie schon Rondelet angenommen hat, dass aber hier auch von Murex gesprochen wird, macht die Verwirrung noch schlimmer. ■ Die vier bis fünf kleinen und nicht gerade häufigen Cy- praeen des Mittelmeers wurden wohl von den Alten so wenig, wie von den jetzigen Anwohnern beachtet oder besonders be- nannt; wohl aber mochten sie die grosse und schöne Cypraea pantherina Solander aus dem rothen Meere kennen, welche in Alexandrien zu Belons und Rondelets Zeiten, wie auch in Italien, der Türkei und Griechenland zum Glätten von Tuch und Papier diente, was schon Plinius XIII, 12 (25) von einer Muschel (concha) sagt. Auch List er nannte daher die Cypraeen Conchae Veneris und der von Linne eingeführte jetzige Name bedeutet dasselbe? es ist ein Beiname der Göttin nach ihrem Lieblingssitze, wie unter den Muscheln Cytherea, PajjJiia, Erycina u. a., identisch mit dem Namen des Karpfens, Cyp^^inus, Cypris unter den Crustaceen, Cyprina unter den Muscheln. -^ 227 - Die meisten vorlinn^ischen Schriftsteller seit Rondelet, 1554, nannten die Gattung Porcellana, Porcelaine, woraus her- vorgehen dürfte, dass das Porzellan wirklich, wie schon Busch, Versuch eines Handbuchs der Erfindungen, Eisenach 1794, 8^, V, S. 230, bemerkte, seinen Namen von der Porzellanschnecke, nicht diese von jenem, erhalten hat. In Venedig ist Porceleta der Name der Cassidaria echino- phora als Verkleinerung von Porcela, dem Namen des Dolium galcüj beide sind nur in den allgemeinsten Umrissen mit Cypraea vergleichbar, aber nach Bonanni führt in Tarent Cypraea lurlda den Namen Porcelletta, doppeltes Diminutiv von Porco, Schwein, dieses weist auf die loiQivai (von %oiQog) zurück, wie Androsthenes bei Athenaeus eine Schnecke des rothen Meeres nennt; es hegt nahe, hierin die vorhin genannte Cypraea pan- therina zu vermuthen. Dasselbe Wort kommt auch bei Ari- stophanes als Hülfsmittel zum Abstimmen vor und es ist nicht unmöghch, dass die Alten so gut wie Kieselsteine {^pv^opoi) und Ackerbohnen {y.va^oi) auch die kleinen Cypraeen, Cypraea moneta, hiezu gebrauchten, w^elche noch gegenwärtig im Orient häufig zur Verzierung von Pferdegeschirr, in einem gros- sen Theile Afrika's allgemein als Scheidemünze benützt und dazu aus dem indischen Ocean massenweise eingeführt w^erden. Lepas. Aristoteles bist. an. IV, 4. V, 15. VIII, 2. — part. an. IV, 5. Xenokrates III, 24. Plinius XXXII, 11 (53). Athenaeus III, 31. 42. Lepas sei ein einklappiges , nicht gewundenes Schalthier, welches an Felsen klebt, aber nicht festgewachsen ist. Hierin sind die Pat eilen nicht zu verkennen und alle Schriftsteller sind von jeher damit einverstanden; nur Linn^ übertrug diesen NamG" ganz ohne Grund auf die Cirripeden und zog den seit Belon und Salviani mit Lepas concurrirenden Namen Pa- - 228 - ^ tella vor, welcher bei den Lateinern ein Schüsselchen (Diminutiv von Patina), bei Plinius XYII, 24 (37) eine Schildlaus an Oel- bäumen, in der Anatomie die Kniescheibe bezeichnet, die Insel Lopadusa, jetzt Lampedusa, zwischen Sicilien und Afrika, soll von diesen Lepaden ihren Namen erhalten haben. Der grie- chische Name hat sich in der Provence als lapedo (Rondelet) und arapede, in Spanien als lapa erhalten; es kann die Frage entstehen, ob auch an der atlantischen Küste Europa's, wo wir in Galizien lamprea , in der Normandie lampotte , in England limpet für diese Thiere finden, nicht in diesen Namen Spuren des antiken Namens vorliegen. Das sicihanische Patiduzzu dagegen ist dasselbe Wort mit Patella, wie aneddu für anello, coddu für collo. Tournefort fand im griechischen Archipel die Patellen als Petaglida be- zeichnet, wohl von cTtralov, Blatt, woran das venetianische und dalmatische Pantalena, bisweilen zu Santalena entstellt, anklingt. Diphilus bei Athenaeus unterscheidet mehrere Arten, aber nicht hinreichend zur Wiedererkennung. QaXdrriov o v g. '^z i o v. 'Q r d q i a. Aristoteles bist. an. TV, 4. Xenokrates III, 32. Athenaeus III, 35. 40. Aristoteles spricht von einer wilden Patelle , dygia X^nag, soll wohl heissen uneigentlich so genannten , welche Einige das Meer-Ohr, ^aldmov ovg, nennen, bei ihr kommen die ausge- schiedenen Stoffe unterhalb der Schale heraus, denn letztere sei durchbohrt. Xenokrates sagt, das sogenannte Ohr, mtiov, lebe an Felsen und werde namentlich im adriatischen und jonischen Meer gross, lobt es aber nicht als Nahrungsmittel. Von Athe- naeus erfahren wir nicht viel mehr als eine bestimmte Lokalität ; er nennt es ^rdoia, ebenfalls Oehrchen, Auricula, und sagt, es finde sich an der Insel Pharos bei Alexandrien, Antigonos aus Karystos sage, es heisse üolisch Ohr der Aphrodite. Noch ein- - 229 - mal scheint es bei Athenaeus III, 40 aus Diphiliis als onia vorzukommen. Die durchbohrte Schale lüsst nur die Wahl zwischen Fis- surella und Haliotis offen, und obwohl die ersteren im griechi- schen Archipel häufig sind und mit den Patellen unter dem- selben Namen als Nahrung der Schiffer dienen , daher auch Linne', zunächst wohl auf Tourn eforts Reise gestützt, der einen den Beinamen graeca gab, so deutet doch die Yergleichung mit einem Ohre so entschieden auf Haliotis und zwar die ge- wöhnliche europäische Haliotis tuberculata L. , dass seit Ron- delet ziemlich alle Conchyliologen darüber einig sind, diese das Meer-Ohr, Auris inarina^ zu nennen, was Linne, um ein ein- ziges Wort zu liaben , zu Haliotis umschuf. Dass sie gegen- wärtig meines Wissens nirgends als Nahrungsmittel benützt wird, spricht auch mehr dafür als dagegen, in Betracht der wenig empfehlungswerthen Eigenschaften, welche Xenokrates von ihr angibt. Auch in den gegenwärtigen Volkssprachen wird Haliotis mit einem Ohr verglichen , in Frankreich als ormier (oreille de mer) , in Triest und Dalmatien als rechie de San Piero ; Letz- teres ist einer der zahlreichen Fälle, in denen im Yolksbewusst- sein ein christlicher Heiliger an die Stelle einer antiken Gottheit getreten ist. Mys. Myax. Myisca. Iflusculus» Mitulus. Mytiius. Melaenis. Aristoteles bist. an. IV, 4. V, 15. — gen. an. III, 11 sub finem. Ho rat ins satyr. II, 4, 28. Xenokrates III, 25. , Plinius IX, 35 (56). 51 (74). XXXII, 9 (31). Athenaeus III, 30. 40. 43. 44. Bei Aristoteles wird 3Iys als glattschalige Muschel neben Pecten, Solen, Concha und Limnostreon genannt, also von ihnen unterschieden. Musculus ^ was übrigens bei Plinius noch nicht - 230 - in der Bedeutung von Muschel vorkommt , sondern nur eine Wallfischart und Muskeln bezeichnet, ist offenbar Uebersetzung von Mytilus und dieses Diminutiv von Mys, Maus. So nahe es auch liegt, das deutsche Wort Muschel direct aus dem lateinischen Musculus abzuleiten, so muss es doch Bedenken erregen , dass dasselbe Wort in allen germanischen Sprachen vorkommt, englisch mussei, holländisch mossel, schwe- disch mussla. Uebrigens entstehen neue Schwierigkeiten, wenn man annimmt , dass jenes Wort aus der indogermanischen Sprache her dem Lateinischen und Deutschen gemeinschaftlich sei : erstens ist kaum einzusehen , wie diese Völker bei ihrer Wanderung aus und durch Binnenländer die Benennung eines Seethiers mitgenommen hätten, denn unser Wort bezeichnet in allen Sprachen zunächst und vorzugsweise Seemuscheln, Ba- laena und Wal gibt zwar eine Analogie, diese weichen aber schon viel stärker unter einander ab • zweitens ist der Zusam- menhang mit dem W^orte Mus zu klar, als dass er unbeachtet bleiben dürfte. Allerdings ist nun Mus , ^ivg , Maus , auch ein aus der indogermanischen Ursprache stammendes Wort, aber die Form Musculus hat doch ganz das Ansehen eines erst innerhalb des Lateinischen gebildeten Diminutivs von Mus, wie ^viay^a das griechische Diminutiv von fA,vg ist, wahrscheinlich auch fimilog, aber dann bedarf das Tau noch der Erklärung, und die Griechen nannten die Muschel auch einfach i^vg , waren sich also des Zusammenhangs wohl bewusst. Schieben wir aber die Bildung dieses Diminutivs und den Gebrauch desselben zur Bezeichnung von Schalthieren wegen Muschel und Mussla bis in die indogermanische Ursprache zurück, so träte der Fall ein, dass ein Nennwort, welches eine concrete Sache bezeichnet, seine sachHch nicht gerade auf der Hand liegende Etymologie von der Ursprache herab bis in das Griechische und Lateinische ungetrübt und klar erhalten hätte. Dieser Fall steht so allein, dass er wenig Wahrscheinlichkeit hat, und doch ist er vielleicht richtig, denn ein weiterer Ausweg, die Worte Muschel und musculus, oder musculus und mus aus einander zu reissen, ihre Uebereinstimmuno^ in Laut und Sinn für zufällig zu er- - 231 - klären, wäre so erzwungen , dass sich jeder Unbefangene davon abwenden wird. Im Englischen bezeichnet Mussei, wie im Holländischen Mossel und im Französischen Moule, alt moucle, provenzalisoh Muscl^, im engsten Sinne eine der häufigsten Muscheln Europa's, den Mytilus edulis L. , dessen deutsche Benennung Mies- muschel aus Mys entstanden und also eine Verdoppelung des Wortes zu sein scheint, aber mehr in Büchern und bei Samm- lern, als im Munde des Volkes vorkommen dürfte. Die Portu- giesen haben für Mytilus edulis die Namen Mexilhao und Amejoa, die Galizier Migillon, die Spanier Almeja. In Neapel wird nach Poli Area barbata moschiglione genannt, auch in Triest gilt Mussolo für Area barbata und Noae (Plucär), in Venedig da- gegen für die dem Mijtilus so nahe verwandte Modiola barbata (OHvi), in Dalmatien ist Mussolo dagegen , dem deutschen Mu- schel entsprechend, nach Petter der allgemeine Ausdruck für die zweiklappigen Schalthiere, ja auch für Schalthiere überhaupt. Dagegen fand Belon das neugriechische Midia (Mydion, ein Diminutiv von Mys) auf Metelin als Bezeichnung des Mytilus edulis. Die Vergleichung dieser Muschel mit einer Maus kann sich einerseits auf die schwarze Farbe beziehen, nach welcher sie gegenwärtig in Neapel und Tarent einfach Cozza nera, schwarze Muschel, genannt wird, andererseits auf ihre Häufigkeit und so zu sagen Aufdringlichkeit, womit sie sich auf Pfählen und Mauern im Meerwasser massenweise einnistet, wovon sie wenigstens den im adriatischen Meer bekannten Namen Peoehi (Pediculi) erhalten hat. Die Angaben der Alten enthalten nichts, was dieser Deutung widerspräche , des Plinius Aeusserung, XXXII, 9 (31), dass sie haufenweise und auch in schwächer gesalzenem Wasser vorkomme, spricht sehr dafür; Uebersetzer und Systematiker waren stets darüber einig, nur die Letzteren in der Ausdehnung des Namens von einander abweichend. Das Wort Mya, von Linne für eine ganz verschiedene, aber auch häufige Nordseemuschel benützt, scheint aus einem Missverständniss des Accusativ Pluralis von Mys (Myas) an. der angeführten Stelle bei Plinius herzustammen. - 232 - ' Myax bei Dioscorides gilt als Synonym mit Mys, bei Pli- nius , XXXn, 9 (31), erscheint es als Gesammtname oder Stammform für die Mytilaceen , den eigentlichen Mytilus und die folgende Myisca umfassend. Dass sie auch in schwach ge- salzenem Wasser vorkommen, passt ebenfalls auf Mytilus edulis ; wenn Plinius aber von den ägyptischen als den beliebtesten spricht, so erinnert das an die Teilinen des Athenäus. Mit dem vorhin erwähnten Namen Cozza nera stimmt in der Bedeutung der von Xenokrates III, 26 und Athenäus III^ 30 und 31 erwähnte Melaenis^ die schwarze, überein, welcher nur eine andere, vielleicht lokale Bezeichnung für die ächte Mies- muschel sein kann, da diese die einzige Muschel des Mittelmeers ist, welche frisch und lebend schwarz ist. Die Verdrängung des Namens Mys oder Musculus in einigen Gegenden durch andere Namen bildet ein Seitenstück zu der- jenigen desselben Wortes in der Bedeutung Maus durch den Namen Sorex in mehreren lebenden romanischen Sprachen (ita- lienisch Sorcio, Sorice; wallachisch Schoraetsche ; französisch Souris); in ähnlicher Weise hat das lateinische Equus dem Stamme Caballus weichen müssen, der bei Horaz nur als ver- ächtlicher Ausdruck dem hos piger gleich gestellt erscheint, und ebenso wird das mit Equus stammverwandte iTiizog nicht leicht von den Neugriechen gebraucht, sie sagen meist dafür aloyov, das unvernünftige, nämlich Thier (Prof. Mullach), auch das deutsche Pferd ist kein altes Wort; es scheint als ob gerade einige vielgebrauchte Namen rascher veralten. Aristoteles bist. an. V, 15 erwähnt eines Mvg izvsXojdrig^ trogähnliche Miesmuschel, worin sehr häufig eine kleine Krabbe (Pinnoteres) zu finden sei, Athenäus III, 34 schreibt mit Be- rufung auf Hikesius Mvg oad^oidrig, meerzwiebelartige (?) Mies- muschel, diese soll übel schmecken, oder nach einer andern Lesart o>iv/.l(x)8rig , fetzenartig, also mit gefranzter Epidermis^ was man auf Modiola barbata beziehen könnte; soll dieser viel- leicht derselbe mit dem von Aristoteles sein? Letztgenannter bleibt ganz zweifelhaft, möglicherweise dachten Klein und Linn^ an ihn, als sie einer Muschelgattung den Namen Mactra, - 233 -^ Trog, gaben, welche übrigens gar keine Aehnlichkeit oder Ver- wandtschaft mit Mytilus hat. Myisca, bei Xenokrates III, 25 und Plinius XXXII, 9 (31) erwähnt, ist offenbar Diminutiv von Mys ^ es wird auch aus- drücklich gesagt, sie sei kleiner als die Miesmuschel, dabei haarig [daütia, hirta), dünnschalig und abgerundet, süss und wohlschmeckend. Es ist daher wahrscheinlich die wollige Mo- diola, barhata genannt, welche nicht die Grösse von My- tilus edulis erreicht und im ganzen Mittelmeer häufig ist; in Venedig wird sie nur vom gemeinen Volke gegessen,- in Tarent aber, wo sie cozza pelosa genannt wird, bildet sie nach Salis mit der gemeinen Miesmuschel einen grossen Theil des zu 40,000 Ducati angeschlagenen Einkommens aus dem sogenannten kleinen Meer, sie sei das dehkateste aller Meerthiere. Modlola barbata ist eben so sicher unter den kleineren und aussen krausen Miesmuscheln bei Athenäus III, 34 gemeint. Turton benützte den Namen mit Unrecht für die Flussmuscheln, Unio, vermuthlich um an Mya zu erinnern, welcher Gattung Linn^ dieselben zugetheilt hatte. Dass Plinius XXXII, 11 (53) Mys, Mituhis und Myiscus neben einander aufführt, zeigt, dass er aus verschiedenen Quellen schöpfte. Ob die Stadt Mytilene auf Lesbos von Mytilus den Namen hat und also der Mosselbai der Holländer in Südafrika zu ver- gleichen ist, kann ich nicht entscheiden, es kann möglicherweise auch Umgestaltung eines ähnlich klingenden älteren Namens zu Grunde liegen , doch auch dann gäbe es Zeugniss von dem Alter der Form Mytilus, die wir in der Literatur erst seit Horaz kennen. Ostreon. Ostreum. Ostrea. Plato Timaeus 92. Aristoteles bist. an. I, 1. IV, 4. V, 15. — gen. an. III, 11. Columella VIII, 16. Xenokrates III, 26. - 234 - Plinius II, 41 (41). VI, 21 (23). IX, 12 (14). 15 (20). 51 (74). 54 (79). X, 68 (87). 71 (90). XI, 37 (52). 39 (92). XXXn, 6 (21). 11 (53). Athenaeus III, 30. 42. 43. 44. "OcTQSicc avfifiSfivuorcc tcc disXilv fiEv iozL xctlincc xaTcccpaystv d' £VfiaQ£a. Epicharmos apud Athenaeum. Der Name der Auster lebt in den meisten europäischen Sprachen fort, so im Italienischen Ostrica, Venetianischen Ostrega, Spanisch und Portugiesisch Ostra, Baskisch Ostr^a, Französisch Huitre, EngHsch Oystre, Holländisch und Dänisch Oester, Schwe- disch Ostra, Böhmisch Ostrya, Polnisch Ostryga. Jedermann weiss, was er unter einer Auster zu verstehen hat; weniger haben sich die Systematiker über die Arten dieser vielgestaltigen Muschel einigen können. Während in der Nordsee neben Ostrea edulis L., ein Name, der usprünglich viele umfasste, nur noch eine 0. hippopus Lam. angenommen wird, lässt man erstere im Mittelmeer gar nicht mehr gelten, nennt die häufigste Ostrea lamellosa Brocchi und unterscheidet davon mehrere kleinere Arten, wie O. plicatula Gmel., 0. cristata Born, 0. cochlear Poli. Aristoteles unterscheidet die Austern nach der Beschaffen- heit des Bodens, auf dem sie leben, wie noch gegenwärtig die Fischer, und so dürfte Ostrea cochlear Poli, Ostrica di fango der Neapolitaner, auf Schlammgrund zu Hause, dessen Limnostreon se'my bist. an. V, 15, gen. an. III, 11. Ferussac fasste dieses AVort als Süsswassermuschel auf und nannte daher die Familie der Limnaeaceen Liinnostreae , dem widersprechen aber ebensowohl die oben angeführten Stellen, als bist. an. IV, 4, wo sie als Beispiel einer rauhschaligen Muschel neben Pinna angeführt wird ; der Name bezeichnet einfach Hafenauster oder Lagunenauster, wie bist. an. VIII, 13 lifivo&dlarrai, Lagunen. Die Stelle bei Athenäus III, 42 ist vielleicht in ähnhchem Sinne zu verstehen. Im Beginn des vierten Kapitels des vierten Buches seiner Thiergeschichte spricht Aristoteles von irarra rä xaXovfisva oöTQsa, Alles, was man Austern nennt, scheint also das Wort - 235 - in einem weiteren Sinn zu nehmen, und Athenäus sagt sogar von Haliotis to octosov tovto, diese Auster, III, 35. Ganz räthsel- haft ist aber die Stelle zu Ende des fünfzehnten Kapitels des fünften Buches, wo Aristoteles, nachdem er von angewachsenen und unbeweglichen Meerthieren gesprochen, Austern erwähnt, welche die Maler gebrauchen, sie seien ausnehmend dick, sollen den Farbstoff ? ävd-og aussen an der Schale haben und kommen hauptsächlich an der Küste Kariens vor. Chemnitz bezog diese Stelle auf einen schönen zinnoberrothen Spondylus ^ den er unter dem Namen Sj?. pictorum, Bd. VII, Taf. 69, Fig. E. F. abgebildet hat; diese Muschel hat seitdem den Namen behalten, stammt aber nach neueren Untersuchungen von der Ostküste von Amerika. Xenokrates lobt die Austern von der Mündung des Nils, des Kaystros bei Ephesus, von Brindisi, Tarragona, Narbonne, des Lucrinersees bei Pozzuoli und von Leukas. Plinius wusste, dass die Austern auch in schwach gesalzenem Wasser leben und im schwarzen Meere häufig sind; als Orte, welche sich durch ihre Austern auszeichnen, nennt er, grossentheils nach Mutianus, Cyzicus, den Lucrinersee, Britannien, Lucca, Istrien, Circeji; nach derselben Stelle wurden sie sogar im Avernersee gemästet, welcher gegenwärtig ganz süss und ohne Austern ist, damals aber durch einen schifl'baren Kanal mit dem Meere ver- bunden war , der durch den Ausbruch des Monte nuovo im Jahre 1538 verschüttet wurde. Auch jetzt noch werden überall in Italien die Austern aus schwächer gesalzenen, mehr oder w^eniger abgeschlossenen Strandseen am meisten geschätzt , so die Ostreghe de Laguna in Venedig^ die aus dem Fusaro in Neapel. Spondylus. Plinius XXXn, 11 (53). Aelianus nat. an. IX, 6. Spondylus, vom griechischen Worte ünövdvloq oder a^iov- dvXog, Wirbel mit verschiedenen Nebenbedeutungen, hat sich in - 236 - Neapel und Tarent als SpondUo, Sponsulo oder Spuonnolo bei den Fischern erhalten als Namen einer im Aeussern den Austern ähnlichen stachligen Muschel, welche sich aber durch den aufge- bogenen Wirbel der violetten freien Schale und die starken Schlosszähne sogleich unterscheidet. Schon List er hat den Na- men richtig auf sie angewandt, jetzt Spondylus gaedero' pus L. Der zweite Name, Eselsfuss, bezeichnet eine entfernte Formähnlichkeit mit einem Eselshufe und ist der Name dieser Muschel bei den neueren Griechen, von Lemnos im nörd- lichen ägäischen Meer, wo Belon ihn zuerst hörte, bis Triest, wo P 1 u c ä r ihn zu Gaidero verkürzt angibt , das gleichbedeu- tende italienische pie d^asino führt aber Plucär als Volksnamen für den noch dickschaligeren und runderen Pectunculiis glici- meris auf. In Böttgers Mittelmeer Seite 232 Yf'ixii Spongidu als sici- lianischer Name für Area Noae, Sponguli pilosi für Area bar- bata angeführt, aber dieses Verzeichniss wimmelt dergestalt von groben Verstössen gegen die Kenntniss der Arten , dass gegen die x\ngaben von Poli und meinem Vater hierauf kein Werth gelegt werden kann. Pinna. Ferna. Artstoteies bist. an. IV, 4. V, 15. VIII, 1. Cicero nat. deor. II, 48. Xenokrates III, 27. Plinius IX, 35 (56). 42 (66). XXXH, 11 (54). Athen aeus III, 42. In aufrechter Stellung , ' vermittelst Eyssus am Boden be- festigt; schon diese Bemerkung des Aristoteles ist voll-' kommen hinreichend zur Identification mit den jetzt noch so genannten Muscheln Pinna rotundata L. etc. Aber auch die Namen haben sich erhalten_, Pinna hörte sie Hasselquist in Kleinasien nennen, Pin?ia-lana, auf den Byssus deutend, Belon in Genua, während sie im adriatischen Meer Palostrega, Pfahlauster, oder Astura, Stura, in Südfrankreich ^ 237 - des Perlmutterglanzes im Innern wegen JS^acre^ in Neapel eben desshalb nnd der zuweilen vorkommenden Perlen wegen Madre- perna genannt wird. . Letzteres Wort und noch mehr der Name pernonico in Tarent für das Eisen, womit die Steckmuschel vom Grunde ab- gerissen wird, (v. Salis Reise S. 407) erinnern an die P^rna, Schinkenmuschel, des Plinius XXXII, 11 (54) von den Ponza- Inseln, sie sei fusslang und stecke aufrecht im Sand, ist also dasselbe mit Pinyia : auch Rondelet braucht Pernio in gleichem Sinne, Adanson in weiterem Sinne gleich Jamhonneau für Mytüus und Pinna, Linne aber benützte den Namen als Ostrea perna für eine ganz andere Muschel und veranlasste dadurch Lamarck, eine eigene mit MaUeus verwandte Gattung Perna zu nennen. Die bekannte Sage vom Pinnenwächter, von Cicero 1. c. und Aelian nat. an. III, 29 ausgemalt, während Aristoteles hist. an. V, 15 nur die Thatsache erwähnt, ist noch an ver- schiedenen Küsten des Mittelmeers vorhanden, wie Hassel- quist iter palaestinum S. 450 und von Salis 1. c. S. 406 angeben, letzterer ausdrücklich auf Fischeraussagen sich be- ziehend; sie beruht einfach darauf, dass der kleine Krebs in der geräumigen Schale Schutz fiir sich selbst sucht. Die Verarbeitung des Byssus zu Handschuhen, Strümpfen u. dgl. zuerst von T ertulli an erwähnt, findet noch in Tarent und Cagliari statt, wenn auch mehr für Curiositätensammler, als für den praktischen Gebrauch. Kisig. Pecten. Pectunculus. Aristoteles hist. an. lY, 4. 8. Y, 15. YIII, 13. IX, 37. — part. an. lY, 7. — gen. an. III, 11 sub finem. Xenokrates III, 19, 20 Plinius IX, 29 (45). 33 (51). 51 (74). XI, 37 (52). 51 (112). XXXII, 11 (53). Athenaeus III, 32. 40. 44. - 238 ~ Pectinibus patulis jactat se molle Tarentum. Horat. Sat. n, 4, 34. Der regelmässigen ausstrahlenden Rippen wegen von den Alten mit einem Kamme verglichen, wie gegenwärtig von den Venezianern mit einem Körbchen, Cancstrelo. Noch führen nach Forskai unsere Pecten bei den asiatischen Griechen den Namen x'^^^'j» i^ach Koraes y.Tsria aus y.rAa; die neugriechi- schen Wörter nehmen in der Regel die Form des alten Accusa- tivs an , wie die italienischen die des lateinischen Ablativs, es ist im Wesentlichen eine Erhaltung des Stammlautes , der im Nominativ durch das hinzukommende S am meisten gefährdet ist, so z. B. iXi:\g neugriechiesch t/.':nda, nix, nivis italienisch neve; Hasselquist gibt den vielleicht entstellten Namen driTTivr}. Aber auch ohne die Uebereinstimmung des Namens würde die Angabe des Aristoteles über das „Fliegen" der Kammmuscheln die Identität mit unseren Pecteuarten darthun, denn diese und die nahe verwandte Li77ia sind die einzigen Muscheln des JNIittel- meers, welche durch rasches Auf- und Zuklappen der Schale sich innerhalb des Wassers in einem Bogen erheben und so schnell ihren Ort verändern können. Siehe Olivi zoologia adria- tica pag 120 und den magelanischen Pecten natans Philipp! in Wiegmanns Archiv, 1845. iVuf Amboina heisst Pecten ra- dula nach Rumph Bia terhang, die fliegende Muschel. Dass die Kammrauscheln auch über Wasser springen ist wenigstens für gewöhnlich unwahrscheinlich, doch will Stutch- bury neuholländische Trigonien vier Zoll hoch über Bord eines Bootes springen gesehen haben, und Fabricius erzählt in seiner Fauna groenlandica , dass Pecten islandicus aus den Koch- kesseln der Grönländer herausspringe. Donax und Teilina machen nur kleine Sprünge auf dem Sande. Was die besonderen Arten und Oerthchkeiten betrifft, so rühmt schon Aristoteles wie alle Folgenden die Kammmuscheln von Mitylene ; die grosse mit flacher oberer Schale, welche er bist. an. IV, 4. 8. nennt, ist offenbar Pecten Jacohaeus L., die grösste und ungleichklappigste des Mittelmeers, die rothe, - 239 - hist. an. VIII, 20, entweder Pectcn Audouinii Payraudcau^ oder noch eher der häufigere P. v arius L. \ Xenokrates stellt den Mitylenischen Kammmuscheln die von Salona in Dalmatien und die des Latiums an die Seite, dagegen bleiben sie im Pontus klein, hier meint er offenbar den im schwarzen Meere häufigen P. gl ah er L. Auch er unter- scheidet nach der Farbe weisse harte, gelbe wie Buchsbaumholz, schwerverdauliche feuerrothe, stinkende und bunte; hier haben wir wieder P, Jacobaeus und variuSy ob unter den gelben oder unter den bunten P. glaber zu verstehen sei , kann ich nicht bestimmen, die Pectenarten des Mittelmeers unterscheiden sich durch ihre Gestalt weit besser als durch die Farbe, welche bei den einzelnen Arten sehr abändert, so z. B. bei P, glaber von gelblichgrau zu violett und orange, bei P. varius von orange zu schwarzroth; dieser letztere wird daher auch gemeint sein, wenn Phanias bei Athenaeus die schwarzen und feuerrothen (ohne Wiederholung des Artikels) den weissen gegenüberstellt. Plinius rühmt unter andern auch die von Altinum, einer ehemaligen Lagunenstadt der Veneter, gegenwärtig wird in Ve- nedig hauptsächlich der in den dortigen Lagunen häufige Pecten glaber verspeist. Wenn endhch Plinius XXXII, 11 (53) Pec- tunculus neben Pecten nennt, so meint er damit wohl nur kleinere Pectines, wie er dort Mytilus neben Mys nennt. Im britischen Museum befinden sich mehrere römische Nach- bildungen von Kammmuscheln m Terra cotta, klaffend und statt des Weichthiers eine kleine Venus enthaltend, man kann aber aus ihnen nicht ersehen, welche Arten die Alten vorzugsweise kannten und benützten, da sie keine Art genau darstellen, in der Grösse gleichen sie dem P. Jacobaeus, in der gleichmässigen Rundung beider Schalenhälften dem kleineren P. glaber. Mehr oder weniger annähernde Nachbildungen der Form eines Pecten finden sich auch sonst unter den römischen Alter- thümern und bekanntlich benützen auch jetzige Künstler gerne diese Muscheln als Vorbild, wenn sie den Wagen des Neptuns oder ein^r andern Meergottheit darstellen. Im Mittelalter erhielt die auch als Trinkschale gebrauchte - 240 - atlantische weisse Kammmuschel, Pecten maximus L., eine be- sondere Bedeutung dadurch, dass die nach S. Jago de Corapostella wallfahrenden Pilger sie als Afldenken und Wahrzeichen von da zurückbrachten, sie wurde dadurch in ganz Europa bekannt und die Namen Pilgermuschel, Jacobsmuschel und heihge Muschel von den Anwohnern des Mittelmeers auf die bei ihnen heimische ähnliche Art übertragen, welche daher auch in der Systematik den Namen Pecten Jacobaeus erhielt. Der Gattungsname Pecten wurde von den Systematikern stets derselben naturgemUssen Muschelgattnng erhalten, aber sein Diminutiv, Pectunculus, von den vorlinne'anischen seit Belon ver- schiedenen durch ihre Rippen den Kammmuscheln ähnlichen Muscheln gegeben , namentUch den so häufigen Cardien , für w^elche es an einem classischen Namen fehlte ; von Linn^ für eine gerippte Art seiner Gattung Area benützt, wurde er bei Lamarck demgemäss wieder Gattungsname und -zwar für Muscheln, welche keine näheren Beziehungen zu Pecten haben und nur von wenigen Kammmuscheln an Grösse übertrofien werden. KoyxV' Concha. Aristoteles bist. an. lY, 4. Y, 15. IX, 37 sub finem. Xenokrates HI, 31. Plinius n, 41 (41). IX, 5 (4). 12 (14). 25 (41). 33 (52). 34 (53). 35 (57). 36 (61). XI, 37 (52). XYIII, 35 (87). XXXII, 11 (53). XXXYII, 10 (58). Athenaeus III, 32. 33. 43. Sprachlich identisch mit dem indischen Cankha (S. Oben Seite 211) und oft ganz allgemein für Muscheln oder selbst Conchylien überhaupt gebraucht , nach Schneider gleichbedeutend mit xrjfxrj und bei den Attikern gebräuchlicher; bei Aristoteles neben Chama, Solen, Pinna und Pecten, bei Athenaeus neben denselben und auch neben Mytilus genannt, doch auch gleich nachher als allgemeiner den Solen mit umfassender Name; es ist also wenigstens nicht immer allgemeine Bezeichnung der zweischahgen Muscheln überhaupt, sondern besonderer Name - 241 - einer bestimmten Gattung, welche verschiedene Arten umfasst: so unterscheidet Aristoteles glatte und rauhschalige, gerippte wie Pecten und rippenlose. Xenokrates erwähnt y^oyyrj nur als Nebennamen einer x\rt von XV!^^ 5 deren Beschreibung aber, Längsrippen und gezähnter Rand, so verstehe ich die Worte: .am Schnitt haben sie Rauhigkeiten den Schüsseln der Eicheln oder den Ulmen (blättern) ähnlich — auf Cardium deutet. Bei Athenaeus erfahren wir gar nichts, als dass man bald y-öy^oq bald >co//?j schrieb. Jene Eintheilung in glatte und rauhe erinnert an Venus , welche die späteren Classiker eben so ein- theilen , die Zusammenstellung mit Pecten in Bezug auf die Sculptur führt aber auch auf Cardium, eine sehr leicht kennt- liche, häufige und beliebte Muschelgattung des Mittelmeer;?, deren vorherrschende Sculptur wie bei Pecten in vom Wirbel nacii der Peripherie ausstrahlenden Rippen besteht, diese sind bei Cardium acideatum^ echinatum , ciliare u. a. mit Dornen, bei andern mit Höckern besetzt (rauhschalig) , während Cardium ohlongum beinahe, C. laevigatum ganz glatte Schalen hat. Aristoteles IX, 37 bemerkt, dass die dünnen und rauhen %6yx,ai um sich herum etwas wie einen festen Panzer bauen und diesen grösser machen, wie sie selbst grösser werden, auch daraus wie aus einem Hause herauskommen. Etwas derartiges ist mir im Mittelmeer nur von Modiola vestita Philippi und Lima ventricosa Sowerby (inflata Phil.) bekannt, von letzterer be- sitzt das Berliner zoologische Museum ein Exemplar in einer aus Zostera zrtsammengewebten Hülle aus Venedig, von Renier erhalten, und diese könnte der Sculptur und ihrer starken ^/ölbung wegen für ein Cardium gehalten werden, wenn gleich eine Zu- sammenstellung mit Pecten nach ihrem wesenthchen Bau näher liegt. Ob sie eine solche Hülle wieder verlassen kann, w^eiss ich niclit, in Irland fand man sie zwischen losen Steinen, die sie mittelst Eäden zusammengesponnen hatte. Für die Deutung der ConcJia auf Cardium liesse sich auch noch anführen, dass diese Gattung sonst bei den Alten gar nicht erwähnt würde, während sie heutzutage an den Mittelmeerküsten wohl bekannt ist und eigene Namen hat, die meist eine halb Wartteu-ib, uatnr'.v. J.ilu-erjlicfte. 18G0. 'is und 3s Heft. IG - 242 - allgemeine Bedeutung haben, wie Caparon (die grosse Muschel) und Capa tonda (die runde Muschel) in Venedig, Capelan in Südfrankreich; ja an den englischen Küsten wird Cardiimi edule L. cocUe (aus coquille) genannt. Wie aber im Veneziani- schen der mit obigen zusammenhängende Name Caparozzolo für Venus j Scrobicularia und selbst für Süsswassermuscheln gilt,, so wurde der Name Concha bei den Alten auch auf solche aus- gedehnt, Aristoteles selbst spricht von Süsswassermuscheln, wahr- scheinlich Anodonten, unter diesem Namen und in Neapel wer- den noch gegenwärtig die häufig als Suppen verspeisten Yenus eduUs, decussata und geographica Vongole (Conchulae) genannt. Belon nennt Conchula als venezianischen Namen des My~ iilus edidis und das offenbar identische Gongola als römischen für Cardium, ersteres ist aber sehr unwahrscheinlich, in Venedig kennt man einen solchen Namen gegenwärtig nicht, er klingt auch nicht venezianisch: letzteres, was zu obiger Deutung passen würde, verliert dadurch an Glaubwürdigkeit, dass Belon zugleich als französische Namen Hannon und CoquiUe de St. Jaques an- führt, welche beide einem Pecten angehören und auch schon im folgenden Jahre mit Gongola selbst einem solchen von ßon- delet zugetheilt werden; übrigens war Rondelet, so viel ich weiss, nie in Rom, wie doch Belon, und so mag immerhin dieser in Bezug auf den römischen, jener bei den übrigen Namen mehr Glauben verdienen. Das Wort Concha galt schon bei Plinius für Schale über- haupt, z. B. der Austern, XXXII, 6 (21), und Perlmuscheln IX, 35 (55), bei den späteren Conchyliologen stets als allge- meine Bezeichnung für alle zweischaligen Muscheln und zuweilen in noch weiterem Sinne, nur Lamarck benützte es als Familien- namen für Venus und Cijclas , obgleicli das gleichbedeutende Conchißres bei ihm Classenname für sämmtliche Muscheln ist. Für die Herzmuscheln brauchten die vorlinneischen Schrift- steller gerr.e das Wort Pectvnculus ^ nach Belons Beispiel, der sich auf ein an den südwestfranzösischen Küsten gebräuchliches Petonclc beruft, Argenville und Gualtieri passender Concha cor- diformiSf was Liane in Cardium verwandelte. - 243 - Süss Wasser - Muscheln. Aristoteles bist. an. IX, 10. Pliiiiiis n, 103 (106). Aelian in, 20. Die eben erörterten Namen dienten den alten Scbriftstellern aucb zur Ikzeicbnung der Süsswassermiischeln in Ermangelung eigener. Bei Aristoteles erscheinen grosse, glatte yioyiai als Futter der Pelikane in den Flüssen, vielleicht nach YIII, 12 namentlich im Strymon, bei Plinius Musculi fluviatües im Fliiss- chen Scatebra im Casinatischen (Rapido bei Monte Cassino) und im Stymphalischen See (See von Zaraka) in Arkadien. Wir sind mit den südeuropäischen Vorkommnissen der Gat- tungen Vnio und Anodonta noch nicht so speciell bekannt, um die Arten nach den Localitäten errathen zu können, ja da Musculus bei Plinius sonst nicht in der Bedeutung Muschel vorkommt, ist es fraglich, ob überhaupt Muscheln gemeint sind. Indessen blieb der Name Musculus fiuviatiUs bei den vorlinn^i- schen Schriftstellern, offenbar in der Erinnerung an Plinius, für Unionen und Anodonten beliebt, dagegen ist es davon unab- hängig, dass Linne die Letzteren mit Mytilus vereinigte, es geschah blos ihres zahnlosen Schlosses wegen; nur in Frank- reich theilen sie auch in der Volkssprache den Namen der Miesmuschel, Moule^ in Italien führen sie den allgemeinen Namen Capa, Caparozzolo. X tj lii r/. Chama. Aristoteles hist. an. V, 15. Xenokrates IH, 18. 31. 32. Plinius XXXII, 11 (53). Athenaeus III, 33. 40. 44. Aelian nat. an. XY, 12. Xtjfiri kommt bei Aristoteles nur einmal als Sandmuschel vor. Aelian spricht dagegen unter Anderem von an Felsen - 244 - festgebissenen {Area':") und nnterscheidet , wie Xenokrates und Atlienaeus, die Gattungen. Ebenso Plinius in seiner Aufzählung der Meerthiere, die er alphabetiscii aufführt; die ganze Stelle ist den Naraen nach- aus dem Griechischen entlehnt, eine Cheme striata und eine Cheme Jaevis, in anderen Ausgaben Chame- irachca und Chamelea , rauhe und glatte Chama, letztere bei Athenaeus auch xr'ifiri ßaailiy.yj, königliche Chama genannt, wie die Sicilianer heutzutage noch grosse Fische imperiali, kaiser- liche, nennen. Bei Xenokrates finden wir mehr Detail, nämlich I) Glattschalige Chemen, die Schale flach und durchschei- nend, eigentlich durchglänzend, vielleicht nur spiegelglatt be- deutend, leicht verdaulich und nahrhaft, III, 31. II) Rauhe Chenie?i, auch GJylnjmaridcn genannt, besser als die vorhergehenden, geringer als Peloris, süss und von gutem Saft, III, 18. 31. 32. Diese ^eien in ihren Arten verschieden nach den Oerthch- keiten, sowohl im Saft (Geschmack), als in Färbung und Ge- stalt, und zwar 1) aus dem Hafen von AlexandrienJ bunt und rund, die besten, III, 18. 32., 2) solche, w^elche über Pharos und Diolkos, eine der sieben Nilmündungen, Insel und Brücke, hinaus vorkommen, länglich und rauh, den stachligen Früchten der Buche ähnlich: itiqsQiog (priyoXg tov iylvov cp^qo^ihatq, wörthch den Buchen ähnlich, die eine stachlige Frucht tragen, die Alten nannten aber auch ein-e Eiche mit essbaren Früchten (Qaercus aegilops L.) q^rjbg und im Gegensatz zu dieser wird das Stachlige hervorgehoben, III, 18. 32. 3) Kürzere als die ägyptischen, von Einigen Conchae ge- nannt, III, 31. 4) Aus dem Lukrinersee bei Dikaearchia (Pozzuoli), welche denen aus dem Hafen von Alexandrien gleichgestellt werden, m, 18. Belon nennt den neugriechischen Namen Chinadi für Donax trunculus L. auf der Insel Metehn (^Lesbos) und das- selbe Wort Camadla gilt in Tarent nach Bonanni und Poli - 245 - für Venus edidis Chemnitz (vlrginea Auetorum), Terms ver- rucosa und mit dem Beisatze da luna für Cytherea Chione. Bei K 0 r a e s erfahren wir weiter nichts , als dass die Chema heutzutage Chehada genannt werde, S. 116 und Pec- tuncidus gjycymeris nach Forskai Methistrachibada , was er in Methystrachebada verbessert und auf das Weintrinken bezieht. Bei unbefangener Betrachtung ergibt sich zunächst, dass II, 3) wegen der Rippen und des gezähnelten Randes (s. oben S. 241) ein Cardlum sein muss, also zunächst, ohne andere Arten auszuschliessen , das im Mittelraeer wie in der Nordsee häufigste und vielverspeiste Cardium edule L.; II, 4) bunt und rund, möchte ich auf die in Neapel be- liebte Venus decussata L. deuten; II, 1) ist vermuthlich dieselbe; I) deutet ^ auf TelUnen oder D o n a x trunculus , die auch gegenwärtig in Italien weniger beliebt sind, als die rauhen Muscheln. Das Resultat wäre demnach, dass Cheme ein umfassender Name für eine Reihe von Muscheln ist, w^elche alle gleich- schalig, zuschliessend, von rundlich-länglichem Umrisa sind, frei im Sand oder Schlamm leben (mit einer einzigen Ausnahme bei Aelian) und öfters als regelmässige Muscheln bezeichnet werden, weil sie in keiner Hinsicht auffallende Eigenschaften darbieten. Es stimmt zur erwähnten verschiedenen Anwendung dieses Namens in Griechenland und Italien, dass Aristoteles weiter nichts von seiner Cheme sagt, als dass sie im Sand lebe, was vortrefflich auf Donax^ weniger auf Vejms passt , während die Unterscheidung in rauhe und glatte bei den späteren Griechen und Plinius entschieden auf Venus hinweist, unter welcher Gattung es im Mittelmeer höckerige oder rauhe, wie V. ver- rucosa, grob gestreifte, wie V. gallina und decussata, nahezu glatte, wie V. edulis und geographica, und ganz glatte, wie Cytherea Chione gibt, die grösste und schönste, welche daher wohl die königliche Muschel des Athenaeus sein mag. ^ 246 - Belon und Rondelet waren vollkommen im Recht, wenn sie den Namen Chama auf die jetzigen Yenusarten anwandten; man leitete aber denselben von xalvM, gähnen, klaffen, ab und erfand dafür das deutsche „Gienmuschel" , wie Kinkhorn für Buccinum, und man benützte ihn demgemäss, wie namentlich Lister und Tournefort, nur für klaffende Muscheln, d. h. solche, welche an einer oder mehreren Stellen ihrer Peripherie gar nicht zusammenschliessen, wie Pholas, Panopaea] ist diese Etymologie aber wirklich richtig, so kann sie nur bedeuten, dass die Muscheln ihre Schalen oft und weit oifen halten, nur bei Gefahr verschliessen, wie im Grunde alle Muscheln, oder vielleicht, dass sie gesotten auf den Tisch gebracht offen stehen, ebenfalls allen Muscheln gemein , was man in Neapel täglich in fast jeder Restauration an der Zuppa di vongole, Suppe von Venus deciissata sammt Schale, sehen kann und worauf schon Aristophanes (bei Athenaeus III, 33) anspielt: O'KTOJutvmg y.nyiaiair i^zi tü)v dfT^Qciy.cov. Linne hatte der ganzen Gattung nach Venus Dione den jetzt gültigen Namen gegeben und verwandte das dadurch frei gewordene Wort Chama für eine bis dahin namenlose Gattung, welche weder im Sande lebt, noch mit Ausnahme der längst ► daraus entfernten Isocardia co7' glatte Arten enthält; diese Gattung wird überall vom Volke ähnlicher Form und Vorkom- mens wegen mit den Austern zusammengeworfen. Linn^ be- griff übrigens darunter auch die stark klaffende Tridactia^ welche bei Rumph Chama aspera heisst, und so vielleicht die Ueber- tragung des Namens Chama veranlasst hat. Peloris. Xenokrates III, 26. Plinius XXXII, 11 (53). Athenaeus I, 6., III, 40. 44. Ueber die Deutung dieses Namens hat man drei bis vier eben so bestimmte als von einander abweichende Ansichten. - 247 - Belon erklärt die Peloris nach dem zu seiner Zeit in Frankreich üblichen Namen pelonrde für Venus decussata, Rondelet bestätigt Belons Angabe, schliesst sich aber an Bo- nannis Deutung des antiken Namens an und nach Poli wird in Neapel der Pectunculus Palorda genannt. Plinius sagt: chemae peloridum generis varietate distantes et rotunditate, ersteres passt auf Vctiics decussata^ die Rundung unterscheidet sie aber nicht von Venus edulis, nehmen wir jedoch Venus gallina für chame laevis, so ist Venus decussata gewölbter. Bonanni sagt in Museum Kircherianum p. 445 Nro. 76, Peloris habe ihren Namen von dem Vorgebirge Pelorum in Sicilien (Capo di Faro bei Messina) und bezieht sie desshalb auf den ihm von dort zugekommenen und als häufig bezeichne- ten Solecurtus strigilatus. Poli hält sich an Horaz, und da der Lukrinersee (Mare- ciello zwischen Pozzuoli und Bajae) seiner Austern wegen be- rühmt war, Plinius IX, 54 (79), so gibt er in seinem neuen auf die Weichtheile gegründeten Muschelsysteme der Austern den Na- men Peloris. Xenokrates sagt allerdings, die besten davon seien die den Austern ähnlichen und nennt sie dicht hinter den Austern, unterscheidet sie aber demnach gerade von ihnen und stellt sie der Melaenis, schwarzen Muschel, gleich, welche, wenn ihre Deutung auf Mytilus richtig ist, im Aeusserlichen gar nichts mit der Auster geraein hat, bezieht sich dagegen die Zusammenstellung auf die Tafel, so stellt sich Solecurtus stri- gilatus in Zartheit und Wohlgeschmack würdig neben Auster und Miesmuschel; vielleicht bezieht sich aber solche nur auf den Wohnort in den Lagunen und passt dann auf Venus de- cussata. Endlich haben Lexikographen nach der dritten Stelle bei Athenaeus (IIE, 44) das fragliche Wort von 'k^Imq, Ungeheuer, abgeleitet und daher die Riesenmuschel, Tridacna gigas, darun- ter verstanden, wenn diese aber auch den Alten nicht ganz unbekannt war, so konnte sie doch weder in den Lukrinersee, noch auf den Tisch des Athenaeus kommen. Unter allen Deutungen scheint mir daher die erste auf >- 248 - Venus decussata die wenigst unsichere, da bei ihr wenig- stens zwei Momente, dcaa Vorkommen in vorzüglicher Güte im Lukrinersee nach Xenokrates nnd das Fortleben des Namens in der Provence zusammentretfen. Es ist gut, dass die Systematiker die Pdoris nicht weiter berücksichtigt, dem "Worte nicht noch weitere Bedeutungen untergelegt haben. Nerita peloronta L. hat nichts damit zu thun, Rumph gab ihr diesen Namen nach der Insel Poeloron bei Banda; Cerithium Peloritanum Cantraine hat seinen Namen unmittelbar von dem Promontorium Pelorum erhalten. Teiiina. Xenokrates III, 30. Athenaeus III, 31. 40. TeUina, auch ^iqjtdiov, kleines Schwert genannt, eine Mu- schel des dem Wellenschlag ausgesetzten Sandstrandes, besser aber und saftiger seien die aus den Flüssen, wie z. B. die ägyptischen. Athenaeus setzt hinzu, sie ähnele der Patella und werde von den Römern Mitlus genannt, süssschmeckend, von Bettelkindern zum Pfeifen benützt. Sie finde sich zahlreich bei Canobus (Canopus an einer der Mündungen des Nils nahe bei Alexandrien) und sei voll zur Zeit der Anschwellung dieses Stroms. Unter denselben seien die königlichen dünner, sie sollen auch abführen, leicht verdaulieh und nahrhaft sein, die in den Flüssen süsser. Mit Ausnahme des ersten Satzes hat Athenaeus dies Alles aus Diphilos entlehnt. Es ist schwer, sich daraus eine Idee von dem Thier zu bilden; der Identification mit Mytilus ist nicht zu trauen, sonst würde eine Hinweisung auf das bei Athe- naeus oft vorkommende Mys näher liegen als eine Yergleichung mit Patella. Die Anwendung , welche die Bettelknaben von ihr machen, „sie nehmen sie in den Mund und flöten und spielen darauf," denke ich mir ähnlich dem Blätteln der schwäbischen Winzerburschen mittelst eines zusammengefalteten Rebenblattes; dieses würde auf eine flache, dünne und nur massig grosse - 249 - Muschel deuten. Der erwähnte Aufenthalt bei Athenaeus (im Gegensatz 7a\ Xenokrates) deutet auf Lagunen- und Brack- wassermuscheln, es ist aber fraglich, ob die von ihm genannten Flusstellinen dieselbe Art sind, nur weiter oben im Nil, also in schw^ächer gesalzenem Wasser vorkommend und daher süsser, oder ganz andere Thiere. Man hat das Wort Teilina schon etymologisch von tfkho, vollenden, abgeleitet und demnach als die Schnellwachsende erklärt, mit Beziehung auf eine Stelle bei Aristoteles bist. an. Y, 15., wo dieser von y.i'iQvl und xTag sagt, dass sie in einem Jahr rtlsia, fertig oder erwachsen seien. Es ist aber von sachlicher Seite kein Grund für diese Ableitung vorhanden und mir scheint it'l^xa, Schlamm, Pfütze, hiefür näher zu liegen. Belon erklärt nicht nur Tellina und namentlich die könig- liche Tellinc für Donax trunculus L. , sondern fügt auch hinzu, dass dieser von den Yenetianern und Römern Tellina genannt w^erde. In Yenedig ist gegenwärtig keine Spur eines solchen Wortes vorhanden, auch in Rom fand ich es nicht auf den Speisezetteln; man findet es zwar in italienischen und spanischen Wörterbüchern, aber wohl nur aus der Büchersprache genommen, von Franceson als Tellmuschel übersetzt, von Jage- mann als eine Art Muscheln, nach Wagener und Franciosini gleich Almeja, was eine Muschel überhaupt bezeichnet; am Lago di Celano im Königreich Neapel bezeichnet es nach del Re eine Süsswassermuschel, eine Anodonta oder Lhiio. Da- gegen spricht für Belons Deutung eine Nachricht, die ich der Güte des Hrn. Doctors Bilharz verdcinke , dass Donax irmi- culns eine häufige und beliebte Fastenspeise der Kopten in Kairo sei, man nennt ihn dort 0mm el cholul\ D. trunculus ist eine Sandmusehel und passt also sehr gut zu Xenokrates Angaben. Rondelet wiederholt ein Jahr nach Belon, dass eine Muschel bei den Franzosen und bei den Römern Tellina genannt werde, die seinige stammt ex Agathensi sinu (Agde westlich von Cette in Südfrankreich) und ist vermuthlich Scr ohicalaria pipe- rata Schumacher. , - 250 - Den Namen Tellma führt in der Systematik seit Lister ein zwischen Donax und Scrobicularia die Mitte haltendes Muschelg'eschlecht, welches nur von Wenigen, z. B. Argenville, dem Wortlaute bei Athenaeus gemäss unpassend mit Mytilus vereinigt wurde, und dem derselbe mit Ausschluss weniger he- terogener Arten bis heute geblieben ist. Galax. Aristoteles bist. an. lY, 4. Aristoteles führt hier als Beispiel glattschaliger Muscheln neben Solen und Mys die von einigen yäXaxeq genannten y.oyyai auf. Das ist Alles, was wir von ihnen wissen, die Herleitung des Wortes von yäla, Milch, ist nur Vermuthung. Rondelet deutet den Namen auf die milchweisse Mactra inflata Bronn (M. coraUina mehrerer Schriftsteller, welche Conchylien des Mittelmeers beschrieben), welche an den Lidi von Venedig häufig und wMe ihre bekanntere Schwester Mactra stidtormn L., das Narrenherz, als Speise beliebt ist. Belon bezieht den Namen auf die glatten Yeuusarten als Synonym von Chama laevis, ein Ausdruck, der bei Aristoteles nicht vorkommt, und dieses erinnert wieder an eine Muschel, welche am adriatischen Meere häufig gegessen wird, aber in Venedig nur durch das Beiwort dünnschalig von den Venus- arten unterschieden wird, Scrobicularia piperata Schum., denn diese soll nach Belon in Ravenna und Ancona den Namen Chalene, Chalcinelle führen. Nach Jagemanns italienischem Wörterbuch ist Calcinello eine Meerschnecke, die lebendig eine blaulichte und todt eine weisse Schale hat, was unter der Vor- aussetzung, dass er unter Schnecken Schalthiere überhaupt ver- steht, auf Scrobicularia piperata passt. Bei Athenaeus finden wir keinen Galax^ nur XIY, 75 eine 'K^Qva yalaiy.ri , nach andern Lesarten yäXlr] oder yalariy.ri, und dass hier ein wirklicher Schinken aus Galatien, keine Mu- schel, gemeint sei, zeigt die Erwähnung der Binnenstädte Kibyra und Pompelou. - 251 - Glycymaris- Chamae glycymerides. Xeiiokrates III, 18. 31. 32. Pliinus XXXn, 11 (53). . Vemts gallina L. führt in Venedig den Namen Peverazza oder Bibarazza, in der Romagna Piperata, von Belon durch Missverständniss als j)ai(percula (Poverazza) gedeutet, in der Systematik auf Scrobicularia piperata unriclitig übergetragen. Ein Name von ähnlicher Bedeutung aus dem Alterthum ist mir nicht bekannt, wohl aber scheint der Ausdruck Glycimaris einen Gegensatz dazu zu enthalten , was die zweite Hälfte des Wortes, auch meris geschrieben, bedeute, weiss ich nicht, einige leiten sie von f^^Qog, Theil, Portion, ab und erklären: ein süsser Bissen, was etwas zu naiv scheint, Xenokrates nimmt sie ganz gleichbedeutend mit Cheme tracheia , wie es scheint, Cardium und Venus umfassend; Plinius hat sie neben densel- ben und versteht vielleicht gerade Cardium darunter, da er dieses sonst nicht nennt. Belon erklärt sie für Pectunculus , denn diese sei grösser als die Peloris (Venus decussata L.) und schmecke nicht nach Pfeffer, und daher führt eine der Arten von Pectunculus in der Systematik den Namen Glycymeris. Rondelet bezieht Glycymeris ohne erkennbaren Grund auf Lutraria elUptica Lam., welche im Mittelmeer nicht häufig ist und keinen besondern Namen hat; von Aldrovandi auf die noch grössere und seltenere Panopaea Aldrovandi Lam. übertragen, blieb dieser Name bei Lamarck einer damit verwandten nordi- schen Gattung. Amathitis. Athenaeus lU, 30. Aus einem Gedicht des l^^picharmus erwähnt neben xoyioi in einer nicht ganz klaren Stelle, wornach sie von weisser Farbe sind und ihr Genuss gemieden wird. Eine Handschrift hat difiaTiTidsg, was an die schon erwähnte Haemorrhois erinnern - 252 — könnte, die allgemeine Lesart dagegen bezeichnet eine Sand- bewohnerin, lind sollen wir unter den Muscheln des Sandgrundes wählen, so dürfen wir wohl zunächst an die verhältnissmässig grosse und im ganzen Mittelmeer häufige Teilina planata L. denken; so viel ich weiss, wird diese nirgends gegessen und es gilt überhaupt am Mittelmeer, wie im indischen Archipel als allgemeine Regel, dass die glatten und glänzenden, weissen oder buntgefärbten Conchylien des Sandgrundes weniger zum Genuss geeignet sind, als die unscheinbaren und oft abschreckend aussehenden des Schlamm- und Felsengrundes. Xri Qciu ß ri. Cherambc. Athenaeus III, 31. Athenaeus beruft sich nur auf So'phron und Archüochus, welche dieses Wort für ein Schalthier gebrauchen, ohne irgend einen nähern Anhaltspunkt zu geben. CheramiSj mit XVQ^I^^S^ Loch, Höhle, zusammenhängend, soll bei Hippokrates und Strabo eine breite flache Muschel bezeichnen, welche zum Schöpfen und Messen gebraucht worden sein soll. Man sagt, dass unsere grossen Anodonten im nördlichen Frankreich zuweilen zum Abnehmen der Milch dienen. Alles was sich darüber sagen lässt, ist daher dankbar anzuerkennen, dass die neuere Syste- matik diesen Namen nicht aus seinem Grabesschlummer herauf- beschworen hat. Solen. Donax. Aulos. Concha longa. Aristoteles bist. an. lY, 4. 8. Y, 15. YIII, 1. Xenokrates III, 28. Plinius X, 69 (88). XI, 37 (52). XXXII, 9 (32). 11 (53). Athenaeus III, 30. 37. 40. Tivsg ds ivzi no-aa, tcclöe tol fidtiQul v.6yxcii rcoXrjv£g d-7]V rovrol ya, yXo'nv'HQeov yioy%vXiov. • Sophron bei Athenaeus III, 32. Steckt im Sande, aber nicht angeheftet, und zieht sich bei Gefahr tiefer in denselben zurück. - 253 - Das Wort Solen bedeutet eigentlich Röhre und nimmt man dieses mit dem Ebenerwähnten zusammen, so kann kein Zweifel sein, dass unsere bekannten Solenarten, namentlich Solen siliqua^ legiinien und ansisl^. gemeint sind; dass er ringsum geschlossen sei, was Aristoteles zweimal erwähnt, ist nur vom Mantel, nicht von der Schale zu verstehen, da er ja stets unbedenklich zu den diO-vQa, zweischaligen, gerechnet wird. Die Anwendung des AVortes Donax , welches das grosse SchilCrohr, Ai'utido Donax L. ^ bezeichnet, auf eine Muschel^, findet sich erst bei Späteren: Xenokrates, Plinius, Athenaeus, und wiederholt sich noch heutzutage in verschiedenen Gegenden Italiens, z. B. Tarent, wo die Art des Schlammgrundes, Solen Vagina L., Cannolicchio, Ravenna, wo sie Ctinella, von Cannetj Rohr, heisst. Der venetianische Name Capa longa^ dem däni- schen Langskiäl entsprechend, erimu;rt an den oben angeführ- ten Vers. Xenokrates und nach ihm Plinius und Athenaeus unter- scheiden die Männchen des Solen, welche Donax und Aulos, Röhre und Flöte, genannt würden, als gestreift von den Onyx genannten einfarbigen und süsseren Weibchen; die Geschlechts- verschiedenheit der Muscheln ist meist nur mikroskopisch zu erforschen, und daher' lange unbekannt geblieben, zum Theil noch heute unbekannt, aber die Fischer des Mitteimeers haben nicht selten specifische Unterschiede nahe verwandter Arten ilir Geschlechtsuntcrschiede gehalten, so nennen sie z. B. in Vene- dig den 3Iurex bra7idaris Bullo r/iaschio, den Mtirex trunculus Bullo femetia, und so mag auch hier unter den Männchen der buntere Sandbewohner Solen siliqua L., unter dem Weib- chen der einfarbige und süssere Schlammbewohner Solen va- gina L. zu verstehen sein. Solen wurde schon von Rondelet und nach ihm beinahe von allen Conchyliologen richtig angewandt, von Linne nur in einem etwas erweiterten Sinne; Rumph allein umfasste, auf ' die ursprüngliche Bedeutung des Wortes, Röhre, sich stützend, unter diesem Namen sehr verscliiedenc Thiere, Solen, Serpula, Yermetus und DentaUum. - 254 - Den classischen Namen DonaXy seit Belon als Synonym von Solen genommen, betrachtete Linne' als dadurch erledigt und frei geworden und vergab ihn ganz willkürlich an eine Muschelgattung, welche zwar auch im Sande lebt, aber weder zu Solen, noch zum Rohr irgend eine Beziehung hat, efhe Freiheit, die er sich z. B. auch bei der Vergebung der alten Namen Zea und Zizania an amerikanische Pflanzen nahm. Mit etwas mehr Recht wurde Aulos von Oken für eine von Solen abgezweigte ausländische Gattung, Solen radiatus L. , benützt. Dactylus. Unguis. Baianus. Aristoteles bist. an. IV, 8. Y, 15. Xenokrates III, 17. Plinius IX, 33 (51). 61 (87). XXXII, 11 (53). Athenaeus III, 30. 35. Es sind hauptsächlich zwei als Steinbohrer berühmte cy- lindrische Muscheln, welche den Namen Dactylus bis heute noch im Munde des Volks und in der Literatur führen, beide wegen der Aehulichkeif ihrer Gestalt mit einem Finger; die eine nahe zu glatt und braun wie die Frucht der Dattelpalme, von Linne' Mytilus lithophagus , jetzt nach Sowerby Lit ho do- rn us dactylus genannt, die zweite rauh wie eine Feile, stark klaffend, weiss, mit kleinen Nebenschälchen am Schloss, Pholas dactylus L. In Neapel und Tarent gilt der Name Datier o oder Dattilo nach Poli und Salis für den LithodomuSj in Südfrankreich nach Argenville datte und dail für die Pholas, in Triest nach Plucär Datolo für beide, Olivi aus Chiozza führt ihn aber nur für die Pholas auf und nennt bei Lithodomus den einheimischen Namen Pevarön , Boerio Pevarbn de mar, eine Vergleichung dieser Muschel mit den Pevaroni, Früchte des spanischen Pfeffers, Capsicum annimm L. Die vielbesprochenen Bohrmuscheln in den Säulen des Serapistempels zu Pozzuoli sind Lithodomus, wie ich selbst gesehen. Das von Plinius erwähnte Phosphoresciren der Weich- - 255 - theile bestätigt Olivi für Pholns dactylus, welche zugleich eine gesuchte Speise ist; Lifhodomus wird nach Salis als Speise wenig geachtet, Olivi erwähnt seiner in dieser Beziehung gar nicht, dagegen Payraudeau in Corsica; das Lob, welches ihm Boerio ertheilt, beruht wohl auf einer Verwechshing mit der PholaSy welche mein Vater wirklich vortrefflich fand. unguis ist bei Plinius IX, 33 (51) die Pholade, dass er XXXII, 11 (53) Dactylus mit Solejt zusammenwirft, Missver- ständniss. Der Name PholaSy von qivüXsiv, sich verstecken, ver- kriechen, kommt nur bei Athenäus III, 35 und 40 als der einer nahrhaften, aber stinkenden Muschel vor, welche mir räthselhaft bleibt; Rondelet und Aldrovandi verstanden darunter den Lüliodomus , List er beides; seit Lanz gilt er im heutigen Linne'ischen Sinn. Den Namen Dactylus vermisse ich bei Xenokrates. und Athenäus; bei Xenokrates eröfi'net Balanos die Reihe der ess- baren Muscheln, wir erfahren, dass es grosse, wohlschmeckende, glatte Muscheln seien und dass wenigstens manche davon in Felsen leben; man darf daher wohl nicht an die kleinen Meer- eicheln unserer systematischen Zoologie, BaUmus Bruguiere^ denken, welche nirgends von Menschen gegessen werden, son- dern es scheint bei ihm und Athenäus ein anderer Name für die Bohrmuscheln zu sein, von denen der äussern Beschaffenheit nach Lithodomus mehr Anspruch auf die Vergleichung mit einer Eichel machen und allein glattschalig genannt werden kann. Aus dem Vorkommen beider Namen bei Aristoteles nun zu schliessen, dass er Pholas und Liihodomus richtig unterschieden habe, dazu dürften wir übrigens durch seine wenigen Worte kaum berechtigt sein. Belon hörte auf Lesbos die Area Noae von den Neu- griechen Calagnone oder, wie Koraes verbessert, kalognome nennen und schloss aus der nicht sehr grossen Aehnlichkeit des Wortlautes, diese sei der Balanos der x\lten ; sie sitzt vermit- telst eines Byssus an Felsen, hat aber gar keine Aehnlichkeit mit einer Eichel und kann auch nicht glattschalig genannt v»^er- den, auch widerspricht Koraes entschieden dieser Deutung. - 256 - Teredo. Aristophanes Eqiüt 1305. Theophrastos bist, plant. Y, 5. PI in ins XYI, 41 (80). ' ut occulta vitiata teredine navis. Ovidius ex Pouto I, 1. TsQjidcöv wird schon von Aristophanes als Schiffsvorder^er erwähnt, ebenso von Ovid, und ist daher zweifelsohne auf den Schiti'bohrer oder Pfahlwurm, Teredo navalis L., und ver- wandte Arten zu beziehen. Plinius fasst unter Teredo den Schiffsbohrer und bohrende Insektenlarven zusammen, bemerkt aber, dass dem Ersteren eigentlich allein dieser Name zukomme. Bei Aristoteles bist, an. YIII, 27 bezeichnet dasselbe Wort nur eine Insektenlarve in den Bienenstöcken, Tinea Cerella L. ; beide treffen in dem Begriffe eines Avurmförmigen bohrenden Thieres (von rsotoj, bohren) zusammen. Ob dasselbe ATort im französischen Taret für den Schiffsbohrcr noch fortlebt oder nur in der Büchersprache neu aufgenommen worden ist, kann ich nicht entscheiden. Conchylien des rothen Meers. Xenokrates III, 24. Plinius XXXII, 1 (4). A t h e n a e u s III, 45. Aelian X, 13. 20. XI, 21. XY, 8. XYI, 12. Schon Xenoki-ates rühmt die Grösse der Patellen aus dem indischen Ocean, Juba bei Phnius die der Miesmuscheln, Aelian aber ist es hauptsächlich, der uns einen Nachhall des Eindrucks aufbewahrt hat, welchen die Griechen bei dem Bekanntwerden mit der tropischen Fauna des indischen Oceans , namentlich seiner zunächst liegenden Theile, des rothen Meers und des persischen Golfes empfanden; er rühmt die Grösse und Farben- .pracht der dortigen Thiere, z. B. X, 13, und wenn auch seine Schilderungen oft üebertriebenes und Abentheuerhches enthalten, - 257 - das sich im Laufe der Tradition beimischte, so ersetzen sie es andererseits durch den Vortheil, dass er hier die Gegenstände als etwas wenig Bekanntes beschreibt, nicht wie sonst nur die Namen als allgemein bekannt und verständlich anführt. Manche charakteristische Züge der indischen Fauna im Gegensatz zum Mittelmeer hat Aelian schon hervorgehoben, so erkannte z. B. Cuvier in zweien seiner Fische bestimmte Arten von Chaetodonten, einer Familie, die im indischen Ocean reich, im Mittelmeer nur durch eine abweichende und sparsam vor- kommende Art vertreten ist. Aehnlich verhält es sich bei den Schnecken und Muscheln, er rühmt XVI, 12 die Grösse der xtiQvxsg und der nÖQqtvQcn des rothen Meers, letztere gross genug, um einen xovg zu fassen (zehn Pfund Wasser nach Böckhs metro- logischen Untersuchungen, was selbst für Tritonium variegatum und Fusus Aruanus zu viel ist) und XI, 21 die Farbenpracht des xoiUag, purpurn mit regelmässig wiederholter kranzähnlicher Zeichnung von Lauchgrün, Goldgelb und Zinnoberroth, was nur auf einzelne Farbenspielarten des bunten Turbo petholatus L. gedeutet werden kann. Fügen wir diesen Stellen des Aelian noch eine des An- drosthenes bei Athenäus III, 45 bei, wo von ctQo^ßoi und yoiQivai des indischen Meers die Rede ist, bunt und sehr ver- schieden von denen bei uns (im Mittelmeer), was nach dem früher Gesagten vorzugsweise auf Cerithium nodulosum oder vielleicht Rosteil aria curvirostris und auf Cypraea pantherin a, häufig im rothen Meer, gedeutet werden mag, so haben wir schon eine hübsche Reihe von Schnecken, welche, dem Mittelmeere fremd, die Tropenfauna des indischen Oceans auszeichnen. Noch bezeichnender für diese sind die zwei Mu- scheln, welche bei denselben erwähnt werden, die Riesenmuschel, Tridacna squaniosa, und die Perlenmuschel, Meleagrina m argaritifera. Erstere ist bei Aelian X, 20 nicht zu ver- kennen, er nennt sie eine Muschel mit eingeschnittenen, einer Säge vergleichbaren Rändern , womit sie den Tauchern die Glieder bis auf den Knochen abkneipen soll. Belon traf die Riesenmuschel an den Küsten Arabiens an und will bei grie- Wüittemb. naturw. Jahreshefte, 1800. 2s und 3s Ueft. 17 - 258 - chischen Mönchen daselbst den jetzt zum systematischen ge- wordenen Namen Tridacna, die dreimal beissende, erfahren haben, Aquatil. 1653, folio, p. 418. Plinius, welcher XXXII, 6 (21) auch die indische fussgrosse Riesenmuschel erwähnt, hat dabei Tridacna als Witz auf so grosse Austern , dass man sie nur in drei Bissen verschlucken könne. Dass die Alten die Tridacna des rothen Meers in der That zuweilen zu Gesicht bekamen, scheint ein kleineres Exemplar dieser Muschel zu be- stätigen, welches, am Schlosstheil in einen weibliehen Kopf um- gewandelt, unter den griechischen, etruskischen und römischen Broncen des britischen Museums, Kasten E, Numero 104, auf- gestellt ist. Noch leichter ist die Perlenmuschel zu erkennen ; ihr Aus- sehen ist ähnhch dem Pecten, aber sie hat keine Furchen, son- dern ihre Schale ist glatt und haarig, daßv (die jungen Schalen sind dicht mit spitzigen, borstenartigen Schuppenreihen über- zogen, die sich bei den alten abreiben und zuletzt ganz ver- lieren), auch hat sie nicht zwei Ohren wie die Kammmuscheln, sondern eines. Die Alten kannten die Perlenmuschel von mehreren Orten, vom rothen Meer, Plinius IX, 35 (54 — 57), Aelian X, 13, vom persischen Meerbusen (susianisches und babylonisches Meer, Plinius 1. c, Athenäus III, 45) und vom indischen Ocean selbst, namentlich bei Taprobane (Ceylon) und dem indischen Vorge- birge Perimula. Plinius und Athenäus 1. c, Aelian XY, 8. Dieses Vorkommen stimmt mit dem gegenwärtigen iiberein, ich erinnere nur an die Bahreininseln, Kap Comorin und Ceylon. Das Vorkommen im rothen Meer bestätigen Forskai (Chemnitz VIII, 718), Ehrenberg (Rüppells Reise S. 189) und von Wilhelm Schimper eingesandte junge Exemplare in meines Vaters Sammlung. Wenn aber Ändrosthenes 1. c. auch das armenische Meer als Fundort nennt, so dürfte eine ünkenntniss der Lage der ent- fernten asiatischen Länder zu Grunde liegen , denn armenisch kann man nur das schwarze oder das kaspische Meer nennen, diese zeigen aber keine Spur, dass jemals die Perlenmuschel sie ^ 259 - bewohnt oder überhaupt ihre Fauna in einem Gegensatz zum Mittelmeer sich der des indischen Oceans genähert hätte. Viel- leicht wurde diese Verwechshing dadurch veranlasst, dass das damals wie jetzt perlenreiche Meer zwischen Ceylon und der Küste von Koromandel bei Ptolemäus entstellt aus dem ein- heimischen Namen Sinus Colchicus heisst, die späteren Schrift- steller aber dabei an Colchis am schwarzen Meere dachten, das zeitweise zum armenischen Reich gehörte. Der Name fidgyaQog, Margarita^ war bei den Alten sowohl für Perle als für Perlenmuschel gebräuchlich; wahrscheinlich stammt er aus Indien, entweder aus einer dekanischen Sprache oder vom sanskritischen niarkarä, Gefäss (Lassen, indische Alterthumskmide I, 244), in letzterem Falle also ursprünglich nur die Perlen enthaltende Muschel bezeichnend. Diese wird gegenwärtig in den meisten Sprachen Perlenmutter genannt; der antike Name erhielt sich lange in den romanischen Sprachen für die Perle, italienisch Margherita, spanisch und portugiesisch Margarita, französisch Marguerite, englisch Meregfot, wallachisch Mergeritarju, weicht aber mehr und mehr dem germanischen Perle ; in Venedig bezeichnet er gegenwärtig die gemeinere Gat- tung von Glasperlen, deren Fabrikanten Margariteri genannt werden, in ganz Südeuropa eine liebliche Frühlingsblume, Bellis perennis L., und tritt endlich als Name der heiligen Margaretha, Schutzpatronin der Mägde, überall als weiblicher Taufname auf. Bei Athenäus 1. c. kommt auch das Wort berberi als in- discher Name der Perlenmuschel vor und Plinius nennt IX, 35 (58) die Perlen auch üniones, weil keine der andern ganz gleiche, welchen Namen Retz für die Flussmuschel benützt hat. Dass auch die Flussperlenmuschel, ünio margaritifer, schon den Alten Perlen lieferte, zeigt die Nachricht über bri- tannische Perlen bei Phnius IX, 35 (57) und Aelian XV, 8, obgleich Letzterer den britischen Ocean nennt , denn in Britan- nien kann natürlich nicht von Meleagrina die Rede sein, son- dern nur von dieser. Die Perlen aus dem Mittelmeer stammten aus einer Pinna oder Mytilus, wie Plinius IX, 35 (56) selbst angibt. - 260 - Theilweise ein Nachklang dieser Bewunderung der Con- chylien des indischen Oceans im Aiterthum, theilweise aber auch schon eine Wiederholung derselben Erfahrung zeigt sich bei den ersten conchyliologischen Schriftstellern des siebenzehnten Jahrhunderts, so namentHch bei Belon, w^ elcher selbst die Küsten des rothen Meeres besuchte, daselbst die Tridacna und die zum Glätten benützte Cypraea wieder auffand, daneben auch einen grössern Chiton, welchen er als die dem rothen Meere eigenthümliche Art von Patella ansah, nicht ahnend, dass ähn- liche, freilich viel kleinere, im Mittelmeer nicht selten sind. Auch die Alten hatten diese eigenthümlichen Schnecken ganz übersehen und dieselben scheinen eines der nicht ganz wenigen Beispiele zu sein, dass eine in Europa einheimische Familie an- fangs nur in ausserenropäischen Arten bekannt wurde, wie noch in neuerer Zeit die Familie der Cyprinodonten unter den Fischen. Schon etwas früher finden wir für einige grosse Schnecken die Bezeichnung „persische Muschehr* ; wenn gleich nicht von den Alten entlehnt, sondern ursprünglich nur ^q\\ Wohnort an- gebend, hat doch dieser Name bald ganz wie die classischen so manche Uebertragung und Verallgemeinerung erfahren, dass eine kurze Erörterung derselben vorliegende Arbeit nicht un- passend schliessen dürfte. Es sind hauptsächlich dreierlei Schnecken, w'elche so be- zeichnet wurden : 1) Einige grosse Voluten oder, wie sie jetzt gewöhnlich genannt werden, Cymbien. Aldrovandi spricht in dem nach seinem Tode 1614 erschienenen Werke de exanguibus zuerst von einer Concha Persira major und minor, w^elche aus Persien Staramen sollten und ihm von Ferdinand II., Herzog von Toscana. mitgetheilt wurden ; es sind aber nach den Abbildungen das westafrikanische Cumbium Ncptuni Gmelin und das wahrschein- lich ebenfalls daher kommende Cymhium olla L. Fabius Co lumna nannte daher eine kleine Schnecke des Mittelmeers {Phillne oder Bullaea aperta L.) , welche eine gewisse Forra- ähnlichkeit mit jenen hat, Concha natatilis neritodes minima, Persicae dictae recentlorum congcner y d. h. zu derselben Gat- - 261 - tnng mit der persischen Schnecke j^ehöris:, und schloss an die- selbe ebenfalls als congeneres ein paar exotische Schnecken an, darunter ein weiteres Cymbium , C. porcinum L. , ebenfalls aus Westafrika. Da obige lateinischen Worte die Ueberschrift des Kapitels bei Columna bilden, so liegt hierin schon der Keim dessen, was bei List er zur Praxis geworden, indem dieser der ersten ünterabtheilung der ton ihm Buccinum genannten Schnecken den Titel gibt: de Buccinis Persicis dictis sive Buccinis colu- meUa de7itafa, clavimla (Gewinde) umhilicata vel parum ex- serfa. und nun jede einzelne der darunter begriffenen Arten, nämlich neben den genannten und einigen andern Cymbien noch mehrere Marginellen und eine Ricinula, Buccinum persicum^ mit ein paar die einzelnen Unterschiede angebenden Zusätzen nennt ; diese Bezeichnung ist also bei ihm einfach eine syste- matische. Was auf diese Weise bei ihm den Namen Buccinum per- sicum parvum erhielt (Taf. 803, Fig. 9 u. 10), nannte Linne in seinem Zweinamensystem Voluta Persictäa (die jetzige Mar- ginella Persicula), doppelsinnig, da Per sicum, nämlich malum, persischer Apfel, den Pfirsich bezeichnet, persiculum also auch als kleiner Pfirsich aufgefasst werden könnte. Dieselbe Zwei- deutigkeit findet sich schon bei Barre Her 1714, welcher den Namen Persica auf Bulla ampulla L. anwandte, eine Schnecke, deren äussere Gestalt mit einiger Phantasie ebensowohl jenen Cymbien als einem Pfirsich verglichen werden kann, die aber wesentlich von beiden verschieden ist. Mit noch weniger Recht nennen einige Schriftsteller jener Zeit eines und das andere Cymbium auch Concha oder Cochlea latino ; keines lebt an den Küsten Italiens. 2) Eine Purpura heisst bei Argenville 1742 Conque Persique, vielleicht nur weitere Ausdehnung des List er 'sehen Gattungsbegriffes, denn sie ist allerdings auch eine länglich- runde, weitraündige Schnecke, wenn ihr auch die Columellar- falten fehlen. Diese Schnecke gehört in der That dem indischen Ocean an luid es ist daher nichts dagegen einzuwenden, dass - 262 - Linn^ und Lamarck ihr den Speciesnamen Persica gelassen haben ; dass er übrigens anfangs mehr Gattungs- als Artnamen war, kann man daraus sehen, dass Davila, welcher wie Ar- gen ville gerne dem Sprachgebrauch der französischen Con- chylien-Liebhaber folgte, eine verwandte Art, die Purpura pa- tula Lam., Conque Persique de l'Amerique nennt. 3) Fasciolaria trapezium heisst bei manchen Schriftstellern vestis oder indmnentum persicum, das persische Kleid, und der Ursprung dieses Namens lässt sich bis Bonanni zurückverfolgen welcher in der recreatio mentis et oculorum 1681, p. 468, sagt, sie gleiche den Kleidern, welche die Perser zu tragen pflegen, und sie finde sich im persischen Meerbusen. Lesser schrieb es getreulich nach, es liegt aber auf der Hand, dass ein solches Zusammentreffen zweier so ganz verschiedener Veranlassungen zu demselben Namen zu auffallend ist, um unverdächtig zu sein, und dass es viel wahrscheinlicher ist, dass eine von beiden nur zur Erklärung des Namens nachher ersonnen wurde. Eine Zu- zammenstellung dieser Schnecke mit den unter 1) und 2) ge- nannten ist bei ihrer auffallend verschiedenen Gestalt nicht an- zunehmen; auch heisst sie nie persische Schnecke, wohl aber ist sie im indischen und rothen Meer häufig und kann daher zuerst vom persischen Meerbusen nach Europa gekommen sein. Register zu den classischen Conchylien-Namen. Actinophora 213. Amathitis 251. Anarites 223. Aporrhais 217. Arion 204. Aulos 252. Baianus 254. Berberi 259. Buccinum 211. Chama 243. Chamae glycymerides 251. Chamelea 244. Chametrachea 244. Cherae 243. Cheme basilike ^44. — laevis 244. — striata 244. Cherambe 252. Cheramis 252. Choerine 227, 257. Coclea 195, 203. Cocleae Aetneae 200. — Africanae 200. — albae 200. — Astypalaeicae 200. — Caprearum 200. — cavaticae 200. — fluviatiles 200. — Gerraanae 203. — Graecae 200. — Jolitanae 200. Cocleae maximae 198. — mediocres 198. — minutae 198, 202. — silvestres 200. — Solitanae 199. Colyciura 218. Concha 207, 240. — longa 252. — venerea 226. Conchylium 204. Corythium 218. Dactylus 254. Donax 252. Echinophora 213. Galax 250. Glycymaris 251. Haematitis 251. Haemorrhois 217. Helix 213. Kerix 206, 214, 257. Kochlia lekta 204. Kochlias 195, 257. ' — pentadactylos 218. Kochlos 212, 221. — pentadactylos 218. Kochlydion 218. Kokalion 196. Kolulion 218. Koluthion 218. Konche 240, 243, Korykion 218. 264 — Korykos 219. Koryphion 218. Kteis 237. Lepas 227. — agria 228. Limax 203. Limnostreon 234. Margarita 259. Margaro s 259. Melaenis 229, Melicembales 213. Mitulus 229. Murex 204. Musculus 229. — fluviatilis 243. Myax 229. Myisca 229. Mys 229. — pyelodes 232. — skillodes 232. Mytilus 229. Nauplius 226. Nautilos 226. Nerita 223. Nereites 223. Onyx 253. Ostrea 233. Ostreon 233. Ostreum 233. Otaria 228. Otion 228. Pecten 237. Pectunculus 237. Pelagiae 207. Peloris 246. Perna 236. Pholas 255. Pinna 236. Polypus 205. Pomatias 197. Pompilos 226. Porphyra 204, Purpura 204. Seselites 197. Seselos 195. Sesilos 197. Solen 252. Spondylus 235 Strabelos 211. Strombos 219, Talattion Us 228 Tellina 248. Teredo 256. Tethyon 176. Tridacne 258. Unguis 251. Unio 259. Xiridion 248. 257. 257. 5. Die Lagerungsverhältnisse des Lias auf dem linken Neckar -Ufer von Dr. Carl Baur. Eine academische Preisschrift. (Mit Tafel III.) Ein schmales aber langgedehntes Band liasiscber Abla- gerungen begleitet den Höhenzug des schwäbischen Jura. Von dem nordwestlichen Steilrande aus gesehen, breitet sich der Lias am Fusse desselben wie ein buntgewirkter Teppich aus, einen der fruchtbarsten und schönsten Theile unseres Landes bildend. Nahe an der nordwestHchen Grenze dieses Liaszuges und in dem Gebiete des Schönbuches ^ auf der linken Neckar- seite, haben Verwerfungen und nachfolgende liasische Abla- gerungen die eigenthüralichsten Lagerungsverhältnisse hervor- gerufen, deren Untersuchung den Gegenstand der vorhegenden Arbeit bildet. Zwischen den liasbedeckten Keuperbergen des Schurwaldes und Schönbuchs dehnt sich eine weite Ebene aus, die durch den Neckar zwischen Plochingen und Cannstatt in zwei, sehr ungleiche Theile getheilt wird. Der eine derselben zwischen Schönbuch und Neckar bildet die Filderebene , der andere eine sehmale Vorterrasse des Schurwaldes zwischen Plochingen und Untertürkheim. Die Oberfläche dieser Ebene bildet grösstentheils der mitt- lere Lias «., der Malmstein, und nur an verhältnissmässig sehr wenigen Punkten treffen wir den Arietenkalk. In grosser Aus- dehnung ist die Ebene von Lehm bedeckt. Das Liegende des - 266 - Lias der Filder, wie der Vorterrasse des Schurwaldes, bildet das oberste Ketiperglied, die rothen Mergel mit dem gelben harten Sandstein. Man überzeugt sich hievon am besten an einigen Punkten, die durch ihre schönen Aufschlüsse sehr bekannt ge- worden sind. Hier ist vor Allem das Bonebed mit dem gelben harten Sandstein von Rüdern und Neilingen zu erwähnen; ferner das Bonebed mit den Keupermergeln (der gelbe harte Sandstein schemt zu fehlen) bei Degerloch und Kaltenthal, endlich erinnern wir noch an den muschelreichen Sandstein von Nürtingen. Uebrigens heben wir diese Punkte nur als die bekanntesten hervor, man kann sich von dem Vorhandensein dieser Schichten überall überzeugen , wo man den Rand der Filderebene betritt. Steigt man von derselben hinab in das Neckar- oder Nesenbach- thal, so kommt man durch alle Etagen des Keupers hindurch. Es bleibt uns daher kein Zweifel, das Liegende der Filderebene bildet der oberste Keuper, das EndgUed eines durchaus nor- malen Keupergebirges. Gegen Nordost steigt man von der Filderebene um eine Stufe herab auf ein von weissem Keuper gebildetes Plateau, das sich in die Gegend von Leonberg hinzieht und auf dessen äusserstem Rande die Solitude, das Belvedere und der Bopser bei Stuttgart stehen. Gegen Südost überspringt die Ebene un- gestört den Neckar zwischen Nürtingen und Plochingen und geht über in die grosse Liasebene am Fusse der Alp. Wie staunt man aber, wenn man in südwestlicher Richtung über die Filder wandernd in den Bergen des Schönbuchs, statt, wie man in der Ferne vermuthet, den ansteigenden Lias, nochmals den weissen Keuper trifft, dessen oberste Schichten, wiederum mit Lias be- deckt, hoch über die Ebene hervorragen. Ein solcher sich durch- schnittHch 150' über die Filder erhebender Höhenzug zieht der ganzen Ebene von Rohr bis Bonlanden, dieselben gegen Süd- west begrenzend, entlang. Der eine Theil dieses Steilrandes zwischen Rohr, Mussberg, Leinfelden und Unteraichen wird ganz von weissem Keuper ge- bildet. Mitten im Dorfe Rohr liegt ein Steinbruch im weissen Keuper, und die Höhen über Unteraichen und Leinfelden sind - 267 - gekrönt von ähnlichen Steinbrüchen, deren Abraum auf den Lias der Filder herabrollt! Weiterhin erhebt sich der Höhenzug noch mehr, er ist nicht mehr von Nadelwald, sondern von Laubwald bedeckt, denn über dem Keuper liat sich dort der Lias aus- gebreitet. Dieser Theil des Höhenzugs beginnt mit der Feder- lensmad, Echterdingen gegenüber. Der höchste Punkt dieses Berges, von Malmstein gebildet, liegt 170 Fuss höher als der Arietenkalk in Echterdingen. Von hier setzt nun der Höhen- zug fort über Weidach, die Höhen über Hof und Plattenharüt bis zum Uhlberge zwischen Neuhaus und Bonlanden, stets von Malmstein bedeckt. Wir haben also aus dem Neckarthaie heraufsteigend, den weissen Keuper, die rothen Mergel mit dem gelben harten Sand- stein, überragt von dem Lias a. bis zum Malmstein, lauter Schichten, welche über der Filderebene wieder fortsetzen. AVir haben daher eine Verwerfung vor uns, eine Verwerfung, welche dem Steilrande über den Fildern folgend, in ganz gerader Linie, von Rohr über Unteraichen , Leinfelden , am Fusse der Feder- lensmad vorbei, über Stetten , Hof, Plattenhardt hinläuft und im Rombachthale (die Rombach ein Nebenfluss der Aich) abfällt. Einen weiteren Beweis für diese Verwerfung finden wir in der Steilwand des Muschelkalks, welche sich bei Münster hoch über das Niveau des Neckars erliebt, während nicht weit davon am Kurgebäude in Cannstatt der Muschelkalk erst in einer Tiefe von 166' erbohrt wurde. Ebenso haben Bohrversuche gezeigt, dass die Lettenkohle bei Berg 117', bei Stuttgart 147' unter der Thalsohle liegt. (Jahreshefte XIH. S. 131.) Diese Niveau- Differenz ist so bedeutend, dass sie sich entfernt nicht durch das Einfallen der Schichten erklären lässt, es bleibt vielmehr nur die Erklärung übrig, dass das Stuttgarter Thal mit der Filder- ebene eingesunken ist. Bei Münster haben wir somit wieder eine Verwerfungslinie. Verfolgen wir dieselbe, so zieht sie sich in ganz gerader Linie über Untertürkheim, Uhlbach, Serach un- terhalb Kimmichsweiler und oberhalb Zell und Altbach vorbei, bis nach Plochingen und trennt die oben genannte Vorterrasse des Schurwaldes von der Hochfläche desselben ab. - 268 - Der über die Filderebene hervorragende liasbedeckte Höhen- zug ist aber nur der äusserste Rand einer weiten Liasebene, welche mit diesem in durchaus übereinstimmender Lagerung sich zwischen der Rinne des Schaichbaches und dem oberen Würm- thale ausdehnt. In ihrem östlichen Theile ist die Ebene viel- fach von Thälern durchschnitten. Der Höhenzug der Filder ist abgetrennt von der Liasebene von Steinenbronn, durch das Thal des Reichenbach und diese beiden Höhen trennt wieder die Aich von der Liasebene ab, welche sich von Weil im Schönbuch zwischen Dettenhausen und Waidenbuch über den Bezenberg gegen Neuhaus hinzieht. Gegen Westen aber ist die Liasebene zusammenhängend und bildet wiederum Filder in der Gegend von Holzgerlingen, Altdorf, Hildrizhausen und dem Schaichhof. Haben wir schon von der Filderebene hervorgehoben, dass sie zum grösseren Theil von Malmstein bedeckt ist, so gilt diess noch viel mehr von dieser Ebene, die mit Ausnahme von einigen ganz kleinen Stellen von Malmstein gebildet ist. Das Liegende dieser Ebene bildet wiederum der oberste Keuper, wie man sich bei Steinenbronn, bei der sogenannten Schlösslensmühle, bei Weil im Schönbuch, bei Holzgerlingen u. s. w. leicht überzeugen kann. Der weisse Keuper bildet bei Schönaich, Neuweiler, Brei- tenstein ein Plateau, das sich gegen Waidenbuch hinzieht und von allen Seiten von Liasrändern überragt wird. Mit diesem Plateau in übereinstimmender Lagerung setzt der weisse Keuper gegen Nordost fort und bildet das bewaldete Gebirge zwischen Böblingen , Sindelfingen , Leonberg und der Filderebene. Der Theil des Höhenzuges dÄ Filder zwischen Rohr, Mussberg, Leinfelden und Unteraichen ist nichts anderes , als das Heran- treten dieses Gebirges an die Filderebene. Ueberragen diese Berge die Filderebene, so muss diess um so mehr der Fall sein beim Liegenden derselben. Li der That er- heben sich diese Berge über das Plateau der Solitude und bilden so eine Fortsetzung des Steilrandes^ den wir oben von Bonlanden bis Rohr verfolgt haben. In der Gegend des Katzbacher Hofes überzeugt man sich noch deutlich von dem Vorhandensein der Verwerfungslinie. - 269 - Zwischen Hildrizhausen und dem Schaichhof und weiterhin auf dem rechten Ufer des Schaichbaches erhebt sich das Gebirge noclinials, es ragt auf der ganzen Linie der Keuper, vom Schaich- hof abwärts- mit Lias bedeckt, über die Ebene liervor. Steigen wir abermals eine Stufe hinauf, so stehen wir wiederum auf einer weiten Liasebene, welche sich zwischen Schaichbach, Aich und Neckar ausdehnt, die sich von Nürtingen über Schlaitdorf, Walddorf, Einsiedel, Pfrondorf und Waklhausen, Eckberg und Ochsenschachen hinzieht und deren äusserste Ausläufer der Lias in der Gegend von Hagelloch, die liasbedeckten Höhen des Kohlhaus bei Bebenhausen, des Sauerschlatts und Bannwaldes beim Schaichhof bilden. Weiterhin setzt der Lias ab gegen den obersten Keuper. Die Höhen des Birkensees, des Eschach- waldes, des Kirnberges, der Appelenshalde sind von den rothen Mergeln mit dem gelben harten Sandstein gebildet. Unter diesen Höhen breitet sich der weisse Keuper aus. Er bildet die Höhen über dem Lias bei Hildrizhausen , die Lindach , den Herrenberger Stadtwald, den Denzenberg und Dikenberg, die Höhen über Breitenholz und Entringen. Mit dieser Ebene zwischen Schaich- bach und Neckar haben wir denn nun auch die grosse Liasebene erreicht, welche sich von hier an ungestört den Neckar über- springend bis an den Fuss der Alp ausdehnt. — In ihrem geo- logischen Ckarakter ist aber unsere Ebene sehr verschieden von der, welche sich auf dem rechten Ufer des Neckars ausdehnt. Wir finden in ihr nicht die ansteigenden Terrassen des Lias, nicht den weitverbreiteten Horizont des Arietenkalkes, der ein- förmige Charakter ihrer von Malmstein gebildeten Oberfläche, schhesst sie vielmehr an die oben genannten Ebenen an. Das Liegende dieser Ebene bildet wieder der gelbe harte Sandstein (Pfrondorf, Waldhausen, Nürtingen), mit den rothen Mergeln. Aus dem Gesagten geht nun schon hervor, dass wir, da wo die Ebene zwischen Schaichbach und Neckar gegen die Ebene von Holzgerlingen absetzt, eine Verwerfungskluft haben. Will man allgemein den Verlauf derselben bezeichnen, so ist das leicht: sie geht durch das Ort Hildrizhausen, am Schaichhof vorbei und folgt im Ganzen dem Schaichbach. Aber der genauen Be- - 270 - Stimmung des Verlaufs der Verwerfungslinie setzen sich ausser- ordentliche Schwierigkeiten entgegen. Während diess bei den beiden weiter oben angeführten Verwerfungen durch das offene Terrain so sehr erleichtert wurde, verhindert hier 4er dichteste Wald jeden Ueberblick und gewährt nur die sparsamsten Auf- schlüsse. Dazu kommt noch, dass am Fusse des Steilrandes sich eine mächtige Lehmbilduug ausdehnt und endlich, was weit schlimmer ist, dass bei der Verwerfung stellenweise grosse Stücke des Berges herabgerutscht sind. Der Steilrand zwischen Hildrizhausen und dem Schaichhof z. B. ist von oben bis unten von den rothen Mergeln und den Trümmern der gebrochenen Bänke des gelben harten Sandsteins bedeckt, daher man hier den auf seiner Rückseite so markirten Absatz des weissen Keupers gar nicht mehr findet. Dem Schaichhof gegenüber zieht sich die Liasdecke des Ochsenschachen ununterbrochen bis in das Thal herunter, und erst Weil im Schönbuch gegenüber scheint der Lias wieder seine normale Lage zu haben. Uebrigens kann man einige Punkte der Verwerfung mit aller Bestimmtheit bezeichnen. Der äusserste Punkt, den ich kenne, liegt einige Schritte links ab vom Weg, welcher von Hildrizhausen nach Ehningen führt, in dem Punkte, in dem dieser den Lias ver- lässt. Dort liegt der weisse Keuper in dem Horizonte des Malm- steins. Der nächste Punkt, den man mit aller Sicherheit kennt, ist am Fusse des Kirnbergs, wo der weisse Keuper scharf gegen die Liasebene absetzt. Am Fusse des Kirnberges noch im weissen Keuper entspringt die Wurm, folgen wir ihrem Lauf, so verlässt sie einige Schritte unterhalb ihres Ursprungs den Keuper, um über den Lias a hinabzulaufen, den sie ebenfalls bald wieder verlässt, um ihr Bett in das oberste Keuperglied einzugraben. Ein wei- terer Punkt der Verwerfungslinie, freilich nicht so deutlich als der vorhergehende, liegt auf dem Wege von Altdorf auf den Eselstritt. Von da tritt die Linie in das Thal des Schaichbaches, lässt sich aber nur bis zum Fuss des Ochsenschachen verfolgen. Deutlich erkennen wir die Verwerfung erst wieder im Bette des Schaichbaches bei Weil im Schönbuch, von wo dieselbe dem Thale folgend über Dettenhausen hinzieht. - 271 — Auffallend ist das rasche Abnehmen der Höhe der Ver- werfunp^ Ueber den Lias bei Altdorf erhebt sich der gelbe harte Sandstein im Eschachwald 320' und im Birkensee 268'. An der Hensteige oberhalb Weil im Schönbuch liegen die Tha- lassitenbänke nur noch 100' höher als die Rohplatten in Weil im Schönbuch, und noch geringer ist die Niveau-Differenz zwischen dem Eckberg und Äem höchsten Punkt der Strasse zwischen Dettenhausen und Waidenbuch. Weiterhin nimmt die Verwerfung immer mehr ab und in der Gegend von Aich habe ich kein Hervorragen des Lias auf dem rechten Ufer der Schaich über den auf dem linken mehr wahrnehmen können. Auf dem Fusswege vom Schaichhof nach Tübingen ist na- mentlich die tiefe Lage des Lias im Bannwald und Sauerschlatt und in der Gaishalde auffallend. Ueber diese Verhältnisse dürften in der dichtbewaldeten Gegend , welche allen Ueberblick über das Terrain unmöglich macht, nur ausgedehnte Messungen zu sichern Resultaten führen. Wir haben somit vier Liasebenen unterschieden: die Hoch- fläche des Schurwaldes, die Filderebene im weiteren Sinne des Worts, zwischen Schurwald und Schönbuch, dieEbene von Steinen- bronn, Holzgerlingen , Schaichhof und die Ebene von Walddorf, Pfrondorf. Da alle diese Ebenen von Malmstein gebildet werden, da überall der oberste Keuper ihr Liegendes bildet^ sie aber gleichwohl terrassenförmig übereinander liegen , so haben wir daraus geschlossen, dass sie durch Verwerfungslinien getrennt sind. Wir haben drei Verwerfungslinien bezeichnet, die eine zwischen Münster und Plochingen, die zweite zwischen Rohr und Bonlanden, die dritte bei Hildrizhausen beginnend, am Schaichhofe vorbei dem Schaichbache folgend. Das Gebirge zwischen Schaich und Neckar scheint normal zu liegen , wie auch der Schurwald, ihre liasbedeckten Hochflächen gehören der grossen Ebene an, welche sich am Fusse der Alp ausdehnt, zwischen ihnen ist das Land in den oben bezeichneten Ebenen treppenförmig eingesunken. Betritt man irgendwo die grosse Liasfläche, welche sich zwischen dem rechten Ufer des Neckars und der Alp ausdehnt. - 272 - so darf man sicher sein, nach kurzem "Wege über den Malmstein den Arietenkalk zu treffen, er bildet einen sicheren Horizont, der nirgends fehlt. Ganz anders ist es in dem Gebiete auf der linken Seite des Neckars. Hier finden wir den Arietenkalk ver- hältnissmässig sehr selten und nirgends weitverbreitet, sondern immer nur in ganz geringer Ausdehnung auf den Raum eines oder weniger Steinbrüche beschränkt, und f\'eiterhin dehnt sich der einförmige Malmstein aus, der, meist mit Lehm bedeckt, den fruchtbaren Filderboden bildet. Den khirsten Einblick in die eigenthüailichen Lagerungs- verhältnisse des Arietenkalks gewährt dessen Vorkommen bei Walddorf. Dort ist in der Ebene ein flaches Thal , die um- gebenden Höhen bei Hässlach^ am Fuchswasen und in der Richtung gegen den Einsiedel sind alle von Malmstein gebildet, in der Sohle des Thaies aber liegt der Arietenkalk, der als ein schmaler Streifen etwa eine Viertelstunde lang der Landstrasse von Walddorf nach Tübingen folgt. (Profil L) Nahezu an dem höchsten Punkte dieser Arietenkalkablagerung finden wir die Numismalismergel, ohne dass sich jedoch entscheiden lässt, ob darunter der Lias ß liegt oder nicht. Wo in der Malmsteinebene der Arietenkalk auftritt, da finden wir mit ihm das Wasser. Walddorf verdankt seine reich- liche Menge von Trinkwasser dem Arietenkalk, aus dem unter- halb des Orts der Mühlbach abfliesst und auf dem vor dem Ort der sogenannte Feuersee liegt, ja in der Sohle des Thaies hat das hervordringende Wasser die Anlage eines Steinbruchs unmöglich gemacht. Ganz in der Nähe finden wir den Arietenkalk wieder, auf dem Fusswege von Walddorf nach Pfrondorf, in der sogenannten Eichenfürstklinge. Am Wege vereinigen sich dort zwei Wald- bäche, der Vereinigungspunkt liegt auf dem gelben harten Sand- stein, aber einige Schritte aufwärts fallen die Bäche über Pflaster von Gryphäen und Arieten, während hoch über dieser Stelle der Ursprung des Baches im Malmstein liegt. Weitaus die bedeutendste Ablagerung von Arietenkalk finden wir in dem Thale von Bebenhausen. Das ganze Thal ist ein - 273 — grosses Tiümmerfeld , wie ein weiter aber überwachsener Stein- bruch. Folgen wir dem Wege von Lustnau nach Bebenhausen, am Goldersbache hin, so finden wir am letzten Umrange der Strasse vor Bebenhausen im Goldersbache eine Platte von Arie- tenkalk, die hier im Horizont des grünen Keupersandsteines liegt. Weiterhin am Bach, oberhalb Bebenhausen, finden wir die obersten Schichten des Lias a, ßelem. primus und Terehr. tripUcata juvenis. Von hier an begleiten uns Bach aufwärts grosse Blöcke der blauen Kalke des Lias a, bis wir an der Stelle wo der Goldersbach sich plötzlich abwendet und von der Gaishalde her ein anderer Bach mündet , die Fsilonotenbank mit dem Malmsteiue finden, sichtlich von der W^aldhäuserhöhe herabgerutscht. Der Bach, welcher von rechts in den Golders- bach mündet, führt uns in seiner Rinne zwischen Heuberg und Gaishalde von unten bis oben über Arietenkalk hinweg, ja auf der Höhe der Gaishalde am Ende der Wasserrinne, findet man sogar Numismalismergel mit grossen Belemniten und verkiesten Ammoniten. Kehren wir wieder zurück in das Thal. Der Weg führt uns gleich unten über weissen Keuper, der entschieden von der linken Seite herabgerutscht ist, wie die nicht weit davon liegende Fsilonotenbank, .die von rechts herabkam, denn auf der andern Seite des Thaies steht in demselben Horizont der Bau- sandstein. Noch ehe wir die Klostermauern erreichen, finden wir das Feld bedeckt mit Numismalismergel, ja es soll hier schon ein Anummites amaltheus gefunden worden sein. Diese Schichten liegen am Fusse des Jordanberges, gehen wir hinauf, so finden wir am Waldsaum die alten Steinbrüche, welche das Material zum Bau der Klostermauern lieferten, üeber diesen Steinbrüchen ist eine sehr markirte Linie im Walde, sie ist der Horizont der Thalassitenbänke. Sie sind ohne Zweifel auch verrutscht, aber man findet sie in dem dichten Walde oben nicht wieder. Jedenfalls hat man auf der Höhe des Berges den Malmstein und gehen wir in ihm den Weg bergab, so fin- den wir beim Wiedmann'schen Denkmal die Bank des Penfaco-. tuberculaius unter der in neuerer Zeit bei Anlage eines W>ges der Arietenkalk aufgedeckt wurde. Höher als hier und nur WQi-ttemb. naturw. Jahreshefte, 1860. 2s und 3s Heft. 18 _ 274 - einige hundert Schritte entfernt finden wir auf der Höhe der Weihersteige den Malmstein. Die Bänke des Arietenkalkes liegen nahezu horizontal und bezeichnen ohne Zweifel noch die alte Lage des auch hier in einer Vertiefung des Malmsteins ab- gelagerten Arietenkalkes. (Profil 3.) Treten wir vor an den Abfall der Weihersteige, so finden wir da, wo wir den Keii- per vermuthen , den Arietenkalk mit der Bank der Riesenan- gulaten, den schiefen Abhang des Berges bedeckend. Die ent- schieden verrutschten Bänke sind so wenig gebrochen, dass so- gar ein Steinbruch in ihnen angelegt ist. An einer Stelle im Walde finden wir die Bank der Pentacr. tuberculatus tief unter dem Wiedmann'schen Denkmal, wo wir sie oben erwähnten. Am Fusse dieser ziemlich steil geneigten Schichten liegen die dunklen Thone des Lias ß. Kommt man von Walddorf her und hat den dort liegenden Arietenkalk mit dem Numisraalismergel gesehen, so dürfte wohl kaum mehr ein Zweifel bleiben, wie die Trümmerhaufen von Bebenhausen entstanden sind. Der Arietenkalk hat sich auch hier in einer muldenförmigen Vertiefung des Malmsteins abge- lagert und war von jüngeren Schichten^ wenigstens theilweise, bedeckt. Auch hier scheint das Wasser eine bedeutende Rolle gespielt zu haben; der Arietenkalk wurde unterwaschen und senkte sich allinählig in das nun sich bildende Thal. Er wurde theilweise zertrünnnert wie die Stücke im Goldersbache beweisen, theils kamen aber auch die Schichten ungebrochen in die schiefe Lage und entleerten dann die auf ihnen liegenden jüngeren Schichten in das Thal. Ohne Zweifel sind die Verstürzungen im Steinriegel und die Veriutschungen des weissen Keupers am Fusse der Fohlenweide nichts anderes , als die Folge ähnlicher Unterwaschungen. Zwei weitere sehr interessante Ablagerungen von Arieten- kalk finden wir auf der Verwerfungslinie des Schaichbaches beim Schaichhof und bei Hildrizhausen. Folgen wir der alten Strasse, welche von Bebenhausen über den Ochsenschachen nach dem Schaichhof führt. Auf der Höhe des Ochsenschachen finden wir die Sandkalke mit den Thalassiten und über ihnen die Sandplatten - 275 - des Malmsteins. Diese Schichten begleiten uns den ganzen Berg hinunter, aber noch ehe wir unten den Bach erreichen, der nach kurzem Lauf in den Schaichbach mündet, finden wir den Arietenkalk, dessen stark geneigte Schichten auf dem Berg- abhange liegen. Zwischen dem eben genannten Bache und dem Schaichbache liegt er horizontal und jenseits des Schaich- baches überkleidet er wieder in schiefer Lage den Abhang des Plateaus, stellenweise ganz bedeckt mit den Stielgliedern des Pentacr. tuherc. Steigen wir hinauf auf das Plateau bis in die Höhe des Schaichhofes, so sind wir hier wieder im Malmstein, unter uns Hegt der Arietenkalk, von den 2 Bächen durchfurcht und auf der andern Seite erhebt sich der malmsteinbedeckte Ochsenschachen, rechts hoch über uns der Birkensee und der Eschachwald/ deren Höhen der oberste Keuper bildet. Hildrizhausen liegt auf einem ziemlich grossen Arietenfelde, das in der Richtung gegen Altdorf und gegen Ehningen von Malmstein überragt wird. Gegen Süd und Südwest geht der von Hildrizhausen nach allen Seiten ansteigende Arietenkalk vollständig in den ansteigenden weissen Keuper über, kein Absatz bezeichnet die Grenze, und ohne es zu bemerken, ge- langt man vom Arietenkalk auf den weissen Keuper (Profil 2). Gegen Südost liegen auf dem Arietenkalk am Fusse des hier steil ansteigenden Kirnberges die Thone des Lias ß, ja es sollen dort auch die Numismalismergel liegen. An der Strasse, welche von Dettenhausen nach Walden- buch führt, finden wir wieder den Arietenkalk. Kaum ist man auf der Strasse über den höchsten von Malmstein bedeckten Punkt hinweg, so findet man linksab einen Steinbruch im Arietenkalk. Der bedeutenden Mächtigkeit des dort liegenden Arietenkalkes nach zu schliessen, sollte auch die Ausdehnung nicht ganz unbedeutend sein; allein der Untersuchung hierüber setzt der Wald bald eine Grenze. Eine dünne Bank von Arietenkalk finden wir rechtsab von der Strasse von Waidenbuch nach Echterdingen, auch über diesen Arietenkalk erhebt sich der Malmstein bis zum höchsten Punkt der Strasse. — 276 — Weit ausgedehntere Ablagerungen von Arietenkalk als auf den bisher genannten Ebenen, finden wir auf den Fildern. Die bedeutendste und bekannteste dieser Ablagerungen ist in der Umgegend von Vaihingen und Möhringen, die sich bis an den Fuss des Steilrandes bei Rohr hinzieht, v,o wir liart vor dem Orte und an den ersten Häusern desselben die Trümmer von Numismalismergeln finden. Wir haben schon oben darauf hin- gewiesen, in welcher Beziehung der Arietenkalk zur Thalbildung steht; wie bei Hildrizhausen das Würmthal, so beginnt hier das Nesenbach- und Körschthal. Folgen wir von Rohr dem Steilrande, so verlässt uns bald der Arietenkalk, wir bleiben von hier bis an den Fuss der Federlensmad im Malmstein und finden auf der ganzen Strecke keine Spur von jüngeren Gliedern. Erst zwischen Leinfelden und Echterdingen steigt der Arieten- kalk wieder an und bildet den Höhenzug zwischen Echterdingen und Bernhausen. Dieser grossen Ablagerung von Arietenkalk, welche sich von dem ebengenannten Höhenzuge stark abfallend bis an den Fuss des Steilrandes hinzieht, entsprechen auch grosse Ablagerungen jüngerer Scliicliteii, welche hier stets an den Steilrand angelehnt sind. Haben wir zwischen Rohr und Leinfelden die jüngeren Schichten nicht finden können, so treten sie sogleich mit dem Arietenkalke am Fusse der Federlensmad auf, hier finden wir an der Strasse nach Tübingen den Lias ß und y. AVciterhin am Steilrande stehen die untersten Häuser von Stetten schon auf NumismaHsmergel, der obere Theil des Orts auf Amaltheenthon und auf dem Felde zwischen Stetten und Weidach hegen die Fosidonienschiefer nach oben mit Bruch- stücken des Amm. jurensis. Zwischen Hof und Stetten, an dem gemeinschaftlichen Kirchhof, ist ein nicht unbedeutender Stein- bruch in den Numismahsbänken. In dem Abraum findet man Amm. Jamsoni, Terebr. numismaHs , tritt man der Wand des Bruches näher, so kann uns die Pentacrinitenbank nicht ent- gehen und darüber sind die gefleckten Mergelkalke des A^nm. Davoei. An diesem Steinbruch vorbei fülnt der Weg nach Stetten, der uns den schönsten Aufschluss gewährt. Neben dem Steinbruche liegen links an der Strasse die Zwischenkalke, - 277 ~ über ihnen der Amaltheenthon mit paxillosen Eelenaniten und dem Amm. amaWieus. Nach oben stellen sich wieder die Po- sidonienschiefer mit den Stinksteinen ein, ja über denselben wird man ein Bruchstück des Amm. jurensis nicht vermissen, ehe man aus dem obersten Ligis in den Malmstein kommt, der wie- der die Höhe des Berges bildet. Aber diese bedeutende Ent- wicklung des Lias dauert nicht lange, schon über Hof findet man keinen Amm. jurensis mehr, und zwischen Posidonien- schiefer und Malmstein greifen die rothen Mergel des obersten Keupers Platz, ja zwischen Hof und Plattenhardt hat man links am Wege nur noch Numismalismergel und Amaltheenthon. Dies ist der letzte Punkt an dem Höhenzug, an welchem sich jüngere Liasschichten finden und weiterhin ist alles Suchen ver- geblich, denn wwiQw auf der Ebene ist nicht mehr der Arieten- kalk, sondern der Mahnstein, der wieder das Feld von Platten- hardt, Bonlandcn und Sielmingen bildet. So sehen wir auch auf den Fildern das Vorkommen der jüngeren Liasschichten stets an das des Arietenkalkes gebunden. Eigenthümlich in ihrem Auftreten ist, dass sie auf den Fildern rechts und links vom Neckar stets an den die Ebene über- ragenden Höhenzug angelehnt sind, denn wie hier auf der lin- ken Seite des Neckars die Schichten an den Schönbuchrand, so sind sie dort an den Schurwaldrand angelehnt. Haben wir auf der linken Neckarseite den ganzen Lias nachgewiesen, so finden wir auf der rechten bei Kimmichsweiler sogar noch den Br. Jr. «. Dieser Lias hat aber keineswegs die Mächtigkeit, wie am Fusse der Alp, er erreicht vielmehr kaum V^ der dortigen Mächtig- keit. Endlich drängt sich uns die Frage auf, ob der Arieten- kalk auf den Fildern auch in muldenförmigen Vertiefungen des Malmsteins abgelagert sei. Die bedeutende Ausdehnung des Arietenkalks , der Mangel an Aufschlüssen im Malmstein er- schweren die Entscheidung der Frage ausserordentlich. Geht man vom Rande einer der oben angeführten Arietenkalk- ablagerungen dem Steilrande zu , z. B. von Vaihingen nach Rohr, von Echterdingen nach Stetten , so kommt man, ob- gleich sich das Terrain sehr stark senkt, in immer höhere — 278 — Schichten. Vaihingen steht auf den harten Bänken des Arieten- kalkes und doch bricht man viel tiefer zwischen Vaihingen und Rohr die Monotisschiefer. Echterdingen steht ebenfalls auf Arietenkalk, dessen oberste Schichten man viel tiefer an dem Wege nach Plattenhardt bricht. Diese Niveaudifferenz ist viel zu bedeutend, als dass sie eine Folge des Fallens der Schiebten sein könnte. Wo der Arietenkalk nicht am Fusse des Steil- randes liegt, da tritt auch der Malmstein der Ebene horizontal an denselben heran. Wir sehen uns also auch hier zu der Annahme hingedrängt, dass sich der Arietenkalk der Filder, wie an den oben beschriebenen Localitäten, in Vertiefungen des Malmsteins abgelagert habe. Diese Annahme wird noch weiter unterstützt, wenn wir hinzusetzen, dass der Arietenkalk in ge- ringerer Ausdehnung noch an manchen Funkten der Filder (Fasanenhof, Strasse von Bernhausen nach x\ich) in Vertiefun- gen des Malmsteins abgelagert ist, was man bei der geringen Ausdehnung der Ablagerungen mit aller Bestimmtheit sehen kann. Wir haben die Erklärung der abweichenden Lagerungsver- hältnisse des Malmsteins in der Annahme von Verwerfungen gefunden. Wie aber erklärt sich das vereinzelte Vorkommen des Arietenkalkes und der jüngeren Schichten? Es haben sich zur Erklärung dieser räthselhaften Lagerungs- verhältnisse zwei weit von einander abweichende Ansichten ge- bildet. Die eine derselben nimmt Bodenerhebungen an, welche Ke'uperinseln in dem Liasmeere bildeten, und bezeichnet diese Erscheinungen als alte Uferbildungen. Was aber können diese Bodenerhebungen anders sein, als die durch die Verwerfung entstandenen Steilränder am Schurwald, Schönbuch und auf dem rechten Ufer der Schaich? Diese Steilränder sind aber, wie wir oben gesehen haben, das Resultat einer Verwerfung, die nach der Ablagerung des Malmsteins stattgefunden hat. Wenn also diese Ansicht von Keuperinseln im Liasmeere spricht, so kann sie hierunter nur Berge verstehen, welche zwar der grossen Masse nach aus Keuper bestehen, aber auf ihrem Scheitel den Malmstein tragen , den Malmstein , der auch den Grund des Meeres bildete. Wenn sie von einem Liasmeere spricht, in - 279 - dem diese Berge Inseln bildeten, so kann darunter nur das Meer verstanden sein, das den Arietenkalk und die jüngeren Schichten ablagerte, denn der Malmstcin , alle diese Berge be- deckend, muss auch aus einem Meere abgelagert sein, das über allen diesen Bergen stand. Die andere Ansicht sucht diese Erscheinungen durch gross- artige Denudationen und vorhergehende Verwerfungen zu er- klären. Sie geht zwar auch , wie die obige Ansicht, von Ver- werfungen aus, aber nach ihr haben dieselben eine Zertrümmerung der über dem Lias a abgelagerten Liasschichten sammt dem braunen Jura a und nahezu vollständige Denudation derselben eingeleitet. Sie zeigt w^eiter, wie diese Katastrophe der Einsen- kung mit einer bedeutenden Stauung und Aenderung im Laufe der Gewässer verbunden gewesen sein müsse, die dann das ganze leiclit angreifbare Thonlettengebirge des Lias und braunen Jura ci zerstört hätte und erst der widerstandsfähige Lias cc habe der weitergehenden Zerstörung ein Ziel gesetzt. An eini- gen Punkten hätten sich jüngere Schichten, angelehnt an den Keuperrücken und durch diesen geschützt, erhalten. Sind wir in dieser letzteren Ansicht, wie wir schon oben gezeigt haben, vollständig einverstanden mit der Annahme von Verwerfungen (nicht mit der Zeit, wann diese stattgefunden haben sollen), so sind wir es doch keineswegs mit den Schlüssen, welche daraus gezogen werden. Der Lias sammt dem braunen Jura a soll die ganze vor der Verwerfung ungebrochene Fläche zwischen Alp und Schurwald bedeckt haben, und dieses wenig- stens 400' mächtige Gebirge soll spurlos weggewaschen und das Resultat dieser ungeheuren Denudation eine Reihe der ausgezeichnetsten Ebenen, darunter z. B. die Filderebene sein. Erst die widerstandsfähigen Glieder des Lias a sollen der weitergehenden Zerstörung eine Grenze gesetzt haben. Auch hier müsste man annehmen, dass der gewiss widerstandsfähige Arietenkalk von dem grössten Theile der Filder, von der ganzen Ebene von Holzgerlingen und der Ebene Walddorf- Pfrondorf weggewaschen sei, denn wir haben schon oben angeführt, dass diese Ebenen zum grössten Theil von Malmstein und nicht von - 280 - Ärietenkalk gebildet weiden. Die Zertrümmerung so ausge- dehnter und so mächtiger Kalkbänke pflegt sonst auch ent- sprechende Massen von Geschieben zurückzulassen , aber wo finden wir diese in unserem Gebiet? Ist etwa die Ebene am Fusse der Alp damit bedeckt? Die jüngeren Liasschichten haben sich angelehnt an den Keuperrücken erhalten, warum finden wir dort nicht unter demselben Schutze weggewaschene Trümmer dieser Schichten? Musste nicht vielmehr an diesem Steilrande die zerstörende Wirkung «des Wassers eine viel be- deutendere sein? Wenn die Folge der Verwerfung eine Zer- trümmerung des Lias war, so denken wir uns diese vor allem bedeutend auf der Verwerfungskluft, aber gerade hier und, wie diese Ansicht meint, nur hier, haben sich die ungebrochenen und nahezu horizontalen Liasschichten erhalten. Darum wollen wir aber nicht läugnen, dass da und dort eine Liasfläche durch die Erosion des Wassers zerstört wurde. Sehen vrir uns einmal um nach einer solchen Stelle, das Studium derselben soll uns lehren , wie ein Terrain aus- sieht, dessen Liasdecke zerstört wurde. Wir brauchen nicht weit zu gehen, das Gebirge zwischen Böblingen, Mussberg und Rohr bietet uns Gelegenheit. Dieses Gebirge , das jetzt aus weissem Keuper besteht, war ohne Zweifel von Lias a bedeckt. Wir nehmen diess aber keineswegs an, weil etwa die nachbar- liche Filderebene, welche früher in einem Niveau mit diesen Bergen stand, von Lias bedeckt ist, und andererseits die Lias- ebene von Holzgerlingen in einem steilen Rande gegen diese Berge absetzt, also der Gedanke an einen ehemaligen Zusam- menhang nahe liegt, sondern weil wir in diesem Gebirge die grossartigsten Trümmerhaufen der zerstörten Liasdecke finden, Trümmerhaufen, die über 100 Morgen gross den Boden be- decken. Die bedeutendste Ausdehnung erreicht der Lias auf dem Wege von Mussberg nach Böbhngen, wo so bedeutende Trümmer des Malmsteins und der Psilonotenbank liegen, dass früher sogar in denselben ein Steinbruch angelegt war. Diese Bänke sind aber nicht nur gebrochen und durcheinander ge- worfen, sondern sie liegen auch noch auf v»eissem Keuper, also - 281 - gar nicht mehr auf der Stelle, an welcher sie abgelagert wurden. Wenige Schritte davon liegen die obern rothen Keupermcrgel und bilden das sog. rothc Steigle. An der PfafTensteige, auf dem alten Wege von Böblingen nach Vaihingen , in der sog. Finsterinlinz, finden wir einen grossen Steinbruch im Arieten- kalk, der zwar jetzt nicht mehr ausgebeutet wird, aber der Platz ist noch heute ein schöner Fundort für plattgedrückte iVrieten aus den Mouotisschichten. Ein weiterer Punkt ist nordöstlich von Schönaich in einem tiefen Keuperthale, dessen Sohle ganz übersät ist mit Brocken des Arietenkalkes , die man doi't eben- falls als Strassenmaterial herausgrabt. Ohne Zweifel finden sich noch viele solche Punkte in den Thälern dieser dichtbewaldeten Gegend. Wie ganz anders sehen diese Trümmer einer durch die Wirkung des Wassers zerstörten Liasdecke aus, als die Schich- ten, welche wir in regelmässiger Folge über dem Arietenkalk der P^ilder finden. Während diese horizontal an den überragen- den weissen Keupersandstein angeleimt, den Eindruck einer nie gestörten Ruhe machen, sind jene wild durcheiiuuider geworfen, zerrissen, liegen in einem Thale des weissen Keupers, in das sie bald in ihrer ganzen Masse herabgerutscht, bald in einzelnen Brocken herabgestürzt sind. Das Wasser hat die Liasdecke zerstört und nicht eine ausgezeichnete Ebene wie die Filder, sondern vielmehr ein vielfach von tiefen Thälern durchfurchtes Terrain zurückgelassen. Der Hauptunterschied zwischen den beiden oben angeführten Hypothesen liegt in der Annahme der Zeit der Verwerfungen. Während die eine davon ausgeht, dass dieselben unmittelbar nach der Ablagerung des Mabnsteins und vor der Ablagerung der jüngeren Liasschichten stattgefunden haben, verlegt die an- dere Ansicht dieselben erst in die Zeit nach der Ablagerung des Lias luid braunen Jura «; nach der einen Ansicht entstand durch die Verwerfung dieses eigenthümlich gebrochene Terrain, in dem sie die Ursache der nachfolgenden inselförmigcn Ab- lagerung der jüngeren Liasschichten findet^ die andere Ansicht dagegen sieht diese Verwerfungen als die zerstörende Ursache - 282 - der schon abgelagerten Liasschichten an, und betrachtet die jetzt aufgefundenen inselförmigen Liasablagerungen als die letzten Ueberreste einer grossen , ehemals weitverbreiteten , nun aber denudirten Formation. Alles konmit daher auf die Bestimmung der Zeit der Verwerfung an. Wenden wir uns nochmals dem Arietenfeld von Hildrizhausen zu. Wir kommen von Altdorf her und gehen auf der Strasse nach Herrenberg durch das Ort Hildrizhausen hindurch, nahezu senkrecht zur Verwerfungsspalte des Schaichhofes über das Arietenfeld hinweg. Einige hundert Schritte vor dem Ort ver- lassen wir den Malmstein, welcher uns von Altdorf herüber be- gleitet hat und betreten den Arietenkalk, der hinter dem Orte ansteigend uns unvermerkt auf den weissen Keuper führt (Pro- fil 4). Auf dem ganzen Wege haben wir aber keine Spur der Verwerfungsspalte finden können und doch haben wir sie vom Schaichhof herüber bis an den Fuss des Kirnberges verfolgt und gesehen, dass dieselbe links ab vom Wege nach Ehningen, da wo wir auf derselben den Arietenkalk verlassend in den Malm- stein eintreten, der gegen den weissen Keuper absetzt, wieder auftritt. Sie muss also unter dem Orte Hildrizhausen hinweg- gegangen sein und doch haben wir sie auf dem ganzen Arieten- feld nicht wieder finden können. Der Arietenkalk rauss daher an dieser Stelle übergreifend über die Spalte gelagert sein. Wahrscheinlich ist es ebenso am Schaichhof, allein hier ist die Entscheidung viel schwieriger, weil man dort die Spalte nicht mit derselben Bestimmtheit wieder findet. Wenn aber der Arieten- kalk übergreifend über die Spalte gelagert ist, so muss er sich nach der Verwerfung abgelagert haben , diese uiüsste also vor der Ablagerung des Arietenkalkes und wie wir oben gezeigt haben, nach der Ablagerung des Malmsteins stattgefunden haben. Wir haben uns nach einer Bestätigung dieser Beobachtung umgesehen, und eine solche in den Bergen zwischen Esslingen und Plochingen, der Vorterrasse des Schurwaldes, gefunden. Der Keuper und der Malmstein zeigt auf dieser Strecke nicht ein Fallen gegen die Alp , sondern vielmehr ein sehr starkes Einfallen gegen die Verwerfungslinie. Von diesem Fallen des - 283 - Keupers und Malnisteins kann man sich sehr leicht überall über- zeugen, so z. B. bei Rudern und Esslingen im weissen Keuper, bei Zell und Altbach im Malmstein. Dieses ziemlich starke Einfallen des Keupers und Malmsteins theilt nun der Arieten- kalk keineswegs, er liegt vielmehr horizontal (wenigstens nahezu) auf den geneigten Schichten des Malmsteins (Profil 5). Der Arietenkalk ist also nicht nur abweichend an den Schurwald angelagert, sondern auch in Beziehung auf den Malmstein ab- weichend aufgelagert, er hat somit die Verwerfung nicht getlieilt, und kann sich erst nach ihr abgelagert haben. Haben uns aber unsere Untersuchungen zur Annahme ge- führt, dass der Arietenkalk sich nach der Verwerfung ablagerte, so ergibt sich daraus, dass er auch nicht die ganze Fläche zwi- schen Schurwald und Alp bedeckt haben kann, dass er vielmehr, wie die jüngeren Glieder, deren Auftreten stets an das seinige gebunden ist, eine Lokalbildung sein muss. Wenn sich der Arietenkalk und die jüngeren Schichten auf der gebrochenen Ebene abgelagert hätten, so müssten sie gleichsam die geschla- genen Wunden heilend, die Steilränder längs der Verwerfungs- linie mantelförmig überziehen, sie dürften nicht horizontal gegen den sich erhebenden Keuperrücken absetzen , sondern müssten der geneigten Fläche desselben in ihrer Schichtung parallel, auf derselben liegen, kurz diese Schichten müssten den Steilabhängen aufgelagert und nicht horizontal angelagert sein. Der Arietenkalk und die jüngeren Schichten sind also in unserem Gebiete , wie wir aus den obigen Untersuchungen zu beweisen versucht haben, Localbildungen. Diese Localbildungen aber an dem Ausgehenden einer Formation, abgesetzt aus einem grossen Meere, das den Lias am Fusse der Alp ablagerte, an- gelehnt an Keuperrücken oder Erhöhungen des Malmsteins, die ihrer weiteren Verbreitung eine Gränze setzten, müssen wir uns als Uferbildungen denken. Mit dieser Annahme von Local- bildungen stimmt es nun auch vortrefflich, dass der Arietenkalk immer in Vertiefungen des Malmsteins auftritt. Wie charak- teristisch ist es für Uferbildungen, dass sich der Lias in viel ge- ringerer Mächtigkeit in unserem Gebiete findet, als an dem Fusse — 284 — der Alp, wo er sich als Niederschlag aus offenem Meere ab- setzte. Die grösste Ausdehnung erreichen diese Uferbildungen auf der Filderebene, und es steht diess ganz im Einklang damit, dass die Filderebene, als die am tiefsten eingesunkene, auch den flachsten Theil des alten Ufers bilden musste. Endlich sind solche Uferbildungen durchaus nicht unwahrscheinhch bei einem Meere, dessen Niederschläge sich so ruhig und so wunderbar gleichförmig abgelagert haben. Schhesslich geben wir recht gerne zu , dass wir mit dieser Erklärung nicht die bestimmteste und klarste Anschauung der urweltlichen Verhältnisse verbinden. Wir sind z. B. keineswegs im Stande in der Charte die alten Ufer des Liasmeeres wieder- zugeben und die oben genannten Inseln näher zu bezeichnen, ja wir können auch nicht einmal annähernd die ursprüngliche Lage der Ebenen angeben, auf welchen sich diese Schichten abgelagert haben. Wenn wir aber auch nicht alle Umstände dieser Ablagerung kennen, so bestehen wir doch nichts desto weniger darauf, dass diese Liasschichten das Resultat einer alten Uferbildung sind und nicht die Ueberreste einer zerstörten, aber ehemals weitverbreiteten Liasablagerung. 6. Zwei Neuseeländer in Stuttgart. Von G. V. Martens. Die hiesiojen Naturi'orscher haben das Vergnügen gehabt, den Abend des letzten Mai in der Gesellscliaft von zwei sehr interessanten Gästen zuzn bringen. Prof. Dr. v. Hochstetter hatte die Güte , die mit der Novara nach Europa gekommenen Maori Wirenui (Wilhehn) Toetoe und Heraara (Samuel) Rerehau bei ihnen einzuführen, gutgewachsene Männer mittlerer Grösse und Stärke, die Hautfarbe dunkel isabell, gelber, aber nicht so intensiv, als die der südeuropäischen Landlente im Sommer, mit einigem Fettglanze, wie bei der sammtartigen Haut der Neger, die Backenknochen etwas stärker vortretend, als bei der kauka- sischen Rasse, aber nicht so auffallend, wie bei der mongolischen, bei Chinesen und Japanern, und damit zusammenhängend auch Nase, Profil und Augen den kaukasischen näher verw^andt, als den mongolischen. Augen braun, Haare lang, glatt, kohlsclnvarz und auffallend dicht, so dass Kahlköpfe in Neuseeland vor An- kunft der Europäer etwas Seltenes gewiesen sein müssen; dass dennoch auch der Gegensatz der Kahlköpfe, Grauköpfe, nicht häufig vorkomme, dafür sorgte ihre Kriegs- und Mordbegierde. Unsere Maori sind fashionable Gentlemans, gut europäisch gekleidet, gebildet im Benehmen, nach englischer Sitte grüssend, die Hände schüttelnd und die Gläser anstossend. Beide spra- chefi gebrochen Englisch, Samuel, der jüngere, bedeutend besser als Wilhelm; auch etwas Italienisch haben sie auf der Novara gelernt und in Wien einige Worte Deutsch, z. B. „sehr schön,* und „hoch," was sie uns oft zuriefen. Für den Kaiser von Oesterreich, das kaiserliche Hofieben (sie wohnten in dem „house of the empcror"), für Wien und überhaupt für Oesterreich, so weit sie es kennen lernten, sind sie voll Bewunderung. Vom Theater, namentlich vom Ballet und von der Musik, sind sie entzückt, und besondere Freude machte es' ihnen, auch selbst mit Wienerinnen zu tanzen, wie überhaupt die „wie Milch - 286 — und Blut" Gesichter der deutschen Mädchen beide sehr lebhaft interessirten. Bei Wilhelm scheint die europäische Cultur nicht tief ge- drungen zu sein, sein tätowirtes Gesicht war natürlich der vor- zügliche Gegenstand der allgemeinen Neugierde, einige von uns, welche die aus dem Orient über die Küsten des Mittelmeers verbreitete Tätowirung mit Nähnadelstichen und eingeriebenem Schiesspulver kannten, erstaunten über diese malaische, wohl im Ursprung damit zusammenhängende Tätowirung, die Narben sind höher, intensiver gefärbt, die Zeichnung sehr kunstreich. Von unterhalb der Ohren ziehen sich mehrere schön geschwungene Linien herein , welche theils auf den Wangen , theils am Kinn, besonders niedlich aber auf den Nasenflügeln in geregelten Spi- ralen endigen; die zweite Hauptgruppe von Linien lauft vom Nasensattel aus und verbreitet sich in zwei Zw^eigen nach rechts und links auf der Stirne. Dieses Ornament ist bei ihm nicht vollendet, indem auf der linken Hälfte der Stirne mehrere Linien sich verbreiten, w^ährend auf der rechten Hälfte erst eine einzige gezogen ist. Wilhelm theilte uns mit, dass seine Tätowirung über ein Jahr Zeit Lind Leiden gekostet habe und dass er wohl in diesem unvollendeten Zustande sein Leben, dahinbringen werde. Jeder einzelne Punkt der Zeichnung ist die Narbe einer kleinen Wunde, die mittelst eines aus Obsidian geschliffenen pfriemen- artigen Meiseis und eines kleinen Hammers eingeschlagen und dann mit einem ätzenden und bläulich färbenden Pfianzensaft imprägnirt wird. Es vrerden immer nur w^enige Punkte auf ein- mal gemacht, da je nach der Zahl derselben ein schwächeres oder stärkeres AVundfieber eintritt, so dass erst nach einigen Tagen mit der Operation fortgefahren w^erden kann; allein diese Schwierigkeiten und Leiden erhöhen des zu ihrer Ertragung er- forderlichen ausdauernden Muthes wegen den Werth dieser das Anmalen der Nordamerikaner vertretenden Zeichnung, die zu- gleich ein Abzeichen ist, durch welches sich die verschiedenen Stämme von einander unterscheiden. * * Bei einem Besuch im K. Naturalienkabinete, in welchem den Gästen ein durch Baron v. Ludwig überbrachter getrockneter Neu- - 287 - Mister Samuel , der jüngere , geluJrt schon ganz der euro- päischen Bildung an, er ist nicht tätovvirt und erzählte, seit fünf Jahren eine Schule besucht zu haben, um „making houses^ (die Baukunst) zu lernen. Er ist sehr aufgeweckt und verstän- dig und las uns mit fester klarer Stimme, nicht ohne passende Deklamation, die Rede in der Maorisprache vor, welche er vor dem Kaiser Franz Joseph gehalten hatte imd deren deutsche Uebersetzung er uns mittheilte. Diese Rede und einige weitere Proben gaben uns einen kleinen Begriff von ihrer Sprache; sie ist ungemein reich an reinen Vokalen ^ die meisten Worte gehen auf solche aus und sehr oft folgen zwei bis drei, a-i-u oder a-o unmittelbar auf einander , dieser Zug aller Sprachen warmer Himmelsstriche würde die Maorisprache wohllautend machen, fehlte ihr nicht ausser den Zwischenvokalen ä, '6, ü, wie solches bei den süd- deutschen Dialekten im Gegensatze zu den gallischen der Fall ist, auch die weichen Consonanten b, d, und träte nicht dafür der Spiritus asper, unser h und ch, noch häufiger und härter, als in dem Spanischen auf, beinahe an den Berner Dialekt er- innernd ; sehr häufig kommt auch der dumpf zischende Consonant vor, für welchen unser Alphabet keinen Buchstaben hat, das griechische das a>^ das englische ein th. Die Verstärkung eines iVusdrucks geschieht nicht wie im Italienischen und Spanischen durch Majorativa, sondern echt malaisch, wie in geringerem Grade im Französischen, durch Verdopplung oder selbst mehrfache Wiederholung des Wortes, so wurde das Tenakoe, „v^ir grüssen Dich," in der Anrede an den Kaiser viermal hinter einander wiederholt. Auch ein maorischer Gesang wurde uns vorgetragen; es erregte allgemeine Heiterkeit, als Mister William, um zu singen, den Rock auszog, als er aber begann, wurde Allen klar, warum ; er klatschte laut mit den Händen, sie gegen einander und auf Seeländerkopf gezeigt wurde, erkannte Toetoe nach aufmerksamer Be- trachtung an der Art der Tätowirung den Ngatiawa- Stamm, in der Taranaki-Gegend , Nordinsel, auf der südwestliclien Spitze von Neu- seeland. Krauss. • - 288 - beide Schenkel schlagend , verdrehte den Kopf in allen Rich- tungen nnd brachte dabei ein kurzabgebrochenes Gekreisch her- vor, das nur mit dem Castagnettenspiel der Südeuropäer, besser noch mit dem Fauchen einer wilden Katze verglichen werden kann; es schien mir wirklich den Angriff eines wilden Raub- thiers vorzustellen; zu dieser Begleitung sang Samuel kurze Strophen eines äusserst melancholischen und monotonen Liedes, welches mich lebhaft an den Siegsgesang von Nukahiwa erin- nerte, welchen Langsdorf beschrieben und durch Noten darzustellen versucht hat, nur unvollkommen versucht, da unsere Zeichen nicht dafür ausreichen, die Melodie steigt nämlich nicht auf der Leiter ganzer und halber Töne auf und ab, sondern beschränkt sich auf zwei halbe Töne, etwa gis und a oder a und b, imd gleitet durch alle Mittelstufen von dem einen zum andern hinauf und herab, wie es nur auf der Violine nachgeahnjt werden kann. Sehr anziehend war es, auch mitten in ihrem europäisch gesetzten Benehmen die oft wie Wetterleuchten hervortretenden Erinnerungen an den Naturzustand zu sehen ; in der Erwartung, lauter fremde Gesicliter zu sehen, traten sie bei uns ein, da er- blickten sie unsern Oberreallehrer Dr. Blum, der von Ulm an ihr Reisegesellschafter gewesen war und sich mit Wärme ihrer angenommen hatte, und äusserten ihre Freude mit grosser Leb- haftigkeit. Mit den Armen und Händen wurde nicht viel agirt, darin stehen sie den Neapolitanern weit nach, aber rührend war die Lebendigkeit und rasche Beweglichkeit ihres Mienenspiels, vor Allem ihrer hellen, klaren, vor Freude und Herzlichkeit strahlenden Augen ; ebenso lebhaft benahmen sie sich bei ihren Toasten und bei dem Abschied. Wie Cooks Begleiter Oraai werden beide, wohl die ersten Maori, welche deutschen Boden betraten, zahlreiche imd tiefe Eindrücke des Gesehenen und Erfahrenen in ihre Heimath zurück- bringen und durch solche die Bildung ihrer Landsleute fördern; sehr oft wiederholte Samuel, er wolle Alles, Alles, was er ge- sehen, seinen Freunden erzählen, er werde viel zu erzählen haben und lange, lange erzählen müssen; mögen sie glücklich heimkehren, unsere besten Wünsche begleiten sie. 7. Notiz über eine Formica (Myrmica). * Von Oberförster Dr. Nördlinger in Hohenheim. Am Freitag, 26. August 1859, nachdem Monate lang die trockenste Witterung geherrscht hatte, die Umstände also für die Entwickhuig der Ameisen sehr günstig gewesen, machte mich Direktor v. Walz vom hiesigen Schlosse aus auf eine nahe dem Gipfel einer Linde verharrende Wolke geflügelter Ameisen aufmerksam, wie er deren schon früher auf dem Schweizerhof in trockenen Jahrgängen mehrere Jahre nach ein- ander an der gleichen Stelle gesehen zu haben versicherte. Die Wolke bestand aus Tausenden von beflügelten Ameisen, welche in buntem Gewirr durch einander flogen, durch den Wind bald in einen längeren Streifen vom Gipfel des iJaums wegge- trieben wurden, wie eine Wetterfahne, bald sich wieder mehr rundlich zusammenzogen und manchmal auch bei nachlassendem Wind auf die entgegengesetzte Seite des Gipfels zu stehen kamen. Die Beobachtung mit dem Fernrohr zeigte, dass auf den äus- sersten Zvveigspitzen des Baumes eine grosse Zahl beflügelter Ameisen mit ausgespreizten Flügeln auf- und abeilten, ungefähr wie erzürnte Bienen, offenbar unter dem Eindruck des eben be- standenen oder wieder zu bestehenden Lufttanzes. Es diente also die Baumkrone als eine Art Ausruheplatz. Am untern Stamm sah ich keine Ameisen kriechen, wohl aber waren auf dem Boden viele der beflügelten Ameisen zu finden, die zum Theil ruhig sassen, zum Theil sich gegenseitig mit den Kiefern festhielten, theils auch von rothen ungeflügelten Ameisen festgehalten wurden. Störte man sie, so Hessen sie sich, dem Anschein nach ohne dass vorher eine Verletzung stattgefunden hätte, gegenseitig los und krochen eilig davon. Gegen Mittag war vom Schwärm in der Luft nichts mehr zu sehen. Abends konnte man noch ziem- lich viele lebende beflügelte Ameisen auf dem Boden finden, jedoch auch eine ziemliche Anzahl todter. Tags darauf war es schon früh sehr heiss und bemerkte man nicht blos an der gleichen Stelle dieselbe Ameisenwolke, * caespitum. — Anm. d. Red. Wttrttemb. naturw. Jahreshefte. 1860. 2s und 3a Heft. 19 - 290 - sondern bei näherer Beobachtung Wolken an der Spitze aller hervorragendem Bäume des Boskets, des Schlosshofes, der eine halbe Viertelstunde entfernten Fichten des exotischen Gartens und der kanadischen Pappeln bei der Garbe. Selbst an den an- gehenden Bäumen in der Nähe des Altans waren schwache Flüge. Die grössern Schwärme an den Hauptbäumen dehnten sich bei ihrer Millionen umfassenden Individuenzahl oft so aus, dass sie einen 1^2 Stunden entfernten Wald fast verdeckten. Den Sperlingen waren diese Ameisenfliige sehr genehm. Sie setzten sich auf die Gipfel der besagten Bäume und schnapp- ten zu unserer grossen Belustigung die vorüberfliegenden Ameisen weg oder flogen zu diesem Behuf nach einzelnen Individuen auf kurze Entfernung in die Höhe. Selbst am Kirchthurm zu Plieningen sahen wir einen sehr ausgeprägten Schwärm, der sich oft vom Thurmhahn wie eine lange Fahne hinausstreckte, bald sich in 2 Theile schied, bald, vom Hahn, Knopf und einer Verzierung aus, 3 kleinere Fahnen bildete. Der Gedanke lag nahe, auch auf der hiesigen Kuppel nach einem Flug von Ameisen und diesem in der Nähe zuzu- sehen. In der That fand sich ein solcher, der den Blitzableiter zum Ausruheplatz wählte und wenn gerade die Luft gegen uns strömte, unsere Mützen und Kleider mit einer Menge Ameisen bedeckte. Den Zweck der Schwärme zu ermitteln war uns nicht vergönnt. Sämmtliche Ameisen waren der Untersuchung nach gleichen Geschlechts und zeigten bei einem Druck des Hinterleibs eine hornige Zange, waren also wohl Männchen. Sie krochen vielfach über einander und nahmen den Schein einer beabsich- tigten Begattung an. Entschieden fand aber eine solche nicht statt. Nachmittags waren abermals die Schwärme verschwunden. Wir hofften in den folgenden Tagen dem Zweck der strömenden Schwärme näher zu kommen. Direktor v. W^alz hielt sie für Schlachten, wegen der vielen, seiner frühern Beobachtung zufolge nachher auf dem Boden liegenden todten Ameisen. Allein wür sahen die vom Flug ausruhenden Ameisen sich nicht streiten. Auch Begattungsbälle schienen die Schwärme, wenigstens soweit wir an dem schwachen Kuppelschwarm bemerken konnten, nicht - 291 — zu sein, da die Weibchen fehlten. Und doch kann mit Zuver- sicht angenommen werden, dass die Schwärme mit der Fort- pflanzung der Ameisen im Zusammenhang stehen. Leider waren aber die folgenden Tage wegen eines in der Nacht auf den 24. August eingetretenen Gewitters kühl und liesscn keine Schwärme mehr zu , daher kami ich der vorstehenden Notiz nur noch die Nachricht beifügen, dass nach Schwäbischer Kronik vom 2. Sept. am 28. Aug. d. J. zwischen Morgens 7 und 9 Ujin* zu Ehingen sich ähnliche Ameisenwolken an mehreren Kirchthurmspitzen und dem Gipfel hoher Bäume zeigten und nach mündlicher Versicherung Ratzebu rg's ähnliche Schwärme an Bäumen und Gebäuden un- gefähr zur gleichen Zeit in der Gegend von Berlin gesehen wurden. Den Namen unserer Art versprach mir Herr Dr. Gerstäcker zu bestimmen. Es ist wohl dieselbe, von welcher Ratzebiirg sprach. Um in künftigen ähnlichen Fällen die Identität einiger- massen nachweisbar zu machen, bemerke ich, dass der Kerf — nach dem Obigen handelt es sich lediglich um Beflügelte gleichen Geschlechts — ohne Fühler 5,1 mm Länge und 11,7 mm Flügel- spannung hat. Fühler mit 12ghederiger Geisel. Kopf mit stark vorstehenden mattschwarzen gewöhnlichen und 3 klaren gelblichen Nebenaugen. Nähte der Vorderbruststücke durch Quereinschnitt- chen oder -Ritzen gebildet. Hinterbrust mit vielen Längsritzen. Hinterleibsstiel aus 2 gegen oben gewölbten buckligen Ringen bestehend. Dem ersten der beiden Höcker entsprechend, am Ende des Vorderleibs eine durch 2 stumpfe Spitzen geschlossene tiefe Brust. Farbe des fein punktirt-gestrichten Kopfs und der gestrichten Hinterbrust mattschwarz. Fühler, Mundtheile, Fuss- sohlgheder und Hinterleibsspitze braun, der ganze übrige Körper glänzend pechschwarz. An Kopf und Beinen stehen zahlreiche, am Hinterleib ziemlich sparsame braungelbe Borsten, die jedoch dem Glanz des letztern keinen Eintrag thun. Dem Vorstehenden nach gehört die fragüche Ameisenart zu der Untergattung Myr- mica. Dem künftigen empirischen Beobachter dürfte unsere Beschreibung genügen, bis eine solche von einem beschreibenden Entomologen erfolgt, III. Kleinere Mittlieiliiugeii. Steinsalz aus dem Schacht bei Friedrichshall. Auf den ^\*msch des Hrn. Bergrath v. Alberti wurden mehrere Steinsalzsorten, von denen er grössere Muster eingesendet hatte, untersucht» Nr. 1. Reines, ganz klares Steinsalz, wie es sich häufig findet, mit eingeschlossener Flüssigkeit und Gasblasen. Das Salz ist fast chemisch reines Chlornatrium ; nur bei Anwendung grösserer Massen zeigen sich aber erst nach eini- ger Zeit Reactionen auf Schwefelsäure und Kalk (Kinzelbach), Nr. 2. Steinsalz, wie es gewöhnlich vorkommt, enthält nach Holz; Chlornatrium . . . .99,15 Schwefelsaurer Kalk . . 0,29 Unlösliche Theile (Thon) 0,56 Nr. 3. Gemahlenes Steinsalz, wie es in den Handel kommt, nach G u g 1 e r : Chlornatrium . . .97,80 Schwefelsaurer Kalk 0,27 Unlösliche Theile . 1,93 Nr. 4. Steinsalz, in Krusten und Nestern vorkommend, nach Kiel- raayer: Chlornatrium . . . 99,60 Schwefelsaurer Kalk 0,14 Unlösliche Theile . 0,26 Nr. 5. Unreines Steinsalz, wie es in einem Nest vorkommt, nach E 1 w e r t : Chlornatriura . . .91,3 Schwefelsaurer Kalk 1.2 Unlösliche Theile . 7,5 ¥iiTtk natüi'Wiss. Jalireshefip M. Jalir^>.1860. Taf.l! X 8. &. ■ -K^4'"' m //. k>rQ ^.C!— , ^"'h' ■"'"ä " "***^ '^ \ 7f1^s; /^--N V^^ .^/ :4, 4 5 |'''>il^"^''^- Profil II. Psiloiiotenliankii.^lalmstoiii OluT.st.'v Kciii)ei- «f r.n...u,i.-.>k. un.i ^ ()l...rsl .T \V,. ..SS. rvotii III. Dtuv Tluil von Behenhnii^en r K..U 5 :5 Profil IV AVoisstM- KtMi \V<..SS.T K.M.p Pro n IV. /Jitx A't'c/ciwf/utI l'oi A\y.f/inf/('n . I; i' ScfiurmaM fliPsil.a.. ü %^ ''■■i\,.,,r^ ()l..K..„jft \Wis\«-r K<-np . n 1 -Dl . Oj-.-J-I. £_, Date Due *^KrA'Säib.