Lft??rr^v3r3. w. "^^l WA »■».j idtZ.-r ^^%' \^1 '■^-j% '■ ^ -11»; "fr^' t/%i«^i- HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY. ^ ^ \^A^^^ -vw^Wo A^^■s■ ilf JAHRESHEFTE U des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg. Herausgegeben von dessen Redaktionskommission Oberstudienrat Dr. 0. Fraas, Prof. Dr. C. Hell, Prof. Dr. 0. Kirchner, Prof. Dr. K. Lampert. ACHTUNDVIERZIGSTER JAHRGANG. Mit 7 Tafeln. ►J-X-H Stuttgart. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch). 1892. Ü Die Autoren sind allein verantwortlich für den Inhalt ihrer Mitteilungen. Von Abhandlungen und Sitzungsberichten erhalten die Autoren auf Verlangen 25 Separat -Abzüge gratis; eine grössere Zahl auf Wunsch gegen Erstattung der Herstellungskosten. Die verehrlichen Mitglieder des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg sind höflich ersucht, behufs richtiger Zusendung der „Jahreshefte" ^erlagshandlung von jedem Wechsel des Wohnortes An- zu machen. Einband-Decken zu den Jahresheften. Auf mehrfaches Verlangen haben wir zu den Jahresheften Einband-Decken in brauner Leinwand ä 70 Pf. herstellen lassen, und zwar von Jahrgang 1884 an (mit Beginn des vergrösserten Formates). Falls Sie die Decken zu haben wünschen, so bitte gef. zu verlangen. Nach Wunsch können auch von 1893 an die Jahreshefte gleich gebunden zum Preise von M. 6. — geliefert werden. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch). JAHRESHEFTE des Vereins für vaterländische Naturkunde m Württemberg. Herausgegeben von dessen Redaktionskommission Oberstudienrat Dr. 0. Fraas, Prof. Dr. C. Hell, Prof. Dr. 0. Kirchner, Prof. Dr. K. Lampert. ACHTUNDVIERZIGSTER JAHRGANG. Mit'? Tafeln. A ^Stuttgart. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch). 1892. •v .. y V K. Hofbuchdruckerei Zu Guttenberg (Carl Grüninger) in Stuttgart. Inhalt. I. Angelegenheiten des Vereins. Bericht über die sechsuudvierzigste Generalversammlung vom 24. Juni 1891 in Calw. Von Prof. Dr. L a m p e r t. S. I. 1. Rechenschaftsbericht für das Jahr 1890—1891. S. IV. 2. Zuvrachsverzeichnisse der Vereinssammlungen : Ä. Zoologische Sammlung. S. VII. B. Botanische Sammlung. S. IX. C. Vereinsbibliothek. S. XI. 3. Rechnungsabschlass für das Jahr 1890—1891. S. XXI. 4. Wahl der Beamten und des Versammlungsorts. S. XXV. Vorträge bei der Generalversammlung. Sieglin, Prof. Dr.: Einbürgerung fremder Nutzfische in Württemberg. S. XXVII. Wurm: Dr. W. : Über die Farben der Vogelfedern. S. XLI. Engel, Dr. : Über einige neue Echinodermen des schwäbischen Jura. (Mit Taf. n.) S. XLVn. Sitzungsberichte. Ob er schwäbischer Zweigverein. Versammlung am 27. März 1890. Koenig -Warthausen, Dr. Freih. Rieh.: Über die Geweihbildung beim Elchwild. S. LVI. Versammlung vom 24. Juli 1890. Probst, Dr.: Über fossile Pflanzen. S. LVII. — Frank, Oberförster: Über ein Nest des Drosselrohrsängers, des Zwerg- rohrdommels und über die Maulwurfsgrille. S. liVIII. Versammlung am 30. Oktober 1890. Probst, Dr.: Über Nathorst's Erklärung des Molasseklimas. S. LIX. — K o e n i g - W a r t h a u s e n , Dr. Freih. Rieh. : Über den Bernstein. S. LX. Versammlung am 25. Juni 1891. Probst, Oberförster: Über die Schmetterlinge der Nonne. S. LXI. — Koenig- Warthausen, Dr. Freih. Rieh.: Über eine Weissenauer Klosterurkunde. S. LXII. Versammlung am 27. AugTist 1891. Probst, Dr.: Über die mikroskopische Struktur der Zähne. S. LXIII. — Koenig-Wart hausen, Dr. Freih. Rieh. : Über die Färbung der Vogeleier und über späte Vogelbruten. S. LXin. — Probst, Oberförster: Über die Vogelschutzfrage. S. LXV. IV Inhalt. Versammlung am 26. November 1891. Leube, Dr.: Über konzentrische Ringe am Jurakalk und über schlitzblättrige Pflanzen. S. LXVI. — Frank, Oberförster; Über ein Holzlagerbuch vom Kloster Schussenried. S. LXVI. Schwarz Wälder Zweigverein. Versammlung am 30. März 1890. Wurm, Dr. : Über die Geschichte der Krokus- blüten und über die Haselfichte etc. S. LXVII. — Nies, Prof. Dr.: Über die FALB'sche Erdbebentheorie. S. LXVII. Versammlung am 13. Dezember 1891. Braun, Prof. Dr.: Über die Lauffeuer elek- trische Krattübertragung. S.LXVIII. — Grützner, Prof. Dr. : Über die Wirkung schwacher Induktionsströme auf Muskeln. S. LXIX. — v. Sehe 1er, Graf: Über die Bryozoen Deutschlands. S. LXX. — Fr aas, Dr. E. : Über einen Mammutzahn aus dem Opalinus-Thon. S. LXX. — Branco, Prof. Dr. : Über ein vulkanisches Vorkommen bei Scharnhausen. S. LXXI. — Vos seier, Dr. : Über japanische Tanzmäuse und über eine neue Art, zoologische etc. Präparate für Sammlungen aufzustellen. S. LXXI. — Fickert. Dr.: Über die W^ALLACE'sche Hypothese von einem versunkenen indonialayischen Kontinente. S. LXXI. — Eimer, Prof. Dr.: Über die Entstehung der Arten. S. LXXII. Wissenschaftliche Abende des Vereins in Stuttgart. Sitzung vom 14. Mai 1891. Weinberg, Dr.: Über einige Arbeiten auf dem Gebiete der Biologie. S. LXXIII. — Fr aas, Dr. Eb. : Über Druck- erscheinungen bei Gesteinen. S. LXXIV. Sitzung vom 11. Juni 1891. Ei eher, X.: Über Farbflechten. S. LXXV. ~ Hofmann , Prof. Dr. E. : Über die Gallmilben und ihre Gebilde. S. LXXVI. — Rettich, Prof. Dr., legt Mineralien von Längbahshyttan vor. S. LXX\T;. Sitzung vom 22. Oktober 1891. Lampert, Prof. Dr. K. : Über die Protozoen. S. LXX^TI. — Sussdorf, Prof. Dr.: Über den Hauer eines Suiden. S. LXXVIII. H e d i n g e r , Medizinalrat Dr. : Geologisch-palaeontologisches Referat. S. LXXVIII. Sitzung vom 12. November 1891. v. Sehe 1er, Graf: Über parasitische Insekten. S. LXXVIII. — Schmidt, Prof. Dr. A. : Über die Vorstellungen W. Siemens' über die Sonne. S. LXXXVI. — Pahl, Zollverwalter, legt Insekten aus Kamerun vor. S. LXXXVI. Sitzung vom 10. Dezember 1891. Nies, Prof. Dr.: Über einige der grösseren Dia- manten. S. LXXXVI. — Kirchner, Prof. Dr. 0.: Über die Blüten der TJmbelliferen. S. LXXXIX. — Rieb er, Prof.-Kand. : Über Insekteubesuch bei Libanotis montana. S. XCI. Sitzung vom 14. Januar 1892. Fr aas, Dr. Eh.: Über Gesteine vom Kiliman- dscharo. S. XCII. — Lampert, Prof. Dr.: Über Irrgäste der schwäbischen Vogelwelt. S. XCII. — Eichler, Ass. J. : Über vegetabilische Produkte aus Afrika. S. XCIII. Sitzung vom 11. Febr. 1892. Schmidt, Prof. Dr. A.: ÜberSeismometerbeobachtungen. S. XCIII. — Hedinger, Medizinalrat Dr.: Über fossile Affen. S. XCIV. Sitzung vom 10. März 1892. Hell, Prof. Dr.: Über Theorie der Lösungen. S.XCVI. — Rieb er, Prof.-Kand. : Über eine für Württemberg neue Alge. S. XCVII. Nekrolog des Prof. Dr. F. Eduard v. Keusch. Von Dr. Ammer mül 1er. S. XCIX. Inhalt. V IL Abhandlungen. 1. Zoologie. Seite Bilfinger, L., Oberförster : Ein Beitrag zur Eotatorienfauna Württembergs 107 Büchner, Dr. Otto: Die A.symmetrie der Gastropoden in ihren Beziehungen und Wirkungen auf die Lebensäusserungen der schalentragenden Schnecken 58 Koenig-Warthausen, Dr. Freih. Rieh.: Bericht über den 17.— 20. Mai 1891 zu Budapest abgehalteneu zweiten internationalen ornithologi- schen Kongress 32 — Naturwissenschaftlicher Jahresbericht 1890 179 Mönig, J. : Zur Molluskenfauna im Oberamt Saulgau 119 Scheler, Georg, Graf von, Forstreferendär I. Kl.: Über die Ursachen ab- normer Geweihbildung bei den Hirscharten, insbesondere die Bildung von mehr als zwei Geweihstangen. (Mit Taf. III— VI.) 135 Sussdorf, Prof. Dr. : Der Hauer eines Suiden, ein interessanter Bodenseefund 238 2. Botanik. Grad mann, Pfarrer: Beiträge zur württembergischen Flora 102 Ei eher, X., Prof.-Kand. : Beiträge zur Kenntnis der Licheneuflora Würt- tembergs und HohenzoUerns 248 3. Geologie, Palaeontologie etc. Bauer, Dr. Hermann und Dr. Hermann Vogel: Mitteilungen über die Untersuchung von Wassern und Grundproben aus dem Bodensee . 13 Braun, F. und K. Waitz: Beobachtungen über die Zunahme der Erd- temperatur, angestellt im Bohrloch zu Sulz am Neckar 1 Fraas, Dr. Eberhard: Ichthyosaurus numismalis E. Fr. (Mit Taf. I.) . . 22 Haag, F.: Organische Reste aus der Lettenkohle Rottweils. (Mit Taf. VII.) 234 Pompeckj, Dr. J. F.: Bemerkungen über das EinroUungsvermögen der Trilobiten 93 Erdbebenkommission. Schmidt, Prof. Dr. A.: Jahresbericht für die Zeit vom 1. März 1891 bis 1. März 1892 254 Kleinere Mitteilungen. Wurm, Dr. W.: Nachtrag zur Geschichte und Naturgeschichte des Crocus veruus um Zavelstein 262 — Zum Vorkommen des Birkwildes auf dem Schwarzwalde .... 263 Linden, von, Gräfin Maria: Beobachtung eines Meteors 264 Lampert, Prof. Dr. K. : Beiträge zur Fauna Württembergs 265 Bücheranzeigen 269 Angelegenheiten des Vereins. Bericht über die sechsiindvierzigste Generalyersammlung vom 24. Juni 1891 in Calw. Von Professor Dr. Lampert. Mit Freuden hatte die Generalversammlung des Jahres 1890 der an sie ergangenen freundlichen Einladung, als nächsten Zusam- menkunftsort Calw zu wählen, zugestimmt und so schlug denn am Johannistag 1891 der Verein sein Wanderzelt im Schwarzwald auf. Aus dem Schwarzwaldkreis hatten sich naturgemäss die Mit- gheder am zahlreichsten eingefunden, ausserdem zeigte die Präsenz- liste viele Stuttgarter Namen, ein Beweis, dass die Mitglieder des Hauptsitzes des Vereins stets gern die Gelegenheit ergreifen, mit den Freunden im Land in Verbindung zu bleiben und neue Beziehungen anzuknüpfen. Die Geschäftsführung hatte Herr Fabrikant Eugen Stalin zu übernehmen die Güte gehabt, der die bereitwillige Unter- stützung der Herren des Ortsausschusses fand, und in liebenswür- digster Art boten die Mitglieder in Calw alles auf, um den zum Teil schon am Abend vorher eingetroffenen auswärtigen Mitgliedern die Stunden in angenehmster Weise und nur zu rasch entfliehen zu lassen. Als Festsaal für die Verhandlungen war in freundlichster Bereitwilligkeit der Saal des Georgenäums zur Verfügung gestellt worden und die Herren des Geschäftsausschusses hatten es sich nicht nehmen lassen, dem stattlichen Saal durch reichen Schmuck ein besonders festliches Aussehen zu verleihen. An den Wänden des Saals war nach altem Brauch eine kleine Ausstellung mit besonde- rem Bezug auf den Schwarzwald veranstaltet, von der im folgenden die hauptsächlichsten Objekte hervorgehoben seien : Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1892. a — II — Die Herren Lehrer Essig von Oberkollbach, Lehrer Hermann in Neubulach und Präceptor Dr. Müller in Calw hatten Insekten- sammlungen ausgestellt, meist Insekten aus der Umgegend von Calw in schönen Exemplaren enthaltend. Herr Oberförster Koch von Hirsau hatte unter anderem zur Aus- stellung gebracht : Zweige einer 8jährigen Pechkiefer mit Zapfen aus der Kultur bei Oberkollbach, Zweige einer 26jährigen Wel- lingtonia aus der Lutzenhardter Pflanzschule, einen grossen, noch in Blüte befindlichen Stamm von Pinus magnus, eine weichhaarige Birke aus dem Torfmoor bei Oberreichenbach, Birkenzweige mit Milbengallen ebendaher , junge Hexenbesen auf Weisstanne und eine Sammlung Frühlingsblumen aus dem Torfstich in Weickenhart. Herr Oberförster Metzger in Wildberg hatte eine Reihe aus dem Schwarzwald stammender ausgestopfter Tiere, besonders Raubzeug, zur Aufstellung gebracht. Herr Rektor Dr. Müller von Calw legte einen von ihm entworfenen Plan der Anlagen des Verschönerungsvereins von Calw vor. Herr Salineverwalter F. Schüz von Hall hatte eine mit Recht die allgemeine Aufmerksamkeit beanspruchende reichhaltige Sammlung verschiedener Mineralien und Gesteine, meist dem Schwarzwald entstammend, ausgestellt. Unter den zahlreichen Stücken erweck- ten das besondere Interesse prächtige Silberstufen, die den Be- schauer in die Zeit zurückführten, da im Schwarzwald das Silber- bergwerk Wittichen betrieben wurde. Herr Apotheker Stein von Calw hatte durch eine reichhaltige Aus- stellung von Pflanzen dafür gesorgt, den Gästen einen Überblick über die Flora von Calw zu gewähren. Herr Badearzt Dr. Wurm von Teinach hatte eine reiche Schwarz- waldlitteratur aufgelegt. Um 10 Uhr wurde die zahlreiche Versammlung vom Geschäfts- führer Herrn Stalin eröffnet, der mit folgender Ansprache die An- wesenden begrüsste : Meine Herren ! Von der letztjährigen Generalversammlung in Esslingen zum Geschäftsführer für die 46. Generalversammlung be- stimmt, habe ich die angenehme Aufgabe, Sie namens der hiesigen Vereinsmitglieder in der Stadt Calw willkommen zu heissen. Zu- gleich bin ich von dem Herrn Stadtvorstand hier beauftragt, Ihnen in seinem Namen den Willkomm der städtischen Behörden dar- zubringen. Der Herr Stadtschultheiss musste es sich versagen, das — III — persönlich zu thuii, weil er heute verreist ist; er bat mich, Ihnen das mit seinem lebhaften Bedauern zur Kenntnis zu bringen. — Es ist mir eine um so angenehmere Pflicht, Sie von dieser Stelle aus begrüssen zu dürfen, als wir alle hier in Calw uns wohl bewusst sind der Ehre, die uns zu teil wird durch den Besuch eines Vereins von Männern , welche schon so Adel Hervorragendes geleistet haben in Erforschung der Verhältnisse unseres engeren Vaterlandes auf allen Gebieten der Naturwissenschaften. -— Schon einmal vor 17 Jah- ren, im Jahre 1874, hat der Verein in diesen Räumen getagt. Seither hat sich freilich manches verändert. Es hat damals der inzwischen verstorbene hochverdiente Medizinalrat Dr. Müller von dieser Stelle aus zu Ihnen gesprochen und Ihnen in farbenreicher Schilderung die Verhältnisse unseres Bezirkes dargelegt. Daraals war noch der leider viel zu früh heimgegangene Dr. Emil Schüz unter uns, dessen Sammler- und Forschergeist so viele Schätze zusammengetragen, die sein Haus am Markt hier zu einer hervorragenden Sehenswürdigkeit für jeden Naturfreund machten. — Den schwersten Verlust aber hat der Verein im Laufe des letzten Jahres erlitten durch den Heimgang seines Vorstandes, des unvergesslichen Direktors von Krauss. Als er mir nach der letzten Generalversammlung meine Bestellung zum Geschäftsführer für heuer mitteilte , drückte er seine Freude uns darüber aus , wieder einmal zu uns zu kommen , freilich klang ein wehmütiger Ton durch seine Zeilen, — wenn ich noch lebe, schrieb er, werde ich kommen — wohl hat er damals schon gefühlt, dass seine Kräfte vielleicht nicht mehr ausreichen könnten ! Meine Herren ! die hohen Verdienste des Verstorbenen um den Verein und die Wis- senschaft zu feiern, sind andere berufener als ich, ich glaube aber, dass es am heutigen Tage, ehe wir an die Arbeit gehen, unser erstes sein muss, in Dankbarkeit des Mannes zu gedenken, dem der Verein so vieles verdankt und unter dessen kundiger Leitung der Verein Jahrzehnte hindurch gewachsen ist und geblüht hat. Ich werde wohl im Sinne aller handeln, wenn ich Sie bitte, zum ehrenden Andenken an den Dahingeschiedenen sich von Ihren Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Und nun, meine Herren, habe ich Sie noch auf einiges aufmerk- sam zu machen, was Mitglieder und Freunde des Vereins zusammen- getragen haben für diesen Tag. Sie mögen darunter manches Sehens- werte finden, zuvörderst aber den guten Willen unserseits, Ihnen am heutigen Tage zu bieten, was in unsern Kräften steht. (Folgt die Aufzählung der ausgestellten Gegenstände mit Na- mensnennung der Aussteller.) — IV — Ich empfehle diese AussteHung Ihrer wohlwollenden Beachtung. Wir werden jetzt, meine Herren, in unsere Tagesordnung ein- zutreten haben. Der erste Gegenstand wird die Wahl eines Vor- sitzenden für die heutige Versammlung sein. Nach alter Übung kann diese Wahl durch Acclamation geschehen und wenn sich kein Wi- derspruch erhebt, wird das auch heute so gehalten werden können. Ich schlage hierzu Plerrn Oberstudienrat Dr. Fraas vor. Durch allseitigen Zuruf wird Oberstudienrat Dr. Fraas zum Vorsitzenden gewählt. Und nun, meine Herren, nochmals willkommen, lassen Sie sich's für einen Tag bei uns in Calw gefallen! Sodann übernahm Oberstudienrat Dr. 0. Fraas den Vorsitz. Für die Wahl dankend und auch seinerseits die Versammlung be- grüssend, erinnerte der verehrte Redner an die Worte, mit welchen im Jahre 1874 der Geschäftsführer der Generalversammlung in Calw die Anwesenden begrüsste: „Willkommen in der Stadt, in der einst das klassische Werk de fructibus et seminibus plantarum entstanden ist.'' Heute diese Worte zu wiederholen ist besonderer Anlass, denn gerade 100 Jahre sind seit dem Tode Josef Gärtners vergangen, dessen Namen der ganzen wissenschaftlichen Welt bekannt und den die Stadt Calw mit Stolz den ihrigen nennt. Eine Silhouette des Gefeierten schmückte die Rednerbühne. Auch einem anderen Sohne der Stadt widmete der Redner wehmütige Erinnerungen, dem vielgereisten Sammler und Forscher Dr. Emil Schüz, mit dessen viel zu frühem Hinscheiden der Verein eines seiner thätigsten Mit- glieder verloren und dessen liebenswürdige Plaudereien über Abend- und Morgenland noch jedem in angenehmer Erinnerung sein werden. Zum Schluss seiner Begrüssungsrede gedachte der Redner noch der herben Verluste, die der Verein im letzten Jahre, insbesondere durch den Tod seines langjährigen, unermüdlich für das Gedeihen des Vereins thätigen Vorstandes Direktor Dr. von Kraus s erlitten. Der sodann von Oberstudienrat Dr. 0. Fraas verlesene Rechen- schaftsbericht lautete folgendermassen : Rechenschaftsbericht für das Jahr 1890—1891. Hochgeehrte Herren ! Über den Geschäftsgang im abgelaufenen 46. Vereinsjahre ist folgendes zu berichten : 'Der Verein hat im verflossenen Jahre 36 neue Mitglieder er- halten. Leider hat auch in diesem Vereinsjahr der Tod eine reiche Ernte unter unseren Mitgliedern gehalten, so dass zusammen mit den aus- getretenen Mitgliedern die Zahl der Abgänge im Mitgliederverzeichnis der Zuwachszahl entspricht und auch an dieser Stelle wohl die Bitte an unsere Mitglieder gerichtet werden darf, im Kreise der Bekannten im Interesse des Vereins zu wirken und zum Beitritt einzuladen. Nach dem heutigen Stand zählt der Verein 734 Mitglieder. Unter den Toten des vergangenen Jahres haben wir ausser dem schweren Verlust, der den Verein durch den Tod unseres lang- jährigen Vorstandes betroffen, besonders zu beklagen Prof. Dr. C. von Marx in Stuttgart, der der Redaktionskommission seit 1880 angehörte, und Prof. A. Steudel von Ravensburg. Über letzteren, sowie über Direktor von Krauss finden Sie Worte der Erinnerung in dem Ihnen bereits zugegangenen diesjährigen Jahresheft. Über den Zuwachs zu der vaterländischen Natura- liensammlung ist folgendes zu bemerken: S. K. Hoheit Prinz Wilhelm von Württemberg verdankt der Verein einen Ab guss des interessanten Geweihes des sogenannten Dreistangenhirsches, welcher im vorigen Jahre auf den Jagden S. K. Hoheit erlegt wurde. Ausserdem wurden der Vereinssammlung überwiesen 5 Säugetiere und das Nest eines Säugetieres (einer Schermaus) , 4 Vögel , ver- schiedenartige Losung des Auerwildes, 1 Fisch, mehrere Bryozoen sowohl in Spiritus konserviert, als in mikroskopischen Präparaten, eine Reihe Krustertiere, die zum Teil noch der Bestimmung harren, 21 Arten Insekten in 139 Stücken, 14 Arten freilebender Milben in 17 Stücken als mikroskopische Präparate, 2 Arten Cölenteraten, ethche Infusorien, 112 Arten Phanerogamen , 5 Stammstücke ver- schiedener durch Stärke oder sonstige Eigentümlichkeiten ausgezeich- neter Holzgewächse, eine grosse Anzahl Flechten und mehrere Pilze. Die Vereinsbibliothek ist durch Geschenke, die zahlreichen Tausch Verbindungen und einige Gelegenheitsankäufe um ca. 1365 zum Teil sehr wertvolle Schriften naturwissenschaftlichen Inhalts und 3 Karten vermehrt worden. Ganz besonders ist der reiche Zuwachs hervorzuheben, den unsere Bibliothek durch mehrere hundert aus dem Nachlass des Herrn Direktors von Krauss stammende Schrif- ten, meist zoologische Separatabdrücke, erfahren hat, welche von den Hinterbliebenen in dankenswerter Weise dem Verein überwiesen wurden. Neue Tauschverbindungen sind eingegangen worden mit der Bayerischen Botanischen Gesellschaft in München, den Royal gardens in Kew, England, — VI — dem Museum in Tromsö, Norwegen, und dem Museum in Bergen, Norwegen. Der 47. Jahrgang unserer Jahreshefte ist Ihnen zugeschickt worden; das Heft ist diesmal bedeutend stärker als sonst, besonders im Vergleich mit dem letzten Jahresheft, indem es 34^/2 Bogen und 8 Tafeln enthält; doch entschuldigt der Wert der in ihm enthaltenen Abhandlungen wohl die Überschreitung der üblichen Bogenzahl. Be- sonders erwünscht dürfte den Mitgliedern des Vereins der von Herrn Prof. Dr. E. Hof mann verfasste Katalog der Vereinsbibliothek sein. Die Bibliothek, welche besonders in den Publikationen auswärtiger gelehrter Gesellschaften bedeutendes, meist sonst schwer zu erlangen- des wissenschaftliches Material enthält, kann bekanntlich gegen Ein- sendung von Quittungen von den Mitgliedern jederzeit benützt wer- den. Wie Sie aus der Mitteilung auf p. XXXI des zugegangenen Jahresheftes ersehen, hat sich im vergangenen Jahre die Notwendig- keit einer Neuwahl der Redaktionskommission ergeben , welche am 23. Oktober 1890 gemäss § 7 der Statuten stattfand. In der gleichen Sitzung wurde an Stelle des verstorbenen Direktors Dr. v. Krauss zum Konservator der zoologischen Abteilung der Vereinssammlung Prof. Dr. Kurt Lampert, Konservator am K. Naturalienkabinett, und zum Konservator der botanischen Abteilung auf Vorschlag des bis- herigen Konservators Prof. Dr. von Ahles, Julius Eich 1er, Assi- stent am K. Naturalienkabinett, ernannt. In der vorhergehenden Aus- schusssitzung vom 26. September 1890 wählte der Ausschuss zu seiner Verstärkung gemäss § 14 der Statuten Prof. Dr. Kurt Lam- pert und beauftragte denselben mit der Führung der Geschäfte des Sekretärs in Vertretung des durch Krankheit verhinderten Sekretärs. Auch im vergangenen Winter fanden im Königsbau in Stuttgart für die Mitglieder und ihre Damen zwei Wintervorträge statt. Es hatten die Güte zu sprechen die Herren : Docent Dr. C. Cranz über die Flugbahn der Geschosse und die Mechanik der Explosionen, mit Demonstrationen, Prof. Dr. 0. Schmidt (Tierärztliche Hochschule) über Milch und Milch Verfälschung, mit Demonstrationen. über die monatlichen wissenschaftlichen Abende, die das vergangene Vereinsjahr unter dem Vorsitz von Herrn Prof. Dr. 0. Schmidt (Tierärztliche Hochschule) stattfanden, brauche ich Ihnen keinen Bericht zu erstatten, da sich in dem Ihnen zu- gegangenen Vereinsheft unter der Rubrik „Sitzungsberichte" bereits über dieselben referiert findet mit Ausnahme der im Mai und Juni — YII — stattgefundenen Zusammenkünfte, welche wegen Schluss des Heftes nicht mehr besprochen werden konnten. Es soll künftighin stets in etwas ausführlicherer Weise als bisher über diese Zusammenkünfte berichtet werden und sollen auch Protokollauszüge über die Ver- sammlungen der Zweigvereine Aufnahme finden. Es erübrigt noch allen denjenigen Mitgliedern und Gönnern des Vereins, welche die Naturaliensammlung, sowie die Bibliothek des Vereins durch Geschenke bereichert haben, im Namen des Vereins den verbindlichsten Dank auszusprechen. Es sind dies : Zu^vachs-Verzeichnisse. A. Zoologische Sammlung. I. Säugetiere. Als Geschenke: Abguss eines Hirschgeweihes mit 3 Stangen vom Schönbuch, von S. K. Hoheit Prinz Wilhelm von Württemberg; Sorex alpinus Schinz $ ad. von Zwiefalten, Staatswald Vordere Dobelhalde, von Herrn Forstwächter Gawatz in Zwiefalten; Cervus capreohisL., Hintevinss mit eingetretenem Flaschenhals, von Heilbronn, von Herrn L. Linck in Heilbronn; Cervus capreolus L. $ mit abnorm verlängerten Schalen von Allmendingen, von Herrn Baron E. v. Freyberg-Eisenberg auf Allmendingen; Putorius foefidus Gray, Schädel, von Riedlingen, von Herrn Forstreferendär I. Kl. Andr. Mayser in Riedlingen; Felis catiis L. $ vom Staatswald Günzburg, Revier Weil im Schönbuch, von Herrn Oberförster v. Biber st ein in Weil im Schönbuch; Arvicola terrestris L., Nest, Kot und Stammstück eines dicht unter der Erde von dem Nager benagten und abgenagten Birnbaumes, von Göppingen, von Herrn Zeichenlehrer Vogel in Göppingen. IL Vögel. Als Geschenke: Cindus aquaticus Bechst. 6 ad., Ufer der Hürbe bei Schloss Burgberg, von Gräfin Maria v. Linden auf Burgberg; Corvus corone L., Kopf mit monströsem Schnabel, von Fellbach, von Herrn Forstreferendär I. Kl. Graf Georg v. Scheler in Stuttgart; Miiscicapa atricapilla L. c? von Auingen, von Herrn F. Koch in Auingen. Losung des Auerwilds (Tetmo urof/alhcs L.), und zwar Cylinderlosung des Hahns (gewöhnliche Losung), Blinddarmlosung des Hahns (sog. »Falzpech«), Brutlosung der Henne (cf. Wuem, Auerwild, 2. Aufl., p. 174), von Teinach, von Herrn Badearzt Dr. Wurm in Teinach. — VIII — Durch Kauf: Cf/gmis musicus Bechst. $ ad. vom Neckar bei Cannstatt, Januar. III. Fische. Als Geschenk : Anguüla vulgaris Flem., 480 g schwer, 65 cm lang, vom Bodensee bei Langenargen, von Herrn Professor Dr. Klunzinger in Stuttgart. IV. Bryozoen. Als Geschenke: AlcyoneUa fungosa Pall., Phimatella repens L., Fredericella sultana Blum. , zum Teil mit ausgestreckten Polypen in Spiritus und in mikroskopischen Präparaten vom Bärensee bei Stuttgart und die beiden ersten Arten auch vom Monrepossee bei Ludwigsburg, von Herrn Forstreferendär I. Kl. Graf Georg v. Scheler in Stuttgart. V. Insekten. Als Geschenke: Coleopteren 8 Species in 12 Stücken, Hymenopteren 10 Species in 50 Stücken, Dipteren 16 Species in 32 Stücken, Lepidopteren 8 Species in 12 Stücken aus verschiedenen Gegenden Württembergs, von Herrn Sanitätsrat Dr. Steudel in Stuttgart: Ci/nips calicis Bokgd. an Eichen von Hohenheim und Schlotwiese, von Herrn Oberforstrat v. Fischbach in Stuttgart; Biorhiza aptera Fabb. , entwickelte Tiere , auf Schnee gefunden , vom Schönbuch, von Herrn Oberförster v. Biber stein in Weil im Schönbuch; Biorhiza aptera Fabk., an Eichenwurzeln, von Stuttgart, von Herrn Apotheker M. Reihlen in Stuttgart; Triphosa Sahaudiata Dup., in Höhlen bei Guttenberg, von Herrn Dr. Binder in Neuffen; Hylesinus fraxini Fabr., RhyncMtes pumilus Gekm., Anthonomus pomorum L. an Quitten, von Stuttgart, von Herrn Professor Dr. A. Schmidt in Stuttgart; Lasiocampa lanigera Esp., Harpyia Ncuspis Bokk., von Lichtenberg, von Herrn Gutspächter Stockmayer in Lichtenberg; Dipteren 3 Species in 5 Stücken, Eier von Dipteren, Eier von Vespa sylvestris, von Herrn Forstreferendär I. Kl. Graf Georg v. Scheler in Stuttgart: Larve von Oestriis sp. aus der Nasenhöhle von Cervus capreohis L., von Herrn Präparator Me rekle in Stuttgart. — IX — DurchKauf: Zwitter von Rhodocera Bhamni L., von Böblingen. VI. Arachniden. Als Geschenke: Mehrere Arten von Hydrachniden vom Bärensee bei Stuttgart und Monrepossee bei Ludwigsburg, 14 Arten anderer Milben in mikroskopischen Präparaten von verschie- denen Fundorten, von Herrn Forstreferendär I. Kl. Graf Georg v. Scheler in Stuttgart. VII. Crustaceen. Als Geschenke: Astacus fluviatiUs Gem. var. coeriilea, vom Federsee, von Herrn Oberförster Frank in Schussenried ; Bythotrephes longimamis Leyd., Bodensee-Oberfläche und 60 m Tiefe, Polyphemus pediciilus De Geer, Wildsee bei Wildbad im Schwarzwald, von Herrn Professor Dr. Lampert in Stuttgart. Zahlreiche Arten der Gattungen Cypris, Daphnia, SiniocepJialus, Bosmina, Lynceus u. a. in Spiritus und mikroskopischen Präparaten, vom Bärensee bei Stuttgart von Herrn Forstreferendär I. Kl. Graf Georg v. Scheler in Stuttgart; vom Monrepossee bei Ludwigsburg von den Herren Professor Dr. Lampert und Graf Georg v. Scheler in Stuttgart. VIII. Cölenteraten. Hydra grisea L. vom Bärensee bei Stuttgart und Monrepossee bei Lud- wigsburg, von den Herren Professor Dr. Lampert und Forstreferendär I. Kl. Graf Georg v. Scheler in Stuttgart; Spongilla lacustris L. vom Bärensee bei Stuttgart, Monrepossee bei Lud- wigsburg und Enz bei Bietigheim, von denselben. IX. Infusorien. Vorticella campanula Ehrb. in grossen Kolonien, in Spiritus und mikro- skopischen Präparaten, vom Bärensee u. a. Tümpeln, Epistylis pUcatilis Ehrb. auf Cyklopiden, ebenso, von den Herren Professor Dr. Lampert und Forstreferendär I. Kl. Graf Georg v. Scheler in Stuttgart. B. Botanische Sammlung. Als Geschenke: a) Herbarium: Gymnadenia albida Rich. aus dem Stadtwald von Calw, von Herrn Oberförster Koch in Hirsau; — X — Iris sihirica L. Pelorienvoni/viör/rt (•w/^rtWsMiLL. aus dem MainhardterWald bei Finsterroth, von Herrn Lehrer Hermann in Finsterroth; Blätter und Früchte von Sorhus latifoUa Pers. (S. Ana X torminalis Iemisch) aus dem Schönbuch, von Herrn Oberförster v. Biber stein in Weil im Schönbuch; 5 Arten und Unterarten der Gattung Hierac'mm vom Hohentwiel (ge- sammelt von Fr. Käser in Zürich), von Herrn Oberförster Karr er in Dietenheim; Formen und Varietäten von 7 Arten der Gattung PopnJus L. , aus Württemberg und württembergischen Baumpflanzungen, von Herrn Lehrer a. D. J. Scheuerle in Frittlingen; 92 Arten Phanerogamen, meist aus der Umgegend von Stockheim, Oberamts Brackenheim, Uragrostis minor Host. {E.poaeoidesF. B.) von Eisenbahnschotter b. Jagstfeid, Lolhmi italicum A. B. forma ramosa, bei Stockheim, Carex vulpina L. forma nemorosa (C nemorosa Rebt.), bei Stockheim, Stachys sylvaüca L. mit vergrünten Blüten, bei Stockheim, von Herrn Lehrer Paul Allmendinger in Stockheim. b) Hölzer: Stammstück eines starken Strauches von Daphne Mezereum L. aus dem Staatswald >Buch« bei Ummendorf, von Herrn Forstamtsassistent Reuss in Biberach; Stück eines 19 cm starken Stammes von Evonynws enropaeus L., Stück eines 14 cm starken Stammes von Ehamnns cafhartica L., beide aus der Gemeindewaldung Oberwilzingen, Revier Zwiefalten, von Herrn Dreher Funk durch Herrn Forstwächter Gawatz; Stammstück des »Mäntlesbom« (Fagus Sijlvatica L. var. '?) aus dem Münsinger Albwald, von Herrn Pfarrer Scheiffele in Kohlstetten; Stammscheibe von Pojnilus canadensis Michx. aus dem Mergentheimer Schlosspark (Schillerhäaschen), 95 Jahre alt, 1,5 m Durchmesser, von Herrn Oberförster Grüninger in Mergentheim. c) Kryptogamen: Verschiedene Flechten und Pilze aus der Gegend von Haigerloch und vom Kniebis, 1 grössere Sammlung Flechten vom ob. Heuberg (s. Jahresh. 1891, p. 246 ff.), von Herrn Professoratskandidat Franz Xaver Rieber in Stuttgart; verschiedene Kernpilze (Pyrenomyceten) aus der Umgegend von Wildbad, von Herrn Kollaborator Offner in Wildbad; Polyporus applanatus Peks. von Liebenzell, von Herrn Apotheker Moriz Reihlen in Stuttgart; Choiromt/ces maeandriformis Vittad aus dem AUmandwald, von Herrn Pfarrer Sautermeister in Schörzingen. Durch Kauf: Eine Sammlung getrockneter Phanerogamen und Gefässkryptogamen, bes. aus dem Oberamt Balingen, und aus der Umgegend von Winnenden. — XI — C. Die Vereinsbibliothek hat folgenden Zuwachs erfahren : a. Durch Geschenke: Buchner, 0., Beiträge zur Kenntnis des Baues der einheimischen Planorbiden. (Dissertation.) Stuttgart. 1890. Vom Herrn Verfasser. Eck, H., Verzeichnis der mineralogischen, geognostischen, urgeschicht- lichen und balneographischen Litteratur von Baden, Württemberg, Hohenzollern und einigen angrenzenden Gegenden. Heidelberg. 1890—1891. Vom Herrn Verfasser. Bach, Käferfauna für Nord- und Mitteldeutschland. Bd. I — IV. 1851 — 1860. Duftschmid, K., Fauna Austriae. 1. — 3. Theil. (Käfer.) Linz. 1805. Stielin u. Gautard, Fauna coleopteroram helvetica. 1869 — 1871. Vogt, C, Vorlesungen über den Menschen. Giessen. 1863. — — zoologische Briefe. Bd. 1. 2. Frankfurt a. M. 1851. Von Herrn Privatier C. Faber sen. Geognostische Specialkarte von Württemberg. XIII. Lfg. Ätlasblätter No. 1 Oberkessach, No. 4 Neckarsulm, No. 5 Öhringen. 1890. Vom Kgl. Finanzministerium. Hartert, E., zur Ornithologie der indisch-malayischen Gegenden. Hofmann, E., die Raupen der Schmetterlinge Europas. Lief. 3 — 9. Brunner v. Wattenwyl, Additamenta zur Monographie der Pha- neropteriden. Wien. 1891. Von Herrn Prof. Dr. E. Hofmann. Hüeber, Th., Faunae Germanicae Hemiptera heteroptera. Ulm. 1891. Vom Herrn Verfasser. Jäger, Gust., die Homöopathie. Stuttgart. 1888. — — gleich und ähnlich. Stuttgart. 1891. Vom Herrn Verfasser. Böhmer, G., Report of astronomical observatories for 1886. Washing- ton. 1889. Bruchmann, K., psychologische Studien zur Sprachgeschichte. Leip- zig. 1890. Bühl er, W., zwei Materien mit drei Fundamentalgesetzen nebst einer Theorie der Atome. Stuttgart. 1890. Knochenhauer, B., die Goldfelder in Transvaal. Berlin. 1890. Osborne, W., haben die vorgeschlagenen Neuerungen in unserer Zeit- einteilung Aussicht eingeführt zu werden? Bosquet, J., Monographie des Brachiopodes fossiles du terrain cretace superieur du Duche de Limbourg. I. Haarlem. 1859. Römer, Ferd. , die fossile Fauna der silurischen Diluvial-Geschiebe von Sadewitz bei Öls in Niederschlesien. Breslau. 1861. Giles, E., geographic travels in Central-Australia. Melbourne. 1875. Tischner, A. , ein nicht erklärtes Phänomen bei totalen Sonnen- finsternissen. — XII — Weber, Tb., Metaphysik. Gotba. 1888. West er mark, E. , tbe history of the buman marriage. 1. Teil. Helsingfors. 1888. Fiscber, H., Begleitworte zu der Karte über die geographische Ver- breitung der Beile aus Nephrit , Jadeit und Cbloromelanit in Europa, nebst Karte von E. v. Tröltsch. Stuttgart. 1885. Kilian, W., description geologique de la montagne de Lure (Basses- Alpes). Paris. 1889. Maiden, J. H., the useful native plants of Australia. London. 1889, Müller, G. , Beitrag zur Kenntnis der oberen Kreide am nördlichen Harzrande. (Dissertation.) 1888. Stremme, E., Beitrag zur Kenntnis der tertiären Ablagerungen zwi- schen Kassel und Detmold. (Dissertation.) 1888. Von Herrn Buchhändler Ed. Koch. Kirchner, 0., die Krankheiten und Beschädigungen unserer landwirt- schaftlichen Kulturpflanzen. Stuttgart. 1890. — — Beiträge zur Biologie der Blüten. Stuttgart. 1890. Vom Herrn Verfasser. Bramson, K. L., die Tagfalter Europas und des Kaukasus. Kiew. 1890. Von Herrn Prof. Dr. K. Lampert. Marktanne r -Tu rneretscher,G., die Mikrophotographie als Hilfs- mittel naturwissenschaftlicher Forschung. Halle a. S. 1890. Vom Herrn Verfasser. Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg. Jahrg. XIV— XLVI. (1858 — 1890.) Von Herrn Hofrat Seyffardt. Grisebach, A. , Commentatio de distributione Hieracii generis per Europam geographica. Sect. I. Göttingen. 1852. Von Herrn Sanitätsrat Dr. Steudel. Bronn, Klassen und Ordnungen des Thierreiches. Bd. VI. Abt. 5. Mammalia. Lief. 35 u. 36. 1890. Von der Winter'schen Verlagsbuchhandlung in Leipzig. Ausser diesen namentlich aufgeführten Schriften erhielt der Verein noch eine Anzahl von etwa 630 grösseren und kleineren Schriften, meist Separatabdrücken, aus dem Nachlass des verstorbenen Direktors Dr. V. Krauss, die bereits in dem vorjährigen Katalog der Vereinsbibliothek aufgenommen sind. Von Frau Direktor Dr. v. Krauss Witwe. b. Durch Ankauf: Entomologische Nachrichten. Jahrg. XVI. Heft 11 u. 15 — 24. Jahrg. XVII. Heft 1 u. 2. Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge. Heraus- gegeben von Rud. Virchow und Fr. v, Holtzendorff. Ser. I — Xm. Ser. XIV. No. 313—325. Berlin. 1866—1879. Stettiner entomologische Zeitung. Jahrg. 51. 1890. Tagblatt der 45. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Wiesbaden. 1873. — XIII — Tagblatt der 62, Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Heidelberg. 1890. Tijdschrift voor Entomologie. Deel 33. 1890. Annales de la societe entomologique de France. Ser. VI. Tome 2. Trim. 2 und Tome 10. Trim. 3. c. Durch Austausch unserer Jahreshefte: Abhandlungen der K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Phy- sikalische aus dem Jahre 1889. Berlin. 1890. 4". Abhandlungen , herausgegeben vom naturwissenschaftlichen Vereine zu Bremen. Bd. XL Heft 1. Festschrift 1889, u. Heft 2. 1890; Bd. XII. Heft 1. 1891. 8°. Abhandlungen der K. K. geologischen Reichsanstalt in Wien. Bd. XV. Heft 2. Zur Kenntnis der Fauna der »grauen Kalke« der Süd- alpen von L. Tausch von Glöckelsthurn. 1890. fol. Bd. XIV. Brachiopoden des alpinen Trias. Wien. 1890. fol. Abhandlungen und Jahresberichte der naturhistorischen Gesellschaft zu Nürnberg. Bd. VIII. Bogen 8— 13. 1890. Jahresbericht. 1889. 8". Annalen des K. K. naturhistorischen Hofmuseums in Wien. Bd. V. No. 2. 3. 4. 1890; Bd. VI. No. 1. 1891. 8". Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg. 44. Jahrg. 1890. 8°. Hierzu: Bachmann, die landeskundliche Litteratur über die Grossherzogtümer Mecklenburg, herausgegeben im Auftrag des Vereins etc. 8". Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz. Lief. 16. Monographie des Hautes-Alpes Vaudoises par E. Renevier. Bern. 1890. 4°. Bericht des naturwissenschaftlichen Vereins in Augsburg. Dreissigster Bericht im Jahre 1890. 8". Bericht über die Thätigkeit der St. Gallischen naturwissenschaftlichen Gesellschaft während der Vereinsjahre 1888—1889. 1890. 8°. Bericht des naturwissenschaftlich-medicinischen Vereins in Innsbruck. XIX. Jahrg. 1889 — 1890 u. 1890—1891. 8*^ Bericht der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. B. Bd. 4 in 5 Heften. 1888--1889; Bd. V. 1. Heft. 1890. 2. Heft. 1891. 8*^. Bericht des botanischen Vereins in Landshut. XL Bericht. 1888 — 1889. 1890. 8^. Bericht, 27., der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heil- kunde. Giessen. 1890. 8^ Bericht über die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft in Frank- furt a. M. von 1890. 8°. Hierzu: E. Hartert, Katalog der Vogelsammlung im Museum der Senckenbergischen naturforschen- den Gesellschaft in Frankfurt a. M. Frankfurt a. M. 1891. Berichte des naturwissenschaftlichen Vereins zu Regensburg. Heft 2 für die Jahre 1888—1889. 8". Bericht über das Museum Francisco-Carolinum, nebst Beiträgen zur Landeskunde von Österreich ob der Enns. 48. 49, nebst Lief. 42. 43 der Beiträge. Linz. 1890. 1891. 8°. *o — XIV — Correspondenzblatt des Naturforschervereins zu Riga. Jahrg. XXXIII. 1890. 8°. Jahrbuch der K. K. geologischen Reichsanstalt in Wien. Jahrg. 1890. Bd. XL. Heft 1 u. 2. 1890. 8^ Jahrbücher des Vereins für Naturkunde im Herzogtum Nassau. Jahrg. 43. Wiesbaden. 1890. S^. Jahrbuch der wissenschaftlichen Anstalten in Hamburg. Jahrg. I — VI. 1., 2. Hälfte. 1884 — 1888; Jahrg. VII. 1889. H^. Jahrbücher, württembergische, für Statistik und Landeskunde, herausgegeben vom K. statistischen Landesamt. Jahrg. 1888. L Bd. 2. Heft. 1890; Jahrg. 1889. II. Hälfte. 2.-4. Heft. 1890: Jahrg. 1889. L Hälfte. 3. Heft. 1890. I. Bd. 1. Heft. 1891: Jahrg. 1890. H. Hälfte. 1., 2. Heft. 3., 4. Heft. (Württemberg. Vierteljahrsheft f. Landesgesch. 1890.) 8". Jahresbericht der naturhistorischen Gesellschaft zu Hannover, 38. u. 39. 1887 — 1889. S^. Jahresbericht, medizinisch-statistischer, über die Stadt Stuttgart, herausgegeben vom ärztlichen Verein. XVIL Jahrg. 1889. 8". Jahresbericht, 17., des Westfälischen Provinzialvereins für Wissen- schaft und Kunst. Münster. 1888. 8". Jahresbericht der Ungarischen geologischen Anstalt für 1888 und 1889. 8". Jahresbericht des Vereins für Naturwissenschaften in Braunschweig für das Vereinsjahr 1886 — 1887. 5. Bd. Festschrift zur Feier des 25jährigen Bestehens; Vereinsjahr 1887 — 1889. 6. Bd. 8*^. Jahresbericht der naturforschenden Gesellschaft Graubündens. Neue Folge. Jahrg. XXXHI. Vereinsjahr 1888—1889. 1890. Beilage: Killias, Verzeichnis der Käfer Graubündens. Bog. 1 — 3. 8^. Jahresbericht, 67., der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur. Breslau. 1889. 8*^. Jahresberichte und Abhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereins in Magdeburg. Jahresb. 1—8(1872 — 1877), 12—15(1881 — 1884). Jahrg. 1885. 1886. 1887. 1889. 8^ Abhandlungen Heft 1—7 (1869 — 1876). Hierzu: Hintzmann, Dr. Ernst, das Innere der Erde. (Vortrag.) 1888. Leopoldina, amtliches Organ der Kaiserl. Leopoldinisch-Caroli- nischen deutschen Akademie der Naturforscher. 26. Heft. 1890. Halle a. S. 4". Lotes, Jahrbuch für Naturwissenschaft im Auftrag des Vereins »Lotos«. Neue Folge. Bd. 11 (der ganzen Reihe Bd. 39). Prag. 1891. 8*^. Mittheilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Steiermark. Jahrg. 1889 (der ganzen Reihe 26. Heft). Graz. 1890. 8*^. Mittheilungen aus dem naturwissenschaftlichen Verein von Neu-Vor- pommern und Rügen in Greifswald. Jahrg. 22. 1890. 8^. Mittheilungen des Vereins für Erdkunde zu Halle a. S. Jahrg. 1890. 8". Mittheilungen aus der zoologischen Station zu Neapel. Zugleich ein Repertorium für Mittelmeerkunde. Bd. IX. Heft 3 u. 4. 1890. 1891. 8". . — XV — Mittheilungen der K. K. geographischen Gesellschaft in Wie n. Neue Folge. Bd. 23. (33. Bd.) 1890. S'^. Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern aus dem Jahre 1889. No. 1215—1243. 8^. Mittheilungen der Schweizerischen entomologischen Gesellschaft. Bd. VIII. Heft 4 u. 5. Bern. 1890. 8^ Mittheilungen aus dem Jahrbuch der K. ungarischen geologischen Reichsanstalt. Bd. 9. Heft 1 u. 2. Budapest. 1890. 8*^. Mittheilungen des naturwissenschaftlichen Vereins Pollichia. 47. u. 48. Jahresbericht. No. 1—3. Dürkheim a. N. 1888—1889; No. 4. 1890. 8". Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Neue Folge. Bd. 7. Heft 3. 1890. 8*^. Schriften des Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wien. Bd. 30. 1889—1890. 8*'. Schriften des naturwissenschaftlichen Vereins für Schleswig-Hol - stein. Bd. VIII. Heft 2. Kiel. 1891. 8*^. Schriften der K. physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Königs- berg. Jahrg. 30. 1889. 8°. Sitzungsberichte und Abhandlungen der naturwissenschaftlichen Gesell- schaft »Isis« zu Dresden. Jahrg. 1889. 8*^. Sitzungsberichte der K. K. Akademie der Wissenschaften in Wien. I. Abt. Bd. 98. Heft 4 — 10. Bd. 99. Heft 1—3. 1890; II. Abt. A. 97. Heft 1 — 10. 1888. 98. Heft 1 — 10. 1889. 99. Heft 1—3. 1890; B. 97. Heft 1 — 10. 1888. 98. Heft 1—10. 1889. 99. Heft 1 — 3. 1890; III. Abt. 98. Heft 5—10. 1889. 99. Heft 1—3. 1890. 8*^. Sitzungsberichte der naturforschenden Gesellschaft zu Leipzig. 15, u. 16. Jahrg. 1888/89, 89/90. 8*^. Sitzungsberichte der physikalisch-medizinischen Gesellschaft zu Würz- burg. Jahrg. 1889—1890. 8". Sitzungsberichte der K. preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Jahrg. 1890. 1—53; Jahrg. 1891. 1—24. gr. 8^. Sitzungsberichte der Naturforschergesellschaft bei der Universität D o r - pat. Bd. 9. Heft 1. 1890; Heft 2. 1891. Hierzu: Schriften. V. Weihrauch, Fortsetzung der neuen Untersuchungen über die Besselschen Formeln und deren Verwendung in der Meteorologie. Dorpat. 1890. gr. 8*^. VI. Heerwagen, Studien über die Schwingungsgesetze der Stimmgabel. Dorpat. 1890. Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin. Jahrg. 1890. 8^ Sitzungsberichte der physikalisch-medizinischen Societät zu Erlangen, 1889. 1890. 8°. Tübinger Universitätsschriften aus dem Jahre 1889 — 1890. 4*^. Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. IX. Teil. Heft 1. 1890. 8^ Verhandlungen des naturforschenden Vereins in Brunn. XXVII. Bd, 1888; XXVIII. Bd. 1889. Hierzu: VII. u. VIII. Bericht der — XVI — meteorologischen Kommission im Jahre 1887 u. 1888. Brunn. 1889—1890. 8°. Verhandlungen des naturhistorisch-medizinischen Vereins zu Heidel- berg. Neue Folge. Bd. 10. Heft 4. 1891. 8°. Verhandlungen der K. K. geologischen Reichsanstalt in Wien. Jahrg. 1890. No. 6—18; 1891. No. 1—4. 8«. Verhandlungen der physikalisch-medizinischen Gesellschaft in Würz- burg. Neue Folge. Bd. XXHI. 1890; XXIV. 1891. 8°. Verhandlungen und Mittheilungen des Siebenbürgischen Vereins für Na- turwissenschaften in Hermannstadt. 1. Jahrg. No. 5 — 12. 1850; 40. Jahrg. 1890. 8^. Verhandlungen der Schweizerischen naturforschenden Gesellschaft. 72 a Sessione. Jahresversammlung 9. — 11. September 1889 in Lugano. Compte rendu des Travaux etc. Lugano. 1889. 73. Jahres- versammlung 18. — 20. August 1890 in Davos. Hierzu: Compte rendu des Travaux etc. Davos. 1890. 8'^. Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preussischen Rheinlande und Westphalen. Bd. 46. 5. Folge. 6. Jahrg. Heft 2. 1889; Bd. 47. 5. Folge. 7. Jahrg. Heft 1, 2. 1890. Bonn. S^. Verhandlungen der K. K. zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien. Jahrg. 1890. 40. Bd. 8". Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft in Berlin. Bd. 41. Heft 4. 1889; Bd. 42. 1890. 1891. 8°. Zeitschrift für Naturwissenschaften. Originalabhandlung«n und Berichte, herausgegeben im Auftrage des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und Thüringen. Bd. 63. V. Folge. 1. — 5. Heft. 1890. Halle. 8«. Zeitschrift, deutsche entomologische, herausgegeben von Dr. Kratz. Jahrg. 1890. 1. Heft. Berlin. 8». Zeitschrift, entomologische, herausgegeben von dem entomologischen Verein in Berlin. Bd. 35. Heft 1, 2. 1890. 8^*. o Acta Universitatis Lundensis. Lunds Universitets Ars-skrift. Mathema- tik och Naturwetenskab. T. XXV. 1888—1889; T. XXVL 1889 — 1890. Lund. 4°. Actas de la Academia nacional de ciencias en Cordova. T. VL 1889. mit Atlas. Buenos Ayres. fol. Annalen des physikalischen Centralobservatoriuras, herausgegeben von H. Wild. Jahrg. 1889. St. Petersburg. 1890. 4°. Annales de la societe entomologique de Belgique. T. XXXHL 1889. Bruxelles. 8^. Annales de la societe royale malacologique de Belgique. T. 24. (4. ser. T. 4.) 1889. Bruxelles. 8°. Hierzu: Proces-verbaux des seances. T. XVHL 1889; T. XIX. 1890. Annales de la societe geologique de Belgique. T. XVI. Livr. 2; T. XVIL Livr. 1—4. Liege. 1890. 8". Annali del Museo civico di storia natural! di Genova. Ser. 2. Vol. VI. IX. Genova. 1889—1890. 8°. — XVII — Annais of the NewYork Academy of sciences. Vol. V. 4 — 8. 1890. 8°. Annual Report of the Curator of the Museum of comparative Zoo- logy at Harvard College in Cambridge for 1889 — 1890. Bo- ston. 8". Annual Report of the United States geological Survey to the Secretary ofthe interior. J. W. Powell. VIII. 1886—1887 ; IX. 1887-1888. Washington. 8°. Annual Report of the board of regents of the Smithsonian Insti- tution for the year 1886. Prt. II. Washington. 1889; for the year 1887. Prt. I, II. Washington. 1889; for the year 1888. Prt. I, IL Washington. 1890. 8«. Annual Report (24. 25.) of the colonial museum and laboratory of the survey of New Zealand. Wellington. 1890—1891. 8^. Annuaire de l'Academie royale des sciences , des lettres et des beaux arts de Belgique. Annee 56, 57. Bruxelles. 1890—1891. 8°. Archiv for Mathematik og Naturvidenskab , udgivet af Lie, Müller og G. 0. Sars. Christiania. Bind. XIII. Hefte 2, 3, 4; Bind. XIV. Hefte 1—4. 1890. 8^. Archives Neerlandaises des sciences exactes et naturelles publiees par la societe holland. des sciences ä Haarlem. T. XXIV. Livr. 2 — 5. 1890—1891; T. XXV. Livr. 1. 1891. 8°. Hierzu: Oeuvres com- pletes de Christian Hüggens. T. 3. Correspondance. 1660 — 1661. 1890. 4°. Archives du Musee Teyler. Ser. IL Vol. IIL Prt. 4, 5. 1890. Haar- lem. 8°. Hierzu: Catalogue de la bibliotheque par C. Ekama. Vol. IL Livr. 1—3. 1889. Atti della societä toscana di scienze naturali residente in Pisa. Vol. XL 1891. Hierzu: Processi verbali. Vol. VII. p. 129—169. 8^ Atti della R. Accademia della scienze di Tor in o. Vol. XXV. Disp. 8 — 15. 1889—1890; Vol. XXVI. Disp. 1 — 11. 1890—1891. Hierzu: Osservazioni meteorologiche fatte nel anno 1888 — 1889, 1890 dal Dr. Rizzo. 1890. 1891. 8°. Atti della societä Veneto-Trentina di scienze naturali residente in Pa- dova. Vol. XII. Fase. 1. 1891. 8». Atti deir Accademia Pontificia dei nuovi Lincei di Roma. Anno 42. Sess. 1—7. 1889. Anno 43. Sess. 1—6. 1889—1890. 4°. Atti della R. Accademia dei Lincei di Roma. Ser. 4. Vol. VI. 1. Sera. Fase. 1 — 12. 1890; 2. Sem. Fase. 1 — 12. 1890; VIL 1. Sem. 1 — 8. 1891. 4^ Bolletino dei R. comitato geologico d'Italia. Vol. XX. 1889. Roma. 8^ Bolletino della societä Veneto-Trentina di seienze naturali. Anno 1890. T. IV. No. 4. Padova. 8°. Bolletino della societä entomologica Italiana. Firenze. Anno 21. Trim. 3, 4. 1889; 22. Trim. 1—4. 1890—1891. 8^. Bulletin de la societe zoologique de France ä Paris. Vol. XV. No. 6 — 10. 1890; Vol. XVI. No. 1 — 5. 1891. 8°. Bulletin de la societe geologique de France 3. Ser. T. XVIII. No. 1 — 8. 1890;. T. XIX. No. 1—5. 1891: Paris. 8*^. Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde id Württ. 1892. b — XVIII — Bulletin de la societe imperiale des naturalistes de Moscou. Annee 1890. No. 1—4. Hierzu: Meteorologische Beobachtungen. 1890. S*'. Bulletin mensuel de la Societe Linneene du Nord de la France, Amiens. T. IX. 18. Annee. No. 199 — 210. 1889. 8°. Bulletin du Comite geologique de St. Petersbourg. T. VIII. No. 6 — 10, 1889—1890; T. IX. No. 1—6. 1890 u. Supplem. au T. IX. 1890. Bulletin des seances de la societe Vaudoise des sciences naturelles. 3. Ser. Vol. XXV. No. 101; XXVI. No. 102; XXVII. No. 103. 1890—1891. 8°. Bulletin of the U. St. Fish Commission. Vol. VII for 1887. Was- hington. 1889. Hierzu: Page, the most recent methods of hatching fisheggs. 1890; Explorations of the fishing grounds of Alaska etc. 1890; Collins, Suggestions for the employment of improved types of vessels. 1890; Bean, Notes on fishes collected at Cogumel. Washington, 1890. Bulletin of the United States geological Survey. No. 54 — 61. 63 — 66. Washington. 1890. 8^ Bulletin of the Museum of comparative geology at Harvard College at Cambridge, Mass. Vol. XVI. No. 8, 9. (geolog. series Vol. IL) 1890; Vol. XIX. No. 2, 3, 4. 1890; Vol. XX. No. 1—8. 1890; Vol. XXI. No. 1. 1891. 8*^. Christiania, K. Universität. Schübler, viridarium norvegicum. Bd. III. 1889. 4^. Geological and natural history survey of Canada. Contributions to Canadian Palaeontology by J. F. White aves. Vol. I, Prt. 1. Ottawa. 1885. 8". Jaarboek van de K. Akademie van Wetenschappen gevestigd te Amster- dam voor 1889. 8°. John Hopkins University at Baltimore. Studies from the biological laboratory. Vol. IV. No. 7. 1890. University Circulars. IX. No. 81—82. Vol. I. No. 1 — 17; Vol. H. No. 20—25; Vol. HI. No. 27—32; Vol. IV. No, 34—40; Vol. X. No. 83—86, Journal of the Society of natural history at Cincinnati. Vol. XII. No. 4. 1890; Vol. XIII. No. 1—4. 1890. Cincinnati. 8*'. Journal of the College of science, imperial University. Vol. III. Prt. 4 ; Vol. IV. Prt. 1. Tokyo. 1890—1891. Hierzu: Calendar for the year 1889 — 1890. Tokyo. 1889. 8°. Journal of the Linnean society of London. Botany. Vol. XXV. No. 171, 172. 1889— 1890; Vol. XXVI. No. 174. 1890: Vol. XXVH. No. 181, 182. 1890. Zoology. Vol. XX. No. 122, 123. 1889; Vol. XXI. No. 133 — 135. 1889; Vol. XXIIL No. 141 — 144. 1889. Journal and Proceedings of the Royal society of New South Wales. Vol. XXIV. Prt. 1. 1890. Journal of the Royal geological Society of Ireland. Vol. VIII. 2. Dublin. 8°. Journal, Quarterly, of the geological society of London. Vol. XL VI. Prt. 4. (No. 184.) 1890. No. 1—2. (No. 185—186.) 1891. Hierzu: List of the geological Society of London. 1. Nov. 1890. — XIX — La nuova Notarisia. Red. de Toni, Padova. Giugno e Ottobre. 1890. Memoires de la societe Linneenne du nord de la France ä Amiens. T. VII. 1886. 1888. Amiens. 8^ Memoires de la societe des sciences physiques et naturelles de Bor- deaux. 3. Ser. T. IV. 1888; T. V. 1. Cahier. 1889. Bordeaux. 8^ Hierzu: Observations pluviometriques etc. de Juin 1887 ä Mai 1889. Memoires du comite geologique de St. Petersbourg. Vol. IX. No. 1. 1889; Vol. XI. No. 1. 1889. Memoires de la societe des sciences nat. de Cherbourg. T. XXVI. (3. Ser. T. VI.) 1889. Memoires de la societe de physique et d'histoire naturelle de Geneve. Vol. XXXI. Prt. 1. 1890—1891. 4°. Memoires de la societe royale des sciences de Liege. 2. Ser. T. XVI. 1890. 8". Memoirs of Boston Society of Natural history. Vol. IV. Prt. 7 — 9. 1890. 4". Memoirs of the American Academy of arts et sciences at Boston, Centennial-Volume. Vol. XL Prt. VI. No. 7. 1888. Memorie dell' Accademia della scienze dell' istituto di Bologna. Ser. IV. T. XX. 1890. Hierzu: Indici generali dei 10 tom. della 4. Serie. 1880—1889. 8". Monographs of the United States Geological SurveybyJ. W. Powell. Vol. I. Lake Bonneville by Gilbert. Washington. 1890. Vol. XV. The Potomac or Young Mesozoic Flora by Fontaine. Prt. I. Text. Prt. IL Plates. Washington. 1889. Vol. XVI. The Palaeozoic fishes of North America by J. S. Newberry. Was- hington. 1889. A^. Naturaleza. Periodico cientifico de la sociedad Mexicana de historia natural. Ser. 2. Tom. L No. 7—9. 1890. Mexico, gr. 8^ Norske Nordhavs Expedition. Zoologie XIX. Actinida ved D. C. Da- nielssen. 1890; XX. Pycnogonidea ved S. 0. Sars. 1891. Notarisia commentarium phycologicum. Venezia. 8°. Red. de Toni e Levi. Anno V. No. 19 — 22. 1890; anno VL No. 23, 24. 1891. Proceedings of the American academy of arts and sciences at Boston. Vol. XXIV. (New Series. Vol. XVI.) 1889; Vol. XXIH. (New Series. Vol. XV.) Prt. I. 1888. Proceedings of the American philosophical society held at Philadel- phia. Vol. XXVn. No. 131; Vol. XXVIIL No. 132—134. 1890. Proceedings of the Californian academy of natural sciences. Occa- sional papers. I. C. and R. Eigenmann. A revision of the South American Nematognaths ; IL L. Bei ding: Land-birds of the Pacific District. 1890. Proceedings of the Linnean society in London, from Nov. 1887. June 1888. Hierzu: List of the Linnean society. January 1890. Proceedings of the Linnean society of New South Wales. Ser. IL Vol. V. No. 2, 3. 1890. Sydney. 8^. Proceedings of the Royal society of Edinburgh. Vol. XV; Vol. XVL 1887—1889. b* — XX — Proceedings of the Royal physical society at Edinburgh. Vol. X. Prt. '2. 119. Sess. 1889—1890. 8°. Proceedings of the American association for the advancement of science. 38. Meeting held at Toronto. August 1889. Salem. 1890. 8^ Proceedings of the Boston society of natural history. Vol. XXIV. Prt. 3—4. 1889 — 1890. 8". Proceedings of the scientific meetings of the zoological society of Lon- don for the year 1889. Prt. 4. 1890; Prt. 1—4. 1891 ; Prt. 1. 8°. Proceedings scientific of the Royal Dublin Society. New Series. Vol. VI. No. 7—10. 1890. Proceedings of the Academy of natural sciences of Philadelphia. Prt. 1 — 3. 1890. 8°. Prodromus of the Zoology of Victoria. Decade XX. Melbourne. 1890. 8^. Hierzu : Second systematic census of Australian plants by Baron F. V. Müller. Prt. I. Vasculares. fol. Recueil des memoires et des travaux publies de la Societe de Botanique de Luxembourg. No. 12. 1887—1889. 1890. Rendiconto dell' Accademia delle scienze fisiche e matematiche di Na- poli. Ser. II. Vol. IV. Fase. 1—12. 1890. 4«. Rendiconti della R. Istituto Lombardo di scienze e lettere Milano. Ser. II. Vol. XXI. 1888. 8^ Repertorium für Meteorologie, herausgegeben von der K. Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Vol. XIII. 1891. 4^. Report of geological exploration of the colonial museum et geological survey of New Zealand during 1888 — 1889. Hierzu: Studies in biology for New Zealand students etc. Wellington. 1889. Smithsonian contributions to knowledge. Washington. Vol. XXVI. 1890. 4°. Tijdschrift der Nederlandsche Dierkundige Vereeniging in Leiden. 2. Ser. Deel III. After. 1. 1890. 8«. Tijdschrift, natuurkundig, voor Nederlandsch Indie. Batavia. DeelXLIX. (8. Ser. Deel 10.) 1890. 8*^. Transactions of the zoological society of London. Vol. XII. Prt. 10. 1890; Vol. XIIL Prt. 1, 2. 1891. 4°. Transactions of the Royal Society of Edinburgh. Vol. XXXIII. Prt. 3 for 1886—1887; Vol. XXXV. Prt. 1—4. 1887 — 1890. 4*^. Transactions of the Wagner Free Institute of Philadelphia. Vol. III. 1890. 8°. Transactions of the New York Academy of sciences. Vol. IX. No. 1 — 8. 1889 — 1890. 8". Transactions of the Connecticut Academy of Arts and Sciences. New Haven. Vol. VIII. Prt. 1. 1890. Transactions of the American Philosophical Society held at Phil- adelphia. New Series. Vol. XVI. Prt. 3. 1890. 4°. Transactions of the academy of sciences of St. Louis. Mitglieder- verzeichnis. 1890. United States Commission of fish and fisheries. Washington. Prt. XIV. Report of the Commissioner for 1886. 1889. 8°. The Fishery — XXI — Industries, Sect. III a. IV. The fishing grounds of North America and the fishermen of the U. States. 1887. 4". Sect. V. History and methods of the fisheries. Text Vol. I a. IL Plates. Was- hington. 1887. 4". United States Geological Survey by Powell. Washington. Mineral resources Calendar year 1888. 8*^. United States Department of Agriculture. Division of economic Orni- thology and Mammalogy. Washington. North American fauna. No. S'. Results of a biological Survey of the San Francisco Region. 1890. No. 4. Description of twenty six new species of North American Mammals. 1890. S*'. Verhandlungen des deutschen wissenschaftlichen Vereins zu Santiago (Chili). Bd. II. Heft 2. 1890. Hierzu : Verzeichnis der in der Bibliothek des Vereins vorhandenen Zeitschriften. Verhandlungen der K. Akademie van Wetenschappen. Deel XXVII. Amsterdam. 1890. 4°. Hierzu: Amor. Preisscarmen. 1890. Verslagen en Mededeelingen der K. Akademie van Wetenschappen. Af- deel. Natuurkunde. 3. Reeks. Deel VI. VII. 1889. 1890. Afdeel. Letterkunde. 3. Reeks. Deel VL 1889. Amsterdam. 8^. d. Durch neu eingeleiteten Tausch: Berichte der Bayerischen botanischen Gesellschaft zur Erforschung der heimischen Flora. München. 1891. gr. 8°. Tromsö Museums Aarsberetning for 1889, Tromsö Museums Aars- hefter. IL Bergens Museums Aarsberetning for 1886. Bergen. 1887. 8°. Der vom Kassier des Vereins, Herrn Apotheker Moriz Reihlen verlesene, vom Vereinsmitglied Herrn Hermann Rümelin revidierte und von der Generalversammlung genehmigte Rechniings-Abschluss lautet folgendermassen: 'O Einnahmen: A. Reste. Kassenvorrat vom 30. Juni 1890 . . 343 M, 72 Pf. B. Vom Kontokorrent bei der Rentenanstalt ent- nommen 1600 ,, — ■ ,, C. Laufendes: 1. Zinsen aus den Kapitalien . 108 M. — Pf. 2. Beiträge der Mitglieder pro 1889—90 ..... 35 „ — „ 3. Beiträge der Mitglieder pro 1890—91 3604 ,, 30 „ 3747 „ 30 „ Hauptsumme der Einnahmen : ■ — ■• 5691 M. 2 Pf. — XXII — Ausgaben: A. Reste — M. — Pf. B. Grundstock, d. h. Kapitalanlehen — ,, — ,, C. Laufendes: 1 . Vermehrung der Sammlung und Bibliothek 564 M. 67 Pf. 2. Buchdrucker- undBuchbinder- kosten inkl. der Kosten für das jüngste Jahresheft 3765 ,, 79 ,, 3. Statife für die Sammlung . 6 ,, 94 ,, 4. Schreibmaterialien, Kopialien, Porti etc 329 „ 8 „ 5. Saläre , Saalmieten , Inse- rate etc 510 ,, 80 ,, 6. für die Zweigvereine und die Erdbebenkommission . 57 ,, 12 ,, 7. Ausserordentliches .... 45 ,, — ,, 8. Kapitalsteuer 43 ,, 31 j> 5322 „ 71 „ Hauptsumme der Ausgaben — ■. 5322 M. 71 Pf. Einnahmen 5691 M. 2 Pf. Ausgaben 5322 „ 71 ,, demnach Kassenvorrat am Schluss des Rechnungsjahrs — ;• 368 M. 31 Pf. Vermögensberechnung: Kapitalien nach dem Nennwert 21 114 M. 29 Pf. hiervon ab derRentenanstaltschuldig am 30. Juni 1891 872 ,, 20 „ 20 242 M. 9 Pf. Kassenvorrat des Rechners am 30. Juni 1891 . . 368 ,, 31 ,, 20 610 M. 40 Pf. das Vermögen des Vereins betrug am 30. Juni 1890 21 458 ,, 1 ,, dasselbe beträgt am 30. Juni 1891 20 610 „ 40 „ somit Abnahme gegen das Vorjahr von — ;. 847 M. 61 Pf. Aktien Im Vereinsjahr 1890 — 91 war die Zahl der Mitglieder 736 mit 739 Hierzu die 36 neu eingetretenen Mitglieder, nämlich die Herren : Chemiker Otto Fritz in Blaubeuren, Salinenverwalter Friedr. Schüz in Hall, Fabrikant Heinrich Mack in Ulm, — XXIII — Aktien Übertrag . . 739 Dr. med. Ernst Späth in Esslingen, Obermedizinalrat Dr. Paul Sick in Stuttgart, Oberamtswundarzt Dr. Ada jun. in Esslingen, Bergrat Haus er in Schussenried, Prof. Dr. B ran CO in Tübingen, Se. Durchl. Fürst Karl von Urach in Stuttgart, Dr. 0. Buchner in Stuttgart, Professoratskandidat Gebh. G essler in Esslingen, Oberstudienrat Karl Günzler in Stuttgart, Pfarrer Xaver Bendel in Ebersbach, OA. Saulgau, Pfarrverweser Josef Geiger in Hochberg bei Saulgau, Betriebsinspektor Viktor Bock in Aulendorf, Landgerichtspräsident Aug. v. Landerer in Ravensburg, Dir. des statist. Landesamts 0. v. Knapp in Stuttgart, Forstreferendär L Klasse Vollmer in Stuttgart, Apotheker Haas in Rottenburg, Buchhändler Dr. Julius Hoffmann in Stuttgart, Chemiker Dr. Franz Hundeshagen in Stuttgart, Lehrer Samuel Mundle in Stuttgart, Direktor Max Schrödter in Cannstatt, Lehrer Stettner in Vaihingen a. Enz, Fabrikant Aug. Happold in Feuerbach, Dr. med. Karl Mayer in Feuerbach, Apotheker Hölzle in Feuerbach, Feinmechaniker Heinrich Fischer in Stuttgart, Professoratskandidat Adolf Schauffler in Stuttgart, Prakt. Arzt Leop. Steiner in Stuttgart, Dr. Val. Haecker, Assistent am zool. Inst, in Freiburg, Dr. Eberhard Fraas, Assistent am k. Naturalienkabinett in Stuttgart, Dr. G essler in Stuttgart, Prof. Dr, Koch in Stuttgart, Chemiker Veesenmeyer in Stuttgart, Lehrer Sporer in Stuttgart, 36 775 Hiervon die 31 ausgetretenen, und zwar die Herren: Bahnhofinspektor Merkt in Hall, Forstmeister v. Killinger in Gundelsheim, Dr. med. Romberg in Nürtingen, Professor Wunderlich in Göppingen, Hauptmann Ritter in Ulm, Kaplan Siegle in Biberach, Professor Romrael in Göppingen, Direktor v. Ow in Stuttgart, — XXIV — Aktien Übertrag . . 775 Postsekretär Hössle in Stuttgart, Prof. Dr. Winkel mann in Jena, Fabrikant R. Schäuffelen in Heilbronn, Notar Distel in Stuttgart, Pfarrer S taiger in Gutenzeil, Apotheker Kubier in Stuttgart, Bierbrauer Hacker in Altshausen, Hofrat Dr. Arnold in Stuttgart, Reallehrer Wann er in Isny, Oberamtsgeometer Bauer in Hall, Oberregierungsrat v. Bailer in Ulm, Forstamtsassistent Reuss in Heilbronn, Professor Reiff in Heilbronn, Professor Greiselhardt in Ravensburg, Vikar Scheel in Bierlingen, Ökonom Höckle in Bodelshofen, Dr. Cluss in Halle, Lehramts vikar König in Stuttgart, Major Jäger in Freudenstadt, Dr. Seelig in Stuttgart, Docent Reichelt in Reutlingen, Rektor Speidel in Biberach, Bauunternehmer Haaf in Biberach 31 und die 16 gestorbenen Mitglieder: Oberamtsarzt Dr. Schwandner in Marbach, ' Direktor v. Krauss in Stuttgart, Professor v. Marx in Stuttgart, Apotheker Becker in Waldsee, Staatsrat v. Duvernoy in Stuttgart, Bankier Dörtenbach in Stuttgart, Partikulier Keller in Reutlingen, Fabrikant Feyerabend in Heilbronn, Fabrikant Fritz v. Rauch in Heilbronn, Präsident v. Werner in Stuttgart, Professor Steudel in Ravensburg, Reallehrer Lörcher in Schorndorf, Dr. med. Baur in Stuttgart, V. Vis eher in Aglishardt, Apotheker Ott in Horb, Fabrikant Kress in Heilbronn 10 47 über deren Abzug die Mitgliederzahl am Ende des Rechnungsjahres beträgt 728 mit .... 731 Aktien gegenüber dem Vorjahre .... 736 ,,.... 739 ,, mithin weniger 8 Mitglieder mit 8 Aktien — XXV — Wahl der Beamten. Gemäss § 13 der Statuten wurde durch die Generalversammlung die Wahl der Beamten vollzogen. Es wurden gewählt für das Vereins- jahr 1891 — 1892 als erster Vorstand Oberstudienrat Dr. 0. Fraas, zweiter Vorstand Bergratsdirektor Dr. v. Baur. Von den Mitgliedern des Ausschusses, welche statutengemäss aus- zuscheiden hatten und deren Wiederwahl der Generalversammlung vor- geschlagen wurde , lehnten eine Wiederwahl ab die Herren : General- stabsarzt Dr. V. Klein und Prof. Dr. v. Zech. An ihrer Stelle wählte die Generalversammlung die Herren: Prof. Dr. Klunzinger und Prof. Dr. V. Reusch; die übrigen Herren der ausscheidenden Hälfte des Ausschusses wurden wiedergewählt. In der im Ausschuss zurückbleibenden Hälfte waren Neuwahlen notwendig an Stelle der Herren Oberstudienrat Dr. 0. Fraas, welcher als Vorstand dem Ausschuss nicht mehr angehört, Direktor v. X eil er, der seinen Austritt aus dem Ausschuss erklärte und Prof. Dr. v. Marx, den der Tod dem Verein entrissen. An ihrer Stelle wurden gewählt die Herren: Prof. am Realgymnasium Dr. A. Schmidt von Stuttgart, Prof. Dr. Sigel von Stuttgart und Prof. Dr. Eimer von Tübingen. Demgemäss setzt sich der Ausschuss gegenwärtig folgendermassen zusammen : Neugewählte Hälfte (Ausschussmitglieder bis 24. Juni 1893): Prof. Dr. V. Ahles, Bergratsdirektor Dr. v. Baur, Prof. Dr. Bronner, Prof. Dr. Kliuger, Prof. Dr. Klunzinger, Prof. Dr. V. Reusch, Hofrat E. Seyffardt, Sanitätsrat Dr. Steudel. Im Ausschuss bleiben zurück (Ausschussmitglieder bis 24. Juni 1892): Dr. F. Ammermüller, Prof. C. W. V. Baur, Direktor v. Dorr er, Prof. Dr. Eimer, Senatspräsident v. Hufnagel, Apotheker M. Reihlen, Prof. Dr. A. Schmidt, Prof. Dr. Sigel. Delegierter des oberschwäbischen Zweigvereins ist Pfarrer Dr. Probst in Unteressendorf. - XXVI — In einer einige Zeit nach der Generalversammlung stattfindenden Ausschusssitzung (26. November 1891) wurden vom Ausschuss gemäss §14 und 13 der Statuten folgende Wahlen vorgenommen: zur Verstärkung des Ausschusses: Prof. Dr. C. Hell von Stuttgart, Prof. Dr. 0. Kirchner von Hohenheim, Buchhändler Ed. Koch von Stuttgart, Prof. Dr. K. Lampert von Stuttgart, Prof. Dr. A. Leuze von Stuttgart, als Sekretäre, da die bisherigen Herren eine Wiederwahl ab- gelehnt : Prof. Dr. K, Lampert, Prof. Dr. A. Schmidt, als Kassier: Apotheker Moriz Reihlen, als Bibliothekar: Prof. Dr. K. Lampert. Wahl des Versammlungsortes. Für die Versammlung des Jahres 1892 lag eine sehr freund- liche, durch Herrn Hofrat Dr. v. Lehn er übermittelte Einladung von Sigmaringen vor, welche von der Versammlung mit Freuden an- genommen wurde. Auf Vorschlag des Vorsitzenden wurde als Ge- schäftsführer für die Versammlung 1892 Herr Hofrat Dr. v. Lehner gewählt. Den Schluss der Verhandlungen bildete der Dank des Vorstandes an alle Herren, die sich um das Zustandekommen der Versammlung verdient gemacht, besonders an den Geschäftsführer Herrn E. Stalin und die anderen Herren des Calwer Ortsausschusses. Bald vereinten sich die Anwesenden zum gemeinsamen Essen im Badischen Hof, welches in belebter Stimmung verlief. Der erste Toast, den der Vorstand ausbrachte, galt dem erhabenen Protektor des Vereins, S. M. König Karl; E. Stalin toastierte auf den Verein und seine Leiter, während Direktor Dr. v. Baur der Stadt Calw und dem Geschäftsführer der diesjährigen Versammlung den Dank des Vereins darbrachte. Auch das Wetter war dem Festtag günstig; seit langer Zeit ein ganzer Tag ohne Regen oder drohende Gewitter. So konnte auch der geplante Ausflug nach Hirsau stattfinden und ein Besuch der romantischen Klosterruine und ein Vesperschoppen in Hirsau den Tag würdig beschliessen. Vorträge bei der Generalversammlung. Einbürgerung fremder Nutzfische in Württemberg. Von Prof. Dr. Sieglin in Hohenheim. Nicht nur im hohen Norden Deutschlands in der Nähe der Nord- und Ostsee, sondern auch in verschiedenen Gegenden Süd- deutschlands sah man sich in früheren Jahrhunderten veranlasst, zu bestimmen, dass keine Dienstherrschaft das Recht habe, ihrem Ge- sinde gegen dessen Willen mehr als zweimal wöchentlich Lachs vor- zusetzen. Diese guten Zeiten sind nun wohl für immer vorbei, da die Polizei sich genötigt sah, in solcher Weise zum Schutze der Dienstboten einzugreifen ! Ist doch, soweit ich ermitteln konnte, der letzte Lachs in württembergischen Gewässern im Jahre 1887 in der Nähe von Jagstfeid und der vorletzte einige Jahre früher in Heil- bronn gefangen worden! Es muss dieses allmähliche Verschwinden des Lachses {Trutta solar L.) aus unsern heimischen Gewässern namentlich deshalb als sehr bedauerlich bezeichnet werden, weil dieser „König der Fische", ein Wanderfisch par excellence ist und den weitaus grössten Teil seines Lebens im Meere zubringt, dort sich mästet und nur in die Flüsse kommt, um seiner wichtigsten Pflicht im Haushalte der Natur zu genügen : sich fortzupflanzen und dadurch für die Erhaltung seiner Species zu sorgen. Nur in den ersten Lebensmonaten, so lange der Lachs sich in der Nähe seiner natürlichen Laichstellen aufhält und sich hier insoweit körperlich entwickelt, um die grosse Reise nach dem Meere unternehmen zu können, macht er unsern Standfischen, indem er mit denselben am gleichen Tische speist, Konkurrenz ; allein bei seiner Rückkehr zu den Laichstellen in geschlechtsreifem Zustande verschmäht er — wenigstens ist dies bezüglich des Rheingebietes definitiv festgestellt — jedwedes Futter. — XXVIII — über die Ursachen des Rückganges und schliesslichen Aufhörens der Lachsfischerei in Württemberg mich zu verbreiten, würde zu weit führen. So wie die Verhältnisse aber jetzt hegen, ist die Hoff- nung nicht ausgeschlossen, es wenigstens wieder dahin zu bringen, dass bisweilen ein Lachs die württembergisch-badische Grenze er- reicht und in dem Neckar, dem Kocher, der Jagst, oder auch wohl in der Enz gefangen wird. Um daher dasjenige zu thun, was zur Er- reichung dieses Zieles geschehen kann, wurden in den letzten Jahren künstlich befruchtete Eier von Lachsen, die im Oberrhein gefangen worden waren , in württembergischen Fischbrutanstalten erbrütet. An dieser gemeinnützigen Arbeit haben sich beteihgt: die Brut- anstalt der Akademie Hohenheim seit 1888, sowie diejenige des zoologischen Instituts Tübingen und des Fischervereins Heilbronn seit 1890. Im bevorstehenden Winter sollen ausser in diesen drei Brut- anstalten in Willsbach, OA. Weinsberg, und in Böffingen, OA. Freuden- stadt, je 5000, also im ganzen 25 000 Lachseier ausgebrütet und die Fischchen nach Resorption der Dotterblase in den Neckar, die Sulm und Glatt eingesetzt werden. Mögen diese Lachse hier gedeihen und wenn sie in einigen Jahren als meterlange Exemplare diejenigen Stellen wieder aufsuchen wollen, wo sie ihre erste Jugendzeit verlebt haben, den holländischen und mittelrheinischen Netzen glücklich entgehen ! Während der Lachs, dessen Wiedereinbürgerung in unsern Ge- wässern versucht worden ist, nur in solchen Strömen, Flüssen und Bächen vorkommt, welche mit der Nord- und Ostsee in offener Ver- bindung stehen, hat unser zweiter Wanderfisch, der Aal {An(juiUa vulgaris Flem.), weit grösseren Verbreitungsbezirk. Er findet sich in allen europäischen Flüssen mit Ausnahme von denjenigen, welche in das Schwarze und Kaspische Meer münden, kommt in Württem- berg somit in allen Gewässern vor, welche zum Stromgebiet des Rheins gehören, dagegen fehlte er bisher im ganzen Stromgebiet der Donau. Seit man, dank den Forschungen insbesondere von Bennecke und Hermes, die Naturgeschichte des Aales kennt und weiss, dass die Vermehrung desselben ausschliesslich im Meere erfolgt, dass die jungen weiblichen Aale in die Flüsse und Bäche wandern, hier an geeigneten Stellen bis zum Eintreten der Geschlechtsreife verbleiben, um sich dann in warmen Sommernächten Aussah wärts treiben zu lassen und zu den im Brackwasser sie erwartenden Männchen zu gelangen , hat der Deutsche Fischereiverein die Frage erwogen , ob sich der sagenumwobene Aal nicht auch im Donaugebiet einbürgern lasse. Die eingeholten Gutachten lauteten indessen sehr wider- — XXIX — sprechend, ja die meisten praktischen Fischer, welche um ihre An- sicht befragt worden waren, behaupteten sogar, dass der Aal im Donauvvasser sofort sterbe. Mit Rücksicht darauf wurden die ersten Versuche nur ganz vorsichtig gemacht und im Jahr 1881 auf Kosten des Deutschen Fischereivereins erstmals einige tausend junge Aale in die obere Donau eingesetzt. Da man mehrere Wochen später von den eingesetzten kleinen und zarten, Aalen einige lebend und munter wiedersah, wurden der Donau je in den folgenden Jahren etwas grössere Mengen Aalbrut übergeben. Die Aalbrut war im Arno in der Nähe von Pisa von Herrn Haack , dem Direktor der Kaiserl. Fischzuchtanstalt Hüningen im Oberelsass, gefangen und sorgfältig in Wasserpflanzen verpackt in kleinen Kistchen per Post nach den Aussetzungsstellen verschickt worden. Schon fing man an, es etwas bedenklich zu finden, dass in den nächsten Jahren es nicht gelingen wollte, auch nur einen einzigen grösseren Aal in der Donau nachzu- weisen, da fand ich im Herbst 1886 eine kurze Notiz im „Schwab. Merkur", wonach in Scheer an der Donau eine Turbine durch ein- gezwängte Aale zum Stillstehen gebracht worden sein soll. Diese Kunde schien mir in hohem Grade wichtig zu sein und nachdem genaue Ermittelungen eine vollständige Bestätigung des geschilderten Vorganges ergeben hatten und festgestellt war, dass beim Ausräumen jener Turbine über 40 Pfund prächtig entwickelte, leider in hand- lange Stücke zerschnittene Aale gefunden wurden, machte ich dem Deutschen Fischereiverein in Berlin von diesem Vorkommnis Anzeige. Dieser brachte meinen Bericht in seinem nächsten Cirkular zur öffent- lichen Kenntnis und beschloss , nachdem somit die günstige Ent- wickelung des Aales in der Donau zweifellos festgestellt war, nun- mehr einen Schritt weiter zu gehen und auch die Vermehrung des Aales im Donaugebiet ins Auge zu fassen. Da, wie erwähnt, die männlichen Aale im Brackwasser zurückbleiben und nicht wie die weiblichen in die Flüsse und Bäche aufsteigen, so mussten alle im x\rno gefangenen und bis dahin in die Donau eingesetzten Aale weiblichen Geschlechts sein und man musste Sorge tragen , dass, wenn letztere einige Jahre später geschlechtsreif der Mündung der Donau zueilten, daselbst ihre Begattung erfolgen konnte. Zu diesem Ende wurden im Sommer 1887 ca. 26000 erwachsene in dem Brack- wasser der Nordsee gefangene männliche Aale nebst ca. 500000 jungen Nord- und Ostsee-Aalen in einem eigens dazu in sinnreicher Weise eingerichteten Eisenbahnwaggon nach der unteren Donau ver- bracht. Mit dem Aussetzen der jungen Aale wurde schon unterhalb — XXX — von Budapest, mit dem der grossen männlichen Aale bei Galatz begonnen. Trotz der siebentägigen Fahrt konnten die Aale in sehr wohlbehaltenem, frischen Zustande ins Wasser gesetzt werden und schienen sich in dem Donauwasser recht wohl zu fühlen. Seitdem ist nun alljährlich über eine Viertelmillion italienischer Aalbrut inner- halb des württembergischen, hohenzollernschen und bayrischen Ge- bietes in die Donau und deren Zuflüsse eingesetzt worden, so dass seit 10 Jahren für Rechnung des Deutschen Fischerei Vereins dem Donaugebiet über zwei Millionen Aale zugeführt worden sein dürften. Ob sich die eingesetzten Aale in der Donau nun schoji selbst ver- mehrt haben, so dass in derselben ebenso wie in andern von Aalen von jeher bewohnten Flüssen alljährlich Brut aus dem Meere aufsteigt, hat deshalb noch nicht mit Sicherheit festgestellt werden können , weil bis jetzt noch alljährlich italienische Brut eingesetzt worden ist. Aber das ist sicher, dass Aale jetzt in allen Zuflüssen der oberen Donau, auch in denjenigen, welche absichtlich keine Aalbrut erhalten hatten, vorkommen, und dass der Aalfang in der Donau ebenso er- giebig ist, wie in den Zuflüssen des Rheins. So hat — um hier nur einen Beweis für diese Behauptung zu erbringen — ein Ulmer Fischer in diesem Jahre in einem Donaualtwasser binnen zwei Tagen mittels Reusen nicht weniger als 30 Pfund Aale gefangen ! Wenn somit darnach gestrebt wird, der Donau einen neuen Wanderfisch zu geben, dem Neckar aber seinen seit Jahren aus- gebliebenen wieder zuzuführen, so war die K. Centralstelle in Ver- bindung mit dem Deutschen Fischereiverein und unter Mitwirkung der heimischen Fischereivereine nicht minder bemüht, unsere Gewässer auch durch Einführung wertvoller ausländischer sogenannter Stand- fische zu bereichern. Es erschien dies notwendig, da die Zahl der in unsern Flüssen, Bächen, Seen und Teichen vorkommenden schmack- hafteren Fischarten nicht eben gross ist. Ausserdem wird der natür- liche Verbreitungsbezirk unserer wertvollen heimischen Bachforelle {Trutta fario L.), die Region des raschfliessenden und reinen Wassers, leider immer kleiner. Während Württemberg noch vor wenigen Jahrzehnten fast ausschliessHch Agrikulturstaat war, hat die Industrie seitdem bei uns einen ungeahnten Aufschwung genommen. Um die Wasserkräfte möglichst auszunutzen, werden jetzt die Bäche mehr und mehr gesperrt durch Wehre und dadurch die Fische in der freien Be- wegung gehindert, ausserdem aber die Flüsse und Bäche vielfach dazu missbraucht, die Abwasser der industriellen Anlagen aufzunehmen. Da diese Abwasser in der Regel den Fischen nachteilige Substanzen — XXXI - enthalten , so pflegt kurz nach Eröffnung einer Fabrik , welche ihre Abwasser ohne weiteres in ein offenes Gewässer entlässt, in letzterem der ganze Fischbestand auf mehrere Kilometer lange Strecken mehr oder weniger geschädigt zu werden, ja in einzelnen Fällen ist der- derselbe weithin vollständig vernichtet worden. Die Erfahrung hat zwar gelehrt, dass bei einigem guten Willen Industrie und Fischerei recht wohl nebeneinander bestehen können und es muss auch rühmend anerkannt werden, dass einzelne energische ßezirksbeamte den Über- griffen gewissenloser Industriellen gesteuert und die vorgeschriebene Unschädlichmachung des Abwassers verlangt und durchgesetzt haben. Es ist dann auch da und dort gelungen, durch Einsetzen von Forellen- brut solche devastierte Bäche wieder ergiebig zu machen, allein mit Rücksicht darauf, dass vielfach der Fischerei weniger grosse wirt- schaftliche Bedeutung beigelegt wird und werden muss als industriel- len Anlagen und die Kontrolle der letzteren nicht immer ganz leicht ist, so kommen von Jahr zu Jahr weniger Forellen auf den Markt. Da anderseits die durchschnittliche Wohlhabenheit und damit im Zusammenhang auch die Nachfrage nach wohlschmeckenden Nahrungsmitteln entschieden zugenommen hat, so musste der Preis der Forellen mehr und mehr steigen. Diese Preiserhöhung hat manchen veranlasst, in Verfall geratene Dämme wieder auszubessern, ehemalige Teiche zu spannen oder neue Teiche anzulegen und mit Forellen zu besetzen. Leider hat die Erfahrung gelehrt, dass den jungen Bach- forellen, welche anfangen, Nahrung aufzunehmen, der Aufenthalt in geschlossenen Teichen nicht recht zusagt. Bringt man solche Forellen direkt von der Brutanstalt in einen Teich, so wird man sich darauf gefasst machen müssen , dass binnen weniger W^ochen der grössere Teil derselben abgestorben ist und beim Ablassen des Teiches nach Jahresfrist sind oft nur noch wenige fingerlange Exemplare vorhanden; dagegen gewöhnen sich ein- und mehrjährige, in Bächen oder ge- eigneten Aufzuchtsgräben herangezogene Bachforellen leicht an den Aufenthalt in Teichen mit reichlichem Wasserzufluss und werden hier bei entsprechendem Futter rasch fett. Unter solchen Verhält- nissen musste die Kunde , dass in Nordamerika zwei Forellenarten heimisch sind, welche die Aufzucht in Teichen von frühester Jugend an sehr gut ertragen, ausserdem verschiedene sonstige gute Eigenschaften besitzen, unsere Fischzüchter in hohem Grade interessieren und bei denselben den Wunsch wachrufen , es möchten mit diesen ameri- kanischen Salmoniden : der Regenbogenforelle und dem Bachsaibling, auch bei uns Versuche gemacht werden. — XXXII - Die Kegenbogenforelle (kalifornische Forelle, Salmo irideus GiBB.) ist im ganzen gebirgigen Teil Kaliforniens zu Hause, geht also in ihrer Heimat soweit nach Süden, wie kein Salmonide auf unserer Halbkugel (Breite von Kairo). Aber sie ist in Amerika nicht nur in klaren Gebirgsbächen, sondern auch in tiefergelegenen Flüssen zu finden ; ja sie geht bis in den Stillen Ocean herunter. Die Gestalt der Regenbogenforelle ist gedrungen, der Kopf breit und kurz ab- gestumpft, der Rücken wölbt sich unmittelbar hinter dem Kopf stark aufwärts und fällt dann von der Rückenflosse an steil gegen die Schwanzflosse ab. Letztere ist stark ausgeschnitten. Die roten Punkte unserer Bachforelle fehlen ihr, dagegen ist sie auf jeder Körperseite mit einem breiten Streifen versehen, der vom Kopf bis zur Schwanzwurzel in gerader Richtung verläuft und in allen Regen- bogenfarben schillert. Diesem Streifen verdankt der Fisch seinen Namen. Das Irisieren tritt besonders deutlich hervor bei soeben aus dem Wasser genommenen Fischen im Sonnenschein und zur Laichzeit. Vor allem aber in wirtschaftlicher Beziehung zeichnet sich diese amerikanische Fischart vor ihren europäischen Verwandten aus. Sie wächst weit rascher und macht an die Beschaffenheit des Wassers erheblich weniger Ansprüche als diese. In der Sammlung der Aka- demie Hohenheim befinden sich zwei genau ein Jahr alt gewordene, 18 resp. 21 cm lange Regenbogenforellen, welche aus Eiern daselbst erzogen worden sind. Den Sommer brachten dieselben in einem kleinen, V2 — 1 m tiefen Karpfenteich, der monatelang gar keinen Wasserzufluss hatte, zu und erhielten in dieser Zeit keinerlei künst- liche Nahrung. Im Winter waren sie nebst verschiedenen anderen Fischen in einem Aquarium , das mit kaum 2 cbm Wasser gefüllt war. Sie haben somit Verhältnisse, unter welchen jede Bachforelle sicher zu Grund gegangen wäre, nicht nur ohne Nachteil ertragen, sondern auch binnen Jahresfrist durchschnittlich das Brittelmass und ein Gewicht von ca. 100 g erreicht haben I 4 — 5 Jahre alte Regenbogenforellen pflegen 5 — 6 Pfd. , also durchschnittlich doppelt so schwer zu sein als gleichalterige Bachforellen. Diese Schnell- wüchsigkeit ist offenbar bedingt durch die grosse Gefrässigkeit des Fisches. Derselbe hat immer Hunger und rudert unermüdlich umher , um Futter zu suchen , während die heimische Bachforelle den Tag über an einer schattigen Stelle auf einen Bissen , den das Wasser ihr etwa zuführt, zu lauern pflegt, und in der Regel erst abends auf Raub ausgeht. Diese grosse Beweglichkeit der — XXXIII — eifrigen Amerikanerin hat auch zur Folge , dass man sie häufiger als andere Forellen zu Gesicht bekommt; sie schwimmt, wenn man ihr zur bestimmten Stunde und an derselben Stelle Futter reicht, zutraulich herbei , frisst sogar den ihr bekannten Personen aus der Hand und verschwindet mit der pfeilschnell erhaschten Beute wieder in der Tiefe. Die Brut nimmt, sobald die Dotterblase resorbiert ist, ebenso gerne schwebende, wie auf dem Boden hegende, tote ani- malische Nahrung (Gehirn, zerriebene Leber, feingehacktes Fleisch, Blut u. s. w.) an. Es ist das von besonderer Wichtigkeit, da die Beschaffung geeigneter lebender Futtertiere in grösserer Menge meist mit erheblichen Schwierigkeiten verknüpft ist. Man kann somit in mit Regenbogenforellen besetzten Teichen das Futter auf ca. V2 m unter dem Wasserspiegel angebrachte Tische legen . die ausserdem bei grosser Hitze als Unterschlupf sehr willkommen sind. Auch lässt sich eine verhältnismässig gio.sse Zahl Fische in kleineren Bassins halten, vorausgesetzt, dass der Wasserzufluss reichlich ist und auf Reinlichkeit strenge gehalten wird Pilze kommen auf in kleinen Behältern (Aquarien) gezogenen Regenbogenforellen weit weniger leicht vor als auf Bachforellen. Selbst vegetabilische Nah- rung (Weissbrot) verschmähen die Regenbogenforellen nicht, wenn sie auch animalische entschieden vorziehen. Durch diese grosse Gefrässigkeit gewinnen sie besondere Bedeutung für den Angler, der in der Wahl des Köders nicht beschränkt ist und auch künstliche Fliegen verwenden kann. Die Regenbogenforellen lassen sich ebenso- gut in kalten und massig warmen Teichen als reiner Besatz wie als Zugabe in Karpfenteichen an Stelle des Hechtes verwenden. Unter letztgenannten Verhältnissen ist die Bachforelle nicht zu ge- brauchen, da sie zu wenig umherschwimmt, die Karpfen nicht ge- nügend beunruhigt und am Laichen hindert, daher zu viel Karpfen- brut aufkommen lässt. Auch erträgt sie denjenigen Grad der Wasser- erwärmung, der für erfolgreichen Betrieb der Karpfenzucht durchaus notwendig ist, besonders im ersten Lebensjahr weit weniger gut. Wie für Teiche und Seen, so ist die Regenbogenforelle auch für fliessende Gewässer sehr wertvoll. Zwar liebt sie bei uns nicht die eigentlichen Forellenbäche , wo sie auch , wie die flinke Asche {ThymaUus vulgaris Nilss.), im Winter den monatelange auf dem Kies liegenden Bachforelleneiern und der ebensolange nur sehr un- beholfenen Bachforellenbrut verhängnisvoll werden könnte ; aber sie hält sich gerne weiter unten in wärmerem, ruhiger fliessendem, wenn auch weniger reinem Wasser, in der sogenannten Barbenregion, in Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1892. C — XXXIV — welcher es ohnedies an schmackhafteren Fischarten fehlt, und sucht nur zur Laichzeit Kiesbäche auf. Sie ist überhaupt weniger Stand- tisch als die Bachforelle , huldigt auch weniger dem Kannibalismus und führt kein so ausgesprochenes Einsiedlerleben wie jene, sondern rudert mit Vorliebe herdenweise umher. Mag auch bei einzelnen Exemplaren der Wandertrieb etwas grösser sein und diese veran- lassen , ins Meer zu gehen , so tritt dieser Trieb doch niemals so intensiv auf, wie beim Lachs, dessen Fresslust und Gedeihen auf- hört, wenn man ihm die Wanderung ins Meer unmöglich macht. Mit der grossen Gefrässigkeit und Schnellwüchsigkeit steht auch die frühzeitige und grosse Fruchtbarkeit des Fisches im Zusammenhang. Zweijährige Regenbogenforellen sind in der Regel schon geschlechts- reif und liefern kleine Mengen Eier oder Milch. In späteren Jahren erzielt man von einem Rogner durchschnittlich doppelt so viele Eier und von einem Milchner wohl dreimal so \del Samen als von einer gleichschweren Bachforelle. Die Eier sind etwas kleiner als bei dieser (ähnlich wie beim Seesaibling) und weisslich bis hellorange. Das Ausmelken der Fische zum Zweck der künstlichen Vermehrung schadet ihnen dank ihrer überaus kräftigen Konstitution und ihrer grossen Widerstandsfähigkeit in der Regel nichts. Auch die Eier sind sehr gesund und haben von Pilzen wenig zu leiden, ausserdem geht die Entwickelung des Embryo erheblich rascher vor sich als bei der Bachforelle ; diese Verkürzung des Brutgeschäftes bedingt eine Verminderung von Mühe und Kosten und ausserdem ist der Verlust an Eiern und Brut ein geringerer. Dazu kommt, dass die Eier 2- — 3 mal so teuer sind als diejenigen der Bachforellen; die künstliche Vermehrung der Regenbogenforellen und der Verkauf von Eiern dürfte daher, besonders gegenwärtig, da die Nachfrage nach Regenbogenforelleneiern recht gross das Angebot dagegen noch be- schränkt ist, sehr rentabel sein. Das Laichen in der Natur erfolgt wie bei den Bachforellen auf Kiesgrund , nachdem der Rogner durch Hinundherbewegen des Schwanzes eine flache Grube hergerichtet hat. Nur in der Laich- periode werden die mit ihresgleichen sonst so friedlichen und ge- selligen Regenbogenforellen eifersüchtig. Insbesondere die Milchner bekämpfen sich in dieser Zeit oft mit grosser Erbitterung. Bei aus Nordamerika eingeführten und bei von importierten direkt abstammenden Regenbogenforellen fällt die Laichzeit in die Monate März und April und dehnt sich unter Umständen bis in den Mai hinein aus. Auch diese Eigenschaft ist recht schätzenswert. — XXXV — Unsere Feinschmecker brauchen somit in den Wintermonaten, während unsere heimische Bachforelle mit Eiern resp. Milch angefüllt oder als Wöchnerin ungeniessbar ist, auf das beliebte Forellengericht nicht mehr zu verzichten, da gerade in dieser Zeit die Regenbogenforelle besonders wohl genährt und schmackhaft ist. Ob freihch die ameri- kanische Forelle, welche sich durch so entwickeltes Accommodations- vermögen auszeichnet, in Europa die Frühjahrslaichzeit beibehalten oder allmählich diejenige unserer Bachforelle annehmen wird, bedarf noch näherer Feststellung. In der Kaiserlichen Fischzuchtanstalt in Hüningen (Oberelsass), wo seit ca. 10 Jahren amerikanische Forellen gezüchtet werden, ist eine derartige Verschiebung der Laichzeit kon- statiert worden. Doch dürfte in diesem Fall zeitweilige Blutauffrischung durch Bezug von Eiern direkt aus Amerika gute Dienste leisten. Das Eintreten der Laichperiode hängt übrigens auch wesentlich von der Temperatur des Wassers ab und lässt sich somit bis zu einem gewissen Grad beeinflussen. Was endlich die Qualität ihres bald mehr weisshchen, bald mehr orangefarbenen Fleisches betrifft, so steht dieselbe nach der Ansicht der einen hinter demjenigen der Bachforelle zurück, da es etwas fester, trockener und blättriger ist, andere schätzen es gerade deshalb besonders hoch. Von den ersten in Europa (in Hüningen) gezogenen Regenbogenforellen kam ein Teil auf die Tafel des Kaisers Wilhelm I. bei Gelegenheit des grossen Paradediner in Strassburg im Jahre 1881 und Kaiser Wilhelm fand dieselben vorzüghchl Nachdem der Deutsche Fischereiverein im Jahr 1886 dem Berichterstatter auf seine Bitte von Hüningen eine kleine Partie Eier überwiesen und die aus denselben gewonnene Brut sich in Hohenheim über alles Er- warten günstig entwickelt hatte, hat sich die Regenbogenforelle in Württemberg in den letzten Jahren rasch verbreitet und die Zu- friedenheit insbesondere aller Teichwirte erworben. Aber auch unsere eigentlichen Forellenbäche verdanken Nord- amerika eine wertvolle Bereicherung durch Einführung des dort heimischen Bachsaiblings {Sahno fontinalis Mitchill), eines offen- bar nahen Verwandten des in einer grossen Zahl tiefer Seen Mittel- europas vorkommenden Seesaiblings {Sahno salvelinus L.). Der ameri- kanische Bachsaibling hat mit diesem in bezug auf Färbung und Gestalt viel Ähnlichkeit, gleich dem Seesaibling auf beiden Körperseiten zahl- reiche rote und weisse, sowie auf dem Rücken braune längliche Flecken aber rötliche Flossen und gelblich-rötlichen Schimmer am Bauch. Diese Zeichnung tritt zur Laichzeit besonders prächtig hervor. So- - XXXVI — dann hat der Bachsaibling etwas gedrungenere Körperform als der europäische Saibling. Er bewohnt in Nordamerika östlich von den Rocky mountains sowohl Bäche als Flüsse und Seen, wird dort bis zu 10 Pfund schwer und ist wegen seines orangefarbigen vorzüg- lichen Fleisches sehr geschätzt. Er vertritt in den kalten und rasch- fliessenden Bächen Nordamerikas die bis vor kurzem dort fehlende, erst neuerdings mit bestem Erfolg eingeführte Bachforelle. Die in Nordamerika in Seen vorkommenden Bachsaiblinge gehen zur Laich- zeit in Kiesbäche , während der europäische Seesaibling seine Eier an flacheren kiesigen Seeufern ablegt. Die Laichzeit des Bach- saiblings ist in Nordamerika den klimatischen Verschiedenheiten seines grossen Verbreitungsbezirkes entsprechend sehr verschieden und soll dort um so früher eintreten , je kälter das Wasser ist. Bewohnen Bachsaiblinge und Bachforellen denselben Bach, so tritt die Laichreife nahezu gleichzeitig ein. Die ersten Bachsaiblingseier dürften vor 12 Jahren nach Deutschland gekommen sein. Vor 6 Jahren hat der Deutsche Fischereiverein mir eine Partie Eier zu Versuchen auf meine Bitte zur Verfügung gestellt. 2000 Eier wurden in Herrenalb erbrütet und die in die Alb gesetzte Brut gedieh vortrefflich. Auch im darauffolgenden Jahre konnte der Alb eine Partie Saiblingsbrut zu- geführt werden, so dass dort laichreife Fische schon in erheblicher Zahl vorkommen. Ebenso wurden in Hohenheim Bachsaiblingseier erbrütet. Ein Teil der jungen Fische kam direkt in kleine Zuflüsse des Neckars, der Rest wurde im ersten Sommer in einem Teich gehalten und dann ebenfalls in den Neckar verbracht. Auch die bei Heilbronn in den Neckar gesetzten Bachsaiblinge dürften im letzten Winter erstmals gelaicht haben. Ferner ist die Lone, Brenz, Enz, Glatt u. s. w. mit Bachsaiblingen in den letzten Jahren be- völkert worden und alle eingegangenen Berichte lauten so günstig, dass man auch diese Fischart als bei uns vollständig eingebürgert bezeichnen kann. Nach unsern bisherigen Erfahrungen sagen dem Bachsaibling auch noch solche Gewässer zu, in denen es an guten Verstecken fehlt, wo sich daher die Bachforelle nicht auf die Dauer hält. Besonders empfehlenswert scheint es aber zu sein, den Bach- saibling neben Bachforellen zu züchten. Bäche mit diesen beiden Fischarten bevölkert, liefern, da das vorhandene Futter be.-^ser aus- genützt wird, einen entschieden grösseren Ertrag als bei reinem Be- satz. Bezüglich der Futteraufnahme hat der Bachsaibling grosse Ähnlichkeit mit der Regenbogenforelle. Auch dieser Amerikaner — XXXVII — rudert unermüdlich umher, um Futter zu suchen, hält sich dabei mehr in den oberen Wasserschichten, sucht diese sorgfältig ab und ist weit häufiger sichtbar als unsere Bachforelle. Im übrigen ist die natürliche Nahrung des Bachsaiblings und der Bachforelle die gleiche. Beide verzehren mit Vorliebe Fliegen, Heuschrecken, Würmer, Fisch- laich, junge Fische u. s. w. Ersterer gewöhnt sich aber insbesondere in Teichen leichter auch an tote Nahrung und lässt sich somit billiger mästen. Wichtig ist ferner, dass der Bachsaibling rascher wächst als die Bachforelle, schon im Alter von 2 Jahren laichreif wird, auch etwas mehr Eier hefert (mit 2 Jahren 60 — 100, später 2 — 3000 Stück jährlich), dass die Dotterperiode um ^U bis V-^ kürzer, der Verlust in der freien Natur wie in der Brutanstalt dementsprechend geringer ist und die bedotterte Brut weniger Ansprüche an den Luftgehalt des Wassers macht als die Bachforelle. Dagegen erträgt der Bach- saibling anhaltend warmes Wasser in Teichen weniger gut, wird bei künstlicher Ernährung in solchen in der Regel steril und stirbt auf dem Transport leichter ab. Der Bachsaibling verbastardiert sich mit der Bachforelle ; die Kreuzungsprodukte scheinen jedoch zur Zucht ungeeignet zu sein. Dagegen ist es Direktor Haack in Hüningen gelungen, durch Kreuzung von Bachsaibling und Seesaibling eine neue und fruchtbare Rasse zu erzielen , welche er SaJmo alsaticus genannt hat und die Schnellwüchsigkeit des ersteren, sowie die ge- ringe Empfindlichkeit des letzteren in sich vereinigen* soll. Auch dieses Kreuzungsprodukt zeichnet sich durch prachtvolle Färbung aus, erregte daher im Jahre 1890 bei Gelegenheit der Ausstellung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft in Strassburg allgemeines Aufsehen und gedeiht gegenwärtig in den Hohenheimer Teichen sehr gut. Ferner ist unsere heimische Fauna durch zwei Stachelflosser bereichert worden, die als Teich- wie als Flussfische alle Beachtung verdienen : den Zander und den Forellenbarsch. Der Zander [Lucioperca Sandra Cuv.), wegen seiner Glotz- augen auch Schiel oder Schill oder, weil er hinsichtlich seines Ex- terieurs und seiner Ernährungsweise etwa in der Mitte zwischen Barsch und Hecht steht, auch Hechtbarsch genannt, hat insbesondere im Nordosten und Südosten Europas grosse Verbreitung und Be- deutung. Dagegen war er bisher im Donau- und Wesergebiet sehr selten und kam weiter östlich, also im Rhein, in ganz Frankreich, England u. s. w. nicht vor. Der Einbürgerung des Zanders stand bisher der Umstand entgegen, dass diese Fischart den Transport — XXXVIII — nicht leicht erträgt, sich nicht wie die Salmoniden durch Ausmelken künstlich vermehren lässt und dass die Brut sehr scheu ist, sich fast ausschliesslich in der Tiefe aufhält und daher zum Zweck der Versendung nicht leicht gefangen werden kann. Nun ist es aber vor wenigen Jahren zuerst dem fürstlich Schwarzenbergischen Domänen- direktor SusTA in Wittingau (Böhmen) und neuerdings auch Direktor Haack in Hüningen gelungen, in einfachster Weise und mit fast voll- kommener Sicherheit des Erfolges, befruchtete Zandereier in grosser Menge zu erzielen. Zu diesem Ende werden 2 — 3 ar grosse Teiche von 1 — 3 m Tiefe mit sandigem Grund und wenig Ab- und Zufluss im April mit 6 — 10 laichfähigen Zandern besetzt. Diese machen im Sande schüsseiförmige Gruben und bewegen in denselben so lange den Schwanz hin und her, bis der Sand ganz rein und schlammfrei ist, um sodann hier die Eier (ein Rogner liefert 2 — 300 000 Eier) abzulegen. Sollen diese anderorts ausgebrütet werden, so lässt man den Teich, sobald die Gruben ganz rein sind, soweit ab, dass man zu den Gruben gelangen kann, belegt diese mit fingerlangen Nadel- holzzweigen, reingewaschenen Wurzeln von Wasserpflanzen etc. und spannt den Teich wieder. Wenn dann wenige Tags später die Zander diese Zweige und Wurzeln mit befruchteten Eiern bedeckt haben, lässt man den Teich ab und versendet die an den Pflanzenteilen klebenden, winzig kleinen und fast durchsichtigen Eichen mit diesen in Postkistchen nach aller Herren Ländern. Die erste Zanderspende des Deutschen Fischerei Vereins kam im Jahre 1886 in Württemberg an. Es waren einige hundert in Galizien gezüchtete fingerlange Fischchen , von denen aber nur ca. 40 Stück lebend ihren Bestimmungsort Ulm erreichten. Der dortige Fischereiverein verteilte dieselben an verschiedene Teichwirte und diese erzielten 3 Jahre später auch schon etwas Brut von den unterdessen schön entwickelten Einsatzfischen. Vom Jahre 1886 an wurden ausserdem alljährlich grössere oder kleinere Partien junger Zander in den Bodensee verbracht. Hier wurden in diesem Jahre auch schon sehr schöne, 9 und 10 Pfund schwere Zander gefangen, die offenbar schon gelaicht haben. In den letzten 3 Jahren durfte ich ausserdem etwa 750 000 Zandereier namens des Deutschen Fischereivereins gratis an württembergische Fischzüchter im Boden- see-, Donau- und Neckargebiet abgeben, so dass Zander nicht nur im Bodensee, sondern auch in der Donau und den grösseren Zuflüssen derselben, sowie im mittleren und unteren Teil des Neckars, der Jagst, des Kochers, der Murr und Enz, endlich aber auch in vielen — XXXIX — Seen und Teichen Württembergs vorkommen. Gegenwärtig sind Unterhandlungen im Gange, welche bezwecken, in Württemberg eine eigene Zanderzuchtstation zu errichten. Der Zander zeichnet sich vor dem Hecht durch rasche Ent- wickelung, Schmackhaftigkeit des Fleisches und geringeren Schlacht- abfall (kleineren Kopf) aus, wird daher etwas teurer bezahlt, ist auch weniger Raubfisch als der Hecht (er begnügt sich, wie der Barsch, mehr mit Würmern und kleineren Fischen) und bricht nicht so leicht in Laichteiche ein. Dagegen ist er gegen Wasserwechsel entschieden empfindlicher und stirbt beim Abfischen insbesondere schlammiger Teiche sowie auf dem Transport leichter ab als der Hecht. Unser zweiter neuer, wenn auch im Vergleich zum Zander in Württemberg noch weniger verbreiteter und weniger erprobter Stachel- flosser ist der F o r e 1 1 e n b a r s c h {Grystes Salmoides Günth. — Large Mouthed Black Bass). Er stammt aus Nordamerika, kommt sowohl in Kanada trotz der dortigen grimmigen Winterkälte wie in Texas, wo das Wasser sich im Sommer weit stärker als bei uns erwärmt, vor, macht auch an die sonstige Beschaffenheit des Wassers wenig Ansprüche und ist namentlich gegen beträchtliche Verunreinigung desselben nicht sehr empfindlich. Darin dürfte seine besondere wirt- schaftliche Bedeutung liegen für solche Gewässer, welche durch Fabrikeffluvien und Spüljauche grosser Städte zu leiden haben. Er gedeiht auch vortrefflich in schlammigem Wasser (z. B. in den Spree- kanälen bei Berlin), in Seen und Teichen (auch ausgetorften Flächen) und in Flüssen, dagegen liebt er starke Stömung nicht. Somit sagen ihm unsere Bäche nicht zu und macht er hier den Bachforellen keine Konkurrenz. Setzt man ihn in oifene Gebirgsbäche ein , so geht er so lange abwärts, bis er Flusswasser, das sich im Sommer gut erwärmt, erreicht hat ; hält man ihn in jenen gefangen, so wächst er nur sehr langsam und vermehrt sich nicht. Der Forellenbarsch besitzt, wie der Zander, 2 Rückenflossen, deren vordere mit steifen Stacheln versehen ist, während der hintere Teil weiche gegliederte Strahlen hat. Die Schuppen sind noch kleiner als bei unserem Flussbarsch, der Mund ist sehr weit und schräg gestellt, der Unterkiefer etwas vorstehend. Die jungen Pischchen haben auf grünlich-grauem Grunde zu beiden Seiten des Körpers dunkle Längsstreifen und über sowie unter der Leitlinie dunkle Flecken. Bei älteren Fischen verblassen die Längslinien, sowie die Flecken mehr oder weniger und der Rücken wird dunkler. Das Fleisch ist weiss, blättrig, zart — der Forelle ähnlich — und wenig — XL - grätig. Die Nahrung dieser Fische besteht in Tieren aller Art: In- fusorien, Würmern, Schnecken, kleinen Krebsen, Wasserkäfern, Laich und Brut von Fröschen und Fischen etc. Im ersten Sommer er- reichen Forellenbarsche eine Länge von 5 — 10 cm, werden im dritten Jahre laichfähig und unter günstigen Verhältnissen bis 25 Pfund schwer. Die Laichzeit fällt bei uns etwa in den Juni, tritt jedoch bei Erstlingen später ein. Die Forellenbarsche vermehren sich nur auf kiesigem und sandigem Grund, machen auf demselben flache schlammfreie Gruben und bewachen abwechselnd die Eier und später ebenso die scharenweise umherziehende Brut. Letztere lässt sich aber auch in Teichen mit torfigem und schlammigem Grund mit Leichtigkeit „strecken" (grossziehen). Die ersten Forellenbarsche kamen im Jahre 1883 nach Deutsch- land und laichten in den Teichen des verdienstvollen Fischzüchters Max von dem Borne in Berneuchen erstmals im Jahre 1885. Von daher wurden im Frühjahre 1888 von dem Berichterstatter für Rech- nung der K. Centralstelle für die Landwirtschaft 5 Forellenbarsche bezogen. Dieselben laichten wenige Monate später in einem kleinen Brutteich in Hohenheim. In letzterem waren, da der Boden des- selben aus Lehm besteht , durch Aufschütten von einigen Körben voll Sand und Kies künstliche Laichstätten hergestellt worden. Im Frühjahre 1889 hat sodann der Tübinger Fischereiverein 30 laichreife Forellenbarsche von Berneuchen kommen lassen und direkt in den oberen Neckar eingesetzt. Diese sollen daselbst vortrefflich gedeihen und sich auch vermehrt haben. Da der grösste Teil der in Hohenheim gezogenen Forellenbarsche an verschiedenen Stellen in den mittleren und unteren Neckar eingesetzt und einige Exemplare auch an Teich- besitzer abgegeben wurden, so dürfte jetzt schon eine ziemliche An- zahl laichreifer Forellenbarsche in Württemberg vorhanden sein. Sollte die dauernde Acclimatisation dieser Fischart bei uns gelingen, so wird damit vor allem den Anglern ein grosser Gefallen erwiesen werden, da der Forellenbarsch fast in jedem Wasser fortzukommen scheint und — wie M. von dem Borne sagt — die pfeilschnelle Be- wegung der Forelle wie die Unermüdlichkeit und die kühnen Luft- sprünge des Lachses zeigt, auch ebensogerne künstliche Fliegen wie verschiedene natürliche Köder annimmt. Endlich sei noch kurz hier der Einführung eines Fried- und Zierfisches Erwähnung gethan : der Goldorfe, d. h. der goldfarbigen Varietät von Idus nirlanotus Heckel, Cyprinus Idm L. Veranlassung dazu war das Bestreben, einen Zierfisch zu besitzen, der an Stelle — XLI - der Goldkarausche, des sogenannten Goldfisches, treten kann und in den stehenden und fliessenden Gewässern nicht schadet, indem die Goldorfe, im Gegensatz zu den in württembergischen Karpfenteichen leider sehr verbreiteten Goldkarauschen, sich mit Karpfen nicht ver- bastardiert, ausserdem rasch wächst, ein beträchtliches Gewicht er- reicht und somit auch als Speisefisch dienen kann. Dazu kommt, dass die Goldorfe sehr fruchtbar ist, schon von frühester Jugend an ihre hübsche Färbung besitzt und ihren Besitzer dadurch erfreut, dass sie mehr als irgend eine andere Fischart besonders bei Sonnenschein an der Oberfläche des Wassers spielt. Die gewöhnliche Orfe, Aland oder Nerfling genannt, ist zwar ein im Donaugebiet sehr häufig vor- kommender Fisch (laut Jahresbericht des Vereins füi' vaterländische Naturkunde 1890 S. 304 wurde auch eine Goldorfe in der Donau gefangen), allein sie war bisher weder im Bodensee- noch im Neckar- gebiet heimisch. Mit Rücksicht auf diese verschiedenen Vorzüge der Goldorfe wurden von der von LoEFEN'schen Fischzuchtanstalt Diepoltsdorf (Mittelfranken) im Februar 1890 6 laichreife Exemplare bezogen und in einem kleinen Laichteich bei Hohenheim eingesetzt. Dieselben wuchsen hier nicht nur sehr schön heran, sondern vermehrten sich auch wenige Monate später so reichlich, dass es möghch wurde, einer grossen Zahl württembergischer Teichbesitzer kleine Zucht- stämme abzugeben. Ausserdem konnten in diesem Jahre 100 in Hohenheim gezüchtete junge Goldorfen in die Neckarhäfen bei Heil- bronn eingesetzt werden , wo sich dieselben nach den bisherigen Beobachtungen recht gut halten. H. Über die Farben der Vogelfedern. Von Dr. W. "Wurm in Teiuach. Eine geistige Wanderung auf jedem Forschungsgebiet gleicht der Wanderung längs der Ufer eines Stromes aufwärts. Wie hier links und rechts einmündende Flüsse und Bäche, Thäler und Thälchen unser geographisches Interesse erweitern, so verästelt sich auch die Forschung überhaupt baumartig, indem sie von allen Seiten her be- fruchtenden Zuwachs erhält und selbst nach allen Seiten erhellendes Licht wirft. Die Lösung einer naturwissenschaftlichen Frage ins- — XLII — besondere regt darum unwillkürlich die Bearbeitung anderer, sie näher oder ferner berührender Fragen an, weil ja alle Dinge in einer gewissen Beziehung zu einander stehen, weil alle ihre Verhältnisse relative sind. So führte gleicherweise mich die Erforschung des Lebens unserer deutschen Waldhühner, welcher ich mich seit einem Vierteljahrhundert widme, unvermerkt auf immer neue Gebiete, auf neue Beziehungen. Ich gestatte mir, Ihnen im folgenden einige Resultate solcher wissen- schaftlichen Exkursionen vorzulegen. Wenn der Naturfreund sich an dem bunten Gefieder der Vögel ergötzt, oder wenn der Dichter „ihre aus unermesslichen Schöpfungs- variationen hervorgegangene Farbenpracht" besingt, so denken beide nicht im entferntesten daran, dass die anscheinend so verschiedenen Färbungen der Vogelfedern thatsächlich auf ungemein einfache Be- dingungen zurückzuführen sind. Auch hier, wie überall, erreicht die Natur mit wenigen, einfachen Stoffen und mit summierten, geringen Kräften gleichwohl die bedeutendsten Wirkungen. Wenn wir jetzt diese Bedingungen analysieren, so wollen wir damit keineswegs „eine Rose zerpflücken", sondern im Gegenteil die Schönheit des leben- den Vogels als Wissender bewundern. Einesteils sind es nämlich wirkliche Pigmente, wirkliche chemische Farbkörper, also Absorptionsfarben, andernteils sind es nur optische oder Struktur färben, denen die Farbenmannigfaltigkeit der Ornis entspringt. (Bekanntlich nennen wir — dies möge hier eingeschaltet sein — einen Körper, welcher alle die im weissen Lichte vereinigten Strahlen , mit Ausnahme der von ihm zurück- geworfenen roten, absorbiert, rot, einen andern, der sich ebenso gegen Blau verhält, blau gefärbt u. s. w. Im Grunde genommen, beruhen also eigentlich auch diese Farbenerscheinungen auf physikalischen, optischen Vorgängen.) Was nun die ersteren, die Pigmente oder Farbstoffe betrifft, so stossen wir bei deren Erforschung auf die überraschende That- sache, dass es nur zwei oder höchstens drei solcher Federpigmente gibt: gelb, rot und etwa schwarz. Und da in der gesamten Natur das Schwarz nur durch stärkere Anhäufung von Braun ent- steht, dieses Braun aber als eine Verdichtung und leichte Modifikation von Rot aufgefasst werden muss , so blieben eigentlich bloss Gelb und Rot in verschiedenen Abtönungen als Vogelfederfarbstoffe übrig. Nur bei der hochnordischen Prachtente, bei den Pisangfressern. bei Eurylaemus scheint wirklich ein grüner Farbstoff, das Turacoverdin, aufzutreten. Bekanntlich enthalten die anscheinend so bunten Vogel- — XLIII — ei er insgesamt auch nur zwei, und zwar aus der Galle stammende Farbstoffe, das rote Bilirubin und das grüne Biliverdin, deren Mischungs- und Einlagerungsweise in die stets weisse Kalkschale so unendlich viele Modifikationen des Aussehens der Vogeleier bewirkt. — Die roten und gelben Pigmente nun sind nach Krukenberg's Einteilung Fettfarbstoffe oder Lipochrome, als deren Typus das von mir vor 20 Jahren aufgefundene Tetronerythrin aus den „Rosen" der Waldhühner dienen mag. Dieser schön rote, seinem chemischen Verhalten nach höchst interessante Farbstoff ist ungemein leicht zer- setzlich, schon durch Licht und durch Spuren von Ozon, schmilzt durch Wärme und erstarrt beim Wiedererkalten körnig wie Wachs, wird durch Schwefelsäure schön himmelblau gefärbt und löst sich in. Alkohol, Äther, Chloroform, Schwefelkohlenstoff und Terpentinöl. Ich gehe hier nicht weiter darauf ein, zumal, da ich auch in diesen Jahresheften vom Jahre 1875 und 1885 eine Abhandlung darüber gebracht und darin schon erwähnt habe, dass seitdem durch Kruken- berg's, Meresciikowski's , MacMünn's, Pisani's, Sorby's und Anderer Arbeiten konstatiert wurde, dass das Tetronerythrin in der Tier- und selbst in der Pflanzenwelt ungemein weit verbreitet sei und sogar graue , braune , grünliche Farbstoffe niederer Seetiere durch einfachste Prozeduren in dasselbe verwandelt werden können. Da dasselbe begierig Sauerstoff absorbiert, so ergänzt es vielleicht die mangelhafte Respiration jener Tiefseebewohner. Als Typus der gelben Fettfarbstoffe benenne ich Ihnen jenen gelben, ölartig dickflüssigen Farbstoff, welchen man ganz leicht aus Raubvogelfängen, aus den Schwimmfüssen der Enten und Gänse etc. mittels Chloroform ausziehen kann , und den ich deshalb zunächst Oionoxanthin benannt habe. Er dürfte sich in allen Stücken zu Krukenberg's „Zoofulvin" verhalten wie mein Tetronerythrin zu BoGDANOw's „Zoonerythrin". Diese gelben und roten Farbstoffe treten in den Vogelfedern sowohl als Körnchen als in diffuser Verteilung auf. Die braunen und schwarzen Farbstoffe, die sogenanten Melanine Krukenberg's, dagegen treten allgemein als Körnchen von verschieden dichter Anhäufung in der Federrinde auf, und zwar bereits im Embryonalzustande, nach Kölliker als Produkt der amöboiden Zellen. Im allgemeinen möchte ich die Melanine als „tote" oder als „Schlacken-Farben", die am lebendigen Stoffwechsel noch teil- nehmenden Lipochrome dagegen als „lebende" Farben bezeichnen. Noch lassen sich ihre Grenzen nicht sicher abstecken. Denn der verschlackte Blutfarbstoff kann ja für sich in rotbraune und schwärz- — XLIV - liehe, eisenhaltige Farben durch Reduktion übergehen, aber er vermag auch nach Filehne's Versuchen Veränderungen zu erleiden , welche ihn den Gallenfarbstoff'en , sowie der eisenfreien FettfarbstofPreihe ebenfalls bedeutend annähern*. Zudem konnten Mulder, Preyer und Scherer ein tiefrotes eisenfreies Hämatin aus dem Blute aus- fällen, das ich bestimmt als ein Lipochrom ansehe. Der Leucismus hochnordischer Tiere beruht nach von Middendorff wesentlich auf Fettarmut, und diese wieder auf dürftiger Ernährung und gesteigerter Fettoxydation in jenen unwirtlichen Breiten. Die Farbenglut tropi- scher Pflanzen und Tiere steht dazu im schroffsten Gegensatz. Fett also fördert nicht nur die allgemeine Ernährung, namentlich der Nerven, sondern neben der Respiration und Wärmeproduktion auch die Färbung. Durch Fütterung mit spanischem Pfeffer werden be- kanntlich weisse Vögel rot gefärbt. Wird jedoch demselben durch Auskochen mit Alkohol sein Fett entzogen, so färbt er beim Ver- füttern nicht mehr. Die Tinktionsfähigkeit tritt aber sofort wieder hervor, sobald man dem abgekochten Pfeffer Olivenöl zusetzt. Der genannte B'arbstoff ist, gleich dem der Karotten, dem Tetronerythrin nahe verwandt. Sind schon schwarze Pigmente sehr selten, so fehlen graue gänzlich, und die Graufärbung entsteht nach der aus dem Tübinger zoologischen Institute hervorgegangenen verdienstvollen Dissertation Häcker's aus der Braunfärbung durch Zurücktreten des Pigmentes aus den Fiedern erster Ordnung und gruppenweise Anordnung des- selben in den Fiedern zweiter Ordnung. Die vielfach nuancierten Blaufärbungen kommen nach Hacker zu stände durch pigmentloses Epitrichium und pigmentlose Rinde, durch dickwandige, lufterfüllte Schirmzellen und durch dunkle, braune oder schwärzliche Farbstoffunterlage. Die blauen Lichtstrahlen werden durch jene Schirmzellen zurückgeworfen und die Rinde ver- teilt infolge ihres starken Brechungsverraögens das blaue Licht. Die Grünfärbung aber resultiert — abgesehen von den schon erwähnten äusserst seltenen grünen Pigmenten bei ein Paar Exoten — aus Trübung gelber Federn mittels hinzutretenden braunen Pigmentes oder aus Hinzutreten von gelbem Pigment zu den Schirm- zellen, wobei sich dann blaues mit gelbem Licht zu grünem mischt, oder endlich aus Unterlagerung schwarzer Federn oder Federteile unter gelbe. Entsteigt z. B. ein „grüner" Papagei, gründlich durch- * Verhanrtl. des Konoresses fiir innere lykdizin . \\'iesba(len 1888. S. 312. — XLV — nässt, seinem Wasserbade, so erscheint er in seiner richtigen Gelb- färbung, weil die nun durch Wasser verdrängte Luft nicht mehr grünes Licht zurückwirft. Weiss endlich ist bekanntlich so wenig eine Farbe wie Schwarz. denn ersteres entsteht durcli Zurückwerfung, letzteres durch Absorption sämtlicher Lichtstrahlen von selten derjenigen Körper, welche wir „weiss" oder „schwarz" nennen. Lackfarben erscheinen bei Verbreiterung oder Verschmelzung sehr glatter Fiedern durch Spiegelung, z. B. beim Seidenschwanz, beim Gallus Sonneratii etc. Höchstes Interesse bieten die optischen Glanzfarben, welche von Meyer (Dresden), von Gadow u. a. näher studiert wurden und die gerade an den Waldhühnern bequem demonstriert werden können. Sie werden überrascht, ja wohl sogar ungläubig sein, wenn ich Ihnen sage, dass die so verschieden gefärbt erscheinenden Brust- schilder der Auer-, Birk- und Rackelhähne nicht nur unter sich, sondern auch den wieder so ganz anders sich präsentierenden Brust- schildern der Auer-, Birk- und Rackelhennen gegenüber in Wirklichkeit ganz gleich gefärbt sind. Die Entwickelung dieses Rätsels ist folgende. In ihrer Jugend sind alle diese Tiere gleich bodenfarbig oder — was im wesentlichen dasselbe bedeutet — hennenfarbig. Doch noch in den ersten Lebensmonaten lagert sich in den Markzellen der Federn der Männchen der rostbraune Farbstoff dichter und dichter ab, ja er verdichtet sich allmählich bis zum Schwarz. Dann erhalten die feinen Fiedern, besonders am Brustschilde, einen durchsichtigen, lichtbrechenden Überzug, der eben den schönen, sie unterscheiden- den Metallglanz hervorbringt. Wird durch Reibung, Verwitterung oder chemische Agentien jener, im übrigen sehr widerstandsfähige Überzug zerstört, so tritt der zu Grunde liegende gelbbraune Farb- stoff deutlich hervor, wie man dies im Mikroskope nach Zusatz von etwas Kalilauge zu den Fiedern alsbald verfolgen kann. Die sonst glanzvollste Feder erscheint ferner im durchfallenden Lichte — also auch auf den von unten wie von oben gleichzeitig beleuchteten Objektträger des Mikroskops — einfach grauschwarz, ebenso, wenn man sie so hält, dass Auge, Feder und Lichtquelle sich in einer Ebene befinden. Je konvexer eine solche Feder gebaut ist, desto weniger kommt natürlich das Verhältnis vor, und sie wird also desto weniger leicht matt erscheinen. Also enthält keineswegs das Brust- schikl des Auerhahnes grünen, das des Birkhahnes blauen, das des Rakelhahnes violetten Farbstoff, wie man dem Augenscheine nach — XLYI — wohl annehmen möchte, sondern das von den Fiedern ausgehende gelbbraune Licht erscheint beim ersten in grüner, beim zweiten in blauer, beim dritten in violetter prismatischer Brechung. Und diese Verschiedenheit der Brechung bei den genannten Vögeln rührt nur von einer jedesmal etwas verschiedenen Anordnung des gleich einem doppeltbrechenden Krystalle oder gleich einem Prisma wirkenden farb- losen Überzuges her. Dieser zeigt z. B. beim Rackelhahne nicht die geraden und gröberen Rillen wie beim Auerhahn , sondern fehl gewellte, beim Birkhahn wieder feine und geradere Rillen u. s. w. Er entwickelt sich ferner langsam und nimmt mit dem Alter des Tieres zu, so dass er sich schliesslich fast über den ganzen Körper verbreitet ; ja selbst alte Hennen erwerben ihn. Hört nämlich bei ihnen die Geschlechtsfunktion auf, sei es durch kanonisches Alter, sei es durch Verletzung oder Entartung des Ovariums oder des Ei- leiters, so lagert sich reichlicher Farbstoff in den Federn ab und diese wachsen nach männlichem Typus aus : sterile Hennen werden also häufig bahnen fedrig. Umgekehrt können Hähne hennen- fedrig bleiben („Pädidie" nach Brandt), falls ihre Geschlechtsorgane in früher Jugend, noch vor ihrer Ausfärbung, irgendwie in der Ent- wickelung gehemmt wurden. An sehr alten ausgestopften Bälgen, bei denen nach teilweiser Zerstörung des lichtbrechenden Mediums durch Verwitterung oder Mottenfrass die gelbliche Pigmentunterlage zu einiger Geltung kommt, kann deutlicher Bronzeglanz der Brust- schilder auftreten. Die im Vorstehenden geschilderten Gesetze gelten auch für die Prachtkleider anderer Vögel, ferner für die der Libellen, der Käfer , mancher Schmetterlinge und Reptilien u. s. w. ; denn bei diesen sind es ebenfalls häufiger physikalische Interferenzfarben, welche unser Auge entzücken als chemische Farbstoffe. Auch möge daran erinnert sein, dass viele Salze, welche krystallisiert gelb, rot, blau, grün erscheinen, gepulvert einfach weiss aussehen, also farblos sind. Die Umfärbungen der Vögel nach dem Alter, durch die Mauser, durch Abstossen deckender Federanhängsel, Bastardierungen, durch Klima- und Witterungseinflüsse, durch eisenhaltiges Badwasser, durch künstliche Fütterung mit Farbstoffen, durch Ablagerung von Staub, endlich durch Vererbung dürfen wir hier nicht weiter berühren. Fassen wir also die Resultate unserer Forschungen zusammen, so haben wir die Thatsache gefunden, dass die gefiederte Welt wesentlich nur mit zwei, beziehungsweise drei wirklichen Farbstoffen. Gelb, Rot und etwa Schwarz, sich schmückt, dass durch deren — XLVII — Fehlen, oder Verdünnung, oder Konzentration, oder Mischung, oder Übereinanderlegung unendlich viele Färbungen ermöglicht sind, dass aber die Glanzfarben eine rein physikalische Erscheinung bilden und ebensowenig auf dem Vorhandensein eines Farbstoffes beruhen, als das farbenprächtige Funkeln des Tautropfens , des Diamanten im Sonnenlicht oder als das Phänomen des Regenbogens. III. Über einige neue Eehinodermen des sehwäbisehen Jura. Von Pfarrer Dr. Engel in Eislingen. Mit Taf. ir. Wie aus dem grossen Reich der Ammoniten , so sind uns in den letzten Jahren auch aus der Gruppe der Stachelhäuter einige Stücke zu Händen gekommen, von denen die einen ganz neu zu sein scheinen , die andern aber in einer Vollkommenheit vor uns liegen, dass die früher gegebenen Beschreibungen und Abbildungen entschieden durch diese neuen Funde erst ihre Ergänzung erhalten. Wir beschränken uns für heute, aus den 3 Klassen dieser Tiergruppe, den Crinoiden (Seelilien), Asteriden (Seesternen) und Echiniden (See- igeln) , mit Übergebung der letzten je 3 Vertreter der zwei ersten aufzuführen, indem wir der Versammlung 6 Stücke vorlegen, davon 3 dem unteren Lias entstammen, wogegen 2 den Nattheimer Korallen- schichten (Weisser Jura e) angehören und 1 aus den Personaten- sandsteinen (Brauner Jura ß) von Donzdorf kommt. Es handelt sich dabei um 5 Gattungen und 6 Arten, von denen aber 4 schon früher bekannt waren, wogegen allerdings die 2 übrigen wohl etwas Neues darbieten dürften. Dies gilt gleich von dem ersten Stück, das wir aus A. Der Klasse der Crinoiden erwähnen und vorläufig zu den Pentacriniten stellen möchten unter dem Namen 1. Pentacrinus angulati nov. sp. Die Speciesbezeich- nung soll eben auf das Lager hinweisen, dem das Stück entnommen ist, nämlich dem Angulatensandstein der Göppinger Gegend. Seit Jahren wurden uns aus diesen Schichten Ophiuren gebracht, aber lange blieb uns der genauere Fundort verborgen , bis wir bei einer Exkursion im vorigen Herbst die Entdeckung machten, dass alle diese — XLVIII — Sachen aus einem Sandsteinbiuch in Breech stammen, wo ein Maurer ein ganzes Nest solcher „Seespinnen" zu Tage förderte. Unter den letzteren, die dutzendweise den Sandstein durchschwärmen und von denen wir unten noch zu reden haben, wurden nun etliche Stücke gefunden, die sofort zeigten, dass wir es hier mit einem ganz anderen Tiere zu thun haben. Neben etlichen Fragmenten waren es haupt- sächlich zwei vollständigere Exemplare , die wir herausklopften und davon eines im Besitz des Herrn Buchhändlers Koch sich befindet. Nachdem die Stücke geputzt waren, was bei dem ungemein weichen Sandstein nicht eben sehr schwer hielt, konnte kein Zweifel mehr darüber sein, dass wir einen entschiedenen Crinoiden vor uns hatten. Ob man das Ding aber zu den Pentacriniten stellen oder ein neues Genus daraus machen solle, darüber könnte noch gestritten werden. Wir schlagen, wie gesagt vorläufig, ersteres vor und zwar auf Grund einer Abbildung in Quenstedt's Jura, wo Taf. 49, fig. 5 — 8 ein ganz ähnliches Stück aus dem gelben Personatensandstein von Heiningen gezeichnet und S. 363 ff. unter dem Namen Pentacrinites peräa- gonalis personati des näheren beschrieben wird. Der Stiel ist bei dem unseren aus den Angulaten genau von der gleichen Form und Dicke, nur dass man daran keine Hilfs- und Nebenarme bemerkt, was aber wohl mit der Einbettung in den Sandstein zusammenhängt. Auf dem dünnen , ca. 2 — 3 mm im Durchmesser haltenden Stiel sitzt die etwas über 1 cm breite und hohe Krone, die leider zu einem un- förmhchen Knauer geworden ist, aus dem sich nicht mehr viel machen lässt. Diese fehlt nun freilich auf der QuENSTEDx'schen Zeichnung fast völlig, wohl weil der Personatensandstein für ihre Erhaltung zu ungünstig war. Dagegen stimmen die von der Krone auslaufenden Arme wieder trefflich mit unserem Stück und ganz besonders gilt dies von den Tentakeln (pinnulae), die in einseitiger Reihe an jedem dieser Kronenarme angebracht sind. Insbesondere ist das Bruchstück, wie es Quenstedt fig. ü abbildet, ganz genau so wie die Fragmente, die wir aus dem Angulatensandstein besitzen. Auch der Erhaltungszustand der beiderseitigen Fossile ist durchaus der gleiche, wie denn überhaupt Angulaten- und Personatensandstein in dieser Hinsicht ungemein viel Ähnlichkeit zeigen. Hier wie dort haben wir es bei den Crinoiden nur mit Hohlräumen zu thun, da die ursprüngliche Kalkspatsubstanz des Skeletts wie überhaupt aller Kalk vollständig ausgelaugt ist, aber eben darum vortreffliche Abdrücke hinterlassen hat. Nun sind ja freihch Pentacriniten, d. h. deren Stielglieder, längst aus dem Angulatenlager kekannt, wie dem auch — XLIX — QuENSTEDT ein solches aus dem „Malmstein von Göppingen" im Jura, S. 60, beschreibt und Taf. 6 fig. 8 abbildet. Aber dieselben gehören offenbar einem anderen Tj^pus an , wie er schon mit den Psilonoten zusammen vorkommt, weshalb denn auch Quenstedt 1. c. den Ma\mstein-Pentacrinns kurzweg zu P. psilonoti stellt. Derselbe bildet einen 5 eckigen Stern von fast 1 cm Durchmesser, während unsere neue Form rund und viel dünner ist. Sie mag daher wohl einen neuen Namen verdienen und zunächst P. anyulati heissen. Das zweite Crinoidenstück, das wir der Versammlung vorlegen, führt in den oberen weissen Jura Schwabens, die bekannten Natt- heimer Korallenschichten und gehört dem Genus Solanocrinites an, wie es längst von Goldfüss und Quenstedt aus diesen sowie den viel tieferen Lochenschichten (Weisser Jura a) beschrieben und abgebildet ist. Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass wir es hier mit 2. Solanocrinus costatus Gf. zu thun haben, das Neue an unserem Exemplar ist nur dies, dass es eine vollständige Krone zeigt, wie sie bisher wenigstens aus Schwaben noch nicht bekannt war. Quenstedt z. B. bildet im Jura Taf. 88 fig. 9 nur Kronen- ansätze davon ab, die sogenannten Basalstücke, wie wir sie freilich in ziemlicher Anzahl in Ettlenschiess und an andern Orten gefunden haben. Dem gegenwärtigen Stück fehlt zwar gerade diese Basis, d. h. dieselbe ist weggebrochen, dagegen sind sämtliche Kronenarme zum Teil in grosser Deutlichkeit vorhanden und zu einem geschlossenen Kelche zuzammengewachsen, der einen fast an die Seelilie (Encrinus lüiiformis Mill.) aus dem Muschelkalk erinnern könnte. Wohl hat ZiTTEL in seinem Handbuch der Palaeontologie S. 396 fig. 283 eben- falls ein derartiges Kronenstück mit sämtlichen Armen abgebildet, das aus dem Kehlheimer Marmor oder Diceras-KaWi stammt, also ungefähr demselben geologischen Horizont angehört, wie das unsere. Da aber jenes Exemplar entsprechend den dortigen Kalklagern platt gedrückt ist, so dass die Arme strahlenförmig um das Centrum herumliegen, so bildet das unserige eine treffliche Ergänzung hierzu, indem es uns die geschlossene Blumenkrone zeigt. Im übrigen sind die einzelnen Teilchen, aus denen jeder Arm sich zusammensetzt, ganz so, wie es Zittel zeichnet und geben eben damit ein klares Bild davon, wie wir uns jene kleinen Glieder, die wir so ungemein häufig in den Nattheimer Schichten finden (s. Quenstedt, Jura, Taf. 88 fig. 13, 14), beim lebenden Tier verbunden zu denken haben. Ent- sprechend der ganzen Bildungsweise unserer Korallenschichten ist Jahreshefte d. Vpreins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1892. cl — L — natürlich auch dieses unser Kronenstück von Solanocrinus costatus Gf. vollständig verkieselt und zählen wir daran 11 Arme (Zittel's Abbildung zeigt sogar 16, beziehungsweise 18 derselben) , von denen 3 nach oben hereingebogen erscheinen, um den Zusammenschluss der Blume zu erzielen. Wir fanden das hübsche Stück, das wohl noch ein Unikum für Schwaben sein wird, in dem Abraum eines Korallen- steinbruchs von Ettlenschiess mit (tertiärem) Bohnerz vermengt in jener typischen „wahrhaft adamitischen Erde" Balthasar Erhardt's, die uns genau wie in den Bohnerzgräben von Nattheim, die meiste Ausbeute an ausgewitterten Korallen- und Echinodermenresten zu liefern pflegte. Demselben Horizont, wenn auch einem andern Lager und Fundort entstammt das dritte Crinoidenstück, mit dem wir heute vor die Versammlung kommen, es ist 3. Eugeniacrinites Hoferi Gf., also wieder zwar nichts Neues, aber in einer Vollständigkeit, wie %vir es aus schwäbischen Schichten bis jetzt nirgends beobachtet haben. Es besteht nämlich aus einer Säule von nicht weniger als 11 aneinander gewachsenen Gliedern, während wir bei Quenstedt bisher nur jeweils 3 solcher ab- gebildet gefunden haben, und zwar sowohl aus den Lochenschichten des Weissen Jura a (Qu., Jura, Taf. 80 fig. 93 — 103j, als auch aus den Nattheimer Korallen (Taf. 87 fig. 37). Einzeln findet man ja die so bezeichnenden „Fässchen" ziemhch häufig an den Lochen wie im Weissen Jura £, aber ganze Säulen sind immer eine grosse Seltenheit. Von Kronen scheint bis jetzt ohnehin noch niemals etwas gefunden zu sein, und Quenstedt sagt daher auch im „Jura" S. 635 ff. und wieder S. 721 , dass wir über das Aussehen dieses rätselhaften Crinoiden eigentlich nicht weiter wissen, als schon den ältesten Schweizer Sammlern bekannt war. Leider gibt in dieser Hinsicht auch unser Exemplar durchaus keinen weiteren Aufschluss; denn auch ihm fehlt die Krone vollständig, es wäre denn, dass man ein etwa 4 mm dickes Kalkspatband, das über dem letzten Säulenglied aufsitzt, für Reste derselben erklären wollte. Dasselbe ist indes so undeutlich und nimmt auch einen so grossen Raum ein, dass wir eher dabei an eine gewöhnliche, den Kalk durchsetzende Spatader denken möchten, die mit dem Fossil nichts weiter zu thun hat. Würde es aber auch wirklich von früheren Kronenteilen herrühren, so Hesse doch seine schlechte Erhaltung keinerlei Schlüsse zu über das wirkliche Aus- sehen dieser einstigen Krone. Immerhin ist das Stück wert, be- achtet zu werden: wir fanden es in dem bekannten Marmorbruch von Sontheim a. Br.. der die vielen schönen Echiniden und Cidariten — LI — liefert und dem echten Nattheimer Korallenhorizont (Weisser Jura e) entspricht, im anstehenden Gestein. Wir schliessen damit die Klasse der Crinoiden und gehen zu derjenigen der B. Asteriden über, von welcher wir 3 Stücke der Versamm- lung vorlegen möchten, von denen 2 ohne Zweifel neu sind, das dritte aber eine Vollständigkeit zeigt, wie sie bisher in Württemberg schwerlich beobachtet worden ist. Die 2 ersten gehören der Gattung Ophiura an und stammt das eine wieder aus dem Angulatensandstein (a), das andere aus dem Turnen-YYion^ wogegen das dritte eine Gruppe der längst bekannten Asterias x)risca Gf. aus dem gelben Donzdorfer Sandstein (Brauner Jura ß) darstellt. Beschreiben wir zunächst die Ophiuren, so möge die grössere der beiden aus Lias a stammenden vorläufig 4. Ophiura Egertonii Brod. \ av. angulat iheissen. Der Beiname soll wieder auf die Schichte hinweisen, der die Stücke ent- stammen, jenem Angulatensandsteinbruch von Breech, von dem wir oben schon gesprochen haben, und der z. B. auch die bekannten mit rötlichem Schwerspat ausgefüllten Thalassiten liefert. Mit den vorhin beschriebenen wenigen Pentacrinus-Kvonen zusammen kam nämlich voriges Jahr in dem genannten Steinbruch ein ganzes Nest von Ophiuren vor, aus welchem dutzende, ja hunderte solcher „Spinnen" herausgemeisselt werden konnten. Sie gehören offenbar alle einer vmd derselben Species an und zeichnen sich durch einen fast 1 cm im Durchmesser haltenden mittleren Kern aus, an welchen die 5 ca. 4 bis 5 cm langen, unten 1 — 2 mm dicken, gekörnelten Arme an- gewachsen sind. Gleich den Pentacriniten bilden freihch auch diese Ophiuren heute nur noch Hohlräume, in denen vom ursprünglichen Kalkskelett des Tieres gar nichts mehr zu sehen ist, aber gerade dieser in gewissem Sinn leidige Erhaltungszustand begünstigt ander- seits wieder das Studium der einzelnen Teile, indem die Abdrücke in den Höhlungen mitunter haarscharf sich ausgeprägt haben. QuENSTEDT erwähnt nun zwar bei Beschreibung der sogenannten Ästerias-Flatten von Dewangen und Hüttlingen aus demselben Lager, die er auch (Jura S. 62) in einem Holzschnitt abbildet, dass dort unter der Masse von kleinen und grossen Asterien auch vielfach Formen vorkommen, deren zarte, schlangenartige Arme den Gedanken entstehen lassen, dass mit jenen Asterien auch Ophiuren dort begraben liegen , im übrigen geht er nicht weiter auf die Sache ein. Unser Breecher Fund hat nun aber unzweifelhaft bestätigt, dass echte d* — LH — Schlangensterne in jenen Meeren des unteren Lias a gelebt haben und zwar in verschiedenen Formen und x\rten. Sehen wir einmal die gewöhnliche näher an , so fällt dabei zuerst ein hübscher fünf- eckiger Stern in die Augen, der ganz an das Säulenglied eines Penta- crinus erinnert and am meisten Ähnlichkeit zeigt mit einer Abbildung in Zittel's Handbuch der Palaeontologie , S. 446 fig. 316 a. ^Die hier gezeichnete Ophiure (Geocoma carinata Gf.) ist überhaupt der unserigen aus dem Angulatensandstein sehr ähnlich, nur stammt jene aus dem lithographischen Schiefer von Solnhofen. Es ergibt sich daraus, dass diese Tiere während der ganzen Juraperiode sich ziemlich gleich geblieben sind, was Zittel von den Ästenden überhaupt bestätigt, mit dem Beifügen (S. 462), dass die Seesterne von der Silurzeit bis in die Gegenwart keine wesentlichen Veränderungen durchgemacht haben. So einförmig dadurch diese Echinodermengruppe gekenn- zeichnet erscheint, so hat es ihr doch offenbar niemals an allerhand Arten und Formen gefehlt, die zusammen sich ihres Daseins gefreut haben. Auch unser Angulatensandstein zeigt, wie es uns wenigstens bei obeiflächlicher Betrachtung schien , noch eine weitere Art , mit viel kleinerer Centralplatte und schlankeren Armen, die wir am liebsten Ophitira gracilis genannt hätten. Unser Stück enthält zwei Exemplare in tadelloser Weise nebeneinander liegend . freihch in demselben Erhaltungszustand, wie alle derartigen Fossile aus dem Angulatensandstein, d. h. so, dass wir lediglich Hohlräume be- sitzen. Doch sind auf diese Weise die zartesten Abdrücke uns auf- bewahrt und gerade bei unsern zwei Stücken sind die Arme bis in die äussersten fadendünnen Spitzen ausgeprägt. Eine nachträgliche genauere Untersuchung hat indessen ergeben, dass ohne allen Zweifel auch hier dieselbe Art vorliegt wie vorhin, wenn auch mit etwas anderem Aussehen. So hätten wir also mit diesen Ophiuren aus dem Angulatensandstein zwar etwas Neues für Schwaben, nicht aber etwas Neues überhaupt zu verzeichnen. Denn all diese schwäbischen „Seespinnen" scheinen dasselbe zu sein, was in England aus dem (mittleren?) Lias von Lyme-Regis längst bekannt und 1835 unter dem Namen Ophiura Egertoni Brod. beschrieben ist. Die Form soll mit der noch lebenden 0. texturata L. nahe verwandt sein und wäre also wieder ein Beweis von der Stabilität der Asteriden. Neu da- gegen dürfte ein zweites reizendes Ophiurenstück sein, das uns kürz- lich aus dem Lias ß zu Gesicht kam und das wir daher, wieder den Namen der Schichte benützend, 5. Ophiura Turneri nov. sp. heissen wollen. Es scheint — LIII — uns am nächsten jener OpJiiura olifex zu stehen, welche Quenstedt aus dem Ölschiefer des oberen Lias a beschreibt und abbildet (Jura Taf. 11 fig. 3, S. 86), nur dass die unsere etwas grösser und robuster ist. In jedem Fall hat das Ding einen etwas anderen Typus als seine vorhin beschriebenen Schwestern aus dem Angulatensand- stein, wie auch Quenstedt von seiner 0. olifex ausdrücklich bemerkt. Die Centralplatte ist bei unserem Exemplar sehr gross (1,8 cm Durchmesser), aber leider durch Verkiesung etwas undeutlich ge- worden. Ebenso sind von den 5 Armen nur noch 2, und auch diese bloss in Bruchstücken zu sehen; sie mögen an der Basis 2 bis 3 mm dick sein und zeigen 4 Schienenreihen in deutlichster Er- haltung. Wir haben also hier das Tierskelett selbst vor uns, ganz im Gegensatz zu den Hohlräumen im Angulaten- und Personaten- sandstein, nur sind die ursprünglichen Kalkspattäfelchen in gold- glänzendes Schwefelkies umgewandelt, wie bei fast allen Petrefakten im fetten Thone des Lias ß. Da Asteriden im schwäbischen Lias, wie Quenstedt (Jura S. 86) mit Recht bemerkt, stets eine seltene Erscheinung sind, so verdienen solche einzelnen Funde alle Be- achtung, und wenn zunächst auch nur Bruchstücke beigebracht werden können. Zeigen sie doch , dass das Geschlecht durch den ganzen Jura durchgeht, wie wir denn Teile von Ärmchen ganz ähn- licher Art auch vom Lochen (Weisser Jura a, cf. Quenstedt, Jura, Taf. 81 flg. 11) und aus den Nattheimer Korallenschichten (Weisser Jura e, cf. Quenstedt, Jura, Taf. 88 fig. 28) besitzen. Die gegenwärtige, der Versammlung vorgelegte Ophiitra T^mm stammt vom Göppinger Filswehr und zwar aus den tiefsten Twwm-Schichten unter der Bank des Betakalks. Das Stück wurde voriges Jahr dort von Herrn Schullehrer Wittlinger in Holzheim aus dem Lager gezogen. In einen weit höheren Horizont, nämlich in Braunen Jura /i, führt uns das letzte Stück, das wir heute der Versammlung vorlegen möchten, eine Platte mit 6. Asterias prisca Gf. , wie sie schon von Quenstedt im Jura Taf. 49 fig. 13, S. 362 if. ganz vorzüglich beschrieben und abgebildet ist. Während aber Quenstedt dort nur einen einzigen Stern zeichnet und auch diesen offenbar nur als Fragment vor sich hatte (zwei Strahlen sind abgebrochen), und während auch wir bis- her in schwäbischen Sammlungen jeweils immer nur ein einziges Exemplar zu Gesicht bekommen , so zeigt dagegen die vorliegende Platte nicht weniger als 8 vollständige Sterne in ausgezeichnet schöner Erhaltung, dazu am Rand noch der Arm eines neunten. — LIV — Allerdings sind von jenen 8 nur 6 gut erhalten, während von den beiden andern eigentlich nur schattenhafte Umrisse auf dem Lager erscheinen , aber das Ganze weist darauf hin , dass hier einst ein völliges Nest von diesen Seesternen muss begraben worden sein, wie denn auch einzelne mit den Armen in- und übereinander greifen, während die meisten für sich allein liegen und prächtig wie die Blätter in einem Herbar eingebettet erscheinen. Wir verdanken die schöne Platte der Güte des Herrn Dr. Wenz in Donzdorf, der eine zweite und dritte ähnliche , also offenbar die ursprüngliche Fort- setzung der unserigen, noch in Händen hat, auf welchen beiden zu- sammen ebenfalls ca. 8 — 10 weitere Exemplare liegen. Die Dinge stammen aus einem Steinbruch zwischen Donzdorf und Grünbach, am Fusse des Mösselbergs, und zwar aus dem Hangenden der unter- sten Bänke des dortigen weichen gelben Sandsteins, der in der ganzen Gegend als Baustein benützt und unter dem Namen „Donz- dorfer Sandstein" bekannt ist. Das genauere Profil des Steinbruchs, dem jene Äster ias-F\sitten entstammen, und überhaupt des Braunen Jura ß in dieser Gegend (Donzdorfer Sandsteins) ist nach Mitteilung des Herrn Dr. Wenz folgendes : Ackerkrume mit Weissem Jura /?-Schiitt. 1,7 m roter Thoneisenstein (Eisenflöz). CS 2 m blauer weissgestreifter Schieferletten. 0,38 m gelber weicher Mulm. S-4 :3 1 m harte blaue Kalke. CS 0,05 m Asfetias- und Zopfplatten. 2 m gelber Donzdorfer Sandstein. Gelber Letten mit Sandsteinbrocken. Es ist der echte Personaten- oder Mttrchisonae-'HoY\zont . in welchem auch die Erzflöze von Aalen und Kuchen brechen. Die Erhaltung dieser wie aller früher gefundenen Asterien ist, wie überall in diesen Schichten, die oben schon beschriebene: wir haben ledig- lich Hohlräume vor uns, indem jede Spur der ursprünglichen Kalk- teile des Tierskeletts ausgelaugt ist; dafür aber haben sich die Ab- drücke so vortrefflich erhalten , dass man kaum zierlichere Gebilde — LV - im Jura zu sehen bekommt. Die nähere Beschreibung dieser Ästerias können wir uns übrigens füghch ersparen, indem wir demjenigen, was QüENSTEDT 1. c. darüber mitgeteilt hat, nichts weiter hinzu- zufügen wüssten. Sein Exemplar, das in jeder Hinsicht sowohl nach Grösse und Form als auch nach Erhaltungszustand und Vorkommen den unseligen entspricht, stammt ebenfalls aus den gelben Sandsteinen der Göppinger Gegend (Heininger Wald) , wie denn diese Fossile bisher unseres "Wissens überhaupt nur in dies6n Bänken und nur in dem Gebiet des Hohenstaufen (Aalen bis Kirchheim u, T.) gefunden worden sind. Die auf Taf. II abgebildete Platte ist übrigens nicht die unsrige, sondern ein etwas kleineres, aber fast noch deutlicheres Stück, das der Sammlung des 'Herrn Dr. Wenz in Donzdorf angehört. IV. Über einen neuen Ichthyosaurus aus dem mittleren Lias. Von Dr. Eberhard Fraas in Stuttgart. Der Vortrag ist unter den Abhandlungen S. 22 ff. gedruckt. Sitzungsberichte. Aus den Verhandlungen des oberschwäbischen Zweigvereins. Aulendorf, 27. März 1890. Nach Erledigung geschäftlicher Gegenstände gedenkt der Vor- sitzende Dr. Freiherr Koenig-Wakthausen in ehrenden Worten der seit letzter Zusammenkunft verstorbenen Mitglieder, Forstmeister Walchner in Wolfegg, Graf von Waldbubg-Zeil-Syegenstein und Dr. Salzmann sen. in Esslingen, sowie Prof. Dr. v. Quenstedt's, in welchem verschiedene Anwesende einen hochverehrten Lehrer betrauern. Vorsitzender legte zunächst ein japanisches Vogelwerk in 6 Originalheften vor und besprach einen Theil der der palaearctischen Ornis angehörigen Abbildungen, welche sowohl wegen ihrer characte- ristischen Darstellung als auch deshalb von hohem Interesse sind, weil mit wenigen Mitteln (Farbendruck in Schwarz, Grau, Braunroth und deren Mischungen) durchaus naturgetreue Effecte erzielt sind. Ebenderselbe sprach über die Geweihbildung bei Hirsch- arten und in längerer Ausführung speciell über das Elchwild (ein- schliesslich des americanischen Moose-deer) , über seine verschieden- artigen Benennungen, deren Etymologie, die derzeitige und die frühere Verbreitung, mit Rücksicht auf die in Württemberg an dasselbe noch erinnernden Ortsnamen , wie Ellwangen (Elehenwang) , Elchingen , Alf- dorf (Alchdorf), Ellhalde, Ellbach, Ellenweiler u. s. w. Zwei vorgezeigte besonders grosse und schöne Abwurfstangen aus Litthauen haben zu- sammen ein Gewicht von 17^/4 Pfd., 8 — 11 Enden, eine Länge bis zu 82 cm., einen Umfang über der Rose von 16 — 18 cm. Eine gleichfalls vorgelegte kleinere Schaufel eines jüngeren Thiers , gefunden Y-' *^^f unter dem Abraum im früher bewaldet gewesenen trockenen Ried von Gaisbeuren O.A. Waldsee, dürfte der geschichtlichen Zeit angehören; unfern von dort in der Gemeinde Steinach liegt der Weiler Eichen- reute, wo sicher einst der Elch in die Waldblösse (Reute, Rodung) herausgetreten ist. In Vergleich wurden u. a. gestellt Geweihstangen vom Damhirsch und der chinesischen Pseudaxis mantschurica Gray, welch letztere Art in schroffem Gegensatz zu jenen Arten eine spitz- winkelig emporstehende Aug- und nur 2 Endsprossen hat. Auch vom — LYII — Renhirsch lagen Geweihstücke vor aus den Funden an der Schussen- quelle und vom Eisenbahndurchstich bei Kaibach O.A. Wangen. Dass Renthiere noch in geschichtlicher Zeit in Ostpreussen vorkamen, dürfte deshalb nicht ganz von der Hand zu weisen sein, weil dort Geweihe in sehr geringer Tiefe im Torf gefunden werden. Oberförster Frank machte, hieran anknüpfend, Mittheilungen über Elchjagden in Schweden und Sibirien und zeigte einige in jüngster Zeit im Revier Schussenried erlangte Rehgeweihe vor, theils als monströs abweichend , theils um nachzuweisen , wie gewisse Formtypen durch Vererbung sich wiederholen. Ausserdem, hatte Freiherr Feitz Koenig-Waethausen aus seiner Sammlung monströser Rehgeweihe verschiedene zur Ansicht aufgelegt, darunter ein solches mit fünf endiger Stange und dabei in eine 5 cm. breite elch-artige Schaufel auslaufend. Schliesslich theilte noch Oberförster Feank mit, dass er aus der kaiserlichen Fischbrut-Anstalt zu St. Ludwig im Elsass 6000 St. Aal- brut erhalten und hievon 4000 St. in den dem Rheingebiet angehörigen Olzreuter Weiher, den Rest im Donaugebiet, theils in den Sehwaigfurt- weiher, theils in die Entwässerungsgräben des Steinhauser Rieds ein- gesetzt habe. Aulendorf, 24. Juli 1S90. 16te Generalversammlung. Dr. Freiherr Koemg- Warthausen als Vorsitzender widmete nach kurzem Rückblick auf die verflossenen Ge- schäftsjahre Worte der Erinnerung den verewigten Mitgliedern, Standes- herr und Magnat Graf Gustav v. Königsegg-Aulendoef und Land- gerichtspräsident Victor v. Probst. Dr. FiNCKH berichtete als Schriftführer und Cassier über Mit- gliederzahl und Cassenstand. Es sind in den letzten Jahren von 31 correspondirenden Mitgliedern 10 gestorben: ordentliche Mitglieder sind z. Z. 260, nachdem von früher 376 allraälig 116 wieder ausgeschieden sind. Der Cassenbestand betrug 25. April 1889 261 Mk. 67 Pf.: nach- dem an Eintrittsgeld und durch vom Hauptverein geleisteten Ersatz von Auslagen 20 Mk. 30 Pf. hinzugekommen und für Ausgaben im abgelaufenen Verwaltungsjahr 14 Mk. 35 Pf. abzuziehen sind, verbleiben in Gasse 267 Mk. 62 Pf. Durch Acclamation werden die seitherigen Vorstandsmitglieder (Dr. Freiherr Koenig - Wabthausen , Dr. Finckh, Pfarrer Dr. Probst, Dr. Leube, Prof. Steudel, Director Dr. Ast) wieder, und für den verstorbenen Apotheker Valet in Schussenried Oberförster Frank daselbst gewählt. Pfarrer Dr. Probst gab nun einen Überblick über die Entwickelung und Bedeutung des jüngsten Zweiges der Palaeontologie, der Kenntnis von den fossilen Pflanzen. Nachdem schon geraume Zeit zuvor die Pflanzenabdrücke in den Steinkohlenlagern die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten, wandte — T.YIII — sich der Blick auch auf die in Mergeln und Schiefern erhaltenen fos- silen Pflanzenreste der Molasse. Aus Oberschwaben lieferte besonders Öningen (Baden) ein schönes und umfassendes Material. Die ersten Anfänge der Deutungsversuche waren selbstverständlich ganz unsicher ; die Pappelblätter z. B. wurden als Abdrücke von Tmsilago farfara auf- gefasst. Bald aber unterzogen sich tüchtige Botaniker der Aufgabe ; Alex. Bkaun (damals noch in Freiburg) untersuchte eine Anzahl fossiler Öninger Pflanzen ; Umger (in Gratz, später in Wien) die Vorkommnisse in den östei'reichischen Ländern. Seine Chloris protogaea (1840) war bahnbrechend. Ihm schlössen sich C. v. Ettingshausen in Wien an, der den Naturdruck erfand und Göppeet in Breslau. Bedeutend ge- fördert wurde diese Wissenschaft durch Oswald Heer in Zürich, der in seiner Tertiärflora der Schweiz auch das ungemein reichhaltige Material von Öningen verarbeitete. Ihm ist auch die Bestimmung der Pflanzenabdrücke aus der Molasse von Heggbach, OA. Biberach, zu danken. Die grösste Bedeutung erlangte aber sein umfassendes Werk : die Flora fossilis arctica, in welchem er die geradezu staunens- werte Ausbeute der Nordpolarexpedition an fossilen Resten der Wälder bearbeitete, die in früheren Erdperioden in Spitzbergen und Grönland und an vielen anderen hochnordischen Lokalitäten bestanden. Die hohe Bedeutung dieses Wissenszweiges lässt sich am besten gerade an diesem Werk nachweisen. Heer konstatierte nicht bloss, dass zur Molassezeit in jenen entlegenen Gegenden Wälder bestanden, welche notwendig ein mildes Klima erfordern, sondern, dass auch schon zur Zeit der Kreideformation daselbst ein Pflanzenwuchs bestand, der sogar ein subtropisches Klima in jenen Gegenden zur notwendigen Voraussetzung hatte. Er konstatierte ferner, dass gerade in jenen hochnordischen Gegenden ein Verbreitungscentrum gelegen habe, von wo aus sich die Gewächse strahlenförmig über die mittleren geographi- schen Breiten hin ausdehnten. Diese seine prinzipiellen Auffassungen fanden alsbald von dem französischen Phytopalaeontologen Grafen Saporta Unterstützung und auch die neuesten kritischen Arbeiten von Schenk in Leipzig gelangten zu übereinstimmenden Resultaten. Oberförster Frank zeigte ein in 12 Schilfstengel eingebautes Nest des Drossel röhr Sängers (Calamolierpe tunloides Mey.) mit 5 Eiern, das er, nur mit dem Kahn von der Wasserseite erreichbar, am 3. Juni im Rohrdickicht des Olzreuter ■ Sees gefunden hatte. Eingehend wurde die Lebensweise des nicht geselligen Sommerzugvogels besprochen, der, früher zur Nistzeit übersehen, allen oberschwäbischen grossen Rohr- teichen (wie Baron Koenig längst behauptet hatte) angehören dürfte. Am 7. Juni fand Frank ein zweites Nest mit 4 eben ausgekrochenen Jungen (jenes 25, dieses 40 cm. über dem Wasser) und gleichzeitig auch das Schilfnest des Zwergrohrdommels (Ardetfa minnta Gr. L.), das mit 5 bebrüteten Eiern gleichfalls vorgelegt und dem Vorsitzenden verehrt wurde. Ebenderselbe besprach den bedeutenden Schaden, welchen im laufen- den Jahr die Maulwurfsgrille (,, Erdkrebs, Werre," Grifllotalpa communis) in den Gärten bei Schussenried anrichtet; mehrere Exemplare und ein — LIX — Nest mit Eiern — das Eierlegen dauert seit Juni noch fort — wurden vorgezeigt. Freiherr Koenig-W akthausen zeigte Eier vom Staar, Mauersegler und Haussperling vor, welche in Anbetracht der bei ihrer innormalen Abänderung stattgehabten Zufälle Belege abgeben könnten für die be- züglich der Färbung der Kuckuckseier aufgestellte „Theorie des Versehens". Näheres vergl. Jahresh. 1891 p. 130. Aulendorf, 30. October 1890. Der Vorsitzende, Dr. Freiherr Koenig-Wakthausen, gedenkt mit Avarmen Worten des verewigten Directors des K. Naturaliencabinets Dr. v. Kbauss, welcher während langer Jahre ein energischer Förderer der Interessen des vaterl. Vereins und corresp. Mitglied des Zweig- vereins war. Pfarrer Dr. Probst sprach über Nathorst's (Stockholm) Dar- stellung und Erklärung des Molasseklimas. Durch Vergleichung einer Anzahl von fossilen Pflanzenabdrücken aus tertiären Lokalitäten von Japan mit solchen aus Grönland glaubte sich Nathoest zu dem Schlüsse berechtigt, dass zur Molassezeit das Klima Grönlands relativ milder gewesen sein müsse als jenes von Japan. Er sieht sich dadurch zu einem Erklärungsversuch des Molasse- klimas veranlasst, der darin besteht, dass er den Pol der Erdachse um 20" in der Richtung von Grönland weg gegen Japan zu verschieben möchte. Dieser Versuch ist ganz geeignet, das Interesse für sich in An- spruch zu nehmen, weil er die Pflanzenabdrücke in das ihnen hier ge- bührende Recht einsetzt und dieselben zum Ausgangspunkt und zur Grundlage seiner Auffassung des Molasseklimas macht. Aber die wissenschaftliche Bedeutung dieses Versuchs hängt wesent- lich davon ab, ob es auf diesem Wege wirklich gelingt, die Rätsel des Molasseklimas zu lösen. Das stosst nun auf ansehnliche Anstände, schon bei der Pflanzen- welt jener hochnordischen Gegenden von Grönland und Spitzbergen etc., die uns Oswald Heer erschlossen hat; die Schwierigkeiten wurden in den Einzelheiten aufgeführt. Noch bedenklicher ist aber der Umstand, dass durch die angeführte Verrückung des Pols in der Richtung nach Japan hin, die japanischen Gegenden in so hohe Breiten hinaufgerückt werden, dass die damalige Flora Japans in solchen Breiten unmöglich existiert haben konnte. Wie leicht zu ermessen, verfällt Nathoest von der Scylla in die Charybdis, was ebenfalls im einzelnen ausgeführt wurde. Ferner wurde als ein wesentlicher Missstand angeführt, dass auf die älteren Erdperioden (Kreideformation etc.) dieser Erklärungsversuch gar keine Anwendung finden könne. In diesen älteren Perioden waren die klimatischen Zonen noch gar nicht ausgeschieden. Man mag aber den Pol der Erdachse verrücken soweit man will und wohin man will, so müssen doch irgendwo sich klimatische Zonen notwendig aus- scheiden; es müssten sich an die Regionen des gemässigten Klimas jene des — LX — tropischen einerseits und jene des polaren Klimas anderseits anschliessen. Ein Versuch zur Erklärung der klimatischen Zustände der Vorwelt muss, wie das Molasseklima, so auch das der älteren Periode zum voraus ins Auge fassen und sich zur Aufgabe machen. Dieser Aufgabe wird man aber nie gerecht werden können, wenn man sich auf dem Boden be- wegt, den Nathorst betreten hat. So schätzenswert die Leistungen des verdienten schwedischen Forschers sind, so kann doch diesem Versuch ein Erfolg nicht zuerkannt werden. Dr. Freiherr Koenict- Warthausen hielt hierauf Vortrag über den Bernstein. Über 50 Handstücke aus Rosenberg i. W. Pr., z. Th. mit Einschlüssen von Insecten und Nadeln der Bernsteinfichte (Pinites s. Feuce succinifera Göpp.), auch Proben aus Kurland, Rügen, Sylt u. s. w,, sowie ,,Retinit" aus den Ligniten der mittleren Kreide des Libanon gaben hiezu die Veranlassung ; Artefacte aus westpreussischen Gräber- funden und moderne Nippsachen wurden ebenfalls vorgezeigt. Vorerst wurden (nach Wiggers" Pharmacognosie) recente Harze (Hart- und Weichharze, Balsame, Schleim- und Federharze) unter Berücksichtigung der chemischen Zusammensetzung verglichen und Tannenharz, Damar- harz, arabischer Weihrauch, die Copale, arabischer Gummi, Kirschharz, Traganth vorgelegt und besprochen. Die Beschaffenheit des Bernsteins, seine verschiedenen Namen, Herkunft, Vorkommen, Gewinnung und Ver- wendung wurden eingehend behandelt. Göppeet will Reste von fünfzigerlei Coniferen unterscheiden. Der hier vorzugsweise in Frage kommende Bernstein entfloss den Nadelholzwäldern der nordöstlichen Germanen- küste; in weiterer Begränzung gehört er der germanisch-sarmatischen Ebene von Holland bis Sibirien, Kamtschatka, ja Nordamerica an: Grönland bis Disko , Frankreich , Spanien , Italien haben , bis in die älteste Braunkohlenformation zurück, fossile Bernsteinharze. Nicht allein durch Netzfischerei , wenn die Winter.stürme die ihn hebenden Tange emporpeitschen, sondern auch durch Baggern und Abbau werden jetzt an den preussischen Haffen jährlich bis zu 2U0 000 Pfd. gewonnen. Das grösste Stück des Berliner Museums wiegt 13 Pfd. lö^/* Loth und wird auf 30 000 Mk., ein 20pfündiges weisses St. von Cammin zu 60 000 Mk. geschätzt. Aus dem geringeren, nicht zur Verarbeitung kommenden Material wird Bernsteinsäure und aus dem Residuum Bern- steinlack hergestellt, die geraspelten Spähne (Rasura succini) fanden theils medizinische Verwendung, theils finden sie solche noch jetzt als Räucher- werk. Uralt ist die Nachfrage nach dem Bernstein und uralt seine Geschichte. Die Gräberfunde fast aller Culturvölker enthalten Bernstein- schmuck, er findet sich schon in den Grablegen der Uten aegyptischen Dynastie, er hat eine Handelsstrasse von der ultima Thule nach Massilia, von Carnutum in Pannonien (Pressburg) eine solche zu den Haffen der Gothen und Esthen gebahnt. Die Berichte von Plinius (37, 11, 12) und Tacitus (Germ. 45) wurden eingehend abgehandelt; ersterer hat vorzugsweise höchst interessante Daten über die Verwendung bei den luxuriösen Römern. Auch Conrad v. Megenberg's (f 1374) naive Äusserungen fanden Erwähnung. — LXI — Aulendorf, 25. Juni 1891. 17te Generalversammlung. Hofrath Dr. Finckh legte als Schrift- führer und Cassier Rechenschaft ab. Der Zweigverein zählt z. Z. 18 correspondierende und 249 ordentliche Mitglieder. Eingegangen sind im abgelaufenen Rechnungsjahr an Eintrittsgeldern und ersetzten Aus- lagen 26 Mk. 35 Pf., ausgegeben wurden 5 Mk. 40 Pf,, Cassenbestand 288 Mk. 57 Pf, Der seitherige Vorstand (Dr. Freiherr Koenig-Wabt- HAUSEN, Hofrath Dr. Finckh, Pfarrer Dr. Probst, Dr. Leube, Oberförster Frank, Director Dr, Ast) wurde durch Acclamation wiederberufen und für den f Prof. Steüdel Oberförster Probst in Weissenau hinzugewählt. Freiherr Koenig-W abthausen gedachte des f Apothekers Becker in Waldsee. Derselbe berichtete hierauf über seine Mission zu dem im Mai in Budapest stattgehabten internationalen Ornithologen- congress. Der ausführliche, dienstlich erstattete Bericht ist in diesen Blättern (1892, p. 32 — 57) zum Abdruck gekommen. Pfarrer Dr. Probst gab der Befriedigung Ausdruck, dass gerade der Vorsitzende des Zweig- vereins als K. Regierungsdelegirter entsendet worden war. Oberförster Peobst sprach, unter Vorzeigung instructiven, reichen Materials, in längerem Vortrag über Schmetterlinge mit beson- derer Berücksichtigung der Nonne (Liparis monacha). Redner führte aus, wie Raupe, Puppe und Schmetterling gewissermaassen eigene Thiertypen darstellen: ein überaus gefrässiges, 10 — 1 6 beiniges Kriech- thier, ein in Schlaf versenktes "Wesen ohne eigene Fortbewegung, ein geflügeltes Luftthier von oft wunderbarer Färbung, welches fast keiner Nahrung bedarf und nach vollzogener Fortpflanzung alsbald stirbt. Wie bei den meisten Insecten besteht eine Massenvermehrung, welche auf einer noch nicht genügend aufgehellten , plötzlich auftretenden Ver- änderung der Zahlenverhältnisse der Geschlechter beruht. Während nehmlich gewöhnlich nur 3 — 4 Weibchen auf je 100 Männchen kommen, steigt deren Zahl in manchen Jahren bis zur Hälfte von diesen und wenn diess nur weitere 2 Jahre in gleichem Schritt fortgeht, so können bei einer Zahl von 30 — 150 Eiern selbst bei 20 ^/o Abgang aus einem halben Hundert vier Millionen Schmetterlinge entstehen. Wanderungen sind zwar auch in Betracht zu ziehen, kommen aber, abgesehen von den bis vom Mittelmeerbecken zu uns gelangenden Sphingiden nur im kleineren Raum vor , so dass bei schwächer gebauten xVrten die An- nahme einer Massenverbreitung durch Überfliegen von Strecken von 30 und mehr Kilometern unhaltbar ist. Die Invasion der Nonne ist also auf ihre Vermehrung in oder unmittelbar an den Frass-Centren zurückzuführen. Eingehend behandelte Redner die genetischen Erschei- nungen , das Überwintern der Eier , die Entwicklung der Raupen , die Flugzeit der Schmetterlinge und die forstpolizeilich zur Vertilgung der Nonne angewendeten Mittel. Bei der Anwendung von Klebstoff hätten nur die Leimfabriken gewonnen , das eigene Einschreiten der Natur, auf das allein man freilich sich nicht verlassen darf, bereite meist bei allen Thierplagen dem Missverhältniss ein Ende ; die heurigen Raupen scheinen die Grösse der vorjährigen nicht zu erreichen. Das Absterben — LXII — der durch den vorjährigen Raupenfrass entnadelten Bäume sei wenig- stens zum Theil durch die aussergewöhnliche Strenge des letzten Winters verursacht und der seitherige Schaden in forstwirthschaftlicher Beziehung deshalb nicht gross, weil das zum Hieb gebrachte Holz zu sehr guten Preisen abgesetzt werden konnte. Oberförster Feaisk entgegnete, er schreibe das Absterben vieler Bäume nicht der Strenge des Winters, sondern dem Umstand zu, dass die kahlgefressenen Bäume an Überfluss des zugeführten Safts, den sie nicht mehr zu verarbeiten vermochten, erstickt seien ; der günstige Abgang des Holzes sei Folge von Yor- rathsankäufen der Cellulose-Fabriken gewesen, also wohl nicht nach- haltig. Dr. Freiherr Koenig-Wabthausen verliest die von Herrn Archiv- rath VON Alberti gütigst mitgetheilte Abschrift einer im K. Haus- und Staatsarchiv befindlichen Weissenauer Klosterurkunde, welche von besonderem Interesse für Oberschwaben ist. Dieselbe besagt in moderni- sirtem Auszug: Am Zinstag nach St. Thomas-Abend 1-552 hat unter des Ravensburger Stadtammanns Jöbig Egolt Siegel Bebnhabd Teschelek von Oberbalzheim um baar 250 fl. sich leibpfründweise im Gotteshaus Minder- Au eingekauft. Er erhält hiefür täglich 2 Maass Wein , wie solcher den Reitern oder reisigen Knechten des Klosters gegeben wird, zwei Weissbrode und einen kernenen Laib, an allen Fleischtagen, d. h. Sonntag, Montag, Dienstag und Donnerstag Mittags und Abends zweierlei Fleisch mit Zugemüse, an den Fischtagen statt dem Fleisch zweimal zweierlei gekochte Stücke Fisch nebst dem Zugemüse , an Fasttagen Abends nur letzteres ohne Fisch. Ausserdem sollen Abt, Prior und Convent ihn mit ,,kalt und warm, Feuer und Licht" in der ihm im Gasthaus eingegebenen Stube versehen und falls er wegen Krankheit oder ünvermögenlichkeit seines Leibs obige Pfründ in Küche, Keller und Pfisterei nicht selbst holen könnte, soll ein Mägdlein oder Knabe seiner Hilfe warten; ebenso sollen seine gnädige und günstige Herrn, wenn er krank , ihn mit einer Stube im Spital versehen. Abwesenheit von 1 — 3 Tagen soll am Speisenbezugsrecht nichts ändern, nur wenn er länger ausbleibt, ist man ihm über diese Zeit etwas zu reichen nicht schuldig. Im Sterbefall verbleiben dem Kloster neben der eingezahlten Summe Bett, Kleider, alles was er mitgebracht und was ihm für seinen Beruf gegeben wird, was er aber auswärts hinterlässt, gleichviel ob Baarschaft, Schulden, liegende Güter, fahrende Habe, gebührt den recht- lichen Leibeserben. Hiegegen verpflichtet sich der — sicher zu diesem Zweck angenommene — Pfründner, das Vögeln und Waid werk zu betreiben und was er an Vögeln, Enten, Rebhühnern und Hasen fahen wird, ermeldten seinen Herrn und sonst Niemand zu geben, Hasen um 5 Kreuzer, Enten und Rebhühner um 2 Kreuzer; Zierling, Reckeiter- vögel, Trostlen und Amslen (Mistel-, Wachholder-, Sing- und Schwarz- drosseln) je um 2 Pfennig und der kleinen Vögel acht um 1 Kreuzer. Sollten aber seine Herrn auch vögeln lassen wollen, so hat er sie nicht zu irren und ihre Vogel her de zu dulden; was zum Waid werk gehört und er hiefür verfertigt hat, verbleibt dem Kloster und von dem (zu Netzen) erhaltenen Hanf darf er nichts veräussern. Wenn er den ver- — LXIII - höppeten * Vögeln zu essen giebt und hiebei eines Lichts bedarf, so ist ihm dieses zu liefern. Lehrer Häcklek von Bonlanden hatte eine Sammlung von Flechten aufgelegt, die in jeder Hinsicht ungetheilten Beifall fand. Aulendorf, 27. August 1891. Der Vorsitzende Dr. Freiherr Koenig-Waethausen theilt mit, dass der Gesammtvorstand den Kammerherrn Dr. Graf Max von Zeppelin in Stuttgart zum correspondirenden Mitglied ernannt habe. In Verhin- derung des Hüfrathes Dr. Finckh tritt für heute Oberförster Pbobst von Weissenau als Schriftführer ein. Pfarrer Dr. Pbobst zeigte mit Bezugnahme auf eine Abhandlung von Dr. Jäkel in Berlin (Zeitschr. d. deutschen geol. Ges. 1890, p. 86) einige Zähne aus dem rostrum des PristiophorKS suevicns Jäck. aus der Molasse von Baltringen O.A. Laupheim. Daran wurden weitere Be- merkungen geknüpft über die Bedeutung der microscopischen Structur der Zähne (Dünnschliffe) und hervorgehoben, dass diese nicht bloss werth- voll sei für die Palaeontologie , sondern für die natürliche Systematik der organischen Wesen überhaupt. Besonders hebt der Vortragende hervor, dass die Vergleichung nur der äusseren Form allein in das Labyrinth der für die Systematik oft ausserwesentlichen Unterschiede hineinführe, während die Untersuchung der Microstructur geeignet sei, als leitender Faden aus demselben herauszuführen. Freiherr Koexig-Wakthausen sprach über die Färbung der Vogeleier unter Hinweis auf seine bereits in den Jahresheften von 1876 (p. 178 — 190) gegebenen Notizen ,,Über die zur Unterscheidung der Vogeleier dienenden Merkmale". Nur kurz berührte er die Ent- stehung der Färbung, die vorzugsweise meist erst in der Kloake und durch Galle-Secretionen stattfindet, wobei das Pigment bald tiefer, bald oberflächlicher — meist drei Hauptnüancen bildend — in die noch weiche oder schon mehr erhärtete Kalkschale eindringt oder in einem ursprünglich schleimigen, öfters abwaschbaren Lacküberzug haftet. Eier von normalem Zustand sind 1) farblos (Achromie), 2) einfarbig, 3) gefleckt, a. auf farblosem (weissem), b. auf farbigem Grund. Im Gebiet der Variabilität treten ein 1) Leucismus, wenn sonst gefärbte Eier farblos bleiben; 2) Pallescenz (,,Flavismus!"), wenn die normale Zeichnung nur noch verblichen angedeutet ist; 3) Melanismus, als tiefe Verdunklung durch Gallenbraun ; 4) Erythrismus, wenn Grünlich oder Braun in lebhaftes Roth ; 5) Cyanismus, wenn jene in Grünblau über- gehen. Es werden zahlreiche Beispiele angeführt. Eine norddeutsche ornithologische Zeitschrift brachte einst die Notiz, frei offen in einem * verhöppet wolil verhebt, d. b. ziu'ückgelialten , gefangen. An verhaubt (verhöpt) ist sicher nicht zu denken, da das Kloster keine hohe Jagd und keine Jagdfalken hatte. — LXIY - Busch seien in grasmückenartigem Nest weisse Eier gefunden und von versammelten Kennern für diejenigen des (höhlenbrütenden) Hausroth- schwanz erklärt worden ; merkwürdig sei das abweichende Nest und der abweichende Standort. Koenig sandte darauf der Redaction eine Aus- einandersetzung des Inhalts , dass hier einfach leucitische Eier eines Strauchsängers vorliegen, dessen Art, nachdem notorisch die Vögel nicht beobachtet worden waren , durch die Beschaffenheit des Nests zu be- stimmen sei ; er selbst habe ein Gelege rein weisser Eier vom Brach- pieper erhalten, die denjenigen des Schneefinken täuschend ähneln und doch werde niemand glauben, dass solche aus den Hochalpen in ein Lausitzer Kornfeld übergesiedelt seien. ,,Die Frage sei bereits endgiltig entschieden und jede Einrede unstatthaft" (Berolinum locutum est) lautete die Antwort. Der heutige Grund, auf die Färbungsabweichungen zurück zu kommen, liegt dem Vortragenden aber in Folgendem. Im April d. J. erhielt er avis dem Röhrwanger Ried bei Warthausen ein Gelege von 4 rothen Rabenkräheneiern! Drei derselben können etwa mit Eiern des Wachtelkönigs in der Färbung verglichen werden, wäh- rend das vierte grünlichweissen Grund und sparsamere, dunklere, schärfere Zeichnung hat, wie ja auch in normalen Sätzen häufig ein Ei lichter gezeichnet ist. In diesem Falle glaubt K. einen Triumph erlebt zu haben, insoferne er einst den Satz aufgestellt hat, dass da wo Cyanis- mus (wie oben bei den Krähen) auch Erythrismus — und umgekehrt — vorkommen müsse ; da aber bei unseren Krähenarten Erythriten bisher \inbekannt waren , musste der südafricanische Corvus capensis Licht. aushelfen, bei welchem rothgefärbte Eier die Regel sind; jetzt könnte sogar die Frage entstehen, ob bei jenem Africaner die grünbraune Zeichnung, die ja auch dort bei anderen Arten die normale ist wie bei uns, nicht gleichfalls als umgekehrte Ausnahme eintrete. Nebenbei nahm Vortragender noch Veranlassung, sich über einige Sprach- sünden auszusprechen, z. B. dass man jetzt im Lateinischen nach americanischem Muster Eigennamen klein schreibe, z. B. Tringa tem- mincki statt Temminckii, Albinismus statt Leucismus, Avigeographie statt Ornithogeographie, Nidologie statt Neottiologie, ja sogar Hühnero- logie, lauter Bastardworte aus zweierlei Sprachen. Des Weiteren sprach Baron Koenig über späte Vogelbruten. Veranlassung gaben zwei diessjährige Fälle. Am 29. Juli d. J. erhielt er eine Ohreule (Otus vulgaris Fjj-em.), die noch Dunen trug, während sonst die Eier Anfang April gelegt werden und am 10. August sass ein Goldammer-Weibchen noch über den Eiern. Auf dem Schwarzen- wanger Hof ber Sontheim a. Br. brüteten nach Zeitungsnachrichten am 29. August d. J. Rauchschwalben auf einer Wanduhr über 5 eben erst gelegten Eiern. Spät im August 1850 fand er ein Am sei -Nest mit 3 frischen Eiern und am 4. September 1876 hatten Ringeltauben am Warthausener Schlossberg in einer Haselstaude nur 2 m. hoch ein Nest mit einem eben ausgekrochenen Jungen und einem hochbebiüteten Ei. Spätherbstbruten der Schleiereule und auch vom Storch sind bekannt; vergl. z. B. Journ. f. Ornith. 1854, p. 91, 94, 173, 191. Meist ist die Erscheinung durch Nahrungsüberfluss , theilweise auch - LXV — durch die Witterung, bei Kleinvögeln in der Regel durch Zugrundgehen früherer Brüten zu erklären. Oberförster Probst fand am 16. August einen Schwarzkopf {S. atricapilla Lath.) gleichfalls noch brütend und sieht den Grund in den diessjährigen Witterungsverhältnissen ; zu Anfang August hat er schon wiederholt Goldammernester mit Eiern gefunden. Aufgefallen ist ihm, wie manche Eier (Sperber), ganz frisch gelegt, einen noch empfind- lichen Schleimüberzug haben und wie öfters (Bussard) das letzte Ei fast fleckenlos ist. Koenig bemerkt hiezu, dass von sechsundzwanzig (!) bei NiLL in Stuttgart gelegten Eiern des neuholländischen Casuars das letzte statt schwarzgrün und glänzend, hellblau und matt ist. Oberförster Feai^k brachte hierauf die Vogelschutzfrage vor- läufig zur Sprache. In Folge eines Beschlusses der Kammer der Ab- geordneten war er dienstlich aufgefordert worden ,, über die etwaige Höhe von Prämien für die Erlegung von Raub- und sonst schädlichen Vögeln sich zu äussern; er hat solche von 2 Mk. bis 20 Pf. vorgeschlagen und Fischreiher, Falken, Habicht, Sperber, Gabelweihe, auch den Mäuse- bussard, Krähen, Dohle, Elster, Heher und grosse Würger namhaft ge- macht. Der bedeutende Schaden von Katzen, unbeaufsichtigten Hunden, Wiesel, Eichhorn, Haselmäusen und Ratten wird hervorgehoben und (nach Russ) auch der Massenfang für Zwecke des Frauenputzes erwähnt. Die Hauptschuld liege in den unabänderlichen Verhältnissen von Land- und Forstwirthschaft. Schutz des Unterholzes, im Winter Anlage von Futterplätzen und das Aufhängen von Nistkästen nebst Fernhalten obiger Feinde sollen nach Möglichkeit abhelfen. Baron Koenig will jedem Geschöpf seine Existenzberechtigung wahren; die Frage, welche Thiere absolut schädlich, indifferent oder nützlich seien, bleibe vorerst ungelöst, da verschiedene Berufsarten sie sehr verschieden auffassen; man möge nicht dem Grundsatz ,, Alles muss hin sein" huldigen , nicht den Schuldlosen mit dem Schuldigen opfern und er bedauere, in der Kammer gerade gefehlt zu haben, als der Ab- geordnete Eggee (der ,, Vertreter der Katzenrechte") jenen Antrag un- widersprochen durchgebracht habe. Nistkästen kommen doch nur den Höhlenbrütern zu gut, häufig schneide man die Hecken noch in der letzten Hälfte der Brutzeit ; um Alles recht schön glatt rasirt zu zeigen, werde noch immer das so trefflichen Schutz gewährende Dorngestrüpp ,,von Amts wegen" weggesprochen; bei der Winterfütterung, die bei Spätschnee besonders wichtig sei, sorge man meist nur für die Körnerfresser ; auch die Anpflanzung von beerentragendem Gehölz empfehle sich dringend. Wenn einmal der Bericht über den Pester Ornithologencongress gedruckt sein wird, soll die Vogelschutzfrage auf eine eigene Tagesordnung gesetzt werden. Oberförster Peobst hält eine starke Raben-Verminderung bei ihrer erschreckenden Vermehrung für entschieden berechtigt, es sei aber Auf- gabe, mit Wohlwollen für das Gleichmaass der geschaffenen Natur ein- zutreten und wenn auch da und dort eine gehörige Verminderung wünschenswerth sei, so wäre — darüber sei die Versammlung einig — jede Vertilgung aus ästhetischen, ethischen und Zweckmässigkeits- Gründen durchaus verwerflich. Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1892. e — LXVI — Aulendorf, 26. November 1«91. In Folge Erkrankung des Freiherrn Koenig-Warthausen führt der Schriftführer, Hofrath Dr. Finckh, den Vorsitz. Derselbe giebt der tiefen Trauer Ausdruck , welche der Hintritt S. M. des Königs Kakl , des Protectors unseres Gesammtvereins und Förderers aller Wissenschaft, auch in unserem Kreise hervorgerufen hat. Caplan Mönig hielt nach einleitenden Vorbemerkungen Vortrag über die Molluskenfauna des Oberamtsbezirks Saulgau. Dieser ist im laufenden Jahrgang (1892, p, 119 — 134) veröffentlicht. Pfarrer Dr. Hofele von Ummendorf wünscht, dass der Zweigverein eine eigene Naturaliensammlung in Aulendorf anlege. Aus mehrfachen Gründen treten die Oberförster Frank und Probst der schon öfter auf- getauchten Idee entgegen. Dr. G, Leube von Ulm hat verschiedene Naturgegenstände mit- gebracht. Ob merkwürdige concentrische Ringe in einem Stück Jurakalk von organischem Einschluss herrühren oder ein mechanisch hervorgebrachtes Naturspiel sind, konnte vorerst nicht entschieden werden. Ein kleines Herbar enthält Zweige von schlitzblättrigen Pflanzen (varietates laciniatae) von Juglandeen, Tiliaceen, Oleaceen, von Birken, Eichen, Eschen, Haseln, Rosskastanie u. s. w. Je tiefer die Blätter im Schatten stehen , desto stärker pflegt der Mangel an Blattfläche zu sein ; vielleicht besteht der Zweck, dem Licht stärkeren Zutritt zu verschaffen. Ein Specialist ist bereit, später derartige Um- bildungen des Pflanzenblatts ausführlicher zu besprechen. Dr. Finckh berichtete — vorerst über den ersten Theil — von einer im Frühjahr v. J. unternommenen 0 r i e n t r e i s e. In warmenFarben schil- derte er den Übergang vom schneebedeckten Brenner in das bereits in Blatt- und reichem Blüthenschmuck prangende Südtirol und Italien, die Sommer- flora von Ancona, das Leben von Brindisi, Korfu mit seinen Orangegärten, Cactusheckenund bunter Bevölkerung, den Fischmarkt daselbst, den blauen Golf von Patras und Corinth. Die Fortsetzung wird gelegentlich folgen. Oberförster Frank legte vor und besprach ein i. J. 1793 von den Conventualen , Forstdirector P. Gasseneb und Forstadjunct P. Bach- mann, für das Kloster Schussenried angefertigtes, sehr umfangreiches Holzlager buch. Von besonderem Interesse sind z. B. die Instruc- tionen für den Wald- und Jägermeister des Reichsgotteshauses , sowie solche für die Revierholzammänner und Jäger nebst vortrefflichen Revier- Karten und den Holzdeputat-Listen. Jagdgesetze für Jäger, Treiber und Schützen sind in 3 §§ gegeben; Schützen, die sich hiegegen verfehlen, sollen rücksichtslos ,,mit scharfer Strafe hergenommen und, wenn hart- näckig, aus der Jagdgesellschaft ausgeschlossen werden und zu Hause ihr Verbleiben haben." Ein den Jägern monatlich auszubezahlendes Schussgeld ist durch Regulativ bestimmt; es beträgt z. B. für Hunde 12 kr., Katzen 6 kr., ,, Halbvögel" und Staare 1 kr., Zierlinge (Mistel- drossel) 2 kr., Krammets Vögel 4 kr., Krähen und Elstern 3 kr., Schwer- enten, Mohren oder Blassente, Stocker (Bussard), Nachteule, Dorndreher 6 kr., Binker (Haubentaucher) und Falken 8 kr., ,,Reiger, Rohrdummel oder grosse Mooskuh" 12 kr., kleine Mooskuh (Brachvogel) 6 kr. - LXVII — Schwarzwälder Zweigverein. Versammlung in Teinach, 30. März 1890. Auf Veranlassung Herrn Dr. Wukm's in Teinach war in der vor- hergehenden in Reutlingen am 15. Dezember 1889 abgehaltenen Ver- sammlung beschlossen worden, das nächste Mal zur Zeit der Krokusblüte in Teinach zusammenzukommen. Der herrliche Morgen des festgesetzten Palmsonntages diente dazu, die berühmte Krokuswiese bei Zavelstein zu besichtigen, ausserdem machte der Führer unterwegs auf einige Spiel- arten unserer Rottanne und auf die Verwüstungen des sogenannten Waldgärtners (Hyleshms piniperda) aufmerksam. Nach einem gemein- schaftlichen Mittagsmahl im Badhotel begannen unter dem Vorsitz Herrn Prof. Eimer's die Verhandlungen. Zuerst ergriff Dr. Wuem das Wort zu einem Vortrag über die Geschichte der Krokusblüte bei Zavelstein, (Der Vortrag ist in erweiterter Form im Jahrgang 1891 dieser Jahreshefte S. 135 — 140 veröffentlicht.) Im Anschluss an diese Mitteilungen verbreitete sich Dr. Wurm so- dann über einige wenig bekannte Spielarten unserer Rottanne , deren auffallendste, die sogenannte Hasel fichte (Weissfichte, Zargenholz), schon vor 100 Jahren, später ausserdem von Willkomm beschrieben, sonst aber wenig beachtet wurde. Stamm und Äste dieser Abart gleichen der Urform. Die Zweige dagegen hängen strähnen- oder trauerweidenartig von den Ästen herab, sind dürftig benadelt und werden oft über 2 m lang. Die Rinde der Haselfichte ist zarter als die der Tanne ; die Früh- jahrstriebe sind von weisslicher bis gelblicher Farbe. Das Holz ist gleich dem der Hasel schön weiss, leicht spaltbar und resonierend und wegen dieser Eigenschaften zu Musikinstrumenten sehr gesucht. Die Jahres- ringe sind von gleichmässiger Dicke mit schmaler Herbstholzschichte. Ihr Vorkommen hielt man früher auf die bayrischen und österreichi- schen Alpen und den Böhmerwald beschränkt. Sie findet sich jedoch um Zavelstein, sowie am Hasenberg bei Stuttgart ziemlich häufig. Eine durch den Standort bedingte Abänderung der Rottanne bildet die Hasel- fichte nicht, denn neben ihr treten normale Rottannen auf. Eine weitere Abart ist die sogenannte Schlangen fichte, welche sich vor der eben- genannten durch gedrehte und gewundene Astspitzen auszeichnet. Sel- tener als diese beiden Varietäten ist die sogenannte Hängetanne, deren Äste gerade herabgedrückt, wie beschwert, dachziegelförmig über- einander liegen. Der Wuchs dieser Tanne ist schön pyramidal ; sie findet sich in Wekkenhardt bei Oberreichenbach neben der ebenfalls be- merkenswerten Sumpf kief er (Pimts uliginosa). An den mit grossem Beifall aufgenommenen Vortrag knüpfte sich eine längere Besprechung. Hierauf trat Herr Prof. Nies (Hohenheim) in ausführlicher Weise der FALB'schen Erdbebentheorie entgegen und beruft sich dabei auf die gründlichen Beobachtungen und Nachweise von Prof. Bau» am Kgl. Polytechnikum in Stuttgart. Nach den bis jetzt geführten Registern ist von einer Übereinstimmung mit Falb's Voraussagen keine Rede. Es ist von hohem Wert auch fernerhin alle Erdbeben zu registrieren — LXVIII — und Redner ersucht die Anwesenden, auch auf die kleinsten Erschüt- terungen zu achten, denn die Erdbebenkommission sei auf die breiteste Grundlage, auf Mitteilungen aus allen Schichten der Bevölkerung an- gewiesen. Die ausgesandten Fragebogen mögen ja nicht unbeachtet zur Seite gelegt, sondern nach Vermögen ausgefüllt werden. Zum Schluss zeigte Redner das Schema einer Erdbebenregistrierung und erläuterte dasselbe eingehend. Um bis zur Abreise der von auswärts eingetroffenen Mitglieder noch einige Zeit der geselligen Unterhaltung widmen zu können, wurden damit die wissenschaftlichen Erörterungen beschlossen. Versammlung in Tübingen, 13. Dezember 1891. Mit Rücksicht darauf, dass Tübingen schon allein durch seine wissenschaftlichen Institute und Sammlungen den auswärtigen Mitglie- dern gar manches Interessante zu bieten vermöge , wurde die einzige Versammlung des Jahres 1891 vom Vorstand Herrn Prof. Eimeb nach der Universitätsstadt einberufen. Nach Ankunft der Vormittagszüge, welche zahlreiche Mitglieder von Stuttgart, Reutlingen, Horb, selbst Calw gebracht hatten, wurde die Versammlung von Herrn Prof. Eimer im Hörsaal des physikalischen Instituts eröffnet, dessen Vorstand, Herr Prof. Bbaun, das Wort zu einem Vortrag erteilt wurde ,,über die Lauffener elektrische Kraftübertragung". Der durch Mitteilungen in der Presse sehr bekannt gewordene Versuch wurde mit 300 Pferdekräften , welche im Cementwerk Lauffen verfügbar waren , angestellt. Diese sollten auf eine Entfernung von 175 km auf 3 dünnen Drähten übertragen werden. Der Strom diente in Frankfurt zur Beleuchtung, zur Bewegung verschiedener Maschinen und mittels dieser zur Erzeugung eines künstlichen Wasserfalles. Von wesentlichem Einfluss auf das Gelingen des Versuches war die Wahl des zur Verwendung kommenden Stromes. Die verschiedenen Arten desselben wurden aufs anschaulichste an der Hand von Apparaten und schematischen Zeichnungen erklärt und ihre wesentlichsten Eigenschaften vorgeführt. Nach einigen Bemerkungen über die bei der Bemessung der elektrischen Spannung und Stromstärke gebräuchlichen Begriffe führt der Redner aus, dass das wesentlichste Hindernis elektrischer Kraftübertragung die Furcht vor Anwendung hochgespannter Ströme gewesen sei. Letztere aber ermöglichen allein eine vorteilhafte Übertragung. Mit Gleichstrom- maschinen hohe Spannungen zu erzeugen, verbieten die nötig werdenden Isolationen. Bei 31 000 Volt durchschlägt ein Strom eine Luftstrecke von 1 cm und eine solche Spannung innerhalb der Maschine würde zu deren Zerstörung führen. Ströme von geringer Spannung erfordern zu dicke Leitungsdrähte, so z. B. ein Strom von 100 Volt Spannung einen Kupferdraht von 1,33 m Durchmesser, während bei 27 000 Volt, etwa 4r mm dicke Drähte genügen. Durch Anwendung von sogenannten Transformatoren gelingt es die beiden genannten Übelstände zu um- gehen. Die Transformatoren sind nach dem Prinzip der Induktions- apparate gebaut und zum Zweck vollkommener Isolation unter Öl ge- — LXIX — setzt. , Wird durch die innere der beiden von einander unabhängigen Spulen ein Strom von bedeutender Stärke und geringer Spannung ge- leitet, so entsteht in der äusseren ein induzierter Strom von geringer Stärke und hoher Spannung oder umgekehrt. Der transformierte Strom wird durch Kupferdrähte an den Ort der Bestimmung geleitet und vor der Verwendung in einem anderen Transformator wieder auf geringe Spannung gebracht. In ruhenden Apparaten kann nun ein Strom nicht transformiert werden, es sei denn, dass die Stromstärke schwanke. Hier- mit schliesst sich die Anwendung des Gleichstromes aus. Der eigent- liche Wechselstrom ist nur dann brauchbar, wenn die stromerzeugende Maschine synchron mit der stromempfangenden sich bewegt. Letztere Bedingung wird durch den Mehrphasen- oder Drehstrom entbehrlich, dessen Wirkungsweise durch verschiedene Experimente sichtbar gemacht wurde. Er wird gewonnen, indem man über oder in einen Spulenring einen Magneten bewegt, wodurch in den Drahtspiralen der Spulen ein Strom von wechselnder Stärke entsteht. Dieser Strom vermag, in einen feststehenden Ring aus weichem mit Kupferdrähten umwickeltem Eisen geleitet, Rotationen zu erzeugen, kann auch aus Wechselstrommaschineu gewonnen und bei geeigneter Anordnung zur Inbetriebsetzung solcher verwendet werden. Seinen ausserordentlich klaren und anregenden Vor- trag schloss der Redner mit einigen Urteilen über den Wert und die Ergebnisse dieses grossartigen Versuches, dessen Bedeutung auch dann noch eine immense bleibe, wenn von den in Lauffen gewonnenen Pferde- kräften nur 60 "/o nutzbar in Frankfurt angekommen sein sollten. Das Experiment habe gezeigt, dass die technischen Schwierigkeiten bei der Leitung hochgespannter Ströme auf weite Entfernung nicht, wie früher geglaubt wurde, unüberwindlich seien und dass die Furcht vor der Ge- fährlichkeit eines solchen Betriebs schwinden müsse. Die Übertragung des Laboratoriumsversuches in den Grossbetrieb habe sich somit voll- zogen. Im Anschluss hieran zeigte Herr Prof. Grütznee eine sehr ein- fache Methode den Wechselstrom graphisch darzustellen, indem die beiden Pole rasch über ein mit Stärkekleister bestrichenes feuchtes Papier gezogen werden. Ausserdem wurden die Wirkungen schwacher Induktionsströme auf Muskeln demonstriert. Ein Telephon wurde mit dem Nerven eines Froschmuskels verbunden. Auf verschie- dene in das Telephon gerufene Vokale reagierte der Muskel sehr leb- haft, nur der Vokal i erzeugte keine Kontraktion. Sehr rasch aufein- anderfolgende Schläge, wie sie z. B. beim Vorhalten einer vibrierenden Stimmgabel vor das Telephon erzeugt werden, bewirken Tetanus. Unter der Führung Herrn Prof. Bbaun's wurde hierauf das phy- sikalische Institut besichtigt und die Wirkungen eines grossen Elektro- magneten bewundert. Nach einem kurzen Frühschoppen wurden die Verhandlungen unter dem Vorsitze Herrn Prof. Eimeb's im Hörsaal des zoologischen Institutes fortgesetzt und im geschäftlichen Teil zunächst der Ort für die nächste Versammlung bestimmt und die Wahlen vorgenommen. Auf allgemeinen Wunsch finden von nun ab jährlich 2 Versammlungen statt, eine im — LXX - Frühjahr vor der Generalversammlung des Hauptvereins, die andere im Herbst. Letztere soll stets in Tübingen tagen. Als Ort der nächsten, etwa im Mai abzuhaltenden Versammlung, wurde Freudenstadt bestimmt. Bei der Wahl des Ausschusses und Vorstandes ergaben sich keine Än- derungen gegen früher. Nach Erledigung dieser geschäftlichen Angelegen- heiten erteilte der Vorsitzende Herrn Forstreferendär I. Kl. Graf v. Scheler das Wort zu einem Vortrag über die Bryozoen Deutschlands. In übersichtlicher Weise schildert der Redner die verschiedenen Gattungen und Arten unserer einheimischen Moostierchen und deren wesentlichste Merkmale und erwähnt eine Anzahl neuer Fundorte. Bis- her sind für Süddeutschland sehr wenige Fundorte bekannt, so gehören z. B. die wenigen Repräsentanten dieser Tiergruppe, welche sich bisher in unserer Vereinssammlung vorfinden , soweit Bestimmung überhaupt noch möglich ist, zu nur 3 Arten, nämlich Plumatella (AlcyoneUa) fungosa Pallas, FlnmafeUa repens L. und Fredericella sultana Gervais, von letzterer Art sind abgestorbene Exemplare aus der Tiefe des Bodensees von Prof. Klunzinger gesammelt. Die neuen Fundorte sind besonders der Teich von Monrepos bei Ludwigsburg, der Bärensee im Kgl. Wildpark bei Solitude und für Plumatella fungosa ein Eisweiher bei Bothnang. Die Gattungen Lophopus Dumortier, Pectinatella Leidy und Cristatella CuviER sind in Süddeutsehland noch nicht nachgewiesen, während sie in unseren Nachbargebieten Norddeutschland, Böhmen, Schweiz und Frankreich sich vorfinden. Genau durchforscht ist in Deutschland nur die Bryozoenfauna Hamburgs durch Kraepelin und Königsbergs durch Braem und von der Nürnberger Umgebung kannte schon Roesel einige Formen. Von den 3 Arten der Fortpflanzung, welche bei diesen Wesen vorkommen, ist die durch Statoblasten die wichtigste. Die geschlecht- liche Fortpflanzung findet nur im Sommer statt. Die Statoblasten müssen, wie von Dr. F. Braem (Bibliotheka zoologica von Leuckart und Chux VI. 1890) durch Experimente festgestellt wurde, durchfrieren, bevor sie sich entwickeln. Die Strömung des Wassers ist von Einfluss auf die Gestaltung der Kolonien, was Redner besonders bei Fredericella sultana Gervais im Königssee zu beobachten Gelegenheit hatte. Zum Schluss wurde darauf hingewiesen, dass weitere faunistische Forschungen auf dem behandelten Gebiete sehr dankbar zu werden versprechen, nur sei reichlicheres sachgemäss präpariertes Material aus unserem engeren Vaterlande vonnöten, denn besonders in dem wasserreichen Oberschwaben sei die Auffindung weiterer Arten sicher zu erwarten. Zahlreiche sehr schöne Präparate (Kolonien und Einzeltierchen) nebst Zeichnungen er- läuterten das Mitgeteilte und Redner erklärte sich bereit, etwaigen neu- gewonnenen Freunden dieser interessanten Tiergruppe das zwar müh- same aber lohnende Präparationsverfahren mitzuteilen, Dr. E. Fraas sprach über den Fund eines sehr gut erhaltenen Mammutzahnes von 1,4 m Länge im Opalinus-T\\on. Bei dem Bahn- bau Reutlingen-Honau war derselbe in einer muldenartigen Vertiefung im Opälimis-Ihoxi, welche mit diluvialem Schlamm desselben Materiales ausgefüllt war , gefunden worden. Beigemengte Spuren von Torf be- stätigen das diluviale Alter der Einlagerung und des Zahnes. - LXXI - Prof. Bkanco erwähnte ein kleines, ,, vulkanisches Vorkomm- nis" bei Scharnhausen, bei welchem brauner Jura, bis jetzt aber kein weisser gefunden worden sei. Es scheint hiernach der Albrand einstens viel weiter nach Norden gerückt gewesen zu sein. Dr. VossELEB schilderte sodann die Eigentümlichkeiten der schwarz und weiss gefleckten ,,j ap anis chen Tanzmäuse". Die Tiere stam- men wie der Name andeutet aus Japan und sind offenbar ein Produkt lange fortgesetzter Züchtung. Eigentümliche drehende Bewegungen, teils kreiselartig um die eigene Achse, teils um einen beliebigen Gegen- stand oder einen imaginären Mittelpunkt verursachten den Namen ,, Tanz- maus". Die genannten Bewegungen geschehen nicht nach Art dreh- kranker Tiere, sondern bald nach rechts, bald nach links. Sie hängen offenbar mit einer Verkümmerung bestimmter Teile im Hörapparat zu- sammen und zwar handelt es sich wahrscheinlich um angeborene oder anerworbene (durch Krankheit?) und fortvererbte Verkümmerungen in den die Wahrnehmungen der Bewegungen und des Gleichgewichtes ver- mittelnden Bogengängen. Dass die Tanzmäuse vollkommen taub sind, lässt sich leicht an ihrem ganzen Benehmen erkennen. Das Skelett weicht in mehrfacher Hinsicht , wenn auch nur unbedeutend, von dem der Hausmaus, welche als Stammform der Tanzmaas anzusehen ist, ab. Deutlich tritt dies im knöchernen Teil des Ohres hervor. Zum Ver- gleich wurden ausser Tanzmäusen in verschiedenen Altersstadien noch die graue und weisse Hausmaus lebend vorgezeigt, nebst Skeletten der betreffenden Tiere. In der darauffolgenden Besprechung bestätigt Prof. Gkützner die Möglichkeit, dass die obliterierten Bogengänge Ur- sache der abnormen Bewegung seien. Prof. Lampert erwähnt, dass in einem Fall eine Tanzmaus $ eine halbe Stunde nach dem Wurf vom S getrennt und dennoch nach kurzer Frist aufs neue trächtig geworden sei, was Prof. Gkützkeb dadurch erklärt, dass bei den meisten Nagern sofort nach dem Gebärakte wieder Begattung stattfinde. Dr. VossELER spricht sodann kurz über eine neue Art, zoolo- gische, anatomische und embryologische Präparate für Samm- lungen aufzustellen. Die betreffenden Stücke werden mittels eines neuen, dem Kollodium ähnlichen Stoffes, welcher unter dem Namen Photoxylin von Russland aus in den Handel kommt, auf Glas aufge- klebt. Das in absolutem Alkohol und Äther oder einem Gemisch von beidem lösliche Photoxylin wird in lO^l^igem Alkohol fest, ohne sich milchig zu trüben, wie Kollodium oder Celluloid. Grössere anatomische Präparate wie die zartesten Embryonen lassen sich nach kurzem Ver- weilen in Alkohol, absol. in der gewünschten Lage auf Glas aufkleben, wenn man von Stelle zu Stelle einen Tropfen des Stoffes zwischen Glas und Präparat bringt oder letzteres geradezu übergiesst. Nach Über- tragung in 70 "^/^igen Alkohol erstarrt das Photoxylin sofort. Diese Aufstellungsmethode nimmt sich vor den bisher gebräuchlichen sehr vor- teilhaft aus und ist schon deshalb sehr empfehlenswert, weil zarte, brüchige Gegenstände mit einem unsichtbaren schützenden Überzug versehen werden können. Über die WALLACE'sche Hyp 0 th ese von einem versunke- — LXXII — nen indomalayischen Kontinente, durch welche die Fauna der verschiedenen Sundainseln ihre Erklärung finden soll, sprach Dr. Fickert. Er kam dabei auf die geologischen Verhältnisse der einzelnen Inseln, insonderheit auf die von Borneo zu sprechen, von welcher Insel schon eine genaue Darstellung von Posewitz vorliegt. Nach derselben kann von einem Versinken des grössten Teiles von Borneo in posttertiärer Zeit, wie es von Wallace angenommen wird, keine Rede sein., viel- mehr deuten alle Verhältnisse hier, wie auch auf Java und Sumatra, auf eine allmähliche Erhebung hin, so dass wir in den Sundainseln nicht einen gesunkenen, sondern einen werdenden Kontinent vor uns haben. Zum Schluss hielt Herr Prof. Eimek einen von neuen Gesichts- punkten ausgehenden Vortrag über die Entstehung der Arten. Darwin und noch mehr einige seiner Nachfolger vertreten die Ansicht, dass nur der Nutzen für die Entstehung neuer Arten massgebend sei; alle Eigenschaften der Lebewesen seien nützlich oder doch einmal nütz- lich gewesen. Ferner sollen die neuen Eigenschaften zufällig auftreten. Dem gegenüber stellt Eimer den Satz auf, dass neue Eigenschaften in der Kegel klein und unscheinbar beginnen, so dass sie Geschlechter hin- durch für den Nutzen nicht in Betracht kommen können. Ferner gibt es zahlreiche Eigenschaften , welche ihren Trägern keinerlei Nutzen bieten. Bevor etwas nützlich werden kann , muss es entstehen und eine gewisse Ausbildung erlangen. Wie entstehen neue Eigenschaften und wie entwickeln sie sich weiter? Mit der Beantwortung dieser Fragen ist die Frage nach der Entstehung der Arten in Angriff zu nehmen. Eimer that dies , indem er seit Jahren bestimmte Tiere verschiedener Klassen aufs Genaueste auf ihr Abändern untersuchte , insbesondere auch Schmetterlinge, bei welchen er das Abändern und die Entstehung neuer Arten an der Hand der Flügelzeichnung bespricht. Arteigen- schaften treten zuerst in kaum sichtbaren Anfängen an einzelnen Tieren einer Art auf und bilden sich und zwar , was besonders wichtig ist, nicht zufällig, sondern vollkommen gesetzmässig nach bestimmten Rich- tungen weiter aus, andere Eigenschaften schwinden allmählich, ebenfalls gesetzmässig, bei einzelnen Tieren : ein unscheinbares Pünktchen wird allmählich zu einem Strich, zu einer Binde und umgekehrt, ein Stück einer Binde wird zu einem prachtvoll gefärbten Augenfleck u. s. w. So entstehen Abarten und zuletzt Arten. Die Umbildung geht unter der Einwirkung äusserer Einflüsse vor sich; Nutzen, so massgebend er in vielen Fällen sein kann , kommt in weiterem Umfange dabei nicht in Betracht. Insbesondere sind klimatische Verhältnisse wirksam. Ver- gleicht man Tiere einer Art in zahlreichen Stücken aus den verschie- densten Gebieten ihres Vorkommens, so sieht man, wie die Eigen- schaften nach diesem Vorkommen sich verändern und wie Arten oft zusammenhängen, oder es wird deutlich wie sie ursprünglich zusammen- hingen. Hätte man alle Arten, die es gab oder gibt, aus allen Ge- bieten nebeneinander , so würde man diesen Zusammenhang in den feinsten Übergängen erkennen. Eine aufgestellte Sammlung von Schmetter- lingen der Segelfaltergruppe zeigte , in wie hohem Grade dies auch — LXXIII - heute noch durch Sammeln und Zusammenstellen aller Abarten möglich ist. Die Befunde über diese Gruppe sind in dem Buche Eimek's ,,Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen", mit 4 Tafeln, Jena, G. Fischer, 1889, veröffentlicht, welche vorgelegt wurden. Nach diesem inhaltreichen mit grossem Beifall aufgenommenen Vortrag wurde im Gasthof zum Lamm ein gemeinschaftliches Mittag- essen, an dem sich etwa 50 Personen beteiligten, eingenommen. Hier- mit schloss der Tag, welcher so viel des Wissenswerten geboten hatte. Wissenschaftliche Abende des Vereins in Stuttgart. Sitzung vom 14. Mai 1891*. Als erster Redner berichtete Dr. Weinberg über die Ergebnisse einiger Arbeiten auf dem Gebiet der Biologie, die sich im wesent- lichen mit den Einwirkungen des Lichtes, der Wärme, der Elektricität und chemischer Reize auf die Lebenserscheinungen der niedersten tierischen und pflanzlichen Organismen, der Protisten, beschäftigen, und die Ana- logien, welche diese Erscheinungen in der höheren Tier- und Pflanzen- welt finden. Ebenso wie die Pflanzen unter einseitiger Beleuchtung eine bestimmte Wachstumsrichtung annehmen, stellen auch Ringelwürmer und Insekten ihre Körperachse in die Richtung der Lichtstrahlen ein und werden vom Licht teils angezogen , teils abgestossen. Die gleichen Erscheinungen der Anziehung und Abstossung findet man auch bei manchen Infusorien und Bakterien und zwar spielt dabei ebenso wie bei den höheren Pflanzen und Tieren die Stärke der Lichtstrahlen ebenso wie die Farbe des Lichtes eine wesentliche Rolle. Diesen als Helio- tropismus zusammengefassten Erscheinungen entsprechen ähnliche Wir- kungen der W^ärme , Thermotropismus , und des galvanischen Stromes, Galvanotropismus. Die Wirkung eines galvanischen Stromes, der durch eine Flüssigkeit mit Infusorien geht, ist an beiden Polen verschieden. Das Verhalten der niedersten Infusorien gegenüber diesen Polen ist umgekehrt wie das des höher entwickelten Protoplasmas der Muskeln und Nerven der Wirbeltiere. Unter den Einwirkungen der chemischen Reize wird hervorgehoben, dass manche starken Gifte für höhere Lebe- wesen sich den niederen gegenüber fast unwirksam zeigen. Auch die chemischen Reize bewirken Anziehungs- und Abstossungserscheinungen, bei denen die Konzentration eine wesentliche Rolle spielt. Nicht alle Nährstoffe rufen die Erscheinung der Anziehung hervor, und nicht alle schädlichen Stoffe erregen Abstossung; es gelingt sogar, Protisten aus guten Nährlösungen durch ihnen schädliche und tödliche Stoffe heraus- zulocken. Auch an chemische und galvanische Reize findet Anpassung * Die Berichte der in den Monaten Oktober 1890 bis April 1891 des Vereinsjalires 1890/91 stattgehabten Sitzungen sind bereits im letzten .Tahresheft erschienen. — LXXIV — statt. Die Frage, ob bei diesen Erscheinungen ein psychischer Faktor mitspielt , hat Verwokn zu beantworten gesucht , indem er die Ein- wirkung genannter Reize auf keimlose Teilstücke studierte. Da er hierbei zu den gleichen Ergebnissen gelangte, wie an unversehrten Infusorien, so kam er vor die Alternative, entweder jeden psychischen Faktor aus- zuschliessen oder anzunehmen , dass an jedes Protoplasmastückchen psychische Vorgänge gebunden sind. Neben der theoretischen Bedeutung dieser Untersuchungen kommt bis jetzt praktisch nur die Möglichkeit in Betracht , die gesamten Reizerscheinungen zum Einfangen und Dif- ferenzieren der einzelnen Arten zu verwerten. Allein auch die Möglich- keit, die Lebenserscheinungen der niedersten Lebewesen mit denen der höheren Pflanzen und Tiere unter grossen allgemeinen Gesichtspunkten zusammenfassen zu können, ist von hohem Wert. Den zweiten Vortrag hielt Dr. Eberhabd Fkaas (K. Naturalien- kabinett) über Druckerscheinungen bei Gesteinen. Die Umwand- lungen, welche die Gesteine durch Druck erfahren, lassen sich im all- gemeinen in mechanische und chemische gliedern. Die mechanische Ein- wirkung besteht in der Zusammenpressung , mit welcher eine gewisse Sortierung des Materials und eine scharfe Absonderung in einzelne Bänke Hand in Hand geht. So entstehen durch den Druck der früher und teil- weise jetzt noch darauf lagernden Masse die schönen Schichtenkomplexe, welche wir allenthalben in den Gesteinsablagerungen beobachten, und zwar finden wir, dass die Schichtung um so schöner und dünnbanki- ger ist, je älter das Gestein ist. Redner führt als Beispiel die tho- nigen Schieferablagerungen an, welche aus dem ungeschichteten Schlick und Schlamm sich gebildet haben. Die Absonderung erfolgt recht- winkelig zur Druckrichtung und es ist die Schichtung demnach als Er- gebnis des wagerecht wirkenden Druckes anzusehen. Tritt ausserdem, wie dies besonders bei Kettengebirgen der Fall ist, noch ein seitlicher Druck ein, so erfolgt eine Absonderung, welche schief zur Schichtung steht und welche als falsche Schieferung oder Clivage bezeichnet w^ird. Dieser Schieferung unterliegen jedoch nur Gesteine, welche eine gewisse Plasticität besitzen, wie die Thonschiefer, während sprödes Material zertrümmert und zerpresst wird und dadurch eine Plasticität erreicht, welche es zur Faltung geeignet macht. Besonders schön sind die Faltungen in den Schichten ausgebildet, in welchen eine dünne Schich- tung und reiche Wechsellagerung von verschiedenartigem Material vorliegt. Noch interessanter ist die chemische Umwandlung der Gesteine durch Druck, die sog. Dynamometamorphose. So sehen wir dichten Kalkstein in körnigen Marmor durch Druck verwandelt; Beimengungen von Thon führen zur Neubildung krystallisierter Mineralien und die Schiefergesteine selbst nehmen durch Ausscheidung neugebildeter Mi- neralien den Charakter der krystallinischen Schiefer an. Damit ist der Redner auf das alte geologische Rätsel der Entstehung der krystallini- schen Schiefergesteine gekommen, zu dessen vollständiger Lösung jedoch auch die Dynamometamorphose noch nicht ausreicht. LXXV Sitzung vom 11. Juni 1891. Den ersten Vortrag hielt Professoratskandidat X. Riebek über Farbflechten. Redner führte zunächst aus, wie von den zahlreichen Verwen- dungen, welche die Flechten in früherer Zeit und noch fast allgemein bis vor 100 Jahren gefunden haben, nur noch die in der Medizin und in der Färberei geblieben seien. Schon die alten Griechen verwende- ten zum Blaufärben der Wolle einige an den Felsen der Inseln des griechischen Archipels häufig wachsende Strauchflechten und zwar die- selben, welche noch heute zur Bereitung der Orseille und des Lakmus gebraucht werden. Die erste Zusammenstellung von Farbflechten gab DiLLENius in seiner Historia muscorum (1741), während Beckmann in seinen Beiträgen zur Geschichte der Erfindungen sämtliche bis 1782 bekannt gewordenen Nachrichten über Orseille und Lakmus zusam- menstellte. Im Abendland wurde das Färben mit Orseille zuerst von Florenz aus ums Jahr 1300 verbreitet; die Einfuhr des Flechten er- folgte von den griechischen Inseln aus, später von den kanarischen und kapverdischen Inseln. Diese als Farbmittel eine bedeutende Rolle spielenden Flechten zählten zu der Gattung BoccelJa, doch untersuchte man bald auch andere Flechten von ähnlichem Aussehen, wie es den ungefärbten Roccella- Arten zukommt, auf die Fähigkeit zu färben und fand hierzu besonders iecfl»or-Arten geeignet. Der Redner zeigte die zum Färben verwendeten Roccella- Avten vor, die ihm aus der v. Zwackh'- schen Sammlung zur Verfügung waren. Nach den neuesten Unter- suchungen enthalten die meisten Flechten Farbstoffe, doch bespricht Redner nur diejenigen, welche hauptsächlich zum Färben verwendet werden und zum Teil heute noch dazu dienen; die heutigen Handels- sorten sind gewöhnlich ein Gemisch mehrerer Flechtenarten und stehen im Preise bis zu 4- Mk. das kg. Auch aus Deutsch-Ostafrika werden Roccella-Krten eingeführt. Die Verwendung der Farbflechten besteht in ihrer Benützung zur Darstellung der Orseille, des Persio, des Lakmus, in neuerer Zeit des Orseilleextraktes und des französischen Purpurs, alles Präparate, die in der Färberei Verwendung finden, besonders zum Färben von Seide. Redner bespricht deren Herstellung, bei welcher zum Teil auch heute noch wie in früheren Zeiten die Erfahrung eine grosse Rolle spielt, und setzt zur Erläuterung zahlreiche Proben dieser Farbstoffe, sowie damit gefärbte Seide und Wolle in Umlauf. Über die chemische Zusammensetzung der von den Flechten gewonnenen Farbstoffe war man bis in die neuere Zeit im Unklaren, bis die mühe- vollen Arbeiten von Gerhardt, Heeren, Heldt, Hesse, Kane, Laurent, RoBiQUET, Rochleder, Schunk, Stenhouse und Strecker Klarheit in dieselbe brachten, indem sie nachwiesen, dass die färbende Kraft der Flechten hauptsächlich auf dem Vorhandensein einer Anzahl farbloser oder gelbgefärbter Säuren beruht, deren chemische Zusammensetzung ebenfalls kurz erörtert wird. Alle diese Säuren lassen sich auf das Orcin zurückführen, welches das eigentliche Chromogen der Flechten - farbstoffe zu sein scheint. Zum Schluss besprach Redner noch die — LXXVI — von Nylandek in die Flechtenkunde eingeführte Methodik, mit Hilfe der chemischen Reaktion auf die Flechtenfarbstoffe nahe verwandte, nebeneinander stehende Formen zu unterscheiden, und erörtert die Lagerung des färbenden Stoffes im Flechtenkörper. Es ist namentlich Bachmann, der in neuester Zeit eine grosse Anzahl Flechten auf Farb- stoffe untersuchte und systematisch zusammenstellte. In der Diskussion, an welcher sich die Herren Dr. Hesse und Dr. Fünfstück beteiligten, kam besonders die Verwendung der einzelnen Flechtenarten zur Färbung, der schwankende Gehalt an Farbstoff und der Wert der zuletzt erwähnten Methodik zur näheren Erörterung. Den zweiten Vortrag hielt Prof. Dr. E. Hofmann (K. Naturalien- kabinett) über die Gallmilben und ihre Gebilde. So allgemein be- kannt und bei flüchtiger Beobachtung in die Augen fallend die mannig- fachen Missbildungen an Blättern und Zweigen sind, die Gallmilben ihre Entstehung verdanken, so wenig gilt dies von den Tieren selbst, deren grosse Kleinheit ihr Auffinden und ihre Untersuchung sehr er- schwert; nur wenige Arbeiten beschäftigen sich mit ihnen, neuerdings besonders wichtige Publikationen von Nalepa. Das Vorkommen der Gallmilben beschränkt sich auf perennierende Pflanzen, da sie auf ihren Nährpflanzen, in deren Knospen, überwintern. Ausser den Mil- ben erzeugen bekanntlich auch noch Gallwespen, Gallmücken, Blatt- läuse an Pflanzen Missbildungen; die speciell von den Gallmilben („Phytopten") erzeugten Missbildungen werden als Phytoptocecidien zusammengefasst und lassen mehrfache Gruppen unterscheiden. Die erste Gruppe ist die sogen. Filzkrankheit der Blätter, in welchem Fall meist an der Unterseite der Blätter infolge der Verletzung durch die Milben ein Haarfilz entsteht, welcher früher als Pilz beschrieben wurde. In der zweiten Gruppe entstehen durch die Milben Blattfalten und Blattroilungen; die dritte Gruppe ist die der Triebspitzenmissbildungen, bei welcher die durch den Parasiten hervorgerufene Umbildung nicht ein Blatt, sondern den ganzen Spross in der Knospenanlage betrifft. Meist tritt gesteigertes Dickenwaehstum ein, während das Längenwachs- tum unterdrückt wird. Indem eine fast unbegrenzte Produktion ver- bildeter Blätter nebenhergeht, entstehen faustgrosse, blumenkohlartige Missbildungen, wofür die sogen. Klunkern der Eiche, die Wirrzöpfe der Weiden, die Knospenwucherungen der Pappel passende Beispiele sind. Bis jetzt sind die Gallmilben an ca. 300 Arten deutscher Pflan- zen beobachtet. Der interessante Vortrag fand seine Erläuterung durch eine reiche Auswahl verschiedenartigster Gallen, die ihre Entstehung Gallmilben verdankten. Prof. Rettich legte eine Reihe Mineralien von Längbans- hyttan in Schweden, Bez. Philippstadt, vor und gab zugleich eine kleine Schilderung des Vorkommens und Abbaus der Eisenerze dieser und an- derer wichtiger Erzgruben Schwedens. Unter den vielen schönen und interessanten Handstücken sind besonders zu erwähnen das Vorkom- men von gediegenem Blei, eigentümlich schichtenförmige Ablagerung von Asbest, schöne Exemplare von Rhodonit u. s. w. — LXXVII — Da mit diesem Abend die regelmässigen Winterzusammenkünfte im Vereinsjahr 1890 — 1891 ihren Abschluss fanden, dankt der zweite Vorstand, Professor Dr. A. Schmidt, der an Stelle des leider am Er- scheinen verhinderten Vorstandes den Vorsitz führte, nochmals allen, die aktiv und passiv sich an den zahlreich besuchten Vortragsabenden im Lauf des Winters beteiligten. Die in den 9 Sitzungen des Winters 1890 — 1891 abgehaltenen Vorträge und Demonstrationen, für welche der Verein 20 Rednern Dank schuldet, belaufen sich auf 27 und ver- teilen sich auf die Gebiete der Zoologie, Botanik, Bakteriologie, Minera- logie, Geologie und Palaeontologie, Physik, Chemie. Sitzung vom 22. Oktober 1891. Bestimmungsgemäss wurden zunächst die nötigen Wahlen vor- genommen. Als Vorsitzender für die mit der Sitzung vom 22, Oktober nach Ablauf der Sommerpause wieder aufgenommenen monatlichen Zusam- menkünfte im Vereinsjahr 1891 — 1892 wurde gewählt Prof. Dr. A. Schmidt (K. Realgymnasium), als dessen Stellvertreter Prof. Dr. Hell (K. technische Hochschule), zum Schriftführer wiederum Prof, Dr. K. Lampeet (K, Naturalienkabinett). Den ersten Vortrag hielt Prof. Dr. K. Lampeet über die Protozoen. An der Hand der neueren Litteratur, besonders Bütschli's grosser Mono- graphie in Beonn's „Klassen und Ordnungen des Tierreichs" gab Redner eine zusammenfassende gedrängte Darstellung des Standes unseres heu- tigen Wissens dieser kleinsten tierischen Lebewesen, die sich der all- gemeineren Beachtung wegen ihrer Kleinheit meist entziehen, nichts- destoweniger aber zum Teil eine bedeutsame Rolle in der Natur spielen. Redner besprach nacheinander die 4 grossen Klassen der Protozoen: die Infusorien, die wir, trozdem auch sie, wie alle Proto- zoen-, einzellige Wesen sind, als die höchstorganisierten Urtiere auffassen müssen; die Geisseitierchen, bei denen wir vielfach die Grenze zwischen Tier- und Pflanzenreich verwischt sehen, die Sporentierchen, deren verwickelte Entwickelungsgeschichte noch vielfach der Aufklärung be- darf, und endlich die Sarkodetierchen, die trotz ihrer Kleinheit infolge ihres massenhaften Vorkommens, besonders im Meer, durch Abschei- dung von Kalk- oder Kieselskeletten (Kreidetierchen und Radiolarien), wie in früheren Zeiten, so auch jetzt noch am Aufbau der Erdschichte sich beteiligen. Besonders weist Redner auch auf die Bedeutung hin, die viele Protozoen, hauptsächlich Sporentierchen, als Parasiten besitzen; eine Bedeutung, die um so höher ist, als nicht nur bei Tieren, speciell Haustieren, schwere Krankheiten durch Sporentierchen hervorgerufen werden, sondern auch menschliche Krankheiten ihre Ursache in den Protozoen haben können, wie dies durch die neuesten Untersuchungen wenigstens für die Malaria sicher nachgewiesen ist. Der Vortrag wurde durch Abbildungen und Demonstrationen mikroskopischer Präparate erläutert. — LXXVIII — Den zweiten Vortrag hielt Prof. Dr. Sussdokf (K. tierärztliche Hoch- schule) über einen interessanten Bodenseefund, den Hauer eines Suiden. Der Vortrag findet sich in ausführlicher Wiedergabe unter den Abhandlungen. Zum Schluss gab Medizinalrat Dr. Hedingek ein geologisch- palaeontologisches Referat auf Grund der neuesten bei der Bibliothek des Vereins eingelaufenen Schriften. Aus denselben sind hervorzuheben ein ausführlicher Bericht über die Klimaschwankungen von Beückner, sowie neue Höhlenforschungen von Nehking, ein geognostischer Bericht über Deutsch-Ostafrika und die Sahara von Ebert und Robae; auch Deutsch-Ostafrika besitzt hiernach in der Masse des Kilima-Ndjaro ein nicht zu unterschätzendes Erzlager, sowie auch die Steinkohlenformation vertreten ist. Sitzung vom 12. November 1891. Zuerst hielt Forstreferendär I. Kl. Graf Georg von Scheler unter Vorzeigung mikroskopischer Präparate folgenden im Wortlaut wieder- gegebenen Vortrag über parasitische Insekten: Wenn ich es unternehme, Ihre Aufmerksamkeit auf eine Weile für eine so verachtete Tierklasse wie die Schmarotzer-Insekten in An- spruch zu nehmen, so glaube ich dies damit rechtfertigen zu dürfen, dass trotz der ziemlich zahlreichen Litteratur über diesen Gegenstand unsere Kenntnis der Lebensweise und Verbreitung der hierher ge- hörigen Tiere noch sehr lückenhaft ist. Auch ist die Auffindung vieler neuer Arten mit Sicherheit zu erwarten. Wenn ich durch den Hin- weis auf diese Lücken den einen oder andern der geehrten Herrn Zuhörer zum Sammeln und Beobachten der jedem Zoologen so häufig unter die Augen kommenden Schmarotzer anregen könnte , so wäre mein Zweck erreicht. Zur näheren Präcisierung meiner Aufgabe habe ich noch zu be- merken, dass ich mit wenigen Ausnahmen nur diejenigen Insekten in den Kreis der Betrachtung ziehen will, welche im vollkommenen Zu- stand auf höheren Tieren schmarotzen, mit Weglassung z. B. der Oestriden, die im Larvenzustand schmarotzen und der ausschliesslich auf Insekten schmarotzenden Gattungen. Der eigentliche Begründer unserer jetzigen Kenntnis von den sogenannten Tierinsekten ist Chr. L. Nitzsch, der am Anfang dieses Jahr- hunderts als Ornitholog in Halle thätig war; leider war es ihm infolge der politischen Wirren der damaligen Zeit nicht vergönnt, seine Unter- suchungen selbst zu publizieren, er veröffentlichte nur eine systematische Übersicht der von ihm untersuchten Tierinsekten im III. Band von Germar's Magazin der Entomologie 1818. Nach Nitzsch's Tode publi- zierte Giebel in der Zeitschr. f. d. ges. Nat. -Wissenschaften verschiedene kleinere Abhandlungen aus dessen Nachlass, aber erst 1874 das Haupt- werk : Insecta epizoica, einen Prachtband in Grossfolio mit vielen Tafeln, — LXXIX — der aber leider nach so langer Zeit nicht mehr auf der Höhe der Situation stand. Vor NiTzscH war die Kenntnis der Tierinsekten gleich Null, was man besonders daraus ersieht, dass die Beobachtung von 6 Beinen genügte, um einen Parasiten zum Pediciüns zu stempeln, so dass echte Läuse mit Haarlingen, Federlingen, Haftfüssen, Fliegen, Milben, ja sogar mit einer Käferlarve zusammen in buntem Gemengsei eine Gattung bildeten. So besteht, um nur ein Beispiel zu nennen, Pcämdus cervi Linke aus einer Laus-Fliege, einer echten Laus und einem Haarling. Den Anfang seiner Untersuchungen machte Nitzsch 1799 als Gymnasist zu Gotha; da er aber eine geeignete Aufbewahrungsweise nicht kannte, war er stets genötigt, seine Objekte in frischem Zustand zu untersuchen und abzubilden, so dass bei eintretender Materialfülle vieles unberücksichtigt bleiben musste, erst nach mehreren Jahren be- gann er die Tiere in Weingeist aufzubewahren und so die absolut nötige Sammlung von Vergleichsmaterial anzulegen. Nach 16jähriger, durch die Unruhe der Kriegszeiten öfters unterbrochener Arbeit glaubte Nitzsch endlich eine Monographie zur Herausgabe vorbereiten zu dürfen, die aber leider wie gesagt 36 Jahre lang als Manuskript in der Uni- versitäts-Bibliothek zu. Halle ablagerte. Die seit Nitzsch über Schmarotzer-Lisekten arbeitenden Entomo- logen haben ihre Arbeiten meist in Zeitschriften publiziert, die Haupt- sächlichsten sollen bei den einzelnen Ordnungen genannt werden. Was die Verbreitung der parasitischen Insekten auf den Familien, Gattungen und Arten ihrer Wohntiere anbelangt, so finden sich meist dieselben und nahe verwandte Arten auf nahe verwandten Wohntieren, was sich ja aus der gegebenen Gleichheit der Lebensbedingungen leicht erklärt. Wenn sich aber dieselbe Schmarotzerart auf gänzlich ver- schiedenen Wirten findet oder das Vorkommen zweier Schmarotzer- gattungen sich gegenseitig ausschliesst, so ist es von Interesse, die Verbreitung derselben näher ins Auge zu fassen. Wenn wir mit der am höchsten stehenden Ordnung der ektoparasitischen Insekten be- ginnen wollen, so sind dies die za den Dipteren gehörigen Lausfliegen oder Täken (nicht zu verwechseln mit den Zecken , die zu den Milben gehören), die Pupipara oder Coriacea, welche das Blut ihrer Wirte saugen; sie sind teils geflügelt, teils ungeflügelt oder auch zeitweise geflügelt. Die Grösse ist meist die einer Stubenfliege , nur Nycteribia ist sehr klein. Die Larven verwandeln sich schon im Mutterleib und es werden also Puppen geboren. Hierher gehörige Parasiten, als Hippoboscen zusammengefasst, sind bekannt von Wirten aus den Klassen der Einhufer, Wiederkäuer und Vielhufer, während das Vorkommen auf dem Hund nur als ein zu- fälliges betrachtet werden kann. Da die genannten Wirte keine Flöhe beherbergen, scheinen sich die Hippoboscen und Flöhe auszuschliessen. Ferner leben die Gattungen Strebia, Raymondia, Nycteribia, welche durch die Untersuchungen Kolenati's, Dufour's, Schinee's, Feauenfeld's, RoNDANi's etc. noch am besten bekannt und unterschieden sind, auf Fledermäusen, davon kommt jedoch nur die Gattung Nycteribia in — LXXX — Deutschland vor; gleichzeitig sind aber die Fledermäuse von zahlreichen Flöhen heimgesucht, somit herrscht hier nicht dasselbe Verhältnis wie bei den Huftieren. Von den auf Säugetieren lebenden Pupiparen möchte ich nur Lipoj)tena cervi herausgreifen, um an diese so häufige und dennoch so mangelhaft bekannte Art einige Bemerkungen anzuknüpfen. Über sie sagt Dr. E. L. Taschenbekg in Brehm's Tierleben : L. c. halte sich, so lange sie Flügel habe, als Ornitliohia paUida bis zum Herbst auf Vögeln auf, später (nach der Begattung) verliere sie die Flügel und schmarotze dann auf dem Edelhirsche, Rehe und Eber, während in der Regel jede Art nur auf einem bestimmten Tier lebe. Diese Behaup- tung erscheint sehr unwahrscheinlich, denn 1) habe ich L. c. im Juni vom Reh erhalten, 2) hat nach einer Anmerkung bei Kolenati, Parasi- ten der Fledermäuse , Lipoptena 2 , Ornithomyia (wohl syn. OrnUhohid) 3 Punktaugen und endlich habe ich unter einer namhaften Anzahl auf Vögeln gefundener Pupiparen keine gesehen, die sich mit Lipoptena identifizieren Hessen. Einige Notizen über Lipoptena gibt Stein in der deutschen ento- mologischen Zeitschrift 1877, dieselben sind von hohem Interesse und schalte ich sie am besten wörtlich hier ein: „Den geflügelten Männchen dieser Art begegnet man vom Spät- sommer bis in den Herbst in Laubwäldern, wo Rehe oder Hirsche den Wildstand bilden; die Weibchen mit abgeworfenen Flügeln finden sich dagegen in derselben Jahreszeit im Haarpelze der genannten Wildarten, auch auf Elenntieren. Die Naturgeschichte dieser Fliege bedarf noch mancher Aufklä- rung, die indessen nur durch Beobachtung derselben auf den Wohn- tieren zu erlangen sein dürfte. Niemand jedoch hätte hierzu wohl bessere Gelegenheit, als Forstmänner, in deren Jagdgebieten erwähnte Wildarten noch häufig vorkommen." Auf meiner vorjährigen Reise machte ich auch einen Abstecher auf ein paar Tage nach Weissenbach am Attersee, um meinen geehrten Freund Haetmann, einen fleissigen Dipterologen, zu besuchen und dessen Sammlung in Augenschein zu nehmen. Derselbe hatte gelegentlich von Rothirschen oben bezeichnete Fliege in mehreren Pärchen lebend ent- nommen, und daran mancherlei Beobachtungen angestellt, die ich mit seiner Erlaubnis im nachstehenden hier mitteile. Herr Haetmant^ erzählte: „ungeflügelte Individuen der Hirsch- Lausfliege fand ich den ganzen Winter hindurch aufeinandersitzend im Pelz der Rothirsche; das oberste Tier war stets ein c?. Die Weibchen, mit ihren Männchen in ein Glas gesperrt, legten oft die Puppe ab, und danach erfolgte jedesmal wieder eine Paarung, die einen halben Tag zu dauern schien. Das c? blieb nach vollzogener Begattung auf dem $ Tage lang sitzen, und auf den Hirschen fanden sich nur selten einzelne Fliegen, vielmehr sass meist ein S unkopuliert auf dem $. Einige Puppen wurden auch im Pelze der Hirsche gefunden. Von 11 Puppen hatte sich bis anfangs August des nächsten Jahres keine entwickelt; nachdem selbe jedoch einen Tag von der Sonne beschienen waren, — LXXXI — schlüpften 3 geflügelte Männchen aus, während alle übrigen unent- wickelt blieben." Die ausgeschlüpften Männchen gleichen nun genau denjenigen, welche man im Herbste gelegentlich keschert; sind jedoch ziemlich auf- fällig verschieden von den Männchen, welche bloss mit Flügelrudimenten versehen, auf den Weibchen im Pelze der Hirsche sitzend, gefunden werden. Die ersteren sind blassgelb und der Hinterleib ist schlank und schrumpft erheblich ein nach dem Töten; die letzteren sind mehr gelbbraun, ihr Hinterleib ist breiter^ und derber, und die äusseren Ge- schlechtsteile sind deutlich wahrnehmbar. Es wäre nun wünschenswert, mit den Puppen noch mehrfach Züchtungsversuche anzustellen, um namentlich geflügelte Weibchen zu erhalten , und zu sehen , ob deren Flügel denen der bekannten ge- flügelten Männchen gleichen. Sodann müssten noch mit den im Freien herumschwärmenden Männchen Versuche gemacht werden , ob selbe be- gattungsfähig und nicht vielmehr mit verkümmerten Geschlechtsorganen versehene Individuen {S) sind. ScHiNEK (Fauna Austriaca. Die Fliegen. II. S. 649) erwähnt, dass diese Fliegen, sobald sie auf einem entsprechenden Wohntiere angelangt sind, die Flügel verlieren, und daselbst dann für immer bleiben; es werden daher Weibehen mit kompletten Flügeln nur durch Züchtung zu bekommen sein. Möchten nun Forstmänner und Entomologen diese hier gegebenen Notizen bei sich bietender Gelegenheit weiter verfolgen und dadurch zur Aufklärung der Lebensweise dieser Fliegenart beitragen. Nachtrag: Erst vor wenigen Wochen teilte mir ein hiesiger Di- pterolog, Herr Schebling, mit, dass er einst auf einer, in den so- genannten Brieselang (hinter Spandau) unternommenen Exkursion ein totes Reh fand, über welchem zahlreiche Individuen obiger Fliege herumschwärmten und sich demnächst in dessen Pelz verkrochen. Er fing davon eine ziemliche Anzahl , die sich bei späterer genauer Prü- fung als 6 und ^ herausstellten, von denen jedoch letztere im Todes- kampfe sämtlich die Flügel abgeworfen hatten. — Hiernach müsste, um vielleicht den Weibchen die Flügel zu erhalten, die Tötung un- mittelbar nach dem Fange mittels eines sehr schnell wirkenden Giftes erfolgen. — Was, um nach dieser Einschaltung fortzufahren, das Verlieren der Flügel anlangt, so habe ich selbst in den letzten Wochen mehrere Männchen erbeutet, die an meine Jagdgenossen und mich im Walde angeflogen waren , doch nur bei einem war noch der eine Flügel vor- handen, die andern hatten nur kurze Stummel, somit haben die Tiere ihre Flügel entweder sogleich nach dem Anfliegen oder beim Ergreifen mit den Fingern verloren. Dass das Vorkommen von Lipopteyia mit- unter ein massenhaftes ist, zeigt ein bei Herrn Präparator Kebz vor einigen Tagen zum Ausstopfen eingetroffener Hirschkopf, an dem sich nach niedrigster Schätzung 200 Stück befanden. Hier möchte ich auch eine Bemerkung über die Nomenklatur ein- fügen, RoNDANi beschreibt 1878 in den Annalen des genuesischen Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1892. t — LXXXII — naturhistorischen Museums mit verschiedenen neuen Pupiparen eine L'ipoptcna von Cypern und benennt sie, obwohl der Wirt unbekannt und das Insekt frei schwärmend gefangen ist, L. capreoli. Wenn nun schon an sich die Benennung der Parasiten nach dem Wohntier be- denklich erscheint, da so häufig derselbe Parasit auf mehreren Wohn- tieren vorkommt, so ist es ganz unfasslich, wie Rondani das Tier capreoU taufen konnte, ohne es auf dem Reh gefunden zu haben. Da das Reh aber auf Cypern gar nicht vorkommt (wenigstens verläuft auf den Karten von Bessels sowohl als von Rütimeyek die südliche Ver- breitungsgrenze des Rehs nördlich an Cypern vorbei), so kann Rondäni nur nach der Logik gehandelt haben, dass die vorliegende Art kleiner als L. cervi, das Reh kleiner als der Hirsch, somit die Species als capreoli zu bezeichnen sei. Wenn demnach die Pupiparen der Säugetiere wenn auch nicht nach dem Entwickelungsgang genau bekannt, so doch systematisch wohl unterschieden sind, so muss für die Pupiparen der Vögel beides ver- neint werden. Gefunden sind Pupiparen schon auf sehr vielen Vogel- arten, in erster Reihe stehen die Schwalben mit mehreren Arten, doch komßien sie auch auf Raubvögeln, Eulen, Singvögeln, Schnepfen etc. vor, sind aber schwierig zu bekommen, da sie sich ungemein flink und gewandt bewegen und ihre Wohntiere bald nach deren Tod verlassen. Unter dem von mir gesammelten Material befinden sich z. B. allein vom Habicht 2 Arten, es ist also dringend notwendig, auf diesem Gebiet weiter zu sammeln. Am meisten geplagt von diesen Parasiten sind jedenfalls die jungen Vögel, da die Puppen im Vogelnest ihre Verwand- lung durchmachen. So fand Pfarrer Kaiser in St. Jakob in Kärnten die Puppen einer Lausfliege im Frühjahr vor der Ankunft der Schwalben in deren Nestern, wo sie wahrscheinlich nach Ankunft ihrer Wirte ausgeschlüpft wären. Als einziger Vertreter dieser Schmarotzergattung auf Insekten findet sich die sogenannte Bienenlaus, Braula coeca, auf der Honigbiene, besonders in Menge auf der Königin, sie ist nicht zu verwechseln mit der ebenfalls oft Bieneulaus genannten, in den Bienenstöcken schma- rotzenden Larve eines Olkäfers, Melo'e. Ein Parasit von zweifelhafter Stellung im System ist Camus henii- pterus NiTzscH, von N. im Mai 1813 auf jungen Staren gefunden, er soll ganz verschieden von den Lausfliegen, den nicht schmarotzenden Dipteren näher verwandt sein. Leider ist die von Nitzsch gezeichnete Abbildung und genaue Beschreibung nicht veröffentlicht, da Giebel in den Insecta epizoica die Pupiparen und einiges andere wegliess. In der Ausgabe von Leunis' Synopsis von 1860 ist dieser Schmarotzer bei den Stechfliegen als zweifelhaft ob dazugehörig kurz angeführt, in der neuen Ausgabe von 1886 dagegen weggelassen. Da ich nirgends sonst über Camus etwas finden konnte , vermute ich, dass die Art als zweifelhaft und inzwischen verschollen betrachtet wird. Nun erhielt ich aber im Sommer vorigen Jahres von Nestjungen des Baumfalken Männchen und Weibchen eines Parasiten in je 1 Exemplar die nirgends unterzu- bringen sind als bei Camus. Vergleichung mit den wahrscheinlich noch — LXXXIII — vorhandenen Nixzscn'schen Originalexemplaren und den Abbildungen in Nitzsch's Manuskript ist natürlich notwendig und soll gelegentlich vor- genommen werden. Die zweite in Betracht zu ziehende Insektengruppe wird repräsen- tirt durch die Flöhe, Pulicina, Suctoria, welche im System meist ebenfalls zu den Zweiflüglern gestellt werden. Keäpelin dagegen hält die Bildung einer besonderen Insektenordnung für die Flöhe für gerechtfertigt und nimmt für sie die alte LAXKEiLLE'sche Bezeichnung Siphonaptera wieder auf, da der Name Suctoria im zoologischen System bereits zweimal anderweitig vergeben ist. Die Flöhe leben bekanntlich auf warmblütigen Tieren und saugen von ihrem Blute. Die Larven leben dagegen von allerlei faulenden Stoffen, besonders vom Miste. Früher rechnete man alle Flöhe zu einer Art, dann verfielen die Entomologen ins entgegen- gesetzte Extrem und machten für jedes Wohntier eine besondere Art. Derjenige Entomolog, der die meisten beschrieben hat, ist Kolenati, doch sind seine Artdiagnosen nicht präcis genug und ausserdem ge- hörte er zu den Wiedertäufern, indem er sogar die von ihm selbst be- nannten Arten alle 2 — 3 Jahre umtaufte und damit natürlich nichts als Verwirrung anrichtete. In neuerer Zeit hat sich besonders Ritsema in Leyden mit dieser Insektengruppe beschäftigt und eine wertvolle Sammlung zusammengebracht, die er Dr. 0. Taschenbeeg in Halle zur Bearbeitung in seiner 1880 erschienenen Monographie bereitwilligst überliess. Die Zahl der beschriebenen Flohspecies ist ziemlich gross und dieselben sind auf fast allen Säugetieren vertreten mit Ausnahme der Wiederkäuer, Einhufer und Vielhufer, welche davon verschont sind. Nur der berüchtigte Sandfloh , Sarcopst/Ua penetrans , verschont in den tropischen Ländern auch die genannten Tiere nicht. Sonst ist nur einmal das Vorkommen einer gewöhnlich auf Hasen lebenden Art auf dem Steinbock konstatiert und neuerdings eine neue Art von einem süd- amerikanischen Hirsch Cervus rufus, als Pulex parviceps beschrieben. Der unzertrennliche Begleiter des Menschen, Pulex inifans, ist seinem Wirte treu und kommt nicht auf Tieren vor, doch scheint der besonders auf Hunden and Katzen lebende Pulex serraticeps auch den Menschen weit häu- figer zu plagen, als der eigentliche Menschenfloh. Eine eigene Flohgattung Typhlopsylla ist in einer Anzahl von Arten auf den Fledermäusen ver- breitet. Das Vorkommen desselben Flohes auf verschiedenen Wirten erklärt sich hier häufig aus dem Verkehr der Wohntiere an denselben Orten, z. B. Fuchs und Dachs in denselben Bauen, Maulwurf, Mäuse und Spitzmäuse in denselben Löchern , Hund und Katze in mensch- lichen Wohnungen. Während nun aber bei den Säugetieren sowohl ■dieselbe Flohspecies verschiedene Wirte heimsucht, als auch derselbe Wirt verschiedene Flohspecies beherbergt, ist auf Vögeln der verschie- densten Gattungen bloss eine Art konstatiert, der Pulex avium, nur auf einem Papagei ist eine abweichende Species gefunden; am häufigsten findet sich Pulex avium auf Hausvögeln und in Häusern nistenden Vögeln, so fand Pfarrer Kaisek, dessen Untersuchung der Schwalben- nester schon bei den Pupiparen erwähnt wurde, dieselben zu hun- derten in den Nestern der Hausschwalbe vor deren Ankunft im Frühjahr. — LXXXIV — Zweifelhaft sind die Beobachtungen von GuifiBiN, der einen Pulex holeÜ namhaft macht, welcher im Innern von Löcherpilzen (Boletus) leben soll, und von Macquart, der 1831 einen Ftdex terrestris aus einem Hummelneste beschreibt, letzterer ist nach Taschenberg wahrscheinlich identisch mit dem auf Maulwürfen und Feldmäusen vorkommenden, somit in der Erde lebenden HystrichopsyUa obtusiceps*. Die dritte Ordnung der Schmarotzerinsekten gehört zu den Schnabel- kerfen, Rhynchota, und beherbergt nur ganz wenige, der allbekannten und gefürchteten Bettwanze sehr nahestehende Arten, nämlich Äneurus laevis auf Schafen, Acanthia cölumharia in Taubenschlägen, Acantkia Jürundinis in Schwalbennestern und A. pipistreUi an Fledermäusen, sie sind alle temporäre Parasiten, die sich an den Schlafstätten ihrer Opfer ver- bergen und ihnen bei Nacht Blut abzapfen. Hierher werden aber meist auch im System die echten Läuse gestellt, welche Blut saugen und deren Vorkommen auf den Menschen und die Säugetiere beschränkt, hier aber ein ziemlich allgemeines ist. Eigentliche Pediciüus beherbergt der Mensch bekanntlich in mehreren Arten, ausserdem kommen solche auf Affen vor, während die übrigen Arten in die nahestehende Gattung Haematopinus gehören und von allen Säugetierordnungen nur den Beuteltieren, Edentaten und Cetaceen fehlen, auf Nagern und Wiederkäuern sind sie am häufigsten und auch das Leben im Wasser scheint sie wenig zu genieren, da Haematopinus sogar auf Seehunden und dem Wallross vorkommen. In seiner Specialarbeit über die Parasiten der Chiropteren nimmt KoLENATi ferner an , dass die echten Läuse bei den Fledermäusen gänzlich fehlen, doch glaube ich ein Exemplar hierher beziehen zu dürfen, das ich in einem Präparatglase auffand, in welchem sich ver- schiedenartige Fledermäuse aber keine andern Tiere befunden hatten. Dieses Exemplar hat am meisten Ähnlichkeit mit den von den Spitz- mäusen bekannten Arten. Auch in dieser Abteilung der Parasiten ist dem Sammler noch ein weites Feld geöffnet, da von vielen Säugetieren noch keine Haematopinus bekannt sind, während man von ihren nächsten Verwandten solche kennt. Die Tiere sind auch meist sehr klein und im dichten Haarkleid ihrer Wirte schwer zu finden. Die vierte und letzte Ordnung der Schmarotzerinsekten ist die der meist mit den echten Läusen zusammengeworfenen Haarlinge und Fe- derlinge, welche, wie schon der Name besagen soll, nicht vom Blut ihrer Wirte, sondern von deren Hautbedeckung leben und zu diesem Zweck nicht mit saugenden , sondern mit zangenartig beissenden Mundteilen ausgestattet sind. Ihre systematische Stellung ist streitig, meist stellt man sie zu den Orthopteren und bezeichnet sie als Anoplura, Philopteridae oder Mallophaga. Ihre Kenntnis wie die der echten Läuse verdanken wir in erster * Inzwischen wurde diese Art auch in Württemberg gefmiden und zwar von Regienmgsrat Pfeils ticker in Ulm (August 1891) im Moder eines hohlen Weidenbaums. Die Anwesenheit von Säugetieren oder sonstigen Wirtstieren des Flohes, deu Vortragender als Pulex obtusiceps Ritsema bestimmte, konnte nicht konstatiert werden. — LXXXV — Linie Nitzsch, resp. dem Herausgeber seines Nachlasses, Giebel, ausser vielen kleineren Arbeiten von Piaget, König, Rudow etc. sind beson- ders noch zu nennen: Die englische Monographie von Denny 1842, die französische von Piaget 1880 und die zweite deutsche von 0. Taschenberg in den Leopoldina 1882. Trotzdem ist die Bestimmung der Arten infolge der Ungenauigkeit vieler Beschreibungen und Ab- bildungen und der Schwierigkeit die Synonymen festzustellen sehr schwierig. Dem System nach zerfallen die Mallophagen in 2 Hauptfamilien, Philopteridae i. e. S. und Liotheidae, deren Ernährungsweise zwar die- selbe ist, die sich aber durch die Bildung der Beine scharf unter- scheiden, denn während die ersteren träge, schwer bewegliche Tiere sind, die sich beim Laufen stets auch mit den Mandibeln an den Federn resp. Haaren ihrer Wirte festhalten, sind die letzteren ungemein flink und beweglich und befähigt, auf den glättesten Flächen zu laufen, daher von Nitzsch Haftfüsse genannt. Die Familie der Philopteridae i. e. S. enthält die auf Vögeln schmarotzenden Gattungen Bocophorus, Nirmus, Goniocotes, Gomodes, Lipeurus und Oniifhobins und die einzige auf Säuge- tieren lebende Gattung Trichodectes. Ausser einigen sind die genannten Gattungen auf Vögeln der verschiedensten Art verbreitet, Goniodes dagegen ist beschränkt auf die grösseren Hühnervögel, Goniocotes auf Hühner und Tauben, Or- tiithohius auf Schwäne. Trichodectes ist von Affen, Fledermäusen, Insektenfressern, Nagern, Beuteltieren, Edentaten und Flossensäugetieren unbekannt, am häu- figsten auf Raubtieren und Wiederkäuern. Die 2. Familie, die Liotheidae, verhält sich in ihrer Verbreitung ganz ähnlich. Während einige Gattungen allgemein verbreitet sind, ist Trinoton auf die grösseren Schwimmvögel, Eureum auf Schwalben und Segler, Nifzschia auf Segler und Pliysostoinuyn auf Singvögel beschränkt, und auch hier kommt eine Gattung den Säugetieren zu, nämlich Gf/ropus, wovon Arten auf dem Meerschweinchen, Aguti und Faultier konsta- tiert sind. Das Vorkommen derselben Federlingsspecies auf vielen Vögeln erklärt sich oft aus dem engen Zusammenleben in der Brutzeit und betrifft meist die in grossen gemischten Kolonien brütenden Seevögel, ferner beherbergen die Raubvögel oft die Parasiten ihrer Schlachtopfer. Von Interesse ist das von Taschenberg erwähnte Vorkommen zweier Trichodectes auf Vögeln, das doch nur ein zufälliges sein kann. Der eine Fall betrifft den Trichodectes longicornis vom Hirsch auf Lamprotornis aeneus, einem Glanzstar, der Insekten auf Aas sammelt und sich den Parasiten vielleicht hierdurch zugezogen hat. Da aber Verwandte dieses Vogels auch den Rücken der Herdentiere aufsuchen, um sie von Ungeziefer zu befreien, kann die Übertragung auch vom lebenden Tier angenommen weiden. Der zweite Fall betrifft den Marabu, der bei Chartum gern Fleisch- abfälle frisst und dadurch leicht mit den auf Hautstücken sitzenden Trichodectes in Berührung kommen kann. — LXXXVI — Ich hatte ursprünglich die Absicht, auch die parasitischen Milben mit hereinzuziehen , musste aber mit Rücksicht auf die Kürze der Zeit und die Fülle des Stoffes davon abstehen. Vielleicht bietet sich ein andermal Gelegenheit mit Ihrer Erlaubnis die Milben, deren Kennt- nis teilweise noch lückenhafter und deren Unterscheidung teilweise noch schwieriger als bei den Schmarotzerinsekten ist, in ähnlicher Weise zu behandeln. Als zweiter Redner sprach Prof. Dr. A. Schmidt über die Vor- stellungen von William Siemens über die Sonne und den Ersatz der Sonnenwärme. Er schilderte, wie nach diesen Vor- stellungen alle von der Sonne in den Weltraum ausgestrahlte Energie dort in den äusserst verdünnten Gasen chemische Spaltungen erzeuge, wie die Produkte dieser Spaltungen, namentlich Kohlenwasserstoffe und Sauerstoff, an den Polen der Sonne zu dieser zurückströmen, um nach ihrer Verbrennung auf der Sonne am Sonnenäquator wieder farben- förmig auszuströmen. Von den verschiedenen durch W. Siemens be- handelten, an seine Theorie sich anknüpfenden Fragen hob der Redner besonders Siemens Versuche und Berechnungen zur Bestimmung der Sonnentemperatur hervor. Nach Siemens ist die Temperatur der Sonnen- atmosphäre nicht höher als 2800^, die ungeheure Wärmemenge, welche die Sonne ausstrahlt, lässt aber auf eine ungeheuer mächtige und dichte leuchtende Atmosphärenschicht auf der Sonne schliessen. Dieses Verhalten der Sonnenatmosphäre im Gegensatz zu der herrschenden Annahme der Astronomen , nach welcher die Sonnenatmosphäre sehr dünn sein müsste und das Licht von Kondensationsprodukten ausgestrahlt würde , findet Prof. Schmidt als eine Bestätigung derjenigen Vorstel- lungen von der Sonne, auf welche ihn geometrische Untersuchungen neuerdings geführt haben und welche er in seiner Abhandlung „Die Strahlenbrechung auf der Sonne, ein geometrischer Beitrag zur Sonnen- physik" veröffentlicht hat. , Nach Schluss der Vorträge vv^urde noch ein Kasten mit zahlreichen, den verschiedensten Gattungen angehörigen Insekten herumgegeben, welche Zollverwalter Pahl von Kamerun daselbst gesammelt hat und über welche dieser selbst noch einige auf Vorkommen und Auffinden bezügliche Bemerkungen beifügte. Sitzung vom 10. Dezember 1891. Als erster Redner referierte Prof. Dr. Nies (Hohenheim) über eine in der ,,Nature" (No. 1145 vom 8. Oktober 1891) erschienene Arbeit des berühmten englischen Mineralogen N. Stoky Maskelyne, einen Beitrag zur Geschichte einiger der grösseren Diamanten, namentlich des Koh-i-Nur im englischen Thronschatze. Äussere Veranlassung zu Maskelyne's Aufsatz war die ,, Wahrhaftige Geschichte des Koh-i-Nur", die Ball erscheinen Hess, von der aber Maskelyne nachweist, dass sie — LXXXVII — manches an die Geschichte des Koh-i-Nur angeknüpfte Märchen wieder aufwärmt. Was Ball in einer Erwiderung (Nature No. 1147 vom 23. Ok- tober 1891) vorbringt, ist unwesentlich, bietet aber Maskeltne Ge- legenheit, in einem Nachtrag (Nature No. 1149 vom 5. November 1891) noch wichtige Ergänzungen zu geben. Seine durch eine überaus sorg- fältige Kritik aller zur Verfügung stehenden Quellen ausgezeichnete Arbeit, die namentlich in bezug auf die verschiedenen Gewichtsysteme der indischen Völkerschaften und die Diamantengewichte der früheren und jetzigen Kulturvölker eine wahrhaft verblüffende Detailkenntnis verrät , spitzt sich nach zwei Richtungen zu : einerseits zu einer end- gültigen Vernichtung des Märchens von der einstigen Existenz eines grossen Diamanten , als dessen eines Spaltungsstück der Koh-i-Nur zu betrachten sei, anderseits zu einer kritischen Vorgeschichte des Koh-i- Nurs, die bisher nur bis etwa in die Mitte des 18. Jahrhunderts sicher verfolgbar war. Die physikalische Möglichkeit, einen grösseren Diamanten leicht in kleinere zu zerteilen, liegt ja selbstverständlich vor. Die Operation wird als Vorarbeit zum Schleifen ausgeführt, um wenigstens annähernd die gewünschte Gestalt zu erhalten und das zeitraubende Schleifen möglichst zu reduzieren, obgleich sie mit grossem Substanzverlust ver- bunden ist. Reduzierte doch die Neuschleifung des Koh-i-Nur 1852 denselben von 186^/i6 auf 106^/i6 Karat. Zweck der Zertrümmerung soll nach der zuerst von Tennant aufgestellten Hypothese gewesen sein, zwei Augensterne für einen Götzen zu erhalten. Ein zweites Fragment dieses prähistorischen Riesendiamants sei der Orlow (jetzt Spitze des russischen Scepters) und als drittes Fragment wird der ,, Perser" betrachtet , ein Stein , über dessen nähere Schicksale wenig bekannt zu sein scheint. Quenstedt gibt (Klar und Wahr, S. 79) eine Ab- bildung , wie er sich den Stein vor der Zertrümmerung dachte , und Tennant führte an Flussspatstücken, die ja mit Diamant die gleiche (oktaedrische) Spaltbarkeit teilen , entsprechende Teilungsexperimente aus. Jenen aber, denen die relativ leichte Spaltbarkeit des Diamanten bekannt ist , ist auch die starke Wertreduktion geläufig , die sich an jede Zerteilung anschliesst, so dass ein Halbieren eines so grossen Steins eine Wertreduktion etwa auf ein Achtel in sich schliesst. Wenn daher Ball, der neueste Schriftsteller über den Koh-i-Nur, durch- blicken lässt, es könne sich um mehrfache Abtrennung kleinerer Stücke in Zeiten der Not handeln , so soll wohl durch eine solche Annahme der Grund einer bewussten Wertverringerung verständlicher gemacht werden — aber man wird mit Maskelyne diese Idee eines Abschlagens kleiner Beträge von einem grossen Diamanten zur Deckung momentaner Verlegenheiten keine glückliche nennen. Speciell gegen die Zusammen- gehörigkeit mit dem Orlow führt Maskelyne an, dass derselbe im Gegen- satze zu dem durchaus wasserhellen Koh-i-Nur einen deutlichen Stich ins Gelbe habe. Zudem, jener grosse Diamant, der ,, Gross-Mogul", auf welchen diese als Teildiamanten fälschlich zurückgeführt werden, existiert noch in dem persischen Kronschatz, wo General Malcolm ihn noch vor wenigen Jahren sah und flüchtig skizzierte. Maskelyne — LXXXVIII — reproduzierte diese Skizze, die nun freilich von derjenigen Gestalt des „Gross- Moguls" weit abweicht, wie sie unsere Glasmodelle geben. Das Original dieser Modelle des Grossmoguls ist nämlich gar kein körperlich vorliegender Diamant, sondern eine Zeichnung, die von Taverniek herrührte. Taverniek besuchte als Diamantenhändler in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die indischen Fürstenhöfe und durfte auch 10 Minuten lang die Schatzkammer des Grossmoguls Aurengzib bewundern. Skizze und offenbar von den Führern erlangte Angabe des Gewichts in einheimischen ,,Ratis" beziehen sich auf das Hauptjuwel, das ihm am meisten imponierte. Er und nach ihm alle, die über die grossen Diamanten schrieben , Hessen ihn als Grossmogul mit sehr hohem Gewicht weiter existieren, bis er der angeblichen, oben beschriebenen Zertrümmerung unterlag. Maskelyne weist nach, dass bei richtiger Umrechnung der am Orte und zur Zeit Tavernier's geltenden ,,Ratis" für diesen Grossmogul ein mit demjenigen des Koh-i-Nur (natürlich vor der Umschleifung) übereinstimmendes Gewicht herauskommt. Und wenn wir mit dieser Erfahrung ausgerüstet, Tavernier's Skizze genauer betrachten, so fällt uns die Ähnlichkeit mit der (früheren) Gestalt des Koh-i-Nur ins Auge; es unterliegt keinem Zweifel: Tavernier's Gross- mogul und der Koh-i-Nur sind identisch! Da nun bis zum 15. Jahrhundert in Indien nur ein grosser Diamant bekannt war, so knüpft sich der ganze reiche Kranz von Sagen und Geschichten an den Koh-i-Nur an. Er ist der schon in den alten Epen gepriesene Talisman — er ist das Symbol der indischen Alleinherrschaft, um dessen Besitz ebenso hartnäckig gekämpft ward, als um die Herrschaft selbst. Um 1300 ist der Diamant im Besitze der Rajah von Malwa ; er wandert zu ihren Besiegern, den Delhi-Kaisern, und unterliegt mit diesen 1526 in der Schlacht von Panipat, dem grossen Baber, der in seinen Memorabilien (denn der kaiserliche Held ist zugleich Schriftsteller) die Eroberung des Diamanten ausdrücklich hervorhebt. In der Schatz- kammer des von ihm gegründeten Reichs der Grossmoguls blieb der Stein, bis er zugleich mit unermesslicher Beute 1739 dem nordischen Eroberer, dem persischen Schah Nadir, zufiel. Ihm verdankt der Koh-i- Nur (Berg des Lichtes) seinen Namen. Ein fast gleich grosser, nach dem oben erwähnten Malcolm noch jetzt im persischen Schatze befind- licher Stein wurde Darga-i-Nur (Meer des Lichtes) genannt. Schon 1747 erlag Nadir einer Palastrevolution, bei welcher viele Schätze geplündert und verschleppt wurden. So geriet der Orlow damals aus dem Schatze in die Hände eines Söldlings, dann nach Amsterdam und von dort nach Petersburg. Vielleicht wurde auch der Koh-i-Nur bei dieser Gelegenheit gestohlen, jedenfalls finden wir ihn Ende des Jahrhunderts wieder in seinem Heimatlande, im Besitze der Herrscher von Labore. Als dies indische Bollwerk von den Seikhs, einer zur politischen Macht herangewachsenen , zuerst rein religiösen Sekte , er- obert wurde, wechselte der Koh-i-Nur zum letztenmale seinen Besitzer in Indien selbst: die Niederwerfung des Aufstands der Seikhs 1849, die aus einer mit England Verträge abschliessenden Macht zum starken — LXXXIX — Gegner geworden waren, lieferte den Koh-i-Nur der englischen Armee aus , die ihn ihrer Königin als Kriegsbeute darbrachte. Möchte der Talisman indischer Oberherrschaft samt dieser selbst der europäischen Kulturmacht erhalten bleiben ! Als ein Priester den letzten Herrscher von Labore frug, wodurch denn das grosse, den Wert des Steins weit übersteigende Verlangen nach seinem Besitze erklärlich sei, da ant- wortete dieser : ,,Er ist das gute Glück an sich, denn jeder, der ihn besitzt, ,, erhielt ihn durch Bewältigung eines Gegners." Den zweiten Vortrag hielt Prof. Dr. 0. Kirchner (Hohenheim) über >die Blüten der ümbelliferen«. Piedner zeigte an dem Beispiel dieser Pflanzenfamilie, in wie hohem Grade die biologische Betrachtung der Blüteneinrichtungen geeignet ist, das rein morphologische Studium zu ergänzen und zu beleben. Nach einer allgemeinen Schilderung des Aufbaues der Einzelblüten und Blüten- stände der Ümbelliferen besprach der Vortragende die bekannten Ein- richtungen zur Anlockung von Insekten der mannigfachsten Ordnungen, ferner die ausgeprägte Protandrie der grossen Mehrzahl aller darauf untersuchten Arten, und die Ausbildung eingeschlechtiger Blüten. Die Verteilung der häufig vorkommenden männlichen und der nur selten beobachteten weiblichen Blüten auf die Döldchen und Dolden wurde, hauptsächlich im Anschluss an die Untersuchungen von A. Schulz S dargestellt und endlich auf die mannigfachen Abweichungen von den typischen Bestäubungseinrichtungen eingegangen, welche einerseits durch tiefere Bergung des Nektars in den Blüten, sowie anderseits durch Un- scheinbarkeit der Blütenstände, oder durch Auftreten von Homogamie, ja selbst von Protogynie, verursacht werden. Die erste Nachricht von Protogynie bei Ümbelliferen rührt von A. F. FoERSTE ^ und W. Trelease ^ her, und bezieht sich auf Erigenia lulbosa; später wurde von Robertson* die Protogynie dieser Art be- stätigt, und für noch vier weitere nordamerikauische Ümbelliferen, nämlich Sanicula marylanclica, Zizia aurea, Phnpinella integerrhna und Polytamia NuttalUi, festgestellt. Es gelang nun dem Vortragenden im letzten Herbst, auch bei einer europäischen Umbellifere , Fxhinoplwra spbiosa L., auf dem Lido bei Venedig, ausgesprochene Protogynie zu beobachten ^ Die ' Beiträge zur Kenntnis der Bestäubungseinrichtungen und der Geschlechts- verteilung bei den Pflanzen. Bd. I. 1888. S. 40—64 u. Bd. H. 1890. S. 81—94. 2 The Botanical Gazette. Bd. VII. 1882. p. 70—71. » Ebenda p. 71. * Ebenda Bd. XHI. 1888. p. 193. ^ Die Behauptung A. Kerne r's (Pflanzeuleben Bd. II S. 310), dass die Gattungen Aethusa, Astrantia, Caucalis, Eryngium, Hacquetia, Pachypleurum, Sanicula, Scandix und Turgenia protogynisch seien, dürfte in Zweifel zu ziehen sein, da sie nicht näher begründet ist imd bezüglich des grössten Teiles ihres Inhaltes mit den Angaben anderer sorgfältiger Beobachter im Widerspruch steht. Vergl. wegen J.ei/jMsa : Sprengel, Das entdeckte Geheimnis, S. 153, A. Schulz a. a. 0. II, S. 84; Astrantia: H. Müller, Befruchtung der Blumen, S. 97, A. Schulz a. a. 0. I, S. 41; Caucalis: daselbst S. 59; Eryngium: H. Müller a. a. 0. S. 97, A. Schulz a. a. 0. I, S. 42, P. Kuuth im Bot. Centralbl. Bd. 40 - xc — weissen Blüten dieser im Habitus einer Distel ähnelnden Pflanze, die sich am angegebenen Standort sehr häufig vorfindet, sind zu flachen oder etwas konvexen Dolden vereinigt ; die Einzeldöldchen enthalten etwa 12 Blüten, die am Rande der Dolden stehenden mehr, die mittleren weniger. In jedem Döldchen ist nur die Mittelblüte zwitterig, alle andern sind männlich, entwickeln gar keine Griifel, einen rudimentären Fruchtknoten und einen auf dessen oberem Ende befindlichen , ring- förmigen, hellen Wulst, welcher den Nektar aussondert. Die Filamente aller Blüten sind, bevor die Antheren sich öifnen, bogig nach innen gekrümmt, später spreizen sie sich einzeln nach aussen und ihre An- theren springen auf. Die weissen Kronenblätter sind tief zweilappig, in der Mitte des Ausschnittes mit einem nach innen gerichteten An- hängsel versehen ; an den inneren Blüten der ganzen Dolde und jedes Döldchens haben sie eine sehr geringe Grösse, die am Rande, besonders der Dolde , stehenden sind grösser und strahlend. Die beiden Griffel der Mittelblüten haben ihre Narben bereits entwickelt, bevor irgend ein Staubblatt desselben Döldchens sich aufgerichtet hat ; das Abspreizen der Filamente schreitet vom Rande nach der Mitte des Döldchens vor. Griffel und Narben der Zwitterblüten bleiben frisch bis alle Antheren des Döldchens abgeblüht haben. Diese frühe Entwickelung und Lang- lebigkeit der Narben sichern ohne Zweifel den Vollzug der Bestäubung in den verhältnismässig in geringer Anzahl ausgebildeten Zwitterblüten; spontane Selbstbestäubung dürfte bei der gegenseitigen Stellung der Geschlechtsorgane ausgeschlossen und auch entbehrlich sein, da die Blüten von Insekten reichlich besucht werden ; beobachtet wurden Fliegen , Schwebfliegen , Bienen und mehrere Schmetterlinge {Lycaena, Zygaena und ein Kleinschmetterling) am 3. September 1891. Ebenfalls am Lido bei Venedig wächst in der Nachbarschaft der Echinophora spinosa, aber viel weniger häufig, Critkmum maritimwni L., bei welchem im Gegensatz zu der vorhin besprochenen Art die den Umbelliferen eigene Protandrie in so hohem Grade ausgeprägt ist, wie nur bei wenigen Arten dieser Familie, z. B. bei Bupleunim stellatum L. ' und Peiicedanum venetitm Koch ^. Die kleinen , nur etwa 2 mm im Durchmesser enthaltenden Einzelblüten von Crifhmum mnritimum haben gelblichweisse Kronenblätter, welche immer nach innen eingerollt bleiben; die anfangs ebenfalls nach innen gebogenen Staubblätter spreizen sich S. 273; Pachypleurum: H. Müller, Alpenblumen, S. 120; Sanicula: H. Müller, Weitere Beobachtune:en I, S. 303, A. Schulz a. a. 0. I, S. 40; Scandix: Henslow in Trans. "Linn. Soc. Ser. 2. Vol. 1. 1877. S. 265, A. Schulz a. a. 0. I, S. 61; Ttirgenia: daselbst S. 60. Y on Astrantia maior, Eryngium campestre und Saniciihi europaea bemerkt A. Schulz ausdrücklich, dass die Griffel der Zwitterblüten schon frühzeitig aus der Blüte hervorragen, so dass der Anschein von Protogynie erAveckt werde , die Narben seien aber in diesem Stadium noch nicht entwickelt. Überhaupt geht Kern er in der Annahme von protogynischer Dichogamie wohl mitunter zu weit, wenn er z. B. (a. a. 0.) die Rosifloren und Cruciferen für ausschliesslich pi'otogyuisch erklärt und (S. .309) schon dann von Protogynie spricht, wenn die Antheren 10—15 Minuten, nachdem sich die Blüte geöffnet hat, aufspringen. ' Vergl. H. Müller, Alpenblumen etc. 1881. S. 117. 2 Vergl. A. Schulz, a. a. 0. Bd. II. 1890. S. 85. — XCI — während des Aufspringens der Antheren in der gewöhnlichen Weise ab, alsdann vertrocknen sie und fallen samt den Kronenblättern von den Blüten herunter. Jetzt erst entwickeln sich die beiden Griffel, von denen im männlichen Stadium der Blüte noch keine Spur zu erkennen war, und die nur eine sehr geringe Länge erreichen. Gewöhnlich tritt in der ganzen Dolde das weibliche Blütenstadium erst ein, wenn sämt- liche Staubblätter und Kronenblätter abgefallen sind, so dass also bei stattfindendem Insektenbesuch — beobachtet wurden am 4. September 1891 nur einige Fliegenarten — immer Kreuzung verschiedener Dolden erfolgen muss. Wegen der weissen Farbe der Griffelpolster in den einzelnen Blüten sehen die Dolden im weiblichen Zustande weisslich- grün aus , und sind unscheinbarer als in dem vorhergehenden männ- lichen Stadium. Im Laufe der an den Vortrag sich anknüpfenden Debatte machte Professoratskandidat X. Riebee darauf aufmerksam , dass nach seinen Beobachtungen, welche in der Gegend von Haigerloch in Hohenzollern* angestellt wurden, unter den einheimischen Umbelliferen Libanotis montana Centz. zu den von Insekten am reichlichsten besuchten gehören dürfte. Dies mag davon herrühren , dass diese Pflanze , die bei uns Ende Juli und anfangs August ihre Blüten entfaltet, um diese Zeit mit Aegopodimn Podagraria fast allein in grösserer Menge in Wäldern vorkommt, nament- lich an ruhigen, abgelegenen Plätzen, wo in des Waldes Stille besonders die wespenartigen Insekten gern ihr Wesen treiben. Dazu kommt, dass Libanotis montana mit den Peucedanum- Arten zu den ansehnlichsten Wald-Umbelliferen gehört, und ihre ziemlich grossen, sehr zahlreichen, etwas ins Gelbliche stechenden Blüten auch einigen Wohlgeruch ver- breiten. Da über den Insektenbesuch bei Libanotis montana bis jetzt noch keine Beobachtungen veröffentlicht sind, so mögen hier die folgen- den Raum finden ^ : I. Lepidoptera (wohl nicht saugend, sondern die Blütenstände nur als Ruheplatz wählend). 1. Thecla quercus, häufig; 2, Limenitis SibyUa, häufig; 3. Vanessa Jo; 4. Argynnis Paphia; 6. Melanargia Gala- thea; 6. Spilothyrus Älveiis, häufig. — IL Coleöptera. 7. Leptura testacea, öfters von Pollen so bedeckt, dass die Farbe des Käfers voll- ständig verborgen war; 8, Strangalia quadrifasciata ; 9. St. bifasciata; 10. St. melanura; 11. 3Morchus dimidiatus; 12. Cetonia aurata. — III. Hymenoptera. 13. Tenthredo ßavicornis ; 14. T.fagi; 15. T. dispar; 16. Macrophyia militaris; 17. IL haematopus; \Q. M. albicincta; 19. ÄUan- thus tricinctus; 20. A. Schaeff'eri; 21. J.. marginellus; 22. Ämphitdes neca- tariiis; 23, A. vaginator ; 24. A. palliatorius; 25. Cryptiis bimacidatus; 26. Polistes gaUica; '21. Nomada punctiscuta; 28. JV. sexcincta; 29. Odynerus parietum; SO. Andrena Hattonsiana; 31. Coelioxys apicidafa; 32. mehrere kleinere Ichneumon-Avten. — IV. Diptera. Fliegenarten finden sich bestimmt auf Libanotis ein, doch sind die Species nachträglich nicht mehr mit Sicherheit anzugeben. — V. Hemiptera. Die folgenden ^ Die Bestänbungseinrichtung der protandrischen, andromonöcisch verteilten Blüten ist von A. Schulz a. a. 0. Bd. I. 1888. S. 49 beschrieben. — XCII - Wanzen dürften, da alle Raubinsekten sind, weder Pollen, noch Nektar aufsuchen: 33. Tetyra lineata, oft in grosser Zahl auf Blüten und Stengel; 34. T. Hottentotta; 35. T. dissimilis; 36. Cimex oleraceus, fast ebenso häufig wie 33; 37. C. festkms; 38. C. nigricornis; 39. C. rufipes. In dem vorstehenden Verzeichnis wurden nur solche Insekten auf- genommen, von denen Vortragender sich mit Bestimmtheit erinnerte, sie auf Libanotis montana gefangen zu haben ; der thatsächlich auf den Blüten dieser Pflanze stattfindende Insektenbesuch ist noch bedeutend reichlicher. Sitzung vom 14. Januar 1892. Den ersten Vortrag hielt Dr. Eberh. Fraas über Gesteine aus dem Gebiete des Kilimandscharo, welche das K. Naturalien- 'kabinett in der letzten Zeit von dem ersten Gipfelbesteiger dieses Gebirges, Dr. Hans Meyer, bekommen hatte. Die ausserordentliche Schwierigkeit der geologischen Aufnahmen in Afrika lässt sich abgesehen von der Unweg- samkeit des Gebietes namentlich auf das gleichmässige, alles bedeckende Oberflächengestein, den Laterit, zurückführen, ein für die Tropen cha- rakteristisches Verwitterungsprodukt aller möglichen Gesteinsarten, das ein rotes, erdiges Ansehen zeigt. Durch den Laterit werden alle an- stehenden Schichten verdeckt und deshallb fällt es auch so schwer, die Tektonik dieses ältesten Kontinentes der Erde zu erkennen. Unter diesen Umständen müssen uns die vulkanischen Berge, deren tertiäres Alter sicher anzunehmen ist, gleichsam als Leitfossile dienen, um uns den Verlauf der grossen Spalten, auf denen sie allein hervorbrechen konnten, anzudeuten. Auf einer derartigen angenommenen grossen Bruchlinie, die vom Roten Meer aus nach dem östlichen Centralafrika eindringt, liegt auch der Kilimandscharo, der grösste unter den afri- kanischen Bergriesen, mit einer Höhe von 6010 m. Seine Gesteine sind durchaus vulkanischer Natur und bestehen an dem älteren der beiden Eruptionsherde, dem Mawensi, dem östlichen der beiden Gipfel, aus Feldspatbasalt, während der jüngere Eruptionskegel des Kibo eigen- artige Varietäten des Basaltes aus der Gruppe der Tephrite aufweist, welche als Nephelin- und Leucitbasanite bezeichnet werden; dazu kommt noch ein Magmabasalt oder Limburgit, der sich von den Vorkommnissen an der Limburg im Kaiserstuhl absolut nicht unterscheiden lässt. Durch das reich illustrierte Reisewerk Meyer's konnte auch noch die Land- schaft dieses höchsten deutschen Gebirges vor Augen geführt werden. Prof. Dr. Lampert sprach sodann über einige Irrgäste der schwäbischen Vogelwelt. Nach allgemeinen Bemerkungen, denen sich die Bitte an alle Vogelfreunde, insbesondere an die Jäger, anschloss, auf das Vorkommen von Irrgästen zu achten und dasselbe zur Kenntnis zu bringen, zeigte Redner einige Irrgäste aus den Ordnungen der Lang- flügler und Taucher vor; als die grösste Seltenheit erscheint ein im Mittelmeer heimischer Sturmvogel , der Ende Oktober sich nach Stutt- — XCIII - gart verflog und von Dr. Graf M. von Zeppelin der Vereinssammlung über- wiesen wurde (s. unten Kleinere Mitteilungen). Für die Vereinssammlung ebenfalls neu ist ein von Herrn Baron Fbeybeeg-Eisenbeeg in Allmen- dingen geschenktes junges Weibchen des dunklen Uferläufers, welches im August am Schmiechener See erlegt wurde. Zum Schluss legte unter Besprechung und Erläuterung derselben J. Eichlee einige der wenigen vegetabilischen Produkte aus Afrika vor, die für den Handel und den Verkehr mit jenem an mineralischen, wie auch an vegetabilischen Schätzen nicht sehr reichen Erdteil von Bedeutung geworden sind. So namentlich die ölreiche Sesamsaat, deren Kultur in Ostafrika gute Erträge liefert, die Samen der Kokospalme, ,,Kopra" und einige unter dem Namen Butterbohnen nach Europa ein- geführten Samen verschiedener Sapotaceen, namentlich Bassia Parkii Don. Speciell wurde auf die Früchte und Samen der wichtigsten afri- kanischen Nutzpflanze, der Ölpalme, hingewiesen und das Vorkommen, die Verbreitung und Verwertung dieser ergiebigen Lieferantin des wert- vollen Palmöls und Palmkernfettes erörtert. Weiter wurde die Stamm- pflanze des in neuerer Zeit sehr in Aufnahme gekommenen Raphia-Ba.sies, die Wein- oder Bambuspalme {Eaphia vinifera P. B.) erwähnt und ein Gewebe aus dem Bast vorgelegt, welcher letztere nicht ein Bast im gewöhnlichen Sinn, vielmehr die abgezogene Oberhaut der Blattfiedern ist, die sich durch eine ausserordentliche Festigkeit auszeichnet. Zum Schluss legte Redner noch eine Reihe von Rohkautschukproben vor, welche ihm zu diesem Zweck von dem Kautschukwarengeschäft des Herrn Ad. Theueee dahier freundlichst überlassen waren und besprach die erst in neuerer Zeit von einiger Bedeutung gewordene Gewinnung aus den Kautschuklianen , Arten der Apocynaceengattung Landolphia, die in Westafrika wie auf Madagaskar als mächtige Schlingpflanzen vor- kommen. Sitzung vom 11. Februar 1892. Als erster Redner sprach Prof. Dr. A. Schmidt über Seismo- meterbeobachtungen. Derselbe gab eine kurze Schilderung der Einrichtungen, welche er im Erdgeschoss des Stuttgarter Realgymnasiums aufgestellt hat zum Zweck der Erdbebenheobachtungen, und schilderte seine teils günstigen, teils ungünstigen Erfahrungen. Die Angaben seiner noch wenig vollkommenen Apparate mit den im letzten Jahrzehnt in Japan gemachten Beobachtungen vergleichend, kam er zu dem Resultate, dass wohl jede Gegend ihre eigene Art der Bodenbewegung habe, indem bei den Erschütterungen in der Musashiebene in Japan die vertikalen Bewegungen hinter den horizontalen zurücktreten, bei den Stuttgarter Beobachtungen die vertikalen über die nordsüdlichen Schwingungen etwas überwiegen, die ostwestlichen vielleicht ganz verschwinden. Der Redner schilderte das Horizontalpendel als den für Seismometerbeob- achtungen geeignetsten Apparat, wenn man dasselbe mit Spiegelablesung — XCIV — und photograpliischer Selbstregistrierung versehe. An einem Modell des Horizontalpendels wies der Vortragende die grosse Empfindlichkeit des Apparates gegen schwache Anziehungen und Abstossungen, z. B. durch eine geriebene Siegellackstange, nach. Der Redner ist der Über- zeugung, dass überall auf der festen Erdkruste in den leisen Schwingungen des Bodens die Natur eine Sprache rede , welcher da und dort zu lauschen die Wissenschaft berufen sei. Zum Schlüsse gab er noch die von Prof. V. Zech ermittelten biographischen Notizen über den Er- finder des Horizontalpendels , einen Württemberger Namens Hengler, der um 1830 in München studierte und dort den sinnreichen Apparat erfand und die ersten Messungen damit anstellte ; derselbe hatte die Mittel nicht, seine astronomischen und physikalischen Studien durchzu- führen, er kehrte nach Tübingen zum Studium der katholischen Theo- logie zurück und starb 1858 ^Is Pfarrer in Tigerfeld, OA. Münsingen. An den Vortrag des Redners anschliessend, gab Dr. Shohä Tanaka aus Japan, dem klassischen Land der Erdbeben und Erdbebenforschung, seiner Freude Ausdruck, auch hier Seismometerbeobachtungen angestellt zu sehen, und knüpfte an einige Punkte in den Mitteilungen des Vor- redners noch speciell an. Sodann besprach Medizinalrat Dr. Hedingek die Arbeit Ristoki's über die fossilen Affen Italiens, und zwar pliocänen Alters. Ristoki fasst das Ergebnis der bisherigen Untersuchungen zusammen und gibt eine Beschreibung der hauptsächlichsten und für die Formen- entwickelung und Abstammung wichtigsten Charaktere. Dieselben haben auch für uns Bedeutung, da der vom Redner im Heppenloch gefundene Affe anerkannt vollständig identisch ist mit dem Imius ßorentinus, und beide in den Maassen und Zähnen genau mit dem jungen Inuus ecmidatus von Gibraltar zusammenstimmen , so dass dieselben als Vor- läufer der Gibraltaraffen angesehen werden müssen (s. diese Jahres- hefte 1891. S. 1 ff.). Er heisst deshalb Inuus suevicus^. Der Oreopithecus wird jetzt mehr zu den Cynocephalen, als zu den Anthropomorphen gerechnet. In der Grösse steht er zwischen Dri/02)ithecus und PVwpitliecus in der Mitte, doch so, dass er dem ersteren näher kommt. Ihm ähnelt am meisten der eine Zahn in der Tübinger Sammlung, der noch von Oppel acquiriert wurde. Es ist der dritte rechte untere Molar, stammt aus den Bohnerzen von Melchingen und ist sehr menschenähnlich. Auch der des hiesigen Naturalienkabinetts und der im Besitze des Herrn Dr. Beck befindliche defekte Zahn wird auf Bryopithecus zurückzuführen sein. ^ Noch bedeutungsvoller wird der Affe dm'ch den neuesten pliocänen Fund Harl§'s in dem Hyänenhorst von Moutsaunes bei Toulouse. Es ist der Unter- kiefer eines Makaken, der, soweit die sehr e,ute Zeichnung erkennen lässt, in allem vollständig dem Imnis suevicits gleicht, während er von dem ebenfalls pliocänen Mucacus priscus von Montpellier abweicht. Auch er kommt gleich- zeitig mit einer grossen Canis-krt vor, wie im Heppenloch. Auch Cxion fand Harle. Die Entfernung- von Gibraltar bis Montsaunes beträgt 1000 km. Harle heisst den Affen Macacus tolosanus. — xcv — Vielleicht ist Dri/opifltecKS der Stammvater des Orang und Chim- panse, jedenfalls aber nimmt er unter den anthropomorphen Affen die niedrigste Stufe ein. Zuerst kommt Chimpanse, dann Orang, Gibbon, PUopithecns. Gorilla und dann erst Dri/opithecus. Seine anfangs noch von Gaudrt behauptete grosse Menschenähnlichkeit , die ihm sogar eine Mittelstellung zwischen den höchstentwickelten Affen und dem Neger- typus einräumen sollte, wurde durch die Entdeckung eines ausgewachsenen vollständigen Unterkiefers mit einer auffallend schnauzenartigen Ver- längerung, die in scharfem Gegensatz zur menschlichen Gesichtsbildung steht, widerlegt. Gefunden wurde er in St. Gaudens. Gaudry selbst macht darauf aufmerksam , das der Prognathismus der Affen mit dem Alter des Individuums ungemein zunimmt; und es ist deshalb kein Beweis für den grösseren oder geringeren Anthropomorphismus. Bei einem menschlichen Unterkiefer, dessen linker erster Backzahn stärker ist, als beim Dryopithecus, sind im Gegenteil der Eckzahn und die vordem Backzähne schwächer. Dieser Unterschied ist von wesent- lichem Belang, weil die Verkürzung der vorderen Zähne mit dem ge- ringeren Vorragen der Gesichtsteile im Zusammenhang steht, und folglich ein Merkmal der menschlichen Überlegenheit ist. — Was den mensch- lichen Schädel wesentlich auszeichnet, ist ja die ausserordentliche Ent- wickelung jener Knochen, welche das Gehirn einschliessen , sowie eine Verringerung der Gesichtsknochen, die so weit geht, dass dieselben an Stelle der Schnauze nur mehr die Fassade des Schädels bilden. Auch haben schon andere Forscher (Dawkins und Foksxth Majok) gezeigt, dass die Entwickelungsreihe der Zähne keinen Beleg für die höhere Stellung der Art abgibt. Was die letzten Backzähne betrift't, so hat Gaudry neuerdings an einer grösseren Anzahl von Arten nachgewiesen, dass sie bald zur selben Zeit, wie die Eckzähne, bald nach denselben durchbrechen. Die Vergleichung des Unterkiefers von Dryopitheciis mit jenem der andern grossen Affen und des Menschen gibt einen Hinweis auf die Entwickelung der Zunge. Wenn man vom Weissen zum Neger, vom Neger zum Chimpanse, vom Gorilla zum Dryopitliecus herabsteigt, so findet sich auch eine absteigende Reihe der Gestalt und Lage der Zunge, so dass man z. B. beim Dryopitliecus den Raum für die Zunge am geringsten bemessen findet, also viel schmäler, als bei den eigent- lichen anthropomorphen Affen. Um menschenähnlich zu sein, müsste sie wie bei den Makaken gestaltet sein : d. h. schmal, hinten sehr dick, vorn dünn und wenig geschmeidig; deshalb wäre er aber immer noch nicht als Übergangsglied zum sprechenden Menschen zu betrachten. Also, um es zu wiederholen: unsere menschenähnlichen Affen besitzen im Jugendzustand höhere Eigenschaften der Organisation , als im er- wachsenen. Nach dieser Anschauung sind aber die Vorfahren der heutigen Affen dem Menschen näher gestanden. Alles in allem genommen lässt sich vom tertiären Dryojnthecus anderseits absolut kein Schluss ziehen auf das Fehlen des tertiären Menschen, der vielleicht durch die Untersuchungen von Ameneghino u. a. in Südamerika, wo der Boden für die Erhaltung der Reste am günstig- sten ist, noch zu Tage gefördert werden wird. XCVI — Sitzung vom 10. März 1892. Als erster Redner sprach Prof. Dr. Hell über Theorie der Lösungen. Anknüpfend an einen vor Jahresfrist im Verein gehaltenen Vortrag über die von van't Hoff aufgefundene und theoretisch wie experimentell begründete Analogie der Gase mit verdünnten Lösungen, •woraus als praktische Konsequenz eine Reihe neuer Methoden zur Be- stimmung der relativen Molekülgewichte , sei es direkt durch die Er- mittelung des osmotischen Druckes oder bequemer der Gefrierpunkts- erniedrigung oder Siedepunktserhöhung von Lösungen sich ergab, be- spricht der Vortragende diejenigen Abweichungen, welche sich bei wässe- rigen Lösungen von Säuren, Basen und Salzen, überhaupt allen elektro- lytisch leitenden Körpern ergeben und den schwedischen Gelehrten SvANTE Aerhenius ZU einer eigentümlichen Auffassung über den Zustand der in verdünnten Lösungen enthaltenen Elektolyte geführt haben. Wie bei den Gasen die Abweichungen von der AvoGADEo'schen Hypothese durch eine Dissociation der komplizierteren Molekeln in einfachere Teil- molekeln erklärt werden, so nimmt Areheniüs an, dass in den wässerigen Lösungen der Elektrolyte eine mehr oder weniger vollständige Dissociation derselben in Teilmolekeln, in ,, Jonen" oder ,,Jonten" eingetreten sei, dadurch auf eine schon ältere Anschauung von Clausius zurückgreifend, welche diesen Forscher, wenn auch in geringerem Umfang, zur Erklärung der Elektrolyse für notwendig gehalten hat. So schwer es uns auch vom Standpunkt der alten überlieferten Lehren der Chemie ist, in der "Wässerigen Lösung eines Neutralsalzes Metall und das damit verbunden angenommene negative Radikal im Zustande frei und unabhängig von- einander beweglicher Jonen anzunehmen und das Gleiche auch bei den Säuren und Basen vorauszusetzen, so lassen sich doch eine grosse Zahl derart ins Gewicht fallender Gründe anführen, dass die Annahme dieser neuen Theorie nicht mehr abweisbar erscheint. Thatsächlich sind denn auch die von verschiedenen Seiten erhobenen Bedenken immer mehr verstummt. Auf der Versammlung der British Association for advance- ment of Science, welche im September 1890 in Leeds tagte und welche sich vorzugsweise mit einer gründlichen Diskussion der alten Hydrat- theorie und der neuen Anschauung beschäftigte , wurde der anfangs besonders von den englischen Gelehrten wie Gladstone , Armstrong, Fitzgerald, Pickering erhobene Widerspruch durch die Wucht der von den dort anwesenden Vertretern der neuen Theorie, van't Hoff und Ostwald, vorgebrachten Argumente in den wesentlichsten Punkten be- stätigt. Die durch die dissociierende Kraft des Wassers auf die Elektro- lyse entstehenden Jonen dürfen nicht identifiziert werden mit den freien Elementen , wie wir sie kennen , und müssen vermöge ihrer enormen elektrischen Ladung ganz andere Eigenschaften zeigen, als wir sie an den freien Elementen gewohnt sind. P'erner ist es ein Irrtum und eine Verwechselung des Verwandtschaftsbegriffes, wenn man wie bisher an- nimmt, dass bei den Säuren, Basen und Salzen die Bestandteile durch besonders mächtige Affinitäten zusammengehalten werden, während in Wirklichkeit gerade diese Körper durch ihre eminente Reaktionsfähig- — XCVII — keit und durch die Leichtigkeit , mit welcher sich ihre Bestandteile gegenseitig austauschen, ausgezeichnet sind und daher diese Bestand- teile unmöglich fest gebunden enthalten können. Überhaupt treten im Lichte der neuen Theorie so manche schon längst bekannte Gesetz- mässigkeiten und Erscheinungen klar und deutlich hervor und finden eine ungezwungene Erklärung wie die nahezu gleichen Neutralisations- wärmen der Säuren und Basen, das Gesetz der Thermoneutralität von Hess, das ,, Modulngesetz" von Valson und die von Ostwald beobachteten Volumveränderungen bei der Neutralisation, ferner das elektrische Leit- vermögen der Elektrolyte und dann namentlich noch eine ganze Reihe rein chemischer Thatsachen, wie das verschiedenartige Verhalten eines und desselben Elements in seinen Verbindungen gegen ßeagentien, z. B. des Chlors in den Chloriden, in den Chloreten, in der Chloressigsäure u. s. w., des Eisens im Eisenvitriol, im Eisenchlorid, im gelben Blut- laugensalz u. s. w. Durch die neue Theorie wird eine wesentliche Umgestaltung traditioneller Anschauungen in dem Lehrgebiete der Chemie stattfinden müssen, eine Umgestaltung, wie sie ähnlich vor etwas mehr als einem Jahrhundert in dieser Wissenschaft eintrat, als die Phlogiston- theorie von Becher und Stahl durch die Verbrennungslehre von Lavoisier gestürzt wurde. Wie die Phlogistonlehre die Verbrennung durch das Fortgehen des Phlogiston erklärte, während durch die exakten Versuche von Lavoisier das Gegenteil, das Hinzutreten von Sauerstoff als richtig erkannt wurde , so stellt die elektrolytische Dissociationstheorie alte, geheiligte Anschauungen von der Salzbildung geradezu auf den Kopf. Wo früher mächtige Affinitäten ihre Wirksamkeit ausübten, sind solche wenigstens zwischen Metall und Halogen, bezw. Säureradikal, gar nicht vorhanden, sondern die Affinität bethätigt sich nur zwischen dem Wasser- stoff der Säure und dem Hydroxyl der Basis , welche zu Wasser zu- sammentreten. In der Wasserbildung allein besteht der eigentliche Neutralisationsvorgang. Selbstverständlich haben diese Betrachtungen nur ihre Geltungen, wenn es sich um genügend verdünnte Lösungen handelt, wo der Zerfall in die Jonen sehr vollständig ist. In konzen- trierteren Lösungen finden Abweichungen statt, wie ja auch die stark komprimierten oder abgekühlten Gase nicht mehr gemäss den bekannten Gasgesetzen folgen. Die angegebenen grundlegenden Verhältnisse werden aber durch diese abweichenden nicht verdeckt. Zum Schluss legte Professoratskandidat Rieber eine für Württem- berg neue Alge, Chlorotylium cataractarum Ktz. vor, welche direkt unter dem aufschlagenden Wasser des 25 m hohen Uracher Wasser- falls in grossen, hellgrünen Polstern ihr Dasein fristet und daher nur bei Sturm zugänglich ist, wenn die Wasser beiseite getrieben werden. Es ist wahrscheinlich, dass sie an ähnlichen Orten des Juras ebenfalls vorkommt. Der Algenkörper besteht aus langen, fast farblosen, leeren Zellen, welche mit kurzen, chlorophyllreichen abwechseln und so an- geordnet sind, dass der Algenkörper unter dem Mikroskop geschichtet erscheint. Reinsch, welcher diese Alge näher untersuchte, fand, dass sie im Frühjahr Schwärmsporen bildet, die ohne Kopulation keimen. Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1892. g" — XCVIII — Nach mehreren Grenerationen vergallerten die Fäden und es bilden sich GIoeoci/sfis-Formen , welche ebenfalls Schwärmsporen ausbilden ; diese letzteren zeigen vier, erstere zwei Wimpern, unterscheiden sich also ähnlich, wie bei Ulothrix die Mikro- und Makrosporen. Aus diesen vier wimperigen Schwärmsporen geht die Fadengeneration wieder hervor. Ausserdem färben sich im Sommer einzelne Äste derart, dass die Zellen rot werden, sich abrunden und loslösen. Es ist noch unermittelt, wie diese Kugeln sich weiter entwickeln. Analog andern Beispielen wäre es möglich, dass sich aus denselben geschlechtliche Fortpflanzungszellen bilden, worüber keine Untersuchung existiert, soweit dem Vortragenden bekannt wurde. Nekrolog des Prof. Dr. F. Eduard von Reusch, geb. 17. April 1812, gest. 22. Juli 1891. Von Dr. F. Ammermüller. Der Vater Reüsch's war Schullehrer in Kirchheim u. T. und hatte der Tochter der dort residierenden Herzogin Henriette von Württemberg, der nachmaligen Königin Paüline, den ersten Unter- richt zu erteilen, starb aber schon 1824 mit Hinterlassung einer Witwe und 6 Kindern. Da nahm die Herzogin sich des 12 jährigen talentvollen Knaben an, und unterstützte ihn, dass er 1826 ins Seminar in Urach, 1830 in das evangelisch-theologische Seminar in Tübingen eintreten konnte. Er war somit nach dem Wunsche seiner frommen Gönnerin zum Geistlichen bestimmt, hat auch das theologische Examen 1834 mit gutem Erfolg bestanden, aber seiner Neigung entsprach dieser Beruf nicht. Er hatte während des Stu- diums der Theologie in Prof. Norremberg einen ausgezeichneten und anregenden Lehrer der Mathematik und Physik gefunden, und dabei erkannt, dass seine Neigung und sein Talent eine richtigere Nah- rung in diesen Fächern finde. Nach beendigtem Studium trat er daher nicht als Vikarius bei einem Pfarrer ein, sondern nahm den Antrag einiger Industrieller in Heidenheim an, als Lehrer der Mathematik und Naturwissen- schaften an einer Privatschule, die den jetzigen, damals noch nicht bestehenden Oberrealschulen entsprach '. Die K. Regierung ging * Die Verstimmung seiner hohen Gönnerin darüber, dass er die geistliche Laufbahn verliess, wurde übrigens durch die folgende glänzende Laufbahn bald und vollständig wieder gehoben. Dagegen blieb ein sehr freundliches Verhältnis nicht nur zur Herzogin, sondern auch zu deren Tochter, Königin Pauline, und zur Enkelin, Prinzessin Katharina, bestehen, das Eeusch mit seinem Humor und naiver Unbefangenheit bis zu seinem Tode zu erhalten wusste und das ihm manche hohe Aufmerksamkeit eintrug. — c — aber damals schon mit dem Gedanken um, solche Oberrealschulen zu gründen, und suchte junge Leute zu Lehrern dafür heranzubilden. Das verschaffte dem gut empfohlenen Reüsch eine Reise-Staats- unterstützung für 1 Jahr, mit der er November 1835 nach Paris ging, um in Mathematik und Naturwissenschaften sich weiter zu bilden. Dort hörte er namentlich die Vorlesungen von Dulong, Ddmas, Ampere, Pouillet, Leroy u. a. Des letzteren besonderes Wohl- wollen gewann er durch eine elegante Lösung über Steinkonstruk- tionen bei windschiefen Gewölben, und dessen Zeugnis verschaffte ihm eine weitere Staatsunterstützung zu längerem Verbleiben. In Paris hatten seine Studien, Avie er selbst angab, „die Richtung zum höheren Tngenieurwesen , namentlich zur mechanischen Technik an- genommen." Nach ca. 1\2 Jahren kehrte er zurück, bestand ein Oberreal- lehrer-Examen, und wurde sofort an der neu errichteten Oberreal- schule in Heilbronn angestellt, 1837. Dort veröffentlichte er als erste Arbeit, 1838, ein Gymnasialprogramm über die Krümmungs- gesetze der sphärischen Evolvente nebst Anwendung auf konische Räderwerke. Aber schon im Jahre 1840 wurde er als Professor für Mechanik und Physik an die Gewerbeschule in Stuttgart ernannt. Hier liess er ein autographiertes Heft über Statik und Dynamik drucken. In diese Zeit fällt auch seine für Bauleute sehr instruktive Arbeit über die Spitzbogen-Konstruktion, die 1853 bei J. B. Müller in Stuttgart erschien. Im Herbst 1851 wurde er an Nörremberg's Stelle als Professor der Physik an die Universität nach Tübingen berufen. Von da an beginnen seine physikalischen Arbeiten, eine Reihe von Ver- öffentlichungen über physikalische Gegenstände in Poggendorff's Annalen, meist aus der Lehre vom Licht über die elementaren Ge- setze der Optik, über Zurückwerfung und Brechung in graphischer Darstellung \ „Was Reüsch's Namen dabei verewigen wird, das ist die Möglichkeit, mit seiner einfachen Konstruktion die berühmten Sätze von Gauss über Kardinalpunkte von Linsensystemen in ele- mentarer Weise nachzuweisen." — „Nach den optischen Gesetzen widmete er eine längere Zeit der Untersuchung der Krystalle nach verschiedenen Seiten. Es war die stereographische Projektion, der ' s. Schwäbischer Merknr, 29. Juli 1891, Reüsch's Nekrolog von Prof. Dr. P. Zech. — Gi- er sich zuwandte , namentlich mit dem Wunsche , dass die inkor- rekten und prinziplosen Figuren , wie man sie in Krystallographie, mathematischer und astronomischer Geographie so häufig findet, allmählich verschwinden. Wie eine Anwendung auf Krystallographie möglich sei, zeigte er in 2 Aufsätzen über Hemiedrie und Zwillings- bildung. Noch sind auf dem Gebiete der Krystalle seine Unter- suchungen über den Schiller an Krystalloberflächen, z. B. am Labrador, zu erwähnen, die von inneren Reflexionen herrühren. Ferner die sogenannte Körnerprobe. Wenn nämlich mit einer stumpfen Spitze (dem Körner) ein kurzer Schlag auf Scheiben von Krystallen, wie Kalkspat, Glimmer, Gips, ausgeführt wird, so bilden sich Sprünge nach bestimmten Richtungen, analog den Blätterdurchgängen, die charakteristisch für den Krystall sind, und geben Aufschlüsse über die innnere Struktur der Krystalle." Eine vollständige Zusammenstellung seiner litterarischen Arbeiten mit 49 Nummern von Prof. A. ScHMmT geben die mathematisch- naturwissenschaftlichen Mitteilungen (Nekrolog von 0. Böklen, V. 1, S. 124), auf die hier verwiesen werden muss. Im Jahre 1855 wurden ihm auch die Vorlesungen über Ma- schinenlehre und Technologie bei der staatswirtschaftlichen Fakultät übertragen, aber dieses weitere Geschäft entzog ihn vielfach seinem Hauptfach der Optik und den Krystallen. Er legte deshalb, und weil ihm für sein Alter das doppelte Geschäft zu viel wurde, diesen Lehrauftrag 1871 wieder nieder. 1874 wurde er provisorischer Vor- stand der Sternwarte mit dem Lehrauftrag für populäre Astronomie. Im Jahre 1884 liess er sich hohen Alters halber pensionieren, zog nach Stuttgart, und brachte dort die letzten Jahre seines Lebens hauptsächlich mit geometrischen Arbeiten zu. Bei solchen Leistungen konnte es ihm an Anerkennung und Auszeichnungen nicht fehlen. 1848 wurde er zum technischen Mit- glied der Centralstelle für Gewerbe und Handel gewählt, und blieb das bis zu seiner Übersiedlung nach Tübingen. Bei der landwirt- schaftlichen Centralstelle war er Ehrenmitglied. Zum Mitglied der Kais. Leop.-Karol. deutsch. Akademie der Naturwissenschaften wurde er 1873 gewählt. Zum Rektor der Universität Tübingen war er im Vorschlag, schlug aber diese Ehre aus. 1871 wurde ihm das Ehren- ritterkreuz des Württ. Kronenordens und 1877 dazu die Krone, 1884 das Kommenthurkreuz II. Klasse des Friedrichsordens erteilt. Alle diese Auszeichnungen nahm er still hin, und machte z. B. nie von dem durch den Kronenorden ihm erteilten Recht — CII - Gebrauch, seinem Namen ein von vorzusetzen. Ehrgeiz lag nicht in seinem Wesen, ihm war es nur um die Sache, um die Förderung der Wissenschaft zu thun. Er sagte oft, er wolle nicht verehrt sein, lehnte alle äusserlichen Ehrungen (Fackelzug, Abschieds- essen etc.) ab. Harmlos, liebenswürdig und freundlich gegen jeder- mann, war er allerseits geliebt und geehrt. Im geselligen Umgang entwickelte er einen guten Humor ohne zu verletzen und ohne damit glänzen zu wollen^. Prof. Dr. Braun, sein Nachfolger in Tübingen, sagte in seinem Nachruf bei der Beerdigung: „Alles, was er geschaffen hat, war, wie er es selber gern betonte , fein durchdacht und sauber aus- geführt. — So war er auf seinem eigenen Forschung-swege. — So hat er es vermocht, mit geringen, oft den allereinfachsten Mitteln Ziele zu erreichen. Ein feiner Beobachter, verstand er es kleinen Andeutungen der Natur liebevoll und daher erfolgreich nachzugehen, mochte er die merkwürdigen Molekularumlagerungen des Kalkspats, die Kohäsionsverhältnisse der Krystalle verfolgen, oder mit bewunde- rungswertem Geschick die rätselhaften optischen Eigenschaften des Quarzes künstlich nachahmen, oder von den Wirbelringen des Rauches phantasievoll eine Brücke schlagen zu den Ringgebirgen des Mondes, einfach, klar und bescheiden. Diese Eigenschaften haben ihm als Mensch keinen Feind, in der Wissenschaft nie einen Gegner entstehen lassen. Nur der innere Wert der Sache war ihm massgebend, nicht der äussere Erfolg. Die Beschäftigung mit der Wissenschaft war ihm Selbstzweck." Prof. BöKLEN sagt im oben angeführten Nekrolog: „Reüsch hatte eine ganz besondere Neigung und Fähigkeit, die Ergebnisse seiner Forschung geometrisch zu veranschaulichen und zwar mit den denkbar einfachsten Hilfsmitteln der Geometrie. Er sagte, was ich nicht mit eigenen Augen anschauen und geometrisch darstellen kann, das existiert für mich nicht." Seine Klarheit im Denken und Sprechen, seine Feinheit und Sicherheit im Experimentieren , und seine Freundlichkeit und Zn- gänglichkeit den Hörern gegenüber machten ihn zu einem aus- gezeichneten, beliebten Lehrer, der viele tüchtige Schüler gebildet hat. ' Als Beispiel sei hier angeführt: Als er nach eiuem Hochzeitstag beim Frühschoppeu anderen Morgens Anekdoten preisgab, die auch in Büchern zu finden sind und aufgefordert wurde, auch Eigenes zu geben, gab er sofort zur Antwort: unter so tannenen Umständen langt's nicht zu eichenen, sondern nur zu buchenen Witzen. — cm — Seine Feinfühligkeit veranlasste ihn, sich von allen Kämpfen im Leben möglichst fern zu halten, so namentlich von der Politik und von den Streitigkeiten im akademischen Senat. Auch in der belletristischen Litteratur, die er sonst liebte, war ihm alles Derbere zuwider. In unserem Verein für Württembergs Naturkunde war er ein treues Mitghed. Obgleich er keine kräftige Natur war, hat er das hohe Alter von 79 Jahren erreicht infolge seiner regelmässigen, äusserst massigen Lebensart, und der treuen, sorgsamen Pflege seiner liebenswürdigen Frau, Emilie geb. Eiecke. Eine lästige Venenentzündung am Fuss verhinderte ihn in den letzten Monaten am Ausgehen, schliesslich aber machte ein Schlag- anfall seinen Leiden ein plötzliches Ende. Der ersten Frau , Luise VoETTER von Heidenheim , zwei Söhnen und zwei Töchtern musste er ins Grab nachsehen. Es überlebten ihn ausser der Witwe vier Sühne, eine Tochter und sechs Enkel. Die Freunde werden ihn immer schmerzlich vermissen, die vielen Schüler ihm ein dankbares Andenken bewahren und die Wissenschaft seine Leistungen und seinen Namen der Nachwelt erhalten. II. Abhandlungen. Beobachtungen über die Zunahme der Erdtemperatur, angestellt im Bohrloch zu Sulz am Neckar. Von F. Braun und K. Waitz. 1) Die Ermittelung der Temperaturveränderung mit dem Ein- dringen ins Innere der Erde hat ein theoretisches und ein prak- tisches Interesse. Theoretisch ist es für die Erkenntnis der Ver- gangenheit und Zukunft unseres Planeten von grösster Wichtigkeit, über dessen jetzige Wärmeverteilung etwas zu wissen, und praktisch wird die Frage bei jedem Tunnelbau von Bedeutung, dessen Aus- führbarkeit zur Voraussetzung hat, dass im Innern des Berges die Temperaturen nicht höher werden , als sie arbeitende Menschen zu ertragen vermögen. Die Bestimmung der geothermischen Tiefen- stufe (d. h. der Anzahl von Metern, die man in dem Bohrloche hin- absteigen muss , um 1° C. Temperaturzunahme zu erhalten) wird freilich nicht direkt für die Temperaturberechnung in Tunnels ver- wendbar sein ; denn man weiss, dass unter freistehenden Bergen die Isothermen von je 1^ Temperaturdifferenz viel weiter auseinander liegen als in der Ebene, und die Temperatur von der Oberfläche eines Berges senkrecht nach innen also dort viel langsamer steigen wird als in einem in einer Ebene vertical getriebenen Bohrloch. Immer- hin gibt sie Grenzwerte ; daneben bleibt das theoretische Interesse bei den Messungen übrig und die Frage , ob und wie weit die Bestim- mungen in verschiedenen Formationen untereinander übereinstimmen. Auch ist zu erwarten , dass jede neue Versuchsreihe die Methodik verbessert und somit wieder späteren Messungen zu gute kommt. Man sollte daher keine der ja nicht gerade sehr häufigen Gelegen- Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1892. 1 <■) heiten unbenutzt lassen, die im praktischen Interesse mit Aufwand erheblicher Summen hergestellten Bohrlöcher auch nach dieser Seite hin auszunützen, und wir sind deshalb gerne auf den Vorschlag des Herrn Bergratdirektors Dr. v. Baur eingegangen, durch Temperatur- messungen im Bohrloche zu Sulz a. N. einen Beitrag zu der obigen Frage zu liefern. Die Mittel wurden vom Königl. Finanzministerium in dankenswerter und liberalster Weise zur Verfügung gestellt, während der Königl. Bergrat uns mit dem nötigen tüchtigen Per- sonal unterstützte. 2) Ehe wir zu den Messungen selbst übergehen, wollen wir eine kurze Übersicht der früheren Erfahrungen und Beobachtungs- methoden geben. Die Beobachtungen zerfallen der Ortlichkeit nach in 4 Gruppen und zwar wurden sie angestellt 1) in Tunnels, 2) in Brunnen, 3) in Bergwerken, 4) in Bohrlöchern. Die in Tunnels und Brunnen vorgenommenen Untersuchungen werden mit unserer Messung wegen der sehr verschiedenen äusseren Umstände nur wenig vergleichbar sein. Dasselbe wird für die Be- obachtungen in Bergwerken gelten , da solche meist erst lange Zeit nach Fertigstellung und Inbetriebsetzung der Grube angestellt wurden, wobei Ventilationseinrichtungen u. dgl. die Wärmeverhältnisse verschoben haben können. Möglichst wenig werden die ursprüng- lichen Temperaturen in Bohrlöchern geändert sein, und nur diese bleiben zu näherer Vergleichung mit unseren Ermittelungen übrig. Die Messungen in solchen wurden entweder mit langsam wirkenden Thermometern gemacht, d. h. solchen, bei denen das Quecksilber- gefäss mit schlechten Wärmeleitern (Talg, Stearin etc.) umgeben war, oder besser mit Maximalthermometern, bei deren Benutzung also schon ein beständiges Steigen der Temperatur mit der Tiefe vorausgesetzt wird. Diese Instrumente hatten meist entweder die ihnen von Negretti oder von Magnus gegebene Form; die letztere ist fast ausschliesslich in Deutschland und auch bei unseren Mes- sungen angewandt worden und wird später genauer beschrieben werden. Eine von Becquerel angegebene thermo-elektrische Methode erwies sich bei irgend beträchtlichen Tiefen als nicht brauchbar ; auch wurde sie von Becquerel selbst nur bis zu Tiefen von 100 Fuss benutzt. — 3 — 3) Bei solchen Beobachtungen fälschen nun, wenn auch die Thermometer gut und sicher funktionieren, besonders folgende Ur- sachen das Beobachtungsresultat. Es kann in dem Bohrloch noch Wärme von der Bohrarbeit stecken, und deshalb ist es nötig, erst einige Zeit nach Ausführung der Bohrung die Temperatur zu bestimmen. Dann ist es möglich, dass in dem durchbohrten Gestein durch chemische Wirkungen an einzelnen Stellen Wärme erzeugt wird, die als rein lokal nicht er- laubt, die von solchen zufälligen Umständen freie isothermische Tiefenstufe zu messen und so die Lösung der Aufgabe überhaupt unmöglich macht. Endlich sucht die Cirkulation der Luft und viel mehr noch die des fast stets im Bohrloch vorhandenen Wassers eine Ausgleichung der Temperaturen zu bewirken. Dadurch wird die Temperatur auf dem Boden des Bohrlochs zu tief, die Temperatur der oberen Schichten zu hoch werden. Eine solche Cirkulation ge- schieht um so langsamer, ist also um so weniger schädlich, je enger das Bohrloch , oder je mehr man dasselbe durch künstliche Mittel während der Beobachtung verengert. Am besten wäre es natürlich, wenn man die Cirkulation ganz aufhöbe, wie es bei den Versuchen zu Sperenberg, Schladebach etc. geschehen ist. Dort hatte man durch Stopfen eine kleine Wassersäule des Bohrlochs abgeschlossen, in deren Mitte sich das Thermometer befand. Dadurch soll diese Wassersäule die Temperatur des umgebenden Gesteins annehmen, was auch nach hinreichend langer Zeit geschehen wird. Allerdings bleibt es dabei immer noch fraglich, ob das umgebende Gestein nicht selbst schon durch den Einfluss der früheren Wasserströmung auf andere Temperatur als vor der Bohrung gebracht war. Den Ein- fluss der genannten Yorsichtsmassregeln für weitere Bohrlöcher zeigen die Versuche zu Sperenberg deutlich. Dort wurde in einer Tiefe von 3390 Fuss ohne Wasserabschluss 33,75^ R. , nach Wasserabschluss 36,55" R. beobachtet, während in dem engen Schiadenbacher Bohr- loch die von der Wassercirkulation abgeschlossenen oder derselben frei zugänglichen Thermometer nur geringe (stets nur einige Zehntel- grade betragende) Temperaturunterschiede aufwiesen. Man hat auch die Wasserströmung dadurch zu verhindern gesucht, dass man das Bohrloch bis zu einer gewissen Höhe mit Lettenschlamm ausfüllte und dann in der obersten Schichte des Schlammes die Temperatur mass ; so z. B. in dem oberen Teile des Schiadebacher Loches, das man in der Tiefe von 426 m durch einen Pfropf gegen unten abschloss, auf den man dann Schlamm füllte. Dies Mittel würde, wenn die Zeit 1=1: zwischen dem Einfüllen des Schlammes und der Beobachtung lang genug ist, so dass der Schlamm die Temperatur des Gesteins an- nehmen kann , mit am besten den gewünschten Zweck erreichen lassen. 4) Ausser diesen in der Natur selbst liegenden Schwierigkeiten sind aber auch die angewandten Apparate oft geeignet Fehler zu erzeugen , deren Grösse schwer oder gar nicht übersehen werden kann. Fast stets finden sich in den Bohrlöchern während der Tem- peraturmessungen von der Bohrarbeit stammende beträchtliche, die Wärme gut leitende Metallmassen : eiserne Röhren und Gestänge,. die von der Mündung des Loches in grosse Tiefe hinabreichen und z. B. in Schladebach sogar bis zum Boden des Loches führten.. Dadurch wird selbstverständlich auch eine Ausgleichung der Tem- peraturen in verschiedenen Tiefen hervorgerufen, die man wenigstens, zum Teil zu vermeiden suchte , indem man nicht an verröhrten. Stellen des Bohrlochs, sondern im freien Gestein die Messungen vor- nahm. Wie gross der so vermiedene Einfluss der Verrohrung ist^ hängt von den lokalen Verhältnissen ab. In Schladebach z. B. gaben Beobachtungen in der Verrohrung und nach Herausnahme derselben für die gleiche Tiefe Abweichungen von im Maximum 0,9" R. Da. aber dort auch nach Entfernung der Röhren noch Gestänge zu den Thermometern führte, ist ein Schluss auf den Fehler, welchen solche ]\Ietallmassen bewirken, aus den so beobachteten Abweichungen nicht möglich. Dort ergaben nämlich die Messungen im Letten- schlamm und in der Verrohrung im Maximum nur Unterschiede von 0,9" R. 5) Die Thermometer selbst sind natürlich vor dem Druck, den das im Bohrloch befindliche Wasser auf sie ausübt, zu schützen, da- mit ihre Gefässe nicht zusammengepresst und so ganz falsche Ab- lesungen gemacht werden. Das geschah meist, indem man sie in eiserne, fest verschraubbare und gegen den Wasserdruck dicht hal- tende Cylinder oder in zugeschmolzene Glasröhren einschloss. Be- nützte man nun Ausflussthermometer wie das MAGNUs'sche (oder ähnliche), so hing die Genauigkeit der Ablesung noch wesentlich von der Grösse des Tropfens ab, der aus dem Thermometerrohr heraus- tretend abfiel. Denn fast bei jeder Bestimmung wird, wenn das Instrument die Temperatur seiner Umgebung angenommen hat , ein grösserer oder kleinerer Tropfen herausragen, der sich wieder in die Röhre zurückzieht , wenn das Thermometer beim Heraufholen in kältere Schichten kommt. Dieser Fehler wird um so geringer sein^ 5 je kleiner der Tropfen zu werden braucht, um abzufallen. Bei den sorgfältigen Messungen zu Schladebach erreichte der austretende Tropfen vor dem Abfallen noch Grössen, die 1^ — 2° R. entsprachen, und man suchte dort diesem Übelstande abzuhelfen, indem man gleich- zeitig mehrere thermometrische Ausflussröhrchen benutzte und aus ihren Temperaturangaben das Mittel nahm. Besser wäre es natür- lich, wenn es gelänge, den Wert der Tropfengrösse bedeutend kleiner zw machen, wie das in der That bei unseren Beobachtungen der Fall war. 6) Bei den früheren Untersuchungen, insbesondere bei den eingehenden und vorsichtigen zu Sperenberg und Schladebach hat man grossen Wert darauf gelegt, in möglichst vielen verschiedenen Tiefen Beobachtungen anzustellen; man hat z. B. in Schladebach von 30 zu 30 m Abstand gemessen und dann die Beobachtungen nach der Methode der kleinsten Quadrate berechnet. Überblickt man aber die Reihe der Temperaturzunahmen für je 30 m, aus denen :so das Gesamtresultat abgeleitet ist , so findet man , dass sie für Schladebach im unverröhrten Teile des Bohrloches zwischen 0,1 und 1,1" R., für Sperenberg zwischen 1,18 und 0,18 schwanken, was wohl zum Teil den Fehlern in den Beobachtungsinstrumenten, zum 'Teil lokalen Verhältnissen im Bohrloch zuzuschreiben ist. Die Theorie 'der Wärmeleitung verlangt aber, falls ein stationärer Zustand voraus- .^esetzt wird, dass wenn das Leitungsvermögen der Gesteine dasselbe ist, auch die Tiefenstufe denselben Wert behält, und auch die Dis- kussion der Sperenberger und Schiadebacher Messungen hat wesent- lich diese Forderung der Theorie bestätigt. Es erscheint danach zweckmässiger, wenn lokale Verhältnisse nicht interessieren, sondern man lediglich die geothermische Tiefenstufe ermitteln will, statt •der Beobachtungen in so vielen verschiedenen Höhen bloss an einigen wenigen, aber weit auseinander gelegenen Punkten des Bohrlochs zu beobachten und auf diese wenigen Bestimmungen alle Sorgfalt zu verwenden. Das ist denn bei unseren Versuchen auch •geschehen. 7) Der Wert dieser Tiefenstufe ist bisher ausserordenthch ver- schieden angegeben worden, wie die nachstehende Übersicht zeigt, die von dem Comite der British Association zur Untersuchung der ■Tiefentemperaturen 1882 zusammengestellt wurde ^ und der einige neuere Beobachtungen angefügt sind. •ö Nature vol. 26. p. 590. 1882. 6 — Ort. Tiefe in Meter Tiefenstufe in Meter für 10 C. Bootle, Wasserwerk Liverpool Przibrani, Minen. Böhmen St. Gotthard, Tunnel .... Mont Cenis, Tunnel . . . . Taiargoeh, Bleiminen. Flint . ^ r östlich von Manchester > I gelegene Kohlengegencl . } Nook Pit, Kohlengrube Bredburg, „ Ashtou Moss, „ Deuton, „ Astley Pit, Dukinfield Schemuitz, Mine, Ungarn Scarle, Bohi'Ioch, Lincoln Manegaon, Bohrloch, Indien .... Pontjpridd, Kohlengrube, S.-Wales . . Kingswood, „ Bristol . . Radstock, „ Bath . . . Paris, Artesischer Brunnen bei Grenelle „ r, „ „ St. Andre „ „ „ „ der Militärschule London, „ „ „ Kentish Town Rosebridge, Kohlengrube, Wigan . . Jakoatsk, Gefrorener Boden, Sibirien . Sperenberg, Bohrloch, Berlin .... Seraing, Kohlengrube, Belgien . . . Monkwearmouth, Kohlengrube, Durham South Hetton, „ „ Boldon „ ,, Whitehaven „ Cumberland Kirkland Neuk, Bohrloch, Glasgow . Blythswood, „ „ South Balgray, „ „ Anzin, Kohlengrube, Nord-Frankreich St. Petersburg, Brunnen .... Carrickfergus, Schacht einer Salzmine, Irland Slitt Mine, Weardele, Northumberland Sennewitz, Bohrloch, Halle . . . . Lietli, „ Holstein . . . Sudenburg, „ bei Magdeburg . Schladebach, ,, Kreis Merseburg 434,1 579,1 1700,1 1609,3 317,3 320,0 310,9 850,4 401,4 822,9 417,0 609,fi 94,.ö 260,6 539,2 188,9 399,9 253,0 173,1 335,3 745,2 164.6 1064,3 505,0 482,8 601,6 461,6 381,0 107,9 105,8 160,0 200,6 199,9 234,7 173,8 201,2 1084 1259 568 1716 71,3 69,1 44,99 43,34 43,89 43,34 43,07 42,25 42,25 39,50 40,60 37,86 37,31 41,70 37,31 34.0-2 31,26 30,72 30,72 30,17 29,63 28,53 33* 27,43 38,41 31,55 26,8H 24,69 29,08. 27,4S 22,49 25,79 24,14 23,59 21,95 18,65 36,66 35,07 32,36 36,87 * Nach der Berechnung der Beobachtungen durch Henrich: Neues Jahr- buch für ]\lin. etc. Jahrgang 1876. S. 723. Diese sehr verschiedenen Resultate verdienen freihch auch sehr verschiedenes Vertrauen und sind untereinander grossenteils nicht vergleichbar. Berücksichtigt man nur die in Bohrlöchern ausgeführ- ten Messungen, so erhält man als Grenze für die Tiefenstufe 22 bis 38 m; und wenn man nur Beobachtungen benutzt, die aus Bohr- löchern von über 500 m Tiefe stammen, 32 — 38 m. Besonderes Gewicht wäre man wohl geneigt, auf das zu Schladebach gewonnene Ergebnis zu legen , wo (abgesehen von Tunneln) die Versuche in sonst nie erreichten Tiefen angestellt wurden. Auch konnte man dort die in Sperenberg gewonnenen Erfahrungen und Methoden be- nützen, die zum erstenmal genauer den Einfluss der Wassercirkulation kennen gelehrt hatten. Dagegen spricht der Umstand , dass die Schiadebacher Beobachtungen fast den grössten Wert (36,87 m) der Tiefenstufe unter allen in Bohrlöchern angestellten Messungen er- geben dafür, dass dort wohl lokale Verhältnisse nicht übersehbare Einflüsse geübt haben. Besonders aber scheinen die grossen Metall- massen (Verrohrungen und Gestänge) bei diesen sorgfältigen Ver- suchen wärmeausgleichend gewirkt und so die Tiefenstufe vergrössert zu haben. 8) Wollte man nun durch neue Versuche die geothermische Tie- fenstufe in einem Bohrloch, in dessen Gestein, wie in dem unserigen, keine chemischen Veränderungen vor sich gehen, ermitteln, so han- delte es sich nach dem bisher Gesagten wesentlich darum, folgende Bedingungen zu erfüllen : 1) Die Bohrung selbst musste geraume Zeit vor den Temperatur- messungen vorgenommen worden sein. 2) Das Bohrloch durfte nicht sehr weit sein, damit die Wasser- strömung in ihm durch Reibung möglichst gehindert war. Ob diese Strömung noch die Beobachtungen fälschte, musste durch Kontrolleversuche festgestellt werden, indem man sie erschwerte und untersuchte, ob sich dadurch die Temperatur an dem Be- obachtungsort änderte. 3) Grössere Metallmassen (Röhren, Gestänge) durften nicht bis zu dem Ort der Messung führen. 4) Man musste endlich Instrumente benutzen, deren Fehler (Tro- pfengrösse) möglichst klein sind und mit diesen in einigen genau bestimmbaren Tiefen die Messungen anstellen. Inwieweit die genannten Bedingungen bei unseren Versuchen sich haben erfüllen lassen, wird die nachstehende Beschreibung er- geben. — 8 - 9) Die Bohrungen geschahen zu Sulz am Neckar, das in einer Meereshöhe von 439 m unter 8*^ 36' östUcher Länge von Greenwich und unter 48° 22' nördhcher Breite Hegt. Es wurde auf Steinkohlen gebohrt, und die Arbeiten begannen am 3. Juni 1888. Man erreichte mit dem Bohrmeissel 30. Januar 1889 die Tiefe von 451 m. Nach den erforderlichen Vorbereitungen bohrte man von hier ab , am 20. Februar 1889 beginnend, bis zum 16. April 1889 mit dem Diamanten und erreichte eine Tiefe von 703,8 m. Die Fortsetzung des Versuches geschah ebenfalls mit Diamantkrone vom 10. November 1889 bis zum 1. Februar 1890, wo man bis zu einer Tiefe von 901 m gelangte. Dabei wurden durchbohrt : Alluvium und Diluvium des Neckarthaies 5 m Mittlerer und unterer Muschelkalk (Anhydrit und Wellenkalk) 71 „ Bunter Sandstein und Totliegendes (Zechstein fehlt) . 754 „ Schramberger Schichten, Kersantit und Gneiss ... 71 „ Mit 3,5 m unter Tag stellte sich Wasser ein, und dies blieb der Wasserstand bis zur Beendigung der Bohrarbeit. Ein starker Wasserzufluss war nicht zu beobachten und stammt alles Wasser ohne Zweifel aus den obersten Schichten, dem Kies und Sand des Neckarthaies. Nach Beendigung der Bohrarbeiten fiel das Wasser allmählich und stand zur Zeit der Temperaturmessungen etwa 120 m unter Tag. Verrohrungen befanden sich bis zu 574,8 m Tiefe im Bohrloch, von da ab war das Loch unverrohrt. Die lichte Weite der achten von 452 — 574,8 m reichenden Röhrentour betrug 108 mm. Der Durchmesser der Bohrkrone war 75 mm, so dass also dies auch etwa die Weite des unverröhrten Teiles des Bohrlochs sein wird. 10) Die Temperaturmessungen geschahen zwischen dem 2. und 21. Juni 1890, doch hatte das Bohrloch durch Schlammabsetzung aus dem es füllenden Wasser damals nur noch eine Tiefe von 881 m. Sie wurden nur im unverröhrten Teile des Loches vorgenommen, und alle Apparate Hess man dabei an einem einzigen dünnen Me- talldraht hinab. Es ergibt sich sonach, dass die Bedingungen unter 1 und 3 erfüllt waren. Auch die Weite des Bohrlochs war, wie es die zweite Bedingung verlangt, nicht gross und die Kontrolle über die Wirkung der Wassercirkulation ergab für dieselbe keinen merklichen Einfluss. Um diese Prüfung vorzunehmen , wurde auf den Rat von Herrn Bergratsdirektor Dr. v. Baur nach einer Temperaturmessung im freien Wasser des Bohrlochs über und unter dem das Thermometer einschliessenden Gefäss je eine grosse Bürste (ähnlich wie Bürsten — 9 — für Reagensgläser) befestigt , die 2 m lang war und deren runder Querschnitt 100 mm betrug, also das Bohrloch unterhalb der Ver- rohrung vollständig ausfüllte. Liess man das mit den Bürsten ver- sehene Instrument wieder bis zu der Tiefe, wo vorher gemessen worden war, hinab, so fand sich jedesmal fast genau dieselbe Tem- peratur, wie ohne die Bürsten. Danach kann auch Bedingung 2 als erfüllt angesehen werden. Besondere Sorgfalt wurde endlich darauf verwendet, die Thermo- meter so einzurichten , dass die aus der Grösse des abfallenden Tropfens entstehende Unbestimmtheit möglichst klein war. Durch Verfeinerung der Spitze kommt man bald zu einer praktisch kaum noch zu überschreitenden Grenze. Es erübrigte daher nur, das •Quecksilbergefäss grösser zu nehmen. Durch Ausprobieren ergaben sich so die ungefähren Dimensionen : Länge des Quecksilbergefässes (Lichtmass) ... 50 mm Durchmesser des Quecksilbergefässes (Lichtmass) . 12 — 15 „ Länge eines Grades (° C.) 6 « 11) Es wurden zwei Thermometer benutzt, das eine von ■Geissler's Nachfolger, Herrn Müller in Bonn, das andere vom hiesigen Glasbläser Herrn Mornhinweg hergestellt. In beiden tropfte ■das Quecksilber aus einer möglichst feinen Spitze in eine Cuvette. Die im Glase ziemlich starken Instrumente waren möglichst gut evakuiert (was sich als nötig erwies) und, um sie jedem Druck zu entziehen, nochmals in starkvvandige Glasröhren eingeschmolzen. Die Tropfengrösse ergab sich beim GEissLER'schen Thermometer = 0,20° C, beim MoRNHiNWEG'schen = 0,46*^ C. Beide Instrumente hatten Teilungen, deren Nullpunkt an der Spitze liegen sollte. Da dies nicht genau der Fall sein konnte, so wurde in vorherigen Be- obachtungen der Fehler bestimmt ; es ergab sich , dass beim Morn- HiNWEGschen Instrumente zu den Angaben 0,8° C. zu addieren war, beim GEissLER'schen 0,25". Für die Ermittelung der Tiefentemperatur wurden beide Thermometer gewöhnlich bei der gleichen Temperatur (14 — 19°) in einem längere Zeit konstant gehaltenen grossen Was- serbade gefüllt, dann auf niedrige Temperatur abgekühlt, jedes in eine der gleichfalls abgekühlten Stahlhülsen gebracht, welche .abschraubbare Deckel besassen , und sofort an einem 900 m langen , 0,8 mm starken Stahldraht ^ ins Bohrloch hinabgelassen. An der Stahlhülse war noch als Vorlauf eine ca. 30 kg schwere ^ Tiegelgussstalil von Feiten und G u i 1 1 e a u m e. Bruchfestigkeit ^ ■240 kg pro Quadratmillimeter. — 10 — Eisenstange befestigt. Ober- und unterhalb der Hülsen, welche die Thermometer entliielten, waren in einigen Versuchen die schon er- wähnten 2 m langen Bürsten angebracht. Sie gaben den Thermo- metern gleichzeitig eine sehr gute sanfte Führung; so lange mit ihnen gearbeitet wurde, kamen niemals Störungen an den Instrumen- ten vor ; auch konnte man das Herablassen und Herausziehen in kürzerer Zeit bewerkstelligen. Als sie weggelassen waren, schlugen die Hülsen bei etwas schnellerer Bewegung oft an die Wände des Bohrkanales an. Es zeigten sich bei dem einen Instrument dann Störungen (vgl. S. 11 No. 5 u. 6 der Tabelle). 12) Nachdem die Thermometer meistens einige Tage an ihrem Orte verweilt hatten, wurden sie heraufgezogen und beide wieder in ein grosses Wasserbad gebracht. Um seine Wärmeabgabe zu ver- ringern, war es in eine geräumige Kiste, welche mit Sägspänen ge- füllt war, eingesetzt. Ein gleichzeitig eingeführtes, auf Nullpunkts- lage kontrolliertes Normalthermometer gab die jeweilige Temperatur des Bades ohne wesentliche Trägheit an. Das Bad wurde durch zeitweilige Zugaben kleiner Quantitäten warmen Wassers so reguliert, dass seine Temperatur längere Zeit nur etwa um O,!*' schwankte. Selbstverständlich wurde fortwährend langsam gerührt und nun so lange gewartet, bis die wegen der doppelten Glashülle trägen Tiefen- thermometer konstante Temperatur angaben. Wie weit dies erreicht wurde, möge ein Beispiel zeigen : Dienstag 17. VI. 90. Zeit: Geissler : MoRNmxwEG : Normalthermometer 4I1O' 8,50 8,50 23,50 5 8,58 8,00 23,42 13 8,45 7,70 23,60 25 8,42 7,60 23,60 34 8,42 7,55 23,60 40 8,42 7,50 23,60 45 8,44 7,55 23,57 Endzahl 8,42 7,53 23,59. Mit Rücksicht auf die Korrektionen der Thermometer ergibt sich daraus die Temperatur, welcher die Geothermometer im Bohr- loch ausgesetzt waren, zu G = 31,62" C. M == 31,32" „ — 11 13) In der folgenden Tabelle geben wir eine Zusammenstellung sämtlicher Beobachtungsresultate. 05 Temperatur No. Hinabgelassen Heraufgeholt Zeit Geiss- MORN- Bemerkungen LER HINWEG in 1. 710 2. VI. 8h p.m. 5. VI. 111» a.ra. 2dl5h 36,7 36,3 Bis zum Boden; eine Bürste über dem Instrument. 2. 710 5. VI. 3h p. m. 12. VI. 10h a. m. 6dl9h 36,7 36,77 Ebenso zwei Bür- . sten darüber. 3. 710 12. VI. 3h p.m. 14. VI. 3h p. ni. 2d ^ .36,5 36,5 Eine Bürste über, eine unter dem Instrument. 4. 598 14. VI. 7h p. m. 17. VI. 3h p. m. 2 horn, ungefähr aus der Mitte der Bucht ; Oberflächen- wasser 0,0429 6. Wasser aus dem Zeller See, zwischen Oberzell (Reichenau) und Ermatingen ; Oberflächenwasser . 0,0430 15 ?? Bestimmung des Verhältnisses von Sauerstoff und Stick- stoff der in den Wassern gelösten Luft. Zu diesem Zwecke wurden die einzelnen Proben der oben an- geführten Wasser an Ort und Stelle in Rundkolben von ca. 800 cbcm Inhalt gefasst und mit Kautschukstopfen verschlossen , duuch deren Bohrung eine stumpfwinkelig gebogene, in der untern Hälfte seitlich mit einem Loch versehene Glasröhre gesteckt war, welche oben eine birnartige Erweiterung besass. Während des Aufsetzens des Stopfens stieg aus den völlig angefüllten Kolben das überflüssige Wasser durch das seitliche Loch in die Birne und ein luftdichter Verschluss konnte min dadurch bewerkstelligt werden, dass man die Glasröhre so weit in die Höhe zog, bis das Loch in der Bohrung des Stopfens ver- schwunden war. Um nun die in den Wassern gelösten Gase auf- zufangen, wurde mit dem verjüngten Teil der Birne ein cylindrischer Glaskörper, welcher auf beiden Seiten ausgezogen \var, verbunden und die atmosphärische Luft aus diesen Räumen dadurch entfernt, dass man das in der Birne befindliche Wasser längere Zeit zum Sieden erhitzte, den Glaskörper rasch verschloss und den verjüngten Teil des Cylinders mit dem Lötrohr abschmolz. Nachdem der zur Aufnahme der Gase bestimmte Apparat auf diese Weise vollständig luftleer und luftdicht gemacht worden war, wurde dis Röhre so weit in die Flasche gesteckt, dass die durch Erhitzen ausgetriebenen Gase durch das seitliche Loch austreten und in den beschriebenen Glas'' — 16 - köi'per gelangen konnten. Die Kolben wurden nunmehr im Wasser- bad erhitzt, und da das in der Flasche befindliche Wasser infolge des Vacuums schon bei niederer Temperatur ins Kochen geriet, so waren nach 7 — 8 Stunden genügend Gase ausgetrieben und es konnte alsdann mit dem Lötrohr der untere Teil der Glaskörper abgeschmolzen werden. Die Analysen der gewonnenen Gase selbst wurden nach der Methode von Bunsen durch Verpuffen des vorhandenen Sauerstoffs mit Wasserstoff in der Weise ausgeführt, dass man das betreffende Gas, nachdem es von Kohlensäure befreit war, in ein mit Queck- silber gefülltes Endiometer aufsteigen Hess, das Volumen mittels des Fernrohrs bestimmte, elektrolytischen Wasserstoff hinzufügte und das Gemenge durch den elektrischen Funken entzündete. Aus der Kontraktion ergaben sich für die einzelnen Wasser- proben nach den sorgfältigst ausgeführten Versuchen nachstehende Verhältnisse von Sauerstoff und Stickstoff in der darin aufgelösten Luft. Vol. Sauerstoff Stickstoff 1. Wasser aus dem Rhein, 0,5 km stromauf; Ober- flächenwasser 1 : 1,81 2. Wasser aus dem Bodensee, nördl. von der Rliein- mündung; Oberflächenwasser; bei Sturm gefasst 1 : 2,81 3. a) Wasser aus dem Bodensee zwischen Fisch- bach und ütwyl, tiefste Stelle ; Oberflächen- wasser 1 : 1,97 b) an demselben Orte, 100 m unter dem Spiegel 1 : 1,82 c) an demselben Orte, 5 m vom Grunde, also aus einer Tiefe von 247 m 1 : 1,60 ■4. Wasser aus dem Überlinger See , ungefähr aus der Mitte des Sees, zwischen Überlingen und Walthausen; Oberflächenwasser 1 : 1,81 5. Wasser aus der Konstanzer Bucht, südlich von Eichhorn, ungefähr aus der Mitte der Bucht; Oberflächenwasser 1 : 1,86 6. Wasser aus dem Zeller See, zwischen Oberzeil (Reichenau) und Ermatingen; Oberflächenwasser 1 : 1,83 Bestimmung der in d e n W a s s e r n s u s p e n d i e r t e n K ö r p e r. Die Bestimmung der in den Wassern suspendierten Körper war eine ziemlich umständliche , da ihre Menge ausser im Rheinwasser 17 äusserst gering und infolgedessen sehr grosse Quantitäten Wasser zu diesen Versuchen angewendet werden mussten. Eine quan- titative Bestimmung konnte daher bei den Wassern aus einer Tiefe von 100 m und 247 m an der tiefsten Stelle überhaupt nicht aus- geführt werden ; Wasser, die übrigens auch vollständig klar zu sein schienen. Die Gewinnung von grösseren Mengen dieser Wasser wäre auch, wenn man die Grösse des Apparats in Betracht zieht, zu zeit- raubend gewesen und wurde, da die Mühe zu der geringen Wichtig- keit des Versuchs in keinem Verhältnis zu stehen schien, unterlassen. Die suspendierten Körper wurden auf einem Filter gesammelt, bei 100" getrocknet und gewogen , hierauf eingeäschert und um ihren Aschengehalt zu erfahren, ebenfalls das Gewicht bestimmt. Es berechnen sich somit auf 1 Liter Wasser folgende Mengen von suspendierten Körpern und deren Asche : Suspen- dierte Kör- per in ILit. in Gramm Asche in 1 Liter in Gramm Glüh- verlust Wasser aus dem Rhein, 0,5 km stromauf; Oberflächenwasser Wasser aus dem Bodensce , nöi'dlich von der Rheinmündung ; Oberflächenwasser . Wasser aus dem Bodensee, zwischen Fisch- bach und Utwyl, tiefste Stelle; Ober- flächeuwasser Wasser aus dem Überlinoer See, zwischen Überlingen und Walthausen; Obev- flächenwasser Wasser aus der Konstanzer Bucht, süd- lich von Eichhorn, ungefähr aus der Mitte der Bucht; Oberflächenwasser Wasser aus dem Zeller See, zwischen Ober- zell (Reichenau) und Ermatingen; Ober- flächenwasser 1 0,0111 0,00164 0,001829 0,001339 0,00164 0,02837 0,0105 0,000822 0,001006 0,0007325 0,001136 0,00756 0,0006 0,000818 0,000823 0,0006065 0,000504 Bestimmung des V e r d a m p f u n g s r ü c k s t a n d e s. Die Menge desselben wurde in der Weise ermittelt, dass in einer Platinschale je 250 cbcm Wasser zur Trockene verdampft und der verbleibende Rückstand bei 160*^ bis zum konstanten Gewicht getrocknet und gewogen wurde. Es ergaben sich für die einzelnen Wasser folgende Werte : Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1892. 2 — 18 — Gesamtrück- stand in 1 Liter 1. Wasser aus dem Rhein, 0,5 km stromauf: Ober- flächenwasser 0.1864 Q, 2. Wasser aus dem Bodensee, nördhch von der Rhein- mündung; Oberflächenwasser 0,160t) „ 3. a) Wasser aus dem Bodensee zwischen Fischbach und Utwyl, tiefste Stelle; Oberflächenwasser . 0,1718 ., b) an demselben Orte 100 m unter dem Spiegel . 0,1782 ,, c) an demselben Orte 247 m unter dem Spiegel . 0,1724 ,, 4. Wasser aus dem Überlinger See , zwischen Über- lingen und Walthausen ; Oberflächenwasser . . . 0,1708 ,, 5. Wasser aus der Konstanzer Bucht, südlich von Eich- horn, ungefähr aus der Mitte der Bucht; Oberflächen- wasser 0,1696 ,, 6. Wasser aus dem Zeller See , zwischen Oberzell (Reichenau) und Ermatingen; Oberflächenwasser . 0,1760 ,, Bestimmung des zur Oxydation der organischen Sub- stanz verbrauchten Sauerstoffs. Die Ausführung dieser Versuche wurde durch Kochen von je 100 cbcm der einzelnen Wasser mit titrierter Kaliumpermanganat- lösung bewerkstelligt und es berechneten sich auf diese Weise nach- stehende Mengen Sauerstoff, welche zur Oxydation der in 1 Liter Wasser enthaltenen organischen Substanz nötig waren : Sauerstoff (zur Oxydation der in 1 Liter enthaltenen org. Substanz nötig). 1. Wasser aus dem Rhein, 0,5 km stromauf; Ober- flächenwasser 0,00000 g 2. Wasser aus dem Bodensee, nördlich von der Rhein- mündung ; Oberflächenwasser 0,00040 ,, 8. a) Wasser aus dem Bodensee zwischen Fischbach und Utwyl, tiefste Stelle; Oberflächenwasser 0,00052 ,, b) an demselben Orte, 100 m unter dem Spiegel 0,00057 .. c) an demselben Orte, 247 m unter dem Spiegel 0,00038 ,, 4. Wasser aus dem Überlinger See, zwischen Über- lingen und Walthausen ; Oberflächenwasser . . 0,00056 „ 5. Wasser aus der Konstanzer Bucht , südlich von Eichhorn , ungefähr aus der Mitte der Bucht ; Oberflächenwasser 0,00037 ., 6. Wasser aus dem Zeller See , zwischen Oberzell (Reichenau) und Ermatingen; Oberflächenwasser 0,00066 ,, 19 Zusammenstellung. Gesamtrück- stand in 1 Liter in Gramm Sauerstoff in Grammen zur Oxydation der in 1 Lit. enthaltenen organ. Substanz nötig in Gramm Wasser aus dem Rhein, 0,5 km stromauf; Oberflächenwasser Wasser aus dem Bodeusee, nördlich von der Eheinmündung ; Oberflächenwasser . . . Wasser aus dem Bodensee zwischen Fisch- bach und Utwyl, tiefste Stelle ; Oberflächen- wasser 0,1864 0,1606 0,1718 0,1782 0,1724 0,1708 0,1696 0,1760 0,00000 0,00040 0,00052 0.00057 0,00038 0,00056 0,00037 0,00066 Wasser aus dem Bodensee zwischen Fisch- bach und UtAvyl. tiefste Stelle, 100 m unter dem Spiegel Wasser aus dem Bodensee zwischen Fisch- bach und Utwj^l, tiefste Stelle, 247 m unter dem Spiegel Wasser aus dem Überlinger See, zwischen Überlingen und Walthausen; Oberflächen- wasser Wasser aus der Konstauzer Bucht, südlich von Eichhorn , ungefähr in der Mitte der Bucht; Oberflächenwasser Wasser aus dem Zeller See zwischen Oberzeil (Reichenau) und Ermatingen; Oberflächen- wasser Wie aus dieser Zusammenstellung ersichtlich, ist der Gehalt dieser Wasserproben an festen Bestandteilen im ganzen ziemlich übereinstimmend und man darf deshalb auch annehmen , dass ihre -chemische Zusammensetzung im einzelnen keine wesentlich ver- schiedene ist. Es wurde deshalb für genügend erachtet, das Wasser von der Oberfläche an der tiefsten Stelle zwischen Fischbach und Utwyl einer speciellen Untersuchung zu unterwerfen. Das Resultat derselben war, dass dieses Wasser im Liter enthält: Kieselsäureanhydrid (SiO^) 0,0020 g Kohlensaures Calcium (CaCO^) 0,0871 ,, Calciumoxyd in Form anderer Salze 0,0138 ,, Kohlensaures Magnesium (MgCOg) 0,0197 ,, Magnesiumoxyd in Form anderer Salze (MgO) . . 0,0021 ,, — 20 — Natriumoxyd (NaoO) 0,0179 g Kaliumoxyd (KgÖ) 0,0023 „ Schwefelsäureanhydrid {S0.^> 0,0221 „ Chlor (Cl) 0,0004 „ Phosphorsäure konnte in dem Rückstand von 3 Liter Wasser mittels Molybdänsäure nicht nachgewiesen werden und ebenso waren weder Salpetersäure noch salpetrige Säure oder Ammoniak auffindbar. Wenn man nun die in dem Vorstehenden verzeichneten Werte etwas näher ins Auge fasst, so geht daraus hervor, dass das Wasser des Bodensees nicht nur verhältnismässig rein ist, sondern dass ins- besondere das Verhältnis von Sauerstoff und Stickstoff mit dem- jenigen des Rheins bei Strassburg nach den Untersuchungen von Deville^ grosse Ähnlichkeit zeigt, dass aber ausserdem der relative Sauerstoffgehalt des Bodensees, welcher je nach Ort und Stelle kleine Schwankungen aufweist, sich eher günstiger gestaltet und im allgemei- nen in der Mitte steht zwischen dem mittleren Gehalt des Flusswassers 1 : 2,3 und dem des Meerwassers , welches nach Lewy's ^ Unter- suchungen im Mittel enthält an Sauerstoff 1 Teil und Stickstoff 1,4 — 1,5 Teile, je nachdem die Schöpfversuche bei einer Tageszeit und Witterung vorgenommen wurden. Der Bodengrund. Ausser der Zusammensetzung des Wassers war es nun aus geologischen Rücksichten von grossem Interesse , die mineralische Zusammensetzung des Grundes zu ermitteln und es wurden daher vermittelst eines spitz zulaufenden Stahlbechers, welcher an das 10 k schwere Lot befestigt worden war, dem Grunde des Sees ver- schiedene Proben entnommen und zwar : 1) zwischen Bregenz und Lindau ; 2) ,, Friedrichshafen und Rorschach ; 3) ,, Utwyl und Fischbach ; 4) „ Utwyl und Fischbach (252 m); 5) aus dem Überlinger See Profil 26 Pkt. 10; 6) „ „ Überlinger See „ 26 „ 9. Sämtliche Grundproben, welche infolge reichlichen Wasser- gehalts sich in einem dickflüssigen Zustande befanden , waren von gelber bis blaugrauer Farbe und zeigten durch die Anwesenheit organischer Substanzen bedingten Schlammgeruch. J Ann. de Claim, et de Phys. (3) t. XXIII. p. 32. - Ann. de Chim. et de Phys. (3) t. XVII. p. 1. 21 — Die chemische Zusammensetzung wurde zunächst durch die qualitative Analyse ermittelt und ergab die Anwesenheit folgender Substanzen in sämtlichen Grundproben : Kieselsäureanhydrid (SiO^). Magnesiumoxyd (MgO). Eisenoxyd (FegOg). Kaliumoxyd (KgO). Alnminiumoxyd (AlgOg). Natriumoxyd (NaoO). Calciumoxyd (CaO). Manganoxyd (Mn^Og) Spuren. Kohlensäureanhydrid (C O^). Die quantitative Bestimmung dieser Körper wurde hierauf, nachdem die organische Substanz durch Glühen entfernt war, nach den von Dr. E. Fresenius angegebenen bewährten Methoden mehr- fach ausgeführt und lieferten im Mittel nachstehende Resultate. Quantitative Zusammensetzung der Grundproben in Prozenten: Namen "o Bregenz- Lindau Friedrichs- hafen- Eorschach Tiefste Stelle 252 m, Utwyl- Fischbach Uberlinger See Profil 26 Pkt. 9 Uberlinger See Profil 20 Pkt. 10 Kieselsäureanhj'drid . . SiO^ 49,98 50,21 51,58 52,42 53,26 52,70 Eiseuoxyd . . . Fe,03 5,94 5,79 4,71 5,16 6,01 5,81 Aluminiumoxyd . . Al,03 16,26 18,98 17,33 17,49 16,90 17.51 Calciumoxyd . . CaO 23,70 21,88 22,59 22,14 21,04 21,15 Magnesiumoxyd . . MgO 1,93 1,21 1,90 1,49 1,56 1,37 Kaliumoxyd . . . KjO 0,21 0,20 0,19 0,42 0,61 0,61 Natriumoxyd . . Na^O 0,66 0,17 0,22 0,39 0,11 0,20 Kohlensäureanhydrid CO, 1,32 1,56 1,48 0,49 0,51 0,65 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 Ichthyosaurus numismalis E. Feaas. Von Dr. Eberhard Fraas, Assistent am kgl. Nat.-Kabinet in Stuttgart, Mit Taf. I. Ein schöner Fund von Ichthyoscmrus wtirde im Jahre 1889 in den Cementni ergehl mit Waldheimia numismalis (Lias ;') von Kirch- heim u. T. gemacht; das Stück, das aus einem Schnauzenfragment bestand, kam erst in den Besitz von Herrn Lehrer Wittlixger, der es schon 18üO auf der Versammhtng zti Esshngen vorlegte, später wurde es von Herrn Buchhändler Koch erworben, der das Stück in vorzüglicher Weise präparieren Hess, so dass es jetzt nicht nur ein Stück von geologischem Interesse wegen der Fundschichte, sondern auch von palaeontologischem Interesse wegen des vorzüglichen Er- haltungszustandes geworden ist. Ich habe mich in den letzten Jahren sehr viel mit den Ichthyo- sauriern beschäftigt und habe die Resultate dieser Studien in einer grösseren Monographie ^ niedergelegt, aus welcher ich zum allgemeinen Verständnis unseres Fundes nur folgendes hervorheben will. Die Ichthyosaurier sind bei uns im vollsten Sinne des Wortes populäre Tiere geworden, nachdem dieselben schon vom Dichter besungen worden und nicht allein in allen möglichen populären Schriften mehr oder minder schlecht dargestellt, sondern auch in jeder grösseren Sammlung im Original fossil zu sehen sind. Und doch herrschte gerade in dieser Tiergruppe eine unglaubliche Ver- wirrung, so dass eine sichere Feststellung der Species nahezu zur Unmöglichkeit wurde. Diese Verwirrung stammte noch aus den 40 er und 50 er Jahren ; seit dieser Zeit hat nur noch Quenstedt die Ich- thyosaurier näher untersucht und eine neue aber auf ein schlechte.? Unterscheidungsmerkmal begründete und deshalb unhaltbare Syste- matik dtirchzuführen gesucht. * Die Ichthyosaurier der süddeutschen Trias- und .Jura-Abhigerungen von Dr. Eberhard Fraas. Tübingen 1891. — 23 — Der Hauptfehler, welcher zu der Verwirrung in der Systematik beitrug, war das Zusammenstellen der unterliassischen Arten, welche aus England beschrieben wurden , mit den oberliassischen Arten, welche in Süddeutschland vorherrschen. Allerdings sind die Arten nahe verwandt und sind wohl auseinander hervorgegangen , aber dennoch existieren ganz wesentliche Unterscheidungsmerkmale , die eine Vereinigung nicht gestatten. * Die Ichthyosaurier müssen wir mit Bestimmtheit als Anpassungs- formen echter Reptilien an das Wasser bezeichnen, ganz ähnlich den jetzt lebenden Seesäugetieren, den Walen und Delphinen. Hievon müssen wir ausgehen, wenn wir den eigenartigen Aufbau des Tieres verstehen wollen, das in sonderbarem Gemische die Grundtypen eines Reptiles mit denen des Fisches gemengt zeigt. Der ganze äussere Umriss , der spitzige Schädel , der walzenförmige Rumpf mit den flossenartigen Extremitäten , ebenso wie am Skelett die bikonkaven Wirbel tragen den ausgesprochenen Fischcharakter ; sobald wir aber näher das Skelett betrachten , überwiegt der Aufbau des Reptiles. Für dieses spricht schon der lange, freilich als Ruderorgan um- gewandelte Schwanz, dann aber besonders der Aufbau im Schädel- skelett, das vollständig die Lage und Beteiligung der Knochen, wie beim Reptil, zeigt, ferner die Bezahnung, der Schultergürtel und die Rippen und schliesslich auch die uns bekannte Bekleidung mit weicher Haut, anstatt der Schuppen. Auch die Fischcharaktere erweisen sich bei näherer Betrachtung nur als scheinbar und lassen sich leicht aus Analogien in der jetzigen Tierwelt als Anpassungserscheinungen nachweisen ; so haben bekanntermassen die Delphine ganz ähnliche spitzige Schnauzen mit vollständig analoger Bezahnung, denselben walzenförmigen Leib mit Flossen , und nur der bikonkave Wirbel bleibt noch als echter Fischtypus. Aber dieselbe Wirbelform kommt auch bei allen alten Reptilien vor und kann ebensogut auf den Reptilienwirbel , wie auf den Fischwirbel bezogen werden , ja wenn wir die merkwürdigen Schaltstücke an den Halswirbeln und die Ver- schmelzung von Atlas und Epistropheus, sowie die oberen Bögen und die Rippen in Betracht ziehen, so wird der Charakter eines Reptilien- wirbels immer ausgesprochener. Aber wie geht eine derartige Umwandlung vor sich und was für Anhaltspunkte haben wir für deren Beweise, ist nun die Haupt- frage, welche sich dem Palaeontologen und vergleichenden Anatomen aufdrängt. Die Anpassung eines Landtieres an das Wasser bringt eine Reihe von Umänderungen, sowohl im Skelette, wie in der äusseren — 24 — Bekleidung mit sich. Über letztere habe ich mich schon vor 4 Jahren ^ ausgesprochen und gezeigt, wie das Wasserleben einen Schwund der Epidermisgebilde mit sich bringt, ganz in der Art, wie wir es bei der nackten und nur am Vorderrande der Flosse mit Schuppen ver- sehenen Haut der Ichthyosaurier wiederfinden. Viel tiefgreifender sind aber die Umwandlungen im Skelett ; um eine rasche und sichere Bewegung im Wässer zu ermöglichen , muss der Körper möglichst wenig Widerstand leisten , was am besten durch einen vorn zu- gespitzten walzenförmigen Leib erreicht wird. Die Anlage zu einem derartigen Körper ist schon im Reptiliencharakter gegeben und es bedurfte daher nur geringer Umwandlungen in dieser Hinsicht. Die spitzige lange Schnauze war zum raschen Ergreifen der Nahrung be- sonders geeignet, und demselben Zwecke dienten die vielen spitzigen Zähne. Am schönsten prägt sich die Anpassung bei den Extremitäten aus, indem diese von einem Gehfuss in eine Flosse umgewandelt werden müssen. Der Prozess geht in der Art vor sich, dass eine Verkürzung des Armes zugleich mit einer Verbreiterung der Hand angestrebt wird. Die Ober- und Unterarmknochen werden kurz und stämmig, während die Phalangen möglichst kräftig sich gestalten und auch durch weitere Gliederung an Zahl sich vermehren. Wir können diesen ganzen Verlauf am schönsten bei der Gruppe der Sauropterygier beobachten, da uns hier von den landlebenden Ver- tretern in der Trias {Nothosanrus , Simosaurus u. a.) bis zu den wasserlebenden Formen im Jura und Kreide {Plesiosaurus , Plio- saurus u. a.) eine Reihe von Übergangsformen erhalten sind. Das Extrem einer derartigen Umwandlung sehen wir bei Ichthyosaurus, bei ihm hat die Extremität so sehr den Charakter der Flosse an- genommen , dass sie früher sogar als Grundtypus einer Flosse an- gesehen wurde. Der Humerus ist ausserordentlich kurz und ge- drungen , die Oberarmknochen Ulna und Radius stellen zwei poly- gonale Platten dar, welche sich nur durch die Grösse von den fol- genden Skelettelementen, dem Carpus und den Phalangen, unter- scheiden ; die ganze Extremität ist auf diese Weise in eine breite Schaufel umgewandelt, das passendste Ruderorgan zur Fortbewegung im Wasser. Die Funktion des Ruderns wird hauptsächlich von den vorderen Paddeln und dem durch Verbreiterung in ein Ruder um- gewandelten Schwanz vorgenommen , so dass die Hinterextremität bedeutungslos wird und daher verkümmert. Hand in Hand mit dieser ' E. Fraas, Über die Finne von IcMhyosaurus. Diese Jahreshefte. 44. Jahrg. 1888, pag. 280. 25 — Umwandlung der Extremitäten geht auch die entsprechende Umbil- dung des Brust- und Beckengürtels vor sich; der erstere wird sehr kräftig, während der letztere rudimentär wird. Es würde zu weit führen , auf alle die Eigentümlichkeiten näher einzugehen , w^elche ausser den eben erwähnten im Skelettbau der Ichthyosaurier auf- treten, da dies genauere osteologische und vergleichend anatomische Kenntnisse voraussetzen würde. Der Stammbaum der Ichthyosaurier ist uns nur sehr wenig bekannt; die Familie tritt im Lias sofort mit einer staunenswerten Menge der Individuen und Arten auf, welche aber sämtlich denselben oder wenigstens nahezu denselben Charakter tragen. Nur sehr spär- lich sind, die Reste aus dem Muschelkalk, und aus tieferen Horizonten fehlt jede Spur. Dadurch fällt es sehr schwer, eine Entwickelung vom Landtier zum Seetier festzustellen und fehlt namentlich jede Andeutung über den Stammvater der Ichthyosaurier selbst. Dennoch lassen sich schon in dem kleinen, geologisch eng begrenzten Rahmen der Jura- und Triassaurier einige wichtige Merkmale feststellen, welche alle für unsere Ansicht sprechen. Die Ichthyosaurier des oberen Lias, welche besonders in Süddeutschland verbreitet sind, unterscheiden sich von den unterliassischen (Lyme Regis in England) Arten schon im allgemeinen Körperaufbau durch den grossen aufgeblähten Bauch, ferner im Skelett durch die geschlossene Schädelkapsel infolge der schuppenförmigen Entwickelung der Skelettelemente. Ausser den Nasen-, Augen- und Schläfengruben und dem kleinen Parietalloch bleiben keine nennenswerten Öffnungen mehr im Schädel frei; die Hackenschlüsselbeine (Coracoidea) zeigen nur eine vordere , keine hintere Einbuchtung ; die hintere Flosse ist sehr klein im Verhältnis zur vorderen, und von den drei Beckenknochen sind nur zwei, Os pubis und Os ischium entwickelt, von diesen ist sogar der eine (Os ischium) häufig ganz rudimentär. Bei den Arten aus dem unteren Lias dagegen liegt der Hauptcharakter in dem schlankeren Leib, der spangenförmigen Entwickelung der Schädelknochen, so dass auch noch vor dem Quadratbein eine Öffnung frei bleibt und vor allem in der vollständigeren Entwickelung des Beckens, das stets alle drei Elemente (Os ilei, ischium und pubis) aufweist. Das Coracoid zeigt meist einen hinteren Einschnitt, und die Yorderflosse ist nicht in dem Masse überwiegend über die Hinterflosse, wie bei den oberliassischen Arten, In allen diesen allerdings kleinen Unterschieden finden wir jedenfalls mehr einen Anklang an den Typus des landlebenden Rep- tiles, als an den eines Fisches, und noch mehr bestätigt werden — 26 — diese Anklänge durch die sparsamen und dürftigen Funde von Ichthyo- sauriern aus dem unteren Muschelkalk, welche Baur als Mixosaurus bezeichnet. Wir kennen vom Schädel nur Fragmente des Unter- kiefers mit einzelnen Zähnen, aber schon diese Fragmente nähern sich ganz bedeutend der Entwickelung, wie wir sie von den Kro- kodilkiefern kennen ; die Zähne stecken in schwach ausgebildeten Alveolen , welche von der äuseren und inneren Kieferwandung um- schlossen werden, während die Zähne bei den echten Ichthyosauriern in einer eigenartigen Rinne des Dentale liegen, wie wir an unserem Stücke (Taf. I Fig. 3) sehr schön sehen. Die Zähne von Mixosaurus sind weit auseinanderstehend und sehr verschieden in der Grösse, gegenüber den gleichgrossen, gedrängten Zähnen der jüngeren Arten. An der Vorderflosse können wir ferner beobachten , dass Ulna und Radius nicht durch einfache Folygonalplatten, sondern durch kurze stämmige Röhrenknochen gebildet sind. Auch in diesen Merkmalen liegt wiederum ein sicherer Hinweis auf den Ursprung von einem Land- Reptil ; leider gehen aber hier die Nachrichten vollständig aus und müssen wir erst neuere Funde abwarten , welche uns Aufschluss geben können über den Ursprung dieser merkwürdigen ürwelttiere, von welchen auch keine Spur mehr herüberreicht in die Jetztzeit, denn man darf sich ja nicht von der äusseren Form täuschen lassen und etwa die Delphine und Wale von den Ichthyosauriern ableiten wollen. Ich habe diese weitschweifige Einleitung der eigentlichen Be- sprechung vorausgeschickt, um auch ein weiteres Publikum mit dem heutigen Standpunkt der Ichth)josaunis-Fv'dge bekannt zu machen und besonders um auch die Bedeutung unseres Fundstückes richtig beleuchten zu können, welche darin liegt , dass wir ein Mittelglied zwischen den oberliassischen und unterliassischen Arten vor uns haben , das auch , wenn unsere Voraussetzungen richtig sind , die Mitte zwischen beiden halten muss. Das Stück ist auf Taf. I Fig. 1 in halber natürlicher Grösse von der rechten Seite gesehen dargestellt und man sieht daran so- fort, dass es dem mittleren Teile des Schädels angehört und zwar so, dass die hintere Bruchfläche an der hinteren Seite des Nasen- loches liegt, während die vordere etwa in der Mitte der eigentlichen Schnauze durchsetzt. Die Bruchflächen sind alle ganz frisch und erst im Steinbruch beim Herausbrechen entstanden , sie lassen ver- muten, dass der ganze Schädel im Gestein erhalten war und dass der Rest nur durch die Unaufmerksamkeit der Arbeiter verloren gegangen ist. — 27 — Der Erhaltungszustand des 0,25 m langen Fragmentes lässt nichts zu wünschen übrig und zeichnet sich namentlich da- durch aus, dass der Schädel in keiner Weise verdrückt ist, wie dies fast immer bei den Skeletten aus den Posidonomyen-Schiefern der Fall ist. Auch die Zähne stecken meist in natürlicher Stellung in der Kieferrinne , was sich besonders klar an der vorderen Bruch- fläche (Fig. 3) zeigt. An dem Schädeldache können wir von Durchbrächen nur das Nasenloch beobachten , das ein langgestrecktes , mit der Spitze nach vorn gerichtetes Dreieck darstellt; die Länge ist nicht sicher festzustellen , da der Hinterrand fehlt , doch betrug sie nicht unter 0,065 m, die Höhe 0,020. Den oberen Rand bilden die grossen Nasalia oder Nasenbeine, welche zugleich die ganze Stirnseite bedecken und in der Medianlinie aneinander anschliessen ; die Stirn- seite selbst ist stark abgeplattet und sogar in der Medianlinie etwas eingesenkt. Die Länge der Nasalia beträgt 0,21 m, doch fehlt so- wohl das vordere wie das hintere Ende ; ihre Gesamtlänge darf etwa auf 0,35 berechnet werden. Über die Nasenbeine legen sich seitlich die ausserordentlich grossen Zwischenkieferbeine oder Intermaxil- laria her, welche die Nasenhöhle auf der ganzen Unterseite begrenzen und sich nach vorne immer mehr verbreitern, so dass sie schliesslich die ganze Schnauze bilden. Ich nehme an, dass unser Stück etwa die Hälfte der Schnauze darstellt , wonach die Länge der Inter- maxillaria etwa 0,45 m ergibt, von welchen 0,21 m erhalten sind. Der eigentliche Oberkieferknochen, das Maxillare, ist bei den Ichthyosauriern für die Bezahnung bedeutungslos geworden und liegt nur als schmale Leiste über dem Intermaxillare. Es bildet den hinteren Rand des Rachens, ohne jedoch selbst noch Zähne zu tragen. Die Länge beträgt etwa 0,20 m , wovon 0,13 m erhalten sind, die grösste Breite nur 0,01 m. Gerade dieser Knochen bietet bei unserem Stück ein besonderes Interesse, sowohl durch seine gute Erhaltung als auch dadurch, weil er ein wesentliches Unterscheidungs- merkmal gegenüber der nächst verwandten Art im oberen Lias bietet. Der vordere Querschnitt durch den Schädel (Fig. 3), der auf der Bruchfläche sichtbar ist, zeigt uns die tief nach unten sich fortsetzenden Nasalia, über welche sich das Intermaxillare her- legt; dieses selbst hat eine starke Knochenleiste gegen innen ent- wickelt, und die dadurch entstandene Rinne ist zur Aufnahme der Zähne bestimmt. Ausserdem sehen wir noch den Durchschnitt durch ein weiteres Knochenpaar, die Pflugscharbeine oder den Vomer, — 28 — welcher zwar in dem vorderen Teil der Schnauze bedeutungslos ist, weiter hinten aber zusammen mit dem Palatinum den Gaumen bildet. Grösseres palaeontologisches Interesse als der Schädel nimmt der Unterki ef er in Anspruch, der uns nur äusserst selten in ähn- licher Klarheit erhalten ist. Der erhaltene Teil ist 0,255 m und stellt gerade den interessantesten und nur schlecht bekannten Teil dar; ich habe daher den Unterkiefer in Fig. 2 von unten dargestellt, wobei sowohl die innere wie die äussere Seite sichtbar wird. Auch der Unterkiefer ist , wie die obere Schnauze , aus einer grösseren Anzahl langer spiessartiger Knochen , welche sich schup- penförmig übereinander herlegen, zusammengesetzt. Die beiden Kiefer- äste sind lang und schmal ; etwa in der Mitte des Kiefers vereinigen sie sich mit einer medianen Symphyse, welche bis zur Spitze reicht. Der wichtigste Skeletteil, der die Bezahnuug trägt und allein den vorderen Teil der Schnauze bildet , ist das Dentale oder Zahn- bein. Es beginnt etwa 0,06 m hinter den letzten Zähnen als schwache Schuppe, die gegen vorn immer kräftiger wird und dabei eine dem Intermaxillare vollständig analoge Bildung aufweist. Es entwickelt sich, wie bei jenem, ein starker nach innen gerichteter Träger, der eine Rinne umschliesst , welche die Zähne des Unter- kiefers aufnimmt (Fig. 3). Zuerst nur auf der Unterseite sichtbar, nach hinten aber die ganze Innenseite bekleidend, tritt das Oper- cul are (Spleniale) oder D eckelbein auf, das sowohl im vorderen, wie im hinteren Querschnitte des Kiefers sichtbar ist. Unter diesen beiden Hauptstücken im vorderen Teile des Kiefers lagern gegen hinten noch zwei weitere , welche erst hinter dem bezahnten Teile an die Oberfläche hervortreten , es ist dies das Supra-angulare oder Krön b ein auf der Aussenseite des Kiefers und das Angulare oder W i n k e 1 b e i n (Eckbein) am unteren Rande ; beide sehen wir besonders schön im Querschnitt (Fig. 4) an der hinteren Abbruch- steile. Ausserdem wird dort noch ein weiterer kleiner Knochen- querschnitt sichtbar, der dem Schliessbein (Os complementare) anzugehören scheint. Es ist dies ein kleiner Knochen, der auf der Innenseite des Kieferastes hervortritt. Wäre der Kiefer noch weiter nach rückwärts erhalten, so würde auch noch das sechste Skelett- stück, das Articulare oder Gelenkbein zu beobachten sein, eine schwache Knochenleiste, welche auf dem Supraangulare auf- liegt und die Gelenkverbindung mit dem Schädel vermittelt. Ein besonderes Interesse nehmen noch die Zähne (Fig. 5) in Anspruch, welche an unserem Stücke prächtig erhalten sind. Die — 29 — Zähne variieren nach ihrem Alter etwas in der Grösse, die mittlere Länge beträgt 18 — 20 mm, doch kommen auch solche von 25 mm Länge vor. Der Durchmesser an der dicksten Stelle ist im Durch- schnitt 5 mm. Der Zahn besteht aus zwei Teilen, einem mit Schmelz überzogenen Zahnkegel aus Dentin und einem runzeligen Zahnsockel, an dessen Aufbau sich ausser dem Dentin noch etwas Cementsubstanz beteiligt. Der Zahnkegel ist spitzkonisch , sehr schwach gekrümmt und drehrund ohne jegliche Andeutung einer seitlichen Kante, der Schmelz vollständig glatt ohne Rinnen, nur feine konzentrische Ringe lassen sich beobachten. Der Zahnsockel ist je nach dem Alter des Zahnes mehr oder weniger stark entwickelt und nimmt bei den ganz ausgewachsenen Zähnen nahezu die Hälfte ein, auf der Aussenseite treten zahlreiche tiefe Runzeln auf. Das Stück ist leider zu kost- . bar, als dass man es über sich brächte, einzelne Zähne auszubrechen und zu mikroskopischen Präparaten zu verwenden , doch lässt sich schon an den zahlreichen Bruchflächen der abgebrochenen Zähne erkennen , dass sich im inneren des Zahnkegels eine sehr grosse Pulpahöhle befindet, um welche sich die Dentinsubstanz oben als glatter Mantel legt, während die Dentinmasse gegen unten im Zahn- sockel in Falten zusammengezogen ist. Die Cementsubstanz, welche bei den oberliassischen Arten an der Basis des Zahnes nie fehlt, ist bei unserer Art jedenfalls nur sehr schwach entwickelt. Soweit gehen unsere Beobachtungen, welche wir an dem Stücke selbst machen können und handelt es sich noch zum Schlüsse darum, die systematische Stellung unseres Ichthyosaurus und seine verwandtschaftlichen Beziehungen festzustellen. Da uns nur der Schädel bekannt ist, so fallen natürlich die Gruppen-Unterschiede der Latipinnati und Longipinnati weg, welche auf die Entwickelung der Flossen begründet sind , doch darf mit Sicherheit unsere Form gleich allen anderen süddeutschen Arten als eine longipinnate angenommen werden, d. h. die Flosse war lang gestreckt mit 4 — 5 Fingerstrahlen, von welchen nur ein einziger an das Litermedium ansetzt. Das nächste Gruppenmerkmal sind die Zähne, nach welchen wir platyodonte Formen mit kantigem und die Gruppe der Tenuirostres mit kreisrundem Querschnitt der Zähne unterscheiden ; unsere Art gehört , wie wir gesehen haben , in die Gruppe der Tenuirostres. Eine weitere Gruppierung in Unter- abteilungen ist auf die Verlängerung der Schnauze begründet, wo- nach sich longirostres mit ungewöhnlich langer, typici mit massig langer und brevirostres mit sehr kurzer Schnauze auseinander halten — 30 — lassen. Nach dem ganzen Habitas gehört unsere Art in die Gruppe der Tenuirostres typici, da kein Anhaltspunkt gegeben ist, eine besondere Verlängerung der Schnauze anzunehmen. Diese Gruppe der Ichthyosaurier ist im unteren Lias, durch Ichth. tenuirostris Conyb. vertreten, eine Species , die zwar in Eng- land (Lyme Regis) häufig ist, in Süddeutschland dagegen nur ein einziges Mal nachgewiesen werden konnte ^ Im oberen Lias da- gegen haben wir zwei Arten aus dieser Gruppe, den Ichthyosaurus Integer Bronn =■ ascissiis Qu. und den häufigsten aller Ichthyo- saurier , den Ichth. quadriscissiis Qu. mit allen seinen Varietäten. Von Ichth. tenuirostris unterscheidet sich unsere Art zunächst im Zahnbau, da dessen Zähne bedeutend grösser, scharf gekrümmt und mit langem Zahnsockel versehen sind. Die Zähne von Ichth. (lua- driscissus sind zwar bedeutend kleiner, sonst aber denen von unserer Art sehr nahe verwandt. Die grösste Übereinstimmung im Zahnbau herrscht mit Ichth. integer. Im übrigen Schädelskelett finden sich jedoch wesentliche unterschiede ; die Symphyse des Unterkiefers, welche bei unserer Art etwa in die Mitte der Kieferäste fällt, liegt bei Ichth. integer bedeutend weiter vorn, auch ist die ganze Ent- wickelung des Kiefers eine viel stärkere. In dieser Beziehung steht unsere Art dem Ichth. quadriscissiis näher. Von beiden Arten ist sie jedoch wesentlich verschieden durch die Form und Lage des Maxil- lare; während dieses bei unserer Form eine langgestreckte Knochen- leiste darstellt, welche auf dem Intermaxillare aufliegt, bildet es bei den beiden andern Arten einen dreieckigen Lappen, der bis zur Nasenhöhle hinaufreicht und dessen unteren Rand teilweise bildet. Gerade in dieser Hinsicht nähert sich unsere Form dagegen dem unterliassischen Ichth. tenuirostris., bei dem gleichfalls das Maxillare eine lange, schmale Leiste bildet, welche an der Umrandung der Nasenhöhle keinen Anteil nimmt. In der That bildet also unsere Form entsprechend dem geo- logischen Horizonte des mittleren Lias eine Zwischenform zwischen den unterliassischen und oberliassischen Arten aus der Gruppe der Tenuirostres typici. Zu einer näheren Definierung der Species ist jedoch das Fragment nicht ausreichend und muss daher die geo- logische Formation, der Horizont der Wahlheimia mtmismcdis ., als Hauptcharakteristikum angenommen werden, weshalb ich die neue Art Ichthyosaurus numismaJis nenne. * E. Fr aas, Tchtlmisaurier, pag. 42. Q 1 Erklärung der Tafel I. lehtliy osaurus numismalis E. Fraas. Schädelfragment aus den Numismalis-Mergelu (Lias /) von Kirchheim u. T. Fig. 1. Schädel von der rechten Seite in ^ nat. Grösse. Na. = Nasale oder Nasenbein. Imx. = Intermaxillare oder Zwischenkiefer. 3Ix. = Maxillare oder Oberkiefer. Dent. = Deutale oder Zahnbein. S. ang. = Supraangulare oder Kronbein. Fig. 2. Der Unterkiefer halb von unten in -i nat. Grösse. Dent. = Dentale oder Zahnbein. Op. = Operculare (Spleniale) oder Deckelbeiu. Ang. = Angulare oder Winkelbein (Eckbein). S. ang. = Supraangulare oder Kronbein. Fig. 3. Der Querschnitt durch den Schädel au der vorderen Abbruchsteile, nat. Grösse. (Die Bezeichnungen wie oben.) Fig. 4. Der Querschnitt durch den rechten Unterkiefer-Ast, an der hinteren Ab- bruchsteile, nat. Grösse. c = Complementare oder Schliessbein. (Die übrigen Bezeichnungen wie oben.) Fig. 5. Einzelner Zahn und dessen Querschnitt in nat. Grösse. Bericht über den 17. — 20. Mai 1891 zu Budapest ab- gehaltenen zweiten internationalen ornithologisehen Congress. Erstattet* von Dr. Freiherr R. Koenig-"Warthausen. Nachdem Seine Majestät der König durch allerhöchste Ent- schliessung vom 9. März die Beschickung des zweiten internationalen ornithologisehen Congresses durch einen Delegirten der K. würt- tembergischen Regierung genehmigt und meine Person hiefür zu be- stimmen geruht hatte, habe ich mich dieser Aufgabe unterzogen und beehre mich im Nachstehenden Bericht zu erstatten. Dieser Bericht hat sich zwar eigentlich nur auf die Verhand- lungen des Congresses zu erstrecken, ich nehme aber keinen An- stand , der Vollständigkeit wegen auch über Reise und Aufenthalt Dasjenige beizufügen, was sonst noch von einigem Interesse sein dürfte und mache deshalb zwei Abtheilungen. I. Reise, Aufenthalt und Allgemeines vom Congress. Nachdem ich in der Abgeordnetenkammer Urlaub genommen, bin ich 13. Mai über Bregenz mit der Arlbergbahn nach Innsbruck gereist, Abends dort angekommen und bis anderen Tag zur nehm- lichen Stunde dort geblieben. Unter Führung von Baron Lazarini habe ich das ,,Ferdinandeum" studirt, jenes prachtvolle Tiroler Landesmuseum, welches neben sei- nen historischen und Kunst-Sammlungen auch ein Naturaliencabinet mit grossem Herbar und reichen geologischen Sammlangen , sowie unter den ausgestopften Vögeln Bemerkenswerthes enthält, nament- lich neben verschiedenen anderen Raubvögeln , besonders Adlern, einen erst in den letzten Wochen dort erlegten südrussischen Weiss- * an (las K. Finanzministerium und mit dessen Genehmigung veröffentliclit. — 33 — schwanz-Bussard {Buteo ferox Gm.), welcher ein Unicum sein dürfte, ferner schöne Reihen in den letzten Jahren erlegter weissbindiger und rothbindiger Kreuzschnäbel, ein Nest mit 4 fast flüggen Tannen- hehern u. s. w. Ältere, meist ausgegrabene Reste vom Steinbock sind schön vertreten und ein frisch geschossener Bär wurde für den andern Tag erwartet. Am 14. bin ich, die Nacht durchreisend, über Salzburg und Wien ohne Aufenthalt weiter gefahren und 15. Mai Mittags in Buda- pest eingetroffen. Am Abend war erster Zusammentritt der bis dahin angelangten Congressmitglieder in einem reservirten Local der ,, Pilsener Bier- halle". Hier begrüsste der Präsident des ungarischen Comites, Reichstagsabgeordneter Otto Herman (trotz dem deutschen Namen ein ächter Ungar) die Gäste, in deren Namen ich erwiderte. Der 16. Mai wurde von mir und anderen Staatsdelegirten vor- erst dazu verwendet, um die nöthigen Besuche zu fahren, nament- lich bei den K. ungarischen Ministern , für den Ackerbau Graf Bethlen, für den öffentlichen Unterricht Graf CzaKY, für die Finanzen V. KaLLAY , bei mehreren höchsten Ministerialbeamten , bei den Lei- tern des Museums, der Ausstellung und der verschiedenen Comites. Den Rest des Tags — wie am vorgehenden kürzere und später jede freie Zeit ~ brachte ich im Nationalmuseum zu, wo in seltener Reichhaltigkeit und Schönheit ornithologische Schätze aus Ungarn, Siebenbürgen, Bosnien und Herzegowina zur Schau gestellt waren. Besonders schön waren die durch den liebenswürdigen Gustos des zoologischen Museums in Sarajewo, Othmar Reiser, ausgestellten Vögel Bosniens. Bedeutenden Effect machten u. A. zwei grosse Gruppen mit Bartgeiern, ebensolche, welche die ungarischen Brut- colonien der verschiedenen Reiher, Enten, Seeschwalben, mit natür- lichem Schilf und mit sonstigen Pflanzengruppen (das Wasser durch Spiegel dargestellt) zur Anschauung brachten , ferner ein an der Donau ausgehobener, noch grünender Baumstamm, in dessen Gipfel sich ein Seeadlerhorst mit der ausgestopften ganzen Familie befindet. Ebenfalls von besonderem Interesse waren mehrere der so seltenen drosselrohrsängerartigen Nester der Sylvia [Lusciniola) melanopogon Temm. mit den Eiern und den Alten. Auch reiche Sammlungen von Vogeleiern waren aufgestellt und da mir der übertriebene Ruf einer ganz besonderen Autorität vorangegangen war , wurde ich mit Un- tersuchungen und Beantwortung von Fragen etwas stark in Anspruch genommen. Jahresliefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1892. Q — 34 — Diese Ausstellung nebst den sonstigen Vorbereitungen zum Congress soll Ungarn 22,000 fl. gekostet haben. Jedes Congressmitglied hatte deshalb bei seiner Einzeichnung in die Liste 10 fl. für die Mitgliedskarte zu erlegen und erhielt hie- für neben dem freien Eintritt in die Ausstellungsräume eine Reihe von Festschriften. Als umfangreichere sind unter diesen hervorzu- heben: Frivaldszky, ,.Aves Hungariae"; Reiser, ,, die Vogelsammlung des bosnisch-herczegovinischen Landesmuseums in Sarajevo"; 0. Her- MAN, „J. S. VON Petenyi (1799 — 1855), ein Lebensbild"; R. B. Sharpe, ,, Review of recent attempts to classify Birds" ; A. Newton, ,, Fossil Birds". Zahlreiche weitere Flugschriften und Referate be- rühren ausschliesslich die Aufgaben des Congresses. Am Abend dieses 16. Mai 7 Uhr fand im grossen Saale des an der Donau gegenüber von Ofen gelegenen Hotel Hungaria die erste offizielle ,, gesellige Zusammenkunft" der jetzt ziemlich complet ein- getroffenen Congressmitglieder statt. Bei feurigem Ungarwein be- grüsste Graf E. Zichy die zahlreiche Versammlung in französischer und in ungarischer Sprache. Die Reden rauschten nieder wie Wasser- fälle, ungarisch, deutsch, englisch, französisch. Mir wurde die Auf- gabe, im Namen Deutschlands den Trinkspruch auf das Königreich Ungarn und seine gastfreie, ritterliche Nation auszubringen. Don- nernde ,,Eljen" neben persönlichen Freundschaftsbezeugungen waren die Antwort. Erst um Mitternacht — von 11 Uhr ab schliessen die Gasthäuser ihre Thore und sind die Strassen wie ausgestorben — trennte ich mich als einer der Ersten von der sehr fröhlichen Ge- sellschaft und von den wunderbaren Klängen einer vortrefflichen Zigeuner-Musik. Diesen Abend waren so ziemlich die letzten Congres.sleute mit dem Wiener Dampfschiff angekommen. Die endgiltige Präsenz- liste zählt deren 135 auf. Nach den Nationalitäten vertheilt sich die Betheiligung wie folgt: ,, Inland" (d. h. Ungarn mit Sieben- bürgen, Croatien und Bosnien) 86 Personen, Osterreich (separat!) 11, Deutsches Reich 26, Frankreich 3, Russ- land und Nordamerica je 2, England, Holland, Norwe- gen, Schweiz, Bulgarien je 1 Theilnehmer. Italien war — wohl wegen der Vogelschutzfrage? — nicht vertreten. Von Oster- reich-LTngarn fehlte wohl kaum eine Celebrität. Russland hatte die Herrn E. von MmoENDORFF (Hellenorm, Livland) und E. Büchner vom K. zoologischen Museum in St. Petersburg, Norwegen Prof. Robert CoLLETT von Christiania, England Dr. R. B. Shari'E aus London, — 35 — Frankreich Prof. E. Oüstalet von Paris, Baron d'Hamoxmlle und E. Raoul, Holland Prof. Dr. Büttikofer aus Leyden, die Schweiz Prof. Dr. V. Fatio aus Genf entsendet; die V. St. von Nordamerica vertraten Dr. Chadbourne (New York) und Dr. Bishop (Newhaven), für Bulgarien war Prof. Dr. Gheorghieff aus Sofia anwesend. Dem Deutschen Reich gehören an: die Brüder Prof. Dr. R. und Dr. W. Bla- sius (Braunschweig), Dr. 0. Finsch (Delmenhorst), Forstmeister Jacobi VON Wangelin (Merseburg), Freiherr v. Berlepsch (Münden), A. von Homeyer (Greifswald), Dr. K. Russ, Dr. A. Reichenow und H. Scha- Low (Berlin), W. Schlüter (Halle), Forstmeister Freiherr v. Berg (Strassburg i. E.), v. Wolfersdorff (Sondershausen), Dr. Leverkühk (Hannover) , E. Hartert (Frankfurt a. M.) , Tischer und Täschleik als Vertreter des ornithologischen (Vogelschutz-) Vereins in Augs- burg; der Staat Bayern hatte gleich Baden eine offizielle Vertretung abgelehnt. Aus Württemberg waren neben mir erschienen der I. Prä- parator Kerz, geschickt vom K. Naturaliencabinet und Dr. Graf Max VON Zeppelin, K. Kammerherr. Hiemit dürfte die Zusammensetzung des Congresses genügend erläutert sein. Am 17. Mai Vormittags 10 Uhr fand im Prunksaal des K. Na- tionalmuseums , d. h. in dem Raum , in welchem bis zum Ausbau des Stände-Palasts die Magnatentafel tagt, als Eröffnungssitzung feierliche Plenarversammlung statt. Ackerbauminister Graf Bethlen hielt in französischer Sprache die Bewillkommnungsrede, nach ihm sprach Vicebürgermeister Ger- LÖczY namens der Stadt. Alterspräsident Dr. Pulszky, Director des Nationalmuseums, veranlasste die Constituirung des Congresses und dieser erwählte Professor Victor Fatio zum wirklichen Präsidenten neben Ernennung verschiedener Vicepräsidenten, Secretäre und Ehren- mitglieder. 0. Herman als zweiter Präsident berichtete über die Vorarbeiten und Generalsecretär Dr. Geza von HoRvaTH über ein- gelaufene Schriftstücke sowie über die Delegirten-Vertretung. Den Schluss dieser öffentlich abgehaltenen Sitzung bildete ein längerer Vortrag von Major a. D. Alexander von Homeyer „über das Le- ben der Vögel in Central-Westafrica''. Am Nachmittag fand die offizielle Eröffnung der ornithologischen Ausstellung statt und gegen 5 Uhr hielt 0. Herman Vortrag „Über die Beobachtung des Vogelzugs"; „Über die ersten Ankunftszeiten der Zugvögel in Ungarn (Frühjahrszug)" lautet sein gedruckter Vorbericht hiezu (42S.4*'). Ein auf den Abend geplanter Besuch des Thiergartens nebst „geselliger Unterhaltung" musste wiegen anhaltendem Regen unterbleiben. 3* — 36 — Am 2. Congresstag , 18. Mai, begannen die Sectionen zu ar- beiten. In der Section „Ornithologia oeconomica" war mir das Präsi- dium angeboten worden, allein meine Aufgabe, auch den anderen Abtheilungen meine Aufmerksamkeit zu widmen, veranlasste mich, auf diese Ehre, welche dann Herrn von Ho.meyer zufiel, zu ver- zichten. Am Abend dieses Tags sprach Prof. R. Collett im Sitzungssaal der ungarischen Academie der Wissenschaften (Prachtbau nächst der Donau-Kettenbrücke) in längerem deutschen Vortrag „Über das Leben der Vögel im a retischen Norwegen". Am 19. Mai setzten sich die Arbeiten der Sectionen fort. Um die Mittagszeit wurde von Vielen der zoologische Garten im „Stadt- wäldchen" besucht, wo Thiergarten-Director SERaK mit einer Be- wirthung überraschte. Der sehr geräumige, schön angelegte Garten hat noch für recht Vieles Platz. Ungarische Bären , eine Voliere mit Raubvögeln, unter welchen sich schöne Adler, tlieilweise noch im Jugendalter , befinden , sowie Sumpf- und Schwimmvögel inter- essirten mehr als die exotischen Menagerie-Thiere oder die sehr reiche Sammlung von Hausgeflügel. Nachher hielten sämmtliche Sectionen unter Dr. Fatio's Vor- sitz eine kürzere Plenarsitzung, in welcher die Sectionsbeschlüsse vorgelegt und das Programm für den feierlichen Schluss festgestellt wurde. Der für den Nachmittag ins Programm aufgenommen ge- wesene Vortrag von Victor Ritter v. Tschusi-Schmidhoffen (Hallein) „Über das Leben der Vögel in den Alpen" war in Wegfall gekommen. Gegen Abend wurde bis Nachts 11 Uhr vermittelst Dam})fers- ein Ausflug nach der Donau-aufwärts gelegenen reizenden Margarethen- Insel („Margit Sziget") gemacht. Diese, Eigenthum S. K. K. H. des Erzherzogs Josef, misst in langer, schmaler Ausdehnung 122 Joch, wird von einer Pferdebahn durchfahren und hat mehrere Dampfer- Landungsstellen. Am nördlichen Ende befindet sich ein bedeutender Kurort mit artesisch erbohrter, schwefliger Therme, deren Überwasser 5 Klafter hoch über eine mit grünen Algen bewachsene Felsparthie sich als dampfender Wasserfall (.')5° R.) in die Donau ergiesst; die ganze Insel, geziert mit den Ruinen eines Klosters und einer Kirche, ver- sehen mit Treibhäusern und Restaurationen , bei denen überall Zi- geunercapellen concertiren, bildet einen einzigen, sorgsam gepflegten Park mit üppigster Vegetation, in dessen Baumgruppen Turteltauben gurrten, während unzählige Nachtigallen in den Gebüschen schlugen; — 37 — ob diese, wie dort angenommen wird, zur gewöhnlichen Nachtigal oder, wie namentUch Berhner Ornithologen meinten, zum Sprosser gehören, blieb unentschieden, jedenfalls ist ihr Schlag „trockener", weniger tief und volltönend als bei württembergischen Nachtigallen. Auch der Gartenspottsänger Hess sich hören und an den Schilf- parthien der Ufer kletterte ganz vertraut der Drosselrohrsänger mit seinem schnarrenden Gesang; einer der Gäste fand ein Gartengras- mücken-Nest mit 2 Eiern und einem des Kuckucks. Der 20. Mai brachte Vormittags 10 Uhr unter Anwesenheit des Ackerbauministers, welcher eine Schlussrede hielt, die letzte Congress- Sitzung, in welcher neben den bei solcher Gelegenheit üblichen Dankesworten die Referate über die Sections- Arbeiten erstattet wurden. Für den nächsten Congress — der erste hatte 1884 in Wien auf Veranlassung von Kronprinz Rudolf stattgefunden — ist vorerst Paris in Aussicht genommen, die Zeit noch nicht fest bestimmt. Auf 7 Uhr Abends waren die Congressmitglieder zu einem Fest- bankett von der K. ungarischen Regierung in den „Erzherzog Stefan" geladen, wo unter zahlreichen Trinksprüchen, bei Gesang und Zigeuner- musik bis Mitternacht gehobenste Fröhlichkeit herrschte. Da ich Gründe hatte heimzudrängen und derlei Geselligkeiten nicht gut ertrage, bin ich schon am Nachmittag mit Freund Rudolf Blasius, Hofrath Dr. C. Claus (Wien) und dem Norweger Collett in aller Stille nach Wien verduftet. Hier habe ich mich bis zum übernächsten Nachmittag aufgehalten und bin mit dem Orientexpress- zug am 23. Mai in der Morgenfrühe in Ulm wieder eingetroffen, um bis zum Landtagsschluss (30. Mai) mich nochmals in Stuttgart zu stellen. An den verschiedenen Excursionen habe ich aus mehrfachen Gründen mich zwar nicht betheiligt, bin aber über deren Verlauf unterrichtet. Der nach dem Gestüt Mezöhegyes geplant gewesene Ausflug kam überhaupt nicht zur Ausführung. Über denjenigen in's Drau eck, der fast eine Woche in Anspruch nahm, liegt mir ausführlicher Be- richt von Dr. Graf von Zeppelin vor. Die aus 14 Personen bestehende Gesellschaft fuhr, überall im Namen des Jagdherrn gastlich bewirthet, auf der Donau nach der etwa 11 DM1. umfassenden Herrschaft Bellye des Erzherzogs Albrecht, wo neben den stärksten Hirschen Europa's Wasserwild in Menge sich befindet. Uhu-Horste und ein solcher von Seeadler, dessen Alte die Besucher umkreisten, wurden besichtigt, auch Nester der Beutelmeise genommen. Nachdem man in Apatin — 38 — a. D. übernachtet, wurde Donau-abwärts in Kähnen gefahren und durch Canäle und Seen zwischen herrhchen Urwäldern hindurch der Kopatscher Teich erreicht, wo grosse Brutcolonien von Seeschwalben und Möven neben vielerlei anderem Wassergeflügel sich befinden. Die Purpurreiher-Colonie im Sumpf bei Hullo hatte 4 — 500 Nester und wurde hier viel an Vögeln und Eiern gesammelt. Nach einem opulenten Essen in Bellye wurde in Essegg übernachtet. Über Essegg hinaus, im slavonischen Jagdgebiet des Herrn Stefan von Nikolitsch auf Belahof, waren bei Kologyvär etwa GOO Nester von Purpur-,, Seiden- und Nachtreihern nebst Tausenden von Ibissen, so dass gegen 300 Vögel erlegt und etwa 500 Eier gesammelt werden konnten. Über die Excursion an den Neusiedler See hat Forstmeister J. v. Wangelin (Monatsschr. des D. V. z. Schutz d. Vogelwelt, Juni 1891. No. 8. p. 216j berichtet. Über Raab fuhr man mit der Eisen- bahn bis Czurna am anderen Tag zu Wagen an den Hansäg, das ungeheure Moor zwischen dem Neusiedler See und der „Kleinen Donau" ; hier wurden Brutplätze von Purpur- und Nachtreihern be- sucht und von diesen etwa 100 Eier mitgenommen; ein Storchpaar hatte Dunenjunge , ein Schreiadlerhorst lieferte 2 Eier. Von den beobachteten (34) Vogelarten sind hervorzuheben die beiden schwirren- den Rohrsänger (Locustella naevia Bodd. und L. fiuviatüis Wlf.),; Waldwasserläufer, weissäugige, Spiess- und Tafelente, Graugans, Im fürstlich EsTERHazY'schen Schloss Kapuvär wurde übernachtet und am 3. Tag, nachdem unter Wegs noch das Stammschloss Esterhäzy be- sichtigt worden war, der Neusiedler See erreicht und auf flachen kleinen Kähnen befahren. Gemein waren hier Drosselrohrsänger, verhältnissmässig häufig Blaukehlchen und schwarze Seeschwalben ; zahlreich wurden Rohrdommel gehört, auch Horste der Rostweihe mit Eiern gefunden. Ein auf Kosten des fürstlichen Grundherrn am Ufer servirtes reiches Gastmahl mit der obligaten Zigeuner-Virtuosen- capelle schloss den Ausflug, dessen Theilnehmer noch am nehmlichen Tag von Zinkendorf aus Wien mit der Bahn erreichen konnten. Der Ausflug an den Velenczer See im Stuhlweissenburger Comitat lieferte, wie 0. PiEiSER-Sarajewo brieflich mittheilt, die inter- essanten Nester und Eier des Nachtigal-Rohrsängers {Locustella liis- cinioides Sari) und des Zwerg-Sumpfhuhns {Gallinula minuta Pall)*. * luzwisclien, «l. li. .seit ülicrgabe meines IJerichrs hat A. v. Hoiuej-er — Monatsschr. d. J). V. z. Schutz der Vngehvelt. Juli 1891 u. f. — über den Aus- flug auf den Velenczer- und Plattensee ausführlich berichtet und V. Fatio ,.üne — 39 — Für diese im Voraus in Aussicht genommenen Excursionen waren den Theilnehmern Scheine ausgestellt, vermöge welcher sie 50 "/(j Nachlass auf den staatlichen Verkehrswegen gewährt erhielten. Eine Tour in die Tatra, über Kaschau nach den Schmecks, ins grosse Kohlbachthal, an den Czorba-See, in das Szarsena-Thal, die Dobschauer Eishöhle und durch das Waagthal nach Trencsin unternahm Dr. Finsch. So herrlich das Land sei, schreibt er, so ornithologisch arm habe er die Gegend überall gefunden und von Interessanterem nur einen Schreiadler beobachtet. In Pest wie in Wien bin ich meiner Gewohnheit nachgekommen, die Victualienmärkte aus volkswirthschaftlichem Interesse zu besuchen. Bei recht kühler Witterung war in Pest von den Landes- erzeugnissen noch recht wenig zu sehen; es fehlten vor Allem noch die characteristischen Melonen, Kürbisse, Tomaten und frische Paprika. Salat lag zu Bergen aufgethürmt am Donau-Quai, wo halbnackte Matrosen das in den Schiffen aufgeschüttete Getreide in Säcke aus- luden. Gemüse waren sparsamer vertreten als gleichzeitig bei uns, nur Monatrettige von merkwürdig langer Form waren zahlreich. Ge- dörrte Paprikaschoten, dürre Hülsenfrüchte, besonders Bohnenkerne, in allen Farben sortirt, Erbsen, verschiedene Gesäme, auch Mais und Maismehl nebst Kartoffeln und Knoblauch waren reichlich vorhanden und massenhaft wurden junge Gänse und Hühner zu Markt gebracht, erstere kaum halb ausgewachsen, wie sie unreif („kätschig") als „delicate Ganserln" verspeist werden. Noch kurz vor meiner An- kunft waren angebliche Kiebitzeier zum Verkauf gekommen, von denen ich einige erhielt und welche sich als die selteneren des Strandreiters {Ilimaiitopus autumnalis Hasselq.) erwiesen. Erst am 20. Mai wurden einzelne Büschel blasser, frühreifer Kirschen von eingeborenen Mädchen in den Strassen feilgeboten. Anders war es (22. Mai) in Wien. Körbe schönster Herz- kirschen, auch Erdbeeren {Fnigaria moschata! Duch.) waren zu- geführt; Zwiebeln und Knoblauch fanden sich in enormen Massen aufgehäuft, desgleichen bedeutende Vorräthe überwinterter Äpfel, Gemüse in Menge, namentlich Spargeln von ausserordentlicher Länge, Artischocken, Pihabarber, selbst Bananen, sowie auch lebende Triestiner Schildkröten {Testudo graeca L.). Um am Markt das Landvolk kennen zu lernen, liegt Budapest petite excursion ornithologique au pays du Danube" — Fertö-See — (Diana, Bern) veröffentlicht. — 40 — noch zu nördlich. Allerdmgs fallen bereits nach dem Eintritt in das Königreich bei den meist in grösseren Gesellschaften auf den Kukuruzfeldern arbeitenden Leuten die weissen, unten ausgefransten, weiten Beinkleider der Männer, die einem zusammenhängenden Sack gleichen, auf; ländhche Originaltrachten sind in der Hauptstadt nicht häufig: etwa einmal ein stattlicher Bauer mit rundem Hut, dunkel- blauer verschnürter Jacke mit glänzenden. Metallknöpfen, ebenso vorne verschnürten dunklen, engen Hosen („Gatjen") und hohen Rohrstiefeln, oder eine „elegantere" Bäuerin mit breit gebauschtem, kurzem bunten Rock und den hohen Glanzstiefeln, die den stets sehr kleinen Fuss der Ungarin vortheilhaft hervorheben. Für gewöhnlich geht das gemeine Frauenvolk meist barfuss, trägt sehr kurze Kleider und den Oberkörper in einer leichten Jacke, was bei der häufig bedeutenden Körperfülle selbst der jungen Mädchen anfänglich auf- fällt. Gegenüber unserem Zigeuner-Gesindel sind die dortigen besseren Musikanten geradezu „Herrn". Wie schon bei Innsbruck so ist mir auch in Ungarn die Eleganz bäuerlicher Pferdegeschirre — reich verziert im Lederwerk und mit vielen Messingornamenten behangen — öfters aufgefallen. Während Pest eine völlig moderne Prunkstadt und auch in ihren einst vielfach deutsch gewesenen Elementen jetzt völlig magya- risch geworden ist, hat Ofen durch seine erhöhte Lage und alte Bauten einen mehr historischen Typus und noch ziemlich deutsche Einwohnerschaft. Ein Spaziergang auf das Königsschloss entschädigt durch die herrliche Aussicht. Das auf dem Blocksberg gelegene, die Gegend beherrschende, umfangreiche alte Castell ist — wohl wegen unangenehmer politischer Erinnerungen — leider zum Abbruch und seine Stelle für ein Nationaldenkmal bestimmt. Etwas entfernter, aber durch eine Zahnradbahn leicht zugänglich, ist der Schwabenberg (446 M.), wo in der Türkenzeit die deutschen Kriegsvölker lagerten. Unter den hier vorkommenden Gehölzen hat v. Wangelix Quercus ccrris, Fraximis orniis, Crataegus tormhialis, Sorhus aria, Staphylm pinnata notirt, welche den südlicheren Character der Flora anzeigen. Schliesslich dürfte noch hervorgehoben werden, dass die liebens- würdige, leichtlebige ungarische Nation in allen berührten Kreisen und in jeder Richtung ihrem alten Ruf der Gastlichkeit Ehre ge- macht hat. Die Reichsdeutschen insbesondere haben für die gefundene freundliche Aufnahme Grund, dankbar zu sein und werden den Auf- enthalt in Budapest im besten Andenken behalten. 41 II. Die Verhandlungen des internationalen Congresses. Nach dem im Voraus aufgestellten Programm waren sieben Sectionen vorgesehen: I. Systematica, IL Biologia, III. Anatomia, IV. Avigeographia, V. Oologia, VI. Migratio, VII. Oeconomica, welche in drei verschiedenen Gebäuden, Nationalmuseum, Universität, Poly- technicum, tagen sollten und bei welchen die einzelnen Mitglieder sich hätten einzeln einschreiben sollen. Da aber die Meisten bei mehreren oder gar bei allen Sectionen theilnehmen wollten, was die örtliche Trennung nicht zuliess, trat eine Abänderung dahin ein, dass Systematik und Anatomie (I), Biologie und Oologie (II), Avigeographie und Migration (III) je vereinigt wurden und nur die ökonomische Ornithologie (IV) für sich bestehen blieb. So konnte mit Ausnahme von I (Universität) im Nationalmuseum verhandelt werden. I. Section für Systematik und Anatomie. Dr. Sharpe legte seine bereits erwähnte, die Classification der Vögel behandelnde Festschrift vor und erläuterte in längerem (englischen) Vortrag deren Inhalt unter Vorweisung eines nach Prof. Dr. FüRBRiNGER in Jena ausgeführten plastischen Modells von dessen Stammbaum der Vögel. Schriftführer Dr. L. v. Lorenz-Liburnau (Wien) verlas aus einem Schreiben Fürbrixger"s auf dessen einge- sendetes Referat bezügliche Stellen. Aus Zeit-Rücksichten wurde auf das Thema nicht näher eingegangen. Der Vorsitzende, Hofrath Dr. Claus (Wien), ist übrigens aus osteologischen Gründen mit den Deductionen nicht einverstanden. Dr. Reichenow referirte über den gedruckt vorgelegten (von ihm, v. Berlepsch, W. Blasius, A. B. Meyer und K. Möbiüs unter- zeichneten) Entwurf von Regeln für die zoologische Nomen- clatur. Für diese hat hienach das Prioritätsprincip die Grundlage zu bilden, die von Linne begründete binäre Nomenclatur soll bei- behalten werden, doch ist für Subspecien in gewissen Fällen ternäre Benennung zulässig. Über Berechtigung und Schreibweise der syste- matischen Namen und wie die Autornamen angewendet und ge- schrieben werden sollen, sind Sätze aufgestellt. Redner beantragt für den nächsten Congress fünf der bedeutendsten Museen mit Vor- schlägen der Correctur von unpassend erscheinenden Namen zu beauftragen. Ein schriftlicher Antrag von Sprengel (Giessen) und Brusina (Agram), bei von Eigennamen entlehnten Speciesbezeich- nungen nicht (nach nordamericanischem Muster) diese mit kleinem sondern, eben weil Eigennamen, mit grossem Anfangsbuchstaben zu — 42 — schreiben, wurde „aus Rücksicht auf die Einheithehkeit" bedauer- licher Weise abgelehnt. Hofrath Claus und Prof. Grobben (Wien) sprachen sich dagegen aus, dass bei den mit 3 Namen bezeichneten Subspecien der Autorname der Species in Wegfall komme; nach längerer Debatte, in der Sharpe, Ciiadbourne, A. B. Meyer und Reichenow aus „practischen Gründen" für die Beibehaltung jener Fassung sprachen, verblieb es (mit der Mehrheit von einer Stimme) bei derselben. Bei Durchberathung der vierzehn Paragraphen wurde der Entwurf mit wenigen Abänderungen angenommen. Der Vor- sitzende soll sich bezüghch des acceptirten Entwurfs mit der deut- schen Zoologischen Gesellschaft sowie mit der Commission des im Jahre 1892 in Moskau stattfindenden internationalen zoologischen Congresses in Verbindung setzen. Insofern bei einer endgiltigen Feststellung der Nomenclatur auch die übrige Zoologie und die Bo- tanik mitzusprechen haben, bestehen übrigens Zweifel, ob diese Be- schlüsse allgemein binden, durchweg in die Praxis übergehen werden. Dr. Lorenz von Liburnau legte ausserdem Vorschläge vor, wo- nach die festzustellenden Regeln betreffs der allgemein einzuführen- den internationalen Classification und Nomenclatur durch Vermittlung der Regierungen sowie der wissenschaftlichen Vereine und Lehranstalten weiteste Verbreitung finden sollen. Nach nordamericanischem IMuster möge ein Verzeichniss aller europäischen Vögel festgestellt und, wie in England, die Herausgabe einer „Handliste'' aller bisher bekannten Vögel angeregt werden. In den Specialverzeichnissen der Vögel einzelner Länder sollen die einheimischen Namen beigesetzt und in jeder Sprache ein einziger als allgemein giltig festgestellt werden. Zwischen diese Verhandlungen hinein in der zweiten der drei 18. und 19. Mai stattgehabten Sitzungen hielt Prof. Dr. Klug aus Kolocsvär Vortrag „Über die Verdauung der Vögel". II. Section für Biologie und Oologie. Prof. EiiiLE Oustalet verlas sein ausführliches Referat über Biologie in französischer Sprache und knüpfte hieran einige dreissig Fragen, welche zwar alle zur Discussion, grössten Theils aber nicht zur Entscheidung kamen, meist auch nur zu weiterer Forschung an- regen sollten. Nur bei zweien dieser Fragen habe ich mich be- theiligt. Ich habe diejenige, ob zwischen der Farbe von Dunen- und Alterskleid ein bestimmter Zusammenhang bestehe, verneinen zu sollen geglaubt. Die Möglichkeit, dass gewisse Vogelarten, im Bei- spielsfalle der Mauerläufer, die Hornscheide des Schnabels abzuwerfen — 43 — vermögen, etwa so wie die Tetraoniden die Fussnägel regelmässig abstossen, bestritt ich und deutete den erwähnten Fall dahin, dass nach den Beispielen abnormer Schnabelwucherung ein Abstossen doch nur dann stattfinden werde, wenn ein aussergewöhnliches Bedürfniss eintritt. Dr. R. Blasius, Dr. Euss, Dr. Fatio, Baron d'Hamonville und Dr. v. HoRväiH discutirten ohne entscheidendes Resultat länger über die Frage, „was ist die Ursache der verspäteten Entwicklung verschiedener Vögel ?"^ Auch beim Thema über die Gründe der ver- schiedenen Färbiings-Abnormitäten kam es zu keiner Entscheidung. Auf welche Weise die (bekanntlich abfärbende und auch oft auf die Eier sich übertragende) rothe Färbung der Unterseite des Bartgeiers entstehe, fand eingehende Besprechung; REISER-Sarajewo führte aus, dass jene Rostfarbe theilweise auf „physiologischem" Wege, d. h. innerhalb der Federn selbst, theilweise durch mechanische Auftragung von Aussen her geschehe; v. Csato und v. Buda nehmen nach ihren in Siebenbürgen gemachten Erfahrungen an, es handle sich um einen mechanischen Process, doch hebt der Erstere hervor, dass dort der Bartgeier nicht bade und an seinen Aufenthaltsorten für Wasser- bäder keine Gelegenheit habe. Fatio theilt die Ansichten Reisers und erinnert daran, dass aufgezogene Vögel jenen Anflug, wenn auch schwächer, ohne Bad in eisenhaltigem Wasser oder in sandigem Ocker bisweilen annehmen und Russ weist auf die durch Cayenne- pfeffer-Nahrung erzielte Röthung von Canarienvögeln hin. — Auch der „Morgenrothfarbe" am Unterleib der Sägerarten, die mit dem öligen Fett der Vögel in Verbindung steht, ist hier zU gedenken. Auf Anregung des Sectionsrath v. MäüAY wurden folgende Be- schlüsse gefasst: 1) Der Congress soll in den einzelnen Staaten eine Liste der nützlichen, schädlichen und indifferenten Vögel ausarbeiten lassen, 2) es soll an die Einzelstaaten das Ansuchen gestellt werden, Karten der grösseren Nistcolonien Europas ausarbeiten zu lassen. 0. Herman erklärt Ungarn für ein in dieser Hinsicht vortreffHch geeignetes Gebiet. Für Württemberg wird es wohl genügen , ein Verzeichniss der wenigen Reiherstände und Lachmövencolonien anzufertigen. Das ungarische wissenschaftliche Comite hatte ein Blatt aus- gegeben, welches als „Schema für biologische Bezeichnungen" fol- gende Eintheilung in ungarischer, französischer, englischer und deut- scher Fassung vorschlägt: „Zugvögel, Durchzügler, stellenweise über- — 44 — winternd, Colonist, Wiiitergast, acclimatisirt, Standvogel, ortwechselnd, Strichvogel, Zigeuner-Vagabund, Gast, Wanderer," je mit einem Bei- spiel und besonderen Zeichen (z. B. -=^-5^, A, 0, -|-) : „selten, ge- wöhnlich, in Colonien brütend" ist für die Fortpflanzung beigefügt. Der Bericht über die Oolugie war schon im Voraus an Prof. Dr. Rudolf Blasitis übertragen. Nach seinen Ausführungen bewegt sich die Ornitho-Oologie in ihren Arbeiten nach zwei Richtungen, nach der physiologisch-anatomischen und nach der systematisch be- schreibenden/ Im ersteren Falle nehmen die Einen (v. Nathusius) die Pjischale für ein von der Eizelle ausgehendes Gebilde an, die x\n- deren (Meckel v. Hemsbach, Landois, Blasius und die meisten Ana- tomen) als ein Secret von Eileiter und Uterus, beziehungsweise für mechanisch von den Drüsen derselben abgerissene Theile. Bei der Beschreibung der Eier kommen — so mit mir nachträglich verein- bart — in Betracht: 1) die Grösse, 2) die Gestalt, 3) die Textur (Korn und Poren), 4) die Färbung (Grundfarbe, Fleckung und Durch- scheinen), 5) das Gewicht. Mehr untergeordnet ist der Glanz. Die Anzahl der Eier im Gelege berührt mehr die Fortpflanzung im Ganzen als die Ei-Beschreibung, obgleich allerdings die grössere oder ge- ringere Anzahl der jedesmaligen Eier häufig auf die relative Grösse von Einfluss ist. Auf die Form der Eier legt Blasius ein besonderes Gewicht ; sie bestimmt sich nach der Länge des Längendurchmessers, des Queerdurchmessers und der „Dopphöhe", d. h. des Längendurch- messersegments vom dickeren Pol bis dahin wo die grösste Breite schneidet. Da diese Messungen am Original nicht so genau abzu- nehmen seien wie an Photographien, hat Blasius Tausende von solchen hergestellt aus sämmtlichen Vogelfamilien und fast von allen euro- päischen Arten. Die Verhältnisszahlen der „Dopphöhe" zum Längs- und Queerdurchmesser wurden überall ausgerechnet; sie geben in Zahlen ein Bild der Eiform und zeigen die Verschiedenheiten der einzelnen Familien und Arten, sowie die Übereinstimmung der Form bei ein und derselben Art. Die ganze mühevolle Arbeit wurde dem ungarischen Congress-Comite zur Verfügung gestellt. Zum Schluss sprach Vortragender noch über Ornitho-„Nidologie" (Bastardwort aus zweierlei Sprachen, richtiger Neottiologie) , über die verschiedenen Formen der Nester, ihre Bestandtheile, Standorte u. s. w., wobei auch die Bebrütungszeit und die Fütterung der Jungen berührt wurden. Baron ALADaR von Wildbürg hielt sodann Vortrag „Über die Vogel weit im Comitat Bihar", an welchen sich Mittheilungen von Prof. Dr. ,1. Talsky (Neutitschein-Mähren) über die Lebensweise — 45 — der Vögel und von 0. Reiser über das Nisten der Adler in Bosnien anknüpften. Endlich sprach noch Dr. Russ, Herausgeber der „Ge- hederten Welt", „Über die Nest- und Jugendklei der in der Gefangenschaft gezüchteter fremdländischer Vögel" (nebst Angaben über Nestbau, Eier, Verfärbung und Geschlechtsver- schiedenheiten). III. Section für A vigeographi e * und Migration. Den Vorsitz führte Prof. Dr. Palacky (Prag). Zuerst kam das „Referat über den Stand der Kenntniss des Vogelzugs" von Prof, Dr. Palmen iji Helsingfors, der zu erscheinen verhindert war, zur Verlesung. Verfasser giebt zuerst geschichtlichen Überblick über das seit LiNNE durch Kessler, A. v. Miüdendorff , E. F. von Homeyer, R. Blasius, Reichenow, Gätke, die Engländer und Amerikaner, Severtzow, V. Menzbier, ihn selbst, Pleske u. A. in dieser Richtung Geleistete. Aviphaenologie (mit Beiziehung der Meteorologie) und Avifaunistik werden einander gegenübergestellt. Er hat die Zugstrassen in „pela- gicae, litorales, palustres", Menzkier (Moskau) in „marinae-litorales, continentales et submarinae-litorales" eingetheilt, in beiden Fällen mit verschiedenen ünterabtheilungen. Da oro-hydrographische Um- stände mitwirken und die Verhältnisse im westlichen und centralen Europa öfters andere sind als im östlichen palaearctischen Gebiet, können bei der Einzelart die characterisirenden Bezeichnungen manch- mal sich ändern, z. B. pelagische oder marino-litorale Vögel sub- marino-fluvio-Iacustres in ihrem Zug werden. Menzbier hat für Russland acht Heerstrassen aufgestellt, für den europäischen Theil via norvegica, baltica, pontica, caspia, für den Osten via sibirica, turkestanica, transcaspia, anatolica, welche continentalen, meist sehr weiten Wege Palmen anzweifelt. Terrain und Bedingungen des Nah- rungserwerbs genügen nicht immer, vielmehr bezeichnen die Zug- strassen häufig den Weg, längs welchem die Verbreitung der Vogel- art ursprünglich stattgefunden hat. Die Existenz geographisch be- stimmter Zugstrassen für die Einzelarten wird immer mehr anerkannt und es handelt sich für die Beobachtung um zwei Methoden , ent- weder um die Untersuchung und kartographische Wiedergabe der Zugstrassen aller Vogelarten eines gemeinsamen Gebiets , oder um die monographische Behandlung der einzelnen Vogelart in möglichst grosser geographischer Umfassung. Im ersten Falle ist die Controle eine sicherere, im zweiten kann die Zugstrasse als Ganzes erschöpfen- * richtiger Ornithogeographie. — 46 — der beurtheilt werden. Jedenfalls sind stets alle Thatsachen aus welchen die Resultate geschöpft sind , zu verzeichnen ; schablonen- mässige Anweisung kann nicht gegeben werden. Palacky hielt mit Zuhilfenahme einer eigenen Karte Vortrag über die Wanderung der Vögel. Den Grund von dieser sucht er in der geologischen Vergangenheit der Erde. Allerdings gebe es zufällige und kleinere Wanderungen, hervorgerufen durch Dürre und hieraus entstehenden Futtermangel, so von Centralasien nach Per- sien (z. B. das Fausthuhn, Synliapfcs paradoxus Pall.) , in Neusee- land gegen Süden. Die ständigen grossen Wanderungen der ge- mässigten Zonen (im Süden der neuen Welt in Brasilien und Ar- gentinien bis Patagonien) stammen aus der Eiszeit, beziehungsweise von der patagonischen Fluth ; Ostasien , Böhmen , Mittelmeergebiet u s. w. haben mitgelitten, obgleich sie nur durch die consecutive Abkühlung betroffen wurden. Die im Miocaen im Nordgebiet vor- handenen Vögel mussten grösstentheils während der Kälteperiode nach Süden ausweichen und kehrten nach deren Ablauf Sommers zurück. Palacky nimmt drei Hauptströme des Vogelzugs an: 1) von Nordamerica nach Mexico, den Antillen, Central- und nördliches Südamerica; 2) von Ostasien aus Sibirien, Nordchina, Japan nach Hinterindien, den Sunda-Inseln und Australien, beim sommerlichen Rückzug bis Westsibirien fächerförmig sich ausbreitend ; 3) west- licher, palaearctischer Strom, der in vier grosse Hauptzüge ausein- ander geht, a. den französisch-spanischen über Marocco landeinwärts, b. den centraleuropäischen von Schweden über Italien in die Ber- berei, e. den osteuropäischen von Russland über die Balkanhalbinsel, Kleinasien, Syrien bis Abyssinien und Persien, d. den westasiatischen von Indien bis Sibirien über Turan und Turkestan. Während die eigentlich tropischen Vögel nicht wandern, erreichen die nordischen Abzügler manchmal das Cap d. g. H., Madagascar, Nordwestindien. Da Himalaya, Alpen u. s. w. jünger sind als der Wandertrieb, sind sie kein geologisches Hinderniss. Ob die ungarischen Vögel nicht theilweise vom schwarzen Meer kommen, sei wie die ganze Strassen- frage noch nicht spruchreif. R. Blasius widersprach; auch 0. Her- WAN, dessen Vortrag über die Zugvögel Ungarns oben bereits er- wähnt ist, betheiligte sich an der Debatte. Dr. VON Lorenz hatte bezüglich der Beobachtungsstationen und Zugstrassen Vorschläge (in 9 Ziffern) vorgelegt. Hienach wären mit d. J. 1894 in zehnjährigem Abschluss die regelmässigen orni- — 47 — thologischen Beobachtungen vorerst zu sistiren , wobei in den drei nächsten Jahren dem Vogelzug ganz besondere Aufmerksamkeit zu- zuwenden wäre ; in einheithchem Schema mit gleichartig rubricirten Beobachtungsbüchern würde das Facit zu ziehen und in Form von Tabellen zu veröffentlichen sein. Regierungen, Vereine und Private sollen die Mittel beitragen für einen einzigen internationalen Fonds zu Beschickung und Erhaltung der wichtigsten (namentlich der End-) Stationen. Diese Vorschläge wurden zu Protocoll genommen und dem permanenten Comite zur Kenntnissnahme übermittelt. Ein italienisches Pieferat von Prof. E. H. Giglioli (Florenz) über Avigeographie wurde vom Vorsitzenden verdeutscht und nebst einem solchen von J. Büttikofer (Leyden) dem Protocoll beigefügt. In der zweiten der beiden Sitzungen , auf welche das Ange- führte sich vertheilt, hielt Dr. Reichenow Vortrag „Über die Ver- breitung der Vögel". IV. Section Ornithologia oeconomica. Diese behandelte die Vogelschutzfrage. Den Vorsitz führte A. von Homeyer, K. preuss. Major a. D. (Greifswald), ungarischer Obmann war Feldmarschall-Lieutenant Bela VON GiiYCZY. Es lagen drei gedruckte Anträge vor: I. Referat über den Vogelschutz von Dr. Tu. Liebe und J. von WaNCtELIN. II. Vorschläge betreffs wirksameren Vogelschutzes vom Delegirten- Comite des ornithologischen Vereins in Wien, in. Referat über den internationalen Schutz der für die Boden- cultur nützlichen Vögel von Isidor Muday, Sectionsrath im K. Ungar. Ministerium für Ackerbau. Das LiEBE-WANGELiN'sche Referat beleuchtet eingehend alle zur- zeit geltenden Bestimmungen. Österreich theilt es hiebei in drei Gruppen, für welche besondere, unter sich abweichende Gesetzes- vorschriften bestehen; hierauf werden Preussen, Bayern, Württem- berg , Sachsen , Baden , Hessen nach ihren dort giltigen Schutz- bestimmungen und endlich solche der Schweiz, Belgiens, Hollands, von Grossbritannien und Irland, Norwegens vorgeführt. In schönen, zu beherzigenden Worten wird auf die engen Beziehungen zwischen den verschiedenartigen Lebewesen zu einander und ihr gegenseitiges Sichergänzen hingewiesen und die tyrannisirende Menschheit ermahnt, die Natur als Inbegriff des cosmisch Schönen nicht muthwillig zu verstümmeln oder zu vernichten, sie vielmehr, soweit es der Kampf — 48 — nm's Dasein gestattet, in ihrer Unverseln-theit zu erhalten. Diess könne nur geschehen durch Veranlassung offizieller Maassregeln oder durch Gründung von Schutz-Vereinigungen auf privatem , belehren- dem Wege. Allgemeine, internationale Bestimmungen sollten nicht zu eng gefasst, nicht zu specialisirt sein, um den besonderen Verhältnissen der einzelnen Länder Rechnung tragen zu können (ohne welche Rücksicht alles nur auf dem Papier stünde). Zwar sei das Abkommen vom 5. November 1878 verbesserungsfähig, da verschiedene Bestimmungen zu specialisirt, andere nur für ein klei- neres Landesgebiet angemessen und allgemeine Sätze vermisst seien, allein die allgemeine Anerkennung dieser Vereinbarung wäre doch als ein grosser Fortschritt zu bezeichnen und demgemäss wird der Antrag gestellt, der diessmalige Congress möge sich zu jenen Prin- cipien abermals bekennen. Forstmeister Jacori von Wangelix, als Mitverfasser, besprach zwar das wichtige Schriftstück, zog es aber, weil es sich mit jenem deckte, zu Gunsten des MäoAY'schen An- trags zurück. Schon lange früher war vom K. K. Ackerbauministerium ein Gutachten über die Reform der österreichischen Vogelschutzgesetze vom Wiener Ornithologenverein eingefordert worden , worauf dieser (Mittheilungen des Ausschusses an die Mitglieder, Nr. 5, 5. Jänner 1877) einen sorgfältig ausgearbeiteten Gesetzesentwurf in 16 Para- graphen nebst Motiven aufgestellt hatte. Die Vorschläge dieses Vereins, mündlich vertreten durch Fritz Zeller, gipfelten jetzt nur noch in dem Doppel-Antrag : 1. Das Fangen und Tödten nützlicher Vögel zu Speisezwecken ist zu jeder Zeit verboten, mithin hat auch das Fangen der Krammets- vögel zu unterbleiben und ist dieses Verbot ausser in die Jagdschutz- auch in die Vogelschutz-Gesetze aufzunehmen. 2. Das Sammeln von Kiebitzeiern soll, wenn schon nicht gänzlich, so doch auf die Dauer von drei Jahren verboten werden. Auch dieser Antrag wurde schliess- lich zu Gunsten des nächstfolgenden Referats zurückgezogen. Sectionsrath von MaDAY hatte seinen Bericht im Auftrag des permanenten internationalen Comite , zugleich aber auch als Ver- treter der K. ungarischen Regierung verfasst. Den Schwerpunkt logt er auf den Schutz der für die Bodencultur nützlichen Vögel ,,um die Ansprüche der Fachwissenschaft Ornithologie mit den Inter- essen der Administration in Übereinstimmung zu bringen". Der sehr zu beachtende Lihalt ist im Auszug folgender. Das Präsidium der 26. Versammlung deutscher Land- und Forst- — 49 — wirthe hatte i. J. 1868 an das österreichisch-ungarische Ministerium des Äussern die Bitte gerichtet, die Monarchie möge mit den fremden Staaten Verträge zum Schutz der für Land- und Forstwirthschaft nütz- lichen Thiere abschUessen. Die betreffenden Ressortminister glaubten die Frage auf den Schutz der für die Bodencultur nützlichen Vögel beschränken zu sollen und in dieser Richtung bei den auswärtigen Re- gierungen zu wirken, wurden die diplomatischen Vertreter veranlasst. Italien und Schweiz (diese besonders wegen des Cantons Tessin) kamen in Anbetracht der dort zu Küchenzwecken massenhaft betriebenen Klein vögel-Erlegung zuerst in Frage. Bereits im März 18(39 sprach die italienische Regierung ihre principielle Zustimmung aus und gleich- zeitig kam der schweizerische Bundesrath entgegen , indem er die nüthigen Abhilfen in Aussicht stellte sobald Italien gleichfalls ent- sprechende Verfügungen treffe. Auch Frankreich zeigte sich günstig, betonte jedoch, dass vor Allem der Schutz der nützlichen Vögel in Italien, Spanien und Schweiz gesichert werden müsse. So erschien allerdings eine principielle Zustimmung jener hiebei so wichtigen südlicheren Staaten gesichert, bezüglich weiteren Vorgehens aber waren die betreffenden K. und K. Ministerien der Anschauung, dass internationale „Staats vertrage" zu schwerfällige Verhandlungen erheischen und unbedeutende Details die Lösung der ganzen An- gelegenheit erheblich verschleppen, wenn nicht völlig vereiteln wür- den. Es wurde deshalb nur eine „Convention" (mit weiterer Fas- sung) in Aussicht genommen. Der schweizerische Bundesrath brachte eine solche i. J. 1872 in Vorschlag, und da es Vorbedingung sein musste , seitens der italienischen Regierung Garantien dafür zu ge- winnen , dass die dort obwaltenden Hindernisse beseitigt werden, wurde v. Frauenfeld, Custos des Wiener Hofcabinets, nach Florenz entsendet. Sechs Puncte wurden von ihm und Prof. Tozetti-Targioni stipulirt. In der nachher mit dem österreichischen Ackerbaumini- sterium und dem ungarischen Ministerium des Äussern vereinbarten Modification lauten sie also : Art. I. Das Fangen und Tödten der schädlichen Vögel ist zu jeder Zeit gestattet. Alle übrigen Vögel dürfen in der Zeit vom 1. März bis 15. September weder gefangen noch getödtet werden. x\rt. IL Die Zerstörung der Nester und Eier aller wildlebender Vö- gel, mit Ausnahme der schädlichen (Art. I) ist untersagt. Art. III. Das Fangen der Vögel mit Schlingen (au lacet). Schnellbögen (au largon). Fallen (au trebuchet), grossen permanenten Netzen, wie z. B. mit dem Rocolo, Raganja, Decknetzen (paretagi), insbesondere Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1892. 4 — 50 — mit den Netzen zum Waclitelfang. dann Leim (a la glu) sowohl mit als ohne „Wichtel" (chouette) ist verboten. Art. IV. Auch bei dem Vogelfänge mit erlaubten Vorrichtungen ist die Anwendung von insectenfressenden Lockvögeln nicht gestattet. Art. V. Für wissen- schaftliche Zwecke werden bezüglich des Fangens oder Tödtens der Vögel gewise Ausnahmen von den allgemeinen Bestimmungen auf besonderes Einschreiten gestattet. Art. VL Während der für das Fangen und Tödten der Vögel „untersagten Zeit" ist der Verkauf von lebenden oder todten Vögeln verboten. Trotz wohlwollendem Verhalten war die italienische Regierung nicht im Stande, die Schwierigkeiten, namentlich den Widerstand gegen das Verbot der Benutzung grosser Netze zu bewältigen. Auf dem internationalen land- und forstwirthschaftlichen Con- gress in Wien i. J. 1873 war Dr. von Tschitdi, Delegirter des schweize- rischen Bundesraths, Referent in der Vogelschutzfrage ; nach längeren Debatten unter dem Präsidium des Ackerbauministers v. Chlumetzky beschloss jener Congress, die K. K. Regierung zu ersuchen, sie möge durch internationale Verträge mit allen Staaten Europa's den Schutz der für die Bodencultur nützlichen Vögel sichern, unter Zugrund- legung nachstehender Punctation. 1. Das Fangen und Tödten der insectenfressenden Vögel ist unbedingt verboten. 2. Es ist wünschens- werth. dass ein specielles Verzeichniss der zu schonenden Vögel durch eine internationale Commission von Sachverständigen ausgearbeitet werde. 3. Der Fang der grösstentheils Körner fressenden Vögel ist ausser der vom 1. März bis 15. September währenden Schonzeit gestattet. 4. Der Vogelfang mit Schlingen und Fallen irgend einer Art, ebenso mit Leim ist gänzlich verboten. 5. Das Ausnehmen der Eier und Jungen, sowie das Zerstören der Nester aller Vögel — ausgenommen jener der schädlichen — ist verboten ; die Zusammen- stellung eines Verzeichnisses dieser schädlichen Vögel soll ebenfalls durch die vorgenannte Commission erfolgen. 6. Das Feilbieten von lebenden oder todten insectenfressenden Vögeln ist jederzeit ver- boten, ebensowie" der Verkauf der übrigen Arten während der Schon- zeit ; das Verbot bezieht sich auch auf den Verkauf von Nestern und Eiern der erwähnten Vögel. 7. Ausnahmen von vorstehenden Be- stimmungen zu rein wissenschaftlichen Zwecken können jederzeit zugestanden werden. Auf dieser Grundlage kam — Budapest-Rom 5.; 29. November 1875 — eine Vereinbarung („Declaration'") in neun Artikeln mit Italien zu Stande, welcher nachher, um die Verhandlungen mit den — 51 — andern Staaten auf dieser neuen Grundlage zu beginnen, ein erläu- terndes Protokoll beigefügt wurde. In Art. II, lit. a^ — f des (fran- zösischen) Actenstücks werden die verbotenen Fangmethoden speci- fizirt: bei Nacht, im Schnee, an Quellen, mit narkotischen Mitteln, Schlingen, Fallen, Kloben (archets), Dalmatiner „plocke"', der italie- nischen ..lanciaxera" für den Lerchenfang und allen transportalDeln Erd- oder Strauchnetzen, besonders der „parexella". Es wurden nun seitens des K. K. Ministeriums des Auswärtigen im folgenden Jahre zuerst mit Deutschland und Frankreich, dann mit der Schweiz, Belgien, Holland, Russland, Spanien, Griechenland Ver- handlungen angeknüpft, die aber bei der zumeist reservirten Stellungs- nahme jener Staaten einen überaus langsamen Verlauf annahmen und ,,in der Schwebe blieben". Der 1884 in V^ien tagende I. Orni- thologencongress beschloss schliesslich nach längeren Berathungen, an den K. und K. Minister des kaiserlichen Hauses und des Äussern die Bitte zu stellen , es mögen Schritte geschehen , dass auf dem Wege gegenseitiger Vereinbarung unter den „Staaten der Erde" ge- setzliche Bestimmungen angestrebt werden, nach welchen T. Das Erlegen der Vögel in anderer Weise als mittelst der Schusswaffe, der Fang derselben und der Handel mit Vögeln und Eiern ohne gesetzliche Erlaubniss während der ersten Hälfte des Kalenderjahrs, beziehungsweise des demselben ent- sprechenden Zeitabschnitts und IL der Massenfang der Vögel zu jeder Zeit verboten sei. Natürlich ist diess so allgemein gehalten, um durch Rücksicht- nahme auf die Eigenthümlichkeiten der verschiedenen Länder ein inter- nationales Abkommen überhaupt zu ermöglichen. Sectionsrath von MäüAY vergleicht nun diesen Beschluss mit den Punctationen der zwischen Österreich-Ungarn und Italien getroffenen „Declaration". Alles hier Gewünschte sei in jener enthalten und sie gehe darin noch weiter, dass sie den Schutz der Vogelbruten sowie diejenigen Vögel besonders berücksichtigen will, die für die Jagd von Bedeutung sind, sowie darin, dass die Conventionsstaaten ihre Verfügungen sich gegenseitig mittheilen und weitere Staaten zum Beitritt veranlassen sollen. Sein Namens der K. ungarischen Regierung unterbreiteter Antrag lautete also : „Der IL ornithologische Congress stellt an den K. ung. Minister für Ackerbau die Bitte, dass er — im Einvernehmen mit dem K. K. österr. Ackerbauminister und im Wege des K. u. K. österr.-unga- rischen gemeinsamen Ministerium des Äussern — die nothwendigen — 52 — Schritte zu dem Behiife einleiten möge, dass im Interesse des Schutzes der für die Bodencultur nützlichen Vögel mit allen jenen Staaten, die in dieser Beziehung in Betracht gezogen werden können — ein internationales Übereinkommen zustandegebracht werde." „Als Grundlage der diessbezüglich bereits begonnenen Verhand- lungen acceptirt der II. internationale ornithologische Congress jene Principien, denen in der zwischen Italien einerseits und zwischen Österreich-Ungarn andererseits zustandegekommenen, am 29. Nov. 1875 in Rom und am 5. November in Budapest unterschriebene „Declaration" Ausdruck gegeben wurde. Den Text des über die Annahme dieser Declaration auszustellenden „Protocole" — den das K. u. K. österreichisch-ungarische Ministerium des Äussern zu diesem Behufe i. J. 1876 in Vorschlag gebracht hatte — hält dieser Con- gress für geeignet dazu, um das Beitreten der einzelnen Staaten zu erwirken." Referent bat wiederholt und dringend , der ungarischen Re- gierung, welche auf die Annahme in dieser Formulirung den höchsten Werth lege, ihre Stellungsnahme durch Abänderungen und weiter- gehende Zusätze nicht zu erschweren und glaubte die Versicherung geben zu können, dass nicht allein die Regierung Ungarns sondern auch diejenige Italiens ihr Möglichstes thun werde für das Zustande- kommen einer Convention nach diesen Grundsätzen. Dem entgegen hat Dr. Russ („im Namen von 17 deutschen Vereinen" , für welche er gerne 17 weitere Stimmen geführt hätte) den schriftlichen Sonderantrag eingebracht: 1. Im internationalen Interesse liegt es, für alle nützlichen Vögel die Zeit der Brut als Schonzeit festzusetzen. 2. Jeder Massen- fang von kleinen nützlichen Vögeln für Nahrungs- und Putzzwecke ist verboten. 3. Geschossene oder sonstwie erlegte kleine nützliche Vögel dürfen nicht verkauft werden. Seine Ausführungen sind in der „gefiederten Weif' (beginnend mit Nr. 24, 11. Juni 1891) des Langen und Breiten zu finden. Auch Prof. Fatio gieng der ungarische Antrag nicht weit genug und er sprach gegen den Massenfang überhaupt, insbesondere aber in An- betracht der grossen Abnahme der Wachteln gegen „la capture en masse des cailles", was seine volle Berechtigung hat. wenn man aus den MaDAY'schen Ausführungen neben anderen Barbareien er- sieht, dass laut amtlichen F^rhebungen von 1887 — -90 über drei Mil- lionen vierhundertfünfundachtzig Tausend Wachteln nur aus Ägypten nach Frankreich und England lebend ausgeführt wurden, von denen — 53 — etwa 24'*/^^ unterwegs zu Grunde gehen. Zu Hause eine Vogelart zu schützen, während der Wanderzeit sie aber von auswärts zum Verspeisen zu beziehen, hält Redner weder für logisch noch für hu- man. Gegen den Krammetsvogelfang sprach auch von Homeyer raiss- billigend sich aus. B. Tischer (Augsburg) hielt weitgehenden Vogel- schutz schon wegen des gegenwärtig in Schwaben herrschenden Frasses der Nonnenraupe (Liparis monaclta) für dringend geboten und führte eine Reihe von Vogelarten an. bei denen der ornitholo- gische Verein seiner Vaterstadt günstige Ernährungsversuche mit Nonnenräupchen angestellt hat. Im weiteren Verlauf der Verhand- lungen wünschte Ebenderselbe Vorkehrungen gegen den massenhaften Selbstmord der Zugvögel durch Anfliegen an Leuchtthürme und ähn- liche Apparate. So sehr auch das Wohlwollende in diesem Wunsch anzuerkennen war, so scheint es doch schwierig, gerade hier gründ- lich abzuhelfen. Einigen practischen Ornithologen dürfte, w^enigstens zur Zeit, die Frage nicht ganz bequem gekommen sein , da gerade gegenwärtig (vergl. Ornis: „Blasius, Übersicht der an Leuchtthürmen von Deutschland zu Grund gegangenen Vögel") die Leuchtthürme die wichtigsten Beobachtungsstationen für den Vogelzug bilden. Be- züglich der Nonne, ihres Auftretens und ihrer Vertilgung erwiderte vom forstlichen Standpunct aus von Wangelin klar und scharf. Ausser den Herrn Baron Berg, von Wolfersdorff , Prof. Talsky (Neutitschein). A. Löcherer (Pest) habe auch ich mich an den De- batten betheiligt. Als meine rein persönliche Anschauung bemerkte ich, ich be- finde mich nicht in der Lage , einen scharfen Unterschied zwischen nützlichen und schädlichen Vögeln machen zu können, da diese Be- griffe sehr relativer Art seien und nach Berufsarten und nach Ort- lichkeit sich oft recht verschieden auslegen lassen. Jedes Geschöpf habe seine eben durch die Existenz bewiesene Existenzberechtigung; allerdings sei der Mensch, und zwar gleichfalls auf Grund seiner Da- seinsberechtigung, befugt, sich der Nebengeschöpfe zu erwehren oder sie sich nutzbar zu machen ; er habe aber als Gegenleistung die moralische Pflicht sie da zu schützen, wo sie indifferent sind, ihm nicht unbedingt oder erheblich schaden, oder wo sie evident nützen. Die völlige Ausrottung selbst einer entschieden schädlichen Art er- scheine vom naturwissenschaftlichen Standpunkt, welcher die „Er- haltung der Art" zu begünstigen hat, verwerflich (Beistimmung!). Berichtigend bezeichnete ich es als einen Irrthum, wenn wiederholt von einem Vogelschutz- Gesetz für das Königreich Württemberg — 54 — gesprochen wurde. Württemberg habe stets nur eine „K. Verordnung betr. den Schutz der Vogel" gehabt, welche alljährhch durch die behördlichen Organe in Erinnerung gebracht wurde und durch weit- gehendes Wohlwollen gegen die Vogelwelt sich auszeichnete. An ihre Stelle sei, zunächst veranlasst durch das Reichsgesetz vom 22. März 1888, jetzt eine Ministerialverfügung (7. Oct. 1890) getreten, deren Bestimmungen bei eintretendem Bedürfniss leichter geändert oder ergänzt werden können, also jederzeit verbesserungsfällig seien. Insoferne aber das genannte Reichs-Vogelschutzgesetz die un- bedingt zu schützenden Vögel nicht verzeichnet und die landes- rechtlichen Bestimmungen über weitergehende Verbote unberührt gelassen sind, wurde aufs Neue durch K. Ministerialverfügung der Krammetsvogelfang für jede Zeit verboten („Bravo!"), wie man sich auch im Rahmen des Reichsgesetzes befindet, wenn man Schutz- maassregeln auf bestimmte Termine oder für bestimmte Localitäten anordnet, z. B. den Kleinvogelfang auf 8 Jahre oder das Sammeln von Kiebitz- und Möveneiern für ein gewisses Gebiet (im wttrttem- bergischen Falle für Oberschwaben, d. h. den Donaukreis) untersagt. Der württembergischen Forstdirection sei besonders daran gelegen, dass einheitlich gegen den Massen fang vorgegangen werde. Besonders wichtig für den Vogelschutz erscheine mir übrigens, solche Aufenthaltsorte der Vögel unter Schutz zu stellen, welche diesen ihre Existenzbedingungen bieten. Bezüglich einer Beschlussfassung machte ich den Vermittlungsvorschlag, dem Antrag Miiday stricte zuzustim- men, jedoch „unter Ausdruck des Bedauerns, dass aus Opportunitäts- gründen zur Zeit nicht weiter gegangen werden kann und unter der Voraussetzung, es mögen Schritte gegen den Massenfang namentlich der Drosselarten auch ferner nicht ausser Augen gelassen werden." Ich glaube hiemit den Intentionen der K. württ. Forstdirection, so wie ich sie schriftlich ausgesprochen kenne, am nächsten gekom- men zu sein. Ausserdem wollte ich weitere zu Nichts führende Nör- geleien abschneiden und in guter Form die Verbesserungsfähigkeit des Antrags andeuten, ohne der ungarischen Regierung rratzlose Schwie- rigkeiten zu bereiten. Einer Discussion kam aber Sectionsrath Mhuay zuvor, indem er nun selbst ganz unerwartet den Antrag auf folgenden Zusatz stellte : „Der Congress verleiht weiterhin dem Wunsche Ausdruck, dass das massenhafte Einfangen der Vögel und insbesondere der nützlichen und jagdbaren, auch in Zukunft verboten und dass dieses Verbot mit dem Verbote des Verkaufs solcher gefangener Vögel ergänzt werde.'' — 55 — Hiemit schien mir das Wünschenswerthe erreicht und mit 19 gegen 9 Stimmen wurde in dieser erweiterten Fassung der MaoAY'sche Entwurf angenommen. Ausser den wissenschafthchen Sectionen waren Specialcomi- tes gebildet mit der Aufgabe, die verschiedenseitige Thätigkeit des ständigen internationalen Comite zu prüfen. Das Specialcomite zur Prüfung der „Cassengebahrung^^ (v. TsCHUSI-ScHMmHOFFEN, R. BlASIÜS, V. MlDDENDORFF, FiNSCH, MeYER, V. Xantus) konnte zwar die Rechnung, soweit sie vom Vorstand Prof. Dr. R. Blasius zu stellen war. durchaus anerkennen. Bei einem die meisten Gelder verwaltenden „Secretär" in Wien war dagegen die Rechnungsführung keineswegs irgendwie in Ordnung ; viele und lange Sitzungen waren deshalb abzuhalten, welche die mit der Untersuchung Betrauten fast über die ganze Congresszeit in peinlicher Weise hin- hielten. Tadel nebst Hinweis auf die Verantworthchkeit für das Nicht- liquidirte kam in der Schlusssitzung in möglichst rücksichtsvoller Form vor das Plenum. Zum Schatzmeister des permanenten Comite wurde nun Baron d"Hamonville („JMembre du conseil general de Meurthe et Moselle, Chateau de Manonville par Noviant-aux-pres") ernannt, wie auch bereits Prof. Oustalet (Paris) in Anbetracht der nächsten Tagung in Frankreich zum Präsidenten des internationalen Comite erwählt worden war. Für Deutschland seine Functionen weiter zu führen, wurde auf Veranlassung der französischen Herren Prof. Dr. R. Blasius beauftragt. Das Specialcomite zur Prüfung der literarischen Thätig- keit (Vorsitzender Koenig-Warthausen, Obmann Vicegespan v. CsäT(j- Siebenbürgen , Secretär BüCHNER-St. Petersburg) hatte angenehmere Arbeit, indem es den in der von R. Blasius redigirten „Orni&" nieder- gelegten Leistungen volle Anerkennung zollen konnte und nur zu bedenken gab, ob nicht in Zukunft Themata von nicht entschieden ausgesprochenem „internationalem" Interesse, welche für andere Fach- schriften besser passen, in Wegfall kommen könnten. Den schrift- lichen Bericht habe ich, ebenfalls in der Schlusssitzung, vorgetragen. Ein drittes Specialcomite (Referent Hofrath Dr. A. B. Meyer, Obmann Dr. Geza von HoRvaTii) hatte eine künftige Organisation des permanenten internationalen Comite zu berathen. Einen gedruckten Bericht hatte Referent übergeben. Nach seinen Vorschlägen sollte sich dieses Comite aus „Gönnern" mit 600 frcs. Anzahlung, zu wählenden „Mitgliedern" mit 20 frcs. Beitrag und „Beobachtern" (correspondirenden Mitgliedern) zusammensetzen, welch' — 56 — letztere als Vergütung ihrer periodischen Berichterstattung die Publi- cationen zum halben Preis "erhalten. Die Direction soll in den Händen des „Protectors", des Präsidenten als „intellectuellen^" Leiters, des geschäftsführenden Secretärs und des Cassiers liegen. In der „engeren" Centralcommission haben 21 europäische Staaten (dabei z. B. Monaco gleichwerthig mit den Grossstaaten) sowie die V. St. von Nordamerica je eine Stimme ; fernere 24 Stimmen der „weiteren" Commission sollen für ebensoviele aussereuropäische Staaten und Colonien be- stimmt sein. Statt der seitherigen „Ornis" werden .,Bulletins" aus- gegeben ; Congresse sollen alle vier Jahre stattfinden. Zur Annahme ist diese Ausarbeitung nicht gekommen. Im Obigen habe ich nach bestem Wissen die Verhandlungen wiedergegeben, soweit ich ihnen zu folgen im Stande war oder aus den vorbereitenden Schriften und den provisorisch gedruckten No- tizen es entnehmen konnte. Die ausführlichen Protocolle liegen noch, nicht vor und die schlechte Akustik des Saals Hess mich bei Plenar- sitzungen nicht etwa bloss französische — der Präsident und auch der ungarische Generalsecretär bedienten sich stets dieser Sprache — sondern auch deutsche Reden manchmal nur recht mühsam verstehen. Bei einem Rückblick auf diesen Congress drängen sich die Fragen auf. was derselbe überhaupt geleistet habe, was fernere internationale Ornithologen-Congresse etwa leisten werden und in wie weit es sich em- pfehle, dass die leitenden Organe der Einzelstaaten sich betheiligen, sei es durch Geldbeiträge, sei es durch Entsendung von Delegirten. Diese Fragen, wenn unparteiisch betrachtet, beantworten sich nicht so leicht. Vom internationalen, d. h. demjenigen Standpuncte aus. an welchem alle Culturstaaten und die Völker der ganzen gebildeten W^elt ein Interesse haben, kommen zwei Gesichtspuncte in Betracht, der naturwissenschaftliche und der vo Iks wir thsc haft- lich e, beziehungsweise der theoretische und der practische. Nur mit gegenseitigem Austausch der eingehendsten Beobachtungen, wie die moderne, weit ausschauende Naturforschung sie gebieterisch ver- langt, kann wissenschaftlich irgend Etwas geleistet werden. Die Feststellung der verschiedenen ornithologischen Gebiete in ihrer Be- grenzung und in ihrem Ineinandergreifen , die gegenseitigen Zug- strassen der Vögel, Abweichungen von diesen, die durch parallele Arten sich characterisirenden Beziehungen zwischen den Vogelfaunen verschiedener Zonen und Continente, die Rassenverschiedenheiten (Varietäten, Subspecien) ein und derselben Art an verschiedenen — 57 — Wohnorten u. s. f. sind ein zu dringender Aufgabe gestelltes Studium der Neuzeit, welche sich nicht mehr ausschliesslich mit der Be- schreibung neuer Arten oder mit localem Hocuspocus beschäftigt. Volkswirthschaftlich ist bei der meist enormen Abnahme der Vögel, welche zur Abnahme ihrer Daseinsbedingungen, beziehungsweise zur Zunahme der menschlichen Bevölkerung und Cultur in genauer Be- ziehung steht, die Vogelschutzfrage eine brennende geworden. Schon um die „nützlichen oder indifferenten" Vögel zu erhalten oder um die jagdlich nutzbaren vor dem Untergang zu bewahren und dem Menschen die Freude am Vogelsang und an der Natur nicht zu ver- kümmern, aber auch vom Standpuncte der Moral, welche der Volks- Verrohung zu steuern hat, ist es für den Staat Pflicht, mitzuhelfen. Dass der jüngst abgelaufene Congress keine „glänzenden" Er- gebnisse zu verzeichnen hat. erhellt aus dem erstatteten Bericht und war vorauszusehen. Verschiedenartige Interessen, auseinandergehende Meinungen, übergrosser Stoff für überkleinen Termin sind die Haupt- ursache. Die Verhandlungen sind natürlich im grossen Ganzen schon vorbereitet und kaum reicht die Zeit, die offiziell mit Vorträgen be- trauten Redner anzuhören oder Berichte zu studiren, welche erst an Ort und Stelle ausgegeben werden : nicht vorher angemeldete Redner, wenn sie sich nicht rücksichtslos vordrängen, können nur sparsam und für kürzeste Zeit zum Wort kommen. Verlorene Zeit war es aber doch nicht. Alte Fragen wurden anregend aufgefrischt, neue kamen hinzu, eine bessere Organisation wurde geschaffen. Die Vertreter der einzelnen Länder lernten sich kennen und befreundeten sich : dadurch sind auch die Staaten einander näher gerückt. Die bis- herigen Ergebnisse stehen freilich nicht im Verhältniss zu den seit- her aufgewendeten bedeutenden Mitteln und die Tagungen selbst kosten Land und Stadt, wo sie stattfinden, grosse Summen. Ver- schieden geartete Interessen international befriedigend auszugleichen ist schwer, um nicht zu sagen kaum möglich. Das grössere Gewicht ist auf die internationale permanente Leitung zu legen, welche durch ihre literarische Thätigkeit und durch die dauernden Be- ziehungen mehr ausrichten wird als ein vorübergehendes Colloquium. Zu empfehlen wird also immer sein, dass jene Bestrebungen durch Geld- beiträge aller Staaten eine wenn auch massige Unterstützung finden. Ol) die Entsendung eines Delegirten zu den Congressen von wesentlichem Nutzen sei, ist eine nur von Fall zu Fall zu entscheidende Frage. W a r t h a u s e n , im Juni 1 89 1 . Die Asymmetrie der Gastropoden in ihren Beziehun- gen und Wirkungen auf die Lebensäusserungen der schalentragenden Sehneeken. Eine biologische Frage, versuchsweise beantwortet von Dr. Otto Btichner. ]\lit den wichtigen Untersuchungen von v. Iiiering ' , Spengel " und Haller ^^ über das Nervensystem der Prosobranchiaten und der interessanten Abhandkmg Bütschli's ^ über die raorphologisch-onto- genetische Herleitung der merkwürdigen , in der grossen Abteiking der Bilateraltiere in ihrer Vollendung einzig dastehenden Erscheinung des gesetzmässig asymmetrischen Baues der gastropoden Mollusken ist die Frage nach der Ursache dieses Phänomens einerseits und nach dem E^influss desselben auf die gesamten biologischen Verhält- nisse der Tiere anderseits entschieden brennend geworden. Der einzige Forscher, der neuerdings den Versuch gemacht hat, die Ursache der Asymmetrie der Gastropoden zu deuten, ist Simroth'.' Seine Angaben gehen, gestützt auf die ontogenetischen Befunde, dahin, dass durch Wegnahme des Materials zur Entwickelung und Bildung des so merkwürdig komplizierten Genitalapparates auf der einen Seite des Tieres diese eine Wachstumshemmung erfuhr, während die andere Seite in allen ihren Teilen gleichmässig weiterwuchs. In- I H. V. Ihering, Vergleichende Anatomie des Nervensystems der Mol- insken. Leipzig 1877. - .1. W. Spengel, Die Gerochsorgane und das Nervensystem der Mol- lusken. Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. XXXV. p. 333—383. ^ B. V. Haller, Zur Kenntniss der 3Iurieiden. Penkschr. d. K. K. Akade- mie zu Wien. Bd. XLV. (math.-natiunv. Kl.) 1882. II. Abt. p. 87— lOß. — Unter- suchungen über marine Ehipidoglossen. Erste Studie. Morplml. .Talirbucli. Bd. IX. p. 1—98. * 0. Biitsclili, Bemcrkunuen über die wahrscheinliche Herleitung der Asymmetrie der Gastropoden u. s. w. Morpliol. Jahrb. Bd. XII. p. 202 — 221. ■' H. 8 i 111 lo t li . Entstehung der Landtiere, ein l)iologischer Versuch, p. 312 ff. Leipzig 1S!)1. - 59 — folge dieses Vorganges wurden dann die sonderbaren Erscheinungen der Chiastoneurie, des Vorrückens der Afteröffnung an der im Wachs- tum zurückgebhebenen Seite , kurz , alle die interessanten Verände- rungen verwirklicht, welche Bütschli so vortrefflich geschildert hat. Diese Annahme Simroth's basiert auf der Ableitung der Mol- lusken von den Plattwürmern oder von Zwischenformen zwischen diesen und den Ringel würmern. Er konstruiert auf diese Weise ein Urmollusk, das in der Brandung eine Schale erhielt, um sich sowohl gegen die Wellen, als auch gegen Austrocknen zur Zeit der Ebbe zu schützen. „Das Prinzip," — sagt unser Autor — „den angesaugten Körper immer mehr und mehr unter diese Schale zu bergen, führte diese Helminthoconchen von Anfang an in die verschiedenen Weichtiertypen über. Durch seitliches Zusammenbiegen der ur- sprünglich flachen, dann seitlich erweiterten Schale brach diese schliesslich in der Mitte durch und es entstanden die Muscheln ; durch Zusammenbiegung in der Längsrichtung kam die Gliederung der Chitonen zu stände : wahrscheinlich auf dieselbe Ursache , aber wahrscheinlich mit dem geschlechtlich gesteigerten Hang zur Copula (anfangs wurden die Geschlechtsstoffe zur freien Befruchtung ins Wasser entleert) ist der Deckel der Schnecken zurückzuführen. Die Copula bringt die asymmetrische Aufwindung der Schale zu stände , denn es leuchtet ein , dass jene angesaugten Helmintho- conchen mit Geschlechtsöffnungen auf beiden Seiten sich nicht in der Weise begatten konnten, wie etwa ein Paar Flusskrebse, indem beide Paare von Genitalien aneinandergebracht werden. Daher wurde entweder auf die Copula Verzicht geleistet und die Be- fruchtung der ausgestossenen Zeugungsstoffe dem freien Seewasser überlassen (beziehungsweise das frei entleerte Sperma wurde vom weiblichen Tiere eingesaugt) , oder die Tiere legten sich einseitig aneinander, womit die Genitalien an der anderen Seite der Ver- kümmerung und schliesslichem Schwund anheimfielen. Nun braucht man bloss Bütschli's Erklärung der Aufwindung des Schnecken- hauses durch einseitige Wachstumsverzögerung in der Mantellinie hinzuzunehmen und die Thatsachen, dass bei Prosobranchiern die Genitalöffnung zumal weiblicher Tiere zumeist noch in der Mantel- linie liegt, bei Pulmonaten aber von ursprünglicherem Typus (Hyalina, Ärion) von der vorderen Lage hinter dem rechten Ommatophoren gegen die Atemöffnung hin weiter zurückverlagert ist, heranzu- ziehen . um in der That das Material zu entnehmen und dadurch die einseitige Wachstumsverzögerung und mit dieser die Aufwindung — 60 — zu erklilrcn. Somit ist vielleicht das Schneckenhaus^ gewunden, weil die Tiere zur Begattung vorgeschritten sind/' Es lässt sich nicht leugnen, dass die Kausalfrage nach der Asymmetrie unserer Tiere durch diese Darstellung eine interessante Deutung erfahren hat. Dieselbe verliert aber von dem Moment an ihren Vollwert, da ein Teil der gastropoden Mollusken die schwer- bewegliche Lebensweise aufgegeben hat und zu freibeweglichen Schwimmtieren wurde, wie dies bei einigen Opisthobranchiern und den Heteropoden der Fall ist. Dann erfordert im Gegenteil diese Bewegungsart, wie der Flug, einen möglichst genau symmetrischen Bau des Leibes, daher bei diesen Schnecken irgendwelche Anhangs- gebilde, oder, wenn eine solche vorhanden ist, die Schale, ähnlich wie bei den Cephalopoden, wenigstens die äussere Symmetrie wieder- hergestellt haben. Simroth hat übrigens anschliessend an das Obige diesen Punkt auch erwähnt, indem er sagt, dass das Schwimmen umgekehrt wieder zur Symmetrie hinführt. Wenn man daher annehmen wollte, dass die ältesten Mollusken freischwimmende Tiere waren , so lag durchaus kein Grund zur Änderung des bilateralen Körperbaues vor, selbst dann nicht, wenn der Genitalapparat zu einem unpaarigen Organkomplex geworden ist. Die Geschlechtsöffnungen können sich dann ohne Beeinträchtigung der Copula irgendwohin in die Medianebene des Körpers verlegen, wie dies ja bei allen höheren Tieren der Fall ist. Es ist nun aber Thatsache, dass ausser den Placophoren oder Chitoniden, bei denen bekanntlich nur eine äussere Begattung statt- findet , keine einzige Form der Gastropoden den symmetrischen Bilateralbau beibehalten, beziehungsweise wiedergewonnen hat, mögen es Zwitter oder getrennt-geschlechtliche Tiere sein. Ja, nicht einmal die unbeschalten Formen , die ihren Körper bei der Copula doch leicht in alle Lagen bringen können, haben zum Bilateralbau zurück- ' Dieser Aiisdruck ist nicht ganz zutreffend , weil es ja der spiralig auf- gewundene Eingeweidebrnchsack ist, -welcher je nach der Grösse seiner Dimen- sionen die Form des Gehäuses l)cdingt. Die Aufwindung dieses soll alier nacli Bütschli (1. c. p. 21i)i nicht in direktem Zusammenhang mit der übrigen Asymmetrie stehe}i, sondern erst später eintreten, wenn diese vollendet ist. Ist der Eingeweidebrnchsack klein , so Ijraucht er aus dem Leibe iles Tieres nicht herauszutreten und die schützende Schale braucht nicht gewunden zu sein, oder sie zeigt in vorgesclirittonercn Fällen nur Spuren eines Windungsanfanges. Beispiele sind alle patelloiden Schnecken, i(tn\Q\ Hipponjix, Caimhis, Emarghiula, Scissttrelhi, Cah/ptraea, Crncibulinn, Galerus, Haliotis, Stomatella u. a. im Meere und die Ancvliden im Süsswasser. — 61 — gegriffen. Überall, wo die Begattung eine innere ist, finden wir den sonderbaren asymmetrischen Bau und wenn auch nicht überall in der äusseren Gestalt, so doch immer in den Organisationsverhältnissen des Darmes, der Mantel- und Geschlechtsorgane, sowie des Nerven- systems und zum Teil auch der Sinnesorgane, z. B. das unpaare Geruchs- oder Lacaze'sche Organ. Aus dieser Thatsache lässt .sich wohl der Schluss ziehen, dass die Ahnen der Mollusken zunächst sessile Tiere waren , welche mit allmähligem Übergang zu einer langsamen Ortsveränderung zugleich zum Akte der Copula vorgeschritten sind, jedenfalls aber bei dem enormen Schutzbedürfnis mit einer einfachen gewölbe- oder dach- förmigen Schale ausgestattet waren. Wir sehen aus diesen Betrachtungen , wie schwierig es ist, eine solche hochinteressante Frage, wie die Ursache der Asymmetrie, positiv zu beantworten. Prüfung und Entscheidung derselben sind und bleiben stets arbiträrer Natur und deswegen will ich ihr auch nicht mit neuen Theorien näher treten. Wohl aber scheint mir die andere Frage, nach dem Einfluss des asymmetrischen Körperbaues auf die biologischen Verhältnisse der schalentragenden Gastropoden ein dankbareres Gebiet zur Besprechung darzubieten. Warum ich dabei besonders die schalentragenden Gastropoden heraushebe, hat seinen Grund darin, dass die unbeschalten eine äusserliche Symmetrie mindestens sehr annähernd beibehalten, respektive wiedergewonnen haben, die beschälten hingegen durch den grösstenteils mehr oder weniger aus dem Körper herausgetretenen und spiralig aufgewundenen Eingeweidesack immer asymmetrischer geworden sind. Selbstverständlich können wir jedoch unter den schalentragen- den Gastropoden nur diejenigen verstehen , welche sich vollständig in dem Gehäuse zu bergen vermögen. Es müssen daher Formen, wie Testacella , Dandebardia und eine Anzahl von Vitrina und Ifelicarion- Krien unter den Landschnecken, fevnev Dolahella, Carinaria, Aplysia und derartige weitere marine Formen bei unseren Betrach- tungen ausgeschlossen werden. Das geologische Alter sowohl der Gastropoden, als auch der übrigen Molluskenklassen, ist ein sehr hohes und die palaeontologi- schen Befunde beweisen eine eminente Konstanz und Zähigkeit des Molluskentypus. Dieser Tierkreis ist, verglichen mit den übrigen, hinsichtlich der genannten Eigenschaften entschieden der merk- würdigste, und zwar insofern, als die repräsentierenden Formen, - 62 — mögen sie auf dem Land oder im Süsswasser oder im Meere leben, trotz dieser Polytropie ihren Habitus in erstaunlicher Weise gewahrt haben. SiMUOTii sagt (1. c. p. 312) ganz zutreffend : „IJnter allen Land- tieren sind die Mollusken gewissermassen die merkwürdigsten , in- sofern als sie den aquatilen Vorfahren gegenüber die allergeringsten Veränderungen erlitten haben , soweit solche auf den Einfluss der terrestrischen Lebensweise zu setzen sind. Zum mindesten äussern sich die Umwandlungen nicht in einer positiven Anpassung des Liteguments an die Atmosphäre , sondern in der Erwerbung der Mittel , dasselbe jeden Augenblick deren Schädigung zu entziehen. Die Weichtiere sind die einzigen unsegmentierten, der Metamerie entbehrenden Geschöpfe , denen das Betreten jeder Festlandsart erlaubt ist. Das aber entspricht bloss ihrer enormen biologischen Amplitude überhaupt, welche diese in vielen Hinsichten wunderbaren Geschöpfe auf so einfacher morphologischer Grundlage an Körper- grösse, Vielseitigkeit und Energie der Lebensäusserungen auf die höchste Staffel tierischer Existenz erhoben hat, nächst uns Wirbel- tieren." Sollten diese wertvollen Eigenschaften nicht in einer grossen Zweckmässigkeit des Baues und der Organisationsverhältnisse der Tiere zu suchen sein? Ich glaube, dieser Gedanke liegt sehr nahe und meiner Ansicht nach trägt für die beschälten Gastropoden der asymmetrische Körper- bau keinen geringen Anteil dazu bei. Ich habe deshalb die Frage nach dem Einfluss desselben auf die gesamten biologischen Verhält- nisse aufgeworfen und meine Antwort darauf lautet: Der asym- metrische Bau bietet den beschälten Gastropoden die Möglichkeit höherer Ausbildung der Sinnesorgane und die Fähigkeit einer energischeren L o k o m o t i o n unter Beibehaltung des starken, s c h ü t z e n d e n C u t i k u - lar Skeletts, der Schale. Es dürfte diese Ansicht für den ersten Augenblick vielleicht frappieren , weil sie genau das Gegenteil von dem sagt , was uns unsere bisherigen Anschauungen kund thu)i. Die Erfahrung lehrt, dass für die Tiere hinsichtlich der Ortsbewegung nichts mehr hinder- lich ist, als eine infolge von Asymmetrie herbeigeführte ungleiche Gewichtsverteilung durch ungleich ausgebildete Organe im Körper. Für Tiere namentlich, welche einen energischen Bewegungsmodus besitzen, liegt das ia klar auf der Hand und die Störung durch — 63 — ungleiche Ausbildung irgend eines Organs nimmt mit der wachsenden Kaschheit der Bewegung zu und kann sich bis auf kleine Anhangs- gebilde erstrecken. Ein gut fliegender Vogel wird beispielsweise in seinen Flugbewegungen schon dann eine Störung erfahren, wenn ihm im einen Flügel auch nur eine einzige Schwungfeder fehlt. Marshall ^ äussert sich in demselben Sinne nicht bloss hinsichtlich der Vögel, sondern auch der Insekten und Fische, bei welch letzteren bekanntlich unter den Flachfischen oder Pleuronectiden eine interessante Asym- metrie-Erscheinung bekannt ist. Schon im vorigen Jahrhundert, besonders aber in unserem , haben verschiedene Forscher der Sym- metrie, respektive Asymmetrie der W^irbeltiere ihre Aufmerksamkeit zugewendet. Die Mollusken finden unter den früheren Abhandlungen nur in Bergmann's und Leuckart's ^ Werk eingehendere Beachtung. Es heisst dort an einer Stelle: „Wir dürfen mit Bestimmtheit be- haupten, dass z. B. die Schnecken, wenn sie die Geschwindigkeit eines Insektes besässen, anstatt der gegenwärtigen zahlreichen Stö- rungen des symmetrischen Baues eine gleiche bilaterale Gestaltung zeigen würden. Eine Asymmetrie des Baues ist hier überhaupt nur innerhalb gewisser Grenzen, nur unter bestimmten Umständen möglich." Die Art und Weise der Bewegung ist es meiner Ansicht nach, welche die Sache verändert, der Umstand eben, dass die Schnecken, mit den wenigen Ausnahmen einiger schwimmenden Formen, durch- weg mehr oder weniger langsam bewegliche Geschöpfe sind. Wenn wir diese wenigen schwimmenden Formen ausser acht lassen und uns nur den kriechenden unter den beschälten Gastropoden zuwenden, so werden wir zur Überzeugung gelangen, dass die am wenigst asymmetrischen Formen zugleich und zwar ausnahms- los die am wenigsten beweglichen sind. Das sind be- kanntlich einerseits die Napfschnecken (PatrUa, Äcmaea, Farmophorus, Fissurdia, Crcpidula, Hipponyx u. s. w.) unter den Prosobranchiern, UmhreUa unter den Opisthobranchiern und die Ancyliden unter den basommatophoren Pulmonaten, anderseits die Röhrenmusclieln oder Dentaliiden, wenn man diese Tiere überhaupt noch den Gastropoden zuteilen darf. Hierbei will ich auch nicht zu erwähnen vergessen, dass die Placophoren oder Chitoniden , die einzigen wirklich ' W. Miushall, Über die Asymmetrie im Körperbau der Tiere, besonders der Schollen und ihrer Verwandten, in „Humboldt". Band V. Heft 7. '^ 0. Bergmann und E. Lcuckart, Anatomisch-physiologisclie Über- sicht des Thierreichs. 1854. — 64 - symmetrischen Gastropoden, bekanntlich auch zu den am wenigsten mobilen Schnecken gehören. SiMROTH ^ hat bei den Besprechungen von Konvergenzerschei- nungen im Gebiet der Weichtiere auch darauf hingewiesen, dass allen Trägern von napfförmigen Schalen die gemeinsame Eigenschaft einer beträchtlichen Langsamkeit zukommt , ebenso eine mehr zum An- saugen als zum Gleiten eingerichtete Sohle, und erwähnt dabei ganz zutreffend, dass hier offenbar das Bedürfnis nach breitem Rücken- schutz, welcher dem Sesshaften besonders nötig wird, da er zum Fliehen ausser stände, die gemeinsame Form erzeugt hat. Ebenso hat auch Marshall in der citierten Schrift dieser in- teressanten Erscheinung hinsichtUch der Dentalien gedacht, indem er an die korkzieherartige Aufrollung der Schlangenembryonen im Ei anschliesst und ähnliche mechanische Ursachen, wie dort, der spira- ligen Aufrollung des Leibes der kopftragenden Weichtiere zu Grunde legt. Er sagt an einer Stelle : „Es ist möglich, dass, worauf Hyatt hinweist, die Schwerkraft, namentlich während des Embryolebens, bei diesem Vorgang eine Rolle mitspielt, aber auch abgesehen von ihr ist es klar, dass ein langgestreckter, kegelförmiger Köcher, wie ihn Dentalium besitzt, für den Träger, besonders wenn er kein ausschliesslicher Schwimmer ist. höchst unbequem sein, viele An- forderungen an seine Kräfte stellen und dabei immer der Gefahr des Zerbrechens in hohem Grade ausgesetzt sein wird. Der zur Aufnahme des Eingeweidebruchsackes der Schnecke dienende Innen- raum einer solchen Schale bleibt ganz derselbe , wenn sie sich und zwar in äusserst verschiedener Weise schraubig aufrollt , während die erwähnten Übelstände hierdurch beseitigt Averden. Dass mit diesem Vorgange noch anderweitige asymmetrische Lagerungen Hand in Hand gehen müssen , ist leicht begreiflich und diese er- halten sich oft noch lange, nachdem die Schale vollständig zurück- getreten ist, wie bei den nackten Landschnecken." Gerade die beschälten Landschnecken , welchen das Gehäuse zum Schutz gegen schädliche mechanische, sowie Wärme- und Feuch- tigkeitseinflüsse dient, legen ein beredtes Beispiel für meine Annahme ab. Sie sind es, bei welchen wir die best entwickelten Sinnesorgane, die verhältnismässig am meisten vorgeschrittene Lebensenergie, ver- anlasst schon durch das Medium, in welchem sie leben, finden und es ' H. Simrotli , Über einige Tagesfrageu der Malakozoologie, haupteäclilieli Konvcrgenzerscheinungeu beti-effcnd. Ztschr. f. Natiirwiss. Bd. LXir. 188i). — 65 — gibt fast keine einzige Form unter ihnen, bei welcher wir nicht eine bedeutende spirahge AufroHang , also eine bedeutende Asymmetrie antreffen , ja wir begegnen gerade unter den Pulmonaten , wie wir später sehen werden, den Avin dun gsr eich sten Schnecken überhaupt. Diese Eigenschaft wäre gewiss nicht vor- handen, wenn sie nicht Vorteile für die gesamten biologischen Verhältnisse der Tiere mit sich brächte. Ja, ich wage kühnlich zu behaupten, dass überhaupt nur aufgerollte Seh ale n s chn ecken zu Landschnecken werden konnten. Die Nackts chn ecken sind eine sekun- däre Erscheinung. Slmroth erwähnt zwar in seinem unter Nr. 12 citierten Werke einen Fall von Landanpassung unter denjenigen Schneckenformen, die ich nicht zu den beschälten Gastropoden rechne. Das sind einige Testacelliden , welche nur ein Schalenrudiment . in haliotider Form aufgewunden, tragen. Dass aber diese Anpassung eine interessante Art von Sonderanpassung an das Land ist. geht aus seiner dortigen Schilderung hervor, welche betont, dass wir es hierin mit einem Fall von echter Cysten bildung zu thun haben. Diese Testacelliden benutzen bei ihrei- unterirdischen Lebensweise ihre Schleimmassen gegen die Ausdörrung des Bodens, indem sie sich in ein erhärtendes Kokon hüllen. Der Schleim spielt dabei also, wie bei vielen anderen Pulmonaten, eine Art von Schutzrolle, indem die eigentümliche Ver- lagerung des Mantels an das Hinterende zu einer interessanten Ein- richtung geführt hat. Das Atemloch mündet nämlich bei diesen Tieren an ihrem Hinterende in den Mantelraum, anstatt wie bei den anderen Pulmonaten, frei nach aussen, wodurch, wie der Autor be- schreibt, eine sekundäre Atemiiffnung gebildet wird. Er vermutet dann weiter, dass die abgesonderte Schleimmasse zur Cystenbildung verwendet wird. Von demselben Gesichtspunkt aus beurteilt er die Schleimschicht- und Deckelbildung bei den inoperkulaten beschälten Landschnecken überhaupt und ich schliesse mich dieser Beurteilung an, da ich diese Erscheinungen ebensogut als eine neu erworbene Sonderanpassung betrachte, wie die Kokonbildung bei den oben er- wähnten Testacelliden. Deshalb halte ich die rudimentär beschälten und schalenlosen Schneckenformen nach wie vor als durch besondere Verhältnisse und Erwerbungen neuer bestimmter Eigenschaften und Charaktere aus den beschälten, und zwar mit spiralig gewunde- nem Gehäuse ausgestatteten Schneckenformen entstandene Geschöpfe und halte fest an meiner Behauptung, dass nur solche Schnecken zu Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1892. 5 — 66 — Landbewohnern werden konnten, bei welchen die Asymmetrie so weit vorgeschritten war, dass sie die ganzen Organisationsverhältnisse des Tieres beherrschte, insbesondere den bedeutend entwickelten Ein- geweidekomplex zur bruchsackartigen Ausstülpung aus dem Leibe und diesen sowohl, als zugleich auch die Schale zu gesetzmässig konchospiraliger Aufrollung veranlasste. Noch ein anderes Moment ist es , was mir zu Hilfe kommt. Das ist die Thatsaclie, dass diejenigen marinen Scha- le ngastropoden , welche im ausgebildeten Zustand ein sessiles Leben führen, eine Gehäusewindung entweder- überhaupt nicht zeigen oder wenigstens hierin jeder Regelmässigkeit entbehren, z. B. Magü/fs, Bhiriochihts, Vcr- metus, Süiquaria und Verwandte. Dennoch glaube ich nichts Überflüssiges zu thun, wenn ich genau erkläre, wie ich zu der oben angeführten Antwort der meiner Abhandlung zu Grunde liegenden Frage gekommen bin, mochte jedoch dabei vorausschicken, dass ich auch hierin nicht über die Grenzen der Hypothese hinausgehe , denn es ist klar , dass sich der vor- liegenden Frage ebensowenig direkt beikommen lässt, wie derjenigen nach der Ursache der Asymmetrie der Gastropoden. Ich gehe ebenfalls von der berechtigten Annahme aus, dass die ältesten Gastropoden , mögen wir sie direkt von den Turbellarien ableiten oder nicht, Bilateraltiere vom echtesten Schlage waren, in der Form ähnlich der SpENGEL'schen, von Bütschli anerkannten Ur- form, und zwar mit sessiler Lebensweise, wenngleich nicht im Sinne von Balanen , Terebrateln , Lepatiden und ähnlichen Ge- schöpfen, also festgewurzelt, sondern in der Art und Weise, wie noch heute zahlreiche Lamellibranchier und einige Prosobranchier (die patelloiden Formen). Doch gleichviel , ob zeitlebens festgeheftet oder nur frei-sessil lebend; diese Sessilität trägt bei der KörperbeschafPenheit der Tiere das Postulat eines Schutzes in Form eines harten und dauerhaften Cutikularskeletts , einer Schale. Den Beweis hierfür liefern uns eine Masse von sessilen Wirbellosen des Meeres aus den verschie- densten Typen , ich darf nur neben den soeben schon angeführten Balanen , Lepatiden , Vermetaceen und Brachiopoden etwa noch auf die Serpein oder Röhrenwürmer . die Kalkbryozoen , die Kalkbecher der Anthozoen und die Korallenpolypen etc. hinweisen. Sind, wie es thatsächlich der Fall ist , sessile oder langsam bewegliche Tiere nicht besclialt. so haben sie bekanntlich andere Schutzmittel gegen — 67 — feindliche Angriffe, als da sind scharfe ätzende Sekrete, wie bei den Actinien, oder tragen sie Schreck- und Schutzfarben, wie viele Würmer und Mollusken, oder endlich zeigen sie Nachahmungs- erscheinungen durch Kopieren von Meerespflanzen etc.. wie z. B. Den- dronotus arhoresceiis u. a. m. Halten wir uns deshalb an diejenigen Gastropodenformen, welche diese besonderen Eigenschaften nicht besitzen und deshalb des Schutzes durch eine Schale bedürfen. Wir finden in der Natur .solche Formen in Masse unter der Molluskenfauna der Küstenstriche. Es sind vornehmlich die Patellen , Tiere von äusserster Trägheit, welche sich so intensiv an die Felsen ansaugen, dass sie, wie Simroth sagt, oft zerreissen, wenn man sie abzulösen versucht. Bei manchen scheint nach Aussuchen und. Finden ihres richtigen Standortes über- haupt jede, auch nur geringste Bewegung eingestellt zu werden, wie bei Patella aspera nach den Beobachtungen des genannten Autors auf den Azoren. Da nun aber die Patellen und ihre Verwandten in ihren Organi- sationsverhältnissen bereits die Anfänge der Asymmetrie zeigen, repräsentieren sie offenbar nicht mehr die ältesten Gastropodenformen, denn wir müssen gemäss der Ableitung derselben von den Turbel- larien uns dieselben eben als rein bilateral vorstellen. Einer auf diese Weise konstruierten Urgastropodenform — die Entwickelungsgeschichte erteilt die Berechtigung hierzu — würden die Placophoren am meisten entsprechen und man könnte schliesslich einen Chiton zu Grunde legen Ich halte es jedoch in Anbetracht der morphologischen Specialien der Chitoniden für zweckdienlicher, eben eine ideale Form zu Grunde zu legen. Die Schnecke möge also ganz bilateral-symmetrisch sein, etwa oval mit paarig angelegten Organen, mit antipolar in der Längsachse sich gegenüberstehender Mund- und Afteröffnung und einfachem, gerade verlaufendem, ungewundenem Darmtraktus, desgleichen ein- fachst gebautem Nervensystem und jedes höheren Sinnesorganes entbehrend. Die Sohle möge , wie noch heute bei den patelloiden Schnecken, eine Art von Saugsohle gewesen sein und die Mantelfalte umzog, wie Bütschli bei der SpENGEL'schen Urform beschreibt, ring- förmig die Rückenseite des Körpers. Die Verbindung zwischen Tier und Schale kann durch einen Muskel gedacht werden, der sich in ähnlicher Weise am Schalendache inseriert, wie etwa bei einer Pa- tella. Die Nahrung wurde bei der sessilen Lebensweise durch Flim- merbewegung herangestrudelt und das Tier trug eine einfache, dach- 5* — 68 — förmige Schale, welche dem Leibe anliegend, denselben ganz gleich- massig und beständig überdeckte und eine kleine Öffnung an der Stelle des Mundes hatte zum Passieren der lierbeigestrudelten Nah- rungsteile. Gehen wir einen Schritt weiter und lassen unsere angenommene Schnecke sich höher entwickeln. Das Nervensystem differenziert sich mehr und mehr, das Tier bekommt Sinnesorgane, Taster und Augen zur Wahrnehmung der Umgebung. Was ist die notwendige Folge davon? Das Tier muss Gelegenheit haben, den, wenn ich mich so ausdrücken darf, animalen resp. sensitiven Teil seines Leibes von der Schale entblössen zu können. Es muss also ein Muskel vor- handen sein, der in schlaffem Zustande das Schalendach so trägt, dass der Rand der Schale sich in einiger Entfernung vom Boden befindet. Will das Tier sich vor einem Angriff schützen, so zieht es durch Kontraktion des Muskels die Schale wieder vollständig auf seinen Körper herab und bedeckt ihn vollständig damit. Die so geschilderten Verhältnisse werden wiederum genau illustriert durch die patelloiden Formen unserer Seeschnecken. Diese Tiere , welche mit zu den niedrigsten Gastropodenformen gehören, führen, wie schon erwähnt, eine so gut wie sessile Lebensweise. Es sind vorzugsweise Gezeitenschnecken , also nach der SumoTH'schen Auffassung (1. c. p. 312) auch sehr alte Schneckenformen. Der Muskel, welcher die Schale mit dem Tier verbindet, inseriert sich in einem hufeisenförmigen Eindruck um die Spitze des flachkegelförmi- gen oder napfförmigen Gehäuses. Wenn sich nun weiter auch der Verdauungstraktus und der Genitalapparat so bedeutend und mannigfaltig ausbilden , dass , wie uns die höheren Gastropoden zeigen, solche Bildungen in ihren Komplikationen namentlich in bezug auf das Geschlechtssystem fast einzig in der Tierwelt dastehen, so wird die mächtige räumliche Ausdehnung dieser Organkomplexe das bruchsackartige Heraustreten des Eingeweidetraktus aus der übrigen Körpermasse des Tieres bedingen. ]\I i t diesem Moment aber erfordert das statische 1 ' r i n z i p im Interesse der L o k o m o t i o n des Tieres mög- lichst zweckmässige Formung des Eingeweidebruch- sackes sowohl, wie auch infolge davon der denselben schützenden Schale. Denn da das Weichtier irgend- welche stützenden S k e 1 e 1 1 b i 1 d u n g e n nicht besitzt, so müssen die statischen Momente n o t \v e n d i g e r w e i s e in — 69 — das cutikulare Skelettstück, die Schale, mit herein verlegt werden. Unsere weiteren Betrachtungen sollen nun ergeben, dass gerade keine andere Form als die ausgezogene Spirale, also dieKe- g e 1 s c h r a u b e , diesem Zwecke am besten entspricht. Würde der Intestinalorgankomplex sich einfach nach einer Richtung hin in die Länge ausdehnen, so würden seine Dimensionen zu der Fläche der Kriechsohle der Schnecke in ein um so grösseres Missverhältnis treten, je mehr seine Längenausdehnung zunimmt und die Folge davon wäre eine immer grössere Erschwerung der Fort- bewegung, um so mehr, als das Gewicht der dem Eingeweidebruchsack entsprechend geformten Schale mit hinzukommt. Wie müsste wei- terhin der Verbindungsmuskel beschaffen sein, der doch immer dem Hautmuskelschlauch des Tieres angehört'? Wir haben vorhin ge- sehen, dass bei den patelloiden Schnecken dieser Verbindungsmuskel zwischen Tier und Schale seine Insertionsstelle in einem hufeisen- förmigen Eindruck um die Spitze des napfförmigen Gehäuses hat. Diese Insertionsstelle müsste er bei den Wachstumsverhältnissen des Gehäuses auch dann beibehalten, wenn dasselbe aus einer flachen napfförmigen Schale durch die Längendimension des Eingeweide- bruchsackes zu einem überaus schlanken Kegel werden würde. Wenn dann nicht anzunehmen ist, dass sich für neu zu bildende Muskelbündel neue Insertionsstellen am unteren Rande des Gehäuse- kegeis ergeben, so leuchtet es wohl ein, wie schwer es für das Tier wäre, Körper und Schale in solcher Form bei der notwendig grossen Länge des Verbindungsmuskels mittels der Kriechsohle fortzubewegen. Denken wir uns einen zweiten Fall. Der Eingeweidebruchsack bildet infolge seines bedeutenden Längenwachstums durch unregel- mässiges Zusammenschlingen einen kugeligen Knäuel , wie es etwa bei drüsigen Organgebilden höherer Tiere der Fall ist, so wird aus dem flachen , massig gewölbten oder napfförmigen Gehäuse eine kugelige Blase werden und wiederum müssten wir infolge der Wachs- tumsverhältnisse des Tieres und seiner Schale die Lisertionsstelle des Verbindungsmuskels im Zenith der Schalenkugel uns denken. Mit anderen Worten : Der Verbindungsmuskel müsste das Gewirre der Eingeweideschlingen durchsetzen und müsste infolgedessen, wie im ersten Fall , sehr lang sein. Das würde jedoch abermals von vorn herein einer kraftvollen Wirkung desselben direkt entgegenarbeiten. Wie verhält sich aber die Sache, wenn wir die spiralige Auf- windung des Eingeweidebruchsackes ins Auge fassen? — 70 - In erster Linie folgt die Form des Gehäuses dieser spiraligen Aufwindung, es wird aus einem blasen- oder napfförmigen Deckel zu dem vielbewunderten, gewundenen „Schneckenhaus", das dem Laien bekanntlich erst den Begriff der „Schnecke" wachruft. Dieses Schneckenhaus besitzt dann eine Spiralachse, die unter dem Namen der C 0 1 u m e 1 1 a oder Spindel bekannt ist und der Verbindungs- muskel zwischen Tier und Schale wird zum Musculus columellaris oder Spindelmuskel. Dieser aber inseriert sich nicht mehr an der Spitze des Gehäuses, sondern an der Spiralachse, und zwar in allen Altersstufen des Tieres an der Stelle, wo der Schwerpunkt des Gehäuses liegt. Es ist bekannt, dass bei den regelrecht gewundenen Schnecken- schalen — mögen die Windungen zahlreich und stark ausgezogen sein, wie z. B. bei Tiirritella, Terehra, Cijllndrella, Glausilia, Euca- lodiuni, 3Iegaspira u. s. f., oder ganz gering an Zahl und flach, wie bei Hcdiotis, Sigaretus, VitriHa u. a. , oder schliesslich eingerollt liegen, wie bei Oliva, Cyproea, Conus, Cylindra, TereheÜKni, Ci/m- hiiim etc. — ■ ist bekannt, dass dabei die cyklocentrische Konchospirale zu Grunde liegt, welche Naumann^ an dem Ge- häuse von Planorbis corneus konstruiert hat. Mit dieser konchospiraligen Aufwindung des Intestinalbrach- sackes, und zwar in der Weise, dass er keine flache Spirale, sondern eine Kegelschraube bildet und der damit Hand in Hand gehenden Form des Gehäuses sind nun meiner Ansicht nach die Bedingungen für das ungehindertste und bequemste Tragen von Körper und Schale und dadurch für die denkbar leichteste Lokomotion des Tieres erfüllt. Es sind nun gerade die höher entwickelten Schnecken, nament- lich die Landschnecken, welche sich durch einen mehr oder weniger stark ausgewachsenen Eingeweidebruchsack auszeichnen und sie sind es obendrein, welche infolge der höheren Ausbildung der Sinnesorgane und damit verbundenen höheren Lebensenergie der Fähigkeit einer rascheren Ortsbewegung bedürfen, ohne der starken, schützenden Schale entbehren zu müssen. Eine solche Lokomotionsfähigkeit ist aber unter diesen Umständen nur dann möglich , wenn der Ein- geweidesack und infolgedessen die Schale in der Art geformt sind, dass sie mit Hilfe des Verbindungsmuskels zwischen Tier und Ge- * Na 11 111 an 11, IJher die cyklocentrische Konchospirale und das Windnngs- gesetz von IHanorbis corneus L. Abhandl. d. niatli.-phj-s. Klasse der K. Gesell- schaft der A\'iss. in Leipzig. I. 18'y2. ]). 169—185. c. Fig. — 71 — häuse am denkbar leichtesten getragen werden können. Als diese Form ergibt sich nach unseren bisherigen Erwägungen unstreitig die Kegelschraube, die ausgezogene Konchospirale. Es lässt sich nun freilich nicht mit mathematischer Genauigkeit bestimmen , welche Form der Kegelschraube zwischen den beiden Extremen einer Flanorhis-a,vt\gen Schnecke und etwa einer Cylindrella oder Turritella diejenige sein wird , welche den Lebensbedingungen des Tieres am meisten entspricht, denn ein mathematischer, mit gewundener Schale ausgestatteter Gastropode lässt sich nur im luft- leeren Raum konstruieren, wo die Anziehungskraft der Erde allein in Betracht kommt. Indes lässt sich wenigstens so viel sagen , dass diejenige Form der Kegelschraube für die Lokomotionsfähigkeit des Tieres die günstigste sein wird, bei welcher die Hebelwirkungen des Musculus columellaris in ihrer Vollkraft zu Tage treten können, mit anderen Worten : Bei welcher das Verhältnis des Gewichtes von Eingeweidebruchsack plus Gewicht des Gehäuses zur Grösse und Kraft des Spindelmuskels und zur Masse und dem Gewicht des Fusses das günstigste ist. In der Natur sprechen neben den allgemeinen physikalisch gesetzmässigen Bedingungen immer noch eine Menge von anderen Faktoren mit. Wir werden zunächst vor allen Dingen die Wasserbewohner einerseits und die Landbewohner anderseits einer besonderen Betrachtung zu unterwerfen haben, da sich ja die Gewichtsverhältnisse in den beiden Medien erheblich anders gestalten. Bei den Landschnecken ist das Gewicht des aufgewundenen Ein- geweidebruchsackes und der Schale der einzige Hauptfaktor, während bei den im Wasser lebenden Formen auch noch der Aufenthaltsort in bezug auf Ruhe und Bewegung des flüssigen Mediums in Betracht zu ziehen ist. Wir werden sofort darüber klar werden, dass die Meeres- schnecken weit schwerere und festere Schalen zu tragen im stände sind, als die Landschnecken, und der Aufenthalt in den verschiedenen Tiefenregionen des Meeres mit den damit verbundenen Bewegungs- verhältnissen des Wassers auf die Form des Eingeweidesackes und der Schale einen viel eigenartigeren Einfluss ausüben wird, als die Verhältnisse des Landlebens , wiewohl wir auch dort unzählig ver- schiedenen Formen begegnen. Wir werden uns durch diese Be- trachtungen zugleich immerhin auch einigen Einblick in die unend- liche Fülle des Formenreichtums der Konchyhen verschaffen kömien. Die Süsswasserformen, die ich bei unseren Erwägungen mit den Landschnecken gemeinsam abhandeln will, stehen, wie wir später — 72 — sehen werden, gevvissermassen in (l(^r Mitte zwischen den Land- und Meeresschnecken , zeigen aber an sich wieder manche specielle und interessante Eigenschaften. Unter den marinen Schnecken finden wir die herrhchste Fülle unzähligster Formen, hier liegt die Fundgrube der wunderbaren und mannigfaltigen Gebilde, welche dem Konchyliensammler so viele Freude machen, hier liegt die Raritätenkammer der Natur, über welche der alte Rümph sein bekanntes Werk schrieb. Man möchte glauben, dass die Natur in diesem Gebiete den verschwendendsien Luxus getrieben habe, noch verschwenderischer als bei der Verteilung der Farben in der Vogel- und Insektenwelt. Dennoch dürfte es nicht allzu schwer sein, nachzuweisen, dass die Zweckdienlichkeit auch hierbei das allein treibende Prinzip war. besonders wenn man dabei die biologischen Verhältnisse, soweit dieselben bekannt sind- in Betracht zieht. Die ganze Formenfülle der gehäusetragenden marinen Gastro- poden lässt sich wenigstens annähernd nach der Schalenform im allgemeinen in vier künstliche Gruppen zusammenfassen, eine Ein- teilung, welche selbstverständlich mit den auf den anatomischen Befunden basierenden Verwandtschaftsverhältnissen nichts zu schaffen hat. Diese Gruppen wären : 1. Die Flachschaler. Dahin gehören hauptsächlich die Placo- phoren, Patellaceen, Capuliden und Haliotiden. 2. Die unregelmässig gewundenen, welche durch i^fa//i/^^.s•, Bhisocliilus, Vermehis und Sil'ujiiaria repräsentiert werden. 3. Die Formen mit eingerolltem Gewinde: Die Cypraeiden. Olivaceen, Conoiden,^ Cassiden, Doliiden, Cymbiiden. Pteroceri- den, Stromboiden, Bullaceen und Tornatelliden. 4. Die Formen mit ausgezogenem Gewinde, welche sämtliche übrige Familien umfassen würden. Es ist klar, dass eine solche Einteilung nur ein Notbehelf ist. denn eine alte Erfahrung lehrt, dass es in der Natur „im grossen Ganzen keine Dissonanzen gibt, sondern lauter Übergang". Wie in der ganzen übrigen Tierwelt, spricht auch unter den Schnecken die Erscheinung von der Konvergenz der Charaktere ein grosses Wort und so lassen sich denn auch unter unseren vier künstlich aufgestell- ten Gruppen eine Menge von Übergängen auffinden. Ich habe aucli nur deshalb die obige Einteilung angewendet, um den Wert unserer Betrachtungen hinsichtlich der biologischen Verhältnisse etwas mehr hervorleuchten zu lassen. — 73 — Wir sehen nämlich , dass die unter der ersten Gruppe der Flachschaler angeführten Formen vorzugsweise die alten Repräsen- tanten der Gezeitenschnecken ^ einschliessen. Es sind eben diejenigen Formen , welche sich dem idealen ürgastropoden . wie schon erwähnt, am meisten nähern, diejenigen Formen auch, welche, beiläufig bemerkt, eine Stütze liefern für die Auffassung Simroth's, wonach die Grenze zwischen Meer und Land dasjenige Gebiet ist, w^elches zu immerwährenden Veränderungen, zur Bildung immer neuer Tierformen und Tiertypen Anlass gegeben hat. Diese Schnecken sind, wie ebenfalls schon längst bekannt, die trägsten. Sie führen eine so gut wie sessile Lebensweise , was hauptsächlich die Erscheinung bei den Patelliden beweist, bei welchen der Rand ihrer napfförmigen Schale sich der unregelmässigen, rauhen Oberfläche des Felsens, auf welchem die Tiere sitzen, anschmiegt, so dass er dadurch bei jedem Individuum ein anderes Aussehen erhält. Verändert eine solche Patella jemals aus Ursachen des Nahrungserwerbs oder anderen Gründen ihren Standort, so sucht und findet sie ihn jedesmal wieder auf, wie die biologischen Beobachtungen ergeben haben, weil nur dort die Verbindung mit dem Untergrund durch den Schalenrand eine vollständige ist und so die Schale nur dort den notwendigen, allseitigen Schutz gewährt. Ist das Tier gezwungen . den alten Standort dauernd zu meiden, so muss es die Form des Schalenrandes dem neuen Untergrunde anpassen. Tn unseren früheren allgemeinen Betrachtungen wurde schon klar darauf hingewiesen, dass bei der Art und Weise der Muskel- verbindung zwischen Tier und Schale, wie bei den patelloiden For- men, eine höhere Ausbildung der Sinnesorgane und eine energischere Ortsbewegung nicht denkbar ist, geschweige denn, dass die Tiere mit einer solchen Schale das Land zu betreten und sich dort fort- zubewegen im stände wären. Man stelle sich nur eine patelhi- artige Schnecke im hohen Grase vor! Dagegen gewährt diese Organisation und Beschalungsart einen ausgezeichneten Schutz gegen die anprallenden Wogen der Brandung und gegen die Gefahr des Austrocknens bei der Ebbe. In ähnlicher Weise gestalten sich die ' Die Litorinaceeu, Purpuraceeu, Xassaceen , Xeritaceen ii. a. ra. , welche grossenteils auch zu den Gezeiteuschnecken zu rechnen sind, haben sich diesen Lebensverliältnissen offenbar erst sekundär angepasst und ersetzen die Eigen- schaften der Patellaceen hinsichtlich des Schutzes vor der Brandung otfenbar durch die eminent dickwandigen schweren Schalen. Purpura lapillus, Monoceros crassiJahrum, Nevita textilis, Litorina littorea und neritoides gehören mit zu den dickschaligsten Aviderstandsfähigsten Schnecken überhaupt. — 74 — biologischen Verhältnisse bei den anderen Plachschalern, welche an ihrem Gehäuse nur den Anfang einer spiraligen Aufrollung zeigen. Diese Thatsachen treten schon ein für die Annahme, dass die äusserliche xAnnäherung der schalentragenden Schnecken an die bilaterale Symmetrie namentlich durch die Bildung einer möglichst symmetrischen un gewundenen Schale der Entfaltung einer energi- scheren Lebensthätigkeit direkt entgegenarbeitet. Selbst die kleinen Ancylidon der süssen Gewässer, auf welche ich später nochmals zurückkommen werde, beweisen dies. Eine weitere Stütze erhält , wie auch schon bei früherer Ge- legenheit erwähnt wurde, die Annahme durch die Resultate der näheren Betrachtung der in der zweiten Gruppe angeführten Scha- lenschnecken, der Vermetaceen. Besonders interessant unter diesen Tieren sind Magilus und Wiizochilus. Diese Schnecken legen ein regelrecht gewundenes Gehäuse an und sind in ihrer Jugend frei- beweglich. Später setzen sie sich fest und die Schale wird bei Magilus in ganz unregelmässiger Weise in eine lange Röhre aus- gezogen. Auch die Schlangenschnecken (Siliqitarla) sind meist in der Jugend noch mehr oder minder regelmässig spiralig, ziehen aber schon die jüngeren Gehäuseumgänge ab und setzen sie später in eine mehr oder weniger gerade verlaufende Röhre fort. Die eigentlichen Vermetus- Alten sind vielfach schon von Anfang an hinsichtlich ihrer Schalen sozusagen amorph , so dass sie besonders durch das oft massenhafte Beisammenliegen wie die Serpein durcheinander wachsen und auf diese Weise sehr leicht mit diesen zu verwechseln sind. Überhaupt scheinen die Vermetaceen mittels der Bildung ihrer Schalen Mimicry zu treiben. Magilus antiquus wird meistens zwischen Korallen gefunden und seine unregelmässig röhrenförmige Schale gleicht in der That auffallend den Skelettbildungen vieler Korall- polypen. Wir sehen indes daraus abermals, dass von dem Moment an, als unsere Tiere das freibewegliche Leben aufgeben und sessil werden, die spiralige Auf- rollung der Schale unnötig wird und diese in den Dienst anderer P o s t u 1 a t e f ü r die Tj e b e n s b e d i n g u n g e n des Tieres gestellt wird. Gehen wir weiter zu der dritten unserer künstlichen Gruppen, den Seeschnecken mit eingerollten Gehäusen (d li. also solchen Schalen, bei welchen die vorhergehende Windung immer wieder durch die nächstfolgende umhüllt und verdeckt wird, wobei die Umgänge vorzugsweise in der längsradialen oder besser gesagt columellaren — 75 — Richtung den grossen Durchmesser haben) , so wird uns von vorn- herein auffallend sein, dass unter diesen Schnecken vorzugsweise die grössten Formen anzutreffen sind. Ich darf ja nur etwa Cassis cor- imta, Dolinm galea, die grossen Gymbiiim-kviQu, Pterocera triincata, Strombns gigas, goliath und latissinms u. a. m. erwähnen, Tiere, deren Schalen bisweilen ein Gewicht von 3 — 4 kg erreichen können. Aus dieser Thatsache lässt sich unzweifelhaft der Schluss ziehen, dass diese Art der spiraligen Aufrollung des Körpers und der Schale für die Lokomotion grosser und gewaltiger Formen die günstigste ist, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil dadurch die Schale bei möglichst weitgehender asymmetrischer Aufwickelung des Eingeweide- sackes sich anderseits wieder einem symmetrischen Gebilde annähert und damit, wenn ich mich so ausdrücken darf, den Nutzen der spiraligen Asymmetrie noch erhöht. Weiterhin nimmt dadurch die Schale von Anfang an einen Platz ein, dass ihr Schwerpunkt ganz oder sehr nahe senkrecht über dem Mittelpunkt der Kriechsohle steht. Das erleichtert ganz be- sonders das Vorwärtskommen auf horizontalem Grunde , indem sich hier das Gewicht des Gehäuses gleichmässig auf alle Partien der Sohle verteilt. Noch auf eine weitere interessante Erscheinung muss ich bei dieser Gelegenheit aufmerksam machen. Alle diejenigen Formen unserer künstlichen dritten Gruppe, welche schwere und dickschalige Gehäuse besitzen, tragen als ausgewachsene Tiere besonders verdickte Schalenmtindungen, wie z. B. Cassis und Cypraea oder fiügelförmige Ausbreitungen des letzten Umganges, wie Stromhus und Pterocera^. Durch diese Bildungen wird meines Erachtens nach der Schwerpunkt der Schale aus der mit der Längsachse der Gleitsohle (resp. des Springfusses bei Strombns) bei diesen Schnecken parallel laufenden Windungsachse des Gehäuses so weit herausgerückt, als es für die gleichmässige Verteilung des gesamten Schalengewichtes in bezug auf das Tier notwendig wird. Bei den Cassis-Arten findet sich noch eine weitere interessante Erscheinung, auf die ich später noch einmal zurückkommen werde, da sie sich auch bei verschiedenen anderen Schneckengattungen wieder konstatieren lässt. Das ist das eigentümliche Wachstum in ' Bei Pterocera kommen zu der flügelfih'migen Ausbreitung des letzten Tniganges auch krallenartige Auswüchse hinzu, die bei ganz ausgewachsenen Tieren massiv sind, also offenbar nur als Produkt statischer Prinzipien zu er- klären sind. — 76 — Perioden oder Zojien, welches sich darin kundgibt, dass nach jeweihgem AbscWuss einer solchen Periode oder Zone eine wulstige Verdickung der Mttndungsüppe gebildet wird, so dass die Schale wie mit Leisten belegt erscheint. Diese Thatsache erklärt sich eben aus dem vorhin erwähnten statischen Prinzip. Nach Vollendung jeder Wachstumszone wird das Gleichgewicht durch die Wulstung der Mündungslippe wiederhergestellt. Auf demselben Prinzip beruht offen- bar auch der eingebogene Lippenwulst der Cypraeen, bei denen wahr- scheinlich bei Beginn einer neuen Wachstumszone das betreffende Gebilde wieder aufgelöst wird, wenngleich man annehmen muss, dass bei diesen Schnecken jedenfalls noch andere Ursachen diese sonder- bare Bildung des Gehäusemundes bedingen. Ich habe vorhin erwähnt , dass diese Art der spiraligen Aüf- rollung für die Lokomotion der Tiere die günstigste erscheint. \Vir finden in der That unter dieser künstlich zusammengestellten Meer- schneckengrui)pe die beweglichsten Formen. Die Stromhus-Arten springen ja bekanntlich. Noch mehr. Wir treffen unter den Schnecken mit eingerollten Schalen sogar schwimmende Formen, wenigstens solche , welche zeitweilig schwimmen. Das sind die Äccra- Arten unter den Bullaceen der Opisthobranchier. Freilich sind bei diesen Schnecken die Gehäuse äusserst dünnschalig, es wäre aber trotzdem eine ungehinderte Schwimmbewegung nicht zu denken, wenn die Schale lang ausgezogen über das Tier hinausragen würde. Durch die Einrollung derselben wird eben , wie schon vorhin auseinander- gesetzt wurde, das asymmetrische Gehäuse, dessen Längsachse mit der Schwimmrichtung des Tieres zusammenfällt, der symmetrischen Form möglichst genähert und erleichtert dadurch wesentlich diese für asymmetrische Mollusken abnorme Art der Fortbewegung. Die vierte Gruppe unserer künstlichen Einteilung umfasst einen ungeheuren Formenreichtum . denn hierin liegen nicht nur die ex- tremen Gestalten der konchospiraligen Kegelschraube, sondern auch die enormsten Grössenextreme der Meeresschnecken überhaupt. Es ergibt sich daraus, dass die bisher betrachteten Gruppen eigentlich nur specielle Fälle dieser vierten grossen Gruppe repräsentieren, wei- terhin , dass die Form der ausgezogenen Konchospirale mit ihren unzähligen Modifikationen einer grossen Variabdität in den Lebens- bedingungen der gehäusetragenden Seeschnecken zweckdienlich zu entsprechen vermag. Auf der einen Seite haben wir die enorm schlanken , weit ausgezogenen und dabei äusserst windungsreichen Formen aus den Gattungen Turritdla, CrrifJntnii. Pofamidcs, Fi/ra- — 77 — jiiidcUa, Scal'iria ^ Terehra und Mitra ^ auf der anderen Seite die, wenngleich zum Teil sehr windungsreichen, doch sehr flachen For- men, wie Solarnim, JRoteUa, PJiorus, Ccdcar , Gnilfordia, Omtstns, XenojjJwra , Ästralium etc. und dazwischen alle denkbaren Mittel- formen. Da liegt gewiss die Vermutung sehr nahe , dass diese enorme Zahl von Modifikationen durch besondere Bedingungen erwirkt wur- den, die in den Lebens- und Aufenthaltsverhältnissen der betreffenden Geschöpfe zu suchen sind, die wir aber leider noch viel zu wenig kennen. Was zunächst die lang ausgezogenen windungsreichen For- men anbelangt — die windungsreichste aller Seeschnecken ist meines Wissens nach die etwa 4—5 cm lange (Schalenlänge) Terehra Myuros, welche ausgewachsen ein Gehäuse von nicht weniger als 86 Um- gängen besitzt — so lässt sich füglich behaupten, dass solche Formen bei der thatsächhchen Festigkeit und Dicke ihrer Gehäuse nur schwer im stände sein werden, auf horizontalem Boden sich gut fortzubewegen, da der Fuss im Verhältnis zur Länge des Gehäuses sehr kurz ist. Es lässt sich nur dann annehmen, wenn der Spindelmuskel ganz kolossal stark ist. Vermutlich sind sie — es ist mir nichts Genaues ])ekannt über den Aufenthalt der Turritelliden und Terebriden — Felsenbewohner, die sich an möglichst senkrechten Wänden herum- treiben. Dort stellt sich, der Schwerkraft folgend, die turmförmige Schale einfach senkrecht. Es kann auch sein, dass sie auf sandigem Grunde leben und träge ^ sind, wobei vielleicht auch auf Mimicry be- ruhende Schutzanpassungsverhältnisse mit hereinspielen. Jedenfalls sind derartige Schnecken nicht fähig, sich in der Nähe des Meeresniveaus, wo der Wellenschlag fühlbar wird, aufzuhalten, denn dort würde die enorm lange turmförmige Schale von einer Seite zur anderen ge- schlagenwerden. Man stelle sich, beiläufig bemerkt, vor, wie ein solches Gehäuse aussehen würde, wenn es schnurgerade in die Länge aus- gezogen wäre und wie es in diesem Fall vom Träger weitergeführt werden sollte, dann wird es einleuchten, dass die spiralig-asym- metrische Aufrollung das einzige und unerlässliche Hilfsmittel ist, welches diesen Tieren eine Lokomotion überhaupt noch möglich macht. Wenn auch die alten Windungen der Schale an Gewicht weit hinter den jüngsten zurückbleiben , so ist bei derlei Schalen der Schwerpunkt doch etwas weiter von der Vertikalachse der Sohle entfernt. ' V. M a r t e u s hat mir persönlich mitgeteilt, dass er die Tin-ritellideu und Terebriden als träge Schnecken und Bewohner von sandigem Grunde ansieht, in A\elchcn sie sich bei dieser Gehäuseform leicht eingraben können. — 78 — Wir werden späterhin bei der Betrachtung der Landschnecken auf ähnHche Verhältnisse stossen , auf Verhältnisse , welche gerade durch ähnliche Bedingungen betreffs des Aufenthaltsortes so merk- würdige Konvergenzerscheinungen zeigen. Auf eine Thatsache möchte ich bei diesen Konchylienformen noch hinweisen ; das ist die Ausfüllung des Lumens der Gehäusespitze bei den Tcrchra- Arten. Bei Tn-chra maculata z. B. , der grössten jetzt lebenden Art, deren Gehäuse eine Länge von 20 cm bei ungefähr 24 Umgängen zu erreichen vermag , ist an ausgewachsenen Exem- plaren die Gehäusespitze etwa auf 3 cm Ausdehnung massiv geworden, d. h. das Lumen wurde mit Kalkmasse ausgefüllt. Diese Erscheinung muss nach einfacher Berechnung die Gleichgewichtsverhältnisse der Schale entschieden ungünstiger gestalten und ich finde dafür nur die Erklärung, dass hierdurch etwa das Abbrechen der Spitze möglichst vermieden werden soll. Ahnlich gestaltete Landformen — wir werden das später besprechen — werfen in mehreren Fällen einen grösseren oder kleineren Teil der älteren Windungen ab, wir treffen demnach dort den eigentlich umgekehrten Prozess wieder. Soviel mir übrigens bekannt ist, zeigen nur die Tcrchra-kxiQW diese Erscheinung in so auffallender Weise. Bei den Cerithiden, welche teilweise (Pofamides) im Brack- wasser leben , ist der Schwerpunkt der Schale durch die nicht un- bedeutende Ausbuchtung des letzten Umganges vor Beendigung des Wachstums und durch die starke Verdickung der Lippenmündung wieder so weit vorgerückt, dass er beim Kriechen sich wiederum dem vom Mittelpunkt der Sohle aus errichteten Lote nähert, wie über- haupt alle solche Bildungen meiner Ansicht nach nichts anderes sind, als Resultate statischer Momente, wie wir sie bei den eingerollten Schalenschnecken, vorzugsweise den Stromlms- und P^eroccm- Arten so schön beobachten können. Unter den übrigen, zu unserer vierten Gruppe zu zählenden Formen treffen wir endlose Mannigfaltigkeit an, Formenübergänge in jeder Art und Weise, so dass eine weitere Einteilung in dieser Be- ziehung kaum möglich ist. Immerhin lassen sich , wenn man we- nigstens die extremen Bildungen etwas ins Auge fasst , noch zwei künstliche Untergruppen aufstellen. Die erste derselben würde die- jenigen Formen umfassen , bei welcher die Spiralachse der Schale sich der horizontalen, die zweite diejenigen, bei welchen die- selbe sich der vertikalen Lage nähert. Als Repräsentanten für die erste Untergruppe liessen sich etwa die Fusiden. Muriciden. Tri- — 79 — toniiden und Hostellariiden, für die zweite Untergruppe die Trochiden, Solariiden, Phoriden, Pleurotomariiden etc. namhaft machen. Die Formen der ersten Untergruppe sind meist ziemUch rege und bevveghche Schnecken, bei welchen dasselbe Prinzip hinsichtlich der Gewichtsverteilung der Schale zu Tage tritt, wie bei den ein- gerollt gewundenen, nämlich insofern, als auch hier die Schale in der Horizontallage das Tier ungleich belasten würde, wenn der Schwer- punkt derselben nicht aus der Windungsachse etwas herausgerückt wäre. Dies wird nun. wie bei jenen Formen aus der dritten Gruppe, durch das Zonenwachstum und die Verdickungsleisten an der Lippen- mündung der Schale bewirkt, welche nach jeder Wachstumszone an- gebracht werden. Es wird kein Zweifel darüber obwalten können, wenn ich auf die Tritoniiden , namentlich liandla und die Muriciden hin- weise. Bei den letzteren dienen die merkwürdigen korallen- und pflan- zenartigen , stacheligen Auswüchse an den Gehäusen neben Schutz- anpassungszwecken offenbar auch zur Gleichgewichtsverteilung. Interessant ist es jedenfalls, dass bei allen denjenigen Formen unserer vierten Gruppe, welche ihre Schale mehr horizontal tragen, gleichviel, ob sich die Gehäusegestalt der eingerollten Form nähert oder mehr weniger lang ausgezogen ist, sich die Bildung der Ver- dickungsleisten und das merkwürdige Zonenwachstum je nach der mehr oder weniger horizontalen Tragweise der Schale und der Schwere derselben stärker oder schwächer zeigt. So tritt z. B. bei den Harpa-kxiQw . welche sich der eingerollten Form sehr bedeutend nähern, einerseits und bei den lang ausgezogenen Scalariiden ander- seits diese Thatsache sehr schön in Erscheinung. In der zweiten Untergruppe sind solche Mündungsverdickungen und das Zonenwachstum nicht anzutreffen. Sie sind auch unnötig, w^eil eben bei mehr vertikaler Stellung der Spiralachse des Gehäuses der Schwerpunkt desselben sich sehr annähernd an den Fusspunkt der Columella legt, so dass mit Hilfe des Spindelmuskels die Schale stets so gestellt werden kann, dass ihr Gewicht sich gleichmässig auf die ganze Gleitsohle verteilt. Die Repräsentanten dieser Gruppe sind meist träge Tiere , was sich schon aus dem harten und sehr dicken Kalkdeckel schliessen lässt, den die meisten Trochiden be- sitzen. Aus der gleichen Thatsache erklären sich wohl die merk- würdigen Stachelbildungen am Schalenrande von Guilfordia, Ointstus, Calcar und Ästraliuni , und das eigentümliche, offenbar zur Ver- mehrung des Schutzes dienende Belasten der Schale durch daran befestigte Fremdkörper, wie es die interessanten Xcnophora- Alien - 80 — zeigeil. Das Tiefseeleben der iiocli nicht lange aufgefundenen lebenden Phfirotomaria- Arten spricht offenbar auch für eine träge Lebensweise, Die palaeontologischen Befunde vindizieren überhaupt den „Kreisel- schnecken" ein hohes geologisches Alter und lassen die Annahme aufkommen, dass dieselben sich wahrscheinlich aus den p:itelloiden Gastropodenformen heraas entwickelten durch Ausstülpung des sich dann immer mehr spiralig aufwintlenden Eingeweidebruchsackes. Wie ich schon vorhin erwähnte , finden wir selbstverständlich zwischen diesen beiden ebenfalls künstlich aufgestellten Untergruppen Übergangsformen jeder nur denkbaren Art, so dass der Winkel, wel- chen die Spiralachse der Schale mit der Längsachse der Gleitsohle macht, fast jedes Gradmass von 0 — 90" zeigt. Meiner Ansicht nach stellt aber die Grösse dieses Winkels einen Massstab für dieLokomotionsfähigkeit der Meer es sehn e cken dar. Nehmen wir an, die Aufrollung der Schale sei bei den Napfschnecken unendlich klein nach mathemati- schem Begriff, so wäre dort der Winkel der Spiralachse mit der Längsachse der Sohle = 90". Die Napfschnecken sind aber bekanntlich die trägsten, fast ganz s e s s i 1 e n Formen. Genau das Gegenteil finden wir bei denjenigen, welche ein eingerolltes Gehäuse tragen. Bei Cassis. Valuta, Ci/niJtinni, Olim, bei Pferocera, Stronihus, läuft die Spiralachse des Gehäuses mit der Längsachse der Sohle wenigstens sehr annähernd parallel, der Winkel dieser beiden Achsen ist demnach nahezu = 0. Diese Tiere sind jedoch flott d a h i 11 k r i e c h e n de Schnecken: die St romb a s- A r t e n springen sogar, wie ich schon vorhin zu erwähnen Gelegen- heit hatte. Ein weiteres Material für unsere diesbezüglichen Beobachtungen werden uns fernerhin die Süsswasser- und Landschnecken darbieten und ich möchte zunächst mit der Betrachtung der Süsswasserschnecken beginnen, da diese, wie ich dessen früher schon gedachte, eigentlich in der Mitte zwischen den Meeres- und Landschnecken stehen. Im- merhin haben sich diese Formen aber so manche interessante Special- eigenschaft gewahrt, dass sie entschieden einer genaueren Würdigung teilhaftig werden müssen. Während die unendliche Formenfülle der beschälten Meeres- schnecken uns nirgends eine vollständig in der Ebene aufgewundene konchospiralige Schale zeigt, wenngleich viele Formen sehr nahe daran angrenzen , finden wir diese Art von Gehäusen unter der — 81 — mit jenem Formenreichtum verglichen, entschiedenen Formenarmut der Süsswasserschn ecken am meisten verbreitet, noch viel mehr, als unter der wiederum sehr bedeutenden Formenfülle auf dem trockenen Land, wo nur einige Hdix-Arten, wie wir später sehen werden, die „planorbe" Form zeigen. Damit habe ich schon ausgesprochen, dass es die Planorbiden sind, welche diese Art der Aufwindung des Eingeweidebruchsackes und der Schale vertreten. Doch sind es nicht ganz allein diese Schnecken, sondern es gibt auch eine kleine Anzahl den Ampullariiden angehörige Formen, welche diese Gehäusegestalt zeigen. Der Hauptunterschied in der Schalenbildung, welcher vor allen Dingen sowohl die Süsswasser- als auch die Landschnecken von den Verwandten des Meeres trennt, ist die vorwiegend weit dünnere Schale, ein Umstand, der manchmal auch in der Schwierigkeit der Kalkgewinnung seine Ursache hat. Nur wenige Prosobranchiaten- formen, »namentlich diejenigen, welche fliessende Gewässer bewohnen, erinnern in diesem Punkte an die marinen Schnecken, während die Süsswasserpulmonaten durchweg nur leichte, manchmal ganz ausser- ordentlich dünnschalige Gehäuse tragen. Lang ausgezogene und windungsreiche Formen , wie im Meer und dann wiederum auf dem Lande , sind hier entschieden seltener und es zeichnen sich in dieser Hinsicht nur mehrere Melaniiden und Pleuroceriden aus. Meiner Ansicht nach haben die genannten Fa- mihen eine solche Form erst sekundär erworben, da die Einwanderung vom Meer in die süssen Gewässer , wie Simroth ganz richtig sagt, doch nur durch Überwindung d e r S t r ü m u n g geschehen konnte, daher nur kugeligen Formen möglich war. Der Grund zur Erklärung dieser speciellen Eigenschaften der Süsswasserschnecken ist meiner Meinung nach auch sonst nicht schwer zu finden. Die süssen Gewässer sind ein total anderes Ge- biet als das Meer, entweder in einer beständigen Bewegung wie di(; Flüsse, oder, wenn man von den grösseren, teilweise meerartigen Seen absieht und die kleineren Teiche und Tümpel ins Auge fasst, welche ja die hauptsächlichsten Aufenthaltsorte für die Süsswasser- schnecken repräsentieren und in welche diese Tiere oftmals streng lokalisiert sind, mit Schlammboden ausgestattet und mit einer ausser- ordentlich reichen Vegetation durchwachsen. In rasch fliessenden Flüssen und Bächen ist für Schnecken der Aufenthalt überhaupt nur ausnahmsweise zu denken (Semper spricht vom Aufenthalt einiger Neritinen und Navicellen in reissenden Gebirgsbächen und bringt Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturknnrle in Württ. 1892. G .QO damit die Aussergebvauchsetzung des IJeckels in Verbindunu). denn dort muss der asymmetrische Körperbau den Tieren höchst nachteilig worden. So sehen wir denn auch. dass. wenn überhaupt MoUasketi an solchen Orten leben , es fast immer nur frei-sessile Zweischaler sind . wie die Unioniden , von denen einer der interessantesten Re- präsentanten, die echte Flussperlenmuschel, Margaritana mar (ja - rififera, in manchmal sehr lebhaft fliessenden Berggewässern wohnt. Die hauptsächlichsten Repräsentanten der Schnecken der flies- senden Gewässer sind die Neritiniden. Dieselben zeigen auch ganz eigenartige Schalenverhältnisse. Ihre Schalen sind meist kugelig, mit Ausnahme weniger Arten glatt {Nerüina Corona, spinosa u. a. tragen Stacheln), so dass sie dem fliessenden Wasser möglichst wenig Widerstand zu leisten haben. Sie gleichen hierin ganz und gar ihren marinen Verwandten , den Neritiden , mit welchen sie ja auch vielö anatomische Verhältnisse übereinstimmend besitzen, so dass sie wohl sicher als die sich dem fliessenden Süsswasser angepassten i^flikömm- linge der JVeri^rt- Arten anzusehen sind. Übrigens ziehen sie nach wäe vor ruhige, oft ganz stagnierende Flussbuchten dem Aufenthalt im lebhaft fliessenden Wasser vor. unsere Nerüina ßuviatiUs wenigstens findet sich sehr häufig in den Altwassern der Flüsse. Die grossen Süsswasserseen sind verhältnismässig arm an Pul- monaten, auch da wiegt die Zahl der derberen Prosobranchier (Valvata, Palndina. Melania) vor. hauptsächlich derjenigen, welche nicht unmittelbar am Ufer, sondern mindestens mehrere Meter tief sich aufzuhalten gewohnt sind. Es leuchtet die Ursache dieser Er- scheinung sofort ein, wenn man bedenkt, dass diese Gewässer bei dem infolge des Mangels an Salzgehalt viel leichterem Nass einen bei Wind weit unregelmässigeren Wellenschlag zeigen, als die schwere Salzflut und da der Grund des Seebeckens meist aus angeschwemmtem Flusskies besteht, können keine Wassergewächse aufkommen, welche den zarteren Schnecken einen Halt und Schutz gegen den Wellen- schlag gewähren würden. Kommen aber, wie es nicht selten der Fall ist, doch Lymnaeaceen in grossen Seen vor. so findet man sie stets an schilfigen und schlammigen Buchten . auch sind es immer Formen mit mehr oder weniger runden und kugeligen Gehäusen, wie Lymvaca ampla, aiiriciilaria und fumida. Ein sehr schönes Bei- spiel davon geben neben den soeben angeführten Species die im Bodensee (Überlinger- und Zeller-See) lebenden Lymnaea stagiialis. welche von den in Teichen lebenden Schnecken der gleichen Art so • — 83 — abweichende Gewindeverhältnisse zeigen, dass sie mit Recht als eine ganz andere Art zu betrachten wären, w^enn ihre anatomischen Ver- hältnisse nicht vollständig übereinstimmend wären mit denen der Teichbewohner. Clessin * hat übrigens eine besondere Art, Lymnaca hodanica, daraus gemacht. Die weitaus grösste Zahl der Süsswasser- schnecken liebt Schlammgrund und reichen Pflanzenwuchs. Aus diesem Grunde ist einerseits eine dicke und schwere, anderseits eine sehr schlank ausgezogene Schale nicht vorteilhaft. Mit dem schw^eren Gehäuse würden die Tiere in den Schlamm einsinken und mit der lang ausgezogenen Schale könnten sie nicht durch das Pflanzengewirre hindurchkriechen. So sehen wir denn, dass mit wenigen Ausnahmen auch die Prosobranchiaten des Süsswassers. die zweifelsohne aus dem Meere dahin eingewandert sind, meist nur einfache, in wenigen Umgängen aufgewundene, mehr kugelige oder flache und meist leich,te Gehäuse besitzen (ÄmpuUaria, Paliidina, Valvata, Amnicola. Fom- pliolyx. Lithoglyplms, Faludomus u. a.). Turmförmige Schalen treffen wir nur bei einer Anzahl von nordamerikanischen Süsswasserprosobranchiaten , z. B. bei Melanla sabulata, terchra u. a., Pirena atra, Donjssa deviaus und verwandten Formen, ebenso auch nur unter diesen solche mit Anhangsgebilden, wäe Stacheln u. dergl, z. B. Jo sp'uiosa und mehrere Melania-kxiQw. Offenbar leben diese Schnecken unter ähnlichen Bedingungen . wie die Brackwassercerithien. Die Süsswasserpulraonaten sind durchweg durch leichte und teilweise äusserst zarte Schalen ausgezeichnet, so dass das Gewicht dieses Skelettstückes meist eigentlich gar nicht mehr in Betracht kommt. Es spielt nur bei den Planorbiden eine nicht unwichtige Rolle. Die grosse Gruppe der Lymnaeiden im engeren Sinne — die Planorbiden sind also ausgeschlossen — zeichnen sich ausserdem vor allen anderen Süsswasserlungenschnecken durch eine sehr breite Gleitsohle aus. Diese Eigenschaft verdanken die Tiere ihrer Ge- wohnheit einer höchst eigentümlichen Schwimmart. Es besteht diese bekanntlich darin, dass die Schnecken, unterstützt durch die mit Luft gefüllte Atemhöhle, mit der Sohle an der Oberfläche des Wassers hingleiten, das Gehäuse nach unten gekehrt, eine merkwürdige Be- wegungsart, die mit Hilfe eines vom Tiere ausgeschiedenen Schleim- bandes hervorgebracht wird, wie Simroth" nachgewiesen hat. ^ S. Clessin, Deutsche Exkursionsmolluskenfauna. '^ H. Simrotb, Über die Bewegung und das Bewegungsorgan von Cy- chstoma elegans etc. Ztschr. f. wiss. Zool. Bd. XXXVI. p. 29. 0* — 84 — Eine solche Bewegung erfordert selbstredend eine möglichst kompakte Aufrollung des Eingeweidebruchsackes. So sehen wir denn, dass sämtliche Lymnaeen einen nur wenig, und zwar in der Weise gewundenen Eingeweidebruchsack zeigen, dass die Windungen in ihrem Durchmesser enorm rasch anwachsen, infolgedessen der letzte Umgang an Masse und Gewicht die wenigen vorhergehenden be- deutend übertrifft. Die Schale, meist äusserst dünn, folgt natürlicli wieder der Form des Eingeweidebruchsackes , stellt eigentlich nur den Formhalter dafür dar und dient mit ihrer Achse dem Musculus columellaris zur zweckmässigen Insertion. Als ein schützendes Cuti- kularskelettstück kann man sie bei vielen Arten kaum mehr in An- spruch nehmen. Die spiralig-asymmetrische Aufwindung dient aber auch für diese Schnecken zur Erleichterung der Fortbewegung ebensogut, wie bei den dickbeschalten Meeresschnecken. In ähnlicher Weise, nur etwas anders verhält sich die Sache bei den schon vorhin erwähnten Planorbiden. Diese Geschöpfe sind nämlich unter den Wasser- schnecken neben den auch schon bei voriger Gelegenheit namhaft gemachten flachaufgewundenen Ampullariiden {Marisa cornu arietis und rotula) die einzigen, welche ihren sehr lange ausgezogenen Ein- geweidebruchsack in vielen Umgängen nahezu oder ganz in der Ebene aufwinden. Bei einer solchen Art von Gewinde fällt eigentlich dio Bedeutung des Spindelmuskels wieder hinweg, wie ich in früherer Zeit bei der Untersuchung der anatomischen Verhältnisse dieser merk- würdigen Schnecken zu erwähnen Gelegenheit hatte ^. Wir finden in der That bei den Süsswasserpulmonaten überhaupt keinen besonders differenzierten Spindelmuskel, was die leichte Trennbarkeit der Schale vom Tier beweist. Bei den Planorben findet ein leichter Muskel- ansatz an der Basis der letzten Gehäusewindung seinen Platz, etwa diametral der Mündung der Schale gegenüber. Hier ist es eben der ausserordentlich lange, in der Ebene aufgewundene Eingeweidebruch- sack, welcher sozusagen mit seiner grossen Masse die Insertionskratt der Muskulatur an der Schale ersetzt. Was jedoch die Planorbiden vor den übrigen Süsswasserschnecken besonders auszeichnet, ist die Erscheinung, dass der Eingeweidebruchsack besonders bei den kleinen Arten ganz enorm in die Länge gezogen ist. Wenn man z. B. einen Planorhis vortex aus der Schale nimmt und den in der Ebene spiralig ' 0. Büchner, Beiträf;c zur Kenntnis des Baues der einlieimisclicn Plan- orbiden. S. diese Jahreshefre. 47. Jaliryana-. 1891. — 85 — aufgewundenen Eingeweidebiuchsack abwindet, so stellt er weitaus den grössten Teil des ganzen Schneckenkörpers dar. Er ist beispiels- weise ungefähr zwölfmal so lang, als der Fuss des Tieres. Es lag demnach vor allen Dingen die Notwendigkeit einer spirahgen Auf- rollung vor, wenn das Tier überhaupt im stände sein sollte, sich von der Stelle zu bewegen. Es fragt sich nun aber, warum die Aufwindung bei den Plan- orbiden gerade in der Weise vor sich ging, dass die Schale einen flachen Diskus darstellt. Hätte denn die Aufrollung nicht in ähnlicher Weise erfolgen können, wie bei den schlanken Meeresschnecken"? Wie lässt sich dies erklären? Ich habe vorhin angedeutet, dass die Gewässer, welche von den Süsswasserlungenschnecken besonders reich bevölkert sind, meist kleinere Seen und Teiche sind, oft sind es auch nur Wassergräben. Diese Gewässer bergen aber meist eine sehr dichte und wirre Was- serpflanzenvegetation und unsere Schnecken sind öfters genötigt, sich an derselben und durch dieselbe weiter zu bewegen. W^ie ausser- ordentlich hinderhch wäre zu diesem Zwecke eine langausgezogene getürmte Schale, diese würde sich fortwährend zwischen die Pflanzen- stengel stauen und einspreizen, während hingegen der flache Diskus sich ohne Schwierigkeit hindurcliführen lässt. Anderseits kommt diese Form der Aufwindung und das flachscheibenartige Gehäuse dem Tiere noch hinsichtlich des Kriechens und des eigentümlichen Schwim- mens zu statten und ich verweise bezüglich dieses Punktes auf meine vorhin citierte Arbeit, in welcher ich im Schlusskapitel bei der Be- sprechung der biologischen Verhältnisse der Tiere die vorliegenden Erscheinungen zu erklären versucht hatte (l. c. p. 75 ff.). Mit meinen dortigen Auseinandersetzungen glaube ich klargelegt zu haben, dass eine solche Art der Aufwindung und eine derartige Gehäuseform doch nur bei den Süsswasserpulmonaten möglich ist. also nur bei solchen Schnecken, bei denen der Lungensack in der Regel mit atmosphä- rischer Luft gefüllt ist , so dass auf diese Weise das Gehäuse als hydrostatischer Apparat, als Luftballon für das Tier dient. Abermals jedoch tritt uns die unleugbare Thatsache vor Augen, dass die spiraUge Aufwindung (in diesem Falle allerdings beinahe symmetrisch) der leichteren Lokomotion der Schnecken in hohem Grade dienlich ist, denn das einfache Experiment der Entfernung des Gehäuses , wodurch der aufgerollte Eingeweidesack sich abwindet, bewirkt, dass das Tier keinen Millimeter mehr weiter zu kriechen — 8() — im Stande ist. Nicht zu vergessen sind die Süsswassernapfsclinecken. die Ancyliden, bei welchen eine ganz ähnliche Erscheinung zu Tage tritt, wie bei den patelloiden Formen des Meeres. Diese Tiere sind nämlich infolge des Mangels einer asymmetrisch-spirahgen .\ufrollung ihrer Schale fast ebenso träge Geschöpfe, wie die Patdla-kii^w. Aneyhis lacustris setzt sich nach meinen Beobachtungen gerne auf Lymnaeen , um sich auf diese Weise herumtragen zu lassen. Die Verbindung zwischen Tier und Schale ist auch hier eine ganz ähn- liche wie bei den Patellen , so dass also das Gehäuse nur um ein kleines Stück gelüftet werden kanii. Es bleibeii uns endlich zu näherer Betrachtung noch die eigent- lichen Land Schnecken übrig. Unter der enormen Zahl dieser Tiere begegnen wir wiederum einem Formenreichtum, welcher dem der Meeresschnecken nicht viel nachsteht. Von der Planorbiden-ähnlichen Gestalt (Helix polygyrata^ heligmoidea) bis zu der denkbar schlankesten und ausgezogensten Form [Cylindrella Ellioti, Philippiana, Megaspira datior u. a. m.) finden wir auch unter diesen Tieren alle möglichen Zwischenstufen. Für eine Landschnecke kommt es natürlich besonders darauf an, dass sie sich gut und sicher vorwärts zu bewegen im stände ist. Eine Sessilität , wie bei so vielen Tieren des Meeres , ist auf dem Lande nicht denkbar. Deshalb wiederhole ich die schon an einer früheren Stelle unserer Abhandlung ausgesprochene , auf die that- sächlichon Erscheinungen in der Natur sich stützende Behauptung, dass überhaupt nur spiralig aufgerollte Schalenschnecken zu Land- schnecken werden konnten. Das leuchtet ein. Denn für eine Land- schnecke ist vor allen Dingen eine höhere Entwickelung des Nerven- systems und der Sinnesorgane verbunden mit einer weit stärkeren Entfaltung der Muskulatur notwendig. Dies ist jedoch nur denkbar, wenn die Schnecke im stände ist, den die Sinnesorgane tragenden Körperabschnitt von der Umhüllung der Schale thunlichst freizumachen, was aber nur möglich ist, wenn sich der Eingeweideknäuel ausstülpt und .spiralig aufwindet. Da sich nun . wie es bei allen schalentra- genden Landschnecken der Fall ist, der Eingeweidesack so bedeutend entwickelt, dass er als Bruchsack aus dem Körper heraustritt, so niuss eine so geschlossen als nur denkbar sich aufrollende Spirale gebildet werden, so dass das Gehäuse ungeachtet der Beschaffenheit, den Tierkörper vollständig in sich aufzunehmen , auf die möghchst klein.ste und notwendigste Räumlichkeit reduziert werden kann. Da- bei muss dasselbe bei der allergrössten Festigkeit so leicht wie möglich — 87 — sein, dann werden die Bedingungen für eine energischere Lebens- äiisserung in Erfüllung kommen. Wie zu erwarten, spricht natürhch auch bei den Landschnecken der Aufenthaltsort bezüglich ihrer Auf- rollungsart und Gehäuseform ein bedeutendes Wort. Schnecken, welche vorzugsweise an Orten hausen, die reich mit Vegetation be- wachsen sind , oder solche , welche in Moos , Büschen und Bäumen leben, müssen wohl anders geformt sein, als etwa Bewohner von Felsenhängen etc. So sehen wir denn auch, dass die Schnirkelschnecken oder Hehciden, welche vorzugsweise im Grünen leben — es gibt natürlich auch mannigfache Ausnahmen unter dieser enorm gattungs- und artenreichen Familie — mehr flache oder kugelige Schalen besitzen, ebenso, dass anderseits die besonders an Felsenhängen waldiger Gegenden sich herumtreibenden Pupiden, Clausilien und Cylindrellen sich teilweise durch unvergleichhch schlanke Gehäuseform auszeichnen. Das ist unschwer zu erklären. Die ersteren bewegen sich, durch ihre Form unterstützt, sehr leicht zwischen den Zweigen und Blättern der Büsche und Bäume fort, während die letzteren ungehindert mit ihren schlanken und turmförmigen Gehäusen an den Felsen umher- kriechen und sich in den Klinzen leicht verbergen können. Einige wenige Helices sind interessant durch die planorbe Form ihrer Ge- häuse, es sind hauptsächlich drei Species, welche der Sektion PoUj- (lyratia angehören, nämlich Helix polygijrata, Macgregori und helig- moidea^ alle drei Tropenbewohner, dann mehrere der europäischen Fauna angehörige Schnirkelschnecken, welche unter der Sektion Trigonostoma eingereiht sind. Die unserer Fauna angehörigen sind Helix ohvoluta, augiggra und holoserica. Diese flache diskusartige Form der Gehäuse erklärt sich durch den Aufenthaltsort der Tiere. Die angeführten drei deutschen Species leben bekanntlich in feuchten Wäldern, und zwar im Moose und da kommt ihnen bei der Loko- motion das scheibenartige Gehäuse ebenso zu statten, wie den Plan- orbiden beim Kriechen durch Wasserpest. Ähnliche flache Gehäuse- formen zeigen noch viele an solchen Orten lebende Heliciden , ich darf z. B. nur unsere Hyalinen oder Patala-kvtQu erwähnen. Offenbar leben die vorhin angeführten ganz flachen und vielgewundenen tropi- schen Helix-kYiQW unter ähnlichen Bedingungen. Dass die winzigen im Moos lebenden Pupa-kxiQw dann und wann schlanke Gehäuseform zeigen, ermöglicht eben die minutiöse Grösse. Die charakteristischen, sehr zierlichen, aber meist festschaligen kleinen Helices von den Azoren zeigen fast durchweg die flache Gehäuseform. Eine Anzahl — 88 - vuii Ilelix-Avten lebt aucli an Mauern und die Tiere verbergen sicii gerne bei allzu warmem Sonnenschein in den Ritzen und Klinzen derselben. Da müssen natürlich die Gehäuse entweder scheiben- förmig sein , wie z. B. bei unserer Mauerschnecke , Belix lapicida, oder der italienischen Mauerschnecke, Hel'tx muralis . oder sehr schlank und spitz, wie bei den an ähnlichen Orten lebenden Clausilien. Solche schlank-kegelförmige Gehäuse besitzen z. B. HcUx Caroni und acuta. Die auf grösseren Gesträuchen und Bäumen lebenden Bulinüden und Achatiniden tragen zwischen kugeliger und schlank-kegelförmiger Gestalt schwankende Gehäuse. Der Fuss und der Spindelmuskel sind bei allen beschälten Landschnecken sehr kräftig entwickelt, eine unumgängliche Not- wendigkeit für die leichte Führung des Gehäuses. Nur dadurch konnten sich auf dem Lande ebenso schlanke Windungsformen bilden, weil das absolute Gewicht des aufgewundenen Eingeweid ebruchsacke.s und der Schale meist geringer ist, als das der muskulösen Fussmasse. Ja, es ist Thatsache, dass sich gerade atif dem Lande, wie ich schon bei früherer Gelegenheit erwähnt hatte, die schlankesten aller Schneckenformen hnden. Es sind einige CpIindrcUa- Arten, welche bis zu 40 Windungen erreichen. Dieselben sind jedoch sehr klein, nur eine auch ganz enorm turmförmige Schnecke erreicht eine be- deutendere Grösse (Gehäuse bis 70 m Länge) . nämlich Mcrjaspira clatior. Die noch grösseren schlanken Landschnecken, hauptsächlich die Stenogyra- und Eucalodmm- Arten zeigen grösstenteils eine be- kannte , sehr merkwürdige Eigentümlichkeit. Sie werfen nämlich, wenn sie ausgewachsen sind, einen grossen Teil der älteren Win- dungen ab und schliessen, nachdem sie den ganzen Eingeweidebruch- sack nach vorne gezogen, die abgebrochene Gehäusespitze durch eine Querscheidewand ab. Bei den Eucalodien ist diese Erscheinung all- gemein . bei den Cjlindrellen an einigen grösseren Arten von Haiti beobachtet, auch einige Clausilien haben diese Eigentümlichkeit. Bei den Sfcnogyra- Arten zeigen mit wenigen Ausnahmen die grossen Species diese Sonderbarkeit am ausgesprochensten. Die beiden Arten, Stenogiira obtusa und flecollata , werfen nahezu zwei Drittel ihrer Gehäuselänge ab. Meiner Ansicht nach dient diese Massregel zur Verlegung des Schalenschwerpunktes gegen die Mündung hin und bewirkt dadurch für das Tier ein leichteres Tragen des Gehäuses, abgesehen davon, dass die Schnecke viel leichter durch Pflanzenwuch.s hindurchkriechen knnn. - 89 — Es gibt aber auch eine kleinere Anzahl von Landschnecken mit eingerollten Gehäusen. Unter den Stylommatophoren ist neben mehreren Oleacina- und Strepfost^/la-Arten die noch nicht lange auf- gefundene vollschalige Testacellide der mexikanischen Fauna, Strc- hf'lia Berendti, die interessanteste Form. Dieselbe gleicht ganz und gar einer jB««//a-artigen Schnecke, am meisten einem Scaphander. Unter den basommatophoren Landschnecken sind es mehrere Auriculaceen , welche diese eingerollte Schalenform besitzen , am schönsten ist sie bei den Melampus- Arten zu beobachten. Ich habe bei der Besprechung der ähnlichen Meeresschnecken- formen darauf aufmerksam gemacht, dass diese Art von Aufrollung und Gehiluseform als die für die Bewegung des Tieres günstigste erachtet werden kann, weil die Spiralachse der Schale der Längsachse der Sohle ganz oder nahezu parallel läuft, der Winkel dieser beiden Achsen demnach nahezu oder ganz = 0 ist. Ich habe ferner bei dei- dortigen Gelegenheit die weiteren Vorteile dieser Schalenform klarzulegen versucht, indem ich darauf hinwies, dass das bedeutend an^ymmetrische Gebilde dadurch sich wieder dem .symmetrischen Bau näliert und auf diese Weise den Nutzen der asymmetrischen Auf- wickelung für das Tier noch vermehrt durch die günstige Gewichts- verteilung der Schale auf den Fuss. Ich habe schlies.slich noch er- wähnt, dass eben in diesem Interesse bei solcher Art von Schnecken- gehäusen vielfach Verdickungen und Ausbreitungen des äusseren Lippenrandes der Mündung stattfinden. Dieselbe Erscheinung finden wir auch wieder bei den Auriculaceen vor. Anricula Mkla(\ Judac und die verschiedenen Melampus-kxien zeigen diese Eigentümlichkeit. Eine nicht geringe Anzahl von Bnlimus- Arten, welche ihr Gehäuse in der Art und Weise tragen , dass die Spiralachse desselben der Längsachse der Sohle fast ganz parallel läuft, zeigen, wie unter den Meeresformen die Tritoniiden und Ranelliden, auch die verdickten W\ilstungen des Gehäusemündungsrandes, besonders schön Bulimns sir/natus. Pantagruclinus. Inlabiatns, porphyrostomus u. a. Die Behauptung, welche ich hin.sichtlich der Meeresschnecken autgestellt hatte, dass nändich der Winkel zwischen der Spiralachse (Spindel) der Schale und der Längsachse der Sohle des Tieres einen Massstab für die Fähigkeit der Ortsbewegung darstelle, lässt sich für die Landschnecken nicht so rigoros anwenden, da bei diesen Tieren der Fuss notwendigerweise an Gewicht den. wenn auch noch so bedeutend aufgerollten Eingeweidebruchsack mit der Schale, die fast dnrchwesr sehr leicht ist. meist und zwar nicht unbedeutend übertrifft. Trutzdeni läs:it sich die Thatsache nicht ableugnen, dass sowohl die betreffenden Olcaciua- und Strcptostyla-kxien^ sowie mehrere Auricu- laceen — Pedlpes ist bekanntUch der Renner unter den Schnecken — zu den beweglichsten Kriech Weichtieren gehören und es scheint dem- nach die Form der eingerollten Gehäuse auch bei den Land Schnecken einigermassen auf die Lokomotionsfähigkeit einzuwirken. Dass es auf dem Lande keine Flachschaler, wie die patelloiden Meeressclmecken, ebenso keine unregelmässigen (amorphen) Windungs- formen geben kann, brauche ich kaum mehr besonders zu betonen, denn es ist klar, dass eine derartige Lebensweise, wie sie die be- treffenden Gastropoden führen, nicht denkbar ist. Es ist zwar noch vor nicht langer Zeit eine Ancylide, Brondella gibhosa, auf feuchten Felsen des Waldes von Edough in Algier beobachtet worden \ Es liegen aber noch nicht derartig bestimmte biologische Beobachtungs- resultate vor, dass man diese Erscheinung mit Sicherheit als den entscheidenden Schritt vom Wasserleben zum Landleben bei diesem Flachschaler ansehen kann. Vielleicht kriecht diese Brondella von den Waldseen aus, in welche)) sie wahrscheinlich lebt, an den ja oft reichlich mit Wasser überrieselten Felsen langsam bis zu einer ge- wissen Höhe hinauf, in ähnlicher Weise, wie es die Gezeitenschnecken des Meeres machen, welche hauptsächlich durch die dortigen Flach- schaler repräsentiert werden. Nur regelrecht asymmetrisch aufgewun- dene Schnecken konnten, wie gesagt, meiner Meinung nach zu echten Landschnecken werden und deshalb halte ich, wie bei den Meeres- schnecken, so auch hier die unbeschalten Formen für eine sekundäre Erscheinung. Den Beweis dafür liefert der bei denselben immer sich vorfindende schraubig aufgerollte Eingeweideknäuel, natürlich inner- halb des Leibes. Am schönsten sah ich diese Bildung bei einer interessanten australischen, den Athoracophoriden angehörigen, unter dem Namen Aneitea Gräffei beschriebenen Nacktschnecke , w^elche ich gegenwärtig auf ihre anatomischen Specialia untersuche. Wenn man sich bei derselben den Eingeweideknäuel eingestülpt denkt und eine diesem konforme Schale hinzukonstruiert, so hat man eine regelrecht aufgewundene, beschalte Landschnecke. Auch die biologi- schen Verhältnisse der Nacktschnecken sprechen für meine Annahme, indem die meisten sich ziemlich versteckt herumtreiben und diejenigen, welche exponiert leben. Farben haben, welche zu ihrer Sicherheit bei- tragen, wie z. B. unser allbekannter, sehr gemeiner Arioii cmpirkoriwi. ' Fisilifc)'. Manuel de Comliyliologio. p. ö04. — 91 — Über die Ursache der läotropen und dexiotropen Windungsart vermag ich ebensowenig Positives zu sagen, wie frühere Malakologen. Diese Erscheinungen sind auch für die Ökonomie des Tieres von gar keiner Bedeutung und deshalb ganz untergeordneten Wertes. Man kann sich, der v. iHERiNG'schen ^ Auffassung folgend, die linksgewun- denen Schnecken ganz einfach durch Umstülpung der embryonalen Windungsanlage entstanden denken , wodurch dann der Perversus viscerum sich ausbildete, diese Individuen also einfach als ultraläotrope ansehen. Die Grenze zwischen beiden Formenarten wäre die ebene Spirale (Ampiillaria — Marisa bezw. Geratodes — Lanistes). Wenn ich auch das Gefühl habe, meinen in dieser kleinen Abhandlung dargelegten Anschauungen nicht die richtigen Worte verliehen zu haben, glaube ich doch an der Hand der in der Natur zu beobachtenden Thatsachen meine Behauptung rechtfertigen zu können, dass die gesetz massige Asymmetrie der gastro- p o d e n M 0 1 1 u s k e n (i m G e g e n s a t z zu der P^ i n av i r k u n g der asymmetrischen Bildungen bei den höheren Tieren) für die beschälten Formen der Schnecken um so grös- sere Vorteile mit sich bringt, je mehr sie die ganzen Organ isationsve rhältnisse der Tiere beherrscht. Ihr verdanken die kriechenden Gastropoden zum grossen Teil ihre P o 1 y t r o p i e , die Haltbarkeit der typischen Charaktere und die Fähigkeit der höheren Entwicke- ln n g ihres Nervensystems und der Sinnesorgane zu g u n s t e n einer höheren L e b e n s t h ä t i g k e i t. Leipzig, im Dezember 1891 . ' V. Ihering, Sur les relatioiis uaturelles des Cochlides et des Ichuopodes. In: Bulletin scientitique de la Frant-e et de la Belgique publie pav A. Giard. Tome XXIII. p. 148 ff'. Citierte Schriften. Bergmann, ('. und E. Lenckart: Anatomisch-physiologische Übersicht des Thierreichs. 1854. Bütschli, 0. : Bemerkungen über die wahrscheinliche Herleitung der Asymmetrie der Gastropoden u. s. w. Murphol. Jahrbuch Bd. XII. Buchner, 0. : Beiträge zur Kenntnis des Baues der einheimischen Planorbiden. Diese Jahreshefte XLVII. Jahrgang. 1891. C les sin, S. : Deutsche Exkursionsmolluskenfauna. 2. Aufl. Fischer: Manuel de Conchyliologie. — 92 — Ha 11 er, B. v. : Zur Kemitniss der Muricideu. Denkschrift der K. K. Akademie zu Wien. Bd. XLV. (math.-naturw. Kl.) 1882. U. Abtli. — Untersuchungen über inaiine Rhipidoglossen. Erste Studie. Morph. Jahr)». Bd. IX. Iliering, v. : Vergl. Anatomie des Nervensy.stenis der Mollusken. Leipzig 1877. — Sur les relations naturelles des C'ochlides et des Ichnopodes. In : Bulletin öcientitiquf de la France et de la Belgique publie par A. Giard. Tome XXIII. p. 148 If. Marshall, W. : Über die Asymmetrie im Körperbau der Tiere, besonders der Schollen und ihrer Veiwandten in ..Humbohlt'. Bd. V Heft 7. Naumann; Über die ej'klocentrische Concho.spirale und das Windung.sgesetz von Planorhis corneus. Abhandl. der niath.-phys. Klasse der K. Gesellschaft der Wiss. in Leipzig. I. 1852. p. 169—185 c. Fig. Simroth, H. : Entstelmng- der Landtiere, ein biolog. Versuch. Leipzig 1891. — Über einige Tagesfrageu der Malakozoologie, hauptsächlich Konvergenzerschei- nungeu betreffend. Ztschr. f. Naturwiss. Bd. LXII. 1889. — Über die Bewegung und das Bewegungsorgan von Cijdostoma eJegans etc. Ztschr. f. wiss. Zool. Bd. XXXVI. p. 29. Spengel. J. W. : Die Geruchsorgane und da> Nervensystem der Mollusken. Ztschr. f. wiss. Zool. Bd. XXXV. Bemerkungen über das EinroUungsvermögen der Trilobiten. Von Dr. J. F. Pompeckj in Tübingen. Es ist eine sehr bemerkenswerte Thatsache, dass man von den Trilobiten des Cambrium den weitaus grössten Teil derselben stets in gestrecktem Zustande findet, während die Trilobiten der jüngeren palaeozoischen Formationen sehr häufig eingerollt^ vorkommen. Diese Thatsache wird zumeist so ausgelegt . dass ein Teil der Trilobiten, namentlich die allermeisten Formen des Cambrium, überhaupt nicht die Fähigkeit besessen haben, sich einzurollen. In neuester Zeit hat besonders Neumayr^ dieses in geistreicher Weise zu erklären versucht, indem er nämlich sagt : Das EinroUungsvermögen — einem Schutzbedürfnis der Trilobiten gegen äussere Angriffe entspringend — findet sich allgemein erst mit dem Auftreten der gefährhchen Meeres- räuber, der Cephalopoden , also erst ungefähr vom Ende des Cam- brium an. Dem gegenüber habe ich vor einiger Zeit in einer kleinen Arbeit ^ auseinanderzusetzen versucht , dass die Fähigkeit , sich ein- zurollen, allen Trilobiten zukommt, also auch denjenigen, welche man bis jetzt noch nicht eingerollt gefunden hat. Ich ging bei meiner Beweisführung von dem Bau der Rumpfsegmente aus und betonte zunächst folgendes: Allen Trilobiten ist ausser der Drei- teilung eines jeden einzelnen Segmentes in Rhachis und Pleuren gemeinsam, dass jeder Rhachisring in zwei Teile geteilt ist, in einen vorderen flacheren, welcher im gestreckten Zustande unter das vorhergehende Segment geschoben ist („genou articulaire" ' .,eii)i>'erol]t", cl. h. etwa so eingerollt wie eine Assel, oder wie das Alj- domen eines Flusskrebses. - Neiunayr, Erdgeschichte ü. -p. 42. ^ „Über das Einrolhingsverinögen der Trilobiten-' in: Schriften der phys.- ökon. Ges. zu Königsberg. Jahrg. XXXI. Sitzungsberichte p. 43 ff. - 94 — Barraxde'sj und in einen hinteren, mehr gewölbten, stets sichtbaren Teil. Ferner ist sämtlichen Trilobiten die Umbiegung der äusseren Pleurenteile nach unten gemeinsam. Ein derartiger Bau der Rumpt- segmente ist für die EinroHung des Trilobitenkörpers notwendig : denn einmal musste jeder der gewölbten Rhachisteile einen in der Längsrichtung des Körpers liegenden Fortsatz haben, damit bei der Einrollung, mit welcher naturgemäss eine Entfernung der mittleren Teile der Rhachisringe von einander verbunden war. keine Teile des Rumpfes blossgelegt würden , anderseits war die Umbiegung der äusseren Pleurenteile nach unten sehr wesentlich, damit bei der EinroHung ein seithcher Abschluss des Trilobitenkörpers nach aussen hin erzielt werden konnte. Der äussere, nach unten gebogene Teil der Pleuren ist noch weiter von Wichtigkeit, indem seine Ausbildung massgebend ist für den Grad des durch die Einrollung erzielten Schutzes und für die Stabihtät der Einrollung. Nach der Ausbildung dieses äusseren Pleurenteiles kann man die Trilobiten in zwei grosse Gruppen scheiden: 1) Trilobiten, deren äussere Pleurenteile je mit einer mehr oder weniger grossen, schräge nach vorne und innen gerichteten „Gelenk- oder Gleitfläche'' versehen sind, welche ein dachziegelartiges Unter- schieben der Pleurenenden ermöglicht; 2) Trilobiten, welchen diese „Gelenk- oder Gleitflächen" fehlen. Die Trilobiten der ersten Abteilung findet man sehr häufig eingerollt. Die Einrollung wurde bei ihnen derart bewerkstelligt, dass die äusseren Pleurenteile sich — wie Dachziegel — unterschoben und so ringsum den Trilobitenkörper gegen äussere Angriffe schütz- ten. Rollte sich ein solcher Trilobit im Tode zusammen, so konnte sein Panzer auch nach dem Tode im eingerollten Zustande verharren, da der gegenseitige Druck der dachziegelartig untereinander ge- schobenen , wohl etwas elastischen Pleurenenden ein Auseinander- klappen verhinderte. Man findet daher auch Vertreter dieser Gruppe sehr häufig eingerollt, so die Phacopiden, Calymeniden, Asaphiden. Harpediden und viele andere. In der zweiten Gruppe, bei den Trilobiten ohne Gleitflächen, laufen die Pleurenenden in gerade, oder säbelförmige, mehr oder weniger stark nach hinten gebogene Spitzen, oder in hornförmige Stacheln aus. Eine grosse Reihe der hierher gehörenden Gattungen hat man noch nicht eingerollt gefunden , andere , wie Acidaspis. Bronteus, Cheirurus , Sphaerexochus , licmopleurides sind eingerollt bekannt. — 95 — Bei den zu der zweiten Gruppe zu zählenden Gattungen können die Pleurenenden sich beim Einrollen nicht unterschieben, da ihnen die Gleitflächen fehlen. Wenn nun eine ganze Anzahl der hierher gehörenden Trilobitengattungen . wie namentlich die im Cambrium herrschenden Paradoxiden und Oleniden mit ihren Verwandten bis jetzt noch nicht eingerollt gefunden sind, so sehe ich den Grund für diese Erscheinung im folgenden : Die Einrollung dieser Formen kann nur derart vor sich gehen , dass die Pleurenenden sich nur an- einander legen, bisweilen sich überhaupt nur nähern, aber nicht sich unterschieben. Piollt sich nun ein Trilobit dieser zweiten Gruppe im Tode zusammen, so wird sein Panzer durch den Druck der Ver- wesungsgase, welche sich in der Leibeshöhle bilden, sehr leicht aus- einandergetrieben werden, wenn nicht besonders günstige äussere Bedingungen mitwirken, z. B. sehr weicher Schlamm oder kleine Höhlunsen in dem Boden , auf welchen er hinfällt : man wird also Trilobiten ohne Gleitflächen an den Pleurenenden zumeist in ge- strecktem Zustande finden. Daraus nun aber zu schliessen , dass diejenigen Trilobiten, welche noch nicht eingerollt gefunden sind, auch nicht einrollungsfähig wären , scheint mir nicht gerechtfertigt, da ihre Rumpfsegmente in bezug auf die Rhachis und die Um- biegung der äusseren Pleurenteile ganz analoge Verhältnisse zeigen, wie diejenigen Trilobiten, welche man eingerollt gefunden hat. Ich schreibe es allein der geringen Stabilität der Einrollung zu . dass man viele Gattungen von Trilobiten ohne Pleuren-Gleitflächen bis jetzt noch nicht eingerollt kennt. Diese von mir am genannten Orte weiter ausgeführten An- sichten wurden vor kurzem von Herrn Professor Dames ^ z. T. als nicht berechtigt hingestellt. Hauptsächlich wurde bestritten, dass die dem Cambrium angehörende Gattung Paradoxides einrollungs- fähig gewesen sein könne. Ich möchte daher noch einmal auf diese Verhältnisse zurückkommen und weitere Belege für meine Auffassung beibringen. Im Beginn seines Referates sagt Herr Professor Dames : „Wenn unter diesen letzteren |d. h. unter denjenigen Trilobiten, welche bis jetzt noch nicht eingerollt gefunden sind] Paradoxides mit zu den- jenigen Gattungen gezählt wird, welche »noch sehr wenig und z. T. nur nach Bruchstücken« bekannt sind, so beweist das nur, dass Verf. nie Gelegenheit hatte, sich über diesen Punkt zu unterrichten.'' Neues Jahrbuch für Mineralogie etc. 1892. Bd. I. p. 170. — m — Die betreffende Stelle lautete jedocli bei mir: ;,Wenn nun auch von einer ganzen Reihe von Trilobitengattungen , wie Ärcia, Bohcniilla, Ilarpidf'S^ JJydrocephalns, Triarthrus, Paradoxiäes, Olenus, OleneUus, Mesonacis und anderen, noch keine Vertreter eingerollt bekannt sind, so ist dieses noch absolut kein Beweis dafür, dass sie der Fähigkeit, sich einzurollen, wirklich entbehren, denn einmal sind diese Gattungen noch sehr wenig und z. T. nur nach Bruchstücken bekannt, und dann gehören sie z. T. Formen an. welche keine Gelenktlächen be- sitzen." Selbstverständlich sollte sich doch nur der letzte Teil des Satzes: „und dann gehören sie zum Teil Formen an, welche keine Gelenkflächen besitzen," auf Faradoxkles beziehen, und nicht etwa der erstere; denn Faradoxides und die verwandten Gattungen besitzen eben keine Gelenkflächen. — Übrigens aber hatte ich sehr wohl Gelegenheit, speciell über Paradoxides mich aus eigener Anschauung zu unterrichten, da das Königsberger Mi- neralogische Institut, in welchem ich längere Zeit über Trilobiten arbeitete, eine ganz stattliche Sammlung böhmischer Trilobiten und unter diesen eine ganze Reihe von Paradoxiden mit mehreren voll- ständigen Exemplaren besitzt. Das freilich konnte Herr Professor Dames nicht wissen, wohl aber geht aus meinen späteren Auseinander- setzungen über den Bau des Paradoxidenkörpers und seine Be- ziehungen zur Einrollung zweifellos hervor, dass ich sehr wohl mit den Paradoxiden bekannt sein musste, denn sonst hätte ich diese Bemerkungen gar nicht machen können. Einen weiteren Einwand gegen meine Auseinandersetzungen macht Herr Professor Dames in folgenden Worten: „Verf. würde zu allen diesen Spekulationen [zu dem Schlüsse nämlich, dass alle Trilobiten, auch diejenigen ohne Gelenkflächen an den Pleurenenden, einrollungsfähig gewesen sind] nicht gekommen sein, wenn er sich einen Faradoxides eingerollt rekonstruiert hätte. Er würde dann gesehen haben , dass der einzig denkbare Zweck der Einrollung (Schutz der Weichteile) hier bei der Grösse des Kopfschildes und der dieser gegenüber winzigen Dimension des Schwanzschildes durchaus nicht erreicht wird, die Einrollung also überflüssig ist und zu ihrem Vorhandensein ein ebenso unnötiger Muskelapparat erzeugt und in Bewegung hätte gesetzt werden müssen." Dazu bemerke ich zu- nächst, dass ich mir sehr wohl ein beweghches Modell eines Parar iloxiden aus Kartonpapier rekonstruiert habe, und zwar unter Zu- hilfenahme von Naturexemplaren nach Barrande"s Fig. 23 auf Taf. X des Bd. I seines Systeme Silurien, welche den Abdruck eines Fara- — 97 — doxides Bohemicus mit dem Hypostom in situ zeigt. Auf Grund dieses Modelies kam ich zu der Überzeugung, dass durch die Ein- rollung selbst bei Paradoxides ein Schutz der Weichteile erzielt wird. Es spielt hierbei, wie bei der Einrollung überhaupt, das blosse Grössenverhältnis zwischen Kopf- und Schwanzschild ganz und gar keine Rolle ! Man vergleiche die als einrollungsfähig bekannte Harpes iDtyida: Hier ist das Kopfschild grösser als der ganze übrige Körper und ohne die grossen Wangenhörner bis etwa 65 mal ^ so gross als das Schwanzschild ^. Weiter vergleiche man den ebenfalls eingerollt bekannten Arionellus ceticephalus : Das Kopfschild kann hier das Schwanzschild bis 32 mal an Grösse übertreffen ^. Bei den Paradoxi- den ist das Verhältnis ungefähr ein ähnliches, wie bei dem citierten Arionellus, bleibt aber weit hinter dem von Harpes ungula zurück. Bei dem Exemplar z. B. , welches mir als Vorlage für mein Modell diente, ist das Kopfschild nur etwa 20 mal so gross als das Schwanz- schild; das Verhältnis kann, wie bei Paradoxides spinosus^, bis 32 : 1 wachsen. Die Grösse des Schwanzschildes allein hat demnach mit der Einrollung nichts zu thun, wohl aber hat die Form des Schwanz- schildes Einfiuss auf die durch die Einrollung zu erzielende Ab- schliessung des Trilobitenkörpers gegen äussere Angriffe. Die der Unterseite des Körpers anhängenden Organe werden bei der Ein- rollung natürlich besser geschützt, wenn das Schwanzschild im Um- risse dem Kopfschilde gleicht, oder wenn dasselbe zusammen mit den letzten Rumpfsegmenten dem Hohlräume auf der Unterseite des Kopfschildes ungefähr entspricht, wie das bei den angezogenen For- men von Harpes und Arionellus der Fall ist. Die Probe mit dem von mir gefertigten Modelle des Paradoxides Bohemicus zeigte aber, dass auch bei der Einrollung dieser Gattung und ihrer Verwandten die Organe der Unterseite sehr gut bedeckt werden konnten, trotzdem das Schwanzschild in bezug auf Grösse und Form erheblich vom Kopfschilde abweicht. Legt man nämlich das Schwanzschild so gegen die Unterseite des Kopfschildes, dass das Hypostom vom Schwanz- schilde ^ und etwa noch von den 2 — 3 letzten Rumpfsegmenten be- ' Ich meine stets das Flächenverhältnis , wie es die Projektion des Kopf- \md Schwanzschildes auf eine Ebene ergibt. 2 Barr and e, Syst. Silur. Bd. I. Taf. IX. Fig. 1. ^Barrande, Syst. Sihu'. Bd. I. Taf. X. Fig. 10. * Barrande, Syst. Silur. Bd. I. Taf. XIII. Fig. 1. ^ Bei Paradoxides Bohemicus ist das Schwanzschild mit den Pleuren des letzten Eumpfsegmentes etwa ebenso breit, wie der hintere Teil des Hypostoms. Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1892. 7 — 98 — deckt wird, so wird dadurch ein durchaus genügender Schutz tür die Anhänge der Unterseite des Rumpfes und des Kopfschildes er- zielt. Am Kopfschilde waren wohl überhaupt weniger Weichteile zu schützen, als an der Unterseite des Rumpfes. Während an der Unterseite der Rumpfsegmente auf den Basalgliedern der Füsse ausser dem längeren Endopoditen noch ein kürzerer Exopodit und die spiraligen oder büscheligpn Kiemenanhänge sassen, befanden sich an der Unterseite des Kopfschildes sehr wahrscheinlich 4 Fusspaare ohne Exopodite und ohne Kiemenanhänge '. Diese 4 Fusspaare umgaben — einander ziemlich nahestehend , da ihre Basalglieder wohl als Kauladen dienten — die zwischen Hypostom und Glabella liegende, ein wenig nach vorne gerückte Mundöffnung. So hat Walcott die Organisation für die Unterseite der Calymeniden, Cheiruriden und Acidaspiden entdeckt; analog dürfte sie bei den Paradoxiden und deren Verwandten gewesen sein. Die Kopfanhänge konnten bei der Einrollung eines Paradoxiden unter den Pleurenenden der letzten Rumpfsegmente sehr wohl genügenden Schutz finden ; oder sie konn- ten wohl auch, da sie jedenfalls nach jeder Richtung hin beweglich waren , gegen den Rumpf geklappt werden , wo sie zwischen den Basalgliedern der Rumpfanhänge , welche ungefähr um die Breite der Rhachis auseinander liegen, nötigenfalls Schutz linden konnten. Ein Schutz der Kopf- und Rumpfanhänge kann also bei Paradoxides erzielt werden trotz der winzigen Dimension des Schwanzschildes. Es bleibt allerdings bei der auf oben angegebene Weise be- werkstelligten Einrollung eines Paradoxiden rechts und links vom Hypostom noch ein kleines Stück der Unterseite des Kopfschildes ' — je etwa von der Gesichtsnaht bis zum Umschlage — frei, aber hier spannte sich ja. von Umschlag zu Umschlag gehend, die „Ven- tralmembran" ohne Anhänge aus, welche kaum eines besonderen Schutzes bedurft haben wird. * cf. C. D. Walcott, „The Trilobite. New and old evideuce relatiug to its Organization." p. 203. Walcott sagt hier, nachdem er die vier einfachen Beinpaare neben der Mundöffmmg beschrieben hat : „As yet no other appendages have been observed beneath the head that prove to belong there. Fragments of the thoracic iegs and branchiae are frequently seen in sections crossing the head, bnt they have been piished forward and are of accidental occurrence.'' Diese Worte sollen offenbar zugleich — obwohl es nicht besonders gesagt wird — die von Walcott im „31 Report of the New York State Museum" p. 62 gegebene Bemerkung berichtigen, dass au der Unterseite des Kopfes sich borstenförmige An- hänge befänden, welche umgewandelten Kiemen entsprächen. — 99 — Dass bei Paradoxides durch die Einrollung, welche infolge der grossen Segmentzahl nicht eine cylinderförmige, sondern eine schei- benförmige gewesen sein musste. kein absolut vollkommener Schutz erzielt werden konnte , liegt bei den schnell verschmälerten , stark nach hinten gerichteten Pleurenenden auf der Hand. Immerhin wurde ein Schutz für die Körperanhänge schon durch das blosse Zusammen- klappen gegeben ; und dieser Schutz wurde durch die Annäherung der etwas nach unten gebogenen Pleurenenden noch erhöht. Bei Trilobiten, deren Pleurenenden mit Gleitflächen versehen waren und deren Pygidien ungefähr der Form des Kopfschildes entsprachen, musste die Einrollung natürlich ein erheblich sicherer wirkendes vSchutzmittel sein. Wir finden in Gemässheit des Nützhchkeitsprin- zipes daher auch die Trilobiten mit dieser Ausbildung in den jüngeren Formationen der palaeozoischen- Aera überwiegen , in den jüngsten alleinherrschen , während im Cambrium die Trilobiten ohne Gleit- fiächen und mit Pygidien, welche im Umriss dem Kopfschilde wenig entsprechen , an Arten- und Individuenzahl überwiegen : aber auch hier kommen als eingerollt bekannte Trilobiten mit Gleitflächen an den Pleurenenden vor, wie Conocephalites, Ärionellus, Sao u. a. m. Herr Professor Dames hebt weiter hervor, dass, da seiner An- sicht nach die Einrollung bei Paradoxides ihren Zweck nicht erfüllen würde, dieselbe also überflüssig wäre, „und zu ihrem Vorhandensein ein ebenso unnötiger Muskelapparat erzeugt und in Bewegung hätte gesetzt werden müssen." Der Paradoxidenkörper war aber doch zweifellos beweglich und nicht etwa steif wie ein Brett, denn das beweisen die vorderen (im gestreckten Zustande untergeschobenen) Teile derRhachisringe an den Rumpfsegmenten und am Vorder ran de des Pygidiums. Die Bewegung der Segmente konnte aber nur in einem Sinne er- folgen : um eine in der Querrichtung des Trilobiten liegende Achse, um welche also der Trilobitenkörper eine Biegung ausführte. Zum Zwecke dieser Bewegung musste an und für sich schon ein Muskel- apparat vorhanden gewesen sein und brauchte nicht erst erzeugt zu werden ; andernfalls wäre ja das Vorhandensein der vorderen Rha- chisteile überflüssig und unnötig ; wie ja auch an den inneren Pleuren- teilen, welche ihre gegenseitige Entfernung nie verändern, keine, diesen vorderen Rhachisteilen entsprechende Ausbildung vorhanden ist. Da nun aber die Einrollung weiter nichts ist, als ein stärkerer Grad von Biegung , so brauchten die dieser Bewegung dienenden Muskeln höchstens noch etwas verstärkt zu werden, um den Körper 7 * — 100 — bis zur vollständigen Einrollung zusammenzubiegen , falls sie hierzu nicht schon an und für sich stark genug waren. Möglich war eine bis zum vollständigen Zusammenklappen des Körpers gesteigerte Be- wegung der Segmente bei den Paradoxiden durchaus, denn die Breite der vorderen unterschiebbaren Rhachisteile beträgt fast genau 1 der Breite der hinteren Rhachisteile, eine Ausdehnung, welche für die Einrollung — selbst an der Umbiegungsstelle des Körpers bei der scheibenförmigen Einrollung — durchaus genügt. Sollte man einwenden , dass der Körper eines Paradoxides zu flach wäre, um bei der Einrollung Raum für die Organe der Unter- seite zu geben, so verweise ich auf die als einrollungsfähig bekannten Ampyciden und Trinucleiden , bei welchen einzelne Formen ganz ausserordentlich flach, z. T. sogar flacher als die Paradoxiden sind. Ich habe in meiner Arbeit betont, dass, wenn man von einer Reihe von Trilobitengattungen noch keine eingerollten Formen ge- funden hat, dieses noch kein Grund ist, den betreffenden Gattungen die Einrollungsfähigkeit abzusprechen. Dabei habe ich mich auf Barrande berufen und der von Barrande im Jahre 1872 beschriebenen eingerollten Exemplare von ElUpsocephahis Hoffi Schloth. sp. Erwähnung gethan. Herr Professor Dames sagt hierzu : „Das Beispiel eines von Barrande erwähnten eingerollten Ellipsocephalus Hoffil hilft über diesen Punkt auch nicht fort. Es ist das eben kein ein- gerolltes , sondern ein zusammengeklapptes Stück , wie sie durch mechanische Umstände bei der Einbettung in die Gesteinsmasse wohl vorkommen können und thatsächlich auch bei anderen Gattungen ohne Pleuren-Gelenkflächen beobachtet sind." Hierzu bemerke ich zuvörderst, dass es sich nicht etwa nur um ein Exemplar handelt, wie es Herr Professor Dames nach dem Wortlaut seines Satzes an- zunehmen scheint , sondern um mehrere, sodann , dass Barrande sowohl im Text die Stücke einmal „completement", dann „parfaite- ment enroules" nennt, als auch diese Bezeichnung der Tafelerklärung des abgebildeten Stückes hinzufügt ^ Da ich nun selbstverständlich ^ Barrande sagt in seinem Syst. Sil. Suppl. au Vol. I. p. 12 bei Elli- psocephalus Hoffi: ,Nous mentiounons ici cette espece, dejä decrite dans notre preraier volume, pour faire remarquer que nous sommes parveuu ä trouver des iudividus completement enroules et dont Tun est figure dans la planche 2 du present volume. Nous avions signale comme uii fait singulier, que sur des milliers d'individus de cette espece, qui avaient passe sous nos yeux, avicun s'etait montre enroule, ui meme reploye (Vol. I. 210). Cependant nous reconnaissons dans ce trilobite les foraies des plevres convenable pour un enroule- ment facile. Le hasard a fait enfin d^couvrir une couclie. dans la meme localite — 101 — annehmen muss, dass ein Mann wie Barrande sehr wohl zu unter- scheiden weiss , ob ein Trilobit eingerollt oder zusammengequetscht ist, so musste ich Barrande's Worten glauben. Aus eigener Anschauung über diese Stücke zu urteilen , war mir leider nicht möglich, da — wie Herr Professor NovaK auf eine diesbezügliche Anfrage mir mitzuteilen die Güte hatte — die Barrande'- sche Sammlung seit einiger Zeit in Kisten verpackt und vorläufig gar nicht zugänglich zu machen ist. Ich glaube aber wohl annehmen zu dürfen, dass auch Herr Professor Dames diese Stücke nicht selbst gesehen hat, denn andernfalls würde er das doch in seinem Re- ferate hervorgehoben haben, um den Leser gegenüber dem ausdrück- lichen Wortlaute Barrande's zu überzeugen. Den von Herrn Professor Dames geltend gemachten Einwänden gegenüber glaube ich nach den gegebenen Ausführungen an der Ansicht festhalten zu müssen, dass sämtliche Trilobiten die Fähigkeit besassen, sich einzurollen. Jeder Trilobit vermochte seinen Körper um die Querachse zu biegen und diese Biegung bis zum cylinder- förmigen Einrollen — bei Trilobiten mit einer mittleren Anzahl von Segmenten — oder bis zum scheibenförmigen Zusammenklappen — bei Trilobiten mit sehr wenigen oder sehr zahlreichen Segmenten — auszudehnen, gestattete der Bau der Rumpfsegmente durchaus. de Ginetz, oü plusieiirs indiviclus se sont tronves ä la fois, par- faitement enroules. Voilä donc im nouveau genre, qui vient tardivement cuiitirmer les considerations exposees dans nos etudes generales sur la faciüte d'enroulement et tendant ä demontrer que cette faculte etait commune ä toute la tribu.'- Der AVert , welchen Barrande diesen Stücken beilegt, gibt Zeugnir« davon, dass er sie jedenfalls sehr genau studiert hat und dass ein Irrtum seiner- seits kaum anzunehmen ist. Beiträge zur württembergisehen Flora. Von Pfarrer G-radmann in Forchteuberg. Vorbemerkung: Die folgenden Mitteilungen beschränken sich im wesentlichen auf den Nachweis neuer Fundorte für einige weniger häufige, doch auf württembergischem Gebiet bereits be- obachtete Pflanzen. Manches davon ist sicherlich dem und jenem Pfianzenfreund schon bekannt ; doch glaubte ich der Vollständigkeit halber alles aufnehmen zu sollen, was in der neuesten Auflage der KEMMLER'schen Flora (1882), sowie bei Kirchner, Flora von Stuttgart (1888), noch nicht verzeichnet ist. Nur bei sehr seltenen Pflanzen ist ein bereits bekannter Standort bestätigt. Dazu kommen ein paar meines Wissens noch nicht beschriebene Formen. Nur in einem einzigen Fall kann die Bereicherung der württembergischen Flora um eine neue Species in Frage kommen. Die Belegexemplare habe ich an den Verein eingesandt. Ich zähle nach der Reihenfolge auf, wie sie sich in dem erwähnten Buch von Kemmler findet: 1. Ein Ranunkel, 5. Mai 1890 beiLeutkirch (rechts von der Strasse nach Hofs) in einer Kolonie von mindestens vierzig Exem- plaren am W^aldrand auf feuchtem Grund blühend gefunden, am ehesten dem Typus Ranunculus cassuhicus L. entsprechend: Wurzelblätter nierenförmig, ungeteilt, gesägt, von zahlreichen häutigen Scheiden umgeben; Stengelblätter fingerig geteilt, die Teile nach aussen verbreitert, stark gesägt. Blüten zahlreich, 3 cm im Durch- messer. Doch : Stiele der Wurzelblätter kahl, Oberseite der Blätter kaum behaart, untere Blattflächen sehr fein behaart, hierin vom Typus abweichend. Von E. auricomus L. unterscheiden sich die Pflanzen durch die sich verbreiternden, stark gesägten, fast gefieder- ten Finger der Stengelblätter, durch die blattlosen Scheiden am Grunde , sowie durch die auffallend grossen Blüten (vergl. Hallier, Flora von Deutschland. 5. Aufl. XI. S. 153 ff.). — Eine Verbreitung des — 103 — bisher nur in Krain, Mähren, Preussen beobachteten B. cassuhicus bis in unser Gebiet ist, auch abgesehen von den erwähnten Abweichungen, nicht wahrscheinhch. Vielmehr werden die beschriebenen Pflanzen ebenso wie ihre Vettern im Osten als selbständige Abkömmlinge von B. miricomus L. zu betrachten sein. Die Form von Leutkirch kommt vielleicht auch sonst vor, was um so eher möghch ist, als dieselbe wegen der Ähnlichkeit des Habitus mit Caltha palustris leicht über- sehen werden kann ^. 2. Aconitum Ltjcoctonum L. (Kemmler Bd. I. S. 15). Zu den Standorten im unteren Neckargebiet gehört auch : Forchtenberg, an der Kupfer. 3. Nympliaea alba L. im Weiher bei Halsberg, Gemeinde Schönthal. 4. Cardamine pratensis L. (a. a. 0. S. 26) findet sich in der Umgegend von Leutkirch fast durchweg gefüllt, vielleicht eine Folge des moorigen Bodens und der starken Düngung der Wiesen. 5. Alyssum montan um L. (S. 36) auch auf den Felsen des Ramsbergs bei Kuchen. 6. Lunaria rediviva L. (S. 37) wächst auch in der Geis- linger Gegend, z. B. in der vom Verschönerungsverein neu benannten „Geiselschlucht" in Menge, ausserdem bei Eybach, bei Gingen am Tennenberg. 7. Draba aisoides L. (S. 37) ziert mit vielen anderen Alb- felsenpflanzen die Felsen des Michelbergs bei Geislingen (Oberböh- ringer Höhe). 8. Baphanus BapJianistr um L. mit bandartig verbreiter- tem Stengel (IV2 cm) bei Stuttgart, am Weissenhof, gefunden. 9. Viola palustris L. (S. 47 f.) auch bei Leutkirch auf Moosgrund. 10. Viola hiflora L. (S. 50) am Schwarzen Grat noch immer in Menge. 11. Malva moschata L. (S. 75) bei Neusass, Gemeinde Schönthal, weissblühend. ' Die eingesandten Pflanzen sind dem ecliteu B. cassubicus L. , der in Schlesien die Westgrenze seiner Verbreitung erreicht, äusserst ähnlich, insbesondere wegen des Vorhandenseins der blattlosen Scheiden am Grunde. Alles andere, namentlich auch die Zahl der Wurzelblätter, würde für B. auricomus var. fallax WiMM. u. Gr. sprechen; Früchte sind nicht vorhanden. Mehrere Autoren, so Cfelakovsky (Prodromus der Flora von Böhmen), sehen auch B. cassubicus als Varietät von B. auricomus an. Red. — 104 - 12. Genistet ijermanica L. (S. 98) wächst bei Leutkirch an einer abgeholzten Stelle in Menge mit liegendem bis auf- steigendem Stengel wie G. pilosa (1890). 13. Saxifraga rotundifolia L. (S. 186 f.) ist gegenwärtig an verschiedenen Punkten der Adelegg in prächtigen Exemplaren zu sehen, z. B. an der Quelle beim Schwarzen Grat. Die Pflanze wird sich auch sicherlich bei uns halten, da sie in der benachbarten bayrischen Gegend häufig ist (Allgäuer Berge, Argenfälle bei Riedholz). Dasselbe gilt vom Bergbaldrian : 14. Valeriana montana L. (S. 222). Zahlreiche starke Pflanzen fanden sich im Juni 1890 auf dem schmalen Grat bei der Zengerlesalp (Adelegg), welcher dort die europäische Wasserscheide bildet. 15. Bellidiastrum Michelii Cass. (S. 230) auch an der oberen Argen. 16. Helianthus annuus L. (S. 235) wächst verwildertauf den Mauern der Burgruine von Forchtenberg an verschiedenen Stel- len. Die grössten Pflanzen erreichen eine Höhe von etwa 80 cm mit Blütenköpfen von 10 cm Durchmesser; die kleinsten sind kaum 12 cm hoch, die Blütenköpfchen haben nur 5 — 6 Strahlblütchen von weniger als 1 cm Länge , so dass das ganze Köpfchen etwa die Grösse eines Veilchens annimmt (Belegexemplare eingesandt). Die Samen sind jedenfalls von Vögeln verschleppt; ob die verwilderten Pflanzen Samenreife erlangen, konnte noch nicht beobachtet werden, die Blütezeit beginnt erst Ende September. 17. — 19. Für die Vaccinien (S. 288 ff.) ist das Fandortverzeichnis zu erweitern : Die Heidelbeere bedeckt auch in IV. den Boden ganzer Wälder , so bei Leutkirch ; bei V. uliginosum L. ist hinzuzufügen : Taufachmoos bei Urlau, bei F. Vitis idcua : Leutkircher Stadtwald. 20. Andromeda polifolia L. (S. 291) bedeckt mit ihren zartgefärbten Blüten in den Mosern von Engerazhofen und Winnis, Oberamts Leutkirch, grosse Flächen. S. 292 dürfte Rhododendron leider zu streichen sein. Der Busch im Schwendimoos (Rh. ferrugineum) ist dem Bahnbau zum Opfer gefallen. Auch auf dem Schwarzen Grat war 1890 nichts mehr von Alpenrosen zu finden ; Kundige bestätigen . dass der ge- pflanzte Busch seit Jahren verschwunden ist. 21. Polemonium caeruleum L. (H. S. 11) oberhalb Forch- tenberg am rechten Kocherufer weissblühend in meterhohen Exem- plaren auf Wiesen. — 105 — 22. Cerinthe alpina Kitaibol (II. S. 23) noch 1890 an der liier bei Aitrach-Ferthofen. 23. Digitalis purpurea L. (II. S. 34) in IV auch bei Gebrazhofen, Oberamts Leutkirch, sehr üppige Pflanzen, doch ver- einzelt. 24. Digitalis lutea L. (IL S. 35), Forchtenberg , im Ku- pferthal. 25. Veronica urticaefolia L. Fil. (IL S. 40) noch 1890 an der Hier bei Aitrach-Ferthofen. 26. Lathraea S quamaria L. (S. 54 f.) bei Leutkirch in reinem Fichtenbestand (Kemmler: „an den Wurzeln der Laubhölzer"). 27. Von Frimula elatior Jacq. wurde am 2. April 1879 eine merkwürdige var. pseudo-acaulis am Metzgerbach auf nas- sem Waldboden etwa eine halbe Stunde oberhalb Bothnang gefunden. Der Schaft fehlt, die Blüten sitzen einzeln auf 6 cm langen grund- ständigen Stielchen. Trotzdem gehört die Pflanze nicht zu P. acaulis, sondern zu P. elatior Jacq. : Die Blätter sind ganz spärlich behaart, plötzlich und unregelmässig verschmälert, kürzer als die Blütenstiel- chen; die letzteren sind sehr kurz behaart, die Kelchzähne eiförmig zugespitzt, die Krone klein. Um den Bastard P. elatior-acaulis kann es sich nicht handeln, da P. acaulis in der Nähe nicht vorkommt. Also wohl Übergangsform, wie umgekehrt die mit Schaft versehenen Exemplare ^von P. acaulis. 28. Cephalanthera xiphophylliim Reiche. Fil. (IL S. 169), Forchtenberg, im Wttlfinger Thal, neben C. rubra und grandiflora. Dass statt „Blätter deutlich zweizeilig" (Kemmler) zu setzen ist: „Blätter fast zweizeilig" (Kirchner), wird durch die vorliegenden Exemplare bestätigt. IL S. 180 wird zwischen Orchis latifolia L. und angusti- folia WiMM. unterschieden. Bei der Untersuchung zahlreicher hierher gehöriger Pflanzen von verschiedenen Standorten (Bezirk Leutkirch. V^angen , Öhringen) hat sich eine sichere Diagnose auf Grund der vorliegenden Beschreibungen in sehr vielen Fällen als unmöglich er- wiesen. Gewiss haben auch andere diese Erfahrung gemacht. Die Varietäten , die zwischen 0. latifolia L. und augustifolia Wimm. in der Mitte liegen, sind so zahlreich und mannigfaltig, dass es geraten sein dürfte, zu der umfangreicheren LiNNE'schen Species 0. latifolia zurückzukehren, der die Formen 0. augustifolia und wohl auch 0. Traunsteineri Saut, neben anderen Varietäten unterzuordnen sind. 29. Gymnadenia alhida Eich. (IL S. 183) mit ihren Va- — 106 — nille-duftenden Blüten hat sich nun auch auf dem Gipfel des Schwar- zen Grats angesiedelt und wurde im Juni 1890 in der Umgebung des Pavillons in grosser Anzahl blühend gesehen. Um Schonung wird gebeten. 30. Piatanthera montana Rchb. Fil. (IL S. 184) in den Wäldern um Forchtenberg häufig. Ich mache auf die Beobachtung aufmerksam, dass die Pflanzen im Anfang der Blütezeit der P. bifolia vollständig gleichen, der Sporn ist lang und dünn, die Antheren- fächer sind parallel. Erst später beginnen die letzteren zu divergieren, die Narbe wird sichtbar, der Fruchtknoten wächst bedeutend, wäh- rend der Sporn nicht mehr länger wird, sondern nur derber, so dass das Verhältnis von Sporn und Fruchtknoten sich verändert; zugleich steigt die ganze Pflanze noch bis zu 70 cm in die Höhe und der Typus P. montana ist nun vollständig vorhanden. 31. Lilium Martagon L. (IL S. 193) weissblühend bei Kuchen. 32. Equ isetum Telmateja Ehrh. (IL S. 320) bei Ott- mannshofen, Oberamts Leutkirch. 33. Equisetum hiemale L. (IL S. 32), Leutkirch, bei den , sieben Brunnen". Ein Beitrag zur Rotatorienfauna Württembergs. Von L. Bilfinger, Oberförster iu Stuttgart. Ausser einer im 26. Jahrgang dieser Blätter erschienenen, als Doktordissertation geschriebenen Abhandlung „über die Rädertiere und ihre bei Tübingen beobachteten Arten" von Samuel Bartsch aus Iglö in Ungarn ist bis jetzt über die Rotatorien Württembergs nichts veröffentlicht worden. Es dürfte daher nicht unwillkommen sein, wenn ich im nach- stehenden ein Verzeichnis der von mir in den letzten 3 Jahren in Württemberg aufgefundenen Rotatorien mitteile. Ich habe diese Gruppe mikroskopischer Wassertiere schon seit längerer Zeit zum Gegenstand meiner speciellen Studien erwählt und mich mit der einschlägigen Litteratur, soweit mir dieselbe irgend zugänglich war, genau vertraut gemacht. Bei der Bestimmung der einzelnen Arten, die oft keineswegs leicht ist, bin ich mit der äussersten Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu Werke gegangen : Formen, über die ich nicht vollständig ins klare kommen konnte — und es war deren eine ziemliche Anzahl — wurden in dem Verzeichnis ganz unberücksichtigt gelassen, gröbere Bestimmungsfehler dürften somit ausgeschlossen sein. Kleinere, in einzelnen Fällen zu Tage getretene Differenzen gegenüber von den seitherigen Beschreibungen, die mir übrigens nicht bedeutend genug erschienen , um den Speciescharakter in Frage zu stellen , sind bei den betreffenden Arten erwähnt worden \ Die Lokalitäten, die ich vorzugsweise nach Rädertieren durch- forscht habe, sind die folgenden : ' Einige von mir in Württemberg aiifgefuudene neue Rotatorienarten wurden in dem Verzeichnis nicht aufgeführt, indem ich mir vorbehielt, dieselben späterhin in einem besonderen, mit Abbildungen versehenen Artikel in diesen Blättern zu beschreiben. — 108 — 1. Tümpel im Stuttgarter Stadtwald Stellhäule. 2. See bei Degerloch neben der alten Weinsteige. 3. Tümpel bei Rohracker. 4. Altwasser des Neckars bei Esslingen. 5. „ „ „ „ Heilbronn. 6. „ der Hier bei Dietenheim. 7. ^ „ Jagst bei Crailsheim. 8. „ „ Donau bei Ulm. 9. Riss und Altwasser der Riss bei Biberach. 10. ümmendorfer Ried. 11. See bei Schloss Monrepos. 12. Bärensee im Rotwildpark bei Solitude. 13. Enz bei Enzweihingen oberhalb des Wehrs. 14. Seitengräben der Brenz bei Giengen. Aus den Lokalitäten 5, 6, 7, 8, 9, 10 und 14 erhielt ich zu meinen Untersuchungen lediglich Wasserpflanzen {Myriophyllum. Geratophyllum, Elodea, Utricularia, Hottonia, Ohara etc.), die mir — frisch aus dem Wasser genommen — jedoch ohne Wasser zugeschickt wurden; aus 1, 2, 3, 4, 11, 12 und 13 erhielt ich Wasserpflanzen in „Original "-Wasser und nur aus 11 und 12 wurde mir einigemal auch mit dem feinen Netze gefischtes Material zur Verfügung gestellt. Hieraus erklärt es sich, dass in dem Katalog die festsitzenden, sowie die übrigen an Wasserpflanzen sich aufhaltenden Rotatorien stark vorwiegen, während die freischwimmenden Formen {Conocliilus, Äsplancima, Synchaeta, Triarthra, Änuraea etc.) zurücktreten oder ganz fehlen. Die zum Teil zahlreichen Zusendungen aus den genannten Ört- lichkeiten verdanke ich der Güte der Herren : Oberförster Wetzel in Stuttgart 1 und 2, „ Gasser in Esslingen 4. „ Karrer in Dietenheim 6, „ Hähnle in Crailsheim 7, „ Geyer in Biberach 9 und 10, Revisor Sonntag in Stuttgart 2 und 3, Forstamtsassistent Reuss in Heilbronn 5 und 10, Professor Ostermayer in Biberach 9, „ Dr. Lampert in Stuttgart 11, 12 und 13, Forstreferendär I. Kl. Graf Georg v. Scheler in Stuttgart 11, 12 und 13, Präceptor Hähnle in Giengen a. B. 14, Hüttentechniker A. Römer im Jahre 1890 in Ulm 8. — 109 — Ich fühle mich gedrungen, allen den genannten Herren für die mir gewährte reiche Unterstützung auch an dieser Stelle meinen besten Dank auszusprechen. In dem nun folgenden Verzeichnis der von mir bis jetzt in Württemberg aufgefundenen Kädertiere, in welchem zugleich etwa 30 Arten auch für Deutschland hiermit zum erstenmal nachgewiesen sind, habe ich mich bezüglich der systematischen Anordnung und Nomenklatur mit ganz geringfügigen Ausnahmen an die neue grosse Rotatorienmonographie von Hudson (u. Gosse): The Rotifera or Wheel-Animalcules , 2 Volumes, with Supplement, London 1889 gehalten, da dieses mit zum Teil vorzüg- lichen Abbildungen ausgestattete Werk wohl auf eine längere Reihe von Jahren hinaus für die Systematik der Rädertiere massgebend bleiben wird. Bei der Bezeichnung der Fundorte wurden zur Vermeidung fortwährender Wiederholungen nur die Nummern der oben aufgeführ- ten Lokalitäten angegeben. Farn. 1. Flosculariadae. Genus Floscularia Oken. 1. Fl. regalis Hudson. 1890 aus 4 und 10 in ziemhcher Anzahl. 2. FI,, coronetta Cubitt. 1890 aus 1, 1891 aus 5 in besonders schönen und grossen Exemplaren, nie zahlreich. 3. Fl. ornata Ehrenb. Gemeint 4. Fl. cornuta Dobie (= Fl. appendiculata Leydig). Gemein. 5. Fl. cyclops CvBiTT. September 1891 aus 9 ziemlich zahlreich an Myriophyllum zugleich mit Fl. ornata., von der sich das Tier durch den ungeheuerlich langen Fuss, wie auch durch ab- weichende Färbung leicht unterscheiden Hess. Sonst nie. 6. Fl. campanulata Dobie. 1890 aus 4 in wenigen, 1891 aus 4 und 5 in vielen Exemplaren. 7. Fl. longicaudata Hudson. 1889 aus 6 in Menge, 1890 aus 10 ziemlich zahlreich. Hudson zeichnet den langen Stiel, auf dem das Tier sitzt, stark geschlängelt und sagt in der Be- schreibung: „the peduncle is generally thrown into graceful curves and coils." Bei allen von mir beobachteten Exem- plaren war jedoch der Stiel stets gerade, immer aber etwas „drehwüchsig". ' d. h. in allen vorn aufgeführten Lokalitäten vorkommend. — 110 — 8. Fl. ambigua Hudson. 4, 5, 6, 7, 8, 10, 13 häufig, 1890 auch aus 1 in einer durch sehr langen Fuss und grosse Durch- sichtigkeit ausgezeichneten Varietät, die leider im Jahre 1891 nicht mehr dort aufzufinden war. 9. Fl. algicola Hudson. 2, 4, 9 ziemlich häufig. Hudson hat das Tier immer in die Gallertlager von Gloeotrichia pisum ein- gebettet gefunden. Meine Tiere fand ich an Elodea und Myriophyllum angeheftet. Bei letzterem sitzt es mit Vor- liebe in der Gabelung der Fiederblätter, Im übrigen entspricht das Tier den HuDSON'schen Abbildungen voll- kommen. 10. Fl. Hoodii Hudson. Dieses prächtige Tier fand ich am 28. Sep- tember 1890 in meinem Aquarium und habe es, da es sich daselbst reichlich fortpflanzte , in vielen Exemplaren be- obachten können. Ohne Zweifel stammte das Tier aus 8, da ich kurz vorher einige von dort bezogene Myriophyllum- Stengel in mein i\quarium gebracht hatte. Doch Hess sich dies leider nicht mehr mit Sicherheit eruieren. Da sich übrigens in meinem Aquarium seit mehr als Jahresfrist nur aus Württemberg stammende Wasserpflanzen befanden, so ist es fast zweifellos, dass das fragliche Tier der württem- bergischen Rädertierfauna zugehört. Genus Stephanoceros Ehrenberg. 11. St. EichJiornii Ehrenb. 1889 aus 6, 1890 aus 4 und 10, 1891 aus 5 und 13 ; scheint in Württemberg verbreitet zu sein. Farn. 2. Melicertadae. Genus Melicerta Schrank. 12. M. ringens Schrank. 4, 5, 6, 7, 8, 10 häufig: 1889 auch aus 1, wo es seither nicht mehr zu finden ist; 1891 auch aus 2, wo ich es vordem nie gefunden hatte. 13. M. tubicolaria Ehrenb. (= Tuhicolaria najas Ehrenb.). Herbst 1890 aus 4. Das Tier trat in einem Gefäss mit Wasser, das Myriophyllum aus 4 enthielt, erst ungefähr 2 Monate nach Einbringung der Pflanzen , zuerst einzeln , später in grosser Anzahl auf. Ohne Zweifel hatte es sich aus Dauer- eiern, die an den Pflanzen deponiert gewesen waren, ent- wickelt. — 111 — Genus Lininias Schrank. 14. L. ceratophylli Schrank. 4, 5, 8, 13, besonders zahlreich aber aus 7 und 12 ; in letztgenannter Lokalität bildet das Tier Büschel oder Scheinstöcke, welche dadurch entstehen, dass sich die jungen Tiere in Menge an die Röhren der alten festsetzen (= var. L. socialis Leidy). 15. L. anmdatus Bah^ey (= Limnias Melicerta Weisse). 1890 aus 8 ziemlich zahlreich. Genus Gephalosiphon Ehrenberg. 16. C. Limnias Ehrend. 1890 aus 8 in etwa 6 Exemplaren. Genus Oecistes Ehrenberg. 17. Oe. crystallinus Ehrenb. 2, 3, 4, 5. 6, 7, 8. 9, 10. 11 häufig, jedoch nur in kleinen Exemplaren, die aber bereits fort- pflanzungsfähig sind und Eier in ihren Röhren haben; in grossen Exemplaren (bis 0,6 mm) fand ich das Tier in 5. 18. Oe. intermeditis ÜAms. Nur einmal, aber in Menge 1890 aus 11 an Wurzeln von Polygonum natans, Büschel bildend. 19. Oe. ijtygura Ehrenb. (= Ftygura Melicerta Ehrenb.). 4 und 8 in ziemlicher Anzahl, in grosser Menge aber im August 1890 an Charen aus 14, die mit rostfarbigen schleimigen Flocken überzogen waren. 20. Oe. serpentinus Gosse. An den eben erwähnten Charen befanden sich zahlreiche Exemplare von Oe. ptygura mit ausser- ordentlich langem geringeltem Fuss, auf welche die Be- schreibung und Abbildung, die Gosse von seinem Oe. ser- pentinus gibt, vollständig passte. Ich habe mich aber über- zeugt, dass diese Exemplare einfach ältere Tiere von Oe. ptygura waren. Oe. serpentinus dürfte daher als sell)- ständige Species zu streichen sein. Nebenbei gesagt, hat übrigens Oe. ptygura (und ser- pentinus)., wie die anderen Oecistes- kri^n., 2 laterale Anten- nen und nicht bloss eine. 21. Oe. longicornis Davis aus 4 und 8 ziemlich zahlreich. Genus Lacinularia Oken. 22. L. socialis Ehrenb. Juli 1889 aus 7 in Menge. Genus Meg alotrocha Ehrenberg. 23. M. alboßavicans Ehrenb. September 1890 aus 8 in Menge. — 112 — Farn. 3. Philodinadae. Genus Philodiit a Ehrenberg. 24. Ph. erythropJdhalma Ehrenb. Aus 4 zahlreich. 25. Ph. roseola Ehrenb. .\us einem Brunnentrog in Böblingen ein- mal in ungeheui"er Menge, sonst nur einzeln. 26. Ph. citrina Ehrenb. 2. 4, 9 einzeln, aus 1 im ersten Frühjahr einigemale zahlreich. 27. Ph. megalotrocha Ehrenb. Sehr gemein, nur in 1 habe ich das Tier nie gefunden. 28. Ph. aculeata Ehrenb. 4, .5, 6, 7, 8, 10 nicht selten, doch nie in Menge. 29. Ph. macrostyla Ehrenb. (= Ph. tuherculata Gosse). Aus 10 im Juli 1891 in wenigen Exemplaren. Genus Botifer Schrank. 30. R. vulgaris Schrank. Gemein. 31. it. tardus Ehrenb. (soll nach Gosse mit B. citrinus Ehrenb. identisch sein). 4, 5, 7, 8, 10, 11 einzeln; in Schlamm aus einem Altwasser der Donau bei Tuttlingen im Frühjahr 1891 in ungeheurer Menge. 32. B. macroceros Gosse (= B. motacilla Bartsch). 4, 5, 8, 10 in grosser Anzahl, namentlich in 5. 33. B. macrurus Schrank. Nur einmal aus 10 in wenigen Exemplaren. Genus Actinurus Ehrenberg. 34. A. neptunius Ehrenb. 1890 aus 8 wenige Exemplare, Herbst 1891 in Schlamm aus 11 in Menge. o^ Genus Callid i n a Ehrenberg. 35. C. elegans Ehrenb. Aus 1 und 5 ziemlich zahlreich. Die aus 5 stammenden Tiere hatten alle eine ziegelrote Färbung. Fam. 4. Adinetadae. Genus Adineta Hudson. 36. A. vaga Davis. 1890 aus 8 nur 2 Exemplare. • Fam. 5. Microcodidae. Genus Microcodoii Ehrenberg. 37. M. clavus Ehrenb. Jnh 1890 aus 8 zahlreich, sonst nie. — 113 - Farn. 6. Asplanchnadae. Genus Asplanchna Gosse. 38. A. priodonta Gosse. Aus 11 in Menge. Genus Sacculus Gosse (= Ascomorpha Perty). 39. S. viridis Gosse. 1 und 4 öfters und stets zahlreich. Farn. 7. Synchaetadae. Genus Synchaeta Ehrenberg. 40. 8. pectinata Ehrenb. 1 und 2, auch aus einem Abfluss des oberen Anlagensees in Stuttgart, mehrmals in Menge. Farn. 8. Triarthradae. Genus Polyarthra Ehrenberg. 41. P. platyptera Ehrenb. 4 und 11 sehr zahlreich. Farn. 9. Hydatinadae. Genus Hy datina Ehrenberg. 42. H. senta Ehrenb. Nur einmal, jedoch in sehr grosser Menge im April 1890 aus einem Abfluss des oberen Anlagensees in Stuttgart. Genus Notops Hudson. 43. N. Brachionus Ehrenb. Im September 1890 aus 1 sehr zahl- reich, sonst nie. Genus Triphylus Hudson. 44. T. lactistris Ehrenb. (= Diglena lacustris Ehrenb.). Ständiger Bewohner von 1 in den Jahren 1889, 1890 und 1891. Von diesem Tier habe ich auch das Männchen in zahlreichen Exemplaren gesehen. Farn. 10. Notommatadae. Genus Taphrocampa Gosse. 45. Th. annulosa Gosse. 5, 7, 8, 9, 10 häufig. 46. Th. selenura Gosse. 1890 aus 8 in einem Exemplar. Genus Not omni ata Gosse. 47. N. aurita Ehrenb. Gemein. 48. N. tripiis Ehrenb. 4, 6, 8, 9, 10 oft in ziemlicher Menge. 49. N. lacinulata Ehrenb. Gemein. Jahreehefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1892. 8 - 114 — Genus Copeus Gosse. 50. G. labiatus Gosse = Notommata centrura Ehrenb. = Notommaia copeus Ehrenb. 6 und 9 einzeln. Ich habe dieses Tier in meinem Aquarium monatelang gezüchtet und eingehend beobachtet und mich dabei auf das bestimmteste überzeugt, dass die 3 oben angeführten Namen ein und dasselbe Tier bezeichnen. Die langen, retraktilen Wimperohren, welche nach Ehrenberg nur N. copeus zukommen sollen, werden höchst selten und nur dann ausgestreckt, wenn das äusserst träge Tier durch Nahrungsmangel gezwungen wird , einen neuen nicht in unmittelbarer Nähe liegenden Weideplatz aufzusuchen und zu diesem Zweck eine Strecke weit frei durch das Wasser zu schwimmen. Die lange bewimperte Unterlippe hat Ehrenberg einfach übersehen, wie auch die langen Lateraltaster bei seiner N. copeus. — Übrigens wurde schon von Eyferth (Die einfachsten Lebensformen des Tier- und Pflanzenreiches. Braunschweig 1885j die Vermutung ausgesprochen, dass N. centrura und copeus identisch sein werden. 51. C. cerberus Gosse. 1891 aus 5 und 10 wenige Exemplare^ Genus Proales Gosse. 52. P. decipieiis Ehrenb. Aus einem Brunnentrog auf dem Stutt- garter Pragfriedhof mehrmals in Menge, sonst nur einzeln. 53. P. sordida Gosse. Aus 9 in wenigen Exemplaren, ebenso aus dem Bassin einer der Fontänen auf dem Stuttgarter Schlossplatz. 54. P. petromy^on Ehrenb. 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 13 häufig. Genus Furcularia Ehrenberg. 55. F. forficida Ehrenb. 4, 5. 7, 8, 12 nicht selten, aber nie in Menge. 56. F. yracilis Ehrenb. 1, 2, 4, 9 einzeln. 57. F. eva Gosse. 5, 9, 10, nur in 5 zahlreich, sonst einzeln. 58. F. longiseta Ehrenb. (= Notommata longiseta Ehrenb.) 4, 5, 7, 9 einigemal zahlreich. Genus Eosphora Ehrenberg. 59. E. aurita Ehrenb. (= Diglena aurita Ehrenb.) Aus 2 im Früh- jahr 1891 in Menge, später dort nur noch vereinzelt, auch aus 3. — 115 — 60. E. digitata Ehrenb, 3, 8, 11 und 14, auch aus dem oberen Anlagensee in Stuttgart, stets in grösserer Anzahl. 61. E. elongata Ehrenb. 7 und 10 einzeln, im ganzen etwa ein Dutzend Exemplare. Genus D igle na Ehrenberg. 62. D. grandis Ehrenb. 4, 7, 8, 11 einigemal zahlreich. 63. D. forcipata Ehrenb. 5 und 10 nur wenige Exemplare. 64. D. caudata Ehrenb. 7 und 8 vereinzelt. 65. D. catellina Ehrenb. Aus einem Tümpel bei Möhringen einmal massenhaft, ebenso aus einem Wasserloch bei Biberach. 66. D. uncinata Milne. 4, 5, 13 einzeln, im Oktober 1891 aus 9 in grösserer Anzahl. 67. D. mustela MmNE. Im Oktober 1891 zahlreich aus 9 mit der vorigen, sonst ist mir das Tier nie vorgekommen. 68. D. biraphis Gosse. Öfters aus 1, doch nie in grösserer Anzahl. Farn. 11. Rattulidae. Genus Mastigocerca Ehrenberg. 69. M. carinata Ehrenb. 5, 6, 7, 8, 9, 10, 13 einzeln, besonders grosse Exemplare aus 4. 70. M. scipio Gosse. Einige wenige Exemplare aus 4 im August 1891. 71. M. elongata Gosse. 5 und 8 einzeln. 72. 31. rattus Ehrenb. Gemein, auch aus Brunnentrögen Stuttgarts. 73. M. bicornis Ehrenb. Im Oktober 1891 aus 9 in grosser Anzahl. Alle von mir beobachteten Exemplare hatten einen voll- ständig geraden, spiessförmigen Fussgriffel mit 2 Neben- dornen an der Basis. (Nach Gosse sollen die Nebendornen fehlen und der Fussgriffel gekrümmt sein.) Genus Diurella Bory d. S. V. 74. D. tigris Bory. Gemein. Das hier aufgeführte Tier entspricht genau der Abbildung, die Plate von D. tigris in der Jenaischen Zeitschrift für Naturwissenschaft Bd. 19 Taf. II Fig. 1 gegeben hat. Es ist nicht gleich dem von Gosse unter dem Namen Batttdus tigris aufgeführten Tier. 75. D. stylata Eyferth (nicht = Mastigocerca stylata Gosse.) Im September 1891 in Menge aus 12. 76. D. rattidus Eyferth. Gemein, namentlich aus 1 im ersten Früh- jahr und wieder im Spätherbst massenhaft. 8* — 116 — Farn. 12. Dinocharidae. Genus Dinocharis Ehrenberg. 77. D. pocillum Ehrenb. 2, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 13 häufig. Genus Scariäium Ehrenberg. 78. Sc. longicaudatum Ehrenb. 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 13 häufig, auch mehrmals Männchen. 79. Sc. endactylotum Gosse. Dieses schöne Tierchen erhielt ich erst- mals aus 1 am 22. September 1890 in etwa 6 Exemplaren, dann wieder im Juli 1891 aus 10 in grösserer Anzahl. Genus Stephanopfi Ehrenberg. 80. St. lamellaris Ehrenb. Aus 5, 7 und 12 je einige wenige, aus 8 zahlreich. 81. St. unisetatus Colons. Im September 1890 aus 10 ziemlich zahlreich. Farn. 13. Salpinadae. Genus Diaschiza Gosse. 82. D. seniiaperta Gosse. Geraein; ich habe das Tier lange Zeit irrtümlicherweise für Furcularia gihha Ehrenb. gehalten. Genus Diplax Gosse. 83. D. trigona Gosse. Im August 1891 aus 10 nur 2 Exemplare. Genus Salpina Ehrenberg. 84. S. mucronata Ehrenb. Aus 2, 3, 4, 13 häufig, mehrfach auch aus Brunnentrögen Stuttgarts. 85. S. hrevispina Ehrenb. 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 13 sehr häufig. 86. S. ventralis Ehrenb. Einmal aus 4 in grösserer Anzahl. Farn. 14. Euchlanidae. Genus Euchlanis Ehrenberg. 87. E. dilatata Ehrenb. Gemein. 88. E. triquetra Ehrenb. Gemein. 89. E. deflexa Gosse. 5, 8, 9, 13 (besonders grosse Exemplare aus 5). 90. E. pyriformis Gosse. Herbst 1889 aus 6 etwa ein Dutzend. Farn. 15. Cathypnadae. Genus Cathypna Gosse. 91. C. luna PLhrenb. Gemein. — 117 — Genus TJistyla. Eckstein. 92. D. Ludwigii Eckstein. 1890 aus 8 in ziemlicher Menge. 93. D. flexilis Gosse. 1891 aus 13 zahlreich. Genus Monostyla Ehrenberg. 94. M. lunaris Ehrenb. 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11 häufig. 95. M. cornuta Ehrenb. Sehr gemein. 96. M hulla Gosse. 1891 aus 10 zahlreich, sonst nie. 97. M. quadridentata Ehrenb. 2, 3, 13 und 14 je in grösserer Anzahl. Farn. 16. Ooluridae. Genus Colurus Ehrenberg ^. 98. C. bicuspidatus Ehrenb. 4, 7, 8, 11 in Menge. 99. C. uncinatus Ehrenb. 5 und 9 zahlreich. 100. C. obtusus Gosse. Mit den beiden vorigen, aber mehr vereinzelt vorkommend. Genus Metopidia Ehrenberg. 101. M. lepadella Ehrenb. Sehr gemein. 102. M. solidus Gosse. Fast immer zugleich mit der vorigen, häufig. 103. M. bradea Ehrenb. Ich habe dieses Tier nur einmal mit Sicherheit gefunden und zwar aus 4. Bei der grossen Variabilität von M. lepadella ist es mir zweifelhaft, ob M. solidus und M. bradea als gute Arten anzusehen sind. 104. M. acuminata Ehrenb. 7, 8 und 10 selten und immer ganz vereinzelt. 105. M. triptera Ehrenb. 4, 6, 7, 8. 10 nicht häufig. 106. 31. rJiomboides Gosse. Nur einmal im August 1891 aus 10, jedoch in Menge. Farn. 17. Pterodinadae. Genus Pterodina Ehrenberg. 107. Pt. patina Ehrenb. Gemein. 108. Pt. mucronata Gosse. Nur einmal im Oktober 1891 aus 5 in 2 Exemplaren 109. Pt. reflexa Gosse. Im Oktober 1891 aus 5 zahlreich. ^ Die Bestimmung- der einzelnen Cohirus-Axt^n ist äusserst schwierig, zu- mal da die Diagnosen der Autoren nicht präcis genug sind ; ich bin daher nicht ganz sicher, ob ich mit den oben angeführten Namen das richtige getroffen habe' Es sind aber jedenfalls 3 distinkte Arten. — 118 — Genus Pompholyx Gosse. 110. P. sulcata Hudson. Aus 11 in grosser Menge im September 1891. Farn. 18. Brachionidae. Genus Brachionus Ehrenberg. 111. B. urceolaris Ehrenb. 2 und 12 oft massenhaft. 112. B. Bakeri Ehrenb. 3, 11 und 13 in grosser Menge, 2, 4, 7, 8, 10 einzeln. 113. B. dorcas Gosse. Aus 11 im August 1891 in etwa 6 Exemplaren. Genus Noteus Ehrenberg. 114. N. quadricornis Ehrenb. 4, 7, 8, 10 in Menge; auch einige Männchen. Farn. 19. Anuraeadae. Genus Anuraea Gosse. 115. A. aculeata Ehrenb. 11 und 12 sehr zahlreich, darunter viele Exemplare der Varietät A. valga Ehrenb. 116. A. stipitata Ehrenb, (dürfte identisch mit A. cochlearis Gosse sein). 11 und 12 sehr zahlreich. Genus Notholca Gosse. 117. N. striata Ehrenb. Aus einem Brunnentrog auf dem Stutt- garter Pragfriedhof zweimal 1889 und 1890 in Menge. Zum Schluss erlaube ich mir noch, an die verehrlichen Vereins- mitglieder, insbesondere aber an meine Herren Fachgenossen unter denselben die Bitte zu richten, mir durch Zusendung frischer Wasser- pflanzen, namenthch aus den Seen und Rieden Oberschwabens und des Schwarzwalds, sowie aus den Altwassern der Flüsse Material zu weiteren Untersuchungen an die Hand zu geben \ Ich bin überzeugt, dass sich das Verzeichnis der württem- bergischen Rädertiere noch sehr wesentlich vermehren lässt. ' Diejenigen Herren, die sich hierzi; bereit linden sollten, ersuche ich ganz ergebenst, sich zuvor mit mir brieflich in Verbindung setzen zu wollen. Zur Molluskenfauna im Oberamt Saulgau. Von J. Mönig in Saulgau. Das Oberamt Saulgau liegt zwischen den Oberämtern Eied- lingen, Waldsee, Ravensburg, dem preussischen Oberamt Sigmaringen und dem badischen Bezirksamt Pfullendorf. Der Bezirk ist im grossen und ganzen für die Weichtiere günstig. Es finden sich in demselben viele Waldungen, Weiher (Altshausen, Ebenweiler), Torfriede, Wiesen, Raine ; im NW. steht der oberste weisse Jura an, lauter Bedingungen, die für die Existenz der Mollusken sehr günstig sind. Die selteneren Arten finden sich im nordöstlichen (Patulci rupestris, Pyrostoma dubia ^ parvula, pUcatula, Zehrina detrita) und südwestlichen Teile (Fruticicola rufescens, umhrosa, villosa, Strigillaria cana, Pi/rostoma lineolata), während in der Mitte die mehr neutralen Formen vor- kommen. Liefert auch eine solche Lokalfauna wenig oder nichts Neues , so bietet sie doch manches Interessante und unser Verein für „vaterländische Naturkunde" hat sich ja u. a. zur Aufgabe ge- setzt, Württemberg in bezug auf Fauna, Flora u. s. w. mehr und mehr kennen zu lernen. Von diesem Standpunkt aus möge auch der folgende Beitrag zur Weichtierfauna aufgenommen und betrachtet werden. Die mir unbekannten oder wenigstens zweifelhaften Nackt- schnecken hat Dr. H. Simeoth in Leipzig , die Gehäuseschnecken S. Clessin in Ochsenfurt in bereitwilligster Weise bestimmt, wofür ich beiden Herren nochmals den verbindlichsten Dank hiermit aus- spreche. In bezug auf die genaue eingehende Beschreibung der Arten verweise ich auf das unten genannte Werk S. Clessin's, wie auch auf Rossmässler , Ikonographie der Land- und Wasser- mollusken Europas. Die Nacktschnecken dagegen glaubte ich auf Grund der neuesten Untersuchungen des Herrn Dr. H. Simroth etwas ausführlicher behandeln zu dürfen. — 120 — 1. Limax maxifmis Linne. (Limax einereus Müller ; Limax cinero-niger Wölk.) Unter den BegrifF Limax maximus subsumiert Dr. H. Simroth ^ die bisher als selbständig betrachteten Species : Limax cinero-niger, L. einereus, L. unicolor, weil sie keine anatomischen Verschieden- heiten zeigen und nur die Färbung und Zeichnung der Tiere eine andere ist. Dieser Ansicht hat sich auch S. Clessin ^ angeschlossen und führt L. cinero-niger, L. einereus und L. unicolor nur als Farben- varietäten des L. maximus auf. Die Farbe des letzteren ist eine sehr verschiedene. Die Grundfarbe ist schwarz, aschgrau oder weiss- ■grau mit grünlichem Scheine. Dr. Lehmann"^ schildert die Färbung in folgender Weise : 1) Die schwarzen Stücke sind in allen Teilen Kopf, Augen- träger, Körper glänzend tiefschwarz, nur die Sohle hat drei gleich- breite scharf geschiedene Längsfelder, deren seitliche schwarzgrau, das Mittelfeld weiss gefärbt. 2) Ebenso gefärbte Stücke mit gelben Rücken- und Kielstreifen. 3) Schwarz mit gelben Rücken- und Kielstreifen und ausser- dem jederseits am Rücken einen gelben Längsstreifen ; letztere zu- weilen grau, Augenträger und Fühler grau. Sohle wie oben. Die weissgrauen Stücke zeigen folgende Abänderungen : 4) Körper hellgrau oder aschgrau, Kopf dunkler, Schild, Fühler, Augenträger, Seiten hellaschgrau, Kiel und Rückenlinie gelb. Unter- halb dieser gelben Linie ein schwarzes Fleckenband . unter diesem wieder eine gelbe Längslinie und unter dieser ein schwarzes Längs- band. Sohle seithch aschgrau, Mitte weissgelb. 5) Ebenso gefärbt, doch das untere schwarze Längsband fleckig oder punktiert aufgelöst. 6) Ebenso gefärbt, Schild und Augenträger hellgrau, untere schwarze Längsbinde fehlt. 7) Wie die vorige, die Sohle scharf schwarz- und weissfeldig. 8) Weissgrau mit grünlichem Schein und zwei schwarzen, unter- brochenen Rückenstreifen. Sohle weissgrau ohne deutliche Felder. ' Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschneckeu uml ihrer europäischen Verwandten. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, XLII. Bd. 2. Heft, 1885. 2 Deutsche Exkursions-Molluskenfauna, 2. Aull., 1884, und Molluskenfauna Österreich-Ungarns und der Schweiz, 1887. ^ Die lebenden Schnecken und Muscheln der Umgegend Stettins und in Pommern, 1873. S. 27 f. — 121 — 9) Schwarzgrau. Auf dem Rücken und Kiele eine unterbrochene weissgelbe Längsbinde, unter derselben jederseits eine schwarze Längshnie. Schild und Kopf schwarz, Augenträger grau. Sohle seitlich schwarzgrau, in der Mitte weiss. 10) Färbung wie bei 4, doch die Sohle bemerkenswert, da der hintere Teil dreifeldig grau und weiss, scharf geschieden, die Mitte und der vordere Teil der Sohle dagegen gleichraässig weissgrau gefärbt. Zu einem ähnlichen Resultat in bezug auf Farben Veränderungen des Limax maxinms ist auch Dr. Simroth auf Grund seiner Beob- achtungen und Untersuchungen gelangt (1. c. S. 304 f., 301 f.). Bunte und gebänderte Formen sind mehr unter der Jugend, gefleckte und einfarbige, graue und schwarze mehr unter dem Alter zu finden. Dunkle Einfarbigkeit muss im allgemeinen als letzte und höchste Stufe gelten, alle übrigen als konservierte Jugendzustände, in den gestreiften sind die jüngsten, in den gefleckten die mittleren und späteren Zwischenstufen erhalten. Unter den gesammelten 8 Stücken waren 7 ganz jung, teil- weise ohne Rückenbinde, teilweise mit roter Rückenbinde ; ein Stück, etwa 7* der ausgewachsenen, w^ar oben einfarbig schwarz, unten hell {Limax unicolor Heynemann, L. montanus Leydig). Erstere wurden im Wald bei Hochberg gesammelt, letzterer an einem mit Moos be- wachsenen Nagelfiuhfelsen in der Nähe Saulgaus. Die Jungen trifl:t man häufig an Pilzen. 2. Limax fenellus Nilsson {Limax cinäus Müller). Das Vorkommen genannter Schnecke in Oberschwaben erwähnt bereits Prof. Dr. Leydig ^ Ich sammelte im September und Oktober 1891 im Wald an Pilzen und bei Regenwetter an Buchen 18 Stück etwa V2 — ^3 wüchsig. Die Färbung war die gewöhnhche, wie über- haupt die Farbenabänderungen unbedeutend sind. Grundfarbe mehr oder weniger gelb, Schild orange, Rücken und Kielstreifen heller gelb. Nach Dr. Simroth's (1. c. S. 295) Beobachtungen fehlt in der Jugend die Zeichnung durchweg völlig, bei manchen entwickelt sich überhaupt keine. Die Regel ist, dass die Schnecken, bevor sie halb- wüchsig werden, jederseits auf dem Mantel eine bräunliche oder schwarze Binde bekommen, die sich nachher leierartig nach vorn ausdehnt. Die Binde erstreckt sich nicht auf den Rücken, höchstens nur andeutungsweise, vielmehr ist dieser zart grau angelaufen, so ^ Die Hautdecke und Schale der Gastropoden. Berlin 1876, — 122 — dass die Farbe von oben nach unten gleichmässig abnimmt. Es bleibt dann ein heller Kielstreifen, vorn am Mantel knopfartig breit beginnend, dann verjüngt, allmählich wieder breiter und wieder ver- jüngt. Die Sohle ist durchweg hell. Junge Tiere haben die Schwanz- spitze zart karminrot angehaucht. Bei älteren oder halbwüchsigen ist der Schleim lebhaft gelb. L. tenellus ist einjährig, in der kalten Jahreszeit werden die Eier gelegt, in ihr kriechen die Jungen aus, in ihr sterben die Alten. 3. Limax arhorum Bouch.-Chaüt. (Limax marginatus Müller; Limax scandens Norm.) Die gesammelten 8 Stück waren mittelgross bis ausgewachsen, mehr gescheckt als gebändert, teilweise einfarbig, immer mit hellem Kielstreifen. In feuchten Astlöchern und Rindenspalten der Buchen und zwar oft mehrere beieinander, bei Regenwetter kriechen die Tiere lebhaft an den Stämmen der Buchen, Espen und zwar sehr hoch , den Weg durch die glänzenden Schleimbahnen bezeichnend. Saulgau, Ebenweiler, Hochberg, Mieterkingen, Scheer. 4. Agriolimax laevis Simroth {Limax brunneus Drap.). Die kleinste der einheimischen Nacktschnecken. Die Tiere, die ich sammelte auf feuchten Torfboden-Wiesen in der Nähe Saul- gaus, zeigten eine dunkelbraune Färbung, eines war grau mit einem Stich ins Rötliche. Der Schild ist verhältnismässig gross und liegt weit nach hinten. Unter Steinen an Bächen, unter alten Holzstücken, bei Saulgau nicht selten. 5. Agriolimax ayrestis Linne. (Limax reticulatus Müller.) Wie die gemeine Gartenschnecke, die am weitesten verbreitete ist, so ist sie auch die veränderlichste in bezug auf Färbung. Die Grundfarbe ist grau , gelbgrau , braun , dunkelbraun , vielfach mit schwarzen Strichen und Flecken über Kopf, Schild, Körper. Ver- einzelte Flecken geben bei hellen Waldtieren ein hübsches buntes Aussehen, stärkere Häufung erzeugt den gemeinen Limax reticulatus Müller, von welchem sich 5 Stück unter den gesammelten fanden, sowie ein L. rufescens einfarbig grau, oben mit rötlichem Anfluge. (Simroth 1. c. S. 330, 332.) Schleim milchweiss ; vorzugsweise Nacht- tiere, welche sich bei Tag unter Pflanzen, Steinen, halbfaulem Holz u. s. w. verborgen halten, bei Eintritt der Dämmerung aber hervor- kommen, um. ihrer Nahrung nachzugehen. Sehr häufig. — 123 — 6. Vitrina pellucida Müller. Das Tier ist sehr munter, kriecht viel und lebhaft umher; es lebt überall an feuchten Orten, Wiesen, Grabenrändern; ich fand diese Schnecke namentlich im Spätherbst an faulenden Krautblättern. Saulgau, Bondorf, Mieterkingen, Ebenweiler, Scheer. 7. Vitrina diaphna Drap. Ebenfalls an feuchten, schattigen Orten, im Moose, an Bach- ufern und Wassergräben. Saulgau. 8. Hyalina nitens Michaud. Lebt meist gesellig unter faulendem Laube , unter Moos in Wäldern. Ebenweiler, Saulgau, Bondorf, Mieterkingen, Herbertingen, Scheer. 9. Hyalina radiafiila Gray. In feuchten Laubwaldungen vereinzelt unter Buchenblättern. Gehäuse auf der Oberseite sehr deutlich und dicht gestreift, Unter- seite fast glatt. Viel seltener als die vorige, nur 8 Stück gesammelt bei Saulgau. 10. Hyalina fulva Müller. Lebt an feuchten Orten , an Waldbächen , unter Moos und feuchtem Laub ; ich fand sie namentlich auch an faulenden Buchen- ästen im sogenannten Glockeneich bei Saulgau. 11. Zonitoiäes nitida Müller. Gehäuse fein gestreift, gelbbraun , durchsichtig , glänzend ; auf feuchten Wiesen , an den Rändern von Wassergräben ; ich fand sie ziemlich zahlreich auf den feuchten Moorbodenwiesen unter faulen- den Brettern bei Saulgau. 12. Arion empiricorum Ferussac. Die Tiere , die ich beobachtete , waren orangegelb , ziegelrot, rehbraun, dunkelbraun mit und ohne roten Fussrand mit schwarzen Querstrichen; dagegen nie schwarz. Die grosse Verschiedenheit der Tiere nach Färbung regte natür- lich die Frage nach der Ursache an. Prof. Dr. Leydig (1. c. S. 58) nimmt als äussere Ursache der Dunkelung den Aufenthalt an feuchten Orten an. Er fand z. B. bei AVürzburg an sehr feuchter Stelle alle Tiere dunkelkaffeebraun bis schwarz, dagegen in der nächsten Umgebung von Tübingen, z. B. an den trockeneren Halden des Spitzberges, rotgelb. - 124 — Prof. Dr. Eimer ^ nimmt an, dass die Höhe über dem Meere, in welcher die Tiere vorkommen, eine grosse Bedeutung habe. In höheren Lagen fand er sie fast immer dunkler, so traf er auf ver- schiedenen Höhen des Schwarzwaldes und der Alb nur ganz dunkle Tiere, dagegen bei thalabwärts gerichteter Wanderung immer hellere, je tiefer die Lage ihres .Aufenthaltsortes war. Dr. SiMROTH (1. c. S. 269) hat verschiedene Versuche mit Arion empiricorum angestellt und ist zu dem Resultat gekommen, dass die Wärme den schwarzen Farbstoff hemmt und den roten begünstigt. Kälte wirkt entgegengesetzt. Die Färbung wird be- dingt lediglich durch Temperatureinflüsse während der Hauptent- wickelungsperiode (von März bis Mai) ; jeder weitere Einfluss, wenig- stens auf das schwarze Pigment, erlischt, sobald auch die Sohle ausgefärbt ist. Diese drei Ansichten Hessen sich nun wohl vereinigen. Es ist gewiss richtig , dass der durchfeuchtete und zugleich beschattete Boden kühler ist, ebenso nimmt im grossen Ganzen die Temperatur mit der Höhe ab. Allein es ist ebenso Thatsache, dass an gewissen Orten rote, braune, schwarze Exemplare sich fanden, die also wohl unter dem Einflüsse der gleichen klimatischen Verhältnisse die ver- schiedene Färbung angenommen haben. Es werden darum mit den äusseren Ursachen zugleich innere mitwirken, was die genannten Autoren auch annehmen und weitere eingehende Untersuchungen und Beobachtungen werden diese Annahme wohl mehr und mehr bestätigen und rechtfertigen. 13. Arion suhfuseus Drap. Schon Dr. Leydig (1. c. S. 63) erwähnt sein Vorkommen in Oberschwaben. Ich sammelte 17 Stück vom Jüngsten bis zum Erwachsenen, die Jungen scharf vierbinderig. Die Grundfarbe ist bald mehr gelbrot, bald mehr lederbraun bis zu tiefem Kaffee- braun. Von den Augenträgern bis zur Schwanzdrüse läuft jeder- seits über Nacken und Schild und Körper ein dunkelbraunes Band, welches zuweilen verwaschen i.st oder die Grundfarbe über und unter sich heller gelbbraun erblicken lässt. Schleim orange safrangelb. Das Tier ist nicht selten in den Waldungen bei Saulgau, findet sich unter Laub, Moos, nach einem Regen gesellig an den Stämmen der Buchen, lebt von Pflanzenstoffen, Pilzen. 1 s. diese Jahreshefte 1879 S. 49. — 125 — 14. Ärion Jiortensis Fer. Zeichnet sich Ärion empiricorum durch Variabilität aus, so muss A. Jiortensis als die allerbeständigste Art gelten. Die ganze Variationsweite der Färbung schwankt zwischen mittelgrau und schwarz. Sohle ohne alles Schwarz, dagegen enthält die Oberseite mit der Sohlenleiste reichlich das dunkle Pigment. Auf den Seiten- feldern der Sohle tritt mit besonderer Intensität der rote Farbstoff auf; sie haben oft einen hochorangen oder zimtroten Schleim. A. hortensis findet sich in Gemüsegärten, Baumgärten, auf Feldern, dagegen nicht im Walde ; er ist Kräuterfresser. Selten Saulgau. Anm. Mit Arion hortensis wurde bisher vielfach A. Bour- guignati in eine Art vereinigt, beziehungsweise als Varietät zu A. hortensis gezogen. A. Bourguignati wurde erst in neuerer Zeit auf Grund eingehender anatomischer Untersuchungen als selbständige Species unterschieden (namentlich von Dr. Simroth 1. c. S. 237 u. 287). Clessin ist nun nach Sichtung seines Materials von Nacktschnecken zur Annahme geneigt, dass A. Bourguignati in Deutschland häufiger vorkommt, als A. hortensis ; wenigstens scheint ihm dieses Verhältnis für Süden ziemlich sicher zu sein. Es ist also wohl anzunehmen, dass A. Bourguignati sich auch in Württemberg findet ; ja es ist wahrscheinlich, dass Dr. Weinland ^ bereits die fragliche Art vor sich gehabt hat, wie aus der Beschreibung der Jungen der A. hortensis sich vermuten lässt. 15. Fatula rotundata Müller. Sehr häufig, überall unter Steinen, faulem Holz, totem Laub: einige Gehäuse zeigen eine kleine Abweichung bezüglich der Gewinde- höhe. Saulgau, Bondorf, Mieterkingen, Scheer, Ebenweiler, Hoch- berg u. a. 16. Patula pygmaea Drap. Findet sich wohl überall, wird aber wegen der ausserordent- lichen Kleinheit nicht beobachtet. Ich fand sie auf feuchten Wiesen zwischen Mieterkingen und Fulgenstadt unter faulenden Holzstücken. 17. Patula rupestris Drap. Bisher nur leere Gehäuse bei Scheer ; findet sich nur auf Kalk- boden, im Jura und zwar durch Württemberg in seiner ganzen Breite ; nährt sich von Flechten. ' Zur Weichtierfauna der schwäbischen Alb. Diese Jahresh. 1876 S. 277. — 126 - 18. Vallouia pulchella Müller. Überall auf Wiesen , unter Steinen , Holzstücken ; klein und flach, weisslich, mit dickem Mundrand, glatt. 19. Vallonia costata Müller. Gehäuse mit starken häutigen Rippen. Dr. Lehmann hat Vallonia pulchella und costata vereinigt, da sie stets gemeinsam leben, von starker Rippung durch schwache Rippen, Rippenstreifung , Streifen und zarte Linien vielfach Über- gänge bis zum Glatten stattfinden, ebenso in der Mundsaumbildung und endlich weil er auch im anatomischen Bau keine Unterschiede gefunden hat. 20. IW ig ono Stoma ohvoluta Müller. Scheint im Bezirk nicht häufig zu sein ; ich fand sie bisher nur in je einem Exemplar bei Mieterkingen und Ebenweiler. Diese schöne Schnecke findet sich an feuchten Orten unter Laub und unter faulendem Holz in Laubwaldungen. 21. Triodopsis personata Lamarck. Hält sich an denselben Fundorten auf wie die vorige, ist aber häufiger. Ebenweiler, Mieterkingen, Bondorf, Scheer, Saulgau. 22. Fruticicola hispida Linne. Häufig ; lebt gesellig unter Hecken , Sträuchern , altem Laub- werk , an Gräben , Bächen , gerne an Brennesseln , Primula veris, faulenden Krautblättern. Saulgau, Ebenweiler, Scheer, Mieterkingen u. a. Var. concinna Jeffreys. Gewinde sehr wenig erhoben; Nabel weit und offen. Saulgau (bisherige Fundorte Zavelstein und Kniebis, cfr. Königreich Württem- berg Bd. I S. 505). 23. Fruticicola rufescens Pennant (circinata Studer). Wird bereits in dem Verzeichnis des Grafen von Seckendork als bei Altshausen vorkommend erwähnt (diese Jahresh. 1846 S. 19). Var. montana Stüder. Altshausen, Ebenweiler in feuchten Wäldern. 24. Fruticicola umhrosa Partsch. An feuchten, schattigen Orten, Schluchten. Altshausen ; ausser- dem in Oberschwaben bei Warthausen. — 127 — 25. Fruticicola villosa Drap. Ebenfalls in feuchten Wäldern und Schluchten ; ich fand diese Schnecke ziemlich zahlreich mit Trigonostoma ohvoluta ^ Triodopsis personata etc. in einer feuchten Waldschlucht zwischen Ebenweiler und Fleischwangen. Gehäusefarbe braunrötlich, während Gehäuse von Isny eine fahlgelbe Färbung haben. 26. Fruticicola fruticum Müller. Die Schnecke lebt gesellig auf Wiesen an Bächen, Hecken. Gehäuse weiss und gelblich weiss, bänderlos. (Mit rötlich-braunem "Band bei Weingarten.) Mieterkingen , Herbertingen , Ebenweiler, Saulgau. 27. Fruticicola ine am ata Müller. überall häufig. Exemplare mit grossem starkem Gehäuse bei Ebenweiler. In Wäldern, Büschen, Hecken, unter totem Laub. 28. Chilotrema lapicida Linne. Vorzugsweise an Felsen und in Laubwaldungen, bei Regen- wetter an Buchenstämmen. Mieterkingen (Schwarzacher Rain), Scheer, Saulgau, Bondorf, Hochberg, Ebenweiler. 29. Arionta arbustorum Linne. Überall in Gebüschen , Hecken , auf Wiesen an Wassergräben. Farbenänderungen und Grössenunterschiede sehr mannigfaltig ; be- zeichnet sehr deutlich den Jahresabschluss. Je nachdem das Gehäuse im ersten Jahre 4 — 5 Umgänge erreicht, wird die Mündung mit einer weissen Lippe belegt, welche dann an dem mit dem zweiten Jahreswachstum ausgebauten Gehäuse als strohgelber breiter Streifen ersichtlich ist. Mieterkingen, Herbertingen, Saulgau, Ebenweiler. Var. trochoidalis Roff. Gehäuse mit hohem fast turmförmigen Gewinde ; ich fand diese Varietät bei Mieterkingen unter anderen normal gestalteten Gehäusen. 30. Xerophila ericetorum Müller. An trockenen, kurzgrasigen Abhängen. Saulgau, Scheer, Mieter- kingen. 31. Xerophila candicans Ziegler. Wie die vorige. 32. Xerophila candidula Studer. Mieterkingen, Saulgau am Bahndamm, zeigt sich zahlreich nach Regen. — 128 — 33. Xerophila striata Müller. Gehäuse oben stark rippenstreifig, unten fast glatt. Auf warmen, trockenen, haldigen Wiesenrainen. Mieterkingen, Saulgau, Scheer. 34. Tachca horten sis Müller. Gehäuse einfarbig gelb, gelbweiss, chamois, fleischfarben oder mit verschiedenen Bändervariationen. Als Regel darf Bänderung der Gehäuse gelten, obwohl bänderlose Gehäuse nicht nur nicht selten, sondern an einzelnen Orten vorherrschend sind, z. B. im sogenannten tiefen Weg bei Saulgau einfarbig gelbweisse. 35. Tachea nemoralis Linn6. Die Gehäuse zeigen denselben Wechsel der Grundfarbe und dieselbe Variation der Bänder wie Tachea hortensis, nur die gelbrote Färbung scheint häufiger aufzutreten als bei der vorigen. 36. Helicogena pomatia Linne. Wie die beiden vorausgehenden allgemein verbreitet, wechselt in ihrer Grösse ziemlich bedeutend. Nähere Beobachtungen in bezug auf Entwickelung und Wachstum der Gehäuse dieser Schnecke hat J. Hazay gemacht \ Helicogena pomatia erreicht, je nachdem die Jungen ausgekrochen sind, im ersten Jahre bis zum Herbst 3 bis 4 Umgänge. Im zweiten Jahre baut dieselbe nur mehr während des Frühjahrs und verdickt dann etwas den Mündungsrand. Erst im dritten Jahre wird der Zubau des Frühjahrs mit einem verdickten, erweiterten, violett oder auch bräunlich gefärbten Mündungsrand abgeschlossen. Im vierten und den folgenden Jahren erfolgt ein immer geringerer Anbau, jährlich mit einem ähnlichen Mündungs- rand. An den Gehäusen macht sich zumeist, besonders vom zweiten Jahre an , der Abschluss des jährlichen Baues durch einen stark braun gefärbten , oft erhabenen , rippenartigen Streifen bemerkbar. Im Schlünde aber findet man den früheren gefärbten Mundsaum durch die neue Perlmutterschicht durchschimmern. An sehr vielen Gehäusen zeigt sich aber auch der Bau verschiedener Jahre in einer abgeänderten Färbung, in einer feineren oder auch mehr gerippten Streifung verschieden. Demgemäss untersuchte Gehäuse ergeben für diese Art eine 6 — 8jährige Lebensdauer. Unter meinen gesammelten Exemplaren findet sich auch ein linksgewundenes Gehäuse. 1 Die Molluskenfauna von Budapest. Kassel 1881. II. Teil S. 80. — 129 — 37. Zehr in a detrita Müller. Diese Schnecke fand ich an der Orenze des Bezirkes bei Hundersingen, Oberamt Riedlingen, bis jetzt nur in toten Exemplaren. Ausserdem kommt Zehrina detrita meines Wissens in Oberschwaben nur bei Erolzheim (Erolzheimer Kapelle) vor, wo ich sie im September 1879 zu meiner grossen Freude fand. An kurzgrasigen, sonnigen, trockenen Bergabhängen. 38. Chondrula tridens Müller. Das Tier lebt an sonnigen trockenen Rainen. Scheer. 39 . Napaeus mo n t a n u s Drap. In feuchten Laubwaldungen an Stämmen der Buchen, Eschen ; ziemlich häufig; auch ein albines Gehäuse. Schwarzacher Rain, Hochberg, Scheer, Saulgau, Ebenweiler. 40. Napaeus obscurus Müller. In feuchten Laubwaldungen an Stämmen junger Buchen und Eschen, auch unter Laub und Gestrüppe an der Erde. Seltener als die vorige. Hochberg, Ebenweiler, Schwarzach, Scheer. 41. Zua luhrica Müller. An feuchten Orten auf Wiesen, unter faulem Holzwerk häufig. Mieterkingen, Saulgau. 42. Caecilianella acicula Müller. Das Tierchen lebt sehr verborgen in lehmigem Boden, sehr selten lebend zu finden, die leere Schale öfters in Maulwurfshaufen. Mieterkingen, Saulgau. 43. Torquilla frumentum Drap. An kurzgrasigen trockenen Abhängen, ziemlich häufig bei Mieter- kingen, Scheer, Saulgau. 44. Torquilla secale Drap. An befeuchteten oder beschatteten Felsen ; selten. Scheer. 45. Pupilla muscorum Linne. An sonnigen Rainen, unter Laub, Moos, Steinen. Mieterkingen, Saulgau, Scheer. 46. V er Ulla pusilla Müller. Auf feuchten Wiesen, an feuchten Stellen der Wälder unter totem Laub. Sehr selten. Mieterkingen. Jahreeliefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde iu Württ. 1892. 9 — 130 — 47. Claiisiliasfra laminata Montagu. Gehört zu den gemeinsten Clausilien, findet sich überall in Laubwaldungen, an Buchenstämmen nach Regen, unter Laub und faulenden Buchenästen auf dem Boden. Scheer, Schvvarzacher Rain, Glockeneich, Hochberg, Ebenweiler. 48. Glausilia orthostoma Menke. Graf VON Seckendorf erwähnt bereits Altshausen als Fundort; sie ist aber im ganzen Bezirk verbreitet: ich fand die Schnecke im Hochberger Wald, im Glockeneich, bei Bondorf, Ebenweiler. Schwarz- acher Rain, Scheer. 49. Ali n da hi plicata Montagu. Ich fand diese Schnecke bis jetzt nur im sogenannten tiefen Weg bei Saulgau an Kellermauern ; sie ist aber bekannt von Wein- garten , Langenargen , Hohentwiel , vom Schwarzwald (Zavelstein, Liebenzell, Nagold), vom Unterland (Stuttgart, Ludwigsburg, Lauffen a. Neckar, Marbach, Schorndorf, Heilbronn, Creglingen, Mergentheim), von der Alb (Hohen-Wittlingen, Wiesensteig, Blauthal, Ulm)\ Anm. Alinda plicata, deren Vorkommen bei Ulm und Wein- garten Graf VON Seckendorf erwähnt, habe ich bis jetzt noch nicht gefunden. 50. Strigillaria cana Held. In Laubwaldungen, unter totem Laub, bei Regen an Buchen- stämmen. Ich traf diese Schnecke ziemlich zahlreich bei Ebenweiler. Andere Fundorte : Wiesensteig, Ravensburg. Warthausen. 51. Pi^ro Stoma dubia Drap. In Wäldern, an Felsen, unter totem Laub; ich fand diese Schnecke an jungen Buchen in einem Wald bei Scheer. Andere Fundorte : Kniebis , Freudenstadt , Zavelstein , Rotten- burg, Berg, Ludwigsburg, Heilbronn, Schorndorf, Urach, Creglingen, Wittlingen, Wiesensteig, Eisenbach, Hohentwiel (cfr. Krimmel 1. c. S. 15). 52. Pyro Stoma parvula Stüdee. Ist durch ihre Kleinheit wie auch durch die eigentümliche Form des Clausiliums so scharf charakterisiert, dass sie nicht wohl mit anderen Species ihrer Gruppe verwechselt werden kann. Ich fand diese Schnecke an mit Moos bewachsenen Kalkfelsen unmittel- bar an der Donau bei Scheer. ' 0. Krimmel, Über die in Württemberg lebenden Clausilien. S. 11. — 131 — Anm. Fyrostoma ventricosa, die in Oberschwaben bei Wart- hausen vorkommt, habe ich bis jetzt nicht gefunden. 53. Pyrostoma lineolata Held. In totem Laub an feuchten Orten; bis jetzt nur bei Eben- weiler gefunden. Andere Fundorte in Württemberg : Ravensburg, Eisenbach (Gemeinde Rohrdorf), Schorndorf und Reutlingen. 54. Pyrostoma plicatula Drap. In Wäldern an Bäumen und unter totem Laub. Ziemlich zahlreich bei Scheer mit Pyrostoma dubia, mit welcher sie auf den ersten Blick leicht verwechselt werden kann. 55. Neristoma putris Linne. Immer in der Nähe des Wassers an Gräben, Bächen. Überall zu treffen. Eingehende Untersuchungen und Beobachtungen über Entwickelung , Lebensweise und Lebensdauer der Succineen hat Hazay gemacht (cfr. 1. c. IL 84 ff.J. 56. Lucena oblong a Drap. An grasigen feuchten Orten, an den Ufern von Bächen, ist aber nicht so häufig als Neristoma putris. Saulgau. 57. Carychium minimum Müller. Die Schnecke lebt an feuchten Orten, auf Moor und Wiesen, an Bächen , Gräben , am Boden unter Pflanzen und Holzresten. Mieterkingen, Fulgenstadt, Saulgau. 58. Limnus stagnalis Linxe. Die Gehäuse variieren durch Grösse, weitere oder schlankere Form, durch kürzeres oder längeres Gewinde sehr bedeutend. Im allgemeinen kann man annehmen , dass kleinere Wasserbehälter kleinere Gehäuse erzeugen ; ruhige , reichlich mit Wasserpflanzen bewachsene Altwasser, welche genügend Kalk zum Hausbau dar- bieten, erzeugen die grössten Tiere ; kleine pflanzenarme Gräben und sandige Uferlachen grösserer Flüsse die kleinsten ^ Die grössten Gehäuse fand ich bei Ebenweiler , 70 mm Länge ; kleinere Formen bei Mieterkingen, Herbertingen, Saulgau, Scheer. 59. Gulnaria auricularia Linne. Die Schnecke lebt in Seen, Teichen, Weihern mit schlammigem Boden. Grössenunterschiede sind auch bei dieser Art sehr bedeutend. ' Clessin, 1. c. S. 359. 9* — 132 — Grosse schöne Exemplare mit typischer Form kommen bei Eben- weiler vor. 60. G ulnar ia ovata Drap. Gehäuse meist kleiner, Gewinde länger, Mündung verlängert eiförmig. In stehenden oder sehr langsam fliessenden Gewässern, Wiesengräben. Mieterkingen, Saulgau, Scheer, Ebenweiler. 61. G ulnar ia peregra Müller. Das Tier lebt in Gräben, Pfützen, namentlich in Torfmooren. Gehäuse hell hornbraun, oft mit schwarzem Schlamm bedeckt; be- sonders grosse Gehäuse fand ich bei Mieterkingen und Herbertingen. 62. LimnopJiysa palustris Müller. In Gräben, Sümpfen, Altwassern. Abänderungen der Gehäuse kommen durch wesentliche Grössendifferenz (6 — 38 mm) vor, durch schlanke oder bauchige Form, langes oder kurzes kegelförmiges Ge- winde und durch die Färbung, die von braun in bläulichgrau oder silbergrau geht. Ebenweiler, Scheer, Weiher bei Siessen. Var. corvus. Gehäuse sehr gross und dickschalig, meist gitterförmig gerippt. Länge 38 — 40 mm. Ebenweiler. Var. fusca. Gehäuse mehr dünnschalig, durchscheinend. In Gräben zwischen Fulgenstadt und Mieterkingen. 63. Limnophysa truncatula Müller. Gehäuse feingestreift, klein, hornbraun oder graugelb. In Wasser- gräben, Pfützen und Quellen. In einer Mergelgrube mit Quellen bei Herbertingen. 64. Physa fontinalis Linne. Die Schnecke lebt in Teichen , Quellgräben , Altwassern mit Wasserpflanzen. Mieterkingen, Ebenweiler, Scheer. 65. Aplexa hypnorum Linne. Gehäuse braun hornfarbig , glänzend , ist die nördlichste Art, die Th. von Middendorf auf der Taimyrhalbinsel im Norden Sibiriens, unter 7372" Nordbreite in einem Pfuhl, dessen Temperatur am 27. Juni nur 0,62 ^ R. betrug und dessen Grund noch damals mit mit 172' dickem Eis bedeckt war, beobachtetet Schöne grosse 1 Ed. V. Märten s, Die Weich- und Schaltiere. 1883, S. 224. — 133 - Gehäuse fand ich m einem Wassergraben einer Torfbodenwiese bei Mieterkingen. Ebenweiler, Saulgau, Scheer. 66. Tropodiscus marginatus Drap. In stehenden Gewässern, Teichen und Sümpfen. Mieterkingen, Ebenweiler, Saulgau, Scheer, Weiher bei Siessen. 67. Tropodiscus carinatus Müller. Wohn- und Fundort wie bei der vorigen. 68. Bathi/omphaltis contortus Linne. Ich fand die Schnecke an Kalksteinen in der Donau bei Scheer ; sie kommt aber wohl im ganzen Bezirk vor. 69. Gyratilus alhus Müller. In stehenden Wassern aller Art an Wasserpflanzen, doch nicht gerade häufig. Ebenweiler, Scheer. 70. Segment in a nitida Müller. Ebenfalls in stehenden Gewässern mit reichlichem Pflanzen- wuchs, in Gräben, Teichen, Seen. Gehäuse klein, durchscheinend glänzend bräunlichgelb, hat von Strecke zu Strecke Verdickungen im Innern der letzten Windung, welche ihren Raum verengen, aber nicht schliessen und aussen als hellgelbe Streifen durchscheinen. Ebenweiler, Scheer, Saulgau. 71. Ancylastrum fluviatile Müller. Gehäuse nicht spiralgewunden, mützenförmig , hornfarben. In fliessenden Gewässern an Steinen. Im Krähebach bei Mieterkingen. 72. Acme xjolita Hartmann. Gehäuse klein, glänzend, von hornbrauner Farbe, fast cyhndrisch. Diese niedliche Schnecke lebt unter Laub und Moos an feuchten Stellen und ist wegen ihrer Kleinheit und ihres verborgenen Auf- enthalts nicht leicht zu bekommen, während sie in Wirklichkeit wohl nicht zu den Seltenheiten gehört. Mieterkingen. 73. Gyrorhis cristata Müller. Gehäuse scheibenförmig wie bei Planorhis, klein, hell hornfarbig, aber meist mit schwärzlichem Schlammüberzug. In Sümpfen, schlam- migen Gräben, Pfützen, überhaupt in stehenden Wassern. In einem nahezu eingegangenen kleinen Weiher auf einer Anhöhe in der Nähe Saulgaus gefunden. - 134 — 74. Bythinia tentaculata Linne. Eine der häufigsten Wasserschnecken, sehr gemein, in langsam fliessenden Bächen und Flüssen, ferner in Seen, Teichen, Gräben, Altwassern. Die Schnecke ist scheu und schliesst bei Berührung sofort den Deckel. Gehäuse-Varietäten kommen vor durch kürzeres oder längeres Gewinde , durch kuglige oder stark bauchige Form, durch hellere oder dunklere Färbung. Auch ganz farblose, durch- sichtige Albinos kommen vor, wie ich mehrere gesammelt habe. Mieterkingen, Fulgenstadt, Ebenweiler, Saulgau, Scheer. Das vorstehende Verzeichnis weist, abgesehen davon, dass die Muscheln nicht berücksichtigt wurden, noch manche Lücke auf im Vergleich mit dem Molluskenverzeichnis im „Königreich Württem- berg" \ in welchem noch verschiedene Arten als in Oberschwaben vorkommend bezeichnet sind. Ich beabsichtige daher in einem Nach- trag die Muscheln zu behandeln und hoffe dann, die etwaigen Lücken dieses Verzeichnisses ergänzen zu können. y I. Bd. S. 503 ff. Ueber die Ursachen abnormer Geweihbildung bei den Hirseharten, insbesondere die Bildung von mehr als zwei Geweihstangen. Von Georg Graf von Scheler, Forstreferendär I. Kl. in Wildbad. Mit Tafel HI- VI. Wie bereits in dem Zuwachsverzeichnis unserer vaterländischen Sammlung verzeichnet steht, hat S. M. der König die hohe Gnade gehabt, unserer Sammlung einen vozüglich gelungenen Geweihabguss des am 20. Dezember 1890 von Herrn Hofjägermeister Freiherrn VON Neurath im Herrenberger Stadtwald erlegten sogenannten Drei- stangenhirsches zum Geschenk zu machen. Obwohl Abbildungen und Beschreibungen dieses Geweihes be- reits in mehreren Jagdzeitschriften, so im Waidmann Bd. XXH S. 390, im Deutschen Jäger Jahrg. VI No. 6 1892 und in dem Waidwerk in Wort und Bild Bd. I. S. 57 1891 (Beilage der Deutschen Jäger- zeitung) erschienen sind, möchte ich dennoch einige Bemerkungen allgemeinerer Art an dieses Geweih anknüpfen. Die Faktoren, welche die Geweihbildung überhaupt bei unseren Cervinen beeinflussen, sind das Klima, die Vegetation, die Boden- beschaffenheit und die Kultur der betreffenden Gegend, insofern als günstiges Klima, reichliche und nahrhafte Äsung, kalkreicher Boden und Ruhe die Entwickelung starker Geweihe begünstigen und um- gekehrt. Diese Einflüsse sind auch im stände für eine gewisse Gegend typische, sich vererbende Merkmale in der Geweihbildung zu schaffen, welche zur Rassenbildung führen. Bei der besonders in neuerer Zeit eingetretenen Isolierung der noch Hochwild beherbergenden Gebiete durch weite wildleere Länder- strecken und noch mehr durch die in Rücksicht auf die Erhaltung eines Wildstands immer mehr notwendig werdende Einzäunung der Reviere tritt auch die Inzucht als weiteres die Geweihbildung un- günstig beeinflussendes Moment hinzu. Weitere Folge des Mangels an starken Hirschen ist es dann , dass geringe Hirsche , die früher nur ausnahmsweise zur Fortpflanzung gelangten, jetzt ohne Schwierig- - 136 — keit dazu kommen und eine an Körpergewicht und Geweihstärke ärmliche Nachkommenschaft erzeugen, bei welcher die Fähigkeit, starke Geweihe zu produzieren, förmlich hinweggezüchtet ist. Wenn auch an einigen wenigen Orten Deutschlands und Öster- reichs die Hirsche noch recht brave Geweihe aufsetzen, so macht sich doch im grossen Ganzen eine Degeneration bemerkbar, welche sich noch mehr als in der Abnahme der Geweihstärke in der Ab- nahme des Körpergewichts ausspricht. Beim Reh trifft dieser Um- stand weniger zu als "beim Rotwild, weil sein Vorkommen noch ein allgemeineres ist und deshalb die Inzucht nur in wenigen Gegenden zur Geltung kommt. Man würde übrigens fehlgehen , wenn man annehmen wollte, dass die starken Hirschgeweihe, welche wir jetzt in Sammlungen bewundern, in den früheren Jahrhunderten überall zu haben gewesen wären, dieselben waren vielmehr schon in damaliger Zeit besonders von Fürsten sehr gesucht und wurden mit hohen Preisen bezahlt, waren auch ein beliebter Gegenstand für Geschenke der Fürsten unter sich. Wenn z. B. dem Kurfürsten August von Sachsen 1568 aus Russland ein Hirschgeweih für 600 Thaler angeboten wurde, er jedoch nur 4 — 500 Thaler dafür geben wollte, so ist das für damalige Zeit eine kolossale Summe. Was die Abnahme des Körpergewichts betrifft, so lässt Hofrat A. B. Meyer* mit Recht heutzutage einen Hirsch mit 3V2 Centnern für einen sehr starken gelten, während er in der Lage ist (1. c. S. 2). Beispiele von Hirschen bis zu 8 Centnern anzugeben, welche im 17. Jahrhundert erlegt wurden. In der württembergischen Herzogszeit" war es übliche Annahme, dass ein jagdbarer Hirsch (also von 10 Enden oder mehr) auf- gebrochen 3 Centner schwer sein sollte und ein Gewicht von 4 Centnern war nichts Besonderes. Minister von Wagner gibt ebenfalls verbürgte Beispiele von weit schwereren Hirschen , worunter 878 Pfund das höchste erreichte Gewicht ist. W^eiteres hierüber ist in dem genannten hochinteressanten Werke verzeichnet. In betreff der Geweihbildung der heute lebenden Rot- und Reh- wildstände verschiedener Länder und Gegenden kann ich auf einige eingehende, durch viele Tabellen illustrierte Aufsätze im „Waidmann" verweisen, nämlich : * Die Hirschgeweihsamiiüung- im K. Schlosse zu Moritzburg'. - Minister Freiherr von Wagner, Das Jagdwesen in Württemberg unter den Herzogen. Tübingen 1876. S. 168. — 137 — Ernst Ritter von Dombrowski : Über die Geweihbildung der Rot- hirsche der Gegenwart in den verschiedenen Teilen Mitteleuropas ^, Graf VON Mirbach-Sorqüitten : Die Geweihbildung der Rothirsche in Ostpreussen ^. W. Pfizenmayer: Die Geweihbildung der Rothirsche und Reh- böcke Württembergs ^. Ernst Ritter von Dombrowski: Die Gehörnbildung des Reh- bockes der Gegenwart in allen Teilen Europas*. Sowie man eine grosse Anzahl, mindestens einige hundert, recente Edelhirschgeweihe mit grosser Endenzahl zu vergleichen Gelegenheit hat, so drängt sich die Überzeugung von selbst auf, wie hinfällig die Unterscheidung von Arten nach diluvialen oft un- vollständigen Geweihen der ETa^j/^'-s-Gruppe sein muss. Die Palae- ontologen haben hier eine ganze Reihe von Arten auf dem Papier kreiert, z. B. Cervus priscus, Cervus elephas etc., deren Geweihe noch nicht einmal so verschieden sind, wie etwa die der bekannten Moritz- burger Sammlung unter sich. Und auch unter den tertiären Funden dürfte manches Geweih, das als besondere Art beschrieben wird, lediglich als Entwickelungsstufe oder Abnormität einer bekannten Art sich erweisen. Aber auch von den jetzt lebenden aussereuropäischen Hirsch- arten sind meist nur die starken Geweihe bekannt, während die jüngeren Stufen selten in unsere Sammlungen gelangen und deren Artzugehörigkeit sich oftmals nicht feststellen lässt. Was die normale Stufenfolge der Geweihbildung anlangt, so verweise ich auf die einschlägigen Schriften von Blasiüs^, Altüm^, R. VON Dombrowski ", für den Edelhirsch und das Reh und für letzteres noch auf die weiteren Untersuchungen von Joseph^, Nehring ^ NiTSCHE^° und Schlachter ^^ Für die Nichtzoologen und namentlich für die Nichtjäger unter 1 Waiclmann Bd. XX S. 119 w. f. - „ Bd. XX S. 249. 3 , Bd. XXI S. 19. * , Bd. XXI S. 437 u. Bd. XXII. Fortsetzung. ^ Säugetiere Deutschlands. '^ Forstzoologie Bd. I und Geweihbildung. Berlin 1874. " Geweihbildung der europäischen Hirscharten. Wien 1885. * Monatschrift für das Forst- und Jagdwesen. 1875. ^ Forstwisseuschaftliches Centralblatt von Baur. 1889. Heft 4. '" Tharander forstl. Jahrbuch von Judeich. Bd. XXXIII 1883. Heft 1 u. 2. " Zoologischer Garten. Bd. XXIV 1883. S. 161. - 188 — den Lesern will ich im nachstehenden die Stufenfolge ganz kurz rekapitulieren, wobei ich mich der Einfachheit halber hauptsächlich an die Ausführungen von R. von Dombrowski halte, der vollständig im Recht ist mit dem Satze, dass sich ein System des gesetzmässigen stufenweisen Aufbaues der Geweihe nur für eine beschränkte Zahl von Bildungsstufen allgemein gültig feststellen lasse. Die einzelnen Hirscharten sind hierbei gesondert zu betrachten, da nur die erste, nämlich die Spiesserstufe, bei allen übereinstimmt. Im allgemeinen lässt sich nach R. von Dombrowski beim männlichen Rehkitz der fünfte , beim Damhirschkalbe der sechste , beim Edelhirschkalbe der achte und beim Elchhirschkalbe der vierzehnte Lebensmonat als der Zeitpunkt bezeichnen , in welchem sich die Stirnbeine — Ossa frontis — zu wölben beginnen und es vollzieht sich hierauf der Auf- bau der Stirnbeinfortsätze (Rosenstöcke), welche das Geweih zu tragen bestimmt sind. Sobald die Rosenstöcke ihre Höhe erreicht haben, beginnt auf ihnen unter dem Schutze einer von der übrigen Körper- bedeckung deutlich unterschiedenen feinbehaarten Haut, der Bast- haut, der Aufbau des Erstlingsgeweihes, dessen Stärke je nach der individuellen Veranlagung des Individuums Schwankungen unterworfen ist. Die volle Reife der Stangen ist auf allen Altersstufen nicht schon mit dem Fegen der Basthaut, sondern erst zur Epoche der Brunft- zeit erreicht, nach welcher sich bald, und zwar schon 5 — 6 Wochen vor dem faktischen Abwurf, die Demarkationslinie, welche den kariösen Prozess des Abwurfes vorbereitet, als seichte unter der Rose peri- pherisch verlaufende Rille zeigt. Im Einklang mit dem Fertigwerden der Waffe für die Brunftzeit steht die Thatsache , dass die eigent- liche Kampfsprosse des Geweihes , nämlich beim Reh die Vorder- sprosse, bei den anderen Arten die Augsprosse die erste Verzweigung ist, welche das Geweih beim fortschreitenden Entwickelungsgange produziert, aber nicht schon ihr Vorhandensein, sondern erst ihre richtige Stellung und genügende Stärke als Kampfsprosse kennzeichnet die eingetretene Mannbarkeit des Trägers. Beim Reh (Cervus capreolus) müssen die ersten Stangen schon nicht absolut glatte Spiesse sein, sie können vielmehr auch kurze Stumpfe mit starker Perlung sein, oder auch schon zwei oder drei Enden andeuten , sind dann aber an der Beschaffenheit der Rosenstöcke und an den geringen Rosen dennoch als Erstlingsgeweih kenntlich. Hauptsache bleibt natürlich die Altersbestimmung nach der Zahnbildung. Vor Ablauf desselben Jahres, in welchem der Spiesser sein — 139 — Erstlingsgeweih fegte, somit im Älter von ca. 18 Monaten, wirft derselbe ab und gelangt hierauf zur zweiten Stufe, zur Bildung eines Gabelgeweihes oder seiner Nebenstufen. Auf manchen Standorten kommt das normale Gabelgeweih, welches sich durch das Vorhanden- sein der nach vorn gerichteten sogenannten Vordersprosse kenn- zeichnet, gar nicht vor, sondern es folgt sofort ein Sechsergeweih. Das Gabelgeweih wird etwa um 4 Wochen früher abgeworfen als sein Vorgänger, somit beiläufig im November und es folgt darauf die normale Sechserstufe. Der Vorderspross rückt tiefer gegen die Mitte der Stangenlänge und wird damit ausgesprochene Angriffswaft'e, zwischen Vorderspross und Gipfelende zweigt sich nach hinten der Hinter- oder W^ehrspross ab. Die Sechserstufe ist beim Reh die höchste Normalstufe, weitere Endenbildungen gehören schon zur Überproduktion und sind fast niemals symmetrisch gestellt. Ein vierter Spross zweigt sich bei solchen Mehrendenbildungen zwar häufig vom Hinterspross ab, meist besteht aber die Vielendigkeit in der Produktion geteilter Stangen oder in abnorm stark entwickelten Perlen an der Innenseite, welche jagdmässig als Enden gezählt werden. Die Erstlingsgeweihbildung des Damhirsches (Cervus dama) zeigt im ersten Aufbau einige Verschiedenheiten, auf die ich hier nicht eingehen kann, produziert übrigens ebenfalls sogenannte Spiesse. Im dritten Lebensjahre, bei der zweiten Geweihstufe, beginnen schon Unregelmässigkeiten, indem unter ungünstigen Umständen nochmals Spiesse, unter besonders günstigen Verhältnissen aber schon Stangen aufgesetzt werden , welche , mit Aug- und Mittelsprosse versehen, als 6- oder 8-Ender anzusprechen sind , am Gipfelende aber auch schon die Anfänge der Schaufelbildung erkennen lassen. Die Kluft zwischen beiden Extremen wird durch das Vorkommen von Mittel- formen ausgefüllt, eine eigentliche Gablerstufe existiert jedoch nicht. Auf der dritten Geweihstufe, somit im vierten Lebensjahre, tritt die Kampfstellung der Augsprosse deutlicher hervor, ferner zeigt die Stange über der Mittelsprosse (diese darf durchaus nicht etwa als Eissprosse aufgefasst werden) eine Knickung nach hinten und meist deutliche Schaufelbildung. Der Jäger nennt Damhirsche auf dieser Stufe „angehende oder Halbschaufler", auch „Löffler". Im fünften Lebensjahre kennzeichnet sich die vierte Geweih- stufe durch breit entwickelte Schaufeln und weitere Senkung von Aug- und Mittelsprosse. Von da an ist die stufenweise Entwickelung abgeschlossen, die — 140 — Stangen wachsen weiter an Stärke und Länge und die Schaufeln besetzen sich mit einer steigenden Anzahl unregelmässiger Rand- sprossen. Der Edelhirsch (Cervtis claplnis) vereckt Erstlingsspiesse von ausserordentlich wechselnder Länge, fegt dieselben durchschnitt- lich im Spätsommer, somit im Beginn seines zweiten Lebensjahres, und wirft sie am Ende desselben ab. Auf der zweiten Stufe bildet sich der Augspross, daher nennt man sie Gablerstufe, sie erleidet aber so viele Ausnahmen, dass diese Bezeichnung nur für einen Teil der Geweihe zweiter Stufe passt. Es kommt auf dieser Stufe sowohl die Wiederholung von Spiessen, als auch die Bildung von 6 und 8 Enden vor. Weit konstanter ist die dritte, die Sechserstufe, bei welcher sich dem Augspross der Mittelspross hinzugesellt. Merkwürdig ist, dass solche Enden, welche auf den niedrigen Geweihstufen über das normale Mass hinaus produziert werden, nicht die frische elfenbein- weisse Farbe normal gefegter Sprossen, sondern ein fahlgraues An- sehen haben. R. von Dombrowski fand, dass solche Enden porös und nicht völlig ausgereift sind, sie bilden ein interessantes Analogon zu den zurückgesetzten Geweihen sehr alter Hirsche (s. u. Abs. 10). Die vierte Geweihstufe , die sogenannte Achterstufe , ist eben- falls ziemlich beständig und erleidet in ihren architektonischen Grund- linien nur ziemlich seltene Ausnahmen ; sie ist dadurch charakterisiert, dass unterhalb des Gipfelendes ein nach vorne gerichtetes Ende mit diesem eine Gabel bildet. Nicht zu verwechseln sind mit dieser Stufe achtendige Geweihe älterer Hirsche, bei welchen der Gipfel nicht gegabelt ist, sondern das vierte Ende als die der Augsprosse um höchstens Handbreite höher gelagerte Eissprosse auftritt. Ein Auftreten der Eissprosse auf der vierten Geweihstufe vor Gabelung des Gipfels dürfte zwar in einzelnen Fällen vorkommen, zählt aber jedenfalls zu den grössten Seltenheiten. Bei der fünften Geweihstufe, der sogenannten Zehnerstufe, laufen nun zwei Bildungen parallel nebeneinander her, nämlich „Eis- sprossenzehner" mit Eissprosse und nur einfach gegabeltem Stangen- gipfel und „Kronzehner" ohne Eissprosse, mit dreiendiger d. h. ein- facher Krone. Mit der sechsten Geweihstufe, der Zwölferstufe (Eissprosse und einfache Krone oder bei mangelnder Eissprosse doppelte Gabelkrone) ist für die meisten Gegenden die höchste normale Geweihstufe er- reicht, mit der siebten, der Vierzehnerstufe, aber muss die stufen- — 141 — massig fortschreitende Entwickelung allgemein als abgeschlossen be- trachtet werden. Das fortschreitende Wachstum der Kolben eines 14-Ender- Geweihes hat Hofrat Dr. W. Sömmering ^ an einem Hirsch des zoo- logischen Gartens zu Frankfurt a. M. genau beobachtet und auf einer Serie von 12 hübschen Abbildungen in seinen einzelnen Phasen dargestellt, worauf ich Interessenten verweisen möchte. Beim Elch (Cervus alces) sind die Stangen bekanntlich vom Kopfe aus nahezu wagerecht ausgelegt, die Erstlingsspiesse sind analog wie bei den vorgehend geschilderten Arten und verhältnismässig gering entwickelt. Die weiteren Geweihstufen dürften noch nicht mit genügender Sicherheit festgestellt sein ; es folgen stärkere Spiesse und Gabeln, bei welch letzteren erstmals die Aug- oder Kampfsprosse auftritt, hierauf beginnt mit 3 und 4 Enden die charakteristische Schaufelbildung, welche sich in den späteren Jahren unter günstigen Verhältnissen zu mächtigen Dimensionen erbreitert. Der Kampfspross entwickelt sich als Vorderschaufel mit drei aggressiv gestellten Enden, während die rückwärtige Hauptschaufel sechs und mehr Enden vereckt. Das weitgedehnte Verbreitungsgebiet des Rentiers (Cervus tarandus) hat im Laufe der Zeit zur Bildung von Rassen geführt, welche sich durch namhafte Unterschiede in der Geweihbildung aus- zeichnen. Näheres darüber findet sich besonders bei Caton^. Bei diesen grossen Verschiedenheiten und dem Mangel an Beobachtungen der Geweihstufenfolge einzelner Individuen lässt sich die Geweih- bildung dieser Hirschart nur in groben Zügen schildern. Die Ren- kälber besitzen die Erhöhung der Ossa frontis schon bei der Geburt und der Rosenstock erreicht schon in der vierten W^oche eine Höhe von etwa 10 cm, worauf sofort das Schieben der Kolben beginnt. Beim weiblichen Ren dauert die Geweihentwickelung etwa um drei Monate länger und die Geweihe der Weibchen sind auf allen Ent- wickelungsstufen um etwa Va schwächer als die der Hirsche. Der Bast haftet beim Ren fester an den Kolben als bei den anderen Hirscharten und die Geweihsubstanz ist ebenfalls von merk- lich dichterer und härterer Struktur. Alle diese Umstände, das Vorhandensein der Stirnbeinerhöhungen schon bei der Geburt, das Aufsetzen der Weibchen und das rasche Wachstum der Rosenstöcke und der Kolben, sowie die grössere 1 Der zoologische Garten. Bd. VII. 1866. No. 2. ^ The Antelope and Deer of America. New York 1877. — 142 — Festigkeit der Geweihe bedeuten eine ausgezeichnete Anpassung an die schneereichen Standorte dieser Hirschart, bei welcher das Geweih hauptsächhch als Werkzeug zum Nahrungserwerb bestimmt ist. Die allgemeine Architektur des Rentiergeweihes mit der ein- seitig stark entwickelten, nach der Mittellinie des Kopfes zu gerichteten Vorderschaufel darf ich wohl als bekannt voraussetzen. Aus den mannigfachen Abweichungen von der Regel, welche schon auf den niederen Geweihstufen der ersten Lebensjahre bei allen Hirscharten vorkommen, geht deutlich hervor, dass die Enden- zahl an sich kein genügendes Merkmal zur Bestimmung des Alters abgibt. Vielmehr ist stets die Zahnbildung, die Stellung der Stangen und ihre Neigung gegeneinander, die Stellung der einzelnen Enden und ihre mehr oder weniger vortretende Richtung, vor allem aber die Beschaffenheit der Rosenstöcke mit in Berücksichtigung zu ziehen. Der Rosenstock wird nämlich nicht nur mit zunehmendem Alter durch das wiederholte Abwerfen kürzer, sondern er nimmt auch be- deutend an Stärke (Dicke) zu und sein Neigungswinkel verändert sich. Beim Edelhirsch stehen die Rosenstöcke des Spiessers fast parallel zu einander empor und die Stangen sind demgemäss nur wenig nach auswärts geneigt, während mit zunehmendem Alter so- wohl Rosenstöcke als Stangen mehr und mehr nach aussen diver- gieren. Beim Damhirsch verhält es sich ebenso und beim Elchhirsch, dessen Rosenstöcke schon von Anfang an ziemlich wagerecht nach aussen abstehen, nimmt die Senkung bis zur völlig wagerechten Stellung zu. Beim Reh sind die Rosenstöcke des Spiessers in stumpfem Winkel nach rück- und einwärts geneigt und richten sich in fortschreitender Entwickelung allmählich mehr nach vorwärts und in geringerem Grade auch nach auswärts. Dass die Stufenfolge keine derart an enge schematische Grenzen gebundene ist, wie Blasius und Altum angeben, ist, wie gesagt, schon von R. VON DoMBROwsKi betont worden und es sind demnach beim Edelhischgeweih als normale stets wiederkehrende Endenbildungen nur dieAug-, Eis- und Mittelsprosse zu betrachten, während bei der Bildung der Kronen enden eine solche Mannigfaltigkeit herrscht, dass hier die Blasius- ALTUM'sche Regel zur Ausnahme wird. Auch die sonst regelmässige Eissprosse ist ein den Hirschen mancher Gegenden fehlendes Attribut und die Mittelsprosse ist bei einzelnen vielendigen Geweihen in Doppelzahl vorhanden, wobei dann die eine höher, die andere tiefer gestellt erscheint, als es bei einer normalen der Fall ist. Selbst die zeitliche Aufeinanderfolge der als Spiesser, — 143 — Gabler, 6-Ender, 8-Ender etc. bezeichneten Gevveihstufen kann, wie oben bemerkt, durch äussere und innere Einflüsse derart gestört werden, dass einerseits infolge ungünstiger Umstände ein Verbleiben auf der erreichten Stufe oder gar ein Zurückgehen auf eine niedrigere, sogenanntes Zurücksetzen, stattfindet, anderseits aber infolge günstiger Äsungsverhältnisse ein Überspringen einer oder mehrerer Stufen stattfindet. Als Beispiele für das letztere Verhalten nenne ich nur zwei Fälle : Graf VON Mellin besass einen als Kalb aufgezogenen Hirsch, der nach den Spiessen des zweiten Lebensjahres gleich 10 Enden aufsetzte, was die Folge der guten Äsung war, die er im Tier- garten fand ^ und ein Hirsch, welchen der Landgraf zu Hessen 1821 als Kalb erhielt und in einem Wildpark hegte, setzte 1822 ausser- gewöhnlich starke Spiesse, 1823 12 Enden und 1824 14 Enden auf, 1824 wurde der Hirsch wegen Bosheit erschossen und es zeigte sich, dass auch 'das (nicht näher angegebene) Körpergewicht zu der ausserordentlichen Geweihstärke im Einklang stand ". Diese Beispiele Hessen sich namentlich durch solche von in der Gefangenschaft gehaltenen Rehböcken leicht vermehren. Wenn ich nun nach kurzer Darlegung der auf die Geweih- bildung überhaupt Bezug habenden Momente, auf die Ursachen ab- normer Geweihbildung insbesondere übergehe, so muss ich voraus- schicken, dass bei der grossen Mannigfaltigkeit dieser Ursachen eine systematische Nummernfolge im Interesse der Übersichtlichkeit nicht wohl zu vermeiden ist, wobei mir für die Einteilung weniger innere sachliche Momente als vielmehr Gründe der passenden Aneinander- reihung in der Bearbeitung des ziemlich umfangreichen Stoffs mass- gebend sind. Demgemäss will ich die zur Hervorbringung abnormer Geweihe geeigneten und als Ursache solcher Bildung beobachteten Einwirkungen einzeln aufführen und ihre Folgen beleuchten, soweit dies nach den von mir in grosser Anzahl aus Litteratur und Praxis zusammen- gestellten Fällen möglich ist. 1. Verletzungen des Geweihes selbst in der Bast- oder Kolbenzeit mit Ausschluss der gesondert zu behandelnden Verletzungen der Geweihbasis , nämlich der Rosenstöcke (Stirn- beinfortsätze). ^ Schriften der Gesellschaft naturforschender Freunde. Berlin. Bd. X. 1792. S. 360. ^ Allgemeine Forst- und Jagdzeitung. 1826. S. 71. — 144 — Obgleich die Hirsche in der Kolbenzeit sehr empfindlich gegen Berührung der Kolben und daher stets auf Schonung dieses Körper- teils bedacht sind, so dürften doch die allermeisten Geweihe mit aus der gewöhnlichen Richtung abweichenden Enden , über der Rose geteilten Stangen, abnorm zerrissenen Kronen, abnorm starker Perlung oder Perlung an sonst glatten Stellen ihre Ursache in einer Verletzung während der Kolbenzeit haben. Derartig verletzte Ge- weihe werden naturgemäss beim nächsten Abwurf durch ein normales (ieweih ersetzt, falls nicht die Ursache der Verletzung eine bleibende oder wiederkehrende ist. Dr. H. Landois ^ schildert den Verlauf einer derartigen Ver- letzung bei einem Edelhirsch des zoologischen Gartens zu Frank- furt a. M., wobei 1884 die rechte Stange schief nach vorn und unten gedrückt wurde. Beim weiteren Wachstum bildete die Stange ein Knie nach oben und wuchs von der Stelle des Bruchs an wieder aufwärts. 1885 verletzte sich derselbe Hirsch den Mittelspross der rechten Stange, welcher als Ballen an einem Basthautstreifen be- weglich hängen blieb und durch weitere Zufuhr von Baustoffen eine Länge von 13 cm bei einer Dicke von 4 cm und ein Gewicht von 11 g erhielt. Beim Fegen fiel das thränenförmige Anhängsel natürlich ab. Ein weibliches Rentier (Cervus tarandus) desselben zoologischen Gartens ^ brach nacheinander beide Kolben ab , nachdem dieselben 15 — 18 cm hoch waren. Die 3 cm hohen Stümpfe wuchsen gleich- massig weiter und wurden reif und gefegt, nur blieben die Enden unentwickelt und waren nur rudimentär vorhanden. Ein Axishirsch (Cervus axis) des zoologischen Gartens zu Cin- cinnati^ erfror sich im März bei strenger Kälte die 2 Zoll hohen frisch geschobenen Kolben, der Hirsch kränkelte und warf die inzwischen verhärteten Kolben nach einigen Wochen ab. Ähnhche Fälle kommen vielleicht infolge aussergewöhnlicher Kältegrade auch bei unserem Reh vor, dessen Geweiherneuerung be- kanntlich in die Wintermonate fällt, doch sind mir darüber keine Beobachtungen bekannt. Die Fähigkeit der Kolbengeweihe infolge von Verletzungen zackige Formen und viele Enden zu bilden, wurde früher, wie Franz VON KoBELL^ erzählt, dazu benützt, um vielendige abnorme Geweihe ' Zoologischer Garten. Bd. XXVI. 1885. S. 363. 2 Zoologischer Garteu. ßd XXVII. 1886. S. 69. 3 Zoologischer Garten. Bd. XXVIII. 1887. S. 60. " Wildanger. Stuttgart 1859. - 145 — künstlich zu erzeugen, indem man Parkhirschen einen Schrot- schuss in die Kolben verabreichte. Als Kuriosum schalte ich hier ein, dass in der württem- bergischen Herzogszeit die Hirschkolben als Delikatesse wie als Aphrodisiakon sehr geschätzt waren und häufig als Geschenke an Fürstlichkeiten gegeben wurden. Sie mussten in die Hofküche ab- gehefert werden und der Bedarf war ein so grosser, dass alljährlich die Distrikte bestimmt wurden, in welchen in der Kolbenzeit Hirsche abgeschossen werden sollten ^. Auch heutzutage dienen die Hirschkolben in Ostasien denselben Zwecken und bilden einen gesuchten Handelsartikel, z. B. von Sibi- rien nach China, während die reifen Hirschgeweihe achtlos weg- geworfen werden. Wenn ich nicht irre, essen auch die Lappen und Samojeden die Kolben geschlachteter Rentiere als besondere Deli- katesse zuerst auf. 2. Verletzungen des Rosenstocks (des Stirnbeinfort- satzes), welcher das Geweih trägt. Hierher gehören die abnormen Abwürfe, wie solche 1876 oder 1877 im Revier Sieber von einem Hirsch abgeworfen und vom dortigen Oberförster Bock^ der Forstakademischen Sammlung zu Neustadt-Eberswalde vermacht wurden. Bei diesen Abwurfstangen ist ein zapfenförmiges, bei der einen 4,5, bei der andern 3 cm langes Knochenstück aus dem Rosenstock herausgebrochen und an der ver- lorenen Stange verblieben. Inwiefern eine Heilung eintrat und ob die spätere Geweihbildung davon beeinflusst wurde, konnte nicht beobachtet werden. Drei ebensolche Abwurfstangen mit anhängen- dem Zapfen besitzt Herr Hans Simon in Stuttgart in seiner reich- haltigen Sammlung, zwei davon stammen aus dem Park Sr. Durchl. des Fürsten Solms-Braunfels , die dritte ist unbekannter Herkunft. Wichtiger als diese abnormen Abwürfe sind Verletzungen des Rosen- stocks durch Bruch, Schuss oder Stoss, weil diese Art der Ver- letzung sehr häufig, an den Geweihen erlegter Hirsche meist nach- weisbar und die Ursache vieler interessanter Abnormitäten ist. Ein Bruch des Rosenstocks hat immer eine Verkümmerung der daraufsitzenden Stange und oft auch der andern Stange zur Folge, und zwar meist auf eine Reihe von Jahren. Später, nach erfolgter Heilung, bleibt fast immer eine Anomalie der betreffenden Stange, welche sich alljährlich in gleicher Weise wiederholt. ^ von Wagner, Das Jagdwesen in Württemberg unter den Herzogen. S. 435. 2 Danckelmann's Zeitschrift. Bd. XIU. 1881. S. 33. Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1892. 10 — 146 — Zunächst wird nach erfolgtem Abwerfen des zur Zeit der Ver- letzung vorhandenen Geweihes auf dem gebrochenen Rosenstock nur ein kurzer stumpfer Spiess ohne Enden erzeugt, später wird er durch einen nach aufwärts gekrümmten ersetzt, welcher wohl auch eine Augsprosse ansetzen kann , endhch nach völliger Verheilung des Knochens kann sich auch wieder eine annähernd normale aufwärts gerichtete Stange bilden. Es kommt auch vor, dass ein Hirsch nach einer Eosenstockfraktur eine Zeit lang ganz des Geweihes entbehrt. Bei einem Schweinshirsch (Cervus porcinus) des zoologischen Gartens zu Frankfurt a. M. \ der 1864 den linken Rosenstock dicht am Schädel gebrochen hatte , trat innerhalb zehn Tagen völlige Heilung ein, nachdem die Stange der verletzten Seite mit Draht in natürlicher Stellung an der andern Stange befestigt worden war. Im folgenden Jahre erhielt dieser Hirsch, nachdem er zur richtigen Zeit ab- geworfen hatte, jedoch ein beiderseits ganz abnormes Geweih. Überaus sonderbar ist das Verhalten eines von Sr. Majestät dem König am 15. Februar 1879 im Favoritepark bei Ludwigsburg erlegten Axishirsches (Cervus axis)^. Dieser hatte sich als fünf- jähriger Hirsch am 15. Dezember 1877 die linke Stange unter der Rose an einer Futterraufe gewaltsam abgerissen und warf die rechte Stange am 28. April 1878 regelrecht ab. Vom 10. Juni an ent- wickelte sich ein neues Geweih, welches vom 9. November bis 7. Dezember gefegt wurde. Merkwürdigerweise war bei demselben die linke, ehemals gebrochene Stange, bis auf eine abweichende Stellung der Enden normal, während die rechte Stange nur aus einem 1,5 cm langen zur Seite ausweichenden Stumpfe bestand. Wie am Schluss noch näher ausgeführt werden soll, sind wahrscheinlich die meisten Afterperlen-, Afterstangen und 3- und 4-Stangenbildungen Folgen gut verheilter Rosenstock- verletzungen. Hierher gehören aber auch die meisten Fälle der sogenannten Pendelstangen, diese treten dann auf, wenn die gebrochenen Teile des Rosenstocks nicht wieder zusammenheilen oder wenn der Rosenstock hart am Stirnbein völlig weggebrochen ist. Es bildet sich in diesen Fällen eine meist kurze Stange ohne Enden, welche frei an der Haut baumelt, übrigens aber regelmässig abgeworfen und erneuert wird. Erklären lässt sich die Pendelstangenbildung daraus, » Zoologischer Garten. Bd. VI. 1865. S. 102. ^ Freiherr von Wagner, Neue deutsche Jagdzeitung. 1881. S. 19 u. 41. — 147 — dass die Ernährung des wachsenden Geweihes nicht nur durch den Rosenstock, sondern und vielleicht in erster Linie auch durch die Haut erfolgt, so dass der erstere zur Bildung wenigstens rudimen- tärer Stangen entbehrlich ist. Ein Beispiel ist folgendes : Ein im dritten Lebensjahr stehender weisser Hirsch (Gabler) des K. Wildparks Solitude ^ hatte sich in der Umzäunung den linken Rosenstock abgebrochen, hierauf kränkelte er über ein Jahr und setzte in dieser Zeit nicht auf, dann setzte er rechts drei Enden auf und diese Stange durchlief in den folgenden Jahren die Stufen bis zum ungeraden Zwölfender, doch fehlte stets die Augsprosse. Links bildete sich eine rudimentäre Pendelstange, die regelmässig abgeworfen wurde. Die rechte Stange war ungewöhnlich leicht und wie bei einstangigen Hirschen (s. u.) aufrecht gestellt. Der Hirsch wurde 1868 in der Brunft geforkelt und ist wahrscheinlich iden- tisch mit dem im Jagdschloss Bebenhausen hängenden Kopf, wovon Hofjägermeister Graf Uxküll ein oder zwei Abwürfe besass. Einen diesem völlig ähnlichen Hirsch mit Pendelstange rechts erlegte Se. Durchl. Erbprinz Georg von Schaumburg - Lippe am 21. Dezember 1872 im Schaumburger Walde, bei diesem war der Schädel rechts völlig glatt und die Pendelstange sass mit einem Stück Rosenstock lose in der Kopfhaut. Ein von Altum beschriebener Fall ^ gehört eigentlich schon zu den Drei- oder gar Vierstangenhirschen, der betreffende Hirsch, un- gerader Achtender, wurde am 7. Oktober 1880 im Revier Roten- burg-West, Provinz Hessen-Nassau, erlegt, die rechte Stange sitzt in- folge Rosenstockfraktur hart auf dem Schädel, daneben befinden sich zwei unter sich zusammenhängende und gemeinsam bewegliche rudi-' mentäre Pendelstangen. Ein Hirsch mit vier Stangen, wovon eine Pendelstange, wurde auch in Württemberg, nämlich am 14. Juli 1880^ im Stadtwald von Wildbad erlegt. Die linke Stange war zur Zeit der Erlegung noch nicht völlig ve reckt* und besteht eigentlich von der Rose an aus zwei ziemlich gleichwertigen Stangen von 55 und 46 cm Höhe, die rechte Stange ist dagegen nur 13 cm hoch und neben derselben hängt eine 10 cm lange rudimentäre Pendelstange frei in der Haut. ' Martin, L., in Zoologischer Garten. Bd. X. 1869. S. 103. ^ Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen von Danckelraann. Bd. XIII. 1881. S. 338. » Allgemeine Forst- und Jagdzeitung. Bd. LVI. 1880. S. 182. * reif. 10* — 148 — Wie aus den Spuren zu schliessen, hat sich der Hirsch beim Besuch der eingezäunten Saatschule einen Bruch des rechten Rosenstocks zugezogen, mit dem auch die Abnormität der Hnken Stange sekun- där zusammenhängt. 3. Das Absägen des Geweihes, welches bei zahmen bös- artigen Hirschen zur Vermeidung von Gefahr oder beim Transport gefangener Hirsche zur Erleichterung desselben manchmal Anwen- dung findet, hat die Wirkung, dass die belassenen Stummel sehr schwer abgeworfen werden, die möglichen sonstigen Folgen dieser Operation sind aus folgenden drei Beispielen zu ersehen : Ein Wasserhirsch (Cerviis equinus) des Dresdener zoologischen Gartens, dem am 21. März 1865 ^ beide Stangen einen Zoll über dem Rosenstock abgesägt wurden, nachdem das Geweih gefegt war, be- hielt die Stummel bis zum 6. Juni 1866 , setzte aber von da an wieder normal und regelmässig auf. Eingreifender waren die Folgen derselben Operation bei einem Cervus Russa Müll, des zoologischen Gartens zu Wien ^. Dieser be- hielt die Stummel, anstatt sie im April abzuwerfen, bis Mitte Juni und schob dann ein anfangs normales neues Geweih. Nach Er- reichung der halben Höhe trat Wachstumsstillstand ein und der Hirsch verendete im September an einem Kongestivzustand des Gehirns. Der dritte hierher gehörige Fall hatte Impotenz des ver- stümmelten Hirsches zur Folge, wie Graf von Mellin erzählt ^. Der- selbe hatte einem Hirsche seines vielbesuchten Tiergartens wegen Bösartigkeit mehrere Jahre hintereinander das Geweih immer gleich nach dem Fegen dicht über der Rose absägen lassen. Nachdem diese ganze Zeit hindurch der Hirsch trotz regelrechten Brunftens keine Nachkommen erzeugt hatte, beliess ihm Graf von Mellin im fünften Jahre sein starkes Zwölfergeweih, worauf das von ihm be- schlagene Tier im folgenden Sommer ein Hirschkalb setzte. Bei dem unter den Rosenstockverletzungen aufgeführten Axis- hirsche des Favoriteparkes wurde ebenfalls beobachtet, dass er den vorher eifrig und mit Erfolg behaupteten Brunftplatz nach erlittener Geweihverletzung sofort verliess und nicht wieder besuchte. 4. Verletzungen anderer Körperteile üben stets eine drastische Wirkung auf die Geweihentwickelung aus, insbesondere » Zoologischer Garten. Bd. X. 1869. S. 120. 2 Zoologischer Garten. Bd. IV. 1863. S. 218. ' Schriften der Gesellschaft naturforschender Freunde. Berlin. Bd. X. 1792. S. 360. — 149 — gilt dies von Knochenverletzungen schweren Grades. Merkwürdig ist die in den meisten, aber nicht, wie R. von Dombrowski annimmt \ in allen derartigen Fällen beobachtete diagonale Einwirkung einer Verletzung, z. B. des hnken Hinter lau fes auf die Missbildung der rechten Geweihstange. Meist findet nach solchen Verletzungen an der verkümmerten Stange keine Endenbildung statt und dieselbe erreicht nur geringe Höhe. Ein solcher Fall findet sich beschrieben und abgebildet in dem eben genannten Werke R. von Dombrowski's Taf. XVI, der betreffende Hirsch wurde von Sr. Durchl. dem Fürsten Adolph Joseph zu Schwarzen- BERG am 3. Oktober 1867 erlegt. Eine ebensolche Verkümmerung der rechten Geweihstange eines Rehbocks infolge Zerschmetterung des linken Hinterlaufes findet sich daselbst auf Taf. XVH abgebildet. Einen weiteren Fall von Verkümmerung der linken Stange eines Hirsches infolge Splitterung des Röhrenknochens am rechten Hinter- lauf bildet VON Dombrowski an anderer Stelle ab -. Bei einem ebenso verletzten am 9. Oktober 1880 in der Ober- försterei Fuhrberg erlegten Hirsch ^ war überdies noch die sonst stark entwickelte rechte Stange ausser der normalen Augsprosse nur mit rudimentären Enden bewehrt. Im Gegensatz zu diesen als Beispiele für die diagonale Wirkung erwähnten Fällen steht folgende Beobachtung: Ein in den 1830er Jahren vom gräflichen ViczAG'schen Forstmeister Schuster in den Donauauen erlegter starker Hirsch*, dem der linke Vorderlauf an- scheinend schon vor Jahren nahe unter dem Blatte abgeschossen war, hatte ein geringes Geweih auf, bei welchem die linke Stange noch schlechter entwickelt war als die rechte. Dass infolge schwerer Verletzungen und daraus folgender mangel- hafter Ernährung die Geweihbildung auch gänzlich unterbleiben kann, beobachtete der schon mehrfach erwähnte Graf von Mellin (cf. 1. c.) an einem auf seinen Gütern erlegten Hirsch, der sich infolge gänz- lich abgeschossenen Unterkiefers nur ganz kümmerlich hatte ernähren können und demnach nach Abwerfen seines, den Rosenstöcken nach zu schliessen, ehemals starken Geweihes, nicht mehr aufgesetzt hatte. Die Anzahl der als Folge derartiger Verletzungen in der Jagd- litteratur erwähnten Geweihabnormitäten ist eine sehr grosse und es ' Geweihbilduug- der europäischen Hirscharten. S. 37. •^ Das Edelwild. Wien 1878. ^ Neue deutsche Jagdzeitung. 1881. S. 125. ' AUgeraeiue Forst- und Jagdzeitung-. 1834. S. 188. — 150 — würde sich lohnen, durch vergleichende Zusammenstellung möglichst vieler derartiger Beobachtungen einen zuverlässigeren Schluss auf das regelmässige Vorherrschen der diagonalen Einwirkung zu ziehen, als es aus der Zusammenstellung einer nur beschränkten Anzahl von Fällen möglich ist. Eine befriedigende Erklärung für diese diagonale Übertragung lässt sich zur Zeit wohl nicht geben. 5. Hüttenrauchgeweihe, unter dieser Bezeichnung ver- öft'entlicht Altum ' eine Anzahl interessanter, teilweise schon vorher von andern Autoren gemachter Beobachtungen über die Folgen der durch den Hüttenrauch hervorgerufenen Bleivergiftung bei den in der Nähe der Silberhütten des Oberharzes ihren Stand habenden Hirschen und Rehböcken. Die in der Mehrzahl aus der Zeit von 1850 — 1860 (vor Änderung des Betriebs in den Hütten) stammenden Hüttenrauchgeweihe zeichnen sich durch eine ganze Reihe von Ano- malien aus, von denen folgende die auffallendsten sind: Die Stangen sind auffällig kurz und an der Basis abnorm stark, die Mittelsprosse fehlt, die Augsprosse ist sehr stark und in dem Winkel zwischen Stange und Augsprosse befindet sich eine knollige Wucherung. Die Rosenstöcke sind ganz kurz, so dass die Geweihe mit ihrer Rose hart auf dem Schädel aufsitzen. Häufig tritt die demnächst besonders zu erwähnende Bildung von Doppelgeweihen ein, indem der rechtzeitige Abwurf unterbleibt und auch der Abwurf der Stangen mit einem Stück anhängenden Rosenstocks (s. o. unter 2) wurde in jener Gegend mehrmals be- obachtet. Bei Wildungen' finde ich Abbildungen zweier monströser Hirsch- geweihe, welche ebenfalls zu den durch Hüttenrauchvergiftung her- vorgebrachten Doppelbildungen zu gehören scheinen, beide Geweihe stammen aus dem Harze, gehörten dem Forstschreiber Bartlixgk in. Hohausen und kamen später in die berühmte Erbacher Sammlung. Die allgemeinen Folgen der Hüttenrauchvergiftung äussern sich in Schwächung der Fortpflanzungsfähigkeit und abnormem Feist- ansatz. Von Rehen, die in jenen Revieren selten sind, erwähnt Altüm nur zwei in analoger Weise missgebildete Geweihe. ß. Doppelgeweihbildung nennt man die Erscheinung, dass sich um die nicht abgeworfenen Geweihstangen des Vorjahres herum die Neubildung von Rosen und Stangen vollzieht, so dass die alten * Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen. 1885. S. 436. ^ Taschenbuch für Forst- und Jagdfreunde 1805/6. — 151 — Stangen von der Neubildung eingeschlossen werden. Nachdem vor- her derartige Bildungen nur vereinzelt bekannt worden waren, ge- bührt dem grossherzoglich hessischen Forstinspektor Joseph in Eber- stadt das Verdienst, diese interessante Abnormität an einer grösseren Anzahl von Exemplaren genauer untersucht zu haben und verweise ich auf dessen Arbeit'. Meist erfolgt die Missbildung infolge Nichtabwerfens der Spiesser im zweiten Altersjahr, es können aber auch dreifache Bildungen durch zweimaliges Nichtabwerfen vorkommen, wovon Joseph in Fig. 4 einen Fall darstellt. Über den inneren Grund dieser Erscheinung ist noch nichts bekannt, auffallenderweise tritt sie weitaus am häufigsten bei Damhirschen (Cervus dama) auf. Die Möglichkeit der Bildung ist wie bei den Pendelstangen durch die nicht nur vom Rosenstock, sondern auch von der Haut ausgehende Säftezufuhr erklärt. Das älteste bekannte Doppelgeweih von Cervus dama wäre vielleicht der von M. E. Ridinger auf Kupfer No. 83 der wunder- samen Hirsche abgebildete „schwartze Tannhirsch, ist Anno 1739 in der Hoch-Gräflichen Kirchbergischen Wildfuhr zu Thierberg, mit disem raren Gewichte, von dem dortigen Wildmeister Joh. Jac. Brasoler geschossen worden". Soweit sich nach der Abbildung beurteilen lässt, dürfte hier eine Doppelbildung, etwa zwischen Fig. 2 und 3 von Joseph (1. c.) die Mitte bildend, vorliegen. Ein ähnliches Geweih vom Rehbock befand sich in der Samm- lung des t Oberforstmeisters von Cotta in Tharand und war Joseph bei Verfassung seiner Arbeit bekannt, seither sind aber noch ver- schiedene neue Fälle, auch vom Edelhirsch hinzugekommen. So beschreibt Altum ^ noch zwei Fälle bei Edelhirschen aus Harzrevieren, wovon der eine die Doppelbildung beiderseits, der andere nur auf der linken Seite aufweist, zur Vergleichung bildet er daselbst auch zwei weitere Doppelgeweihe von Damhirschen aus dem Besitz des Oberförsters Wieprecht zu Grammentin ab und erwähnt die Existenz eines dritten in der Eberswalder Sammlung. Aus Württemberg ist ebenfalls ein Edelhirschspiesser mit interessantem beiderseitigem Dop- pelgeweih zu erwähnen, er stammt aus dem K. Wildpark Solitude und befand sich im Besitz des verstorbenen Hofjägermeisters Grafen VON UxKULL. Dieses Geweih war 1889 auf der Jagdausstellung in ^ Monatschrift für das Forst- und Jagdwesen. 1876 u. a. a. 0., cf. auch Dombrowski, Geweihbildung der europäischen Hirscharten. ^ Panckelmann's Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen. 1878. S. 534 u. 1881. S. 28. — 152 ~ Kassel zu sehen ^ und wurde bei diesem Anlass auch im „Waidmann" ' abgebildet. Eine Doppelbildung vom Rehbock, bei der nachträglich das primäre Gehörn abgeworfen wurde, so dass nur noch die Rosen der Neubildung um die Rosenstöcke herum stehen geblieben sind, be- schreibt schon vor Joseph Präsident Oppermann - Berlin ^ unter Er- wähnung ähnlicher Bildungen bei Damhirschgeweihen, gibt aber eine falsche Erklärung dafür, indem er annimmt, dass die Stangen über der Rose abgeworfen worden seien. Der fragliche Rehbock wurde von Oberförster Oppermann in Baiersdorf im Oktober 1871 erlegt. Nachdem die Frage der Doppelgeweihbildung einmal angeregt war, rief sie ein lebhaftes Interesse hervor und es folgte die Ver- öffentlichung weiterer Fälle, namentlich im „Waidmann", welcher in Beschreibung und Abbildung interessanter Geweihe sehr viel bietet: so zwei Fälle beim Edelhirsch daselbst Bd. XX S. 3 und Bd. XXII S. 77 und noch drei beim Damhirsch in Bd. XXI S. 428, Bd. XXII S. 94 und Bd. XXIII S. 172. 7. Vererb bare Abnormitäten, welche wahrschein- lich meist Folgen der Inzucht sind. Hierunter möchte ich das Fehlen einer Geweihstange ohne vorhergegangene Verletzung und das Fehlen beider Stangen, die sogenannte Plattköpfigkeit , unter- bringen. Schon 1802 erzählt Wildungen * von einer in den Erbachschen Forsten vorkommenden merkwürdigen Rasse von Einhornhirschen, von denen 1779 der erste geschossen wurde, schon im Jahre 1781 sah man wieder in demselben, mittlerweile eingezäunten Forst einen einstangigen Hirsch, der im Jahre 1790 geforkelt wurde, nachdem er bis dahin stets nur eine Stange aufgesetzt hatte. 1788 wurden an dem Futterplatz zwei geweihlose Hirsche gesehen, welche im folgenden Jahre einstangig wurden. In den folgenden Jahren waxr- den sowohl einstangige als geweihlose Hirsche bei der Winterfütterung in steigender Anzahl beobachtet, wovon 1798 zwei plattköpfige und drei einstangige eingefangen wurden. Alle einstangigen hatten ihre Stange auf der rechten Seite , mehrere wurden genau anatomisch untersucht, ohne dass am übrigen Körper eine Anomalie entdeckt werden konnte. ^ Offizieller Katalog- der Ausstellung für Jagd etc. Kassel 1889 No. 334. 2 cf. Bd. XX S. 440. ^ Allgemeine Forst- und Jagdzeituug. 1872. S. 17i. * Taschenbuch. 1802. S. 97. — 153 — 1814 erwähnt Wildungen \ dass sich dermalen im Tiergarten zu Meiningen ebenfalls ein sehr starker Hirsch befinde, der seit acht Jahren nur eine rechte Stange aufsetze, während die linke Seite kahl wie der Kopf eines Alttiers sei, dabei erschien derselbe jährlich als der erste und stärkste Brunfthirsch. Im Jahre 1831 wird das Vorkommen einstangiger Hirsche in der Göhrde seit mehreren Jahren erwähnt^, denen teils die rechte, teils die linke Stange fehlte. Einige erlegte Exemplare wurden eben- falls ohne positiven Erfolg anatomisch untersucht. Statt der fehlen- den Stange war ein schwächerer Rosenstock mit kleiner Rose und Knöpf chen vorhanden. Zur Zeit des Berichts wurden noch mehrere solche Hirsche daselbst geschont. Dieselbe Abnormität ist auch bei Rehböcken mehrfach beob- achtet, z. B. 1879^ im sächsischen Staatsforstrevier Georgengrün ein Bock mit linker Stange und 1878 — 1879* zwei ebensolche Böcke in dem herrschaftlichen von WixzLEBEN'schen Forstrevier Klein- Glienicke und einer wurde 1867 im Rilbecker Forst bei Nauen erlegt. Weitere Beispiele sind besonders vom Reh in der Jagdlitteratur ziemlich zahlreich erwähnt und schon Rldinger bildet in seinen Kupfern auf Blatt 14 der wundersamen Hirsche einen einstangigen Hirsch ab, den 1721 in der Brunftzeit Eberhard Ludwig. Herzog zu Württem- berg, in der Einsiedler Hut, Tübinger Forsts, erlegte. Bei allen einstangigen Hirschen steht die vorhandene Stange zur Erhaltung des Gleichgewichts viel steiler nach aufwärts gegen die Mittellinie des Kopfes als es normal bei zwei Stangen der Fall ist. Bei dem an sich schwachen Geweih der Rehe kommt dieser Umstand viel weniger zur Geltung. Völlig geweihlose Hirsche, auch Plattköpfe, Büffelhirsche oder Mönche, einigemal in ganz falschem Gebrauch des Wortes Perücken- köpfe genannt, finden sich in der Jagdlitteratur noch häufiger erwähnt als die einstangigen und sind oft von ihren geweihtragenden Rivalen gefürchtete Platzhirsche, welche sich beim Kampfe ihrer Vorder- läufe in Achtung gebietender Weise zu bedienen wissen. Es ist mir leider augenblicklich nicht möglich, alle mir aus der Litteratur bekannten Plattkopfhirsche vergleichend zusammenzustel- len, sondern nur etwa 25 Fälle, welche vom Jahre 1819 bis zur ' Jahrbuch. 1814. S. 149. - Allgemeine Forst- und Jagdzeitung. 1831. S. 144. '^ Illustrierte Jagdzeitung. 1879. S, 130. ^ Daselbst. — 154 — Jetztzeit datieren und aus Osterreich und den verschiedensten Teilen Deutschlands stammen. Dass diese Abnormität besonders in Tier- gärten vorkommt , ist durch diese Fälle nicht bewiesen , es finden sich vielmehr ebensoviele aus offenen Wildbahnen. Ein im Revier Briesen bei Fürstenwalde am 23. November 1889 erlegter geweihloser Hirsch ist von obiger Reihe der einzige , der einen Defekt am Kurzwildbret hatte, von welchem wahrschein- lich die Abnormität verursacht war. Dagegen wird bei fast allen andern gemeldet, dass sie gebrunftet haben, von einigen wurden auch Nachkommen beobachtet, welche die Abnormität geerbt hatten und die stärksten, der Plattköpfe behaupteten ihre Rechte als Platz- hirsche auch im Kampfe gegen Rivalen mit starken Geweihen. Rehböcke ohne Gehörn sind ungleich seltener erwähnt, zwei Beispiele führt Altum ^ ohne eingehende Beschreibung an, ein weiterer wurde im August 1867 im Thiergartener Forst, Vorderrhön, Hessen, erlegt ^, derselbe hatte an Stelle der Rosenstöcke kaum bemerkbare Auftreibungen des Stirnbeins. Während bisher mangelhafte Äsung, übersetzter Wildstand und Inzucht in umzäunten Gehegen als Ursache angesehen wurde, ver- sucht R. VON DoMBROwsKi ^ das Ausbleiben der Geweihe dadurch zu erklären, dass die Kälber in der Brunftzeit von selten der Hirsche Misshandlungen erleiden, wobei durch Stoss oder Schlag mit dem Geweih das Kurzwildbret der Kälber kontusioniert oder verletzt werde. Der hierdurch entstehende entzündliche Prozess, welcher später mit völliger Heilung ohne Beeinträchtigung der Zeugungsfähigkeit ab- schhesse, habe die Verhinderung der Geweihbildung zur Folge. Diese Erklärung erscheint deshalb nicht unwahrscheinlich, weil durch Kastration vor dem Aufsetzen des ersten Geweihes meist, aber nicht immer Plattköpfigkeit hervorgerufen wird, ich glaube aber doch nicht, dass bei allen geweihlosen Hirschen die DoMRROwsKi'sche Deutung zutreffend ist, es dürfte vielmehr in dieser Erscheinung ein Rückschlag auf frühere ungeweihte Formen zu erblicken sein, Avomit wir schon zu No. 8 geführt wären. 8. Rückschläge auf frühere Formen. Bei den aus der Tertiärzeit aufgefundenen Resten von Verwandten unserer jetzigen Hirscharten lässt sich die Thatsache verfolgen, dass ursprünglich die Geweihbildung einfacher war und sich innerhalb einer geringeren 1 Forstzoologie. Bd. I S. 230. ^ Allgemeine Forst- imd Jagdzeituiig. 1867. S. 447. ^ Geweihbildung der europäischen Hirscharten. S. .34. — 155 — Anzahl von Enden bewegte , als bei den meisten jetzt lebenden Arten ^, nur zwei Arten oder Artengruppen machen eine Ausnahme, indem sie Geweihe von riesigen Dimensionen und kompliziertem Auf- bau produzierten, wie sie in der Jetztzeit nicht mehr vorkommen, nämlich der oberpliocäne Cervus dicranios ^ und der allgemeiner be- kannte , besonders in Irland gefundene diluviale Cervus euryceros. Das ab und zu beobachtete Verbleiben von Hirschen auf der Spiesser,- Gabler- oder Sechser- bis Achterstufe mit alljährlich wohl stärker aber nicht endenreicher werdendem Geweih, dürfte wie das Vorkommen von Eckzähnen und Wedeln ^ bei den Arten , die ge- gewöhnlich keine solchen haben, wie z. B. beim Reh, als Rück- schlag oder Atavismus zu betrachten sein. Hirsche mit derartigen Geweihen sind im Kampfe ihren sonst gleich starken Gegnern mit verästelten Geweihen überlegen und deshalb unter dem Namen „Schadhirsche" bekannt. Roger (1. c.) nennt die Geweihe: „einen oft luxuriierend ausgearteten, hinderlichen Kopfschmuck", aber Enden- reichtum verhindert allzuhäufige tödliche Verletzungen beim Kampfe, begünstigt anderseits allerdings das sogenannte Verkämpfen, welches beiden Streitern einen qualvollen Tod bringt, wovon in allen grösseren Sammlungen Belege in Gestalt verkämpfter Geweihe vor- handen sind. 9, Anklänge an die Geweihbildung verwandter Arten nach dem Satze : Was bei den einen als Ausnahme vorkommt , ist bei den andern Regel. Hierzu rechne ich zwei beim Edelhirsch als Seltenheit vorkommende Bildungen, nämlich die Gabelung der Aug- sprosse und die Bildung eines senkrecht stehenden Endes auf der- selben, ferner die Schaufelbildung bei Edelhirsch- und Rehgeweihen und das Vorkommen von Geweihen bei unserem Reh (G. capreolus), welche die eigentümliche Form des Geweihes vom sibirischen Reh (Cervus pygargus) aufweisen. Bei den von mir oben „regelmässige Enden" genannten Enden: Mittelsprosse, Eissprosse und Augsprosse kommt sehr selten eine Zweiteilung vor, während bei den Kronenenden hierin volle Willkür herrscht. Schon die Gabelung der Mittelsprosse ist selten, die der ^ cf. z. B. Krause, Die Entwickeluug de.s Hirschgeweihs in der Vorzeit. Kosmos Bd. XI. 1882. S. 23. Taf. I. 2 cf. daselbst und bei Rütimey er Nat. Gesch. der Hirsche, Zürich 1880/83 und Roger iu Ber. des naturwiss. Vereins Regensburg. 1886/87. Taf. ü. ^ cf. Nitsche im Tharander forstlichen .Jahrbuch von Judeich. Bd. XXXIII. 1883. S. 117. — 156 — Augsprosse noch seltener und die Eissprosse scheint sich nie zu gabeln. Eine Gabelung dieser Enden kommt nur bei sehr vielendigen Geweihen vor, so findet sich die Gabelung der Augsprosse in der Moritzburger Sammlung ^ bei zwei 28-Endern (Taf. X u. XIII), einem 32-Ender (Taf. XVIIl) und einer als Trinkhorn benützten Einzelstange mit kelchförmiger Krone (Taf. XXIV b). Die Erbacher Sammlung ^ weist einen 26- und einen 30-Ender mit gegabelten Augsprossen auf, der erstere stammt aus Franken, der letztere, eine Perle der Samm- lung, aus Ulm. RiDiNGER bildet einen solchen Hirsch, 22-Ender, aus Hessen vom Jahr 1752 auf Kupfer No. 71 der wunderbaren Hirsche ab. Weitere derartige Geweihe habe ich nicht gesucht, eine ganz schwache Andeutung von Gabelung findet sich aber noch bei einigen anderen vor. Regel ist diese Gabelung der Augsprosse bei dem indischen jRncervus Schoniburghi. Viel seltener noch ist die zweite der genannten Abnormitäten, nämlich die Bildung einer senkrecht stehenden sekundären Sprosse auf der Augsprosse, ich kenne davon nur drei Fälle, einen von einem Grafen Hatzfeld in Ungarn geschossenen ungeraden 24-Ender der Erbacher Sammlung ^ mit beiderseitigem solchem Ende, ein anderes daselbst erwähntes Erbacher Geweih mit dieser Bildung nur auf der linken Augsprosse und einen 32-Ender der Moritzburger Sammlung mit abgebrochenem Afterende auf der rechten Augsprosse. Diese Sprossenbildung ist ebenfalls bei indischen Hirschen Kegel, nämlich bei Panolia Eldi und kommt auch bei dem indischen Bucer- vus Duvaucelii wie es scheint häufig vor. Schaufelbildung bei Edelhirschen ist mehrfach beobachtet, einen mit einer der Damhirschschaufel sehr ähnlichen linken Stange bildet EiDiNGER auf Kupfer No. 93 seiner „wundersamen Hirsche" ab, er wurde bei Dessau 1760 erlegt. Sehr ähnlich diesem RmiNüER'schen ist ein aus alter Zeit stam- mender ungerader 20-Ender des Fürsten Adolf Joseph zu Schwarzen- BERG, dessen Geweih 1890 auf der Wiener Jagdausstellung zu sehen war*. Mehr dem mesopotamischen Damhirsch (Cervus mesopotamicus) ähnlich ist ein ebenfalls in Wien ausgestelltes ungerades 20-Ender- geweih aus Gödöllö , dessen Träger am 19. September 1885 erlegt ' A. B. Meyer, Die Hirschgevveihsaiumlung in Muritzbuvg. ■'' Ed. Störmer, Selecta der Erbacher Sammlung Taf. VI u. XIII. ^ Selecta Taf. XV. * Waidmann Bd. XXI S. 349. — 157 — wurde ^. Die schaufeiförmige Erbreiterung der Stangen (bis 13 cm breit) erstreckt sich- von den Aug- bis zu den Mittelsprossen. Beim Reh sind schaufeiförmig erbreiterte Geweihe ebenfalls in der Jagdlitteratur mehrfach erwähnt und meist als besonders viel- endig beschrieben. Regel ist die Schaufelform der oberen Geweihhälfte bekannthch beim Rentier (Cervus tarandus), Elch (Cervus alces), Damhirsch (Cer- vus dama) und dem fossilen Riesenhirsch (Cervus euryceros), wäh- rend sich bei dem schon erwähnten Cervus mesopotamicus ^ mehr die untere Stangenpartie an der Schaufelbildung beteiligt. Das Geweih des Edelhirsches, den Ridinger auf Kupfer No. 59 der wundersamen Hirsche abbildet, macht, von der dritten Stange ^ abgesehen, beinahe den Eindruck eines Rehgeweihes in vergrösserten Dimensionen und das Geweih auf Taf. XIV der Moritzburger Samm- lung erinnert in dem spitzwinkeligen Ansatz der Augsprossen an die Geweihform des asiatischen Cervus Aristotelis und seiner Ver- wandten. Das ab und zu in Deutschland beobachtete Vorkommen von Rehgeweihen, welche in ihrem ganzen Habitus an die Prachtgeweihe des sibirischen Rehes {Cervus pygargus Pallas) erinnern, ohne in- dessen auch nur annähernd deren Dimensionen zu erreichen, führt uns ganz von selbst zur Betrachtung der noch ungelösten Urbockfrage. Es finden sich nämlich unter dem Namen Urbocksgeweihe nicht nur in den bekannten Sammlungen, sondern auch auf den Bauern- höfen und Wirtshäusern unserer Alpen immer noch alte Rehgehörne, meist auf geschnitzten Holzköpfen festgemacht und grossenteils aus dem 15. und 18. Jahrhundert herstammend, welche sich dem Kenner sofort als Pygargiis-Geweihe bemerklich machen. Die Eigentümlich- keit liegt nicht sowohl in der besonderen Höhe von 27 — 39 cm, die von unserem Reh nie produziert wird, als vielmehr in der Stellung der Stangen zu einander und in der eigentümlichen Art der Perlung. Wie es scheint finden sich diese alten Pygargus-Geweihe nur im Gebirge, eine genaue Angabe der Herkunft ist aber nirgends mehr zu erlangen. N. Pfretzschner in Wien* regt die Frage an, ob sich etwa derartige Stangen in Torfstichen, Mooren und Pfahlbauten finden, welche das frühere Vorkommen des sibirischen Rehes in Europa be- 1 Waidmann Bd. XXI S. 309. =* Proc. zool. Soc. London. 1875. p. 262. 1876. p. 299. a. 1878. p. 914. ^ s. unten bei den dreistangigen. * Waidmann Bd. XX S. 261. — 158 — weisen würden. Daraufhin erwähnt ein Ungenannter im Waidraann \ dass die Museen zu Laibach, Graz und Wien aus den Pfahlbauten des Alpengebietes zwar eine grosse Menge Rehstangen aufweisen, aber keine einzige, die sich auf Pygargus beziehen Hesse, vielmehr erreichen dieselben nur selten die Stärke jetziger guter Gapreolus- Geweihe. Es ist ja wohl möglich , dass ein Teil der ürbocksgehörne in den grossen Sammlungen direkt oder indirekt aus Russland ein- geführt wurde und es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch ein Teil der vielbewunderten Edelhirschgeweihe von „unbekannter Herkunft", wie es leider fast die Mehrzahl der Moritzburger und Erbacher Ge- weihe ist, asiatischen Ursprungs ist, aber dass die Pyr/ar(/2*5-Geweihe in alter Zeit bei dem damals wenig entwickelten und schwierigen Fernverkehr von Russland gerade vorzugsweise auf die Bauernhöfe der Alpen gekommen sein sollten, ist sehr wenig wahrscheinlich. Es dürfte eher anzunehmen sein, dass sich das dem unserigen nahe verwandte sibirische Reh noch in geschichtlicher Zeit in Deutsch- land wenigstens vereinzelt vorgefunden habe und dass sich dem Cervus 2)ygargus nahestehende Lokalformen oder Rassen unseres Rehes auch jetzt noch vorfinden. So bemerkt E. von Dombrowski zu der Abbildung eines 10-endigen Rehgeweihes ^ von der Wiener Ausstellung, welches völlig einem Pygargus-Gcewoih gleicht, dass es ein typischer Vertreter der Rasse von Rudnik in Galizien sei und der Träger eines im Waidmann ^ abgebildeten typischen Fygargus- Geweihes von 26 cm Höhe , soll 1 804 in einem fürstlich Sonders- hausenschen Revier erlegt worden sein. Wenn sich auch, wie oben bemerkt, keine Belege für das Vor- kommen von Cervus pygargus in der Pfahlbauzeit finden . so fehlt es bei uns doch nicht an fossilen Resten dieser Form, denn nach einer mündlichen Mitteilung von Medizinalrat Dr. Hedinger stehen die fossilen Reste von Rehen aus seinen Höhlenfunden im Heppen- loch unzweifelhaft dem Cervus pygargus näher als dem Cervus caprcolus. 10. Geweihabnorraitäten infolge hohen Alters be- kunden sich durch Stillstand des Wachstums vor vollständiger Aus- bildung der Kronenenden, infolgedessen schaufeiförmige oder zerrissen ausgezackte Kronen entstehen, welche oft eine sehr grosse Anzahl 1 Bd. XXU S. 421. 2 Waidraann Bd. XXI S. 389. " Bd. IX S. 112. — 159 — kurzer Enden aufweisen. Ausserdem führt hohes Alter auch zu der schon in der Einleitung erwähnten Erscheinung des „Zurücksetzens" auf eine niedrigere Endenzahl. Kennzeichen für hohes Alter eines Hirsches ist die mit dem Alter stetig zunehmende Verdickung und Verkürzung des Rosenstocks und die zunehmende Neigung der Ab- wurf fläche nach aussen. Am ausgesprochensten finden sich die erstgenannten Erschei- nungen bei folgenden bekannten Geweihen : Aus der Moritzburger Sammlung gehören hierher die rechte Stange (die zwei Stangen ge- hören nicht zusammen) eines 50-Enders von unbekannter Herkunft (Taf. XXVI), dann der bekannte „historische" 66-Ender (Taf. XXVH) und ganz besonders das monströse Geweih des von Kurfürst August von Sachsen 1584 erlegten alten und starken Hirsches (Taf. XXVHI). Von den unter den Selecta der Erbacher Sammlung abgebildeten Geweihen trägt keines die Merkmale hohen Alters in so ausgesprochenem Masse, dagegen ist zu nennen No. 5 der gräflich ARCo'schen Samm- lung, ausgestellt in Kassel 1889 \ Unter den RroiNGER'schen Kupfern finden sich ausser dem historischen 66-Ender noch mehrere, die ich hier erwähnen möchte : No. 13, ein Württemberger, erlegt den 22. August 1735 in den Vorhalden, Frickenhauser Hut, Kirchheimer Forsts, von Herzog Karl Alexander. No. 18, ein 58-Ender, erlegt 1675 in der oberen Hart bei Basel und No. 55, Hirsch mit schaufeiförmigem Geweih, erlegt den 2. Sep- tember 1748 bei Romrod vom regierenden Landgrafen zu Hessen- Darmstadt. Heutzutage wird wohl in Europa keinem Hirsch mehr Zeit ge- lassen, derartige Geweihe zu produzieren. Als Gegenstück zu diesen Edelhirschgeweihen möchte ich an dieser Stelle eine überaus seltene Abnormität anschliessen , welche nur beim Reh möglich ist, nämlich 11. Das Zusammenwachsen beider Stangen, dies kann deshalb unter unseren einheimischen Hirscharten nur beim Reh vor- kommen, weil nur hier die Rosenstöcke nahe genug beisammenstehen und so wenig divergierend gestellt sind, dass ein Sichberühren beider Stangen denkbar ist. Es sind mir von dieser Abnormität nur 8 Bei- spiele bekannt, bei zweien davon, nämlich einem am 14. August 1887 Waidmann Bd. XX S. 386. — 160 — bei Holzhausen in Westfalen verendet gefundenen ^ und einem aus der Sammlung des Herrn C. Mondt in Strassburg stammenden^, erstreckt sich die Verwachsung nur wenig über die Rosen herauf. Verwachsung bis zur Mitte der Höhe zeigt das Geweih eines Rehbockes, den Prinz Ferdinand zu Solms bei Magdalenenhausen 1863 erlegte und dessen ganz gleicher Abwurf von 1862^ gefunden wurde. Das Weitere im Waidmann Bd. XVI S. 442 abgebildete verwachsene Gehörn ist mir nicht genau erinnerlich. Bis zu ^'.3 der Höhe geht die Verwachsung der Stangen bei einem Geweih aus der Sammlung des Herrn J. Geismar zu Wies- baden* (der betreffende Bock wurde in der Nähe von Miltenberg a. Main erlegt, nachdem man 3 Jahre lang seine Abwürfe gefunden hatte) und bei dem Geweih No. 1778 der berühmten Geweihsamm- lung des Grafen Arco-Zinneberg in München. Dieselbe Sammlung besitzt in No. 1779 ein Reh-Spiessergeweih, dessen Rosenstöcke und Stangen unten getrennt, gegen die Spitze aber zusammengeneigt und miteinander verwachsen sind. Endlich besitzt das grossherzogliche Museum in Darmstadt ein von den Rosen- stöcken an der ganzen Länge nach zusammengewachsenes Rehgeweih. Noch merkwürdiger sind aber zwei erst in neuester Zeit be- kannt gewordene Rehgeweihe, bei denen sich ein einziger Rosenstock in der Mittellinie des Kopfes auf der Naht zwischen beiden Stirn- beinen befindet. Auf diesem Rosenstock sitzt eine Stange mit Rose, die sich weiter oben spaltet, so dass die obere Partie wieder normal gebildet ist. Das eine dieser Geweihe war 1889 in Kassel ausgestellt (Samm- lung der K. Forstakademie zu hannoverisch Münden), der Träger desselben wurde am 17. Juli 1887 von Oberforstmeister Dr. Borg- GREVE im Reinhardswald erlegt, nachdem er schon in den beiden Vorjahren gesehen worden war. Das andere befindet sich in der Sammlung des Herrn von WedeIl in Frankfurt a. 0. und ist von ihm auf der Herrschaft Braunsfort in Pommern erbeutet ^, die Stangen teilen sich 7 cm über der gemein- schaftlichen Rose zu einem regelmässigen schön geperlten Sechser- geweih. ' Waidraann Bd. XIX S. 425. ^ Waidmaiin Bd. X S. 138. » Waidmann Bd. IX S. 120. * Illustrierte Jagdzeitung Bd. V. 1877/78. S. 7. 5 Waidmann Bd. XXIII S. 132. — 161 — Bei den Reh-Perücken (s. unten) ist das Zusammenwachsen beider Stangen Regel, bei den Edelhirsch-Perücken kommt es dagegen aus naheliegenden Gründen nicht vor. 12. Im folgenden möchte ich eine Anzahl abnormer Bildungen zusammenstellen, welche zwar wahrscheinlich nicht derselben Ursache ihre Entstehung verdanken, für deren Vorkommen aber nur indivi- duelle Dispositionen oder Störungen des Allgemeinbefindens den C-Trund zu bilden scheinen. Diese Abnormitäten sind: A. Das Fehlen der sogenannten regelmässigen Enden beim Edelhirschgeweih. Wie ich schon in der Ein- leitung bemerkte , fehlt die Eissprosse in manchen Gegenden über- haupt, es bleibt also hier nur das Fehlen der Aug- und Mittelsprosse zu betrachten , welches sehr selten vorkommt und gewissermassen das Gegenstück zu dem unter 8. oben erwähnten Schadhirschgeweih bildet. Solche Geweihe finden sich abgebildet bei R. von Dombrowski „Das Edelwild" (Hochlandhirsch ohne Augsprossen) und auf Taf. XX a der Erbacher Selecta. Letzteres Zehnergeweih ohne Aug- und Mittel- sprossen hing ursprünglich in Moritzburg und kam 1843 als Ge- schenk nach Erbach. Drei Geweihe ohne Aug-. Eis- und Mittel- sprossen sind auch neuerdings im Waidmann ^ zusammengestellt worden und zwei solche Stangen des Edelhirsches, in Kleinasien ge- funden, wurden 1890 von R. Lyuekker in England bekannt gemacht^. B. Drehwuchs, wenn ich so die korkzieh erförmige oder widderhornartige Verdrehung von Geweihstangen nennen darf. Ich lasse hier alle einseitigen durch lokale Einwirkungen verursachten Missbildungen bei Seite, möchte vielmehr nur die an beiden Stangen symmetrisch auftretende Verdrehung darunter verstanden wissen, über die Ursache lässt sich nicht einmal eine Vermutung aussprechen. Die meisten derartigen Geweihe hat Ridinger abgebildet, darunter einen Hirsch mit korkzieherartig gewundenem Geweih, den „Anno 1738 Ihro Hochfürstl. Durchl. Maria Augusta Herzogin zu Würtem- berg in dem Tiefenbach, Frickenhäuser Hut, Kirchheimer Forsts ge- schossen" hat und einen mit ^^^^^förmig nach aussen gekrümmten Stangen, „der 1736 auf den sog. Schlauchwisen, Stremfelbacher Hut, Schorndorffer Forsts,'' verendet gefunden wurde. Vier merkwürdig, teilweise korkzieherartig gekrümmte Geweihe ' Bd. XXII S. 3. - Proc. zool. Soc. London. 1890. S. 363. Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1892. 11 — 162 — beschreibt der 1868 verstorbene Oberforstmeister Götz vok Olenhdsen aus der „Göhrde" ^ Da in der Göhrde auch geweihlose und einstangige Hirsche vielfach beobachtet wurden , dürften dort diese Abnormitäten auf eine gemeinsame Ursache zurückzuführen sein. Ein Pjdelspiessergeweih mit sj^mmetrisch korkzieherförmigen langen glatten Stangen befindet sich als Geschenk Sr. Durchl. des Fürsten von Waldeck-Pyrmont vom Jahre 1877 im Favoriteschloss bei Ludwigsburg und war 1889 auch in Kassel ausgestellt. Im „Waidmann" finden sich weitere Abbildungen solcher Ge- weihe, auch von Rehen, zerstreut, beim Reh sind sie sogar, wie AJ)- normitäten überhaupt, noch häufiger beobachtet, fallen aber infolge der geringeren Dimensionen nicht so auf wie beim Hirsch. C. Noch seltener sind verworrene lappenförmige Aus- wüchse an einer einzelnen Stange, ich kenne nur vier solche Ge- weihe vom Edelhirsch. Den einen davon bildet Ridinger auf Blatt 96 der wundersamen Hirsche ohne nähere Bezeichnung ab , ich halte aber das Geweih für identisch mit dem am Bärenschlösschen im K. Wildpark Solitude bei Stuttgart hängenden, obgleich sich der Auswuchs bei Ridinger an der rechten, in Wirklichkeit aber an der linken Stange befindet. Endenzahl, Stellung der Enden und des Auswuchses stimmt aber so vollständig überein, dass ich annehme, dass Ridinger den Hirsch in richtiger Stellung auf seine Platte ge- stochen hat, das Bild dann aber durch den Abdruck verkehrt wieder- gegeben wird. Ob auch bei anderen RiDiNGERschen Stichen rechts und links vertauscht ist, vermag ich allerdings nicht anzugeben, es ist aber sehr wohl möglich, beim 66-Ender ist es aber nicht der Fall. Zwei weitere solche Geweihe aus dem K. Jagdschloss Grune- wald bei Berlin waren 1889 in Kassel ausgestellt, das eine trägt den Auswuchs an der rechten , das andere an der linken Stange und das vierte befindet sich in der ARCo'schen Sammlung in München (No. 32) und trägt den Auswuchs an der linken Stange. Bei allen vier Geweihen geht der Auswuchs von der Haupt- stange nach rückwärts und befindet sich an der unteren Stangen- partie zwischen Aug- und Mittelsprosse, diese Gleichmässigkeit ist sehr auffallend. D. Die letzte dieser unerklärten Abnormitäten bilden die eben- falls seltenen unförmlichen rudimentären Stangen, deren ' Aus dem Walde von Burckhardt. 1869. Heft II S. 210. — 163 — Dichtigkeit und specifisches Gewicht grösser ist als bei normalen Stangen und die daher nicht mit der schwammigen und porösen Perückenbildung (s. unten) zu verwechseln sind. Das bekannteste und sonderbarste derartige Geweih wurde in den 1880er Jahren beim Ausroden eines Erlenbruches auf dem Vor- werk Neu-Waldau bei Koppershagen in Ostpreussen gefunden. Es befand sich zuerst im Besitz des K. Landrates von Arnim, der es 1853 testamentarisch Sr. K. Hoheit dem Prinzen Karl von Preussen vermachte'. Auf dem Stumpf stand noch eine eigentliche Stange in die Höhe, welche durch Absägen verloren ging, trotzdem hat die Abnormität das kolossale Gewicht von 26^'2 Pfund, während von den stärksten Moritzburger Geweihen nur drei dieses Gewicht über- schreiten und wenige es erreichen. Ein kleinerer kartoffelförmiger steinharter Stumpf findet sich neben einer normalen Achterstange auf einem alten Holzkopf von un- bekannter Herkunft in der osteologischen Sammlung des K. Naturahen- kabinetts in Stuttgart, und ein ebensolcher in der Afico'schen Samm- lung (No. 37). Freiherr von Korff in Potsdam besitzt - eine Stange, wenn man das wunderliche Gebilde überhaupt so nennen kann, eines siamesischen Hirsches aus Bangkok, welche eine auf einer Rose zwischen zwei kurzen Sprossen eingeklemmte kartoffelförmige Kugel von 36 cm Horizontalumfang und 1 Pfund 18 Lot Gewicht darstellt. Ich komme nun zu den vom physiologischen und vom ent- wickelungsgeschichtlichen Standpunkt interessantesten Abnormitäten der Geweihbilduug, muss mich aber auf die Darstellung einiger Haupt- punkte beschränken , Aveil ich diese Fragen für eine ausführlichere Darstellung an der Hand einer sehr grossen Anzahl vergleichend zusammengestellter Einzelbeobachtungen vorbehalten möchte. 13. Das Perückengeweih. Diesen Namen trägt von alters her das merkwürdig wuchernde, das Stadium der völligen Reife nicht erreichende und weder zum Fegen noch zum periodischen Abwurf gelangende Geweih kastrierter und an den Geschlechtsteilen verletzter oder von Natur missgebildeter Hirsche und Rehböcke. Das Verhalten der Geweihbildung nach erfolgter Kastration war im wesentlichen schon Aristoteles bekannt^ und trotz aller in neuester Zeit verzeichneten genauen Beobachtungen und anatomischen ^ cf. Kasseler Ausstelhing und Waidmann Bd. XX S. 449. 2 Waidmann Bd. VI S. 9. •'* Historia animalinm. Libr. IX Cap. 50. 11* 164 Untersuchungen läuft seither durch die gesamte einschlägige Litteratur der eine falsche Satz hindurch : „ Geschieht die Kastration eines Hirsches zur Zeit wo er sein Geweih hat, so behält letzteres seine Grösse und wird nicht melir abgeworfen." Nur Graf von Mellin er- wähnt „Abwerfen ausser der Zeit" als Folge von Kurzwildbretver- letzung \ ist aber trotzdem noch der Ansicht , dass Kastration Ver- bleiben des vorhandenen Geweihes verursache. Seither ist diese An- sicht durch häufige Wiederholung nur noch mehr befestigt worden. Der Amerikaner Caton - kommt auf Grund seiner Beobachtungen an Gerviis canadensis und virginianus erstmals zu dem richtigen Schlüsse, dass nach erfolgter Kastration zur Zeit der Reife des Ge- weihes, innerhalb eines Monats Abwurf erfolge, sagt aber dann, dass die Perückenbildung erst im folgenden Frühjahr erfolge, während sie vielmehr sofort nach dem Abwurf anfängt, allerdings aber haupt- sächlich in der normalen Kolbenzeit immer wieder Steigerung erfährt. Dagegen kann ich aus meiner noch nicht ganz fertig durch- geführten Zusammenstellung vorläufig folgendes mitteilen : Ein Verbleiben des gefegten Geweihes nach erfolgter Kurz- wildbretverletzung durch einen Schuss wurde nur ein einziges Mal beobachtet und auch da nur auf die Dauer von ca. 14 Tagen, nach welcher Zeit der betreffende Fiehbock erlegt wurde. Bis dahin war aber das Geweih auf 5 cm hohe Stümpfe reduziert und wäre jeden- falls in ganz kurzer Zeit vollends verschwunden. Das Behalten des Geweihes findet nur statt, wenn die Kastration einige Zeit vor dem Fegen stattfindet; in diesem Falle pflegt sich die Perückenwucherung sofort ohne vorheriges Abwerfen zu vollziehen. In der Mehrzahl der Fälle aber und bei Kastration zur Zeit des Vorhandenseins eines reifen gefegten Geweihes immer, erfolgt bei allen Hirscharten Abwurf innerhalb 2 — 3 Wochen und darauf folgt sofort die Neubildung einer Perücke. Plattköpfigkeit infolge Kastration in der Jugend vor der Pro- duktion des Erstlingsgeweihes ist zwar mehrfach beobachtet, es kommt aber auch dabei ausnahmsweise Perückenbildung zu stände. Abwerfen einer Perücke ist meines Wissens nie. Fegen der- selben nur ausnahmsweise und niemals in vollständiger Ausführung, sondern nur in Versuchen beobachtet worden. Wie bei den Knochenverletzungen ist auch bei partieller Kurz- wildbretverletzung manchmal Einwirkung auf die eine Geweihstange ' Schriften der Gesellschaft naturforsch. Freunde. Berlin. Bd. X. 1792. S. 360. ^ J. D. Ca tun, the Autelope and Deer of America. New York 1877. — 165 — in diagonaler Richtung beobachtet, aber nur beim Edelhirsch, vom Reh ist mir keine einseitige Perückenbildung mit normaler anderer Stange bekannt. 14. Das Aufsetzen von Geweihen bei weiblichen Stücken ist bekanntlich nur beim Ren (Cervus tarandus) Regel, bei allen anderen Hirscharten jedoch mehr oder weniger seltene Aus- nahme. Unter unseren einheimischen Hirscharten ist beim Elch und Damhirsch meines Wissens kein Fall von geweihtragenden Weibchen bekannt, dagegen kennt R. von Dombrowski zwei Fälle bei Cervus elaphus, welche sich bei sorgfältiger Benützung der gesamten Litte- ratur vielleicht bis auf acht Fälle, aber kaum mehr, vermehren lassen. Beim Reh sind geweihtragende Geissen in grosser Anzahl beschrieben und abgebildet. Wie nun entwickelungsgeschichtlich das Vorkommen von Ge- weiben bei den Weibchen aufzufassen sei, ob als Rückschlag auf frühere Formen, bei denen beide Geschlechter Geweihe besassen, oder als Fortentwickelung, als Nachfolge auf dem vorgeschritteneren Entwickelungswege des Männchens, ist eine Frage, zu deren Lösung sich bei der Un Vollständigkeit der fossilen Reste noch keine sicheren Belege finden lassen. Sicher ist so viel, dass die Vorfahren unserer Hirsche keine Geweihe trugen bis zu den untermiocänen Arten der Gattung Palaeo- meryx, aber schon im Mittelmiocän finden sich geweihtragende Formen und im Obermiocän ist die Geweihbildung bereits Regel. In der Zahnbildung zeichnen sich die des Geweihes noch entbehrenden Arten durch grosse und scharfe obere Eckzähne aus , welche in gleicher Weise schwinden, wie die Geweihentwickelung zunimmt, es herrscht eine umgekehrte Korrelation zwischen Eckzähnen und Geweih, auch noch bei den heute lebenden Arten ^ Die Geweihe des obermiocänen Palaeomeryx furcatus von Stein- heim, wovon in unserer vaterländischen Sammlung Prachtexemplare zu sehen sind, zeigen teilweise an der starken Rosenbildung schon sichere Anzeichen periodischer Erneuerung, während die älteren Formen wahrscheinlich zeitlebens mit Bast bedeckt blieben und keinem Abwurf unterlagen. Das Vorhandensein einer Rose ist des- halb sicherer Beweis von stattgefundenem Abwurf, weil sie das Pro- dukt der infolge des Abwerfens und bei Beginn des Schiebens der Kolben eintretenden heftigen Entzündung ist. ' Roger, in Berichte des natiu'w. Vereins Regensbnrg. 1886/87. — 166 — Diese fossilen Reste beweisen uns wohl, dass geweihtragende Formen noch neben geweihlosen vorkamen, aber kein Zeichen spricht für oder gegen das Vorhandensein von Geweihen bei den Weibchen, dazu sind die Schädel, von denen meist nur die Geweihe und Zähne und einige vollständige Unterkiefer vorhanden sind, nicht genügend wohlerhalten. Keinesfalls ist das Vorkommen von Geweihen bei weiblichen Hirschen mit der sogenannten Hahnenfedrigkeit , nämlich dem Vor- kommen sekundärer männlicher Geschlechtscharaktere bei unfrucht- baren Weibchen, in Parallele zu stellen. Dagegen spricht schon der Umstand , dass allein unter den von Nitsche zusammengestellten zahlreichen Fällen von Rehgeissen mit Stirnzapfen 38,5 ^o sicher nicht gelt waren K Beim Rentier erklärt sich das Vorhandensein der Geweihe beim Weibchen ungezwungen aus Zweckmässigkeitsgründen, denn die Ge- weihe dienen bei dieser hochnordischen Hirschart in erster Linie als Schneeschaufeln zum Aufsuchen der Nahrung und weniger als Kampf- mittel der Männchen im Dienste der geschlechtlichen Zuchtwahl. Das Reh ist allerdings als telemetacarpale Form dem Ren wohl näher verwandt als dem Edelhirsch, doch ist auch das cirkumpolare Elen telemetacarp und von ihm ist kein Beispiel geweihtragender Weibchen bekannt. Nitsche (1. c. S. 128) möchte sogar auf Grund der häufigen Beobachtung von Rosenstockansätzen bei Rehgeissen in die Species- Diagnose des Rehes den Satz aufgenommen wissen: „Weibchen mit einem gewöhnlich bloss am macerierten Schädel, häufig aber auch bereits am frischen Tier deutlich sichtbaren Rosenstockradimente versehen." Ob es sich bei Gervus pygargus ebenso verhält ist noch nicht nachgewiesen, ein Fall aber ist durch G. Radde bekannt^. Die Geweihe der Rehgeissen sind, wofern überhaupt ein eigent- liches die Haut durchbrechendes Geweih vorhanden ist, stets Perücken, welche weder gefegt noch abgeworfen werden, eine derartige peri- odische Nachwucherung wie bei den Perücken kastrierter Böcke findet dabei nur selten und nicht in solchem Umfang statt. Besonders interessant ist ein Exemplar einer Rehgeisse in unserer Vaterländischen Sammlung (No. 493), es ist ein Geschenk des Herrn Oberförsters Renz in Steinheim vom 30, Oktober 1888 und vereinigt * Tharander forstliches Jalnljuch. Bd. XXXIII. 1883. Heft 2. - Waidmann Bd. XIX. S. 320. — 167 — in sich eine ganze Reihe der getrennt von mir aufgeführten Ab- normitäten, nämhch Einstangigkeit, Pendelstange ohne dass eine Spur von Rosenstock vorhanden wäre und Perücke, ausserdem scheint nicht nur Geweih-, sondern auch Hornbildung dabei beteihgt zu sein, was noch nicht mit genügender Genauigkeit untersucht werden konnte. Die Geiss war sehr stark und alt, aber trotzdem nicht unfruchtbar, sondern trug zwei Fötus, welche sich übrigens in abnormer Lage befanden. Ich behalte mir vor, den abnormen Kopfschmuck dieses Exemplares nach erfolgter mikroskopischer Unter- suchung näher zu beschreiben, bis jetzt fehlt mir noch das Material zur vergleichenden mikroskopischen Untersuchung von Perücken- und normalen (Bast-)Geweihen. Eine interessante Entdeckung machte ISitsche ^ an den Em- bryonen unserer plesiometacarpalen Hirscharten, er fand nämlich bei den Rotwild- sowohl als bei den Damwildembryonen beiderlei Ge- schlechts jederseits genau auf der Stelle, wo sich später beim Männ- chen das Geweih entwickelt, eine für die einzelne Species typisch gestaltete Faltenbildung der Haut, welche sich auch bei den Kälbern noch an der abgezogenen Decke durch die Haare durchfühlen lässt, wenn man einmal ihre Lage erkannt hat. Bei weiblichen Stücken bleiben diese Organe zeitlebens erhalten, während sie bei den männ- lichen mit der ersten Geweih- respektive Rosenstockbildung ver- schwinden oder vielleicht richtiger gesagt durch diese ersetzt werden. Die mikroskopische Untersuchung dieses Gebildes ergab Verdickung des Unterhautzellgewebes und der Lederhaut, eine Häufung von Schweiss- und Talgdrüsen und einen ziemhchen Nervenreiehtum. Bei unserem telemetacarpalen Reh findet sich keine Spur eines derartigen Organes, weder an Embryonen noch bei Geissen, während, wie oben bemerkt, das Reh diejenige Hirschspecies ist, bei deren Weibchen am häufigsten Geweihbildung vorkommt. NiT-scHE hatte bei der vorläufigen Veröffentlichung seiner Be- obachtungen offenbar keine Kenntnis von der Arbeit „De l'existence de cornes rudimentaires sur la tete des femelies de cerfs" par M. Florent Prevost ^ (y 1870) . sonst hätte er dieselbe erwähnen müssen. Prevost fand dieselben Organe wie sie Nitsche von Rot- tieren beschreibt, in Gestalt einer Hautverdickung mit aufsitzendem Haarwirbel bei den Weibchen folgender Hirscharten : Cervus elaphus L., Cervus DuvaucelU Cuv., Cervus corsüamis Buff. (Lokalform von • Tharander forstliches Jahrbuch. Bd. XXXIII. 1883. Heft 1. - Novivelles Archives du Mus. d'hist. nat. Paris. Bd. V. 1869. p. 271. — 168 — elaphtis). Cervus virginiamis Cuv., Cervus nemorivagus F. C. Cervus porcinus L. und Cervus capreolns Desm. Was das letztgenannte Reh betrifft, so hatte er hier jedenfalls Rosenstockanlagen vor sich und identifiziert dieselben fälschlich mit dem neuen Organ. Ob von NiTSCHE in letzter Zeit weitere Untersuchungen des Gegenstandes pubUziert wurden, ist mir leider nicht bekannt, jeden- falls sind solche in hohem Grade wünschenswert. 15. Hermaphroditen oder Zwitter sind beim Rotwild sehr selten, beim Rehwild öfter beobachtet, eine erkleckhche Anzahl mag auch infolge ungenügender Untersuchung als geweihtragende Geissen beschrieben worden sein, wodurch der Prozentsatz der frucht- baren geweihtragenden Geissen noch erhöht wurde. Die Geweihe der Hermaphroditen sind gleichfalls Perücken, nur bei Exemplaren mit Vorwiegen der männhchen Geschlechts- charaktere dürften normale Geweihe vorkommen. Letzteres war der Fall bei dem im November 1883 auf den Jagden Sr. K. Hoheit des Grossherzogs von Hessen von Oberförster PIoffmann erlegten Reh, dessen genaue anatomische Untersuchung wir Prof. Dr. C. Eckhard in Giessen verdankend Wenn die Untersuchung von Stücken mit zweifelhaften Geschlechtsmerkmalen stets in solcher Weise erfolgen würde und könnte, wäre man über manche bisher ungelöste Frage bald im klaren. Als letzte Serie, welche zur Besprechung des Geweihes über- führt, das zur Anknüpfung der bisherigen Betrachtungen den Anlass gegeben hat, wäre anzuführen. 16. Die Überproduktion von mehr Enden, als von der betreffenden Hirschspecies gewöhnlich erreicht werden und die Her- vorbringung von Afterperlen und Afterstangen. Beim Geweih des Edelhirsches ist, wie oben schon angeführt, eigentlich schon die Bildung von mehr als 16 — 18 Enden zur Überproduktion zu rechnen und heutzutage kommt eine höhere Endenzahl auch immer seltener vor. dagegen ist beim Rehgeweih schon Überproduktion vorhanden, wenn die Sechserstufe überschritten wird. Durch Bildung von mehr als je drei regelmässigen Enden, d. h. durch weitere Verzweigung des oberen Teils der Stangen über der Vordersprosse gebildete acht- und mehrendige Rehgeweihe sind auch eine grosse Seltenheit. Fast immer sind die bei vielendigen Rehgeweihen gezählten überzähligen Enden als stark entwickelte Perlen an der Innen- und Hinterseite der Stangen zu deuten oder sie bestehen in einer schon über den ' Beitrag zur Lehre v. d. Vorkommen sehörnter weibl. Rehe. Giessen 1886. — 169 — Rosen beginnenden unregelmässigen Teilung der Stangen in mehrere gleichwertige Äste, welche ihre Bildung meist einer Verletzung der Kolben verdanken dürften. After-Perlen und -Stangen kommen bei Rehgeweihen ziemlich häufig vor und zwar in allen Übergängen, von der seitwärts am Rosenstock sitzenden unter der Haut verborgenen Perle bis zum selbständigen Spiess mit eigener Rose. Ja manchmal findet sich sogar ein dritter Rosenstock oder gar noch ein vierter in willkür- licher Weise neben, hinter oder vor den zwei normalen Rosenstöcken angesetzt, ohne dass eine ursprüngliche Rosenstockverletzung sicht- bar wäre. Von anderen Hirscharten sind wenig Fälle von Produktion mehrerer Stangen bekannt, ein Wapitihirsch (Cerviis canadensis) des zoologischen Gartens zu Dresden \ der mit abgesägten Stangen an- kam, setzte 1882 nach Abwurf der Stümpfe ein normales 12-Ender- geweih auf, produzierte dann aber von 1883 an noch eine 2 cm unter der linken Rose aus dem Rosenstock entspringende kleine Afterstange, die er mit dem sehr starken Geweih nun alljährlich er- neuerte. Die Nebenbildung ist vielleicht Folge des x^bsägens des Geweihes und war vielleicht damals schon als unter der Haut ver- borgenes Rudiment vorhanden. Die gleiche Bildung einer Nebenstange vollzog sich auch bei einem Wapiti des zoologischen Gartens zu Frankfurt a. M. . ob bei diesem auch das Absägen der Geweihstangen vorgenommen worden war, konnte ich zur Zeit nicht in Erfahrung bringen. Ferner kenne ich zwei Fälle von Mehrstangenbildung beim Virginierhirsch (Gervus virginianus)^ und vom Damhirsch (Cervus dama) dürften sich wohl auch einige Fälle zusammenbringen lassen. Beim Edelhirschgeweih sind solche Bildungen ungleich seltener als beim Reh, namentlich das Vorhandensein von mehr als zwei frei- stehenden, unter sich nicht zusammenhängenden Rosenstöcken. Ich habe mich bemüht, durch vergleichende Betrachtung der Abbildungen und Beschreibungen von 36 mir bekannt gewordenen mehrstangigen Edelhirschgeweihen dem Wesen dieser Abnormität auf die Spur zu kommen und vielleicht irgend eine Gesetzmässigkeit dabei zu finden. Aber nur bei einem kleinen Teil derselben ist ein Urteil über die etwaige Ursache der Missbildung möghch, vielleicht 1 Waidmann Bd. XXI S. 422. - Waidmann Bd. V S. 159 u. Bd. XIX S. 278. — 170 — wäre es bei mehreren möglich, wenn anstatt der Abbildungen die Originalgeweihe selbst vorliegen würden. L. Martin hat einmal ^ unter der Überschritt „monströse Hirsch- geweihe und deren Ursachen" die ganz unhaltbare Behauptung auf- gestellt, dass bei allen Hirschgeweihen das Volumen der linken Stange dasjenige der rechten zumeist um ein Bedeutendes überrage , was daher komme , dass alle Hirscharten mit dem linken Geweih am häufigsten kämpfen, weshalb dieses auch am meisten entwickelt ist, zugleich aber auch am meisten Verletzungen ausgesetzt sei, daher monströse Bildungen vorherrschend an der linken Stange vorkommen. Nachdem u. a. Forstmeister Geitel zu Blankenburg am Harz durch vergleichende tabellarische Zusammenstellung von 4433 Ge- weihen aus Harzrevieren zur Evidenz bewiesen hat , dass die Mon- strositäten ziemlich gleich häufig sowohl an der rechten wie an der linken und an beiden Stangen zugleich vorkommen, ist es fast über- flüssig, zu bemerken, das von 32 der von mir verglichenen drei- und mehrstangigen Geweihe 15 die überzähhge Stange rechts und 13 links tragen, während 4 auf beiden Seiten abnorm gebildet sind. In betreif der Endenbildung an Haupt- und Nebenstangen dreistangiger Geweihe lässt sich keine Regel erkennen. Abgesehen nun von denjenigen mehrstangigen Geweihen, bei denen die Abbildung zur Sichtbarmachung des Wesens der Miss- bildung nicht hinreicht, lassen sich folgende Fälle der Dreistangen- bildung unterscheiden : a) Es sind mehr als zwei Rosenstöcke vorhanden und die über- zähligen Rosenstöcke sind in annähernd normaler Lage vor, hinter, neben oder zwischen den zwei normalen angeordnet und jeder trägt eine nach aufwärts strebende Stange, (cf. Taf. VI Fig. 4). b) Ein überzähliger Rosenstock ist nach abwärts gerichtet und auch die auf demselben produzierte Stange wächst nach abwärts oder erst nach einer starken Krümmung wieder nach aufwärts (cf. Taf. V Fig. 4 . hier zwar höchst wahrscheinlich infolge eines alten Bruchs; das äussere Ansehen ist aber ähnlich). c) Die Überzahl entsteht durch Teilung der Stangen eine Strecke über der Rose in mehrere gleichwertige Äste, ohne abnorme Bildung der Rosenstöcke (cf. Taf. VI Fig. 3). d) Die überzählige Stange vertritt die Stelle einer regelmässigen Sprosse, bildet z. B. das Gegenstück zu der in Doppelzahl vorhan- denen Mittelsprosse der anderen Stange (cf. Taf. V Fig. 1 u. 3). ' Zoologischer Garten Bd. X. 1860. S. 193. — 171 — e) Wahrscheinlich infolge eines Braches des Rosenstocks und nach Abstumpfung und Verbreiterung desselben infolge mehrmahgen Abwerfens bildet sich eine Reihe nebeneinanderstehender Stangen oder Enden, die an der Basis schauf eiförmig miteinander verwachsen sind (cf. Taf. V Fig. 2 und Taf. VI Fig. 1 u. 2). f) Einer der normalen Rosenstöcke ist gebrochen und hat so- wohl auf der nunmehr nach unten (vorwärts, seitwärts oder rück- wärts) gerichteten ursprünglichen Abwurfsfläche , als auch auf der Bruchstelle je eine Stange produziert. Dies ist einer der häufigsten Fälle , hier kann auch infolge völliger Loslösung des gebrochenen Teiles vom Rosenstock die abwärts gerichtete Stange eine sogenannte Pendelstange w^erden (s. oben die zwei Beispiele am Schluss der Rosenstockverletzungen sub 2 und Taf. IV Fig. 2). Die weitere Geweihentwickelung nach solcher Verletzung denke ich mir nun folgendermassen : Die nach abwärts gerichtete , auf der ursprünglichen Fläche des Rosenstocks sitzende Stange ist in den ersten Jahren nach er- folgter Verletzung rudimentär, ein kurzer abgestumpfter Spiess, oder höchstens eine Gablerstange mit schlecht entwickelter Augsprosse, Die auf der Bruchstelle geschobene Stange ist anfangs auch ziemlich rudimentär, nähert sich aber in den folgenden Jahren durch zunehmende Höhe und Endenzahl mehr und mehr der normalen Stange. Gleichzeitig verändert- sich aber der vorletzte Rosenstock durch Verheilung des Bruches und durch Abstossung von Stücken des umgebrochenen Teiles bei jedem Abwurf in der Art, dass die zu- nächst abwärts gerichtete Stange alljährlich mit ihrer Ansatzfläche näher an die zweite Stange heranrückt und auch ihre Wuchsrichtung wieder nach aufwärts nimmt. Schliesslich ist der gebrochene Rosenstock nur noch an seiner geringen Erhabenheit und grossen Flächenausdehnung kenntlich und trägt zwei mit den Rosen verschmolzene annähernd gleichwertige Stangen, welche als ein Ganzes abgeworfen werden. Diese Erklärung scheint mir insonderheit für den vorliegenden Dreistangenhirsch aus dem Schönbuch zuzutreffen , zu dessen Be- schreibung ich nunmehr übergehe. Erlegt wurde der Träger des hervorragenden Geweihes, wie eingangs erwähnt, am 20. Dezember 1890 im Herrenberger Stadt- wald , am westlichen Rande des Schönbuchs , vom damaligen Jagd- leiter Sr. K. Hoheit des Prinzen Wilhelm, Freiherrn von Neurath. 172 Der Hirsch war seit drei Jahren als Dreistangenhirsch bekannt und wurde schhesshch , da es nicht glücken wollte , ihn Sr. Majestät, unserem allerhöchsten Jagdherrn , persönlich zu Schuss zu bringen, den Jagdgästen freigegeben, weil zu befürchten war, dass er bäuer- lichen Jagdliebhabern in die Hände fallen könnte, in deren angrenzen- den Territorien er sich gerne aufhielt. Wie sich beim Zerwirken er- wies, war der Hirsch von Gevatter rusticus schon mehrfach mit Schrot und Kugel „angekratzt" worden, die Befürchtung also begründet. Ausser dem bei der Erlegung vorhandenen Geweih befinden sich noch die vollständigen Abwürfe aus den Jahren 1888 und 1889 im Besitze Sr. Majestät und nach einer Notiz im ,, Waidmann" sind auch die Stangen von 1887 vorhanden, waren aber bisher nicht zu haben. Es wäre zu wünschen , dass die letzteren mit jenen drei Geweihen vereinigt würden, in wessen Besitz sie sich derzeit befinden, ist mir unbekannt geblieben. Die Masse der drei Geweihe sind wie folgt, ich gebe die von mir selbst genommenen Masse, welche genau der Krümmung nach ge- messen sind und von den im „Waidmann" gegebenen etwas differieren, jedenfalls aber unter sich vergleichbare Resultate ergeben. E n d e n z a h 1 * ungerade den Länge der «5 o CO biJD B < O o 1—* - r^. t^ ^i .M^ o<.o ©V f^ ^^^. -"^«i ■ o; m m °c* '^ ■'%-. :*%■.% ■*. »fr' v.vjk ^'1^^? J V.Ä' ^iW, f Mk|&.'>.^: