PR OHE Te: * BERKER a fe AR RER: Ed. [RER ' NN ah an - a ba thne PIEEHRT Hy clso im hinaa AAN DT IKROHE NT KIER Er 0) Us NH NTAREKRN “u A aan RR RAU, ER Re + Eat ER H Hasan wi CHILD EEE HER A rk) al Yan IN ANEE ae £) van hie 1 LIU NT? ” MH 0% DR D ir Mi EEE BLM PETER # A N ET ee! N (En L u RAR UILARN N) in Ra IE Wr Dir} J NL HU a ne wa Air EUCH u. BERORORSETORNSILIE RE RR USE TEN RE ETER HEN Ir OHR RTRC RC BERN) SICHN BR Rue} um indie au KaWk EN s {ok EIERN! ul ande u wu DE EEE BILL TIL IDEEN) i FRA # LE un IN " j" er En H En En 8. ih OR BE Hy! " Man! hy h I En Mi ar P) {ü Ye) j L N A we MAC ir ya de AM {IM Eh eh BEIN LAGER HT. a N) ER ARTE u a ktei, KR DR + () " \ u DEREN AR HASRENTSE EN N ER EN R DREI NE RCHTITKEN AI} KR RE FE NN IRRE { Kali. Wi DIRT “ ERR N ERTIESPIT UN DREI RTV W. SCH") MUKILUR: HM 4 i HRRANO NN.) Dr) ER Kl DICHT ah! 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Abbot, Zur Kenntniss des Pyrophosphorsäure-Aethers . G. Laube, Ueber ein neues Derivat der Sulfoessigsäure, die Diaethyl-Essig-Dischwefelsäure . R. Saenger, Ueber die Darstellung einiger Metallalkoholate Carl Portius, Ueber die Bildung von Dichlorhydrin, über die Einwirkung des Natriumamalgams und der Phosphorchlo- ride auf Epichlorhydrin i . Heinrich Böttger, Ueber Ah aftlverbindimigsn ENER Hans Gadow, Versuch einer vergleichenden Anatomie des Verdauungssystemes der Vögel, Erster Theil mit 8 Tafeln G. Schwalbe, Das Ganglion oculomotorii. Ein Beitrag zur vergleichenden Anatomie der Kopfnerven, mit 3 Tafeln W. Haacke, Zur Blastologie der Korallen. Eine gische Studie, mit 1 Tafel W. Roux, Ueber die Bedeutung der Klein an len stammes bei der Astabgabe S : : Hans Gadow, Versuch einer heleichenaen Alone 7 Verdauungssystems der Vögel. Zweiter Theil mit 1 Tafel Carl Dambeck, Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser- Errehe m Afika "504% Pb Oscar und Richard Hertwig, Die Kotinien rialekach und histologisch mit besonderer Berücksichtigung des Nerven- muskelsystems untersucht, mit 10 Tafeln Seite 339 404 heran 2 Ar Sr a et a ser st aa Pen ö BEREN 8 ER HE er Fe i = ir Pe veartnele & Yealarok ul Er AN KERNE a SIEH Studien über die Pollenkörner der Angiospermen Fredr. Elfving aus Helsingfors. Hierzu Tafel I—III. Bis in die letzte Zeit galt es den Botanikern als fest begrün- dete Thatsache, dass die Pollenkörner der angiospermen Pflanzen einzellig seien, dass sie, als Tetraden in den Pollenmutterzellen gebildet, keine weiteren Theilungen erfahren. Dies in Gegensatz zu den Gymnospermen, wo bekanntlich kurz vor der Bestäubung eine oder mehrere sogenannte vegetative Zellen, die man als ru- dimentäres, männliches Prothallium gedeutet hat, erzeugt werden. Neuerdings zeigte aber Strasburger!), dass die Pollen- körner von verschiedenen angiospermen, sowohl mono- als dicoty- ledonen Pflanzen, zwei Kerne besitzen; dass ferner der eine von diesen ursprünglich einer kleinen, peripherisch gebildeten Zelle an- gehört und erst durch nachträgliche Resorption der Scheidewand frei wird; dass also hier, wie bei den Gymnospermen eine vege- tative Zelle in dem Pollenkorne auftritt. . Weiter fand Strasburger bei den untersuchten Orchideen, dass in dem Pollenschlauche der Kern der grösseren Zelle immer vorangeht. Strasburger weist darauf hin, dass schon Reichen- bach die beiden Kerne in den Pollenkörnern einiger Orchideen abgebildet und beschrieben hat und dass auch Hartig durch _ Anwendung von Karminlösung zwei Kerne in den Pollenkörnern von verschiedenen Pflanzen sichtbar machte. Doch blieben diese 1!) Ueber Befruchtung und Zelltheilung in Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft. Bd. XI. Neue Folge Bd. IV. 1877. Heft 4 p. 450 u. £. Bd. XIII. N. F. VI, 1. 1 2 Fredr. Elfving, Angaben, weil in ihrer Tragweite nicht erkannt, zunächst auch unbeachtet. Auf Veranlassung des Herrn Professor Strasburger habe ich es versucht, die Untersuchungen über die Entwicklungsvorgänge in den Pollenkörnern der Angiospermen nochmals aufzunehmen. Die Arbeit, deren Resultat auf den folgenden Seiten vorliegt, wurde im Sommersemester 1875 im Botanischen Institute zu Jena unter der Leitung des Herrn Professor Strasburger ausgeführt. Dabei hatte ich mich seinerseits der liebenswürdigsten und zuvor- kommendsten Unterstützung zu erfreuen und ich ergreife mit Ver- snügen die Gelegenheit, ihm hierfür an dieser Stelle meinen herz- lichsten Dank zu sagen. Meine Aufgabe war es, einerseits die neuentdeckten Theilun- gen in den Pollenkörnern weiter zu verfolgen, andererseits das Verhalten der Kerne im Pollenschlauche zu studiren. Dass die Mehrzelligkeit der Pollenkörner so lange von den Forschern übersehen werden konnte, hing wohl ausschliesslich von dem Mangel einer geeigneten Untersuchungs-Methode ab. Denn wenn auch die Vorgänge, die sich hier abspielen, bei einigen Pflanzen mit überraschender Deutlichkeit auch ohne Anwendung besonderer Reagentien hervortreten, so ist doch im Allgemeinen durch Untersuchen von frischem Material wenig zu gewinnen und auch die von den Botanikern früher gebrauchten Reagentien geben hier keinen oder nur geringen Aufschluss. Als unschätzbares Mittel für diese Untersuchungen erwies sich die in der letzten Zeit in Anwendung gekommene Ueberosmium- säure, die neuerdings mit so grossem Erfolge von Strasburger bei seinen Arbeiten über die Zelltheilung und über die Befruch- tung benutzt wurde. Nachdem ich nebenbei verschiedene andere, als aufhellend bezeichnete Mittel versucht hatte, bediente ich mich ausschliesslich der Osmiumsäure und zwar in einprocentiger Lö- sung. Von grossem Nutzen ist es dann immer, meist sogar uner- lässlich, nachträglich zu den durch Osmiumsäure fixirten Präpa- raten färbende Mittel zuzusetzen. Als ein solches diente Karmin- lösung, der etwas Glycerin beigefügt war. Durch diese Methode gewinnt man nach etwa 24 Stunden Praeparate, die an Deutlich- keit nichts zu wünschen übrig lassen. Für grosse, mit körnigem oder öligem Inhalte reich erfüllte Pollenkörner, die sich sehr lang- sam oder gar nicht färben, sowie überhaupt zur raschen Orienti- rung, empfiehlt es sich sehr, die Pollenkörner sogleich nach dem Studien über die Pollenkörner der Angiospermen. B) Zusatz von Osmiumsäure vermittelst Druck auf das Deckgläschen zu zerquetschen; die Kerne werden dann mit dem übrigen Zellin- halte ausgepresst und sogleich fixirt; man kann auf diese Weise sogar in Theilung begriffene Kerne frei zur Anschauung erhalten. Färbung mit Karmin ist natürlich auch hier von grossem Nutzen. Vorzüglich geeignet für diese Untersuchungen sind Pflanzen mit reichblüthigen Inflorescenzen. Wenn in einer solchen die er- sten Blüthen sich geöffnet haben, findet man ohne Schwierigkeit alle jüngeren Entwickelungs-Stadien in den aufeinander folgenden Knospen. Hierüber werde ich denn auch keine weiteren Angaben machen. Die vegetative Zelle wird aber stets, die Cyperaceen allein ausgenommen, in den gegeneinander bereits befreiten Pollen- körnern — wenn diese überhaupt frei werden — gebildet. Um das Verhalten der Kerne in den Schläuchen zu studiren, kultivirte ich die Pollenkörner in verschiedenen Nährstofflösungen und zwar in bekannter Weise, in suspendirten Tropfen in feuchten Kammern. Anfangs bediente ich mich Rohrzuckerlösungen ver- schiedener Concentration; da aber in vielen Fällen keine befriedi- genden Resultate auf diese Weise zu bekommen waren, so wurden Versuche mit anderen Flüssigkeiten angestellt. Van Tieghem, der auch Pollenkörner kultivirte, empfiehlt 1), der Flüssigkeit „une petite quantit“ von saurem weinsaurem Ammoniak zuzusetzen. Zuerst stellte ich fest, dass diese „petite quantite“ nicht ein Pro- cent übersteigen darf; Lösungen von stärkerer Concentration wir- ken einfach tödtlich. Lösungen von 0,1, 0,25, 0,5 und 1°/, Con- centration waren indessen von keinem besonderen Nutzen und die Angaben von Van Tieghem, wie man diesen Lösungen unorga- nische Salze, Zucker, Gummi und ätherische Oele je nach dem Bedürfniss einzelner Pflanzen hinzufügen soll, sind zu allgemein und unbestimmt gehalten, als dass sie Anhaltepunkte zu weiteren Versuchen hätten abgeben können. Nachdem ich auch noch ein- procentige Glycerinlösung, Lösungen von salpetersaurem Kalium und von kohlensaurem Natrium in Anwendung gebracht hatte, kehrte ich zu den Rohrzuckerlösungen (in dem Folgenden kurz als Zuckerlösungen bezeichnet) als den geeignetsten zurück. Ich be- nutzte solche von verschiedener Concentration (1, 3, 5, 10, 20, 30 und 40°/,); es zeigte sich nämlich sehr bald, wie es ja auch vorauszusehen war, dass das Optimum der Concentration für die 1) Recherches physiologiques sur la vegetation libre du pollen et de l’ovule et sur la fecondation directe des plantes par Ph. Van Tieghem in Annales des sc. nat. 5. Ser. T. XII (1869) p. 318. 1 * _ 4 Fredr. Elfving, Pollenkörner einzelner Pflanzen-Arten sehr verschieden liest. Wäh- rend gewisse Pollenkörner in fast jeder beliebigen Lösung Schläuche trieben, war für andere eine ganz bestimmte Concentration erfor- derlich. Als sehr verschieden erwies sich auch die zur Schlauch- bildung nöthige Zeit. Individuelle Schwankungen machten sich hierbei in hohem Grade geltend. Grosses Gewicht ist darauf zu legen, dass man nur ganz reife, doch nicht zu alte Pollenkörner zur Kultur anwendet. Trotz der vorhandenen Schwankungen habe ich im Folgenden die Concentration, die sich bei den Kulturen der einzelnen Pflan- zen-Arten als die vortheilhafteste erwies, als auch die Zeit, in der die Schläuche eine bestimmte Länge bei sonst normalem Ha- bitus erreichten, angegeben. Wo nicht anders angegeben, wurde mit Rohrzuckerlösung operirt. In allen Kulturen schwellen die Schläuche weiterhin keulen- förmig an und gehen schliesslich durch Platzen .zu Grunde. In älteren Schläuchen findet man die fortwachsende Spitze durch eigenthümliche Cellulose-Pfropfen von den entleerten hinte- teren Theilen abgegrenzt (conf. Strasburger l. c. p. 456). Die Kulturen wurden bei gewöhnlicher Zimmertemperatur und im Dunkeln vorgenommen. Bei vielen Arten erfolgte die Schlauch- bildung ganz normal auch in hellem Tageslichte; meine Aufmerk- samkeit habe ich nicht weiter auf diesen Punkt gerichtet. Bei vielen Pflanzen war es mir indessen unmöglich Schläuche ‚künstlich zu bekommen; in einigen Fällen versuchte ich dann, und nicht ohne Erfolg, dieselben aus den bestäubten Pistillen heraus- zupräpariren. Die in der einen oder anderen Weise erhaltenen Pollen- schläuche wurden sogleich mit Osmiumsäure oder absolutem Al- kohol fixirt. Bevor man eines von diesen Reagentien zusetzt, thut man wohl, so viel als möglich von der die Schläuche umgebenden Flüssigkeit zu entfernen, was leicht mit einem kapillar ausgezo- genen Glasrohre zu bewirken ist; man vermeidet dadurch heftige Diffusionsströme, die oft das Platzen der Schläuche hervorrufen ; die Fixirung geschieht jetzt fast momentan. Die Orchideen, besonders die mit reichblüthigen Aehren ver- sehenen Arten, bieten ein exquisites Material für derartige Unter- suchungen dar. Ich habe Orchis latifolia, O. mascula, O. maculata, Ophrys myodes, Platanthera bifolia, Gymnadenia conopsea und Serapias francogallica untersucht und konnte für alle diese Pflan- Studien über die Pollenkörner der Angiospermen. 5 zen die Angaben von Strasburger als genau konstatiren, wes- halb ich einfach auf seine Abbildungen verweisen kann (l. ec. p. 450, 452, T. XXVII F. 41—47). Der Bau und die Entwickelung der Körner zeigte sich bei allen völlig übereinstimmend. Ueberall wird das ursprünglich mit nur einem, runden Kern versehene Pol- lenkorn in zwei Zellen zerlegt, von denen die kleinere fast immer in einer Ecke des Kornes angelegt wird. Die Kerne der beiden Schwesterzellen sind rund und von beinahe derselben Grösse; das Kernkörperchen der kleineren Zelle ist aber konstant kleiner als das der grossen. Von einer Cellulose-Membran zwischen den bei- den Schwester-Zellen war weder durch Anwendung von Reagentien noch durch Zerdrücken des Kornes irgend eine Spur sichtbar zu machen. Später wird auch die trennende Plasmaschicht aufgelöst: die beiden Kerne liegen frei neben einander in dem reifen Korn. Die Bildung der Pollenschläuche nimmt bei den Orchideen eine im Vergleich mit den meisten anderen Pflanzen ziemlich lange Zeit in Anspruch. Verschiedene Arten differiren in dieser Hin- sicht ein wenig, die besten Resultate erhielt ich aber im Allgemei- nen bei 20--40stündiger Kultur in 5—10°/, Zuckerlösung. Es erwies sich, dass, wie Strasburger für diese Pflanzen zuerst gefunden hat, die beiden Kerne in den Schlauch wandern und dass dabei der Kern der grossen Zelle ganz ausnahmslos voran- geht. Beide nehmen eine etwas verlängerte elliptische Gestalt an. In aus älteren Kulturen entnommenen Schläuchen hatte sich der vordere Kern in auffallender Weise gestreckt; das Kernkörperchen war noch deutlich zu sehen. Ich bin geneigt, hierin nur eine durch die Kultur hervorgerufene Veränderung zu sehen, denn in Schläuchen, die man aus dem Fruchtknoten herauspräparirt, findet man immer die beiden Kerne von derselben Gestalt wie in jünge- ren Zuständen. Ich habe mich bemüht, die Kerne bis zum Augenblick der Befruchtung zu verfolgen. Bei Gymnadenia conopsea, die sich als günstiges Untersuchungsobjeet empfiehlt, konnte ich dann feststel- len, dass in Schläuchen, die schon in die Mikropyle eingedrungen waren und deren Spitze schon das innere Integument des Eichens berührte, die Kerne in einiger Entfernung von der Spitze noch vorhanden waren. In vielen Fällen hatte sich der eine noch ge- theilt: es waren also drei Kerne vorhanden. Wie es mir scheint war es immer der hintere Kern, der die Theilung erfahren hatte, was ich bei Orchis maculata mit völliger Sicherheit nachweisen konnte. 6 Fredr. Elfving, Sobald aber die Befruchtung vorüber ist, was sich durch die veränderte Beschaffenheit der Gehülfinnen im Embryosacke kund- giebt, sieht man keine Spur von Kernen mehr; das ganze Schlauch- ende, dessen Spitze am Embryosacke anliegt und oft durch einen Cellulose-Pfropfen nach aussen abgegrenzt ist, ist völlig homogen, stark lichtbrechend. An dieser Stelle will ich auch kurz erwähnen, dass ich be- fruchtungsfähige Eichen und in regem Wachsthum begriffene Schläuche in einem Tropfen Zuckerlösung zusammengebracht habe, dass aber in keinem Falle ein Eindringen des Schlauches in die Mikropyle, geschweige denn die Befruchtung selbst zu beobachten war (conf. Van Tieghem |. c. p. 322 und Strasburgerl. c. p. 486). Die Schilderung der Verhältnisse bei den anderen untersuch- ten Monocotyledonen will ich mit einem möglichst klaren Beispiele beginnen. Ich wähle Anthericum ramosum. Die Pollenkörner von dieser Art sind annähernd halbkugelig; in trockenem Zustande ist die konvexe Seite tief eingefaltet; die Exine ist hier sehr dünn, meist von der stark entwickelten In- tine, die später hier zum Schlauch auswächst, durchbrochen. Wenn man Blüthenknospen von circa 5 mm. Höhe untersucht, findet man gewöhnlich Körner, in denen die vegetative Zelle schon abgegrenzt ist (Fig. 1). Die verschiedenen Stadien der Theilung bei dieser Pflanze sind im Detail schwer zu beobachten wegen des reichlichen Zellinhaltes, doch lässt es sich ohne Schwierigkeit, be- sonders nach kurzer Einwirkung von Osmiumsäure, feststellen, dass der grosse, rundliche Kern sich an die Aequatorial - Ebene des Kornes anlegt und sich da theilt. Als Resultat der Theilung findet man zwei Schwester-Zellen. Die eine, den bei weitem gröss- ten Theil des Kornes einnehmend, besitzt einen grossen Kern, der dem ursprünglichen sehr ähnlich ist und wie dieser ein sehr gros- ses Kernkörperchen hat. Die andere, viel kleinere, wird immer in einer Ecke des Kornes angelegt und ist durch eine uhrglasför- mige Wand, die der Intine ansitzt, von der Schwesterzelle ge- trennt; sie zeichnet sich durch ihr helles, fast körnerfreies Pro- toplasma und ihren rundlich-ovalen Kern, dessen Kernkörperchen, obgleich gross, so doch kleiner als das der grossen Zelle ist, aus. Zur Ausscheidung einer Cellulose- Membran kommt es bei dieser Theilung ebenso wenig wie bei den Orchideen. Die beiden Zellen sind vielmehr nur durch eine Schicht von Hautplasma, die von der Zellplatte stammt, von einander getrennt. Studien über die Pollenkörner der Angiospermen. 7 Bald löst sich diese vegetative Zelle in toto von der Intine ab und erscheint als kugeliges Gebilde frei im Innern des Korms (Fig. 2, 3). Später streckt sich diese Zelle bedeutend in die Länge, wird spindelförmig mit spitzen, oft eingebogenen Enden (Fig. 4—6); ihr Kern ist fast unverändert geblieben. Bei vorsichtigem Zer- drücken der Pollenkörner in fünfprocentiger Zuckerlösung findet man leicht in dem ausgepressten Inhalte diese Zelle völlig intakt. Aus jüngeren Körnern ausgepresst, rundet sie sich gewöhnlich ab und nimmt Kugelform an, obgleich sie in dem Korn schon Spin- delform hatte. In reifen Körnern ist sie dagegen ziemlich resi- stent und behält ihre Form. Ihr Kern erscheint heller als das umgebende Protoplasma; Zusatz von Osmiumsäure lässt ihn da- gegen als dunkler hervortreten. Wendet man bei dem Zerdrücken Zuckerlösung von stärkerer Concentration, am besten 20procentige, an oder fügt man ein schwach Wasser entziehendes Mittel hinzu, so findet man nicht selten, dass die inneren Plasma - Theile sich kontrahiren und das äussere Hautplasma als eine Membran zu- rücklassen. Von Chlorzinkjodlösung wird das Ganze braun gefärbt. Während die vegetative Zelle sich in der angegebenen Weise umgestaltet, bleibt der Kern der grossen Zelle anfangs unverän- dert. Später wird er aber länglich und krümmt sich dabei oft; dann verschwindet auch sein Kernkörperchen. In dem reifen Pol- lenkorn lässt er sich schwer ohne Anwenduug von färbenden Mit- teln nachweisen. Er erscheint dann als ein unregelmässig gestal- teter, oft gekrümmter oder membranös zusammengeschrumpiter Körper (Fig. 6). Anthericum liliago stimmt mit der vorigen Art überein; doch behält der grosse Kern seine rundliche Gestalt. In Körnern, die schon auf der Narbe lagen, aber noch keine Schläuche getrieben hatten, zeigte er sich, durch Osmiumsäure fixirt und mit Karmin gefärbt, eigenthümlich sternförmig (Fig. 8) und machte durchaus den Eindruck, als ob er im Momente der Fixirung amöboide Be- wegungen ausgeführt hätte. Direkte Observation an lebenden Kör- nern war hier unmöglich wegen des dichten Zellinhaltes. Pollenschläuche waren von diesen beiden Arten durch Kultu- ren nicht zu bekommen: ich habe dieselben aus bestäubten Pistil- len frei präparirt. Bei A. liliago findet man dann in den Schläu- chen sowohl die ganze vegetative Zelle als den Kern der grossen Zelle, dessen Substanz sehr stark in die Länge gezogen ist und. oft nur wie ein ganz feiner Faden aussieht. Gewöhnlich, doch nicht ausnahmslos, ist es dieser Kern, der vorangeht. In Fig. 7 8 Fredr. El£ving, ist ein solcher Schlauch, der zugleich den ziemlich seltenen Fall von Verzweigung zeigt, abgebildet. — Bei A. ramosum konnte ich dagegen, nachdem die Schläuche gebildet waren, keine Kerne mehr entdecken. Aehnlich verhält sich Globba bracteata, nur lässt sich hier kein bestimmter Ort angeben, an dem sich die vegetative Zelle bilden sollte, weil das Korn kugelig und mit gleichmässig ver- dickter Membran versehen ist. Im reifen Zustande ist das Pol- lenkorn so beschaffen, wie es Fig. 4 für Anthericum zeigt. — Kurze Schläuche trieben die Körner in 5°/, Zuckerlösung, doch blieben diese zu kurz um Schlüsse über das ‘Verhalten der.Kerne zu er- lauben. Mit Anthericum stimmt hauptsächlich Tulipa Gesneriana über- ein (Fig. 9—14). Die vegetative Zelle (Fig. 12 zeigt zwei solche ausgepresst) ist kolossal entwickelt, ihr Kern oft mit mehreren Kernkörperchen versehet. In dem reifen Korn fällt sie durch ihre Grösse und halbmondförmige Gestalt sogleich auf. Ausnahmsweise habe ich in jüngeren Körnern eine Verdippeikiik der vegetativen Zelle gefunden (Fig. 13). — In den Schläuchen (1—3 °/,; 18 Stun- den) ging der Kern der grossen Zelle voran; ihm folgte die ge- streckte vegetative Zelle (Fig. 14). -Auch bei Ormithogalum pyramidale wird die vegetative Zelle in einer Ecke des Kornes gebildet, der Spalte in der Exine ge- genüber. — In einem Falle, an einem mit Osmiumsäure und Kar- min behandelten Präparate (Fig. 15), zeigte sich die Scheidewand zwischen den beiden Zellen deutlich doppel-kontourirt und stark lichtbrechend wie die Intine, in welche sie unmittelbar überging. Ich bezweifle nicht, dass in diesem Falle wirklich eine Cellulose- Membran gebildet war. Die weitere Entwickelung stimmt mit den schon geschilderten überein. Die ‚vegetative Zelle ist schliesslich sehr lang gestreckt mit spitzen, oft eingebogenen Enden; der grösste Theil derselben wird von dem fast cylindrischen Kern, der kein Kernkörperchen besitzt, eingenommen (Fig. 16, 17). Beim Zerdrücken von reifen Pollenkörnern zeigt sich diese vegetative Zelle in der Mitte hyalin, in den Enden von gelblich gefärbten Körnchen erfüllt; sie hat überhaupt grosse Aehnlichkeit mit einem Zellkern, wofür sie auch bei der ähnlichen Nareissus poeticus von Strasburger gehalten worden ist. Osmiumsäure löst die gelben Körnchen auf, lässt aber den Kern in der Mitte deutlich hervortreten (Fig. 18, 18,0). — Der Kern der grossen Zelle erleidet beträchtliche Veränderungen, Studien über die Pollenkörner der Angiospermen. 3 wobei der grösste Theil seiner Substanz aufgelöst wird, so dass schliesslich davon nur ein geringer, unregelmässig gestalteter , oft peitschenschnurartiger Rest nachzuweisen ist (Fig. 16, 17). Mit dieser Pflanze stimmt Ornithogalum Ecklonii überein. — Die Pollenkörner beider Arten trieben keine Schläuche in den von mir benutzten Lösungen. In Schläuchen von O. Ecklonii, die ich aus den Griffeln herauspräparirte und in ihrer ganzen Länge ver- folgen konnte, war keine Spur von Kernen zu sehen; die Schlauch- enden waren mit feinkörnigem Protoplasma dicht erfüllt und durch die gewöhnlichen Cellulose-Pfropfen von dem leeren, oberen Theil und dem Korn abgesperrt. Ein sehr günstiges Untersuchungsobject ist Leucojum aestivum, wo die ganze Entwickelungsgeschichte fast ohne Anwendung von Reagentien zu verfolgen ist. Die Bildung der vegetativen Zelle geht in ziemlich alten Knospen vor sich. Sie ist durch eine stark nach innen des Kornes gewölbte Wand von körnigem Hautplasma abgegrenzt. Der Inhalt erscheint fast homogen (Fig. 19); Zusatz von Osmiumsäure lässt jedoch sogleich den Kern, der kein Kern- körperchen besitzt, deutlich hervortreten (Fig. 20). Die Frage, ob diese vegetative Zelle an einer bestimmten Stelle des Pollen- korns entsteht, muss ich unbeantwortet lassen, da ich bei der Un- ‘ tersuchung dieser Pflanze meine Aufmerksamkeit auf diesen Punkt noch nicht gerichtet hatte und meine Zeichnungen keinen sicheren Schluss darüber erlauben. — Der Kern der grossen Zelle ist mit deutlichem Kernkörperchen versehen. Nun löst sich die vegetative Zelle von der Intine ab: zuerst kugelig (Fig. 21), nimmt sie bald die in den Fig. 22 und 23 ab- gebildete Gestalt an. Der grösste Theil der Zelle wird von dem nunmehr elliptischen Kern eingenommen, der an lebenden Körnern hell erscheint, während das von dunkler-gefärbten Körnchen durch- setzte Protoplasma fast gänzlich in die Spitzen, die gleich Hör- nern gebogen sind, verdrängt ist. Fig. 23,0 zeigt eine solche ve- getative Zelle nach Behandlung mit Osmiumsäure, Fig. 24 die bei- den ausgepressten Kerne, mit Osmiumsäure und Karmin behandelt. Kurz vor der Bestäubung wird die Wand der vegetativen Zelle resorbirt und zu gleicher Zeit verschwindet das Kernkörper- chen der grossen Zelle, so dass die beiden Kerne kaum zu unter- scheiden sind. Pollenschläuche bekommt man leicht durch Kultur (3—5 °/o, 6 St.). Die Kerne wandern hinein, werden dabei in die Länge gezogen und sind einander völlig gleich (Fig. 25). 10 Fredr. Elfving, Für die verwandte Nareissus poöticus gilt die gleiche Ent- wickelung, nur ist die vegetative Zelle mehr spindelförmig ge- streckt, fast wie bei Ornithogalum. Von dieser Art bekam ich Pollenschläuche bei vierstündiger Kultur in 3—5°/, Zuckerlösung. Ueberhaupt sind die Kerne, so- bald sie in den Schläuchen eingetreten sind, nicht zu unterschei- den, da sie sich früh, oft fast schon im Pollenkorne, bedeutend gestreckt haben (Fig. 26). In vielen Fällen aber, wo nämlich das Kernkörperchen desjenigen Kernes, der von der grossen Zelle stammt, noch erhalten war, konnte ich mit völliger Sicherheit feststellen, dass bald der vegetative Kern, bald der der grossen Zelle voranging. Einmal habe ich ausnahmsweise eine Verdoppe- lung des hinteren Kernes gesehen (Fig. 27). Convallaria multiflora stimmt hauptsächlich mit den vorigen, besonders mit Ornithogalum überein (Fig. 39). Die vegetative Zelle ist spindelförmig gestreckt und fast gänzlich von ihrem länglich-ellipsoiden Kern, der durch Karmin intensiv gefärbt wird, ausgefüllt. Der Kern der grossen Zelle ist von unbestimmter Ge- stalt, hat keine scharf begrenzten Kontouren und färbt sich mit Karmin viel schwächer als der andere. Beide sind ohne Kern- körperchen. Pollenschläuche werden in 4—5 Stunden reichlich gebildet in 5—20°/, Zuckerlösung. Obgleich nun bei beginnender Schlauch- bildung das Plasma der vegetativen Zelle resorbirt wird und ob- gleich keiner von den also gegen einander befreiten Kernen sich durch das Vorhandensein eines Kernkörperchen kennzeichnet, so ist es doch in den allermeisten Fällen, besonders an jüngeren Schläuchen, möglich die Kerne zu unterscheiden. Die scharfen, lange unveränderten Kontouren, sowie die intensive Färbung des vegetativen Kernes zeichnen ihn deutlich von dem anderen, unre- selmässig gestalteten, helleren aus. — Von hundert untersuchten Schläuchen,, wobei kein Zweifel über die wahre Abstammung der Kerne möglich war, war in 40 Fällen der Kern der grossen Zelle vorangegangen, in 15 der der vegetativen; in 21 Schläuchen lagen die Kerne neben einander; in 20 anderen Schläuchen war nur ein Kern vorhanden, der völlig mit dem vegetativen im reifen Korne übereinstimmte; in vier Fällen waren beide Kerne verschwunden. Ein Mal habe ich das, wie es scheint, ganz zufällige Vor- kommen von zwei gegen einander isolirten, vegetativen Zellen be- obachtet (Fig. 38). | Aehnliche Entwickelung und Beschaffenheit des reifen Pollen- Studien über die Pollenkörner der Angiospermen. 11 korns zeigt Asparagus officinalis. Die vegetative Zelle wird an der flachen Wand des Kornes angelegt; diametral gegenüber hat die sehr stark verdickte Intine. die Exine durchbrochen (Fig. 40). Mit dieser stimmt Alo& nigricans überein. Die relativ grossen Kerne sind in jüngeren Zuständen oft mit mehreren Kernkörper- chen versehen. Bei Iris sibirica wird die Untersuchung erschwert durch den reichlichen Zellinhalt sowie durch die dicke Exine, die jedoch von der konvex hervorragenden Intine durchbrochen ist. Die Exime kann man entfernen und so die Verhältnisse leichter sichtbar- ma- chen, wenn man die Pollenkörner in einem Tropfen Wasser oder Zuckerlösung bringt und wiederholt mit der Pincette das Deck- gläschen aufhebt und niederlegt. Durch diese Manipulation wird immer die Exine von mehreren Körnern abgestreift. Hat man Körner älterer Knospen, in denen sich die Theilung abspielt, in dieser Weise behandelt, so gelingt es nicht selten, bei vorsichti- gem Druck auf das Deckgläschen, den ganzen Inhalt der grossen Zelle auszupressen, so dass nur die kleine vegetative Zelle, der Intine ansitzend, zurückbleibt (Fig. 29). Sie muss also von einer ziemlich resistenten (Cellulose-?) Membran umgeben sein und es gelang mir wirklich einmal, durch vorsichtiges Zerquetschen, eine solche direkt aufzuweisen (Fig. 28). Immer wird diese Zelle an der flachen Seite des Kornes gebildet. Ihr Kern hat ein kleines Kernkörperchen; der Kern der grossen Zelle ist etwas grösser und hat auch ein grösseres Kernkörperchen. In dem reifen Korne sind die beiden Kerne ziemlich unverändert; der vegetative ist theils nackt, theils liegt er noch umschlossen von einer hyalinen Protoplasma-Masse von spindelförmiger Gestalt, die die losgelöste vegetative Zelle darstellt. Pollenschläuche wurden nach sechsstündiger Kultur in 30— 40°/, Zuckerlösung erhalten. Sobald die Schlauchbildung beginnt schwinden alle Merkmale, welche die beiden Kerne von einander unterscheiden; sie wandern ziemlich spät und oft neben einander in die weiten Schläuche hinein und sind dann nur als unbestimmt kontourirte, von Karmin tiefer gefärbte Plasma -Partien nachzu- weisen. | Bei Iris xiphium, die eine ähnliche Entwickelung wie J. sibiriea zeigt, habe ich einmal eine vegetative Zelle gefunden, deren Kern sich verdoppelt hatte. — In den Schläuchen (20—30°/,, 3 St.) geht bald der Kern der grösseren Zelle, bald derjenige der klei- neren voran, oit beide neben einander. Die Substanz des Kerns 12 Fredr. El£ving, der grossen Zelle wird dabei, sich oft krümmend und windend, bedeutend in die Länge gezogen und dadurch der Schlauchspitze genähert. Der vegetative Kern behält auch nach der Auflösung des umgebenden Protoplasma seine Form (Fig. 30). Die Entwickelung der Pollenkörner von Camassia esculenta verläuft bis zur Reife wie bei Iris. Kulturversuche blieben ohne Resultat. Eigenthümlich sind die Kerne, wie es ja schon Hartig be- merkt, bei Tradescantia virgmica gestaltet (Fig. 37). Der eine ist sehr lang und schmal, gekrümmt, mit eingebogenen, fast ein- gerollten Enden; er hat in der That oft „Trichinenform“. Der andere ist rund und schliesslich von derselben sternförmigen Ge- stalt, die wir bei Anthericum liliago gefunden haben. Beide sind ohne Kernkörperchen. Die Entwickelungsgeschichte (Fig. 31—37) lehrt, dass dieser Kern auch hier von der grossen Zelle stammt, während jener wurstförmige der beträchtlich modifieirte vegetative Kern ist. — Beiläufig will ich bemerken, dass die Theilungsvor- _ gänge mit den von Strasburger für die Integumentzellen von Nothoscordum fragrans geschilderten übereinstimmen (Ueber Be- fruchtung und Zelltheilung p. 517 Taf. XXXILH Fig. 47—54). Ich untersuchte Pollenschläuche, die aus dem Griffel ausprä- parirt waren. Diese Schläuche wachsen der einen Spitze des Kornes aus. Noch während die beiden Kerne im Korn liegen streckt sich der runde sehr in die Länge, und nachdem sie in den Schlauch eingewandert sind, sind sie völlig gleich und sehr langgezogen. Einige Fälle konnte ich doch auffinden, wo der ve- getative Kern mit seinen charakteristisch eingerollten Spitzen noch im Pollenkorn lag, während der andere schon ausgewandert war. Die Entwickelung der Pollenkörner geschieht bei Typha an- gustifolia gleichzeitig in der ganzen männlichen Aehre; in einer solchen, die eben aus den Blattscheiden hervorgebrochen war, fand ich die vegetative Zelle bereits gebildet. Die Körner sind kugelig und haben in der Exine ein Loch, durch welches später die ver- dickte Intine sich zum Schlauch ausstülpt; eine bestimmte Lage der vegetativen Zelle im Verhältniss zu diesem Loch konnte ich nicht ausfinden, doch wird dieselbe niemals unmittelbar unter dem Loch angelegt. Diese Zelle ist sehr klein, hat einen ebenfalls kleinen Kern mit sehr kleinem Kernkörperchen. Der Kern und das Kernkörperchen der grossen Zelle sind stets grösser. Das Pollenkorn wird bald von Stärkekörnern dicht erfüllt, welche die weitere Beobachtung erschweren. In dem ausgepressten Inhalte Studien über die Pollenkörner der Angiospermen. 13 findet man doch immer die beiden runden Kerne. Der vegetative ist endlich ohne Kernkörperchen. Die Pollenschläuche (1°/,, 24 St.) sind ungewöhnlich gerade, von Stärke erfüllt und zeigen schon bei geringer Länge die cha- rakteristischen Cellulosepfropfen. Die beiden Kerne, die erst nach längerer Einwirkung von Karmin deutlich hervortreten, liegen dicht an einander, meist in dem Schlauch-Ende, und sind gewöhn- lich etwas in die Länge gestreckt, dabei meist nicht zu unter- scheiden. Mit Typha stimmt Acorus gramineus überein. Kulturen wur- den nicht gemacht. Die gleiche Entwickelung zeigt Sparganium ramosum, bei der die Stärkebildung jedoch erst später eintritt, so dass man fest- stellen kann, dass die vegetative Zelle wie gewöhnlich sich ablöst und Spindelform annimmt (Fig. 41, 42). Bei der weiteren Ent- wickelung wird erst der vegetative Kern frei (Fig. 43), dann schwindet sein Kernkörperchen (Fig. 44); durch Karmin wird er intensiv gefärbt. Das Kernkörperchen des grossen Kerns, der heller gefärbt wird, findet man in dem reifen Korn meist noch erhalten. In den Pollenschläuchen (5—10°/,, 18 Stunden) geht bald der Kern der grossen Zelle, bald der der vegetativen voran (Fig. 45, 46); es kommt aber auch vor, dass letzterer im Korn zurück- bleibt (Fig. 48). Später theilt sich der vegetative Kern im Schlauch und das kann geschehen sowohl wenn er nach- als wenn er voran- geht (Fig. 45, 47). Eine Theilung dieses Kerns schon im Pollen- korn konnte ich nie auffinden. Bei Asphodelus albus (Fig. 49 — 55) sind die beiden Kerne endlich gar nicht von einander zu unterscheiden. Die Pollenkör- ner sind in jüngeren Zuständen fast kegelförmig; in der Spitze ist die Exine von der verdickten Intine durchbrochen und dieser Spalte gegenüber wird die vegetative Zelle gebildet, die sich dann in gewöhnlicher Weise von der Intine loslöst und Spindelform an- nimmt. Durch Resorption der vegetativen Plasma - Wand, Auflö- sung der Kernkörperchen und Streckung der beiden Kerne, werden dieselbe schliesslich einander gleich. Ebenso verhalten sich die untersuchten Allium-Arten, A. fistu- losum und A. moly. An der Mitte der längsten Seite des im op- tischen Durchschnitte beinahe dreieckigen Kornes wird die vege- . tative Zelle gebildet, während später der Schlauch von einer der Ecken auswächst. Die ganze vegetative Zelle, deren Kernkörper- 14 Fredr. Elfving, chen sehr früh resorbirt wird, löst sich von der Innenseite des Kormes ab, wonach ihr elliptischer Kern bedeutend an Volumen zunimmt, so dass von dem umgebenden , vegetativen Protoplasma nur ein sehr feiner, heller Saum zurückbleibt, der bald nach Re- sorption der umgebenden Hautschicht schwindet. Der Kern der grossen Zelle hat inzwischen auch sein Kernkörperchen verloren und sich in die Länge gestreckt, so dass schliesslich eine Unter- scheidung der beiden wurstförmigen Kerne unmöglich ist; oft sind sie beide schwach gekrümmt. Schläuche bekommt man sehr leicht durch 2—3stündige Kul- tur in 3—30°/, Zuckerlösung oder in !/,°/, Lösung von NH“T. Die beiden Kerne gehen hinein, das ganze Lumen des Schlauches erfüllend, sind aber nicht zu unterscheiden. Auch bei Pothos Olfersii sind in den reifen Pollenkörnern die beiden Kerne einander gleich, elliptisch, dicht an einander liegend. “In die Pollenschläuche (1—3 /,, 30 St.) wandern sie oft neben einander herein und werden dabei in die Länge gezogen. Uebereinstimmend mit dieser verhalten sich Antieclea glauca und Calla palustris. Zwei Kerne ohne Kernkörperchen fand ich weiter in den rei- fen Pollenkörnern von Triglochin palustre, Ptyctosperma Kuhlii, Centrolepis tenuior, Cooperia Drummondii und Pontederia cordata. Die Entwickelungsgeschichte lehrt, dass dieselbe durch Metamor- phose aus zwei mit Kernkörperchen versehenen hervorgehen. Auch in den zarten Pollenkörnern von Maranta bicolor, den grössten die mir bei dieser Untersuchung vorgekommen sind, fin- den sich zwei Kerne, beide gewöhnlich mit Kernkörperchen ver- sehen; der kleinere stammte aus der vegetativen Zelle. Abgesehen von der Theilung des vegetativen Kerns in den Pollenschläuchen der Orchideen und von Sparganium, haben wir gefunden, dass in den Pollenkörnern selbst bei Tulipa Gesneriana eine Verdoppelung der vegetativen Zelle und bei Iris xiphium eine /weitheilung des vegetativen Kerns stattfinden kann. Bei diesen Arten jedoch nur als Ausnahme. Bei gewissen Monocotyledonen findet aber eine derartige Bil- dung von mehreren vegetativen Zellen auch typisch statt. Am schönsten lässt sich wohl der Vorgang bei Andropogon campanus verfolgen. Die Pollenkörner dieser Art sind kugelig mit dünner Exine, die, wie bei sämmtlichen Gramineen, von einem kleinen Loch durchbohrt ist, durch welches später die Intine zum Studien über die Pollenkörner der Angiospermen. 5 ‚Schlauch auswächst. In dem Entwickelungszustande, in welchem die vegetative Zelle gebildet wird, enthält das Korn nur eine ganz dünne Schicht von wandständigem, feinkörnigem Protoplasma, die eine grosse Vacuole umschliesst. Die völlige Abwesenheit von Stärkekörnern und von anderen sonst die Beobachtung erschwe- renden Einschlüssen im Protoplasma macht diese Körner zu einem sehr günstigen Untersuchungsobject; ich habe überhaupt keine an- dere Pflanze gefunden, welche die Bildung und Entwickelung der vegetativen Zelle auch ohne Anwendung von Reagentien deutlicher wie diese zeigt. Körner in dem angegebenen Zustande findet man in fast jeder Anthere; auch in Blüthen, die schon zum Verstäu- ben fertig sind, kommen solche in ihrer Entwickelung zurückge- bliebene Körner vor. Ursprünglich führt das Korn nur einen einzigen Kern mit Kernkörperchen. Dem Loch in der Exine diametral gegenüber wird dann eine’ kleine vegetative Zelle von der gewöhnlichen Form gebildet mit hellem Protoplasma und einem kugeligen oder ovalen Kern, der mit kleinem , aber deutlichem Kernkörperchen versehen ist. Der Kern der grossen Zelle ist gewöhnlich scheibenförmig und hat ein grosses, stark ‚lichtbrechendes Körperchen (Fig. 54, 55). Typisch theilt sich dann noch die vegetative Zelle in zwei gleiche Schwester-Zellen (Fig. 56, 57), von denen die eine sich oft nochmals theilt, so dass wir endlich drei vegetative Zellen ha- ben (Fig. 58, 59). Der Kern der grossen Zelle ist unverändert geblieben. Nachdem dies geschehen, nimmt das Protoplasma an Volumen zu, das Korn erfüllt sich mit Stärkekörnern. Bald wer- den dann die vegetativen Zellen jede für sich von der Intine los- gelöst und schwimmen frei umher (Fig. 60). Bevor noch die Kör- ner den Reifezustand erreichen, werden sämmtliche Kernkörper- chen resorbirt. Die Kerne selbst erleiden Streckungen, wobei der grosse Kern sichtlich an Volumen. abnimmt. Bromus erectus zeigt grosse Uebereinstimmung mit Andropo- gon. Der ursprüngliche Zellkern hat oft bis vier Kernkörperchen, die beiden Tochterzellen haben ebenfalls oft mehrere. Die Thei- lung erfolgt bei.dieser Art — und wie es scheint, bei den mei- sten Gramineen — ziemlich spät; in diesem Fall bei einer Anthe- renlänge von circa ein Centimeter. Die vegetative Zelle, die auch hier dem Loch in der Exine diametral gegenüber gebildet wird (Fig. 61—63), theilt sich aber nicht unmittelbar, wie bei der vo- rigen Pflanze, weiter, sondern löst sich, nachdem das Kernkör- perchen resorbirt ist, erst von der Intine ab und erscheint nun 16 Fredr. Elfving,' völlig frei in dem umgebenden Plasma, wobei sie früher oder spä- ter eine etwas verlängerte Gestalt annimmt (Fig. 64, 65). Dann wird sie von den reichlich auftretenden Stärkekörnern verdeckt. Nur einmal habe ich die Zweitheilung des vegetativen Kernes im unversehrten Pollenkorn gesehen (Fig. 66), dagegen gelingt es sehr leicht, wenn man die Körner in 5°/, Zuckerlösung zerdrückt, Zu- stände wie die in Fig. 67 abgebildeten auszufinden, wo die vege- tative Zelle sich in zwei noch zusammenhängende, einen sichelför- migen Körper bildende Zellen getheilt hatte. Die beiden vegeta- tiven Kerne sind einander gleich, oval, ohne Kernkörperchen. Später strecken sie sich bedeutend in die Länge nebst ihren um- gebenden Zellen, die man nicht selten im ausgepressten Inhalte mit den Spitzen zusammenhängend findet; oft sind dann auch die Kerne gekrümmt. Der Kern der grossen Zelle mit seinem grossen Kernkörperchen ist noch unverändert (Fig. 68). Zuletzt wird aber auch dies Kernkörperchen aufgelöst, wonach sich der Kern streckt und biegt, so dass er schliesslich gar nicht von den beiden vege- tativen, dessen umgebendes Protoplasma inzwischen verschwunden, zu unterscheiden ist (Fig. 69). Die Entwickelung der Pollenkörner bei Lolium temulentum, Triticum caninum, Avena elatior, Gaudinia fragilis und Koeleria valesiaca stimmt vollkommen mit der jetzt geschilderten überein. Alle Versuche, durch Kulturen Schläuche von den genannten und verschiedenen anderen Gramineen zu bekommen, waren er- folglos. Reines Wasser, Zuckerlösungen von 1-procentiger Concen- tration bis zu Syrups-Dicke, Lösungen von saurem weinsaurem Ammoniak, Gummi arabicum, salpetersaurem Kali, kohlensaurem Natron, theils allein, theils gemischt — alle lieferten nur nega- tive Resultate. Bestäubt man dagegen Narben, entweder an der Pflanze selbst oder abgeschnittene, die man in feuchten Kammern eine Zeit lang lebendig erhalten kann, so sieht man, dass schon nach einer hal- ben Stunde — also ungewöhnlich schnell — Schläuche gebildet werden. Diese sind nun im Verhältniss zu der Grösse des Korns und der Kerne sehr eng, womit offenbar die Streckung der Kerne in Zusammenhang steht. Ob aber diese im einer bestimmten Ord- nung in die Schläuche eintreten, konnte nicht mit Sicherheit er- mittelt werden, da sie äusserlich so geringe Verschiedenheit zeigen. Bei Butomus umbellatus wird, wie bei den Liliaceen, die vege- tative Zelle der Spalte der Exine gegenüber gebildet und zwar ziemlich spät, kurz vor der Entfaltung der Knospen (Fig. 75). Studien über die Pollenkörner der Angiospermen. 17 In diesem Stadium kann das Korn verweilen bis zur Bildung des Pollenschlauches; für gewöhnlich tritt aber eine Zweitheilung des vegetativen Kernes ein, entweder wenn er noch in der vegetativen Zelle eingeschlossen liegt (Fig. 76) oder nachdem schon die Schei- dewand resorbirt ist. Schliesslich sind diese beiden vegetativen Kerne klein, rundlich mit undeutlichem Kernkörperchen; sie fär- ben sich durch Karmin intensiver als der grosse Zellkern, dessen Kernkörperchen lange erhalten wird. Die Schläuche wurden in 20-30 Stunden in 5°/, Zuckerlö- sung, jedoch ziemlich spärlich, gebildet. Sehr oft fand ich solche, die eine bedeutende Länge erreicht und sonst ein ganz normales Aussehen hatten, die in ihrem Innern den Kern der grossen Zelle führten, während die vegetative Zelle, resp. vegetativen Zellen, völlig intakt an der Intine ansassen (Fig. 78, 79). In den Fällen, bei denen die vegetativen Kerne frei waren, ging sie gewöhnlich, doch nicht immer in den Schlauch hinein und zwar später als der grosse Kern (Fig. 77). Alisma plantago stimmt völlig mit Bromus überein, nur dass die Stelle, wo die vegetative Zelle gebildet wird, sich nicht näher an dem kugeligen Korn angeben lässt. — Kulturversuche waren ohne Erfolg. Auch bei Arum ternatum findet eine Zweitheilung des vege- tativen Kerns statt, wie man an zerdrückten und sogleich mit Osmiumsäure fixirten Körnern leicht beobachten kann (Fig. 70—72). Die beiden kleinen vegetativen Kerne sind dabei oft noch von ihrem vegetativen Protoplasma umgeben (Fig. 73). Der Kern der grossen Zelle hat in unversehrten Körnern ein zusammengeschrumpf- tes Aussehen; ausgepresst zeigt er die sonderbarsten, mehr oder wenig sternförmige Gestalten, oft sogar „die Handschuhform“ von Hartig (Fig. 74). — Kulturen waren ohne Resultat. Ruscus racemosus stimmt mit der vorhergehenden Pflanze über- ein, nur dass der grosse Kern keine ausgeprägte Sternform zeigt und schliesslich kein Kernkörperchen mehr besitzt. Ziemlich früh tritt in den Pollentetraden von Juncus articu- latus die Bildung der vegetativen Zelle ein. Sie wird an der cen- tralen Wand der einzelnen Zellen angelegt, ist sehr klein und zeichnet sich, besonders in Osmiumsäure-Karmin-Präparaten durch die helle Färbung ihres Protoplasma aus (Fig. 80, 81). Nachdem diese vegetative Zelle sich von der Wand des Kornes losgemacht hat, theilt sich ihr Kern in zwei kleine Kerne ohne Kernkörper- chen; das umgebende, vegetative Protoplasma bleibt ziemlich lange Bd, XI. N. F. VL 1. 2 18 Fredr. Elfving, erhalten, schliesslich wird es aber aufgelöst. Da auch zuletzt das Kernkörperchen des grösseren Kerns schwindet, so sind alle drei Kerne einander so ziemlich gleich. — Kulturversuche mit ver- schiedenen Lösungen waren sämmtlich erfolglos. An bestäubten Narben war zu sehen, dass sich die Kerne im Schlauche strecken. Von übrigen Monocotyledonen, die ich untersuchte, fand ich drei Kerne bei Potamogeton pectinatus und Valisneria spiralis, welche letztere ich der Güte des Herrn Professor A. W. Eichler in Berlin verdankte. Die complieirtesten Vorgänge fand ich in den Pollenkörnern der Cyperaceen, von denen ich vornehmlich Heleocharis palustris untersuchte. In recht grossen Aehren kann man fast alle Entwickelungs- zustände finden. Zu der Zeit wo die niedrigsten Blüthen sich ge- öffnet haben, sind in den obersten die Pollenkörner noch vereinigt und polygonal; sie haben in diesem Zustande einen sehr grossen Kern, in dem man fast immer mehrere Kernkörperchen sieht (Fig. 82). Später theilt sich der Kern (Fig. 83) und zwar, wie es scheint, gewöhnlich bevor die Trennung der einzelnen Körner eine vollständige ist. Sobald aber die Körner frei geworden sind und ihre definitive, etwa kegelförmige Gestalt angenommen haben, erfolgt eine Theilung desjenigen Kerns, der in der Spitze der Zelle liegt (Fig. 34). Der eine von den so gebildeten beiden Schwester- kernen theilt sich noch einmal, so dass wir also vier Kerne im Pollenkorn haben: drei kleine, ovale, dicht an einander in der Spitze des Korns liegende und einen grösseren, mehr centralen (Fig. 85, 86); in allen sind meistens Kernkörperchen, oft mehrere, zu sehen; das des centralen Kernes übertrifft die anderen an Grösse. Nur ausnahmsweise findet man in der Spitze vier, im Ganzen also fünf Kerne. Das Protoplasma, welches die Spitze erfüllt und die drei kleinen Kerne umgiebt, erscheint oft heller als in dem anderen Theil des Kornes und bisweilen sieht man Andeutungen von plasmatischen Scheidewänden, die die Kerne von einander abgrenzen; diese schwinden jedoch bald und das Proto- plasma erscheint völlig gleichförmig im ganzen Korne. Nun theilt sich der centrale Kern (Fig. 8$7—89). Der eine von den Tochterkernen ist grösser und mit deutlichen Kernkör- perchen versehen ; der andere ist den Kernen in der Spitze ähn- lich und führt wie diese gewöhnlich ein kleines Kernkörperchen. Nach dieser Theilung werden die drei kleinen Kerne allmählich Studien über die Pollenkörner der Angiospermen. 19 resorbirt; sie färben sich immer schwächer und schwächer durch Karmin und verschwinden schliesslich völlig (Fig. 90—92). — Da die zwei übrig gebliebenen Kerne oft mehrere Kernkörperchen zei- gen, könnte man vielleicht vermuthen, dass hier nicht eine Re- sorption der kleinen, sondern eine Copulation von den grossen und kleinen Kernen stattfindet, wie eine solche ja im Embryosacke nachgewiesen ist. Die Beobachtung lehrt jedoch, dass mehrere Kernkörperchen schon vorhanden sein können, bevor die kleinen Kerne resorbirt sind. Von den jetzt vorhandenen zwei Kernen theilt sich schliesslich der mit kleinerem Kernkörperchen versehene nochmals (Fig. 93), so dass wir definitiv drei Kerne bekommen: ein grosser mit deut- lichen Kernkörperchen und zwei kleine, die gewöhnlich kein oder ein ganz kleines Kernkörperchen führen (Fig. 94). Während diese Theilungen sich vollzogen haben ist das Pol- lenkorn gereift. Die Exine hat sich deutlich differentürt, der In- halt ist von Stärkekörnern durchsetzt. Manchmal findet man reife Körner die zweizellig scheinen (Fig. 98). Genauere Untersuchung zeigt indessen, dass wir es hier nicht mit einer Zelltheilung im gewöhnlichen Sinne des Wortes zu thun haben, dass vielmehr die Scheidewand entstanden ist durch nachträgliches Verschmelzen von eigenartigen, nach innen vorspringenden Verdickungen der Intine, die auch normaler Weise in der Spitze des Kornes ziemlich stark entwickelt ist (Fig. 95—97). In einem Falle beobachtete ich in dem so gebildeten Kämmerchen einen Kern, der offenbar einer von den drei ursprünglich in der Spitze liegenden Kernen war, dessen Resorption durch frühe Bildung der Scheidewand verhin- dert wurde. Die Pollenschläuche (5—10 °|,, 5 Stunden) wachsen entweder von der Basis oder von der Seite des Kornes, nie von der Spitze aus. Um diese Zeit schwindet das Kernkörperchen des grossen Kerns, so dass dieser nur durch seine Grösse und in den meisten Fällen hellere Färbung von den beiden anderen zu unterscheiden ist. Alle drei erleiden eine Volumenabnahme. In irgend einer be- stimmten Ordnung gehen die Kerne nicht in den Schlauch hinein. In den meisten Fällen ist es vielleicht der grosse Kern, der voran geht, oft in die Länge gezogen (Fig. 99, 100). Aber auch andere Kombinationen können vorkommen (Fig. 101, 102). Von übrigen Cyperaceen untersuchte ich Carex vulpina und Cyperus badius; die sind zur Untersuchung weniger geeignet als 92 % 20 Fredr. Elfving, Heleocharis, doch konnte ich feststellen, dass die Entwickelung in derselben Weise wie bei dieser erfolgt. Ich habe mit Absicht die Vorgänge bei den untersuchten Mo- nocotyledonen ausführlich erörtert. Diese treten uns nämlich hier im Allgemeinen viel klarer entgegen als bei den Dicotyledonen, wo der reichliche Zellinhalt und die kleinen Dimensionen der Kerne die Untersuchung erschweren. Dabei haben die Dicotyledonen fast nichts Eigenthümliches, nichts, was nicht bei den Monocotyledonen vorkäme, aufzuweisen. Ich kann daher meine Beobachtungen ganz kurz zusammenfassen. Bei den Pollenkörnern der Dicotyledonen sind, wie bekannt, überhaupt mehrere Austrittsstellen für den Pollenschlauch vorge- bildet. Dies im Verein mit der gewöhnlich mehr oder weniger kugeligen Gestalt der Körner macht es unmöglich, die Stelle, wo die vegetative Zelle gebildet wird, so präcis wie bei den Monocy- tyledonen anzugeben. Bei den ellipsoiden Körnern der untersuch- ten Papilionaceen und Umbellaten, wo die Austrittsstellen des Schlauches in einem aequatorialen Kreis angeordnet sind, wird die vegetative Zelle polär angelegt. Auch bei den übrigen Dico- tyledonen wurde nie eine Anlage der vegetativen Zelle unmittelbar unter einer Austrittsstelle beobachtet; jedenfalls scheint es also die grosse Zelle zu sein, die zum Schlauch auswächst. Die vegetative Zelle ist durch eine mehr oder weniger kon- vexe Scheidewand von Hautplasma von der grossen Zelle getrennt. Ihr Kern und dessen Kernkörperchen sind konstant kleiner als dieselben Theile in der grossen Zelle. Bald löst sich die vegetative Zelle von der Intine ab und er- scheint als kugeliges Gebilde frei im Korne. Aehnlich wie bei verschiedenen Monocotyledonen kann noch eine Theilung des vegetativen Kerns stattfinden, so dass im reifen Korn drei Kerne vorhanden sind. So bei Sambucus racemosus, Fedia cornucopiae, Dahlia Merckii, Nymphaea alba, Biscutella eri- gerifolia, Geranium Hookerianum, Arenaria laricifolia, Foeniculum offieinale. Die beiden vegetativen Kerne sind einander gleich, später ohne Kernkörperchen. Bei Nymphaea alba behält der Kern der grossen Zelle sein Kernkörperchen meist in den reifen Pollenkörnern, oft sogar in den Schläuchen (1—5°/,, 20 Stunden). Hier konnte ich dann feststellen, dass überhaupt dieser Kern früher in den Schlauch Studien über die Pollenkörner der Angiospermen. 21 eingeht als die beiden neben einander liegenden vegetativen; nur in sehr seltenen Fällen fand die umgekehrte Ordnung statt. Bei den anderen oben genannten Pflanzen sind bei beginnen- der Schlauchbildung die drei Kerne durchaus nicht mit Sicherheit von einander zu unterscheiden. Bei der Mehrzahl der Dicotyledonen treten keine weiteren Theilungen im Pollenkorne ein. In den reifen Körnern findet man dann nur zwei Kerne. So bei Gilia tricolor, Nicotiana tabacum, Salvia verticillata, Digitalis lanata, Gloxinia hybrida, Torenia asiatica, Plantago media, Campanula rapunculoides, Bryonia alba, Lysimachia punctata, Erica tetralix, Monotropa hypopitys, Pepe- romia claytonioides, Cannabis sativa, Rhus glabra, Ruta angusti- folia, Riecinus communis, Hippuris vulgaris, Ranunculus muricatus, Delphinium decorum, Clematis viticella, Papaver dubium, Viola tricolor, Helianthemum polifolium, Ampelopsis hederacea , Oxalis lasyandra, Malva caroliniana, Polygonum rubrum, Begoniae sp., Sedum hybridum, Clarkia pulchella, Spiraea villosa, Mimosa bra- chybotrya, Lathyrus silvestris. Für sämmtliche lässt sich die Entwickelungsgeschichte sehr kurz zusammenfassen. Die frei gewordene vegetative Zelle bleibt entweder kugelig oder sie nimmt, und das ist der gewöhnliche Fall, Spindelform an. Die Wandschicht von Hautplasma schwindet früher oder später; die beiden Kerne werden gegen einander be- freit. Diese sind in jüngeren Zuständen sehr leicht zu unterschei- den, das Kernkörperchen desjenigen Kerns, der aus der grossen Zelle stammt, bleibt nämlich viel länger erhalten als das der ve- getativen. Dies Merkmal schwindet indessen und bei der Schlauch- bildung oder schon früher sind durch successive Metamorphosen in Bezug auf Form und Grösse die beiden Kerne einander so gleich geworden, dass eine objective Unterscheidung unmöglich ist. Nur bei Cannabis sativa bleibt das Kernkörperchen des Kerns der grossen Zelle in den Schläuchen (10°/,, 12 St.) oft erhalten. In diesem Falle geht bald der eine, bald der andere Kern voran. Bei Monotropa behalten beide Kerne ihr Kernkörperchen sehr lange (5—30 °/,, 20 St.). Eine sichere Unterscheidung war mir trotzdem unmöglich. In Bezug auf die Form der Kerne kommen alle möglichen Unterschiede vor, von den runden (Rhus) bis zu den langgestreck- ten, fast fadenförmigen (Sedum) Kernen; gewöhnlich sind diesel- ben annähernd elliptisch. — 22 Fredr. Elfving, In Fig. 103—110 habe ich die Entwickelung bei Lathyrus silvestris abgebildet. Obgleich nun in Folge dieser Aehnlichkeit der beiden Kerne es nicht zu hoffen war, dieselben in den Pollenschläuchen unter- scheiden zu können, habe ich doch Kulturen von verschiedenen Arten gemacht, deren Resultat ich hier erwähnen will. In den Schläuchen von Plantago media (3—30°/,) und zwar in solchen, die eine beträchtliche Länge erreicht hatten (nach etwa 12 Stunden), theilt sich der hintere Kern in zwei kleine, ovale Tochterkerne, während der vordere bedeutend in die Länge ge- zogen erscheint (Fig. 111— 113). Nur einmal beobachtete ich, dass der Kern, der sich theilte, voranging. Auch bei Cynanchum fuscatum fand ich eine Verdoppelung des einen Kerns in einigen frei präparirten Schläuchen. Digitalis lanata (Fig. 118) zeigt uns die beiden, in den Schläu- chen langgezogenen Kerne fast konstant neben einander in der Schlauchspitze liegend (20 °/,, 2 St.). Auch bei Papaver dubium (1°/,, 4 St.), Sedum spurium (1-—20°%,, 3 St.), Torenia asiatica (10°/,, 2 St.) und Gloxinia hybrida (3—10°/,, 5 St.) erleiden die Kerne eine Streckung in der Richtung des Schlauches; dabei liegen sie oft neben einander. Ebenso bei Clematis viticella (30—40 °/,, 10 St.) und Cam- panula rapunculoides (aus präparirten Schläuchen), doch trifft diese Metamorphose vorzugsweise den vorderen Kern. Bei Rhus glabra (20—30°/,, 18 St.), Lysimachia punctata (40 9/,, 24 St.), Spiraea villosa (20—30 °/,, 20 St.) und Lathyrus silvestris (1—30 °/,, 4 St) waren die Kerne nur wenig modificirt. Bei Bryonia alba ('/, °/, NH,T, 3 St.), Viola tricolor (30 %/,, 4 St.) und Ampelopsis hederacea (20—50°/,, 4 St.) lassen sich die Kerne nur sehr undeutlich nachweisen, meist als wenig scharf kontourirte, langgezogene, von Karmin dunkler gefärbte Plasma- Partien. Ein wenig abweichend von den übrigen untersuchten Dicoty- ledonen zeigte sich Hypericum calycinum (Fig. 114—117). Die spindelförmige, vegetative Zelle, die sich nicht weiter theilt, ist hier sehr resistent und wird als solche noch im dem Pollenschlauch (30—40 °/,, 20 St.) erhalten, während dagegen der Kern der gros- sen Zelle in den allermeisten Schläuchen aufgelöst ist. Ich bin sogar geneigt anzunehmen, dass diese Auflösung in vielen Fällen schon im Pollenkorne vor der Schlauchbildung vor sich geht, we- nigstens war dieser Kern sehr oft nicht mit Sicherheit nachzuweisen x Studien über die Pollenkörner der Angiospermen. > Um auch an einigen Dicotyledonen das Verhalten der Kerne in möglichst vorgerückten Schläuchen zu ermitteln, untersuchte ich Torenia asiatica und Monotropa hypopitys, wo ja die Mög- lichkeit gegeben war, dieselbe bis zum Augenblick der Befruch- tung zu verfolgen (conf. Strasburger l. c. p. 484 u. f.). Auf gewöhnliche Weise in 10°/, Zuckerlösung kultivirt trei- ben, wie schon angegeben, die Pollenkörner von Torenia Schläuche in zwei Stunden; die Kerne erscheinen als schmale langgezogene Gebilde. Untersucht man den Fruchtknoten etwa 36 Stunden nach der Bestäubung, so findet man, dass die Schläuche durch den Griffel gewachsen sind und zwischen den Eichen eingedrungen. Manche haben sich mit ihrer Spitze an den frei aus dem Eichen hervorragenden Embryosack angelegt und in vielen Fällen ist schon die Befruchtung vollzogen. In allen diesen Schläuchen, sowohl vor als nach der Befruchtung, waren keine Spuren von Kernen sichtbar zu machen; die unteren Theile der Schläuche waren mit feinkörnigem Plasma dicht erfüllt, die oberen Theile entleert. Ebenso werden bei Monotropa die Kerne vor der Befruch- tung aufgelöst. Das Hauptresultat meiner Untersuchung möchte ich folgender- maassen zusammenfassen. In einem gewissen Entwickelungszustande, vor der Bestäu- bung, wird das Pollenkorn der Angiospermen durch Theilung in zwei Zellen zerlegt, eine grössere und eine kleinere, „vegetative“, welche letztere durch weitere Theilungen noch einen 2—3zelligen Gewebekörper bilden kann. Diese vegetative Zelle, resp. vegetativen Zellen, ind von der grossen Zelle unter der nur durch eine Wand von Hautplasma getrennt; in vereinzelten Fällen kann es zur Bildung einer resisten- teren (Cellulose?) Membran kommen. Der Pollenschlauch wird von der grossen Zelle gebildet. Es kann hierbei eintreten, dass die vegetative Zelle, resp. Zellen, sich gar nicht an dem Vorgang betheiligen, so dass nur der Kern und der Inhalt der grossen Zelle in den Schlauch einwandert. Gewöhnlich wird doch die trennende Wand resorbirt. Sie kann schwinden fast unmittelbar nach der Theilung; in den meisten Fällen bleibt sie aber eine Zeit lang erhalten; die ganze vegeta- tive Zelle, resp. Zellen, löst sich von der Innenwand des Kornes ab und wird so von der grossen Zelle umgeben, wobei sie eigen- thümlich spindel- oder halbmondförmig erscheint. In diesem Sta- 24 Fredr. Elfving, dium kann die vegetative Zelle kürzere oder längere Zeit verwei- len oder ihr Kern theilt sich: es entstehen so freischwimmende, vegetative Zellen. In dem einen oder anderen Falle wird endlich das Wandplasma aufgelöst, entweder schon im Pollenkorn oder nachdem die vegetative Zelle in den Schlauch eingewandert ist. Nach erfolgtem Schwinden der Wandschicht kann noch eine Thei- lung des nackten vegetativen Kerns stattfinden, auch diese im Pollenkorne selbst oder im Schlauch. Die Kerne sind oft eigenthümlich gestaltet. Mit Ausnahme der Cyperaceen habe ich eine Theilung des Kerns der grossen Zelle nicht beobachtet. Eine bestimmte Ordnung wird bei dem Einwandern in den Schlauch meist nicht eingehalten. Die Kerne werden früher oder später, doch vor der Befruchtung aufgelöst. — Die grosse Zelle des Korns und ihr Kern scheinen von grösserer Bedeutung für die Befruchtung als die vegetative zu sein. Ich schliesse dies aus dem Auswachsen der grossen Zelle zum Pollenschlauch, aus dem Umstande, dass es Fälle giebt, wo der Kern der grossen Zelle konstant vorangeht, während ich den entgegengesetzten Fall nie beobachtete, und daraus, dass auch bei den Pflanzen, bei denen eine solche Konstanz nicht vorkommt, der Kern der grossen Zelle doch häufiger vorangeht als der andere; endlich aus einigen Fällen, in denen die vegetative Zelle sogar in ihrer ursprünglichen Stel- lung innerhalb des Pollenkorns zurückgeblieben war ohne in den Schlauch einzutreten. Studien über die Pollenkörner der Angiospermen. 25 Erklärung der Abbildungen, Tafel I. Fig. 1—7. Anthericum ramosum. Fig. 1. Junges Pollenkorn nach der Theilung. Vergr. 300. Fig. 2—4. Entwickelung der vegetativen Zelle. Vergr. 300. Fig. 5. Metamorphose des Kerns der grossen Zelle. Vergr. 300. Fig. 6. Reifes Pollenkorn. Vergr. 300. Fig. 7. Verästelter Schlauch. Vergr. 230. Fig. 8 Anthericum liliago. Fig. 8. Reifes Pollenkorn;; der eine Kern ist sternförmig. Vergr. 300. Fig. 9—14. Tulipa Gesneriana. Vergr. 320 Mal. Fig. 9—11. Entwickelung des Pollenkorns von der Bildung der ve- getativen Zelle an bis zur Reife. Fig. 12. Ausgepresste vegetative Zellen. Fig. 13. Verdoppelung der vegetativen Zelle. Fig. 14. Spitze eines Pollenschlauches. Fig. 15 —18. Ornithogalum pyramidale. Vergr. 450 Mal. Fig. 15. Vegetative Zelle mit dieker Scheidewand. Fig. 16, 17. Reife Pollenkörner. Fig. 18. Ausgepresste vegetative Zellen, in o mit Osmiumsäure be- handelt. Fig. 19—25. Leucojum aestivum. Vergr. 400 Mal. Fig. 19. Junges Pollenkorn nach der Theilung. Fig. 20. Ein gleiches nach Behandlung mit Osmiumsäure. Fig. 21. Die vegetative Zelle hat sich losgelöst; o, nach Behandlung mit Osmiumsäure. Fig. 22, 23. Reife Pollenkörner; o, eine vegetative Zelle nach Be- handlung mit Osmiumsäure. 26 Fredr. Elfving, Fig. 24. Ausgepresster Kern und vegetative Zelle; Osmiumsäure- Präparat. Fig. 25. Pollenschlauch; die Kerne sind einander gleich. Fig. 26—27. Narcissus poetieus. Vergr. 400 Mal. Fig. 26. Streckung der beiden Kerne in dem Schlauch. Fig. 27. Der hintere Kern hat sich getheilt. Fig. 28—29. Iris sibirica. Vergr. 350 Mal. Fig. 28, 29. Zerdrückte Pollenkörner; in Fig. 28 ist die Scheide- wand, in Fig. 29 die ganze vegetative Zelle erhalten. Fig. 30. Iris xiphium. Fig. 50. Schlauchende; der Kern der grossen Zelle erscheint bedeu- tend in die Länge gezogen. Vergr. 300. Tafel II. Fig. 31 —37. Tradescantia virginica. Vergr. 300 Mal. Fig. 31. Junges Pollenkorn nach der Theilung. Fig. 32—37. Entwickelung der Körner bis zur Reife. Fig. 388—39. Convallaria multiflora. Fig. 38. Bildung von zwei vegetativen Zellen. Vergr. 350. Fig. 39. Reifes Pollenkorn. Vergr. 400. Fig. 40. Asparagus officinalis. Fig. 40. Anlage der vegetativen Zelle. Vergr. 600. Fig. 41—48. Sparganium ramosum. Vergr. 450 Mal. Fig. 41, 42. Anlage und erste Entwickelung der vegetativen Zelle. Fig. 43, 44. Zerdrückte Pollenkörner, die Metamorphosen des ve- getativen Kerns zeigend. Fig. 45—48. Pollenschläuche. Fig. 45. Der vegetative Kern theilt sich eben. Fig. 46, 47. Der vegetative Kern ist vorangegangen und hat sich in Fig. 47 getheilt. Fig. 48. Die vegetative Zelle ist unverändert geblieben. Studien über die Pollenkörner der Angiospermen. 27 Fig. 49—53. Asphodelus albus. Vergr. 350 Mal. Fig. 49—53. Entwickelung der Pollenkörner von erster Anlage der vegetativen Zelle bis zur Reife. Fig. 54—60. Andropogon campanus. Vergr. 400 Mal. Fig. 54. Pollenkorn nach der Theilung. Fig. 55. Dasselbe, um 90 ® gedreht. Fig. 56. Die vegetative Zelle hat sich getheilt. Fig. 57. Dasselbe Korn, von der Seite gesehen. Fig. 58. Pollenkorn mit drei vegetativen Zellen. Fig. 59. Dasselbe, um 90 ° gedreht. Fig. 60. Die beiden vegetativen Zellen sind frei geworden. Fig. 61—69. Bromus erectus. Vergr. 350 Mal. Fig. 61, 62. Pollenkörner vor der Theilung. Fig. 63—65. Bildung und erste Entwickelung der vegetativen Zelle. Fig. 66. Theilung der vegetativen Zelle. Fig. 67—69. Metamorphosen der vegetativen Zelle und des grossen Kerns bis zur Reife des Pollenkorns. Tafel III. Fig. 70—74. Arum ternatum. Vergr. 600 Mal. Fig. 70, 71. Erste Entwickelung der Pollenkörner nach der Theilung. Fig. 72. Zerdrücktes Korn, die Theilung des vegetativen Kernes zeigend. Fig. 73. Reifes Korn; die brillenförmig zusammenhängenden vegeta- tiven Zellen sind noch erhalten. Fig. 74. Aus reifen Körnern ausgepresste Kerne, Fig. 75—79. Butomus umbellatus. Vergr. 300 Mal. Fig. 75. Erste Theilung des Pollenkornes. Fig. 76. Der vegetative Kern hat sich noch getheilt. Fig. 77—79. Pollenschläuche; in Fig. 78 und 79 ist die Scheide- wand noch erhalten. 28 Fredr. Elfving, Studien über die Pollenkörner der Angiospermen. Fig. 80, 81. Juncus articulatus. Vergr. 300 Mal. Fig. 80. Pollenkorn nach der Theilung. Fig. 81. Aelteres Korn. Fig. 82—102. Heleocharis palustris. Vergr. 350 Mal. Fig. 82—94. Entwickelung der Pollenkörner bis zur Reife. Fig. 90 und 91 zeigen die allmähliche Resorption der in der Spitze lie- genden drei Kerne. Fig. 95. Normale Verdickung der Intine eines reifen Kornes. Fig. 96—98. Eigenartige Membran -Verdickungen, die die Bildung einer falschen Scheidewand veranlassen, Fig. 99—102. Pollenschläuche. Fig. 103—110. Lathyrus silvestris. Vergr. 400 Mal. Fig. 103. Junges Pollenkorn vor der Theilung. Fig. 104—106. Stadien der Theilung. Fig. 107—109. Entwickelung der Körner bis zur Reife. Fig. 110. Pollenschlauch. Fig. 111— 113. Plantago media. Vergr. 400 Mal. Fig. 111. Zerdrücktes Korn, die beiden Kerne zeigend. Fig. 112. Junger Pollenschlauch. Fig. 113. Aelterer Schlauch; der hintere Kern hat sich getheilt. Fig. 114— 117. Hypericum calycinum. Vergr. 400 Mal. Fig. 114. Erste Anlage der vegetativen Zelle. Fig. 115. Dieselbe ist frei geworden. Fig. 116. Zerdrücktes Korn, kurz vor der Reife. Fig. 117. Pollenschlauch, der Kern der grossen Zelle ist aufgelöst. Fig. 118. Digitalis lanata. Fig. 118. Pollenschlauch. Vergr. 400. Ueber die Producte der Einwirkung von Natrium auf ein Gemisch von Phosgenaether und Jodaethyl. Von A. Geuther. 2. Mittheilung. In der 1. Mittheilung über diesen Gegenstand!) wurden die bei der Reaction entstehenden ölförmigen Producte besprochen. Ausser diesen entstehen aber noch Säuren, welche sich neben Natriumchlorid und Natriumjodid an Natrium gebunden vorzüg- lich im Salzrückstande befinden, zum Theil aber auch frei den ölförmigen Producten sich beimengen und diesen eine saure Rea- ction ertheilen 2). Um sie zu isoliren wurde folgendermaassen verfahren. Eine Probe des Salzrückstandes wurde zunächst mit überschüs- siger mässig verdünnter Schwefelsäure versetzt und die freigewor- dene Säure mit Aether auszuziehen versucht. Dabei zeigte sich, dass die erst farblose Flüssigkeit sich nach und nach von sich aus- scheidenden Jod immer mehr braun färbte, also die frei gewordene Jodwasserstoffsäure reducirend einwirkte. Um diess zu vermeiden wurde die Salzlösung stärker verdünnt und nur soviel verdünnte Schwefelsäure zugefügt, als voraussichtlich nothwendig war die vor- handene nicht grosse Quantität von Kohlenstoffsäure in Freiheit zu setzen, und darauf destillirt. Das saure Destillat wurde mit Aether ausgeschüttelt und die nach dem Abdestilliren desselben im Wasser- bade verbleibende saure stark braun gefärbte Flüssigkeit mit Natron- 1) Jenaische Zeitschrift f. Mediein u. Naturwissenschaft B. VII p. 218, 2) Ebend. p. 221. 30 A. Geuther, lauge neutralisirt, wobei sich ein Theil des Farbstoffes abschied, filtrirt und wieder mit Schwefelsäure destillirt. Das Destillat, welches noch nicht ganz farblos war, wurde wieder mit Natron- lauge gesättigt, nach dem Einleiten von Kohlensäure zur Trockne verdampft und mit absolutem Alkohol so lange behandelt, als der- selbe noch etwas auflöste. Die nach dem Abdestilliren desselben zurückbleibende Salzmasse wurde mit absol. Alkohol wiederholt so lange extrahirt, als noch wesentliche Mengen von Natriumchlorid beim neuen Lösen zurückblieben. Die so erhaltene Salzmasse be- stand augenscheinlich aus einem in absol. Alkohol sehr leicht löslichen und einem darin schwerer löslichen Salz. Die Menge des ersteren, welches als eine durchscheinende amorphe Masse sich darstellte, war etwas bedeutender, als die Menge des anderen Salzes, wel- ches als eine weisse, fein krystallinische, in heissem Alkohol nicht viel mehr wie in kaltem lösliche Masse zurückblieb. Durch wie- derholtes Lösen des leicht löslichen Salzes in der kleinsten Menge kalten absol. Alkohols gelang es nahezu vollständig dasselbe von dem schwerer löslichen Salz zu trennen. Da der zur Extraction der Säuren aus dem wässrigen Destillat verwandte Aether nach dem Abdestilliren auch noch saure Rea- ction besass, so wurde auf analoge Weise mittelst Natronlauge die Säure daraus als Natriumsalz gewonnen. Dasselbe bestand haupt- sächlich aus dem schwerer löslichen Salz. Ferner enthielt die Natronlauge, welche zur Zersetzung des bei der Reaction mit entstandenen Kohlensäureaethers gedient hatte, sowie diejenige, mit welcher die über 130° siedenden Pro- ducte behandelt worden waren (vergl. 1. Mittheilung), gleichfalls diese beiden Säuren und zwar die erstere hauptsächlich®das schwe- rer lösliche, die letztere hauptsächlich das leichter lösliche Salz. Eine vorläufige Analyse des in Alkohol schwerer löslichen Salzes ergab Resultate, welche in demselben propionsaures Natron vermuthen liessen. Desshalb wurde seine wässrige Lösung, vorzüglich auch zur Beseitigung von kleinen Mengen Natriumchlo- rid mit Weinsäure im Ueberschuss versetzt und destillirt. Zu dem sauren Destillat wurde nun Natriumcarbonat im Ueberschuss ge- fügt und nach dem Eindampfen zur Trockne der Rückstand mit absol. Alkohol behandelt. Das darin lösliche Salz gab nach dem Trocknen bei 150 ° folgende Resultate. 0,1733 Grm. hinterliessen nach dem Glühen: 0,0961 Grm. CO>Na?2, was 0,041704 Grm. — 24,1 Proc. Natrium entspricht und einen Kohlenstofigehalt von 6,2 Proc. ergiebt. Ueber die Producte der Einwirkung von Natrium u.s.w. 31 0,1450 Grm. gaben beim Verbrennen mit Kupferoxyd 0,1674 Grm. Kohlensäure und 0,0686 Grm. Wasser, entspr. 0,045655 Grm. — 31,5 Proc. Kohlenstoff und 0,007622 Grm. = 5,3 Proc. Wasserstoff. Der Gesammtgehalt an Kohlenstoff ist also: 31,5 + 6,2 = 37,7 Proc. Aus diesen Resultaten geht nun in der That hervor, dass die Substanz das Natriumsalz der Propionsäure ist. ber. gef. Ca,2=./875, 37 HB —= 52 5,3 Na = 240 24,1 @3 — 333. 4 100,0 Das in Alkohol leicht lösliche Salz konnte leider nicht von einem braunen Farbstoff und von kleinen Mengen Natriumjodids befreit werden. Es stellte ein gelbbraunes, weiches, hygroscopi- sches Gummi dar. Vor der Analyse wurde es zuerst über Schwe- felsäure trocknen gelassen und dann bis 120° so lange erhitzt, als keine Gewichtsabnahme mehr eintrat. 0,1485 Grm. desselben hinterliessen beim Verbrennen 0,0585 Grm. Rückstand, welcher aus 0,0029 Grm. Natriumjodid und 0,0556 Natriumcarbonat bestand. Das Letztere enthält 0,02413 Grm. Na- trium und 0,006294 Grm. Kohlenstoff, was nach Abzug des vorhan- denen Natriumjodids von der angewandten Salzmenge entspricht: 16,5 Proc. Natrium und 4,3 Proc. Kohlenstoff. 0,1998 Grm. Substanz (mit einem Gehalte von 0,0038 Grm. Natriumjodid) gaben beim Verbrennen mit Kupferoxyd 0,2897 Grm. Kohlensäure entspr. 0,07901 Grm. — 40,3 Proc. Kohlenstoff und 0,1110 Grm. Wasser, entspr. 0,012333 Grm. —= 6,2 Proc. Wasserstoff. Diese Resultate machen es sehr wahrscheinlich, dass das Salz der Hauptsache nach aus dem Natronsalz der Aethylmilch- säure bestand, wie die folgende Zusammenstellung zeigt und wo- mit auch die übrigen Eigenschaften derselben in Einklang stehen. ber. gef. et 44,6 B2\ =. 6,3 Na = 164 16,5 02) = 383 = 100,0 Das Mehr an gefundenem Kohlenstoff rührt wohl von dem färbenden Körper her. Leider musste wegen Mangel an Material eine weitere Reinigung unterbleiben. 32 A. Geuther, Ueber d. Producte d. Einwirkung v. Natrium u. s. w. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die gefundene Propionsäure ein Reductionsproduct der Aethylmilchsäure durch Jodwasserstoff- säure ist. Die Producte, welche die Einwirkung des Natriums auf ein Gemisch von Phosgenaether und Jodaethyl liefert, sind also: Kohlensäureaether, Aethyldiacetsäureaether, Aethyl- milchsäure und zwei ölige Producte, der Qlasse der Ace- tone oder Alkohole angehörig, von der Zusammensetzung: C°H!30? und C2°H3*02. Eine klare Einsicht in den Hergang der Um- setzung ist leider zur Zeit nicht möglich. Jena, December 1874. Zur Kenntniss des Pyrophosphorsäure - Aethers. Von Dr, 6. EB. Abbot. Zur Entscheidung der Frage, ob das Product der Einwirkung des von Geuther und Michaelis!) dargestellten Pyrophosphor- säurechlorides auf Natriumalkoholat identisch sei mit dem aus pyroposphorsaurem Silber und Jodaethyl von Clermont?) erhal- tenen Pyrophosphorsäureaether wurden die nachfolgenden Versuche unternommen. Zunächst wurde Pyrophosphorsäureaether dargestellt aus dem Silbersalz und Jodaethyl, um ihn und einige sei- ner Zersetzungsproducte näher kennen zu lernen. Das Argenti- pyrophosphat war anhaltend auf 100° bis zum constanten Ge- wicht erhitzt und sogleich in verschliessbare ganz trockne Röhren gefüllt worden, in welchen es nach dem Erkalten sofort mit etwas weniger als der zur Umsetzung nöthigen Menge von reinem Jod- aethyl übergossen wurde. Da sogleich unter Erwärmung Umset- zung eintritt, so ist es am Besten die Röhren mit eiskaltem Was- ser zu kühlen und auch nach dem Zuschmelzen derselben sie noch einige Zeit unter Umschütteln bei niederer Temperatur zu erhal- ten. Dann erhitzt man allmählig auf 100°, in 2 bis 3 Stunden ist die Umsetzung vollendet. Beim Oeffnen der Röhren ist kaum ein Druck bemerkbar, die Flüssigkeit ist fast farblos und nur, wie es scheint, wenn für die nöthige Abkühlung beim Vermischen von Silbersalz und Jodaethyl nicht gesorgt wurde, mehr oder weniger gelblich gefärbt. Sie wird durch Lösen in abs. ganz wasserfrei gemachten Aether und durch Filtriren unter einer 1) Jenaische Zeitschrift f. Medic. u. Naturw. Bd. VII p. 103. ?) Compt. rend. 33, 388. Bd. XIII. N. F. v1. 3 34 Dr. G. E. Abbot, Glocke neben Chlorcaleium vom Jodsilber getrennt. Nach dem Abdestilliren des Aethers aus dem Wasserbade und längerem Ste- henlassen des dickflüssigen Rückstandes über Schwefelsäure ist der Pyrophosphorsäureaether rein, wie folgende Analyse zeigt: 0,2439 Grm. Substanz lieferten 0,3000 Grm. CO: entspr. 0,0818 Grm. —= 33,5 °/, Kohlenstoff und 0,1633 Grm. OH?, entspr. 0,0181 Grm. = 7,2 °/, Wasserstoff. 0,262 Grm. Substanz in Wasser gelöst, im Wasserbade fast zur Trockne eingedampft, anhaltend mit Salpetersäure gekocht, am- moniakalisch gemacht und durch Magnesiumsulfat gefällt, gaben 0,2011 Grm. Magnesiumpyrophosphat entspr. 21,4 °/, Phosphor. Die Formel P?O?°(C?H?°)* verlangt: 33,1 °/, Kohlenstoff, 6,9 °/, Wasserstoff und 21,4°/, Phosphor. Das spez. Gewicht der Verbindung wurde bei +17° zu 1,165 gefunden, Clermont gibt 1,172 bei 17° an. Sie reagirt stets sauer, wahrscheinlich von der Einwirkung nicht zu vermeidender Feuchtigkeit aus ihr entstandener Diaethylphosphorsäure halber. a) Verhalten gegen Wasser. In Wasser löst sich der Pyrophosphorsäureaether auf, in- dem er sich damit langsam in Diaethylphosphorsäure nach der Gleichung: P20°(C?H5)* — OH? — 2 PO2H(C?H>)2 umsetzt. In der Wärme wird ein Theil dieser Säure dann weiter in Monaethylphosphorsäure, ja in gewöhnliche Phosphorsäure und Alkohol verwandelt. Behandelt man die Lösung in kaltem Wasser in der Kälte mit Metallcarbonaten resp. Metallhydroxyden, so er- hält man reine diaethylphosphorsaure Salze, wie Folgendes zeigt. 1. Das Calcium-Salz der Diaethylphosphorsäure, welches schon von Vögeli dargestellt wurde, entsteht, wenn man den Pyrophosphorsäureaether in Wasser löst und die Lösung mit über- schüssigem Calciumcarbonat und Caleiumhydroxyd versetzt. Nach 4—5tägiger Einwirkung ist die Umsetzung vollendet. Man filtrirt und dampft das Filtrat über Schwefelsäure im leeren Raum ein. Es wurden krystallwasserfreie Nadeln erhalten, welche 11,6 Proc. Calcium enthielten; ber. 11,7 Proc. 2. Das Silber-Salz der Diaethylphosphorsäure entsteht leicht auf analoge Weise, man braucht zur Neutralisation aber nur Ar- genticarbonat. Die Lösung, aus welcher sich das Salz abscheidet, reagirt neutral. Sehr feine concentrisch gruppirte, durchscheinende Nadeln, Zur Kenntniss des Pyrophosphorsäure-Aethers. 30 welche in Wasser und Alkohol leicht löslich sind. Aus ihrer Lö- sung in absol. Alkohol krystallisirt das Salz ohne Krystallwasser, aus seiner Lösung in sehr verdünntem Alkohol dagegen mit jeden- falls 2 Mgtn Krystallwasser. Es ist sehr empfindlich gegen das Licht und muss desshalb bei Ausschluss desselben dargestellt werden. 0,215 Grm. desselben lieferten 0,1051 Grm. Argentichlorid, entspr. 36,7°/, Ag. Die Formel: [PO(C2H5)?]?A”’g + 2 OH? verlangt 36,8 °/, Ag. 3. Das Zinksalz der Diaethylphosphorsäure wurde durch Behandeln der wässrigen Lösung des Aethers der Pyrophosphor- säure mit Zinkcearbonat erhalten. Die stets sauer reagirende Lö- sung liefert ziemlich grosse wasserhelle concentrisch gruppirte Na- deln, welche an der Luft beständig sind, bei 100° ihr Krystall- wasser verlieren und bei 135 ° sich zersetzen. 0,1787 Grm. gaben nach 12stündigem Trocknen bei 100° ab 0,0707 Grm. = 36,9 /, Wasser. 0,2135 Grm. wasserfreie Substanz lieferten 0,0455 Grm. Zink- oxyd, entsprechend 17,1°/, Zink und 0,1299 Grm. Magnesiumpyro- phosphat, entspr. 17,0°/, Phosphor. Die Formel: [PO+(C2H>)?]?Zn -+5 OH? verlangt: 17,6], Zink und 16,7 °/, Phosphor. b) Verhalten beim Erhitzen. Versucht man den Pyrophosphorsäureaether zu destilliren, so geht bis 205 nur sehr wenig eines alkoholischen Destillates über, von da an bis 217° aber etwa ?/, der ursprünglich ange- wandten Menge, während der schwarz gewordene Rest dann sehr zu schäumen beginnt. Das Uebergegangene erweist sich bei der Rectification als aus gewöhnlichem Phosphorsäureaether be- stehend vom Siedepunkt 214-215 °, während der Rückstand Mo- naethylphosphorsäure neben gewöhnlicher Phosphorsäure und abgeschiedene Kohle enthält. Die Monaethylphosphorsäure und die Phosphorsäure wurden durch Behandeln ihrer filtrirten wäss- rigen Lösung mit überschüssigem Baryumcarbonat als lösliches resp. unlösliches Salz erhalten. Die Krystalle des ersteren konnten auf 150 ° ohne Verlust erhitzt werden und enthielten 52,1 °/, Baryum; ber. 52,4 °/, Ba. Diese Zersetzung des Pyrophosphorsäureaethers ist offenbar an die tiefer gehende Zersetzung eines Theils desselben unter Kohle- abscheidung und Bildung von Wasser geknüpft, welches letztere dann Diaethylphosphorsäure erzeugt, die nun, wie ihre Salze in 3% 36 Dr. G. E. Abbot, den neutralen Aether der dreibas. Phosphorsäure und in Monae- thylphosphorsäure zerfällt. Die Einwirkung des Pyrophosphorsäurechlorides auf Natriumalkoholat wurde in folgender Weise ausgeführt. Das aus abs. Alkohol und Natrium in einer Retorte bereitete Natrium- alkoholat, das durch Erhitzen auf 170-180 im Wasserstoffstrom von Alkohol völlig befreit worden war, wurde mit abs. Aether und zwar der fünffachen Volummenge vom berechneten Chlorid über- gossen, da sich gezeigt hatte, dass die Einwirkung des Chlorids auf das Natriumalkoholat für sich eine so heftige ist, dass Schwär- zung eintritt. Das Chlorid wurde nun, nachdem die Retorte mit einem umgekehrten Kühler verbunden worden war, aus einem Scheidetrichter langsam zutropfen gelassen. Die Einwirkung war immer noch recht lebhaft. Anfänglich wurde die Retorte in kal- tes Wasser gestellt, später wurde das Wasser bis zum Sieden des Aethers erhitzt und öfters geschüttelt. Die Einwirkung wurde als vollendet angesehen, als alles Natriumalkoholat verschwunden und nur pulveriges Kochsalz vorhanden war. Nach längerem ruhigem Stehen wurde unter einer Glasglocke neben Chlorcaleium die Flüs- sigkeit abfiltrirt, und das Kochsalz mit abs. Aether nachgewaschen. Der Aether wurde bei möglichst niederer Temperatur aus dem Wasserbade abdestillirt und der dickflüssige Rückstand über Schwe- felsäure gestellt. Derselbe reagirte stark sauer, stärker als das aus dem Silbersalz und Jodaethyl erhaltene Product. Ein Theil davon wurde in kaltem Wasser gelöst und mit Cal- ciumcarbonat neutralisirt. Die erhaltene Lösung lieferte über Schwefelsäure eingedunstet weisse seidenglänzende, luftbeständige concentr. gruppirte Nadeln, welche sich sehr leicht in Wasser und verdünntem Alkohol, schwer in absol. Alkohol lösten. Aus den beiden ersten Lösungsmitteln sind die Krystalle stets wohl ausge- bildet zu erhalten. Nach längerem Stehen über Schwefelsäure wurde es auf 160° erhitzt, ohne eine Gewichtsabnahme zu erlei- den. Wird die Temperatur etwas höher, so treten weisse aethe- risch riechende Dämpfe auf. Nach dem Glühen hinterblieb ein dunkler die Form der Krystalle grossentheils noch zeigender Rückstand. Bei der Analyse gab es folgende Werthe: 0,1056 Grm. verloren beim Glühen 0,045 Grm. — 42,5 °/, und lieferten 0,0423 Grm. Calciumsulfat entspr. 11,8 °/, Caleium, sowie 0,0666 Grm. Magnesiumpyrophosphat entspr. 17,6 °/, Phosphor. Das diaethylphosphorsaure Calcium verlangt: 42,2 /, Glüh- Zur Kenntniss des Pyrophosphorsäure-Aethers. 37 rückstand , 11,6 °/, Caleium und 17,9°/, Phosphor. Darnach un- terliegt es also keinem Zweifel, dass dieses Salz diaethylphos- phorsaures war. Ein anderer Theil des erhaltenen sauren Productes wurde der Destillation unterworfen. Bis nach 205° ging nur wenig eines alkoholischen eigenthümlich scharf riechenden Productes über, von 205—217° etwa ?/, der angewandten Menge, während ein schwarzer stark schäumender dicker Rückstand blieb. Die Zer- setzung unter Schwärzung beginnt, wenn das Thermometer 180 ® zeigt. Das destillirte Hauptproduct erwies sich all seinen Figen- schaften nach als dreibasischer Phosphorsäureaether. Der saure Rückstand wurde in Wasser gelöst, von der Kohle durch Filtration getrennt und mit Baryumcarbonat neutralisirt. Das erhaltene Salz ergab bei der Analyse: 52,6 °/, Baryum, war also monaethylphos- phorsaures Baryum, welches 52,4 °/, verlangt. Da, wie aus dem Vorhergehenden ersichtlich ist, das aus dem Pyrophosphorsäurechlorid und Natriumalkoholat erhaltene Product sowohl in seinem Verhalten zu Wasser, als auch beim trocknen Er- hitzen sich genau so verhält wie der aus Argentipyrophosphat und Jodaethyl entstehende Pyrophosphorsäureaether, so kann kein Zwei- fe] sein, dass dies Product ebenfalls Pyrophosphorsäure- aether und dass das von Geuther und Michaelis dargestellte Chlorid das wirkliche Chlorid der Pyrophosphorsäure ist. Dass der aus dem Chlorid erhaltene Pyrophosphorsäureaether stärkere sauere Reaction zeigt, also eine grössere Menge von of- fenbar durch Feuchtigkeit entstandener Diaethylphosphorsäure ent- hält ist leicht begreiflich, da einestheils das Chlorid sehr leicht Feuchtigkeit anzieht und anderntheils die Bereitung des Natrium- alkoholats ohne Zutritt geringer Wassermengen gar nicht mög- lich ist. Jena, Oktober 1875. Ueber ein neues Derivat der Sulfoessigsäure, die Diaethyl-Essig-Dischwefelsäure. Von Dr. 6. Laube. Nach den Versuchen von R. Siemens!) erhält man bei der Einwirkung von Phosphorpentachlorid auf Natriumsulfoacetat ne- ben Phosphortrichlorid und Phosphoroxychlorid eine bei 150°—135%, im leeren Raum destillirende Flüssigkeit, welche das Chlorid einer Monochlorsulfoessigsäure darstellt. Dasselbe geht mit Zinn und Salzsäure in Thioglycolsäure über. Bei dieser letzteren Einwir- kung wird also nicht bloss das substituirte Chlor gegen Wasser- stoff ausgewechselt, sondern es wird auch der Sauerstoff der Sul- fongruppe mit herausgenommen. Zwischen der Sulfoessigsäure und der Thioglycolsäure liegen nun noch zwei Zwischenglieder, welche durch reducirende Mittel zu erhalten vielleicht möglich ist: Vv IV I C?H3(SO>M)0®; C2H:(SO2H)O?; C?H?(SOH)O? ; C?H3(SH)O?. Sulfoessigsäure Thioglycolsäure. Ob eines dieser Zwischenglieder oder alle beide sich durch die Einwirkung von Natriumamalgam auf eine wässrige Lösung des Natriumsalzes der Sulfoessigsäure erzeugen liessen, das zu erfahren war der Zweck der nächstfolgenden Versuche, welche ich auf Veranlassung des Hrn. Prof. Geuther unternommen habe. Von reinom sulfoessigsauren Baryt, dessen Wassergehalt zu 6,2 Proc. (ber. 6,1 Proc.) und dessen Baryumgehalt zu 49,6 Proc. und 49,7 Proc. (ber. 49,3 Proc.) gefunden worden war, wurden 100 Grm. mit 98 Grm. reiner krystallisirter Soda in wässriger Lö- sung bis zur vollständigen Umsetzung gekocht. Nach dem Abfil- 1) Ber, d, deutsch. chem. Gesellsch. 1873, 659. Ueber ein neues Derivat der Sulfoessigsäure u. s. w. 39 triren des gebildeten Baryumcarbonats wurde die Lösung etwas concentrirt und mit 400 Grm. frischbereiteten 4proc. Natriumamal- gams in der Kälte behandelt, eine Menge, gerade ausreichend, um der in 100 Grm. Baryumsalz enthaltenen Sulfoessigsäure 1 Mgt Sauerstoff entziehen zu können. Nachdem sich nach einigen Ta- sen das Amalgam zersetzt hatte, wurde die filtrirte Flüssigkeit mit 137 Grm. destillirter Schwefelsäure versetzt, um hierdurch das Natrium des Salzes sowohl, als auch das des Amalgams in saures Sulfat zu verwandeln. Die Flüssigkeit wurde nun im Wasserbade bis zur Trockne eingedampft und der Rückstand in einer Koch- flasche mit abs. Alkohol übergossen, mehrere Tage lang digerirt, so lange nämlich bis das erst mehr zusammengebackene Salz völ- lig zerfallen war. Hiernach wurde filtrirt, das Filtrat durch De- stillation im Wasserbade von seinem Alkohol befreit und der saure oelartige Rückstand nach dem Vermischen mit Wasser durch rei- nes Baryumcarbonat neutralisirt. Das vom überschüssigen Baryum- carbonat und etwas vorhandenen Baryumsulfat getrennte Filtrat enthielt viel Baryum in Lösung und wurde auf dem Wasserbade eingedampft. Dabei wurde eine geringe Zersetzbarkeit des Salzes unter Abscheidung von Baryumsulfat beobachtet, wesshalb die concentrirte Lösung über Schwefelsäure in der Kälte zum Krystal- lisiren gebracht wurde. Die bis zum letzten Tropfen dieselben Krystalle liefernde Lö- sung gab eine beträchtliche Menge von Baryumsalz, das in schö- nen grossen farblosen monoklinen Tafeln erschien, die etwa in der gleichen Menge kalten Wassers löslich waren. Von Alkohol wird es nur wenig gelöst. Im Glasrohr erhitzt schmilzt es, bläht sich dann auf und entwickelt aetherisch riechende Dämpfe, zuletzt tritt Verkohlung ein unter Entwicklung von schwefliger Säure. Der kohlige Rückstand enthält Baryumsulfat, Baryumsulfit und Ba- ryumsulfid. Das vollkommen lufttrockne Salz verliert über Schwefelsäure sehr wenig an Gewicht und verändert sein Ansehen nicht, so dass dieser Verlust nur auf Rechnung von hygroscopischem Wasser zu setzen ist. Die Analysen, welche mit über Schwefelsäure bis zum con- stanten Gewicht getrocknetem wohl krystallisirtem Salze ausgeführt wurden, ergaben folgende Resultate: I. a. 0,5645 Grm. Salz lieferten beim Verbrennen mit Bleichro- mat 0,333 Grm. Kohlensäure und 0,1572 Grm. Wasser, entspr. 16,1 Proc. Kohlenstoff und 3,1 Proc. Wasserstoff. 40 Dr. G. Laube, b. 0,2365 Grm. Salz in Wasser gelöst und mit Schwefelsäure ge- I fällt ergaben 0,125 Grm. SO*Ba? entspr. 31,1 Proc. Baryum. c. 0,2265 Grm. Salz mit reiner Soda und Kaliumchlorat zusam- mengeschmolzen ergaben nach dem Behandeln der Schmelze mit Salzsäure und Zusatz von überschüssigem Baryumchlorid it 0,242 Grm. SO*Ba? entsprechend 14,6 Proc. Schwefel. II. a. 0,5765 Grm. Salz lieferten mit Kupferoxyd und vorgelegtem Bleichromat verbrannt: 0,2195 Grm. Kohlensäure und 0,1130 Grm. Wasser, entsprechend 15,9 Proc. Kohlenstoff und 3,5 Proc. Wasserstoff. b. 0,212 Grm. Salz in Wasser gelöst und durch Schwefelsäure ge- fällt ergaben 0,112 Grm. SO*Ba? entspr. 31,1 Proc. Baryum. c. 0,414 Grm. Salz, wie oben mit reiner Soda und Kalium- chlorat geschmolzen , etc. ergaben 0,440 Grm. SO*Ba? ent- sprechend 14,6 Proc. Schwefel. Aus diesen Resultaten ergibt sich für das Salz die Formel: I I I C>H’SO5Ba oder richtiger: C6H1?S?0O!0Ba? — C$H!2?3S?0°Ba2 I I + OH?, d. i. — C?H2(SO°Ba)Ba0? + SO:(C?H5)? + OH2, wie folgende Zusammenstellung zeist: ber gef I II Ba ad, 190 Fe STE 2: 00, St, 23 Sa 146 146 010 — 35,8 “ di 100,0 Sieht man von dem einen Mischungsgewicht Krystallwasser, welches ohne Zersetzung des Salzes nicht ausgetrieben werden kann, ab, so bleibt wie oben schon angedeutet, eine Zusammen- setzung für dasselbe übrig, welche es als aus gleichen Mi- schungsgewichten von neutralem Baryumsulfoacetat und neutralem Aethylsulfat bestehend, erscheinen lässt. Es wird weiter unten gezeigt werden, dass das Verhalten seiner wäss- rigen Lösung in der Siedhitze dieser Auffassungsweise entspricht. Als Ganzes betrachtet erscheint es also als das Salz einer zwei- basischen: Diaethyl-Essig-Dischwefelsäure. Das Baryum in dieser Verbindung lässt sich leicht durch an- En Ueber ein neues Derivat der Sulfoessigsäure u s. w. 41 dere Metalle auswechseln und so können andere Salze der Säure erzeugt werden. Die im Folgenden beschriebenen zeichnen sich durch eine grössere Löslichkeit in Wasser und durch eine leich- tere Zersetzbarkeit ihrer wässrigen Lösung aus, als das Baryum- salz, wesshalb sie nicht in dem zur Analyse ganz passenden Zu- stand erhalten werden konnten. Das Natriumsalz wurde durch doppelte Zersetzung des Baryumsalzes mit Natriumearbonat erhalten. Es ist ziemlich be- ständig; seine Lösungen lassen sich auf dem Wasserbade bis zur Syrupsconsistenz ohne Zersetzung eindampfen. Längere Zeit im Luftbade auf 100° erhitzt, zersetzt es sich. In Wasser ist es ausserordentlich löslich, auch in Alkohol löst es sich leicht. Im Vacuum scheint es sein Krystallwasser zu verlieren. Das so ge- trocknete Salz ergab einen Natriumgehalt, wonach demselben die Formel: C6H!?Na?S?0° zukommt. Das Magnesiumsalz, durch doppelte Zersetzung des Ba- ryumsalzes mittelst Magnesiumsulfates erhalten, lässt sich aus sei- ner wässrigen Lösung nur durch Abdampfen derselben in der Kälte unter der Luftpumpe erhalten. Es bildet prismatische Krystalle. Das Zinksalz wurde auf analoge Weise wie das vorherge- hende dargestellt. Es krystallisirt in Nadeln. Längere Zeit über Schwefelsäure gestellt, zersetzt es sich, denn nun gibt seine Lö- sung mit Baryumchlorid einen Niederschlag von Baryumsulfat. Das Kupfersalz, auf analoge Weise dargestellt, krystalli- sirt in monoklinen Prismen, die sich über Schwefelsäure allmäh- lig zersetzen. Das Bleisalz wurde durch Zersetzen der wässrigen Lösung des Baryumsalzes mittelst überschüssiger verdünnter Schwefelsäure, Filtriren und Sättigen des Filtrates mit überschüssigem Bleicarbo- nat dargestellt. Es verhält sich wie das Zinksalz. Das Silbersalz wurde aus der Lösung des Bleisalzes durch Behandeln derselben mittelst Schwefelwasserstoff und Sättigen der bleifreien sauren Flüssigkeit mit Argenticarbonat erhalten. Es ist sehr unbeständig, indem sich schon seine verdünnte Lösung zersetzt. Die Zersetzung des Baryumsalzes durch siedendes Wasser ist oben schon erwähnt worden. Um diese Zersetzung in der Wärme genau kennen zu lernen, wurde mit abgewogenen Mengen operirt. Zunächst wurde das Salz für sich angewandt. 10 Grm. 42 Dr. G. Laube, wohlgetrocknetes Baryumsalz wurden nach dem Pulvern in einem Destillationskölbehen bis auf 120% mehrere Stunden lang erhitzt. Hierbei gingen nur einige Tropfen einer ätherisch riechenden, brennbaren Flüssigkeit über, die sich leicht als vorzüglich aus Alkohol bestehend erkennen liess. Nun wurde der trockne Rück- stand mit Wasser übergossen und aus dem Oelbad bis zur Trockne destillirt. Das erhaltene Destillat, welches den Geruch des Alkohols besass, wurde nun rectifieirt, zuletzt über Aetzkalk, bis alles Wasser entfernt war, und so erhalten 1,2 Grm. zwischen 75—80° Destillirenden, das alle Eigenschaften des reinen Al- kohols besass. Die im Destillationskölbchen verbliebene feste Substanz wurde mit Wasser ausgekocht und das gebildete unlös- liche Baryumsulfat getrocknet und gewogen. Seine Menge betrug 5 Gramme. Das davon abgelaufene saure Filtrat wurde mit Ba- ryumcarbonat gesättigt und die erhaltene Lösung in einem gewo- genen Becherglase im Wasserbade zur Trockne gebracht. Die Menge des in schönen weissen Blättchen zurückbleibenden Salzes betrug 6,7 Grm. Bei einem zweiten Versuch die Zersetzung und ihre Producte zu erforschen wurden angewandt 4,3 Grm. Salz. Es wurde auf dieselbe Weise verfahren. Das Auftreten des Alkohols wurde con- statirt, indess seine Menge nicht bestimmt. Erhalten wurden 2,97 Grm. Baryumsulfat und 2,9 Grm. schliesslich beim Eindam- pfen zurückbleibendes lösliches Baryumsalz. Diese Thatsachen zeigen, dass die Zersetzung des Salzes of- fenbar nach der Gleichung: G°H!?Ba?S?0° +20H? = 20?H$0 + S0*Ba? + C?H3(SO3H)O? verlaufen sein wird, dass also das nach der Neutralisation mit Baryumcarbonat nach dem Eindampfen verbliebene krystallinische Salz: Sulfoessigsaurer Baryt sein musste. Für 10 Grm. angewandtes Baryumsalz berechnen sich nach dieser Zersetzung: gefunden Alkohol: 2,0 Grm.; 12 Grm. Baryumsulfat: DER DA Baryumsulfoacetat: 6,6 „5.67 „ Für 4,3 Grm. angewandtes Baryumsalz berechnen sich: gefunden Baryumsulfat: 25. Grm. ;». 257. Geis Baryumsulfoacetat: 3,1 „5 29 ,„ Ueber ein neues Derivat der Sulfoessigsäure u. s. w. 45 Dass die bei der Zersetzung des Baryumsalzes der Diaethyl- Essig-Dischwefelsäure durch Wasser neben Alkohol und Baryum- sulfat entstehende Säure wirklich Sulfoessigsäure und zwar sehr reine Säure ist, zeigen die nachfolgenden Versuche. Das Baryumsalz dieser Sulfoessigsäure krystallisirt in klei- nen, stark lichtbrechenden monoklinen Tafeln, welche trocken Perl- mutterglanz zeigen. Es erträgt eine Temperatur von 240— 250 °; stärker erhitzt bläht es sich auf unter Entwicklung von schwefliger Säure und Hinterlassung eines aus Kohle, Baryumsulfat, Baryum- sulfit und Baryumcarbonat bestehenden Rückstandes. In Wasser ist es schwer löslich, in mit Salzsäure angesäuertem leicht. Die Analyse ergab folgende Resultate: I. a. Das Salz verliert sein Krystallwasser schon vollständig Me: bei 130°, denn 0,745 Grm. desselben verloren bei dieser Temperatur 0,0455 Grm. —= 6,1 Proc. Wasser und nichts weiter beim Erhitzen auf 220°. . 0,6862 Grm. Salz mit Bleichromat verbrannt lieferten 0,1962 Grm. Kohlensäure, entspr. 7,8 Proc. Kohlenstoff und 0,0922 Grm. Wasser = 13,4 Proe. Nach Abzug von 6,1 Proc. Kry- stallwasser verbleiben also noch 7,3 Proc. Wasser, entspr. 0,8 Proc. Wasserstoff. . 0,336 Grm. Salz in salzsäurehaltigem Wasser gelöst und mit Schwefelsäure gefällt, lieferten 0,266 Grm. Baryumsulfat, entspr. 46,5 Proc. Baryum. . 0,577 Grm. Salz mit Soda und Kaliumchlorat geschmolzen, die Schmelze gelöst mit Salzsäure angesäuert und mit Ba- ryumchlorid versetzt lieferten 0,452 Grm. Baryumsulfat, entspr. 10,7 Proc. Schwefel. 0,372 Grm. Salz lieferten beim Verbrennen mit Bleichromat 0,1055 Grm. Kohlensäure , entspr. 7,3 Proc. Kohlenstoff und 0,0595 Grm. Wasser entspr. 16,0 Proc. Nach Abzug von 6,1 Proc. Krystallwasser verbleiben also 9,9 Proc. Wasser, entspr. 1,1 Proc. Wasserstoff. . 0,502 Grm. Salz gaben nach dem Fällen des Baryums durch Schwefelsäure 0,398 Grm. Baryumsulfat, entspr. 46,6 Proc. Baryum. . 0,268 Grm. Salz gaben nach dem Schmelzen mit Soda und Kaliumchlorat ete. 0,2045 Grm. Baryumsulfat, entspr. 10,5 Proc. Schwefel. 4 Dr. G. Laube, ber. sefunden Bub 1 era —=082 7,8 7,8 Henn 0,8 IE Ba? — 46,8 46,5 46,6 S =>40,9 10,7 10,5 05 = 273 Be >. oH2=ei161 6,1 — 100,0 Daraus ergibt sich also, dass auch die Zusammensetzung die- ses Baryumsalzes mit der des gewöhnlichen sulfoessigsauren Ba- ryts übereinstimmt. In zwei Dingen nur zeigt dasselbe ein ab- weichendes Verhalten von dem gewöhnlichen aus Eisessig und Schwefelsäureanhydrid dargestelltem, einmal nämlich im Betreff der Temperatur, bei welcher es das Krystallwasser verliert, und so- dann im Betreff seiner Löslichkeit in Wasser. Vergleichende Ver- suche haben gezeigt, dass das Baryumsalz derjenigen Sulfoessig- säure, welche aus Eisessig und Schwefelsäureanhydrid dargestellt wurde, erst bei 190° seinen Krystallwassergehalt vollständig ver- liert und nicht schon bei 130°, wie das obige Salz und dann, dass das obige Salz sich erst, in 300 Th. Wassers löst, während das gewöhnliche Salz nur 210 Th. Wassers von derselben Tempe- ratur zur Lösung bedarf. Um zu sehen, ob dies verschiedene Verhalten der Baryum- salze in einer Verschiedenheit der Säuren, oder aber nur in einem verschiedenen Zustand der Reinheit der Salze begründet sei, wur- den noch folgende Versuche angestellt. Aus der bei der Zersetzung des Diaethyl-Essig-Dischwefel- säure-Baryts erhaltenen Säure wurden zunächst folgende Salze dargestellt: 1. Das Bleisalz auf die Weise, dass das Baryumsalz mit etwas überschüssiger Schwefelsäure versetzt, dann filtrirt wurde und das Filtrat mit überschüssigem Bleicarbonat behandelt ward. Aus dem Filtrat krystallisirte ein dem sulfoessigsauren Blei gleich gestaltetes Salz, in zu Drusen vereinigten monoklinen Prismen, welche Krystallwasser enthalten. Dasselbe geht erst vollständig bei 150° fort, obwohl Melsen für das gewöhnliche sulfoessigsaure Blei angiebt, dass es sein Krystallwasser schon bei 130° verliere. Im Uebrigen stimmen beide Salze aber in ihren Eigenschaften überein. Ueber ein neues Derivat der Sulfoessigsäure u. s. w. 45 2. Das Silbersalz wurde erhalten, indem die durch voll- ständiges Zersetzen des Bleisalzes mit Schwefelwasserstoff in Frei- heit gesetzte Säure mit Argenticarbonat gesättigt wurde. Nach dem Eindampfen krystallisirte dasselbe in monoklinen stark perl- mutterglänzenden Blättchen oder je nach der Concentration in Na- deln. . Im leeren Raum verliert es gerade wie das gewöhnliche sulfoessigsaure Silber sein Krystallwasser, von dem es 4,9 Proc. oder 1 Mgt. enthält, wobei es porzellanartig undurchsichtig wird. Dasselbe geschieht im Luftbade bei 100°. Trocken erhitzt schwillt das Salz auf unter Entbindung von Essigsäuredämpfen, gerade wie es das gewöhnliche Salz thut. In Wasser ist es leichter lös- lich, wie das Blei- oder Baryum-Salz, Ein weiterer Versuch, welcher über die Identität beider Säu- ren Rechenschaft ablegen musste, war der, zu versuchen, ob aus dem Natriumsalz der durch Zersetzung erhaltenen Säure auf gleiche Weise dieselbe Diaethyl-Essig-Dischwefelsäure wieder entstände, wie sie aus dem Natriumsalz der gewöhnlichen Sulfoessigsäure ent- standen war. Zu dem Zwecke wurde dasselbe wie früher mit Na- triumamalgam behandelt und genau wie früher verfahren. Es re- sultirte dasselbe Baryumsalz mit ganz denselben Eigenschaften, wie früher. Seine Analyse ergab: 16,2 Proc. Kohlenstoff, 3,2 Proc. Wasserstoff, 30,8 Proc. Baryum und 14,6 Proc. Schwefel. Dieser Versuch scheint den untrüglichen Beweis zu liefern, dass die durch Zersetzung entstandene Sulfoessigsäure in der That identisch mit der auf andere Weise erhaltenen ist und dass die vorzüglich beim Baryumsalz beobachteten Verschiedenheiten auf eine verschiedene Reinheit der Salze zurückzuführen sind. Was nun die Entstehungsweise der Diaethyl-Essig- Di- schwefelsäure anlangt, so leuchtet ein, dass das Natriumamalgam daran keinen Antheil hat, dass vielmehr dasselbe auf das Natrium- salz der Sulfoessigsäure ganz ohne Wirknng ist. Die Bildung der Säure kann nur stattgefunden haben da, wo die Sulfoessigsäure aus ihrem Natriumsalz durch Schwefelsäure in Freiheit gesetzt, nach dem Eindampfen der Masse, welche gleichzeitig saures Na- triumsulfat enthielt, mit Alkohol digerirt wurde. Da waren die Bedingungen zur Bildung von Schwefelsäure-Aether gegeben. Ver- hielt sich diess so, so musste die neue Säure sich auch durch Zusammenreihen eines Gemisches von Natriumsulfoacetat mit über- schüssigem saurem Natriumsulfat und Digestion dieses Gemenges mit absol. Alkohol erzeugen lassen, was in der That der Fall ist. Es konnte auf diese Weise das Baryumsalz mit all seinen Eigen- 46 Dr. G. Laube, Ueber ein neues Derivat d. Sulfoessigsäure u. s. w. schaften auch ohne Natriumamalgam erhalten werden. Der Ba- ryumgehalt des so dargestellten Salzes wurde zu 30,8 Proc. ge- funden, während sich 30,7 Proc. berechnen. Vermeidet man die Bildung von saurem Natriumsulfat, indem man zu der mit Natriumamalgam behandelten Salzlösung nicht Schwefelsäure fügt, sondern Kohlensäure einleitet, dann zur Trockne verdampft und mit Alkohol behandelt, so löst sich keine Spur auf, ein Zeichen, das also das Natriumsalz der neuen Säure, welches in Alkohol löslich ist, nicht gebildet sein kann. Was nun die Constitution der neuen Säure anlangt, so sind zwei Möglichkeiten vorhanden, entweder ist der zur Sulfoes- sigsäure hinzugegangene Schwefelsäure- Aether an die Carboxyl- Gruppe oder aber an die Sulfon-Gruppe derselben gefügt. Ist Ersteres der Fall, so muss auch bei Anwendung einer Säure ohne die Sulfongruppe, also bei Anwendung von Essigsäure für sich, d.h. wenn ihr Natriumsalz mit saurem Natriumsulfat zusammen gerieben und mit absol. Alkohol digerirt wird, eine neue analoge Säure von der Constitutionsformel: CH?° —0—- 040 ET N) 0C2H5 OH 0C2H> entstehen, was aber, wie der Versuch gezeigt hat, nicht der Fall ist, indem dabei einfach nur Essigsäure in Freiheit gesetzt, resp. Essigaether gebildet wird. Ist Letzteres aber der Fall, so werden nur die Sulfosäuren derartige neue Säuren zu bilden vermögen, wie es in der That der Fall ist. Die Constitutionsformel der neuen Säure muss also sein: 10) OÖ N — 0 — a 002H3 — 0 — Y 002H? GysH2 OH 10) OH d.h. sie ist in der That eine Diaethyl-Essig-Dischwefel- säure. Schliesslich verfehle ich nicht meinem hochverehrten Lehrer Hrn. Prof. Geuther für den mir auch bei dieser Untersuchung gewährten freundlichen Rath meinen besten Dank zu sagen. Jena, November 1875. Ueber die Darstellung einiger Metallalkoholate. Von Dr. R. Saenger. Von den Metallalkoholaten sind bis jetzt bekannt das Ka- lium-, Natrium- und Thallium-Alkoholat, welche einfach durch Eintragen dieser Metalle in absoluten Alkohol unter Was- serstoffentwickelung gebildet werden, das Aluminium-Alko- holat, welches bei der Einwirkung von alkoholischer Jodlösung auf fein vertheiltes Aluminium neben anderen Produkten entste- hen soll, das Zink-Alkoholat, welches auf directem Wege noch nicht dargestellt, sondern nur durch langsame Oxydation des in Aether gelösten Zinkaethyls erhalten worden ist, und das Ba- ryum-Alkoholat, welches durch Einwirkung von Aetzbaryt auf absoluten Alkohol entsteht. Ich habe versucht Alkoholate der schweren Metalle durch die Einwirkung ihrer Chloride auf Natriumalkoholat zu erhalten. Da- bei hat sich gezeigt, dass in vielen Fällen die Umsetzung in dem Sinne wirklich erfolgt, dass aber die meisten so erzeugten Alko- holate in Alkohol unlöslich sind und von dem mitgebildeten Koch- salz nicht getrennt werden können. Um ihre Bildung aber den- noch nachweisen zu können, wurde, nachdem aller Lösungsalkohol durch Destillation im Wasserbade und Wasserstoffstrom entfernt war, der verbleibende Rückstand mit Wasser zersetzt, der Alkohol abdestillirt und nach öfteren Rectificationen für sich, zuletzt über Kalk, absolut gewonnen und bestimmt. Die durch Zersetzung ebenfalls entstandenen Metallhydroxyde wurden dann durch Aus- waschen von Natriumchlorid befreit und gewogen. Aus dem Ver- hältniss des Gewichtes vom erhaltenen Alkohol zu dem der ent- standenen Metallhydroxyde ergab sich die Zusammensetzung der betreffenden Alkoholate. 48 Dr. R. Saenger, I. Einwirkung von Ferrichlorid auf Natriumalkoholat bei Gegenwart von Alkohol. Absoluter Alkohol wurde unmittelbar vor dem Versuche län- gere Zeit über Kalk gekocht und dann sofort in eine Retorte destillirt, an deren Halsende sich ein Chlorcaleiumrohr befand. In dem so erhaltenen ganz wasserfreien Alkohol wurde dann Na- trium eingetragen unter Zuleiten von Wasserstoffgas, welches, um es völlig trocken zu erhalten, durch 2 Chlorcaleiumröhren geleitet wurde. Auf dieses so erhaltene Natriumalkoholat wurde nun die berechnete Menge von ganz frisch bereitetem sublimirten Ferri- chlorid einwirken gelassen. Es entstand unter heftiger Einwirkung und Erhitzung eine braunrothe Masse, die mit einer braunen Flüs- sigkeit überschichtet war. Hierauf wurde längere Zeit am umge- kehrten Kühler im Wasserbad erhitzt und dann nach dem Absitzen die entstandene braune Flüssigkeit von der rothbraunen Masse in eine andere Retorte abgegossen. Da die braune Lösung aber noch deutlich alkalisch reagirte, wurde abermals 1 Gr. Ferrichlorid hin- zugefügt, wobei abermals Erhitzung eintrat. Nachdem wiederum am umgekehrten Kühler im Wasserbad erhitzt worden war, reagirte die Flüssigkeit ganz neutral, es hatte sich abermals eine braun- rothe Masse abgeschieden. Die braune Flüssigkeit wurde wieder abgegossen und durch Nachwaschen mit absolutem Alkokol von dem Unlöslichen genau getrennt. 1. Untersuchung der braunen Lösung. Von derselben wurde der Alkohol aus dem Wasserbade abde- stillirt und die letzten Spuren davon durch Zuleiten von ganz trockenem Wasserstoffgas aus der Retorte entfernt. Der braun- schwarze Rückstand wurde hierauf mit Wasser versetzt, längere Zeit am umgekehrten Kühler im Oelbad bis zum Kochen erhitzt und dann destillirt. Das Destillat wurde hierauf durch so lange fortgesetzte Rectification über Kalk, bis keine Spur Kalk mehr gelöscht wurde, vom Wasser befreit. Es bestand aus 3,6 Gr. Alkohol. Der in der Retorte gebliebene Rückstand wurde dann filtrirt, über Schwefelsäure getrocknet und gewogen. Er hatte ein Ge- wicht von 3 Gr. Eine Probe hiervon 0,4745 Gr. wurde dann bis zum constan- ten Gewicht geglüht, sie verlor 0,0481 Gr. OH? oder 10,1 °/,. Ueber die Darstellung einiger Metallalkoholate. 49 Es entspricht dieser Wasserverlust nahezu dem von FeO°H, denn dieses verlangt 11,2°/, OH?. Für die Verbindung: Fe(OC?H5)3 berechnen sich: 4,4 Gr. Al- kohol, während 3,6 Gr. erhalten wurden. Es unterliegt also kei- nem Zweifel, dass der in Alkohol gelöste braune Körper der Haupt- sache nach die obige Zusammensetzung besitzt. 2. Untersuchung des braunrothen Niederschlages. Von demselben wurde ebenfalls der Alkohol abdestillirt und derselbe, nachdem er vollkommen frei von anhängendem Alkohol erhalten war, mit Wasser zersetzt. Der Alkoholgehalt, nach der vorhergehenden Art und Weise bestimmt, betrug 2,8 Gr. Der Rückstand wurde hierauf abfiltrirt, mit heissem Wasser so lange ausgewaschen, bis sämmtliches Natriumchlorid entfernt worden war, über Schwefelsäure getrocknet und dann gewogen. Es wur- den 6 Gr. erhalten. Derselbe hatte die Zusammensetzung: FeO°?H. War die Zusammensetzung des neben dem Kochsalz entstan- denen braunen Niederschlages Fe so mussten bei der Zer- 6) 002H>” setzung neben 6 Gr. FeO?2H erhalten werden 3,1 Gr. Alkohol, er- halten wurden in der That: 2,3 Gr. Der braune Niederschlag hatte also die angegebene Zusammensetzung. Ein anderer Theil des braunrothen Niederschlages wurde un- ter der Luftpumpe vollkommen getrocknet und dann im Röhrchen erhitzt. Es entwich Alkohol, der sowohl durch den Geruch, als auch dadurch erkannt werden konnte, dass er mit schwach leuch- tender Flamme brannte. Dass auch bei ‘der Zersetzung der ersteren Verbindung Fe(OC?H>5)® durch Wasser das Ferrimonhydroxyd und nicht das Ferriperhydroxyd, wie erwartet werden sollte, erhalten wurde, rührt daher, dass das Ferriperhydroxyd bei 100° nicht bloss im tro- ckenen Zustande, sondern auch, wenn es mit Wasser gekocht wird, in Ferrimonhydroxyd übergeht, wie ich mich durch einen besonderen Versuch, bei welchem durch Ammoniak gefälltes Per- hydroxyd angewandt wurde, überzeugt habe. Bei der Einwirkung von sublimirtem reinen Ferrichlorid auf Natriumalkoholat entsteht nach dem Vorhergehenden also durch Auswechslung der 3 Mgte Chlor gegen Aethoxyl das Ferri-tri- Alkoholat: Fe(OC2H°)3, welches in Alkohol löslich ist und durch Wasser in Alkohol und Ferriperhydroxyd zersetzt wird. Gleichzeitig bildet sich aber auch, da bei der Einwirkung von Bd. XII. N. F. VL1. 4 50 Dr. R. Saenger, Natrium auf Alkohol das Wasser nicht ganz auszuschliessen ist, Ferri-mon-Alkoholat neben Alkohol nach der Gleichung Fe(0C?H5)? — OH? = FeO(0C?H5) + 2 C?H°O, welches in Al- kohol unlöslich ist. II. Einwirkung von Chromichlorid auf Natriumalkoholat bei Gegenwart von Alkohol. Es wurde analog, wie bei dem vorigen Versuch verfahren. 7 Gr. violettes Chromichlorid wurde auf Natriumalkoholat einwir- ken gelassen, welches aus 3 Gr. Natrium bereitet worden war. Das angewandte Chromichlorid wurde vor dem Eintragen längere Zeit auf 100° erhitzt und fein gepulvert angewandt. Erst nach- dem 3 Tage lang am umgekehrten Kühler im Wasserbad erhitzt worden war, hatte die Umsetzung fast ganz stattgefunden. Es war eine dunkelgrüne Lösung und ein hellgraugrüner Rückstand entstanden. Die dunkelgrüne Lösung wurde hierauf in eine andere Retorte übergegossen und durch Nachspülen mit absolutem Al- kohol genau getrennt. 1. Untersuchung des hellgrünen Rückstandes. Nachdem aller Alkohol abdestillirt war, wurde der Rückstand mit Wasser zersetzt und ergab 2 Gr. Alkohol, während ein grau- blaues Pulver, welches analog der Eisenverbindung aus Chromimon- hydroxyd bestand, zurückblieb. Da sich bei demselben aber noch unumgesetztes Chromichlorid befand, so wurde das Chromihydroxyd in Salzsäure gelöst und von dem unlöslichen Chromichlorid durch Filtration getrennt. Die erhaltene Lösung wurde hierauf mit Am- moniak gefällt, gekocht bis der Geruch nach Ammoniak verschwun- den war, filtrirt und geglüht. Man erhielt auf diese Weise 3,1 Gr. Chromioxyd. Bestand die hellgrüne in Alkohol unlösliche Verbindung aus Chromi-mon-Alkoholat: CrO(OC?H5), so hätten auf das ge- fundene Chromioxyd erhalten werden müssen 1,9 Gr. Alkohol, ge- funden wurden 2Gr. Es war also in der That diese Verbindung. 2. Untersuchung der dunkelgrünen Flüssigkeit. Dieselbe wurde ebenfalls von Alkohol befreit und der dun- kelgrüne Rückstand mit Wasser zersetzt. Es löste sich der- selbe mit grüner Farbe in Wasser, beim Kochen schied sich aber ein hellblauer Niederschlag aus. Erhalten wurden 3 Gr. Alkohol und ebensoviel eines hellblauen Pulvers von Chromiperhydroxyd. Ueber die Darstellung einiger Metallalkoholate. 51 Daraus ergibt sich, dass die lösliche Verbindung Chromi- tri-Alkoholat: Cr(OC?H°)? war. Die Einwirkung des Chromi- chlorids auf das Natriumalkoholat verläuft also, wenn auch schwie- riger, so doch analog der des Ferrichlorids. III. Einwirkung von Ferrochlorid auf Natriumalkoholat bei Gegenwart von Alkohol. Es werden 6 Gr. völlig wasserfreies Ferrochlorid auf aus 2,5 Gr. Natrium bereitetes Natriumalkoholat bei überschüssigem Alkohol einwirken gelassen. Es trat eine geringe, doch deutlich wahrnehmbare Erwärmung unter Abscheidung einer schwarzen Substanz ein. Als Zersetzungsproduct derselben mit Wasser wurden erhalten 2 Gr. Alkohol und 4 Gr. fester schwarzer Rückstand. Eine Probe davon wurde dann in einem, an dem einen Ende geschlossenen, nach oben gebogenen und verjüngten Rohre erhitzt, an dessen anderem Ende ein Chlorcaleiumrohr vorgelegt war, wel- ches das fortgehende Wasser aufnahm. 1,416 Gr. Substanz gaben 0,0421 Gr. oder 3°/, Wasser. Diese Menge entspricht nicht der des Ferrohydroxyds. Es ist wahrscheinlich, dass sie ihren Ur- sprung vorhandenen Ferrimonhydroxyd resp. Ferro-Ferrihydroxyd verdankt. Aus den erhaltenen Resultaten lässt sich mit Sicherheit die Bildung eines Ferro-Alkoholates constatiren, die Zusammen- setzung desselben aber nicht sicher angeben. IV. Einwirkung von Chromochlorid auf Natriumalkoholat bei Gegenwart von Alkohol. Bei der Einwirkung von Chromochlorid auf Natriumalkoholat entsteht das braune Chromoalkoholat, welches aber schnell un- ter Aufnahme von Sauerstoff in die beiden Verbindungen des 3werthigen Chroms übergeht, nach folgender Gleichung: OC®H5 0C®H5 ) 2 Cr +0=6r + Cr 00®H5 OC?H5 OC®H5 et V. Einwirkung von Manganochlorid auf Natriumalkoholat bei Gegenwart von Alkohol. Es wurden 7 Gr. Manganochlorid, das kurz vor dem Eintra- gen noch einmal im Zugofen mit Salmiak geschmolzen, in eine Platinschale ausgegossen und im heissen Mörser fein gepulvert worden war, auf Natriumalkoholat, das aus 2,5 Gr. Natrium und 4* 52 Dr. R. Saenger, überschüssigem Alkohol bereitet worden war, einwirken gelassen. Es entstand unter geringer Erwärmung eine weisse flockige Masse, die sich aber beim Kochen nach längerer Zeit bräunte. Nach dem Zersetzen des Alkoholats mit Wasser wurden 4 Gr. Alkohol neben einem braunen unlöslichen Körper, der ursprüng- lich aus reinem Manganohydroxyd bestand, durch längeres Stehen an der Luft aber, sowie beim Filtriren und Auswaschen des Koch- salzes sich grösstentheils oxydirt hatte, gewonnen. Derselbe wurde an der Luft getrocknet und dann im Porzellantiegel längere Zeit in der Rothgluth erhalten, so dass man sicher sein konnte, dass die ganze Masse sich zu Mangano- Mangani-Oxyd oxydirt hatte. Sie wog: 4,2 Gr., was 4,3 Gr. Manganohydroxyd entspricht. Wäre dieses Manganohydroxyd aus gebildetem Mangano- Alkoholat: Mn(OC?H>5)? hervorgegangen, so hätten 5 Gr. Alko- hol erhalten werden sollen. Gewonnen wurden 4 Gr. Der Haupt- sache nach setzt sich das Manganochlorid also in der That in weisses dem Hydroxyd entsprechendes Alkoholat um. vI. Einwirkung von Cuprichlorid auf Natriumalkoholat bei Gegenwart von Alkohol. Bei der Einwirkung von 7 Gr. trocknem Cuprichlorid auf Na- triumalkoholat, bereitet aus 2,3 Gr. Natrium, entstand eine schön chromgrüne Masse, welche sich in Alkohol nicht löste. Bei der Zersetzung mit Wasser wurden erhalten 6 Gr. Alkohol und ein grüner unlöslicher Körper, welcher sich beim Auswaschen mit heissem Wasser schnell schwärzte und dann nach Bestimmung des Glühverlustes als die Verbindung Cu?0*H? erkannt wurde. Die- selbe wurde hierauf geglüht und so 7 Gr. CuO erhalten. Aus dieser Menge berechnen sich für das ursprünglich vor- handene Cupri-Alkoholat: Cu(0OC?H>)? 8,1 Gr. Alkohol, während 6 Gr. erhalten wurden. VII. Einwirkung von Bleichlorid auf Natriumalkoholat bei Gegenwart von Alkohol. Auf Natriumalkoholat, bereitet aus 1,1 Gr. Natrium, wurden 7 Gr. Bleichlorid einwirken gelassen. Nachdem mehrere Tage im Wasserbad am umgekehrten Kühler erhitzt worden war, reagirte der Alkohol noch stark alkalisch, so dass eine bedeutende Um- setzung nicht wohl stattgefunden haben konnte. Ueber die Darstellung einiger Metallalkoholate. 53 VIII. Einwirkung von Antimonchlorür auf Natriumalkoholat bei Gegenwart von Alkohol. Zu Natriumalkoholat, welches aus 3 Gr. Natrium und 13 Gr. Alkohol bereitet worden war, wurde Antimonchlorür, gelöst in wasserfreiem Aether, durch einen Einflusstrichter bis zur neutra- len Reaction hinzufliessen gelassen. Beim Eintropfen der Flüssig- keit schied sich sofort unter geringer Erwärmung eine weisse Masse ab. Nachdem der Alkohol abdestillirt und zur Entfernung jegli- chen Alkoholdampfs trockenes Wasserstoffgas durch die Retorte geleitet worden war, wurden nach der Zersetzung mit Wasser und Destilliren 3 Gr. Alkohol und 6 Gr. Antimonigsäureanhydrid er- halten. Wären die 6 Gr. Antimonigsäureanhydrid als dreibasischer Antimonigsäure-Aether: Sb(OC?H>)3 vorhanden gewesen, so hät- ten 5,7 Gr. Alkohol, wären sie aber als einbasischer Antimo- nigsäure-Aether vorhanden gewesen, so hätten nur 1,9 Gr. Alkohol erhalten werden sollen. Die gefundene Menge liegt zwischen beiden. Die weisse unlösliche Substanz, welche zurückblieb, war also ein Gemenge von beiden Alkoholaten oder Aethern. Die vorhergehenden Versuche zeigen also, dass bei der Ein- wirkung von Metallchloriden auf Natriumalkoholat meist die ent- sprechenden Metallalkoholate entstehen, dass dieselben aber, so- bald sie in Alkohol nicht löslich sind, von Kochsalz nicht getrennt werden können und dass sie durch eine bei der Darstellung des Natriumalkoholats hinzutretende, nicht zu vermeidende Wasser- menge zum Theil in Alkoholate mit weniger Aethoxylen- oder in Hydroxyde übergehen. Jena, März 1876. Ueber die Bildung von Dichlorhydrin, über die Einwirkung des Natriumamalgams und der Phosphorchloride auf Epichlorhydrin. Von Dr. Carl Portius. Ueber die Constitution des Epichlorhydrins sind von den Che- mikern sehr verschiedene Ansichten ausgesprochen worden. Reboul!), der sich nach Berthelot zuerst eingehnder mit diesem Körper beschäftigte, hält ihn für das Monochlorhydrin eines zweiatomigen Alkohols, des Glyeids, der ein OH? weniger enthält als das Glycerin, also die Formel C3H°O? hat, den er jedoch nicht darzustellen im Stande war. Dieselbe Ansicht spricht Carius?) aus und schreibt das Epichlorhydrin 021, C3H3 al SH. Buff) hält dasselbe ebenfalls für ein Derivat eines zwei- säurigen Alkoholes, in welchem er zwei vierwerthige und ein zwei- werthiges Kohlenstoffatom annimmt; seine Formel ist II C—H l CH—OH I CH?—Cl Eine andere Ansicht spricht Kolbe?) aus in seiner Abhand- lung „Ueber die Constitution des Glycerins und seiner Derivate“. Er 1) Ann. chim. phys. 60, 1. 2) Ann. Chem. Pharm. 134, 73. 3) Ann. Chem. Pharm. Suppl. V. 247. *) Ann. Chem. Pharm. 150, 339. Ueber die Bildung von Dichlorhydrin u. s. w. 55 fasst das Epichlorhydrin auf als Sumpfgas, in welchem zwei Atome Wasserstoff durch ein zweiwerthiges Methylen CH?, das dritte durch ein Oxymethyl CH30O und das vierte durch Chlor ersetzt ist nach der Formel BEP CH30\ C Cl Den meisten Anklang hat wohl in neuerer Zeit die Erlen- meyer’sche!) Ansicht gefunden, die besonders auch von Darm- städter?) verfochten wurde. Zu allgemeiner Anerkennung ist jedoch auch sie noch nicht gelangt. Er erklärt nämlich das Epi- chlorhydrin für ein Aethylenoxyd, in welchem ein Wasserstoffatom durch Monochlormethyl CH?Cl substituirt ist, wie es die folgende Formel klar macht. CH? — Cl Ce ae Für die eine oder andere dieser Ansichten neue Belege zu liefern und überhaupt über das Verhalten des Epichlorhydrins anderen Körpern gegenüber weitere Erfahrungen zu sammeln, das ist der Zweck der vorliegenden Arbeit. I. Darstellung des Dichlorhydrins und ergänzende Untersu- chungen über den Siedepunkt desselben. Um das Epichlorhydrin zu erhalten, musste erst Dichlorhy- drin dargestellt werden. Bei dieser Darstellung habe ich im We- sentlichen das von Hübner und Müller) angegebene Verfah- ren eingeschlagen. Zu 4 Theilen eingedampften Glycerins wurden 3 Theile Eisessig gebracht und in das Gemisch beider ein lebhaf- ter Strom von trockner Salzsäure bis zur völligen Sättigung ge- leitet. Der Kolben, in welchem sich die Flüssigkeit befand, wurde dabei auf 100° erwärmt. Sobald die Salzsäure unabsorbirt durch das Abzugsrohr entweicht, unterbricht man das Einleiten und er- wärmt die von gelöster Salzsäure stark rauchende Flüssigkeit zur Verjagung derselben vorsichtig auf freiem Feuer. Alsdann destil- lirt man die Flüssigkeit über. Bis 140° ging grösstentheils Was- ser mit Essigsäure über, dann Dichlorhydrin, vermischt mit noch !) Ann. Chem. Pharm. 139, 222. 2) Ann. Chem. Pharm. 148, 119. 3) Ann. Chem. Pharm. 159, 170. 56 Dr. Carl Portius, etwas Essigsäure, wozu sich bei etwa 220° noch höher siedende Produkte gesellten. Um das Dichlorhydrin abzuscheiden, versetzt man das von 140—220 ° Uebergegangene mit Natriumcarbonat sorgfältig bis zur alkalischen Reaction, da sonst die letzten Spuren Essigsäure auch durch das wiederholteste Fractioniren nicht ganz von dem Dichlor- hydrin zu trennen sind. Da sich das Oel in Essigsäure haltigem Wasser nicht unbe- trächtlich löst, so geht auch schon eine nicht unwesentliche Menge mit diesem bis 140° über, und man muss deshalb, um Verluste zu vermeiden, auch dieses mit Natriumcarbonat versetzen und das ausgeschiedene Oel mit der Hauptmenge vereinigen. Alsdann wäscht man das gesammelte Dichlorhydrin einige Male mit Wasser aus, trocknet es jedoch nicht mit Caleiumchlorid, da sich letzteres in demselben zu einer schwammigen Masse ver- theilt. Es wird dann vielmehr der Destillation unterworfen, wo- bei bis 160° alles Wasser mit Dichlorhydrin übergeht, darüber jedoch wasserfreies Oel. Durch oft wiederholtes Fractioniren er- hielt ich daraus eine beträchtliche Menge constant zwischen 175— 177,5° siedender Verbindung. Der corrigirte Siedepunkt wurde bei 176,4° gefunden. Es würde also diese Zahl mit dem von Paschke!) gefundenen Siedepunkte übereinstimmen, während Berthelot?) denselben bei 173°, Reboul?) und Carstan- jen*) bei 174° sefunden haben. Hübner und Müller’) geben an, dass bei der eben be- schriebenen Einwirkung neben dem einen, nach ihnen bei 174 siedenden Dichlorhydrin noch ein zweites bei 132—184 sieden- des entstände. Watt‘®) in Bonn, der auch über diesen Gegen- stand Untersuchungen anstellte, konnte jedoch diese Beobachtung nicht bestätigen, sondern fand nur ein zwischen 176—177° sie- dendes Dichlorhydrin. Um diese verschiedenen Angaben aufzuklären, sammelte ich alles bei den verschiedenen Rectificationen zwischen 180 — 193 ° Uebergehende und unterwarf dann dieses selbst der fractionirten Destillation. Schon nach wenigen Rectificationen verminderte sich 1) Journal f. prakt. Chem. N. F. 1, 84. 2) Ann. chim. phys. 41, 297. 3) Ann. chim. phys. 60, 19. 4) Journal f. prakt. Chem. N. F. 4. 5) Ann. Chem. Pharm. 159, 170. 6) Berichte d. deutsch. chem. Gesellsch. V, 257. Ueber die Bildung von Dichlorhydrin u. s. w. 57 die ursprünglich ziemlich beträchtliche Menge auf ein geringes Quantum, indem sich dasselbe in niedriger und höher Siedendes zerlegen liess, und bald ergab sich, dass alles zwischen 180—186 ° Uebergehende, auf welche Temperaturgrade ursprünglich das bei weitem Meiste kam, nur ein Gemenge von niedriger und höher Siedendem war und sich durch sorgfältiges und oft wiederholtes Fractioniren vollständig zerlegen liess. Es kann also von der Entstehung eines zweiten bei 182—184° siedenden Dichlorhydrins bei der Einwirkung von Salzsäuregas auf ein Gemisch von Glycerin und Eisessig keine Rede sein. II. Untersuchungen über die bei der Darstellung des Dichlor- hydrins entstehenden Nebenprodukte. Reboul!) giebt an, dass bei der Einwirkung von Salzsäure- gas auf Glycerin und Eisessig neben Dichlorhydrin auch OC?H30 Acetodichlorhydrin: C?H5C1 Cl siedend bei 205°, und ferner 0C?H30 Acetochlorhydrin: C>H°Cl OH siedend bei 250°, entstände. Ich habe diese Produkte ebenfalls einer Untersuchung unter- worfen und dabei erheblich abweichende Resultate erhalten. Um zunächst das Acetodichlorhydrin zu isoliren, sammelte ich alles zwischen 190-220 ® Uebergehende und erhielt so 300 Gr. Flüssigkeit. Durch fractionirte Destillation suchte ich nun alles niedriger und höher Siedende zu entfernen; bald hatte ich nur noch 200 Gr. Diese zerlegte ich in 3 Theile, in von 190—197, von 197—210 und in von 210-220 ° Siedendes. Es war mir je- doch nicht möglich, auch nur eine geringe Menge einer constant zwischen diesen Temperaturgraden siedenden Flüssigkeit zu erhal- ten; ich fand vielmehr, als ich erst die beiden äussersten Fractio- nen und dann auch das Mittelglied der weiteren Rectification un- terwarf, dass sie sich alle in grösstentheils unter 170° und etwas über 220° Siedendes zerlegen liessen. Es kann also bei der Einwirkung keine bei 205° siedende Verbindung ent- standen sein. 1) Ann. chim. phys. 60, 19. 58 Dr. Carl Portius, Weiter versuchte ich, ob sich vielleicht Monochlorhydrin, nach Berthelot!) bei 227° siedend, unter den Produkten der Ein- wirkung befinde. Ich habe jedoch ebenso wenig etwas davon zu OC?H>30 isoliren vermocht, wie von Diacetochlorhydrin C3>H50C?H30, Cl welches nach Berthelot und de Luca?) bei 245° siedet. Bei den Versuchen, das nach Reboul hier mit entstehende Acetochlorhydrin,, welches bei 250° siedet, zu erhalten, gelang es mir, wenige Gramme einer öligen, farblosen, constant zwischen 254—255° siedenden Verbindung zu isoliren. Anfänglich glaubte ich, dass dies die von Reboul angegebene Verbindung sei. Bei näherer Untersuchung fand ich jedoch, dass sie gar kein Chlor enthielt. Eine Elementaranalyse erwies sie als das von Berthe- lot?) durch 114stündiges Erhitzen von Glycerin mit Eisessig auf OC?H>30 100 ° erhaltene Monacetin: C3H5OH OH dessen Eigenschaften es auch besass. 0,2148 Gr. der Flüssigkeit gaben bei der Verbrennung 0,3590 Gr. CO?, entsprechend 0,0979 Gr. C und 0,1505 Gr. OH?, ent- sprechend 0,0167 Gr. H. Aus diesen Daten ergiebt sich folgende prozentische Zusammensetzung: ber. gef. G.—M8. 455 H30 uu4D (65) Dune 100,0. Ueber den Siedepunkt der Verbindung giebt Berthelot in seiner Abhandlung Nichts an; es wäre derselbe also bei 256 ° (un- corrigirt). Vielleicht, dass bei dieser Einwirkung auch etwas von dem bei 280 ° siedendem Biacetin entsteht, welches Berthelot®) durch Erhitzen des Glycerins mit Eisessig auf 200 bis 275° darge- stellt hat; ich habe die über 260 ® siedenden Produkte keiner nähe- ren Untersuchung unterworfen, es scheint mir aber sehr wahrschein- lich, dass sie nicht unbeträchtliche Mengen von Glycerin enthalten, 1) Ann. chim. phys. 41, 296. 2) Ann. chim. phys. 52, 461. 3) Ann. chim. phys. 41, 277. 4) Ann. chim. phys. 41, 278. Ueber die Bildung von Dichlorhydrin u. s. w. 59 was mit der theilweisen Zersetzung bei erneuter Destillation, welche - unter Bräunung und Acroleinbildung vor sich geht, übereinstimmt. Bei der Einwirkung von Chlorwasserstoffigas auf mit Eisessig vermischtes Glycerin entstehen also als Endprodukte: bei 176,4 siedendes Dichlorhydrin und eine sehr kleine Menge bei 258° siedendes Monacetin, andere Glycerin- aether aber nicht. Wenn darnach also die Essigsäure als ganz untergeordnet in den Endprodukten der Einwirkung erscheint, so muss ihre Lei- stung eine solche sein, dass sie mit dem Chlorwasserstoff zusam- men zunächst Mittelverbindungen erzeugt, welche durch ein Mehr von Chlorwasserstoff unter Austritt ihres Essigsäurerestes und Rückbildung von Essigsäure leicht zersetzt werden, und zwar leichter als die gemeinsame Wirkung von Essigsäure und Chlor- wasserstoff auf Glycerin erfolgt. Die rasch nach einander verlau- fenden Prozesse könnten etwa die folgenden sein. C3H®03 + HCl + C?H*0? = C3H80CI(0OC?H?0) + 2 OH? C3H$0C1K0OC?H30) + HCl = C?H$50C1? + C?HO?. III. Darstellung des Epichlorhydrins aus Dichlorhydrin. Bei dieser Darstellung wurde im Wesentlichen das von Lau- fer!) angegebene Verfahren eingeschlagen. Es wurde zu diesem Zwecke das unreine von 140—200 ® über- gegangene Dichlorhydrin in einen geräumigen Kolben mit dem gleichen Gewicht einer Aetznatronlösung vom spezifischen Gewicht 1,4 zusammen gebracht und zwar in der Weise, dass immer nur kleine Mengen der letzteren zugefügt wurden, wobei sich die Flüs- sigkeit etwas erwärmte. Mit jedem folgenden Zusatz muss man warten, bis die Masse wieder erkaltet ist. Hat man so nach und nach alle Aetznatronlösung zugefügt, wobei man durch kräftiges Umschütteln die Einwirkung beschleunigen kann, so setzt man zur vollständigen Beendigung der Reaction den Kolben in ein Wasserbad und erwärmt den Inhalt desselben längere Zeit auf 100°. Zur Vermeidung etwaigen Verlustes durch Verdampfen des Epichlorhydrins kann man den Hals des Kolbens lose mit einem Korke verschliessen. Die Einwirkung ist dann in folgender Weise vor sich gegangen: G>H$0C12 + NaOH = C?H50C1 + NaCl + OH? Dichlorhydrin Epichlorhydrin. 1!) Diese Zeitschrift Bd.X. II. Suppl.-Heft p. 142. 60 Dr. Carl Portius, Beim Erwärmen im Wasserbade trennen sich die 3 Produkte leicht von einander. Die oberste Schicht bildet das leichtflüssige Oel; dann kommt die wässerige Aetznatronlösung und zu unterst das feste Chlornatrium. Durch Abgiessen lässt sich das Oel leicht von dem Uebrigen trennen. Da jedoch das Epichlorhydrin etwas in Wasser löslich ist, so wird auch die wässrige Aetznatronlösung eine nicht unbeträchtliche Menge desselben gelöst enthalten. Man muss deshalb darauf bedacht sein, auch dieses sowie das zwischen dem festen Chlornatrium suspendirte Oel zu gewinnen. Zu diesem Zwecke bringt man die Aetznatronlösung nebst so viel Wasser als zur Lösung des Chlornatriums nöthig ist, zu letzterem und destil- lirt dann über, bis kein Oel mehr mit den Wasserdämpfen über- geht. Das erstere wird dann von dem Wasser getrennt und mit der Hauptmenge vereinigt. Nachdem so alles Oel gesammelt ist, unterwirft man es der fractionirten Destillation. Da der Siedepunkt des Epichlorhydrins nach Reboul bei 118—119° liegt, so kann es nicht schwierig sein, es von dem erst bei 176° siedenden Dichlorhydrin zu tren- nen. Bis 120° geht nur Epichlorhydrin, gemischt mit etwas Was- ser, über. Dann wurde ein zweiter Theil von 120—150° aufge- fangen, der nach wenigen Destillationen und Trennung von etwas höher Siedendem grösstentheils unter 120° überging. Das wenige bei dieser Temperatur nicht Uebergegangene wurde dann mit dem ursprünglich bei 150° Zurückgebliebenen, das grösstentheils aus noch unverändertem Dichlorhydrin bestand, vereinigt, abermals in oben beschriebener Weise der Einwirkung von Aetznatronlösung ausgesetzt, und dies so oft wiederholt, bis so gut wie alles Di- chlorhydrin umgewandelt war. Auf diese Weise erhielt ich eine beträchtliche Menge Epichlor- hydrin, das nur noch durch etwas Wasser verunreinigt war. Die- ses ist jedoch ziemlich schwierig vollständig davon zu trennen, und es gelang mir erst nach mehrmaligem Rectificiren und vorhe- rigem Behandeln mit Caleiumchlorid, wasserfreies, sehr constant bei 115—116° (uncorrigirt) siedendes Oel zu erhalten. Von 1334 Gr. rohen Dichlorhydrins erhielt ich 403 Gr. reines von 114—119° übergehendes Epichlorhydrin, also 30,21 °/, des angewendeten Rohmaterials. Es ist dies im Verhältniss zur Aus- beute, welche frühere Darsteller erhielten, ein gutes Resultat zu nennen. Jedenfalls ist die Concentration der angewendeten Aetz- natronlösung auf die Menge der Ausbeute nicht ohne Einfluss, und ferner ist es wesentlich, immer nur kleine Mengen der Aetzna- nn ng Ueber die Bildung von Dichlorhydrin u. s. w. 61 tronlösung auf einmal zum Oel hinzuzufügen, damit die Reaction nicht zu stürmisch vor sich gehe und die eintretende Erwärmung nicht allzu bedeutend werde und gebildetes Epichlorhydrin wie- der weiter verändere. IV. Einwirkung von Natriumamalgam mit Wasser auf Epichlorhydrin. Dieser Versuch wurde in der Hoffnung angestellt, dass der Wasserstoff im statu nascendi das Chlor des Epichlorhydrins sub- stituiren und so einen mit dem Allylalkohol C>H°O isomeren Kör- per oder auch diesen selbst bilden würde nach der Formel C>H50C1 + 2 H= C?H80 + HCl Epichlorhydrin. Erst während dieser Untersuchung kam mir die Lourenco’- sche Abhandlung!) „Untersuchungen über mehratomige Verbin- dungen“ zur Hand, worin er die Einwirkung von Natriumamalgam auf Dichlorhydrin beschreibt und als Produkte zuerst Epichlorhy- drin angiebt, das weiter zu Allylalkohol und Isopropylalkohol um- gewandelt wird. Die von mir angestellten Versuche bieten jedoch so eigen- thümliche Erscheinungen dar und ergeben zum Theil von den Lourenco’schen so verschiedene Resultate, dass es mir nicht unnöthig erscheint, dieselben etwas ausführlicher mitzutheilen. Ich brachte zunächst zu 10 Gr. Epichlorhydrin und der drei- fachen Menge Wasser portionsweise etwas überschüssiges Natrium- amalgam. Der Kolben, in welchem die Einwirkung geschah, war mit einem Rückflusskühler verbunden, an dem hinten ein Abzugs- rohr angebracht war, das unter Quecksilber tauchte, um die Flüs- sigkeit unter einem gewissen Drucke zu erhalten. Es trat eine gelinde Erwärmung ein unter nicht bedeutender Wasserstofient- wicklung. Nach etwa 12stündigem Stehen war alles Oel verschwun- den und das Natriumamalgam zersetzt. Hierauf versuchte ich zuerst im Wasserbade, dann über freiem Feuer, etwaige flüchtige Produkte überzudestilliren. Es ging eine Flüssigkeit über, die deutlich den stechenden Geruch des Allylalkohols besass. Durch fractionirte Destillation und zuletzt durch Kaliumhydroxyd wurde das im Wasser gelöste Produkt von diesem getrennt, wodurch ich endlich ein farbloses Oel erhielt, das zwischen 90—99 ° überging. Die Ausbeute war jedoch so gering — nicht 1 Gr. —, dass ich 2) Ann. chim. phys. 67, 257. 62 Dr. Carl Portius, vorläufig von der Untersuchung desselben abstehen und neues Ma- terial darstellen musste. Da nur so wenig von dem eben besprochenen flüchtigen Pro- dukte zu erhalten war, so musste das Hauptprodukt sich in der beim Destilliren zurückgebliebenen Flüssigkeit befinden. Nach dem Decantiren derselben von dem aus dem Natriumamalgam entstan- denen Quecksilber fand ich in ihr einen eigenthümlichen farblosen, gelatinösen Körper, der gereinigt und getrocknet eine etwas gelb- liche pergamentähnliche Masse darstellte. Beim Erhitzen im Röhr- chen verbrannte dieselbe vollständig unter Bildung von weissen Dämpfen und dem Geruch nach Acrolein. Aller Wahrscheinlich- keit nach ist dieser Körper identisch oder nahe verwandt mit einer der aus dem Acrolein hervorgehenden amorphen Substanzen, welche zuerst von Redtenbacher!) beschrieben und analysirt worden sind. Die von dem Disacrylharz getrennte Flüssigkeit, grösstentheils das gebildete Natriumhydroxyd enthaltend, wurde mit Schwefel- säure neutralisirt, mit einer Lösung von Natriumcarbonat wieder schwach alkalisch gemacht, die Salzlösung zur Trockne verdampft und das Salz dann mit Alkohol ausgezogen. Beim Abdestilliren desselben blieben sodann 4!/, Gr. einer gelblich braunen, in der Hitze dünnflüssigen, in der Kälte zähen Flüssigkeit zurück, die das Aussehen des Glycerins hatte. Es wurden zwei Elementaranalysen davon ausgeführt, welche folgende Resultate ergaben: 0,1874 Gr. der Substanz gaben 0,1530 Gr. Wasser, entspre- chend 0,0170 Gr. = 8,9°/, H, und 0,3067 Gr. CO?, entsprechend 0,0836 Gr. = 44,6 °/, C. Und 0,1949 Gr. Substanz ergaben 0,1510 Gr. OH?, entspre- chend 0,01678 Gr. = 8,5°/, H, und 0,3153 Gr. CO?, entsprechend 0,08599 Gr. = 4,1°|, C. Bei der ersten Analyse war noch eine Spur Alkohol mit der Substanz vermengt, daher das Mehr von Kohlenstoff und Wasser- stoff gegen die zweite Analyse. Vergleicht man mit diesen Resultaten die prozentische Zu- sammensetzung des Glycerins, so findet man, dass die Analyse 5°/, C mehr ergiebt; dieser Ueberschuss lässt sich jedoch durch ein Gemengtsein des Glycerins mit Polyglycerinen erklären, wie aus folgender Zusammenstellung ersichtlich ist: 3) Ann. Chem. Pharm. 47, 145. Ueber die Bildung von Dichlorhydrin u. s. w. 63 ber. gef. I. Analyse gef. II. Analyse Bl 44,6 44,1 ERST 8,9 8,5 OR 522 — — 100,0. Diglycerin Triglycerin Pyroglycerin ber. ber. ber. 65 — 43.4 er!) Oz — 36 Kia = 184 E20 85 BR 05 — 482 072 ld 04. —= 143,3 100,0 100,0. 100,0. Um eine zur Untersuchung genügende Menge des flüchtigen Produktes zu erhalten, unterwarf ich noch 65 Gr. Epichlorhydrin in 3 Portionen der Einwirkung von Natriumamalgam mit Wasser. Anstatt der öfachen Menge nahm ich jedoch jetzt die 10fache Menge Wasser. Die Einwirkung ging alsdann viel energischer von Statten, und schon nach 3 Stunden war alles Oel verschwunden. Durch Destillation und nach oben beschriebener Reinigung gewann ich 5 Gr. des flüchtigen Produktes, siedend von 95—100°, das den Allylalkoholgeruch sehr intensiv zeigte. Bei den Versuchen, das Produkt zu entwässern, stiess ich jedoch auf unerwartete Schwierigkeiten. Nachdem ich dasselbe längere Zeit mit Aetzkalk am Rückflusskühler erhitzt hatte, fand ich bei einer Analyse, dass es im Wesentlichen wohl aus Allylalkohol bestand, noch vermischt mit etwas Wasser, denn setzte ich den über die berechnete Menge Wasserstoff gefundenen Theil desselben auf Kosten des noch bei- semengten Wassers und rechnete nach Abzug desselben den Koh- lenstofigehalt aus, so erhielt ich Zahlen, die mit den für Allyl- alkohol berechneten sehr gut übereinstimmen. Es gaben 0,2062 Gr. Substanz 0,2074 Gr. OH?, entsprechend 0,0230 Gr. H, sowie 0,4476 Gr. CO?, entsprechend 0,1221 Gr. C. ber. gef. corr. gef. CET —I621l: 59,2 62,0 H#,-—110,3 10,9 10,3 BOm==127,6 En = 100,0. Eine zweite Analyse des noch einmal nach Tollens!) Vor- schrift zum Entwässern mit Aetzbaryt behandelten Produktes er- gab folgende Resultate: !) Ann. Chem. Pharm. 156, 134, 64 Dr. Carl Portius, 0,2397 Gr. der angewandten Flüssigkeit gaben 0,2365 Gr. OH?, entsprechend 0,0263 Gr. H, und 0,5265 Gr. CO?, entsprechend 0,1436 Gr. C. ber. gef. corr. gef. CN 59,9 61,6 H4'— 108 10,7 10,3 en, m En 100,0. Es ist also immer noch Wasser mit dem Allylalkohol ver- mengt. Ob auch eine geringe Menge Isopropylalkohol 03H°0 dabei ist, darüber können diese Analysen nicht entscheiden, weil derselbe nahe dieselbe prozentische Zusammensetzung hat wie der Allylalkohol und bei der durch das beigemischte Wasser verur- sachten Verschiedenheit der gefundenen Prozente mit den berech- neten der Einfluss einer etwaigen Gegenwart von wenig Isopropyl- alkohol nicht in’s Gewicht fallen würde. Ueber die gleichzeitige Anwesenheit des Isopropylalkohols in dem Produkte habe ich mich auf folgende Weise überzeugt. Um das noch immer der Flüssigkeit beigemengte Wasser zu entfernen, erhitzte ich dieselbe einen Tag lang am Rückflusskühler mit Aetzbaryt. Letzterer quoll dabei bedeutend auf, und bei dem Versuche, die Flüssigkeit von demselben abzudestilliren, ging bei 170° »noch Nichts über. Es hatte sich also das Produkt mit dem Aetzbaryt verbunden. Beim Versuche, die Verbindung durch Was- ser wieder zu zersetzen und beim Destilliren dieses Wassers ging mit den Dämpfen eine geringe Menge — 1 Gr. — Oel über, das nach dem Trennen vom Wasser und mehrmaligem Rectificiren von 86-87 überging, einen angenehm ätherischen Geruch besass und als Isopropylalkohol erkannt wurde. Der Allylalkoholgeruch war dagegen vollkommen verschwun- den; es hatte sich acrylsaures Baryt gebildet, woraus die Säure durch Schwefelsäure frei gemacht und mittelst Natriumcarbonat in das Natriumsalz übergeführt werden konnte. Es verhalten sich also der Isopropylalkohol und der Allyl- alkohol mit Baryumoxyd längere Zeit auf 100° erhitzt so, dass ersterer Baryumisopropylat C3H?OBa bildet, das durch Wasser wieder zersetzt wird in Baryumhydroxyd und Isopropylalkohol, während letzterer sich damit in acrylsaures Salz verwandelt '). 1) Vielleicht entsteht der Isopropylalkohol erst aus Allylalkohol beim Behandeln des Letzteren mit Aetzbaryt nach der Gleichung: 2 C®H60 + Ba?O —= C?H3Ba0?2 + C3H’Ba0O +2H. A.G. Ueber die Bildung von Dichlorhydrin u. s. w. 65 Ziehen wir aus den entstandenen Produkten einen Rückschluss auf die Art der Einwirkung von Natriumamalgam mit Wasser auf Epichlorhydrin, so können wir sagen, dass zuerst der Wasserstoff im statu nascendi das Epichlorhydrin in Allylalkohol und Isopro- pylalkohol umwandelt, dass aber dann das durch Zersetzung des Natriumamalgams entstandene Natriumhydroxyd weiter auf das noch unveränderte Epichlorhydrin einwirkt und es in Glycerin und Polyglycerine überführt. Durch folgende Formeln werden diese Reactionen veranschaulicht: C3H50C1 +2H = C°H80 + HCl Epichlorhydrin Allylalkohol und C3H50Cl1 + 4H = C®H®0 + HCl Epichlorhydrin Isopropylalkohol oder C>H°0 + 2H = C?H®0 Allylalkohol Isopropylalkohol. Ferner C®H50Cl + NaOH + OH? = C°H303 + NaCl Epichlorhydrin Glycerin 2 C3H50Cl + 2 NaOH + OH? = C$H!*+05 + 2 NaCl Epichlorhydrin Diglycerin. Das Disacrylharz war nur bei der ersten Einwirkung, als viel weniger Wasser angewandt worden war, entstanden; es scheint also die Menge des angewendeten Wassers von Einfluss auf die entsteheuden Produkte zu sein. V. Einwirkung von Phosphorchlorid auf Epichlorhydrin. Ueber diese Einwirkung giebt Reboul!) Folgendes an: Es entsteht hier nicht, wie man erwarten sollte, Dichlorglyeid C’H?C1?, indem ein OH des Epichlorhydrins gegen ein Cl des Phosphor- chlorids ausgetauscht wird und als Nebenprodukte Salzsäure und Phosphoroxychloride entstehen, sondern es vereinigt sich die ge- bildete Salzsäure im statu nascendi direct wieder mit dem ent- standenen Dichlorglyeid und bildet so Trichlorhydrin: C3H50C1 + PC1° = C3HCl?2 + POCI® + HC] Epichlorhydrin Dichlorglyeid und C>H®Cl?2 + HCl = C’H5C]? Dichlorglycid Trichlorhydrin. !) Ann. chim. phys. 60, 39. Bd. XIII. N. F. VI, 1. 5 66 Dr. Carl Portius, Da er jedoch über Siedepunkt und Eigenschaften dieses Pro- duktes Nichts angiebt, so wiederholte ich diese Einwirkung, um zu sehen, welches der isomeren Trichlorhydrine hier entstehe, und um die etwaige Identität desselben mit dem von Berthelot und de Luca!) aus Dichlorhydrin und Phosphorchlorid dargestellten und bei 155° siedenden Trichlorhydrin festzustellen. Ich liess zu diesem Zwecke auf 40 Gr. Phosphorchlorid, welches ich in eine Retorte gebracht hatte, die mit umgekehrtem Kühler verbunden war, die äquivalente Menge (20 Gr.) Epichlorhydrin einwirken. Der bedeutenden Erhitzung wegen, die beim Zusammenkommen beider Körper auftritt, darf das Epichlorhydrin nur tropfenweise zugebracht und muss die Retorte mit kaltem Wasser abgekühlt werden. Die Reaction geht ohne Gasentwicklung vor sich. Nach- dem man so allmählig alles Epichlorhydrin durch einen Trichter hat einfliessen lassen und die Retorte wieder erkaltet ist, erwärmt man zur vollständigen Beendigung der Reaction die Flüssigkeit, in der alles Phosphorchlorid verschwunden ist, etwas. Dann bringt man dieselbe in kleine Portionen zu viel kaltem Wasser, um das entstandene Phosphoroxychlorid zu zersetzen, wobei sich ein Oel zu Boden setzt. Dieses wird zur Entfernung aller Phospor- und Salzsäure mit Wasser ausgewaschen und das so gereinigte Oel mit Calciumchlorid entwässert. Da sich das Oel etwas in Wasser löst, so wurde, um auch diesen Theil zu gewinnen, das Wasch- wasser destillirt, wobei das gelöste Oel zuerst mit den Wasser- dämpfen überging, welches von dem Wasser durch Chlorcalcium getrennt und mit der Hauptmenge vereinigt wurde. Beim Destilliren des Oeles stieg das Thermometer schnell auf 140°, von 140—160° ging dann bei Weitem das Meiste über. Eine kleine Menge blieb zurück, die unter starker Salzsäureent- wicklung und schnellem Steigen des Thermometers bis 300 % über- ging, bei welcher Temperatur dann Verkohlung eintrat. Aus der Hauptmasse erhielt ich durch fractionirte Destilla- tion sehr wenig unzersetztes Epichlorhydrin; das Uebrige dagegen bestand aus einer sehr constant von 152—153° (uncorrigirt) über- gehenden farblosen öligen Flüssigkeit, die als Trichlorhydrin er- kannt wurde. Das aus Dichlorhydrin und Phosphorchlorid dargestellte Tri- chlorhydrin siedet nach Berthelot und de Luca bei 157°. Es ist also hiermit constatirt, dass dieses identisch ist mit dem von !) Ann. chim. phys. 52, 437. Ueber die Bildung von Dichlorhydrin u. s. w. 67 Reboul und mir aus Epichlorhydrin und Phosphorchlorid darge- stelltem Trichlorhydrin. Das über 160° Siedende wurde noch einigen Rectificationen unterworfen. Es gelang mir jedoch nur, eine kleine Menge von zwischen 250—280° Siedendem, zwischen welchen Temperatur- graden das Thermometer verhältnissmässig am langsamsten stieg, zu isoliren. Auch war es nicht möglich, die dickölige Masse, welche ich so erhielt, vollständig von Zersetzungsprodukten zu befreien, da beim Destilliren sofort Zersetzung eintrat unter be- trächtlicher Salzsäureentwicklung und Bräunung der Masse. Die so erhaltene, etwas gebräunte Substanz reichte eben dazu aus, eine Chlorbestimmung davon zn machen. 0,3291 Gr. angewandter Substanz ergaben 0,7517 Gr. gefälltes AgCl?; also ist der Prozentgehalt an Chlor = 56,5 %/,. — Das Trichlorhydrin C®H5Cl3 enthält 72,2°/, Cl, also 15,7°/, mehr, als dieses Produkt. Es ist also eine kohlenstoffreichere Verbindung. In dem Umstande, dass also das Phosphorchlorid hier nicht wie gewöhnlich eine Hydroxylgruppe durch Chlor ersetzend wirkt, sondern sich einfach Cl? gegen O des Epichlorhydrins austauscht, kann man einen Beweis dafür sehen, dass im Epichlorhydrin über- haupt keine Hydroxylgruppe enthalten ist. Es spricht also diese Einwirkung entschieden für die Erlenmeyer’sche Auffassung des Epichlorhydrins, nach welcher die Reaction in folgender Art verliefe: CH? — Cl CH® — Cl I I CH o + PCI = CH — Cl + POOI? I CH? CH? — Cl Epichlorhydrin Trichlorhydrin. VI. Einwirkung von Phosphorchlorür auf Epichlorhydrin. Ueber diese Einwirkung schreibt Reboul!) Folgendes: „Man kann bei der Darstellung des Trichlorhydrins aus Epichlorhydrin an Stelle des Phosphorchlorids auch das Phosphorchlorür PCI? nehmen. Wenn dann ungefähr die Hälfte der Flüssigkeit über- destillirt ist, wechselt das Zurückbleibende plötzlich seine Farbe‘ und zu gleicher Zeit tritt ein durchdringender Knoblauchsgeruch auf, der von einem Phosphorprodukte herrührt. Nach dem Lösen desselben in Kaliumhydroxyd und Hinzufügen von Salzsäure fällt 1) Ann. chim. phys. 60, 39. 5* 68 Dr. Carl Portius, eine klebrige Säure, welche die Carbonate unter Aufschäumen zer- setzt und welche mit Baryt ein krystallisirtes Salz bildet. — Diese Säure ist wahrscheinlich ein Analogon der Aethylphosphorsäure.“ Um über die Natur dieser von Reboul angedeuteten Säure etwas Näheres zu erfahren, und um aus ihrer Zusammensetzung einen Rückschluss auf die Constitution des Epichlorhydrins ma- chen zu können, wurde die Einwirkung wiederholt. Zugleich aber auch aus dem Grunde, weil das Phosphorchlorür sein Chlor gegen ‘ Hydroxylgruppen in einfachster Weise gewöhnlich austauscht, ohne dass Salzsäure gebildet wird, welche sich dann dem entstehenden Produkt hinzufügen kann, wie die Einwirkung des Phosphorchlo- rids wenigstens zu deuten möglich ist. Nimmt man im Epichlorhydrin nach Erlenmeyer und Darmstädter!) einen mit seinen beiden Affinitäten dem Koh- lenstoff allein wirksamen Sauerstoff an, also die Constitution des- selben nach der Formel: CH? — Cl 1 CH I Ö, CH? so wird die Reaction voraussichtlich in dem Sinne verlaufen, dass sich PC13 zunächst einfach dem Epichlorhydrin in folgender Weise hinzufügt: cm —_cı CH_0-— Pol: CH: _cı. Das so entstehende Produkt konnte als das Chlorid einer Säure CH? — Cl . OH in — 0 — PoH CH? — Cl aufgefasst werden, die mit Basen Salze zu bilden vermöchte. Gelänge es diese Säure und ihre Salze darzustellen, so wäre damit ein wichtiges Argument für die Erlenmeyer’sche Ansicht der Constitution des Epichlorhydrins geliefert. Ich liess also auf 1 Mgt. Epichlorhydrin (20 Gr.) etwas über ein Mgt. Phosphorchlorür (30 Gr.) in einer Retorte, die mit um- !) Ann. Chem. Pharm. 148, 117. Ueber die Bildung von Dichlorhydrin u. s. w. 69 gekehrtem Kühler verbunden war, einwirken. Es trat eine nur sehr unbedeutende Erwärmung ohne Gasentwicklung auf, und die Flüssigkeit wurde dann zur Beendigung der Reaction einen Tag lang im Wasserbade erwärmt. Die Masse war dabei etwas dick- flüssiger geworden. Zur Entfernung alles überschüssigen Phosphorchlorürs wurde nun die Flüssigkeit erst im Wasserbade und dann im Oelbade im Kohlensäurestrom erhitzt und die Temperatur bis auf 170° ge- steigert, um auch etwaiges mit entstandenes Trichlorhydrin über- zudestilliren. Es gingen etwa 8 Gramme über, die sich durch Wasser fast vollständig in Salzsäure und phosphorige Säure zer- legten, also zum grössten Theile aus Phosphorchlorür bestanden. Das wenige im Wasser nicht Gelöste, das eine gelbliche dickölige Flüssigkeit darstellte, wurde mit Wasser ausgewaschen, in Aether gelöst, dieser wieder abdestillirt und zu destilliren versucht. Das Thermometer stieg schnell von 100—200°. Es entwickelte sich dabei ein weisser, stechend nach Salzsäure und zugleich nach Knoblauch riechender Dampf, der blaues Lackmuspapier röthete und in Argentinitrat das Silber weiss fällte, und die Masse zer- setzte sich unter reichlicher Kohleabscheidung. .In dieser wurde nach dem Schmelzen mit Kaliumnitrat, Zusatz von einem Gemenge von Magnesiumsulfat mit Ammoniumchlorid und Ammoniak zur Lösung Phosphor nachgewiesen. Wir haben esalso mit einem Chlorphosphorproduktezuthun. Trichlorhydrin ent- steht Reboul’s Angabe entgegen bei dieser Einwir- kung nicht. Die bei der Destillation zurückgebliebene Flüssigkeit wurde portionsweise in eine reichliche Menge Wasser geschüttet. Ich beabsichtigte damit, das wahrscheinlich entstandene Chlorid CH? — Cl CH—0— pci? I CH? — Cl der Säure CH? — Cl I OH En lt CH CH? — Cl ‚ in eben diese Säure, unter Bildung von Salzsäure, überzuführen. Beim Zubringen zu Wasser fand Zersetzung der Masse statt unter schwacher Erwärmung, indem zugleich der bei weitem grösste Theil des Produktes sich löste und nur ein kleiner klebriger und 70 Dr. Carl Portius, dicköliger Theil ungelöst zurückblieb. Durch Aether liess sich alles Organische aus dem Wasser wieder ausziehen, in dem neben freier Salzsäure auch freie phosphorige Säure nachgewiesen wurde. Beim Schütteln des Wassers mit Aether ging also sowohl der im Wasser gelöste, als auch der ungelöste Theil in ätherische Lösung und blieb nach dem Abdestilliren des Aethers als eine ziemlich dünnflüssige Masse zurück. Zur Trennung des im Wasser löslichen von dem darin unlöslichen Produkte wurde dieselbe abermals mit viel Wasser geschüttelt und die wässrige Lösung zur Entfernung alles darin fein suspendirten Oeles filtrirt. Es konnte auch in diesem Wasser freie Salzsäure und phosphorige Säure nachgewie- sen werden. Die Lösung, mit Baryumcarbonat neutralisirt, ergab nur niederfallendes Baryumphosphit und gelöstes Baryumchlorid. Eine organische Säure und ein entstandenes Salz desselben war dagegen nicht zu finden. Es hatte sich vielmehr das entstandene organische Produkt bei dem Eindampfen der Baryumchloridlösung mit den Wasserdämpfen verflüchtigt. Um über die Natur des Letzteren in’s Klare zu kommen, wurde ein anderer Theil der wässrigen Lösung mit Aether ge- schüttelt, und dadurch das Produkt in ätherischer Lösung erhal- ten, der Aether abdestillirt und so eine nicht allzu dünnflüssige gelbliche Substanz erhalten, die keinen Phosphor enthielt, sich unverändert destilliren liess und zum bei Weitem grössten Theile zwischen 170—180° überging, bei welchem Grade Verkohlung des Zurückbleibenden unter Ausstossung von weissen, nach Acro- lein riechenden Dämpfen eintrat. Das Destillat siedete nach we- nigen Rectificationen sehr constant bei 171—172° (uncorrigirt) und bildete eine farblose ölige Flüssigkeit, die mit grün gesäum- ter Flamme brannte, also Chlor enthielt. Die Analysen erwiesen sie als Dichlorhydrin C3H6C1?0. 0,1844 Gr. Substanz ergaben 0,0807 Gr. OH?, entsprechend 0,00897 Gr. = 4,6 °/, H, und 0,1850 Gr. CO?, entsprechend 0,05048-Gr. — 27,4°|, C. Bei einer Chlorbestimmung mittelst Glühen mit Aetzkalk lie- ferten 0,1800 Gr. Substanz 0,4005 Gr. AgCl?, entsprechend 0,0991 2 — 99:00 Gl. ber. gef. 03, — 27,9 27,4 H° = 026 4,6 cl — 551 55,0 0. — 124 — 100,0. Ueber die Bildung von Dichlorhydrin u. s. w. 71 Das im Wasser unlösliche Produkt der Einwirkung wurde so lange mit immer frischem Wasser geschüttelt, bis in diesem keine Säure mehr nachweisbar war, also keine Zersetzung mehr statt- fand, dann in Aether gelöst, dieser entwässert und abdestillirt. Es stellte so einen Körper dar von gelbbrauner Farbe, dicköliger Consistenz und sehr bitterem Geschmack. Phosphor war in ihm nicht enthalten, dagegen Chlor. Nach dem Trocknen über Schwe- felsäure wurde er analysirt. Die Analyse ergab folgende Resultate: 0,1928 Gr. Substanz ergaben 0,0772 Gr. OH?, entsprechend 0,00857 Gr. = 42°/, H, und 0,1967 Gr. CO?, entsprechend 0.05364.:Gr. = 27,90), & | Die Chlorbestimmung ergab auf 0,2784 Gr. Substanz 0,5470 Gr. AgCl?, entsprechend 0,1357 Gr. = 48,6 °/, Cl. Diese Werthe führen annähernd auf die Formel C°H!°C1°03. Die Differenzen in dem Kohlenstoff- und Chlorgehalt könnte man durch eine Verunreinigung des Produktes mit Dichlorhydrin er- klären: ber gef. ber. 6 = 04 27,9 Gar —u2 Ho — 42 42 Be 46 C13. — 0 48,6 2 — 55,1 DS er Be 100,0 100,0. Um diese Verunreinigung möglichst zu beseitigen, wurde die Masse in wenig Aether gelöst und diese Lösung tropfenweise in viel Wasser fallen gelassen. Der Aether wurde dabei vom Wasser aufgelöst, und das Oel kam in sehr fein vertheiltem Zustande mit dem Wasser in Berührung. Nach mehrmaligem Wiederholen die- ser Operation wurde die Substanz wieder in Aether gelöst, dieser nach dem Entwässern abdestillirt, die Masse über Schwefelsäure getrocknet und abermals analysirt. 0,2103 Gr. Substanz ergaben jetzt 0,0817 Gr. OH?, entspre- chend 0,00907 Gr. — 4,2 °/, H, und 0,2256 Gr. CO?, entsprechend 0,06153 Gr. = 29,3 °/, €. Und 0,2725 Gr. Substanz gaben 0,5185 Gr. AgCl?, entsprechend 0,1282 Gr. = 47,1°/, (1. ber. gef. Cs —= 304 29,3 Ne A. 1 42 Cl — 45,0 47,1 03 —= 20,4 — 100,0. 12° Dr. Carl Portius, Es nähert sich also die gefundene Prozentmenge der für die Formel C6H1°C1303 berechneten durch diesen Reinigungsprocess ganz entschieden. Da das Dichlorhydrin mit Wasserdämpfen sich verflüchtigt, das im Wasser unlösliche Produkt dagegen nur sehr wenig flüchtig ist, so wurde, um die letzten Spuren des Ersteren zu entfernen, die Substanz anhaltend mit Wasser gekocht, das Wasser dann abge- gossen, die zurückbleibende klebrige Substanz in Aether gelöst, dieser entwässert, abdestillirt und die Masse, welche in ihrem Aussehen und ihrer sonstigen Consistenz sich nicht verändert hatte, zum Trocknen über Schwefelsäure gestellt. Die Analyse ergab folgende Resultate: 0,2327 Gr. ergaben 0,2508 Gr. OH?, entsprechend 0,0107 Gr. — 4,3°/, H und 0,2581 Gr. CO?, entsprechend 0,0704 Gr. —= SONG: Bei der Chlorbestimmung lieferten 0,2787 Gr. Substanz 0,5062 Gr. AgCl?, entsprechend 0,1243 Gr. = 44,6 °/, Cl. ber. gef. Ce — 304 30,2 Hi— 42 43 O2 =.450 44,6 08 — 204 u 100,0. Die in diesen Analysen gefundenen Zahlen stimmen also ganz gut mit den für die Formel C$H!°C1303 berechneten überein, und ich glaube desshalb, die Substanz jetzt für vollkommen rein hal- ten zu dürfen. Obwohl es mir also nicht gelungen ist, eine Verbindung, die aus einem einfachen Zusammengehen von Phosphorchlorür und Epichlorhydrin entstanden ist, direct nachzuweisen, so glaube ich doch, indirecte Beweise dafür, dass eine solche einfache Addition stattfindet, in genügender Anzahl aufführen zu können. Dass das Phosphorchlorür wirklich gebunden ist, wird dadurch bewiesen, dass beim Erhitzen bis auf 170° nur ein geringer Theil desselben übergeht. Auch sprechen die Zersetzungsprodukte mit Wasser entschieden dafür, dass wir es hier mit einer Verbindung von Phosphorchlorür mit Epichlorhydrin zu thun haben. Denn wenn man auch zugesteht, dass die beim ersten Zersetzen der Substanz auftretende und nachgewiesene Salzsäure und phosphorige Säure von noch etwas beigemengtem Phosphorchlorür herrühren könnte, obwohl dies nicht wahrscheinlich ist, da ich das Produkt im Koh- Ueber die Bildung von Dichlorhydrin u. s. w. 13 lensäurestrom anhaltend auf 170° erhitzt habe, so kann dies doch auf keinen Fall bei den beim zweiten Behandeln mit Wasser zur Trennung von dem in Wasser unlöslichen Produkt auftretenden freien Säuren der Fall sein. Sie müssen vielmehr von einer Verbindung des Phosphorchlorürs mit dem Epichlorhydrin herrühren, die sich mit Wasser nicht allzu schnell vollständig zersetzt, desshalb theilweise unzersetzt beim Schütteln des Wassers mit Aether in ätherische Lösung gegangen ist und dann erst beim zweiten Behandeln mit Wasser sich vollständig zerlegt hat. Dass das entstehende Dichlorhydrin sich verhältnissmässig leicht im Wasser löst, rührt jedenfalls von dem Gehalte des Letz- teren dabei an freien Säuren her, wie ich ja auch am Anfang mei- ner Arbeit angab, dass sich Dichlorhydrin leicht in Essigsäure haltigem Wasser auflöst. Um zu sehen, ob Phosphorchlorür mit dem Epichlorhydrin sich im Verhältniss gleicher Mischungsgewichte vereinige, wurde folgender Versuch gemacht. Es wurde zu 1 Mgt. Epichlorhydrin (20 Gr.) genau 1 Mgt. Phosphorchlorür (29,7 Gr.) gebracht und das Gemisch, wie ge- wöhnlich, in einer Retorte mit Rückflusskühler, an dessen offenem Ende ein Chlorcaleiumrohr zur Vermeidung jeglichen Zutrittes von Wasser angebracht war, bei 100° aufeinander einwirken gelassen. Nach Beendigung der Reaction wurde die Retorte im Oelbade auf 120° erwärmt und im Kohlensäurestrom etwa nicht gebundenes Phosphorchlorür überzudestilliren versucht. Nach 2 Stunden ging Nichts mehr über. Die Menge des überdestillirten Phosphorchlo- rürs betrug 7,4 Gr., die sich mit Wasser vollständig zersetzten. Genau also !/, der Menge des angewandten Phosphorchlorürs war übergegangen. Es hat somit den Anschein, als wenn bei unserer Einwirkung 4 Mgt. Epichlorhydrin sich mit 3 Mgt. Phosphorchlo- rür verbänden. Man kann die Thatsache, dass ein Theil des Phosphorchlorürs ungebunden bleibt, jedoch auch so erklären, dass sich schon bei der Einwirkung — nicht erst bei der Zersetzung mit Wasser — die Verbindung C#H! °C1303 unter Zusammengehen von 2 Met. C3H50C1 und Eintritt von O und Cl bildet und dann das übrige Epichlorhydrin sich mit dem Phosphorchlorür zu glei- chen Mischungsgewichten verbände. Mir scheint sogar die letztere Erklärung die wahrscheinlichere, da sich dann auch die Zersetzung mit Wasser unter Bildung von Dichlorhydrin, Salzsäure und phos- phorige Säure viel eiufacher erklären lässt. Sie würde dann in folgender Weise vor sich gehen: 74 Dr. Carl Portius, cc Ion CH» — dl I I CH — 0 — PCl®: + 30H® = POH £ 2 HCl CH OH I CH» _ cl ve CH — cd Dichlorhydrin. Welche von diesen beiden Anschauungen die richtige ist, wird erst dann zu entscheiden sein, wenn es gelungen ist, die Verbin- dung des Epichlorhydrins mit Phosphorchlorür in analysirbare Form überzuführen. Es wäre ein interessantes Object späterer Untersuchungen, das Produkt der Einwirkung von absolutem Al- kohol oder Natriumäthylat auszusetzen. Vielleicht bildete sich dann die Verbindung CH? — Cl I OC2H>5 (00:00 CH? — Cl, womit der Aethyläther der neuen Säure dargestellt und zugleich . ein wichtiges Argument für die Erlenmeyer’sche Auffassung der Constitution des Epichlorhydrins geliefert wäre, da nur diese allein, so weit sich bis jetzt übersehen lässt, eine befriedigende Erklärung von der Constitution dieser Verbindung zu geben im Stande ist. Rückblick. Fassen wir die Resultate dieser Untersuchungen noch einmal kurz zusammen, so haben wir Folgendes: 1) Bei der Einwirkung von Salzsäuregas auf ein Gemisch von Glycerin mit Eisessig entsteht nur das bei 176° siedende, nicht auch das bei 184° siedende Dichlorhydrin. 2) Bei dieser Einwirkung entsteht kein Acetodichlorhydrin und Acetochlorhydrin, dagegen Monacetin. 3) Bei der Einwirkung von Natriumamalgam und Wasser auf Epichlorhydrin entsteht neben Allylalkohol und Isopropylalko- hol auch Glycerin und Polyglycerin. 4) Bei der Einwirkung von Phosphorchlorid auf Epichlorhydrin entsteht das bei 155° siedende Trichlorhydrin neben wenig höher siedenden Produkten. 5) Bei der Einwirkung von Phosphorchlorür auf Epichlorhydrin entsteht kein Trichlorhydrin; dagegen durch einfaches Zusam- mengehen beider Körper eine Verbindung, die sich mit Was- ser in Dichlorhydrin, Salzsäure und phosphorige Säure zer- Ueber die Bildung von Dichlorhydrin u. s. w. 75 setzt, sowie in eine in Wasser unlösliche ölige Substanz von der Zusammensetzung C°H!°C130®. Jena, April 1876. Nachschrift. Um über die Verbindung, für welche Hr. Dr. Portius die Formel: C#H!°C1303 aufstellte, etwas Näheres zu erfahren, habe ich dieselbe durch Hrn. Dr. Looss noch einmal darstellen und analysiren lassen. Er fand einmal: 30,7 Proc. Koh- lenstoff, 4,5 Proc. Wasserstoff und 45,6 Proc. Chlor; ein anderes- mal: 31,2 Proc. Kohlenstoff und 4,4 Proc. Wasserstoff. Es scheint mir keinem Zweifel zu unterliegen, dass die analysirte Substanz noch nicht rein war, was weitere Untersuchungen ergeben müssen. Vielleicht ist sie ein Abkömmlung eines Di-Epichlorhydrins von der Zusammensetzung: C%H1:C1302 d.h. das Trichlorhydrin des Pyroglycerins C®H!205 (= 2 C3H30° — OH?), und aus folgen- den Verhindungen entstanden: c#’ H: GC cH’ H:? 6 C H? H? C Be Ru mn) Be A OA. BL 2101 ak ha aaa 612 kl lm m/ | pe m: | Im: HeJ a a cl cl | Geuther. Ueber Schwefelverbindungen von ‚Dr. Heinrich Böttger. I. Die Polysulfide des Natriums. Berzelius erhielt die Schwefelverbindungen von Kalium und Natrium durch Erhitzen der kohlensauren Salze dieser Metalle mit Schwefel bis zu bestimmten Temperaturen. Schöne!) stellte die Polysulfide des Kaliums auf nassem Wege dar. 1. Natriummonosulfid. In einer tubulirten, mit einem Rückflusskühler verbundenen Retorte, durch welche ein Strom trocknen Wasserstoffs geleitet wird, wurden 50 Gr. gröblich zerkleinertes Natriumhydroxyd in etwa der vierfachen Menge Alkohol gelöst. Die filtrirte, schwach gelblich gefärbte Lösung wurde in zwei Theile getheilt, und die eine Hälfte mit gewaschenem Schwefelwasserstoffigas gesättigt. Hierbei scheidet sich anfangs eine weisse krystallinische Masse aus, welche an Menge so zunimmt, dass bald die ganze Lösung erstarrt, welche aber beim weitern Einleiten von Schwefelwasser- stoff wieder verschwindet, sodass, wenn die Flüssigkeit mit dem Gase gesättigt ist, eine ganz homogene Lösung entstanden ist. Zu derselben wurde die zweite Hälfte der alkoholischen Natron- lösung in einem verschliessbaren Cylinder gefügt. Das Natrium- monosulfid scheidet sich hierbei als ein weisser, kleinkrystallinischer Körper aus, welcher sich beim Erhitzen im Wasserbade auf 90° löst und sich dann beim langsamen Erkalten in Form langer pris- matischer Krystalle wieder ausscheidet. Durch wiederholtes Auf- lösen und Krystallisirenlassen werden die Krystalle von den bei- !) Pogg. Ann. CXXXTL,407. Die Polysulfide des Natriums. 77 gemengten Verunreinigungen, welche sich auf dem Boden des Cy- linders absetzen, befreit, sodann rasch durch Pressen zwischen Fliesspapier und endlich durch kurzes Stehen über Schwefelsäure getrocknet. Beim längern Stehen über Schwefelsäure verwittern die Krystalle So verloren 1,7032 Gr. derselben: Gr. Tagen Gr. während 1 Stunde 0,0008 = 0,05 °/,; während 14 0,1572=9,2 °|, ” 5 Stunden 0,0176= 1,1 °/,; ». +18.0,1988— 11,60], 120: an OA 2 Tl »...25 0,2416—=14,2%/, Din MODS; „ . 32 0,2786=16,0°/, N 4 Tagen 0,0881 =5,1 °/,; „ 39 0,3421 =20,0°/, a EUR EVA Ende Dass der Verlust in der That von Krystallwasser und nicht, wie dies ja auch möglich war, von Alkohol herrührte, wurde durch Erhitzen eines Theiles der Krystalle im Oelbade auf 120° kon- statirt. Bei dieser Temperatur schmelzen die Krystalle und es destillirt eine farb-, geruch- und geschmacklose, nicht brennbare Flüssigkeit über, welche bei 100° siedet. Die Menge des Krystallwassers lässt sich durch Erhitzen der Krystalle im Porzellantiegel nicht bestimmen, weil sowohl beim Erwärmen im Luftbad, als auch beim nachherigen Erkalten im Exsiccator eine Oxydation des Schwefelnatriums erfolgt. 1,5066 Gr. der Krystalle zeigten nach dem Erwärmen auf 130°, unmittelbar nachdem der Tiegel wieder erkaltet war, einen Gewichtsverlust von 0,7042, Gr.—46,5 °/,. Nachdem aber der Tiegel einige Stunden im Exsiccator gestanden hatte, betrug der Verlust nur noch 0,6273 Gr.=41,6°/,. Es hatte mithin die Substanz während dieser Zeit ca. 5°/, Sauerstoff aufgenommen. Die Bestimmung des Wassergehaltes wurde deshalb in der Weise ausgeführt, dass man die Krystalle in einem Kugelrohr mittelst des Luftbades erhitzte, während gleichzeitig trocknes Wasserstofigas ') das Rohr durchströmte. Die Krystalle verlieren das Wasser vollständig beim Erwärmen auf 180°. Auf diese Weise behandelt zeigten = 1) Gelegentlich der Bestimmung des Wassergehaltes der Krystalle wurde das Verhalten derselben gegen Kohlensäure sowohl bei Aus- schluss als bei Gegenwart von Wasser einer Untersuchung unterwor- fen. Es zeigte sich, dass die Kohlensäure bei Gegenwart von Wasser das Schwefelnatrium schon in der Kälte vollständig unter Bildung von Natriumcarbonat und Entwickelung von Schwefelwasserstoff zer- setzt, während sie aus dem, vorher entwässerten Natriumsulfid nur zum Theil und erst bei höherer Temperatur den Schwefel zu vertrei- 78 Dr. Heinrich Böttger, 1,7119 Gr. der Substanz einen Verlust von 0,8908 Gr. = 52,0], 337495 m ” „ ” „1b92 „= 5,0°%, 10 210°: 13 DI DBIS u # ds „, 10155 er Dieser Verlust eritspridhi 5 Mischungsgew. Krystallwasser. Beim Erwärmen auf 100° verloren 0,4860 Gr. der Krystalle bloss 0,1579 Gr. = 32,5 °/, Wasser. Dieser Verlust entspricht 3 Mischungsgew. Krystallwasser. Die entwässerte Substanz nimmt Wasser in sehr reichlicher Menge wieder auf und bildet damit allmählich einen dieken Brei. 0,4100 Gr. der entwässerten Krystalle zeigten folgende Gewichts- zunahmen: Nach 4 Stunden 0,0622 Gr. = 15,1°/, „iri22 ” 0,3013 CE Ja aa 73,40, „ 48 AO Een Die Bestimmung der in den Krystallen enthaltenen Schwefel- menge wird in der Weise ausgeführt, dass man die wässerige Lö- sung der Krystalle mittelst neutraler Cuprisulfatlösung zersetzt, das gefällte Schwefelkupfer durch rauchende Salpetersäure oxyditr und die hierdurch entstehende Schwefelsäure als Baryumsulfat be- stimmt. Zur Bestimmung des Natriums befreit man die vom Schwefelkupfer abfiltrirte Flüssigkeit, indem man Schwefelwasser- stoffgas in dieselbe einleitet, vom überschüssigen Kupfer, verdampft zur Trockne und bestimmt das Natrium als Sulfat. 2,2970 Gr. der wasserhaltigen Substanz gaben 3,0868 Gr. SO*Ba?, woraus sich 0,4248 Gr. = 18,5°/, 5 berechnen. Ferner wurden 1,3726 Gr. SO*Na? erhalten, welche Menge 0,6066 Gr. — 26,5°/, Na entspricht. Die gefundenen Schwefel- und Natrium- Mengen stehen genau im Mischungsgewichtsverhältniss = 1:2. ber. gef. Na: = 4 27,4 26,5 S = 32 19,0 18,5 DOHRı— 90 53,6 — 168° 100,0 ben im Stande ist, wie folgende Versuchsreihe beweist. 0,3842 Gr. entwässertes Natriummonosulfid zeigten beim Ueberleiten von CO? in der Kälte eine Zunahme von 0,0025 Gr. —= 0,6°/, bei 10001"), A 4.050085 2,9 BAUR „' 1500 ” ” „ 0,010 „—= 2,60, „ 180° 2) ” „ 0,019 „= AN, » 200° „ ” „ 0,0415 „— 10,80/, ” 210° 2) ” „ 0,060 „= 15,60, 2300 , M „0,0790 „ = 20,501,. Die Polysulfide des Natrium». 79 Der Grund der Abweichungen liegt wahrscheinlich in der Leichtigkeit, mit welcher die Krystalle beim Trocknen über Schwe- felsäure das Wasser verlieren. 2. Natriumbisulfid. Um dasselbe darzustellen verwandelt man eine alkoholische Na- tronlösung, deren Natriumgehalt man vorher bestimmt hat, auf die oben angegebene Weise in Natriummonosulfid und löst in demselben die zur Bildung des Bisulfids erforderliche Schwefelmenge. 211 Gr. einer alkoholischen Natronlösung, deren Natriumgehalt 9,8°%/, be- trug, wurden in Einfach-Schwefelnatrium verwandelt, und zu dem- selben sodann 14,5 Gr. (gewaschene) Schwefelblumen gefügt. Beim Erwärmen im Wasserbade löste sich der Schwefel leicht auf, und aus der, in der Wärme dunkelbraunen, beim Erkalten heller wer- denden Lösung, schieden sich beim Erkalten schwefelgelbe, in strahlige Drusen gruppirte Krystalle aus. Dieselben werden zuerst durch Pressen zwischen Fliesspapier und dann durch Stehen über Schwefelsäure getrocknet. Sie verwittern über Schwefelsäure nicht. Die Bestimmung des Schwefel-, wie des Natriumgehaltes wurde auf die bereits angegebene Weise ausgeführt. 0,9532 Gr. der Substanz gaben 2,2314 Gr. SO*Ba?. Dies entspricht 0,3069 Gr. = 32,2°/, S. Ferner wurden 0,6920 Gr. SO4Na? erhalten, woraus sich 0,2240 Gr. = 23,5°/, Na berech- nen. Daraus ergiebt sich folgende Zusammensetzung: ber. gef. Na? — 46 23,0 23,9 5? — 64 32,0 32,2 5:082,==/90 45,0 [44,5] 200 100,0 100,0. Das Natriumbisulfid verliert bereits bei 45° einen Theil seines Krystallwassers; beim Erhitzen auf 100° schmilzt es zu einer rothbraunen Masse und verliert im Ganzen dabei 3 Mgte Kry- stallwasser. 0,5018 Gr. der Krystalle verloren bei 100° 0,1537 Gr. = 30,6°/, OH?. 3. Natriumtrisulfid. 149 Gr. einer 7,6°/, Na enthaltenden alkoholischen Lösung von Aetznatron wurden in Natriummonosulfid verwandelt und zu demselben wurde die zur Bildung des Trisulfids erforderliche Menge Schwefel (14,3 Gr.) gefügt. Der Schwefel löst sich leicht auf, 80 Dr. Heinrich Böttg er, wenn man den gut verschlossenen Cylinder, in welchem die Dar- stellung erfolgt, im Wasserbade auf etwa 90° erwärmt. Beim Erkalten scheiden sich aus der Lösung bei Winterkälte (— 10° C.) dunkel goldgelbe, concentrisch gruppirte Krystalle aus, deren Ana- lyse folgende Resultate ergab. 0,5037 Gr. der Substanz verloren beim Erhitzen im Wasser- stofistrome auf 190° 0,1461 Gr. = 26,6°%/, Wasser. Die wasser- freie Verbindung lieferte alsdann 1,9167 Gr. SO*Ba?, woraus sich 0,2632 Gr. — 49,8°/, S berechnen. Endlich wurden aus der- selben 0,3845 Gr. SO*Na? erhalten, welche Menge 0,1247 Gr. = 23,5°/, Na entspricht. Hieraus ergiebt sich folgende Zusammen- stellung: ber. gef. Nase =2146 23,4 23,5 33 = % 48,9 49,8 3 OH? — 54 27,7 26,6 196 100,0 E35 Beim Erwärmen auf 100° verloren 0,5037 Gr. der Krystalle unter Schmelzen zu einer leberbraunen Masse 0,0941 Gr. = 17,7°/, Wasser, welcher Verlust 2 Mischungsgewichten entspricht. Die Krystalle halten sich einige Zeit an der Luft unverändert. Später verwittern sie auch beim Aufbewahren im verschlossenen Glase und verändern dabei ihre Farbe. 4. Natriumtetrasulfid. 207 Gr. einer alkoholischen Natronlösung, welche 7,9°/, Na ent- hielt, wurden in Natriummonosulfid verwandelt, und in demselben so- dann unter Anwendung der Hitze eines Wasserbades die berechnete Menge Schwefel (33,9 Gr.) gelöst. Aus der in der Kälte hellrothen Lösung schieden sich, auch bei einer Temperatur von — 23° keine Krystalle aus, und erst, nachdem die Lösung durch Abdestilliren der Hälfte des angewandten Alkohols concentrirt worden war, wurden bei — 15° orangerothe, gleichfalls concentrisch gruppirte Krystalle erhalten. 0,9042 Gr. der über Schwefelsäure getrockneten Krystalle ver- loren beim Erhitzen im Wasserstoffstrom auf 120° 0,3977 Gr. = 46,0°/, Wasser. Ferner wurden aus der angewandten Substanz- menge 2,6132 Gr. SO*Ba® und 0,3979 Gr. SO*Na? erhalten, woraus sich 0,3589 Gr. = 39,7°/, S und 0,1289 Gr. — 14,2°/, Na berechnen. | nu Die Polysulfide des Natriums. si Die Ergebnisse der Analyse führen zu der Formel Na?St + 85 OH?, wie folgende Zusammenstellung zeigt: ber. gef. NER END 14,4 14,2 2 ==128 40,2 39,7 5 OH 144 45,4 46,0 318 100,0 399. Die Krystalle des Natriumtetrasulfids verwittern sehr leicht über Schwefelsäure und verlieren schon bei 40° einen Theil des in ihnen enthaltenen Krystallwassers. Bei 100° sind sie im Was- serstoffistrom noch vollständig unzersetzbar; bei höherer Tempera- tur aber entweicht ein Theil ihres Schwefelgehaltes als Schwefel- wasserstoff. 5. Natriumpentasulfid. In dem aus 183 Gr. einer 8,2°/, Na haltigen alkoholischen Natronlösung bereiteten Natriummonosulfid wurden die zur Bil- dung des Pentasulfids erforderlichen 42,0 Gr. Schwefel gelöst. Aus der Lösung schieden sich nach einigen Tagen bei Winterkälte Krystalle von Natriumtetrasulfid ab, und erst, nachdem aus der Mutterlauge derselben die Hälfte des Alkohols durch Abdestilliren entfernt war, wurden bei einer durchschnittlichen Temperatur von — 5° dunkel orangegelbe Krystalle des Pentasulfids erhalten. 0,5392 Gr. der über Schwefelsäure getrockneten Krystalle verlieren beim Erwärmen auf 100° 0,2239 Gr. — 41,6°/, Wasser. Ferner gab die angewandte Substanzmenge 1,7750 Gr. SO*Ba? und 0,2129 Gr. SO*Na?, woraus ein Schwefelgehalt von 0,2442 Gr. — 45,35°/, und ein Natriumgehalt von 0,0689 Gr. = 12,8°/, sich berechnet. Diese Ergebnisse führen zu folgender Formel: ber. gef. Narı=,46 41,1 41,6 Bild 15,1 12,8 som —=1M 45,7 ‚48,3; 350 100,0 IAT. Das Natriumpentasulfid verliert bereits bei 100° im Wasser- stoffstrom einen Theil seines Schwefelgehaltes; bei höherer Tem- peratur tritt vollständige Zersetzung ein unter Entwickelung von Schwefelwasserstoff. Das Natriumpentasulfid vermag, wie schon Berzelius!) be- 1) Pogg. Ann. CXXXI, 404. Ba. XII. N. F. VI, 1. 6 82 Dr. Heinrich Böttger, merkt überschüssigen Schwefel aufzulösen, welcher sich beim Er- kalten in kleinen Krystallen wieder ausscheidet. Der Krystallwassergehalt des Natriummono- und des Natrium- tetrasulfids stimmt mit demjenigen der entsprechenden Kaliumver- bindungen überein, welche Schöne dargestellt hat. Durch Kochen der wässerigen Lösung des Natriummonosulfids mit überschüssigem Schwefel erhielt Schöne nach dem Eindampfen bis zur Syrup- consistenz auf nachherigen Zusatz von absoluten Alkohol das Na- triumtetrasulfid in Gestalt hellgelber Warzen, welche 6 Mischungs- gewichte Krystallwasser enthielten. Der Unterschied im Krystall- wassergehalt scheint durch die Verschiedenheit der Temperatur, bei welcher die Krystalle in beiden Fällen erhalten wurden, mit- bedingt zu sein. Il. Zur Constitution der Alkalipolysulfide. Die Anhänger der Monovalenztheorie erklären die Constitution der Alkalipolysulfide durch eine kettenförmige Aneinanderreihung mehrerer Atome zweiwerthigen Schwefels, welche sich unter einan- der mit je einer Affinität binden, während die zuletzt übrig blei- benden zwei Affinitäten durch 2 Atome des einwerthigen Alkali- metalls beschäftigt werden. Nach dieser Ansicht ist z. B. die Constitution des Natriumpentasulfids: I IT I EDER I Na?S55> = Na-S-5-S-S-S-Na. Gegen diese Auffassuug lassen sich alle Einwürfe geltend machen, welche gegen die constante Valenz der Elemente über- haupt erhoben worden sind). Unter den Vertretern der wechselnden Valenz der Elemente sind die Ansichten, über die Constitution der in Frage stehenden Verbindungen getheilt. Die Einen lassen die Valenz des Schwefels in denselben ungeändert, und nur diejenige des Alkalimetalls varii- ren; nach den Andern ist in den Polysulfiden die Werthigkeit des Metalls constant, dagegen diejenige des Schwefels veränderlich. Zu den Anhängern der erstern Ansicht gehört Geuther. Nach dem- selben ?) ist die Constitution der den Natriumpolysulfiden ganz ana- logen Kaliumpolysulfide in folgenden Formeln zum Ausdruck gebracht: I Ip II u IV K:S = K2S; KS — KS; K2S? — K:S5; K2S: — K:$4 Kkagsıl K2s5 1!) Vgl. hierzu Geuther in 2) Lehrb. d. Chemie pag. 222. Constitution der Alkalipolysulfide. 33 indessen ist die Annahme eines bi- und tetravalenten Kaliums un- nöthig, man kann vielmehr auch die folgenden Formeln schreiben: II II AR, ZU II DIR Kıs—K S; KS2—K = ıı oder K : 1% K Re Re II Tr S ALTE S RB = TITTEN: K254—Kl=15 S oder — S-K-$ Be II Zn 1 V II 1 S es LER Te Ri II II II = S S — S— K= — S- K7 Zu den Anhängern der letzteren Ansicht gehört Drechselt). Nach demselben ist das Tetra- und das Pentasulfid analog dem Sulfit und dem Sulfat des Natriums constituirt. Er schreibt a — S —a Na2St —= S — SNa analog Na?(S03) = S — ONa — 8Na — ONa u vn= S2 le 0? Na’S5 — Ss — SNa analog Na2(SO*) = S — ONa — .SNa — ONa Um über die Zulässigkeit dieser Ansicht ein Urtheil zu ge- winnen, wurde die Einwirkung von Blei-Hydroxyd auf das Natrium- tetra- und Pentasulfid untersucht. Bei der grossen Verwandtschaft des Bleies zum Schwefel liess sich nach der Ansicht von Drechsel eine Auswechselung des gesammten zweiwerthigen Schwefels gegen Sauerstoff erwarten, so dass z. B. bei Anwendung von Natrium- pentasulfid die Reaction unter Bildung von Natriumsulfat nach der Gleichung 3Na?S5 + 4Pb30:H2 = 380*Na? + 12PbS + 40H? verlaufen würde. In einer tubulirten Retorte, welche mit einem Rückflusskühler verbunden war und durch welche ein Strom trockenen: Wasserstofi- gases geleitet wurde, wurden die nach obiger Gleichung sich berechnenden Mengen Natriumpentasulfid und Bleihydroxyd (1 Gr. !) Journ. f. prakt. Chemie IV, 20. 6* 84 Dr. Heinrich Böttger, Na?S5 + SOH? und 3 Gr. Pb?0*H?) bei Gegenwart von Wasser zusammengebracht und längere Zeit bis zum Kochen erhitzt. Der entstandene schwarze Rückstand wurde durch Filtration von der schwach gelb gefärbten Flüssigkeit getrennt. Das neutral reagi- rende Filtrat enthielt keine Schwefelsäure, sondern nur unterschweflige Säure; der schwarze Rückstand bestand nur aus Bleisulfid. Das Natriumpentasulfid verhielt sich da- her, Bleihydroxyd gegenüber, wie Natriummonosulfid plus Schwefel. Letzterer welcher zu Beginn der Reaction abgeschieden wird, wirkt auf das gleichzeitig mitentstehende Natriumhydroxyd ein unter Bildung von Natriumdithionit, wie dies bekannt ist und die fol- genden Gleichungen zum Ausdruck bringen: 3 Na2S5 + Pb?’OH? + 20H? —= 3PbS +6Na0H +4 128 6Na0H + 12 5 . —= 2 Na?S55 + 3?0°?Na? + 50H? ZNa?S° + Pb?O:H? —= 3 PbS + S?03Na? + OH? Wie das Natriumpentasulfid verhält sich auch das Natriumte- trasulfid, nur dass die hierbei entstehende Flüssigkeit, wegen des gleichzeitig mitentstehenden Natriumhydroxyds nicht neutral, son- dern alkalisch reagirt. Die Einwirkung verläuft also nach fol- gender Gleichung 30 Na?S*-+10 Pb?0H?-+20 OH ?= 30 PbS-+90 S+60 NaOH 54 NaOH +908 — 185Na?S?+95?03Na?+270H2 212 Na?S® + 10 Pb302H2—30PbS-H6Na0H-+9S?03Na?+70H?2. Nach den Ergebnissen dieser Einwirkungen muss es daher als unstatthaft erscheinen, das Natriumtetra- und pentasulfid als den Sauerstoffsalzen des Schwefels analog constituirt aufzufassen. Ill. Einwirkung von Schwefel auf Natriummercaptid. Diese Einwirkung hatte den Zweck nachzuweisen, ob eine directe Anlagerung des Schwefels an das Natriummercaptid mög- lich sei, in welchem Falle alsdann durch den Nachweis einer Ver- 5 H® H > a h a A NEN AIR bindung C SNaS oder © N kt ein positiver Beweis für die drei-, resp. fünfwerthige Natur des Natriums erbracht wäre. Einige Vorversuche sollten zu einer bequemern Darstellungs- weise des Natriummercaptids, als die gewöhnliche aus metallischem Natrium und Mercaptan ist, führen. Es sind die folgenden: Einwirkung von Schwefel auf Natriummercaptid. 85 a. Schwefelaethyl und Natriummonosulfid. Beide Substan- zen wurden in dem nach der Gleichung (C2H5)2 + Na?S —= 202H5SNa geforderten Gewichtsverhältniss zusammengebracht!) und im ver- schlossenen Rohr zuerst 4 Stunden lang auf 100°, sodann 8 Stun- den lang auf 180° und zuletzt noch längere Zeit auf 210° erhitzt. Es ergab sich beim Oeffnen des Rohres, dass beide Substanzen nicht auf einander eingewirkt hatten. b. Mercaptan und Natriumhydrosulfid. Beide Substanzen wurden in dem aus der Gleichung C?®H5SH + NaSH = C2H5SNa + SH? folgenden Gewichtsverhältniss zusammengebracht und im verschlos- senen Rohre nach einander auf 100°, 180° und 210° erhitzt. Beim Oeffnen des Rohres zeigte sich ein starker Druck, das ent- weichende Gas war Schwefelwasserstof. Der Inhalt der Röhre bestand zum geringen Theil aus unzersetztem Mercaptan, während der feste Rückstand bei der Analyse der Zusammensetzung des Natriumhydrosulfids entsprach. 0,4325 Gr. der angewandten Subtstanz gaben 1,1815 Gr. SO*Ba? und 0,3676 Gr. SO*Na?, woraus sich 0,1623 Gr. = 37,5°/, S und 0,1191 Gr. —= 27,50/, Na berechnen. Ferner gaben 0,3814 Gr. der Substanz beim Erhitzen 0,1258 Gr.=33,0°/, Wasser. Diese Zahlen entsprechen der Zusammensetzung des Natriumhydrosulfids, wie folgende Zusammenstellung beweist: ber. gef. Na? — 46 27,7 27,5 S2 — 64 38,5 375 m 9 12 ae B>0H7,-— 154 32,0 33,0 166 100,0 1 Die folgenden Gleichungen veranschaulichen die bei der Ein- wirkung von Mercaptan auf Natriumhydrosulfid stattfindenden Vorgänge: C:H°SH + NaSH = C2H5SNa + SH? C:H°SNa+ OH? = C2H50ONa + SH? C:H50Na+ OH2 = C?H50H + NaOH NaOH + SH? = NaSH + OH? =C:H’SH + NaSH+0H?=SH?-+C?H>0H-+-NaSH. !) Hier, wie bei den folgenden 3 Versuchen wurde der von der Erzeugung des Schwefelnatriums herrührende Alkohol vor der Ein- wirkung nicht aus dem Rohre entfernt. 36 Dr. Heinrich Böttger, Die Endproducte der Einwirkung sind somit Schwefelwasser- stoff, Natriumhydrosulfid und Alkohol, deren Vorhandensein durch den Versuch auch in der That constatirt wurde. c. Schwefelaethyl und Natriumhydrosulfid, sowie d. Mercaptan und Natriummonosulfid sind ohne Einwirkung auf einander. Das Natriummercaptid wurde nun, da diese Versuche negative Resultate ergeben hatten, durch Einwirkung von metallischem Na- trium auf Mercaptan dargestellt. Das dazu verwandte Mercaptan war auf die gewöhnliche Weise durch Einwirkung von Chloräthyl auf Natriumhydrosulfid als eine zwischen 35 und 37° siedende farb- lose Flüssigkeit erhalten. Die Darstellung des Natriummercaptids wurde in einem mit Rückflusskühler in Verbindung gesetzten Glasrohr ausgeführt, wobei das Natrium nur in kleinen Stückchen hinzuge- gefügt werden darf, weil bei Anwendung grösserer sich dieselben mit gebildetem Natriummercaptid überziehen und durch Verhin- derung der Berührung des metallischen Natriums mit der Flüssig- keit auch die weitere Einwirkung unmöglich machen. Auf diese Weise wurden bei Anwendung von 7 Gr. Mercaptan 1,1 Gr. Natrium in Mercaptid verwandelt und hierzu wurde nach Zusatz von 10 Gr. absoluten Alkohol die sich .auf 1 Mischungsgewicht Natriummer- captid berechnende Schwefelmenge (1,5 Gr.) gefügt. Beim Er- wärmen auf 100° trat theilweise Lösung der festen Bestandtheile ein. Der flüssige Röhreninhalt, von dem festen durch Destillation aus dem Wasserbade im Wasserstrome getrennt, enthielt neben Alkohol nur Aethylbisulfid. Der feste Rückstand endlich bestand aus Natriumpolysulfiden und einer geringen Menge von höhern Schwefelverbindungen des Aethyls. Natriummercaptid und Schwefel vermögen sich daher nicht direct miteinander zu vereinigen, vielmehr zersetzen sie sich ge- genseitig, welche Zersetzung in der Gleichung 2C2H5SNa + 25 = (C?H?)’S? + Na2S? ihren einfachsten Ausdruck findet. IV. Zur Kenntniss des Schwefelaethyls. Das zu den Versuchen verwandte Schwefeläthyl war auf die gewöhnliche Weise durch Einwirkung von Chloräthyl auf Natrium- monosulfid als eine bei 91° siedende Flüssigkeit erhalten worden. Zur Kenntniss des Schwefelaethyls. 87 1. Einwirkung von Schwefel auf Einfach-Schwefelaethyl. Nach Müller!) vereinigen sich Schwefel und Schwefeläthyl selbst beim viertägigen Erhitzen auf 150° nicht. Die Wieder- holung des Versuchs ergab indessen, dass eine, wenn auch nur theilweise Vereinigung beider Substanzen doch stattfindet. Es wurden, um dies nachzuweisen, im verschlossenen Rohre 20 Gr. Einfach-Schwefeläthyl mit 4,0 Gr. Schwefel (1 Mgte entspr.) eingeschlossen und das Rohr mehrere Stunden lang auf 150° erhitzt, bei welcher Temperatur der Schwefel sich zwar löste, beim Erkal- ten sich aber wieder krystallinisch ausschied. Nach 24stündigem Erhitzen auf 180° schied sich beim Erkalten kein Schwefel mehr aus, sondern blieb mit weingelber Farbe in der Flüssigkeit gelöst. Beim nunmehrigen Destilliren des Röhreninhaltes ging mit den Wasserdämpfen anfangs ein farbloses, später ein hellgelbes, zuletzt ein braungelbes Oel über, während im Kolben ein braunschwarzer Rückstand blieb. Es wurde nun so lange das Destilliren fortge- setzt, als mit den Wasserdämpfen noch Spuren jenes braungelben Oeles überdestillirten. Dasselbe setzt sich zum grossen Theil in kleinen Tröpfchen auf dem Boden des das Destillat enthaltenden Gefässes ab; nur ein kleiner Theil bleibt im Wasser suspendirt und bildet eine gelbgrüne Emulsion. Da sich das Oel in Aether leicht löst, so kann man diese Eigenschaft zum Sammeln dessel- ben mit Vortheil benutzen. Es wurde der Schwefelgehalt dessel- ben bestimmt. (An. I). Aus dem zuerst übergegangenen farblosen bis schwach gelb gefärbten Destillat schied sich beim weitern Zusatz von Wasser eine ölige Flüssigkeit ab, welche zum grössten Theile aus bei 91— 94° siedendem Einfach-Schwefeläthyl und nur zum geringern Theil aus bei 150—160° siedendem Zweifach-Schwefeläthyl bestand, welches indessen immer schwach gelb gefärbt war, wahrscheinlich von beigemengtem Dreifach-Schwefeläthyl. Endlich blieb bei der ersten Destillation ein schwarzer Rückstand im Destillirkölbchen, dessen Schwefelgehalt in An. II bestimmt wurde ?). 1) Journ. f. prakt. Chemie IV, 39. 2) Zur Bestimmung des Schwefelgehaltes oxydirt man die Sub- stanz mittelst conc. Salpetersäure, welcher man, unter gelindem Er- wärmen, einige Tropfen Salzsäure zufügt. Man verjagt die über- schüssige Säure, nimmt den Rückstand mit Wasser und Salpetersäure wieder auf, neutralisirt mit Soda, fügt die gleiche Menge Natrium- carbonat, welche zur Neutralisation verwandt war, hinzu, verdampft zur Trockne und erhitzt den Trockenrückstand über freiem Feuer, bis 88 Dr. Heinrich Böttger, An. I. 0,1630 Gr. des braungelben, in Aether löslichen Oeles . gaben 0,8192 Gr. SO*Ba?, woraus sich 0,1124 Gr. oder 69,0°/, S berechnen. Das Aethyltetrasulfid enthält 68,5°%/, S. An. I. 0,5449 Gr. des beim Fractioniren erhaltenen braun- schwarzen Rückstandes gaben nach dem Trocknen über Schwefel- säure 0,5449 Gr. SO*Ba?, woraus sich 0,4666 Gr. oder 90,7°/, 8 berechnen. Das Aethylpentasulfid enthält nur 73,4°/, S. Die vorlie- gende Substanz ist daher wahrscheinlich ein Gemenge von Schwe- fel mit einem höhern Schwefeläthyl. Seinem physikalischen Verhalten nach stimmte der in An. II untersuchte braunschwarze Rückstand mit demjenigen überein, welcher beim ersten Destilliren mit Wasserdämpfen im Destilla- tionsgefäss znrückgeblieben war. Der Schwefelgehalt desselben wurde zu 87,1°/, bestimmt (0,2891 Gr. gaben 1,8329 Gr. SO:Ba2). Es gelang indessen nicht, die höhere Schwefelverbindung des Ae- thyls von dem beigemengten Schwefel zu trennen. In Aether war der Rückstand fast ganz unlöslich, in Alkohol ebenso, Benzol löste einen Theil desselben auf, allein nach dem Abdestilliren des Benzols und Trocknen des Rückstandes über Schwefelsäure gaben 0,2287 Gr. der Substanz 1,4482 Gr. SO*Ba?, woraus sich 0,1989 Gr. oder 86,9°/, S berechnen. Schwefel wirkt demnach auf Schwefeläthyl nur z. Th. ein, wobei sich Zweifach-, Dreifach-, Vierfach- und wahrscheinlich auch Fünffach-Schwefeläthyl bildet. 2. Einwirkung von Schwefelchlorür auf Schwefelaethyl. In einer mit Rückflusskühler verbundenen Retorte wurden zu 25 Gr. Einfach-Schwefeläthyl die sich auf 1 Mischungsgewicht be- rechnende Menge (37 Gr.) bei 133° siedenden Schwefelchlorürs (S?C1?) langsam tropfen gelassen. Die Einwirkung ist, anfangs wenigstens, sehr heftig und von: bedeutender Wärmeentwickelung begleitet. Es scheidet sich, unter Gasentwickelung, gelber Schwefel ab, welcher die Wände der Retorte bedeckt; das entweichende Gas, von Wasser begierig absorbirt, charakterisirt sich durch sein Verhalten zu Argentinitratlösung als Salzsäure. Die Flüssigkeit in der Retorte bleibt, bis etwa die Hälfte des anzuwendenden er ganz weiss geworden ist. Nunmehr löst man in Wasser, fügt Salzsäure bis zur sauern Reaction hinzu, vertreibt die Kohlensäure durch Erwärmen und fällt nunmehr die Schwefelsäure durch Baryum- chlorid. Das Baryumsulfat wird stark geglüht, mit Salzsäure-haltigem Wasser digerirt, filtrirt und dann erst gewogen. Zur Kenntniss des Schwefelaethyls. 89 Schwefelchlorürs zugetropft ist, durchsichtig; dann wird sie plötz- lich missfarbig und nach kurzer Zeit braunschwarz und. undurch- sichtig. Wird nunmehr zur Vertreibung der Salzsäure auf dem Wasserbade erwärmt, so schwärzt sich der Retorteninhalt mehr und mehr, während gleichzeitig seine Consistenz zäher wird. Als- dann lässt sich ein ganz dickflüssiger, fast fester Theil von einem leichter flüssigen, aber ebenfalls schwarz gefärbten unterscheiden und durch Abgiessen von demselben trennen. Ersterer besteht fast nur aus Schwefel, dem eine geringe Menge organischer Sub- stanz beigemischt ist. Der grösste Theil des letzteren dagegen ist unverändertes Einfach-Schwefeläthyl, welchem indessen auch Zwei- fach-, sowie Dreifach-Schwefeläthyl beigemengt ist. Der beim Ueber- destilliren des leichter flüssigen Theiles in der Retorte bleibende Rückstand von tiefschwarzer Farbe und starkem Glasglanz war, wie seine theilweise Löslichkeit in Schwefelkohlenstoff, sowie das Verhalten des unlöslichen Rückstandes beim Erhitzen auf dem Pla- tinblech bewies, ebenfalls nur ein Gemisch von Schwefel mit Kohle. Das Schwefelchlorür wirkt demnach auf eine höchst eigen- thümliche Weise auf Schwefeläthyl ein, indem der Chlorgehalt des- selben in die Aethylgruppen des Schwefeläthyls anfangs vielleicht substituirend eintritt, späterhin dieselben aber unter Salzsäurebil- dung und Abscheidung von Kohle gänzlich zersetzt. Der gleich- zeitig abgeschiedene Schwefel verbindet sich z. Th. mit unzersetz- tem Schwefeläthyl und bildet Aethylpolysulfide. Die Einwirkung wird demzufolge etwa in folgender Gleichung einen Ausdruck finden: 5S2Cl2 + (C?H5)2S = 10CIH + 4C + 118. 3. Einwirkung von Thionylchlorür auf Schwefelaethyl. Zu 9 Gr. Einfach Schwefeläthyl wurde die auf 1 Mischungs- gew. desselben sich berechnende Menge Thionylchlorür (12 Gr.) in der bei 2. angegebenen Weise tropfen gelassen. Es erfolgt an- fangs keine Einwirkung; ist dieselbe aber durch gelindes Erwär- men einmal eingeleitet, so setzt sie sich unter Gasentwicklung von selbst fort. Die dabei entweichenden Gase sind, wie ihr Verhalten zu Silber- und Quecksilberlösung zeigt, Chlorwasserstoff und schwef- lige Säure. Die Flüssigkeit in der Retorte, welche bei, Beginn der Einwirkung eine Zeit lang farblos bleibt, bräunt sich später und es scheidet sich späterhin aus derselben ein schwarzer Kör- per aus, welcher dasselbe Verhalten zeigt, wie der bei 2. erhal- tene und mithin ebenfalls als ein Gemisch von Schwefel mit Kohle 90 Dr. Heinrich Böttger, zu betrachten ist. Das noch flüssig Bleibende in der Retorte ist zum grössten Theile Einfach-Schwefeläthyl, welchem indessen auch hier wiederum etwas Zweifach- und Dreifach-Schwefeläthyl beige- mengt ist. Abgesehen von dem Auftreten der schwefligen Säure ist diese Einwirkung ganz analog der vorigen. Sie lässt sich durch fol- sende Gleichung ausdrücken: 10 SOCI? = 5 50? + 5 SCl*. 5SCl +2 (C2H5)?S = OCIH+S8SC-+TNS. >10 SOC? + 2 (C?H°)2S = 550? HZ CH +8C-+-TS. Dieser Gleichung würde die folgende ganz analog sein: 10 SSC® = 15 S + 5 SCI! 5SCl +2 (C2H5)2S = OCH+8C+7S 310 8:0? +2 (CH>)2S = 00H +8C+ 28. 4. Einwirkung von Sulfurylhydroxylchlorid auf Schwefeläthyl. 12 Gr. Einfach-Schwefeläthyl werden mit der 1 Mischungsge- wicht entsprechenden Menge Sulfurylhydroxylchlorid (15 Gr.) in der bekannten Weise zusammengebracht. Anfangs erfolgt keine Einwirkung; später färbt sich die Flüssigkeit unter schwachem Erwärmen gelb, während gleichzeitig eine Gasentwickelung beginnt. Die entweichenden Gase sind schweflige Säure und Salzsäure. Beim Erwärmen färbt sich der Inhalt der Retorte, wie bei den vorigen Versuchen, bald dunkler; indessen scheidet sich kein fester Kör- per aus. Nachdem durch Erwärmen auf dem Wasserbade die bei der Einwirkung entstandene Salzsäure und schweflige Säure ver- jagt war, wurde der Retorteninhalt zu kaltem Wasser gegossen, wobei eine Erwärmung desselben zu bemerken war. Zugleich schied sich ein farbloses Oel ab, welches nach dem Trocknen mit Chlorcaleium einen Siedepunkt von 91° besass und mithin unzer- setztes Einfach-Schwefeläthyl war. Die durch Zersetzung mit Was- ser erhaltene Flüssigkeit enthielt nur Schwefelsäure und eine ge- ringe Menge Salzsäure, keinesfalls aber Aetherschwefelsäure, wie dies durch Neutralisation mit Baryumcarbonat und Untersuchung des darnach erhaltenen Filtrates constatirt wurde. Der oben er- wähnte schwarze Rückstand in der Retorte bestand aus Kohlenstoff. Wir können demgemäss die bei der Einwirkung von Sulfuryl- hydroxylchlorid auf Einfach-Schwefeläthyl stattfindenden Vorgänge in folgenden Gleichungen darstellen: Zur Kenntniss des Schwefelaethyls. 9 10 SOSHC1 = 5 SO2C1? + 5 SO:H: 5 SO20l? = 5 SO? + 1001. 10 Cl+ (C®H5)2S = 10 CH +4C +8. 2S0+H2+S = 3 S02 + OH? 510 SO>HC1 ++ (C2H5)2S — 3 SO:H? + 8SO® + 10CHH + 20H2 +40. 5. Einwirkung von Sulfurylchlorid auf Schwefelaethyl. Dieselbe bestätigte die bei Erklärung der vorigen Einwirkung gemachte Annahme, dass sich das Sulfurylchlorid wie schweflige Säure + Chlor verhält. Zu 10 Gr. Einfach-Schwefeläthyl werden 15 Gr. Sulfurylchlorid tropfen gelassen. Anfangs ist die Einwir- kung sehr heftig und es entweichen schweflige Säure und Salz- säure. Unterstützt man im weitern Verlaufe die bald schwächer werdende Einwirkung, so sieht man, wie der Retorteninhalt erst hell-, dann dunkelroth und zuletzt, unter fortwährender Gasent- wickelung ganz schwarz wird. Bei der Destillation der Flüssig- keit bleibt in der Retorte wieder der schon erwähnte schwarze Rückstand, während die destillirende Flüssigkeit sich in Einfach- Schwefeläthyl, welches bei 91° siedet, und in Zweifach-Schwefel- äthyl zerlegen lässt, welches bei 150—160° siedet und von bei- gemengtem Schwefeläthyl mit höherem Schwefelgehalt gelb ge- färbt ist. 0,3345 Gr. dieser bei 150—160 ® siedenden Flüssigkeit gaben 1,5125 Gr. SO*Ba?, woraus 0,1809 Gr. oder 54,1°/, S sich be- rechnen. Das Aethylbisulfid enthält 52,4%/, S. Der bei der Einwirkung von Sulfurylchlorid auf Schwefeläthyl stattfindende Vorgang findet mithin einen Ausdruck in den Glei- chungen: 5S0?:Cl? = 550? + 10 01. 10 C1 + (C?H5)?S = WCIH +4C+S 35 80:Cl® + (C?H5)?S = 580° +10 CHH +40 +8. Die im Vorstehenden beschriebenen Versuche wurden auf Ver- anlassung und unter Leitung des Herrn Prof. Geuther ausge- führt. Ich fühle mich dem Letzteren für die freundlichen Rath- schläge, welche er mir dabei zu Theil werden liess, zum wärm- sten Danke verpflichtet. Jena, Juli 1876. Versuch einer vergleichenden Anatomie des Verdauungs- systemes der Vögel. Von Dr. Hans Gadow. Hierzu Tafel IV—XIL. Die folgenden Untersuchungen beziehen sich auf die Classe der Vögel, eine Classe, welche, wie aus vielen Thatsachen her- vorzugehen scheint, grade in der Jetztzeit in voller Entwicklung begriffen ist. Trotzdem, dass die Vögel gegenüber den anderen Thierklas- sen ein anatomisch verhältnissmässig einförmiges Bild gewähren, lassen sie doch grade bei ihrer isolirten Stellung die Einflüsse der Aussenwelt auf die Umgestaltung ihres Gesammtorganismus deut- lich erkennen. Im nicht geringsten Maasse ist dies bei dem Ver- dauungssysteme der Fall, wie denn überhaupt die Morphologie der Vögel so manche wichtigen und interessanten Verhältnisse zeigt. Sonderbarer Weise sind seit einer langen Reihe von Jahren die Vögel viel, ja zuviel von den nur mit Oologie und dem Feder- kleide in seinen Aeusserlichkeiten sich beschäftigenden reinen Sy- stematikern in Anspruch genommen worden, während die wissen- schaftlich zu Werke gehende Anatomie sich selten, — in Bezug auf das Verdauungssystem gar nicht — mehr mit ihnen be- schäftigte. | Ich wage desshalb den Versuch zu einer vergleichenden Ana- tomie des Verdauungssystemes der Vögel, und hoffe im Folgenden einen kleinen Beitrag zur Kenntniss der Morphologie derselben zu liefern. Der erste Theil dieser Arbeit enthält eine rein descriptive, auf makroscopischer Untersuchung beruhende Anatomie der Ver- Dr. H. Gadow, Versuch einer vergleichenden Anatomie der Vögel. 93 dauungswerkzeuge der Vögel. Ich habe letztere in diejenigen, als Ordnungen aufzufassenden Abtheilungen zusammengestellt, welche mir — mit voller Berücksichtigung der Osteologie und Pterogra- phie — durch meine Resultate gerechtfertigt erscheinen. Wäh- rend der zweite Theil des hier gegebenen Materials, wenn auch auf den eigenen Untersuchungen von ungefähr 200 verschiedenen Species beruhend, doch im Grossen und Ganzen nur den Werth einer Zusammenstellung und Vervollständigung der vielen in der Litteratur zerstreuten Sectionsbefunde haben kann, so darf ich doch wenigstens das über den „Darm“, besonders aber das über die „Darmlagerung“ Mitgetheilte als die Frucht nur meiner eige- nen Untersuchungen in Anspruch nehmen. Im zweiten Theile habe ich die objectiven Befunde des ersten vergleichend nach den Organen zusammengestellt und bisweilen auch Erklärungen für ihre Verschiedenheiten zu geben mich be- müht. In Cap. XH—XVI ist das Verhalten des Darmes von all- gemeinen Gesichtspunkten aus, auch embryologisch, untersucht. Im letzten Capitel endlich habe ich es unternommen, auf Grund meiner Resultate ein System der Vögel aufzustellen, und fühlte mich hauptsächlich dazu bewogen, weil die herrschenden Systeme sich anatomisch als ungenügend erwiesen haben, jedoch war ich bemüht, auf letztere Rücksicht zu nehmen. Die Zeichnungen sind von mir selbst nach der Natur in situ entworfen, und nachträglich von Herrn Müller verkleinert; die darin stehenden Zahlen beziehen sich, am Pylorus beginnend, auf den Verlauf des Darmes. Die schematischen Zeichnungen heben in verschiedener Ausführung das Duodenum, die erste direct und zweite retrograd laufende Hälfte des Ileum (die Stelle des Diver- ticulum coecum vitelli als Mittelpunkt gerechnet) in den Enddarm nebst den Blinddärmen hervor. Einen grossen Theil des reichlichen Materials verdanke ich den Herren Prof. Peters und Director Bodinus in Berlin und Herr Prof. Gegenbaur in Heidelberg, denen ich an dieser Stelle für ihre Güte und Bereitwilligkeit den wärmsten Dank ausspreche. RATITAE. Merr. Die hier folgende Beschreibung der Verdauungseingeweide der Ratiten beruht zum überwiegenden Theile auf den eigenen Unter- suchungen von einem jungen und einem nahezu erwachsenen Stru- thio camelus, 2 Rhea americana (1 junge und 1 halberwachsene) 94 Dr. Hans Gadow, und einem alten Weibchen von Casuarius indieus. Dromaeus und Apteryx waren mir bis jetzt unzugänglich. Aus der einschlägigen Litteratur sind hervorzuheben: Home. Philosophical Transactions. 1810. 12. 13. Cuvier. Lecons d’Anatomie comparee. Tome Ill. Meckel. System der vergl. Anatomie. 1829 und Archiv. Owen. In Todds Cyclopaedia of Anatomie and Physiology. Macalister. Proceedings of the royal irish Acad. 1869. Garrod. Proceed. Zool. Soc. London. 1872. Da die Genera Struthio, Rhea und Casuarius sehr grosse, durch keine Mittelstufen mehr verbundene Verschiedenheiten zei- gen, so war eine zusammenfassende Behandlung der einzelnen Verdauungsorgane, wie bei den übrigen Ordnungen, ohne Aufge- ben der Uebersichtlichkeit unmöglich. Die Zunge ist rudimentär, dreiseitig, klein; nur bei Ca- suarius ist sie länger als breit und ist an den Seitenrändern mit einigen rückwärts gerichteten Spitzen versehen. Bei Struthio ist sie verhältnissmässig am kleinsten, dabei viel breiter als lang, an ihrem vorderen Rande abgerundet, am hinteren, wie Meckel sich ausdrückt, ausgehöhlt und hier auf beiden Seiten in einen Lappen ausgezogen, weich mit sehr kleinen Wärzchen besetzt. Vom Zungengerüst des Straussen giebt Meckel folgende ge- naue Beschreibung: Der Körper ist in seinem vordern Viertel breit, platt, fünfeckig, die hinteren drei Viertel bilden das mitt- lere, hintere Horn. Der Zungenknorpel ist etwas schmaler als der vordere Theil des hinteren Mittelstückes, fast gleichseitig vier- eckig, völlig mit ihm verwachsen und nimmt ungefähr die Hälfte der Zunge ein. Die Seitenhörner sind lang und stark und ihr linker knorpeliger Theil fast völlig so lang als der vordere knö- cherne. Schlund, Drüsen- und Muskelmagen. Der Schlund ist stets sehr erweiterungsfähig; bei Struthio, Rhea und Apteryx ohne jegliche Anschwellung, die etwa als Kropf gedeutet werden könnte. So fand ich ihn bei Rhea durchgängig ungefähr 3 Cm. weit, dünnwandig und ohne mit unbewafinetem Auge bemerkbare Drüsen auf der Innenfläche. Bei Struthio ist der Schlund stark- wandig, anfangs nach Meckel „von beträchtlicher Weite, nach dem Magen hin sich verengend, die Innenfläche durch viele kleine sehr dicht stehende, nicht tiefe „Zellen“ ungleich.“ Dasselbe Ver- halten zeigen die von mir untersuchten Exemplare.. Bei Casua- riusindicus dagegen dehnt sich die sonst 4Cm. weite, nachgiebige Versuch einer vergleichenden Anatomie der Vögel. 95 Speiseröhre, wie auch Meckel beschreibt, in der Mitte zu einem beiderseits spitz ovalen, ungefähr 22 Cm. langen und an der weite- sten Stelle 10 Cm. breiten unechten Kropfe aus; ich nenne ihn einen unechten Kropf, weil er eine ganz glatte, drüsenlose Innenfläche be- sitzt. Hinter diesem Kropfe folgt bei Casuarius eine kurze, dickwan- dige, einen Ring bildende Verengerung, mit nur fingerdickem Lumen, innen mit vielen Falten versehen. Daran schliesst sich sogleich der bei meinem Exemplar 15 Cm. lange und gleichmässig 7—8 Om. weite Drüsenmagen an. Dieser ist überall mit einzelstehenden, grossen, zusammengesetzten Drüsen versehen, die nach dem Ma- gen hin in ziemlich grader Linie aufhören; hierauf folgt ein meh- rere Cm. langer, noch ziemlich schwach muskulöser Uebergangs- theil, der aber schon zum Muskelmagen gerechnet werden muss. Der Muskelmagen selbst ist von mittlerer Stärke und bildet auf der Innenfläche hohe Längsfalten, während der eben erwähnte Uebergangstheil innen glatt ist. Das ganze Organ ist dicht mit weicher sammetartiger Mucosa und Epithel ausgekleidet und ent- hält gar keine, bei der Stärke des Magens eigentlich zu vermu- thende, Reibeplatten. Die grösste Länge betrug 9 Cm.; seine Breite cc. 6 Cm. Von Casuarius Emu giebt Home folgende Beschreibung: „Ihe solvent glands are oval bags, !/, inch long and no more than t/,, inch wide; they occupy the whole surface of the cardiac cavity, which is very large. Gizzard nearly of the strength of that of the crow, but has a thicker cuticular lining. This ceuticle extends beyond the cavity of the gizzard both above its orifice and downwards towards the Duodenum. The gizzard is situated out of the direction of the cardiac cavity, forming a pouch on the posterior part and having before it an open channel lined with cuticle, along which the food can readily pass into the duodenum without being received into the gizzard, as in other birds(!) At the duodenum commencement is a broad valve, upon the edge of which the cuticular lining of the gizzard’s cavity terminates.“ Derselbe sagt über die Drüsen des „long legged Casso- varyofN.S. Wales“: „Solvent glands so long as in the Emu, but twice the width. They occupy the whole surface of the cardiac cavity, in the middle line of which there is a row of these glands in the direction of the cawity, and on the two sides the glands are arranged in an oblique direction towards the line.“ Der Muskelmagen von Casuarius erscheint allerdings nur als 96 Dr. Hans Gadow, ein seitlicher und noch dazu verhältnissmässig sehr kleiner und platter Anhang des Darmtractus; Home schreibt ihm aber andern Orts wohl fälschlich ein nur von der Willkür des Thieres abhän- giges Functioniren zu, wie ich auch seine Ansicht über den Ver- lauf der Nahrung von der Cardia in den Pylorus nicht theilen kann; wahrscheinlich verhält sich der Muskelmagen des Casuar wie bei vielen andern Vögeln, z. B. Raptatores, vorwiegend che- misch und nur zum geringsten Theile mechanisch wirkend. Rhea americana, halberwachsenes Männchen. Der 2— 3 Cm. weite Oesophagus geht allmälig in den 6 Cm. weiten Drü- senmagen über; die wenigen Drüsen letzteren Organes sind zu einem dicken scheibenförmigen Complexe zusammengedrängt, im Einzelnen aber sehr gross und zusammengesetzt. Es befindet sich zwischen dieser Drüsenanhäufung und dem Muskelmagen demge- mäss ein ziemlich beträchtlicher drüsenloser Theil. Der Muskel- magen ist wenig weiter, 12 Cm. lang, 7 weit. Der dem Dünn- darme zugekehrte Fundus ist eigenthümlich herabgezogen, sodass das ganze Organ wie ein in der Mitte etwas eingeschnürter Beutel erscheint. Jederseits, und zwar auf der vorderen Hälfte befindet sich ein glänzender Sehnenspiegel, wie auch die Muskulatur des Magens von mittlerer Stärke ist. Bei einer erst wenige Monate alten Rhea fand ich den Muskelmagen verhältnissmässig sehr klein, abgeplattet, an der unteren Curvatur — wo sich bei dem andern Exemplare der ausgebauchte Fundus befand — durch eine tiefe Einschnürung in 2 fast völlig gesonderte Hälften getheilt, ausser- dem das ganze Organ sehr stark und hart muskulös, innen mit festem gelbbraunen längs gerunzelten Epithel versehen, jedoch ganz ohne Reibeplatten. Der Pylorustheil enthält ebenfalls eine Ringfalte, ähnlich wie Casuarius. Struthio camelus. Der starkwandige, sehr dehnbare Schlund geht allmählig in den sehr grossen Vormagen über und ist innen seine Schleimhaut ganz mit feinen Drüschen übersät. Der Drüsenmagen beginnt mit derselben Wandstärke wie der Schlund , und buchtet sich zu einem dünnwandigen sehr grossen Sacke aus, dessen Boden weit am Muskelmagen vorbei in den Unterleib hineinreicht, wobei dann die sehr weite Cardia nach vorn gerichtet ist. Der Muskelmagen liegt also oberhalb des Drüsenmagens und wird an der der Leber zugekehrten Seite durch eine tiefe Einbuchtung in 2 sich auf das innere Lumen erstreckende Hälften getheilt. Die Muskulatur ist von bedeutender Stärke und zeigt 2 glänzende Sehnenspiegel, deren einer, jetzt zum Oesopha- Verdauungssystem der Vögel. 97 gus gerichtete der Lage des Magens gemäss, oberhalb des Pylo- rus liegt. Diese sonderbare Lagerung des Drüsen- und Muskel- magens hat zu verschiedenen Irrthümern Veranlassung gegeben, so schien z. B. Meckel der Muskelmagen des Straussen blos der stark entwickelte Pförtnertheil zu sein, der nur überall mehr muskulös wäre als die Cardiahälfte. Mit dieser Auffassung wäre aber nicht erklärlich 1. das Vorhandensein der regulär dem Mus- kelmagen der Vögel zukommenden Sehnenspiegel nebst den beiden starken Muskeln an dem vermeintlichen Pylorusmagen,; 2. die Lage dieser Sehnen zum Pylorus; 3. das tiefe Herabrücken des drüsigen Theiles in den ursprünglichen Muskelmagen und das daraus zu folgernde Fehlen einer Cardia. Die den Vormagen charakterisirenden Drüsen beginnen näm- lich in dem engen trichterförmigen, dem Schlunde angrenzenden Theile und gehen bis fast an den äussersten Punkt des im Unter- leibe liegenden weichen Sackes hinab, erstrecken sich aber nur auf das vordere, der Bauchseite zugekehrte Drittel des Trichters; sie nehmen also trotz ihrer Grösse als zusammengesetzte Drüsen und trotz ihrer Anzahl, (cc. 500) nur einen relativ kleinen Raum ein. Der nun folgende grosse Zwischentheil bis zum starken Muskelmagen hin ist aber drüsenlos und zeigt eine unregelmässig netzartige Structur, wie das sehr kleine enge Lumen des Muskel- magens. Alle die oben angeführten Schwierigkeiten macht vielleicht die Vorstellung unnöthig, dass man den Muskelmagen um unge- fähr 150° um seine Queraxe (von hinten nach vorn und oben herum) gedreht denkt, wie es schon der sonderbar gekrümmte Anfangstheil des Duodenums andeutet. Der tief in die Bauchhöhle herabreichende Sack ergiebt sich dann als der sehr stark erwei- terte drüsenlose Theil des Vormagens. Es ist wohl denkbar, dass durch die Menge Steine, Sand etc., welche der Strauss in der Regel verschluckt, (so enthielt der Vormagen des einen von mir untersuchten Exemplares ausser einigen Pfunden groben San- des und kleiner Steine einen schon völlig an den Ecken abgerie- benen Porzellanhenkel von 10 Cm. Länge, ferner Tellerränder und Scherben von ähnlicher Grösse) — ein stetiger bedeutender Zug nach unten auf die Wände des ganzen Magens ausgeübt wird, wobei sich dann natürlich nicht die Wände des festen Muskelma- gens, sondern die des weichen und an und für sich schon sehr dehnbaren Vormagens herabsenken würden. Dabei wird auch nothwendig von der Cardia her der Muskelmagen gedreht werden Bd, XII. N. F. VI, 1. 7 98 Dr. Hans Gadow, und zwar soweit, bis die Cardia schräg nach unten gerichtet ist, wie es die älteren Strausse zeigen. Interessant wäre die Unter- suchung ganz junger Exemplare, um zu constatiren, erstens ob der Magen noch in der normalen Lage sich befindet, und zweitens in wiefern event. schon Vererbung bei dieser Organ-Verschiebung mitwirkt. — Die Grössenverhältnisse bei dem fast ausgewachsenen Männ- chen waren folgende: Länge des Vormagens vom Beginn der Drüsen bis zum Fun- dus 32 Cm. Grösste Weite des ausgebuchteten Theiles 20 Cm. Aeusserer Durchmesser der Cardia 11 Cm. — Länge des Muskel- ınagens cc. 11 Cm.; Breite 14 Cm. Unter den vielen älteren und neueren Beschreibungen des Drüsen- und Muskelmagens von Struthio ist die von Macalister (Proceed. royal Irish Acad. 1569) die einfachste und anatomisch klarste. ‚The stomach is continous with the lower end of the oesophagus, which exhibits at its lowest point a gradual dilatation, with no distriet proventriculus: this organ is placed obliquely, so that the cardiac orifice is on a planeiinferior to the pyloric. The whole organ is an elongated oval in shape and is not constrieted in the centre; the thickness of its walls varies considerably, the cardiac extremity being thin and mem- braneous, the pylorie an inch and a half thick, its epithelial lin- ing thick and soft, very loosely attached. — — The succenturiat gland (dh. der drüsige Theil an der vordern Wand des Vorma- gens) is dumbled-shaped, on broad extremity being placed at the cardia (am Oesophagus) and the other towards the pylorus; it measures 4 inches at its widest part, 12 in length, 2 at its con- strietion. Pylorie orifice much smaller than the oesophageal and semicircular in shape“ und zwar wird diese Klappe von ungefähr 6 Vorsprüngen gebildet. Darm. Der Darm zeigt in Structur, Lagerung und Aus- dehnung zwischen Struthio und Rhea einerseits, und Casuarius- Dromaeus andererseits grosse Verschiedenheiten. Casuarius indicus. Der Pylorus ist innerlich durch eine Ringfalte vom Darmlumen abgesetzt; auserdem verhindert ein langer Wulst das directe Eintreten der Nahrung von der Gardia her. Nach einem fast 2 Cm. langen und engen, noch von dem Magenepithel bekleideten Pylorustheile schwillt das Duodenum zu einer ovalen 8 Cm. langen und 4—5 Cm. weiten Ausbuchtung an, und wird darauf wieder enger, um eine 2te kleinere Erweiterung Verdauungssystem der Vögel. 99 zu bilden. Im Mittelpunkte der Duodenalschlinge beträgt der Durchmesser ungefähr 5 Cm. Das Deum zeigt kleine Unregel- mässigkeiten in seinem ungefähr 2—5 Cm. weiten Lumen und ist scharf gegen den sich schnell auf 3 Cm. erweiternden End- darm abgesetzt; dieser bleibt gleichmässig weit und nimmt den grössten Theil der Bauchhöhle ein. Die Cloake ist ungefähr 4 Cm. lang, kugelig gestaltet und wenig erweitert. Die Darmschleim- haut bildet im Duodenum und seinen Erweiterungen netzförmig angeordnete mehrere Millim. lange, feine fadenförmige Zotten; dieselben werden im Ileum und dem ersten Theile des End- darmes bedeutend niedriger; im letzten Theile, vor der innen ganz glatten Cloake, treten sie aber am stärksten und zahlreich- sten auf, sodass die Oberfläche ein ganz filziges Aussehen erhält. — Die Wände des gesammten Darmes sind stark; gegen den After hin erhebt sich an der Rückenseite eine hohe, dicke Falte, auf der die sehr ausgebildete Clitoris sitzt. Neben den feinen Urethermündungen befindet sich jederseits eine ungefähr 3 Mm. hohe, rundliche Papille. Der After wird umgeben von einem eigenthümlichen Kranze von ca. 40 doppelblättrigen, dünnen aber 1,5 Cm. langen und 0,75 hohen Hautfältchen. — Divertikel 78 Cm. vom After entfernt nur noch sehr klein. — Rhea americana. Das Duodenum beginnt mit einem et- was abgesetzten Pylorustheile und ist wie das Ileum gleichmässig 2,5 Cm. weit; die Wände sind überall dünn. Nach der Insertion der Blinddärme erweitert sich der Enddarm auf 4,5 Cm. Durch- messer, nimmt dann wieder etwas ab um allmählig in die sehr grosse birnförmige Cloake überzugehen; dieselbe ist an der dick- sten Stelle 9 Cm. weit, ihre Länge beträgt 13 Cm. An der Rücken- seite der Cloake äusserlich fest angelöthet befindet sich eine 8 Cm. lange und 4,5 breite Harnblase, deren weite Mündung am unteren Ende von dem Oloakenlumen durch eine meniscusartige Falte ge- schieden wird; ihre Seiten werden aussen von den starken Ure- theren eingeschlossen. Die Aftermündung ist ähnlich wie bei Casuarius mit zwar zahlreichen aber sehr kleinen und nicht ge- blätterten Fältchen umzäumt. — Die Schleimhaut bildet zarte Netze ohne Zotten. — Als Reste des Diverticulum coecum vitelli möchte ich 2 etwas über erbsengrosse von verhärteter und de- generirter gelber Masse erfüllte Knötchen auffassen, die sich 107 und 110 Cm. vom After entfernt am Ileum befanden. Struthio camelus. Der Anfang des Duodenum zeigt eine einem Pylorusmagen ähnliche Erweiterung, ist durch eine innere 7* 100 Dr. Hans Gadow, Klappe vom Magen abgesetzt und macht zuerst eine Biegung schräg nach der Leber hin; das eigentliche Duodenum nebst den ersten zwei Dritteln des Ileum zeigt eine gleichmässige Weite von 2 Cm. ist hellröthlichgelb gefärbt und auffallend dünnwandig. Das letzte Drittel des Ileum zeigt leichte durch die krause La- gerung hervorgerufene Unregelmässigkeiten in der Weite. An der Insertionsstelle der Coeca ist der Enddarm kaum 2 Cm. weit, wächst aber sehr schnell auf 4,5 Cm. Durchmesser in einer Länge von ungefähr 2,5 Metern und bildet in dieser Strecke viele in Abständen von 1 Cm. folgende Quereinschnürungen; die letzten 5 Meter des überhaupt äusserst langen Enddarmes sind wieder enger. Die Cloake ist 20 Cm. lang und halb so weit. Die Schleimhaut bildet im Duodenum und Ileum breite, blatt- förmige, sehr dünne, fast 0,5 Cm. lange, wellig wogende Zotten. Der Enddarm enthält wie die Blinddärme nirgends Zotten, son- dern erscheint glatt, zeigt aber überall sehr feine dicht- stehende Drüsenöffnungen. Der dicke Theil des Enddarmes ist äusserst dünnwandig; die äusserlich als Einschnürungen er- scheinenden Abschnitte, von Cuvier etranglements genannt, werden durch 0,5—1 Cm. hohe als doppelte Erhebungen der Mucosa und Muscularis entstandene Leisten gebildet. An den Seiten dieses theils parallel theils in einander laufenden selten ganz geschlos- senen Falten sind ebenfalls wie in den Zwischenräumen feine Drüsenöffnungen bemerkbar. An dem freien, dem Lumen zuge- kehrten Rande der Falten verlaufen die Gefässe und verzweigen sich von dort aus in die Zwischentheile; der Faltenrand erscheint daher als dickerer Strang. Zu vergleichen wäre diese Bildung nach Macalister mit den valvulae conniventes Keckringii des menschlichen Dünndarmes; jedenfalls wird durch die grosse An- zahl dieser Falten eine bedeutende Flächenvergrösserung der Schleimhaut bewirkt. — Das Divertikel war bei dem grösseren Männchen 270 Cm. vom Pylorus, also 11,5 Meter vom After entfernt. Blinddärme. Die Coeca von Casuarius indicus und Emu sind ungefähr 15 Cm. lang, in der Mitte 1 Cm. weit, spitz endigend, mit schmalem Anfangstheile.e. Die Mündung in den Enddarm ist eine ganz feine, fast geschlossene Röhre, sodass ein Eindringen der Faeces in die Coeca unmöglich ist, wie sich auch ihr dunkler schmieriger Inhalt von dem des ganzen Darmes un- terscheidet. Die Innenfläche ist zottenlos, mit Ausnahme des engen unteren Anfangstheiles viele niedrige Längsfalten zeigend, Verdauungssystem der Vögel. 101 durch deren stellenweise Vereinigung sie ein schwach netzförmiges Aussehen bekommt. — Dromaeus soll noch weniger ausgebildete Blinddärme besitzen; Home giebt für sie 2 Zoll Länge und 1/, Zoll Dicke an. Rhea americana zeigt eine so ungeheure Entwicklung der Coeca, dass ihr Gesammtlumen dem des Hauptdarmes gleichkommt. Bei einem halberwachsenen Männchen war jedes 50 Cm. vom After entfernt und besass eine Länge von 100 Cm; dicht oberhalb der gemeinsamen Insertionsstelle schwellen sie gleich auf 6 Cm. Weite an um allmälig schmaler werdend wurmförmig zu enden. In ihrer ganzen Länge sind sie dem Duodenum und der benachbar- ten Heumschlinge angelöthet und nehmen den grössten Theil der rechten und linken Bauchhöhle ein. Sie zeigen ungefähr 30 wech- selweise folgende Quereinschnürungen, von denen sich aber keine stark erhöhten Falten in’s Innere erheben. Struthio hat ungefähr 70 Cm. lange Coeca, die bei der grossen Entfaltung des Enddarmes 7—S Meter vom After entfernt sind. Sie inseriren, im Gegensatze zu denen der übrigen Vögel mit einem mehrere Cm. langen gemeinsamen Theile, erweitern sich dann auf 5 Cm., laufen ganz allmählig spitz zu und sind dem lIleum und Duodenum angelöthet. Charakteristisch ist für sie eine 13—23 Windungen bildende, beiderseits linksgewundene Spi- ralfalte, die in das Innere etwas hineinragt und sich gegen das Ende hin verliert. Die Darmlänge schwankt bei den Ratiten zwischen den weitesten Grenzen; so besitzt z. B. Struthio die sowohl absolut als auch relativ grösste Darmlänge unter allen Vögeln, da diese mehr als das 20fache der eigentlichen Rumpflänge beträgt; bei Rhea nur das 7—-8fache, während bei Casuarius indicus der Darm nur 3,5 mal länger als der Rumpf ist, also ein Verhältniss zeigt, wie es nur noch bei einigen Coccygomorphen gefunden wird. Die mittlere absolute Darmlänge von Struthio ergiebt sich nach den von Cuvier, Perrault, Home, Garrod, Macalister unter- suchten Exemplaren zu 1054—1360 Cm. Da ich nun bei einem erst halberwachsenen schon 1300 Cm. bei einem älteren, ebenfalls noch nicht erwachsenen Männchen 1430 Cm. fand, so wird die Darmlänge alter Exemplare wohl wie Meckel bei 2 Straussen fand, ungefähr 2000 Cm. betragen. Charakteristisch für Struthio ist die ausserordentliche Länge und Enge des Enddarmes, für Casuarius die Kürze und Weite desselben. Zur leichteren Uebersicht über die Maasse der einzelnen 102 Dr. Hans Gadow, Darmabschnitte dienen die folgenden Tabellen, deren erste nur die von mir gefundenen Maasse enthält; in den beiden letzten Spalten der 2ten Tabelle sind die Länge des Rectum und die Längssumme beider Coeca auf die des Hauptdarmes redueirt. | Struthio camelus. | Rhea americ. Casuarius | Fast | Halb Halb indieus. | erwachsen. erwachsen. | erwachsen. | Erwachsen. | | Cm. Cm. | Cm. Duodenum . . . 110 96 59 40 lleum . . 500 500 1401 1 Na Enddarm Kloake i 820 650 55 | 28 Summa: 1430 1246 254 | 180 Länge Hauptdarm Im = Coeca || Reetum || eines | des End-|'absolute | relative _—— !Coecum| darmes | Länge | Länge |! _ el | Hauptdarm — Struthio camelus ! . RR: _ — _ — — „ Nach a 62 | 720 1054 — 8,5 1,4 „» Nach Macalister |F I IN Be ar u SE Meine Dan erwachseng |72u.61| 650 1246 24 9,3 1,9 suchungen }Nahezu erwachs.f|68u.70) 820 1430 21 10 1,8 Rhea americana Nach Homef || 120 52 384 7 1,6 7,4 Meine Unter- d BSR Kl 100 50 254 8 1,3 5 suchungen. | juv. £ 45u.46 26 147 7 1,6 5,6 Casuarius indicus Nach Home | 15 27 170 — 5,6 6,3 15 47 188 —_ 6,2 4 Meins Bnenehune SEE 13 28 180 3 7 6,4 Casuarius Emu Nach Home . 16 31 188 — 6,6 6 Dromaeus nov. Holland. Home 15 47 548 = 18 11,6 ” „ ”„ 5 Tr 410 See 41 a Was Dromaeus anbetrifft, so habe ich leider kein Exemplar untersuchen können, und die verstreuten Angaben, auch die von verschiedenen älteren Anatomen in Meckel’s Archiv gesammelten, sind so confus, dass ich mich auf Wiedergabe einiger Maasse be- schränken musste Im Grossen und Ganzen scheint Dromaeus auch splanchnologisch den Casuaren nahe zu stehen. Darmlagerung. Die einfachsten Lagerungsverhältnisse bie- tet entsprechend der Kürze des Darmes Casuarius (Taf. IV. Fig. 6). Der Darm bildet nämlich nur 2 Hauptschlingen,, deren erste, das Duodenum gleich vom Pylorus schräg herab nach links bis fast zum Rücken umbiegt. Die zweite Hauptschlinge ist ge- öffnet und bildet mit ihrem viel längeren absteigenden Theile drei kleinere unregelmässige Ueberwindungen, die im Ganzen schräg gerichtet, auf der rechten und ventralen Seite des Unterleibes Verdauungssystem der Vögel. 103 liegen. Der aufsteigende Ast läuft von der Nähe des linken Schambeines bis an den unteren rechten Magenrand, worauf er umknickt und in den weiten und graden Enddarm übergeht; die- ser nimmt den grössten Theil der Unterleibshöhle ein. Die Ver- zweigung der Arteria coeliaca und der Pfortader ist folgende bei Casuarius. (cf. Taf. IV. Fig.5). Die A. coeliaca entsendet eine starke A. gastroduodenalis, welche dicht an der Ursprungstelle einen Ast zum Vormagen und zur Milz entsendet, dann geht ein starker Ast zum Magen und Oesophagus, während der Hauptstamm das Duodenum und das Pancreas versorgt. Etwas weiter distal ent- springt die starke A. mesenterica superior, die sich erst in ziem- licher Entfernung vom Ursprung in 2 Hauptäste theilt, deren einer (auf der Zeichnung der rechte) das Ileum, der andere den Enddarm mit den Blinddärmen versorgt. — Die Vena portae war sehr weit und wird gebildet aus drei Hauptstämmen, deren einer vom Duodenum, der mittlere vom Anfang des Ileum, der öte und stärkste sich aus 2 Hauptästen zusammensetzend vom grüss- ten Theile des Ileum, dem Enddarme und den Blinddärmen kommt. — Ganz ähnlich ist der Verlauf des Darmes von Rhea (Taf. IV. Fig. 1) nur dass bei der bedeutenderen relativen Länge des Darmes die Schlingen länger und gestreckter verlaufen. Es werden ebenfalls wie bei Casuarius nur 2 Hauptschlingen gebildet, deren erste, das Duodenum nach einer Biegung des Pylorustheiles an der rechten Seite krumm herabsteigt bis in die Nähe des Af- ters, wo sie mit ihrem Ende umknickt. Der aufsteigende Ast läuft oberflächlich und grade bis zum hinteren rechten Leberrande. Die 2te Schlinge ist eine geöffnete, ihre distale Hälfte ist, unter dem Duodenalende liegend, nach rechts dorsal umgeschlagen, bil- det daher einige krause, kurze Nebenfalten. Der aufsteigende Ast geht am Duodenum entlang bis zur Leber und biegt dann in den Enddarm um, der in seinem ersten Drittel noch eine kleine Knickung macht. Die in ihrer ganzen Länge mit dem aufstei- genden Aste des Ileum, welches der zweiten Hauptschlinge völlig entspricht, verbundenen Coeca nehmen den grössten Theil der lin- ken und vorderen Bauchhöhle ein. — Das ganze Mesenterialgefäss- system zeigt in halb-schematischer Weise Fig. 2 auf Taf. IV. Die Art. gastro-duodenalis sendet erstens einen starken und langen Ast ab, der mit seinen Nebenverzweigungen den Oesophagus und Magen versorgt; der Hauptast spaltet sich in der Mitte seines Verlaufes in einen das letzte Drittel des Duodenum und einen den mittleren Theil der Coeca und theilweise das Ileum versorgen- 104 Dr. Hans Gadow, den Zweig. Einige Cm. unterhalb des Ursprunges der Art. gastro- duodenalis entspringt die starke Art. mesenterica superior, sie ver- sorgt, sich im letzten Drittel in 3 Aeste spaltend, den grössten Theil des Heum und den unteren Theil der Coeca. Der eine Ast (auf der Zeichnung der rechte) läuft gerade zum Divertic. coecum vitelli. Sehr wichtig ist endlich für Rhea das Vorhandensein einer im unteren Theile des Beckens entspringenden Art. mesent. in- ferior, welche als die kleinste der 4 Hauptarterien den nur kur- zen Enddarm versorgt. Bei Struthio camelus bietet der Darm wegen seiner un- gcheuren Länge ein Bild der grössten Verwirrung, jedoch ist mit Hülfe der Mesenterialgefässe seine nahe Verwandtschaft mit Rhea zu erkennen. (Taf. IV. Fig. 5). Es sind nämlich auch 3 Haupt- arterien vorhanden, von denen aber die A. gastro-duodenalis und die Arteria mesent. superior nahezu an einem Punkte aus der A. coeliaca entspringen. Die A. gastro-duod. theilt sich sofort in einen schwächeren das Duodenum und Pancreas versorgenden und in einen stärkeren zum ersten Viertel des Enddarmes gehenden Ast. Die Art. mesent. superior löst sich in mehr als zwanzig noch ziem- lich starke Zweige auf und tritt zum Ileum. Die ausserordentliche Länge des Enddarmes macht die starke Entwicklung einer Art. mesent. inferior erklärlich; dieselbe hat einen bis zum ersten Viertel des Enddarmes sich erstreckenden starken Hauptstamm, von wel- chem ungefähr 7 grössere Seitenzweige mit zahlreichen Arcusbildun- gen und weiteren Verzweigungen zum Enddarme treten und so ein zweites, sehr grosses, unteres Mesenterium, im Gegensatze zu allen übrigen Vögeln bilden. Wir haben bei Struthio demnach 3 Haupt- schlingen. Die erste, das Duodenum ist etwas über einen Meter lang und steigt mit kleinen Unregelmässigkeiten schräg auf der rechten Seite herab; am Pylorus wie bei allen Ratiten mit einem kleinen zur Leber gerichteten Bogen. Hunter’s und Macalister’s Beobachtung, dass das Ende der Duodenalschlinge sich spiralig umwende, konnte ich bei den beiden untersuchten Straussen nicht bestätigen. Die zweite Hauptschlinge bildet ungefähr 6—8 kürzere auf der rechten Seite dem unteren Magenrande benachbarte Neben- schlingen, die auf und neben einander gepackt schwer zu entwirren sind; der letzte Theil des Tleum wird von den Blinddärmen beglei- tet und steigt ziemlich grade rechts seitlich am Rücken bis zur Leber auf. Die dritte, grösste Schlinge ist die des Enddarmes; die Aeste Verdauungssystem der Vögel. 105 des zugehörigen sehr starken, halbmondförmigen Mesenteriums machen bei ihrer Kürze ein aus der Lage kommen des unter Bil- dung von Hunderten kleiner Umschlagsfalten in einen grossen Klumpen zusammengeballten Enddarmes unmöglich, und zwar ruht derselbe auf der nur dem Strauss zukommenden Schambeinsym- physe, den ganzen unteren Beckenraum einnehmend. Ueber den letzten Theil des Enddarmes sagt Macalister: „Ihe lowest part of the rectum passes from the right side down- wards and opens into the same side of the cloaca, inclining a little to the left; it projects into this sac forabout half an inch, and is surrounded by a strong sphincter muscle embebbed in its lip.” Leber. Casuarius indicus. Der rechte Leberflügel ist länglich, nach unten schmal zulaufend, überall mit glattem Rande; der kleinere linke ist fast quadratisch, am Vorderrande in der Mitte mit kleiner Einkerbung. Zwischen den beiden Hauptlappen befindet sich, median von der Gallenblase ein kleines, spitzes 1,5 Cm. langes Läppchen (lobulus Spigelii), daneben wird jederseits noch ein ähnliches aber mehr plattes Läppchen, gebildet. An der Innenseite des linken Flügels befindet sich ferner noch eine flache Umschlagsfalte. Die Commissur ist breit, aber nicht dick. Vo- lumverhältniss des rechten zum linken Flügels wie 7:5. — Die Gallenblase war sehr gross, 14 Cm. lang, 2—3 Cm. breit und hing aus dem rechten Flügel kommend weit auf den Magen herab; in der Mitte hatte sie eine Einschnürung, aus welcher der starke Ductus cysticus austritt. Rhea. Die sonst glattrandige Leber zeigt am rechten Rande 2 kleine Einkerbungen. Der linke Flügel ist etwas länger und spitzer, aber schmaler als der mehr plattovale rechte. R:L=!/,. Die Commissur ist stärker als bei Casuarius. Während eine Gallenblase bei Rhea gewöhnlich fehlen soll, fand ich eine kleine nur 1,5 Cm. lange und 0,7 breite Blase aus dem rechten Lappen heraushängend mit wohl entwickeltem D. cysticus. Der D. hepaticus entspringt mit einem rechten und einem linken kurzen Arme. (Taf. IV. Fig. 1.) Struthio. Die verhältnissmässig Kleine Leber ist ausgezeich- net durch ihre sehr starke Commissur indem beide Lappen nach unten hin eine herzförmige Masse bilden, in deren Zipfel die Vena cava inferior mündet. Der linke Flügel ist durch seitliche nach dem Rücken zu gewandte Incision tief getheilt, sodass er 2lappig erscheint. Der rechte hat nur ganz schwache und flache Einkerbungen. Ein lobulus Spigelii ist schwach angedeutet. Eine 106 Dr. Hans Gadow, Gallenblase fehlt regulär. Der median etwas rechts unter einer kleinen Falte entspringende Ductus hepaticus ist anfangs conisch erweitert und mündet als dicker Gang nur 4 Cm. vom Pylorus entfernt, sodass bei seiner Stellung die Galle direct in den Magen laufen kann, wie schon Home u. A. bemerkt haben. (Taf. IV. Fig. 4.) Pancreas. In der Bildung der Bauchspeicheldrüse differiren die Ratiten sehr. Bei Casuarius ist sie nur 5 Cm. lang, ein- fach compact, ein sehr niedriges Dreieck dessen breite Basis dem Anfang des Duodenum zugekehrt ist. An der Spitze münden die beiden dicken, kurzen Ausführungsgänge zusammen mit dem Cysticus und Hepaticus gegenüber dem Pylorus im aufsteigenden Duodenalaste, 38 Cm. von ersterem entfernt; an der gemeinsamen Mündungsstelle wird eine kleine Tasche auf dem Duodenum ge- bildet. Reihenfolge der Gänge: 1. pancr. hepatic. 2. pancr. cysticus. (Taf. IV. Fig. 5). Bei Rhea bestand das Pancreas aus 2 schmalen, je 18 Cm. langen fast ganz getrennten Lappen (einem rechten oberen und einem tieferen linken) und reichte von der Leber bis fast zum Ende der ersten Schlinge. Die beiden Pancreasgänge münden, grade nach abwärts verlaufend, in der Mitte des aufsteigenden Duodenalastes, also weit vom Pylorus entfernt; der Hepaticus mündet einige Cm. vorher, der Oysticus oberhalb derselben. Reihenfolge demnach: Hepaticus; 1. pancr.; 2. pancr.; eysticus. — (Taf. IV. Fig. 1.) Von Struthio sagt Meckel: „ich finde das Pancreas höch- stens 1!/, Zoll lang; es ist aus 2 Lappen gebildet, von denen der vordere, hier untere, gegen den Magen gewandte, unbedeutend kleiner als der hintere, obere ist.“ Ich fand dagegen 2mal das Pancreas ähnlich wie Macalister, 37 Cm. lang, von dem Leber- hilus bis nahe an’s Ende der ersten Schlinge reichend; in der Mitte am breitesten und mehrfach gespalten, wie überhaupt eine Längstheilung angedeutet ist. Von der Mitte der Drüse geht ge- wöhnlich ein sehr weiter im Gegensatze zu Rhea nach der Leber hin gerichteter Ausführungsgang in den dem Pylorus gegenüber- liegenden Theil des aufsteigenden Duodenalastes. Der Hepaticus und der Pancreaticus sind also durch die ganze Länge der ersten Schlinge von einander getrennt, da ersterer, wie erwähnt, ganz nahe dem Pylorus mündet. Bei dem älteren Exemplare waren 2 dicht nebeneinander liegende 7 Cm. lange und 0,4 weite Ausführungsgänge des Pancreas vorhanden, von denen der zuerst mündende sogar noch einen kleinen Ast von seiner Mitte aus entsendet. (Taf. IV. Fig. 4.) Verdauungssystem der Vögel. 107 Das frische Pancreas der Ratiten hat eine eigenthümlich, helle, fleischröthliche Färbung. Nieren. Die Nieren der Ratiten sind im Grossen und Gan- zen dreilappig. Bei Casuarius war der proximale Theil bei weitem der grösste, der mittlere der kleinste und schmalste. Der distale zeigte an der dorsalen Fläche eine tiefe Theilung, sodass man auch 4 Hauptlappen zählen könnte. Cuvier beschreibt die Nieren von Casuarius folgendermaassen: ein oberer, fast quadra- tischer Theil ist von den übrigen zwei Dritteln abgeschnürt, welch’ letztere besonders in der Mitte sich bedeutend verschmälern, und in ihrer ganzen Ausdehnung durch tiefe Einschnitte in ungefähr 9 kleine secundäre Läppchen zertheilt werden. Die Harnleiter sind sehr dickwandig und weit, münden aber mit feiner Oefinung. — Aehnlich soll der Bau der Nieren von Dromaeus sein. Die Nieren von Rhea sind kurz und gedrungen; der proxi- male Theil dick, länglich-oval; darauf folgt ein schmaler, kürzerer und ein mehr quadratischer kleinster, distaler Theil. Die ventrale Oberfläche ist glatt; die Uretheren verlaufen ähnlich wie bei Ca- suarius, vom Ende des proximalen Lappens an oberflächlich. Struthio. Der proximale Theil ist der kleinste und hat neben sich einen medianen kleinen Zipfel, darauf folgt ein schmaler Verbindungstheil der dann distal allmälig zu einem sehr dicken und compacten, nirgends eingeschnittenen Theile anschwillt; der- selbe reicht bis an’s Ende des Beckens. Die dorsale Fläche ist vielfach gelappt. Vor allen andern Vögeln unterscheiden sich die Straussen-Nieren aber dadurch, dass die Uretheren nicht oberfläch- lich ventral, sondern tief in der Nierenmasse eingebettet liegen. Schluss. Wegen der Stärke und Form des eigentlichen Muskelmagens, der relativen Länge und Enge des Darmes, der starken Ausbildung der Coeca nebst den eigenthümlichen, bei keinen anderen Vögeln gefundenen Spiralfalten, wegen des Vorhandenseins einer Arteria mesenterica inferior, wegen der Grösse des Pancreas, der nahezu symmetrischen Leber, endlich wegen des Fehlens der Gallenblase und des Kropfes sind — Struthio und Rhea als eine Un- tergruppe scharf den Casuaren gegenüber zu stellen. Ueber Dro- maeus und Apteryx muss ich mich aus völligem Mangel an Untersu- chungsmaterial eines Urtheils enthalten. Dass aber auch Rhea manche gewichtige anatomische Ver- schiedenheiten von Struthio darbietet und Uebergänge der 4 noch lebenden Ratitenfamilien unter einander und auch zu den ÜOarina- 108 Dr. Hans Gadow, ten gänzlich fehlen, scheint entsprechend der äusserst geringen Speciesanzahl der jetzigen Ratiten auf ein sehr hohes Alter der- selben hinzudeuten. Ihre Anatomie zeigt manche Aehnlichkeiten mit Reptilien (die sogen.: Säugethierähnlichkeit von Struthio beruht auf nichts bedeutenden Analogien); der Vogeltypus ist in den Ratiten, wie Scelett, Federn und Eingeweide zeigen, am wenig- sten ausgebildet, ihr Vorkommen ist auf die ältesten und fauni- stisch merkwürdigsten Regionen beschränkt: Alles Gründe, die Ra- titen als eine den Carinaten nahestehende, aber parallel laufende Gruppe zu betrachten, deren höchste Entwickelung und Verbreitung (Dinornis, Aepyornis etc.) längst vergangenen Zeiten angehört. PYGOPODES. Niizsch. Zunge bei Podiceps, Colymbus, Uria lang, spitz, pfriemför- mig, nur am Hinterrande schwach gezähnelt; bei Alca dem Schnabel entsprechend kürzer; bei Aptenodytes mit knorpeligen, rückwärts gerichteten Papillen besetzt. Zungenkern meist knorpelig, die Hörner unvollkommen verknöchert. Parotiden fehlen den Colymbi- dae. Stark ausgebildete Gland. submaxillares besitzt Aptenodytes. Schlund im Allgemeinen ziemlich stark muskulös, von mitt- lerer Weite und Dehnbarkeit, bei Uria weit sackförmig; die In- nenwand ungefähr 6—8 hohe, scharfe Längsfalten bildend und stark Schleim absondernd; die Falten hören am Vormagen plötzlich auf. Ein Kropf fehlt, mit Ausnahme von Mormon, bei welchem eine kropfartige Erweiterung vorhanden ist. Aptenodytes hat einen grossen, weiten Kehlsack, die anderen nicht. Drüsenmagen bei Eudytes arcticus fast so weit, wie der Muskelmagen, äusserlich nur an der vorderen Seite durch die senkrechte Einschnürung des Magens abgesetzt. Da die schwam- migen Wände überall dicke rundliche Drüsen enthalten, so ist die innere Höhlung verhältnissmässig klein. Bei Podiceps ist der Drüsenmagen ebenfalls stark entwickelt, pflaumenförmig mit dick- schwammigen Wänden, aus denen die Drüsen stark hervorragen. Innerlich scharf gegen Schlund und Magen abgesetzt; ebenso bei Uria grylle, weil hartes längsgerunzeltes, lederartiges Epithel den Magen auskleidet; die Drüsen des Vormagens sind fein. Bei Uria troile dagegen ist der obere, grössere Theil des Vormagens zwar ebenfalls schwammig, mit 6 starken Längsfalten, doch hören diese plötzlich auf am Anfange einer fleischigen, mit dem längs- Verdauungssystem der Vögel. 109 serunzelten Magenepithel bekleideten engeren Verbindung. Bei Aptenodytes geht der 4 Cm. weite, in der oberen Hälfte längsfal- tige Oesophagus trichterförmig sich erweiternd, in den Magen über, ist auch bei gleicher Weite 4mal länger als der Muskelmagen. Muskelmagen. Bei Eudytes rundlich viereckig, abgeplattet, mit senkrechter Einschnürung, gross, nach vorn gerückt; sehr hart und muskulös, innen mit harter, gelber längsgerunzelter Haut, welche 2 feste Reibeplatten bildet. Zur Verdauung werden Kiesel- steine verschluckt. Bei Uria ist der Magen sehr klein, rundlich, ziemlich stark aber nicht hart muskulös; bei U. grylle und troile bildet die innere Haut 6 dicke Wulste; aussen mit Sehnenspiegel, ohne Reibeplatten. Bei Podiceps ist der Magen gross, weniger muskulös, mehr weichsehnig und dünnwandig, ausgekleidet mit weicher längs- und quergerunzelter drüsenhaltiger Haut; die Ver- dauung wird fast nur auf chemischem Wege bewirkt. Aptenodytes mit kleinem, eiförmigen, aber drüsigem Magen. Characteristisch für Eudytes und Podiceps ist der nie fehlende Pylorusmagen; er ist besonders bei E. arcticus durch eine enge Oeffnung scharf abgesetzt. Bei Podiceps minor fand ich ihn auch deutlich rundlich, dicht am Magen, ohne Verbindungsschlauch; von starker Hautmuskulatur umgeben, innen — ein deutliches Kenn- zeichen, dass diese Erweiterung nicht etwa zum Duodenum gehört — mit demselben runzlichen Epithel wie der Muskelmagen ausge- kleidet. Gegen den engen Duodenalanfang scharf abgesetzt, ziem- lich entfernt von der Cardia, und — was für die Pyloruslage aller Pygopoden bemerkenswerth — ganz nahe der vorderen, zum Bauche gekehrten Curvatur. Bei Uria troile ist der Pylorustheil des Duodenum sehr eng und fest, ohne aber eine Andeutung für den dritten Magen zu gewähren. Darm bei allen Pygopoden ausgezeichnet durch die dicken Wände, mit Ausnahme des letzten Drittels; von hellröthlicher Farbe; überall weit. Er nimmt an Weite zu bis in die Nähe des Rectum und hat ausserdem an allen unteren Biegungsstellen sack- artige Erweiterungen bei Podiceps minor. Bei Uria nimmt er von der Mitte aus nach dem Ende hin an Weite ab. Bei allen ist er innen schleim-drüsig, ganz glatt und zottenlos. Darmlagerung. Taf. V. Fig. 1. 2. 10. 11. 12. 14. Das Duodenum ist mit seinem Ende nach links um den Magen herum- gebogen; nur etwas über die Mittellinie hinaus bei Uria und Eu- dytes arcticus, wenig tiefer als der untere Magenrand herabstei- 110 Dr. Hans Gadow, send. Bei Podiceps minor gleich um den unteren Magenrand herumlaufend , quer auf der linken Seite bis in die Nähe des Rückens gehend. Bei P. cristatus aber steigt das Duodenum tief herab und biegt nach innen links um, sodass das weite Ende dicht neben dem After liegt. Bemerkenswerth ist bei allen die hohe dicht am rechten Leberrande verlaufende Lage des aufsteigenden Duodenalastes, was besonders stark bei Eudytes ausgeprägt ist. — Die 2., ziemlich grosse Schlinge ist oval kreisförmig geöffnet bei Uria troile und gryllie; Podiceps ceristatus und minor. Bei Eudytes arcticus liegt dagegen der absteigende erste Ast dicht am Duodenum. — Die verhältnissmässig langen Blinddärme von Podi- ceps sind nach innen umgebogen, der eine liegt der rechten Ma- genwand an; bei Eudytes laufen sie mehr grade, entsprechend dem Hauptdarm. Als Typus für die Lagerung des Darmes ist Podiceps minor zu nehmen. Der Darm bildet 5—7 ziemlich regelmässig von oben nach unten, parallel der Körperlängsaxe verlaufende Schlingen, mit der Neigung wie das Duodenum etwas nach links umzubiegen, in abwechselnder Lage und Richtung. Das Mesente- rium fasst nämlich den Darm handförmig in 5—7 strahlig aus- einandergehende Schlingen zusammen, von denen nur die 2. geöfi- net sein kann. 5 Schlingen bildet Pod. minor und cristatus; bei Uria sind trotz der Kürze des Darmes 7, aber kurze Schlingen vorhanden. Die 4. Schlinge ist meistens die kürzeste und zugleich die centrale. Der Magendarm istdemnach viel länger und schlin- genreicher als der „Afterdarm“. Anders ist der Verlauf bei Eudytes arct.: es sind zwar 6 Schlingen gebildet, von denen die 5. die centrale ist, aber die Schlingen 2—6 liegen völlig quer unterhalb des Magens, die cen- trale sogar dicht am After; wir erhalten jedoch die reguläre For- mation der übrigen Pygopoden, wenn wir annehmen, dass ent- sprechend der spindelförmigen Gestalt des Leibes (von hinten nach vorn spitz zugehend bei Eudytes) und bei der Grösse des Vor- und Muskelmagens (welche ja bei allen nicht vorn am Bauch, sondern ziemlich nach hinten gerückt sind) die Schlingen von der Leber her zum Unterleibe zurückgedrängt sind. Die Blinddärme sind im Gegensatze zu denen anderer Fisch- fresser ziemlich bauchig und lang; am längsten bei Eudytes und Podiceps cristatus. Allgemein dünnhäutig, nach dem Ende hin etwas kolbenförmig erweitert; sehr klein sind sie bei Pod. caro- linensis; nicht kolbig, sondern gleichmässig schmal bei Uria. Verdauungssystem der Vögel. 111 Stannius fand bei 1 Pod. cristatus nur 1 Coecum. Asymmetrie beider Coeca ist dagegen häufig. Der Enddarm ist sehr kurz, nicht zu einer Cloake erweitert. Das Divertikel fehlt bei Podiceps häufig; ist überhaupt unbeständig in seinem Vorkommen. Bei einem Eudytes arcticus fand ich es 1 Cm. lang. Die verhältnissmässige Länge des Darm- canals schwankt zwischen weiten Grenzen; einen absolut äusserst langen Darm besitzt Aptenodytes patagonica. Blinddärme Entfernung Darmlänge | Länge vom After absolute | relative Eudytes areticus 5 | 4 237 10,5 Podicepscristatusjuv., 2,5 | 4,5 96 — 5 de 4 | 6,5 156 7,2 „ earolinensis 0,5 | 1,5 90 9 EN SALMORN N .. 5,5. u. 6 6 — — Uria grylle 5 | 6 —_ 5 Wuntroile, 1,5 | 1 85 B) Alca tetracula 0,4 | — 86 5 Aptenodytes patag. . 3 | — 720 12 Leber. Bei allen gross, scharfrandig und platt. Commissur stark. Der rechte Lappen übertrifft den linken wenig. Meistens r: 1=?°/,. Bei Eudytes fand ich aber den rechten ebensolang und schmäler als den linken, also kleiner an Volumen. Beide Lap- pen sind meistens am unteren und hinteren Rande eingelappt; von besonders unregelmässiger Form bei Pod. minor (rechter fast 2lappig). Bei Eudytes senden beide einen platten Zipfel nach unten aus. Gross, tief über den Magen herabreichend bei Uria, dabei ganz glattrandig, indem nur für das Herz eine Einkerbung existirt. Bei Uria troile konnte ich Kuhl’s Angabe, dass der linke Lappen länger als der rechte sei, bestätigen; rl=1!/, ! Rechter Lappen oben dick, unten spitz; linker oben spitz, unten nach dem Magen hin bedeutend breiter, platt mit einer kleinen Einlappung endend. Die Gallenblase ist stets vorhanden, länglich; in der Mitte zwischen beiden Lappen, doch näher dem rechten. Verhältniss- mässig klein fand ich sie bei Eudytes arcticus und Uria troile. Bei Aptenodytes ist sie sehr gross, nämlich cc. 15 Cm. lang 2 breit. Der Ductus hepaticus und D. cysticus münden weit entfernt von einander. Pancreas sehr gross besteht aus 2 nur in der Duodenal- ecke zusammenhängenden langen, die ganze Duodenalschlinge aus- 112 Dr. Hans Gadow, füllenden Lappen; 1 oberer innerer und 1 unterer äusserer, welche sich bei Podiceps nach dem Pylorus hin wieder zerspalten. Bei Eudytes besteht die Bauchspeicheldrüse aus vielen lose verbunde- nen Läppchen und liegt ihre Hauptmasse in der Ecke der Duo- denalschlinge. Nieren langgestreckt, 2lappig.. Der proximale, rundliche Theil ist bei weitem kleiner als die distale verwachsene Masse. Bei Pod. crist. gehen die Nieren distal ganz schmal zu; fast gleich breit sind sie in ihrer ganzen Länge bei Pod. minor, wobei ich die rechte Niere noch um 1 Cm. länger fand. Sehr gross und hoch- heraufreichend bei Uria, wo die proximale bedeutend grösser als die distale Partie, welche wieder in 4 Lappen zerfällt; hier im Ganzen also 5lappig. Die Uretheren sind bei allen Pygopoden sehr stark entwickelt; die Nierenoberfläche zeigt ein dunkelbraun- rothes, marmorirtes Aussehen. STEGÄANOPODES. Illig. Zunge ganz rudimentär bei Pelecanus, wo sie nur noch aus dem Zungenbeinknorpel, der ausserdem noch von der Kehlsackhaut überzogen ist, besteht. Achnlich verkümmert, aber noch etwas länglich bei Sula. Bei Halieus getheilt; in eine obere hornig lan- cettförmige, und eine hinten mit jener zusammenhängende kurze, dickfleischige, vorn eingeschnittene Abtheilung zerfallend. Das Gerüst ist verkümmert. Parotides fehlen; ebenso die Gland. ling. bei Pelecanus. Schlund auffallend weit und dehnbar; bei Pelecanus und bei Halieus einen geräumigen Kehlsack bildend. Ein Kropf fehlt; jedoch ist bei Halieus eine einfache Erweiterung des Oesophagus zu bemerken. Aeusserlich geht der Schlund ganz unmerklich in den Drüsenmagen über bei Halieus und Pelecanus; etwas mehr abgesetzt an der hinteren Seite bei Phaöton. Bei Pelecanus enthält er im oberen Theile deutliche Längsfalten und nimmt nach unten hin an Dicke und Festigkeit zu. Drüsenmagen ausgezeichnet durch seine Grösse und Dicke, übertrifft bei Sula und Pelecanus den Muskelmagen bedeutend, “ bei letzterem 5—6 mal, an Grösse; weniger bei den anderen. Sehr reich bei letzterem an grossen einfach länglichen, dicht zu- sammengedrängten Drüsen. Bei Halieus sind die einfachen Drüsen- bälge in 2 Längsreihen angeordnet, bilden demnach 2 breite deut- liche Juga. Der Uebergang in den Magen ist ganz allmälig, sodass letzterer bei Pelecanus fast Verdauungssystem der Vögel. 113 nur wie das rundliche umgebogene Ende des Drüsenmagens_ er- scheint; überhaupt erstrecken sich beide Magen weit, fast bis zum After herab (bei Pelec. rufescens fast 20 Cm. lang). Weniger der mehr ovale Magen von Halieus (cc. 12 Cm. lang); bei Phaöton ist der Magen von rundlich viereckiger Gestalt. — Die Muskulatur ist durchgehend schwach und weich, nur häutig muskulös; schwache Sehnenspiegel sind jedoch vorhanden. Die Innenwände bilden Längsfalten, theilweise mit feinen Drüsen. Am stärksten ist die Längsfaserschicht entwickelt; lederartige Auskleidung, Reibeplatten und ähnliche mechanische Vorrichtungen fehlen, entsprechend der Fischnahrung, gänzlich. Bei allen Steganopoden ist ein deutlicher Pylorusmagen vorhanden, und zwar ist er am stärksten aus- geprägt bei Pelecanus und Halieus; bei Phaöton sulphureus nur an dem aufsteigenden kurzen Aste vor Beginn des Duodenum äusserlich zu erkennen. — Bei Pelecanus misst die Erweiterung ungefähr 1,5 Cm. im Durchmesser, und 2 Cm. Länge, scharf nach hinten aufwärts gebogen, gegen den Magen durch eine innere kreisförmige Querfalte abgeschlossen, ähnlich durch eine schwä- chere gegen das Duodenum; die innere Haut ist längsfaltig, mit feinen Zotten, die Muskelschicht dünn; eine sehnig-muskulöse Schleife, vom Vorderrande des Magens kommend, befestigt diesen Pylorusmagen. Dünndarm lang, hellfarbig eng; bei Pelecanus z. B. „its diameter being '!/, inch“. Blinddärme verhältnissmässig klein und schmal. Bei Pe- lecanus 4—5 Cm. lang; bei Halieus aber nur 0,7 lang und 15 Cm. vom After entfernt. Noch kleiner sind sie bei Phaöton, wo sie 2 Cm. vom After entfernt, jederseits nur eine kleine 0,5 Cm. lange Ausbuchtung bilden. Der Enddarm ist kurz und endigt in eine weite Cloake. Das Divertikel lag bei dem von mir untersuchten Halieus carbo 150 Cm. vom After entfernt, (also, bei Gesammtlänge des Darmes von 350 Cm.) um 50 Cm. hinter dem Mittelpunkte, mithin ist der Afterdarm wie bei den Pygopoden kürzer als der Magendarm. Darmlagerung. (Taf. V. Fig. 6.) Das kaum erweiterte Duo- denum biegt, den unteren Magenrand umgebend, quer nach links um; geht bei Phaöton kaum über die Mittellinie hinaus; auf- steigend auf der linken Seite bei Pelecanus, erreicht es bei Ha- lieus sogar die Höhe des Pylorus. Diese Biegung nach links ma- chen die übrigen grösseren Schlingen ebenfalls. Hervorgerufen wird diese eigenthümliche Lage durch den überaus grossen, sack- Bd. XIII. N. F. VI, 1. {8} {9} 114 Dr. Hans Gadow, artigen, dehnbaren Magen, der bei seiner Breite sämmtliche Dünn- darmschlingen soweit wie möglich distal nach hinten zusammen- drängt. So ist auch bei Pelecanus trotz seiner Länge der Darm auf einen verhältnissmässig, (wenigstens in der Längsaxe des Kör- pers) eng begrenzten Raum beschränkt. Bei Phaöton, welcher einen bei weitem kleineren und festeren Magen besitzt, zeigt der Darm noch seine ursprüngliche Lage; parallel von vorn nach hin- ten laufende geschlossene Schlingen, die immer kürzer werden, als wenn sie an der hinteren linken Magenseite liegend, nicht Platz gehabt hätten, in wenigen, aber regulären Schlingen zu verlaufen. Die Schlingenzahl beträgt cc. 6 grosse mit mehreren secundä- ren kleineren, im Ganzen bei Phaöton bis 10; deren erstere in abwechselnder Richtung mehr schwach bogen-, als hufeisenförmig liegen. Länge absolute | relative Coecum | Enddarm Darmlänge Pelecanus rufescens 4 — 250 | 8—9 Phaeton sulphureus 0,5 2 — — Halieus carbo . 1,5 20 350 11—12 N orlophus - |. Fade 300 11—12 Leber. Lappen abgerundet; der rechte stets grösser als der linke; so bei Pelecanus rufescens das Volumverhältniss des rech- ten zum linken = 5/,; bei americanus nach Brendel = #/.. Bei Phaöton geht der rechte dorsal und oben in einen Zipfel aus, der linke ist distal zugespitzt. Halieus zeichnet sich durch einen dorsal zwischen den Hauptlappen liegenden kleinen Neben- lappen aus; alle besitzen eine breite, flache Commissur. Die Gallenblase ist gross und länglich; bei einem P. americanus 4 Cm. lang und 1,5 weit. Bei Halieus lag sie ganz frei am rech- ten Lappen. Pancreas allgemein 2lappig, die Duodonalschlinge im Ge- gensatz zu den Pygopoden nur in den ersten ?/, ausfüllend. Die Leber-, Gallen- und Pancreasgänge münden in folgender Reihe: Hepaticus, Pancreaticus, Cysticus. Nieren 3lappig, der distale Lappen ist der grösste, der mitt- lere der kleinste, ausserdem zerfällt bei Pelecanus jeder noch in mehrere kleinere Läppchen. LAMELLIROSTRES. Cuv. Zunge dick fleischig; bei Palamedea vorn etwas zugespitzt; meistens so gross, dass sie die Mundhöhle ausfüllt; am schmal- Verdauungssystem der Vögel. 115 sten bei Mergus. Seitlich und hinten ist sie mit harten rückwärts gerichteten Zähnchen besetzt. Glandulae submaxillares sind allgemein vorhanden. Gl. sub- linguales bei Mergus, Cygnus. Parotides bei Cygnus, Anser, Anas. Folliculi linguales bei Mergus, Anas, Anser, bei den beiden letz- teren noch besonders zwischen Zunge und Kehlkopf die „Tonsil- lae“ entwickelt. Schlund bei Cygnus, Anser und den meisten Anatiden nicht weit, verhältnissmässig dünnwandig; weit und ziemlich muskulös bei Somateria mollissima, ebenso bei Mergus, wo er etwas bauchig und längsfaltig ist. Ausser bei Anser torquatus geht er allmälig in den Drüsenmagen über und erweitert sich nie zu einem echten Kropfe; nur bei Palamedea cornuta berichtet L’Herminier von einer kropfartigen Erweiterung, aber zwischen Vor- und Muskel- magen. Bei manchen Enten, z. B. bei Anas clangula und unserer Hausente fungirt bei der Weite und Länge des Drüsenmagens der- selbe zugleich als Kropfbehälter, wie täglich beobachtet werden kann; daher die vielverbreitete Meinung, „dass die Enten auch einen Kropf haben.“ Drüsenmagen allgemein dickwandig schwammig, durch sei- nen Drüsenreichthum ausgezeichnet, verhältnissmässig gross bei Mergus und Anas acuta. Bei Palamedea sind die Drüsen „flask- shaped“; bei Mergus merganser stehen sie in 2 dickeren und 2 dünneren Partien beisammen; bei den meisten Enten reichen sie eine kleine Strecke weit an der vorderen Magenwand herab. Bei Cygnus enthält der Drüsenmagen ungefähr 6 Reihen grosser run- der Drüsen, dazwischen zerstreut viele kleinere. Bei der „Soland- goose“ ist der Vormagen weniger abgesetzt, mit feinen theilweise in den Magen sich erstreckenden Drüschen. — Ueberhaupt sind die grossen Drüsen spärlich vertreten. Bei Mergus und Somateria ist der Drüsenmagen wenig vom Muskelmagen abgesetzt, sondern geht äusserlich allmälig in denselben über; stark abgesetzt dage- gen bei Anas, z. B. acuta, clangula, fusca. Magen von ovaler Gestalt, etwas platt, bei einigen Enten z. B. A. penelope, carolinensis, clangula etc. senkrecht eingeschnürt; zeichnet sich aus durch starke grosse Muskeln mit jederseits einem glänzenden Sehnenspiegel. Bei Cereopsis, Anser und Cygnus bil- den die starken Sehnen jederseits einen mehr oder weniger abge- lösten Henkel; zugleich ist der Magen bei den Gänsen (nicht bei Cereopsis) auffallend gross; am kleinsten bei Anas tadorna. Die Seitenränder gehen bei stark muskulösem Magen allgemein scharf- g* 116 Dr. Hans Gadow, kantig zu. Weniger muskulös ist er bei Palamedea, wo die Wände überall von gleichmässiger Dicke sind; am schwächsten bei Mergus. Innen ausgekleidet von einem ziemlich scharf gegen den Drü- senmagen abgesetzten längsrunzligen, festen braungelben Leder- epithel, welches 2 sich gegenüberstehende scheibenförmige, sehr harte, fast glatte Reibeplatten bildet; diese ragen bei A. tadorna etwas im Magenlumen hervor und zwar bestehen diese Platten, wie ich am deutlichsten bei Anas ferina fand, aus cc. 5 aufeinan- der liegenden Schichten; da diese an den Rändern blattartig hervor- ragten, so machte es den Eindruck, als ob die einzelnen Scheiben durch Nachwachsen der unterliegenden Schichten hervorgehoben und so durch deren Verwachsung und Verhornung die dicke Platte gebildet würde. Fast stets finden sich Sand und Steinchen im Magen; da ein echter Kropf fehlt, so ist bei der schwer verdaulichen Nahrung diese Verstärkung des Magens leicht erklärlich. Bemerkenswerth ist bei Mergus die Andeutung eines Pylo- rusmagens; er besteht aus einer unmittelbar nach dem jetzigen Pylorus erweiterten kurzen aufsteigenden Stelle des Duodenalan- fanges. In schwächerem Maasse, nur noch durch die sonderbare Biegung nach oben markirt, bisweilen bei unsrer Hausgans und nach einer Zeichnung von Home bei der „Soland-goose“. Darm bei den Anatiden allgemein ziemlich fest und dick- wandig, rund; von wechselnder Weite. Bei Mergus dünnwandig. Das Duodenum hauptsächlich bei den Gänsen weich und weit, wird dann erst allmälig fester und enger. Etwas erweitert sich der Darm in der letzten Hälfte bis zum After bei Anas acuta. Der Dickdarm ist erweitert bei den Gänsen, Schwänen, den mei- sten Enten, besonders A. Penelope und bei Palamedea. Bei A. acuta wird er bis zur Cloake zunehmend weiter; mit einzelnen unregel- mässigen Ausbauchungen bei A. fusca. Die Cloake selbst ist verhältnissmässig klein. Die innere Darmauskleidung soll nach Nitzsch zottig sein; ich fand sammetartig dichtstehende Zotten im Vorderdarm der Gänse, bei vielen Enten jedoch nur feine nicht hervorragende Drüschen, die ungefähr in Längsreihen angeord- net sind. Der Enddarm bei Palamedea nach Crispy: „Die schwam- mige Auskleidung des „Rectum“ bildet 42 Querfalten, wodurch die absorbirende Thätigkeit sehr erhöht wird.“ Bei Anas fand ich nur zahlreiche feine, aber scharfe Längsrillen. Die Blind- därme sind innen mit feinen, ungefähr zwischen 6 dunkleren Verdauungssystem der Vögel. IR Längsstreifen angeordneten Drüsen versehen. — Die Farbe des gesammten Darmes ist meistens tief dunkel, bläulich grau. Blind- därme sehr ausgebildet, keulenförmig bei den Schwänen und eini- gen Gänsen, so bei Cygnus olor 40, musicus 30, plutonius 26— 34 Cm. lang. Cereopsis 30, Anser bernicla sogar 39. Bei Pala- medea nur 16 Cm. lang. Gleichmässig schmal, nie soweit wie das Rectum, wenig erweitert dagegen bei den Enten und einigen Gän- sen, z.B. Anser domesticus. Am kleinsten sind sie bei Mergus. Die Entfernung vom After, oder die Länge des Rectum ist unge- fähr mit der der Coeca übereinstimmend, ausser bei Mergus. Asymmetrie der Blinddärme ist häufig, z. B. bei Oidemia fusca. Das Divertikel ist bei Anas unregelmässig vorhanden; bei Cyegnus klein und ebenfalls unbeständig; bei Mergus meistens feh- lend. Bei einer Hausgans fand ich es 2 Cm. lang und 116 Om. vom After entfernt; Afterdarm bedeutend kürzer als der Magen- darm. Darmlagerung. Taf. V. Fig. 3. 4. 5. 7. 8. 9. 15. Typus Mergus und die kurzdarmigen unter den Enten. Der Darm bildet mit dem Duodenum 5 platte, langgestreckte plötzlich umkehrende, sich hufeisenförmig entgegenkommende Parallelschlingen; sie ver- laufen von vorn nach hinten, mit der Neigung an den Enden nach links ventral umzubiegen. Charakteristisch ist diese scharfe Links- biegung für das Duodenum, so besonders bei A. penelope, fuligula, acuta, hottentotta, capensis und Mergus. Mehr schräg, sodass die unteren Schlingenhälften quer von rechts nach links gerichtet sind, bei A. boschas und Somateria, in höchstem Grade bei Oidemia. Die 3te Schlinge ist in der Regel die centrale. Die 2te gewöhn- lich durch grösseres nachträgliches Wachsthum des Vorderastes unregelmässig verlängert und daher ähnliche, secundäre Neben- schlingen bildend. Bei den langdarmigen Species werden — bei Cygnus und Anas boschas durch die 2te, bei Penelope durch die öte und 4te, bei Oidemia durch die 2te und 4te — im Ganzen 7—8 (5 Haupt- und 2—3 Nebenschlingen), bei Anser domesticus durch Verlängerung der 2. 3. 4ten Schlinge aber (5 Haupt- und 4 Nebenschlingen) sogar 9 Schlingen gebildet. Durch das Mesenterium sind die 5 Hauptschlingen handförmig verbunden, und als durch regelmässiges Entgegenwachsen vom Ma- gen und After her mit Längsschlingenbildung entstanden zu den- ken. Die 2te und 3te, (4te und dte bisweilen) sind dabei wech- selseitig aufeinander geklappt. Leber von mittlerer Grösse. Bei Palamedea ausgezeichnet 118 Dr. Hans Gadow, durch die auffällig schwache Commissur: „very small, narrow isthmus.“ Eine breite Commissur hat dagegen Anas acuta, und einen kleinen Nebenlappen besitzen Cygnus und Anser. Im Allge- meinen sind die Lappen glattrandig platt, meistens unsymme- trisch. Sehr ungleich bei Cygnus musicus, Cereopsis, Anser ber- nicla; Anas tadorna r./l. = ?/,, ebenso carolinensis; clangula °/,, acuta 3/,, fusca ®/,; Penelope sogar r./l. = */,. Bei Mergus da- gegen ist der rechte Lappen wenig grösser als der linke, r./l. höchstens = ®/,. Bei Anas sponsa, capensis, Penelope, caroli- nensis reicht der rechte Lappen ziemlich tief herab, die rechte Seite des Magens zur Hälfte und mehr bedeckend. Bei Mergus zeichnet sich die Leber überhaupt durch ihre Grösse aus und reicht demgemäss tief, über den ganzen Magen, herab. Bei A. clangula fand ich den linken Lappen in 5 einzelne zerfallen; den rechten am Unterrande 3mal leicht eingelappt; ähnlich besitzt der linke bei A. carolinensis innen einen Nebenlappen, bei Penelope der rechte und linke. Rechter Rand bei Oidemia fusca sehr spitz ausgeschnitten. Gallenblase gross, in der rechten Leber liegend, soll nach Nitzsch bisweilen Mergus merganser fehlen. Panereas stets mit 2 Hauptlappen; ein rechter und ein linker, beide am unteren Ende vereinigt, füllen nur die erste Hälfte der Duodenalschlinge aus, nie bis zum Winkel derselben sich erstreckend. Bei Anser domesticus enthält jeder Hauptlap- pen noch einen kleineren Nebenlappen. Bei A. Penelope sind beide ganz getrennt und schmal, breit bei A. fusca. Die Anatiden be- sitzen 2 ductus pancreat.; sie münden mit denen der Leber: Hepat. Cysticus 2 Pancreatiei, dicht hinter dem Pylorus. Bei den Enten vereinigt sich der Cysticus mit den hepaticus und münden beide dicht am Pylorus vor den pancreatieis. Bei Cygnus münden alle Canäle auf einer kleinen Erhabenheit des Duodenum: „leurs ori- fices forment un quarr& et sont places de maniere que les deux pancreatiques sont aux deux angles opposes.“ Cuvier. Nieren meistens 2lappig, sehr lang; distal an Breite und Dicke zunehmend; der mittlere Lappen ist meistens mit den bei- den anderen verschmolzen, jedoch bei Cereopsis als kleiner Neben- lappen vorhanden, etwas grösser ist er bei Anser bernicla und bei Anas penelope. Bei Anas acuta fand ich am proximalen eine Andeutung des Zerfallens in 3 Läppchen. Die relative Darmlänge ist bei den Schwänen, Gänsen und den meisten Enten ziemlich beträchtlich; im Durchschnitt = 10. — Verdauungssystem der Vögel. Coeeum |Enddarms Cygnus olor Anser domesticus » berniela » leucopsis „ torquatus . - Cereopsis nov. Holland. Palamedea . Anas tadorna . „» penelope „ elypeata Oidemia fusca . ve clangula Fuligula cristata . Anas boschas . „ . glacialis „ discolor.. „ hottentotta. „ ferina „ acuta „ earolinensis „ _ erecca Aix’sponsal’. i. ®, Somateria mollissim. Mergus merganser „ albellus Anas capensis 42 24 16 39 94 30 16 17 18 13 lol 18 absolute 440 260 238 204 235 190 170 180 164 214. 235 250 176 282 232 146 150 170 170 182 128 122 126 119 | 107. 118 107 104 100 220 246 170 160 160 118 116 TUBINARES. Nitzsch. Zunge ganz kurz, dreieckig bei Puffinus; vorn abgestutzt bei Procellaria; etwas länger und spitzer bei Thalassidroma pela- gica; bei Diomedea dagegen kurz, dreieckig, breit, grösstentheils festgewachsen,, hinten mit spitzen, aber weichen Papillen besetzt. Der verkümmerten Zunge entsprechend ist der Schlund sehr weit, der vom Drüsenmagen sich deutlich ——— relative Darmlänge 12-—15 6-—7 120 Dr. Hans Gadow, absetzt bei Puffinus, bei Thalassidroma aber in den letzteren übergeht; ein Kropf fehlt. Der Vormagen zeichnet sich durch die Weite seiner innen mit grossen rundlichen Drüsen besetzten Wände aus; diese Drüsen sind bei Thalassidroma und Procellaria überall dicht vorhanden mit Ausnahme des letzten, zum Magen führenden Theiles; bei Puffinus dagegen spärlich und unregelmässig vertheilt, am zahl- reichsten noch im mittleren Theile. Bei Puffinus und Diomedea sind unregelmässige Längsfalten vorhanden. Bei seiner bedeuten- den Grösse, welche bei Puffinus 8mal, bei Thalassidroma 5—6mal, bei Diomedea mindestens 1Omal, die des Muskelmagens übertrifft, dient der Drüsenmagen wohl füglich als Kropf, der sonst allen Sturmvögeln fehlt. Bei Diomedea gehen Oesophagus und Magen weit bis an die Schambeine in die Bauchhöhle hinab. Stets ist der Magen vom Drüsenmagen scharf durch einen langen und engen Schlauch getrennt, der, am längsten bei Puffinus, keine Drüsen enthält. Magen rundlich 4eckig, eigentlich (mit Ausnahme von Pro- cellaria) fast ganz rudimentär; nur häutig muskulös, jedoch mit Sehnenspiegel; innen bei Thalassidroma nur dünnes, weiches Epithel enthaltend ; die übrigen besitzen hartes, furchig, höckriges Epithel, welches sogar einzelne Hornzähne bildet (Procellaria). Das von Carus-Wagner untersuchte Exemplar enthielt in dem solcher- gestalt gewaffneten Magen Sepienschnäbel; harte, schwer verdauliche Nahrungsreste, wie diese Sepienschnäbel, Fischschuppen und Gräten, erfordern wohl eine so starke Ausrüstung des Magens neben be- deutender chemischer Stärke des grossen Drüsenmagens, da eine Gewöllbildung bei kleinen Magen und besonders bei der Enge des Verbindungsschlauches nicht wohl denkbar ist. Darm. Pylorus ziemlich entfernt von der Cardia. Bei Tha- lassidroma, und — wenn ich Professor Studer’s Mittheilung recht verstehe, — auch bei Diomedea, ist eine Andeutung von Pylorus- magen vorhanden. Der Dünndarm ist von ziemlich gleicher Weite, das Rectum wenig erweitert und kurz. Darmlagerung. Das Duodenum verläuft grade von vorn nach hinten, ebenso der ganze übrige Darm, der im Ganzen aus 8 unter einander ganz parallel laufenden Schlingen ohne Unregelmässigkeit besteht. Hier erlaube ich mir einen Irrthum zu erwähnen, der sich seit geraumer Zeit (nämlich seit Herausgabe von Carus’ Fr- läuterungstafeln zur vergl. Anatomie 1835) in mehrere anatomische Bücher vererbt hat. Carus sagt nämlich in seinem Text zur Ab- Verdauungssystem der Vögel. 121 bildung des Darmtractus von Procellaria glacialis „I—8 die merk- würdigen Schlingen der Därme, deren sonst gewöhnlich nur 1 ge- bildet wird.“ Das ist ganz richtig, aber bisweilen wird diese Notiz so wiedergegeben, als wenn 8 Duodenalschlingen vor- handen wären! Die Hälfte dieser 8 Schlingen ist rückläufig, sodass die Windungen entstanden zu denken sind, aus 4 Ausbiegungen des eng mit einander verbundenen Magen- und Afterdarmes. Das kurze Mesenterium fasst die Schlingen, die sämmtlich eng geschlos- sen sind (wie gew. sonst nur das Duodenum) so zusammen, dass die 8 Schlingen in ihren unteren Enden ganz frei sind und qua- stenförmig neben und aufeinander liegen. Die Länge des Darmes bei Diomedea chlororhyncha und exu- lans beträgt cc. 190 Cm. Das relat. Verh. 9. Darmlänge von Procellaria glacialis cc. 160 Cm. Blinddärme bei Thalassidroma fast ganz rudimentär, etwas grössere besitzt Procellaria und Diomedea; verhältnissmässig die grössten hat Puffinus, wo sie cc. 1,2 Cm. lange breite Säckchen bil- den, seitlich an einer Seite des Darmes vorspringend. Leber. Der rechte Lappen ist der grössere bei Diomedea und Puffinus, rl=?/,; — Thalassidroma dagegen r/l fast = !/.. Die Gallenblase ist gross, ragt bisweilen unter dem rechten Leber- rande hervor. Pancreas 2lappig. Nieren mit scharfer Trennung in einzelne Lappen, deren proximaler der grösste, distal 3eckig zulaufend. Bei Puffinus 2lap- pig; Thalassidroma mit 3 scharf getrennten Hauptlappen, deren jeder wieder in zahlreiche Nebenläppchen zerfällt. LARIDAE. Bp. Zunge meistens weich, lang, zugespitzt. Folliculi linguales, gland. sublinguales und Parotides sind vorhanden. Schlund stets des Kropfes entbehrend; weit, ziemlich dick- wandig und muskulös, innen mit zahlreichen Längsfalten oder Längsrillen versehen ; besonders stark sind diese Falten bei Larus argentatus, canus, ridibundus und bei Lestris entwickelt. Sie be- wirken eine beträchtliche Ausdehnungsfähigkeit zur Aufnahme der meistens in Fischen bestehenden und ganz verschluckten Beute; ausserdem vergrössern sie die schleimabsondernde Fläche. Der Schlund geht allmälig in den Drüsenmagen über, in dem die Längsfalten meistens zu 122 Dr. Hans Gadow, 2 und 3 zusammentretend, grössere und breitere längslaufende Wülste bilden, die hauptsächlich bei L. argentatus stark ausge- prägt sind, wo der Drüsenmagen zugleich dicke, schwammige Wände besitzt. Bei Larus canus, ferner bei Lestris und Sterna sind nur feine aber zahlreiche Längsrillen vorhanden; bei L. marinus fehlen sie im Vormagen sogar ganz. Ausgezeichnet ist derselbe bei allen Möven durch die grosse Anzahl feiner, kleiner, runder Drüsen, die meistens nach oben und nach unten, scharf abge- setzt aufhören; bei Lestris und Larus bilden sie so einen cc. 2 Cm. breiten Drüsengürtel. — Gegen den Muskelmagen ist der Vor- magen auch äusserlich ziemlich scharf abgesetzt bei Sterna, weniger bei den einen schwachmuskulösen Magen besitzenden Möven. Muskelmagen viereckig, von etwas plattgedrückter Form, mehr kugelig bei Sterna; fleischig muskulös, jedoch nie ein wahrer starker Muskelmagen, jederseits mit einem Sehnenspiegel; schwach bei Lestris. Innen mit einer festen, gelbbraunen lederartigen Haut ausgestattet, die stets unregelmässige Längsfalten bildet; häufig mit 2 Reibeplatten, so z. B. bei L. canus; am härtesten ist: diese als Ersatz für die schwache Muskulatur dienende Aus- kleidungsschicht bei Lestris. Sie setzt gegen den Vormagen scharf in einer gezackten Querlinie ab. — Wegen der Härte der inneren Haut ist der Magen wenig erweiterungsfähig, lediglich mechanisch bei der Verdauung wirkend. Er liegt vorn, mehr an der linken Seite, bei L. canus tief herabreichend ; bei Sterna nur einen kleinen Theil der Bauchhöhle einnehmend. Ein Pylorusmagen fehlt gänz- lich. Cardia nahe dem Pylorus. Darm ausgezeichnet durch feste, dicke Wände; rund und weit; fast immer von hellröthlichgelber Farbe, nur das Rectum mehr grau; mit der Neigung vom Duodenum bis zum Rectum all- mälig etwas enger zu werden, so bei L. ridibundus, sargentatus und bei Sterna. Der Enddarm steigt hoch von der Leber herab grade am Rücken entlang, ist meistens wenig erweitert, ausser bei L. glau- cus, wo Duodenum und Enddarm die doppelte Weite des Dünn- darmes haben. Der sehr flüssige Koth sammelt sich in einer mit- telgrossen Cloake. Blinddärme bei Sterna und Larus stets verkümmert, cc. 1 Cm. lange rundliche, harte Auswüchse darstellend, in ihrer grössten Länge am Rectum angewachsen. Bei Sterna sehr klein; bei Lestris sonderbarerweise 6—9 Cm. lang. Vom After bei La- rus argentatus nur 3, bei Canus 7 Cm. entfernt. Verdauungssysteme der Vögel. 125 Darmlagerung. Taf. VI. Fig. 1—7 incl. Der gesammte Darnı bildet 3 grosse Schlingen, deren lte das Duodenum ist; dieses ist wenig erweitert, steigt unter dem rechten Leberlappen beginnend, weil der Pylorus sehr hoch inserirt, grade herab rechts vorn, biegt nach rechts um, das Ende der Schlinge nie die Rückenlinie erreichend; in seinem ganzen Verlaufe das Pancreas enthaltend ; dann am rechten Leberrande bis zum Rücken aufsteigend. Die 2te Schlinge bildet eine den grössten Raum des Unterleibes rechts einnehmende ganz reguläre links gewundene Spirale, welche je nach der Species 1!/, bis 3 Umdrehungen macht. In allen Fäl- len ist der direkt laufende Ast bedeutend länger als der rück- läufige, bildet aber nicht secundäre Nebenschlingen wie z. B. bei den Lamellirostres, sondern macht 1—2 ganz reguläre Umläufe mehr als der retrograde Theil. Die öte Schlinge liegt unter oder rechts an dem Duodenum und ist stets geöffnet. Sämmtliche Spiralwindungen werden von der ersten und dritten Schlinge ven- tral und distal umfasst und so von der Bauchwand geschieden. Die einfachsten Verhältnisse bietet nun Sterna hirundo, bei welcher bei Beobachtung des Darmes in situ gar keine Spiralbil- dung zu existiren scheint, weil die Spirale in Folge der wenigen Umdrehungen oval gestreckt, das Centrum also aus seiner Mit- telstellung herausgerückt ist. Die Spirale macht hier nur 1!/, direkte und 1 retrograde, im Ganzen nur 2!/, Kreise. Larus ri- dibundus mit 21/, dir. + 1 retrograden — 3!/,. Larus canus 3 direkte + 1 retrograde = 4. Larus fuscus ö3d +2 =5. Am schönsten ist die Spiralbildung bei L. canus und fuscus; un- deutlicher durch totale seitliche Verschiebung des retrograden Theiles bei L. argentatus. Es sind bei den Möven also alle Uebergänge von der ein- fachsten ovalspiraligen bis zur scharf ausgeprägten 5 vollständige Kreise bildenden Lagerung der 2ten Schlinge vorhanden. Innere Darmstructur. Der Darm der Möven ist innen mit Zickzackfalten versehen, die bei L. marinus und L. minutus im Dünndarme in Längsreihen stehen, bei L. ridibundus dagegen überhaupt erst im letzten Drittel auftreten. Der Enddarm ent- hält zahlreiche Querfalten. Bei L. argentatus und Lestris ist der Darm innen zottig; diese Zotten sind in ungefähr 6 Längsreihen angeordnet; der Enddarm aber ist in diesem Falle ganz glatt. 124 Dr. Hans Gadow, Länge des | absolute | relative | Coeeum | Enddarm. | Darmlänge Larus fuscus 1 — 65 5 NP marınus > 0,75 4,5 100 5,2 Sterna hirundo . — — 40 6—7 Larus ridibundus . | 0,8 7 75 7 „ argentatus . L.1 B} 78 7—8 „ ecanusd; ? 1 6—8 100.90 | 8—9 juv. — —— 80. 61 = „ glaucus — — 144 == „ eatarrhactes . — 89 u. 99 — sehr eng Leber verhältnissmässig gross, dick compact, dreikantig, glattrandig bei Larus. Der rechte Lappen ist stets grösser als der linke, welch letzterer jedoch bei L. canus tiefer herabreicht. Verhältniss des rechten zum linken wie 3:2; bei Sterna wie 5:2, auch ist hier jeder Lappen sehr ausgezackt, unregelmässig und scharfrandig. Die gewöhnlich breite Commissur bildet bei L. argentatus einen kleinen 3öten Lappen. Gallenblase gross, ent- weder wie bei Sterna und L. canus im rechten Lappen liegend, sonst zwischen beiden eingebettet. Pancreas gross, stets die Duodenalschlinge ausfüllend, Hauptmasse in deren Ecke. Besteht meist aus 2 langen, bei L. canus aber aus 3 schmalen Lappen, die in der Duodenalecke mit einander dicker werdend verwachsen. Bei L. argentatus fand ich nahe dem Pylorus einen 4ten unregelmässig geformten Nebenlap- pen. Es sind 2—3 ductus pancreatici vorhanden. Reihenfolge: 2 Pancreatici, Hepaticus, Cysticus. Nieren bei Larus argentatus, tridactylus und Sterna 3lap- pig, bei canus 2 grössere mit in der Mitte je einem kleineren seitlichen Läppchen. Auffallend ist das häufige feste Verwach- sen der beiderseitigen distalen Nierenlappen, so bei L. canus, ar- gentatus, marinus von mir gefunden. Der distale Lappen ist der voluminöseste; bei L. marinus und Sterna der proximale der breiteste, der distale der längste. Bei Larus tridactylus nach Nitzsch der erstere der breiteste, sonst alle 3 ziemlich gleich lang. GRALLAE. Bp. Zunge schmal, weich, lancettförmig, nur bei Podoa von Schnabellänge; bei den meisten ?/,, bei Haematopus !/, des Schnabels betragend. Fast rudimentär, ibisartig bei Numenius. Verdauungssystem der Vögel. 125 Am Hinterrande mit einigen hornigen Zähnchen besetzt; unge- theilt, leicht abgestutzt z. B. bei Recurvirostra; bei anderen an der Spitze etwas eingeschnitten oder gefasert. Grus mit ziemlich langer und spitzer, Otis mit hühnerartiger Zunge. Das Zungen- gerüst wechselt, der Ausbildung des Organs entsprechend. Paroti- des bei den Scolopacinae stets vorhanden. Schlund eng, wenig erweiterungsfähig, dünnwandig, mei- stens mit Längsrillen, die bei Charadrius und Ortygometra sehr fein, bei Tringa stärker sind; bei Strepsilas und Scolopax unge- fähr 12 hohe und scharfe Längsfalten. Mit starken Längs- und Querfalten, sodass eine Netzstructur hervorgebracht wird, bei Grus. Ein Kropf oder sonstige Erweiterung fehlt, mit einziger Ausnahme von Otis tarda, wo erstens beim Männchen dicht hin- ter der Zunge sich ein weiter bauchiger Kehlsack befindet, der aber nicht zur Nahrungs- und Wasseraufnahme dient, sondern wohl nur durch Aufblasen voll Luft als Zierde dient; zweitens existirt in der Mitte des Schlundes eine kropfartige Erweiterung, die auch nur dem Männchen zukommt. Drüsenmagen durchgängig klein und wenig geräumig; am grössten bei Otis; stets kleiner als der Muskelmagen; langge- streckt bei Scolopax und Gallinago. Sehr klein bei Tringa, Limosa, Grus. Er ist eigenthümlich hoch heraufgerückt und daher durch einen weiten schwach längsfaltigen Zwischenschlund vom Magen getrennt bei Strepsilas und Numenius, ähnlich bei Dicholophus. Meistens nur durch das Aufhören der Schlundfalten und durch das Dickerwerden der schwammigen Drüsen nach oben hin abge- setzt. Die Drüsen bilden bei Numenius arcuatus und Charadrius 2 Juga. In Längsreihen stehend, dicht und gross bei Tringa, Haematopus, Strepsilas, Otis; klein und sehr zahlreich mit dünner Wandung des Drüsenmagens bei den Schnepfen z. B. Scolopax, Limosa und Recurvirostra. Dicholophus besitzt einen cc. 5 Cm. vom Magen entfernten Drüsenring. Der Muskelmagen zeigt 2 verschiedene Bildungen. I. bei allen Fulicariae: Aramides, Rallus, Parra, Crex, Ortygometra, Porphyrio, Gallinula, Fulica, — und bei den Alectorides — ist er sehr stark muskulös, rhombisch, mit 2 starken Einschnürungen, etwas abgeplattet, innen mit harter braungelber, längsgerunzelter Lederhaut ausgekleidet, welche jederseits eine deutliche, starke Reibeplatte bildet. II. ziemlich stark muskulös, aber die Le- derhaut bildet nur Längsfalten, ohne Reibeplatten, so bei allen übrigen Grallae. — Bei den Scolopacidae ist der Muskelmagen 126 Dr. Hans Gadow. von rhombischer Gestalt und wenigstens an der unteren hinteren Seite stark eingeschnürt, so bei Gallinago, Scolopax, Limosa, Nu- menius, Tringa. Schwach muskulös, ohne Einschnürungen bei Re- curvirostra, Totanus, Actitis; auch mehr sackartig und weniger stark bei Otis und Dicholophus. Stark, aber ebenfalls ohne Ein- schnürung und mehr oval: Charadriidae; fast walzenförmig unter diesen bei Haematopus und Strepsilas. — Bei allen jedoch jeder- seits mit glänzendem Sehnenspiegel und verhältnissmässig klein, wenig Raum in der Bauchhöhle einnehmend; am kleinsten bei Recurvirostra. — Zur Beförderung der Verdauung werden allge- mein Sand und Steinchen aufgenommen. Pylorus und Cardia lie- gen nahe beisammen. Gallinula chloropus und Porphyrio hyaein- thinus haben einen durch Weite der Mündung und Biegung schwach angedeuteten Pylorusmagen. Der Dünndarm zeichnet sich bei den Charadriidae, Scolo- pacidae und Fulicariae, besonders bei den letzteren, durch seine dünnen, weichen Wände aus. Nur bei den, eine kreisförmige Darmlagerung zeigenden, nämlich: Haematopus, Strepsilas, Chara- drius, Numenius, ist er fester und nach dem Centrum hin ver- engt, während er sonst überall, mit Ausnahme des stets etwas weiteren Duodenum gleich weit ist bei Scolopax, Limosa, Tringa, Vanellus. Bei den Fulicariae ist er sehr weich und weit, mit der Neigung nach der Mitte hin sich noch mehr zu erweitern. Die Alectorides besitzen einen Darm von gleichmässigem Lumen; bei Grus sind die Wände besonders dick. Die innere Darmstructur zeigt 2 Hauptformen. I. der ganze Dünndarm ist mit deutlichen in Längsreihen stehenden Zotten ausgekleidet bei Scolopax rusticola, Limosa, Numenius und bei den Alectorides; bei Grus stehen die sehr grossen Zotten in Zick- zacklängsreihen im Rectum in Querreihen; bei Otis und Di- cholophus aber in Längsreihen. IH. die feinen, nicht zottenbil- denden Drüsen stehen in längsgerichteten Zickzackreihen: Scolo- pax, (ausser Sc. rusticola), Gallinago, Tringa, Recurvirostra, Hi- mantopus, Haematopus und einige Charadrius. Uebergänge bilden Totanus u. Actitis, indem sie im Duodenum deutliche Zotten, im Dünndarme feine Längsfalten, besitzen; Himantopus und einige Charadrius mit Zickzackreihen, im Duodenum wieder Zotten. — Im Enddarm bei allen mit Ausnahme von Otis und Dicholophus, dichte Querfalten. — Blinddärme in der Regel wohl entwickelt, ungefähr von der Länge des Enddarms. Am stärksten bei Fulica und Otis, wo Verdauungssystem der Vögel. 127 sie bedeutend erweitert und aufgetrieben, unregelmässige Aus- buchtungen besitzen und jedenfalls einen wesentlichen Antheil an der Verdauung nehmen. Bei der überwiegenden Mehrzahl sind sie in ihrer ganzen Länge von ziemlich gleicher Stärke, oft nur von Streichholzdicke, nach dem Ende hin etwas zugespitzt; so bei Grus, Dicholophus, Ortygometra, Gallinula; Haematopus, Va- nellus, Gallinago und Numenius. Bei Charadrius im letzten Drit- tel etwas erweitert, doch spitz endigend; ähnlich Tringa und Porphyrio. Bei Scolopax sind sie kurz; bei Scolopax rusticola und major nur noch als Knötchen vorhanden, ähnlich bei Gla- reola. Bei Strepsilas interpres fand ich sonderbarerweise nur ein Coecum, welches nur 3 Mm. lang, eine kleine, weiche, sackartige Ausbuchtung bildete; von dem anderen Coecum keine Spur. Darmlagerung. Taf. IV. 5—12. Nach der Lagerung des Darmes lassen sich die untersuchten Species in 3 grössere oder 5 kleinere Abtheilungen bringen. Verbindende Mittelglieder sind vorhanden. I. 1. Rallidae Taf. VI. Fig. 5—28 inclus. Der Darm bildet je nach der Länge 5—5 Schlingen, die sämmtlich in der Längsaxe des Körpers parallel neben einander liegen und nur etwas nach vorn unter dem Magen vorbei gebogen sind. Das Duodenum steigt grade herab und nähert sich dem After. Die öte Schlinge ist stets ganz geschlossen und bildet die centrale. Am einfachsten und zugleich am schärfsten ist der Rallentypus bei Porphyrio ausgeprägt. Die Blinddärme, wenn vorhanden, kom- men unten links zum Vorschein. Aramides führt zu den 2. Alectorides. Taf. VIL Fig. 5 u. 9. Der Darm bildet bei Otis und Dicholophus nur 3, bei den langdarmigen Grues 6 enggeschlossene, glatte, ganz gleichmässig langgestreckte, nur am Rücken liegende Schlingen, die am Unterende leicht nach links am Magen vorbei biegen. Das Duodenum biegt wagrecht nach links um. I. 3. Charadrius. Fig. 25—23. Der Darm bildet 4 ganz geschlossene lange Schlingen, die am oberen und unteren Ende halbkreisförmig nach dem Rücken hin gebogen sind und theilweise das Duodenalende umgeben. Die 3te ist Centralschlinge. Durch vermehrtes, nachträgliches Wachsthum des Magendarmes entsteht die höchste Form: 4. umfassend: Haematopus, Strepsilas, Recurvi- rostra. Fig. 19, 20; 22, 23, 24. Darm mit 6—7 Windungen, deren erste und letzte eng geschlossen, lang und halbkreisförmig 128 Dr. Hans Gadow, gebogen. Die mittleren Windungen bilden eine ovale ganz reguläre linksgewundene Spirale, deren Centrum in der Mitte der rechten Seite liegt. Die drittletzte ist die centrale; retrogradspira- lig nur 1 Windung. 5. Scolopacidae, Fig. 13—18 und 21, scheinen eine früh von den untersten Charadriusformen abgezweigte Abtheilung zu sein, die durch Tringa und Totanus den Charadrien sich nähert, andrerseits durch Limosa rufa und Numenius zu Ibis, also der höheren Ordnung der Pelargomorphae führt. In der Darmbil- dung zeigen Limosa und Numenius Aehnlichkeit mit der I. Ab- theilung, die Tringidae weisen auf Charadrius hin. Die Schlingen sind mit Ausnahme der 2ten, die bei Tringa weit oval offen, halbgeöffnet bei Numenius, Limosa und Gallinago — geschlossen — und laufen schräg von hinten oben, nach dem Unterleibe nach vorn. Die Anzahl der directen und retrograden Schlingen resp. Windungen ist gleich. Länge des absolute | relative Coecum | Enddarms Darmlänge. Aramides cayemn. . . = Et 6 Crex pratensis . . . 3 5,5 | 46 5 Porphyrio hyaeinthin. . 3,5 4 1 1022 5,5 Gallinula chloropus . . 6 4 63 7,4 ÖOrtygometra porzana . 4,5 5 57 8 Fulicar atrasiı ul. mdlal 37 14 180 11,3 Otis tarda BETEN 30 25 125 4,5 Dicholophus cristat. . 26 13 102 " Be N = = 108 „ Burmeisteri . 21 12 77 6 Grus 'cinereat u 0), 0, 10 — — 9 „neaxtinenlatan'.ud, %. 15 15,5 295 9,2 Anthropoides paradis. . 10 16 163 = 3 5 42 5 Gallinago major . . . 3,2 5,5 45 5 Tringa islandica . 5 3 ZEN 6,3 = = 92 e „ arenaria 4 3 38 6,3 Sm. Aulıda 39 6,3 „ variabilis 4 - 34 Zu, „ alpina 4 — 34 — „ einerea 8 3 67 — Totanus flavipes 3 4 50 — Limosa rufa 2 | 3 60 5,7 ” ” 2,0 4,5 68 9,6 melanura 2 | 3 63 5,8 ” Verdauungssystem der Vögel. 129 Länge des | absolute | relative Coecum |Enddarms | Darmlänge. Limosa melanura 2 25 | 65 5,5 Numenius arcuatus . fi 8 I... 95 7—8 Recurvirostra avocetta . 7 ER 6,4 Haematopus ostr i 3 ia 11,3 9 Ele net Strepsilas interpres . 0,3 3,5 47 6,7 nur 1 Vanellus cristatus 6 4 50 5,5 “ . : 5u6|5 52 5,5 Charadrius auratus . 4,3 4,5 69 8,6 x collaris 4 2,5 42 7 Leber ausgezeichnet durch die platte, sehr dünnlappige, langgezogene Form des rechten, fast immer grösseren Hauptlap- pens; mit Ausnahme der Alectoriden, wo sie mehr compact und glattrandig ist, an der unteren und vorderen Seite wellig einge- buchtet. Stark unregelmässig gezackt, mit Zipfeln, ist der linke Flügel bei Tringa u. Numenius; bei Charadrius scharfkantig drei- eckig, hinten mit 2 tiefen Einschnitten; überhaupt unterscheiden sich die Charadriidae von den Scolopacidae durch stärkere Zer- spaltung der linken Leber. — Der rechte Flügel ist sehr lang, reicht tief auf den Magen herab und übertrifft den linken bei den Scolopacidae (speciell ausgenommen Sc. rusticola) bedeutend: Tringa und Phalaropus r/l = °/,; Numenius — ?/,. Bei Limosa rufa fand ich ihn über 4mal grösser, wie bei Numenius; bei L. melanura dagegen nur 2mal grösser, ebenso bei Totanus flavipes nach Brendel. Weniger Ungleichheit zeigen die Charadriidae: Haematopus und Strepsilas = °/,, Charadrius collaris */,, Ch. auratus ?/,, aber bei keinem fand ich den linken grösser als den rechten Lappen, wie eine Angabe von Nitzsch lautet (war dem- nach wohl pathologisch). Stärkere Ungleichheit zeigen wieder die Fulicariae: Crex pratensis — /,; Ortygometra, Gallinula und Fulica. Bei Otis und Dicholophus nahe !/,. Grus cinerea aber ungefähr r/l = ?/,. — Als einmalig gefundene Ausnahme erwähne ich fast völlige Symmetrie bei Porphyrio hyacinthinus. Gallenblase regulär vorhanden und wohl entwickelt, fehlt aber bisweilen individuell bei Grus virgo u. Numenius arcuatus; bei einer Tringa alpina fand ich keine Spur derselben; dasselbe berichtet Kuhl von einer Tringa arenaria. Bei Tringa islandica und arenaria fand ich sie wieder wohl entwickelt. Sie liegt hinten Bd, XIII. ©. F. VI, 1. 9 130 Dr. Hans Gadow, am rechten Leberflügel und zeichnet sich bei den Alectoriden, Li- mosa etc. durch ihre Grösse aus. Pancreas zeigt 2 scharf unterschiedene Bildungen. I. Es besteht aus 2, einem inneren und einem äusseren Hauptlappen und füllt die Duodenalschlinge bis zum Ende aus; so bei Otis, Dicholophus, allen Scolopacidae und Charadriidae. Bei Haemato- pus und Charadrius auratus füllt sie die Schlinge nur in den . ersten ?/, aus, nach dem Ende hin breiter werdend als am Pylo- rus. Bei Oedicnemus und Grus aus 2 völlig getrennten Theilen bestehend und bei letzterem nur gleich !/, der Schlingenlänge. Il. Das Pancreas, besteht aus 3 einander parallelen langen Lappen bei allen Fulicariae; der längste reicht bei Ortygometra bis zum Ende der Duodenalschlinge; viel kürzer als diese bei Rallus und Porphyrio.. — Mit Ausnahme von ÖOedienemus und Otis, wo (nach Stannius’ Angabe individuell abweichend) biswei- len 3 Ausführungsgänge vorkommen sollen, sind 2 derselben vor- handen; sie münden bei Otis und Dicholophus: 1, 2 pancreatic. Hepaticus, Cystieus, in den aufsteigenden Ast, gegenüber dem Pylorus. Bei Dicholophus ist der Duetus cysticus einige Oenti- meter entfernt von den anderen Ausführungsgängen. Parra jacana: Hepaticus, Cysticus, 1 und 2 pancreaticus nach Cuvier. Nieren 3lappig. Der mittelste Lappen ist der kleinste, der distale der grösste bei Otis, Dicholophus und Grus, bei letzterem scharf getrennt. Bei den Fulicariae werden sie nach hinten schmäler und sind vielfach am Rande eingeschnitten, an der Rückenfläche bei Fulica sogar in sehr viele, ungefähr 60 Läppchen zerfallend. Für die Charadriidae und Scolopacidae ist die Nei- gung, 4 Lappen zu bilden, bemerkenswerth, wo dann die beiden äussersten von ziemlich gleichem Volumen sind; so bei Haematopus und Strepsilas. Bei Tringa und Limosa rufa ist der distale der grösste; umgekehrt bei L. melanura, kecurvirostra avocetta und Himantopus. Sehr starke Verwachsung der rechten und linken Niere fand ich bei Limosa, desgleichen bei Fulica und Ortygo- metra. ERODI. Zunge lang und spitz, schmal; mit langem festen Zungen- kern, ebenso die Hörner und der Körper. Hinten ist die Zunge eingeschlitzt. Sie füllt den Unterkieferraum ziemlich aus. Die einzige Ausnahme von dieser Zungenbildung bietet Cochlearia nae- via, bei welcher sie ganz kurz, dreieckig, platt, tief an der Kehl- Verdauungssystem der Vögel. 131 haut angewachsen ist; das Gerüst ist dem entsprechend ganz verkümmert. Diese Rückbildung der Zunge steht mit der Umge- staltung des breiten Schuh- oder kahnförmigen Schnabels in engem Zusammenhang; wie ein Analogon Pelecanus, Caprimulgus und die Pelargi darbieten. Schlund stets kropflos, aber überall sehr erweiterungsfähig, nur bei Cochlearia etwas schmal und hart im letzten Theile; ge- wöhnlich innen mit starken Längsfalten. Er bildet mit dem sehr grossen Drüsen- und Muskelmagen ein Continuum, ohne eine äussere Absetzung wahrnehmen zu lassen. Drüsenmagen weit, fest aber dünnwandig, mit zahlreichen gleichmässig auf der ganzen Innenfläche verbreiteten feinen Drüsen. Der Magen ist ein reiner Hautmuskelsack, sehr dehnbar, von lang-ovaler Form; dünnwandig, nur mit ganz schwachem Sehnenspiegel; auf der Vorderseite bis zum After herabreichend, sodass der gesammte Darm an den Rücken gedrängt wird. Innen ganz glatt, ohne das geringste harte Epithel; bei Ardea mit tiefen Längsfalten und von stark secernirender Thätigkeit. Geboten ist die grosse Länge und Dehnbarkeit des Drüsen-Muskelmagens durch die meistens aus Fischen bestehende Nahrung. Die Fische werden ganz verschluckt und gelangen mit dem Kopfe nach unten bis an den Magengrund, wo sie sammt den Gräten und Schuppen verdaut werden. Gewölle wird von den Reihern nicht ausgewor- fen. — Ziemlich weit von der Cardia findet sich bei den meisten Reihen ein deutlicher Pylorusmagen, er enthält innen 2 etwas ge- zähnelte hervorragende Längsleisten zwischen denen die Nahrung in den Pylorus gleitet. Bei Ardea cinerea und purpurea wird der Pylorusmagen vom Hauptmagen zum Darm hin enger. Zwischen ihm und dem eigentlichen Duodenum befindet sich noch eine erb- sengrosse Erweiterung, die von Leuckart Bulbus pyloricus genannt wurde; dieser Bulbus ist innen glatt, der Uebergang in das Duodenum durch eine schwache Einschnürung angezeigt. Im oberen Theile des Muskelmagens bilden die Falten, vom Oesopha- gus herabkommend, eine netzartige Zeichnung; einige dieser Netz- falten setzen sich bis zum Pylorusmagen fort. — Ardea stellaris und minuta zeigen statt des Bulbus nur einen Wulst. Die in den Pylorusmagen führende Oeffnung liegt innerlich dicht unter dem Drüsenmageu, etwas links. Der diekwandige Pylorusmagen enthält im Gegensatze zu Ardea cinerea innen einige Falten. Die Communication mit dem Bulbus pyloricus ist sehr eng; der Bul- 9% 132 Dr. Hans Gadow, bus selbst ist noch diekwandiger, innen schwach faltig und geht ohne Verengerung in das eigentliche Duodenum über. Darm mit Ausnahme des hauptsächlich in der Ecke .erwei- terten Duodenum von fast gleichmässig geringem Durchmesser und ziemlich weichwandig, von hellgelber Farbe. Er verengt sich zum Rectum hin bei Nycticorax cayennensis. Das Rectum selbst ist stark vom Duodenum durch seine plötzliche Erweiterung ab- gesetzt; die Cloake ist weit. Das Divertikel ist unbeständig; bei Cochlearia fand ich es 47 Cm. vom After entfernt, 0,75 Cm. lang. Blinddärme völlig rudimentär und ganz angewachsen; cha- rakteristisch für die Erodii ist das Fehlen des einen Blinddar- mes; nur bei Ardea minuta fand ich 4Cm. vom Ende 2 ganz verkümmerte. Bei A. cinerea, garzetta, Botaurus stellaris ist in der Regel nur 1 einziges ganz verkümmertes Coecum, in der Ent- fernung von cc. 10 Cm. vom Ende vorhanden. Bei den Nacht- reihern, z. B. bei Nycticorax cayennensis herrscht die Neigung zu gänzlichem Verschwinden vor. Bei Cochlearia fand ich 8 Cm. vom After an dem plötzlich erweiterten Rectum nur eine seitliche, rundliche, weiche Ausbuchtung, ähnlich bei Ardea purpurea, wäh- rend sonst die rudimentären Blinddärme meistens als harte, wurm- förmige Gebilde erscheinen. Die Darmlagerung (Taf. III. Fig. 9, 10, 11) zeigt nur höchst gleichmässige, scharf charakterisirte Verhältnisse. Durch die Grösse und Lage des Drüsen-Muskelmagens wird die Lagerung wesentlich bestimmt. Typus Cochlearia. Der Darm bildet 6 nach der Mitte hin an Länge abnehmende, ganz geschlossene, alternirend liegende grade, ganz parallel zu der Längsaxe des Körpers laufende Schlin- gen. Nur das Duodenum ist bei allen sehr lang, daher am unte- ren Magenrande herum auf der. linken Hinterseite bis zum Vor- magen wieder aufsteigend. — Je grösser die verhältnissmässige Darmlänge, desto gestreckter sind in der Regel die Schlingen. Bei Cochlearia und Nycticorax sind sie überhaupt kurz, so auch bei purpurea die 2te und 3te, dafür aber die anderen desto län- ger. Bei Nycticorax ist wegen der Kürze des Darmes die 5te und 6te nur angedeutet und nur kraus erscheinend, wie überhaupt der krause Verlauf des aufsteigenden Colonastes für alle Erodii wichtig ist. — Fast allgemein, (nur bei Nycticorax die öte) ist die 4te Hauptwindung die centrale, der Afterdarm demnach bedeutend kürzer als der Magendarm. Verdauungssystem der Vögel. 133 Länge des absolute | relative Coecum |Enddarms Darmlänge Nycticorax cayenn. 0 —.| 78 6 Cochlearia naevia . En 8 96 7 . 150 Botaurus stellaris . 1,5 10 180 8 Ardea minutas . . 0,3 4 72 8 „ingarzettali,ii! 0,3 10 96 8 & 212 SSL CIDErBe Ei. 0,5 10 | 222 10211 „,“ punpurea ı. 0,5%. Kl 220 11 Leber ziemlich gross und tief herabreichend; 2lappig mit glatten, nicht eingeschnittenen Rändern. Der rechte Flügel ist bedeutend grösser als der linke, so bei Cochlearia r./l. = ?/, ; Ar- dea purpurea — °/,; Ardea cinerea ?/,. Die Gallenblase ist sehr gross, fast halb so lang, wie der rechte Leberflügel; der Gallengang reicht tief herab in’s Duodenum. Das Pancreas besteht aus 2 unten vereinigten Theilen, füllt die Duodenalschlinge nur bis zur Hälfte aus und besitzt 3 Aus- führungsgänge, welche bei A. cinerea getrennt münden: 1. pancrı. Hepatic., 2. 3. pancr. Cystic. Die Nieren zerfallen undeutlich in 3 Hauptlappen, deren proximaler stets der voluminöseste, weil dickste und breiteste, ist, distalwärts verschmälern sie sich. Eine Verwachsung der distalen Lappen beider Seiten ist sehr häufig, vielleicht die Regel bei Ar- dea, z. B. cinerea und purpurea. PELARGI. Zunge bei allen Pelargi mit Ausnahme von Phoenicopterus ganz klein, verkümmert, dreieckig, vorn zugespitzt, überall glatt, ohne Häkchen, meistens nur '/,, der Schnabellänge betragend. Kern und Zungenkörper sind verkümmert; die Hörner noch erhal- ten. Am kleinsten ist die Zunge bei den beiden von Nitzsch als Hemiglottides zusammengefassten Gattungen Ibis und Platalea. Am grössten und völlig abweichend von den übrigen Pelargi ist die fast ganz entenartige Zunge von Phoenicopterus; sie ist gross, wird nach hinten plötzlich sehr dick und fleischig, den Raum zwi- schen den stark aufgetriebenen Unterkiefern ganz ausfüllend; auf ihren Rändern mit Widerhaken besetzt. Kern knorpelig, das übrige Gerüst sehr stark. 134 Dr. Hans Gadow, Follieuli linguales fehlen entsprechend der rudimentären Zunge; die Parotides sind klein; glandulae sublinguales sind auch vor- handen. Schlund ziemlich eng und wenig dehnbar bei Phoenicopterus und Platalea, mehr erweiterungsfähig bei Ciconia, daselbst mit ungefähr 12 sehr kraus geschlängelten Längsfalten, die sehr weich und von weissröthlicher Farbe plötzlich am stark abgesetzten Vor- magen aufhören. Alle besitzen einen ziemlichen Muskelbelag der Schlundwand. Ausser bei Leptoptilus argala und C. marabu, wel- che einen sehr grossen kegelförmig zugespitzten, aussen herabhän- genden Kropf besitzen, findet sich nur bei Ciconia eine undeut- liche kropfartige Erweiterung. Drüsenmagen meistens deutlich gegen den Schlund abge- setzt; seine Wände sind dickschwammig und enthalten grosse dicke Drüsen, die jedoch bei Ciconia nigra sammetartig sind und nicht hervortreten; sie stehen eng aneinander gereiht bei Ciconia, und Ibis, ragen bei Platalea etwas hervor. Leptoptilus macht eine Ausnahme, insofern der Vormagen grösserer Drüsen entbehrt, dafür aber mit harter horniger Haut ausgekleidet ist; die noth- wendigen Drüsen bilden im Muskelmagen 2 Drüsenscheiben, und zwar besteht jede einzelne Drüse aus je 4-5 verästelten Schläu- chen mit einem gemeinschaftlichen Ausführungsgange. Eine ähn- liche Bildung des Vormagens fand ich bei Ciconia alba, wo das sehr drüsige Organ an seinem oberen vorderen Theile eine schei- benförmige mit harter Haut bedeckte Stelle enthält. Sehr gross, grösser als der Muskelmagen ist der Drüsenmagen bei Tantalus ibis und besonders bei L. Argala; lang auch bei Platalea, klein dagegen bei Ibis und Falcinellus. Gegen den Magen hin stark abgesetzt; die Drüsen hören plötzlich, in einer graden Reihe auf. Bei Phoenicopterus findet sich ein enger dickwandiger Zwischen- schlund, der dann plötzlich vom Magen 'sich absetzt; auch bei den Störchen ist ein ähnliches Verhältniss bemerkbar. Der Muskelmagen ist meistens stark muskulös, hart, mit glänzendem Sehnenspiegel jederseits, innen mit gelbbrauner tief gerunzelter Lederhaut. Etwas weichmuskelig bei Platalea, wo auch die Lederhaut fehlt, trotzdem mit Längsfalten. Ciconia alba: nicht gross, ganz rund, aber käseförmig flach gedrückt, wie Ibis rubra in der Mitte mit Sehnenspiegel, nirgends mit harter rother Muskulatur; innen mit 2 schwachen Reibeplatten und mit sehr vielen harten gelben Längsfalten und scharfen Rillen. — Am stärk- Verdauungssysiem der Vögel. 135 sten ist der Magen bei Phoenicopterus und Tantalus ibis, bei letz- terem von auffallender Kleinheit. Rund und platt ganz regelmäs- sig geformt bei Ciconia und Ibis rubra; bei Faleinellus dagegen, ebenso bei Tantalus und Phoenicopterus durch eine scharfe Ein- schnürung unregelmässig viereckig geformt, mit scharfem unterem Rande. — Bemerkenswerth ist bei Ciconia alba und nigra, bei Leptoptilus argala und marabu ein zwar wenig muskulöser, aber deutlich erweiterter und eine starke Biegung bildender Pylorus- magen. Bei Phoenicopterus ist zwischen Cardia und Pylorus durch 2 kleine wulstige Erhebungen ein unregelmässiges Viereck abge- trennt, dessen Innenwände wie der Muskelmagen rothmuskulös und ebenso hart sind; ferner werden sie ebenfalls von fester, tief gerunzelter Haut ausgekleidet, ohne Drüsen zu enthalten. Darm fast gleichmässig, ziemlich schmal, fest und dickwan- dig; nur das Duodenum und das Rectum etwas weiter; bei Ciconia nach hinten etwas schmaler werdend. Besonders schmal bei Phoe- nicopterus. Bei allen von röthlichgelber Farbe. Erste Hälfte des absteigenden Duodenalastes ganz dünnwandig und glatt bei Ci- conia alba, dann folgen sammetartige Zotten, die nach der Mitte hin am stärksten werden und wie auch im Rectum — wo ausser- dem 6 etwas erhöhte Längsfalten sichtbar sind — feine dicht ne- beneinander stehende Querfähtchen bilden. Aehnlich Platalea. Bei Phoenicopterus ist die Darmschleimhaut übersät mit feinen dünn- plattigen sehr spitzen Zotten, die in etwas convergirenden Reihen geordnet sind; im Enddarm sind diese Zotten etwas breiter und kürzer, auch die Blinddärme sind damit ausgestattet, in deren Enden sie zu ganz feinen Papillen werden. Blinddärme bei allen Pelargi rudimentär, mit alleiniger Aus- nahme des Flamingo, wo sie ungefähr 16 Cm. vom After ent- fernt, 12 und 9 Cm. Länge besassen, und dünnwandig, spitz zu- laufend, in der Mitte etwas weiter, vom Dickdarm scharf abge- setzt waren. Bei Falcinellus, Platalea, Tantalus fand ich sie höch- stens 0,75 Cm. lang, dabei ohne Lumen; bei Platalea und Ibis sind sie bisweilen bis zur Unkenntlichkeit rückgebildet. 1 Ciconia alba hatte 12 Cm. vom After entfernt 2 je 1 Cm. lange runde, feste, mit ganz feinem Lumen versehene Blinddärmchen; ausser- dem fand ich bei einem anderen Exemplar 86 Cm. vom After ent- fernt 2 hintereinander folgende nur 0,25 Cm. lange Wärzchen, ebenso noch an 2 weiter aufwärts gelegenen Stellen (92 und 104 Cm. vom After). Das Divertikel verschwindet sehr früh, bei 227 Cm, 136 Dr. Hans Gadow, gesammter Darmlänge fand ich es 130 Cm. vom After entfernt, Afterdarm also länger als der Magendarm. Eine stark erweiterte Cloake existirt nicht. Die Darmlagerung der Pelargi bereitet bei dem Versuche ein für alle bisher untersuchten Species gültiges Schema zu finden, die grössten Schwierigkeiten. Der Darm hat bei allen einen sehr complieirten Verlauf und macht besonders bei Ibis und Falcinel- lus die Deutung schwierig. Das Folgende gebe ich daher nur mit dem Vorbehalte einer vielleicht später auf Untersuchung der Arterien- und Venen-Ver- zweigung begründeten besseren Zusammenfassung und verweise jetzt nur statt genauer Beschreibung der einzelnen Formationen auf die Zeichnungen von Tafel VI. Fig. 11—19 und Tafel VI. Fig. 1—4. Es scheinen im Allgemeinen 4 Hauptschlingen gebildet zu werden, von denen mehrere die Neigung haben, durch starkes Umbiegen ihres freien, distalen Theiles eine undeutlich spiralige Figur zu bilden. Die 1ste Schlinge, das Duodenum, ist bei Ciconia alba und nigra, und bei Tantalus ibis nach rechts unregelmässig spiralig umgebogen, während es bei Ibis faleinellus, Platalea und Phoeni- copterus um den distalen Magenrand herum nach links geht. Die 2te Hauptschlinge ist lang, geschlossen, ihr absteigender Ast dem Duodenum anliegend, und ebenfalls eine undeutliche rechts sedrehte Spirale bildend bei Ciconia alba und nigra. Bei Ibis rubra und faleinellus bildet sie 4, den rechten dorsalen Theil des Unterleibes einnehmende, nebeneinander gepackte, doppelte, kurze halbmondförmige Windungen. Bei Platalea und Phoenico- pterus ist sie lang und fast geschlossen, ihr absteigender Ast geht dann in eine schöne Spirale über, die bei Platalea 4 directe und 2 retrograde, bei Phoenicopterus aber 11 directe und 10 retrograde Windungen macht. Diese Spirale bildet die 3te Hauptschlinge, die bei den übrigen Pelargi nur als ziemlich grade, geschlossene Schlinge (bei Cie. alba noch mit einer Nebenwindung) vorhanden ist. Die 4te Schlinge endlich zeichnet sich dadurch aus, dass sie sehr lang und geöffnet, vom Duodenum theilweise bedeckt, halb um den Magen herum läuft und sehr hoch, bei Phoenicopterus bis zur Höhe des Drüsenmagens, hinauf steigt, ehe sie in den graden, dorsal verlaufenden Enddarm übergeht. Verdauungssystem der Vögel. 137 Länge des ı absolute | relative Coeeum | Enddarms | Darmlänge Ihis'rubran. ira, ; 0,5 — | 132 9,5 Faleinellus igneus . . | 0,75 — +... 110 6—7 98 Fantalus”ibis® '.t., . 0,5 PT 140 7,3 (teonia'nisra an... 0,6 — 155 7,5 Platalea leucerodia . ı0.0.0,5 | 6—10 | 158 — En 187 9 Y — — 191 — — ı 200 Ciconia alba . . . 1 12 227 9,5 = — 215 oder — — 230 10 Phoenicopterus roseus | 12 u. 9 | 16 305 12 _ — 346 Leber verhältnissmässig klein, compact, glattrandig, ohne Einschnitte; nur bei Faleinellus reicht der rechte Flügel halb auf den Magen herab, hat auch eine Aushöhlung für das Herz. Der rechte Flügel ist nie bedeutend grösser als der linke; bei Ibis rubra und, bei Ciconia alba bisweilen, ist der rechte sogar etwas kleiner. Bei Falcinellus, Phoenicopterus und (ic. nigra r./l. = */5; bei Platalea und Cic. alba ce. 5/,. — Gallenblase ziemlich ent- wickelt, länglich rund, innen am rechten Leberlappen liegend ; scheint bei Ciconia alba individuell zu fehlen. Das Pancreas füllt stets die lange Duodenalschlinge aus; zerfällt proximal in einen linken und rechten Lappen, die aber distalwärts zusammenhängen, am wenigsten bei Cie. alba ge- trennt sind; allgemein von tief röthlichgelber Farbe. Mit 1 Aus- führungsgang: Ciconia nigra; 2: Tantalus und Ibis. 3: Phoeni- copterus. Bei Ciconia alba vereinigt sich bisweilen der Ductus pancreaticus mit dem hepaticus und mündet gemeinsam mit ihm dicht neben dem Cysticus. Gewöhnlich erfolgt die Insertion ge- genüber dem Pylorus im aufsteigenden Duodenalaste. Reihenfolge der verschiedenen Ausführungsgänge beim Flamingo: 1ster, 2ter und ter pancreat.-Cysticus, -Hepaticus. Bei Tantalus und (i- conia: Pancreaticus, Hepaticus und Cysticus. Die 5—4lappigen Nieren sind distal am voluminösesten bei Platalea, Ciconia und Phoenicopterus. Gleich dem proximalen ist der distale Haupttheil bei Falcinellus und Ibis. Eine Verwach- sung des rechten und linken mittleren Theiles, der in der Regel der schmalste ist, findet bisweilen statt bei Platalea. Bei Ciconia 138 Dr. Hans Gadow, alba ist der proximale rundliche Lappen stark abgetrennt, der distale besteht aus 2—3 grösseren, ziemlich verwachsenen Stücken. Das ganze Organ ist verhältnissmässig kurz und gedrungen. Als besondere Notiz bemerke ich den zweimaligen Befund der beiderseitigen ganz gleich entwickelten Ovarien von Ciconia alba und nigra, sogar mit in kurzer Zeit legereifen Dottern. — RASORES. Illic. Zunge im Allgemeinen weich, platt, pfeilförmig nach vorn verschmälert, etwas zugespitzt und eingeschnitten; bei Crax da- gegen ist sie eine breite Platte, die sich nach vorn allmälig ab- rundet; das vordere Drittel ist, besonders an der unteren Fläche hornig; am Hinterrande ist die Zunge grade abgestutzt, dann folgt jederseits ein kleiner, mit feinen nach hinten gerichteten Spitzen versehener Wulst. Stärker, mit 2—3 Reihen von Widerhaken bei den Tetraonidae; die Phasianidae haben nur eine Reihe. Das Ge- rüst ist am stärksten bei Crax; die Copula ein langer, fester Kno- chen; die Carina erstreckt sich fast bis zu dem weit zurückliegen- den Kehlkopfe, ist aber nur knorpelig. Die Hyoidea bestehen aus je 2 Stücken, deren vordere fest und stark sind. — Von Speichel- drüsen sind Parotides und Glandulae submaxillares vorhanden. Schlund dünnwandig, etwas längsfaltig, sehr dehnbar. Stets mit echtem grossen Kropfe, der durch eine weite Ausbuchtung der vorderen Schlundwand gebildet wird; innen mit vielen in un- gefähr 30 Längsreihen stehenden länglichen hervorragenden Drü- sen, die in der ganzen Länge des Schlundes an der hinteren Seite des Kropfes vorbei laufen und zackig am Vormagen aufhören; so bei Gallus. An der hinteren und der dem Magen zugekehrten Partie ist der Kropf diekhäutig, muskulös; die Vorderseite aber ganz dünn-membranös durchsichtig. Vormagen ziemlich stark vom Schlund abgesetzt, langoval, verhältnissmässig klein; vom Magen bei Gallus durch eine dünn- wandige, längsfaltige Partie getrennt; seine Wände sind dick- schwammig, innen bei Penelope gleichmässig mit grossen runden, hervorragenden Drüsen besetzt; beim Haushuhn nur ungefähr 50 verstreut in Querreihen stehende; noch weniger zeigt Meleagris, woselbst die Drüsen zu einem nur 4 Reihen bestehenden Ring zusammentreten. Muskelmagen viereckig, bisweilen fast quadratisch, etwas platt, fast immer mit einer senkrechten Einschnürung; verhältniss- mässig klein; mit sehr starker Muskulatur und glänzenden Sehnen- Verdauungssystem der Vögel. 139 spiegeln jederseits. Innen harte, gelbe, längsfaltige Haut, welche 2 glatte, nicht besonders starke Reibeplatten bildet. Phasianus Swinhoi zeigte gar keine Einschnürung an seinem ovalen Magen; sehr abweichend ist Penelope: der Vormagen geht äusserlich in den Muskelmagen über, ist aber innen durch einen scharfen harten Ring davon getrennt; der Magen trotz der glänzenden Sehnen- spiegel nur dünnwandig, innen dafür mit äusserst fester weissgel- ber horniger Haut; von ovalwalziger Form, ähnlich Crax; eine Ein- schnürung am unteren Rande fehlt ganz. — An dem sehr nahe der Cardia liegenden Pylorus finden sich bei Penelope statt der Längsfalten des Magenepithels runde, dicht nebeneinanderliegende sehr starke Erhöhungen. Am Beginn des eigentlichen Duodenum hören diese Unebenheiten plötzlich auf. Eine ganz ähnliche Bildung zeigt Meleagris; da ausserdem bei allen Rasores die Portio pylo- rica des Duodenum vor seinem graden Herabsteigen einen schräg nach oben und hinten gerichteten Bogen macht, so möchte ich diese - eben beschriebene Bildung als kleines Ueberbleibsel eines Pylo- rusmagens ansehen. Darm. Das Duodenum ist meistens bald hinter dem Pylorus erweitert, besonders in seiner Ecke; ausserdem findet sich bei vie- len Rasores ziemlich starke Erweiterung des Mitteldarmes; am auffälligsten ist dies bei Penelope und Meleagris; zugleich sind diese Stellen im Gegensatze zu dem sonst hellröthlichen Darme dunkel- braungrünlich gefärbt, sehr dünnwandig und kraus gelagert. Dicht oberhalb der Einmündung der Coeca findet sich eine der Valvula coli entsprechende innere deutliche Querwulst. Der Enddarm ist immer bedeutend erweitert. Die Darmschleimhaut ist mit Ausnahme der dünnwandigen Darmpartieen, wo nur ganz feine Drüschen (z. B. Penelope) sichtbar sind, mit Zotten bekleidet; diese bilden bei Gallus im Duodenum einen feinen sammetartigen Ueberzug, werden im Dünndarm deutlicher, und noch stärker, im Enddarm wo sie als dichtgedrängte Zotten erscheinend, die im engen Theile der Coeca ihre grösste Ausbildung erreichen, im kolbenförmigen Theile aber wieder verschwinden. Der Endtheil der Coeca ist glatt und zeigt innen nur einige schwache Längsfalten. Die Blinddärme selbst sind ausserordentlich entwickelt, im ersten Drittel eng und fest, vom Rectum scharf abgesetzt, er- weitern sich dann kolbig und sind nach dem Ende hin wieder zugespitzt; in ihrer ganzen Länge am Hauptdarm angewachsen, biegen sie stets nach dem Magen um und endigen am unteren Magenrande, rechts und vorn demselben aufliegend. Sie sind 140 Dr. Hans Gadow, meistens mit vielen Gas gefüllt und bei ihren dünnen Wänden sehr durchscheinend. — Bei Meleagris übertreffen sie den Haupt- darm an Volumen; bei Crax und Penelope sind sie gleichmässig schmal, ohne jegliche Erweiterung; ähnlich Euplocamus und Per- dix. Die Cloake ist oval und klein. — Darmlagerung. Taf. VII. Fig. 1-8. Der ganze Darm bildet 4 Hauptschlingen, deren erste und letzte durchgängig gross ist, während die anderen mehr oder weniger je nach der Darmlänge an ihren Enden plötzlich nach vorn und oben umschlagend, kleine hufeisenförmige Bogen bilden; der Mitteldarm ist daher sehr kraus gefaltet. Ein solcher Umschlagspunkt liegt constant bei sämmt- lichen Phasianidae oben rechts am Rücken, ein zweiter (wenn vor- kommend) weiter heruntergerückt. Nur die 2te Schlinge ist um- geschlagen bei Perdix und Crax; die 2, und 3. beim Königsfasan; die 2. und 4. bei Phasianus nychthemerus; die 2. 3. und 4. bei Euplocamus praelata und Gallus, bei letzterem sogar sehr kraus. Dem entsprechend fasst das Mesenterium den Darm nicht finger- förmig, sondern fast gleichmässig eng, wellig zusammen, ohne ausser dem grade herabsteigenden Duodenum deutliche Haupt- schlingen erkennen zu lassen, da an jede secundäre Schlinge eine besondere kleine Arterie abgegeben wird. — Die erste Windung der 3. Hauptschlinge ist die centrale. Mehr gestreckt, ohne die Schleifenbildungen verläuft der Darm bei den Cracidae. Perdix hat nur die 4 Hauptwindungen mit geringer Andeutung der secun- dären, kann daher als Schema dienen. — Characteristisch ist, ausser bei den Cracidae, wo sie der Kleinheit wegen auffallen — dass die Blinddärme auf der rechten Seite vorn an der Oberfläche liegend, einen grossen Raum einnehmen und den grössten Theil der 3. Windung bedecken; bei Crossoptilon nehmen sie sogar, bis zum After reichend, den grössten Theil des Unterleibes vorn ein. — Die allgemeine Darmrichtung ist von rechts und dorsal schräg di- stalwärts ventral gerichtet, also stets die Körperlängsaxe kreuzend. Die Darmlänge ist Durchschnitt 7,5 und schwankt zwischen verhältnissmässig engen Grenzen. DR "Länge ar | absolute | relative | Coecum En Darmlänge Perdieula. cambayens Eh) \: > 1: 6 Berdix eineres; pr, sy: 8 Phasianus, yehth,... ‚0 uw — 2 PIGtUS er ee 1016 512 106 7,83 1 BMyinkoi!", M3URR JO R NER, Verdauungssystem der Vögel. 141 Länge des absolute relative j Coeecum | Enddarms Darmlänge ak Crossoptilon mandschuricum 35 13 130 6,3 Eupiocamus praelata. . . | 22.23 | 8—12 | 122 | E 12 | ı,152 ; Gallus domestieus . . . . 20 11 170 20 8 Ni) 17 11 156 9 162 136 Erz älherti, 4 uremero 15 11.1.1, 222 9 Penelope cumanensis. . . |10u.14 | Ge _ Leber verhältnissmässig klein, stets in 5 Hauptlappen zer- fallend, da der linke in 2 fast gleiche Theile gespalten ist. Bei Euplocamus fand ich noch einen kleinen Nebenlappen der Commis- sur; derselbe findet sich häufiger. Der linke Flügel geht nach oben sehr spitz zu, der rechte ist oben breit, bildet am Unter- rande 3 mehr oder weniger spitze Auszackungen bei Gallus, mehr bei Perdix und Perdicula, weniger bei Phasianus. Bei Penelope ganz glattrandig, auch ohne tief herabgehende Zipfel wie etwa Phasianus Swinhoi. Rechter und linker Flügel an Grösse wenig verschieden, fast gleich bei Phasianus, Penelope; Gallus ungefähr — °/,. Gallenblase ausser bei Crax klein; hinten aus dem rechten Flügel heraushängend; Numida soll sie bisweilen entbehren; so konnte ich auch. bei Penelope cumanensis und Euplocamus prae- lata individuell keine entdecken, wobei auch an den Gallengängen gar keine Erweiterung zu bemerken war. Das Pancreas füllt die ganze Duodenalschlinge aus; bei Gal- lus eigentlich viellappig, denn es besteht aus einem grösseren, äusseren Aste, der von der Duodenalecke bis über den Pylorus verläuft und dort vielfach zerschlitzt ist — und aus 2 inneren d. h. einem oberen, kürzeren und einem unteren vom Pylorus zur Ecke reichenden, der abermals in 2 Läppchen zerfällt. Die Cra- cidae besitzen 2 Ausführungsgänge, der hepaticus inserirt dicht neben dem Cysticus. Gallus hat 3 Gänge; sie münden mit den anderen Canälen gegenüber dem Pylorus im aufsteigenden Duo- denalaste: 1ste 2te und 3te ductus pancreat. hepatic. cysticus. Die Nieren sind langgestreckt, dreilappig; eine Verwach- sung beider Seiten findet nicht statt, vielmehr ist die Trennung sehr stark ausgeprägt bei den Tetraonidae. Der distale Lappen ist der zweite, der mittlere, der bei den Hühnern noch einen 142 Dr. Hans Gadow, äusseren kleinen Nebentheil besitzt, und nur durch eine enge Brücke mit dem distalen zusammenhängt, ist der schmalste. COLUMBAE. Bp. Zunge weich, schmal und spitz, am Hinterrande fein gezäh- nelt. Das Gerüst knorpelig und zart. Glandulae submaxillares und Parotides vorhanden. Schlund wenig erweiterungsfähig und in der Mitte mit einen meistens aus 2 seitlichen halbkugligen Abtheilungen bestehenden, grossen, ungestielten, echten Kropf. Derselbe ist von einer äusseren Quer- und einer inneren Längsmuskelschicht umgeben, innen mit einem hellen leicht ablösbaren ziemlich festen Epithel, welches bei der Haustaube am Kropfeingang 5—6 sehr hohe Längsfalten und dann sehr krause, verschlungene Wulste im Kropfe selbst bildet. Die Seitenwände sind sehr dünnwandig, durchsichtig. Beide Geschlechter sondern in ihrem Kropfe ein milchiges Secret ab, welches für die Jungen mehrere Tage hindurch die erste und einzige Nahrung bildet; das Männchen füttert die Jungen längere Zeit und vermischt später die vegetabilische Nahrung mit dem käsigen Secrete. Die Tauben sind die, soweit mir durch Beobachtung im Freien und in zoologischen Gärten bekannt, einzigen Vögel, welche beim Trinken nicht schnabelweise das Wasser aufnehmen und durch Hochheben des Kopfes in den Schlund laufen lassen, sondern den Schnabel bis zur Wurzel in's Wasser stecken und continuirlich Saugen wie die Hufthiere. Drüsenmagen länglich mit dickschwammigen Wänden, über- all mit dichtstehenden kleinen Drüsen versehen; weniger dickwan-- dig bei Caloenas nicobarica. Der untere Theil des scharf ab- gesetzten Drüsenmagens umfasst den Muskelmagen jederseits mit einem dicken Aufsatze; Cardia und Pylorus liegen nahe aneinan- der. Ich schalte hier den Bericht L’Herminier’s über den Bau des Oesophagus von Opisthocomus ceristatus ein; ich selbst habe leider nie ein Exemplar dieses wunderbaren Vogels seciren können, möchte ihm aber nach beifolgender Beschreibung des Kropfes eine Stellung nahe den Tauben anweisen, während er sonst meistens zu den Hühnern oder hühnerartigen Vögeln gestellt wird. L’Herminier sagt: die Speiseröhre bildet eine zu einem sehr weiten Sacke aus- gedehnte Schlinge, die unter der Haut vor den Brustmuskeln liegend, den grössten Theil der Brust einnimmt. Darauf folgt ein erweiterter Abschnitt, der, ähnlich dem menschlichen Colon, Verdauungssystem der Vögel. 145 aussen durch Bänder eingeschnürt, innen mit Längsfalten verse- hen ist. Dieser führt in den Drüsenmagen. Der grössere, vor- dere Abschnitt des Oesophagus zeigt Längsfalten und parallele Drüsenreihen. Die Falten nehmen nach dem Sacke hin zu und sind in ihm sehr stark. Die Höhle des Sackes ist durch eine bogenförmige Scheidewand in zwei miteinander communicirende Hälften unvollkommen getheilt. Annales des sciences nat. Tom. VIII. Paris 1837. Magen verhältnissmässig klein, aber sehr stark muskulös, jederseits mit einem glänzenden Sehnenspiegel; innen mit harter, gelber Haut und mit Reibeplatten ausgerüstet; seine äussere Ge- stalt ist länglich oval, nierenförmig mit harten, scharfen Rändern; fast regulär oval, ähnlich einer Entenmuschel bei Chalcophaps chrysochlora. Die Vorderseite zeigt häufig 2 starke Einschnürun- gen. Bisweilen werden bei Columba livia durch die anliegenden Darmwindungen tiefe Eindrücke auf der Hinterseite des Magens hervorgebracht. Darm ziemlich fest, gewöhnlich vom weiten Duodenum bis zum Enddarm allmählig auf !/, der ursprünglichen Weite sich verengend, sodass er zuletzt nur noch Streichholzdicke besitzt, so bei Chalcophaps, Caloenas, Columba domestica (Variat. Tümmler und Mohrenkopf.); bisweilen ist bei den Haustauben die Darm- mitte unregelmässig erweitert. Der absteigende Duodenalast ist stets sehr weit; innen sammetartig, dann allmälig fein zottig und im letzten Drittel des Darmes mit vielen scharfen Zickzacklängstfal- ten ausgekleidet. — Divertikel früh verschwindend, etwas näher dem Magen, als dem After. Blinddärme stets unentwickelt. Sie fehlen ganz bei Ecto- pistes migratorius, Chalcophaps, Caloenas und sogar bei der „Hüh- nertaube‘‘ Goura coronata; fast verschwunden bei unsern einhei- mischen wilden Tauben; bei der Haustaube 3—4 Cm. vom After und cc. 0,3 Cm. lang, jedoch ganz schmal und rudimentär. Darmlagerung. Taf. V Fig. 9—14. Mit Ausnahme des Duo- denum und der ebenfalls geschlossenen Colonschlinge läuft der Darm überall doppelt und ist durch das sehr kurze Mesenterium einseitig sichelförmig verbunden; demnach sind überhaupt nur 3 Schlingen vorhanden. Die erste, das Duodenum steigt grade herab, mit Biegung nach rechts; die 3. ist sehr lang, ganz ge- schlossen, am Vorderrande des Magens vorbeilaufend. Die 2. die grösste und charakteristische bildet eine links gewundene Spi- rale mit ungefähr 3 direeten und 2 retrograden Windungen, de- 144 Dr. Hans Gadow, ren Centrum in der Mitte der rechten Seite, nahe dem Rücken liegt. Am schärfsten und regelmässigsten bei Chalcophaps; häu- fig findet bei unseren Haustauben durch Ueberkippen der 2. und 3. resp. der 3. und 4. directen Windung für die Betrachtung in situ eine geringe Verschiebung statt. — Darmlänge bedeutend, ausser bei Chalcophaps und Ectopistes. Länge des | absolute | relative Coecum | Enddarms ı Darmlänge Ectopistes migrat. . . 0 are me | u BAR Nur 78 ar Chalcophaps chrysochlora 0 — 42 | 6,2 Caloenas nicobarica . . 0 En 125 10,4 Columba domestica . . 0,8 4 108 12 „ 0,8 4 115 11,5 & " 0,8 3 121 13 „ ” nr: Tr 1 6) 1 14 D. ” __ Beh 132 13,2 30 Columba Iivia . . — — 1|96—125| 12,5 112 Leber. Der rechte Flügel übertrifft den linken bedeutend an Volumen; so bei Ectopistes und Caloenas um das Doppelte; bei den verschiedenen Haustauben um das Zwei- bis Vierfache. Beide Lappen sind platt, unregeimässig gerandet; der rechte mit 2 Ein- buchtungen; der linke zerfällt fast in 2 tiefgetrennte Theile geht nach unten spitz zu, und umfasst den vorderen Magenrand. Beide mit tiefer Bucht für das Herz. Compact, ganz glatt und scharf- randig fand ich die Leber bei Caloenas; einen kleinen Nebenlap- pen dorsal oben an der Commissur, besitzen Caloenas und Columba domestica. Regulär fehlt den Tauben die Gallenblase gänzlich, jedoch zeigte ein Chalcophaps chrysochlora eine linsengrosse Erweiterung in dem rechten Leberflügel; es sind 3 ductus hepat. vorhanden, von denen einer dicht am Pylorus mündet. Das Pancreas liegt mit seiner Hauptmasse in der Duode- nalecke und besteht aus mehreren grossen, sehr festen, röthlich- weissen Lappen, einem fast gleich breiten kürzeren rechten und einem bis zum Pylorus sich hinziehenden schmaler werdenden lin- ken; ausgezeichnet durch seine Festigkeit. Bei Columba domestica bemerkte ich noch einen kleinen, oberen dritten Lappen. Von den drei Ausführungsgängen mündet. der eine in der Duodenal- ecke, die beiden anderen mit 2 hepaticis zusammen am Ende des » Verdauungsystem der Vögel. 145 Duodenum; der Cysticus dicht hinter dem Pylorus ihnen ge- genüber; Reihenfolge: D. Cysticus; 1 hepat.; 1 pancreat.; 2 u. 3 hepat. und 2. u. 3. pancreaticus. Nieren kurz und gedrungen; bestehen aus drei wenig ge- trennten Lappen, deren distaler der grösste ist; nur bei Chalco- phaps waren alle drei eng verbunden und der proximale der grösste. Eine Verwachsung beider Seiten findet wie bei den Te- traonidae statt. RAPTATORES. Illig, Die Raubvögel scheiden sich zwar in die beiden grossen Un- terabtheilungen der Tag- und Nachtraubvögel mit vielen anatomi- schen Differenzen, doch führen sie durch zahlreiche Uebergänge von einem Extrem zum anderen über. Demgemäss fasse auch ich sie alle trotz dadurch erschwerter anatomischer Behandlung in eine grosse Abtheilung zusammen. Zunge bei allen sehr ausgebildet und durchaus als Ge- schmacksorgan aufzufassen. Sie füllt den Unterkieferraum aus, ist breit, weich, nach vorn abgerundet oder etwas eingeschnitten; bei manchen vorn eine leichte löffelartige Vertiefung bildend; die Geier können sie sogar halbröhrenförmig zusammendrücken. Das Zungengerüst ist in allen seinen Theilen entwickelt. — Carotides sind nur bei den Tagraubvögeln vorhanden. Folliculi linguales und Glandulae sublinguales sind bei Aquila und Vultur beschrie- ben. Stark entwickelte Tonsillen besitzen Vultur papa; Sarcoranı- phus; Aquila albicilla, Buteo etc. Schlund sehr weit und dehnbar, mit ziemlicher Muskulatur, innen mit flachen Längsrillen, welche bei Astur palumbarius z. B. 6 Längsstreifen bilden. Constant erweitert sich der Schlund zu einem Kropfe, der aber im Gegensatz zu dem der Hühner keine rundliche sackartige Ausstülpung ist, sondern nur durch eine flaschenförmige schwach drüsige Erweiterung gebildet wird. Meistens am Ende des Schlundes, sitzt er bei Circus und den Eulen, wo er überhaupt am wenigsten hervortritt, mehr in der Mitte, und geht allmälig, ausser bei Circus und Pandion, in den schwammig - diekwandigen Drüsenmagen über. Dieser ist stets mit zahlreichen Drüsen gleichmässig ausgestaltet; sie sind gross bei den Eulen, bei Milvus und Aquila, sehr fein bei Astur und Falco. Sie schneiden bei Otus nach Schlund und Magen hin scharf ab; erstrecken sich dagegen weit in den Schlund hinauf Ba. XII. N. F. VI, 1. 10 146 Dr. Hans Gadow, bei Astur; einzeln weit in den Magen reichend bei Haliaötos albi- cilla. Bemerkenswerth ist für viele Tagraubvögel die Juga-Bil- dung durch das Zusammentreten der Drüsen; so besitzen Astur, Vultur und Buteo vulgaris 4, Buteo borealis, Buteo lagopus, Ha- liaötos, Vultur fulvus und But. vulgaris 5 solche länglichen Drü- senkomplexe. — Viel kleiner als der Muskelmagen ist der Drü- senmagen bei Milvus regalis und ater, Aquila naevia und den Eulen; grösser bei Vultur monachus, Gyps Kolbii, Pandion haliaetos und besonders Haliaötos albicilla. Dem entsprechend ist er vom Mus- kelmagen deutlich abgesetzt bei den Eulen und bei Milvus; mehr oder weniger ein Continuum bildend bei den Tagraubvögeln, was am deutlichsten bei den Geiern, bei Pandion, Melierax, Astur hervortritt. Muskelmagen durchgängig weich, schwachmuskulös, mit sehr schwachen Sehnenspiegeln; innen etwas längsfaltig, nie mit einer härteren Haut ausgekleidet, sondern stark schleimabsondernd;; über- haupt nur chemisch wirkend. Nirgends von fester Gestalt, son- dern nach allen Richtungen hin dehnbar. Die Eulen besitzen den verhältnissmässig stärksten Magen; er ist mit vielem Fett umge- ben, innen mit einer sehr weichen, schwärzlich dunkel gefärbten, leicht abziehbaren, schleimigen Haut ausgekleidet, wie ich es nur noch bei Milvus gefunden habe. — Gross, oval, den grössten Theil des Vorderbauches einnehmend bei den Eulen und bei Astur; ausserordentlich klein bei Haliaötos albicilla. Bei Gyps monachus und Vultur fulvus erscheint der Magen nur als eine seitliche nach unten gerichtete Erweiterung des Vormagens; als schlauchförmiger Sack bei Gypaetos barbatus, dessen Innenwand nach Schinz flockig und sehr drüsig ist; der Pylorus soll hier „o Zoll weit“ sein. Nur bei Vultur fulvus, sonst bei keinem Vo- gel beobachtet, finden sich nach Nitzsch „3 sehr deutliche Klap- pen, von denen die grösste einen Zipfel bildet, die beiden andern mehr rundlich sind, und von ersterer umgeben werden.“ Eine kleine konische Klappe findet sich dagegen häufiger. Darm. Duodenum bei allen Eulen, bei Circus, Astur, Melie- rax, Buteo, Aquila anfangs bedeutend erweitert und sehr weich- wandig; bei allen denen, welche eine scharfspiralige Lagerung des Darmes haben, ist derselbe in der Spirale sehr verengt und fest, wird nach dem After hin wieder etwas weiter und mündet in eine besonders bei Gyps, Vultur, Aquila sehr weite, ovale Cloake. Bei Haliaetos albicilla und Pandion ist er in seinem ganzen Verlaufe sehr eng, theilweise nur von Streichholzdicke und festwandig; ähnlich Vultur fulvus. Bei Eulen, Circus, Pandion ist eine all- Verdauungssystem der Vögel. 147 mählige Abnahme des Lumens vom Duodenum bis zum After hin zu bemerken. — Innen ist der Darm hauptsächlich bei Buteo und den Eulen, mit Zotten die im Duodenum am deutlichsten er- scheinen, ausgekleidet. Die Blinddärme unterscheiden die Eulen scharf von den übrigen Raubvögeln. Sie sind bei ersteren gut entwickelt, dünn- wandig, keulenförmig sich erweiternd, innen glatt, ohne Zotten; Asymmetrie häufig. Meistens 5 Cm. lang, ebenso weit vom After entfernt, dem Hauptdarme anliegend.. Bei den Tagraubvögeln sind die Coeca ganz rudimentär; sie fehlen entweder, oder sie sind nur noch als kleine warzige Knötchen vorhanden. Eine Durchschnittszahl für die relative Darmlänge aller Raub- vögel ist unmöglich anzugeben (sie würde — 9 sein) da die äusser- sten Grenzen zwischen 4,5 und 18 liegen. Mit Kürze des Darmes verbindet sich bei den Eulen ein weites Volumen, ähnlich bei den Adlern. Enge und Länge treffen zusammen bei den fischfres- senden Pandion, Haliaötos und den aasfressenden Geiern. Länge des absolute | relative Coecum | Enddarms Darmlänge | entfernt Serehflammea; N. dinge eniehrile 5 5 46 4,4 Beop a jzerae ea eikrel) 6 6 38 1 14,7 N 2 6 | 6 Ban Ad DEN NOISHTIS 0... .17,10,0 Un DO 4 58 | \ | | 9 ” „ 56 Steiz nebulasalet 147 Numallanoh 10 — 80 8? Circus pygargus . . . . ....|| rudim. — 79 8 SER TE n e1) 1) NIEREN EEREREERNE?" 0,1 7 91 8,5 Astur palumbarius . . . .. 0,1 9 69 6 5 ULLI MUNE 10 One 100 6 ” HR, EL ADLER AN TraaienG 10 73 6 h NE 0,5 12 78 6,8 rise ser mudim, — 75 8 Melıerax. nov.; Hell; u. 4 Ye — 119 9,5 Falco tinnunculus a, R" — 68 7 Ealco subbuloo . . . . .. A — 54 77 52 ? „ Pperegrinus I 5 125 9 126 Busten. vulgaris 4a wc. .syoa y — 112 7 157 BarBorenlis een... ft, Re — 102 8 BEEHRGBODUENINN, Fl, NAT), „ 4 131 AT juv | —_ 91 148 Dr. Hans Gadow, Länge des absolute | relative Coecum | Enddarms Darmlänge | | entfernt || | A larmaenaa we... en 0,3 10 116 6,4 120 6,8 „ fulva nach Kuhl . . „| — — 380? | — „nmogilmik, I5al2 mat ı Deniarudım. 12 165 | — Milwus ‚regalisy, is re % hy 10,173 12 os BLEFL EN N aa n 10 1335 |10 Pandion haliaetos: . -. . ... x 9 336 (18 1 — 258 || Haliaötos albieilla . . . gjuv. 4 9.1292 18 Durchschnitt von 6 Exemplaren: 344 18 H,leweocephala 44.% (4 -.abri% % — 318 |,18 Vulturstulwas,,. or dk eeslenns — 112220 Sl Gypssmonachls,...... u. 0200. 1223, — 1.170 1234 KEolhIE" RR ERAATEDRNET TERDEDT RN 20 330 |ıı „ Die Darmlagerung Taf. IX, 1—16 — ist bei den verschie- denen Abtheilungen so abweichend, dass für alle Raubvögel eine genaue, zum Bestimmen brauchbare Diagnose nicht zu geben ist, jedoch werden die meisten Familien so scharf charakterisirt, wie z.B. Astur, Milvus, Circus, Gyps, Falco, dass sie als Typen verschiedener Kreise zu nehmen sind. Zu den abwei- chendsten Formen führen nachweisbare Uebergänge. Indem wir nun die bei Circus vorhandene Formation als den ältesten Aus- gangspunkt auffassen, können wir die übrigen Familien als nach 2 oder 3 Hauptrichtungen auseinandergehend verfolgen. I. Typus Circus und Scops Taf. IX, Fig. 1, 5, 10, 11, 12. Das weite Duodenum steigt grade herab, wagerecht nach rechts bis zum After bei Circus umgebogen; hoch hinauf reichend bei den Eulen. Die einzige Ausnahme unter allen Raubvögeln (den von mir untersuchten) macht Pandion mit nach links um den un- teren Magenrand laufendem Duodenum. Der Mitteldarm ist bei Circus in 3 ganz regelmässigen langparallelen Schlingen gelagert, deren letzte dem Magen dicht anliegt. Die 2. Schlinge ist oval, weit geöffnet, die andern geschlossen. Bei Circus cinereus zeigt die 2. am Ende eine ganz schwache spiralige Bildung. Bei Otus ist sie etwas nach vorn in der Mitte der rechten Seite um- gebogen, sucht also eine Spirale zu bilden; darauf deutet auch das kreisförmig gebogene Duodenum hin; Otus nimmt demnach eine vermittelnde Stellung zu der Formation IV ein. Die grösste Mo- Verdauungssystem der Vögel. 149 difikation bietet Pandion, bei welchem der äusserst lange Dünn- darm sehr viele zickzackartig ab- und aufsteigende geschlossene, kurze Schlingen bildet, die wegen der Kleinheit des Magens unter demselben theilweise nach vorn und unten gerichtet sind. I. Typus Astur. Fig. 3, 4, 7, 8, 13, 16. Das weite Duo- denum steigt erst grade herab, dann in einem regelmässigen Bogen am After vorbei nach dem rechten Unterrücken. Der Mitteldarm bildet 5 Windungen, deren 2. durch Zusammenrollung eine sich scharf verengernde linksgewundene Spirale bildet (2 direkte und 1 retrograder Bogen). Die Spirale ist im Centrum bedeutend verengt und besitzt meistens nur 1 retrograden Bogen (der Vor- derdarm ist demnach länger in dieser Schlinge) und liegt an der rechten Seite des Bauches, nahe dem Rücken. Der Rest des Darmes bildet je nach seiner Länge 3 grade parallele ge- schlossene Längsschlingen, deren letzte dem Magen rechts anliegt. Das Colon macht am Rücken stets eine kurze, krause Knickung ehe es grade zum After herabsteigt. Genau so die Lagerung bei Astur palumbarius, Astur nisus; Melierax nov. Holl.,, Buteo vulgaris. Archibuteo lagopus weicht dadurch ab, dass die Spirale erst von der 3. Hauptschlinge gebildet, und im Innern verborgen liegt; er nähert sich dadurch Aquila naevia und führt zu Formation IV. III. Typus Milvus. Fig. 2, 9, 14,15. Das Duodenum, nicht sehr weit, läuft grade herab, ist mit seinem Ende ein oder zwei- mal schneckenförmig ganz geschlossen aufgerollt, sodass in der Nähe des Afters rechts eine doppelte scharf ausgeprägte, rechts- gewundene Spirale sichtbar ist. Sehr scharf ist diese Spirale, den unteren rechten Bauchtheil ausfüllend bei Haliaötos albicilla. Mit etwas grösserem Bogen, demnach den gesammten rechten Unterraum füllend: Falco peregrinus, subbuteo, tinnunculus. Ovale, aber auch geschlossene Spirale, die ganze rechte Bauch- seite bedeckend: Milvus regalis und ater. Der Mitteldarm verläuft dann in 6 ganz geraden, in der Längs- axe des Körpers liegenden parallelen, festgeschlossenen Schlingen, welche bis zur vorletzten gleichmässig kürzer werden, vom Rücken nach vorn vorschreitend. Die beiden letzten sind länger und re- trograd; so bei Falco und Milvus. Haliaötos zeigt wegen der enormen Länge und Enge seines Darmes die Modification, dass der Mitteldarm 3 wechselweise untereinander geschichtete Lagen von je 3 oder 4 geschlossenen Parallelschlingen bildet: da der 150 Dr. Hans Gadow, Magen bei Haliaötos sehr klein, so rücken die Schlingen in den sonst für den Magen bestimmten Raum, liegen also etwas schräg nach vorn; sie bieten hier überhaupt bei der grossen Zahl der schmalen Windungen einen sehr verwirrenden Anblick dar. IV. Fig. 6. Die hier zusammengefassten Genera lassen, ohne Berücksichtigung der vorigen 3 Abtheilungen gar keinen Plan er- kennen, da sie wegen der abweichenden z. B. aus Aas bestehenden Nahrung, mithin der wechselnden Grösse des Magens und der Darmlänge, sehr verschiedene Bildungen zeigen. Sie vereinigen die Merkmale von II und III in sich, ohne jedoch eine scharfe Ausprägung nach einer Seite hin zu zeigen. Bei Gyps und Vultur ist das Duodenalende zwar spiralig auf- gewunden, aber unregelmässig und tief nach vorn herabgeschoben ; bei seiner grossen Länge einen grossen Raum einnehmend. Die 2te Hauptschlinge ist ebenfalls spiralig, jedoch durch den unten mangelnden Platz schräg verzerrt. Nur die 3 letzten Schlingen haben ihre gestreckte Lage behalten, die vorletzte, sehr engwan- dige ist ganz geschlossen, bei den Geiern vorn links vom Vorma- sen über den Magen fast bis zum After ganz oberflächlich ver- laufend. — Aquila mogilnik bildet ungefähr in der Mitte des Dar- mes eine deutliche Spirale, die links am Mittelrücken liegt; das Duodenum ist nur kurz. Der Darm wegen des kleinen Magens schräg nach vorn umgebogen und unterhalb desselben beiderseits liegend. — Das einfache Schema, welches Scops und Circus darbieten, ist trotz aller Modificationen für alle übrigen Genera als Grund- lage aufzufassen. Es herrscht bei fast Allen die Neigung, verur- sacht durch gedrungenen Bau des Unterkörpers, eine oder mehrere Schlingen spiralig aufzurollen, oder bei Verlängerung des Dar- mes durch kurze secundäre Längsschlingenbildung (wie am deut- lichsten Milvus, Haliaötos, Pandion zeigen, am Colon auch Buteo, Aquila und Astur) denselben unterzubringen. Legt man den Mitteldarm, nur durch das Mesenterium gehalten, auseinander, so bleiben nur 3 grosse Schlingen übrig, mit Duodenum und Colon- schlinge also 5 Hauptschlingen; alle anderen Windungen werden durch Zusammenrollung oder durch secundäre Verlängerung der Hauptschlingenenden gebildet; am complicirtesten bei Formation IV. Ich möchte demnach die Genera Circus, Scops, Pandion für (ie der Urform am nächsten stehenden, andrerseits die Falconinae und Asturinae für die als Raubvögel am schärfsten charakterisir- ten halten. Verdauungssystem der Vögel. 151 Leber wenig auf den Magen herabreichend, klein, glattran- dig, rundlich, compact. Der rechte Flügel entweder, wie bei Vultur monachus, Milvus, Buteo lagopus, Pandion gleich dem linken, oder nur wenig grösser. So fand ich Aquila naevia r/l — /,; Circus pygargus und Scops °/,, Astur 3/,; Haliaötos */,; Otus ®/,. Nur bei Falco peregrinus, wo ausserdem der rechte Lappen am distalen und proximalen Rande deutlich eingeschnürt ist, und bei Astur palumbarius übertraf er den linken um das Doppelte. Bei Astur nisus findet sich ein medianer kleiner Ne- benlappen. Distalwärts etwas verschmälert und verlängert ist der rechte Lappen bei Otus und Circus. — Die Gallenblase liest im rechten Lappen, ragt daneben hervor bei Aquila fulva und ist wohl entwickelt, oval. Bei einem Falco peregrinus fehlte sie nach Kuhl. Bei der Bildung des Pancreas findet ein durchgreifender Unterschied zwischen Eulen und Tagraubvögeln statt. Es besteht nämlich bei den ersteren, wie z. B. Otus vulgaris aus einem mitt- leren, compacteren, in der Duodenalecke liegenden, und aus 2 fest dem Duodenum anliegenden, spitzen, schmalen Lappen, ist also ötheilig und füllt, wie bei Otus und Strix flammea die ganze Schlinge, bei Strix nebulosa die obere Hälfte derselben aus. — Bei allen Tagraubvögeln dagegen besteht es zwar auch aus einem in- neren und äusseren Theile; diese sind aber verwachsen zu einer compacten Masse, die dicht am Pylorus beginnend, nur sehr kurz, meistens kaum '/, die Schlinge begleitet. Bei Milvus fand ich einen fadenförmigen, dünnen 3ten Ast, der etwas länger als die ganz kurze Hauptmasse und von derselben getrennt war. Meistens sind 3 Ausführungsgänge vorhanden. Bei Aquila fulva, der allein 1 pancreaticus hat, ist die Reihenfolge der ver- schiedenen Ausführungsgänge: Hepat., Cysticus, Pancr. Bei den meisten anderen 1ster pancreat.; Hepaticus; 2ter und 3ter pancrea- ticus, Cysticus. Bei der „chouette“ 1ster, 2ter, 3ter Pancreati- cus, Hepat., Cystic. und zwar münden diese Gänge gegenüber dem Pylorus in den aufsteigenden Duodenalast. Nieren constant 3lappig, proximal am breitesten, in der Mitte am schmalsten. Der proximale Lappen ist unregelmässig viereckig und abgeschnürt. Der mittlere ist bei Aquila naevia schmal und lang, bei Haliaötos albicilla vom proximalen theilweise bedeckt, bei Strix fammea sehr klein; bei Haliaötos leucocephalos nach Brendel, sind die Nieren 5—6lappig, der proximale Theil 152 Dr. Hans Gadow, wie gewöhnlich. Die Nebennieren sind meistens stark entwickelt; ebenso findet sich häufige Entwicklung beider Eierstöcke. Die Raubvögel ballen die unverdaulichen Nahrungsreste, wie Federn, Schuppen und Knochen, das Chitinskelett der Insecten ete. im Kropfe zusammen und werfen die oft bedeutenden Massen als „Gewölle“ aus. Sie behalten das Gewölle möglichst lange im Kropfe, nehmen aber niemals neue Nahrung zu sich, ehe sie sich jener Reste entledigt haben. PSITTACI. Sundev. Zunge kurz, dickfleischig, vorn breit abgestutzt; die Spitze ist mit einem hornigen Ueberzuge versehen, der bei den Tricho- glossinae eine pinselförmige Faserung zeigt. Sie ist sehr entwi- ckelt, mit vielen Tast- und Geschmackspapillen bedeckt. Jederseits jener Zungenwurzel sind grosse Speicheldrüsen vorhanden. Schlund weich, dünnwandig, stets zu einem weichen, dün- nen Kropf erweitert, der bei den Kakadus, ähnlich bei Pionus menstruus, nur eine gelinde Anschwellung ist; bei Psittacus eri- thacus bildet er einen geräumigen Sack; am stärksten, als echter Kropf ausgebildet, ist er bei den Sittacinae, wie Palaeornis, Co- merus, Ara und Platycercus. Gegen den Vormagen hin ist der Schlund, besonders bei den Kakadus, wenig äusserlich abgesetzt, aber innen enthält er 6 Längsfalten, die an der Grenze des Vor- magens bei den Psittacmae und bei Palaeornis in weisse Horn- spitzen endigen, und, wie Nitzsch meint, wohl den Speichel- rücktritt verhindern sollen. „Bei den übrigen endigen die Längs- falten ohne solche Spitzen; wo sie plötzlich aufhören, bemerkt man zwischen ihnen gewöhnlich deutliche Schleimöffnungen.“ Der Drüsenmagen hat sehr schwammige Wände mit sehr vielen Drüsen, besonders bei Psittacus leucocephalus, Pionus men- struus, Sittace viridissimus; er ist sehr gross bei Psittacus, Pio- nus und Nymphicus. Klein fand ich ihn bei mehreren Aras. Eine Theilung des Vormagens durch Längswülste, oder durch Jugabil- dung, kommt nicht vor, dagegen ist nach Nitzsch „stets ein /wischenschlund vorhanden, der bei Sittace auricapillus und Psit- tacodes sinensis sogar länger als der Vormagen, bei Pionus men- struus, Psittacus dominicensis, Trichoglossus haematodes und Ply- ctolophus cristatus dagegen nur kurz ist.“ Ebenso kurz fand ich ihn bei Plyetolophus roseicapillus und croceus, Ara Illigeri und bei mehreren Exemplaren des von Nitzsch nicht untersuchten Verdauungssystem der Vögel. 153 Platycercus scapulatus, wo der Vormagen sogar allmälig in den Muskelmagen übergeht. Muskelmagen verhältnissmässig sehr klein, entweder platt- gedrückt rund, wie bei Nymphicus und Palaeornis, oder abgerun- det viereckig mit einer starken Einschnürung am ventralen und dorsalen Rande, so am deutlichsten bei Platycercus, Plyctolophus und Psittacus, in diesem Falle stets ziemlich muskulös mit glän- zendem Sehnenspiegel jederseits, ähnlich Nymphicus und Sittace auricapillus. Schwächer bei Ara macao und Psittacus ochrocepha- lus, und Ps. sinensis; am schwächsten, ohne harte feste Musku- latur bei Sittace solstitialis und im Gegensatze zu Plyctolophus cristatus bei Pl. sulphureus. „Die innere Lederhaut des Magens bildet gewöhnlich dicht anliegende Zotten, die aber bei manchen wie bei Palaeornis Alexandri, Psittacus leucocephalus und Psit- tacula pullaria ganz undeutlich werden.“ Papageien besitzen die Fähigkeit des Wiederkäuens, wie man an lebenden genügend beobachten kann. Mein Conurus carolinen- sis bringt, besonders wenn er hastig gefressen hatte, nach länge- rer Zeit durch eigenthümliche Bewegungen, wie die Raubvögel beim Gewölle-Ausspeien, den Kropfinhalt in kleinen Ballen wieder in den Schnabel, um dann die gröberen Theile gehörig durchzureiben. Darm. Das Duodenum, ist sehr weich und weit; der Dünn- darm nimmt schnell bis zum Ende an Weite ab. Blinddärme fehlen vollständig. Ein Durchschnittsmaass für die Darmlänge ist unmöglich zu geben, die relativen Längen schwanken zwischen 6 und 16. Den relativ kürzesten Darm besitzen die Kakadus, den längsten die Platycerei. In jeder Familie lässt sich ein allmäliges Aufsteigen von geringerer bis zu doppelter Darmlänge mit allen Uebergängen nachweisen, so z. B. von Palaeornis, Conurus und Ara bis zu Platycereus. Länge des | absolute relative Coecum | Enddarms Darmlänge Plyetolophus Leadbeteri . | 0 — cc. 60 6? roseicapillus 0 — 65 6 > eroceus . 0 _- 95 8,2 : 106 „ eristatus 0 n— ug 8 : galeritus | 0 — 133 N) Nymphicus nov. Holl. 0 — 37, 5—6 Palaeornis frenatus en | 56 | 6—7 154 Dr. Hans Gadow, Länge des absolute | relative Coecum | Enddarms Darmlänge Palaeornis schisticeps 0 = 56 | 8 8 spec.? . 0 — 76 9,5 Conurus carolinensis . 0 = 50 6—7 Sittace solstitialis . 0 — 62 _ Aral Dligerinntt ka 0 — 95 10 er InBeaa..:.j 0 — 137 8—9 E, 146, 27 atycercus scapulatus 0 — 150 | 16 Psittacus aestivus . ö 0 _ 95 NE a ochrocephalus . 0 _- 136 — » leucocephalus 0 — 110 — ” erithacus 0 — 124 12 Darmlagerung. Typus Conurus und Palaeornis. Taf. IX Fig. 17—25. Der Darm bietet bei den langdarmigen Arten ein Bild der grössten Verwirrung dar, die durch seine Weichheit und Enge, hauptsächlich aber dadurch verursacht wird, dass die auf- und absteigenden Aeste einer Schlinge sowohl mit einander, als auch mit denen der nächstfolgenden Aeste fest verwachsen sind; so werden mehrere Windungsbogen doppelt und 3fach aus vor- und rückläufigen Darmstücken gebildet. Charakterisirt kann der Darm werden als 4 Hauptschlingen bildend, welche der Haupt- sache nach im Bogen von oben nach unten laufend, stets an ihren Enden spiralig zusammengerollt sind. Am deutlichsten ist diese spiralige Einkrümmung am Duodenum zu sehen bei Psittacus; die 2te und 3te Schlinge dagegen sind, entsprechend der Länge des Darmes mehr oder weniger zusammengeknäuelt, am meisten bei Platycereus, und zwar Schlinge 2. 3 und 4. Psittacus nur 2te und te. Die öte und 4te bei Ara macao, Ara Illigeri und Plyctolophus eristatus; am wenigsten bei den als Schema zu neh- menden Conurus und Palaeornis. Die Schlingenenden liegen bei grosser Darmlänge theilweise auf- und zwischeneinander, sind da- her schwer zu entwirren. Zu bemerken ist noch, dass das Duo- denum stets eine rechtsgewundene, die andern Schlingen aber rechts- und linksgewundene Spiralen bilden. Der grösste Theil des Darmes liegt auf der rechten Seite des Bauches; die Knäuel liegen rechts in der Mitte. Das Duodenum ist ganz nach unten zum After hingebogen. Die Colonbogen lie- gen ganz vorn, dicht am Magen, unter dem Duodenum lang lau- fend. Die rechte eröffnete Bauchseite bietet demnach das Bild von 4 aufeinandergelegten nach hinten offenen, abwechselnd vor- Verdauungssystem der Vögel. 155 und rückläufigen Hufeisenbogen, deren Enden zugleich die Schlin- genenden sind, dar. Leber. Bei den meisten Papageien ist der rechte Lappen bedeutend grösser als der linke; es sind aber auch Uebergänge in das Gegentheil vorhanden. So fand Nitzsch bei Psittacus do- minicensis den linken Lappen ebenso lang und doppelt so breit, wie den rechten. Bei Psittacus leucocephalus ist er kürzer, aber doch noch breiter als der rechte, ähnlich bei Sittace. Bei Plycto- lophus cristatus, eroceus und Palaeornis fand ich r./l. = °?/,. Psit- tacula pullaria r.]. = ?/,. Psittacus Dufresnianus r./l. = ?/,. Bei Ara macao ist der ziemlich grosse, rechte Lappen ungefähr Smal, bei A. Dligeri nur 2mal grösser als der linke. Hauptsächlich bei den Sittacinae verschmälern sich beide Lappen nach hinten und oben, der rechte Vorderrand ist glatt abgerundet; weniger glatt bei Nymphicus. Die Quercommissur bildet einen besonderen Lap- pen, den ich bei Ara Dligeri gleich !/, des rechten, also halb so gross als den linken Flügel fand. Die Gallenblase fehlt fast stets, ebenso ein D. ceysticus. Bei einem Nymphicus bemerkte ich jedoch eine ziemlich entwickelte Blase. R. Wagner fand sie bei einem Plyctolophus sulphureus. Die beiden Ductus hepatici münden getrennt von einander. Das Pancreas zerfällt in zwei Hauptlappen, die aber „bei Psittacus ochrocephalus und leucocephalus durch eine breite Brücke verbunden sind.“ Bei Ara macao fast ganz getrennt, besteht der rechte nur aus einem einfachen langen Streifen, während sich der linke am oberen Ende gabelförmig theilt; ebenso Psittacus Dufres- nianus und dominicensis, Pionus menstruus und purpureus.“ Bei Palaeornis war das Pancreas oben 2lappig und schmal, unten ein- lappig und breiter; bei Platycercus scapulatus war der obere Theil am breitesten. Nie geht es weiter als bis zu ?/, der Duodenal- schlinge hinab. Es hat 2—3 Ausführungsgänge, 1 für den rech- ten und 1 event. 2 für den linken Lappen ; sie münden mit denen der Leber in dieser Reihenfolge: Ister Hepaticus, Pancratici, 2ter Hepaticus. Nieren. Nitzsch: „Deutlich 3lappig und längs der Mittel- linie auf eine weitere oder kürzere Strecke getrennt. Bei A. ma- cao und macauana nehmen die nur schwach getheilten Läppchen nach hinten sehr merklich an Breite zu und sind dieselben längs der Mittellinie völlig getrennt. Ebenso bei Psitt. ochrocephalus, aber hier ist zugleich der hintere Lappen gänzlich vom mittleren abgerückt und nur durch Gefässe mit demselben verbunden, auch 156 Dr. Hans Gadow, die Nebennieren sehr gross. Bei Ara militaris fehlt absonderlicher Weise der linke vordere Lappen; sie sind randlich nur schwach getheilt, nach hinten breiter und in der Mitte wiederum auseinan- der gerückt. Bei Sitt. solstitialis und pertinax und aeruginosus ist der vordere Lappen besonders breit, der Mittellappen sehr klein, die Trennung in der Mittellinie auf eine sehr kleine Strecke beschränkt. Bei Sittace viridissima werden die hinteren Lappen sehr kurz und die Trennung in der Mitte ist vollständig, ebenso bei haematodes und leucocephalus; mit sehr grossen Vorderlappen auch bei Pionus purpureus und Plyctolophus cristatus. Bei P. menstruus und Psittacus Dufresnianus sind die Hinterlappen wie- der grösser, bei Psitt. erithacus endlich die beiden Hinterlappen verschmolzen und die Uretheren auffallend weit.“ COCCYGOMORPHAE. Huxl. Von der sehr wichtigen, unter sich an Uebergängen reichen Ordnung der Coceygomorphen Huxley’s habe ich leider nur wenige Species untersuchen können. Diese spärlichen Untersuchungen genügen jedoch, die Coccygomorphen auch in Bezug auf ihr Ver- (lauungssystem durchgreifend von den Passerinen zu trennen, aber eine Zusammenstellung in Unterabtheilungen und Angabe ihrer Verwandtschaft zu anderen Ordnungen ist bei der jetzigen gerin- gen Kenntniss ihrer Anatomie noch unmöglich. Zunge bei Rhamphastus von der Länge des grossen Schna- bels, aber sehr schmal und dünn, hornig durchscheinend, an der Spitze fein gefasert. Bei Cuculus vorn hornig, nur hinten gezäh- nelt. Bei Turacus Buffoni mit scharfer, platter Hornspitze, ohne Borsten endigend. Bei Turacus porphyreolopha breit; an der Spitze mit einigen kleinen, hornigen vorwärts gerichteten Borsten; an der Basis mit rückwärts gekehrten Papillen. — Die Zunge von Buceros, Alcedo, Upupa ist rudimentär, dreieckig, am Grunde der Kehle liegend, nur bei Upupa mit Zähnchen am Hinterrande. Bei Coracias und Merops endlich ist sie schmal, dünn, hornig durch- scheinend, an’ der Spitze ausgefasert, bei ersteren am Hinterrande mit 2 spitzigen Eckzähnchen, bei Merops hinten ausgeschnitten und ungezähnelt. Schlund gleichmässig weit, ganz ohne Kropf, bei Turacus Buffoni mit zahlreichen, feinen Drüsen; bei Halcyon mit cc. 15 sich bis in den Drüsenmagen hinein fortsetzenden ziemlich hohen Längsfalten. Drüsenmagen. Bei Corythaix, weich, weit, dünnwandig, Verdauungssystem der Vögel. 157 allmälig in den Muskelmagen übergehend, innen mit länglichen, flachen Drüsen. Bei Buceros plicatus ist er gegen Schlund und Muskelmagen innerlich scharf abgesetzt; er bildet nämlich einen aus ungefähr 15 Querreihen bestehenden, 1,5 Cm. breiten Ring sehr dicker Drüsen. Die Cardia ist weit. — Ausnehmend klein und kurz, nur mit wenigen, 2—3 Querreihen bildenden, dicht am Magen ste- henden Drüsen bei Alcedo ispida; er ist hier, da eigentlich nur die bauchige Erweiterung des Schlundes geblieben, als halb rudimentär zu betrachten. Ebenfalls klein, nur einen schmalen, nach dem Magen hin zackig, endenden Ringe sehr feiner Drüsen bildend und gegen den Muskelmagen hin auch äusserlich scharf abgesetzt bei Haleyon. — Aeusserlich stark abgesetzt ist der stark drüsige Vormagen auch bei Upupa epops. Muskelmagen allgemein schwach, häutig muskulös, sehr dehn- bar. Verhältnissmässig fleischig, dabei aber weich, ohne deutliche Sehnenspiegel, sehr klein und rund, innen faltig, fand ich ihn bei Ramphastus. Weichhäutig und sehr dehnbar, häufig von grossen Fettmengen umhüllt, bei Cuculus. Sehr gross, die dünnen Wände innen mit zähem, weisslichen Epithel versehen, bei Corythaix. Kleiner als der Drüsenmagen soll der Muskelmagen bei Buceros cavatus sein; bei B. plicatus fand ich ihn aber grösser, von ovaler Gestalt, etwas platt mit abgerundeten Seiten; die Wände schwach musku- lös, doch jederseits mit einem deutlichen Sehnenspiegel; innen mit hellgelbem, schwach gerunzeltem lederartigen Epithel. Bei Halcyon fand ich ihn fast rund, etwas platt, mit ziemlich starker Musku- latur und glänzenden Sehnenspiegeln von mittlerer Grösse. Das feste, braune Epithel hört am Drüsenmagen mit scharfen Zacken in grader Linie auf und bildet nur im Cardialtheile schwache Längsrunzeln, während der grösste Theil des Magenlumens ganz glattwandig ist. Darm. Der Darm zeichnet sich durch seine Kürze (nur zwischen 3 und 6,7 der Rumpflänge) aus, ebenso durch seine Weite und Weichheit. Besonders das Duodenum ist sehr weit; so hat es bei Coracias fast 1 Cm. Durchmesser, innen mit vielen zot- tigen Querfalten versehen. Colossal und gleichmässig weit und dünnwandig ist der Darm von Ramphastus, ähnlich der von Cory- thaix. Bei Corythaix Buffoni beginnt das Duodenum mit einem engen, kurzen Pyloruscanal, und erweitert sich dann plötzlich zu 3/, Zoll Durchmesser. Der Pyloruscanal, vielleicht als Pylorus- magen aufzufassen, enthält innen Runzeln, die zu einem Sphincter convergiren. Bei C. porphyreolopha findet sich ebenfalls ein sol- ches Gebilde mit einer inneren „valvular prominence“; darauf 158 Dr. Hans Gadow, erweitert sich das Duodenum plötzlich zu !/, Zoll Weite; seine gesammte Länge, hin und zurück gemessen, betrug nach Owen 3 Zoll, worauf dann Verengung bis zum plötzlich absetzenden Enddarm eintritt. Gleichmässiges Engerwerden des Darmlumens bis zur Cloake hin findet sich bei Cuculus canorus und Alcedo ispida. Bei Haleyon ist das Duodenum ebenfalls der weiteste und dünnwandigste Abschnitt des ganzen Darmes; die letzte Schlinge verengt sich schnell zu viel geringerem Lumen. — Bei Buceros plicatus war das Duodenum ausserordentlich entwickelt, nämlich 50 Cm. lang und durchschnittlich 1 Cm. weit; darauf nahm der Darm bis auf 11 Cm. vom After hin an Weite ab, worauf er all- mälig wieder auf 1,6 Cm. Weite anschwoll und endlich in eine nur schwach erweiterte Cloake überging. Die Wände waren über- all dick und fest. Innere Darmstructur. Die Schleimhaut bildet bei allen Coc- cygomorphen deutliche Zotten. Bei Buceros war der ganze Darm dicht mit Zotten bedeckt, die im Duodenum sogar mehrere Mm. lang, im Ieum kürzer und feiner, dann bis an die Cloake aber ganz kurz und dick wurden, sodass sie schliesslich nur wie überall fein vertheilte Wärzchen erschienen. — Die Cloake selbst ist innen glattwandig. Blinddärme fehlen gänzlich, ohne die geringste Spur, bei Rhamphastus, Corythaix persa und porphyreolopha, Buceros, Alcedo, Upupa. Ueberraschend ist daher ihre gute Ausbilduug bei Cucu- lus und Coracias. Bei ersteren fand ich sie 2 Cm. lang, gleich- mässig weit, fest dem letzten Theile des Ileum anliegend ; bei Cora - cias sogar 5 Cm. lang, gut entwickelt. Bei Corythaix Buffoni er- scheinen sie nach Owen als kleine rudimentäre, taschenartige Aus- stülpungen. | Länge des absolute | relative Coecum | Enddarms Darmlänge Rhamphastus erythrorh. 0 — 66 —_ ri vitellinus 0 | e | 44 4,2 Corythaix persa. 0 — 42 3,5 “ Buffoni : — 13 43 3,9 2 porphyreolopha 0 _ — 3,5 Cuculus canorus . . . 2 6 34 83,5 Upupa epops 0 _- 29 _ Coracias garrula 5 3 42 % BER 4,5 3 33 3,6 Buceros plicatus 0 — 126 6,6 — 35 6,7 Halcyon spec. . . . .) " ih 30 6,6 spec. | 0 TEN) 24,5 5,5 Verdauungssystem der Vögel. 159 Darmlagerung. Taf. X. Fig. 1-4. 6—8. 11lu. 13—15. Maassgebend habe ich nur Rhamphastus erythrorhynchus und vitel- linus, Corythaix persa, Coracias garrula, 2 Species von Halcyon, und Buceros plicatus untersucht, kann demnach keine sicheren gültigen Schlüsse auf die typische Darmlagerung ziehen, sondern muss mich auf die Beschreibung der einzelnen Formationen be- schränken. Bei Corythaix bildet der Darm 3 Hauptschlingen, die alle einander parallel halb schräg von oben dorsal nach vorn distal und ventralwärts verlaufen. Die Iste, das Duodenum, steigt schräg herab; die 2te hoch von dem rechten dorsalen Leberrande herab, grade, geschlossen, bis in die Nähe des Afters; der aufstei- gende Ast ist der kürzere; die 3te Schlinge ist ganz geöffnet und umfasst das Duodenum, der Endast ist etwas kraus gelagert und steigt dann an der linken Rückenseite vom Leberrande herab zum After. Die rechte Seite in situ zeigt daher alle 3 Schlingen deutlich: die 1ste direct, die 2te und 3te retrograd liegend. (Fig. 3. 4 und 7). Rhamphastus bildet bei der Dicke und Weichheit seines Darmes undeutliche Schlingen. Die 1ste, weit um den Magen am After vorbei nach links gehend, die 2te rechts dorsal liegend kurz und geöffnet, die öte kurz halb offen, aufsteigender Ast sehr un- regelmässig kraus, quer gelagert und vom Duodenum bedeckt. Ventralseite in situ nur den Magen und das sehr weite Duodenum zeigend. (Fig. 1. 2 und. 6.) Coracias: 4 Schlingen. 1lte, Duodenum, grade herab dor- salwärts rechts am After vorbei scharf umgebogen; 2te kurz, grade, geschlossen, retrograd liegend, in der Mitte der rechten Seite; öte etwas länger, grade in die Nähe des Afters hinab- steigend, geschlossen ; 4te kurz geschlossen, dorsal liegend. (Fig. 8 und 13. Buceros plicatus zeigt entsprechend der grösseren rela- tiven Darmlänge 4 deutliche Schlingen. Die Iste, das Duodenum, ist sehr lang (50 Cm.), beträgt also ?/, der ganzen Darmlänge. Sie bildet eine schöne rechts gewundene Spirale mit 1!/, Um- drehungen, und wird von der 2ten und öten Schlinge zum grössten Theile bedeckt. Die 2te Schlinge ist eng geschlossen, lang, rechts dorsal bis zum After verlaufend; die 3te ebenfalls eng geschlossen, ist noch länger entgegengesetzt gerichtet, mit ihrer unteren Hälfte am After vorbei an der Ventralseite des Unterleibes liegend. Die 4te ist geöffnet, kurz, am Magen vorbei von der Duodenalmitte 160 Dr. Hans Gadow, bedeckt, zum Rücken und dann grade herab zum After gehend. (Fig. 14 u. 15.) Bei Halcyon sind auch 4 Hauptschlingen vorhanden. Die lte, halbkreisförmig nach rechts am After vorbei zum Rücken hin gebogen; die 2te bildet eine prachtvolle links gewundene Spirale mit 2!/, direkten und 2 retrograden Umdrehungen; sie nimmt den grösseren Theil der rechten und dorsalen Bauchhöhle ein, und liegt frei, von keiner anderen Schlinge bedeckt. Die 3te Schlinge ist halb geschlossen, vom Duodenum bedeckt und ähnlich gelagert wie dieses; ihr aufsteigender median und ventral verlaufender Ast geht an der rechten Seite des Magens in eine kleine ebenfalls halbgeschlossene Schlinge über, die bis zum rechten dorsalen Leberrande aufsteigend, dann dorsal grade zum After läuft. (Fig. 11.) Vergleichen wir diese 5 Formationen mit einander, so ergiebt sich bei Coracias, Buceros und Halcyon das Vorhandensein von 4 Schlingen, deren letzte je nach der relativen Darmlänge mehr oder weniger ausgebildet ist. Auch bei Rhamphastus ist die An- deutung einer 4ten Schlinge vorhanden, ähnlich bei Corythaix durch den unregelmässigen Verlauf des aufsteigenden Astes der letzten Schlinge. Ich möchte diese undeutliche 4te Schlinge, gemäss der ausserordentlichen Kürze und Weite des Darms, bei Corythaix und Rhamphastus als Ueberbleibsel der den Coccygomorphen sonst zu- kommenden 4 Schlingen auffassen, deren letzte überhaupt nur als eine Nebenschlinge der 3ten anzusehen ist. Leber verhältnissmässig gross bei Rhamphastus und Corythaix ; klein bei Alcedo und Halcyon, bei letzterem sind beide Lappen glatt, ohne Einschnitte, scharfrandig, nur wenig auf den Muskel- magen hinabreichend; der rechte Flügel ist dorsal und proximal sehr verschmälert und langgezogen, der linke gleichseitig dreieckig; Volumen des rechten zum linken sich wie 3:2 verhaltend. Die Leber von Buceros plicatus war ganz glattrandig und compact. Der rechte Flügel ohne den die Vena cava zum Herzen begleiten- den Theil fast quadratisch; der linke mehr länglich, dorsal schwach eingekerbt; die Commissur war schwach r:1=3/,. Bei Cucu- lus und Upupa sind die beiden Leberflügel sehr ungleich und haben eine lange Commissur. Der rechte Lappen von Corythaix ist sehr gross, reicht tief auf den Magen herab und übertrifft den linken um das 3—4fache an Volumen; beide Lappen sind glatt- randig, nach oben breit, nach dem Magen hin dreieckig spitz zu- laufend. Nahezu symmetrisch, von mässiger Grösse, das erste Drit- Verdauungssystem der Vögel. 161 tel des Magens gleichmässig umfassend fand ich die Leber bei Coracias. Die Gallenblase fehlt Cuculus gänzlich; klein war sie bei Coracias. Rhamphastus compensirt das Fehlen der Blase durch einen sehr langen (9 Cm.) und weiten Ductus Choledochus. Specht- ähnlich, länglich spitz bei Upupa. Bei Corythaix Buffoni liegt sie unter dem rechten Lappen; der Ductus war bei Owen’s Exem- plar 2 Zoll lang, am ersten Duodenalwinkel mündend neben dem D. hepaticus. Eine wohl entwickelte Gallenblase besitzt Halcyon und Buceros. Bei B. plicatus war sie oval, rechts aus der Com- missur kommend und 2,5 Cm. lang. Pancreas. Bei Corythaix Buffoni liegt ein schmaler gelappter Theil der Bauchspeicheldrüse in der Duodenalecke, mit dünnem Ast nach dem Pylorus hinaufreichend; 2 Ausführungsgänge. Das Pancreas von Buceros plicatus ist im Verhältniss zur Stärke des Duodenum klein, nur 3 Cm. lang, halbmondförmig. Es liegt ziem- lich entfernt vom Pylorus und hat 3 Ausführungsgänge; diese mün- den bei meinem Exemplar mit den Gängen der Leber dicht hinter- einander nur 10 Cm. vom Pylorus entfernt in folgender Reihe: D. hepaticeus. 1 pancreat. cysticus. 2 und 3 pancreaticus. (Taf. X. zwischen 4 und 7 auf Figur 14.) Nach einer Zeichnung von Owen zeigt B. cavatus ein ganz anderes Verhalten. Der 1ste pancreaticus mündet in die Duodenalecke, der 2te pancreat., der hepaticus und der öte pancreat. in den aufsteigenden Duodenalast, gegenüber dem Pylorus, dicht dahinter der D. cysticus. Bei Hal- cyon fand ich das Pancreas sehr klein, in der letzten Hälfte der Duodenalschlinge liegend, mit einem feinen Fortsatze bis an den Endpunkt der Schlinge reichend, also weit ab vom Pylorus. Es zerfiel in 2 gleichgestaltete, einen inneren und einen äusseren, Lappen. Nieren. Meistens in 3 Lappen getheilt, deren mitttlerer der kleinste ist. Breit und kurz ist der proximale Theil bei Upupa; der distale der grösste bei Coracias. Von der Schenkelvene durch- bohrt werden die Nieren wie bei den Passerinen nur bei Upupa; scheinbar jedoch nur bei Alcedo. Bei Halcyon bilden die Nieren jederseits eine undeutliche dreilappige Masse, die distalwärts sich beharrlich verbreitet; sie füllen das Becken distal nicht aus. Bei Bue. plicatus waren die Nieren jederseits 2 lappig; der proximale Theil war oval, etwas unregelmässig gerandet, der distale doppelt so lang bei gleicher Breite; beide hingen jederseits nur durch die Uretheren und die Blutgefässe zusammen, sodass letztere Bd, XII. N. F. VL, 1. 11 162 Dr. Hans Gadow, eine ungefähr 1,5 Cm. lange Brücke bildeten; ein Verhältniss, wie ich es bisher noch nicht beobachtet habe. PICI. Sundev. Zunge sehr lang, rund, schmal, spitz zulaufend, hornig und meistens mit Widerhaken an der Spitze. Die Zungenhörner sind sehr lang, bei nicht vorgestreckter Zunge von unten hinten über den Schädel in die Nähe der Nasenlöcher laufend; bei Picus viri- dis ist unsymmetrische Lagerung nach dem rechten Nasenloche bemerkenswerth. Glandulae sublinguales sehr entwickelt; ihr klebriges Secret ergiesst sich durch mehrere Ausführungsgänge in die Mundhöhle; jederseits vorn an der Dillenkante ein grosser und an der Zungenwurzel mehrere kleine Gänge. Das Secret hält die Zunge klebrig, was besonders den Grünspechten (ähnlich wie dem Ameisenbären) beim Fange der Ameisen sehr nützlich ist. Schlund stets ohne Kropf, nicht weit, im letzten Theile mit sehr feinen dichtstehenden Drüsen besetzt, die aber in der kurz vor dem Vormagen befindlichen engen Strecke fehlen. Drüsenmagen mit starken Drüsen bei Picus major gleich- mässig besetzt; bei P. viridis und canus ist der Drüsenmagen nur an der Vorderseite drüsig; verhältnissmässig gross ist er bei P. minor, martius, viridis und canus; bei P. martius dehnen sich die Drüsen mehr auf der hinteren Seite aus. Muskelmagen hart muskulös, jederseits mit Sehnenspiegel, innen mit längsgerunzelter, braungelber, fester Lederhaut, aber ohne Reibeplatten; am schwächsten bei P. martius, viridis und minor. Gestalt abgerundet, Unterrand mit schwacher Einschnürung, daher im Ganzen etwas viereckig, besonders bei P. martius. Gewöhnlich ist der Magen klein; etwas grösser bei Colaptes. Im Magen von P. martius fand ich 2 Quarzsteinchen von Erbsengrösse und verhältnissmässig viel Sand; ein Hinweis, neben der Stärke des Organes, auf die zum grossen Theile ausser Insecten aus Sämereien bestehende Nahrung. Darm. Duodenum sehr weich und weit, in seiner Mitte am stärksten; ist, da der übrige Darm nach der Mitte hin von beiden Richtungen her enger wird, bei der Kürze des Gesammtdarmes der Haupttheil desselben. Cloake weit, schlauchartig bei Picus und Yunx. Innen ist der allgemein hellgelbe, nur im Enddarm braun erscheinende Darm mit anfangs schwach gegen das Ende hin deutlich zickzackreihig stehenden Zotten besetzt. Verdauungssystem der Vögel. 163 Blinddärme fehlen den Spechten völlig, höchstens finden sich wie bei P. viridis bisweilen 2 ganz kleine Papillen. — Koth breiig consistent, theilweise trocken. Darmlänge so gering wie bei den Coceygomorphae; zwischen 3,2 und 4,5 schwankend. Darmlagerung. Taf. X. Fig. 16—20. Durch das Mesen- terium wird der gesammte Darm in 1+3 = 4 Schlingen, ohne Nebenschlingen, zusammengefasst. Die lte, das Duodenum ist selbstständig; es steigt grade. herab und beschreibt, am After vorbeigehend, einen weit nach der linken Rückenseite bis in die Nähe des hinteren linken Magenrandes reichenden Halbkreis; der aufsteigende Ast läuft am rechten Leberrande vorbei, und geht in die 2te Schlinge über, die wie die öte ganz parallel der Kör- perlängsaxe, grade herabsteigt; beide liegen geschlossen, scharf al- ternirend in der Mitte der rechten Bauchseite. Die 4te Schlinge ist weit geöffnet, von den vorigen bedeckt, theilweise von der Rücken- seite sichtbar. — Die rechte Seite in situ zeigt demnach bei Pi- cus major, martius, Colaptes, die ganz oberflächlich nebeneinander liegenden ersten drei Schlingen; die Hälfte des Duodenum von den beiden anderen bedeckt. Am schönsten ist der Verlauf bei Picus martius zu erkennen. Länge des absolute | relative Coecum | Enddarms Darmlänge Pirustminor 1... 0 — | 15 3,2 eenmenus"%'.’%; 0 — 31 _— » major Eee 0 — 32. 836 4,5 er I RS, 0 — 25 4,2 En. martıs) ul !, 0 — 40 4 „ vindis . .1:0 oder 0,1 - 47 5 Colaptes auratus . 0 — | 41 5,2. Leber. Verhältnissmässig klein, besonders bei P. martius; bei diesem ganz rundlich, glattrandig; bei Colaptes von oben nach unten breiter werdend und der rechte Lappen in 3 schwache ab- gerundete Läppchen endend. Rechter stets bedeutend grösser als der linke, ungefähr r/l = 2: 1, von bräunlich rother Farbe. Linker Flügel von P. major nach oben und unten spitz zulaufend. Gallenblase auffallend durch ihre langgestreckte, wurmförmige Gestalt; besonders lang bei P. viridis und in hohem Grade bei Colaptes auratus, wo sie erst im Anfang des 2ten Drittels der Duodenalschlinge mündet. Trotz ihrer schmalen Gestalt enthält sie doch ziemlich viel Galle. IE* 164 Dr. Haus Gadow, Das Pancreas zerfällt in einen rechten, äusseren, 2theiligen und in einen linken, inneren, dickeren Haupttheil. Die Haupt- masse liegt in der Duodenalecke. Jeder Lappen zerfällt in kleine secundäre, z. B. bei P. major der linke in 6—7 Läppchen, und in einen langen schmalen das ganze Duodenum begleitenden Lap- pen; bei P. medius links nur 3 Nebenläppchen. Das Pancreas ist also durch seine secundäre Viellappigkeit ausgezeichnet. Es sind 3 Ausführungsgänge vorhanden, 2 für den rechten, 1 für den lin- ken Lappen, sie münden: 1.2.3. panereaticus, cysticus, hepaticus. Nieren 3lappig; proximal am breitesten, in der Mitte stark verschmälert, ausser bei Picus viridis, bei welchem der distale Lappen der voluminoeseste ist. CYPSELOMORPHAE. Huxl. Zunge von Caprinulgus schmal, länglich, sehr klein, seitlich viel gezähnelt; bei Steatornis breiter und feiner, ganz glatt, nur am Hinterrande gezähnelt; bei beiden dem weiten Schnabel ent- sprechend etwas rückgebildet. Cypselus: platt und breit, vorn 2spitzig, hinten pfeilförmig, ganz wie die Zunge von Hirundo. Die der Trochiliden besteht aus 2 nur hinten am Grunde verbun- denen, am Ende freien und abgeplatteten Fäden, ohne jegliche Zähnelung; die lange Zunge kann vorgeschnellt werden; dem ent- sprechend ist das Gerüst ganz ähnlich wie bei den Spechten ge- baut. Speicheldrüssen sehr stark ausgebildet bei Collogalia escu- lenta und nidifica; sie liefern in ihrem Secret das Hauptbau- material für die „essbaren Vogelnester.‘“ Schlund sehr dehnbar bei Caprimulgus, gewöhnlich ganz ohne Kropf; Stannius führt jedoch bei Trochilus das Vor- handensein eines Kropfes an. Collogalia besitzt in ihrem längs- faltigen Schlunde zahlreiche Drüsen; bei Cypselus enthält er 10 ziemlich tiefe Längsfalten und ist scharf gegen den Vormagen durch deren plötzliches Aufhören auch innerlich abgesetzt. Drüsenmagen stets scharf nach Schlund und Magen hin ab- gesetzt; klein bei Trochilus; gut entwickelt, aber mit schwa- chen Wänden, innen mit einem überall dick besetzten graden Ringe feiner Drüsen bei Cypselus. Caprimulgus: klein, sehr dickwandig in Folge der zahlreichen grossen Drüsen, die auch Steatornis besitzt, nur ist bei letzterem der Drüsenmagen selbst bedeutend grösser als bei Cypselus. Muskelmagen. Bei den Trochiliden sehr klein, z. B. bei Trochilus colubris nur 3Mm. im Durchmesser betragend. BeiCy- Verdauungssystem der Vögel. 165 pselus und Collogalia länglich oval, inder Längsaxe quergedreht mit deutlicher Kante; jederseits ein Sehnenspiegel; ziemlich flei- schig, innen mit sehr starker, durchscheinender, längsfaltiger, hor- niger Haut, aber ohne Reibeplatten. Pylorus auffällig nach vorn gerückt; Cardia grade oben vorn, nicht wie bei den Passeri- nen etwas links mündend. Magen von Caprimulgus und Stea- tornis gross, rundlich, dünnwandig; mit viel weniger Muskulatur bei Caprimulgus, bei welchem der Magen einmal voller Me- lontha solstitialis gepfropft, bis zum After ausgedehnt war und in Folge der starken Dehnung transparente Wände hatte. Darm ausnehmend kurz; Cypselus besitzt, soweit mir be- kannt, den relativ kürzesten Darm von allen Vögeln, nämlich nur öfache Rumpflänge. Der Darm wird nur wenig enger zum After hin. Innen allgemein mit Zotten ausgestattet, die bei Trochi- lus breit, platt, zungenförmig im Mitteldarme am stärksten her- vortreten. Bei Cypselus bilden die feinen, aber langen Zotten im Duodenum dichte Querreihen, theilweise noch stärker in der ersten Hälfte des Mitteldarmes, worauf sie schnell bis zum gänz- lichen Verschwinden abnehmen. Blinddärme fehlen den Tagvögeln dieser Abtheilung vollstän- dig; die Nachtvögel: Caprimulgus und Steatornis haben wohlausgebildete Coeca; ersterer keulenförmige, dem Colon glatt anliegende, letzterer walzige, von fast 3 Cm. Länge. Länge des absolute | relative Coecum | Enddarms Darmlänge Cypselus apus . . . 0 _ 17 3,1 BER 7. tig une MT re R a ee 0 — 15 6) Trochilus colubris 0 — 7 — Caprimulgus europaeus 3 0,5 30,5 3,8 Steatornis caripensis . 2,8 Die Darmlagerung Taf. X. Fig. 5. 9. 10. 12 zeigt 2 ver- schiedene Typen, die als Uebergänge von den Coccygomor- phen zu den Passerinen von hohen Interesse sind. I. Caprimulgus: Der Darm bildet 4 Schlingen, welche bei der enormen Grösse des Magens in ausgedehntem Zustande desselben, sämmtlich auf der rechten hinteren Seite des Bauches platt dem Magen aufliegen. Die 1ste, das Duodenum, ist zwar die längste, trotzdem aber eine nur kurze Schlinge, und steigt grade, ohne Biegung herab nicht bis an den After, der absteigen- de Ast geht am Leberrande in weitem Bogen nach hinten in die 2te grade, sehr kurze und enggeschlossene Schlinge über; die 3te 166 Dr. Hans Gadow, ist im unteren Theile etwas kraus, ähnlich wie bei Coracias; der aufsteigende Ast ziemlich hoch hinaufgehend, ehe er in die 4te, längere, auch geschlossene Schlinge übergeht; diese ist zwischen der öten und dem Duodenum eingeschlossen. Die 3 letzten Schlingen sind demnach alle, vom Rücken zur Vorderseite vorschreitend linksläufig. II. Cypselus und Collogalia. Das Mesenterium fasst den Darm in 3 grosse Schlingen zusammen. Das Duodenum biegt nach rechts zum After um; die 2. Schlinge ist noch etwas länger, eng geschlossen, geht an der rechten Rückenseite grade herab, mit geringer Umbiegung ihres Centrums nach vorn und innen; die 3. ist auch linksläufig, liegt mit ihrem Endaste unter dem Duodenum und ist halb geöffnet. Die rechte Seite in situ zeigt daher ausser der ersten Hälfte des Duodenum 2 ineinander liegende fast geschlossene kurz elliptische Bogen. Leber. Rechter Lappen bei Cypselus eigenthümlich nach oben dorsal langgestreckt, und ungleichmässig gerandet, in der Mitte scharf eingeschnürt, sodass er fast aus 2 Theilen zu beste- hen scheint. Linker Flügel oben spitz, nach dem Magen hin breiter werdend. — Caprimulgus hat eine lange, schiefe Quer- commissur wie Cuculus; seine Leber ist im Gegensatze zu der von Cypselus klein. — Der rechte Lappen übertrifft den lin- ken gewöhnlich bei weitem; r/l ungefähr = 3/1. — Die Trochi- liden zeichnen sich durch das Fehlen der Gallenblase aus, wäh- rend diese bei den anderen gut entwickelt ist. Pancreas. Völlig 2 lappig getheilt. Die dicke Hauptmasse liegt in der Duodenalecke. Bei Cypselus ist der äussere com- pacte Lappen eiförmig, in der Ecke liegend, nach oben hin zu- gespitzt. Der innere begleitet mit schmalem Aste den Darm bis fast zum Rücken hin. Die Nieren zeigen einen sehr verschiedenen Bau. Bei Tro- chilus sind sie 3 lappig, ähnlich bei Caprimulgus, nicht von der Schenkelvene durchbohrt. Sehr kurz und breit, gar nicht in Abschnitte getheilt, aber von der Schenkelvene durchbohrt bei Cypselus, proximal etwas breites, sonst ganz gleichmässig. — Auffallend war mir bei den untersuchten Cypselus-Männchen die völlig schräge nach links hinüber gehende Stellung der bei- den wurstförmigen Hoden, während diese Organe sonst, beson- ders bei allen Passerinen kuglig gestaltet sind und völlig sy- metrisch liegen. | | | | Verdauungssystem der Vögel. 167 PASSERINAE. Nitzsch. Die Zunge entspricht in ihrer Gestalt gewöhnlich der des wechselnden Unterschnabels, zeichnet sich aber durch einen hor- nigen Ueberzug der Vorderhälfte und der Seiten aus, der oft zu mehrfacher Zerspaltung hinneigt. Einfach, mit einer Spitze, hin- ten mit furchenartiger Längsbiegung und dick bei Passer, und Fringilla. Weniger schmal, aber platter und vorn zweispitzig bei den Corvidae, bei Oriolus, Sturnus und den Hirundi- nidae. Faserig zertheilte Spitze bei Sylvia, Accentor, Em- beriza, Regulus. Bei Parus fast gleich breit, abgestutzt, an der Unterseite vorn mit 4 steifen Faserborsten. Glatt und löffel- föormig bei Pyrrhula und Coccothraustes. Bei allen ist der Hinterrand mit spitzen Zähnchen besetzt, von denen die Eckzähne am stärksten sind; besonders bei Regulus, Accentor. Das Zungengerüst ist schwach, der Kern getheilt, Körper abgeplattet, Hörner sehr dünn. Von Drüsen sind die Parotides gut ent- wickelt; sie liegen am hinteren Winkel des Unterkiefers; glan- dulae submaxillares fehlen. Schlund allgemein eng und wenig dehnbar, dünnwandig; bei Cotyle mit schwachen, bei Corvus mit 12 scharfen Längsfalten im Innern. Ein Kropf wird von Carus & Gerstaecker zwar als fehlend angegeben, ist aber bei einigen wenigen Gattungen, wie Pyrrhula, Loxia, Paradisea vorhanden. So fand ich bei letzterer einen grossen, einfachen, dünnwandigen Kropf, fast sack- artig nach vorn erweitert, vor der Mitte des Oesophagus, innen feine Längsfältchen bildend. Bei Fringilla, Emberiza, Bom- bycilla ist der Oesophagus im mittleren Drittel schwach erwei- tert, bildet demnach einen unächten Kropf; bei der Mehrzahl der Passerinen fehlt aber auch dieser. Nach Tiedemann findet sich bei Pica caudata und Hirundo rustica dicht vor dem Drüsenmagen eine kleine Erweiterung. — Der Kropf fehlt also wenigstens sicher den Insektenfressern. Drüsenmagen meistens nach dem Schlunde hin deutlich ab- gesetzt, ebenso gegen den Muskelmagen, häufig ist ein drüsenlo- ser Zwischenschlund vorhanden. Der Drüsenmagen selbst ist dickwandig, verhältnissmässig am grössten bei den Sylvien, bei Oriolus, Turdus und Euphone, sonst klein, innen mit zahl- reichen runden Drüsen versehen, welche gegen den Magen hin scharf abgesetzt aufhören. Bei Motacilla und Euphone etc. stehen sie in ungefähr 5 Querreihen; dicht gedrängt, überall bei 168 Dr. Hans Gadow, den Conirostres; bei Corvus cornix besteht der beiderseits scharf abstechende Drüsenring aus ungefähr 20 Querreihen. Muskelmagen allgemein rothmuskelig, jederseits mit einem Sehnenspiegel und innen mit längsfaltiger braungelber Lederhaut ausgekleidet, die bei Fringilla sogar kleine Reibeplatten bildet. Die Form des verhältnissmässig kleinen Magens ist 4eckig bis rund, etwas plattgedrückt; bei Corvus mit kantigem Vorderrande und unterer kleiner Einschnürung. Die Cardia liegt, bemerkens- werth für die Passerinen, links oben, der Pylorus rechts, ziem- lich. entfernt. Je nach der Nahrung ist die Muskulatur stärker oder schwächer; am stärksten bei den Körnerfressern: Fringilla, Accentor; unter den Corvidae bei Cyanocitta, Garrulus, Corvus, Turdus; schwächer bei Sylvia, Regulus, Lanius, Oriolus, Pica; dickwandig aber weich ist der sehr kleme Ma- gen der Schwalbenvögel. Eine sonderbare Ausnahme macht Eu- phone violacea, bei welcher unter allen Passerinen als einzige Ausnahme, der Muskelmagen viel kleiner ist als der sehr ent- wickelte Drüsenmagen, er besitzt innerlich nur glatte, schwach längsgestreifte, weiche Haut; er ist fast ganz rudimentär geworden. Darm. Duodenum durchgängig weich und breit, besonders bei Corvus cornix, Cyanocitta, Oriolus. Bei den meisten Conirostren und den Hirundinidae wird der Darm vom Duodenum bis zum After gleichmässig enger und dünnwandiger; umgekehrt fand ich es bei Corvus und Monedula. Bei den Sylvien ist er überall von mittlerer Weite; ausgezeichnet durch seine Länge und Enge bei Loxia enucleator; bei Cotyle ist er in der Mitte am engsten. Ausser bei den Omnivoren und einigen Coni- rostren ist der Darm sehr kurz. Die Darmschleimhaut bildet 1stens wellige Längsfalten, ohne Zotten: Motacilla, Euphone, Sturnus, bei letzterem mit maschiger netzförmiger Structur; tens wellige Längsfalten, von welchen sich Zotten abheben: Orio- lus, Lanius, Cotyle. Bei Fringilla ist die Schleimhaut sam- metartig und geht nach dem Ende hin durch das Verschwinden der Zotten in glatte Haut über. tens: Duodenum wie bei Cor- vus überall gleichmässig mit sehr feinen, aber ziemlich langen Zotten besetzt; die mucöse Haut leicht abziehbar. Im Mittel- darm sind die Zotten noch feiner und stehen in ein feines Ma- schennetz bildenden Querreihen; im Enddarm nehmen sie an Zahl und Grösse bedeutend ab, die Darmwand wird dünn und durch- sichtig. Das Divertikel verschwindet schon sehr früh, liegt bald etwas vor, bald etwas hinter der Darmmitte. Verdauungssystoem der Vögel. 169 Länge des absolute | relative Coecum | Enddarms Darmlänge Sylvia ecinerea . . . 0,2 a) 16 4,2 » phoeicurs . . 0,2 2,5 16 4,2 a BUBCICH, nd ara 0,2 1,5 19 5,1 Farus; MAJOr . ...-. 0,1 1,3 14 4,1 Icterus icterocephalus . 0,5 1 16 — Anthus campestris . . 0,2 2,3 18,5 4,4 Saxicola oenanthe . . 0,2 2 19 4,4 Alauda arvensis . . . 0,4 1,7 20,5 4,6 rud Ber 19 Mugen ‚ee... io. 0,2 2 22 4,4 Oriolus galbula . . . — = 25 4 Bombyeilla garrula . . —— _— 29 — Coracina seutata . . . — u 36 — 0,2 2 18,5 Vidua paradisea . 0,1 2,5 19 4,6 Fringilla coelebs. . . 1 (im Durchschnitt) 0,2 1 22 5,5 y canaria. . . — _ 35 6,8 ” coccothraustes — — 41 7,8 Passer domesticus . . 0,2 — 22,5 5,9 Durchschnitt > montanus. . . _ — 20,0 — Loxia enucleator. . . rud. — 99 20! Turdus merula juv... . 0,4 3,2 37 6 z viseivorus . . 0,5 1 68 1) ie musicus ."... rud. 4 48 Po; Cyanoeitta cyanea . . 1 3,5 44 9,2 Gracula temporalis rud 155 39 5) :, religiosa. . . 1 | 2,5 45 5 Sturnus vulgaris . . . — = 41 E= Pica 'eaudata ;.. lan). 0,75 3 70 8 Corvus monedulla . . 1 2,5 66 7 1,2 4 107 “ cornix | 1,4 2:5 110 | =) —_ IA 118 s; GOLrOner il. urı, 1,2 6 136 10 Cotyle riparia. . . . 0,2 1,6 15 4,0 „ „ . | 0,5 1,8 15,5 4,0 Die Blinddärme bei allen Passerinen rudimentär, 1—3 Cm. vom After entfernt, fehlen nie ganz, sondern sind bei den mei- sten nur ganz kurze 2 Mm. lange weiche Säckchen, die bei Alauda bisweilen zu kaum bemerkbaren Papillen einschrumpfen können. Am , grössten dagegen, jedoch auch nicht mehr functionirend, von 1 Cm. Länge, wurmförmig schmal, sind sie bei den Corvidae, bei 170 Dr. Hans Gadow, Sturnus und Gracula. Eine Erweiterung des sehr kurzen Enddarmes zu einer Cloake ist selten vorhanden, z. B. wie bei Lanius, Alauda, Motacilla, Sturnus; die Excremente sind dem entsprechend meistens consistent. Darmlagerung. Taf. XI. Fig. 1—20. Durch die Darm- formation erweisen sich die Passerinae als eine eng zusammenge- hörige Abtheilung. Der Darm bildet nur 3 Hauptschlingen, sodass ausser der Duodenal- und der Endschlinge das Mesenterium den Darm nur zu einer langen, zum grössten Theil geschlossenen Schlinge zu- sammenfasst. Die 1ste, das Duodenum zeichnet sich durch Weite aus, geht grade etwas rechts vorn herab, ist kurz und erreicht selbst bei den Corvidae kaum den After. Die 3te Schlinge ist lang und umfasst, ganz geöffnet, stets den grössten Theil des Duodenum, halb unter ihm gelagert. Die 2te Schlinge ist die längste, bisweilen sehr lang, und bildet constant eine links ge- wundene Spirale, deren Centrum rechts am Unterrücken liegt. Die Zahl der Spiralwindungen steht zur Darmlänge in directem Verhältniss, sodass z. B. Sylvia phoenicura und cinerea nur 1 direete und !/, retrograde, S. suecica 1 directe und 1 retro- grade = 2, Fringilla coelebs 11/, d. + 11], r.. = 3; Vor- vus cornix5+2=[1, die äusserst langdarmigen Kreuzschnäbel sehr zahlreiche, einen dichten Knäuel bildende Windungen be- sitzen. Nur einige Corvidae, wie Monedula, Pica, Cya- nocitta weichen insofern vom allgemeinen Typus ab, als die letzte Hälfte der 2ten Schlinge in 2 kurze Achtertouren verscho- ben ist. Leber durch bedeutende Asymmetrie der beiden Flügel aus- gezeichnet. Der rechte reicht über die Mittellinie nach der linken Seite hinüber und übertrifft den linken an Volumen wenigstens um das Doppelte, z.B. bei Anthus campestris, Sylvia phoe- nicurus; um mehr als das öfache: Sylvia cinerea, suecica, Loxia, Fringilla, Passer, Vidua, Corvus, Monedula, Parus; Cotyleum das 4fache. — Während der rechte Leber- lappen bei den Corvidae ziemlich glattrandig und compact wie bei Gracula tief auf den Magen herabreicht, ist für die Syl- vien und Fringilliden die schräggestreckte Form, in der Mitte mit einem Einschnitte für das Herz, charakteristisch. Der linke ist bei den Sylvien und bei Anthus platt, sehr unregelmässig 4eckig, scharfrandig, oben am breitesten; bei den Conirostren ist die Leber dreieckig und oben spitz (Basis ist die untere Hin- Verdauungssystem der Vögel. 171 terseite), durch eine dicke Commissur verbunden. Bei Vidua wird durch einen tiefen Einschnitt des linken Unterrandes ein spitzer Lappen gebildet. Die Gallenblase fehlt nirgends, ist meistens klein, innerhalb des rechten Lappens liegend; bei Cornix und Monedula lang gestreckt und fast ganz aus der Leber hervorragend. Pancreas stets sehr gross, ausser bei der zu den Glama- tores gehörigen Coracina scutata — nach Burmeister, — und füllt die ganze Duodenalschlinge aus; die Hauptmasse liegt in der Ecke, nach beiden Seiten mit scharfen Rändern überra- gend; sie zerfällt in einen breiten äusseren und einen inneren Lappen, deren jeder einen sich verschmälernden Ast nach dem Pylorus entsendet; bei sehr vielen, z.B. den Corvidae, Frin- ea Midua,: Parus, Bombyeilla, Lanius, ‚Certhis, Sitta, Cotyle, begleitet der innere Ast den Darm bis zum Rü- cken, ist also aussergewöhnlich lang. Bei Gerthia und Sitta zerfällt jeder noch in 2 getrennte secundäre Läppchen. Das Pan- creas von Turdus merula sendet von seinem äusseren compacten Lappen ähnlich wie Cotyle noch einen ziemlich langen Seiten- ast bis in die Nähe des Pylorus. — Nur selten ist das Pancreas wie bei Oriolus galbula dreilappig. — In der Regel ist nur ein Ausführungsgang vorhanden, individuell kommen aber z. B. bei Corvus cornix 3 vor. Die Reihenfolge der Einmündungen ist: Pancreaticus, Hepaticus, Cysticus; oder event. 1ster und 2ter pancreaticus, Hepaticus, Cysticus, 3ter pancreaticus. Nieren. Charakteristisch für alle Passerinae ist die Durch- bohrung der Nieren von'Seiten der Schenkelvene. Gewöhnlich sind die Nieren schwach in Lappen getrennt, häufig eine nur proximale breitere und distal schmaler werdende Masse bildend; oft rechts und links verwachsen, wie ich bei den Corvidae, Fringilla coelebs, Lanius excubitor, Parus major und in hohem Grade bei Cotyle riparia gefunden habe. — Sehr wenig ist die Trennung angedeutet bei Certhia, Sitta, Ampelis und Lanius. Deutlicher dreilappig bei den Corvidae, Anthus etc. Bei Lanius excubitor ist eine jederseitige Theilung in 3—4 Lappen zu bemerken. Druck von Ed. Frommann in Jena. hiat. ER iciteai Y aa Is I f STEIKTIEN fr} an e r rs PH a sr i Bien 117 Sr wir sten Ri Krb, 8 af Burg % vr ee Das Ganglion oculomotorii. Ein Beitrag zur vergleichenden Anatomie der Kopfnerven. Von G. Schwalbe. Hierzu Tafel XII—-XIV. In einer Mittheilung in den Sitzungsberichten der medicinisch- naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena (Sitzung am 15. No- vember 1878) habe ich kurz die Gründe entwickelt, welche dazu zwingen, das Ganglion ciliare nicht mehr, wie es bisher geschah, dem Sympathicus oder dem N. trigeminus zuzuweisen, sondern als zum N. oculomotorius gehörig zu betrachten. Die einzigen Forscher, welche diese Beziehungen geahnt haben, ohne sich je- doch ihrer morphologischen Bedeutung klar zu sein, sind Budge und Adamük. Budge äussert sich im Jahre 1855!) folgender- maassen: „Die Anordnung der Irisnerven, bevor sie in den Bulbus oculi hineintreten, hat bei den Wirbelthieren eine unläugbare Aehn- lichkeit. Zwei Nervenstämmchen, von denen eins aus dem dritten, das andere aus dem fünften Gehirnnerven kommt, vereinigen sich, und nach dieser Vereinigung treten gewöhnlich in zwei Bündel- chen die Fäden heraus, welche die Sclerotica durchbohren, um zur Iris zu gelangen. Mit dem Stämmchen, das aus dem fünften Gehirnnerven kommt, ist gewöhnlich entweder untrennbar oder deutlich geschieden noch ein Nervchen vereinigt, das vom N. sym- pathicus herstammt. An jener Vereinigungsstelle findet sich häufig das Ganglion ciliare, das jedoch in vielen anderen Fällen, nicht hier, sondern im N. oculomoto- rius liegt, dem überall dasselbe grösstentheils anzu- !) Ueber die Bewegung der Iris. 8. 24. 174 G. Schwalbe, gehören scheint. Es ist daher nicht passend, die zwei Ner- venstämmchen Radices ganglii zu nennen, sondern Radices nervo- rum ciliarium.“ Ich habe diese Stelle wörtlich wiedergegeben, damit der Leser sich ein selbstständiges Urtheil über Budge’s Meinung bilden könne. In der speciellen Beschreibung behandelt er die Ciliarnerven und das Ciliarganglion vom Menschen, Hund, Katze, Kaninchen, einiger Vögel (Gans, Ente) und des Frosches. Seine Aeusserung bezieht sich offenbar auf das Ciliarganglion eini- ger Säugethiere (Hund, Katze). Eine entwieklungsgeschichtliche oder vergleichend anatomische Begründung jener wohl nur gele- gentlichen Aeusserung hat er nicht geliefert. In dieser Beziehung wäre die Untersuchung des Frosches entscheidend gewesen, Budge vermochte jedoch hier (l. ec. S. 36) keine Ganglienzellen zu finden. Mir selbst ist der oben citirte Satz Budge’s sowie Adamük'’s gleich zu erwähnende Angabe erst, nachdem ich meine kleine oben erwähnte Mittheilung in Druck gegeben hatte, bekannt geworden. Einen Einfluss auf die allgemeinen Anschauungen in Betreff der morphologischen Bedeutung des Ciliarganglions hat Budge’s Aeus- serung jedenfalls ebensowenig gehabt, als Adamük’s!) Bemer- kung, dass das Ciliarganglion bei Hund und Katze ein reines Ganglion des Oculomotorius sei. Denn nach wie vor beschreiben die Lehrbücher den Augenknoten beim Trigeminus (wie die mei- sten), oder nach dem Vorgange von Fr. Arnold?) als ein Gang- lion des Kopftheils vom Sympathicus (z. B. Aeby, W. Krause). Desgleichen rechnet Rauber in einer speciellen Arbeit „über den sympathischen Grenzstrang des menschlichen Kopfes“ (München 1572 8.28) das Ciliarganglion zum Sympathicus und zwar zu den peripherischen Ganglien desselben. Auch ich dachte, als ich meine hier mitzutheilenden Untersuchungen begann, nicht im Entfernte- sten daran, dass das Ciliarganglion dem Oculomotorius entwick- lungsgeschichtlich und vergleichend anatomisch angehöre. Mein Interesse für den 3. Hirnnerven wurde vielmehr durch die älteren Angaben von Rosenthal?) und Reissner?) erweckt, denen zu 1) Zur Physiologie des N. oeulomotorius. Medic. Centralblatt 1870. N. 12. 8.179. 2) Der Kopftheil des vegetativen Nervensystems beim Menschen. Heidelberg u. Leipzig 1831. 3) De numero atque mensura microscopica fibrillarium elementa- rium systematis cerebro-spinalis symbolae. Vratislaviae 1845. p. 13 u. 14. #) Archiv f. Anatomie etc. von Reichert u. du Bois-Rey- mond 1861 8. 721. Das Ganglion oculomotorii. 175 Folge im Stamme des Oculomotorius Ganglienzellen enthalten sind. Bei den herrschenden Anschauungen war es ganz natürlich, dass dieselben in der Folge von Rüdinger !) für sympathische erklärt wurden. Gelegenheit zur Einlagerung in die Bahn des Oculomo- torius würde sich ja leicht durch die Verbindung, welche der Sym- pathicus mit dem Oculomotorius im Bereiche des Sinus caverno- sus eingeht, bieten. Wie die neuesten Untersuchungen von L. Rosenthal?) sicher nachgewiesen haben, gehen hier Fasern des Sympathicus in peripherer Richtung in den Oculomotorius über. Die Möglichkeit der Abstammung vereinzelter Ganglienzellen, wie sie von dem älteren Rosenthal und Reissner im Oculomoto- rius beschrieben sind, aus dem Sympathicus kann demnach nicht gut in Abrede gestellt werden. Bei einer Prüfung dieser Angaben durch mikroskopische Untersuchung des 3. Hirnnerven beim Kalb, Schaf und beim Menschen war ich indessen bisher nicht so glück- lich, die Rosenthal-Reissner’schen Ganglienzellen zu finden. Dagegen ergab eine vergleichend anatomische Untersuchung uner- wartete Resultate. Sie lehrte, dass dem 3. Hirnnerven nicht zer- streute Ganglienzellen, sondern ein ganzes Ganglion zukommt und dass dies Ganglion nichts Anderes ist, als das Ciliarganglion. Ermuthigt wurde ich in meinen Nachforschungen durch die in- teressante Arbeit von Milnes Marshall’). Derselbe unter- suchte die Entwicklung der Kopfnerven beim Hühnchen und kommt zu dem auffallenden Resultate, dass auch der Oculomotorius nach Art einer hinteren Spinalnerven-Wurzel entstehe. Ueberdies bildet er einen Sagittalschnitt durch den Kopf eines 96 Stunden alten Hühner-Embryo ab, in welchem der Oculomotorius sowohl an seiner Basis am Mittelhirn, wie an seinem entgegengesetzten im Schnitt enthaltenen Ende eine gangliöse Anschwellung besitzt (Fig. 22 III). Diese letztere Anschwellung soll der Stelle ent- sprechen, an welcher sich der 3. Hirnnerv in seinen Ramus su- perior und inferior theilt. Mag man nun auch die Angaben von Marshall über die erste Entstehung des N. oculomotorius nach Art einer hinteren Spinalnervenwurzel für nicht beweisend halten, da bedeutende Lücken in der Beobachtung noch nicht ausgefüllt 1) Anatomie der menschlichen Gehirnnerven 8. 12. 2) Ueber Nervenanastomosen im Bereiche des Sinus cavernosus. Sitzungsberichte der Wiener Academie Bd. 77 III. Abth. März-Heft 1878. 8.4 und Fig. 1 und 2. >) The development of the cranial newer in the chick. Quart. journ, of mierose. sciense 1878, p. 23—27. 176 G. Schwalbe, sind, so hat man doch mit der Thatsache der gangliösen An- schwellung an der Theilungsstelle zu rechnen. Denn es ist doch nicht anzunehmen, dass ein gewissenhafter Forscher wie Mar- shall, dies Ganglion hineinphantasirt habe, um so weniger als ja ein solches Bild Aufsehen genug erregen musste, da es mit un- seren geläufigen Vorstellungen sich anscheinend schwer vereinba- ren lässt. Ich kann deshalb auch der Meinung von Kölliker nicht beipflichten, der sich darüber folgendermaassen äussert !): „eine Angabe, die ohne nähere Belege wohl wenig Glauben finden wird und der meine Angaben beim Kaninchen direkt widerspre- chen.“ Indem ich mir vorbehalte, diese entwicklungsgeschicht- lichen Angaben von Kölliker und Marshall unten genauer zu besprechen und mit den von mir auf vergleichend-anatomischem Wege erhaltenen Resultaten zu vergleichen, bemerke ich im Voraus, dass das von Marshall beschriebene Ganglion nichts Anderes ist, als das Ciliarganglion. Dies lehrt die vergleichend - anato- mische Untersuchung unzweifelhaft. Es kann dies Resultat auch nicht umgestossen werden durch eine kurze durch 2 Abbildungen illustrirte Angabe von Remak?), der zu Folge das Ciliarganglion aus dem Ganglion Gasseri hervorgehn soll. Deyn viel genauer gedenkt His?) der Entwicklung des Ciliarganglions, und diese letztere Angabe ist durchaus nicht unvereinbar mit den von mir auf vergleichend-anatomischem Wege erhaltenen Resultaten, worü- ber unten ausführlicher. Die Angaben von Marshall enthielten somit die Aufforde- rung, dies Ganglion des Oculomotorius, welches er beim 96tägigen Hühnchen nachweisen konnte, überall im entwickelten Oculomoto- rius aufzufinden. Diese Aufgabe glaube ich auf vergleichend-ana- tomischem Wege gelöst zu haben. Schon eine Durchsicht der äus- serst zerstreuten Literatur bestärkte mich in meiner Meinung, noch mehr aber eigene Untersuchungen, welche ich bei Selachiern und Amphibien, sowie bei Vögeln und Säugethieren mit Erfolg anstellte. Mein Gedankengang war dabei folgender: Ist das Ciliar- ganglion dem Oculomotorius zugehörig, so wird sich bei denjenigen Thieren, welchen ein wohl abgegrenztes Ciliarganglion zukommt, kein anderes Ganglion im Stamme des 3. Hirnnerven finden; es muss dagegen der Oculomotorius bei denjenigen Thierformen, de- 1) Entwicklungsgeschichte des Menschen. 2. Auflage S. 622, 2) Entwicklungsgeschichte 8. 37. Taf. IV, 37, 38. 3) Die erste Entwickelung des Hühnchens im Ei. Leipzig 1868, S. 106. Das Ganglion oculomotorii. 177 nen ein Ciliarganglion abgesprochen wird, ein im Stamm verbor- genes Ganglion enthalten, und endlich zwischen diesen Extremen müssen sich Uebergangsformen nachweisen lassen. Diese Voraus- setzung hat sich nun als vollkommen richtig herausgestellt, und ist es die wesentliche Aufgabe dieses Aufsatzes, das beweisende Material übersichtlich geordnet beizubringen. In einem zweiten Abschnitt soll dann auf Grund dieser Angaben ein allgemeines Bild von der Entwicklung des Ciliarganglions in der Wirbelthier- reihe gegeben und mit den wenigen ontogenetischen Angaben ver- glichen werden. Den Schluss der Abhandlung bilden Betrachtun- gen über die Stellung des Oculomotorius in der Reihe der Kopf- nerven, denen sich die Besprechung der Frage nach etwaiger Sen- sibilität einzelner Bündel des Oculomotorius anschliessen soll. Von einer eingehenden histologischen Untersuchung habe ich einstwei- len abgesehn; desgleichen wurde die Untersuchung der Ciliarner- ven sowie der übrigen Nerven der Orbita nur soweit durchgeführt, wie es zur Entscheidung der vorliegenden Frage nöthig war. Einige dabei gewonnene neue Resultate sollen am geeigneten Orte mitgetheilt werden. Methode der Untersuchung. Wenn es sich bei der Präparation der Kopfnerven, speziell der Nerven der Orbita überall um Grössenverhältnisse handelte, die einer Verfolgung der Ner- venbahnen mittelst des Scalpells keine wesentlichen Schwierigkei- ten in den Weg legen, so würde es vollständig überflüssig sein, noch ein Wort über die Art der Darstellung der zu beschreiben- den Nerven zu verlieren. Leider bieten aber die kleinen Dimen- sionen des Kopfnervensystems der Amphibien, der nächst den Se- lachiern für unsere Frage wichtigsten Klasse, der gewöhnlichen Technik grosse Schwierigkeiten dar, die selbst von dem ausge- zeichneten Fleiss und dem technischen Geschick Fischer’s!) nicht vollständig überwunden sind. Wird dies schon beim Frosch in unangenehmer Weise bemerkbar, so gilt es noch viel mehr für Salamandra maculosa. Hier dürfte die Verfolgung der Kopfnerven auf dem gewöhnlichen Wege gewiss nur wenigen Bevorzugten ge- lingen. Ich habe mich deshalb nach einer Methode der Präparation für diese Objecte umgesehen, die es ermöglicht, sei es noch mit unbewaffnetem Auge, sei es mittelst der Lupe, ohne gewaltsame; oft genug künstliche Trennungen mit dem Messer vorzunehmen, !) Amphibiorum nudorum neurologiae specimen primum. Bero- lini 1843. Bd. XII. N. F. 1,2. 12 178 G. Schwalbe, dem Verlaufe der Kopfnerven bei den genannten Amphibien mit Leichtigkeit zu folgen. Diesen Anforderungen genügt in vorzüg- licher Weise die bereits von Langerhans!) mit Erfolg für die Untersuchung des Nervensystems von Petromyzon Planeri sowie des Amphioxus verwerthete Maceration in zwanzigprocentiger Sal- petersäure. Es ist dasselbe Verfahren, welches von Reichert für die Isolirung quergestreifter Muskeln empfohlen wurde, ferner analog der von Kühne?) für die Isolirung der Muskelfasern aus- geübten Methode, die dann Owsjannikow?) für die Darstellung des Centralnervensystems von Amphioxus modificirt hat (Wasser, Alkohol und Essigsäure). Merkwürdiger Weise scheint sich diese von Langerhans geübte, so ausserordentlich erfolgreiche und leichte Methode bisher noch keiner allgemeinen Verbreitung zu erfreuen. So erklärt es sich, wenn dieselbe von Baudelot ganz kürzlich als vollständig neu angepriesen wird*). Aus diesem Grunde dürfte es zweckmässig sein, noch einmal auf die grossen Vorzüge dieser Methode aufmerksam zu machen. Wie Langer- hans legte ich die betreffenden Theile, entweder ganze Frösche und Salamander oder, als für meine speciellen Zwecke genügend, nur deren Köpfe, im frischesten Zustande sofort in 20procentige Salpetersäure und liess sie darin 2 bis 3 Tage verweilen, um sie dann einen Tag lang in Wasser auszuwaschen. Soll das Präparat zur Darstellung der Kopfnerven geeignet sein, so muss das Bin- degewebe, abgesehen von den zelligen und elastischen Elementen, vollkommen zerstört sein, sodass nun die Epidermis sich leicht in Fetzen ablösen lässt, und die einzelnen Muskelindividuen leicht von einander getrennt werden können. Sämmtliche verknöcherte Partien des Skelets sind vollständig zerstört; dagegen findet man sowohl im Gebiet der Wirbelsäule als des Schädels noch Knorpel- 1) Untersuchungen über Petromyzon Planeri. Freiburg i./Br. 1873. 8. 5 und: Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus, Archiv £. mikrosk. Anatomie Bd. XII. S. 295. 2) Ueber die peripherischen Endorgane der motorischen Nerven. Bu lt: 3) Ueber das Centralnervensystem des Amphioxus lanceolatus. Bul- letin de l’acad&mie imperiale des sciences de St. Petersbourg. T. XII. p. 287. 1868. 4) Procede relatif A la disseetion du systeme nerveux chez les poissons. Journal de Micrograpbie. T II. N. 1. Janvier 1878. p. 31: „Mais jusqu’ ä& present personne n’a songe, en s’appuyant sur ses proprietes, & faire de l’acide azotique un agent de disseetion pour l’ensemble du systeme nerveux.“ Das Ganglion oculomotorii. 179 reste, die sich aber mit Leichtigkeit ohne Zerstörung der Nerven herausheben lassen. Nirgends ist also für eine Verfolgung der Nerven mit Präparirnadeln oder kleinen spitzen Messerchen ein erheblicher Widerstand zu finden; Vieles fällt auch schon bei vor- sichtigem Schütteln in Wasser ab, und es gelingt so auf die eine oder andere Art das unversehrte schön conservirte Gehirn mit den sämmtlichen Kopfnerven bis in deren periphere Verzweigungen zu ge- winnen. Ja noch mehr: am peripheren Ende des Olfactorius erhält sich becherartig das Riechepithel, am Ende des Opticus die scha- lenförmige Retina, mit der Endausbreitung des Acusticus das häu- tige Labyrinth. Rathsam ist es indessen, mit dem Schütteln des Präparates vorsichtig zu sein, da mit den grösseren Muskeln auch deren Nerven häufig abreissen. Am sichersten ist deshalb die vorsichtige direkte Verfolgung der Nerven zwischen den weichen widerstandslosen Theilen, die hier um so leichter, erfolgreicher und sicherer ist, als man ja nie in die Lage kommen wird, Bindegewebsstränge als Nerven zu präpariren, da vom ganzen in- terstitiellen Bindegewebe nur die elastischen stets leicht erkenn- baren Gefässröhren erhalten bleiben. — Auf einen wichtigen Punkt muss ich indessen bei der Anwendung der geschilderten Methode noch aufmerksam machen. Die äussere Temperatur ist selbstver- ständlich von grossem Einfluss auf das Zustandekommen eines gut macerirten Präparates. Zur Sommerzeit gelingen deshalb die Ma- cerationen stets in der oben geschilderten einfachen Weise zu voll- kommener Zufriedenheit, nicht aber im Winter. Bei niederer Tem- peratur tritt im Gegentheil eine Erhärtung der Theile ein; die Objekte werden derb, lederartig. Man muss also im Winter die in der Salpetersäure liegenden Präparate erwärmen. Ich habe stets den erwünschten Erfolg, eine vorzügliche Zerstörung des Bindegewebes durch constantes Erwärmen der in der Salpetersäure befindlichen Objecte in einem Brütapparat auf 30 bis 40° C. er- zielt. Am geeignetsten dürfte sich zweitägiges Verweilen bei 35° C. herausstellen. Die mittelst Salpetersäure - Maceration dargestellten Gehirne, Rückenmark und Nerven lassen sich in absolutem Alkohol sehr gut conserviren, ohne dass sie in ihren Formverhältnissen wesentlich alterirt werden. Es eignen sich ferner die Nerven noch vortrefflich zur histologischen Untersuchung, indem sowohl Nervenfasern als Ganglienzellen deutlich erkennbar bleiben. Auch Baudelot) führt 1).1.!6:5P:18% 12% 180 G. Schwalbe, dies an und empfiehlt zum Zweck der histologischen Untersuchung dünnere Lösungen von 1:10 oder 1:15. Will man die heraus- präparirten Nerven noch färben, so ist es zweckmässig, dieselben zunächst einige Minuten mit absolutem Alkohol zu behandeln und dann auf die gewöhnliche Weise mit Karmin zu tingiren. Eignet sich somit die geschilderte Methode in vortrefflicher Weise zum Studium des peripheren Nervensystems, sowie der äusseren Formen des Gehirns und Rückenmarks, so sind damit noch nicht alle Vorzüge genannt. Thiere, die in der 20 procen- tigen Salpetersäure macerirt wurden, eignen sich viel besser als frische, auch zu jeder makroskopischen zootomischen Untersuchung, die sich auf die Anordnung des Muskelsystems und der Eingeweide bezieht. Da das Bindegewebe zerstört ist, hat man nirgends Schwierigkeiten bei der Präparation. Ich möchte dies Verfahren besonders auch zur Anfertigung von Präparaten für zootomische Sammlungen empfehlen. So lassen sich z. B. die Muskelsegmente des Rückens der Salamandra mittelst der Salpetersäure-Methode vorzüglich darstellen, indem einfach die Epidermis und deren Drüsen abzuheben sind; das Präparat kann dann in Alkohol con- servirt werden. Ein Nachtheil unserer Methode ist hier nicht zu verschweigen. Es scheint dieselbe nach meinen jetzigen Erfahrungen nur für frische Objekte, nicht für Alkohol-Präparate, verwendbar zu sein. Wenigstens sind die wenigen Versuche, die ich bisher an Präpa- raten aus Alkohol angestellt habe, insofern erfolglos geblieben, als zwar ebenfalls eine genügende Erweichung eintrat, dabei aber zugleich eine auffallende Brüchigkeit, die eine Darstellung der Nerven auf weitere Strecken nicht gestattete und auch für die mikroskopische Untersuchung sich nicht geeignet erwies, indem die Formelemente sich nicht mehr erhalten zeigten. Ob die Er- folglosigkeit meiner Versuche in dieser Richtung etwa durch mangelhafte Conservirung der Objekte bedingt war, müssen weitere Versuche zeigen, die ich fortsetzen werde. I. Beschreibender Theil. In diesem Abschnitt werde ich das auf die von mir aufge- worfenen Fragen bezügliche Material, nach den Hauptgruppen der Wirbelthiere übersichtlich geordnet, zusammenstellen, eigene und fremde Untersuchungen in gleicher Weise berücksichtigend. Leider Das Ganglion oculomotorii. 181 ist es mir hier in Jena nicht möglich gewesen alle zootomischen Specialarbeiten, die das zu behandelnde Gebiet berühren, zu durch- mustern. Dennoch glaube ich, alles Wesentliche gesammelt zu haben. Jedenfalls genügen die Beobachtungen früherer Forscher an Objekten, die von mir nicht untersucht wurden, um alle wesent- lichen Lücken, die etwa meine eigenen Beobachtungen noch lassen könnten, in der Stammesentwicklung des Ganglion ciliare auszufüllen. I. Cyclostomen. Leider habe ich noch nicht Gelegenheit gehabt, an dieser wichtigen Gruppe eigene Beobachtungen anzustellen. Ich hebe deshalb aus der neuesten Arbeit, von P. Fürbringert), die für unsere Frage wichtigen Thatsachen hervor. In derselben ist die ältere Literatur genügend berücksichtigt, so dass ich auf die- selbe nicht näher eingehe. Den Myxinoiden fehlen nach allen darüber vorhandenen Angaben mit der mangelnden Ausbildung des Auges die Augen- muskelnerven gänzlich. Möglich ist indessen immerhin, dass eine vervollkommnete Methode der Präparation, wie die oben be- schriebene, auch hier noch feine rudimentäre Nervenfäden aufzu- finden gestattet. Aus der Neurologie der Petromyzonten ist hervorzuheben, dass alle drei Augenmuskelnerven existiren, dass der Oculomotorius durch eine besondere Oeffnung, Trochlearis und Abducens dagegen gemeinschaftlich mit dem Trigeminus in die Orbita treten. Am Oculomotorius hat man zu unterscheiden: 1) einen Ramus posterior, der dem R. superior entspricht und den Muse. rectus superior innervirt; 2) einen Ramus anterior — R. inferior, bestimmt für die Musc. rectus anterior (medialis) und obliquus anterior. Fürbringer hat nachgewiesen, dass letzterer Muskel nicht, wie man bisher annahm (Schlemm und d’Alton, Stannius), dem Musculus obliquus superior der höheren Wirbelthiere entspricht, sondern dem Musc. obliquus inferior, so dass sich also der 3. Hirnnerv bei den Cyclostomen schon in derselben Weise verzweigt, wie beim Menschen, nur dass (nach den Angaben von Fürbringer) der Musc. rectus inferior nicht vom unteren Aste des Oculomotorius, sondern vom Abducens innervirt wird. Letz- terer versorgt ausserdem, wie in allen Wirbelthierklassen , den M. 1) Untersuchungen zur vergl. Anatomie der Muskulatur des Kopf- skelets der Cyclostomen. Diese Zeitschrift Bd. IX, 182 G. Schwalbe, rectus lateralis, während der Trochlearis den Musc. obliquus po- sterior (= superior) innervirt. Wenn nun auch noch Zweifel darüber möglich sind, ob die Nn. trochlearis und abducens von Ursprung an selbstständig sind (vergl. darüber P. Fürbringer l.c. p. 60), so ist die Selbst- ständigkeit des N. oculomotorius zweifellos sicher gestellt. Ciliarnerven werden in der Literatur weder bei der Be- schreibung des Oculomotorius noch des Trigeminus erwähnt, eben- sowenig ein Ciliarganglion, II. Fische. Eigene Untersuchungen habe ich hier vor allen an Selachiern angestellt, die mir in einigen gut conservirten Species zur Ver- fügung standen. In Betreff der Teleostier stütze ich mich einst- weilen auf Stannius’!) sorgfältige Angaben; Ganoiden und Di- pneusten bedürfen überhaupt in ihrem gesammten Kopfnerven-Sy- stem einer neuen Untersuchung, die ich aus Mangel an geeignetem Material bisher noch nicht anstellen konnte. a) Selachier. Die untersuchten Species sind: Acanthias vulgaris, Mustelus laevis, Scyllium catulus, Raja batis, Trygon pastinaca, Chimaera monstrosa?). Am leichtesten lassen sich die Augenhöhlen-Nerven bei Mustelus laevis verfolgen, den ich deshalb zunächst be- rücksichtigen will. Es ist hier der erste Ast des Trigeminus, der sog. Ramus ophthalmicus ein sehr zusammengesetztes Gebilde. Er entsteht 1) wie Gegenbaur?) auch für Hexanchus findet und abbildet, mit einem grossen Theile seiner Fasern aus der hinteren Wurzelportion des Trigeminus, und zwar der dorsalen Abtheilung derselben; 2) aus einem Theil der vorderen mehr ventral gelegenen Wurzelportion. So betheiligen sich also beide Portionen der Trigeminuswurzel an der Bildung des Ramus oph- thalmicus, was ich als allgemein bei den von mir untersuchten 1) Das peripherische Nervensystem der Fische, Rostock 1849. 2) Ein sehr gut conservirtes Exemplar von Chimaera monstrosa verdanke ich der Güte meiner Freunde der Herren O. und R. Hert- wig; die Köpfe der übrigen Selachier wurden in trefflich conservirtem Zustande aus der zoologischen Station in Neapel bezogen. 3) Ueber die Kopfuerven von Hexanchus und ihr Verhältniss zur Wirbeltheorie des Schädels. Diese Zeitschr. VI S. 501. Das Ganglion oculomotorii. 185 Selachiern vorkommend gleich hier hervorheben will. Allerdings ist es bei der ventralen vorderen Wurzel der kleinere Theil, welcher schräg nach oben und vorn innerhalb der Schädelhöhle aufsteigend sich zum Ramus ophthalmicus begiebt, während die Reste jener beiden Wurzelportionen sich zu dem gemeinsamen Stamme des Trigeminus verbinden. Die beiden Wurzelbündel des Ramus oph- thalmicus will ich hinfort als Radix dorsalis (posterior) und ven - tralis (anterior) ophthalmici bezeichnen. Bei Mustelus legen sie sich noch innerhalb des Cavum cranii innig an einander der Art, dass die Radix ventralis sich an der medialen und unteren Seite der grösse- ren Radix dorsalis befindet. Der gesammte Ramus ophthalmicus tritt sodann durch eine Oeffinung, die durch die Ursprünge der geraden Augenmuskeln von der für den Hauptstamm des Trige- ıninus bestimmten getrennt ist, in die Orbita. Sehen wir ab vom Abducens, der für unsere Betrachtungen übergangen werden kann, so nimmt die Eintrittsstelle des Ramus ophthalmicus den hintersten Platz von den Eintrittsstellen der Orbitalnerven ein. Schon bei Betrachtung der cranialen Seite des Ophthalmicus-Kanals nimmt man eine weitergehende Spaltung des in ihm enthaltenen zusam- mengesetzten Nerven wahr. Es gabelt sich nämlich die Radix ventralis in 2 ungefähr gleich starke Zweige, von denen sich sofort nach dem Eintritt in die Orbita der obere der unteren medialen Fläche des aus der stärkeren Radix dorsalis hervorge- gangenen Astes anschliesst und mit diesem unter dem medialen Rande des Orbitaldaches über sämmtlichen übrigen Inhaltstheilen der Orbita geradeswegs nach vorn zieht. Diesen demnach doppel- ten Zweig des N. ophthalmicus pflegt man als Ramus super- ficialis zu bezeichnen. Der andere tiefer gelegene, also untere Gabelast der Radix ventralis begiebt sich sofort nach ihrem Ein- tritt in die Orbita lateralwärts zum Anfangstheile der oberen Fläche des Musculus rectus medialis und dringt in der Nähe seines late- ralen hinteren Randes dicht hinter dem N. oculomotorius zwischen 2 Portionen des genannten Muskels hindurch in die Tiefe, um zum Ramus profundus zu werden. Dieselbe tiefe ventrale Wurzel des Trigeminus giebt dennoch sowohl zum Ramus super- fieialis ein Nervenbündel ab, als sie auch den gesammten Ramus profundus bildet. Beide Bestandtheile des Ramus superficia- lis, die ich als Portio major und minor bezeichnen will, bilden nun einen von beiden Seiten her abgeplatteten Stamm, innerhalb dessen sich aber der tiefere aus der ventralen Wurzel stammende Bestandtheil (Portio minor) stets mit Leichtigkeit bis zum vorderen 134 G. Schwalbe, Ende der Orbita und darüber hinaus von dem grösseren der ober- flächlichen Wurzel angehörigen (portio major) trennen lässt. Beide Bestandtheile verhalten sich auch insofern verschieden, als nur der letztere es ist, der 1) die bekannten Rami frontales, 2) einen Zweig zu der oberhalb des Auges gelegenen Haut (man könnte ihn Ramus palpebralis nennen) und 3) gleich am Anfange der Orbita einige Rami adiposi zu dem fetthaltigen Bindegewebe am Dach der Orbita entsendet. Aus der Portio minor entspringt innerhalb der Orbita nur ein Nerv, nämlich ein feiner Verbindungszweig zu dem unter ihm eintretenden Trochlearis und zwar zur peripheren Bahn des letzteren. Am vorderen Ende der Orbita angekommen, ge- langen nun beide Bestandtheile des Ramus superficialis in einer Rinne auf der Oberfläche des knorpligen Craniums bis zu einer vor dem Geruchsorgan gelegenen Frontalebene, wo sie sich nun- mehr mit einem Theile ihrer Fasern inniger verbinden und zu gleicher Zeit einen anderen Theil nahezu rechtwinklig divergiren lassen. Es ist dies die Stelle, welche gewöhnlich (vergl. Gegen- baur, Kopfnerven von Hexanchus S. 504) als Theilung des Ramus ophthalmicus beschrieben wird. Es lässt sich aber leicht zeigen, dass an dieser Thejlung die Portio major nicht participirt, sondern in derselben Richtung mit ihrer ganzen Fasermasse zur Schnauzen- spitze (Rostrum) weiter zieht. Es ist also nur die Portio minor, welche sich theilt und zwar nahezu unter einem rechten Winkel in einen vorderen Ast, der in inniger Verbindung mit der Portio major zur Schnauzenspitze verläuft und einen lateralen, der sich in der Haut der Nasenkapsel ausbreitet. Wir haben vorhin den Ramus profundus bei seinem Durch- tritt durch den Musculus rectus superior verlassen, dessen Lücke er hinter dem N. oculomotorius passirt. Er gelangt so mit letz- terem in den unter den Musculi rectus superior und medialis be- findlichen Raum und trifft hier alsbald auf den Oculomotorius, mit dem er scheinbar sich innig verbindet (Fig. 11 bei a). Diese Ver- bindung ist aber in der That nur eine scheinbare durch derbes Bindegewebe bedingte. Der gesammte Ramus profundus ophthal- mici verläuft dabei über dem Oculomotorius nach vorn, ohne mit letzterem einen Faseraustausch einzugehen. Noch eine andere Verbindung ist hier störend. Kurz vor der Kreuzung mit dem Oculomotorius entsendet der Ramus profundus einen ansehnlichen Ramus ciliaris (Fig. 11 r. c.). Derselbe legt sich aber lateral zunächst eine Strecke weit dem Oculomotorius innig an, sodass es scheinen könnte, als wenn sein peripheres zum Bulbus ziehen- Das Ganglion oculomotorii. 185 des Ende aus dem Oculomotorius entstehe. Aber auch hier lässt sich bald zeigen, dass es sich nur um eine Anlagerung handelt, dass jener starke Ciliarnerv in der That aus dem Trigeminus entspringt und sich innerhalb des Augenmuskelkegels als hinterer Ciliarnerv oberhalb der Horizontale des Opticuseintritts in die Sclera einsenkt, zuvor in 2 bis 3 feine Zweige gespalten. Nach Abgabe dieses Ramus ciliaris, nach der Kreuzung ferner mit dem Oculomotorius zieht nun der Ramus profundus über Augenstiel und Opticus, unter den Musc. rectus medialis und obliquus superior zur vor- deren Wand der Orbita, während seines Verlaufes an der medialen Fläche des Bulbus oculi dieser nur durch lockeres Bindegewebe angeheftet. An der vorderen Wand der Orbita angelangt, betritt er einen eigenen etwa 12 Mm.!) langen Kanal, der den Nerven in sanft aufsteigender Richtung zur oberen Fläche der Ethmoidal- region gelangen lässt, wo er eine Strecke weit unter dem Ramus superficialis parallel mit diesem nach vorn verläuft und kurz vor dessen Endtheilung sich ebenfalls in einen vorderen und lateralen Zweig spaltet, von denen der erstere sich dem Rostralzweige des Ramus superficialis, der letztere dagegen dem lateralen oder Eth- moidalzweige anschliesst und dieselben verstärkt. Der N. oculomotorius betritt bei Mustelus durch eine be- sondere etwa 4 Mm. nach vorn vom Orbitalloche des Ophthalmicus und etwa ebensoweit ventralwärts, also tiefer gelegene Oeffnung die Augenhöhle, verläuft sofort auf der oberen Fläche des M. rectus medialis zu dem vorhin bei der Beschreibung des Ramus profun- dus ophthalmici erwähnten Schlitz, durch welchen er in den Raum innerhalb des Augenmuskelkegels gelangt. Zuvor giebt er in fol- gender Reihenfolge 3 Zweige ab: 1) zur oberen Fläche des M. rectus medialis, 2) einen feinen langen Ramus ciliaris, der vor dem Ramus ciliaris trigemini ungefähr in derselben Horizontalebene wie dieser in die Sclera eintritt, 3) den Zweig zum Musc. rectus superior. Innerhalb des Augenmuskelkegels angelangt, wird er, wie oben schon besprochen wurde, durch festes Bindegewebe an den Ramus profundus ophthalmici geheftet, geht in Wahrheit aber unter diesem lateralwärts und ein wenig nach vorn. So gelangt er zum hintern Rande des Musculus rectus inferior, unter welchem Muskel, diesem Zweige abgebend, er nunmehr in gerader !) Diese und die folgenden Maasse beziehen sich auf ein Exem- plar, welches von der Schnauzenspitze bis zur Frontalebene des Spritz- loches 10 Ctm. maass, 186 G. Schwalbe, Richtung über dem Boden der Orbita nach vorn verläuft. Dabei liegt er ferner auch unter dem Augenmuskelstiel und dem Opticus und endet endlich im Musc. obliquus inferior. Der Trochlearis endlich tritt durch eine noch weiter nach vorn gelegene gesonderte Oefinung in die Orbita. Diese Oeffnung liegt etwa in derselben Horizontalebene wie das Foramen ophthal- mici, aber 11 Mm. vor demselben, und zugleich in nahezu dersel- ben Frontalebene mit dem nahe dem Boden der Orbita eintreten- den Opticus. Nachdem er (s. oben) ein Verbindungsfädchen von der Portio minor rami superficialis erhalten hat, wendet er sich zur Mitte der oberen Fläche des Musculus obliquus‘ superior, während seines orbitalen Verlaufes unter dem Ramus superficia- lis ophthalmiei gelegen. Den Verbindungsfaden vom Trigeminus zum Trochlearis habe ich wie Miklucho!) auch bei Seyllium gesehen. Ich will hier gleich eine andere Bemerkung in Betreft des N. trochlearis anschliessen, die mir für seine Auffassung von Wichtigkeit zu sein scheint. Bei Scyllium catulus überzeugte ich mich (vergl. Fig. 9 s.) mit aller Bestimmtheit vom Vorhandensein eines feinen Zweiges, den der Trochlearis noch innerhalb der Schä- delhöhle kurz vor der cranialen Oeffnung seines Austrittskanales nach vorn zum benachbarten Endocranium entsendet. Dieser Zweig, dessen Nervennatur ich übrigens durch mikroskopische Untersuchung sicher gestellt habe, kann seiner Endigung nach nur ein sen- sibler sein! Ich habe diesen Zweig in ähnlicher Weise bei Raja gefunden, bei Mustelus aber nicht konstatiren Können. Hat man sich nun einmal dies Schema der Augenhöhlennerven bei Mustelus eingeprägt, so ist es nicht schwer, die Verhältnisse bei anderen Selachiern aufzufassen, die zur ersten Untersuchung sich weniger eignen, weil einige der genannten Zweige so fein sind, dass man sie leicht ohne vorherige Kenntniss übersehen wird. Ich will als ein zweites extremes Beispiel an der Hand der Fig. 9 noch kurz die Verhältnisse bei Scyllium catulus beschreiben, die sich an die von Gegenbaur bei Hexanchus gefundenen viel näher anschliessen. Ramus ophthalmicus. Er entspringt auch hier mit 2 Wurzeln, einer hinteren Radix dorsalis und einer vorderen Radix ventraliss. profunda (Fig. 9 V,1.a und b). Dieselben betreten aber die Orbita nicht durch einen gemeinschaftlichen Kanal, sondern durch 2 hinter einander liegende Oefinungen, die !) Diese Zeitschrift Bd. IV, 8. 556. Das Ganglion oculomotorii. 187 durch eine etwa 3 Mm.!) weite Knorpelbrücke getrennt wurden. Die vordere dieser Oeffnungen dient für die vordere tiefe, die hintere für die hintere dorsale Wurzel; letztere Oeffnung liegt zu- gleich in einer etwas höheren Horizontalebene als erstere. Beide Wurzeln sind in der Orbita noch eine Strecke weit getrennt, legen sich dann aber in der bei Mustelus besprochenen Weise als Portio minor und major des Ramus superficialis ophthalmiei an einander. Der weitere Verlauf unter dem medialen Rande des Orbitaldaches ist der bekannte. Von der Portio major sah ich die Rami fron- tales, einen Ramus palpebralis (vergl. oben Mustelus) und einen feinen Faden (Fig. 9 rechts) entstehen, den ich für einen Ramus eiliaris halte; da er auf der Oberfläche der Sclera verschwand. Die Portio minor vermittelt die Verbindung mit dem unter dem gesammten Ramus superficialis gelegenen N. trochlearis, dessen Kanal sich in dem untersuchten Falle 7 Mm. nach vorn vom Ka- nale der Radix ventralis befand. Auf das Verhalten beider Por- tionen des Ramus superficialis auf der Oberfläche der Ethmoidal- region, zu der sie in einer Rinne gelangen, brauche ich nicht näher einzugehen, da Figur 9 diese in Allem mit dem Befunde bei Muste- lus übereinstimmenden Verhältnisse deutlich wiedergiebt. Wir haben aber auch bei Scyllium einen Ramus profun- dus ophthalmici. Derselbe (Fig. 10 r. 0. p.) entsteht schon innerhalb der Schädelhöhle aus der Radix profunda ophthalmiei (r. p.) und verläuft als ein feiner Nervenzweig durch ein eigenes Kanälchen in der Schädelwand zur Orbita, welches Kanälchen etwa in der Mitte zwischen beiden Ophthalmicuskanälen und zwar tiefer wie der hintere derselben gelegen ist. In der Orbita zieht dieser Faden zu einer Spalte nahe dem hinteren Rande des Mu- sculus rectus superior und verbindet sich alsbald mit dem durch diese Spalte in das Innere des Augenmuskelkegels eintretenden Oculomotorius (bei a Fig. 10). Der letztere (III) zieht ebenfalls durch eine besondere unterhalb des vorderen Ophthalmicus-Kanals gelegene Oeffnung in die Augenhöhle, wendet sich über die obere Fläche des Musc. rectus medialis und superior hinweg nach hinten und tritt durch den genannten Schlitz des letzteren Muskels in die Tiefe (Fig. 9 links), dabei jenen Faden des Trigeminus auf- nehmend. Während dieses ersten Theiles seines Verlaufes giebt er die Zweige 1) für den Musc. rectus medialis, 2) für den Muse. l 1) Die Maasse beziehen sich auf ein Exemplar, dessen Kopflänge (bis zur Frontalebene des Spritzloches) 6'/, Ctm. betrug. 188 ° "G. Schwalbe, rectus superior ab. Innerhalb des Augenmuskelkegels angelangt, spaltet er sich hinter dem hinteren Rande des Musc. rectus infe- rior scheinbar wieder in 2 Zweige. Der eine, der eigentliche Oculo- motorius tritt nach Abgabe eines Ramus ciliaris (c) unter den Muse. rectus inferior, giebt diesem Zweige ab und verläuft hart unter dem Augenstiele und Opticus zum Musc. obliquus inferior, in welchem er endet. — Der andere Zweig entsendet zunächst einen Ramus ciliaris (c), tritt dann in die Sclera ein, verläuft innerhalb derselben, aber oberhalb des Sehnerven eine Strecke weit nach vorn, um wieder auszutreten (r. o.'p“) und die vor- dere Wand der Orbita oberhalb des Ursprungs des Muse. obliquus inferior zu erreichen und in einen Kanal derselben einzutreten. ‘Es hat also dieser scheinbare Zweig des Oculomotorius ganz den Verlauf des Ramus ophthalmicus profundus und geht zweifellos aus dem vorhin erwähnten mit dem Oculomotorius sich vereinigen- den Verbindungsfaden der Radix profunda ophthalmiei hervor, sodass also auch hier nur eine Anlagerung stattfinden dürfte. In- dessen habe ich hier nicht genau auf die feineren Verhältnisse geachtet. Auffallend bleibt, dass der zur Sclera tretende nach Art eines Ramus profundus verlaufende Zweig dicker ist als der Ramus communicans. Es schien mir jedoch diese Verdickung ledig- lich auf Rechnung des Bindegewebes zu kommen. Einen ana- logen Verlauf, wie ich ihn eben vom Ramus ophthalmicus profun- dus für Scyllium catulus beschrieben habe, beobachtete Gegen- baur bei Hexanchus !). Endlich habe ich noch Raja und Chimaera eingehender auf den Verlauf der Augenhöhlennerven untersucht. Bei beiden ist der Ramus profundus wieder von grösserer Stärke, an die Ver- hältnisse bei Mustelus erinnernd, bei beiden verläuft er unter M. rectus oculi superior, medialis und obliquus superior, über Augen- stiel und Opticus zu einem Kanal, der an der vorderen Wand der Orbita beginnt. Eine intraoculäre Verlaufsstrecke fehlt wie bei Mustelus, und ein gleiches Verhalten zeigen nach Stannius?) auch Spinax, Carcharias und Torpedo. Der Oculomotorius dagegen gelangt bei Raja um den hinteren Rand des Musc. rectus superior 1) Von einer Anschwellung, die derselbe hier innerhalb des Bul- bus bildet, vermuthet Gegenbanur |. e. $S. 503, dass sie vielleicht ein Ciliarganglion repräsentire. Aus meiner weitern Beschreibung geht hervor, dass man das Ciliarganglion bei Selachiern an einer ganz anderen Stelle, nämlich am Oculomotorius zu suchen hat. 2) 1:70.36, u Das Ganglion oculomotorii. 189 herum zum M. rectus inferior, unter welchem er nach Abgabe kurzer Fäden an denselben, unterhalb des Sehnerven zum Musc. obliquus inferior verläuft. Bei Chimaera endlich (Fig. 12) findet sich die Eigenthümlich- keit, dass hier in Folge der weiten Entfernung des vorn unter dem Musc. obliquus superior entspringenden Musc. rectus medialis der Zweig zu letzterem (r. med.) ebenso lang ausgezogen erscheint, wie die Fortsetzung des Oculomotorius zum Musc. obliquus inferior. So kommt es, dass der Oculomotorius unmittelbar nach seinem Ein- tritt in die Orbita sich in 3 Zweige theilt, einen kurzen für den Muse. rectus superior (r. s.), einen Jangen für den Musc. rectus medialis (r. med.) und den Endast, der auf seinem Wege unter dem Musc. rectus inferior diesen versorgt (r. i.) und weit vorn im Muse. obliquus inferior endet. Ganz ähnlich wie bei Chimaera verbält sich nach Stannius’!) Abbildung der Oculomotorius bei Calorhynchus. Soviel über Verlauf und Anordnung der Augenhöhlennerven der Selachier. Ich habe dabei absichtlich nicht vom Ciliarganglion geredet, um die von mir gefundenen Thatsachen in Betreff dieses letzteren übersichtlich zusammenfassen zu können. Nach Stan- nius?) fehlt das Ciliarganglion den Plagiostomen vollständig. An einer anderen Stelle ®) sagt derselbe von der histologischen Struk- tur der Augenmuskelnerven sogar ausdrücklich: „Nie finden sich in den Augenmuskelnerven gangliöse Elemente.“ Ich war daher sehr erfreut, meine Ansicht, die ich mir in Betreff der Selbst- ständigkeit des N. oculomotorius gebildet hatte, gleich bei der ersten Untersuchung eines Haifisches (Acanthias) bestätigt zu finden. Sämmtliche von mir untersuchte oben aufgezählte Selachier liessen eine Ansammlung von Ganglienzellen an bestimmten Stellen der Oculomotorius-Bahn und daneben auch einzelne zerstreute Gang- lienzellen erkennen, diesem Nerven an- oder eingelagert. Ein Ganglion oculomotorii ist hier also in schönster Weise zu demon- striren. Beim Niederschreiben dieser Abhandlung finde ich nach- träglich, dass ein Forscher allerdings schon bei einem Selachier, Raja clavata, einen Theil dieser Ganglien gesehen hat. Es ist dies Bonsdorfft), der in seiner Arbeit nicht allein eine genaue 1), 1ıre. Tafel I. a) ])..0.,8..40. 3) ibidem 8. 20. 4) Jemförande anatomisk beskrifning of cerebral nerverna hos Raja clayata. Acta societatis scientiarum Fennicae Tomus V, 1858, p. 188, 190 G. Schwalbe, Beschreibung der Cerebralnerven von Raja liefert, sondern aus- drücklich ein dem Zweige des Oculomotorius für den Musc. obli- quus inferior angelagertes sehr kleines !/, Mm. breites Ganglion beschreibt, das er als Ciliarganglion deutet. Er überzeugte sich davon, dass es wirklich Ganglienzellen enthielt. Leider übertrug er sofort wieder das Arnold’sche Wurzelschema auf dieses Ganglion und glaubt sich nicht nur von der Existenz einer kurzen moto- rischen Wurzel, sondern auch einer äusserst feinen Wurzel vom Trigeminus überzeugt zu haben. Das Vorkommen einer sympathi- schen Wurzel lässt er allerdings fraglich. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Bonsdorff hier wirklich das Ganglion gesehen hat. Ich verfuhr, um es in seinen Beziehungen zum Oculomotorius deutlich zu machen, der Art, dass ich nach sorgfältiger Präpa- ration der Nerven den gesammten Oculomotorius mit seinen Aesten aber ohne die Muskelenden der letzteren, herausschnitt, total mit Karmin färbte und dann einige Tage in Glycerin macerirte, um das umhüllende Bindegewebe abstreifen zu können. Bei dieser Gelegenheit lösten sich auch zugleich die scheinbaren Verbindungen mit dem Ramus ophthalmicus profundus, und es musste überhaupt Alles abgestreift werden, was nicht dem Oculomotorius selbst an- gehörte. Trotz dieser Manipulationen, durch welche ein nicht dem Oculomotorius angehöriges Ciliarganglion sicher entfernt wäre, gelang es mir nun überall, an einer, zwei oder sogar drei Stellen Ganglienzellengruppen dem Oculomotorius dicht an- oder eingelagert zu finden. Am reichlichsten fand ich dieselben bei Seyllium. Es bestanden hier (Fig. 1) drei solche Ansammlungen. Die erste bildete einen seitlich auf der Oberfläche des Nerven auf- sitzenden Hügel (Fig. 1 a) gegenüber den hier sich vom Stamme abzweigenden Fäden für den Musc. rectus inferior. Von der Spitze des Hügels erhebt sich ein aus dünnen Nervenfasern zusammen- sesetztes kurz abgerissenes Stämmchen. Die Länge dieses Hügels betrug 0,88 Mm., die Breite 0,44 Mm. Mit ihm unmittelbar ver- bunden durch einen feine Nervenfasern und einzelne Ganglienzellen enthaltenden Faserzug ist eine auf der entgegengesetzten Seite des Nervenstammes gelegene kleine Ganglienzellen-Gruppe, die ich als abgelöste Partie des ersten Ganglions betrachte (Fig. 1a’). Die zweite Ganglienanusammlung (Fig. 1 b) erhebt sich kaum über das Niveau des Oculomotorius, ist vielmehr als eine 1,2 Mm. lange, in der Mitte leicht eingeschnürte dünne Schicht der Oberfläche auf- gelagert. Sie entspricht ungefähr der Stelle, wo der Nerv sich mit der Art. ophthalmica magna kreuzt in etwa 3 Mm. Entfernung vom ersten Das Ganglion oculomotorii. 191 Ganglion, und entsendet einige feine Aestchen. Das dritte Gang- lion endlich (Fig. 1 c) liegt 3,5 Mm. weiter peripher und bildet einen 0,9 Mm. langen, 0,2 Mm. breiten spindelförmigen Körper, der kaum über das Niveau des Oculomotorius hervorragt, centralwärts in ein durch feinere Fasern ausgezeichnetes Bündel sich fortsetzt, peripher dagegen in 2 sich bald von der Oberfläche des 3. Hirn- nerven abhebende anfangs noch mit Ganglienzellen besetzte Nerven ausläuft, die ebenfalls aus feineren Nervenfasern bestehen. Bei Mustelus erhielt ich (Fig. 2) eine en face Ansicht des ersten Ganglions durch Compression des Nerven, die ich behufs totaler Durchmusterung desselben anstellte. Ich fand hier über- haupt nur 2 Ganglien. Das erste grössere (Fig. 2 a) lag an der Stelle, wo der Oculomotorius die Fäden für den Musc. rectus in- ferior entsendet, und bedeckte hier den Nerven in einer Ausdeh- nung von 1,6 Mm. Einzelne dünne, aus feinen Nervenfasern be- stehende Nervenfäden entstanden aus der Ganglienansammlung. In 0,8 Mm. Entfernung peripher von dieser, also an dem für den Musc. obliquus inferior bestimmten Aste befand sich (Fig. 2 b) ein zweites kleines Ganglion von 0,96 Mm. Länge und 0,4 Mm. Breite, ganz nach Art des 3. Ganglions von Scyllium in ein aus feineren Fasern bestehendes Bündel eingeschaltet, das auch jenseits des Ganglion noch nicht sofort die Oculomotoriusbahn verlässt. Bei Chimaera fand ich nur dies letztere Ganglion in weit nach vorn gerückter Lage. Es liegt hier als 0,5 Mm. langes, 0,123 Mm. breites spindelförmiges Ganglion (Fig. 3 c) an dem für den Muse. obliquus inferior bestimmten Aste und zwar an der in Fig. 12 mit g bezeichneten Stelle, in 9 Mm. Entfernung vom Ab- gange des Nerven für den Musc. rectus inferior. Es verhält sich bei Chimaera mit seinem aus feineren Fasern bestehenden Strange zu dem dickeren und aus breiten Fasern aufgebauten übrigen Theile des Oculomotorius, morphologisch ganz so wie eine hintere Wurzel mit ihrem Ganglion zu der vorbeipassirenden vorderen Wurzel. Die für die Breiten der Nervenfasern gefundenen Maasse sind bei Chimaera: 4 u für die feinen Fasern des Ganglienstranges, 16 « für die gröberen des vorbeiziehenden Nerven. Ganz dieselben Zahlen erhielt ich für die entsprechenden Faserkategorien bei Scyllium catulus. Auch bei Raja und Trygon habe ich mich von der Existenz eines Oculomotorius-Ganglions überzeugt. Es liegt hier am Ramus ad obliguum inferiorem gleich nach Abgabe des Zweiges zum Musc. rectus inferior, 192 G. Schwalbe, Was nun endlich die Ganglienzellen betrifft, so fällt zunächst auf, dass sie zu den kleineren Formen gehören. Sie erscheinen meist kuglig oder kurz oval und sind bei Chimaera 24 u breit, 28—36 u lang, bei Raja 24—32 u breit, 32—44 u lang; endlich bei Sceyllium fand ich den kurzen Durchmesser 28—32 u, den langen bis 48 u. Es weichen also die für die einzelnen Formen erhaltenen Zah- len nicht wesentlich von einander ab. Eine ebenso grosse Ueberein- stimmung zeigen die Ganglienzellen in ihren Strukturverhältnissen. Dass sie stets von einer kernreichen Scheide umgeben sind, lässt sich leicht zeigen (vergl. Fig. 7 von Sceyllium). Dieselbe erschwert sehr das Aufsuchen der Fortsätze. Da ich einer speziellen Histo- logie des Ganglions meine Zeit nicht widmen konnte, so vermochte ich bei flüchtiger Untersuchung nur zu constatiren, dass die Zellen im grössten Theile ihres Umfanges eine geschlossene Scheide be- sitzen; an einer Stelle dagegen öffnet sich die Scheide und lässt einen Fortsatz hervortreten (Fig. 7 A), der zuweilen sich sofort wieder in 2 zu spalten schien (Fig. 7 B). Die Fortsätze erschei- nen deutlich fibrillär. Wenn also auch hier gewöhnlich von der Zelle sich zunächst nur ein Fortsatz entwickelt, demnach also diese Nerven als unipolar zu bezeichnen wären, so scheinen sie doch früher oder später in 2 Nervenfasern auseinander zu weichen in ähnlicher Weise wie es Freud!) kürzlich für die. Zellen der cau- dalen Spinalganglien von Petromyzon gezeigt hat. Hier fand Freud alle Uebergangsformen von der unipolaren Zelle, deren Fort- satz sich erst in grösserer Entfernung von der Zelle in zwei theilt (tube en T von Ranvier), bis zur oppositipolen Zelle, welche bekannt- lich für die Spinalganglien der meisten Fische charakteristisch ist. Endlich noch einige Worte über die Kerne dieser Ganglien- zellen mit Rücksicht auf die jetzt viel diseutirte Frage der Kern- struktur. Scyllium und Chimaera sind in dieser Beziehung extreme Formen. Während nämlich Chimaera das bekannte Bild der Gang- lienzellkerne mit scharfem Contur, hellem Inhalt und einfachem schönem kugeligen Kernkörperchen gewährt, zeigen die 0,016 Mm. im Durchmesser haltenden Kerne der Ganglienzellen von Scyllium oft kein distinctes Kernkörperchen, wohl aber ein schönes Kern- gerüst in ganz ähnlicher Weise wie es neuerdings besonders von Flemming?) beschrieben und abgebildet ist. Die Abbildung Fig. 7 !) Veber Spinalganglien und Rückenmark des Petromyzon. Sitzungsber. der Wiener Academie Bd. 78, III. Abth. Juli-Heft. ?) Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserschei- nungen, Archiv f. mikrosk. Anat. XVI, S. 302 ff. Das Ganglion oculomotorii. 193 überhebt mich jeder eingehenden Beschreibung. Auf eine histo- logische Deutung dieser Befunde einzugehen, ist hier nicht der Ort. In Fig. 7 A ist neben dem Kerngerüst ein Kernkörperchen er- kennbar, das jedoch nur eine stärkere Ansammlung derselben Sub- stanz darstellt, aus welcher das Kerngerüst besteht. Endlich sei noch erwähnt, dass die gröberen Nervenfasern ausserordentlich leicht die Schmidt-Lantermann’schen Mark- segmente zeigen. An allen Alkohol-Präparaten waren dieselben ausserordentlich deutlich. Es erschienen die betreffenden Fasern dadurch geradezu ziemlich dicht quergestreift, was dem ganzen Nervenstamm ein eigenthümliches Ansehen verleiht. Auch bei den Knochenfischen gelang mir die Darstellung jener Marksegmente sehr leicht nach Behandlung der frischen Köpfe mit !/, Wasser, !/, Salzsäure. Spült man diese Nerven in Wasser ab, so ergeben sich die zierlichsten Bilder, von denen eines in Fig. 8 dargestellt ist. Man erkennt, da das Mark zerstört ist, den Axencylinder und diesen in seinem ganzen Verlauf von trichterförmigen Man- schetten umgeben; dieselben bestehen aus einer feinkörnig geron- nenen Substanz, die wahrscheinlich als Rest der die Marksegmente verkittenden Substanz aufzufassen ist. Es ergiebt also diese Methode für die markhaltigen Nervenfasern der Fische ähnliche Anschau- ungen, wie sie kürzlich L. Gerlach!) durch Anwendung der Silbernitrat-Methode gewonnen hat. Die feinen Nervenfasern des Oculomotorius endlich lassen eine schöne mit Kernen besetzte Scheide erkennen, haben einen deutlich fibrillären Axencylinder und scheinen des Nervenmarks zu entbehren. Doch waren sichere Aufschlüsse über diesen Punkt an meinem Spiritus-Material nicht zu erhalten, und sind demnach noch Beobachtungen an frischem Material abzu- warten. b) Teleostier. Ein Fehlen sämmtlicher oder einiger Augenmuskelnerven ist hier nirgends beobachtet, nach Stannius?) wohl bei Amblyopsis zu vermuthen; möglichenfalls sind sie aber auch hier als feinste rudimentäre Fäden nachzuweisen. Ihre Stärke steht überhaupt im Allgemeinen im Verhältniss zur Stärke der Augenmuskeln und 1!) Tageblatt der 51. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Cassel 1878, S. 262. alte. pl 18. Ba. XI. N. F. VI, 2. 13 194 G. Schwalbe, diese wieder zur Grösse des von ihnen zu bewegenden Organes, des Bulbus oculi. Sehr fein sind die Augenmuskelnerven bei Si- lurus glanis. Der Oculomotorius verlässt hier durch eine eigene Oeffnung die Schädelhöhle. „Die feinen Wurzeln der Nn. trochlea- ris und abducens treten aber sogleich an den N. trigeminus heran, sodass man die Nerven zum M. obliquus superior und M. rectus externus, wenn man nicht ihre Wurzeln und deren Ursprungs- stätten untersucht hat, für Zweige des R. primus n. trigemini halten muss.“ (Stanniusl. c. p. 19). Die Innervation der Augenmuskeln erfolgt durch die > Nerven in gewöhnlicher Weise, sodass also dem 3. Hirnnerven, der sich ebenfalls in oberen und unteren Ast theilt, die Mm. re- ctus superior, rectus medialis, rectus inferior und obliquus inferior zufallen, dem 4. Hirnnerven der Musc. obliquus superior, dem 6. der Musc. rectus lateralis. Die Ciliarnerven erscheinen auch bei den Teleostiern noch in geringer Zahl. Constant sind zwei Rami ciliares vorhanden, von denen der eine, von Stannius!) als Ramus ciliaris longus bezeichnet, nur aus dem Trigeminus, der andere, Ra- mus ciliaris brevis hauptsächlich vom Oculomotorius und zwar von dessen unterem Aste stammt, überdies aber in der Mehr- zahl der Fälle noch einen Wurzelfaden (Radix longa) aus dem Trigeminus erhält. Wo letzterer sich mit dem Ramus ciliaris brevis vereinigt, findet sich nach Stannius ein Ciliarganglion, aus dem 2 dünnere Fäden oder ein etwas stärkerer Nerv hervorgehen, um neben dem N. opticus in den Bulbus zu treten. Nur bei Salmo und Coregonus wurde, übereinstimmend mit den bei Selachiern geschilderten Verhältnissen, die lange (Trigeminus-Wurzel) des Ganglion ciliare vermisst und merkwürdiger Weise vermochte hier Stannius kein Ciliarganglion nachzuweisen. Der Ursprung des Ramus ciliaris longus aus dem Trigeminus kann in sehr verschiedener Weise stattfinden. 1) Es kann ein Trun- cus ciliaris, wie bei der Gattung Trigla, selbstständig aus der Me- dulla oblongata hervorgehen. Derselbe betheiligt sich nicht an der Bildung des Ganglion Gasseri, schwillt vielmehr zu einem eigenen (Ganglion an und entsendet sowohl den Ramus ciliaris longus, als die lange Wurzel des Ramus ciliaris brevis. Da an der Verbindungs- stelle des letzteren mit der Radix longa sich ein Ganglion findet, so hat der Truncus ciliaris von Trigla zwei Ganglien. Es ist Sleep. 09. Das Ganglion oculomotorii. 195 jedoch nicht statthaft, beide mit Stannius als Giliarganglien zu bezeichnen, da offenbar das erste grössere einer abgelösten Portion des Ganglion Gasseri entspricht. — 2) Bei den meisten Knochen- fischen entsteht der Ramus ciliaris longus aus dem Ganglion Tri- gemini dicht neben dem Ramus ophthalmicus und giebt dann spä- ter die Radix longa ab. — 3) Die Abzweigung des Ramus cilia- ris longus erfolgt vom Ramus ophthalmicus, wie in der Gattung Salmo. Der Eintritt des Ramus ciliaris longus in den Bulbus oculi findet bei den Knochenfischen im Zwischenraum zwischen den Mm. rectus externus und superior neben der Insertionsstelle des letzteren statt. Verbindungen des Ciliarnervensystems mit dem Sympathicus sind bei Teleostiern mehrfach beobachtet: mit dem Truncus ciliaris bei Trigla, Cottus, Belone, Gadus; mit dem Giliarganglion bei Scomber, Cyelopterus und Esox. c) Ganoiden. Sehr mangelhaft sind unsere Kenntnisse der Augenmuskelner- ven und Ciliarnerven der Ganoiden. Bei Accipenser sind alle 3 Nerven selbstständig vorhanden und haben dasselbe Innervations- gebiet, wie bei Selachiern und Teleostiern; das Gleiche gilt für Polypterus nach den Abbildungen von J. Müller). Bei Lepi- dosteus sollen nach J. Müller?) der Oculomotorius und Troch- learis aus dem Ramus ophthalmieus trigemini entspringen. Wahr- scheinlich handelt es sich hier aber nur um eine innige Anlage- rung beider Nerven während des Durchtritts durch eine gemein- schaftliche Oeffnung. Wenigstens ist es mir gelungen, bei Le- pidosteus bison einen selbstständigen Ursprung des Oculomotorius und Trochlearis aus dem Gehirn nach- zuweisen, worüber an einem anderen Orte berichtet werden soll. In Betreff der Ciliarnerven und des Vorkommens oder Feh- lens eines Ciliarganglions ist wenig bekannt. Nach Stannius entsteht der Ramus ciliaris trigemini, wie bei den Selachiern und bei Salmo, beim Stör aus dem Ramus ophthalmicus selbst und durchbohrt, wie bei den Knochenfischen die Sclera in dem Zwi- schenraum, der die Mm. rectus externus und superior trennt und zwar neben der Insertionsstelle des letzteren Muskels. Ob ein Ciliarganglion beim Stör vorkomme, sagt Stannius nicht. 1) Ueber den Bau und die Grenzen der Ganoiden. Abhandlun- gen der Berliner Academie 1844. Tafel III Fig. 1. 2) ]. c. 8. 213. Tafel IV ,Fig..2. 13% 196 G. Schwalbe, d) Dipnoi. Hier sind unsere Kenntnisse noch gänzlich ungenügend. Da Günther’s Arbeit über Ceratodus!) leider nichts über Nerven berichtet, sind wir auf die Angaben von Hyrtl?) und Hum- phry?) über die Kopfnerven von Lepidosiren angewiesen. Nach beiden Forschern finden sich hier nur die 4 geraden Augenmus- keln und sollen die speciellen Augenmuskelnerven (3., 4., 6. Paar) einfach fehlen. Hyrtl vermuthet, dass 2 feine Zweige, welche vom Ramus ophthalmieus trigemini zur Faserkapsel des sehr klei- nen Auges gehn, Ciliarnerven und zugleich Stellvertreter der feh- lenden Nervi oculomotorii sind. Auch hier liegt die Annahme nahe, dass die eigentlichen Augenmuskelnerven wegen ihrer Fein- heit übersehen sind. III. Amphibien. a) Urodelen. Wir besitzen über diese Abtheilung der Amphibien die höchst sorgfältigen Untersuchungen von Fischer?). Unter den Peren- nibranchiaten gelang es diesem Forscher die Selbstständigkeit und Verbreitung des Oculomotorius und Trochlearis bei Siredon nachzuweisen, während der Verlauf des Abducens nicht ermittelt werden konnte. Der Oculomotorius tritt durch einen eigenen hin- ter dem des Opticus gelegenen Kanal in die Augenhöhle und theilt sich in einen oberen Ast für Muse. rectus superior und media- lis(!) und in einen unteren Ast für M. rectus inferior und obli- quus inferior. Auch der N. trochlearis hat einen eigenen vor und über dem des Oculomotorius gelegenen Kanal und geht zum M. obliquus superior. Bemerkenswerth ist Fischer’s Angabe: „Er scheint auch einzelne Fäden in die Haut oberhalb des Auges ab- zugeben.“ Auch für die übrigen Perennibranchiaten glaubt Fi- scher Selbstständigkeit und entsprechenden Verlauf behaupten zu können. Nach Schmidt, Goddart und van der Hoe- !) Philosoph. Transactions 1871. Vol. 161 Part. II. 2) Lepidosiren paradoxa Prag 1845. p. 45 und 51. 3) The muscles of Lepidosiren annectens, with the cranial ner- ves. Journal of anat. et physiol. VI. p. 267. 4) 1) Amphibiorum nudorum neurologiae specimen primum. Be- rolini 1843. 2) Anatomische Abhandlungen über die Perennibran- " chiaten und Derotremen. Hamburg 1864. 8. 127. Das Ganglion oculomotorii. 197 ven!) haben der Oculomotorius und Trochlearis auch bei Crypto- branchus einen selbstständigen Verlauf, während der Abducens aus dem Ramus nasalis trigemini entspringen soll. Auch in Betreff der Kopfnerven der Salamandrina (Sala- mandra maculosa, Triton cristatus) verdanken wir Fischer ge- nauere Nachrichten. Oculomotorius und Abducens sind hier selbst- ständig und gehen beide durch besondere Oeffnungen in die Or- bita; die des Oculomotorius ist nahe dem Foramen opticum gele- gen. Ein selbstständiger Trochlearis konnte nicht nach- gewiesen werden, vielmehr entspringt nach Fischer sowohl der Muskelzweig zum M. obliquus superior, als auch der für den M. rectus superior aus dem 1. Ast des Trigeminus (R. nasalis). Der Oculomotorius besitzt demnach einen Nervenzweig weniger als bei den Perennibranchiaten. Der über den Ramus nasalis hin- wegziehende obere Zweig entsendet nämlich nur noch den Faden zum M. rectus medialis, während der untere Ast in gewöhnlicher Weise die Mm. rectus inferior und obliquus inferior versorgt. Ein Ciliarganglion wird nirgends erwähnt; von Ciliarner- ven beschreibt Fischer nur bei Menobranchus und Siredon einen vom Ramus nasalis abgehenden Zweig, der bei Siredon vor dem Musc. rectus superior als Ramus ciliaris in den Bulbus eintritt. Was nun meine eigenen Untersuchungen betrifft, die sich auf Salamandra maculosa beziehen, so habe ich mit Hülfe der Salpe- tersäure-Maceration vor allen Dingen die wichtige von Fischer constatirte Thatsache bestätigen können, dass dem Oculomoto- rius der Zweig zum Musc. rectus superior fehlt, dagegen sei- nen Zweig zum Musc. rectus medialis als ersten über den Ra- mus nasalis trigemini hinweg entsendet. Im weiteren Verlaufe kreuzt der 3. Hirnnerv zunächst den Ramus nasalis, unter dem- selben gelegen. Ob er hier von letzterem Nerven einen feinen Verbindungsfaden aufnimmt, habe ich nicht mit aller Sicherheit entscheiden können; es ist mir aber wahrscheinlich geworden. Jedenfalls liegen hier beide genannten Nerven bei der Kreuzung dicht an einander. Unmittelbar hinter der Kreuzung (von nun an bei Präparation von unten her am besten zu verfolgen) geht schein- bar vom Oculomotorius ein feiner langer Faden ab, der nach vorn. zum Augapfel verläuft und an der unteren Fläche desselben zwi- !) Aanteekeningen over de anatomie van Cryptobranchus japoni- cus. Natuurk. verhandel. d. Hollandsche maatschappy van weten- schappen te Haarlem. 2. Verz. 19 deel. 1864. War mir im Original nicht zugänglich, nach Fischer u. Hoffmann’s Amphibien citirt. 193 G. Schwalbe, schen den Ansätzen des Muse. rectus inferior und obliquus inferior in denselben sich einsenkt. Ich halte ihn für enen Ramus ci- liaris, bin aber geneigt, ihn nicht vom Oculomotorius selbst ab- zuleiten, sondern vom Ramus nasalis und zwar aus dem feinen Verbindungsfaden, den der letztere zum Oculomotorius schickt. Wir haben dann ein ganz analoges Verhalten wie es oben für den Ramus profundus ophthalmiei und seinen Ramus eiliaris bei Mu- stelus beschrieben und abgebildet ist (S. 184 u. Fig. 11). Bald nach Abgang dieses somit wahrscheinlich aus dem Tri- geminus stammenden Ramus ciliaris entsendet der Oculomotorius einen Zweig zum Musculus retractor, läuft dann eine Strecke weit ungetheilt nach vorn, um sich erst unterhalb des Bulbus oculi in seine beiden Endzweige für die Musculi rectus und obliquus in- ferior zu theilen. Wenn es mir somit durch Anwendung einer besseren Methode gelang, die Angaben von Fischer über den Oculomotorius von Salamandra mehrfach zu erweitern, so ist mir dies auch für den sog. Ramus nasalis trigemini gelungen. Dieser Ramus nasalis ver- hält sich seiner ganzen Anordnung nach wie der Ramus profun- dus ophthalmiei bei den Selachiern. Wahrscheinlich sind in ihm aber auch die Elemente der Portio minor s. profunda des Ramus superficialis ophthalmiei der Selachier enthalten, wie ich aus seiner von Fischer (l. c. p. 27) beschriebenen Endausbreitung schliesse. Dass den Rami frontales der Selachier homologe Nerven auch hier nicht fehlen werden, halte ich für sehr wahrscheinlich. Keh- ren wir nach diesem Excurse zu den Orbitalnerven von Sala- mandra zurück, so beschreibt Fischer 3 innerhalb der Orbita vom Ramus nasalis entstehende Nervenfäden: 1) zum Muse. re- ctus superior, 2) zum vorderen Theile der Palpebra superior und 5) zum Musc. obliquus superior. Ich kann nun die Fischer’- schen Angaben nach Untersuchungen an etwa einem Dutzend Exemplaren nur zum Theil bestätigen (vergl. Fig. 13 u. 14). Constant ist der Zweig zum Muse. rectus superior und ebenso der zum vorderen Theile der Palpebra superior, den ich über den Muse. obliquus superior hinwegziehen sah. Dazu gesellt sich nun noch als ein dritter beständiger von Fischer nicht beschrie- bener Zweig des Ramus nasalis ein feiner Nerv, der zwischen Ansatz des Musculus obliquus und rectus superior, also auf der oberen Seite des Augapfels in letzteren eindringt (Fig. 13 u. l4c). Es ist dies demnach ein Ramus ciliaris. Sehr bemerkenswerth ist nun, dass der Zweig zum Musc. rectus superior und der Ramus Das Ganglion oculomotorii. 199 eiliaris stets einen gemeinschaftlichen Ursprung besitzen, also Theiläste eines Nerven sind, während der Ramus palpebralis gewöhnlich selbstständig erscheint (Fig. 13), nur selten (Fig. 14) aus dem vorigen Nerven entspringt. — Nach Fischer entsteht endlich aber auch der Ast für den Musc. obliquus superior ganz aus dem Ramus nasalis. Es ersetzt also dieser Zweig den N. trochlearis, der von Fischer bei Salamandra nicht gefunden wer- den konnte. Mir ist es nun wieder mit Hülfe jener oben beschrie- benen Macerationsmethode geglückt, den Trochlearis m eini- sen Fällen als einen vollkommen selbstständigen Ner- ven auch bei Salamandra nachzuweisen (Fig. 13, IV). Er ent- springt in gewöhnlicher Weise auf der dorsalen Seite am hintern Ende des Mittelhirns.. Ob er durch eine besondere Oefnung in die Orbita gelangt oder mit dem Ramus nasalis zusammen, habe ich an meinen Präparaten nicht sicher entscheiden können, halte aber Ersteres für wahrscheinlicher, da sich der Trochlearis unter spitzem Winkel mit dem Ramus nasalis kreuzt, wobei er über dem Ramus nasalis gelegen ist. Sein Ende findet der Trochlearis schliesslich im Musculus obliquus superior. Ist nun aber auch in diesen Fällen das Vorkommen eines selbstständigen N. trochlearis bei Salamandra zweifellos von mir nachgewiesen, so sind mir doch andererseits Fälle genug vorgekommen, in denen der für den Muse. obliquus superior bestimmte Zweig sich aus dem Ramus nasalis entwickelte und zwar noch dazu einen Zweig des Ramus palpe- bralis darstellte (Fig. 14). Ich muss aus diesen Befunden schlies- sen, dass der Trochlearis bei Salamandra in seinem Verlauf va- riiren kann, bald selbstständig gefunden wird, bald streckenweise in der Bahn des Trigeminus verläuft. In wie weit diese Beobach- tungen geeignet sind, die morphologische Stellung des Trochlearis zu bestimmen, soll unten erörtert werden. Es erübrigt endlich noch der Frage nach der Existenz eines Ganglion oculomotorii bei Salamandra zu gedenken. Ich habe Ganglienzellen an 2 Stellen an und im Stamme des N. oculomo- torius gefunden; doch sind meine Untersuchungen darüber noch nicht abgeschlossen. Eine und zwar die grössere Ansammlung von Ganglienzellen findet sich, eine leichte Verdickung des Ner- ven erzeugend, zwischen Abgang des Zweiges zum Muse. retractor und Endtheilung des Nerven in die für die Musculi rectus und obliquus inferior bestimmten Zweige, aber näher der letzteren, oft bis nahe an diese Endtheilung heranreichend. Die Länge dieser Ganglienzellen bergenden Strecke betrug in einem Falle 0,72 Mm. 200 G. Schwalbe, Sehr gewöhnlich zweigt sich aus dieser Ganglienstrecke ein feines Bündelchen ab, das durch Aufnahme einiger Ganglienzellen keu- lenförmig anschwillt und einige feinste mikroskopische Nervenfa- serbündelchen entsendet. Ausserdem fand ich weiter centralwärts in der Strecke zwischen Ramus ciliaris und Zweig zum Retractor eine zweite kleinere Anhäufung von Ganglienzellen, die indessen nicht zu dem Ramus ciliaris in Beziehung zu stehen schien. b) Anuren. Die Augenhöhlennerven der Anuren sind mehrfach Gegenstand der Untersuchung gewesen. Schon Volkmann!) gab eine Be- schreibung der wichtigsten Verhältnisse bei Rana. Die genauesten und umfassendsten Untersuchungen verdanken wir aber wiederum Fischer?). Dieselben beziehen sich auf die Gattungen Bufo, Rana, Hyla, Pipa, Pelobates und Bombinator. Weitere Ausfüh- rungen lieferten sodann Hjelt?®) in einer unter Bonsdorff’s Leitung ausgearbeiteten Dissertation, sowie Budge*) in der be- reits eitirten Schrift. Allgemein anerkannt ist, dass bei den Anuren Oculomotorius und Trochlearis selbstständig enspringende und verlaufende Hirn- nerven sind. In Betreft des Abducens steht ebenfalls der selbst- ständige Ursprung aus dem Gehirn fest. Verschieden ist nur sein Verhalten zur peripheren Bahn des Trigeminus, indem er bald vollständig unabhängig zu seinem Endmuskel (Reectus lateralis) weiter verläuft, bald sich in der Gegend des Ganglion trigemini diesem anlagert und somit erst später als Zweig des Ramus oph- thalmicus von der Bahn des Trigeminus sich wieder ablöst. Das Innervationsschema der Augenmuskeln der Anuren weicht in nichts von dem bekannten der höheren Wirbelthiere ab. Der Zweig zum Muse. rectus superior kommt auch hier wieder aus der Bahn des Oculomotorius. Der Ramus nasalis (ophthalmicus) trigemimi zeigt im Wesentlichen die bei Salamandra geschilderten Verhältnisse, liest unter dem Trochlearis und scheint demnach grösstentheils dem Ramus profundus ophthalmici der Selachier resp. dem Naso- ciliaris der höheren Wirbelthiere zu entsprechen. Als Aequivalent !) Von dem Baue und den Verrichtungen der Kopfnerven des Frosches. Müller’s Archiv 1838. 8. 70 ff. 2), Le. po 3) De nervis cerebralibus parteque cephalica nervi sympathiei Bufonis ceinerei adnotata quaedam. Helsingforsise 1852. *) le. 8.38. Das Ganglion oculomotorii. 201 des Ramus superficialis ophth. constatirte ich einige vom Anfang des Stammes des Nasalis dorsalwärts sich wendende Rami fron- tales et palpebrales, vergleichbar den bei Salamandra erwähnten. Auch Fischer und Hjelt gedenken solcher Zweige, ohne sie für die Deutung des Ramus nasalis zu verwerthen. Gar nicht erwähnt werden von Fischer Ciliarnerven und (i- liarganglien; auch Hoffmann !) übergeht in seiner Zusammenstel- lung die darauf bezüglichen Angaben. Diese lauten in Betreff des Vorkommens eines Ciliarganglions und von Ciliarnerven bestimmt genug. Stannius?) sagt allerdings nur: „Der R. ophthalmieus N. trigemini bildet in Gemeinschaft mit einer Wurzel vom N. ocu- lorum motorius ein Ganglion ciliare.“ Eine weitere Begründung dieses Satzes wird nicht geliefert. Dagegen findet sich bei Hjelt eine sehr genaue Beschreibung des Kopfnervensystems von Bufo cinereus, der leider keine Abbildungen beigegeben sind. Hjelt sagt vom Ramus inferior n. oculomotorii, nachdem er dessen Ver- lauf im Allgemeinen geschildert hat: „Emissis deinde ad musculos oculi ramusculis tenerrimis sua confert nervus ad formandum Gang- lion ciliare, in quod totus abit.“ Es würde demnach hier der ÖOculomotorius nach Abgabe der Zweige zu den Musc. rectus me- dialis und inferior das Ganglion bilden, also mit seinem zum Muse. obliquus inferior ziehenden Endaste gänzlich in dasselbe eingehn. Denn anders kann ich Hjelt’s Worte nicht verstehen. Das Gang- lion soll dabei „haud procul e Ganglio Gasseri paene in fundo orbitae inter m. rectum oculi superiorem et m. rectum oculi infe- riorem“ gelegen sein und eine intumescentia nodosa bilden. Aus- serdem soll das Ganglion eine sehr feine Radix longa vom Ramus nasalis trigemini sowie einen sympathischen Faden aufnehmen und 2 Ciliarnerven an der lateralen Seite des Opticus zum Auge ent- senden. Eine mikroskopische Untersuchung der Nerven scheint Hjelt nicht vorgenommen zu haben. — Ganz anders lauten Bud- ge’s Angaben, der ebenfalls Ciliarnerven von Rana beschreibt und die Existenz eines Ciliarganglions für wahrscheinlich hält. Nach diesen durch eine Abbildung illustrirten Ermittelungen ent- springt sowohl vom Ramus nasalis als vom Oculomotorius ein fei- ner Nerv, die Budge als Radix longa resp. Radix brevis nervo- !) Amphibien. Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thier- Zeiche. 8. 223. ?) Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere. 2. Auflage. 1854. 8. 150, 202 G. Schwalbe, rum ciliarium bezeichnet. Sie vereinigen sich und „von dieser Vereinigungsstelle aus entstehen einige überaus zarte Fäden, wel- che neben den Ciliargefässen nach aussen vom N. opticus den bulbus durchbohren.“ In Betreff der Existenz eines Ciliargang- lions sagt er ferner aus: „Ob ein Ganglion ciliare an der Ver- einigungsstelle der beiden Ciliarnerven vorhanden ist, wage ich nicht mit Bestimmtheit auszusprechen. Es schien mir allerdings so zu sein, und zwar in der Weise, dass das Ganglion allein dem N. oculomotorius angehört und unmittelbar vor demselben die Ra- dix longa dazu tritt. Jedoch ist es mir nicht gelungen, durch das Mikroskop mich davon zu überzeugen.“ Man sieht sofort, dass das, was Hjelt und Budge für ein Ciliarganglion halten, ganz verschiedene Dinge sind, dass ferner in keinem Falle der mikroskopische Beweis beigebracht wurde. Bei der Schilderung meiner eigenen Beobachtungen über die Or- bitalnerven von Rana esculenta will ich mich auf die Mittheilung des auf den Oculomotorius und das „Ciliarganglion“ bezüglichen Materials beschränken. Wenn man nach Maceration des Kopfes in 20procentiger Sal- petersäure und Auswaschen mit Wasser den Oculomotorius mit allen seinen Zweigen herauspräparirt, in Alkohol gehärtet und durch Karmin gefärbt hat, so erkennt man vor Allem auf der Oberfläche des Nerven in 0,24 Mm. Entfernung peripher vom Abgange des Zweiges für den Musculus reetus superior eine An- sammlung von Nervenzellen, welche einen kleinen Hügel formirt (Fig. 4b). Je nach der Anzahl der Ganglienzellen, die im ge- zeichneten Falle zu 18 gefunden wurde, aber auch viel geringer und umgekehrt viel bedeutender sein kann, prominirt dieser Hü- ge] in sehr verschiedener Weise. Aus seiner Convexität gehen mehrere feinste Nervenfädchen hervor, die in der Figur nur an- gedeutet sind. Bei besonderer Grösse dieses Ganglions vertheilen sich noch einzelne Nervenzellen auf diese abgehenden Nervenfäden, die man wohl als Rami ciliares anzusehn hat. Ausser diesem so- fort in die Augen fallenden Ganglienzellenhügel besitzt aber der Oculomotorius des Frosches noch an 3 Stellen Gruppen von Gang- lienzellen, die entweder versteckt zwischen Nervenfasern liegen (a und d der Figur 4), oder flach der Oberfläche des Nerven- stammes angeschmiegt sind (Fig. 4c). Die erste dieser letzteren 3 Gruppen findet sich an der Abgangsstelle des Zweiges zum Musc. rectus superior (Fig. 4 a), dann folgt der schon beschriebene Ganglienhügel b, in 0,48 Mm. Entfernung davon die Gruppe e und Das Ganglion oeulomotorii. 203 endlich am Abgang des Astes zum Muse. rectus medialis die letzte Nervenzellen-Ansammlung d. Zwischen den letzten beiden Grup- pen fand ich einzelne zerstreut liegende Ganglienzellen. Die Grösse der Nervenzellen des Frosch -Oculomotorius ist eine sehr geringe; sie beträgt 0,02—0,025 Mm. Es ist demnach auch beim Frosch eine mehrfache Einlage- rung von Ganglienzellen in die Oculomotoriusbahn zu beobachten ; es liegt aber die Ganglienzellen enthaltende Strecke weiter cen- tralwärts wie bei den Selachiern und Salamandra. Dass unsere Oculomotorius-Ganglien von Rana esculenta nicht übereinstimmen mit dem, was Hjelt oder Budge für ein Ciliarganglion erklä- ren, ist deutlich genug. IV. Reptilien. Am genauesten untersucht sind aus dieser Wirbelthierklasse mit Rücksicht auf ihr Nervensystem die Saurier und Krokodile. Es liegt hier die ausgezeichnete Arbeit von Fischer!) vor, wäh- rend Chelonier und Schlangen einer weniger eingehenden Behand- lung sich zu erfreuen hatten. Da die vorliegenden Arbeiten in- dessen genügten zum Verständniss des Ganglion ciliare der Rep- tilien, so habe ich von eigenen Untersuchungen abgesehn. In den folgenden Zeilen stelle ich das in den einzelnen Arbeiten enthal- tene Material übersichtlich zusammen. Nirgends ist hier oder in dden folgenden höheren Wirbelthierklassen mehr die Rede von einem Fehlen irgend eines der Augenmuskelnerven oder davon, dass der eine oder der andere in der Bahn des Trigeminus verläuft. a) Saurier. Die Anatomie der Augenhöhlennerven wurde von Fischer besonders bei Varanus Bengalensis studirt. Der Oculomotorius giebt hier in der Orbita nach und nach 5 Zweige in folgender Reihenfolge ab: 1) zum M. rectus superior, 2) den N. eilia- ris, 3) zum M. rectus inferior, 4) und 5) die beiden End- zweige zum M. rectus medialis und M. obliquus inferior. Bemer- kenswerth ist hier zunächst der frühe Abgang des R. ciliaris vom Stamme, sodann, dass derselbe alsbald zu enem spindelför- migen Ganglion anschwillt (dem Ganglion ciliare der Autoren). !) Die Gehirnnerven der Saurier anatomisch untersucht. Ham- burg 1852. 204 G. Schwalbe, Mit diesem Ramus ciliaris oculomotorii steht nun constant ein /weig des Ramus ophthalmicus nervi trigemini in Verbindung, der gewöhnlich von dessen Ramus nasalis entspringt und feiner ist als der R. ciliaris des 3. Hirnnerven. Für die Deutung des Ganglion eiliare von grösster Wichtigkeit ist die ver- schiedene Art der Verbindung der Ciliarzweige vom Oculomoto- rius und Ophthalmieus. Bei Varanus Bengalensis findet die Ver- bindung im hinteren Theile des Gebietes der spindelförmigen Gang- lienanschwellung statt. Bei den meisten übrigen von Fischer untersuchten Sauriern, die sonst nichts Abweichendes darbieten (Varanus niloticus, Lacerta ocellata, Iguana tuberculata, Platy- dactylus guttatus) mündet dagegen der Ciliarzweig von der Seite her in die Mitte oder den vorderen Theil des Ganglions ein. Vor Bildung des Ganglions treten die beiden Ciliarzweige zusammen bei Salvator Merianae und Euprepes Sebae. Aus die- sem Ganglion geht ein einfacher Ciliarstamm hervor, der hin- ter und etwas unter der Eintrittsstelle des Optiecus im den Aug- apfel sich einsenkt. Zu bemerken ist ferner, dass, während sonst bei allen Sauriern der Ramus ciliaris oculomotorii an Stärke den Ciliarast des Trigeminus bedeutend übertrifft, bei Euprepes Sebae beide von gleicher Stärke sind und das Ganglion selbst so schwach entwickelt, dass es kaum noch eine Anschwellung genannt werden kann. — Angaben über einen zweiten selbstständig zum Augapfel verlaufenden Ramus ciliaris trigemini liegen nicht vor. b) Krokodile. Auch hier halte ich mich an die genauen Angaben von Fi- scher), die ich hier wörtlich wiedergebe: „Die Krokodile (Cro- codilus biporcatus) zeigen ein ziemlich abweichendes Verhältniss. Der einfache Stamm des Oculomotorius giebt sogleich nach seinem Eintritt in die Orbita einen längs der inneren Fläche des Bulbus aufsteigenden Zweig für den M. rectus superior ab. Nach seinem Abgange legt sich der Stamm hart an den eben aus seinem Gang- lion entsprungenen R. nasalis des ersten Astes des Trigeminus und schwillt ganz, an der Innenseite desselben liegend, zu einem flachen länglichen Ganglion an. Inden vorderen Theil des letzteren tritt ein nicht unbedeutender Zweig des R. na- salis ein, der sich fast unmittelbar in den aus dem Ganglion aus- tretenden Ciliarnerven verfolgen lässt. Aus dem angeschwollenen Di resp, Das Ganglion oculomotorii. 205 Stamme des Oculomotorius selbst gehen folgende Zweige hervor: a) am weitesten nach innen der Ast für den M. reetus internus !); — b) weiter nach aussen der unter dem Augapfel nach vorn ver- laufende Ast für den M. obliquus inferior; — c) noch weiter nach aussen der von unten her in den Reetus inferior gehende Zweig; — d) am weitesten nach aussen der fast als Fortsetzung des er- wähnten Astes vom Trigemimnus erscheinende Nervus ciliaris. Die- ser dringt nicht sogleich mit allen seinen Fasern in den Augapfel ein, sondern entlässt, unter dem Opticus fort nach aussen tre- tend, einen feinen Zweig, der neben dem Sehnerven in die Scle- rotica eindringt; der grössere Theil des Nerven geht in zwei feine Zweige gespalten unter dem Bulbus und demselben hart anliegend schräg nach aussen und vorn bis zur Cornea, um hier, wie es scheint, ins Auge einzudringen.“ Fischer hebt selbst am Schluss dieser Beschreibung hervor, dass der ganze Stamm des Ocu- lomotorius nach Abgabe des Ramus ad musc. rect. superior. zu einem Ganglion anschwelle, an dessen Bildung die Fasern des Trigeminus keinen oder doch nur gerin- gen Antheil nehmen. Aus einer kurzen Notiz, die sich bei Stannius?) in Be- treff des Ciliarganglions vom Kaiman findet, ist nicht zu entneh- men, ob hier die Anordnung der von Fischer bei Crocodilus be- schriebenen gleicht oder sich den Verhältnissen der Saurier an- schliesst. Dagegen ist sehr bemerkenswerth eine andere an der- selben Stelle enthaltene kurze Angabe von Stannius, dass beim Kaiman der N. trigeminus ausser der Wurzel zum Ganglion noch einen eigenen starken Ciliarnerven abgiebt. ce) Ophidier. In seiner Neurologie von Python tigris ?) und in einer selbst- ständig erschienenen Abhandlung: Zur Anatomie der Amphibien (Bern 1839) erwähnt C. Vogt kein Ciliarganglion ; er giebt dagegen eine Beschreibung des Verlaufs und der Verästelung des N. ocu- 1) Im Original steht „externus“, was offenbar irrthümlich ist, da Fischer auf 8. 5 selbst angiebt, dass dieser Muskel, wie überall, vom N. abducens versorgt werde. 2) Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Ber- lin 1846. $. 189. Anmerkung !). 3) Müller’s Archiv 1839. 8. 41 u. 42. Eine andere Arbeit von Vogt: „Beiträge zur Neurologie der Reptilien“, Neufchatel 1840, war mir leider nicht zugänglich, 206 G. Schwalbe, lomotorius, die vielfach an Unklarheit leidet. Es soll der N. ocu- lomotorius von Boa durch das Foramen opticum (?) in die Augen- höhle eintreten und sich hier oder „noch etwas früher im Schädel selbst“ im 3 Aeste theilen, zwei oberflächliche und einen tieferen, die Fortsetzung des Hauptstammes. Von den beiden oberfläch- lichen Aesten soll der eine über dem Muse. reetus superior hinweg zum „vorderen schiefen Augenmuskel“ gelangen, mit dem offenbar der Musc. obliquus superior gemeint ist; der zweite ober- flächliche Ast versorgt den Muse. reetus superior selbst. Es ist indessen zu vermuthen, dass der zum M. obliquus superior ver- laufende Nerv kein anderer ist, als der N. trochlearis, den Vogt ebenso wenig erwähnt, wie den N. abducens. — Der Haupt- stamm des Oculomotorius tritt sodann unter den oberen geraden Augenmuskel und „legt sich auf den Sehnerven, indem er ganz dessen Richtung annimmt. Hier werden beide von dem ersten Aste des 5. Paares, welcher über sie weg unter dem geraden oberen Augenmuskel nach vorn verläuft, gekreuzt, und dieser Nerv giebt einen kleinen Verbindungszweig von der Länge einer Linie an den Oculomotorius.“ An dem Punkte der Vereinigung mit diesem vom Trigeminus entsandten Faden spaltet sich der Stamm des Oculomotorius in seine 4 Endäste, von denen Vogt indessen ?) nur 2 verfolgt hat, einen zum „hinteren geraden Augenmuskel“ (wohl M. rectus medialis) und einen zum Aug- apfel, also einen Ramus ciliaris. Die beiden nicht von Vogt ver- folgten Zweige begeben sich zweifellos zu den Mm. rectus infe- rior und obliquus inferior. Wie unvollkommen auch immerhin diese Vogt’sche Darstellung sein mag, soviel geht daraus her- vor, dass mit dem Oculomotorius sich ein Faden des N. trigemi- nus verbindet und dass aus dieser Verbindungsstelle ein R. cilia- ris vom 3. Hirnnerven zugleich mit 3 anderen Nerven entsteht. Nehmen wir nun noch hinzu, dass die Abbildung, welche Vogt in seiner Figur 2 Tafel III mittheilt, an der Stelle, wo die End- theilung des Oculomotorius stattfindet, eime leichte Verdickung zeigt, so ist der Gedanke sehr nahe liegend, dass an dieser Stelle gerade so wie beim Krokodil das sog. Ciliarganglion, also im Stamme des Oculomotorius selbst, gelegen ist. d) Chelonier. Wie der Oculomotorius der Schlangen in seinen Verbindungen 1) Neurologie von Python. 8. 42. Das Ganglion oculomotorii. 207 und in seinem Verästelungsmodus sich den bei Krokodilen zu be- obachtenden Verhältnissen anzuschliessen scheint, so stimmt nach den darüber vorliegenden Untersuchungen der Oculomotorius der Schildkröten mit dem der Saurier in den wesentlichsten Punkten überein. Eine klare knappe Beschreibung dieser Verhältnisse bei Testudo mydas finden wir schon bei Muck!). Demnach verhält sich hier Alles wie bei den Sauriern, d.h. der 3. Hirnnerv ent- sendet zunächst einen Zweig zum Muse. rectus superior, dann einen Ramus ciliaris, welcher zu einem Ganglion anschwillt und erst nach diesem die Zweige für die Mm. rectus inferior, me- dialis und obliquus inferior. Einen Verbindungszweig zwischen Ramus ophthalmieus trigemini und Oculomotorius erwähnt Muck nicht. Dagegen bildet Bojanus?) in seiner Fig. 132 und 133 Tafel XXVI sowohl das Ganglion des Ramus ciliaris oculomotorü ab, als auch einen mit demselben sich verbindenden Faden vom Trigeminus und 3 aus dein Ganglion nach vorn sich entwickelnde Ciliarnerven. Auch Swan?) giebt eine Darstellung der betreften- den Nerven von Testudo mydas, erwähnt und zeichnet aber kein Ganglion an der Verbindungsstelle des Zweiges vom Trigeminus zum Oeculomotorius. Uebersicht über Reptilien. Aus der in vorstehenden Zeilen gegebenen Zusammenstellung folgt, dass Krokodile und wahr- scheinlich auch die Schlangen das Ciliarganglion im Stamm des Ocu- lomotorius nach Abgabe des Astes zum Muse. rectus oculi superior an der Stelle besitzen, wo der Oculomotorius sich sofort m 4 End- zweige auflöst, von denen einer den Ramus ciliaris darstellt, und dass hier auch die Verbindung mit einem feinen Faden des Trige- minus erfolgt. Ein selbstständiger Ciliarnerv des Trigeminus wird nur für den Kaiman erwähnt. — Eine zweite Abtheilung der Rep- tilien, aus Sauriern und Schildkröten zusammengesetzt, zeigt in sofern abweichende Verhältnisse, als das Ganglion vom Stamme des Oculomotorius in den Ramus ciliaris desselben hineingerückt ist und überdies der letztere vor den 5 übrigen Muskelnerven abgegeben wird. Die Verbindung des Rhamus ciliaris oculomotorii mit dem Verbindungsfaden vom Trigeminus findet bald am hinteren Ende, 1) Dissertatio anatomica de ganglio ophthalmico et nervis cilia- ribus animalium. Landishuti 1815. p. 60. ?) Anatome Testudinis Europaeae. Vilnae 1819 —21. p. 133, 131. ®) Illustrations of the comparative anatomy of the nervous sy- stem. London 1835. Tafel X. Fig. 2. 208 G. Schwalbe, bald in der Mitte, bald am vorderen Ende des Ciliarganglions statt, sodass letzteres sich auch hier als eine Bildung des Oculo- motorius, unabhängig vom Trigemimus, erweist. Ein eigener vom Trigeminus direkt zum Augapfel tretender Ciliarnerv wird für Saurier und Chelonier nirgends erwähnt. V. Vögel. Aus der Klasse der Vögel habe ich die Ausbreitung des N. oculomotorius und sein Ganglion bei der Gans und Schleiereule (Strix flammea) untersucht. Bei beiden sind die Verhältnisse im Wesentlichen übereinstimmend und schliessen sich eng an die Be- funde bei den Sauriern an. Wie Fig. 15 zeigt, entsendet der Oculomotorius, nach seinem Eintritt in die Orbita unterhalb des Musc. rectus superior gelegen, zunächst einen Ast nach oben in die untere Fläche dieses Muskels (r. s.). Als zweiter Ast entsteht der höchst ansehnliche N. ciliaris (c), der an Dicke bei beiden untersuchten Vögeln die Aeste zu den äusseren Muskeln des Aug- apfels übertrifft. Er fällt um so mehr auf, als er alsbald (bei Strix flammea) in eine spindelförmige Anschwellung übergeht, während diese Anschwellung bei der Gans gleich den Abgang des Ramus ciliaris vom Oculomotorius markirt und peripher allmählig abnimmt. Diese Anschwellung enthält Ganglienzellen in ansehn- licher Menge und ist demnach das sog. Ciliarganglion (Fig. 15 g). Im ganzen übrigen Verlaufe des Oculomotorius waren keine Gang- lienzellen vorhanden. Bei der Gans vermochte ich leicht nachzu- weisen, dass diese Ganglienzellen des „Ganglion eiliare‘“ bis un- mittelbar an den Stamm des Oculomotorius heranreichten, sodass hier von einer Radix brevis ganglii ciliaris keine Rede sein kann, vielmehr das Ganglion unmittelbar dem Oculomotoriusstamme an- liegt. Aus seinem distalen Ende entwickelt sich ein kräftiger Ciliarnerv, der nun erst, also jenseit des Ganglions, einen feinen Verbindungsfaden vom Nasociliaris aufnimmt. Letzterer kann also auch nicht als ein Radix longa ganglii ciliaris bezeichnet werden, da er ja mit diesem Ganglion gar nichts zu thun hat. Eine Verbindung sympathischer Fäden mit dem Ganglion des N. oculomotorius vermochte ich ebenso wenig nachzuweisen. Ausser dem Verbindungszweig, welchen der Nasociliaris zum Ramus cilia- ris n. oculomotorii entsendet, entspringt wenigstens bei der Gans noch ein feiner selbstständiger Faden vom Nasociliaris (ce), der als Ramus ciliaris trigemini den Augapfel gewinnt. Das Ganglion oculomotorii. 209 Nach Abgabe des dicken Ramus ciliaris an der lateralen oberen - Seite des Opticus zieht der Stamm des Oculomotorius unter dem Sehnerven nach vorn, um im Musculus obliquus inferior sein Ende zu finden. Auf dem Wege dahin giebt er erst einen Büschel fei- ner Fäden zum Musculus rectus inferior (r. i.), dann einen Zweig zum M. rectus medialis (r. med.) ab. Es scheint diese büschel- förmige Entstehung der Nerven für den Muse. rectus inferior für die Vögel charakteristisch zu sein. Ueber die Orbitalnerven der Vögel existirt eine verhältniss- mässig reichhaltige Literatur !), die in untenstehender Anmerkung zusammengestellt ist. Man ersieht daraus, dass die Untersuchungen alle wichtigen Gruppen der Vögel umfassen. Nur über Kopfner- ven der Ratiten habe ich in der mir zugänglichen Literatur keine Angaben finden können. Besonders werthvoll sind die Arbeiten von Muck und von Bonsdorff. Es stellt sich heraus bei der Durchmusterung dieser Arbeiten, dass in der ganzen Klasse der Vögel die Anordnung des Ganglion oculomotorii und die Verbin- dung des Ramus ciliaris oculomotorii mit einem Zweige des Naso- 1) 1) Muck, l. c. p. 39—59 beschreibt Oculomotorius und Ci- liarnerven von folgenden Vögeln: Faleo palumbarius, tinnunculus, Aquila leucocephala, Strix aluco und bubo; Psittacus ararauna; Corvus corax, pica, monedula und glandarius; Columba domestica, Phasianus gallus, Meleagris gallopavo; Ardea einerea, Vanellus cristatus, Galli- nula pusilla; Sterna hirundo, Anas boschas, Anser domesticus, Mer- gus merganser. Abbildungen werden gegeben von Corvus corax, Me- leagris gallopavo, Ardea cinerea und Anser domesticus. 2) Jacobson, De quinto nervorum pari animalium. Dissert. Regiomonti 1818. 3) Thuet, M. J. Disquisitiones anatomicae psittacorum. Dissert. inauguralis.. Turici 1838. 4) Bamberg, De avium nervis rostri atque linguae. Dissert. Halis 1842. Beschreibt die Verzweigungen des Glossopharyngeus, Hypoglossus und Trigeminus bei Anser do- mesticus, Colymbus cristatus, Fulica atra, Meleagris gallopavo, Gallus domesticus, Picus viridis, Corvus corone, Strix flammea. Falco buteo. 5) Ritzel, C. M., Commentatio de nervo trigemino et glossopharyn- geo avium. Dissert. Fuldae 1843. (Anser, Anas boschas, Gallus, Columba, Corvus corax und glandarius, Picus viridis und minor, Tur- dus pilaris, Fringilla, Falco nisus et palumbarius. 6) Bonsdorff, Sym- bolae ad anatomiam comparatam nervorum animalium vertebratorum. 1. Nervi cerebrales Corvi cornieis. Acta societatis scientiarum Fennicae. Tomus III, Helsingfors 1852, p. 505. N. 2. Nervi cerebrales Gruis cinereae. Ebenda p. 591. 7) Budge, ]. c. S. 34 und 35. Ausser- dem: Swan, Illustrations of the comparative anatomy of nervous system. London 1835. Stannius, Lehrb. d. vergl. Anatomie der Wirbelthiere 1846, S 282. Owen, II p. 122. Ba. XII. N. F. v1, 2. 14 210 G. Schwalbe, ciliaris im Wesentlichen dieselbe ist, wie sie von mir nach eige- nen Beobachtungen beschrieben wurde. Untergeordnete Verschie- ddenheiten finden sich natürlich in mehrfacher Beziehung. Sie mögen zunächst hier in übersichtlicher Zusammenstellung folgen. 1) Die Farbe des Ganglions ist entweder röthlich, wie bei den meisten von Muck untersuchten Vögeln, oder gelblich weiss, wie bei der Taube und beim Huhn. 2) Die Gestalt ist bald spindelförmig oder eiförmig, wie bei den meisten Vögeln, oder dreieckig (Cor- vus monedula und glandarius), oder conisch (Corvus corax, Vanel- lus, Gallinula). 3) Die Grösse des Ganglions ist ausserordentlich verschieden. Als das interessanteste Resultat einer vergleichenden Uebersicht stellt sich heraus, dass die Grösse des Ciliarganglions gänzlich unabhängig von der Grösse der Augen ist: Vögel mit grossen Augen z. B. die Raubvögel (Strix bubo, aluco) können ein kleines, Vögel mit relativ kleinen Augen (die Arten der Gattung Corvus) ein grosses Ganglion besitzen. Dagegen scheint die Kör- pergrösse von Einfluss auf die Grössen-Entwicklung des Ciliar- ganglions zu sein. Bei grossen Vögeln (Meleagris gallopavo, Ardea cinereas, Grus cinerea) ist das Ciliarganglion relativ gross. Ge- nauere auf Wägungen und Messungen basirte Angaben fehlen leider noch vollständig. 4) Verschiedenheiten finden sich ferner mit Be- zug auf die Art der Verbindung des „Ganglion ciliare“* mit dem Oculomotorius. Wir haben schon gesehen, dass das- selbe bei der Gans bis unmittelbar an den Stamm des 3. Hirnner- ven heranreicht, während es bei der Schleiereule mit einem kurzen Nervenstamm, einer Radix brevis, vom Oculomotorius entsteht. Unmittelbar dem letzteren ansitzend fand Muck das Ganglion, das er freilich nicht mikroskopisch untersuchte, bei Falco palum- barius, Aquila leucocephala, Meleagris gallopavo, Ardea cinerea, Vanellus cristatus und Gallinula pusilla. Mit einer Radix brevis aus dem Oculomotorius sah dagegen Muck das Ganglion entstehen bei allen untersuchten Arten der Gattung Corvus (Bonsdorff ebenso bei Corvus cornix), bei Falco tinnunculus, Sterna hirundo. Bei Strix aluco zeigten verschiedene Exemplare bald das erstbe- schriebene, bald das letztere Verhalten. Wahrscheinlich werden auch in den meisten Fällen, wo eine kurze Wurzel aus dem Ocu- lomotorius beschrieben wird, Ganglienzellen in derselben bis an den Hauptstamm heranreichen. So beschreibt z. B. Muck nach makroskopischer Betrachtung bei der Gans eine Radix brevis, wäh- rend ich bei mikroskopischer Untersuchung Ganglienzellen bis an Das Ganglion oculomotorii. 211 den Stamm des Oculomotorius heranreichend fand. Budge!) bildet für die Ente sogar 2 Wurzeln des Ganglion ciliare ab. Eine mikroskopische Untersuchung dieser beiden Wurzelfäden scheint er nicht angestellt zu haben. — Es geht aus der eben ge- gebenen Zusammenstellung hervor, dass sich in der Klasse der Vögel alle Uebergänge von einem dem Stamme des 3. Hirnnerven seitlich unmittelbar ansitzenden Ganglion bis zu einem mit Radix brevis versehenen Cihiarganglion vorfinden. Ja es scheint bei eini- sen Vögeln noch ein einfacherer Zustand sich vorzufinden, der dem bei dem Krokodil von Fischer beschriebenen Befunde sich näher anschliesst. Thuet?) beschreibt bei Psittacus aestivus das „Ciliarganglion“ als gänzlich im Stamme des Oculomotorius gelegen, als eine intumescentia ganglioformis von ungefähr 1!/, Linien Länge, aus der sich 2 Büschel von feinen Ciliarnerven entwickeln, wäh- rend 2 Verbindungsfäden vom Ramus ophthalmicus trigemini sich in die Anschwellung einsenken ?). Leider vermisst man bei Thuet genügende Angaben über das für die Beurtheilung des Befundes so wichtige Lageverhältniss der Intumescentia ganglioformis zu den Zweigen des Oculomotorius. Es wird nur erwähnt, dass mit den Ciliarnerven Fäden zum Musculus rectus inferior aus der In- tumescentia ganglioformis entspringen. 5) Sehr wichtig für die Deutung des „Ganglion ciliare* der Vögel ist ferner die Art der Verbindung mit dem N. nasociliaris. Nach meinen oben mitgetheilten Beobachtungen verbindet sich ein feiner Zweig des Nasociliaris erst mit dem aus dem Ganglion austretenden N. cilia- ris, sodass demnach der Trigeminus ganz ausser Beziehung zum „Ganglion ceiliare“ steht. Dies scheint bei den meisten Vögeln der Fall zu sein. Bei einigen jedoch kommt es vor (zuweilen bei der Taube, bei Strix aluco, bei der Gans und beim Truthahn nach Muck), dass der vom Trigeminus entspringende Zweig in den vor- deren Theil des Ganglions sich einsenkt. Man könnte dann von 2 Wurzeln des Ganglions, einer kurzen aus dem Oculomotorius L\.]. e. Fig. 12 lule. ipri80. 3) Thuet wendet sich mit diesen Angaben gegen die Beschrei- bung, welche sich (l. c. p. 44) bei Muck vom Ganglion ciliare des Psittacus ararauna vorfindet. Hiernach soll das Ganglion dem 3. Hirn- nerven durch eine Radix brevis verbunden sein. Muck theilt aber an der eitirten Stelle nicht eigene Beobachtungen mit, sondern eine briefliche Mittheilung Cuvier’s an Soemmering, die ihm durch Tiedemann zur Kenntniss gebracht wurde. 14 * 212 G. Schwalbe, und einer langen aus dem Trigeminus reden. Nach Bounsdorff finden sich beim Kranich noch complicirtere Verhältnisse. Es verbinden sich hier 2 Fäden des Trigeminus mit dem Ganglion und überdiess entsendet noch der N. abducens 2 Verbindungsfäden ab, von denen der eine in das Ganglion ciliare, der andere in den von diesem Ganglion ausgehenden Truncus ciliaris internus eingeht. Auch bei Corvus cornix findet sich ein Verbindungsfaden zwischen Abducens und dem aus dem Ganglion entsprungenen Truncus ciliaris internus, sodass hier also das Ganglion direkt unbetheiligt bleibt. 6) Eime Verbindung des Ganglions mit dem Sym- pathicus ist von keinem der Untersucher gesehen. Sie wird sogar von Budge auf Grund physiologischer Untersuchungen direkt in Abrede gestellt, und selbst Thuet, der, unter der Lei- tung von Fr. Arnold arbeitend für das Schema des Letzteren von vornherein eingenommen sein musste, hält es für wahrschein- lich, dass eine Verbindung mit dem Sympathicus fehle. 7) Am wechselndsten ist die Zahl der aus dem Ganglion zum Bulbus tretenden Ciliarnerven. Sie variirt nach Muck zwischen 1 und 5; nach den Untersuchungen Thuet’s bei Papageien würde die Zahl sogar bis 7 betragen können. Nach Bonsdorff finden sich bei Corvus cornix sowohl wie bei Grus cinerea 2 vom vorderen Theile des Ganglions abgehende Ciliarnerven, die Bonsdorff als N. ciliaris internus und externus bezeichnet; sie verlaufen an der lateralen Seite des Opticus zum Bulbus. Ueber ihre Verbindung mit Fäden vom Trigeminus und Abducens wurde oben schon ge- handelt. Ein Truncus ciliaris, wie ich ihn oben von Eule und Gans beschrieben, findet sich nach Muck noch vielfach (bei Strix aluco und bubo, Gallus domesticus, Vanellus, Gallinula, Sterna). Auch hier sind die Verhältnisse übrigens sehr variabel, sodass bei verschiedenen Individuen derselben Species (z. B. bei Columba, Strix aluco) bald nur ein dicker, sich später in 2 theilender Nerv, bald von Anfang an deren 2 vorhanden sind. Da diese Verhältnisse die mir gestellte Frage nicht berühren, so gehe ich ‚darauf nicht weiter ein. 8) Dagegen muss ich noch ausdrücklich hervorheben, dass keiner der genannten Autoren den von mir bei Anser domesticus vefundenen selbstständigen Ramus ciliaris trigemini, der ohne Ver- bindung mit den Ciliarnerven des Ganglions zum Augapfel geht, erwähnt. Mit dem Nachweis dieses allerdings schr feinen Fadens ist erst das Material für eine Vergleichung vollständig gegeben. Wie bei vielen Fischen haben wir bei den Vögeln: 1) einen Ramus eiliaris trigemini, 2) einen Ramus ciliaris oculomotorii, welcher Das Ganglion | oculomotorii. 213 letztere sich jedoch vor seinem Eintritt in den Bulbus noch mit einem Faden aus dem Trigeminus vereinigt. Der erstere entspricht demnach unzweifelhaft einem N. ciliaris longus beim Menschen, der Truncus ciliaris des Ganglions dagegen den Nn. ciliares breves, sein Verbindungszweig mit dem Nasociliaris der Radix longa ganglü ciliaris des Menschen. VI. Säugethiere. Bei keiner Gruppe der Wirbelthiere kann man sich müheloser von der Zugehörigkeit des Ganglion ciliare zum N. oculomotorius überzeugen, als bei den Säugethieren. Gerade bei den am leich- testen zugänglichen Formen, unseren Hausthieren aus der Gruppe der Ungulaten und Carnivoren, sind die Beziehungen zum 3. Hirn- nerven So innige, dass man wohl kaum zur Aufstellung jenes Wurzelschemas, zur Deutung des Ganglions als eines sympathischen oder dem Trigeminus angehörigen gelangt wäre, wenn nicht eben die Verhältnisse beim Menschen immer wieder einseitig auf die der übrigen Säugethiere übertragen wären. Bei den meisten Säuge- thieren kann man in der That nicht von einer Radix brevis aus dem Oculomotorius reden: es liegt hier das sog. Ciliarganglion dem Stamm des letzteren Nerven innig an, eine mehr oder weni- ger starke Anschwellung am Stamm oder an einem seiner Aeste, dem Ramus ad musculum obliquum inferiorem bedingend. Wie erwähnt, hat bereits Budge!) diese Zugehörigkeit des Ganglions zum Oculomotorius hervorgehoben. Auch Owen?) sagt: „Ihe lenticular ganglion is not so well defined in some Mammals.“ Wenn trotz dieser Beobachtungen das Ganglion ciliare, obwohl es doch auch beim Menschen enger und reichlicher mit dem Ocu- lomotorius, als mit den beiden anderen Nerven verbunden ist, immer wieder künstlich von diesem Nerven getrennt wurde, so war wohl der Hauptgrund ein theoretisches Bedenken, aus alther- gebrachten Vorstellungen entstanden, dass man nämlich nur wenig geneigt war, einen rein motorischen Nerven mit einem ihm eige- nen Ganglion auszustatten; und doch hätte hier schon das Beispiel des Facialis mit seinem Ganglion geniculi zur Toleranz auffordern müssen. Dass ein „Ciliarganglion‘ allen .Säugethieren zukommt, be- a) A re 3 2) On the anatomy of vertebrates, Vol. III p. 150. 214 G. Schwalbe, hauptet bereits Cuvier!). In der That, wo man bisher darnach gesucht hat, ist es gefunden worden, wenn auch in den allerver- schiedensten Graden quantitativer Entwicklung. Bei manchen Säugethieren ist es ausserordentlich klein, wie z. B. bei den Nage- thieren, und unter diesen wieder besonders klein beim Eichhörn- chen, dem es deshalb auch von Muck?) ebenso wie dem Murmel- thier abgesprochen wurde. Nach Gumoäöns 3) findet es sich aber auch bei Sciurus. Es ist deshalb wohl auch anzunehmen, dass es bei Arctomys vorkommt. Das Ganglion wurde ferner früher auch beim Pferde (Muck, 1. c. p. 37) vermisst, später aber all- gemein in inniger Anlagerung an den Oculomotorius gefunden; und ebenso folgten auf die negativen Befunde von Bruns?) und Rapp°), nach denen den Cetaceen das Ganglion fehlen sollte, die positiven genauen Angaben von Stannius®), der dasselbe bei Delphinus phocaena auffand. Wenn nun auch keine der über das Fehlen des Ciliarganglions bei diesem oder jenem Säugethiere aufgestellten Behauptungen sich bewährt hat, so ruht doch andererseits der Cuvier’sche Satz, dass das Ciliarganglion allen Säugethieren zukomme, keineswegs überall auf sicheren Beobachtungen. Es ist sehr zu bedauern, dass über die Verhältnisse des N. oculomotorius und seines Gang- lions gerade bei den am Anfang der Säugethierreihe stehenden Gruppen, den Monotremen und Beutelthieren keine Untersuchungen angestellt sind. Wenigstens habe ich bei aller Mühe in den mir zugänglichen Werken keine Angaben darüber gefunden; die zer- streute französische und englische zootomische Literatur war mir allerdings nur zum kleineren Theile zugänglich. Das Gleiche gilt von Edentaten und Halbaffen. Unter den höher stehenden Ord- nungen haben eine ähnliche Vernachlässigung erfahren die Insec- tivoren und Chiropteren, ja aufiallender Weise sogar die Affen. Es war mir nun nicht möglich, in der Kürze der Zeit, Material :) Legons d’anatomie comparde recueillies et publices par M. Dumeril. T. III p. 194. Paris 1845. le. p. 2 unde 22: 3) De systemate nervorum sciuri vulgaris. Dissert. Bernae 1852, P.124: +) De nervis cetaceorum cerebralibus. Dissert. Tubingae 1832, P. 22. 5) Die Cetaceen. Stuttgart und Tübingen 1837, 8. 120. 6) Ueber die Augennerven des Delphins (Delph. phocaena). Müller’s Archiv 1842, 8. 887. Das Ganglion oculomotorii. 215 zu sammeln, um alle diese Lücken auszufüllen. Ich muss mich deshalb darauf beschränken, auf eigene und fremde Untersuchungen gestützt, die Anordnung bei Cetaceen, Ungulaten, Nagern und Carnivoren zu schildern und dieselbe mit den bekannten Verhält- nissen beim Menschen zu vergleichen. a) Cetaceen. Es wurde oben bereits erwähnt, dass von Bruns und Rapp, die Delphinus phocaena untersuchten, ein Ciliarganglion bei diesem Thiere nicht gefunden werden konnte, während es Stannius ge- lang, dasselbe aufzufinden. Dasselbe bietet nach dessen Be- schreibung mehrfache Eigenthümlichkeiten dar. Es liegt entweder unter dem Opticus oder etwas auswärts von ihm und in der Re- gel dicht am Stamme des Oculomotorius. Die Verbindung des Ganglions mit letzterem Nerven wird nach Abgabe des ersten Zweiges (zum M. rectus superior und palpebralis superior) an der Innenseite des Sehnerven durch 2 dicht neben einander liegende äusserst kurze ziemlich starke Fäden, oder einen etwas längeren Faden oder Fädchen bewerkstelligt. Diese Radix motoria ist also der zweite Zweig, welchen der Oculomotorius entsendet. Ausser dieser innigen Verbindung mit dem Oculomotorius geht das Ciliar- ganglion noch constant eine Verbindung mit dem Ramus externus ophthalmiei, bisweilen scheinbar mit dem Abducens ein. Eine sympathische Wurzel konnte nicht gefunden werden. Die Art der Verbindung des Ganglions mit dem Trigeminus ist sehr va- riabel, entweder durch einen starken Faden vermittelt, oder durch 2, von denen der feinere in das Ganglion selbst eintritt, der stärkere längere sich erst mit der vorderen Spitze desselben verbindet, ohne anscheinend in die eigentliche Substanz des Gang- lions einzugehen. Endlich kommt ein dritter Fall vor, in welchem nur ein äusserst feiner Zweig vom Trigeminus zum Ganglion zieht. Dann ist aber stets die erwähnte Verbindung mit dem Abducens zu bemerken. Es scheint aber, als wenn dieser seine Fasern zum Ganglion ciliare dennoch aus dem R. ophthalmicus beziehe; denn in den Fällen, wo er sich mit dem Ganglion verbindet, erhält er zuvor einen anschnlichen Verbindungsast vom Ram. ophthalmicus. Der Gedanke liegt also nahe, dass er diese Fasern zum Theil wieder an das Ganglion abgiebt. Die Gestalt des Ganglions ist „bald länglich rund, bald mehr flach und linsenförmig.“ 3 bis 8 Ciliarnerven entspringen von ihm, die auf ihrem Wege zum Bul- bus am Sehnerven gewöhnlich Geflechte bilden. Vom Ramus oph- 216 G. Schwalbe, thalmieus trigemini gehen an Zahl variable selbstständige feine Nn. ciliares zum Augapfel. b) Ungulaten. Meine eigenen Untersuchungen beschränken sich hier auf Schaf und Rind (Kalb), die wesentlich übereinstimmende Verhält- nisse erkennen lassen. Da die Anordnung der Augenhöhlennerven im Allgemeinen hier aus den Lehrbüchern der Anatomie der Haus- thiere bekannt ist, überdies über die Kopfnerven des Schafes eine genaue Arbeit von Bonsdorff!) existirt, so begnüge ich mich, an der Hand der Fig. 16 auf einige für die von mir zu behan- delnde Frage nach der Zugehörigkeit des Ganglion ciliare wichtige Punkte aufmerksam zu machen. Vor Allem muss ich entgegen den gewöhnlichen Beschreibungen ausdrücklich hervorheben, dass weder beim Schaf noch beim Kalb das sog. Ciliarganglion eine Wurzel besitzt, sondern vielmehr unmittelbar dem Oculomotorius und zwar dem Anfange des zum M. obliquus inferior verlaufenden Endastes auf dessen oberer Seite anliegt. Wenn dennoch in den Lehrbüchern der Anatomie der Hausthiere, ferner bei Muck und Bonsdorff von einer kurzen Wurzel des Ganglions die Rede ist, so zeigt sich, dass diese Beschreibungen allzusehr durch die be- kannten Thatsachen der menschlichen Anatomie beeinflusst sind. In der That, welcher unbefangene Beobachter würde in unserem Falle davon reden können, dass ein Zweig des Oculomotorius als. kurze Wurzel zum Ganglion zieht? Der Endast des Oculomotorius bildet die Basis, auf welchem eine Seite des unregelmässig vier- eckigen Ganglions unmittelbar ruht. Auch die mikroskopische Un- tersuchung ergiebt die unmittelbare Anlagerung des Ganglions an den genannten Endast des Oculomotorius (Fig. 6). In a b sieht man die am Ganglion vorbeiziehenden Faserbündel des Ramus ad musculum obliquum inferiorem, in das Ganglion, das mit seinen Nervenzellen-Gruppen bis zu diesen Faserbündeln heranreicht, eine Anzahl Nervenfaserbündel abgeben, die sofort nach ihrer Ablösung vom Stamme zwischen Ganglienzellengruppen eintreten. Sie sind also nicht als kurze Wurzeln eines Ganglions präparirbar, weil bis zu ihrer Ablösung vom Oculomotorius zwischen ihnen Gang- lienzellen an letzteren heranreichen. Mit dem hinteren oberen 1) Anatomisk beskrifning af cerebral-nerverne hos färet (Ovis aries). Acta societatis scientiarum Fennicae. Tomus Il. Helsing- forsiae 1847. Das Ganglion oculomotorii. ZEN Winkel des Ganglions verbindet sich ein dünner Faden vom N. nasociliaris (Fig. 16 r. 1.), vom vorderen oberen Winkel entsteht ein ansehnlicher von fester Scheide umschlossener Ciliarnervenstamm (e‘), der sich gleich nach seiner Entstehung aus dem Ganglion aus 3 Nervenfäden zusammengesetzt zeigt, die sich bei ihrem weiteren Verlauf nach dem Bulbus oculi noch mehrfach theilen. Ein zweiter sehr feiner Ast des Ganglions (c‘) verlief zum Opticus, unter dessen Scheide er einzutreten schien. Auf eine etwaige Ver- bindung des Ganglions mit feinen sympathischen Fäden habe ich nicht geachtet; auch Muck erwähnt eine solche nicht; dagegen beschreibt Bonsdorff Verbindungen mit dem Ganglion spheno- palatinum. Wichtig ist nun ferner für die ganze Auffassung des Ganglions die Bestimmung des Platzes, welchen es längs des Oculomotorius einnimmt. Es wurde schon erwähnt, dass das Ganglion am An- fange des Zweiges für den Muse. obliquus inferior gelegen ist. Ein Blick auf die Fig. 16 zeigt jedoch, dass es centralwärts noch in das Gebiet des Ursprungs des Astes zurückgreift, der für den Musculus rectus inferior bestimmt ist (und Abzweigungen zum unteren Theil des Musc. rectractor bulbi entsendet). Man kann also sagen, dass das Ganglion dem Oculomotorius an der Stelle seiner Endtheilung in die für die Mm. obliquus und rectus inferior bestimmten Zweige anliegt. Es wird deshalb von jedem dieser Zweige Fasern erhalten können, die allerdings wegen unmittelba- rer Anlagerung des Ganglions für gewöhnlich keinen isolirten Ver- lauf zeigen. In selteneren Fällen können aber die Fasern vom Ast zum M. rectus inferior der gröberen Präparation zugänglich sein und sich als Faden isolirt darstellen lassen. Wenn dann auch die Ver- bindung mit dem Ast zum Obliquus inferior künstlich durch Ab- fasern als „Wurzel“ des Ganglions dargestellt ist, so erscheint das Ganglion mit zwei von verschiedenen Zweigen des N. oculomotorius stammenden sog. Wurzeln versehen, nämlich mit einer, die aus dem Ramus ad musc. obliquum inferiorem und einer, die aus dem Zweige zum Musc. rectus inferior stammt. Ich verweise in dieser Beziehung auf Fig. 6 Tafel II von Muck (l. e.), welche einen Fall illustrirt, der auch durch die eigenthümliche zweizipfelige oder zweihörnige Form des Ganglions charakterisirt ist. Dass die sog. kurze Wurzel des Ganglions, welche die Muck’sche Figur abbildet, durch Ausfaserung dargestellt ist, in Wirklichkeit aber dem zum M. obliquus inferior ziehenden Zweige ebenso wie das Ganglion unmittelbar anliegt, habe ich schon angedeutet. Eine 218 G. Schwalbe, Art kurze Wurzel kann beim Schaf und Rind aber noch durch ein anderes Verhalten vorgetäuscht werden, nämlich durch die Ge- stalt des Ganglions selbst. Dasselbe ist zuweilen an seiner dem Oculomotorius anliegenden Basis schmaler, als an seinem freien Ende und diese schmale Ganglienzellen enthaltende Basis kann dann für eine nur aus Nervenfasern bestehende „kurze Wurzel“ gehalten werden. Die mikroskopische Untersuchung ergiebt auch hier innige Anlagerung des Ganglions an den Oculomotorius. Endlich sei noch auf die Reihenfolge, in welcher die einzel- nen Zweige des Oculomotorius abgegeben werden, aufmerksam ge- macht, da dieselbe im allgemeinen Theil zur Besprechung kom- men wird. Dieselbe ist bei Schaf und Kalb übereinstimmend 1) zum Musc. rectus superior und levator palpebrae superioris zu gleicher Zeit; 2) zum Musc. rectus medialis unter dem N. opticus hindurch ; 3) zum Muse. rectus inferior (und retractor bulbi untere Portion) ; 4) zum Musc. obliquus inferior. Die Entfernung von 1) und 2) betrug in einem Falle beim Kalb 17 Mm., zwischen 2) und 5) nur 4 Mm. Es entstehen also die 3 Zweige des unteren Astes ziemlich rasch nach einander, durch eine ansehnliche Entfernung von der Abgangsstelle des oberen Astes getrennt. Die Lage des Ganglions zu jenen Zweigen ist schon oben beschrieben; es befindet sich dabei auf der lateralen Seite des N. opticus in dem Raume zwischen diesem und dem Muse. retraetor bulbi. Soviel über meine eigenen Beobachtungen. Aus Muck’s Be- schreibungen will ich noch hervorheben, dass zuweilen beim Rind und beim Hirsch neben dem grösseren Ganglion einige kleine präparirbar waren, die an Vereinigungsstellen von Fäden des Naso- eiliaris mit Ciliarnerven des Ganglion oculomotorii gelegen waren. Sie gehören also bereits einem Plexus der Ciliarnerven an und ich kann sie deshalb mit Muck nicht für äquivalent dem grösseren Ganglion, das dem Oculomotorius anliegt, halten, betrachte sie vielmehr- als kleine sympathische dem Geflechte der Ciliarnerven eingeflochtene Ganglien. Muck beschreibt beim Rind 3, beim Hirsch 2 solcher kleiner Ganglien. Sehr schematisch schreibt er dem grossen Ganglion bei allen von ihm untersuchten Wieder- käuern (Bos taurus, Ovis aries, Capra hircus, Cervus elaphus und capreolus) eine oder mehrere Wurzeln vom Oculomotorius zu. Dass dieselben aber künstlich dargestellt sind, lehren seine Figu- ren, besonders Fig. 8 Taf. I von Cervus elaphus, wo das Ganglion Das Ganglion oculomotorii. 219 in unmittelbarer Anlagerung an den betr. Oculomotorius-Ast dar- gestellt ist, nichtsdestoweniger aber Wurzelfäden in letzteren hineingezeichnet sind. Eine Angabe Muck’s verdient indessen noch Beachtung: in einem Falle bei Gervus capreolus sah er ausser der Verbindung des Ganglions mit dem Zweig zum Muse. obliquus inferior auch eine solche mit dem Ast zum Musc. rectus inferior. Die Wiederkäuer, deren Ganglion oculomotorii in vorstehen- den Zeilen geschildert wurde, nehmen gewissermaassen eine ver- mittelnde Stellung ein zwischen 2 anderen Gruppen der Ungulaten, deren am besten untersuchte Repräsentanten Pferd und Schwein sind. Ersteres knüpft an niedere Zustände an, wenn wir als nie- deren Zustand die innigere Beziehung des Ganglion eiliare zum Oculomotorius betrachten, letzteres dagegen zeigt bereits einen höheren Grad der Ablösung des Ganglion von seinem Nerven. — Das Ciliarganglion des Pferdes, das von Muck!) nicht ge- funden wurde, ist nach der Abbildung Leisering’s?) eine An- schwellung des unteren Astes vom Oculomotorius an der Stelle, wo derselbe rasch hinter einander in seine 5 bekannten Zweige zerfällt. Von einer Radix brevis kann also hier erst recht nicht die Rede sein. Es ist hier das Ganglion jedem unbefangenen Beobachter ein Ganglion oculomotori. Dies erklärt auch, warum Muck, der es durch eine Wurzel mit dem 3. Hirnnerven verbun- den suchte, das Ganglion nicht fand. Beim Schwein dagegen scheint nach den vorliegenden Be- schreibungen das Ganglion durch Auftreten einer wirklichen kur- zen Wurzel eine grössere Selbstständigkeit zu besitzen und hier das Schema allenfalls zu passen, das man gewöhnlich der Be- schreibung des menschlichen Ciliarganglions zu Grunde legt. c) Carnivoren. Ebensowenig wie bei den Hufthieren finden wir unsere aus der menschlichen Anatomie gewonnenen Vorstellungen von den Beziehungen des Ganglion ciliare bei den Raubthieren gerecht- fertigt. Auch hier tritt das Ganglion in innigste Verbindung mit dem Oculomotorius, während seine Verbindungen mit Trigeminus und Sympathicus sehr fein sind und nur bei sorgfältigster Unter- suchung constatirt werden können, ja bei manchen der untersuch- ten Thiere, z. B. bei der Katze überhaupt noch nicht constatirt EEE are 2) Atlas der Anatomie des Pferdes und der übrigen Hausthiere. Taf. XXIX Fig. 5, 11. 220 G. Schwalbe, sind. Sie sind deshalb auch Muck), als ein so trefflicher Un- tersucher er auch sonst sich zeigt, gänzlich unbekannt geblieben. Dass sie aber wenigstens beim Hunde vorkommen, darüber kann gar kein Zweifel existiren, obwohl meine Beobachtungen an die- sem Thiere in den Einzelheiten mit denen von Haartmann?), der unter Bonsdorff’s Leitung arbeitete, und Budge?) nicht völlig übereinstimmen. Ich will zunächst den Verästlungsmodus des Oeculomotorius und das Verhalten seines Ganglions nach meinen eigenen Unter- suchungen schildern. Nachdem der N. oculomotorius am Anfang der Orbita dicht neben einander die Nerven zum Muse. reetus su- perior und levator palpebrae superioris als Bestandtheile eines oberen Astes abgegeben hat, unter diesen Muskeln an der latera- len Seite des Optieus gelegen, zieht er mit der Fortsetzung des Stammes, die nun den unteren Ast repräsentirt, gerade nach vorn, sich allmählig zum Boden des Augenmuskelkegels senkend und gelangt so unter sehr spitzem Winkel zur Axe des Sehnerven un- ter diesen, um nach vorn zum Musculus obliquus inferior zu ge- langen. Da wo der dritte Hirnnerv beginnt, sich unter den Sehnerven zu schieben, zerfällt er ziemlich schnell auf sehr engem Raume in die noch übrigen von ihm zu entsendenden Muskelzweige und bildet zugleich sein Ganglion (Fig. 17). Trotz dieser plötz- lichen Auflösung in alle seine noch restirenden Aeste gelingt es dennoch leicht zu constatiren, dass zunächst ungefähr auf glei- cher Höhe medianwärts der Zweig für den Musculus reetus me- dialis, lateral ein Büschel feiner Fäden für den unteren Theil des Musculus retractor bulbi abgegeben wird; dann folgt, aber in kaum messbarem Zwischenraum weiter nach vorn die Endgabe- lung in den Nerven für den Musculus reetus inferior und den für den Musculus obliquus inferior. Im Winkel, welchen diese beiden letzteren als Endzweige des N. oculomotorius mit einander bilden, liegt, scheinbar innig verschmolzen mit beiden und ihrem gemein- schaftlichen Stamme das Ganglion (g), wie eine axelständige Knospe. Es ist von ovalem oder kreisförmigem Umriss und lässt den freien Pol dieses Ovals oder dieses Kreises mehr oder weni- ger weit zwischen den beiden divergirenden Oculomotorius-Zweigen prominiren. Diese Form und Lage ist ganz charakteristisch für 2\21..c. p, 7 IR, 2) Anatomisk beskrifning öfver de sex första cerebral-nervparen hos hunden (Canis familiaris). Dissert. Helsingfors 1846. yUBUc.p. 27-29. Das Ganglion oculomotorn. »>1 ud alle bis jetzt darauf untersuchten Raubthiere und kann geradezu als Raubthiertypus des Ganglion oculomotorii bezeichnet werden. Untersucht man nun genauer die Verbindungen des Ganglions mit dem Oculomotorius, indem man das umhüllende Bindegewebe auf- hellt (Fig. 15), so erkennt man, dass das Ganglion nicht mit dem Stamme des Oculomotorius direkt in Verbindung steht, sondern nur mit seinen beiden Endästen; und zwar liegt die Ganglien- masse dem Ramus ad musc. obliguum inferiorem unmittelbar an, während sie vom Zweige für den Muse. rectus inferior eine kurze nur aus Nervenfasern bestehende Verbindungsbrücke erhält. Aus- ser dieser innigen doppelten Verbindung des Ganglions mit dem Oculomotorius findet sich noch eine ausserordentlich feine mit dem N. nasociliaris des Ramus ophthalmicus (Fig. 17. r. 1.), repräsen- tirt durch einen sehr feinen Faden, welchen derselbe schon bei seinem Eintritt in die Orbita nach vorn entsendet. Es erreicht dieser Faden den hinteren medialen Abschnitt des Ganglions. Ausserdem sah ich aber mit dieser Gegend des Ganglions noch einen zweiten feinsten Faden (s.) in Verbindung, den ich geneigt bin, für einen sympathischen zu halten. Nach Budget!) ist eine solche Verbindung des Ganglion ciliare mit dem Sympathicus aus physiologischen Gründen zu erschliessen, kann aber anatomisch nicht nachgewiesen werden. Auch Haartmann gedenkt einer solchen nicht. Vom convexen freien Rande des Ganglion oculomotorii ent- springen nun 5 an Stärke sehr verschiedene Nerven, von denen ich nur die beiden stärksten als echte Ciliarnerven des Oculomo- torius in Anspruch nehme (c’). Der eine derselben verläuft auf der oberen Seite des Opticus nach vorn und lateralwärts zum Bulbus, nachdem er sich zuvor mit einem feinen Zweige des Ra- mus ciliaris nervi nasociliaris (c) verbunden hat; der zweite aus dem Ganglion kommende Ciliarnerv verläuft unter dem Opticus nach vorn und medianwärts zum Augapfel. Es ist bemerkens- werth (Fig. 18), dass diese beiden Nerven dicht neben der Ver- bindung des Ganglions mit dem Ramus ad musculum rectum in- feriorem aus dem Ganglion entspringen, sodass ein direkter Ueber- gang von ÖOculomotoriusfasern sehr leicht möglich ist. — Der dritte bedeutend feinere Zweig des Ganglions (c”) zieht direkt zum Opticus und konnte von mir makroskopisch bis unter die Duralscheide desselben verfolgt werden. Er wird also nicht bloss Dale. 29. 222 G. Schwalbe, Fäden zu dieser entsenden, sondern auch den feinen Nerven re- präsentiren, der mit der A. und Vena centralis retinae in den centralen Bindegewebsstrang des Opticus hineindringt. Der 4. und 5. Zweig des Ganglions (c”’) endlich sind ebenfalls fein; es gelang mir nicht, sie bis zum Bulbus zu verfolgen, sie schienen sich vielmehr in dem fetthaltigen Bindegewebe dieser Gegend zu verlieren und sind möglichenfalls reine Gefässnerven. Soweit meine Beobachtungen über den Oculomotorius und sein Ganglion. In Betreff der übrigen Orbitalnerven des Hundes will ich nur noch erwähnen, dass der N. nasociliaris ausser dem fei- nen Faden zum Ganglion des Oculomotorius noch einen selbststän- digen Ramus ciliaris (longus) auf der oberen Seite des Sehnerven zum Augapfel entsendet, der, wie schon erwähnt wurde, einen kurzen verbindenden Seitenzweig zu dem oberen Ciliarnerven des Oculomotorius entsendet. Sodann möchte ich noch auf die schöne Verbindung aufmerksam machen, welche der Ramus frontalis (su- praorbitalis) des 1. Trigeminusastes innerhalb der Orbita mit dem Trochlearis eingeht. Letzterer erhält vom Frontalis einen ansehn- lichen Zweig und erscheint deshalb von dieser Verbindungsstelle an peripher etwas dicker. Mit der von mir entworfenen Schilderung des Ganglion ocu- lomotorii des Hundes und seiner Verbindungen stimmt Haart- mann’s Beschreibung und Abbildung nahezu überein. Nur er- wähnt er keines Fadens, der als sympathischer anzusprechen wäre. Dagegen weicht Budge!) wesentlich ab, indem nach ihm das Ciliarganglion (Ganglion superius) selbst gar keinen Verbindungs- faden vom Nasociliaris erhält ?), letzterer sich vielmehr mit einem vor dem Ganglion vom Oculomotorius selbst entspringenden Zweige verbindet. An dieser Verbindungsstelle liegt ein zweites kleineres Ganglion, von Budge bald als Ganglion ciliare inferius, bald als G. eil. externum bezeichnet. Offenbar ist dies letztere Ganglion in Budge’s Falle nur als eime abgelöste Portion des Hauptgang- lions anzusehn. In der That, wenn man in Budge’s Figur die Oculomotoriuswurzel des Ganglion inferius in peripherer Richtung 1) ]. e. Fig. VII. 2?) Auch Adamük (Medic. Centralbl. 1870. N. 12. S. 179) konnte bei Hunden und Katzen weder eine Verbindung des Ciliarganglions mit dem Trigeminus, noch mit dem Sympathicus finden. Er folgert daraus, „dass bei den genannten Thieren das Ciliarganglion als reines Ganglion des N. oculomotorius angesehen werden kann, und dieser Nerv ist dann nicht ein rein motorischer Nerv.“ Das Ganglion oeulomotorii. 223 an Oculomotorius und Ganglion eiliare anlegt, so erhält man ganz die von mir und Bonsdorff beschriebenen Verhältnisse. Aehn- liches findet sich nach Muck!) zuweilen beim Fuchs. Auch bei Lutra vulgaris erwähnt letzterer Forscher ein kleines secundäres Ganglion, das aber an der Vereinigung eines Ciliarnerven des Ganglions mit einem solchen des Nasociliaris gelegen ist. Auf die verschiedenen Angaben der einzelnen genannten Auto- ren in Betreff der Zahl und Schicksale der Ciliarnerven will ich nicht eingehen, da bei der scheimbar grossen Variabilität dieser Verhältnisse eine Untersuchung nur weniger Individuen doch keine sichere Entscheidung gestattet. Nur sei erwähnt, dass nach Muck die Zahl der vom Nasociliaris direkt verlaufenden Ciliarnerven, also der Nn. ciliares longi, um die m der menschlichen Anatomie übliche Terminologie zu gebrauchen, beim Hunde von 1 bis 3 va- riiren kann. Bei den übrigen von Muck untersuchten heimischen Carnivoren (Katze, Fuchs, Mustela foina und putorius, Lutra vul- garis) finden sich 1 bis 2 solcher Nerven. Bei diesen sind nun im Wesentlichen Gestalt und Anordnung des Ganglion oculomotorü dieselben, wie beim Hunde. Bei eini- gen wie z. B. bei Mustela foina und putorius ist aber die Verbin- dung des Ganglion mit dem Oculomotorius eine noch innigere. Es scheint dann das Ganglion gewissermaassen als eine Endknospe des unteren Astes jenes Nerven und entsendet nicht bloss die Ci- liarnerven in bekannter Weise, es scheinen sogar die Zweige zum Muse. rectus inferior und obliquus inferior direkt aus ihm zu ent- springen. Eine Verbindung des Ganglions mit dem Trigeminus wird bei keinem dieser Thiere von Muck erwähnt. Auch Bid- der und Volkmann?) glauben sich, und zwar sogar durch mi- kroskopische Untersuchung der Umgebung des Ganglions, über- zeugt zu haben, dass „weder der Trigeminus noch Zweige des an der Carotis aufsteigenden sympathischen Geflechts mit demselben in Verbindung stehen.“ Budge?) tritt dieser Behauptung bei. Auch Swan), der das Ganglion vom Jaguar beschreibt und ab- bildet, erwähnt keine anderen Verbindungen desselben, als mit dem ÖOculomotorius, dessen Ramus ad musc. obligquum inferiorem es unmittelbar ansitzt. 1) Li en p.slauior 2 2) Die Selbstständigkeit des hontischen Nervensystems. Leip- zig 1842. 8.78 u. 79. uk €i:P.aW: 4) ]. c. p. 265 u. Tafel XXXI Fig. 3. 224 G. Schwalbe, d) Pinnipedia. Für diese liegt meines Wissens nur eine Arbeit vor, von Staudinger!) unter Bonsdorff’s Leitung angefertigt, welche die 6 ersten Kopfnerven von Halichoerus grypus behandelt. Das (Ganglion gleicht hier in Form und Lagerung nach Beschreibung und Abbildung (Taf. II, Fig. 1) des Autors so sehr dem der Land- raubthiere, dass ein näheres Eingehn nur zu Wiederholungen füh- ren würde. Zu bemerken ist, dass eine direkte Verbindung von Nasociliaris und Ganglion nicht gefunden wurde; dagegen beschreibt Staudinger einen Faden vom Ganglion sphenopalatinum zum Ganglion ciliare als Radix media des letzteren. e) Rodentia. Das Kaninchen ist aus dieser Gruppe fast das einzige sorg- fältig untersuchte Thier. Auch meine eigenen Erfahrungen be- schränken sich auf das Kaninchen. Alle Untersucher, Muck?), Budge?°), W. Krause*) stimmen darin überein, dass das Ci- liarganglion hier sehr klein ist, alle ausser Krause, dass dasselbe dem Oculomotorius so innig anliegt, dass von einer kurzen Wurzel nicht die Rede sein kann. Krause’s kurze Beschreibung ist of- fenbar zu schematisch, durch die bekannten Verhältnisse des Men- schen beeinflusst; denn in fast allen Punkten widerspricht sie dem von mir und Anderen beobachteten. Der Oculomotorius schlägt auch beim Kaninchen, um zu sei- nem Endziele, dem Musculus obliquus inferior zu gelangen, in bekannter Weise den Weg unter dem Opticus ein, indem er von der lateralen Seite her sich spitzwinklig unter ihn nach median- wärts schiebt. Auf diesem Wege schickt er zunächst gleich am Anfang der Orbita seinen Ramus superior zum Musculus rectus superior und levator palp. superioris. Am lateralen Rande des Seh- nerven angekommen entsendet er unter diesen medianwärts den Zweig zum M. rectus medialis und gleich darauf einen Nerven zum Musc. retractor, um endlich jenseits des Opticus seine End- theilung in die für die Mm. rectus inferior und obliquus inferior bestimmten Nerven einzugehn. 1) Anatomisk beskrifning öfver de sex första cerebral-nervparen hos graa hafsskälen (Halichoerus grypus). Helsingfors 1847. 2) ]. c. p. 1922. ®)\ 1. e. 8. 31—33. 4) Die Anatomie des Kaninchens. Leipzig 1868. S. 225, 226 u. 260. Das Ganglion oculomotorii. 225 Das sehr kleine Ciliarganglion (Fig. 5 g) liegt nun dem Ocu- lomotorius an der Stelle an, wo er unter dem Opticus hindurch- schlüpfend soeben am medialen Rande desselben wieder sicht- bar wird. Seine Lage ist also, wie ich mit Muck und Budge finde, unter dem Sehnerven, nicht an dessen lateraler Seite, wie Krause!) angiebt; und zwar findet sich das Ganglion inner- halb der Strecke, die zwischen den Zweigen zum Musc. rectus medialis + retractor und rectus inferior enthalten ist, näher dem Abgange der ersteren beiden, als des letzteren. Es erscheint dann als ein kugliges, frisch oft gelblich gefärbtes Körperchen von 0,45 bis 0,64 Mm. Durchmesser. Es ist also ansehnlich kleiner, als die Fortsetzung des Oculomotoriusstammes, dem es unmittelbar an- liegt; denn letztere übertrifft mit 1,28 Mm. Durchmesser (wie das Ganglion durch Druck abgeplattet gemessen) den Durchmesser des Ganglions. Dass das Ganglion ungestielt dem 3. Hirnnerven auf- sitzt, ist schon Krause gegenüber hervorgehoben. Eine Radix brevis existirt nicht; die Fasern, welche im das Ganglion vom Oculomotorius aus treten, sind sofort von Ganglienzellengruppen umgeben. Sie lassen sich als eigenthümlich gebautes Bündel eine Strecke weit centralwärts innerhalb des Oculomotorius verfolgen. Die Nervenfasern, welche dies Bündel zusammensetzen, sind über- dies von wesentlich anderer Beschaffenheit, wie die am Ganglion vorbeipassirenden Nervenfasern des Oculomotorius. Während letz- tere bekanntlich breite markhaltige Fasern von 8 bis 16 « Durch- messer darstellen, zeichnen sich die ebenfalls markhaltigen des Granglienbündels durch ihre Feinheit und gleichmässige Breite von nur 4 u Durchmesser aus. Auch ist die Schwann’sche Scheide der letzteren viel kernreicher, als die der gröberen Fasern, sodass sie dadurch besonders leicht an Tinetionspräparaten unterschieden werden können. So klein nun das Ciliarganglion ist, so erhält es doch eine ganz beträchtliche Zahl von Ganglienzellen. Also auch hierin be- finde ich mich nicht in Uebereinstimmung mit Krause, nach dem es nur wenig Ganglienzellen enthält. Ich habe eine unge- fähre minimale Schätzung der Zahl dieser Zellen angestellt und kann dieselben nicht unter 150 angeben. Die Zellen sind sehr klein, kuglig und messen 20 bis 24 u im Durchmesser. Erhält dies kleine winzige Ciliarganglion ?) eine Radix longa Eule). 260% 2) Von Adamük (Medie. Centralblatt 1870. N. 12. 8. 179) wird Bd. XI. N. F. VI, 2. 15 226 G. Schwalbe, vom Nasociliaris? Nach Budge!) haben hier weder Trigeminus noch Sympathicus Antheil an der Bildung des Ganglion ciliare, nach Krause dagegen erhält es eine Radix longa vom Nasoci- liaris und Muck schreibt wenigstens dem nahe verwandten Hasen eine solche zu, während er ihrer beim Kaninchen nicht gedenkt. Ich selbst konnte durch gröbere Präparation eine solche nicht auf- finden, muss auch mit Entschiedenheit die Verbindung mit irgend einem nervösen Faden für den grösseren Theil der Oberfläche des Ganglions in Abrede stellen, da man sich davon durch mikrosko- pische Untersuchung leicht überzeugen kann. Dagegen sieht man vom freien Pole des Ganglions 2—3 Nervenstämmchen sich ent- wickeln, von denen 2 nahe zusammenstehende wohl Ciliarnerven werden, die gewöhnlich indessen nur durch einen Faden repräsen- tirt sind. Der andere durch einen Zwischenraum von diesem Ci- liarnervenursprung getrennte Faden könnte möglichenfalls als das Ende einer Radix longa angesehn werden, doch kann ich diese Angelegenheit nicht sicher entscheiden. Dass vom Nasociliaris 1 bis 2 selbstständige Ciliarnerven ab- gegeben werden, von denen einer sich mit dem aus dem Ganglion oculomotorii entspringenden Nerven vereinigt, geben Muck und Budge an. Wie beim Kaninchen scheint sich das Ciliarganglion nach Muck’s Beschreibung beim Hasen zu verhalten. Auch hier ist es von sehr geringer Grösse, „adeo parvum, ut vix con- spiciatur; sub nervo optico situm, tanquam macula lutea nervo tertio adhaeret ?).“ Diese geringe Grösse des Ciliarganglions scheint überhaupt für die Nagethiere charakteristisch zu sein und daraus erklärt es sich wohl, dass Muck dasselbe beim Eichhörn- chen und Murmelthier nicht finden konnte, da er sich des Mi- kroskopes nicht bediente. Von Gumo&ns?) wird nun ein Ciliar- ganglion beim Eichhörnchen beschrieben und abgebildet. Ich möchte indessen nach Beschreibung und Abbildung vermuthen, dass das wahre Ciliarganglion diesem Forscher wegen seiner ver- muthlich mikroskopischen Feinheit unbekannt geblieben ist, und dass das, was er abbildet und nicht durch mikroskopische Unter- seltsamer Weise die Existenz dieses Ganglions bei Kaninchen, Meer- schweinchen und selbst beim Schwein geleugnet! ale D.r08. = Muck, 1. cup. 20! 3) De systemate nervorum sciuri vulgaris. Dissert. Bernae 1852. pı2A (u. Tafel II, ‚Fig.\2e. Das Ganglion oculomotorii, 227 suchung geprüft hat, ein Kunstprodukt darstellt. Damit soll na- türlich nicht die Existenz des Ganglions bei diesem Thiere über- haupt in Abrede gestellt werden; dass dasselbe auch hier unter wesentlich denselben Verhältnissen existirt, wie beim Kaninchen, wird ja leicht bei nächster Gelegenheit zu entscheiden sein. Il. Allgemeiner Theil. In diesem Abschnitt werde ich die Resultate zusammenstel- len, welche meiner Ueberzeugung nach mit Nothwendigkeit sich aus den im Vorstehenden mitgetheilten Thatsachen ergeben, so- wie die Einwände erörtern, die man etwa gegen die von mir ge- zogenen Schlüsse vorbringen könnte. I. Das Ciliarganglion ist ein Ganglion des Oculomotorius. Ich glaube kaum nöthig zu haben, diesen Satz eingehend zu begründen, da schon eine oberflächliche Durchmusterung des von mir mitgetheilten Materials zu dieser Ueberzeugung drängt. Man hat bekanntlich meistens das Ganglion ciliare seit dem Vorgange Ar- nold’s für ein sympathisches Ganglion erklärt (vergl. unter An- deren Rauber l.c. S. 28) und bei vergleichend-anatomischen Stu- dien über die Kopfnerven mit dieser Annahme wie mit einer That- sache gerechnet !). Andere haben die Beziehungen des Ciliargang- lions zum Trigeminus für inniger gehalten, eme Annahme, die durch die Beschreibung des Ganglions im Kapitel Trigeminus in den mei- sten Lehrbüchern der Anatomie sanctionirt wurde und für die be- sonders Remak’s entwicklungsgeschichtliche Notizen zu sprechen schienen. 1) Ueberblicken wir nun unser Material zunächst mit Rück- sicht auf die Frage nach einer Verbindung des Ciliargang- lions mit dem Sympathicus, so ergiebt sich, dass diese erst in der Klasse der Säugethiere nachzuweisen ist. Dem theil- weise erst durch meine Untersuchungen bekannt gewordenen Ci- liarganglion der Fische, Amphibien, Reptilien und Vögel fehlt eine Verbindung mit dem Sympathicus gänzlich. Auch bei Säu- gethieren ist sie nicht überall nachgewiesen (Katze, Nagethiere). !) Gegenbaur, Ueber die Kopfnerven von Hexanchus und ihr Verhältniss zur Wirbeltheorie des Schädels.. Diese Zeitschrift VI. S. 546 Anmerkung. tar 228 G. Schwalbe, Selbst beim Menschen verhält sie sich nach den neuesten Mitthei- lungen von Reichart!) nicht so, dass man von einer Radix sym- pathica im Sinne von Arnold reden könnte. Vielmehr gehen an der Stelle dieser nur wenige feine Fädchen von 0,1 bis 0,2 Mm. Dicke vom carotischen Geflecht zum Ganglion, während die grös- sere Anzahl von sympathischen Fasern dem Ganglion durch die Verbindung des Oculomotorius mit dem Plexus carotieus im Sinus cavernosus zugeführt wird. Nie ist es Reichart gelungen, eine sog. sympathische Wurzel als einfaches Nervenstämmchen mikro- skopisch darzustellen. Wie dem aber auch sein mag, das Fehlen jeder Beziehung des Ganglions zum Sympathicus in den meisten Wirbelthierklassen verbietet schon von vornherein die Annahme, das Ciliarganglion gehöre zum Sympathicus. 2) Das Ciliarganglion gehört aber ebensowenig zum Trigeminus. Denn auch diese beim Menschen so deutliche und ansehnliche Verbindung des Ganglions kommt nicht allgemein vor. Sie wird vermisst bei den Selachiern und Amphibien ?). Auch für einige Säugethiere (Katze, Kaninchen) wird sie in Abrede ge- stellt. Bei den übrigen untersuchten Säugethieren, bei Reptilien und Vögeln (desgl. bei Teleostiern nach Stannius) ist sie wie beim Menschen in aller Deutlichkeit vorhanden. Indessen, unter- sucht man die Art der Verbindung genauer, so ergeben sich auch hier vielfach Verhältnisse, welche nicht gerade mit einer Zugehö- rigkeit des Ganglions zum Trigeminus, speciell dessen Ramus oph- thalmicus vereinbart werden können. Ich mache in dieser Bezie- hung besonders auf die so variable Art der Verbindung bei Vö- geln und Reptilien aufmerksam. Wo wie bei ersteren, ferner bei Sauriern und Cheloniern, das Ganglion als Anfangsanschwellung des starken Nervus ciliaris crassus erscheint, verbindet sich der Faden vom Nasociliaris meistens mit dem distalen Ende der Gang- lienanschwellung oder mit dem aus derselben austretenden Ciliar- nerven. Es steht also hier die sogenannte Radix longa des Ci- liarganglions ganz ausser Beziehung zu letzterem. Aehnliches !) Beitrag zur Anatomie des Ganglion ophthalmicum. München 1875. 8. 19—20. 2) Möglich wäre es allerdings immer noch, dass irgend einer der feinen von den Oculomotorius-Ganglien ausgehenden Fäden hier einen solehen Zweig des Trigeminus im abgerissenen Zustande repräsentire; allein Niemand würde wohl, selbst wenn dies nachzuweisen wäre, alle die dem Oculomotorius bei Selachiern und Amphibien eingela- gerten Ganglien dem Trigeminus zuschreiben. Das Ganglion oculomotorii. 229 findet sich nach Fischer beim Krokodil, wo der Verbindungs- faden vom Nasociliaris ebenfalls erst das distale Ende der Intu- mescentia ganglioformis des Oculomotorius erreicht. Es bleiben also noch die Säugethiere für eine etwaige Zugehörigkeit des Ci- liarganglions zum N. nasociliaris verwerthbar. Allein abgesehn davon, dass diese allein die angeregte Frage nicht entscheiden können, finden sich auch hier Verhältnisse, welche sich an die klaren Bilder bei Reptilien und Vögeln anschliessen lassen. Ich will gar nicht reden von dem angeblichen Fehlen einer „Radix longa“ bei der Katze und beim Kaninchen. Hervorheben möchte ich aber, dass fast allgemein der Verbindungsfaden vom Nasoci- liaris nicht an der dem Oeculomotorius anliegenden Basis des Ganglions sich in dasselbe einsenkt, sondern an dessen entgegen- gesetzter Kante. Ich erinnere an die Verhältnisse bei Ungulaten und beim Menschen. Da nun am entgegengesetzten Winkel der- selben distalen Kante die Ciliarnerven austreten, für die doch der Verbindungszweig vom Trigeminus bestimmt ist, so folgt daraus, dass auch hier der letztere Nerv sich am Aufbau des Ganglions nur in untergeordneter Weise betheiligen kann. Dass beim Men- schen ferner das Verhalten der Radix longa ein sehr verschiede- nes ist, dass sie bald durch einen stärkeren Faden, bald durch mehrere feinere repräsentirt wird, hat Reichart!) gezeigt. Die vergleichende Anatomie lehrt also zweifellos, dass das Ciliarganglion auch kein Ganglion des Trigeminus sein kann, da es ja bei vielen Wirbelthieren überhaupt keinen Verbindungsfaden von diesem Nerven erhält. Mit diesem Resultat vergleichend ana- tomischer Untersuchung stehen einige Angaben über die Entwick- lungsgeschichte dieses Ganglions in scheinbarem Widerspruch. Remak?) macht über die Entwicklung des Ciliarganglions beim Hühnchen folgende aphoristische Angaben, die sich auf das Ende des 3. Tages der Entwicklung beziehen: „Der erste dieser Nerven, der Nervus trigeminus, ist der stärkste von allen. Das an seinem Hirnende befindliche runde Ganglion (Ganglion Gasseri) liegt ge- nau auf der Grenze zwischen dem verlängerten Marke und dem kleinen Gehirn: es ist beinahe so gross wie das Ohrbläschen, in der Regel mit blossem Auge sichtbar. Der von ihm ausgehende kurze Stamm theilt sich in zwei unter spitzem Winkel aus einan- der weichende Schenkel. Der obere Schenkel (Anlage des ersten ES I Ne a 7 2) Untersuchungen über die Entwickelung der Wirbelthiere. Ber- in7859.018:87. TakııEV.Eig.137, 38 W049. 230 G. Schwalbe, und. zweiten Astes des Nervus trigeminus) verläuft zur oberen äusseren Fläche der Augenblase seiner Seite. Daselbst schwillt er in ein halbmondförmiges, der Augenblase dicht anliegendes Ganglion (das Ganglion ciliare) an, welches dem Ganglion Gasseri an Umfang wenig nachsteht.“ Es wird sodann das Schicksal des unteren Schenkels besprochen, der zum dritten Ast wird. Köl- liker, der selbst resultatlose Untersuchungen über das Ganglion ciliare anstellte !), acceptirt Remak’s Angaben und deutet die- selben so, „dass das Ganglion ciliare aus dem Ganglion Gasseri ebenso hervorgewuchert sei, wie die zwei Aeste des Trigeminus.“ Ich kann weder in der Remak’schen Beschreibung, noch in sei- nen Abbildungen irgend etwas Beweisendes für die Annahme einer Abstammung des Ciliarganglions aus dem Trigeminus entdecken. Zunächst scheint mir die Deutung der einzelnen Theile gar nicht einmal sicher gestellt zu sein, da sich Wiedersprüche gegen be- kannte Thatsachen nachweisen lassen. So soll der obere Schenkel den ersten und zweiten Ast des Trigeminus liefern und doch läuft er in Fig. 38 ganz über die dorsale Seite des Auges fort und schwillt an der dorsalen Seite des letzteren zu dem als Ci- liarganglion gedeuteten Gebilde an. Sodann ist in den Figuren vom Oculomotorius nichts zu sehen; soll die Deutung Remak’s richtig sein, so muss doch eine genetische Beziehung des Gang- lions zum Oculomotorius ausgeschlossen sein. Man sieht, Re- mak’s Angaben sind in keiner Weise zu verwerthen. Ich könnte es nun dabei bewenden lassen und mich auf die Thatsachen der vergleichenden Anatomie berufen, sowie auf die von Kölliker an- gefochtenen Angaben von Marshall über Vorkommen eines Gang- lions im Oculomotorius beim Hühner-Embryo. Ich glaube aber noch mehr thun zu können: eine von Kölliker für diese Frage nicht verwerthete Arbeit enthält Angaben über die Entwicklung des Ci- liarganglions beim Hühnchen, die sich sehr wohl mit den von mir auf vergleichend anatomischem Wege erhaltenen Ergebnissen ver- einbaren lassen und meiner Ansicht nach auch in durchaus keinem prineipiellen Widerspruch zu den Angaben von Marshall sich befinden. Es ist dies His’ Werk über die erste Entwicklung des Hühnchens im Ei. Ich will hier ebenfalls das auf unsere Frage Bezügliche wörtlich anführen ?): „Der Zwischenstrang des Kopfes, von welchem die über den Augenblasen liegende Zellenmasse na- 1) Entwicklungsgeschichte. 2. Auflage. S. 615. Diane: 106. Das Ganglion oculomotorü. 231 türlich nur einen Theil bildet, erfährt eine Gliederung in mehrere hinter einander liegende Segmente, die Anlagen der spina- len Kopfganglien.... Es sind ihrer 4 vorhanden, 2 vor dem Gehörbläschen und 2 dicht beisammen liegende hinter demselben. .... Die vorderste von den Anlagen ist diejenige von den sensi- blen Ganglien des Trigeminus; sie ist bei weitem die umfäng- lichste. Sie läuft nämlich neben sämmtlichen 3 vorderen Abschnit- ten des Gehirns her und endigt erst am hinteren Rand des Hin- terhirns. Wir können an dieser Ganglienanlage einen vorderen und einen hinteren Abschnitt unterscheiden. Der vordere wird durch die so eben geschilderte Zellenmasse gebildet, welche der Innenseite der Augenblasen anliegt, aus ihm wird das Ganglion eiliare. Hinter der Augenblase verjüngt sich die Masse etwas, um am hintern Ende des Mittelhirns und neben dem Hinterhirn nochmals bedeutender anzuschwellen, und in den hintern Abschnitt, die Anlage des G. Gasseri überzugehen. Der vordere und der mittlere Theil dieser Ganglienanlage entfernt sich allmählig vom Gehirn, und der Zwischenraum wird von Gefässanlagen eingenom- men. Am hinteren Ende dagegen erhält sich die Verbindung durch einen schmalen Substanzstreifen, welcher der oberen Run- dung des Hinterhirns sich anlegt. Dieser Streifen bildet die Brücke, längs welcher die Wurzelfasern vom Ganglion zum Ge- hirn treten.“ Die Augenmuskelnerven leitet sodann His vom Me- dullarrohre selbst ab. Er sagt aber ferner (S. 107): „Allerdings werden die Bahnen, welchen diese Nerven bei ihrem Austritt aus dem Gehirn folgen, im Allgemeinen durch die Ganglien vorge- zeichnet. Die Stellen, an welchen eine Zeit lang die Ganglienan- lagen am Medullarrohre anliegen, sind zugleich diejenigen, an welchen die motorischen Wurzelfasern das Mark verlassen. In der Weise scheint die Anlage des G. ciliare, welche verhältniss- mässig spät vom Gehirn sich trennt, den vorderen Augenmuskel- nerven, dem N. oculomotorius und dem Trochlearis den Weg zu weisen.“ Aus diesen bestimmten Angaben von His geht nun je- denfalls soviel hervor, dass das Ciliarganglion sich nicht aus dem Trigeminus entwickelt, sondern aus dem „Zwischenstrange“ in ähnlicher Weise sich hervorbildet, wie das Ganglion Gasseri. Es ist also nicht ein Abkömmling des letzteren, sondern demsel- ben morphologisch gleichwerthig. Es ergiebt sich aus diesen His’schen Mittheilungen auch eine richtigere Erklärung der Ab- bildungen von Remak. Des Letzteren Ciliarganglion entspricht, trotz seiner sonderbaren Lage der Anlage des Ciliarganglions, der 232 G. Schwalbe, verdickten Stelle des Zwischenstranges, sein Ganglion Gasseri der zur Bildung des letzteren führenden Verdickung des Zwischen- stranges und der sog. obere Schenkel, der die Anlage des 1. und 2. Trigeminusastes enthalten soll, ist keins von beiden, sondern dder nicht in die Bildung der Ganglien eingegangene Theil des /wischenstranges, der somit von Anfang an eine Verbindung bei- der Ganglien darstellt. Setzt man nun für Zwischenstrang den von Balfour und Marshall für denselben Embryonaltheil ac- ceptirten Ausdruck Neuralleiste (neural ridge), so ist die Uebereinstimmung in den Angaben von His und Marshall, was das Thatsächliche betrifft, auffallend genug. Beide finden im Be- reich des Mittelhirns eine Anschwellung des Zwischenstranges (very prominent outgrowth of the neural ridge, Marshall. c. p. 15). His deutet denselben als Anlage des Ciliarganglions, Marshall als erste Anlage des N. oculomotorius, der ganz und gar nach Art einer dorsalen Wurzel entstehen soll. So findet er es nach 29stündiger Bebrütung. Nach 96 Stunden dagegen zeigt sich bereits ein gut gesonderter von der Basis des Mittelhirns entspringender Nervenstamm, den Marshall seiner Lage- und Ursprungsverhältnisse wegen mit Recht für den Oculomotorius er- klärt. Auffallend erschien nur eine Ganglienanschwellung an der Theilungsstelle des Nerven in 2 Aeste. Von einem Ciliarganglion erwähnt er nichts. Es kann aber dies Ganglion nach Allem nichts Anderes sein als das Ciliarganglion, das von seiner ursprüngli- chen dorsalen Bildungsstätte aus längs des Oculomotorius herab- gewandert ist. Ob diese Bildungsstätte in analoger Weise, wie die des Ganglion Gasseri die Portio major trigemini, so hier den ganzen oder einen Theil des Oculomotorius liefert, wollen wir wei- ter unten erörtern. Hier genügt es nachgewiesen zu haben auf Grund vorhandener Beobachtungen: 1) dass das Ganglion ciliare nicht aus dem Trigeminus hervorgeht, 2) dass es vielmehr im (zebiet des Mittelhirns in etwa derselben Frontalebene wie der Oculomotorius sich entwickelt. Diese beiden Behauptungen schei- nen mir wenigstens durch die vorhandenen Beobachtungen zwei- fellos erwiesen. Wahrscheimlich ist ferner 3) dass der Verbin- dungsstrang zwischen beiden Ganglienanlagen zu der durch Naso- ciliaris und Radix longa vermittelten Verbindung des Ganglion Gasseri und Ganglion ciliare sich gestaltet. Die auffallende Dicke dieses jetzt noch kurzen Verbindungsstranges kann uns nicht ver- hindern, diese Deutung anzunehmen, da ja bekannt ist, dass em- bryonale Nerven und Ganglien sich im Allgemeinen relativ gross Das Ganglion oculomotorii. 233 zeigen, dass die späteren Wachsthumsverhältnisse in der eingrei- fendsten Weise die Proportionen ändern können. Dies gilt auch von den Grössenverhältnissen des Ciliarganglions selbst, und zwar nicht bloss beim Hühnchen. Man kann sich leicht davon über- zeugen, dass dasselbe bei jungen Thieren unverhältnissmässig gross ist. Schon Muck!) fiel auf, dass es bei neugebornen Ziegen be- reits dieselbe Grösse besitzt, wie bei erwachsenen. Ich selbst habe mich an menschlichen Foeten von der auffallenden Grösse des Ganglions überzeugt. Entsteht nun das Ciliarganglion resp. der dasselbe bildende Theil des Oculomotorius, woran wohl kein Zweifel sein kann, im Gebiet des Mittelhirns durch seitliches Herabwuchern der dorsalen Neuralleiste (des Zwischenstranges), so wird dieser Vorgang aller- dings sehr leicht zu constatiren sein, wo das Ciliarganglion eine gute Entwicklung zeigt, wie z. B. bei den Vögeln, ebenso wahr- scheinlich auch bei Reptilien und Säugethieren. Bei Selachiern und Amphibien dagegen, wo die einzelnen Oculomotoriusganglien eine geringe Grösse zeigen, wird die Entstehung derselben und des dazu gehörigen Nervenstranges nach Art einer dorsalen Wurzel nur sehr schwer festzustellen sein wegen der geringen Grösse der in Betracht kommenden Theile. Dies macht es meiner Ansicht nach vollkommen verständlich, weshalb Balfour?) bei Selachiern Goette?) bei Batrachiern nichts von einem solchen Entstehungs- modus melden, weshalb ferner Kölliker’s Untersuchungen beim Kaninchen, soweit dabei ein Ganglion des Oculomotorius, also das Ciliarganglion in Betracht kommt, erfolglos geblieben sind; denn gerade hier, wie bei allen Nagern ist das Ganglion ausserordentlich klein. Endlich noch einige Worte über Marshall’s Deutung der beiden aus der Ganglienanschwellung des Oculomotorius beim Hühn- chen entspringenden Aeste. Er deutet den oberen als Ramus dor- salis, für den Musculus recetus superior bestimmt, den anderen als unteren Äst des Oculomotorius. Letztere Deutung ist unzweifelhaft richtig, erstere aber nicht. Marshall’s oberer Ast ist vielmehr der dicke N. ciliaris (vergl. oben die spezielle Beschreibung). Denn der wahre Ramus superior geht stets vor dem Ganglion vom Stamme des 3. Hirnnerven ab. Ziikie. p. 80. 0...37. ?) The development of Elasmobranch fishes. Development of the cranial nerves. Journal of Anat. & Physiol. XI. p. 457 ff. 3) Die Entwicklungsgeschichte der Unke, 8. 628 u, 629, 234 G. Schwalbe, Soviel über die Angaben in Betreff der Entwicklung des Ciliar- ganglions. Ich glaube nachgewiesen zu haben, dass sie den Re- sultaten meiner vergleichend anatomischen Forschungen jedenfalls nicht widersprechen, vielmehr ganz geeignet sind, dieselben nur zu bekräftigen. 3) Wenn nun das Oiliarganglion weder dem Sympathicus noch dem Trigeminus angehört, so bleibt nichts weiter übrig, als das- selbe als ein Ganglion oculomotorii zu betrachten, zu welcher Auffassung man ja sofort durch den flüchtigsten Ueberblick der von mir mitgetheilten Untersuchungsergebnisse genöthigt wird. Denn nicht nur, dass die Verbindung mit dem Oculomotorius kon- stant sich findet, sie ist auch die innigste und in den meisten Fällen liegt sogar die Ganglienmasse dem Oculomotorius unmittelbar an oder innerhalb desselben, sogar über eine grössere Strecke des Nerven verstreut (Selachier, Amphibien). Wir können die ver- schiedenen Beziehungen des Ganglions zum Oculomotorius nach 3 Gesichtspunkten ordnen: 1) nach der Zahl der Ganglien des Oculomotorius; 2) nach der Art der Verbindung ganz im All- gemeinen; 3) nach dem Orte der Verbindung mit dem Oculo- motorius. a) Zahl der Ganglien. Das Ganglion oculomotorii kommt bei den höheren Wirbel- thieren von den Reptilien an aufwärts stets in einfacher Zahl vor. Denn die kleinen Ganglienansammlungen, welche in den Giliar- nerven und deren Plexus bei Säugethieren mehrfach beschrieben und neuerdings von Peschel!) beim Kaninchen einer besonderen Zählung‘ unterworfen sind, haben nichts mit dem Oculomotorius und Ciliarganglion zu thun, sondern sind sympathischer Natur. Dagegen finden wir bei Selachiern und Amphibien an mehreren Stellen der Oculomotoriusbahn Anhäufungen von Nervenzellen und dazwischen einzelne Nervenzellen zerstreut. Man könnte hier von einem diffus über eine längere Nervenstrecke verbreiteten Ganglion reden. Die Zahl der einzelnen Ansammlungen von Nervenzellen erreicht, soweit meine jetzigen Ermittelungen gehen, ihr Maximum bei Rana. Hier konnte ich 4 Ganglien und überdies dazwischen zerstreute Ganglienzellen nachweisen. 3 Ganglien habe ich bei Seyllium, 2 bei Mustelus gefunden. 1) 60 Ganglien in dem Nervensystem des Kaninchenauges. Deutsche Zeitschr. f. praktische Med. N. 44. 8. 519. Das Ganglion oculomotorii. 235 b) Art der Verbindung. Was die Art der Verbindung des Ganglions mit dem Oculo- motorius betrifft, so können wir alle möglichen Uebergänge von einer vollständigen Einlagerung seiner Ganglienzellen in den Stamm des Nerven bis zur Abgliederung eines gestielten, mit „Radix brevis“ versehenen Ciliarganglions beobachten. Ich bringe diese verschie- denen Differenzirungszustände in 4 Kategorien und zwar in fol- sender aufsteigender Reihe unter: 1) Das einfache oder mehrfache Ganglion liegt vollständig im Oculomotorius, mit seinen Ganglienzellen so zu sagen diffus zwischen den Nervenfasern verbreitet, oft über eine weite Strecke fleckweise vertheilt. Es gehören hierher die Mehrzahl der Ganglien bei Rana (N. 1, 3 u. 4), sowie die Ganglien des Oculomotorius von Salamandra, ferner das Ganglion oculomotorii der Krokodile und wahrscheinlich auch der Schlangen. Sind die Ganglien klein, so verursachen sie keine oder eine kaum sichtbare Anschwellung des Nerven, wie bei den Amphibien; bei grösserer Entwicklung erscheint das nunmehr einfache Ganglion als Intumescentia ganglio- formis wie bei den Krokodilen, wahrscheinlich auch bei den Schlangen. 2) Das Ganglion liegt der einen Seite des Oculomoto- rius dicht an, eine oft nur mikroskopisch sichtbare geringe seitliche Anschwellung desselben bedingend. Häufig (Haie) finden sich mehrere (bis 3) kleinere Ganglien dem Oculomotorius an- gelagert. Die betreffenden Ganglien sind eingeschaltet in einen dünnen Strang feinerer Nervenfasern, der nebst den Ganglien an den dickeren aus gröberen Nervenfasern bestehenden Theil des Oculomotorius in ähnlicher Weise sich anschmiegt, wie eine sen- sible Wurzel mit ihrem Spinalganglion an die zugehörige moto- rische (Haie, Rochen, Chimaera). Vergl. besonders Fig. 3 von Chimaera. Auch das zweite der von Rana beschriebenen Ganglien gehört in diese Kategorie. Wahrscheinlich ist aber die erste Kate- gorie von dieser zweiten nicht wesentlich zu unterscheiden. Denn es kann recht wohl sein, dass bei Amphibien und den genannten Reptilien eine genauere Untersuchung auch hier einen Ganglien- zellen enthaltenden Nervenstrang innig angelagert an einen zweiten diese Zellen entbehrenden nachweisen wird. Ueberdies scheinen auch bei Haien einzelne zerstreute Ganglienzellen zwischen den Ganglienzellengruppen im Oculomotorius vorzukommen, analog den von mir für Rana erhaltenen Befunden. 236 G. Schwalbe, 3) Bei stärkerer Entwickelung des Ganglions tritt dasselbe als ansehnliche seitliche Anschwellung über die Oberfläche des Nerven mehr oder weniger weit hervor. Es beginnt zugleich der Prozess der Ablösung des Ganglions vom Nerven damit, dass die peripher aus ihm hervorgehenden Nervenfasern nicht mehr, wie z. B. bei Chimaera, an die Fortsetzung des Oculomotorjus zu- nächst angelehnt bleiben, sondern sich sofort abheben, sodass also der Oculomotorius an seiner das Ganglion enthaltenden Stelle aus diesem einen resp. mehrere Seitenzweige entsendet. So verhält es sich z. B. bei den Nagethieren, ferner bei einem Theile der Ungulaten (Bos, Ovis). Denkt man sich die Form des Ganglions in diesem Falle weniger gedrungen, vielmehr in der Richtung des sich aus ihm abzweigenden Ciliarnerven lang ausgezogen, so erhält man die Anordnung, welche Saurier, Chelonier und Vögel erkennen lassen. Das Ganglion bildet ja bier eine kegel- oder spindel- förmige Anschwellung am Anfange des dicken Ciliarnerven. Dieser Zustand geht dann unmittelbar in den durch 4) re- präsentirten über, der durch Vorhandensein einer Radix brevis charakterisirt ist. Aus den unter 2) und 3) geschilderten Zuständen ist dieselbe einfach in Folge einer fortschreitenden Ab- lösung abzuleiten. Sobald die Ablösung des Ganglienzellen führen- den Bestandtheiles des N. oculomotorius auch das Ganglion selbst ergreift und über dasselbe centralwärts weitergreift, erhält man selbstverständlich eine Radix brevis. Es liegt auch nicht fern, die Wachsthumsverhältnisse anzugeben, welche diese Ablösung mögli- cher Weise bewirken werden. Wenn die fixirten Enden (a) der das Ganglion g verlassenden Nerven bei Fixirung des Oculomotorius in b im weiteren Verlaufe des Wachsthums allmählig in stärkerem Grade sich von ihrem am Oculomotorius gelegenen Ausgangspunkt g entfernen, als die zwischen beiden fixirten Punkten gelegenen Ner- venstrecke ag sich durch ihr Eigenwachsthum verlängern kann, so muss eine allmählige Abschälung in der Richtung von g nach c stattfinden, die zunächst das Ganglion, dann aber centralwärts Das Ganglion oculomotorii. 931 fortschreitend die Strecke ge in grösserer oder geringerer Aus- dehnung betrifft, eine längere oder kürzere Radix brevis erzeugend. Ueberblicken wir noch einmal mit Rücksicht auf das Vorkommen einer solchen die Wirbelthierreihe, so finden wir diesen Stiel des Ganglions in den verschiedensten Wirbelthierklassen, so bei Te- leostiern (nach Stannius), ferner unter den Säugethieren bei Ce- taceen (Stannius), einigen Ungulaten, Carnivoren und beim Men- schen. Auch einige Vögel und Saurier mögen hierher gehören, nämlich alle die, bei denen die Ganglienzellen des Ramus eiliaris crassus nicht bis auf die Oberfläche des Oculomotorius reichen. Bei Carnivoren findet sich endlich insofern noch eine Besonderheit, als auch von dem für den Musc. rectus inferior bestimmten Zweige eine zweite „Wurzel“ für das Ciliarganglion abgegeben wird. ec) Ort der Verbindung des Ciliarganglions mit dem Oculomotoriust). Das Ciliarganglion kann an den verschiedensten Stellen der Oculomotoriusbahn angelagert sein. Nie findet es sich in der Strecke vom Austritt des Oculomotorius aus dem Gehirn bis zum Abgang des Zweiges für den Musculus rectus superior. Dieser /weig wird in allen Abtheilungen der Wirbelthiere vor Auftreten, des Oculomotorius abgegeben, beim Vorkommen eines Muse. levator palpebrae superioris selbstverständlich auch der für diesen be- stimmte Nerv. Alle übrigen peripher von dieser Stelle gelegenen Strecken des 3. Hirnnerven können das Ganglion enthalten. Man kann die einzelnen Befunde hier unter 5 Gruppen bringen: 1) Das Ciliarganglion liegt innerhalb der Nervenstrecke, welche sich zwischen Abgang des Zweiges für den Rectus superior und des für den Musc. rectus medialis bestimmten findet: Frosch, Chelonier, Saurier, Vögel. 2) Das Ganglion liegt an der Stelle, wo der Zweig zum Muse. rectus medialis abgegeben wird, sodass dieser wie die übrigen aus dem Ganglion zu entspringen scheinen. Letzteres ist also etwas weiter peripher verschoben, wie in 1). Hierher gehören: die Kro- kodile und wahrscheinlich auch Schlangen. 3) Das Ganglion liegt zwischen Abgang des Zweiges zum Muse. !) Bei dieser Uebersicht über die Lagebeziehungen des Ganglions zu den Zweigen des N. oculomotorius ist der Zweig zum M. retractor nicht berücksichtigt, da er nicht allgemein vorkommt, 238 G. Schwalbe, rectus medialis und zum Muse. rectus inferior: Salamandra, Nage- thiere. 4) Das Ganglion liegt an der Gabelungsstelle resp. Endtheilung des Oculomotorius in die Zweige zu den Musculi rectus inferior und obliquus inferior. Haie, Carnivoren, Theil der Ungulaten. Es verbreitet sich dabei zum Theil auch auf den für den Muse. obli- quus inferior bestimmten Zweig (Haifische). 5) Das Ganglion liegt dem für den Musculus obliquus inferior bestimmten Endzweige des Oculomotorius an, entweder ungestielt (Kochen, Chimaera) oder gestielt (Theil der Ungulaten, Mensch). Innerhalb dieser Gruppe kann aber die Anlagerungsstelle wieder vom Abgang des Astes zum Musc. rectus inferior mehr oder we- niger weit peripher am Aste für den M. obliquus inferior ver- schoben sein; am weitesten ist diese Verschiebung (s. oben) bei Chimaera erfolgt. Ueberblicken wir nun die verschiedenen Beziehungen, welche das Ciliarganglion nach Art der Verbindung und Ort der Lagerung mit dem Oculomotorius eingeht, so kann man wohl allenfalls, die Art der Verbindung betreffend, behaupten, dass eine Einlagerung des Ganglions in den Stamm resp. eine innige Anlagerung an denselben sich im Allgemeinen bei den niederen Formen des Wirbelthier- Stammbaumes findet, so bei Selachiern und Amphibien, während die höheren Formen durch ein stärkeres seitliches Hervortreten resp. Ablösung des Ganglions vom Stamme charakterisirt sind. Leider fehlen aber, um etwa nach dieser Richtung einen Stamm- baum des Ciliarganglions aufzustellen, noch gänzlich Kenntnisse über das Verhalten desselben in den wichtigen Abtheilungen der Cyclostomen, Ganoiden, Dipneusten und unter den Säugethieren bei den Monotremen und Beutelthieren. Andererseits zeigen sich unter den Fischen die Teleostier, wie in so vielen anderen Be- ziehungen, so auch hier, divergent entwickelt. Wenn wir nun auch mit Rücksicht auf die Art der Verbin- dung noch von niederen und höheren Entwicklungsstufen des Gang- lions reden können, so ist der Ort, an welchem die Verbindung des Ganglions mit dem Oculomotorius stattfindet, jedenfalls nicht durch die niedere oder höhere Stellung im System bedingt, der Art, dass etwa die niederen Formen das Ganglion mehr central, die höheren dasselbe mehr peripher gelagert zeigen. Denn hier sind es neben den Amphibien auffallender Weise die Vögel und viele Rep- tilien, welche die am meisten centrale Lagerung des Ganglions besitzen, während umgekehrt die Selachier ihr erstes Ganglion Das Ganglion oculomotorii. 239 erst an der Endtheilung in die Zweige zum Musc. rectus inferior und obliquus inferior zeigen und Chimaera dasselbe weit an dem Aste zum M. obliquus inferior vorschiebt. Ich glaube, wir können uns eine befriedigende Vorstellung verschaffen von den Ursachen dieser verschiedenen Lagerung bei verschiedenen Thieren, wenn wir davon ausgehen, dass das Ganglion fast überall seine Nerven zum Augapfel in möglichst gesicherter Anlagerung an den N. op- ticus entsendet. Eine möglichst weit gehende Annäherung des Ganglions selbst an den N. opticus ist offenbar für jenen gesicher- ten Verlauf der Ciliarnerven Vorbedingung. Nun finden wir in der That fast überall das Ganglion ganz in der Nähe des Sceh- nerven, entweder auf dessen unterer oder lateraler Seite. Liegen Sehnerv und Oculomotorius von vornherein sehr nahe aneinander, ist ferner der ganze Augenmuskelkegel kurz und gedrungen, so wird das Ganglion eine mehr central gelegene Strecke des Oculo- motorius einnehmen. So scheinen mir die Verhältnisse bei Amphi- bien und Vögeln verständlich. Wenn umgekehrt, wie bei den Selachiern, der Optieus weit nach vorn vom Oculomotorius in die Orbita eintritt und von hier aus transversal lateralwärts zum Aug- apfel verläuft, wird das Ganglion einen peripheren Theil des Ocu- lomotorius einnehmen, wie dies besonders weitgehend bei Chimaera gefunden wird. Ueber die Richtigkeit dieser Vermuthungen kön- nen natürlich nur vergleichende Messungen entscheiden, welche die Abstände der einzelnen in Betracht kommenden Theile bei den verschiedensten Thieren festzustellen haben. Derartige Messungen werden auch Anhaltspunkte geben für das Verständniss des Ver- ästlungsmodus des Oculomotorius. Denn da ja Anfang und Enden des Nerven in ihren Ursprungs- und Endtheilen fixirt sind, so muss ein verschiedenes Wachsthum der letzteren bei verschiedenen Thieren nothwendiger Weise einen verschiedenen Verästelungs- modus ergeben. Ich glaube, dass eine derartige Untersuchung auf andere Nerven und ihre Endorgane übertragen, uns vielfach verständlich machen wird, weshalb ein und derselbe Seitenzweig sich in dem einen Falle früher, im andern später vom Stamme ablöst. Auch hier werden scheinbar ganz geringfügige Verän- derungen in einem Gebiet sehr mannigfache Modificationen in an- deren Bezirken zur Folge haben können. Am Schluss dieses Abschnittes, in welchem auf Grund eines reichen Beobachtungsmaterials der Nachweis geliefert wurde, dass das Ciliarganglion ein Ganglion oculomotorii ist, habe ich noch 240 G. Schwalbe, sanz kurz der Verbindungen zu gedenken, die mehrfach zwischen dem N. abducens und dem Ciliarganglion resp. dessen Ciliarnerven beschrieben werden. Bonsdorff erwähnt derartige Verbindungs- fäden beim Kranich und der Krähe, Stannius beim Delphin. Schon Stannius macht aber darauf aufmerksam, dass dieser Zweig vom Abducens wahrscheinlich aus dem Ramus ophthalmicus stammt, der zuvor einen Verbindungszweig zum Abducens abge- geben hat. Eine ähnliche Auffassung dürfte auch für die Fälle gelten, wo beim Menschen ein Verbindungsfaden des Ciliargang- lions mit dem Abducens gefunden wurde!), was nach Adamük unter 42 Fällen drei Mal vorkam. Die Vermuthung, dass es auch hier nur Trigeminusfasern sind, welche eine Strecke ihres Weges zum Ciliarganglion oder zu den Ciliarnerven in der Bahn des Ab- ducens zurücklegen, wird durch 2 andere von Henle gesammelte Anomalien noch wahrscheinlicher. In dem einen dieser Fälle, der von Otto beschrieben wurde, entsprang der ganze N. nasociliaris vom Abducens. In dem anderen von Retzius beobachteten Falle fehlte die normale „radix longa“ vom Nasociliaris und wurde durch einen Nervenfaden aus dem N. abducens ersetzt. Wenn man be- denkt, dass der N. abducens während seines Durchgangs durch die Fissura orbitalis superior constant einen Faden vom Ramus ophthalmicus erhält ?), so erscheint das Vorkommen jener Varietä- ten nicht gerade wunderbar. Dem motorischen Abducens aber eine Rolle an der Constitution des Ganglions und der Ciliarnerven zuzuschreiben, dazu liegt auch nicht der geringste Grund vor. II. Das Ganuglion ciliare ist einem Spinalganglion homolog. Der Oculomotorius enthält die Elemente einer dorsalen und ventralen Wurzel und wird dadurch zu einem selbstständigen nach dem Typus der Spinalnerven gebauten Kopfnerven. Im vorigen Abschnitt glaube ich die Zugehörigkeit des Gang- lion ciliare zum Oculomotorius zweifellos erwiesen zu haben. Eine nothwendige Consequenz dieses Resultates ist, dass damit das Ganglion einem Spinalganglion vergleichbar wird, der Nerv dage- gen in die Zahl der nach dem Typus der Spinalnerven gebauten Kopfnerven eingereiht und demnach vom Trigeminus getrennt wer- 1) Vergleiche die Zusammenstellung in Henle’s Nervenlehre, 2. Auflage, S. 406. ?) Rosenthal |. ce. Das Ganglion oculomotorii. 241 den muss. Diese Annahmen sind aber nicht bloss eine logische Folgerung des im vorigen Abschnitt Bewiesenen. Ich glaube sie auch durch Thatsachen hinreichend begründen zu können und will die letzteren in diesem Abschnitt übersichtlich zusammen stellen: 1) Das Ganglion oculomotorii verhält sich in An- ordnung und Bau wie ein Spinalganglion. — Ich habe schon oben darauf aufmerksam gemacht, wie sehr das Ci- liarganglion mit seinen aus- und eintretenden Nervenfasern innig dem Oculomotorius sich anschmiegend einem Spinalganglion mit seiner dorsalen Wurzel gleicht. Besonders deutlich ist dies in der Abbildung, die ich von Chimaera gegeben habe, zu erkennen. Es kann uns in dieser Vergleichung auch nicht das mehrfache Vorkommen von Oculomotoriusganglien bei Selachiern und Amı- phibien irre machen. Denn es ist ja bekannt, dass von den Spinalganglien der Rückenmarksnerven häufig sich kleinere Partieen ablösen als sog. Ganglia aberrantia und den hinteren Wur- zeln anliegen. Ferner hat Freud (l. c. S. 57) neuerdings gezeigt, dass die hinteren Wurzeln der Caudalnerven von Petromyzon mit einzelnen Nervenzellen versehen sind, die gewissermaassen eine Verbindung zwischen den Ganglienzellen des Rückenmarks und der Spinalganglien herstellen und als Documente der Abstammung der hinteren Wurzeln und Spinalganglien von der Neuralleiste (vom Zwischenstrange) angesehen werden können. Die Verbrei- tung des Ganglion oculomotorii bei Selachiern und namentlich bei Amphibien erinnert offenbar sehr an diese embryonalen Ver- hältnisse. Es wurde ferner auch für einige Säugethiere, z. B. das Ka- ninchen, hervorgehoben, dass sich vom Ganglion aus ein nur diesem angehöriges Nervenfaserbündel eine Strecke weit central- wärts verfolgen lässt. Das einzige wesentliche Bedenken, welches man gegen unsere Deutung des Ciliarganglions haben könnte, be- trifft die eigenthümliche Lagerung. Wir sind geneigt, nach unsc- ren Erfahrungen bei höheren Wirbelthieren die Theilung eines Spinalnerven in seinen dorsalen und ventralen Ast, überhaupt eine weitere Verzweigung des Nerven, erst nach der Vereinigung beider Wurzeln und Bildung des Spinalganglions durch die dor- sale Wurzel eintreten zu lassen. Unser Ciliarganglion sehen wir aber im günstigsten Falle (bei Rana) unmittelbar nach Abgang des Astes für den Musc. rectus superior dem Oculomotorius- Stamme anliegen. Ich glaube nun aber, dass diese Thatsache Bd. XII. N. F. VI, 2. 16 242 G. Schwalbe, nicht geeignet ist, gegen unsere Auffassung zu sprechen. Denn bei vielen Fischen, bei Plagiostomen, Ganoiden, Cyprinen, Salmo- niden können, wie Stannius fand), vor der Vereinigung beider Wurzeln resp. vor Bildung des Ciliarganglions Zweige aus einer oder aus beiden derselben hervortreten. Aehnliches beschreibt und bildet ab v. Jhering?) von Scyllium. Nach diesen Befunden ist wohl die Deutung unseres Ganglions als Spinalganglion nicht mehr anfechtbar, da es für echte Spinalnerven nachgewiesen ist, dass sie Zweige abgeben können vor Bildung des Ganglions. Auch die Verhältnisse des feineren Baues des Ciliarganglions sprechen durchaus nicht gegen die Deutung desselben als Spinal- ganglion, sind im Gegentheil eher dafür zu verwerthen. In mei- ner vorläufigen Mittheilung habe ich schon erwähnt, dass die Nervenzellen aus dem Ciliarganglion der untersuchten Säugethiere (Kalb, Schaf) in Bau, Grösse und Beziehungen zu den Nerven- fasern ganz denen gleichen, welche in den Spinalganglien der Säugethiere vorkommen und durch zahlreiche Untersuchungen be- kannt sind. Wenn ich sie in meiner kurzen Mittheilung als unipo- lar bezeichnet habe, so gilt dies in dem Sinne, in welchem wir nach den Untersuchungen von Ranvier, sowie von Key und Retzius die Spinalganglienzellen der Säugethiere noch als unipolar bezeich- nen können. Denn wie diese Forscher fanden, theilt sich der von der Zelle einfach entspringende Fortsatz in grösserer oder geringe- rer Entfernung von der Zelle in 2 (tubes en T von Ranvier). Da ich der Histologie des Ciliarganglions bisher nur nebenbei Aufmerksamkeit geschenkt habe, so ist es mir noch nicht gelun- gen, auch für das Ciliarganglion diese Spaltung des einfachen Ganglienzellenfortsatzes in 2 nachzuweisen. Die Isolirung wird hier durch ein ausserordentlich festes derbes Bindegewebe sehr erschwert; überdies ist jede Zelle von einer glashellen kernreichen Hülle umgeben, Alles Momente, welche eine Isolirung des Zell- fortsatzes auf weite Strecken erschweren. Solche kernreichen Scheiden bildet auch Reichart von den Ciliarganglienzellen des Menschen ab (]. c. Fig. IV B). In derselben Figur ist aber bei x eine Zelle mit 2 Fortsätzen abgebildet. Wenn derartige Formen überhaupt vorkommen, so gehören sie jedenfalls zu den seltenen. 1) Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere. 2. Auflage, S. 140 und: Das peripherische Nervensystem der Fische. S. 117 und 118. 2) Das peripherische Nervensystem der Wirbelthiere. Leipzig 1878,.8. 225 und Tafel V Fig. 2. Das Ganglion oculomotorii. 245 Nur eine eingehende Untersuchung kann darüber definitiv ent- scheiden. Auch bei den Selachiern (bei Sceyllium, Acanthias, Chimaera) habe ich die Zellen des Ganglion oculomotorii untersucht (s. oben S. 192) und allerdings von dem gewöhnlichen Bilde der bipolaren Fisch-Spinalganglienzellen abweichende Bilder erhalten. Ich habe aber schon bei der Beschreibung derselben darauf hingewiesen, wie sehr diese Zellen den kürzlich von Freud aus den Gaudal- ganglien von Petromyzon beschriebenen gleichen, sowie dass der genannte Forscher alle Uebergänge von diesen Formen zu den ge- wöhnlichen bipolaren Zellen der Fische constatiren konnte. Ich kann deshalb auch in diesem Verhalten keinen Grund finden, von einer Vergleichung des Oculomotorius-Ganglions mit Spinalganglien abzusehen. 2) Ist der Oculomotorius in der ganzen Wirbel- thierreihealsein selbstständiger Nervnachzuweisen? Wenn der Oculomotorius durch den Besitz eines Spinalganglions in die Reihe der selbstständigen segmentalen Kopfnerven eintre- ten soll, so ist es ferner nothwendig, dass er sich in der gesamm- ten Wirbelthierreihe als ein selbstständiger Nerv nachweisen lässt. Bekanntlich herrscht aber nicht bloss über den Oculomotorius, sondern über die 3 Augenmuskelnerven überhaupt eine andere Ansicht, die zuerst in Gegenbaur’s!) Untersuchungen eine ein- gehende Begründung fand. Nach dieser Ansicht, die übrigens Gegenbaur selbst einer ferneren Begründung bedürftig hält, gehören namentlich der Oculomotorius und Abducens, aber auch der Trochlearis zum Trigeminus, gewissermaassen abgelöste Theile desselben darstellend. Es gründet sich diese Anschauung auf die verschiedenen im speciellen Theile zusammengestellten Angaben über Fehlen des einen oder anderen Augenmuskelnerven und Er- satz durch einen entsprechend verlaufenden Zweig des Trigeminus. Bei der Beurtheilung dieser Angaben sind selbstverständlich aus- zuschliessen alle diejenigen, welche Thiere mit rudimentären Au- gen und dementsprechend mangelhaft oder gar nicht entwickelten Augenmuskeln betreffen. Hierzu gehören unter den Cyelostomen die Myxinoiden, unter den Teleostiern Amblyopsis. Desgleichen sind die negativen Befunde nicht beweisend, welche sich auf Thiere 1) Ueber die Kopfnerven von Hexanchus und ihr Verhältniss zur Wirbeltheorie des Schädels. Diese Zeitschr. Bd. VI, S. 548 ft, und das Kopfskelet der Selachier ete., S. 289. 16” 244 | G. Schwalbe, beziehen, deren Augenmuskeln und Augennerven wegen besonderer Kleinheit des Auges sehr schwer zu untersuchen sind. So ver- mochte Fischer!) bei Proteus die Augenmuskelnerven nicht auf- zufinden, ohne damit aber ihre Existenz in Abrede stellen zu wollen. Weniger vorsichtig ist Hyrtl in seinen vielfach eitirten und verwertheten Angaben über Lepidosiren. Ich kann diesen Angaben schon aus dem Grunde keine Bedeutung zuschreiben, weil nach Hyrtl’s eigenen Angaben die fraglichen zwei feinen Zweige des Ramus ophthalmicus, welche die Augenmuskelnerven ersetzen sollen, gar nicht zu den sicher constatirten 4 geraden Augenmuskeln sich verfolgen lassen; und dies müsste doch ver- langt werden bei der Annahme, dass hier der Oculomotorius etc. aus dem Trigeminus entspringen. Ferner vermisst man eine andere nothwendige Mittheilung gänzlich, nämlich die über die Austritts- stellen der Nerven aus dem Gehirn. Hier hätte sich zeigen müssen, ob wirklich an der gewöhnlichen Stelle die Wurzeln des Oculomotorius, Trochlearis und Abducens fehlten, und nur in diesem Falle, der aber noch dazu bei so kleinen Verhältnissen nicht leicht zu constatiren ist, hätte man Grund zu der Behauptung, dass die Augenmuskelnerven hier in der Bahn des Trigeminus enthalten seien. Somit bleibt für den Oculomotorius nur noch eine Angabe bestehen, welche geeignet scheinen könnte, ihm seine selbststän- dige Stellung in der Reihe der spinalen Kopfnerven streitig zu machen. Diese eine widersprechende Beobachtung verdient um so niehr Beachtung, als sie von J. Müller herrührt. In der oben S. 195 eitirten Schrift über den Bau und die Grenzen der Ganoi- den giebt er klare Abbildungen über die Anordnung und den Ver- lauf der Kopfnerven bei Polypterus und Lepidosteus. Während bei ersterem Oculomotorius, Trochlearis und Abducens selbststän- dig verlaufen, werden bei Lepidosteus sowohl der Oculomotorius als Trochlearis als aus dem Ramus ophthalmicus entspringend dargestellt. Dagegen habe ich nun einfach anzuführen, dass nach meinen vorläufigen Ermittelungen, über die ich an einem anderen Orte genauer berichten werde, sowohl Oculomotorius als Trochlearis selbstständig aus dem Gehirn des Lepi- dosteus entstehen. Dann kann es aber sich nicht mehr um einen Ursprung dieser Nerven aus dem Trigeminus handeln, son- dern nur um eine partielle Anlagerung. Dieselbe ist etwa in fol- !) Amphibiorum nudorum neurologiae specimen primum. Bero- lini 1843, p. 35. Das Ganglion oculomotorii. 245 sender Weise zu denken. Ich muss zum Verständniss dieser Er- örterung zunächst an das eigenthümliche Verhalten der beider Bestandtheile des Ramus ophthalmicus bei Selachiern erinnern. Wir haben hier einen ganz oberflächlich verlaufenden Ramus super- fieialis und einen über dem Opticus, aber unter den Musculi rectus superior und obliquus superior verlaufenden Ramus profundus, die am Anfang der Ethmoidalregion jene genauer beschriebene Verbin- dung eingehen. Ganz analog liegen nun nach J. Müller’s Ab- bildung Tafel II Fig. 1 die Verhältnisse bei Polypterus bichir. Auch bei Lepidosteus sind diese beiden Nerven vorhanden: der dem Ramus superficialis entsprechende kommt aus dem „Haupt- stamme des Trigeminus“, der mit dem Ramus profundus zu ver- gleichende wird dagegen von J. Müller schlechthin als Ramus ophthalmicus bezeichnet, kommt durch eine besondere Oeffnung und liegt wie der Haupttheil des Ramus profundus mancher Se- lachier (z. B. Scyllium) über den Augenmuskeln. Dieser Ast ist es nun, von welchem J. Müller den Oculomotorius entspringen lässt. Ich glaube also, dass es sich hier um eine Anlagerung des Ocu- lomotorius an die Bahn des Trigeminus handelt, vergleichbar der Scheinverbindung, wie sie sich bei den Selachiern zwischen Ramus profundus ophthalmiei und Oculomotorius findet (vergl. oben S. 184). Man sieht, dass auch dieser scheinbar so wohl basirte Ursprung des Oculomotorius vom Trigeminus bei Lepidosteus sich ganz an- ders auffassen lässt, ganz abgesehen davon, dass sowohl Oculo- motorius als Trochlearis, wie ich gefunden habe, vollkommen selbst- ständig aus dem Gehirn austreten. Damit ist dann aber auch das letzte Beweismittel für eine Zugehörigkeit des N. oculomotorius zur Trigeminus-Gruppe hinfällig geworden. Denn überall sonst ist er als selbstständig entspringender und selbstständig verlaufen- der Nerv nachgewiesen. Ganz ähnlich steht es mit dem N. trochlearis. Denn in den meisten Fällen ist er ebenfalls in Ursprung und Verlauf selbst- ständig. Nur bei Lepidosteus entspringt er nach J. Müller aus dem Ramus profundus ophthalmici, bei Salamandra und Triton nach Fischer aus dem dem Ramus ophthalmicus entsprechenden Ramus nasalis. Ich habe aber oben gezeigt, dass er bei Sala- mandra auch selbstständig sein kann. Dies variable Verhalten spricht wohl sehr zu Gunsten der Annahme, dass er in jenen an- deren Fällen dem Trigeminus nur innig angelagert ist. Nur der sichere Nachweis des Fehlens einer Trochlearis-Wurzel an der ge- wöhnlichen Stelle würde für die Zugehörigkeit des Trochlearis 246 G. Schwalbe, zum Trigeminus entscheidend sein. Meine Ansicht über die Stel- lung des Trochlearis zum Oculomotorius und Trigeminus werde ich unten erörtern. Was endlich den Abducens betrifft, so theile ich hier unbe- dingt Gegenbaur’s Anschauung und betrachte ihn als eine selbst- ständig verlaufende motorische Wurzel des Trigeminus. Er ge- hört ja bereits in seinem Ursprung und Austritt ebenso wie der Trigeminus dem Gebiete des Hinterhirns an und entspringt nach Art einer ventralen Wurzel. Dazu kommt, dass er bei den meisten Batrachiern nach Art einer vorderen Wurzel sich an das Ganglion trigemini anlagert, um erst jenseits desselben wieder selbstständig zu werden. Ich glaube diese Auffassung des Abducens um so weniger zu begründen nöthig zu haben, als sie ja der geläufigen Anschauung vollständig entspricht. 3) Hat der Oculomotorius Wurzeln, welche sich einer dorsalen und ventralen vergleichen lassen? Aus den bisher gegebenen Ausführungen geht jedenfalls soviel mit Sicher- heit hervor, dass der Oculomotorius ein durch Besitz eines den Spinalganglien homologen Ganglions ausgezeichneter selbstständiger Kopfnerv ist. In so weit befinde ich mich in Uebereinstimmung mit Milnes Marshall. Ich kann aber dessen Ansicht nicht theilen, dass das, was er aus der 29. Stunde am Mittelhirn des Hühnchens als seitlichen Auswuchs der dorsalen Neuralleiste be- schreibt, den gesammten Oculomotorius repräsentirt, der dann allmählich über die Seitenfläche des Mittelhirns zur Basis desselben herabwandere und somit das Verhalten einer ventralen (motori- schen) Nervenwurzel annehme. Alle übrigen Kopfnerven, die von der dorsalen Seite des Medullarrohrs nach Art der dorsalen, (sen- siblen) Wurzeln sich entwickeln, Trigeminus, Facialis, Acusticus, Glossopharyngeus, Vagus und Accessorius zeigen auch im ent- wickelten Verhalten Ursprungsverhältnisse, die viel mehr mit dem Verhalten der dorsalen (sensiblen) Wurzeln des Rückenmarks, als mit dem der ventralen (motorischen) übereinstimmen. Der Oculo- motorius, Abducens und Hypoglossus dagegen zeigen in deutlichster Weise in der ganzen Wirbelthierreihe Ursprung und Austritt ent- sprechend dem Verhalten ventraler (motorischer) Wurzeln. Wie sind nun diese scheinbar so grossen Widersprüche zu lösen? Marshall’s Ansicht, dass der gesammte Oculomotorius nach Art einer dorsalen Wurzel entspringe, bringt uns über dieselben nicht hinaus. Dagegen scheint mir Alles in der befriedigendsten Weise sich aufzuklären, wenn man die von mir auf vergleichend anato- Das Ganglion oculomotorii. 247 mischem Wege gefundene Thatsache berücksichtigt, dass der Ocu- lomotorius aus 2 wesentlich verschiedenen Bestandtheilen sich zu- sammensetzt (vergl. besonders Selachier), einem gewöhnlich aus feineren Nervenfasern bestehenden Bündel, das zum Ganglion an- schwillt, und einem bedeutend mächtigeren ohne jede Spur von Nervenzellen. Dass beide sich zu einander verhalten, wie dorsale und ventrale Wurzel an der Einlagerungsstelle eines Spinalgang- lions, habe ich schon früher hervorgehoben. Das erstere will ich mit dem indifferenten Namen: „Ganglienbündel des Oculo- motorius,“ das letztere als „motorisches Bündel“ bezeich- nen; denn für dies letztere lässt sich die motorische Natur aus den constanten Beziehungen zu den betreffenden Augenmuskeln in der ganzen Wirbelthierreihe mit Sicherheit erweisen. Erinnert man sich an diese Zusammensetzung des Oculomotorius, so lösen sich die oben erwähnten Widersprüche in der einfachsten Weise. Es ist dann der Nerv, welchen Marshall im Gebiet des Mittel- hirns aus der Neuralleiste nach Art einer dorsalen Wurzel ent- stehen sah, nicht der gesammte Oculomotorius, vielmehr nur des- sen Ganglienbündel, während das motorische Bündel des Oculo- motorius zweifellos nach Art einer ventralen (motorischen) Wur- ze] sich entwickelt. Für diese Auffassung sprechen überdies die oben (S. 231) eitirten Beobachtungen von His, denen zu Folge nur das Ciliarganglion aus dem Zwischenstrange entsteht, der Oculomotorius (unser motorisches Bündel) aber nicht; sondern nach Art von motorischen Wurzelfasern aus dem Medullarrohr hervorgeht und sich so zu sagen vom Ciliarganglion den Weg weisen lässt. Also auch entwicklungsgeschichtlich lässt sich schon jetzt, wenn nicht sicher beweisen, so doch jedenfalls als höchst wahrscheinlich hinstellen, dass der Oculomotorius mit 2 Wurzeln entsteht, einer schwächeren dorsalen, die das Ganglion ciliare bildet, und einer stärkeren ventralen, die bisher als einzige Wur- zel des N. oculomotorius beim Erwachsenen beschrieben wurde. Letztere ist zweifellos motorischer Natur; über ‘ die möglichen physiologischen Qualitäten der ersteren werde ich nachher zu han- deln haben. Eine nothwendige Consequenz dieser Ansicht von der Consti- tution des 3. Hirnnerven ist nun, dass sich auch im entwickelten Zustande wenigstens Spuren einer dorsalen Wurzel nachweisen lassen. Selbstverständlich wird nach meinen bisherigen Auseinan- dersetzungen die dorsale Wurzel um so stärker sein, je kräftiger sich das Ciliarganglion entwickelt zeigt. Diese Anforderung er- 248 G. Schwalbe, füllen am besten die Säugethiere, wo unter den bis jetzt unter- suchten Thierformen mit Ausnahme der Nagethiere überall eine gute Entwicklung des Ganglions nachzuweisen ist. Ich habe mich deshalb bei dieser Untersuchung zunächst an die Säugethiere ge- halten, um so mehr, da ja gerade das Interesse der menschlichen Anatomie dies besonders verlangte, und vor allen habe ich den Menschen berücksichtigt, über dessen Oculomotorius-Wurzeln ich deshalb in erster Linie berichten will. Bekanntlich wird in allen neueren Lehr- und Handbüchern der Anatomie angegeben, dass der Oculomotorius nur mit einer aus einer Reihe feinerer Bündel sich zusammensetzenden ventra- - len Wurzel aus der Hirnsubstanz hervortritt. So sagt Henlet), der unter den Neueren wohl am Genauesten diese Verhältnisse bespricht: „Das dritte Paar tritt in geringer Entfernung vor der Brücke an der Grenze zwischen Basis und Haube aus dem Gross- hirnschenkel mit einer Reihe von 9 bis 12 platten Bündeln her- vor; jedoch entspricht diese Reihe nicht genau der Furche, welche Basis und Haube trennt, sondern schneidet dieselbe unter spitzem Winkel, sodass die hinteren Bündel auf das Tegmentum, die vor- deren auf die Basis übergreifen. Ein vorderes Bündel ist zuweilen durch einen grösseren Zwischenraum von den übrigen geschieden. Bald nach dem Ursprung treten sämmtliche Bündel zu einem cy- lindrischen Strang von 3,5 Mm. Durchmesser zusammen.“ Eine andere Wurzel des Oculomotorius erkennt Henle nicht an; denn er sagt in einer Anmerkung mit Rücksicht auf jenes zuweilen durch einen grösseren Zwischenraum getrennte vordere Bündel: „Dies mag Anlass gegeben haben, neben dem inneren Hauptstamm einen äusseren Stamm zu unterscheiden.“ Es bezieht sich diese Ver- wahrung Henle’s auf bestimmte jetzt vergessene Angaben älterer Lehrbücher. Ich will hier einige derselben zusammenstellen, ohne damit zu beanspruchen, Alles gefunden zu haben, was sich in der Literatur auf diese Frage bezieht. Nach Meckel?) gesellen sich der stärkeren ‘einfachen Wurzel des Oculomotorius „gewöhnlich einige kleinere Fäden zu, welche an der unteren Fläche des Hirn- schenkels, nahe am inneren Rande desselben entspringen.“ Nach Weber-Hildebrandt?) entspringt der Oculomotorius „mit mehreren Wurzeln, deren einige weiter nach innen und hinten, !) Nervenlehre, 2. Auflage, $S. 198 und 199. 2) Handbuch der menschlichen Anatomie, III. Bd. 1817,.8. 741. 3) Handbuch der Anatomie des Menschen, 1837 III. Bd., 8. 442. Das Ganglion oculomotorii. 249 andere weiter nach aussen und vorn entspringen.“ C. Krause!) sagt über den Ursprung des 3. Hirnnerven: „er entspringt mit mehreren in einer Reihe stehender Fäden von den oberflächlichen Längenfasern (Basis) des Pedunculus cerebri an dessen innerer Seite; einige Wurzelfäden kommen auch von den vorderen Pyra- midenbündeln des Pons Varolii und erscheinen am oberen Rande der Brücke; andere ziemlich zahlreiche von der Haube des Hirn- stiels nahe oberhalb der Substantia nigra.“ Die genaueste Be- schreibung giebt Valentin’). Nach Beschreibung der Haupt- austrittsstelle sagt er: „An dem unteren Ende der Spalte sind sowohl die vorderen als die hinteren Markbündel (fibrae anteriores et posteriores) in einen rundlichen inneren Haupt- stamm (pars interna n. oculomotorii), welcher an seiner inneren Seite einen mehr scharfen Rand hat und auf seiner vorderen wie hinteren Fläche seine Abtheilungen in einzelne Nervenbündel durch Fissuren noch andeutet, vereinigt. Nach aussen dagegen tritt der’ äussere Stamm (pars externa) hinzu. Dieser entsteht aus Faserbündeln,, welche fast sämmtlich aus dem inneren und unteren Theile der Grosshirnschenkel kommen und strahlig convergirend an der äusseren Seite in die Hauptpartie des Augenmuskelnerven eintreten.“ Hier bei Valentin wird also in der schärfsten Weise zwischen einem inneren aus vorderen und hinteren Wurzelbün- deln bestehenden und einem äusseren Stamme unterschieden. Ich habe nun an etwa 30 Gehirnen diese Verhältnisse einer genauen Untersuchung unterworfen und muss mich mit Bestimmt- heit dahin aussprechen, dass in ?/, der Fälle dem Oculomotorius ausser dem längst bekannten und von Henle allein anerkannten medialen Wurzelstamm noch eine laterale Wurzel zukommt, entweder auf beiden Seiten oder nur einseitig, und selbst wieder ausserordentlich variabel. Ich habe einige der charakteristischsten Fälle in den Figuren 19—21 abgebildet. Man wird dabei sofort die Ueberzeugung gewinnen, dass keine Verwechslung mit etwa durch einen grösseren Zwischenraum getrennten vorderen Wur- zelbündeln des medialen Wurzelstammes möglich ist; denn diese entspringen doch, mögen sie sich unmittelbar an die hinteren Wurzelbündel anschliessen oder davon getrennt sein, stets in einer und derselben Linie, die von vorn lateralwärts nach hinten median- wärts verläuft und im Allgemeinen dem medialen Rande der Pe- 1) Handbuch der menschlichen Anatomie, S. 1050, ?2) Hirn- und Nervenlehre, 1841, 8. 313, 250 G. Schwalbe, dunculi cerebri (der Hirnschenkelbasis) entspricht. Das Bündel dagegen, welches in den citirten Figuren abgebildet ist und von mir als laterale Wurzel des Oculomotorius (1) bezeichnet wird, entspringt in einer Frontalebene mit den hinteren Wurzelbün- deln des medialen Wurzelstammes und ist von letzterem durch einen grösseren oder geringeren Zwischenraum getrennt. In dem Fig. 19 abgebildeten Falle war diese Entfernung besonders gross und betrug 3 Mm.; ebensoviel betrug die Länge des medialen Wurzelstammes bis zur Vereinigung, während der laterale nur 2,5 Mm. lang war und sich der lateralen Seite der Hauptwurzel in peripherer Richtung anschloss. Zuweilen theilt sich die laterale Wurzel bei ihrer Anlagerung an die mediale in 2 Zweige, von denen der eine an der unteren Fläche, der andere an der late- ralen Kante des medialen Stammes in peripherer Richtung weiter verläuft. In anderen Fällen ist die Austrittsstelle der lateralen Wurzel dem medialen Stamme bis auf 1 bis 2 Mm. Entfernung genähert; sie kaun aber auch dann nicht in der Henle’schen Weise aufgefasst werden, weil sie stets in der Frontalebene der hintersten Wurzelbündel des medialen Stammes gefunden wird. Von diesem wird sie häufig durch einen Zweig der Arteria cerebri posterior getrennt, der ebenso wie letztere vor dem me- dialen Stamme des Oculomotorius verlaufende Arterie sich late- ralwärts und nach hinten um den Pedunculus dorsalwärts herum- biegt. Die A. cerebelli superior dagegen liegt, soweit meine Un- tersuchungen reichen, stets hinter beiden Wurzelstämmen des Oculomotorius. Ebenso verschieden, wie in der Entfernung vom medialen Wurzelstamme zeigt sich die laterale Wurzel in ihrer Stärke. Von 1!/, Mm. Durchmesser kann sie bis zu einem kaum ı/, Mm. dicken feinen Faden herabsinken (Fig. 21 Y) und wie gesagt, fehlt sie in !/, der Fälle gänzlich. In letzter Beziehung thut allerdings ein vorsichtiges Urtheil Noth und will ich recht gern zugeben, dass bei ausschliesslicher Berücksichtigung absolut frischen Materials, die laterale Wurzel als feiner Faden ungleich häufiger beobachtet wird. Stellt sie nämlich nur einen feinen Faden dar, so löst sie sich bei nicht frischen Gehirnen auch bei noch so vorsichtigem Abziehen der Pia leicht von ihrer Austritts- stelle aus dem Pedunculus ab und ist dann von anderen constant an dieser Stelle vorkommenden Nervenfäden nicht zu unterscheiden. Diese Nervenfäden sind bisher ebenso wenig in den geläufigen Lehr- büchern berücksichtigt, wie die laterale Wurzel, obwohl sie an jedem Gehirn ohne Mühe nachzuweisen sind. Auch hier ist Das Ganglion oculomotorii. 251 es ähnlich ergangen, wie mit der lateralen Wurzel: alte Beobach- tungen sind vergessen. Die fraglichen Fäden sind nämlich be- reits im Jahre 1849 von Bochdalek!) nebst mehreren anderen interessanten Befunden richtig beschrieben und abgebildet. Nach Bochdalek entstehen von den Wurzeln der meisten Hirnnerven, selbst von denen der motorischen, Hypoglossus, Abducens, Oculo- motorius, besonders aber vom Trigeminus und Vagus, schon makro- skopisch sichtbare Fäden für Pia und Arachnoides, die sich in ersterer mit den die Arterien begleitenden sympathischen Fäden zu Plexus verbinden. Auch für die entsprechenden Häute des Rückenmarks erwähnt Bochdalek feine von Spinalnerven- wurzeln entspringende Fäden, ein Befund, der kürzlich von Hil- bert?) bestätigt wurde. Ich begnüge mich hier, meine Erfahrun- gen in Betreff d. N. oculomotorius mitzutheilen. Bochdalek bildet in seiner Fig. 1 jederseits 4 Pialfäden des Oculomotorius ab; linkerseits ist ihr Ursprung nicht in der Zeichnung zu erken- nen; rechts dagegen entstehen sie sämmtlich aus einem Punkte an der lateralen Seite der Oculomotoriuswurzel. Ich finde nun diese Fäden ausserordentlich variabel. Constant scheint mir nur einer und zwar der vorderste zu sein (p), der nach vorn von der Vereinigungsstelle der lateralen und medialen Wurzel, resp. beim Fehlen derselben von einer entsprechenden Stelle, sich aus dem lateralen Rande des Oculomotorius entwickelt und entweder in Begleitung der A. cerebri posterior oder eines Zweiges derselben lateralwärts und nach hinten zur dorsalen Seite des Pedunculus zu gelangen sucht, aber nicht bis zum oberen lateralen Rande desselben zu verfolgen ist, sondern sich der makrosk. Betrachtung entzieht. Er scheint sich hier immer in feine mit den sympathi- schen Geflechten der Pialgefässe zusammenhängende Zweige auf- zulösen. Leider erlaubte es der Zustand der von mir untersuch- ten Gehirne nicht mehr, sicher zu entscheiden, ob dieser Faden nicht auch Fasern erhält, die zwischen den Bündeln der Hirn- schenkel hervortreten, weil eben diese letzteren an nicht mehr frischen Gehirnen gar zu leicht abreissen. Doch scheint mir die letztere Annahme aus folgenden Gründen sehr wahrscheinlich. In dem beschriebenen Faden ergiebt die mikroskopische Untersuchung 1) Neue Beobachtungen im Gebiete der physiologischen Anatomie. I. Nerven der Hirnhäute. Prager Vierteljahrsschrift für die practische Heilkunde VI. Jahrg. 1849. 2. Band, 5. 119—129. *) Zur Kenntniss der Spinalnerven. Dissertation, Königsberg 1878. 252 G. Schwalbe, neben marklosen und feinen markhaltigen Fasern von nur 4-6 u Durchmesser, zahlreiche stärkere von 14 bis 16 « Durchmesser, die in ihrer Dicke denen des medialen Oculomotoriusstammes nicht nachstehen. Aus den sympathischen Fäden der Pialgefässe sind dieselben nicht gut abzuleiten. Sie entspringen aber auch nicht aus dem medialen Wurzelstamm als rückläufige Fasern; denn es ist leicht zu zeigen, dass sie sich in peripherer Richtung dem Oculomotorius anschliessen, nicht aber centralwärts in die Wurzel des 3. Hirnnerven umbiegen. Sie verhalten sich also wie die vorhin beschriebene laterale Wurzel, die überwiegend gröbere Fasern enthält neben Bündeln feiner markhaltiger und markloser Fasern von entschieden sympathischer Natur. Somit bliebe für unseren Faden nur noch die Annahme, dass er aus dem Plexus cavernosus entspringe, sich dem Oculomotorius an- schliesse und rückwärts von diesem zur Pia verlaufe, eine An- nahme, die wohl aus denselben histologischen Gründen auf Be- denken stossen wird. Man sieht also, es bedarf einer Untersuchung an ganz frischem Material, um definitiv zu entscheiden, ob wir es hier mit einem reinen Pialfaden, oder einer lateralen Oculo- motoriuswurzel zu thun haben. Dass solche feinen Wurzelfäden wirklich vorkommen, beweist Fig. 21 I, wo auf der einen Seite ausser jenem langen feinen Faden noch ein zweiter existirt, der deutlich aus dem Hirnschenkel hervortritt, sich alsbald in 2 Fäden spaltet, von denen der eine medianwärts zum Oculomotorius, der andere lateralwärts verläuft. Auf der anderen Seite waren in demselben Falle 3 aus einer Stelle des lateralen Oculomotoriusran- des entstehende Pialfäden vorhanden neben einer lateralen Wurzel. Ueberblickt man die eben geschilderten Verhältnisse des Ocu- lomotorius- Austritts, so ergiebt sich als zweifellos, dass in der Mehrzahl der Fälle eine laterale Wurzel existirt, die sich oft in ansehnlicher Entfernung von der medialen Wurzelreihe aus der unteren Fläche des Grosshirnschenkels entwickelt; es ergiebt sich ferner, dass in den Fällen, wo eine solche laterale Wurzel nicht zu finden ist, wenigstens jene von Bochdalek zuerst beschrie- benen Pialfäden zur Beobachtung kommen. Endlich ist daran zu erinnern, dass man, je frischer das zu untersuchende Gehirn ist, um so sicherer auf die Existenz einer lateralen Wurzel rechnen kann, die demnach als feiner Faden oder stärkeres Bündel mög- lichenfalls constant ist. Dass unsere laterale Wurzel nichts mit den vorderen Bündeln des medialen Wurzelstammes zu thun hat (Henle), ist wohl aus Beschreibung und Abbildung klar geworden. Das Ganglion oculomotorn. 253 Ich halte es nun für höchst wahrscheinlich, dass wir in den beschriebenen lateralen Wurzeln des Oculomotorius bleibende Reste dorsaler Wurzeln zu erkennen haben, die nur durch die mächtige Entwicklung der Hirnschenkel einen Theil ihres oberflächlichen Verlaufes eingebüsst haben und überdies an der Seite des Mittel- hirns mehr oder weniger weit ventral herabgerückt sind. Dass ein solches seitliches Herabwandern in der That vorkommt, be- weist Kölliker’s!) Angabe. Derselbe berichtet, dass bei einem Kaninchen-Embryo von 12 Tagen und 5 Stunden und 7 Mm. Länge der Oculomotorius „genau an der Grenze zwischen Mittelhirn und /wischenhirn das centrale Nervensystem verlässt, jedoch nicht an der ventralen Seite, sondern ungefähr in halber Höhe der Seitentheile“ Kölliker sagt ferner: „Im weiteren Verlaufe rückt nun der Oculomotorius ähnlich wie die gangliösen Kopfner- ven und die sensiblen Spinalwurzeln nach der Ventralseite zu und fand ich denselben bei einem Kaninchenembryo von 14 Tagen und 15 Mm. Länge bereits an die ventrale Seite des Mittelhirns ge- rückt.“ Meiner Ansicht nach macht dies beobachtete Herabwan- dern auch des grösseren motorischen Oculomotorius - Bündels die eigenthümliche Anordnung der intracerebralen Wurzelfasern des 3. Hirnnerven verständlich, die bekanntlich an Querschnitten nicht senkrecht von ihrem Kern zur Basis des Mittelhirns herabsteigen, sondern um so stärker gekrümmte nach aussen convexe Bögen beschreiben, je weiter lateralwärts sie entspringen. Was nun wie- derum unsere laterale Wurzel betrifft, so kann diese mit den äus- seren econvexen Bündeln der bekannten aus dem Kern entspringen- dien Oculomotoriuswurzel nicht zusammengeworfen werden, da letz- tere sämmtlich vor ihrem Austritt aus dem Mittelhirn sich zur Rinne zwischen Haube und Basis resp. deren nächster Nachbar- schaft zusammendrängen, unsere laterale Wurzel aber aus dem Hirnschenkelfuss oft in weiter Entfernung von jenen Bündeln hervortritt. Ihr nächstes intracerebrales Stück muss sich also zwischen den Fasern der Hirnschenkelbasis hindurchdrängen. Wo ihr nächstes centrales Ende sich befindet, kann ich, da es mir bisher noch an geeignetem Untersuchungsmaterial fehlte, noch nicht sagen; jedenfalls wird aber diese Ursprungsstelle lateralwärts und nach oben vom bekannten Oculomotoriuskern gelegen sein. Ehe diese Frage nicht in diesem letzteren Sinne entschieden ist, bleibt natürlich meine Ansicht über die Bedeutung der late- !) Entwicklungsgeschichte. 2. Auflage. 8. 613, 254 G. Schwalbe, ralen Oculomotoriuswurzel nur eine Vermuthung, wenn auch eine sehr wahrscheinliche. Aber selbst wenn die fernere Untersuchung derselben nicht die Bedeutung einer dorsalen Wurzel des 3. Hirn- nerven zuschreiben sollte, so hätte man noch nicht die Hoffnung aufzugeben, dieselbe zu finden. Es ist in dieser Beziehung na- mentlich auf 2 Bogenfaserzüge des Mittelhirns die Aufmerksam- keit zu lenken, die in ihren Ursprüngen noch so gut wie unbe- kannt sind. Der eine derselben ist längst bekannt, schon von Malacarne in seiner Nevro-Encefalotomia 1791 S. 171 unter dem Namen „nervi accessorii de’ motori comunij“ beschrieben. Er ent- steht jederseits von der oberen Fläche der vorderen Kleinhirn- schenkel (crura cerebelli ad cerebrum) und verläuft vor dem vor- deren Ende der Brücke basalwärts um den Grosshirnschenkel herum bis in die Nähe der Austrittsstelle des Oculomotorius. Nach einer späteren Angabe von Malacarne!) sollen diese Faserzüge bei der jungen Ziege sogar mit den Oculomotorii sich vereinigen. Ar- nold?) beschreibt sie als Filamenta pontis lateralia und Henle°) als Taenia pontis. Einen oberflächlich gelegenen Zusammenhang mit dem Oculomotorius erwähnen diese Forscher nicht. Auch ich habe den genannten Faserzug stets in geringer Entfernung von der Austrittsstelle des 3. Hirnnerven und in einer weiter nach hinten gelegenen Frontalebene unter der Faserung des Peduncu- lus verschwinden sehen. Der Henle’schen Beschreibung, die am besten die betreffenden Befunde schildert, habe ich nur eins hinzuzufügen. Die Taenia pontis bezieht nicht nur von der obe- ren Fläche des vorderen Kleinhirnschenkels ihre Fasern; gar nicht selten sah ich ein Faserbündel, welches dem oberen lateralen kande des Hirnschenkelfusses entsprach und in der Richtung die- ses von vorn nach hinten verlief, am vorderen Rande des Brücken- armes angelegt, plötzlich ventralwärts umbiegen und einen Theil seiner Fasern der Taenia pontis zuführen. Der zweite Bogenfaserzug, an welchen man beim Aufsu- chen einer dorsalen Wurzel des Oculomotorius denken könnte, ist erst durch Gudden*) bekannt geworden. Es ist der sog. 1) Encefalotomia di aleuni quadrupedi. Trattato primo. Della encefalotomia del caprettoe. — Rolando’s Schrift, die Henle eitirt, stand mir leider nicht zur Disposition. 2) Handbuch der Anatomie des Menschen. II. Band. 2. Abth. 8. 720. ®) Nervenlehre. 8. 148. Fig. 74. *) Ueber einen bisher nicht beschriebenen Nervenfaserstrang im Das Ganglion oculomotorii. 255 Tractus peduncularis transversus, der bei vielen Säuge- thieren (Kaninchen, Ziege, Schaf, Schwein, Hund, Fuchs, Katze) constant vorkommt als ein scharf begrenzter Faserstreifen, der vor dem vorderen Vierhügel sich entwickelt und um den Hirn- schenkel herum basalwärts mehr oder weniger weit gegen die Austrittsstelle des N. oculomotorius zu verfolgen ist, ohne dass es jedoch makroskopisch möglich wäre, ihn bis dahm zu verfol- gen, weil er sich hier ebenfalls unter den Längsfasern des Pe- dunculus verkriecht. Nach meinen Untersuchungen am Hirn des Schafes besitzt er noch eine zweite feinere Wurzel, welche hinter dem hinteren Vierhügel entsteht und sich mit dem Hauptbündel in der in Fig. 22 dargestellten Weise vereinigt. Es ist nun eine sehr eigenthümliche Thatsache, dass beim Menschen, wo die oben beschriebene laterale Wurzel des 3. Hirnnerven so häufig ist, ein Tractus peduncularis transversus mit so langem offe- nem Verlauf wie bei den genannten Säugethieren sich kaum nach- weisen lässt. Ab und zu erscheint auf eine kurze Strecke auf der seitlichen Oberfläche des Pedunculus ein jenem Faserzuge in seiner Lagerung etwa entsprechender Wulst, aber immer nur auf kurze Strecke, meist undeutlich und variabel. Umgekehrt habe ich beim Kalb, bei welchem Thiere nach Gudden der Tractus peduncularis meist undeutlich ist, eine laterale Wurzel des Ocu- lomotorius nachweisen können. Unter diesen Umständen liegt wohl der Gedanke nahe, dass der Tractus peduncularis von Gudden dem Oculomotorius nicht so fern stehen möge. Aller weiteren Vermuthungen will ich mich enthalten, wie verlockend sie auch sein mögen, bis positive Beobachtungen vorliegen, die ich selbst noch nicht angestellt habe, um meine Arbeit nicht gleich allzu- weit auszudehnen, um so mehr, da nach einer Notiz Forel’s!) Mittheilungen über die feineren Verhältnisse des Tractus peduncu- laris von Seiten Gudden’s in naher Aussicht stehen. Daran zweifle ich aber nicht, dass wir in einem der 3 ge- nannten Bündel (laterale Wurzel, Taenia pontis, Tractus pedun- ceularis transversus) oder in mehreren derselben dorsale Wurzel- fasern des Oculomotorius vor uns haben. Ich sage „dorsale Wur- zelfasern“, da ich über ihre physiologische Qualität nichts aussa- gen kann. Bekannt ist, dass Valentin?) dem Oculomotorius Gehirne der Säugethiere und des Menschen. Archiv f. Psychiatrie II. S. 364 ff. 1) Untersuchungen über die Haubenregion etc. S. 432 Anmerkung. ?) Hirn- und Nervenlehre, 1841. S. 323. 256 G. Schwalbe, auch sensible Fasern zuschrieb, dass diesen Angaben jedoch von Longet!) und Arnold?) widersprochen wurde, während andererseits Adamük?°) wieder für die Existenz sensibler Fasern eintrat. Physiologisch ist demnach die Frage nach der Existenz verschiedener Qualitäten von Nervenfasern im Oculomotorius noch nicht entschieden. Dass dagegen zwei morphologisch ver- schiedene Arten von Nervenfasern im 3. Hirnnerven vorkommen können, geht aus den Befunden bei Selachiern mit Sicherheit her- vor. Die feineren Nervenfasern bilden hier ein geschlossenes Bün- del, das die Ganglien des Oculomotorius enthält). Nach histo- logischem Bau und Verbindung mit den Ganglien ist wohl auf eine vom „motorischen Bündel“ des Oculomotorius verschiedene Function zu schliessen. Welcher Art dieselbe aber sei, wage ich nicht zu entscheiden. Liegt doch sogar die Möglichkeit vor, dass die Fasern dieses Bündels, welches ich von der dorsalen Wur- ze] ableite, dennoch motorisch sind. Diese Auffassung steht allerdings mit den traditionellen Anschauungen im Widerspruch. Ich bemerke deshalb Folgendes: Ein vergleichender Ueberblick zeigt, dass das Bell’sche Gesetz zwar für die Spinalnerven der meisten Wirbelthiere vollkommen gültig ist, dagegen für die Kopf- nerven nur zum Theil zutrifft. Seit deren Rückführung auf dor- sale und ventrale Wurzeln durch die entwicklungsgeschichtlichen Ermittlungen namentlich von His, Balfour und Milnes Mar- shall nahezu vollständig gelungen ist, lässt sich leicht zeigen, dass allerdings die nach Art ventraler Wurzeln entstehenden Kopf- nerven: Oculomotorius (unser motorisches Bündel des Oculomoto- rius), Abducens und Hypoglossus motorisch sind, dass dagegen die nach Art dorsaler Wurzeln sich entwickelnden ein sehr ver- schiedenes physiologisches Verhalten aufzuweisen haben. Nur ein Theil derselben ist rein sensibel, wie die Portio major trigemini; ein anderer Theil z. B. der Vagus enthält motorische und sen- 1) Anatomie et physiologie du systeme nerveux. T. II. p. 381. 2 Anatomie. !; Ba... 8.9102 3) Neerlandsch archief voor genees- en natuurkunde. V, 424 u. Medicin. Centralblatt 1870. N. 12. 8. 179. #) Damit stehen in Uebereinstimmung einige Angaben, welche sich bei Bidder und Volkmann: „Die Selbstständigkeit des sym- pathischen Nervensystems“ finden (8. 23). Dieselben fanden im Ocu- lomotorius des Hechts und der Katze neben den gewöhnlichen dieke- ren Fasern zahlreiche nur halb so dicke; dieselben dünnen Fasern enthielten nebst dicken auch die Ciliarnerven der Katze. Das Ganglion oculomotorii. 257 sible Fasern, und noch andere, wie der Facialis sind rein moto- risch. Trotzdem entstehen alle diese Nerven nach Art hinterer Wurzeln. Dazu kommt nun noch, dass ein und derselbe Nerv, dessen Homologien durch seine Ursprungsverhältnisse festgestellt sind, bei einigen Wirbelthieren sensibel, bei anderen dagegen mo- torisch sein kann. Ein interessantes Beispiel hierfür liefert der Facialis der Petromyzonten, welcher nach P. Fürbringer!) ein rein sensibler Nerv ist. Es wäre also nach Allem jedenfalls sehr vermessen, aus rein morphologischen Verhältnissen eine bestimmte physiologische Qualität dedueiren zu wollen. Umgekehrt wäre es aber auch durchaus: ungerechtfertigt, auf Grund des Bell’schen Gesetzes an der Möglichkeit zu zweifeln, dass auch dorsale Wur- zeln motorisch sein können. Denn das Beispiel des Facialis steht einer solchen dogmatischen Auffassung des Bell’schen Lehrsatzes nicht allein entgegen. Ist doch neuerdings dessen Gültigkeit auch für Spinalnerven hinfällig geworden. Besonders instructiv ist in dieser Beziehung Amphioxus, bei dem jedes Myomer nur einen Spinalnerven erhält und zwar einen oberen, während untere Spinalnerven hier ganz fehlen?). Dieser dorsale Nerv muss also sowohl motorische als sensible Elemente enthalten. Man sieht, schon innerhalb des morphologisch und physiologisch be- kannten Gebietes (und wieviel physiologisch Unbekanntes giebt es hier noch in der Reihe der niederen Wirbelthiere! —) findet sich vielfach Motilität und Sensibilität durchaus nicht einseitig an die ventralen resp. dorsalen Wurzeln geknüpft; vielmehr können die dorsalen Wurzeln bald nur motorische, bald nur sensible, bald beide Elemente enthalten. Beim Amphioxus ist ausschliesslich das Letztere der Fall. In der aufsteigenden Reihe der Wirbel- thiere tritt dann mit der Entstehung ventraler Wurzeln zunächst für das Rückenmark (schon bei Selachiern und Ganoiden nach Stannius) auch der scharfe physiologische Gegensatz zwi- schen dorsalen und ventralen Wurzeln hervor, der Art, dass die letzteren ausschliesslich motorisch werden, die dorsalen dagegen sensibel. Am Kopftheile erhält sich dagegen gewissermaassen ein vermittelndes Uebergangsstadium , indem hier zwar alle ventralen Wurzeln motorisch, die dorsalen aber der verschiedensten Quali- tät sind. Ich habe es für nöthig gehalten, etwas ausführlicher auf die S1..c..8..078 2) Vergleiche darüber Balfour, On the spinal nerves of Am- phioxus. Journ. of anat. et phys. X. Part. IV. p. 689 ff. Bd. XII. N. F. VI, 2. 17 258 G. Schwalbe, thatsächlichen Unterlagen einzugehn, welche einer dogmatischen Verallgemeinerung des Bell’schen Lehrsatzes entgegenstehn, weil ich nur so Vorurtheilen begegnen kann, die eine unbefangene Wür- digung morphologischer Thatsachen verhindern. Dass aber gerade hier bei der morphologischen Deutung der Kopfnerven die stillschweigende Anerkennung der Allgemeingültigkeit des Bell’- schen Lehrsatzes vielfach Verwirrung angerichtet und eine Zu- rückführung der Kopfnerven auf eine bestimmte Anzahl spinaler Nerven erschwert hat, lässt sich nicht in Abrede stellen. Man durchmustere nur die vielfachen Versuche, die in dieser Beziehung seit Arnold und J. Müller angestellt sind. Fast immer wird das Hauptgewicht auf die physiologischen Eigenschaften gelegt. Die motorischen Hirmnerven werden ohne Weiteres als vordere (ventrale) Wurzeln betrachtet; bei den gemischten Nerven (z. B. Vagus, Glossopharyngeus) suchte man künstlich eine Zusammen- setzung aus 2 Wurzeln nachzuweisen. So kam es, dass beispiels- weise der motorische Facialis von Stieda!) für ene ventrale Wurzel des Trigeminus erklärt wurde, dass man das Ganglion geniculi, weil es dem motorischen Facialis anliegt, dem Sym- pathieus zuwies?), während vergleichende Anatomie und Entwick- lungsgeschichte lehren, dass der Facialis nach Art einer dorsa- len Wurzel entsteht und ein eigenes Ganglion entwickelt, das höchst wahrscheinlich zum Ganglion geniculi wird. Wollten wir consequent verfahren in der Anwendung des Bell’schen Lehr- satzes, so müssten wir nunmehr, nachdem die Entwicklungsge- schichte der meisten Kopfnerven bekannt ist, mit demselben Recht die nach Art dorsaler Wurzeln entstehenden Kopfnerven für rein sensibel, die nach Art ventraler Wurzeln entstehenden für moto- risch erklären können und wären damit wiederum in Collision mit thatsächlich Ermitteltem gekommen. Alle Schwierigkeiten schwin- den, wenn wir von der vergleichend anatomischen Thatsache aus- gehen, dass die einfachste Wirbelthierorganisation nur dorsale und gemischte Nervenwurzeln zeigt und uns deshalb der Balfour’- schen ?) Ansicht anschliessen, nach welcher die ventralen rein motorischen Wurzeln seeundäre Bildungen sind. Wir wer- den uns dann nicht wundern können, wenn wir die dorsalen Wur- zeln bald gemischt, bald rein sensibel oder rein motorisch antref- 1) Studien über das centrale Nervensystem der Wirbelthiere. Zeit- schrift f. wissensch. Zoologie XX. S. 445, 446. 2) His, Die erste Entwickelung des Hühnchens im Ei. 8. 107. %) Journal of Anatomy and Physiology XI. p. 459. Das Ganglion oeulomotorii. 259 fen. Auch die Ontogenie ist dieser Auffassung günstig, da ja be- kanntlich zunächst die dorsalen Wurzeln und erst später die ven- tralen angelegt werden. Die Aufgabe der vorstehenden Betrachtungen war es, den Bo- den zu ebenen für den Versuch einer morphologischen Deutung eines Kopfnerven, der vielfach in dieser Arbeit besprochen wer- den musste, nämlich des Trochlearis. Bekanntlich ist derselbe von Gegenbaur zur Trigeminusgruppe gerechnet und wie der Oculomotorius und Abducens als motorische discret austretende Wurzel des Trigeminus gedeutet worden. Ueber die Entwicklung des Trochlearis wissen wir nichts. Dagegen lehrt die anatomische Untersuchung, dass der Trochlearis trotz seiner motorischen Na- tur nicht nach Art einer motorischen (ventralen) Wurzel das Ge- hirn verlässt, sondern nach Art einer dorsalen. Einer vollstän- digen Homologisirung des Trochlearis mit einer dorsalen Wurzel stand aber abgesehen von seimer Motilität bisher die verbreitete Angabe entgegen (Meynert), dass der Trochlearis mit dem Ocu- lomotorius aus einem gemeinschaftlichen Kern entspringe Fo- rel!) hat nun aber gezeigt, dass der Kern des Trochlearis voll- kommen von dem des Oculomotorius getrennt ist. Der Tirochlea- riskern liegt in der Querebene der oberen Hälfte des unteren Zweihügels am lateral-dorsalen Winkel des hinteren Längs- bündels. Der Oculomotoriuskern dagegen liegt in der ganzen Höhe der oberen ?/, des oberen Zweihügels medial und etwas dor- sal vom hinteren Längsbündel dicht der Raphe an. Während also der letztere Kern der Lagerung nach den Kernen der ventralen Hirnnerven entspricht, erinnert der erstere in seiner Lage auffal- lend an die Kerne der nach Art dorsaler Wurzeln austretenden Hirnnerven. Es widersprechen demnach weder die Verhältnisse des Ursprungs noch des Austritts der Auffassung, dass der Trochlea- ris als eine dorsale Wurzel zu betrachten sei. Eine Sensibilität des Trochlearis zur weiteren Begründung dieser Ansicht zu ver- langen, dürfte wohl nach den oben gegebenen Erörterungen nicht mehr am Platze sein. Ueberdies enthält ja wirklich der Trochlea- ris bei den Selachiern zweifellos sensible Elemente (s. oben S. 186), sodass auch die abweichenden physiologischen Eigenschaften nicht mehr ins Feld geführt werden können. Es fehlt also nur das Ganglion zur vollen Begründung der vorgetragenen Ansicht. Die- ser Umstand lässt darauf schliessen, dass der Trochlearis nur ı) Haubenregion |, ec. 8. 440. Mr 260 G. Schwalbe, ein Theil einer dorsalen Wurzel sein kann. Erkennt man dies als richtig an, so hat man noch zwischen zwei Möglichkeiten zu wählen. Erstens wäre es möglich, dass sein Ganglion in die Bil- dung des Ganglion Gasseri eingegangen ist. Dann würde man den Trochlearis entschieden als eine abgelöste dorsale Wurzelpor- tion des Trigeminus zu betrachten haben und dafür das wech- selnde Verhalten bei Salamandra verwerthen können. Eine andere Auffassung ist aber ebenso statthaft, dass nämlich der Trochlea- ris sich von der dorsalen Wurzel (Ciliarganglionstrang) des Ocu- lomotorius abgelöst hat und demnach als eine dorsale selbst- ständig verlaufende Wurzel des Oculomotorius anzusehen ist. Man könnte dafür besonders den gemeinsamen Ursprung aus dem Mittelhirn anführen, müsste dann aber auch die absteigende Wurzel des Trigeminus mit hinzurechnen, die ebenfalls aus dem Gebiet des Mittelhirns entspringt, deren peripherer Verlauf in der Bahn des Trigeminus aber noch nicht bekannt ist. Für diese letztere Auffassung, welche den Trochlearis als ein dorsa- les Wurzelbündel des Oculomotorius in Anspruch nimmt, dürfte vor Allem der gemeinsame Ursprung beider Nerven aus dem Mittelhirn sprechen. Es wäre dann aber der Trochlearis auch zugleich ein selbstständig verlaufender dorsaler Ast des Ocu- lomotorius. Ueberblicken wir die Reihe von Thatsachen, welche ich in diesem allgemeinen Theile zusammengestellt habe, so ergiebt sich wohl als zweifellos, dass der Oculomotorius nicht als ein Zweig der Trigeminusgruppe, sondern als ein selbstständiger seg- mentaler Kopfnerv angesehen werden muss. Denn wir konnten sowohl das Homologon eines Spinalganglions, als die Aequivalente einer dorsalen und ventralen Wurzel an ihm nachweisen. Ist der Oculomotorius aber ein selbstständiger segmentaler Kopfnerv, so folgt daraus mit Nothwendigkeit weiter, dass ihm ein besonderes vorderes Kopfsegment entspricht, aus dem die Augenmuskeln (excl. rectus lateralis) hervorgehen. Von Seiten englischer Forscher ist schon mehrfach auf die Existenz eines solchen Segmentes hinge- wiesen, so von Balfour!), ferner von Parker?). Milnes Mar- shall?) lieferte sodann auf entwicklungsgeschichtlichem Wege den !) Development of Elasmobranch fishes. Journal of anat. et physiol. XI. p. 482. 2) The morphology of the skull. p. 334. nlye, Das Ganglion oculomotorii. 261 Nachweis, dass der Oculomotorius sich wie ein segmentaler Nerv verhalte und betrachtete den Ramus superior und inferior als vor- deren und hinteren eine Visceralspalte begrenzenden Ast. Ich habe die Deutung dieser Aeste vermieden, da unsere Kenntnisse über das präorale Kopfsegment (Balfour) noch zu mangel- haft sind, um uns bereits einen sicheren Boden in dem von Mar- shall angedeuteten Sinne zu gewähren. Nur auf eine Thatsache möchte ich hinweisen. Marshall unterscheidet als Ramus an- terior den Zweig zum Musc. rectus superior, und rechnet zun Ramus posterior alle übrigen Aeste des Oculomotorius. Es ent- spricht also sein Ramus anterior dem R. superior, sein R. posterior dem R. inferior der gewöhnlichen Beschreibung. In der That ist diese Beschreibung für die Amnioten vollständig zutreffend; der Ramus superior umfasst dann eventuell noch den Zweig zum Muse. !evator palpebrae superioris. Bei den Selachiern dagegen stellt sich eine andere Anordnung ein. Hier ist der für den M. rectus medialis bestimmte Zweig überhaupt der erste, welcher vom Oculomotorius abgegeben wird (vergl. Fig. 9); gleich darauf ent- steht der Zweig zum M. reetus superior. Damit steht im Ein- klang, dass die Augenmuskeln hier deutlich in zwei durch den Augapfel getrennten Etagen angeordnet sind, in einer oberen, ge- bildet durch die Mm. obliquus superior, rectus medialis und su- perior (in der Reihenfolge von vorn nach hinten aufgezählt) und in einer unteren, repräsentirt durch die Mm. obliquus inferior und rectus inferior. Beide Etagen werden nach hinten gegen die Kie- fermuskulatur durch den M. rectus lateralis abgegrenzt. Hier ge- hört also, wie sein Nerv uns ebensodeutlich enthüllt, als die Lage des Muskels, der Musc. rectus medialis zur dorsalen Etage der Augenmuskeln. Auch bei Salamandra hat der Nerv des M. rectus medialis noch diese Beziehungen, indem er über dem Opticus zu seinem Muskel gelangt, während der Zweig zum rectus superior aus der Trigeminusbahn kommt. Von den Batrachiern an auf- wärts findet sich dagegen allgemein das aus der menschlichen Anatomie bekannte Verästelungsschema; mit Ausnahme der Vögel wird aber auch hier der Ast zum rectus medialis wenigstens gleich nach dem Ramus superior abgegeben. Es dürften demnach jene Verhältnisse auf die Zugehörigkeit des Musc. rectus medialis und superior zu einer Muskelgruppe hinweisen, der sich dann als vorderstes Element noch der vom Trochlearis versorgte Obliquus superior anschliessen würde. Vergleichend anatomisch bilden also die Zweige des Oculomotorius zu den Mm. rectus medialis und 262 G. Schwalbe, superior den Ramus superior (resp. anterior) des 3. ‚Hirnnerven. Es scheint mir nun aber aus der ganzen Anordnung der Muskeln und Nerven wahrscheinlicher, dass dieser Zweig des Oculomotorius einem Ramus dorsalis eines segmentalen Nerven entspricht, als dass er mit Marshall als vorderer vor einer Kiemenspalte ge- legener Ast betrachtet werden müsse. Es lassen sich bei dieser Annahme die oben geschilderten Verhältnisse des Baues des Ocu- lomotorius, ferner seine Beziehungen zum Trochlearis und Ramus ophthalmicus besser verstehen. Letzterer ist offenbar aus 2 ganz verschiedenen Theilen zusammengesetzt, wie schon der verschie- dene Ursprung, dann aber auch Verlauf und Endausbreitung leh- ren. Den Antheil des Ramus ophthalmicus superficialis der Selachier, welcher aus der Radix superficialis entsteht, halte ich für einen echten Ramus dorsalis und acceptire für diesen Theil ohne jedes Bedenken die von Gegenbaur gegebene Auffassung des Ramus ophthalmicus als Ramus dorsalis. Es entspricht dieser Zweig bei den höheren Wirbelthieren dem Nervus supraorbitalis resp. fron- talis und zwar die Rr. frontales der Stirnausbreitung dieses Nerven, die Fortsetzung dagegen dem N. supratrochlearis. Einen ganz anderen Ursprung und eine ganz andere mophologische Bedeutung besitzt der aus der Radix profunda hervorgegangene Antheil des Ramus ophthalmicus, der mit einem Theil seiner Fasern sich an (den Ramus superficialis anlegt, mit dem anderen als Ramus oph- thalmicus profundus verläuft. Letzterer isf offenbar in allen wesent- lichen Eigenschaften dem N. nasociliaris der höheren Wirbelthiere gleich zu stellen, während möglichenfalls die oberflächliche mit dem R. ophthalmicus superficialis verlaufenden Fasern dieser Wurzel einem N. infratrochlearis entsprechen. Ob nun aber Entstehung und Bedeutung des Nasociliaris resp. seines Homologons bei Se- lachiern und Amphibien in der Weise aufzufassen ist, wie es Milnes Marshall!) für den gesammten Ophthalmicus will, dass derselbe nämlich die persistirende embryonale Commissur (aus der neural ridge hervorgegangen) zwischen 5., 3. und Riechnerven sei, wage ich nicht zu entscheiden. Nur das möchte ich mit Be- stimmtheit aus meinen Untersuchungen folgern, dass dies für den ganzen Ophthalmicus nicht richtig sein kann, da derselbe zweifel- los zum Theil als Ramus dorsalis betrachtet werden muss. Del.c..n., 22. Das Ganglion oculomotorii, 263 Anhang. Die Ciliarnerven. Zum Schluss will ich noch anhangsweise in aller Kürze die Thatsachen zusammen stellen, welche die vorstehende vergleichend anatomische Untersuchung über die Ciliarnerven ergeben hat. Man hat deren drei verschiedene Arten zu unterscheiden, wie es am einfachsten die Selachier zeigen. 1) Ein Ciliarnerv aus dem N. oculomotorius, 2) ein Ciliarnerv aus dem Trigeminus, 3) eine variable Zahl von Fädchen, welche aus dem Ganglion des Oculo- motorius hervorgehen und entweder durchtretende Fasern des feinen (Ganglien-) Bündels dieses Nerven darstellen, oder aus den Ganglienzellen selbst entspringen. Wir dürfen wohl den ersten Nerven als den motorischen, den zweiten als den sensiblen Bulbus- nerven und die feinen Ganglienzweige als Gefässnerven ansehen. Ganz ähnlich habe ich die Anordnung der Ciliarnerven bei Sala- mandra gefunden. Dies einfache Bild complieirt sich nun bei den höheren Wirbelthieren, indem vor Allem der selbstständige ausser aller Beziehung zum Ganglion stehende motorische Ciliarnerv des Oculomotorius fortfällt. Wir haben dann nur einen oder wenige Ciliarnerven vom Trigeminus (Nn. ciliares longi) und eine ver- schiedene Zahl Ciliarnerven vom Ganglion (Nn. ciliares breves). Zweifellos ist aber, dass auf letzterer Bahn zahlreiche motorische Nervenfasern in den Augapfel gelangen und wir werden also diese als einfach durch das Ganglion hindurchtretende Nervenfasern an- sehen, während die übrigen gangliospinale Fasern sind, vermuth- lich der Hauptsache nach vasomotorischer Natur. Die Nn. ciliares breves der höheren Wirbelthiere enthalten somit die Elemente so- wohl des selbstständigen Oculomotorius-Ciliarnerven der Selachier, als der aus dem Ganglion entspringenden Fasern. So gelingt es schon auf vergleichend anatomischem Wege eine grössere Klar- heit in die Faserung des Ciliarganglions zu bringen. Leider fehlte es mir an Zeit, die Richtigkeit dieser Folgerungen auch durch genauere mikroskopische Untersuchung selbst zu prüfen. Für eine etwaige darauf gerichtete Untersuchung empfehle ich besonders das Ciliarganglion der Vögel, da wir hier schon von vornherein die Fasern vom Trigeminus (Radix longa) eliminirt sehen; denn diese verbinden sich ja erst am peripheren Ende des Ganglions mit dem N. ciliaris crassus. Wir werden es also hier nur mit 264 G. Schwalbe, durchtretenden Oculomotoriusfasern (möglichenfalls feinen und gro- ben) und gangliospinalen Fasern zu thun haben. Ich glaube, dass wir auf diesem Wege der Trennung der ein- zelnen durch das Ganglion und unabhängig von diesem zum Aug- apfel verlaufenden Faserarten auch zu einem besseren Verständniss der Beziehungen gelangen werden, welche zwischen Grösse des Ciliarganglions und Grösse des Augapfels bestehen. Dass dieses (Grössenverhältniss keineswegs ein constantes ist, liegt auf der Hand, wenn man z. B. das winzige Ganglion des Kaninchens und das ansehnliche eines Hundes mit den entsprechenden Augen ver- gleicht. Es ist klar, dass bei starker Ausbildung des vom Oculo- motorius innervirten Muskelapparates im Innern des Auges, wie bei den Vögeln, auch der betreffende durch das Ciliarganglion ziehende Nervenantheil stark entwickelt ist. Wir sehen in Folge dessen einen starken Ramus ciliaris, der durch das Ganglion nicht sehr verdickt erscheint. Es ist ferner bei diesen Betrachtungen der Gefässapparat des Auges und sein Reichthum an muskulösen Elementen mit in Rechnung zu ziehen. Erst wenn man nach dieser Richtung eine Reihe positiver Angaben besitzt, wird sich über die Einflüsse, welche die Grössenentwicklung des Ganglion eiliare beherrschen, etwas Sicheres aussagen lassen. Das Ganglion oculomotorii. 265 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII, XIII und XIV. Tafel XII. Fig. 1. Oculomotorius von Scyllium catulus mit seinen Ganglien. Vergrösserung 20 mal. o. Stamm des Oculomotorius; r.i. Ast zum Muse, reetus inferior; 0.1. Endzweig zum Musc, obliquus inferior. a, a, b, e Ganglien des Oculomotorius; bei cil. ein stür- kerer abgerissener Zweig des Ganglions a, wahrscheinlich ein Ciliar- nerv. Desgleichen entspringen aus b und c feine Nerven, die ma- kroskopisch nicht gefunden werden konnten. Fig. 2. Theil des Oculomotorius von Mustelus laevis. 18 mal vergrössert. Bezeichnungen wie vorhin. 2 Ganglien, ein breites unteres a und ein oberes (mehr peripheres) bb Am Ast zum Muse. obliquus inferior (o0.1.) macht sich auf der rechten Seite der Figur ein besonderes aus feinen Fasern bestehendes Bündel bemerkbar, das grösstentheils das Ganglion b zu bilden scheint. Fig. 3. Theil des Oculomotorius-Zweiges zum Musc. obliquus inferior von Chimaera. Vergrösserung 20 mal. Ein kleines Gang- lion liegt dem Nervenstamme an und entwickelt peripher den aus feinen Nervenfasern bestehenden Nervenfaden ci. a centrales, b pe- ripheres Ende des abgebildeten Nervenstückes; c Ganglion. Fig. 4. Oeulomotorius vom Frosch (Rana esculenta), 20 mal vergrössert. Vertheilung der Ganglienzellen längs des Stammes. o Stamm des N. oculomotorius; r.s. Zweig zum Muse. rectus superior; r. med. Zweig zum Musc, rectus medialis; r.i.—+ 0.1. Noch vereinig- ter Endzweig des Oculomotorius, der sich alsbald in die Zweige für die Museuli rectus inferior und obliquus inferior theilt. Bei a, c, d Ganglien-Ansammlungen und zerstreute Ganglienzellen im Stamm. Bei b kleines seitlich anliegendes und prominirendes Ganglion, aus dem sich einzelne feine Nervenfasern entwickeln. Fig. 5. Theil des Oculomotorius mit Ciliarganglion von Lepus euniculus. Vergrösserung 15 mal. o Stamm des Oculo- motorius; r. med., retr., r.i., o.i., Zweige zu den Musculi rectus 266 G. Schwalbe, medialis, retractor, rectus inferior, obliquus inferior. g Ganglion. ci. Ciliarnerven. Fig. 6. Durchschnitt durch das Ciliarganglion vom Schaf. Schwa- che Vergrösserung. Man sieht wie das von reichlichem Bindegewebe durchsetzte Ganglion unmittelbar dem Nerven zum Musculus obliquus inferior ab aufsitzt. Im Ganglion zahlreiche Gruppen (g) und ein- zelne Ganglienzellen (g‘). Fig. 7. Ganglienzellen aus den Oculomotorius-Ganglien von Sceyl- lium catulus.. A. mit nur einem Fortsatz und deutlicher kernhaltiger Scheide. B. mit einem Fortsatz, welcher sich in die Nervenfibrillen- Bündel f und f’ zu theilen scheint. Deutliche Nervenzellenhülle. n, n in beiden Figuren Kerne dieser Hülle. Zeiss F. Oe. 2. Fig. 8. Markhaltige Nervenfaser aus dem Oculomotorius von Abramis vimba nach ÖStägiger Behandlung mit Salzsäure und Auswa- schen mit Wasser. Mark bis auf die wohl isolirten Marktrichter (1, t) zerstört. a Axencylinder. Zeiss F. Oc. 2. Tafel XIII. Fig. 9. Kopf von Seyllium catulu. Dach des Cavum cranii und beider Orbitae entfernt. Blau: knorpliges Cranium. C! Gross- hirn, C2 Zwischenhirn, C3 Mittelhirn, C* Cerebellum, C° Medulla oblongata. II. Optieus. III. Oculomotorius, rechts noch bedeckt vom Ramus ophthalmicus trigemini (V, 1). Letzterer entsteht aus 2 Wur- zeln, einer tiefen a und einer oberflächlichen hinteren b, die lin- kerseits nur in ihrem cerebralen Ende erhalten sind. IV. Troch- learıs. Der Oculomotorius versorgt zuerst den Musc. rectus me- dialis (r. med.), dann den rectus superior (r. s.) und tritt durch eine Spalte dieses Muskels in die Tiefe. o.s. M. obliquus superior. r.1. Musculus rectus lateralis. s ist der feine Zweig, den der Troch- learis (IV) zur inneren fibrösen Auskleidung der Schädelkapsel ent- sendet. Fig. 10. Weiterer Verlauf des Oculomotorius (III) bei Seyllium. II. N. opticus; b Bulbus oculi. V, 1. Ramus ophthalmieus trigemini mit Radix profunda (r. p.) und Radix superficialis (r. s.)., Erstere ent- sendet den feinen Zweig r. o.p., dem Ramus ophthalmicus profundus entsprechend. Derselbe verbindet sich in a scheinbar mit dem Ocu- lomotorius, verlässt aber dessen Bahn wiederum (r. o. p.), entsendet einen Ramus ciliaris (c) und verläuft nun eine Strecke weit unter der Selera; dann wird er wieder frei (r. o.p‘.) und verlässt endlich bei x durch eine besondere Oeffnung die Orbita. Der Oculomotorius entsendet nach einander die Muskelzweige zum M. rectus medialis Das Ganglion oculomotorii. 267 (r. med.), rectus superior (r. s.), rectus inferior (r. 1.), entsendet einen Ramus eiliaris (cC) und endet im ÖObliguus inferior (o.i.. 0.1. — Musculus obliquus inferior. Fig. 11. Mustelus laevis. Scheinbare Verbindung des Ocu- lomotorius (III) mit dem Ramus ophthalmieus profundas (r. o. p.) bei a. r.c. — Ramus ciliaris trigemini, der sich eine Strecke weit an den Oculomotorius anlegt. Fig. 12. Orbitalnerven von Chimaera. Ü = Cerebellum, 1. tr. — Lobus trigemini. II. N. opticus abgeschnitten. III. Oculomoto- rius mit seinen Zweigen zum Musc. rectus superior (r. s.), medialis (r. med.), inferior (r. i.) und obliquus inferior (o. i.). Bei g ist die Stelle markirt, an welcher das Ganglion oculomotorii liegt. IV. Troch- learis, unter dem Ramus ophthalmicus superficialis zum M. obli- quus superior (o. s.) ziehend. V,s. Ophthalmicus superficialis mit r. fr. — rami frontales.. V, p. Ophthalmicus profundus. V. Hauptstamm des Trigeminus. Fig. 13. Salamandra maculosa. Vergrösserung 3 mal. II. Opticus in den Augapfel B übergehend. V. Trigeminus, n, dessen Ramus nasalis. Letzterer entsendet 2 Nerven: 1) me. (N. musculo- ciliaris), theilt sich in 2 Fäden, deren einer für den Muse. rectus su- perior (r. s.) bestimmt ist, der andere als Ciliarnerv (ce) in den Bulbus eintritt; 2) Ramus palpebralis (r. p.). IV der selbstständige Trochlea- ris, der direkt zum Musc. obliquus superior (o. s.) verläuft. Fig. 14. Salamandra maculosa. Vergrösserung 3 mal. Bezeichnungen wie in voriger Figur. Es fehlt aber ein Trochlearis ; ein vom Ramus nasalis entspringender Zweig a entsendet nach einan- der den Zweig für den M. rectus superior, den N. ciliaris, den Zweig für den M. obliquus superior und den Ramus palpebralis. Fig. 15. Oculomotorius der Gans. Er entsendet den Zweig für den M, rectus superior (r. s.), den dicken Ciliarnerven ce’ mit dem Ganglion g an seiner Basis, den Zweig für den M. rectus inferior (r. i.), rectus medialis (r. med.) und obliquus inferior (o. i.). n. ec. Nervus nasociliaris mit Verbindungsfaden zum Ciliarnerven e (Radix longa) und selbstständigem Ciliarnerven c. Fig. 16. Verzweigung des Oculomotorius vom Schaf. r.s. Zweige zu den Musculi rectus superior und levator palpebr. sup. retr. Zweig zum M. retractor. g = Ganglion ciliare, r. l. dessen Radix longa; e und c” Ciliarnerven, letzterer zur Scheide des Opti- cus. Die übrigen Buchstaben wie vorhin. Fig. 17. Oculomotorius (oeul) vom Hund. op Sehnerv, h Augapfel. nc. Nasociliaris mit Radix longa (r. 1.) zum Ganglion 268 G. Schwalbe, Das Ganglion oculomotorii. ciliare (g) und selbstständigem Ciliarnerven (c). Letzterer verbindet sich mit einem der zwei dickeren Ciliarnerven (ce) des Ganglion. Ausserdem entsendet das letztere einen feinen Faden e” zur Scheide des Opticus und 2 feine Nerven ec”. s sympathischer Faden?. Bei a die beiden Muskeläste zum rectus medialis (der hintere) und rectus inferior (der vordere). Die übrigen Buchstaben wie vorhin. Fig. 18. Ganglion eiliare vom Hund, ?/, natürlicher Grösse; das Bindegewebe aufgehellt. Bezeichnung wie vorhin. Tafel XIV. Fig. 19. Hirnbasis des Menschen. III N. oculomotorius, jeder- seits mit lateraler Wurzel l, links ausserdem noch eine zweite feinere Wurzel. Fig. 20. Gegend zwischen Chiasma opticum und Pons vom Menschen. b. Arteria basilaris; e.s. A. cerebelli superior; ce. p. A. cerebri posterior; letztere entsendet jederseits einen feinen Zweig durch die Lücke zwischen Hauptwurzel des Oculomotorius und laterale Wurzel (l.). p. Pialfaden. Fig. 21. Ebenso. 1 laterale Wurzel, daneben einige Pialfäden; /' sehr kleine laterale Wurzel mit Pialfaden; p Pialfaden. Fig. 22. Seitliche Ansicht des Mittelhirns vom Schaf. tp. Tractus peduncularis mit 2 Wurzeln entstehend, mit einer stärkeren vor dem vorderen Vierhügel a, mit einer schwächeren hinter dem hinteren Vierhügel bb V Trigeminus. p Brücke. Zur Blastologie der Korallen. Eine morphologische Studie. Von Dr. W. Haacke in Jena. Hierzu Tafel XV. Eine der wesentlichsten, wenn auch am meisten vernachlässig- ten, Aufgaben einer jeden Arbeit, welche die Morphologie einer in sich abgeschlossenen Thiergruppe zum Gegenstande hat und ein causales Verständniss derselben erstrebt, besteht in einer über- sichtlichen und präcisen Darstellung der allgemei- nentectologischen und promorphologischen Verhält- nisse dieser Thiergruppe, eine Aufgabe, deren theilweise Lösung die vorliegende Arbeit für die Klasse der Korallen unternimmt. Die Tectologie oder Individualitäts-Lehre sowohl, wie die Promorphologie oder Grundformen-Lehre, sind bereits 1866 durch HAEcKEL in seiner „Generellen Morpho- logie“ (vergl. No. 17, Bd. I des Literaturverzeichnisses) zu selbst- ständigen Zweigen der organischen Formenwissenschaft erhoben, aber werden, auch gegenwärtig noch, nur von wenigen Biologen als solche gewürdigt. Wenn auch zugegeben werden soll, dass der seitdem ver- flossene Zeitraum vielleicht nicht genügt haben mag, die HAEcKEL’sche Individualitäts- und Grundformenlehre zur allge- meinen Anerkennung zu bringen, so muss doch darauf aufmerk- sam gemacht werden, dass jener zwölfjährige Zeitraum immerhin lang genug gewesen ist, die in der „Generellen Morphologie“ dargelegten Principien der Tectologie und Promorphologie wenig- stens kennen zu lernen. Die Annahme, dass die Mehrzahl der 270 Dr. W. Haacke, Zwologen die grundlegende Arbeit HAEckEL’s noch nicht kennt, erscheint allerdings höchst sonderbar; ich kann mich derselben jedoch nicht erwehren und hofte gelegentlich der vorliegenden Darstellung der tectologischen und promorphologi- schen Verhältnisse der Personen der Korallen-Thiere zu zeigen, dass sie nicht ganz unbegründet ist; gerade hier scheint es mir evident zu sein, dass man, mag man nun im Uebrigen über jene HazcKker'schen Lehren denken, wie man will, aus ihrer Kennt- niss wenigstens das hätte lernen müssen, dass bei den Ko- rallen-Personen mit den althergebrachten Anschauun- sen über „regulär-radiären“ und „bilateral-symme- trischen Typus“ nichts anzufangen ist. Aber weit ent- fernt davon, dies eingesehen zu haben, sind die verschiedenen Bearbeiter der Korallen-Klasse über die unbeantwortbare Frage, ob in den „Polypen“ „regulär-radiäre" oder „bilateral-symmetrische“ Thiere zu erblicken sind, noch heute nicht zur Tagesordnung über- gegangen. Während z. B. KÖLLIKER (No. 25, S. 415) meint, es liesse sich „mit Bestimmtheit sagen, dass die Polypen wahrschein- lich aller Corallenthiere entschieden bilateral gebaute Thiere sind und eigentlich merkwürdig wenig Anzeichen eines radiären Typus haben‘ 1), hält Dana (No. 3, 8. 25) dieselben für „true Radiates“, bei denen es sich allerdings nicht verkennen liesse, dass sie „so- mething of the antero-posterior (or head-and-tail) polarity, with 1) Ich kann es mir übrigens nicht versagen, hier noch einen anderen Satz KöLLıker’s anzuführen, aus welchem man vielleicht einen Schluss auf den Formensinn des kenntnissreichen Würzburger Anatomen zu ziehen berechtigt sein dürfte; KÖLLIKEr schreibt (l. e., S. 419): Die Polypen der Pennatuliden werden durch eine senkrechte Medianebene „in zwei symmetrische Hälften zerfällt“, „die, auf einan- der gelegt, sich vollkommen decken“ (!). Den Unterschied zwischen Congruenz und Symmetrie scheint KÖLLIKER nicht zu kennen: Symmetrische Hälften eines Körpers können sich niemals decken! Wie wir später sehen werden, ist es Körrıker’s Verdienst, nachgewiesen zu haben, dass sämmtliche Pennatuliden-Personen in der That durch eine, und nur durch eine, Medianebene in zwei symmetrische Hälften zerfällt werden können — was ihm indessen, beiläufig gesagt, noch nicht erlaubt, dieselben als „entschieden bilateral gebaute Thiere“ in An- spruch zu nehmen; die Unmöglichkeit einer Deckung der beiden „symmetrischen“ Hälften des Körpers der Pennatuliden- Personen ist aber eo ipso dargethan. Zur Blastologie der Korallen. 271 also the right-and-left, which is eminently characteristic of the ani- mal type‘ !), besässen. SEMPER, welcher in seinem Aufsatz „Ueber einige tro- pische Larvenformen“ (No. 23) nach seitenlangen Erörte- rungen über die Grundformen der Korallen-Personen und der Echi- nodermen zu dem Resultat kommt, dass die Grundformen der ge- nannten Thiere eine Reihe von „Verbindungen des rein radiären Baues mit dem bilateralen“ |! 1. c., S. 412] darbieten ?), thut den Ausspruch (l. «., S. 411): „Gewisse prinzipielle Streitfragen gehen ewig ungelöst durch die verschiedenen Wissenschaften hindurch.“ Zu diesen Streitfragen rechnet er neben der nach der Urzeugung auch die „nach dem radiären Typus der Echinodermen und Üoe- lenteraten.“ Ich hotie indessen zu zeigen, dass diese Frage, was wenigstens die Korallen anbetrifft, keineswegs „ewig ungelöst“ durch die Wissenschaft hindurch zu gehen braucht, vorausgesetzt, dass man nach einer richtigen Fragestellung die Antwort mit Hülfe einer consequenten Anwendung der HAEcKEL’schen Indivi- dualitäts- und Grundformenlehre zu geben sucht. Allerdings hat schon HAEckEn selbst im ersten Bande der „Generellen Morphologie“ (8. 468, 469, 470, 485, 501 und 515) die Grundformen der meisten Korallen mit aller wünschenswerthen Schärfe erläutert; aber viele seiner Auseinandersetzungen sind mit dem Fortschreiten unserer Kenntnisse hinfällig geworden, und eine wiederholte Bearbeitung dieses Gebietes erscheint um so mehr ge- boten, als die in Bezug auf die tectologischen und promorpho- 1) Dana vergisst, dass auch viele Phanerogamen-Blüthen dieselbe Polarität, „which is eminently characteristic of the animal type,“ besitzen; ich erinnere nur an die Labiaten, die Papilionaceen und andere. 2) SEMPER führt in dem eitirten Aufsatze ein Windmühlengefecht gegen L. Acassız: Er glaubt denselben wegen dessen zähen Fest- haltens an der Cuvıer’schen Typenlehre auch für einen Vertreter des „Dogma eines radıären Baues“ der Korallen-Personen und Echino- dermen halten zu müssen; Acassız hat aber schon 20 Jahre vor SEMPER (im Jahre 1847) genau dieselbe Ansicht über die Grundform der Echinodermen und Korallen-Personen ausgesprochen, wie SrmrER 1867! In einem Briefe an A. von Hunmsoıor (No. 1, S. 677 ff.) spricht er von einer „parite bilaterale“, welche er bei den Echinodermen und Actinien gefunden hätte. Er zog sich dadurch die Polemik Hoızarv’s (No. 5, 8. 275) zu, welcher die Acalephen für „rayonnes en tout et a toutes les Eepoques de leur vie“ hält. 272 Dr. W. Haacke, logischen Verhältnisse der Korallen augenblicklich noch herrschen- den Anschauungen, wie wohl schon aus den angeführten Beispielen, die ich beliebig vermehren könnte, zur Genüge hervorgegangen sein wird, zum Theil höchst unbestimmt, zum Theil einander widersprechend sind. Ich habe deshalb die reichhaltige Korallen -Sammlung des Jenaer zoologischen Museums mit Rücksicht auf die zu behan- delnden Fragen einer sorgfältigen, auch, wo es nöthig war, auf mikroskopische Verhältnisse sich erstreckenden, Durchsicht unter- worfen und werde, unter Zugrundelegung der HaEcker'schen In- dividualitäts- und Grundformenlehre, sowie seines promorpho- logischen Systems (No. 17, Bd. I, Cap. XIII), und mit mög- lichster Berücksichtigung der vorhandenen Literatur, bezüglich der Blastologie oder der Lehre von den Personen der Korallen die gerügten Anschauungen wenigstens zum Theil zu beseitigen und durch klare und bestimmt formulirte Resultate zu ersetzen suchen. T: Nach HaAszckEL (vergl. No. 17, 19 und 22) unterscheiden wir gegenwärtig vier Hauptstufen der morphologischen thierischen In- dividualität oder vier Ordnungen von animalen „Morphonten“, nämlich: die Plastide, das Idorgan, die Person und den Stock. In der Klasse der Korallen ist es der Stock oder Cormus, das Morphon vierter Ordnung, welches bei der Mehrzahl der Spe- cies von dem actuellen Bionten oder dem vollständig ent- wickelten physiologischen Individuum repräsentirt wird. Bei einer verhältnissmässig geringen Zahl von Korallenarten erreicht das physiologische Individuum als Repräsentant seiner Species nur die Formstufe des Morphonten dritter Ordnung, der Person, mit der wir uns hier ausschliesslich beschäftigen werden. Für den Begriff der „Person“ in streng morphologischem Sinne, der sich mit dem des „eigentlichen Individuums“ der meisten höheren Thiere deckt, ist das wichtigste Merkmal die Zusammen- setzung und Entwickelung aus zwei primären Keimblättern, Exo- derm “und Entoderm, sowie der Besitz eines von diesen beiden Keimblättern umschlossenen Darmrohres (No. 22, S. 10). Bei den Korallen fällt der Begriff der Person im Grossen und Ganzen mit dem des „Polypen“ oder „Einzelthieres“ der Autoren zusammen. Bere Zur Blastologie der Korallen. 273 In einer Reihe von Korallenfamilien (Oystiphylliden, Cyathophyl- hiden, Oyathazxoniden, Stauriden, Monoxeniden, Actiniden, Cere- anthiden, Palaeocycliden, Fungiden, Turbinoliden, Dasmiden) re- präsentirt die Person bei allen oder doch einzelnen Species das actuelle Bion, bei den übrigen Korallen, deren actuelles Bion die Formstufe des Stockes erreicht, kann sie demgemäss als partiel- les Bion aufgefasst werden, und bei diesen sowohl, wie bei jenen, ist sie im Gastrula-Stadium und den zunächst darauf fol- genden Entwickelungs-Stufen ein virtuelles Bion. IT. Wir können mit Harckeı (No. 19, S. 101) überhaupt drei Ausbildungsstufen der thierischen Person unterscheiden , nämlich 1. die monaxonie (einaxige) und ungegliederte Per- son, 2. diestauraxonie (kreuzaxige) und ungegliederte Person und 3. die stauraxonie und gegliederte Person. Demgemäss ist die erste Frage, welche wir zu beantworten haben, die: Welcher oder welchen dieser drei Ausbildungs- stufen gehören die Personen der Korallenthiere an? Als virtuelles Bion, nämlich im Gastrula-Stadium, ist die Korallen-Person einaxig und ungegliedert. Ihr Kör- per besteht, wenigstens bei der palingenetischen Keimform der Archigastrula, auf die sich die anderen Keimformen leicht zurück- führen lassen, aus einem zweiblättrigen ovoiden Schlauch, welcher einen ähnlich gestalteten Hohlraum, die Urdarmhöhle, umschliesst. Diese Urdarmhöhle ist an einem Pole des Ovoids, dem Mund- pole (Polus oralis), welcher dem Urmunde der Gastrula entspricht, geöffnet. Durch den Mundpol und den gegenüberliegenden Ge- genmundpol (P. aboralis) ist die Lage der einzigen con- stanten Axe des jungen Korallenkörpers, der Hauptaxe oder Längsaxe (Azxon principalis sive longitudinalis) bestimmt. Die Differenzirung der Kreuzaxen (Stauri), welche später die Ko- rallen-Person als actuelles resp. partielles Bion auszeichnen, ist während des Gastrula-Stadiums noch nicht erfolgt. Ebensowenig finden wir eine Gliederung in der Hauptaxe, eine Andeutung von Metameren. Während wir demnach die im Gastrula-Stadium befindliche Korallen-Person der ersten der drei oben unterschiedenen Aus- bildungsstufen der thierischen Person zuweisen müssen, haben wir die älteren Korallen-Personen in einer der beiden übrigen Katego- Bd. XII. N. F. VI, 2. 18 274 Dr. W. Haacke, rien unterzubringen, denn mit der Entwickelung der „Septen“ und Tentakeln geht die bis dahin monaxonie Grundform in die kreuz- axige oder stauraxonie über. Die beiden Ausbildungsstufen der thierischen Person, welchen die stauraxonie Grundform gemeinsam ist, unterscheiden sich durch den Mangel, beziehungsweise Besitz, einer Gliederung der Hauptaxe, durch das Vorhandensein oder Fehlen von ho- modynamen Körpertheilen, von Folgestücken oder Meta- meren. Die Frage, ob die Personen der Korallen Metameren besitzen oder nicht, scheint bis jetzt nur zwei Forscher beschäftigt zu haben, nämlich HAEcKEL nnd KÖLLIKER. HAECKEL scheint noch in seiner „Generellen Morphologie“ den Personen sämmtlicher Korallen eine homodyname Glie- derung zugeschrieben zu haben (No. 17, Bd. I, S. 331). In der Monographie der Kalk-Schwämme (No. 19, S. 97) spricht er jedoch nur von „vielen“ Korallen, welche eine „deutliche Gliederung in der Längsaxe“ zeigen sollen. „Diese longitudinale Gliederung wird besonders durch die horizontalen Scheidewände oder Böden (Tabulae und Dissepimenta) angezeigt, welche senk- recht auf der Längsaxe stehen, am stärksten entwickelt bei den Tabulaten, Rugosen u. s. w. Bei diesen Korallen kann man in ähnlicher Weise von einer longitudinalen Gliederung des Körpers sprechen, wie bei den Vertebraten, Arthropoden, Anneliden u. s. w. Wir können daher auch dort, eben so wie hier, die einzelnen hinter einander liegenden Abschnitte als Folgestücke oder Metameren bezeichnen.“ Neuerdings scheint HAEckEL indessen die Ansicht von einer homodynamen Gliederung der Korallen-Personen ganz aufgegeben zu haben; in seinem Aufsatze „Ueber die Individualität des Thierkörpers“ (No. 22, S. 11) stellt er die Personen der Korallen in die Kategorie der kreuzaxigen ungegliederten Person. KÖLLIKER (No. 25, S. 419), dem Harcker’s frühere Ansicht bekannt war, will die Frage, ob die Personen der Korallen Me- tameren besitzen oder nicht, nicht diskutiren und nimmt bis auf weiteres an, dass ihnen keine Metameren zukommen. Mir selbst scheint es ganz unzweifelhaft zu sein, dass bei den Korallen-Personen von Metameren nicht die Rede sein kann. Die Scheidewände und Böden, welche bei einer Anzahl von lvorallen nach Hazcker’s früherer Ansicht die Grenzen der Me- Zur Blastologie der Korallen. 275 tameren bezeichnen sollten, sind vom aboralen Körperende der Personen ausgeschieden. iese sind durch das fortschreitende Wachsthum von Zeit zu Zeit genöthigt, den unteren Theil des von ihnen gebildeten Kalk-Skelettes zu verlassen, und schliessen dann jedesmal den verlassenen Raum durch ein Dissepiment ab; der eigentliche Körper der Person beginnt erst oberhalb dieses Dissepiments. Die aus diesem periodischen Zurückweichen der Personen resultirende Gliederung des der Weichtheile beraubten Kalk-Skelettes lässt sich, wie leicht einzusehen, in keiner Weise mit der Metamerenbildung der Anneliden, Arthropoden und Vertebraten vergleichen; sie ist eine Bildung si generis, allenfalls analog der Kammerung des Nautilus-Gehäuses. Deutliche und unzweideutige Anzeichen einer longitudinalen Gliederung des eigentlichen Körpers der Korallen-Personen sind bis jetzt von keinem Beobachter gefunden, und demnach müssen wir auch die entwickelten Personen der Korallen als unge- sliederte in Anspruch nehmen; sie gehören zur ersten der beiden hier in Frage kommenden Kategorien der thierischen Per- son, zu der Ausbildungsstufe der kreuzaxigen ungegliederten Person. II. Die Grundform der entwickelten Korallen-Person gehört der zweiten Klasse des Harcker’schen promorphologischen Systems an, der Klasse der Axenfesten, Axonien oder Centromor- phen, der die Klasse der Axenlosen, Anaxonien oder Acentren ge- genüber steht; da nicht alle durch ihr Centrum gelegten Axen gleich sind, so gehört sie ferner in die Unterklasse der Un- gleichaxigen oder Heteraxonien, denen die Gleichaxigen oder Homaxonien eoordinirt sind. Wegen des Besitzes einer Haupt- axe gehört die Grundform der entwickelten Korallen-Person der Ordnung der Hauptaxigen oder Protaxonien, und, da sie ausser dieser einen Hauptaxe auch noch Kreuzaxen besitzt, der Unterordnung der Kreuzaxigen oder Stauraxonien an. Die beiden Pole der Hauptaxe sind bei der Korallen-Person ungleich, deshalb ist die Grundform der letzteren der Familie der un- gleichpoligen Kreuzaxigen oder heteropolen Stauraxonien zuzuweisen. Diese Grundform ist eine (einfache) Pyramide, deren Basis dem oralen, und deren Spitze dem aboralen Körper- ende der Person entspricht; die Hauptaxe (Längsaxe) dieser Pyra- mide fällt mit der Hauptaxe der Person zusammen. | Mae 276 Dr. W. Haacke, Die Familie der heteropolen Stauraxonien zerfällt in die beiden Unterfamilien der Homostauren und Heterostauren mit den stereometrischen Grundformen der regulären, be- ziehungsweise der irregulären, Pyramide. Bei der Untersu- chung, welche dieser beiden Grundformen den Korallen-Personen zukommt, empfiehlt es sich, die drei HAasEcker’schen Legionen der Korallen (vergl. No. 17, Bd. II, S. LIH; No 22, S. 48) zu- nächst einer gesonderten Betrachtung zu unterwerfen, da sich die tectologischen und promorphologischen Verhältnisse nicht bei allen übereinstimmend gestalten. IV. Die wenigsten Schwierigkeiten stellen die Personen der Octo- korallen oder Alcyonarien einer tectologischen und promorpho- logischen Analyse entgegen !). Es ist bekannt, dass sämmtliche Octokorallen-Personen, welche die höchste Ausbildungsstufe erreicht haben, acht im Umkreise des Peristoms angeordnete Tentakeln und ebenso viele verticale Scheidewände des Körperhohlraums, die den Zwischenräumen der Tentakeln entsprechen, besitzen. Den Körperhohlraum der Korallen wollen wir ein für alle- mal als Magen?), jene Scheidewände, welche in der oralen Kör- perhälfte die Gastralfilamente?°), in der aboralen die Ge- !) Bei diesem und den folgenden Abschnitten bitte ich die beige- gebenen Figuren und deren Erklärung zu vergleichen. 2) Da es nach den Untersuchungen des letzten Jahrzehnts doch wohl keinem Zweifel mehr unterliegen kann, dass sämmtliche Zoo- phyten oder ‚‚Coelenteraten“ keine wahre Leibeshöhle (Coeloma, HaEckEL) besitzen, so sollte man doch endlich aufhören, bei den Ko- rallen fort und fort von einer „Leibeshöhle‘“ zu sprechen; die „Lei- beshöhle“ der Korallen ist in Wirklichkeit der vom Entoderm aus- gekleidete Magen; der „Magen“ der Autoren muss als Schlund- rohr bezeichnet werden; dasselbe entsteht durch Einstülpung des Urmundrandes (Properistoma) der Gastrula in den Urdarm und ist vom Exoderm ausgekleidet. 3) Als Gastralfilamente bezeichne ich mit HarckEL die so- genannten ‚Mesenterialfilamente“ der Autoren. Die von KöÖLLIKER vorgeschlagene Bezeichnung „Epithelialwülste“ passt höchstens auf die Gastralfilamente der Pennatuliden, vorausgesetzt, dass KÖöLLIKER’s jeobachtungen richtig sind; aber sie entspricht nicht bei allen Koral- len dem thatsächlichen Verhalten, wovon ich mich bei vielen Gat- tungen der Aleyoniden, die den Pennatuliden doch sehr nahe stehen, Zur Blastologie der Korallen. 277 schlechts-Produkte tragen, als Sarcosepten (Haackz)'!) be- zeichnen. Ueber die homotypische Zusammensetzung der Octo- korallen-,,Person“ ist nach meiner Ansicht nur eine einzige Auf- fassung möglich. Die Wiederkehr der acht Tentakeln, der acht Sarcosepten mit ihren Gastralfilamenten und Geschlechtsprodukten, also eine achtmalige Wiederholung derselben Organisation im Um- kreise des Körpers, lässt denselben nothwendig aus ebenso vielen ho- motypischen, unter den Begriff des Idorgans fallenden, Segmenten, aus acht Parameren, von denen jedes wieder aus zwei Anti- meren besteht ’), zusammengesetzt erscheinen. Jedes Paramer entspricht einem Tentakel, dem achten Theile der Körperwand ('/, Magenwand -+ !/, Peristom + !!,; Schlund- rohrwand) und je zwei halben Sarcosepten mit ihren Anhängen. Was nun die Grundform der Octokorallen-Personen betrifft, so wurde dieselbe bis zur Publikation von KÖLLiker’s Monographie der Pennatuliden (No. 25) allgemein als eine vollkommen „re- gulär-radiäre“ angesehen. Nach dieser Anschauung würde der Körper der Octokorallen-Person aus acht um die Hauptaxe ge- lagerten congruenten Antimeren-Paaren oder Parameren bestehen, und jedes Paramer würde die eudipleure (HAEcKEL), die „bilate- ral-symmetrische‘“ Grundform der Autoren in der engsten Bedeu- tung dieses fünfdeutigen Begriffes besitzen. Von den sechszehn Antimeren würden dann je acht unter einander congruent und den übrigen acht symmetrisch-gleich sein, und jedes Antimer würde die gleichen constituirenden Theile besitzen: den sechszehnten Theil der Körperwand, die Hälfte eines Tentakels, eines Sarco- überzeugt habe; dagegen passt hier, wie bei den meisten übrigen Korallen, der Ausdruck Gastral-,‚Filamente“ sehr gut. — Die von LacazE-DuruIers gebrauchte Bezeichnung ‚‚cordons enteroides‘‘ oder blos ‚‚enterordes‘‘ dürfte sich in Deutschland schwer einbürgern ; das- selbe gilt von den Gossz’schen ‚‚eraspeda‘‘. !) Da mit der Bezeichnung „Septa“ bald die „Mesenterial- falten‘ der Autoren, bald die von diesen wohl zu unterscheidenden „Sternleisten“ des Kalk-Skelettes gemeint sind, so dürfte es zweck- mässig sein, die ersteren als Surcosepten, die letzteren als Se/erosepten zu bezeichnen. Diese Ausdrücke schliessen jede Verwechselung aus und machen alle anderen vorgeschlagenen Bezeichnungen überflüssig ; einer Erklärung bedürfen sie wohl nicht. 2) Ueber „Antimeren und Parameren“ vergl. Harcker, No. 22, Bu IL Hl 278 Dr. W. Haacke, septums u. Ss. w. Die perradialen!), der Mitte der Parameren entsprechenden, Kreuzaxen der Aleyonarien-Person würden also alle gleich und gleichpolig sein, desgleichen dieinterradialen, den Grenzen je zweier Parameren entsprechenden, Kreuzaxen. Da die Grundzahl eine gerade ist, durch welchen Umstand eben die Unterscheidung von perradialen und interradialen Kreuzaxen bedingt wird, so würden wir die Grundform der Octocorallen-Per- sonen der Gattung der isopolen Homostauren, und da die- selbe acht beträgt, den Achtstrahlern oder Octactinoten zuweisen müssen. Das letztere ist denn auch von HaAEckEL (No. 17, Bd. I, S. 468) geschehen. Die Grundform der achtseitigen regulären Pyramide ist nach ihm „namentlich als die gemeinsame Grundform aller Aleyonarien oder octactinien Polypen von Wichtigkeit.. Diese formenreiche, von Bronx als Monocyelia oct- actinia bezeichnete Ordnung der Anthozoen, welche aus den drei erossen Familien der Aleyoniden, Gorgoniden und Pennatuliden zusammengesetzt ist, hat stets acht vollkommen gleiche Tentakeln, welche den Mund in einem einfachen regelmässigen Kreise umgeben, und acht denselben entsprechende Kammern der perigastrischen Höhle, welche durch acht gleiche und gleich weit von einander ent- fernte Septa getrennt sind. Hier ist also die Oectactinoten-Form ganz rein überall ausgeprägt — —.“ So weit HAEcKEL; seine Anschauungen wurden damals (1866) allgemein getheilt. Indessen hatte schon LACAZE-DUTHIERS bei Bucorallium ru- br.:m eine Abweichung von der regulär-pyramidalen Grundform gefunden. Während MınnE Enwarps (No. 7, Bd. I, S. 97) ge- schrieben hatte: „La bouche (des Alcyonaires) — — reste tou- jours parfaitement circulaire, ou plutöt octogone, et nous n’y avons jamais apercu de tendance a une disposition bilabiale — —“, be- schreibt LAcAze-Durmiers (No. 12, S. 53) den Mund von Euco- rallium rubrum als einen Schlitz (,fente“) „limitee par des rebords arrondis et peu saillants qui representent exactement deux levers.‘“ Diese Thatsache, dass der Mund einer Octokorallen-Art nicht kreisförmig oder regelmässig achteckig, sondern elliptisch ist, blieb nicht vereinzelt; bei sämmtlichen Pennatuliden (No. 25, S. 418) und bei den Zooiden von Heteroxemia Könn. (No. 26, S. 15 1) Ueber die Bezeichnungen „perradial“, „interradial“ und „adradial“ vergl. Harcker, No. 18. Zur Blastologie der Korallen. 279 sah KöLLıxEer den Mund als eine längliche Spalte. Wenn er aber hinzufügt, dass die Tentakeln so um diese Spalte herumstehen, „dass sie in eine rechte und linke Abtheilung zerfallen“, so ist diese Angabe mindestens ungenau. KÖLLIKER hat allerdings recht, wenn er dasselbe von den bindegewebigen mittleren Lamellen der Sarcosepten gelten lässt, von denen beiderseits der Mundspalte je vier stehen; aber daraus eben folgt, dass sich die Tentakeln an- ders verhalten müssen, denn je ein Tentakel entspricht nicht je einem Sarcoseptum, sondern dem Zwischenraume zwischen je zwei Sarcosepten. Aus der Anordnung dieser letzteren folgt daher nothwendig, dass dem grössten Durchmesser der Mundspalte zwei und jeder Seite derselben drei Tentakeln entsprechen müssen !). Auch LACAZE-DUTHIERS fand schon bei Kucorallium, dass der Längsdurchmesser des Mundes zwei gegenständigen Tentakeln ent- spricht 2). Das gleiche Verhalten bezüglich der Form des Mundes und der Vertheilung der Tentakeln um denselben fanden POUCHET und MY&vre (No. 27) bei Aleyonium digitatum: „La bouche a la forme d’une fente; les extr&mites röpondent A deux tentacules oppos6s“ (l. e., 8. 286). Dem entsprechend sind die Wände des Schlund- rohres „comprimees lat6ralement dans la direction de la fente buccale* (ibid.). Eigene Untersuchungen an Aleyoniden und zwar der Gat- tungen Cornularia, Rhizoxenia, Anthelia, Sympodium, Aleyonium, Sarcophyton, Ammothea, Xenia und Nephthya, ergaben dieselben Resultate. Wenn auch die Form des Mundes nicht immer deutlich zu erkennen war, so war doch der Querschnitt des Schlundrohres, und oft auch der der äusseren Körperwand, ausgesprochen ellip- 1) Wenn KörLiker in einem Athemzuge (No. 25, 8. 418) schreibt: die Tentakeln stehen so um die Mundspalte herum, „dass sie in eine rechte und linke Abtheilung zerfallen. Dasselbe gilt von den binde- gewebigen mittleren Lamellen der Septa und Septula“, so dient das vielleicht wieder zur Charakteristik des Körtıker’schen Formensinnes (vergl. oben S. 270, Anmerkung 1). 2) In der „Histoire naturelle du Corail“ (No. 12) war LacazE-Duruiers ein Versehen vorgekommen; er schreibt (8. 53) in Bezug auf den Mund von Zueorallium: ,Ses deux extremites corre- spondent non A la base de deux tentacules, mais bien A l’intervalle de quatre d’entre eux“. In seiner „M&moire sur les Antipathai- res“ (No. 13, S. 235, Anmerkung) hat LacazE-DurtHiers dieses Ver- sehen verbessert; die citirte Stelle muss heissen: „Les deux extremi- tes de la bouche correspondent & la base de deux tentacules, et non a lintervalle de quatre d’entre eux, comme on pourrait le croire,‘ 280 Dr. W. Haacke, tisch. Der grossen Axe der Ellipse entsprechen ohne Ausnahme zwei gegenständige Intersarcoseptalfächer oder — was dasselbe ist — zwei gegenständige Tentakeln. Die geschilderten morphologischen Verhältnisse scheinen dem- nach den meisten, wenn nicht allen, Octokorallen zuzukommen. Indessen schreibt PErcRVAL WrıGHT (No. 24, S. 379) dem Munde von Tubipora musica eine kreisrunde Lippe zu, und HAECcKEL (No. 20, S. 8) lässt seine Monoxenia Darwinii durch den „acht- strahligen, nicht zweilippigen‘“ Mund von den nächstverwandten (?) Gattungen Haimea und Hartea unterschieden sein; eine wieder- holte sorgfältige Untersuchung des Mundes und Schlundrohres die- ser beiden Species dürfte vielleicht auch hier die sonst so weit verbreitete elliptische Form des Mundes und des Schlundrohrquer- schnittes nachweisen; es ist aber auch möglich, dass der Mund, wenigstens bei Monoxenia , wirklich regulär-achteckig ist. Durch die elliptische Form des Mundes und Schlundrohrquer- schnittes und die Anordnung der Tentakeln und Sarcosepten bei dden meisten Octokorallen wäre zunächst bedingt, dass die Para- meren der Octokorallen-Person nicht alle, sondern nur paarweise, congruent sein würden; je zwei gegenständige würden sich decken. Die Grundform der Octokorallen würde demnach nicht die der re- gulären, sondern vielmehr die der amphithecten, achtseitigen Pyramide sein; sie würde zur Unterfamilie der heterostauren heteropolen Stauraxonien, zur Gattung der Autopolen, zur Untergattung der Oxystauren gehören, deren erste Art — Achtreifige, Octophragmen — die achtseitige amphithecte Pyramide bildet. Aber zu den angeführten Thatsachen, welche, für sich ge- nommen, die Grundform der Octophragmen bedingen würden, kom- men andere, welche uns zeigen, dass auch diese Grundform den Octokorallen nicht zukommt. KÖLLIKER war der erste, welcher nachwies (No. 25), dass die Grundform der Pennatuliden-Personen ausser den erwähn- ten Verhältnissen noch erheblichere Abweichungen vom regulär- radiären und Uebergänge zum bilateral-symmetrischen Typus — um mich hier einmal der gewöhnlich beliebten Anschauungs- und Ausdrucksweise zu bedienen — erkennen lässt. KÖLLIıKER fand bei sämmtlichen Pennatuliden folgendes Ver- halten: 1. Er entdeckte bekanntlich bei sämmtlichen Pennatuliden, bei Sareophyton und Xenia (Heteroxenia Köur.) einen Polymor- Zur Blastologie der Korallen. 281 phismus der Personen, wonach bei diesen Octokorallen geschlecht- liche und ungeschlechtliche Personen (,,@eschlechtsthiere“ und „Zo- orde“), letztere auch sonst weniger entwickelt als die Geschlechts- personen, zu unterscheiden sind, und fand nun, dass sämmtliche (eschlechtspersonen ohne Ausnahme zwei benachbarte Gastralfila- mente besitzen, welche dünner und länger als die übrigen sechs sind. Aber auch diese letzteren sind nach KÖLLIKER nicht immer alle gleich: mitunter sind zwei derselben, welche wieder benach- bart sind und den beiden langen diametral gegenüber stehen, kür- zer als die übrigen vier. Die Zooide besitzen nie mehr als zwei solcher Filamente, die den beiden langen der Geschlechtspersonen homolog sind. Dasjenige Intersarcoseptalfach, welches von den, die beiden langen Gastralfilamente tragenden, Sarcosepten gebil- det wird, nennt KÖLLIKER „Dorsalfach“; das gegenüber liegende, dessen Filamente mitunter kürzer als alle übrigen sind, bezeichnet er entsprechend als ‚Ventralfach“. Dorsalfach und Ventralfach liegen in der durch den Längsdurchmesser der Mundspalte beding- ten Meridianebene. (Vergl. No. 25, 8.8, 11, 417, 419 u. s. w.). 2. Die Geschlechtsprodukte finden sich nie an allen acht Sar- cosepten; zwei davon sind mit Bestimmtheit ausgeschlossen, und zwar die, welche das Dorsalfach begrenzen und die langen Ga- stralfilamente tragen. Aber auch von den übrigen sechs tragen in vielen Fällen nur vier, oder gar nur zwei, Geschlechtsprodukte, „und spricht sich so bei diesen Septis eine ganz bestimmte Abweichung vom radiären Typus aus“ (l. ce, 8.11). 3. Die Muskeln der Sarcosepten, von welchen KÖLLIKER „Mu- sculi protractores“ und „retractores polyporum“ unterscheidet, sind so vertheilt, „dass jeder Polyp durch eine mitten durch das dor- sale und ventrale Fach gelegte senkrechte Medianebene in zwei symmetrische Hälften zerfällt wird — —“ (l. c., S. 418). Die spe- cielle Vertheilung der Muskeln ist die folgende: Jedes Sarcoseptum besitzt einen Musculus retractor, es sind deren also acht vorhan- den; zwei derselben nehmen die einander zugewendeten Seitenflä- chen der Sarcosepten des Ventralfaches ein, sind also symmetrisch in diesem Fache vertheilt; die beiden benachbarten befinden sich an den correspondirenden Seitenflächen der beiden benachbarten Sarcosepten, und ebenso verhalten sich die vier übrigen, so dass dem Dorsalfach keine Musculi retractores zukommen. Dieselbe symmetrische Anordnung zeigen die acht Musculi protractores; sie lassen aber das Ventralfach frei und sind im Dorsalfache einan- der zugewendet. Die Muskeln der Sarcosepten zeigen also eine 282 Dr. W. Haacke, auf eine bestimmte Meridianebene bezogene streng symmetrische Anordnung. (Vergl. No. 25, Taf. XXII, Fig. 198.). 4. Dieselbe symmetrische Anordnung zeigen die Gastralfila- mente, „indem dieselben nicht am freien Rande der Septula allein, sondern auch noch an Einer Fläche derselben ansitzen und eben so angeordnet sind, wie die Musculi protractores“ (1. c., S. 419). Die Angaben KÖLLIKEr’S sind von SCHNEIDER und RÖTTEKEN (No. 30), denen KÖLLıKer’s Werk noch nicht bekannt gewesen zu sein scheint, in Bezug auf die Musculi retractores bei Veretillum 99 cynomorium, von LINDAHL (No. 35) auch für die protractores bei Umbellula bestätigt worden. Dieselbe Anordnung der Musculi retractores KÖLLIKER's fand G. v. Koch bei Tubipora Hemprichii (No. 34), Isis neapolitana v. KocH (No. 36) und Gorgonia verrucosa (No. 37). Ebenso fand MoseErLer (No. 39) bei Heliopora coerulea, deren Octokorallen - Natur er nachwies, die gleiche Anordnung der re- tractores und bei Sarcophyton fand er diese Anordnung auch für (lie protractores. Ich selbst habe bei den von mir untersuchten Alcyoniden die von KÖLLIKER beschriebene Anordnung der retractores wiederge- funden. Es darf demnach als sicher angenommen werden, dass die Musculi retractores bei den meisten, wenn nicht bei allen, Octo- korallen vorhanden sind und dieselbe Anordnung darbieten; die protractores KÖLLIKER’S haben sich noch nicht mit gleicher Si- cherheit überall nachweisen lassen; wie dem aber auch sei: In Bezug auf die Grundform der Octokorallen-Personen wird dadurch nichts geändert. Dasselbe gilt auch für die Anfügung der Ga- stralfilamente an die Sarcosepten, die in solcher Weise, wie bei den Pennatuliden, bei anderen Alcyonarien nicht zu bestehen scheint. Dagegen lässt es sich leicht nachweisen, dass die beiden Sar- cosepten des Dorsalfaches stets längere Gastralfilamente tragen, als die übrigen, und dafür der Geschlechtsprodukte entbehren. Bei Xenia besitzen, wie ich aus eigenen Untersuchungen weiss, sämmtliche Personen überhaupt nur je zwei Gastralfilamente, die den dorsalen Sarcosepten angehören. Aus dem geschilderten Befund ergiebt sich nun für die viel- leicht sämmtlichen Octokorallen-Personen gemeinschaftliche Grund- form folgendes: Jede Person wird durch diejenige Meridianebene, welche durch die Hauptaxe und den Längsdurchmesser der Mund- Zur Blastologie der Korallen. 285 spalte bedingt ist, in zwei symmetrisch -gleiche (aber nicht con- gruente! Vergl. S. 270, Anmerkung 1) Hälften getheilt. Die Kör- permitte ist also eine Ebene, und diese charakteristische Ebene (Medianebene) weist der Grundform der Octokorallen - Personen ihren Platz in der zweiten Gattung der heterostauren Stauraxo- nien, in der Gattung der Allopolen, Gentrepipeden oder Zeugiten an, deren Grundform die Hälfte einer amphi- thecten Pyramide ist. Da in unserem Falle diese amphithecte Pyramide +2 n Seiten besitzt, so gehört die Grundform der Alcyonarien-Personen zur Untergattung der Amphipleuren, von denen HAECcKEL vier Arten, Heptamphipleure, Hexamphipleure, Pentamphipleure und Triamphipleure, unterscheidet. Die Grundform der Octokorallen- Personen kann aber zu keiner von (diesen vier Arten gehören; vielmehr müssen wir für dieselbe eine neue Art, die der Oetam- phipleuren, aufstellen, deren Grundform die halbe sechs- zehnseitige amphithecte Pyramide ist. Es ist diese Form aus acht ungleichen Parameren zusam- men gesetzt, die sich so um die Hauptaxe gruppiren, dass der Körper aus zwei symmetrisch -gleichen Hälften zusammengesetzt erscheint. Die Parameren vertheilen sich auf sechs paarige und zwei unpaare Stücke. Wenn wir von der Betrachtung der Octokorallen - Personen ausgehen, so gewinnen wir feste Bezeichnungen für jedes der acht Parameren. Dasjenige unpaare Paramer der Octokorallen-Person, welchem die beiden langen Gastralfilamente angehören, wollen wir mit KÖLLIKER als dorsales und das diametral gegenüber liegende als ventrales bezeichnen. Die drei zwischen diesen beiden liegen- den Parameren - Paare werden dann passend als laterales, dorso- laterales und ventro-laterales Paar unterschieden. Das unpaare dorsale Paramer ist, für sich allein betrachtet, eudipleurisch oder „bilateral-symmetrisch“ in der engsten Bedeu- tung dieses unbestimmten Begriftes. Dasselbe gilt von dem un- paaren ventralen Paramer. Jedes der sechs übrigen Parameren ist dagegen dysdipleurisch oder „asymmetrisch“. Die beiden Stücke je des lateralen, des dorso-lateralen und des ventro-lateralen Pa- rameren-Paares sind unter sich symmetrisch gleich. Jedes Stück eines Paares ist ähnlich jedem des anderen, und zwar positiv ähnlich dem auf derselben, negativ ähnlich dem auf der entge- gengesetzten Seite der Medianebene liegenden Paramer des ande- ren Paares. Die beiden unpaaren Parameren sind sehr auffallend 234 Dr. W. Haacke, von den sechs paarigen verschieden. Ihre Medianebenen fallen mit der Medianebene des ganzen Körpers zusammen, während die Me- dianebenen der sechs anderen Parameren damit theils schiefe, theils rechte Winkel bilden. So hätten wir also die möglicherweise allen Octokorallen-Per- sonen zukommende Grundform so genau, wie irgend möglich, be- stimmt. Denjenigen Forschern, welche die Personen der Alcyonarien noch immer als „regulär-radiäre“ Formen betrachtet wissen wol- len, gebe ich zu bedenken, dass diese Bezeichnung, wenn man nun einmal nicht von ihr lassen kann, nur auf diejenigen Formen wirklich passt, deren Parameren sämmtlich congruent sind; das ist aber, wie wir gesehen haben, bei den Octokorallen-Personen nicht der Fall. Andererseits ist auch die Bezeichnung „bilateral-symmetrisch“ viel zu unbestimmt, um Anspruch auf Brauchbarkeit machen zu können; man hat, wovon man sich durch nachlesen in HAEckEL's „Genereller Morphologie“ überzeugen mag, nicht weniger als fünf verschiedene Formengruppen, theils von weiterem, theils von engerem Umfang, darunter begriffen. Dadurch, dass man den Begriff „bilateral - symmetrisch“ nicht im engeren Sinne angewendet, nicht auf die Dipleuren beschränkt, sondern auch z. B. auf die Grundformen der Korallen-Personen, unter gänz- licher Unberücksichtigung ihrer Parameren-Zahl, an- gewendet hat, ist der unnütze Streit darüber, ob dieselben „re- gulär-radiär“ oder „bilateral-symmetrisch“ gebaut sind, entstanden. Die Parteigänger der „radiären Regularität“ nahmen mit Recht Anstoss an der bedeutenden Parameren - Zahl der „bilateral“ sein sollenden Korallen-Personen; aber mit demselben Recht nehmen die Parteigänger der „bilateralen Symmetrie“ Anstoss an der Incon- sruenz der Parameren der für „regulär“ erklärten „Polypen“. Wir dürfen uns demnach zwar nicht wundern, wenn z. B. KÖLLIKER (Nr. 25, S. 418) „mit Bestimmtheit“ sagen zu können glaubt, „dass die Polypen wahrscheinlich aller Corallenthiere entschieden bilate- ral gebaute Thiere sind und eigentlich merkwürdig wenig Anzei- chen eines radiären Typus haben“; aber KöLLıxer darf es auch anderen nicht verargen, wenn sie annehmen — und bei LACAZE- Durniers schemt das wirklich der Fall zu sein! —, er verstände unter Thieren, von denen sich „mit Bestimmtheit“ sagen lässt, dass sie „entschieden bilateral“ gebaut sind, nur solche, deren Körper, wie der sämmtlicher Vertebraten, Arthropoden, Zur Blastologie der Korallen. 285 Mollusken und Würmer, nur einem, aus zwei Antimeren bestehenden, Paramer entspricht, auf welche also die viel- deutige Bezeichnung der „bilateralen Symmetrie“ nur im enge- ren Sinne angewendet werden kann. Ob das bei KÖLLIKER wirk- lich der Fall ist, vermag ich nicht zu entscheiden; ich meines- theils kann in den „Polypen“ nicht dergleichen Thiere erblicken. Hätte man Hazcker’s „System der organischen Grund- formen“ bei der Frage nach der Grundform der Korallen-Perso- nen überhaupt berücksichtigt, so würde man über diese Frage längst im Klaren und einig sein. — Was die Personen der Octo- korallen anlangt, so ist ihre Grundform eben die „octamphi- pleure“ und nichts weiter! Ne Die Personen der Hexakorallen zeigen in ihren tectologi- schen und promorphologischen Verhältnissen nicht unerhebliche Abweichungen von denen der Octokorallen. Während bei diesen letzteren die Zahl der Parameren un- zweifelhaft niemals mehr als acht beträgt, steigt sie bei den Per- sonen vieler Hexakorallen scheinbar auf mehrere Hundert. Es lässt sich aber darüber streiten, ob man hier jedes homotype Körper- segment, welches etwa einem Tentakel entspricht, als besonderes Paramer auffassen darf, oder nicht vielmehr nur jeder der sechs Gruppen von Tentakeln u. s. w., die sich bei der Mehrzahl der hierher gehörigen Formen meist deutlich unterscheiden lassen, den tectologischen Werth eines Parameres zuschreiben muss. Für diese letztere Ansicht hat sich HAEcKEL in seiner „Generellen Morphologie“ entschieden. Bei der grossen Mehrzahl der Hexa- korallen-Personen ist nach ihm „die ursprüngliche einfache Anti- meren-Zahl — ‚Parameren’-Zahl würde HAEcKEL heute sagen — sechs; in einem späteren Lebensstadium wird sie (mit Aus- nahme der stets einfach bleibenden Antipatharien oft scheinbar (!) !) verdoppelt oder höher multiplicirt, indem zwischen die sechs pri- mären Septa mehrere Systeme von secundären, tertiären u. Ss. w. Septis eingeschaltet werden“ (No. 17, S. 469). G. v. Koch, welcher sich seit langer Zeit mit der Morpho- logie der Korallen beschäftigt hat, sagt dagegen von den Tenta- keln der Personen von Gephyra Dohrnü v. Koch, deren Zahl eirca achtzig beträgt: „Jeder Tentakel entspricht einem Antimer“ (Paramer) (No. 38, S. 80). !) Das Ausrufungszeichen rührt von Hazckezr her, 286 Dr. W. Haacke, Wir müssen uns für die eine oder andere Ansicht entscheiden; es ist dazu aber bei der mehr oder minder grossen Verschieden- heit der zu der Hexakorallen-Legion gerechneten Ordnungen und Familien nöthig, von einer bestimmten Form auszugehen; ich wähle hierzu eine Actinie, von der wir zunächst einige Eigen- thümlichkeiten in der Sarcosepten-Anordnung und -Muskulatur be- sprechen müssen. HortLArnD, welcher im Jahre 1551 eine genauere Darstellung der Anatomie der Actinien gab (No. 5), bestätigte die schon 1846 von Dana gemachte Mittheilung, dass je zwei benachbarte Sarco- septen der Actinien ein durch ihre Grösse zusammen gehöriges Paar bilden. Dass dies wirklich der Fall ist, wird auch durch das Verhalten der Sarcosepten-Muskeln bestätigt. Nach HoLLARD (l. e., S. 277) trägt jedes Sarcoseptum an jeder Seite zwei Muskel- züge, von denen der eine auf der Magenwand entspringt und auf der einen Seite des Sarcoseptums schräg von aussen und oben nach innen und unten, auf der anderen in entgegengesetztem Sinne verläuft; auf dieser letzteren Seite verläuft der Länge nach von der Basis eines Tentakels bis zum Boden des Magens ein weiterer Muskelzug, während sich auf der ersten Seite ein Muskel- zug findet, welcher den eben erwähnten longitudinalen senkrecht schneidet. Nun verhalten sich die Sarcosepten so, dass zwei durch gleiche Grösse zu einem Paare gehörige immer ihre „faces homo- logues“ einander zu-, beziehungsweise von einander abwenden: Die- jenigen Flächen, welche den longitudinal verlaufenden Muskelzug tragen, sind einander zugewendet. Diese letztere Angabe Hor- LARD’S ist von anderen Forschern (SCHNEIDER und RÖTTEKEN [No. 30], v. HEIDER [No. 40]) bestätigt. Nach allen genannten Beobach- tern entsprechen je zwei durch ihre Grösse und die Anordnung der Muskulatur zusammengehörige Sarcosepten einem Tentakel, dessen Höhlung sich in das von jenen beiden Sarcosepten einge- schlossene Intersarcoseptalfach fortsetzt. Ueber die Zusammen- gehörigkeit von Tentakel und Sarcoseptenpaar, welche nach LA- CAZE-DUTHIERS ein „tout organique“ bilden, kann nicht wohl ein Zweifel bestehen. Hieraus darf aber nicht gefolgert werden, dass jedem Tentakel ein solches Sarcoseptenpaar entspricht, denn in den meisten Fällen (in allen?) entbehren die subtentakulären Fächer der kleinsten Tentakeln (welche den letzten „Oyelus“ bil- den) eines eigenen Sarcoseptenpaares; sie werden von zwei der Grösse nach ungleichen Sarcosepten, die nicht ihre Längs- muskelwülste einander zuwenden, begrenzt. . Zur Blastologie der Korallen. 287 Wenn wir nun mit G. v. Koch annehmen, dass jeder Tenta- kel einem Paramer entspricht, und wenn wir beispielsweise eine Actinie mit sechs Cyclen von Tentakeln (z. B. A. mesembryanthe- mum, die 92=6 + 6 + 12 + 24 + 48 + 9% Tentakeln be- sitzt) im Auge haben, so würden wir bezüglich der 192 Parame- ren dieser Actinie zu folgenden Resultaten kommen: Die sechs grössten Tentakeln, welche den ersten Cyelus bilden, entsprechen den sechs grössten Parameren; da jedes der sechs diesen Tenta- keln entsprechenden Intersarcoseptalfächer von zwei gleich grossen, ihre Längsmuskelwülste einander zuwendenden, Sarcosepten be- erenzt wird, da die beiden Antimeren jedes der sechs den Tenta- keln des ersten Cyclus entsprechenden Parameren mithin symme- trisch-gleich sind, so kommt jedem dieser Parameren die eudipleure Grundform zu. Dasselbe gilt von den sechs Parameren des zwei- ten, von den 12 des dritten, von den 24 des vierten und von den 48 des fünften Cyelus. Diese Parameren würden jedoch nicht alle untereinander gleich sein: Die sechs des ersten Cyclus würden grösser als die sechs des zweiten, diese grösser als die zwölf des dritten und diese wieder grösser als die 24 des vierten Cyclus u. S. w. sein; aber alle würden darin übereinstimmen, dass ihre Intersarcoseptalfächer von je zwei gleich grossen und ihre Längs- muskelwülste einander zuwendenden Sarcosepten begrenzt werden. Für die 96 Parameren des sechsten Cyelus dagegen würden die Ver- hältnisse ganz anders liegen. Jedes der diesen Parameren ent- sprechenden Intersarcoseptalfächer würde, wie leicht einzusehen, von zwei ungleich grossen Sarcosepten begrenzt werden. Die Grundform dieser Parameren würde also die dysdipleure oder „asymmetrische“ sein; auch würden sie sich dadurch von den übrigen unterscheiden, dass die ihre Intersarcoseptalfächer begren- zenden Sarcosepten ihre Längsmuskelwülste von einander abwen- den. Wir würden also, wenn wir annehmen wollten, dass jeder Tentakel einem Paramer entspricht, zwei ganz verschiedene Arten von Parameren unterscheiden müssen. Der ersten Art, deren Intersarcoseptalfächer von gleich grossen und ihre Längsmuskel- wülste einander zuwendenden Sarcosepten begrenzt werden, würden die fünf ersten Cyelen, der zweiten, deren Intersarcoseptalfächer von verschieden grossen und ihre Längsmuskelwülste von einander abwendenden Sarcosepten begrenzt werden, würde der sechste Cyclus angehören. Die Parameren jedes der fünf ersten Cyelen wür- den unter sich congruent, die des sechsten Oyclus würden paarweise symmetrisch-gleich, im Allgemeinen aber sehr verschieden sein. 288 Dr. W. Haacke, Dieser letztere Umstand nun bringt nicht zu beseitigende Schwierigkeiten mit sich, die man mit in den Kauf nehmen muss, wenn man mit G. v. Koch annimmt, dass jeder Tentakel einem Paramer entspricht. Wir können uns deshalb nicht für diese An- schauung entscheiden. Annehmbarer würde dieselbe allerdings werden, wenn man sie in der Weise modificiren wollte, dass man die Anzahl der Parameren gleich der halben Anzahl der Tenta- keln setzt. Dann würde unsere mit 192 Tentakeln und ebenso viel Sarcosepten versehene Actinie aus 96 Parameren zusammen- gesetzt sein. Jedes Paramer würde dann je einem Tentakel der fünf ersten Cyclen und einem Paar unversehrter Sarcosepten mit seinen beiden symmetrisch vertheilten Längsmuskelwülsten, seinen Gastral- filamenten und Geschlechtsprodukten, entsprechen. Die 96 Tenta- keln des sechsten Cyclus müssten dann den 96 der fünf ersten Cyclen, die perradial, beziehungsweise adradial, sind, als inter- radiale gegenüber gestellt werden; sie könnten nicht den gleichen tectologischen Werth, wie diese, beanspruchen, eine Anschauung, der ja auch nichts im Wege steht. Aber die Annehmbarkeit der so modificirten v. Kocn’schen Anschauung wird dadurch wieder paralysirt, dass die Parameren bei den Personen der meisten Hexakorallen immer von fünferlei Grösse sind. Prüfen wir jetzt an unserer Actinie die Ansicht HAEckEL's, wonach jedes Paramer einem Körper-Sextanten der Hexakorallen- Person entspricht. Die Medianebene des Parameres würden wir durch den einzigen Tentakel des Paramers, welcher dem ersten Cyclus angehört, legen müssen. Der eben erwähnte Tentakel mit dem zugehörigen Sarcoseptenpaar liegt also perradial. Beider- seits dieses Tentakels würde zunächst ein Tentakel des sechsten Cyclus liegen, auf den dann ein Tentakel des fünften, dann wieder des sechsten, des vierten, des sechsten, des fünften, des sechsten, des dritten, des sechsten, des fünften, des sechsten, des vierten, des sechsten, des fünften, des sechsten Cyclus folgen würde. Alle diese Tentakeln müssen als adradiale bezeichnet werden. Auf den letzten derselben folgt ein Tentakel des zweiten Cyclus, welcher, wenn wir der HAEckEL’schen Ansicht folgen wollen, mit dem zugehörigen Sarcoseptenpaar als interradial aufgefasst werden muss, da die durch ihn bedingte Meridianebene die Grenze zweier Parameren bildet. Die Harcker’sche Anschauung hat vor der modificirten von Kocm’schen den bedeutenden Vorzug, dass nach ihr die Parame- ren gleich gross sind; jedes der sechs Parameren würde der Summe Zur Blastologie der Korallen. 289 eines Tentakels des ersten plus zweien des dritten plus vieren des vierten plus achten des fünften plus sechszehn des sechsten Cyclus, also einer Summe von 31 Tentakeln mit den zugehörigen Sarcoseptenpaaren und deren Anhangsorganen und dem sechsten Theile der Körperwand entsprechen; der mittlere (perradiale) dieser 31 Tentakeln würde unpaar, die anderen (adradialen) wür- den paarig beiderseits des unpaaren vertheilt sein. Die Summe dieser Tentakeln in unserem Actinienkörper beträgt 6 x 31 == 186; mit den sechs interradialen Tentakeln zusammen würden wir wieder zu unserer Gesammtsumme von 192 Tentakeln kommen. Die Hazcker’sche Ansicht von der Parameren-Zahl der Hexa- korallen-Personen empfiehlt sich auch dadurch, dass sie die pro- morphologischen Betrachtungen wesentlich vereinfacht; sie verdient aus diesem Grunde, wie aus dem früher angeführten, entschieden den Vorzug. Diejenigen, welche nicht geneigt sein sollten, dieser Ansicht beizupflichten, bitte ich in Dana’s prachtvollem Atlas (No. 2) die Abbildungen von Actinia achates (Taf. III, Fig. 28 a) und Metridium concinnatum (Taf. V, Fig. 41) zu vergleichen; es sind dies zwei Formen, bei denen die sechs Gruppen zusammen- gehöriger Tentakeln u. s. w. deutlich als ebenso viele Einheiten, kurz, als Parameren, hervortreten, obwohl die zahlreichen Tenta- keln sämmtlich von einerlei Grösse sind. Dasselbe gilt von Dis- cosoma anemone Duchassaing (No. 8, Taf. VI, Fig. 5) und von vielen anderen Formen. Bei Euphyllia spheniscus (Fig. 1 auf Dana’s Taf. VI) treten die sechs Parameren sehr deutlich durch die Färbung hervor. Sehr auffällig zeigen auch viele Fungien die Zusammensetzung aus sechs Parameren. Bevor wir auf die Frage nach der Grundform der Hexakorallen- Personen eingehen, sind noch einige weitere Bemerkungen nöthig. Bei den skelettbildenden Gattungen der Hexakorallen ist die Anordnung der Sarcosepten, namentlich auch bezüglich der Längsmuskelwülste, eine gleiche, wie bei den Actinien. Wenigstens muss das aus den, allerdings nur in geringer Zahl vorliegenden, Angaben geschlossen werden (vergl. No. 7, Bd. I, S. 15 und 34; No. 3, S. 43; No. 35, S. 379). Ich kann nicht umhin, hier be- züglich der skelettbildenden Hexakorallen einen Irrthum zu berich- tigen, der, wie es scheint, auch heute noch weit verbreitet ist, den Irrthum nämlich, wonach die Septen des Skelettes, die soge- nannten Sternleisten, welche ich zum Unterschiede von den Sarco- septen als Sclerosepten bezeichne, in den Sarcosepten gebildet werden. Schon MıLne EpwArps und HAımE hatten angegeben, Bd. XII. N. F. VI, 2. 19 290 Dr. W. Haacke, dass jedes Seleroseptum zwischen zwei zu einem Paare vereinigten Sarcosepten gebildet wird (No. 7, Bd. I, S. 34: „— — lames sclerenchymateuses verticales, qui naissent entre deux replis mesenteroides conjugu6es — —“!). Diese Thatsache ist von Dana (No. 3, S. 43), von LaAcAzE-DutHiers (No. 16), von SCHNEIDER und RÖTTEKEN (No. 30) und von G. v. Koch (No. 35) bestätigt, und trotzdem lesen wir noch heute z. B. in den kürzlich erschie- nenen „Elementen der wissenschaftlichen Zoologie“ 1) von RoBBY Kossmann: „— — Sclerodermata, bei denen sehr starke Ver- kalkung des Coenenchym’s, der Kelchwände, ja selbst (!) der Mesenterialfalten eintritt“. Rührten die Sclerosepten aus der Verkalkung der Sarcosepten her, so müssten sie auch die gleiche paarige Anordnung der letz- teren zeigen; das ist aber nicht der Fall. Die Sclerosepten liegen in einem Intersarcoseptalfach , die Sarcosepten umgekehrt in einem Interscleroseptalfach: Die Selerosepten haben die gleiche Lage, wie die Tentakeln, was bei einer tectologischen und promorpho- logischen Betrachtung wohl zu berücksichtigen ist. Die Sclero- septen zeigen auch bekanntlich, gleich den Tentakeln, den Cyclen entsprechende Grössenunterschiede. Bei manchen von HAEcKEL zu seinen „Hexakorallen“ gestell- ten Arten ist die Anzahl der Tentakeln u. s. w. kein Multiplum von sechs; auf diese und auf die Frage, ob demnach die Legion der „Hexakorallen“ Hazcker’s diesen Namen in Wirklichkeit ver- dient, kommen wir später zurück. Wenn wir nun nach der Grundform der Hexakorallen-Personen fragen, so tritt uns wieder zunächst die Thatsache entgegen, dass der Mund und entsprechend der Querschnitt des Schlundrohrs — wie es scheint, ausnahmslos — elliptisch oder doch wenigstens länglich ist. Hiervon kann man sich durch einen Einblick in die ein- schlägige Literatur leicht überzeugen, und gerade hierin hat zuerst L. Acassız (No. 1) eine „parite bilaterale“ gefunden. Ausnahms- los — wenigstens in den Fällen, in welchen man auf diesen Punkt geachtet hat — entspricht der Längsdurchmesser des Mundes zwei gegenständigen Tentakeln des ersten Cyclus, wie das ja auch bei den Octokorallen der Fall ist. Ferner besitzt das Schlundrohr meistens zwei, eben diesen beiden Tentakeln entsprechende und durch besondere Structur ausgezeichnete, Halbkanäle oder Furchen, welche von den Mundwinkeln longitudinal nach abwärts verlaufen. 1) München, 1878, 8. 133. Zur Blastologie der Korallen. 291 In manchen Fällen (vergl. z. B. in No. 9 auf Taf. II die Abbil- dung von Sagartia ichthystoma, auf Taf. III die von S. troglodytes) sind auch die beiden so ausgezeichneten gegenständigen Parame- ren noch durch besondere Färbung oder Zeichnung von den übri- gen unterschieden. Bei den skelettbildenden Hexakorallen sind auch mitunter zwei gegenständige Selerosepten durch besondere Grösse u. s. w. ausgezeichnet, was sich z. B. bei Madrepora sehr schön sehen lässt. Ferner sind nach SCHNEIDER und RÖTTEKEN bei den Actinien die Längsmuskelwülste der beiden dem Längs- durchmesser des Mundes entsprechenden Sarcoseptenpaare nicht einander zu-, sondern von einander abgewendet, eine Thatsache, die übrigens noch der Bestätigung bedarf. Aus allen diesen Thatsachen folgt aber, dass die beiden dem Längsdurchmesser der Mundspalte entsprechenden Parameren von den übrigen vier verschieden sind, dass demnach die Grundform der Hexakorallen-Personen nicht die „reguläre sechsstrahlige‘“ oder hexactinote sein kann. Ob diese Grundform aber zu den Hexa- phragmen, deren stereometrische Grundform die sechsseitige amphi- thecte Pyramide ist, oder zu den Hexamphipleuren gehört, deren stereometrische Grundform die halbe zwölfseitige amphithecte Py- yamide ist, das lässt sich in den wenigsten Fällen entscheiden. Bei der Mehrzahl der Hexakorallen ist bis jetzt, wenigstens bei den entwickelten Personen, kein Unterschied zwischen den beiden gegenständigen Stücken des besonders ausgezeichneten Pa- ramerenpaares, ‘das wir aber immerhin als dorsoventrales be- zeichnen können, wahrzunehmen gewesen. Es wird deshalb vor- läufig das Beste sein, die Grundform dieser Hexakorallen-Personen als (ganze) amphithecte Pyramide in Anspruch zu nehmen, Die amphithect-pyramidalen Grundformen bilden die erste Gattung der heterostauren Stauraxonien, die Gattung der Autopolen. Diese Gattung zerfällt in die beiden Untergattungen der vielsei- tigen amphithecten Pyramiden oder Oxystauren und der Rhomben- Pyramiden oder Orthostauren. Die Grundform unserer Hexako- rallen-Personen würde demnach zu den Oxystauren, und zwar zu der Art der Sechsreifigen oder Hexaphragmen gehören. Zu dieser Art ist schon von Hazckeu (No. 17, Bd. I, S. 435) eine Anzahl Grundformen von Hexakorallen-Personen gestellt (Flabellum, Sphenotrochus, Peplosmilia, Madrepora u. s. w.), während dieser Forscher allerdings die Grundform der Mehrzahl der Hexakorallen- Personen zu den Hexactinoten stellte, was sich jetzt nicht mehr rechtfertigen lässt. HarckeL hatte, beiläufig bemerkt, damals 29% 292 Dr. W. Haacke, noch die falsche Auffassung, dass die Sclerosepten verkalkten Sarcosepten entsprechen; deshalb ist die detaillirte Darstellung, welche er auf Seite 486 und 487 des ersten Bandes der „Gene- rellen Morphologie“ von der Grundform der hexaphragmen Madre- porarien giebt, nicht mehr zutreffend; so z. B. liegen die beiden gegenständigen grossen Sclerosepten von Madrepora nicht inter- radial, sondern perradial. Wenn wir die Grundform der Mehrzahl der Hexakorallen- Personen zu den Hexaphragmen stellen, so geschieht das, wie ge- sagt, mit einem gewissen Vorbehalt. Denn einige Formen zeigen eine unverkennbare Differenz zwischen dem dorsalen und ventra- len Paramer. Das gilt z. B. für Oculina, die auch schon von HAECcKEL (No. 14, Bd. I, S. 501) zu den Hexamphipleuren gestellt wurde (übrigens ist auch hier die Beschreibung HAEcKEL’s aus dem genannten Grunde im Einzelnen nicht zutreffend). Bei Ocu- lina ist das unpaare dorsale Paramer, wie aus der starken Ent- wickelung des Scleroseptum dorsale hervorgeht, stets viel stärker entwickelt, als die fünf übrigen. Unter den letzteren sind wiederum die beiden dorso-lateralen Parameren stärker entwickelt, als die beiden ventro-lateralen, und das ventrale Paramer ist am schwäch- sten entwickelt. Wir haben also hier wahrscheinlich die Hexam- phipleuren-Form vor uns. Dieselbe Form besitzt vielleicht die den echten Actinien nahe stehende Gattung Actinoloba Buamv. Actinoloba dianthus hat nach GossE (No. 9) nur einen einzigen, einem Mundwinkel ent- sprechenden, Halbkanal des Schlundes. Es zeigt sich also auch hier eine Differenz zwischen Rücken und Bauchseite. Dasselbe gilt nach SEemPER (No. 19) „von der STEENSTRUP’- schen Gattung Sphenopus, aus welcher wir zwei oder drei Arten aus den philippinischen Meeren kennen gelernt haben“; bei dieser „findet sich nur ein einziger dem einen Ende der langen Mundspalte entsprechender Magenwulst in Gestalt einer doppelten Knorpel- platte, deren zwei schmale und lange Blätter eine tiefe Furche oder Spalte zwischen sich lassen, welche genau in den Mundwinkel über- führt. Also auch hier ist wieder eine Ebene festgestellt, an welche sich gewisse Organe symmetrisch anlegen — —“. Vielleicht ge- hören auch die Personen von Madrepora zu den hexamphipleuren Formen. Wenigstens kann man am Skelett der Personen vieler Madreporen-Arten deutlich Rücken- und Bauchseite unterscheiden, und bei M. prostrata (No. 2, Taf. 33, Fig. 1) übertrifft ein einziger, Zur Blastologie der Korallen. 293 wahrscheinlich dorsal oder ventral angeordneter, Tentakel die übri- gen bedeutend an Grösse. Für die Hexamphipleuren-Form sprechen ferner noch einige Beobachtungen von LACAZE-DUTHIERS: „Dans les embryons des Actinia mesembryanthemum, Sagartia etc., l’oesophage est aplati, non cylindrique. Il se termine dans la cavite generale obliquement par un pan coupe — —“ (No. 16, S. 233). In einigen von LAcAZE- DuTHters beobachteten Fällen „on voit tres-nettement l’obliquite de l’extremite et l’aplatissement de l’oesophage. Aussi serait-il facile de prendre des points d’orientation d’apres ces dispositions“ (ibid.). LAcAzE-DUTHIERS fügt noch Folgendes hinzu: „‚J’ai des dessins d’embryons de tres-jeunes Sagartia, qui presentent dans la cavite de l’oesophage un double repli formant un sillon & rebords saillants — — — et dont la bouche, vue normalement, n’est meme plus un ovale r&gulier.“ Sollten sich diese Eigenthümlich- keiten auch bei den erwachsenen Formen nachweisen lässen, so wäre dadurch, wenigstens für die betreffenden Arten, die Zeugiten- Form ausser Zweifel gestellt. Die Grundform der Hexakorallen-Personen ist also entweder die hexaphragme oder die hexamphipleure Pyramide. Die Hexacti- noten-Form. wird, wie ich später wahrscheinlich zu machen suchen werde, bei keiner lebenden und ausgestorbenen Hexakoralle zu finden sein. Besondere Besprechung erfordern die Gattungen Cereanthus und Antipathes. Von Cereanthus, dessen Stellung bei den Hexakorallen überhaupt zweifelhaft ist, haben wir durch JuLes Hame (No. 5) eine detaillirte anatomische Darstellung erhalten. Auch hier ist der Mund „allongee en travers“, und seinen Winkeln entsprechen zwei Halbkanäle des Schlundes, die aber unter einander verschie- den sind: „une n’est qu’un sillon droit, &troit et faiblement accus6, l’autre a la forme d’une depression profonde, — — entourde d’une sorte de bourrelet tres-r6sistant et comme cartilagineux“. Dem entsprechend sind zwei benachbarte Sarcosepten, die hier nicht, „comme on le voit dans les Actinies“, zu Paaren vereinigt, son- dern abwechselnd grösser und kleiner sind, besonders ausgezeich- net. Im Gegensatz zu den übrigen sind sie einander gleich und erstrecken sich bis zum Grunde des Magens, während die übrigen nur etwa halb so lang sind. Während diese in ihrem oralen Theile die Gastralfilamente, im aboralen die Geschlechtsprodukte tragen, befinden sich bei den beiden grossen Sarcosepten die Ge- 294 Dr. W. Haacke, schlechtsprodukte im oralen Theile, während sich ihre Gastralfila- mente weit nach unten hin erstrecken. Das von dem so ausge- zeichneten Sarcoseptenpaare eingeschlossene Intersarcoseptalfach bildet die Fortsetzung des stärker entwickelten Halbkanales des Schlundrohres. Bei den Octokorallen-Personen haben wir dasjenige Sarcosepten-Paar, welches die beiden langen Gastralfilamente trägt, als dorsales bezeichnet. Demgemäss wollen wir auch bei Cerean- thus, welcher eine so auffallende Differenzirung von Rücken- und Bauchseite zeigt, diejenige dieser beiden Seiten, welcher das be- sonders ausgezeichnete Sarcoseptenpaar angehört, als dorsale be- zeichnen. Von der Rücken- nach der Bauchseite hin werden die Sarcosepten immer kleiner, so dass die ventralen die kleinsten sind. Cereanthus besitzt also eine ausgesprochene Amphipleu- ren-Form, die sich bei €. Lloydii auch in der excentrischen Lage des Gastral-Porus, der die Gattung Cereanthus auszeichnet, kund giebt. An Cereanthus scheinen sich die Gattungen Peachia, Ilyan- thus, Edwardsia, Halcampa, Arachnactis und Saccanthus anzu- schliessen, die mit (ereanthus zusammen von GossE (l. ce.) in der Familie der Ilyanthidae vereinigt werden. Namentlich zeigt die Gattung Peachia GossE einen unverkennbaren Unterschied zwischen hücken- und Bauchseite. Ihr Schlundrohr besitzt nur einen ein- zigen Halbkanal (,gonidial groove“ |GossE]), „the edges of which are soldered together so as to form a tube, which terminates above in a thickened, expanded rim (conchula), the margin of which is more or less divided“ (l. c., S. 234). Alle drei von GossE be- schriebenen Arten von Peachia (P. hastata, triphylla und undata) besitzen diese dorsal gelegene „Conchula‘“, deren Abbildung bei GossE zu vergleichen ist (l. c., S. 235, 239 und 243). Peachia hat also ebenfalls eine amphipleure Grundform. Diese Grundform tritt bei Arachnmactis albida SARS, die nach A. Acassız (No. 32) übrigens, wie GossE es schon vermuthete, eine Jugendform von Edwardsia ist, in der Anordnung der Tentakeln hervor. Arach- nactis albida besitzt gleich Cereanthus einen äusseren und einen inneren Tentakelkreis. „First series marginal, twelve to fourteen in number — -—: of these eleven are about equal in length and thickness, while one or two are very much shorter and smaller — —, These smaller — — tentacles always occur at that part of the circle which corresponds to one angle of the mouth“ (GOSSE, 1. c., S. 264). Bei einer philippinischen Arachnactis fan- den sich ausserdem nach SEMmPER (No. 23) „an der Innenfläche Zur Blastologie der Korallen. 295 des Magens zwei kolbige drüsige Gebilde mit sehr langem Aus- führgang, der sich direkt in den Mundtrichter zu öffnen schien; aber diese beiden Organe bezeichneten nicht etwa die Endpunkte eines Durchmessers des Körpers — dessen übrige Organe radiär angelegt waren — sondern standen vielmehr so an der Seite des Körpers, dass die Linie ihrer grössten Nähe etwa der Entfernung zwischen drei Tentakeln entsprach“. Dadurch wird also eine Ebene bedingt, „neben welcher diese beiden Organe symmetrisch angeordnet sind — —“. Die Familie Ilyanthidae GossE zeigt also in drei Gattungen eine ausgesprochene amphipleure Grundform. Auf ihre syste- matische Stellung komme ich später zurück. Was nun schliesslich die Gattung Antipathes und ihre näch- sten Verwandten betrifft, so galten diese Korallen früher für die einfachsten und primitivsten unter den Hexakorallen, was durch ihre geringe Tentakelzahl, die hier nur sechs beträgt, gerecht- fertigt schien. ‘Die Untersuchungen LAcAzE-DUTHIERS’ (No. 14) und kürzlich die von G. v. KocH (No. 38) haben jedoch gezeigt, dass der Bau und die Grundform dieser eigenthümlichen Korallen keineswegs so einfach und ursprünglich sind, wie es z. B. noch HAEckEL (No. 17, Bd. I, S. 469) angenommen hatte. HaEcKEL stellte die Antipa- tharien oder Antipathiden (Monocyclia hexactinia BRONN’s) zu den regulär-pyramidalen Hexactinoten. Hiernach müsste Antipathes sechs gleiche Tentakeln, sechs gleich entwickelte Sarcosepten, einen kreisrunden oder regulär-hexagonalen Mund u. s. w. be- sitzen. Nun ist aber nach LacazE-Durmers’ und G. v. Kocm’s Untersuchungen nicht nur der Mund, sondern der Querschnitt des ganzen Körpers der Personen von Antipathes elliptisch; bei A. lariw schneidet der Längsdurchmesser des Mundes den Längs- durchmesser des Körperquerschnittes senkrecht. Den Mundwinkeln entsprechen auch hier, wie überall, zwei gegenständige Tentakeln. Die Sarcosepten sind sehr ungleich entwickelt. Nach LAcAzE- DurHiers sind deren sechs vorhanden, von denen vier rudimen- tär sind; die beiden übrigen sind gegenständig und liegen in der durch die kürzere Axe der Mundellipse bedingten Meridianebene des Körpers der Person; nur sie besitzen Gastralfilamente. Nach G. v. Koch sind ausser den sechs Sarcosepten, welche schon LACAZE-DUTHIERS nachweisen konnte, noch vier weitere vorhan- den, welche am stärksten rückgebildet sind. Die zwei grösseren Sarcosepten theilen die Personen in zwei gleiche Hälften, von 296 Dr. W. Haacke, denen jede durch zwei Sarcosepten von mittlerer Entwickelung in drei Kammern getheilt wird. Die vier kleinsten Sarcosepten scheinen nach G. v. KocH so angeordnet zu sein, dass in jeder der beiden Hälften der Person, welche durch die beiden gegen- ständigen grossen Sarcosepten bedingt werden, zwei kleinste Sar- cosepten in der Weise symmetrisch angeordnet sind, dass jeder zwischen einem grossen und mittleren Sarcoseptum zu liegen kommt. Aus dem geschilderten Verhalten ergiebt sich zunächst, dass die Personen von Antipathes eine amphithect-pyramidale Grund- form besitzen. Wir können dieselbe jedoch vor der Hand nicht näher bestimmen, werden aber weiter unten Gelegenheit haben, auf dieselbe zurückzukommen; auch werden wir dann näher auf die systematische Stellung von Antipathes eingehen. N: Für die Mehrzahl der Tetrakorallen-Personen glaubte HaAszcKkeEr als Grundform die vierseitige reguläre Pyramide oder Quadrat-Pyramide, die Tetractinoten-Form, betrachten zu müssen, für die Zaphrentiden nahm er dagegen die Tetrapleuren-Form in Anspruch. Der Körper der Tetrakorallen-Personen ist aus vier Parame- ren zusammen gesetzt. Allerdings wissen wir nicht, ob sämmt- liche von HAEcKEL zu seinen „Tetrakorallen“, von anderen For- schern zu den „Sclerodermata rugosa“ gestellten Formen die ho- motypische Grundzahl vier besitzen. Das gilt namentlich für die Cystiphylliden, deren Sclerosepten nur durch fast ganz rudimen- täre Strichelungen repräsentirt werden; aber die Mehrzahl der übri- gen Rugosen zeigen entweder vier, ein Kreuz bildende, auffallend entwickelte Scelerosepten, oder ein ähnliches Kreuz von vier De- pressionen, oder endlich vier distincte Bündel von Sclerosepten. Auch für die Tetrakorallen, deren Weichtheile wir nicht ken- nen, müssen wir annehmen, dass die Sclerosepten in den Inter- sarcoseptalfächern gebildet wurden. Aus dieser Annahme, in Ver- bindung mit der vorwiegenden Entwickelung von vier Sclerosep- ten bei manchen Formen (z. B. Stauria), ergiebt sich, dass die Sarcosepten der Tetrakorallen, gleich denen der Hexakorallen, zu Paaren vereinigt gewesen sind. In den Intersarcoseptalfächern der vier am stärksten entwickelten Sarcoseptenpaare sind die vier stärksten Sclerosepten gebildet. Diese letzteren liegen demnach perradial, nicht, wie HAECKEL annahm, interradial. Die vier stärksten Sclerosepten oder, wo diese nicht beson- Zur Blastologie der Korallen. 297 ders hervortreten, die stärkeren Scelerosepten überhaupt, ferner, bei manchen Formen, die vier erwähnten Depressionen scheinen nun in manchen Fällen gleich entwickelt zu sein. Daraus würde die Tetractinoten- Form, die Grundform der Quadrat - Pyramide, resultiren. In anderen Fällen — wahrscheinlich in den meisten — aber ist nur eins der vier Haupt-Sclerosepten oder eine Depres- sion gut entwickelt (z. B. bei Zaphrentis), und daraus ergiebt sich für diese Fälle als Grundform die halbe amphithecte Pyramide der Zeugiten, für die auch die von KunrtH beschriebene eigen- thümliche Anordnung der Sclerosepten bei vielen Formen in An- spruch genommen werden muss (vergl. Nr. 28). Da die Zahl der Parameren bei den halbamphitheet-pyramidalen Tetrakorallen vier beträgt, so gehören die letzteren zu den Jochpaarigen oder Zygo- pleuren, und zwar zu den Eutetrapleuren. Sie gehören aber nicht, wie HAEcKEL annahm, zu den Eutetrapleura interradialia, son- dern zu den radialen oder perradialen Eutetrapleuren, denn die dorsoventrale Medianebene sowohl, wie die Lateralebene, fallen mit den durch die perradialen Sclerosepten bedingten perradialen Meridianebenen der Person zusammen. Dieselbe ist aus einem un- paaren eudipleuren dorsalen, aus einem eben solchen ventralen und aus zwei paarigen dysdipleuren lateralen Parameren zusam- men gesetzt. v2. Im Vorhergehenden haben wir die entwickelten Personen der Korallen bezüglich ihres Aufbaues aus Parameren und ihrer Grundform kennen gelernt; fragen wir jetzt, wie sich aus der mon- axonien Person des Gastrula-Stadiums die entwickelte stauraxonie Person hervorbildet ! Ueber die Ontogenie der aus dem befruchteten Eie entstehen- den Person der Octokorallen wissen wir bezüglich der post- gastrularen Entwickelungszustände, die uns hier allein interessi- ren, sehr wenig. Zwar sagt LAcAzE - DuTmERS (Nr. 12, S. 53), nachdem er den Mund von Eucorallium als eine Spalte beschrie- ben hat: „Ce fait a une valeur organogenique“; ich habe mich aber vergebens bemüht, in der „Histoire naturelle du Corail“ einen Be- weis für diese Behauptung zu finden. Aus einigen Abbildungen LACAZE-DUTHIERS’ könnte man schliessen, dass zuerst vier Sarco- septen gebildet werden; die Richtigkeit dieser Deutung lasse ich dahingestellt sein. KowALEvSsKY (Nr. 31, Taf. V) bildet Querschnitte einer jun- 298 Dr. W. Haacke, sen Person von Aleyonium ab, in welcher alle acht Parameren angelegt sind; nach Kowauevsky'’s Fig. 12 zu urtheilen, sind die beiden lateralen Parameren viel grösser, als die sechs übrigen ; durch dieses Verhältniss und durch den elliptischen Querschnitt des Schlundes würde schon bei dieser jungen Person die dorso- ventrale Medianebene der erwachsenen angedeutet sein. Nach KÖLLıker (Nr. 25, S. 426) beschreibt DALYELL an ganz jungen Pennatuliden-Larven „schon einen Magen und 4 Organe, welche vom unteren Ende desselben ausgingen (Septula? Mesente- rialfalten ?)“. Nach KÖLLIKEr entstehen dagegen die Sarcosepten der jungen Pennatuliden-Personen wahrscheinlich alle zugleich (?), dagegen treten die beiden langen Gastralfilamente, wenigstens bei den durch Knospung entstehenden Personen, wahrscheinlich lange vor den übrigen sechs auf, wodurch schon frühzeitig die Octam- phipleuren-Form bedingt sein würde. Das ist alles, was ich über die postgastrulare Entwickelung der Octokorallen-Personen habe in Erfahrung bringen können. Eine bessere Kenntniss dieser Entwickelung besitzen wir ge- genwärtig von den Hexakorallen. Namentlich die ausgezeich- neten, gerade auf diesen Punkt gerichteten Untersuchungen von LACAZE-DUTHIERS und demnächst von KowALEvsKky haben uns mit manchen interessanten und überraschenden Thatsachen be- kannt gemacht, aus denen unzweifelhaft hervorgeht, dass das be- rühmte Mınne Epwarps’sche Wachsthumsgesetz der Korallen- Personen, was wenigstens die sechszähligen anbetrifit, falsch ist. Nach LAcAZE-DUTHIERS bilden sich zunächst in einer Acti- nien-Gastrula zwei gegenständige, senkrecht zu der durch die grosse Axe des schon bei der Gastrula länglichen Mundes beding- ten Meridianebene gestellte, Sarcosepten (Nr. 15, S. 325). Diese beiden Sarcosepten theilen aber den Körper der jungen Person nicht etwa in zwei gleiche Hälften, denn: „A ce moment l’embryon, vu par le cöt& de la bouche, c’est- A-dire par le haut, prösente une zone periphcrique claire, et une partie centrale color&, &tranglee, comme une 8 du chifire. „La comparaison est exacte, car l’un des deux lobes est un peu plus grand que l’autre, comme l’une des boucles du chifire.“ Die Grundform der jungen Actinie ist also in diesem Stadium eine „bilateral-symmetrische“. Hieraus folgt aber nicht, dass die- selbe etwa mit der Grundform eines „bilateral- symmetrischen“ Wirbelthierkörpers verglichen werden darf. Bei dem letzteren, der als Ganzes nur einem einzigen Paramer vergleichbar ist, lie- | Zur Blastologie der Korallen. 299 gen die beiden ihn zusammensetzenden Antimeren beiderseits der Medianebene. Wollte man nun den jungen Actinien-Körper tecto- logisch und promorphologisch mit dem Wirbelthierkörper verglei- chen, so müsste man ihn ebenfalls aus zwei Antimeren, deren Summe einem Paramer entspricht, zusammengesetzt sein lassen. Unser junger Actinienkörper ist aber nicht aus zwei, sondern aus vier Antimeren zusammengesetzt. Denn wenn wir mit demselben eine tectologische und promorphologische Analyse vornehmen wol- len, so gelangen wir nothwendig zu dem Resultat, dass der Kör- per unserer mit zwei Sarcosepten versehenen Actinienlarve aus zwei Parameren besteht, deren jedes wieder aus zwei Antimeren zusammengesetzt ist. Wir haben ein grösseres dorsales und ein kleineres ventrales Paramer, deren Medianebenen mit der Dorso- ventralebene des ganzen Körpers zusammenfallen. Eine Verglei- chung mit dem dipleuren Wirbelthierkörper, der nur einem Para- mer entspricht, ist deshalb ‚unmöglich. Wenn wir die Zeugiten- Form unserer Actinienlarve in das Hazcrker'sche promorphologi- sche System einreihen wollen, so können nur die Zygopleuren in Frage kommen, welche in die Tetrapleuren und in die Dipleuren zerfallen. Zu den Tetrapleuren, die aus vier Parameren zusam- mengesetzt sind, können wir die fragliche, nur aus zwei Parame- ren bestehende, Actinienlarve nicht stellen; aber ebenso wenig zu den Dipleuren im Hazcker’schen Sinne, die nur einem Paramer entsprechen. Es würde, wenn wir für die Grundform unserer Actinienlarve eine Bezeichnung finden wollten, nichts anderes übrig bleiben, als den Begriff der Dipleuren dahin zu erweitern, dass wir den Harcker’schen Dipleuren mit einem Paramer und zwei Antimeren, als der einen Unterart der Dipleuren, eine zweite Un- terart, die Dipleuren mit zwei in der Lateralebene vereinigten Parameren und vier Antimeren, den „Dipleura monoparamera“ die „Dipleura biparamera“ gegenüber stellen. Die Grundform der ersteren ist die einfach-gleichschenkelige, die der letzteren, gleich der der Tetrapleuren, die doppelt-gleichschenkelige oder Antipa- rallelogramm-Pyramide, welche einfacher noch, da ihre Basis ein Deltoid ist, als „Deltoid-Pyramide‘“ bezeichnet werden könnte. LACAZE-DUTHIERS sagt bezüglich der eben besprochenen That- sache, wonach nämlich zuerst nur zwei Sarcosepten auftreten, die den jungen Korallen-Körper in zwei ungleiche Abschnitte theilen: „C'est la un premier fait indeniable et indiscutable qui, & lui seul, peut faire considerer les anciennes lois comme profond&ment atteintes.“ Er fügt hinzu: „Remarquons que les deux premieres 300 Dr. W. Haacke, loges form6es correspondent chacune & l’une des extremitös de la bouche et comme plus tard on verra se developper au-dessus de chacune d’elles un tentacule, on peut affırmer dejä qu’en face de chaque commissure de la bouche existera un tentacule, et que ces deux tentacules couronnant les deux loges commissurales corre- spondront certainement toujours aux deux premieres moiti6s pri- mitives de l’embryon. „Dans l’adulte m&me, malgr& Veffacement des grandeurs re- latives, malgre les changements de position qui sont la cons6- quence de la multiplication des parties, il est possible de recon- naitre les deux premieres loges par les deux tentacules qui leur correspondent.“ Die Entwickelung nimmt nun folgendermaassen ihren Fort- gang. Zunächst bilden sich in dem grösseren der beiden primä- ren Intersarcoseptalfächer zwei neue Sarcosepten; die Ebene, wel- che durch diese bedingt wird, steht wieder senkrecht zur dorso- ventralen Medianebene. Die Dipleuren-Form geht also dadurch, da jetzt vier Parameren vorhanden sind, in die Tetrapleuren-Form über. Wir haben jetzt ein unpaares dorsales, ein eben solches, aber von dem dorsalen verschiedenes, ventrales und zwei paarige laterale Parameren. Die beiden ersten Parameren bleiben immer unpaar, „tandisque les autres se formeront dorönavant toujours symötriquement et en m&me temps paires et opposdes les unes aux autres, transversalement de chaque cöte de la ligne, allant d’une loge primaire & l’autre.“ Nachdem sich in dem grösseren primären Intersarcoseptalfach zwei neue Sarcosepten gebildet haben, geschieht dies auch in ganz gleicher Weise in dem kleineren. Dadurch geht die Tetra- pleuren-Form in die Hexamphipleuren-Form über; diese ist aber nur von äusserst kurzer Dauer und kann nicht als Ausgangs- punkt der Hexaphragmen-Form der erwachsenen Acti- nie angesehen werden. Denn fast gleichzeitig mit dem drit- ten Sarcoseptenpaar bildet sich in den beiden Intersarcoseptal- räumen, welche von den ältesten und zweitältesten Sarcosepten gebildet werden, ein neues Sarcoseptenpaar, wodurch die kaum entstandene Hexamphipleuren-Form in die Octamphipleuren-Form übergeht, die von viel längerer Dauer ist. Die neuen Sarcosepten bilden sich immer beiderseits der bei- den ältesten: „Constamment c’est la partie voisine des deux pre- mieres cloisons, dans les deux moities primitives, qui est soumise au travail divisionnaire; de sorte que c’est en avant et en arriere Zur Blastologie der Korallen. 301 des deux premieres cloisons que s’&tablissent les divisions ult6- rieures“ (1. c., S. 336). Auf die Octamphipleuren-Form folgt die Dekamphipleuren- Form, welche dadurch entsteht, dass in den beiden den ältesten Sarcosepten benachbarten Intersarcoseptalfächern der grösseren primären Hälfte das fünfte Sarcoseptenpaar erscheint. Dann wird an der entgegengesetzten Seite des ältesten Sarcoseptenpaares ein sechstes Paar eingeschoben, wodurch die Dekamphipleuren - Form in die Dodekamphipleuren-Form übergeht. Aus dem geschilderten Verhalten in dem successiven Auftre- ten der Sarcoseptenpaare könnte man die Berechtigung herneh- men zu dürfen glauben, den Hexakorallen-Personen, welche nach HAECcKEL nur sechs Parameren besitzen, eine grössere Parameren- Zahl zuzuschreiben. Es wird sich aber später ergeben, dass es sehr misslich ist, überhaupt, wie es auch von uns eben geschehen ist, bei der unentwickelten Korallen-Person schon von Parameren zu reden. Es wird sich später zeigen, dass man der von LACAZE- DUTHIERS beschriebenen postgastrularen Entwickelung der Koral- len-Personen leicht eine falsche Bedeutung zuschreiben kann, was man thun würde, wenn man die in denselben der Reihe nach auf- tretenden Formen mit besonderen Bezeichnungen belegen, sie tecto- logisch und promorphologisch analysiren wollte. Es ist genügend, dass wir uns merken, dass bei den Actinien auf das monaxonie Gastrula-Stadium eine amphithecte oder halb-amphithecte Staura- xon-Form folgt. Die Form mit zwölf Sarcosepten, von der eben zuletzt die Rede war, und welche wir der Einfachheit wegen als Dodekam- phipleuren-Form bezeichneten, ohne dieser Bezeichnung, wie ge- sagt, eine besondere Bedeutung unterlegen zu wollen, geht bald in die amphithect-pyramidale Grundform der erwachsenen Actinie durch das mehr oder weniger beträchtliche Gleichwerden der Sar- cosepten und Intersarcoseptalräume über: „— — quand le nombre des lobes est arriv@ a douze, l’&volution semple s’arräter et l’acti- vite du travail se porter sur la r&gularisation des grandeurs qui bientöt deviennent toutes &gales. Alors une jeune Actinie chez qui le travail dont il s’agit est presque accompli, perd un peu de son aplatissement dans un sens, et se rapproche de la forme sph6- rique; son peristome devient circulaire et regulier, quoique sa bouche reste oblongue et contienne A r&epondre par ses deux com- missures aux deux loges primitives.“ Von den Tentakeln entwickelt sich zunächst nur ein ein- 302 Dr. W. Haacke, ziger; er erscheint über dem unpaaren Intersarcoseptalfache der grösseren primären Hälfte. Am häufigsten kann man bezüglich des Erscheinens der Tentakeln folgendes Stadium antreffen: Wenn die Larve acht Sarcosepten und ebenso viel Intersarcoseptalfächer besitzt, hat sie auch acht Tentakeln, von denen der dem ältesten, in der Medianebene gelegenen, Intersarcoseptalfache entsprechende der grösste ist; die beiden zweitgrössten stehen über den dem ältesten Sarcoseptenpaare zunächst gelegenen Intersarcoseptalfä- chern der kleineren primären Hälfte. Wenn die Zahl der Tentakeln zwölf erreicht hat, regularisi- ren sie sich; wir haben schliesslich „deux couronnes, l’une de six tentacules grands, l’autre &galement de six tentacules plus petits alternant avec les premiers.“ Der junge Actinien-Körper besitzt jetzt die Hexaphragmen-Form, welche auch fernerhin festgehalten wird. Die vier ersten Paare der Gastralfilamente erscheinen in folgender Reihenfolge: das älteste Paar entwickelt sich an den beiden ältesten Sarcosepten, das zweitälteste an dem viertältesten, das drittälteste an dem drittältesten und das viertälteste an dem zweitältesten Sarcoseptenpaar. Wenn die Zahl der Tentakeln zwölf überschritten hat, gilt bezüglich des Erscheinens der Gastralfilamente Folgendes: „La for- mation des cordons pelotonnds s’effectue successivement sur les deux cloisons limitant les loges des premiers, seconds, troisieme cycles — —.“ Auf die folgenden Entwickelungszustände brauchen wir nicht weiter einzugehen; nur das sei bemerkt, dass die sechs grössten der ersten zwölf Tentakeln auch ferner die grössten bleiben und dadurch die einmal erlangte Hexaphragmen - Form des Körpers immer bewahren, während die übrigen nach und nach durch neue substituirt werden, so dass die sechs kleineren der zwölf ältesten Tentakeln bei der erwachsenen Actinie schliesslich dem letzten Cyclus angehören. Genau so, wie die Ontogenie der Actinien, verläuft nach LACAZE - DUTHIERS (Nr. 16) die einer Steinkoralle, Astroides calycularis, die demnach hier keiner weiteren Beschreibung be- darf. Erwähnt braucht nur zu werden, dass die zwölf ältesten Sclerosepten oder „Sternleisten“ gleichzeitig entstehen. Die Untersuchungen von KOWALEVSKY (Nr. 31) über die On- togenie der Actinien, welche in Bezug auf die Entstehung der Gastrula ungleich werthvoller als die von LACAZE-DUTHIERS sind, aber die Entwickelung der Sarcosepten und Tentakeln wohl nicht Zur Blastologie der Korallen. 303 so genau verfolgt haben, scheinen die Angaben von LAcAzE-Dv- THIERS zu bestätigen. Zwar theilt nach KowAnLEvsky das erste Sarcoseptenpaar die Larve einer der Actinia mesembryanthemum nahestehenden Actinie in zwei gleiche Hälften; aber nach der so bestimmten Angabe von LACAzE-DUTHIERS bedarf diese Beobach- tung wohl einer Kontrole. Später entstehen nach KowALEvsKY, den Angaben LAcAzE - DUTHIERS’ entsprechend, in jeder Körper- hälfte zwei neue Sarcosepten; im Ganzen sind dann also sechs vorhanden, die den Magen in sechs Kammern theilen. Noch spä- ter bildet sich jederseits in der Mitte noch je ein Sarcoseptum, so dass in diesem Stadium acht Sarcosepten vorhanden sind. Die dann noch weiterhin entstehenden Sarcosepten sollen in ziemlich unregelmässiger Weise zum Vorschein kommen. Um den Mund treten, entsprechend der Zahl der darunter liegenden Kammern, warzenförmige Fortsätze auf, die Anlagen der Tentakeln. Zunächst sollen acht, weiterhin mehr erscheinen. KowALEvsky hat auch die Ontogenie von Cereanthus, der, wie wir oben gesehen haben, ganz eigenthümliche tectologische und promorphologische Verhältnisse zeigt, beobachtet. Ueber die Ontogenie von Cereanthus lagen uns schon einige Beobachtungen von JuLEs HAmMmE vor. Nach diesem, leider zu früh für die Wissenschaft verstorbenen, Forscher (Nr. 6) erschei- nen an den Larven von Cereanthus zunächst vier Tentakeln, von denen HAımE annahm, dass sie gleichzeitig entstehen. Er bemerkt jedoch, dass zwei davon grösser sind, als die beiden anderen, so zwar, dass die vier Tentakeln in Bezug auf die Meridianebene, welche durch die grosse Axe des schon bei den Larven läng- lichen Mundes bedingt wird, symmetrisch angeordnet sind, wo- durch schon frühzeitig die Zeugiten - Form bedingt wird. Einen fünften Tentakel sah HAımE zwischen den beiden grösseren ent- stehen; er nimmt an, dass derselbe über demjenigen Intersarco- septalfache steht, welches sich zwischen den beiden grossen Sar- cosepten des erwachsenen Thieres befindet. Nach KowALevsky entstehen zunächst ebenfalls vier Tentakeln und vier Kammern; zwei Sarcosepten sind schon sehr frühzeitig sehr verlängert. Die Tentakeln vermehren sich weiterhin allmählig; von denen des inneren Kreises existiren lange Zeit hindurch nur zwei. Die Einstülpung des Schlundes erfolgt bei den Larven von Cereanihus nach KowALEvsky hauptsächlich nur von zwei ent- gegengesetzten Seiten aus; also auch hierdurch dokumentirt sich schon frühzeitig die Zeugiten-Form. 304 Dr. W. Haacke, Ueber die Entwickelung von Edwardsia, die Cereanthus, wie schon oben angedeutet, vielleicht sehr nahe steht, berichtet A. Acassız (No. 32), dass die Arachnactis eine Jugendform von Edwardsia ist. Es bilden sich bei den Larven von Edwardsia zunächst acht Sarcosepten; dann erscheinen die Tentakeln, die sich, unabhängig von den Sarcosepten, stets beiderseits des einen Endes der Mund- spalte, also symmetrisch, entwickeln, eine Beobachtung, die sehr gut mit der oben mitgetheilten Beschreibung der Tentakel- An- ordnung der Arachnactis von GossE übereinstimmt. Also auch bei Edwardsia, wie bei Cereanthus, Astroides und den Actinien, ist die Stauraxon-Form von Anfang an die centre- pipedische. Aus sehr wenigen vorliegenden Beobachtungen können wir Einiges über die Ontogenie der Tetrakorallen schliessen. Dem MıLne Epwarps’schen Wachsthumsgesetz gemäss, das für die Hexakorallen, wie wir gesehen haben, nicht zutrifft, hatte man angenommen, dass bei den Tetrakorallen zuerst vier primäre Sclero- septen auftraten. Nun hält aber PourrAuks (No. 29) diese An- nahme für durchaus unbegründet und R. Lupwie (No. 10 und 11) will überhaupt nichts von einer tetrameralen Anordnung der Selero- septen bei den Rugosen wissen. Von PourTALks’ Arbeit giebt MoseELey (l. c., S. 94) ein Referat; er sagt von PourTALks: „He has by the examination of the Lophophyllum proliferum (M. En- WARDS and HAIME) come to the conclusion that the tetrameral arrangement claimed for the Rugosa is only apparent, there being originally six primary septa. The coral was examined by ceutting successive transverse sections. Such a section from the tip of Lophophyllum proliferum, representing the youngest stage, shows six primary septa and six interseptal spaces placed symmetrically on two sides of a vertical plane and unequally developed. By unequal development of additional septa in further development (investigated by the examination of sections successively nearer to the margin of the calicle) the seeming tetrameral. arrangement is produced.“ Auch RÖMER und Linpström sollen schon vor Pour- TALES dieselben Thatsachen gefunden haben. KuntH (No. 28) hält zwar noch an dem primären tetrameralen Bau der Rugosen fest, PourTALEs erklärt dieses aber als eine Folge der Untersuchung nur älterer Individuen seitens Kunru’s. Man braucht die Richtig- keit der PourTALEsS’schen Angaben gar nicht zu bezweifeln, ohne deshalb den tetrameralen Bau der Rugosen aufzugeben; denn auch bei den Rugosen ist es nach den angeführten Thatsachen sehr Zur Blastologie der Korallen. 305 wahrscheinlich, dass erst zahlreiche Septen nach und nach paar- weise entstehen, bevor sich durch spätere Regularisation vier Para- meren-Gruppen differenziren. Hieraus folgt aber nothwendig, dass während eines gewissen Stadiums die Septenzahl gleich sechs ge- wesen sein muss. VIM. Wir haben im Vorhergehenden gesehen, dass die Grundform der entwickelten Korallen-Personen in den allermeisten Fällen eine centrepipedische oder doch wenigstens eine amphitheet-pyramidale ist, also eine „bilateral-symmetrische“, wie die meisten Zoologen zu sagen pflegen, dass sie nur äusserst selten, vielleicht nie, als eine actinote oder „reguläre“ angesehen werden darf; wir haben fernerhin gesehen, dass die Anlage der ersten Organe bei den be- züglich dieses Punktes untersuchten Korallen ebenfalls centre- pipedisch erfolgt, dass sich schon frühzeitig Rücken - und Bauch- fläche unterscheiden lassen; es handelt sich nun um die Frage, wie diese Thatsachen zu erklären, beziehungsweise phyloge- netisch zu verwerthen sind. Wir haben im der Einleitung einen Satz Dana’s angeführt, wonach die „antero-posterior (or head-and-tail) polarity, with also the right-and-left“, ‚„eminently characteristic of the animal type“ ist. Ich bin versucht, diesem Satz einen creatistischen Sinn unter- zulegen; der Schöpfer, so scheint mir DanA zu argumentiren, hat geglaubt, sich einer Inkonsequenz oder einer Ungerechtigkeit schuldig zu machen, wenn er den Korallen-Personen nicht auch „something“ von dem „symmetrischen“ Baue, mit denen er andere Thiere in so unverkennbarer Weise bedacht hat, zukommen lasse. Aber hoffentlich werde ich nicht allein stehen, wenn ich einer solchen undiscutirbaren Erklärung eine causale vorziehe, und eine solche ist in der That möglich. Die dipleure Grundform der Würmer, Mollusken, Arthro- poden und Vertebraten lässt sich unschwer durch die Anpassung ihrer gemeinsamen Vorfahren an die kriechende Lebensweise, an die Vorwärtsbewegung in einer bestimmten Richtung, erklären; denn für die Locomotion in einer bestimmten Richtung ist die Zeugiten-Form die zweckmässigste, weshalb wir auch unseren Wa- gen und Schiffen diese Grundform gaben. Andererseits würde sich die actinote oder regulär-pyramidale Grundform eines Thieres leicht durch die Anpassung seiner Vor- fahren an die sessile Lebensweise erklären lassen. Bd. XII. N. F. VI, 2. 20 306 Dr. W. Haacke, Demgemäss betrachtet HAccKer (No.21, 8.35) „lediglich einer- seits die festsitzende Lebensweise bei der Stammform der Zoo- phyten (Protascus), als die mechanische ‚wirkende Ursache‘ ihres radialen Typus oder genauer ausgedrückt ihrer actinoten (re- gulär-pyramidalen) Grundform; andererseits die kriechende Lebens- weise bei der Stammform der Würmer (Prothelmis) als die mecha- nische causa efficiens ihres bilateralen Typus oder genauer aus- gedrückt ihrer dipleuren (amphitheet-pyramidalen) Grundform“. Nun besitzen aber die Personen der Korallen, welche letzteren doch zu den Zoophyten gehören, keine actinote oder regulär-pyra- midale Grundform, sondern entweder die amphitheet-pyramidale oder gar die centrepipedische der höheren Thiere. Es ist also die schwierige Frage zu beantworten, wie diese Eigenthümlichkeit bei den doch auch wahrscheinlich von sessilen Stammformen abzu- leitenden Korallen zu erklären ist. Man könnte freilich annehmen, dass die Vorfahren der Ko- rallen die kriechende Lebensweise besassen, dass diese Vorfahren infolgedessen durch Anpassung die Zeugitenform erlangt hatten, und wenn man demgemäss die postgastrularen Larvenformen, welche von Anfang an die Zeugitenform besitzen, als ontogenetische Re- kapitulation der centrepipedischen Stammform deuten wollte, so wäre dieses nach dem „biogenetischen Grundgesetz“ nicht eben ungerechtfertigt. Aber durch diese Anschauung würden die Ko- rallen weiter von den übrigen Zoophyten entfernt, als es sich durch ihre übrigen morphologischen Verhältnisse rechtfertigen lässt. Mir scheint es durchaus wahrscheinlich, dass sämmtliche Zoo- phyten, alle Spongien, Hydromedusen, Ctenophoren und Korallen, von einer gemeinsamen, zweiblättrigen, sessilen Stammform, dem HAEcKEr’schen Protascus, abzuleiten sind, der seinerseits wieder von der Gastraea abstammt. Es scheint mir auch weiterhin sehr wahrscheinlich, dass alle Nesselthiere oder Acalephen (Hydro- medusen, Ctenophoren, Korallen) eine gemeinschaftliche Stamm- form, die, von dem Protascus abzuleitende, Archydra, besitzen, und dass die gemeinschaftliche Stammform sämmtlicher Korallen, dass Protocorallium sich durch Entwickelung der Sarcosepten und des Schlundrohres aus der Archydra hervorgebildet hat, dass also sämmtliche Stammformen der Korallen — vom Protascus bis zum Protocorallium — der festsitzenden Lebensweise huldigten und dass demnach die Heterostauren-Form der Korallen-Personen nicht durch die Annahme einer kriechenden Stammform zu erklären ist. Wenn also diese Annahme, wonach die Stammform der Ko- Zur Blastologie der Korallen. 307 rallen eine kriechende Lebensweise und infolgedessen die Zeugiten- Form besass, die sich etwa dann durch späteres Sessilwerden der regulär-pyramidalen Grundform näherte, wenn wir diese Annahme von der Hand weisen müssen, so ist die Zeugiten-Form der Korallen- Personen auf eine andere Ursache zurückzuführen, und diese Ur- sache ist, wie mir scheint, unschwer zu finden. Bekanntlich zeigen viele Phanerogamen-Blüthen (z. B. die der Labiaten) die gleiche amphipleure Grundform, wie viele Korallen-Personen; man kann an ihnen Rücken- und Bauch-, rechte und linke Seite unterscheiden. Nun ist bei diesen Phanerogamen- Blüthen die Rückenseite immer dem Stamme der Pflanze zuge- wendet, woraus unzweifelhaft hervorgeht, dass diese Stellung und die amphipleure Grundform der Blüthe in ursächlichem Zusammen- hang stehen. Vielleicht sind es Wachsthumsverhältnisse, aus wel- chen die amphipleure Grundform z. B. der Labiatenblüthen und ihre Stelluug am Stamme resultirt. Nun wenden auch bei den stockbildenden Korallen die anmıphi- thect, beziehungsweise halbamphithect, gebauten Personen ihre Rü- ckenseite immer dem Centrum des Stockes zu. Darauf hat zuerst MosELey bei Sarcophyton und Heliopora aufmerksam gemacht. „The polyps in Sarcophyton are so disposed that they have the dorsal intermesenterial spaces directed towards the centre of the pileus“ (l. c., S. 112), und die Personen von Helio- pora coerulea haben „their dorsal surfaces or the intermesenterial spaces devoided of retractor muscles (‚Dorsalfächer‘) always nearer to the summits of the colony than are the ‚Ventralfächer‘”, sie sind also, da der Cormus „a flat plate“ ist, „placed back to back“ (l. c., 8.108). Dieselbe Anordnung der Personen am Stock ist bei den meisten Arten von Madrepora sehr schön zu erkennen. Hieraus muss man ebenso, wie bei jenen Phanerogamen- Blüthen, schliessen, dass auch hier diese Stellung und die hetero- staure Grundform der Korallen-Personen in Causalnexus stehen, dass die Stockbildung die Ursache der Differenzirung von Rücken- und Bauchseite bei den den Stock zusammensetzenden Personen ist. Man könnte hier freilich, ohne jenen Causalnexus zu leugnen, einwenden, dass die solitären Vorfahren der stockbildenden Ko- rallen sehr wohl schon eine heterostaure Grundform besessen haben könnten, und dass jene Stellung der Personen am Stocke vielleicht daraus resultire, dass die Personen nur an bestimmten Körper- Regionen neue Knospen treiben, wofür der Grund eben in ihrer heterostauren Grundform zu suchen sei. Man könnte hinzufügen, 20* 308 Dr. W. Haacke, dass für jene Phanerogamen-Blüthen die Verhältnisse ganz anders lägen als für die Personen der stockbildenden Korallen, dass dort der Stock vor der Blüthe, hier umgekehrt eine Person, ein Kelch des „Blumenthieres“, vor dem Stock existire, und dass mit einer Erklärung, welche die Heterostauren-Form der Personen stock- bildender Korallen als Folge der Stockbildung ansieht, nichts für die vielen solitären Arten mit heterostaurer Grundform, wie es z. B. Cereanthus eine ist, gewonnen sein würde. So gewichtig dieser Einwurf auch auf den ersten Blick zu sein scheint, so unschwer ist er zu beseitigen. Freilich müssen wir dabei eine Hypothese zu Hülfe nehmen; aber ohne Hypothesen können wir auch vor der Hand keine wahrhaft wissenschaftliche Morphologie der Organismen treiben. Auch für die solitären Ko- rallen-Arten mit heterostaurer Grundform müssen wir die Ursache der letzteren in der Stockbildung suchen, so zwar, dass wir stock- bildende Vorfahren für dergleichen solitäre Arten annehmen. Sind doch auch die höheren Medusen, welche keinen Generationswechsel mehr besitzen, ursprünglich aus stockbildenden Hydroiden un- zweifelhaft hervorgegangen! Die frühesten Vorfahren der Korallen sind allerdings sicher solitäre Arten gewesen; dieselben werden aber auch eine actinote (regulär-pyramidale) Grundform besessen haben. Möglicherweise existiren noch direkte solitäre Nachkommen derselben, welche bis heute die actinote Pyramiden-Form bewahrt haben. Will man für die gegenwärtig bekannten solitären Korallen- Arten mit heterostaurer Pyramiden-Form gleichfalls eine ununter- brochene Reihe solitärer Vorfahren annehmen, so bleibt jene Grund- form unerklärt; wo aber in der That eine Erklärung, wenn auch mit Zuhülfenahme einer Hypothese, möglich ist, ist man nach all- gemeinen wissenschaftlichen Prinzipien gezwungen, sie anzunehmen, es sei denn, dass man eine plausibelere hätte. Ich bezweifle aber, dass eine solche gefunden wird. Aus der Ableitung sämmtlicher Korallen- Arten mit hetero- staurer Personen-Form von stockbildenden Arten, aus der Erklä- rung jener Form durch die Stockbildung, fällt auch ein helles Licht auf die Ontogenie der Korallen. Auch hier ist wieder die Stockbildung als die Ursache jener cenogenetischen Ab- änderung der palingenetischen Keimungsform aufzufassen, jener „Fälschung“ des ursprünglichen Entwicklungsganges, welche darin besteht, dass die Sarcosepten paarweise und nicht von Anfang an in grösserer, der Zahl der Parameren entsprechender, Anzahl auf- Zur Blastologie der Korallen. 309 treten. Wer sich durch diese Erklärung nicht befriedigt fühlen sollte, mag eine andere suchen; ich bezweifle es aber auch hier wieder, dass Jemand eine andere Erklärung vorzubringen vermag. Unsere Erklärung wird uns auch bei der Besprechung der Zahlen- Verhältnisse der Grundformen der Korallen-Personen gute Dienste leisten. Dass die Stellung am Stock von grossem Einfluss auf die Grundformen der Personen ist, dafür will ich noch ein sehr lehr- reiches Beispiel anführen. Es ist schon erwähnt, dass bei den meisten oder doch sehr vielen Arten von Madrepora, die Personen durch zwei auffallend entwickelte gegenständige Sclerosepten, welche in der (dorso-ventralen) Medianebene liegen, ausgezeichnet sind; es ist ferner erwähnt, dass die amphitheet- (oder amphipleur- [?]) gebauten Personen dieser stockbildenden Korallen-Gattung so zu sagen mit dem Rücken gegen die Axe des Stockes oder eines seiner Zweige gelehnt sind. Nun besitzen aber in der That wirk- lich nur diejenigen Personen eine ausgesprochene amphipleure oder amphithecte Grundform, welche seitlich an den Zweigen des Stockes angeordnet sind. Dagegen trägt jeder Zweig an der Spitze eine Person, welche fast actinot gebaut ist. Bei dieser Person sind die sechs Sclerosepten des ersten Cyclus fast gleich entwickelt, wenn auch zwei gegenständige meistens etwas grösser bleiben; bei den seitlich an den Zweigen sitzenden Personen, sind die beiden grossen Sclerosepten dagegen oft die einzigen, welche überhaupt vorhanden sind. Auch zeigt bei diesen Personen schon das Sclerenchym der Körperwand eine amphipleure Grundform, während es bei der an der Spitze eines Zweiges befindlichen Person eine cylindrische Form besitzt. — Aus diesem Beispiel geht die hohe Bedeutung der Stock- bildung für die Grundformen der Personen zur Evidenz hervor, denn es zeigt uns, dass nur diejenigen Personen eine Modifikation ihrer Grundform erfahren, denen, vermöge ihrer seitlichen Stellung am Stocke, die Stockbildung — um mich so auszudrücken — nicht gleichgültig sein kann. Auf die Grundform der an der Spitze eines Zweiges befindlichen Person kann die Stockbildung dagegen ebenso wenig von Einfluss sein, wie der Körper, dem eine solitäre etwa amphithecte Korallen-Person aufsitzt, im Stande ist, diese in eine halb-amphithecte zu verwandeln. Die Stockbildung ist, wie sich bei Madrepora deutlich er- kennen lässt, die einzige Ursache, weshalb die Personen der meisten Korallen nicht actinot (regulär-pyramidal), sondern amphithect oder . amphipleur gebaut sind, und aus diesem Grunde müssen wir auch 510 Dr. W. Haacke, für solitäre Arten mit amphitheeter oder amphipleurer Grundform die Ursache eben dieser Grundform in Stockbildung suchen, in Stockbildung, welche sich bei den Vorfahren solcher jetzt solitärer Arten fand, die bei diesen amphipleure oder amphithecte Personen- Formen erzeugte, welche letztere dann auf die wieder solitär wer- denden Nachkommen vererbt wurden. IX. Die Besprechung der homotypischen Grund-Zahlen des Korallen-Personen-Körpers ist der letzte von uns zu erledigende Punkt. HaEcKEL theilt die Korallen-Klasse bekanntlich in die drei Legionen, der Tetra-, Octo- und Hexakorallen. Die Aufstellung einer Legion der Octokorallen bedarf keiner weiteren Rechtfertigung, denn alle „Octokorallen“ besitzen nie mehr, nie weniger, als acht Tentakeln, acht Sarcosepten u. s. w.; sie bilden auch sonst eine durchaus natürliche Gruppe im Systeme der Korallen. Das Gleiche gilt aber nicht für die „Hexakorallen“. Die Personen der Mehrzahl der hierher gehörigen Formen besitzen allerdings in ausgesprochenster Weise einen hexameralen Bau. Aber schon unter den Actinien, von denen viele die homotypische Sechs-Zahl so auffallend zur Erscheinung bringen, giebt es andere Formen, bei denen dieses keineswegs der Fall ist. So besitzt nach GossE (l. c.) Phellia gausapata 16 Tentakeln, 8 grössere und 8 kleinere. P. pieta besitzt 32 = 8 + 8 + 16 Tentakeln, während P. Brodrieii allerdings 6 =6-+6-+12-+ 24-48 Tentakeln besitzt. Ebenso besitzt Sagartia coceinea 64—=16 + 16 + 32 Tentakeln und S. sphyrodeta hat deren circa 48 =8+8+16+16; aber andererseits ist bei der Mehrzahl der Arten von Sagartia die Tentakel-Anzahl ein Multiplum von sechs. Ferner besitzt Tealia crassicorms SO —=5 +5 + 10 + 20 + 40 Tentakeln. Für der- gleichen Arten kann man unmöglich die homotypische Grundzahl gleich sechs setzen. Diese Grundzahl kommt nach KLUNZINGER (No.41) auch den Personen der meisten Zoantharien (Palythoa etc.) nicht zu, und KLUNzINGER meint, dass der Harcker'sche Name „Hexacoralla“ „rein theoretisch und nicht in der Natur begründet“ ist (l. c., S. 59, Anmerkung). Antipathes, welche nach KLUNZINGER „fast die einzige wirklich 6strahlige Koralle“ ist, hat nun gar, wie G. v. Koch nachgewiesen hat, neben ihren sechs Tentakeln zehn Sarcosepten. Zur Blastologie der Korallen. all Diese Beispiele, die sich noch leicht vermehren liessen, lassen scheinbar die HArckEer’sche Bezeichnung „Hexakorallen“ als durch- aus unbegründet erscheinen; aber auch nur scheinbar. Denn in den verschiedensten Korallen-Familien kehrt die homotypische Grund-Zahl sechs mit solcher Konstanz wieder, dass wir sie noth- wendig als das Erbtheil einer für alle diese Korallen-Familien ge- meinschaftlichen Stammform betrachten müssen. Die Ausnahmen sind eben nur Ausnahmen und sind erst secundär entstanden. Wir werden dieses nachzuweisen versuchen. Ich betrachte als die Stammform sämmtlicher Korallen eine regulär-pyramidale, d.h. actinote, solitäre Form mit vier Parameren, welche ihrerseits aus einer der Hydra nahestehenden Hydroidenform abzuleiten wäre. Aus dieser solitären Stammform gingen wahrscheinlich schon sehr frühzeitig stockbildende Formen hervor, und die Stock- bildung war die Ursache, dass die Personen dieser Arten die acti- note Grundform verloren und die amphithecte, in manchen Fällen sogar die centrepipedische, annahmen. Diese Abänderung der Grundform bei den entwickelten Personen übertrug sich auch auf die Ontogenie, so zwar, dass die zuerst entstehenden Sarcosepten nicht mehr in der Zahl der Parameren (4), sondern immer nur paarweise zum Vorschein kommen. Ein Zweig der Descendenten dieser vierzähligen stockbildenden Korallen mit abgeänderter Personen-Form und cenogenetisirter Keimesgeschichte behielt auch fernerhin den tetrameralen Bau der Personen bei; es ist dies der Zweig der Tetrakorallen. Bei der Stammform eines anderen Zweiges, des Zweiges der Octokorallen nämlich, wurde die Parameren-Zahl verdoppelt, die Stammform dieses Zweiges besass acht Tentakeln, acht Sarcosepten u. Ss. w. und vererbte diese einfache Achtzahl auf sämmtliche Descendenten. Die gleiche Anordnung der Septenmuskeln u. s. w., welche die meisten Octokorallen- Personen heute zeigen, ist möglicherweise schon von der Stammform oder deren Vorfahren erworben worden. Daneben bleibt aber auch die Möglichkeit bestehen, dass die Stamm- form der Octokorallen actinot gebaut war. Wenn dieses der Fall ist, so wird die Verdoppelung der Parameren ihrer vierzähligen Vorfahren durch Entwickelung je eines neuen Sarcoseptums in den vier Intersarcoseptalräumen der tetractinoten Vorfahrenform erfolgt sein. Auf diese Weise lässt sich wenigstens die Entstehung von acht Parameren aus vieren am leichtesten begreifen. Wenn dagegen die Stammform der Octokorallen schon amphipleur gebaut war, wird sie ihre acht Parameren durch wiederholte Einschiebung von 312 Dr. W. Haacke, je zwei Sarcosepten zwischen die vier der vierzähligen Vorfahren- form erhalten haben. Der Grund dieses letzteren Entwickelungs- modus würde dann in Stockbildung zu suchen sein, während die simultane Entstehung von vier neuen Parameren sich auch bei solitären Formen begreifen lässt. Eine bessere Kenntniss der Onto- genie der Octokorallen wird uns vielleicht bestimmen, uns endgültig für die eine oder andere phylogenetische Hypothese zu entscheiden. Die Stammform der Hexakorallen ging durch Einschiebung zweier neuer Parameren, die ihren Grund nur in der durch Stock- bildung abgeänderten Ontogenie der Tetrakorallen-Vorfahren haben konnte, aus einer vierzähligen Form hervor. Sie behielt das paar- weise ontogenetische Erscheinen der Sarcosepten bei und vererbte dasselbe auf ihre Descendenten. Die Entstehung von sechs Para- meren aus vieren, also eine Einschiebung von zwei neuen Para- meren zwischen vier schon vorhandene, lässt sich nur bei durch Stockbildung schon heterostaur gewordenen vierzähligen Formen begreifen, während, wie wir gesehen haben, achtzählige Formen sich auch aus homostauren vierzähligen ableiten lassen. Die Ur- sache der Entstehung von Hexakorallen ist also gleichfalls in Stock- bildung zu suchen. Ich vermuthe, dass die Entstehung sechs- zähliger Medusen auf ähnliche Weise zu erklären sein wird. Das in Stockbildung bei den Vorfahren der Hexakorallen seinen Grund habende succedane ontogenetische Auftreten von je zwei Sarcosepten wurde nun auch die Ursache der Entstehung von For- men, deren Grundzahl fünf oder eine andere ist, aus sechszähligen. Dadurch nämlich, dass die bei der Mehrzahl der Hexakorallen nach der Bildung der ersten zwölf Sarcosepten stattfindende onto- genetische Regularisation der Parameren schon vor oder erst nach dem Erscheinen von zwölf Sarcosepten in Wirksamkeit trat, und durch das Konstantwerden dieser Larven-Entwickelung, wurde für die angeführten Ausnahmen eine andere Grundzahl (fünf, acht) bedingt. Die letzte Ursache hierfür ist also wieder die Stockbildung. Dass die Zahlenverhältnisse bei den Korallen in irgend einem Zusammenhange mit ihrem Organismus stehen müssen, hat schon EHRENBERG geahnt, als er im Jahre 1834 schrieb: . „In welchem nothwendigen Zusammenhange die Viertheilung bei den Ascidien, die Fünftheilung bei den Echinodermen und die Sechstheilung und Achttheilung bei den Korallenthieren mit ihrem Organismus stehen, noch umständlicher zu entwickeln, wird die Freude eines künftigen Naturforschers sein.“ Was Antipathes, die ich zu den Hexakorallen stelle, anbetrifft, Zur Blastologie der Korallen. 313 so muss sie als eine stark rückgebildete Form angesehen werden. Dieser Ansicht huldigt auch G. v. KocH in seinem Aufsatze „Zur Phylogenie der Antipatharien“ (No. 38). Die Personen von Anti- pathes bringen es überhaupt nicht mehr zu einer Regularisation der Parameren, sie bleiben auf demjenigen Stadium stehen, dass bei den übrigen Hexakorallen etwa durch die Larvenform mit zehn Sarcosepten repräsentirt wird. Für Cereanthus und die mit ihm vielleicht verwandten Gat- tungen, welche GossE mit Cereanthus in der Familie der Ilyan- thidae vereinigt, wird man vielleicht eine vierte Legion, die der Heterokoralien, wie sie heissen mag, bilden können. Cerean- thus und seine Verwandten zeigen soviel Eigenthümlichkeiten, dass sie nicht wohl, wie es gegenwärtig meistens geschieht, den Hexa- korallen zugewiesen werden können. Aber auch zu den Tetra- korallen, wie man früher mit HAımz wollte, darf Cereanthus nicht gestellt werden; die Tetrakorallen besassen, gleich den Hexakoral- len, wie ich oben wahrscheinlich zu machen gesucht habe, zu Paaren angeordnete Sarcosepten, das ist aber bei Cereanthus nicht der Fall. Noch weniger kommen hier natürlich die Octokorallen in Frage. Auch AutmAan will nach Moserey die mit Cereanthus verwandte Zdwardsia zwischen die Alcyonarien und Zoantharien gestellt wissen. . Die hier von mir vorgetragene phylogenetische Hypothese ist eine weitere Ausführung der bekannten HAEcKkEr’schen. Dass vierzählige Korallen als Stammformen aller übrigen in Anspruch genommen werden, hat schon a priori Vieles für sich. A posteriori wird diese Annahme durch die Paläontologie gerechtfertigt. Man kann für dieselbe vielleicht noch anführen, dass die Hauptperson bei den Pennatuliden-Stöcken, der Kiel, einen tetrameralen Bau besitzt. Wir sind am Schlusse unserer Studie „Zur Blastologie der Korallen“. Ein Hauptzweck dieser Arbeit bestand in dem Nach- weis, dass die Personen der Korallen weder „regulär-radiär“, noch „bilateral-symmetrisch“ gebaut sind, dass diese nichtssagen- den Ausdrücke schon zuviel Confusion in unserer Wissenschaft an- gerichtet haben, als dass sie noch länger geduldet werden dürften, dass dagegen die HArEckeEr’sche Tectologie und Promorphologie allein zum Ziele führt; dieser Nachweis ist uns, glaube ich, gelungen. Wir haben ferner die heterostauren Grundformen der Korallen-Personen, die Ontogenie der letzteren, die Entstehung 314 Dr. W. Haacke, von sechszähligen aus vierzähligen und Abweichungen in den Zah- len-Verhältnissen einiger Formen von der Norm zu erklären ver- sucht und sind so glücklich gewesen, diese vier Erscheinungs- reihen Alle auf eine einzige Ursache, auf die Stockbildung, in befriedigender Weise zurückführen zu können. Im Uebrigen ist der Zweck dieser Arbeit erreicht, wenn durch sie einige Fachgenossen sich angeregt fühlen sollten, die gegenwärtig etwas vernachlässigte Naturgeschichte der Korallen mit neuzuentdeckenden Thatsachen zu bereichern und vor Allem auch hier die Thatsachen auf ihre Ursachen zurückzu- führen, sie zu verstehen zu suchen! Nachschrift. Einige Folgerungen, die sich aus den Resul- taten dieser Studie noch für das System und den Stamm- baum der Korallen-Klasse ergeben, habe ich im „Zoologischen Anzeiger“ (II, Jahrg., No. 28) mitgetheilt. Zur Blastologie der Korallen. ' 315 Verzeichniss der ceitirten Literatur. 1. L. Acassız, Brief an A. v. Humboldt, mitgetheilt von Duver- noy, Comptes rendus XXV, 1847, S. 677 ff. 2. Dana, United States Exploring Expedition. Atlas. Zoophytes. Philadelphia, 1849. 3. Derselbe, Corals and Coral Islands. London, 1872. 4. Mine Eowarps et JurLes HarmE, Recherches sur les polypiers. Vieme memoire. Monographie des Oculinides (Ann. sc. nat., ILT'®"® ser., t. 13. 1850). 5. Horsarn, Monographie anatomique du genre Actinia de Linne, eonsidereE comme type du groupe general des Polypes zoanthai- res. (D’apres les Act. senilis et equina). (Ann. sc. nat., IIIwe ser., t. 15. 1851). 6. Hammer, Memoire sur le Cerianthe. (Cerianthus membrana- ceus). (Ann. sc. nat., IVi@me ser., t. I. 1854). 7. Mine Eowaros, Histoire naturelle des Coralliaires. 3 Bde. nebst Atlas. Paris, 1857 ff. 8. DwcHassaıns et MicHkLorrı, Memoire sur les Coralliaires des Antilles. Torino, 1860 (?). 9. Gosse, Actinologia Britannica. A history of the British Sea- Anemones and Corals. London 1860. 10. R. Lupwıs, Zur Palaeontologie des Ural’s. Actinozoen und Bryozoen aus dem Carbon-Kalkstein im Gouvernement Perm. (H. v. Meyer's „Palaeontographica“. Bd. 10. Cassel, 1861—1863, S. 179 ff.). 11. Derselbe, Korallen aus paläolithischen Formationen. (Ibid., Bd. 14. Cassel, 1865—1866, 8. 133 ff.). 12. Lacaze-Dururers, Historie naturelle du Corail. Paris, 1864. 13. Derselbe, Memoire sur les Antipathaires (Genre Gerardia, I) (Arn.iser nat, Vene ser, t. IL 1864). 14. Derselbe, Deuxitme memoire sur les Antipathaires (Anti- pathes vrais). (Ibid., t. IV. 1865). 15. Derselbe, Developpement des Coralliaires.. Premiere me- 316 Dr. W. Haacke, moire: Actiniaires sans Polypiers. (Archives de Zoologie experimen- tale et generale. Tome I. 1872). 16. Derselbe, Developpement des Coralliaires. Deuxieme me&- moire. Actiniaires a polypiers. (Ibid., t. II, 1873). 17. Hazcker, Generelle Morphologie. 2 Bde. Berlin, 1866. 18. Derselbe, Ueber die Crambessiden, eine neue Medusenfamilie aus der Rhizostomeengruppe. (Zeitschr. f. wissensch. Zool., Bd. XIX, 1869, 8. 509 f.). 19. Derselbe, Die Kalkschwämme, Bd. I. Berlin, 1872. 20. Derselbe, Arabische Korallen. Berlin, 1876. 21. Derselbe, Studien zur Gasträa-Theorie. : Jena, 1877. 22. Derselbe, Ueber die Individualität des Thierkörpers. (Jen. Zeitschr., Bd. XII, 1878). 23. SEMPER, Ueber einige tropische Larvenformen. (Zeitschr. f. wissensch. Zool., Bd. XVII, 1867). 24. PercEevaL Wricut, Notes on the Animal of the Organpipe Coral (Tubipora musica). (Ann. mag. nat. hist., vol. III, 4'* ser. 1869). 25. Körzıker, Anatomisch-systematische Beschreibung der Aleyo- narien. Erste Abtheilung: Die Pennatuliden. Frankfurt a. M., 1872. 26. Derselbe, Die Pennatulide Umbellula und zwei neue Typen der Aleyonarien. Festschrift zur Feier das fünfundzwanzigjährigen Bestehens der Physikalisch-Medieinischen Gesellschaft in Würzburg. Würzburg, 1874. 27. PovcHer et My&vee, Contribution ä l’anatomie des Aleyonaires. (Journ. de l’anat. et de la physiol. de M. Ch. Robin. No. de mai 1870). 28. Kunrte, Beiträge zur Kenntniss fossiler Korallen. 2. Das Wachsthumsgesetz der Zoantharia rugosa und über Calceola sandalina (Zeitschr. d. deutsch. geol. Gesellsch., Jahrg. 1869, 8. 647 ff.). 29. Illustrated Catalogue of the Museum of Comparative Anatomy at Harvard College, Cambridge, Mass.: No. IV, Deep-sea Corals. 1871. 30. ScHNEIDER und RöTTERENn, Ueber den Bau der Actinien und Korallen. (Sitzungsber. d. oberhessischen Gesellsch. f. Natur- und Heilkunde. Giessen, März 1871.). 31. Kowauzvsky, Untersuchungen über die Entwickelung der Coe- lenteraten. Mit 8 Taf. Nachrichten der Kaiserl. Gesellsch. d. Freunde d. Naturerkenntniss, d. Anthropologie und Ethnographie. Moskau, 1873. (Russisch). (Referat von Hoyer in: Hofmann und Schwalbe, Jahresber. üb. d. Fortschr. d. Anat. u. Physiol., II. Bd., Literatur 1873. Leipzig, 1875). Zur Blastologie der Korallen. 517 32. A. Acassız, Sur le developpement des Tentacules des Arach- nactis et des Edwardsies. (Arch. zool. exp., t. IL, 1873, p. 38—40). 33. Linpaur, Om Pennatulidslägtet Umbellula. Cuv. Stockholm, 1874. 34. G. v. Koch, Anatomie der Orgelkoralle (Tubipora Hempri- chii). Jena, 1874. 35. Derselbe, Mittheilungen über Coelenteraten. Anatomie von Stylophora digitata Pallas. (Jen. Zeitschr., Bd. XI, 1877). 36. Derselbe, Anatomie von Isis neapolitana. (Morph. Jahrb,, 4: ‚Bd.,.,1878,.8..,112 f.), 37. Derselbe, Mittheilungen über Gorgonia verrucosa Pall. (Ibid., S. 269 ff.). 38. Derselbe, Zur Phylogenie der Antipatharien. (Ibid., Supple- ment, 8. 74 ff.). 39. MosELEY, On the structure and relations of certain corals. (Phil. Transact., vol. 166). 40. v. Hemer, Sagartia troglodytes Gosse, ein Beitrag zur Ana- tomie der Actinien. (Sitzungsb. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien. Bd. LXXV, 1. Abth., April-Heft, Jahrg. 1877). 41. KıunzingGEer, Die Korallenthiere des rothen Meeres. Erster Theil: Die Aleyonarien und Malacodermen. Berlin, 1877. 318 Dr. W. Haacke, Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV. Die schematischen Figuren auf Tafel XV. füge ich dem Texte der Abhandlung zur Bequemlichkeit derjenigen Leser hinzu, welche die Originalarbeiten, nach denen sie entworfen sind, nicht gleich zur Hand haben. Die Figuren stellen Grundrisse von Korallen-Per- sonen dar, deren Hauptaxe senkrecht zur Tafelfläche gedacht ist; Fig. III ist der Grundriss der Grundform einer Person, während sämmtliche übrige Figuren die Grundrisse der Personen selbst dar- stellen. Der grösseren Deutlichkeit wegen habe ich bei mehreren Figuren dem thatsächlichen Verhalten nicht allzu grosse Rechnung getragen, ohne aber dadurch zu falschen Vorstellungen Veranlassung geben zu wollen. — Die Projektion der Dorsoventralaxe der Personen fällt in sämmtlichen Figuren ihrer Lage nach mit der der längeren Tafelseite parallelen punktirten Linie D/” zusammen. — Die Projek- tion des Mundes, beziehungsweise Schlundrohres, der Personen ist überall (mit Ausnahme der Figg. III und VI) als eine die Mitte der Figur einnehmende Ellipse angegeben, deren grosse Axe der Lage nach mit der Projektion der Dorsoventralaxe (27) zusammen fällt. — Die Projektionen solcher Personen, deren Grundform eine halb- amphithecte Pyramide ist, die also eine Differenz zwischen dorsalem und ventralem Paramer erkennen lassen, sind so orientirt, dass die Projektion des als dorsal angenommenen Poles der Dorsoventralaxe auf der Tafel nach oben hin liegt. Fig. I. — Grundriss einer Pennatuliden-Person (nach KöLLIkEr). Dieselbe veranschaulicht die halb-amphithecte Pyramiden-Form des Octokorallenpersonen-Körpers. Das dorsale und ventrale Paramer ist eudipleur, die übrigen Parameren sind dysdipleur gebaut. Dem dor- salen Paramer fehlen die Geschlechtsprodukte (s), dafür hat es zwei längere, hier grösser als die übrigen gezeichnete, Gastralfilamente (g). Museuli rectractores polyporum. Musculi protractores polyporum. Gastralfilamente. Geschlechtsprodukte. mr mp or © N Ss Zur Blastologie der Korallen. 519 Die 8 Sarcosepten, welche die Muskeln und Gastralfilamente in der im Texte beschriebenen eigenthümlichen, die halb-amphithecte Grundform bedingenden, Anordnung tragen, sind nicht besonders be- zeichnet. Die Tentakeln sind weggelassen. Fig. II. — Grundriss einer amphithect-pryramidalen Hexakoral- len-Person mit 4 Tentakel-Cyclen, von denen die 3 ersten mit Sarco- septen-Paaren versehen sind. Die beiden Längsmuskelwülste je eines Sarcosepten-Paares sind einander zugewendet mit Ausnahme derjenigen beiden Sarcosepten-Paare, welche der Dorsoventralaxe und dem Längs- durchmesser des Mundes entsprechen: Hier sind die Längsmuskel- wülste von einander abgewendet, p = perradiale Tentakeln. ! — interradiale Tentakeln. a und «” — adradiale Tentakeln. Fig. III. — Grundriss der Grundform einer amphithect-pyra- midalen Hexakorallen-Person. — Die Projektionen der 6 Kreuzaxen sind punktirt, die der 3 perradialen (pp) anders als die der 3 interra- dialen (7). Die Projektion der Dorsoventralaxe (der Lage nach mit der Linie DV zusammenfallend) fällt der Lage nach mit der einer per- radialen, die der Lateralaxe (der Lage nach mit der Linie RZ, zu- sammenfallend) mit der einer interradialen Kreuzaxe zusammen. Die Projektion der Pyramiden-Spitze ist mit 0 bezeichnet. Jede der Pro- jektionen der 6 Parameren ist durch parallele Schrafürung hervorge- hoben, und zwar ist das dorsoventrale Parameren-Paar anders schraf- firt als das dorsolaterale und das ventrolaterale. pp = Projektionen der perradialen Kreuzaxen. i — Projektionen der interradialen Kreuzaxen. Onag — Grundriss des dorsalen Paramers. Okd! —= Grundriss des ventralen Paramers. Omfn i DE Grundrisse der dorsolateralen Parameren. gbh Olem ‚ Ohck | — Grundrisse der ventrolateralen Parameren. Fig. IV. — Grundriss von Cereanthus, dessen Grundform eine halb-amphithecte Pyramide ist. Die Sarcosepten nehmen von der Rücken- nach der Bauchseite zu an Grösse ab. Die beiden dorsalen Sarcosepten tragen sehr lange Gastralfilamente; die Gastralfilamente sind durch Punkte bezeichnet. Die Tentakeln sind weggelassen. Fig. V. — Grundriss einer amphithect-pyramidalen Person von Antipathes. 320 Dr. W. Haacke, Zur Blastologie der Korallen. g — Gastralfilamente. Ss = 2 grosse s' — 4 mittlere Sarcosepten. s” — 4 kleine Fig. VI. — Grundriss des Skelettes des vierzähligen Goniophyl- lum pyramidale. Diese Tetrakoralle besitzt die Grundform einer Del- toid-Pyramide, 4 etwas stärkere perradiale, viele schwächere adradiale Sclerosepten und 4 interradiale Septalgruben. Das dorsale Paramer ist grösser als die beiden lateralen, diese sind grösser als das ven- trale Paramer. Fig. VII—XII. — Succedanes ontogenetisches Erscheinen der Sarcosepten bei einer aus dem Eie sich entwickelnden Hexakorallen- Person. Die 12 ersten Sarcosepten entstehen paarweise; die 6 Paare sind, ihrem Alter entsprechend, mit 1,1 bis 6,6 bezeichnet. Die to- pographische Reihenfolge des Erscheinens ergiebt sich aus den Figu- ren selbst. (Vergl. auch den bezügl. Text der Abhandlung). Fig. XIII. — Grundriss einer jungen Hexakorallen-Person mit 12 Sarcosepten und 12 Tentakeln, bei welcher die Regularisation der Parameren eben erfolgt ist. Ueber die Bedeutung der Ablenkung des Arterienstammes bei der Astabgabe. Von Dr. W, Roux, Assistent am hygienischen Institut zu Leipzig. Im vorigen Jahrgang dieser Zeitschrift habe ich Beobachtun- gen mitgetheilt, deren wesentlichster Inhalt sich in folgende 3 Re- geln zusammenfassen lässt: 1) Die Axe des Ursprungstheiles jedes Arterienastes liegt in einer Ebene, welche durch die Axe des Stammgefässes und den Mittelpunkt der Ursprungsfläche des Astes bestimmt ist. Diese Verzweigungsebene zar £2$oyjv» wurde Stammaxen-Radial- ebene genannt (l. c. p. 211). 2) Bei Abgabe eines Astes, dessen Durchmesser mehr als ?/, des Durchmessers des Stammes beträgt, erfährt der Stamm eine Ablenkung innerhalb der Stammaxen-Radialebene nach der dem Aste entgegen- gesetzten Seite. Diese Ablenkung wächst mit der re- lativen Stärke des Astes und mit der Grösse des Ast- ursprungswinkels (p. 212— 251). 3) Die Gestalt des Astursprungs zeigt in vielen Fällen und zwar, wie ich hier hinzufügen will, besonders deutlich an den im Verhältniss zum Stamme sehr schwachen Aesten, alle die cha- rakteristischen Merkmale eines frei aus der seitlichen runden Oefl- nung eines von Wasser durchflossenen Cylinders ausspringenden Strahles, und diese Gestalt ändert sich mit den gleichen Umstän- den und in der gleichen Weise wie die Gestalt des frei aussprin- genden Strahles (p. 258). Bd. XIII. N. F. VI, 2. 21 22 Dr. W. Roux, Eine analytische Betrachtung der hydraulischen Kräfte in ver- zweigten Röhren strömender Flüssigkeit liess in denselben eine mechanische Tendenz zur Umgestaltung der Wandung zu be- stimmten Formen erkennen (p. 244—257) und ich gelangte zu dem Schlusse, dass die Gestalt der Gefässursprünge noch mehr als mit dem frei ausspringenden Strahle übereinstimmt mit der Ge- stalt der Verzweigungen von Röhren, welche aus einem für den Seitendruck vollkommen widerstandsfähigen für den Wasserstoss aber bildsamen Materiale bestehend, längere Zeit von Flüssigkeit durchströmt worden sind (p. 258). Da diese Uebereinstimmung sich auf sehr eigenthümliche, feine und mit verschiedenen Umständen wechselnde Charaktere bezieht, so stand ich nicht an, sie für nicht zufällig durch an- dere gänzlich unbekannte Ursachen bedingt, sondern als Anpas- sungserscheinung der Gefässwandung an die vorhandenen und da- her auch wirkenden hydraulischen Kräfte aufzufassen (p. 259), zu- mal da durch diese Uebereinstimmung der Astursprünge mit den durch hydrodynamische Selbstgestaltung gebildeten Formen der Ast oft eine Richtung erhält, aus welcher er nur durch Vorwärts- oder Rückwärtsumbiegung an den Ort seiner Verbreitung gelan- gen kann (p. 232 und 261). Nachdem somit eine hohe Bildsamkeit der Gefässwandung für die hydraulischen Kräfte erwiesen war, wurde auch das in Regel 1 angegebene Verhalten, dass der Ast stets in der Stammaxen-Ra- dialebene entspringt, als eine durch hydraulische Kräfte bewirkte Gestaltung angesehen, da auch hier wieder, wenn auch seltner, durch diese Gestaltung der Ast in seinem Ursprung eine Richtung bekommt, welche ihn nicht an den Ort seiner Verästelung führen würde. Damit waren die in Regel 1 und 3 bezeichneten Vor- kommnisse zunächst erklärt. Dagegen wurde von einer Erklärung der oben in Regel 2 zu- sammengefassten Erscheinungen Abstand genommen, da die zu die- sem Zwecke angestellten Experimente noch zu keinem ganz siche- ren Schlusse geführt hatten, und ich die Hoffnung hegte, meine morphologischen Untersuchungen fortsetzen zu können. Nachdem sich aber diese Hoffnung als ungerechtfertigt erwiesen hat, theile ich hier nachträglich meine Ansicht über diese Erscheinungen mit, wie sie auf Grund der damals angestellten Experimente sich gebildet hat. Bei der Abgabe relativ starker unter Regel 2 fallender Aeste, Die Bedeutung d. Ablenkung d. Arterienstammes bei d. Astabgabe. 323 mit deren Ursprung also eine Ablenkung des Stammes verbunden ist, sind die hydrodynamischen Verhältnisse wesentlich andere, als bei den schwachen Aesten. Es ist bekannt, dass in den ab- solut schwächeren Arterien ein viel geringerer Druck herrscht als in den stärkeren, und dem entsprechend ist im Allgemeinen auch die Wandung der ersteren schwächer als die der letzteren !). Dies bezogen auf Aeste eines Stammes, ergiebt sich aus der geringe- ren Spannung in den schwachen Aesten ein grösserer hydrodyna- misch-freiwilliger Astursprungswinkel, als für stärkere Aeste, für welche er mit der Zunahme des Querschnittes immer kleiner wird, bis er schliesslich bei Theilung des Stammes in zwei gleich starke Aeste, falls auch der Druck in ihnen gleich stark ist, geradezu Null wird. Denn der hydrodynamische Ursprungswinkel ist die Resultante aus der Stromgeschwindigkeit in der Richtung des Ge- fässes und der senkrecht dazu wirkenden Differenz des Seiten- druckes der Flüssigkeit im Stamm und der Spannung der Flüs- sigkeit im Aste (p. 253— 255). Es muss daher beim Abgang relativ starker Aeste ein Anprall des Flüssigkeitsstromes, ein Flüssigkeitsstoss stattfinden, welcher als ein einseitig wirkender Druck die Tendenz einer Lo- comotion des Hindernisses hat; und zwar erstrebt er hier eine Verkleinerung des Verästelungswinkels bis zur Grösse des frei- willigen Astursprungswinkels. Liefe nun dabei der Stamm gera- deaus fort, so würde dieser Druck blos auf die Wand des Astes und beim Nachgeben derselben auf die ihm anliegende Seite des in den Verästelungswinkel eingeschlossenen Parenchyms sich über- tragen, also bestrebt sein den ganzen Astkeil so weit herumzu- drehen bis auf beiden Seiten der gleiche Anprall stattfindet. Da nun die ganze Blutmasse des Astes und des Stammes, welche in der Zeiteinheit durch beide Gefässe fliesst, mit ihrer lebendigen Kraft den Anprall bedingt, so wird sich einerseits das Verhält- niss des Querschnittes des Astes zu dem des Stammes in dem Grade der Drehung aussprechen, während andererseits auch die absolute Grösse des ganzen Verästelungswinkels, unserer Regel gemäss, die Grösse der Ablenkung des Stammes beeinflussen wird. Es fände somit hier dasselbe statt, wie wenn man einen aus zwei Brettchen gefertigten und in seiner Axe um eine Nadel leicht drehbaren Winkel in einen wagrecht fliessenden Wasserstrahl hält. 1) Ueber Ausnahmen und ihre Bedeutung s. K. Bardeleben, „Ueber den Bau der Arterienwand“ im Sitzungzber. d. med.-naturw. Ges. zu Jena 1878. 9 Ws 324 Dr. W. Roux, Auch hierbei dreht sich der Winkel, mag man die Axe desselben mehr dem Rande des Strahles oder mehr der Mitte desselben nä- hern, somit einen grösseren oder kleineren Theil desselben ablen- ken, immer so, dass sich die lebendige Kraft beider Theilstrahlen gleich stark auf beide Schenkel des Winkels überträgt. Die hier angewandte Vorstellung einer wirklichen Drehung der im Astwinkel gelegenen Theile und das entsprechende Bei- spiel können jedoch blos in Bezug auf die ursächlichen Kräfte und ihr schliessliches Resultat mit dem wirklichen Geschehen überein- stimmen, denn einmal legen auch die feinsten isolirbaren Blutge- fäss-Verzweigungen beim Durchfliessen von Flüssigkeit ihre Ver- zweigungen nicht zusammen, wenn der Strom das Lumen des Rohres vollkommen ausfüllt, weil eine Umbiegung nur unter Ver- engerung des Querschnittes möglich wäre, und zweitens findet an abweichend von der obigen Regel verzweigten Gefässen ebenso we- nig eine erkennbare Aenderung der Stellung der Fortsetzung des Stammes, eine Verdrehung des Verzweigungswinkels statt, wenn der Angriffspunkt des Rückstosses unterstützt ist, da auch eine solche Verdrehung nur unter Verengerung des Querschnittes dies- mal des Stammes geschehen könnte, und die betreffende Kraft selber viel zu schwach sowie der Mechanismus ihrer Wirkung viel zu ungünstig ist, um eine erkennbare Verkleinerung der Ausfluss- menge veranlassen zu können. Anders ist dies dagegen mit dem sogenannten Rückstoss, welcher in Folge des Ausfalles an hydrau- lischem Widerstand auf der Seite des Abflusses in den Ast ent- steht. Er macht sich bei solchen Experimenten mit freien elasti- schen Gefässen durch Zurückbiegen des Stammes in sehr stören- der Weise geltend und kann bei geeigneten Umständen geradezu zur Umknickung und so zu vollständiger Occlusion des Stammes führen. Da mit dem Eintreten der Letzteren ihre Ursache weg- fällt, löst sie sich sofort wieder, um aber sogleich wieder von Neuem erzeugt zu werden. Ueber die weitere Wirkung des Rück- stosses, besonders im Falle der Fixation der Gefässe im Paren- chym werde ich weiter unten ausführlicher handeln. Der wirkliche Vorgang bei der Druckausgleichung auf beiden Seiten des Astwinkels ist an die specifischen Eigen- schaften der lebenden Substanz gebunden und muss, in einer fort- währenden feinen Regulation bestehend, während der ganzen Ent- wickelung des Organes fortdauern. Dabei könnten die Verhältnisse entweder derartige sein, dass der Astwinkel durch das Wachsthum des specifischen Parenchyms Die Bedeutung d. Ablenkung d. Arterienstammes bei d. Astabgabe. 325 gegeben würde, wobei dann wohl dieses auch zunächst den Druck des Wasserstosses auszuhalten hätte und durch seine Widerstands- fähigkeit die Regulation des Druckes auf beiden Seiten des Ast- winkels besorgte, oder dass von vorn herein die Gefässe nach selbstständigen Gesetzen die Verzweigungswinkel anlegten und da- her auch, wie in späterer Zeit sicher, die Regulation des Druckes auf beiden Seiten des Astwinkels sich blos innerhalb der Gefäss- wand vollzöge, während das specifische Parenchym als wirkliches sragevyvua Sich blos in das so gegebene Gerüst einfügte. Es scheint richtiger, so lange nicht bestimmte Erfahrungen dagegen sprechen, anzunehmen, dass das speeifisch Fungirende auch die zur specifischen Funktion nöthige Gestaltung hervorbringe. Uebri- gens liegen hier gewiss, wie so häufig im Organischen, primäres und secundäres Geschehen, Ursache und Folge blos um Zeitdiffe- rentiale auseinander, so dass sich die Frage nicht entscheiden lässt, zumal man nach der Phylogenese annehmen muss, dass sich beide Processe gegenseitig bedingen: dass die Blutgefässe nicht ohne das Parenchym und letzteres erst recht nicht ohne die Blut- gefässe sich zu entwickeln vermag. Wenn man bedenkt, dass die betreffenden hydrodynamischen Kräfte von der ersten Herzcontraction an zu wirken begonnen und somit den ganzen Verlauf der Entwickelung aller höheren Organe stetig beeinflusst haben, so wird eine sehr vollkommene Anpas- sung an dieselben natürlich scheinen und man wird sich sogar nicht wundern, dass an manchen Stellen die Gefässe nach den hydrodynamischen Regeln nicht blos entspringen, sondern auch nach den so gewonnenen Richtungen verlaufen; diess bezieht sich ausser auf Verzweigungen nach Regel 2, wie ich an Herz und Leber öfter beobachtet habe, auch, und zwar für die grössern Drüsen als fast ausnahmsloses Gesetz, auf den Verlauf in’ der nach Regel 1 den Ursprung bestimmenden Stammaxen-Radialebene. Die Verzweigungswinkel selbst aber müssen durch specifische Kräfte bestimmt und gegen den Wasserstoss erhalten werden, da ohne diese Kräfte Aeste blos unter hydrodynamischem Winkel sich abzweigen könnten. Indessen ist die so bekundete Wider- standskraft der Gefässwand gegen den Wasserstoss auch keine vollkommene, denn die grösseren Gefässe zeigen in Stamm und Ast an den entsprechenden Stellen mehr oder weniger tiefe Aus- buchtungen, sodass der hintere Profilcontour erst viel weiter pe- ripher von der Verzweigung die definitive Astrichtung erlangt als 326 Dr. W. Roux, der ihm gegenüber liegende vordere, welcher sie sofort nach sei- ner starken Umbiegung am Ursprung des Astes einschlägt. Bei diesem Verhältniss ist noch eine Besonderheit zu erwäh- nen, darin bestehend, dass der keilförmige Vorsprung, welcher die eigentliche Stromtheilung ausführt und welchen ich daher mit dem Namen Trennungskeil!) bezeichnen will, in seinen bei- den vorderen, dem Wasserstoss am directesten ausgesetzten Flä- chen, dem Drucke nicht mit nachgegeben hat, sondern fast die definitive Richtung des Gefässverlaufs zu haben pflegt, wie ne- benstehende Figur zeigt. Ich glaube dies auffällige Verhalten damit erklären zu können, dass dieser Trennungskeil viel widerstandsfähiger ist, als die Wan- dung von Stamm und Ast neben ihm, da einmal die Wandung des Stammes für ihn als Stütze gegen den Flüssigkeitsstoss dient und er selbst ausserdem noch dadurch fester ist, dass er aus einer durch straffes Bindegewebe hergestellten Vereinigung der Wandung von Ast und Stamm besteht. So mag er befähigt sein, den aus einen früheren Entwickelungsstadium überkommenen Winkel bei- zubehalten, während an seinen Seiten die einfache Gefässwand von Stamm und Ast trotz ihres Mitwachsens dem wachsenden Flüssig- keitsstoss nicht ohne Nachgeben zu widerstehen vermag. Uebri- gens ist noch zu erwähnen, dass der Trennungskeil während des Lebens absolut etwas weniger weit gegen das Lumen vorspringen muss, als in dem in der Ruhe gefüllten Zustand, wie ihn das Uorrosionspräparat zeigt, da hier der Flüssigkeitsstoss fehlt. Aus !) Der Abdruck der vordersten scharfen Kante desselben am Cor- rosionspräparate bildet die in der ersten Arbeit, 1. c. p. 240 „Basal- linie“ benannte Furche an der Basis des Ursprungskegels des Astes. Die Bedeutung d. Ablenkung d. Arterienstammes bei d. Astabgabe. 327 demselben Grunde müssen dagegen die Ausbuchtungen neben ihm im Leben beträchtlicher sein. Was nun das Verhalten betrifft, dass bei der besprochenen Ablenkung des Stammes seine Axe nur innerhalb der Stammaxen- Radialebene verschoben wird, so erklärt sich dasselbe auf dieselbe Weise wie der Ursprung des Astes innerhalb dieser Ebene, da- durch, dass bei derartiger Gestaltung allein Gleichgewicht besteht, indem zur Stammaxen-Radialebene alle Kräfte symmetrisch liegen. Aber auch zu diesem Geschehen muss wieder die erwähnte An- passungsfähigkeit vorausgesetzt werden. Es wurde bisher die Ansicht, dass die gegebenen Regeln in den hydraulischen Kräften ihre Ursache hätten, auf den Nachweis gestützt, dass unter gewissen Voraussetzungen diese Kräfte genau die entsprechenden besonderen Gestaltungen hervorbringen wür- den und dabei also ein Schluss von der Gleichheit der Folgen auf die der Ursachen gemacht in der Weise, wie der Physiker z. B. aus der Identität des Speetrum von kosmischen Nebelflecken mit dem des Wasserstoffs auf die Zusammensetzung derselben aus letzterem schliesst, ohne diese Behauptung indessen weiter bewei- sen zu können. Es giebt aber im hier vorliegenden Falle noch einige Vorkommnisse, welche indirect für die aufgestellte Ansicht sprechen, indem sie die andere Möglichkeit, die einer rein mor- phologischen Gestaltungsursache, für bestimmte Fälle als sehr un- wahrscheinlich hinstellen. Die Fälle sind die folgenden: Es ist zunächst das, 1. c. p. 233 erwähnte Vorkommniss, dass Ast und Stamm sich nach der Ver- zweigung noch weiter auswärts biegen und dadurch erst ihre defi- nitive Verlaufsrichtung erlangen. Für schwache, in Bezug auf den Stamm nicht ablenkungsfähige Aeste hat allerdings Sch walbet) schon ein secundäres Entstehen im Laufe der Entwickelung durch „Wachsthumsverschiebung‘‘ nachgewiesen. Ist letzteres aber nicht nachweisbar, ist vielmehr, wie häufig in den grossen Drüsen, die- ser definitive Verzweigungswinkel von vorn herein gegeben und gar noch, wie in der Leber vorkommt, das Verhältniss ein der- artiges, dass Stamm und Ast schliesslich in demselben Winkel zur Richtung des Stammes vor seiner Theilung stehen, so ist der kleinere Anfangswinkel, an welchem dann die Betheiligung beider Gefässe in obigen Regeln entsprechender Weise zu erfolgen pflegt, wohl sicher als hydrodynamisch bedingt aufzufassen. !) Jenaische Zeitschr. f. Med. u. Naturw. 1878, p. 267 u. ff, 328 Dr. W. Roux, Der zweite Fall ist der an Kleinhirn, Herz und Gedärmen häufige, 1. c. pag. 224, dass der Stamm nach der Ablenkung bei der Astabgabe, sich gleich wieder im Bogen zu seiner ursprüng- lichen Richtung zurückbiegt und so entweder die Möglichkeit er- langt in derselben Furche der Oberfläche des Organes wie vor der Theilung weiter zu verlaufen oder wie ich hier hinzufüge der Kreu- zung mit einer in seiner Nachbarschaft in gleicher Hauptrichtung verlaufenden und sich natürlich hauptsächlich nach der entgegen- gesetzten Seite verzweigenden Arterie zu entgehen. Letzteres ist nicht selten in sich mehrmals nacheinander wiederholender Weise an einer Hauptgabelung der A. mening. med. und auch schon an den Gefässfurchen derselben in der Glastafel zu sehen. Ausser- dem auch auf der Vorderfläche des linken Ventrikels. Dies Ver- halten scheint mir noch mehr als das erstere, sowohl ein primäres morphologisches Bedingtsein, wie ein secundäres Entstehen durch spätere Wachsthums-Einflüsse anzuschliessen. Im Vorstehenden habe ich meine Auffassung der Bedeutung und Entstehung der Regeln, nach welchen die Arterienverzweigung an den im Leben nur geringen Gestaltänderungen ausgesetzten Stellen des Körpers erfolgt, in den Hauptzügen und so weit sie mir am sichersten schien, dargelegt. Aber wenn auch als hauptsächlichstes Moment der Ablenkung des Stammes bei der Astabgabe die Druck- ausgleichung des Flüssigkeitsstosses auf den beiden Schenkeln des Astwinkels angesehen werden muss, so dürfte doch noch ein zweites, in gleichem Sinne wirkendes Moment für die Vertheilung des ganzen Verästelungswinkels auf den Astwinkel und die Ablenkung des Stammes von Einfluss sein. Die Erkenntniss desselben gründet sich auf ein Experiment, wel- ches wohl den Meisten noch aus der Kindheit her in Erinnerung sein wird. Hält man nämlich eine scharfe Messerklinge in einen frei herabfallenden runden Wasserstrahl und lenkt damit einen Theil desselben seitlich ab, so geht der übrige unberührte Theil des Strahles nicht in seiner bisherigen Richtung fort, sondern erfährt gleichfalls eine Ablenkung, und zwar nach der entgegen- gesetzten Seite. Diese Ablenkung wächst, wie die durch Regel 2 charakterisirte, mit der Stärke des durch die Klinge abgelenkten Theiles und mit dem Winkel desselben, erreicht jedoch bald ein mit der Stromstärke wechselndes Maximum. Die Erscheinung kann als eine Wirkung des Rückstosses des durch die Klinge seitlich abgelenkten Theiles oder als Zerlegung des Wasserstrahles Die Bedeutung d. Ablenkung d. Arterienstammes bei d. Astabgabe. 329 in Componenten angesehen werden. Dass letztere überhaupt mög- lich ist, kann man aus der bekannten Fähigkeit zweier oder meh- rerer sich treffender Wasserstrahlen, sich zu einer Resultante zu vereinigen, rückwärts erschliessen. Es ist noch zu erwähnen, dass bei der Theilung eines Strahles durch eine Klinge eine Verbrei- terung beider Theilstrahlen in senkrecht zur Theilungsebene ste- hender Richtung stattfindet, welche gleichfalls mit dem Ablen- kungswinkel wächst. Man wird nun geneigt sein anzunehmen, dass, wenn schon der freie Strahl, welcher blos durch die Cohaesion zu einer dyna- mischen Einheit verbunden ist, sich in Componenten zerlegen lässt, der gepresste in einem Rohre fliessende Strahl, welcher wohl in Folge der Pressung eine noch vollkommenere dynamische Einheit darstellt, auch um so vollkommener in Kraftcomponenten zerlegt werden könnte, zumal bei ihm ein Ausweichen aus der Theilungs- ebene unter Verbreiterung nicht möglich ist, so dass also die Mittelpartie des Strahles in der Verzweigungsebene zu bleiben ge- zwungen ist und durch ihre eigene Ablenkung die der seitlichen Theile unterstützt. Ein Experiment mit winkelig geknickten Röh- ren, welche an der Convexität der Knickung, sowie oberhalb und unterhalb derselben kleine Löcher zum Ausspringen von Strahlen hatten, ergab jedoch nicht das erwartete Resultat, indem der an der Knickungsstelle hervortretende Strahl unter keinem grösseren Winkel zum Stamme stand als der nächst oberhalb hervorspringende Strahl. Ueber die Ursache dieser Erscheinung habe ich keine Auf- klärung erlangen können. Ein gleich negatives Resultat ergaben Versuche mit recht- winkeligen Verzweigungen in zwei gleich starke Aeste, von welchen der eine die Richtung des Stammes fortsetzt. Es wurden an diesen Rohren 15 Manometer an der Verästelungsstelle angebracht, um die Druckverhältnisse kennen zu lernen. Der Druck zeigte sich in ganz unerwarteter Weise vertheilt, und ich würde darüber ausführlicher berichten, wenn diese Beobachtungen nicht blos an zwei vom Klempner ziemlich roh gearbeiteten Rohren gemacht worden wären, sodass ich nicht sicher bin, ob die betreffenden Erscheinungen nicht blos durch zufällige Nebenumstände hervor- gerufen worden sind. An der Stelle des Angriffspunktes des Rückstosses zeigte sich keine Erhöhung des Druckes über den der nächsten Umgebung, was indessen nicht auffallen kann, da der Rückstoss eben nicht durch eine Erhöhung des Druckes, sondern blos durch den Mangel 330 Dr. W. Roux, des Gegendruckes gegen die andere Seite des Gefässes, an welcher der Ausfluss erfolgt, bedingt ist. Der Rückstoss ist daher gleich der Bewegungsgrösse der seitlich ausfliessenden Wassermenge. Sind die Verhältnisse wie bei den Blutgefässen der Art, dass die elastischen Röhren in ihrer Continuität befestigt sind, so kann in Folge der Unbeweglichkeit des Astes auch der Stamm nicht durch den Rückstoss rückwärts umgebogen werden, wie es oben, als an freien elastischen Röhren geschehend, beschrieben worden ist, son- dern der rückwärtsgehende Zug in der Flüssigkeit kann sich blos als eine Ablenkung des Flüssigkeitsstromes der Fortsetzung des Stammes nach der dem Aste gegenüberliegenden Seite geltend machen, bis die Bewegungsgrösse der Flüssigkeit in der Fort- setzung des Stammes multiplieirt mit dem Sinus des Ablenkungs- winkels gleich ist der Bewegungsgrösse der Flüssigkeit des Astes mal dem Sinus des Astwinkels, wonach keine Veranlassung mehr zu weiterer Ablenkung vorhanden ist, indem jetzt der Rückstoss aus dem Aste gleich dem aus dem Stamme ist, und da sie beide ent- gegengesetzte Richtung haben, sich einander aufheben. Der Eintritt dieses Gleichgewichtes beider Rückstösse lässt sich auch an freien elastischen Röhren sehr gut zeigen. Der Rückstoss würde somit ganz dieselben Relationen für die Betheiligung von Ast und Stamm am morphologisch gegebenen Astwinkel zur Folge haben, als der Wasserstoss, wenn letzterer nicht erst vom Ueber- schreiten des freiwilligen Astwinkels an begönne. Man muss daher den Rückstoss als eine Ursache, welche das Verhältniss des Winkels von Stamm und Ast beeinflusst im Auge behalten und neue Messungen der Gefäss-Verzweigungen, welche speciell auf die hydrodynamische Ursache Rücksicht nehmen, statt, wie ich gethan, um vorurtheilslos zu verfahren, blos die geometrische Mittellinie zu berücksichtigen, werden vielleicht den Antheil jeder der beiden Ursachen erkennen lassen, da sich die Winkelverhält- nisse, welche aus der Wirkung des Wasserstosses sich ergeben, be- rechnen lassen, sovald nur die Reibungscoefficienten für die Ab- lenkung des Strahles für Blutplasma in gleicher Weise bestimmt sein werden, wie es Jacobson!) für Wasser gethan hat. Wenn der Wasserstoss auf beiden Schenkeln des Verästelungswinkels der gleiche ist, dann ist mw Miyauı ı a sin P wenn v die Stromgeschwindigkeit im noch ungetheilten Stamm, 1) Müller’s Archiv, 1860. x Die Bedeutung d. Ablenkung d. Arterienstammes bei d. Astabgabe. 331 m die Blutmenge, welche in den Ast, M die, welche in die Fort- setzung des Stammes eintritt und « den Abgangswinkel des Astes, ß den der Fortsetzung des Stammes bezeichnet. Da die Massen m und M sich einmal verhalten wie die Quer- schnitte a des Astes, b der Fortsetzung des Stammes, dabei aber noch von dem für die verschiedenen Ablenkungswinkel verschiedenen Reibungscoefficienten y abhängen, so ändert sich die Formel um in: PL RRRT hasımaslile 5) y sun par Ka ß Um eine Vorstellung der grossen Bedeutung der Coeffieienten zu geben, führe ich hier die von Jacobson für Wasser bestimm- ten Zahlen an; 24508 45° 909 135° 150% y = 0,782| 0,719 | 0,625 | 0,573 | 0,564 Dieselben wurden in der Weise gewonnen, dass er ein gerades Rohr in zwei einander gleich weite Aeste sich theilen liess, von welchen immer der eine Ast die Richtung des Stammes fortsetzte, während der andere in dem mit « bezeichneten Winkel zu ihm stand. Die Verzweigungsebene wurde während des Versuches voll- kommen horizontal gestellt und die Ausflussmenge aus jedem Ast getrennt aufgefangen. Die Zahlen geben nun das Verhältniss an, in welchem die Ausflussmenge aus dem abgelenkten Rohr zu der aus dem in der Richtung des Stammes fortlaufenden steht, letz- tere als 1 angenommen, und man sieht daraus, wie erheblich der Einfluss des Winkels ist, indem bei 30° Ablenkung schon fast nur 3/, soviel ausgeflossen ist als ohne Ablenkung. Beim Blut wird dieser Einfluss ein noch viel grösserer sein, weil es, naclı Graham, einen 6 mal so grossen Reibungscoefficienten hat als Wasser !). 1) Ich will hier Veranlassung nehmen, einen, wie ich glaube, unberechtigten Schluss Jacobson’s zu moniren, welcher durch die Lehrbücher weitere Verbreitung gefunden hat; letzteres wohl in Folge des Umstandes, dass J. seinen Apparat in einer fast unverständlichen Weise beschrieben und so den Einblick sehr erschwert hat, die Ar- beit selber aber durch grosse Exactheit das Vertrauen des Lesers gewinnt. Da er nämlich in seinen erwähnten Versuchen die Summe der aus beiden Rohren ausgeflossenen Flüssigkeit trotz der Variation der Verzweigungswinkel constant fand, so sprach er das allgemeine Gesetz aus: „Die Summe der mittleren Ausfluss-Geschwindigkeit der beiden Partialströme ist unabhängig von dem Theilungswinkel.“ Er hat dieses höchst auffällige Verhalten aber blos für den einen Fall experimentell festgestellt, dass das Hauptrohr, welches sich ver- 332 Dr. W. Roux, Wenn man mit obiger Formel, nach Bestimmung der Coef- ficienten, die durch den Wasserstoss bedingten Winkelverhältnisse berechnet hat, kann man sie mit den durch Messung der Ver- zweigungen gefundenen am besten in die Reihen passenden Zahlen vergleichen und so den Grad der Uebereinstimmung constatiren. Für die Abweichungen ist zu berücksichtigen, dass der Rückstoss vielleicht die Winkel etwas alteriren kann und, dass dasselbe durch die ungleiche Blutspannung im Ast und in der Fortsetzung des Stammes bewirkt wird. Der letztere Umstand wird vielleicht die Einführung eines zweiten, mit der relativen Stärke des Astes wechselnden Coefficienten nöthig machen, dessen Grösse dann durch Parallelreihen gefunden werden kann. Es würde ferner nützlich sein, von den Corrosionspräparaten gut in die Reihen passender Verzweigungen grösserer Gefässe Abgüsse zu nehmen und an eingefügten Manometern beim Durch- fliessen die Druckverhältnisse zu beiden Seiten des Trennungs- keiles direct zu beobachten; um zu erkennen, ob der Druck in der That auf beiden Seiten der gleiche ist. Ausserdem empfiehlt es sich, zwischen zwei Glasplatten ver- zweigte Kanäle theils in obigen Regeln entsprechender, theils widersprechender Weise zu modelliren und beim Durchfliessen einer groben Suspension den Verlauf der Strömung an der Verzweigungs- stelle zu beobachten, zuzusehen wie der Wasserstoss erfolgt und ob bei den Regeln entsprechender Verästelung weniger Strudel- bildung stattfindet, als bei widersprechendem Verhalten. Auch kann ein Versuch mit den Regeln widersprechend ver- zweigten Gummirohren fruchtbar werden, wenn er Monate lang fort- gesetzt wird, da die Elastieität des Gummi keine vollkommene ist, dasselbe somit durch anhaltende Einwirkung eine dauernde Umge- staltung erfahren kann, welche sich äussern könnte durch eine leichte Drehung des Trennungskeiles, durch Ausbuchtungen an zweigt, nicht stärker ist als jedes der beiden Zweigrohre und dass ausserdem noch eines der Zweigrohre in der Richtung des Stammes weiter lief. Vielleicht wäre schon bei Variation nur des letzteren Umstandes die Abweichung durch Vergrösserung der Reibung in das Bereich des Bestimmbaren gefallen, sicher aber, wenn sein Hauptrohr stärker gewesen wäre als jeder der Zweige. Da in seinem Falle aber die beiden sehr kurzen Abfuhrwege zusammen noch ein Mal so weit waren als die der Zufuhr, so wurde die Ausflussmenge fast allein durch die Weite des Zuflussrohres bestimmt, wie ihm eine Bestim- mung der Ausflussmenge aus dem Stammrohr allein jeden Falls ge- zeigt haben würde. Die Bedeutung d. Ablenkung d. Arterienstammes bei d. Astabgabe. 333 den Stellen des Wasserstosses und durch Anfänge zur Ausbildung von Ursprungskegeln. Natürlich wird aber diese Reaction immer sehr weit hinter der vollkommenen Anpassung der Blutgefässe zurückbleiben, da hier fertige von vorn herein anders construirte Gefässe umzugestalten sind, während bei den Blutgefässen diese gestaltenden Kräfte von deren Entstehung an mitgewirkt haben. Es scheint nun aus der Anpassungsfähigkeit des Gummi hervor- zugehen, dass der Unterschied von der Blutgefässwandung blos ein gradueller und kein qualitativer sei, wie ich vorstehend be- hauptet habe; ich werde indess am Schlusse meine Behauptung noch näher begründen. Experimente durch Unterbindung von Arterien-Aesten an wach- senden sowie an ausgewachsenen Thieren versprechen auch Aufklä- rung zu gewähren, wenn vorher das normale Verhalten der Gefässe an der betreffenden Stelle durch Injeetionspräparate von anderen Thierindividuen gleicher Species festgestellt und bei der Präpara- tion des Versuchsthieres das Verhalten der Gefässe bei äusserli- cher Betrachtung als mit jenem identisch gefunden worden ist. Ich will noch erwähnen, dass vielleicht der Umstand, dass das Blut eine Suspension ist, nicht ohne Bedeutung für die hy- drodynamische Ausgestaltung der Gefässe ist, indem die Blutkör- perchen durch ihren Anprall an den von der hydrodynamischen Gestaltung abweichenden Stellen noch eher durch ihre grössere Consistenz ein Nachgeben der lebenden Zellen bewirken als der weiche Wasserstoss. Dabei drängt sich freilich wie eine Contra- dietio in adjecto gleich der Gedanke auf, warum die rothen Blut- körperchen nicht selber die den mechanischen Verhältnissen ent- sprechende Gestalt erlangen, das heisst, kugelrund werden, da doch die letzteren dies sehr energisch zu bewirken streben. Wenn es mir im Vorstehenden gelungen ist, die Regel über die Ablenkung des Stammes bei der Astabgabe auf hydrodyna- mische Ursachen zurückzuführen, so haben damit die Astursprungs- winkel an sich in den einzelnen Organen sehr an morphologischem Interesse verloren. Dagegen ist zugleich eine neue Aufgabe für die Corrosionsanatomie entstanden, welche darin besteht für jedes Organ die definitiven Verzweigungswinkel, welche durch die Richtungen der Gefässe im Verlaufe gebildet werden, festzu- stellen. Es ist dadurch aber nicht, wie es scheinen möchte, eine unendliche Complication der Aufgaben, sondern im Gegentheil eine grosse Vereinfachung derselben entstanden, wenn man hin- zunimmt, dass diese Winkel, wie ich zunächst allerdings blos an 334 Dr. W. Rouxz, Leber und Herz beobachtet habe, an ganzen Regionen eines Orga- nes für ungleich starke und unter ungleichen Ursprungswinkeln abgehende Gefässe dieselben sind, indem die letzteren an solchen Stellen alle blos nach zwei oder drei bestimmten Richtungen ver- laufen. Diese Richtungen scheinen, so viel ich mich erinnere, manchmal durch die Verlaufsrichtungen eines Hauptastes und des bei Abgabe desselben abgelenkten Stammes gegeben zu sein. Wer sich herbeilassen wollte, das Wachsthum der Organe von den frü- hesten Stadien an, welche sich schon mit der Hoyer’schen Schel- lakauflösung in Alkohol behandeln lassen, an den Ausgüssen der Blutgefässe, als einem innern Gerüste zu studiren und bei der Be- trachtung der Präparate statt der Principien der einfachen Form- beschreibung die der analytischen Mechanik zu Grunde zu legen, der würde die überraschendsten Gesetze auffinden und es würde ihm gelingen das Wachsthum, wenigstens zunächst der grösseren Drüsen durch unerwartet einfache Formeln auszudrücken. Ich be- daure sehr, dass mir die Verhältnisse nicht gestatten, an der Hebung dieser Schätze mit zu arbeiten. Nachdem im Vorstehenden der Versuch gemacht ist, die durch drei Regeln bestimmten Gestaltungen der Blutgefässverzweigungen als Anpassungserscheinungen der Gefässwandung an die Kräfte des Blutstromes nachzuweisen, erübrigt noch, die hypothetische Anpassungsfähigkeit selber einer Untersuchung zu unterziehen, um sie entweder wirklich physikalisch-chemisch zu begründen oder, wenn dies nicht möglich ist, wenigstens in ihrem Wesen etwas näher zu bezeichnen und als im Einklang stehend mit anderen Principien des organischen Geschehens aufzuweisen. Die supponirte Anpassungsfähigkeit der Gefässwan- dung würde zunächst zu ihrer Erklärung eine Erkenntniss der Ursachen der Gefässbildung überhaupt voraussetzen, also der Gründe, aus welchen die Gewebe beim phylo- und ontogenetischen Beginn der Bluteirculation mit einer qualitativen Veränderung, mit Bildung einer festen Wandung, welche die Flüssigkeit zusam- men zu halten vermag, reagirt haben und dann, warum mit dem stärker werden des Flüssigkeitsdruckes die entsprechende quanti- tative Aenderung nachgefolgt ist. Während nun das letztere Ver- halten bei Voraussetzung des ersteren einfach als eine Folge der Zunahme der Ursache sich ergiebt, denn eine stärkere Action muss auch eine entsprechend stärkere Reaction verursachen, so muss die qualitative Gefässbildung selber als gegebene Thatsache, in ihrem Wesen aber als zur Zeit gerade so unverständliche An- Die Bedeutung d. Ablenkung d. Arterienstammes bei d. Astabgabe. 335 passung oder besser specifische Reaction hingenommen werden, wie alle anderen specifischen Reactionen der lebenden Substanz, wie die vorübergehende Zunahme der Cohäsion des Pro- toplasma, welche bei mechanischer, chemischer, thermischer oder eleetrischer Einwirkung die Contraction veranlasst, wie die Fort- pflanzung der Erregung im Nerven oder die Empfindung der sen- siblen Ganglienzelle, oder die Reaction auf wechselnden Druck und Zug mit Knorpel- oder Knochenbildung oder mit Bildung von Binde- oder elastischem Gewebe etc. Aus der Annahme einer derartigen specifischen Reaction der Gewebe, dass im Allgemeinen blos der Blutspannung Wider- stand geleistet wird, folgt aber ohne Weiteres die hydrodyna- mische Gestaltung der Gefässe, da allein bei dieser der Druck an allen Stellen desselben Querschnittes der gleiche ist und die Theile blos die Spannung der Flüssigkeit auszuhalten haben; es ergiebt sich daraus, dass der Querschnitt bei geradem Verlaufe der Gefässe rund ist, dass der Ursprung in der Stammaxen- Radialebene erfolgt und die Gestalt des freiwilligen Astursprungs hat. Nach dieser Annahme bedarf dann nicht mehr die hydro- dynamische Gestaltung sondern im Gegentheil jede Abweichung von derselben einer besonderen Erklärung, denn jede Abweichung giebt einen neuen Druck, gegen welchen durch besondere Kräfte fortwährend Widerstand geleistet werden muss. Solche besonderen Ursachen müssen also vorhanden sein und gesucht werden, für die Biegung der Gefässe und für den Abgang von Aesten unter nicht hydrodynamischem Ursprungswinkel, also unter anderem für sämmtliche Verästelungen, bei denen der Stamm eime Ablenkung erfährt. In diesen Fällen dürfen wir wohl mit Recht die beson- deren Ursachen in den gestaltenden Kräften des Parenchyms der Organe und in der phylo- und ontogenetischen Vorgeschichte der .Organismen suchen. Dass aber selbst bei diesen Abweichungen einerseits noch ein Gleichgewicht sich herstellt, wie die Ablenkung des Stammes bei der Astabgabe bekundet, andererseits die Reibung bei den Richtungsänderungen der Gefässe in der Continuität durch allmäliges Umbiegen möglichst gering wird, beweist nur wieder, dass kein besonderer Widerstand geleistet wird ohne besondere locale ihn erzeugende und die nöthige Kraft liefernde Ursachen. Um nun noch einen Schritt weiter zu gelangen und so viel- leicht die sperifische Reaction, welche sich in der Gefässbildung überhaupt äussert oder die partielle blos gegen die Blutspannung sich richtende Natur derselben zu erklären, könnte man das ge- 336 Dr. W. Roux, genwärtig so gebräuchliche Verfahren der Appellation an die ul- tima ratio, an den Kampf der Individuen, an den Kampf, zunächst der Zellenstaaten unter einander einschlagen, allein dies würde hier wie übrigens in vielen Fällen, erscheinen, als wollte man sämmtliche gute Einrichtungen eines Staates in Regierung, Gesetzgebung, Verwaltung, Wissenschaften, Handel, Gewerbe etc. allein auf den Kampf mit den übrigen Staaten zurückführen. Noch eher ginge schon die Ableitung unter zu Hülfenahme des Kampfes der gleich fungirenden Theile eines Organes, hier vom Kampf der Zellen der Gefässwand, um Nahrung und Raum, wobei dann aber zugleich ein Prineip des Sieges des in der spe- cifischen Weise stärker Fungirenden eingeführt werden müsste in der Art, dass z. B. Vorsprünge gegen das Lumen über die Gren- zen der hydrodynamischen Gestaltung hinaus zu Grunde gingen, weil sie blos dem Anprall der Flüssigkeit, nicht aber dem Druck der Blutspannung, welchen allein die weiter draussen innerhalb der Ringverbindung liegenden Theile überwinden können, activ zu widerstehen haben. Dabei müsste dann auch noch für den Sieg des specifisch Fungirenden innerhalb der einzelnen Zelle der Kampf der letzten Zelltheilchen verwendet werden, durch welchen im Stoffwechsel blos die die specifische Function bildenden Pro- cesse, welche durch das fortwährende Fungiren immer neu erregt und also gekräftigt werden, sich dauernd mit Materie neu zu regeneriren vermöchten, auf Kosten der weniger angeregten, we- niger specifischen Processe. Bei diesem zu Grunde Gehen der weniger stark und specifisch fungirenden Theile muss alsdann die Zelle diejenige Gestalt erhalten, welche die Gesammtheit der am stärksten fungirenden Theile besitzt. Auf diese Weise würde die Entstehung aller in ihrer functio- nellen Bedeutung erkannten und als höchst zweckmässig befunde- nen organischen Gestaltungen, z. B. des Gesichtsapparates oder der Knochenspongiosa, unserem Verständniss erheblich genähert werden, wenn nicht der Begriff der alleinigen Erhaltung der spe- cifischen Processe durch immer neue Insubstantiirung bei weite- rem Verfolgen auf eine ganze Kette von Problemen führte, von denen ich indessen glaube, dass sie einer eingehenderen Unter- suchung werth sind. Schliesslich halte ich es auch für lohnend, in ähnlicher Weise, wie man die physiologischen und die pathologisch - anatomischen und -chemischen Reactionen des Organismus untersucht, so auch das rein morphologische Geschehen als Ausdruck specifischer Re- Die Bedeutung d. Ablenkung d. Arterienstammes bei d. Astabgabe. 337 actionsweisen aufzufassen, um alsdann die Vielheit des Geschehens auf eine Minderheit von Ursachen und von Reactionsweisen zu- rückzuführen, Durch die vorliegende Abhandlung in Verbindung mit der früheren wurde der Beweis zu führen gesucht, dass die drei am Anfang citirten Regeln durch Anpassung an die hydrodynamischen Kräfte des Blutstromes bedingt seien: Die erste und dritte Re- gel dadurch, dass der Blutgefässwandung im Allgemeinen blos die Fähigkeit des Widerstandes gegen die Blutspannung eigen ist, woraus sich dann von selbst die betreffenden Gestaltungen erge- ben, während dagegen die Fähigkeit, auch dem Flüssigkeitsstoss zu widerstehen eine blos locale und durch besondere Ursachen bedingte ist. Die zweite Regel, über die Ablenkung des Stam- mes bei der Astabgabe sei bedingt, durch eine Druckausgleichung des Flüssigkeitsstosses auf beiden Schenkeln des Verästelungswin- kels (für Venen auf den beiden Seiten des aus der Verbindung resultirenden Stammes) und vielleicht auch durch eine zu dem- selben Resultate führende Ausgleichung der Rückstösse aus dem Ast und der Fortsetzung des Stammes. In Folge des mehr oder weniger hydrodynamischen Bedingt- seins verlieren die Astursprungswinkel an speciellem morphologi- schen Interesse. Dieses Interesse wird übertragen auf die defi- nitiven Verästelungswinkel, da sie allein durch die speci- fische Gestaltung der Organe bedingt sind. Dabei tritt zugleich eine Vereinfachung der anatomischen Aufgabe ein, durch den Um- stand, dass in den einzelnen Regionen mancher Organe die Ge- fässe trotz ganz verschiedenen Ursprungswinkels alle nach weni- gen festen Richtungen verlaufen. Die vorhandene Anpassungsfähigkeit selber wurde als eine weiterer Erklärung bedürftige, specifische Reaction der betreffen- den Gewebe des Organismus gegen den Blutdruck aufgefasst. Der Nutzen der Einrichtungen besteht in der Verbreitung des Blutes unter der geringsten Reibung, also im Betriebe der Circu- lation mit dem Minimum von lebendiger Kraft und von Wan- dungsmaterial. Leipzig, April 1879. Bd. XII. N. F. VI, 2. 23 Druck von Ed. Frommann in Jena. Versuch einer vergleichenden Anatomie des Verdauungs- systems der Vögel. II. Theil. Von Dr. Hans Gadow. Hierzu Tafel XVI, Während im ersten Theile dieser Arbeit!) die Verdauungs- werkzeuge der in 17 Ordnungen zusammengestellten Vögel rein descriptiv behandelt worden, sind im Folgenden die einzelnen Or- gane, des Verdauungssystems vergleichend zusammengefasst. Es konnten dabei einzelne kurze Wiederholungen nicht ganz ausge- schlossen bleiben, während ich mich hauptsächlich bemüht habe aus dem objektiven Untersuchungsmaterial Schlüsse zu ziehen, die von Anderen bereits gezogenen einer Prüfung zu unterwerfen. Viele der sich aufdrängenden Fragen sind offen geblieben, sind auch auf morphologischem Wege nicht zu beantworten, son- dern werden erst dann mit Erfolg in Angriff genommen werden können, wenn eine allerdings noch erst zu schaffende vergleichende Physiologie den Kinderschuhen entwachsen ist. — In der Einleitung wurde schon erwähnt, dass nur die mor- phologischen Verhältriisse berücksichtigt wurden; auch der Zunge und der verschiedenen Speicheldrüsen ist nur kurz Erwähnung ge- than, der letzteren, weil mir umfassende eigene Untersuchungen fehlen. Die Gestalt und Ausbildung der Zunge hängt zum grossen Theile von der des Schnabels ab und dieser ist, weil fast ganz in das Gebiet der Osteologie gehörend, absichtlich nicht mit in die Betrachtung hineingezogen. Allerdings gehören auch die Nieren 1) Diese Zeitschrift Bd. XIH, 8. 92 ff. 22% 340 ‚ Dr. Hans Gadow, nur mittelbar zum Verdauungssystem, doch scheint ihre Grösse einerseits nicht unabhängig von der Nahrung, anderseits nicht ohne Einfluss auf die Darmlagerung zu sein. Es sei desshalb auf die angeführte einschlägige Literatur verwiesen. Auf das Gefässsystem, insbesondere auf die Verzweigung der Art. coeliaca und der Vena portae musste bei Besprechung der Darmlagerung näher eingegangen werden. Aus der ziemlich reichhaltigen aber sehr zerstreuten Literatur seien folgende Werke und einzelne kleinere nicht im Texte er- wähnte Abhandlungen hervorgehoben: Literatur. Vögel im Allgemeinen. Cuvier, Legons d’anatomie comp. IIM® edit. T. IV. Paris 1835. Kuhl, Beiträge zur zoolog. und vergl. Anatomie. 1820, II, mit 11 Tafeln. ’ Meckel, System der vergl. Anatomie. Halle 1821—33. Owen, Art. Aves in Todds Cyclopaedia of Anat. and Physiol. I. Stannius, Lehrbuch d. vergl. Anat. d. Wirbelthiere. 1846. Tiedemann, Anatomie und Naturgeschichte der Vögel. Heidel- berg 1810—14. Tiedemannu. Gmelin, Die Verdauung, Heidelberg 1826, II. Bd. R. Wagner, Icones zootomicae. Leipzig 1841. . C. G. Carus u. Otto, Erläuterungstafeln zur vergl. Anat. 8 Hefte, Leipzig 1826—52. R. Wagner, Beiträge zur Anat. d. Vögel. In Abhandl. der bair. Acad. München 1837, II. 278. Brendel, Zur Anat. d. Vögel, Zeitschr. f. d. gesammten Natur- wissensch. 1860, Bd. XIII, 449. Neergaard, Vergl. Anat. und Physiol. der Verdauungswerkzeuge der Säugethiere und Vögel. Berlin 1806. Crampe, Vergl. Untersuch. über das Variiren in der Darmlänge und in der Grösse der Darmschleimhautfläche bei Thieren einer Art. In Archiv f. Anat. u. Physiol. 1872, 569— 723. 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IV, p. 32 etc, 342 Dr. Hans Gadow, Carpophaga Goliath. Viallane. Annales des sciences nat. zool. et palaeont. T. VII, Artie. 11. Carpophaga latrans.. Garrod. Proc. Zool. Soc. 1878, p. 102—105. Cathartes aura und einige Falken. Giebel aus Nitzsch’s Nachlass. Zeitschr. f. ges. Naturwiss. 1857, IX, p. 426 ete. Coracias.. Giebel aus Nitzsch’s Nachlass. Zeitschr. f. ges. Natur- wiss. 1858, X, p. 310 ete. Cypselus. Giebel aus Nitzsch’s Nachlass. Zeitschr. f. ges. Na- turwiss. 1858, X, p. 327 ete. Cracidae. Gadow. In Cabanis Journ. f. Ornitholog. 1877. XXV, p. 181 etc. Dicholophus cristat. Gadow. In Cabanis Journ. f. Omitholog. 1877, XXV, p. 443—44. Dicholophus eristat. W. Martin. Proceed. Zool. Soe. Lond. 1836, IV, pP. 29 rete. Fuligula spectabilis. Proceed. Boston $. 1846, II, p. 120 ete. Gypaötos barbatus. Giebel-Nitzsch. Zeitschr. f. d. ges. Nat. 1866, XXVIIL, p. 149. Laridae. Giebel-Nitzsch. Zeitschr. f. d. ges. Nat. 1858, X, p. 20. Pici. Giebel-Nitzsch. Zeitschr. f. d. ges. Nat. 1866, XXVII, p. 447. Psittaci. cc. 30 Species. Giebel-Nitzch. Zeitschr. f. d. ges. Nat. 1862. Pelecanus rufescens. Martin. Proceed. Zool. Soc. Lond. 1835, IT p-#16: Phoenicopterus roseus. Giorna. Mem. Acad. Turin 1808, p. 318. = — — Gadow. Caban. Journ. f. Omith. 1877, XXV, p. 382. Psophia crepitans. Trail. Mem. Wernern Soc. 1824, p. 523. Ratitae. S. p. 93 und Owen’s Anatomy of the Southern Apteryx in Transact. Zool. Soc. Vol. II. 257—302. Steatornis caripensis und Opisthocomus. J. Müller. In dessen Archiv, 1842, 1 etc. Sula bassana.. Owen. Proceed. Zool. Soc. Lond. 1831, I, p. 90. Tachypetes aquila. Transact. Linn. Soc. 1821, XIH, p. 1. Tetrao urogallus. Yarrell. Proceed. Zool. Soc. Lond. 1831, I, p. 35. Upupa epops. Nitzsch-Giebel. In dessen Zeitschr. 1858, X, p. 236. Zahlreiche anatomische Angaben von. R. Wagner und Nitzsch sind in Naumann’s „Naturgeschichte der Vögel Deutschlands“ enthalten. Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 343 Schlund. Der Oesophagus der Vögel zeigt hinsichtlich seiner Ausdeh- nungsfähigkeit und der Dicke seiner Wände gewisse Verschieden- heiten, wie im ersten Theile dieser Arbeit bei den einzelnen Ord- nungen beschrieben worden. Seine Wände bestehen wie die des gesammten Darmcanales aus den vier Hauptschichten der Serosa, Muscularis, Submucosa und Mucosa, von denen aber die Ringmuskel- schicht im Gegensatze zu den Säugethieren bei den Vögeln die äussere, die Längsmuskelschicht die innere Lage bildet. Häufig erheben sich die inneren Schichten wie bei den Möven zu zahl- reichen Längsfalten, die besonders in schlaffem Zustande des Or- ganes zu erkennen sind, bei erweitertem Schlunde aber verstreichen. Die Innenwände enthalten ferner häufig zahlreiche, je nach der Art sehr verschiedene, bald fein sammetartig dichtgedrängt stehende, bald grosse zusammengesetzte, nur einzeln vertheilte Drüsen, deren Secret sich der zu verdauenden Nahrung beimischt, um durch Quellung, Erweichung und vorläufige Trennung von den unverdau- lichen gröberen Bestandtheilen die Nahrung für die Verdauung vor- zubereiten. Feine Schleimdrüsen scheinen selten gänzlich zu fehlen. Bei sehr vielen Vögeln bleibt das Lumen der Speiseröhre nicht gleichmässig bis zum Drüsenmagen, sondern erweitert sich zu einem „Kropfe“. In morphologischer Hinsicht zeigt diese Er- weiterung des Schlundes folgende von einander zu unterscheidende Verhältnisse: 1. Ein beträchtlicher Theil der ventralen Schlundwand buch- tet sich allmählig aus und bildet ein spindelförmiges glattwandiges, drüsenloses Lumen, so bei Casuarius, vielen Enten, z. B. bei Somateria und unsrer Hausente, ferner bei Halieus, Otis etc. Es würde diese Form als die niederste Stufe eines Kropfes anzusehen sein und habe ich für dieselbe die Bezeichnung „Haut- oder Schlundkropf“ gewählt. 2. Der „wahre oder echte Kropf“, wie ihn die Rasores und Columbae besitzen. Der Schlund ist hier nicht in seiner ganzen Länge erweitert, sondern der Kropf befindet sich kurz vor dem Eintritte des Oesophagus in den Rumpf, und ist bei gefülltem Zustande von rundlicher proximal und distal scharf abgegrenzter Form; er ruht auf der Furcula, während er bei den Raubvögeln, weniger bei den Papageien, gefüllt nach rechts auf die dorsale Seite des Unterhalses rückt. Das Hauptmerkmal für den echten 344 Dr. Hans Gadow, Kropf ist aber der Drüsenreichthum seiner Wandungen. Den am höchsten ausgebildeten Kropf besitzen die Tauben. Diese beiden Hauptformen sind durch zahlreiche Uebergänge verbunden, wie z.B. die Raubvögel, die Papageien und viele der körnerfressenden Passerinen zeigen, deren Kropf zwar der Form nach dem Schlundkropfe näher steht, aber doch mit zahl- reichen feinen Drüsen versehen ist, die durch ihr Secret eine che- mische Wirkung auf die Nahrung ausüben. — So zeigt z. B. der Schlund aller Nachtraubvögel nur eine schwache aber lange und bei genauerer Untersuchung sich als sehr dehnbar herausstellende Erweiterung, wesshalb den Eulen von vielen Anatomen nach Tie- demann’s Vorgang ein Kropf gänzlich abgesprochen wird. — Während ferner bei Casuarius ein völlig drüsenloser deutlicher Hautkropf vorhanden, zeigt der Schlund von Struthio in seiner ganzen Länge ein gleich weites aber überall mit feinen Drüsen besetztes Lumen. Ob diese Drüsen bei Struthio jedoch nur ein- fache zum schlüpfrig machen des Schlundes dienende Schleimdrü- sen sind, oder ob sie sein chemisch wirkendes Secret absondern, wage ich noch nicht zu entscheiden. In Bezug auf die echten Kropfdrüsen verweise ich auf die auf Seite 341 angeführte Literatur. Nach obigen Erörterungen werden wir auch physiologische Un- terschiede in Bezug auf den Oesophagus zu machen haben. 1. Der Oesophagus ohne Erweiterung dient ursprünglich nur dazu, die aufgenommene Nahrung in die vorbereitenden Abthei- lungen des Verdauungscanales, in den Drüsen- und Muskelmagen zu geleiten, wie bei allen reinen Insecten- und Fruchtfressern, denen ohne mir bekannte Ausnahme ein Kropf gänzlich fehlt. 2. Zeigt er eine einfache drüsenlose oder nur schwach drü- sige Erweiterung, so wird er vorzugsweise, selbstverständlich neben dem vorher angegebenen Zweck, nur als vorläufiges Reservoir für die plötzlich in grosser Menge aufgenommene Nahrung dienen; in solcher Lage befinden sich die Fischfresser unter den Enten und die Cormorane, für welche ein in der ganzen Länge äusserst dehnbar kropfartiger Schlund von unbedingtem Vortheil sein muss, wenn nicht wie bei Ardea der sehr erweiterte Drüsenmagen und der bis an den After herabreichende Muskelmagen die Erweiterung unmöglich macht. Aehnlich verhält es sich mit den Raubvögeln, deren Jagdergebnisse bekanntlich mehr als bei anderen Vögeln vom Zufalle abhängen. Dass die Drüsen des Raubvogelkropfes übrigens stark chemisch auf Fleisch einwirken, zeigte schon Tiede- Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 345 mann, wie denn auch auf dessen schöne Versuche betreffend Wirk- samkeit des Kropf- und Magendrüsensaftes und das Verweilen der Nahrung im Kropfe, verwiesen sei; ausserdem versieht der schwach- drüsige Schlundkropf der Raubvögel auch die Function, das Fleisch von den unverdaulichen Bestandtheilen wie Haaren, Federn, Kno- chen, Schuppen etc. zu scheiden, mithin bei der Gewöllbildung mit- zuwirken, wie schon Tiedemann richtig bemerkt. Ich selbst habe oft die eigenthümliche Beobachtung machen können, dass die Haut der von Bussarden und Eulen fast unversehrt verschluckten Mäuse, denen nur der Kopf zerbissen war, nach einigen Stunden mehr oder weniger abgestreift neben dem übrigen Körper lag, als wenn die Vögel abgebalgte Mäuse mit der nur noch mit einem Zipfel daranhängenden sonst ünversehrten Haut verschluckt hätten. Man kann dies bestätigen entweder an getödteten Exemplaren, oder durch Befühlen des Kropfes lebender Vögel, oder endlich auf ex- perimentellem Wege, indem man den zahmen Vogel nöthigt, sich zu übergeben (man füttert ihn überreichlich und drückt dann nach, einigen Stunden den Inhalt des Kropfes von unten herauf). Diese schlechterdings nicht zu leugnende Thatsache kann wohl nur so erklärt werden, dass die Secrete der Speichel- und Kropf- drüsen die lockere Subeutis der Mäuse erweichen und dass dann durch die Contractionen der Schlundwände die in der Regel am Kopfe aufgebissene Haut über den mittlerweile noch mehr erweich- ten Rumpf zurückgleitet. Ist dagegen die Beute stückweise zer- rissen und gekröpft worden, so fällt natürlich das Sonderbare der Erscheinung fort, auch füge ich hinzu, dies nur an Mäusen be- merkt zu haben. 3. Von vorwiegend chemischer Bedeutung ist endlich der Kropf der Psittaci und einiger körnerfressender Singvögel,‘be- sonders aber der echte Kropf der Rasores und Columbae, also der ausgeprägtesten auf die schwerverdaulichen Körner angewiese- nen Vegetabilienfresser. Wir ersehen also, dass einerseits dem Bedürfniss eines Reser- voirs, anderseits der Nothwendigkeit, auf die schwer verdauliche Nahrung an möglichst verschiedenen Stellen chemisch und mecha- nisch einzuwirken, nahezu auf dieselbe Weise, nämlich ‘durch Er- weiterung des Oesophagus, entsprochen wird, dass ferner bei den verschiedenen Abtheilungen der Vögel der Kropf nicht immer als ein verwandtschaftliches, systematisches Merkmal, sondern nur als eine accessorische Bildung anzusehen ist, wie das abweichende Vor- kommen eines kropfähnlichen Organes bei Mormon, Palamedea, 346 Dr. Hans Gadow, Leptoptilus Argala und Marabu, in geringerem Grade bei Casuarius, Uria, Halieus, Otis, Ciconia alba, einigen Lamellirostren u. a. zeigt!). — Magen. Der Magen zerfällt bei allen Vögeln in zwei mehr oder we- niger getrennte Abtheilungen, nämlich erstens in den dem Oeso- phagus sich anschliessenden, innen stets mit reichen Drüsen be- setzten, nur chemisch wirkenden Vor- oder Drüsenmagen (proventriculus, bulbus glandulosus, infundibulum, jabot, estomae glanduleux, ventricule succenturi6) und in den meistens rein me- chanisch, wohl nur in seltenen Fällen zugleich chemisch wirken- den Muskelmagen, (ventriculus, gesier, estomac proprement dit, gizzard). I. Der Drüsenmagen ist sehr verschieden gebaut. Er kann sowohl in den Schlund, als auch in den Muskelmagen continuir- ‚lich oder wenig abgesetzt übergehen ; oder er erscheint, besonders bei den Vögeln, die einen starken Muskelmagen besitzen, als ein in der Regel kleineres, selbständiges Organ. Ebenso verschieden ist die Structur seiner Innenwände Die Drüsen stehen dicht, sammetartig aneinander gedrängt, die Wandungen dicht bedeckend, oder nur einzeln, spärlich vertheilt; letzteres in den wenigen Fäl- len, wo wie bei Casuarius, Struthio, den Procellaridae und Apte- nodytes der Drüsenmagen den Muskelmagen bedeutend an Volu- men übertrifft. In ähnlichen Fällen verlieren sie sich an der obe- ren und unteren Grenze allmälig, erstrecken sich auch bisweilen in die benachbarten Theile des Verdauungsschlauches hinein. Häu- fig treten sie zu besonderen Complexen (Jugabildung) zusammen (viele Raubvögel, einige Störche ete.), oder sie bilden einen scharf abgegrenzten Drüsenring, wie besonders dann wenn der Vorma- gen zwar klein, aber dickwandig und sehr drüsenreich ist. Die einzelnen Drüsen sind einfach, zugespitzt, eylindrisch, bei den Fleisch- und Fischfressern, jedoch auch bei der Taube und dem Schwan; zusammengesetzter und grösser bei den Vege- tabilien fressenden Gänsen und Hühnern; am entwickeltsten, mit je 5—6 Follikeln und gemeinsamem Ausführungsgange bei Lepto- ptilus Argala, dem Marabu, und besonders bei den Ratitae 2). 1) Ueber die Dauer des Verweilens und die Veränderungen der Nahrung im Kropf, Magen und Darm siehe Tiedemann und Gme- lin, Die Verdauung Bd. II, p. 152 £. 2) Cf. Home, Philos. Transact. 1812 u. Home’s Lect. comp. Anat. Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 347 Das Secret dieser Drüsen vermag bei einigen Raubvögeln und den fischfressenden Reihern, Cormoranen und bei einigen Störchen Knochen und sogar Fischgräten völlig aufzulösen. Reiher und Cor- morane bilden bekanntlich weder Gewölle, noch finden sich in ihren Excrementen regulär feste Bestandtheile vor, während Ge- wölle von Ciconia alba mehrfach, unter Anderen von Altum be- obachtet worden sind. Im Allgemeinen ist der Drüsenmagen relativ klein bei den Lamellirostres, Rasores, Psittaci; auffallend klein bei Alcedo und Halcyon; gross dagegen bei den Ratitae, Tubinares, Steganopodes, Raptatores, Pici und vielen Passerinae. — Der Schluss, dass der Vormagen selbständiger entwickelt und stärker drüsig sei bei den Vegetabilienfressern, dass er aber weniger drüsig, wenn auch gross, bei den mehr von animalischen Substanzen lebenden Vö- seln sei, hat keine allgemeine Gültigkeit. Relative Grösse und innere Structur des Drüsenmagens sind ebenso schlecht zur Charakterisirung grösserer Abtheilungen zu verwenden, wie sie oft sehr treffende Merkmale ‚zur Unterschei- dung nahe verwandter Familien, Genera, ja sogar häufig Species, an die Hand geben. . — H. Der Muskelmagen der Vögel ist tief herabgerückt und nimmt den grössten Theil der mittleren und linken Bauchhöhle ein. Die Cardia befindet sich entsprechend dem in der Längsaxe des Körpers liegenden Drüsenmagen an der dorsalen vorderen Seite und ist bei den Passerinen häufig durch ihre etwas nach links geneigte Insertion ausgezeichnet. — Eigenthümlich den Vö- geln liest der Pylorus sehr nahe der Cardia, etwas nach vorn ge- rückt, auf der rechten, platten Seite. Die grosse Curvatur ist demnach völlig der Bauchseite zugekehrt, und der eigentliche Fun- dus sieht schräg ventral nach unten. Mit Rücksicht auf die Muskulatur des Magens, die zum gröss- ten Theile auch seine äussere Form bestimmt, schliesse ich mich der von Cuvier vorgeschlagenen Eintheilung an. Er unterscheidet: 1. G&esier simple, den einfachen Muskelmagen von ovaler, rundlicher Gestalt: -die abgeplatteten Seiten zeigen jederseits in der Mitte ein Centrum tendineum, von welchem nach allen Seiten hin sich mit denen der anderen Hälfte begegnende Muskelfasern ausstrahlen. Jedes dieser Bündel ist als ein kleiner die beiden Centren verbindender Muskel aufzufassen. Die Wände eines sol- chen Magens sind ziemlich gleichmässig,. nur wenige Ctm. dick. Ihre Farbe ist hell bläulichgelb, selten fleischröthlich; bisweilen 348 Dr. Hans Gadow, können die meistens grosser Ausdehnung fähigen Wände bis zur Transparenz ausgeweitet werden, wie z. B. bei Caprimulgus. — Auf der Innenwand eines einfachen, oder schwachmuskulösen Ma- gens befindet sich eine zarte Schleimhaut mit zahlreichen feinen, meist stark secernirenden Drüsen, deren Secret aber keine che- mische Wirksamkeit haben soll. Es bildet vielmehr nur eine dick- schleimige, ziemlich consistente, von den Magenwänden häufig leicht abziehbare Haut, wie bei den Papageien und Raubvögeln, besonders den Eulen. Bei der weiter unten zu beschreibenden Magenform bildet es durch Erhärtung eine schwielige, oft wie bei den Lammellirostren aus mehren Schichten bestehende lederartig oder auch hornig feste Hülle, deren dem Lumen zugekehrte Ober- fläche wieder Höcker, Längs- und Querwülste haben kann. — Wenn auch Cuvier dieses, bisweilen Magenepithel genannte, Gebilde mit „epiderme“ bezeichnete, so erkannte er doch schon ihre eigen- thümliche Beschaffenheit, wie aus folgenden Worten hervorgeht: (1.) „Sa substance est toujours de nature cornde et sa structure evidemment inorganique. ' Elle est tres remarquable dans l’autruche. L’epiderme n’y semble compos&e que de petites aiguilles eylindri- ques, pressdes les unes contre les autres, ou perpendiculaires aux parois de l’estomac: elles se s&parent tres facilement l’une de l’autre, et se dötachent de ces parois avec la m&me faeilite. — L’epiderme du gesier, dans les perroquets, est de meme form6 evidemment d’aiguilles appliquees les unes contre les autres, mais elles y pa- raissent inclineges en avant ou en arriere, ou perpendiculaires, sui- vant les ondulations ou les plis que forment les parois de cet esto- mac, et elles sont detachees et libres & la surface interne de ce viscere qu’elles rendent indgale et heriss6 de papilles. — Genauere Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung dieser inneren Magenbekleidung haben Leydig, Hasse, Cruschmann und Wiedersheim angestellt, auf deren Arbeiten hiermit verwie- sen seit). Einen solchen „einfachen Magen“ besitzen diejenigen Vögel,. deren Nahrung aus Insecten, Fleisch und weichen Früchten be- steht. Der Magen der echten Fischfresser, wie Ardea, Halieus etc. ist ein lang ovaler fast bis zum After reichender, den ganzen vorderen und linken Theil der Bauchhöhle einnehmender, weich- 1) Leydig, Archiv für Anat. u. Physiol. 1854. 8.331. Crusch- mann, Zeitschrift für wissensch. Zool. XVI. S. 224. Hasse, Zeit- schrift für ration. Mediein. XXVIIL 8. 1. Wiedersheim, Schul- zes Archiv für microse. Anat. VII. S. 435. Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 349 häutiger Sack, sodass die unzerstückelt verschluckte, oft sehr lange Beute aufgenommen werden kann. Bei den Tubinares ist der Magen dagegen rudimentär geworden und wird durch den un- geheuer entwickelten Vormagen vertreten; ähnlich bei Casuarius. 2. Gesier complique. Die Structur der vorigen Form ist auch bei dem „zusammengesetzten Magen“, besonders am Fundus, zu erkennen; es haben sich aber der rechte und der linke nicht der Cardia oder dem Fundus zugekehrte Seitentheil zu je einem sehr starken tiefrothfleischigen Muse. lateralis entwickelt !). Diese bilden auf der vorderen und der hinteren Fläche je eine bläulich- glänzende Sehnenscheibe; die Peripherie des meistens etwas platt- gedrückten Magens ist oft kantig und eckig; immer ist das Organ von dem Drüsenmagen auch äusserlich deutlich und scharf abge- setzt; ein allmäliger Uebergang beider, wie etwa bei Ardea, kann nicht stattfinden. Auch in der Wirkung unterscheidet sich dieser Magen von der vorigen Art bedeutend, denn da sein gan- zes Lumen fast immer mit einer lederartig harten, gerunzelten, oft sehr dicken Hülle bedeckt ist, welche, wie bei den Lamelli- rostren gar keine Drüsenöffnungen zeigt, so kann die Wirkung dieses Magens lediglich nur eine mechanische sein, abgesehen da- von, dass er als Behälter für die mit dem Vormagen- und Kropf- drüsensafte vermischte Nahrung dient. Für seine vorwiegend me- chanische Thätigkeit spricht auch der Umstand, dass die betref- fenden Vögel Kieselsteinchen und Sand in bisweilen beträchtlicher Menge absichtlich verschlucken (jedenfalls zur Verstärkung der Reibung), und dass ferner das längs- und quergerunzelte hornige Epithel zwei mit ihren Concavitäten und Convexitäten wechsel- !) Ueber das Verhältniss dieser beiden Muskeln zu einander sagt Cuvier (Lecons d’anat. comp. Tome IV. pag. 97 u. 98): Lorsque l’on coupe le gesier de ces oiseaux (Lamellirostres) par un plan parallele aux deux tendons, la partie charnue de ces muscles presente la figure d’une massue courbee en arc, dont la cavite re- pond aux parois interieurs de l’estomae, et dont le gros bout de celui qui est anterieur ou inferieur touche au pylore, tandisque le petit bout de l’autre muscle est place egalement en avant, mais autour du cardia. — Il est remarquable que cette coupe presente le plus ordi- nairement la figure d’une massue ou d’un cöne recourbe, et que le gros bout du muscle inferieur est toujours du cöte du pylore, tandis que le muscle superieur a toujours le sien tourne vers le fond du ceul-de-sae, et son petit bout vers le cardia. (Cette disposition con- stante prouve, que la plus grande force des muscles du gesier devait etre exercde pour empecher la sortie des aliments, ou pour les broyer dans le fond du cul-de-sac. 350 Dr. Hans Gadow, weise aufeinander passende und durch die antagonistische Bewe- gung der beiden Muskeln als Reibeplatten wirkende Gebilde her- vorbringt. Diesen Magenbau!) besitzen sämmtliche Vegetabilienfresser, deren Nahrung in der That starker mechanischer Zerkleinerung bedarf, ehe die Secrete der Drüsen völlig darauf einwirken kön- nen; so im höchsten Grade bei den Lamellirostren, einigen Ratiten, den Tauben, Hühnern und den körnerfressen- den Singvögeln. Die beiden extremen Typen der Magenbildung, wie sie die echten Fleischfresser und die exclusivsten Vegetabilienfresser zei- gen, werden durch eine grosse Menge von Uebergangsformen, bei denen stets die Beschaffenheit der Nahrung als Hauptmodifications- grund erkennbar ist, verbunden. Selten ist das Vorkommen einer dritten Magenabtheilung, des sogen. Pylorusmagens?); er kommt nur vor, soweit meine Un- tersuchungen reichen: bei den Pygopodes, Steganopodes, Erodii; Mergus, Gallinula und Porphyrio; den Pelargi, besonders Cico- nia alba und nigra, Leptoptilus Argala und Marabu (cf. den spe- ciellen Theil). Die eigenthümliche Winkelbildung des Duodenal- anfanges anderer Grallae und mancher Rasores gehört vielleicht auch als Ueberbleibsel einer ähnlichen Pylorusbildung hierher. Die meisten dieser hier aufgeführten Vögel sind Fischfresser, es liegt demnach nahe, die äusserst wasserhaltige und wenig nahr- hafte Fischnahrung als Ursache für die Ausbildung eines Pylorus- magens anzunehmen, indem dann ein verlängerter Aufenthalt der leichtflüssigen Nahrung im vorbereitenden Darmabschnitte erreicht würde. Hierfür spricht auch das Vorhandensein der klappenarti- gen Ringfalten am Pylorusmagen, wie bei den einzelnen Species beschrieben worden. Home vergleicht in einem Aufsatze ?) die grasfressenden Vö- 1) Da ein so stark muskulöser Magen in der ganzen Thierreihe nicht wieder vorkommt, so kann er als der specifische Vogelmagen bezeichnet werden, wie überhaupt bei den Vögeln, was vielleicht mit dem Fehlen der Zähne zusammenhängt, die mechanische Thätigkeit des Verdauungstractus unter den Wirbelthieren am stärksten ausge- prägt ist. 2) Vergl. Leuckart, Ueber eine zusammengesetztere Magen- bildung bei verschiedenen Vögeln. Erwähnt und beschrieben werden Ardea cinerea, purpurea, stellaris, nycticorax, caboya; Ciconia Argala und Marabu, Pelecanus, Halieus, Podiceps, Colymbus, Aptenodytes. 3) Philos. Transaet. London Society. 1810. Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 351 gel mit den Wiederkäuern. Er hebt ganz richtig hervor, dass Gras die meiste Bearbeitung von allen Nahrungsstoffen erfordere, und wie demgemäss die Wiederkäuer am besten ausgerüstet wä- ren, möglichst viel Nährstoffe herauszuziehen. — Während nun beim Truthahn die Reibeplatten des Magens in rotatorischer und drückender Bewegung infolge des eigenthümlichen Baues des Ma- gens mit seinen Muskeln wären, machten diese Platten im Magen des Schwanes und der Gans nur eine „regular sliding motion“, dadurch hervorgebracht, dass der stärkere rechte Musculus late- ralis die eine Seite der hornigen Innenwände über die Oberfläche der anderen schiebt; der schwächere linke Muskel zieht dann nur die Platte wieder zurück. Dies wäre nun eine grosse Aehnlich- keit mit der Bewegung der „grinding teeth of ruminating animals, in which the teeth of the under jaw slide upwards, within those of the upper, pressing the food between them, and fitting it by this peculiar kind of trituration for being digested.“ Eine solche Bewegung fände nur ein Analogon im Magen der grasfressenden Vögel. Die Gans, welche von dem harten Grase der Felder etc. lebe, habe einen stärkeren Magen als der auf die saftigen Was- serpflanzen der Teiche und Seen angewiesene Schwan etc. Wenn Home aber auch darin eine Aehnlichkeit mit den Wiederkäuern sucht, dass diese nur im Unterkiefer Schneidezähne besitzen, und die Gans auch nur im Unterkiefer spitze Zähnchen hat, die in die Gruben des Oberschnabels passen, um so das Gras fest halten und abreissen zu können, so ist er doch wohl zu weit gegangen; ganz davon zu schweigen, dass kein Rind das Gras mit den Zäh- nen wie die Pferde abbeisst, sondern durch Umschlingung und Andrücken der mit Häkchen besetzten, Zunge an den Gaumen abrupft. Ferner, der unechte Kropf der Lamellirostren entspräche als Reservoir, in welchem das Gras mit den verschiedenen Secreten des Schlundes und Speichels vermischt und macerirt werde, dem Rumen und Reticulum der Wiederkäuer. Wie weit diese Aehnlichkeiten aber auch hergeholt sein mö- gen, so wird doch jedenfalls bewiesen, dass ausschliessliche Gras- nahrung sowohl bei Säugethieren, als auch bei Vögeln einen sehr complieirten, vorbereitenden Verdauungsapparat erfordert. Im Jahre 1812 stellte Home ferner, auf die Untersuchung von Casuarius Emu, dem „long legged Cassowary of New South Wales“, Rhea und Struthio gestützt, die Behauptung auf, dass die Stärke des Drüsen- und Muskelmagens und die Ausbildung 352 Dr. Hans Gadow, der Blinddärme nebst dem Dickdarme in umgekehrtem Verhält- niss stehe zur Fruchtbarkeit der Gegend, in welcher die betref- fenden Vögel lebten! — Leber. Die Leber der Vögel nimmt bei ihrer verhältnissmässig be- deutenden Grösse einen beträchtlichen Theil der vorderen und mittleren Körperhöhle ein; sie reicht einerseits über den Drüsen- magen auf den Muskelmagen und theilweise auf den Darm herab, andererseits infolge des fehlenden oder unvollkommenen Zwerch- felles weit in die Brusthöhle hinein und umfasst mit ihren Vor- derrändern die hintere Hälfte und die Spitze des Herzens, dessen Einlagerung bisweilen sehr tiefe Spaltung der Leberränder bedingt. Durch die Duplicatur des Peritoneums wird ein Ligamentum suspensorium für die Leber gebildet, welches als Ligamentum fal- ciforme den Zwischensteg beider Flügel mit der Sternalmittellinie verbindet; ausserdem findet Verknüpfung mit dem Magen, den Luftsäcken, und theilweise mit dem Darme statt. Das Perito- neum umgiebt die Leber mit doppelter Hülle; die eine liegt ihr unmittelbar angewachsen auf, die andere bildet ähnlich wie das Pericardium eine lose Umhüllung. Die grosse Pfortader mündet in die Leber von unten und hinten in die Commissur, oder mehr in den rechten Lappen; der linke erhält in der Regel nur kleinere Venen vom Magen und Duodenum. Für die Vena cava inferior ist deren häufiger Ver- lauf durch den proximalen Theil des rechten Leberflügels bemer- kenswerth, so z.B. in hohem Grade bei Struthio und Halieus ?). Der Hauptsache nach zerfällt die Leber bei allen Vögeln in einen rechten und einen linken Lappen, die an der hinteren Seite durch eine Querbrücke verbunden sind. Diese Quercommissur ist breit und flach bei den Steganopodes, Laridae, vielen La- mellirostres, Coceygomorphae, Cypselomorphae und bei den Conirostres. Sie bildet einen Lobulus Spigelii bei: Struthio, Halieus, Cygnus, Anser, Larus argen- tatus, Euplocamus, Columba, Astur, bei den Psittaci etc. Häufig zerfällt jeder der beiden Hauptlappen noch in kleinere Nebenlappen durch seitliche Einschnitte, die bisweilen eine tiefe Trennung verursachen können. So wird der rechte Lappen tief 1) Stannius führt a. a. O. an, „dass bei den tauchenden Vö- geln die untere Hohlvene durch bedeutende Weite, namentlich wäh- rend ihres Verlaufes durch die Leber ausgezeichnet ist.“ Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 353 getheilt bei vielen Passerinae und bei den Cypselomorphae; der linke, welcher am häufigsten unregelmässig zerspalten ist, bei den Rasores. Ausserdem kommen noch nebensächliche Unregel- mässigkeiten der Leberränder vor, die ich mit Einlappungen oder in noch geringerem Maasse mit Ausrandungen bezeichnete; letz- tere werden häufig nur individuell gefunden und sind auf Druck- erscheinungen. der anliegenden Darmwindungen, ja sogar der in der Fortpflanzungszeit stark geschwollenen Hoden, zurückzuführen. Nur bei wenigen Ordnungen der Vögel sind die Leberränder ganz glatt, wie etwa bei denen, welche wie die Raubvögel eine sehr dicke, compacte, kurze Leber besitzen !). Das Volumverhältniss des rechten zum linken Hauptlappen ist ein sehr verschiedenes. Nur bei wenigen, wie bei den Pro- cellaridae, Pelargi, Raptatores und Ratitae ist nahezu Symmetrie vorhanden, die bei den Pelargi und Raptatores noch mit verhältnissmässiger Kleinheit des Organes verbunden ist. Sehr selten ist der linke Flügel der voluminösere, wie bei einigen Pygopoden und bisweilen einigen Pelargi. Bedeutende Asym- metrie, indem der rechte zum linken im Volumen sich verhält wie 4:1 herrscht bei den Steganopodes. Bei der überwie- genden Mehrzahl übertrifft der rechte den linken Lappen um das 2—3fache. Ueber das Volumen, resp. das Gewicht der Leber, zu dem des ganzen Körpers, aber leider nach Abzug des Lebergewichtes selbst, hat Tiedemann eine Reihe sorgfältiger Messungen mit- getheilt: !) In Betreff der Ursachen der grossen Formverschiedenheiten der Leber pflichte ich Cuviers Meinung bei. Er sagt in seinen Legons d’anat. comp.: .. les differences de forme et de volume (d.h. jedenfalls nur das Volumen der beiden Hauptlappen zu einander) peu considerables a la verite, que ce viscere presente dans les fa- milles des oiseaux, peuvent s’expliquer, en grande partie, par les formes variees des organes qui l’avoisinent, surtout par le developpe- ment proportionnel et la consistance des estomacs glanduleux et mus- culeux. Voila pourquoi le lobe gauche est generalement plus petit que le droit, et m&me divise, lorsque l’estomac glanduleux et le gesier sont developpes et resistants comme dans les gallinaces. Voilä pour- quoi dans les herons, dont l’estomac glanduleux est grand, mais peu resistant, et le musculeux petit et mou, les deux lobes ont pü rester unis par une large surface et sont beaucoup moins separes, que lors- qu’un gesier musculeux tres dur s’ayance entre eux. . Bd, XI. N. F. v1, 3. 93 354 Dr. Hans Gadow, Strix aluco . 1: 42,9 Gallus domesticus 1.2257 Falco tinnunceulus .* 1:35,2 Pavo cristatus 17.297 Picus viridis 139 Perdix cinerea 1730 Corvus corone . 1: 26,3 Ardea cinerea . 1.29.9 Sturnus vulgaris . ae Totanus calidris . 1: 24,8 Upupa epops . . . 1:37,6 Scolopax gallinago 17 283 Alauda arvensis . 17930 ı Charadrius hiatieula 1: 20,7 Emberiza citrinella . 1:26,1 Vanellus ceristatus 1210 Hirundo rustica . AT Sterna hirundo 1.192 Cypselus apus ERS Mersus albellus . OR Turdus iliacus 1H:129 Motacilla atricapilla. 1: 20,2 Tiedemann kommt nun zu dem Schluss, dass die Raub- vögel die Kleinste, die Sumpf- und Schwimmvögel die grösste Le- ber besitzen. Die relative Grösse der Leber überhaupt führt er bei den Vögeln auf folgende Ursachen zurück: 1. Kleinheit der Lungen gegenüber 2. dem lebhaften Stoffwechsel (natürlich ange- nommen, dass die Leber ausser der Gallenabsonderung für die Verdauung auch stark decarbonisirend auf das Blut wirkt). Er führt dabei die schnelle Oxydation des Blutes durch die äusserst kräftigen Muskelcontractionen an. Dies mag gelten bei den viel fliegenden und schnell laufenden Vögeln, aber wie wird dann die Thatsache erklärt, dass grade die trägsten Vögel, die Pygopoden, überhaupt viele Sumpf- und Wasservögel die grösste Leber, die sehr gut und viel fliegenden Raubvögel die kleinste Leber besitzen ? Wahrscheinlich wird ausser anderen uns noch völlig unbekann- ten Ursachen auch die Nahrung in wichtiger Beziehung zur Aus- bildung der Leber stehen. — Eine zu diesem Zwecke entworfene, möglichst genau verfasste Tabelle entsprach aber wenig meinen Erwartungen, und wenn ich mich auch zu einigen Schlüssen be- rechtigt glaubte, so machten doch zahlreiche specielle Ausnahmen das Ganze wieder illusorisch. — Die fischfressenden Pygopoden, Steganopoden und Laridae haben eine wirklich grosse Leber, bei den ebenfalls fischfressenden Reihern und den fleischfressenden Raubvögeln ist sie aber durchaus klein. Von geringem Volumen ist sie auch bei den Vegetabilienfressern: z. B. bei den Hühnern, Papageien und Spechten, gross bei den körnerfressenden Tauben und bei vielen Passerinen. Die Farbe der Leber variirt sehr. Intensiv braunrothe Fär- bung findet man am häufigsten. Dunkel, indem das braun vor- Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 355 wiegt, bei den Rasores, Lamellirostres, Pygopodes, Steganopodes und den meisten Grallae; allgemeiner ausgedrückt also bei den meisten Nestflüchtern. Roth bei den Raptatores und Passerinae. Einzelne Abweichungen kommen vor; so fand ich die Leber eines völlig gesunden Lanius hellröthlichgelb. Die Farbe der embryo- nalen Leber ist, da sie viel weniger Blut enthält, als im erwach- senen Zustande, bedeutend heller, meistens hellbraungelb. Auch bei einer ec. 3 Wochen alten Fulica atra fand ich sie sehr hell, blassbraungelb, während sie bei den Alten tief dunkelrothbraun erscheint. Mästung im Dunkeln hat, wie die abnormen „Strass- burger Gänselebern“ zeigen, auch grossen Einfluss auf Färbung (Bleichung) und Grösse der Leber. — Die Mehrzahl der im zoo- logischen Garten zu Berlin gestorbenen Vögel litt an Lebererkran- kung und zwar häufig an colossaler Vergrösserung des Organes, verbunden mit dunkel marmorirtem Aussehen und Tuberculose in oft erschreckendem Grade. Ausführungsgänge der Leber. Die durch die Leberthätigkeit ausgesonderte Galle fliesst ab bei den meisten Vögeln erstens durch einen Ductus hepato-cysticus in eine Blase, welche gewöhnlich an der inneren Seite des rech- ten Leberflügels, selten zwischen beiden liegt und das angesam- melte Secret durch den Ductus ceysticus dem Darme zuführt, zwei- tens durch einen zweiarmig aus der Leber kommenden Ductus hepaticus, welcher gewöhnlich ‚gegenüber dem Pylorus in das Duo- denalende mündet; nur bei Struthio, einigen Anatiden und Co- lumbae inserirt ein Ausführungsgang nahe dem Pylorus, ähnlich auch bei Buceros plicatus. Die Gallenblase selbst ist nur eine als Reservoir der Galle dienende Erweiterung eines zweiten Ductus hepaticus. Sie ist auch wahrscheinlich von nicht allzugrosser Wichtigkeit, denn erstens fehlt sie den grossen Abtheilungen der Tauben, Papageien und Kolibris regulär ganz, ausserdem bei Stru- thio, Rhea, Cuculus, Rhamphastus und bisweilen als individuelle Eigenthümlichkeit bei Mergus merganser, Grus virgo, Numenius arcuatus, Tringa alpina und arenaria, Ciconia alba, Penelope cu- manensis, Euplocamus praelata, Numida meleagris, ja sogar bei Falco peregrinus, ohne dass dieses Fehlen auf pathologische Ur- sachen zurückgeführt werden kann; zweitens kommt sie als Aus- nahme vor bei Chalcophaps chrysochlora, Nymphieus novae Hol- landiae, Plyctolophus sulphureus, so fand sie auch Tiedemann bei Cuculus, dem sie gewöhnlich fehlt; drittens ist die Gallenblase Dar 356 Dr. Hans Gadow, der Spechte sehr lang und weit, nur eine einfache Erweiterung des betreffenden rechten Ductus hepato-entericus, und gar nicht als Blase, d.h. als seitliche Ausstülpung, zu erkennen. — Bei den meisten Vögeln ist die Gallenblase verhältnissmässig gross, von sehr verschiedener nicht constanter Gestalt; rundlich bei den Raubvögeln; meistens aber länglich oval, wie z.B. bei den Grallae. Am häufigsten ragt ihre Spitze unter dem rechten Leberrande seitlich hervor, den Duodenalast berührend. Während gewöhnlich nur 1 Ductus cysticus vorhanden ist, findet sich bisweilen noch ein zweiter, der sich dann mit dem D. hepaticus verbindet. Die Insertionsstelle in den Darm ist - durch eine kleine warzige Erhöhung markirt, welche innen ein nach dem Darmlumen sich öffnendes Klappenventil enthält. Meh- rere solcher Ventile besitzt auch der Ductus hepato-ceysticus, um bei den Contractionen der Blasen- und Ductuswände ein Rück- fliessen der Galle zu verhindern. 2 Ductus hepato-cystici finden sich beim Storch. 2 Ductus hepatici haben einige Cracidae, ne- ben dem D. cysticus, und natürlich diejenigen, bei denen es zu einer Blasenerweiterung nicht gekommen, oder wo dieselbe wieder rückgebildet ist, jedoch fand ich bei dem älteren Exemplare von Struthio nur den Ductus hepaticus (ef. Taf. I. Fig. 4), während bei dem jüngeren noch ein feiner obliterirter Gang von der Mitte der Leber zum aufsteigenden Duodenaltheile, nahe den Mündun- gen des Pancreas, führte. Bei Buceros endlich ist durch Ver- schmelzung des D. hepaticus mit dem D. cysticus ein weiter und sehr langer Ductus choledochus entstanden. — Es sind demnach alle möglichen Combinationen der beiden ursprünglichen, oder des zweischenkligen aus dem rechten und linken Leberlappen kommen- den und sich später vereinigenden D. hepaticus mit ihren secun- dären Erweiterungen, Abzweigungen und Anastomosenbildungen vorhanden. | Da die Gallenblase den Cerealien fressenden Tauben und Pa- pageien fehlt, ferner nur klein ist bei vielen Passerinen und den Hühnern, gross dagegen bei den Raubvögeln und den carnivoren Schwimm- und Sumpfvögeln, also den plötzlich grosse Mengen von wenig oder gar nicht zerkleinerter und noch dazu fettreicher Nahrung aufnehmenden Vögeln, so liegt der Gedanke nahe, dass sie als Reservoir dient, um schnell eine möglichst grosse Menge Galle dem Chymus beimengen zu können, während bei den vor- wiegend phytophagen Vögeln, die mit mechanisch starken Ver- dauungswerkzeugen ausgerüstet, bei bedeutend wasser- und fett- Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 357 ärmerer Nahrung — da reichliche Wasserzufuhr und Fleischkost die Gallenabsonderung steigert, stärkemehlreiche Nahrung dieselbe aber vermindert — die allmälige Secretion genügen würde — Jedenfalls ist die Gallenblase und ihre Ausführungsgänge von keinem allgemein systematischen Werthe. Pancreas. Die Bauchspeicheldrüse ist relativ bei den Vögeln unter allen Wirbelthieren am grössten; sie liegt stets in der Duodenalschlinge, dieselbe je nach ihrer Grösse ganz oder nur zum Theil ausfüllend. Sie besteht meistens aus zwei gestreckten Lappen, die bei Colym- bus, Grus pavonina, Oedicnemus, Columba, Picus, Upupa, Capri- mulgus, Sitta, Certhia von einander ganz getrennt sind. Drei- lappig ist sie bei den Laridae, Fulicariae, Rasores, einigen Ra- ptatores nocturni und einzelnen Passerinae. — Jeder der Haupt- lappen kann wieder in Nebenlappen zerfallen und lange Aeste bilden, wie bei Columba, Buceros, den meisten Passerinae und den Cypselomorphae. Aus einem Lappen besteht das Pancreas bei einigen Tag- raubvögeln, den Pelargi, Phoenicopterus, Ardea, Otis, Pelecanus, Casuarius, einigen Insecten fressenden Passerinen etc. Häufig fin- den sich individuelle Abweichungen, wie überhaupt das ganze Or- gan in Bezug auf seine Gestalt meistens keine oder nur neben- sächliche Bedeutung hat. Die Zahl der Ausführungsgänge stimmt nicht immer mit der der einzelnen Lappen überein, sie schwankt zwischen 1 und 3 und ist dabei für Genus, Species, ja auch Individuum unbeständig. So hatte das kleine Exemplar von Struthio nur einen, aber wei- ten Gang, das ältere aber zwei je 7 Cm. lange und 0,4 weite Aus- führungsgänge, von deren einem sich noch ein dritter feiner ab- zweigte. 1 Ausführungsgang besitzen: Pelecanus, Caprimulgus etc. — 2 Gänge: Apteryx, Ciconia, Grus, Phoenicopterus, Rallus, Ibis und die meisten Lamellirostres; Meleagris, Phasianus, Otis, Psit- tacus, Corvus etc. 3 Gänge: Rasores, Columba, einige Enten, Oedicnemus, Adler, Eulen, Cuculus, Picus viridis, Ardea, Larus, Halieus !) etc. — 1) Für Halieus giebt Stannius nur einen D. pancreaticus an; ich fand kürzlich 3 wohl entwickelte/Gänge, die mit denen der Leber in folgender Reihe und zwar im aufsteigenden Duodenaltheile, gegenüber dem Pylorus mündeten: 1. pancreat.-hepat. — 2. 3. pancreat.-cysticus. 358 | Dr. Hans Gadow, In den allermeisten Fällen münden die Gänge des Pancreas in den aufsteigenden Ast des Duodenum, nur bei Buceros plicatus mündeten alle 3 D. paner. dicht neben den Gängen der Leber im absteigenden Duodenaltheile.. Um über die Reihenfolge, in wel- cher die Ausführungsgänge des Pancreas mit denen der Leber in den Darm treten, etwas feststellen zu können, sind in der zwei- ten Auflage der Lecons von Cuvier 40 Untersuchungen mitge- theilt worden, aus denen sich ergiebt, dass die Insertion des D. hepaticus „est g&n6ralement pr&ced6e de celle d’un ou de plusieurs canaux pancreatiques, qui en sont tres rapproches ou plus ou moin &loignes, et elle est suivie de celle du cystique, qui en est toujours tres rapprochee. On ne connait que de rares exceptions a cette maniere d’etre generale.“ Bei den meisten Vögeln mündet allerdings zuerst das Pancreas, dann der D. hepaticus und zuletzt der D. eysticus. Phoenicopterus und der „grand plongeon“ ma- chen nach Cuvier eine Ausnahme, indem der Cysticus vor dem Hepaticus in das Duodenum mündet. — Ueberhaupt findet man in diesen Verhältnissen die verschiedensten Variationen, wie aus der Beschreibung der einzelnen Abtheilungen im ersten Theile dieser Arbeit zu ersehen ist. — Auf die Aufstellung einer ähnli- chen Tabelle wie die von Cuvier verzichte ich, da nach meinen Untersuchungen die „rares exceptions“ genügen, um bisher gefol- gerte Schlüsse unhaltbar zu machen. Gross ist das Pancreas bei Struthio, Rhea, bei den Pygopo- des, Laridae, Grallae, Pelargi, Rasores, Columbae; von mittlerer Grösse bei den Pici, Coceygomorphae, Cypselomorphae, Oscines, den Steganopodes, Lamellirostres und Erodii. Wenn demnach Tiedemann sagt: „ich fand das Pancreas im Allgemeinen grös- ser bei den Vögeln, welche Vegetabilien fressen und zwar Getrei- dekörner, als bei den fleischfressenden Vögeln“, so hat er dabei einerseits die Fulicariae und Casuarius, anderseits die Pygopodes, Laridae, Pelargi und Cypselomorphae gar nicht berücksichtigt. Ein direkter Zusammenhang der Nahrung mit der Ausbildung des Pancreas ist, so lange uns für die oben angeführten Abwei- chungen jede Erklärung fehlt, nicht nachzuweisen. Nieren !). Die Nieren der Vögel sind durchgängig gross, sie reichen vom unteren Lungenrande jederseits der Wirbelsäule bis an das 1) Obwohl die Nieren streng genommen nicht zum Verdauungs- systeme gehören, so habe ich derselben doch wie im ersten Theile Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 359 Ende der Darmbeine und füllen die Höhlungen des Beckens aus; ihre Dorsalseite ist daher sehr unregelmässig durch die Eindrücke der Wirbelbogen gestaltet; ihre Ventralseite ist dagegen glatt, nur durch einige tiefere Quereinschnitte in gewöhnlich 3 aufeinan- der folgende Lappen getheilt. Grössenverhältniss und Zahl der Trennungen in Nebenlappen wechselt in hohem Grade. Selten bil- den die Nieren einen jederseits fast verschmolzenen Körper, in- dem die Einschnürungen wie bei Cypselus fehlen. Einige Vögel zeichnen sich durch die Verschmelzung der rechten und linken Niere aus!); so kann ich nach meinen Untersuchungen als nicht zu unterschätzendes, anatomisches Unterscheidungsmerkmal der Reiher von den Störchen die Verwachsung der beiderseitigen Lap- pen bei dem Genus Ardea hervorheben. Aehnlich verhalten sich die Nieren von Puffinus, Colymbus und einigen Passerinen. — Die Versorgung mit arteriellem Blute geschieht bei den in 3 Hauptlappen zerfallenden Nieren folgendermaassen. Aus der Aorta descendens tritt jederseits eine hauptsächlich den proxima- len Lappen versorgende Arteria renalis superior. Aus der A. ischiadica geht dann zwischen dem 2ten und 3ten Lappen eine A. renalis media ab, etwas weiter nach hinten schliesslich eine die distalen Nierenportionen versehende A. renalis inferior. Mösgli- cherweise hängt die transversale Abschnürung der einzelnen Lap- pen mit dem Vorhandensein und dem Verlaufe der Renalarterien zusammen, indem diese auf die später in die Breite wachsenden Nieren einen seitlichen Druck ausüben und so die Spaltung ver- ursachen, wenn sie nicht wie bei Ardea, Colymbus u. a. von der Nierensubstanz umwachsen werden. Das venöse Blut sammelt sich in die Venae iliacae und cru- rales, welch letztere den distalen Nierenlappen bei den Passeri- nen durchbohren und nicht wie bei den übrigen auf seiner Ventral- fläche verlaufen. Das Vorhandensein eines Nierenpfortaderkreislau- fes ist wahrscheinlich, bei einigen Schwimmvögeln sogar nachge- wiesen, seine Besprechung liegt aber ausserhalb der Grenzen die- ser Arbeit. Der abgesonderte Urin sammelt sich jederseits in einen gros- kurz Erwähnung gethan ; dabei sind die Bezeichnungen proximal und distal als entsprechend den Ausdrücken kopf- und schwanzwärts in Anwendung gebracht. 1) Ueber Nierenverschmelzung: R. Wagner in Abhandlung der math. physic, Classe der königl. Acad. d. Wissenschaften. München. II. Bd. 1837. 360 Dr. Hans Gadow, sen Harnleiter, der am proximalen Lappen beginnend an der ven- tralen Oberfläche verläuft und in die dorsale proximale Kloaken- wand mündet !). Eine Harnblase besitzt kein ausgewachsener Vo- gel mehr. Der Urin enthält sehr viel feste Bestandtheile, beson- ders kohlen- und phosphorsauren Kalk, wodurch der Urin und die Excremente in getrocknetem Zustande ein weissliches oft pulve- riges Ansehen erhalten. Asymmetrie der Länge ist häufig, wie Pygopodes, Steganopo- des, Lamellirostres, Erodii, Rasores, also vorwiegend Wasservögel zeigen; klein sind die Nieren der Raptatores und Columbae. Tie- demann kommt durch beifolgende allerdings sehr kleine Tabelle zu dem Schlusse, dass die Nieren der Vögel, ebenso wie bei an- deren Wirbelthieren „um so grösser sind, je weniger die Haut ein Absonderungsorgan ist, und je weniger das Medium, in dem die betreffenden Thiere sich aufhalten, die Absonderung auf der Haut begünstigt.“ Das sehr dichte Federkleid der Schwimmvögel würde allerdings, abgesehen davon, dass die Haut der Vögel überhaupt gar nicht absondert, jede Möglichkeit von Ausdünstung vorweg- nehmen. Das Gewicht der Nieren zum Gewicht des ganzen Körpers verhält sich bei: Falco tinnunculus wie 1 Pica caudata Pa Sturnus vulgaris „ 1: Vanellus cristatus „ 1:625 Sterna hirundo RT | Mergus albellus „ 1 Darm. Der als „Darm“ bezeichnete Abschnitt des Verdauungsschlau- ches beginnt am Pylorus und endigt am After; er zerfällt bei den Vögeln in folgende, nicht immer durch Structur und Lagerung scharf charakterisirte, Abtheilungen. I. Als Duodenum ?) fassen wir die ganze erste Schlinge des !) Nur bei Struthio sind die Uretheren tief in die Nierenmasse eingebettet. Ueber die „Harnblase“ siehe pg. 99. Ein ähnliches Ge- bilde findet sich auch an der Cloake von Struthio. 2) Da die erste Darmschlinge bei sämmtlichen untersuchten Vögeln das Panereas umschliesst (wie denn möglicherweise das Pan- creas nur als Complex herausgewucherter Brunner’scher Drüsen aufzufassen ist), so liesse sich der alte, aber unpassende Ausdruck Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 361 Darmes auf; sie umfasst zwischen ihrem ab- und aufsteigenden Aste stets das Pancreas und liegt oberflächlich rechts ventral, in der Regel bis in die Nähe des Afters herabsteigend. Die Aus- führungsgänge des Pancreas und der Leber münden an sehr ver- schiedenen Stellen in diesen Darmabschnitt, bald nahe zusammen in den aufsteigenden Theil, gegenüber dem Pylorus, bald in der Mitte der Schlinge und weit von einander entfernt. Einmündun- gen in die absteigende Hälfte, oder gar nahe dem Pylorus, wie bei Struthio, ist als seltene Ausnahme zu betrachten. Fast immer zeichnet sich das Duodenum vor dem übrigen Darme durch weiteres Lumen und stärkere Entwicklung der Darm- zotten aus. I. Der Dünndarm (Ileum), vom Ende des Duodenums (also von dem dem rechten Leberlappen anliegenden Theile) an bis zur Insertion der Blinddärme gerechnet. Das Ileum ist (Struthio aus- genommen) der bei weitem längste Theil des Darmcanales und bildet demnach mehr oder weniger zahlreiche und sehr mannig- faltig gelagerte Schlingen. III. Der Enddarm, von der Insertion der Coeca bis zum After; ausser bei Struthio der kürzeste Theil, meistens etwas dick- wandiger, weiter und durch abweichende Structur der Zotten ausgezeichnet. Die Bezeichnung „Rectum“ ist unpassend, da der Enddarm der Vögel dem Rectum der Säugethiere morphologisch nicht entspricht; seiner Lage nach allerdings ja, denn er steigt von dem proximalen Rande der rechten Niere, etwas rechts von der Medianlinie meistens grade bis zum After herab. — Ein als Analogon für das Colon der Säugethiere aufzufassender Theil ist höchstens bei Struthio vorhanden. IV. Blinddärme. (Siehe das folgende Cap. auf S. 363 fl.) — Ungefähr in der Mitte des Dünndarmes befindet sich ein klei- nes blinddarmähnliches Gebilde, der Rest des Dottersackes mit seinem in den Darm mündenden Gange. Dieses Diverticulum coecum vitelli erhält sich während der ganzen Lebensdauer bei den Schwimm- und den meisten Sumpfvögeln ; es verschwindet dagegen schon sehr früh vollständig bei den Raubvögeln, Papa- geien und Singvögeln, bei welchen letzteren es bald nach dem Auskriechen des Vogels nur noch als ganz feines Fädchen vorhan- den ist. Sehr lange oder auch zeitlebens erhält sich bei den Ra- „Duodenum“ durch die Bezeichnung „Pancreasschlinge“ erset- zen, womit zugleich auf die Entwicklung derselben Rücksicht genom- men ware. ß 362 Dr. Hans Gadow, titae sogar ein Rest des Dotters selbst, wenn auch in degenerirter Form. Die Darmwände bestehen aus folgenden Schichten: 1. Se- rosa; 2a. Ringmuskelschicht; 2b. Längsmuskelschicht; 3. Submu- cosa; 4. Mucosa und Epithelium '). Die Ringmuskelschicht liegt bei den Vögeln im Gegensatz zu den Säugethieren nach aussen. Die Muskelschichten sind relativ selten, wie bei den Möven, vie- len Sumpf- und Raubvögeln von besonderer Stärke; bisweilen so- gar in der letzten Hälfte des Dünndarms wie bei den Hühnern äusserst schwach. Die Schleimhaut ist im der Regel dick und enthält zahlreiche Drüsen, die entweder flach oder als relativ sehr grosse Zotten, wie z. B. bei den Lamellirostres und Rasores (die grössten sah ich bei Grus carunculata) in das Darmlumen mün- den. Diese Zotten bilden entweder eng aufeinander folgende Quer- reihen durch Faltung der Schleimhaut, oder sie verlaufen in Längs- zickzackreihen; endlich können sie auch unregelmässig vertheilt sein. Sehr. dicht stehen sie in der Regel im Duodenum, dessen Innenfläche sie dann ein sammetartiges Aussehen geben; nach dem Ende des Darmes hin nehmen sie meistens an Länge und Zahl ab, verschwinden auch häufig gänzlich. Im Dickdarm bildet die Schleimhaut Quer- oder Längsfalten, ohne hierin mit dem Dünndarm immer übereinzustimmen. Die Zottenbekleidung er- streckt sich oft in den Enddarm, und, wenn auch selten, bis in die Blinddärme hinein. Während das Secret dieser Drüsen rein chemisch wirkt, wird von kleinen zwischen der Mucosa und Submucosa liegenden Drüs- chen ein Schleim abgesondert; die betreffenden Ausführungsgänge öffnen sich nie auf Zotten, sondern nur zwischen denselben. Dä diese Schleimdrüsen im Duodenum zwar häufig, aber nur sehr klein, im Dünndarm sehr selten, im Dickdarm dagegen sehr gross und zahlreich vorkommen, so möchte ich glauben, ihr Schleim- secret diene nur zur Verminderung der Reibung und Reizung der Darmwände, dass also besonders aus dem Enddarm der consisten- ter gewordene Koth leichter ausgetrieben werden kann. Während nun bei den meisten Vögeln die Innenwände des Dickdarmes nur durch Zotten, Längs- oder Querfältchen etwas vergrössert werden, bilden sie bei Struthio zahlreiche ziemlich hohe Falten und Taschen ?). Diese „etranglements“ Cuvier’s 1) Ueber Flimmerepithel im Darm der Vögel. Eberth, Zeitschr. für wissensch. Zoologie. 1859. X. 373. — 1860. XI. 95. — 1861. IL 171. Taf. 5, — @ytcH. "pe. 100. Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 363 entstehen dadurch, dass, wie Tiedemann meint, die Längs- muskelschicht allein beim Strauss an der hinteren Seite des Dick- darmes ein Längsband bildet, ähnlich wie beim Menschen die Längsmuskelschicht nicht den Darm gleichmässig umgiebt, son- dern Bänder oder Streifen bildet. Durch diese Zusammenziehung nach der Rückenseite hin und’ durch das Grösserwerden des Dar- mes werden Querfalten gebildet, die nach innen halbmondförmig hervortreten und den Darm in aufeinander folgende Taschen thei- len. Jedenfalls wird dadurch der Durchtritt des Darminhaltes bedeutend verzögert. Da die eigentliche Verdauung im Dünndarm zum grössten Theile vollendet ist, im Dickdarme und den Blinddärmen die bis dahin noch nicht völlig gelösten Nahrungsstoffe weiter gelöst und aufgesaugt werden, so ist diese Abtheilung des Darmes am mei- sten ausgebildet bei den Pflanzenfressern, am wenigsten bei den auf leicht verdauliche Kost angewiesenen Frucht-, Insecten-, Fleisch- und Fischfressern. Sind grosse Blinddärme vorhanden, wie also bei den meisten Vegetabilienfressern, so enthält der Dickdarm an seiner Grenze mit dem Dünndarm einen inneren der Valvula coli entsprechendenWulst, um den Rücktritt des Darminhaltes in den Hauptdarm zu verhindern, das Eintreten in die Blinddärme hin- gegen zu ermöglichen; bei den meisten anderen Vögeln ist diese Stelle gar nicht oder nur noch durch kleine Längsfältchen an- gedeutet. Der Enddarm endet in eine Kloake, die von sehr verschiede- ner Form und Grösse sein kann; sie ist sehr gross bei den Raub- vögeln und Ratiten, klein bei den Hühnern und vielen Schwimm- vögeln. In die Kloake münden von der hinteren oberen Wand aus die Geschlechts- und Harnorgane; eine Harnblase existirt nur em- bryonal und wird später, wie auch bei dem Strauss und Rhea, denen früher eine Harnblase zugeschrieben wurde, von der Kloake vertreten !). Blinddärme. Die nur bei den Reihern unpaarigen Blinddärme der Vögel varjiren in ihrer Ausbildung so sehr, dass von einem den Haupt- darm überwiegenden Volumen bis zum völligen Verschwinden zahl- reiche Stufen vorhanden sind. Dass dieselben bei starker Ausbil- dung für die Verdauung von grosser Wichtigkeit sind, ist wohl 1) cf. pg. 99. 364 Dr. Hans Gadow, unbestreitbar, da sie die Darmschleimhaut bedeutend vergrössern können; aber zu welchem Abschnitte des Darmes gehören sie? Jedenfalls nicht zum Dünndarm, da ein Zusammenhang ihrer Aus- bildung mit der Darmlänge nicht nachweisbar ist. Grade die kurz- darmigen Spechte und Singvögel einerseits, anderseits die lang- und engdarmigen Papageien, Tagraubvögel, Störche und Reiher besitzen gar keine, oder nur rudimentäre Coeca. Irre geleitet könnte man durch Otis, Dicholophus und Rhea werden, da hier Kürze des Darmes mit langen Blinddärmen und das Umgekehrte bei Grus sich findet. Ihrer Zugehörigkeit zum Dünndarm wider- spricht ferner, ausser .dem früher erwähnten Vorhandensein der "Klappe, dass der Inhalt entwickelter Coeca sich durch seine sehr dunkle Farbe und äusserst breiig-schmierige Beschaffenheit von dem übrigen Darminhalte unterscheidet. Die innere Structur weicht in der Regel von der des Dünndarmes und des Rectums ab, denn die Wände der Coeca sind sehr zart und dünn, und lassen nur in seltenen Fällen Zotten erkennen. Die Coeca stehen vielmehr in directem Zusammenhang mit der Ausbildung des Enddarmes, we- nigstens trifft Kürze des letzteren meistens mit rudimentärem Zu- stande der Coeca zusammen. Eine Ausnahme hiervon machen jedoch die Pelargi, Erodii und manche Raubvögel. Bei den Grallae, Rasores, Grues, Rallidae, Lamellirostres stimmen sie annähernd mit der Länge und Erweiterung des Enddarmes überein. Eine Vergleichung der in beifolgender Tabelle gegebenen Maass- und Verhältnisszahlen zeigt die Unzulässigkeit einer an- deren Annahme. Auch von der Weite und Stärke des Darmes ist die Ausbildung und das Vorkommen der Coeca unabhängig. Um wenigstens eine Verhältnisszahl für die Grösse der Coeca zu haben und um überhaupt zu entscheiden, was als starke, mittlere und geringe Entwicklung anzunehmen, so habe ich die Länge der einzelnen Coeca und dann ihre Summe auf die Gesammtlänge des Darmes reducirt. Wir wollen nun die Coeca stark entwickelt nennen, wenn ihre Längssumme höchstens 5mal, dagegen schwach, wenn sie von der gesammten Darmlänge wenigstens 20mal übertroffen wird. Leider ist auch die Bestimmungsweise nur nach der Länge, ohne die oft sehr verschiedene Weite der Blinddärme zu berücksichti- gen (wie z. B. Enten verglichen mit Hühnern), nur unvollkommen. Die Ausbildung des Enddarmes und der Coeca hängt nun, soweit meine Untersuchungen reichen, von der Nahrung ab, jedoch ge- stehe ich, dass einzelne, wenige Ausnahmen vorkommen, deren Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 365 Gründe vielleicht nicht zu erforschen sind, wenn man nicht die Vererbung als Erklärung annehmen will. Der Begriff „Nahrung“ ist überhaupt ein sehr unbestimmter, da unsre Kenntniss bei der überwiegenden Mehrzahl der Thiere sich nur auf ihr Verhalten in der Gefangenschaft erstreckt und da Untersuchungen des Mageninhaltes selten genaue und brauch- bare Resultate ergeben. Nur wenige Abtheilungen, wie die Papa- geien, die meisten Tauben, die echten Fleisch- und Fisch- und Insectenfresser leben constant ganz einseitig von ungemischter Nahrung, während bei den von gemischtem Futter lebenden je nach dem schwer zu entscheidenden Uebergewichte der Hauptnah- rung die mannigfaltigsten Veränderungen der Verdauungsorgane hervorgerufen sein müssen, Es verhält sich die Länge Länge des des beider Enddarms Coeca 1 Coecum Enddarms | 1 Coeeum |zur Gesammtdarmlänge wie 1: Pici El IR 15 Zur Bar — 0 0 00 #3 Psittaei Eh — 0 0 oo _ Cypselomorphae . . En 0 Buena SEHE exel. Caprimulgus. . — 3 — 10 5 Coceygomorphae . . — 0 0 00 a excel. Coracias RaaR: 3 5 8 13 6,5 exel. Cuculus A 6 2 6 17 8,5 Columba domest. . . | 4 0,8 35 150 75 an. le 2 0,2 8 320 | 160 Fringila. . . . . 1 02 | 22 440 | 220 rena, .. WB.: 2.0 1 0,5 68 130 65 Cyanoeitta. U). . . 3,5 1 11 +4 22 Braenla. ..Di .. 2 1 22 44 22 Ba... . 3 rudim. 23 — == Monedula RAR 2,5 1 26 66 33 Corvus comix . . . 3 1,2 35 90 45 C. corone Aue” 6 1,2 22 113 56 Cireus einereus. . . 7 rudim. 13 00 —_ Astur palumbar. . . 12 0,5 6,5 156 78 Buteo lagopus . . . 4 rudim. 35 Ys IT Aquila naevia N 10 0,3 11 390 .|cc. 200 A. mogilnik . 2 12 rudim. 14 [6.°) — Milvus regalis . . . 10 N 17 » Se M. ater. . a ee 10 „ 13 „ FIR Pandion haliaet. . . ) » 30 » en: Haliaötos albicilla.. . 9 5 33° r —_ Gyps Kolbii .. aa 20 n 16 air ot 366 Dr. Hans Gadow, Es verhält sich die Länge beider Coeca 1 Coecum 1 Coecum {zur Gesammtdarmlänge wie 1: Länge des des Enddarms Enddarms Falco peregrinus 5 rudim. | 25 Larus canus 6 1 13 L. argentatus 3 151 26 L. marinus 4,5 0,75 22 L. ridibundus 7 0,8 10 Strix flammea . 5,5 3,7 7,6 Scops zorca . 6 5 6 Otus vulgaris : 4 6 14 Phasianus pictus . . 10 12 11 Ph. Swinhoi \ if 13 15 Crossoptilon mandsch. 13 35 10 Euplocamus prael.. 10 22 13 Gallus domesticus . 11 20 15 Crax Alberti 11 15 20 Perdix ;cinerea.. .... 6 17 12 Perdicula cambay. . 3 5 12 Crex pratensis . 5,5 B) 8,4 Porphyrio hyac. 4 3,5 12 Gallinula chlorop. . 4 6 16 Ortygometra porz. B) 4,5 12 Fulica atra . 14 87 13 Gallinago major 5 3 8 Scolopax rusticola. = rudim. | — Tringa islandica 3 5 16 T. arenaria . 3 4 13 T. varabilis . — 4 _ T. alpina. — 4 — T. cinerea 3 8 23 Totanus flavipes 4 3 12 Limosa rufa. 3 2 20 L. melanura.. 3 3 21 Numenius arcuatus 8 12 Recurvirostra avoc. 4,5 7 15 Haematopus ostr. . 5 7 22 Strepsilas interpres 3,5 0,3 13,5 Vanellus cristatus . 4 6 12,5 Charadrius auratus 4,5 4,3 15 Ch. collaris . 2,5 4 14 Btisttarda: ang 25 30 h) Dicholophus Burm. 12 21 6,5 D. cristatus . h 13 20 8 Grus caruneulata . . 15,5 15 19 Anthropoides paradis. 16 10 10 Cochlearia naevia . . 8 — 12 oo — 90 45 72 36 136 68 92 46 11 5,9 6 3 I) 4,5 10 b) 8 4 4 4 6 3 8 B: 15 7,5 4,5 2,2 7 3,5 15 7,5 15 7,5 10,5 5,2 13 7,5 5 2,5 14 7 oo _— 9 4,5 9,5 4,7 8,5 4,2 8,5 4,2 8,4 4,2 17 8,5 30 15 31 15,5 13 6,5 10 b) 16 8 160 80 8,8 4,1 16 8 10,5 5,2 4 2 cc. 3,7 | ce. 2 5 2,5 20 10 16 8 [oe ©) — Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 367 Es verhält sich die Länge Länge des des beider Enddarms | 1 Coecum | Boeca Enddarms |1 Coeeum | zur Gesammtdarmlänge wie 1: Botaurus stellaris . . 10 Ian 150) IMS | 100 50 Doenunnta van‘ 4 0,1 18 oo oo Ardea garzetta. . . 10 0,1 10 oo 6%) Auseinereat |“ lie 10 0,5 22 400 400 AR SDULPUTER a. an 11 0,1 20 00 00 Faleinellus igneus. . 6 rudim. 18 — — Iprswrubrar 1... .40 20% 6 — 16 u — Platalea leucerod. . . 8 — 20 = — Tantalastıbısı 8 11 _ 13 _ — Gieomaralba I... v2 — 17 — — Eygnusolor.t .u 1 — 42 — 10 5 Anser domesticus . . 18 14 14 18 ) Cereopsis nov. Holl. . - 30 — 6 3 Palamedea corn. . . -— 16 —_ 10 5 Anas tadorma |. . . 16 17 14 13 6,5 ABenelope 2... 15 18 12 10 5 Oidemia fusca . . . 13 12 19 20 10 Fuligula cristata . . 10 10 15 15 7,5 Somateria moll. . . 13 15 17 14 7 Anas clangula . . . 8 6 18 24 12 Rshottentottz: .' *.. - 7 4 18 30 15 Pop ERS EN al hr 11 14 11 9 4,5 ANCADEHRIE | V.8e Ne 6 11 20 10 5 A. carolinensis . . . 8 9 13 12 6 Pelecanus rufesc. . . — 4 _ 62 31 Halieus carbo . . . 20 a. 230 115 Eudytes arcticus . . 4 5 59 47 23,5 Podiceps eristat. . . 6,5 4 24 39 19,5 Vriadimile nasse Killin ieaddo 84 6 a Ballen era siehe die Tabelle auf S. 102. In der folgenden Tabelle sind die Hauptabtheilungen der Vö- gel nach ihrer Nahrung und der Ausbildung ihrer Blinddärme, zu- gleich mit den vorkommenden Abweichungen, summarisch zusam- mengestellt. — Die abweichenden sind durch die Schrift hervor- gehoben. 368 Dr. Hans Gadow, Blinddärme Nahrung Fehlend Rudiment. Mittel Lang Psittaci Cerealien Calssıhas Coceygo- Früchte | I | | 9, Coceygo- Cueulus Caprimulgus Coractas Insecten u. )| Piei Samen Cypselomor- phae Passerinae Raptat. diurni Raptat. noct. Laridae Lestris Procellarid. Fleisch u. Steganopod. Fische Pelargi Phoeniecopt. Erodii Alcedinidae Pygopodes Glareola Grallae Würmer ee le Tleeteh colopax ru- stie. et major. Mollusken s 3 Strepsilas Lamellirostres Vegetabi- Rallidae l; Alectorides ien | Rasores \ Casuarius Ratitae Demnach steht die Ausbildung der Blinddärme in directem Verhältniss zur Menge der vegetabilischen (Leguminosen) Nahrung. Ausnahmen machen mit mittellangen Blinddärmen Caprimulgus, Coracias, Cuculus, die Eulen, Flamingo und Lestris; anderseits mit rudimentären: Glareola, Scolopax major et rusticola, Strepsi- las interpres und Casuarius. Besonders merkwürdig ist das Ab- weichen von Cuculus und Caprimulgus, da beide wie ihre nächsten Verwandten ausschliesslich von Insecten leben. Die Eulen, Nacht- vögel wie Caprimulgus, weichen trotz ihrer langen Blinddärme in der Nahrung von vielen Tagraubvögeln, wie z. B. von Buteo nicht im geringsten ab, Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 369 Länge und Weite des Darmes'). In Bezug auf Länge und Weite des Hauptdarmes glaube ich am besten Cuvier’s Worte anführen zu können, da er die ein- zelnen dabei wirkenden Ursachen und vorkommenden Verhältnisse mit grosser Klarheit und Kürze ausgedrückt hat. Er sagt in sei- nen „Lecons d’anatomie comparde, 2”° edit. T. IV. 2. pg. 171: „L’action du canal intestinal devait avoir n&cessairement d’autant plus d’eftet, qu’elle durait d’avantage et quelle s’exergait sur une plus grande surface; quelle dependait par consequent de la lon- gueur de ce canal, des inegalit6s de sa cavite, des ses &trangle- ments et de ses valvules. Toutes ces causes peuvent exister ä la fois et avoir une influence relative plus ou moins marquee. Plu- sieurs peuvent manquer; leur defaut est alors compensee lorsque cela est nöcessaire, par la plus grande Energie de celles qui sub- sistent. Aussi nous verrons, que dans plusieurs animaux les val- vules qui retardent la marche des substances alimentaires et m£- mes les &tranglements du canal intestinal suppl&ent ä la bri6- vet& de celui-ci. Dans d’autres ceirconstances ou la longueur des intestines parait moindre que cela n’a lieu ordinairement chez les animaux qui se nourrissent des substances veg£etales, la pro- portion deleur diametre est augmente. Dans d’autres cas enfin ce diametre est tres petit, et diminue par lä l’effet d’une plus grande proportion dans la longueur, comme nous en verrons des exemples dans plusieurs carnassiers.“ Da bei Vergleichung der Darmlänge selbstverständlich nur relative Zahlen anwendbar sind, so müssen wir eine an dem be- treffenden Vogel selbst zu findende Strecke als Maasseinheit an- nehmen. Ich benutze dazu die Länge des eigentlichen Rumpfes, und zwar in grader Linie vom After bis inel. zum ersten Brust-. wirbel gemessen. Die Bestimmung des ersten Brustwirbels unter- liegt bei den Vögeln allerdings grossen Schwierigkeiten, ist häufig sogar unmöglich, da von den rudimentären Halsrippen bis zu den mit proc. uncinatis versehenen, und mit dem Sternum als echte Rippen sich verbindenden unteren Bogenfortsätzen oft ein allmä- liger Uebergang nachweisbar ist. Das Vorhandensein echter und falscher Rippen kann für die betreffenden Wirbel also nicht im- 1) Längenmaasse des Darmcanales (sowohl absolute wie relative) sind im ersten Theile dieser Arbeit bei den einzelnen Abtheilungen mitgetheilt. — Die sich auf 58 Species beziehenden Maasse der 2ten Auflage Cuvier’s Lecons sind hierin nicht mit einbegriffen. Ba. XIT. N. F. VI, 3. 24 370 Dr. Hans Gadow, mer entscheidend sein. Relative Unterschiede der Wirbel, in Be- zug auf ihre Dorn- und Querfortsätze, das Verschmelzen der er- steren, ferner die Stelle der Bifurcation der Trachea, endlich auch die Austrittspunkte der den Plexus brachialis zusammensetzenden Spinalnerven können ebenfalls kein allgemeingültiges Criterium sein, wenn man auch in den meisten Fällen practisch nicht im Zweifel sein wird, welcher Wirbel als der erste Brustwirbel auf- zufassen ist. Wir wollen daher den in gleicher Höhe mit der Mitte der Furcula liegenden Wirbel als Ausgangspunkt auffassen, eine Bestimmung, die trotz des ungenauen Ausdruckes sich prak- tisch verwerthen lässt. Ich habe die eigentliche Rumpflänge als Maasseinheit gewählt, weil die sonst nur übrig bleibende, gewöhnlich angewandte Länge der gesammten Wirbelsäule (vom Atlas bis zu den Schwanzwir- beln gemessen) notorisch keine brauchbaren, wenigstens nicht zum Vergleichen verschiedener Vogelabtheilungen anwendbare Resultate liefert, wie auch Grampe gefunden hat. Dies ist auch ganz er- klärlich, denn der Hals bei seiner äusserst wechselnden Länge — man denke nur an den Flamingo gegenüber der Schwalbe — mit in Berechnung gezogen, muss nothwendig einen störenden Einfluss ausüben. Mit der Länge des Halses, die in den meisten Fällen mit der Länge der hinteren Extremität in Correlation steht, stimmt die des Schlundes natürlich überein und dieser, als nur zum Ma- gen führender Leitungsweg dienend — wenn wir selbstverständ- lich die event. Bildung eines Kropfes unbeachtet lassen — hat gar keinen Einfluss auf den resorbirenden, hier allein zu messen- den Darm. Infolge dessen kann ferner auch die Länge des ge- sammten Verdauungsschlauches: Schlund -— Magen + Darm nicht mit der ganzen Wirbelsäule gemessen werden, so nahe ein solcher ‚Gedanke sonst liegen möchte. Cuvier nahm sogar, wie die im öten Bande seiner Lecons d’anat. comp. I® edit. aufgestellte Tabelle zeigt, als Einheit „la longueur de l’animal depuis le bout. du bee jusqu’ A l’extremite "des vertebres du corps.“ In der 2ten Auflage wird jedoch auf das Ungenügende, dieses Verfahrens hingewiesen und vorgeschlagen, das Gewicht des Darmes mit dem des gesammten Körpers (der Körpermasse) zu vergleichen. — Während nun ferner Crampe die Vergleichung der Darmlänge resp. der Darmschleimhautfläche mit der Körpermasse als durchaus nicht empfehlenswerth verwirft, vertheidigt Custor dieselbe und hat auch eine längere Reihe an- scheinend sehr sorgfältiger Untersuchungen nebst daraus gezoge- Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 371 nen Schlüssen mitgetheilt. Jedenfalls ist er am rationellsten vor- gegangen und hat uns den richtigen Weg gezeigt, auf dem wir zu einer brauchbaren vergleichenden Physiologie des Darmeanales gelangen können. Practisch anwendbar ist diese Methode jedoch kaum, denn, abgesehen von den enormen Schwierigkeiten solcher Messungen, unterliegt das als Grundlage genommene Körperge- wicht je nach dem guten oder schlechten Ernährungszustande be- deutenden Schwankungen, und endlich ist die Weite des gesamm- ten Darmes häufigen, vielleicht täglich wechselnden Veränderungen ausgesetzt !). Custor deutet ferner ganz kurz an, dass die Zeitdauer der Berührung oder die Geschwindigkeit, mit welcher die Nahrungs- stoffe den Darmcanal durchlaufen, sehr wichtig sei. In seinen zahlreichen Tabellen ist aber doch nur die ganze Darmschleimhaut- fläche aufgenommen, ohne dass die Länge und Weite des Darmes berücksichtigt wird. Gewiss wird es für die Verdauungsthätigkeit eines bestimmten Thieres ein grosser Unterschied sein, ob bei völliger Flächengleichheit der Darm wie bei den Aas- und Fisch- fressern sehr eng und dabei von bedeutender absoluter Länge, oder wie bei den Fruchtfressern von grosser Weite, verbunden mit auffallender Kürze, ist. Aus diesen Wechselverhältnissen er- klärt sich vielleicht auch Custor’s Bemerkung, „dass entgegen der bisherigen Annahme die Darmgrösse in keinem bestimmten Verhältnisse zur Fleisch- oder Pflanzennahrung steht.“ — Vom physiologischen Standpunkte aus ist nun Custor’s Me- thode, wie bemerkt, die beste zu nennen; dies berührt aber unsre vorwiegend morphologischen Untersuchungen weniger, und ich glaube daher das von mir erwählte Maass beibehalten zu können, da es mir hauptsächlich um eine ohne allzugrosse Schwierigkeiten zu findende relative Darmlänge (ohne Rücksicht auf die Entfal- tung der Schleimhaut überhaupt) zu thun war, die zur praktischen Untersuchung von Genus und Species anwendbar, zugleich gewis- sermaassen als constant angesehen werden kann ?). 1) Custor sagt selbst, dass aus Crampe’s Untersuchungen das Schwanken des Verhältnisses zwischen Darmlänge und Körpergewicht bei Thieren einer Art nach der Verschiedenheit der Alters- und Er- nährungsstufe hervorgehe. Das geschieht individuell allerdings auch bei der Vergleichung von Körper- und Darmlänge. 2) Eine grosse Constanz der Darmverhältnisse in Bezug auf Länge, Weite und Lagerung glaube ich nach meinen Untersuchungen anneh- men zu dürfen, auch Custor erwähnt „die wahrhaft überraschende 24* 372 Dr. Hans Gadow, Die von mir erwählte Einheit hat nun bei dem Umstande, dass die von Anderen benutzten Maasse dem Zwecke nicht ent- sprechen, ich in der That aber kein andres Maass weiter finden konnte, wenigstens den Vortheil, dass die Lage des ersten Brust- wirbels annähernd mit der des Drüsenmagens oder dem Anfange des eigentlichen, thätigen Verdauungstractus übereinstimmt, letz- terer gewissermaassen also mit sich selbst gemessen wird, denn der denkbar kürzeste active Darm würde ein vom Beginn des Drü- senmagens in grader Linie bis zum After laufender Schlauch sein, wie es embryonal wirklich der Fall ist. Trotzdem gestehe ich als gradezu selbstverständlich, dass — wegen der entgegenstehen- den technischen Schwierigkeiten, einerseits den oft krausen unre- gelmässig geknickten, dazu noch sehr dehnbaren Darm, anderseits die Rumpflänge genau zu messen — die resultirende Verhältnisszahl auf Genauigkeit der Dezimalstellen keinen Anspruch machen kann. Zur Erleichterung eines Ueberblickes über die Wechselverhält- nisse zwischen Darmlänge, Weite und Entwicklung der Blind- därme — und der Nahrung, diene die folgende Tabelle, in wel- cher als kurzdarmig alle diejenigen eingetragen sind, bei denen das Längenverhältniss des Darmes zum Rumpfe die Zahl 5 nicht übersteigt, als von mittlerer Darmlänge die von 5—8; über 8 hinaus als langdarmig bezeichnet sind. Diese durch Division der Rumpflänge in die Darmlänge resultirende Zahl nenne ich die relative Darmlänge. (Siehe Tabelle auf folgender Seite.) Wir ersehen aus dieser Tabelle Folgendes: 1. T Grosse Länge des Darmes und rudimentäre Blinddärme sind stets mit geringem Darmdurchmesser combinirt; dass hierauf die Nahrung von Einfluss sein muss, zeigt uns das Beispiel der Fisch und Aas fressenden Raubvögel, die sich von den anderen durchgängig durch Länge und Enge des Darmes sofort unterschei- den lassen. — Die hierher gehörenden Abtheilungen, nämlich die auf durchaus animalische Nahrung angewiesenen Steganopodes, Erodii und Pelargi sind freilich von den nur Cerealien fressenden Tauben und Papageien verwandtschaftlich sehr weit entfernt. 2. * Kürze des Darmes ist verbunden mit rudimentären Blinddärmen und ausgesprochener Weite des Darmes, hauptsäch- lich bei den Insecten- und Fruchtfressern. Uebereinstimmung zwischen verschiedenen Individuen der gleichen Art“ ete. — Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 373 Haupt-Darm Blinddärme | " | E Nahrung s E & n 3 erh E g® | Be E82 län Ele 5 E88 | [o) ! Pygopodes laslkkokl ld 23 AT — ll ia Steganopods . .| 7 —ı —! 1 —!1—-1—-|—| + Viegetabil.).: [{Lamellirostres 4... 35 |>0 1 Kl | —hi1,0l 0 |—| — Tubinares Salsa || Ba | Bchlıig Fische Laridae —| 1/— || — | »11|)—I|—|1—| 1 Erodii 7,1) ı) 1 — ||| + h Pelargi 11-|—| 171-1—-[-=|—| + Animal. Grallae a Pr ee A Ratitae 0 1| 11 —1—|.0|.0| 11 — Vegetabil. Rasores . aD Ir— | — I ON — ‚[Columbae . . .| 71—-\—-| TI—-1—1—-|—| +} Rleisch Raptatores diurni . 1l7\7\ 1\)—1-1-|-| + s nocturn I—- | — | 1 |— | |. 1| 11. | — Cerealien |Psittaci TI.Il. 1) 3 1 —l 1 ir Coccygomorphae ER le le Nr Bell RE Insecten u. | Pici RE ee 7 a > Cerealien )|Cypselomorphae —I—| *1 —1—| I] | — | * '| Passerinae a le NEE ni ER 3. 0 Länge und Weite des Darmes ist verbunden mit gros- sen Blinddärmen; mithin ist grösstmögliche Entfaltung von Darm- schleimhaut bei den Lamellirostres, Rasores, Ratitae, also bei den echten Vegetabilienfressern zu finden. Einfluss der Nahrung auf den ganzen Verdauungscanal. 1. Starke Entwicklung des Drüsen- und Muskelmagens trifft zusammen bei den Laridae, Pelargi, Grallae, Columbae, Pici, partim Passerinae. 2. Starker Muskel- und schwacher Drüsenmagen: Lamelli- rostres, Rasores, Psittaci, also bei den Phytophagen, mit vorwie- gend trockner Nahrung. 3. Starker Drüsen- und schwacher Muskelmagen: Pygopodes, -Bteganopodes, Procellaridae, Erodii, Raptatores, Coceygomorphae, ‚also diejenigen, welche nur eine weiche wasserreiche Nahrung, wie Fleisch, Fische, Früchte zu sich nehmen. 374 | Dr. Hans Gadow, 4. Kropf mit stark muskulösem Magen: Rasores, Columbae, part. Passerinae und part. Psittaci, also vorwiegend Körnerfresser. Nach der Nahrung könnte man die Vögel in folgende Grup- pen zusammenstellen, und zwar wollen wir mit den einfachsten Verhältnissen beginnend zu den complieirteren aufsteigen. I. Reine Insecten- und Fruchtfresser. Magen schwach muskulös, Darm sehr kurz, ziemlich weit. Drüsenmagen stark. Kropf und Blinddärme fehlen. I. Cerealien- und Insectenfresser: Kropf meistens fehlend, Drüsen- und Muskelmagen stark. Darm kurz, Blind- därme rudimentär. III. Fleischfresser (Fleisch von Warmblütern). Unech- ter Kropf vorhanden. Drüsenmagen stark chemisch wirkend. Darm von mittlerer Länge und Weite, dann ohne Blinddärme — oder kurz, etwas weit und mit langen Coeeis. IV. Fisch- und Aasfresser. Meistens ohne echten Kropf. Drüsen- und Muskelmagen gross, sehr stark absondernd, ganz schwach muskulös. Darm lang und eng, oder kurz und weit. Blinddärme fehlen. V. Reine Cerealienfresser. Grosser starker Kropf. Drü- senmagen stark chemisch, Muskelmagen stark mechanisch wirkend. Darm lang und eng. Blinddärme fehlen. VI. Vegetabilien- (d.h. die grünen Pflanzentheile) Fres- ser. Wenn daneben auch Körner fressend, mit echtem Kropf. Muskelmagen sehr stark. Darm lang und weit. Blinddärme gross. — Natürlich kommen zwischen diesen 6 grossen Abtheilungen die verschiedensten Zwischenstufen vor, wie z. B. die Allesfresser zeigen. Auch giebt es viele Vögel, welche in den verschiedenen Jahreszeiten einen vollständigen Wechsel der Nahrung durchma- chen. So besteht die Hauptnahrung der alten Sperlinge im Früh- jahr und die fast ausschliessliche der noch in zartem Alter be- findlichen Jungen aus Raupen, weichen Maden und den fertigen Insecten, während dieselben Individuen im Herbst und Winter echte Körnerfresser sind, worauf ausser dem charakteristischen Schnabel auch der gesammte Bau des Verdauungstractus hinweist. Daher die endlose Streitfrage der selten scharf beobachtenden zahllosen ornithologischen Dilettanten, „ob die Sperlinge nützlich oder schädlich sind.“ — Eine grosse Vorliebe besitzen die ver- schiedensten Vögel für süsse Früchte, z. B. für Kirschen und Wein- beeren; so sehr viele Passerinen: Krähen, Pirole; ebenso Hühner und Enten, wie ich bei letzteren selbst oft beobachtet habe. Das Versuch einer vergi. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 375 Wunderbarste war mir aber, dass ich eine meiner gezähmten wil- den Tauben, Columba oenas, vom Baume einige Bernsteinkirschen habe fressen sehen; dies scheint mir um so interessanter, als wirklich eine malayische Taubenfamilie, die Carpophaginae sich an weiche Früchte gewöhnt, die Cerealiennahrung aber aufgege- ben hat. Jedenfalls sind diese verschiedenen Abweichungen auch dafür ein Beweis, dass die betreffenden Vögel ein gutes Geschmacksor- gan besitzen; es wäre sonst die grosse Freude vieler Vögel, wie zahmer Papageien, Raubvögel und Singvögel, die sie über darge- reichte Leckerbissen zeigen, wirklich unerklärlich. Freilich Tau- ben und Hühner können von den trockenharten, sogar noch mit der festen Cellulose umhüllten Erbsen und Roggenkörnern im Schna- bel keinen Geschmack empfinden. Wie viel Wahrscheinlichkeit die Vermuthung Hunter’s, dass die Vögel vielleicht im Kropfe eine Geschmacksempfindung haben, besitzt, wage ich nicht zu ent- scheiden. Variiren der Länge und Weite des Darmes bei Thieren einer Art. A. Bei Erwachsenen. H. Crampe führt in der schon früher eitirten Arbeit: „Ueber das Variiren etc“ einige in der Literatur verstreute Angaben an über Veränderungen des Magens einer Larus tridactylus, L. ar- gentatus, Corvus und Strix, die längere Zeit mit abweichender Nahrung gefüttert wurden. Diese Veränderungen bezogen sich aber nur auf Verdickung der Wände und der Muskulatur des Ma- gens. Ferner, Magen und Darm längere Zeit mit gehaltloser Nah- rung gefütterter Hunde erweitern sich bedeutend, ebenso bekom- men nur auf Gras und Heu angewiesene Pferde den bekannten „Grasbauch“. Ein Gleiches ist an den Steppenpferden und Renn- thieren zu beobachten, die im Frühjahr von üppigem Grase, im Winter von dürrem Heu, Blättern und Moos sich nähren müssen. „Die vergrösserte oder verminderte Länge der Därme, welche scheinbar das Resultat veränderter Nahrung ist, ist ein noch merk- würdigerer Fall, weil es für gewisse Thiere im domesticirten Zu- stande charakteristisch, und daher vererbt werden muss.“ Herr Crampe behauptet nun: Der Verdauungsapparat passt sich der ihm überantworteten Nahrung an; es kommt für die Veränderungen aber „weniger auf 376 Dr. Hans Gadow, die Natur, oder chemische Beschaffenheit, als auf die Form an, in der die Nahrung angeboten wird.“ (Mithin könnte man jeden echten Fleischfresser mit der Zeit an rein vegetabilische Nahrung gewöhnen, wenn man ihm letztere nur in gehörig zerkleinerter, gekochter oder sonstig vorbereiteter Form anbietet.(?) — „Die Nothwendigkeit, grosse Mengen eines wenig nährstoffreichen Fut- ters aufzunehmen, veranlasst eine ganz bedeutende Ausdehnung des Magens und eine Erweiterung des Darmlumens (nicht Ver- grösserung der Darmlänge) und zwar treten diese Veränderungen bald ein, haben aber keine nachhaltige Bedeutung bei Rückkehr zur alten Nahrung und vererben nicht.“ Als Beweis wird unter Anderem angeführt, dass Veränderungen der seit Jahrhunderten so abweichend mit Fischen etc. gefütterten Lappländer Kühe und Pferde an den Verdauungswerkzeugen ihrer Nachkommen nicht constatirt seien }). Indem nun derartigen Veränderungen die Erblichkeit abge- sprochen wird, werden auch die von Darwin an domesticirten Thieren angestellten Untersuchungen als nicht stichhaltig für die Transformationslehre hingestellt. Bei Besprechung der Längenverhältnisse des Darmes sagt Herr Crampe ganz richtig: „Es ist nicht zu erwarten, dass alle Thiere derselben Art einen relativ gleich langen Darm besitzen sollen; dieses Organ variirt wie alle übrigen, das steht ausser allem Zweifel, es kann sich nur darum handeln, zu untersuchen, innerhalb welcher Grenzen er varürt.“* Bei über 100 untersuchten Tauben (Columba livia) maass die Wirbelsäule 17,5—18,5 Cm.; die Darmlänge 96,5—125 Cm.; die mittlere absolute Darmlänge wäre demnach 112,5 oder die von Crampe gewählte relative Verhältnisszahl 6,25. Bei Haushüh- nern schwankt die relative Darmlänge schon zwischen 3,0 bis 4,88, woraus auch gefolgert wird, dass bei den Haushühnern Verschie- 1) Dies ist nicht unbedingt nothwendig, denn bekanntlich ver- erben manche organische oft ziemlich bedeutende Veränderungen nicht auf die Nachkommen (oder machen sich erst in späterem Alter be- merkbar), andere geringfügige dagegen häufig sehr leicht und hart- näckig. — Uebrigens scheint es nicht recht glaublich, dass die Ver- erbung in dieser Hinsicht bei den betreffenden Hausthieren ganz aus- geblieben sein sollte, denn angenommen, es hätte wirklich ein Ana- tom die Eingeweide vergleichend untersucht und gemessen, so ist doch sicher, dass die Lappländer Hausthiere zu ganz eignen Ragen geworden sind, mithin auch in den meisten Organen anatomische Un- terschiede von den übrigen zeigen werden. Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 377 denheiten der relativen Darmlänge vorkommen und dass die mitt- lere relative Darmlänge nicht bei allen Racen dieselbe ist. Noch grössere Schwankungen zeigen die Hunde. Ich kann nach eigenen Untersuchungen bestätigen, dass die relative Darm- länge derselben, und zwar erwachsener, um mehr als das 3fache verschieden sein kann, wie unten stehende Tabellen zeigen. — Wenn nun Herr Crampe behauptet, dass sich für jede Art eine charakteristische mittlere relative Darmlänge nachweisen lasse, so stimme ich dem mit aller Entschiedenheit bei, nur darf dies nicht auf so völlig domesticirte, in zahlreiche, fast constant gewordene Racen zerfallende Thiere, wie Hunde, Kaninchen, Hühner etc. an- gewandt werden, da bei diesen eine mittlere relative Darmlänge des practischen Werthes ganz entbehrt. Das Längenverhältniss der einzelnen Darmabschnitte, also des Dünndarmes zum Enddarme (d.h. von der Blinddarm - Insertion bis zum After) kann bei domesticirten Thieren ebenfalls ganz be- deutend variiren, wie ich z. B. bei Hunden zu untersuchen Gele- genheit hatte. Herr Crampe behauptet nun, Geschlecht, Race und die ver- schiedene Ernährung, die Natur der Nahrung, wäre auf die Darm- länge von keinem Einfluss; jedenfalls hätten wir als erste Ursache der betreffenden Veränderungen nicht die Nahrung anzusehen und von Vererbung könne nicht die Rede sein. Dem stimme ich nicht bei, denn abgesehen davon, dass Ver- schiedenheiten oder Aenderung der Nahrung sich als die nahelie- senden Factoren für den Darm betreffende Umbildungen aufdrängen, so wäre im gegentheiligen Falle gar nicht einzusehen, wesshalb nicht alle Vögel aller Ordnungen eine und dieselbe relative Darm- länge (natürlich mit den zugestandenen Schwankungen) besitzen und nur durch die Weite in Bezug auf den Darm sich unterschei- den sollten. Ist es etwa rein zufällig, dass alle Insecten- und Fruchtfresser einen sehr kurzen und weiten, die Fisch- und Aas- fresser unter den Raubvögeln im schärfsten Gegensatze zu den übrigen Raubvögeln einen sehr langen und engen Darm besitzen, dass überhaupt fast durchgängig die Carnivoren mit einem relativ viel kürzeren Darm wie die echten Phytophagen versehen sind? Der Darm variirt in der relativen Länge und Weite, mehr bei den domestieirten, fast gar nicht bei den wilden Vögeln. Ich habe manche Haustaube: Kröpfer, Tümmler, Mohrenköpfe, Möv- chen ete., ebenso Enten und Hühner gemessen und bin oft schwan- kend geworden, die relative Darmlänge als brauchbares anatomi- 378 Dr. Haus Gadow, sches Merkmal für Speciesunterscheidungen anzunehmen, bis ich mich durch Untersuchung wilder Vögel von der Existenz einer wirklich anwendbaren, weil nur geringen Schwankungen unterwor- fenen Verhältnisszahl (Darmlänge zur Rumpflänge) überzeugte !). Kleine Schwankungen müssen sich auch hier ergeben, da einer- seits, wie schon früher besprochen, technische Schwierigkeiten der Messung im Wege stehen, anderseits jedem lebenden Wesen die Fähigkeit zur Abänderung zugesprochen werden muss, wenn an- ders man nicht den hoffentlich abgethanen Standpunkt der Spe- ciesconstanz einnehmen will. Woher zeigen nun grade die domestieirten Vögel so grosse Verschiedenheiten, und nicht auch die unter mehr constanten Nah- rungsverhältnissen lebenden wilden Vögel, wenn andauernde Ver- schiedenheit und Aenderung der früheren Nahrung nicht als die wirkenden Ursachen angenommen werden sollen ? Herr Crampe stützt sich darauf, dass auch die in voller Freiheit lebenden Thiere grossen Schwankungen in der relativen Darmlänge unterworfen waren. Aus seinen mitgetheilten Messun- gen scheint allerdings Derartiges hervorzugehen, aber dies beweist 1) Man darf aber bei dem Aufsuchen der mittleren relativen Darmlänge nicht so verfahren, wie Herr Crampe, wenn man sich vor nicht zu vereinigenden Resultaten hüten will. Er sagt, die meisten Sperlinge haben eine Wirbelsäule (Hinter- haupt bis After) von 7,7 Cm. und eine absolute Darmlänge von 22— 23 Cm.; die mittlere relative Darmlänge derselben würde also durch den Bruch 22,5 : 7,7 = 2,9 ausgedrückt werden (wohlverstanden nur für erwachsene Vögel maassgebend); nun findet: er aber in seinem reichhaltigen Untersuchungsmaterial von 110 Haussperlingen 2 Indi- viduen mit je 18 und 7 mit je 30 Cm. absoluter Darmlänge (nicht auffallend, da ‚„Sperlinge überall untersucht wurden, wo sich die Ge- legenheit darbot, solche zu schiessen“, also jedenfalls sowohl ganz alte, und ausnahmsweise grosse, als auch unausgewachsene Exemplare) und dividirt einfach mit der mittleren Zahl 7,7 in 18 und 30 hinein, woher dann das überraschende Ergebniss stammt, dass die relative Darmlänge der Haussperlinge zwischen 2,3 und 3,9 also sehr weiten Grenzen sich bewege. Abgesehen davon, dass die wirkliche mittlere absolute Darmlänge der 110 untersuchten Sperlinge, wenn man überhaupt von einer sol- chen bei so verschieden alten Exemplaren reden will, nicht 22,5 son- dern nur 21,6 ist, denn die Totallängssumme der Därme sämmtlicher 110 Sperlinge beträgt 2380 Cm., dies dividirt durch 110 giebt 21,6. Crampe hingegen sagt, „als mittlere Darmlänge bei einer Art könne er nur diejenige anerkennen, die sich bei einer Anzahl von Messun- gen am häufigsten wiederholt“, wonach dann die Extreme einfach ausser Rechnung gelassen würden. Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 379 doch nichts gegen den directen Zusammenhang mit der Nahrung, denn dass bei Individuen einer Art, die soweit sich beurtheilen oder vermuthen lässt, unter ganz gleichen Verhältnissen aufge- wachsen sind, solche Unterschiede existiren, ist klar, aber nicht woher sie oder vielmehr ihre Vorfahren zu diesen Abänderungen gekommen sind. Ausserdem lässt sich auch gegen die betreffen- den Untersuchungen selbst Manches anführen und zwar: 1. In Bezug auf die an Sperlingen gewonnenen Maasse sei auf das in der Anmerkung Gesagte verwiesen. 2. Betreffend die Messungen an Häringen, Barschen und Plöt- zen. Hier wird als ganz willkürliche Einheit die Entfernung vom Maule bis zum Ansatz der Schwanzflosse genommen; es wird fer- ner nicht angegeben ob alle Fische ausgewachsen waren; von den Barschen (Perca fluviatilis) waren „die einen langgestreckt und schmal, die anderen kurz und breit“, also die beiden bekannten nicht unerheblich verschiedenen Varietäten. — Schliesslich sei jedoch noch bemerkt, dass die in Rede ste- henden Verhältnisse bei den übrigen Thierklassen möglicherweise ganz andere sind, als bei den Vögeln und dass ich vorläufig nur bei letzteren das Recht habe, gegen Herrn Crampe’s Ansichten zu sprechen. Rumpf- Dada eh Abso- | Rela- | a: b Hard länge |num u. | End- | Coe- lute tive en Buce Cm. Hin; darm. | cum. | Darmlänge. |x:1 Ausgewachsen, mittel- Erosse Race! . ,,.. 583 323 Koran 390 | 7,4 | 4,8 2jährig . OWART. U REIN. 92 464 64 | 30 528°110,1 | 1,2 !/,jährig; kleine Race. |32 1022| 25| 5 127 | 4 4 26 | 305 | 44| 8 | 349 | 13,4 | 7 S as ur en 31: 1358! 46! 9,5 | 404 | 13 | 7,8 Wurf 31,5 | 370 | 52 | 10 | 422 |13,4| 7,1 29619161, 36.92.1250. 2135| 8.8 1Tapvalt 9 a u — »2 |102| — Kaninchen 2—3jährig ahamll353:,6300,.11137,1:,58, .1437,1712,57|.2,2 ljährig . 98.1 266. 119,141, 193852 313 7..42,2 1'/,jährig . 29 1093 1123 |48 1416143 | 9,4 !/ ‚jährig 25 306 | 106 | 50 412 116,4 | 2,9 2 35 | 310 | 112 |40 | 422 | 17,0 | 2,8 ü 26 | 338 | 125 |41 | 463 | 17,8 |, 2,7 ” 25,5 | 232 | 97 |as | 329 | 12,9 | 2,4 350 Dr. Hans Gadow, B. Bei Unausgewachsenen. Es sind noch die bei jungen Vögeln herrschenden Verhält- nisse des Darmwachsthumes zu untersuchen. Cram pe sagt darü- ber: „Bei.sehr vielen Säugethieren und Vögeln haben die jugend- lichen Individuen längere Eingeweide, als die Erwachsenen“, und giebt einige Tabellen von Hausmäusen, Tauben u. A., aus denen dies hervorgeht. Ferner: „Ganz Aehnliches hatte ich bei Krähen, Dohlen, Elstern, Sperlingen zu beobachten die Gelegenheit, allein für alle Säugethiere und Vögel sind diese Verhältnisse nicht maass- gebend. Während die junge Taube, noch ehe sie ein Drittel des Körpergewichtes der Erwachsenen erreicht hat, bereits einen der Länge nach vollkommen ausgebildeten Darm besitzt, entwickelt sich beim Huhne der Darm nur sehr langsam; dort eilte die Aus- bildung des Verdauungsapparates dem Körperwachsthum voraus, hier bleibt der erstere hinter dem letzteren zurück.“ Diese Bemerkung regte mich zu weiteren Untersuchungen an. Die Resultate der Messungen sind in der folgenden Tabelle zu- sammengestellt. Es ergiebt sich daraus, dass die Entwicklung des Darmes mit der des gesammten Organismus nicht gleichen Schritt hält, sondern dass derselbe bald früher bald später durch seine relative Länge die der Erwachsenen eine Zeit lang über- trifit, dass also das Wachsthum des Darmes dem des Körpers vorauseilt. In Bezug auf das absolute Wachsthum des Darmes müssen zwei Fälle unterschieden werden. 1. Der Darm erreicht die der erwachsenen Species zukom- mende durchschnittliche absolute Länge erst sehr spät (wenn auch seine relative Länge kurze Zeit grösser als die der Eltern war); er nimmt daher bis zum Ende des Wachsthumes des jungen Vo- gels langsam, aber stetig zu. Der Dotter ist beim Auskriechen des Jungen aus dem Ei noch lange nicht verbraucht, sondern wird als grosse Blase, die den Haupttheil des Unterleibes erfüllt, in die Bauchhöhle aufgenommen und wird erst später ganz resorbirt. Der Dottergang ist verhältnissmässig dick und erhält sich als deutliches Divert. coec. vit. lange Zeit, häufig während des gan- zen Lebens. — So bei Enten, Gänsen, den Fulicariae, den Hüh- nern und Ratiten, d.h. bei den Nestflüchtern. 2. Der Darm erreicht seine ihm überhaupt zukommende ab- solute Länge schon beträchtliche Zeit vor dem Flüggewerden des Jungen, das Darmwachsthum steht dann also still, so bei Sper- Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 381 lingen schon im Alter von ungefähr 8 Tagen. Die Dottermasse ist von dem auskriechenden Thierchen bei den Passerinen fast völlig, bei anderen am Ende des ersten oder zweiten Tages nahezu auf- gebraucht und von dem Ueberbleibsel des hier überhaupt äusserst feinen Dotterganges verschwindet bald jede Spur. So verhält es sich bei den höheren Nesthockern, am ausgeprägtesten bei den Passerinen. Es muss also bei den jungen Vögeln, für die ein Vorauseilen der relativen Darmlänge nachgewiesen ist, diese letztere schon einmal gleich der des Erwachsenen gewesen sein, ehe sie diese übertreffen konnte. Setzen wir die relative Darmlänge der erwach- senen Species gleich x, so ist die relative Darmlänge des Embryo bis ungefähr zum Auskriechen kleiner als x, dann gleich x, darauf bei vorauseilendem Darmwachsthum grösser als x, um schliesslich wieder auf x herabzusinken. Vergl. die kleine sich auf Cotyle riparia beziehende Tabelle: Rumpf- Alter länge Relative Darmlänge Erste Anlage — 1 oder x 6 „ „ oT 4,0 „ >x 21 „ „ E72: 4. =XxX Erwachsen Il — Wenn 4 = x gesetzt Divertie. Alter absolute | relative |yom After Darmlänge. entfernt. Anser domestic. Alt 260 12 — —+ 2 Tage 76 10,4 35 — 1 Tag 41 8 20 Gallus domestic. Alt cc.170 ec. 10 — n. Crampe 21 Tage 71,5 — — 6 62 10 25 n. Crampe NER 62,2 _ 25 N: 585 12 25 n. Crampe 3 42,5 e— 15,5 Columba domest. Alt ec.130 . |112—13 | — cc. 20 Tage 139 16,3 72 A Re 52 11,5 28 5a 45 10 23 ae 24 6,5 — 1 21,7 62| 112 „ 1 Tag vor Auskriechen 20,3 | 6 10,8 382 Dr. Hans Gadow, Divertic. Ay absolute | relative |yom After ! Darmlänge. entfernt. Corvus cornix cc. 6 Tage 12 9,6 39 Passer domestic. Alt cc. 22 5,5 _ noch blind; erst An- 2,5 Zul 4 20,8 5,5| 105 fänge der Feder- { ? keime sichtbar. 1 E” ’ Cotyle riparia Alt 15 4 -—_ 2,2) Rumpflänge in Cm.; 10 4,5 6,5 2,2( die Jungen waren 10 4,5 6,5 2,1(ungefähr 4—5 Tage 9 4,3 5 1,8 alt. 72 4 4 Manche an jungen Sumpfvögeln angestellte Messungen sind in die Tabelle nicht aufgenommen; ich muss aber vorläufig bei Raubvögeln, Papageien und Möven den hier allerdings leicht be- greiflichen Mangel an Material bedauern; nur bei einigen jungen Buteo vulgaris entsinne ich mich, grössere relative Darmlänge als die der Erwachsenen gefunden zu haben. Soweit die Untersuchungen jetzt reichen, eilt der Darm dem gesammten Körper in seiner absoluten und relativen Entwicklung um so mehr voraus, in je unvollkommnerem Zustande der betref- fende Vogel das Ei verlässt (Nesthocker). Diese jedenfalls wichtige Erscheinung lässt sich vielleicht fol- gendermaassen erklären. Bei den höheren Wirbelthieren kommt in der Regel den höchst entwickelten Thieren die relativ längste Jugendzeit zu; ihre Unselb- ständigkeit, Hülflosigkeit und Abhängigkeit von den Eltern sehen wir desto grösser, einen je höheren Standpunkt die Erwachsenen in dem Thierreiche einnehmen. Die animalen Organe werden desto früher entwickelt sein müssen, je selbständiger und frühzeitiger aufzutreten das Junge gezwungen ist. Bei den Nestflüchtern, die allgemein als die niederen Vögel den Nesthockern, besonders den Passerinen gegenübergestellt werden, überwiegt später das vege- tative System während des ganzen Lebens. Das animale hingegen erfordert längere Ausbildung, es wird daher vortheilhaft für die Ausbildung des Jungen sein, wenn bald nach der Geburt mög- lichst viele der disponiblen Kräfte oder Nahrungsstoffe für das animale System verwendet werden können; dies ist aber nur mög- lich, wenn keine Zersplitterung eintritt, sondern durch früher er- folgte Ausbildung des vegetativen Systemes der Organismus be- Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 383 fähigt wird, gleich die für Erwachsene passende Nahrung aufnehmen und verarbeiten zu können. Dies ist nun bei den Nesthockern wirklich der Fall; der Darm mit seinen Anhangsorganen ist fast vollständig, ja verhältnissmässig weiter als später nöthig ist, aus- gebildet; der Dotter ist fast verbraucht und die Fütterung (mei- stens weiche, leicht verdauliche Insecten, auch bei den Körner- fressern) von Seiten der Eltern kann, da die meisten höheren Nesthocker „sperren“, sehr bald beginnen ?). Ganz anders verhält es sich mit den Nestflüchtern; sie sind geistig und körperlich in Bezug auf Skelet, Muskulatur und Sin- nesorgane früh reif geworden, aber da der Bau ihres Schnabels ihnen das „Sperren“ nicht erlaubt, ausserdem weder Enten, noch Hühner, Strausse oder Grallae die Nahrung für die Jungen zer- kleinern und mundgerecht machen können — die Jungen also wie Hühner, Strausse und Schwimmvögel gleich auf eine Nahrung an- gewiesen sind, deren mechanische und chemische Verdauung schon einen sehr hohen Grad von Ausbildung der Verdauungswerkzeuge erfordern — so wird es für die Nestflüchter von Vortheil sein, wenn durch eine reichliche Dottermasse für die ersten Lebenstage die Aufnahme von so schwer verdaulicher, unvorbereiteter Nah- rung entbehrlich gemacht wird. So ist also den Nestflüchtern die Möglichkeit gesichert, an der freien Luft unbehindert von der engen Eischale Wasser und Sauerstoff in der nöthigen Menge dem Körper zuzuführen, bis sie stark genug geworden sind, das grade bei vegetabilischer Nah- rung sehr schwere Geschäft des Verdauens übernehmen zu können. Wie schnell übrigens die jungen Nestflüchter in den ersten Tagen wachsen, ohne dass sie fressen, oder wenn sie letzteres thun, doch nur in winzigen Mengen (Ei, Grütze, für Gänse junge feingehackte Brennnesseln etc.), kann man bei unsern jungen Hüh- nern und Enten wohl beobachten. Dies schnelle Wachsthum der Jungen wird auch wohl der Grund für die spätere Vergrösserung der relativen Darmlänge sein, denn der junge Vogel braucht ver- hältnissmässig viel mehr Nahrung als der alte, der aufnehmende und verdauende Apparat muss daher, den gesteigerten Anforde- rungen entsprechend, sein Volumen vergrössern, und dies wird !) Die Cerealien fressenden Tauben füttern ihre Jungen zuerst mit einem milchartigen Secrete ihrer Kropfdrüsen; bei einigen Raub- vögeln kann, nach Brehm, nur das Weibchen den Jungen die aus rohem Fleisch bestehende Nahrung mundgerecht zerlegen. 384 Dr. Hans Gadow, am zweckmässigsten durch Verlängerung, nicht durch Erweite- rung des Darmes erreicht. Um endlich die vielleicht nahe liegende Frage zurückzuweisen, wesshalb die Jungen denn nicht lieber erst vollständig entwickelt das Ei verlassen, erinnere ich daran, dass im Eigefängniss, bei dem thatsächlich schnellen Wachsthum der Jungen vor dem Aus- kriechen, weder die nöthige Luftmenge noch überhaupt Wasser zugeführt werden kann, was bei der durch die Brutwärme gestei- gerten Verdunstungsmenge gewiss nicht unbeachtet zu lassen — dass andernfalls das ohnehin schon verhältnissmässig grosse Ei der Nestflüchter durch Aufspeicherung noch grösserer Nahrungs- mengen eine für die Mutter ebenso schwächende, wie unbequeme, ja vielleicht unmögliche Grösse erhalten würde. Die Ratitae und die Talegallahühner legen in der That so grosse Eier, dass das Junge sehr entwickelt, das der Talegallas sogar nahezu flügge geboren wird, aber sie können die Eier nicht selbst ausbrüten, weil die Zwischenlegezeit in Folge der grossen aufgespeicherten Dotter- und Eiweissmenge eine sehr lange ist. Ob aber diese Fort- pflanzungsart im Kampfe um’s Dasein sich sehr bewährt, scheint bei dem geringen jetzigen Verbreitungskreise der Megapodii und Ratitae, und dem Umstande, dass sie so ziemlich im Aussterben begriffen sind, zum mindesten unwahrscheinlich. — Wir können nun folgendermaassen schliessen : 1. Die Länge der Entwicklungszeit (embryonale und Kindheits- periode) der verschiedenen Vögel steht in direcetem Verhältniss zur Höhe ihrer überhaupt zu erreichenden Vollkommenheit. 2. Es wird vortheilhafter, weil bequemer und sicherer, für Mutter und Kind sein, wenn die Entwicklungszeit möglichst auf die Kindheitsperiode verschoben, d. h. also wenn die Brüteperiode abgekürzt wird. 3. Die Nesthocker, unter diesen die Passerinen, sind die den Vogeltypus am ausgeprägtesten zeigenden und einseitig entwickelt- sten Vögel, mithin kommt diesen die absolut kürzeste Brütezeit und längste Kindheitsperiode zu. Da dieser Schluss durch Beobachtung sich als richtig erweist, so hoffe ich die unter 1 und 2 aufgestellten Thesen damit in rich- tigen Zusammenhang gebracht zu haben. Giebt man umgekehrt zu, dass die höchststehendsten Vögel die längste Kindheitsperiode haben, dass es also ein Zeichen hö- herer Entwicklung ist, wenn die Kindheitsperiode die Brütezeit überwiegt, so kann man, da die Passerinen die relativ längste Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 385 postembryonale Entwicklungsperiode und die absolut kürzeste Brü- teperiode durchmachen, auf diese Weise für die Passerinen unter den Nesthockern die höchste Stelle im System der Vögel bean- spruchen, was leider noch nicht allgemein von den Ornithologen angenommen wird. — Selbstverständlich hat eine durchgreifende Trennung der Vö- gel in Nesthocker (Altrices, Insessores, Paedotrophae, Gymno- genae, Sitistae) und in Nestflüchter (Aves praecoces, Autophagae, Hesthogenae) ihre Schwierigkeiten. Es ist anzunehmen, dass die Wurzel der Nesthocker, als der höheren Vögel, in den Nestflüch- tern zu suchen sei; mithin müssen zahlreiche allmälige Ueber- gänge zwischen beiden vorhanden gewesen sein, in günstigen Fäl- len noch existiren. Letzteres ist wirklich der Fall; ausserdem können durch rein äusserliche Verhältnisse die Jungen am Ver- lassen des Nestes gehindert sein, ich möchte diese wenigen als „falsche Nesthocker“ bezeichnen (dahin z. B. einige Pygopo- des). Es ist ferner denkbar, dass durch hoch über dem Boden gewählten Standort des Nestes, also durch einen äusserlichen Grund, die Jungen allmälig zu Nesthockern haben umgebildet wer- den können, wenn dazu ein längeres Verweilen derselben im Neste, den Jungen Vortheil, z. B. Schutz vor Nachstellungen brachte. Dies kann vielleicht auf die als „niedere Nesthocker“ von mir bezeichneten Abtheilungen Anwendung finden. Bei den „höhe- ren Nesthockern“ kommen dagegen die früher erörterten tie- feren Gründe in Betracht. Dass aber der Standort des Nestes nicht immer auf das Verlassen desselben von Einfluss ist, zeigen die auf Bäumen brütenden Entenarten und die Sägetaucher (Mer- gus), deren Junge von den Eltern heruntergetragen oder geworfen werden, auch durchaus nicht hülflos oder blind und nackt wie die echten Nesthocker aus dem Ei kriechen. Wir können mithin unterscheiden: Nestflüchter. Ratitae. Pygopodes. Lamellirostres. Grallae. Rasores. mem nm enmmen rm un man num Nesthocker. | N TEE a. niedere. Steganopodes. Tubinares. Lari- | dae. FErodii. Pelargi. ‘ . . = b. höhere. Columbae. Psittaci. Raptatores. Coceygo- morphae. Pici. Cypselomorphae. Passerinae. Wir ersehen aus dieser Zusammenstellung sofort, dass zum grössten Theile die Nesthocker den sogen. vorwiegend in der Luft Bd. XIII. N. F. VI, 3. 25 3836 Dr. Hans Gadow, lebenden oder animal-, die Nestflüchter den Land-, Wasser- oder vegetativ entwickelten Vögeln entsprechen, dass aber grade die wahrscheinlich am höchsten stehenden Descendenten der Schwimm- und Sumpfvögel: die Steganopodes, Erodii, Pelargi, Laridae zu Nesthockern geworden sind, während sie doch verglichen mit den unter I und IIb zusammengefassten Abtheilungen den letzteren scharf gegenübergestellt und den ersteren in ihrem gesammten anatomischen Bau angereiht werden müssen. Um dieses Verhält- niss kurz auszudrücken möchte ich diese beiden (IIa und b) phy- logenetisch nebeneinander stehenden, nicht aufeinander folgenden, Gruppen als „niedere“ und „höhere“ Nesthocker unterscheiden. — Darmlagerung. A. Allgemeiner Theil. Während über den Bau der einzelnen Verdauungsorgane der Vögel ziemlich viel geschrieben worden, findet man über die La- gerung des Darmes höchst selten eine kurze Notiz, die meistens auch nur oberflächliche Bemerkungen enthält. Der erste, der auf diese Verhältnisse näher einging, war E. Home; er brachte in den Philosoph. Transact. of the London Society vom Jahre 1512 von einigen Vögeln Abbildungen des Dar- mes; dieser war vom Mesenterium und den Gefässen befreit und auseinander gelegt, sodass im Grossen und Ganzen die Anzahl und Aufeinanderfolge der einzelnen Schlingen zu erkennen ist. — In Todd’s Cyclopaedia of Anat. and Physiol. 1836 p. 322 ff. gab dann R. Owen eine kurze Charakteristik der Darmlagerung. Bei näherem Eingehen auf seine Bemerkungen ist aber leicht zu erkennen, dass er sich mit der Untersuchung weniger Formen be- gnügte und zu allzueiligen Schlüssen sich verleiten liess, woher denn die meisten der Angaben nur auf einzelne Abtheilungen passen. — In der im Jahre 1835 erschienenen 2ten Ausgabe von Cu- vier’s Lecons d’anatomie comparee T. IV. Theil II, endlich sind werthvolle Bemerkungen über die Anzahl der gebildeten Schlingen des Darmes, ihre Lage und Verbindung durch das Mesenterium von ungefähr 60 verschiedenen Vogelspecies gegeben. Wenn ich es nun im Folgenden unternehme, für grössere und kleinere Abtheilungen der Vögel ganz charakteristische Typen der Darmlagerung aufzustellen, — wie auch schon im speciellen Theile geschehen, — und nachzuweisen, dass dieser Zweig der verglei- chenden Anatomie ein wichtiges Hülfsmittel für die Systematik Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 387 sein kann, so wage ich dies nur, gestützt auf ein ziemlich reich- haltiges, alle grösseren Abtheilungen und Familien umfassendes Untersuchungsmaterial, welches ich im Laufe von 5 Jahren zu diesem Zwecke zusammengetragen habe. Dass ich hier aber kein abgeschlossenes Ganze liefere, sondern eher zu manchen voreiligen Schlüssen gekommen sein werde, dessen bin ich mir wohl bewusst. Möge das Folgende daher lediglich als ein Versuch angesehen werden. — Die denkbar einfachsten Verhältnisse des Darmverlaufes sind diejenigen, wo der Darm als einfacher Schlauch grade vom Munde zum After, in der Längsaxe des Körpers verläuft, wie es bei vie- len Thieren, auch bei niederen Wirbelthieren, z. B. einigen Fi- schen, bei den höheren in embryonalem Zustande nahezu der Fall ist. Bei fortschreitender Differenzirung des ganzen Körpers wird eine Vergrösserung der auflösenden und aufsaugenden inneren Darmfläche nöthig werden, und diese kann einerseits durch Er- weiterung des Darmdurchmessers, anderseits durch Verlängerung des Darmschlauches erreicht werden. Es ist aber klar, dass eine Darmerweiterung den Nahrungsstoffen weniger Berührungspunkte darbieten wird, sondern dass nur die grade an die Wände gelan- genden Theile verdaut werden können, und die mittlere Portion nur unvollkommen, im ungünstigsten Falle gar nicht verdaut und nutzlos wieder ausgestossen wird. Dieser Uebelstand kann eini- germaassen compensirt werden durch die Bildung von dem ganzen aufsaugenden Theil des Darmes in ‘seiner ganzen Länge durch- ziehenden Spiralklappen, auch durch Valvulae Kerkringii, wie er- stere im Darme der Selachier und Ganoiden, ferner im Haupt- darme und in den Blinddärmen der Ratitae etc. sich uns darbie- ten. Ausser dieser Art der Öberflächenvergrösserung, die aber keine Volumvermehrung einschliesst, bleibt nur Verlängerung des Darmes übrig und diese führt, da die Leibeshöhle fest geschlos- sen ist, nothwendig zu Krümmungen, Windungen und Faltungs- erscheinungen des Darmes. Es sei gestattet, als Beispiel die Wachsthumsvorgänge des Hühnerdarmes vorzuführen, wie C. von Baer dieselben in seiner „Entwicklungsgeschichte des Hühnchens im Ei“ schildert. Am 5ten Bebrütungstage bilden die beiden Darmhälften einen scharfen Winkel unter sich gegen den Dottergang, indem das Ge- kröse sich stark in der Mitte seiner Ausdehnung vergrössert hat. Der Magen ist scharf abgegrenzt gegen den Darm, ist viel weiter und ragt nach links in Form eines Blindsackes vor, und bekommt 25 * 388 Dr. Hans Gadow, eine dicke Wandung. Der Darm ist bis jetzt also nur ein mög- lichst kurzer Schlauch. Das Pancreas tritt aus der Gefässschicht hervor und hebt einen Theil derselben vom Speisecanal ab. Um die Stelle, wo das Pancreas hervortritt, bildet der Darm eine starke Windung. So entsteht eine erste Umbeugung oder Schlinge, die dem Duodenum eigen ist und sämmtlichen Vögeln zukommt. Der Magen dehnt sich mit seiner Wölbung nach links. Der Dick- darm ist ganz kurz. Der After erscheint als eine einfache Quer- spalte. Am 6ten Tage ist der Rumpf aufgetrieben durch Vergrösse- rung der Leber und den Eintritt des Herzens in den Rumpf. Na- bel zum Canal geworden. In der Höhlung desselben liest der Stiel des Harnsackes mit seinen Gefässen und eine (die einzige) Darmschlinge, mit dem Dottergange nebst den dazu gehörigen Gefässen. Tter Tag. Der Darm bildet hinter dem Magen eine Schlinge, die das Duodenum enthält und weiter nach hinten eine zweite Schlinge, die aus 2 ganz einfachen und gleichen Bogen besteht: der erste geht von der Schlinge des Duodenum unmittelbar in den Nabel und ist der vordere Theil des Dünndarmes, der zweite geht aus dem Nabel ebenso einfach zum After und enthält den hinte- ren Theil des Dünndarmes und den Dickdarm. 8—10ter Tag. In der Bauchhöhle ist durch das vollständige Hineintreten des Herzens die Lage der enthaltenen Eingeweide sehr verändert. Leber und Magen sind nämlich sehr zurückge- drängt. Da sich zugleich die Leber sehr vergrössert, steht der Boden des Magens nicht weit von der hinteren Wand der Bauch- höhle ab. Eben dadurch hat der Bauch so bedeutend an Höhe gewonnen, indem der Darm, der sich merklich vergrössert hat, nach unten geschoben ist. Das blinde Ende des Magens ragt weit über den Austritt des Darmes in den Pylorus hervor. Am An- fange dieses Zeitabschnittes geht die Höhlung des Vormagens noch fast ohne Verschnürung in die Höhlung des Muskelmagens über und letzterer ist mehr der Boden des Magens, als ein selbständi- ger Theil. Der Kropf tritt als blasige Erweiterung am unteren Theile des Halses, nach rechts gerichtet, auf. v. Baer bemerkt daher: „Es ist also mehr Aehnlichkeit mit dem Bau des Magens derjenigen Vögel, die vom Raube leben; später ist die Sonderung äusserlich und innerlich schärfer, der Magen geht hiermit in die Form über, die er bei den Körner fressenden Vögeln hat.“ Es ist hieraus aber nicht voreilig zu schliessen, dass etwa die Raub- N ne — Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 389 vögel älter als die Hühner wären; der Magen der Raubvögel ist nur auf der niederen Stufe in Uebereinstimmung mit der weichen Fleischnahrung stehen geblieben. „Der Darm hat sich bedeutend vergrössert, aber doch lange nicht in dem Maasse, wie der Ma- gen. Aus der ersten Schlinge des Darmes wächst jetzt das Pan- creas bedeutend in der Länge hervor; die zweite Schlinge ragt bis aus der Nabelöffnung heraus. Die vordere Hälfte des Dünn- darmes hat sich sehr verlängert, um in einem einfachen Bogen in diese Schlinge überzugehen; die hintere Hälfte des Darmes weni- ger. Dickdarm und Coeca sind deutlich. Die Bursa Fabricii entsteht. liter Tag. In den Nabel hängt jetzt eine nicht mehr ein- fache, sondern gewundene Schlinge des sich stark verlängernden Darmes tief herab und bis aus dem Nabel heraus, sodass in der That ein Theil des Darmes ausserhalb des Leibes liegt, auch wenn man den Nabel zur Bauchhöhle rechnet, da seine Höhlung mit ihr in offener Communication steht; der Stiel des Harnsackes ist da- gegen mit dem Nabel verwachsen. Der Bauch wächst in seinem hinteren Theile langsamer. Da nun das Herz eine ansehnliche Grösse hat, auch die Leber noch wächst, so reicht der Magen bis in die Nabelgegend. Hierin scheint der Grund zu liegen, dass um diese Zeit ein ansehnlicher Theil des Darmes im Nabel liest und sogar mit mehreren Windungen aus ihm heraushängt. Die hohle Nabelschnur verlängert sich dabei fast bis auf !/, Zoll. Das Duo- denum geht rechts vom Magen bis zum Nabel, krümmt sich dann scharf um, steigt rechterseits bis zur Unterfläche der Leber, in dieser scharfen Umbiegung das Pancreas umfassend. Von der Le- ber wendet sich der „Krummdarm“ wieder nach hinten, geht von der rechten Seite in den Nabel; macht ausserhalb desselben einige Windungen, die von dem verlängerten Mesenterium gehalten werden, nimmt in einer Windung den Dottergang auf, steigt an der Nebenwand wieder zurück und geht auf der linken Seite in den weiten Darm über, der sich längs des Kreuz- beines in einfacher Krümmung zur Cloake begiebt. Dass man den im Nabel liegenden Theil des Dünndarmes in der That als herausgetrieben durch die Enge des Bauches be- ‚trachten darf und nicht blos als neu gebildete Verlängerung des Darmes, schliesse ich (v. Baer) daraus, dass die Blinddärme, die ‚am löten Tage eine Länge von 4 Linien hatten, jetzt fast ganz im Nabel liegen. Der Dickdarm ist am wenigsten gewachsen, hat aber an Weite bedeutend zugenommen. An der Leber ist die 390 Dr. Hans Gadow, Gallenblase grün gefärbt und etwas Galle findet sich im Duode- num und im Magen. 14—16ter Tag. Zuerst rücken immer mehr Darmwindungen aus dem Hauptnabel hervor, der sich dabei erweitert, dann fangen sie an, sich wieder etwas zurückzuziehen. Der Leibesnabei rückt dem Hautnabel sehr nahe. 17—19ter Tag. Die Bauchhaut scheint an dem Hautnabel herausgewachsen, indem Leibes- und Hautnabel einander nähern. Es wird nämlich das seröse Blatt der Keimhaut dicker und er- hält eine complicirte Organisation. Es scheint diese höhere Ent- wicklung vom Nabel fortzuschreiten und zeigt eine unmittelbare Verlängerung desjenigen Blattes der Bauchhaut, welches den Bauch- wänden anliegt. Diese höhere Organisation breitet sich in der ge- genwärtigen Periode sehr aus und zugleich trennt sich das seröse Blatt vollständig von dem Gefäss- und Schleimblatte. Da nun in dem jetzigen Zeitraume der vorgefallene Darm in die Bauchhöhle zurücktritt, folgt ihm auch der Dotter, umgeben von dem Gefäss- und Schleimblatte. Der Dottergang erweitert sich dabei. 20 und 21ter Tag. Der Dottersack ist in den Leib des Em- bryo eingetreten, indem er nur von seiner nächsten Hülle umge- ben, dem Darme folgt. Der Nabel ist nicht weit genug, um den Dottersack in seinem ganzen Durchmesser durchzulassen. Es tritt daher zuerst nur der dem immer mehr erweiterten Dottergange nahe gelegene Theil ein, indem er sich zuspitzt; das eingetretene Stück erweitert sich wieder; der Sack besteht also aus 2 Hälften, bis endlich alles hineingeschlüpft ist. Der eingetretene Sack legt sich in alle leeren Räume der Bauchhöhle, dann bald vor dem Auskriechen zieht er sich wieder fast kuglig zusammen; seine äussere Hülle bleibt wie ein abgeschnürter Bruchsack zurück. Der Nabel vernarbt sehr bald vollständig. Die Leibesform wird durch den eingetretenen grossen Dottersack sehr verändert, der spitz hervorgedrängte Nabel bildet das hintere Ende des Leibes, indem der After in die Höhe, nach dem Rücken hin, geschoben wird. Der Nabel hat erst in der letzten Zeit seinen vollständigen Cha- rakter erhalten, indem das, was wir Haut- und Leibesnabel nann- ten, zusammenrückt und verwachsen ist.“ Dies ist im Grossen und Ganzen die Entwicklungsgeschichte des embryonalen Darmes beim Hühnchen. Wir haben uns jetzt die Frage nach den Ursachen der ver-. schiedenen im erwachsenen Vogel charakteristischen Darmlagerung vorzulegen. Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 391 Zum leichteren Verständniss des Folgenden wollen wir, um möglichst kurze Ausdrücke gebrauchen zu können, und um Ver- wechselungen zu vermeiden, die einzelnen Darmabschnitte durch Namen fixiren. Fassen wir die wichtige Einmündungsstelle des Dotters in. den bei seiner Anlage einfachen Schlauch, der sich vom Magen zum After erstreckt, als Centralpunkt auf, so können wir unterscheiden: 1. Magendarm, oder directläufiger Ast des Darmes, vom Magen bis zum Centralpunkt; 2. Afterdarm, oder retrograder Ast, vom Centralpunkt bis zum After. Der erste Abschnitt zerfällt wieder in: 1. Duodenum, 2. Dünndarm; der zweite Abschnitt in: 1. Dünndarm, 2. End- darm und Coeca. Die grossen Hauptverlängerungen des Dar- mes wollen wir Schlingen nennen, sie zerfallen ihrerseits in Windungen und Falten. Eine jede Schlinge besteht natürlich aus 2 Aesten und zwar vom Pylorus an gerechnet, aus einem „ab-“ und einem „aufsteigenden“ Ast, entsprechend also der Rich- . tung, in welcher sich der Darminhalt in der Längsaxe des Kör- pers entweder von oben nach unten, oder umgekehrt bewegt; der Anfangstheil des Duodenum ist danach also der absteigende Ast desselben. Eine Schlinge ist „geschlossen“, wenn beide Aeste dicht nebeneinander herlaufen, wobei sie meistens durch Mesenterial- Bindegewebe verbunden sind; ihr gemeinsamer Endpunkt tritt demnach scharf hervor; sie ist „geöffnet“ wenn beide Aeste ge- trennt einen Kreis, Ellipse oder dergl. bilden. Den Uebergang beider Formationen macht die „halbgeschlossene oder halb- geöffnete“ Schlinge. Die geschlossene Schlinge kann grade und gestreckt verlaufen, oder sie bildet, um ihren Endpunkt gerollt, eine Spirale, welch’ letztere jedoch auch von halbge- geschlossenen Schlingen gebildet werden kann, nur ist dann die Spirale nie eine doppelte d. h. wo directe und retrograde Umläufe in der Zahl übereinstimmen. Da der End- oder Oentralpunkt einer Schlinge allein beweglich ist, die Aeste aber fest liegen, so hat man bei Bestimmung der Richtung — ob links- oder rechts- gewundene Spirale — vom directen Aste zum Centrum fort- schreitend zu rechnen. Anbei eine Zusammenstellung der einzelnen Darmabschnitte mit ihren in dieser Arbeit gewählten Benennungen: 392 Dr. Hans Gadow, gerade, D Krk 1 gebogen, Magendarm BL Be rechtsgewundene (directer Spirale. Theil) E iracte ap nie Schlingen r oder spiralig, ie Dan geöffnet . a ee faltet, oder Afterdarm \ retrograde, halbgeöffnet Ban | (retrogra- Sen! \ der Theil) Enddarm bildet keine selbständige Toden Schlinge, der betreffende Ast ist \kraus, geknickt. Wovon RE nun die verschiedenen Windungsformen des Darmes ab, welche Kräfte sind bei ihrer Entstehung thätig? Der embryonale Darm stellt eine vom Magen zum After am Rücken lang laufende Röhre dar. Dieselbe ist von der die innere Leibeswand auskleidenden Peritoneallamelle, dem Mesenterium, mit dem Rücken der Länge nach verbunden. Feste Punkte sind, da das Mesenterium dem Wachsthume des Darmes folgt, nur die bei- den Enden: der After, und später bei weiterer Ausbildung des Magens, der Leber ete., der Pylorustheil des Darmes. Schon früh erhebt sich die Mitte des Darmes nach dem Dotter hin mit dem sie durch den Dottergang verbunden ist, und bildet so eine wohl durch den Widerstand der Dotterblase verursachte kleine geschlos- sene Schlinge, die sogenannte primitive Darmschlinge (die später Centrale benannte). Die Spitze dieser Schlinge ist aber mit dem Rumpfe (der Leber und dem Herzen) durch die doppelte Dot- terarterie (die sich später zur Arter. mesent. superior umbildet) und durch die Dottervene verbunden. Es wird also, da die grosse Dottermasse, wie auch bei etwas vorgeschrittenem Wachsthum der Embryo, im Ei ziemlich unbeweglich liegen, der Darm an 3 Punk- ten fixirt. Der öfache Gefässstrang zieht nun in möglichst directer Linie vom Nabel zum Herzen resp. zur Leber. Der Centraltheil des Darmes (die Schlingenspitze nahe dem Dotter) wird demnach, da der Darm in seiner ganzen Länge durch Wachsthum gespannt wird, sich nur von der Seite entfernen können, von welcher ihm die grösste Nachgiebigkeit entgegenkommt, d.h. von dem sich fortwährend verlängernden Dottergange; der Centraltheil wird sich also umbiegen und zwar vom Dotter fast proximalwärts, also links herum. Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 393 Die beiden Componenten des betreffenden Parallelogrammes der Kräfte sind: erstens die Resultante der beiden wachsenden Darmhälften in Richtung der schon vorhandenen Primitivschlinge zum Dotter hin; zweitens der vom Dotter in den Körper führende öfache Gefässstrang. In der einmal eingeschlagenen Richtung wächst der Darm nun weiter und bildet auf diese Weise die für viele Vögel charakteristische linksgewundene Spirale und zwar zeigt dieselbe desto mehr Umdrehungen, je grösser die re- lative Länge des Darmes ist. Wenn num diese Erklärung richtig ist, so muss die Drehung des Centraltheiles nothwendig auch eine Drehung der ihm befesti- genden Gefässe hervorbringen und zwar muss der Theil vom Darm zum Dotter in entgegengesetzter Richtung gedreht werden, wie die vom Darm zur Leber resp. zum Herzen verlaufenden Gefässe. Dies ist nun wirklich der Fall. Fig. 7 auf Taf. XVI zeigt die betreffenden Theile eines Taubenembryo. Die 3 Dottergefässe sind um den 4ten Strang, den Dottergang linksspiralig herumgewun- den. Ohne die Annahme der vorher behaupteten die Spirale wirk- lich erzeugenden Drehung würde anderseits ein solcher Verlauf der Nahelgefässe nicht zu erklären sein. Eine Darmspirale kann auch dadurch entstehen, dass der eine Ast einer geschlossenen Schlinge stärker wächst, als der andere; dieser schneller wachsende Ast würde dann zum äusseren in Be- zug auf die Spirale werden !). So lässt sich vielleicht die spiralige Aufrollung mancher ge- schlossener Schlingen erklären, wie sie Raubvögel und Papageien, auch das Duodenum von Buceros zeigen. Wenn hingegen, wie bei vielen Möven, der dem Afterdarm zugehörige retrograde Ast der Spirale im Wachsthum zurückbleibt, so wird er auch weniger Kreisbogen bilden können als der Magendarm; der retrograde Theil der ursprünglich gleichmässig angelegten Spirale wird dann mehr oder weniger verschoben werden. Worauf aber das ungleiche Wachsthum der verschiedenen Darmabschnitte beruht, wesshalb ferner bei den Einen das Duo- denum, bei den Anderen der Enddarm mehr ausgebildet ist, kön- nen wir bis jetzt zu beantworten nicht einmal den Versuch machen. Wie eine geschlossene, gerade Schlinge auf mechanische Ur- sachen zurückgeführt werden kann, zeigt am besten das Duode- 1) Aehnlich ist die gewundene Gestalt der Schneckengehäuse zu erklären, worin aber der eigentliche Grund der Rechts- oder Links- Drehung liegt, ist auch dort unbekannt. 594 Dr. Hans Gadow, num, indem an der dem Magen und der Leber zugekehrten Seite des Darmes das Pancreas sich entwickelt und bei seinem Wachs- thum, da es von Leber und Magen Widerstand erfährt, ein klei- ner Druck in einer zum Darme nicht parallelen Richtung auf letz- teren ausgeübt wird. Der ganze Darm war aber schon durch sein eigenes Wachsthum gespannt, hätte also schon selbständig Falten bilden müssen, und es genügte nun für ihn der leiseste Druck von einer Seite her, um in einer nun bestimmten neuen Richtung fortzuwachsen. Es ist anzunehmen, dass, wenn keine Hindernisse durch Entgegentreten anderer Körpertheile, wie der Bauchwand, der anderen Schlingen etc., die Schlinge in der einmal eingeschla- genen Richtung fortwachsen wird; es ist daher auch nicht nöthig, dass das Pancreas stets die gesammte ausgewachsene Duodenal- schlinge ausfüllt; wo das Pancreas klein bleibt, der Darm aber sich bedeutend ausbildet, wird das Pancreas natürlich vom wei- terwachsenden Darm überholt, ja kann sogar durch seine Ausfüh- rungsgänge, durch Gefässe und Bindegewebe am Darme festgehal- ten, von seiner ursprünglichen Bildungsstätte fortgeführt werden !). Die Begrenzung des Unterleibes durch das Becken, vorn durch die Bauchwand, proximal durch die Leber und links theilweise durch den Magen, muss — da die Bauchhöhle kein mathematisch regulärer Raum ist, auf die sich bildenden, immer länger wer- denden Schlingen einen grossen Einfluss ausüben; sie werden nur selten in der einmal eingeschlagenen Richtung weiter fortwachsen können, sondern von allen Seiten, auch von den Nebenschlingen geschoben und gedrückt, weil alle sich da zu lagern suchen, wo der meiste Platz ist — werden sie die mannigfaltigsten Verschie- bungen erleiden müssen. Der kurze Zeit vor dem Auskriechen in die Leibeshöhle sich hineinziehende Nahrungsdotter verursacht z. B. eine totale Lagerungsveränderung der bis dahin schon vorgebilde- ten Schlingen ; dieselben werden proximalwärts gegen den Rücken gedrängt, die ursprünglich aus dem Nabel heraushängende primi- tive Darmschlinge wird natürlich ebenfalls fortgezogen. Kommen nun noch durch nachträgliches Dicken- und Längenwachsthum hervorgerufene secundäre Windungen und Falten zu den schon fixir- ten Hauptschlingen hinzu, so wird der Darm in solchen besonders complicirten Fällen ein schwer entwirrbares Convolut bilden. 1) Die Bildung anderer Schlingen ist mir unmöglich zu erklären ; verschiedene Versuche dieselben auf etwaige hemmende Einflüsse von Seiten des Mesenteriums und der grösseren Gefässstämme zurückzu- führen, haben sich als irrig erwiesen. Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 395 Als Hauptursachen der Darmschlingenbildung haben wir also festzuhalten: 1. Fixirung durch die Nabelgefässe (gültig für die Centralschlinge). 2. Biegung durch die entstehende Pancreasdrüse. Gültig nur für das Duodenum. 3. Widerstand von Seiten der Körperwände. 4. Gegenseitiger Widerstand der Schlingen. 5. Lageveränderung durch besondere Grösse oder Kleinheit be- nachbarter Organe. 6. Ungleiches Wachsthum der beiden Aeste geschlossener Schlingen. B. Specieller Theil. Wir können nun einige Haupttypen der Darmlagerung auf- stellen und dieselbe nebst dem Bau der Verdauungsorgane auch als systematisches Hülfsmittel benutzen. I. Ratitae. Taf. IV. Die eigenthümlichen Lagerungsverhält- nisse des Ratitendarmes sind auf Seite 102— 105 besprochen. Eine einheitliche Zusammenfassung ist unmöglich. Casuarius . Coeca kurz. Rhea | Coeca lang und mit inne- ale, 18 y Struthio rer Spiralfalte. II. Orthocoela. Taf. V 1-14. — VI 8-10. — VO 5—17. — X 1-5. — Umfassend die Pygopodes, Steganopodes, Lamellirostres, Tubinares, Erodii, von den Grallae die Alectorides, Rallidae und Fakichribe Diese Abtheilung enthält also hauptsächlich Nestflüchter und ausserdem nur „niedere Nesthocker“. Ich nenne sie Orthocoela, weil die 5—8 Hauptschlingen des Darmes einander und der Längs- axe des Körpers parallel und gerade gelagert sind. Charakteristisch für die Lamellirostres ist die Verzwei- gung der Art. mesent. superior; dieselbe theilt sich sehr bald nach ihrem Ursprunge in eine grosse Anzahl Art. intestin. erster Ord- nung. Der dieselben abgebende Stamm ist kurz bogenförmig bei Anas, ähnlich bei Somateria, auffallend verkürzt mit bedeutender sinusartiger Bildung bei Anser, bei welchem Genus daher alle Ursprünge auf einen kleinen Raum zusammengedrängt sind; cf. Taf. XV Fig. 5a und b. Weniger Centralisation zeigen hierin die Steganopodes und die Pygopodes, jedoch ist auch bei die- sen eine fächerförmige Verzweigung der Art. mesent. zu bemerken. Eine Art. mesent. inferior ist vorhanden und versorgt den letzten Theil des Enddarmes, die Cloake, Bursa Fabrieii ete. — Für die Darm mit 2 Hauptschlingen 396 Dr. Haus Gadow, Verzweigung der Darmgefässe mögen die Fig. 1 und 2 auf Taf.X als Beispiele dienen. cf. die Tafelerklärung. Der Unterleib der Orthocoela ist, besonders bei den Schwimm- vögeln, die das bei weitem grösste Contingent zu dieser Abthei- lung stellen, in seiner ganzen Länge von nahezu gleicher Gestalt, die Bauchhöhle könnte mit einem Cylinder verglichen werden; aus- serdem ist der Unterleib der Schwimm- und vieler Sumpfvögel im Gegensatz zu dem der Land- und Luftvögel verhältnissmässig sehr lang gestreckt. Taf. X Fig. 3 giebt ein Bild des Darmes in situ eines nahezu reifen Gänseembryo; Fig. 4 stellt dasselbe schematisch dar; das- selbe mit Andeutung der Art. mesent. sup. zeigt Taf. V Fig. 3. — Es sind dort schon die 5 den Gänsen zukommenden Hauptschlin- gen zu erkennen. Magendarm = I, Duodenum + I und IH. d.h. zweiter Schlinge und der halben Centralschlinge; Afterdarm bestehend aus —= !/, Centrale + IV + Vter Schlinge; ebenso treten die 4 Nebenschlingen hervor. Die Centralschlinge wird nach innen durch die Dottergefässe gehalten, nach aussen aber durch den Dottersack, mit welchem sie der Dottergang und die Gefässe verbinden, hervorgezogen als Primitivschlinge; sie wird schliesslich zur längsten und ältesten Schlinge. Wenn diese nun mit dem Dotter in den Leib hineinge- treten ist, so sind bei der Geburt der jungen Gans die Schlingen noch lange nicht fertig ausgebildet, sie wachsen dann in den er- sten Tagen sehr schnell, sodass bei dem nur 3 Tage alten Gäns- chen, Taf. V Fig. 4 und 5, die Hauptschlingen, nicht aber die später sich vollendenden Nebenschlingen, nahezu die den Gänsen zukommende Formation zeigen. Sie wachsen sich einfach entge- gen und schieben sich an einander vorbei, die 2te von oben (pro- ximal) nach unten, die 3te bis Öte von unten herauf. — Am schönsten ist die hieraus resultirende Parallellagerung sämmtli- cher Darmschlingen bei den Tubinares, Erodii und den mei- sten Lamellirostres ausgeprägt. Die abweichende Lagerung, welche uns bei einigen Pygopodes und den Steganopodes entgegentritt, ist im descriptiven Theile durch Verdrängung von Seiten des sehr grossen Muskel- und Drüsenmagens zu erklären versucht. Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 397 Coeca Muskelmagen Zunge Darmlagerung. vielkleineralsi| tär geschlossene Schlin- der sehr gros- gen. se Vormagen tär des rallel, geschlossen, rudim. oder nach links ver- oder rudimentär, rudimen-[Tubinares |ce. 8 parallele grade weichhäutig, schoben. Schlingen, mit krau- sem aufsteigenden Aste der letzten. Sr Steganopo- |6— 10 Schlingen ; pa- gopodes |$5— 7 regelmässige, mit Ausnahme der 2ten geschlossene Schlingen, mit der Neigung etwas nach abgesetzt ge- links distal umzu- sehr weit; all- klein mäliger Ue- bergang vom|spitz Erodii!) 6 sehr regelmässige, Vormagen schmal grade, geschlossene Muskelmagen stark , scharf gen den Wer. biegen 2). magen, innen mit hartem Grallae gross, Epithel ver- (partim.) lang, sehen \ kulhie breit und|Lamelliro- |5 Hauptschlingen, pa- T lang, stres rallel - geschlossen ; dickflei- die Enden biegen schig nach links distal um. Die Steganopodes, Pygopodes und Erodii besitzen einen sehr deutlichen Pylorusmagen; bei den übrigen ist er nur an einzelnen Species deutlich ausgebildet. Das Divertikel bleibt meistens wohl erhalten. Ein echter Kropf findet sich nicht. III. Plagiocoela s. Plagiobrochi. Taf. VIII 1—8. Taf. X 6. Nur die Rasores umfassend. Ich nenne sie schief- oder kraus- darmige, 1. weil die beiden mittelsten der 4 überhaupt vorhan- denen Hauptschlingen je nach der Länge des Darmes mehr oder weniger mit ihren Enden umschlagend, hufeisenförmige Dop- 1) Cochlearia mit rudim. Zunge, dafür durch 1 rudiment. sack- artiges Coecum kenntlich. 2) Verschiebung bei Eudytes arcticus. 398 Dr. Haus Gadow, pelbogen bilden, sodass der Mitteldarm sehr kraus gefaltet ist; 2. weil die allgemeine Darmrichtung stets die Körperlängsaxe un- ter schiefem Winkel kreuzt. Wie weit diese krause Faltenbildung gehen kann, zeigt am besten Gallus domesticus. Taf. VIII Fig. 3. — Breiten wir den ganzen Darm eines Haushuhnes möglichst in einer Ebene auf dem Tische aus, so können wir ausser dem deut- lichen, langen Duodenum kaum Hauptschlingen herausfinden, da eine grosse Menge kleinerer nahezu gleicher welliger Ausbuchtun- gen, Falten und Schleifen gebildet werden. Die Arteria mesen- terica sup. macht, statt sich wie bei den Orthocoela sehr bald, schon in der Höhe des Pylorus in mehrere gleichwerthige Aeste zu theilen — einen ziemlich bedeutenden Bogen, der vom Pylorus bis zum Enddarm in ganz kurzen Intervallen kleine, kurze Arteriae intestinales abgiebt, unter denen nur schwer die 4 grösseren, den Hauptwindungen entsprechenden zu erkennen sind. Eine Art. me- sent. inferior ist gut ausgebildet. cf. Fig. 8. IV. Cyclocoela. Enthaltend einige Grallae, die Pelargi, Laridae, Psittaci, Raptatores, Columbae, theilweise die Coceygomorphae und Pici, die Cypselomorphae und die Passerinae. Taf. VI Fig. 1—7 und 11—16; Taf. VII Fig. 1—4 und 19, 20, 22, 23, 24; Taf. VIII Fig. 9—14; Taf. IX, X und XI und von Taf. XVI Fig. 7—11. Das Charakteristische für diese sehr umfangreiche Abtheilung besteht darin, dass eine oder einige der zu 3—4 vorhandenen Hauptschlingen mit ihrem Ende als Centrum spiralig gewunden sind. Ist nur der Endtheil der betreffenden Schlinge aufgewun- den, so wollen wir diese Vögel als Telogyri den Hologyri gegenüberstellen, bei welchen die ganze Schlinge aufgewunden ist. Erstere bilden 4, die letzteren constant nur 3 Hauptschlingen. Am schönsten und vollkommensten zeigt sich diese Spiralbildung bei den Hologyri. Die Entstehung dieser die mittlere, also hier zu- gleich die centrale Schlinge bildenden Spirale ist auf Seite 392 beschrieben worden. — Für die Darmlagerung dieser Gruppe giebt es demnach diese Stadien: 1. Darm ungeschlossen, grade vom Magen zum After als Rinne verlaufend. 2. Schluss des Darmrohres mit Ausnahme der Darmmitte. Ausbildung der Nabelstränge und der übrigen Blutgefässe, wo- durch die Darmmitte nach 2 Seiten hin befestigt wird. 3. Das Pancreas treibt das Duodenum hervor; Magenausbil- Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 399 dung; Raum für den übrigen Darm zwischen Rücken, Magen und Duodenum beschränkt. 4. Der Mitteldarm wendet sich durch Wachsen des Darmes nach aussen zum Nabel und wird dadurch in seinem Mitteltheile doppelt aneinander gelagert (primitive Darmschlinge). 5. Der Afterdarm wächst schneller und stärker als der Ma- gendarm, buchtet sich daher noch besonders in seinem sonst gra- den Theile zu einer Schlinge aus; dieselbe liegt zwischen Spirale, Duodenum und vorderer Bauchwand. Diese 3te Schlinge fehlt nie. — Der Magendarm besteht mithin aus dem Duodenum und dem directen Theile der Spirale, der Afterdarm aus dem retrograden Aste letzterer Schlinge und aus der letzten (Cuvier’s Colon- schlinge). Der Mitteldarm wächst nun in der einmal eingeschla- genen Richtung weiter und die Spirale wird daher desto mehr Umdrehungen zeigen, je länger der Darm ist. Während bei der erwachsenen Taube die Spirale aus 3—4 di- recten und 2 retrograden Windungen besteht, waren demgemäss bei der jungen erst einen Tag alten Taube erst 2!/, Umdrehun- gen gemacht. Sehr deutlich ist auch die directe Abhängigkeit der Anzahl der Spiraldrehungen von der Länge des Darmes bei den Möven (cf. Seite 123) und bei Fringilla enucleator zu er- kennen. Zur Erläuterung des Darmgefässsystemes dienen die Fig. 8—10 Taf. XVI. In der Regel theilt sich die Arteria gastroduodenalis, nachdem sie den Magen versorgt, in 2 Hauptäste, deren einer (mit I bezeichnet) dem Duodenum, der andere (III) zur letzten Hauptschlinge, event. auch zu den Blinddärmen geht. Beide Schlingen, die erste und die letzte, hängen nebst den Blinddär- men meistens durch Gefässe und daher auch durch eine Mesen- terialfalte miteinander zusammen. Das Mesenterium zeigt daher im erwachsenen Vogel der Hauptsache nach 2 Ausbuchtungen, eine proximale, aus der späteren Verschmelzung der durch das Duodenum und die Blinddärme nebst der letzten Schlinge verur- sachten Ausbuchtungen entstandene, und eine distale, deren Ge- kröse in das Gebiet des Mitteldarmes, das der Art. mes. superior gehört. Dies gilt für alle bisher untersuchten Vögel. Eine Art. mes. inferior scheint meistens vorhanden zu sein; ich fand sie sicher bei Passerinen, bei Columba, Plyctolophus etc. Mächtige Entfaltung des von der Art. mes. inf. versorgten Enddarmgebietes wie allein bei Struthio, hat auch die besondere Ausbildung eines distalen Mesenteriums zur Folge. 400 Dr. Hans Gadow, Die Oyclocoela weisen nun verschiedene Formationen auf. I. 1. Hologyri. Dahin gehörig von den Grallae: Haemato - pus, Strepsilas, Recurvirostra; ferner die Laridae, Co- lumbae und Passerinae. Der Spiralentypus ist hier am deutlichsten ausgeprägt. Der Darm bildet nur 3 Schlingen, deren mittelste die grösste und vollständig zu einer linksläufigen Spirale zusammengerollt ist. Die directläufigen Bogen liegen in einer Ebene, oberflächlich auf der rechten Seite des Unterleibes, die retrograden dagegen tiefer (innerhalb). I. ZTelogyri.. Entweder sind mehrere Spiralen vorhanden, oder nur die Endhälfte einer Schlinge ist aufgerollt. 2. Progyri. Von den Raptatores: Milvus, Haliaötos und die Falconidae. Die letzte Hälfte des Duodenum bildet eine rechtsgewun- dene Spirale. 3. Mesogyri. Von den Raptatores: Astur, Melierax, Buteo, Archibuteo. Von CGoceygomorphen: Haleyon. Fer- ner Phoenicopterus. Die 2te Schlinge bildet eine linksgewundene Spirale. 4. Amphigyri. Von den Raptatores: Gyps, Vultur. Ferner die Pelargi? Die erste Schlinge bildet eine rechts-, die zweite eine links- läufige Spirale. 5. Polygyri. Psittaci. Sämmtliche 4 Schlingen bilden mit ihren Enden Spiralen, und zwar ist die lte und 3te rechtsläufig, die 2te und 4te linksläufig. Selbstverständlich sind bei dem grossen Formenreichthum der Vögel, die von wahrscheinlich nur wenigen Hauptstämmen nach den verschiedensten Richtungen hin sich entwickelt haben, die mannigfaltigsten Uebergänge zwischen den im Vorigen aufgestell- ten typischen Darmformationen zu erwarten; es ist daher nicht zu verlangen, dass man alle Vögel in so scharf begrenzte Abtheilun- gen zwängen kann. Wir können aber, und dies ist wichtig, die verschiedenen Haupttypen der Darmlagerung durch Mittelglieder verbinden. So nehmen die Pelargi zwischen den Orthocoela und den Ho- logyri eine vermittelnde Stellung ein; viele Raubvögel, wie Circus und die Eulen nähern sich hingegen den Orthocoela. Eine eigen- thümliche Mittelstufe bilden die Oypselomorphae, Piei und Cocey- gomorphae, deren nähere Verbindung mir noch nicht gelungen ist. Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 401 Es werden bei ihnen im Allgemeinen 4 Hauptschlingen gebildet, deren letzte bei einigen Coccygomorphae (Rhamphastus und Co- rythaix) undeutlich und nur durch eine unregelmässige Falte an- gedeutet wird. Bei Halcyon ist es zu einer vollständigen, die ganze 2te Schlinge einnehmenden linksläufigen Spirale wie bei den Mesogyri gekommen; bei den anderen dagegen ist bei der bedeu- tenden Weite und auffallenden Kürze des Darmes die Bildung von Spiralen und sonstigen grösseren Windungen überflüssig, vielleicht unmöglich geworden. Die Cypselomorphae nähern sich sehr den kurzdarmigen Pas- serinen. — Zum Schluss sei noch erlaubt eine Tabelle mitzutheilen, die ein Versuch sein soll, mit Berücksichtigung hervorragender Sy- steme, wie die von Nitzsch, Sundevall, Cabanis, Huxley u. A., die Vögel in natürlichen Formenreihen systematisch zusam- menzustellen. Wir ersehen daraus, im Vergleich mit der alten Eintheilung in Wasser-, Sumpf-, Land- und Luftvögel, dass immer die höchst entwickelten Formen jeder dieser Unterelassen in Bezug auf die Darmlagerung zu den Hologyri, oder wenigstens zu den Mesogyri gehören. So von den Tubinares die Moeven, von den Grallae die Pelargi und einige Andere, Formen wie Haematopus, Strepsilas und Recurvirostra; von den Rasores ausgehend die Columbae; bei den Raptatores können wir ein Aufsteigen von dem niederen Stand- punkte der den Orthoccela sich nähernden Bildung bis zu den Mesogyri ebenfalls erkennen; endlich von den Coccygomorphen her- zuleiten die höchstentwickelten aller Vögel, die Passerinen. Wie nun diese 4, mit den Ratiten 5, sich ergebenden Reihen mit einander zu verbinden sind, ob sie einer gemeinsamen, oder mehreren in den Saururae zu suchenden Wurzeln entsprossten, ist eine noch nicht gelöste Frage. — Bd. XII. N, F. VI, 3, 236 402 Dr. Hans Gadow, Erklärung der Figuren auf Tafel XVI. Fig. 1. Die Hauptstämme der Aorta descendens und der Vena por- tae von Anas boschas. IV der feine zum Enddarm ge- hende, III der die letzte Schlinge nebst den Blinddärmen versorgende Ast. „ 2. Dasselbe von Halieus carbo. Die Zahlen 2—6 beziehen sich auf die Darmschlingen. „ 3. Anser domesticus; kurze Zeit vor dem Auskriechen. !/,; von der rechten Seite aus gesehen, in situ. „4. Dasselbe schematisch. » 5%. 2 Abbildungen der Art. mesent. sup. von Anser dome- sticus um die Sinusartige Anschwellung nebst Abgabe der Art. intestinales zu zeigen. !/,; nach Barkow. »„ 6. Gallus domesticus; 3 Tage alt. !/, und in situ; Aorta descend. und Vena portae. Die Arteriae und die Vena vi- tellin. sind nicht spiralig um den Dottergang gedreht, da der Darm keine Spirale bildet. „» 27. Columba domestica (1 Tag vor dem Auskriechen). Zeigt die Drehung der Dottergefässe. » ‚8. Dieselbe einen Tag alt. !/,. — Aorta descendens. Bezeich- nung wie in Fig. 1. „ 9. $Strix flammea. Schematisch. „. 10. Buceros plicatus. A. coeliaca und Vena portae. Die punk- tirte Linie nebst den Zahlen bezieht sich auf den Verlauf des Darmes. „ 11. Bildung der Spirale der Hologyri; a erstes, b zweites Sta- dium. c schematische Darstellung der Richtung der dabei wirkenden Kräfte. Berichtigung. Auf Seite 127, Zeile 2 von unten ist zu lesen: Darm mit 3 Schlingen, deren erste und letzte eng geschlossen etc. „ „ 128, Zeile 1 ist statt Schlingen: Windungen zu lesen. Versuch einer vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. 403 S | goeyıyey S = N s9IoseH sopodosAg N 3 | 28 S SD | = Ps | = : 3 S. an 1354 Ss|ıo A £ ‚ , SOXSOLJOWE] S BR 5 s Di lo yi upoaX | sersurgn]. sopodousserg ® € | [8 Fe a : 1143401 2 . . . . . . #3 Sch ‚wo3kooog Id Peysa 1310704 i ı1Ldıyduy & . ’ I . 3 = ©, Is = } R | ©: mu S md Ss | FS Le } « . Mo e S © : [#8 “ mojssdiy \ S 11430soW = . . 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Von Marokko, Tunis, Tripolis, Barka, Fezzan, der Sahara und der lybischen Wüste wissen wir nichts Anderes als durch 5) Günther, A. Dr., On Rept. and Fishes of Northern Africa. Proc. Zool. Soc. Nov. 1859. Ueber Senegambien besitzen wir 2 Schriften, nämlich: 6) Adanson, hist. nat. de Senegal, Poiss. 7) Steindachner, Dr., Fische des Senegals. Wien 1869—70. Von Ober- und Unter-Guinea kennen wir 3 Schriften, nämlich: 8) Tuckey, Narrat. Exped. Zaire 1816. 9) Cleland, J., Desc. of several Fishes from Old Calabar. In Edinb. New Phil. Journ. April 1862. 10) Bleeker, Poiss. de Guinee 1863. Ueber das ganze west- liche Afrika haben wir 2 Schriften, nämlich: 11) Dumeril, Rept. et Poiss. d’Afr. oceid. 1861. 12) Gill, T.H., On the West-African genus Hemichromis. Proc. Acad. Nat. Sc. Philad. 1862. Ueber Aegypten und die Nilländer sind 5 Schriften bekannt, näm- lich: 13) Sonnini, Voy. dans la haut et basse Egypte. 14) Geof- froy, Descer. de !’Egypte. 15) Rüppel, Beschreibung neuer Nil- CarlDambeck, Die Verbreit. d. Süss- u. Brackwasser-Fische in Afrika. 405 fische 1829 — 37. 16) Joannis, Öbserv. sur les Poiss. du Nil. Guerin, Mag. Zool. 18355. 17) Rifaud, J. J., Voy. en Egypte, en Nubie et lieux eircon voisins. Paris 1830 —36. Ueber Ost- afrika besitzen wir 3 Schriften, nämlich: 18) Günther, A.Dr., Report on a Coll. of Rept. and Fishes in the Zambesi and Nyassa Region 1864. 19) Günther and Playfair, the fishes of Zan- zibar 1866. 20) Prof. Peters Naturh. Reise nach Mozambique 1868. Baron v. d. Decken’s Reise in Ostafrika ist in Bezug auf die Ichthyologie fast nur eine Wiederholung der Schriften 18—20. Ueber Südafrika besitzen wir ebenfalls 3 Schriften, nämlich: 21) Pop’ pe, Synops of the edible fishes at the Cap of Good Hope. 22) Smith, A., Il. Zool. South Afr. Pisces. 1849. 23) Blee- ker, Over eenige vischsoorten van de Kaap de goede Hoop. Act. Soc. Sc. Indo. Ned. Bd. 21. 1860. Ueber die Ichthyologie Afrikas im Allgemeinen besitzen wir eine Schrift, nämlich: 24) Russegger, Reise in Europa, Asien und Afrika. Ichthyo- logie, 1841—43. Die Zahl der Schriftsteller beträgt etwa 19, be- sonders Franzosen, Engländer, Niederländer und nur 3 deutsche Gelehrte, Rüppel, Professor Peters und Steindachner ha- ben über die afrikanische Ichthyologie geschrieben. Man sieht, dass diese Schriften nur mit den Küstenländern und auch nicht einmal mit allen sich beschäftigen und dass das ganze Innere mit den oberen Fluss- und Seegebieten in ichthyologischer Beziehung wie in anderer noch völlig unbekannt ist. Auf diese fragmentarischen Vorarbeiten hin will ich es versuchen, in kurzen Umrissen die eigenthümliche Verbreitung der Süss- und Brackwas- serfische in Afrika aus einander zu setzen. Zunächst folge hier eine systematische Uebersicht der gegenwärtig aus Afrika bekann- ten 441 Species. Systematische Uebersicht der Süss- und Brackwasser- Fische Afrikas. Nach Dr. A. Günther, Cat. of fishes of Brit. Museum. 1859—74. Nach Prof. Dr. Steindachner, Fische des Senegals, 1869—70. Nach Prof. Peters, Reise nach Mozambique, Zoologie IV. 1868. I. Unterklasse: Teleostei = 413. I. Ordn.: Acanthopterygii = 113. Fam. Percidae = 10. Labrax punetatus Bl... . . . . . Steind. Fische des Senegals. Lates nilotieus ©... . . .. .. . Günther Bd.T p. 67. 406 Lates elongatus C.. Serranus nigri Gth. F aeneus Geoftr. Mesoprion griseus C. Dules Bennettii BIk. » fuscus C: Ambassis rn V. Apogon hyalosoma Blk. Fam. Pri Therapon servus 0. theraps C. = argenteus Gth.. Pristipoma Jubelini C. Rogeri C. . Peroteti C. ” suillum C. macrophthalmus Gerres nigri Gth. ,, miolnhopleruk Blk. Dentex argyrozona C. Fam. Upeneus Prayensis (. Fam. Cantharus Blochii C.. . Lethrinus atlanticus Gth. Pagrus vulgaris C. „» Janiarius C. Chrysophrys aurata C. laticeps C. globiceps C. gibbiceps C. vagus Pet. . Fam. Scorpaena scrofa L. . Platycephalus insidiator Bl. . Fam. Larimus auritus C. Seiaena senegalensis Gth. aquila C. . „ epipercus Blk. Corvina nigrita C. Su Otolithus senegalensis C. V. „ „ Umbrina eirrhosa C. Bennettii Lowe . caeruleostieta 0. macrognathus Blk. Carl Dambeck, Günther Bd. Ip. 67. „ ” 2) 112. „ „ „ „ „ 194. „ „ „ 270. „ ” stipomatidae = 12. Günther Bd. I p. 278. „ „ 283. ”„ „ Sara Fische des Senegals. Gunther Bd’ pr298 2) „ 302. Steh Fische des Senegals. „ „ ”„ ”„ Bik. „ ” ”„ „ Günther Bd. I p. 347. Steind. Fische des Senegals. 1 Günther Bd. I Mullidae = 1. Günther Bd. I p. 409. Sparoidae — 10. Günther Bd.1. on > 0r00 „» ”„ „ 466. „ „ „ „ ”„ 484. „ „ „ „ „ 485. " H: „ 485. „» „ „ „ Prielidae.-=i®! Günther Bd. II p. 107. „ „ Sciaenidae = 8. Günther Bd. II p. 266. ” 2) „ 29. Steind. Fische des Senegals. Günther Bd. II p. 297. ”„ „ 306. Se er Fische des Senegals. Günther Bd. I. Die Verbreitung der Süss- und Brackwasserfische in Afrika. 407 Fam. Polynemidae = 3. Polynemus quadrifilis C. V. Pentanemus quinquarius Gth. . Galeoides polydactylus Gth. Günther Bd. II p. 330. „ ” „ 3831. „ „m 932. Fam. Sphyrenidae = 1. Sphyrena picuda Bl. Günther Bd. II p. 336. Fam. Carangidae = 15. Caranx senegallus C. . "Mallax.C. A » xhonchus Geoffr. . „ earangus C. } » crumenophthalmus Lac. „ Alexandrinus Gth. Temnodon saltator L.. Lichia glauca L. anamıla, C,... Trachinotus goreensis (. . vs ovatus L.. Ä y; teraioides Guich. Martini Std... Pechius Sebae C. V. . Micropteryx chrysurus Gth. Günther Bd.II p. 435. 428. ”» „ „ 448. ” ” „ 429. a „455. Steind. ichs des Senegals. ”„ „ „ „ „ ”„ ”„ ”„ Günther Bd. II p. 4883. „481. Rn) Fische des Senegal». Günther Bd. II = 486. „ „ „ 460. Fam. Xiphidae = I. Histiophorus Herschelii Gth. Günther Bd. I. Fam. Gobiidae = 27. Gobius aeneofuscus Pet. Mmigri: Gth. „» nudiceps C. - „ albo-punctatus C.. „ obscurus Pet. . » gluris Buch. „ atherinoides Pet. . 5... niger: L3ewS} Ehrenbergii c. » eapito C: A nebalo-punctatus C. . Sieydium lagocephalum Kölr. * laticeps V. Periophthalmus Köelrenteri BL. Cotylophus acutipinnis Guich. br parvipinnis Guich. Eleotris Lebretonis Std. „ senegalensis Std... „ daganensis Std. . . „ ophiocephala Kuhl. . » butis Buch. Günther Bd. II. p. 27. ”„ ”„ „ „ „ ur: 56. „ Peters, Reise. Günther Bd. III p. 97. Peters, Reise. St a nd. Fische des Senegals. „ „ „ „ ” „ „ ”„ Peters, Reise. „ n 408 Carl Dambeck, Eleotris Wardii Pet. . . une IuPieters; Reise. „» fusca Sch. (nigra Quoy) „ eyprinoides C. V » . porocephala V. Su } 65 madagascariensis C.. . . . Günther Bd. II. Ben marmoratus Pet. s is Fam. Blenuiidae Blennius bufo Gth. 7... ren Gunther '/Bas,kin Fam. Nandidae — 1. Plesiops nigricans Rüpp.. . . . . Peters, Reise. Fam. Labyrinthieci — 5. Spirobranchus capensis ©. . . . . Günther Bd. III p. Ctenopoma microlepidotum Gth. 2 ” Be ie multispinis Pet. . 35 „ „‚ m Petherici Gth. S BR “ Osphromenus olfax Comm. . . . .. Peters, Reise. Fam. Mugilidae = 16. Mugil: multilineata 'C. .». .. „5... Güntker\Ba ML p. „ $mithii Sm. . » „ » „ hypselopterus Gth. „ » » „ eonstantiae C. » » » „ cephalus C. . » „ ” „ faleipinnis C. ”„ ”„ 2) » capito OR „ » „ ss Petherici Gth. „ » „ „...saliens Riss. . » » » „ ehrytochilus C.. „ „ SD M „aubourbonieus NV.“ .. u. .n.%, 02, Beters sBelse: ».. grandisguamis,C.,..|.. .,.... GüntheriBad. Hop) iüchelo WO Er re kenne E a Dumenli Std... .. . ..,.... SteindYEischerdes an Telfairi Benn.. . . . Peters, Reise. A dobuloides V. ”„ „ 460. Senegals. II. Ordn. Acanthopterygii pharyngognathi = 32. Fam. Labridae = 8 Labrus retieulatus Lowe. . . . . Günther Bd. IV. Mi merulanlu,ı seta. - ? is p- Ctenolabrus pavo C. » „ » ? melops C. 3 „ » Crenilabrus quinquemaculatus 6. nr N Julis pavo C. k ) ) ) „ genivittatus C. » » » hebraica C. Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. Fam. Chromides Chromis pleuromelas Gth. „ » latus Gth. Sparmanni Gth.. lateralis Gth.. . polycentra Gth.. melanopleura Gth. . Heudelotii Gth. . Tristrami Gth. . microcephalus Gth.. macrocephalus Gth. niloticus C. guineensis Gth. mosambicus Pet. nigripinnis Gth. Ehtherodon? Zillıı Gth. Hemichromis „ fasciatus Gill. . intermedius Gth. . bimaculatus Gth. . robustus Gth. . auritus Pet. . longiceps Gth.. guttatus Gth. dimidiatus Gth. II. Ordn. Anacanthini melanotheron Rüpp. . 24. Günther Bd. IV p. —,4, Fam. Pleuronectidae — 4. Citharichthys spilopterus Gth. . Psettodes Belcheri Std. Cynoglossus senegalensis Kp. capensis Gth. IV. Ordn. Physostomi = Günther Bd. IV p. ”„ „ ”» „ „ ” „ „ 242. Fam. Sıluridae = 862. Clarias xenodon Gth. . parvimanus Gth. . senegalensis V. anguillaris Gth. lazera C. gariepinus C. macrocanthus Gth. macromystax Gth. mosambicus Pet. terobranchus isopterus Blk „ 5, bidorsalis Geoff. Jaticeps Pet. Re longifilis C.. Günther Bd. V p. » ”„ 16. 15. 271. 269. 272. 270. 272. 270. 269. 273. 267. 03% 268. 270. 274. 274. 275. 421. 402. 502. 409 esta Fische des Senegals. Günther Bd. V p. „ ”„ „ Peters, Reise. Günther Bd. V p. Peters, Reise. Günther Bd. V p. » „ ”„ 14. 410 Carl Dambeck, Heterobranchus intermedius Gth. . . Günther Bd. V p. 22. a senegalensis V. . . Steind. Fische des Senegals. Sehilbe mystus C......\. . .,.,.., Gänther BaVapzr30. „uasauranoscopus Rüpp. . .,..,. 55 nur. SET Epila, Gil uged er re x else ossHlasselguisti 4G, une. n 4 „Orssenegalensis.V. ara... F ba Eutropius niloticus Gth.. . . . . „ PERIOD a NdAnBOn UV... ae. > iu V 94. 4 congensist.Gth....r. 0, Hr. ® 5 os depressirostris Gth. . . . 2 55 Siluranodon auritus Gth.. Aa e sit keit. 00- Bacmussibayadı nu 0 a N S PERL OL u docmaec C. = sineang 10: Chrysichthys maurus Gth. r sata In Cranchii Leach. SR u, r „ nigrodigitatus Lac. . . A a ee I furcatus Gth. ee ir nk Br “ acutirostris Gth., . . . u I # auratus Gth. ; 5 rn ee (il mMAcropR iGth:, Haan“ 4 A Dlarotes laticeps Gth. RER RE SEN m Sir ae Te Pimelodus platychir Gth. R 3 sn Auchenaspis biseutatus Geoff. " PIERRE 7 Arius Heudelotii C. SLR U y ib los „. Saleanins Rich... ...-„ı Beters, Reise: .. »Barküi. (Gtha.== IM IR IR SIEH AGmathen!Bd.V p. or 4 Kyarkıa Gh. a2 SR x Ben. „ latiscutatus Gth. M ® Galeichthys feliceps C. N ; & er K Synodontes nigritus . . . . .. ie ee. Bi schal Bl. \ er Be 0. 2 gambiensis Gth.. . . . * % Mn macrodon Geofl. . . . 5 il “ membranaceus Geoff. . . 55 york ger Ze m serratus Rüpp. R a 0, nr BorezrGt UINUH „ut. MN i u; humeratus: On. N 2 5 Diana than da he a. alas 3. r zanzibaricus Pet. . . . Porter Reise. > xiphias Gth. «.. . u.» Günther: Bd‘N 5215. ” zambesensis Pet. . . . r yunzun2Lt, nebulosus Gth, . „.... . 90213; Malerin electricus Lac. . . . . AS 1 8 beninensis Gth. . . . sr siunnze220. ” af aGthi ni. h5 5 Rhinoglanis typus Gth. . . .. . Y a Mochocus nilotivus Gth. . ee .. ah Chiloglanis Deckenii Pet. . . . . Peters, Reise. Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. A411 Fam. Characinidae = 28. Citharinus Geoffroyi C. 5 latus M. T. Alestes sethenti C.. $ macrolepidotus C. F dentex M.T.. R Kotschyi Heck > Wytsi Std. . Brachyalestes nurse Rüpp. br Rüppelli Gth. . 5 longipinnis Gth. . S imberi Gth. 2 acutidens Gth. senegalensis Std. . Hydrocyon lineatus BIk. > Forskali C. } brevis Gth. Sarcodaces odo& Gth. . . . Distichodus niloticus M. T. . n rostratus Gth., . . 2 engycephalus Gth. . 2 brevipinnis Gth.. + schenga Pet. . eh mosambicus Pet. Sy macrolepis Gth, = nefasch Gth. Martini Std. Ichthyborus microlepis Gth. . 2 besse Gth. Günther Bd. V p. 302. „ „ „ 3 13. „ Steind. Fische des Senegals. Günther Bd. V p. 314. 315. „316: Steind. Fische des Senegals. Günther Bd. V p. 352. „ „ „ 360. 861. 862. Steind. Fische des Senegals. Günther Bd. V p. 368. 364. „ „ „ Fam. Salmonidae =|l. Salmo macrostigma Gth. . Günther Bd. VI p. 76. Fam. Mormyridae = 27. Mormyrus caschive Hass. n pietus Heugl. . ” Geoffroyi Gth. u oxyrhynchus Geoff. a Hasselquistii ©. V.. u cyprinoides L. h bane Lac. . er Bovei C. V. . " Isidori 1@..V., . ” macrolepidotus Pet... RE catostoma Gth. a5 mucupe Pet. . . " discorhynchus Gth. 4 longirostris Pet. FR magrophthalmns Gth. Günther Bd. VI p. 215. Peters, Reise. Günther Bd. VI p. 216. 217. „ ”„ „ 218. 220. 221. 219. 1.222. 412 Mormyrus tamandua Gth. Hr niger Gth... . » brachyistius Gill. 55 adspersus Gth. R Petersii Gth. . o senegalensis Std. . Lhuysi Std. Enns dorsalis Geoff. N oceidentalis Gth. Mormyrops anguilloides Gth. Br zambanenje Pet. ” deliciosus Leach. Carl Dambeck, Günther Bd. VI. „ ”„ Steind. Fische des Senegals. „ „» „ ’” Günther Bd. VI p. 222. „2288 „224. Fam. Gymnarchidae — 1. Gymnarchus niloticus C. . Günther Bd. VI p. 225. Fam. Scombresocidae = [17. Belone senegalensis C. V. 5 natalensis Gth. „ ehoram Rüpp.. robusta Gth. Hemirhamphus calabaricus Gth. + Commersonii C. r vittatus V. . Giinther Bd. VI p. 254. ”„ „ „ 266. „ „ Peters, Reise. Günther Bd. VI p. 269. Fam. Cyprinodontidae = 13. Cyprinodon calaritanus C. V. dispar Gth. Tellia apoda Gervy. 2 Nothobranchius orthonotus Pet. Haplochilus infrafasciatus Gth. 55 Playfairii Gth. e spilauchen Dum. “ homalonotus Dum. ” senegalensis Std. 2 nuchimaculatus Guich. 4 sexfaseiatus Gth. fasciolatus Gth.. Fundulus orthonotus Gth. Günther Bd. VI p. 302. 308 „ 309. „ ” „ „ Peters, Reise. Günther Bd. VI p. 313. ”„ „ Steind. Fische des Senegals. Günther Bd. VI p. 313. „858, „ 326. „ ”„ „ » Fam. ee —66; Cyprinus thoracatus V. s mauritanus Benn. . Labeo Forskali Rüpp. » aloticus ©. » Coubie Bon „ horie Heck. (Bela, von m m und L. Coubie) . „ mesops Gth. „., cafter „ sichelij Cast. Peters, Reise. Günther Bd. VII p. 50. Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. Labeo senegalensis C. V.. a brachypoma Gth. „ Selti V. „ eylindricus Pet. „» eongoro Pet. altivelis Pet... Barynotus lagensis Gth. Abrostomus umbratus os capensis Barbus bymni C. V. „ surkis Rüpp. » Intermedius Rüpp, „ affinis Rüpp. „»„ perince Rüpp. 5 gorguari Rüpp. „ elongatus Rüpp. E nedgia Rüpp. „; beso Rüpp. . Sm ,5 quadrimaculatus Gth, „ eallensis Gth. „ setivimensis C. V. r labecula C. V.. N capensis Sm. „ marequensis Sm. . »„ Gurneyi Gth. . a Burchelli Sm. . „....serra Pet. ne afer Pet. ..*"; » gobionoides C. Y& * kurumanni Cast. . ” paludinosus Pet. 2 gibbosus. Pet. A zambesensis Pet. . ns inermis Pet. n trimaculatus Pet. . en radiatus Pet. . AR ranzibaricus Pet. . S Karstenii Pet. . ni camptacanthus BIlk. 2 Kessleri Std. : a Welwitschii Gth. . 5; unitaeniatus Gth. . % argenteus Gth. A caudimaculatus Gth. . er fasciolatus Gth. trispilus BIk. bora zanzibarensis Gth. Barilius niloticus Gth. Pr senegalensis Std. Günther Bd. VII p. 49. ”„ „ 50. 413 S kei ; nd. Fische des Senegals. Peters, Reise. „ Don Günther Bd. VIL p. 61. 68. 104, 99. 100. 99, 105. 100. 99. 104. 148. 98. 92. 99, 107. 98. 100. 102. 96. 94. 148. 106. 148, 102. 101. 105. 103. 106. 134. „ Peters, Reise. Giatkenı BELVAL „ . 134. 107. 101. 103. 103. 107. 108. 108. 1917. 293. St & 3 nd. Piecke des Senegals, 414 Carl Dambeck, Barilius zambesensis Pet. Günther Bd. VII „ sardella Gth. . n ir Pelotrophus microlepis Gth.. 2 3% microcephalus Gth. "N h an Spekii Gth. . 2 a2 r angolensis Std. ; m Oparius nesogallicus V. Peters, Reh Opsaridium zambesense Pet. $ Y Fam. Gonorhynchidae = 1. a ihn Grayi C. V. Günther Bd. VIL Fam. Osteoglossidae —=|l. Heterotis nilotieus C.. Günther Bd. VII Fam. Clupeidae —= 13. Clupea finta C. . Günther Bd. VII » granigera (. % ; » dorsalis C. . Pe “ “ senegalensis Benn % di maderensis Lowe . >. a Pal: ditchoa Russ. . Peters, Reise. Pellonula vorax Gth. . Günther Bd. VII Elops lacerta C. 5 5 „..6gaurus L. Bi % EL „ eyprinoides Brous . Peters, Reise. Megalops indicus C. V. Günther Bd. VII Chanos mosambicus Pet. . Peters, Reise. „ salmoneus C. Günther Bd. VII Fam. Chirocentridae = |. Chirocentrus orab (. Günther Bd. VII. Fam. Notopteridae = 2. Notopterus afer Gth. . nigri Gth.. „ Fam. Muraenidae Anguilla vulgaris Turt. latirostris Riss. . macrophthalmus Pet. . mosambica Pet... labiata Pet. johannae G. . virescens Pet. macrocephala Rapp. marmorata Quoy. amblodon Gth. . . Ophichthys rostellatus Rich. semicinetus Gth. , Kirkii Gth. „ „ Günther Bd. VII „ „ 19. Günther Bd. VIII „ ” „ ”„ ”„ Per Reise. ”„ P- 292. 292. 320. 821. 372. 372. . 878. 880. . 455. 438. 441. 440. . 452. 471. 470. 471. . 480. Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 415 Muraena Lecompti Kaup. . . . . Günther Bd. VII p. 131. 5 flavomarginata Rüpp. ys macrurus Blk. # afra Lac. . ” Pr + 128, , fascigula Pet. a 3 el39. x nebulosa Ahl. 5 ss V. Ordn. Lophobranchii = 9. Fam. Syngnathidae = 9. Syngnathus spieifer Rüpp. . . . . Günther Bd. VIII. e algeriensis 2 Pike iy 55 p- 164. . acus.L. 0. sau s 100, cyanospilus Blk. x N 170: lonokns areuluss;Pet..,: 2.4.0. 1.2NPieters,%Beise, Blonichthys zambezensis Pet. . . . ; „ Doryichthys mento Blk.. . . . . Günther Bd. VIII p. 181. b% Imeafus Kanp... ,.... . a R 88. Hippocampus guttulatus 0. . . . . R ss 1202, NL, Ordn::Plectoenathi =; 13, Fam. Sclerodermi = 3. Balistes foreipatus Gm. . . . . . Günther Bd. VIII p. 216. Monacanthus Heudelotii Gth. . . . Kr ” „zäh, # seuiferı Benn., 40 aa „ e Fam. Gymnodontes — 10. Ostraeion icornutus L... 34.“ ...»... Günther Bd; VIII. Tetrodon lagocephalus LL . . . . 5 = p- 273. 2 eutwier Bonn: . u. $ Pr HR Fahavan Hass ut N a re Pr „290. ” ImmaeulatualBl, .%..", Mn Ir 5, Pustulatus !Murr! 1. 2 n1ar PR 4 n; stellaiıs Gihse ..u7.9 5 a hiepidus, Dac, we .. 2... nn 2 207. en hystrix L. ; ba: „ 306. Chilomycterus reticulatus will ah Steind. Fische des Senegals. II. Unterclasse Dipnoi = 1. Fam. Sirenoidei = 1. Protopterus annectens Gray. . . . Günther Bd. VII. III. Unterclasse Ganoidei — 5. I. Ordn. Holostei = 4. Fam. Polypteridae = 4. Polypterus bichir Geoff. . . . . . Günther Bd. VIII p. 326. Ds senegalensis C. . . . . Steind. Fische des Senegals. e Lapradei Std.. u: » » » Calamoichthys calabarieus Sm.. . . Günther Bad. VII, „ 416 Carl Dambeck, I. Ordn. Chondrostei =|l. Fam. Acipenseridae — |. Acipenser)stunio L. .. u... 0. Günther Bd.,VIM 792340. IV, Unterclasse Chondropterygii — 22. I. Ordn. Holocephala = 1. Fam. Chimaeridae = |. Chimaera. monstrosa. Li.» WIA0yuGünthier"Bd. VII. U. Ordn. Plagiostomata = 21. Fam. Carchariidae = 5. Careharıas acutus Rüpp. : . . . . Günther Bd. VIII p. 358. Ms lamia Riss. . . . . . Steind. Fische des Senegals. x zambezensis Pet. . . . Peters, Reise. Zysaena\ malleus''Sh.7 | 1 „9... Günther Bd, VIII p.Jset: Mostelus laevis- Riss, u.) a0» u Fam. Seylliidae = 2. Seyllium africanum C. . . . . . Günther Bd. VIII. Chiloseyllum indieum Gth. . . . . .5 55 Fam. Spinacidae = 2. Acanthias vulgaris Riss. . . . . -. Günther Bd. VIII. ir Blamwvallıı. Biss. a 4.702. 0. " Mi Fam. Pristidae = 3. Pristis Berotter Vo!’ . .»..s@ünther BaYVET mem .. „peetinatus Bath... 2.0. > = = jantiguorum, Lath. u... cn. a N Fam. Rhinobatidae —= 3. Bhinobatus ‚Halayı Rüpp. . »....., Günther. Ba V.IH 'p.4422 “ ColumnaenM. Hay er! u 55 en Blochir Werke a N, ss b; Fam. Torpedinidae = |. Torpedo marmorata Riss. . . . . Günther Bd. VIII. Fam. Trygonidae = 4. Trygon rudis Gth... : . 4unsedan, Bünther Bd VIE petz 5 UkDamı Sm. nur aa 5 53 . üarnak.M. D.. EN A > „ » Benneti M.H. . : ...0.. Steind. Fische des Senegals. Fam. Myliobatidae = |. Myliobatis aquila ©. . . ... 2... Günther Bd. VII. V. Unterelasse Cyclostomata = 1. Fam. Myxzinidae =]. Bdellostoma eirrhatum Gth.. . . . Günther Bd. VILL Die Verbreitung der Süss- und PBrackwasser-Fische in Afrika. 417 Hiervon gehören 283 zu den ächten Süsswasser- und 158 zu den Brackwasser- oder Wanderfischen, also fast ?/, sind Süsswas- serfische und mehr als !/, Wanderfische. Man kann hieraus den keineswegs unbedeutenden maritimen Einfluss erkennen. Die 441 Species gehören 5 Unterklassen, 12 Ordnungen, 45 Familien und 146 Gattungen an. Zu den Stachelflossern Acanthopterygii gehö- ren 145 und zu den Knorpelfischen Chondropterygii 23 Species; es sind besonders maritime Wanderfische, während zu den Weich- flossern Malacopterygii 268 Species gehören, welche besonders Süsswasserfische sind. Unter den Süsswasserfischen, Physostomi, treten folgende fünf Familien durch ihr numerisches Uebergewicht besonders hervor: Siluridae, Characinidae, Mormyridae, Gymnarchidae und Cypri- nidae. Da nun das numerische Auftreten der Organismen nicht blos in geographischer, sondern auch in naturhistorischer Hinsicht von Bedeutung ist, so halten wir diese fünf Familien für die cha- rakteristischen Fischfamilien Afrikas. Es finden sich die Siluridae in 17 Gattungen mit 62 Species; die Characinidae in 7 Gattungen mit 28 Species; die Mormyridae in 3 Gattungen mit 27 Species; Gymnarchidae in einer Gattung und einer Spe- cies und die Cyprinidae in 11 Gattungen mit 66 Species. Diesel- ben sind jedoch nicht einseitig, sondern durch- und nebeneinander mit andern Gattungen verbreitet. Die Mormyridae und die ihnen im äussern und innern Bau nahe verwandte Familie Gymnarchidae sind ausschliesslich auf Afrika beschränkt. Erstere sind viel gleichmässiger als die übrigen Familien gebildet, halten ihren Familiencharakter also fester als jene, zerfallen in viel weniger Gattungen und Species und kommen nur in wenigen Individuen in den tiefsten Marigots der afrikanischen Flüsse vor. Deshalb halte ich diese beiden Fa- milien für die Urbewohner der afrikanischen Süssge- wässer, die übrigen drei Familien aber für eingewan- derte, denn sie verbreiten sich östlich und westlich von Afrika über weite Gebiete. In dem dadurch entstandenen Kampfe zwischen diesen fünf Familien, scheinen die Mormyridae und Gymnarchidae zu unterliegen, besonders ist letztere Familie fast bis auf die letzten Spuren verschwunden, denn sie findet sich nur im Obernil und im Oberlauf der westafrikanischen Flüsse, Senegal, stets in einer und derselben Species. Für diese Behauptung scheinen mir folgende Gründe zu sprechen: 1) Die Mormyridae sind fast überall in der Minderheit und haben nur an der Westküste und im Un- Bd. XIII. N. F. VI, 3. 27 418 Carl Dambeck, ternil eine geringe Uebermacht; 2) sie sind in der Rückbildung begriffen, was man an der verschiedenen Entwicklung des Kopfes, dem Haupttheil des Organismus der Wirbelthiere, erkennt. Der Kopf ist bei Mormyrops deliciosus langgezogen und hat lange Ober- und Unterkiefer, weshalb man die Mormyridae auch wohl Nilhechte genannt hat; bei Mormyrus senegalensis finden sich aber verkürzte Oberkiefer; bei Hyperopisus dorsalis ver- kürzte Ober- und Unterkiefer; bei Mormyrus Lhuysii end- lich eine noch geringere Länge, sowie ein sehr kleines Maul. Würde man alle bekannten Species Mormyridae vor sich haben, wie sie im brit. Museum vorhanden sind, so könnte man sich noch unzweifelhafter davon überzeugen, denn es würden sich bei einer anatomischen Vergleichung alsdann noch viele feine osteolo- gische, anatomische und physiologische Uebergänge und Zwischen- stufen von dem vollkommenen zum unentwickelten Mormyrus er- kennen lassen. 3) Die Familie Gymnarchidae besteht nur noch aus einer Gattung und Species und ist offenbar der letzte Rest einer soweit ausgerotteten Fischfamilie Afrikas. Sie unterscheidet sich von den Mormyridae durch eine zellige Schwimmblase, die vielleicht die Functionen einer Lunge übernimmt, während der Fisch in der trockenen Jahreszeit im Schlamme der flachen Gras- wälder des oberen Nils sich aufhält. Er hat in dieser Hinsicht Aehnlichkeit mit Protopterus annectens, der mit ihm wahrschein- lich das gleiche Schicksal theilt. Was nun die drei eingewanderten Familien betrifft, so ist von Nordosten her, wahrscheinlich am frühesten, die Familie Cyprinidae durch die Gattungen Labeo und Barbus in das Nilgebiet und von da durch die Steppenseen bis zum Niger, Se- negal und Gambia vorgedrungen. Die letztere Gegend scheint aber doch entweder für sie zu heiss oder zu reich an Raubfischen zu sein, deshalb findet man sie zahlreicher in den westlichen, öst- lichen, südlichen und nördlichen Küstenflüssen vertreten. Von 111 bekannten Gattungen Cyprinidae kommen in Afrika 11 Gattungen vor; von diesen hat Afrika mit Südwest-Asien und Ostindien 6 Gattungen gemeinschaftlich und zwar die Gattungen Labeo, Barbus, Rasbora, Barilius, Cyprinus und Opsarius, und 5 Gat- tungen sind Afrika sogar eigenthümlich, nämlich: Barynotus, Abrostomus, Pelotrophus, Kneria und Opsaridium. Von Südwesten her und zwar transatlantisch von Süd- amerika ist die Familie Characinidae hereingewandert, denn sie finden sich zahlreich in den Flüssen der Westküste. Die 47 be- Ben , Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 419 kannten Gattungen Characinidae sind so vertheilt, dass Süd- amerika 40 Gattungen und Afrika 7 Gattungen ausschliesslich eigenthümlich besitzt, aber keine Gattung und Species gemein- schaftlich hat. Die 40 Gattungen enthalten 202 Species, wes- halb ich Südamerika, besonders das Gebiet des Amazonenstroms, als das Reich der Characinidae bezeichnet habe. Von Nordosten sowohl als von Südwesten her und zwar transoceanisch scheint die Familie Siluridae in Afrika einge- wandert zu sein. Von 114 bekannten Gattungen Siluridae kom- men in Afrika 17 Gattungen vor. Davon hat es 3 Gattungen: Eutropius (?), Clarias und Heterobranchus mit Ostindien und 2 Gattungen Pimelodus und Arius mit Südamerika gemein- schaftlich, also 12 Gattungen Siluridae sind Afrika eigenthüm- lich und zwar: Schilbe, Chrysichthys, Auchenaspis, Synodontes, Malapterurus und Chiloglanis, dem Nilgebiet besonders eigenthüm- lich sind folgende Gattungen: Siluranodon, Bagrus, Clarotes, Rhi- noglanis und Mochocus !). In welcher Weise diese Wanderung geschehen ist, darüber kann man nur Vermuthungen aufstellen. Wie man entwicklungs- fähige Theile von Wasserpflanzen in Fischen gefunden und diese also zur Verbreitung jener beigetragen, so können auch anderer- seits fortgeschwemmte Wasserpflanzen zur Verbreitung der Fische beitragen, indem sie befruchteten Laich oder junge Brut zwischen sich forttragen; ebenso sind im unverdauten Koth und in dem Beinschmutz der wandernden Wasservögel Fischeier gefunden wor- den. Durch eine Ueberfüllung und dadurch massenhafte Anhäu- fung des Laiches und der Brut in den südamerikanischen und süd- asiatischen Gewässern ist wahrscheinlich mit Hülfe der Wasser- pflanzen durch Strömung sowohl des süssen als salzigen Wassers der Laich oder auch die jungen Individuen nach den jenseitigen Ufern des südatlantischen und indischen Oceans hinüber gelangt. Die tropischen Siluridae scheinen eben so lebenskräftig und wanderungsfähig, wie die nach dieser Hinsicht längst bekann- ten Characinidae zu sein. Die Characinidae sind sowohl bis zur 1) In dem Werke: „Geographische Verbreitung der Thiere‘“ von Alfred Russel Wallace, deutsche Ausgabe von A. B. Meyer, Dresden 1876 ist der ichthyologische Theil nach dem ‚Cata- logue of the fishes in the British Museum von Dr. A. Günther be- arbeitet. Nun ist im II. Bd. 8. 486 des obigen Werkes Callomystax als eine afrikanische und zwar dem Nil angehörende Gattung auf- geführt. Dies ist ein Irrthum, denn Callomystax kommt nach Günther nur in Bengalen und im Ganges vor. 27% 420 Cari Dambeck, Ostküste Afrikas, wie bis in das Nilgebiet vorgedrungen. In Central-Afrika scheint das Schicksal der Mormyridae bereits durch Vertilgung und Untergang entschieden zu sein. Eine gleiche Zahl von Siluridae und Characinidae treffen mit 4 Species Cyprinidae zusammen. Dass die Characinidae und die Siluridae die Mormy- ridae und Gymnarchidae vertilgen konnten, geht aus dem äusserst räuberischen Charakter beider Familien hervor; während die er- stere Familie die erwachsenen Mormyridae und Gymnarchidae verzehren, vertilgt die letztere Familie den Laich und die Brut derselben. Da nun die Mormyridae und Gymnarchidae nicht sehr fruchtbar sind, welches auch ein Zeichen der Rückbildung ist, so ist ihr Untergang ganz erklärlich und voraussichtlich. Dagegen ist die Erhaltung und Ausbreitung der Cyprinidae neben den bei- den oben genannten gefrässigen Familien nur der Priorität und der grossen Fruchtbarkeit derselben zuzuschreiben. Im oberen Nilgebiet haben die Siluridae und Characinidae das ausschliess- liche Dominiren; aber dort ist ihnen nach Norden durch die Sahara eine unübersteigliche Schranke gezogen, denn sie finden sich so wenig in den Gewässern der Sahara wie in denen Nord- afrikas. Dagegen sind sie auch in die Flüsse Süd- und Ost-Afri- kas eingewandert, verlieren sich nach Süden aber immer mehr; es finden sich in Südafrika nur 2 Gattungen Siluridae, aber 3 Gat- tungen und 12 Species Cyprinidae. Was nun die periodischen Wanderfische betrifft, so sind diese in den südwestlichen Flüssen Afrikas sehr zahlreich. Am zahlreichsten im Senegal und Niger, bei denen sie !/, bis ?/, aller bekannten Fischspecies ausmachen. Es sind hauptsächlich Meerfische aus der Ordnung Acanthopterygii, welche zur tropischen Regenzeit in die weiten, mit Brackwasser gefüllten Flussthäler aufwärts steigen. Die westafrikanischen Flüsse glei- chen dann langen, wasserreichen Seen mit kühlem kräftigem Strom, den die stark gebauten Fische wie Pristipomatidae, Sparoidae, Seiaenidae, Carangidae und Chromidae, gleich dem sanften Mee- resstrom bewältigen können. Im Nil dagegen, sowie in den Flüs- sen Nord- und Ost-Afrikas finden sich nur '!/, bis !/, Wanderfische. Aus dieser numerischen Verschiedenheit geht der maritime Einfluss der West- und Südwestküste auf das continentale Afrika hervor. In dem südwestlichen Winkel liegt der maritime Central- punkt Afrikas. Von dort aus müssen alle civilisatorischen Bestre- bungen und Unternehmungen ausgehen. Dort wird einst die Me- tropole Afrikas entstehen; denn hier treffen die Mündungen des weiten Niger und Gabun zusammen, welche von der Peripherie Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 421 alles hierher zusammenführen und excentrisch alles fortführen kön- nen; es liegt hier also auch der continentale Centralpunkt Afrikas !). Die Süsswasser- und Wanderfische Afrikas sind wesentlich von Südwesten nach Nordosten und Südosten, von Senegambien und Guinea quer durch Central-Afrika bis Aegypten und Mosambik verbreitet. Nördlich lagert sich daran das fischarme, gewaltige Gebiet der Sahara und der äusserste Nordwesten, die Atlasländer, und südlich das fischarme Gebiet der Kalahariebene und der äus- serste Süden, das Capland. Wir unterscheiden in Afrika also drei ichthyologische Zonen. 1) Eine fischreiche Zone, welche sich von Senegambien und Guinea durch den Sudan, Cen- tralafrika bis Aegypten, Zanzibar und Mosambik zieht; es ist die Heimat und somit das Gebiet der Nilhechte Mormyridae. 2) Zwei fischarme Zonen, im Nordwesten und im Süden von ersterem; erstens, die Sahara und die Atlasländer sind das Ge- biet der Höhlenfische, wenn wir diese als eine eigenthümliche Form betrachten dürfen; zweitens, die Kalahariebene und das Cap- land ist das südliche Gebiet der Karpfenarten, Cyprinidae. Der äusserste Nordwesten und der äusserste Süden zei- gen die Uebergangsfaunen, jenes die Fischfauna Europas, dieses die Fischfauna Südamerikas, Indiens und Australiens. Auch die vertikale Verbreitung der Fische zeigt in Afrika Eigenthümlichkeiten und Merkwürdigkeiten auf, die man vergeb- lich bis jetzt zu lösen sucht. Während in Europa und in Con- tinental-Asien die Salmen, in Südamerika und Ostin- dien die Welse am höchsten hinaufsteigen, geschieht dies in Afrika eigenthümlicher Weise von den Zahnkarpfen und Kar- pfenarten, nicht ganz so hoch steigen Protopterus und Clupea. Vertikale Erhebung der Fische. Pelotrophus microlepis im Niassa-See . . . . 1522’ hoch. Labeo mesops im Pamolomba oder Schirwa-See 2000’ „, Heterobranchus bidorsalis im Nil . . . .. .. 2720 „ Clupea finta wandert bis Chartum am Nil . . 4000 „ Protopterus anneetens im Nyansa-See . . . .. 40 „ Barbus surkis im 'Tzana-See. .: -.... .-.,«.;.7 e ,D800° u, Tellia apoda in Alpenseen des Atlas . . . . 8000 „ 1) Es sei hier bemerkt, dass diese Beobachtung von mir unab- hängig von den Unternehmungen des „internationalen Vereins zur Civilisation Afrikas“ gemacht worden ist. S. amtl. Bericht der 50. Ver- sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte. München 1877. 8, 123, 422 Carl Dambeck, I. Fischreiche Zone Afrikas. Gebiet der Nilhechte Mormyridae. Es liegt zwischen einer Linie, welche man von der Senegal- mündung über die Nordspitze des Tsadegebietes bis zur Nilmün- dung zieht, und dem 20. Parallel südlicher Breite. Demnach um- fasst es Senegambien mit dem Senegal und Gambia, Sudan mit dem Niger; die Gebiete des Tsade-, Tanganjika- und Niassa-Sees; den Nyansa- und Tzana-See, Habesch, Nubien und Aegypten mit dem Nil; das Gebiet des Gabun, Lualaba-Congo, Shirva- und Njami-Sees, Zanzibar und Mosambik mit dem Rovuma und Zam- bese. In meteorologischer Hinsicht gehört dies Gebiet der Zone des periodischen, tropischen Regens an, das von dem Wärme- Aequator durchschnitten wird. | Was nun die Zusammengehörigkeit dieses weiten Gebietes be- trifft, so geht diese aus einer Vergleichung der Gattungen und Species hervor, welche sich in den verschiedenen Flussgebieten vorfinden. Von den gegenwärtig aus dem Senegal bekannten 56 Arten ächter Süsswasserfische kommen nach Dr. Steindach- ner 24 Arten, somit nahezu die Hälfte auch im Nile vor, und der bei weitem grösste Theil der dem Nile eigenthümlichen Fisch- arten ist durch ähnliche Formen im Senegal vertreten. „Es un- terliegt schon aus diesen Verhältnissen, sagt Prof. Dr. Stein- dachner, wohl keinem begründeten Zweifel, dass in vergangenen Zeiten zum mindesten Nil und Senegal, höchst wahrscheinlich auch Gambia und Niger und ich setze hinzu auch Gabun, Lua- laba-Congo, Rovuma und Zambese, von einem gemeinschaft- lichen, centralen Wasserbecken, von dem jetzt nur mehr einige grosse und mehrere kleine Binnenseen, wie Tzana-, Tsade, Tanganjika-, Nyansa-, Njami- und Niassa-See, in Folge von Hebungen und Senkungen übrig geblieben sind, gespeist wurden.“ Dies centrale Wasserbecken ist höchst wahrscheinlich die Urheimat der Mormyridae gewesen. Wir wollen nicht unterlassen, ein paar Aussprüche älterer und neuerer Forschungsreisender Afrikas in dieser Beziehung an- zuführen. Carl Ritter sagt in seiner Erdkunde, Afrika S. 496: „Der Bahar Heimed, heisse See, wird als sehr gross beschrie- ben; er überströmt häufig die benachbarten Landschaften und hat zuweilen so heftige Erbebungen, dass er eine gewaltige Menge von Fischen und anderen Seegrund hervorbricht und auswirft, gleich vulkanischen Eruptionen. Aber zu Zeiten soll das Wasser Die Verbreitung der Süss- und Braekwasser-Fische in Afrika. 423 des Sees heiss sein, mit grossem Getöse aufbrausen, aufkochen und weithin das Land mit einer gewaltigen Masse von Fisch- sräten überdecken. Dies seltsame Eruptionsphänomen im Cen- trum von Afrika erinnert an ähnliche Wasser- und Fischaus- würfe der Vulkane Quitos, die wir durch A. von Humboldt näher kennen gelernt haben.“ Und 50 Jahre später schreibt Dr. G. Nachtigal in der „Natur“ Jahrgang 1877 Nr. 3: „Sowohl der Bahar el Ghasal als Bodele, Egai und der südliche Theil von Borku sind mit den Ueberresten eines wahrscheinlich erst vor Kurzem verstorbenen aquatischen Thierlebens bedeckt. Ueberall liegen ganze Fischskelette und vereinzelte Wir- bel derselben, oft von ansehnlichsten Dimensionen, oft von äusserster Kleinheit, auf der Bodenfläche zerstreut. Auch diese Erscheinung spricht dafür, dass noch in jüngster Zeit die Was- serverhältnisse des Tsade andere waren und zeugt, mit den Tra- ditionen der Eingeborenen über die Trockenlegung seines Abflusses und mit ihrer Anschauung über die Umbildung seiner Ufer und seines Archipels, mit den verhältnissmässig frischen Zeugen und Resten von reichem Fischleben in seinem einstigen Reservoir für die rastlosen und rapiden Veränderungen, denen er noch heut zu Tage unterliegt.“ Würde man unter den ganzen Fischskeletten oder unter den Wirbeln solche von Mormyridae finden, so wäre meine Ansicht dadurch bestätigt. Ueberhaupt würden dieselben über die Ich- thyologie Central - Afrikas den besten und sichersten Aufschluss geben; es wäre daher wünschenswerth, wenn dieselben von Afrika- Reisenden gesammelt werden könnten. In diesem fischreichen Gebiet ist die Zahl der Spezies ver- schieden vertheilt; denn im weiten Nilgebiet sind ebensoviel Arten nur, wie im kleineren Senegal, im Gambia, Niger und Congo aber ungefähr ebensoviel wie im Rovuma und Zambese. Die meisten Familien sind dem ganzen Verbreitungsbezirk eigen. Es zeigt sich in dieser Hinsicht eine bewunderungswürdige Gleich- artigkeit, die auf den gemeinsamen Ursprung hinweist. Nur Oen- tralafrika ist auch in dieser Hinsicht am unbekanntesten. Im Nilgebiet sind die Siluridae, Characinidae, Mormyridae und Cyprinidae am zahlreichsten vertreten und zwar resp. mit 27, 16, 11 und 15 Species. Im Senegal sind diese vier Familien durch resp. 14, 14, 7 und 3 Species vertreten. Dagegen besitzt der Nil nur 20 Wanderfische, während der Senegal 50 hat. Im Gambia finden sich neben 2 Arten Siluridae und 2 Arten Characinidae 424 Carl Dambeck, nur 1 Art Mormyridae und keine Art COyprinidae Im Niger und senem Mündungslande in Calabar finden sich 5 Arten Siluridae und keine Art Characinidae neben 1 Art Mormyridae und 1 Art Cyprinidae. Anders ist das Verhältniss in den Flüs- sen der Westküste von Afrika, dort finden sich 8 Arten Siluridae mit 9 Arten Characinidae, 10 Arten Mormyridae und sogar 12 Arten Cyprinidae; auch in den Flüssen Ostafrikas ist ein ähnli- ches Verhältniss, dort sind im Zambese 8 Arten Siluridae und 7 Arten Characinidae, 5 Arten Mormyridae und 12 Arten Cypri- nidae zusammen. Im Rovuma finden sich resp. 2, 1, 2 und 3 Species; im Licuare resp. 4, 1, 4 und keine Species; im Pan- ganifluss resp. 3 und keine Species der andern Familien, und im Mombas 2 Siluridae und 2 Cyprinidae. Bemerkenswerth ist das Abnehmen der Characinidae in den ostafrikanischen Flüssen, welches das allmähliche Fortschreiten von Westen nach Osten be- stätigt. In Centralafrika ist das Verhältniss der Species fast im Gleichgewicht. 1 Art Siluridae und 1 Art Characinidae leben mit keiner Art Mormyridae aber mit 5 Arten Cyprinidae zusammen. Was nun das Verhältniss der Brackwasser- oder Wanderfische zu den Süsswasserfischen betrifft, so stellt sich dies wie folgt. Vom Senegal sind durch Prof. Dr. Steindachner 95 und sonst noch 11 Species bekannt, davon gehören 50 zu den Brackwasser- fischen und 56 sind für den Strom selbst charakteristisch. Aus dem Gambia sind uns 13 Species bekannt, von denen 4 zu den Wanderfischen gehören. Aus den Flüssen von Sierra Leone und Liberia kennen wir 9 Species, von denen 1 ein Wanderfisch ist. Vom Niger kennen wir 27 Species, von denen 20 zu den Brackwasserfischen gezählt werden. Vom Lagos-, Calabar-, Bouny- und Brass-River sind 17 Species bekannt, von denen 6 Wanderfische sind. Vom Gabun sind 5 Süsswasser- und 5 Wanderfische und vom Congo 4 ächte Flussfische und 1 Wan- derfisch bekannt. Wir bemerken also ein entschiedenes Vorherr- schen der Wanderfische, welche vom Meere aufsteigen. Prof. Dr. Steindachner sagt in dieser Beziehung: „Eigenthümlich ist die ziemlich bedeutende Uebereinstimmung der Meeresfischfauna des westlichen Afrikas mit jener des östlichen Theiles von Süd- amerika, die bis in die neueste Zeit ziemlich unbeachtet blieb, so kommt z. B. Otolithus aequidens C. am Cap der guten Hoffnung und bei Santos in Brasilien vor; Balistes forcipatus an den Kü- sten Senegambiens, Liberias, der capverdischen Inseln und bei Bahia, und Clinus nuchipinnis an den Küsten Senegambiens, der Die Verbreitung der Süss- und Braekwasser-Fische in Afrika. 425 canarischen und capverdischen Inseln, in Westindien und bei Bahia etc. vor.“ Wenn dies noch heute der Fall ist, so können auch Siluridae und Characinidae transoceanisch von Südamerika und Östindien herüber gewandert sein, zumal noch heute dieselben Gattungen sich dort vorfinden. Vom Nil kennt man 105 Species, von denen 20 Wanderfische sind; aus den Flüssen Ostafrikas, dem Rovuma sind 10 Species bekannt und darunter sind 2 Wan- derfische. Vom Zambese sind 51 Species bekannt und darunter finden sich 11 Wanderfische. a. Südwestafrika. Senegal, Gambia, Niger. 1. Der Senegal ist nicht blos im Unter-, sondern auch im Oberlauf fischreich; im Mittellauf bildet er mehrere bedeutende 50’ hohe Wasserfälle, besonders die von Govina. Die Brackwasser- Region ist, wie bekannt, je:nach der Jahreszeit von grösserer oder geringerer Längenausdehnung; zur Zeit des tiefsten Wasserstandes in den Wintermonaten reicht sie bis in die Nähe von Richardtoll; im Sommer und zu Anfang des Herbstes nicht weit über St. Louis zur Fluthzeit hinaus. Die Zahl der gegenwärtig bekannten Fischarten beträgt 106, davon gehören 50 Arten der Brackwasser-Region, sind also Wan- derfische, so dass im Ganzen 56 Arten für den Strom selbst cha- rakteristisch sind. Von diesen 56 Arten kommen Lates nilotieus, Chromis nilo- ticus, Chromis mossambicus, Otenopoma Petherici, Malapterurus electricus, Bagrus bayad, Auchenaspis biscutatus, Synodontis schal, Synodontis membranaceus, Synodontis macrodon, Citharinus Geof- froyi, Citharinus latus, Alestes macrolepidotus, Alestes Kotschyi, Alestes nurse, Hydrocyon brevis, Hydrocyon Forskali, Distichodus brevipinnis, Distichodus nefasch, Mormyrus Bovei, Hyperopisus dorsalis, Gymnarchus niloticus, Heterotis niloticus, endlich Crayra- cion fahaca auch im Nile vor. Es finden sich also 24 Arten äch- ter Süsswasserfische, somit nahezu die Hälfte der aus dem Se- negal bekannten Arten auch im Nile vor, und der bei weitem grösste Theil der dem Nile eigenthümlichen Fischarten ist durch ähnliche Formen im Senegal vertreten, wie Labeo senega- lensis V. im Senegal die Stelle des Labeo niloticus Forsk = Labeo vulgaris Heck. im Nile vertritt; so entspricht Labeo Selti V. im ersteren Flusse dem Labeo coubie Rüpp. —= Labeo niloticus C. des letzteren Stromes. Alestes senegalensis Std. vertritt im Senegal . 426 Carl Dambeck, die Stelle des Brachyalestes Rüppellii im Nil. Polypterus vertritt Acipenser aus dem Nil. Auch im Gebiet des Senegal scheinen die Siluridae und Cha- racinidae über die Mormyridae siegen zu wollen. Nur 7 Species der letzteren finden sich noch in den tiefsten Stellen des Ma- rigot von Taou& versteckt, sie werden aber von den zahlreicheren Feinden schon aufgesucht und gefunden werden. Von Wanderfischen finden sich im Nil und Senegal zugleich nur Mugil cephalus, weil die Mündungen beider Flüsse ganz entgegengesetzt und entfernt liegen. Dahingegen finden sich die meisten Wanderfische des Senegal auch im Niger, Gabun und Congo. Fische des Senegal nach Dr. F. Steindachner und Dr. A. Günther. Fam. Perceidae — 2. Labrax punctatus Gth. in der trocknen Jahreszeit mit der Fluth bis über St. Louis. W.(anderfisch.) Lates niloticus L. bis Bakel und Podor. Fam. Pristipomatidae = 6. Pristipoma Jubelini C. bei St. Louis. W. x Peroteti C. bei St. Louis. W. , Rogeri C. bei St. Louis. W. * Bennettii Lowe bei St. Louis. W. k suillum €. bei St. Louis. W. 5: macrophthalmum Blk. bei St. Louis. W. Fam. Sciaenidae = 4. Otolithus senegalensis C. häufig im Unterlauf. W. Mi macrognathus sp. Blk. bis St. Louis. W. Corvina nigrita C. zwischen St. Louis und Lagos. W. Sciaena epipercus Blk. selten bei St. Louis. W. Fam. Polynemidae = 2. Polynemus quadrifilis C. bis St. Louis. W. Galeoides polydactylus (Vahl) Gth. bis St. Louis. W. Fam. Carangidae — 10. Caranx carangus (. häufig bis St. Louis. W. a senegallus C. bis St. Louis und Gore. W. Lichia glauca sp. L. bis St. Louis und Gorde. W. „ amia C. im Braekwasser. W. Temnodon saltator sp. L. unterhalb St. Louis. W. Trachinotus goreensis C. häufig bis St. Louis. W. Is ovatus L. häufig bis St. Louis. W. x teraioides Guich. häufig bis St. Louis. W. Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 427 Trachinotus Martini Steind. häufig bis St. Louis. W. Psettus Sebae C. häufig bis St. Louis, W. Fam. Gobiidae — 4. Periophthalmus Koelreuteri Pall. am linken Ufer bei St. Louis und Goree. Prof. Dr. Steindachner sagt: „In der Lebensweise nä- hert sich Periophthalmus Koelreuteri in vieler Beziehung den Was- serfröschen. Den ganzen Tag sieht man diese im Leben so schön gefärbten Fische schaarenweise ausser dem Wasser am schlammigen oder sandigen Ufer oder auf feuchtem, grasigen Boden herumkriechen, um sich ihre Nahrung zu suchen, die hauptsächlich aus Insekten und kleinen Krebsen besteht. Auch im Wasser sah ich sie nie schwim- men, sondern entweder von Strecke zu Strecke hüpfen oder aber die obere Kopfhälfte über dem Wasser emporhaltend ruhig auf vorüber- fliegende Beute lauern. Auf die Caudale gestützt, die zu diesem Zwecke starke, dicke und zahlreiche untere Stützstrahlen besitzt, und am unteren Rande schief abgestutzt ist, bedienen sie sich der Pecto- ralen und der Ventralen, insbesondere aber ersterer, die sie nach vorne und unten wenden können, wie vorderer und hinterer Extre- mitäten sowohl zur Vorwärtsbewegung auf dem Lande, als auch zum Emporheben über den Wasserspiegel. Im Augenblicke der Gefahr verbergen sie sich in den zahlreichen, tiefen Löchern des schlammi- gen Bodens, aus welchen ich sie nur mit grosser Mühe herausziehen konnte.“ Eleotris Lebretonis Steind. bei Dagana. 7 senegalensis Steind. bei Dagana. ri daganensis Steind. bei Dagana. Fam. Mugilidae = 10. Mugil cephalus C. häufig bis St. Louis. W. „ ashanteensis Blk. häufig bis St. Louis. W. „ faleipinnis C. sehr häufig bis St. Louis. W. „ grandisquamis C. sehr häufig bis St. Louis. W. » Dumerili Steind. sehr häufig bis St. Louis. W. Diese Mugil-Arten kommen im Senegal nur in der Brackwasser- region und zwar in sehr grosser Menge vor. Gerres melanopterus Blk. bis St. Louis. W. Chromis niloticus Hass. sehr häufig von Bakel bis St. Louis. 5 Heudelotii Gth. re mossambicus Pet. sehr häufig von Bakel bis St. Louis. Die Chromis-Arten kommen in grosser Individuenzahl auch in der Brackwasserregion bei St. Louis vor und erreichen dort eine be- deutendere Grösse als bei Dagana, Matam, Bakel, Podor ete. Hemichromis fasciatus Pet. bei St. Louis. ” bimaculatus Gill. bei St. Louis. In reinem Süsswasser scheint Hemichromis zu fehlen und ist doch kein Wanderfisch. 428 Carl Dambeck, Fam. Labyrinthici = 1. Ctenopoma Petheriei Gth. bei Dagana, Podor und im tiefen Marigot bei Taoue. Fam. Pleuroneetidae — 3. Citharichthys spilopterus Gth. häufig im Brackwasser zwischen der Mündung und St. Louis, besonders im December. W. Psettodes (Belcheri Benn. Erumei?) unterhalb St. Louis. W. Cynoglossus senegalensis Kaup. häufig zwischen der Mündung und St. Louis. W. Fam. Sıluridae = 14. Clarias senegalensis V. sehr häufig von St. Louis bis Bakel. Heterobranchus senegalensis V. bei Podor, Dagana, Bakel. Malapterurus electricus L. häufig in den tiefen Marigots bei Dagana. Schilbe senegalensis V. var. fasciata sehr gemein bei St. Louis, Da- gana, Podor, Bakel, Matum. Kutropius Adansonii V. bei Dagana und Matum. Bagrus bayad C. Chrysichthys Cranchii Leach. bei Dagana. RR nigrodigitatus Lac. sehr gemein im Brackwasser zwischen der Mündung und St. Louis. W. „5 furcatus Gth. kommt nicht selten von der Mündung bis St. Louis vor. W. Auchenaspis biscutatus Geoff. bei Dagana. Synodontis schal Bl. kommt in ungeheurer Menge zwischen Bakel und St. Louis vor. N, nigritus C. im Marigot von Taoue. 5; membranaceus Geoff. Bisher kannte man diese Art nur aus dem oberen Nile, sie ist jedoch auch im Senegal, und zwar in dem tiefen, schmalen und sehr schlammi- gen Marigot von Taoue unendlich häufig. in macrodon Geoft. Fam. Characidae = 14. Citharinus Geoffroyi C. bei Bakel, Salde, Matam, Podor, Dagana und im Marigot bei Taoue; an letzterer Localität und bei Matam waren die grössten Exemplare in ziemlich be- deutender Tiefe. ” latus M. T. bei Matam und Dagana. Alestes macrolepidotus C. in grosser Tiefe bei Podor und Bakel, häufig bei Dagana. en sethente C. V. bei Bakel, Podor, Matam und Dagana. a Wytsi Steind. sehr häufig schaarenweise in der Ufernähe von Dagana bis Bakel. » Kotschyi Heck. nicht selten bei Dagana, Matam und Podor. R nurse Rüpp. bei Dagana, Podor, Bakel. senegalensis Steind. Diese Art ist unendlich häufig von Da- gana bis Bakel. Sie scheint den Brachyalestes Rüppellii des Niles zu vertreten. Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 429 Hydrocyon brevis Gth. sehr häufig von St. Louis bis Bakel. 3 Forskalii C. noch gemeiner als die erste Art von St. Louis bis Bakel. Sarcodaces odo& Bl. Distichodus brevipinnis Gth. in der Ufernähe bei Dagana. a“ Martini Steind. häufiger als die erste Art bei Dagana und Podor. " niloticus (nefasch C. V.). Fam. Mormyridae = 1. Mormyrus senegalensis Steind. Diese Art hält sich gerne in den ziem- lich tiefen Marigots mit fast stehendem Wasser und schlammigem Grunde von Taou&e und Dagana auf. 35 Bovei C. bei Dagana und Bakel. n rume C. V. (? M. caschive). n: Lhuysi Steind. n Jubelini C. V. Hyperopisus dorsalis Geoff. sehr häufig zwischen St. Louis und Bakel. Mormyrops deliciosus Leach. Diese Art hält sich, wie die andern Mormyrus-Arten nur in bedeutender Tiefe auf und liebt ruhige tiefe Flussbuchten mit schlammigem Grunde. Im Marigot von Matam, Podor und Taoue. Fam. Gymnarchidae = |. Gymnarchus niloticus C. bei Podor und Dagana. Fam. Seombresocidae = 3. Belone senegalensis C. ziemlich häufig zwischen St. Louis und der Mündung. W. Hemirhamphus Schlegeli Blk. zwischen St. Louis und der Mündung W. ” vittatus V. an der Mündung, zogen scharenweise dem Ufer zu. W. Fam. Cyprinodontidae = 2. Haplochilus spilauchen Dum. sehr häufig bei Dagana an ruhigen, ziem- lich tiefen Uferstellen, bei Sonnenschein in kleinen Zügen an der Oberfläche sich herumtummelnd. h senegalensis Steind. bei Dagana. Fam. Cyprinidae — 3. Labeo senegalensis C. sehr häufig von St. Louis bis Bakel. Selti V. kommt fast noch häufiger als die erste Art bei St. Louis, Dagana, Matam und Bakel vor. Barilius senegalensis Steind. nicht selten bei Dagana. „ Fam. Osteoglossidae = 1. Heterotis niloticus C. hält sich in der Nähe der Ufer in tiefen, ruhi- gen Buchten bei Dagana in grosser Menge auf; auch im Braekwasser unterhalb St. Louis kommt diese Art nicht selten vor. 430 Carl Dambeck, Fam. Clupeidae =. Clupea dorsalis C. V. von October bis Dezember häufig von der Mün- dung bis St. Louis. W. „ maderensis Lowe unterhalb St. Louis nicht weit von der Mün- dung. W. Pellonula vorax Gth. Diese kleine Art kommt in Unzahl im oberen Senegal zwischen Bakel und Podor, viel seltener bei Da- gana und St. Louis vor. Elops saurus L. Diese Art steigt während der Regenzeit bis nach St. Louis, später bis nach Richardtoll hinauf. W. „ lacerta C. V. bis St. Louis und Richardtoll. W. Fam. Muraenidae = |. Ophichthys rostellatus Rich. Fam. Tetrodontidae — 2. Crayracion fahaca Hass. im November in grosser Menge bei Dagana in den kleinen Lachen, die sich ganz nahe am Ufer beim Rücktritt des Stromes in sein natürliches Bett bildeten. Chilomyeterus reticulatus Will. bis St. Louis. Bisher war diese Art nur von den Küsten Brasiliens bekannt. W. Fam. Balistidae = 1. Balistes foreipatus Will. bis St. Louis und bei Gorce. W. Fam. Carcharidae = 2. Carcharias acutus Rüpp. bis St. Louis. W. 2 lamia Riss. Diese sehr weit verbreitete Art steigt vom October bis November bis über Dagana, also in reinem Süsswasser, hinauf. W. Fam. Cestraciontes = |. Cestracion zygaena L. sehr häufig bis St. Louis. W. Fam. Pristidae = 2. Pristis antiquorum Lath. sehr häufig in der Brackwasserregion. W. » Peroteti V. sehr häufig bis St. Louis. W. Fam. Rhinobatidae = |. Rhinobatus Columnae M. H. im October bis unterhalb St. Louis. W. Fam. Trygonidae = 1. Trygon Benneti M. H.? von der Mündung. W. Fam. Polypteridae — 3. Polypterus senegalensis C. kommt ziemlich häufig bei Dagana und Po- dor, so wie im Marigot von Taoue vor. Junge halten sich in der Ufernähe, alte dagegen mehr in der Strom- mitte in beträchtlicher Tiefe auf. 2 Lapradei Steind. seltener als erstere Art. bichir Geoffr. im oberen Gebiet des Senegal und seiner Zuflüsse. Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 431 2. Im Gambia = 13 Arten. Nach Dr. A. Günther. Fam. Gobiidae = |l. Mugil grandisquamis C. W. Fam. Siluridae —= 2. Clarias macromystax. Synodontes gambiensis. Fam. Characidae = 2 Citharinus Geoffroyi. Alestes sethente. Fam. Mormyridae Mormyrus niger. Fam. Muraenidae Ophichthys rostellatus. % semieinetus. Fam. Syngnathidae Hippocampus guttulatus. W. Fam. Gymnodontes Tetrodon guttifer. W. Fam. Sırenoidei = ||. Protopterus annectens. Fam. Polypteridae —= 1. Polypterus bichir im oberen Gebiet und den Zuflüssen. Fam. Rhinobatidae = 1. Rhinobatus halavı. W. 3. In den Küstenflüssen von Sierra Leone, Liberia ten. Nach Dr. A. Günther. Fam. Sılurıdae = 3. Periophthalmus Koelreuteri. Coris atlantica. Pimelodus platychir. Fam. Characinidae —= |. Brachyalestes longipinnis. Fam. Mormyridae Mormyrus brachyistius. Fam. Seombresocidae —= |. Belone senegalensis. W. =—— 1. BO rAT- 432 Carl Dambeck, Fam. Cyprinodontidae = 3. Haplochilus sexfasciata. ” fasciolatus. Orthagoriscus truncatus. W. Fam. Notopteridae = |. Notopterus afer. Fam. Sirenoidae —= |. Protopterus annectens. Fam. Polypteridae — 1. Polypterus bichir. 4. In den Flüssen Ashanti = 8 Arten. Nach Dr. A. Gün- ther. Fam. Carangidae = 2. Caranx alexandrinus. W. Micropteryx chrysurus. W. Fam. Gobiidae = 11. Gobius Schlegelii bei Boutry. W. Fam. Chromides — 4. Chromis Tristrami. nn guineensis. R macrocephalus. Sarotherodon melanotheron. W. Fam. Muraenidae = |. Muraena palii. 5. Der Niger. Der Oberlauf des Niger fliesst von der Quelle bis Timbuctu nach N.O.; er durchfliesst den fischreichen Dibbie- See, auf dem viel Fischfang betrieben wird. Er wendet sich dann nach S.S.O., empfängt im Unterlauf links den mächtigen Tschadda oder Benue und mündet mit einem weiten Delta in die Bucht von Benin. Im Mittel- und Unterlauf ist reicher Fischfang z. B. bei Wassenah. Das Becken des Niger ist durch regelmässige Ueber- schwemmungen sehr fruchtbar. Im östlichen Winkel des Meer- busens münden noch mehrere bedeutende aber noch unbekannte Flüsse, wie der Alt-Calabar, Rio del Rey und weiter südlich der Camerones. Im Niger-Gebiet = 27 Arten. Nach Dr. A. Günther. Fam. Percidae ='2 Serranus niger. W. Mesoprion griseus bei Fernando Po. W. Fam. Pristipomatidae = 1, Gerres nigri in der Mündung. W, Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 433 Fam. Mullidae = 1. Upeneus Prayensis. W. Fam. Sparoidei — 1. Lethrinus atlanticus. W. Fam. Trieirage/ #1! Scorpaena scrofa. W. Fam. Sciaenoidae = |. Larimus auritus. W. Fam. Polynemidae = 2. Pentanemus quinquarius. W. Galeoides polydactylus. W. Fam. Sphyrenidae = |. Sphyrena pieuda. W. Fam. Carangidae — 5. Caranx carangus. W. 5 erumenophthalmus. W. Trachynotus goreensis. W, Psettus Sebae. W. Micropteryx chrysurus. W. Fam. Gobiidae = 1. Gobius nigri. Fam. Mugilidae = 2. Mugil cephalus. W. »„ hypselopterus. W. Fam. Labridae — 1. Julis pavo. W. Fam. Siluridae = 3, Chrysichthys nigrodigitatus bis zur Mündung. Arius Parkii. Malapterurus electricus. Fam. Scombresocidae = 1. Hemirhamphus vittatus. W. Fam. Cyprinidae = |, Barbus camptacanthus. Fam. Notopteridae = |. Notopterus nigri. Fam. Muraenidae = 1. Muraena afra. Fam. Gymnodontes =|., Tetrodon fahaca. W. Bd. XIII. N. F. VI, 3. 98 434 Carl Dambeck, 6. In den Flüssen von Lagos, im Calabar, Bouny und Brass- River = 17 Arten. Nach Dr. A. Günther. Fam. Siluridae —= 4. Malapterurus beninensis im Alt-Calabar. au affınis im Alt-Calabar. Astronesthes niger bei Lagos. W. Arius Parkii in den Flüssen von Lagos. Fam. Mormyridae — 1. Mormyrus Petersii im Alt-Calabar. Fam. Scombresocidae — 1. Hemirhamphus calabaricus im Alt-Calabar. W. Fam. Cyprinodontidae —= 1. Haplochilus infrafasciatus im Alt-Calabar. Fam. Cyprinidae — 4. Labeo senegalensis in den Flüssen von Lagos. „ brachypoma in den Flüssen von Lagos. Barynotus lagensis in den Flüssen von Lagos. Barbus camptacanthus im Bouny Riv. Fam. Muraenidae = |. Ophichthys semieinetus im Alt-Calabar und Brass-Riv. Fam. Syngnathidae —= 1. Doryichthys lineatus im Alt-Calabar. W. Fam. Gymnodontes = 2. Diodon hystrix im Alt-Calabar. W. Tetrodon pustulatus im Alt-Calabar. W. Fam. Polypteridae = 1. Calamoichthys calabaricus im Alt-Calabar. Fam. Rhinobatidae = |. Rhinobatas halavi im Bouny Riv. W. Fam. Trygonidae = 2. Trygon ukpam im Alt-Calabar. W. rudis im Alt-Calabar. W. „ b. In den Flüssen von Westafrika, dem Gabun und Congo. Durch das Congo-Lualaba-Gebiet reicht dies Gebiet bis nach Gentralafrika, wie durch Stanley nachgewiesen. Der Congo macht zur Regenzeit das Meer an 20 Legoas zu süssem Wasser; er ist dann an der Mündung 3 engl. Meilen breit und 40 Faden tief. Der Unterlauf, besonders vier Tagereisen unterhalb Inga, ist reich an Fischen. 52 geographische Meilen aufwärts des Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 435 Congo, also im Mittellauf, sind nur wenig Fische Der Oberlauf d.h. der Lualaba ist gewiss wieder fischreich. Viele Buschmänner wohnen am Strom. Es sind ächte Fi- schervölker, welche während der Fangzeit sich Hütten am Ufer bauen und gute Beute machen. Als ächte Fischervölker feilen sie ihre Zähne nur deshalb spitz oder sägezähnartig, um die rohe ani- malische Fischnahrung besser kauen zu können. 1. In den Flüssen von Westafrika = 51 Arten. Nach Dr. A. Günther. Fam. Siluridae = 8. Clarias xenodon in Flüssen Westafrikas. Chrysichthys furcatus in Flüssen Westafrikas. sr acutirostris im Golungo Alto in Angola. Pimelodus platychir in Flüssen Westafrikas. Synodontes omias in Flüssen Westafrikas. “ xiphias in Flüssen Westafrikas. “ scheilan in Flüssen Westafrikas. Malapterurus electricus in Flüssen Westafrikas. Fam. Characinidae — 9. Citharinus Geoffroyi in Flüssen Westafrikas. Alestes sethenti in Flüssen Westafrikas. er macrolepidotus in Flüssen Westafrikas. Brachyalestes longipinnis in Flüssen Westafrikas. Hydrocyon Forskali in Flüssen Westafrikas. % brevis nach Valenciennes in Flüssen Westafrikas. » lineatus in Flüssen Westafrikas. Sarcodaces odo@ in Flüssen Westafrikas. Distichodus rostratus in Flüssen Westafrikas. Fam. Mormyridae = 10. Mormyrus Hasselquistii in Flüssen Westafrikas. Pr macrophthalmus in Flüssen Westafrikas. r tomandua in Flüssen Westafrikas. R cyprinoides in Flüssen Westafrikas. 5 niger in Flüssen Westafrikas. a brachyistius in Flüssen Westafrikas. a pietus in Flüssen von Angola. adspersus in Flüssen Westafrikas. Hyperopisus dorsalis (oceidentalis) in Flüssen Westafrikas. Mormyrops delieiosus in Flüssen Westafrikas. "Fam. Gymnarchidae = |. Gymnarchus niloticus in Flüssen Westafrikas. Fam. Scombresocidae = 2. Hemirhamphus calabaricus in Flüssen Westafricas. W. R vittatus in Flüssen Westafrikas. W, 28 * 436 Carl Dambeck, Fam. Cyprinodontidae = |. Haplochilus infrafaseiatus in Flüssen Westafrikas. Fam. Cyprinidae = 12. Labeo senegalensis im Capo negro in Angola. „ brachypoma in Flüssen Westafrikas. Barynotus lagensis in Flüssen Westafrikas. Barbus camptacanthus in Flüssen Westafrikas. Welwitschii im Fluilla in Angola. unitaeniatus im Fluilla in Angola. argenteus im Polungo Alto in Angola. Kessleri im Fluilla in Angola. caudimaculata im Polungo Alto in Angola. fasciolatus im Fluilla in Angola. trispilus im Dabo Crom in Guinea. a angolensis in Flüssen von Angola. Fam. Osteoglossidae = 1. Heterotis niloticus in Flüssen Westafrikas. Fam. Notopteridae = 1. Notopterus afer in Flüssen Westafrikas. Fam. Muraenidae = |. Ophichthys semicincetus in Flüssen Westafrikas. Fam. Gymnodontes = 3. Tetrodon guttifer in Flüssen Westafrikas. W. r lagocephalus in Flüssen Westafrikas. W. e fahaca in Flüssen Westafrikas. W. Fam. Sirenoidei —= 1. Protopterus annectens in Flüssen W estafrikas. Fam. Polypteridae =|. Polvpterus bichir im Oberlauf der Flüsse Westafrikas. Fam. Rhinobatidae = |. Rhinobatus halavi in Flüssen Westafrikas. W. 2. Im Gabun — 10 Arten, Nach Dr. A Gunther. Fam. Goebiidae. —.1: Periophthalmus Koelreuteri (gabonicus). Fam. Labyrinthici = 1. Ctenopoma Petherici. Fam. Mugilidae —= 4. Chromis nigripinnis. W. Hemichromis fasciatus. W. h auritus. W. ” bimaculatus. W. Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 437 Fam. Cyprinodontidae = 1. Haplochilus spilauchen. Fam. Cyprinidae = 1. Barbus Kessleri im Ogome, einem Nebenfluss des Gabun. Fam. Muraenidae = l. Muraena lecomtii. Fam. Syngnathidae —= |. Doryichthys lineatus. W. 3. Im Congo d. h. im Unterlauf = 5 Arten. Nach Dr. A. Günther. Fam. Carangidae —=1l. Caranx cerumenophthalmus. W. Fam. Siluridae = 2. Eutropius congensis. Chrysichthys eranchii. Fam. Characinidae = |. Brachyalestes longipinnis. Fam. Mormyridae = |. Mormyrops deliciosus. c. Centralafrika. Der Tsadsee liegt 800° hoch, ist 700 DM. und hat süsses Wasser; er ist sehr fischreich. Der Bahr el Ghasal ist ein mit dem Tsadsee in Verbindung stehendes ausgedehntes frucht- bares Thal und Flussbett, welcher aus dem Tsadsee hervorströmt und nordöstlich durch Bodele und Borku fliesst und in letzterem in einem weiten Sumpfe endigt. In Borku finden sich, wenn auch seltener, dieselben animalischen Reste früheren aqua- tischen Lebens, wie in Bodele und Egai. Von Süden her strömt der grosse Fluss Shari in den Tsadsee. Der Shari scheint im Bandalande südlich von Wadai zu entspringen, hat einen durchschnittlichen Verlauf von Südosten nach Nordwesten und ist weithin von Sandboden begleitet, wie sein Bett mit Sand- inseln durchsetzt ist; in der Nähe des Flusses sind hohe Uferwal- dungen. Der Shari ist bei Bugoman 600 Schritt breit, sehr tief und von kräftigem Strom. Im Kriege zwischen Wadai und Ba- ghirmi, so erzählt Dr. Nachtigal, hatten sich einige Eingeborne auf die unzugänglichsten Sandinseln des Shari zurückgezogen, auf denen sie sich von Fischen und den wilden Grassamen der Ufer ernährten. Borku ist nördlich von einem Kettengebirge 438 Carl Dambeck, eingeschlossen, dessen Passhöhe 7878 engl. Fuss ist; die Haupt- erhebung der Tarsokette ist der Kussi, mit einem mächtigen Krater und zwei Thermen. Die Sumpfniederung Bodeles und Borkus scheint der zwischen dem 9—10° n. Br. ausgedehnte, auf- gefundene Tuborisee zu sein, welcher ausser der Regenzeit wahr- scheinlich nur eine Sumpfniederung ist. Beide Seen sind insel- reich, an manchen Stellen von grossen Sümpfen umgeben und je nach der Jahreszeit von sehr wechselndem Umfange. Ueberhaupt scheinen zur Regenzeit die Gebiete des Niger und Tsad- see in zeitweisem Zusammenhange zu stehen. In Bezug auf das Innere des Südens kann man annehmen, dass eine Reihe von Binnenseen von Nordosten nach Südwesten der Ostküste von Afrika parallel läuft. Der grösste See ist der Nyansa oder Ukerewe, 4470’ hoch, aus welchem nach Speke’s Vermuthung der weisse Nil fliesst. Südwestlich zwischen 3—8° s. Br. liegt der Tanganjikasee, 3000 hoch und 675 geogr. TJM. gross; er hatsüsses Wasser, ist 35—354 Faden tief und über- trifft in dieser Hinsicht die meisten Binnenseen. In der Regen- zeit steigt er 3 höher und überfluthet die umliegenden Gegen- den. Im Tanganjika ist keine Strömung. Die Höhenzüge, welche ihn umgeben, sind im Westen 6—7000', im Osten 5—6000’; im Süden scheinen nur Plateaux das Ufer zu bilden. Der west- liche Höhenzug bildet das eigentliche Centralgebirge des Aequatorial-Gürtels von Afrika, welches seine Gewäs- ser vier verschiedenen hydrographischen Gebieten, dem Nil, dem Shari (durch den Uelle), dem Congo (durch den Lualaba) und dem Tanganjika, zuschickt und die Wasser- scheide zwischen dem Nil, also dem Mittelmeere, dem Congo, also dem atlantischen Meer und den beiden Becken des Tsad und Tanganjika bildet. Auf dem südlichen Hochlande befindet sich unter dem Parallel der Nordspitze von Madagaskar der 100 Mei- len lange und schmale, aber fischreiche Njassi-See, voll von Inseln, südlich davon liegt unter 15!/,° s. Br. der Schirwa- See etwa 2000 engl. Fuss hoch; er ist von hohen Bergen umge- ben, nimmt Flüsse auf, aber entsendet keinen Abfluss, ist also wahrscheinlich ein See in einer Thalmulde. Unter dem Parallel von Sofala mitten im Continent liegt der kleinere Njami-See. Die unzweifelhaft reiche Fischfauna dieses centralen Steppen- und Waldgebietes von Afrika ist uns noch fast ganz unbekannt; nur 14 Species ächter Süsswasserfische sind näher beschrieben. Wir finden Species von Chromis, Malapterurus, Citharinus, Barbus, ) N l Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 439 Kneria und Polypterus, also Formen, welche mit Nil- und ost- und westafrikanischen Fischen identisch oder ihnen nahe verwandt sind; dazu kommt in Protopterus, der im Schlamme des Nils und der senegambischen und ostafrikanischen Flüsse lebt, ein süd- amerikanischer Typus, der also von Südwesten nach Nord- osten und Osten quer durch den Continent vorgedrungen ist; nur Pelotrophus ist eigenthümlich. Nach Dr. A. Günther finden sich folgende 14 Species: Fam. Chromidae =5. Chromis niloticus Hemichromis intermedius en robustus Njassa-See 1522” hoch. " longiceps » dimidiatus KamysSılurıdae.—']; Malapterurus electrieus in den grossen Seen ÜOentralafrikas. Fam. Characinidae =|l. Citharinus Geoffroyi in den Flüssen von Centralafrika. Fam. Cyprinidae = 5. Labeo mesops im Schirwa-See 2000’ hoch. Barbus kurumanni im Kuruman-Fluss. Kneria Spekii im Uzaramo in Centralafrika. Pelotrophus microlepis . 1 ] -See nur eigenthümlich. - microcephalus | '” Niaeen 5 Fam. Sirenoidei = |. Protopterus annectens im Nyansa-See, 4470 hoch. Fam. Polypteridae = |. Polypterus bichir in Flüssen und Seen von Centralafrika. d. Nordostafrika. Es umfasst das weite Nilgebiet vom Tzana- und Ukerewe- See bis zum Möris-See. Der Tzana-See liegt 5800’ hoch, ist 67 (IM. gross und fischreich. Die ihn umwohnenden Schangalla sind Jäger- oder Fischervölker. Sie hausen in den dichtesten Wäldern; die Zweige behängen sie mit Thierhäuten und bilden so Hütten. Gegen die Regenzeit sammeln sie Wintervorrath, ver- lassen die Wälder und ziehen in die einsamsten Bergketten, wo sie in Höhlen wohnen, die sie an den steilsten, unzugänglichsten Felswänden in den weichen Sandstein in unzähligen Mengen ein- graben. In diesen Höhlen verzehren sie während der Winterzeit ihren getrockneten Fleisch- und Fischvorrath. Die am Ta- 440 Carl Dambeck, kazzefluss wohnenden essen Krokodile, Flusspferde und Fische. Als Burkhardt in Nubien war, trieben die Nubier im Nil keinen Fischfang, ausgenommen an den beiden Cataracten, wo die zwei gemeinsten Fische, die sie fangen, von ihnen Dabesk und Mesloy genannt werden. Der Teich Birket-Karum (Möris- See) ist 5 Meilen lang mit hellem, klaren, brackigen Wasser. In der trocknen Zeit ist er oft nur ein grosser Sumpf, an dessen Ufer das Salz von der Sonne erhärtet wird. Bei hohen Nilüber- schwemmungen wird sein Umfang sehr erweitert, dann kommen die Nilfischer, um hier ihre Netze auszuwerfen, denn er ist sehr fischreich und nährt gute Fische. Von den afrikanischen Süsswasserfischen sind die des Nils durch Rüppell, de Joannis und J. Heckel näher bekannt. Sie stellen ein Gemisch von europäischen und tropisch- asiatisch - afrikanischen Formen vor. Neben asiatischen Cyprinoi- den, dem Labeo- und Barbus-Typus und Cyprinodonten, finden wir Chromiden und Mugiliden. Charakteristisch ist eine sehr be- trächtliche Zahl von tropischen Siluriden, darunter Synodontes, Heterobranchus, Clarias und Schilbe und Characiniden, darunter Alestes und Distichodus und endlich Mormyriden , die letzteren erreichen im Unternil ihre grösste Menge und zeigen damit an, dass hier noch jetzt zum Theil ihre wahre Heimat ist. Während die Mormyridae sich vorzugsweise im Unternil bis Chartum aufhalten und nur einzelne Siluridae und Characinidae neben ihnen sich vorfinden, sind diese letzteren, sowie die Cyprinidae vorzugs- weise im Obernil von Chartum an zu finden. Im Obernil ist der Kampf schon entschieden und ist fast bis zur völligen Vertilgung der Mormyridae fortgeschritten; denn im Obernil finden sich nur drei Species Mormyridae und die verwandte Fa- milie Gymnarchus, wohingegen im Unternil 8 Species Mormyridae sich finden. Von einzelnen Charakterformen erwähnen wir ferner Gymnarchus niloticus und zwei Flösselhechte Polypterus. Das Ge- biet des Bahr Seraf ist vorzugsweise die Heimat des merkwürdi- gen Protopterus annectens (Abu Schuturah, Vater der Brüste der Araber, weil sie die Extremitäts-Rudimente als Brüste ansehen, Lhut der Nuehr), welcher während der trocknen Jahreszeit im Schlamme und auch an ganz trocknen Stellen, wie am Fuss der Ardah-Hügel sich vergräbt. Die sehr starke Schleimabsonderung desselben bildet, wenn er sich eingebettet hat, eine vollkommene Kruste, welche an der Oberfläche ganz trocken erscheint, im In- nern jedoch stets feucht bleibt und dem Thier eben das Ausdauern Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 441 im trocknen Erdreich ermöglicht. Die gefangenen stossen einen nicht sehr lauten, doch deutlichen, eigenthümlich murksenden Ton aus. Die Eingebornen harpuniren sie meist an schlammigen Stel- len des Flusses oder der Sümpfe, behaupten aber auch (ganz ähn- lich, wie am Bahr Ghasal von Heuglin erzählt wurde) sie da- durch aus dem Schlamme zu locken, dass sie in kurzen Zwischen- räumen mit einem Stück Holz auf eine Gerra schlagen (?). Die indisch-afrikanische Form Tetrodon, von denen die meisten im indischen Ocean leben, hat im Nil drei Species als Wander- fische. Im Nil finden sich nur !/, Wanderfische, weil er in den äussersten Winkel eines abgeschlossenen Meeres mündet; er zeigt uns also die Ichthyologie der Süssgewässer Afrikas am deut- lichsten. Es finden sich 85 Süsswasser- und 20 Wanderfische vor. Bei Chartum, welches 4000’ hoch liegt, ist also die Grenze zwischen der Thierwelt des Ober- und Unternils. Süsswasser- und Wanderfische im Gebiet des Nils = 106 Ar- ten. Nach Rüppel, de Joannis und Heckel, revidirt nach Dr. A. Günther. Fam. Percidae —= 3. Lates niloticus. „ elongatus nördliche Küsten von Aegypten und im Delta. Serranus aeneus bei Damiette. W. Fam. Sparoidae — 2. Chrysophrys aurata im Unternil. W. Pagrsus vulgaris im Unternil. W. Fame Trielidae— it: Pterois volitans Aegypten. W. Fam. Carangidae — 1. Caranx rhonchus Nilmündung. W. Fam. Gobiidae = 4. Gobius albo-punctatus. „ niger bei Alexandria. „ eapito bei Alexandria. » Ehrenbergii bei Alexandria. Fam. Mugilidae =>. Mugil cphalus. W. „ apito bis Kairo. W. „ Eetheriei bis Kairo. W. „ sdiens. W. „ eıytochilus. W. Fam. Labridae = 4. Labrus nerula. W. 442 Carl Dambeck, Labrus reticulatus Alexandria. W. Crenilabrus pavo. W. E; quinquemaculatus Alexandria. W. Fam. Labyrinthici = |. Ctenopoma Petherici im weissen Nil. Fam. Chromides = 2. Chromis niloticus im Unternil bis Chartum. EN mossambicus im Obernil. Fam. Siluridae = 27. Clarias anguillaris. „ parvimanus im Nil. „ Lazera im Obernil bei Gondokoro. macrocanthus im Obernil. Hölecbranchus bidorsalis im Schilf des Nils und im See Mengaleh 2720° hoch. % longifilis im Obernil bei Chartum in Regenwasser- teichen. intermedius im Obernil bei Chartum. Schilbe a. im Unternil bis Chartum. ie uranoscopus bei Chartum. a dispila im Obernil 500 engl. Meilen südlich von Chartum. Eutropius nilotieus im Unternil bis Chartum. Siluranodon auritus eigenthümlich. Bagrus Bayad vom Unternil bis Chartum und Assuan. Häufig zur Zeit der Ueberschwemmung, so dass er dann die Haupt- speise der Bevölkerung bildet. „»„ docmac im Unternil bis Chartum. Beide eigenthümlich. Chrysichthys auratus. macrops im Obernil bis Chartum. Clarotes laticeps im Obernil bis Chartum und auch bis zur Mündung. Diese Art scheint nur den Obernil bis Chartum zu be- wohnen, obgleich einzelne Species, gleich denjenigen von Rüppell beschriebenen, niederwärts bis zur Mün- dung geführt werden können. Auchenaspis biscutatus bei Chartum. Synodontes macrodon. 5 membranaceus im Obernil bis Chartum. 5 schal im Unternil bis Chartum. a serratus im Obernil bis Chartum. F sorex im Obernil bis Chartum. humeratus. Rhinoglanis typus im Obernil bei Gondokoro, eigenthümlich. Mochoecus niloticus im Unternil bei Theben, eigenthümlich. Malapterurus electrieus im Unternil bis Chartum. Fam. Characinidae = 16. Citharinus Geoffroyi im Unternil bis Chartum. R latus. Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. Alestes dentex im Unternil bis Chartum. » Kotschyi im Unternil bis Chartum. » macrolepidotus im Obernil bis Chartum. Brachyalestes nurse im Nil bei Chartum. = Rüppellii im Obernil bis Chartum. Hydrocyon Forskalii im Unternil bis Chartum. R, brevis im Obernil bis Chartum. Distichodus niloticus. Pr rostratus im Unternil. 24 engycephalus im Obernil bis Chartum. 5 brevipinnis im Obernil bis Chartum. en nefasch. Ichthyborus microlepis im Obernil bis Chartum. Rx besse. Fam. Mormyridae = 111. Mormyrus caschive im Unternil bis Chartum. 2. Geoffroyi im Unternil bis Chartum. er oxyrhynchus im Unternil bis Chartum. u Hasselquistii. Rs eyprinoides im Unternil bis Chartum. a bane im Unternil bis Chartum. n Bovei. 15 Isidori. discorhynchus bei Chartum. Hyperopisus dorsalis im Unternil bis Chartum. Mormyrops anguilloides im Unternil vor den Fällen. Fam. Gymnarchidae = |. Gymnarchus niloticus im Obernil. Fam. Scombresocidae =]. Belone robusta Aegypten. W. Fam. Cyprinodontidae = 2. Haplochilus infrafasciatus im Obernil. 1! fasciolatus im Obernil. Fam. Cyprinidae = 15. Labeo Forskali vom Unternil bis zur Ostküste von Afrika. „ nilotieus im Unternil bis Chartum und Gondokoro. „ Coubie vom Obernil bis zur Ostküste von Afrika. 445 „ horie bei Chartum (Bastard von Labeo nil. und Labeo Coubie). Barbus bynni im ganzen Nilgebiet, bei Chartum. M) perince im Unternil. N surkis " intermedius a affıinis » gorguari im Tzana-See 5800’ hoch. > elongatus IE nedgia A beso. 444 Carl Dambeck, Barbus quadrimaeulatus in Bächen und Flüssen von Abessinien. Barilius niloticus im Unternil bei Theben. Fam. Osteoglossidae = 1. Heterotis niloticus vom weissen Nil unter 9° n. Br. bis Chartum und im Unternil. Fam. Clupeidae = 2. Clupea finta im Unternil bis Chartum. W. r granigera Küste von Aegypten. W. Fam. Muraenidae = 2. Anguilla vulgaris im Unternil. “ latirostris. Fam. Gymnodontes = 2. Tetrodon fahaca im Unternil bis Chartum und den Wasserfällen Nu- biens. W. 5 hispidus im Unternil. W. Fam. Sırenoidei = |. Protopterus annectens im ganzen Nilgebiet und im Nyansa-See 4470 hoch. Fam. Polypteridae = 1. Polypterus bichir von Kairo aufwärts im ganzen Nilgebiet, häufig im weissen Nil (Bar Seraf). Fam. Acipenseridae = |. Acipenser sturio im Nildelta. W. e. Ost- Afrika, Zambese - Gebiet. Im Innern des Suahelilandes erhebt sich an der Quelle des Kilimane der mit ewigem Schnee bedeckte Kenia und 8.0. von ihm der Kilimandschara, beide über 20,000° hoch und daher die höchsten bis jetzt bekannten Punkte Afrikas. Von hier streicht der Rand des Hochlandes südlich bis zum Kaffernlande, nimmt aber an Höhe bedeutend ab, so dass er am Durchbruch des Zam - bese, in der Lupata-Schlucht nur noch 3500’ hoch ist. Hier bil- det der Zambese gewaltige Stromschnellen, oberhalb und unter- halb dieser Catarakte ist er schiffbar, ebenso der Kilimane. Die oberen Quellströme des Zambese sind der Liambay und der Liba. Noch zahlreiche andere schiffbare Flüsse münden in das östliche Meer, wie der Pangani, der Rovuma, Mombas. Die Süsswasserfische dieses weiten noch unbekannten Gebie- tes sind ebenfalls noch wenig bekannt, bekannter sind die Brack- wasserfische der Küstenländer und der unteren Flussläufe.. Am bekanntesten sind die Fische des Zambese und von Mosambik Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 445 und zwar durch Prof. Peters. Aus Mosambik sind 69 Fische bekannt, davon gehören 15 zu den Brackwasserfischen; im Zam- bese-Gebiet finden sich 49 Species, darunter sind 40 Süsswasser- und 9 Brackwasserfische. Aus Zanzibar sind durch Dr. A. Gün- ther 40 Fische bekannt, davon gehören 12 zu den Brackwasser- fischen; im Rovuma finden sich davon 10 Species und darunter sind 2 Brackwasserfische. 1. Im Gebiet des Zambese. Fam. Sparidae = 1. Chrysophrys vagus bis Tete. W. Fam. Gobiidae = 2. Gobius giuris im Zambese. £ aeneofuscus bei Senna. Fam. Chromides = 2. Chromis mosambicus im Zambese. W. Br niloticus 140 engl. Meilen aufwärts. Fam. Siluridae = 8. Eutropius depressirostris im Zambese. Arius Kirkii bei Schupanga nach Dr. Kirk. Synodontes zambesensis im Zambese. Br scheilan im Zambese. = nebulosa bei Tete. Clarias mosambicus im Zambese. Heterobranchus laticeps im Zambese. Malapterurus electricus im Zambese. Fam. Characinidae = 7. Brachyalestes imberi im Zambese. 5 acutidens im Zambese. Hydrocyon lineatus im Ungunzi und Schire. FR Forskali im Zambese und Schire. Distichodus schenga im Zambese und Schire. „ mosambicus im Zambese. R: macrolepis im Schire. Fam. Mormyridae = 5. Mormyrus mucupe im Zambese. .: longirostris im Zambese. discorhynchus im Zambese. “ macrolepidotus im Zambese. Mormyrops zambanense im Zambese. Fam. Cyprinidae = 12. Labeo altivelis im Zambese. „ eongaro im Zambese und Schire. » Coubie im Zambese und Schire. 446 Carl Dambeck, Labeo eylindrieus im Zambese (wahrscheinlich der vorige oder dem L. Forskali aus dem Nil sehr ähnlich). Labeobarbus zambesensis im Zambese. Barbus zambesensis im Zambese. » gibbosus im Zambese und in seinen Zuflüssen, bei Tete. „ lInermis im Zambese und Rovago, bei Tete. » trimaculatus im Zambese und Rovago, bei Tete. radiatus im Zambese, bei Tete. ln. zambesensis im Zambene, bei Tete. Opsaridium zambesensis im Zambese. Fam. Clupeidae — 2. Megalops indicus im Schire. W. Elops cyprinoides in einem Süsswasserteich bei Tete und Boror. Fam. Muraenidae = 2. Anguilla macrophthalmus im Zambese bei Tete. 5 labiata im Zambese. Fam. Syngnathidae — 4. Syngnathus spicifer in der Zambesemündung. W. ” cyanospilus in der Zambesemündung. W. Doryichthys mento im Zambese. W. Belonichthys zambesensis im Zambese, bei Tete. W. Fam. Gymnodontes —= 1. Tetrodon lagocephalus in der Zambesemündung. W. Fam. Sirenoidei = |. Protopterus annectens im Zambese. Fam. Carcharıdae = |. Carcharıas zambesensis im Zambese bei Senna und Tete. W. Fam. Pristidae = |. Pristis Peroteti im Zambese bei Senna und Tete. W. 2. In anderen Süssgewässern von Mosambik. Fam. Percidae. Dules Bennetti in Süssgewässern von Mosambik. Ambassis Commersonii in Süssgewässern bei Kilimane und im Molumbo. Fam. Pristipomatidae. Therapon servus wurde von Prof. Peters in Süsswasserbächen und Teichen, die in den Kilimane ausfliessen, gefunden. Fam. Gobiidae. Eleotris Fornasini in Süssgewässern von Mosambik. Callionymus marmoratus in Süssgewässern von Mosambik. Fam. Labyrinthici. Ctenopoma multispine in Bächen, Teichen und Sümpfen von Kilimane. Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 447 Fam. Chromides. Chromis mosambicus in Süssgewässern von Mosambik. Rx niloticus in allen Flüssen und stehenden Gewässern von Mo- sambik vom 11—20° s. Br. an der Küste und landein- wärts bis mindestens 140 engl. Meilen. Fam. Siluridae. Synodontes zambesensis im Licuare. Clarias mosambieus im Kilimane, Licuare und Molumbo. Heterobrauchus laticeps im Pombo und Lieuare. Malapterurus electricus im Licuare. Fam. Characinidae. Brachyalestes imberi im Licuare. Fam. Mormyridae. Mormyrus longirostris im Licuare. ” discorhynchus im Licuare. i macrolepidotus im Licuare. Mormyrops zambesense im Licuare. Fam. Scomberesocidae. Hemiramphus Commersonii im Licuare. W. Belone choram in Süssgewässern von Mosambik. W. Fam. Cyprinodontidae. Nothobranchius orthonotus im Kilimane. Fam. Cyprinidae. Labeo altivelis im Licuare und in Bächen von Kilimane. Barbus paludinosus in Bächen und Sümpfen von Kilimane. eh radiatus in Süssgewässern von Mosambik. Fam. Clupeidae. Elops cyprinoides in Sümpfen des Kilimane und Molumbo. Fam. Muraenidae, Anguilla labiata im Licuare. .> virescens im Liecuare. > mosambicus im Molumbo. Fam. Syngnathidae. Belonichthys zambesensis im Molumbo. Fam. Sirenoidae. Protopterus annectens im Licuare und in kleinen stehenden Gewäs- sern von Kilimane. 3. Im Gebiet des Rovuma. Fam. Siluridae — 2. Eutropius in einer noch nicht genau bekannten Species, Synodontes schal. 448 Carl Dambeck, Fam. Characinidae = 1. Brachyalestes acutidens. Fam. Mormyridae — 2. Mormyrus macrolepidotus. 3 catostoma. Fam. Cyprinidae = 3. Labeo Coubie. „ Forskali. Rasbora zanzibarensis. Fam. Muraenidae = 1. Ophichthys Kirkii in der Rovuma-Bai. W. Fam. Syngnathidae = 11. Syngnathus spicifer. W. 4. Im Panganifluss. Fam. Percidae. Ambassis Commersonil. W. Fam. Gobiidae. Gobius giuris. Eleotris fusea. Fam. Chromides. Chromis niloticus. Fam. Sıluridae. Arius falcarius. Synodontes gambiensis. Bagrus bayad. Fam. Cyprinodontidae. Fundulus orthonotus = Nothobranchius orthonotus Pet. Fam. Muraenidae. Anguilla labiata. 5. Im Mombasfluss. Fam. Siluridae. Eutropius depressirostris. Synodontes zanzibaricus. Fam. Cyprinidae. Barbus Kersteni. a zanzibaricus. 6. In andern Süssgewässern von Zanzibar. Fam. Gobiidae. Eleotris Wardii. Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 449 Fam. Siluridae. Clarias mosambicus. Chiloglanis Deckenii in Ostafrika. Fam. Cyprinodontidae. Nothobranchius orthonotus im Kisanga (Lufidschi) an der Kerimba- küste und in einem Brunnen der Insel Sansibar. Fam. Clupeidae. Chanos mosambicus in einem Süsswasserteich auf Kisanga an der Ke- rimbaküste. „ salmoneus. W. Megalops indicus. W. Elops eyprinoides in einem Süsswasserteich auf der Halbinsel Kisanga. Pellona ditschoa im Kinganifluss. Fam. Muraenidae. Anguilla latirostris. Fam. Syngnathidae. Syngnathus cyanospilus. Fam. Sirenoidae. Protopterus annectens. Fam. Pristidae. Pristis Peroteti. W. Fam. Trygonidae. Trygon uarnak. W. Taeniura Iymma. W. Il. Fischarmes Gebiet von Nordwestafrika. Reich der unterirdischen Fische Trogloichthydae. Nordwestafrika, d.h. das Land nördlich von der oben be- zeichneten Linie bildet eine grosse compacte Landmasse, die von Randgebirgen eingeschlossen und im Innern eine grosse welien- föürmige Mulde bildet. Das Randgebirge beginnt mit dem Atlas und setzt sich fort als Plateau von Barka, lybisches Gebirge und als hoher Dünenrand im Süden der Sahara. Die Sahara, lybische Wüste und das Plateau von Barca liegen im regenlosen Ge- biet; während die Atlasländer im Gebiet des veränderli- chen Niederschlags sich befinden. Dies ausgedehnte Gebiet ist entschieden fischarm und theil- weise auf weite Strecken geradezu fischleer. Nur 15 Spe- cies Süsswasserfische und keine Wanderfische sind uns aus diesem Gebiet bekannt, die einen scharfen Gegensatz zu dem benachbar- ten fischreichen Gebiet bilden. Bd. XII. N. F. VI, 3. 29 450 Carl Dambeck, a. Das Wüsten- und Steppengebiet. Die Wüste’ hat nur sehr wenig Flüsse aufzuweisen. Vom Südabhange des Atlas fliesst eine Menge kleiner Bäche der Ebene zu, die meisten versiegen aber in der trocknen Jahreszeit, so auch die meisten derjenigen, welche dem Wadi Djedi zueilen und durch die grössere Oase im südlichen Algerien fliessen, um dort die Seen von Warega und Ngusa zu speisen und sich in ihnen zu verlieren. Noch einen Fluss erhält der westliche Rand der Sahara von dem Abfall des marokkanischen Atlas. Derselbe heisst Wadi Dra und soll um ein Viertel länger sein als der Rhein, doch auch nur während und nach der Regenzeit auf dem Atlas, sonst ist er sowohl dem grössten Theile seines Rau- mes als auch dem grössten Theil des Jahres nach ohne Was- ser, ausser an der Westküste von Afrika. Fezzan ist eine grosse, tiefliegende Ebene, fast überall mit leichtem Sand bedeckt, der gegen Osten bei Tessowa sogar einen, einst tiefen und reissenden Strom zugedeckt haben soll. Im weissen Ha- rusch bei Fezzan findet man versteinerte Fischköpfe von der Grösse, dass einer eine Manneslast abgäbe, in Menge liegen. Ritter, Afrika S. 989. Also auch hier findet man eine untergegangene Fischfauna. Die ausgedehnteste Wassermasse der Sahara ist eine unterirdische und zwar eben diejenige, welche die Brunnen Süd- algeriens speist. Das Wasser dieses unterirdischen Seebe- ckens ist ziemlich salzhaltig; es ist durch undurchlässige Schich- ten, besonders durch eine harte Gypsbank, vor dem Verdun- sten geschützt, steht aber nicht nur durch die künstlichen Brunnen, sondern auch durch natürliche Seespiegel mit der Atmosphäre in Berühruug. Da in diesem Gebiet die Fische an der Oberfläche nicht die Bedingungen des Lebens vorfinden, so haben sie sich unterirdisch in Höhlen und Brunnen zurückgezogen. In der That wird das unterirdische Seebecken von einigen wenigen kleinen Fischarten bewohnt z. B. Cyprinodon calaritanus, dessen Männchen und Weib- chen man früher als 2 verschiedene Arten unter anderen Namen beschrieb, der aber auch in heissen Quellen der Sidi Ohkbar in der Sahara vorkommt; ferner von zwei Stachelflossern Coptodon (Sa- rotherodon) zillii, der auch in offenen Salzlachen der Sahara sich findet und von Chromis mossambicus (Tristrami), der die Salzlachen und Gräben von Tuggurt in der östlichen Sa- Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 451 hara bewohnt, fast 300 engl. Meilen im Innern des Landes, aber auch im Golf von Guinea und an der Küste von Mosambik ge- funden wird. b. Das Atlas- Gebiet. In den Küstenflüssen Nordwest - Afrikas, welche dem Atlas entspringen und zuweilen reichlich und kühles Wasser haben, herr- schen noch die europäischen Cyprinoiden und sogar die nordischen Salmoniden vor. Es sind bisher nur wenig neue Formen gefun- den worden, vorherrschend sind auch hier die Barbusarten. Es werden 1 Salmo, 4 Barbus-Arten neben 3 Cyprinodonten ge- funden. Die Barbus sind also einerseits um den Nordrand der Sahara und andererseits an der Ostküste des Continents entlang gewandert und ein Salmonide hat sich aus der Salmenperiode noch in Nordafrika erhalten. In den Gewässern der Atlasländer und der Sahara — 15 Ar- ten. Nach Dr. A. Günther. Fam. Mugilidae = 2. Mugil cephalus in Süssgewässern von Tunis. „ eapito in Süssgewässern von Tunis. Fam. Chromides = 3. Chromis niloticus in Algier. fi mossambicus (Labrus Desfontainii = Chr. Tristrami) in heis- sen Quellen von Caffa in Tunis und Biskia sowie in Salz- lachen und Gräben von Tuggurt in der östlichen Sahara. Sarotherodon (Captodon) zillii in heissen Quellen und in Salzlachen der Sahara. Fam. Salmonidae = ||. Salmo macrostigma im Oued-el-Abaich in Algerien. Es ist die süd- lichste Art der Salmoniden der alten Welt, sie gleichen den jungen Formen von S. fario. Fam. Cyprinodontidae = 3. Cyprinodon calarıtanus in brakischen und Salinengewässer bei Susa in Tunis und in heissen Quellen der Sidi Ohkbar in der Sahara. dispar in Nordafrika. Tellia apoda im Fluss Tell und in den Alpenseen des Atlas, 8000’ hoch; nur eigenthümlich. Fam. Cyprinidae = 4. Barbus callensis in Algier. > setivimensis im Setif. macropogon ] . I „ > in Nordafrika, » labecula Da 452 Carl Dambeck, Fam. Muraenidae = |. Anguilla vulgaris. Fam. Syngnathidae = |. Syngnathus algeriensis in Süssgewässern von Algier. il. Fischarmes Gebiet von Südafrika. Südliches Reich der Cyprinidae. Südafrika ist das Land südlich vom 20. südlichen Parallel. Es umfasst die Kalahariewüste und das Kapland und steigt aller- seits in drei Stufen „vom Meere“ auf. Ueber dem flachen 2—15 Meilen breiten Küstensaume erheben sich mit mauerförmigen, 3000 hohen Absätzen zwei Terrassen, deren erste die Kaoroo genannt in der Regenzeit ein üppiges Blumengefilde, in der trocknen Zeit aber ein dürrer, steinharter Thonboden ist. Die obere Terrasse ist aber allezeit einförmig und öde; sie wird vom Orangefluss bewässert, von dessen Nordufern sich die Kalaharie- Wüste gegen Norden bis zum Shirwa- und Njami-See ausdehnt; sie ist eine ungeheure vollkommen flache, wasserlose, aber doch mit dor- nigem Buschwerk, ja selbst hie und da mit Wäldern bedeckte Ebene. Carl Ritter sagt, Bd. I. S. 119: „Mehr als dreiviertel aller Flüsse von Südafrika sind im der warmen Jahreszeit völlig was- serleer, deshalb ist dies ein fischarmes und theilweise auf weite Strecken fischleeres Gebiet. Am fischreichsten ist der Oran- gefluss. Aus dem ganzen Gebiet sind uns 31 Fische bekannt, von denen 10 Wanderfische sind. Merkwürdiger Weise scheinen in den Süssgewässern des gemässigten Südafrika die Cy- prinoiden durch die Barbusform wieder die vorherrschenden zu sein. Sie sind in der alten Welt so weit nach Süden vorgedrun- gen, wie nur möglich, so dass man wohl ein nördliches, ein südliches und ein centrales Reich der Cyprinoiden unterscheiden könnte. Indessen, darüber müssen noch viel genauere Forschun- gen angestellt werden. Die auf das Land kriechenden Labyrin- thodonten, die in der indischen Fischfauna eine bedeu- tende Stelle einnehmen, treten hier schon häufiger auf und werden durch Spirobranchus und Ütenopoma repräsentirt. Die übrige Fischfauna ist durch 2 Arten Siluridae, neben keiner Characinidae und keiner Mormyridae, aber durch 12 Arten Cy- prinidae vertreten. Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 453 In den Süssgewässern von Südafrika — 31 Arten. Nach Dr. A. Günther. Fam. Pristipomatidae — 1. Therapon argenteus in den Capflüssen. W. Fam. Gobiidae = 1. Gobius nudiceps in Capflüssen. W. Fam Labyrinthiei —'2 Spirobranchus capensis in Süssgewässern der Umgegend der Capstadt. Ctenopoma microlepidotum in Süssgewässern des Caps. Fam. Mugilidae =. Mugil multilineata in den Flüssen des Caps. W. „ $mithii in den Flüssen und Seen des Caps. „ eonstantiae in den Flüssen und Seen des Caps. W. „ eapito in den Flüssen und Seen des Caps. W. „ saliens vielleicht in den Flussmündungen des Caps. W. Fam. Chromides = 2. Chromis Sparrmanni in den Flüssen, welche von Norden dem Orange- fluss zufliessen. Pr niloticus in den süssen Gewässern des Natallandes. Hemichromis guttatus in den Flüssen der Cap-Colonie. Fam. Pleuronectidae —= |. Pseudorhombus Russellii im Umbilo-Fluss 5 engl. Meilen aufwärts von der Mündung. W. Fam. Siluridae = 2. Clarias gariepinus im Orangefluss und in den Fliissen bei Port Natal. Galeichthys feliceps in Süssgewässern von Südafrika und am Cap eigenthümlich. Fam. Eyprinidae = 12. Labeo caffer im grossen Fischfluss) vielleicht identisch oder ähnlich „ sicheli im Orangefluss Abrostomus. Abrostomus umbratus in den Flüssen, welche von Norden dem Oran- gefluss zufliessen. n capensis in Süssgewässern der Cap-Colonie. Barbus capensis im Breede- und Oliphert-Riv. 2 marequensis im Innern von Südafrika. h Gurneyi in Flüssen von Port Natal. Pr Burchelli in Flüssen der Cap-Colonie. > serra in Flüssen der Cap-Colonie. „ &afer in Flüssen der Cap-Colonie. 2 pallidus? „ gobionoides aus dem Gnadenthal. Fam. Gonorhynchidae = |. Gonorhynchus Greyi nur in den Flussmündungen am Cap. W. 454 Carl Dambeck, Fam. Muraenidae =|l. Anguilla Delalandii in Flüssen von Südafrika. Fam. Syngnathidae = |. Syngnathus acus an Flussmündungen des Caps. W. Fam. Gymnodontes = |. Tetrodon lagocephalus in Flüssen von Südafrika. W. In den fast abgeschlossenen kleinen Meerestheilen, wie in der Algoa-, Falschen und Tafelbai ist das Wasser mehr oder weniger brackisch. Leider stehen uns keine Angaben über den Salzgehalt dieser Meerestheile zu Gebote; aber da sie ringsum von Höhen umgeben sind, von denen die Niederschläge herab in sie hinein- fliessen, so wird der Salzgehalt verringert, weil wegen ihrer Ab- geschlossenheit und Flachheit aus dem offenen Ocean kein oder nur ein geringer Salzwasserstrom hineingeht. In diesem Brack- wasser hält sich eine Anzahl Wander- und Brackwasserfische auf, die verschieden sind von ihren draussen im offenen Ocean oder an den freien Küsten lebenden Gattungsgenossen; ja selbst verschieden in den einzelnen Meeresbecken, wie folgende Ueber- sicht nachweisen möge. Es finden sich dort 38 Species mit den 10 Species eigentlicher Wanderfische gibt 48 Species Brackwas- serfische, das Uebergewicht liegt also in den Brackwasserfischen und man kann daraus den maritimen Einfluss und den Mangel des Süsswassers erkennen. 1. Brackwasserfische in Port Natal. Caranx fallax. Muraena macrurus. Platycephalus insidiator. ” nebulosa. Julis genivittatus. Monacanthus setifer. „» hebraica. ÖOstracion cornutus. Belone natalensis. Tetrodon immaeculatus. Hemirhamphus Commersonii. R stellatus. Chirocentrus orab. hi hispidus. Anguilla labiata. Torpedo marmorata. Muraena flavomarginata. 2. Brackwasserfische der Algoa-Bai. Sciaena aquila 40’ tief. Lichia amia. Umbrina cirrhosa. Scyllium africanum. 3. Brackwasserfische der Falschen Bai. Therapon theraps. Chrysophrys gibbiceps. er servus wandert in die Dentex argyrozona. Flüsse. Chimaera monstrosa. Pagrus laniarius. Mustelus laevis. Chrysophrys laticeps. Die Verbreitung der Süss- und Brackwasser-Fische in Afrika. 455 Chiloseyllium indicum an Flussmündungen. Acanthias vulgaris an Flussmündungen. r Blainvilli an Flussmündungen. Myliobatis aquila an Flussmündungen. Nareine brasiliensis an Flussmündungen. 4. Brackwasserfische der Tafelbai. Histiphorus Herschelii. Bdellostoma cirrhatum. Chorisochismus dentex. IV. Süsswasserfische der afrikanischen Inseln. Auf dem afrikanischen Festlande spielen die ganz oder beinahe dem Süsswasser eigenen Familien der Siluridae, Chara- cinidae, Mormyridae und Cyprinidae, wie wir gesehen haben, die Hauptrolle; auf den Inseln fehlen sie fast ganz, bis auf die nach- weislich eingeführten Karpfenarten, und die Hauptrolle spielen die Gobiidae, also eine mehr dem Meere als dem Süss- wasser angehörige Familie, sowie andere, vorherrschend maritime Familien. Die Meerfische haben hier also naturgemäss das Ueber- gewicht. Auf allen afrikanischen Inseln sind uns nur 34 Süss- wasserfische bekannt, davon gehören 10 Species zu den Gobiidae, 3 Muraenidae und 1 Blenniidae und 4 Species sind eingeführt. Sie vertheilen sich auf die Inseln wie folgt. Auf Bourbon finden sich 15 Species, darunter 2 eingeführte, auf Mauritius 11, darun- ter 5 eingeführte; auf den Seschellen 7, darunter 1 eingeführt; auf Madagaskar 4; auf Johanna 9; auf den Canarien 2. Hieraus kann man schliessen, dass Bourbon und Mauritius die cultivirte- sten und bewohntesten afrikanischen Inseln sind, Madagaskar da- gegen noch sehr unbekannt ist. 1. Süsswasserfische von Madagaskar. Haplochilus homalonotus in Bächen. ” nuchimaculatus in Bächen. Eleotris madagascariensis im Süsswasser. e fusca im Süsswasser. 2. Auf den übrigen Inseln. a. Inseln des indischen Oceans. Dules fuscus auf Mauritius, Bourbon, Johanna. Apogon hyalosoma auf den Seschellen. Pleriops nigricans auf Johanna. Osphromenus olfax eingeführt auf den Seschellen, Mauritius, Bourbon. Mugil bourbonicus auf Bourbon. 456 Carl Dambeck, Die Verbreit. d. Süss- u. Brackwasserfische in Afrika. Chromis mossambicus auf Mauritius. Agonostoma Telfairii (Nestis cyprinoides) auf Mauritius, Bourbon. % dobuloides (als Nestis) auf Mauritius, Bourbon, Johanna. Fam. Gobiidae. Sieydium lagocephalum auf Mauritius, Bourbon, Johanna. 5 laticeps auf Bourbon. Cotylopus acutipinnis auf Bourbon. „ parvipinnis auf Bourbon. Eleotris ophiocephala auf Johanna, Seschellen. Di butis auf Johanna. a fusca Sch. (nigra Quoy) auf Johanna, Seschellen. 2 eyprinoides auf Bourbon. ” porocephala auf Bourbon. Cyprinus thoracatus wahrscheinlich eingeführt auf Mauritius, Bourbon. „ mauritanus wahrscheinlich eingeführt auf Mauritius. Barbus vulgaris wahrscheinlich eingeführt auf Mauritius. Esox lucius wahrscheinlich eingeführt auf Mauritius. Opsarius nesogallicus auf Mauritius. Nothobranchius orthonotus auf Seschellen. Haplochilus Playfairii auf Seschellen. Anguilla johannae auf Johanna. " marmorata auf Bourbon. A amblodon auf Seschellen. Coelonotus argulus auf Johanna. b. Inseln des atlantischen Oceans. Mugil chelo auf Lanzarote. Blennius bufo auf Madeira. Nachträgliche Bemerkung. In dem Werke von Stanley: „Durch den dunkeln Erd- theil“ werden fünf Fische aus Central-Afrika leider sehr klein und undeutlich abgebildet und zwei nur mit Angabe der afrikanischen Trivialnamen bezeichnet, von den drei andern wird nur der Fundort angegeben. Zwei stammen aus dem Ukerewe-See (Vietoria-Nyansa) und drei von den Stanley- Fällen. Nach unserer unmaassgeblichen Meinung ist der eine Fisch aus dem Ukerewe-See ein Cyprinide und der andere ein Siluride; die drei von den Stanley-Fällen gehören den Cyprinidae, Characinidae und Mormyridae an. Aus Stanley’s Werk sind die Abbildungen in die „Deutsche Fischerei-Zeitung gelangt. Die Actinien anatomisch und histologisch mit besonderer Berücksichtigung des Nervenmuskelsystems untersucht von Oscar Hertwig und Richard Hertwig. Hierzu Tafel XVII—-XXVI. Je tiefer wir in der Thierreihe herabsteigen, um so grössere Schwierigkeiten treten uns entgegen, wenn wir über die Existenz und die Verbreitungsweise des Nervensystems zu bestimmten Re- sultaten gelangen wollen. Während selbst bei den am einfachsten gebauten Würmern die Centralorgane in der Gestalt scharf um- schriebener Ganglien und die peripheren Bahnen als besondere Ner- venstränge angelegt sind, werden alle diese Theile schon bei den Echinodermen gegen die Umgebung undeutlich abgegrenzt, um schliesslich im Stamme der Zoophyten mit wenigen Ausnahmen den Charakter räumlich gesonderter Organe völlig zu verlieren. Hiermit kommen alle organologischen Merkmale in Wegfall, die sich auf die Gestalt, Anordnung und Verbindungsweise der einzel- nen Organe des Nervensystems beziehen und die früher vorwiegend oder ausschliesslich berücksichtigt worden sind, und es bleibt uns für den Nachweis des Nervensystems allein die histologische Un- tersuchung übrig, welche auf die spezifischen Elemente desselben, die Nervenfasern und Ganglienzellen, zurückgeht. Da nun beim Studium der wirbellosen Thiere eine genauere Beschäftigung mit den Elementartheilen der Gewebe lange Zeit nicht die gebührende Berücksichtigung gefunden hat, so erklärt sich die Unsicherheit, welche in Bezug auf das Vorkommen eines Nervensystems bei den Coelenteraten — und wir können wohl auch hinzufügen, den Echinodermen — bis in die Neuzeit geherrscht hat und bei einzelnen Klassen dieser Stämme noch immer herrscht. Wenn wir von den Spongien absehen, welche wegen ihres trägen, unbeweglichen Aeusseren kaum noch den Eindruck thieri- 458 Osear und Richard Hertwig, scher Organismen machen, so muss für alle Zoophyten die Exi- stenz eines Nervensystems bei einer unbefangenen Betrachtung ihrer Lebenserscheinungen geradezu als ein physiologisches Postu- lat angesehen werden. Die Schnelligkeit, mit welcher diese Thiere auf äussere Reize antworten, und die hierbei sich offenbarende Gleichzeitigkeit in den Contractionen sämmtlicher Muskelfasern, lassen sich mit der Annahme, dass eine Leitung von Zelle zu Zelle per contiguitatem Statt findet, wohl schwerlich vereinbaren, son- dern sie setzen unbedingt die Anwesenheit continuirlicher Leitungs- bahnen, ächter Nerven, voraus. Es kann sich daher hier bei je- der Untersuchung nur darum handeln, im Einzelnen zu bestimmen, in welcher Form das Nervensystem auftritt und welchen Grad der histologischen Differenzirung seine Elemente erreicht haben. Für die Hydromedusen ist diese Aufgabe in der letzten Zeit durch eine Reihe Arbeiten gelöst worden, welche dadurch be- deutend an Zuverlässigkeit gewinnen, dass sie selbständig und von verschiedenen Gesichtspunkten aus unternommen zu übereinstim- menden Resultaten geführt haben. Nur die Hydroidenform ver- langt hier eine erneute Prüfung, da die Angaben Kleinenberg’s und v. Beneden’s über die Neuromuskelzellen, welche allein und gleichzeitig das Nerven- und Muskelsystem repräsentiren sollen, nicht als erschöpfend gelten können. Ihnen zufolge würde ein Unterschied in der histologischen Differenzirung zwischen Meduse und Hydroidpolyp bestehen, wie er mit den nahen genetischen und morphologischen Beziehungen beider Entwicklungsformen unver- einbar ist. Auch sind die von Kleinenberg und v. Beneden verwendeten Hydren und Hydractinien wie die meisten Hydroiden vermöge ihrer Kleinheit zu ungünstige Objecte, als dass bei ihnen selbst bei einer mühevollen und sorgsamen Untersuchung sichere Resultate erwartet werden könnten. Auf befriedigende Ergebnisse werden hier nur diejenigen Forscher rechnen können, welche Ge- legenheit haben, die grösseren Arten, die Myriothelen und Cory- morphen, zu beobachten. Von den beiden übrigen Classen der Zoophyten haben die Ctenophoren in der Neuzeit eine sehr verschiedenartige Beurtheilung erfahren. Während Eimer nervöse Theile in weitester Verbreitung glaubt nachgewiesen zu haben, stellt Chun streng genommen die Existenz eines Nervensystems in Abrede. Denn es ist durchaus unstatthaft, wenn er die Wimper- und Plättchenreihen als die ein- zigen Nerven der Ctenophoren deutet und die Fortleitung der Reize in ihnen in der Weise zu Stande kommen lässt, dass Wimper auf Die Actinien. 459 Wimper, Plättchen auf Plättchen schlägt. Derartige Flimmer- bahnen können unmöglich Nerven genannt werden, wenn man nicht den Begriff ‚Nerv‘ völlig aufheben will. Ohne Nerven würde aber auch das Ganglion am aboralen Pole die Bedeutung eines mit einem Sinnesorgan verbundenen Centralapparats verlieren. Indessen wie einer von uns in einer demnächst erscheinenden Arbeit nachweisen wird, findet sich auch bei den Ctenophoren ein ächtes, peripheres Nervensystem in Form eines gangliösen Plexus vor. Somit verbleiben uns nur noch die Anthozoen oder Poly- pen als Coelenteraten, bei denen die Beschaffenheit des Nervensy- stems noch völlig unaufgeklärt ist. Zwar hat es auch hier nicht an Anstrengungen gefehlt über diesen so bedeutungsvollen Punkt in der Anatomie zur Klarheit zu kommen. Schon am Anfang dieses Jahr- hunderts beschrieb Spix als Ganglien in der Fussscheibe der Ac- tinien kleine paarig angeordnete Knötchen, welche unter einander zusammenhängen und ausserdem je zwei Nervenästchen abgeben sollten. Doch wurden diese Angaben mit Recht von allen späteren Beobachtern namentlich von Milne Edwards auf das Bestimmteste zurückgewiesen. Ebenso wenig gelang es Blainville die in seinem Manuel d’Actinologie (p. 72) ausgesprochene Vermuthung, dass ein Ringnery am Lippenwulste der Actinien verlaufe, zur Geltung zu bringen. Trotz dieser Misserfolge hielt die Mehrzahl der Forscher an der Ansicht fest, dass ein Nervensystem bei den Actinien an- genommen werden müsse. Quatrefages wurde hierzu bestimmt durch die Erwägung, dass wo deutliche Muskelfasern vorhanden sind, auch die die Reize vermittelnden Nerven nicht fehlen möch- ten; für zwei audere Forscher, Gosse und Stoliezka, war die grosse Sensibilität maassgebend. Gosse vermuthet das Nervensy- stem im Umkreis des Mundes in Gestalt eines Ringes, welcher Fäden an die Tentakeln abgiebt und vielleicht an den beiden Enden der Mundspalte zu Ganglien anschwillt.. Stoliczka dagegen hält eine Verbreitung der Nervenfasern durch den ganzen Körper für wahr- scheinlich. In der Neuzeit glaubt denn auch Duncan bei der Actinia mesembryanthemum an zwei Stellen einen Nervenplexus aufgefunden zu haben; erstens unterhalb der von Schneider und Rötteken als Augen gedeuteten Bourses marginales und zweitens unter dem Epithel, welches von der entodermalen Seite aus das Fussblatt bedeckt. Ganz anders lauten die der Zeit nach um We- niges früheren Angaben von Kölliker, welche sich auf die Pen- natuliden beziehen; an der Anheftungsstelle der Mesenterialfila- mente und weiterhin an derjenigen der Septula beobachtete Köl- 460 Oscar und Richard Hertwig, liker einen besonderen longitudinalen Faserzug, den er weder dem Muskelgewebe noch der Bindesubstanz mit Bestimmtheit ein- zureihen vermochte. Es seien feine gerade Fasern, stellenweise mit kleinen zellenartigen Körpern gemengt, die er kein Bedenken tragen würde, für Nervenfasern zu erklären, wenn es ihm gelungen wäre, irgendwo von denselben abgehende Fasern wahrzunehmen. Im Gegensatz zu den genannten Forschern hat es aber auch nicht an Stimmen gefehlt, welche die Existenz eines Nervensystems wiederum in Abrede stellten; so stimmen Dana und A. Agassiz darin überein, dass zwar Augen in Form von Pigmentflecken an der Basis der Tentakeln bei manchen Actinien vorkommen, dass diese aber mit keinem Nervenring wie bei den höhern Radiaten in Verbindung stehen. Ganz neuerdings endlich hat sich v. Heider, dem wir die genaueste zur Zeit existirende Anatomie einer Antho- zoe, der Sagartia troglodytes, verdanken, gegen die Annahme eines besonderen Nervensystems ausgesprochen; er findet in seinen Beob- achtungen „einen weiteren Beweis für die Richtigkeit der jetzigen Anschauungen, wonach bei den Coelenteraten eine Differenzirung in Muskel und Nerv noch nicht Statt gefunden hat, sondern beide Elemente vereint als sogenannte Neuromuskelzellen vorkommen.“ Bei diesem Widerspruch der Ansichten, welcher gerade in der Neuzeit wieder zu Tage getreten ist, hat Claus völlig Recht, wenn er den Stand der Frage dahin zusammenfasst, dass gewisse Erscheinungen — als solche hebt er hervor „das Vorkommen der Randpapillen bei Actinien“, „die Fortleitung des lichterregenden Reizes an den Leuchtorganen der Pennatuliden“ — das Vorhan- densein eines Nervensystems nicht unwahrscheinlich machen, dass ein solches aber bisher nicht sicher nachgewiesen worden sei, in- dem den Deutungen der Autoren jegliche Sicherheit fehle. Der Umstand, dass alle bisherigen Versuche, nervöse Elemente bei den Anthozoen zu entdecken, gescheitert waren, wurde für uns aus doppelten Gründen eine Veranlassung, diesen Punkt einer erneuten Prüfung zu unterwerfen. Einmal galt es, eine empfind- liche Lücke in unseren Kenntnissen vom Bau dieser Thiere aus- zufüllen, zweitens schien uns — und dies war für uns von noch grösserer Wichtigkeit — der Misserfolg unserer Vorgänger darauf hinzudeuten, dass bei den Anthozoen eine besonders primitive Form des Nervensystems vorliegen müsse. Wir hofften, eine Entwick- lungsstufe des Nervensystems nachweisen zu können, welche tiefer stehe als die von uns und Anderen bei den Medusen beobachtete. Zur Untersuchung wählten wir die Actinien, welche als die Die Actinien. 461 günstigsten Objecte der ganzen Anthozoengruppe auch von frühe- ren Beobachtern mit Vorliebe berücksichtigt worden sind. Die Actinien sind ein leicht zu beschaffendes und leicht am Leben zu erhaltendes Material; sie besitzen eine ansehnlichere Körpergrösse als die meisten übrigen hierher gehörigen Arten; vor Allem aber sind sie ohne das Kalkskelet, welches bei der Mehrzahl der Oc- tocorallien und allen Colonie bildenden Hexacorallien die histolo- gische Untersuchung erschwert. In der That ist es uns auch ge- lungen, bei den Actinien ein Nervensystem aufzufinden, welches noch mit Sicherheit als solches erkannt werden kann, dabei aber von ausserordentlicher Einfachheit ist, so dass wir in den Erwar- tungen, welche wir beim Beginn der Arbeit hegten, nicht getäuscht worden sind. Bei Thieren, welche so einfach gebaut sind, wie die Actinien, greifen alle Theile der Organisation so innig in einander, dass es kaum möglich ist, ein Organsystem zu behandeln, ohne nicht auch die übrigen zu berücksichtigen. Nerven und Muskeln sind im ganzen Körper verbreitet; einerseits stehen sie in engster Beziehung zu den Epithelien, welche die Körperoberfläche bedecken und die Binnenräume auskleiden, andererseits liegen sie den bindegewebi- gen, das Körpergerüst bildenden Stützlamellen auf und werden von denselben in ihrer Anordnung bestimmt. Um von der To- pographie des Neuromuskelsystems ein klares Bild zu erhalten, mussten wir durch die Tentakeln, das Mauerblatt, die Fuss- und Mundscheibe, das Schlundrohr und die Septen Querschnitte legen. Da nun in letzteren die Geschlechtsorgane eingeschlossen sind, wurden wir auch mit deren Bau bekannt und so erweiterte sich nothwendigerweise die Arbeit zu einer Untersu- chung desgesammten Actinienbaues. Dabei blieb jedoch die Frage nach der Beschaffenheit des Nervenmuskelsystems der wichtigste Punkt, auf den wir die meiste Mühe und Sorgfalt ver- wandt haben. Die gewonnenen Ergebnisse verdanken wir hauptsächlich den von uns zur Anwendung gebrachten Untersuchungsmethoden, über die wir daher hier ausführlicher berichten wollen. Mit der Beobachtung im frischen Zustand kommt man beim Studium des Baues und der histologischen Zusammensetzung der Actinien nicht weit. Die Gewebe sind zu undurchsichtig und zu contractil, als dass man an ausgeschnittenen lebenden Stücken mehr erkennen könnte als die Art der Bewimperung, die Beschaffenheit und die Vertheilung der Drüsen und Nesselzellen u. s. w., Alles Verhält- 462 Oscar und Richard Hertwig, nisse von untergeordneter Bedeutung. Die wichtigen Punkte lassen sich dagegen nur durch eine methodische Behandlung mit Reagen- tien aufklären, bei welcher zweierlei Aufgaben gelöst werden müs- sen: es gilt 1. die Bestandtheile der Gewebe durch macerirende Mittel im isolirten Zustand darzustellen und 2. ihre Lagebeziehun- gen auf Querschnitten zu ermitteln. Zur Isolation diente uns das Gemisch von Osmiumsäure und Essigsäure in Meerwasser, welches sich uns schon bei der Unter- suchung des Nervensystems und der Sinnesorgane der Medusen bewährt hatte. Mit Hilfe desselben kann man nicht allein die Nerven und Muskeln, Ganglien- und Epithelzellen so weit von einander isoliren, dass sich die Gestalt der einzelnen Elemeute ge- nau bestimmen lässt, sondern man kann auch die Gewebe in der Form dünner Lamellen abtragen, an denen es möglich ist, die An- ordnung der Theile neben einander zu studiren. Die Anwendung der Osmium-Essigsäure-Methode hat jedoch mit grösseren Schwie- rigkeiten zu kämpfen als bei den Medusen, weil die Reagentien bei den Actinien im Allgemeinen schwieriger eindringen. Zum Theil ist dies durch die grössere Dicke der Gewebsschichten selbst bedingt, zum Theil aber auch dadurch, dass die Thiere sich auf ihrer Oberfläche mit einer zähen Schleimschicht bedecken. Der hervorgehobene Uebelstand ist bei der Osmiumsäure doppelt stö- rend, weil dieselbe an und für sich langsam in die Tiefe dringt, so wie sie aber einmal die Gewebe erreicht hat, selbst in sehr verdünnten Lösungen schon erhärtet. Es fällt daher schwer, die Mitte zwischen zu starker und zu schwacher Einwirkung einzu- halten; bei ersterer haften die Zellen zu fest an einander, bei letz- terer ist ihr Erhaltungszustand ungenügend; in beiden Fällen ist der Effekt in so fern der gleiche, als alle feinen Fortsätze der Zellen, die Nerven der Sinnes- und Ganglienzellen, leicht ab- reissen. Im Allgemeinen empfiehlt es sich, die Osmiumsäure in stärkeren Lösungen und längere Zeit anzuwenden, wie bei den Medusen; wir legten Gewebsstücke oder ganze Thiere meist 5, iu einigen Fällen sogar 10 Minuten in eine reichliche Menge des Os- mium-Essigsäuregemischs (0,2 °/, Essigsäure und 0,04 °/, Osmium- säure in Meerwasser) und wuschen darauf mit 0,2 °/, Essigsäure mehrere Stunden lang aus. Die macerirten Theile kann man gleich untersuchen und erst nach der Anfertigung der Präparate auf dem Objectträger färben, oder man kann vor dem Zerzupfen färben. Im ersteren Falle benutzten wir Pierocarmin, welches wegen seines Picrinsäuregehaltes die Nervenfäserchen deutlicher macht, im letz- Die Actinien. 463 teren Kalle Beale’sches Carmin, weil dieses nicht erhärtend wirkt, sondern eher die Maceration begünstigt. Macerirte Gewebsstücke kann man lange Zeit conserviren, wenn man sie in ein mit der Hälfte Wasser verdünntes Glycerin legt und mit einigen Tropfen einer starken Carbolsäurelösung versetzt, um das Schimmeln und die Entwicklung von Bacterien zu verhüten. Durch Zerzupfen werden die Elemente der Actinien wegen ihrer ganz ausserordentlichen Feinheit und Länge nur unvollkom- men isolirt; man thut daher gut, die durch Zerzupfen erhaltenen kleineren Stücke durch vorsichtiges Zerklopfen noch weiter zu zer- legen. Um dabei zu verhindern, dass die Zellen nicht zerquetscht werden, schlugen wir folgendes Verfahren ein. So lange als die Gewebsstücke noch grösser sind, wird ein Haar unter das Deck- glas gelegt und dasselbe erst ganz allmählig entfernt, wenn die Stücke in kleinere Zellenhaufen zersplittern. Ferner ist es nöthig, jeder Verschiebung des Deckgläschens dadurch vorzubeugen, dass man seine Ecken mit Wachs befestigt. Denn da die Zellen der Actinien lange dünne Fäden sind, so verschlingen sie sich zu un- entwirrbaren Knäueln, wenn sie durch die Verlagerung des Deck- gläschens hin und her gerollt werden. Am wirksamsten sind beim Zerklopfen kurze Schläge mit dem Stiel einer nicht zu schweren Staarnadel. Mittelst des geschilderten Verfahrens erhält man voll- kommen isolirte Zellen, ferner Epithel-Zellen im Zusammenhang mit den unter ihnen gelegenen Muskeln und Nerven, endlich Zel- len, die mit ihren peripheren Enden noch zu Gruppen vereint sind. Ebenso wichtig, ja in manchen Punkten noch wichtiger als das Zerzupfen und Zerklopfen der macerirten Gewebe ist die An- fertigung der Flächenpräparate. Bei einer gelungenen Maceration kann man die Körperschichten eine nach der anderen abziehen, flächenhaft ausbreiten und für sich untersuchen. So löst sich leicht das Epithel und die Nervenschicht von der Muskelfaserlage und der Stützlamelle. Die Nervenschicht wiederum kann man als eine eontinuirliche Lamelle darstellen, wenn man die Epithelzellen mit einem feinen Pinsel entfernt; andererseits kann man die Muskel- fasern von der Stützlamelle abpinseln. Alle Gewebslagen werden so successive einer getrennten Beobachtung zugänglich gemacht, so dass man den Zusammenhang ihrer Elemente bequem feststel- len kann. Zur Anfertigung von Querschnitten verwandten wir hauptsäch- lich Material, welches in Osmiumsäure erhärtet und mit Carmin | gefärbt war. Die Osmiumsäure liessen wir in 0,5 °/, Lösung 464 Oscar und Richard Hertwig, 1 Stunde auf die Gewebe einwirken, um sicher zu sein, ass die relativ dicken Gewebsschichten ordentlich durchgehärtet waren. Eine derartige lange Einwirkung erschwert freilich die Imkbition ausserordentlich, so dass die Färbung der Kerne bei Anwadung von Beale’schem Carmin, Picrecarmin und gewöhnlichem Grmin eine sehr matte blieb. Gute Resultate erhielten wir hierbe, als wir Gewebsstücke, welche einen Tag in Beale’s Carmin gdegen hatten, in Picrocarmin übertrugen und hierin einen weitern Tag beliessen. Ein Theil des Osmiumsäurematerials wurde ungefärb. in Chromsaures Kali, welches einer allzu starken Schwärzung eitge- genwirkt, übertragen und von da nach längerem Auswascheı in Alkohol eingelegt. Zur Färbung derartiger Präparate reichten die gewöhnlichen Carminlösungen nicht mehr aus, dagegen ist dınn das von Grenacher neuerdings empfohlene ammoniakalische Alaın- carmin noch sehr gut zu verwenden. Dasselbe hat überhaupt vor den gewöhnlichen Färbungsflüssigkeiten sehr grosse Vorzüge. Es giebt eine sehr distinete Kernfärbung, während der Körper der Zellen und die Bindesubstanz nur wenig gefärbt wird; man kann ferner die Objecte lange in der Lösung liegen lassen, ohne dass eine Ueberfärbung zu befürchten wäre. Das letzte Moment ist namentlich desshalb von Wichtigkeit, weil dadurch ermöglicht wird, grössere Stücke von zertheilten Actinien oder ganze Thiere durch- zufärben; nachdem wir einmal mit der Methode bekannt geworden waren, haben wir uns derselben ausschliesslich bedient, ohne dass wir je an ihr etwas auszusetzen gehabt hätten, und können wir sie anderen Forschern auf’s Wärmste empfehlen. Sehr intensive Färbungen grösserer Objecte erhält man auch mit Kleinenberg’s Haematoxylinlösung, doch hat dieselbe einen grossen Nachtheil, dass die Präparate nicht in Wasser oder Gly- cerin gebracht werden dürfen, weil diese das Haematoxylin aus- ziehen. Dadurch werden Einbettungen in Gummiglycerin und Gummileim von der Untersuchung ausgeschlossen, ebenso kann man auch die fertigen Schnitte nicht in Glycerin aufbewahren. Wir sind desshalb von der Anwendung des Haematoxylin ganz zu- rückgekommen. Um gute Schnittpräparate zu gewinnen, ist man jedoch keines- wegs auf die Frhärtung mit Osmiumsäure angewiesen, für die meisten Fälle reicht sogar die gewöhnliche Conservirung in starkem Alkohol aus, da selbst feinere Structurverhältnisse wie die Ner- venfaserschichten am Alkoholmaterial deutlich zu erkennen sind. Die Actinien. 465 Zwar schrumpfen die Zellkörper mehr als in der Osmiumsäure, doch ist dies in mancher Beziehung wieder ein Vortheil, weil die Grenzen der einzelnen Zellen sowie die Grenzen der Nervenfaser- schicht deutlicher werden. Bevor man die Actinien dauernd in Alkohol legt, kann man sie auch zuvor in der von Kleinen- berg empfohlenen Weise in Picrinschwefelsäure bringen, doch haben wir keine besonderen Vortheile bei diesem Verfahren ge- habt. Will man feine Querschnitte zur histologischen Untersuchung oder Schnitte durch ganze Thiere zur allgemeinen Orientirung anfertigen, so ist es durchaus nöthig, die Objecte einzubetten. Heider’s Angaben, dass die Actiniengewebe eine derartige Be- handlung nicht vertragen, können wir nicht bestätigen. Gut ge- härtete Theile lassen sich in Gummiglycerin zwischen Leber- stücken einschliessen, ohne dass die Zellen auch nur im geringsten dadurch verändert würden. Die gewöhnlichen in der Wärme flüs- sigen, bei der Abkühlung erstarrenden Mittel, Paraffin und Ter- penthin, Wachs und Oel, Wallrath und Ricinusöl sind weniger schonend, indem sie warm in die Gewebe eindringen und beim Erkalten auskrystallisirend dieselben auseinanderdrängen, so dass Lücken entstehen. Sie eignen sich daher mehr für die Anferti- gung von Situspräparaten, als für die feinere histologische Unter- suchung, bei welcher wir dem Gummiglycerin den Vorzug geben. Bei der Anwendung der Reagentien, sowohl der erhärtenden, wie der macerirenden beruht die Schwierigkeit nicht allein in der richtigen Auswahl derselben, sondern auch in ihrer Applikation. Es giebt wohl wenige Thiere, die sich so schlecht mit Reagentien behandeln lassen, als gerade die Actinien. Schon auf einfache Berührung hin ziehen sie sich auf ein Drittel oder ein Viertel des Volumen zusammen, welches ihnen im ausgedehnten Zustand zu- kommt. Viele, wie die Sagartien stülpen ferner die Mundscheibe sammt den von ihr entspringenden Tentakeln vollkommen ein und schlagen darüber das Mauerblatt zusammen; in gleicher Weise wird die Fussscheibe nabelartig eingezogen. Die Contraction ist so energisch, dass alle Versuche künstlicher Dehnung eher zu einem Zerreissen des Gewebes führen. Dass die naturgemässe Lagerung der Organe hierbei verändert wird, dass die Wandungen und Septen stark verkürzt und vielfach gefaltet werden, ist leicht begreiflich. Für alle Querschnitte ist es aber durchaus nöthig, dass die Theile glatt ausgebreitet sind, weil es sonst unmöglich ist, eine bestimmte Schnittrichtung einzuhalten. Bd. XIU. N. F. VI, 3. 30 466 Osear und Richard Hertwig, In Folge der starken Contraction erleiden die Zellen ferner eine Formveränderung. Die an und für sich schon langen Epithel- zellen werden bei der Verkürzung des unter ihnen gelegenen Ge- webes vollends zu ausserordentlich dünnen Fäden ausgezogen, die sich bei Isolationsversuchen unter einander verwirren. Zugleich werden die im normalen Zustand vorhandenen Formunterschiede in dem Maasse ausgeglichen, dass schon eine sehr genaue Prü- fung nothwendig ist, um die einzelnen Zellenformen auseinander- zuhalten. Zu Alledem kommt noch, dass in das Innere einer ge- schrumpften Actinie die Reagentien gar nicht oder nur sehr lang- sam eindringen, weil die Stützlamellen und noch mehr die ober- flächlichen Schleimschichten sehr schwer passirbar sind. Während die Oberfläche erhärtet, bleiben die tiefen Lagen weich und zer- fallen, noch ehe Conservirung eintritt. Dies ist ganz besonders bei der Anwendung der Osmiumsäure der Fall und zwar selbst dann noch, wenn man das Reagens durch den Mund in den Bin- nenraum des Körpers einspritzt, weil alle Organe so fest gegen einander gepresst sind, dass zwischen ihnen keine Flüssigkeit cir- euliren kann. Alle diese Uebelstände haben frühere Untersucher der Acti- nien ebenso wie wir empfunden und in den meisten Arbeiten be- gegnet man Klagen hierüber; ein Theil hat auch versucht, durch Nareotisiren der Thiere Abhilfe zu schaffen. Quatrefages und Gosse haben Opiumlösungen tropfenweise dem Wasser zugesetzt, um die Reizbarkeit der Thiere zu vermindern und um diese selbst im ausgestreckten Zustand abtödten zu können. Das gleiche Ver- fahren hat dann v. Heider eingeschlagen; derselbe hat ferner versucht durch langsames Zufliessenlassen von Lösungen von Chromsäure oder chromsaurem Kali die Actinien allmählig zu tödten, ohne jedoch auf die eine oder die andere Weise irgend welchen Erfolg zu erreichen. Wir selbst haben ebenfalls uns lange Zeit vergeblich abge- müht, ein Mittel zu finden, welches die Actinien im ausgestreckten Zustand tödtet, ohne ihre Gewebe zu verändern, und haben uns dabei überzeugt, welche erstaunliche Lebenszähigkeit ihrem Kör- per innewohnt. Unter den ungünstigsten Existenzbedingungen halten die Thiere lange Zeit aus und sterben langsam und in einer Weise ab, dass Theile schon in Zersetzung begriffen sind, während andere Theile contractil bleiben. Dies gilt ganz besonders von der Sagartia parasitica, die wegen der relativ hohen Ent- wicklung ihres Nervensystems von uns am meisten zur Unter- Die Actinien. 467 suchung verwandt worden ist. Wenn man eine starke Opium- oder Morphiumlösung in den Magen einer Sagartia einspritzt und ohne dass man das Wasser wechselt, die Dosis von Zeit zu Zeit wiederholt, so lebt das Thier Tage lang weiter, wobei es die wunderlichsten Formen annimmt. Bald wird der Magen als eine prall gefüllte Blase ausgestülpt, bald bilden sich ringförmige Con- tractionsfurchen aus, die den Körper sanduhrförmig einschnüren, bald zieht sich der ganze Körper mit Ausnahme der schirmartig ausgebreiteten Mundscheibe krampfhaft zusammen und nimmt eine pilzhutförmige Gestalt an. Aehnliche Zeichen des Missbehagens, mit denen eine Herabsetzung der Reizbarkeit Hand in Hand geht, werden durch Curare und Cyankalium hervorgerufen, ohne dass jedoch durch alle diese Gifte der Tod der Actinie herbeigeführt würde. Wenn der Beobachter auf die Somnolenz des Thieres bauend dasselbe mit Reagentien behandeln will, so contrahiren sich die Muskeln, wenn auch schwächer, so doch kräftig genug, um das Thier stark schrumpfen zu machen. Am auffälligsten ist die geringe Einwirkung des Cyankalium, dessen Lösung wir sogar einige Male, um Blausäure frei zu machen, mit wenigen Tropfen einer dünnen Essigsäure versetzten. Unter allen von uns versuchten Stoffen machte nur das Chloro- form eine Ausnahme. Wir wandten dasselbe in der Weise an, wie es Herr Dr. Eisig zum Chloroformiren der Anneliden be- nutzt. Ein das Object enthaltendes Glas und ein Schälchen mit einigen Tropfen Chloroform wurden unter eine Glasglocke gebracht, die nach Art der feuchten Kammern zum besseren Abschluss der Luft auf einen Teller mit Wasser gesetzt wurde. Chloroform wirkt zuerst als Reiz und veranlasst das Thier leicht zu Contrac- tionen; man muss daher sehr vorsichtig verfahren, mit kleinen Dosen anfangen und erst allmählig dieselben steigern. Es dauert dann 1—2 Tage, ehe das Thier völlig bewegungslos und zur Rea- gentienbehandlung brauchbar geworden ist. Leider missglückt die Methode selbst bei der grössten Vorsicht in vielen Fällen; häufig kommt es vor, dass die Thiere sich noch in letzter Stunde, kurz vor der völligen Betäubung contrahiren und dann in diesem ‘Zustand verharren. Daher ist es von Wichtigkeit, die zu chloro- formirenden Objecte einer Behandlung zu unterwerfen, welche dem genannten Uebelstand im Wesentlichen abhilft. Der in der Con- servirung der Seethiere unermüdliche Diener der Station zu Neapel, Salvatore, kam auf den Gedanken, die Sagartien in gleicher Weise Tabaksdämpfen auszusetzen, wie wir es mit Chloroform versuch- 30° 468 Oscar und Richard Hertwig, ten. Tabaksdämpfe wurden mittelst eines Röhrchens unter die Glasglocke geleitet, welche über das Glas mit den Actinien ge- stülpt war. Der Erfolg war ein überraschend günstiger; die Thiere blähten sich ganz ausserordentlich auf, mehr als im ge- wöhnlichen Zustand, und wurden nicht selten zu prall gefüllten Blasen, deren gedehnte und straff gespannte Wandungen so dünn wurden, dass das Innere durchschimmerte. Dabei wurden sie etwas betäubt, wenn auch nicht stark genug, um schon in diesem Zustand der Reagentienbehandlung zugängig zu sein. Actinien, welche durch Tabaksdämpfe zur völligen Entfaltung gebracht waren, lassen sich vortrefflich im ausgedehnten Zustand chloro- formiren, da sie gegen den Reiz des Chloroforms unempfindlich geworden sind. Wir setzten die Narkose so lange fort, bis sie völlig gelähmt mit sich umgehen liessen, als wären sie todt, auf äussere Reize nicht mehr antworteten und selbst die sonst so empfindlichen Tentakeln nicht verkürzten, wenn man ihre Spitze mit einer Pincette quetschte. Ist dieses Stadium eingetreten, dann kann man selbst stark verdünnte Reagentien, wie die maceriren- den Osmiumlösungen anwenden, ohne dass die Gestalt der Thiere eine sehr erhebliche Veränderung erführe. Gewöhnlich tritt eine Contraction erst dann ein, wenn man das Reagens in die Körperhöh- len spritzt und so mit der bei den Actinien sehr stark entwickel- ten entodermalen Musculatur in Berührung bringt, doch fällt auch diese Contraction nicht sehr ergiebig aus. Eine Gefahr ist bei dem geschilderten Verfahren darin ge- geben, dass die Actinien bei zu langer Chloroformnarkose sterben; da nun die Gewebe, wie schon Quatrefages hervorgehoben hat, sehr rasch nach dem Tode zerfallen, so kann es sich leicht er- eignen, dass man Präparate erhält, die schon vor der Conservi- rung gelitten hatten und keine natürlichen Bilder mehr geben. Davor kann man sich jedoch leicht schützen, wenn man vor der Reagentienbehandlung nachsieht, ob die Epithelien noch flimmern; zu dieser Prüfung eignen sich am besten die Tentakeln, weil hier der Zerfall und die Ablösung der Epithelzellen sehr frühzeitig beginnt. Beim Zusatz von Reagentien muss noch ein weiterer Punkt berücksichtigt werden. Wie schon erwähnt wurde, dringen alle Reagentien nur wenig und langsam in die Tiefe des Actinienkör- pers. Selbst bei den dünnwandigen Antheen und den kleinen Adamsien ist das Entoderm schlecht erhalten, wenn man ganze Thiere unverletzt einlegt. Dies gilt nicht allein von der Behand- Die Actinien. 469 lung mit Osmiumsäure, sondern auch von der Behandlung mit Pierinschwefelsäure, einem Reagens, das sonst leichter die tiefer gelegenen Schichten conservirt. Das Aufschneiden des Thieres ge- nügt nicht, um diesem Uebelstand abzuhelfen, denn auch dann noch kleben die Septen, die Geschlechtsorgane, die Mesenterial- filamente und Acontien zu einer dichten Masse zusammen. Gleichwohl ist es möglich, ein Thier im Ganzen zu histologischen Untersuchungen gut zu conserviren und man ist nicht gezwungen, in der Weise, wie es v. Heider gethan hat, mühsam erst ein- zelne Theile herauszuschneiden und einzeln einzulegen. Man muss nur das Reagens unter kräftigem Druck, sei es durch den Mund, sei es durch eine im Fuss angebrachte Oeffnung mittelst einer Spritze in’s Innere injieiren. Nachdem wir dies mehrmals wiederholt, zerschnitten wir die grösseren Actinien noch der Länge oder der Quere nach und spritzten das Reagens in die Inter- septalräume ein, wobei durch den Flüssigkeitsstrahl die inneren Organe auseinander gebreitet wurden. Die Untersuchungen zur vorliegenden Arbeit wurden während der Osterferien 1379, die wir am Mittelmeer verlebten, ausgeführt; sie wurden in Messina während des März und der ersten Hälfte des April begonnen und in Neapel bis in die ersten Wochen des Mai fortgesetzt. In Messina waren wir durch anderweitige Ar- beiten so sehr in Anspruch genommen, dass wir nur Material einlegen und einige orientirende Beobachtungen sammeln konnten ; dagegen haben wir in Neapel unsere Zeit fast ausschliesslich dem Studium der Actinien gewidmet. Hierbei war es uns von grossem Vortheil, dass wir Gelegenheit hatten, in der vortrefflich eingerichteten Stazione zoologica zu arbeiten, in welcher dem Be- obachter nicht allein ein reichliches, sonst nur mühsam oder gar nicht zu beschaffendes Material geboten wird, sondern auch ein reichlicher Apparat von Gläsern und anderweitigen Utensilien zu Gebote steht, wie ihn der einzelne Forscher am Meer sich nicht beschaffen kann und den er häufig lebhaft vermissen muss. Wir ergreifen daher die Gelegenheit, dem Leiter der Station, Herrn Professor A. Dohrn und den Herren Dr. H. Eisig und Dr. P. Mayer für ihr freundliches Entgegenkommen unseren besten Dank zu sagen. Während unseres Aufenthalts am Meere haben wir unsere Untersuchungen auf einige wenige Arten beschränkt, da es uns mehr auf die genaue Kenntniss eines einzelnen Thieres ankam und die Kürze der Zeit es uns verbot, unsere Beobachtungen auf viele 470 Oscar und Richard Hertwig, Objekte auszudehnen. In Messina haben wir vorwiegend eine kleine Actinie, die auf den Algen in der Nähe des Lazzaretto sehr häufig ist und durch ihre Trägheit sich auszeichnet, be- rücksichtigt. Dieselbe ist identisch mit Contarini’s Anemonia cinerea, steht der Anthea cereus sehr nahe, von welcher sie sich durch ihre geringere Körpergrösse unterscheidet, und soll im Fol- senden daher den Namen Anthea cinerea führen. Ebenfalls sehr häufig findet sich in der Nähe des Lazzaretto im Sande vergra- ben ein Cerianthus, der mit der von Rapp als Tubularia soli- taria beschriebenen Art identisch ist und als von dem gewöhn- lichen C. membranaceus spezifisch verschieden angesehen werden muss. Er war in den verschiedensten Grössen zu erhalten von kleinen nur 1 Ctm. messenden Thieren bis zu ansehnlichen Indi- viduen von 6—10 Otm. Länge. In Neapel bildete das Hauptobject für unsere Untersuchungen die schöne Sagartia parasitica und neben ihr die Anthea cereus und eine an den Pfählen des Hafens häufige Adamsia, die von Rapp und Contarini als Actinia diaphana in leicht kenntlicher Weise beschrieben und von Milne Edwards zur Gattung Adamsia herüber gezogen worden ist. Endlich haben wir in Neapel auch den Cerianthus membranaceus in grossen Exemplaren zur Ver- fügung gehabt. Aus Italien zurückgekehrt setzten wir in Jena die am Meere begonnenen Untersuchungen nicht allein an einem reichlich con- servirten Material und einigen lebend mitgenommenen Thieren fort, sondern dehnten dieselben auch auf eine Anzahl anderer Arten aus, für deren freundliche Ueberlassung wir dem Herrn Pro- fessor Haeckel und Herrn Rötteken zu Dank verbunden sind. Durch Herrn Rötteken erhielten wir gut erhaltene, in Spiritus erhärtete Exemplare der durch die Anwesenheit eines Ringmuskels und der äusseren Septalstomata ausgezeichneten Tealia crassicornis und Actinoloba dianthus; durch Herrn Prof. Haeckel wurden uns zwei Exemplare der interessanten und in ihrem Bau von den anderen Actinien abweichenden Gattung Edwardsia zur Verfügung gestellt. Specieller Theil. Der Körper der Actinien stellt einen Hohleylinder dar, dessen Längen- und Breitendurchmesser bei den einzelnen Arten und je nach dem verschiedenen Contractionszustand der Muskulatur sehr erheblichen Schwankungen unterworfen ist. So überwiegt der Breitendurchmesser bei der von uns untersuchten Anthea, die scheibenförmig ist, während Sagartia, Adamsia, Cerianthus und überhaupt die meisten Actinien mehr in die Länge entwickelt und im ausgedehnten Zustand 3—10fach so lang als breit sind. Bei diesen äussert denn auch die Muskelcontraction am meisten ihren Einfluss auf die Form des Körpers, der sich bei manchen Arten gewiss um das zwei- bis vierfache verkürzen kann. An der Körper- wand fast aller Actinien unterscheidet man zweckmässiger Weise drei Bezirke, welche den 3 Flächen des Cylinders entsprechen, und man bezeichnet von diesen die seitliche Wand des Hohlcylin- ders als Mauerblatt, die beiden andern als Fuss- und Mund- scheibe. -Eine Fussscheibe ist nur bei denjenigen Arten gut ausgeprägt, die sich auf irgend einer Unterlage, sei es auf Steinen oder Muschelschalen, auf andern Thieren oder auf Pflanzen an- heften; alsdann ist sie durch einen scharfen Rand vom Mauerblatt abgegrenzt; bei denjenigen Actinien dagegen, die entweder pela- gisch auf der Meeresoberfläche flottiren oder im Sande vergraben in selbstgebauten Röhren leben, kann man nicht mehr von einer besondern Fussscheibe sprechen, da gewöhnlich das hintere Leibes- ende sich verdünnt und abgerundet aufhört. Eine besondere Mundscheibe ist bei allen Actinien vor- handen, sie ist zugleich der am meisten differenzirte und morpho- logisch wichtigste Theil der Körperwandung; sie trägt an ihrem äussern Rand am Uebergang in das Mauerblatt hohle Tentakeln, die gewöhnlich in grosser Anzahl einer dicht neben dem andern entspringen und entweder in einem, oder in zwei, drei und mehr alternirenden Kreisen angeordnet sind. 472 Oscar und Richard Hertwig, In der Mitte der Scheibe liegt die Mundöffnung, welche von wulstigen Rändern, den Lippen, umgeben wird; sie ist in ge- schlossenem Zustande in einer Richtung besonders verlängert und erscheint daher als Spalt, dessen beide Ecken als Mundwinkel bezeichnet werden. Eine Ebene, die durch letztere senkrecht zur Mundscheibe hindurchgelegt wird, theilt die Actinie in zwei Hälf- ten, welche, wie sich dies in einer Anzahl innerer Einrichtungen ausspricht, deutlich symmetrisch gebaut sind. Dadurch erhält der Verlauf der Mundspalte, ein an sich geringfügiges Merkmal, eine besondere Bedeutung. Denn es kommt in ihm ein für die Archi- teetur des ganzen Körpers nicht unwichtiges Verhältniss schon äusserlich zum Ausdruck. Von den Mundrändern hängt tief in das Innere des Körpers das weite Schlundrohr hinab, welches in einiger Entfernung von der Fussscheibe mit freiem Rande endet. Es fungirt als Magen, da in seinem Innern die von den Tentakeln ergriffenen und nach dem Munde beförderten Thiere, kleine Mollusken und Crustaceen, längere Zeit verweilen und dem Verdauungsprocess unterworfen werden. Von da gelangt die Nahrung in den coelenterischen Raum, der theils unterhalb des Schlundrohrs gelegen ist, theils dasselbe umgibt und von dem Mauerblatt trennt. Der Hohlraum dehnt sich nach oben bis unter die Mundscheibe aus und setzt sich da- selbst mit der Höhlung eines jeden Tentakels in Verbindung. Eine noch complicirtere Beschaffenheit gewinnt der coelen- terische Raum dadurch, dass sich in ihn hinein Scheidewände gebildet haben, die aussen von dem Mauerblatt, oben und unten von Mund- und Fussscheibe ihren Ursprung nehmen. Die Scheidewände oder Septen setzen sich bei manchen Arten ins- gesammt mit ihrem inneren Rand /an’s Schlundrohr an und tra- gen so zu der besseren Befestigung desselben bei; bei andern Arten erreichen sie nur zum Theil dasselbe, zum Theil besitzen sie einen freien vielfach eingefalteten Rand, der sich von der Fuss- bis zur Mundscheibe erstreckt. Die Septen sind, wenn man von Cerianthus absieht, die Träger einer starken Muskulatur, durch welche namentlich eine bedeutende Verkürzung des Körpers be- dingt werden kann; ausserdem sind an ihnen noch 3 besondere Organe zur Entwicklung gekommen, 1) die Geschlechtsorgane, 2) die Mesenterialfilamente und 3) die Acontien. Die Geschlechts- organe liegen in einiger Entfernung vom freien Septenrande und bilden longitudinale krausenartig gefaltete Bänder. Die Mesen- Die Actinien. 473 terialfilamente sind eigenthümliche Umbildungen des Septen- randes selbst und haben 2 verschiedene Functionen übernommen ; theils liefern sie zur Verdauung ein drüsiges Secret, theils tragen sie vermöge zahlreicher Flimmern, von welchen sie streckenweise bedeckt werden, vorzugsweise zur Circulation des Nahrungssaftes im Innern des Körpers bei. Die Acontien endlich sind lange Fäden, die den Sagartien und Adamsien eigenthümlich sind und von dem Septenrand entspringen. Sie hängen zusammengeknäuelt in die Körperhöhle hinein und können aus dieser, wenn die Actinie beunruhigt wird, durch besondere Oeffnungen im Mauerblatt, die Cinclides, nach Aussen hervorgeschnellt und dann langsam wieder in das Innere zurückgezogen werden. Sie sind mit zahl- reichen Nesselzellen bedeckt und spielen daher die Rolle von Ver- theidigungswaffen. Schon aus unserer kurzen anatomischen Characteristik geht so viel hervor, dass die Actinien äusserlich sehr einfach und sehr gleichförmig beschaffen sind, dass dagegen in ihrem Innern, also entodermal, eine reichere Entwicklung von Organen, eine grössere Differenzirung Platz gegriffen hat. Hierauf beruht die Schwierig- keit, welche eine natürliche Systematik der Actinien zur Zeit noch bereitet. Denn heben wir es gleich hervor: das Körperinnere der Actinien ist bis jetzt noch sehr unvollständig anatomisch untersucht worden. Nur von sehr wenigen Arten be- sitzen wir einigermaassen detaillirte Angaben über die Zahl der Septen, ihre Verbindung mit dem Schlundrohr, über die Anordnung der Musculatur an ihnen; das sind aber gerade Punkte, welche bei der systematischen Eintheilung in erster Linie berücksichtigt wer- den sollten. Anstatt dessen hat man gewöhnlich äussere Merkmale von untergeordnetem Werthe selbst zur Eintheilung in Familien und Gattungen benutzt, wie man beim ersten Blick in die Mono- graphieen von Milne Edwards (32) und Gosse (18) erkennen wird. Damals freilich war ein besseres System auf besserer Grund- lage nicht gut möglich; denn die Anatomie des Körperinnern stösst bei den Actinien auf nicht unerhebliche Schwierigkeiten und ist vollständig erst dann zu bewältigen, wenn man Querschnitte durch die inneren Theile anfertigt. Aber jetzt wäre es wohl wieder an der Zeit, dass die anatomisch noch sehr wenig bekannte Ordnung der Fleischpolypen mehr in das Bereich der Untersuchung hinein- gezogen und mit den neuen technischen Hülfsmitteln bearbeitet würde. Wir selbst haben zwar die Vertreter zahlreicher Familien ge- 474 Oscar und Richard Hertwig, nauer als es früher geschehen ist, zergliedert; zur Vornahme einer gründlichen Revision der Systematik ist aber unser Material noch viel zu gering und werden wir uns daher nur darauf beschränken auf diejenigen anatomischen Charactere aufmerksam zu machen, die in erster Linie bei einer Systematik berücksichtigt zu werden ver- dienen. Bei der Darstellung unseres Beobachtungsmateriales müssen wir gleichwohl eine gewisse Eintheilung der von uns untersuchten Arten vornehmen und werden wir dieselben in 2 Kapiteln besprechen. Das erste Kapitel handelt über Sagartia parasitica, Adamsia dia- phana, Anthea cereus und Anthea cinerea, Actinoloba dianthus und Tealia crassicornis, welche in den Grundzügen ihrer Organi- sation unter einander übereinstimmen. Es enthält den umfang- reichsten und wichtigsten Theil unserer Beobachtungen. In dem zweiten Kapitel werden wir die Edwardsien und Cerianthen be- sprechen, welche von dem Gros der Actinien in wesentlichen Punkten abweichen und durchweg als die einfacher organisirten erscheinen. In jedem Kapitel beginnen wir mit der Anatomie und Histologie der Mundscheibe und der Tentakeln, gehen dann auf das Mauer- blatt und die Fussscheibe über, schildern in einem dritten Ab- schnitt den Bau des Magenrohrs und in einem vierten und letzten Abschnitt die Septen mit ihren Mesenterialfilamenten und Ge- schlechtsorganen. Erstes Kapitel. Anatomie und Histologie von Sagartia parasitica, Adamsia diaphana, Anthea cereus und Anthea ceinerea, Aclinoloba dianthus und Tealia crassicornis. I. Abschnitt. Die Mundscheibe mit den Tentakeln. Ueber den feineren Bau der Mundscheibe und der Tentakeln, welche wegen der Aehnlichkeit ihrer Structurverhältnisse gemein- sam besprochen werden sollen, orientirt man sich am raschesten an Querschnitten, die uns daher zum Ausgangspunkt und zur Grundlage unserer Schilderung dienen mögen. An jedem Schnitt (Taf. XIX, Fig. 5) sind auf den ersten Blick sofort 3 Hauptschichten zu erkennen: eine äussere und eine innere epitheliale Schicht, das Die Actinien. 415 Ektoderm (ek) und das Entoderm (en) und zwischen beiden eine dritte Schicht, das Stützblatt (s), welches an der Mundscheibe mäch- ‚ tiger alsan den Tentakeln entwickelt ist, und aus einer durchschei- nenden faserigen Grundsubstanz mit eingestreuten Zellen besteht. So leicht diese Erkenntniss zu gewinnen ist, gehört sie doch erst der neueren Zeit an, in der man sich allgemeiner der Methode der Querschnitte bei der Untersuchung der thierischen Organismen bedient. Noch bis zum Jahre 1860 hatte man durchaus irrthüm- liche Vorstellungen vom histologischen Aufbau der Actinien selbst in seinen einfachsten Verhältnissen. Man vergleiche nur zwei der ältern Hauptwerke der Actinienliteratur: Hollard’s Monographie anatomique du genre Actinia (22) und Gosse’s Monographie der britischen Actinien (18) aus den Jahren 1851 und 1860. Beide Forscher zerlegen die Körperwandung auf Grund von Flächen- ansichten und von Zerzupfungspräparaten in 2 Hauptlagen, in die Haut- und in die Muskelschicht, welche durch Maceration von einander abgelöst werden können. Unter der Muskelschicht ver- stehen sie unsere Stützlamelle mit der sie bedeckenden Musculatur und nehmen sie in derselben zwei sich kKreuzende Lagen von Ring- und Längsmuskelfibrillen an. Die Haut ist nach Hollard vier- schichtig, nach Gosse dreischichtig. Beide beschreiben zu äusserst ein polygonales Flimmerepithel; unter demselben lässt Hollard le corps pigmental, une couche de capsules-cylindracees und un fond d’elöments granulo-cellulaires folgen. Gosse dagegen spricht von einer unter dem Flimmerepithel gelegenen wahren Haut, die zahl- reiche Nesselzellen eingeschlossen hält und durch einen granulären Character sich auszeichnet, und zwischen dieser und der Muscu- latur zählt er noch eine besondere, die Färbung der Actinien be- dingende Pigmentschicht auf. Ein besseres Verständniss der Histo- logie der Actinien bahnte Kölliker (25) in seinen Icones histo- logicae durch den Nachweis an, dass sich zwischen beiden Epithel- lagen ein faseriges Bindegewebe findet. Seitdem unterscheiden alle neueren Autoren (Schneider und Rötteken (33), v. Heider (21)) am Körper der Actinien 3 Hauptschichten, deren jede für sich nun weiter untersucht werden soll. 1. Das Ektoderm. Bei Anwendung stärkerer Vergrösserungen kann das Ektoderm der Mundscheibe und der Tentakeln selbst wieder in drei weitere Schichten zerlegt werden. Die äussere ist die weitaus ansehnlichste und setzt sich aus ausserordentlich langen und feinen fast fadenför- 476 Oscar und Richard Hertwig, migen Epithelzellen zusammen. Zwischen den basaleu Enden der- selben liegt ein verhältnissmässig dünnes Stratum einer besonderen eigenthümlichen Substanz (n), die bei Anwendung der meisten Erhär- tungsflüssigkeiten auf Durchschnitten feinkörnig erscheint. Darauf folgt noch eine einfache Lage von Muskelfasern (m), welche die äus- sere Seite der Stützlamelle überziehen und auf Schnitten, die quer zu ihrer Richtung angefertigt sind, als dicht aneinandergereihte glän- zende Körner leicht sichtbar hervortreten. Wir bezeichnen die 3 Unterabtheilungen des Ektoderms als Epithel- Nerven- und Muskelfaserschicht. Diese Schichtenfolge im Ektoderm der Actinien hat neuerdings schon Heider (21 p. 337—396) in einer histologischen Unter- suchung der Sagartia troglodytes auf Durchschnitten richtig dar- gestellt und hat er das feinkörnige Stratum unter dem Namen der Interbasalsubstanz in die Histologie der Actinien ein- geführt. Indessen weicht Heider von unserer Darstellung in so fern ab, als er die Muskelfasern mit dem Stützblatt zusammen als Mesoderm bezeichnet. Auch Schneider und Rötteken thun dies in ihrer vorläufigen Mittheilung, in welcher sie dem faserigen Bindegewebe die Bedeutung eines Sarcolemms beilegen. Aus 2 Gründen erscheint uns die Eintheilung weniger passend. Erstens weil die Muskelfasern mit Ausnahme einiger weniger Ac- tinien nur locker der Oberfläche der Stützlamelle anhaften und nicht in dieselbe eingeschlossen sind, daher sich leicht abmaceriren lassen, und zweitens weil sie von Ektodermzellen abstammen, wie dies im ganzen Stamm der Coelenteraten sich noch so vielfach nachweisen lässt. Zum Mesoderm werden wir die Muskelfasern nur in den wenigen Fällen hinzurechnen, in denen sie in die Stützlamelle selbst mit eingeschlossen sind. a) Die Epithelschicht. Heider, der die Histologie der Actinien bis jetzt allein ausführlicher und ausgerüstet mit den neuen technischen Hülfsmitteln bearbeitet hat, unterscheidet im Epithel der Mundscheibe und der Tentakeln drei verschiedene Elemente, die Nessel-, Drüsen- und Flimmerzellen. Wir fügen hierzu noch als ein viertes Element die Sinneszellen, welche in grosser Anzahl über die genannten Körperstrecken verbreitet sind. Eine richtige Vorstellung von der Beschaffenheit der vier Zellformen ist nur dadurch zu gewinnen, dass man sie vollständig isolirt, was bei Anwendung des schon früher angegebenen Verfahrens gelingt. Zur Erleichterung der Untersuchung ist indessen auf einen Punkt noch besonders zu achten. In Folge der grossen Zusammenzie- Die Actinien. - 417 hungsfähigkeit, welche allen Körpertheilen der Actinien, besonders aber den Tentakeln zukommt, verändern alle Zellen ihre Dimen- sionen in grossem Maassstabe; es nehmen an contrahirten Theilen die schon an und für sich langen Ektodermzellen an Länge noch vie] mehr zu und verlieren dem entsprechend an Ausdehnung in den anderen Richtungen; sie können so zu langen Fäden werden, die bei starken Vergrösserungen sich durch &in ganzes Mikroskopfeld durch- ziehen. Dadurch wird ihr Studium erheblich erschwert. Abgesehen davon, dass die Zellfäden sich leicht ineinander schlingen, fallen auch die Unterschiede zwischen Flimmer- und Sinneszellen, wie sich weiter zeigen wird, geringer aus. Man wird demnach ein beson- deres Gewicht darauf zu legen haben, nicht contrahirte Gewebs- stücke zur Untersuchung zu erhalten. Auf zwei Wegen ist dieses Ziel zu erreichen, erstens durch die Auswahl einer passenden Ac- tinienart, welche sich durch eine geringe Reizbarkeit auszeichnet und ihre Musculatur nur langsam contrahirt, und zweitens durch künstliche Aufhebung der Reizbarkeit und Lähmung des Thieres. Eine indolente und daher für den vorliegenden Zweck vorzüglich geeignete Actinienart lernten wir in der kleinen Anthea cinerea ken- nen, welche an Algen angeheftet im Hafen von Messina in grosser Menge auftritt. Aus dem Wasser vermittelst des sie tragenden Algenfadens herausgenomnien zieht sie gewöhnlich ihre Tentakeln nicht zusammen und kann in die macerirende Flüssigkeit gebracht werden, ohne dass eine erhebliche Contraction ihres Körpers wie bei anderen Arten dadurch veranlasst wird. Für andere Actinien em- pfiehlt sich die schon beschriebene Chloroformbehandlung. Die einfachsten, weil am wenigsten differenzirten Elemente im Ektoderm der Actinien sind die Flimmerzellen, welche wir nach der in der Medusenarbeit angewandten Terminologie im Fol- genden auch als Stützzellen bezeichnen wollen. Sie kommen zahl- reich an allen Körperstellen vor und begegnen daher bei der Iso- lation dem Beobachter am häufigsten; sie sind schmale, bandartige Gebilde von einer Länge, die je nach dem Contractionszustand der Theile variirt. (Taf. XX. Fig. 1—3. Fig. 5, 6b.) Ihre grösste Breite gewinnen sie am peripheren Ende, welches einen schmalen festen Saum, eine dünne Cuticula, ausgeschieden bat und auf dem- selben zahlreiche Flimmerhaare trägt. Durch letztere Eigenschaft weichen die Stützzellen der Actinien von den Ektodermzellen der meisten Coelenteraten ab, bei denen bekanntlich fast stets nur Geisseln beobachtet werden. Von den Flimmern bemerkt Hei- der (21 p. 391), „dass sie ungemein zart und leicht zerstörbar 478 Oscar und Richard Hertwig, seien, dass sie bei der vorsichtigsten Behandlung des Objectes fast immer zu Grunde gehen und selbst bei Behandlung mit Os- miumsäure sich meist in eine jedes Detail verwischende dunkle Masse am freien Rand der Zelle verwandeln.“ Uns ist dies nicht in dem Maasse aufgefallen. In den zur Maceration angewandten Reagentien und später im Glycerin haben sich die Flimmern ebenso wie die Geisseln des Entoderms gut und lange Zeit er- halten. Die Verwandlung in eine dunkle Masse ist wohl die Folge einer zu langdauernden Anwendung und daher verbrennenden Wir- kung der Osmiumsäure. In einiger Entfernung vom peripheren Ende werden die Stützzellen schmäler und nehmen eine fadenför- mige Beschaffenheit an, um darauf an ihrer Basis in einer Weise, die für ihre Characteristik besonders wichtig erscheint, zu enden. Sie verbreitern sich nämlich plötzlich wieder zu einem kleinen Ke- gel, der mit seiner platten unteren Fläche der Muskellamelle aufsitzt und zur besseren Befestigung der Zelle auf ihrer Unterlage dient. Der kleine und ovale Kern liegt entweder im obern Drittel oder in der Mitte des Zellenleibes. Ausserdem enthält das Protoplasma zuweilen noch kleinere und grössere, wohl aus Fett bestehende Körnchen eingeschlossen. An stark contrahirten Theilen gehen die Zellenbänder (Taf. XX Fig. 5, 6) mehr in lange feine Fäden über, die sich nur noch an ihren beiden Enden etwas verbreitern, einmal in den zum Ansatz dienenden kegelförmigen Fuss und zweitens peripher nach der Cuticula zu, welche die Flimmern trägt. Da Heider eine vollständige Isolirung der Ektodermzellen bei seiner Behandlungsweise nicht erreichen konnte, giebt er uns nach Querschnitten nur eine unvollständige Beschreibung von der Beschaffenheit der Stützzellen und hat in Folge dessen auch ganz das Vorhandensein von Sinneszellen übersehen, deren Characteristik wir jetzt folgen lassen. (Taf. XX Fig. 1—4a). Die Sinneszellen finden sich im Ektoderm der Mund- scheibe und der Tentakeln, wie uns schien, überall ziemlich gleich- mässig vor; nur an der Spitze der Tentakeln mochten sie viel- leicht in grösserer Anzahl vorhanden sein. Einen vollständigeren Einblick in ihre Vertheilung zu gewinnen, war uns nicht möglich, da man bei Durchmusterung des Ektoderms von der Fläche seine einzelnen Elemente nicht von einander unterscheiden kann. Die Sinneszellen sind äusserst fein und fadenförmig. Ihr Kern liegt entweder in der Mitte des Fadens, oder er ist mehr an die Basis herabgerückt. Da in seiner Umgebung das Protoplasma sich im- mer stärker ansammelt, zeigt im ersten Falle die Sinneszelle in Die Actinien. 479 ihrer Mitte eine spindelförmige Verdickung und verlängert sich in einen feinen peripheren und centralen Fortsatz, im zweiten Fall besitzt sie die Verdickung an der Basis und sendet einen um so längeren Fortsatz nach der Peripherie aus. Indessen lässt sich hierauf eine scharfe Scheidung der Sinneszellen in 2 Grup- pen nicht durchführen, da zwischen beiden Formen Uebergänge nachgewiesen werden können. Die Verschiedenheit, die nach dem Gesagten schon im ganzen äusseren Habitus zwischen Sinneszellen und bandartigen fadenförmigen Stützzellen zu Tage tritt, wird noch durch zwei weitere wichtige Merkmale erheblich gesteigert. Während die Stützzellen an ihrem peripheren Ende mit zahlrei- chen Flimmern besetzt sind, verlängert sich die Sinneszelle an ih- rer Oberfläche gewöhnlich nur in ein einziges feines Haar; (hier und da wurden auch deren zwei beobachtet). Während ferner die Stützzellen basalwärts mit einer Verbreiterung enden, gehen die Sinneszellen in zahlreiche feine Fibrillen über und hängen durch dieselben, wie sich weiter zeigen wird, direct mit einem Nervenfa- sergeflecht zusammen. Das Maass, bis zu welchem sich die feinen Fibrillen isoliren lassen, ist ein sehr verschiedenes und richtet sich nach der Conservirung und dem Grad der Maceration sowie nach der Vorsicht und Geduld, mit der man bei der Lostrennung der Elemente durch Zerklopfen verfährt. An zu stark erhärteten Präparaten sind die Sinneszellen an ihrer Basis abgerissen und enden daher einfach zugespitzt, bei guter Isolation verlängern sie sich dagegen noch in 2 bis 3 bald kürzere bald längere Fibrillen, die hie und da in Folge von Quellung kleine Auftreibungen be- sitzen. An unseren besten Präparaten (Fig. 1 u. Fig. 3a) liessen sich diese Nervenfädchen auf grosse Strecken, welche die Länge der Zelle selbst noch übertrafen, in Zusammenhang erhalten und konnten alsdann an ihnen auch feinste seitliche Zweige, welche die Grenze des Wahrnehmbaren erreichen, beobachtet werden. An denjenigen Sinneszellen, welche in ihrer Mitte den Kern in einer spindelförmigen Auftreibung enthalten, entstehen die Nervenfibrillen durch Theilung aus dem centralen Fortsatz, bei den Formen da- gegen mit basal gelegenem Kern nehmen sie direct aus der an dem Kern angehäuften Protoplasmamasse ihren Ursprung. Ein gewöhnliches und zugleich recht instructives Bild, wel- ches Isolationsversuche ergeben, sind kleine Gruppen verschieden- artiger Epithelzellen, welche an ihren peripheren Enden vermit- telst ihrer Cuticula fester zusammenhalten, mit ihren centralen Enden dagegen sich von einander losgelöst haben und nun wie die 480 Oscar und Richard Hertwig, Haare eines Pinsels nach entgegengesetzten Richtungen auseinan- der weichen. (Taf. XX Fig. 2). An solchen Präparafen sieht man Stütz- und Sinneszellen nebeneinander, erstere in grösserer An- zahl, letztere mehr vereinzelt und zwischen den andern oft ver- steckt. Zuweilen haftet eine Sinneszelle (a) dabei einer Stützzelle (b) in ganzer Länge noch innig an und kann dann durch fortge- setztes Klopfen auf das Deckglas abgelöst werden. Gewöhnlich behält die letztere ihre grade Form bei, während die feinere Sin- neszelle bei jeder Erschütterung im Wasser hin und her flottirt, sich umbiegt und sich leicht mit anderen Zellen um so mehr, je länger ihre Nervenfibrillen erhalten sind, verschlingt. Eine dritte Zellenform, welche im Ektoderm der Mund- scheibe und mehr noch an den Tentakeln in grosser Menge vor- gefunden wird, sind die Nesselzellen. (Taf. XX Fig. 2 u. Fig.5ec). Die Kapseln derselben liegen, wie Heider (21 p. 387) auch angiebt, dicht unter der Cuticula im peripheren Ende der Zelle; sie werden nur von einer sehr dünnen Protoplasmahülle umschlossen, welche noch den kleinen leicht zu übersehenden Kern birgt. Nach abwärts verlängert sich die Protoplasmahülle in einen dünnen Faden, der ab und zu eine kleine körnige An- schwellung aufweist. An guten Isolationspräparaten erreicht der Faden eine beträchtliche Länge und löst sich zuweilen noch in eine Anzahl feiner Fibrillen auf, in ähnlicher Weise, wie es die Sinnes- zellen thun. Durch derartige Befunde wird es uns wahrscheinlich gemacht, dass die Nesselzellen gleichfalls mit dem Nervensystem zusammenhängen. Die vierte Zellenform des Ektoderms, welche drüsiger Na: ist, übergehen wir hier und verweisen wir in Betreff derselben auf den dritten Abschnitt, welcher über das Schlundrohr handelt. Um die Beschreibung der Epithelschicht des Ektoderms zu vervollständigen, mögen hier noch Beobachtungen folgen, welche am lebenden Thier über die Flimmerbedeckung der Körper- oberfläche angestellt wurden. Heider (21 p. 392) unterscheidet am lebenden Tentakel, wenn man bei starken Vergrösserungen den Rand desselben untersucht, zweierlei verschiedene Fortsätze. „Die einen sind niedrig, starr, kegelförmig, 0,005—0,006 Mm. hoch, fast wasserhell und erweisen sich als Cnidocils der darunter lie- genden Nesselkapseln; die anderen, drei bis viermal so langen, dünnen, zarten und cylindrischen Fortsätze bewegen sich pendel- artig hin und her“ und gehören den Flimmerzellen des Ektoderms an. Heider’s Angaben glauben wir dadurch noch weiter ergän- zen zu können, dass wir 3 verschiedene Fortsatzbildungen der Die Actinien. 481 Ektodermzellen an den Tentakeln von Anthea beobachtet haben. (Taf. XIX Fig. 11). Erstens sind lange zarte Flimmern, die in grosser Anzahl je einer Flimmerzelle angehören, über die ganze Oberfläche verbreitet. Sie sind nach der Richtung des Flimmer- stroms umgekrümmt, sind in beständig schlängelnder Bewegung begriffen und daher einzeln in ihrer ganzen Länge nicht scharf zu sehen. Dazwischen erheben sich zweitens die von Heider als Cnidocils gedeuteten Gebilde Es sind kleine schmale Kegel, die an ihrem freien Ende abgestutzt sind und bei starken Ver- grösserungen eine Längsstreifung erkennen lassen. Die letztere tritt bei Osmiumzusatz deutlicher hervor und es lösen sich dabei zuweilen die Kegel in ein Bündel einzelner Härchen auf. Sie sind daher weiter nichts als eine Anzahl unter einander verklebter Flimmern. Auch uns ist es wahrscheinlich, dass sie den Nessel- zellen angehören und die Stelle von Cnidocils vertreten, welche bei den übrigen Coelenteraten einfache und steife Borsten sind. Die dritte Fortsatzbildung endlich, welche nur an den Tentakeln wahrgenommen werden konnte, sind lange Fäden, die grade ge- streckt oder leicht gebogen über die flimmernde Oberfläche her- vorragen. Entweder stehen sie ganz isolirt, oder was häufiger der Fall ist, sie lehnen sich mit ihrer Basis einem Kegel zusammen- geklebter Flimmern an, so dass sie dessen Verlängerung zu bil- den scheinen. Wir glauben nicht zu irren, wenn wir die in ihrer Zartheit den Flimmern gleichenden, aber unbeweglich hervor- stehenden Fäden mit den Sinneszellen in Verbindung bringen und demgemäss als Tasthaare deuten. Alle drei Fortsatzbildun- gen des Integuments sind wohl. gemeinsamen Ursprungs in der Weise, dass die Flimmerkegel und Tasthaare nur Modificationen der Flimmern sind. Was die Richtung der Flimmerbewegung an- langt, so beobachteten in übereinstimmender Weise sowohl Gosse als Heider, welcher die Bewegung von im Seewasser suspendir- ten Anilinkörnchen verfolgte, dass der durch die Flimmern er- zeugte Strom vom Munde hinweg längs der Radien zu den Ten- takeln und an diesen aufwärts bis zu deren Spitze geht. b) Die Nervenfaserschicht. Von besonderer Wichtig- keit wurde für uns das Studium des feinkörnigen Stratum, welches sich zwischen Epithel- und Muskellamelle einschiebt. Heider (21 p-. 593) untersuchte das Stratum nur an Querschnitten und be- merkt hierüber, dass es von den zahlreichen mit ganglienartigen Erweiterungen versehenen Fortsätzen der darüber gelegenen Nes- sel- und Drüsenzellen quer durchzogen wird. Dagegen konnte Bd. XI. N. F. VI, 3. 31 482 Oscar und Richard Hertwig, er in ihm selbst keine besonderen Elemente, weder Zellen noch auf faserige Structur hinweisende Streifen auffinden. Für nervös glaubte er das Stratum nicht halten zu dürfen, wie er denn Ner- ven oder auch nur als solche allenfalls zu deutende Elemente in keinem Theile von Sagartia beobachtete. Im Gegensatz hierzu hat sich aus unseren Untersuchungen ergeben, dass Heider’s sogenannte Interbasalsubstanz selbst eine sehr schön entwickelte Nervenfaserschicht ist. Beginnen wir ihr Studium mit der Betrachtung von Querschnitten. (Taf. XIX Fig. 5 u. Fig. 7n). An Präparaten, welche eine halbe Stunde in !/, °/, Osmium- säure gehärtet und in Picrocarmin gefärbt worden waren, setzt sich die Nervenfaserschicht sehr scharf und deutlich von den üb- rigen Lagen ab; sie erscheint äusserst feinkörnig und in einer grünlich grauen Färbung, sie bietet mithin ganz denselben An- blick dar, wie Querschnitte durch den Nervenring der Medusen oder durch die Leydig’sche Punktsubstanz aus den Ganglien von Würmern und Arthropoden, wenn dieselben einer gleichen Behand- lung ausgesetzt waren. Die Schicht ist an der Mundscheibe (Taf. XIX Fig. 7n), stärker als an den Tentakeln (Taf. XIX Fig. 5n); sie wird, wie Heider richtig bemerkt hat, von den basalen En- den einzelner Epithelzellen durchbohrt, welche nach den Ergeb- nissen der Isolationsmethoden zu urtheilen nur Stützzellen sein können, die sich mit ihrem verbreiterten Fuss auf der Muskel- lamelle festsetzen. Etwas verschieden fällt der Anblick der. Ner- venfaserschicht aus, wenn die Erhärtung der Objecte in Kleinen- berg’s Pierinschwefelsäure vorgenommen wurde. Da in diesem Rea- gens die Gewebe nicht so stark und gleichmässig wie es in Os- miumsäure der Fall ist, gerinnen, erscheint die Nervenfaserschicht nicht feinkörnig, sondern mehr äusserst zart fibrillär. Die Fibril- len schlängeln sich unentwirrbar durch die basalen Enden der Stützzellen hindurch und ihr Hauptzug überbrückt hierbei kleine Einfaltungen der Muskellamelle, indem nur spärlichere Fibrillen sich in die Tiefe bogenförmig hinabbiegen. Auch besonders geartete Zellen fehlen, wie schon Quer- schnitte durch die Mundscheibe (Taf. XIX Fig. 7g) erkennen las- sen, unserer Nervenfaserschicht nicht. Oft sind es recht ansehn- liche, entweder halbkuglige oder mehr spindelförmige Protoplasma- körper mit einem grossen runden Kern und Kernkörper. Wie kleine Höcker sitzen sie mit ihrer abgeplatteten Seite der dem Epithel zugewandten Oberfläche der Nervenfaserschicht auf; sie liegen somit Die Actinien. 483 ganz in der Tiefe des Ektoderms subepithelial und erweisen sich schon hierdurch als Elemente, die zur Epithelschicht nicht mehr hinzugerechnet werden können. Dass wir es in der That mit Ganglienzellen zu thun haben, werden uns weitere Befunde alsbald lehren. Volle Klarheit über die Beschaffenheit und Bedeutung der schon an Querschnitten nachweisbaren Gebilde, der Nerven- schicht und der auf ihr gelegenen Ganglienzellen, wird durch die Anwendung geeigneter Isolationsmethoden gewonnen. An Mundscheiben und Tentakeln, die 3—5 Minuten im Osmium- Essigsäuregemisch gelegen haben, lässt sich gewöhnlich nach 12 — 24 Stunden, nach deren Verlauf wir die Untersuchung vorzu- nehmen pflegten, die Nervenfaserschicht mit dem sie bedeckenden Epithel von ihrer Unterlage ablösen. Bei guter Maceration ist dies in dem Grade möglich, dass man die Tentakelaxe aus ihrer Epithelhülse wie die Finger aus einem Handschuh herausziehen und ebenso von der Mundscheibe die Epithellamelle oft als ein einziges zusammenhängendes Stück vorsichtig abpräpariren kann. Durch Zerzupfen derartiger Ektodermlamellen erhält man grössere und kleinere Epithelstückchen, an deren unterer Fläche die Ner- venfaserschicht noch anhaftet und hier und da über den Rand frei hervorsieht, und man erkennt jetzt, dass letztere aus einem Gewirr feinster Fibrillen besteht, die sich in allen Richtungen durch einander schlängeln. Die durch Zerzupfen erhaltenen Prä- parate sind dann noch weiter zu verwerthen. Durch vorsichtiges Klopfen auf das Deckglas suche man von der Fibrillenmasse nach und nach die ihr anhaftenden Epithelzellen abzulösen; indem man dabei von Zeit zu Zeit an den einen Rand des Deckgläschens Was- ser zusetzt, an dem entgegengesetzten Rand aber in demselben Maasse durch ein Stückchen Fliesspapier den Ueberschuss wieder entfernt, schwemme man von der Nervenschicht die Epithelzellen hinweg, die sich durch fortgesetztes Klopfen abgelöst haben. In dieser Weise können Präparate angefertigt werden, welche einen Zusammenhang zwischen der Nervenfaserschicht und einzelnen Ele- menten der Epithelschicht zur Anschauung bringen. (Taf. XX Fig. 4). Denn wenn man jetzt die bei der vorgenommenen Mani- pulation hängen gebliebenen Epithelzellen durchmustert, so ge- wahrt man, dass es meist Sinneszellen (a) sind und dass ihr fe- sterer Zusammenhang durch ihre feinen Ausläufer bedingt wird, welche sich in die Nervenfaserschicht hineinsenken. 31° 484 Oscar und Richard Hertwig, Die Ganglienzellen erhält man in isolirtem Zustande durch sorgfältiges Zerzupfen macerirter Ektodermstückchen, welche ge- eigneten Regionen des Körpers entnommen werden müssen. Im Ektoderm der Tentakeln sind sie durch Zerzupfen sehr selten auf- zufinden. Nur hie und da treten in der Fibrillenmasse kleine kernhaltige Protoplasmaklümpchen auf, die von ihrer Oberfläche 3—5 Ausläufer entsenden, welche selbst wieder sich in noch fei- nere Fäserchen fortsetzen können. Zu ungleich besseren Resultaten führt die Untersuchung der Mundscheibe und namentlich solcher Partieen, welche der Nachbarschaft der Tentakeln angehören. Auch ist es nicht ganz gleichgültig, welche Actinienart man zum Studium des Nervensystems gewählt hat. Wir haben drei verschiedene Arten, Anthea cereus, Adamsia diaphana und Sagartia parasitica gleich sorgfältig untersucht, und lieferte uns unter ihnen weitaus die besten Präparate die Sagartia parasitica, auf welche sich daher auch im Folgenden unsere Beschreibung hauptsächlich stützen wird. Hier isoliren sich aus der Nervenfaserschicht Ganglienzellen von einer so beträchtlichen Grösse und mit so zahlreichen Ausläufern, wie wir es noch bei keinem andern Coelenteraten beobachtet haben. Die Ganglienzellen der Mundscheibe sind (Taf. XIX, Fig. 10, 12, 16. Taf. XX, Fig. S—11), wenn man von den weib- lichen Geschlechtsproducten absieht, die grössten histologischen Elementartheile im Körper der Actinien und stehen in jeder Be- ziehung in einem ausgesprochenen Gegensatz zu den feinen und fadenförmigen Epithelzellen. Ihr in Osmiumsäure sich leicht bräu- nendes Protoplasma ist von feinen Körnchen durchsetzt und birgt einen entsprechend grossen meist kugeligen Kern mit einem auf- fallend grossen Kernkörper. Ihr Kern gewinnt hierdurch eine ge- wisse Aehnlichkeit mit dem Keimbläschen junger Eier, eine Aehn- lichkeit, die sich ja im ganzen Thierreich wiederholt und schon öfters hervorgehoben worden ist. Von dem bald kugligen, bald mehr unregelmässig geformten Protoplasmakörper entspringen zahl- reiche Ausläufer zum Theil von recht ansehnlicher Stärke und nicht unbedeutender Länge. Einige von ihnen gabeln sich noch in feinere Fortsätze oder geben seitlichen Fibrillen den Ursprung. Unter ihnen konnte ein besonderer, etwa dem Axenfortsatz der Wirbelthiere vergleichbarer Ausläufer nicht unterschieden werden. Für die durch Zerzupfung zuerst aufgefundenen grossen Gang- lienzellen suchten wir später auch noch ihre topographische Ver- breitung festzustellen; dies führte uns allmählich zur Ausbildung Die Actinien. 485 einer besondern Präparationsweise, die ebenso rasch wie sicher in die Topographie und Histologie des Nervensystems der Actinien einen vollständigen Einblick gewährt und alle übrigen Methoden geradezu überflüssig macht, indem sie die Vorzüge aller in sich vereinigt. Eine Epithellamelle mit der unter ihr gelegenen Nerven- faserschicht, die in der schon angegebenen Weise von der Muscu- latur und Stützlamelle der Mundscheibe abpräparirt worden ist, wird auf dem Objeetträger, mit der Nervenschicht nach unten, glatt ausgebreitet, dann die Flüssigkeit (Wasser oder verdünntes Glycerin) entfernt, sodass das Präparat immer nur angefeuchtet bleibt. Die Lamelle legt sich jetzt dem Objeetträger überall an und wird durch einen Zug an den Rändern, den man am besten mit einem feinen Haarpinsel ausübt, noch allseitig recht straff an- gezogen. Nun beginne man mit einem nassen Pinsel vorsichtig von der Mitte der Lamelle über ihre Oberfläche nach den Rändern hinzufahren. Die Epithelzellen werden hierbei mehr und mehr aus ihrer Lage gebracht, lösen sich zu kleinen Gruppen vereint von ihrer Unterlage ab und werden durch einen Tropfen Flüssig- keit, den man ab und zu auf die Mitte des Präparates setzt, voll- kommen nach den Rändern weggeschwemmt und entfernt. Auf diese Weise wird die Nervenfaserschicht, wenn die Maceration gut ge- lungen war, auf immer grössere Strecken freigelegt und kann für sich allein fast vollkommen unversehrt in der Art dargestellt wer- den, dass ihr nur hie und da noch Epithelzellen oder Gruppen von solchen anhaften bleiben. Je mehr man noch diese letzten Reste zu entfernen sucht, um so mehr läuft man natürlich auch Gefahr einzelne Ganglienzellen mit abzustreifen. Bei der Fertig- stellung des Präparates achte man auch besonders darauf, dass die Nervenfaserschicht überall gleichmässig und gut ausgespannt ist. Denn es treten die Nervenfibrillen, wenn sie grade gestreckt verlaufen, viel schärfer hervor und können im Geflecht auf grössere Strecken verfolgt werden, als es ohnedem der Fall ist. Durch das angegebene Verfahren konnten 1—2 Centim. grosse Stücke von der Nervenfaserschicht der Mundscheibe bei Sagartia und Anthea vom Epithel gereinigt werden. In Glycerin sind die Präparate lange Zeit conservirbar und liessen sie sich so auch anderen Fach- genossen demonstriren. Bei stärkeren Vergrösserungen betrachtet erscheint die Nerven- faserschicht (Taf. XX, Fig. 6 und Fig. 7) als ein ungemein dichtes, überall ziemlich gleichmässig entwickeltes Netzwerk von Fibrillen, 486 Oscar und Richard Hertwig, die in mehreren Lagen übereinander sich in den verschiedensten Richtungen in einer Ebene durchkreuzen und nur kleine Maschen freilassen, durch welche die Stützzellen, wie Querschnitte zeigten, hindurchtreten. Bei Sagartia (Taf. XX, Fig. 7) ist sie dicker und dichter als bei den andern zwei noch untersuchten Arten (Taf. XX, Fig. 6). Der Hauptmasse nach sind die Fibrillen von grosser Feinheit; nur wenige sind stärker und diese können dann auf weite Strecken, oft durch mehrere Mikroskopfelder hindurch, verfolgt werden. Die Fibrillen bestehen aus einer quellbaren Substanz und sind daher hie und da mit kleinen Auftreibungen versehen, was um so mehr der Fall ist, je weniger die Osmiumsäure, die eine momentane Gerinnung ohne Quellung hervorruft, zur Gel- tung gekommen ist. In und auf der Nervenschicht liegen Ganglienzellen von der verschiedensten Form und Grösse, welche nun in situ untersucht und bis in ihre feinsten Ausläufer verfolgt werden können. Theils sind es bipolare, theils tri- und multipolare Gebilde. Die bipolaren Ganglienzellen (Taf. XX, Fig. 6. 7.10.11), welche im Allgemeinen seltener beobachtet werden, kommen in allen Grössen vor, besitzen eine spindlige Form und verlängern sich an jedem Ende in eine Nervenfibrille, der man auf weite Strecken nachgehen kann, ohne dass sie seitliche Aestchen abgiebt oder sich theilt. Von den grösseren bipolaren Elementen rühren wohl hauptsächlich die stärkern Fasern her, die in geradem Ver- lauf und in gleichbleibender Stärke das Fibrillennetz durchsetzen. Die tripolaren Ganglienzellen (Taf. XX, Fig. 6, 7, 8, 9; Taf. XIX, Fig. 10 und Fig. 12 (2)) finden sich häufiger, kommen in allen verschiedenen Grössen vor und lassen gewöhnlich von dem Protoplasmakörper nach drei entgegengesetzten Richtungen die drei Nervenfibrillen ausstrahlen. Die multipolaren Ganglienzellen (Taf. XIX, Fig. 10, 12, 16; Taf. XX, Fig. 6 u. 7) endlich scheinen uns im Durchschnitt sowohl an Zahl zu überwiegen als auch die ansehnlichsten Dimen- sionen zu erlangen. Ihre Gestalt ist eine besonders characte- ristische. Ihr Körper nämlich erhebt sich buckelartig über die Oberfläche der Nervenschicht und geht zuweilen noch in einen stumpfen Fortsatz über, der sich in die Epithelschicht hinein- drängt. Ganglienzellen der letzteren Art (Taf. XIX, Fig. 12) ver- mitteln einen Uebergang zu den Sinneszellen mit basalgelegenem Kern und können als Beleg gelten für die schon früher von uns gewonnene und motivirte Ansicht, dass die Ganglienzellen ur- Die A ctinien. 487 sprünglich in der Epithelschicht selbst gelegen und als Sinnes- zellen functionirt haben und erst nachträglich mit Aufgabe der letzteren Function und mit Veränderung ihrer Form in die Tiefe unter das Epithel gerückt sind, wie Gleiches sich an den Epithel- muskelzellen vollzogen hat. Die glatte Basis der multipolaren Ganglienzellen breitet sich auf der Nervenschicht aus und ent- sendet nach allen Richtungen 4—6 Nervenfibrillen, unter denen einige oft von ansehnlicher Stärke sind und sich alsbald nach ihrem Ursprung noch weiter verästeln. So sitzt die multipolare Ganglienzelle mit ihrem buckelförmigen Körper und ihren vielen Ausläufern im Nervenfasergeflecht, wie eine Spinne in ihrem Netz. Zu bemerken ist noch, dass in einer Ganglienzelle ab und zu an- statt eines einzigen Kernes auch deren zwei (Taf. XX, Fig. 8) vor- kommen. Zu dem grossen Vortheil, den gute Pinselpräparate dadurch bieten, dass sie eine Beobachtung der Theile in situ ermöglichen, gesellen sich noch zwei weitere Vortheile hinzu. Erstens ist an unseren Präparaten in schönster Weise der Zusammenhang der Nervenschicht mit den Sinneszellen des Epithels demonstrirbar. Wie schon bemerkt, bleiben beim Abpinseln theils Epithelstückchen, theils isolirte Zellen der Nervenschicht anhaften (Taf. XX, Fig. 7a). Letztere legen sich dann um und stellen sich in der Flüssigkeit flottirend mit ihrer Längsaxe schräg zur Ebene des Objectträgers. Es sind fast durchweg Sinneszellen mit vorwiegend basal gelegenem Kern. Von ihrer Basis kann man deutlich 2 Nervenfibrillen ausgehen und in die Nervenschicht ein- treten sehen und wenn man nach geeigneten Stellen sucht, kann man dieselben auf eine bald kürzere bald längere Strecke im Fibrillennetz weiter verfolgen. Der zweite Vorzug ist endlich darin zu suchen, dass es allein an Pinselpräparaten möglich ist, in die Vertheilung der Gang- lienzellen innerhalb der Nervenfaserschicht einen siche- ren Einblick zu gewinnen. Unsere Untersuchung führte uns hier zu folgendem Ergebniss: Die grössten und zahlreichsten Ganglienzellen finden sich an der Basis der in mehreren Kreisen angeordneten Tentakeln und auf den Strecken zwischen ihnen vor. Vom Tentakelkranz gehen dann Strei- fen ziemlich dicht zusammengelagerter Ganglienzellen aus; sie sind durch kleine Abstände von einander getrennt, convergiren radien- artig nach der Mundöffnung zu und verlieren sich in einiger Ent- fernung von derselben. Im Bereich dieser Streifen beobachteten 483 Oscar und Richard Hertwig, wir einen festeren Zusammenhang der Epithel- und Nervenschicht, was vielleicht durch einen grösseren Reichthum an Sinneszellen veranlasst sein könnte. Auch treten hier vorzugsweise die grossen bipolaren Ganglienzellen auf und entsenden ihre beiden starken und sich nicht theilenden Fortsätze in der Richtung der Radien. In den dazwischen liegenden Regionen der Mundscheibe sind die Ganglienzellen spärlicher und meist auch kleiner, dagegen ist eine Abnahme in der Dichtigkeit der Nervenfaserschicht nicht zu be- merken. In derselben Weise wie von der Mundscheibe lassen sich auch von den Tentakeln Pinselpräparate anfertigen, wenn man das handschuhfingerartig abgezogene Epithelhäutchen aufschneidet und platt ausbreitet; doch stösst eine vollständige Erhaltung der Ner- venschicht auf grössere Schwierigkeiten, da sie am Tentakel dünner ist und in Folge dessen beim Abpinseln des Epithels leichter ein- reisst. Es genügt hier kurz hervorzuheben, dass die sich ebenfalls durchkreuzenden Nervenfibrillen zum grössten Theil parallel oder rechtwinkelig zur Tentakelaxe verlaufen, dass Ganglienzellen in sehr geringer Anzahl beobachtet werden und nie zu jener ansehn- lichen Grösse wie im Bereich der Mundscheibe heranwachsen. c) Die Muskelschicht. Bei fast allen Actinien folgt un- mittelbar auf die Nervenschicht die Muskellamelle (Taf. XIX Fig.5m), welche von Schneider und Rötteken, sowie von Heider zur mittleren Körperschicht, von uns noch zum Ektoderm gerechnet wird. Sie besteht aus langen und sehr dünnen glatten Fasern, die in einfacher Schicht dicht neben einander lagern. Eine jede Faser (Taf. XXI Fig. 7) zeigt in ihrer Mitte, wie das zu- erst Schwalbe (39 p. 209) in seinem Aufsatz über den feineren Bau der Muskelfasern wirbelloser Thiere beschrieben hat, eine kleine Anhäufung von Protoplasma, welche den Muskelkern einschliesst. An dem Tentakel verlaufen die ektodermalen Fasern seiner Längs- axe nach, sie ruhen auf der platten Oberfläche der Stützlamelle, welche sich an contrahirten Tentakeln in kleine Längsfalten legt. An macerirten Präparaten sind sie leicht ablösbar, haften aber immerhin ihrer Unterlage fester an als der Epithelschicht, die sich schon beim leisesten Zug abheben lässt. Die Längsmuskeln der Tentakeln gehen an der Basis der letzteren in die Muskeln der Mundscheibe über, welche in radialer Richtung nach dem Munde zu verlaufen und am Lippenrand in einer Weise enden, welche im Abschnitt über das Schlundrohr noch genauer beschrieben werden soll. Bei den Antheen liegen die radialen Muskelfasern der Mund- Die Actinien. 489 scheibe auf der Stützlamelle nur oberflächlich auf, bei Sagartia parasitica dagegen und ganz besonders bei Actinoloba dianthus sind sie mit derselben inniger verbunden und lassen sich nur schwer isoliren, da sie, wie an Querschnitten zu sehen, zum Theil in die fibrilläre Grundsubstanz eingebettet sind (Taf. XIX Fig. 7). Auch hier sind die einzelnen Muskelfasern mit ihren besonderen Kernen versehen. Von dem gewöhnlichen Verhalten abweichende Verhältnisse hat uns Tealia crassicornis dargeboten, insofern bei ihr die longitudinalen Muskelfasern der Tentakeln nicht mehr dem Ektoderm, sondern unzweifelhaft dem Mesoderm angehören. Wir kommen hierauf bei Besprechung des letzteren zurück. %2. Das Mesoderm. Nachdem wir im Gegensatz zu früheren Forschern die äussere und innere Muskellamelle zum Ektoderm und Entoderm hinzuge- rechnet haben, besteht nunmehr das Mesoderm der Actinien, mit Ausnahme weniger Arten, einzig und allein aus einer überall ziem- lich gleichartig beschaffenen Stützsubstanz (Taf. XIX Fig. 5, 3). Dieselbe wurde von ältern Naturforschern stets für Musculatur gehalten, wie z. B. Milne Edwards (32 p. 9) in seiner Mono- graphie und in ähnlicher Weise viele Andere von einer tunique musculaire sprechen, die nach aussen von einer tunique cutande, nach innen von einer tunique muqueuse begrenzt werde. Eine rich- tige Auffassung datirt erst von dem Erscheinen der Icones histo- logicae. Hier beschreibt Kölliker (25 p. 116) in zutreffender Weise die Stützsubstanz der Actinien und behandelt sie unter dem faserigen Bindegewebe der Coelenteraten. Schneider und Rötte- ken (38) legen ihr, man sieht nicht ein aus welchem Grunde, die Bedeutung eines Sarcolemms bei. Heider (21) hat in neuester Zeit ihre Beschaffenheit an den verschiedenen Stellen des Körpers am meisten gewürdigt. Zur bequemen Untersuchung des Mesoderms eignen sich be- sonders die Tentakeln, da es hier nur eine dünne Schicht zwischen Ektoderm und Entoderm bildet und sich leicht von diesen beiden ganz frei präpariren lässt (Taf. XXI Fig. 3). Man erhält dann ein überall gleichmässig dickes Häutchen, das aus feinen durch eine homogene Zwischensubstanz verbundenen Fasern besteht. Zwi- schen den Fasern liegen zahlreiche kleine theils stern- theils spin- delförmige Bindegewebszellen, die in lange und dünne sich verä- stelnde Ausläufer übergehen und in ihrem spärlichen Protoplasma Fettkörnchen einschliessen. Bei verschiedener Einstellung des Mi- 490 Oscar und Richard Hertwig, kroskops kann man an der Stützlamelle von Anthea und Sagartia 2 Schichten, eine äussere und eine innere, erkennen, die sich durch eine verschiedene Richtung ihrer Bindegewebsfibrillen und ihrer Zellen von einander absetzen. In der äussern dünnen Schicht ver- laufen die Fibrillen, den Muskelfasern parallel, in der Längsaxe des Tentakels, in der innern Schicht dagegen kreuzen sie jene unter rech- tem Winkel und schliessen sich so dem Verlauf der entodermalen Muskelfasern an. In jeder Schicht wird dann wieder durch die Lage der Fibrillen die Richtung der Bindegewebszellen und ihrer Ausläufer bestimmt. Beim Uebergang in die Mundscheibe erfährt das Mesoderm eine beträchtliche Zunahme in seiner Dicke und setzt sich aus zahlreichen dünnen Fibrillenlagen zusammen, die sich durch- flechten und ein dichtes filzartiges Gewebe bilden, das sich mit Nadeln nicht in seine Fasern zerlegen lässt. Nach der ektodermalen Musculatur zu, die bei Sagartia zum Theil in die Stützlamelle ein- gebettet ist, wird das Gewebe der sich durchflechtenden Fibrillen etwas lockerer (Taf. XIX Fig. 7). Weitere Besonderheiten sind nicht hervorzuheben. Auf ein interessantes Verhalten an den Tentakeln von Tealia crassicornis wurden wir durch die vorläufige Mittheilung von Schneider und Rötteken (38) aufmerksam gemacht. Nach der kurzen Angabe derselben sind bei Tealia die longitudinalen Muskelfasern in die Stützsubstanz, welche sie Sarcolemm nennen, eingeschlossen und bilden cylindrische aus einer fibrillären Rin- densubstanz und einer interfibrillären Marksubstanz bestehende Muskelprimitivbündel. Herr Rötteken, der sich vorüberge- hend in Jena aufhielt, war so freundlich, uns nicht nur mit einigen seiner gut ausgeführten Zeichnungen bekannt zu machen, sondern auch Exemplare von Tealia zur Verfügung zu stellen, an welchen wir uns selbst über mehrere abweichende Punkte ihrer Or- ganisation Aufklärung verschaffen konnten. Anden Tentakeln (Taf. XVII Fig. 12) ist die faserige Stützsub- stanz (s) mächtiger als es bei den Actinien sonst der Fall ist, ent- wickelt und mit Bindegewebszellen reichlich versehen. In ihrem äus- sern Drittel etwa schliesst sie zahlreiche Bündel von longitudinal verlaufenden Muskelfasern ein, deren Querschnitt bald rund, bald oval, bald glatt contourirt, bald wieder mit seitlichen Ausbuchtun- gen versehen ist. Die Bündel grenzen, nur durch dünne Binde- gewebssepten getrennt, dicht aneinander und sind an manchen Stellen in einer Lage, an anderen wieder in zwei bis drei Lagen Die Actinien. 491 angeordnet, vom Ektoderm werden sie nur durch einen schmalen Bindegewebssaum geschieden. An jedem Bündel unterscheidet man eine centrale körnige Substanz, in welcher hier und da ein Kern wahrgenommen wird, und nach aussen von ihr einen Mantel von Muskelfasern, die eine einzige Schicht bilden und unmittelbar an das umhüllende Bindegewebe angrenzen. Nicht selten sahen wir an unseren Querschnitten dieses und jenes Muskelbündel durch einen kleinen Kanal in der Stützsubstanz mit dem Ektoderm in Verbindung stehen. Da im Kanal oftmals ein fibrillärer Strang oder eine Zelle eingeschlossen war, werden wir auf solche Bilder gestützt wohl in der Annahme nicht irren, dass Nervenfibrillen einzeln oder in Stränge vereint aus der Nervenschicht zu den Muskelbündeln übertreten. Im Vergleich zu andern Actinien liegt bei Tealia, wie auch Schneider und Rötteken angeben, ohne Frage eine höhere Entwicklung der Muskulatur vor. Ursprünglich ektodermal ent- standene Fasern sind in die Stützlamelle hineingerückt und da- durch mesodermal geworden, wobei sie an Masse bedeutend zuge- nommen haben. In Folge dessen wird nun auch bei Tealia das Ektoderm nur aus zwei Schichten gebildet, aus den langen faden- förmigen Epithelzellen und aus der Nervenschicht, welche unmit- telbar auf der mit kleinen Falten besetzten Stützlamelle ruht. 3. Das Entoderm. Das Entoderm der Actinien, welches sich von allen übrigen Thieren gar wesentlich unterscheidet, ist bis jetzt in seinen histo- logischen Eigenschaften noch wenig erkannt und in seiner all- gemeinen Bedeutung noch gar nicht gewürdigt worden. Und doch bietet es uns Verhältnisse dar, die für eine vergleichende Gewebe- lehre und für die Frage nach der Beziehung der Gewebe zu den Keimblättern von grosser Tragweite sind. Frühere Forscher sprechen gewöhnlich nur von einer flim- mernden Schleimhaut, welche den innern Hohlraum der Actinien auskleidet. Auch Heider, der sonst in vielen Punkten weiter als seine Vorgänger gekommen ist, hat bei der Untersuchung des Entoderms sehr wenig Erfolg gehabt. Er bemerkt (21 p. 354), dass die Zellen von so ungemeiner Zartheit seien, dass die sonst gebräuchlichen Isolirungs- und Macerationsmittel (Chromsäure, Müller’sche Flüssigkeit etc.) keine Dienste geleistet hätten, indem Alles sehr bald zu einem Brei zerfallen sei. Er empfiehlt allein die Ueberosmiumsäure und findet bei ihrer Anwendung, dass die 492 Oscar und Richard Hertwig, Entodermzellen in einer Schicht angeordnet und mit mehreren langen Flimmern versehen sind, dass sie Pigmentkörper enthalten, die rund, grobkörnig, von dunkelbraunem Inhalt erfüllt sind und einen doppelten scharfen Contour aufweisen. Einen guten Schritt vorwärts in der Erkenntniss des Entoderms that vor einem Jahre Kling (23). Wie er uns in einer vorläufigen Mittheilung berichtet, gelang es ihm an den Tentakeln von Actinia equina und an den Polypen von Muricia nachzuweisen, dass die an der Innenseite der Stützlamelle gelegenen Ringmuskelfasern Verlängerungen von Entodermzellen sind und daher als Neuromuskelzellen im Sinne Kleinenberg’s gedeutet werden müssen. Er gelangte zu diesem Ergebniss in der Weise, dass er eine lebende in Seewasser befind- liche und vollständig ausgestreckte Actinie mit Osmiumsäure aus- spritzte, unter Glycerin mit der Scheere Quer- und Längsschnitte anfertigte und die hierbei erhaltenen Bilder noch weiter durch Zerzupfen und Maceration ergänzte. Kling’s Angaben konnten durch unsere Beobachtungen bestätigt und nach verschiedenen Rich- tungen noch vervollständigt werden. Beginnen wir unsere Darstellung mit der Untersuchung eines Längsschnittes durch den Tentakel von Sagartia oder Tealia (Taf. XVII, Fig. 6). An einem solchen erscheint das Entoderm aus zwei Lagen zusammengesetzt, 1) aus einer Muskellamelle (m), und 2) aus einer einfachen Lage cylindrischer Epithelzellen. Die Muskelfasern sind quer durchschnitten, da sie eine Ringlage bilden und demnach die longitudinalen ektodermalen Muskelfasern recht- winklig kreuzen. Wie diese der Aussenseite der Stützlamelle, so haften jene ihrer Innenseite an. Die Maceration des Entoderms gelingt leicht, wenn man ein Thier — wir benutzten dazu Sagartia parasitica — 5 Minuten lang mit der Osmium-Essigsäure ausspritzt oder wenn man abge- schnittene Tentakel für sich einlegt. Bei Vornahme der Unter- suchung präparire man dann das Ektoderm vom Tentakel ab, öffne diesen mit einer Scheere der Länge nach und streife nun das Entoderm von der Stützlamelle ab, wobei sich gewöhnlich schon einzelne Zellen ablösen. Durch weiteres Zerzupfen oder durch Klopfen auf das Deckgläschen erhält man leicht zahlreiche isolirte Zellen, deren freies Ende halbkuglig abgerundet ist und eine ge- wöhnlich gut erhaltene sehr lange und einfache Geissel, nicht deren mehrere, wie Heider angibt, trägt (Taf. XXII, Fig. 11 « u. 8). Dadurch unterscheiden sich durchweg die Entodermzellen von den mit vielen und etwas kürzeren Flimmern versehenen Die Actinien. 495 Zellen des Ektoderms. An ihrer Basis erweitert sich die Entoderm- zelle etwas und verbindet sich hier innig mit einem schmalen, mässig langen Muskelfaden, der rechtwinklig zu ihr verläuft. Der glänzende und glatte Muskelfaden setzt sich scharf von dem fein- körnigen Protoplasma seiner Mutterzelle ab. Die Form der letz- teren wird übrigens durch den Contractionszustand des Tentakels in hohem Maasse beeinflusst. Während die Zelle bei erschlafftem Ten- takel einen niedrigen Cylinder darstellt (Taf. XXI, Fig. 11«), ge- winnt sie bei starker Contraction desselben (Taf. XXI, 11) um das 2 bis 3fache an Länge und wird zu einem feinen Faden aus- gezogen, der einerseits nach dem geisseltragenden Ende zu keulen- förmig verdickt und mit der Hauptmasse des Protoplasma und mit dem Kern beladen ist, andererseits an der Basis wiederum sich verbreitert, um sich an den Muskelfaden anzusetzen. Ausser den Epithelmuskelzellen, welche die Hauptmasse des Entoderms bilden, kommen in diesem noch 2 weitere Ele- mente theils nervöser theils drüsiger Natur vor, auf deren Be- schaffenheit wir an einer späteren Stelle zurückkommen werden. Dagegen sei hier noch zweier histologischer Befunde gedacht, von denen der eine an macerirten Tentakeln von Sagartia, der andere an Schnitten von Tealia gewonnen wurde. Bei Sagartia kann man die Epithelmuskellamelle, wenn die Maceration nicht zu weit vorgeschritten ist, von der Stützsubstanz als ein dünnes Häutchen abheben und auf dem Objectträger vor- sichtig ausbreiten, wobei man sich wieder überzeugt, dass die parallel angeordneten Muskelfasern von geringer Länge sind und je einer Epithelzelle angehören. Wenn nun an 2 entgegengesetzten Enden mit 2 Nadeln oder mit einem Pinsel ein Zug an der Lamelle ausgeübt wird, so kann man den Zusammenhang der Epithel- muskelzellen etwas lockern der Art, dass zwischen ihnen kleine Lücken entstehen. Bei sorgfältiger Durchmusterung der so ge- wonnenen Präparate gewahrt man hie und da einzelne oder zahl- reichere feine Fibrillen, welche meist rechtwinklig zur Richtung der Muskelfasern die Lücken durchziehen. Sie sind viel feiner als die Muskelfibrillen und sehr dehnbar, was schon daraus hervor- geht, dass sie sich auch in den grösseren durch Zug entstandenen Lücken ausspannen ohne zerrissen zu sein. Ferner zeigten uns Längsschnitte durch den Tentakel von Tealia (Taf. XVII, Fig. 6), dass stellenweise an der Basis der langgestreckten Epithelmuskelzellen über der Musculatur (m) ein dünner Zug feiner Fibrillen {n) verläuft und dass in diesem zu- 494 Oscar und Richard Hertwig, weilen auch einzelne Kerne auftreten. Das Bild ähnelt in mancher Beziehung einem Durchschnitt durch das Ektoderm (Taf. XIX, Fig. 5); der dünne Fibrillenzug (n) würde der Nervenfaserschicht (n) entsprechen, er unterscheidet sich von ihr nur durch seine grössere Zartheit und dadurch, dass er nicht überall gleichmässig im Entoderm entwickelt ist. Dass wir es in beiden Befunden mit entodermalen Nervenfibrillen zu thun haben, wird aus wei- teren Beobachtungen, die uns andere Körperstellen geliefert haben, nit noch grösserer Sicherheit hervorgehen. Die vom Geisselepithel ausgekleidete Höhlung des Tentakels communicirt theils nach abwärts durch eine weite Oeffnung mit dem coelenterischen Hohlraumsystem des Körpers, theils besitzt sie noch eine kleinere Nebenöffnung, welche direct nach Aussen führt. Schon den älteren Bearbeitern der Actinien- Anatomie war dies bekannt. Delle Chiaje (8 p. 232) beobachtete, dass an den Spitzen der Tentakeln Wasser in den Körper aufgenommen und auch wieder ausgestossen werden könne, und auch Rapp (36 p. 46) bemerkte, dass eine kleine Oeffnung vorhanden sei. Der Wider- spruch von Quatrefages (35 p. 96 Anm.), der die beschriebenen Löcher für künstlich und gewaltsam erzeugte Rissstellen glaubte erklären zu müssen, fand bei späteren Forschern, die sich mit den Actinien am eingehendsten beschäftigt haben, wie Hollard (22 p- 269), Gosse (18 p. 19), Milne Edwards (82 p. 17), Conta- rini (11 p. 15) keine Zustimmung. „Dass die Tentakeln an ihrer Spitze durchbohrt sind“ bemerkt Gosse „ist sicher“ und er führt als Ausnahmen nur solche Actinien an, die einen knopfförmigen Anhang an dem Tentakelende besitzen wie Corynactis und Caryo- phyllia. Zuletzt hat auch Heider bei Beobachtung mit der Lupe sich von der Existenz einer feinen Oeffnung überzeugt. Den sichersten Beweis für die Richtigkeit der alten Angabe Rapp’s haben wir selbst jetzt dadurch erhalten, dass wir Längsschnitte durch das in Glycerinleim eingebettete Tentakelende von Anthea und Sagartia anfertigten. An solchen sahen wir die Wandung von einer engen Oeffnung durchbohrt, an welcher Ektoderm und Ento- derm continuirlich in einander übergingen. Ferner zeigten uns die Schnitte, dass ein besonderer Sphincter, welchen Hollard und Gosse glaubten annehmen zu müssen, nicht vorhanden ist. Die Bedeutung der Tentakelporen wird sofort klar, wenn man die Lebenserscheinungen der Actinien beachtet. Bei den plötzlichen und gewaltsamen Contractionen des Körpers und nament- Die Actinien. 495 lich der Tentakeln wird die in letzteren enthaltene Flüssigkeit durch sie nach Aussen entleert. Wenn man eine Actinie rasch aus dem Wasser entfernt, kann man oft, wie dies auch von vielen Forschern berichtet wird, die Flüssigkeit in dünnen Strahlen aus den Tentakelporen mit Gewalt herausspritzen sehen. Ob auf dem- selben Wege auch Seewasser in das Körperinnere wieder aufge- nommen werden kann, ist zwar wahrscheinlich, aber noch nicht durch Beobachtung nachgewiesen worden. Beim Uebergang der Tentakeln in die Mundscheibe behält das Entoderm seinen Character bei und wird vorwiegend von Epithelmuskelzellen gebildet, die zu den ektodermalen Radialmus- keln antagonistisch wirken, da ihre Faserrichtung eine circuläre, die Mundöffnung umkreisende, ist. Im Allgemeinen ist hier die entodermale Musculatur etwas stärker als an den Tentakeln; die Oberfläche der Stützlamelle hat sich nämlich in kleinere und grössere Falten erhoben, deren beide Seiten von Muskelfasern be- deckt sind. Zum Schluss unserer Beschreibung des Entoderms bleibt uns noch ein eigenthümliches Verhalten hervorzuheben, durch welches sich die Epithelmuskelzellen mancher Actinien auszeichnen. Unter den von uns untersuchten Arten kommen bei Anthea cereus, Anthea cinerea und Adamsia diaphana fast in allen Epithelmuskelzellen kleine rundliche Körper vor, welche entweder gelb oder bräunlich gefärbt sind. Da nach unserer Ansicht die fraglichen Körper keine normalen Bestandtheile der Actiniengewebe, sondern para- sitische Orgarismen sind, so haben wir sie in der Schilderung bisher übergangen, und wollen sie jetzt noch in einem besonderen Abschnitt besprechen als: Die gelben Zellen im Körper der Actinien. Durchschnitte durch die Tentakeln (Taf. XIX, Fig. 5) oder die Mundscheibe von Anthea etc. verglichen mit den Befunden, welche von Sagartia und Tealia (Taf. XVII, Fig. 6) geschildert wurden, bieten einen sehr fremdartigen Anblick dar; von einer Zusammen- setzung des Entoderms (en) aus cylindrischen Zellen ist wenig zu bemerken, vielmehr scheint es, als liege an der Innenseite der Stütz- lamelle eine continuirliche Protoplasmalage, die einzelne kleine Kerne einschliesst und nach Innen mit Flimmern bedeckt ist. Was aber den fremdartigen Anblick hauptsächlich veranlasst, das sind die gefärbten Körper (y), welche das ganze Entoderm von 496 Oscar und Richard Hertwig, der Muskellamelle bis zur flimmernden Innenfläche dicht erfüllen und die Zellengrenzen fast vollständig unkenntlich machen. Die Körper sind kuglig und alle nahezu von gleicher Grösse, indem ihr Durchmesser sich auf 7— 10 ı. beläuft (Taf. XIX, Fig. 13). Von dem umgebenden Protoplasma setzen sie sich scharf ab, was daher rührt, dass sie von einer deutlich doppelt contourirten hellen glatten Membran umgeben sind. Sie sind leicht zu isoliren (Fig 15, 3), wenn man das Entoderm eines frischen Tentakels in Seewasser ausdrückt, sie behalten alsdann ihre Form bei und bleiben auch noch lange Zeit in der feuchten Kammer ganz unverändert. Ihr Inhalt ist mit zahlreichen kleinen und grossen Körnern versehen, die bei Adamsia diaphana braungelb, bei Anthea mehr gelblich- grün gefärbt sind. Bei Anwendung von Farbstoffen, sei es Carmin oder Haematoxylin, wird ein Kern als kleine gefärbte Stelle zwi- schen den Pigmentkörnchen sichtbar. Nicht selten sind auch solche Körper aufzufinden, deren Inhalt in 2 Hälften zerfallen ist, welche wie 2 Halbkugeln aneinander liegen (Taf. XIX, Fig. 13, 2) und da wo sie sich gegenseitig berühren, von der sie einhüllenden ge- meinsamen Membran sich etwas zurückgezogen haben. Carmin oder Hämatoxylin lassen hier in jeder Hälfte einen kleinen Kern deutlich werden. Die gelben Zellen sind es, welche die Färbung mancher Actinienarten bedingen. Die gelbgrüne Färbung der An- thea, die braune der Adamsia wird nicht durch Farbstoffe im Ektoderm und in der Stützlamelle, sondern einzig und allein durch das mit den kugligen Körpern beladene Entoderm verursacht. Daher sind auch bei anderen Actinien, denen die gefärbten Körper fehlen, so z. B. bei Sagartia parasitica die Tentakeln im ausgedehnten Zustand vollkommen durchscheinend. Zu den histologischen Elementartheilen des Entoderms stehen die gelben Zellen in einem lockeren Zusammenhang, worüber Ma- cerationspräparate den besten Aufschluss geben. Wie bei Sagartia, isolirt man auch hier wieder durch Zerzupfen zahlreiche mit je einer Muskelfaser verbundene Entodermzellen, welche den von Sa- gartia beschriebenen zum kleineren Theil gleichen, zum grösseren Theil aber in ihrer Form, je nachdem sie mehr oder weniger gelbe Zellen einschliessen, modificirt sind. Die Modifikation ist gering- fügig bei der Gegenwart von nur einem gefärbten Körper (Taf, XIX Fig 13, 5); wenn deren aber drei oder mehr vorhanden sind, dann hat die Epithelmuskelzelle ihre ursprüngliche Gestalt ganz ver- loren (Fig. 13, ı, 6); sie ist bedeutend vergrössert, gleichsam auf- gebläht; ihr Protoplasma bildet nur noch dünne Scheidewände Die Actinien. 497 um die gedrängt aneinanderstossenden gelben Körper, welche in Folge dessen auch leicht aus den dünnwandigen Vacuolen, in denen sie liegen, bei der Maceration herausfallen. Derartige Zellen sind schwer vollständig zu isoliren. Gewöhnlich erhält man nur Trümmer (Fig. 13, ı) von ihnen in Gestalt eines protoplasmatischen Ge- rüstes, dessen glatter Endfläche eine Geissel aufsitzt und dessen Vacuolen zum Theil mit gelben Zellen erfüllt, zum Theil durch den Ausfall derselben entleert sind. Welche Bedeutung kommt nun den so auffällig beschaffenen Bildungen im Organismus der Actinien zu? Heider (21 p. 355), welcher sie gleichfalls bei Sagartia troglodytes beobachtet hat, nennt sie Pigmentkörner, vergleicht sie den von Kleinenberg im Entoderm von Hydra aufgefundenen Concretionen und lässt sie wie diese zu der Nahrungsaufnahme in Beziehung stehen. Er be- schreibt sie als runde, meist mit doppeltem scharfem Contour und grobkörnigem dunkelbraunem Inhalt versehene Körper. Mit Hei- der’s Deutung lässt es sich nicht vereinbaren, dass die fraglichen Gebilde eine eigene Membran und einen eigenen Kern besitzen und sich sogar durch Theilung vermehren, wie man aus dem Vor- kommen zweier gekernter Hälften in einer gemeinsamen Hülle schlies- sen kann. Alles dies rief bei ihrer Untersuchung schon früh in uns den Gedanken wach, es möchten die gelben Zellen über- haupt nicht normale Bestandtheile der Epithelmus- kelzellen, sondern eingewanderte und dann üppig ge- deihende parasitische Bildungen sein. Zu Gunsten die- ser Ansicht scheinen uns noch folgende drei Punkte zu sprechen, auf die wir bei weiterem Nachdenken aufmerksam wurden: 1. das Verhalten der gelben Zellen ausserhalb des Körpers, 2. ihre Verbreitungsweise bei den Actinien, 3. ihre Aehnlichkeit mit den gelben Zellen der Radiolarien. Zum ersten Punkt ist zu bemerken, dass die gelben Zellen sich auch im Schleime finden, welcher von den Actinien reichlich, namentlich wenn sie in Aquarien unter ungünstigen Verhältnissen sind, abgeschieden wird. In den Schleimfetzen leben sie nicht allein unversehrt weiter, sondern sie scheinen sich sogar durch Theilung noch weiter zu vermehren. Wenigstens beobachtet man jetzt häufiger, dass von einer gemeinsamen Hülle zwei Hälften ein- geschlossen werden. Das Gleiche tritt ein, wenn Actinien abster- ben. Während die Epithelmuskel-Zellen zerfallen, bleiben von dem Auflösungsprozess die in ihnen enthaltenen Körper ganz unberührt; das würde bei Concretionen oder Pigmentkörnern, überhaupt bei Bd, XII. N. F. VI, 3. 32 498 Oscar und Richard Hertwig, derartigen Zellproducten wohl schwerlich der Fall sein. Ein Ver- such, die gelben Zellen zu eultiviren, misslang uns, wobei freilich zu berücksichtigen ist, dass wir mit dem Nachweis des Nervensy- stems vollauf beschäftigt, dem uns ferner liegenden Gegenstand weniger Aufmerksamkeit schenken konnten. Von Wichtigkeit ist zweitens die Art und Weise, wie die gel- ben Zellen bei den Actinien verbreitet sind. Wir untersuchten da- rauf die verschiedensten Arten, deren wir habhaft werden konnten, und kamen so zu dem folgenden Ergebniss: Bei Anthea cereus, Anth. cinerea, Adamsia diaphana und bei Actinia aurantiaca ist das gesammte Entoderm von den Tentakelspitzen bis zur Fussscheibe, mit Ausnahme weniger Stellen, die bei der Besprechung der Sep- ten noch namhaft gemacht werden sollen, dicht angefüllt von den rundlichen Körpern, die entweder von einer gelbgrünlichen oder bei andern Arten von einer gelbbraunen Farbe sind. Den genannten Actinien schliesst sich nach den Angaben von Heider Sagartia troglodytes an, bei welcher ebenfalls jede Entodermzelle, wie un- ser Autor bemerkt, in grösserer oder geringerer Menge runde Pigmentkörner enthält, über deren Identität mit den von uns für parasitisch gehaltenen Elementen kein Zweifel bestehen kann. Bei andern Fleischpolypen, man erkennt dies schon häufig an der Durch- sichtigkeit ihrer Tentakel, wurden die gefärbten Körper vermisst, bei Actinia mesembryanthemum, Tealia crassicornis, Actinoloba dianthus, Edwardsia und 2 Cerianthusarten. Auch Sagartia pa- rasitica können wir hierher rechnen. Denn bei einigen Exempla- ren, die wir auf Querschnitten untersuchten, stiessen uns nur hier und da ganz sporadisch im Entoderm einige braun pigmentirte Körper auf. Die nachgewiesene Verbreitungsweise scheint uns wenig dafür zu sprechen, dass die gelben Zellen normale Bestand- theile der Actiniengewebe sind. Wie käme es sonst, dass sie bei einzelnen Arten im ganzen Entoderm verbreitet sind, bei an- dern nahe verwandten Arten ganz fehlen, oder was noch uner- klärlicher ist, nur ganz sporadisch aufgefunden werden. Dagegen sind dies Erscheinungen, welche bei der Verbreitung parasitischer Organismen ganz gewöhnlich zur Beobachtung gelangen. Be- kanntlich geben von nahe verwandten Thier- Arten einige eine günstige Wohnstätte für fremde Eindringlinge ab, während andere wieder aus geringfügigen und schwer fest zu stellenden Ursachen gegen dieselben Immunität besitzen. ' Bei der Beantwortung der von uns aufgeworfenen Frage kommt endlich noch der dritte Punkt in Betracht, dass die ge- Die Actinien. 499 färbten Körper der Actinien den gelben Zellen der Radiolarien zum Verwechseln ähnlich sind. Die letzteren haben ja ebenfalls eine feste Membran, einen gelbgefärbten, protoplasmatischen In- halt und in diesem einen runden, homogenen Kern, sie erreichen einen Durchmesser von 8—12 u, vermehren sich, wie häufig zu sehen ist, durch Quertheilung und bleiben wohl erhalten, wenn das Radiolar abstirbt und zerfällt. Wegen dieser Eigenschaften erklärte schon Cienkowsky wohl mit Recht die gelben Zellen der Radiolarien für niederste pflanzliche Parasiten und er unterstützte seine Ansicht auch noch durch die Beobachtung, dass die gelben Zellen, wenn sie auf dem Objectträger in der feuchten Kammer gezüchtet werden, ihre Hülle nach einiger Zeit verlassen und in einen amöboiden Zustand übergehen. Wenn wir jetzt zur Beurtheilung der gelben Zellen der Ac- tinien alle angeführten Verhältnisse abwägen, das Vorhandensein einer doppelt contourirten resistenten Membran um den mit Pig- mentkörnchen versehenen protoplasmatischen Inhalt, das Vorkom- men eines tingirbaren Kerns, ihre Vermehrungsweise durch Zwei- theilung, ihre Widerstandskraft beim Zerfall der Actiniengewebe, ihre Vertheilung auf die einzelnen Arten, endlich ihre Aehnlich- keit mit den gelben Zellen der Radiolarien, so scheint uns die Ansicht, dass wir es auch hier mit Parasiten zu thun haben, kaum noch zweifelhaft sein zu können. Von besonderem Interesse ist dann in unserem Fall die Erscheinung, dass die Parasiten der Actinien sich in die Entodermzellen selbst einnisten und obwohl sie dieselben oft in grosser Anzahl erfüllen, ihr Leben und ihre Function nicht zu gefährden scheinen. Wohin gehören nun aber die gelben Zellen, wenn wir sie nä- her classificiren sollen? Zur Beantwortung dieser Frage haben wir einige mikrochemische Reactionen vorgenommen, um zu se- hen, ob Substanzen vorkommen, die für den pflanzlichen Stoffwech- sel characteristisch sind. Dabei gelang es uns nicht durch Jod- zusatz Stärke nachzuweisen, welche in den gelben Zellen der Ra- diolarien durch Haeckel aufgefunden worden ist. Um ferner die chemische Beschaffenheit der Membran festzustellen, behandelten wir isolirte runde Körper sowohl mit Chlorzinkjod als auch mit Jod- schwefelsäure in der bei den Botanikern üblichen Weise. Die Membran nahm nach einiger Zeit einen bläulichen Schimmer an, eine ganz überzeugende Reaction trat aber nicht ein. Immer- hin möchte in Anbetracht der Kleinheit des Objectes und der nicht völlig sicheren Wirkungsweise der beiden Reagentien das 327 500 Oscar und Richard Hertwig, erreichte Resultat schon dafür sprechen, dass die Membran von Cellulose gebildet ist. Die gelben Zellen der Actinien sind daher wahrscheinlich niederste einzellige Algen. II. Abschnitt. Das Mauerblatt und die Fussscheibe. In derselben Weise wie Mundscheibe und Tentakeln anato- misch zusammengehören, zeigen uns auch Mauerblatt und Fuss- scheibe eine nähere Verwandtschaft in ihrem feineren Bau. Wir be- sprechen sie daher wieder in einem Abschnitt gemeinsam, verweilen zunächst bei den allgemeinen histologischen Verhältnissen und wer- den dann zu der getrennten Beschreibung dreier Organe übergehen, die bei manchen Actinien sich am Mauerblatte noch besonders ent- wickeln, 1) des Rötteken’schen Ringmuskels, 2) der Randsäckchen und 3) der Cinclides. 1) Das Ektoderm. Von den 5 Hauptschichten des Körpers erfährt das Ektoderm, wenn es vom Rand der Mundscheibe auf das Mauerblatt übertritt, in seiner histologischen Structur bedeutende Umbildungen. Während es an den im vorigen Kapitel besproche- nen Organen (Taf. XIX Fig. 5 u. 7) aus einer deutlich unterscheid- baren Epithel- Nerven- und Muskelschicht besteht, wird es vom obern Rand des Mauerblattes an nur einschichtig (Taf. XIX Fig. 8 Taf. XVIIL Fig. 4 u. 5). Es schwinden plötzlich die ektoderma- len Muskelfasern und mit ihnen schwindet auf Durchschnitten die Nervenschicht. Damit stimmt auch die Augabe von Heider (21 p. 401) überein, dass dem Mauerblatt die Interbasalsubstanz fehle. Gleichwohl ist es uns an Zerzupfungspräparaten noch gelungen eine Strecke nach abwärts vom Tentakelkranz Züge feiner Nervenfibrillen wahrzunehmen; noch weiter nach der Basis zu war uns auch dieser Nachweis nicht mehr möglich, woraus wir übrigens nicht schlies- sen möchten, dass Nervenfibrillen hier ganz fehlen. Denn gegen äussere Reize ist auch der untere Theil des Mauerblattes und die Fussscheibe, freilich nur in einem geringen Grade, empfindlich. Hand in Hand mit der Vereinfachung seiner Schichtenfolge ge- winnt das Ektoderm auch einen anderen histologischen Character. Es nehmen die Nessel- und die Sinneszellen, welche am Tentakel und an der Mundscheibe so zahlreich nachgewiesen werden konn- ten, an Menge ab, dagegen vermehren sich die Flimmer- und Drü- senzellen (d!). Erstere können wieder, wenn die Actinien sich stark contrahirt haben, die Gestalt von langen Fasern annehmen, die sich am flimmertragenden Ende, das in Osmiumsäure dunk- Die Actinien. 501 ler geschwärzt ist, verbreitern und an der Basis eine kleine Verdickung zum Ansatz an das Stützblatt darbieten. (Taf. XIX Fig. 9, ı, 2, a). Darauf mag es zurückzuführen sein, dass man auf Durchschnitten den Anblick erhält, als ob zwischen Epithel und Stützlamelle eine sehr feine Faserlage sich einschöbe. (Taf. XIX Fig. 8). Auch Heider gedenkt dieses Bildes als einer feinen senkrechten Strichelung an der Basis der Ektodermzellen. Die einzelligen Drüsen sind je nach der Höhe des Epi- thels bald becherförmige, bald langgestreckte, nach der Peripherie kolbenartig verdickte Elemente, die überall vertheilt, hie und da massenhafter angehäuft sind. (Taf. XVII Fig. 5, Taf. XIX Fig. 8d, Fig. 9 3). Sie umschliessen geringe Reste von feinkörni- gem Protoplasma und eine glasartig durchscheinende Substanz. Sie liefern den Schleim, der bei allen Actinien, namentlich nach vorausgegangener Reizung, die Oberfläche überzieht und sich in Fetzen abstreifen lässt. Auf Durchschnitten erscheinen die Schleim- drüsen als helle Räume zwischen den dunkleren fadenartigen Flim- merzellen, bei Haematoxylinfärbung werden sie blau tingirt. 2) Das Mesoderm. Das Mesoderm erreicht am Mauerblatt und an der Fussscheibe seine bedeutendste Dicke. Namentlich gilt das für Sagartia parasitica, bei welcher die genannten Theile eine lederartige Consistenz gewinnen. Bei Betrachtung dünner Flächenschnitte sieht man wieder das Mesoderm aus zahlreichen Lagen von Fibrillen bestehen, die in jeder Lage parallel angeordnet sind und sich abwechselnd unter rechtem Winkel kreuzend bald lon- gitudinal bald quer verlaufen. Dabei verflechten sie sich so innig, dass es nicht möglich ist die Stützlamelle in feine Häutchen zu zer- zupfen. Die zahlreich vorhandenen Bindegewebszellen sind bei Sagar- tia parasitica, namentlich nach der Oberfläche zu, mit einzelnen Pigmentkörnchen erfüllt, und rührt daher die braune Färbung, welche dem Mauerblatt und der Fussscheibe dieser Art zukommt. Nach der Körperhöhle zu ist die Stützlamelle in zahlreiche theils nie- dere theils höhere Falten erhoben, von denen die letzteren noch mit secundären Fältchen besetzt sein können (Taf. XIX Fig. 13). Die Falten verlaufen am Mauerblatt und an der Fussscheibe circu- lär. Heider, der dieselben gleichfalls abbildet und beschreibt, lässt es dahin gestellt, in wie weit sie auf Rechnung der Con- traction des Thieres zu setzen seien. Da wir indessen die Fal- tung auch an ganz erschlafften Sagartien aufgefunden haben, kann es nicht zweifelhaft sein, dass hier eine normale und nicht unbe- 502 Oscar und Richard Hertwig, deutende Oberflächenvergrösserung der inneren Mesodermwand vorliegt. 3) Das Entoderm. Die Faltenbildung der Stützlamelle steht in Zusammenhang mit der Entwickelung des Entoderms, welches im Ganzen denselben Bau wie an den Tentakeln und der Mundscheibe aufweist und neben Drüsenzellen vorwiegend von Epithelmuskel- zellen gebildet wird. Die letzteren sind bei Anthea, Adamsia etc. mit den gelben parasitischen Zellen wieder dicht beladen. Die glatten Muskelfasern, die wir durch Maceration auch hier im Zu- sammenhang mit Epithelzellen dargestellt haben, liegen in einfa- cher Schicht den Faltenblättern der Stützlamelle auf, durch deren Entwicklung für ihre Anbildung mehr Raum geschaffen worden ist, und verlaufen circulär in gleicher Richtung mit ihnen. Man durchschneidet daher die Muskelfasern (m) der Quere nach, wenn man Längsschnitte durch das Mauerblatt und Radialschnitte durch die Fussscheibe anfertigt. Ueber den Bau der Muskulatur von Mauerblatt and Fuss- scheibe haben ältere Forscher wie Milne Edwards, Hollard, Gosse etc. keine richtigen Vorstellungen gehabt, was auch nicht möglich war, so lange ihnen die Existenz einer Stützlamelle im Körper der Actinien unbekannt blieb ; sie Alle sprechen irriger Weise von 2 Muskellagen, einer äusseren transversalen und einer inneren longitudinalen. Schneider und Rötteken (38) haben zuerst die richtige Angabe gemacht, dass im Fussblatt und in der Lei- beswand ausschliesslich Ringfasern verlaufen. Heider (21 p. 401, 406) gedenkt in seiner Arbeit nur der Muskulatur des Mauer- blattes, stellt dagegen mit Unrecht die Gegenwart einer solchen an der Fussscheibe in Abrede; ferner geben seine Figuren in das Ver- hältniss der entodermalen Muskulatur zu dem Ansatz der Septen keinen vollständigen Einblick. Nach Heider scheint es, als ob die Ringmuskulatur unter dem Ansatz der Septen sich ungestört weiter fortsetze. A priori sollte man gerade das Gegentheil erwarten, da wie auch Heider’s Ansicht ist, die Septen Fortsetzungen vom Mesoderm und Entoderm der Körperwandungen sind. Man sollte daher erwarten, dass am Ansatz eines jeden Septum die entoder- male Muskulatur unterbrochen und in so viel Streifen als Septen vorhanden sind, zerlegt sei. Weder das eine noch das andere entspricht den wirklichen Verhältnissen vollständig. Wenn man die Körperwand gerade am Ansatz eines Septum in longitudina- ler Richtung durchschneidet (Taf. XIX Fig. 1), so gewahrt man, dass das Mesoderm der Körperwand (M) und der Septen (5) in Die Actinien. 503 einander übergehen. Dabei fallen stärkere Züge von Bindegewebs- Fasern auf, welche radial die Körperwand durchsetzend in die Septen hineinstrahlen. Der mesodermale Zusammenhang ist aber kein allseitiger und vollständiger, da sich in der Stützlamelle der Septen an ihrem Ansatze eine Reihe von kleinen Oeffnungen vorfindet, durch welche die entodermale Muskulatur bündelweise hindurchtritt (m). Die Mitte der Bündel wird vom Protoplasma der Muskelzellen mit ihren Kernen eingenommen, in der Periphe- rie liegen die querdurchschnittenen Muskelfasern. Durch eine der- artige Durchwachsung wird ein doppelter Zusammenhang ermög- licht, einmal der einzelnen Abschnitte der entodermalen Ringmus- kulatur und zweitens des Mesoderms der Septen und der Körper- wand. Dem entsprechend fallen auch die Bilder von Schnitten senk- recht zum Ansatz der Septen verschieden aus (Taf. XIX Fig. 4); bald sieht man die Septen von der Körperwand durch die Ring- muskulatur getrennt, bald die Ringmuskulatur durch die Stützla- melle der Septen in ihrer Continuität unterbrochen. Bei einer wie es scheint kleinen Anzahl von Actinien erfährt die entodermale Muskulatur an einer beschränkten Stelle eine ganz aussergewöhnlich mächtige Entwicklung und es entsteht so ein besonderes Organ, zu dessen Beschreibung wir jetzt über- gehen wollen. Der Rötteken’sche Ringmuskel, In der vorläufigen Mittheilung von Schneider und Rötte- ken (38) findet sich die kurze Bemerkung, dass „bei einer An- zahl von Actinien sich unterhalb des Peristoms die Ringfasern zu einem starken Ringmuskel anhäufen, der entweder als diffuser Ringmuskel ganz in der Leibeswand eingebettet ist, oder als vorspringender Ringmuskel nach Innen als ein Wulst in die Kammern vorragst.“ Durch die Freundlichkeit des Herrn Röt- teken erhielten wir Gelegenheit uns auch mit diesen beiden Bil- dungen bei Tealia und bei Actinoloba bekannt zu machen. Bei Tealia (Taf. XVIII Fig. Tr) springt, wie man an einem Längsschnitt durch ein ganzes Thier schon ohne Vergrösserung sehen kann, ein starker Wulst vom Mauerblatt in den coelenterischen Hohl- raum vor und bildet um diesen in geringer Entfernung unterhalb der Tentakeln einen geschlossenen Ring, der die Ansatzstellen aller einzelnen Septen durchbohrt. Bei starker Vergrösserung untersucht, zeigt uns der Querschnitt durch den Ringwulst, der nur längs eines schmalen Streifens mit dem Mauerblatt zusammenhängt, ein 504 Oscar und Richard Hertwig, sehr zierliches Bild (Taf. XVIII Fig. 9). Seine Mitte wird durch einen Bindegewebsstrang (s) eingenommen, der sich mittelst einer dünnen Leiste an die Stützlamelle des Mauerblattes ansetzt. Von der Oberfläche des Bindegewebsstranges entspringen nach allen Seiten äusserst dünne aber hohe Bindegewebsblätter, die auf ihren beiden Seiten wieder mit secundären und tertiären Blättchen be- setzt sind und sich insgesammt wie die Blätter eines Buches dicht aneinanderlegen. Auf ihrer Oberfläche werden die radiär um eine gemeinsame Axe angeordneten Bindegewebsblätter von Muskelfasern bedeckt, die eirculär in der Richtung des Ringwul- stes verlaufen und auf dem Querschnitt als glänzende Körnchen zu beiden Seiten der Stützlamellen gesehen werden. Auf seiner freien Fläche wird der so complieirt gebaute Wulst vom entoderma- len Epithel glatt überzogen, von jenen Stellen abgesehen, wo er durch die Septen hindurchtritt. Hier fehlt der epitheliale Ueber- zug und es gehen die Stützblätter der Muskulatur an ihren freien Enden continuirlich in die bindegewebige Stützlamelle der Septen über. Um die Schilderung zu vervollständigen ist noch hervor- zuheben, dass in dem centralen Bindegewebsstrang an einzelnen Stellen noch Bündel von Muskelfasern eingebettet sind, die in ähnlicher Weise wie am Tentakel von Tealia von der epithelialen Oberfläche ausgeschieden und mesodermal geworden sind. Der soeben beschriebene Muskel gehört dem System der entodermalen Ringmuskulatur an; er ist ein kleiner Theil derselben, welcher sich nach dem schon mehrfach wahrgenommenen Princip durch Faltenbildung mächtig entwickelt hat und zu einem besonders un- terscheidbaren Organe geworden ist. Seine Function aber beruht darin, über die sensiblen Theile des Actinienkörpers, über die Mundscheibe und die Tentakeln, wenn sie bei Beunruhigung des Thieres eingeschlagen werden, noch das derbere Mauerblatt schüt- zend zusammenzuziehen. Denselben Zwecken dient der von Rötteken gleichfalls zu- erst beobachtete diffuse Ringmuskel der Leibeswand, den wir bei Actinoloba Dianthus untersucht haben. Auch hier kann man schon mit unbewaffnetem Auge auf Längsschnitten eine verdickte Stelle in der Leibeswand (Taf. XVIII. Fig. 1r) in einiger Ent- fernung ausserhalb des Tentakelkranzes bemerken. Dieselbe zeigt aber bei genauerer Untersuchung einen anderen Bau als bei Tealia (Taf. XVII. Fig. 11); sie besteht aus einem Stroma von stärkeren und schwächeren Bindegewebsbalken, die zu einem Netzwerk in der Art verbunden sind, dass die stärkeren Balken senkrecht zur Die Actinien. 505 Oberfläche der Stützlamelle verlaufen und durch die dünneren Quer- bälkchen in unregelmässiger Weise zusammenhängen. Die Lücken des Netzwerkes werden von der Muskulatur ausgefüllt. Ueberall sieht man dem bindegewebigen Gerüste glänzende Körner, die durchschnittenen circulär verlaufenden Muskelfasern, anliegen, und nach Innen von ihnen bemerkt man eine körnige Substanz, in welcher bei dem schlechten Erhaltungsgrad des Untersuchungsob- jeetes besondere Muskelkerne nicht mehr zu erkennen waren. Das Bindegewebsnetz wird, wie überhaupt die Stützsubstanz von Actino- loba, von ziemlich derben und starken Fasern gebildet. Der Name diffuser Ringmuskel der Leibeswand ist für die ganze Bildung nicht unpassend gewählt worden. Es hat hier ein ähnlicher Pro- cess wie bei Tealia stattgefunden; während aber bei letzterer die Ringmuskulatur in ihrer oberflächlichen Lage zum grossen Theil verblieben ist, hat sie sich bei Dianthus von der Oberfläche bei dem Einfaltungprocess abgeschnürt und ist — wir sahen dasselbe schon am Tentakel von Tealia eintreten — in die Stützsubstanz des Mauerblattes hineingewuchert, mit einem Wort, der stark ent- wickelte dem Entoderm entstammende Ringmuskel von Actinoloba ist mesodermal geworden. Bei den anderen von uns untersuchten Actinienarten war ein besonderer Ringmuskel nicht vorhanden; in wiefern er sonst noch verbreitet ist, wäre von Interesse zu wissen, da sich vielleicht die Einrichtung in systematischer Hinsicht verwerthen lässt. Die Randsäckchen. Bourses marginales (Hollard.). Ein zweites Organ, welches nur einer kleinen Anzahl von Actinien zukömmt, sind die Randsäckchen, welche im oberen Theil des Mauerblattes, dicht unter dem äusseren Kranz der Tentakeln, einen Kreis von kleinen kugligen Hervorragungen bilden. Am be- sten bekannt sind dieselben von der weit verbreiteten Actinia me- sembryanthemum, bei welcher sie durch eine lebhafte blaue Farbe sofort in die Augen fallen. Wohl wegen dieses Umstandes na- mentlich haben sie schon öfters das Interesse der Naturforscher auf sich gezogen, sind öfters der Gegenstand besonderer Unter- suchungen geworden und haben hierdurch und durch die verschie- denen Deutungen, welche ihnen zu Theil geworden sind, eine ge- wisse Rolle in der Actinienliteratur gespielt. Während Rapp (36 p.52) in seiner mehrfach eitirten Ab- handlung sich auf die einfache Bemerkung beschränkt, dass bei Actinia mesembryanthemum am Rand der Scheibe ein Kreis von 506 Oscar und Richard Hertwig, hellblauen Knöpfchen angebracht ist, haben Milne Edwards und Haime (32 p. 239—240) zum ersten Male eine genauere Un- tersuchung angestellt und gefunden, dass die Knöpfchen kleine Säckchen sind, welche mit den Interseptalräumen communieiren und durch zahlreiche Nesselzellen von zweierlei Art ausgezeichnet sind, von welchen die einen einen Spiralfaden, die andern nur eine Längslinie in ihrem Innern erkennen lassen. Sie nennen die Ge- bilde bourses chromatophores oder tubercules calicinaux. Hol- lard (22 p. 272) widmet ihnen darauf in seiner Monographie einen besondern Abschnitt, gibt ihnen den später gebräuchlich gewor- denen Namen bourses marginales und findet gleichfalls ihr Haupt- characteristicum in der beträchtlichen Entwicklung der Nessel- kapseln. Dabei wirft er die Frage nach der Function der Organe auf und spricht selbst die Vermuthung aus, dass die bourses mar- ginales bei ihrer peripheren Lage, ihrer lebhaften Färbung, dem Volumen und der grossen Durchsichtigkeit ihrer Kapseln „eine phy- siologische Beziehung zu der Wirkung des Lichtes“ haben möch- ten. Auch Gosse (18 p. 171) ist der Ansicht, dass ihnen ohne Zweifel irgend eine wichtige Function zukommen müsse, hält sie aber wegen ihres Reichthums an Nesselzellen eher für Schutzor- gane, welche den Mangel der Acontien zu ersetzen bestimmt sind. Die Vermuthung Hollard’s schien sich in der Neuzeit durch 3 Arbeiten bewahrheiten zu sollen. In der vorläufigen Mitthei- lung von Schneider und Rötteken (35) wird uns berichtet, dass die sogenannten Bourses marginales unzweifelhaft Sinnesor- gane und zwar zusammengesetzte Augen sind, dass sie den Bau einer Retina besitzen und folgende Schichten unterscheiden lassen : 1) zu äusserst eine Cuticularschicht, welche durch zahlreiche Po- renkanäle in Stäbchen zerfällt; 2) eine Schicht stark lichtbrechen- der Kugeln, die man als Linsen betrachten kann; 3) Zapfen, be- stehend aus hohlen, stark lichtbrechenden, quergestreiften, an den Enden abgerundeten Cylindern oder Prismen, die man früher wahr- scheinlich mit Nesselkapseln verwechselt hat; 4) eine körnig-fase- rige Schicht, welche noch die Zwischenräume der Zapfen ausfüllt; 5) eine durch Carmin sich tief färbende Schicht, welche zahlreiche äusserst feine Fasern und spindelförmige Zellen, wahrscheinlich Ner- venfasern und Nervenzellen enthält; 6) die Muskelschicht; 7) das Endothel. Bald darauf erschien Dana’s Werk (12 p. 39) über Corallen, in welchem die Bourses marginales als eine Reihe von Augen bezeichnet werden, welche nach aussen von den Tenta- keln wie ein Halsband um den Körper herumgelegt und mit Kry- Die Actinien. 507 stalllinsen uud einem Nervus opticus versehen sind, welcher letz- tere freilich isolirt und nicht mit einem Nervenring wie bei den höheren Cölenteraten verbunden ist. Und wieder ein Jahr später erfuhren alle diese Angaben eine Bestätigung und eine Erweite- rung durch den Engländer Duncan (15), der bei den Actinien auch ein Nervensystem glaubte aufgefunden zu haben. Bei der Lectüre seiner kurzen Abhandlung ist es selbst für den Sachver- ständigen schwer sich eine Vorstellung davon zu machen, was für Bilder Duncan gesehen hat, so unverständlich ist seine Beschrei- bung und so schlecht sind seine auf 2 Tafeln beigefügten Abbil- dungen. Den Nesselkapseln früherer Autoren, den Zapfen Röt- teken’s, legt er den Namen der Rötteken’schen Körperchen bei und unterscheidet ausserdem noch dem Franzosen Haime zu Ehren besondere Haime’sche Körperchen, die nach unserer Ansicht nichts Anderes als die Drüsenzellen sein können. Die Bedeutung der Schleim- und Nesselzellen, der Haime’schen und Rötteken’schen Körperchen, findet Duncan zuletzt darin, dass sie wegen ihrer besonderen Structureigenthümlichkeiten den Actinien die Lichtein- drücke vermitteln helfen. Indessen sollten die Bourses marginales sich nur wenige Jahre in ihrer Stellung als Sehorgane behaupten. Denn alsbald erschie- nen 2 Berichtigungen von Ludwig und von Korotneff. Lud- wig (31) erbrachte in den Göttinger gelehrten Nachrichten den Nachweis, dass „die in Stäbchen zerfallene Cutieularschicht“ Flim- merhaare, die „Zapfen“ in Wirklichkeit nichts Anderes als Nessel- kapseln, die Nervenfasern und Nervenzellen aber das fibrilläre Bindegewebe der Stützlamelle sind. Er selbst erblickt in den Bourses marginales nur unvollständig ausgebildete Tentakeln. Fast gleichzeitig mit Ludwig unterwarf Korotneff (26) das „Auge der Actinien“ einer histologischen Untersuchung und deckte den hier begangenen Irrthum auf. Nach seinen Untersuchungen hät- ten wir in den Randsäckchen der Actinien besondere Tastorgane vor uns. Korotneff isolirte die histologischen Elemente nach vorausgegangener Behandlung mit Osmiumsäure und erhielt hier- bei Ergebnisse, welche den Bau des Integumentes an dieser Stelle wesentlich anders erscheinen lassen, als wir ihn an an- dern Körpertheilen beschrieben haben. Er unterscheidet an den Bourses marginales ausser den Nesselkapseln mit ihren Kernen 1) senkrecht zur Oberfläche verlaufende Fibrillen, die glatt und glänzend sind und peripher mit einem Tasthaar zusammenhängen, und 2) spindelförmige Zellen, die theils zwischen den Nesselkap- 508 Oscar und Richard Hertwig, seln, theils basalwärts von ihnen liegen, hüllenlos sind und mit den Fibrillen sich in der Weise verbinden, dass sich zwei bis drei je einer Fibrille anschmiegen. Hierzu bemerkt Korotneff, dass die Gegenwart einer Tastborste, welche die Aufnahme eines Ein- druckes erleichtert, einer Zelle, welche nach ihrer Lage einer Ganglienzelle verglichen werden kann, und einer Fibrille, welche die beiden Bildungen vereint, auf jeden Fall beweise, dass wir ein Sinnesorgan und zwar ein Tastorgan vor uns hätten. So weit der letzte Beobachter der Bourses marginales der Actinien. Ist nun der histologische Befund, wie ihn Korotneff darstellt, ein richtiger ? ist wirklich das Ektoderm hier so wesent- lich anders gebaut als an andern Körperstellen? Wir müssen dies in Abrede stellen! Zwar haben wir selbst die Organe, die in der Actinienliteratur so viel Verwirrung angeregt haben, bei Actinia mesembryanthemum nicht untersucht, wohl aber bei Anthea Ce- reus, bei welcher gleichfalls am oberen Rande des Mauerblattes kleine Randsäckchen vorkommen (Taf. XVII Fig. 3u). Da diesel- ben hier das gleiche schmutzig grüne Colorit, wie der gesammte Körper besitzen, haben sie sich der Beobachtung Gosse’s und anderer Forscher entzogen. Wie der in Taf. XVII Fig. 10 dar- gestellte Horizontalschnitt zeigt, bedingen sie kleine knopfförmige Hervorragungen, deren innere Höhlung mit einem Interseptalraum communicirt. Von den 3 Hauptlagen, welche die Körperwand der Actinien zusammensetzen, haben Entoderm und Mesoderm ihre Beschaffen- heit nicht verändert. Die Entodermzellen haben auch hier an ihrer Basis eirculär angeordnete Muskelfasern ausgeschieden (Taf. XVIH Fig. 13m) und bilden so eine Muskellamelle, die mit Un- recht von Korotneff in Abrede gestellt wird. Das Mesoderm (s) mit seinen Bindegewebszellen entspricht, wie schon Ludwig gezeigt hat, der von Rötteken beschriebenen Nervenschicht. Dagegen bietet das Ektoderm (ek) auf der Höhe der Randsäckchen einen veränderten Anblick dar; es ist im Vergleich zur Umgebung beträchtlich verdickt (Taf. XVII Fig. 10) und an seiner Ober- fläche mit Nesselkapseln so dicht beladen, dass eine gewöhnlich dicht an die andere zu liegen kommt. Die Nesselkapseln (ec), (die Zapfen des vermeintlichen Actinienauges, Duncan’s Rötte- ken’sche Körperchen), sind senkrecht zur Oberfläche gestellt und von zweierlei Art, wie bereits seit M. Edwards und Haime bekannt ist; die einen (Taf. XVII Fig. 13c!) sind ganz gerade gestreckt, derbwandig und glänzend, die anderen geringer an Zahl Die Actinien. 509 lassen in ihrem Inneren, was bei ersteren nicht der Fall ist, deut- lich den aufgewundenen Spiralfaden erkennen (c?). Die Nessel- zellen, in welchen die Kapseln liegen, gehen nach abwärts wie auch sonst in einen feinen Faden über, nach aussen haben sie eine verdickte Cuticula (linsenförmigen Körper) ausgeschieden und tragen auf dieser Haare, welche für eine in Stäbchen zerfallene Cutieularschicht gehalten worden sind. Zweitens unterscheidet sich das Ektoderm der Randsäckchen noch dadurch von seiner Umgebung, dass dicht über der Stützlamelle wieder eine Nerven- schicht (Taf. XVIII Fig. 10 u. 13n) entwickelt ist, die an Durch- schnitten zumal von Osmiumpräparaten deutlich erkannt wird. Im Uebrigen aber besitzt das Ektoderm im Wesentlichen densel- ben Bau, wie anderwärts; es besteht mithin aus langen fadenför- migen Epithelzellen. Dieselben sind von Korotneff als Fibril- len, sowie ihre von körnigem Protoplasma umgebenen Kerne als spindelförmige Ganglienzellen beschrieben worden. Die falschen Bilder von Korotneff, nach denen 2—3 Kerne einer einzigen Fibrille anlagern, sind wohl dadurch entstanden, dass bei der Anwendung von Osmiumsäure schon eine Erhärtung des Epithels eingetreten war und in Folge dessen bei der Isolation nicht mehr vollständige Zellen, sondern verklebte Bruchstücke von mehre- ren Zellen erhalten wurden. In der Umgebung der Randsäckchen nimmt das Epithel an Höhe bald ab, die Nesselzellen werden spärlicher und an ihre Stelle treten einzellige, schlauch- oder becherförmige Schleimdrü- sen (d), deren Menge so beträchtlich ist, dass eine fast unmittel- bar an die andere angrenzt. (Taf. XVIII Fig. 5.) Welche Bedeutung sollen wir jetzt den so viel discutirten Randsäckchen der Actinien beilegen? Ludwig erklärt sie für unvollständig ausgebildete Tentakeln. Dagegen ist aber einzuwen- den, dass die Randsäckchen nicht wie die Tentakeln Ausstülpun- gen der Mundscheibe, sondern des Mauerblattes sind, dass sie Radialfächern angehören, die schon mit ihrem eigenen Tentakel versehen sind, und dass ihnen endlich ihrer Genese gemäss auch die longitudinalen ektodermalen Muskelfasern feblen. Sie sind daher morphologische Bildungen eigener Art. Wenn Korotneff dieselben als Tastorgane bezeichnet, so können wir ihm insofern beistimmen, als Sinneszellen, die fähig sind Tasteindrücke zu ver- mitteln, auch dieser Körperstelle gewiss nicht fehlen werden; aber wir fügen hinzu, dass bei einer solchen Deutung nicht die haupt- sächliche Function betont worden ist. Ohne Zweifel besteht der wich- 510 Oscar und Richard Hertwig, tigste Character der Randsäckchen in ihrem aussergewöhnlichen Reichthum an Nesselzellen; die Randsäckchen der Actinien sind daher in erster Linie Vertheidigungswaffen, es sind Nesselbat- terien, die am Rande des Mauerblattes, zumal wenn die Tenta- keln nach einwärts eingeschlagen sind, eine nicht unzweckmässige Lage erhalten haben. Ob sie zu dem Mangel der Acontien in einem Wechselverhältniss bei den Actinien stehen, wie Gosse vermuthet hat, ist ein Punkt, der durch weitere systematische Un- tersuchungen noch aufzuklären ist. Somit wären wir wieder zur alten, ursprünglichen Deutung von M. Edwards und Gosse zu- rückgekehrt, Die Poren des Mauerblattes. Cinclides (Gosse). Eine dritte Einrichtung am Mauerblatt, welche noch besonders in’s Auge gefasst werden soll, sind die gleichfalls nicht überall bei den Actinien auftretenden feinen Poren oder Cinclides, deren erste Erwähnung wir dem Tübinger Zoologen Rapp (36 p. 47) ver- danken. Derselbe beobachtete an der Oberfläche des cylindrischen Leibes von Sagartia parasitica (Actinia effoeta) kleine Löcher, aus welchen er beim Drücken des Thieres Fäden, die er für Oviducte hielt, austreten und feine Wasserstrahlen hervorspritzen sah. Später wurden die Poren im Mauerblatt einiger Actinien von Contarini (11p.8u.20), Agassiz (4 p. 678), Hollard (22 p. 279), Milne Edwards (32 p. 17) wieder kurz erwähnt. Eingehender aber beschäftigte sich mit ihnen zuerst Gosse (18 p. XXV—XXVM), der ihnen den besonderen Namen Cinclides gab und sie den Spira- cula der Insecten verglich. Bei kleinen Fxemplaren von Sagartia dianthus und nivea, die er unter dem Mikroskop untersuchen konnte, beobachtete er die Cinclides etwa an jeder vierten Kammer und zwar zu drei bis vier in einer Linie übereinander. Bald waren sie zu einem schmalen Spalt verengt, bald mehr erweitert, und konnte er alsdann hier das Licht durch die Körperwand hindurch- scheinen sehen. Bei Reizung des Thieres schnellten 1 oder mehrere Nesselfäden aus den Cinclides hervor. Gegen diese Angaben Gosse’s hat indessen der neueste Beobachter der Actinien, Heider (21 p. 405), wieder Zweifel erhoben. Zwar sah er bei der von ihm untersuchten Sagartia troglodytes, wenn er sie aus dem Wasser herausnahm, durch das Mauerblatt oft Wasserstrahlen oder Me- senterialfilamente hervorquellen, er war aber nicht im Stande, die hierfür bestimmten Oeffnungen am getödteten Thiere aufzufinden; „selbst als er das Stück des Mauerblattes, aus dem ein Mesenterial- Die Actinien. 511 filament hing, ausschnitt und nachdem es in Osmiumsäure gelegen zu Flächenschnitten verwendete, in der Hoffnung im Mesenterial- filamente eine Art Wegweiser zur Auffindung der Oefinung, durch die es gedrungen, zu besitzen, fand er, dass ersteres nur noch an der Oberfläche haftete, also durch die starke Contraction abge- kniffen war, in der Substanz des Mauerblattes selbst aber nicht die Spur einer Oeffnung, überhaupt in der ganzen Fläche, auf der früher die Durchbohrung stattgefunden hatte, kein Zeichen einer solchen.“ Heider hält desshalb die Oeffnungen „wenigstens bei Sagartia für zufällige, durch die Druckdifferenz zwischen innen und aussen rein mechanisch herbeigeführte Berstungen der weichen Körperwand, indem das nur aus Zellen bestehende Ektoderm und das lockere Bindegewebe des Mesoderms schon einem geringen Drucke ebenso leicht nachgeben und die innen gelagerten Muskel- fasern auseinanderweichen können, als sie nach Behebung des Druckes wieder vollkommen sich aneinander zu lagern vermögen.“ Die von Heider gegebene Erklärung erscheint an sich sehr unwahrscheinlich, wenn man erwägt, dass die Stützlamelle bei Sagartia parasitica von bedeutender Dicke ist und durchaus nicht jene lockere Beschaffenheit ihres Bindegewebes aufweist. Unsere eigenen Untersuchungen haben denn auch zu Ergebnissen geführt, durch welche die älteren Angaben von Rapp, Gosse etc. bestätigt und über allen Zweifel sicher gestellt werden. Bei Sagartia und Adamsia wird das Mauerblatt in seinem unteren Drittel von kleinen Höckern bedeckt, die in mehreren Reihen alternirend angeordnet die Stellen anzeigen, aus denen am lebenden Thiere Nesselwaffen hervorgeschleudert werden können. Schon wenn man an einer gehärteten Sagartia mit dem Rasirmesser einen Höcker halbirt, wird man bemerken, dass ein Kanal in die dicke Stützlamelle eindringt; aber vollkommen klar wird der Sachver- halt erst an feinen Durchschnitten, deren einer auf Taf. XXVI Fig. 4 abgebildet worden ist. Die Stützlamelle erscheint hier im Bereiche des Höckers plötzlich verdünnt und nach Aussen uhrglasförmig hervorgewölbt. Während in der Umgebung die Muskellamelle sich in Folge stärkerer Entwicklung in Falten gelegt hat, ist sie an der inneren Fläche der uhrglasförmigen Hervorwölbung selbst un- gefaltet und glatt. Auf der Höhe des Höckers wird die verdünnte Stützlamelle noch von einem sehr schmalen Kanal durchbohrt, an dessen Rand die innere und die äussere Epithellage des Körpers in einander übergehen. Die ektodermalen Ränder des Kanals sind als zwei schmale Falten nach Aussen lippenartig hervorgewulstet, 512 Oscar und Richard Hertwig, Da besondere Einrichtungen zum Oeffnen oder Schliessen des Spaltes nicht nachgewiesen werden konnten, wird seine grössere Weite oder Enge einfach von den verschiedenen Contractionszuständen der Leibeswand abhängen. Auf Grund der mitgetheilten Befunde kann es jetzt keinem Zweifel mehr unterliegen, dass wirklich bei einer Anzahl von Actinien in der Leibeswand besondere Oeffnun- gen vorkommen. Ihr Zweck besteht nun darin, dass durch sie im Innern des Körpers gelegene Vertheidigungswaffen, die Acontien, nach Aussen hervortreten können, worauf wir bei Besprechung der letzteren wieder zurückkommen werden. III. Abschnitt. Das Schlundrohr. Wie schon früher erwähnt wurde, hängt von der Mitte der Mundscheibe ein weiter Schlauch, das Schlundrohr, in den Körper fast bis zur Fussscheibe hinab und öffnet sich hier breit in den grossen coelenterischen Hohlraum. Obwohl diese Thatsache bei Zergliederung mit der Scheere so leicht festzustellen ist, haben doch gerade hierüber lange Zeit ganz irrthümliche Anschauungen geherrscht und kann man daraus ersehen, wie wenig Beobachtungs- gabe von den Forschern, die sich am Anfang dieses Jahrhunderts mit der Actinienanatomie beschäftigten, entwickelt wurde. Wahrscheinlich durch falsche Analogieschlüsse verleitet geben Spix (40 p. 447), Rapp (36 p. 46), Blainville (7 p. 62) und Contarini (11 p. 14), Carpenter, Sharpey, Johnston und Rymer (eitirt nach Cobbold. 10) an, dass das Schlundrohr oder der Darmcanal der Actinien an seinem unteren Ende geschlossen sei und daher wie ein Blindsack in die Körperhöhle hineinhinge. Den Hohlraum zwischen den Septen und in den Tentakeln er- klärten Einige für die Leibeshöhle, Andere, wie Blainville (7 p. 67) für ein besonderes Wassergefässsystem, das durch die Poren in den Tentakeln und in dem Mauerblatt nach Aussen communi- cire. Noch im Jahre 1855 hielt es Spencer Cobbold (10) für nöthig einen besonderen Artikel darüber zu schreiben, dass das Schlundrohr mit dem grossen Hohlraum des Körpers durch eine weite Oeffnung in Verbindung stehe, obwohl schon einige Jahre zuvor Agassiz (4 p. 675) und nach ihm Hollard (22 p. 274) den Sachverhalt zum ersten Male richtig dargestellt hatten. Bei der Anatomie des Schlundrohrs hat man auf einige Ein- richtungen zu achten, die in Zusammenhang mit der Stellung der Die Actinien. 513 Septen eine grössere morphologische Bedeutung gewinnen. In ge- schlossenem Zustande erscheint der Mund der Actinien (Taf XVII, Fig. 1) als ein langer Spalt, der von 2 gewulsteten Rändern, den Lippen umgeben wird. Die letzteren sind bei einigen Arten noch mit besondern Höckern bedeckt, deren Anzahl sich bei Sagartia parasitica im Ganzen auf 12 beläuft und mit der Anzahl der Septen, die sich an’s Schlundrohr ansetzen, übereinstimmt. Auf die spaltförmige Beschaffenheit des Mundes glaubte Agas- siz (4 p. 678) besonders aufmerksam machen zu müssen und ver- werthete sie für seine Ansicht, dass der Körper der Actinien wie derjenige der Echinodermen eine parite bilaterale aufweise. In der That hängen hiermit auch einige weitere Einrichtungen zu- sammen, in welchen sich eine bilaterale Symmetrie noch deutlicher ausspricht. Bei allen Actinien nämlich verlaufen von den beiden Mundwinkeln aus zwei tiefe Furchen am Magenrohr nach abwärts (Taf. XVII, Fig. 3 u. 10 x) und setzen sich wie schon Hollard (22 p. 274) und Gosse (18 p. XVY—XVIH u. p. 4) ganz richtig bemerkt haben, von der übrigen Wandung ganz deutlich ab; sie sollen im Folgenden als Schlundrinnen (x) bezeichnet werden (demicanaux, Hollard — canales gonidiales, Gosse). An unseren Durchschnitten durch die verschiedenen Actinienarten sind sie überall leicht zu erkennen und scheinen sie sich uns durch eine besonders starke Bewimperung auszuzeichnen. Wenn die Wan- dungen des Schlundrohrs aneinandergelegt sind und der Mund ge- schlossen ist, bleiben sie geöffnet und wird demnach ihre Be- deutung wohl darin bestehen, dass durch sie fortwährend ein Wasserstrom in das Innere des Körpers hineingetrieben wird. Am unteren Ende der 2 Rinnen ist ferner noch das Schlundrohr in 2 lange Zipfel verlängert, die fast bis zur Fussscheibe herabreichen können und von Hollard als Languettes beschrieben worden sind. Von den beiden Halbkanälen sind die anderen Längsfurchen zu unterscheiden, welche durch Falten der Schlundwand hervor- gerufen werden. Bei Sagartia parasitica liegen die Falten in der Verlängerung der Lippenhöcker und entsprechen wie diese an Zahl den mit dem Schlundrohr verbundenen Septen. Bei der histologischen Untersuchung zeigt uns das Schlund- rohr, welches nach den entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen von Cobbold (10) und Kowalevsky (27) durch Einstülpung vom Ektoderm her gebildet wird, eine grosse Uebereinstimmung in seinem Bau mit der Mundscheibe und weicht nur in einigen Punkten von ihr ab. BIST. N. FE VL 3, 33 514 Oscar und Richard Hertwig, 1) Das Ektoderm. Wenn wir mit der Zerlegung des Ekto- derms beginnen, welches die innere Fläche des Rohrs auskleidet (Taf. XIX, Fig. 6 ek), so fehlt von den 3 an der Mundscheibe be- schriebenen Schichten (Taf. XIX, Fig. 7) nur die Muskellage (m). Die radialen Faserzüge der Mundscheibe enden nämlich in der Umgebung der Mundlippen in der Weise, dass einzelne längere Bündel in den Gruben zwischen je 2 Lippenhöckern noch eine Strecke weit auf das Schlundrohr übertreten. Wenn ältere Forscher, Milne Edwards (32 p.9) z. B. noch von einem besonderen Sphincter des Mundes (sphincter labial) sprechen, so müssen wir Heider (21 p. 401) beistimmen, der einen solchen in Abrede stellt. Da die Muskulatur fehlt, besteht das Ektoderm des Magen- rohrs, wie auch Heider gefunden hat, aus zwei Schichten, dem Epithel und der Interbasalsubstauz, unserer Nervenfaserschicht (Taf. XIX, Fig. 6 n). Das Epithel ist trotz seiner sehr ansehn- lichen Dicke nur einschichtig. Abgesehen von den flimmernden Stützzellen schliesst es Nessel- und Drüsenzellen (d! und d?) ein, von denen die letzteren im Vergleich zur Mundscheibe an Menge bedeutend zugenommen haben und auf Durchschnitten die übrigen Elemente fast völlig verdecken. Die Drüsenzellen treten uns in zwei verschiedenen Modifi- cationen entgegen. Die eine Art (Taf. XIX, Fig. 14, 2. 3; Fig. 15, 3—5) zeichnet sich durch einen characteristischen grobkörnigen Inhalt aus; ihr Protoplasma ist durch und durch erfüllt von kleinen glänzenden Kügelchen, die dicht gedrängt aneinander liegen und sich gewöhnlich intensiv färben; daher fallen die grobkörnigen Drüsen an Picrinsäure- und Chromkalipräparaten sofort durch ihre dunkelgelbe Farbe auf, bei Osmiumbehandlung werden sie geschwärzt, an Carminpräparaten stärker roth tingirt. Die Secret- kügelchen sind gewöhnlich an einzelnen Stellen in den langge- streckten Zellen stärker angehäuft und rufen dadurch verschiedene Formen hervor. Bald sind die Zellen nach der Peripherie zu keulenförmig verdickt, bald besitzen sie in ihrer Mitte eine oder auch zwei spindelige Auftreibungen und verlängern sich dann nach der Peripherie zu in einen halsartigen Fortsatz. Häufig verschmäch- tigen sie sich nach der Basis und werden zu dünnen Fäden, die gewöhnlich keine Secretkügelchen mehr enthalten und allein aus Protoplasma bestehen. Unter unseren Isolationspräparaten sties- sen wir ab und zu auf Drüsenzellen, deren basaler Faden sich gabelte und in zwei oder drei feine Fibrillen verlängerte. Da- durch wird es uns wahrscheinlich gemacht, dass auch die Drüsen- Die Actinien. 515 zellen mit der unter ihnen gelegenen Nervenfaserschicht in einem Zusammenhange stehen mögen. Hie und da war auf dem peripheren Drüsenende eine Geissel zu beobachten. Im Gegensatz zu den trübkörnigen Zellen stellt sich uns die zweite Art von Drüsen auf Durchschnitten (Taf. XIX, Fig.6 d!) unter dem Bild von hellen Räumen dar und kann es so den Anschein gewinnen, als ob die Epithelzellen auseinandergedrängt seien und freie Lücken zwischen sich enthielten. Das ist nun aber keineswegs der Fall; die freien Lücken sind weiter nichts als modificirte Drüsenzel- len; im isolirten Zustand (Taf. XIX, Fig. 15, ı u. 2) erscheinen sie als ziemlich breite schlauch- oder keulenförmige Gebilde, die bei stär- kerer Vergrösserung eine zarte Membran und in ihrem Innern ein weitmaschiges Netz von dünnen Protoplasmabälkchen zeigen, in denen der kleine Kern liegt. Nach abwärts verlängert sich der bald schmälere, bald ansehnlich dicke Schlauch häufig in ein Proto- plasmafädchen. Von Picrinsäure, Osmiumsäure, Carmin wird die zweite Art von Drüsenzellen fast gar nicht gefärbt. Heider (21 p. 398—399), der in seiner Histologie der Actinien die beiden Arten von Drüsen beschreibt, ist in der Deutung der durchschei- nenden Gebilde unsicher geblieben. „Er sah das Gewebe durch blasige wasserhelle Räume unterbrochen, welche ohne deutlichen Contour in der Interbasalsubstanz beginnend nach oben breiter werden und zwischen den Ektodermzellen mit abgerundeter, scharf- umrandeter Kuppel enden.“ „Da er aber in den keulenförmigen Räumen nie einen Inhalt entdecken konnte, der irgend einen Schluss auf ihre Function erlaubt hätte, will er dieselben nur erwähnt haben.“ Was haben nun die zwei von uns unterschiedenen Formen von Drüsenzellen zu bedeuten? Sind sie mit verschiedenen physio- logischen Leistungen betraut oder functioniren sie in derselben Weise, indem sie nur zwei Entwicklungsstadien einer und derselben morphologischen Bildung sind. Dass von den glasigen Drüsenzellen der Schleim geliefert wird, mit welchem sich auf jeden Reiz hin die Körperoberfläche der Actinien und besonders reichlich das Schlundrohr bedeckt, kann als sicher angenommen werden; da- gegen erscheint es uns noch zweifelhaft, ob die Körnerzellen ein eigenes Secret liefern oder ob sie sich auch noch in Schleimzellen umwandeln. Zwar trafen wir Zellen, welche für letzteren Vorgang zu sprechen schienen, Zellen, welche gleichsam aufgequollen waren dadurch, dass ihre Körnchen an Grösse zugenommen und dabei durchsichtiger geworden waren, doch möchten wir auf solchen 33 * 516 Oscar und Richard Hertwig, Befund allein noch nicht einen Uebergang der beiden Drüsenarten : in einander begründen. Auf experimentellem Wege wird diese Frage noch entschieden werden müssen. Es wurde schon hervorgehoben, dass auch am Magenrohr eine Nervenfaserschicht unter dem Epithel gelegen ist (Taf. XIX. Fig. 6 n); sie ist auf Durchschnitten leicht nachzuweisen und erreicht eine ansehnliche, wenn auch nicht eine so bedeutende Stärke als im Bereich der Mundscheibe. Beim Zerzupfen mace- rirter Präparate bleiben an der Basis der Epithelstückchen Theile der Nervenschicht haften, die sich noch weiter isoliren und in ein Gewirr feinster Fibrillen auflösen lassen. Dabei ergibt sich ein Unterschied zu den histologischen Verhältnissen der Mund- scheibe. War uns an dieser ein grosser Reichthum von Ganglien- zellen aufgefallen, so muss am Magenrohr ein fast vollständiger Mangel derselben constatirt werden. Das ist auch der Fall, wenn man in der früher angegebenen Weise vom Ektoderm des Magen- rohrs Pinselpräparate herzustellen sucht. Dieselben sind uns frei- lich weit weniger vollkommen als an andern Regionen des Körpers gelungen, weil sich in Folge des grossen Drüsenreichthums das Magenrohr stets mit einer grösseren Schleimmenge bedeckt, wel- che das Eindringen der Reagentien erschwert und so nicht den passenden Grad zwischen Maceration und Erhärtung, wie er zur Erzielung guter Resultate erforderlich ist, erreichen lässt. Auch verhindert es der Schleim, dass man die Epithelzellen, welche durch ihn untereinander verklebt sind, mit dem Pinsel bequem abstreifen kann. 2) Das Mesoderm. Auf die Nervenschicht folgt bei dem Ausfall der Muskulatur unmittelbar das Mesoderm, welches, wie schon Heider angiebt, vom Mundrand an etwas seinen histo- logischen Character verändert (Taf. XIX. Fig. 6. s). Nur unmit- telbar unter dem Ektoderm und Entoderm sind die Bindegewebs- fasern zu zwei festeren Lagen zusammengewoben, der Zwischen- raum aber wird durch ein lockeres Gewebe ausgefüllt. In einer reichlicher vorhandenen homogenen Grundsubstanz verlaufen ge- schlängelte Bindegewebsfasern von ziemlicher Stärke; die Binde- gewebszellen sind protoplasmareicher und mit glänzenden Nah- rungskörnchen beladen; sie sind entweder ganz kuglig oder ent- senden nur wenige und kurze Fortsätze. Nach abwärts verdünnt sich das Mesoderm immer mehr zu einer gleichmässig dünnen Lamelle, welche aus sehr locker geflochtenen, aber durch ihre Dicke auffallenden Bindegewebsfasern besteht (Taf. XXI. Fig. 2). Die Actinien. 517 Auch sonst bleibt die Dicke der Stützlamelle, welche dem Schlund- rohr zu Grunde liegt, nicht überall dieselbe. Indem die lockere Bindegewebsschicht hie und da an Masse zunimmt, entstehen die schon früher beschriebenen Längsfalten, welche nach innen vor- springend am Schlundrohr nach abwärts verlaufen, und in eben derselben Weise sind die Höcker am Lippenrande bedingt. Diese und ähnliche Wucherungen in der Umgebung des Mundes haben älteren Anatomen zu verschiedenen irrthümlichen Deutungen Ver- anlassung gegeben. Contarini glaubte in den Lippenhöckern, da sie eine secretorische Flüssigkeit enthielten, Speicheldrüsen er- blicken zu dürfen (11 p. 14), und Gosse beschreibt bei verschie- denen Actinienarten Verdickungen im oberen Theile der Schlund- rohrwandung als eine besondere Leber (15 p. XVII). 3) Das Entoderm. Der entodermalen Seite der Stützlamelle liegen Muskelfasern auf, die eirculär angeordnet sind und es so bewirken, dass das Schlundrohr um die ergriffene Beute sich zu- sammenziehen kann (Taf. XIX. Fig. 6m). Sie stehen auch hier wieder mit den über ihnen gelegenen Zellen des Entoderms, die grösstentheils Epithelmuskelzellen sind, in Zusammenhang. Ebenso wenig wie am Mund ist am anderen Ende des Schlundrohrs ein besonderer Sphincter vorhanden, welchen Milne Edwards und andere ältere Anatomen den Actinien glaubten zuertheilen zu müssen. (Fortsetzung im nächsten Heft.) Druck von Ed. Frommann in Jena. ap ir un Ih | JH ER Kar ih H Kr ARE Hr rar aan Be ILIEIEET uch 1 NG Mk Ni ab Ha ah PX an ’ “-% BL TA I N PM Au a oT) 1% air sesE 10) H Mi Hr vi 7 f ’ N “ii 1 2 | ie | Die Actinien anatomisch und histologisch mit besonderer Berücksichtigung des Nervenmuskelsystems untersucht Oscar Hertwig und Richard Hertwig. Hierzu Tafel XVII—XXVI. (Fortsetzung.) IV. Abschnitt. Die Septen mit den Geschlechtsorganen, Mesenterial- filamenten und Acontien. In den Binnenraum des Actinienkörpers ragen, wie dies zuerst in unvollkommener Weise Spix (40 p. 447) und delle Chiaje (8 p. 232) erkannten und später Rapp (36 p. 47) klar und übersichtlich dargestellt hat, die Septen oder Scheidewände in radialer Richtung vor und theilen den Raum in zahlreiche Fä- cher, so dass der Durchschnitt eines Actinienkörpers nicht unpas- send von Rapp mit dem Durchschnitt durch eine Citrone oder einen Mohnkopf verglichen werden konnte. Die Septen entsprin- gen vornehmlich vom Mauerblatt, doch setzen sich ihre Ursprünge einerseits auf die Mundscheibe, andererseits auf das Fussblatt fort, wobei sie je nach ihrer Grösse mehr oder minder weit bis nach der Mitte vordringen. Unter Zugrundelegung der letztge- nannten Eigenthümlichkeit haben Hollard (22 p. 278) und nach ihm alle übrigen Forscher die Septen in verschiedene Ordnungen eingetheilt. Die derselben Ordnung angehörigen Septen nämlich 520 Oscar und Richard Hertwig, sind unter einander von gleicher Grösse und grösser als die nach- folgenden, dagegen kleiner als die vorhergehenden. So erreichen die Septen erster Ordnung (Taf. XVII, Fig. 9 u. 10) sämmtlich das Centrum der Fussscheibe, die der zweiten hören früher auf, noch früher die der dritten, bis schliesslich die Septen der letzten Ord- nung, welche je nach den einzelnen Arten der Actinien einen ver- schiedenen Numerus trägt, kaum noch aus dem Mauerblatt her- vorragen. Da nun schon früher Ehrenberg (45 p. 239) darauf hingewiesen hatte, dass bei „den Actinienartigen Korallenthieren und bei den Madreporen die Zahl 6 mit ihren Multiplis durch- gehends fest und herrschend ist“ und dass „die Actinien, Fungien, Caryophyllien u. s. w. durch. das ganze individuelle Leben fort, nur immer langsamer, mehr Multipla von 6 in ihren Theilen ent- wickeln“, so ergab es sich von selbst, dass auch in jeder Ordnung die Zahl der Septen entweder 6 oder Multipla von 6 betragen musste. Die Durchführung dieses Gedankens ist der gesunde Kern, der in dem bekannten Milne Edwards’schen Stellungsgesetz der Korallensepten enthalten ist. Durch die ungleiche Grösse wird es herbeigeführt, dass bei vielen Actinien die Septen der einzelnen Ordnungen in ein ver- schiedenes Verhältniss zum Schlundrohr treten, insofern nur die grösseren unter ihnen (häufig nur die Septen erster Ordnung) sich an dasselbe befestigen, während alle übrigen schon früher mit freiem Rande endigen; man kann daher zwischen vollkomme- nen und unvollkommenen Septen unterscheiden (Taf. XVII, Fig. 9 u. 10). Obwohl dieser Unterschied bei der Mehrzahl der von uns untersuchten Actinien, wie wir später zeigen werden, vor- handen ist, wurde er gleichwohl von den meisten Forschern merk- würdigerweise übersehen. Milne Edwards (32 p.15) und Hol- lard (22 p. 274) bemerken nur kurz, dass die Scheidewände sich an das Schlundrohr inseriren und hier eine longitudinale Faltung bedingen. Gosse (18) wurde zwar darauf aufmerksam, dass sich nicht alle Septen gleich verhalten, dass die einen tiefer, die an- deren höher am Schlundrohr aufhören, er erwähnt aber nicht, dass viele überhaupt nicht soweit reichen. Dagegen hebt Tho- rell (42) in einer Arbeit über Sagartia plumosa, die mit Gos- se’s Actinologia britannica nahezu gleichzeitig ist, ganz richtig — der Verf. irrt nur in der Angabe der Zahlen — hervor, dass von den 48 Septen dieser Actinie nur 6 sich mit dem Schlundrohr verbinden, die er daher auch als die vollständigen von den übri- Die Actinien. 521 gen als den unvollständigen unterscheidet. Auch Schneider und Rötteken (38) geben in ihrer vorläufigen Mittheilung eine richtige schematische Zeichnung, ohne sie jedoch im Text zu er- läutern. Ferner erwähnt Dana (12. p. 27) beiläufig, dass nur die grösseren Septen die Verbindung zwischen Schlundrohr und Mauerblatt herstellen und endlich hat neuerdings Heider (21. p. 376) wie Thorell die Scheidewände in vollständige und un- vollständige eingetheilt. Durch die Septen wird der Raum im Umkreis des Schlund- rohrs in zahlreiche Fächer getheilt, die durch rundliche in den Septen angebrachte Oeffnungen unter einander communiciren (Taf. XVIII, Fig. 1. 3.7.8). Die Oeffnungen wurden zuerst von Rapp (36 p. 47) gesehen, welcher „bei Actinia mesembryanthemum un- mittelbar unter der oberen Scheibe (Mundscheibe) zwischen dem inneren Kranz der Fühlfäden und dem Mund einen ringförmigen Canal“ entdeckte; sie wurden später von Blainville (7. p. 67), der sie in den Lippenwulst verlegt, wieder gefunden. Hollard (22 p. 278), dem Rapp’s Angaben entgangen zu sein scheinen, spricht ebenfalls von Oeffnungen, giebt aber an, dass dieselben in dem oberen Theil der Septen in der Nachbarschaft der Tentakeln vor- kommen. Von vielen der späteren Autoren wie von M. Edwards, Haime, Stoliczka, Dana u. A. wurden die Oefinungen unbe- rücksichtigt gelassen; von Gosse (18 p. XIX) wurden sie bei einem Theil der Actinien (Sagartia bellis, Anthea cereus, Acti- noloba dianthus) beobachtet, bei einem anderen Theil (Tealia cras- sicornis und Corynactis) vermisst. Von Actinoloba dianthus liefert der englische Forscher eine Abbildung, welche ein kreisförmiges Loch im Septum unterhalb der Mundscheibe, dem Mauerblatt mehr genähert als dem Magen, darstellt. Genauere Angaben über diesen Punkt der Actinienorganisa- tion haben wir durch Schneider und Rötteken (38. p. 6) er- halten, welche zweierlei verschiedene Oeffnungen unterscheiden. Einmal existirt bei allen Actinien ausnahmslos ein „Ringeanal“, welcher den Mund eng umfasst; ausserdem treten bei vielen Acti- nien noch Löcher auf, welche in den Scheidewänden in einiger Entfernung von den Ursprüngen und Insertionen derselben liegen. Von Heider (21. p. 379) endlich wurde der Ringeanal Rötte- ken’s ausführlicher beschrieben und festgestellt, dass nur der un- tere und äussere Rand der Oeffnung vom Septum, der obere und innere dagegen vom Lippenwulste des Peristoms gebildet wird. 522 Oscar und Richard Hertwig, Wir betrachten zunächst die Oeffnungen, deren Gesammtheit den „Ringeanal“ der Autoren repräsentirt und die wir als die inneren Septalstomata (Taf. XVIIL, Fig. 1. 3. 7. 8.1!) bezeich- nen wollen, da der Name „Canal“ eine ganz falsche Vorstellung erweckt und aus diesen wie aus anderen Gründen ungeeignet ist. Wir fanden die Oeffnungen ganz so wie sie Rötteken und v. Heider schildern, kreisrund, bei grösseren Actinien wie den An- theen und Sagartien etwa 1Mm. gross und nur von der einen Seite vom Septum begrenzt, während auf der anderen die innere Wandung des Lippenwulstes liegt. Der Antheil, welchen der Lip- penwulst an der Begrenzung nimmt, ist jedoch nur unbedeutend, indem das Septum von unten und oben mit sichelförmigen Fort- sätzen die Oefinung umgreift. Man kann sich die Entstehung der Oeffnungen in der Weise vorstellen, dass als die vom Mauerblatt und der Mundscheibe hervorwachsenden Septen an das Schlund- rohr sich anlegten und sich mit ihm verbanden, die Verwachsung im Umkreis des Mundes unterblieb. Damit ist schon gesagt, dass die inneren Septalstomata nur den vollständigen Septen zukom- men, den unvollständigen dagegen fehlen. Bei Sagartia parasitica, Adamsia diaphana und Actinoloba dianthus sind sie daher, ent- sprechend der geringen Zahl der vollständigen Septen, nur zu 12 vorhanden, bei den Antheen dagegen und den Tealien sind sie zahlreicher. Die inneren Septalstomata sind bei den Antheen, Sagartien und Adamsien die einzigen Oeffnungen in den Wandungen der Septen; dagegen finden sich bei Tealia crassicornis (Fig. 71?) und Actinoloba dianthus (Fig. 11?) noch äussere Stomata, mit wel- chen wir durch die Freundlichkeit des Herrn Rötteken bekannt geworden sind. Bei beiden Actinien liegen völlig übereinstimmende Verhältnisse vor. Die Oefinungen sind kreisrund oder oval, von ansehnlicher Grösse und daher leicht zu beobachten; sie finden sich im oberen Drittel des Körpers, dem Mauerblatt näher als der Mundscheibe, aber immer durch einen ansehnlichen Zwischen- raum von jenem getrennt, so dass ihre Umrandung zum Unter- schied von der Umrandung der inneren Stomata allein von der Substanz der Septen gebildet wird. Zu den Muskelzügen, wel- che wir später noch näher besprechen werden, sind sie so ge- stellt, dass der longitudinale Hauptstrang (Im), der sich zur Ten- takelbasis begiebt, auf ihrer inneren Seite vorüberläuft, dass dage- gen die dem transversalen System angehörigen Fasern, die an der Die Actinien. 523 Fussscheibe beginnen und nach dem Mauerblatt ausstrahlen (pm), nach aussen von ihnen liegen. In Bezug auf das Verhalten der Oefinungen ist noch hervor- zuheben, dass sie in den stark muskulösen Hauptsepten von Tealia crassicornis kleiner sind, als in den muskelärmern, dafür aber mit Geschlechtsorganen versehenen Nebensepten und dass sie in jenen ab und zu sogar ganz fehlen können. Bei Actinoloba dianthus dagegen fehlen sie umgekehrt in den kleinsten Nebensepten, weil diese noch nicht bis an den Ort hervorragen, wo die Oeffnungen ihren Platz bei den anderen Septen einnehmen. Während die inneren Septalstomata als Communicationen ge- deutet werden können, welche zwischen den Interseptalräumen be- stehen blieben, als die Scheidewände mit dem Magen verwuchsen, ist eine gleiche Erklärung für die äusseren Stomata nicht zulässig. Da dieselben nur bei wenigen Arten vorkommen, so ist es wahr- scheinlicher, dass sie secundär erworbene Bildungen vorstellen, die vielleicht den Zweck haben Druckschwankungen in den einzelnen Interseptalfächern auszugleichen. Auffällig ist es, dass die Sto- mata allein bei den beiden Arten von uns beobachtet wurden, die einen Ringmuskel (r) im Mauerblatt besitzen, so dass an eine Correlation zwischen beiden Structuren gedacht werden kann. Zum Schluss noch eine kurze Beurtheilung der Schilderungen früherer Autoren. Rapp hat zweifellos bei Actinia mesembryan- themum die inneren Stomata (den Ringcanal Rötteken’s) vor Augen gehabt, da er sie zwischen dem inneren Tentakelkranz und dem Mund, also nach innen vom Längsmuskel gelegen sein lässt; Hollard’s Beschreibung dagegen kann nur auf die äusseren Sto- mata bezogen werden, wie Rötteken richtig angegeben hat; da- mit erledigt sich der Einwurf, den v. Heider macht, dass Hol- lard den Ringcanal (die inneren Stomata) zwar gesehen, aber an einen falschen Ort eingezeichnet habe. Gosse endlich hat bei- derlei Oeffnungen mit einander verwechselt; bei Actinoloba dian- thus hat er die äusseren, bei Anthea cereus die inneren Stomata beschrieben. . Die Oeffnungen in den Septen der Actinien sind von L. Agas- siz (5 p. 39) und Allman (6 p. 460) mit dem Ringcanal der Me- dusen verglichen worden. Später haben Rötteken und Schnei- der diesen Vergleich mehr präcisirt und die inneren Septalstomata, welche allein constante Vorkommnisse sind, mit dem Ringcanal gleich gestellt. Indessen auch in dieser schärfer formulirten Fas- 524 Oscar und Richard Hertwig, sung ist die Ansicht nicht haltbar, wie auch v. Heider hervor- gehoben hat. Denn selbst, wenn wir davon absehen, dass die Actinien und die craspedoten Medusen einander sehr entfernt stehen und dass dem entsprechend eine detaillirte Zurückführung der Organisation der einen auf die Organisation der anderen un- berechtigt ist, so bleibt immer noch der wesentliche Unterschied in der Lagerung der Organe als ein Punkt bestehen, der eine Vergleichung ausschliesst. Der Ringeanal der Medusen liegt dicht an der Tentakelbasis, der sogenannte Ringcanal der Actinien mög- lichst von derselben entfernt und von ihr durch das gesammte Peristom getrennt. Als Träger mannigfacher und wichtiger Organe sind die Sep- ten complicirter gebaut, als die bisher beschriebenen Theile des Actinienkörpers. Zur festen Grundlage dient ihnen eine Stütz- lamelle von faseriger Bindesubstanz; dieselbe wird auf beiden Seiten von einer Epithelschicht und einer Schicht Muskelfasern bedeckt, die beide zusammen gehören und als eine gemeinsame Lage, die Epithelmuskelschicht, angesehen werden müssen. Am freien Rand der Septen nimmt das Epithel eine eigenthüm- liche Beschaffenheit an und erzeugt so ein besonderes Organ, das Mesenterialfilament, neben dem bei manchen Arten noch lange Fäden, die Acontien, entspringen; endlich liegen im In- neren der Septen noch die Geschlechtsorgane. An den Sep- ten der Actinien haben wir somit im Ganzen 5 Bestandtheile zu unterscheiden, welche wir in folgender Reihenfolge besprechen wol- len: 1. die Stützlamelle, 2. die Epithelmuskelschicht, 3. die Geschlechtsorgane, 4. die Mesenterialfilamente, 5. die Acontien. 1. Die Stützlamelle. Wie bei der Mundscheibe, dem Mauerblatt und anderen Thei- len des Actinienkörpers, so wurde auch bei den Septen die Stütz- lamelle von den älteren Autoren zur Muskulatur gerechnet, bis Kölliker (25) in ihnen das auch sonst vorkommende faserige Bindegewebe nachwies. Die Schilderung Kölliker’s ist im We- sentlichen von Schneider und Rötteken und von Heider bestätigt worden und auch wir schliessen uns diesen Autoren an. Die Bindesubstanz der Septen stammt aus den ‚anliegenden Theilen der Körperwand, aus dem Mauerblatt, der Mund- und der Fussscheibe; starke Faserzüge durchbrechen die entodermale Ringmuskulatur, wie wir dies oben schon dargestellt haben, und Die Actinien. 525 schlagen in den Septen einen vorwiegend transversalen Verlauf ein. Auf Querschnitten sieht man sie daher am schönsten, als dicht gedrängte und fest an einander gefügte Bündel gelockter Fasern, in denen nicht selten kleine Zellen eingebettet sind. Zwi- schen die transversalen schieben sich, wenn auch spärlicher, lon- gitudinale Fasern ein, die auf Querschnitten als körnige Stellen kaum wahrnehmbar sind, dagegen auf Längsschnitten deutlicher hervortreten. Am schwächsten ist die Stützlamelle bei den An- theen und Adamsien, am stärksten bei den Sagartien und Tealien. Indessen bleibt sie auch bei diesen letzteren einfach und zeigt nicht die Schichtung in drei Lagen, eine mittlere Lage lockeren Gewebes und zwei fibröse, strafffaserige Grenzschichten, wie sie Heider bei der Sagartia troglodytes aufgefunden hat. An den von den starken Längsmuskelzügen eingenommenen Stellen erhebt sich die Stützlamelle in feine, verästelte Falten, auf die wir jedoch erst bei der Besprechung der Muskulatur ein- gehen werden. 2. Die Epithelmuskelschichten. Schon den Beobachtern am Anfang dieses Jahrhunderts war es aufgefallen, dass die Septen sehr muskulöse Organe sind; sie sprachen von ihnen geradezu als von longitudinalen Muskeln (Spix) oder Muskellamellen (delie Chiaje), die von der Mitte der Fuss- scheibe entspringen. Ausser den longitudinalen oder senkrechten Muskelfasern unterschied Rapp (36. p. 47) noch transversale, worin ihm Gosse (18. p. XIII) beistimmte, während Milne Edwards (32. p. 9) zwar auch zwei Schichten annahm, den- selben aber eine andere Anordnung zuschrieb: eine Muskellage soll schräg von oben und aussen nach unten und innen verlaufen und sich nach der Fussscheibe verbreitern, die andere soll umge- kehrt vom Mauerblatt nach der Mundscheibe aufsteigen. Am com- plieirtesten ist die Schilderung Hollard’s (22. p. 278), welche der Zeit nach noch vor die Monographie Milne Edward’s fällt; nach ihm sind im Ganzen 4 Muskeln vorhanden, von denen kei- ner dem anderen gleicht, und von denen je zwei einer und der- selben Seite des Septum angehören. Hollard fügt nämlich zu den schon von älteren Beobachtern angenommenen longitudinalen und transversalen Fasern, die auf verschiedenen Seiten liegen, noch zwei Parietalmuskeln hinzu, welche beide vom Mauerblatt ent- springen; der eine verläuft jedoch abwärts zur Basis, der andere aufwärts zur Tentakelscheibe; der erstere liegt mit den trans- 526 Oscar und Richard Hertwig, versalen, der zweite mit den longitudinalen Muskeln auf glei- cher Seite. Die neueren Autoren schildern die Verhältnisse wiederum ein- facher. Wenn wir die unverständliche Darstellung Stoliezka’s übergehen, so finden wir bei Schneider und Rötteken nur longitudinale und transversale Fasern, bei v. Heider sogar nur longitudinale Fasern beschrieben. Die Widersprüche, die in den hier referirten Angaben enthal- ten zu sein scheinen, sind nicht so gross, als man wohl glauben möchte; sie lassen sich darauf zurückführen, dass ein Theil der Autoren schwach entwickelte oder nur auf kleine Bezirke be- schränkte Muskelzüge übersehen hat. Am genauesten hat zwei- fellos Hollard den Bau der Septen erkannt, während anderer- seits Milne Edwards sich am weitesten von einer richtigen Beurtheilung entfernt. Wir unsererseits unterscheiden wie die meisten unserer Vor- gänger zwei Muskelsysteme, die von einander durch die Stütz- lamelle getrennt werden und von denen das eine im Grossen und Ganzen eine transversale, das andere eine longitudinale Richtung einhält. Auch die Muskelzüge des parieto-basilaren und parieto-tentacularen Muskels Hollard’s lassen sich in dies Schema einordnen, obwohl sie beim ersten Blick den Eindruck wachrufen, als ob sie einen ihnen eigenthümlichen und durchaus selbständi- gen Faserverlauf besässen. Bei der Untersuchung verfährt man am besten in der Weise, dass man ein Septum sammt den unmittelbar anliegenden Thei- len von Schlundrohr, Mauerblatt, Fuss- und Mundscheibe heraus- schneidet, so dass es zwischen den genannten Abschnitten wie in einem Rahmen ausgespannt ist und nach einander von der einen und der anderen Seite betrachtet werden kann. Dielongitudinalen Muskeln (Taf. XVII Fig. 1.3.7. 8.Im) sind bei weitem am stärksten und fallen an einem flächenhaft aus- gebreiteten Septum als starke Faserbündel, die sich bei manchen Arten sogar zu dicken Wülsten zusammendrängen, sofort in die Augen. Bei Anthea (Fig. 3), wo sie, wie überhaupt sämmtliche Muskeln, unter allen Actinien am wenigsten entwickelt sind, be- ginnen sie am Fussblatt in Form eines einheitlichen Stranges, der sich nach einiger Zeit fächerartig ausbreitet und sich vornehmlich in drei Züge spaltet; ein Muskelzug verläuft nach dem inneren Septalstoma und dem oberen Magenende, ein zweiter nach der Mitte der Mundscheibe, ein dritter nach der Tentakelbasis. Die Actinien. 527 Bei den Sagartien (Fig. 3), Tealien (Fig. 7) und bei Actino- loba dianthus (Fig. 1), Arten, deren Mundscheibe nicht so aus- gedehnt ist wie bei den Antheen und sich ausserdem dadurch aus- zeichnet, dass sie vollkommen eingeschlagen werden kann, er- strecken sich die longitudinalen Muskeln (lm) als ein einheitlicher Strang zur Basis der Tentakeln und liegen hierbei nach innen von dem äusseren Septalstoma, sofern ein solches überhaupt vorhanden ist, und nach aussen von dem inneren Stoma. Sie sind schr stark, weil sie die Einstülpung der Scheibe bedingen. Bei der Sagartia verstärken sie sich noch durch Fasern, die im oberen Abschnitt des Mauerblatts entspringen, ebenfalls zur Mundscheibe treten und die Ursache abgeben, dass die Mundscheibe bei der Con- traction des Thieres hier ganz besonders fest an das Mauerblatt gepresst wird. Diese accessorischen Bündel sind wahrscheinlich der parieto-tentaculare Muskel Hollard’s. Ausser den wulstigen Strängen bilden die longitudinalen Mus- keln noch eine dünne Lage von Fasern, die leicht übersehen wer- den kann und nur mit Hilfe feiner Querschnitte nachweisbar ist; dieselbe fehlt an den Stellen, wo sich Geschlechtsorgane finden. Die transversalen Muskeln (tm) beginnen am Mauer- blatt und strahlen von hier nach der Mundscheibe, dem Schlund- rohr und dem Fussblatt aus. Sie sind im Allgemeinen schwächer, vielfach so schwach, dass sie dem Beobachter, wie dies bei Heider der Fall war, völlig entgehen können. Ein geeignetes Object, um sie zu demonstriren, ist die Anthea cereus (Fig. 3), nicht weil sie hier stärker sind als sonst, sondern weil das Septunn dünn ist, und weil ferner an macerirten Thieren das Epithel ohne Ver- letzung der Muskellage abgepinselt werden kann. Man sieht dann, wie die transversalen Fasern im Grossen und Ganzen die Richtung der longitudinalen kreuzen. Leicht kenntlich wegen ihrer Stärke sind ferner die transversalen Muskeln der Actinoloba dianthus (Fig. 1), während sie bei Sagartia parasitica (Fig. 8) und Tealia erassicornis (Fig. 7) sich schon eher der Beobachtung entziehen können. Bei vielen Actinien gewinnt der unterste Abschnitt der trans- versalen Muskelfasern eine gewisse Selbstständigkeit und formirt sich durch stärkere Ausbildung zu einem mehr oder minder scharf abgegrenzten Muskel, der als Parietobasilarmuskel von Hollard beschrieben worden ist. Es sind dies diejenigen Fasern, die vom Mauerblatt zur Fussscheibe treten und letztere bei der Contraction nabelförmig einziehen (pm). Sie wirken wahrschein- 528 Oscar und Richard Hertwig, lich mit beim Ansaugen des Thieres, indem sie die saugnapfartige Gestalt des hinteren Endes bedingen. Der in Rede stehende Muskel ist bei Sagartia parasitica und bei Anthea noch wenig ausgeprägt, bei Tealia crassicornis dage- gen ist er zu einem mächtigen Muskel geworden, dessen Fasern hoch oben am Mauerblatt beginnen und hier nach aussen vom äusseren Septalstoma liegen; sie convergiren mit den weiter ab- wärts bis herab zur Basis entspringenden, um mit ihnen gemein- sam an der Fussscheibe zu enden. Mag der Muskel stärker oder schwächer sein, stets ist er von einer scharfen Linie begrenzt, hat eine sichelförmige Gestalt und liegt auf dem Septum und in dem von dem Mauerblatt und der Fussscheibe begrenzten Winkel, wie die Nickhaut im Winkel des Auges. Dieser Vergleich mit der Nickhaut trifft auch in so fern zu, als der Muskel, wie wir spä- ter noch genauer begründen werden, in der That eine einspringende Falte ist, es wird uns dies dazu dienen, die veränderte ‚Verlaufs- richtung zu erklären. Auf Schnitten sind die Muskeln des Septum bisher nur von Rötteken und Schneider (38 p. 4) und von Heider (21 p. 407) untersucht worden. Die erstgenannten Autoren nennen die Querschnitte der longitudinalen Muskeln „Fahnen“, ohne sie jedoch näher zu beschreiben. Heider, welcher ausführ- licher ist, hebt hervor, „dass an der Stelle jedes Septum, wo sich dessen Muskulatur befindet, sich als Träger derselben Bindegewebs- falten erheben, die gleich von ihrem Ursprung an verzweigt, end- lich zahlreiche dünne Lamellen bilden, zwischen denen sich die Muskelfasern befinden.“ „Die Querschnitte des Septenmuskels“, fährt er fort, „liefern demnach bei schwacher Vergrösserung das Bild eines dem Septum aufsitzenden Strauches, dessen einzelne Zweige, vom Entoderm der Leibeshöhle bedeckt, in den Interseptalraum ragen. An Schnitten von in Osmium gehärteten Septen erscheinen die ovalen Querschnitte der Muskelfasern dunkel, die Bindegewebs- lamellen hell gefärbt und giebt die eigenthümliche Anordnung beider Gewebe einer einzelnen Falte bei starker Vergrösserung besonders an deren freiem Ende das Bild einer Aehre, an der die Quer- schnitte der Muskelfasern die einzelnen Früchte, die diese ein- hüllenden und schief abstehenden Bindegewebslamellen die Spelzen darstellen können.“ Wir haben hier Heider’s Schilderung wörtlich abgedruckt, weil sie im Allgemeinen das Bild, welches man auf einem Quer- schnitte durch die starken Züge der longitudinalen Muskeln erhält, Die Actinien. 529 gut wiedergiebt (Taf. XVII, Fig. 2. 3. 6. 9. 10, T af. XVIII, Fig. 2. 4m). Derselben haben wir noch hinzuzufügen, dass die Quer- schnitte der Muskeln den Lamellen stets äusserlich aufgelagert sind, einer dicht neben dem anderen und in einer einzigen Linie, deren mäandrisch gewundener, vielfach zickzackförmig eingeknickter Verlauf den Contouren der verästelten Stützlamelle folgt. Hier liegt somit dieselbe Einrichtung vor uns, die in der Neuzeit von manchen anderen Thieren der Coelenteratengruppe bekannt ge- worden ist und im Wesentlichen darin besteht, dass durch Aus- bildung zahlreicher Falten auf der Oberfläche der Septen für eine reichliche Anlagerung von Muskelfibrillen Platz gewonnen wird. Die Thäler und Thälchen zwischen den Falten bleiben dabei nach den Interseptalräumen offen, sie werden durch das entodermale Epithel ausgefüllt und ausgeglichen, so dass die Oberfläche eines Septum eine nahezu ebene Fläche bildet. Die Epithelschicht muss dem entsprechend eine verschiedene Mächtigkeit besitzen, je nach- dem sie auf der Höhe einer Falte liegt oder sich in die Tiefe zwischen zwei Falten einsenkt; sie enthält ab und zu körnige, in Carmin sich intensiv färbende Drüsenzellen und noch seltener Nesselzellen, nach dem Gastralraum zu ist sie von einem schon von Hollard, M. Edwards u. A. wahrgenommenen Flimmer- überzug bedeckt. Die von Heider, Rötteken und Schneider allein beschrie- benen und von letzteren als „Fahnen“ bezeichneten Muskelstränge sind nicht die einzigen longitudinalen Muskeln, sondern setzen sich sowohl nach den Mesenterialfilamenten als nach dem Mauerblatt zu in eine dünne von der Fläche nur wenig wahrnehmbare Lage fort. Um dieselbe auf Schnitten besser zu sehen, muss man mit Carmin oder Hämatoxylin färben, wobei die Querschnitte der Fa- sern als kleine rothe oder blaue Körner deutlicher hervortreten. Sie beginnen im Anschluss an die Ringmuskulatur des Mauerblatts, der Fuss- und Mundscheibe und bilden eine einfache gerade Reihe, die zwischen der glatten Contour der Stützlamelle und dem Epithel liegt. Dieselbe knickt und faltet sich allmählig und führt so zu der soeben näher beschriebenen Anordnung im Bereich der Fahnen (Taf. XIX, Fig. 2.3. 4). Das Gleiche wiederholt sich auf der Seite der Mesenterialfilamente und der Insertion am Magen. Jedes Septum ist daher an seinen beiden Enden dünn, in seiner Mitte dagegen zu einem Wulst verdickt, welcher wie überhaupt die longitudinalen Muskeln nur auf einer Seite vorhanden ist. Die auf der anderen Seite des Septum befindlichen trans- Bar QM. N. E. VI 4 34 530 Oscar und Richard Hertwig, versalen Muskeln sind auf Schnitten, die parallel zur Fuss- scheibe geführt sind, kaum zu erkennen, theils weil sie an und für sich schwach sind, theils weil sie dann ihrem Faserlauf parallel getroffen werden. Auf longitudinalen Schnitten sind sie ebenfalls nicht sehr deutlich, da sie keine oder nur unerhebliche Faltungen bilden und somit das gleiche Aussehen bieten wie die longitudi- nalen Muskeln nahe dem Mauerblatt. Eine Ausnahme auf der Seite der transversalen Fasern macht nur der bei Sagartia, Anthea und Tealia vorhandene Parietobasilarmuskel, dessen eigenthümliche Beschaffenheit genauer dargestellt zu werden verdient. Wenn man durch den unteren an das Mauerblatt grenzenden Abschnitt des Septum, am besten von Tealia crassicornis, bei wel- cher der parieto-basilare Muskel am stärksten ist, einen Querschnitt lest, so erhält man folgendes in Figur 2, Taf. XVIII dargestelltes Bild. Das Septum ist auf der einen Seite polsterartig verdickt. Das Polster hört jedoch in einiger Entfernung vom Mauerblatt auf, indem es sich von dem nun dünner werdenden Septum durch eine Einschnürung scharf absetzt. Zu beiden Seiten der Stütz- lamelle liegt eine starke, quer durchschnittene Muskellamelle, die auf der einen Seite von den lonegitudinalen (Im), auf der anderen Seite, der Seite des Polsters, von den parieto-basilaren Muskelfasern (pm) gebildet wird. Während jene in der ganzen Ausdehnung des Septum vorbanden sind, hören diese am Rande des Polsters auf oder schliessen sich vielmehr an die transversalen Fasern (tm) an, welche den dünnen Abschnitt des Septum bedecken. Die transversalen Fasern verhalten sich am Rand des Polsters sehr eigenthümlich; indem sie ihre Richtung beibehalten, dringen sie in die Stützsubstanz nach dem Mauerblatt hin vor und trennen so gleichsam das Polster von dem übrigen Theil des Septum ab. Diese Trennung würde eine vollständige sein, wenn die Muskel- fasern sich als eine continuirliche Schicht bis zum Mauerblatt verfolgen liessen. Das ist jedoch nicht der Fall; vielmehr sind es immer nur Faserbündel, die Brücken von Stützsubstanz zwischen sich lassen, wie dies auf dem nicht genau transversal, sondern etwas schräg gefallenen Schnitt (Fig. 2) deutlich zu sehen ist. Jedes Faserbündel enthält alle Bestandtheile der Epithelmuskel- schicht, in seiner Mitte zellige Elemente, in seiner Peripherie eine Lage von Muskelfibrillen, die im Wesentlichen transversal ver- laufen, in dem nach dem Polster zu befindlichen Theil aber schon mehr in eine longitudinale Richtung umbiegen und so einen Ueber- gang zu den Fasern des parieto-basilaren Muskels vermitteln. Die Actinien. 531 Wenn wir nunmehr die beschriebenen Verhältnisse zu er- klären versuchen, so kann es nicht zweifelhaft sein, dass die Schicht der transversalen Muskeln die ursprüngliche Oberfläche des Septum andeutet. Dann ist das Polster etwas secundär Hinzu- gekommenes, eine Auflagerung, die zum Theil mit dem Septum fest verwachsen ist und die Muskellage stellenweis durchbrochen hat. Wir glauben nicht zu irren, wenn wir uns die Auflagerung als eine Faltenbildung der Septenbasis entstanden denken, welche durch die Massenzunahme der hier gelegenen transversalen Muskeln veranlasst wurde. Diese, vom Mauerblatt entspringend und an der Fussscheibe endend und somit bestimmt die letztere beim An- saugen einzuziehen, dehnten, je kräftiger sie wurden, um so mehr ihre Ursprünge nach oben aus und wuchsen so als ein selbständiger Muskelzug an der oberen Partie der transversalen Muskeln vorüber; dabei ging ihr ursprünglich transversaler Verlauf nach oben mehr und mehr in einen longitudinalen über. Der Umwandlungsprocess ist bei den einzelnen Actinien nicht gleich weit gediehen; in seinen Anfängen bei Anthea und Sagartia bemerkbar, ist er bei den Tealien. am schönsten ausgeprägt. In der hier angedeuteten Weise lassen sich die Muskeln des Septum auf zwei Hauptlagen zurückführen, eine transversale und eine longitudinale; beide, verschiedenen Seiten angehörig, werden am freien Rand der Septen durch eine muskelfreie Stelle getrennt, welche von dem Mesenterialfilament gebildet wird, sie gehen da- gegen continuirlich in einander über wo die Filamente fehlen. Dies ist bei allen vollständigen Septen nur an ihrem unteren Ende nahe dem Mittelpunkt der Fussscheibe der Fall, bei den unvoll- ständigen ausserdem noch am oberen Ende, welches sich an der Mundscheibe befestigt, so dass dann auf Querschnitten (Taf. XIX, Fig. 17) die Muskelfasern als ein ringsum entwickelter Beleg glän- zender Körner erscheinen. Das gleiche Aussehen bieten junge Septenanlagen, die als kleine Falten aus den Körperwandungen herauswachsen und noch keine Mesenterialfilamente besitzen. Um die Elemente der Epithelmuskelschicht zu iso- liren haben wir ausschliesslich Sagartia parasitica und Anthea cereus benutzt, von welchen beiden Arten eine jede ihre besonderen Vortheile bietet. Sagartia parasitica eignet sich am besten zur Untersuchung der Muskelfasern und Epithelzellen, die bei geeig- neter Maceration sich hier sehr leicht von der Stützlamelle ab- lösen und auseinander fallen. Epithelzellen und Muskelfasern blei- ben dabei im Zusammenhang und combiniren sich zur sogenannten 34 7 532 Oscar und Richard Hertwig, Neuromuskelzelle oder besser Epithelmuskelzelle (Taf. XXI, Fig. 8« und £), deren jede nur eine einzige Geissel von ansehnlicher Länge trägt. Der Zellenkörper ist sehr verschieden beschaffen, bei einigen, welche zweifellos auf der Höhe der Septal- falten sitzen (Fig. 8%), ist er kurz cylindrisch, nicht viel höher als breit; bei anderen dagegen ist er ausserordentlich lang und zu einem Faden ausgezogen, der an den meisten Stellen so dünn ist, dass er kaum doppelte Contouren erkennen lässt. Stellenweis bildet der Faden spindelförmige Anschwellungen und ebenso ist auch das periphere, geisseltragende Ende ansehnlicher und proto- plasmareicher und umschliesst den kleinen ovalen Kern. Da zwi- schen beiden Formen der Epithelzellen alle Uebergänge existiren, so ist es klar, dass in demselben Maasse als das Thal zwischen zwei Septalfalten tiefer wird, in demselben Maasse auch die Zellen sich in die Länge strecken und verschmälern. Das Epithel bleibt dabei einschichtig wie an allen anderen Punkten des Actinienkörpers. Die Epithelzellen haben ein von Fettkörnchen durchsetztes trübes Protoplasma und verbreitern sich an ihrer Basis zu kleinen dreieckigen Anschwellungen, an welchen unmittelbar die Muskelfasern ansitzen. Diese sind bei Sagartia von verschiedener Länge; viel- fach so kurz, dass sie nur wie eine sehr verbreiterte Zellenbasis aus- sehen, können sie andererseits deutlich abgesetzte, nach beiden Seiten weit hervorragende Fibrillen bilden. Immerhin sind sie auch dann noch kurz zu nennen, wenn wir die entsprechenden Gebilde von Anthea vergleichen. Die Muskelfasern sind hier 4 oder 5mal so lang wie bei Sagartia und haften ihrer Länge wegen fester als bei Sagartia aneinander; sie lassen sich daher schwer isoliren, namentlich erhält man sie selten im Zusammenhang mit den zu- gehörigen Epithelzellen. Zum Theil ist dies freilich auch dadurch veranlasst, dass die Epithelzellen, wie alle Entodermzellen der Antheen mit den kleinen gelben Zellen erfüllt sind, welche wir oben schon als parasitische Algen gedeutet haben. Der Körper der Zellen wird dadurch brüchig und beim Zerzupfen leicht zerstört. Die unzulänglichen Erfolge des Macerationsverfahrens bei den ‘'Antheen könnten zur Vermuthung Veranlassung geben, dass die Muskelfasern und Epithelzellen hier überhaupt nicht zusammen sehören, dass die ersteren in ähnlicher Weise wie im Ektoderm aller Actinien selbständige Elemente geworden sind. Dies ist uns jedoch unwahrscheinlich, weil es uns niemals glückte an den Muskel- fasern besondere Muskelkörperchen nachzuweisen. Die Actinien. 533 Ausser den Epithelmuskelzellen, welche die Hauptmasse des Septenepithels darstellen, finden sich noch 3 weitere Zellenelemente vor, 1. Nesselzellen, 2. Drüsenzellen, 3. Neuroepithel- zellen. Die schon auf Querschnitten erkennbaren Drüsenzellen erscheinen auf Flächenbildern als helle Flecke in der trübkörnigen Masse der Epithelmuskelzellen, oder wenn gefärbte Präparate zur Anwendung gekommen waren, als dunkelrothe oder dunkelblaue Körper. Durch Zerzupfen können sie leicht isolirt werden, am peripheren Ende tragen sie wie alle Entodermzellen nur eine einzige Geissel; am centralen Ende gehen sie in zwei bis drei feine Fäd- chen aus, welche ihrer ganzen Beschaffenheit nach für Nervenfäden gehalten werden müssen (Taf. XXI, Fig. 2); ihr ovaler oder birn- förmiger Körper ist von kleinen rundlichen Körnern erfüllt, welche in Osmiumsäure sich schwärzen und in allen Farbeflüssigkeiten sich begierig färben. Durch Quellung dieser Körner nimmt die Zelle ein mehr vacuoliges Ansehen an, wie dies in Figur 2 in einem Theil der Zelle eingetreten ist. Bei den Adamsien und Antheen, deren entodermale Epithelmuskelzellen an den Septen wie auch an anderen Körperstellen mit den parasitischen gelben Zellen infieirt sind, bleiben die Drüsenzellen frei; das Gleiche gilt von den Nesselzellen und den Neuroepithelzellen. Als Neuroepithelzellen bezeichnen wir Elemente, die in ihrem Aeusseren den Sinneszellen des Ektoderms vollkommen glei- chen; wie diese sind sie feine Körper mit einer durch den Kern bedingten Anschwellung, einer Geissel und mehreren feinen Nerven- fortsätzen (Taf. XXIL, Fig. 1 u. 5). Letztere lassen sich öfters zu 2—4 an einer Zelle isoliren und auf grosse Strecken verfolgen, weil die umgebenden Epithelzellen leicht auseinanderfallen. Die Neuroepithelzellen treten selten — wir haben es nur drei oder vier mal bei Anthea beobachtet — in einer modifieirten Gestalt auf, indem sie sich am peripheren Ende verbreitern und hier eine grosse Anzahl kleiner Haare tragen (Taf. XXII, Fig. 7a). Wir begnügen uns diesen Befund hier kurz zu erwähnen; er ist um so auffälliger, als die Entodermzellen der Actinien constant mit einer Geissel versehen sind. Während es bei einiger Ausdauer leicht gelingt, die bisher besprochenen Bestandtheile im Entoderm nachzuweisen, muss man sich sehr abmühen, um mittelst Zerzupfens zwei bisher nicht be- rücksichtigte Elemente aufzufinden, Nervenfasern und Gang- lienzellen. Hier führen zwei andere Methoden besser zum Ziel. Die eine dieser Methoden eignet sich nur für Sagartia und ist 534 Oscar und Richard Hertwig, schon früher erwähnt worden. Man ziehe die Epithelmuskelschicht als eine möglichst continuirliche Lamelle ab, was hier jedoch nur schwierig gelingt; dann dehne man die Lamelle in einer Richtung, die senkrecht zum Verlauf der Muskelfasern ist. Auf diese Weise entstehen in der Lamelle Lücken und Spalten, zwischen deren Rändern sich zahlreiche feine Fäserchen ausspannen. Die Fäser- chen sind Nervenfäden, sie sind zäh und dehnbar und können daher mit Hilfe eines langsamen stetigen Zuges auf ziemlich lange Stre- cken frei gelegt werden. Ganglienzellen haben wir dagegen bei diesem Verfahren nicht mit Sicherheit entdecken können oder, besser gesagt, wir haben sie stets in einer nicht genügend con- servirten Gestalt angetroffen. Ueber ihre Existenz haben wir uns erst mit Hilfe der zweiten Methode, die uns jedoch nur bei den Antheen geglückt ist, Sicherheit verschafft. An Septen, welche etwas länger als gewöhnlich in unserem macerirenden Osmium -Essigsäuregemisch gelegen hatten, so dass schon ein geringer Grad von Erhärtung eingetreten war, wurde das Epithel theilweise heruntergepinselt, dabei aber Sorge getragen, dass die Schicht der Muskelfasern unverletzt blieb. Letzteres haben wir, wie schon oben erwähnt wurde, bei den Sagartien nicht erreichen können, weil die Muskelfasern hier klein sind und fester mit den Epithelzellen zusammenhängen als unter einander. Bei den Antheen dagegen ist das Epithel leicht zu entfernen und leistet die Schicht der Muskelfasern grösseren Widerstand. Hat man die Muskellamelle einer Anthea so weit frei gelegt, dass nur noch ein Theil der Epithelzellen in kleineren und grös- seren Gruppen auf ihr liegt, so gewahrt man feine Fädchen, welche über der Muskelschicht hinziehen (Taf. XXI, Taf. 6 u. 7). Sie kreuzen meist die Richtung der Muskeln unter rechtem oder spitzem Winkel, seltener laufen sie ihr parallel; bald sind sie einzeln, bald verschlingen sie sich mit anderen zu Bündeln, die ein weitmaschiges Netz zusammensetzen. Die Zahl der Fäserchen ist viel geringer als im Ektoderm, ihre Dicke aber ist eine bedeutendere. Einmal aufmerksam geworden auf die Nervenfäden wird man auch bald die Ganglienzellen (g) auffinden. Dieselben liegen zum Theil in den Nervenbündeln, zum Theil isolirt zwischen ihnen, doch so, dass ihre Ausläufer in jene übertreten (Taf. XXI, Fig. 3. 4.9.10). Sie sind von sehr verschiedener Beschaffenheit, einige sind feinkörnig, andere sehr grob granulirt; einige sind so klein, dass ihr Körper von fast nichts Anderem als dem Kern gebildet wird, andere wieder sind ziemlich protoplasmareich. Unter den Die Actinien. 535 kleineren wie den grösseren Zellen kommen bi- und tripolare Körper vor, während mehr als 3 Ausläufer überhaupt nicht oder doch nur selten vorhanden zu sein scheinen. Die Form der Ganglienzellen ist eine sehr wechselnde, wie ein Ueberblick über die Figuren der Tafel XXI lehrt; die bipolaren Zellen sind gewöhnlich spindelig, die tripolaren dreieckig, seltener sind die letzteren gestreckt, so dass zwei Fortsätze dann gemeinsam von einer Verlängerung des Zell- körpers entspringen. Die Kerne sind rundlich oder oval und ent- halten ein ansehnliches Kernkörperchen, nur ausnahmsweise sind sie zu zweien in einer Zelle; ebenso haben wir nur in wenigen Fällen Anastomosen zwischen benachbarten Zellen wahrgenommen (Fig. 3). An den geschilderten Pinselpräparaten kann man auch die Neuroepithelzellen in ihrer natürlichen Lagerung beobachten; ihre Fortsätze gehen in die feinen Fadenzüge des Nervenplexus über. Wenn es uns bei Sagartia nicht geglückt ist, in befriedigender Weise Ganglienzellen aus dem Entoderm zu isoliren, so haben wir uns doch von ihrer Anwesenheit auf Querschnitten durch gut conservirte, in Osmiumsäure gehärtete und in Carmin gefärbte Septen überzeugen können. Sie sind an Stellen, wo die Mus- kellamelle wenig gefaltet ist, am besten zu erkennen und treten hier als rundliche mit einem deutlichen Kern versehene Körper auf, die in den tieferen Schichten des Epithels dicht auf den Muskelfasern lagern und sich durch ihre dunklere Färbung gegen die Umgebung absetzen. Sie sind bisweilen in ein oder zwei Spitz- chen ausgezogen, die jedenfalls den Anfängen von Fortsätzen ent- sprechen. Da nun Nervenfasern von uns auch in anderen ento- dermalen Bezirken (den Ringmuskeln der Tentakeln) nachgewiesen worden sind, so kann man die Existenz eines entodermalen Nerven- systems als ein allen Actinien zukommendes Merkmal ansehen. Ehe wir in der histologischen Schilderung fortfahrend auf den Bau der Geschlechtsorgane eingehen, müssen wir zuvor noch einmal auf die Anordnung der Septen zurückkommen und einige Punkte erörtern, die mit der ungleichartigen Beschaffenheit der Muskel- fasern auf den beiden Seiten der Scheidewände in Zusammenhang stehen. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass es nicht zufällig ist, ob zwei Septen mit ihren muskelstarken oder muskelschwachen Flächen einander zugewandt sind, vielmehr herrscht bei allen Actinien eine grosse Gesetzmässigkeit in der Stellung der Septen, welche genauer erläutert zu werden verdient, 536 Osear und Richard Hertwig, Ueber die Gesetzmässigkeit in der Stellung der Septen. In seiner Monographie der Actinien wies Hollard (22 p. 278) zuerst mit Bestimmtheit darauf hin, dass die Septen im Körper der Actinien paarig angeordnet sind, dass sie sich ferner nicht allein nach ihrer Grösse und Dicke, sondern auch nach Maassgabe ihrer Structur gruppiren, indem zwei zusammengehörige Septen stets ihre homologen Seiten, die Seiten der longitudinalen Muskeln, einander zuwenden. Schon vor Hollard war dies eigenthümliche Verhältniss dem Americaner Dana (13) und dem Deutschen Erdl (16 p. 303) aufgefallen, aber nicht vollständig erkannt worden. Erdl fasst ein Septenpaar als ein einziges Septum auf und lässt dasselbe aus zwei Lamellen bestehen, die einen Spalt zwischen sich einschliessen, eine Auffassung, die auch nach dem Erscheinen von Hollard’s richtiger Schilderung von Duchassing und Michelotti (14 p. 231) reproducirt worden ist. Wenn ferner Thorell (42 p. 206) und Stoliczka (41 p. 56) den Sagartien nur 6 vollständige d.h. an den Magen sich ansetzende Septen zu- schreiben, so können sie, wie wir gleich sehen werden, ebenfalls nur Septenpaare, deren Zusammensetzung aus zwei Theilen ihnen verborgen geblieben war, vor Augen gehabt haben. Thorell und Stoliczka sind nicht die Einzigen, an denen Hollard’s wichtige Angaben über die Septenstellung fast spurlos vorübergegangen sind; vielmehr gilt dasselbe von den Meisten, die über den Bau der Actinien geschrieben haben, selbst von Milne Edwards und Gosse, die diesen Gegenstand monographisch be- arbeiteten. Milne Edwards erwähnt zwar, dass die Septen der Actinien von zwei Lamellen gebildet werden, die bei den Alcyo- narien untereinander verschmolzen sind, übergeht aber das eigen- thümliche Verhalten der Muskeln und fügt weiter die irrige Be- hauptung hinzu, dass die Lamellen sich von einander trennen können, wenn in dem von ihnen umschlossenen Zwischenraume neue Tentakeln entstehen. Gerade der wichtigste Punkt, dass die La- mellen eine untrennbare Einheit bilden, ist ihm somit entgangen. Es ist dies um so wunderbarer, als sein langjähriger Mitarbeiter J. Haime bei der Beschreibung des Cerianthus mit Recht einen bemerkenswerthen Unterschied dieser Gattung von den nahe stehen- den Actinien darin nachgewiesen hat, dass die Scheidewände hier einfach und nicht wie bei den Actinien paarig (gemines) sind. Erst im Jahre 1871 wurde die Stellung der Septen von Schnei- der und Rötteken, welche sich dabei auf ein umfangreiches Die Actinien. 537 Material stützten, wieder richtig beschrieben; ihnen zufolge sind in den meisten Fällen die Septen eines Paares einander mit ihren „Fahnen“ zugewandt, d. h. mit ihren starken longitudinalen Muskeln, eine Ausnahme machen jedoch zwei Septenpaare erster Ordnung, - welche einander opponirt sind, ihre Fahnen auf abgewandten Seiten tragen und so eine bilaterale Symmetrie des Actinienkörpers be- dingen. Hinter dieser von Rötteken und Schneider gegebenen Schilderung sind alle späteren Autoren zurückgeblieben. Dana (12 p. 27) und v. Heider (21 p. 376) besprechen die paarige Grup- pirung der Septen, letzterer auch sehr eingehend das hiermit in Zusammenhang stehende verschiedene Verhalten der Muskeln, beide aber haben die abweichende Beschaffenheit der beiden opponirten Septenpaare übersehen, eine Thatsache, durch deren Ermittelung Schneider und Rötteken eine sehr wesentliche Ergänzung und Bereicherung unserer Kenntnisse von der Septenstellung herbei- geführt haben. In der Neuzeit ist denn auch die Richtigkeit dieses Punktes in der Schneider-Rötteken’schen Darstellung von Haacke (19 p. 291) angezweifelt worden, wie wir aber sehen werden, mit Unrecht. Um über die Septenstellung sichere Resultate zu erlangen, haben wir ein doppeltes Verfahren eingeschlagen. Einmal haben wir Actinien in der Weise präparirt, dass wir Septum für Septum an seinem Ursprunge und seiner Insertion abpräparirten, was beim sechsstrahligen Bau der Thiere nur für !/, oder !/, des Thieres nöthig ist; zweitens haben wir Querschnitte nach vorhergehendem Einschluss in Paraffin gemacht, bei kleinen Thieren durch den ganzen Körper, bei grösseren nur durch einen Theil. Auch hier genügt !/, oder !/,, wenn man in einer bestimmten Weise den Theil herausschneidet, sogar !/, der Circumferenz. Die Anordnung der Septen wird durch dreierlei Verhältnisse bedingt: 1. durch die Beschaffenheit der Muskulatur, 2. durch die relative Grösse der Septen, 3. durch die von der Grösse abhängigen Beziehungen zum Schlundrohr, die in- sofern verschieden sein können, als manche Septen am Schlundrohr inseriren, andere nicht. In letzterer Hinsicht haben wir früher schon die Septen in vollständige und unvollständige eingetheilt und ebenso haben wir schon oben die auf der Grösse basirende Unterscheidung von verschiedenen Septeneyclen oder Ordnungen erläutert (Taf. XVII, Fig. 9 u. 10). Die Septen, welche gemeinsam ein Paar bilden, sind stets von 5383 Oscar und Richard Hertwig, gleicher Grösse, d. h. sie gehören demselben Cyclus an; sie sind in Folge dessen auch beide entweder vollständig oder unvollständig; ihre Zusammengehörigkeit drückt sich ferner noch darin aus, dass sie durch kleinere Zwischenräume von einander getrennt werden. Das Radialfach, welches sich innerhalb eines Septenpaares befindet und das wir als Binnenfach bezeichnen wollen, ist kleiner als das Fach zwischen zwei Septenpaaren gleicher Ordnung, das Zwi- schenfach. Dies kömmt daher, dass niemals im Inneren eines Binnenfaches neue Scheidewände angelegt werden, sondern stets nur in den Zwischenfächern. Unter Berücksichtigung aller dieser Momente ist es leicht die zusammengehörigen Septen herauszuerkennen und auch das Ver- halten ihrer Muskeln zu prüfen. Bei den meisten Septen findet man die schon von Hollard nachgewiesene Anordnung, dass die Längsmuskeln, welche auf Querschnitten als dicke Wülste sofort herauszuerkennen sind, einander zuge- wandt und im Binnenfach eingeschlossen sind, die Quermuskeln dagegen dem Zwischenfach angehören. Homologe Seiten liegen daher für gewöhnlich nicht allein bei den Septen eines Paares gegenüber, sondern auch bei den Septen zweier an- einandergrenzender Fächer, die sich gegenseitig mit den trans- versalen Muskeln anschauen. Dies Verhältniss erleidet, wie Rötteken und Schneider mit Recht als wichtig betont haben, eine Abänderung an zwei Paaren von Septen, die eine Ausnahmestellung im Körper der Actinien einnehmen und im Folgenden stets Richtungssepten (Fig. 3. 4. 10 z) genannt werden sollen, da sie für die Orientirung von der grössten Bedeutung sind. Die Paare der Richtungssepten sind leicht aufzufinden, weil sie einander opponirt sind und weil ihre Lage in bestimmter Beziehung zur Lage der Mundöffnung und des Schlundrohrs steht. Wie oben schon erwähnt wurde, ist der Mund der Actinien spaltförmig und besitzt somit zwei Mund- winkel, welche an den beiden Enden der Längsaxe der Oeffnung sich befinden. Von den beiden Mundwinkeln aus verlaufen zwei durch besondere Tiefe ausgezeichnete Furchen (x) auf der Innen- seite des Schlundrohrs, die durch Annäherung ihrer Ränder sich fast kanalartig schliessen und sich nach abwärts in die Schlund- rohrzipfel verlängern. Die Insertionen der Richtungssepten ent- sprechen nun den Mundwinkeln und den Rinnen und Zipfeln des Schlundrohrs, sie reichen daher tiefer herab, als die Insertionen der übrigen vollständigen Septen. Die Actinien. 539 Betrachten wir das Verhalten der Muskulatur an den Richtungs- septen, so sind hier die transversalen Muskeln zugewandt, die longitudinalen abgewandt; erstere kleiden das Binnenfach, letztere das Zwischenfach aus. Den longitudinalen Muskeln gegenüber stehen die transversalen Muskeln des nächsten 'Septenpaares, so dass die 4 Zwischenfächer, welche an die zwei Paare von Richtungssepten beiderseits angrenzen, die einzigen Fächer sind, welche nicht von homologen Septenseiten begrenzt werden. | Als ein weiteres Merkmal der Richtungssepten sei endlich uoch hervorgehoben, dass sie schmäler sind, als die übrigen Scheide- wände; dies ist selbstverständlich, da die Mundwinkel und Schlund- rinnen vom Mauerblatt durch einen kürzeren Abstand getrennt werden. Während die Actinien in den bisher besprochenen Punkten die grösste Uebereinstimmung zeigen, werden mannichfache Varia- tionen durch die bei den einzelnen Gattungen verschiedenartigen Beziehungen der Septen zum Schlundrohr herbeigeführt, indem bei manchen Formen der kleinste Theil der Septen, bei anderen wieder die Mehrzahl, bei dritten endlich alle Septen vollständig sind. Wir gehen hierbei von dem einfachsten und jedenfalls auch ursprünglichsten Verhältniss aus, wo nur 12 (oder besser 6 Paar) Septen sich am Schlundrohr inseriren, während alle übrigen bald früher bald später mit freiem Rande aufhören. Diese 6 in den vorliegenden Fällen leicht kenntlichen Septenpaare wollen wir Hauptsepten nennen, weil sie sich durch vielerlei Eigenthüm- lichkeiten von allen übrigen Septen oder den Nebensepten unter- scheiden: sie bilden gemeinsam die erste Ordnung und bedingen somit die Zahlenverhältnisse aller übrigen Ordnungen; sie ent- wickeln sich nach einem besonderen ihnen allein zukommenden Princip, endlich sind sie in vielen Fällen wenigstens ohne Ge- schlechtsorgane, sodass dann die Production der Ovarien und Hoden auf die Nebensepten beschränkt bleibt. Zu den Actinien, bei denen nur die Hauptsepten vollständig sind, gehören die Adamsia diaphana, Sagartia parasitica und Actinoloba dianthus. Bei der Adamsia diaphana, von der die Fig. 10 Taf. XVII entnommen ist, kommen im Ganzen 48 Septenpaare vor, die sich auf 4 in der Figur mit römischen Ziffern bezeichnete Ordnungen vertheilen. Die 6 Paar Scheide- wände erster Ordnung setzen sich an den Magen an, zwei der- selben sind Richtungssepten, tragen demgemäss abgewandte Längs- muskeln und entsprechen in ihrer Stellung den Rinnen des Schlund- 540 Oscar und Richard Hertwig, rohrs; die 4 übrigen Paare stimmen untereinander im Bau überein, indem sie zugewandte Längsmuskeln besitzen, und stehen zu zwei auf der einen, zwei auf der anderen Seite der Richtungssepten in regelmässigen Abständen vertheilt, so dass durch alle 6 Paare der Actinienkörper in 6 Sectoren eingetheilt wird und der Raum im Umkreis des Schlundrohrs in 6 Binnenfächer und 6 Zwischen- fächer zerfällt. Die ersteren sind steril, in den letzteren dagegen liegen weitere Septenpaare, die in jedem Fach sich gleichmässig wiederholen, so dass wir bei der weiteren Betrachtung uns mit der Beschreibung eines Faches begnügen können. Jedes Zwischenfach wird durch ein Septenpaar (IT) halbirt, so dass neben den 6 Paaren erster Ordnung im Ganzen noch weitere 6 Septenpaare existiren, die untereinander in Grösse über- einstimmen und somit dem zweiten Cyclus angehören. Dieselben haben alle zugewandte Längsmuskeln, sind nur wenig kleiner als die früher besprochenen Scheidewände, von ihnen aber durch den Mangel der Insertion am Magen unterschieden. Die Räume in den Zwischenfächern erster Ordnung zerfallen durch die unvollständigen Septenpaare jedesmal in drei Theile: ein unpaares Binnenfach und zwei paarige und unter einander in Grösse übereinstimmende Zwi- schenfächer zweiter Ordnung. Wir haben jetzt 12 Zwischenfächer zweiter Ordnung vor uns, die alle einander gleichen; sie werden durch die 12 Septenpaare dritter Ordnung (III) halbirt. Diese sind bei jungen Adamsien sehr unscheinbar, sie springen nur wenig aus dem Mauerblatt hervor und lassen die Mesenterialfilamente vermissen. Noch mehr ist dies der Fall bei den 24 Septenpaaren vierter Ordnung (IV), welche die 24 Zwischenfächer dritter Ordnung halbiren; sie über- ragen kaum die Oberfläche des Epithels und sind nichts als kleine Hervorfaltungen der Stützsubstanz des Mauerblatts, die mit einem sehr dünnen Muskelbeleg versehen sind. Bei der Adamsia diaphana standen uns junge Thiere zu Ge- bote, bei denen es uns möglich war, Einiges über das Auftreten der Septen zu ermitteln. Die kleinsten Exemplare (Taf. XVII, Fig. 4) hatten nur 4 Paar entwickelte Scheidewände (1—4), von denen zwei sich an die Mundwinkel ansetzten und mit abgewand- ten Längsmuskeln versehen waren, ganz wie wir es vom erwachse- nen Thiere kennen gelernt haben, während die beiden andern Paare zwischen diesen Richtungssepten standen und sich ihre Längsmus- keln zukehrten; dazu kamen 16 kleine Falten, welche als Anlagen künftiger Scheidewände in den Leibesraum hervorragten. Die Actinien. \ 541 Auf einem folgenden Stadium (Fig. 5) waren die 2 noch feh- lenden Paare der ersten Ordnung (5 und 6) deutlich nachweisbar ; sie waren noch viel kleiner wie die auf dem vorigen Stadium vor- handenen und noch nicht mit dem Magen verwachsen, wodurch aus- ser allen Zweifel gestellt wurde, dass sie jüngeren Ursprungs waren. Auffallend war ihre Stellung, sie fanden sich in dem Binnenfach der Septen mit zugewandten Längsmuskeln, trugen aber selbst die Muskeln abgewandt; in der einen Hälfte des Thieres waren sie mit ihren freien Rändern verwachsen, so dass sie mit Hilfe des Mauerblatts einen Ring bildeten; auf der anderen Hälfte war diese Vereinigung, wenn sie überhaupt bestanden hatte, gelöst. Dass die gleichzeitig angelegten Septen des 5ten und 6ten Paares nicht bestimmt sind, auch im fertigen Thiere zusammen- gehörige Paare zu bilden, wird durch die Anordnung ihrer Mus- keln und durch die Stellung der sogleich noch zu beschreibenden Septen zweiter Ordnung bewiesen. Damit bleibende Zustände ent- stehen, muss vielmehr eine Umgruppirung in der Weise stattfin- den, dass jedesmal ein Septum des 5ten und 6ten Paares und ein zugewandtes Septum des ten und 4ten Paares sich zu einer Einheit vereinigen, innerhalb deren keine Weiterbildung von Schei- dewänden vor sich geht. Ausser den genannten 6 Paaren erster Ordnung sind noch 6 weitere Paare zweiter Ordnung (II) erkennbar. Die Septen der- selben sind klein, alle gleich beschaffen und nur von einem dün- nen Muskelbeleg bedeckt. Sie nehmen schon die Stellung und Gruppirung ein, die ihnen auch später zukommt; 4 Paare liegen in den Zwischenräumen zwischen den Richtungssepten und den Septen des 3ten und 4ten Paares. 2 weitere Paare liegen im In- neren des 5ten und 6ten Paares. Durch diese Beschaffenheit der Septen zweiter Ordnung ist der Typus der Weiterentwicklung so vollkommen fixirt, dass es kaum nöthig ist, weiter auf denselben einzugehen. Wir begnügen uns daher zu bemerken, dass auf dem folgenden Stadium die oben hervorgehobene Umgruppirung im ersten Oyclus sich vollzogen hat, dass die 6 Septenpaare zwei- ter Ordnung grösser geworden sind und schon begonnen haben, die Fahnen der Längsmuskeln zu entwickeln, dass endlich die 12 Septenpaare dritter Ordnung als kleine Einfaltungen der Kör- perwand entstanden sind. Wie bei den Adamsien, so ist auch bei der Sagartia parasitica nur der erste Cyclus aus vollständigen Septen zusammengesetzt und zwar aus 2 Paar abgewandten und 4 Paar zugewandten; alle 542 Oscar und Richard Hertwig, übrigen Cyclen dagegen bestehen aus unvollständigen Septen, wel- che entsprechend der bedeutenderen Grösse des Thieres in grösse- rer Anzahl auftreten. (Figur 9 auf Tafel XVII stellt ein Zwischen- fach erster Ordnung mit den 2 angrenzenden Septenpaaren erster Ordnung dar, also !/, des ganzen Querschnitts —+ einem Septen- paar erster Ordnung.) Ausser den 6 vollständigen Septenpaaren (I) finden sich unvollständige: 6 der 2ten Ordnung (II), 12 der ten (III), 24 der 4ten (IV) und 45 der 5ten (V), dies giebt im Gan- zen 96 Paare oder 192 Septen; nur die letzten 48 Paare oder 96 Septen sind rudimentär beschaffen nnd entbehren der Fahnen und der Mesenterialfilamente. Bei der dritten oben genannten Actinie, der Actinoloba dianthus oder der Sagartia s. Actinia plumosa der älteren Auto- ren hat schon Thorell die Anwesenheit von 6 Paar vollständigen Scheidewänden nachgewiesen, von welchen 2 opponirt sind und den beiden Schlundrinnen entsprechen, während die übrigen 4 in gleichen Zwischenräumen zwischen diesen angebracht sind. „Die Leibeshöhle zerfällt auf diese Weise in 6 ziemlich gleich grosse Haupttaschen, die durch Scheidewände 2ten, 3ten und 4ten Ran- ges weiter abgetheilt sind.“ Freilich hält Thorell die Septen- paare für einzelne Septen, ein Irrthum, den wir schon oben auf Grund eigener Untersuchungen berichtigt haben. Mit der Sagartia parasitica stimmt endlich noch, wie wir aus der Arbeit Stoliczka’s entnehmen, eine weitere Sagartia über- ein, die S. Schilleriana. Wenn wir auch hier wieder in Be- tracht ziehen, dass in der That, was der Verfasser als einzelne Septen beschreibt, Septenpaare sind, so ergeben sich im Ganzen 48 Septenpaare, von denen nach den Abbildungen zu schliessen nur die 6 ersten den Magen erreichen. Von den beiden Sagartien unterscheidet sich, vorausgesetzt dass Heider’s Angaben richtig sind, eine dritte Art derselben Gattung, S. troglodytes, durch die grössere Zahl der vollstän- digen Septen; an den Magen sollen hier die 48 Paar der vier er- sten Ordnungen heranreichen, (v. Heider sagt: der 3 ersten Ord- nungen, weil er die 6 Paare Hauptsepten des ersten Cyelus und die 6 Paare Nebensepten des zweiten Cycelus zu einer und dersel- ben Ordnung zusammenfasst); die 384 weiteren Paare, welche die 3 letzten Ordnungen repräsentiren, sollen unvollständig sein. Dies Verhältniss leitet uns dann über zu den Antheen und Tealien. Bei letzteren sind alle Septen vollständig und beträgt ihre Zahl über 100, wahrscheinlich 192 wie bei der Sagartia tro- Die Actinien. 543 glodytes; von Antheen haben wir nur junge Exemplare untersucht und können daher nicht sagen, ob nicht die in der Jugend noch unvollständigen Septen später zu vollständigen werden. So viel ist jedoch sicher, dass ausser den 6 Septenpaaren erster Ordnung noch zahlreiche andere sich an die Wandung des Magens inseri- ren. Die Unterscheidung der Hauptsepten und Nebensepten wird dadurch erschwert, wenn nicht erstere durch den Mangel der Ge- schlechtsorgane ausgezeichnet sind. Das Princip, von welchem bei den Actinien die Stellung und Entwicklung der Septen bestimmt wird, ist vielfach erörtert worden, ohne dass jedoch Uebereinstimmung in dieser Hinsicht erzielt worden sei. Dasselbe ist, wie schon Lacaze Duthiers (29 und 30) hervorgehoben hat, nicht zu al- len Zeiten dasselbe, vielmehr können nach der Verschiedenheit des Stellungsprineips zwei Perioden in der Actinienentwicklung unter- schieden werden. Die eine derselben reicht bis zur Fertigstellung der 6 Septenpaare erster Ordnung, darauf beginnt die zweite Pe- riode. Die während dieser letztern herrschende Bildungsweise ist sehr leicht auf eine bestimmte Regel zurückzuführen. Alle Septen entstehen 1) zu Paaren mit zugewandten Längsmuskeln ; sie ent- stehen 2) nie in den Binnenfächern, sondern stets in den Zwi- schenfächern; 3) die neuen Septenpaare halbiren stets die Zwi- schenräume zwischen den Septenpaaren der vorhergehenden Ord- nung. Der letzterwähnte Process kann sich, wie wir gesehen haben, sehr häufig wiederholen; es ist daher ganz unverständlich, wesshalb Schneider und Rötteken angeben, dass die Zahl der Cyelen nie über drei steigen kann, möge die Menge der Septen noch so bedeutend sein. Die Entwicklungsweise der 12 ersten Septen haben wir nicht von Anfang an verfolgen können; dies ist jedoch La- caze Duthiers (29) und Kowalewsky (27 und 28) geglückt, deren Angaben wir daher zur Ergänzung heranziehen wollen. Bei A. mesembryanthemum, Sagartia bellis und Bunodes gemmacea treten zur Zeit, wo sich das Schlundrohr schon gebildet und die Mundöffnung eine ovale Gestalt angenommen hat, zwei Septen in der Nähe des einen Mundwinkels und zwar links und rechts von demselben auf (Taf. XVII, Fig. 1). Zum ersten Septenpaar (1) ge- sellt sich ein zweites in analoger Stellung am anderen Ende der Mundspalte (2); endlich entsteht in dem Zwischenraum zwischen den beiden erstgenannten Septen, während diese sich weiter von einander entfernen, ein drittes Septenpaar, welches fortan seine 544 Oscar und Richard Hertwig, ‘Stellung behauptet und zu dem Paar der Richtungssepten wird (3). Zur Erläuterung dieser Vorgänge haben wir in den Figuren 1 und 5 zwei Zeichnungen, die eine von Lacaze Duthiers und die andere von Kowalewsky, copirt und bemerken zu denselben, dass die Zahlen die Aufeinanderfolge der Septen bezeichnen. Während Kowalewsky und Lacaze Duthiers so weit übereinstimmen, weichen sie von einander ab in Bezug auf den Ort, an welchem die Septen 7 und 8 angelegt werden. Nach La- caze Duthiers (Fig. 1) wird in den Interseptalraum, der jeder- seits zwischen I und 2 liegt, ein Septum (4) eingeschoben. Nach Kowalewsky (Fig.5) dagegen bildet sich erst ein Septum (4) in dem vom zweiten Septenpaar eingeschlossenen Raum und dann ein weiteres Septum im Binnenraum des dritten Paares, doch wird von beiden nur das erste in den Abbildungen dargestellt. So widersprechend nun auch diese Angaben lauten, so lassen sich doch wenigstens die Abbildungen vereinbaren, wodurch es wahrscheinlich wird, dass beide Autoren in der Deutung ihrer Bilder geirrt haben. Lacaze Duthiers hat wahrscheinlich das zweite und vierte Septenpaar mit einander verwechselt und müs- sen wohl die Ziffern, welche die Aufeinanderfolge der Septen be- zeichnen, umgestellt werden, wie wir dies in Klammern ausge- drückt haben; Kowalewsky dagegen hat unserer Annahme nach die Falte (4) für ein einfaches Septum gehalten, während sie einem Septenpaar entspricht. Ist diese Umdeutung der von beiden For- schern gegebenen Abbildungen richtig, dann hätten wir beidemal denselben Entwicklungsmodus, indem das vierte Septenpaar im Bin- nenraum des zweiten Septenpaares ebenso entstehen würde, wie das dritte im Binnenraum des ersten. Für diese Umdeutung können noch einige weitere Punkte gel- tend gemacht werden; die 8 ersten Septen (1—-4) — man ver- gleiche hierüber unsere Figuren 3 u. 4 — sind im fertigen Zustand aus zwei Gruppen gebildet, von denen eine an jedem Mundwinkel steht; beide Gruppen stimmen in allen anatomischen Einzelheiten überein und lassen daher erwarten, dass sie sich auch in gleicher Weise entwickeln; dies würde nach unserer Annahme der Fall sein, nach den Angaben von Lacaze Duthiers dagegen nicht. Und ferner: alle Septen der Actinien entstehen paarig; dies trifft, wie wir gesehen haben, für die 6 zuerst auftretenden Septen zu, wie wir sogleich noch weiter ausführen werden, für die Septen 9—12 und schliesslich auch für alle späteren. Ist es da wahrscheinlich, Die Actinien. 545 dass die Septen 7 und 8 eine Ausnahme machen wie Kowa- lewsky und Lacaze Duthiers wollen? oder ist es nicht wahr- scheinlicher, dass auch sie der allgemeinen Regel folgen, wie wir oben angenommen haben? Wenn Lacaze Duthiers endlich selbst angiebt, dass die Mesenterialfilamente seiner vierten Septen früher entwickelt werden, wie die der zweiten Septen, und somit die von uns postulirte Reihenfolge einhalten, so ist dies wohl ein Fingerzeig mehr, dass der französische Forscher in der Bestim- mung der Reihenfolge für die Septen einen Irrthum begangen hat. Das Entwicklungsstadium mit 8 Septen hat einen längeren Bestand als alle früheren und ist von Kowalewsky wegen der Uebereinstimmung seines Numerus mit den fertigen Alcyonarien verglichen worden. Gehen wir jedoch auf diesen Vergleich näher ein und stellen einen Durchschnitt durch ein Szähliges Alcyonium (Fig. 7) und eine Szählige Actinie (Fig. 4 in welcher man von den Septen 5 und 6 und den Septen zweiter Ordnung absehen möge) einander gegenüber, so ergeben sich sehr erhebliche Ver- schiedenheiten in der Beschaffenheit der Septen, vornehmlich in der Anordnung der muskelstarken Seiten. Bei den Aleyonien giebt es einen Punkt in der Circumferenz, von dem aus gesehen alle Septen, 4 auf der rechten und 4 auf der linken Seite, abge- wandte Muskelfahnen besitzen, und einen zweiten opponirten Punkt, von dem aus gesehen sie umgekehrt zugewandte Fahnen tragen. Man kann den ersten Punkt den Orientirungspunkt benennen. Bei den Actinienlarven dagegen giebt es 2 solche Orientirungs- punkte, die einander opponirt sind und den beiden Mundwinkeln entsprechen. Die Genese der 4 folgenden und letzten Septen erster Ord- nung, welche den Numerus 8 auf 12 erhöhen, schildert Lacaze Duthiers in der Weise, dass auf jeder Seite ein Septum zwi- schen den zuerst (1) und den zu dritt (3) entstandenen Scheide- wänden (Fig. 1) und ein weiteres Septum zwischen den zuerst und zu viert entwickelten Scheidewänden (1 und 4) auftritt. Diese Angaben müssen auf einem Irrthum beruhen, der bei der Beob- achtungsweise, welche Lacaze Duthiers angewandt hat, leicht möglich ist. Lacaze Duthiers betrachtete nämlich lebende und ganze Thiere von einem ihrer Pole, untersuchte sie dagegen nicht auf Querschnitten, welche allein sichere Resultate liefern können. Mit Hilfe der letzteren Methode haben wir gefunden, dass sich die 4 Septen paarig anlegen (Fig. 3) wie die 8 früheren Bd. XIII. N. F. VI, 4. 35 546 Oscar und Richard Hertwig, und dass ein jedes Paar mit den früheren auch insofern überein- stimmt, als es abgewandte Muskeln hat; sie liegen in dem Zwi- schenraum zwischen den lten und 2ten Septen. Zum Schluss fassen wir noch einmal die Ergebnisse, zu denen wir bei der Betrachtung der Bildungsweise der Septen gekommen sind, zusammen: Alle Septen der Actinien werden paarig ange- lest, aber in einer Weise, die bei den 12 ersten sich anders voll- zieht als den übrigen. Die 12 ersten entstehen in Paaren mit abgewandten Muskeln und von 4 Punkten aus, die von einander gleichweit (?/, des Kreisumfangs) entfernt sind. Von zwei einan- der opponirten Punkten aus entstehen successive je 2 Paare, von den beiden andern einander ebenfalls opponirten Punkten jedesmal nur 1 Paar. Die 6 Paare erleiden eine Umgruppirung, so dass 4 mit zugewandten und 2 mit abgewandten Muskeln entstehen. Diese eigenthümliche Entwicklungsweise ist der wichtigste Grund, wess- halb wir die 12 ersten Septen als Hauptsepten bezeichnet haben. Die übrigen Septen oder die Nebensepten treten in Paaren mit zugewandten Muskeln und von Anfang an in ihrer dauernden Anordnung auf. Sie bilden Cyelen, von denen ein jeder die gleiche Zahl von Septen enthält als alle früheren zusammengenommen; sie sind stets mit Geschlechtsorganen versehen, inseriren sich alle oder nur theilweis oder überhaupt nicht am Schlundrohr. 3. Die Geschlechtsorgane. Die Beschaffenheit der Geschlechtsorgane der Actinien ist lange Zeit über ungenügend bekannt gewesen. Die Eierstöcke sind wohl zuerst von Spix (40 p. 447) gesehen worden, der sie von den Mesenterialfalten entspringen lässt, die sich an die longitudinalen Muskelfasern, d. h. die Septen befestigen. Als Oviducte, welche in das Schlundrohr münden, werden die Mesenterialfilamente ge- deutet, und sollen je 4 derselben sich zu einem gemeinsamen Canal vereinen. Zu wesentlich gleichen Resultaten gelangte Rapp (36), dessen Angaben nur insofern abweichen, als sie jedem „Oviduct“ (Mesenterialfilament) eine getrennte Ausmündung zuschreiben. Der Irrthum, dass die Eier durch die Mesenterialfilamente in das Schlundrohr gelangen, ist vielfach wiederholt und erst in den Vierziger Jahren von Erdl (16 p. 304) und später wieder von Hollard (22 p. 285) berichtigt worden. Hollard wies nach, dass die Geschlechtsproducte durch Platzen frei werden und durch die untere Oeffnung des Schlundrohrs aus dem Inneren austreten. Die Existenz der männlichen Geschlechtsorgane ist in früherer Die Actinien. 547 Zeit vielfach in Abrede gestellt worden oder es wurden als männ- liche Geschlechtsorgane die Acontien und Mesenterialfilamente in Anspruch genommen. Spix, der die oberen gerade verlaufenden Abschnitte der Mesenterialfilamente für die Oviducte hält, ver- muthet in den vielfach maeandrisch gewundenen Theilen, „der mem- brane gelatineuse et spiriforme“, von der jedes Ovar bedeckt sein soll, die samenbereitenden Stätten. Dieselbe Ansicht äusserte Wagner (43 p. 216), ohne dass er jedoch von Spix’s Darstellung gewusst zu haben scheint; zum Beweis ihrer Richtigkeit beschrieb er die Nesselkapseln als Spermatozoen und die Acontien als Vasa deferentia; das Irrthümliche dieser Deutungen hat der Verfasser (44 p. 101) kurze Zeit später selbst erkannt und seine Angaben daher zurückgenommen. Der Entdecker der männlichen Geschlechtsorgane der Actinien ist Erdl (16 p. 305), welcher die völlige Uebereinstimmung ihres Baues mit dem Bau der Ovarien nachwies. „Die Stelle der Eier wird durch Hodenfollikel eingenommen, deren Inhalt in Strängen angeordnet ist, welche an einem Punkt des Bläschens scheitel- förmig zusammengedrängt sind, von da aus gegen die Peripherie divergiren, bei Compression sich aufrollen und in die einzelnen Spermatozoen zerfallen.‘ Diese genaue Schilderung wurde von Kölliker (24) und Hollard (22 p. 285) in allen Punkten be- stätigt und gelangte so zu allgemeiner Geltung. Nachdem die männlichen Geschlechtsorgane bekannt geworden waren, ist wiederholt die Frage erörtert worden, ob die Actinien Zwitter oder getrennten Geschlechtes sind. Erdl und Hollard hatten besonders hervorgehoben, dass alle von ihnen untersuchten Actinien gonochoristisch seien. Gegen die Allgemeingiltigkeit dieser Angaben wurden jedoch Zweifel wach, als Jules Haime (20) den Nachweis führte, dass bei der verwandten Gattung Cerianthus Eier und Hodenfollikel nicht allein in demselben Thiere, sondern sogar in demselben Septum vorkommen. Offenbar durch diese Mit- theilungen beeinflusst stellte darauf Milne Edwards (32) den Hermaphroditismus bei den Actinien als Regel hin und auch Gosse (18) gab dies für einen Theil der Actinien zu, während er einen andern Theil getrennten Geschlechts sein lässt. In der Neuzeit hat Lacaze Duthiers {29 p. 309 u. 371) es wahrscheinlich zu machen gesucht, dass eine ganze Anzahl von Actinien, wenn nicht alle, männliche und weibliche Geschlechtsorgane gieichzeitig oder nach einander zur Entwicklung brächten. Ueber den feineren Bau der Geschlechtsorgane existiren nur 35 * 548 Oscar und Richard Hertwig, sehr spärliche Angaben. Selbst die im Jahr 1872 erschienene Dar- stellung von Lacaze Duthiers beschränkt sich auf die Bemer- kungen, dass die Eier im Septum liegen umgeben von einer hellen Zone, welche mit dem Wachsthum des Eies schmäler wird und schliesslich fast völlig verschwindet, dass die Spermatozoen von Kapseln umschlossen werden, welche im zelligen Stroma des Septum eingebettet sind, und dass sie wahrscheinlich aus Umwandlung einer einzigen Zelle entstehen. Genauer ist die von Heider (21 p. 413) für Sagartia troglodytes gegebene Beschreibung, die sich jedoch nur auf die Ovarien bezieht, da männliche Thiere nicht zur Beobachtung gekommen waren. Aus derselben ist hervorzuheben, dass die Eier der Stützlamelle angehören und durch dünne Brücken von Binde- substanz getrennt werden, dass sich somit bei den Actinien ähn- liche Verhältnisse wiederholen, wie sie durch Kölliker, v. Koch u. A. für die Octocorallien schon früher beschrieben worden waren. Wenn wir nunmehr zur Besprechung unserer Beobachtungen übergehen, so haben wir gleich im Anfang zu erwähnen, dass alle von uns untersuchten Actinien, die Sagartia parasitica, Adamsia diaphana, Anthea cereus und Tealia crassicornis getrennt ge- schlechtlich sind. Bei den Antheen und Adamsien standen uns nur weibliche Thiere zur Verfügung, bei den beiden anderen Arten auch männliche Thiere. Dies letztere ist insofern wichtig, als dadurch eine Vermuthung Heider’s für die vorliegenden Fälle wenigstens ausgeschlossen wird. Heider, welcher nur weibliche Thiere der Sagartia troglodytes auffinden konnte, schliesst daraus, dass die Hoden nur zur Zeit der Geschlechtsreife auftreten und dann sich neben den Ovarien vorfinden. Bei der Sagartia para- sitica kann dies aus dem Grund nicht der Fall sein, weil dann neben den Hoden die Eierstöcke, wenigstens in Ueberresten, hätten nachweisbar sein müssen. Die Geschlechtsorgane finden sich in dem Theil des Septum, welcher nach innen von den starken Faserzügen des longitudinalen Muskels liegt und sich von dem Muskelstrange meist scharf durch seine zarte, fast schleierartige Beschaffenheit unterscheidet (Taf. XVII, Fig. 7). In dem dünnen Häutchen verursachen sie eine bandförmige Verdickung (h), die an beiden Enden abgerundet auf- hört, bedeutend länger als breit ist und durch einen gleich grossen Zwisehenraum vom Muskel wie von dem durch das Mesenterial- filament eingenommenen freien Rand des Septum getrennt wird. Das Geschlechtsband sieht aus als wäre es von queren wulst- förmigen Auftreibungen bedeckt. Dies kommt daher, dass es viel- Die Actinien. 549 fach in quere Falten gelegt ist, welche sich durch einen in der Längsaxe des Septum wirkenden Zug ausgleichen lassen. Dem- entsprechend ergiebt ein Längsschnitt durch das Geschlechtsorgan keine erheblichen Unterschiede in der Dicke, sondern nur eine zickzackförmige Anordnung, wie es in Figur 14, Tafel XXIII dar- gestellt ist. Zwischen der Ausbildung der Geschlechtsorgane und der Aus- bildung der Muskulatur lässt sich bei den Actinien ein ähnliches Wechselverhältniss nachweisen, wie bei den Medusen, in so fern die Entwickhung des einen Gewebes die Entwicklung des anderen beeinträchtigt. Ueberall wo die Hoden und Eierstöcke liegen, fehlen die Muskeln, die sonst die Oberfläche der Septen bedecken, so dass die Muskulatur der Septen um so schwächer ist, je grösser die Geschlechtsorgane sind. Am muskulösesten sind, bei der Sa- gartia parasitica (Taf. XVII, Fig. 8) und Tealia crassicornis wenig- stens, die 12 Hauptsepten, welche völlig steril sind; nächstdem kommen die 12 Scheidewände zweiter Ordnung, bei denen die Ge- schlechtsorgane nur als kleine tief unten gelegene Knötchen er- scheinen. Umgekehrt bilden an den übrigen Septen, wenn wir von den ganz jungen Anlagen derselben absehen, die Geschlechts- organe Bänder, die bis zu ?/, des Körpers heraufreichen. Bei der Untersuchung des histologischen Baues haben wir uns vorwiegend an Sagartia parasitica gehalten, bei welcher die im Folgenden mitzutheilenden Resultate gewonnen wurden. Bei männlichen Thieren besteht jedes Geschlechtsband aus zahlreichen, in Querreihen gestellten Hodenfollikeln (Taf. XXIII, Fig. 5). Die grösseren derselben haben einen ansehnlichen Durch- messer und nehmen die ganze Dicke des Septum für sich in An- spruch, sie dringen sogar gegen das Epithel vor, welches über ihnen abgeflachter ist als an den Stellen, wo zwei von ihnen an einander stossen; dazwischen finden sich ab und zu kleinere Fol- likel, die sich keilförmig zwischen die grösseren schieben. Alle Follikel sind so dicht gegen einander gepresst, dass ihre seitlichen Wandungen abgeplattet werden; sie sind eingebettet in die Stütz- lamelle des Septum und drängen sie durch ihre starke Entwick- lung so sehr in den Hintergrund, dass nur dünne Blätter übrig bleiben, die auf feinen Schnitten kaum doppelte Contouren haben und durch welche die Follikel sowohl von einander wie von dem Epithel des Septum deutlich geschieden werden (Fig. 6). In diesen Blättern gelingt es ab und zu Bindegewebskörperchen als ovale von spärlichem Protoplasma umhüllte Kerne nachzuweisen; am 550 Oscar und Richard Hertwig, häufigsten werden sie in den dreieckigen Verbreiterungen der Binde- substanz angetroffen, welche an den Stellen entstehen, wo zwei angrenzende Follikel und das darüber befindliche Epithel zusam- menstossen. Die kleineren Follikel werden’ einzig und allein von rundli- chen relativ grossen Zellen erfüllt, deren Kern den grössten Theil ihres Körpers ausmacht und die als Spermatozoenmutterzellen ge- deutet werden müssen; die grösseren Follikel enthalten ausser- dem reife Spermatozoen; sie sind nach der einen Seite zu einem papillenförmigen Vorsprung ausgezogen, der das Epithel gleichsam durchbohrt und bald auf der einen bald auf der anderen Fläche des Septum liegt. Zweifellos ist dies die Stelle, an der später die Hülle platzt und die reifen Spermatozoen entleert werden. Die Spermatozoen und ihre Mutterzellen halten in jedem Follikel eine bestimmte Anordnung ein, welche schon Erdl und Hollard aufgefallen ist und durch die Art der Reife bestimmt wird. Die Mutterzellen finden sich in der Peripherie und grenzen an die Stützlamelle, mit Ausnahme des Ortes, an welchem später der Durchbruch erfolgen soll. Hier drängen sich die Haufen reifer Spermatozoen zusammen, von hier strahlen ihre Reihen divergirend durch das Innere des Follikels nach der von den Mutterzellen eingenommenen Peripherie aus. Auf Querschnitten (Taf. XXI, Fig. 6) giebt dies ein sehr zierliches Bild. Die Schwänze der Spermatozoen zu Bündeln vereint und von der Osmiumsäure ge- schwärzt bilden feinstreifige Züge, die wie Stützfasern aussehen; dazwischen liegen die dazu gehörigen Kerne, die Köpfe der Sper- matozoen, in Reihen, welche mit den Faserzügen alterniren. Das Epithel, welches die Hodenfollikel bedeckt und die Septal- fächer auskleidet, ist auffallend niedrig und körnchenarm und ist über den papillösen Vorsprüngen der Follikel zu einem dünnen Häutchen abgeflacht. Zwischen die gewöhnlichen Epithelzellen sind hin und wieder auch Drüsenzellen eingestreut. Die weiblichen Geschlechtsorgane (Taf. XXI, Fig. 4) sind nach demselben Princip gebaut wie die männlichen; an Stelle der Hodenfollikel sind Eizellen getreten, welche jedesmal ein Binde- gewebsfach für sich ausfüllen. Die grösseren Eier wölben die Oberfläche des Septum nach beiden Seiten stark hervor und ragen besonders auf einer Seite stark in das Epithel hinein; sie bestehen aus einem trüben grobkörnigen Protoplasma und einem Keimbläs- chen mit grossem Keimfleck; letzterer war öfters in kleinere Stücke Die Actinien. 551 zerfallen und hatte somit die Umwandlung begonnen, die mit der Reife des Eies im Zusammenhang steht. Das Keimbläschen liegt stets excentrisch in dem nach dem Epithel zu worgeschobenen Ende des Eies und wird von der Ober- fläche durch eine dünne Schicht von Dottersubstanz getrennt. Hier findet sich ferner eine eigenthümliche Structur, welche jedoch nur auf feinen Querschnitten, die zugleich genau in der Längsaxe des Eies geführt sind, sichtbar gemacht werden kann (Taf. XXIII, Fig. 9. 10. 135). Auf dem Eie erhebt sich nämlich ein im All- gemeinen kegelförmiger Aufsatz, der mit seiner breiten Basis an den Dotter, mit seiner mehr oder minder abgestumpften Spitze an die Oberfläche des Epithels reicht. Der Kegel ist bei jüngeren Eizellen, die mehr in der Tiefe liegen, langgestreckt und schmal, er verkürzt sich und verbreitert sich dagegen bei den älteren Eizellen, jemehr sich dieselben mit ihrem peripheren Ende der Oberfläche des Septum nähern. Die Oberfläche des Septum zeigt stets eine nabelförmige Einsenkung, die durch die Anheftungsstelle des Aufsatzes bedingt ist. Die Kegelform wird übrigens nicht immer beibehalten und kann das Gebilde eine cylindrische oder sogar spindelig aufgetriebene Gestalt annehmen. Die wahrscheinlich protoplasmatische Substanz des Aufsatzes (p) zeigt eine feinstreifige Beschaffenheit, als wäre sie aus zarten Stäbchen oder Fäserchen zusammengesetzt, die dicht gedrängt und einander parallel gestellt sind. An der Oberfläche des Eies hören die Fäserchen auf, ohne sich in den Dotter verfolgen zu lassen, so dass eine ziemlich scharfe Grenzlinie entsteht. Dagegen fehlt eine besondere den Aufsatz und das Ei von einander trennende Membran; vielmehr ist an dieser Stelle die Bindesubstanzlamelle, welche das Eifach erzeugt, unterbrochen. Von Wichtigkeit ist ferner, dass in dem feinstreifigen Protoplasma kein Kern hat nach- gewiesen werden Können. Daraus geht hervor, dass das Proto- plasma keinem besonderen Zellkörper angehört und nur als ein besonders difierenzirter Theil des Eies selbst angesehen werden kann. Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergiebt sich, dass die Eizelle dauernd an der Oberfläche des Epithels mit Hilfe eines feinstreifigen Fortsatzes befestigt ist und so gewissermaassen selbst in die Reihe der Epithelzellen hineinrückt; sie verhält sich wie die einzelligen Drüsen der Würmer und ist wie diese mit ihrem angeschwollenen Ende in das darunter gelegene Bindegewebe ein- geschlossen und von ihm nahezu allseitig mit einer besonderen Kapsel umhüllt. Aehnliche Verhältnisse Kehren übrigens, wie schon 552 Oscar und Richard Hertwig, länger bekannt, auch bei anderen Thieren wieder. So ist das Ei der Muscheln und der Holothurien mit einem besonderen Stiel in dem Boden des Keimepithels eingepflanzt. Was nun die physiologische Bedeutung des Stieles anlangt, so erblicken wir in ihm einen Nährapparat. Mit Hilfe desselben saugt das Ei Stoffe aus der die Gastralfächer füllenden Nähr- flüssigkeit. Bei dieser Annahme würde sich die fibrilläre Structur des Stieles erklären lassen. Solche fibrilläre Protoplasmastructuren sind in der letzten Zeit aus den verschiedensten thierischen und pflanzlichen Geweben bekannt geworden, sie treten überall da auf, wo ein reger Stoffaustausch stattfindet und wo dieser Stoffaus- tausch bestimmte Bahnen einhält. So nimmt das Protoplasma der Pflanzenzelle bei der Ausscheidung der Cellulosemembranen eine streifige Structur an, eine streifige Structur findet sich ferner in den verschiedensten thierischen Drüsenzellen und in den Central- kapseln der Radiolarien. Ueberall sind dabei die Streifen in der Richtung angeordnet, in welcher unzweifelhaft der Stoffaustausch erfolgt. Einer von uns hat daher in einer früheren Arbeit!) die Protoplasmastructuren als den anatomischen Ausdruck von Strömungserscheinungen zu erklären versucht, die beständig in gleicher Richtung erfolgend, schliesslich einen bestimmenden Ein- fluss auf die Theilchen des Protoplasma gewonnen haben. Diese Erklärung würde sich auch für den vorliegenden Fall als aus- reichend erweisen. Für die Ernährung der Eizellen ist ausserdem das umliegende entodermale Epithel von grosser Bedeutung. Aus demselben wer- den durch Zerzupfen sehr lange Zellen isolirt, die von hellglänzen- den Körnchen dicht erfüllt sind (Taf. XXIII, Fig. 7). Aus Fett scheinen die Körnchen nicht zu bestehen, da sie sich in Osmium- säure nicht schwärzen, sondern wahrscheinlich aus einer albumi- noiden Substanz; sie sind von ungleicher Grösse und der faden- förmigen Gestalt der Zellen entsprechend in Reihen gestellt. Ein besonderes Augenmerk haben wir darauf gerichtet, ob die Ei- zellen nach aussen von einem Follikelepithel umhüllt werden, sind aber dabei zu negativen Resultaten gelangt. Ab und zu grenzen zwar spindelförmige Zellen an die Peripherie des Dotters, doch ergab eine genauere Prüfung stets, dass dieselben der Stützlamelle angehörten und als Bindegewebskörperchen betrachtet werden muss- I) R. Hertwig. Der Organismus der Radiolarien. Jena 1879, p- 112. Die Actinien. 553 ten, welche in dem Stroma des Ovarium, wie in dem des Ho- dens vorkommen. Namentlich fällt es leicht, sich an den kleinen Eizellen vom Fehlen des Follikelepithels zu überzeugen. Wäre dasselbe vorhanden, so müsste es hier von relativ grossen Zellen gebildet und daher leicht erkennbar sein; allein auch hier haben wir nicht einmal Andeutungen einer besonderen Zellenlage gesehen. Bei der Bedeutung, welche die Frage nach der Abstammung der Geschlechtsorgane in der Neuzeit gewonnen hat, musste es uns von Interesse sein, über diesen Punkt auch bei den Acti- nien Klarheit zu gewinnen. Im ausgebildeten Zustand liegen die Eier und die Hodenfollikel im Mesoderm, so dass von vornherein sowohl an eine Ableitung aus dem Entoderm als aus dem Ektoderm gedacht werden kann, wobei der Umstand, dass die Eier zwischen zwei entodermalen Zellschichten eingeschlossen sind und mit dem Ektoderm nirgends in Verbindung stehen, die Ableitung aus dem Entoderm wahrscheinlicher macht. Eine weitere Frage war darin gegeben: Stammen die Geschlechtsproducte direct aus einem der Grenzblätter oder stammen sie zunächst aus den Zellen der Stütz- lamelle und somit indirect aus einer der beiden primitiven Schichten. Zu bestimmten Resultaten über die genannten Punkte sind wir nur bei den Eierstöcken gelangt, während unsere Beobachtungen für die männlichen Geschlechtsorgane ungenügend sind. An Ovariallamellen, welche zum grössten Theil schon reife oder nahezu reife Eier enthalten, haben wir einen Knospungspunkt, wo neue Keime angelegt werden, am oberen Ende aufgefunden. Hier sieht man, sei es auf einem Längsschnitt oder einem Quer- schnitt, häufig die verschiedensten Stadien der Eibildung neben einander. Die jüngsten Zellen, welche noch mit Sicherheit als Eikeime erkannt werden konnten, sind ausserordentlich klein und liegen in dem Epithel, welches die Septen bedeckt (Taf. XXIII, Fig. 1. 2. 8). Sie grenzen unmittelbar an die Stützlamelle und drängen die Basen der Epithelzellen auseinander, so dass die kör- nige Linie, welche auf Querschnitten durch die Zellenden bedingt wird, eine Unterbrechung erfährt. In die Stützlamelle selbst drin- gen sie nicht ein, sondern die Bindegewebsfibrillen ziehen in ihrem gewöhnlichen welligen Verlauf unter ihnen vorüber, wie man dies am schönsten bei Anwendung von schiefem Licht sieht. Die kleinen Eizellen unterscheiden sich vom umgebenden Epi- thel durch die Beschaffenheit ihres Protoplasma und ihres Kerns. Ersteres enthält keine stark lichtbrechenden Körnchen, es ist an Osmiumpräparaten homogener geronnen und dunkler geschwärzt; 554 Oscar und Richard Hertwig, mit Carmin behandelt leuchtet es durch stärkere Färbung hervor, zumal wenn das Präparat in Nelkenöl und Canadabalsam auf- gehellt worden war. Der Kern ist ein rundliches Bläschen, wenig kleiner als der Zellenkörper und umschliesst schon ein deutliches nucleolusartiges Korn. Durch alle diese Eigenthümlichkeiten lassen sich die beschriebenen Zellen auf’s Sicherste als ein besonders ge- artetes Element im Epithel erkennen. Sowie die Eikeime etwas grösser werden, gewinnen sie eine spitzkugelförmige Gestalt; ihr spitzes Ende ist nach der Ober- fläche des Epithels zugewandt und verlängert sich öfters in ein kleines zwischen die benachbarten Zellen sich einschiebendes Fäd- chen, das stumpfe Ende grenzt nicht mehr allein an die Stütz- lamelle, sondern ist zum Theil sogar in dieselbe eingebettet, die Zellen liegen daher jetzt halb im Epithel, halb in der Bindesub- stanz, wie dies auf Figur 8 schön zu sehen ist. Hier sind 4 Zellen in gar nicht grosser Entfernung von einander gleichsam im Aus- wandern aus dem Epithel begriffen und zwar ragt die grösste unter ihnen am meisten aus dem Epithel hervor. Um diese Zeit scheint durch eine active Betheiligung der Stützlamelle die Bildung der bindegewebigen Follikelumhüllung eingeleitet zu werden (Taf. XXIII, Fig. 3). Grössere Eizellen findet man stets von einem Bindegewebsfortsatz getragen, welcher von der Stützlamelle aus als ein kurzer breiter Strang in das Epithel hinein gewuchert ist; er umgreift das Ei seitlich und umschliesst es mehr und mehr, indem er eine bindegewebige Kapsel um das- selbe erzeugt. Scheinbar befindet sich das Ei nun von Neuem im Epithel, thatsächlich ist es aber von diesem durch seine binde- gewebige Umhüllung getrennt, so dass man es schon als einen in der Stützlamelle liegenden Körper betrachten kann. Durch Auf- nahme von Dottermaterial wächst die Eizelle; die Dotterkörnchen lagern sich dabei zunächst in einer Schicht zwischen dem Keim- bläschen und der Peripherie ab; erst später wird das gesammte Protoplasma von trübkörnigem Dottermaterial durchsetzt. Dann schwillt das Ei zu so bedeutender Grösse an, dass es nicht allein die Stützlamelle durchwächst, sondern auch noch das Epithel der entgegengesetzten Seite hervorwölbt. Ueber die Genese des eigenthümlichen Fadenapparates, welcher dem einen Pole der Eizelle aufsitzt, können wir keine erschöpfen- den Mittheilungen machen. Mit Sicherheit liess er sich schon bei ziemlich kleinen Eizellen, wie eine z. B. in Figur 3 abgebildet ist, nachweisen; er erschien hier wie ein langer schmaler Zipfel, dessen Die Actinien. 555 peripheres Ende sich so fein zuspitzte, dass es allmählich undeut- licher werdend im Epithel verschwand, ohne bis an die Oberfläche desselben heran verfolgt werden zu können; bei einigen nur um Weniges grösseren Eizellen war der Apparat schon deutlicher und nahm er mit dem Wachsthum stets an Breite zu, während er sich verkürzte, so dass die Eizelle sich immer mehr der Oberfläche des Epithels näherte. Obwohl wir den Fadenapparat erst von einem bestimmten Stadium an haben wahrnehmen können, so ist doch immer die Mög- lichkeit gegeben, dass er von Anfang an vorhanden war. Wir haben schon früher erwähnt, dass einige der kleinsten Eizellen sich in einen peripher gelegenen spitzen Fortsatz ausziehen; es ist möglich, dass dieser Fortsatz schon um diese Zeit als ein fei- nes Fädchen bis an die Oberfläche des Epithels reichte und dass das Fädchen sich stärker entwickelnd später zum Fadenapparat wird. Sollte diese Vermuthung richtig sein, so wäre damit er- wiesen, dass die Eizelle von Anfang an als eine Epithelzelle be- trachtet werden muss und zwar als eine Epithelzelle, deren unte- res Ende stark anschwillt, während das periphere beständig die Verbindung mit der Epitheloberfläche unterhält. Wenn die im Obigen mitgetheilten Beobachtungen uns zu dem Resultat geführt haben, dass die Eizellen im Entoderm entstehen und erst secundär in die Bindesubstanz der Stützlamelle gerathen, so ist eine gleiche Entwicklungsweise nach dem, was wir gesehen haben, für die männlichen Geschlechtsorgane zwar wahrscheinlich, aber nicht mit Sicherheit nachgewiesen. An den von uns unter- suchten männlichen Geschlechtsorganen der Sagartien waren die Hodenfollikel fast überall nahezu gleich reif; an dem oberen Ende fanden sich nur wenige kleinere Follikel, die aus Spermatozoen- mutterzellen bestanden (Taf. XXII, Fig. 11); sie lagen schon voll- kommen in der Bindesubstanz und ragten nur wenig nach einer Seite in die Epithelschicht vor. In letzterer beobachteten wir stel- lenweise zwischen den Basen der Epithelzellen kleine Zellen mit einem rundlichen Kern und einem homogenen Protoplasma (Fig. 12), sie glichen den Spermatozoenmutterzellen und sind vielleicht auch mit ihnen identisch. Dann würden die Spermatozoenmutterzellen wie die Eier aus dem Entoderm stammen und wahrscheinlich grup- penweise vom Bindegewebe umwachsen und zu Hodenfollikeln um- gewandelt werden. Eine wichtigere Stütze als in diesen Beobach- tungen findet freilich die Ableitung der männlichen Geschlechts- organe aus dem Entoderm in der grossen Uebereinstimmung, die ' 556 Oscar und Richard Hertwig, in Bezug auf Bau und Lagerung zwischen Hoden und Ovarien herrscht. 4, Die Mesenterialfilamente. Bei allen Actinien finden sich am freien Rand der Septen, wenn dieselben nicht zu klein sind, eigenthümliche fadenartige Organe, die unter dem Namen der Mesenterialfilamente oder der „corps peletonnes“ bekannt sind; dieselben haben im Lauf der Jahre sehr verschiedene Deutungen erfahren. Spix (40) und Rapp (36) hielten sie für Oviducte, Delle Chiaje (8) und Wagner (43) für die männlichen Geschlechtsorgane, Erdl (16), Hollard (22) und Milne Edwards (32) endlich für Drüsen oder Därmchen, welche als Leber zu funktioniren haben. Alle diese Autoren nah- men mit Unrecht an, dass die Fäden von einem Canal durchsetzt seien, dessen Einmündung in das Schlundrohr wenigstens von Einigen unter ihnen behauptet wurde; die solide Beschaffenheit der Filamente wurde zuerst von Leuckart (17) und später von Gosse (13 p. XXIII) nachgewiesen. Nach Letzterem sind die Fä- den von Sarkode gebildet und von einer flimmernden Membran bedeckt und enthalten unter mancherlei Einschlüssen besonders Nesselkapseln. Gosse machte zugleich in derselben Weise, wie es nahezu gleichzeitig Thorell (42) und Duchassing und Mi- chelotti (14 p. 280) gethan haben, einen Unterschied zwischen Mesenterialfilamenten im engeren Sinne, die er Craspeda nennt, und Acontien, Gebilde, welche nur bei manchen Actinien auftreten und auf die wir noch in einem besonderen Abschnitt zu sprechen kommen werden. Während ihm hierin Stoliczka (41 p. 43) beistimmt, leugnet Lacaze Duthiers (29 p. 376) und nach ihm v. Heider (21 p. 412) diesen Unterschied, indem sie die Acon- tien für abgelöste Mesenterialfilamente erklären. Heider’s Schil- derung über den Bau der Mesenterialfilamente bezieht sich vor- nehmlich auf die Acontien; nur seine Figur 49 stellt ein Mesente- rialfilament auf dem Querschnitt dar. Der wesentlichste Fort- schritt, den Heider im der Erkenntniss der in Rede stehenden Organe gemacht hat, besteht in dem Nachweis, dass die Stütz- lamelle in die Axe des Mesenterialfilaments eindringt und den früheren Beobachtern das Bild eines Axencanals vorgetäuscht hat. Dagegen ist die Angabe, dass am freien Rande eines Septum mehr als ein Filament entspringen könne, irrthümlich. Die Mesenterialfilamente (Taf. XVII, Fig. 1, 3, 7, 8v) neh- men niemals den ganzen freien Rand der Septen ein; während Die Actinien. 557 diese in der Mitte der Fussscheibe beginnen, fangen sie erst in einiger Entfernung von diesem Punkte an. An allen Septen, welche das Magenrohr erreichen, setzen sie sich bis an den un- teren Rand desselben fort und gehen hier verbreitert in das Epi- thel des Magens über. Dies ist auch der Fall, wenn die Septen selbst schon auf halber Höhe des Magens ihr Ende finden. Dann verlängert sich das Septum in eine Falte, welche auf der ento- dermalen Seite des Magens herabsteigt und an ihrem freien Rand das Filament trägt. An den übrigen unvollständigen Septen hören die Filamente auf, noch ehe sie die untere Seite der Mund- scheibe erreicht haben, so dass hier sowohl der obere als auch der untere Theil des Septenrandes frei bleiben. In ihrem oberen und unteren Abschnitt verlaufen die Mesen- terialfllamente ziemlich gerade gestreckt; in den dazwischen gele- genen Partieen sind sie vielfach gewunden, so dass sie glatt aus- gebreitet die Länge des Thieres um ein Vielfaches übertreffen würden. Dabei verschlingen sie sich zu einem unentwirrbaren Knäuel, der unterhalb des Schlundrohrs herabhängt und am le- benden Thier mit lebhaften wurmförmigen Bewegungen seine La- gerung verändert, während er bei Behandlung mit Reagentien zu einem dicken Packet zusammenklebt, welches den Eingang in die Septalfächer theilweise versperrt. Diese Anordnung ist schon von früheren Forschern treffend mit der Anordnung des Dünndarmes der Wirbelthiere verglichen worden, um so treffender, als auch der nach innen von dem Längsmuskelstrang gelegene Theil des Septum, welcher das Mesenterium des Filaments bildet, krausen- artig gefaltet ist, wie das Mesenterium des Dünndarms. Mit Ausnahme von Hollard und Thorell haben alle Auto- ren fälschlich angenommen, dass die Mesenterialfilamente an allen Stellen einen gleichen Bau besitzen; man kann sich vielmehr so- wohl mit Hilfe von Querschnitten als auch durch die Betrachtung von Flächenpräparaten überzeugen, dass in den einzelnen Gegen- den Verschiedenheiten existiren und dass man dreierlei Zustände unterscheiden muss. Jedes Mesenterialfilament besteht in seinem oberen Verlauf, wie dies schon Thorell gezeigt hat, aus 3 Thei- len, einem mittleren, welchen wir den Nesseldrüsenstreifen, und zwei seitlichen, welche wir die Flimmerstreifen nennen wollen. Betrachten wir einen Querschnitt (Taf. XXI Fig. 10), so sehen wir, dass die Stützlamelle sich in drei Fortsätze spaltet. Der mittlere Fortsatz liegt in der Verlängerung des Septum und ist anfänglich schmal, verbreitert sich aber an seinem freien Rande 558 Oscar und Richard Hertwig, bedeutend zu einem linken und rechten Vorsprung, welche beide eine flache Rinne zwischen sich fassen. Die seitlichen Fortsätze entspringen beiderseits flügelartig beinahe unter rechtem Winkel von der Stützlamelle; sie sind ebenfalls nach aussen am stärksten entwickelt. In der Bindesubstanz der Fortsätze liegen zahlreiche bald spindelförmige, bald sternförmige Zellen, während die Zwi- schensubstanz homogen oder undeutlich faserig erscheint. Das Epithel ist in den einzelnen Theilen des Mesenterialfila- ments durchaus verschieden. Der mittlere Fortsatz ist mit 4 Ar- ten von Zellelementen bedeckt. Am zahlreichsten sind 1) Drü- senzellen (d), die wie auch sonst in zweierlei Formen auftre- ten; entweder haben sie einen ansehnlichen von trüben Körnern erfüllten Körper, oder sie enthalten einen farblosen Inhalt und sehen wie Hohlräume im Epithel aus, in denen sich ein Netzwerk von Protoplasma ausspannt. Ebenfalls zahlreich sind 2) Nessel- zellen (ec); die Kapseln derselben (Taf. XXI Fig. 6) sind bei einem Theil («) dünnwandig und lassen dann auf’s Deutlichste den spiral aufgewundenen Nesselfaden erkennen; bei einem anderen Theil (#) sind sie von einer festen Membran umgeben und in Folge dessen stark lichtbrechend. Aus ihrem vorderen Ende, welches nicht selten zu einem ringförmigen Wulst verdickt ist, tritt ein kegel- förmig zugespitzter Schlauch hervor, der mit zahlreichen Wider- haken besetzt ist und am freien Ende in einen langen Faden über- geht. So lange der Schlauch und der Faden in der Kapsel einge- schlossen sind, erkennt man nur den ersteren deutlich als einen axialen Strang, während die Spiralwindungen des letzteren kaum als zarte Linien angedeutet sind. Durch Zerzupfen kann man endlich noch lange dünne 3) Stütz- zellen (Fig. 8) und 4) Sinneszellen isoliren (Fig. 15 a), die beide nur ein langes Haar tragen, sich aber durch die Beschaf- fenheit des centralen Endes unterscheiden, welches bei den Stütz- zellen sich ein wenig verbreitert, bei den Sinneszellen dagegen in ein oder zwei Nervenfädchen übergeht. Zugleich legt man auf diese Weise einen ansehnlichen Strang sehr feiner Ner- venfasern (n) frei, welcher meist mit dem Drüsen- und Nessel- epithel so innig zusammenhängt, dass beide Theile nur schwer von einander getrennt werden können. Ab und zu finden sich im Nervenstrang kleine ovale Kerne (g), welche wohl auf Ganglien- zellen zurückgeführt werden müssen. Auf Querschnitten (Fig. 10) bilden die Nervenfäserchen eine feinkörnige Masse (n), die zwischen Die Actinien. 559 den Basen der Epithelzellen und unmittelbar auf der Stützla- melle liegt. Eine ganz andere Beschaffenheit zeigt das Epithel der beiden im Bau einander völlig gleichenden Flimmerstreifen (Fig. 10 f); es ist nicht so hoch wie das Epithel des mittleren Fortsatzes und enthält auch weder Drüsen- noch Nesselzellen, vielmehr besteht es einzig und allein aus kleinen Zellen, die fadendünn sind und an ihrem peripheren wie centralen Ende sich ein wenig verbrei- tern (Fig. 4 und 9); sie tragen eine Geissel und enthalten einen Kern, der trotz seiner Kleinheit eine Anschwellung des Zellen- körpers bedingt. Der Kern liegt nie im peripheren Ende, sondern entweder ungefähr in der Mitte oder mehr oder minder der Basis genähert. Die beschriebenen Zellen sind die feinsten im Actinien- körper; so sehr sie auch hierdurch sich am meisten den Sinnes- zellen anschliessen, so verlängern sie sich doch nie in einen Ner- venfaden und können daher nicht den Nervenepithelien zugerechnet werden. Damit stimmt auch überein, dass in dem Flimmerstreifen keine Nervenfasern durch Zerzupfen nachgewiesen werden können. Auf gefärbten Quer- und Längsschnitten lenken die Flimmer- streifen die Aufmerksamkeit des Beobachters durch ihr lebhaftes Colorit auf sich. Dies kömmt daher, dass die Kerne dicht ge- drängt in mehreren Schichten über einander liegen. Nur die Pe- ripherie enthält, wie schon bei der Beschreibung der Einzelzellen hervorgehoben wurde, keine Kerne, so dass ein ungefärbter Saum entsteht, der entsprechend der Feinheit der Zellen zart längs- streifig aussieht. Unter dem Epithel fehlt die beim Nesseldrüsen- streifen vorhandene feinkörnige Masse der Nervenfäserchen, so dass auch hierdurch die Ansicht, dass an den Flimmerstreifen keine nervösen Elemente vorkommen, ihre Bestätigung findet. Längsschnitte (Fig. 5) durch die Flimmerstreifen zeigen fer- ner eine wellige Contour der Oberfläche, indem die Höhe des Epithels in regelmässiger Wiederholung ab- und zunimmt. Da die Basis der Zellen dabei eine glatte Linie bildet, so ist die Bindesubstanz der Stützlamelle nicht an der Emporwölbung der Oberfläche der Flimmerstreifen betheiligt. Einer jeden welligen Erhebung entsprechend nimmt das Epithel in so fern eine etwas andere Beschaffenheit an als die Kerne hier grösser werden und bis an die Oberfläche des Epithels reichen. Die hervorgehobene Eigenthümlichkeit der Flimmerstreifen kann übrigens schon an Flächenpräparaten deutlich erkannt wer- 560 Oscar und Richard Hertwig, den. Während der Drüsenstreifen eine glatte Oberfläche besitzt, ist die Oberfläche der Flimmerstreifen mit queren schon von La- caze Duthiers wahrgenommenen Wülsten bedeckt. Im jedem Wulste zieht sich ein querer Zug grösserer Kerne zwischen den ausserordentlich kleinen Kernen, wie sie sonst im Flimmerstreifen vorkommen, hindurch. Durch die besondere Gestaltung seiner Zellen ist das Epithel der Mesenterialfilamente nur auf der Höhe des unpaaren und der paarigen Fortsätze ausgezeichnet, in den seitlichen Partieen da- gegen und in den Einbuchtungen zwischen den Fortsätzen besitzen die Epithelzellen den Charakter, wie er ihnen sonst im Bereich des Entoderms zukommt. Sie sind blasig aufgetrieben oder von trüben grösseren und kleineren Körnchen durchsetzt; nur selten finden sich dazwischen isolirte Drüsenzellen. Die Drüsenstreifen und die Flimmerstreifen werden so durch eine dazwischen gescho- bene Partie gewöhnlicher Zellen von einander getrennt. . Dabei ist kein allmähliger Uebergang der einen Zellform in die andere nach- weisbar, sondern scharf und unvermittelt setzt sich die Reihe der specifisch geformten Epithelzellen gegen ihre Umgebung ab. Noch deutlicher als bei Sagartia, auf welche sich die Figur 10 Tafel XXI bezieht, ist dies bei Anthea cereus und Adamsia diaphana, weil hier das gewöhnliche Entodermepithel von den parasitischen gel- ben Zellen angefüllt ist, während dieselben in den Drüsen- und Flimmerstreifen fehlen. Die Dreitheilung, welche das obere Ende des Mesenterialfila- ments auszeichnet, ist von Heider beobachtet, aber nicht richtig beurtheilt worden. Heider übersah die verschiedene Beschaffen- heit des Epithels in den einzelnen Partieen und übersah ferner, dass alle 3 Theile ein zusammengehöriges Ganze bilden; so konnte er zur Ansicht kommen, dass stellenweise am freien Rand der Septen 3 Mesenterialfilamente neben einander existiren, was nie- mals der Fall ist. Wie wir schon hervorgehoben haben, besitzt das Mesenterial- filament nicht an allen Orten die gleiche Beschaffenheit, es kann seinen Charakter in zweierlei Weise verändern, einmal indem der Drüsenstreifen verloren geht, zweitens indem die Flimmerstreifen eine Rückbildung erfahren. Der Drüsenstreifen sammt dem in ihm gelegenen Nervenstrang ist am stärksten ausgebildet an den Septen, die sich an den Ma- gen inseriren, er ist dagegen schwächer an den unvollkommenen Septen. Hier wird er mehr und mehr durch die Ausbreitung des Die Actinien. 561 gewöhnlichen Epithels zurückgedrängt und kann schliesslich ganz abhanden kommen. Dann fehlt auch der mittlere Fortsatz der Stützlamelle und wir erhalten die in Figur 14 abgebildete Form des Mesenterialfilaments, wo die Stützlamelle am freien Ende sich in zwei Flügel spaltet. Die Flügel tragen nur die Flimmerstrei- fen, die durch trübes Epithel von einander getrennt werden. Umgekehrt gehen die Flimmerstreifen bei allen Septen verlo- ren, wenn man der Septenbasis sich nähert und es bleibt nur der Drüsenstreifen übrig (Fig. 13). Schon in der Gegend wo das Me- senterialfilament sich in mäandrische Windungen legt, greift diese Veränderung Platz. Auf einem Querschnitt sieht man dann, dass die Stützlamelle des Septum bis an ihr Ende einfach bleibt und nur am Rande sich verbreitert. Das marginale Epithel besteht vorwiegend aus Drüsen- und Nesselzellen und umschliesst einen nicht unbedeutenden Nervenstrang (n); von dem trüben Epithel der Septenseiten setzt es sich durch eine dem Rand parallele Ein- schnürung ab. Das Mesenterialfilament wird daher allein aus dem Drüsenstreifen gebildet. Worin besteht nun die Function der Mesenterialfilamente? Diese Frage wird in der Neuzeit wohl allgemein dahin beantwor- tet, dass die Filamente seeretorische Organe sind, dass ihre Drü- senzellen verdauende Säfte bereiten und die Nesselzellen zum Abtödten etwaiger lebend aufgenommener Thiere dienen. Dieser neuerdings auch von Heider vertretenen Ansicht stimmen wir gleichfalls auf Grund unserer Beobachtungen über den Bau bei. Indessen kann eine secretorische Function nur dem als Drüsen- streifen bezeichneten Abschnitt des Mesenterialfilaments zukommen; die Flimmerstreifen dagegen haben offenbar eine andere Bedeutung; sie sollen den Inhalt der Körperhöhlen in Bewegung halten, die verdauten Massen aus dem einheitlichen unter dem Magen ge- legenen Raum in die Gastralfächer überleiten und auf diese Weise den Geweben ernährende Säfte zuführen. Dafür spricht vornehm- lich der Umstand, dass die Flimmerstreifen im oberen Theil der Mesenterialfilamente vorkommen und im unteren fehlen. Als ein dritter Punkt verdient endlich der Reichthum an Nervenfasern Berücksichtigung. Ein Theil derselben wird wohl die Drüsen und Nesselzellen zu versorgen haben; ihre grosse Menge macht es aber unwahrscheinlich, dass alle ausschliesslich diesem Zwecke dienen, und lässt den Gedanken aufkommen, dass in den Filamenten auch die Nervenbahnen verlaufen, welche das ento- dermale und ektodermale Nervensystem in Verbindung setzen. Bd. XIII. N. F. VI, 4. 36 562 Oscar und Richard Hertwig, Auffallend ist es jedenfalls, dass die Nervenmasse in den an den Magenrand sich ansetzenden Filamenten am stärksten ist. 5. Die Acontien. Nachdem schon mehrere Autoren, wie Milne Edwards (32), Duchassing und Michelotti (14) u. A., die mit Nesselkapseln ausgerüsteten Fäden, welche bei manchen Actinien auf äussere Reize hin durch Poren der Körperwand hervorgeschnellt werden, erwähnt hatten, unterschieden Gosse (18) und Thorell (42) die- selben zum ersten Male mit Bestimmtheit von den Mesenterial- filamenten, mit denen sie vielfach für identisch gehalten worden waren. Gosse nannte sie Acontien und schilderte sie als flache bandförmige Streifen, deren Ränder gegen einander eingekrümmt werden können, so dass eine Art Canal entsteht; nach seiner Dar- stellung entspringen sie von den Mesenterien der Filamente, ge- wöhnlich ein Paar an einem Septum, an sehr verschiedenen Punkten, sie sind bewimpert und reichlich mit Nesselkapseln versehen und scheinen somit nichts als besonders modificirte Mesenterialfilamente zu sein. Auf Reize hin werden sie, sei es durch den Mund, sei es durch besondere Oeffnungen der Körperwand, die Cinclides, nach aussen geschleudert und nachdem sie in Function getreten sind, allmählig in das Innere zurückgezogen. Da keine besonderen Muskelfasern vorhanden sind, so muss die Sarkode, welche die Grundsubstanz der Acontien bildet, selbst mit Contractilität be- gabt sein. Dieser Darstellung Gosse’s stimmte Stoliczka im Wesent- lichen bei, während die meisten übrigen Forscher, z. B. Heider und Lacaze Duthiers nach wie vor die Mesenterialfilamente und Acontien für ein und dasselbe erklärten, wie dies schon oben hervorgehoben wurde. Der Unterschied zwischen beiden soll nur darauf hinauslaufen, dass die Mesenterialfilamente noch völlig an den Septen anhaften, die Acontien dagegen auf eine grosse Strecke abgelöst sind; jedes Mesenterialfilament könne somit zu einem Acontium werden; wie denn auch erstere öfters in grösserer An- zahl am freien Septenrand entstehen. Im weiteren Verfolg seiner irrthümlichen Anschauung entwirft v. Heider vom Bau der Me- senterialfilamente ein Bild, dem die Acontien zu Grunde liegen. Er unterscheidet eine bindegewebige Axe und ein Epithel; erstere ergiebt auf dem Querschnitt eine Tförmige Figur, indem sie aus zwei längeren und einem kürzeren Fortsatz besteht, von welchen der letztere normalerweise die Verbindung mit dem Septum be- Die Actinien. 563 werkstelligt und bei abgerissenen Acontien aus dem Epithel hervor- ragt; im Epithel kommen Drüsen und Nesselzellen vor und ausser- dem eine feinkörnige Schicht von Interbasalsubstanz, wie sie vom Verfasser auch im Ektoderm der Tentakeln und der Mundscheibe nachgewiesen worden ist. ‚Unter den von uns beobachteten Actinien sind nur die Sagartia parasitica und die Adamsia diaphana, und zwar besonders reichlich die Sagartia, mit den Acontien ausgestattet. Bei beiden Arten sind es lange, wurmförmig sich bewegende, aufgeknäuelte Fäden, die sich von den gelblichen Mesenterialfilamenten schon durch ihre glänzend weisse oder schwach violette Färbung unterscheiden, was aus dem ganz ausserordentlichen Reichthum an Nesselzellen erklärt werden muss; nach aussen hervorgeschnellt werden sie nur ganz langsam in das Körperinnere zurückgezogen. Die Fäden entspringen nicht wie Stoliczka angiebt in der Nähe des Schlundrohrs, son- dern an der Basis der Septen, an einer Stelle, welche Stoliczka nur für einen inconstanten und accessorischen Befestigungsort hält und welche durch das Ende der Mesenterialfilamente gekennzeichnet ist. Von diesem Ende ist der Anfang der Acontien (Taf. XXVI, Fig.5w) durch einen kleinen Zwischenraum getrennt, doch wird eine Verbindung durch eine feine Lamelle hergestellt, die nach Art eines Mesenterium das Acontium an das Septum befestigt. Die Ursprungsstelle liegt übrigens nicht auf der Kante des Septum, sondern ein wenig zur Seite. Den feineren Bau der Acontien haben wir im Wesentlichen so gefunden, wie ihn v. Heider geschildert hat. In der Axe verläuft ein Bindegewebsstrang, der auf dem Querschnitt gesehen (Taf. XXI, Fig. 11) eine halbmondförmige Gestalt ergiebt. Mitten zwischen den beiden Hörnern des Halbmonds erhebt sich der Fort- satz, den Heider als die Verbindung mit dem Septum betrachtet; derselbe geht jedoch nur an der Basis in das mit dem Septum verwachsene Mesenterium über, im Uebrigen ist er vom Epithel allseitig umhüllt und ragt nicht aus demselben hervor. Die Grund- substanz des Bindegewebes erscheint auf dem Querschnitt nahezu homogen, dagegen fein längsstreifig und fibrillär, wenn man die Axe an Macerationspräparaten vom bedeckenden Epithel befreit. Die in ihr enthaltenen Zellen sind spindelig oder sternförmig. Das Epithel besteht auf der Seite, welche der Concavität des Halbmonds entspricht, aus trübkörnigen Entodermzellen, zwischen denen nur wenige Drüsenzellen liegen, auf der entgegengesetzten Seite dagegen fast ausschliesslich aus Nesselzellen. Die Nessel- 36 * 564 Oscar und Richard Hertwig, kapseln gehören zu der stark lichtbrechenden Form und stehen dicht gedrängt wie eine Reihe Pallisaden neben einander. Viel seltener sind Drüsenzellen, von denen etwa eine auf 10 Nesselzellen gerechnet werden Kann. Nur an den Rändern, wo die convexe und die concave Seite in einander übergehen, ändert sich das Verhältniss, indem hier viele Drüsen- und nur wenige Nessel- zellen liegen. Durch Zerzupfen und Zerklopfen von Epithelfetzen (Taf. XXI, Fig. 12) werden ferner noch Stütz- und Sinneszellen isolirt, ganz ebenso wie bei den Mesenterialfilamenten. Zwischen das Epithel und die Stützsubstanz schiebt sich endlich noch eine feine Schicht von Nerven- und Muskelfasern ein, welche jedoch nur der convexen Seite zukommt, auf der concaven dagegen fehlt. Die Nervenfasern kann man an den Acontien, deren Drüsenzellen meist blasig und durchsichtig sind, schon bei der Betrachtung von der Fläche erkennen; sie überziehen die axiale Stützsubstanz mit einem spinnewebenartigen Gewirr feinster nach allen Richtungen sich kreuzender Fäserchen; auf Querschnitten bilden sie die feinkörnige Masse der Interbasalsubstanz, die von den centralen Enden der Stützzellen durchbohrt wird; an Isolationspräparaten bleiben sie im Zusammenhang mit dem Epithel und sind so zu zarten Fibrillen- bündeln vereint. Die Muskelfasern (Fig. 11m) sind viel feiner als die Muskel- fasern an anderen Orten des Actinienkörpers und daher leicht zu übersehen; da sie longitudinal verlaufen, erscheinen sie auf Quer- schnitten als kleine dunkle Körnchen, die unmittelbar auf der Stütz- lamelle liegen; isolirt unterscheiden sich die Fasern von den Ner- venfibrillen durch ihre schärfere Contour und grössere Dicke; sie sind dabei nicht mit Kernen versehen, so dass wir wohl annehmen müssen, dass besondere Muskelkörperchen noch fehlen und dass wie auch sonst im Entoderm ein Theil der Epithelzellen gleich- zeitig die Bedeutung von Matrixzellen der Muskulatur besitzt. Aus den mitgetheilten Beobachtungen ergiebt sich, dass die Acontien als fadenförmige Nesselbatterien anzusehen sind; ihre secretorische Bedeutung tritt dem gegenüber in den Hintergrund. Dies äussert sich auch in ihrer Verwendung, indem die Acontien als Vertheidigungs- und Angriffswaffen nach aussen hervorgeschnellt werden. Da Letzteres bei den vorwiegend drüsigen Mesenterial- filamenten nicht der Fall ist, so können beide Arten von Fäden nicht, wie Heider will, für vollkommen gleiche Bildungen, von denen die eine aus der anderen hervorgeht, gehalten werden. Wenn auch Acontien und Mesenterialfilamente im Bau einander Die Actinien. 565 ähnlich sind, so unterscheiden sie sich doch von einander, ab- gesehen von der Befestigungsweise, noch dadurch, dass 1. bei den einen Muskeln vorkommen, welche .bei den anderen fehlen, dass 2. bei den einen die Nesselzellen, bei den anderen die Drüsenzellen überwiegen. Die Verschiedenheit der Gestalt lässt sich am besten aus den Figuren der Tafel XXI (Fig. 10. 13. 14 und Fig. 11) ent- nehmen, die alle bei derselben Vergrösserung gezeichnet sind. Zweites Kapitel. Anatomie und Histologie von Cerianthus, Edwardsia und Zoanthus. An die Actinidae werden gewöhnlich einige kleinere Gruppen von Fleischpolypen angereiht, deren Bau im Ganzen noch wenig erforscht und deren systematische Stellung daher noch eine un- klare ist. Es sind dies die Cerianthiden, die Edwardsien, die Zoanthinen und andere mehr. Da wir über dieselben auch eine Anzahl Beobachtungen gesammelt haben, erschien es uns am zweckmässigsten, sie noch für sich in einem zweiten Kapitel zu /besprechen. Im Voraus mag hier nun gleich bemerkt werden, dass die histologische Untersuchung von uns hier weniger ein- gehend, als bei den eigentlichen Actinien vorgenommen wurde; sie ist, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, eine mehr cursorische geblieben. Macerations- und Isolationspräparate wurden nur von den Cerianthiden und auch hier nur nebenbei angefertigt; dagegen wurden überall die verschiedenen Organe auf Querschnitten unter- sucht. Dadurch glauben wir immerhin soweit gekommen zu sein, dass die von uns erhaltenen Resultate, zumal wenn man die bei den Actinien aufgefundenen Verhältnisse zum Vergleich heranzieht, einen ziemlich vollständigen Einblick auch in die Anatomie der obengenannten kleineren Gruppen von Fleischpolypen gestatten werden. 1. Die Cerianthidae. Von den Cerianthiden wurden 2 Arten, Cerianthus mem- branaceus und Cerianthus solitarius (Rapp) untersucht. Die erstere ist schon Gegenstand einer eingehenden Darstellung von Jules Haime (20) gewesen, welcher die gröberen anatomi- schen Verhältnisse im Ganzen richtig beschrieben hat. Dagegen 566 Osear und Richard Hertwig, werden seine Angaben ungenau und falsch, wo zur Feststellung des anatomischen Details das Mikroskop zu Rathe gezogen werden muss. So bleibt der Bau der Mundscheibe, der Tentakeln, des Mauerblattes, die Anordnung der Muskulatur etc. theils unauf- geklärt, theils wird sie falsch beschrieben. Seit Jules Haime aber hat sich kein neuerer Zoologe wieder mit dem Cerianthus befasst. Ueber die zweite Art liegt nur eine kurze Beschreibung von Rapp (37) vor. Indem wir eine genauere Berücksichtigung der Literatur uns für die Schilderung der Einzelverhältnisse vorbehalten, gehen wir zur Darstellung unserer Beobachtungen über, die wir in derselben teihenfolge, wie bei den Actinidae, abhandeln. Wir beschreiben daher zunächst: a. Die Mundscheibe und ihre Tentakeln. Die kleine Mundscheibe von Cerianthus ist mit zwei Kränzen von Tentakeln versehen, welche durch einen breiteren Zwischen- raum von einander getrennt sind, der äussere Kranz liegt am peripheren Rand der Mundscheibe, wo diese in das Mauerblatt über- geht, der innere Kranz umgiebt den Eingang zum Schlundrohr. So- wohl die äusseren grösseren als auch die inneren kleineren Ten- takeln laufen in eine feine Spitze aus und sind weniger contractil als bei den meisten Actinien. An feinen Querschnitten durch Mundscheibe und Tentakel unter- scheidet man wieder Ektoderm, Stützlamelle und Entoderm. Das Ektoderm ist überall sehr deutlich in die uns schon bekannten drei Unterschichten gesondert; von diesen zeichnet sich das Epithel noch mehr als bei den Actinien durch eine so ausserordentliche Länge und Feinheit seiner Elemente aus, dass wohl Jeder, der sich mit ihrer Isolirung beschäftigen möchte, durch den unge- wohnten Anblick zuerst überrascht sein würde. Isolationen wurden von uns nur an dem Epithel des Tentakels vorgenommen und konnten hierbei wieder Stütz und Sinneszellen erkannt und trotz- dem sie beide sehr lang und ganz fadenförmig sind, auseinander- gehalten werden (Taf. XXIV, Fig. 14). Die Stützzellen (b) sind stets nach oben verbreitert und mit zahlreichen Flimmern besetzt und schwellen basalwärts in characteristischer Weise zu einem kleinen Fussplättchen an. An manchen Stellen enthalten sie im Protoplasma kleine braune Pigmentkörnchen, durch welche die abwechselnd braune und weisse Färbung des Körpers bedingt wird. Die Sinneszellen (a) laufen nach der Epitheloberfläche zu Die Actinien. 567 in eine feine Spitze aus, welche gewöhnlich nur für eine Geissel Raum bietet, und gehen mit ihrem basalen Fortsatz in zwei zarte Nervenfibrillen über. Ausser beiden Elementen finden sich noch zahlreiche Nesselzellen und an der Mundscheibe gesellen sich zu ihnen in reicher Menge Drüsenzellen, die an Querschnitten den gleichen Anblick wie bei den Actinien darbieten (Taf. XXIV, Fig. 15d). Die Oberfläche der Tentakeln ist mit einem Wald von Flimmern, mit einzelnen längeren Tasthaaren und den eigenthüm- lichen, zu Kegeln vereinten Wimpern bedeckt (Taf. XXIV, Fig. 4). Die Nervenschicht (n) ist an Querschnitten recht deutlich zu sehen; auch stellten wir sie vom Tentakel isolirt dar, indem wir in der früher angegebenen Weise das Epithel abpinselten. Dabei kann man wahrnehmen, dass in dem Geflecht feiner Nervenfibrillen ab und zu kleine Ganglienzellen eingebettet sind. Dagegen haben wir von der Nervenschicht der Mundscheibe kein Flächenpräparat erhalten, weil die Untersuchung auf manche Schwierigkeiten stösst. Die bedeutendere Höhe des Epithels, die Schleimabsonderung, der doppelte Kranz von Tentakeln, welche sich über die zu macerirende Fläche herüberlegen, verhindern eine gleichmässige Einwirkung des Reagens, wie sie zur Anfertigung solcher Präparate erforder- lich ist. Daher war auch am Meere vorbereitetes und nach Hause mitgenommenes Material, mit welchem wir die noch vorhandenen Lü- cken ausfüllen wollten, nicht für die gewünschten Zwecke brauchbar. In Folge dessen müssen wir es unentschieden lassen, ob die peri- stomale Nervenschicht der Cerianthiden mit einem grösseren Reichthum an Ganglienzellen ausgestattet und dadurch zu einer Art nervösen Centralorgans wie bei den Actinidae geworden ist. Zu neuen Ergebnissen führte die Untersuchung der unter der Nervenschicht gelegenen Muskulatur. Dieselbe ist an den Ten- takeln und an der Mundscheibe in verschiedener Weise entwickelt; an den Tentakeln bildet sie eine dünne Lamelle von langen Fa- sern, die in einer Ebene, eine neben der anderen, angeordnet sind; an der Mundscheibe dagegen (Taf. XXIV, Fig. 15m) stellt sie ein ansehnliches Stratum dar, das an Höhe fast dem Epithel gleich- kommt. Das Stratum setzt sich aus zahlreichen radial angeord- neten, dünnen Muskelblättern zusammen, die senkrecht zur Ober- fläche der Mundscheibe stehen. Jedem Muskelblatt dient zur Grundlage eine dünne homogene Stützlamelle, die auf dem Durch- schnitt noch eben doppelt contourirt erscheint, am unteren Rande mit der Stützlamelle (s) der Mundscheibe zusammenhängt und nach der Nervenschicht (n) zu einen freien Rand besitzt. Auf 568 Oscar und Richard Hertwig, ihren beiden Seiten wird sie von parallel verlaufenden Muskel- fasern bedeckt, die auf unseren Querschnitten als glänzende Körner sichtbar sind. An der Mundscheibe der Ceriauthiden hat mithin die Muskulatur eine mächtigere Entwicklung als bei den Actinidae erfahren. Eine ursprünglich glatte Muskellamelle hat sich in dünne und hohe Falten gelegt, die wie die Blätter eines Buches dicht aneinander gepresst sind und so ein dickes Muskelstratum dar- stellen. An den Tentakeln wurden die Elemente der Muskulatur isolirt, lange, dünne, glatte Fasern, die an einer Seite (Taf. XXIV, Fig. 7) von etwas körnigem Protoplasma, das sich hie und da in kleine Zipfel erhebt, bedeckt werden. Wenn die Isolation gut gelungen ist, trifft man noch in der Mitte der Muskelfaser ein besonderes eigenthümlich gestaltetes Muskelkörperchen an. Es beginnt an der Faser mit einer verbreiterten Basis, verschmälert sich zu einem dünnen Faden, welcher, wenn wir uns die Theile in ihrer natür- lichen Anordnung vorstellen, die Nervenschicht durchsetzen muss, und verdickt sich zuletzt wieder zu einem spindeligen Theil, der in seinem Innern den Kern birgt und zugespitzt endet. Das der- artig beschaffene Muskelkörperchen ragt selbstverständlich noch in das Epithel hinein, bei der ausserordentlichen Höhe desselben nimmt es aber an der Öberflächenbegrenzung nicht mehr Theil, sondern dringt höchstens bis etwa zur Mitte vor. Wir haben hier eine interessante Form von Muskelzellen kennen gelernt; sie bildet gleichsam einen Uebergang von den Epithelmuskelzellen, wie sie bei Hydra zuerst aufgefunden wurden und wie sie im Entoderm der Actinien vorkommen, zu subepithelialen Muskelzellen, wie sie sich z. B. im Ektoderm der Actinien finden. Die mittlere Körperschicht zeichnet sich bei den Cerian- thiden durch ihre grosse Einfachheit aus; sie ist an den Ten- takeln sowohl als auch an der Mundscheibe (Taf. XXIV, Fig. 15) eine ziemlich dünne Lamelle, die auf dem Querschnitt homogen ist, bei Betrachtung von der Fläche eine feine Faserung erken- nen lässt. An der Mundscheibe gibt sie den früher erwähnten, äusserst dünnen Blättern den Ursprung, welche den ektodermalen Muskelfasern zur Stütze dienen. In der mittleren Körperschicht fehlen besondere Bindegewebszellen; im Vergleich zu den Actinien bedingt dies wieder einen wichtigen Unterschied. Auch das Entoderm der Cerianthiden unterscheidet sich in einer zwar geringfügigen, aber immerhin nicht uninteressanten Ein- richtung von dem Entoderm der Actinien. Während nämlich bei Die Actinien. 569 diesen die einzelnen entodermalen Epithelzellen nur eine einzige aber kräftige Geissel tragen, sind sie dagegen bei den Cerian- thiden mit einem Büschel zarter Flimmern bedeckt (Taf. XXIV, Fig. 5 u. 6). Fast alle Entodermzellen haben an ihrer Basis eine kurze contractile Faser abgeschieden und haben so an der Innen- seite der Tentakeln und der Mundscheibe eine entodermale Muskel- lamelle erzeugt, deren Fasern eirculär verlaufen und die Richtung der ektodermalen Muskelfasern rechtwinklig kreuzen (Taf. XXIV, Fig. 15). Ihre Isolation gelingt leicht, namentlich an den Ten- takeln. Die Epithelmuskelzellen übertreffen an Grösse diejenigen der Actinien, sie sind breiter und protoplasmareicher und sitzen je einer contractilen Faser breit auf. Parasitische Zellen oder andere Einschlüsse fehlen in ihrem feinkörnigen Protoplasma. b. Das Mauerblatt. Bei den Cerianthiden wird das Mauerblatt von einer Schleim- schicht eingehüllt, die sich leicht als eine Hülse im Zusammen- hang abziehen lässt, nach einiger Zeit aber von der Oberhaut wieder erzeugt wird. Bei grossen Exemplaren ist es ganz be- trächtlich dick (Taf. XXIV, Fig. 11) mit Ausnahme des hintersten Abschnittes, an dem es plötzlich dünn und durchscheinend wird. Unter den älteren Beobachtern lässt Rapp (37) das Mauerblatt aus drei Häuten zusammengesetzt sein: 1) aus einer äusseren wei- chen und etwas schwammigen Haut, von welcher die Schleim- röhre secernirt wird, 2) aus einer mittleren muskulösen Haut, die längsfaserig ist, und 3) aus einer innersten, glatten und dünnen Haut, welche in die Höhle des Thieres Schleim absondert. Die kurze Darstellung Rapp’s gibt eine weit richtigere Vorstellung als die später erschienene ausführlichere Beschreibung von J. Haime (20). Zwar erkennt derselbe, dass den einzelnen Schichten Rapp ’s eine complieirtere Structur zukommt, aber mit der Anfertigung von Macerationspräparaten ist er nicht zu Stande gekommen; da- durch wird seine detaillirtere Beschreibung unverständlich und fehlerhaft. An der Haut unterscheidet er 4 besondere Schichten als couche epidermique, couche pigmentale, couche de n&matocystes und couche profonde. Die drei ersten von ihnen stellen unsere Epithellage dar, sind daher eine einfache Schicht und nicht wie Jules Haime glaubt, verschieden differenzirte übereinanderge- legene Zellenstraten. Die couche profonde dagegen scheint un- serer Nervenfaserschicht zu entsprechen. Denn er sagt von ihr, dass ihre Elemente viel weniger deutlich und mit einander inniger 570 _ Osear und Richard Hertwig, verbunden sind, als bei den 3 anderen Straten, dass sie eine sehr zarte und wenig resistente, aber ganz zusammenhängende Membran bilden; die Membran beschreibt er als sehr transparent und lässt sie aus kleinen Granulationen mit kurzen, unregelmässigen und verschieden gekreuzten Streifen bestehen. Wenn unsere Deutung die rechte ist, so würde Jules Haime wohl zuerst die Nerven- schicht der Zoantharien vor Augen gehabt und beschrieben haben. Auf die Haut lässt der französische Forscher die Tunica muscu- laris folgen, von welcher er irrthümlicher Weise angiebt, dass sie von 2 Lagen gekreuzter Fasern, von äusseren circulären und in- neren longitudinalen gebildet sei. Von dem Sachverhalt gewinnt man leicht eine richtige Vor- stellung durch Anfertigung feiner Querschnitte, wie ein solcher auf Taf. XXIV, Fig. 11 bei mittlerer Vergrösserung abgebildet worden ist. Er bietet einen ganz anderen Anblick als ein Durch- schnitt durch das Mauerblatt einer Actinie dar. Von den drei Hauptschichten des Körpers ist das Ektoderm aussergewöhnlich mächtig; zu der bei den Actinien allein vorhandenen Epithellage sind bei Cerianthus 2 weitere Schichten hinzugetreten, ein mäch- tiges Muskelstratum (m) und zwischen ihm und dem Epithel eine wohl ausgeprägte Nervenschicht (n). Das Epithel enthält so ausser- ordentlich lange und feine Elemente, dass es an Querschnitten nicht möglich ist, eine Zelle von der Basis bis zur Peripherie in continuo zu verfolgen; vielmehr erscheint die ganze Schicht fein längsgestreift, die kleinen Kerne liegen auf verschiedener Höhe, am dichtesten aber in einer mittleren Zone. Dazwischen erblickt man Nesselzellen verschiedener Art und Drüsenzellen. Ueber die ge- nauere Form und Beschaffenheit aller dieser Theile können wir nichts Näheres angeben, da wir sie nicht im isolirten Zustand vor Augen gehabt haben, Die Nervenschicht (n) tritt an Querschnitten wegen ihrer be- sonders starken Entwicklung mit einer grossen Klarheit hervor; sie erscheint theils feinkörnig, theils feinfibrillär; sie wird von zahl- reichen senkrechten Fasern durchsetzt, welche bis zum Muskel- stratum hinabreichen und die basalen Enden von einem Theil der Epitbelzellen sind. Das Muskelstratum (m) ist an dem Mauerblatt ebenso wie an der Mundscheibe gebaut. Es setzt sich wieder aus zahlreichen einzelnen Blättern zusammen, die senkrecht zur Körperoberfläche und longitudinal gestellt sind. Unterhalb des marginalen Tentakel- kranzes sind die Blätter schmal und nehmen von da bis zur Körper- Die Actinien. 571 mitte an Breite rasch zu. Nahe dem hinteren Körperende ver- schmälern sie sich dann plötzlich wieder und bewirken so, dass die Körperwand in Folge der eingetretenen Verdünnung durch- scheinend wird. An jedem Muskelblatt unterscheidet man eine dünne Membran, die von der Stützlamelle entspringt, und auf ihren beiden Flächen longitudinal verlaufende, ziemlich dicke Mus- kelfasern. Die zu letzteren gehörigen Zellenkörper scheinen uns zum Theil noch im Epithel zu liegen; wenigstens beobachtet man an feinen Querschnitten oberhalb der Nervenschicht spindlige Zellen- körper (mz), welche sich nach abwärts in eine Faser verlängern und durch das Nervengeflecht hindurchtreten. Ein sicherer Auf- schluss lässt sich natürlich nur durch gute Isolationen erreichen, die wir hier nicht erzielt haben. Im Vergleich zu dem dicken Ektoderm ist die Stützlamelle, welche auch am Mauerblatt besondere Bindegewebszellen entbehrt, auffallend dünn. Ihrer glatten Innenfläche liegt die entodermale Muskulatur auf, deren Fasern circulär verlaufen. Dass diese mit der Basis von Epithelzellen zusammenhängen, kann nach den Iso- lationen, die von den Tentakeln gewonnen wurden, wohl keinem Zweifel unterworfen sein. An Querschnitten unterscheidet man im Entoderm noch zweierlei Arten von Drüsen, schmälere, die mit glänzenden Secretkörnchen erfüllt sind (d?), und kuglig auf- getriebene mit einem mehr durchscheinenden und homogenen In- halt (d!). Der vom flimmernden Entoderm ausgekleidete coelenterische Raum communicirt bei Cerianthus am hinteren verdünnten und abgerundeten Ende nach Aussen durch eine besondere kleine Oeff- nung, welche bei keinem anderen Fleischpolypen bis jetzt beobachtet worden ist. Schon von Rapp ist dieser Analporus entdeckt und darauf von Jules Haime wieder beschrieben worden. Nach Letzterem soll er von energisch schlagenden Cilien und von kreis- förmigen Muskelfasern, einer Art Sphincter, umgeben sein. Wir legten Durchschnitte durch den Porus und konnten uns hierbei nicht überzeugen, dass sich zum Verschluss der Oeffnung eine be- sondere Muskulatur, die als Sphincter bezeichnet werden könnte, entwickelt hat. c. Das Schlundrohr. Die von den Labialtentakeln umgebene Mundöffnung ist spalt- förmig, begrenzt von 2 vorstehenden Lippen, die in zahlreiche Falten gelegt sind. Das Schlundrohr, welches vom Mund aus in 572 Oscar und Richard Hertwig, den coelenterischen Hohlraum hineinleitet, ist sehr weit und im Vergleich zu den eigentlichen Actinien kurz, indem es nach den Angaben von Haime nur den achten Theil der gesammten Körper- länge erreicht. Rapp bezeichnet es daher als kurzen Ring und lässt es in die allgemeine Körperhöhle, die er Magen nennt, an seinem hinteren Ende unmittelbar übergehen. Es hätte dies für Rapp ein Fingerzeig zu einer richtigen Beurtheilung der Actinien sein sollen, bei welchen er falscher Weise das Schlundrohr als einen blind geschlossenen Darm beschreibt. Mit einer interessanten Einrichtung des Schlundrohrs hat uns später Haime, dessen An- gaben wir bestätigen können, bekannt gemacht. Von einem der beiden Mundwinkel aus verläuft eine tiefe Schlundrinne (Tat. XVII, Fig. 8x) nach abwärts, die mit vorspringenden — Haime bemerkt, gleichsam knorpelig aussehenden — Wülsten umgeben ist. Sie ist sowohl an Querschnitten, als auch dann leicht zu bemerken, wenn man das Schlundrohr der Länge nach aufschneidet, und setzt sich deutlich von der übrigen Wandung ab, die in zahlreiche feine Längsfalten gelegt ist. Das Vorkommen von nur einer Schlund- rinne gibt uns ein Mittel an die Hand, beim Cerianthus verschie- dene Regionen, eine dorsale und ventrale, eine linke und rechte Körperhälfte zu unterscheiden. Die Seite, welcher die Schlund- rinne angehört, soll fortan als die ventrale bezeichnet werden. Mit dieser Bezeichnung weichen wir von Haacke (19 p. 294) ab, welcher auf Grund der Schilderung von Jules Haime in einer kürzlich erschienenen Arbeit über die Promorphologie des Ce- rianthus gehandelt hat. Wenn wir die von Haacke dorsal ge- nannte Seite jetzt ventral nennen, so geschieht es, um eine Ver- gleichung mit den Alcyonarien zu ermöglichen, bei denen die Schlundrinne (Taf. XVII, Fig. 7x) nach Kölliker’s Terminologie ventral verläuft. Es scheint uns dies ein wichtigeres Organisations- verhältniss zu sein, als die grössere Länge der dorsalen Septen der Alcyonarien, welche Haacke mit den 2 Richtungssepten des Cerianthus vergleicht. Was den feineren Bau des Schlundrohrs (Taf. XXIV, Fig. 16) anbetrifft, so wird das Ektoderm, mit dessen Beschreibung wir beginnen, von drei verschiedenen Schichten gebildet, indem sich zur Epithel- und Nervenschicht der .Actinien auch noch eine be- sondere Muskellamelle hinzugesellt. Das Epithel ist, da beim Ab- tödten des Oerianthus sich alle Theile stark contrahiren, sehr un- gleich hoch und gibt zur Entstehung zahlreicher Längsfalten Ver- anlassung, die schon bei Betrachtung von der Fläche bemerkt Die Actinien. 573 werden. Auf einem Querschnitt erscheint in Folge dessen das Schlundrohr mit zahlreichen hohen Epithelzotten bedeckt, die durch tiefe Thäler von einander abgegrenzt sind. Die querdurchschnitte- nen Längsfalten des Epithels bieten in ihrer inneren Structur einen eigenthümlichen Anblick dar. An ihrer Basis sind die Zellen am niedrigsten und nehmen von da bis zum Faltenrand allmählich an Höhe bedeutend zu; sie werden dabei gleichsam zu feinen Fädchen ausgezogen, welche in der Mitte der Längsfalte zusammen- gedrängt einen fibrillären Strang bilden und einem Bindegewebs- oder Nervenbündel ähnlicher sehen, als einem epithelialen Theile. Nur der an die Oberfläche angrenzende Abschnitt der Epithel- zellen besitzt eine grössere Breite und ist mit zahlreichen Flim- mern bedeckt. Eine ähnliche nur durch Volumsveränderung der Epithelzellen bedingte Faltenbildung ist übrigens auch an der äus- seren Haut, wenn der Körper oder die Tentakeln stark contrahirt sind, zu beobachten, die Richtung der Falten ist dann aber trans- versal zum verkürzten Theil, während sie am Schlundrohr eine longitudinale ist. In der Schleimhaut des Schlundes liegen zahlreiche Nessel- kapseln (ec) und keulenförmige Drüsenzellen (d), die zum kleineren Theil einen homogenen Inhalt haben, zum grösseren Theil aber mit den uns schon von den Actinien her bekannten Körnern er- füllt sind. Unter der Nervenschicht (n), die an Querschnitten mit aller Deutlichkeit als ein ziemlich dicker Zug feiner Fibrillen er- kannt werden kann, treffen wir noch eine besondere Muskellage (m) an, deren Fasern in longitudinaler Richtung der Stützlamelle auf- gelagert sind. Die letztere ist dünn und zellenfrei und wird mit dem Mauerblatt dadurch innig verbunden, dass sich die sehr zahl- reichen Septen insgesammt an sie ansetzen (Taf. XVII, Fig. 8. Taf. XXIV, Fig. 16). Jeder Septeninsertion entspricht etwa eine der epithelialen Längsfalten, welche an dem Schlundrohr hinab- laufen. Auf das Entoderm brauchen wir nicht näher einzugehen. d. Die Septen mit den Geschlechtsorganen und Mesenterialfilamenten. Von maassgebender Bedeutung für die Stellung der Cerian- thiden im System der Polypen ist unstreitig das Studium ihrer Septen; die Zahl derselben ist eine recht beträchtliche. Bei einem kleinen Cerianthus solitarius (Rapp), welcher uns zu Querschnitten diente, von denen einer auf Tafel XVII, Figur 8 dargestellt ist, beläuft sie sich bereits auf 46; bei älteren Thieren wird sie noch grösser und beträgt mehr als 100. Wie schon Jules Haime 574 Oscar und Richard Hertwig, beschreibt und abbildet, enden die Septen in einiger Entfernung vom hinteren Körperabschnitt, der somit allein vom Mauerblatt gebildet wird. Eine Ausnahme machen jedoch 2 Septen, welche in der Gegend der Schlundrinne liegen und dicht bei einander in geschlängeltem Laufe als niedrige Falten nach abwärts bis zum Analporus hin zu verfolgen sind. Sie fassen einen mässig tiefen Kanal zwischen sich, welcher die Schlundrinne gleichsam bis zum Analporus hin vervollständigt. Sie sollen fortan als die 2 Rich- tungssepten (z) von den übrigen unterschieden werden. Die übrigen Septen sind unter sich von verschiedener Länge; am längsten sind diejenigen, welche zunächst an die Richtungssepten angrenzen und mithin der ventralen Körperhälfte des Cerianthus angehören, von da verkürzen sie sich immer mehr, bis sie in der Mitte der Rücken- seite etwa nur noch halb so lang als ventralwärts sind. Beim Cerianthus setzen sich alle Septen, so gross auch ihre Anzahl sein mag, an das Magenrohr an, wobei sie alle in ziemlich gleichen Abständen von einander gestellt sind. Nirgends treten sie zu besonderen Paaren zusammen, wie dies bei allen Actinien in stets wiederkehrender und characteristischer Weise der Fall ist. Schon Jules Haime hat diesen wichtigen Unterschied er- kannt und in dem kurzen Satz hervorgehoben: Il est & remarquer que les James mesenteroides ne sont pas g@mindes, comme on le voit dans les Actinies. Da das in einer Richtung comprimirte Schlundrohr in seiner Form dem cylindrischen Mauerblatt nicht entspricht, ist der Abstand zwischen Schlund- und Körperwand ein wechselnder und müssen in Folge dessen auch die zwischen beiden ausgespannten Septen in ihrer Breite variiren. Am schmal- sten sind sie an der Bauchseite und unter diesen wieder nament- lich die zwei Richtungssepten, die dem Grund der Schlundrinne entlang ihre Insertion finden und sich dann nach abwärts bis zum Analporus hinziehen. Von hier nehmen die Septen allmählich an Breite zu und erreichen ihr Maximum in der Mitte der linken und rechten Körperhälfte, um dann wieder nach der dorsalen Seite zu schmäler, doch nie so schmal, wie ventralwärts zu werden. In Folge dieser verschiedenen Grössenverhältnisse ist es auf einem Durchschnitt immer leicht, sich über die Anordnung der Septen zu orientiren. Man wird sofort die beiden Richtungssepten (Taf. XVII, Fig. 3z) herauserkennen, erstens wegen ihrer geringen Breite und zweitens wegen ihrer Insertion am Grund der Schlundrinne. Auch ist das Fach, das von den beiden Richtungssepten begrenzt wird und daher Richtungsfach genannt werden mag, durch seine ganze Form Die Actinien. 575 von anderen Fächern zu unterscheiden. Während diese ziemlich schmal und hoch sind, ist jenes breit und niedrig und gewinnt so auf dem Durchschnitt eine quadratische Form. Aus Allem, was bisher über den inneren Bau des Cerianthus aufgefunden wurde, geht immer deutlicher hervor, wie berechtigt es ist eine dorsale und eine ventrale Körperhälfte zu unterscheiden. Denn es gründet sich dieser Unterschied auf eine ganze Summe von Einrichtungen, die wir kurz zusammenfassen: er gründet sich auf die Anwesenheit einer unpaaren Schlundrinne und zweier Rich- tungssepten, die in der Verlängerung der Schlundrinne allein bis zum Analporus hinabreichen, ferner auf die geringere Breite der ventralen Septen und die besondere Beschaffenheit des Richtungs- faches, endlich darauf, dass die Längsmuskulatur der Körper- wand einem dorsalen Streifen entsprechend erheblich verdünnt ist (Taf. XVII, Fig. 8). Die geringe Differenzirung, die wir bei Cerianthus in der An- ordnung der Septen kennen lernten, spricht sich nicht minder auch in ihrem histologischen Bau aus. Wenn wir von den Ge- schlechtsorganen und Mesenterialfilamenten noch absehen, so sind es zarte durchscheinende Platten, denen eine dünne zellenlose Bindegewebslamelle zur Stütze dient. Beide Seiten sind von spär- lichen Muskelfasern bedeckt, die transversal von der Körperwand zum Schlundrohr verlaufen und leicht übersehen werden können. Ihre Function kann nur darin bestehen, eine Erweiterung des Schlundrohrs herbeizuführen. Dass die kurzen Muskelfasern Epi- thelmuskelzellen angehören, dass ausserdem im Entoderm der Septen auch noch Drüsenzellen vorkommen, sind Verhältnisse, die nichts Neues bieten und daher nicht weiter ausgeführt zu werden brauchen. Wenn wir jetzt zum Schluss die Morphologie der Septen des Cerianthus und der Actinien vergleichend betrachten, so begegnen wir überall wesentlichen und durchgreifenden Differenzpunkten. Während bei den Actinien die Septen paarweise um das Schlund- rohr angeordnet sind und nach ihrer verschiedenen Grösse in Haupt- und Nebensepten und letztere wieder nach ihrer verschiedenen Grösse und ihrem Alter in Septen zweiter, dritter Ordnung etc. zerfallen, sind beim Cerianthus die zahlreichen Septen mehr oder minder gleichartig, nicht paarig, inseriren alle am Magenrohr, lassen sich nicht in verschiedene Ordnungen eintheilen; während dort 2 Paare von Richtungssepten, kenntlich an den abgewandten Muskelfahnen, sich an die 2 Schlundrinnen ansetzen, kömmt hier nur 1 Paar vor, das an einer unpaaren Schlundrinne befestigt ist 576 Oscar und Richard Hertwig, und durch seine grössere Länge auffällt, aber nicht die eigen- thümliche Anordnung der Muskulatur aufweist. Während bei den Actinien die Septen sehr muskulöse Organe sind mit einer in transversale und longitudinale Züge differenzirten Muskulatur, sind sie hier in auffälliger Weise muskelarm und nur mit transversalen Fasern bedeckt. Es erklärt sich dies aus einer interessanten Cor- relation zu der Entwicklung der ektodermalen Muskulatur des Mauerblattes. Den Actinien, welchen letztere überhaupt ganz fehlt, dienen zum Ersatz die stark entwickelten longitudinalen Fa- sern der Septen, welche die Verkürzung des Körpers allein be- wirken. Bei den Cerianthiden wiederum wird im Gegentheil die geringe Entwicklung der entodermalen Septenmuskulatur, welche nur zur Erweiterung des Schlundrohres dienen kann, durch eine mächtige ektodermale Längsmuskulatur compensirt, welche durch ihre Contraction den Körper auf !/, seiner Länge zu verkürzen vermag. Geschlechtsorgane sind bei einem erwachsenen Cerianthus in sehr grosser Anzahl vorhanden, da ein jedes der vielen Septen von der Stelle an, wo es vom Schlundrohr nicht mehr bedeckt wird, mit einem solchen versehen ist. Zur Zeit der Geschlechts- reife liegen sie diehtgepresst bei einander und stellen, wie bei den Actinien, longitudinale mit zahlreichen Querfalten bedeckte Bänder (Taf. XXIV, Fig. 12h) dar, die an der Leibeswand durch das Septum wie durch ein Mesenterium festgeheftet sind (Fig. 1). Wie von Jules Haime zuerst entdeckt worden ist, sind die Cerianthiden Zwitter, indem sich in einem jeden Geschlechtsband männliche und weibliche Sexualproducte neben einander vorfinden. Man bemerkt dies sofort, mag man eine Lamelle ausgebreitet von der Fläche betrachten oder auf feinen Querschnitten untersuchen. Vom Hermaphroditismus abgesehen sind die Geschlechtsorgane beim Cerianthus wie bei den Actinien gebaut (Taf. XXIV, Fig. 1 und Fig. 13). Die reifen Eier und Spermatozoen sind in die Stütz- lamelle des Septum eingeschlossen und werden auf beiden Seiten von einem hohen Epithel bedeckt, in welchem Zellgrenzen kaum zu unterscheiden sind. Es rührt dies daher, dass alle Entoderm- zellen von kleinen und grossen glänzenden Körnern, die wahr- scheinlich ein Gemisch von Eiweiss und Fett sind, ganz dicht er- füllt werden (Taf. XXIV, Fig. 13). Die Körner sind theils kuglig, theils unregelmässig geformt und sind wohl hier abgelagert, um später wieder aufgelöst und als Nährmaterial für die Eier ver- wandt zu werden. Zwischen den mit Körnchen beladenen Ento- Die Actinien. 577 dermzellen kommen noch überall verbreitet becherförmige Drüsen- zellen (d) vor. Je ein seiner Reife entgegengehendes Ei nimmt die ganze Dicke der Geschlechtslamelle ein und wölbt nach beiden Seiten den Epithelüberzug etwas hügelartig hervor; es ist in eine dünn- wandige Kapsel von Bindesubstanz eingeschlossen und wird durch dieselbe von angrenzenden Eiern (0) oder Spermatozoenhaufen (h) und vom Entoderm getrennt (Taf. XXIV, Fig. 1 u. Fig. 13). Das Keimbläschen ist nahe an die Oberfläche emporgerückt; ein Faden- apparat wie bei den Actinien wurde nicht wahrgenommen. Die Spermatozoen, welche in grosser Anzahl zu einer Art Hodenfollikel (h) vereint sind, werden wie die Eier von einer dünnen Bindegewebskapsel umschlossen; solche Follikel kommen überall zwischen den Eizellen vereinzelt vor, ausserdem aber auch noch in grösserer Menge und zu einem besonderen Hodenstreifen verbunden an dem Rande der Geschlechtslamelle, welcher der Körperwand zugekehrt ist. Die Mitte des Hodenfollikels (Taf. XXIV, Fig. 13) nehmen die reifen Spermatozoen (i) ein, dann folgen nach aussen die noch in Umwandlung begriffenen Spermatoblasten, auf diese endlich grössere Spermatozoenmutterzellen (k), die an der Innenfläche der Kapseln einen epithelartigen Beleg herstellen. In dem bindegewebigen Gerüste, in welchem die Eier und Hodenfollikel eingeschlossen sind, werden hie und da auch einzelne sternförmige Bindegewebszellen wahrgenommen (Taf. XXIV, Fig. 13). Bei der Frage nach der Abstammung der Geschlechtsorgane wird man beim Cerianthus schon von vornherein auf das Ento- derm als auf die eigentliche Keimstätte der Eier und der Sper- matozoenmutterzellen hingewiesen, wenn man erwägt, dass das Mesoderm des Cerianthus im Grossen und Ganzen zellenarm ist und dass in den dünnwandigen Septen Nichts für eine Einwanderung ektodermaler Elemente spricht. Dementspre- chend wurde denn auch bei der Untersuchung sehr junger Exem- plare von Cerianthus solitarius die Genese der Geschlechtsproducte festgestellt. Wie Querschnitte lehren, ist die Stützlamelle der Septen noch eine sehr dünne zellenlose Membran (Taf. XXIV, Fig. 2 u. 9). Die Entodermzellen auf ihren beiden Seiten sind durchscheinend und noch nicht mit Nahrungskörnern wie später beladen, sie besitzen derbe Wandungen und einen theils Hüssigen Inhalt, so dass sie mehr den Entodermzellen der Hydroidpolypen und Medusen, als den ganz protoplasmatischen langen Oylinder- Bd. XII. N. F. VI, 4, 0) 578 Oscar und Richard Hertwig, zellen der Actinien gleichen. Das Protoplasma mit dem Kern ist an dem peripheren flimmertragenden Ende angesammelt. Die jungen Eizellen sind zum Theil schon aus dem Epithel aus- geschieden, indem sie von einer dünnen Kapsel umhüllt werden, theils gehören sie noch dem Entoderm (Taf. XXIV, Fig. 20) an, indem sie mit einer flachen Seite der dünnen Stützlamelle des Septum aufliegen und nach der anderen Seite buckelförmig zwi- schen die Epithelzellen hineinragen. Aus der Entwicklung der männlichen Geschlechts- organe wurde ein entsprechendes Stadium auch beim Cerianthus von uns nicht aufgefunden, die jüngsten Hodenfollikel, bestehend aus einem Haufen gleichgrosser Spermatozoenmutterzellen (Taf. XXIV, Fig. 9h), waren immer schon durch eine dünnhäutige Kapsel vom Epithel getrennt; doch zweifeln wir beim Mangel be- sonderer Bindegewebszellen in den jungen Septen auch in diesen Fällen nicht, dass die Urzellen der Hodenfollikel direct aus dem Entoderm abstammen. Den freien Rand der Septen nehmen wieder die Mesenterial- filamente ein, die von Rapp (37 p. 656) als Oviducte gedeutet worden sind. Haime (20 p. 374) beschreibt sie unter dem Namen der cordons pe@lotonn6s, er stellt ihre Verbindung mit den Ovarien in Abrede, hält sie aber auch noch irriger Weise wie Rapp für hohle Schläuche und glaubt, dass sie ein drüsiges Secret abschei- den, welches sich durch besondere Oeffnungen, die von ihm nicht aufgefunden werden konnten, in das Schlundrohr ergiesst. Die Mesenterialfilamente des Cerianthus entsprechen im Ganzen den gleichen Gebilden der Actinien; in geringerer Entfernung vom un- teren Rand des Schlundrohres bilden sie in zahlreiche Schlingen gelegt einen dieken Knäuel (Taf. XXIV, Fig. 12v) und verlaufen von da immer noch leicht geschlängelt dem ganzen Geschlechts- band entlang, an welchem sie durch eine sehr schmale dünne La- melle befestigt sind (Taf. XXIV, Fig. 1v), bis zum unteren Ende des Septum. Auf einem Querschnitt durch den oberen Theil eines Mesen- terialfilamentes (Taf. XXIV, Fig. 3) können auch beim Cerianthus ein unpaarer mittlerer Drüsenstreifen (d) und beiderseits von ihm zwei besondere Flimmerstreifen (f) nachgewiesen werden. Es spaltet sich nämlich die Stützlamelle des Septum von der Stelle an, wo das Mesenterialfilament beginnt, in drei Blätter, in ein mittleres stärkeres und zwei seitliche kleinere. Das mittlere Blatt, in dessen Grundsubstanz stets einige wenige sternförmige Bindegewebszellen Die Actinien. 579 eingelagert sind, verbreitert sich alsbald nach links und rechts; es wird von einem hohen Epithel bedeckt, das aus Nesselzellen (c) und namentlich aus sehr zahlreichen körnigen Drüsenzellen (d) besteht. Eine dünne Nervenschicht (n) und longitudinal verlaufende Muskelfasern (m) schieben sich noch zwischen Epithel und Stütz- lamelle ein. Die beiden seitlichen Blätter dienen den zwei Flimmer- streifen (f) zur Grundlage. Kleine fadenförmige Zellen sind mit langen Flimmern versehen und setzen sich dadurch, dass ihre Kerne sich immer stark imbibiren, auf Durchschnitten von dem angrenzenden Epithel des Drüsenstreifens und von dem gewöhn- lichen Septenentoderm scharf ab. Eine eigenthümliche Veränderung erleiden die Mesenterial- filamente noch bei besonders grossen Thieren unmittelbar an ihrem Anfang am Schlundrohr. Als wir ein grosses Exemplar des Ce- rianthus unter Wasser aufschnitten, sahen wir zahlreiche feine Fäden im Wasser flottiren. Sie entspringen vom freien Rand der Septen und zwar meist nur von der kleinen Strecke zwischen dem Knäuel der Mesenterialfilamente und dem unteren Rand des Schlund- rohrs (Taf. XXIV, Fig. 12v!). Theils sind sie einfach, theils gabeln sie sich bald nach ihrem Ursprung wiederholt und bilden so kleine Bäumchen. Nach dem Schlundrohr zu werden die Fäden immer kleiner und stellen schliesslich nur noch kleine Zacken des Septen- randes vor. Bei stärkerer Vergrösserung betrachtet, erweisen sich die Fäden als umgewandelte Mesenterialfilamente; ihre Entstehung erklärt sich in der Weise, dass letztere an einem beschränkten Punkt stark über die Oberfläche des Septum hervorgewuchert und zu einer langgestreckten schmalen Schleife ausgewachsen sind. Jeder Faden besteht daher aus einem aufsteigenden und ab- steigenden Theil eines Filaments, welche einander bis zur Ver- schmelzung genähert sind und am freien Ende in einander um- biegen. Auf einem Durchschnitt, der eine ovale Form zeigt, erhält man das Bild eines Doppelfilaments (Taf. XXIV, Fig. 10). Man erblickt an jedem Ende des Ovals einen schmalen Drüsenstreifen (d), an welchen sich links und rechts, durch eine Einschnürung von ihm getrennt, ein Flimmerstreifen (f) anschliesst. Die beiden Flim- merstreifen der linken und rechten Seite des Ovals werden nur durch eine kleine Einbuchtung von einander getrennt, welcher die Stelle anzeigt, an welchem der auf- und absteigende Theil des gewucherten Mesenterialfilaments zusammenhängen. Jules Haime (20. p. 387) hat diese Gebilde, die wir Me- Senterialfäden heissen wollen, beim Cerianthus nicht beobachtet, 37 580 Oscar und Richard Hertwig, dagegen bemerkt er gestützt auf Untersuchungen von Milne Ed- wards, dass an den Septen von Saccanthus „leur bord libre est partout muni de cordons pe@lotonnes, tres dechiquetes et ramifies, qui flottent en partie dans la chambre visc6rale“. In der Mono- graphie des Coralliaires von Milne Edwards ist hiervon auch eine Abbildung (Pl. A. 3, Fig. 1c) gegeben, welche unserer Figur 12 auf Tafel XXIV entspricht. Da die von uns untersuchten Exem- plare wegen des Besitzes der zum Analporus verlaufenden Septen unzweifelhaft zur Gattung Cerianthus gehören, so kann das Vor- kommen von verzweigten Mesenterialfäden nicht mehr als eine Besonderheit der Gattung Saccanthus betrachtet werden. Eine erneute Untersuchung der letzteren wäre erwünscht, da wir über sie nur die kurzen Angaben von Jules Haime (20. p. 557) und Milne Edwards (32) besitzen. Nachtrag. Nachdem das Manuscript schon zum Druck ein- geliefert war, erhielten wir durch die Freundlichkeit des Verfas- sers noch eine Arbeit von A. v. Heider (46) über den Cerianthus membranaceus, in welcher die Anatomie dieses Fleischpolypen mit gleicher Ausführlichkeit behandelt wird, wie die Anatomie der Sagartia troglodytes in einer früheren Schrift. Indem wir uns darauf beschränken, die Uebereinstimmung, die zwischen den beider- seitigen Befunden in vielen wichtigen Fragen besteht, im Allge- meinen hervorzuheben, besprechen wir im Einzelnen nur die Punkte, in welchen wir, sei es in der Deutung, sei es in der Beobachtung, von Heider abweichen. Bei der Schilderung der Septen hat v. Heider darauf auf- merksam gemacht, dass in dem Raum zwischen den langen bis zum Porus herabreichenden Scheidewänden noch zwei kürzere, am unteren Rand des Schlundrohres endigende Septen liegen, die wegen ihrer Unscheinbarkeit bisher übersehen worden sind; diese letzteren und nicht die langen entsprechen in ihrer Stellung den Schlund- rinnen und würden somit nach unserer Terminologie als Richtungs- septen bezeichnet werden müssen. Diese Darstellung haben wir auf’s Neue geprüft und können ihre Richtigkeit bestätigen. Ebenso hat v. Heider Recht, wenn er angiebt, dass zwischen den mit Geschlechtsorganen versehenen Septen noch sterile Septen vorkommen, die mit jenen alterniren, wesentlich kleiner sind, im Uebrigen aber sich ebenfalls an das Schlundrohr befestigen; er unterscheidet sie als Filamentsepten von den übrigen als den Ge- nitalsepten, Namen, die in so fern unzweckmässig gewählt sind, als in der Beschaffenheit der Mesenterialfilamente zwischen beiden - #725 Die Actinien. 581 kein Unterschied vorhanden ist. Auch ist es nicht ausgemacht, ob nicht die Filamentsepten bestimmt sind, sich später durch Aus- bildung von Geschlechtsproducten zu Genitalsepten zu entwickeln. Die Geschlechtsproducte leitet v. Heider aus dem Mesoderm ab; die jüngsten Eier sollen in der Stützlamelle aus den hier be- findlichen amoeboiden Zellen entstehen und erst später ins Entoderm- epithel gerathen; sie sollen somit eine Verlagerung geradezu im entgegengesetzten Sinne durchmachen, als wir behauptet haben. Dem gegenüber müssen wir auf das Bestimmteste an.unseren An- gaben festhalten, dass die Eier zuerst im Entoderm liegen und erst später in die Stützsubstanz eingeschlossen werden, wo sie bis zu ihrer Reife verbleiben. Desgleichen hat eine erneute Prüfung uns davon überzeugt, dass die Muskelfasern der Septen auf beiden Seiten der Stützlamelle transversal verlaufen und nicht, wie Heider will, longitudinal. Sie entspringen am Mauerblatt und treten zum Schlundrohr; man sieht dies am schönsten, wenn man ein Septum sammt dem an- grenzenden Theil des Schlundrohrs herauspräparirt und glatt aus- breitet. Auch der Auffassung, welche v. Heider hinsichtlich der Ab- stammung der Mesenterialfilamente geäussert hat, können wir nicht beitreten. Dieselben sollen als Abkömmlinge des Ektoderms vom Schlundrohr aus, dem Rand der Septen entlang, in das Bereich des Entoderms hineingewuchert sein; diese Entwicklungsweise wird daraus erschlossen, dass die Epithelzellen der Filamente denselben Charakter wie die Epithelzellen des Schlundrohrs besitzen und sich unmittelbar an sie ohne Abgrenzung anschliessen. Ein der- artiger Rückschluss aus der histologischen Beschaffenheit auf die Entwicklungsweise lässt sich nicht rechtfertigen, bei den Actinien am wenigsten, da die detaillirte Analyse, welche wir vom Ekto- derm und Entoderm dieser Thiere gegeben haben, mit Sicherheit erkennen lässt, dass beide Körperschichten sich hinsichtlich ihres histologischen Charakters fast gar nicht von einander unterscheiden. Die ganze Auffassungsweise lässt sich übrigens auch an der Hand der Beobachtung widerlegen. Bei Sagartia parasitica finden sich Mesenterialfilamente von gleichem Bau wie an den vollstän- digen Septen, so auch an den unvollständigen, welche das Magen- rohr nicht erreichen. Sie beginnen in einiger Entfernung von der Mundscheibe mitten im Entoderm, ohne irgend wie mit dem Ekto- derm in Berührung zu kommen, so dass an eine Genese aus dem letzteren gar nicht gedacht werden kann. Was aber von den un- 582 Oscar und Richard Hertwig, vollständigen Septen gilt, gilt auch von den vollständigen, und was bei Sagartia, muss auch bei Cerianthus zutreffen. Wir kommen jetzt auf eine Anzahl Differenzpunkte, auf deren Klarstellung wir besonderes Gewicht legen, weil sie sich auf die Auffassung des Nerven- und Muskelsystems beziehen. v. Heider hält nach wie vor daran fest, dass die „Interbasalsubstanz“, über deren Verbreitung er übrigens eine mit der unserigen gleichlautende Darstellung giebt, nicht zum Nervensystem gehöre; sie soll viel- mehr ein äusserst feines Reticulum sein, in welchem Nervenfäser- chen eingebettet sind. Die Nervenfäserchen sollen mit den Epithel- zellen zusammenhängen, welche die Interbasalsubstanz durchsetzen und schliesslich mit ihren feinsten Ausläufern in die Stützlamelle übertreten. Alle diese Resultate sind allein auf Querschnitten durch ein in Osmiumsäure sehr stark erhärtetes Material gewonnen worden und sind aus der Einwirkungsweise dieses Reagens zu erklären. Das Reticulum ist entstanden, indem die Nervenfäserchen in Folge der Gerinnung und Schwärzung des Gewebssaftes unter einander verklebt sind. Auch der Uebergang der fadenartigen Epithelzellen, unter welchen nur die nicht nervösen Stützzellen verstanden sein können, in das unterliegende Mesoderm ist eine in ähnlicher Weise zu erklärende Täuschung. Isolationen geben hier grössere Sicher- heit, und diese lehren, dass die Interbasalsubstanz ein Gewirr feinster Nerven ist, in welches die Ausläufer der Sinneszellen übergehen. Nur die Stützzellen durchsetzen die Fibrillenlage, enden aber gleichfalls auf der Bindegewebslamelle; im Mesoderm von Cerian- thus kommen an keiner Stelle des Körpers Nervenfasern vor. 2. Die Edwardsien. Eine kleine in mancher Hinsicht eigenartig organisirte Gruppe der Anthozoen sind die Edwardsien, welche bisher von den Syste- matikern stets mit den übrigen Actinien vereinigt worden sind. Im System von Milne Edwards (32) bilden sie das einund- zwanzigste Genus seiner Actinidae und folgen unmittelbar auf das Genus Adamsia. Gosse (135) hat die FEdwardsien mit Cerianthus und einigen selteneren Arten, über deren Bau unsere Kenntnisse noch sehr lückenhafte sind, mit Peachia, Ilyanthus, Halcampa und Arachnactis, zur Familie der Ilyanthiden vereint und lässt die- selbe sich an die Familien der Antheadae, Actiniadae und Buno- didae anschliessen, Die Actinien. 583 Ueber den Bau und die Lebenserscheinungen der Edwardsien besitzen wir eine ältere, umfangreiche Schrift von Quatrefages (35), aus deren Lectüre man indessen nur einen sehr unvollständigen Einblick zumal in die feineren anatomischen Verhältnisse gewinnt. Die Angaben von Quatrefages über den Bau der Körperwand und der Muskulatur lauten ähnlich wie gleichzeitige Beschreibungen von Actinien; Anordnung und Structur der Septen, gerade der Punkt, dessen Feststellung der Hauptzweck der folgenden Unter- suchung ist, wird gar nicht näher von ihm berücksichtigt. Die Edwardsien leben wie die Cerianthiden im Sande ver- graben und können sich, da ihnen eine besondere Fussscheibe fehlt, nicht an andere Gegenstände festheften; ihr hinterer Leibes- abschnitt verschmächtigt sich und endet abgerundet; sonst aber bieten sie in ihrem Bau mehr Anknüpfungspunkte an die Actiniden als an die Cerianthiden dar. Denn die Stützlamellen sind mit Bindegewebskörperchen versehen, an der Körperwand wird eine ektodermale Längsmuskulatur und mit ihr eine auf Querschnitten nachweisbare Nervenschicht vermisst; Tentakel, Mundscheibe, Schlundrohr sind histologisch, soweit sich dies an Querschnitten beurtheilen lässt, wie bei den Actinien gebaut. Wir übergehen daher diese Verhältnisse, denen wir auch keine weitere Aufmerk- samkeit geschenkt haben, und wenden uns gleich zu dem Cardinal- punkt unserer Untersuchung, zu der Morphologie der Septen. Wie seit der Abhandlung von Quatrefages bekannt ist, sind die Edwardsien (Taf. XVII, Fig. 2) mit nur acht Septen versehen, welche bis zum hinteren Leibesende hinabverlaufen und schon am lebenden Thiere bei Betrachtung von Aussen zu er- kennen sind. Alle Septen inseriren sich mit ihrem inneren Rande an das Schlundrohr. Dieses reicht, nach den schönen Abbildungen von Quatrefages zu urtheilen, bis über die Mitte des langgestreck- ten cylindrischen Körpers hinab; es zeigt auf dem Querschnitt ein spaltförmiges Lumen (Taf. XVII, Fig. 2) und lässt zwei Furchen, die wir auch hier als Schlundrinnen (x) bezeichnen wollen, er- kennen. Die Septen sind ausnehmend stark muskulöse Organe, indem ein jedes an einer seiner Seiten mit einem breiten und dicken, in der Mitte zwischen Körperwand und Schlundrohr ge- legenen Muskelpolster versehen ist. Dabei sind sie vollkommen symmetrisch zu einer durch die zwei Schlundrinnen gelegten Ebene angeordnet. Je zwei Septen, welche sich an die Schlundrinne ansetzen und daher wie bei den Actinien Richtungssepten 584 Oscar und Richard Hertwig, heissen mögen, tragen die Muskelpolster auf den abgewandten Seiten; die übrigen vier, von denen sich zwei mit der linken und zwei mit der rechten Fläche des Schlundrohrs verbinden, be- sitzen die Muskulatur auf gleichgerichteten Seiten; ihre Polster sind daher dem einen Paar der Richtungssepten zu- und dem anderen Paar abgewandt. Während bei allen bisher betrachteten Fleischpolypen die An- zahl der Septen und der Tentakeln übereinstimmte, machen die Edwardsien von dieser Regel eine Ausnahme Die Anzahl der Tentakeln ist grösser wie acht und varürt dabei nach den einzelnen Arten: bei Edwardsia beautempsis beträgt sie 14—16, bei Edwardsia timida und Edwardsia Harassii 20—24 und bei Ed- wardsia vestita sogar 32; auf je ein Fach kommen daher 2, 3 oder auch 4 Tentakeln. Soweit unsere anatomischen Untersuchungen über die Edward- sien. Wir fügen denselben noch einige entwicklungsgeschichtliche Beobachtungen bei, die an verwandten Formen theils von uns selbst, theils von Alexander Agassiz gewonnen wurden. Im Hafen von Messina und Neapel trafen wir öfters und in grösseren Mengen im pelagischen Auftrieb kleine ovale Larven an, die äusserlich jungen Ctenophoren ährlich waren, bei genauerer Untersuchung aber sich als Jugendstadien von Anthozoen erwiesen. Wir finden die Larven zum ersten Male kurz beschrieben von Claus (9), welcher in seinen Bemerkungen über Ctenophoren und Me- dusen ihre Aehnlichkeit mit Rippenquallen, für welche er sie An- fangs hielt, hervorhebt, sie aber wegen der Natur der Gewebe und wegen des Besitzes eines vorstülpbaren Magenrohrs in die Actiniengruppe einreiht. Durch grosse Exemplare legten wir Quer- schnitte hindurch. Hierbei zeigten sich die Gewebe wie bei den Actinien beschaffen. In anatomischer Hinsicht ist von Wichtigkeit, dass die Körperhöhle, in welche das Schlundrohr weit hinabreicht, durch 8 Septen in 8 Zwischenfächer getheilt ist. Die Septen sind bereits mit einer starken Muskulatur versehen, die polster- artig vorspringt und ein ähnliches Durchschnittsbild wie bei Ed- wardsia ergiebt. Auch ihre Anordnung um das Schlundrohr gleicht derjenigen von Edwardsia so vollständig, dass wir einfach auf die Abbildung Taf. XVII, Fig. 2 und auf die oben gegebene Beschrei- bung verweisen können. Dass später noch eine grössere Anzahl von Septen gebildet werden könnte, ist uns nicht wahrscheinlich, da bei dem hohen Ausbildungszustand der 3 vorhandenen Septen weitere Anlagen dann wohl schon hätten vorhanden sein müssen, Die Actinien. 585 Was mit den Larven wird, ist uns wie früheren Forschern unbekannt geblieben; doch geht soviel aus den von uns aufge- fundenen anatomischen Verhältnissen mit Sicherheit hervor, dass wir es nicht mit Larven von Actiniden oder Octactinien zu thun haben, da bei beiden die Septenanordnung eine ganz andere ist. Etwas Aehnliches kennen wir bis jetzt allein von den Edwardsien. Es ist daher zur Zeit das Wahrscheinlichste, dass unsere Larven entweder diesem Genus selbst oder nächst verwandten Genera, deren anatomischer Bau noch unbekannt ist, angehören werden. Die Beobachtungen von Alex. Agassiz (1 und 2) beziehen sich auf eine freischwimmende Larve, welche ihr Entdecker ur- sprünglich (1) als eine Arachnactis brachiolata, neuerdings aber als eine junge Edwardsia beschrieben hat. Die durchsichtige Larve lässt 8 Scheidewände erkennen, besitzt ein spaltförmiges Mund- rohr, entwickelt zuerst 4 Tentakeln, deren Zahl auf 15 bis 23 und selbst auf 30 allmählich anwächst. Die Art und Weise wie dies geschieht, ist von besonderem Interesse. Es sprossen nämlich die jungen Tentakeln nicht zwischen den älteren hervor, sondern sie entstehen ohne Ausnahme allein an der Seite des Scheiben- randes, welche einem der 2 Mundwinkel entspricht. Vis a vis von dieser Knospungszone erhebt sich an dem anderen Mund- winkel ein langer unpaarer Tentakel, welcher zu den am ersten gebildeten gehört. Die an ihn angrenzenden Tentakel sind die grössten und werden von hier nach der gegenüber liegenden Seite zu Successive kleiner. In einem Brief aus dem Jahre 1873 an Lacaze Duthiers betont Alex. Agassiz (2) noch einmal die Richtigkeit seiner älteren Angaben, die er für die systematische Stellung der Edwardsien für sehr wichtig hält. „Les jeunes ten- tacules se forment toujours vers une des extr&mites, A l’extr&ömite opposee de la bouche ou se trouve le long tentacule impair.“ Aehnliche Angaben macht übrigens auch schon Gosse (18) in seiner Monographie in Bezug auf Arachnactis albida: „The smaller and apparently sprouting tentacles always occur at that part of the circle which corresponds to one angle of the mouth.“ 3. Die Zoanthinen. Mit den Actiniden, den Cerianthiden und Edwardsien ist die Verschiedenartigkeit des Baues in der Abtheilung der skeletlosen Zoantharien noch nicht erschöpft. So ist zum Beispiel auch die 586 Osear und Richard Hertwig, Die Actinien. kleine Gruppe der Zoanthinen, die gewöhnlich mit den Actinidae vereint wird, durch eine ihr eigenthümliche Structur und An- ordnung der Septen ausgezeichnet. Dieselben sind in sehr grosser Anzahl vorhanden, gleichmässig um das Schlundrohr vertheilt, mit dem sie in Verbindung treten, und nirgends zu Paaren vereinigt. Neue Septen entstehen überall in den Zwischenräumen der bereits vorhandenen. Die Muskeln sind an den Septen schwach entwickelt und verlaufen auf beiden Seiten in longitudinaler Richtung. Mit diesen wenigen Angaben müssen wir uns begnügen, da die Exem- plare des Zoanthus,, die uns zur Untersuchung dienten, ungenügend conservirt waren. Auch die in der Neuzeit erschienene Arbeit von A. Andres (50) gibt keine weiteren Aufschlüsse. Allgemeiner Theil. Die im speciellen Theil niedergelegten Beobachtungen haben uns zu Ergebnissen geführt, die sich nach zwei Richtungen weiter verwerthen lassen. Erstens haben sie uns für den weiteren Ausbau des Systems der Coelenteraten neue Gesichtspunkte geliefert, zwei- tens sind wir durch sie in den Stand gesetzt worden, allgemeinere morphologische Ansichten, die wir in zwei früheren Arbeiten über die Medusen (67. 68a) entwickelt haben, jetzt weiter zu begründen und im Einzelnen besser auszubauen. Der allgemeine Theil wird sich dementsprechend in einen systematischen und in einen morphologischen Abschnitt gliedern. In dem ersten Ab- schnitt werden wir bei den systematischen Betrachtungen vom Specielleren zum Allgemeineren fortschreiten; wir werden daher mit den verwandtschaftlichen Beziehungen der von uns untersuchten Arten beginnen, dann die Stellung der Fleischpolypen zu den übrigen Anthozoen und endlich die Verwandtschaft der Anthozoen mit den übrigen Coelenteraten erörtern. Im zweiten Abschnitt wollen wir eine Zusammenfassung der wichtigsten Resultate unserer Unter- suchung geben und werden dabei, anknüpfend an unsere Arbeit über den Organismus der Medusen, auf die Stellung der Actinien zur Blättertheorie eingehen. Erstes Kapitel. Zur Systematik der Coelenteraten. Wie sehr es zur Zeit noch an einer natürlichen Eintheilung der Zoantharien fehlt, das, glauben wir, wird aus unserer ana- tomischen Darstellung genugsam zu ersehen sein. Denn die Ce- rianthiden, die Zoanthinen und Edwardsien weichen von einander und von den Actinidae in so wichtigen anatomischen Characteren 588 Oscar und Richard Hertwig, ab, dass die nahe verwandtschaftliche Beziehung, in welche man die genannten Polypen zu bringen pflegt, sich in keiner Weise recht- fertigen lässt. Zweitens aber wird man aus unserer Darstellung wohl auch die Ueberzeugung gewonnen haben, dass uns noch die nöthigen anatomischen und entwicklungsgeschichtlichen Grundlagen zur Durchführung einer durchgreifenden Umgestaltung des Systems fehlen. Wir werden daher im Folgenden eine solche auch nicht vorzunehmen versuchen, ziehen es vielmehr vor Gesichtspunkte hervorzuheben, die uns von besonderem systematischen Werth zu sein scheinen. I. Die systematischen Beziehungen der Actiniden, Cerianthiden, Zoanthinen, Edwardsien. Die von uns untersuchten Arten sind nach einem vierfach verschiedenen Plane gebaut. Eine natürliche und umfangreiche Gruppe bilden 1. die von uns im ersten Kapitel besprochenen Arten, welchen wir allein den Namen der Actinidae belassen wollen. Drei weitere durch nicht geringfügige anatomische Unterschiede gekennzeichnete an Arten arme Gruppen sind 2. die Cerianthiden, 3. die Zoanthinen und 4. die Edwardsien. Die unterscheidenden Merkmale einer jeden Gruppe und den verschiedenen Werth der- selben wollen wir zunächst kurz hervorheben und beginnen wir mit den Zoanthinen. 1. Die Zoanthinen sind mit sehr zahlreichen Septen ver- sehen, die in gleichmässiger Weise einzeln für sich um das Schlund- rohr angeordnet sind. Neue Septen entstehen überall zwischen den alten, indem sie die Zwischenfächer halbiren. Anordnung und Ent- stehung der Septen ist daher eine streng radiäre; die längsver- laufenden Septenmuskeln sind schwach entwickelt. In allen diesen Beziehungen erweisen sich die Zoanthinen als sehr ursprüngliche Formen und unterscheiden sich hierin von den Actinidae, als deren dreiunddreissigstes Genus sie von Milne Edwards (32) auf- geführt werden. Gosse (18) rechnet die Zoanthinen zu den Ca- ryophylliaceen; doch entbehrt diese Eintheilung so lange jeder Be- gründung, als wir von dem Bau des Weichkörpers von Caryophyllia keine nähere Kenntniss haben. 2. Die Cerianthiden unterscheiden sich von den Zoan- thinen und den zwei übrigen Gruppen durch die Anwesenheit einer ektodermalen Längsmuskulatur an ihrem Mauerblatt. Durch Zahl und Anordnung der Septen und durch die schwache Ent- wicklung der Septenmuskulatur werden sie von den Actinidae und Die Actinien. 589 den Edwardsien getrennt, während sie hierin den Zoanthinen nahe zu stehen scheinen. Wie bei diesen sind zahlreiche Septen einzeln und ziemlich gleichmässig im Umkreis des Schlundrohrs vertheilt. Auf diese Septenanordnung hin würden wir trotz der verschiede- nen Beschaffenheit der Muskulatur die Cerianthiden näher zu den Zoanthinen stellen, wenn wir über die Art der Neubildung der Septen aufgeklärt wären. Zwei Fälle scheinen uns bei Cerianthus möglich zu sein. Entweder können sich neue Septen wie bei Zoan- thus in den Zwischenfächern der vorhandenen Septen anlegen oder die Anlage ist nur auf eine bestimmte Partie der Körperoberfläche und dann zwar auf den dorsalen dem Richtungsfach (x) gegenüber liegenden Streifen (Taf. XVII, Fig. $S) beschränkt. Uns ist es auf- gefallen, dass, als wir Querschnitte durch junge Cerianthiden hin- durchlegten, wir zwischen den mit dem Schlundrohr verbundenen Septen, trotzdem ihre Anzahl noch eine unvollständige war, keine unentwickelten Septen auffanden, während man doch bei den Acti- nien ausnahmslos auf solche stösst. Sollte sich dies zu Gunsten der zweiten Entstehungsweise verwerthen lassen? Auch anato- mische Verhältnisse weisen auf die zweite Möglichkeit hin. Von den langen Scheidewänden an, die ventral an der Schlundrinne ge- legen bis zum Abdominalporus hinabreichen, nehmen die Septen nach der Rückenfläche zu an Grösse continuirlich ab; es könnte dies Verhältniss in der Weise zu erklären sein, dass dorsal immer neue Septenpaare von einem einzigen Fache aus entstehen und sich an die grösseren weiter entwickelten anschliessen. Der Ent- scheid der angeregten Frage ist für die morphologische Beur- theiluug der Cerianthiden von der grössten Tragweite. Denn wenn der erste Fall sich als zutreffend erweisen sollte, dann würde das Körperwachsthum gleichmässig in der ganzen Peripherie erfolgen, es würde ein radiäres sein. Im zweiten Falle würde das Körper- wachsthum nur von einem Bezirke der Peripherie ausgehen und könnte als ein bilateral symmetrisches bezeichnet werden. Es würde dann die bilaterale Symmetrie des Körpers, welche sich in dem Besitz der Schlundrinne, der Richtungssepten etc. schon ausspricht, eine viel tiefere Bedeutung gewinnen. Im ersten Falle müssten wir die Cerianthiden als ursprüngliche Formen bezeichnen und in die Nähe der Zoanthinen stellen, im zweiten Falle wäre dies nicht mehr statthaft, weil sich alsdann die Cerianthiden von der ursprünglich radiären Grundform der Anthozoen weit entfernen würden. Von einem genauen Studium der Entwicklungsgeschichte 590 Oscar und Richard Hertwig, allein werden wir über diesen wichtigen Punkt Aufklärung zu er- warten haben. Dass die Cerianthiden in vieler Hinsicht eine besondere Stel- lung einnehmen, ist seit dem Erscheinen der Untersuchungen von Jules Haime mehrfach herausgefühlt worden. Mit Recht haben schon Jules Haime und Milne Edwards die Cerianthiden als eine besondere Familie den Actinidae gegenübergestellt. Ferner glaubte Jules Haime (20. p. 385), dass eine gewisse Ueberein- stimmung mit den fossilen Cyathophylliden nicht zu verkennen sei. Noch mehr hat Haeckel (62a. p. LIV) in seiner generellen Mor- phologie diesen Punkt hervorgehoben. Er erblickt in den Ceriau- thiden die letzten Ausläufer der Stammgruppe der Anthozoen, findet ihre nächsten Verwandten in den Rugosen, die nur in fos- silen Resten bekannt sind, und vereinigt sie mit diesen zu den Tetracorallien, aus welchen er die Octocorallien und Hexacorallien entstanden sein lässt. Demgegenüber ist aber hervorzuheben, dass beim ausgebildeten Thiere in der Anordnung der Septen ein vierstrahliger Bau nicht hervortritt und dass die vorliegenden entwicklungsgeschichtlichen Angaben, durch welche sich J. Haime (20. p. 381) und Haeckel haben bestimmen lassen, zu dürftig sind, als dass sie bei der systematischen Eintheilung den Ausschlag geben dürften. Neuer- dings hat auch Haeckel (62b. p. 48) diese Eintheilung wieder fallen lassen und die Cerianthiden mit den Actinidae zu den Halirhoden verbunden. Noch andere Versuche sind gemacht wor- den, die Cerianthiden mit einzelnen Gruppen der Anthozoen in verwandtschaftlichen Zusammenhang zu bringen. Gosse (18) ver- einigt die Cerianthiden mit Edwardsia, Ilyanthus, Arachnactis, Peachia etc. zu der Familie der UOyanthiden. Auch Alexander Agassiz (1), Haacke (19. p. 294) etc. wollen nähere Beziehungen der Edwardsien zu den Cerianthiden erkennen. Dass auch diese Eintheilungen der näheren Begründung entbehren, werden wir bei der Besprechung der vierten Gruppe sehen. 3. Die von uns im ersten Kapitel besprochenen Actinien zeigen in so vieler Hinsicht einen übereinstimmenden und eigen- artigen Bau, dass sie eine wohlumgrenzte und durchaus natürliche Gruppe nahe verwandter Anthozoen bilden. Beim entwickelten Thiere sind in der Anordnung der Septen zwei hervorstechende anatomische Charactere leicht herauszuerkennen. Erstens sind an den zwei einander opponirten Schlundrinnen je zwei schmale Rich- tungssepten befestigt, deren Muskelfahnen auf zwei abgewandten Die Actinien. 591 Seiten, mithin ausserhalb des Richtungsfaches liegen. Zweitens sind die zahlreichen anderen Septen, die sich nach der Grösse und der Zeit ihres Entstehens in verschiedene Cyclen eintheilen lassen, stets paarweise um das Schlundrohr gruppirt. In Folge dessen kann man Binnen- und Zwischenfächer unterscheiden. Die Muskel- fahnen haben sich an den einander zugewandten Seiten zusammen- gehöriger Septen entwickelt, so dass sie in ein Binnenfach schauen. Die nahe Verwandtschaft der Actinidae spricht sich ferner in hohem Maasse in der eigenartigen Entwicklung der Septen aus. Dieselbe lässt sich in zwei Perioden theilen, in die Entwicklung der zwölf Hauptsepten und in die Entwicklung der zahlreichen Nebensepten. Die ersteren bilden sich symmetrisch zur Halbirungsebene, welche man durch das Schlundrohr hindurch- legen kaun, und zwar entstehen sie nach unserer Ansicht von vier Punkten aus, dorsal, ventral und seitlich. Hierbei ist die dorsale und ventrale Seite bevorzugt, indem auf jeder vier Septen angelegt werden (Taf. XVII, Fig. 4). Zu den acht zuerst ent- standenen Septen gesellen sich vier weitere, von denen zwei auf der linken und zwei auf der rechten Seite hervorsprossen (Taf. XVII, Fig. 3). Hieran schliesst sich eine zweite Entwicklungs- periode, die damit beginnt, dass die zwölf Hauptsepten sich zu Paaren zusammengruppiren, wodurch sechs Zwischen- und sechs Binnenfächer unterscheidbar werden (Taf. XVII, Fig. 10). Neue Septen erscheinen von Anfang an paarig und werden nur in den Zwischenfächern angelegt. Die gleichzeitig entstehenden Paare sind immer Multipla von sechs. Die Actinien in der eben festgesetzten Begrenzung bilden, trotzdem eine Anzahl Arten von ihnen ausgeschlossen ist, immer noch eine sehr formenreiche Gruppe. Es gehört zu ihnen der grösste Theil der vierunddreissig von Milne Edwards unter- schiedenen Genera, oder wenn wir der Eintheilung in Familien von Gosse folgen, so gehören zu ihnen die Familien der Metritiadae(?), der Sagartiadae, Antheadae, Actiniadae, Bunodidae, Minyadidae (?). Dagegen sind von ihnen zu trennen wohl alle Arten, die von Gosse in der Familie der Ilyanthidae zusammengefasst sind, und scheinen sich uns dieselben — soweit bei der kümmerlichen Kennt- niss ihres Baues überhaupt ein Urtheil möglich ist, — an die fol- gende Gruppe anzuschliessen. 4. Die Edwardsien sind wieder eine kleine, aber wohl characterisirbare Abtheilung. Sie sind durch acht Septen und durch eine grössere aber variable Anzahl von Tentakeln ausge- 592 Oscar und Richard Hertwig, zeichnet (Taf. XVII, Fig. 2). — Mit den Actinien haben sie den Mangel einer ektodermalen Musculatur, die fadenförmige Beschaffen- heit ihrer Zellen und die zwei Paar Richtungssepten gemein, so dass man vielleicht daran denken könnte, sie als persistente Ju- gendformen der Actinien den Larven mit acht Septen (Taf. XVII, Fig. 4) zu vergleichen. Einer derartigen Auffassung steht aber der Umstand entgegen, dass die Anordnung der acht Sep- ten bei den Edwardsien und den Actinienlarven eine verschiedene ist. Bei beiden sind zwar die acht vergleich- baren Septen von den beiden Schlundrinnen aus orientirt, jedoch in einer verschiedenen Weise. Bei den Actinidae kommen vier gleichgerichtete Septen auf die eine und vier auf die andere Schlund- rinne (Taf. XVII, Fig. 4), bei den Edwardsien auf die eine zwei, auf die andere sechs (Taf. XVII, Fig. 2). Bei letzteren können wir hiernach eine dorsale und eine ventrale Seite unterscheiden, was bei ersteren nicht möglich ist. Wenn es ferner erlaubt ist aus der Bildungsweise der Septen bei den Actinien auf diejenige bei den Edwardsien zurückzuschliessen, so würde bei diesen die ventrale Seite im Wachsthum hinter der dorsalen zurückbleiben ; auf der ventralen würden zwei, auf der dorsalen sechs Septen an- gelegt werden. Für einen derartigen Wachsthumsmodus spricht auch die Genese der Tentakeln, welche alle von der dorsalen Schlundrinne aus hervorsprossen und sich successive an den zuerst gebildeten Tentakel des ventralen Richtungsfaches anschliessen. Wegen der Achtzahl der Septen hat Quatrefages (35. p. 105) die Edwardsien als Uebergangsformen zwischen den Actinien und Aleyonarien aufgefasst; in wie weit mit Recht, soll jetzt sogleich erörtert werden, indem wir die Frage aufwerfen: II. In welchem Verhältnisse stehen die vier von uns unterschiedenen Gruppen zu den übrigen Anthozoen? 1) Gewöhnlich pflegt man die Zoanthaires malacoder- mes oder die Fleischpolypen den Zoanthaires sclerodermes oder Korallen (den Madreporiden, Fungiden, Astraeiden etc.) ge- genüber zu stellen und aus beiden zusammen die Ordnung der Zoantharia zu bilden. Diese Eintheilung, die von Milne Edwards (32) geschaffen und seitdem ziemlich unverändert bei- behalten wurde, ist eine rein künstliche und wird man sie über kurz oder lang ganz fallen lassen müssen. Denn das Fehlen oder das Vorhandensein eines Kalkskelets besitzt bei den Anthozoen anderen Die Actinien. 593 anatomischen Characteren gegenüber einen morphologisch sehr un- tergeordneten Werth und kann daher nicht zu einem Hauptein- theilungsmerkmal gemacht werden, wie dies schon Jules Haime (20. p. 335) geahnt hat. Schon sind durch mehrere Untersuchun- gen einige grosse Irrthümer aufgedeckt worden, in welche die Sy- stematiker, indem sie das künstliche Eintheilungsprineip befolgten, verfallen sind. So hat zuerst L. Agassiz (Da. p. 292) gezeigt, dass die Milleporiden, die nach Milne Edwards ebenfalls den Zoanthaires sclerodermes angehören, überhaupt keine Anthozoen, sondern verkalkte Stöcke von Hydroidpolypen sind, und Moseley (85) hat neuerdings das Gleiche für die Stylasteriden nach- gewiesen. Derselbe hat ferner auch unwiderleglich dargethan, dass eine andere angebliche Hexacorallie, die Heliopora (85. p. 91) ihrem anatomischen Baue nach eine Aleyonarie ist. Das sind Bei- spiele, die recht schlagend illustriren, wie hinfällig das Einthei- lungsprineip nach dem Kalkskelet ist. Leider ist es zur Zeit noch nicht möglich, da es fast ganz an den erforderlichen Beobachtungen fehlt, das künstliche System durch ein besseres natürliches zu ersetzen. Ein solches wird vor allen Dingen auf die Anatomie der Weichtheile begründet werden müssen; wir werden namentlich zu untersuchen haben, wie bei den Korallen die Fleischsepten (Sarcosepten Haacke (19)) an- geordnet sind, wie sie sich entwickeln und wie die Muskulatur an ihnen verläuft, alles Punkte, deren Kenntniss uns noch so gut wie ganz abgeht, weil die Untersuchung auf einige Schwierigkeiten stösst. Hier eröffnet sich ein weites Feld für eine fruchtbare ver- gleichend anatomische Thätigkeit. Je mehr dasselbe bebaut wird, um so mehr wird man wahrscheinlich dahin geführt werden, die Zoantharia sclerodermata ganz aufzulösen und sie den Familien der Fleischpolypen theils unter- theils neben zu ordnen. Ein gros- ser Theil der Korallen schliesst sich jedenfalls den Actinidae sehr nahe an, andere werden vielleicht mehr den Zoanthinen oder den Edwardsien gleichen, und wieder andere mögen nach der Zahl und Structur der Septen eigenartig organisirt sein. 2) Wenn wir jetzt unsere systematischen Betrachtungen auf noch weitere Kreise ausdehnen, so werden wir auf die Alcyona- rien geführt. Ziemlich allgemein hält man seit längerer Zeit, wenn man von den fossilen Rugosen oder den Tetracorallien ab- sieht, an der Zweitheilung der Anthozoen fest. Den vereinigten Fleischpolypen und Korallen, den Zoantharien von Milne Ed- wards (Polyactinien, Ehrenberg, Hexacorallien, Haeckel) Bd. XIII. N. F. VI, 4, 98 594 Oscar und Richard Hertwig, stellt man als eine gleichwerthige Ordnung die Alcyonarien Milne Edwards (Octactinien, Ehrenberg, Octocorallien, Haeckel) gegenüber. Die Ordnung der Aleyonarien, deren Bau wir ganz kurz be- rühren wollen, ist ohne Zweifel eine ganz naturgemässe. Die Zahl der Septen und Tentakeln beläuft sich bei ihnen auf 8, einige Fälle ausgenommen, in denen die typische Anzahl auf 6, 4 etc. reducirt ist. Die Septen mit ihren Fahnen sind in einer besonde- ren gesetzmässigen Weise um das Schlundrohr gruppirt (Taf. XVII, Fig. 7). Letzteres ist nämlich nach Beobachtungen von Lacaze Duthiers, Pouchet und Myevre!) und von Haacke, sowie nach Durchschnitten, die wir selbst durch Aleyonium angefertigt haben, zu urtheilen, spaltförmig d.h. von links nach rechts zu- sammengedrückt und daher dorsal und ventral mit 2 Rinnen ver- sehen, von denen indessen wie bei Cerianthus nur die ventrale von der Umgebung sich deutlich absetzt und, da sie auch noch mit be- sonders langen Flimmern versehen ist, allein den Namen einer Schlundrinne verdient. Wie nun durch zahlreiche Untersuchungen für die verschie- densten Alcyonarien, durch Kölliker (76) für die Pennatuliden, durch Schneider und Rötteken (38) für Veretillum, durch Lindahl?) für Umbellula, durch Koch (75) für Tubipora, Isis und Gorgonia, durch Haacke (19) für mehrere Alcyoniden be- kannt geworden und aus unserem Querschnitt durch Alcyonium (Taf. XVII Fig. 7) leicht zu sehen ist, sind die Septen symme- trisch um das Schlundrohr vertheilt, so dass ein Dorsal- und ein Ventralfach und je 3 Seitenfächer entstehen. Ferner sind alle Septen hinsichtlich der Ausbildung ihrer Muskelfahnen, der longi- tudinal verlaufenden musculi retractores, von einer Seite aus orien- tirt. Von der Rückenfläche aus gerechnet tragen sie alle die Längs- muskeln auf der ventralen Seite, oder wenn wir die für die Zoan- tharien eingeführte Terminologie benutzen, die Muskelfahnen sind dem ventralen Richtungsfach zugekehrt und dem dorsalen abge- wandt; von den zwei Paar Richtungssepten führt das ventrale die Längsmuskeln auf zugewandten Seiten, das dorsale Paar auf ab- gewandten Seiten. Auch hier empfinden wir es als eine grosse Lücke, dass die Entwicklungsgeschichte der Alcyonarien uns noch keine Aufklärung !) u. 2) Nach Haacke citirt. Die Actinien. 595 darüber giebt, in welcher Reihenfolge die 8 Septen und Tentakeln angelegt werden. Sollten sie alle von einer Seite des Schlundrohrs aus entstehen, etwa in der Weise, dass die im Schema (Taf. XVII, Fig. 7) beigefügten Zahlen das verschiedene Alter der Septen an- deuten würden? Dem mag nun sein wie ihm wolle, jedenfalls sind die Aleyonarien auf Grund ihres anatomischen Baues eine natürliche, an Familien und Arten reiche Ordnung und lassen sich leicht durch die besondere Architectonik ihrer Septen charac- terisiren. In der Achtzahl derselben stimmen sie zwar mit den Edwardsien und den achtzähligen Larven der Actinidae überein, aber sie unterscheiden sich dabei trotzdem sehr wesentlich von ihnen in der Anordnung der Septen. Die Actiniden, Edwardsien, Alcyonarien illustri- renuns dreiverschiedene Weisen, nach denen S Septen um das Schlundrohr vertheilt sein können. 1) Bei den Larven der Actinidae sind die Septen von 2 Seiten, einer dorsalen und einer ventralen, aus orientirt und zwar 4 von der einen und 4 von der anderen (Taf. XVII, Fig. 4). 2) Bei den Edwardsien sind die Septen gleichfalls von einer dorsalen und einer ventralen Seite, aber in einem andern Verhältniss orientirt, nämlich nur 2 Septen von der ventralen, dagegen 6 von der dor- salen Seite aus (Taf. XVII, Fig. 2). 3) Bei den Alcyonarien endlich sind alle 8 Septen nur von einer und zwar dorsalen Seite aus orientirt (Taf. XV, Fig. 7). In den beiden letzten Fällen ver- hält sich in Folge der ungleichen Orientirung der Septen die bei den Actinien gleichartig entwickelte Bauch- und Rückenfläche ver- schieden, indem die letztere über erstere das Uebergewicht erhält. Schon von mehreren Seiten ist die Ansicht ausgesprochen worden, dass die Edwardsien den Uebergang zwischen Aleyonarien und Actiniden herstellen möchten. In der That halten sie in ihrer Septenanordnung die Mitte zwischen den beiden anderen Gruppen ein und scheint uns daher diese Ansicht eine gewisse Berechti- gung für sich zu haben. 3) Wie aus unseren Erörterungen hervorgeht, ist das Ver- halten der Septen die Angel, um welche sich in erster Linie die Systematik der Anthozoen bewegt. Nur darf man nicht die Zahlen der Septen einseitig in das Auge fassen. Es ist dies ein Punkt, auf den wir noch mit wenigen Worten näher eingehen wollen. Ehrenberg (45) hat zuerst die Zahl der Theile als sy- stematisches Merkmal benutzt, indem er die Anthozoen nach 38 * 596 Osear und Richard Hertwig, ihrer Tentakelzahl in Octactinien und Polyactinien eintheilte. Als- dann hat Haeckel (62a) nach der Antimerenzahl, welche ihm we- gen ihrer bemerkenswerthen Constanz als Eintheilungsmoment in erster Linie brauchbar erschien, die Anthozoen in die Tetracoral- lien, Octocorallien und Hexacorallien gespalten. Nach den von uns erhaltenen Befunden glauben wir nicht, dass den Zahlenverhältnissen — mag man die Zahl der Tentakeln, oder der Septen oder der Antimeren in das Auge fassen — ein so hoher systematischer Werth zukommt. Sollen wir zum Beispiel die Edwardsien, weil sie acht Septen besitzen, zu den Octactinien hinüberziehen! Das wäre gewiss eine künstliche Eintheilung, da die Edwardsien in anderen Eigenthümlichkeiten ihres Baues von den Octactinien erheblich abweichen und sich durch ihr solitäres Vorkommen, durch die Beschaffenheit ihrer Tentakeln, durch die Natur der histologischen Elemente andern Formen der Anthozoen mehr anschliessen. Wohin sollen wir ferner die Cerianthiden und Zoanthinen rechnen, zu den Octocorallien oder den Hexacorallien ? Von den in grosser Zahl vorhandenen Septen können wir hier we- der behaupten, dass sie ein Multiplum von 8, noch dass sie ein Multiplum von 6 seien. Das Hauptergebniss unserer systematischen Frörterungen kann jetzt kurz dahin zusammengefasst werden. Bei der Eintheilung der Anthozoen sind die Septen in erster Reihe zu be- rücksichtigen, aber weniger die Zahl als vielmehr der Bau, die Anordnung derselben um das Schlund- rohr und ihre Entwicklung. Wenn wir von dieser Grundlage ausgehen, werden die Anthozoen voraus- sichtlich in mehr als 2 Ordnungen zu zerfällen sein. Mit Erfolg aber kann ein neues System erst dann aufgestellt wer- den, wenn die verschiedenen Familien der Zoantharien, der Fleisch- polypen sowohl als der Korallen, auf die Morphologie ihrer Sep- ten, über die wir vielfach noch gar nichts wissen, nach allen Richtungen untersucht sein werden. III. Ueber die systematische Stellung der Anthozoen im Stamme der Coelenteraten. Bei Gelegenheit unserer Untersuchung der Actinien glauben wir für eine naturgemässe Eintheilung der Coelenteraten einen neuen und wichtigen Gesichtspunkt gewonnen zu haben; derselbe betrifft die Abstammung der Geschlechtsorgane, einen Punkt, über welchen bekanntlich bis jetzt die grössten Meinungs- Die Actinien. 597 verschiedenheiten bestehen und dem wir daher vom Anfang unserer Studien über die Coelenteraten besondere Aufmerksamkeit gewidmet haben. Für die craspedoten Medusen sind wir in einer früheren Arbeit mit Hilfe von Querschnitten und gestützt auf ein reichli- ches Material, welches von jeder der drei Hauptabtheilungen, den Ocellaten, Vesiculaten und Trachymedusen, Vertreter enthielt, zu dem Resultat gelangt, „dass männliche und weibliche Geschlechts- zellen Abkömmlinge der nach aussen von der Stützlamelle gelege- nen Zellenlage sind, mit anderen Worten, dass beide dem Ekto- derm -angehören.‘“ Eine gleiche Entstehungsweise suchten wir für die übrigen Hydromedusen wahrscheinlich zu machen, enthielten uns dagegen eines bestimmten Urtheils bezüglich der höheren Thier- stämme, indem wir hervorhoben, dass kein zwingender Grund vor- liege, die Entwicklung der Geschlechtsorgane übereinstimmend in der ganzen Thierreihe mit dem einen oder dem anderen Keim- blatt in Zusammenhang zu bringen. „Es sei denkbar, dass ein indifferentes Zellenmaterial sich sowohl im Ektoderm als im Ento- derm lange Zeit erhalten und den Ausgangspunkt für die Bildung der Geschlechtsorgane abgegeben habe; ebenso sei es aber auch denkbar, dass schon frühzeitig eine Localisation der Geschlechts- producte in einem der Keimblätter, als welches dann das Ekto- derm angesehen werden müsste, eingetreten sei und dass sich diese Localisation in der ganzen Reihe der Metazoen vererbt habe.“ Wenn wir somit die Abstammung der Geschlechtsorgane als ein Problem hinstellen, welches für jede der Hauptabtheilungen des Thierreichs gesondert auf dem Wege der Beobachtung zu lö- sen sei, neigten wir doch selbst der Ansicht zu, dass sich dabei wahrscheinlich überall Uebereinstimmung ergeben würde, dass na- mentlich in verwandten Formenkreisen wie den Coelenteraten ähn- liche Verhältnisse wiederkehren möchten. Daher prüften wir, als wir bei der Untersuchung der Actinien auf die Frage nach der Ab- stammung der Geschlechtsorgane kamen, jede Möglichkeit, die zu Gunsten des Ektoderms sprach, wurden aber durch die Beobachtung zahlreicher Formen zu dem entgegengesetzten Resultate geführt. Während bei den Hydroidpolypen die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane sich aus dem Ektoderm entwickeln, nehmen sie bei den Actinien und jedenfalls auch bei dem Reste der Zoantharien ihren Ursprung im Entoderm. Beide Abtheilungen der Coelente- raten stehen somit in Bezug auf die Abstammung der Geschlechts- organe in einem ausgesprochenen Gegensatz, und so drängt sich uns von selbst die Frage auf: Wie verhalten sich die übri- 598 Oscar und Richard Hertwig, sen bisher nicht berücksichtigten Gruppen, die Al- cyonarien, Siphonophoren, Otenophoren und Acras- peden? Bei den beiden zuerst genannten Abtheilungen gestaltet sich die Beantwortung der Frage sehr einfach. Die Siphonophoren sind in allen Theilen ihres Baues, in der Beschaffenheit ihres Gastrovascularsystems, in der Anwesenheit des Velum bei den Schwimmglocken und einem Theil der medusoiden Geschlechtsgem- men und in der Lagerung der Geschlechtsorgane ächte Hydrome- dusen, die sich, wie allgemein anerkannt ist, den Tubulariden oder wenn wir die Abtheilung nach der Medusenform benennen, den Ocellaten (Haeckel’s Anthomedusen) auf das Engste anschlies- sen. Wir glauben darauf hin den Satz vertheidigen zu können, dass die Geschlechtsproducte bei den Siphonophoren wie bei den craspedoten Medusen im Ektoderm entstehen. Ebenso wird es wohl kaum bestritten werden können, dass bei den Aleyonarien die Geschlechtsorgane, welche denselben Bau wie bei den Zoantharien besitzen, vom Entoderm abstammen. Hierbei können wir uns auch auf das Zeugniss derjenigen Autoren berufen, die in den letzten Jahren die Gruppe bearbeitet haben. „Die Geschlechtszellen der Pennatuliden“ sagt Kölliker (76. p. 426) „sind (Eier- und Samenzellen) auf die Zellen der Ento- dermstränge zurückzuführen und stehen auf jeden Fall mit den Zellen des Ektoderms in keinem Zusammenhang.“ In gleicher Weise hält es G. v. Koch (75. p. 18) für wahrscheinlich, dass bei Tu- bipora wie bei Veretillum die Generationsorgane aus Zellen des Entoderms abzuleiten sind. Während wir bei den Siphonophoren und Aleyonarien wegen ihrer nahen Verwandtschaft mit Formen, die wir selbst erst neuer- dings untersucht hatten, auf eine erneute Prüfung verzichten konn- ten, erschien uns ein gleiches Verfahren bei den Acraspeden und Ctenophoren nicht zulässig. Denn weder ist die systema- tische Stellung der beiden Abtheilungen genügend aufgeklärt, noch reichen die vorhandenen Angaben über den Bau der Geschlechts- organe aus, um sich sei es für ihren entodermalen oder ektoder- malen Ursprung zu erklären; daher waren neue Beobachtungen durchaus nothwendig. Bei den Ctenophoren ergaben sich hierbei Resultate, die nur im Auszug mitgetheilt werden sollen, da ihre ausführlichere Dar- stellung den Gegenstand einer besonderen demnächst zu veröffent- lichenden Arbeit bildet. Bekanntlich liegen hier die Geschlechts- Die Actinien. 599 producte längs den Canälen, die unter den Plättchenreihen ver- laufen, in zwei Längsstreifen, in einem Streifen die weiblichen, in dem anderen die männlichen; sie sind dem entodermalen Epithel so dicht angeschmiegt und vom Ektoderm andererseits durch eine so ansehnliche Gallertschicht getrennt, dass jeder unbefangene Beobachter auf den ersten Blick wohl geneigt sein würde, sie aus dem Entoderm abzuleiten. In diesem Sinne hat sich denn auch der neueste Bearbeiter der CGtenophoren Chun (52—54) ausgespro- chen, der das verdickte Epithel der peripheren Seite der Gefässe geradezu den Mutterboden der Geschlechtsproduete nennt. Gleich- wohl verhalten sich die Verhältnisse anders und stammen sehr wahrscheinlich die Eier wie die Spermatozoen aus dem Ektoderm. Die Geschlechtsorgane entstehen als kleine Säckchen, die sich vom Ektoderm aus nach den Gastrovascularcanälen einsenken ; an- fänglich noch nach aussen mündend schnüren sie sich ab, indem ihre Verbindung mit dem Ektoderm sich zu einem dünnen Canal auszieht, der durch Obliteration des Lumens zu einem breiten Zellstrang wird. Wenn das Genitalsäckchen auf den Canal stösst, plattet es sich ab und verbreitert sich. Die an den Canal stos- sende Epithelseite, die schon von Anfang an verdickt war, wan- delt sich in Sexualzellen um und treibt abgerundet endende Zel- lenzapfen in die Lage grosser Entodermzellen hinein; die periphere Epithelseite, in welche der aus dem Verbindungscanal hervorge- gangene Zellstrang sich fortsetzt, ist steril und wird bei den männ- lichen Genitalsäckchen von platten, bei den weiblichen von blasigen Zellen gebildet; mit dieser Verschiedenartigkeit hängt es zusam- men, dass im ersteren Fall ein spaltförmiger Raum, ein Genitalsinus, vorhanden ist, der im anderen Falle fehlt. Jedes Säckchen er- zeugt nur Elemente einer Art, entweder weibliche oder männliche; zahlreiche Säckchen derselben Art bilden einen Längsstreifen. Was endlich die Acraspeden anlangt, so werden wir un- sere Beobachtungen über dieselben hier sogleich genauer schildern, indem wir 1. die Charybdeen, 2. die Discophoren und 2. die Calycozoen behandeln. 1. Die Geschlechtsorgane der Charybdeen. Charybdea marsupialis. Wenn wir von den in vieler Hinsicht abseits stehenden Caly- cozoen absehen, so zeigen die Charybdeen unter den Acraspeden die ursprünglichsten Verhältnisse; es drückt sich dies einmal darin aus, dass alle Organe. (Mesenterialfäden, Radialtaschen, Sinnes- 600 Oscar und Richard Hertwig, organe, Tentakeln) wie bei dem Scyphistoma in Vierzahl vorhan- den sind, während bei den übrigen Acraspeden viele derselben (Radialtaschen, Randkörper, Randlappen, Tentakeln) eine Vermeh- rung auf 3 und darüber erfahren haben; zweitens drückt sich aber auch der primitive Character der Charybdeen im Bau ihrer Geschlechtsorgane aus, so dass die Kenntniss derselben, wie wir später zeigen werden, uns erst den Schlüssel für das Verständniss der Geschlechtsorgane der Discophoren liefert. Ueber den Organismus der Charybdeiden handeln eine Anzahl Arbeiten von M. Edwards, Gegenbaur, F. Müller, Sem- per und Claus, von denen die Arbeit des letztgenannten For- schers erst neuerdings erschienen und bei weitem die ausführ- lichste ist, so dass es für uns genügt, dieselbe hier allein zu be- rücksichtigen. Wie Claus (59), dessen Angaben wir vollkommen bestätigen können, gezeigt hat, setzt sich der Magen der Cha- rybdea marsupialis in 4 Taschen fort, welche auf der unteren oder subumbrellaren Seite der Schwimmglocke bis zum Anfang des so- genannten Velum reichen und von einander nur durch 4 schmale in den Radien der 4 Tentakeln herablaufende Scheidewände ge- trennt sind. Die Scheidewände werden mit Recht als Verwach- sungsstreifen bezeichnet, weil sie einer Verlöthung des Gallert- schirms und der Subumbrella ihren Ursprung verdanken. Zum Zeichen dieser Entstehungsweise findet sich noch die Entoderm- lamelle oder Gefässplatte, eine dünne Zellenschicht, welche zwi- schen den Epithellagen benachbarter Taschen eine Art Verbin- dungshaut darstellt und dabei die umbrellare und subumbrellare Gallerte im Bereich der Scheidewand von einander trennt. In den 4 Radialtaschen sind die 8 lamellösen Geschlechtsor- gane der Art eingeschlossen, dass auf eine Tasche jedesmal zwei kommen, welche möglichst entfernt von einander an den die Ra- dialtasche beiderseits begrenzenden Verwachsungsstreifen entsprin- gen. An jedem der Verwachsungsstreifen sitzen daher zwei Ge- schlechtslamellen, welche in verschiedenen Radialtaschen liegen, aber gleichwohl aus später zu erörternden Gründen als ein zusam- mengehöriges Paar anzusehen sind. Die 4 Paare Genitallamellen sind in demselben Radius angebracht, wie die 4 Gruppen von Mesenterialfilamenten,, die sich am oberen Ende der Scheidewand erheben. Die Geschlechtsbänder befestigen sich fast in der ganzen Länge der Scheidewände zwischen der Subumbrella und der En- todermlamelle, sie gehören somit der subumbrellaren Wand des Die Actinien. 601 Gastrovascularsystems an. An geschlechtsreifen Thieren springen sie fast bis zur Mitte der Radialtasche vor, begrenzt von einem halbkreisförmigen Rand. Sie bestehen stets aus 3 Lagen, aus einer mittleren Lage, der Stützlamelle, welche die reifen Ge- schlechtsproduete enthält und an der Basis in die Gallerte der Scheidewand übergeht, und aus zwei Epithelschichten,, welche am freien Rand der Falte zusammenhängen und an der Insertionsstelle sich in die entodermale Auskleidung der Radialtaschen fortsetzen. Soweit stimmen männliche und weibliche Geschlechtsorgane überein; bei der weiteren Betrachtung besprechen wir zunächst die weiblichen. Claus hat nur jugendliche weibliche Charybdeen vor sich ge- habt, so dass er die Beschaffenheit der fertigen Ovarien nicht hat studiren können. Diese Lücke können wir durch die Untersuchung eines grossen Exemplars, das wir der zoologischen Station in Nea- pel verdanken, ausfüllen. Auf einem Querschnitt durch ein ge- schlechtsreifes oder wenigstens der Geschlechtsreife nahe stehendes Ovar (Taf. XXVI Fig. 1) erblickt man fast nichts als die grossen Eier, die so dicht gegen einander gedrängt sind, dass sie einan- der polygonal abplatten; sie sind in zwei Reihen angeordnet, von denen die eine der subumbrellaren Seite, die andere der umbrella- ren Seite der Ovariallamelle angehört; dabei alterniren die Eier der beiden Reihen mit einander, indem die der einen in die Zwi- schenräume der andern Reihe hineinragen. Jedes Ei besteht aus einem grobkörnigen Dotter und einem Keimbläschen mit Keimfleck; das letztere findet sich meist in dem Ende des Zellkörpers, welches nach der Oberfläche der Ovarial- lamelle schaut. Eine besondere Dotterhaut fehlt, dagegen werden die Eizellen von emander durch dünne Scheidewände getrennt, die immer da, wo ihrer mehrere zusammenstossen, sich dreieckig ver- breitern. Es sind dies die Ueberreste der Stützlamelle, welche durch die starke Ausbildung der Eizellen zurückgedrängt und zu einem Fachwerk umgewandelt worden ist, das am schönsten sicht- bar wird, wenn die Eier auf dünnen Schnitten herausgefallen sind. Auf beiden Seiten, nach aussen von den geschilderten zwei Reihen, liegen hier und da noch kleinere Eier, die auch noch von der Stützlamelle umschlossen sind und eine dritte und vierte unvoll- ständige Reihe zusammensetzen. Darauf hin folgt die epitheliale Bekleidung der Ovariallamellen, eine dünne unscheimbare Schicht cubischer Zellen, welche beim lebenden Thiere jedenfalls mit Flim- mern bedeckt sind. 602 Oscar und Richard Hertwig, Zwischen die Epithelzellen sind endlich noch vereinzelte Zel- len eingelagert, die sowohl wegen ihres dichteren Protoplasma als auch ihrer grossen intensiver gefärbten Kerne die Aufmerk- samkeit auf sich lenken und zweifellos Entwicklungsstadien von Eiern sind. Sie ruhen wie bei den Actinien auf der Stützlamelle auf und drängen die Basen der Epithelzellen aus einander; die kleinsten unter ihnen sind noch nicht so gross, als die Dicke des Epithels beträgt; beim Wachsthum dehnen sie sich zunächst nach der freien Fläche des Ovarium aus und erreichen dabei fast die Oberfläche des Epithels. Erst später verbreitern sie sich nach abwärts und kommen mit ihrem Körper erst theilweise, dann ganz in die Stützlamelle zu liegen. So kann schon an der ausgebildeten Charybdea der Beweis geführt werden, dass die Eier sich ursprünglich im Gastralepithel befinden und erst später in die Stützlamelle gerathen. Das gleiche Resultat lässt sich mit noch grösserer Leichtigkeit bei jungen Thieren gewinnen. Offenbar sehr jugendliche Exemplare hat Claus vor sich ge- habt; bei denselben hatte, wie aus der bildlichen Darstellung und Beschreibung hervorgeht, noch keine Eizelle das Epithel vollstän- dig verlassen. „In den Ovarien“, giebt Claus an, „nimmt das Mesoderm eine mehr faserige, lamelläre Structur an und erfüllt die Axe der Ovarialplatte, so dass das Keimlager von beiden Flä- chen der Stützsubstanz aufliegt.“ „Die Entodermzellen laufen am basalen Ende in auffallend lange Stützfasern aus, welche bis zur Mesodermplatte zu verfolgen sind, in die sie ohne Grenze über- zugehen scheinen. Die zwischen gelagerten Zellen des Keimlagers liegen auf der Mesodermachse auf und rücken mit fortschreitender Grössenzunahme auf Kosten der epithelialen Bekleidung der Ober- fläche zu. Indem die anliegenden Entodermzellen sich oberhalb der wachsenden Eier mehr und mehr verdünnen, werden im Um- kreis der letzteren follikelähnliche Räume gebildet, deren Wan- dung zuletzt wahrscheinlich an der Oberfläche dehiseirt, so dass das Ei nach aussen gelangen kann. Die jüngsten in der Tiefe gelegenen Keime sind kleine Zellen mit spärlichem Plasmahof und grossem homogenen Kern. Mit fortschreitender Grössenzunahme wird das Protoplasma körnerreicher, während sich der Kern in Keimbläschen und Keimfleck differenzirt.“ Wenn wir auch so frühe Stadien wie Claus nicht beobachtet haben, so konnten wir doch noch ein zweites Exemplar der Cha- rybdea marsupialis untersuchen, das in der Reife seiner Ovarien Die Actinien. 603 zwischen dem zuerst von uns besprochenen und dem von Claus geschilderten Exemplar etwa die Mitte hielt. Das Epithel war hier ebenfalls von hohen Cylinderzellen gebildet, zwischen denen die Eikeime lagen, die kleineren in der Tiefe und auf der Stütz- lamelle, die grösseren hervorgewölbt bis zur Oberfläche. Auch fanden sich Eizellen, deren stark angeschwollener Körper in die Stützlamelle hineinragte, die an Menge ansehnlich, aber nicht wie Claus angiebt, von faseriger Beschaffenheit war. Gänzlich aus dem Epithel ausgeschiedene Eier fehlten an manchen Stellen völlig, an andern Stellen waren sie vorhanden, bildeten aber auch hier nur eine einzige Reihe und liessen zwischen sich und dem Epithel reichliche Mengen von Stützsubstanz übrig. Männliche Thiere haben wir gar nicht und Claus nur auf ziemlich vorgerückten Entwicklungszuständen untersucht. Die Sper- matoblasten sind wie die reifen Eier in die Stützlamelle eingeschlos- sen und füllen quere Fächer aus, die durch dünne Lamellen der Stützsubstanz sowohl von einander, wie von der Epithelschicht getrennt werden. Dass auch sie ursprünglich aus dem Entoderm stammen, kann um so weniger fraglich sein, als in der Gallerte der Charybdeen ausserdem keine Zellen vorkommen und als eine Verbindung mit dem Ektoderm nirgends besteht. 2. Die Geschlechtsorgane der Discophoren. Pelagia noctiluca. Ueber den makroskopischen Bau der Geschlechtsorgane der Discophoren sind wir vornehmlich durch die der Hauptsache nach übereinstimmenden Angaben von L. Agassiz (5a. p.57) und Claus (58. p. 30—32) genügend unterrichtet, so dass wir uns mit einer kurzen zusammenfassenden Darstellung begnügen kön- nen. Demnach entstehen die Geschlechtsorgane in der subum- brellaren Wandung des Magens selbst oder besonderer Aussackun- gen desselben, der Gastrogenitaltaschen, als vier ansehn- liche Körper, die in die Radien zweiter Ordnung (Claus) oder die Interradien (Haeckel) fallen; sie liegen daher auf gleichen Linien mit den 4 Gruppen der Mesenterialfilamente und den 4 in- terradialen Randkörpern, während die übrigen 4 Randkörper in den Radien erster Ordnung oder perradial gestellt sind. Von einander getrennt werden die Geschlechtsorgane durch die kräftigen Basen oder Wurzeln der 4 Mundarme, welche von Claus die unpaaren Pfeiler genannt werden. Dieselben sind Nichts als Verdickungen des Gallertgewebes, das sich bei allen 604 Oscar und Richard Hertwig, Acraspeden zwischen der subumbrellaren, dem Ektoderm angehö- rigen Muskellage und dem subumbrellaren Epithel des Gastrovas- eularsystems vorfindet. Indem die verdickten Pfeiler nach der Schirmhöhle zu prominiren, entstehen zwischen ihnen vertiefte Stellen, die Subgenitalhöhlen oder die Schirmhöhlen der Geschlechtsorgane. Diese gewinnen das Aussehen besonderer Gruben noch weiter dadurch, dass sowohl nach dem Mittelpunkte des Schirmes zu als auch nach der Peripherie hin die subumbrel- lare Gallerte gleichfalls verdickt ist, dass sich ferner die Substanz der unpaaren Pfeiler von beiden Seiten eine Strecke weit über die Höhlung herüber legt, den Zugang zu derselben beschränkend. Demnach sind die Subgenitalhöhlen Räume, welche durch eine mehr oder minder weite Oefinung direct nach aussen in die Schirmhöhle münden, von dem Gastrovascularsystem dagegen, spe- ciell vom Magen, durch eine dünne Gallertschicht getrennt werden; da letztere leicht einreisst, so können sich bei unvorsichtiger Be- handlung Communicationen zwischen den Subgenitalhöhlen und dem Magen ausbilden, Artefacte, welche von früheren Autoren, namentlich von Ehrenberg, für normale Vorkommnisse gehalten worden sind. Die dünne am unverletzten Thiere undurchbohrte Gallert- schicht bringt die Geschlechtsproducte zur Entwicklung; bei den meisten Discophoren — z. B. bei der Pelagia noctiluca, an welcher wir unsere Untersuchungen angestellt haben und auf welche die hier gegebene Beschreibung daher in erster Linie Rücksicht nimmt — ist sie stark gefaltet und bildet eine Art Bruchsack, das Ge- nitalsäckchen, welches in normaler Lagerung in den Subgeni- talraum herabhängt und so einen mit dem Magen communiciren- den Binnenraum umschliesst, das aber künstlich auch wie ein Handschuhfinger umgestülpt werden kann, so dass es dann in den Magen hineinreicht, während der von ihm umgebene Binnen- raum nun umgekehrt von der Subgenitalhöhle aus zugänglich ist. Das Genitalsäckchen (Taf. XXVI, Fig. 7) ist nicht glattwandig, sondern seinerseits wieder mit grösseren und kleineren Aussackungen bedeckt. Bei Pelagia z.B. zerfällt es durch eine mittlere und zwei seitliche Einschnürungen in 4 Hauptlappen, von denen die zwei mittleren enger zusammengehören, so dass man auch, wie es vielfach geschieht, von 3 Hauptlappen reden kann. Jeder Haupt- lappen ist wieder mit zahlreichen kleinen Ausstülpungen bedeckt, deren Zahl um so grösser ist, je strotzender das ganze Organ mit Eiern oder Spermatozoen beladen ist, und so biegt und faltet sich Die Actinien. 605 das Genitalsäckchen krausenartig in complieirter Weise ein, damit für die Entwicklung der Geschlechtszellen genügender Platz ge- wonnen wird. Von den Wandungen des Organs ist nur ein bestimmter Be- zirk von der Gestalt eines breiten bandförmigen Streifens mit der Bildung der Geschlechtszellen betraut. Dieser Streifen oder das Genitalband (Taf. XXVI, Fig. 7 u. 3) liegt in der Gegend, in welcher das Säckchen seinen grössten Umfang hat und macht alle Faltungen und Einbiegungen desselben mit. Wenn wir hiervon absehen, besitzt es die Form eines Hufeisens, dessen Krümmung nach der Peripherie, dessen Schenkel nach der Mitte der Scheibe gewandt sind. Bei der Pelagia noctiluca sind die Enden der Schenkel einander fast bis zur Berührung genähert. Ausserdem schien uns auf der Höhe der Krümmung das Genitalband eine kleine Strecke weit unterbrochen zu sein, so dass dann in jedem Geschlechtsorgan vielmehr zwei Bänder oder ein Paar vorhanden sein würden. Dies wäre wichtig für die Vergleichung mit den Charybdeen, bei welchen acht ebenfalls paarweis vereinte Genital- blätter vorhanden sind, und ferner für die Vergleichung mit der Nausitho&, der einzigen Discophore, welche mit 8 Geschlechtsorganen versehen ist. Leider hatten wir kein genügendes Material, um über diesen Punkt zu sicheren Resultaten zu gelangen. Durch das Genitalband wird die Wandung des Genitalsäck- chens in einen proximalen und distalen Theil zerlegt; während letz- terer nichts von Interesse bietet, ist der erstere der Träger der Mesenterialfilamente (Fig. 7 u. 8vt), die, grössere und kleinere durcheinander, in mehreren Reihen gestellt sind, stets aber einen Zug beschreiben, der den Windungen des Genitalbandes parallel verläuft. Während soweit alle Verhältnisse durch die Beobachtungen früherer Forscher genügend geklärt sind, ist der feinere Bau der Genitallamelle, dieses wichtigsten Abschnitts des gesammten Or- gans, noch unvollkommen bekannt. Agassiz (5a. p. 13) weiss über dieselbe Nichts zu sagen, als dass sie die Eier und deren Entwi- cklungsstufen, als welche er kleine Körnchen (!) ansieht, umschliesst. Ausführlicher ist Claus (58. p.5, 24, 31), indem er folgende Schichten unterscheidet. Nach aussen (auf der ektodermalen Seite) liegt eine Schicht Epithelmuskelzellen, nach innen ein entodermales, Nesselzellen enthaltendes Oylinderepithel, dazwischen die Gallerte; vom Cylinderepithel wird durch eine Schicht flüssiger Gallerte das Keimepithel getrennt, aus dem die Eizellen hervorknospen 606 Oscar und Richard Hertwig, sollen. Dieselben sind bei Chrysaora, von der Claus die aus- führlichste Schilderung giebt, von einem Follikelepithel umhüllt, entwickeln sich im Inneren der Gallerte zu Gastrulae und durch- brechen schliesslich das Gastralepithel, um so in das Gastrovas- eularsystem und von da durch den Mund nach aussen zu gelangen. Diese Angaben enthalten zwar nichts Unrichtiges, sie sind aber nicht erschöpfend und bedürfen in einigen wichtigen Punkten der Ergänzung; namentlich wird durch die Beobachtungen von Claus nicht entschieden, ob die Zellen des Keimepithels und damit auch die Eier dem Entoderm oder dem Ektoderm angehören. Anfänglich rechnete sie daher auch Claus zum Entoderm, während er es später (60a. p. 231) für wahrscheinlicher erklärte, dass sie aus dem Ektoderm stammen und erst secundär unter den Ento- dermbelag gelangen. Schon ohne Mikroskop kann man am Genitalband manche wichtige Beobachtungen machen, wenn man ein Stück desselben sammt den angrenzenden Theilen des Säckchens herausschneidet, möglichst glatt ausbreitet und mit blossem Auge oder mit der Loupe betrachtet (Taf. XXVI, Fig. 8). Man wird dann gewahr, dass der proximale, den Mesenterialfilamenten (v!) zugewandte Rand des Bandes sich weniger scharf markirt, als der distale; dieser letztere ist eine wulstige, besonders deutlich bei männlichen Thieren hervortretende Lippe, die der Membran des Genitalsäck- chens wie aufgelagert erscheint. In der That gelingt es auch, mit einer Nadel zwischen die Lippe und die Membran einzudringen, ja bei einiger Ausdauer gelingt es sogar, diese auf Strecken ab- zustreifen und vom Genitalband zu entfernen. Stellenweise stösst man dabei auf Widerstand, welcher, je mehr man sich dem proxi- malen Rand nähert, um so mehr zunimmt und wie wir bei der mikroskopischen Untersuchung später noch genauer sehen wer- den, von Verwachsungen herrührt. Wenn sich schon in der geschilderten Weise die Anschauung gewinnen lässt, dass das Genitalband in der That eine Lamelle ist, weiche der Säckchenwand von Innen aufgelagert und mit ihr mehr oder minder fest verbunden ist, so wird dieselbe durch Quer- schnitte noch weiter sicher gestellt und ergänzt. Betrachten wir zunächst im Anschluss an die Figur 6, Tafel XXVI die Verhält- nisse, wie sie uns bei weiblichen Medusen entgegentreten. Die Wandung des Genitalsäckchens (vergl. auch Taf. XXV, Fig. 1, 2, 3, 6) besteht aus drei Schichten: 1. den Epithel- muskelzellen des Ektoderms (ek), kleinen cubischen Elementen Die Actinien. 607 mit relativ grossen Kernen, unter denen eine Lage (auf dem Schnitt quer getroffener) Muskelfasern (m) nachweisbar ist; 2. einer dün- nen Schicht einer homogenen Gallerte; 3. einer Schicht Entoderm- zellen (en). Diese sind hohe Cylinderzellen mit deutlichen Kernen, dazwischen hie und da Nessel- und Drüsenzellen, von welchen letztere durch ihren bauchig aufgetriebenen, in Carmin sich intensiv färbenden Körper schon auf Flächenpräparaten auffallen. Von der inneren oder entodermalen Seite der besprochenen Membran entspringt das Ovarialband mit seinem proximalen, den Mesenterialfilamenten zugekehrten Rande; es bildet eine Falte, welche in das Innere des Genitalsäckchens vorspringt, der Wan- dung desselben aber so dicht angeschmiegt ist, dass nur ein schmaler Zwischenraum zwischen beiden Theilen bestehen bleibt. Diesen Zwischenraum nennen wir den Genitalsinus (Taf. XXVI, Fig. 6; Taf. XXV, Fig. 1, 2, 3, 6si); er steht da, wo das Ovarialband frei endet, mit dem Raum des Genitalsäckchens im Zusammenhang und ist somit im Wesentlichen nur ein besonderer Abschnitt des- selben; auf der anderen Seite, wo das Ovarialband entspringt, endet er blind geschlossen. Das Epithel des Genitalsinus (en’ und en”) wird, ab- gesehen von einigen noch besonders zu beschreibenden Stellen, an denen es eine anderweitige Beschaffenheit annimmt, von kleinen, platten, endothelartigen Elementen zusammengesetzt. Dies gilt sowohl von der parietalen (en‘) als auch von der visceralen Seite (en”), d.h. von der Seite, welche die Wand des Genitalsäckchens bilden hilft, wie von der Seite, welche dem Ovarialbande angehört. Das parietale Epithel geht am Rand des Genitalsinus continuirlich in das hohe Cylinderepithel über, welches das Gastrovascular- system auskleidet und ebenso verändert hier das viscerale Epithel seinen Charakter und verdickt sich, um als Cylinderepithel die ga- strale Fläche des Ovarialbandes zu überziehen (Taf. XXV, Fig. 5). Um das Ovarialband in seiner Stellung zu befestigen, spannen sich quer durch den Genitalsinus von der visceralen zur parietalen Seite kleinere und grössere, dünnere und dickere Bälkchen aus (Taf. XXVI, Fig. 2); es sind von platten Epithelzellen bedeckte Gallertfäden, welche es bedingen, dass das Band nur mühsam von der Säckchenwand abgezogen werden kann und dass es von dieser bisher nicht als eine besondere Lamelle unterschieden worden ist. _ Was nun den feineren Bau des Ovarialbandes selbst anlangt, so ist seine Grundlage eine Gallertschicht von nicht un- bedeutender Stärke, welche nur da, wo sie in die subumbrellare 608 Oscar und Richard Hertwig, Gallerte der Wand des Genitalsäckchens übergeht, verdünnt ist. An dieser Stelle (Taf. XXV, Fig. 1) erscheint sie auf Querschnitten nur als ein dünnes Fädchen, welches bei einiger Dicke des Schnittes ganz übersehen werden kann, so dass es dann den Anschein ge- winnt, als ob auch hier das Epithel des Genitalsinus und das Gastralepithel unmittelbar in einander übergingen. In der Gallertschicht sind die Eizellen eingebettet, welche in ihrem Vorkommen auf das Ovarialband beschränkt und in ihm in sehr regelmässiger Weise vertheilt sind. Sie bilden eine einzige Reihe, die dicht unter dem visceralen Sinusepithel liegt, von dem Gastralepithel aber durch eine breitere Lage von Gallerte getrennt wird; am kleinsten sind sie im basalen Theil des Ovarialbandes und nehmen sie nach dem freien Rand desselben beständig an Grösse zu. Den freien Rand selbst erreichen sie nicht, sondern hören in einiger Entfernung auf, so dass der letzte sterile Theil des Ovarialbandes nur eine dünne, epithelbedeckte Gallertlamelle ist (Taf. XXV], Fig. 6; Taf. XXV, Fig. 5). Noch schöner als an Querschnitten überblickt man die Ver- theilung der Eizellen an Flächenpräparaten, die man sich anfertigt, indem man die Wand des Genitalsäckchens abzieht. Dann über- zeugt man sich, dass an der Basis der Ovariallamelle eine Art Keimzone existirt, gebildet von kleinen dichtgedrängten Eikeimen, welche nach dem freien Rande grossen und weiter aus einander gerückten Eizellen Platz machen. Die nahezu reifen Eizellen (Taf. XXVI, Fig. 3) sind an- schnliche, feinkörnige, im frischen Zustand bräunlich pigmentirte Körper mit einem excentrisch dicht unter der Oberfläche gelegenen Keimbläschen, welches einen Keimfleck enthält; sie sind einzeln von der Gallerte allseitig umschlossen, doch so, dass diese nach dem Genitalsinus nur als eine dünne Membran nachweisbar ist. Der durch das Keimbläschen ausgezeichnete Theil des Eies grenzt constant an das Sinusepithel (en”), welches in dieser Gegend einen besonderen Charakter annimmt. Seine Zellen werden hoch cylin- drisch und von Vacuolen aufgetrieben, so dass das Protoplasma nach der Basis, wo auch der Kern liegt, zusammengedrängt wird, nach der Peripherie dagegen nur noch in Gestalt eines zarten Netzwerks auftritt. Von einander werden die Zellen durch dünne Membranen getrennt; in ihrer Gesammtheit bilden sie eine Schicht, die auf Querschnitten der Peripherie des Eies wie eine Krone auf- sitzt, von der Fläche dagegen gesehen wie facettirt aussieht, ähn- lich der Zellenschicht, welche die Hörgrube von Mitrocoma bedeckt. Die Actinien. 609 Bei den kleineren Eizellen (Fig. 2) fehlen die blasigen Zellen; sie sind von einem Epithel bedeckt, das entweder wie sonst ein dünnes Häutchen ist oder sich zu verdicken beginnt, wodurch die Zellen- krone der reifen Eier vorbereitet wird. Von der grössten Bedeutung ist endlich die genaue Unter- suchung der schon oben von uns gelegentlich als Keimzone be- zeichneten Gegend, weil dieselbe uns über die Entwicklungs- weise und Abstammung der Eier Aufschluss verschafit (Taf. XXV, Fig. 1). Im Hintergrund des Genitalsinus gehen, wie wir oben gesehen haben, dessen parietale und viscerale Epithelbeklei- dung in einander über und nähern sich dabei dem Gastralepithel so sehr, dass die Gallerte des Ovarialbandes zu einen äusserst dünnen Streifen wird. Hier verdickt sich nun das viscerale Sinus- epithel und besteht im Winkel selbst aus cubischen oder cylin- drischen Zellen; dann folgen rundliche Elemente mit relativ gros- sem Kern und Kernkörperchen, bei welchen es nicht zweifelhaft sein kann, dass sie, zum Theil wenigstens, die Keime künftiger Ei- zellen sind. Einige von ihnen reichen bis an die Oberfläche und sind somit Theile des Epithels selbst, andere liegen mehr in der Tiefe. Ein Unterschied zwischen Ei- und Epithelzellen lässt sich hier nicht machen, da es indifferente Formen giebt, von denen man ebensowohl annehmen kann, dass sie bestimmt sind, durch Grössenzunahme sich zu Eiern umzuwandeln, als auch, dass sie sich später zu Epithelschüppchen abplatten werden. Ein solcher Unterschied prägt sich erst weiter nach der Peripherie zu aus, wo das Epithel zu einem Plattenepithel wird. Die Eier besitzen hier eine eigenthümliche birnförmige Gestalt; mit dem angeschwol- lenen Ende sind sie nach der gastralen Seite zugewandt, mit ihrer Spitze befestigen sie sich an das Epithel; ja es sah häufig sogar aus, als ob die Spitze selbst noch zwischen die Epithelzellen eindringt. Bei dem allmähligen Uebergang, der in der Keimzone zwischen dem Epithel und der Schicht der Eier existirt, kann es nicht zweifelhaft sein, dass diese aus der Umwandlung von Epithelzellen entstehen und erst secundär in die Tiefe rückend in die Gallerte aufgenommen werden. Da das Epithel nun mit der Auskleidung der Gastralräume in continuirlichem Zusammenhang steht, Können die Eizellen nur als Abkömmlinge des Entoderms an- gesehen werden. Bei den männlichen Geschlechtsorganen (Taf. XXV, Fig. 2. 3. 6) kehren in vieler Beziehung ähnliche Verhältnisse Bd. XII. N. F. VI, 4. 39 610 Oscar und Richard Hertwig, wieder wie bei den weiblichen. Auch hier erhebt sich nach aussen von den Mesenterialfilamenten von der Wand des Genitalsäckchens eine die Hodenfollikel enthaltende Falte, auch hier legt sich diese Falte dicht an die Wand, welche ihr den Ursprung gegeben hat, und wird an ihr stellenweise durch Gallertfäden so eng be- festigt, dass beide Membranen scheinbar ein zusammengehöriges Ganze bilden, während doch dazwischen ein mit dem Gastrovas- cularsystem zusammenhängender Raum, der Genitalsinus, erhalten bleibt. Auch hier ist das Epithel des Genitalsinus sowohl auf der parietalen wie visceralen Seite flach, während es im Gastralraum aus cubischen Zellen besteht. Auch hier findet sich endlich am Grunde des Genitalsinus eine Keimzone, von welcher aus die Reife der Geschlechtsproducte zunimmt, je mehr wir uns dem freien Rand der Genitalfalte nähern. Wir können daher von der all- gemeinen Schilderung aller dieser Verhältnisse Abstand nehmen und direct auf die Bildung und Entwicklung der Hodenfollikel selbst eingehen. Wenn wir mit der Keimzone (Fig. 2 und 5) beginnen, so begegnen wir am Anfang derselben einem Epithel von grossen Zellen, die in einer einzigen Lage angeordnet sind. Dies ist jedoch nur eine kurze Strecke weit der Fall, dann verdickt sich das Epithel zu rundlichen Zapfen, die in die Gallerte ragen und die Anlage der Hodenfollikel vorstellen. Die kleinsten sind solid und Setzen sich aus Zellen zusammen, die radial um einen Mittelpunkt gruppirt sind und deren Kerne nach der Peripherie zu liegen; die grösseren besitzen dagegen einen Hohlraum, der von den Zellen in einschichtiger Lage umgeben wird; der Hohlraum schien mit dem Genitalsinus zu communiciren, so dass dem Hodenfollikel der Bau einer tubulösen Drüse zukommen würde. Ueber diesen letz- teren Punkt sind wir jedoch nicht zu völlig sicheren Resultaten ge- langt, weil das von uns untersuchte Material hierzu nicht ge- eignet war. Der Hohlraum im Innern wird deutlicher bei grösseren Ho- denfollikeln (Fig. 4 und 6), welche nunmehr vollkommen abge- schnürt als ovale Körper unter dem Epithel in der Gallerte la- gern und nur eine einzige Schicht grosser Zellen erkennen lassen. Bei fortschreitender Reife theilen und vermehren sich die Zellen bis endlich aus ihnen die kleinen Spermatoblasten hervorgehen. Dabei wächst der ganze Follikel und verändert in eigenthümlicher Weise seine Gestalt; er bildet blindsackförmige Ausstülpungen, die sich ihrerseits wieder verästeln und sich in maeandrischen Win- Die Actinien. 611 dungen mit Ausläufern von anderen Hodenfollikeln verschlingen ; schliesslich steht man bei der Betrachtung von Querschnitten einem unentwirrbaren Durcheinander von Strängen gegenüber, an denen man nicht mehr feststellen kann, welche Fortsätze dem einen Ho- denfollikel und welche dem anderen zukommen. Klarere Bilder gewinnt man auf Flächenschnitten der Genitalfalten; man vergleiche hierüber das in Figur 4 auf Tafel XXV abgebildete Stück eines Flächenschnitts, welcher einige jüngere Hodenfollikel mit ihren Blindsäcken bei schwacher Vergrösserung darstellt. Zum Unterschied von den Ovariallamellen, bei denen die Eier früher aufhören, reichen bei männlichen Genitalfalten die Hoden- follikel bis zum freien Rand, so dass hier die Falte ihre grösste Dicke erreicht (Fig. 6). Das wichtigste Resultat der mitgetheilten Untersuchungen ist der Nachweis, dass die Spermatoblasten sich wie die Eier durch Vermittelung des Sinusepithels von dem Ento- derm ableiten; dabei ist jedoch ein Unterschied vorhanden, insofern die Eizellen einzeln aus dem Epithel ausscheiden und in die Gallerte gelangen, die Spermatoblasten in grosser Zahl; die Eizellen entwickeln sich anfänglich wie einzellige, die Hodenfol- likel wie vielzellige Drüsen. Ein weiteres Resultat ist darin gegeben, dass es auf Grund der referirten Beobachtungen möglich ist, die Geschlechts- organe der Pelagia und der ihnen nahestehenden Discophoren auf die der Charybdeiden zurückzufüh- ren. Schon Claus hat mit Recht hervorgehoben, dass die 4 Paar Genitalblätter der Charybdea Marsupialis den 4 Genitalsäckchen der Acraspeden homolog sind, weil sie mit den Mesenterialfila- menten in gleichen Radien liegen; er liess dabei unberücksichtigt, dass nach der damals allgemein verbreiteten Auffassung vom Bau der Genitalsäckchen die Geschlechtsproducte bei den Discophoren in den Wandungen des Gastrovascularsystems selbst, bei den Cha- rybdeen dagegen in besonderen Falten eingeschlossen sein würden. Die Schwierigkeiten, welche sich aus dieser irrthümlichen Auffas- sung für die Vergleichung ergaben, sind nun durch den Nachweis beseitigt, dass auch bei den Acraspeden die Geschlechtsorgane Falten sind, die in den Magen hineinragen und nur deswegen nicht den Eindruck von Falten machen, weil sie der Wandung des Säck- chens dicht angeschmiegt sind. Da nun jedes der 4 Geschlechts- organe der Charybdeen aus zwei Theilen zusammengesetzt ist, so wäre es von Interesse zu wissen, ob nicht das Geschlechtsband 39 * ee 612 Oscar und Richard Hertwig, der Acraspeden ebenfalls aus paarigen Theilen besteht. Einige von uns gemachte Beobachtungen weisen darauf hin, doch sind sie nicht darnach angethan, um eine bestimmte Antwort zu geben, sondern nur um die Aufmerksamkeit auf diesen Punkt zu lenken. Daraus dass die Geschlechtsorgane der Acraspeden Falten sind, erklären sich Beobachtungen, die J. Clark (56. p. 51) über die Ent- leerung der reifen Eier und Spermatozoen gemacht hat und die er in folgender Weise wiedergiebt. „Wenn die Masse der Ge- schlechtszellen völlig reif ist, so spaltet sich die innere Wand sammt der Gallertschicht und sammt der Muskellage (!), so weit als diese die fragliche Masse umhüllt, von der äusseren Wand längs zwei den beiden Rändern des Genitalorgans entsprechenden Linien ab und hängt lose nach Art eines Bandes in den verdauen- den Hohlraum herab. Von der neu geschaffenen Wundfläche des Bandes gerathen die Eier und Samenelemente in den Hauptraum der Scheibe.“ Die Beobachtungen des amerikanischen .Forschers sind jedenfalls richtig, ihre Deutung jedoch eine irrige; es wird keine Wundfläche geschaffen, kein Theil der Wandung abgespal- ten; sondern offenbar reissen nur unter dem Druck der sich ent- leerenden Geschlechtsproducte die Haltefäden, vielleicht stellen- weise auch die stark verdünnte Basis der Falte durch, so dass diese sich nun zu erkennen giebt als das, was sie auch früher war, ein bandartiger auf der einen Seite festgewachsener Streifen. Nachdem wir so die übereinstimmenden Merkmale hervorgeho- ben haben, müssen wir auch die wichtigeren Unterschiede, die zwischen den Geschlechtsorganen der Charybdeen und der Pe- lagien thatsächlich vorhanden sind, erörtern. Bei ersteren ent- stehen die Eikeime auf beiden Seiten der Falte und auf jeder wie- derum allerorts; bei letzteren ist die Production nicht nur auf eine Seite beschränkt, während die andere, die gastrale, dauernd steril ist, sondern auch auf der fruchtbaren Seite ist es nur ein schmaler, dem Ursprung der Falte parallel verlaufender Streifen, der allein als Keimzone fungirt. Indessen kann es sich hier nur darum handeln, dass das bei den Charybdeen noch erhaltene ur- sprüngliche Verhalten einem höher ditferenzirten Zustand bei den Acraspeden Platz gemacht hat. 3. Die Geschlechtsorgane der Calycozoen. Craterolophus Tethys. Mit den acraspeden Medusen wurde zuerst von Lamarck und später von Huxley, Agassiz und zahlreichen anderen For- Die Actinien. 613 schern die kleine Gruppe der Lucernarien vereinigt. Die Berech- tigung dieses Verfahrens ist fast durch alle neueren Arbeiten, vor Allem durch die Beobachtungen von Clark, Taschenberg, Claus und Kling vollständig bestätigt worden, wesshalb auch wir nicht um- hin können, diese Thiere hier, wo wir über die Geschlechtsorgane der Acraspeden handeln, in den Kreis unserer Betrachtungen zu ziehen. Unsere Untersuchungen wurden an Exemplaren angestellt, die wir vor längerer Zeit auf Helgoland gesammelt und in absolutem Alkohol conservirt hatten. Dieselben gehören alle einer Art an, die in der Neuzeit von Kling unter dem ihr von Clark gege- benen Namen Craterolophus Tethys, von Taschenberg als neue Art, Lucernaria Leuckarti, beschrieben worden ist. Wir behalten die Bezeichnung Craterolophus Tethys als die ältere bei. Rufen wir uns zunächst die Grundzüge der Lucerna- rienorganisation ins Gedächtniss, so haben wir einen Körper vor uns von der Gestalt eines flachen Bechers oder auch eines stark gewölbten umgekehrten Schirmes, dessen Rand in 8 häufig paarweis genäherte, an ihrem Ende von einem Tentakelhaufen be- deckte Fortsätze oder Arme ausgezogen ist, dessen convexe Seite sich in einen auf Algen festsitzenden Stiel verlängert, während die concave oder subumbrellare Seite in ihrer Mitte das viereckige Magen- oder Mundrohr und am Ende desselben die Mundöff- nung trägt. Durch den Mund gelangt man direct in den Magen, den ansehnlichsten Abschnitt des coelenterischen Systems, welches sich ferner einerseits in die Scheibe, andererseits in den Stiel fort- setzt. Der weite in der Scheibe enthaltene und bis zu ihrem Rande reichende Hohlraum zerfällt durch 4 schmale radiale Sep- ten, die in ihrer Lagerung genau der Einbuchtung zwischen zwei einander genäherten Armen entsprechen, in die 4 Radialta- schen oder Radialkammern, die nur am Scheibenrand durch eine Art Ringeanal verbunden sind. Auch der Hohlraum des Stieles wird durch 4 leistenartige Vorsprünge, Verlängerungen der Radialsepten, mehr oder minder vollständig abgetheilt und ver- wandelt sich auf diese Weise bei manchen Arten in 4 Längscanäle, die nur im oberen "Theile des Stieles unter einander communiciren. Bei unserem Untersuchungsobject fanden sich noch 4 weitere gastrovasculare Räume, welche wir die Gastrogenitaltaschen nen- nen wollen; es sind Ausstülpungen des Magens, die in der sub- umbrellaren Wand der Radialtaschen nach dem Schirmrand zu verlaufen, ohne diesen selbst zu erreichen; sie sind nicht so an- sehnlich und breit, wie die Radialtaschen und werden daher von 614 Oscar und Richard Hertwig, den Septen jederseits durch ein Stück der subumbrellaren Wand der Radialtaschen, in welchem ein starker Muskelstrang enthalten ist, getrennt. Ein Querschnitt durch den Schirm, parallel und nahe dem Rand geführt, ergiebt daher in einem jeden Quadran- ten zwei Räume übereinander, von denen der grössere die Radial- tasche, der kleinere die Gastrogenitaltasche ist. Letztere tritt, wenn man, in der angegebenen Richtung weiter schneidend, sich vom Schirmrand entfernt, mit dem Magen in weite Verbindung. Dadurch, dass die vom Magen aus hervorgestülpten Gastro- senitaltaschen die Subumbrella nach der Schirmhöhle zu stark hervorwölben, entstehen 4 mit ihnen alternirende sackförmige Ver- tiefungen, die Intergenitaltaschen. Dieselben hängen, wie schon aus dem Gesagten ersichtlich ist, mit dem Gastrovascular- system nirgends zusammen, vielmehr münden sie mit weiter Oeff- nung in die Schirmhöhle, während sie sich nach abwärts verengern, bis sie ganz in der Tiefe, da wo Magen, Radial- nnd: Gastroge- nitaltaschen sich verbinden, blind endigen. Jede Gastrogenitaltasche (Taf. XXV, Fig. 10) besitzt 4 Wände, durch eine Wand wird sie von der Schirmhöhle, durch eine zweite von der Radialtasche, durch die dritte und vierte von den angrenzenden Intergenitaltaschen getrennt. Die beiden letztge- nannten Wände sind für unsere weitere Beschreibung von Wich- tigkeit, weil in ihnen die Geschlechtsorgane liegen. Die Geschlechtsorgane sind bandförmige Streifen, welche am Magen beginnen und bis zum Ende der Gastrogenitaltaschen reichen. Anfänglich sind sie schmal und glatt, je mehr man sich aber der Peripherie nähert, um so mehr verbreitern und falten sie sich (Fig. 11). Dadurch werden Aussackungen der Wand der Gastrogenitaltasche hervorgerufen, welche abwechselnd in diese, abwechselnd in die Intergenitaltasche hervorragen. Alle Aussa- ckungen sind etwas schräg zur Längsrichtung des Genitalbandes gestellt, was insofern Beachtung verdient, als dadurch, wie wir später sehen werden, das Verständniss der Querschnittsbilder er- schwert wird. Im Ganzen sind 8 Genitalbänder vorhanden, zwei in jeder Gastrogenitaltasche. Diese zwei sind am blinden peripheren Ende der Tasche am meisten genähert, ohne jedoch hier zusammenzu- hängen, entfernen sich dagegen nach der Axe des Körpers zu etwas von einander, weil die Tasche sich erweitert. Hierbei nä- hern sich die zugewandten Genitalbänder benachbarter Taschen, bis sie nur noch durch eine schmale Stelle der Magenwand, welche Die Actinien. 615 dem Septum der Radialtaschen entspricht und die Hauptmasse der Mesenterialfilamente trägt, von einander getrennt werden. Eine Verschmelzung, welche Claus (59. p. 12) anzunehmen scheint, und die nach Clark’s Angaben (55. p. 555) bei einigen Arten vor- handen ist, bei anderen fehlt, tritt somit beim Craterolophus Thetys nicht ein. Um vom Bau der Genitallamellen ein vollständiges Bild zu erhalten, muss man in zwei Richtungen Schnitte durch die Ga- strogenitaltaschen legen, Querschnitte und Flächenschnitte, d.h. Schnitte, welche das eine Mal senkrecht zur Subumbrella und parallel dem Schirmrand (Taf. XXV, Fig. 10), das andere Mal pa- rallel der Subumbrella (Taf. XXV, Fig. 11) geführt sind. Letztere werden die zwei Genitallamellen einer Tasche ihrer ganzen Länge nach treffen. Querschnitte ergeben je nach dem Orte, dem sie entnommen sind, sehr verschiedene Bilder; der in Figur 10 dargestellte Schnitt ist durch das periphere Ende der Gastrogenitaltasche gelegt, die an beiden Seiten durch die Muskeln (m) begrenzte Lamelle ist die Subumbrella, welche nach abwärts von dem entodermalen Epi- thel (en) der Radialtasche, nach aufwärts vom Ektoderm (ek) be- kleidet ist; die Radialtasche selbst d.h. ihre anderweitigen Be- grenzungen, die Septen und die umbrellare Gallerte, sind nicht dargestellt. In der Mitte der subumbrellaren Lamelle eingeschlos- sen und dieselbe nach der Schirmhöhle zu hervorwölbend liegt die Gastrogenitaltasche (gt), deren seitliche Wandungen durch die Einlagerung der Geschlechtsorgane verdickt sind. Auf der linken Seite erblickt man neben der Gastrogenitaltasche noch eine Her- vorwölbung (ebenfalls mit gt bezeichnet) und in derselben ein Lu- men; dies rührt daher, dass hier vom Schnitt eine der seitlichen Ausbuchtungen der Gastrogenitaltasche getroffen worden ist, die ja, wie oben hervorgehoben wurde, stets etwas schräg nach vorn gerichtet sind. Würde man einen Querschnitt mehr durch das centrale Ende einer Gastrogenitaltasche legen, so würde die an die Radialtasche grenzende Scheidewand sich gar nicht verändern, die Genitalbän- der nur insofern, als die seitlichen Aussackungen wegfielen; ver- ändern würde sich dagegen die vierte Seite, sie würde zunächst mit der Magenwand verschmelzen, dann würden beide verschwin- den und die Gastrogenitaltasche nunmehr mit dem Magenraum in offener Communication stehen. Mit Hilfe der Flächenschnitte (Fig. 11) überzeugt man sich 616 Oscar und Richard Hertwig, ferner, dass die Geschlechtszellen an manchen Stellen des Geni- talbandes fehlen. Dies ist regelmässig der Fall auf der Höhe einer jeden in die Intergenitaltasche vorragenden Aussackung oder Faltung, wo das Entoderm sich dem Ektoderm so sehr nähert, dass beide nur noch durch eine dünne Stützlamelle von einander getrennt werden. Auf diese Weise wird jedes Genitalband in ein- zelne Stücke abgetheilt, von denen ein jedes von der Höhe einer Falte bis zur Höhe der nächsten reicht. Auf den feineren Bau eingehend besprechen wir zunächst die weiblichen Geschlechtsorgane (Taf. XXV, Fig. 8). Jedes Ovarialband ist von zwei Epithelschichten bedeckt, 1) von einem ektodermalen Epithel (ek), welches der Subumbrella, genauer gesagt, dem die Intergenitaltasche begrenzenden Theil derselben an- gehört und aus kleinen cubischen Zellen besteht, und 2) von einem entodermalen Epithel (en), welches die Gastrogenitaltasche auskleidet und vorwiegend von hohen cylindrischen Elementen ge- bildet wird. Zwischen die basalen Theile der letzteren schieben sich wie fast überall im Entoderm rundliche Körper ein, die von Kling (74. p. 151) wohl mit Recht als Drüsenzellen gedeutet wer- den. Beide Epithelschichten werden von einander durch eine an- sehnliche Gallertlage, das Stroma der Geschlechtszellen, getrennt. Die in der Gallerte eingebetteten Haufen von dichtgedrängten Eiern und Eikeimen grenzen fast unmittelbar an das Entoderm, dagegen nie direct an das Epithel der Intergenitaltasche an; viel- mehr schiebt sich eine dünne Gallertschicht dazwischen und dann noch ein Spaltraum, der Genitalsinus (si), auf den erst nach innen die Eier folgen. Der Genitalsinus, ein bisher übersehener, für das Verständniss der Geschlechtsorgane aber sehr wichtiger Be- standtheil, tritt am deutlichsten auf Querschnitten hervor, die zur Ovariallamelle genau senkrecht sind, was bei der complieirten Faltung in einer Schnittserie nur selten zutrifft. Er erstreckt sich hier so weit als die Eier reichen und besitzt — wenigstens war dies bei den von uns untersuchten, in Alkohol conservirten Thieren der Fall — ein ziemlich weites Lumen. Wie Flächenschnitte (Fig. 11) lehren, ist nicht ein einziger Genitalsinus wie bei den Discophoren in jeder Ovariallamelle vor- handen, sondern es giebt deren eine grosse Zahl; in jeder Aus- sackung finden sich 5—8 Sinus, die mit einander nirgends in Verbindung stehen. Jedem derselben entspricht eine besondere Portion von Eizellen, die sich nach innen von ihm zu einem Hau- fen gruppiren. So wird die Ovariallamelle nicht allein in der Die Actinien. 617 schon oben besprochenen Weise abgetheilt, sondern jede Abthei- lung setzt sich selbst wieder aus so und so viel Eihaufen mit dem jedesmal dazu gehörenden Sinus zusammen. Die Genitalsinus (Fig. 8 und 12) werden von einem einschich- tigen Epithel ausgekleidet, das auf der äusseren, der Intergeni- taltasche benachbarten Seite cubische Zellen aufweist, auf der inneren Seite dagegen stets fach und „endothelartig“ ist. An die Epithelzellen der inneren Seite schliessen sich an den meisten Stellen die Eihaufen unmittelbar d.h. ohne die Dazwischenkunft einer trennenden Gallertschicht an; auch in ihrer histologischen Be- schaffenheit lässt sich zwischen beiden Theilen keine Grenze ziehn; vom Epithel ausgehend verfolgt man, wie die Zellen grösser wer- den, grössere Kerne erhalten und so mehr und mehr die Charak- tere von Eizellen annehmen. Nur die nahezu reifen Eier sind abgelöst und liegen einzeln in der Gallerte, von ihr mit einer dün- nen Schicht rings umgeben und durch gegenseitigen Druck poly- gonal abgeplattet. Jüngere und ältere Eizellen sind zu rundlichen Gruppen ver- eint, die der inneren Sinuswand aufsitzen (Fig. 12). Die jünge- ren bilden gewöhnlich die Axe einer Gruppe, einen Zellenstrang, der wie ein Zapfen vom Epithel des Sinus in die Gallerte ge- wuchert ist und rings von älteren abgelösten und einzeln in der Gallerte liegenden Eizellen umschlossen wird; oder es ist umge- kehrt, die abgelösten älteren Eier finden sich in der Mitte und rings herum liegen die mit dem Epithel noch in Zusammenhang stehenden jüngeren Zellen. An seinem der Radialtasche zugewandten Ende geht jeder Genitalsinus in einen Ausführungsgang über (Fig. 80d), der schon nach kurzem Verlauf in die Gastrogenitaltasche mündet. Die Ein- mündung erfolgt in dem Winkel, den die Ovariallamelle und die Scheidewand zwischen den beiden genannten Taschen mit einan- der bilden; ihre Stelle ist dadurch bezeichnet, dass das ento- dermale Epithel hier zu einer mehr oder minder deutlichen rin- nenförmigen Vertiefung (Fig. 7) eingezogen ist. Trotz seiner Kürze besteht der Ausführungsgang aus zwei durch eine ringförmige Ein- schnürung gegen einander abgegrenzten Abschnitten. Beide Ab- schnitte sind von einem hohen Cylinderepithel ausgekleidet, das wie Querschnitte durch den Ausführgang lehren, nur ein ganz ge- ringes Lumen im Inneren freilässt; die cylindrischen Epithelzellen sind in dem an den Sinus grenzenden Abschnitt feiner als in dem 618 Oscar und Richard Hertwig, die Verbindung mit dem Gastralepithel vermittelnden Abschnitt; jene gehen allmählig in das Epithel des Sinus über. Dass in der That die besprochenen Canäle als Ausführgänge der Geschlechtsproducte fungiren, wurde dadurch bewiesen, dass wir in ihnen nicht selten abgelöste Eier angetroffen haben (Fig. 701). Die Eier besassen kein Keimbläschen mehr und waren mit einer Dotterhaut umgeben, so dass sie als reife Eier angesehen werden müssen; bei einem 'Thier waren sie nur vereinzelt, bei einem an- deren in grosser Menge vorhanden; im letzteren Falle dehnten sie nicht allein den Ausführgang, sondern auch den von ihnen gleichfalls erfüllten Sinus bedeutend aus. Im Zusammenhang mit dem Sinus erhält man die Ausführ- gänge gewöhnlich nur auf Querschnitten (Fig. 8). Hat man auf diese Weise einen Ausführgang zur Anschauung gebracht, so muss man erst eine Anzahl weiterer Schnitte anfertigen, ehe man auf einen neuen Canal stösst. Wenn es schon durch diese Beobach- tung sicher gestellt wird, dass die Ausführgänge ebenso wenig wie die Sinus untereinander zusammen hängen, so gewinnt man noch grössere Sicherheit über diesen Punkt durch eine Serie von Flächenschnitten. Die ersten Schnitte — d.h. die Schnitte durch den nach der Schirmhöhle gewandten Abschnitt — ergeben das schon besprochene Bild: die breiten Genitalsinus auf der ekto- dermalen, die Eihaufen auf der entodermalen Seite. Auf den spä- teren Schnitten, welche den Radialtaschen sich nähern, nehmen die Sinus mehr den Charakter von Canälen an; endlich erhält man Schnitte, auf denen keine Eikeime, sondern nur die Quer- schnitte der Ausführgänge zu. sehen sind. Diese sind zu 4—8 je nach der Zahl der Genitalsinus in einer jeden Aussackung des Ovarialbandes vorhanden. Alle die geschilderten Bilder sind in der Fig. 11, Taf. XXV zu erkennen. Die linke Seite der Figur ist einem sehr frühen Schnitt, die rechte einem späteren entnommen; der spätere Schnitt hat die einzelnen Aussackungen, die ja nie voll- kommen in einer Ebene liegen, auf verschiedenen Höhen durch- schnitten, wesshalb an dem einen Ende nur die Ausführgänge ge- trofien sind, am anderen Ende dagegen noch Eihaufen und die Uebergangsstellen der Ausführgänge in die Genitalsinus. Wenn übrigens Parallelschnitte etwas schräg gefallen sind, so kann man auch hier Präparate erhalten, auf denen mehrere Aus- führgänge 'in ihrer ganzen Länge von ihrem Ursprung aus einem Genitalsinus bis zu ihrer Mündung in die Gastrogenitaltasche zu überblicken sind; so zeigt ein derartiges Präparat, welches in Die Actinien. 619 Figur 7 dargestellt ist, zwei Ausführgänge, von denen ein jeder zugleich ein reifes Ei enthält. Nach den mitgetheilten Beobachtungen können wir uns folgen- des Bild vom Bau einer Ovariallamelle machen. Sie besteht aus zahlreichen Einzeldrüsen, die alle in der Weise neben einander gestellt sind, dass die Ausführgänge in die Gastrogenitaltasche münden da, wo diese an die Radialtasche angrenzt. Jeder Aus- führgang erweitert sich vorwiegend der Breite nach zu einem Ge- nitalsinus, dessen Epithel auf der nach dem Ektoderm schauenden Seite steril ist, während es auf der anderen Seite Zellensprossen als Anlagen der Eier treibt. Von diesen Sprossen lösen sich die einzelnen Eier ab und gerathen zunächst in die Gallerte, von hier aus bei der Reife, wahrscheinlich durch Bersten der Gallertum- hüllung, in den Genitalsinus und durch den Ausführgang in die Gastrogenitaltasche. Wie bei den Discophoren, so sind auch bei den Calycozoen die männlichen Geschlechtsorgane (Fig. 9) nach demselben Prineip gebaut wie die weiblichen. Sie bestehen ebenfalls aus zahlreichen Einzeldrüsen, die mit einem kurzen von Cylinderepithel ausgekleideten Ausführungsgang in die Gastrogenitaltasche münden. Jeder Ausführungsgang (od) zerfällt durch eine ringförmige Ein- schnürung in zwei etwa gleich grosse Stücke, ein vorderes, welches sich mit dem Epithel der Gastrogenitaltasche verbindet, und ein hinteres, das sich zu dem Genitalsinus erweitert. Das Epithel des Sinus ist auf der äusseren Seite niedrig und abgeflacht, auf der inneren Seite dagegen (also nach dem Entoderm zu) ist es proto- plasmareicher und bildet die Hodenfollikel. Die letzteren sind rundliche Zellenhaufen, untereinander von nahezu gleicher Grösse, und sitzen dem Sinus auf wie die Acini einer acinösen Drüse; bei dem von uns untersuchten geschlechtsreifen Thier enthielten sie in allen Abschnitten des Hodenbandes reife Spermatozoen (i) und nur in der Peripherie der Follikel waren noch rundliche Sper- matoblasten (k) übrig. Die Spermatozoen waren zum Theil schon in den Genitalsinus übergetreten, welcher mit dem Inneren der von Spermatozoen und Spermatoblasten erfüllten Follikel in offener Communication stand. Es ist nun möglich, dass die Hodenfollikel sich vom Sinus gar nicht abschnüren, wie dies bei den Eiern der Fall ist, sondern dass sie ständig nur Aussackungen desselben sind; es ist aber auch denkbar, dass sie, anfänglich abgeschnürt, sich später beim Platzen und beim Entleeren ihres Inhalts nach dem Genitalsinus zu auf’s Neue geöffnet haben. 620 Oscar und Richard Hertwig, In dem schon im Magen selbst liegenden Anfang des Hoden- bandes sind die einzelnen Drüsen sehr klein, so dass dem Ausführ- gang nur etwa 3—5 Follikel ansitzen; weiter nach der Peripherie zu werden sie grösser und so kommen hier 10—20 Follikel auf einen Ausführgang. Wenn wir die Resultate unserer Beobachtungen über die Caly- cozoen zusammenfassen und nach der Abstammung der Geschlechts- producte fragen, so kann auch hier kein Zweifel darüber herr- schen, dass dieselben aus dem Epithel des Genitalsinus abgeleitet werden müssen; weiter ist dann zu entscheiden, ob das Epithel zum Entoderm oder zum Ektoderm gerechnet werden muss. Die Verhältnisse beim fertigen Thiere sprechen zu Gunsten des erste- ren; denn bei so niedrig organisirten Formen wie den Lucernarien ist es nicht wahrscheinlich, dass die Geschlechtsorgane und ihre Ausführgänge aus getrennten Anlagen entstanden sind; vielmehr lässt sich annehmen, dass beide Theile einer gemeinschaftlichen Einstülpung des Gastrogenitalepithels ihren Ursprung verdanken. Hierfür sprechen auch die Beobachtungen Kling’s, auf dessen Arbeit wir sogleich noch einmal zurückkommen werden und der mit Bestimmtheit angiebt, dass die ersten Anlagen der Geschlechts- organe bei den Lucernarien hohle Zellenstränge sind, welche sich von verschiedenen Punkten vom Gastralepithel aus in die Gallerte hinein erstrecken. Diese Darstellung passt so vollkommen zu den von uns für die geschlechtsreifen Lucernarien gefundenen Einrich- tungen, dass wir an ihrer Richtigkeit nicht zweifeln, obwohl wir sie aus Mangel an jugendlichen Exemplaren nicht durch eigene Beobachtung haben bestätigen können. In so fern bei den Lucernarien die Geschlechtsorgane dem Entoderm angehören, ergeben sich dieselben Verhältnisse, wie bei den Discophoren und Charybdeiden. Auch darin drückt sich eine Uebereinstimmung aus, dass 3 Genitalbänder oder besser gesagt 4 Paar vorhanden sind. Ein zusammengehöriges Paar wird, wie Claus gezeigt hat, von zwei Bändern zusammengesetzt, die ver- schiedenen Gastrogenitaltaschen, aber denselben Intergenitaltaschen angehören. Jedes solches Paar entspricht nach seiner Lagerung, über deren genauere Bestimmung bei Claus das Nähere nachzu- lesen ist, einem Genitalsäckchen von Pelagia und einem Lamellen- paar der Charybdeiden. Im feineren Bau dagegen unterscheiden sich die Lucernarien sehr wesentlich von den beiden anderen Abtheilungen. Wenn bei ihnen die Eier und Spermazellen, wie bei den Discophoren, von Die Actinien. 621 den Wandungen eines Genitalsinus aus entstehen und darauf in die zwischen diesem und dem Entoderm gelegene Gallerte gerathen, so ist dabei doch Folgendes zu beachten. Bei den Discophoren existirt eine bestimmte Keimzone, in welcher die jungen Geschlechts- zellen angelegt werden und von der sie sich mit zunehmender Reife entfernen; bei den Lucernarien sind reife Eier und Eikeime, da letztere überall entstehen können, bunt durcheinander gemischt. Vor Allem aber ist bei den Discophoren ein einziger Genitalsinus vorhanden, der mit einem weiten Spalt in den Gastralraum mündet; bei den Lucernarien finden sich deren eine ganze Menge und ein jeder Sinus besitzt seinen besonderen Ausführungsgang. Dieser letzterwähnte Punkt ist von ganz besonderer Wichtig- keit. Denn die Anwesenheit eines einzigen grossen Genitalsinus und die Beschaffenheit desselben erlaubt uns die Geschlechtsorgane der Discophoren auf die der Charybdeiden zurückzuführen, indem in beiden Fällen die Ovarien und Hoden blattförmig sind; bei den Lucernarien ist dies nicht möglich, da jedes Genitalband sich aus zahlreichen Einzeldrüsen zusammensetzt. Hierin spricht sich ein Unterschied aus, der uns nöthigt die Charybdeiden und Disco- phoren gemeinsam den Lucernarien gegenüberzustellen. Bisher haben wir die Angaben früherer Forscher über den Bau der Lucernarien unberücksichtigt gelassen, um zum Schluss noch einmal im Zusammenhang auf sie einzugehen. Es geschah dies, weil in der Auffassung der Geschlechtsorgane zur Zeit noch erhebliche Meinungsverschiedenheiten herrschen, deren Beurtheilung eine genauere Bekanntschaft mit den Grundzügen der Organisation der Gruppe voraussetzt. Von den älteren ziemlich unvollständigen Untersuchungen können wir hierbei absehen und uns auf die neueren Arbeiten von Clark, Korotneff, Taschenberg, Claus und Kling beschränken. Clark (55 u. 56) schreibt den Lucernarien 4 u-förmige Ge- schlechtsorgane zu, deren Schenkel jedesmal rechts und links von einem Septum liegen und am proximalen Ende desselben entweder zusammenhängen oder durch einen Zwischenraum getrennt werden. Die Geschlechtsorgane gehören den Radialtaschen an; bei einem Theil, den Eleutherocarpidae, finden sie sich in den Radialtaschen selbst, bei einem anderen Theile, den Cleistocarpidae, in be- sonderen Abschnitten, die durch Scheidewände von den Radial- taschen abgetrennt worden sind; die Abschnitte sind gleichbe- deutend mit unseren Gastrogenitaltaschen; auch die Intergenital- taschen erwähnt Clark, indem er von 4 Vertiefungen der oralen 622 Oscar und Richard Hertwig, Scheibenseite spricht, die den Regionen oberhalb der 4 Septen entsprechen t). In Uebereinstimmung mit Clark verlegen Korotneff (59) und Claus (58) den Sitz der Geschlechtsorgane in die Radial- taschen; doch weicht Claus von dem amerikanischen Forscher darin ab, dass er die Gastrogenitaltaschen der Cleistocarpiden, die nach Clark Nichts sind als abgeschnürte Theile der Radial- taschen, für Aussackungen des Magens hält, wie auch wir es ge- than haben; „sie seien gewissermaassen als Aushöhlungen der Schirmsubstanz von der Gastralcavität entstanden und würden von den peripherischen Radialtaschen, in deren Radien sie liegen, durch eine gemeinsame die Genitalbänder enthaltende Zwischensubstanz gesondert“. Die in der subumbrellaren Wand der Radialtaschen ursprünglich lagernden Geschlechtsorgane sollen zu den Magen- aussackungen erst secundär in Beziehung treten, indem sie in Folge ihres starken Wachsthums sich hervordrängten; ebenso sollen auch ihre Beziehungen zu den Vertiefungen der Subumbrella, den Intergenitaltaschen, die Glatıs Genitaltaschen nennt, secundärer Natur sein. In dieser Darstellung ist ein Punkt enthalten, dem wir mit Bestimmtheit widersprechen müssen, dass nämlich die Geschlechtsorgane der Cleistocarpiden von den Radial- und nicht von den Gastrogenitaltaschen aus entstehen sollen. Unser zu den Oleistocarpiden ebenfalls gehöriger Craterolophus zeigt, dass die Hoden wie Ovarien mit den Radialtaschen in keinerlei Verbindung 1) Inzwischen ist eine ausführlichere Arbeit Clark’s (57) über eine eleutherocarpe Lucernaria, Haliclystus auricula, erschienen, die zu gleichen Ergebnissen geführt hat, wie die weiter unten citirte Unter- suchung Korotneff’s. Durch dieselbe wird es sehr wahrscheinlich gemacht, dass die Geschlechtsorgane ursprünglich den Radialtaschen angehören und dass die Gastrogenitaltaschen der Cleistocarpiden nicht Ausstülpungen des Magens sind, wie wir es dargestellt haben, sondern mit Recht von Clark als abgeschnürte Theile der Radialtaschen an- gesehen werden. Beim Haliclystus bestehen die Geschlechtsorgane aus kleinen Säckchen, die an der subumbrellaren Wand der Radialtasche befestigt sind und in den Hohlraum der letzteren ausmünden. Jedes Säckchen entspricht offenbar einer der Drüsen, welche in grosser Zahl beim Craterolophus ein Geschlechtsband zusammensetzen und mit der Gastrogenitaltasche communiciren. In ähnlicher Weise scheint Korot- neff die Verhältnisse der Cleistocarpiden auf die der Eleutherocarpiden zurückzuführen, doch sind seine in der französischen Arbeit enthalte- nen Angaben nicht ausführlich genug, um ein bestimmtes Urtheil über sie zu erlauben, die in russischer Sprache veröffentlichte Abhandlung ist uns aber nicht zugängig. Die Actinien. 623 stehen; zu der Annahme, dass eine solche Verbindung bestanden haben möchte und dass die vorhandenen Ausführgänge Neubil- dungen seien, liegt aber kein Grund vor. Nach Korotneff und Claus entwickeln sich die Geschlechts- producte aus dem Entoderm, doch giebt nur ersterer zum Beweise seiner Ansicht eine histologische Beschreibung, die sich auf eine eleutherocarpe Form bezieht. Rings geschlossene hohle Kapseln sollen in das Lumen der Radialtasche von der inneren Seite der subumbrellaren Wand herabhängen; sie sollen auf ihrer Oberfläche vom Epithel der Radialtasche bedeckt sein, auf dieses soll nach innen eine Gallertschicht folgen, der Hohlraum endlich wieder von einer Epithellage ausgekleidet sein, von der ein Theil zu einer diekeren Schicht rundlicher eiähnlicher Zellen modificirt die Keim- zone darstellt. Der ursprünglich fehlende Ausführgang soll ent- stehen, indem das Binnenepithel und das Radialtaschenepithel sich mittelst Ausstülpungen vereinen, welche die Gallerte durchwach- send mit einander verschmelzen. Die gegebene Schilderung hat zunächst wenigstens so wenig mit unseren Befunden bei den Cleistocarpiden (Craterolophus) ge- mein, dass wir Bedenken tragen, die eine auf die andere zurück- zuführen; eine morphologische Vergleichung wird nur derjenige mit Sicherheit vornehmen können, der die Verhältnisse bei beiden Abtheilungen aus eigener Anschauung kennt. Von den drei genannten Forschern weichen Taschenberg (92) und Kling (74) ab, indem sie die Geschlechtsorgane sich in den Wandungen besonderer Nebenräume des Magens (der Gastro- genitaltaschen) entwickeln lassen. Kling begnügt sich damit, diese auch von uns beobachtete Thatsache für sein Untersuchungsobject, den Craterolophus Thetys, nachzuweisen; Taschenberg dagegen verallgemeinert seine Resultate auf alle Lucernarien und will daher auch die von Clark gemachte Unterscheidung von Qleistocarpidae und Fleutherocarpidae nicht annehmen. Ob er hierin Recht hat, lassen wir aus Mangel eigener Untersuchungen dahingestellt, müssen jedoch zweierlei hervorheben, 1. dass Taschenberg die Clark’- schen Angaben völlig missverstanden hat, wesshalb es möglich wäre, dass er dieselben auch nicht genügend geprüft hat, 2. dass ihm in der Neuzeit von Claus widersprochen worden ist, welcher in diesem Punkt ganz auf Seite von Clark ist. An der ana- tomischen Schilderung Taschenberg’s haben wir noch auszu- setzen, dass er die Selbständigkeit der Gastrogenitaltaschen als besonderer Nebenräume des Magens nicht genügend würdigt. In 624 Oscar und Richard Hertwig, dieser Hinsicht ist Kling genauer, dessen Angaben, so weit es sich um die gröberen anatomischen Verhältnisse handelt, ganz mit den unserigen übereinstimmen. Seine Namengebung ist in so fern eine andere, als er die Intergenitaltaschen „pyramidale Räume“, die Gastrogenitaltaschen einfach „Magentaschen“ nennt. Taschenberg und Kling leiten beide die Sexualzellen aus dem Entoderm ab; letzterer stützt sich dabei auf entwicklungs- geschichtliche Untersuchungen, dass die Geschlechtsorgane nämlich vom Epithel des Magens und der Magentaschen aus als Röhren, die in die Gallerte vordringen, gebildet werden. Ersterer da- gegen hat nur fertige Zustände vor Augen gehabt und liefert von denselben zum Beweise seiner Ansicht eine so unvollständige Be- schreibung und Abbildung, dass es schwer fällt auf Grund der- selben an einen entodermalen Ursprung der Geschlechtszellen zu glauben. Taschenberg sowohl als Kling haben den Genital- sinus und die Ausführgänge übersehen und behaupten daher beide fälschlich, dass die Geschlechtsproducte wie bei den craspedoten Medusen durch Platzen der ektodermalen Bedeckung nach aussen gelangen. Schlussfolgerungen für das System der Coelenteraten. Wir haben uns jetzt das nöthige Beobachtungsmaterial ver- schafft, um die verwandtschaftlichen Beziehungen der einzelnen Coelenteratenabtheilungen im Zusammenhang erörtern zu können. Nach Ausschluss der in jeder Beziehung sehr abseits stehenden Spongien lassen sich nach der Beschaffenheit der Geschlechts- organe zwei Gruppen einander gegenüberstellen, die wir die Ento- carpen und die Ektocarpen nennen wollen. Zu jenen gehören alle Anthozoen und Acraspeden (letztere mit Einschluss der Charyb- deiden und Lucernarien), zu diesen die Hydromedusen, unter denen wir auch die Siphonophoren verstehen, und die Ctenophoren. Den wichtigsten Unterschied zwischen beiden Abtheilun- gen finden wir darin, dass bei den Entocarpen die Ge- schlechtsorgane aus dem Entoderm, bei den Ekto- carpen aus dem Ektoderm stammen, dass sie dement- sprechend bei den ersteren im Inneren des Körpers in den Aussackungen des Gastrovascularsystems ge- borgen sind, bei den letzteren dagegen frei zu Tage treten. Man könnte versucht sein, die alten Bezeichnungen von Forbes „Phanerocarpae“ und „Cryptocarpae“ wieder zu Ehren zu bringen, allein Forbes hat dieselben gerade im umgekehrten Die Actinien. 625 Sinne angewandt; seine phanerocarpen Medusen sind die ento- carpen Acraspeden, seine eryptocarpen Medusen dagegen die ekto- carpen Craspedoten. Daher empfiehlt es sich, die Ausdrücke Pha- nerocarp und Cryptocarp ganz fallen zu lassen. Abgesehen von ihrer Entwicklungsweise unterscheiden sich die Geschlechtsorgane in den beiden Gruppen der Entocarpen und Ektocarpen noch durch zwei weitere Merkmale von geringerer Wichtigkeit. Bei allen Entocarpen liegen die reifen Geschlechts- producte, die Eier und die Hodenfollikel, einzeln im Mesoderm, bei den Anthozoen werden sie von faserigem Bindegewebe, bei den Acraspeden von Gallertkapseln umhüllt. Dies ist bei den Ektocarpen nie der Fall; entweder verbleiben sie hier an ihrem ursprünglichen Ort im Ektoderm, oder sie rücken gemeinsam als grössere Haufen in die Tiefe, wie bei den Ctenophoren. Und ferner! in beiden Abtheilungen werden die reifen Geschlechtsproducte in ganz verschiedener Weise entleert. Bei den Entocarpen — wenig- stens wissen wir es sicher von den Anthozoen und den meisten Acraspeden und können es ferner für die Lucernarien aus den mitgetheilten Befunden erschliessen — gerathen die Eier in das Gastrovascularsystem und von hier aus sofort oder nach Ablauf der ersten Entwicklungsstadien durch den Mund nach aussen; den gleichen Weg nehmen die Spermatozoen. — Bei den Ekto- carpen wiederum scheinen allgemein, vielleicht mit Ausnahme der Ctenophoren, die Eier durch Platzen der ektodermalen Bedeckung frei zu werden und direct in das Wasser zu fallen. Was nun die übrigen Organsysteme anlangt, so hat mit Recht Claus (58. p. 19) darauf hingewiesen, dass den Anthozoen und Acras- peden ein Organ gemeinsam sei, welches den übrigen Coelenteraten fehle, die Mesenterial- oder Gastralfilamente. Wir geben zu, dass die mit diesem gemeinsamen Namen bezeichneten Bildungen sehr verschieden von einander sind. Bei den Medusen sind es tentakel- artige, in grosser Zahl neben einander stehende Fortsätze, bei den Anthozoen lange in ganzer Ausdehnung am freien Rand der Septen festgewachsene Fäden; jene sind daher zweckmässig Mesenterialten- takeln, diese Mesenterialfilamente zu nennen; jene sind von einem ziemlich gleichförmigen Epithel von Drüsen und anderen Zellen bekleidet, bei diesen besitzt der epitheliale Ueberzug eine com- plieirte Beschaffenheit. Daneben ergiebt sich aber auch mancherlei Uebereinstimmendes. Filamente und Tentakeln haben die gleiche Function, indem sie beide jedenfalls bei der Verdauung thätig Sind, und auch morphologisch lässt sich ein Zusammenhang zwi- Bd. XIII. N. F. VI, 4. 40 626 Oscar und Richard Hertwig, schen ihnen herstellen, wie dies J. Müller und Claus (58) ge- zeigt haben. Diesen Autoren zufolge sind die Gastraltentakelchen der Medusen aus den 4 Längswülsten der Scyphistomen abzuleiten, welche den Mesenterialfilamenten der Actinien auch in ihrer Form schon mehr vergleichbar sind. In welcher Weise sie aus diesen Wülsten entstanden sein mögen, davon kann man sich nach Maass- gabe des Cerianthus eine Vorstellung machen, bei dem sich die Mesenterialfilamente stellenweise ebenfalls zu einer Art von Me- senterialtentakelchen umwandeln. Wenn wir die Mesenterialfilamente und Mesenterialtentakel- chen einander homolog setzen, so können wir auch den durch ihre Anwesenheit gegebenen Charakter in die systematische Diagnose der Entocarpen aufnehmen; dieselbe würde dann folgendermaassen zu fassen sein. Die Entocarpen sind Coelenteraten, deren Ge- schlechtszellen im Entoderm entstehen und bei der Reifeins Mesoderm rücken und welche mit besonderen secretorischen Apparaten, den Mesenterialfäden, aus- gerüstet sind. Die Ektocarpen würden wir dagegen charakterisiren als Coelenteraten, deren Geschlechtszellen im Ektoderm entstehen und verbleiben und bei denen die Mesen- terialfäden fehlen. Wer die betonten Unterschiede von einem einheitlichen Ge- sichtspunkt aus zu beurtheilen sucht, der wird finden, dass bei den Ektocarpen das Ektoderm, bei den Entocarpen das Entoderm wegen der Mannichfaltigkeit seiner histologischen Differenzirungen in den Vordergrund tritt. In dieser Hinsicht sind die typischsten Vertreter der Entocarpen die Anthozoen mit ihrer starken ento- dermalen und schwachen ektodermalen Muskulatur, mit ihrer so mannichfachen Faltung und Vergrösserung der entodermalen Ober- fläche und der geringen Ausbildung ektodermaler Sinnesorgane. Ihnen gegenüber stehen die Ctenophoren, bei denen umgekehrt das Entoderm ganz ausserordentlich beschränkt ist, indem sogar der wichtigste Theil der die Nahrung verdauenden Organe, der „Ma- gen“, hier vom Ektoderm geliefert wird. Die morphologische Verschiedenheit ist nicht ohne Einfluss auf den physiologischen Charakter beider Gruppen; hier ist es denn von Interesse zu sehen, dass, wenn wir so sagen dürfen, an Intelligenz die Ektocarpen den Entocarpen überlegen sind. Nament- lich möchten wir hier noch einmal darauf hinweisen, dass die in Die Actinien. 627 der anatomischen Beschaffenheit des Nervensystems und der Sin- nesorgane so viel höher stehenden Craspedoten sich vor den Acras- peden auch physiologisch durch grössere Centralisation, grössere Reizbarkeit, Beweglichkeit u. s. w. auszeichnen. Wenigstens ist dies die Regel, von welcher einzelne Ausnahmen, wie die Charyb- deen, allerdings namhaft gemacht werden können. Wir verhehlen uns nicht, dass die hier in Vorschlag gebrachte Umgruppirung der Coelenteraten, indem sie gegen althergebrachte Auffassungen verstösst, vielfachen Widersprüchen begegnen wird. Auf Widerspruch stossen wird namentlich die Auflösung der Me- dusenabtheilung in zwei Gruppen, die mit einander zunächst gar Nichts zu thun haben würden, die entocarpen Acraspeden und die ektocarpen Craspedoten und Siphonophoren. Gerade in den letzten Jahrzehnten war in der zeologischen Literatur die Ansicht vor- herrschend, dass der Gegensatz beider Abtheilungen kein so scharfer sei und dass zwischen beiden Abtheilungen Uebergänge beständen, welche von Seiten der Craspedoten durch die Aeginiden, von Seiten der Acraspeden durch die Charybdeiden hergestellt würden. Wir selbst haben in unseren früheren Arbeiten (67. p. 156) die Frage als eine offene behandelt und uns dahin geäussert, dass man vom Bau der Sinnesorgane ausgehend an eine Verwandtschaft der Acras- peden und Trachymedusen denken könne, dass wir aber die Be- deutung der Aehnlichkeiten im Bau dieser Organe nicht über- schätzen möchten, sondern es beim Stande unserer Kenntnisse für wahrscheinlicher hielten, dass sich die Craspedoten einerseits und die Acraspeden andererseits selbständig entwickelt hätten. Wenn wir hier uns für eine Ansicht, die wir früher nur für wahrscheinlich hielten, mit aller Bestimmtheit äussern, so ge- schieht dies, ganz abgesehen von den schon oben erörterten, auf den Bau der Geschlechtsorgane und der Gastraltentakelchen sich beziehenden Momenten, noch aus dem Grunde, dass durch neuere Untersuchungen von Claus die Deutung der Charybdeiden als Ueber- sangsformen ebenso unhaltbar geworden ist, als es früher schon mit den Aeginiden der Fall war. Erstens ist durch dieselben dargethan, dass die Charybdeiden nicht, wie früher angegeben wurde, ein Velum nach Art der Craspedoten besitzen. Ihr Velum ist vielmehr nach Claus (59) eine vom Velum der Craspedoten morphologisch verschiedene Bil- dung und daher besser als Pseudovelum zu bezeichnen; es nimmt in sein Inneres Ramificationen der Gefässe auf, es wird von Gallerte gestützt, die eine Fortsetzung der Schirmgallerte ist. Wie es in 40 * 628 Oscar und Richard Hertwig, allen diesen Beziehungen den Schirmlappen der Acraspeden gleicht, so muss es in der That auch aus der Verwachsung von 4 solchen Schirmlappen abgeleitet werden. Die Verwachsungsstellen sind äusserlich durch die 4 leichten Einkerbungen des Randes, im fei- neren Bau durch das Verhalten der Muskulatur angedeutet. Die Muskelfasern der Lappen geben nämlich ihre gewöhnliche ceirculäre Verlaufsrichtung an jeder Einkerbung auf und biegen in einen longitudinalen Verlauf um; sie bilden dabei eine in die Schirm- höhle einspringende Falte, welche von Claus als Frenulum be- zeichnet wird. Nur am Ende der Falte, wo der Sinneskörper sitzt, ist die Verwachsung nicht vollkommen, sondern ist eine Oeffnung in der Gallerte erhalten, welche dem Ringnerven zum Durchtritt dient. Auch der Ringnerv der Charybdeen ist dem Ringnerven der Craspedoten nicht vergleichbar, so sehr er auch an ihn erinnern mag. Letzterer ist ein Faserstrang, der am Schirmrand verläuft und durch die Stützlamelle des Velum in einen oberen und unteren Theil zerlegt wird. Beides trifft für die Charybdeiden nicht zu; denn der Nervenstrang — wir stützen uns bei dieser Erörterung nicht auf eigene Untersuchungen, sondern auf die Angaben von Claus — liegt in der Subumbrella selbst und besteht demgemäss auch nur aus Fasern, welche dem unteren Nervenring der Craspe- doten gleichgesetzt werden könnten, während der obere Nerven- ring durchaus fehlt. Gerade der obere Nervenring scheint uns aber der charakteristischste Theil im Nervensystem der Craspe- doten zu sein, da er der umbrellaren Seite des Medusenkörpers angehört, die sonst nahezu nervenlos ist. Ganz anders gestalten sich die Verhältnisse für den unteren Nervenring, welcher in einer nervenreichen Gewebsschicht, der Subumbrella, liegt und sich uns als ein besonders centralisirter Theil des weit ausgebreiteten Plexus zwischen subumbrellarem Epithel und Muskulatur darstellt. Ein subumbrellarer Plexus kommt aber den Acraspeden gleichfalls zu !), 1) Wir nehmen die Gelegenheit wahr, ein Missverständniss zu cor- rigiren, das unsere Darstellung vom Nervensystem der Acraspeden er- fahren hat, als ob wir geneigt wären, einen subumbrellaren Plexus für diese Medusen in Abrede zu stellen. In unserer Arbeit (67. p. 149) haben wir vielmehr ausdrücklich hervorgehoben, dass, wenn wir auch keine Beobachtungen über das periphere Nervensystem gesammelt hät- ten, wir gleichwohl nicht zweifelten, dass bei den Akraspeden ähnliche Verhältnisse wie bei den Craspedoten wiederkehren. Wenn wir ferner als das Characteristicum der Acraspeden hinstellen, dass der centrale Theil des Nervensystems von einer Anzahl getrennter Abschnitte ge- Die Actinien. 629 nur dass er gewöhnlich eine mehr gleichförmige Anordnung er- kennen lässt. Indessen schon die Experimente von Romanes weisen darauf hin, dass bei Aurelia wenigstens eine marginale Commissur zwischen den einzelnen Sinneskörpern in Entwicklung begriffen ist. Eine solche Commissur, nur entsprechend der grös- seren Complication der Randkörper höher ausgebildet, scheint uns der untere Nervenring der Charybdeen zu sein, so dass es gar nicht nöthig ist, ihn auf den gleichnamigen Theil der Craspedoten zurückzuführen oder ihn als einen Vorläufer desselben anzusehen. Was wir hier für das Velum und den Nervenring der Charyb- deiden hervorgehoben haben, dass sie den so ähnlich beschaffenen Organen der Craspedoten analog und nicht homolog sind, dies gilt auch von den übrigen Theilen der Organisation, in denen sich bei den Charybdeiden und überhaupt bei den Acraspeden Anklänge an die Craspedoten ergeben. Wenn die Achnlichkeiten in dem Bau sehr weitgehend und überraschend sind, so muss man im Auge behalten, dass Acraspeden und Craspedoten unter völlig gleichen Existenzbedingungen leben. Die reichliche Entwicklung der gal- lertigen Stützsubstanz, welche für den Habitus der Medusen so bedeutsam ist und welche auch die Anordnung des Gastrovascular- systems wesentlich beeinflusst hat, ist ein bei pelagischen Thieren häufig wiederkehrendes Merkmal. Der so auffällige Gegensatz einer activ den Körper zusammenziehenden subumbrellaren Seite und einer passiv denselben wieder dehnenden umbrellaren Seite findet sich auch sonst wieder bei dem interessanten medusenähn- lichen Flagellat, Leptodiscus medusoides, welcher ein recht interes- santes Beispiel convergenter Züchtung ist (68P). Ferner muss in Betracht gezogen werden, dass die Ausgangs- formen, aus denen beide Medusenarten sich ontogenetisch entwickeln und jedenfalls stammesgeschichtlich sich auch entwickelt haben, ein- ander sehr ähnlich sind. Es lässt sich erweisen, dass alle überein- stimmenden Merkmale der Medusen auf die übereinstimmenden Merkmale der Polypenform zurückzuführen sind; das Gesagte gilt namentlich für die so wichtige Beschaffenheit des Gastrovascular- systems. Wie Claus (58. p. 19 u. 60. p. 29) und wir (67. p. 130 u. 68%. p. 62) unabhängig von einander durchgeführt haben, sind bildet werde, die unter einander durch keine Commissuren zusammen- hängen, so soll hiermit nur der Mangel eines einheitlichen Central- organs im Vergleich zu den Craspedoten betont sein, nicht aber be- stritten werden, dass die einzelnen Centren mittelst des peripheren Nervenplexus in Zusammenhang stehen. 630 Oscar und Richard Hertwig, beiderlei Medusenarten in allen ihren Theilen Nichts als in der Längsaxe verkürzte und scheibenförmig verbreiterte Polypen. Hier- durch, sowie durch die reichliche Gallertausscheidung, die mit der frei schwimmenden pelagischen Lebensweise in Zusammenhang zu bringen ist, wird der weite Magenraum des Polypen modifieirt. Die dorsalen und ventralen oder besser umbrellaren und subum- brellaren Wandungen verlöthen stellenweise mit einander; so alter- niren wegsame und unwegsam gewordene Partieen des ursprüng- lichen Magenraumes mit einander, wobei in den letzteren die frü- here Existenz des von Epithelschichten ausgekleideten Hohlraums noch durch eine dünne Zellenlage, die Entodermlamelle oder die Ge- fässplatte, angedeutet wird. Diese unscheinbare Zellenlage verbindet die wegsam gebliebenen Partieen des Gastrovascularsystems unter einander und bildet für neu entstehende Canäle den Mutterboden. So weit wäre der Umbildungsprocess bei Acraspeden und Craspedoten ganz gleichartig, indem er von einem gleichen Princip beherrscht wird. Dagegen ist die Art, wie er sich im Einzel- nen vollzogen hat, wie sich unwegsame und wegsame Theile in den Raum theilen, durchaus verschieden. Bei den Acraspeden finden wir einen weiten Magen mit taschenförmigen Aussackungen, bei den Craspedoten, mit Ausnahme der Aeginiden, einen engen Magen und periphere Radialcanäle, die durch einen Ringeanal zu- sammenhängen. Diese verschiedene Durchführung eines gleich- artigen Entwicklungsmodus ist aber ein Beweis, dass der letztere nur eine nothwendige Folge zweier Factoren ist, 1) der Aehnlich- keit der als Ausgangsform fungirenden Polypen und 2) der Aehn- lichkeit der die Umbildung veranlassenden äusseren Einflüsse. Gegen diese Auffassungsweise lässt sich auch nicht geltend machen, dass die Aurelien einen Ringcanal wie die Craspedoten, die Aeginiden Magentaschen wie die Acraspeden besitzen, dass bei vielen Arten der Aeginiden Ringcanal und Radialcanäle fehlen. Man sehe nur zu, wie sich in beiden Familien die Verhältnisse entwickeln und man wird finden, dass der Bau der Aeginiden nur aus dem gewöhnlichen Bau der Craspedoten erklärt werden und entstanden sein kann, und dass ebenso bei den Aurelien die (übrigens auch beim fertigen Thier nur ganz im Allgemeinen an die Craspedoten erinnernde) Anordnung der Canäle aus der Um- bildung ächter Radialtaschen, wie sie für die Acraspeden charak- teristisch sind, hervorgeht. Auch diese Beispiele zeigen uns, wie ähnliche Gestalten auf ganz verschiedenen Entwicklungswegen zur Ausbildung gelangen können. Die Actinien. 631 Die Nothwendigkeit Acraspeden und Craspedoten zu trennen, liesse sich noch durch mancherlei weitere Betrachtungen, nament- lich Betrachtungen, welche die so gänzlich verschiedene Entwick- lungsweise in’s Auge fassen, fester begründen; doch würde uns dies zu weit führen; auch stehen alle Momente an Bedeutsamkeit hinter dem einen Merkmal zurück, dass die Geschlechtsorgane bei den Craspedoten aus dem Ektoderm, bei den Acraspeden aus dem Entoderm stammen. Da die Umgruppirung der Medusen der einzige Punkt ist, in welchem die vorgeschlagene Eintheilusg der Zoophyten sich mit den bestehenden Anschauungen in einem lebhafteren Wider- streit befindet, so können wir uns hier auf die Erörterung des- selben beschränken. Zum Schluss mögen nur einige Worte Platz finden, in welcher Weise wir uns die genetischen Beziehungen der einzelnen Coelenteratenabtheilungen zu einander vorstellen. Auch hier wieder lassen wir die Spongien als einen von den nessel- tragenden Arten abseits stehenden Zweig unberücksichtigt. Als Ausgangsform hätten wir einen Polypen etwa von der Gestalt einer Hydra zu betrachten, nur müssen wir voraussetzen, dass derselbe noch eine indifferentere Beschaffenheit besass, in- dem die functionelle und damit auch die histologische Verschie- denartigkeit des Ektoderms und Entoderms zum grossen Theil noch fehlte. Namentlich müssen wir voraussetzen, dass die Ge- schlechtsproducte in allen Abschnitten des Körpers, im Entoderm wie im Ektoderm, ihren Ursprung nehmen konnten. Dadurch, dass bei einem Theil die Entwicklung der Geschlechtsorgane auf das Entoderm, bei einem anderen auf das Ektoderm beschränkt wurde, trat eine Trennung in zwei Hauptzweige ein. Der eine Hauptzweig führte zu den Hydroidpolypen und von diesen zu den Ctenophoren, der andere Hauptzweig zu scyphistomaartigen Thieren, d. h. Thieren, welche 1. entodermale Geschlechtsorgane besassen und bei denen 2. vier longitudinale Septenanlagen ins Innere des Magenraumes hineinragten. Dieser zweite Hauptzweig spaltete sich in die beiden Classen der Anthozoen und Acraspeden. (Schluss folgt.) Tafelerklärung. Für alle Figuren gelten folgende Bezeichnungen: a Sinneszellen. b Stützzellen. ce Nesselzellen. ce! glatt erscheinende Nesselkapseln. c?2 Nesselkapseln mit durchscheinendem Spiralfaden. d Drüsenzellen. d! homogene Drüsenzellen. d?2 körnige Drüsenzellen. en Entoderm. en‘ parietales Epithel des Genitalsinus der Acraspeden. en” viscerales Epithel des Genitalsinus. ek Ektoderm. ek’ Ektoderm der Intergenitaltasche der Lucernarien. f Flimmerstreifen der Mesenterialfilamente. g Ganglienzellen. gt Gastrogenitaltasche der Lucernarien. h Hodenfollikel. i Spermatozoen. it Intergenitaltasche der Lucernarien. k Spermatozoenmutterzellen. ne 2 Er | Septalstoma. m Muskelfasern. Im Longitudinalmuskel. im Transversalmuskel. pm Parietalmuskel. n Nervenschicht. o Eizellen. od Ausführgang der Geschlechtsorgane bei den Lucernarien. p Fadenapparat der Eizelle. r Ringmuskel. rt Radialtasche der Lucernarien. Oscar und Richard Hertwig, Die Actinien. 635 Stützlamelle. " Genitalsinus der Acraspeden und Lucernarien. Septum zwischen den Radialtaschen der Lucernarien. Tentakel. Randsäckchen. Mesenterialfilament. »’ Mesenterialtentakeln. Acontien. Schlundrinne. gelbe Zellen der Actinien. Richtungssepten. Do dorsale Seite. Ve ventrale Seite. 5 Septum. M Mauerblatt. Alle Angaben über Vergrösserungen beziehen sich auf Zeiss’sche Systeme. re ES x wu tive sn Tafel I. Fig. 1. Larve von Actinia mesembryanthemum, bei welcher die ersten 8 Septen angedeutet sind. Copie nach Lacaze-Duthiers. Fig. 2. Querschnitt durch Edwardsia tubereulata, schwach ver- grössert. A. mit abgeschraubter Frontlinse. Oe. 1. Fig. 3. Querschnitt durch eine junge Adamsia diaphana, bei welcher das fünfte und sechste Septenpaar sich noch nicht mit dem Schlundrohr verbunden haben, schwach vergrössert. A. Oc. 1. Fig. 4. Querschnitt durch eine noch etwas jüngere Adamsia, bei welcher das fünfte und sechste Septenpaar noch keine Muskelfasern erkennen lassen. A. Oc. 1. Fig. 5. Optischer Durchschnitt durch eine Actinienlarve (Sp.?). Copie nach Kowalevsky. Fig. 6. Querschnitt durch ein Septum von Edwardsia tuberculata unterhalb des Schlundrohrs. C. Oe. 1. Fig. 7. Querschnitt durch einen Polypen von Aleyonium, schwach vergrössert. Fig. 8. Querschnitt durch Cerianthus solitarius, schwach ver- grössert. Fig. 9. Querschnitt durch den zwischen 2 Paaren von Haupt- septen gelegenen sechsten Theil von Sagartia parasitica. Fig. 10. Querschnitt durch eine Adamsia diaphana von mitt- lerer Grösse. Die 6 Paar Hauptsepten sind mit dem Magen ver- wachsen, schwach vergrössert. A. mit abgeschraubter Frontlinse. Oc. 2. 634 Oscar und Richard Hertwig, Tafel II. Fig. 1. Septum von Actinoloba Dianthus. Fig. 2. Querschnitt durch die Septenbasis von Tealia crassi- cornis. A. Oc.1. Fig. 3. Septum von Anthea cereus. Fig. 4. Querschnitt durch ein Septum zweiter Ordnung von Adamsia diaphana. A. Oc. 1. Fig. 5. Querschnitt durch das Ektoderm von Anthea cereus aus der Umgebung eines Randsäckchens. F. Oec. 1. Fig. 6. Längsschnitt durch das Entoderm vom Tentakel der Tealia erassicornis. F. Oc. 1. Fig. 7. Septum von Tealia crassicornis. Fig. 8. Septum von Sagartia parasitica. Fig. 9. Querschnitt durch den Ringmuskel von Tealia crassi- cornis. A. Oc. 1. Fig. 10. Querschnitt durch ein Randsäckchen von Anthea cereus. 0.08: 1: Fig. 11. Stück eines Querschnitts durch den Ringmuskel von Actinoloba Dianthus. D. Oe.1. Fig. 12. Querschnitt durch den Tentakel von Tealia crassicornis. 2:08.41: Fig. 13. Stück eines Längsschnittes durch das Randsäckchen von Anthea cereus. F. Oc. 1. Tafel III. Alle Figuren mit Ausnahme der Fig. 5. 9. 11. 13. 14 beziehen sich auf Sagartia parasitica. Fig. 1. Längsschnitt durch die Ansatzstelle des Septum ($) an das Mauerblatt (7). C. Oe.1. Fig. 2. Querschnitt durch ein Septum nahe seiner Befestigung. dc. Ar Fig. 3. Querschnitt durch ein Septum in einiger Entfernung von seiner Befestigung am Mauerblatt. F. Oe. 1. Fig. 4. Querschnitt durch die Ansatzstelle eines Septum am Mauerblatt. C. Oe. 1. Fig. 5. Querschnitt durch den Tentakel von Anthea cereus. 1 TB Fig. 6. Querschnitt durch das Schlundrohr. F. Oe. 1. Fig. 7. Querschnitt durch die Mundscheibe. J. Oec. 1. Fig. 8. Querschnitt durch das Mauerblatt. F. Oe. 1. Die Actinien. 635 Ä Fig. 9. Isolationspräparate. 1. Stützzelle von der Fussscheibe von Anthea cinerea. 2. Stützzelle von der Fussscheibe von Adamsia. Fig. 3. Drüsenzelle vom Mauerblatt von Anthea cinerea. Fig. 4. Stütz- zellen von ebendaher. F. Oe. 2. Fig. 10. Zwei durch eine Anastomose verbundene Ganglienzellen aus der Mundscheibe F. Oe. 2. Fig. 11. Tentakelepithel vom lebenden Thier (Anthea cinerea) im optischen Durchschnitt. J. Oec. 2. Fig. 12. Ganglienzellen aus der Mundscheibe. F. Oc. 2. Fig. 13. Entodermzellen aus dem Tentakel von Anthea cinerea (J. Oc. 2) mit parasitischen gelben Zellen. 2, getheilte gelbe Zelle. Fig. 14. Geisselzelle (1) und Drüsenzellen (2 u. 3) aus dem Schlundrohr von Anthea cereus. J. Oc. 2. Fig. 15. Drüsenzellen aus dem Schlundrohr. F. Oe. 2. Fig. 16. Durch Zerzupfen isolirte Ganglienzelle aus der Mund- scheibe. F. Oc. 2. Fig. 17. Durchschnitt durch das Septum an seinem unteren Ende an der Fussscheibe. C. Oc. 2. Fig. 18. Längsschnitt durch die entodermale Ringmuskulatur des Mauerblatts. F. Oe. 1. Tafel IV. Alle Figuren bei F. oder J. Oec. 2. Fig. 1. Isolirte Sinneszellen und Stützzellen vom Tentakel von Anthea cereus. Fig. 2. Ein abgesprengtes Epithelstück enthaltend Stützzellen, Sinneszellen und Nesselzellen vom Tentakel von Anthea cereus. Fig. 3. Ein abgesprengtes Epithelstück bestehend aus 3 Stütz- zellen und 1 Sinneszelle vom Tentakel von Anthea cereus. Fig. 4. Sinneszellen im Zusammenhang mit den Fasern der Nervenschicht isolirt vom Tentakel von Anthea cereus. Fig. 5. Isolirte Stütz- und Nesselzellen vom Tentakel von Anthea cereus. Fig. 6. Nervenschicht mit Ganglienzellen von der Mundscheibe von Anthea cereus durch Abpinseln des Epithels freigelegt. Fig. 7. Dasselbe von Sagartia parasitica. Fig. 8—11. Ganglienzellen aus dem Ektoderm der Mundscheibe von Anthea cereus (Fig. 8) und Sagartia parasitica (9—11). Tafel V. Fig. 1. Bindesubstanz des Septum von Anthea cereus. F. Oe. 2. 636 Oscar und Richard Hertwig, Fig. 2. Bindesubstanz der Schlundrohrzipfel von Sagartia para- sitiea. F. Oc. 2. Fig. 3. Stützlamelle des Tentakels von Anthea cereus; im oberen Theil die an das Entoderm grenzende Lage circulärer Fasern, im un- teren Theil die an das Ektoderm grenzende Lage longitudinaler Fasern. 7720022. Fig. 4. Isolirte Zellen des Flimmerstreifens aus dem Mesenterial- filament von Sagartia parasitica. J. Oc. 2. Fig. 5. Längsschnitt durch den Flimmerstreifen von Sagartia parasitica. J. Oc. 2. Fig. 6. Nesselkapseln, « mit deutlichem Spiralfaden, 8 mit un- deutlichem Spiralfaden; eine Kapsel der letzteren Art mit ausgeschnell- tem Faden. F. Oec. 2. Fig. 7. Isolirte radiale Muskelfasern aus dem Ektoderm der Mundscheibe von Anthea cereus. F. Oc. 2. Fig. 8. Isolirte Stützzellen aus dem Drüsenstreifen eines Me- senterialfilaments von Sagartia parasitica. J. Oc. 2. Fig. 9. Isolirte Epithelzellen aus dem Flimmerstreifen eines Me- senterialfilaments von Sagartia parasitica. J. Oc. 2. Fig. 10. Querschnitt durch das Mesenterialfilament von Sagartia parasitica in seinem oberen Verlauf. D. Oe. 1. Fig. 11. Querschnitt durch ein Acontium von Sagartia para- SiticB. 7D..Ochl. Fig. 12. Isolirte Epithelzellen und Nervenfasern aus einem Acon- tium von Sagartia parasitica. J. Oc. 2. Fig. 13. Querschnitt durch ein Mesenterialfilament von Sagartia parasitica in seinem unteren Verlauf. D. Oec. 1. Fig. 14. Querschnitt durch das Mesenterialfilament eines Neben- septum von Sagartia parasitica. D. Oe. 1. Fig. 15. Isolirte Epithelzellen und Nervenfasern aus dem Drü- senstreifen eines Mesenterialfilaments von Sagartia parasitica. J. Oec. 2. Tafel VI. Alle Figuren bei J. Oc. 2. Fig. 1 u. 5. Sinneszellen aus dem Epithel der Septen von Na- gartia parasitica. Fig. 2. Drüsenzellen ebendaher. Fig. 3. 4. 9. 10. Ganglienzellen aus dem Epithel der Septen von Anthea cereus. Fig. 6 u. 7. Muskellamelle des Septum von Anthea cereus mit Die Actinien. 637 darüber liegendem Nervenplexus, Ganglienzellen und Sinneszellen durch Pinseln freigelegt. Fig. 8. Epithelmuskelzellen aus dem Septum von Sagartia para- sitica. Fig. 11. Epithelmuskelzellen aus der entodermalen Auskleidung der Tentakeln; «a. von ausgestreckten Tentakeln, ß. von verkürzten Tentakeln. Tafel VII. Alle Figuren beziehen sich auf Sagartia parasitica. Fig. 1—3. Querschnitte durch das obere Ende des Ovarium; junge zum Theil noch im Epithel gelegene, zum Theil erst kürzlich von der Stützlamelle umwachsene Eizellen. J. Oe. 1. Fig. 4 u. 5. Querschnitte durch Geschlechtssepten. Fig. 4 von einem weiblichen Thier ohne den Ursprung am Mauerblatt. Fig. 5 von einem männlichen Thier. A. Oec. 1. Fig. 6. Querschnitt durch einen Hodenfollikel. J. Oe. 1. Fig. 7. Isolirte Zellen aus dem das Ovarium bedeckenden Epi- thel. J. Oc. 2. Fig. 8. Querschnitt durch das obere Ende eines Ovarium; junge im Epithel liegende Eizellen; das Epithel nur bis zu ?/, seiner Höhe gezeichnet. J. Oe. 1. Fig. 9 u. 10. Querschnitte durch das periphere Ende und den Fadenapparat grosser, nahezu reifer Eizellen. J. Oe. 1. Fig. 11. Querschnitt durch einen jungen Hodenfollikel, J. Oc. 1. Fig. 12. Querschnitt durch das Epithel am oberen Ende des männlichen Geschlechtsorgans; im Epithel kleine, als Anlagen der Spermatozoenmutterzellen zu deutende Zellen. J. Oe. 1. Fig. 13. Querschnitt durch das periphere Ende und den Fa- denapparat einer grösseren Eizelle J. Oe. 1. Fig. 14. Längsschnitt durch die Falten eines männlichen Ge- schlechtsorgans. A. Oec. 1. Tafel VIII. Alle Figuren mit Ausnahme von Fig. 2 u. 9 beziehen sich auf Cerianthus membranaceus. Fig. 1. Querschnitt durch eine Geschlechtslamelle. A. Oc. 2. Fig. 2. Kleine Eizelle von einem noch jungen Thier, Cerian- thus solitarius. F. Oe. 1. Fig. 3. Querschnitt durch ein Mesenterialfilament. D. Oc. 2. 638 Oscar und Richard Hertwig, Fig. 4. : Bewimperung der Tentakeloberfläche vom: lebenden Tuer: 3.002. Fig. 5. Epithelmuskelzelle vom Entoderm eines contrahirten Tentakels. F. Oc. 2. Fig. 6. Epithelmuskelzelle vom Entoderm eines ausgedehnten Tentakels. F. Oc. 2. Fig. 7. Epithelmuskelzelle aus dem Ektoderm des Tentakels. F.'0e. 2. Fig. 8. Entoderm vom Tentakel abgestreift. F. Oe. 2. Fig. 9. Hodenfollikel von einem noch nicht geschlechtsreifen Thier. Cerianthus solitarius. F. Oe. 1. Fig. 10. Querschnitt durch einen Mesenterialfaden von Cerian- thus membranaceus. D. Oc. 2. Fig. 11. Querschnitt durch die Körperwand. D. Oc. 1. mz. Epithelmuskelzellen. Fig. 12. Septum dicht unterhalb des Magens mit Geschlechts- lamelle, Mesenterialfilament- Knäuel und Mesenterialfäden. Schwach vergrössert. Fig. 13. Durchschnitt durch Hoden- und Eifollikel. D. Oe. 1. Fig. 14. Isolirte Stütz- und Sinneszellen aus dem Ektoderm des Tentakels. F. Oc. 2. Fig. 15. Durchschnitt durch die Mundscheibe D. Oe. 1. Fig. 16. Querschnitt durch das Schlundrohr. C. Oe. 1. Tafel IX. Fig. 1—6. Pelagia noctiluca. Fig. 1. Querschnitt durch die Keimzone eines Ovarialbandes. J. 08; 1; Fig. 2 u. 3. Querschnitte durch die Keimzone einer männlichen Genitallamelle. J. Oe. 1. Fig. 4. Flächenschnitt durch die Genitallamelle einer männli- chen Pelagia.. D. Oc. 2. Fig. 5. Querschnitt durch den freien Rand einer Ovariallamelle. J. Oc. 1. _ Verkleinert. Fig. 6. Querschnitt durch die Genitallamelle einer männlichen Pelagia; Anfang und Endtheil ist dargestellt, das dazwischen gele- gene Stück weggelassen. D. Oe. 1. Fig. 7—12. Craterolophus Thetys (Lucernaria Leuckarti). Fig. 7. Stück eines der Subumbrella parallel geführten Längs- schnitts durch das Ovarıum. Vom Schnitt, der etwas schräg gefallen Die Actinien. 639 ist, sind zwei Oviducte in ihrer Verbindung mit dem zugehörigen Ge- nitalsinus getroffen. Beide enthalten reife abgelöste Eier. C. Oe. 2. Fig. 8. Stück eines Querschnitts durch das Ovar; der Zusam- menhang des Oviducts mit dem Genitalsinus sichtbar. D. Oe. 2. Fig. 9. Querschnitt durch zwei gemeinsam ein Geschlechtsor- gan bildende Hodenlamellen. Man sieht aussen nach links die Kör- perwand, dann zwei an einander grenzende, durch ein Septum von einander getrennte Radialtaschen, nach rechts vom Septum die Inter- genitaltasche. Von der Wandung der Intergenitaltasche sind der Raum- ersparniss wegen Stücke weggelassen; die Art, wie die Epithelien in einander übergehen, ist durch punktirte Linien bezeichnet. Nach oben und unten von der Intergenitaltasche die Querschnitte der Hoden- lamellen. Im oberen Schnitt ist der Zusammenhang des Ausführgangs mit dem Epithel der Gastrogenitaltasche und mit dem Genitalsinus zu sehen; auf dem unteren etwas schräg gefallenen Schnitt ein Ausführ- sang einer Hodendrüse und daneben der Ausführgang einer zweiten quer durchschnitten. Die Genitalsinus und die ansitzenden Hoden- follikel mit Spermatozoen erfüllt. Zur Orientirung sei noch bemerkt, dass nach oben und unten von den Hodenlamellen die Gastrogenital- tasche liegen würde, nach rechts der Magen, dessen Längsmuskulatur auf dem Querschnitt getroffen ist. Fig. 10. Querschnitt durch das Ovar. A mit abgeschraubter Frontlinse Oc. 1. In der Mitte die Gastrogenitaltasche, links von ihr eine der seitlichen Aussackungen vom Querschnitt getroffen; zu beiden Seiten die quer durchschnittenen Längsmuskeln. Fig. 11. Längsschnitt durch das Ovar, der Subumbrella parallel geführt. Die beiden Seiten sind verschiedenen Schnitten einer Schnitt- serie entnommen, die linke Seite stammt aus der Mitte der Schnitt- serie, die rechte aus dem Ende und stellt den Theil des Ovars dar, welcher sich an die Subumbrella setzt. Die Verdickung des Epithels rührt daher, dass dasselbe vom Schnitt schräg getroffen ist. Vergr. wie in Fig. 10. Fig. 12. Stück eines Längsschnitts, stärker vergrössert. D. Oec. 2. Tafel X. Fig. 1. Querschnitt durch das Ovarium einer Charybdea mar- supialis. D. Oe. 1. Fig. 2. Querschnitt durch das Ovarium einer Pelagia nocti- luca. Der Genitalsinus von Fäden durchsetzt, welche das parietale und viscerale Epithel verbinden. F. Oc. 1. etwas verkleinert. Fig. 3. Ein nahezu reifes Ei aus einem Querschnitt durch das 640 Oscar und Richard Hertwig, Die Actinien. Ovarium von Pelagia noctiluca mit der Krone eigenthümlich modifi- eirter Epithelzellen. F. Oc. 1 etwas verkleinert. Fig. 4. Längsschnitt durch eine im Mauerblatt befindliche, den Acontien Durchtritt gewährende Oeffnung von Sagartia parasitica. A. Oe. 1 um die Hälfte verkleinert. Fig. 5. Ende eines Mesenterialfilaments und Anfang eines Acon- tium an der Basis eines Septum von Sagartia parasitica. A. mit ab- seschraubter Frontlinse, Oc. 1 etwas verkleinert. Fig. 6. Querschnitt durch das Ovarium von Pelagia noctiluca. Links sieht man nahe dem Ursprung eines Mesenterialfadens den An- fang der Ovarialfalte, rechts oben deren Ende, wo der Genitalsinus sich in das Lumen des Genitalsäckchens öffnet. A. Oec. 1. Fig. 7. Genitalsäckchen einer Pelagia abgeschnitten, ausgebrei- tet und von innen betrachtet. Fig. 8. Ein Stück der Genitalfalte etwa zweimal vergrössert; ebenfalls von Pelagia noctiluca. Druck von Ed. Frommann in Jena. ith.v. EGiltschJena. Verlv. Gustav Fischer, Jena. Verl.v. Gustav Fischer,Jena. Lithv. E.Giltsch Jena, Verl.v. Gustav Fischer Jena. Lith.v. E.Biltscn Jena. . £ . ’ N a q 2 % y' € . ° . 5 . . . . 2 Sue zu te \ r f ä . } . - 4 . N a4 & . Tak.W ars. 0 (as Lith.Anst.v-G.0.Müller Jena. nn nn en Be | { ee e 2 1 | o .S S x I S _ st SS N x ST : S N Lith Anstv:6.0.Müller Jena. 4 BEN Verlag v. Gustav ischer inJena. BEN a REN DR AN ’ Be, er, Tat Y minor. re garrrttrtrrrHrettttt Fr, zetrtt FE hr 3 Er r, +44 +++ er . ” aarsasttrehtstraihar er zarrtt an. < +++? zarrtrt wir Lith.Anst:v.&.C.Milller Jena. 12: a ren .nmsoorun, Br ar “ Soaaa angennsuneneaenaenen I Seren ” a n % geremossoreeoenmanoennonoseasuen en” ne „eanesen 002° Yatus Un S2.0ria troıte. li dnas dangula. H. Fodiceps a a ee a Banbssasssersesesesster there... saurer SS ER R -r- ee, Pen er rag, > TLith.Anst:v.& C.Miller, Jena. ee Eee r rege, ..., DIRFER warten ee 5 EEE EEE EEEP FRE ses; B j Sue #ronsene Jena in Y. Gustav Fischer | Verlag‘ a 2 E22 22 5 Zee re TEE en nn En BE ar BE Sn SEES n ee ” Er aarttttrtrtterttener ehr rer, ee nn ESS 222er a ET BEE % n ai ds Der. ‚ ‘ Aue aan annnnnnnnnnnanme Tannen nennnn. . er. Anz mm mr mtmnn.n, DR en u = - . Keeuerer" “ .- asaanrr” “ TEEN = EM la + POEO TE SD 7 2 2 da 5 Fa 2 2 Fer Pe PETE ELEEOER « s VERS ELITE TEE Mospgrggrserurttttt Aarau, = Bag Gengpasrr tt Krug, “u, 2, er “ -i mansttttttrree Be, er ‚ wi art DE o EL Sean ” 13% " ” rt Ru; “ - ———— 2.) E Sa, de en u! re "=. “, rg Mn, r - eur net Veltcorax cavennensts. = = A on Re BIER ’ Eu ned “nos „ .. .- “o0on.02 “... Fe /0 @. 2 omia alba. 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EEE 1a. ossersesenen ne sansmenaii. E rt Sirarttt BR + Kr, + Arrtr thread. zart £ Sean, artt++ $ aurt u u x u F x En 7 5 = r + +++ x = + x : + Br x x + ” x « ! ARE “ x = : % + ENREZ Bi * ” x x & z x RUE “ ” N Ka Ro x ur rt x x “ „" = “ Ex Katar BR E2 Hrrryrrsrrt lan» Te ER UTE Son er soo Fr { ce % Two zer| Fr. a AR FL Ds er ad z 5 & = . Yun u 1er j B R rt u y & Bu u u Er Mn un Hr Tr Te er,Jena Haleyon - Lith Anst vG&C.Mull 1.9 (aprımulgus europacus. I Gypselus. I. atas. 20 Pieus. Wepurserssn Hrrt4 et trau, N "er Sue ee rn rt Re - Krhesgggpentrtt =, %o= Mn ” u, E = Er “" % f 2 R Mensaet Shogerrnerertt tree tr, / f Karrtrtr, “rt ” Nee « 6 Verlagv Gustav Fischer inJena. | | n N 1 AR : : S S Drrreererttrregr SE TrEFEE R, + „ Kirys ar kee+t acıas. Hu. Buceros plicatus. 16. Bcus mayor. Il Ficus martius. 18.1.0 (olaptes aus persa o. ulgus. 13.00 u. 4 lorythair 3 I2 Caprin ER Zatschritt, B d AM. tus vi Taf. A. Lith. Anst.v.G.C.Müller Jena. S, En: Fast rtrtrtstr HH. > trrry, 2 ru >, - % \ / « +++++ 52 EN + neh EE FT ei \ / x ter. x \ / x Fr+4+44Ht ö / x ee H [) 7 re 7 { 8 n BEE Be a ; “ { s => [ Le) & v > N \ — 1 et | \ > En N \ ei! h >, 2 A v h Sl ) 2 — 1 er. \ D en n {} D) \ 1 h 3 3 . o % % % e 4 u % „2 r % >. ze ” Se den 020° s SS -_ .. ed. e Denn Pin 1A. cornix sort=nonn Pr g a. / Sazxıcola. SullJlauda arvensis Bu A Tardus viscivorus. lııda.20. 0 + a a Ener han HE Eee ausche Z ’ eitschrilt, bad NM. 19. Aenmummunnun. 20. mmenmesannnnnnn u lblurdus viscivorns. rieola. du Udlauda APVENSIS. 90 ( comme E2 dl. FE nn Fayız Aare Era Er ++ *u “u an Tlnthus campestrıis. 2 Sasxtcola oenanthe. 3u.I or N) y NVUS NONE la 2 1/0 Farus ma v 72 alıs. I8ulI Verlag’ v Gustav Fischer in Jena. coelebs.6, 13 Fringilla da lempor r ’ aracl cinerea. Du. /5u 16 (vanoeitta eristadta. 16 14! via suecica. 4 )yı 7 nd Nat gez v H Gadow. Lith. Anst.v.6.C.Müller, Jena a De Te din MN ODE 5 U ZU EZ ln nn eis mi . r Pr n A * ” 5 3 3 A, £ f n r IT * » B h Se ß f r * \ + & er E en v ” ge ER - R ee Arme . N x Bi .E > > - . Taf. Al. r Jena. & Lith Anst v. CM [3 LÖNZE, vr a ’ nr Na LEE RER (6) { { Na Pac (ih Kah 7) uk a An RER en 4 i N 1 (A) \ j Ir NR, j F j j a Pa) j ı 1 r { ö ERURRENTOE NE. 1 1 ; 3 FI rc a AL FE N RAN f ) I Li \ i } Ua | N N u in Rn j SUCHEN 10 _ i \ ö N ’ [Farm y [ im W \ h DM a I A, ( fi e ' j h RR i NEE / me MN AN " DE Wi u TORE LER rn Pia Ha IK Da j ua 90 N t u} a EN nun: w. r [ b Dora f rn ia UNTER \ Kumst ! A I EN ı N y 1 { FR AN .) TEN pi SR | 7 ar | 1 11 Im Y u f "aba ; r r) 1 vH 2 | r ah | I a a . Nu Bi { N Y ? BR N Ä ! Br, { er f ii AN usa - N h: j h j Ye {} L} a ir y I h az j Mer ü u. # \ h ? y Dun i f N MR - \ 1 ' i \ { 1 1 ’ j ” $ 2 B ' A i { i ) N Y ei N # 1 ) Be) ı [ R v Y { / N r L j | j { { gi DR, D 0X Miu! i I De En : = i \ 2 R ii ; R . Re ZR uk NER n j ö N 1 N N j f j rasen vw I J 1 j RR N Ir £ DIN ah ı Vi N A up Verlag v. Gustav Fischer ‚Jena. I u ER u nn & nn " ’ cc u nn. nn ins P_ Verlag v. Gustav Fischer, Jena. lithx.&.Müller, Jena. Venaische Keitschrilt, BANN. Taf. XI, Zn \) © 6.Schwalbe u. C. Müller del. Verlag v. Gustav Fischer, Jena. lith‚„.&0.Müller, Jena. Rn r Dr Bla! Fake Fer In Pia Dun Y KH eK w if AN ) ! Taf. XV. Ö u) HEINE zn > Verl.v.Custav Fischer inJena. [ith.v.G.C.Müller Jena. JAD WM Columbea domeshe«: u iR ” - | [4 ‚Jenaische Zeitschrift, Bd. XÜ | | . 6. art. gestro-dund. CLIMATE. AN \ ce. Im. cc Den.c. inf ll. Hrautnabel 7 Anas hoschas. 2 Halieus carbo, 34u.5 Anser domestieus. 6. Gallıs I Stviv Flammen. 70 Bucer domesticus. 7 u. 8. Yolumba domestea: os plicatus. 74; Nesogyri, schematisch. l r > O | Verlag von (mstav ae m / Zulh.Anst vr che Zeitschrift, Be Iith.v. G.C.Müller,Jena. sehe Zeitschrift, BAM 7 J | I\el/ ) AV IT \N/7 N M = IN } \ N Fe EAN ertwig del. Verlag v. Gustav Fischer i.Jena. lith,v.G.C. Müller.Jena. E \ n Jenaische Zeitschrift, Bd. M f [1 R LEITREEED, Sl 4 IS SS SSSSS Gi | Be 17} Een I AIEMNINT ZB. III Ill ul LET NBBENE ö zalls lith v.6.C.Müller, Jena. En ic del Hertwig de! ; He „ Bahtıa . Mn { kuss Hz 2 De de A J Tat. \VIk. 5 al) Te Pan Ü (l Ka lithv.G.C.Müller, Jena. Verlag vQustav Fischer \. Jena. ) N i | | N f | HEN rr ER, Tue 2er % Taf. XIX. N > Zeitschrift, Bd AN ge? 6.6.Müller, Jena lith v Hertwig del. ar Ithw.bC Müller, Jana » = Ko > o o 4 o Ja [re > ht 2 oa = (>) > co nr & >— ee Te « lith v. GC. Müller Jena. uanh RN BE RER EL N BE BASTI lith.v.G.0.Müller, Jena. 5 'Hertwig del. &Z 4 Örsranin Iith..G.6.Müller, Jena. - nn 2 = “ ’ u %, f £ « . 1 » r £ L „ s 4 a I » x ra P- i z - pr. * n ! ‘ e E Y Ei u. za % f lithw.ß.C.Mül ler, Jena 5 Rn . Pe N > u ee Fr | s | | En lin n = i m 27 um art Dr 37 TH am SH ‚SIerz era Taf xXaı, 3 ooXQ ass oo cLe a en EB r © N) % ‘ \ bi ©x EEE = . re 6 mn nn nn SE del. Lith.Anst:v.E.Ciltsen Jena. an, Taf AR. EEE © g 9 RS FR ER Q 0880 & Eh “ y 300 < ion UN ST Nr 8 ® Bar ö re —zE 4. * Ro Ene | i F i \ i NEE, or, A all SE m u Run TESTER R f i e E et: HE Ein Be u". Oo mn - ri. \ ) | ; 5 be} = E3 ee e— [=] nn = = ve > = {7} = = == = —,. [= “ Bilsch Lith.Anst,vE ii. lag v Gustav Fischer i.Jena, B = ao ee FR = . Te « 2 ED San u SEE ED nun EEE BERNTE 5 _ a m gan — -- —— —— = EEE ELLE En se on a u a Zu re - - = > n ae ZB. Ze u pen u u I u = BE or r eH—---- u u En Sr - ) = x Een}---—& =5 = ur m Ze an, vw 7 r + Ba ea 2e@ |‘ Le yo) < ni ee O8 ‘ ya EN 2 x NY auulll R / MEI Ei Fa) Arlulk! | AI) N DA EINES sr \ NEIGE < \ 5 ı@: '@/ 2 r 8 fi iiyama 7 H WO) Eos () & SO e Zeitschr, BAM, Verlag v.Gustav Fischer i,Jena. Iithy.6.C.Müller, Jena, E | N m? a AN us Mlmen fi = f Ye f Ri! r { ‘ Pre: U MITTHEILUNGEN AUS DEM CHEMISCHEN LABORATORIUM UNIVERSITÄT JENA. JENA, VERLAG VON GUSTAV FISCHER. VORMALS FRIEDR. MAUKE. 1879. MAG Ha vr: FR Inhalt. Dr. H. Gutzeit, Beiträge zur Pflanzenchemie . Pa: Dr. Oscar Froelich, Ueber die bei der Einwirkung von Stickoxydgas auf Brom entstehenden Producte ak A. Geuther, Neue Synthese von Kohlenstoffsäuren. 1. Ab- handlung u: I. Dr. en Hrobleen er de Be von Roh lenoxyd auf die ehren Neunok ae des Ae- thyl-, Methyl- und Amyl-Alkohols bei höherer Temperatur II. A. Geuther und OÖ. Froelich, Versuche zur Erkennt- niss der Bedingungen, unter welchen die höher siedende Säure sich a ; h III. A. Geuther und ©. Neon. Weitere she g- die Einwirkung von Kohlenoxyd auf ein Gemenge von Alkoholat und Salz in höherer Temperatur . . IV. A. Geuther und O, Froelich, Mittheilung einiger ak dem Vorhergehenden in De her Ver- suche: . N AR Ar Geuther, N Neue il von leeren. 2. Ab- handlung. Versuche von Dr. A. Looss { Dr. Hugo Prinz, Ueber Schwefelverbindungen . . A. Eetiher, Veber die Caleiumoxysulfide und über die Con- stitution der Polysulfide und Polyoxyde der Alkali- und Alkali-Erd-Metalle A. Geuther, Ueber einige en Ale een Sänre A. Berner Zur Kenntniss der Wismuthsäure. Versuche von Dr. Carl Hoffmann 46 58 59 66 12 82 101 133 148 a N ee asnait SR Kor gninkriwnidt Sob isd sib oda daR Iso u Kohnateren vers ug anghr, a STERNE Dice, av en on: FE RR: ö BR ah 3 AR DM J | sh keit En BR, ee ;. Nah { BER ih Tas Homsteie A ee ib ta b ner ie oee-tximA Dia «Fein - aV ;dutlsar 0 hun en “u ih wardolo ya ngmoguihall tab! aa 2... 20 ae Br Bad A, ho Mollacet ‚0 burn) | N, SR. an Yun byzansikof ubr gm 02 DR rn reale han ie ER song Asilsoı Ohne wo llarst a ker gundesunmN Ne KR | . j ohltaheil Bi $5 WR ae06l A al'ner; olasersW‘ "88 2 wettnbitdev siowdea zadell' ‚sak "odirbein abAluarzomninled sih, yadoll“ 90 oh öbrzurlod bm. sbAtinlof oh ori A ER . alla M-hul-ilail 561 rn PR RR nor PR BIER CR seinio yadalf Be er, ie a ruhzltnaei WW ob edtuhrue ıoR BE. ur ET Ba Beiträge zur Pflanzenchemie von Dr. H. Gutzeit, I. Untersuchung der unreifen Früchte von Heracleum giganteum hort. Vor einigen Jahren bereits ist mit Sicherheit von mir nach- gewiesen worden, dass Aethylverbindungen im Pflanzenreiche vor- kommen, sowie dass der gewöhnliche Alkohol, der Aethylalkohol, nicht nur wie man bis dahin annehmen musste, lediglich in ge- gohrenen, sondern auch in manchen nicht gegohrenen Pflan- zensäften vorhanden ist !). Diese Thatsache ist später auch schon von anderer Seite be- stätigt gefunden; denn nachdem ich die Anwesenheit des genannten Alkohols, wie auch die des Methylalkohols in Wässern konstatirt hatte, welche über Früchten, namentlich den jungen, noch nicht, ausgewachsenen Früchten, von Heracleum giganteum hort., Pasti- naca satira L., und Anthriscus Cerefolium Hoffm. abdestillirt waren, sind eben diese Alkohole von Möslinger in den Destillations- wässern der Früchte von Heracleum Sphondylium L. aufgefunden worden ?). Zweifelhaft war nur geblieben, ob die Alkohole als solche ursprünglich schon in den Früchten existiren, oder aber ob sie erst aus ihren Aethern entstanden waren, deren Zersetzung durch die Einwirkung des siedenden Wassers bewirkt sein konnte. Zur Entscheidung dieser Frage wurde im Sommer 1877 der Versuch gemacht die Früchte mittelst alkoholfreiem Aether aus- zuziehen, und so den zersetzenden Einfluss des kochenden Wassers auszuschliessen. 1) Ueber das Vorkommen des Aethylalkohols resp. seiner Aether im Pflanzenreich. Habilitationsschrift. Jena, 1875, desgl. in der Jenai- schen Zeitschrift für Naturwissenschaften Bd. 9, 8. 161, und in Justus Liebig’s Annalen der Chemie Bd. 177, 8. 344. 2) Justus Liebig’s Annalen der Chemie Bd. 185, 8. 26 und Berichte d. d. chemischen Gesellsch. zu Berlin Bd. 9, 8. 998. Bd. XIII. Suppl. 1. 1 BR 4 YR Zu dem Ende wurde zunächst der zu Gebote stehende käuf- liche Aether wiederholt mit einer kleinen Menge Wasser längere Zeit kräftigst durchgeschüttelt, und nach jedem Schütteln die wässerige: Schicht entfernt. Der so gereinigte Aether wurde als- dann mittelst Caleiumchlorid getrocknet, darauf mit überschüssigem Natrium behandelt, und schliesslich aus dem Wasserbade rektifizirt, so lange das Destillat mittelst der Lieben ’schen !) Jodoformprobe als frei von Alkohol erkannt wurde. Das Thermometer zeigte konstant 35° C. Als Untersuchungsobject wurden die Früchte von Heracleum giganteum hort. gewählt, da diese mir am leichtesten zu Gebote standen. A. Früchte vom Jahre 1877. 8 Kilo recht junger Früchte wurden sofort nach dem Ein- sammeln in einer geeigneten Flasche mit so viel von dem ab- soluten Aether übergossen, dass sie davon völlig bedeckt waren, und dann unter öfterem Umschütteln einige Tage bei Seite gestellt. Darauf wurde der Auszug abgegossen und durch absoluten Aether ersetzt, und nach abermaliger mehrtägiger Maceration dieses Ver- fahren noch zum dritten Mal wiederholt. Schliesslich wurden die Früchte gut ausgepresst. Die vereinigten Flüssigkeiten bestanden aus zwei Schichten, einer wässerigen und einer ätherischen, welche mit Hülfe eines Hebers sorgfältig getrennt wurden. Die erstere wurde auf die genannten freien Alkohole untersucht, die letztere auf Aether derselben. a. Die wässerige Flüssigkeit. Diese durch Aufnahme von Farbstoffen ziemlich dunkel ge- färbte Flüssigkeit reagirte schwach sauer, eine Eigenschaft, die, wie ich früher bereits mitgetheilt habe, schon den Früchten eigen- thümlich ist, denn eine zerquetschte Heracleumfrucht auf blaues Lacmuspapier gelegt, färbt dieses intensiv roth. Da die Flüssigkeit nicht ganz klar erschien, so wurde sie zunächst filtrirt, und darauf durch vorsichtige Destillation aus dem Wasserbade von dem grössten Theile des gelösten Aethers befreit. Die letzten Antheile desselben wurden in der Weise entfernt, dass die Flüssigkeit einige Stunden am umgekehrten Kühler erhitzt wurde, mit der Vorsicht natürlich, dass Produkte mit höherem Siedepunkte als der des Aethers nicht entweichen konnten. *) Annalen der Chemie und Pharmaeie. Supplementband 7, 8. 218. NN a, Die vom Aether befreite Flüssigkeit zeigte an ihrer Oberfläche einige Oeltröpfehen und wurde deshalb zunächst durch ein vorher nass gemachtes Filter filtrirt; alsdann wurde sie auf Grund der früher gemachten Erfahrung, nach welcher sich die vorhandene freie Säure in geringer Menge mit den Wasserdämpfen verflüchtigt, mit Natriumcarbonatlösung neutralisirt und darauf über freiem Feuer und unter sorgfältiger Abkühlung zwei Dritttheile derselben abdestillirt. Das gewonnene Destillat wurde der fraktionirten Destillation unterworfen und dabei die nach jeder Destillation sich zeigenden äusserst geringen Oelmengen so gut wie möglich entfernt. Diese wurden schliesslich mit reinem Aether aufgenommen und der Haupt- menge der ätherischen Lösung hinzugefügt. Bei diesem Fraktioniren wurde sehr bald bemerkt, dass die letzten Antheile der Destillate spezifisch schwerer waren, als die erst übergegangenen, und als das Destillat noch etwa 400-500 Gramm betragen mochte, konnte schon mit Sicherheit erkannt werden, dass eine Flüssigkeit mit niedrigerem Siedepunkte als der des Wassers zugegen war. Auch gab die Lieben’sche Probe Jodoformbildung, doch hatte diese Reaktion keinen entscheidenden Werth, da immer noch — wenn auch nur in äusserst geringer Menge — ätherisches Oel zugegen war, mithin Folge einer Ein- wirkung von Natriumcarbonat auf einen etwa vorhandenen Aether des Aethylalkohols sein konnte. Sie wurde übrigens später, wie ich gleich hier bemerken will, nachdem die angedeutete Even- tualität ausgeschlossen war, mit gleichem Erfolge wiederholt. Analog dem bei meinen früheren Untersuchungen beobachteten Verhalten, hatte das Destillat eine schwach alkalische Reaktion angenommen, herrührend von einer Spur Ammoniak resp. Am- moniumcarbonat. Es wurde deshalb mit einigen Tropfen ver- dünnter Schwefelsäure angesäuert, und dann weiter fraktionirt. Nachdem die Flüssigkeit etwa noch 100—120 Gramm wiegen mochte, hatte sie immer noch einen relativ starken, aromatischen Geruch und wurde deshalb mit etwas frisch geglühter, reiner Thierkohle digerirt. Filtrat und Waschflüssigkeit wurden dann noch einm2l für sich rektifizirt, und das nunmehrige Destillat, welches die aromatisch riechenden Bestandtheile fast ganz verloren hatte, in einer mit Rückflusskühler und Thermometer verbundenen Kochflasche vorsichtig mit Aetzkalkstückchen versetzt. Nachdem dann der Kalk voliständig zerfallen war, wurde die Flüssigkeit abdestillirt und das Destillat in gleicher Weise behandelt. Dieses 1 * EB U MEER Verfahren wurde überhaupt so lange fortgesetzt, bis die Flüssig- keit vollständig wasserfrei geworden war, bis nämlich auch nach 36 stündiger Einwirkung bei 74° C. der Aetzkalk durchaus un- verändert geblieben war. Die nunmehr isolirte flüchtige Substanz war eine wasserhelle, leicht entzündliche und leicht bewegliche Flüssigkeit, die sich in allen Verhältnissen mit Wasser mischen liess und den Geruch und Geschmack des gewöhnlichen Alkohols zeigte. Sie siedete zwischen 74—78° C., ganz analog dem entsprechen- den Destillate, welches bei meinen früheren Untersuchungen er- halten war, als ich junge Früchte sofort, nachdem sie abgepflückt waren, mit Wasser zusammen der Destillation unterworfen hatte. Sie erwies sich dadurch als ein Gemisch aus Aethylalkohol und Methylalkohol; denn auch die Elementaranalyse gab entspre- chende Resultate: 0,2395 Gramm Substanz lieferten beim Verbrennen mit Kupfer- oxyd 0,4207 Gramm CO? und 0,2812 Gramm H?O, entsprechend 0,114736 Gramm C und 0,031244 Gramm H. Berechnet: Gefunden: Berechnet: früher jetzt 027522 48,6 48,3 Br an Hs = 130 13,0 13,0 57 125 0 —=34,8 — — 07 —500 100,0 100,0 Das Gewicht dieses Alkoholgemisches betrug 29 Gramm, mithin 0,36 °/, der Früchte, ein Resultat, welches ebenfalls mit dem- jenigen ziemlich übereinstimmt, welches bei der oben erwähnten früheren Untersuchung erhalten worden ist, denn diese hatte 0,33 °/, an Alkohol ergeben. Es gelang daraus einen Antheil zu gewinnen, der zwischen 78 und 79° C. siedete, und einen andern, der bereits zwischen 65 und 71° C. kochte. 1. Die zwischen 78 und 79°C. siedenden Bestandtheile. Die Trennung der beiden Alkohole oder richtiger die Iso- lirung kleiner Quantitäten derselben, wurde durch fraktionirte Destillation bewirkt und zwar mit Hülfe eines Wasserbades und eines Liebig’schen Kühlers in der schon früher von mir er- probten Weise, dass die Flüssigkeit zunächst bei etwa 50—60° längere Zeit der Verdunstung überlassen und selbstverständlich das erhaltene Destillat für sich aufgefangen wurde. Alsdann wurde NE das Destillationskölbchen so mit dem Kühler verbunden, dass bei sorgfältiger Leitung der Destillation ein Theil der höchst siedenden Antheile wieder in das Kölbchen zurückfliessen musste, und nun- mehr wurde vorsichtig so lange destillirt, bis das Thermometer 78° C. anzeigte. Der Rest der Flüssigkeit siedete zwischen 78— 79° Q., war also höchst wahrscheinlich Aethylalkohol. Das eben mitgetheilte Verfahren wurde mit dem Mittelgliede wiederholt und so das Fraktioniren fortgesetzt, bis von einem Mittelgliede nur noch verschwindend kleine Mengen vorhanden waren. Die so gewonnene, höchst siedende Flüssigkeit wog fast 12 Gramm. Um sie von dem aus der Luft aufgenommenen Wasser wieder zu befreien, wurde sie in einem Kölbchen, mit Aetzkalkstückchen versetzt, etwa 36 Stunden am Rückflusskühler erhitzt. Die alsdann durch Destillation getrennte Flüssigkeit erwies sich in der That als Aethylalkohol; denn erstens lag ihr Siedepunkt bei 78,1° C. Aethylalkohol siedet nach Gay Lussact), nach Kopp?) und nach von Baumhauer’?) unter einem Druck von 760 Mm. bei 78,4° C.; nach Mendelejeff bei 78,3% C.t). Zweitens hatte sie bei 15° C. das spez. Gewicht 0,792. Das spez. Gewicht des Aethylalkohols ist nach Kopp?) bei 15,5% C: = 0,7939, nach von Baumhauer®?) bei 15% 0, = 0,7937, nach Mendelejeff*) bei 15° C. = 0,7940. Drittens lieferte auch die Elementaranalyse ein bestätigendes Re- sultat, denn 0,2640 Gramm dieser Flüssigkeit gaben beim Ver- brennen mit Kupferoxyd 0,5004 Gramm CO? und 0,3115 Gramm H:O, entsprechend 0,136473 Gramm C und 0,034611 Gramm H, und durch nochmaliges Fraktioniren und Behandeln mit Aetz- kalk wurde ein geringer Antheil isolirt, von welchem 0,2245 Gramm 0,4272 Gramm CO? und 0,2649 Gramm H2?O lieferten, entsprechend 0,116509 Gramm C und 0,029433 Gramm H. Berechnet: Gefunden: Berechnet: BLERRNE t II ne — 51,7 5149 en ar, HIER 13,1 13,1 BE — 195 0 = 16 = 34,8 u — 0500 100,0 ; 1200.0 Viertens ergab sie als Oxydationsprodukt Essigsäure, denn als die 1) Gmelin’s Handbuch der Chemie. IV. Band, 8. 551. 2) Ebenda, Suppl. Bd., 8. 157. 3) Pharm. Zeitung, Bunzlau d. 2. Juli 1870. 4) Zeitschrift für Chemie 1865, 8. 257. EI mit Wasser verdünnte Flüssigkeit mit Hülfe eines wollenen Fadens, der als Heber fungirte, langsam zu etwas mit Wasser benetztem, auf einem Trichter befindlichen Platinmohr getropft wurde, ent- stand eine nach Essigsäure riechende, intensiv sauer reagirende und schmeckende Flüssigkeit, welche nach genauer Neutralisation mit stark verdünnter Kalilauge eine verdünnte Lösung von neu- tralem Eisenchlorid dunkelroth färbte. Die eingetrocknete Salz- lösung erzeugte mit wenig arseniger Säure erhitzt den höchst charakteristischen Geruch des Kakodyloxyds; mit Alkohol und Schwefelsäure erwärmt den des Aethylacetats. 2. Die zwischen 65 und 71°C, siedenden Bestandtheile. Nach diesem Ergebnisse konnte es kaum noch zweifelhaft sein, dass wie früher, so auch jetzt das erst gewonnene Alkoholgemenge neben Acthylalkohol auch Methylalkohol enthielt; doch da das angewandte Extraktionsverfahren den absoluten Nachweis gerade dieses Alkohols hier besonders wünschenswerth erscheinen liess, so wurden die gewonnenen niedrigst siedenden Antheile der Flüssig- keit nochmals einer fraktionirten Destillation unterworfen und da- durch schliesslich ein Antheil isolirt, der nach vollständiger Ent- wässerung zwischen 65— 71° C. siedete. Dieser wurde nochmals in’s Destillationskölbehen gebracht, doch jetzt nur wenige Tropfen davon abdestillirt, mit welchen eine Elementaranalyse gemacht wurde: 0,1749 Gramm der Substanz lieferten beim Verbrennen mit Kupfer- oxyd 0,2498 Gramm CO! und 0,1988 Gramm H?O, entsprechend 0,068127 Gramm C und 0,022089 Gramm H. Berechnet: Gefunden: Berechnet: Zn rs) 59,0 0372522 Here 05 12,6 HE=I30 0 = 16 500 u 0 —=34,8 100,0 100,0 Obgleich nun durch dieses Resultat die Anwesenheit von Methyl- alkohol schon so gut wie erwiesen war, so wurde dennoch der Rest der niedrigst siedenden Fraktionen nach bekannter Methode mit Schwefelsäure und saurem Kaliumoxalat behandelt, um den charakteristischen Oxalsäureäther dieses Alkohols darzustellen. Die- ser Versuch gelang trotz der geringen Menge des zu Gebote stehen- den Materials vollständig, denn neben Aethyloxalat wurde eine geringe Menge eines krystallinischen Produktes gewonnen, und nachdem dieses durch Auspressen zwischen Fliesspapier von der auhaftenden Flüssigkeit möglichst befreit war, wurde festgestellt, ET E.. dass‘es die physikalischen Eigenschaften, und das chemische Ver- halten des Methyloxalats hatte. Der Schmelzpunkt desselben lag, ganz analog dem bei meinen früheren Untersuchungen erhaltenen Resultate bei 54° C.). Methyloxalat schmilzt nach Dumas und Peligot?) bei 51° C., nach Kopp?) bei 50° C. Somit ist bewiesen, dass in dem wässerigen Antheile eines aus jungen Früchten von Heracleum giganteum hort. mit alkoholfreiem Aether erhaltenen Auszugs freier '‘Aethylalkohol sowohl, als auch freier Methylalkohol vorhanden ist, und diese Thatsache dürfte zu dem Schlusse berechtigen, dass die genannten Alkohole als solche schon in den Früchten vorhanden sind, dass sie also nicht erst, wie ich früher vermuthete, während der Untersuchung durch Zersetzung ihrer Aether entstehen. Die Bildung dieser Alkohole betreffend sei hier in der Er- wägung, dass der Sauerstoff-Zutritt in das Innere der lebenden Pflanzen nothwendig ein beschränkter sein muss, an die von Pa- steur*) ausgesprochene Ansicht erinnert, dass wenn überhaupt Pflanzen in einer Kohlensäure-Atmosphäre ohne Sauerstoff leben können, sie sich wie Alkoholhefe verhalten würden, eine Annahme, die sich bekanntlich auf die Untersuchungen von Lechartier und Bellamy 5) gründete, nach welchen in Früchten sowohl, als auch in Wurzeln und Blättern, wenn sie in eine sauerstofffreie Atmosphäre gebracht werden, Kohlensäure-Entwickelung und Bil- dung von Alkohol stattfinden soll, ohne dass Alkoholhefe in den Geweben auftritt. Müntz®), der ebenfalls in Bezug darauf Versuche angestellt hat und zwar nicht nur mit einzelnen ab- gelösten Pflanzentheilen, sondern auch mit ganzen, aus ihrem Nähr- boden nicht entfernten Pflanzen, hat es nun vollkommen bestätigt gefunden, dass die lebenden Zellen der höheren Pflanzen auch in einer sauerstofffreien Atmosphäre — im Stickstoff — funktioniren, und dass sie alsdann eine wirkliche alkoholische Gährung hervor- rufen. Er berichtet von Alkoholmengen, die zwei Tausendstel des 1) Justus Liebig’s Annalen der Chemie Bd. 177, 8. 365. 2) Annalen der Chemie und Pharmacie Bd. 95, S. 307. 3) Annalen der Chemie und Pharmaeie Bd. 15, 8. 32. 4) Comptes rendus 1872 Bd. 75, 8. 784. 5) Comptes rendus 1869 Bd. 69 S. 466 und ebenda 1872 Bd. 75, S. 1203. 6) Annales de Chimie et de Physique 1878, Bd. 13, 8. 543. PR Gewichtes der Pflanzen erreichten und überschritten; ferner hat er gefunden, dass den gleichen Bedingungen ausgesetzte Kontroll- pflanzen dadurch keineswegs lebensunfähig geworden waren, son- dern dass sie nach beendetem Versuche in Berührung mit atmo- sphärischer Luft sofort ihre normalen Funktionen wieder auf- nehmen und sich weiter entwickeln konnten. Diese letzten Versuche scheinen mir hier in so fern besonders erwähnenswerth, als dadurch die früher hin und wieder aufge- tauchte Vermuthung, dass freier Alkohol gar nicht in den Pflanzen vorkommen könne, weil derselbe die Lebensthätigkeit der Zellen geradezu vernichten würde, meines Erachtens auch experimental widerlegt worden ist. Die Wirkung des Alkohols ist eben im pflanzlichen, wie im thierischen Organismus verschieden und zwar hauptsächlich ver- schieden je nach der Konzentration desselben. Dass der von Müntz gefundene Alkohol wirklich erst durch das Verweilen der Pflanzen resp. Pflanzentheile in der sauerstoff- freien Atmosphäre entstanden sein konnte, wurde von ihm aus der Thatsache erschlossen, dass er in den an der Luft gebliebenen Kontrollobjekten — Mais-, Kohl-, Portulac-, Taubnessel- und Cichorienpflanzen, wie auch in Blättern und Wurzeln von Runkel- rüben und in beblätterten Zweigen des Weinstocks — keinen Alkohol nachweisen konnte. In Hinblick darauf könnte daher die Vermuthung auftauchen, dass auch der von mir in Pflanzentheilen gefundene Alkohol sich vielleicht erst nach dem Einsammeln der Früchte in ähnlicher Weise gebildet habe, und deshalb will ich noch die Thatsache ganz besonders hervorheben, dass bei meinen früheren Unter- suchungen sowohl, als auch bei der jetzt mitgetheilten das Ein- sammeln der Früchte, sowie das Entfernen derselben von den Stielen durch viele fleissige Hände besorgt worden ist, und dass die — also rasch gesammelten — Früchte früher sofort mit Wasser der Destillation unterworfen, jetzt sofort mit Aether übergossen worden sind; dass mithin nach beiden Untersuchungsmethoden eine nachträgliche Funktion der Zellen ausgeschlossen war. Ausserdem aber hätte sich im andern Falle nach der jetzt gewählten Methode, bei welcher die Früchte mehrere Tage mit dem Extraktionsmittel in Berührung waren, eine viel grössere Menge Alkohol ergeben müssen, als früher, während doch, wie oben bereits mitgetheilt ist, der Alkoholgehalt ziemlich übereinstimmend gefunden wurde. AG Wenn es übrigens richtig ist, dass im Organismus der Oxy- dationsprozess erst als das Secundäre, die Stofizersetzung da- gegen als das Primäre anzusehen ist, eine Ansicht, die sich be- kanntlich für den Stoffzerfall im Thierkörper schon seit längerer Zeit eingebürgert hat und für denjenigen im pflanzlichen Organis- mus kürzlich von Pfeffer ') wahrscheinlich gemacht ist; wenn also das Fehlen oder Vorhandensein des Sauerstoffs nur für die End- produkte von Bedeutung sein kann und somit die Annahme Pfef- fer’s zulässig erscheint, dass die von den oben genannten For- schern beobachtete Alkoholbildung nicht bei Sauerstoff-Abschluss erst begonnen, resp. bei Sauerstoff-Zutritt wieder aufgehört habe, dass dieselbe vielmehr bedingt sei durch die in den lebenden Zellen fortwährend erfolgenden molekularen Umlagerungen, so ist dann nach meiner Ansicht auch der Schluss berechtigt, dass es von den in Wechselwirkung tretenden Mengen des gebil- deten Alkohols einerseits und des aufgenommenen Sauerstofis an- dererseits abhängig sein muss, ob in den betreffenden Pflanzen- theilen auch bei Zutritt von Sauerstoff Alkohol sich ansammeln kann oder nicht. Nach diesen Erwägungen scheint mir auf Grund meiner Unter- suchungs-Resultate der Schluss vollkommen berechtigt, dass die jetzt gefundenen Alkohole, wie wuch die früher von mir in De- stillationswässern der Früchte von Heracleum giganteum hort.?), Pastinaca sativa L.?) und Anthriscus Cerefolium Hoffm.*) und von Möslinger in den über Früchten von Heracleum Sphon- dylium L.5) abdestillirten Wasser aufgefundenen Alkohole als solche schon in den unveränderten Früchten vorhanden waren, dass also „freier Aethylalkohol“ sowohl, als auch „freier Methylalkohol“ im Pflanzenreich vorkommt. b. Der ätherische Auszug. Die von gelöstem Chlorophyll intensiv dunkelgrün gefärbte Flüssigkeit wurde, um sie von etwa aufgenommenen Wasser zu !) Pfeffer, das Wesen und die Bedeutung der Athmung in der Pflanze. Landwirthsch. Jahrbücher von Nathusius und Thiel. Bd.7, S. 805. 2?) Justus Liebig’s Annalen der Chemie, Bd. 177, 8. 347, 8. 355, S. 363, 8. 367. | 3) Ebenda Bd. 177, 8. 375. 4) Ebenda Bd. 177, S. 383. 5) Ebenda Bd. 185, 8. 38, RE befreien, zunächst mit Caleiumchlorid behandelt; dasselbe blieb jedoch fast völlig trocken. Durch vorsichtige Destillation bei Anwendung der nur eben nöthigen Wärme wurde nunmehr der Aether entfernt oder richtiger gesagt zum grössten Theile beseitigt, und dann der Rest der Flüssigkeit anderer Arbeiten wegen einige Wochen bei Seite ge- stellt. Nach dieser Zeit hatte sich eine ziemlich grosse Menge des Chlorophylls an den Glaswandungen abgelagert. Dieses wurde durch ein Filter von dem Flüssigen getrennt, mit kleinen Mengen reinen Aethers gut nachgewaschen und darauf als werthlos fort- geworfen — allerdings, wie später von mir ausgeführte Unter- suchungen gelehrt haben, sehr übereilt; das Filtrat aber wurde abermals bei höchst gelinder Wärme einer Destillation unterworfen, so lange als noch Aether überdestillirte. Zur Entfernung der letzten Reste des Extraktionsmittels wurde alsdann in den Hals des Destillationsgefässes ein zweites gebogenes Rohr eingepasst, in der Weise, dass der eine Schenkel desselben mit seiner aufwärts gebogenen Mündung bis zum Niveau der Flüssig- keit reichte. Darauf wurde das Destillationsgefäss in ein Wasser- bad eingetaucht, — ebenfalls bis zum Niveau der Flüssigkeit, — dann das eine gebogene Rohr wieder mit dem Kühler verbunden, das andere aber mit einem Wasserstoffentwickelungsapparate in Verbindung gesetzt, und nunmehr das Wasser des Bades auf 45° C. erhitzt und bei dieser Temperatur erhalten, während ein konstanter Strom reinen, trockenen Wasserstoffgases durch den Apparat geleitet wurde, so lange als noch Aether überdestillirte. — Dieser Aether wurde später rektifizirt, und dadurch festgestellt, dass nur Spuren des ätherischen Oeles in demselben enthalten waren, wohl aber schienen geringe Mengen Alkohol vorhanden zu sein. — Der vollständig vom Aether befreite Auszug, welcher etwa 12 Stunden darauf bei höherer Temperatur einer weiteren fraktionir- ten Destillation unterworfen werden sollte, hatte sich mittlerweile abermals in einen festen und einen flüssigen, noch immer intensiv dunkel gefärbten Antheil geschieden. Letzterer wurde deshalb in eine völlig trockene tubulirte Retorte hineinfiltrirt, der auf dem Filter gesammelte Rückstand aber nicht wieder mit Aether nachgewaschen, sondern lediglich mit einem flachen Glasstäbchen möglichst aus- gedrückt. Bei diesem Verfahren war natürlich ein Verlust an ätherischem Oel nicht zu vermeiden. N 1 Der zurückgebliebene feste Theil bestand fast ganz aus Chloro- phyll, zeigte jedoch bei genauer Besichtigung einige weisse, kry- stallinische Schüppchen, und wurde in Folge dieser Beobachtung ebenfalls näher untersucht. 1. Der flüssige Theil. Beabsichtigt wurde hauptsächlich nur eine nähere Untersuchung der von anderen mit der Analyse des ätherischen Oeles von Hera- cleum giganteum hort. beschäftigten Chemikern !) bis dahin un- berücksichtigt gelassenen, niedrigst siedenden Antheile dieses Oeles, in welcher ich durch frühere Untersuchungen die Anwesenheit von Aethylbutyrat allerdings schon sehr wahrscheinlich gemacht, aus Mangel an Material aber nicht unzweifelhaft erwiesen hatte ?). Die auf das jetzt gewählte Extraktionsverfahren sich stützende Hoffnung dieses Mal eine genügende Ausbeute zu erhalten, gründete sich übrigens lediglich auf die früher von mir ausgesprochene Ver- muthung, dass die in den Destillationswässern gefundenen Alkohole erst durch Zersetzung ihrer Aether entstanden sein würden, auf eine Ansicht also, die in Folge der oben mitgetheilten Unter- suchungs-Ergebnisse bereits als eine irrige erkannt war. Ein günstiges Resultat konnte demnach kaum erwartet werden, bei der Ausführung des Versuchs aber wurde gerade deshalb noch mit um so grösserer Sorgfalt verfahren. Namentlich erschien es mit Rücksicht auf die in dem Auszuge vorhandenen, nicht flüch- tigen Bestandtheile besonders gerathen, die Trennung derselben von den flüchtigen Antheilen bei möglichst niedriger Temperatur zu bewirken, und aus diesem Grunde wurde die Destillation, in analoger Weise wie oben bei der Verflüchtigung der letzten Reste des Aethers, im Wasserstoffstrome ausgeführt; auch wurde die Retorte nicht direkt mit der Flamme erhitzt, sondern mit Hülfe eines Oelbades. Zunächst wurde die Temperatur desselben mehrere Stunden auf 150° C. erhalten und, nachdem alsdann die Vorlage gewechselt war, ganz allmählig im Laufe mehrere Tage auf 230° C. gesteigert. Als auch bei dieser Temperatur Nichts mehr überdestillirte, konnte auch durch eine weitere Steigerung derselben die Menge des De- stillats nicht vermehrt werden, wohl aber lagerte sich bei etwa 1) A. Franchimont und Th. Zincke wiesen nach, dass der Haupttheil des Oels aus Octylacetat und Hexylbutyrat besteht. — Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. 163, 8. 193. ?) Justus Liebig’s Annalen der Chemie, Bd. 177, 8. 349 u. 356. LEN a 260° C. im Halse der Retorte ein Sublimat an, doch nur in so geringfügiger Menge, dass eine Untersuchung desselben unter- bleiben musste; denn ein Versuch, durch vermehrte Hitze grössere Ausbeute zu erzielen, hatte nicht den gewünschten Erfolg, vielmehr kündigte ein unangenehmer brenzlicher Geruch den Beginn einer Zersetzung an, so dass die Destillation, resp. Sublimation als be- endet angesehen werden musste. a. Der Destillationsrückstand. Der sehr dickflüssige, schwarz aussehende Retortenrückstand erstarrte beim Erkalten zu einer festen, zähen Masse, welche später weiter behandelt wurde. — Man vergleiche unter 2, Seite 20. — b. Das Destillat. Die Gesammtmenge des gewonnenen ätherischen Oeles betrug 39 Gramm = 0,49 °/, der angewandten Früchte, mithin etwas we- niger als früher durch Destillation der unreifen Früchte mit Wasser erhalten worden ist, denn diese hatte 0,56°/, ergeben. Diese ge- ringere Ausbeute erklärt sich übrigens aus dem Verlust bei der Entfernung des aus der ursprünglichen ätherischen Lösung aus- geschiedenen festen Antheils. Die Resultate sind demnach meines Frachtens recht gut über- einstimmend, was mir übrigens nur in so fern der Erwähnung werth erscheint, als dadurch wenigstens einigermaassen die gleiche Beschaffenheit der untersuchten Früchte garantirt und mithin die Grundlage für etwaige weitere Vergleiche gegeben ist; denn wie ich bei meinen früheren Untersuchungen nachgewiesen habe t), ist der Gehalt an ätherischem Oel, sowie auch an Alkohol wesentlich abhängig von dem Reifezustand der Früchte. Beiläufig bemerkt lieferten ganz reife Früchte 2°/, ätherisches Oel. Die Reaktion der verschiedenen Fraktionen des Oels war sauer, ganz entsprechend dem Verhalten des Oels, welches durch Destil- lation der Früchte mit Wasser erhalten wird. Die freie Säure war übrigens jetzt wie früher nur in äusserst geringer Menge vor- handen. Der im Wasserstoffstrome bei einer Temperatur des Bades von 130° C. aufgefangene, etwa 9 Gramm wiegende Antheil des ätherischen Oeles wurde zur Entfernung etwa vorhandenen Alkohols, sowie der freien Säure erst mit einer sehr verdünnten Natrium- 1) Justus Liebig’s Annalen der Chemie, Bd. 177, 8. 358. N RN carbonat Lösung und dann einige Male mit kleinen Mengen Wasser kräftig durchschüttelt. Alsdann wurde er entwässert und der fraktionirten Destillation unterworfen. Diese ergab sofort, dass keineswegs nur bei etwa 130° C., sondern dass vorzugsweise höher siedende Antheile des Oels vorhanden waren; doch gelang es mir durch mehrfaches Fraktioniren einen Antheil zu isoliren, der zwi- schen 120-—-160° C. siedete. Dieser wog ziemlich 3 Gramm, betrug also gegen 8°/, der Gesammtmenge des Oels und hatte ganz ent- schieden den charakteristischen Geruch des Aethylbutyrats, neben einem Geruch, der auch den übrigen Fraktionen des Oels eigenthümlich ist. Nach dem früher von mir angewandten Verfahren wurde dieser Antheil in einem mit Rückflusskühler verbundenen Kölbchen mit 50 Gramm einer 50°/, Natriumhydroxydlösung so lange ge- kocht, bis eine vollständige Zersetzung der Aether jedenfalls er- reicht war, und selbstverständlich wurde bei diesem mehrere Stun- den dauernden Verseifungsprozesse für gute Abkühlung ganz be- sonders Sorge getragen. Durch Destillation wurden darauf die gebildeten Alkohole von den entstandenen Natrium- salzen getrennt. a@. Die durch Zersetzung mit Natriumhydroxyd entstandenen Alkohole. Das Destillat, welches an seiner Oberfläche eine sehr geringe Schicht einer öligen Flüssigkeit zeigte, wurde, um die Abscheidung der Alkohole mit höherem Kohlenstoffgehalte zu vervollständigen, den früher gesammelten Erfahrungen entsprechend, zunächst mit viel ‚Caleiumchlorid versetzt und dann von der ausgeschiedenen öligen Schicht mit Hülfe eines Hebers getrennt. Die so isolirte ölige Flüssigkeit war wasserhell, dünnflüssig und von angenehmem Geruche, wog aber kaum ein Gramm und konnte deshalb nicht weiter untersucht werden. Die wässerige Flüssigkeit dagegen wurde nunmehr unter sorg- fältigster Abkühlung einer mehrfachen fraktionirten Destillation unterworfen, schliesslich unter vorsichtigem Zusatz von Aetzkalk- stückchen. Es gelang auf diese Weise eine wasserhelle, spirituöse Flüssigkeit zu gewinnen, die mit Jod und Kalilauge erwärmt die Bildung von Jodoform veranlasste und bei weiterer Isolirung so- wohl mit blassbläulicher Flamme brannte, als auch mit Natrium- acetat und konzentrirter Schwefelsäure erhitzt den charakteristi- schen Geruch des Aethylacetats erzeugte, eine Flüssigkeit, die Ban er sich überhaupt vollständig wie Aethylalkohol verhielt. Die Menge derselben war allerdings so gering, dass eben nur qualitative Reaktionen mit ihr angestellt werden konnten. Für eine absolute Reinigung zum Zwecke der Elementaranalyse war leider nicht ge- nügend: Material vorhanden und aus dem gleichen Grunde musste es unentschieden bleiben, ob etwa neben Aethylalkohol auch Methyl- alkohol zugegen war. Positives Ergebniss dieser Untersuchung war jedenfalls die Konstatirung der Anwesenheit eines „Aethyl“äthers in dem untersuchten Oele. B- Die entstandenen Natriumsalze. Der die Natriumsalze enthaltende Rückstand wurde unter guter Abkühlung mit einem kalten Gemisch aus je 60 Gramm konzen- trirter Schwefelsäure und Wasser in der Weise nach und nach vermischt, dass eine Erhitzung durchaus nicht stattfinden konnte. Durch Destillation, welche ebenfalls unter guter Abkühlung erfolgte, wurden alsdann die in Freiheit gesetzten flüchtigen Säuren von dem entstandenen sauren Natriumsulfat getrennt. Nach den früher von mir gewonnenen Untersuchungs-Resultaten musste die Gegenwart von Buttersäure neben relativ wenig Essig- säure im Destillate vorausgesetzt werden, und in der That roch dasselbe nach Buttersäure und zeigte an seiner Oberfläche einige ölige Tropfen. Zur Trennung dieser vermuthlich vorhandenen Säuren wurde das Liebig’sche Verfahren ') der fraktionirten Sättigung in Anwendung gebracht und zu diesem Behufe das erwärmte und kräftig durchgeschüttelte Destillat zunächst in drei gleiche Theile getheilt und davon der eine Theil genau mit Natriumcarbonat gesättigt. Alsdann wurden die Flüssigkeiten wieder vereinigt und - darauf das wiederholt durchgeschüttelte Gemisch der Destillation unterworfen und diese möglichst lange fortgesetzt. Der erkaltete Rückstand reagirte aber trotzdem noch stark sauer, weshalb etwas Wasser hinzugegeben und noch einmal möglichst weit abdestillirt wurde. Der nunmehr hinterbliebene Rückstand wurde abermals in Wasser aufgenommen, und da die Lösung noch immer etwas sauer reagirte, so wurde sie mit Natriumcarbonat genau gesättigt, dann zur Trockene abgedampft und darauf der Rückstand mit Alkohol ausgezogen. Der alkoholische Auszug wurde zunächst durch Destillation 1) Annalen der Chemie und Pharmaeie. Bd. 71, 8. 356. SPERREN Sr vom Alkohol befreit und dann der Rückstand — Natriumsalz I — in Wasser gelöst und die durch Filtration völlig klar erhaltene Salzlösung vollständig eingedampft. Aus den gut gemischten, Säure haltigen Destillaten wurde Natriumsalz II in ganz derselben Weise gewonnen, nur mit dem Unterschiede, dass nicht ein Drittel, sondern die halbe Menge der vorhandenen Säure vor der Destillation neutralisirt wurde. Die dabei erhaltenen wässerigen Destillate wurden vollständig neutralisirt, und so — ebenfalls unter Anwendung von Alkohol — Natriumsalz III rein dargestellt. Alle drei Salz-Portionen, welche insgesammt nur etwa 1,5 Gramm wogen, entwickelten beim Uebergiessen mit verdünnter Schwefel- säure den durchdringenden Geruch der Buttersäure, indem sich gleichzeitig auf der Oberfläche der Flüssigkeit Oeltröpfchen zeigten. Behufs der Natriumbestimmungen wurden zunächst Theile der einzelnen Salzmengen in gewogenen Tiegeln bei 135° C. bis zu konstantem Gewicht getrocknet und darauf vorsichtig geschmolzen. Eine Zersetzung der Salze konnte dadurch noch nicht bewirkt worden sein oder doch nur in höchst unbedeutendem Maasse, denn der Verlust beim Schmelzen betrug bei Salz I nur = 0,0006 Gramm, bei Salz II— 0,0005 Gramm und bei Salz III ebenfalls 0,0006 Gramm. Die Analyse ergab folgende Resultate: I. 0,1540 Gramm des geschmolzenen Salzes hinterliessen beim Glühen 0,0811 Gramm Natriumcarbonat, entsprechend 0,035194 Gramm — 22,9°/, Natrium, II. 0,1825 Gramm des geschmolzenen Salzes gaben 0,0897 Gramm Natriumcarbonat, entsprechend 0,038926 Gramm = 21,3°/, Natrium, III. 0,1255 Gramm des geschmolzenen Salzes lieferten 0,0590 Gramm Natriumcarbonat, entsprechend 0,025604 Gramm — 20,4°/, Natrium. Berechnet: Gefunden: Berechnet: ar & U II III Be 59 — ae — 7195 = 89 = 0*H°0:? Na = 23 = 28.07 22,3 21,35 204 205 —=23-=Na 100,0 100,0 Salz III wurde demnach als reines „Butyrat“ erkannt, und die Salze II und I ebenfalls als Natriumbutyrat verunreinigt mit nur geringen Mengen eines anderen Salzes von höherem Natriumge- halte, also wahrscheinlich mit Natriumacetat, da nach Franchi- 2 ne mont und Zincke ein Hauptbestandtheil des ätherischen Hera- cleumöls Octylacetat ist. Aus den erhaltenen Zahlen geht also mit Sicherheit hervor, dass der bis 160° C. siedende Antheil des ätherischen Oels von Heracleum giganteum hort. fast nur Butyrat ist, und ich trage deshalb jetzt kein Bedenken mehr anzunehmen, dass der durch Zer- setzung dieses Antheils mit Natriumhydroxyd aufgefundene Aethyl- alkohol als „Aethylbutyrat“ in demselben enthalten gewesen ist, trotzdem es mir bei dem geringfügigen Material auch dieses Mal nicht gelingen konnte, diesen Aether behufs einer quanti- tativen Analyse völlig rein zu gewinnen. Die Anwesenheit von Essigäther würde bei dem niedrigen Siedepunkte desselben jeden- falls durch diesen, sowie durch den Geruch erkannt worden sein. Zu gleichen Resultaten und zu gleichen Folgerungen ist Mös- linger bezüglich der einheimischen Art gelangt, denn er sagt in seiner Abhandlung: „Ich habe nun gefunden, dass der Haupt- bestandtheil der analogen Portion des Oeles von Heracleum Sphon- dylium ebenfalls Buttersäureäthylester ist“). Bei dieser Untersuchung scheint es mir noch besonderer Er- wähnung werth, dass nach beiden von mir benutzten Methoden, also sowohl bei der Destillation der unreifen Früchte mit Wasser, als auch bei der Extraktion derselben mit absolutem Aether relativ viel freier Aethylalkohol, resp. Methylalkohol aufgefunden worden ist, aber nur wenig Aethylbutyrat. 8 Kilo junger Früchte lieferten nach dem Extraktionsverfahren: 29 Gramm zwischen 74 und 78° C. siedendes Alkoholgemisch und 3 Gramm zwischen 120--160° C. siedendes Oel, bei der Destillation: 26,6 Gramm eben solches Alkoholgemisch und 4,5 Gramm zwischen 130—170° C. siedendes Oel ?). Will man bei diesem analogen Verhalten nicht an ein Werk des Zufalls denken, so dürfte auch dieses beweisend dafür sein, dass die genannten Alkohole wirklich im freien Zustande schon in den Früchten vorhanden sind; denn bei einer nachträglichen Bildung der Alkohole — gleichviel in welcher Art — würden sich bei Anwendung so wesentlich verschiedener Methoden voraus- sichtlich auch ganz wesentliche Differenzen in der Ausbeute und 1) Justus Liebig’s Annalen der Chemie, Bd. 185, 8. 30. 2) 131/, Kilo junger Früchte lieferten 44 Gramm zwischen 74— 78°C. siedendes Alkoholgemisch, und 6'/, Kilo junger Früchte lieferten 3,5 Gramm zwischen 130—170° C. siedendes Oel. a in dem Gewichtsverhältniss der genannten flüchtigen Bestandtheile ergeben haben. 2. Der feste Theil. Es ist oben Seite 11 bereits mitgetheilt worden, dass sich nach vollständiger Entfernung des Aethers aus dem ätherischen Auszuge eine grüne, mit einzelnen weissen Schüppchen durchsetzte Masse ausgeschieden hatte. Trotzdem der Augenschein lehrte, dass nur eine sehr geringe Menge der krystallinischen Substanz zugegen war, wurde dennoch der Versuch unternommen, dieselbe von beigemischtem Farbstoff zu befreien und rein zu gewinnen, und zu dem Ende wurde das Ausgeschiedene zunächst zwischen wiederholt erneuertem Fliesspapier stark ausgepresst, so lange da- durch noch anhängendes Oel entfernt werden konnte. Auf Grund einiger Vorversuche wurde alsdann der Pressrück- stand mit viel frisch geglühter reiner Thierkohle vermischt, einige Stunden am Rückflusskühler mit absolutem Alkohol auf 78% C. erhitzt, darauf die so gewonnene Lösung siedend heiss durch Fil- tration von dem Ungelösten getrennt und dieses mit siedendem Alkohol gut nachgewaschen. Aus dem bräunlich gefärbten Filtrate hatte sich nach voll- ständigem Erkalten eine voluminöse bräunliche Substanz gallert- artig ausgeschieden. Diese wurde auf einem Filter gesammelt, dann durch anhaltendes, vorsichtiges Drücken mit einem flachen Glasstabe das Flüssige möglichst entfernt und schliesslich der durch diese Behandlung auf ein geringes Volumen gebrachte Rück- stand mit kaltem Alkohol gut abgewaschen. Da dieser Körper anscheinend amorph war, so wurde die zu isolirende krystallinische Substanz im alkoholischen Filtrate ver- muthet und daher zunächst dieses weiter untersucht. a. Die alkoholische Lösung. Zur Entfernung des Farbstoffs wurde die Flüssigkeit noch einige Male in gleicher Weise mit Thierkohle digerirt, ohne dass übrigens die beabsichtigte Wirkung vollständig erreicht worden wäre. Das zuletzt erhaltene Filtrat wurde dann durch Destillation vom Alkohol befreit; doch wurde zunächst nur reichlich die Hälfte des Lösungsmittels abdestillirt und dann der Rückstand erkalten gelassen, um so eine weitere Ausscheidung der oben erwähnten Substanz zu bewirken. Der Erfolg entsprach nun dieser Erwartung nicht, denn es 2 BR 1: hatte sich nach vollständigem Erkalten nur eine äusserst geringe Menge derselben ausgeschieden; er lehrte aber die zur Reindar- stellung ungemein wichtige Eigenschaft derselben kennen, in kaltem Alkohol fast unlöslich zu sein. Nachdem die Destillation beendet war, ergab sich als Rück- stand keineswegs ein fester Körper, sondern eine dunkel gefärbte, ölartige Flüssigkeit, welche nunmehr zur Entfernung der letzten Reste des Alkohols, resp. zum Zwecke der Krystallisation über Schwefelsäure gestellt wurde. In Folge davon wurde sie nach und nach sehr dickflüssig, aber die erwarteten Krystalle bildeten sich nicht. Nach einigen Monaten hat sich allerdings etwas feste, sehr stark gefärbte Substanz ausgeschieden, die jedoch durchaus nicht krystallinisch erscheint und deshalb: bislang »icht weiter berück- sichtigt worden ist. b. Der beim Erkalten der alkoholischen Lösung ausgeschiedene feste Antheil. Dieser, dessen Gewicht 2,5 Gramm betragen mochte, wurde der gewonnenen Erfahrung entsprechend in siedendem Alkohol ge- löst und die Lösung siedend heiss filtrirt. Das nach vollständigem Erkalten Ausgeschiedene wurde auf einem Filter gesammelt, zwi- schen Fliesspapier vorsichtig abgepresst und darauf in genau der- selben Weise wiederholt aus siedendem Alkohol ausgeschieden, bis es ziemlich weiss aussah. Die so gereinigte Substanz wog noch 0,9 Gramm, war un- löslich in Wasser, selbst in siedendem, wohl aber war sie löslich in Chloroform, Petroleumäther, Benzin und besonders leicht in Schwefelkohlenstoff. Mit Kaliumhydroxyd geschmolzen gab sie kein Ammoniak, war also stickstofffrei; auch verhielt sie sich völlig indifferent gegen Lackmus. Sie schmolz zwischen 66—71° C. und war demnach ein Gemenge. Ausser dieser Thatsache lehrte die Bestimmung des Schmelzpunktes, dass die Substanz noch keines- wegs völlig rein war; denn in der geschmolzenen Masse sah man deutlich einige feste Partikelchen schwimmen, welche sich mehr und mehr bräunlich färbten. Trotzdem wurde zunächst eine Elementaranalyse unternommen, und zu dem Ende ein Theil der über konzentrirter Schwefelsäure bis zu konstantem Gewicht getrockneten Substanz in einem ge- wogenen Schiffehen im Luftbade geschmolzen und eine halbe Stunde bei der Schmelztemperatur erhalten. Dabei ergab sich kein Ge- BB | wichtsverlust, was mithin zeigte, dass die Substanz über Schwefel- säure völlig ausgetrocknet war. 0,2010 Gramm derselben lieferten beim Verbrennen mit Kupfer- oxyd 0,6156 Gramm Kohlensäure und 0,2509 Gramm Wasser, ent- sprechend 0,167891 Gramm = 83,5 °/, Kohlenstoff und 0,027378 Gramm — 13,9°/, Wasserstoff. Nach diesem Ergebnisse konnte auf Verbindungen von der all- gemeinen Formel C"H:?"O geschlossen werden und in Folge davon, sowie in Anbetracht der Thatsache, dass in dem ätherischen Oel von Heracleum giganteum hort. bislang nur zusammengesetzte Aether aufgefunden waren, lag die Vermuthung nahe, dass die vorliegende Substanz ebenfalls aus solchen bestehen, dass sie also ein Gemenge von Fettsäureäthern mit hohem Kohlenstoffgehalt sein würde, analog zusammengesetzt dem Hauptbestandtheil des Bienenwachses, dem Palmitinsäure-Myrieyläther. Diese Annahme war jedoch falsch, denn nach nochmaliger Reinigung durch wiederholtes Umkrystallisiren aus siedendem Alkohol ergaben: 0,1567 Gramm sorgfältig getrockneter und geschmolzener — übrigens noch immer nicht vollständig reiner — Substanz 0,4874 Gramm Kohlensäure und 0,2012 Gramm Wasser, ent- sprechend 0,152927 Gramm — 84,8 °/, Kohlenstoff und 0,022356 Gramm = 14,5 '/, Wasser. Aus diesem Resultat geht jedenfalls hervor, dass kein Sauerstoff in der Substanz enthalten ist, sondern dass sie aus Kohlen- wasserstoffen von der Formel O'H?" besteht. Berechnet: Gefunden: I II u ae 83,5 84,8 H2 = .8;— 143 13,9 14,3 100,0 97,4 99,1 Wegen der geringen mir zu Gebote stehenden Menge der Sub- stanz, welche übrigens mit Hülfe des Mikroskops als aus krystal- linischen Schüppchen bestehend erkannt wurde, also keineswegs amorph war, wurde eine weitere Reinigung derselben einstweilen nicht vorgenommen, dagegen der Versuch gemacht aus den Rück- ständen noch Material zu gewinnen. Die nach der Destillation des Oels in der Retorte zurück- | gebliebene Masse. Nach den eben mitgetheilten Ergebnissen lag die Vermuthung sehr nahe, dass sich nicht die Gesammtmenge der Kohlenwasser- y*# SR stoffe aus dem Oele abgeschieden haben würde, vielmehr ein er- heblicher Antheil in demselben verblieben und nunmehr in dem Destillationsrückstande enthalten sein müsse. Derselbe wurde in der Hoffnung dadurch einen Theil des Farbstoffs entfernen zu können mit Wasser ausgekocht, allein es wurde nur ein schwach gefärbtes Filtrat erhalten, welches beim Abdampfen nur einen geringen harzigen Rückstand von schmutzig grüner Farbe hinterliess. In demselben waren auch einzelne weisse krystallinische Partikel bemerkbar, die aber ihrer geringfügigen Menge wegen von mir nicht weiter beachtet worden sind. Der mit kochendem Wasser extrahirte Rückstand wurde nun- mehr eine halbe Stunde lang mit siedendem Alkohol am Rück- flusskühler behandelt und so eine ziemlich stark gefärbte Lösung erhalten. Diese wurde siedend heiss filtrirt, und der Erwartung entsprechend schied sich daraus beim Erkalten eine stark gefärbte, voluminöse, anscheinend amorphe, thatsächlich aber mikrokrystal- linische Substanz aus, die allem Anscheine nach mit der oben be- schriebenen identisch sein musste. Durch mehrfach wiederholtes Umkrystallisiren aus heissem Alkohol gelang es auch hier den Farbstoff nach und nach zu beseitigen und eine ziemlich weisse Substanz zu erhalten. Dieselbe war stickstofffrei, entsprach mithin in dieser Beziehung ebenfalls der ersteren Verbindung; ihr Schmelz- punkt aber lag nicht bei 66—71° C., sondern bei 61—63° C. In der Annahme, dass anhängendes Oel die Ursache dieser Differenz sein würde, wurde die 0,6 Gramm wiegende Substanz behufs wei- terer Reinigung in einem gut verschlossenen Stöpselcylinder meh- rere Tage unter häufigem Umschütteln mit etwas kaltem Alkohol macerirt und dann abermals aus heissem Alkohol umkrystallisirt. Die so gewonnene und sorgfältig über Schwefelsäure ausgetrocknete Substanz schmolz aber immer noch bei 61—63° C. und erstarrte vollständig bei 59° C. Die Elementaranalyse ergab folgende Resultate: 0,1845 Gramm geschmolzener Substanz lieferten beim Verbren- nen mit Kupferoxyd 0,5758 Gramm Kohlensäure und 0,2370 Gramm Wasser, entsprechend 0,157036 Gramm = 85,1 °/, Koh- lenstoff und 0,026333 Gramm = 14,3 °/, Wasserstoff. Berechnet: Gefunden: 02 — 2 85,1 ne 2 Ze 14,3 100,0 99,4 N Demnach bestand auch diese Substanz, gleich der früher analy- sirten aus Kohlenwasserstoffen von der allgemeinen Formel C"H?". Aus der Differenz der Schmelzpunkte ist vielleicht der Schluss zu ziehen, dass Kohlenwasserstoffe mit niedrigerem Schmelzpunkte leichter vom Heracleumöl gelöst werden als diejenigen mit höherem Schmelzpunkte, dass mithin vorzugsweise auch die letzteren sich zunächst abscheiden. Das Resultat dieser Untersuchung war also die Konstati- rung des Vorkommens fester Kohlenwasserstoffe von der Formel C"H?" im Pflanzenreiche. In der Absicht, bestätigende Versuche anzustellen, wurden im Sommer 1878 abermals junge Früchte des Heracleum gigant. hort. von mir untersucht und ebenfalls solche von Heracleum Sphon- dylium L., da es von Interesse war, event. die Gegenwart fester Kohlenwasserstoffe auch in der einheimischen Art nachzuweisen. B. Früchte vom Jahre 1878. 12!/, Kilo junger Früchte wurden mit einer zu ihrer voll- ständigen Bedeckung hinreichenden Menge Aether von 0,722 spez. Gewichte unter häufigem Umschütteln 8 Tage lang macerirt und nachdem darauf die Flüssigkeit soviel als möglich abgegossen war, gut ausgepresst. Der Auszug bestand natürlich wie früher aus einer wässerigen und einer ätherischen Schicht, welche mittelst eines Hebers sorgfältig getrennt wurden. Sowohl aus der — übrigens nicht weiter berücksichtigten — wässerigen Lösung, als auch aus dem ätherischen Theile wurde der Aether abdestillirt, und sofort zu weiterer Extraktion ver- werthet, da die abgepressten Früchte vollständig mit Aether über- gossen auf’s Neue einige Tage macerirt wurden. Alsdann wurde in gleicher Weise gearbeitet wie vorher und dieses ganze Verfahren auch noch zum dritten Male wiederholt. Nachdem der Aether durch Destillation aus dem Wasserbade fast ganz aus den vereinigten ätherischen Auszügen entfernt war, schied sich dem früher beobachteten Verhalten entsprechend nach einigen Tagen eine grosse Menge dunkelgrün gefärbter Substanz aus, welche auf einem Filter gesammelt, gut ausgedrückt und mit etwas Aether nachgewaschen wurde. Der Rückstand wurde übrigens nicht wieder ohne Weiteres fortgeworfen, sondern ebenfalls einer Untersuchung unterworfen; denn bei genauer Besichtigung konnten in derselben deutlich Krystalle wahrgenommen werden. a. Der flüssig gebliebene Theil des ätherischen Auszugs, Dieser wurde zunächst in der früher beschriebenen Weise mit Hülfe eines Wasserbades und eines Wasserstoffstromes vollständig vom Aether befreit; der Rückstand, welcher — ebenfalls analog dem früher beobachteten Verhalten — nach völligem Erkalten aus einem flüssig gebliebenen und einem festen Antheil bestand, nicht wieder einfach durch Filtration in diese beiden Bestandtheile ge- schieden, sondern den gewonnenen Erfahrungen gemäss, wiederholt mit kaltem, absolutem Alkohol extrahirt, in der Hoffnung, dadurch das ätherische Oel vollständig zu entfernen, die festen Kohlen- wasserstoffe aber im Rückstande zu behalten. 1. Der nach der Behandlung mit kaltem Alkohol hinterbliebene Rückstand. Dieser wurde mit siedendem, absolutem Alkohol am Rück- flusskühler extrahirt und die Lösung siedend heiss filtrirt. Der Erwartung entsprechend schied sich beim Erkalten eine voluminöse, gallertartig aussehende Substanz aus. Diese wurde auf einem Filter gesammelt, vorsichtig ausgedrückt, zwischen Fliesspapier abgepresst und darauf mit kaltem Schwefelkohlenstoff macerirt. Die gewonnene Lösung wurde durch Destillation vom Schwefel- kohlenstoff befreit und der so erhaltene Rückstand wiederholt aus siedendem Alkohol umkrystallisirt. Der Schmelzpunkt der so gereinigten, ziemlich weiss aus- sehenden, über Schwefelsäure gut ausgetrockneten Substanz lag, wie bei der im Vorjahre erhaltenen, zwischen 66— 71°C. Es zeigte sich jedoch bei dieser Prüfung, dass die Substanz noch immer nicht ganz rein war, denn in der Schmelze befand sich eine dunkel aussehende, flockige Masse. In Folge davon wurde der Versuch gemacht, mechanisch eine Trennung zu bewirken, und zu diesem Behufe die Masse in einem Trichter mit ganz eng aus- sezogener Röhre in einem Luftbade mehrere Stunden auf etwa 75° C. erhitzt, so lange in das untergesetzte Gefäss noch etwas abtropfte. Der Erfolg war über alles Erwarten befriedigend, denn erstens war der grösste Theil der braunen Substanz auf dem Trichter zurückgeblieben und zweitens zeigte es sich, dass der mit durch- geflossene Antheil derselben durch die längere Einwirkung der Wärme so weit verändert war, dass er sich in siedendem Alkohol nicht mehr löste. | — 23 —. Das heisse alkoholische Filtrat erschien farblos und die nach dem Erkalten ausgeschiedene voluminöse Substanz fast weiss, und in der That gelang es nunmehr durch mehrfaches Unkrystallisiren aus heissem Alkohol schliesslich eine krystallinische Substanz zu erhalten, welche, nachdem sie über Schwefelsäure vollständig aus- getrocknet war, blendend weiss erschien, trotzdem übrigens der früheren Beobachtung entsprechend aus mehreren chemischen In- dividuen bestehen musste, denn ihr Schmelzpunkt lag immer noch zwischen 66—71° C. Die Elementaranalyse derselben ergab folgende Resultate: 0,1414 Gramm der geschmolzenen Substanz lieferten 0,4426 Gramm Kohlensäure und 0,1847 Gramm Wasser, entsprechend 0,120709 Gramm = 85,4 °/, Kohlenstoff und 0,020522 Gramın = 14,5°/, Wasserstoff, und nach nochmaligem Umkrystallisiren aus heissem Alkohol gaben: 0,1379 Gramm der sorgfältig über Schwefelsäure getrockneten und dann geschmolzenen Substanz 0,4350 Gramm Kohlensäure und 0,1817 Gramm Wasser, entsprechend 0,118091 Gramm = 85,6 °/, Kohlenstoff und 0,020159 Gramm — 14,6 °/, Wasserstoff. Demnach besteht diese Substanz aus Kohlenwasserstoffen von der allgemeinen Formel C"H?". Berechnet: Gefunden: A — — N I II =12—=85,7 85,4 85,6 H—= 2—143 14,5 14,6 100,0 ‚99,9 100,2 Sie ist geschmack- und geruchlos, löst sich nicht in Wasser, da- gegen leicht in Chloroform, auch in Benzin und Petroleumäther, sowie besonders leicht in’ Schwefelkohlenstoff. Siedender Aether und siedender Alkohol lösen ebenfalls beträchtliche Mengen der- selben, doch scheidet sie sich aus ersterem beim Erkalten zum Theil, aus letzterem fast vollständig wieder aus. Die Lösung von 0,1 Gramm der Substanz in 4 Gramm siedenden Alkohols erstarrt beim Erkalten gänzlich, und nach recht langsamer Abkühlung be- steht die ausgeschiedene weisse Masse aus wohl ausgebildeten mikroskopischen Krystallblättchen. Auf Platinblech erhitzt, ver- brennt sie mit leuchtender Flamme vollständig, ohne etwa zunächst einen kohligen Rückstand zu geben, und in einem engen Reagir- eylinder erhitzt, geht sie theils in Dampfform über, theils zieht sie sich an den Glaswandungen herauf und erstarrt dann zu einer durchscheinenden Masse. Mit konzentrirter Schwefelsäure sowohl, N De als auch mit Natronlauge tüchtig verrieben, wird sie in der Kälte gar nicht verändert und ebenfalls nicht oder doch fast nicht in der Hitze des Wasserbades. Dieses gesammte physikalische und chemische Verhalten ist nur den Paraffinen eigenthümlich, und somit ist also das Vor- kommen von festen, den „Paraffinen“ angehörigen Koh- lenwasserstoffen in den jungen Früchten von Hera- cleum gigant. hort. zum zweiten Male von mir nachgewiesen, und ich will gleich hier bemerken, dass es mir auch gelungen ist, dieselbe Substanz nicht nur in den jungen Früchten von Hera- cleum Sphondylium L. ebenfalls, sondern auch in solchen von Pastinaca sativa L. aufzufinden. Es ist diese Thatsache um so bemerkenswerther, als bekannt- lich bis jetzt Paraffine ausser im Mineralreiche nur in den Pro- dukten der trocknen Destillation aufgefunden worden sind. 2. Die alkoholische Lösung. Aus dieser wurde durch Destillation aus dem Wasserbade, schliesslich mit Hülfe eines Wasserstoffstromes erst der Alkohol vollständig entfernt und sodann ebenfalls im Wasserstoffstrome in der oben beschriebenen Weise durch mehrtägige Destillation aus dem Oelbade, dessen Temperatur allmählich bis auf 260° C. gesteigert wurde, das ätherische Oel gewonnen. Die Gesammt- menge desselben wog 71 Gramm = 0,57°/, der Früchte, demnach war die Ausbeute gerade so gross als früher bei der Destillation der jungen Früchte mit Wasser, denn diese hatte 0,56°/,, resp. 0,6 °/, Oel ergeben !). Gegen Ende der Destillation konnte im Retortenhalse wieder das Auftreten eines Sublimats bemerkt werden; auch schied sich beim Abkühlen aus den zuletzt überdestillirten Antheilen des Oels, welche in einem Reagircylinder für sich aufgefangen und dann in kaltes Wasser gestellt waren, nach einiger Zeit eine feste, weisse Substanz aus. Diese wurde durch Abgiessen und langes Abtropfen- lassen, dann durch Abspülen mit geringen Mengen Alkohol und endlich durch Pressen zwischen Fliesspapier von dem anhängenden ätherischen Oele vollständig befreit. Die so gereinigte, gegen Lackmus indifferente Substanz wurde von heissem Alkohol aufgelöst, schied sich aber beim Erkalten nicht wieder aus und war demnach nicht etwa identisch mit den von mir gefundenen Kohlenwasser- stoffen. Diese Wahrnehmung wurde durch eine Bestimmung des 1) Justus Liebig’s Annalen der Chemie, Bd. 177, 8. 349 u. 8.361. EI a Schmelzpunktes bestätigt, denn diese ergab 84—142° 0. Da mithin eine einheitliche Substanz hier nicht vorlag, so konnte natürlich der geringen Menge wegen eine eingehende Untersuchung derselben nicht vorgenommen werden, und es sei deshalb von ihr nur er- wähnt, dass sie mit konzentrirter Schwefelsäure übergossen erst eine schmutzig braungelbe, nach einiger Zeit dunkelgrüne Lösung giebt. Der in der Retorte verbliebene, sehr dickflüssige, nach dem Erkalten feste, zähe Rückstand wurde am Rückflusskühler mit frisch rektifizirtem, siedendem Schwefelkohlenstoff vollständig ex- trahirt, aus der erhaltenen Lösung der Schwefelkohlenstoff durch Destillation entfernt und der so erhaltene dickflüssige, zum Theil krystallinische Rückstand wiederholt mit kleinen Mengen kalten, absoluten Alkohols behandelt. Der dadurch gewonnene Auszug wurde nach Entfernung des Alkohols erst mit Petroleumäther, darauf mit Benzin extrahirt, und der dann noch verbliebene Rückstand in Chloroform gelöst. Die so erhaltenen Lösungen hinterliessen nach Entfernung der Lösungsmittel dunkelgefärbte Flüssigkeiten, welche nach längerer Zeit zu festen, zum Theil krystallinischen, bislang noch nicht weiter untersuchten Massen erstarrt sind. — Der erhaltene Rückstand, welcher nach den früheren Erfah- rungen die in Schwefelkohlenstoff leicht, in kaltem, absolutem Al- kohol sehr schwer löslichen Kohlenwasserstoffe enthalten musste, wurde nunmehr zur Isolirung derselben mit siedendem Alkohol extrahirt, und in der That schied sich beim Erkalten des Filtrats eine voluminöse Substanz aus. Diese wurde einige Male aus sie- dendem, absolutem Alkohol umkrystallisirt und dann ihr Schmelz- punkt bestimmt. Bei Bestimmung desselben ergab sich nun erstens, dass die gesuchten Körper allerdings vorhanden, aber noch sehr unrein waren, sowie zweitens, dass jedenfalls auch eine weit über 100° C. schmelzende Substanz zugegen sein musste, und in Folge dieser Beobachtung wurde der Versuch gemacht, die niedriger schmelzenden Stoffe von den höher schmelzenden durch kalten Schwefelkohlenstoff zu trennen. Derselbe gelang auch vollständig; denn die erhaltene Lösung hinterliess nach völliger Entfernung des Extraktionsmittels, welche erst durch Destillation, dann durch an- haltendes Erhitzen im Wasserbade bewirkt wurde, einen geschmol- zenen Rückstand, welcher beim Erkalten zu einer gelben, wachs- artigen, nur noch mit einigen schwarz aussehenden, harzigen Theilen verunreinigten Masse erstarrte, aus der durch mehrfaches Um- krystallisiren aus siedendem, absolutem Alkohol eine geringe Menge BE ae ziemlich weiss aussehender, mikrokrystallinischer Substanz erhalten wurde, die sich durch Schmelzpunkt und chemisches Verhalten als identisch mit den früher gefundenen Paraffinen erwies. Wie bereits angegeben, wurde bei der zuletzt mitgetheilten Untersuchung die Trennung der eben genannten Kohlenwasserstoffe von einer höher schmelzenden Substanz durch Behandlung mit kal- tem Schwefelkohlenstoft bewirkt. Der Macerationsrückstand wurde nunmehr mit siedendem Schwefelkohlenstoff extrahirt und so eine Lösung erhalten, aus welcher sich beim Erkalten gut ausgebildete Krystalle absetzten. Diese lösten sich in siedendem Alkohol ziem- lich leicht auf und krystallisirten daraus in konzentrisch gruppirten Nadeln, welche erst bei etwa 177° C. schmolzen. Demnach war hier ein neuer Körper aufgefunden worden; die Menge desselben betrug jedoch kaum 0,05 Gramm, eine nähere Prüfung seiner Eigenthümlichkeiten musste mithin unterbleiben. b. Der zuerst ausgeschiedene feste Theil des ätherischen Auszugs. Dieser wurde mit ungefähr 50 Gramm frisch rektifizirten Schwefelkohlenstoffs etwa eine halbe Stunde lang am Rückfluss- kühler erhitzt und die so erhaltene Lösung siedend heiss filtrirt. Beim Erkalten des Filtrates schieden sich einzelne grüne Krystall- drusen aus, weshalb der auf dem Filter verbliebene Rückstand abermals mit siedendem Schwefelkohlenstoff behandelt wurde, und da sich aus dem gewonnenen, heissen Filtrate beim Erkalten wie- derum Krystalle absetzten, so lag natürlich der Gedanke nahe, den Rückstand so lange wiederholt mit grösseren Mengen Schwefel- kohlenstoff auszukochen, als die Filtrate nach dem Erkalten noch Krystalle absetzen würden. Doch nachdem zu diesem Zwecke circa 250 Gramm Schwefelkohlenstoff verwendet waren, wurde dieses Lösungsmittel als ungeeignet erkannt, denn die aus den gesammten Auszügen ausgeschiedenen Krystalle wogen kaum 0,5 Gramm, und nachdem aus den Filtraten der grösste Theil des Lösungsmittels durch Destillation entfernt war, hatte sich nach dem Erkalten aus der rückständigen Flüssigkeit nur eine so geringe Menge Krystalle abgesetzt, dass sogar von einer weiteren Verarbeitung der Mutter- lauge abgesehen wurde, da eine solche um so weniger rationell erschien, als eine dadurch erzielte Vermehrung des Materials dem- selben sehr leicht unverhältnissmässig grosse Mengen verunreini- gender Stoffe zuführen konnte. BR Die Substanz war demnach in Schwefelkohlenstoff ungemein schwer löslich und deshalb musste ein anderes Extraktionsmittel aufgesucht werden. Eine vorläufige Prüfung der Krystalle auf ihren Schmelzpuukt ergab nun, dass derselbe annähernd bei 176° C. lag, dass sie also wahrscheinlich identisch waren mit den oben erwähnten bei etw: 177° C. schmelzenden Krystallen, und auf Grund dieser Beobachtung wurde nunmehr für die weitere Extraktion mit ausgezeichnetem Erfolge siedender Alkohol verwerthet. Die insgesammt erhaltenen Krystalle wogen et 2,5 Gramm; doch waren dieselben noch sehr mit grünem Farbstoff verunreinigt und mussten deshalb wiederholt aus heissem Alkohol umkrystallisirt werden, wobei natürlich ein Verlust an Substanz nicht ganz zu vermeiden war, wenn sich auch dieselbe aus einer Lösung in 60—70 Theilen siedenden Alkohols beim Erkalten fast Be wieder ausschied. Nach mehrfachem Umkrystallisiren resultirten 1,6 Gramm gelb- lich weisser, nadelförmiger Krystalle, welche sich als stickstofifrei erwiesen, völlig indifferent gegen Lackmus waren, durch Einwirkung des Lichtes nach und nach gelb wurden und bei 182° schmolzen. Beim Schmelzen hatte man den Eindruck als ob immer noch ge- ringe Mengen eines Stoffes mit niedrigerem Schmelzpunkte zugegen sein müssten; da sich aber der. Schmelzpunkt durch das Um- krystallisiren nur sehr langsam von 177° auf 182° C. gesteigert hatte, so wurde dasselbe einstweilen eingestellt und zunächst nur eine Vermehrung des Materials erstrebt, weshalb denn auch die mittlerweile in Arbeit genommenen Früchte von Heracleum Sphon- dylium L. und Pastinaca sativa L. ganz besonders auf das Vor- handensein dieses hochschmelzenden Stoffes untersucht wurden. Ein Versuch denselben durch Sublimation zu reinigen führte nicht zum Ziele, weil zum Theil Zersetzung eintrat. Siedendes Wasser löst bei längerer Einwirkung sehr geringe Mengen, die sich beim Erkalten wieder ausscheiden. Konzentrirte Schwefel- säure löst ihn sehr leicht zu einer tief goldgelb gefärbten Flüssig- keit, welche an feuchter Luft allmählich und auf Zusatz von Wasser sofort unter Entfärbung eine weisse Substanz abscheidet, die mit dem ursprünglichen Körper identisch zu sein scheint; denn das Ver- halten derselben zu konzentrirter Schwefelsäure ist dasselbe und -auch ihr Schmelzpunkt ist fast übereinstimmend. Dasselbe Verhalten zeigt auch der zuerst gefundene hoch schmelzende Körper, er ist also damit identisch. — Die Gegenwart eines krystallisirten Körpers in den jungen Früchten von Heracleum giganteum hort., welcher sich durch seine Eigenschaften als neu erweist, ist somit festgestellt. ll. Untersuchung der unreifen Früchte von Heracleum Sphondylium L. 12!/, Kilo sehr junger Früchte wurden in gleicher Weise, wie bei der Untersuchung der Früchte von Heracleum gigant. hort. angegeben ist, einer wiederholten Maceration mit Aether von 0,722 spez. Gewicht unterworfen, und der dadurch gewonnene ätherische Auszug durch Destillation aus dem Wasserbade fast vollständig vom Aether befreit und dann einige Tage bei Seite gestellt. Der Erwartung entsprechend schied sich eine dunkelgrün ge- färbte Masse aus, welche durch Filtration, gelindes Pressen und wiederholtes Auswaschen mit kleinen Mengen Aether von den flüssig gebliebenen Antheilen getrennt wurde. a. Der flüssig gebliebene Theil des ätherischen Auszugs. Die vereinigten, von gelöstem Chlorophyll tief grün gefärbten Flüssigkeiten wurden wieder durch längeres Erhitzen auf 45° C. mit Hülfe eines Wasserstoffstromes vollständig vom Aether befreit, und darauf etwa 12 Stunden lang der Ruhe überlassen. Nach dieser Zeit hatte sich analog dem bei Untersuchung der Früchte der ausländischen Arten beobachteten Verhalten wieder ein fester Antheil ausgeschieden, der durch wiederholte Behandlung mit kal- tem, absolutem Alkohol und dann folgende Filtration von dem anhängenden ätherischen Oele getrennt wurde. l. Der nach der Behandlung mit kaltem Alkohol hinterbliebene Rückstand. Der so gewonnene, sehr stark gefärbte Rückstand musste bei weiterem analogem Verhalten den Paraffinen zugehörige feste Koh- lenwasserstoffe enthalten, und so war es auch; denn als derselbe mit absolutem Alkohol einige Zeit am Rückflusskühler auf 78° er- hitzt war, schied sich beim Erkalten des heissen Filtrates die mehrfach erwähnte voluminöse Substanz aus. Diese wurde in gleicher Weise gereinigt wie die früher er- haltene, also zunächst auf einem Filter gesammelt, vorsichtig zwi- ER) Sr schen Fliesspapier abgepresst, dann einer Behandlung mit kaltem Schwefelkohlenstoff unterworfen und das dadurch Gelöste, nachdem das Lösungsmittel durch Destillation entfernt war, erst einige Male aus siedendem, absolutem Alkohol umkrystallisirt, dann das völlig getrocknete, schon ziemlich weiss aussehende Produkt nach der früher als gut erkannten Methode im auf einem Glasgefässe be- findlichen, mit eng ausgezogener Röhre versehenen Trichter mehrere Stunden mit Hülfe eines Luftbades auf etwa 75° C. erhitzt und so durch Ausschmelzen gereinigt; auch jetzt war bei dieser Temperatur ein Antheil abgetropft, welcher nach dem Erkalten zu einer gelblich weissen Masse erstarrte, die mit nur geringen Mengen brauner Substanz verunreinigt war, während der grössere Theil dieser letzteren sich an den Trichterwandungen angelagert hatte, und zweitens zeigte sich bei weiterer Behandlung der Schmelze jetzt ebenfalls, dass die verunreinigende Substanz in Folge längerer Einwirkung der Wärme sich nicht nur gebräunt hatte, sondern auch unlöslich in siedendem Alkohol geworden war. Aus dem durch Extraktion mit diesem Lösungsmittel erhaltenen heissen, anscheinend farblosen Filtrate schied sich beim Erkalten nunmehr der voluminöse, krystallinische Körper fast weiss aus, und durch öfteres Umkrystallisiren desselben aus heissem Alkohol gelang es, eine rein weisse, geschmack- und geruchlose, stickstoff- freie, selbst in der Hitze des Wasserbades gegen konzentrirte Schwefelsäure, sowie gegen Natronlauge indifferente, neutral reagi- rende, in Wasser unlösliche, in kaltem Alkohol und in kaltem Aether schwer lösliche, dagegen in Petroleumäther, in Benzin und in Chloroform leicht lösliche, in Schwefelkohlenstoff sehr leicht lösliche Substanz zu gewinnen, die sich in 40 Theilen sie- denden Alkohols gelöst beim langsamen Erkalten dieser Lösung fast vollständig in wohl ausgebildeten, mikroskopischen Krystall- blättchen wieder ausscheidet, welche nach völligem Austrocknen über Schwefelsäure, auf Platinblech erhitzt ohne einen kohligen Rückstand zu geben mit leuchtender Flamme verbrennen und deren Schmelzpunkt zwischen 65— 71° C., deren Erstarrungspunkt bei 63° C. liegt. Das ganze physikalische und chemische Verhalten dieses Stoffes stimmt also mit demjenigen überein, durch welches die in gleicher Weise aus Heracleum gigant. hort. gewonnenen Kohlenwasserstoffe von der allgemeinen Formel C"H?" charakterisirt sind und es ist somit erwiesen, dass den Paraffinen angehörige Kohlen- wasserstoffe gleichwie in den ausländischen Heracleumarten, so auch in der einheimischen Art enthalten sind. Die Menge der- selben ist allerdings hier wie dort nur gering, ich erhielt nur 0,6 Gramm der reinen Substanz. 2. Die alkoholische Lösung. Die Untersuchung derselben wurde wieder genau so ausgeführt wie diejenige der entsprechenden Lösung aus den Früchten von Heracleum gigant. hort. und dabei auch wesentlich dasselbe Ver- halten konstatirt. Es wurde also zunächst durch Destillation aus dem Wasser- bade, schliesslich mit Hülfe eines Wasserstoffstromes der Alkohol vollständig entfernt und dann ebenfalls im Wasserstofistrome bei allmählich vermehrter — nämlich im Laufe einiger Tage von 130 bis zu 260° C. gesteigerter — äusserer Temperatur das ätherische Oel abdestillirt. Auch hier zeigte sich gegen Ende der Destillation im Re- tortenhalse das Auftreten eines Sublimats und ebenfalls schied sich aus den zuletzt gewonnenen Antheilen des Oels beim Ab- kühlen eine weisse, feste Masse aus, aber sowohl das Eine, wie das Andere nur in so geringer Menge, dass eine Analyse derselben als durchaus fruchtlos erscheinen musste. Die Gesammtausbeute an ätherischem Oel ergab 35 Gramm, also 0,26 °/, der angewandten Früchte, und dieses Resultat scheint mir deshalb besonders bemerkenswerth, weil dadurch erstens meine früher ausgesprochene Ansicht bestätigt wird, dass beim Reifen dieser Früchte eine Vermehrung des ätherischen Oels stattfindet !); denn Möslinger fand in den von ihm untersuchten, im Spät- sommer gesammelten Früchten von Heracleum Sphondylium L. bis zu 0,97 °/, ihres Gewichts an Oel?), also fast 4mal so viel, und zweitens weil dieses Verhältniss vollständig übereinstimmt mit dem- jenigen, welches ich bei den ausländischen Arten konstatirt habe. Sehr junge Früchte von Heracleum giganteum hort. lieferten mir nur 0,56—0,60 ®/, ätherisches Oel, reife Früchte dagegen 2 /, desselben. Es sei bei dieser Gelegenheit auch noch erwähnt, dass Mös- linger in den eben bezeichneten Früchten der einheimischen Hera- cleumart nur eine geringe Menge von Aethylalkohol gefunden hat °), gleichwie ich in den reifen Früchten von Heracleum gigant. hort. 1) Justus Liebig’s Annalen der Chemie, Bd. 177, 8. 358. 2) Ebenda, Bd. 185, 8. 27 und 8. 36. 3) Ebenda, Bd. 185, 8. 38. RER ra nur wenig davon auffinden konnte, während in sehr jungen Früchten derselben, wie oben angeführt, relativ viel Aethylalkohol enthalten ist ?), ’ — 13!/, Kilo sehr junger Früchte lieferten mir 44,0 Gramm — 0,33 °/, zwischen 74 und 78° C. siedendes Alkoholgemisch; 4!/, Kilo reifer Früchte dagegen nur 1,5 Gramm — 0,04, zwischen 66 und 72° C. siedendes Alkoholgemisch — ?) eine Thatsache, die durch Annahme einer Verdunstung nicht ge- nügend erklärt werden kann, weil der flüchtigere Methylalkohol nicht oder doch nicht in gleicher Weise abnimmt, weshalb ich aus derselben schon früher einen Schluss gezogen habe, der mir auch jetzt noch berechtigt erscheint, den nämlich, dass der Aethylalkohol wahrscheinlich beim Reifen der Früchte zum Aufbau höherer Kohlen- stoffverbindungen, also auch zur Vermehrung des ätherischen Oels verwendet wird. Nachdem das ätherische Oel abdestillirt war, wurde das in der Retorte Zurückgebliebene mit siedendem Schwefelkohlenstoff extrahirt und der so gewonnene Auszug nach Entfernung des Lö- sungsmittels wiederholt mit kleinen Mengen kalten, absoluten Al- kohols behandelt. Das dadurch nicht Gelöste, in welchem nach den bei der Untersuchung der Früchte von Heracleum gigant. hort. gesammelten Erfahrungen sowohl zwischen 60—70° C. schmelzende Kohlen- wasserstoffe vermuthet werden mussten, als auch die bei etwa 180° 6. schmelzende Substanz wurde zur Extraktion der Ersteren nunmehr mit kaltem Schwefelkohlenstoff behandelt und so eine Substanz ausgezogen, welche sich nach wiederholtem Umkrystalli- siren aus siedendem Alkohol als identisch mit den genannten Paraffinen erwies. Der Schmelzpunkt liegt zwischen 62—66° C., der Punkt völliger Erstarrung bei 59° C. Der von kaltem Schwefelkohlenstoff nicht gelöste Antheil ergab nach Behandlung mit siedendem Alkohol und mehrfachem Um- krystallisiren aus diesem Lösungsmittel eine sehr geringe Menge gut ausgebildeter Krystallnadeln, welche bei 179° C. schmolzen und sich auch anderweit dem an gleicher Stelle in den Früchten von Heracleum gigant. hort. aufgefundenen neuen Körper analog verhielten, mit diesem also identisch waren. 1) Diese Abhandlung, Seite 4. 2) Justus Liebig’s Annalen der Chemie, Bd. 177, S. 368, a b. Der zuerst ausgeschiedene feste Theil dos ätherischen Auszugs. Nach den bei Untersuchung der ausländischen Arten gemachten Erfahrungen mussten die eben erwähnten hochschmelzenden Kry- stalle in grösserer Menge in der dunkelgrün gefärbten Masse ent- halten sein, welche sich nach Entfernung des Aethers aus dem ätherischen Auszuge zuerst abgeschieden hatte. Zur Nachweisung und Isolirung derselben wurde daher diese ausgeschiedene Substanz, in welcher bei genauer Betrachtung ein- zelne Krystallnadeln deutlich zu erkennen waren, zunächst längere Zeit am Rückflusskühler mit circa 100 Gramm Schwefelkohlenstoff erhitzt, um die in diesem Lösungsmittel löslichen Theile, z. B. etwa vorhandene Kohlenwasserstoffe zu entfernen, alsdann erkalten gelassen und darauf das Nichtgelöste, nachdem es auf einem Filter gesammelt und mit kaltem Schwefelkohlenstoff gut nachgewaschen war, nunmehr wiederholt mit siedendem, absolutem Alkohol ex- trahirt. Beim Erkalten der alkoholischen Filtrate setzten sich gut aus- gebildete, in Schwefelkohlenstoff sehr schwer lösliche Krystalle ab, welche zunächst bei 178° C., nach mehrfachen Umkrystallisiren aus heissem Alkohol bei 181—-132° C. schmolzen. Sie sind stick- stofffrei, verhalten sich indifferent gegen Lackmusfarbstoff, haben gelblich weisse Farbe, färben sich unter dem Einfluss des Lichtes gelb und sind geruch- und geschmacklos. Ebenfalls ist das Ver- halten zu konzentrirter Schwefelsäure gleich demjenigen, welches der im Heracleum giganteum hort. aufgefundene neue Körper zeigt. — Die Substanz löst sich darin mit tiefgoldgelber Farbe und wird aus dieser Lösung durch Wasser anscheinend unverändert wieder ausgeschieden. — Das Gewicht dieses so weit gereinigten neuen Körpers, welcher demnach identisch ist mit dem im Heracleum giganteum hort. entdeckten, betrug nur 1,4 Gramm, und aus diesem Grunde wurde auch hier eine weitere Reinigung einst- weilen unterlassen, zumal inzwischen dieselbe Substanz in den Früchten von Pastinaca sativa L. in grösserer Menge aufgefunden war und mit diesem Material eine weitere Untersuchung mit grös- serer Aussicht auf guten Erfolg vorgenommen werden Konnte. SE a Il. Untersuchung der unreifen Früchte von Pastinaca sativa L. Gleichwie ich früher die Untersuchung dieser Früchte auf Gehalt an Alkoholen !) mit besonderer Rücksicht darauf unternom- men hatte, dass Pastinaca den Peucedaneen angehört, also der- selben Unterabtheilung der Orthospermeen, zu welcher auch He- racleum zählt, so wurde auch die jetzt vorliegende Analyse aber- mals in Folge der Vermuthung unternommen, dass die grosse Verwandtschaft, welche zwischen den beiden genannten Dolden- gewächsen morphologisch existirt, auch auf anderweite Ueberein- stimmung, namentlich auf eine Aehnlichkeit der mittelbaren Pro- dukte des Protoplasmas schliessen lasse, und gleichwie ich damals meine Annahme bestätigt fand, so war es auch jetzt wieder der Fall; denn wie aus den nachfolgend mitgetheilten Untersuchungs- resultaten ersichtlich ist, sind sowohl Paraffine, als auch der hochschmelzende krystallisirte Körper in Pasti- naca sativa L. ebenfalls enthalten. Die Ausführung der Untersuchung geschah im Wesentlichen in derselben Weise, wie bei den Heracleumfrüchten. Ich will daher nur kurz bemerken, dass ein aus 12!/, Kilo theils noch sehr junger, theils schon ziemlich reifer Früchte durch wiederholte, mehrtägige Maceration mit der erforderlichen Menge Aether von 0,722 spec. Gew. darge- stellter und dann durch vorsichtige Destillation vom Aether fast gänzlich befreiter Auszug mehrere Tage bei Seite gestellt wurde und dass sich während dieser Zeit — wie beim ätherischen He- racleumauszuge — ein fester Antheil aus demselben abgesondert hatte, der durch Filtration, gelindes Pressen und wiederholtes Auswaschen mit kleinen Mengen Aether von dem flüssig Geblie- benen sorgfältig getrennt wurde. a. Der flüssig gebliebene Antheil des ätherischen Auszugs. Zur Isolirung der darin muthmaasslich vorhandenen Paraffine wurde derselbe in der früher beschriebenen Weise, also mit Hülfe eines Wasserstoffstromes durch mehrstündiges Erhitzen in einem auf 45° C. erwärmten Wasserbade, vollständig vom Aether befreit. Nach etwa 24 Stunden wurde dann der Rückstand, aus welchem sich bereits wieder ein fester Theil ausgeschieden hatte, wieder- !) Justus Liebig’s Annalen der Chemie, Bd. 177, $S. 372. Bd. XIII. Suppl. I. 3 EU N! holt mit kleinen Mengen kalten, absoluten Alkohols behandelt, um das Oel zu lösen, resp. um die etwa vorhandenen Paraffine mög- lichst von allen in kaltem Alkohol leicht löslichen Antheilen zu befreien. Den so erhaltenen, nach völliger Entfernung des Alkohols 237 Gramm wiegenden Auszug betreffend sei erwähnt, dass der- selbe 92 Gramm ätherisches Oel lieferte = 0,7 °/, der angewandten Früchte, das ist gerade so viel als Wittstein bei der Destillation frischer Früchte mit Wasser erhalten hat !). Die früher von mir un- tersuchten in einem reiferen Zustande befindlichen Früchte gaben da- gegen 1,1 °/,2). Diese erhebliche Differenz scheint mir daher gleich- wie beim Heracleum bedingt zu sein durch eine Vermehrung des Oels bei zunehmender Reife und ist demnach auch ein neuer Beweis für ein ähnliches physiologisches Verhalten nahe verwandter Pflanzen. Die Temperatur des Oelbades wurde bei der im Wasserstofi- strome vorgenommenen Destillation, welche in derselben Weise wie diejenige der analogen Heracleumauszüge stattfand, nur bis 230° C., nicht bis 260° gesteigert, was mir in so fern der Erwähnung werth erscheint, als der dunkelbraune Retortenrückstand nach dem Erkalten nicht ganz fest geworden, sondern zum Theil noch dick- flüssig geblieben ist, vielleicht also noch geringe Mengen sehr hoch siedenden Oels in demselben zurückgeblieben sein können. Abgesehen davon zeigten sich bei dieser Destillation diesel- ben Erscheinungen wie bei derjenigen des Heracleumöls; so schie- den sich aus den zuletzt aufgefangenen Antheilen des Oels auch hier kleine Mengen fester, weisser Substanz ab und ebenfalls la- gerte sich gegen Ende der Destillation in geringer Menge ein weisses, zum Theil gut krystallisirtes Sublimat im KRetorten- halse an. Diese Substanzen, wie auch der Retortenrückstand sind bis- lang von mir nicht näher geprüft worden; dagegen wurde der in kaltem, absoluten Alkohol ungelöst gebliebene Antheil der vom Aether befreiten Flüssigkeit sofort weiter untersucht und zwar ge- nau in der gleichen Weise wie die entsprechenden Theile der Hera- cleumauszüge ?) und gleichwie in diesen durch Extraktion mit sie- dendem, absolutem Alkohol etc. den Paraffinen angehörige Koh- lenwasserstoffe von der Formel C"H:" aufgefunden wurden, so gelang es, wie bereits oben bemerkt, auch hier etwa 1 Gramm !) Buchner’s Repert. für die Pharm. Bd. 18, 8. 15. 2) Justus Liebig’s Annalen der Chemie Bd. 177, 8. 376. 3) Diese Abhandlung, Seite 22 und Seite 28, a einer weissen, voluminösen, zwischen 64 und 71° C. schmelzen- den Substanz zu gewinnen, die dieselben physikalischen und che- mischen Eigenschaften besitzt, welche den genannten festen Koh- lenwasserstoffen eigenthümlich sind, die also mit diesen identisch ist. Demnach sind auch in den Früchten von Pasti- naca sativa L. „Paraffine“ vorhanden. b. Der zuerst ausgeschiedene feste Theil des ätherischen Auszugs. Ein flüchtiger Blick schon zeigte, dass diese Masse sehr viel krystallinische Substanz enthielt, und ein mit etlichen ausgelese- nen Krystallindividuen angestellter Versuch belehrte darüber, dass diese von Schwefelkohlenstoft, selbst in der Wärme nur sehr schwer, dagegen von siedendem Alkohol verhältnissmässig leicht gelöst wurden, so dass die Hoffnung, die im Heracleum entdeckte hoch- schmelzende Substanz auch hier aufzufinden, nunmehr bereits als realisirt angesehen werden konnte. In Folge dieser Wahrnehmung wurde wie früher die ausge- schiedene Masse zunächst zur Entfernung etwa vorhandener, in Schwefelkohlenstoff leicht löslicher Bestandtheile längere Zeit mit diesem Lösungsmittel am Rückflusskühler auf 46° C. erhitzt, die so gewonnene Lösung nach dem Erkalten durch Filtration entfernt und darauf das Nichtgelöste, nachdem es mit kaltem Schwefel- kohlenstoff gut nachgewaschen war, wiederholt mit siedendem, ab- . solutem Alkohol am Rückflusskühler extrahirt. Beim Erkalten der heissen, alkoholischen Filtrate setzten sich der Erwartung entsprechend, eine grosse Menge gut ausgebildeter Krystalle ab, die aber mit grünem Farbstoft stark verunreinigt waren und deshalb wiederholt aus heissem Alkohol umkrystalli- sirt wurden, bis der Schmelzpunkt derselben, welcher erst bei 177° C. lag, auf 181° erhöht war. Das Gewicht des so gereinigten, noch gelblich gefärbten, kry- stallisirten Körpers betrug 4,5 Gramm = 0,04 °/, der angewand- ten Früchte, beim Schmelzen mit Kaliumhydroxyd erwies er sich als stickstofifrei und eine Elementaranalyse ergab aus 0,2256 Gramm bis zu konstantem Gewicht über Schwefel- säure getrockneter Substanz 0,6023 Gramm Kohlensäure und 0,0579 Gramm Wasser, entsprechend 0,164264 Gramm —= 72,8 |, Kohlenstoft und 0,009767 Gramm = 4,5 °/, Wasserstoff. Dieses Resultat war jedoch, wie die weitere Untersuchung ergab, für den reinen Körper keineswegs zutreffend; 3 a ar u ir sondern noch zum Theil veranlasst durch eine verunreinigende un- ter 181° C. schmelzende Substanz, deren Gegenwart sich übrigens bereits bei Bestimmung des Schmelzpunktes dadurch bemerklich gemacht hatte, dass die Untersuchungsobjekte, bevor sie geschmol- zen waren, stets ein etwas fettiges Aussehen erhielten, gleichsam wie angefeuchtet erschienen. Da die Möglichkeit vorlag, dass Paraffine die Ursache dieser Erscheinung sein konnten, so wurde eine Reinigung durch Aus- kochen mit‘ Schwefelkohlenstoft versucht und zu dem Ende die noch vorhandenen 4 Gramm der Substanz mit 100 Gramm des ge- nannten Lösungsmittels etwa eine Stunde lang am Rückflusskühler auf 46° C. erhitzt und das Gelöste möglichst heiss durch Filtra- tion entfernt; der nicht gelöste Haupttheil aber wurde sodann aus 250 Gramm siedenden, absoluten Alkohols umkrystallisirt. — Die nach völligem Erkalten abfiltrirte spirituöse Mutterlauge, wel- che durch Destillation erst konzentrirt, später vollständig vom Alkohol befreit wurde, lieferte 0,25 Gramm bei 177—180° C. schmel- zender Krystalle und 0,12 Gramm Abdampfungsrückstand, dessen Endschmelzpunkt bei 168° C. lag. Letzterer verhielt sich dem- nach ganz ähnlich dem durch Schwefelkohlenstoff extrahirten An- theil; denn beim Erkalten der bezüglichen heissen Lösung hatten sich 0,15 Gramm schon bei 165° C. vollständig schmelzender Kry- stalle ausgeschieden, und nach Beseitigung des Lösungsmittels _ waren 0,08 Gramm fester Substanz hinterblieben, deren Endschmelz- punkt bei bereits 163° C. gefunden wurde. — Die aus der heissen alkoholischen Lösung abgeschiedenen Krystalle wurden nochmals aus der erforderlichen Menge eben die- ses Lösungsmittels umkrystallisirt und mit den aus völlig klarer Lösung erhaltenen Krystallen, deren Schmelzpunkt jetzt bei 182° C. lag, abermals eine Elementaranalyse ausgeführt. 0,22565 Gramm der sorgfältig über Schwefelsäure ausgetrock- neten Substanz gaben nunmehr 0,5800 Gramm Kohlensäure und 0,0852 Gramm Wasser, entsprechend 0,158182 Gramm — 70,1 °/, Kohlenstoff und 0,009467 Gramm = 4,2 %/, Wasserstofl. In Folge dieses von dem früheren Ergebnisse gänzlich abwei- chenden Resultates wurde mit dem Reste der Krystalle das eben mitgetheilte Verfahren nochmals wiederholt und dabei konstatirt, dass die aus heissem Schwefelkohlenstoff gewonnenen Krystalle jetzt erst bei 173° C. vollständig schmolzen und der nach Entfer- nung des Schwefelkohlenstofts verbliebene Rückstand bei 170° C., während der Schmelzpunkt der Hauptmasse der Krystalle nun- ERBE 1 mehr nach der zweiten Krystallisation aus heissem Alkohol zwi- schen 182 und 183° C. lag. 0,1846 Gramm dieser Substanz lieferten 0,4695 Gramm Koh- lensäure und 0,0714 Gramm Wasser, entsprechend 0,128045 Gramm — 69,4 °/, Kohlenstoff und 0,007933 Gramm = 4,3 |, Wasserstoft. Nach nochmaligem Umkrystallisiren aus heissem Alkohol schmolz dann die Substanz bei 183,5° C., und 0,1620 Gramm derselben gaben 0,4100 Gramm Kohlensäure und 0,0584 Gramm Wasser, entsprechend 0,111818 Gramm = 69,0 %/, Kohlenstoff und 0,006489 Gramm —= 4,0 %/, Wasserstoff. Die Ergebnisse der Elementaranalysen waren also bis jetzt: I II III IV 028 70,1 69,4 69,0 H —=45 4,2 4,3 4,0 0: le. ER PR Die letzten Resultate liessen eine baldige, vollständige Iso- lirung der reinen Substanz erwarten und deshalb wurde von jetzt ab auch die Behandlung mit Schwefelkohlenstoff unterlassen, das Umkrystallisiren aus der 60fachen Menge siedenden, absoluten Alkohols jedoch anhaltend fortgesetzt, — zugleich unter Anwen- dung der fraktionirten Krystallisation. Letztere trug übrigens zur Beschleunigung der Reinigung we- nig bei; — denn wenn auch, entsprechend der Thatsache, dass nach und nach die niedriger schmelzenden Antheile in der Mut- terlauge zurückblieben, die ersten Fraktionen einen etwas höheren Schmelzpunkt hatten, als die zuletzt erhaltenen Krystalle, so war doch die Differenz zu unbedeutend; — wohl aber wurde eben da- durch erkannt, dass abgesehen von einer nur geringen Menge hartnäckig anhaftender, verunreinigender Stoffe eine einheitliche Substanz vorlag. Nach je 2maligem Umkrystallisiren wurde wieder eine Ele- mentaranalyse vorgenommen und in Bezug darauf will ich noch ausdrücklich bemerken, dass die verwendeten Krystalle stets aus völlig klarer Lösung abgeschieden und dann sorgfäl- tig über Schwefelsäure bis zu konstantem Gewicht getrocknet waren, sowie dass die Verbrennungen mit Ku- pferoxyd bewirkt wurden, gegen Ende derselben im Sauerstoff- strome. Die so gewonnenen Resultate sind: I. 0,1322 Gramm bei 183—184° C. schmelzender Substanz lie- ferten 0,3512 Gramm Kohlensäure und 0,0496 Gramm Was- ser, entsprechend 0,090327 Gramm = 68,3 %/, Kohlenstoff und 0,005511 Gramm —= 4,2 °/, Wasserstoff. II. 0,1614 Gramm bei 184° C. schmelzender Substanz gaben 0,4020 Gramm Kohlensäure und 0,0614 Gramm Wasser, entsprechend 0,109636 Gramm = 67,9 /, Kohlenstoff und 0,006822 Gramm = 4,2 °/, Wasserstoff. III. 0,1469 Gramm bei 184—185° C. schmelzender Substanz lieferten 0,5634 Gramm Kohlensäure und 0,05515 Gramm Wasser, entsprechend 0,099109 Gramm = 67,5 °/, Kohlen- stoff und 0,006128 Gramm = 4,2°/, Wasserstoff. IV. 0,1831 Gramm bei 184—185° C. schmelzender Substanz ga- ben 0,4663 Gramm Kohlensäure und 0,0713 Gramm Wasser, entsprechend 0,127173 Gramm = 67,6 °/, Kohlenstoff und 0,007922 Gramm = 4,2 °/, Wasserstoff. Die Ergebnisse der beiden zuletzt ausgeführten Analysen sind also übereinstimmende, und aus diesen folgert für den untersuch- ten Körper die empirische Formel C3?H220:°, Gefunden: Berechnet: —T EEE /\___ en I II ETT IV U Se) 67,9 67,5 67,6 67,8 Heu2 4,2 4,2 42 I 0=.— — — — 28,3 100,0. Die so gereinigte, vollständig verbrennliche, bei nahe 185° C. schmelzende, stickstofffreie Substanz krystallisirt aus alkoholischer Lösung in sternförmig gruppirten, seidenartig glänzenden, ziemlich langen, biegsamen Nadeln, die völlig weiss aussehen, sich aber durch Einwirkung des Lichtes allmählich gelb färben. Sie ist geruch- und geschmacklos, indifferent gegen Lackmusfarbstoff, löst sich nicht in Wasser, leicht dagegen in Chloroform, ziemlich schwer in Aether, besonders in kaltem und nach den oben mitgetheilten Er- gebnissen — die allerdings nicht die ganz reine Substanz betref- fen — in etwa 1200 Theilen kalten Schwefelkohlenstoff, in eirca 400 Theilen siedenden Schwefelkohlenstoff, in ungefähr 700 Thei- len kalten, absoluten Alkohol und in 60 Theilen siedenden, abso- luten Alkohol. Mit konzentrirter Schwefelsäure übergossen gibt sie eine tief goldgelbe Lösung, in welcher durch Kaliumbichromat eine Gasentwickelung veranlasst wird. Andere besonders bemerkens- a 1 werthe Erscheinungen wurden bei dieser Reaktion nicht bemerkt, namentlich nicht das Auftreten öliger, riechender Produkte. Die Lösung in konzentrirter Schwefelsäure verliert an feuch- ter Luft unter Abscheidung einer weissen Masse allmählich ihre Farbe; eine Erscheinung, die auf Zusatz von Wasser sofort eintritt. Die ausgeschiedene Substanz löst sich in konzentrirter Schwefel- säure wieder mit tiefgoldgelber Farbe auf und wird aus dieser Lösung durch Wasser abermals weiss gefällt, und somit scheint es als ob die Substanz bei diesem Verfahren unverändert oder doch fast unverändert ausgeschieden wird; der Schmelzpunkt der so ausgeschiedenen Substanz liegt bei 178° C. Dieser in den jungen Früchten von Pastinaca sativa L. ent- haltene Stoff besitzt also dieselben physikalischen und chemischen Eigenschaften, welche bislang an den in gleicher Weise aus jungen Früchten von Heracleum giganteum hort. und Heracleum Sphon- dylium L. erhaltenen Krystallen beobachtet worden sind, ich halte ihn deshalb für identisch mit diesen. Der Umstand nun, dass dieser neue Körper zuerst im Hera- cleum aufgefunden worden ist, hat mich veranlasst ihn „Hera- celin“ zu nennen. Ueber sonstige Eigenschaften des Heraclins, sowie über seine Konstitution müssen erst weitere Untersuchungen Aufschluss geben. Ueber die bei der Einwirkung von Stickoxydgas auf Brom entstehenden Producte. Von Dr. Oscar Froelich. Bei seinen Untersuchungen über die Einwirkung des Stick- oxyds auf Brom gelangt Landolt!) zu dem Ergebniss, dass je nach der Temperatur und je nach der Menge des eingeleiteten Stickoxydgases die drei Verbindungen: NOBr, NOBr? und NOBr3 entständen. Die Annahme, dass die beiden letzteren Substanzen als chemische Verbindungen aufzufassen seien, sucht er dadurch zu begründen, „dass dieselben sich zum grossen Theile unver- ändert destilliren lassen und eine weit grössere Beständigkeit in der Zusammensetzung besitzen, als man einem Gemisch zu- schreiben könnte.‘ Auf Veranlassung des Hrn. Prof. Geuther stellte ich . die Verbindung NOBr? nach Landolt’s Angaben dar, um durch ihre Einwirkung auf alkohol. Natriumalkoholat möglicherweise zum drei- basischen Salpetersäure-Aether zu gelangen. Der Versuch ergab ein anderes Resultat: es entstand dabei gar kein Abkömmling der Salpetersäure, sondern ausser Bromnatrium, Salpetrigsäure- Aether und Essigsäure. Die Substanz NOBr? verhielt sich also, wie NOBr und 2Br. Da die Reaction nach der Gleichung: NOBr3 + 3C?H50Na = NO(0C?H>5)3 + 3 NaBr verlaufen konnte, so liess ich diesem Verhältnisse entsprechend durch einen Scheidetrichter 24 Gramme von NOBr3 zu dem Alko- holat, welches durch Lösen von 6 Grammen Natrium in 72 Gram- 1) Annal. d. Chem. u. Pharm. 116, 177. BR men ganz wasserfreien Alkohol erhalten worden war, unter fortwäh- rendem Umschütteln zutropfen. Nach Beendigung der Einwirkung wurden die flüssigen Producte von der ausgeschiedenen weissen Salz- masse durch Destillation getrennt. Dieselben enthielten keine Spur von Salpetersäure-Aether, sondern nur Salpetrigsäure-Aether, der aus den zuerst, zwischen 40° und 70° übergehenden Theilen mittelst Chlorcaleiumlösung abgeschieden werden konnte. Seine Menge be- trug etwa 6 Gramme. Derselbe besass die Brennbarkeit und den eigenthümlichen Geruch des Aethers und destillirte zwischen 16° und 19° vollständig über. Die im Kolben verbliebene trockene weisse Salzmasse wurde im Wasser gelöst, das freie Alkali durch Einleiten von Kohlensäure neutralisirt und zur Trockne verdunstet. Da der Rückstand beim Erhitzen im Röhrchen durch Schwärzung und Auftreten brenzlich riechender Producte das Vorhandensein einer organischen Säure ergab, so wurde derselbe mit überschüs- siger Weinsäure destillirt, das saure Destillat mit Natriumcarbonat übersättigt und auf dem Wasserbade zur Trockne verdunstet. Ko- chender absoluter Alkohol löste daraus ein Salz, dessen Natrium- gehalt zu 27,9 Proc. gefunden wurde. Das Natriumacetat, dessen übrige Eigenschaften das Salz auch besass, enthält 28,0 Proc. Natrium. Seine Menge betrug 3,3 Gramme. Der in absol. Alko- hol unlöslich gebliebene Rückstand löste sich in Weingeist zum grössten Theil, er war Natriumbromid. Seine Menge betrug 14 Gramme. Der noch unlöslich verbliebene Rest wog 1,2 Gramme und bestand aus Natriumcarbonat. Ein Salz der Salpetersäure oder der salpetrigen Säure war nicht nachzuweisen. Den erhaltenen Mengen nach muss die Umsetzung nach der Gleichung: 2NOBr® + 6C?H50Na + NaOH = 2 NO2C?H> + C?H30?Na + 6NaBr + 50?H®0 vor sich gegangen sein, d.h. es muss das NOBr? bei seiner Ein- wirkung auf das Alkoholat sich wie ein Gemenge von NOBr und 2Br verhalten haben, wie folgende Gleichungen darthun: 2 NOBr + 2C2H°0Na = 2 NO?C?H5 + 2NaBr 4Br + 4C?H50Na + NaOH = C?H°0?2Na + 4NaBr + 53C?H®0 3 2NOBr + 4Br + 6C2H50Na + NaOH = 2N0?C?H5 + 0?H302Na + 6NaBr + 5C?H°0. Dieses Ergebniss forderte auf zu untersuchen, ob ausser dem Nitrosylbromid NOBr wirklich noch Verbindungen von der Zu- sammensetzung NOBr? oder NOBr? existirten oder ob diese nicht vielmehr Gemenge der ersteren Verbindung mit Brom seien. HI eek In 100 Gramme Brom wurde gereinigtes und getrocknetes Stickoxydgas bei + 7° so lange eingeleitet, bis eine Probe der Flüssigkeit sich mit Wasser rasch entfärbte. Diese dunkelroth- braune Substanz, deren Gewicht sich durch Aufnahme des Gases um 12 Gramme vermehrt hatte, wurde der Destillation unterwor- fen. Während die Temperatur sehr langsam bis auf + 24° ge- steigert wurde destillirte eine beträchtliche Menge, 36 Gramme, einer schwarzbraunen Flüssigkeit in die mit einer Kältemischung umgebene Vorlage über, während ein Theil des Stickoxyds ent- wich. Als eine weitere Temperatursteigerung eintrat, destillirte, bis das Thermometer + 55° zeigte, nur eine ganz unerhebliche Quantität, und nun ging der Rest bis 59° über. Es war also die Substanz, welche ihrer Darstellung nach aus der Verbindung NOBr? hätte bestehen sollen, durch eine einzige Destillation fast vollständig in 2 Theile zerlegt worden. Der Bromgehalt des niedrig siedenden Theils wurde zu 73,2 Proc. gefunden, dasselbe war also fast reines Nitrosylbromid mit 72,7 Proc. Bromgehalt, während das höher Siedende fast reines Brom war. Eine erneute Rectification des Niedrigstsiedenden zeigte, dass dasselbe schon un- ter 0° zu sieden begann unter theilweiser Zersetzung in entwei- chendes Stickoxydgas und in Brom, welches Letztere bei allmählig steigender Temperatur zurückblieb und erst zwischen 56° und 59° destillirte. Von einer Bromuntersalpetersäure: NOBr?, die dabei nach Landolt entstehen soll, konnte nichts wahrgenommen wer- den. Dass die höher, zwischen 55° und 59° überdestillirte Partie nahezu reines Brom war, wurde durch Analysen sowohl, als durch folgenden Versuch erwiesen. 25 Gramme davon wurden auf überschüssiges alkohol. Na- triumalkoholat einwirken gelassen und dabei nur erhalten 1,76 Gramme Salpetrigsäure - Aether, was auf 25 Mgte Brom 2 Mgte Nitrosylbromid ergiebt. Bei einem zweiten Versuch wurde in 80 Gramme Brom an- fangs bei einer Temperatur von 0° später von — 10° bis zur vollen Sättigung Stickoxydgas geleitet. Das Product, dessen Ge- wicht sich um 28 Gramme vermehrt hatte und somit aus fast reinem Nitrosylbromid bestand, einer raschen Destillation un- terworfen. Die beträchtliche zwischen 30° — 50° übergegangene Menge Flüssigkeit, welche nach Landolt die Verbindung NOBr? darstellen soll, zerlegte sich bei jeder erneuten Destillation in NOBr und Br, welch erstere Verbindung ihrerseits sich stets wie- der theilweise m NO und Br zersetzte. Erhitzt man langsam, so ET kann man das Product durch eine einzige Destillation fast voll- ständig in NOBr und Br zerlegen. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass die von Landolt angenommenen Verbindungen: Bromuntersalpetersäure (NOBr? ) und Bromsalpetersäure (NOBr?) eine grössere Beständigkeit, als einem Gemenge von Nitrosylbromid und Brom zukommen kann, nicht besitzen, und dass sie sich bei ihren Umsetzungen wie ein solches Gemenge in der That verhalten. Jena, December 1877. Neue Synthese von Kohlenstoffsäuren. Von A. Geuther. 1. Abhandlung. Nachdem Berthelot!) im Jahre 1855 die Bildung der Amei- sensäure aus Kohlenoxyd und Kalihydrat kennen gelehrt hatte, habe ich im Jahre 1858 die Bildung der Propionsäure aus Koh- lenoxyd und Natriumalkoholat versucht ?). Ich habe die Bildung dieser Säure bei der Einwirkung beider Substanzen auf einander im Wasserbade nicht constatiren, sondern nur Ameisensäure, das Einwirkungsproduct des Kohlenoxyds auf Natriumhydroxyd nach- weisen können. Im Jahre 1861 hat darauf Berthelot3) bei Versuchen über die Absorption des Kohlenoxyds durch Lösungen oder Gemische von Alkalien resp. alkalischen Erden und Alkoho- len, wie er angiebt, die Bildung von etwas Propionsäure neben Ameisensäure bei der Absorption von Kohlenoxyd durch die Lö- sung von Kalihydrat in absol. Alkohol, oder von Natriumalkoholat, beobachtet. Schliesslich hat im Jahre 1871 Hagemann?) bei 2Ostündiger Einwirkung von Kohlenoxyd auf eine aus 20 Gramm Metall bereitete Menge von Kalium- resp. Natrium-Alkoholat ne- ben viel Ameisensäure eine so kleine Menge von Propionsäure er- halten, dass „die freie Säure und andere Salze (ausser dem Sil- bersalz) nicht genauer untersucht werden konnten.“ Bei allen diesen Versuchen war alkoholisches Metallalkoholat und keine höhere Temperatur als 100° angewandt worden. Da die alkoholfreien Metallalkoholate aber eine beträchtlich höhere Tem- peratur, bis über 200°, ertragen können, so war es wahrschein- !) Compt. rend. XLI, 955. 2) Annal. d. Chem. u. Pharm. CIX, 73. ®) Annal. de chim. et de phys. [3] LXI, 463. 4) Berichte d. deutsch. chem. Gesellschaft, IV, 877. '— 3 — lich, dass die Absorption des Kohlenoxyds durch diese bei einer Temperatur über 100° rascher vor sich gehen und die Bildung der Propionsäure bei Anwendung von Natriumalkoholat in reiche- rem Maasse eintreten werde. Um dies zu prüfen habe ich Hrn. Dr. O. Froelich veranlasst eine Anzahl von Versuchen auszu- führen. Diese Versuche haben ergeben, dass bei Anwendung von koh- lenstoffarmen Alkoholaten, wie Methylat und Aethylat, in der That durch einfachen Zugang von Kohlenoxyd zum Alkoholat die um einen Kohlenstoff (als das Alkoholat) reichere Säure entsteht, und zwar in grösserer Menge, als seither beobachtet wurde, dass aber bei Anwendung kohlenstoffreicherer Alkoholate, wie z. B. beim Amylat, diess nicht mehr der Fall ist, dass dann vielmehr andere Säuren, nämlich substituirte Valeriansäuren gebildet werden. Diess gab Veranlassung weitere Versuche anzustellen, durch welche dar- gethan wurde, dass die Bildung dieser substituirten Säuren von der Gegenwart der Salze von Kohlenstoffsäuren abhängig ist (beim Amylat von der Gegenwart valeriansauren Salzes abhängig war, gebildet unter dem Einfluss vorhandenen Natriumhydroxydes aus Amylat) und dass sie dadurch entstehen, dass das Kohlenoxyd vom Alkoholat das Natriumoxyl und von der Säure ein Mischungs- gewicht Wasserstoff des Kohlenwasserstoffrestes zugleich wegnimmt, damit Natriumformiat bildend, während für den weggegangenen Wasserstoff der Säure sogleich der verbleibende Alkyl-Rest des Alkoholates eintritt. Auf diese Weise entstehen einfach- und mehr- fach -substituirte Säuren. Aber der Alkylrest tritt nicht immer unverändert ein, sondern erst, nachdem er sich in einen wasser- stoffärmeren Rest unter Verlust von zwei Mischungsgewichten Was- serstoff, welcher frei wird, umgewandelt hat. Diess findet vorzüg- lich, vielleicht sogar nur, bei den kohlenstoffreicheren Alkylresten, wie beim Amyl statt, wo dann einfache oder mehrfache Amenyl- Substitutionsproducte auftreten. — 46 — I. _ Ueber die Einwirkung von Kohlenoxyd auf die alkoholfreien Natriumalkoholate des Aethyl-, Methyl- und Ämyl-Alkohols bei höherer Temperatur. Von Dr. Oscar Froelich. 1. Einwirkung von Kohlenoxyd auf Natrium- Aethylat. Das im Wasserstoffstrom bereitete, im Oelbade ganz alkohol- frei gemachte Alkoholat wurde rasch gepulvert in ein weites Glas- rohr gebracht, das sich in einem langen Luftbad befand und darin der Wirkung des aus einem Gasometer zugeleiteten, aus gelben Blutlaugensalz bereiteten trocknen Kohlenoxydgases ausgesetzt. Das Luftbad enthielt 3 Thermometer und wurde durch 3 Bunsen- sche Lampen auf etwa 190° erhitzt. Anfangs trat bei nicht sehr langsamen Strom die volle Absorption des Kohlenoxydgases ein, später wurde das Gas so langsam darüber geleitet, dass am Ende des Rohres, welches durch einen Kork verschlossen war, der ein nach oben gebogenes und am Ende verjüngtes Gasleitungsrohr trug, ein Anbrennen des Kohlenoxyds nicht möglich war. Erst, wenn das Kohlenoxyd auch bei sehr langsamen Zuströmen sich am Ende entzünden liess, wurde die Einwirkung als beendigt an- gesehen, was bei 35 Grammen Alkoholat nach 15 Stunden der Fall war. Im Einwirkungsrohr selbst hatte sich nach dieser Zeit an dem etwas nach unten geneigten Ende eine geringe Menge Flüssigkeit angesammelt, die sich als Alkohol erwies und wahr- scheinlich der Einwirkung der Luftfeuchtigkeit auf das Alkoholat während des Pulverns und Einfüllens ihre Entstehung verdankt. Die nach beendigter Einwirkung etwas gebräunt aussehende Masse wurde in einen Kolben geschüttet, mit Wasser übergossen und die dunkelroth gefärbte alkalische Lösung der Destillation unterworfen, bis aller Alkohol entfernt war. Das Destillat be- stand nur aus verdünntem Alkohol. Die zurückgebliebene concen- trirte wässrige alkalische Lösung wurde nun abgekühlt und all- mählig mit soviel Schwefelsäure versetzt, dass alles vorhandene Natrium in saures Sulfat verwandelt sein musste und schliesslich so lange destillirt, bis nur noch geschmolzenes saures Natriumsulfat im Kolben zurückgeblieben war. Das Destillat reagirte stark sauer und zeigte auf seiner Oberfläche eine Menge kleiner Oeltröpfchen, deren Auftreten nicht zu erklären war und die ihrer geringen Quantität halber, da es zunächst ja auf die Nachweisung etwa gebildeter Propionsäure ankam, ausser Acht gelassen wurden. Da das saure Destillat jedesfalls aus Natriumhydroxyd und Kohlen- oxyd entstandene Ameisensäure enthalten musste, so wurde, nach- dem diese Säure durch ihr Verhalten zu einer Silberlösung auch nachgewiesen war, zur Zerstörung derselben das gesammte Destil- lat mit überschüssigem Quecksilberoxyd so lange gekocht, bis eine Reduction des Letzteren nicht mehr eintrat (die Menge des re- dueirten Quecksilbers zeigte 3 Gramme Ameisensäure an), durch Schwefelwasserstoff alles gelöste Quecksilber niedergeschlagen und durch Filtriren entfernt, der überschüssige Schwefelwasserstoff durch längeres Kochen des sauren Filtrats am Rückflusskühler verjagt und darnach dasselbe mit reinem Natriumcarbonat neutralisirt. Nach dem Eindampfen der Lösung hinterblieben 2 Gramme weis- ses, in absol. Alkohol lösliches, zerfliessliches Salz, dessen Na- triumgehalt: 26,7 Proc. betrug. Diese Zahl zeigte an, dass das Salz nicht reines propionsaures Salz sein konnte, sondern wahr- scheinlich ein Gemenge sei von essigsaurem, dessen Natriumgehalt 28,0 Proc., und von propionsaurem, dessen Natriumgehalt 24,0 Proc. beträgt. Um eine grössere Menge des Salzes zu erhalten wurde die im Vorhergehenden beschriebene Einwirkung des Kohlenoxyds mit denselben Mengen und auf ganz gleiche Weise mehremale wieder- holt, die Gesammtmenge des trocknen Salzes mit so viel destil- lirter Schwefelsäure, als zur Bildung von saurem Natriumsulfat erforderlich war, langsam übergossen und destillirt. Das Destil- lat besass einen an Essigsäure und Buttersäure erinnernden Ge- ruch, es wurde in wasser- und alkoholfreiem Aether gelöst und mit Chlorcaleium vollständig entwässert. Nachdem der Aether bei möglichst niederer Temperatur abdestillirt war, destillirte die zurückbleibende Säure zwischen 120° und 140%. Da eine Tren- nung des darnach offenbar aus Essigsäure und Propionsäure be- stehenden Säuregemisches nicht möglich war, wandte ich um die- sen Zweck zu erreichen zwei andere Methoden an. Die erste Methode basirte auf der Thatsache, dass das Na- triumsalz der Propionsäure in abs. Alkohol leichter löslich ist, als das Natriumsalz der Essigsäure. Es wurde die Hälfte der destil- lirten Säure wieder in trocknes Natriumsalz verwandelt und das- selbe mit einer zur Lösung unzureichenden Menge absol. Alkohols a N in der Sonnenwärme digerirt, bis sich etwa die Hälfte des Salzes gelöst hatte. Nach dem Filtriren wurde der Rückstand analysirt. Sein Na- triumgehalt wurde zu 27,9 Proc. gefunden. Er bestand also, da er auch’ alle übrigen Eigenschaften des betreffenden Salzes besass, aus Natrium-Acetat. Von dem in Lösung gegangenen Salz wurde der Alkohol im Wasserbade abdestillirt und noch einmal in der Sonnenwärme mit einer unzureichenden Menge Alkohols digerirt. Das wieder in Lösung gegangene Salz wurde nach dem Filtriren abermals durch Destillation aus dem Wasserbade alko- holfrei gemacht und hinterblieb nun als ein amorphes, in Alkohol sehr leicht lösliches Salz, dessen Natriumgehalt 24,0 Proc. betrug und dessen Kohlenstoffgehalt zu 37,6 Proc. und dessen Wasser- stoffgehalt zu 5,35 Proc. gefunden wurde. Es war also reines Na- trium-Propionat, wie folgende Zusammenstellung zeigt: ber. gef. EN; gs er ee 53 Nance10h24, Qrori2400 OR en 100,0 Die zweite Methode basirte auf der von Liebig gefundenen Thatsache, dass die kohlenstoffärmere Säure immer die stärkere Säure ist und durch fractionirte Sättigung eines Säuregemisches zuerst diese Säure in Salz übergeführt wird. Namentlich ist diess mit der Essigsäure der Fall. Die Säure wurde desshalb zu einem Drittheil mit reinem Natriumcarbonat gesättigt und hierauf der Destillation unterworfen. Mit dem Destillate wurde auf gleiche Weise mehremale ebenso verfahren. Die zuletzt noch übergegan- gene Säure lieferte ein in absol. Alkohol leicht lösliches, zerfliess- liches Natriumsalz, dessen Natriumgehalt 24,1 Proc. betrug, d.h. die zuletzt noch überdestillirte Säure war Propionsäure. Das Silbersalz dieser Säure, welches durch Neutralisation derselben mit Argenticarbonat erhalten wurde und aus nadelförmigen zu Warzen vereinigten Krystallen bestand, war propionsaures Salz, denn sein Silbergehalt wurde zu 59,5 Proc. (ber. 59,7 Proc.) gefunden. Die verhältnissmässig bedeutende Menge von Essigsäure, wel- che bei diesen Versuchen neben Propionsäure mit entstanden war, konnte nur durch die Einwirkung vorhandenen Natriumhydroxyds auf das Aethylat entstanden sein nach der Gleichung: C2H50Na + 2 NaOH = C®?H>30?Na + Na?O + 4H. N LE Es liess sich vermuthen, dass diese Einwirkung vorzüglich sich bei hoher Temperatur verwirklichen werde, desshalb wurden einige Einwirkungen des Kohlenoxyds auf das Natriumaethylat ganz so, wie oben ausgeführt, vorgenommen, mit dem Unterschiede aber, dass das Luftbad nur auf 160° erhitzt wurde. Der Natriumgehalt des aus dem Säuregemisch dargestellten Salzgemisches betrug nun nicht wie früher 26,7, sondern nur 25,0 Proc. Es war also bei der bei 160° verlaufenen Einwirkung relativ viel weniger Essigsäure als Propionsäure gebildet worden. 2. Einwirkung von Kohlenoxyd auf Natrium - Methylat. Die Einwirkung geschah auf analoge Weise wie beim Aethylat. Verwandt wurden 39 Gramme Methylat. Die Einwirkung wurde bei 160° vor sich gehen gelassen, sie verlief analog, wie beim Aethylat. Nachdem dieselbe beendigt war, wurde der trockne Röh- reninhalt mit Wasser destillirt, bis aller Methylalkohol überge- gangen war, darnach der Kolbenrückstand mit der nöthigen Menge Schwefelsäure destillirt, das Destillat mit Quecksilberoxyd im Ueberschuss gekocht, wodurch 3,4 Gramme Ameisensäure oxydirt wurden, das Quecksilber mit Schwefelwasserstoff entfernt, durch längeres Kochen am Rückflusskühler das überschüssige Schwefel- wasserstofigas verjagt und nach der Filtration die saure Flüssig- keit mit reinem Natriumcarbonat neutralisirt. So wurde eine kleine Menge in absolut. Alkohol löslichen Salzes gewonnen, das beim vorsichtigen Erhitzen erst ohne Zersetzung schmolz, und dessen Natriumgehalt zu 28,1 Proc. gefunden wurde. Natrium-Acetat verlangt 28,0 Proc. Diess Resultat sowohl, als das übrige Ver- halten des Salzes zeigen, dass in der That bei der Einwirkung des Kohlenoxyds auf Natrium - Methylat bei 160° Essigsäure, wenn auch in geringer Menge gebildet wird. 3. Einwirkung von Kohlenoxyd auf Natrium-Amylat. Es wurde in gleicher Weise, wie bei den vorigen Versuchen, über 45 Gramme trocknes fein gepulvertes Natrium-Amylat, wel- ches aus rectifieirtem Gährungsalkohol bereitet worden war !), ein 1) Bei Gelegenheit der häufigen Darstellung von verschiedenen Natriumalkoholaten habe ich die Zusammensetzung der Krystalle, wel- che sich aus der gesättigten alkoholischen Lösung je ausscheiden, von Neuem untersucht. Geuther (Jenaische Zeitschrift f. Medic. u. Na- turw. Bd. IV p. 16) hat nach den analytischen Resultaten, welche Scheitz erhielt, für die Natriumaethylat-Krystalle die Formel: Bd. XII. Suppl. I. 4 a langsamer Strom von Kohlenoxyd bei etwa 210° geleitet bis keine Absorption des Letzteren mehr zu bemerken war. Auch hierbei sammelte sich an dem kälteren Endtheil des Rohres eine geringe Menge Flüssigkeit, die Siedepunkt und Geruch des Amylalkohols besass. ‘ Nach vollendeter Einwirkung wurde der Röhreninhalt, welcher stark gebräunt und etwas zusammengebacken war, in einem Kolben in Wasser gelöst. Dabei schied sich auf der Ober- fläche eine bräunliche Oelschicht ab, welche unter Zurücklassung des färbenden harzartigen Körpers mit den Wasserdämpfen fast vollständig und fast farblos überdestillirte. Nachdem dies Product mit Chlorcalecium entwässert worden war, destillirte es zwischen 129° und 134° über, war also fast reiner Amylalkohol, entstan- den durch Wasser aus unverändert gebliebenem Amylat. Die stark alkalisch reagirende im Kolben verbliebene Lösung wurde durch Filtriren durch ein nasses Filter vom abgeschiedenen Harze vollkommen befreit, mit der für die Bildung von saurem Natriumsulfat berechneten Menge Schwefelsäure versetzt und so C?H5NaO + 2C?H$60O aufgestellt. Darnach hat Marsh (ebendas. Bd. IV p. 243) durch neue Versuche diese Formel bestätigt. Trotz- dem hat Wanklyn (Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. CL p. 200) spä- ter die Zusammensetzung der Krystalle als der Formel: C?H5Na0? + 3C2H$0 entsprechend angegeben. Ich verfuhr zu ihrer Darstellung anders als Scheitz und an- ders als Marsh, nämlich so, dass ich in einem Glasrohr auf über- schüssigen Alkohol Natrium im Wasserstoffstrom einwirken liess und dann so lange den überschüssigen Alkohol durch Erwärmen des Rohrs mit einer Lampe im Wasserstoffstrom wegdestillirte, als an der obern Fläche des flüssigen Röhreninhaltes durch weiter weggehenden Alkohol sich weisses alkoholfreies Natriumalkoholat auszuschei- den begann. Geschah diess, so wurde das Feuer entfernt und es reichte der im leeren Theil des Rohrs befindliche Alkoholdampf, der durch Abkühlung jetzt flüssig wurde und auf das ausgeschiedene Al- koholat niederfloss, hin, dasselbe wieder zum Schmelzen zu bringen. Beim Erkalten erstarrt die geschmolzene Masse vollständig zu farb- losen durchsichtigen Krystallen der alkoholhaltigen Verbindung. Jetzt wurde das Rohr im Oelbade, während beständig Wasserstoff zu- geleitet wurde, allmählig so lange höher erhitzt als noch Alkohol überdestillirte.e Das Gewicht dieses Destillats, verglichen mit der an- gewandten Menge Natrium, ergab für das Methylat, Aethylat, Propylat und Amylat die allgemeine Formel: 1 Mgt Natriumal- koholat + 2 Mgte Alkohol, wie sie von Geuther für das Aethylat aufgestellt wurde. Die Angaben Wanklyn’s sind also unrichtig. Um alkoholfreie Verbindungen zu bekommen muss man das Me- thylat auf 170°, das Aethylat auf 200°, das Propylat auf 220° und das Amylat sogar bis auf 250° im Oelbad erhitzen. N lange destillirt, bis keine ölige Säure, zuletzt auch nicht mehr in Form einer Emulsion, überdestillirte. Das Destillat bestand aus 2 Schichten, einer wässrigen mit fein vertheilten Oeltröpfehen und einer oben aufschwimmenden gelblichen Oelschicht. Nachdem die im wässrigen Theil gelöst und suspendirt gewesene ölige Säure durch mehrmalige Destillation desselben für sich, als mit den Wasserdämpfen zuerst übergehend, daraus vollständig gewon- nen war, wurde die wässrige Flüssigkeit, in welcher sich reich- liche Mengen von Ameisensäure nachweisen liessen, von der öli- gen Schicht durch Abheben definitiv getrennt, das Oel in reinem Aether gelöst, diese Lösung mit Chlorcaleium vollständig entwäs- sert, der Aether aus dem Wasserbade abdestillirt und das Zurück- bleibende destillirt. Der grössere Theil ging zwischen 174° und 135° über, ein geringerer bei etwa 270°, während ein schwarz- brauner, dick syrupartiger Rückstand zurück blieb. Als der zwischen 174° und 180° destillirte Theil rectifieirt wurde, zeigte sich, dass die grösste Menge davon zwischen 175° und 177° destillirte und demnach dieselbe aus gewöhnlicher Va- leriansäure bestand, was die Analyse bestätigte, wie folgende Zusammenstellung zeigt: ber. gef. Ba — sick) 59,1 IK — 9,8 9,9 (BE Be! — 100,0 Das daraus dargestellte in absol. Alkohol sehr leicht lösliche Natriumsalz schmolz beim vorsichtigen Erhitzen ohne Zersetzung zu einer farblosen Flüssigkeit und ergab einen Natriumgehalt von 18,4 Proc. Für Natriumvalerianat berechnen sich 18,5 Proc. Von einer Säure, welche die Zusammensetzung der Capron- säure besass, welche Säure eigentlich der Analogie nach bei der Einwirkung hätte entstehen sollen, war nichts zu entdecken. Da der Grund davon in der zu hohen Temperatur, bei welcher die Einwirkung vor sich gegangen war, liegen konnte und diess auch in der That die Ursache war, wesshalb eine so reichliche Bildung von Valeriansäure eingetreten war, nämlich analog der Bildung von Essigsäure beim Aethylat, so wurde die Einwirkung mit derselben Menge Amylat viermal, aber bei einer Temperatur von nur 160° bis 165° wiederholt und im Uebrigen wie früher ver- fahren. Die Ausbeute an öligen Säuren war jetzt eine geringere, sie betrug nur etwa 7 Gramme. Bei der Destillation derselben 4 + Dr RO. ging jetzt aber nur der kleinere Theil bis 200° über, worauf das Thermometer stetig bis 275° stieg. | Nach längerer Rectification liess sich das Product in 2 ölför- mige Säuren zerlegen, in eine solche, welche zwischen 175° und 178° destillirte, also wieder Valeriansäure war und in etwa 2 Gramme etwas gelblich gefärbte bei 268° bis 270° übergehende ölige Säure von der Formel: C10H130?, wie folgende analytische Daten zeigen: ber. gef. 030, = vTo)6 70,8 a 10,6 10,6 ‚ER — 18,8 _ 100,0 Diese Säure!), welche in die Reihe der Oelsäuren gehört, kann betrachtet werden als eine Valeriansäure, in welcher entwe- der 2 Mgte Wasserstoff durch den zweiwerthigen Rest C5H1° ersetzt wurden, oder als eine Valeriansäure, in welcher an Stelle von 1 Mgt. Wasserstoff der einwerthige Rest C®H° getreten ist, also entweder als: Ampylen-Valeriansäure oder Amenyl-Valeriansäure (Amylen - Isopropylessigsäure) (Amenyl - Isopropylessigsäure) CH (0329) C:H8(C5H?°) | | 00 10210) OH OH Die letztere Formel ist wohl die wahrscheinlichere. Sie stellt ein eigenthümlich riechendes ziemlich dickes Oel dar, bildet mit Natrium ein nicht krystallinisches, ausserordent- lich zerfliessliches und in Alkohol leicht lösliches Natriumsalz, das einen Natriumgehalt von 12,0 Proc. ergab, wie ihn die Formel: C1°H1?TNaO? verlangt. 1) Eine damit metamere Säure ist die von Gäss durch Oxyda- tion des condensirten Valeraldehydes: C!0H130 dargestellte und von Hell und Sehoop „Amydecylensäure‘“ bezeichnete, zwischen 235° und 245° siedende flüssige Säure (Ber. d. deutsch. chem. Gesellsch. z. Berlin Bd. X p. 455 u. Bd. XII p. 193). ll. Versuche zur Erkenntniss der Bedingungen, unter welchen die höher siedende Säure sich bildet. Von A. Geuther und ®. Froelich. Zur Entscheidung der Frage, welche von den vorhandenen Verbindungen sich an der Bildung dieser im Vorhergehenden be- schriebenen hoch siedenden Säure betheiligten, mussten eine Reihe von Versuchen angestellt werden. Hierbei kamen in Betracht: die Natriumsalze der Ameisensäure und der Valeriansäure, das Na- triumamylat, das Natriumhydroxyd und das Kohlenoxyd. a. Einwirkung von Natriumformiat auf Natriumvalerianat. Da die Einwirkung nach der Gleichung: CHNa02 + 2C5H?Na02 —= C!°H!?Na0? + CO3Na? + OH? verlaufen konnte, so wurden diesem Verhältnisse entsprechend 15 Gramme ameisensaures Natron mit 55 Grammen valeriansauren Natron, beide gut getrocknet, zerrieben und wohl gemischt längere Zeit im Luftbad auf eine Temperatur von 160° erhitzt. Nach 24stündigem Erhitzen war das Salzgemenge theilweise geschmol- zen und schwach gebräunt. Es wurde darnach in Wasser gelöst und mit überschüssiger Schwefelsäure destillirt. Das Destillat lieferte Ameisensäure im wässrigen Theil. Die ölige Partie: Tri- hydroxyl- und Monhydroxyl- Valeriansäure. Es ging vollständig bis 176° über. Darnach hatte also unter diesen Umständen keine Einwir- kung der beiden Salze aufeinander stattgehabt. Auch als bei einem neuen Versuch längere Zeit auf 200° erhitzt wurde, konnte nur dasselbe Resultat erzielt werden. b. Einwirkung von Natriumformiat auf Natriumamylat. Die Einwirkung konnte nach der Gleichung verlaufen: CHNa02 + 2C5H11NaO = C!°H!’7Na0? + Na?O + CO +6H. Es wurden 17 Gramme bei 120° getrockneten Natriumformia- tes mit 50 Grammen trocknen alkoholfreien Natriumamylates, fein gepulvert und wohl gemischt im Luftbad 20 Stunden lang auf 160° erhitzt. Die Masse wurde darnach mit Wasser gekocht und der Amylalkohol vollständig überdestillirt, darnach mit überschüs- BA siger Schwefelsäure versetzt und abermals destillirt. Es ging nur eine ganz geringe Menge öliger Säure über. Der Versuch wurde wiederholt, die Gesammtmenge des Oels in reinem Aether gelöst, die Lösung mit Chlorcaleium entwässert, der Aether im Wasser- bade destillirt und der ölige Rückstand rectifieirt. Er destillirte zwischen 180° und 250°. Es war also offenbar in ihm ausser Valeriansäure auch etwas der höher siedenden Säure vorhanden. c. Einwirkung von Natriumformiat auf Natriumamylat und Natriumhydroxyd. Da die Einwirkung nach der Gleichung: CHNa0O? + 2C5H!!NaO + 2Na0OH = C!°H!?7NaO? + CO3Na? + Na?0 + 4H verlaufen konnte, so wurde dieser Gleichung entsprechend Na- triumformiat, Natriumamylat und Natriumhydroxyd, welches letz- tere durch vorheriges Schmelzen im Silbertiegel vollkommen von Wasser befreit worden war, fein gepulvert und gut gemischt län- gere Zeit im Luftbad auf 160° erhitzt. Die Masse darnach in gleicher Weise wie früher behandelt, ergab nach dem Destilliren mit überschüssiger Schwefelsäure auch nur eine geringe Menge öliger, mit Wasserdämpfen überdestillirender Säure. Eine noch geringere Menge davon wurde bei einem zweiten Versuche erhalten, bei welchem die Temperatur der Mischung auf 180° gesteigert worden war. d. Einwirkung von Kohlenoxyd auf Natriumamylat und Natriumhydroxyd. Die Einwirkung konnte nach den folgenden Gleichungen ver- laufen: C5H!1NaO + 2Na0H = C5H’Na0? + Na?O + 4H C5H!!NaO + CO —= 65H!’ + CHNa0? C5H®’Na0? + C°H!° = C!’H!?TNa0? + 2H. 32C5H:1NaO + 2Na0H + CO = C1°H17NaO? + CHNaO? + Na?0 + 6H. Desshalb wurde über ein inniges fein gepulvertes Gemenge von 50 Grammen Natriumamylat und 19 Grammen vollständig entwässerten Natriumhydroxyds bei einer Temperatur von 160° ein langsamer Strom trocknen Kohlenoxyds geleitet. Es fand be- trächtliche Absorption des Gases statt. Die Masse im Rohr war etwas gebräunt und ganz zusammengebacken. Beim Lösen der- N a selben im Wasser schied sich eine bedeutende Menge Oel an der Oberfläche der alkalischen Flüssigkeit ab. Dieses Oel ging, unter Zurücklassung von brauner harzarti- ger Materie bei der Destillation mit den Wasserdämpfen theil- weise leicht, theilweise aber auch sehr schwierig über. Es wurde mit Chlorcaleium entwässert und rectificirt. Das niedrigst Sie- dende war Amylalkohol, aus den höher siedenden Partieen wurden zwei Producte von constantem Siedepunkt erhalten. Das eine Pro- duct, dessen Menge von 2 gleichen Versuchen cere. 5 Gramme be- trug, destillirte zwischen 203° bis 209°, das andere war zwischen 279° und 285° übergegangen. Das bei 208° — 209° destillirende Product stellte eine farblose, einen angenehmen an Quitten erinnernden Geruch be- sitzende Flüssigkeit dar, vom spez. Gew. 0,845 bei + 12°. Seine Zusammensetzung entspricht der Formel: G!3H2°0 oder C1?H?30, wie folgende Zusammenstellung zeigt: ber. gef. ber. Ges, ar ar 792 Hs =132 132 H2—= 132 N REITS DE 100,0 100,0. Dasselbe ist jedenfalls ein Keton; seine Zusammensetzung entspricht einem Butyl-Valeron oder einem Amyl-Valeron: G-H2(G:DR) GEH: ) C139260 = CO 622250, — 00 (4H? CH? (Butyl - Valeron) (Amyl- Valeron). Die Bildung eines Butyl-Valerons kann durch Wechsel- wirkung von valeriansaurem Salz und von dem Salz einer Butyl- Valeriansäure erklärt werden, wie folgende Gleichung lehrt: C5H®’Na02 + C5H3S(C!H?)Na02 = C!3H2°0 + CO3Na?. Die Bildung des Salzes einer Butyl - Valeriansäure kann aber auf 2 Weisen aus dem valeriansauren Salz gedacht werden, ent- weder durch Einwirkung von Natriumhydroxyd auf das Letztere unter gleichzeitiger Bildung von Wasserstoff und Natriumcarbonat nach der Gleichung: 2C5H°?Na0? + NaOH —= C5H3(C*H?)Na0? + CO3Na? + 2H, oder aber durch Zersetzung des valeriansauren Natrons unter sich bei gleichzeitiger Bildung von ameisensaurem Salz nach der Glei- chung: 2C5H?Na02 — C5H®(C2H?)Na0?2 + CHNaO:. ee Dass diesen Gleichungen entsprechend eine Zersetzung des valeriansauren Salzes aber erfolge, ist nicht bekannt. Die Bildung eines Amyl-Valeron’s kann durch die Wech- selwirkung eines Salzes der Valeriansäure und eines Salzes einer Amyl- Valeriansäure erklärt werden: C5H®NaO? + C5H3(C5H!!)Na02 = C°’H!7(C5H!Y1)0 + CO3Na?. Wenn nun auch unter den gebildeten Säuren eine Amyl- Valeriansäure nicht aufgefunden wurde, so wurde doch an ihrer Stelle eine Amenyl-Valeriansäure gebildet. Mit der Bildung der Letzteren kann auch die Bildung der Ersteren vor sich gegangen sein, nur könnte sich ihr Salz durch Wechselwirkung mit vale- riansaurem Salz eben vollständig nach obiger Gleichung umgesetzt haben. Darnach ist es wahrscheinlicher, dass dem untersuchten Ke- ton die Formel C!*H28O und nicht die Formel C13H?°0O zukommt und es also die folgende Constitution besitzt: CH° | CH CH? 00 CH? — C[CH®— CH2 — CH(CH2)2] In CH? CHE Mit saurem Natriumsulfit vereinigt es sich nicht. Das bei 279°—285° destillirende Product war etwas gelb gefärbt und ergab bei der Analyse: 80,1 Proc. Kohlenstoff und 12,8 Proc. Wasserstof. Es wurde wiederholt destillirt und das zwischen 280° und 285° Uebergehende gesammelt und aber- mals analysirt. Gefunden wurden 80,4 Proc. Kohlenstoff und 12,8 Proc. Wasserstoff. Darnach kommt ihm offenbar die Formel: G!1:H26O zu, wie folgende Vergleichung lehrt: ber. gef. ET er 80V 80,1 80,4 Has 12,4 12,8 12,8 DRM 1.6 N das - 100,0. Dasselbe ist zweifelsohne auch ein Keton und zwar kann es aus Valeriansäure und der oben beschriebenen und bei diesem Versuch, wie weiter angeführt werden wird, in nicht unbeträcht- licher Menge mit entstandenen Amenyl-Valeriansäure C!°H1802, gebildet worden sein nach der Gleichung: C5H®Na0? + C1°H17TNa0? = C!:H250 + CO3Na?. Darnach wäre es also Amenyl-Valeron: C+H2(C5>H?) — CO — C#H°. Findet man indessen die Annahme der Möglichkeit einer Sub- a stitution des Wasserstoffs im Valeron durch Butyl resp. Butenyl unter den gegebenen Verhältnissen zulässig, so kann man diesem Keton auch die Formel: C!7H32O geben und es als Butenyl- Butyl-Valeron C*H8(C*H°) — CO — C?H$(C*H?) betrachten. Für diese Formel berechnen sich: 80,95 Proc. Kohlenstoff, 12,70 Proc. Wasserstoff und 6,35 Proc. Sauerstoff. Mit saurem Natriumsulfit vereinigt es sich nicht. Das spec. Gewicht dieses Ketons wurde bei + 7° zu 0,836 gefunden. Die bei der Destillation dieser Ketone im Kolben verbliebene ursprüngliche alkalische Lösung wurde nach dem Erkalten durch ein nasses Filter laufen gelassen und so von braunem Harz be- freit, darnach mit überschüssiger Schwefelsäure versetzt und de- stillirt. Hierbei ging eine verhältnissmässig beträchtliche Menge öliger Säure über, ein Theil davon recht schwierig, so dass eine neue Menge Wasser zugesetzt und abermals destillirt werden musste. Die ölige Säure wurde vom wässrigen Destillat befreit, in reinem Aether gelöst, diese Lösung mit Chlorcalcium entwäs- sert und rectificirt. Der kleinere Theil ging bis 200° über, der Haupttheil zwischen 250° und 275°. Durch Rectification dieses Letzteren wurden 3,5 Gramme reine zwischen 263° und 270° de- stillirende Substanz erhalten, deren Zusammensetzung der Formel: C!°H!502 entsprach, wie folgende Zusammenstellung ergiebt: ber. gef. 0, 70,83 Brenz 06 ! 10,7 te Br 100,0 Die Säure ist also mit der oben bei der Einwirkung von Koh- lenoxyd auf Natrium- Amylat entstehenden hochsiedenden: Ame- nyl- oder Amylen-Valeriansäure identisch. Das spez. Gewicht derselben wurde bei + 12° zu 0,961 gefunden. e. Einwirkung von Kohlenoxyd auf Natriumamylat und Natriumvalerianat. Da die Einwirkung nach der Gleichung: C5H°Na0? + C5H!!NaO + CO = C!PH!7Na0? + CHNa0? +2H verlaufen konnte, so wurden 45 Gramme trocknes Natriumamylat mit 50 Grammen ganz wasserfreien Natriumvalerianat fein gepul- vert und innig gemischt mit Kohlenoxydgas bei 160° behandelt. RN Iren Das Resultat der Einwirkung war ganz dasselbe wie im vor- hergehenden Versuch: es waren dieselben bei 209% und bei 279° — 285° siedenden Ketone entstanden ebenso wie eine beträchtliche Menge, 3,5 Gramme, der bei 268°—270° siedenden Säure. Schon früher war bei allen Versuchen, bei denen eine grös- sere Menge der Amenyl-Valeriansäure gebildet worden war, noch eine höher siedende Säure bemerkt worden, die im Destilla- tionsgefäss zurückblieb, aber ihrer geringen Menge halber nicht näher untersucht werden konnte. Diessmal war ihre Menge nicht so unbedeutend. Sie wurde daher etwas rectificirt. Der grösste Theil ging zwischen 300° und 306° über. Bei der Analyse wur- den gefunden: 73,9 Proc. Kohlenstoff und 10,7 Proc. Wasserstoff. Diese Zahlen deuten zweifelohne auf die Formel: C!5H?60?, d. h. auf eine Diamenyl-Valeriansäure: C5H3(C>H°)20?, wie folgende Zusammenstellung zeigt: ber. gef. ET RR IT Bee, — 109 10,7 BE nl9,5 Br Aus diesen Versuchen geht hervor, dass die Bildung der Amenyl-Valeriansäure und noch höher siedender Producte vorzüglich dann vor sich geht, wenn Kohlenoxyd auf ein Ge- menge von Natriumamylat und Natriumvalerianat bei 160° einwirkt. Dabei ist die Wirkung des Kohlenoxyds offenbar die, dass es vom Alkoholat das Natriumoxyl und von dem Kohlen- wasserstoffrest in der Säure 1 Mgt. Wasserstoff wegnimmt und damit Ameisensäure bildet, dass darauf das Amyl bei dieser Temperatur unter Verlust von Wasserstoff in Amenyl übergeht, welches den Platz des aus der Säure austretenden Wasserstoffs einnimmt, nach der Gleichung: Ce ahnt CHS(C5H®) H CO + +0=60 10,0 ONa er ONa ONa Warum nicht Amyl für diesen Wasserstoff eintritt, sondern der um 2 Wasserstoffe ärmere Rest, ist zunächst eine unerklärte Thatsache. Dass bei der Einwirkung von Kohlenoxyd auf Natriumamylat und Natriumhydroxyd auch beträchtlich viel dieser höher sieden- den Säuren gebildet werden, beruht jedenfalls darauf, dass unter dem Einfluss des Natriumhydroxyds das Natriumamylat, wie oben SE: schon in einer Gleichung ausgedrückt wurde, unter Bildung von Wasserstoff und Natriumoxyd in Natrium - Valerianat übergeht. 1. Weitere Versuche über die Einwirkung von Kohlenoxyd auf ein Gemenge von Alkoholat und Salz in höherer Temperatur. Von A. Geuther und ©. Froelich. 1. Einwirkung von Kohlenoxyd auf Natriumaethyl und Natriumacetat. Es wurden 51 Gramme geschmolzenes ganz wasserfreies und ganz reines Natriumacetat, dessen Natriumgehalt, wie sich berech- net, zu 28,0 Proc. gefunden worden war, und 42 Gramme trocknes alkoholfreies Natriumaethylat, fein gepulvert und innig gemischt !), der Einwirkung des trocknen Kohlenoxydgases ausgesetzt. Es ge- schah dies mit den obigen Mengen 4 mal je bei verschiedenen Temperaturen, nämlich bei 160°, bei 130° und bei 205°, um die zu verwendende Hitze zu erfahren, bei welcher die grösste Menge höher siedender Säure gebildet wird. Dabei hat sich ergeben, dass bei einer Temperatur von 160° nur eine geringe Menge höher siedender Producte (Ketone und Säuren) gebildet wird, mehr schon bei 130°, am meisten aber bei 205°. Immerhin bleibt die auch bei dieser Temperatur entstehende Menge weit hinter derjenigen zurück, welche bei Amylat und Valerianat erhalten wurde. Das Verfahren zur Gewinnung dieser Körper war ganz das- selbe wie früher. A. Gebildete Säuren. Die nach Entfernung des Aethers durch Destillation verblie- benen sauren Producte destillirten von 115° bis über 300°. Die !) Auf diese Weise wurde nur bei den ersten Versuchen ver- fahren, bei allen späteren wurde, um eine innigere Mischung zu er- reichen, das gepulverte Natriumsalz in das noch alkoholhaltige ge- schmolzene Alkoholat geschüttet und nun erst im ÖOelbade der über- schüssige Alkohol abdestillirt. Das zurückbleibende feste Gemisch wurde dann fein gepulvert. — 60 — fraktionirte Destillation ergab als niedrigst siedendes Product un- verändert gebliebene Essigsäure, sodann einen bei etwa 160°, einen bei etwa 200°, und einen bei etwa 260° vorzüglich siedenden Theil, neben einer festen Säure, die hauptsächlich in dem hei 200° Ueber- gegangenen vorhanden war und sich daraus krystallisirt ausschied. Jeder Theil wurde für sich weiter rectificirt. I. Das erste, bei etwa 160° siedende Product wurde zunächst weiter rectificirt. Erhalten wurden 2 Gramme von 161° — 162° Siedendes. Die Analyse ergab 55,7 Proc. Kohlenstoff und 9,5 Proc. Wasserstoff, also Werthe, welche nahe mit den von der Buttersäure verlangten übereinstimmen. Der Siedepunkt ist gleich- falls der der normalen Buttersäure. Bei einer nochmaligen Destillation ging der Haupttheil bei 160° — 161° über. Die Analyse ergab nun Zahlen, welche fast genau mit denen übereinstimmten, welche die Buttersäure ver- langt, wie folgende Zusammenstellung zeigt. ber. gef. Bu ER ER CT Bes Fr 100,0 Um zu sehen, ob dieses Product auch ein einheitliches che- - misches Individuum darstelle und nicht etwa eine Mischung von Propionsäure und Valeriansäure sei, wurde die Hälfte der Säure genau mit Natriumcarbonat neutralisirt, sodann die andere Hälfte dazu gefügt und nun destillirt. Die mit den Wasserdämpfen über- destillirende Säure sowohl, als der Salzrückstand in der Retorte wurden mit Natriumcarbonat übersättigt, auf dem Wasserbade zur Trockne gebracht, mit absol. Alkohol ausgezogen und das nach dem Abdestilliren des Alkohols im Wasserbade zurückbleibende Salz auf seinen Natriumgehalt untersucht. Das Salz von der überdestillirten Säure ergab: 20,6 Proc. Na- trium, das Salz von der zurückgebliebenen Säure: 21,0 Proc. Na- trium. Der Natriumgehalt des buttersauren Salzes beträgt: 20,9 Proc. Die bei 160° —161° destillirte Säure ist also eine chemi- sche Verbindung und kein Gemenge. Sie kann dem Siedepunkte und der folgenden Analyse des Natriumsalzes, sowie der früher angeführten Analyse nach nur normale Buttersäure sein. Die Analyse des Natriumsalzes ergab die in der folgenden Zusammenstellung mitgetheilten Resultate: N ber. gef. BEN —rr43,6 43,9 ENG 6,5 Na, 120,9 21,0 Var ma — 100,0 Das spez. Gewicht der Säure wurde bei + 18° zu 0,961 ge- funden. Pelouze und Gelis fanden für die Buttersäure 0,963 bei + 15°. I. Das zweite, bei etwa 200° siedende Product zeigte bei der Rectification, dass ein grosser Theil von 195° bis 202° destillirte. Dieses Product wurde zunächst analysirt. Es ergab 65,4 Proc. Kohlenstoff und 9,9 Proc. Wasserstoff. Diese Zahlen entsprechen keiner einfachen Formel. Desshalb wurden neue Rectificationen vorgenommen und dabei erkannt, dass der grössere Theil nun etwas niedriger, nämlich zwischen 195° und 198° destillirte. Die Analyse davon ergab 64,2 Proc. Kohlenstoff und 10,2 Proc. Wasserstofl. Bei einer Vermehrung des Wasser- stoffs war also eine Verminderung des Kohlenstoffs eingetreten. Diess deutete darauf hin, dass der Siedepunkt der reinen Ver- bindung noch niedriger liegen müsse. Durch abermalige wieder- holte Destillationen wurde desshalb dieser Theil weiter gereinigt und die kleinen verbleibenden höher siedenden Mengen entfernt. So wurde schliesslich ein Product erhalten, welches zwischen 190 und 195° überging. Dasselbe ergab bei der Analyse Zahlen, welche der Formel: C5H!?O? entsprechen, wie folgende Zusam- menstellung zeigt. ber. gef. BIT ee 62,8 9221054 10,3 En Ne 6) — 100,0. Diese Säure hat also die Zusammensetzung einer Capronsäure. Ihrem Siedepunkt nach ist sie nicht identisch mit der normalen Capronsäure (205°), der Isobutyl-Essigsäure (199,70) und der Di- methyl-aethyl-Essigsäure (187°). Von der Methyl-isopropyl-Essig- säure ist der Siedepunkt nicht bekannt und von der Diaethyl- Essigsäure fand ihn neuerdings Saytzett!) bei 190° liegend. Der Bildungsweise unserer Säure nach kann dieselbe nur als ein !) Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. CXCIII p. 351. N. > Aethylsubstitutionsproduet angesehen werden und zwar entweder als Aethylbuttersäure d. i. normale Capronsäure oder als Diaethyl- Essigsäure. Da ihr Siedepunkt mit dem der ersteren Säure nicht übereinstimmt, wohl aber mit dem der Letzteren, so unterliegt es i H 2 2 keinem Zweifel, dass sie Diaethyl-Essigsäure: s . ‚= ist. OH II. Das dritte bei etwa 260° siedende Product, dessen Menge nur gering war, wurde rectifiöirt und der zwischen 240° und 260° destillirende Theil analysirt. Gefunden wurden: 71,5 Proc. Kohlenstoff und 8,7 Proc. Wasserstoff; diess entspricht einem Mischungsgewichtsverhältniss vom Kohlenstoff: Wasserstoff — 1:1,44. Darnach kann die Säure auf keinen Fall der Fettsäure- reihe, in welcher das Verhältniss = 1:2 ist, angehören, sie kann also nicht ein weiteres Aethyl-Substitutionsproduct der Essig- säure oder der Buttersäure sein. Als ein Substitutionsproduet der Essigsäure oder der Buttersäure wird sie aber ihrer Entstehungs- weise nach aufgefasst werden müssen. Am einfachsten erscheint es sie als ein Substitutionsproduet der Buttersäure zu betrachten und zwar der normalen Buttersäure, in welcher 5 Mgte Was- serstoff durch 5 Mgte Aethenyl (CH?) ersetzt worden sind. Dann käme ihr als Triaethenyl-Buttersäure die Formel: C>H4(C2H3)3 OÖ — (10H!40?2 zu, mit welcher nahezu die bei OH der Analyse gefundenen Zahlen übereinstimmen. ber. gef. gu 73 KEN ZB 8,7 Br ae -— 100,0. Der Siedepunkt der reinen Säure wird jedenfalls über 250°, nahe 260° liegen. Für die ihr beigelegte Formel, d.h. dass sie ein Substitu- tionsproduet sei, in welches für Wasserstoff nicht der Kohlenwas- serstoffrest des angewandten Alkohols, sondern der um 2 Msgte Wasserstoff ärmere Rest eingetreten sei, kann die Bildungsweise der Amenyl-Valeriansäure (vergl. oben p. 58) angeführt werden. IV. Das vierte Product der Einwirkung, die feste Säure, welche sich bei der Rectification der um 200° und etwas FRE BERN 213 WON darüber destillirenden Partieen vornehmlich ausschied, wurde durch starke Abkühlung der betreffenden ölförmigen Mengen erhalten. Die ölförmigen Säuren wurden möglichst durch Abtropfenlassen entfernt, der feste Rückstand dann mit wenig ganz reinem Aether digerirt, worin sich hauptsächlich das noch anhängende Oel löste, und diese Behandlung mehremale wiederholt, bis die feste Säure nahezu weiss erschien. Als sie damach in mehr Aether gelöst und aus dieser Lösung auskrystallisiren geworden war,, erschien sie doch noch schwach gelblich gefärbt. Bei einem Versuche ihren Schmelzpunkt zu bestimmen wurde beobachtet, dass sie noch etwas unter ihrem Schmelzpunkt in schönen langen völlig farblo- sen Nadeln sublimirt. Desshalb wurde sie in einem Röhrchen im Paraffinbade bei einer Temperatur von 160° durch wiederholte Sublimation gereinigt. Der Schmelzpunkt der reinen farblosen Säure liegt bei 166°, ihr Erstarrungspunkt bei 164°. Die Analyse ergab für sie die Formel: C°H1°0?. Das ist die Formel der Mesitylensäure, deren Schmelzpunkt gleichfalls bei 166° liegt. Die Sublimirbar- keit unserer Säure, ihre Schwerlöslichkeit in kaltem Wasser, ihre leichte Löslichkeit in Alkohol und Fällbarkeit dieser Lösung durch Wasser, ihre Löslichkeit in Aether sind alles Eigenschaften , wel- che die Mesitylensäure besitzt, so dass an der Identität beider Säuren nicht zu zweifeln ist. ber. gef. u) 112 FEDa 16,7 6,7 Bel — 100,0. Die geringe Menge, welche von ihr erhalten wurde, ermög- lichte eine weitere Untersuchung derselben nicht. B. Gebildete Ketone. Das mit den Wasserdämpfen erhaltene Destillat wurde mit festem Chlorcaleium versetzt, um die Ketone daraus möglichst ab- zuscheiden, darauf wurden diese in Aether gelöst und nach dem Abdestilliren des Aethers im Wasserbade, um sie von noch etwa beigemengtem Aethylalkohol zu befreien, wiederholt mit Chlorcal- ciumlösung geschüttelt. Sie wurden nun entwässert und der fra- ctionirten Destillation unterworfen. Ihre Menge war nur gering. Erhalten wurden zwei Producte, eines, welches zwischen 180° und 190° und eines, welches zwischen 280° und 300° destillirte. Er ER Neue Rectificationen konnten der geringen Menge halber nicht vorgenommen werden. 1. Das zwischen 180° und 190° Destillirende er- gab bei der Analyse Zahlen, welche für dasselbe die Formel: C°’H18O ergeben. ber. gef. Da nis 76,0 In ET! 12,7 Dit, sl. 2 ur 100,0. Es erscheint darnach als ein gemischtes, aus der gebilde- ten Buttersäure und Diaethyl-Essigsäure hervorgegange- nes Keton, entstanden nach der Gleichung: C:H’NaO? + CSH!!Na0? = C°H!80 + CO®Na®. Darnach ist es also sehr wahrscheinlich aufzufassen als: Propyl-Diaethylmethyl-Keton von der Constitution: C3H? (610) C’H!SO = C(02H>): H 2. Das zwischen 280° und 300° Destillirende er- gab bei der Analyse das folgende Resultat, wonach ihm die For- mel: C!5H??O zukommt. ber. gef. 6:3, —88 81,3 m —=7409 1110... 10) — er 100,0. Darnach erscheint es als ein gemischtes Keton der gebildeten Dimethyl-Essigsäure und Triaethenyl-Buttersäure, entstanden nach der Gleichung: CsH11Na0?2 + C!0H1*Na0? = C!5H?*0 + CO3Na? Es ist also wohl aufzufassen als: Diaethylmethyl-Tri- aethenylpropyl-Keton von folgender Constitution: C(C2H>): H | 16/0) C:5H240 — 60:13) Bi. 2. Einwirkung von Kohlenoxyd auf Natriummethylat und Natriumacetat. Es wurde auf analoge Weise wie beim Aethylat verfahren: Angewandt wurden 50 Gramme alkoholfreies Natriummethylat auf 75 Gramme Natriumacetat und ‘der Versuch mit diesen Mengen neunmal wiederholt. Ueber jede dieser fein gepulverten Portionen wurde das trockne Kohlenoxyd in langsamen Strom ungefähr 4 Tage lang geleitet. Diess musste geschehen, weil die Absorp- tion desselben nur verhältnissmässig langsam erfolgte, viel lang- samer als bei der Anwendung von Aethylat, obwohl auch eine Temperatur von 200° angewandt wurde. Dem entsprechend war auch, trotzdem im Ganzen 500 Gramme Natriummethylat und 750 Gramme Natriumacetat verwandt worden waren und trotzdem das Kohlenoxydgas so langsam zugeleitet wurde, die Bildung von ketonartigen Producten so gering, dass sie kaum wahrnehmbar waren und hatte die Bildung von Säuren in einem viel geringeren Grade stattgefunden, als es bei der Anwendung von Aethylat der Fall war: sie war so gering, dass nur nahezu reine Producte durch Rectification erhalten werden konnten. Aus dieser Thatsache im Vergleich zu den Mengen, welche andere Alkoholate an Ketonen und Säuren bei gleicher Behand- lung lieferten, ergiebt sich, dass die Substitution des Was- serstoffs der Säure durch den Kohlenwasserstoffrest des Alkohols um so schwerer vor sich geht, je niedrige- ren Kohlenstoffgehalt dieser Rest besitzt, und um so leichter, je höherer Kohlenstoffgehalt demselben zukommt. Die nach möglichster Entfernung der Essigsäure durch Recti- fication gewonnenen geringen Mengen von Säuren ergaben, dass sie aus zwei Producten bestanden, von denen das eine etwa bei 140°, das andere etwa bei 220° siedete. Um zu erfahren, welchen Säurereihen, ob der Reihe der Fettsäuren, oder Oelsäuren oder noch wasserstoffärmeren Säuren die erhaltenen Producte angehörten, wurden die von 1300—145° und die von 210°—230° übergegangenen Partieen analysirt. 1. Das von 1530°—145° Destillirende entspricht sei- ner Zusammensetzung nach einer mit etwas Essigsäure noch ver- unreinigten Propionsäure, wie die folgende Zusammenstellung zeigt: Bd. XIII. Suppl. 1. 5 a ber. gef. ber. ro we nn penktiaig } 7,7 ee nu Du 13 RM 505 100,0 100,0. 2. Das von 210°—230° Destillirende entspricht sei- ner Zusammensetzung nach ebenfalls einem Glied der Fettsäure- reihe, wie sein hoher Wasserstoffgehalt beweist, und zwar deuten die gefundenen Resultate darauf hin, dass es wohl eine tetra- oder penta-methylirte Propionsäure enthält, wie folgende Zusammenstellung darthut: ber. gef. ber. H C2(CH3)> Ga 166,7 68,1 C! —= 64,6 C?(CH3)% Co — ee 10,2 BO 8 OH 02..== 122,2 = 02 —= 24,6 OH Aus diesen Resultaten ergibt sich, dass eine Verwandlung des Methyls (CH3) in Formyl (CH) unter Wasserstoffverlust un- ter diesen Umständen nicht eintritt, dasselbe also beständiger als das Aethyl, welches doch Aethenyl-Substitutionsproducte ge- liefert hat, ist und viel beständiger als das Amyl, welches sehr leicht Amenyl-Substitutionsproducte erzeugen lässt. IV. Mittheilung einiger mit dem Vorhergehenden in Zusammen- hang stehender Versuche. Von A. Geuther und 0. Froelich. 1. Einwirkung von Zink auf Natriumaethylat und Natriumacetat. Die Erkenntniss, dass die Wirkung des Kohlenoxyds auf ein Gemenge von Alkoholat und Salz zunächst nach der allgemeinen Gleichung: CO.-+ CH" +1Na0O + C=H?m -1Na02 = CHNa0? + CaH!m—2 (C* H%+1 )Na0? vor sich gehe, also Natriumoxyl und Wasserstoff d.i. in Summa Natriumhydroxyd aus den Educten weggenommen werden müsse, legte nahe zu versuchen, ob auch nicht andere Körper als das Kohlenoxyd im Stande seien diese Natriumhydroxyderzeugung zu z m bewirken. Wir dachten dabei an das Zink, welches, wenn es sich auch nicht mit dem Natriumhydroxyd, wie das Kohlenoxyd direct vereinigt, es sich doch mit demselben unter Wasserstoff- entwicklung in Natrium-Zinkoxyd umsetzen kann, und haben des- halb seine Wirkung auf das Gemische versucht. In die alkoholische Lösung von 34 Gramm Natriumaethylat wurden 40 Gramm feingepulvertes, wasserfreies Natriumacetat ge- schüttet, der überschüssige Alkohol aus dem Oelbade abdestillirt und das fein gepulverte innige Gemenge mit 50 Gramm über Schwefelsäure getrockneten Zinkstaub rasch zusammengerieben. Diese Mischung wurde nun in einer mit einer Vorlage und einem Gasleitungsrohr versehenen Retorte längere Zeit im Oelbade auf 240° — 250° erhitzt. Dabei trat ein mit schwach leuchtender Flamme brennendes Gas auf, welches mit atmosphär. Luft ge- mengt beim Anzünden verpufite. Als die Gasentwicklung, welche erst gleichmässig stark war und mit der Zeit schwächer wurde, ganz aufgehört hatte, wurde der Retorteninhalt in Wasser gelöst, vom überschüssigen Zink abfiltrirt und die Lösung so lange am Kühler gekocht, bis aller Alkohol überdestillirt war. Das Destil- lat wurde mit Aether geschüttelt, dieser mit Chlorcalciumlösung bis zur Entfernung mitgelösten Alkohols gewaschen, entwässert und der Aether dann vorsiehtig abdestillirt. Es hinterblieb eine so geringe Menge von Ketonen, dass ihre weitere Untersuchung nicht wohl möglich war, obwohl der Versuch mit den oben ange- führten Mengen im Ganzen viermal ausgeführt worden war. Die Lösung des Retortenrückstandes wurde nun mit über- schüssiger Schwefelsäure destillirt, im sauren Destillat, worauf ölige Tröpfehen schwammen, Chlorcaleium gelöst und mit alkohol- freiem Aether geschüttelt. Der Aether wurde entwässert, im Was- serbade abdestillirt und die zurückbleibenden Säuren fractionirt _ destillirt. Der Haupttheil destillirte bis 170°, der Rest bis 240°. Aus dem letzteren Theile krystallisirte eine feste Säure aus. Nach wiederholten Rectificationen wurde erhalten eine Säure, welche zwischen 160° und 163° siedete und eine solche, welche zwischen 190° und 195° überging. Die erstere war normale Butter- säure, die letztere, von weleher nach wiederholten Reetificatio- nen das zwischen 189° und 195° destillirte nochmals analysirt wurde, war Diaethyl-Essigsäure. 5* NE ra Buttersäure: Diaethyl- gef. Essigsäure: Tan ie ag ber. gef. ber. 1900 —1930 189% —193° = 546 55,0 OT 66,0 63,6 BEE. 9,2 HE 104 9,8 10,1 MR .136;3 — 02 2275 — — 100,0 100,0. Die feste Säure, welche nur in geringer Menge entstanden war, wurde möglichst vollständig zu gewinnen versucht und durch mehrmalige Sublimationen gereinigt. Nach dem Stehen der Schwe- felsäure ergab sich ihr Schmelzpunkt zu 168°. Der Schmelz- punkt der Mesitylensäure liegt bei 166°. Aus dem Vorstehenden folgt also, dass das Zink in der That eine Einwirkung auf die Gemenge von Alkoholat und Salz äussert und zwar eine solche, durch welche die- selben sauren Producte erzeugt werden wie bei der Ein- wirkung des Kohlenoxyds auf das Gemenge. 2. Einwirkung von Kohlenoxyd auf Natriumaethylat und Natriumhydroxyd. Der oben mitgetheilte Versuch der Einwirkung von Kohlen- oxyd auf ein Gemenge von Natriumhydroxyd und Natriumamylat hatte die gleichen Producte ergeben, wie bei der Anwendung von Amylat und Valerianat. Desshalb wurde derselbe mit Natrium- aethylat ebenfalls angestellt. 45 Gramme trocknes feingepulvertes Natriumaethylat wurden mit 27 Grammen wasserfreien feingepulverten Natriumhydroxyds innig gemischt, in ein Rohr gefüllt und bei 160° ein Strom trock- nen Kohlenoxydgases darüber geleitet. Das Kohlenoxyd wurde reichlich absorbirt. Der Versuch wurde mit den angegebenen Mengen viermal ausgeführt. Als die Kohlenoxydabsorption auf- gehört hatte, wurde der Röhreninhalt in Wasser gelöst und so lange am Kühler gekocht, bis aller Alkohol abdestillirt war. Der- selbe wurde wie beim vorhergehenden Versuche auf Ketone unter- sucht. Solche waren kaum vorhanden. Die zurückbleibende wäss- rige Lösung wurde nun mit überschüssiger Schwefelsäure versetzt und destillirt. Das stark saure Destillat zeigte nur einige kleine Oeltröpfehen. Nachdem es mehreremale wieder destillirt worden war, um zu sehen, ob die Menge der öligen Tröpfchen sich ver- mehre, wurde dasselbe mit Natriumcarbonat neutralisirt, stark a 6 en concentrirt, mit überschüssiger Salzsäure versetzt und mit alko- holfreiem Aether geschüttelt. Dasselbe hinterliess, nachdem es entwässert und durch Destillation aus dem Wasserbade entfernt worden war, eine geringe Menge einer stark sauer und stechend riechenden Flüssigkeit, welche zum grössten Theil bei 100° de- stillirte, also Ameisensäure war, wie auch ihr übriges Ver- halten zeigte. Nur wenige Tropfen destillirten höher bis 160°, enthielten also wohl etwas Buttersäure. Das Resultat dieses Versuches ist also, dass bei Anwendung von Aethylat und Natriumhydroxyd kaum etwas Keton und substituirte Säure, dagegen viel Ameisensäure gebildet wird. 3. Einwirkung von Kohlenoxyd auf Natriumhydroxyd. Das Resultat des vorigen Versuches, die bedeutende Bildung von Ameisensäure, erklärt sich durch die Annahme, dass das Natronhydrat bei 160° durch das Kohlenoxyd leicht in ameisen- saures Salz verwandelt wird, offenbar viel leichter, als wenn auf befeuchtetes Natronhydrat bei nur 100° das Gas einwirkt. Diess durch den Versuch zu prüfen wurden etwa 2!/, Kubikfuss (= 0,055 Kubikmeter) Kohlenoxydgas über 150 Gramme ganz wasserfreies feingepulvertes Natronhydrat, das sich in einem Rohr befand, bei 160° geleitet. Es fand reichliche Absorption statt. Die durch Destillation der wässrigen Lösung mit überschüssiger Schwefel- säure erhaltene Säure wurde mittelst Bleicarbonat in das Bleisalz verwandelt und so 100 Gramm reines, wohl krystallisirtes amei- sensaures Salz erhalten. Die zuletzt verbleibende Mutterlauge wurde mit reinem Natriumcarbonat gekocht und das nun Natrium- salz enthaltende Filtrat zur Trockne gebracht und mit absolut. Alkohol ausgekocht. Derselbe hinterliess nach dem Filtriren und Abdestilliren ein weisses Natriumsalz, dessen Natriumgehalt zu 31,9 Proc. gefunden wurde. Da das Natriumformiat 33,8 Proc. Natrium verlangt, so war also eine kleine Menge eines Salzes mit höherem Kohlenstoffgehalt (essigsaures?) vorhanden. Es ist mög- licherweise nach den folgenden Gleichungen entstanden: BERICHT > ANGER ZIEOPNA” 708: CH? CO + NaOH + CH? = C?H3Na0? 2400 + 5Na0OH = 2C03Na? + OH? + C?H3Na0?, U ru 4. Einwirkung von Kohlenoxyd und Athylen auf Natriumhydroxyd. Da das Kohlenoxyd in höherer Temperatur so leicht mit dem Natriumhydroxyd sich zu ameisensaurem Salz vereinigt, und da das Vorhandensein einer kohlenstoffreicheren Säure im vorigen Versuch durch die Einwirkung von CH? und CO auf NaOH er- klärt werden konnte, so war es vielleicht möglich bei gleichzeiti- gem Vorhandensein von Aethylengas auch die Bildung von pro- pionsaurem Salz zu erreichen. Um diess zu prüfen wurden etwa 2 Kubikfuss eines aus gleichen Volumen bestehenden Gemenges von Kohlenoxyd und Aethylengas über bis auf 180° erhitztes ge- pulvertes Natronhydrat, das sich in einem Rohr befand, geleitet und im Uebrigen so, wie beim vorigen Versuch verfahren. Nach- dem etwa 50 Gramme ameisensaures Blei auskrystallisirt waren, wurde die restirende Mutterlauge mit reinem Natriumcarbonat im Ueberschuss gekocht, das Filtrat zur Trockne gebracht und mit absol. Alkohol ausgekocht. Nach dem Filtriren und Abdestilliren desselben hinterblieb ein Natriumsalz, dessen Natriumgehalt zu 28,2 Proc. gefunden wurde, eine Zahl die zwischen denen liegt, welche ameisensaures (33,3 Proc.) und propionsaures (24,0 Proc.) Natron verlangt. Da das Salz wirklich noch viel Ameisenäure enthielt, so wurde seine wässrige Lösung mit überschüssigen Sil- bernitrat versetzt und gekocht, um die Ameisensäure zu zerstö- ren, darnach vom reducirten Silber abfiltrirt, das Filtrat einge- dampft, mit absol. Alkohol behandelt und das darin gelöste Salz, welches nur aus einer geringen Menge bestand, auf seinen Na- triumgehalt untersucht. Derselbe wurde zu 27,0 Proc. gefunden, eine Zahl, welche noch immer beträchtlich grösser ist als die, welche das propionsaure Salz verlangt, aber kleiner ist, als die, welche essigsaures Salz erfordert (28,0 Proc.). Darnach sieht es so aus, als ob wirklich eine kleine Menge von Propionsäure mit entstanden wäre, die bei weitem grösste Menge von Aethylen aber war also unverändert geblieben. | Dass Aethylen von Natriumhydroxyd bei einer Temperatur von 200° nicht aufgenommen, resp. dabei kein Natriumaethylat gebildet wird, wurde durch einen besonderen Versuch festgestellt. 5. Einwirkung von Kohlenoxyd auf Natriumphenjyjlat. Um zu prüfen, ob Kohlenoxyd das Natriumphenylat bei hö- herer Temperatur vielleicht in Benzoösäure überzuführen vermöge, Be wurde über, nach Kolbe’s Vorschrift bereitetes trocknes feinge- pulvertes Natriumphenylat bei 160° trocknes Kohlenoxydgas ge- leitet. Das Kohlenoxyd wurde nicht absorbirt, das Phenylat blieb unverändert. Es konnte daraus nur wieder Phenol, aber keine Benzoesäure erhalten werden. Die hauptsächlichsten Resultate dieser Versuche sind die fol- genden: I. Bei der Einwirkung von Kohlenoxyd auf Alkoholate in höherer Temperatur entsteht: IH; Li; 2. 3. bei Anwendung von Aethylat: Propionsäure; bei Anwendung von Methylat: Essigsäure; bei Anwendung von Amylat: keine Capronsäure, son- dern Valeriansäure und substituirte Valeriansäuren und zwar sind diese Letzteren Amenyl- (C5H°) -Substi- tutionsproducte der Valeriansäure. . Dieselben Säuren entstehen auch bei der Einwirkung von Kohlenoxyd auf ein inniges Gemenge von Natriumhy- droxyd und Amylat bei höherer Temperatur, vorzüglich aber bei der Einwirkung von Kohlenoxyd auf’ein Ge- menge von Amylat und Valerianat unter diesen Um- ständen. Daneben bilden sich Ketone dieser Säuren. Bei der Einwirkung von Kohlenoxyd auf ein Gemenge von Al- koholat und Kohlenstoffsäure-Salz entsteht ausser den Ketonen: 14 bei Anwendung von Methylat und Acetat: a. Propionsäure, b. Tetra- oder Penta-Methyl-Propionsäure; . bei Anwendung von Aethylat und Acetat: a. normale Buttersäure, b. Diaethyl-Essigsäure, c. Triaethenyl-Buttersäure, d. Mesitylensäure; . bei Anwendung von Amylat und Valerianat: a. Amenyl-Valeriansäure, b. Diamenyl-Valeriansäure. Jena, August 1878. "A. Geuther. Neue Synthese von Kohlenstoffsäuren. 2. Abhandlung. | Versuche von Pr. A. Looss, mitgetheilt von A. Geuther. I. Einwirkung von Kohlenoxyd auf ein Gemenge von Natrium - Aethylat und Natrium - Valerianat. Die Versuche wurden in ähnlicher Weise ausgeführt, wie die von Geuther und Froelich !) angestellten. Angewandt wur- den gleiche Gewichtsmengen ganz wasserfreien Natriumsalzes der gewöhnlichen aus Gährungsamylalkohol dargestellten Valeriansäure und alkoholfreien Natriumaethylats und zwar auf einmal 40 Gramme von jeder Verbindung. Der Versuch wurde fünfmal ausgeführt. Die erhaltenen Mengen von Säuren sowohl als Ketonen waren ver- hältnissmässig nicht bedeutend, so dass auch diese Versuche als ein Beweis dafür angesehen werden müssen, dass die Alkyl-Reste in die Säuren um so schwieriger als Substituenden eintreten, je geringeren Kohlenstofigehalt sie besitzen. Il. Untersuchung der Säuren. Der bei weitem grösste Theil destillirte vor 190°, war also unverändert gebliebene Valeriansäure, darüber wurden vorzüglich 3 Fractionen gesammelt, eine von 2220—226°, eine von 240° — 250° und eine von 250°—260°, und zunächst analysirt. a. 222° —226° Destillirendes. 0,2032 Gramm Substanz ergaben 0,1862 Gramm Wasser, entspr. 0,0207 Gramm = 10,2 Proc. Wasserstoff und 0,4910 Gramm Koh- lensäure, entspr. 0,1539 Gramm — 65,9 Proc. Kohlenstoff. Diese Zahlen weisen auf die Zusammensetzung einer Oenan- thylsäure, welche verlangt: 64,6 Proc. Kohlenstoff und 10,8 1) Siehe oben p. 54 u. 57. a Proc. Wasserstoff. Desshalb wurde die Säure weiter rectificirt, vorzüglich das höher siedende entfernt und die Hauptmenge, wel- che nun bei 220° überging, abermals analysirt. aa. 220° (uncorr.) Siedepunkt. 0,160 Gramm der farblosen Substanz gaben 0,1541 Gramm Wasser, entspr. 0,01712 Gramm = 10,7 Proc. Wasserstoff und 0,3783 Gramm Kohlensäure, entspr. 0,10317 Gramm — 64,5 Proc. Kohlenstoff. ber. gef. 0". — 646 64,5 Hr 2 105 10.7 027 — 7226 — 100,0 Darnach unterliegt es also keinem Zweifel, dass diese Säure eine Aethyl-Isopropylessigsäure: C5H°(C?H5)O? ist und zwar ihrer Bildung nach: Methyl-Propyl-Propionsäure von der Construction Mit der von Grimshaw!) aus Aethyl-Amyl dargestellten Isönanthylsäure kann die Säure nicht identisch sein, da erstere bei 210°—213° destillirt, dagegen hat sie nahezu den Siedepunkt der normal. (aus normal. Hexyleyanür dargestellten) Oenanthyl- säure, welcher bei 223°—224° liegt. Mit dieser kann sie aber ihrer Bildungsweise aus Gährungsamylalkohol halber auch nicht identisch sein. b. 240° —250° Destillirendes. 0,1844 Gramm Substanz lieferten 0,1653 Gramm Wasser, entspr. 0,018367 Gramm = 10,0 Proc. Wasserstoff und 0,4616 Gramm Kohlensäure, entspr. ‚0,1259 Gramm = 68,3 Proc. Koh- lenstoff. c. 250° —260° Destillirendes. 0,244 Gramm Substanz lieferten 0,2097 Gramm Wasser, entspr. 0,0233 Gramm = 9,6 Proc. Wasserstoff und 0,6204 Gramm Koh- lensäure, entspr. 0,1692 Gramm = 69,3 Proc. Kohlenstoff. ? 1) _Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. 166 p- 168, PR 1. 0 Diese Analysen ergaben zunächst als bestimmtes Resultat, dass die hier vorliegende Säure ihres geringen Wasserstoffgehaltes halber nicht der Reihe der fetten Säuren, sondern der Reihe der Oelsäuren oder einer noch wasserstoffärmeren Reihe angehört, und liessen vermuthen, dass sie noch ein Gemenge von ÖOenanthylsäure und einer Sale von etwas höherem Se u als 260° darstelle. Erneute Rectificationen beider Theile zeigten, dass dem in der That so war. Ein beträchtlicher Theil ging nun zwischen 270° und 280° über. Derselbe wurde unmittelbar analysirt. I. 0,2188 Gramm der farblosen öligen Substanz gaben 0,1831 Gramm Wasser, entspr. 0,20344 Gramm = 9,3 Proc. Wasserstoff und 0,5789 Gramm Kohlensäure, entspr. 0,1579 Gramm = 72,1 Proc. Kohlenstoff. Nach Verlauf eines Tages hatte sich in dem übrig gebliebe- nen eine feste Säure krystallisirt ausgeschieden. Es wurde das flüssig gebliebene davon abgegossen und abermals analysirt. Das Resultat war Folgendes: I. 0,1881 Gramm Substanz ergaben 0,1521 Gramm Wasser, entspr. 0,0169 Gramm = 9,0 Proc. Wasserstoff und 0,4947 Gramm Kohlensäure, entspr. 0,13492 Gramm = 71,7 Proc. Kohlenstoff. Da diese Resultate eine Formel genugsam nicht andeuteten, so wurde erst die krystallisirte Säure, welche sich aus der flüs- sigen abgeschieden hatte, näher geprüft. Ihre Menge war aller- dings so unbedeutend, dass nach ihrer Reinigung an eine Analyse nicht zu denken war, indess, da Geuther und Froelich!) bei der Einwirkung von Kohlenoxyd auf Natriumaethylat und Natrium- acetat gleichfalls eine feste krystallisirte Säure, welche sich als die bei 166° schmelzende Mesitylensäure erwiesen hatte, beobach- teten, so wurde auch die abgeschiedene Säure, nachdem sie mit kaltem Aether abgewaschen war, auf ihren Schmelzpunkt geprüft. Sie konnte, weil ihre absolute Menge zu gering war, nicht erst durch Sublimation gereinigt werden, und daran mag es wohl lie- gen, dass ihr Schmelzpunkt zu 161° und nicht zu 166° gefunden wurde, obwohl die Krystalle doch nur Mesitylensäure waren. Nimmt man nun an, dass ein Theil dieser fast denselben Koh- lenstoffgehalt (72,0 Proc.), aber einen viel niedrigeren Wasserstoff- gehalt (6,7 Proc.) besitzenden Säure noch in der zu zweit analy- sirten ölförmigen Säure gelöst war, wie wahrscheinlich ist, so 1) Vergl. oben p. 62 u. 68. BR N wird man durch die gefundenen Resultate veranlasst der zwischen 270° und 280° destillirten flüssigen Säure die Zusammensetzung: C!1H1302 zuzusprechen, wie folgende Zusammenstellung zeigt: ber. gef. Mesitylensäure en N I u ber. CH =, 125 72,1 717 Erna 20 H13 == 19,9 9,3 9,0 ZEN oT 0 = 116 — — 02 = 213 100,0 100,0 Darnach wäre die Säure also möglicherweise: Aethyl-diae- thenyl-Isopropylessigsäure: C5H?(C?H5)(C?H?)?O?. Dass die höher siedenden Säuren an Stelle des Alkyl-Restes vom Alkoholat auch um 2 Mgt. Wasserstoff ärmere Reste als Sub- stituenden enthalten können, haben bereits Geuther und Froe- lich!) gefunden. Ausser diesen seither aufgeführten Säuren war noch eine zwischen 280° bis 300° siedende und eine über 360° sie- dende Partie vorhanden. d. Die zwischen 280° und 300° destillirende dickölige Säure von gelblichem Aussehen ergab bei der Analyse folgende Resultate: 0,1693 Gramm Substanz lieferten 0,1418 Gramm Wasser, entspr. 0,01576 Gramm = 9,3 Proc. Wasserstoff und 0,4659 Gramm Koh- lensäure, entspr. 0,12707 Gramm —= 75,1 Proc. Kohlenstoft. Nimmt man nun an, dass auch in diesem Glied noch etwas wasserstoftarme Mesitylensäure vorhanden war, was wahrschein- lich ist, so kann man für dieses Product die Formel: C!3H?°0? aufstellen. ber. gef. G13, = 75,0 75,1 Ha 36 93 0 EIER Sam Er — 100,0 Diese Säure unterschiede sich dann in ihrer Zusammensetzung von der vorigen nur um die Differenz C?H?, d.h. sie wäre eine: Aethyl-triaethenyl-Isopropylessigsäure. e. Die über 360° destillirende dicke saure bräunliche Flüs- siskeit wurde nach mehrmaligen Rectificationen, wobei immer ein dunkler zähflüssiger Rückstand blieb, ebenfalls analysirt. Das Resultat war Folgendes: 1) Vergl. oben p. 52, 57 u. 62. Bo) . 0,1246 Gramm Substanz gaben 0,1173 Gramm Wasser, entspr. 0,013033 Gramm = 10,4 Proc. Wasserstoff und 0,3673 Gramm Kohlensäure, entspr. 0,1002 Gramm = 80,4 Proc. Kohlenstoff. Auffallend ist der hohe Wasserstoffgehalt. Indess wird man annehmen können, dass bei der hohen Siedetemperatur der Sub- stanz sich stets ein Theil unter Wasserbildung zersetzt und dieses entstandene Wasser die Ursache des vergrösserten Wasserstoffge- haltes ist. Wollte man dem Rechnung tragen, so würde man für die Substanz die Formel: C23H3°0? aufstellen und die Säure als eine Aethyl-octaaethenyl-Isopropylessigsäure: C5H(C?H5)(C?H3)50? bezeichnen können. ber. gef. GENE 8L,T 80,4 EBD 840 10,4 EN — 1000 Aus dem Vorhergehenden ergibt sich also, dass zunächst aus der Valeriansäure durch Eintritt enes Aethyls für einen Was- serstoff eine Oenanthylsäure gebildet wird, dass die übrigen Was- serstoffe aber nicht durch Aethyl, sondern durch Aethenyl er- setzt werden. Die entstehende Säurereihe wäre demnach: Zusammens. Differenz ceH4 | C5H!°0?2 = Valeriansäure. 07707072 C5H°(C?H5)0O? — Aethyl-Valeriansäure C 2 H 2 (gef.). ad 5 a 0 C5H3(C?H3)(C2H5)0O2 — Monaethenyl- Aethyl- 2pJ2 | Valeriansäure. 02712202 C3H?(C?H>°)2(C2H5)O?= Diaethenyl-Aethyl- 2: Valeriansäure (gef.). 622120092 C5H®(C?H3)3(C2H5)O?= Triaethenyl-Aethyl- 2H2 | Valeriansäure (gef.) @1271220° C5H5(C2H>)?(C2H5)O?—= Tetraethenyl-Aethyl- ceH? Valeriansäure. G1TH220? C5H(C2H3)5(C2H5)O?—= Pentaethenyl -Aethyl- u Valeriansäure. 61>H?°0? C5H3(C?H3)$(C?H>5)O2— Hexaethenyl - Aethyl- 22 Valeriansäure. 07770220. C5H2(C?H 3)? (C?H5)O?— Heptaethenyl-Aethyl- CH? | Valeriansäure. Bar C5H(C?H3)°(C?H5)02 —= Octaethenyl-Aethyl- Valeriansäure (gef.). Ausser der Aethyl-Valeriansäure wurden also aufgefunden die N Di-, Tri-, und wahrscheinlich Octa (= Per) -Aethenyl-Aethyl- Valeriansäure. Die übrigen Glieder sind wahrscheinlich ebenfalls mit entstanden, entweder ist diess aber nur in geringerer Menge geschehen, oder aber sie sind weiter verändert worden. 2. Untersuchung der Ketone. Der grösste Theil der eigenthümlich riechenden Ketone wurde nach mehrmaligen Rectificationen als zwischen 150°—140° über- gehend gefunden; kleinere Mengen destillirten zwischen 160° — 170°; 200° — 210%; 2300 — 270° und etwas weniger noch über 360°. Die Menge von jedem Theil war eine verhältnissmässig geringe. Keines derselben verband sich mit saurem Natriumsulfit. a. Product von 152° —134° übergegangen. Die Analyse der farblosen Flüssigkeit ergab folgende Zahlen: 0,1851 Gramm Substanz lieferten 0,2250 Gramm Wasser, entspr. 0,0250 Gramm = 13,5 Proc. Wasserstoff und 0,4955 Gramm Koh- lensäure, entspr. 0,1346 Gramm = 72,7 Proc. Kohlenstoff. Darnach kommt demselben die Formel C’H1:O zu. ber. gef. RE 72,7 11 —23 16%) 0) — 120 _— 100,0 Der etwas zu hohe Wasserstoffgehalt rührt von kleinen Men- gen Wassers her, welche sich bei der Rectification aller Ketone durch geringe Zersetzung bilden und bei kleinen Mengen Substanz schwer zu entfernen sind. In Folge davon wird natürlich der Kohlenstoff etwas zu niedrig gefunden. Seiner Entstehung nach wird dieses Keton als Aethyl-Iso- butyl-Keton: CH> 12 0 He | #° 3 6,0... Gnsj CH — CH? — 00 — CEH®. [0£ H> zu betrachten sein, bei dessen Bildung sich das durch directes Zusammengehen von Kohlenoxyd und Natriumaethylat entstandene ‚propionsaure Salz und das angewandte valeriansaure Salz betheiligt haben, nach der Gleichung: C3H>Na0? + C5H®?Na02 —= C’H!tO + CO?Na?, Be Re Es scheint nahezu denselben Siedepunkt zu haben, tie das C2H> } tert. Amylmethylketon: (CHS)» C—C0O—CH?, welches bei 132° kocht. b. Product von 163° — 168° übergegangen. Die Analyse der farblosen Flüssigkeit ergab folgende Zahlen: 0,1668 Gramm Substanz lieferten 0,2039 Gramm Wasser, entspr. 0,022667 Gramm = 13,6 Proc. Wasserstoff und 0,4855 Gramm Kohlensäure, entspr. 0,13241 Gramm — 79,4 Proc. Kohlenstoff. Daraus berechnet sich die Formel: C!5H3°0 ber. gef. ber. ah 79,4 G10,, 78) 15 a a 35 13,6 ne ae a ai Dlzwacigh al 9a 100,0 100,0 Dasselbe kann entstanden gedacht werden aus vorhandenem valeriansaurem Salz und dem Salz einer Triaethyl-Vale- riansäure, nach der Gleichung: C5H°?Na0?2 + C!!H23Na0? = C!5H3°0 + CO®Na?. Eine Triaethyl-Valeriansäure ist aber unter den entstandenen sauren Producten nicht aufzufinden gewesen, an ihrer Stelle da- gegen die Diaethenyl-Aethyl-Valeriansäure mit einem um 4 Mgte geringeren Wasserstoffgehalt, welche mit Valeriansäure ein Keton von der Formel: C!5H?s0 hätte liefern müssen. Die gefundenen Zahlen weichen aber von den sich dafür berechnenden, wie obige Zusammenstellung zeigt, so bedeutend ab, dass die letztere For- mel für das Keton nicht zulässig erscheint und also entweder die Annahme einer mit gebildeten Triaethyl-Valeriansäure, oder aber die Annahme einer bei der Bildung des Ketons ‚aus der Diaethenyl- Aethyl-Valeriansäure statthabenden, durch Aufnahme von Wasser- stoff bedingten, Umwandlung des Aethenyl in Aethyl gemacht wer- den muss. c. Product von 200° —210° übergegangen. Die Analyse der farblosen Flüssigkeit ergab folgendes Re- sultat: 0,1654 Gramm Substanz lieferten 0,1913 Gramm Wasser, entspr. 0,021256 Gramm = 12,3 Proc. Wasserstoff und 0,5021 Gramm. Kohlensäure, entspr. 0,13693 Gramm — 82,3 Proe. Kohlenstoft. Daraus leitet sich die Formel: C?23H*2O oder C?3>H%°O ab. N ber. gef. ber. ae) — 7076 82,8 Ca ner] aa — 723406 12,8 a 10) — #48 _ 10) —Wm 48 100,0 100,0 Darnach wird die Verbindung also entstanden sein durch gegen- seitige Zersetzung von Salzen einer Triaethyl- Valeriansäure und einer Triaethenyl-Aethyl-Valeriansäure, nach der Gleichung: C!1H21Na02 + C!3H19Na0? — C23Ht°0 + CO3Na?. d. Product von 2400 —260° übergegangen. Die Analyse der dicköligen farblosen Flüssigkeit ergab fol- gende Resultate. | 0,1351 Gramm Substanz lieferten 0,1498 Gramm Wasser, entspr. 0,01664 Gramm = 12,0 Proc. Wasserstoff und 0,4230 Gramm Koh- lensäure, entspr. 0,11536 Gramm —= 833,5 Proc. Kohlenstoff. Dieselben entsprechen am meisten entweder der Formel: C27H#60 oder der Formel: C27H420. ber. gef. ber. Car 9 83,5 027 — 844 Hs 10 12,0 TRaAN=>S) Ib 16) — 42 — 10) — ei 100,0 100,0 Darnach könnte die Verbindung entstanden sein durch Wech- selwirkung der Salze von Säuren mit dem Kohlenstoffgehalt: 15 und 13; oder 17 und 11; oder 19 und 9; oder 21 und 7; oder 23 und 5. e. Product über 360° übergegangen. Die Analyse des braunen dicköligen Destillats ergab folgende Resultate: 0,2275 Gramm Substanz lieferten 0,2316 Gramm Wasser, entspr. 0,025733 Gramm —= 11,5 Proc. Wasserstoff und 0,7331 Gramm Kohlensäure, entspr. 0,19994 Gramm = 87,9 Proc. Kohlenstoff. Ob diese Substanz ein chemisches Individuum ist, ist schwer zu sagen. Mann könnte daran denken, dass sie der Hauptsache nach das von der höchst siedenden Säure, die wahrscheinlich Oct- aethenyl-Aethyl-Valeriansäure ist, sich ableitende Keton 0*5H®0 oder ein wasserstoffreicheres dieser Art, etwa CG*+5H®s2O oder G*5H°6O wäre, womit ihre Zusammensetzung nicht im Wider- spruch steht. Ra ber. ber. gef. ber. CET 88,0 023 — 8714 87,9 Ya — N elii. H>®® =! 94 12700 11,3 a NG ON 26 00 — 26 2ER. 100,0 100,0 100,0 Dass man es bei den höher siedenden Ketonen, was ja auch denkbar wäre, mit Condensationsproducten des niedrigst sieden- den Ketons C?’H!*O zu thun hätte, diese Annahme wird durch die niedrigen Siedepunkte dieser Producte ausgeschlossen. Die- selben liegen für wahre Ketone von so hohem Kohlenstoffgehalt an sich schon recht niedrig, indessen ist diess doch möglich, denn die Differenz der Siedepunkte wächst mit der Anzahl der secun- dären und tertiären Alkohol-Reste in den Ketonen und zwar sehr bedeutend, wie das Folgende zeigt. So liegt der Siedepunkt des Methylbutylketon bei 127° und der des metameren Methyl-Pseudo- butyl-Ketons (Pinakolins) bei 106°; so liegt der des prim. Amyl- Methyl-Ketons bei 156° und der des metameren Aethyl-Pseudo- "butyl-Ketons bei 126°. Die mit den oben angeführten Ketonen gebildeten Säuren resp. diejenigen Säuren, aus welchen die Ketone hervorgegangen sind, enthalten aber derartige Reste in reichlichem Maasse. Il. Einwirkung von Kohlenoxyd oder Zinkstaub auf Natrium-Valerianat für sich. Die Versuche von Geuther und Froelich und die im Vor- hergehenden mitgetheilten haben also gezeigt, dass bei der Be- handlumg eines Gemisches von Alkoholat und Salz in der Hitze mit Kohlenoxyd oder Zinkstaub Alkyl-Reste für Wasserstoff in die Säure eintreten. Es war nun auch zu versuchen, ob, wenn man an Stelle des Alkoholates ein zweites Mischungsgewicht Salz an- wendet, d.h. wenn man Kohlenoxyd oder Zink nur auf Salz bei höherer Temperatur einwirken lässt, man nicht eine analoge Sub- stitution des Wasserstofis in der Säure durch den Säure-Rest er- reichen kann. Die Baldriansäure schien der Leichtigkeit halber, mit welcher bei ihr die Substitutionen erfolgt, vor Allem dazu geeignet. Um zu sehen, ob also die Einwirkung mit Kohlenoxyd nach der Gleichung: C5H®NaO? + C5H?Na0? + CO = C5H$(C5H?O)Na0? + CHNaO? TEN verliefe und eine Valeryl-Valeriansäure entstünde, wurde über ganz trocknes Natriumvalerianat bei einer Temperatur von 190° trock- nes Kohlenoxyd längere Zeit geleitet. Eine Absorption des Gases wurde dabei indess nicht wahrgenommen. Eine Einwirkung fand auch in der That nicht statt, wie die nachherige Lösung des Salzes in Wasser ergab, und die Untersuchung der durch Schwe- felsäure aus demselben wieder abgeschiedenen Säure, welche sich als reine Valeriansäure erwiess, zeigte. Auch als trocknes fein gepulvertes Natriumvalerianat mit der dreifachen Menge ganz trocknen Zinkstaubes innig gemischt in einer Retorte im Oelbade auf 220° zwei Tage lang erhitzt wurde, hatte eine Einwirkung nicht stattgefunden. Bei der Einwirkung von Kohlenoxyd auf ein Gemenge von ‘ Natriumaethylat und Natriumvalerianat (Natrium -Iso- propylacetat) bei 190° bilden sich also ausser Ketonen folgende Säuren: 1. Aethyl-Isopropylessigsäure: C’H!?0?2; 2. Aethyl-Diaethenyl-Isopropylessigsäure: C!!H!30?; 3. Aethyl-Triaethenyl-Isopropylessigsäure: C!°H2°0?; und wahrscheinlich 4. Aethyl-Octaaethenyl-Isopropylessigsäure: C?3H3°0?. Jena, November 1878. Bd, XII. Suppl. {. 6 | Ueber Schwefelverbindungen. Von Dr. Hugo Prinz. I. Ueber die Constitution des Schwefelchlorürs. Carius!) hat zuerst die Ansicht ausgesprochen, es sei der Halbehlorschwefel oder das Schwefelchlorür (S?C12) als Sulfochlor- thionyl zu betrachten. Er stützt diese Ansicht vorzüglich auf die Einwirkung des fünffach Schwefelphosphors auf Chlorthionyl in zu- geschmolzenen Röhren bei 150°, wobei Phosphorsäureanhydrid und Halbchlorschwefel entstehen soll nach der Gleichung: P?S°® + 5 SOC? = P?05 + 5 S?C1? analog wie Phosphorsulfochlorid aus Phosphoroxychlorid gebildet werde nach der Gleichung: P?2S5 + 5 POCI? = P205 + 5 PSC®. Seit dieser Zeit ist die Constitution des Schwefelchlorürs von den meisten Chemikern so angenommen worden. Die folgenden Versuche wurden zu dem Zweck angestellt, diese Ansicht zu prüfen. Dies konnte in zweierlei Weise geschehen, einmal dadurch, dass versucht wurde durch directe Auswechselung der Hälfte des Schwefels im Schwefelchlorür gegen Sauerstoff zum Thionylchlorid zu gelangen und sodann umgekehrt durch directe Auswechslung des Sauerstoffs im Thionylchlorid das Schwefelchlo- rür zu erhalten. A. Versuche das Schwefelchlorür in Thionylchlorid zu verwandeln. 1. Schwefelchlorür und Schwefligsäureanhydrid. Zunächst wurde die Einwirkung des Schwefelchlorürs auf Schwefligsäureanhydrid versucht, welche beiden Substanzen sich nach der Gleichung: 28S2Cl2 + SO? = 2S0Cl? + 38 umsetzen konnten. !) Annal. d. Chem. u. Pharm., Bd. 106, p. 325 und 331. Ve > Zu 25 Gramm flüssigen Schwefligsäureanhydrid, der sich in einem Rohr von böhmischem Glase befand, welches in einer Kälte- mischung stand, wurden 20 Gramm ebenso abgekühltes Schwefel- chlorür gegeben und die Röhre zugeschmolzen. Die erst getrenn- ten Flüssigkeiten mischten sich als das Rohr Zimmertemperatur angenommen hatte nach dem Umschütteln vollständig. Da bei ge- wöhnlicher Temperatur eine Einwirkung nicht zu bemerken war, so wurde das Rohr einen Tag lang auf 30° und 100° erhitzt. Nach dem Oefinen desselben zeigte sich, dass auch bei dieser Tem- peratur eine Reaction nicht stattgefunden hatte. Auch Schwefeltetrachlorid wirkt, wie schon Michaelis und Schifferdecker!) fanden nicht auf Schwefligsäureanhydrid, und, wie ich mich überzeugt habe, selbst nicht beim Erhitzen im Rohr auf 30°—100°, 2. Schwefelchlorür und Antimonigsäureanhydrid. Der Gleichung: | 3 S:Cl? + Sb?03 = 3 SOC? + Shb?S? entsprechend wurden 6 Gramm Antimonigsäureanhydrid und 8,2 Gramm Schwefelchlorür im verschlossenen Rohr auf 120° während 3 Stunden erhitzt. Der Röhreninhalt hatte sich ganz in eine braun- rothe Flüssigkeit verwandelt, aus welcher beim Erkalten sich ein krystallinischer Körper ausschied. Beim Oeffnen des Rohrs in der Flamme entwich viel Schwefligsäureanhydrid. Nachdem das Rohr zum völligen Verjagen desselben in lauwarmes Wasser gestellt war, wurde der gesammte Inhalt in ein Destillationsgefäss umgeschüttet und destillirt. Ein Theil ging farblos über und er- starrte in der Vorlage krystallinisch, der andere zurückgebliebene Theil destillirte erst bei höherer Temperatur, einen braungelben Dampf bildend. Der farblos übergegangene erstarrte Theil ver- hielt sich wie Antimontrichlorid, er wurde durch Wasser wie dieses zersetzt, seine Lösung in Salzsäure liess mit Schwefelwasser- stoff Antimontrisulfid fallen. Der zürückgebliebene Theil war Schwefel. Die Umsetzung hatte also kein Thionylchlorid gelie- fert, war vielmehr nach der Gleichung: 6 S2Cl2 + 2 Sb?0O3 = 4 SbCl® + 3 SO? + 98 verlaufen. 3. Schwefelchlorür und Arsenigsäureanhydrid. Unter Voraussetzung, dass die Reaction wie im vorigen Ver- such vor sich gehen werde, wurden 6 Gramm As2O3 und 12,3 Gr. !) Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. 170, p. 21. 6* Re. u S2Cl2 in ein Rohr eingeschlossen und auf 120° erhitzt. Die Um- setzung ging leicht von statten, nach einigen Stunden war der Röhreninhalt eine homogene Flüssigkeit. Beim Erkalten schieden sich blättrige Krystalle aus. Als das Rohr in der Flamme ge- öffnet wurde, entwich viel Schwefligsäureanhydrid. Der übrige Röhreninhalt zeigte sich bei der Destillation als aus bei 132° destillirenden Arsenchlorür und Schwefel bestehend. Die Umsetzung hatte also ohne Bildung von Thionylchlorid nach der Gleichung: 6 S2Cl? + 2 As20° = 4 AsCl® + 5 SO? + 98 stattgefunden. 4. Schwefelchlorür und Phosphorigsäureanhydrid resp. Phosphorsäureanhydrid. Angewandt wurde ein durch Verbrennen von Phosphor bei sehr beschränktem Luftzutritt entstandenes Gemenge von Phos- phorigsäure — und Phosphorsäureanhydrid und Schwefelchlorür. Auch selbst als im verschlossenen Rohr bis auf 230° erhitzt wor- den war, hatte noch keine Einwirkung stattgefunden, denn bei der Destillation des Röhreninhaltes wurde die ganze Schwefel- chlorürmenge wieder erhalten. 5. Schwefelchlorür und Antimonsäureanhydrid. Antimonsäureanhydrid, erhalten durch Erhitzen von Antimon- säurehydrat auf 275° wurde der Gleichung: 5 S?Cl? + Sb?05 —= 5 SOCI? + Sb?S> entsprechend in ein Rohr eingeschlossen. Die Einwirkung begann schon bei Zimmertemperatur; innerhalb eines Tages hatten sich 2 Gramm Anhydrid in 4 Gramm Chlorür gelöst. Beim Oeffnen der Röhre entwich viel Schwefligsäureanhydrid. Der halb- feste braune Röhrenrückstand wurde durch Pressen mit einem Glasstabe von einer beträchtlichen Menge einer braunen Flüssig- keit befreit, welche zwischen 135° und 133° überdestillirte und dabei einen Rückstand von in ihr gelösten Schwefel liess; sie war unverändert gebliebenes Schwefelchlorür, während die von ihr durch Pressen befreite krystallinische Masse nach ihrem Schmelzen und Destilliren sich als Antimontrichlorid erwies. Die Umsetzung hatte also analog wie beim Antimonigsäureanhy- drid nach der Gleichung: 6 S2C]2 + 2 Sb205 — 4 ShCl® + 5 80? + 7 S stattgefunden und nicht nach oben tangeführter Gleichung. Des- ya halb musste ein Theil des angewandten Schwefelehlorürs auch un- verändert bleiben. 6. Schwefelchlorür und Arsensäureanhydrid. Entsprechend der ersteren Gleichung im vorigen Versuch wurden 1,7 Gramm Arsensäureanhydrid und 5 Gramm Schwefel- chlorür in ein Rohr eingeschlossen. Die Einwirkung fand bei ge- wöhnlicher Temperatur nicht statt, deshalb wurde auf 100° er- hitzt. Nach dem Oeffnen des Rohrs entwich viel Schweflig- säureanhydrid, während eine bräunliche Flüssigkeit zurück blieb. Bei der Destillation ging dieselbe stetig zwischen 130° und 136° über. Mit Wasser zersetzte sie sich unter Entwickelung von Salzsäuredämpfen und schwefliger Säure, indem sich gleichzeitig ein gelber Körper abschied. Im löslichen Theil wurde viel Arse- nigsäureanhydrid nachgewiesen, der gelbe unlösliche Körper war Schwefel. Darnach bestand also die Flüssigkeit aus Arsenchlo- rür und unverändert gebliebenem Schwefelchlorür. Die Einwirkung war also analog wie im vorigen Versuch nach der Gleichung verlaufen: 6 S2Cl? + 2 As205 —= 4 AsCl? + 5 SO? + 7 S. 7. Schwefelchlorür und Selenigsäureanhydrid. 5,5 Gramm Selenigsäureanhydrid (2 Mgte) und 2,9 Gramm Schwefelchlorür (1 Mgt) wurden in einem Rohr gemischt. Die Einwirkung findet bei gewöhnlicher Temperatur unter Erhitzung statt. Es entweicht viel Schwefligsäureanhydrid während die anfangs feste Masse sich verflüssigt. Die dunkelrothbraune Flüssigkeit zerfällt bei der Destillation in farblose flüchtige Kry- stalle von Selentetrachlorid und in zurückbleibendes Selen, war also Selenchlorür. Die Umsetzung geht also nach der Gleichung vor sich: S2Cl? + 2 Se0? = Se?Cl?2 + 2 80%. Borsäureanhydrid und Kieselsäureanhydrid wirken nicht auf Schwefelchlorür. Die vorhergehenden Versuche zeigen also, dass es nicht ge- lingt Schwefelchlorür durch Auswechselung der Hälfte seines Schwefels gegen Sauerstoff n Thionylchlorid zu verwandeln, es wechselt vielmehr immer seinen ganzen Chlorgehalt gegen Sauer- stoff aus, indem es in Schwefligsäureanhydrid unter Abscheidung von Schwefel übergeht, sich also wie SCI + 3S verhält. Dieses Verhalten steht im Einklang mit dem, welches bereits Carius') und Böttger?) bei ihm beobachteten. B. Versuche das Thionylchlorid in Schwefelchlorür zu verwandeln. Das zu den Versuchen benutzte Thionylchlorid wurde durch Zuleiten von Schwefligsäureanhydrid zu 500 Gramm Phosphor- pentachlorid dargestellt. Es wurden nach oft wiederholten Recti- fieationen schliesslich 110 Gramm phosphoroxychloridfreies von 176°—-78° destillirendes Thionylchlorür erhalten. 1. Thionylchlorid und Schwefel. Da die Einwirkung nach der Gleichung: 2 SOC + 5 S = 2 S?Cl? + SO? verlaufen konnte, so wurden 3,5 Gramm Thionylchlorid mit 0,8 Gramm gereinigten trockenen Schwefelblumen in ein Rohr einge- schlossen und während 6 Stunden auf 100° erhitzt. Der grösste Theil des Schwefels hatte sich bei dieser Temperatur gelöst, schied sich beim Erkalten aber wieder krystallinisch aus. Die von den Krystallen abgegossene Flüssigkeit war reines zwischen 76° und 78° destillirendes Thionylchlorid. Nachdem dieses wieder zu: dem Schwefel im Rohr gegeben war, wurde letzteres wieder verschlos- sen und 5 Stunden lang auf 150° erhitzt. Beim Oeffnen des Rohrs in der Flamme zeigte sich ein gelinder Druck im Innern und machte sich der Geruch nach Schwefelchlorür bemerkbar. Das Rohr wurde deshalb wieder verschlossen und während 3 Stunden auf 180° erhitzt. Der Schwefel war jetzt gänzlich verschwunden und krystallisirte beim Erkalten nicht wieder aus. Als das Rohr jetzt in der Flamme geöffnet wurde war starker Druck im Innern, herrührend von gebildetem Schwefligsäureanhydrid, der in grossen Mengen herausströmte. Der darnach verbleibende braune flüssige Röhreninhalt wurde nun in ein Kölbchen gegossen und erst im Wasserbade erhitzt. Dabei destillirte ein Theil über. Derselbe wurde rectifieirt und als unverändert gebliebenes farb- loses Thionylchlorid erkannt. Das über 100° Destillirende ging 1) Annal. d. Chem. und Pharm. Bd. 106, p. 315. 2) Diese Zeitschrift, Bd. XIII, p. 88. EL der Hauptsache nach zwischen 136° und 138° über, es besass den Geruch und zeigte das Verhalten des Schwefelchlorür’s, der im Destillationsgefäss verbleibende Rückstand war unverändert ge- bliebener Schwefel. Da darnach die Umsetzung also wirklich nach obiger Gleichung vor sich gegangen war, so wurde, um die Reaktion zwischen den angewandten Mengen vollständig beenden zu lassen, ein neuer Ver- such angestellt. 5 Gramm Thionylchlorid und 2 Gramm Schwefel wurden im verschlossenen Rohr auf 150° erhitzt, das Rohr von Zeit zu Zeit geöffnet um den Schwefligsäureanhydrid entweichen zu lassen, wieder verschlossen und diess so oft wiederholt, als beim Oeffnen noch ein Druck bemerkbar war. Nach dreitägigem Er- hitzen war die Umsetzung vollendet. Der flüssige Röhreninhalt wurde nun in gelinder Wärme von absorbirtem Schwefligsäurean- hydrid befreit und dann destillirt. Er bestand nur aus zwischen 136° und 158° übergehenden Schwefelchlorür. Darnach könnte man in der That meinen, die Einwirkung sei in dem Sinne verlaufen, dass der Schwefel wirklich Sauer- stoff im Thionylchlorid substituirt habe, dass also das gebildete Schwefelchlorür entstanden sei durch folgende Reactionen: 2 SOC + 285 = 2 SSCl® + 2 O0 20 +S = 30? Indess ist noch eine andere Möglichkeit vorhanden. Böttger!) nämlich fand bei der Einwirkung von Thionylchlorid auf Schwefel- aethyl, dass sich ersteres dabei verhält, wie SCI + SO?. Wenn sich das Thionylchlorid nun bei der Einwirkung von Schwefel ebenso verhalten haben würde, so wäre die Reaktion aufzufassen, als nach den Gleichungen: 2 SOC? = S0? + SCl* SC +38 = 2 8201? vor sich gegangen. Bei der letzten Art der Einwirkung stammt der Schwefel des Schwefligsäureanhydrids vom Thionylchlorid, bei der ersten Art der Einwirkung aber vom angewandten freien Schwefel her. Die Frage welche von beiden Arten der Einwirkung dem wirklichen Gesche- hen entspricht, habe ich auf zweierlei Art zu beantworten versucht. Einmal versuchte ich, ob auch bei anderen Oxychloriden der Schwefel wohl Sauerstoff zu substituiren vermöge und sodann, wie sich die Reaction gestaltet, wenn an Stelle des freien Schwefels freies Selen angewandt würde. Die Versuche waren die Folgenden. 1) Diese Zeitschrift, Bd. XII, p. 89. BB = pe 2. Schwefel und Phosphoroxychlorid. 5 Gramm reines, aus Borsäurehydrat und Phosphorpentachlo- rid bereitetes Phosphoroxychlorid wurden mit 1,3 Gramm reiner Schwefelblumen in ein Rohr eingeschlossen und längere Zeit auf 150° erhitzt. Da keine Einwirkung bei dieser Temperatur statt- gefunden hatte, so wurde das Rohr nun bis auf 200° mehrere Tage lang erhitzt. Auch bei dieser Temperatur hatte nicht die geringste Wechselwirkung stattgefunden. Der Schwefel vermag also den Sauerstoff im Phosphoroxychlorid unter diesen Um- ständen nicht zu substituiren. 3. Schwefel und Acetylchlorid. 5 Gramm Acetylchlorid wurden mit 2,3 Gramm Schwefel in ein Rohr eingeschlossen und da bei gewöhnlicher Temperatur eine Einwirkung nicht zu bemerken war erst auf 150° und später längere Zeit auf 190° erhitzt. Bei dieser letzteren Temperatur zersetzte sich etwas Acetylchlorid unter Bräunen und Abscheidung von Kohle. Beim Oeffnen der Röhre zeigte sich etwas Druck und ein eigenthümlich scharfer, stechender Geruch trat auf. Bei der Destillation der Flüssigkeit zeigte sich, dass der grösste Theil bei 56° übergehendes Acetylchlorid war, dass aber eine geringe Menge einer bei etwa 120°—130° destillirenden Substanz vorhanden war. Diess letztere Product besass einen stechenden knoblauchartigen Geruch; es enthielt Schwefel, wie nach seiner Oxydation mittelst Salpetersäure constatirt werden konnte. Um mehr von dieser Sub- stanz zu erhalten, wurden im Ganzen 77 Gramm Acetylchlorid und 30 Gramm Schwefel in 4 Röhren eingeschlossen und 24 Stunden auf 180—190° erhitzt. Das eine Rohr explodirte. Der Inhalt der drei andern wurde wie früher behandelt. Die Menge des erhal- tenen höher siedenden schwefelhaltigen Productes war aber trotz der grösser angewandten Menge immer noch so gering (es waren etwa 6 Tropfen), dass eine weitere Untersuchung unmöglich war. Der Schwefel wirkt also der Hauptsache nach auf Acetylchlo- rid bei 190° nicht ein. 4. Schwefel und Benzoylchlorid. 20 Gramm Benzoylchlorid und 10 Gramm Schwefel wurden in ein Rohr eingeschlossen und allmählig bis, auf 230° erhitzt. Auch selbst bei dieser Temperatur hatte noch keine Einwirkung stattgefunden, denn ohne dass Druck im Rohr vorhanden war, en a ee wurde die angewandte Menge Benzoylchlorid bei der Rectification, ohne dass ein anderes Product zu finden gewesen wäre, wieder erhalten. 5. Schwefel und Aethylalkohol. 5 Gramm absol. Alkohol und 4,25 Gramm Schwefel wurden bei steigender Temperatur, zuletzt bei 200° mit einander erhitzt. Es hatte keine Einwirkung stattgefunden, beim Erkalten krystal- lisirte nur etwas einfach gelöster Schwefel aus. 6. Schwefel und Essigsäureanhydrid. 8 Gramm Essigsäureanhydrid und 3,2 Gramm Schwefel wur- den in ein Rohr eingeschlossen und zunächst bis auf 150° erhitzt. Da bei dieser Temperatur noch keine Einwirkung statt fand, so wurde die Hitze bis auf 190° gesteigert. Hierbei fand, ähnlich wie beim Acetylchlorid, eine Abscheidung von Kohle und eine Bräunung der Flüssigkeit statt. Bei der Destillation des Röhren- inhaltes wurde der Essigsäureanhydrid zum grössten Theil unver- ändert erhalten. Der zähe braune Rückstand besass einen stechen- den knoblauchartigen Geruch. Beim Kochen mit Wasser zersetzte sich derselbe unter Hinterlassung von Schwefel. Eine wesentliche Einwirkung hatte also unter diesen Umständen nicht stattgefunden. Aus diesen Versuchen ergiebt sich also, dass eine Substitu- tion des Sauerstoffs durch freien Schwefel in Oxychloriden nicht statt hat. Desshalb wurde versucht diese Substitution durch gebundenen Schwefel womöglich auszuführen, und wurden dazu folgende Versuche angestellt. 7. Thionylchlorid und Antimontrisulfid. Der Gleichung: 3 SOCI?® + Sb?S3 = 3 S2Cl? + Sb?03 entsprechend wurden zu 4,25 Gramm Trisulfid 5 Gramm Thionyl- chlorid gefügt. Die Einwirkung fand schon bei gewöhnlicher Tem- peratur statt. Unter Erhitzung und Aufkochen des Röhreninhaltes entwich viel Schwefligsäureanhydrid, während als Rück- stand eine feste krystallinische Masse blieb. Dieselbe bestand aus Antimontrichlorid und Schwefel. Das Thionylchlorid ver- hält sich also auch hierbei, wie ein Gemenge von SCl* und 302. Baur, Die Reaction war also nicht im Sinne obiger Gleichung, sondern im Sinne der folgenden verlaufen: 6 SOC? + 2 Sb?S3 = 4 ShCl? + 9 S + 3 SO? 8. ‚Thionylehlorid und Phosphorpentasulfid. Carius!), welcher diese Einwirkung zuerst untersucht hat, giebt darüber an, sie verliefe beim „längeren“ Erhitzen auf 150° im verschlossenen Rohr so, dass bei Anwendung von „nicht ganz 1 Mol. Phosphorsulfid auf 5 Mol. Chlorthionyl, die nach dem Er- kalten von etwas auskrystallisirtem Schwefel und einer flockigen Substanz abgegossene gelbe Flüssigkeit zuerst bei etwa 80° destil- lirte, bei welcher Temperatur das überschüssige Chlorthionyl, aber schon durch Chlorschwefel gelb gefärbt, überging; der Siedepunkt rasch auf 138° stieg, bei welcher Temperatur die ganze Flüssig- keit destillirte. Der Siedepunkt, ihr Verhalten gegen Wasser, ihr Geruch und die nebenstehende Analyse etc. beweisen, dass die Flüssigkeit reiner Halbchlorschwefel war.“ Die Analyse ergab: 52,7 Proc. Chlor und 47,4 Proc. Schwefel, statt der berechneten Mengen von 52,6 Proc. Chlor und 47,4 Proc. Schwefel. „Der Rück- stand in den Röhren und im Destillationsgefäss wurde mit Wasser erwärmt, die Lösung vom Schwefel abfiltrirt, und darin durch die gewöhnlichen Reagentien dreibasische Phosphorsäure nachgewiesen, während keine andere Phosphorsäure aufgefunden werden konnte. Nach diesen Resultaten unterliegt eswohl keinem Zwei- fel mehr, dass wir den Halbcehlorschwefel analog dem Phosphorsulfochlorid als das Sulfochlorid des Schwe- fels zu betrachten haben.“ Soweit Carius. Die Wichtigkeit, welche diesem Versuch zuerkannt wird, eines- theils, sowie anderntheils die nicht wohl mit den Resultaten, welche Carius erhalten hatte, zu vereinigenden Resultate, welche die Einwirkung des Thionylchlorids auf Antimontrisulfid mir ergeben hatten, veranlassten mich, mit besonderer Aufmerksamkeit und Accuratesse diese Einwirkung des Thionylchlorids auf Phosphor- pentasulfid zu wiederholen. Das Letztere wurde durch Zusammen- schmelzen eines innigen Gemenges der berechneten Mengen von Schwefel und rothem Phosphor in einer Kohlensäureatmosphäre dargestellt. Nach der Gleichung, wie sie den Carius’schen Angaben ent- spricht, nämlich: P?S5 + 5 SOC? = P2?0° + 5 S?2C1? !) Annal. d, Chem. u. Pharm., Bd. 106, p. 331. UNO, ZU wurden 5 Gramm Pentasulfid und 14,5 Gramm Thionylchlorid in eine Glasröhre eingeschlossen und 8 Stunden auf 100° erhitzt. Es fand Einwirkung statt. Das Pentasulfid verschwand allmählig, der Röhreninhalt bildete eine bräunliche Flüssigkeit, die beim Erkalten viele gelbe blättrige Krystalle ausschied und nun farblos gewor- den war. Beim Oeffnen der Röhre in der Flamme zeigte sich ein starker Druck, unter Aufkochen des Röhreninhaltes entwichen Ströme von Schwefligsäureanhydrid. Nach dem bei gelinder Wärme erfolgten Verjagen des absorbirten Schwefligsäuregases wurde die Flüssigkeit von den Krystallen abgegossen und der frac- tionirten Destillation unterworfen. So wurde eine von 730—90°, eine von 118°-—-125° destillirende Partie erhalten, während zwi- schen 100° und 110° nur einige Tropfen übergingen, welche sich wie Phosphoroxychlorid verhielten. Das zwischen 78° und 90° Uebergegangene wurde mit Wasser zersetzt: es verhielt sich genau wie Thionylchlorid. Die von 118°—125° übergegangene Flüssig- keit besass den eigenthümlichen Geruch des Phosphorsulfochlorides. Zu ihrer näheren Prüfung wurde ein Theil mit Wasser übergossen. Die Zersetzung fand langsam statt, neben Salzsäure bildete sich Schwefelwasserstoff. Die klare Lösung enthielt viel gewöhnliche Phosphorsäure. Es konnte keine Spur entstandenen Sch wefel- chlorürs nachgewiesen werden. Die oben erwähnten beim Erkalten des Rohrs sich ausscheidenden gelben Krystalle erwiesen sich als Schwefel. ‘Da Carius bei seinem Versuche eine Temperatur von 150° angewandt hatte, so wurde der Versuch mit 9 Gramm Thionyl- chlorid und 3 Gramm Phosphorpentasulfid wiederholt, aber das Rohr sogleich während 3 Stunden auf 150° erhitzt. Als das Pen- tasulfid verschwunden war, wurde erkalten gelassen. Dabei schie- den sich aus der braungelben Flüssigkeit wieder gelbe Krystalle aus. Das Rohr wurde in der Flamme geöffnet. Es war starker Druck vorhanden und es entwich viel Schwefligsäureanhydrid. Die von den Krystallen abgegossene Flüssigkeit wurde der fractio- nirten Destillation unterworfen. Genau wie beim ersten Versuch destillirte ein Theil zwischen 78° und 90°, ein wenig zwischen 100° und 110° und die Hauptmenge zwischen 120° und 130°. Die erhaltenen Flüssigkeiten waren zum Unterschied vom ersten Versuch schwach gelblich gefärbt, herrührend von emer kleinen Menge beigemischtem Schwefelchlorür, welches sich noth- wendig bei einer Temperatur von 150° durch die Wechselwir- SB kung von Schwefel auf Thionylchlorid!) bilden musste. Die ausgeschiedenen Krystalle waren reiner Schwefel. Phos- phorsäureanhydrid war nicht gebildet. Es ist ganz unbegreiflich, wie Carius bei diesem Versuche, auch wenn er, wie er es gethan, „längere Zeit“ hindurch die Einwirkung bei 150° vor sich gehen liess, die Bildung von Sch wef- ligsäureanhydrid und von Phosphorsulfochlorid hat übersehen können. Wollte man auch annehmen das Phosphor- sulfochlorid habe sich mit dem überschüssigen Thionylchlorid in Schwefelchlorür und Phosphoroxychlorid allmählig umgesetzt, so hätte er doch die letztere Verbindung auffinden müssen. Aber davon, dass dieses sich mit gebildet habe, giebt er nichts an. Die Angaben von Carius über die Einwirkung von Thionyl- chlorid 2) auf Phosphorpentasulfid sind also ganz ungenau. Das von ihm mit erhaltene Schwefelchlorür stammt von der Einwirkung des überschüssigen Thionylchlorids auf den bei der Umsetzung entstandenen Schwefel her, ist aber nicht durch eine Aus- wechselung des Sauerstoffs im Thionylchlorid gegen Schwefel entstanden. Die Reaction verläuft also schon bei 100° und auch bei 150° nach folgenden Gleichungen: 6 SOC = 3 SCl* + 3 SO? 2 P?S5 + 3 SCl = 4 PSCI® + 9 S x 6 SOCI® + 2 P?S5 = 4 PSCI® + 3502 + 9 8 1) Vergl. oben p. 86. 2?) Das von Carius zu diesem Versuche verwandte Thionylchlo- rid war dargestellt worden durch Einwirkung von Phosphorpentasul- fid und Phosphoroxychlorid auf trocknen schwefligsauren Kalk. Die mit Hülfe des Pentasulfides erhaltene „kleine Menge“ Thionylchlorid, „welche bei etwa 80° siedete, enthielt noch etwa 5 Proc. Phosphor- oxychlorid“ und „zersetzte sich mit Wasser, in dem sie zuerst unter- sank mit grosser Heftigkeit zu schwefliger Säure und Chlorwasser- stoff, und wenn warmes Wasser oder nur etwa das gleiche Volum Wasser angewandt wurde, schied sich dabei unter heftigem Aufkochen etwas Schwefel ab, während die Lösung in diesem Falle auch noch Schwefelsäure enthielt.“ Das mit Hülfe von Phosphoroxychlorid dar- gestellte Thionylchlorid „destillirte bis zu 80°“ und verhielt sich bei der Einwirkung mit Wasser wie das vorhergehende. Aus diesen An- gaben ersieht man, dass Carius kein reines Thionylchlorid zu seinem Versuche verwandt hat und dass die Bildung der von ihm nach der Einwirkung neben Schwefel beobachteten „Nockigen Substanz“ (Phos- phorsäure) durch die Einwirkung von Feuchtigkeit auf das Phosphor- oxychlorid in seinem Thionylchlorür zurückzuführen ist (a. a. ©. p. 329). Be Das Thionylchlorid verhält sich bei dieser Umsetzung also ebenso, wie bei allen früher angeführten, nämlich wie Schwefel- tetrachlorid und Schwefligsäureanhydrid: SCI + SO®. ‘ Damit fällt also der Hauptgrund fort, welchen Carius für seine Auffassung des Schwefelchlorürs, als Sulfothionylchlorür, gel- tend machen konnte. 9. Thionylchlorid und Selen. Oben ist angeführt worden, dass Schwefel auf Thionylchlorid einwirkt unter Bildung von Schwefligsäureanhydrid und Schwefel- chlorür, dass dieser Hergang aber verschiedener Deutung fähig sei, nämlich einmal aufgefasst werden könne als eine Substitution des Sauerstoffs durch Schwefel, und sodann als eine Einwirkung des Schwefels auf SCl*, als den einen Theil, in welchen das Thio- nylchlorid bei seinen Reactionen zu zerfallen pflegt. Die Einwir- kung des Selens auf Thionylchlorid musste den Entscheid bringen. Verlief die Reaction mit dem Schwefel nach der Gleichung: 2 SOC + 3 S = 2 SSCI? + SO? so musste sie auch mit Selen dem analog nach der Gleichung: 2 SOC? + 3 Se = 2 SSeCl? + SeO? verlaufen, hatte sie aber nach den Gleichungen: 2 SOC? = SCI! + SO? SCH +38 = 2 S201? statt, so musste sie auch beim Selen nach den Gleichungen: 2 SOC = SCl* + 50? SC + 3 Se = SCI + 3 SeCl statthaben, d. h. im ersteren Falle musste Selenothionyl- chlorid (SSeCl?) und Selenigsäureanhydrid, im anderen Falle Schwefelchlorür, Selenchlorür und Schweflig- säureanhydrid entstehen. 5 Gramm Thionylchlorid wurden mit 4,6 Gramm gepulvertem Selen in eine Glasröhre eingeschmolzen und, da beim Erwärmen bis auf 120° keine Einwirkung zu bemerken war, während 4 Stun- den auf 180° erhitzt. Das Selen war nun verschwunden und eine schwarzbraune Flüssigkeit im Rohr. Beim Oeffnen des Letzteren in der Flamme zeigte sich starker Druck im Innern, es entwichen grosse Mengen Schwefligsäureanhydrid. Die zurückbleibende Flüs- sigkeit wurde der Destillation unterworfen. Sie ging von 110% — 180° über, dabei entstand eine weissgelbe leicht sublimirbare kry- stallinische Masse und blieb ein schwarzer Rückstand. Das krystal- linische Sublimat, welches bei erneuter Rectification der Flüssig- keit immer wieder erschien, erwies sich als Selentetrachlorid und aleaR: Khan der stets mit verbleibende Rückstand als Selen. Durch fortgesetzte Rectificationen, bei welchen die Farbe der Flüssigkeit immer heller wurde, konnte schliesslich eine zwischen 136° und 140% siedende Flüssigkeit erhalten werden. Da dieselbe immer noch selenhaltig war, so wurde, weil sie, ihrem Siedepunkt gemäss, der Hauptsache nach nur aus Schwefelchlorür bestehen konnte, zu einer Probe Wasser gefügt, wobei sich viel augenscheinlich selenhaltiger Schwe- fe] ausschied. Die übrige Flüssigkeit wurde nun langsam in Kö- nigswasser getropft, damit zersetzen gelassen und bis zur been- digten Oxydation damit behandelt. Nach dem Verdampfen zur Trockne im Wasserbade wurde der Rückstand in Wasser gelöst, durch Zusatz einer Lösung von phosphoriger Säure das Selen in der Hitze vollständig ausgefüllt und die davon abfiltrirte Lösung nach dem Ansäuern mit Salzsäure mit Baryumchlorid versetzt. Der entstandene Niederschlag von Baryumsulfat wog nach dem Glühen: 1,490 Gramm, was einem Gehalt von 0,45 Gramm Schwe- felchlorür in der angewandten von 1356°—140° destillirten Flüssig- keit entspricht. Nach diesen Resultaten, welche also ergeben, dass bei der Einwirkung von Selen auf Thionylchlorid Schwefligsäureanhy- drid, Selenchlorür und Schwefelchlorür entstehen, unter- liegt es keinem Zweifel mehr, dass der Hergang bei der Umsetzung nach der zweiten Art verläuft, der Sauerstoff im Thionyl- chlorid also nicht substituirt wird, sondern das Thionyl- chlorid sich auch hier, wie in seinen übrigen Reactionen verhält, wie Schwefeltetrachlorid und Schwefligsäureanhydrid. Für sich im verschlossenen Rohr, selbst auf 230° erhitzt, verändert sich das Thionylchlorid nicht. Diess analoge Verhalten des Schwefelchlorürs und des Thio- nylchlorides bei ihren Reactionen ist auf jeden Fall bemerkens- werth, obwohl daraus ein Schluss auf die analoge Constitution, wie wir gesehen haben, nicht berechtigt ist. Auf alle Fälle liefern die hier mitgetheilten Versuche den Nachweis, dass für die Auffassung, das Schwefelchlorür sei Sulfothionyl- chlorid kein einziger Beweis existirt. ll. Versuche Schwefel mit Schwefel zu verbinden. 1. Thionylehlorid und Schwefelwasserstoff. Da die Umsetzung im Sinne einer Verbindung von Schwefel wit Schwefel nach den Gleichungen : PR. ; 1 SOC? + SH? = SOCI(SH) + CIH SOCKSH) + SH? = SO(SH)? + CIH vor sich gehen konnte, so wurde in 10 Gramm Thionylchlorid trocknes Schwefelwasserstofigas geleitet. Bei gewöhnlicher Tem- peratur fand keine Einwirkung statt, als aber das Destillations- kölbchen, in welchem sich das Thionylchlorid befand, mit einem Rückflusskühler verbunden und auf eine Temperatur von 60° er- wärmt worden war, färbte sich dasselbe gelb und es konnte ent- weichendes Chlorwasserstoffgas nachgewiesen werden. Nach Verlauf von einer Stunde wurde destillirt. Zuerst ging unverän- dertes Thionylchlorid über, während ein dicköliger gelber Rück- stand blieb. Derselbe bestand aus reinem Schwefel. Die Um- setzung verläuft also den Gleichungen gemäss: 2 SOC —= SCl* + 50? SCH #2 SH =4 HC +38 x22SocCl® +2 SH? =4 CH + S02 + 38. 2. Sulfurylhydroxylchlorid und Schwefelwasserstoff. In 15 Gramm Sulfurylhydroxylchlorid wurde ein langsamer Strom von trocknem Schwefelwasserstoff geleitet. Schon bei ge- wöhnlicher Temperatur fand eine Einwirkung statt. Unter Erwär- mung und Abscheidung von Schwefel entwickelten sich reichliche Mengen von Salzsäure. Nach längerem Einleiten des Gases wurde destillirt. Die vom ausgeschiedenen Schwefel dickflüssige Masse färbte sich beim Erhitzen unter Schmelzung des Schwefels roth und es destillirte bis 140° eine rothbraune Flüssigkeit, die bei nochmaliger Rectification von 135°—138° überging. Im Destil- lationsgefäss blieb ausser geschmolzenem Schwefel eine beträcht- liche Menge einer öligen Flüssigkeit, die erst über 300° zu sieden anfıng. Da die Dämpfe derselben den Kork angriffen und zer- störten, also die Substanz nicht so zu rectifieiren möglich war, so . wurde sie in Wasser gegossen. Unter Erwärmung löste sie sich darin auf zu einer homogenen Flüssigkeit, die stark sauer reagirte und alle Reactionen der Schwefelsäure gab. Das von 135° — 138° destillirende Product erwies sich als Schwefelchlorür. Die Reaction verläuft also nach den Gleichungen: 8 SO?OHC1 = 4 SO*H? + 4 50201? 4 SOC? + 5 SH? = 2 SO+H? +6 CIH + S2Cl? +55 3 8 SO:OHCl +5 SH? = 6 SO®H? + 6 CIH + S®Cl? +58. EN EN Da es nicht gelang aus Oxychloriden des Schwefels Verbin- dungen, in welchen nachweislich Schwefel mit Schwefel verbunden war, zu erzeugen, so wurden andere Schwefelverbindungen benutzt, um diess zu erreichen. 3. Schwefelsäureaethyläther und Schwefel. Hierbei wurde an die Möglichkeit der Substitution von Sauer- stoff durch Schwefel unter Bildung von Schwefligsäureanhydrid gedacht. 5 Gramm Schwefelsäureaethyläther und 1,2 Gramm Schwefel wurden in eine Röhre von böhmischen Glas eingeschlossen. Bei gewöhnlicher Temperatur und beim Erhitzen auf 100° fand keine Einwirkung statt. Als darnach auf 120° erhitzt wurde, explodirte das starke Rohr, was offenbar durch eine Zersetzung unter Bil- dung gasförmiger Producte, welche der Schwefelsäureäther erlit- ten haben musste, verursacht wurde. 4. Schwefligsäureaethyläther und Schwefel. Beide Substanzen konnten sich unmittelbar zu einer dem Schwefelsäureäther analogen Verbindung vereinigen. 3 Gramm Schwefligsäureaethyläther (1 Mgt) wurden mit 0,54 Gramm Schwefel (1 Mgt) in ein Rohr eingeschlossen und darin, weil bei gewöhnlicher Temperatur keine Einwirkung statt fand, längere Zeit auf 200° erhitzt. Es fand eine Einwirkung statt unter Bräunung des Röhreninhaltes und schliesslicher Ab- scheidung von Kohle an den Glaswänden. Das Rohr wurde von Zeit zu Zeit geöffnet, weil im Innern von gebildetem Sch wef- ligsäureanhydrid herrührender Druck vorhanden war. Als nach zweitägigem Erhitzen die Bildung von Schwefligsäureanhy- drid aufgehört hatte, wurde der flüssige Röhreninhalt zunächst aus dem Wasserbade destillirt. Dabei ging bis 40° eine leicht bewegliche Flüssigkeit über vom Geruch des Aethyläthers, welche, _ da sie sauer reagirte mit Natronlauge gewaschen und darmnach ent- wässert, nun zwischen 35° und 36° destillirte und alle Eigen- schaften des Aethyläther’s besass. Der feste in der Glasröhre verbliebene Rückstand erwiess sich als mit etwas Kohle vermisch- ter Schwefel. Darnach wirkt der Schwefel auf Schwefligsäureäther selbst bei 200° nicht ein, es erleidet bei dieser Temperatur vielmehr der Schwefligsäureäther für sich eine Zersetzung in Schweflig- säureanhydrid und Aethyläther. a Dass der Schwefligsäureaethyläther bei dieser Temperatur sich wirklich in SO? und (C?H?)?O zersetzt, wurde durch einen beson- deren Versuch nachgewiesen. 5. Schwefligsäureaethyläther und Schwefelaethyl. Was mit dem freien Schwefel nicht gelungen war, konnte mög- licherweise mit seiner Aethylverbindung erreicht werden. Beide Flüssigkeiten wurden zu gleichen Mischungsgewichten, nämlich 4,6 Gramm Schwefligsäureaethyläther und 3 Gramm Schwefel- aethyl in ein Rohr eingeschlossen und auf 100°, dann auf 150° und da bei dieser Temperatur noch keine Einwirkung zu bemer- ken war, schliesslich auf 180° erhitzt. Bei dieser Temperatur färbte sich der bis dahin farblos gebliebene Röhreninhalt dunkel und es schied sich Kohle ab. Beim Oeffnen des Rohrs entwich Schwefligsäureanhydrid. Als nach viertägigem Erhitzen keine schweflige Säure mehr gebildet wurde, ward der Röhreninhalt der Destillation unterworfen. Es wurden zwei nahezu constant siedende Producte erhalten. Zwischen 35° und 57° destillirte an seinen andern Eigenschaften leicht erkennbarer Aethyläther und bei 90° unverändertes Schwefelaethyl, dessen Menge gleich der angewandten geblieben war. Bei 180° wirkt also Schwefelaethyl auf Schwetlig- säureäther nicht ein, der Letztere zersetzt sich dagegen bei dieser Temperatur für sich m SO? und (C?H5)?20. 6. Thionylchlorür und Schwefelaethyl. Obwohl dieser Versuch schon von Böttger!) ausgeführt worden ist, so habe ich doch, weil er so recht zu zeigen geeignet ist, dass sich das Thionylchlorid bei seinen Einwirkungen wie SCI + SO? verhält, nochmals wiederholt. Zu 7,6 Gramm des- selben wurden 2 Gramm Schwefelaethyl gefügt, d. h. genau so viel, als nöthig ist um das ganze Chlor des Thionylchlorids mit dem ganzen Wasserstoff des Schwefelaethyl zu Chlorwasserstoff zu ver- einigen. Die Einwirkung begann schon bei gewöhnlicher Tempera- tur, unter Entwicklung von Chlorwasserstoff und Schweflig- säure-Gas fand unter geringer Ausscheidung von Schwefel eine Bräunung und dann eine Schwärzung der Flüssigkeit statt. Die Reaction wurde im Wasserbade zu Ende geführt. Als Rückstand blieb eine zähe schwarze Masse. Dieselbe wurde im Oelbad er- hitzt. Bei 150° gingen etwa 2 Tropfen einer schwefelhaltigen öligen Flüssigkeit über, wahrscheinlich aus Zweifach-Schwefelaethyl Bd. XIII. Suppl. T. 7 bestehend. Der nun im Kölbchen verbliebene Rückstand bestand nur aus einem Gemisch von Schwefel und Kohle. Die Reac- tion zwischen Thionylchlorid findet also genau so, wie Böttger angiebt, statt. . 6. Thionylchlorid und Natriummercaptid. Nach den Gleichungen: G2H5SNa + SOC = 0?H5S — SOCI + NaCl 2 C?H5SNa + SOC? = (C?H5)2S? — SO + 2 NaCl konnte eine Verbindung von Schwefel und Schwefel erwartet werden. In einem Kölbchen, das mit einem Rückflusskühler verbunden war, wurden der zweiten Gleichung entsprechend 3,9 Gramm reines, weisses Natriummercaptid mit 2,35 Gramm Thionylchlorid tropfen- weise vermischt. Die Einwirkung ist äusserst heftig. Unter Er- wärmen entwickelt sich viel Schwefligsäureanhydrid und Chlorwas- serstoff, während eine Verkohlung des Natriummercaptids eintritt. Nach Beendigung der Reaction wurde die Masse mit reinem was- serfreiem Aethyläther ausgezogen. Derselbe hinterliess nach dem Abdestilliren eine braune ölige Flüssigkeit, weiche bald unter Ab- scheidung einer braunen zähen Masse farblos wurde. Sie wurde abgegossen und destillirt. Dabei ging sie zwischen 148° und 150°, also beim Siedepunkt des Zweifach-Schwefelaethyl’s über, dessen Eigenschaften und Zusammensetzung sie auch besass, denn 0,3295 Gramm derselben gaben bei einer Schwefelbestimmung 1,2821 Gramm Baryumsulfat, entsprechend 52,3 Proc. Schwefel. Das Zweifach-Schwefelaethyl enthält: 53,0 Proc. Schwefel. Der nach dem Ausziehen mit Aether verbliebene Rückstand bestand nur aus Kohle und Schwefel. Um die heftige Einwirkung des Thionylchlorids zu mildern und die dadurch entstehende starke Erwärmung zu verhüten, welche vielleicht eine Ursache der eingetretenen Verkohlung mit sein konnte, wurde ein zweiter Versuch unternommen und das Natrium- mercaptid sowohl mit absolutem Aether übergossen, als auch das Thionylchlorid mit dem gleichen Volumen desselben verdünnt. Die Einwirkung fand nun unter kaum bemerkbarer Erwärmung statt. Der Aether wurde bei möglichst niederer Temperatur aus dem Wasserbade abdestillirt. Anfangs war hierbei keine Verän- derung des Kolbeninhaltes zu bemerken, als aber etwa Dreivier- theile des Aethers übergegangen waren, trat eine plötzliche Reac- tion ein, indem unter Schwärzung sich reichliche Mengen von Salzsäuregas entwickelten. Der kohlige Rückstand wurde nun ge- nau wie beim ersten Versuch behandelt und ergab qualitativ wie quantitativ dieselben Resultate, wie dort. Diess Verhalten des Thionylchlorids zu Natriummercaptid zeigt also; dass auch hierbei eine Verbindung von Schwefel und Schwefel nicht eintritt, sondern die Einwirkung 'so vor sich geht, als wenn das Thionylchlorid aus SCl® + SO? bestände. Die Umsetzung geschieht also nach folgenden Gleichungen: 7 Soc? = 7SCI* + 7802 7SCl+ 4 8 C2H5SNa — 2 [(C?H5)2S2] 4 20HC1 + SNaCl + 11S+8C 3 7SOC1? + 8 C?H5SNa — 2[(C?H5)282] + 7S0O? ++ 20HCI+8NaCl+11S+8C. 8. Aethylsulfonchlorid und Natriummercaptid. Eine Verbindung von Schwefel mit Schwefel konnte nach fol- sender Gleichung erwartet werden: C?2H5SO2Cl1 + C?H5SNa = C?H°S0? — SC2H5 + NaCl. Dem entsprechend wurden 5 Gramm Aethylsulfonchlorid mit dem gleichen Volum absol. Aethers gemischt und zu reinem weissen mit absol. Aether übergossenen Natriummercaptid tropfen gelassen. Es fand eine geringe Erwärmung statt. Es wurde nun das Ge- fäss mit dem Rückflusskühler verbunden und auf dem Wasserbade längere Zeit zum Sieden erhitzt. Es fand dabei keine weitere Ein- wirkung statt. Nun wurde der Aether langsam im Wasserbade abdestillirt, aber auch dabei trat keine Reaction ein. Darauf wurde der mit unverändertem Aethylsulfonchlorid durchtränkte farblose Rückstand mit Aether ausgezogen, zur Vermeidung der Einwirkung von Feuchtigkeit wurde unter einer Glasglocke abfiltrirt und das Filtrat im Wasserbade vom Aether befreit. Es blieb in der That ganz unverändertes bei 173° siedendes Sulfonchlorid übrig. Dasselbe wurde nun wieder mit dem Natriummercaptid vereinigt und in einem Destillationsgefäss im Oelbade langsam einer steigenden Temperatur ausgesetzt. Als dieselbe auf 150° gestiegen war, trat eine Einwirkung ein: unter Entwicklung von Schwefligsäureanhydrid und Chlorwasserstoff schwärzte sich die Masse und es destillirte langsam eine ziemliche Menge einer schwach gelblich gefärbten Flüssigkeit über, welche sich bei erneuter Rectification als bei 150° siedendes Zweifach-Schwe- felaethyl erwies. Die Untersuchung des geschwärzten Rückstan- des ergab, dass derselbe aus einem Gemisch von Natriumchlorid und unverändertem Natriummercaptid, neben Kohle bestand. Also auch bei der Einwirkung von Aethylsulfonchlorid auf Natriummercaptid ist keine Verbindung des Schwefels mit dem Schwefel zu erreichen. Tee SRG 2\ rd 9. Schwefelaethyloxyd und Schwefel. Durch Aufnahme von Sauerstoff geht das Schwefelaethyloxyd: (C?H>)2SO bekanntlich in Diaethylsulfon: (C?H?)?SOO über. Es wurde versucht ob durch Aufnahme von Schwefel eine analoge Verbindung: (C2H5)2SOS zu erzeugen möglich sei. 1,5 Gramm Schwefelaethyloxyd wurden in 6 Gramm Alkohol gelöst und diese Lösung mit 0,5 Gramm Schwefelblumen in ein Rohr eingeschlossen. Es wurde zunächst längere Zeit auf 100°, dann auf 150° und schliesslich auf 180° erhitzt. Bei den angegebe- nen Temperaturen hatte keine Einwirkung statt gefunden, denn nach dem Abgiessen der erkalteten Lösung vom Schwefel und Ab- destilliren des Alkohols blieb das Schwefelaethyloxyd unverän- dert zurück. Diese Versuche haben also ergeben: einmal, dass eine Verbindung des Schwefels mit dem Schwefel durch die Wechselwirkung von Verbindungen, bei wel- cher eine solche Vereinigung wohl erwartet werden durfte, nicht vor sich geht; und sodann, dass, in Uebereinstimmung mit den Resultaten, welche Böttger erhalten hat, die Oxychloride des Schwefels sich mit anderen Schwefelverbindungen derart umsetzen, als wenn in ihnen, analog wie im Schwefelchlorür, der Rest: SCI“ enthalten wäre. Jena, Februar 1578. Ueber die Calciumoxysulfide und über die Constitution der Polysulfide und Polyoxyde der Alkali- und Alkali-Erd-Metalle. Von A. Geuther. I. Ueber die Galciumoxysulfide. Zu den merkwürdigsten Oxysulfiden gehören die Caleiumoxy- sulfide, weil sie nicht wie die übrigen Verbindungen dieser Art, also wie das Kohlenoxysulfid: COS, das Uranoxysulfid: Ur2O2S, das Manganoxysulfid: Mn?OS, die Vanadinoxysulfide: V?O?S?2 und V?02S3 einem Verbindungstypus dieser Elemente angehören, der noch eine mehr oder weniger grosse Anzahl anderer Reprä- sentanten hat, sondern weil sie in Bezug auf ihre Zusammenset- zung einzig in ihrer Art dastehen, nämlich krystallwasserhaltige Verbindungen eines Poly-Sulfides mit einem Mon-Oxyd sind. Diese, ihre so eigenthümliche Zusammensetzung sowohl, als der Gedanke es möchte durch ein genaueres Studium derselben mög- lich sein Anhaltspunkte zu finden, welche einen bestimmten Schluss auf die Valenzgrösse des Caleiums ermöglichten, waren es, die mich zum Studium derselben veranlassten. Ich habe zunächst Hrn. Dr. Böttger, bei Gelegenheit seiner Untersuchung „über die Polysulfide des Natriums“, und sodann Hrn. Hercher veranlasst Caleciumoxysulfid wiederholt darzustel- len und zu analysiren. Schliesslich habe ich selbst noch einige endgültige Versuche damit vorgenommen. Bis jetzt kennt man zwei Caleiumoxysulfide, welche sich bei ganz ähnlichem äusseren Ansehen, — sie stellen orangefarbene — 12 — prismatische Krystalle dar — und bei nahezu gleichem Gehalt an Caleium und Wasser, wesentlich dadurch unterscheiden, dass der Schwefelgehalt der einen etwa 22 Proc., der Schwefelgehalt der anderen aber nur etwa 17 Proc. beträgt. Die schwefelreicheren werden gewöhnlich als Herschell’s Krystalle, die schwefelärme- ren als Buchner’s Krystalle bezeichnet. Beide Arten von Krystallen sind zuletzt und am eingehend- sten von Schöne!) untersucht worden. Derselbe stellte für die erstere Art die Formel: 3Ca0.CaS* + 120H2 und für die zweite Art die Formel: 4Ca0.CaS* + 180H? auf. H. Rose hatte der letzteren Art die Formel: 5 Ca0.CaS5 +200H? beigelegt. Schöne that dies auf Grund einestheils seiner Analysen, vorzüglich auf Grund der Thatsache, dass der aus den von ihm zur Untersuchung verwandten Krystallen bei der Einwirkung durch Säuren als Schwe- felwasserstoff sich entwickelnde Schwefel (Sh) zu dem, welcher sich als solcher abscheidet (S), dem Gewicht nach sich verhält wie 1: 2,87 resp. wie 1:2,80, d.i. nahezu wie 1:3, und auf Grund der Voraussetzung, dass das Calcium, von welchem bis jetzt kein einziges Polysulfid im festen Zustande erhalten werden konnte, sich dem Baryum und Strontium analog zeigen und wie diese Metalle das aus wässriger Lösung einzig und allein krystallisirende Poly- sulfid, nämlich das Tetrasulfid, bilden würde ?). Schöne benutzte zur Darstellung der ersteren Krystalle die von Herschell angegebene Methode, wonach man 3 Th. ge- brannten Kalk mit 1 Th. Schwefel und 20 Th. Wasser eine Stunde lang bei Luftabschluss kochen und das heisse Filtrat auf eingelegtem Kalkhydrat bei Luftabschluss erkalten lassen soll. Es war ihm nicht gelungen auf andere Weise die Krystalle zu erhalten, obwohl er nach dieser Methode die Verbindung „nur höchst schwierig und in sehr geringer Menge rein“ erhielt. An Stelle des einzulegenden gewöhnlichen Kalkhydrats nahm er aus gebranntem Marmor dargestelltes. Die auf dem festen Bodensatz freistehend sich bildenden Krystallnadeln wurden, nachdem die Flüssigkeit abgegossen war, „sehr sorgfältig gesammelt, mit kal- tem Wasser etwas abgespült und schnell im Vacuum über ı) Poggend. Annal. Bd. 117 p. 77. 2) Poggend. Annal. Bd. 112 p. 193 u. 215 und Bd. 117 p. 58. Das Baryum nur bildet noch eine aus wässriger Lösung krystallisi- rende andere Polysulfidverbindung: Ba*S? + 25 OH? (richtiger wohl 240H?), welche aber als eine krystallwasserhaltige Verbindung von Monosulfid mit Tetrasulid = 3BaS 4 BaS* betrachtet werden kann. en — 18 — Schwefelsäure getrocknet.“ Die Mutterlauge liefert, wenn sie mit Kalkhydrat von Neuem gekocht, und im verschlossenen Gefäss stehen gelassen wird, abermals Krystalle. Schöne meint nun, dass es nicht gelingt die Krystalle zu erhalten, wenn man, wie Herschell behauptet, an Stelle des eingelegten Kalkhydrates einen anderen beliebigen pulverförmigen Körper anwende, eine Meinung, die irrig ist, weil die Krystalle sich auch reichlich in der klaren filtrirten Lösung, ohne überschüssiges Kalkhydrat oder einen andern pulverförmigen Körper bilden. Zur Darstellung der zweiten Art von Krystallen benutzte Schöne im Wesentlichen die Methode von H. Rose, wonach man durch eine grosse Menge Kalkmilch mehrere Tage einen star- ken Strom von Schwefelwasserstoff leitet, filtrirt, und die Flüssig- keit nicht ganz fest abgeschlossen von der Luft noch länger als ein halbes Jahr hinstellt und darauf die nun gelb gewordene Lösung bis auf die Hälfte ihres ursprünglichen Volumens abdampft, wobei sich viel Schwefelwasserstoff entwickelt und Kalkhydrat ab- scheidet. Man filtrirt sie dann und lässt sie einige Wochen in einem kühlen Raum stehen. Dann „schoss eine grosse Menge orangegelber prismatischer Krystalle an, besonders auf dem Kalk- hydrat, letztere leider so, dass nur ein kleiner Theil ohne Verunreinigung zu gewinnen war.“ 1. Untersuchung von Herschell’s Krystallen. Ihre Darstellung gelingt ohne Schwierigkeit auf folgende Weise: 50 Gramm Schwefelblumen werden mit 100 Gramm Kalkhy- drat und 2 Kilo Wasser in einem eisernen Topf, welcher mit einer leeren, seine Oeffnung gut verschliessenden Porzellanschale bedeckt ist, sechs Stunden lang!) gekocht, dann rasch bis zu ein Vier- theil des ursprünglichen Volumens eingedampft, heiss in eine verschliessbare Kochflasche, welche so gross sein muss, dass sie die Flüssigkeit bis zum Hals erfüllt, filtrirt wird, und darin gut verkorkt?) 8—14 Tage an einem kühlen Ort oder bei Winter- kälte stehen gelassen wird. In dem Maasse, wie die Krystalle sich abscheiden, wird die braungelbe Farbe der Flüssigkeit etwas heller. Die Mutterlauge wird nun zum grössten Theil abgegossen, die losgemachten Krystalle mit ihr herausgespült und, ohne dass 1) Bei einer kürzeren Dauer des Kochens erhält man weniger Krystalle, die Flüssigkeit sieht auch dann immer etwas dunkler aus. 2) Sonst mischt sich ihnen durch Oxydation der Lösung entste- hender Schwefel bei. — 14 — sie mit Wasser abgespült werden, wie es Schöne that, weil sie sich dadurch zersetzen, auf Fliesspapier gebracht und durch vorsichtiges, rasches, oft wiederholtes Pressen damit völlig von der Mutterlauge befreit. ' Die‘so erhaltenen Krystalle sind entweder orangefarbene Pris- men mit violettrothem Flächenschein, also dichroistisch, oder ha- ben eine mehr ins Strohgelbe sich ziehende Farbe. Sie sind sehr zerbrechlich und werden beim Abpressen desshalb zertrümmert. Im gutverschlossenen Gefäss halten sie sich längere Zeit unverändert, bei Sommertemperatur über Schwefelsäure gebracht fangen sie an zu verwittern. Mit reinem Wasser übergossen bilden sie sofort un- ter Zersetzung eine gelbe alkalische Lösung, indem sie weiss wer- den. Mit Wasser so lange wiederholt ausgekocht, als dasselbe noch gelb gefärbt wird, wozu grössere Mengen davon nöthig sind, hin- terlassen sie weisses alkalisch reagirendes Caleiumhydroxyd, das sich in Salzsäure unter nur sehr geringer Entbindung von Schwe- felwasserstoff und sehr geringer Abscheidung von Schwefel ohne sichtbare Gasentwicklung auflöst. Diese Lösung gibt mit Baryum- chlorid keinen Niederschlag, enthält also keine Schwefelsäure. Wird die mit Wasser erhaltene gelbe Lösung der Krystalle mit soviel Zinkacetat vermischt, dass kein Niederschlag mehr entsteht und die vom ausgeschiedenen Schwefelzink und Schwefel abfiltrirte Flüssigkeit mit Salzsäure im Ueberschuss versetzt und gekocht, so erhält man keine oder nur eine äusserst geringe Schwefelab- scheidung (nur ein Opalisiren); also enthalten die Krystalle kein unterschwefligsaures Salz. In verdünnter Salzsäure lösen sich die Krystalle unter Entwicklung von Schwefelwasserstoff und gleich- zeitiger Abscheidung von braungelbem weichem Schwefel. Mit conc. Salzsäure übergossen liefern sie ohne bedeutende Entwick- lung von Schwefelwasserstoft fast farbloses Wasserstoffsupersulfid. Beim Erhitzen auf 100° geben sie Wasser und Schwefelwasser- stoff ab. Im Röhrchen erhitzt geschieht zunächst dasselbe, beim stärkeren Erhitzen werden sie unter Schwefelsublimation weiss, der im Wasser fast unlösliche Rückstand reagirt alkalisch, löst sich in Salzsäure unter geringer Schwefelabscheidung ( Opalisi- ren der Flüssigkeit) und lässt nur wenig Schwefelsäure nach- weisen. Schöne wandte zu seinen Analysen nur auf eingelegtes Kalk- hydrat aufgewachsene Krystalle an, welche sich bildeten, als er das durch Kochen von Kalkhydrat erhaltene möglichst heisse Filtrat „auf Kalkhydrat stehen liess.“ „Die auf dem Bodensatz freiste- — 15 — henden Krystallnadeln wurden, nachdem die Flüssigkeit abgegos- sen war, sehr sorgfältig gesammelt, mit kaltem Wasser etwas ab- gespült und schnell im Vacuum über Schwefelsäure getrocknet.“ Es gelang ihm, „als er immer so grosse Mengen (12 bis 16 Pfd. Wasser auf die entsprechenden Antheile Kalk und Schwefel) an- wandte, bei jeder Operation wenigstens so viel vollkommen reine Substanz zu erhalten, als zu einer Analyse nothwendig war“ Zu einer Analyse verbrauchte er höchstens 0,9 Gramm. Er fand im Mittel von 3 Analysen: 29,2 Proc. Calcium und 22,4 Proc. Schwefel und das Verhält- niss des als Schwefelwasserstoff entwickelten Schwefels (Sh) zu dem, welcher als solcher abgeschieden wurde (S), wie 1: 2,37. Schöne gibt nirgends an, dass er beim Stehen einer wie oben gewonnenen Oaleiumpolysulfidlösung ausser der Ausscheidung von Krystallen auch die Ausscheidung von Schwefel, bedingt durch die Einwirkung des Sauerstoffs der Luft, wahrgenommen habe, wie es stets an der Oberfläche der Flüssigkeit auch selbst dann mehr oder weniger der Fall ist, wenn man das Gefäss mit der filtrir- ten Lösung fast ganz erfüllt und fest verschlossen hat. Wie dieses Sammeln der auf dem festen Bodensatz aufgewachsenen Krystalle geschah, ohne dass Kalkhydrattheilchen sich ihnen beimischten, hat Schöne nicht näher angegeben, ebensowenig wie die Ent- fernung der Krystalle aus dem, jedenfalls verschliessbaren,, also enghalsigen Gefäss geschah. Sodann wurden sie mit Wasser abgespült, obwohl Schöne selbst sagt, es sei „falsch“, wenn Herschell angebe, dass sich diese Verbindung in Wasser löse, „Wasser zersetzt die Krystalle, indem es das Tetrasulfid auszieht und farbloses Kalkhydrat zurücklässt.*“ Schöne kann also, so wie er verfuhr, nie die ganz reine Verbindung zur Analyse ange- wandt haben. Die folgenden Analysen sind mit ganz frisch dargestellter Substanz unternommen worden, bei welcher soviel wie möglich etwa an der Oberfläche der Flüssigkeit mit ausgeschiedener Schwe- fel durch Waschen und Schlämmen mit der Mutterlauge von den Krystallen getrennt wurde, ehe sie, ohne erst mit Wasser abge- spült zu werden, zwischen Fliesspapier gepresst wurden. In man- chen Fällen war etwas, in anderen fast gar kein Schwefel mit- entstanden. Hr. Dr. Böttger erhielt bei 4 Analysen folgende Resultate: I 11 IIT IV im Mittel: Schwefel) in a ti — 101 23, 23,5 Galcnimi tr: cn ART IR DA 25,0. Verlust bei 100° im Kugel- A: £ R rohr und ton u AR RE Das Mischungsgewichtsverhältniss von Schwefel und Calcium 2) ist 1 0,85, Hr. Hercher erhielt, als er in einer ungewogenen Menge frisch bereiteter Substanz den Schwefel und das Caleium bestimmte auf 0,2068 Gramm Sehwefel : 0,2223 Gramm Calcium, was einem Mischungsgewichtsverhältniss von 1: 0,86 entspricht. 0,2856 Gramm frisch dargestellte und möglichst trocken ge- presste Substanz gaben mit Chlorwasser völlig oxydirt: 0,4765 Gramm Baryumsulfat, entspr. 0,06544 Gramm = 22,7 Proc. Schwe- fel, und nach Entfernung des überschüssig zugesetzten Baryumchlo- rids durch Schwefelsäure 0,0973 Gramm Caleiumoxyd, entspr. 0,06950 Gramm = 24,1 Proc. Calcium. Das relative Mischungsverhältniss von Schwefel zu Calcium ist auch hier wie 1: 0,85. Zur Bestimmung des durch Säuren sich ausscheidenden und des dabei als Schwefelwasserstoff sich entwickelnden Schwefels ver- fuhr Schöne so, dass er die Krystalle in einem Kolben mit Salz- säure zersetzte, den Schwefelwasserstoff in einem durch Kalilauge gewaschenen Wasserstoffstrom in vorgelegte Lösung von essigsau- rem Bleioxyd führte und die letzten Theile desselben durch Er- hitzen bis nahe zum Kochpunkt übertrieb.“ Es wurde das Schwe- felblei als solches und nach dem Filtriren . der ausgeschiedene Schwefel gewogen. Schöne erhielt auf diese Weise aus 0,7315 Gramm Substanz 0,0412 Gramm —= 5,63 Proc. als Schwefelwasserstoff entwichenen Schwefel und 0,1185 Gramm = 16,13 Proc. zurück gebliebenen Schwefel, im Ganzen 0,1592 = 21,76 Proc. Diese Mengen verhalten sich, wie 1:2,87 oder richtiger wie 1: 2,864. Schöne setzt dieses Verhältniss = 1:3, er glaubt sich dazu durch Folgendes berechtigt: „Berücksichtigt man,“ sagt er, „was entschieden der Fall ist, dass mit dem gewöhnlichen Schwefelwasserstoff etwas Wasserstoffpolysulfid mit übergerissen wird, so ist es erklärlich, dass von dem freien Schwefel ein etwas ı) Zur Schwefelbestimmung wurden die Krystalle mit Chlorwas- ser oxydirt. 2) Ca = 40. — 17 — zu geringes Gewicht gefunden ist, während das Gewicht des Schwe- felbleis dadurch erhöht ist. Da dieser beim Schwefelblei befind- liche Schwefel nicht als solcher, sondern als Schwefelblei in Rech- nung gestellt ist, so folgt, dass überhaupt ein Verlust an Schwefel hier statthat, wie denn auch in der That weniger gefunden ist, als in Analyse I!) und als die theoretische Berechnung erfordert.‘ Schöne hatte in Analyse I gefunden: 23,06 Proc. Schwefel und 28,34 Proc. Caleium und in der letzten Analyse 21,76 Proc. Schwe- fel und 29,35 Proc. Calcium. Die Differenz zwischen den beiden Analysen betrifft also wie man sieht nicht den Schwefel allein, sondern auch das Calcium, sie ist für den Schwefel 1,5 Proc. und für das Calcium 0,5 Proc. Zudem wandte Schöne, wie wir oben sahen, zu jeder Analyse neu dargestellte Substanz an, die nicht immer gleich rein zu sein brauchte, und beachtete er nicht die Möglichkeit, dass etwas durch Oxydation der Lösung ausgeschiedener Schwefel den Krystallen, wie es wohl häufig der Fall ist, beigemischt sein konnte, der natürlich das Gewicht des bei der Zersetzung mit Säure sich ausscheidenden Schwefels vermehren musste. Es kam also vor allen Dingen darauf an, das Verhältniss des sich als Schwefelwasserstoff entwickelnden Schwefels (Sh) zu dem, welcher als solcher bei der Zersetzung der reinen Krystalle durch Säuren ausgeschieden wird (S), zu bestimmen. Zu dem Ende ver- anlasste ich Hrn. Hercher auf folgende Weise zu verfahren: Die frisch dargestellten Krystalle wurden, nachdem sie trocken gepresst waren, in ein verschliessbares Rohr gebracht und darin mit etwas Wasser übergossen, sodann wurde ein enges langes Proberöhrchen mit so viel Salzsäure (conc. Salzsäure mit etwas Wasser überschichtet), als zur Umsetzung der Krystalle bequem ausreichen musste, zu Zweidrittheil angefüllt und mit der Vor- sicht in das Rohr geschoben, dass von seinem Inhalt nichts mit dem Wasser über den Krystallen zusammen kam. Endlich wurde das Rohr, welches Krystalle und Säure aufgenommen hatte, zuge- schmolzen. Nun wurde durch -Neigen des Rohrs die Säure aus dem Proberöhrchen ausfliessen gelassen, die Krystalle lösten sich in ihr unter Entwicklung von Schwefelwasserstoff und Abschei- dung von Schwefel resp. Bildung von Wasserstoffsupersulfid. Das Rohr wurde 4 Stunden lang im Wasserbade erhitzt, nach welcher 1) Hier wurde die Gesammtschwefelmenge durch Oxydation mit Chlorwasser bestimmt. — 108 — Zeit der Schwefel sich zu einzelnen gelben Kügelchen vereinigt hatte und ganz fest geworden war; das mit entstandene Wasser- stoffsupersulfid hatte sich also vollständig in Schwefelwasserstoff und Schwefel verwandelt. Nach dem Erkalten des Rohrs wurde die Spitze desselben in der Flamme geöffnet, wobei Druck im In- nern vorhanden war; das ausströmende Gas brannte mit blauer Flamme und es trat ein starker Geruch nach Schwefelwasserstoff auf. Die wässrige Lösung wurde vom ausgeschiedenen Schwefel auf einem bei 100° getrockneten, gewogenen Filter getrennt und letzterer nach dem Auswaschen und Trocknen bei 100% gewogen. Im Filtrat wurde das Caleium bestimmt. Schwefelsäure enthielt es nicht. 0,6419 Gramm Krystalle gaben 0,1032 Gramm = 16,1 Proe. ausgeschiedenen Schwefel und 0,2459 Gramm Caleiumoxyd, entspr. 0,1774 Gramm = 27,6 Proc. Calcium. Die Gesammtmenge von Schwefel wurde in den zur Analyse verwandten Krystallen nicht bestimmt. Absolut genommen stimmt diese gefundene Menge von ausge- schiedenem Schwefel 16,1 Proc. mit der von Schöne gefundenen Menge 16,13 Proc. überein, aber nicht in ihrem Verhältniss zur ge- fundenen Oaleiummenge. Schöne fand auf 16,13 Proc. ausgeschie- denen Schwefel 29,35 Proc. Caleium d.i. 5 Mgte des Ersteren auf 7,3 Mste des Letzteren, die obige Analyse ergibt aber das Verhältniss: 5 Mgte ausgeschiedener Schwefel auf 6,9 Mgte Calcium; ferner: vergleicht man die gefundene Menge ausgeschiedenen Schwefel, 16,1 Proc., mit der Gesammtmenge von Schwefel, welche früher Böttger und Hercher im auf dieselbe Weise dargestellten Kry- stallen gefunden haben, nämlich: 23,1 Proc., so erhält man das Verhältniss vom als Schwefelwasserstoff entwickelten Schwefel zum ausgeschiedenen Schwefel (23,1 — 16,1) = 7: 16,1 oder wie 1:::2,5, während‘ Sehöne = T: 2,86 fand. Diese grosse Differenz veranlasste mich von neuem gleichzei- tig zwei neue Darstellungen der Krystalle vorzunehmen und sie nach der vorhergehenden Methode zu analysiren. Nur wurden jetzt die Röhren vor dem Einbringen der Krystalle, des Wassers und der Salzsäure mit trocknem Kohlen- säuregas vollständig gefüllt, da die beim vorigen Versuch im Rohr befindliche atmosph. Luft durch ihren Sauerstoff einen Theil des gebildeten Schwefelwasserstoffs unter Schwefelabschei- dung zersetzt, und also eine Vermehrung des ausgeschiedenen Schwefels bewirkt haben konnte. Nach dieser Methode konnten — 109 — Fehlerquellen, wie sie Schöne bei Anwendung seiner Methode vermuthet, nicht vorhanden sein. I. a. 0,3517 Gramm reiner und völlig abgepresster orangefar- bener Krystalle schieden mit Salzsäure im Rohr ab: 0,0559 Gramm — 14,6 Proc. Schwefel und gaben 0,1469 Gramm Caleciumoxyd, entspr. 0,10492 Gramm = 27,5 Proc. Calcium. b. 0,5887 Gramm derselben Krystalle hinterliessen nach der Behandlung mit Chlorwasser im verschlossenen Kolben und nach- herigem Zusatz von Salzsäure nach dem Erwärmen: 0,0005 Gramm Schwefel, während aus der Lösung 0,5947 Gramm Baryumsulfat, entspr. 0,08168 Gramm Schwefel, gefällt wurden. Die Gesammt- menge von Schwefel betrug also: 0,08218 Gramm — 21,1 Proc. Das Verhältniss des als Schwefelwasserstoff entwi- chenen Schwefels zum ausgeschiedenen Schwefel ist also hier (21,1 — 14,6) = 6,5:14,6—=1:2,25. Das relative Mi- schungsgewichtsverhältniss von Schwefel und Caleium ist also = 1: 1,04, ist also nahezu gleich. Il. a. 0,5424 Gramm reiner und völlig abgepresster, mehr strohfarbener Krystalle von der anderen Darstellung schieden mit Salzsäure im Rohr ab: 0,0500 Gramm Schwefel = 14,6 Proc. und gaben 0,1337 Gramm Caleiumoxyd, entspr. 0,0955 Gramm —= 27,8 Proc. Caleium. b. 0,214 Gramm derselben Krystalle hinterliessen nach der gleichen Behandlung mit Chlorwasser: 0,001 Gramm Schwefel, wäh- rend aus der Lösung 0,3242 Gramm Baryumsulfat, entspr. 0,04452 Gramm Schwefel gefällt wurden. Die Gesammtmenge von Schwe- fel betrug also: 0,04552 Gramm = 21,3 Proc. Das Verhältniss des als Schwefelwasserstoff entwi- chenen Schwefels zum ausgeschiedenen Schwefel ist also hier (21,3 — 14,6) = 6,7:14,6—=1:2,18. Das relative Mi- schungsgewichtsverhältniss vom Schwefel und Calcium ist wieder 1: 1,04, also nahezu gleich. Bedenkt man nun, dass nach Art der Darstellung von Her- schell’s Krystallen eine kleine Verunreinigung von durch Oxy- dation aus der Flüssigkeit abgeschiedenem Schwefel kaum zu ver- meiden ist, wenn man die Krystalle nicht im hermetisch ver- schlossenen Gefäss sich bilden lassen will, dieser Schwefel aber natürlich die Menge des abgeschiedenen Schwefels vergrössert, und das relative Verhältniss des als Schwefelwasserstoff entwiche- nen Schwefels zum abgeschiedenen Schwefel zu Gunsten des Letz- teren erhöht, so wird man aus den gefundenen Verhältnissen von — 10 — Sh:S=1:225 und =1:2,18. das wahre Verhältniss — 1:2 ableiten müssen. Mit anderen Worten: die Krystalle sind nicht eine Verbindung von Caleium tetrasulfid mit Caleiumoxyd, sondern eine Verbindung von Calciumtrisulfid mit Cal- ciumoxyd. Schöne hat leider unterlassen den Wassergehalt der Her- schell’schen Krystalle zu bestimmen, wahrscheinlich würde ihn derselbe von der Unrichtigkeit seiner für diese Verbindung aufge- stellten Formel überzeugt haben. Bei dieser Wasserbestimmung wurden die Krystalle nach Art der Elementaranalyse mit Bleichromat gemischt, erhitzt und das Wasser im Chlorcaleiumrohr aufgefangen. I. 0,4970 Gramm frisch bereiteter trocken gepresster Kry- stalle lieferten 0,2255 Gramm = 45,5 Proc. Wasser. II. 0,3906 Gramm im mit Glasstöpsel verschlossnen Glas län- gere Zeit aufbewahrt lieferten 0,1748 Gramm — 44,8 Proc. Wasser. Diese Resultate stimmen mit der Formel: 3 0a0.CaS! + 120H?, welche Schöne für die Krystalle aufgestellt hat, und welche 29,35 Proc. Ca; 23,19. Proc. S; 8,33 Proc. O und 39,13 Proc. OH? erfordert, durchaus nicht überein. Aus den Wasserbestimmungen, aus den im Rohr ausgeführten Caleiumbestimmungen, sowie aus den mit derselben Substanz aus- geführten Gesammtschwefelbestimmungen, sowie endlich aus den bei der Zersetzung im verschlossenen Rohr erhaltenen abgeschiedenen Schwefelmengen leitet sich vielmehr für Herschell’s Krystalle die Formel: Il II CaS3 + 2Ca0O + 10 oder 110H? ab, welche verlangt: ber gef. ber IT m y S3 7 — 213 — 53 — 2106 Ca? — 280 275 — 271,8 — Ca? use) 2 al) — — -— - 9° — | 100H? = 42,1 — 455 — 44,8; 11 0H? — 44,4 100,0 100,0 ber gef. ber I II 15h =" "W2 6,5 6,7 #8, 2,68 2>S —= 144 14,6 14,6 BDum =, Jos SE AEHHTE PR ad > ie 2S = 205. — 11 — En, Da sah Be 2 Schöne fand im Miltel: En 5 29,205 18 =,.,16,18 21,76 Die sich aus dem Vorhergehenden ergebende Thatsache, dass in Herschell’s Krystallen kein Calciumtetrasulfid, sondern Cal- ciumtrisulfid neben Caleiumoxyd enthalten ist, stimmt völlig mit dem oben angeführten Verhalten dieser Krystalle gegen conc. Salzsäure überein, wobei sie ohne besondere Schwefelwasserstofl- entwicklung sich lösen unter Bildung von fast farblosen Tropfen von Wasserstoffsupersulfid. Die durch Auswechslung des Calciums gegen eine aequivalente Menge Wasserstoff entstehende Verbindung würde H?S3 sein, d.h. dieselbe, welche A. W. Hofmann mit Strychnin zu einer krystallinischen Verbindung vereinigt erhielt, als er eine weingeistige Strychninlösung mit einer weingeistigen Ammoniumpolysulfidlösung vermischte, nämlich die Verbindung: 02'H22N202,H2S3 und welche bei der Zersetzung mit Schwefelsäure farblose durchsichtige Oeltropfen von Wasserstoffsupersulfid gab. Mit den hier aufgestellten Formeln sind die analytischen Re- sultate, welche Böttger und Hercher erhielten, nicht wohl in Einklang zu bringen. Böttger erhielt auch einmal 27,9 Proc. Calcium, bei drei anderen Analysen aber 23,4 und 24,4 Proc. da- von, im Mittel: 24,1 Proc., daneben 23,5 Proc. Schwefel. Her- cher erhielt 24,1 Proc. Caleium nnd 22,7 Proc. Schwefel. Es ist nicht wohl möglich, dass diese Abweichungen im Schwefel- und Caleiumgehalt durch eine Verunreinigung der Krystalle von beige- mengtem Schwefel herrühren, sonst müsste ein viel höherer Schwe- felgehalt gefunden worden sein, wohl aber davon, dass Calcium- trisulfid und Caleciumoxyd sich unter einander nicht blos nach einem, sondern nach mehreren Verhältnissen zu im Aeusseren ähnlichen, vielleicht isomorphen Krystallen von fast gleichem Ver- halten, verbinden können. So würde z. B. mit den zuletzt ange- führten Resultaten die Formel: 2CaS3 + 3Ca0 + 200H? oder 220H? nahe übereinstimmen, wie folgende Gleichung zeigt: gef. ber. Böttger (im Mittel); Hercher ber. Ss — 240 24,1 24,1 56 — 22,9 Ca° —u 29,0 23,5 22,1 Ca? = 25,9 03 — 60 a Je O3 = RE 200H? = 45,0 — _ 20H? = 475 100,0 100,0 — 12 — Ob dem so ist, muss dahin gestellt bleiben, obwohl die Exi- stenz einer von Herschell’s Krystallen wirklich in der Zusam- mensetzung verschiedenen, im Aeussern wie im Verhalten aber damit sehr übereinstimmenden Verbindung, nämlich Buchner ’s Krystalle, die Annahme, dass sich Caleiumtrisulfid mit Caleium- oxyd in mehr als einem Verhältniss vereinigen könne, sehr wahr- scheinlich macht. . 2. Buchner’s Krystalle. Diese Krystalle habe ich keiner neuen analytischen Untersu- chung unterworfen. Dass sie eine den Herschell’schen Kıy- stallen analoge Zusammensetzung haben, hat Niemand, der sie bis jetzt untersucht hat, bestritten. Schöne hat sie vielfach und am genauesten untersucht. Er hat sie theils nach der oben angeführ- ten Rose’schen Methode, theils aber auch so dargestellt, dass er 2 Th. reines durch Glühen von Caleiumearbonat in Kohlensäure und Schwefelkohlenstofigas erhaltenes Caleiummonosulfid, mit 1 Th. Schwefel und 20 Th. Wasser eine halbe Stunde kochte und die ganze Masse unfiltrirt in einem verschlossenen Kolben drei Tage stehen liess. Die auf dem Bodensatz (hauptsächlich wohl durch Umset- zung des Calciumsulfids mit Wasser unter Schwefelwasserstoffent- wicklung entstandenes Kalkhydrat) aufgewachsenen Krystallnadeln wurden gewaschen, getrocknet und analysirt. a. Die nach der Rose’schen Methode dargestellten Krystalle ergaben ihm als Mittel von 4 Analysen: 16,99 Proc. Schwefel und 28,47 Proc. Caleium und als Mittel von 2 Analysen: 45,25 Proc. Wasser. Das Verhältniss das sich als Schwefelwasserstoff ent- wickelnden Schwefels zum abgeschiedenen fand er = 1: 2,80. b. Die nach der anderen Methode dargestellten Krystalle er- gaben ihm bei einer Analyse: 16,57 Proc. Schwefel und im Mittel von 2 Analysen: 28,98 Proc. Calcium und 44,02 Proc. Wasser. Schöne stellt für sie die Formel: 4 Ca0.CaS* + 180H? auf, welche verlangt: 17,9 Proc. Schwefel: 27,9 Proc. Caleium und 45,3 Proc. Wasser. Nimmt man in diesen Krystallen dieselbe Calciumpolysulfid- Verbindung wie in Herschell’s Krystallen an, was doch wohl nothwendig erscheint, also das Caleiumtrisulfid, so lässt sich für Buchner’s Krystalle die Formel: CaS3 + 3Ca0 + 14 oder 15 OH? aufstellen, wie Folgendes zeigt. — 13 — ber. Schöne fand im Mittel ber. a. b. 5? — er 16,99 16,57 S3 51607 Ca —u 128.8 28,47 28,98 Ca# a 03 — m — — 03 nl 14.0H2,=: 45,3 45,27 44,02 150H2 = 470 100,0 100,0 Jede dieser Formeln stimmt ebensogut, ja noch besser mit den von Schöne gefundenen Gesammtmengen von Schwefel, Cal- cium und Wasser überein, als die von ihm aufgestellte. Wir hätten so also folgende Reihe schwerlöslicher Verbindun- gen des Caleiumtrisulfides mit Caleiumoxyd: CaS?, 20a0 + 10 oder 110H? (Herschell’s Krystalle). CaS?, 3Ca0 + 14 oder 150H? (Buchner’s Krystalle). Es ist hier wohl der Ort noch einmal ausführlicher und im Zusammenhange auf die Begründung Schöne’s, dass die Cal- ciumoxysulfide Calciumtetrasulfid enthalten, zurückzukommen. 1. Dass die Krystalle, welche Schöne zur Analyse ver- wandte, in Folge davon, dass er sie nie in einer filtrirten Lösung bilden, sondern stets auf einem Bodensatz von Kalkhydrat auf- wachsen liess, Kalkhydrat und durch allmählige Oxydation der Lösung sich ausscheidenden Schwefel, von dem er gar nichts er- wähnt, beigemengt enthalten mussten, ist wiederholt angeführt worden und leicht begreiflich. Die Resultate seiner Analysen, welche zuviel Schwefel und zuviel Calcium ergaben, zeigen diess aufs Entschiedenste. Zudem spülte er die Krystalle mit Wasser ab, wodurch sie eine Zersetzung erleiden. 2. Die Versuche, welche darthun sollten, dass das Calcium, von dem kein einziges Polysulfid für sich darzustellen gelang, in wässriger Lösung das Tetrasulfid bilde, also dasselbe Polysulfid, welches aus einer Strontium-Polysulfidlösung beim Verdunsten ein- zig und allein sich ausscheidet, und als „die ausgezeichnetste auf nassem Wege zu erhaltende Schwefelungsstufe der alkalischen Er- den“ anzusehen ist, diese Versuche führte Schöne in folgender Weise aus. Er kochte mit Wasser in einem ersten Versuche 1 Mgt Cal- ciummonosulfid (9 Gramm) mit 1 Mgt Schwefel (4 Gramm), in einem zweiten Versuche 1 Mgt Calciummonosulfid (9 Gramm) mit 2 Mgtn Schwefel (3 Gramm) und in einem dritten Ver- suche 1 Mgt Caleiummonosulfid (9 Gramm) mit 3 Mgtn Schwefel Bd. XIII. Supp)l. I, 8 — 114 — (12 Gramm). Im ersten Versuch wurde die Lösung „auf etwa 150 —200 CC“, im zweiten Versuch „auf etwa 300 CC.“ und im drit- ten Versuch „auf 250 CC. concentrirt.“ Im ersten Versuch wurde beobachtet der Weggang sehr be- deutender Mengen von Schwefelwasserstoff während des Kochens und die Bildung eines etwas grünlich gefärbten Rückstandes in der hellgelben Flüssigkeit, welcher, bis die Flüssigkeit farblos war, ausgewaschen 3,54 Gramm wog und aus „Kalkhydrat mit sehr geringen Mengen von Schwefelcaleium und kohlensaurem Kalk“ bestand. Die Flüssigkeit entwickelte mit neutraler Mangansalzlö- sung Schwefelwasserstoff, enthielt also Caleiumsulfhydrat. Im zweiten Versuch wurde beobachtet das Auftreten eines schwächeren Geruches nach Schwefelwasserstoffl, eine intensivere Färbung der Flüssigkeit, ein Rückstand von 1,44 Gramm Gewicht, „dieselben Bestandtheile wie der vorige enthaltend.“ In beiden Versuchen bildeten sich Buchner’s Krystalle. Im dritten Versuch rochen anfangs die Wasserdämpfe nur nach Schwefel, „bei grösserer Concentration aber trat der Ge- ruch nach Schwefelwasserstoff, doch immer nur schwach, ein.“ Die Flüssigkeit war noch intensiver gefärbt, als im zweiten Versuch. Der grünliche Rückstand „wog 0,125 Gramm, geglüht 0,10 Gramm.“ In der Lösung liessen sich nur Spuren von Sulf- hydrat nachweisen. Buchner’s Krystalle waren nicht entstanden. Schöne sagt nun weiter: „Die bei obigen Versuchen gefundenen Zahlen, sowie das sonstige Verhalten zeigen, dass bei der Einwirkung des Wassers auf die oben näher bezeichneten Gemische von Schwefelcaleium und Schwefel Prozesse nach folgendem Schema vor sich gehen: a. 65 +6CaS +40H? —= 2CaSt + 2CaS?H? + 2Ca0?H? b. 125 + 6CaS + 20H? —= 4CaS?t + CaS?H? + Ca0?H? c. 135 + 6CaS — 60a. der Rückstand Berechnet: aus a. 3,09 Gramm; aus b. 1.54 Gramm: aus c. O0 Gramm. Gefunden : bei 1. 3,54 Gramm; bei 2. 1,44Gramm; bei 3. 0,10 Gramm.“ Diese Versuche besitzen einen gemeinschaftlichen Mangel, der leicht hätte vermieden werden können, den nämlich, dass die Flüs- sigkeiten nicht auf dasselbe Volumen eingedampft wurden. Im ersten Versuch auf 150—200 CC., im zweiten Versuch auf 300 CC., im dritten Versuch auf 250 CC. Das macht event. Differenzen von 150 und 100 CC. d. h. einen Unterschied von einem Dritttheil bis ein Halb in der Concentration. Es war dieser Forderung um so — 15 — mehr zu genügen, wenn man die grössere oder geringere Inten- sität der Farbe der Lösung als Beweismoment mit benutzen wollte, wie es Schöne thut, denn da er sie mit anführt, so gehört sie mit zu dem „sonstigen Verhalten.“ Sodann sind die Mengen der erhaltenen Rückstände kein Beweis dafür, dass die Umsetzungen nach den von Schöne aufgestellten Gleichungen verlaufen. Bei Versuch 1. wiegt der Rückstand 0,55 Gramm mehr, bei Versuch 2. dagegen 0,10 Gramm weniger und bei Versuch 3. wieder 0,125 Gramm mehr (Schöne nimmt hier das Gewicht des geglühten Rückstandes 0,10 Gramm zur Vergleichung, was unzulässig ist, da er es bei den anderen Versuchen nicht gethan hat) als sich be- rechnet. Aber auch das „sonstige Verhalten“, d.i. die Entwick- lung von Schwefelwasserstoff beim Kochen und das Vorhandensein von Calciumsulfhydrat in der Lösung, ist nicht ein solches, wie es den obigen Gleichungen entspricht: denn auch im 3. Versuch entwickelte sich Schwefelwasserstoff und liess sich Caleiumsulfhy- drat nachweisen. Die Umsetzung, welche beim Kochen von Caleiummonosulfid mit Wasser und Schwefel vor sich geht, ist also keine so einfache, wie sie die obigen Gleichungen ausdrücken. Das ist nicht schwer einzusehen, wenn man ein- mal bedenkt, dass Calciummonosulfid sich mit Wasser in Calcium- hydroxyd und Caleciumhydrosulfid umsetzt, das Letztere aber schon beim Eindunsten im leeren Raum und gar beim Kochen mit Wasser unter Schwefelwasserstoffentwicklung theilweise in Caleiumhydroxyd übergeht und sodann, dass auf vorhandenes Caleiumhydroxyd der Schwefel beim Kochen mit Wasser unter Bildung von Caleiumpo- lysulfidlösung resp. Bildung von unterschwefligsaurem Kalk, der sich beim Einkochen aber wieder in Schwefel und schwefligsauren Kalk zersetzt, einwirkt. Alle diese gleichzeitig verlaufenden Vor- gänge hat Schöne aber, man kann nicht anders sagen, als zu Gunsten seiner auf theoretische Speculationen begründeten Lieb- haberei für ein Calciumtetrasulfid, ausser Augen gelassen. Da also eine ganze Anzahl von Einwirkungen, welche beim Kochen von Calciummonosulfid und Schwefel mit Wasser vor sich gehen, statthaben, auf welche Schöne gar keine Rücksicht nimmt, und es also sehr von der Art der Ausführung der Versuche ab- hängt, beispielsweise ob man schwach oder stark kochen lässt, ob man gut oder gar nicht umrührt u. s. w., welche Umsetzungspro- ducte man erhält, so haben die von ihm ausgeführten Versuche zum Beweise der Existenz eines Calciumtetrasulfides gar keinen Werth. Denkt man z. B. sich die Einwirkung des Schwefels auf BR — 16 — das sich abscheidende Caleciumhydroxyd als eine ebenso rasch ver- laufende, wie die Polysulfidbildung aus Caleiumhydrosulfid unter Annahme der Bildung von nur Trisulfid, so genügt die Menge des von Schöne im 2. Versuch angewandten Schwefels nicht, noch weniger genügt sie natürlich unter Annahme der Bildung von Oal- cium-Tetrasulfid, wie er es will. 6CaS + 60H? = 5CaS?H? + 3 Ca0?H? 3CaS?H? + 68 30383 + 53SH? 3Ca02H? +85 = S?0°Ca + 5?03Ca + 3 OH? S203Ca = S03Ca + S & 6CaS + 30H? + 13S — 5CaS? + S03Ca + 3SH? Auf 6 Mgte Calciummonosulfid sind also dann nicht bloss 12 sondern 13 Mgte Schwefel zur Bildung bloss von Trisulfid nöthig, aber zur Bildung von Tetrasulfid 18 Mgte Schwefel. Also selbst, wenn nur Trisulfid entstand, war die im 2. Versuch zugesetzte Menge von Schwefel zu gering, es musste desshalb auf Jeden Fall Calciumbydrosulfid unverändert bleiben, sich also auch Schwefelwasserstoff entwickeln. Das Fehlerhafte in Schöne’s Vorstellungen vom Hergang besprochener Einwirkung ist also, dass er die Wechselwirkung, welche zwischen Schwefel und dem gebil- deten Kalkhydrat statthat, ganz ausser Acht lässt. 3. Ueber das Strontiumoxysulfid. Gay-Lussac!) bekam, als er eine Lösung von Schwefel- strontium an der Luft stehen liess, dunkelbraune rhomboe- drische Krystalle, die er für Zweifach - Schwefelstrontium hielt. Schöne?) stellte sie dar, indem er „wasserhaltiges Vierfach- Schwefelstrontium an der Luft so lange zerfliessen liess, als die dadurch entstandene Flüssigkeit noch nicht zu dünnflüssig wurde. Sie scheiden sich in dem Syrup als rubinrothe Rhomboöder dann neben anderen helleren Körpern (Oxydationsproducten) aus. Die letzteren verunreinigen sie indessen so, „dass es schwierig ist, sie davon zu reinigen.“ „Besser“ erhielt sie Schöne, als er „den Syrup von der Zusammensetzung SrS* + 60H? mit star- kem Alkohol vermischte, die klare Flüssigkeit von dem schleimi- gen Niederschlag möglichst abgoss und in einem nur unvoll- kommen verschlossenen Gefäss stehen liess.“ Die damit angestellten Analysen ergaben ausser Strontium, Schwefel und Wasser noch einen Verlust von im Mittel 3,13 Proe., 1) Annal. de Chim. et Phys. 1820 T. XIV p. 362. ?2) Poggendorff, Annal. Bd. 117 p. 64. — 17 — den er für einen der Verbindung wesentlich zukommenden Sauerstoffgehalt ansieht und in Folge davon derselben die Formel: SrO.SrS* + 120H? beilegt. Diese Formel setzt sich aber aus folgenden Theilen zusammen: 3(8r?08°+120H?)—OH?= (S?03Sr +50H2)+5 (SrS?-+60H?). Man kann also, wenn man !/, Mgt Wasser in den Krystal- len weniger vorhanden annimmt, als es Schöne thut, was eine bessere Uebereinstimmung der gefundenen und berechneten Ge- wichtsmengen ergibt!), die Substanz, ich will nicht sagen als eine Verbindung, sondern als ein Gemenge, welches dem obigen Verbindungsverhältniss nahezu entspricht, ansehen. Wie bei Zu- tritt der Luft aus Baryum- und Caleium- Mono- oder Poly-Sulfid- lösungen, im letzteren Falle unter Abscheidung von Schwefel das Dithionit dieser Metalle entsteht, so geschieht diess natürlich auch beim Strontium und die von Schöne erwähnten helleren Oxyda- tionsproducte sind offenbar nichts Anderes, als Strontiumdithionit gewesen. An der Luft werden die Krystalle aber auch zweifellos unter Aufnahme von Sauerstoff allmählig in dieses Salz verwandelt. Die Meinung, dass die von Schöne analysirten Krystalle ihren Sauerstoffgehalt beigemengtem Strontiumdithionit verdanken, lässt sich begründen, einmal durch die „dunkelbraune“ resp. „rubinrothe“ Farbe der Krystalle, welche für ein Oxysulfid ungewöhnlich ist, ferner aber vorzüglich durch ähnlich verunrei- nigte Verbindungen, welche Schöne?) beim Baryum erhielt, als er die Auflösung von auf trocknem Wege bereitetem Baryumtri- sulfid verdunsten liess. Erst schieden sich Krystalle von BaS, 60H? und dann nebeneinander „orangegelbe prismatische Krystalle“ und „tieferroth gefärbte Krystallgruppen“ aus. Beide Arten ergaben bei der Analyse einen Verlust — Sauerstoff. Die ersteren im Mit- tel von 2,36 Proc. und die letzteren im Mittel von 2,99 Proc. Erst als die erstere Art noch einmal frisch dargestellt worden war und „sofort“ zu Analysen verwandt wurde, verminderte sich der Ver- lust bis auf 0.89 Proc. und erst, als die zweite Art der Krystalle von beigemengten „Nädelchen von unterschwefligsaurem Baryt“ befreit, aus Wasser im Vacuum umkrystallisirt worden war, ergab !) Nach Schöne’s Formel: Sr?0S* + 120H?, berechnen sich: 32,76 Proc. Strontium, 23,91 Proc. Schwefel, 40,35 Proc. Wasser und 2,98 Proc. Sauerstoff, nach der Formel: Sr603S12 + 35 OH? berechnen sich: 33,1 Proc. Strontium, 24,2 Proc. Schwefel, 39,7 Proc. Wasser und 3,0 Proc. Sauerstoff. Schöne fand im Mittel: 33,17 Proc. Strontium, 25,15 Proc. Schwefel und 38,55 Proc. Wasser. 2) Poggendorff, Annal. Bd. 112, p. 215 u. 224. — 183 — sich bei der Analyse kein Verlust mehr, sondern ein Ueberschuss im Mittel von 0,93 Proc. Die „orangegelben prismatischen Krystalle“ erwiesen sich nun als bestehend aus Ba*S? + 240H? !) und die „tieferrothen Grup- pen prisinatischer Krystalle“ als bestehend aus BaS? + OH?. Schöne gibt zwar an, dass er die Analysen der Strontium- verbindung unmittelbar nach der Gewinnung der Proben ange- stellt habe und, dass sich nachweisen lässt, dass der fehlende Sauerstoff nicht an Schwefel gebunden ist (wie? ist nicht gesagt, vermuthlich mit Hülfe einer salzsauren Lösung von arseniger Säure, die Schöne sonst anwandte) — indessen kann einestheils der unterschwefligsaure Strontian den Krystallen von Haus aus und den einzelnen Individuen in verschiedener Menge beigemengt ge- wesen sein, so dass diess Alles erklärlich erscheint. Schöne sagt dann, dass bei der „Behandlung der Krystalle mit wenig Wasser eine gelbe Lösung entsteht, während ein weisser flockiger schwerer löslicher Körper, welcher Strontianhydrat ist, zu- rück bleibt.“ Wie Schöne dieses letztere constatirt hat, giebt er nicht an, man kann auch vermuthen, dass dieser schwerer lös- liche Körper Strontiumdithionit war. Zudem war die Ausbeute von den Krystallen im reinen Zustande jedesmal eine so ge- ringe, dass Schöne niemals ein volles Gramm erhielt. Nach dem Vorhergehenden scheint es mir gerechtfertigt an der Existenz dieser Verbindung vorerst noch zu zweifeln, obwohl die Möglichkeit ja vorliegt, dass ein Körper von dieser Zusam- mensetzung bestehen kann. Stellt es sich heraus, dass der Sauerstoffgehalt der zur Ana- lyse verwandten Krystalle wirklich von beigemengtem Dithionit herrührt, so würde der davon freien Verbindung die Formel: SrS? + 60H? zukommen. Ein Körper von dieser Zusammenset- zung braucht aber durchaus kein Strontiumbisulfid zu sein, er kann auch, der Baryumverbindung Ba!S? analog, betrachtet wer- den als eine Verbindung von SrS* mit 2SrS. Seine Formel wäre dann: SrS®.28r8 + 180H?. 1) Die Formel: Ba*ST — 24 OH? passt auf die Resultate der Analysen viel besser als die von Schöne aufgestellte Formel: BatS” + 250H?. Schöne fand im Mittel: 45,15 Proc. Baryum, 18,13 Proc. Schwefel und 35,83 Proc. Wasser. Die erste Formel verlangt: 45,5 Proc. Baryum, 18,6 Proc. Schwefel und 35,9 Proc. Wasser; die zweite Formel: 44,87 Proc. Baryum, 18,32 Proc. Schwefel und 36,81 Proc. Wasser. — 119 — ll. Ueber die Constitution der Polysulfide und der Polyoxyde. Diejenigen, welche das Caleium und den Schwefel nur diva- lent annehmen, stehen bei der Frage nach der Constitution der Calciumoxysulfide wieder vor einem unlösbaren Problem. Sie wer- den dem Caleiumtrisulfid die Formel: S—5—S > Ca a ertheilen. Wie ist es aber möglich, dass sich zu einer so consti- tuirten Verbindung noch mehrere Mischungsgewichte Caleiumoxyd oder Caleiumhydroxyd fügen können? Will man das Caleiumoxyd sich in der Verbindung etwa wie Krystallwasser denken, von dem ja ausserdem noch genügend vorhanden ist, dann würde man auch nichts erklären, weil es bis jetzt noch nicht gelang eine Erklä- rung für dieses Wasser zu geben. Es wäre dann eben die Ver- bindung der Art von Verbindungen zuzurechnen, die man mit den Namen der Moleculverbindungen bezeichnet hat. Wer vermag aber den Unterschied einer solchen von einer chemischen Verbindung anzugeben? Die Lehre von den Moleculverbindungen ist eine neue Auflage der alten Binartheorie, welche glauben liess, dass, wenn man die Verbindung nur in bekannte Theile zerlegen könne, das Verständniss damit für sie erlangt sei, ohne zu bedenken, dass diess letztere erst dann vorhanden ist, wenn die Theile durch ein einheitliches Band verbunden, die Theilbegriffe einem Allgemein- begriff untergeordnet werden. Mit der Einführung des Wortes Moleculverbindung in die chemische Wissenschaft ist eine un- nöthige künstliche Schranke innerhalb der chemischen Verbindun- gen errichtet worden, welche den Blick in das chemische Gesche- hen nur einzuengen, nicht zu erweitern vermag. Denn das ist die Aufgabe der chemischen Wissenschaft, aus der Natur der Ele- mente heraus alle nach festen Verhältnissen zusammengesetzte Verbindungen zu erklären, und nicht bloss einen Theil derselben !). Die Frage nach der Constitution der Calcium-Oxysulfide hängt eng zusammen mit der Frage nach der Constitution der Polysul- fide überhaupt. Denn da es Verbindungen von Polysulfiden mit Monosulfiden giebt, so wird ihnen analog auch die Verbindung von Polysulfid mit Monoxyd sein. 1) Vergl. über „Moleculverbindungen“ diese Zeitschrift Bd. X II. Suppl. Heft p. 131 etc. — 20 — Ueber die Constitution der Polysulfide sind drei verschiedene Ansichten möglich: 1) kann man sie als Moleculverbindungen von einem niedrigeren Sulfid mit Schwefel auffassen ; 2) kann man die Ursache ihrer Existenz in der Natur des Schwefels allein finden; und 3) kann man die Ursache ihrer Existenz in der Natur desandern mit dem Schwefel verbundenen Elementes allein suchen. Ich weiss nicht, ob die erste Ansicht, welche ebenso gut eine Berechtigung hat, als die Meinung das Phosphorpentachlorid sei eine Moleculverbindung von Phosphortrichlorid und Chlor, von den Chemikern überhaupt je in ernsthafte Erwägung gezogen worden ist, glaube es aber kaum. Gegen sie ist eben zu sagen, was sich gegen die Moleculverbindungen überhaupt sagen lässt, sie giebt keine Erklärung der Thatsache, sondern weicht einer solchen nur aus, indem sie die Schwierigkeit nicht beseitigt, sondern nur ver- legt, nämlich in ein neues Wort. Dagegen ist die zweite Ansicht eine für gewisse Polysulfide häufig angenommene. Wie sie sich begründen lässt wollen wir zunächst untersuchen. I. Classe. Alle Monosulfide und die bei weitem grösste An- zahl der bekannten Poly-Sulfide der Metalloide und Metalle werden von wohl fast allen Chemikern so aufgefasst, dass in ihnen nur diva- lenter Schwefel enthalten ist, welcher unter sich nicht ver- bunden, sondern mit seinen beiden Affinitätskräften dem Metal- loid oder Metall gegenüber wirksam ist. Das gleiche oder ver- schiedene Zusammensetzungsverhältniss dieser Verbindungen wird unter dieser Veraussetzung also allein bestimmt durch die gleiche oder verschiedene Valenz des mit dem Schwefel in Ver- bindung getretenen Elementes, denn das Zusammensetzungs- verhältniss dieser Verbindungen wird ausgedrückt durch die all- gemeine Formel: n 2 RS. Hierher gehören folgende Mono- und Polysulfide: 1. Einfache Sulfide. Tes?. N2S2 PıS2 (PABa2. Piss mpen>: Pas? As2S?; As25° :As2S>, 56233, ;. 56298 3) 1) Die Pentavalenz des Sticksoffs, Phosphors, Arsens und An- — 21 — 632; SiS?. B?S3, K?S; Na2S. BaS; SrS; CaS. MeS; BeS; YS; ZnS; CdS. ZrS?2; ThS2; Al?S3; In?S®; Ce2S3; Di?S?; La?S3; Cr?S?. FeS; Fe2S3; FeS?. C0oS; Co2S3; CoS?. MnS; MnS:?. NiS; NiS?, CuS?; CuS; Hg?S; HgS; PbS; Ags. T12S; T12S3; Bi?S?; Bi?S?; Au?S®. SnS; SnS?; TiS2; PtS; PtS?; PdS; PdS?. IrS; IrS?; RhS?; Ru?S?; RuS?. MoS?; MoS3; WoS?; WoS3. 2. Die beträchtliche Anzahl von Doppelsulfiden, welche die vorhergehenden Sulfide unter sich zu bilden vermögen: Sulfo- salze und basische Doppelsulfide. 3. Die Oxysulfide des Kohlenstoffs, Urans, Mangans und Vanadiums: COS; Ur?202S; Mn?2OS; VOS?; VOS3. II. Classe. Die noch übrig bleibenden Sulfide, denen eine Constitution, wie den eben aufgeführten nicht zukommen soll, sind die Polysulfide der Alkali- und Alkali-Erd-Metalle, und die Oxysulfide des Calciums: K?S2; K2S®; K2S*4; K2S°. Na?S?; Na?2S3; Na?S*; Na25°% Ba“S?; BaS*t; BaS>. SrSt; SrS°. CaS3.2Ca0; CaS3.3 CaO. In ihnen soll der divalente Schwefel nicht mit seinen beiden Affini- tätskräften dem Metall gegenüber wirksam sein, sondern es sollen die einzelnen Mischungsgewichte Schwefel durch je eine Kraft unter sich in Verbindung stehen. Das Schema, welches dieses aus- drückt ist: N RO REN IR SS NUUPA RER STR Ist diess der Fall, so hängt, unter Voraussetzung der Divalenz des timons wird wohl von keinem Chemiker mehr ernsthaft bestritten, ebensowenig die Tetravalenz des Tellurs. —- m — Schwefels, die Anzahl der in der Verbindung enthaltenen Mischungs- gewichte Schwefels nicht allein ab von der Valenz des mit ihm verbundenen andern Elementes, sondern zugleich auch mit von der Anzahl der Mischungsgewichte des unter sich verbundenen Schwefels,. denn das Zusammensetzungsverhält- niss dieser Verbindungen wird ausgedrückt durch die allgemeine Formel: n Sn, A R(S")’ Während also in der I. Classe von Poly-Sulfiden nur ein ein- I I faches S mit seinen beiden Affinitätskräften wirksam gedacht wird, 1 ist es in der II. Classe von Sulfiden multiples S— S” welches mit seinen beiden Affinitätskräften wirksam sein soll. Die Gründe, welche man für die letztere Vorstellungsweise anzuführen vermag, können nicht sein: 1) das Zusammensetzungsverhältniss der betreffenden Verbin- dungen überhaupt, denn Di-Tri-Tetra- und Penta-Sulfide finden sich auch unter der I. Classe von Sulfiden, 2) dass das (S”) in den Polysulfiden der II. Classe so wenig eigenen Bestand hat, dass das mit ihm verbundene Metall durch die meisten anderen Metalle in aequivalenter Menge nicht ausge- wechselt werden kann, ohne dass ein Zerfall des (S”) eintritt. Denn die Polysulfide der II. Classe setzen sich bekanntlich mit den Nentralsalzen der anderen Metalle nicht so um, dass die den erste- ren analogen Polysulfide gebildet werden, sondern so, dass sich die für jene Metalle charakteristischen Sulfide unter Abscheidung von Schwefel erzeugen, 3) die Thatsache, dass nicht jedem Sulfid ein Oxyd entspricht. Auch bei der I. Classe von Sulfiden ist das nicht immer der Fall, man kennt z. B. kein PtO?, kein P*2O® und kein FeO?2. Man kennt aber K?O2, Na?02, K20, Na?O4 !), Ba02, SrO2, CaO? und muss die Existenz höherer Oxyde dieser drei letzteren Metalle annehmen ?), 4) die Thatsache, dass nicht jedem Sulfid ein Chlorid, Bromid, Jodid etc. entspricht. Diess ist ebensowenig bei allen Sulfiden der I. Classe der Fall. Man kennt z. B. kein P*Cl?, P*Cl:, P:CI®, !) Vergl. Schöne, Annal. d. Chem. und Pharm., Bd. 193, p. 264 und 272. ?) Derselbe, Annal. d. Chem. und Pharm., Bd. 192, p. 284. — 123 — kein As?Cl* und As?C]5, kein FeClt, MnCl?, CoCl*, NiCl* und VCI5, ebensowenig die entsprechenden Bromide und noch weniger die Jodide, 5) ihr Verhalten in der Hitze, wobei sie, wie auch die Poly- sulfide der I. Classe, unter Verlust von Schwefel in niedrigere Sulfide übergehen. Und so bleibt als letzter Grund nur übrig ihr Verhalten zu Säuren, durch welche sie übergeführt werden in Wasser- stoffsupersulfid und Salz. Die Zusammensetzung des dabei entstehenden Wasserstoffsupersulfides ist nicht immer sicher be- kannt, aber auch irrelevant, denn ist dasselbe nicht H?S5, so stellt es ein Gemisch dar von einem niedrigeren Polysulfid + Schwefel. Ein ganz ähnliches Verhalten zeigen auch die Poly-Oxyde (Super- oxyde) der betreffenden Metalle, sie liefern mit Säuren behandelt entweder das Wasserstoffsuperoxyd O2H? allein oder dasselbe + Sauerstoff. Man wird diesem analogen Verhalten nach, die Con- stitution der Polysulfide und die Constitution der Polyoxyde der hier in Frage kommenden Metalle naturgemäss auch als eine ana- loge anzunehmen haben. Das erwähnte Verhalten der Polysulfide und der Polyoxyde der Metalle der Alkalien und alkalischen Erden unterscheidet diese von den Polysulfiden und Polyoxyden der übrigen Metalle, insofern als jene mit Säuren behandelt, wenn sie überhaupt ange- griffen werden, entweder unter Entwicklung von Schwefelwasserstoff resp. Bildung von Wasser einfache Umsetzungsproducte liefern, oder unter Abscheidung von Schwefel resp. Sauerstoff die Um- setzungsproducte niedrigerer Sulfide oder Oxyde liefern, dabei aber kein Wasserstoffsupersulfid resp. Wasserstoffsuperoxyd erzeugen. Dieses verschiedene Verhalten der Polysulfide und Polyoxyde der Elemente der I. Classe von denen der II. Classe kann verschie- dene Ursachen haben. Erstens kann es begründet sein in der Unlöslichkeit resp. Lös- lichkeit der verschiedenen Polysulfide resp. Polyoxyde in Wasser und der in Folge davon schwierigeren oder leichteren Einwirkung der Säuren. Denn da sowohl Wasserstoffsupersulfid als Wasser- stoffsuperoxyd in der Wärme nicht beständig sind, sondern in Schwefelwasserstoff und Schwefel resp. in Wasser und Sauerstoff zerlegt werden, so werden, wenn die Umsetzung erst beim Kochen vor sich geht, an Stelle des vielleicht zuerst als Umsetzungsproduct entstandenen Wasserstoffsupersulfids resp. Wasserstoffsuperoxyds die Zersetzungsproducte davon auftreten. — 14 — Zweitens aber kann es begründet sein in der verschiedenen Constitution. Mann kann sagen, dass diejenigen Polysulfide resp. Polyoxyde, welche durch Umsetzung mit Säuren Wasserstoffsuper- sulfid resp. Wasserstoffisuperoxyd liefern eine andere Constitution haben, als diejenigen, welche dabei diese Zersetzungsproducte nicht geben. Nimmt man diess an, so kann man als Grund dafür aber wieder keinen anderen angeben, als den, dass die Constitution des Wasserstoffsupersulfides resp. Wasserstoffsuperoxydes keine den Polysulfiden der I. Classe analoge sei, und so schliessen: weil diess eben nicht der Fall ist, durch einfache Umsetzung aus ihnen aber Wasserstoffsupersulfid resp. Wasserstoffsuperoxyd gebildet wird und diese wieder durch einfache Umsetzung die Hydroxyde der betref- fenden Metalle in deren Supersulfide resp. Superoxyde zurück ver- wandeln, so kann auch die Constitution der II. Classe von Sulfiden keine der I. Classe analoge sein. Die Frage, um die es sich dreht, ist also die: Wie sind neben den Polysulfiden und Polyoxyden der Metalle der Alkalien und alkalischen Erden das Wasserstoffsuper- sulfid und das Wasserstoffsuperoxyd constituirt? Sind die Eigen- schaften dieser namentlich der beiden letzteren Verbindungen sol- cher Art, dass es nothwendig ist sie anders constituirt zu betrach- ten, als die Polysulfide resp. Polyoxyde der I. Olasse. Das Wasserstoffsupersulfid zerfällt so leicht in das Monosulfid und Schwefel, dass nur wenig von anderen Eigenschaf- ten desselben bekannt ist. Diese Zersetzung verläuft aber ganz im Sinne derjenigen, welche die Polysulfide der I. und II. Classe durch Wärme erleiden. Soviel wir im Ganzen davon wissen zeigt es ein dem Wasserstoffsuperoxyd analoges Verhalten. Das Wasserstoffsuperoxyd hat folgende wesentliche Eigenschaften: 1. Es zerfällt bei gewöhnlicher Temperatur langsam bei höhe- rer rasch in Wasserstoffmonoxyd und Sauerstoff, verhält sich also analog, wie die Superoxyde resp. Supersulfide des Mangans und Bleis in höherer Temperatur. 2. Es wirkt durch Sauerstoffabgabe oxydirend und verwan- delt so z. B. Metalle, wie Aluminium und Eisen in Aluminiumoxyd und Eisenoxyd, die Monoxyde der Alkali- und Alkalierd-Metalle in Superoxyde, die niedrigen basischen Oxyde des Mangans, Bleis und Thalliums bei Gegenwart von Alkali, d. h. mit Hülfe der zuerst erzeugten Alkalisuperoxyde, in höhere Oxyde, es oxydirt z. B. schweflige Säure zu Schwefelsäure, arsenige Säure zu Arsensäure, es wird durch verdünnte Salzsäure nicht zersetzt, wohl aber durch — 15 — concentrirte Salzsäure, wobei sich „sehr viel Chlor“ entwickelt, es scheidet aus Jodkalium Jod ab). Dies Verhalten entspricht völlig dem der Superoxyde von Mangan und Blei. So wird z. B. durch Bleisuperoxyd das Man- ganooxyd in seinen Salzen zu Mangansuperoxyd, bei Gegenwart von Salpetersäure sogar zu Uebermangansäure oxydirt, schweflige Säure verwandeln sie in Schwefelsäure, arsenige Säure in Arsen- säure, von verdünnter Salzsäure werden beide Superoxyde nicht angegriffen, mit conc. Salzsäure entwickeln sie Chlor, aus Kalium- jodid scheiden sie Jod ab. 3. Es wird durch conc. Schwefelsäure unter Entwicklung von Sauerstoff, vorzüglich beim Erwärmen, rasch zersetzt, verhält sich also wie Mangan- und Bleisuperoxyd. Es scheint sich aber auch mit Säuren vereinigen zu können, da seine mit verdünnten Säuren versetzten Lösungen beständiger sind als die reinen wäss- rigen Lösungen ?). Solche Verbindungen mit Säuren bilden auch 1) Vergl. Schöne, Annal. d. Chem. und Pharm., Bd. 196, p. 67; Bd. 193, p. 249 und Bd. 195 p. 232. 2) Wahrscheinlich ist aber auch die conc. Schwefelsäure fähig sich mit Wasserstoffsuperoxyd zu verbinden. Schöne (Annal. d. Chem. u. Pharm., Bd. 195, p. 251) sagt, dass er eine Einwirkung des Wasser- stoffsuperoxyddampfes auf concentrirte Schwefelsäure vielfach beobach- tet habe. Er hält dafür, dass diese Einwirkung nach der Gleichung: ’ SO2H2 +02H? —= SO* + 2 OH? verlaufe. Ebenso sprechen dafür die Versuche von Berthelot (Compt. rend. T. 86, p. 20 und 71) über die sogenannte Ueberschwefel- säure, welcher er die Formel S?O° giebt. Es ist sehr wahrschein- lich, da diese Verbindung auch von ihm bei der Electrolyse von conc. Schwefelsäure beobachtet worden ist, dass sie ist: S207° + OH? = S20%H? = 280° + 0?2H2, d. h. eine der Pyroschwefelsäure analoge Verbindung von 2 Mgtn SO3 mit 1 Mgt O°H?. Berthelot hat keine genügenden Beweise dafür beigebracht, dass bei ihrer Bildung aus Schwefligsäureanhydrid und Sauerstoff das Wasser absolut ausgeschlossen war. Auch die von ihm erhaltenen analytischen Resultate, welche einestheils die Menge des in Verbindung gegangenen Sauerstoffvolums zum Schwefligsäure- anhydridvolum feststellen, anderentheils die Sauerstoffmenge, welche bei ihrer Zersetzung unter Schwefelsäurebildung frei wird, stimmen eben- so gut für S2O°7 als für S?O8H?, denn es ist: I. 2502 + 30 = 8207 und 2S0?2 + 30 + OH? = S?03H2 I. 8207 = 2803 +4 O und S?03H? = 2803 + OH? +0. Berthelot fand bei ihrer Bildung das Volumverhältniss von SO? : O —= 4:3, was jeder der sub I. angeführten Bildungsformen entspricht; und bei ihrer Zersetzung das Mischungsgewichts-Verhältniss von ge- bildeter SO? :O — 2:1, was gleichfalls jeder der sub II angeführten Zersetzungsgleichungen entspricht. Dass die Verbindung in der „Mehrzahl der Fälle“ („dans la plu- — 16 — das Mangansuperoxyd und das Bleisuperoxyd. Die des ersteren mit Schwefelsäure hat Fremy!), die beider Superoxyde mit Essigsäure hat zuerst Jacquelin?) und dann Schönbein) dargestellt. 4) Es geht Verbindungen ein mit den Superoxyden der Al- kalien und alkalischen Erden, so bildet es z. B. die Verbindungen: Ka?O®, 2 0O?2H?; Na?02, 2 O2H?; BaO2, H20? #) etc. Derartige Doppel-Superoxyde sind vom Mangan- und Blei- Superoxyd allerdings noch nicht bekannt — man hat ihre Dar- stellung auch noch gar nicht versucht —, wohl aber Verbindungen dieser Superoxyde mit Monoxyden, wie sie, wenn auch nicht das Wasserstoffsuperoxyd bildet, weil es die löslichen Monoxyde gleich höher oxydirt, so doch das Baryumsuperoxyd. Solche sind: PbO?, K?O und PbO2, Na?O (Fremy)5)5MnO?, K2O und MnO?, 2MnO, (Gorgeu)®), 4MnO?, 2K?O und Mn2O!°H®K (Rammels- berg’), Morawski und Stingl)®), MnO2, CaO und MnO?H?Ca (Weldon)°), die Psilomelane und ferner die Verbindungen: Ba0?, BaO (Rammelsberg)!?). 5. Ein besonderes bis jetzt überhaupt nicht zu erklärendes Verhalten zeigte das Wasserstoffsuperoxyd insofern a) als esin reinem Zustande schon in wässriger Lösung durch eine Menge verschiedener Substanzen in Sauerstoff und Wasser zerlegt wird, ohne dass diese Substanzen selbst eine Veränderung zu erleiden scheinen (Katalyse). part des cas‘) übermangansaures Kali nicht. reducirt und dass sie im „Allgemeinen“ (‚en general“) weder Ueberchromsäure noch das charak- teristische (?) Calciumsuperoxydhydrat bildet, und dass sie sich viel rascher zersetzt als Wasserstoffsuperoxyd (nach Verlauf von 6 Wochen ganz), das wird eben daher rühren, dass sie kein Wasserstoffsuperoxyd für sich ist, sondern eine Verbindung mit Schwefelsäure, und wohl aufzuklären sein. !) Fremy (Compt. rend. T. LXXXIL, p. 475 und Jahresber. für 1876, p. 248), stellte dar: MnO2, SO®; (MnO?, 2 SO3® + MnO, SO?) und (MnO?, 2 SO3 + K?O, SO3). 2) Journ. f. pract. Chemie, Bd. 53, p. 51. 3) Ebend. Bd. 74, p. 325. 4) Schöne, Annal. d. Chem. und Pharm., Bd. 193, p. 259 und Bd. 192, p. 269. 5) Berzelius, Lehrb., V. Aufi., Bd. II, p. 619. 6) Jahresber. f. 1862, p. 155 und £. 1877, p. 253. ?) Ber. d. chem. Gesellsch. zu Berlin, Bd. VIII, p. 232. 8) Journ. f. pract. Chemie, N. F. Bd. 18, p. 78. 9) Jahresber. f. 1874, p. 1098. 10) Ber. d. chem. Gesellsch. zu Berlin, Bd. II, p. 148. — 21 — b) als es, wenn mit verdünnter Säure vermischt und mit an- deren Oxyden, welche mehr Sauerstoff enthalten, als ihre basischen Oxyde, zusammengebracht, auch diese letzteren veranlasst das Plus von Sauerstoff, welches sie über die basische Oxydationsstufe ent- halten, mit abzugeben, es also eine reducirende Wirkung ausübt. Leichter als dieses Verhalten war zu begreifen c) dass es in alkalischer Lösung einfach oxydirend wirkt. In neuester Zeit ist nun wenigstens dieses letztere Verhalten von Schöne genauer untersucht und aufgeklärt worden !). Dabei hat sich ergeben, dass die Wirkung des Wasserstofisuperoxyds in alkalischer Lösung durch eine Reihe, unter dem Einfluss des Was- sers nach einander verlaufender chemischer Prozesse, welche dar- stellbare Verbindungen betreffen, bedingt ist und welche zuerst in einer Oxydation, dann einer darauf folgenden Umsetzung und einer schliesslichen Zersetzung der gebildeten Producte bestehen. Darnach ist es nicht minder wahrscheinlich, dass durch eine genaue Untersuchung auch das Verhalten des Wasserstoffsuperoxyds in saurer Lösung auf ein ähnliches nachweisbares chem. Geschehen zurückgeführt werden kann. Einen Versuch dazu hat Schöne bereits gemacht?). Und so wird es schliesslich auch gelingen das Verhalten des Wasserstoffsuperoxydes als ein auf rein chemische Wechselwirkung beruhendes, zu begreifen. Dieses seither unerklärliche Verhalten des leicht zersetzbaren, in Wasser löslichen Wasserstoffsuperoxydes war es wohl auch mit, welches zu der Meinung beigetragen hat, die Constitution des- selben müsse eine besondere, von der der anderen Superoxyde ab- weichende sein. Man übersah dabei indess, dass das beständige aber in Wasser unlösliche Baryumsuperoxyd dieses besondere Ver- halten nicht zeigt und hätte also von der Constitution des Baryum- superoxyds aus, auf die Constitution des Wasserstoffsuperoxyds schliessen sollen, anstatt umgekehrt zu verfahren und eine für das Wasserstofisuperoxyd ersonnene besondere Constitution auf das Ba- ryumsuperoxyd zu übertragen. Fassen wir nun das Resultat dieser das thatsächliche Verhal- ten der Supersulfide und Superoxyde vergleichenden Betrachtung kurz zusammen, so ergiebt sich, dass, mit Ausnahme der unter 5. aufgeführten eigenthümlichen Zersetzungen des Wasserstoffsuper- oxydes deren Zurückführung auf chemische Vorgänge bekannter 1) Annal. d. Chem. u. Pharm., Bd. 192, p. 257 u. Bd. 193, p. 244. *2) Annal. d. Chem. u. Pharm., Bd. 195, p. 251. —. 18 — Art bis jetzt noch nicht allseitig gelungen ist, aber sehr wahr- scheinlich gelingen wird, keine einzige Thatsache existirt, welche einen we- sentlichen Unterschied im Verhalten des Wasser- stoffsuperoxydes und der übrigen Metallsuperoxyde begründetund dass die Alkali- und Alkali-Erd-Su- peroyde ihrem Verhalten nach den andern Super- oxyden durchaus entsprechen. Dadurch rechtfertigt sich also thatsächlich die Meinung, dass die Constitution der Superoxyde und Supersulfide der Metalle der Al- kalien und alkalischen Erden als eine mit den Superoxyden und Supersulfiden der übrigen Elemente analoge sein, in ihnen also auch der Schwefel resp. Sauerstoff nicht unter sich verbunden, son- dern mit seinen beiden Affinitäten dem anderen Element gegenüber wirksam sein müsse. Die Maxivalenz des Ka- liums und Natriums ergiebt sich dann aber = fünf, die des Baryums und Strontiums—=zehn, da alle diese Metalle Pen- tasulfide (K?S® ete., BaS> etc.) zu bilden vermögen. Vom Kalium und Natrium existiren ferner Wasserstoff- und Chlor-Verbindungen von der Formel: K2H; K?Cl und Na?’H; Na?Cl. Diese Verbindungen sind völlig unerklärbar, wenn die Maxivalenz dieser Metalle = I ist. Ihre Existenz widerlegt daher direct die letztere Annahme. | Nach dem im Vorhergehenden gegebenen Vergleich seines thatsächlichen Verhaltens muss also auch das Wasserstoff-Su- peroxyd resp. Wasserstoff-Supersulfid den Alkali-Poly- oxyden resp. Polysulfiden analog constituirt betrachtet werden. Die Berechtigung eines Analogieschlusses zwischen Wasserstoff und den Alkalimetallen ist niemals bestritten worden. Man hat stets den Wasserstoff und die Alkalimetalle als sehr ähnliche Elemente bezeichnet, ja sogar die metallische Natur des Wasserstofies auf Grund dieses analogen Verhaltens behauptet. Man hat ja eben des- halb auch die Polyoxyde und die Polysulfide der Alkali- und Al- kalierd-Metalle anders als die entsprechenden Oxyde und Sulfide der übrigen Elemente constituirt betrachtet. Da sich nun aber aus dem thatsächlichen Verhalten dieser Verbindungen, welches nicht erst seit letzter Zeit bekannt ist, ein Grund für ihre Con- stitutionsverschiedenheit nicht herleiten lässt, so müssen es Be- trachtungen theoretischer Art gewesen sein, welche dazu führten den Satz aufzustellen: — 129 — der Wasserstoff ist in allen seinen Verbindungen ein- zig und allein monovalent, oder mit anderen Worten: die Maxivalenz des Wasserstoffs ist = I. Welche Art von Betrachtungen kann man aber zu diesem Zwecke anstellen? Es unterliegt keinem Zweifel, dass dieselben mit den Ansichten über die Valenz der Elemente in engem Zusammenhange stehen müssen. Man kann unter dem chemischen Werth oder der Valenz eines Elementes zweierlei verstehen: einmal die jeweilige Anzahl chemischer Kräftewirkungen, welche ein Mischungsgewicht eines Elementes äussert; und sodann die höchste Anzahl chemischer Kräftewirkungen, welche ein Mischungsgewicht eines Elementes überhaupt zu äussern vermag. Beide Definitionen schliessen einander nicht aus. Die erstere, welche nur die jeweilige chemische Thätigkeit eines Elementes aus- drückt, ist ein specieller Fall von der zweiten, welche die chemische Gesammtthätigkeit des Elementes umfasst. Die der letzteren Defi- nition entsprechende Zahl allein muss als die wahre oder „abso- lute Valenz“ des Elementes, als der wahre, weil ganze chemische Wirkungswerth desselben bezeichnet werden, gegenüber der der erste- ren Definition entsprechenden Zahl, welche als „partielle Valenz“ zu bezeichnen wäre. Dass ein Mischungsgewicht eines Elementes mit dieser seiner chemischen Gesammtthätigkeit, der absoluten Va- lenz oder „Maxivalenz“ sich nur andern Elementen gegenüber in Wirksamkeit befinden kann, ist möglich, aber nicht nothwendig; es kann auch nur mit seines Gleichen oder mit diesem und mit anderen Elementen zugleich in chemischer Action sich befinden. Ebensowenig ist es nothwendig, dass die einzelnen chemischen Kräfte, womit es wirkt, unter sich gleich sind, sie können ebenso- gut unter sich verschieden und zwar so verschieden sein, als die Verschiedenheit derjenigen Kräfte von Elementen ist, welche einen sogenannten chemischen Gegensatz bilden. Mit anderen Worten, ein Theil der Kräfte eines Elementes kann gewissen Elementen gegenüber eine Wirksamkeit äussern, die es anderen Elementen gegenüber nicht zu äussern braucht. Berücksichtigt man diese verschiedenen Möglichkeiten, so er- scheint es durchaus begreiflich, wenn ein Element sich nur mit gewissen Elementen in mehreren Verbindungsverhältnissen ver- einigt, mit andern aber nur Verbindungen nach einem Verbin- Bd. XIII. Suppl. I. 9 — 10 — dungsverhältniss eingeht. So kann es z. B. eine grössere Anzahl von Oxydations- oder Schwefelungs-Stufen für ein Element geben, als Verbindungsstufen desselben mit den Halogenen oder dem Was- serstoff. Dieser letztere Fall ist in der That sehr häufig, denn er findet sich bei den folgenden Elementen: S; Se; Te; N; P; As; Cr; Fe; Co; Ni; Mn; Cu; Pb; Ag; Bi; ferner: K; Na; Ba; Sr; Ca und H. Da uns das Verhalten eines Elementes aber nicht a priori bekannt ist, wir dasselbe vielmehr erst aus seinem gesammten chemischen Verhalten ableiten müssen, so liefert dieses Verhalten das einzige Material, welches wir einer vorurtheilsfreien Prüfung zu unterwerfen haben, um die „Maxivalenz‘“ des Elementes fest- zustellen. Eine solche Prüfung aber führt, wie wir oben gesehen haben dazu, bei dem Kalium und Natrium die Maxivalenz dieser Metalle nicht gleich eins, sondern mindestens gleich fünf und bei dem Baryum, Strontium und Calcium die Maxi- valenz nicht gleich zwei, sondern mindestens gleich zehn zu setzen. Sie nöthigt ferner dazu die Maxivalenz auch des Wasser- stoffs grösser als eins, nämlich mindestens gleich drei oder viel- leicht gar mindestens gleich fünf anzunehmen. So sehen wir also, dass weder aus dem Begrifi der Valenz, noch aus der Art und Weise sie abzuleiten ein Beweis für den Satz: „der Wasserstoff ist einzig und allein monovalent“, herge- leitet werden kann. Welcher Art die Thätigkeit derjenigen chemischen Kräfte ist, welche ein Element andern Elementen gegenüber nicht äussert, d.h., wenn es sich in dem Fall befindet, dass es nur mit „partieller Valenz‘“ wirkt, darüber fehlen uns zur Zeit noch die näheren Kennt- nisse. Jedenfalls werden wir uns aber diese Kräfte nicht als schlummernde oder „ungesättigte“, sondern als unter sich in Wech- selwirkung befindlich zu denken haben. Unter Annahme der Maxivalenz V und der partiellen Valenzen III und I für Kalium und Natrium resp. Wasserstoff, erhalten die Supersulfide und Superoxyde dieser Elemente die folgenden Formeln: u yrEE — I eK K:28s3 _m=ßS In v m. K—-S— K=5S oder K ERBEN, —ue Kite 11 —S-K=S en N | ok =s a Im — O0 I RO RN X .„=0O RIO KO I —0 —- K=0 Analoge Formeln kommen den entsprechenden Verbindungen des Natriums zu. x an IT v=S HD: — Bones 1 —Ss—H TI ; 20 On Unter Annahme der Maxivalenz: X, und der partiellen Valen- zen: VII, VI, IV und II für Baryum, Strontium und Calcium erhalten die Supersulfide und Superoxyde dieser Elemente Formeln, welche folgendem allgemeinen Schema entsprechen: - - ns A MS? — a Me ze 2 ur une => VI RR NS MS —=-M_,;MS—-M—-S Is 2: EINER 2 MEN RE M®=M_0;M%=-M_ 5, — 0 Die vom Baryum bekannte Verbindung: Ba®S?, welche aus einer Lösung von Baryumtrisulfid in Wasser neben Baryummono- sulfid und Baryumtetrasulfid krystallisirt und also wohl als eine Verbindung dieser beiden (Ba?S? —= BaS*! + 3 BaS) zu betrach- ten ist, ist dann nach folgender Weise constituirt: eu u MM ‘B weg —_ Me Ba A RE RR ZURDE N UNE. > 9,* 152 Den Calciumoxysulfiden endlich würden dann folgende Formeln zukommen: Herschell’s Krystalle: CaS?, 2CaO + 10 o. 11 OH? N Ca oder wahr- y —0-— 2 un an ST GE DE INNE scheinlicher:: 2 0ER —— 8} aRT vı —S — Ca0OH CG-H ı + 8 0. 9 ONM2. —S — Ca0H — OH Buchner’s Krystalle: CaS?, 3Ca0O + 14 o. 150H? = II 5. #8—&0H a 9 ei 1 1 —OH ı ie Ü 9 oder wahr- 11 —_S _— CaOH ee +, 140. 150B° ‚heinlicher: (4 Om y + 120. 28/008. —S— 0, 28% ,Ca0H a OH Ueber einige Verbindungen der schwefligen Säure. Von A. Geuther. I. Ueber die Zusammensetzung des krystallisirten Schwefligsäure - Hydrates. Wenn man in Wasser von + 3 bis 4° C. Schwefligsäure-Gas bis zur Sättigung leitet, so krystallisirt bekanntlich Schweflig- säurehydrat in farblosen eisähnlichen Krystallen aus. Die Zusam- mensetzung dieser Krystalle ist von Schönfeld zu SO®-+150H?, von Döpping zu SO? + 110H? und von Pierre zu SO? + 90H? angegeben. Pierre, welcher zuweilen etwas mehr Wasser fand, als seiner Formel entspricht, vermuthete dann etwas Eis beigemischt. Der Schmelzpunkt der Krystalle wird von Schön- feld zu + 3,4°, von Döpping bei — 2° bis — 1°, bei + 4° von Pierre und bei + 4° bis + 5° von Delarive angegeben. Indess keiner dieser Experimentatoren hat eisfreie Krystalle ge- habt, so dass Zusammensetzung und Schmelzpunkt der Verbin- dung von ihnen unrichtig gefunden worden sind. Wenn man die in grösserer Menge dargestellten Krystalle bei 0° Luftwärme abfiltrirt, so tritt sofort durch die in Folge von Verdunstung des Schwefligsäureanhydrids entstehende Kälte Eis- bildung ein. Es gelingt nur bei raschen Abfiltriren im bedeckten Trichter und späteren längerem wiederholten Auspressen reine eisfreie Krystalle zu erhalten, wenn die Lufttemperatur etwa 8° über Null ist. So dargestellte und in Röhren eingeschlos- sene Krystalle schmelzen erst bei + 14°. Dabei scheidet sich ein Theil Anhydrid unter der wässrigen Schicht flüssig ab. Das spez. Gewicht der geschmolzenen Krystalle (mit abgeschiedenem flüssi- gen Anhydrid) wurde zu 1,147 bei + 14° gefunden. — 14 — Die Analyse wurde so ausgeführt, dass in einem mit schwe- felsäurefreiem und 0° kaltem Chlorwasser gefüllten Stöpseleylinder das verschlossene Rohr mit den Krystallen gebracht wurde und nach dem festen Verschluss des Stöpsels durch Schütteln die Spitze des ersteren abgebrochen wurde. Nachdem alle schweflige Säure im Chlorwasser aufgelöst war, wurde noch längere Zeit der Cy- linder verschlossen gehalten, darnach das überschüssige Chlor im Becherglas verdunstet und die gebildete Schwefelsäure durch Ba- ryumchlorid gefällt. So wurden gefunden einmal 31,5 Proc., ein anderes Mal 52,1 Proc. Schwefligsäureanhydrid und also 68,5 resp. 67,9 Proc. Wasser. Nimmt man nun an, dass bei der relativ hohen Lufttempe- ratur, bei welcher die Krystalle getrocknet wurden, durch Zer- setzung der Verbindung und in Folge der Verdunstungskälte des sich verflüchtigenden Anhydrides eine kleine Menge Wasser resp. Eis den Krystallen sich beimischt, wie gar nicht anders zu er- warten ist, so wird bei der Analyse immer etwas zu viel Was- ser gefunden werden. Dies in Rücksicht gezogen, ergiebt sich für das krystallisirte reine Schwefligsäurehydrat die For- mel: SO2 + 7OH? oder SO®H? + 60H?, wie folgende Zusam- menstellung zeigt. ber. gef. SO? — 64 33,7 31,5 32,1 70H: = 16 663 (685) (679) 190 100,0 I. Ueber die Zersetzung der Kaliumsulfite in der Wärme. 1. Das saure Kaliumsulfit: SO®HK wurde durch Fäl- len einer mit schwefliger Säure übersättigten Kaliumcarbonatlö- sung, mittelst Alkohol dargestellt. Dasselbe reagirt, in Wider- spruch mit den Angaben Muspratt’s!), sauer und nicht neutral. An der Luft oder in nicht ganz schliessenden Gefässen verwandelt es sich allmählig, wie bekannt, unter Verlust von schwefliger Säure und Aufnahme von Sauerstoff in neutrales Kalium sulfat. Wird das Salz im Röhrchen im Luftbad auf 100° erhitzt, so bleibt es nahezu unverändert und erhält kaum einen gelblichen !) Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. L p. 263. — 15 ° — Schein, der, wenn eine grössere Menge Substanz angewandt wor- den war, in der Mitte vorzüglich zum Vorschein kommt (vergl. Pyrosulfit). Es verliert dabei kaum schweflige Säure oder Was- ser und gibt eine klare wässrige Lösung. Wird dasselbe aber weiter auf 190° erhitzt, so wird es voll- ständig zersetzt, es entweicht Wasser und viel schweflige Säure, die durchscheinend krystallinische Masse wird nun un- durchsichtig und schmutzig gelblich. Die ursprüngliche saure Reaction geht in eine neutrale über. Das Salz ist jetzt in un- terschwefligsaures und schwefelsaures Salz verwandelt. Beim Auflösen in Wasser bleibt eine gewisse Menge von schmut- ziggelben Schwefel ungelöst, welche um so grösser ist, je langsa- mer die Steigerung der Temperatur auf 190° stattgefunden hat und wahrscheinlich von einer Einwirkung der entweichenden schwef- ligen Säure auf bereits gebildetes unterschwefligsaures Salz her- rührt, vor sich gegangen nach den Gleichungen : S20°K? + SO®H? = S203H? + SO?K? S203H? — 50? + OH?. Die wässrige Lösung des bis auf 190° erhitzten Salzes gibt mit Salzsäure übersättigt nach einiger Zeit oder beim Erwärmen rasch die Reactionen der unterschwefligen Säure und zwar um so mehr, je rascher die Erhitzung des Salzes auf 190° vor sich gegangen ist, ferner gibt sie nach dem Ansäuern mit Ba- ryumchlorid einen im Ueberschuss der Salzsäure unlöslichen reich- lichen Niederschlag von Baryumsulfat, so dass die hauptsäch- liche Zersetzung des sauren Sulfites bei 190° durch folgende Glei- chungen ausgedrückt werden kann: 4S03HK = 2S03K? + 250? + 20H? 2S03K? = 5203K? + 02 + K?0 20 + 2503HK = 2S0°HK 2S04HK + K20 = 2S0*K? + OH? 3 6S03HK = S?0°K? + 250:K?2 + 250? + 30H? Wird das bis 190° erhitzte Salz nun allmählig weiter erhitzt, so fängt an Schwefel zu sublimiren und bei höherer Temperatur entsteht dann braunes Kaliumpolysulfid. Es verhält sich nun wie unterschwefligsaures Salz, von dessen Vorhandensein eben diese Veränderung noch herrührt !). 1) Muspratt (a. a. O. p. 262) glaubte, dass die Zersetzung nach der Gleichung: 5803K2 — SO? + 3S04K? + K?0 + K2S vor sich ginge. — 156 — Wird das saure Sulfit im Röhrchen über freiem Feuer erhitzt, so geht Wasser und schweflige Säure rasch fort und nun zeigt es genau die Veränderungen, welche Natriumdithionit beim Erhitzen bis zum Glühen zeigt: unter Sublimation von etwas Schwefel ent- steht, neben Sulfat braunes Polysulfid. Die wässrige Lösung des so erhaltenen Rückstandes im Wasser reagirt natürlich stark al- kalisch. So geht beim Erhitzen des sauren Kaliumsulfits also die an- fänglich saure Reaction bei 190° in eine neutrale über, um in höherer Temperatur zu einer alkalischen zu werden. 2. Das Kalium-Pyrosulfit: S2O5K?, welches sich stets aus einer mit schwefliger Säure vollständig übersättigten und durch einen geringen Eisengehalt gewöhnlich grünlich erscheinenden Lö- sung in harten Krystallen leicht ausscheidet, da es in kaltem Wasser verhältnissmässig schwer löslich ist, riecht nicht nach schwefliger Säure, reagirt gleichfalls sauer und wird durch den Sauerstoff der Luft nicht verändert, kann also in lufthaltigen Gefässen ohne sich in Sulfat zu verwandeln aufbewahrt werden. Es erfährt aber allmählig dabei eine andere Veränderung, indem die, in ziemlicher Grösse durch Krystallisiren der Lösung über Schwefelsäure in einer Kohlensäureatmosphäre zu erhaltenden ganz durchsichtigen Krystalle, nach jahrelangem Aufbewahren an ein- zelnen Stellen weisse Ausblühungen erhalten, welche aus unter- schwefligsaurem und schwefelsaurem Salz bestehen. Es ist das dieselbe Veränderung, welche es seiner ganzen Masse nach beim Erhitzen auf 190° erleidet, und welche auch das saure Sulfit erfährt. Im Röhrchen über freiem Feuer erhitzt verhält es sich diesem Letzteren gleich, beim Erhitzen auf 100° wird es aber stärker als dieses verändert, indem eine stärkere gelbliche Fär- bung der Krystallkrusten eintritt und die einzelnen Krystalle opa- lisirend werden. Dem entsprechend hinterlässt es dann nach dem Auflösen in Wasser auch etwas Schwefel und enthält etwas SchmEr felsaures Salz. 3. Das neutrale Kelinmenlikt: SO3K?2 + 20H?, wel- ches alkalische Reaction zeigt, verliert beim vorsichtigen Erhitzen im Röhrchen zuerst Wasser mit nur Spuren von schwefliger Säure, bleibt also im Ganzen unverändert; erst nahe oder in der Glüh- hitze zersetzt es sich in Sulfat und braunes Polysulfid. Il. Ueber das Chlorid der aethylschwefligen Säure. Im Juli des Jahres 1874 haben A. Michaelis und G. Wag- ner mitgetheilt!), dass sie durch Behandeln des Schwefligsäure- Aethers SO3(C?H5)® mit Phosphorpentachlorid das Chlorid der aethylschwefligen Säure (Aethoxyl-Thionylchlorür) als eine zwi- schen 120° und 125° destillirende Flüssigkeit, die sich aber nicht ganz vollständig von Phosphoroxychlorid trennen liess, und von der die Hauptmenge bei 122° destillirte, erhalten haben. Am Anfang desselben Jahres liess ich bei Gelegenheit der Darstellung des Schwefligsäure-Aethers durch Hrn. Röschlau gleichfalls die Einwirkung von Phosphorpentachlorid auf den Aether versuchen und bin im Ganzen zu denselben Resultaten wie Mi- chaelis und Wagner gelangt. Angewandt wurden 10 Gramm S03(C2H5)? auf 15 Gramm PCI’. Bei der Einwirkung ist ge- ringe Erwärmung zu bemerken, das Phosphorchlorid löst sich voll- ständig im Aether. Bei der Destillation ging Alles ohne beson- dere Entwicklung von schwefliger Säure unter 140° über. Beim Fraktioniren aber zerfällt das Chlorid beständig und rasch in SO2 und C?H°Cl. Michaelis und Wagner er- wähnen diese leichte Zersetzbarkeit des Chlorides nicht. Darnach ist es aber wahrscheinlich, dass das von denselben bei der Ein- wirkung von Phosphorpentachlorid auf Aethylschwefligsäurechlorid bei 180° erhaltene Thionylchlorid von der Einwirkung des Penta- chlorides auf durch Zersetzung entstandenen Schwefligsäure-Anhy- drid herstammt und nicht durch directe Wirkung aus dem Aethyl- schwefligsäurechlorid gebildet worden ist. Da auf diese Weise die reine Verbindung nicht zu erhalten war, so wurde versucht sie durch Vermischen von Thionylchlorid mit Schwefligsäure- Aether zu erhalten. 12 Gramm Aether und 10 Gramm Chlorid wurden im mit Eiswasser umgebenen Rohr zu- sammengegossen und das Rohr verschlossen. Schon bei gewöhn- licher Temperatur begann die Einwirkung, welche sich durch ge- ringe Erwärmung fühlbar machte. Das Rohr wurde 2 Stunden auf 120° erhitzt. Nach dem Oeffnen zeigte sich der Inhalt als aus SO? und C?H?’C1 bestehend. Ein zweites Rohr, in welchem 16,5 Gramm Schwefligsäure- Aether und 14 Gramm Thionylchlorid gemischt worden waren, wurde verschlossen bei gewöhnlicher Zimmertemperatur stehen ge- !) Bericht d. deutsch. chem. Gesellsch. 1874 p. 1074. — 18 — lassen. Es trat wieder geringe Erwärmung ein. Allmählig ver- schwindet die gelbliche Färbung des durch das Chlorid verursach- ten Gemisches und die Flüssigkeit wird ganz farblos. Später aber nimmt sie wieder eine bräunliche Färbung an, die immer deutli- cher wird. Bei der Destillation des Inhaltes zeigte sich, dass derselbe gleichfalls fast ganz aus SO? und C?H5C]l bestand. Also auch schon beim längeren Aufbewahren wird das Chlorid der aethylschwefligen Säure, wenn es überhaupt eine gewisse Bestän- digkeit besitzt, zersetzt in Schwefligsäureanhydrid und Chloraethyl. Dass das Chlorid der aethylschwefligen Säure diesen Eigen- schaften nach nur metamer, aber nicht identisch ist mit dem bei 173,5° unzersetzt siedendem Aethylsulfonchlorid, unterliegt natür- lich keinem Zweifel. Ueber einen neuen Phosphorsäure - Aether. Von A. Geuther. Bei der wiederholten Darstellung des Phosphorigsäure-Aethers nach dem von Williamson mitgetheilten Verfahren von Rail- ton!) aus Phosphortrichlorid und Natriumalkoholat wurde eines- theils bemerkt, dass man eine grössere Ausbeute erhält, wenn man auf das gänzlich alkoholfreie Alkoholat, das man rasch . gepulvert in eine Retorte bringt und mit reinem Aether übergiesst, tropfenweise das Chlorid einwirken lässt, als wenn man alkohol- haltiges Alkoholat verwendet, anderntheils wurde aber auch be- obachtet, dass trotz möglichstem Ausschluss von Feuchtigkeit, An- wendung von ganz reinem Trichlorid und sorgfältigstem Arbeiten doch lange nicht die sich berechnende Menge des Aethers erhal- ten lässt. Die Ursache davon kann nur in zwei Umständen liegen: einmal kann nämlich das noch unzersetzt vorhandene Natrium- alkoholat auf den gebildeten Phosphorigsäure-Aether weiter einwir- ken und eine Verbindung erzeugen, aus welcher durch Phosphortri- chlorid Phosphorigsäure-Aether nicht wieder regenerirt wird oder aber das nachtropfende Chlorid wirkt auf den gebildeten Aether und es entsteht eine Verbindung, welche durch das vorhandene Alkoholat sich nicht wieder zu Phosphorigsäure-Aether umsetzt. Um darüber Klarheit zu erhalten hat Hr. Dr. O. Hergt fol- gende Versuche angestellt. Zunächst wurde eine etwas geringere Menge von Trichlorid angewandt als sich für die volle Umsetzung des Alkoholates berechnete. Das Resultat war, dass eine noch geringere Menge ven Phosphorigsäure- Aether als sonst erhalten !) Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. XCII, 348, — 109 — wurde, dafür aber eine nicht unbeträchtliche Menge einer zwi- schen 150° und 160° siedenden Verbindung. } Der Theil derselben, welcher zwischen 155° und 158° über- gegangen war, wurde der Analyse unterworfen. 0,2457 Gramm Substanz lieferten 0,2050 Gramm Wasser, entspr. 0,02256 Gramm = 9,2 Proc. Wasserstoff und 0,5816 Gramm Koh- lensäure, entspr. 0,1041 Gramm — 42,4 Proc. Kohlenstoff. Die Phosphorbestimmung wurde in der Weise ausgeführt, dass die Substanz mit Salpetersäure von 1,4 spez. Gew. im verschlos- senen Rohr bei 120° oxydirt wurde, darnach die Flüssigkeit mit einem Ueberschuss von Natriumcarbonat versetzt, eingedampft und in einer Platinschale geschmolzen wurde. Nach dem Auflösen der Schmelze wurde die Phosphorsäure als Ammonium - Magnesium- Phosphat gefällt. 0,2106 Gramm Substanz ergaben so 0,1450 Gramm Magnesium- pyrophosphat, was 0,0405 Gramm oder 14,5 Proc. Phosphor ent- spricht. Durch Zerspringen eines Gefässes fand hierbei ein kleiner Verlust statt. Aus diesen Resultaten ergiebt sich, dass Kohlenstoff und Was- serstoff im Mischungsgewichtsverhältniss von 7:18 stehen und dass darauf nahezu 1 Mgt Phosphor kommt, dass für die Sub- stanz also die Formel: PO*C’H!S oder P?O08C!?H3$ aufgestellt werden kann. ber. gef. P2 hun 53 14,5 08 = 32,49 tr Cl — 4264 142,4 HS 9014: 9,2 100,00 Da dem oben Angeführten zu Folge diese neue Verbindung bei Mangel an Phosphortrichlorid d. h. bei Ueberschuss von Alko- holat sich bildete, so wurden, um das günstigste Verhältniss für ihre Entstehung festzustellen, sowie sie in grösserer Menge zu erhalten, folgende Versuche angestellt: Im Allgemeinen wurde die Einwirkung so vor sich gehen ge- lassen, dass von Alkohol völlig freies Natriumalkoholat (durch Er- hitzen des Einwirkungsproductes von Natrium auf abs. Alkohol im Oelbade auf 180° unter gleichzeitiger Mitwirkung eines Stromes trocknen Wasserstoffgases erhalten) rasch gepulvert, in eine Re- torte gebracht und mit absol. Aether übergossen wurde. Nach- dem der Hals der Retorte mit einem umgekehrt stehenden Kühler — 141 — verbunden war, wurde durch einen Scheidetrichter das Phosphor- trichlorid, welches vorher mit dem gleichen Volumen abs. Aethers gemischt worden war, langsam zutropfen gelassen und häufig durch- geschüttelt. Nachdem alles Chlorid zugetropft war und in der Kälte keine Einwirkung mehr bemerkt werden konnte, wurde die Retorte noch eine halbe Stunde auf dem Wasserbade bis zum Sie- den ihres Inhaltes erwärmt, darnach der Scheidetrichter entfernt und an seine Stelle ein Zuleitungsrohr für trocknes Wasserstofigas in den Tubulus der Retorte gesteckt, der Kühler umgedreht und zunächst der Aether aus dem Wasserbade, die höher siedenden Substanzen aber im Oelbade, bei einer allmählig 220° betragen- den Temperatur im Wasserstofigasstrom überdestillirt. Um etwa mit auftretende Kohlenwasserstoffe, vor Allem etwa gebildetes Aethylen erkennen zu können, war das untere Ende des Kühlers dicht mit einer Vorlage und diese wieder durch ein Gasleitungs- rohr mit zwei auf einander folgenden und mit Eiswasser gekühl- ten Cylindern verbunden, von denen der erstere leer war, der zweite aber Brom enthielt. 1. Versuch. Angewandt wurden: 80,6 Gramm Phosphortrichlorid, 134,5 Gramm alkoholfreies Natriumalkoholat. Das erhaltene Product, welches einen äusserst unangenehmen Geruch nach sehr flüchtigen Aethylphosphinen besass, enthielt noch geringe Mengen von Aether. Nach mehrmaliger Rectification desselben wurde erhalten: 9 Gramm zwischen 75°— 85° Siedendes (Alkohol) TR h 150°— 160° M (neue Verbindung). Ueber 160° Destillirendes war nur in ganz geringer Menge vorhanden. Erst bei mehrmaliger Rectification des zwischen 150° — 160° siedenden Productes entstand durch eine Zersetzung des Letzteren mehr davon. Das vorgeschlagene Brom wurde mit überschüssiger Natron- lauge versetzt, es schied sich ein farbloses Oel ab, welches nach dem Trocknen über Caleiumchlorid gewogen und destillirt wurde. Es wog 5,5 Gramm; es destillirte constant bei 130°, war also Aethylenbromid. . Die Lösung des Retortenrückstandes zeigte deutlich die Rea- ctionen der phosphorigen Säure, dagegen nicht die der Phosphor- säuren. Beim trocknen Erhitzen im Röhrchen entwickelten sich — 12 — stark saure Dämpfe, während der Glührückstand schwach alkalisch reagirte. Seine wässrige, mit Essigsäure sauer gemachte Lösung gab mit Eiweisslösung einen Niederschlag, enthielt also Meta- phosphorsäure. Bei dem weiteren Erhitzen des Retortenrückstan- des über freiem Feuer entstand Alkohol und bis 200° siedende Producte (Phosphorsäureaether). 2. Versuch. Angewandt wurden: 75 Gramm Phosphortrichlorid 142 Gramm alkoholfreies Natriumalkoholat. Erhalten wurden: 18 Gramm bei 75°— 85° Siedendes (Alkohol) 11 2. „..150°—160° H (neue Verbindung) 14,5 I; Ü 130° 3 Aethylenbromid. 3. Versuch. Angewandt wurden: 18,5 Gramm Phosphortrichlorid SR alkoholfreies Natriumalkoholat. Erhalten wurden: 4 Gramm bei 75°— 85° Siedendes (Alkohol) 5 lorlıyjind500+1008 /; (neue Verbindung) 3 7 % 130° % Aethylenbromid und eine Spur über 160° Siedendes. 4. Versuch. Angewandt wurden: 20,1 Gramm Phosphortrichlorid OD alkoholfreies Natriumalkoholat. Erhalten wurden: 3,7 Gramm bei 75°— 85° Siedendes (Alkohol) 0,7 ” ” 100° — 190° ” 4,0 N" y 130° ix Aethylenbromid. Der Retortenrückstand reagirte alkalisch, beim Erhitzen ent- wickelte er brenzliche Producte, von der Zersetzung des über- schüssigen Natriumalkoholats wahrscheinlich herrührend. Seine wässrige Lösung gab deutliche Reactionen auf phosphorige Säure, aber kaum merkliche auf Phosphorsäure mit Magnesiumlösung. Die folgende Tabelle enthält die Resultate dieser Versuche übersichtlich zusammengestellt: Nine | 228 | ,2 2,3 Erhalten wurden: EEG Einwirkende |. & 52 |3 = |5#3 | E en um 2% ES min FT TE Fi ozeiger: u Substanzen Ice) 5 E12 5 g neue | | Aethylen- 2 Es > 1Z92] Verbindung Alkohol bromid © (150°—1600) | (750 —850) | (1300) PCI3 80,6: | ode. 1 | £ 7Gr. |! 9 Gr. INGE, C2H5NaO| 1345 | 13/, | 317, [= 8,7°/, |= 112%, |= 66°), Die Procente sind auf die verwandten PCI13-Mengen berechnet. PCI> | 75 HGr: | 18 Gr. 0, | SEE Malgı C2H>50Na| 142 | 2 | 4 |=148%,)= 24,09), | = 19%], per | 185) IE] a 2 | 35 Gr. CCH>0Na| 56 | 3 | 6 [= 27,0%, | 21,6%, |= 18,9) ._ı 1 | lo 2: DT oe 3er .d Cr C®H5ONa| 805 | 4 | 8 I=350/, |= 184°, | = 20°), 1002 190° Siedep.) Die bei obigen 4 Versuchen erhaltenen Quantitäten der neuen Verbindung wurden zusammen gegeben und durch Rectification zu reinigen versucht. Dabei ergab sich, dass sowohl niedriger als höher Siedendes, d.h. Alkohol und Phosphorigsäure- resp. Phos- phorsäure- Aether in ziemlicher Menge erhalten wurde, welches dem Product noch beigemengt war, oder sich durch eine bei wie- derholter Destillation der neuen Verbindung eintretende Zersetzung aus ihr gebildet haben konnte, denn es ist: P20°C1:H35# —= PO(0C2H5)3 + P(OC?H°)3 + C?H®0. Es wurde aber ferner ein guter Theil regelmässig zwischen 155° und 157° Destillirendes erhalten. Dieses Product stellt eine farblose eigenthümlich aetherisch riechende !) Flüssigkeit dar vom spez. Gewichte 0,960 bei 14° und dem corr. Siedepunkt 157,9°. Sie gab bei der Analyse folgende Werthe: 1) Es ist unrichtig, dass der reine Phosphorigsäureaether, wie Railton angiebt und wie in den Büchern zu lesen ist, einen „un- angenehmen“ Geruch besitzt. Der Geruch des reinen Aethers ist durchaus nicht unangenehm, sondern eigenthümlich aetherisch. Nur, wenn ihm Aethylphosphine beigemischt sind, wie es beim Rohpro- duet der Fall ist, tritt der unangenehme Geruch dieser auf, I. 0,2225 Gramm Substanz lieferten 0,3507 Gramm Kohlen- säure, entspr. 0,0956 Gramm = 43,0 Proc. Kohlenstoff und 0,1855 Gramm Wasser, entspr. 0,0206 Gramm = 9,3 Proc. Wasserstoff. II. 0,2371 Gramm Substanz, wie oben (zur Phosphorsäure- bestimmung) behandelt, gaben 0,1342 Gramm P?O’Mg#, entspr. 0,0375 Gramm = 15,5 Proc. Phosphor. Diese Resultate stimmen mit der Formel: P208C14H36, und mit den früher erhaltenen nahezu überein. ber. gef. In, U — 4264 42,4 43,0 20 — 9 92 9,3 | 2 na 15 (14,5) 15,8 08 ı,:— 32.40 _- _ 100,00 Was nun die Entstehungsweise dieser Verbindung an- langt, so geht aus den obigen Versuchen hervor, dass bei ihrer Bildung eine grössere Menge von Natriumalkoholat vorhanden sein muss, als zur Umsetzung des Phosphortrichlorids in Phosphorig- säure-Aether erforderlich ist. Es ist diese Thatsache wahrschein- lich mit einer eigenthümlichen Erscheinung in Verbindung zu brin- gen, welche man jedesmal bei der Darstellung des Phosphorigsäure- Aethers beobachten kann, der nämlich, dass beim Zutropfen des Phosphortrichlorids zum Natriumalkoholat eine chocoladebraune Färbung auftritt, welche am intensivsten ist, wenn circa zwei Dritttheile der berechneten Menge des ersteren in die Retorte ge- langt sind. Bei weiteren Zutropfen des Chlorids verschwindet allmählig diese Färbung wieder, vollkommen aber erst dann, wenn etwa 12 Proc. mehr vom Chlorid zugegeben worden ist, als sich für die Umsetzung zu Phosphorigsäureaether berechnet. Diese chocoladebraune Substanz ist wahrscheinlich die Verbindung, wel- che beim späteren Erhitzen unter Zersetzung den neuen Aether liefert. Wenn man vom Phosphorigsäure-Aether ausgehend die Ent- stehung der neuen Verbindungen darlegen will, so kann man es auf folgende Weise. Zunächst erinnert man sich des Verhaltens der phosphorigen Säure beim Erhitzen, wobei sie zu Phosphor- säure und Phosphorwasserstoff wird, nach der Gleichung: 3BO0:H° + PO®3H3 — 3PO*H° 7 PH?>. Ein Theil der phosphorigen Säure redueirt also einen andern Theil zu Phosphorwasserstoff. Diese Reduction ist auch für den — 15 — Phosphorigsäure - Aether unter gewissen Umständen denkbar, so dass ein Theil desselben zu Triaethylphosphin wird. Nimmt man nun an, dass sich zu 2 Mischungsgewichten Phosphorigsäure-Aether 1 Mischungsgewicht Natriumalkoholat fügt, wobei der Phos- phor pentavalent wird, so erhält man die zwei monovalen- ten Reste: 0C2H5 OC2H5 v 0C2H5 v 002H5 7 Pioems "4 1m P:o0W5 ONa 6?H5 welche beide gemeinschaftlich durch Wegnahme von 1 Mgt Sauer- stoff vom Phosphorigsäure-Aether dessen Reduction bewirken kön- nen. ‚Je drei solcher Reste würden den Letzteren zu Triaethyl- phosphin reduciren nach der Gleichung: r yOC?H5 yOC®H5 Im yOC®2H5 vOoc®H5 K | DerE® OC®H5 OC2H5 OCeH5 3 | -Poceus |H -Pocens ) +ProcHS>=3|Pogsns-O-Pocsne| + PCH9%. ONa c?H5 ONa cens | Diess Geschehen würde sich ausgedrückt finden in der Glei- chung: 2[P(OC2H>5)?] + 3 C?H50Na = 3P?03C1:H35Na + P(C?H35)3. Wirkt nun auf diese zunächst entstandene Natriumverbin- dung das Natriumalkoholat so ein, dass sich das Natrium in ihr gegen Wasserstoft auswechselt, so entsteht @ie Verbindung: P?O®C!:H°%, d.h. der neue Aether. Diese Auswechslung des Natriums gegen Wasserstoff ist auf die Weise denkbar, dass gleiche Mischungsgewichte der Natriumverbindung und des Alkoholates sich unter Natriumoxyd- und Aethylengas-Bildung umsetzen, nach der Gleichung: P20°C1*H35Na-- C?H50Na = P208C!2H35H-++Na0ONa-+ C?H%. Das Natriumoxyd wirkt aber. weiter zersetzend auf Phosphorig- säure-Aether, unter Bildung von monaethylphosphorigsaurem Salz, Alkohol und Athylengas, nach der Gleichung: P(OC:HS)> + Navo — POOH° gero + cam: (ONa)? j so dass für die Gesammt-Einwirkung die folgende Gleichung gel- ten könnte: 10[P(OC?H°)?] + 6C?H50Na = 3P?0°C!4H38 + P(C?H5)® + 3 POSC?H>Na? + 3C?H°0 + 6C?H%. Ausser dem neuen Aether entstehen, wie oben mitgetheilt, Bd. XII. Suppl. I. 10 — 146 — in der That Aethylphosphine !), Alkohol und Aethylengas, während im Retortenrückstand aethylphosphorigsaures Salz enthalten ist, somit also alle Producte, welche die obige Gleichung verlangt. Der neue Aether stellt eine farblose Flüssigkeit, die leichter als Wasser ist, dar, deren Geruch eigenthümlich aetherisch ist, ganz ähnlich dem Geruch, welchen reiner Phosphorig- resp. Phos- phorsäureaether besitzen. Beim Destilliren zerfällt er allmählig in Alkohol, Phosphorigsäure- Aether und Phosphorsäure - Aether. Durch Wasser wird der Aether nicht sogleich verändert, er ver- schwindet nicht, selbst beim Erhitzen damit im verschlossenen Rohr auf 100°. Von verdünnter etwas überschüssiger Natronlauge, bereitet aus 1 Th. Natrium und 15 Th. Wasser, wird er im ver- schlossenen Rohr damit auf 30° erhitzt, bald vollständig aufgelöst (angewandt wurden 0,2 Gramm Na und 0,5 Gramm Aether). In der Lösung ist kaum eine Spur Phosphorsäure durch Magnesium- lösung nachzuweisen. Die mit Salpetersäure genau neutralisirte Lösung gibt mit Silberoxyd einen bedeutenden weissen Niederschlag, der bei ge- wöhnlicher Temperatur allmählig, beim Erhitzen sofort unter Redu- ction braun und schwarz wird, was von phosphoriger Säure her- rührt. Quecksilberchlorid wird dadurch in der Kälte langsam, beim Erhitzen rasch zu Calomel, schweflige Säure zu Schwefel reducirt. Wird die mit Salpetersäure neutralisirte Lösung im verschlossenen Rohr längere Zeit auf 170° erhitzt, so lässt sich nun in ihr mit Masnesiummischung ein bedeutender Niederschlag von Ammonium- Magnesiumphosphat erhalten. — Wird der Aether mit einer al- koholischen Natronlösung (angewandt wurden 0,2 Gramm Na, 0,3 Gramm Wasser und 3 Gramm Alkohol auf 0,5 Gramm Aether) im verschlossenen Rohr auf 80° erhitzt, so wird er gleichfalls zersetzt. Es scheiden sich farblose Krystalle aus, welche mit Alkohol völlig abgewaschen und über Schwefelsäure getrocknet beim Erhitzen im Röhrchen unter Verkohlung brennbares Gas entwickeln, also aus aetherphosphorsaurem, resp. aetherphosphorigsaurem Salz be- stehen. Ihre wässrige Lösung wurde nicht durch Magnesiami- schung gefällt, reducirte aber Quecksilberchlorid zu Calomel. Ihr Glührückstand enthielt gewöhnliche und Pyrophosphorsäure. — Mit festem Natronhydrat zusammengebracht erhitzt sich der Aether t) Welches Aethylphosphin entsteht, ist nicht nachgewiesen. In der obigen Gleichung ist der Einfachheit halber angenommen, es sel Triaethylphosphin, wahrscheinlich ist aber, dass es leichtflüchtiges Monaethylphosphin ist: P(C?H5)3 — 2C?H* — PH?C?H?°, bis zum Sieden. Es ist dann sogleich durch Magnesiumsalz mehr Phosphorsäure nachweisbar, als bei Anwendung einer wässrigen Lösung, aber bei weitem nicht alle darin enthaltene. Diese Reactionen zeigen, dass bei der Zersetzung der Ver- bindung ein Theil des Phosphors pentavalent und ein Theil trivalent austritt, dabei aber keine „Unterphosphorsäure“, de- ren Natriumsalz schwer löslich und deren weisses Silbersalz beim Kochen unverändert bleibt, erzeugt wird, wie es nach der Glei- chung: P2O8sH(C?H5)? + ANa0OH + OH? = P2?0O$8Na* + 7 C?H50H geschehen könnte. Der neue Aether, welcher zu gleichen Mischungsgewichten aus Phosphorsäureaether, aus Phosphorigsäureaether und aus Alkohol bestehend erscheint, kann als chemische Ver- bindung betrachtet keine andere Constitution, als die folgende be- sitzen: V III P (ocapays + POCH>)° +C°H>OH — V II p 0— P(oc°H>)° U ON ee V VırEt Bo 7 ocane)a, (0C?H>5)% 10.* Zur Kenntniss der Wismuthsäure. Versuche von Pr. Carl Hoffmann, mitgetheilt von A. Geuther. Ueber die höheren Oxydationsstufen des Wismuths ist, obwohl das Material zu ihrer Darstellung unschwer zu beschaffen und diese selbst keine Schwierigkeiten bietet, doch wenig Genügendes bekannt. Nachdem ihre Existenz durch Buchholz und. Bran- des aus ihrem Verhalten, mit Salzsäure behandelt Chlor zu ent- wickeln, erschlossen worden war und Stromeyer ihre Bildung durch Kochen des Wismuthoxydes mit chlorigsaurem Natron, wo- bei es braun wurde, kennen gelehrt hatte, waren es Jacquelin, Fremy, vorzüglich aber Arppe!), Heintz?) und Schra- der), welche sich mit ihrer Darstellung und Untersuchung be- schäftigten. Arppe und Heintz desshalb, um durch sie Mate- rial zur Entscheidung der Frage zu gewinnen, ob dem Wismuth- oxyd die Formel BiO oder Bi?O3 -zukomme. Arppe glaubte sich berechtigt aus Versuchen, die er früher in Svanberg’s und später in Mitscherlich’s Laboratorium ausgeführt hatte, Folgendes anzunehmen: 1) Kommen Wismuthsalze mit chlorigsaurem Kali oder mit Chlor und Alkali zusammen, so entsteht ein gelber Körper, Wis- muthsuperoxydhydrat, welcher beim Kochen mit Kali Was- ser verliert und sich in ein lichtbraunes wasserfreies Wis- muthsuperoxyd von der Formel: Bi?07 = 3Bi?0? + Bi?O5 verwandelt. 1) Berzelius, Jahresber. 1823 (Bd. 23) p. 123 und Berze- lius, Lehrbuch V. Aufl. Bd. II p. 574; ferner: Pogg. Annal. Bd. 64 p. 238. 2) Pogg. Annal. Bd. 63 p. 61. 3) Ueber d. höheren Oxydationsstufen des Wismuths. Inaug.- Dissert. Göttingen 1861. — 149 — Wird das gelbe Hydrat dagegen mit einer Auflösung von chlo- rigsaurem Kali, welches stark alkalisch ist, gekocht, so wird es dunkelbraun und ist nun wasserfreies Wismuthsuperoxyd von der Formel: BiO?. 2) Wird Wismuthoxyd mit einer äusserst concentrirten Auf- lösung von kaustischem Kali in grossem Ueberschuss übergossen und in diese Mischung unter fortwährendem raschen Kochen Chlor- gas geleitet, so wird es in ein schön rothes schweres Pulver verwandelt, welches hauptsächlich Wismuthsäurehydrat ist, aber auch Kali und die niedrigeren Oxydationsstufen des Wis- muthoxyds eingemengt enthält. Wird der rothe Körper mit nicht zu viel verdünnter Salpetersäure digerirt, so wird er zu Bi?0° + OH?, ohne Farbenänderung. Wird er aber mit mehr Salpe- tersäure behandelt, so geht er unter Sauerstoffentwicklung in einen Körper von hellerer Farbe und geringerem Sauerstofigehalt über: Bi?03 + 4Bi?05 + 60H?, und wird er mit Salpetersäure länger gekocht, so verliert er noch mehr Sauerstoff und verwan- delt sich in einen orangegelben Körper von der Zusammen- setzung: Bi$018 + 40H? = Bi?203 + 3Bi?05 + 40H. 3) Wird Wismuthoxyd ebenso wie sub 2. behandelt, aber we- niger Kalilösung angewandt, so erhält man die braune, kali- freie und wasserfreie Wismuthsäure: Bi?O°, welche beim Kochen mit Salpetersäure in ein grünes Oxyd von der Formel Bi®0!8 —= Bi?03 + 3Bi?05 verwandelt wird. Die wasserfreie Säure vereinigt sich nicht mit Kali; wenn man sie aber damit kocht und Chlor einleitet, so wird sie allmählig in die rothe was- serhaltige Säure verwandelt. 4) Das Wismuthsäurehydrat ist in kochendem kaustischen Kali etwas auflöslich. Aus der Auflösung; welche farblos ist, wird durch Sättigung mit einer Säure ein weisser oder röthlicher Nie- derschlag ausgeschieden. Die bei weitem grössere Menge aber, welche nicht aufgelöst worden ist und ihre rothe Farbe beibehal- ten hat, enthält bedeutend Kali, wovon es durch Waschen nicht befreit werden kann und hat die Formel: 2Bi?0°,K?0,0H? = Bi?05,0K? + Bi?0?,0H?. Diese Angaben Arppe’s sind in mehrfacher Hinsicht ungenau: 1) erhält man bei der Einwirkung von chlorigsaurem Salz auf Wismuthoxyd stets ein alkalihaltiges und niemals ein alkali- freies Product, wie schon Jaequelin fand, ebenso entstehen stets alkalihaltige Verbindungen, wenn man Chlor zu einer mit Wis- muthoxyd vermischten Kalilösung leitet, wie Heintz und Schra- — 10 — der bewiesen und es ebenso die unten folgenden Versuche zeigen. Das Wismuthsuperoxydhydrat sowohl als das wasserfreie Super- oxyd von Arppe können also nicht kalifrei, sondern müssen kalihaltig gewesen sein. Ebenso muss seine wasserfreie Wis- muthsäure Kali enthalten haben !). 2) Wird bei der Behandlung der ursprünglich entstandenen Verbindungen mit verdünnter Salpetersäure ihnen nicht bloss das Alkali entzogen, sondern sie verlieren zugleich damit auch Sauerstoff. Desshalb kann das rothe alkalihaltige Wismuth- säurehydrat durch Behandlung mit verdünnter Salpetersäure nicht zu alkalifreien Wismuthsäurehydrat geworden sein. — Heintz erhielt bei Anwendung von concentrirter Kalilösung nach dem Einleiten von Chlorgas nie ein Product von rother, son- dern nur solche von ockergelber Farbe. Diese waren kalihaltig und wurden durch wiederholte sehr gelinde Digestion mit ver- dünnter Salpetersäure von 1,15 spez. Gew. kalifrei und zu brau- nem Wismuthsuperoxyd: BiO?. Durch Kochen mit concen- trirter Essigsäure konnte nicht alles Alkali entfernt werden. Das ockergelbe Produet glaubte Heintz als eim Gemenge von Wis- muthoxyd und einer kali-wasserhaltigen Verbindung des Wismuth- superoxyds, nämlich als 4BiO2,K20 + 50H? ansehen zu müssen. Schrader erhielt bei der Einwirkung von Chlorgas auf in Ka- lilauge suspendirtes Wismuthoxyd, während die Kalilauge kochte und das Chlor nur so lange zugeleitet wurde, als die Flüssigkeit noch alkalisch reagirte, chlorfreie aber kalihaltige Producte und zwar: 1) bei Anwendung einer verdünnten Kalilauge von 1,055 spez. Gew. braune kalihaltige Producte, welche um so sauerstoffrei- cher waren, je mehr im: Verhältniss zum Wismuthoxyd Kalilauge angewandt worden war, je länger das Chlor also zugeleitet wer- den konnte. Diese braunen Producte waren die sauerstoffreichsten, welche er überhaupt erhielt 2). 2) Bei Anwendung einer concentrirteren Kalilauge vom spez. Gew. 1,385 schwarze, gelbe oder orangefarbene kalihaltige Producte, je nachdem weniger oder mehr Kalilösung genommen !) Arppe gibt leider meist maht genau an, wie er die Ver- bindungen analysirt hat. 2) Ein solches enthielt 78,9 Wismuth, 13,3 Proc. Sauer- stoff, 8,1 Proc. Kali, entspricht also nahezu der Forndl: 7B1?05 + 2Bi203 -+ 4K20 = 8Bi03K + 3 Bi?05 + 2Bi?03, welche verlangt: 78,6 Proc. Wismuth, 13,6 Proc. Sauerstoff und 7,8 Proc. Kali. — 151 — worden war, von nahezu derselben Zusammensetzung aber gerin- gerem Sauerstoffgehalt als die vorhergehenden, welche von ver- dünnter Salpetersäure wenig angegriffen, von concentrirter dage- gen in orangegelbes Wismuthsuperoxydhydrat: Bi0O?—+ OH? verwandelt werden. Am meisten von diesem Letzteren lie- ferte das orangefarbene Product, am wenigsten das schwarze. 3) Bei Anwendung emer so concentrirten Kalilauge, dass sie beim Erkalten erstarrt, rothe kalihaltige Producte, welche noch sauerstoffärmer als die vorhergehenden waren, auch bei wieder- holter Behandlung mit gleicher Kalilauge und Chlor nicht sauer- stoffreicher wurden und mit concentrirter Salpetersäure gekocht dasselbe Wismuthsuperoxydhydrat: BiO? + OH?, wie die vo- rigen, hinterliessen. Die Versuche von Schrader zeigen also, dass, um zu der höchsten Oxydationsstufe des Wismuths zu gelangen, es nicht wohl räthlich erscheint zu concentrirte Lösungen von Kalilauge anzu- wenden, weil sonst an Stelle des in alkalischer Flüssigkeit kräftig oxydirend wirkenden Hypochlorits das unter diesen Umständen nicht oxydirend wirkende Chlorat in grösserer Menge entsteht, und dass es nothwendig ist die Einwirkung bei Siedhitze längere Zeit dauern zu lassen oder, was dasselbe ist, das erhaltene Product derselben Einwirkung wiederholt von Neuem auszusetzen. Zuletzt hat Boedecker!) eine „Darstellung der Wismuth- säure‘ angegeben. Nach ihm soll das „dunkelbraune Pulver, wel- ches sich abscheidet, wenn man eine Lösung von Wismuthnitrat mit einer concentrirten Lösung von Cyankalium im Ueberschuss versetzt,“ Wismuthsäurehydrat: Bi?O?’H? sein. Weiter unten wird gezeigt werden, dass dieses dunkelbraune Pulver, welches nur entsteht, wenn man sulfocyanathaltiges Cyankalium anwendet, Wismuthbisulfid: Bi?S?, nicht aber Wismuthsäure ist. I. Versuche mit Kalilauge vom spez. Gew. 1,08 und Wismuthhydroxyd. Das zu den Versuchen benutzte Kaliumhydroxyd war gewöhn- liches Stangenkali, von dem die durch Asbest filtrirte ganz klare Lösung (1 Th. Kali, 9 Th. Wasser) angewandt wurde: : Das Wis- muthhydroxyd wurde noch feucht in diese gegeben. 1. Versuch. Angewandt wurden: 20 Gramm Wismuthhy- !) Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. 123 p. 61. — 12 — droxyd und 500 Gramm Kalilauge. Das Chlor wurde in die kalte Flüssigkeit eingeleitet. Das Wismuthhydroxyd wurde erst schmu- tzig gelb, später dunkelgelb und zuletzt lichtbraun. Da die Farbe des Oxyds sich nicht weiter veränderte und die Flüs- sigkeit nach unterchloriger Säure roch, so wurde mit dem Einlei- ten von Chlor aufgehört, Kalilauge so lange zugefügt, bis der Geruch nach unterchloriger Säure verschwunden und alkalische Reaction eingetreten war. Darauf wurde bis zum Sieden erhitzt und so lange gekocht, bis die nun viel dunkler werdende Verbin- dung sich nicht weiter veränderte. Ueberschüssiges Kaliumhypo- chlorit war vorhanden, denn eine Probe der Flüssigkeit färbte Wismuthhydroxyd im der Kälte gelb und beim Erwärmen dunkel- braun. Die dunkelbraune Wismuthverbindung war schwer und setzte sich leicht ab. Die überstehende Lauge war von einem Mangangehalt des käuflichen Kalis rosenroth gefärbt. Der ent- standene braune Körper wurde nun mit Wasser so oft ausgekocht, bis dasselbe eine alkalische Reaction nicht mehr zeigte. Dabei wurde der Körper etwas heller von Farbe und vertheilte sich zum Theil so fein, dass er durchs Filter lief und sich sehr viel lang- samer absetzte. Nach dem Trocknen über Schwefelsäure wurde der nun roth- braune unkrystallinische Körper der Analyse unterworfen. Zu dem Ende wurde eine abgewogene Menge zunächst auf 100° und spä- ter auf 150° erhitzt, wobei das Gewicht unverändert blieb. Da beim Erhitzen im Röhrchen auch kein Wasser zu bemerken war, so ist der Körper über Schwefelsäure getrocknet also wasserfrei. Sodann wurde er in der kleinsten Menge Salzsäure bei gelinder Wärme gelöst, die Lösung hierauf mit viel kaltem Wasser ver- setzt und das ausgeschiedene Wismuthoxychlorid, nachdem es durch längeres Stehen sich fast vollständig abgesetzt hatte, auf einem gewogenen Filter gesammelt und nach dem Trocknen bei 100° gewogen. In das Filtrat wurde sodann Schwefelwasserstoff- gas geleitet, wobei gewöhnlich kein Niederschlag mehr entstand, dasselbe dann, zuletzt im Platintiegel, zur Trockne gebracht, der Rückstand von Kaliumchlorid in neutr. Sulfat übergeführt und gewogen. a. 0,4395 Gramm gaben 0,452 Gramm BiOCl, entspr. 0,36298 Gramm — 82,6 Proc. Wismuth und 0,0245 Gramm SO®?K?, entspr. 2,5 Proc. Kalium. b. 0,4165 Gramm gaben 0,428 Gramm BiOCl, entspr. 0,5433 — 13 — Gramm = 82,4 Proc. Wismuth und 0,0235 Gramm SO®K?, entspr. 2,5 Proc. Kalium. Diese Resultate entsprechen nahezu der Formel: Bi!202°K? —= 2Bi0°®K,4 Bi?05,Bi?0O3, welche verlangt: 82,3 Proc. Wismuth und 2,5 Proc. Kalium. Daraus geht hervor, dass zwar der grösste Theil des Wismuths in der Verbindung als Wismuthsäure vorhanden war, aber doch auch noch ein Theil als Wismuthoxyd. Die Frage, ob durch wiederholte Behandlung des so erhalte- nen Productes mit Kalilauge und Chlor der ganze Wismuthgehalt desselben in Wismuthsäure übergeführt werden könne, wird durch den nachfolgenden Versuch beantwortet. Das erhaltene Produet wurde benutzt um sein Verhalten Säuren gegenüber zu prüfen, resp. zu sehen, ob es durch diese ohne Zersetzung von Kali be- freit werden könne. Salpetersäure war dazu nicht geeignet, denn schon von ver- dünnter wurde der Körper unter Sauerstoffentwicklung auch schon in der Kälte verändert, wobei seine Farbe in Gelbroth überging, schliesslich wurde er fast ganz gelöst. Desshalb wurde eine schwä- chere Säure als Salpetersäure angewandt, nämlich verdünnte Essig- säure, und der Körper so lange mit immer neuen Mengen dersel- ben gekocht, als sich noch Wismuth darin gelöst nachweisen liess. Um nicht zu grosse Menge der Säure zu gebrauchen, wurde von Zeit zu Zeit die Säure abdestillirt, wobei sich dann in farblosen atlasglänzenden Blättchen Wismuthacetat von der Formel: BiO(C?H30?) ausschied !). Zuletzt blieb, durch die Essigsäure nicht weiter veränderlich, übrig en orangefarbenes homoge- nes amorphes Pulver, welches beim Trocknen über Schwefelsäure etwas dunkler von Farbe wurde. Seine Menge betrug auf 20 Gramm angewandtes Wismuthhydroxyd nur 1 Gramm. 0,551 Gramm des bei 100° bis zum constanten Gewicht ge- trockneten Körpers gaben 0,581 Gramm BiOCl, entspr. 0,4665 Gramm — 84,7 Proc. Wismuth und 0,0065 Gramm SO®K?, entspr. 0,5 Proc. Kalium. Zieht man den Kaliumgehalt als Kali ab, so behält man 84,7 Proc. Wismuth auf 14,7 Proc. Sauerstoff übrig, was einem Mischungsgewichtsverhältniss von Bi?O° entspricht, d. h. einer Verbindung von 3 Bi?03,Bi?03. 1) Die Analyse ergab: 72,8 Proc. und 73,6 Proc. Wismuth, die Formel verlangt: 73,7 Proc. Wismuth. — 14 — ber. gef. Bir. 1854 85,2 09 1ei4,6 er 100,0 Schrader!) erhielt einen „nach dem Trocknen tiefbraunen Körper“, welcher 8,1 Proc. K?O enthielt, als er den grössten Ueberschuss verdünnter Kalilauge vom spez. Gew. 1,055 angewandt hatte, welcher kalifrei berechnet demselben Verhältniss von Wis- muth und Sauerstoff (Bi?0°) entsprach und welcher, als er „mit so verdünnter Salpetersäure, als irgend zulänglich, um die Ab- scheidung von basischem Salz zu verhindern, so lange macerirt wurde, bis er von homogener brauner Farbe war“, wobei Sauer- stoffentwicklung sich bemerkbar machte, nun „kalifrei“ wurde, er- gab immer noch bei der Analyse auf 4 Mgte Wismuth: 8,5 Mgte Sauerstoff. Auch selbst, als er mit verdünnter Salpetersäure rasch aufgekocht worden war, entsprach die Zusammensetzung noch dem Verhältniss: 4 Mgte Wismuth : 8,56 Mgte Sauerstoff, und erst das er mit „verdünnter Salpetersäure einen Tag lang in sehr gelinder Wärme digerirt‘“ wurde, war seine Zusammensetzung der Formel: BiO? entsprechend. Darnach kann es also keinem Zweifel unter- liegen, dass die bei der Einwirkung von Chlor und einer genügen- den Menge verdünnter Kalilauge in der Siedhitze entstehenden Producte durch verdünnte Säuren, am besten Essigsäure in Wis- muthsuperoxyde übergehen, deren Sauerstoffgehalt grösser ist, als der Formel BiO? entspricht. Die Verbindungen Bi?0O® und Bi?O? können folgende Constitution haben: Bitos o ) 0 20: BIO VRBRRERRFSTIORMIRER Bro Dion) Bin I; One DD Bit09 0 0 v 0 Bio: a Biotneabo r r 0 — Bio 0 — Bio Da Orp — 15 — Möglich wäre es, dass auch noch die Verbindung: Bit0? = E170°,3B1203 d.:i. Bi N BiO)> existirte, welche Zusammen- setzung Arppe seinem einem Wismuthsuperoxyd (vergl. oben) zuschreibt. 2. Versuch. Da, wie oben mitgetheilt wurde, die nach dem ersten Versuch dargestellte Verbindung nicht alles Wismuth in Form von Wismuthsäure d. h. als pentavalentes, sondern noch einen Theil als Wismuthoxyd d.h. als trivalentes enthielt, so wurde nun bei einer neuen Darstellung versucht, ob das gewonnene dun- kelbraune Product, wenn man es, ohne zu trocknen, mehreremale derselben Einwirkung aussetzt, nicht so sauerstoffreich erhalten werden könne, dass alles Wismuth nun als pentavalentes in der Verbindung enthalten sei. Desshalb wurde das aus 20 Gramm Wismuthhydroxyd dargestellte Product dreimal wieder so behan- delt, als zu seiner Darstellung verfahren war. Dies Product war etwas dunkler von Farbe geworden. Es wurde nun ebenso, wie das frühere behandelt. Es ist amorph. "Ueber Schwefelsäure ge- trocknet besitzt es eine dunkelrothbraune Farbe. a. 0,501 Gramm der über»Schwefelsäure getrockneten Sub- stanz verloren bei 100°: 0,0025 Gramm und bei 150° noch 0,0035 Gramm, so dass sie also zu 0,495 Gramm geworden war. Diess gab 0,5040 Gramm BiOCI, entspr. 0,4047 Gramm = 81,5 Proc. Wismuth auf die völlig getrocknete Substanz berechnet und 0,029 Gramm SO®K?, entspr. 2,6 Proc. Kalium. b. 0,5185 Gramm der über Schwefelsäure länger als a. ge- trockneten Substanz verloren bei 100°: 0,002 Gramm und bei 150° noch 0,002 Gramm, so dass sie also zu 0,5145 Gramm geworden war. Sie gab 0,524 Gramm BiOCl, entspr. 0,4208 Gramm — 81,8 Proc. Wismuth und 0,0305 Gramm SO4K?, entspr. 2,7 Proc. Kalium, auf völlig trockne Substanz berechnet. Daraus berechnet sich für die Substanz die Formel: Bit?031K? — 2BiO®K + 5Bi?05, wie folgende Zusammenstellung zeigt: ber. gef. nn N 2. b. Bidar =, Bla WELBH NT BHB De 60 x a Sl a 100,0 Die Substanz ist also durch wiederholte Behandlung mit unterchlorigsaurem Salz in der That sauerstoffrei- en cher und zu einer Verbindung geworden, welche nun alles Wis- muth als pentavalentes enthält. Die Säure, von welcher der erhaltene Körper das Kalisalz darstellt, ist nach dem Typus: 2BiO®H -+ n Bi?05 zusammenge- setzt, ein Typus, der sich bei Salzen verschiedener ähnlichen Säu- ren, wie der Vanadinsäure (2 VO®>H-+ V?05 und 2VO®H +2V205) und der Niobsäure (2NbO3®H + 2Nb?0°) wiederfindet. Dieses dunkelrothbraune Kalium-hexa-Bismuthat zeigt folgendes Verhalten: 1) von verdünnter Salpetersäure wird es schon in der Kälte angegriffen, indem seine Farbe heller roth wird und in der Siedhitze vollständig unter Sauerstoffentwicklung zu Wismuthnitrat gelöst. | 2) Von verdünnter Chlorwasserstoffsäure wird es in der Kälte rasch unter Chlorentwicklung aufgelöst. 3) Von Oxalsäure wird es, in der Kälte schon, unter Bil- dung von Kohlensäure zu weissem krystallinischem unlöslichen Wismuthoxalat. 4) Von verdünnter Schwefelsäure wird es weder in der Kälte, noch in der Siedhitze vollständig aufgelöst, sondern nur zum Theil und unter Sauerstoffentwicklung in einen lichtbraunen Körper, offenbar BiO? übergeführt. 5) Von schwefliger Säure werden selbst in der Siedhitze nur Spuren gelöst; die Farbe des Rückstandes wird heller. Bei Gegenwart von wenig einer stärkeren Säure, wie Schwefelsäure, geht die Lösung dagegen rasch von statten. 6) Durch Schwefelwasserstoffwasser wird es zu schwar- zem Wismuthsulfid und Schwefel. 7) Von unterschwefligsaurem Natron wird es nicht verändert. 8) Von einer Lösung des sauren Kaliumsulfats wird es schon bei 40°—50°, rascher beim Kochen unter Sauerstoffentwick- lung zersetzt, wobei es gelblich weiss wird. Diese Substanz ent- hält Kalium, Wismuth und Schwefelsäure. Aus der sauren Sul- fatlösung scheidet sich beim Erkalten ein weisses, grob krystalli- nisches, in kaltem Wasser schwer, in heissem leicht lösliches Pul- ver ab, das ebenfalls Kalium, Wismuth und Schwefelsäure enthält. II. Versuch mit Kalilauge vom spez. Gewicht 1,128 und Wismuthhydroxyd. Angewandt wurden 25 Gramm frisch gefälltes noch feuchtes Wismuthhydroxyd und 400 Gramm Kalilauge (4 Th. Kali, 25 Th. — 17 — Wasser). Im Uebrigen wurde genau verfahren, wie bei den vori- gen Versuchen. Das Endproduct von der einmaligen Einwir- kung war ein dunkelkaffeebraunes Pulver, das mit Wasser anhal- tend und so oft ausgekocht wurde, als eine alkalische Reaction der Flüssigkeit noch zu bemerken war. Ueber Schwefelsäure ge- trocknet und analysirt gab es folgende Resultate. 0,545 Gramm verloren bei 100° noch 0,008 Gramm Wasser und bei 150° nichts mehr. Diese 0,537 Gramm lieferten 0,550. Gramm BiOCl, entspr. 0,4416 Gramm = 82,2 Proc. Wismuth und 0,039 Gramm’ SO4K?, entspr. 3,25 Proc. Kalium. Da diese Zusammensetzung nicht ganz, aber doch nahe mit der übereinstimmt, welche das Salz: Bi!2031K? erfordert, so wurde, um es noch sauerstoffreicher zu machen, die trockne Sub- stanz in dieselbe Menge neuer Kalilauge gebracht und abermals der Einwirkung von Chlor ete. unterworfen. Das nun erhaltene durch siedendes Wasser vollkommen ausgewaschene und über Schwefel- säure getrocknete Product ergab bei der Analyse folgende Zahlen: a. 0,5475 Gramm verloren beim Erhitzen auf 100°: 0,0085 Gramm und beim Erhitzen auf 150° noch weitere 0,002 Gramm. Diese 0,537 Gramm trockne Substanz gaben 0,543 Gramm BiOCH, entspr. 0,43606 Gramm = 81,2 Proc. Wismuth und 0,0335 Gramm SO!K?, entspr. 2,3 Proc. Kalium. b. 0,5675 Gramm verloren bei 100°: 0,0090 Gramm und beim Erhitzen auf 150° noch 0,001 Gramm. . Diese 0,5575 Gramm trockne Substanz lieferten 0,568 Gramm BiOCl, entspr. 0,4561 Gramm = 81,8 Proc. Wismuth und 0,035 Gramm SO®K?, entspr. 2,8 Proc. Kalium. Daraus ergibt sich, dass der erhaltenen Substanz in der That die Zusammensetzung Bi!?031K? zukommt, dass also auch bei Anwendung einer concentrirteren Kalilauge, als bei den früheren Versuchen angewandt worden war, wenn man das erst entstandene Product nur wiederholt der oxydirenden Wirkung des Chlors aus- setzt, dieselbe Verbindung entsteht. ber. gef. ———n en 2. b. Bıla 7,814 81,2 81,8 084 1==-116,0 — HR Ken 11216 2,8 2,8 100,0 — 18 — III. Versuch mit Kalilauge vom spez. Gewicht 1,539 und Wismuthhydroxyd. 40 Gramm feuchtes Wismuthhydroxyd wurden in 450 Gramm Kalilauge (1 Th. Kali, 2 Th. Wasser) suspendirt und Chlor ein- geleitet. Das weisse Wismuthhydroxyd wurde dabei gelb. Die nach unterchloriger Säure riechende Flüssigkeit wurde nun, ebenso wie früher, mit so viel Kalilauge derselben Concentration versetzt, bis der Geruch verschwunden war und alles zusammen gekocht. Das gelb gewordene Wismuthhydroxyd wurde nun weiter verän- dert, zuerst wurde es dunkelgelb, dann gelblichbraun, dunkelbraun und zuletzt dunkelviolettbraun. Die vom Mangan röthlich gefärbte Flüssigkeit wurde vom schweren Pulver leicht durch De- cantation getrennt, das Letztere von Neuem mit derselben Menge Kalilauge wie zuerst übergossen , wieder Chlor zugeleitet und ganz so verfahren wie beim erstenmale. Viermal wurde diese gleiche Behandlung mit ihm wiederholt. Darauf wurde es mit sieden- dem Wasser so lange behandelt, als dasselbe noch eine alkalische Reaction erkennen liess und das nun dunkelrothbraun gewor- dene amorphe Pulver über Schwefelsäure getrocknet und analysirt. a. 0,560 Gramm verloren beim Erhitzen auf 150° noch 0,007 Gramm Wasser und diese verbleibenden 0,5530 Gramm gaben 0,544 Gramm BiOCl, entspr. 0,4368 Gramm — 79,0 Proc. Wis- muth und 0,061 Gramm SO®K?, entspr. 4,9 Proc. Kalium. b. 0,6025 Gramm verloren beim Erhitzen auf 150° noch 0,0095 Gramm Wasser und diese verbleibenden 0,593 Gramm gaben 0,583 Gramm BiÖCl, entspr. 0,468 Gramm —= 78,9 Proc. Wismuth und 0,02918 Gramm SO*!K?, entspr. 4,9 Proc. Kalium. Darnach kommt dem Salz die Formel Bi?08K = BiO?K + Bi?0° zu. ber. gef. N 2. b. Be =9,0 79,0 18,9 O6 — —— K = 49 4,9 4,9 100,0 Dieses Salz stimmt mit dem früher bei Anwendung verdünn- terer Lauge erhaltenen Salz darin überein, dass es alles Wismuth im pentavalenten Zustande enthält,- unterscheidet sich aber von ihm dadurch, dass es bei fast gleichem Sauerstofigehalt ka - liumreicher und wismuthärmer als jenes ist. — 159 — Einwirkung von Kohlensäure auf das Salz. Aus diesem Salz wurde nun versucht das Kali zu entfernen und die Wismuthsäure rein zu erhalten. Da, wie die Versuche mit dem früher erhaltenen Salz, in Uebereinstimmung auch mit den Angaben anderer Forscher zeigen, diess durch stärkere Säure nicht ohne gleichzeitige Zersetzung des Restes zu erreichen ist, so wurde versucht es mit einer der schwächsten Säuren, nämlich der Kohlensäure zu ermöglichen. Das Salz wurde also einer wiederholten Behandlung mit wässriger Kohlensäure - Lösung in der Art unterworfen, dass es in einem geräumigen Kolben, wel- cher zwei Dritttheile mit Wasser gefüllt, in welches anhaltend Kohlensäuregas geleitet worden war, in gelinder Wärme unter öfterem Umschütteln je 24 Stunden digerirt wurde. Die jedesmal abgegossene Flüssigkeit wurde filtrirt, zur Trockne eingedampft und das vorhandene Kali durch Weinsäure nachgewiesen. Da das Glas des Kolbens etwas mit angegriffen wurde, so war im Rück- stand neben Kaliumcarbonat auch Kieselsäure vorhanden. Nach- dem das Salz 24 mal auf diese Weise behandelt worden war und, während anfangs verhältnissmässig viel Kaliumcarbonat in Lö- sung gegangen war, die letztenmale aber durch Weinsäure we- der ein Aufbrausen noch ein Niederschlag, auch nach Zusatz von absol. Alkohol, bemerkt werden konnte, wurde die Einwirkung als beendet angesehen, und die nun an Farbe viel heller ge- wordene Substanz über Schwefelsäure getrocknet und analysirt. Sie stellte so ein hellleberbraunes amorphes Pulver dar. a. 0,651 Gramm verloren auf 100° erhitzt nichts an Gewicht, beim Erhitzen auf 150° nur 0,0015 Gramm. Diese 0,6295 Gramm lieferten 0,650 Gramm BiOCl, entspr. 0,5219 Gramm = 82,9 Proc. Wismuth und 0,018 Gramm SO®K?, entspr. 1,5 Proc. Kalium. b. 0,6255 Gramm verloren bei 100° nichts an Gewicht, beim Erhitzen auf 150° noch 0,0025 Gramm. Diese 0,6230 Gramm ga- ben 0,643 Gramm BiOCl, entspr. 0,5165 Gramm = 82,9 Proc. Wismuth und 0,0165 Gramm SO®K?, entspr. 1,2 Proc. Kalium. c. 0,4325 Gramm bei 150° getrocknete Substanz gaben im Sauerstofigas geglüht kein Wasser und erlitten 0,029 Gramm Glühverlust — 6,6 Proc. Sauerstoff. Aus diesen Resultaten ersieht man, dass die Substanz noch eine kleine Menge Kali enthält. Für dieselbe lässt sich, dieses als wesentlich mit berücksichtigt, die Formel: Bi!30?3K — BiO°K —+ 6Bi?O5 aufstellen. ber gef. ie Bier 828 32,9 82,9 BEER — —_ K m 7 18 1,4 100,0 Berechnet man die Substanz kalifrei, so erhält man ber. gef. ber. gef. ed Biau = 84,0 34,2 34,1 Bi?03 = 93,6 93,1 B3,00460 en a 02.71 64 6,6 100,0 100,0 Ob der letzte Rest von Kalium durch Kohlensäure noch weg- zunehmen ist und die Substanz durch etwas Kaliumbismuthat ver- unreinigte Wismuthsäure zu betrachten ist, muss dahin gestellt bleiben, jedenfalls wird diess nur schwierig möglich sein. Auf alle Fälle ist aber so viel aus diesem Versuch bestimmt zu er- kennen, dass es kein Wismuthsäurehydrat, sondern nur einen Wismuthsäureanhydrid giebt, ebenso, wie es kein Vanadin- säurehydrat, sondern nur einen Vanadinsäureanhydrid giebt. IV. Versuche mit Kalilauge vom spez. Gew. 1,539 und Wismuthoxyd. Arppe wandte bei seinen Versuchen stets Wismuthoxyd und nicht Hydroxyd an, und will so kalihaltiges Wismuthsäurehydrat oder kalifreien Wismuthsäureanhydrid erhalten haben, je nachdem er mehr oder weniger so concentrirter Kalilauge anwandte, dass sie beim Erkalten erstarrte. Schrader erhielt dagegen sehr ka- lireiche (6—12 Proc. K?O haltend) und nicht sehr sauerstoffreiche Producte. 1. Versuch. Um den Unterschied kennen zu lernen, den die Anwendung des gelben krystallinischen Wismuthoxyds an Stelle des weissen Wismuthhydroxyds bewirke, wurde auch bei diesen Versuchen Kalilauge, die durch Auflösen von 1 Th. Kali in 2 Th. Wasser erhalten worden war, angewandt. Hierbei wurde, wäh- rend die Flüssigkeit siedete, das Chlor eingeleitet, im Uebrigen aber so, wie bei den vorhergehenden Versuchen verfahren. Das Wismuthoxyd wurde dabei zuerst dunkelgelb, dann lichtbraun, dunkelbraun, rothbraun und zuletzt dunkelviolettbraun. Eine schön rothe Verbindung, wie sie Arppe und Schrader bei Anwen- dung der höchst concentrirtesten Kalilösung beobachteten, entsteht m a hierbei nicht. Die Flüssigkeit roch nach unterchloriger Säure. Sie wurde nach dem Absitzen des schweren, die krystallinische Beschaffenheit des angewandten Wismuthoxydes noch besitzenden dunkelviolettbraunen Pulvers decantirt und das Letztere mit kal- tem Wasser rasch ausgewaschen, bis dasselbe keine alkalische Reaction mehr zeigte. Als jetzt siedendes Wasser auf das Pulver gegossen wurde trat von Neuem eine bedeutende alkalische Rea- ction auf, so dass also heisses Wasser schon einen Theil des gebundenen Kalis aus der Verbindung wegzuneh- men vermag. Es wurde nun die Substanz so lange mit sieden- dem Wasser behandelt, als das Letztere noch alkalische Reaction annahm. Um diess zu erreichen war ein 90—10Ömaliges Ausko- chen nöthig. Der Körper hatte seine krystallinische Structur da- bei nicht verloren, sondern nur einen Stich ins broncefarbene an- genommen. a. 0,5185 Gramm der über Schwefelsäure getrockneten Sub- stanz verloren beim Erhitzen auf 100° noch 0,001 Gramm und beim Erhitzen auf 150° weitere 0,009 Gramm Wasser. Die nun so getrockneten 0,5075 Gramm Substanz gaben 0,5205 Gramm BiOC], entspr. 0,41799 Gramm = 82,4 Proc. Wismuth und 0,0370 Gramm SO?®K?, entspr. 3,14 Proc. Kalium. b. 0,5095 Gramm über Schwefelsäure getrocknete Substanz verloren beim Erhitzen auf 100° noch 0,001 Gramm und beim Erhitzen auf 150° weitere 0,0075 Gramm Wasser. Die so ge- trockneten 0,5010 Gramm Substanz gaben 0,5135 Gramm BiOC], entspr. 0,41237 Gramm = 82,4 Proc. Wismuth und 0,0365 Gramm SO*K?, entspr. 3,25 Proc. Kalium. Aus diesen Resultaten berechnet sich nahezu die Formel: Bi!5045Kt —= 4Bi03K + 6Bi?05 + Bi?0?, welche verlangt 81,2 Proc. Wismuth, 15,4 Proc. Sauerstoff und 3,5 Proc. Kalium. 2. Versuch. Da das erhaltene Product nach diesen analy- tischen Resultaten wahrscheinlich noch trivalentes Wismuth ent- hielt, so wurde, um auch dieses noch mit mehr Sauerstoff zu ver- binden, ein neuer Versuch angestellt. 40 Gramm Wismuthoxyd wurden wieder mit 450 Gramm Ka- lilauge zusammengebracht und in der Siedhitze Chlor eingeleitet. Die Erscheinungen waren dieselben wie im vorigen Versuch. Nach dem Decantiren der ersten Flüssigkeit wurde der dunkelviolette Körper abermals mit der gleichen Menge Kalilauge übergossen und Chlor in der Siedhitze zugeleitet. Das nun erhaltene Pro- Bd. XIII. Suppl. I. 11 — 12 — duct wurde jetzt nur mit kaltem Wasser gewaschen, bis das- selbe keine alkalische Reaction mehr zeigte, auf einem Filter ge- sammelt, zwischen Fliesspapier gepresst und über Schwefelsäure getrocknet. Darnach war es fast schwarz und von krystallini- schem Aussehen. a. 0,505 Gramm solcher Substanz verloren beim Erhitzen auf 100° nur 0,0015 Gramm und beim Erhitzen auf 150° nur noch wei- tere 0,002 Gramm. Diese 0,5015 Gramm lieferten 0,5115 Gramm BiOCI, entspr. 0,41076 Gramm ==. 81,9 Proc. Wismuth und 0,0565 Gramm SO®K?, entspr. 5,0 Proc. Kalium. b. 0,4645 Gramm desgl. verloren beim Erhitzen auf 100° nur 0,0015 Gramm und bei 150° noch weitere 0,002 Gramm. Diese - 0,4615 Gramm lieferten 0,4710 Gramm BiOCl, entspr. 0,5782 Gramm = 82,0 Proc. Wismuth und 0,052 Gramm SO+K?, entspr. 5,0 Proc. Kalium. Daraus berechnet sich die Formel: Bi306K = BiO®K + Bi? 03. ber. gef. —\ a. b. Bar— 11821 81,9 82,0 ou ed re K ul 750 050 100,0 Durch diese erneute Behandlung der Substanz mit con- centrirter Kalilauge und Chlor in der Siedhitze hat sich also ihr Sauerstoffgehalt nicht vergrössert, sondern im Gegentheil vermindert, dagegen ihr Wismuth- und Kalium- Gehalt vermehrt!'). Dieser Körper ist analog zusammengesetzt wie die Verbin- dung Bi?0®K — BiO’K + Bi?05 (vergl. oben p. 158), nur dass in ihm an Stelle des Wismuthsäureanhydrids Wismuthoxyd enthal- ten ist. Man kann ihm die Formel geben: 10) Yo — Bio Pie O0 — Bid. OK 3. Versuch. 40 Gramm noch feuchtes Wismuthhydro- xyd wurden in 450 Gramm Kalilauge suspendirt, die Flüssigkeit zum Sieden erhitzt und während dieselbe beständig kochte, Chlor 1) Zu ähnlichen Resultaten gelangte auch Schrader a. a. 0. p.29. — 18 — eingeleitet. Das anfangs weisse Hydroxyd wurde lichtgelb, dann dunkelgelb, dann schmutzig braun, dann dunkelbraun und schliess- lich violettbraun. Da die Flüssigkeit noch kaum nach unterchlo- riger Säure roch wurde mit dem Einleiten von Chlor fortgefahren. Dabei ging die violettbraune Farbe in eine grünlichbraune und schliesslich in ene graugrüne über, welche nun blieb. Die Lauge roch stark nach unterchloriger Säure. Die Lauge wurde abgehoben, der graugrüne Körper mit Was- ser von 50° —60° so lange gewaschen als noch eine alkalische Reaction zu bemerken war, und dann über Schwefelsäure getrock- net. Jetzt stellte er ein olivengrünes Pulver dar. Er hatte krystallinische Beschaffenheit, ein Zeichen offenbar, dass das an- gewandte Wismuthhydroxyd durch die siedende Kalilauge erst in krystallinisches Wismuthoxyd übergeführt worden war, ehe das Chlor auf dasselbe höher oxydirend einwirkte. Er enthielt keine Spur von Chlor, wohl aber etwas Kohlensäure, welche beim Uebergiessen mit verdünnter Salpetersäure, vorzüglich beim ge- linden Frwärmen, entweicht. Dabei wird der Körper rothbraun und löst sich nach längerem Kochen mit der Säure völlig farblos auf. Ein Product von graugrüner Farbe, welches bei der unmittel- baren Einwirkung von Kalilauge und Chlor auf Wismuth-Hydro- xyd oder -Oxyd entsteht, ist bis jetzt nicht beobachtet worden. Arppe!) gibt an, durch Behandlung der von ihm als „Wis- muthsäure“ bezeichneten braunen Verbindung (bei deren Darstel- lung er eine geringere Menge conc. Kalilauge, als zur Darstellung seines rothen kalihaltigen „Wismuthsäurehydrates“ anwandte) ein „grünes Oxyd“ beim Kochen derselben mit Salpetersäure er- halten zu haben, durch welches Verhalten sich die ‚„Wismuthsäure bestimmt von allen andern Oxyden des Wismuth unterscheiden“ soll2). Weder Heintz, noch Schrader aber haben ein solches grünes Oxyd später, als sie wie Arppe verfuhren, erhalten kön- nen. Dagegen beobachtete Schrader?) in den entstandenen ro- 1) a. a. O. p. 242. 2) Von diesem grünen Oxyd gibt Arppe an, dass er es nicht „vollkommen rein erhalten habe; es sei immer mit etwas Salpeter- säure verunreinigt gewesen.“ „Es löste sich nur mit der grössten Schwierigkeit in Salpetersäure auf und theilte der Auflösung eine hellrothe Farbe mit.“ Diese rührte doch von wohl einem Man- gangehalt her! 2).8..2.. 0. ». 27 1” — 14 — then Producten einen bis 2 Proc. betragenden Kohlensäurege- halt derselben. j a. 0,469 Gramm Substanz verloren beim Trocknen bei 100° 0,006 Gramm und bei weiterem Trocknen bei 150° nur noch 0,0005 Gramm Wasser. Die verbleibenden 0,4625 Gramm liefer- ten 0,464 Gramm BiOUIl, entspr. 0,5726 Gramm = 80,7 Proc. Wis- muth und 0,0785 Gramm SO®K?, entspr. 7,6 Proc. Kalium. b. 0,5015 Gramm Substanz verloren bei 100° noch 0,0115 Gramm und bei 150° nur noch 0,001 Gramm Wasser. Die ver- bleibenden 0,489 Gramm lieferten 0,4905 Gramm BiOC1, entspr. 0,5939 Gramm — 80,6 Proc. Wismuth und 0,0367 Gramm SO!K?, entspr. 7,5 Proc. Kalium. Der geringe Kohlensäuregehalt der Verbindung wurde nicht bestimmt. Daraus lässt sich für die trockne Substanz die Formel: Bi?0?K ableiten. ber. gef. SATTE, Bir = 803 80,7 80,6 Bi 122 en: wen Ki: il 7,6 UD 000 Die Substanz kann demnach betrachtet werden, als bestehend aus Bi?O5K? + Bi?0° —= 2Bi?O#K. Die Verbindung wurde nur einmal erhalten. Wiederholte Ver- suche sie darzustellen lieferten immer nur rothbraune Producte. Einen ähnlich zusammengesetzten aber rothen Körper ‘erhielt Schrader!) als er die mit Hülfe von ganz cohcentrirter Kali- lauge dargestellte rothe Substanz einer erneuten Einwirkung aus- setzte. Dieselbe fand er nahezu der Formel: Bi?0’K? + 20H? — Bi?05K? + BißO®? + 20H? zusammengesetzt. Sieht man vom Wassergehalt ab, so hat man: Bi?08K2 — Bi?0°K? + Bi?03 Bi?0’K? —= Bi?O5K? + BiO2, oder 2Bi208K?’ — Bis010K + — 2 Bi?2O5K? + 2Bi?03 2Bi?0’K? = Bi60!:K? —= 2Bi0®K + Bi?05K? + Bi?03. Auch die von Heintz?) auf analoge Weise erhaltenen ocker- 1)1:8..2.0, p. 28. 2) a. a. Oi p. 67. — 15 — gelben Verbindungen, für welche er die Formel: 4Bi0?+ K’?O+ 30H? = Bi!0°K? +30H: aufstellt, gehören hierher. Sie ha- ben aber wahrscheinlich die Formel: Bi®0!7K* + 30H? und sind, vom Wasser abgesehen, mit den obigen wohl vergleichbar, denn: Bi8®017Kt — 2Bi0O3>K + Bi?O5K? + 2Bi?03. Der in diesen Formeln ausser neutralem Kaliumbismuthat und Wismuthoxyd vorkommende besondere Theil ist die Verbindung: Bi?O5K?. Dieselbe erscheint als das Kalium - Wismuthoxyd - Salz der dreibasischen Wismuthsäure: 0-10 'O—Bi Bi ox OK oder was dasselbe ist als eine Verbindung von Kaliumbismuthat mit der dem Wismuthhydroxyd entsprechenden Kaliumverbindung nämlich als BiO®K + BiO?’K. Das in den obigen Formeln enthaltene Wismuthoxyd kann so- ‘wohl mit dem Salz BiO3K, als mit dem Salz Bi?O°K? in Verbin- dung sein, nämlich damit vereinigt zu Kalium- und Bismuthyl- Abkömmlingen der drei- und fünf-basischen Wismuthsäure oder nach altem Sprachgebrauch zu basischen Salzen der Wismuthsäure: 10) Ill BiO®K + Bi203 en 1 1 = 111 un Bio _ Bio OK II 04.Bi® III Bi2?05K2 + Bi203 Bi ne 1 1 —= I lo _ Bio OK OK Diese Auffassungsweise der Verbindungen führt uns zur Erkennt- niss des Vorgangs, welcher bei der Oxydation des Wismuthoxyds in alkalischer Flüssigkeit vor sich geht: Ein n-faches davon wird unter Aufnahme von Sauerstoff zuächst zu basischen Kalium-Bismuthyl- Salzen, welche je nach den Umständen (Concentration der Kalilösung und dauernde Behandlung) mehr Sauerstoff auf- nehmen und zuletzt indie Kalium-Salze einer n-fachen Wismuthsäure übergehen. | — 16 — | / V. Versuche die Wismuthsäure mit Cyankalium darzustellen. Wie schon oben erwähnt behauptet Boedecker beim Ver- setzen einer conc. Lösung von Cyankalium im Ueberschuss die Abscheidung eines dunkelbraunen Pulvers, welches nur wenig heller als Bleisuperoxyd ist, während die überstehende Flüssigkeit dunkelbraunroth gefärbt ist, erhalten zu haben, welches nach seiner, in Gemeinschaft mit O. Deichmann ausgeführten Untersuchung des Niederschlags ‚das beachtenswerthe Resultat ergab, dass hier nicht eine der Verbindungen entsteht, die nach C. Schrader hauptsächlich aus BiO* (jetzt BiO?) bestehen, sondern BIO® + 2HO (jetzt Bi?O7H%)*, Wenngleich es keinem denkenden Chemiker entgehen konnte, dass bei dieser Einwirkung eine Oxydation ausgeübt werden sollte durch eine sonst nur reducirend wirkende (weil niemals oxydirend wirken könnende) Substanz, nämlich durch das COyankalium, so hat es offenbar bis jetzt keiner der Mühe Werth gehalten, dieses von Boedecker erhaltene und allerdings sehr „beachtenswerthe“ weil von ihm ganz unerklärt gelassene Resultat, einer Prüfung zu unterziehen, vielleicht gerade deshalb, weil es ein so wunderbares und also wenig vertrauenerweckendes war. Das hat sich denn in der That auch bestätigt, denn das vermeintliche Wismuth- säurehydrat der Herren Boedecker und Deichmann ist nichts weiter als, durch einen Schwefeleyankalium-Gehalt des ordi- nären Cyankaliums entstandenes Wismuthbisulfid: Bi?S?, wie aus den nachfolgenden Versuchen ersichtlich ist. 1. Versuch. Bringt man frisch gefälltes noch feuchtes Wis- muthhydroxyd zu reiner concentrirter Cyankaliumlösung oder lässt man Wismuthnitratlösung in dieselbe tropfen, so erhält man nie- mals eine schwarze Substanz, sondern das angewandte oder durch Umsetzung gebildete Wismuthhydroxyd bleibt auch während einer Digestion in der Wärme weiss und unverändert. 2. Versuch. Bringt man dagegen Wismuthhydroxyd zu einer Lösung von überschüssigem concentr. Cyankalium, welches mit gewöhnlicher Pottasche bereitet ist, oder lässt man Wismuth- nitratlösung in dieselbe tropfen, so entsteht eine dunkelbraune Substanz, welche durch Auswaschen, zuletzt mit siedendem Wasser gereinigt wurde. 0,365 Gramm dieser über Schwefelsäure getrockneten Substanz blieben bei 100° unverändert, verloren aber bei 150° an Gewicht 0,002 Gramm. Als diese 0,363 Gramm Substanz im Porzellan- — 167 — tiegel über freiem Feuer erhitzt wurden, um sie in Bi?O° überzu- führen, wurde beobachtet: einmal, dass die heisse Substanz von oben nach unten, also von der kälteren zur wärmeren Stelle ihre Farbe in „Gelb“ veränderte, was, wenn diese Veränderung einem durch die Hitze bedingten Uebergang unter Sauerstoffverlust in eine niedrigere Oxydationsstufe zuzuschreiben gewesen wäre, um- gekehrt, nämlich von der heisseren Stelle aus, hätte vor sich ge- hen müssen und sodann, dass bei diesem Erhitzen der Geruch nach schwefliger Säure ganz intensiv auftrat. Die Verbindung musste also schwefelhaltig sein. Nach dieser Erfahrung wurde die braune Substanz mit ver- dünnter Salzsäure behandelt. In dieser Säure lösen sich alle hö- heren Wismuthoxyde und deren Verbindungen mit Kali unter Chlor- entwicklung leicht auf. Die braune Substanz wurde nur zum gering- sten Theil verändert, unter Kohlensäureentwicklung löste sich etwas auf, während der grösste Theil ganz unverändert und un- gelöst blieb. Die Substanz war also ein Gemenge von Wismuth- carbonat mit einem Schwefelwismuth. 3,000 Gramm dieser so behandelten, ausgewaschenen und wie- der über Schwefelsäure getrockneten Substanz verloren beim Er- hitzen auf 100° nichts an Gewicht, beim Erhitzen auf 150° nur 0,001 Gramm. Darnach wurde sie im Porzellantiegel bei Luftzu- tritt erhitzt, bis sich keine schweflige Säure mehr entwickelte und sie ein hoinogen gelbes Aussehen angenommen hatte. Nach dem Erkalten wurde gewogen, es war eine Gewichtsabnahme von 0,0585 Gramm eingetreten, d. h. von 19 Proc. Wäre die Substanz Bi?05, 2 OH? gewesen, so hätte sie bei ihrem Uebergang in Bi?O3 einen Verlust von 12,7 Proc. und wenn sie nach dem Erhitzen auf 150° etwa wasserfrei geworden wäre, doch noch einen Gewichts- verlust von 6,4 Proc. erleiden müssen. Sie konnte also auch dar- nach keine Wismuthsäure sein. Neue mit Hülfe von Wismuthhydroxyd dargestellte, mit ver- dünnter Salzsäure im Ueberschuss behandelte braune Substanz wurde über Schwefelsäure getrocknet. Davon wurden 0,350 Gramm, welche bei 100° nichts an Gewicht verloren hatten, bei 150° ge- trocknet, wobei sie 0,001 Gramm abnahmen. Das restirende dun- kelschwarzbraune Pulver wurde nun zur quantitativen Nach- weisung des Schwefels in concentrirter Salpetersäure gelöst, wobei rothe Dämpfe auftraten, dann zur Trockne eingedampft, in ver- dünnter Salpetersäure wieder gelöst, wobei etwas unlösliche (offen- bar aus dem Cyankalium stammende) weisse Kieselsäure zurück- — 18 — blieb, davon abfiltrirt, der Rückstand ausgewaschen, das Filtrat mit etwas überschüssigem Schwefelammonium und darauf mit viel Wasser zur Abscheidung des Wismuths versetzt. Im Filtrat war reichlich Schwefelsäure vorhanden. Zur quantitativen Untersuchung wurden folgende Mengen ver- wandt: a. 0,179 Gramm der bei 150° getrockneten Substanz liessen zurück 0,008 Gramm Kieselsäure. Die verbleibenden 0,171 Gramm gaben 0,165 Gramm SO?:Ba?, entspr. 0,0226 Gramm = 13,2 Proc. Schwefel. b. 0,1955 Gramm desgl. hinterliessen 0,0095 Gramm Kiesel- säure. Die verbleibenden 0,189 Gramm lieferten 0,182 Gramm SO*Ba?, entspr. 0,02499 Gramm — 13,2 Proc. Schwefel. Darnach ist die Substanz also Wismuthbisulfid: Bi?S? ber. gef. Bi? — 86,8 a ar 232 13,2 13;2 100,0 Dieses Wismuthbisulfid konnte sich aus dem Wismuthhy- droxyd od. Wismuthnitrat nur bilden, wenn das angewandte Cy- ankalium aus roher kaliumsulfat-haltiger Pottasche !) dargestellt worden war, also Sulfocyankalium enthielt und wenn noch eine reducirende Substanz, wie das Cyankalium vorhanden war, welche das Wismuthoxyd erst reducirte ehe es sich umsetzte, oder das erst gebildete Wismuthstrisulid in Wismuthbisulfid unter Weg- nahme von Schwefel verwandelte. Um zu sehen, ob diese beiden möglichen Fälle in Wirklichkeit statthaben, oder aber, wenn nur einer von beiden sich realisirt, welcher es ist, wurden weitere Versuche angestellt. 3. Versuch. Reines aus einer Wismuthoxydsalzlösung durch Fällung mit Schwefelwasserstoffgas dargestelltes Bi?S? wurde noch feucht mit einer concentr. reinen Cyankaliumlösung im Ueberschuss zusammengebracht und in einem bedeckten Becherglase erst bei gewöhnlicher Temperatur, sodann in gelinder Wärme mehrere Tage zusammen digerirt und schliesslich gekocht. Eine Veränderung der Substanz war nicht wahrzunehmen. Im Filtrat war keine Spur 1) Diejenige, welche zur Bereitung des gewöhnlichen unreinen Cyankaliums benutzt worden war ergab bei einer Bestimmung der Schwefelsäure: 1,1 Proc. SO3. — 169 — einer Sulfocyanverbindung nachzuweisen. Das Wismuthtrisulfid war ganz unverändert geblieben, denn seine Analyse ergab nach dem Trocknen: 81,3 Proc. resp. 81,1 Proc. Wismuth und 18,5 resp. 18,4 Proc. Schwefel. Das Trisulfid verlangt: 81,4 Proc. Wismuth und 18,6 Proc. Schwefel. Wismuthtrisulfid wird also durch Cyan- kaliumlösung nicht zu Wismuthbisulfid reducirt. 4. Versuch. Frisch bereitetes feuchtes Wismuthhydroxyd wurde mit einer gemischten Lösung !) von schwefelfreiem Cyan- kalium und Sulfocyankalium im Ueberschuss in einem Becherglase zusammengebracht und nach dem Bedecken des Letzteren etwa 12 Stunden lang bei 50°—60° digerirt und schliesslich bis zum Ko- chen erhitzt. Sobald das Wismuthhydroxyd in die gemischte Lösung kam, nahm es eine dunklere Färbung an, deren Intensität sich immer mehr steigerte. Darnach wurde die Flüssigkeit vom braun- schwarzen Rückstand getrennt und dieser abermals derselben Be- handlung mit einem neuen Gemische unterworfen. Der nun auf dem Filter gut ausgewaschene braunschwarze Körper wurde zur Entfernung von etwa vorhandenem durch Zer- setzung von Kaliumeyanat gebildetem Wismuthcarbonat mit ver- dünnter Salzsäure behandelt, wobei in der That Kohlensäureent- wicklung wahrgenommen wurde, sodann abermals vollkommen aus- gewaschen und über Schwefelsäure getrocknet. a. 0,2355 Gramm der bei 150° getrockneten Substanz (bei 100° war kein Gewichtsverlust, bei 150° nur ein solcher von 0,003 Gr. eingetreten) hinterliessen nach dem Lösen in Salpetersäure, Ver- dampfen zur Trockne und Wiederlösen in verdünnter Salpetersäure 0,017 Gramm unlösl. Rückstand (Kieselsäure) und die 0,218 Gramm in Lösung gegangene Substanz gaben 0,231 Gramm BiOCl, entspr. 0,1855 Gramm = 85,1 Proc. Wismuth und 0,207 Gramm SO®Ba?, entspr. 0,0284 Gramm = 13,2 Proc. Schwefel. b. 0,3495 Gramm Substanz verloren bei 100° nichts an Ge- wicht, bei 150° aber noch 0,005 Gramm. Die 0,5445 Gramm hin- terliessen nach dem Lösen in Salpetersäure 0,025 Gramm Rück- stand (Kieselsäure) und die in Lösung sich befindenden 0,3195 Gramm lieferten 0,3385 Gramm BiOCl, entspr. 0,2715 Gramm = 85,1 Proc. Bismuth und 0,306 Gramm SO:Ba?, entspr. 0,042025 Gramm = 13,1 Proc. Schwefel. !) Eine Lösung von reinem Sulfocyankalium verändert Wismuth- hydroxyd gar nicht, ebensowenig wie es eine Lösung von reinem Cyankalium thut. — 10 — Daraus folgt also für die Substanz die Zusammensetzung: Bi?S? ber. gef. Bi? — 86,8 8,1 ‚sl Si N 130. 1341 100,0 Die Resultate vorstehender Untersuchungen sind folgende: 1. Die höchste Oxydationsstufe des Wismuths die Wismuth- säure ist nach der Formel: Bi?05 zusammengesetzt. Kali-Ver- bindungen derselben entstehen, wenn Wismuthhydroxyd in einer nicht zu concentrirten Kaulilauge (bis vom spez. Gew. 1,539) vertheilt, Chlor in der Kälte eingeleitet und darauf, nach Zusatz von Kalilauge bis die Flüssigkeit alkalisch reagirt, gekocht wird. Diese Operation ist mit der erhaltenen Wismuthverbindung unter Anwendung neuer Mengen Kalilauge wiederholt (etwa drei mal) vorzunehmen. 2. Die so entstehenden Kalium-Bismuthate sind nach dem Typus 2 BiO®K + n Bi?O0° zusammengesetzt, von rothbrauner bis dunkelviolettbrauner Farbe und um so kalireicher, je con- centrirter die Kalilauge angewandt wurde. Durch siedendes Wasser gehen sie in etwas heller aussehende kali-ärmere Salze über. 3. Beim vielfach wiederholten Behandeln dieser Salze mit kohlensäurehaltigem Wasser in gelinder Wärme geht der grösste Theil des Kalis aus der Verbindung, aber vielleicht nicht der ganze und es entsteht eine hell-leberbraune sehrkali-arme Verbindung der Wismuthsäure. Alle diese Verbindungen sind wasserfrei. Mit Essigsäure be- handelt hinterlassen sie das orangefarbene Bismuthyl-Bis- muthat: Bi?O?, mit verdünnter Salpetersäure gekocht das gelb- braune Bismuthyl-Bismuthat: BitO8. 4. Wendet man Wismuthhydroxyd und so starke Kali- lauge an, dass sie beim Erkalten krystallisirt und leitet in die siedende Lösung das Chlor, so erhält man ockergelbe bis rothe Kali- Verbindungen welche basische Kali-Wismuth- oxydsalze der Wismuthsäure oder Kali-Bismuthyl-Bismuthate der drei- oder fünf-basischen Wismuthsäure sind. In ihnen ist also nicht alles Wismuth pentavalent, sondern z. Th. noch trivalent enthalten. Ebensolche Verbindungen entstehen, wenn man krystal- — 11 — linisches Wismuthoxyd anwendet und in der Siedehitze das Chlor zuleitet. Das Wismuthoxyd wird also allmählig und unter gleichzeitiger Aufnahme von Kali in die höchste Oxyda- tionsstufe verwandelt. Die erst entstehenden ockergelben und rothen Körper sind Zwischenverbindungen, welche auch bei wiederholter Behandlung mit neuer ebenso concentrirter Kalilauge und Chlor nicht höher oxydirt werden und also nicht in reine Kalium-Bismuthate übergehen. Sie liefern beim Kochen mit conc. Salpetersäure das orange- gelbe wasserhaltige Bismuthyl - Bismuthat: Bi?0! + 20H? = \% III BiO3 (BiO) + 20H? (das „Wismuthsuperoxydhydrat“ BiO? + OH? von Heintz und Schrader). Jena, August 1878. Druck von Ed. Frommann in Jena. SITZUNGSBERICHTE DER JENAISCHEN GESELLSCHAFT MEDICIN UND NATURWISSENSCHAFT FÜR DAS JAHR 1879. JENA, VERLAG VON GUSTAV FISCHER VORMALS FRIEDRICH MAUKE. 1879. Inhalt. I. Sitzung am 10. Januar. Ueber die Organisation und Classification der Lepto- medusen. Von Professor E. Haeckel Ueber Stephenson’s System der homogenen Immersion bei Mikroskop- Objektiven. Von Professor E. Abbe II. Sitzung am 24. Januar. Ueber die Struktur der Knorpelzellen von Salamandra maculata. Von Professor C. Frommann i Ueber Anwendungen der Begriffsschrift. Von Dr. Frege fe III. Sitzung am 7. Februar. Ueber einen Druckregulator für Leuchtgas und einen Gasentwickelungsapparat von T. Schorer in Lübeck. Von Dr. Gaenge B ER Ueber das Gesetz des Muskelnerreneintriiie, Von Pro- fessor G. Schwalbe IV. Sıtzung am 21. Februar. Ueber die Bestimmung der Brechungs-Verhältnisse fe- ster Körper mittelst des Refractometers. Von Pro- fessor E. Abbe Ueber die akumetrische ee des Bell ren Te- lephons. Von Professor Preyer . . Ueber Zellbildung und Zelltheilung. Von Fear Eduard Strashurger ech Ueber die Struktur der Bonekenzöllen der Be Von Professor C. Frommann V. Sitzung am 2. Mai. Ueber die Bestimmung von Zeit und Polhöhe aus Be- obachtungen in Höhenparallelen. Von Professor E. Abbe 5 EIERN RR Ueber telephonische Hörpr tung. Von Stabsarzt Dr. Körting E le VI. Sitzung am 16. Mai, Ueber die Ovula der Angiospermen. Von Professor Eduard Strasburger . Ueber Ursprung und Stammverwandtschaft der Elena phoren. Von Professor E. Haeckel VII. Sitzung am 13. Juni. Ueber Embryoskopie. Von Professor Preyer Seite 70 80 IV ANGE IX. XI. XII. XIV. Inhalt. Sitzung am 4. Juli. Ueber das Nervensystem der Actinien. Von Professor O. Hertiwig ee ee ee N Sitzung am 18. Juli. Ueber ein zu Demonstrationen geeignetes Zelltheilungs- Objekt. Von Professor Eduard Strasburger. Ueber Untersuchungen aus dem Gebiete der Pflanzen- chemie. Von Professor Gutzeit i Ueber die Organisation und Classification der Trachy- medusen. Sn Professor EB. Haeckel wm ru Sitzung am 1. August. Ueber ein stereoscopisches Ocular. Von Professor Abbe Ueber die Geschlechtsorgane der Actinien. Von Pro- fessor R. Hertwig. i Ueber Bildung der ae Bin ers. der Dellmermbeon. Von Professor C. re Sitzung am 7. November. Ueber eine Mittheilung des Herrn Dr. E. Valaoritis über die Eibildung beim Landsalamander. Von Pro- fessor Preyer > N ala Ueber die Geschlech in ne der Coelenteraten und ihre systematische Bedeutung Von Professor R. Hertwig. Ueber die Entwicklung er Eeirenitsien Venen ve Menschen. Von Professor K. Bardeleben . Sitzung am 21. November. Ueber Albuminurie bei gesunden Nieren. Von Pro- fessor P. Fürbringer 5 Ueber die Organisation und Classiflcation der "Nareo- medusen. Von Professor E. Haeckel Sitzung am 28. November. Ueber die Innervirung des Platysma myoides (M. sub- cutaneus colli) des Menschen. Von Professor K. Bardeleben . Ueber die Bedingungen ae Aplanatismus” der Tänsen- systeme. Von Professor Abbe . Sitzung am 12. December. Ueber die Musculatur der Coelenteraten. Von Pro- fessor O. Hertwig : Ueber ein neues aus der Werkstatt: von De hervor- gegangenes Mikrotom. Von Stabsarzt Dr. Körting Ueber das Episternum des Menschen. Von Professor K. Bardeleben Ueber die Phaeodarien, eine neue 6 Gruppe‘ kieselschali- ger mariner Rhizöpoden. Von Professor E. Haeckel Verzeichniss der eingegangenen Schriften . Seite 121 124 125 128 129 142 146 146 151 158 1. Sitzung am 10. Januar 1879. 1) Herr Prof. Haeckel sprach Veber die Organisation und Classification der Leptomedusen. Die Ordnung der Leptomedusen umfasst alle Craspedo- ten, deren Ammen Hydropolypen aus der Gruppe der Campa- nularien sind. Stets liegen bei ihnen die Geschlechtsdrü- senim Verlaufe der Radial-Kanäle. Marginale Sinnes- bläschen fehlen entweder (Thaumantiadae, Oladocannidae), oder sie entstehen aus der unteren Fläche der Velum-Insertion (aus Exoderm-Zellen des Velum) und enthalten exodermale Otoli- thenzellen. (Fucopidae, Aequoridae). Es gehören hierher vier Medusen-Familien von GEGENBAUR: die Thaumantiaden, Aequoriden und Eucopiden, sowie die Williaden, die bisher irrig zu den Ocea- niden (oder Anthomedusen) gerechnet wurden. Aus dem Medusen- System von Agassız gehören hierher folgende acht Familien: 1. Be- renicidae (oder Williadae). 2. Polyorchidae. 3. Melicertidae. 4. Laodiceidae (oder 'Thaumantiadae). 5. Eucopidae. 6. Oceanidae (oder Phialidae). 7. Aequoridae. 8. Geryonopsidae. Die Leptomedusen zerfallen in zwei Hauptgruppen oder Un- terordnungen. I. Ocellatae, ohne Gehörbläschen, stets mit Ocel- len: die beiden Familien der Thaumantiaden und Cladocan- niden; und II. Vesiculatae, mit Gehörbläschen, meist ohne Ocellen: die beiden Familien der Eucopiden und Aequoriden. I. Familie: Thaumantiadae: 4—8 Radial-Kanäle, einfach, un- verästelt und nicht gespalten. Ocellen an der Tentakel-Basis. Keine Randbläschen. 1. Subfamilie: Laodieidae: 4 Radial-Kanäle Genera: Prothaumantias. Thaumantias. Laodice. Dissonema. Cosmetira. Staurophora. 2. Subfamilie: Melicertidae: 8 Radial-Kanäle; Genera: Melicertella. Melicertum, l 2 Sitzungsberichte. II. Familie: Cladocannidae: 4, 6 oder 8 Radial-Kanäle, verästelt, gabelspaltig oder gefiedert. 1. Subfamilie: Polyorchidae: 4—6 Radial-Kanäle, gefie- dert oder: mit Seitenästen, welche den Ringkanal nicht erreichen: Genera: Staurodiscus. Gonionemus. Ptychogena. Polyorchis. 2. Subfamilie: Berenicidae: 4,6 oder 8 Radialcanäle, verästelt mit Seitenzweigen, die vom Hauptkanal abgehen und den Ringkanal erreichen, ebenso wie der Hauptkanal. Genera: Be- renice. Cladocanna. Dipleurosoma. 3. Subfamilie: Williadae: 4, 6 oder 8 Radialkanäle, gabel- theilig oder dichotomisch verästelt. Die Gabeläste erreichen den Ringkanal, dagegen der Hauptkanal nicht: Genera: Willia. Diera- nocanna. Probosceidactyla. Arcadorchis. II. Familie: Eucopidae: Stets nur vier einfache Radial- kanäle. 8 oder mehr Randbläschen. Ocellen bald vorhanden, bald fehlend. 1. Subfamilie: Obelidae: Stets 8 adradiale Randbläschen. Kein Magenstiel. Genera: Fucopium. Eucope. Obelia. Tia- ropsis. 2. Subfamilie: Phialidae: Zahlreiche Randbläschen (12—16 oder mehr, oft über 100). Kein Magenstiel. Genera: Phialis. Phialium. Phialidium. Mitrocoma. Halopsis. 3. Subfamilie: Saphenidae: Stets 8 adradiale Randbläschen. Ein kurzer oder langer Magenstie. Genera: Eutima. Saphenia. Geryonopsis. Octorchis. 4. Subfamilie: Irenidae: Zahlreiche Randbläschen (12 — 16 oder mehr). Ein kurzer oder langer Magenstiel. Genera: Tima. Irene. Irenetta. IV. Famlie: Aequoridae: Zahlreiche Radial-Kanäle (3 — 16 oder mehr). 8 oder mehr, meistens zahlreiche Randbläschen. Ocellen bald vorhanden, bald fehlend. 1. Subfamilie: Octocannidae: 8 Radialkanäle. 8 adradiale Randbläschen. 8 Tentakeln (4 perradiale und 4 interradiale). Genera: Octocanna. Sminthea. 2. Subfamilie: Olindiadae: 4 perradiale und zahlreiche blinde centripetale Kanäle. Zahlreiche Randbläschen. Genera: Ölindias. Olindella. 3. Subfamilie: Polycannida: Zahlreiche Radial-Kanäle (12 —16 oder mehr), einzeln aus der Magen-Peripherie entspringend. Zahlreiche Randbläschenr,. Genera: Stomobrochium. Mesonema. Sitzungsberichte. 3 Crematostoma. Orchistoma. Zygodactyla. Rhegmotodes. Poly- canna. Aequorea. 4. Subfamilie:e Zygocannidae: Zahlreiche Radial-Kanäle (16 oder mehr), paarweise aus die Magen-Peripherie entspringend. Zahlreiche Randbläschen. Genera: Zygocannula. Zygocanna. 2) Herr Prof. Abbe hielt sodann den folgenden Vortrag: Ueber Stephenson’s System der homogenen Immersion bei Mikroskop-Objektiven. Der Erfinder der Immersionsmethode, Amici, an dessen Namen so viele bedeutsame Fortschritte in der Vervollkommnung des Mikroskops sich knüpfen, hat auch schon den Versuch gemacht, andere Flüssigkeiten als Wasser für die Immersion in Verwen- dung zu bringen. Amici hat u. A. das stark brechende Anis-Oel benutzt, muthmaasslich von der Ansicht geleitet, dass der Vortheil, den die Ersetzung der Luftschicht durch ein stärker brechendes Medium herbeiführt, mit wachsendem Brechungs-Exponenten in um so höherem Grade zur Geltung kommen werde. In späterer Zeit ist von Anderen namentlich auch das Glycerin als Immersions- flüssigkeit mehrfach in Anwendung gebracht worden, wie neuer- dings wieder von dem bekannten amerikanischen Optiker Spencer, der, nach verschiedenen Berichten zu schliessen, auf diesem Wege Objektive von vorzüglicher Qualität hergestellt hat. Die theoretische Analyse des Immersions-Prinzips zeigt nun, dass in der That mit stärker brechenden Substanzen in mehreren Rücksichten noch günstigere Bedingungen als mit Wasser erreicht werden können; sie ergiebt aber zugleich, dass der zu erwartende Vortheil keineswegs an eine unbegrenzte Steigerung des Brechungs- exponenten der Immersionsflüssigkeit gebunden ist, dass vielmehr in Bezug auf diesen ein Maximum existirt, mit dessen Ueberschreitung die Bedingungen im Allgemeinen wieder ungünstiger werden. So- fern Deckglas und Frontlinse der Objektive aus Crownglas voraus- gesetzt werden — was aus guten Gründen allgemein der Fall ist — wird dieses Maximum durch eine Immersionssubstanz vom Bre- chungsexponenten des Crownglases erreicht. Eine solche stellt eine optisch homogene Verbindung her zwischen dem Präparat und dem Objektiv, welche alle Brechung der Lichtstrahlen vor der ersten kugelförmigen Fläche des optischen Systems aufhebt. Nicht nur 1* 4 Sitzungsberichte. fällt in diesem Falle der Lichtverlust durch Reflexion hinweg, welcher an jeder Trennungsfläche von optisch verschiedenen Medien namentlich in den schief einfallenden Strahlen eintritt; es wird zugleich, ‚was wichtiger ist, ein sehr erheblicher Betrag von sphä- rischer Aberration im Entstehen unterdrückt, der andernfalls in den oberen Gliedern des Objektivs wieder gehoben werden müsste und dabei unvermeidliche Rückstände übrig lassen würde. Von ande- ren Vortheilen ganz abgesehen verspricht also eine solche Methode der homogenen Immersion jedenfalls vollkommenere Aufhebung der sphärischen Aberration, also günstigere Verhältnisse für die sogen. Definition der Objektive als die Wasser-Immersion. Als ein praktisch nicht unerheblicher Nebengewinn dabei bietet sich aber noch dar die Beseitigung des Einflusses der Deckglasdicke und in Folge dessen das gänzliche Entbehrlichwerden der sonst erforderlichen Deckglas-Correction. Denn sobald das Zwischenme- dium in Refraction und Dispersion dem Deckglase gleichartig ist, wird es für die optische Wirkung gleichgiltig, ob eine dickere Schicht Glas und eine entsprechend dünnere Schicht der Flüssigkeit, oder umgekehrt, zwischen Objekt und Linsensystem eingeschaltet ist. Die Idee, die verschiedenartigen Vortheile einer solchen beson- dern Art von Immersion durch die Construktion von Objektiven nach diesem System praktisch zur Geltung zu bringen, hat mir schon seit längerer Zeit nicht fern gelegen. Indess habe ich mir in Bezug auf den wissenschaftlichen Nutzen solcher Objektive desshalb nicht besonders viel versprochen, weil ich ihren Gebrauch durch die Nothwendigkeit, ein Oel oder eine andere unbequeme Substanz als Immersionsflüssigkeit zu verwenden, auf ein allzu- kleines Gebiet eingeschränkt glaubte. Es schien mir, ausser etwa der Diatomeen-Beobachtung, kaum ein anderes wissenschaftliches Arbeitsfeld als das petrographische Studium übrig zu sein, auf welchem die optischen Vorzüge solcher Immersionsobjektive würden zur Geltung kommen können. Die schliessliche Ausführung des Planes in der hiesigen opti- schen Werkstatt des Herrn C. Zeiss ist indess in eine andere Rich- tung gelenkt worden durch einen Vorschlag des Herrn John Ware Stephenson in London, der von sich aus das Prinzip der homo- genen Immersion selbständig aufgefunden hatte!), unter seinen Vortheilen aber neben der Beseitigung der Deckglas-Correktion !) J. W Stephenson, On a large-angled immersion-objective without adjustement-collar ete. Journal of the R. Microscop. Society, 1878, pag. 51, IL Sitzungsberichte. zugleich die mögliche Vergrösserung des Oeffnungswinkels und die daraus zu erwartende Steigerung des Unterscheidungs-Vermögens der Objektive in den Vordergrund stellte. Dieser Gesichtspunkt des Herrn Stephenson, durch dessen Hervorkehrung das Unterneh- men ein allgemeineres wissenschaftliches Interesse erlangte, ist denn bei der rechnerischen und technischen Ausführung von meiner und Herrn Zeiss’ Seite in erster Linie verfolgt worden; und es ist gelungen, auf diesem Wege eine Reihe von Objektiven herzustellen, welche in mehreren Rücksichten den Objektiven der gewöhnlichen (Wasser)-Immersion sichtlich überlegen sind. Nachdem dieselben inzwischen von einer ziemlichen Anzahl von Mikroskopikern in Gebrauch genommen worden sind, hat sich denn auch herausge- stellt, dass die ungewöhnliche Beschaffenheit der Immersionsflüs- sigkeit, obwohl sie natürlich die Anwendung solcher Objektive immerhin sehr beschränken wird, doch kein unbedingtes Hinder- niss für eine solche Anwendung auf sehr verschiedenen Gebieten des mikroskopischen Studiums darstellt, und dass im Besondern auch das Arbeitsfeld des Biologen mancherlei Aufgaben darbietet, denen gegenüber die neuen Linsen nützliche Dienste leisten können. Nachdem vor ungefähr Jahresfrist die ersten Objektive nach diesem System in der Brennweite von 4” nominell (genauer 2,6 Mm. Aequivalentbrennweite) konstruirt worden sind, die sämmtlich für den langen Tubus der englischen Mikroskope berechnet waren, sind inzwischen auch solche von „4;” (1,35 Mm.) gemacht worden, welche schon mit der Tubuslänge der kontinentalen Stative aus- giebige Vergrösserungen liefern; und ganz kürzlich ist noch eine dritte Nummer, -;” nominell, (1,2 Mm. Brennweite) gelungen, welche gestattet, speziell für histologische Beobachtung schon mit ganz schwachen Ocularen hohe Vergrösserung zu erhalten). Der Oeffnungswinkel dieser Objektive, das zuletzt erwähnte stärkste nicht ausgeschlossen, ist innerhalb der ihnen eigenen Im- mersionsflüssigkeit ca. 114°, wenn deren Brechungsindex abgerun- det —= 1,50 gesetzt wird. Dieses ist annähernd dieselbe angu- lare Grösse, welche sich auch bei den gewöhnlichen Immersions- linsen innerhalb der Wasserschicht und bei den Trockenobjektiven 1) Das erste Exemplar des „!;, noch in provisorischer Fassung, wurde der Gesellschaft vom Vortragenden vorgelegt und es wurde mit demselben u. A. die schon vor Jahren von Herrn Hartnack beschriebene, von Anderen später in Zweifel gezogene Felderzeichnung auf Surirella Gemma (ineinander geschobene, in der Richtung der Achse der Schale verlängerte Sechsecke) demonstrirt. 6 Sitzungsberichte. innerhalb des Luftraums noch ohne besondere Schwierigkeit errei- chen lässt. Da indess das numerische Aequivalent des Oefinungs- winkels — das Maass, nach welchem sich die vom Objektiv auf- genommene Strahlenmenge bestimmt — einerseits dem Sinus des halben Oeffnungswinkels, andererseits dem Brechungsindex des betreffenden Mediums proportional ist, und da alle Funktionen des Oeffnungswinkels, namentlich auch das Unterscheidungsvermögen des Mikroskopes, nach diesem numerischen Aequivalent sich rich- ten, so ist der Theorie nach die Leistung der neuen Objektive gegenüber den Immersionslinsen des gewöhnlichen Systems im Ver- hältniss von 1,50:1,33, und gegenüber den stärkeren Trockenlinsen im Verhältniss von 1,5:1,0 erhöht. Das Produkt aus dem Sinus des halben Oeffnungswinkels mit dem Brechungsindex des zugehörigen Mediums — die numerische Apertur, nach meiner Bezeichnung — gewinnt bei diesen Objekti- ven die Ziffer 1,25—1,27. Im Verhältniss dieser Ziffer zur Ein- heit ist die von den Objektiven aufgenommene Strahlenmenge grösser als diejenige Strahlenmenge, welche in Luft eine volle Halbkugel ausfüllt und welche demnach einem idealen Trocken- Objektiv von 180° Winkelöffnung zugänglich sein würde. Dieser ungewöhnlich grossen Apertur entspricht nun in der That eine merkliche Steigerung des Unterscheidungsvermögens oder der sog. auflösenden Kraft. Sie macht sich beim Beobachten sogleich bemerklich durch die Leichtigkeit, mit welcher sehr enge Streifungen u. dergl. auf den feineren Testobjekten sichtbar wer- den; durch die Deutlichkeit, mit welcher die charakteristischen Felderzeichnungen auf den komplizirteren Gebilden, wie Frustulia saxonica, Surirella Gemma u. A. hervortreten; endlich durch man- cherlei ungewöhnliche Merkmale, welche an den Bildern von gröbe- ren Strukturen dieser Art, z. B. an Pl. Angulatum, bei gewissen Beleuchtungsweisen zum Vorschein kommen. — Auch an histolo- gischen Präparaten, welche sehr kleine Elemente in dichter Zu- sammendrängung — Granulationen u. dergl. — darbieten, zeigt sich in kritischen Fällen eine bestimmtere und deutlichere Auf- lösung. Bei allen diesen Objekten, zumal bei solchen der letzten Klasse, kommt zugleich die entschieden vollkommenere Definition zur Gel- tung, welche die homogene Immersion ermöglicht, wofern die Fein- heit der technischen Ausarbeitung der Objektive Schritt hält mit der theoretisch gegebenen Verminderung der Aberrationsreste. Auch beim Gebrauch von verhältnissmässig starken Ocularen behalten Sitzungsberichte. 7 die Bilder eine grosse Schärfe, so dass im regelmässigen Arbeiten höhere Vergrösserungen noch mit Nutzen verwendbar sind, als man mit andern Objektiven von gleicher Brennweite zu benutzen pflegt. Desgleichen liess sich öfters an sehr zarten Objekten, wie feinen Cilien, direkt eine weiter gehende Wahrnehmung als durch gute Immersionsobjektive der gewöhnlichen Art konstatiren. Endlich darf als ein zwar indirektes aber besonders gewichtiges Zeugniss für die erreichte Höhe der Definition noch erwähnt werden der günstige Erfolg, den Hr. Dr. Koch in Wollstein bei seinen Bak- terien-Studien ') mit einer an solchen Objekten und bei solchen Oefinungswinkeln ganz unerhörten Beleuchtungsweise, nämlich mit vollem, die ganze Objektiv-Oeffnung ausfüllenden Strahlenkegel, erzielt hat. Bei einer solchen Beleuchtung, wie sie nur mit Hilfe eines Kondensors von grosser Apertur ausführbar ist, wird das Präparat in allen Richtungen gleichzeitig von einfallenden Strah- len durchsetzt. Dadurch wird einerseits die Abbildung solcher Theile, welche nur durch Unterschiede des Brechungsvermögens sich gegen einander abheben (Gewebestrukturen u. dergl.) fast vollständig unterdrückt, und es bleiben im Bilde allein diejenigen Elemente sichtbar, die in Folge von Tinction absorbirend wirken; andererseits aber gewinnt zugleich die Beobachtung, obwohl die Beleuchtung dem Namen nach central bleibt, die wesentlichen Vortheile der schiefen Beleuchtung durch die Mitwirkung von Strahlen in grosser Neigung gegen die Achse des Mikroskops. Sehr kleine und dichtgedrängte Elemente, wie die Bakterien-Prä- parate darbieten, müssen aus beiden Gründen allerdings einer weiter gehenden Auflösung als durch centrale Beleuchtung der gewöhnlichen Art zugänglich werden; wenn jedoch diese sinn- reich kombinirte Beobachtungsmethode den entsprechenden Erfolg zeigen soll, haben die definirenden Funktionen des Objektivs eine äusserst empfindliche Probe zu bestehen, und zwar um so mehr, je grössere Oeffnungswinkel in Frage kommen ?). Was die zu benutzende Immersionsflüssigkeit anlangt, so ist 1) Aetiologie der Wundinfektions-Krankheiten, Leipzig 1879. 2) Aeusserungen sachkundiger Mikroskopiker, welche die obigen Notizen bestätigen, s. u. A.: W. H. Dallinger, The new oil-immersion object-glass constructed by Carl Zeiss of Jena. — Nature, Vol. 18, Nr. 446. H. van Heurck, Notes de Micrographie. — Bulletin de la So- ciete belge de microscopie, avril 1878. A. Schulze, Zeiss’s new oil-immersion-objecetive -—— English Me- chanic, Vol. 27, Nr. 683; Vol. 28, Nr. 708. 8 Sitzungsberichte. deren Beschaffenheit in optischer Hinsicht natürlich gleichgiltig, wo- fern sie nur homogen und durchsichtig ist und dem Crownglas in Refraktion und Dispersion gleichkommt oder wenigstens sehr nahe steht. Die Erfahrung hat indess gelehrt, dass diese Bedingung der homogenen Immersion eine viel geringere Auswahl übrig lässt, als zuvor erwartet werden durfte. — Ich habe gleich zu Anfang für den vorliegenden Zweck im Ganzen über hundert Flüssigkeiten der verschiedensten Art, ätherische und fette Oele und künstliche che- mische Präparate, mit Hilfe des Refraktometers auf Brechungsin- dex und Dispersion untersucht oder untersuchen lassen; und neuer- dings ist diese Nachforschung noch weiter fortgesetzt worden, indem durch Herrn Dr. Töpel nach meiner Anleitung nahehin zweihundert chemische Verbindungen aus der Präparaten-Samm- lung des hiesigen Universitäts-Laboratoriums, welche Herr Prof. Geuther für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen die Güte hatte, in ihren optischen Constanten betimmt wurden. Unter die- sem grossen Material hat sich jedoch nicht eine einzige, ihren sonstigen Eigenschaften nach brauchbare Flüssigkeit gefunden, welche für sich allein oder in Mischung mit einer anderen den Brechungsindex des Crownglases (1,515 — 1,520 für Natronlicht) vollständig erreicht hätte ohne gleichzeitig die Dispersion des Crown mehr oder minder stark zu überschreiten; und nur wenige unter den untersuchten Substanzen erfüllen die Anforderungen in soweit annähernd, dass die Abweichung als praktisch unschädlich anzu- sehen ist. Die günstigste Flüssigkeit, die bis jetzt aufgefunden werden konnte, ist das Cedernholz-Oel (aus der Fabrik von Schimmel u. Co., Leipzig und New-York), ein fast farb- und ge- ruchloses, wenig flüchtiges — leider etwas dünn flüssiges — äthe- risches Oel, dessen Brechungsindex bei mittlerer Temparatur p.p. 1,51 erreicht, während die Dispersion diejenige des Crownglases L. M. Willis, Oil-Immersion Objeetives. American Journal of Microscopy, Vol. 3, Nr. 7. Während der Drucklegung dieses Referates hat noch ein in die- sen Dingen besonders kompetenter Gelehrter, Col. J. Woodward in Washington, sein Urtheil über die fraglichen Objektive brieflich mit- getheilt. Herr Woodward hat im Besonderen Photogramme von Amphipleura pellucida in Balsam, mittelst des 4 und des 15 aufge- nommen, hierher gesandt, welche nach seinem eigenen Ausspruch be- kunden, dass das „4; die besten zu seiner Verfügung stehenden eng- lischen und amerikanischen Immersionslinsen, wie in der visuellen, so auch in der photographischen Leistung übertrifft. Sitzungsberichte. 9 nur in geringem Grade übertrifft. Für dieses Oel sind daher die Objektive zunächst eingerichtet worden. Einer weitgehenden Ausnutzung des Prinzips der homo- genen Immersion kommt übrigens der Umstand sehr zu Stat- ten, dass durch Vermischung eines der stärker brechbaren äthe- rischen Oele, wie Nelken-, Fenchel-, Anis-Oel u. a. m., mit be- stimmten Mengen von Oliven-Oel sehr leicht Flüssigkeiten erhal- ten werden können, welche in der mittleren Lichtbrechung dem Cedernholz-Oel gleich kommen, dessen Dispersion aber nach Belie- ben in höherem oder geringerem Grade überschreiten. Einem umsichtigen Beobachter wird hierdurch eine Regulirung der chro- matischen Korrektion der Objektive von solcher Feinheit in die Hand gegeben, wie sie keine mechanische Korrektions-Einrichtung erreichen könnte, indem er je nach der Natur der beobachteten Objekte und je nach der Art der erforderlichen Beleuchtung, solche Mischungen von abweichender Dispersion an Stelle des Ce- dernholz-Oeles verwenden kann. Durch dieses einfache Mittel kann namentlich die chromatische Differenz der sphärischen Aber- ration — ein Korrektionsdefekt, den die heutige Optik bei Ob- jektiven von grosser Apertur durchaus nicht zu bewältigen vermag — zum grössten Theil unschädlich gemacht werden. — Jener un- vermeidliche Defekt macht sich nämlich darin bemerklich, dass . der centrale Theil und die peripherische Zone der Objektive nie- mals gleichzeitig vollkommen achromatisch sind: ein Objektiv, wel- ches mit schiefem Licht möglichst farbenfreie Bilder liefert, zeigt sich bei centraler Beleuchtung an empfindlichen Objekten in merk- lichem Grade chromatisch untercorrigirt, und umgekehrt — um so auffälliger, je grösser der Oefinungswinkel. Nun bietet aber die Ersetzung einer parallelflächigen Schicht im Wege der Licht- strahlen durch eine andere von gleicher Refraktion aber verschie- dener Dispersion ein einfaches Mittel dar, die chromatische Kor- rektion des Objektives zu verändern, ohne die sphärische Korrek- tion zu alteriren; und wenn — wie bei der Anfertigung dieser Linsen durchweg geschieht — die Farbenausgleichung so bewirkt wird, dass die Flüssigkeit von niedrigster Dispersion (das Cedern- holz-Oel) die beste Achromasie für schiefes Licht herbeiführt, so wird die Anwendung einer stärker zerstreuenden Mischung der erwähnten Art für centrale Beleuchtung den Farbendefekt korri- giren, den die vorerwähnte Immersionsflüssigkeit für solche Be- leuchtung übrig lassen würde. Die Wirksamkeit dieser Methode wird allein durch den Um- 10 Sitzungsberichte. stand etwas beeinträchtigt, dass der Erfolg einer bestimmten Er- höhung der Dispersion natürlich von der Dicke der flüssigen Schicht abhängt. Bei Deckgläsern von verschiedener Dicke und ebenso bei Objektiven von verschiedener Brennweite und dem ent- sprechend verschiedenen Arbeits-Abstand giebt ein und dieselbe Mischung mehr oder minder ungleiche Wirkungen. Da eine genaue Regulirung der Inımersionsflüssigkeit als ein wesentliches Erforderniss erscheint, wenn die Leistungsfähigkeit der neuen Objektive vollständig ausgenutzt werden soll, so ist es wich- tig, ein einfaches Hilfsmittel zu haben, um Refraktion und Dis- persion der Flüssigkeiten in ihrem Verhältniss zu den entspre- chenden Merkmalen des Crownglases jederzeit leicht kontroliren zu können, ohne dabei auf besondere Messapparate angewiesen zu sein. Herr Zeiss giebt zu diesem Zweck jedem solchen Objektiv eine kleine Glasflasche mit parallelen Seitenwänden bei, an deren nach innen verlängertem Glasstöpsel ein Crownglas-Prisma von ca. 60° brechendem Winkel angekittet ist. Indem man die betreffende Flüssigkeit in diese Test- Flasche füllt oder, bei Herstellung von Mischungen, selbige als Mischge- fäss verwendet, und durch Flüssigkeit und Prisma hindurch die vertikale Kante eines Fensterkreuzes oder dergl. anvisirt, kann man die Abweichung der Flüssigkeit vom Crownglas sowohl in Refraktion wie in Dispersion direkt beobachten. Die ‚übrig blei- bende Ablenkung der vertikalen Kante durch das Prisma und die Breite des Farbensaumes ergeben beide Elemente auf einen Blick in völlig ausreichender Genauigkeit. Für den praktischen Gebrauch der neuen Objektive sind noch zwei Dinge besonders zu beachten. Das erste ist die Abhängigkeit der Wirkung von der Tubus- länge. Die Beseitigung der Deckglas-Korrektion bei diesen Ob- jektiven, welche von allen Beobachtern als ein ausserordentlicher Gewinn für die leichte und sichere Handhabung der Linsen er- klärt wird, beraubt auf der andern Seite den Beobachter eines bequemen Mittels, den Einfluss verschiedenen Bildabstandes (ver- schiedener Tubuslänge) auf die Aberrationen innerhalb gewisser Grenzen zu kompensiren !). Die Zeiss’schen Objektive für Oel- !) Die Ersparniss der Korrektions-Fassung bei der Anfertigung solcher Objektive ist zwar an sich ganz unerheblich, gegenüber den sonstigen Anforderungen, welche dabei an die technische Kunst ge- stellt werden. Ein wesentlicher Gewinn entspringt aber aus der Ver- einfachung der mechanischen Konstruktion insofern, als es kaum mög- Sitzungsberchte. 11 Immersion können daher nur mit derjenigen Tubuslänge benutzt werden, für welche sie bei der Anfertigung adjustirt wurden, und sie sind, namentlich die schwächere Nummer, in diesem Punkte in Folge des grossen Oeffnungswinkels so empfindlich, dass Ab- weichungen von wenigen Centimetern in der Länge des Tubus sichtbare Veränderungen im Korrektionszustand berbeiführen. Ein Auszugrohr am Tubus des Mikroskops gewährt daher dem Be- obachter ein sehr einfaches Hilfsmittel, die letzten feinen Abstu- fungen der Korrektion, wenn er will, nach eigenem Ermessen zu reguliren, so wie auch — so lange noch keine vollkommener entspre- chende Immersionsflüssigkeit gefunden ist — den kleinen Defekt in der Refraktion des Cedernholz-Oeles, der bei Anwendung sehr di- cker oder sehr dünner Deckgläser merklich zu werden anfängt, zu kompensiren. (Verlängerung des Tubus wirkt im Sinne der sphä- rischen Ueber -Korrektion, Verkürzung im Sinne der Unter -Kor- rektion; jene korrigirt daher eine Abweichung des Deckglases von der mittleren Stärke nach der Seite der geringeren, diese nach der Seite der grösseren Dicke.) Die Verwendung der Objektive zu photographischer Auf- nahme der Bilder in beträchtlichem Bildabstand erfordert, wenn man nicht etwa mit einem gewöhnlichen schwachen Ocular pho- tographiren will, eine Hilfslinse, welche das Bild in die verlangte Entfernung führt, ohne den Strahlengang im Objektive selbst zu alteriren. Man kann zu diesem Zwecke dicht hinter dem letz- teren eine Konkav-Linse von angemessener Brennweite anbringen, so wie ein kurzsichtiges Auge eine Konkav-Brille benutzt, um die Ebene ‘des deutlichen Sehens in grössere Entfernung zu rücken; man kann aber auch eine Konkav-Linse von entsprechend kürze- rer Brennweite in grösserem Abstand vom Objektiv einschalten, um gleichzeitig eine mässige (2—3 fache) Vergrösserung des Bil- des und damit eine Verkürzung des erforderlichen Abstandes der Platte herbeizuführen. Die Stellung der Hilfslinse muss natür- lich in diesem Falle — nach Rechnung — so regulirt werden, dass lich sein würde, in einer Linsenfassung mit beweglichen Theilen die Centrirung der Linsen in derjenigen Vollkommenheit herzustellen und auf die Dauer zugewährleisten, welche eine feste Fassung mög- lich macht und’ welche hier, wegen der Empfindlichkeit der grossen Apertur gegen die geringsten Centrirungsfehler, als unerlässliche Be- dingung erscheint. In Hinblick auf diesen Umstand würde es höchst unzweckmässig sein, der oben erwähnten Nebenrücksichten wegen solehe Objektive mit Korrektions-Fassungen zu versehen, 12 Sitzungsberichte. die aus dem Objektiv austretenden Strahlenkegel nach derselben Ebene wie beim gewöhnlichen Beobachten konvergiren. Ein zweiter Punkt, der beim Gebrauch solcher Objektive — und überhaupt aller Objektive, deren numerische Apertur den Werth 1,0 erheblich überschreitet — nicht ausser Acht bleiben darf, betrifft die Ansprüche, welche an den Beleuchtungs-Apparat gestellt werden müssen, um im Falle der schiefen Beleuchtung den ganzen Oefinungswinkel wirklich ausnutzen zu können. — Bei einer numerischen Apertur von 1,25 muss ein einfallender Strahl, um die äusserste Randzone des Objektivs erreichen zu kön- nen, das Präparat treffen unter einem Neigungswinkel gegen die Achse des Mikroskops, der für Crownglas oder ein Medium von gleicher Refraction berechnet, ca. 56° beträgt. Strahlen von solcher Nei- gung können natürlich dem Objektiv niemals vom Luftraum aus durch eine ebene zur Achse senkrechte Grenzfläche, wie die untere Fläche des Objektträgers, zugeführt werden. Ein an dieser Fläche unter streifender Incidenz eintretender Strahl würde, nach dem Ein- tritt in das Glas, nicht stärker als pp. 42° gegen die Achse geneigt sein; und beim Gebrauch des gewöhnlichen Beleuchtungsspiegels würde man selbst diese Schiefe noch lange nicht erreichen, ganz abgesehen von dem grossen Lichtverlust durch Reflexion, welcher dabei die Wirkung stark beeinträchtigt. Um also den maximalen Grad schiefer Beleuchtung zu erreichen, den ein Objektiv von so grosser Apertur — natürlich nur bei nicht in Luft liegenden Prä- paraten — zulässt, und das Unterscheidungsvermögen des Objek- tivs zur vollen Entwickelung zu bringen, ist in jedem Falle ein Beleuchtungs-Apparat erforderlich, der seinerseits einen Strahlen- kegel von mindestens gleicher Apertur liefert und der zugleich eine kontinuirliche Verbindung mit der unteren Seite des Objekt- trägers (durch eine Flüssigkeit) zulässt. Ein diesen Bedingungen genügender „Immersions“-Kondensor ist u. A. der vor Jahren von mir beschriebene Beleuchtungs-Apparat (M. Schultze’s Archiv £. mikrosk. Anatomie, Bd. IX, pag. 496) dessen Linsensystem, dem Ocffnungswinkel der älteren Zeiss’schen Immersions-Objektive ent- sprechend, für seinen oberen Brennpunkt eine numerische Apertur über 1,1 besitzt, bei dessen Einrichtung zugleich auf die Verbin- dung der Frontlinse mit der Unterfläche des Objektträgers durch einen Wassertropfen Bedacht genommen ist !). 1) In Rücksicht auf die grössere Apertur der Objektive für ho- mogene Immersion habe ich für diesen Beleuchtungs-Apparat neuer- dings auch noch ein Linsen-System konstruiren lassen, dessen Oeff- Sitzungsberichte. 15 In Ermangelung eines derartigen Beleuchtungs-A pparates kann übrigens, sofern es sich nur um die Möglichkeit sehr schiefer Beleuch- tung handelt, auch eine viel einfachere Vorrichtung ganz gute Dienste leisten. Man kitte mittelst eines Tropfens Glycerin oder Oel eine plan- konvexe, nahezu halbkugelige Linse von 6—9 Mm. Radius (wenn der Durchmesser des Tischloches diese Grösse erlaubt) an die Unterfläche des Objektträgers. Sie bleibt durch Adhäsion an die- sem hängen und kann mittelst eines lose aufgesteckten Messing- ringehens, dessen äusserer Durchmesser der Tischöffnung ent- spricht, genügend centrirt erhalten werden, ohne die freie Ver- schiebung des Präparates auf dem Tisch des Mikroskops zu hin- dern. Der gewöhnliche Hohlspiegel, nur mässig weit aus der Achse entfernt, liefert jetzt Strahlenkegel von jedem gewünschten Grad der Schiefe. Schliesslich mögen hier noch einige Notizen über die op- tische Zusammensetzung der in Rede stehenden Objektive Platz finden. Die auf Grund meiner Berechnung in der hiesigen Werkstatt ausgeführten Objektive für homogene Immersion sind sämmtlich viergliedrige Systeme. Ich bin dabei auf einen von mir selbst schon vor Jahren versuchsweise in Anwendung gebrachten Kon- struktionstypus zurückgegangen, der neuerdings von mehreren Op- tikern, namentlich den Herren Tolles und Spencer, mit gutem Er- folg benutzt worden ist. Es kommen dabei als unterste Glieder des Systems zwei einfache Crownglas-Linsen, dicht übereinander, zur Verwendung (duplex front), und nur die zwei übrigen Glieder sind zusammengesetzte, sogen. achromatische (im vorliegenden Fall binäre) Linsen. Diese Konstruktion hat allerdings den Nachtheil, eine etwas be- trächtlichere chromatische Differenz der Vergrösserung (d. h. bei vollkommener Achromasie in der Mitte des Sehfeldes stärkere Farbenräume nach dem Rande desselben) übrig zu lassen als der Fall zu sein braucht, wenn der Frontlinse des Systems unmittelbar eine aus Flint und Crown zusammengesetzte Linse folgt; dieser Mangel ist aber praktisch unerheblich gegenüber der Erleichterung, welche diese Anordnung für die Vergrösserung des Oefinungswinkels her- beiführt. Die Form, in welcher ich diesen Typus zur Ausführung gebracht habe, ist indess wesentlich verschieden von derjenigen Kon- nungswinkel in seinem numerischen Aequivalent die Ziffer 1,4 annä- hernd erreicht, welches demnach Strahlen liefert, die im Glas bis zu 72° gegen die Achse geneigt sind. 14 Sitzungsberichte. struktion, welche Herr Tolles durch detaillirte Mittheilung der Elemente zu allgemeiner Kenntniss gebracht hat (Journal of the R. Mier. Soc., July 1378, p. 143). Der Unterschied tritt auf- fällig hervor bei Vergleichung der Radien der Frontlinsen mit den Aequivalent-Brennweiten der betreffenden Objektive. — Das am citirten Orte beschriebene Objektiv 2” von Tolles hat fast genau 4 Mm. Brennweite und seine Frontlinse einen Radius von 0,73 Mm. Das Zeiss’sche „5”, von 1,3 Mm. — also über doppelt so kurzer — Brennweite, lässt dagegen der Frontlinse noch einen Radius von 0,9 Mm. und selbst bei dem „1; (1,2 Mm. Brennweite) geht der kleinste Radius (0,6 Mm.) nur wenig unter den des erwähnten 4” herab, während ein gleich starkes Objektiv nach der Tolles’schen Formel den abnorm kleinen Radius 0,22 Mm. erfordern würde. Für die vortheilhafte Anwendung der duplex-front-Konstruktion zur Erlangung grosser Oeffnungswinkel dürfte das hier erreichte günstigere Verhältniss zwischen Radius der Frontlinse und Brenn- weite von entscheidender Bedeutung sein, vor Allem desshalb, weil dadurch allein die Herstellung von Objektiven mit genügend kur- zer Brennweite möglich wird, um das Unterscheidungsvermögen eines grossen Oeffnungswinkels ausnutzen zu können ohne allzu- starke Inanspruchnahme von Tubus und Ocular zur Vergrösserung. Nach der Tolles’schen Konstruktion wäre schon ein Objektiv wie das Zeiss’sche „};, geschweige denn das „;, mit einigermaassen beträchtlichem Oeffnungswinkel so gut wie unausführbar, ganz ab- gesehen noch von der unerträglichen Beschränkung des Arbeitsab- standes bei so abnorm kleinen Linsen. So lange es sich blos um Beobachtung von Diatomeen und Testobjekten handelt, wird nun zwar auch ein Objektiv von 4 Mm. bei bester Ausführung, wenn es einen recht grossen Oeff- nungswinkel besitzt, kaum Etwas zu wünschen übrig lassen, zumal die kleine Frontlinse der Tolles’schen Konstruktion relativ gün- stige Bedingungen für die Anwendung starker Oculare herbeiführt. Wenn aber die viel komplicirteren Gebilde an den schwierigen Ob- jekten des biologischen Studiums berücksichtigt werden, so kann nicht zweifelhaft sein, dass Linsensysteme mit bedeutend höherer Objektiv-Vergrösserung so lange noch ein wirkliches Bedürfniss bleiben werden, als der praktischen Optik für Beseitigung der Aberrationen nicht ganz andere Hilfsmittel als heute zu Gebote stehen. Meiner Ansicht nach muss desshalb in Rücksicht auf die allgemeinen wissenschaftlichen Bedürfnisse einstweilen noch als Sitzungsberichte. 15 Ziel festgehalten werden, Objektive von genügend kurzer Brenn- weite herstellen zu können, welche dem regelmässigen Gebrauch keine all zu grossen Erschwernisse entgegenstellen — was denn auch in dieser speziellen Sache die maassgebende Richtschnur meiner Bestrebungen gewesen ist. Ein entschieden ungünstiges Moment bei der von mir ent- wickelten Konstruktions-Formel ist es übrigens, dass dieselbe an die technische Ausführung der Objektive ungewöhnlich schwierige Anforderungen stellt — Anforderungen, wie sie auf dem Felde der Mikroskopverfertigung bis jetzt wohl schwerlich schon gestellt und erfüllt worden sind. Die sphärische Fläche der Frontlinse muss bei dieser Konstruktionsweise in extremem Umfang in Anspruch ge- nommen werden und zwar mit Incidenzwinkeln, die für die Rand- strahlen auf der Luftseite 45 Grad überschreiten. Der ausführende Optiker hat daher die Aufgabe, in den immerhin kleinen Maassen der Frontlinsen Kugelflächen herzustellen, welche fast in der Aus- dehnung einer vollen Halbkugel den strengsten Anforderungen einer Präzisionsfläche genügen und diese Frontlinsen alsdann so in Fas- sung zu bringen, dass sie unbeschadet der sichern Fixirung bis fast an den Aequator heran für den Lichtdurchtritt frei bleiben. Die Schwierigkeit dieser Arbeiten und die sonstige, mit der Vergrös- serung des Oeffinungswinkels rasch wachsende Empfindlichkeit eines Linsensytems gegen die kleinsten Fehler in der Form und der Centrirung der Linsen, machen die Herstellung solcher Objektive zu einem ausnehmend mühsamen und subtilen Geschäft. — Alle diese Erschwernisse der technischen Ausführung würden jedoch bedeutend vermindert werden, sobald man auf die Vergrösserung des Oeffnungswinkels Verzicht leisten und sich mit einer numeri- schen Apertur von 1,0 bis 1,1, welche bei den bisherigen Immer- sionslinsen das Gewöhnliche ist, begnügen wollte. Ich muss einstweilen dahin gestellt sein lassen, ob das Stephen- son’sche System der Immersion nicht auch unter einer derartigen Beschränkung noch nützliche Dienste leisten könnte. Natürlich würden dabei solche Vortheile der hier besprochenen Objektive preis gegeben werden, welche in einem gesteigerten Auflösungs- Vermögen beruhen, da dieses wesentlich durch die Grösse der Apertur bedingt ist. Auf dem Arbeitsfeld des Mikroskopikers giebt es aber sicher Objekte genug, denen gegenüber eine besondere Höhe des Auflösungs-Vermögens wahrscheinlich weniger ins Ge- wicht. fällt, als die möglichste Vollkommenheit der Definition; und der Vorzug der homogenen Immersion in diesem Punkte, ebenso 16 Sitzungsberichte. wie der grosse äussere Vortheil den der Wegfall des Deckglas- Einflusses für das praktische Arbeiten mit sich bringt, würde auch bei beschränkterem Oeffnungswinkel kaum in minderem Grade zur Geltung kommen. — Vorausgesetzt also, dass die ungewöhnliche Immersionsflüssigkeit noch Spielraum übrig lässt für einen häufi- geren Gebrauch solcher Linsen namentlich bei biologischen Stu- dien, dürfte es nicht aussichtslos sein, das System der homogenen Immersion auch in weniger künstlichen Konstruktionen zu ver- suchen, denen nicht schon durch grosse Kostspieligkeit eine weitere Verbreitung versagt ist. Uebrigens wird auch nach der entgegengesetzten Richtung hin die Tragweite der neuen Immersions-Methode mit den hier betrachteten Objektiven noch keineswegs erschöpft sein. — Nach dem Erfolg des ersten Schrittes ist nicht zweifelhaft, dass nach diesem System noch merklich grössere Aperturen, unter Beschrän- kung auf mässig kurze Brennweiten wenigstens, erreichbar sind, wofern man die steigenden Schwierigkeiten der rechnerischen und der technischen Ausführung nicht scheut; und da es ohne Zweifel von Interesse ist, das optische Vermögen des Mikroskops in Bezug auf Detailunterscheidung mit Aufgebot aller Mittel bis an die Grenze des Erreichbaren zu führen, selbst wenn die unvermeid- liche Künstlichkeit solcher Konstruktionen eine öftere Anwendung derselben kaum erwarten lässt, so ist der betreffende Versuch in der hiesigen optischen Werkstatt auch schon in Angriff genom- men worden. Ich hoffe demnächst Objektive von 4—3 Millimeter Brennweite vorlegen zu können, deren numerische Apertur auf den Werth 1,35 — einem Oefinungswinkel von 123° in einem Medium vom Index 1,50 entsprechend — vergrössert ist. Dieser Betrag dürfte indess das Aeusserste sein, was sich noch erreichen lässt, so lange man nicht an den Präparaten Deckgläser aus Flintglas und zugleich eine Immersionsflüssigkeit von entsprechendem Brechungs- index in Anspruch nehmen will. 2. Sitzung am 24. Januar 1879. 1) Herr Prof. C. Frommann sprach: Veber die Struktur der Knorpelzellen von Salamandra maculata. Zur Untersuchung wurde der Sternal- und Scapularknorpel eines in gewöhnlichem Spiritus aufbewahrten Thieres verwendet. Der Sitzungsberichte. 17 letztere war durch Methylgrün dunkelgrün gefärbt worden und die Färbung hatte sich in kurzer Zeit den verschiedenen Geweben, vorwiegend ihren Kernen mitgetheilt. Die Kerne der Knorpelzellen waren sehr lebhaft, das Proto- plasma meist gar nicht und die Grundsubstanz nur sehr schwach gefärbt. Die erhaltenen Resultate wurden durch Untersuchung der dünnen, dem eben dekapitirten Thiere entnommenen Ränder der Knorpelplatten kontrolirt, ohne Entfernung ihres bindegewe- bigen Ueberzugs. Als Untersuchungsflüssigkeit wurde das frische Blut des Thieres benutzt. Die Grundsubstanz ist in weitaus ihrer grössten Ausdeh- nung vollkommen homogen, lässt auch bei Anwendung starker Vergrösserungen (Immersionssystem 3, Zeiss) weder eine körnige noch eine fibrilläre Beschaffenheit erkennen und endet an der Grenze der Zellen mit einer schmalen, homogenen, mattglänzenden Kapsel, die in der Regel im ganzen Umfang der Knorpelhöhle sicht- bar ist. Vereinzelt finden sich innerhalb der Grundsubstanz An- häufungen dicht gestellter Körnchen, die denen des Protoplasma gleichen und nicht nachweislich mit Zellen oder ihrer unmittel- baren Umgebung zusammenhängen. Häufiger und in ziemlich wechselnder Ausdehnung sind sie den Zellen oder ihren Kapseln angelagert. Wird die Zelle nicht vollständig von einer Kapsel umschlossen, so tritt an Stelle der letzteren eine einfache oder doppelte Reihe feinerer und derberer Körnchen, die perlschnurartig hintereinander aufgereiht und hie und da durch kleine Lücken von einander getrennt sind, auch zu derberen faserartigen, mit kno- tigen Auftreibungen versehenen Bildungen verschmelzen können oder es erstreckt sich ein Körnchenhaufen weiter in die Grund- substanz hinein und setzt sich gleichzeitig unmittelbar in die Zelle selbst fort, falls diese nicht mit einem fasrigen Grenzsaum nach Aussen abschliesst. Sind die Zellen allseitig von einer Kap- sel umschlossen, so sind der letzteren nach Aussen häufig einseitig sichel- oder bandartige Körnchenstreifen von wechselnder Breite angelagert, die sich mitunter von einer Zelle zu einer benachbarten durch die Grundsubstanz erstrecken und es kann selbst der ganze 2 benachbarte Zellen trennende Raum durch eine kontinuirliche Körnchenmasse eingenommen werden. In der Nähe der Kapsel sind die Körnchen sehr dicht gestellt, von derselben scharf gesondert und ihr reihenweise angelagert, weiter nach der Grundsubstanz hin rücken sie weiter auseinander und der unmittelbar an die letztere angrenzende Körnchenstreif kann mit einzelnen zackigen Fortsätzen 5 Ad 18 Sitzungsberichte. in sie eingreifen. Unter den Körnchen lassen sich derbere und feinere deutlich unterscheiden, ausserdem aber tritt eine Verbindung der- selben durch feine kurze Fäden zu feinen Fadennetzen von der- selben Beschaffenheit wie die des Protaplasma stellenweise deut- lich vor. Innerhalb der Fadennetze vereinigen sich zusammen- hängende und gleichgerichtete Bruchstücke derselben zu längeren Fäden, die als scheinbar selbständige Bildungen hervortreten sobald sie etwas verdickt sind. Lassen sich Fadennetze nicht erkennen, sondern nur der Kapsel und dem Zellumfang parallel gerichtete Reihen dicht gestellter Körnchen, so sind mitunter kurze Fäden zu erkennen, welche benachbarte Körnchen derselben Reihe zu einem bald sehr feinen, bald etwas derberen gekörnten Faden verbinden. Das Protoplasma füllt an frisch untersuchten Zellen den von der Grundsubstanz umschlossenen Raum allseitig und voll- ständig aus; an den Zellen vom erhärteten Knorpel hat sich häufig in Folge der eingetretenen Schrumpfung ein schmaler, spaltförmiger Raum gebildet, der die ersteren theilweise oder ganz umgiebt und von der Kapsel trennt. Betrachtet man den äquatorialen Durchmesser der Zellen, so erscheint derselbe nach Aussen be- grenzt durch einen zarten, fasrigen mattglänzenden Saum,‘ der sie bald vollständig, bald mit Unterbrechungen umschliesst, indem an einer oder an mehreren (bis 6) Stellen die Zellgrenze nur durch die die äussersten Maschenreihen der Netze abschliessenden Fäden gebildet wird. Die Dicke der Grenzfaser unterliegt ähnlichen Schwankungen wie die der Kernhülle; im Bereiche einer die Zelle von der Kapsel trennenden Spalte sind ihre Kontouren häufig unregelmässig und wird der Parallelismus derselben mit der Grenz- linie der Grundsubstanz durch kleine rundliche Ein- und Ausbie- gungen oder durch etwas zackige Prominenzen unterbrochen. In- nerhalb ihrer diekeren Abschnitte sind in die Grenzfaser häufig feinere und derbere Körnchen, vereinzelt oder zu 2—3 dichter zusammenliegend eingelagert, von denen die grösseren die Faser etwas überragen können und in einzelnen Fällen tritt. an Stelle einer Grenzfaser eine fortlaufende Reihe sehr dicht aneinander gerückter Körnchen., Die Körnchen setzen sich mitunter in kurze, nach der Grundsubstanz zu gerichtete Fadenstümpfe fort, in ande- ren Fällen sind aber sehr deutlich kurze cilien- oder borstenartige von der Grenzfaser ausgehende Fäden sichtbar, die bis an die Grundsubstanz heranreichen und sich längs eines grösseren oder geringeren Theils des Zellumfangs verfolgen lassen. Ganz ähnliche Sitzungsberichte. 19 Fäden gehen an Stellen wo eine Grenzfaser fehlt von den Fäden aus, welche die äusserste Maschenreihe des Protoplasma abschlies- sen, so dass auf Grund dieser wie früherer Beobachtungen den negativen Angaben, welche in dieser Beziehung in neuerer Zeit von Tillmanns !) gemacht worden sind, widersprochen werden muss. Fasern von der Dicke der Grenzfaser oder etwas feinere finden sich aber auch im Innern des Protoplasma und treten hier neben den Netzen als scheinbar selbständige Bildungen hervor. Sie be- sitzen einen geradlinigen oder etwas gebogenen Verlauf, laufen theils parallel der Grenzfaser oder zweigen sich von ihr ab, theils sind sie gerade oder schräg nach dem Kern zu gerichtet und treten mitunter zur Bildung eines unregelmässigen, das Zellinnere durchziehenden Netzes zusammen, durch welches theilweise oder ganz geschlossene rundliche, ovale oder unregelmässig eckige Maschen von etwas wechselnder Grösse umschlossen werden, während in anderen Fällen durch die Vereinigung der Fasern nur ästige oder strahlige Figuren entstehen. Die Fasern können wie die Grenzfaser glatt oder gekörnt sein und wo sie sich zur Bildung von Maschen vereinigen, umschliessen dieselben kleine Abschnitte der Fadennetze. In vielen Zellen fehlen Fasern, die eine grössere Stärke und Länge als die Fäden der Netze besitzen, ganz, oder es finden sich neben den aus dem Kerninnern austretenden nur solche, die vereinzelt und nach verschiedenen Richtungen das Innere der Zelle durchsetzen, theils dem Kernumfang parallel, theils in tangentialer oder mehr radiärer Richtung nach demselben hin ver- laufen, wie sie vor Kurzem auch von Flemming ?) beschrieben wor- den sind. In die Grenzfaser pflanzen sich in grosser Zahl und dich- ter Stellung feine und kurze Fäden ein, die sich zu einem das Zell- innere durchziehenden sehr engmaschigen Netz verbinden, dessen Fäden in ähnlicher Weise wie mit der Grenzfaser mit der Kern- hülle zusammenhängen. Die Körnchen des Protoplasma erscheinen dann als etwas derbere Knotenpunkte der Fäden, welche zur Bil- dung der Maschen zusammentreten, und die letzteren selbst be- sitzen eine runde, ovale oder 3—Deckige Form, zeigen bald nur geringe Schwankungen in der Grösse ihres Durchmessers, bald sind in gleichmässig enge Maschen einzelne eingestreut, deren Durch- 1) Ueber die fbrillläre Struktur des Hyalinknorpels. Centralblatt für Chirurgie, Nr. 11, 1877, u. Archiv für Anat. u. Physiol., Anat. Abth., S. 9—20, 1 Tafel, 1877. 2) Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen, Archiv für mikroskopische Anatomie, Bd. XVI, ' p) ve 20 Sitzungsberichte. messer gleichmässig oder nur nach einer Richtung hin vergrössert ist. Die Maschennetze können als zusammenhängende mitunter schon bei 500facher Vergrösserung deutlich streckenweise über- sehen werden in anderen Fällen sind die Netze so fein, dass sie erst bei 900facher Vergrösserung deutlich vortreten, aber auch bei Anwendung der letzteren gelingt es mitunter nicht, mehr als vereinzelte Maschen und Knotenpunkte neben Körnchen und paral- lel verlaufenden oder sich kreuzenden Fäden wahrzunehmen, so dass der Grund für das Fehlen von im Zusammenhang zu über- sehenden Netzen vielleicht zum Theil in der Art der Anordnung und Verbindung der Netzfäden, zum Theil aber darin zu suchen ist, dass auch im Innern der Zelle eine Differenzirung zu längeren parallelen oder in verschiedenen Richtungen verlaufenden Fäden stattgefunden hat. An Zellen, wo der Grenzsaum ein ringsum geschlossener ist, könnte man vermuthen, dass er den optischen Durchschnitt einer membranartigen, aus Verdickung und Verschmelzung der Grenz- fäden und Knotenpunkte der äussersten Netzlamelle hervorgegan- genen Zellhülle repräsentire. Gegen eine solche Annahme sprechen aber nicht nur die ziemlich häufig zu beobachtenden Unterbre- chungen der Grenzfaser, sondern auch das Verhalten der verschie- denen Abschnitte der Zelloberfläche. In Betreff der Modellirung und Begrenzung ihres seitlichen Umfangs und ihrer Oberfläche lassen sich 1) Zellen unterscheiden, die an einer Seite oder in ihrem ganzen Umfang terassenförmig abgestuft sind. Meist findet sich nur eine, seltener 2 niedrige aber steil ansteigende terassenförmige Erhebungen der Zelloberfläche, deren Kontour dem bei Einstellung des grössten Durchmessers der Zelle vortretenden Grenzsaum annähernd parallel verläuft und sich unter Schwinden der Te- rasse entweder in den letzteren selbst einsenkt oder an der Ober- fläche der angrenzenden Zellabschnitte ausläuft. Der Grenzsaum der Terasse besitzt entweder dieselbe fasrige Beschaffenheit wie der Grenzsaum, welcher die Zelle bei Einstellung ihres äqua- torialen Durchmessers umschliesst, oder er wird auch hier durch die feineren Grenzfäden der äussersten Lamelle der Netze gebildet; die zu den Seiten der Terasse vortretenden Abschnitte der Zellober- fläche werden von Fadennetzen allein oder von denselben und von Fasern eingenommen, die den Fasern, welche die Terasse und die Zelle in ihrem äquatorialen Durchmesser begrenzen, parallel gerichtet sind. Es finden sich 2) Zellen wo in geringer Entfernung von Kern und längs eines Theils seines Umfangs der Zellkörper steil und relativ Sitzungsberichte. 21 tief abfällt, so dass bei Einstellung des Randes des Abhangs die tieferen Abschnitte der Zelloberfläche ganz aus dem Gesichtsfeld schwinden und der Zellkörper einseitig um den Kern herum ent- wickelt scheint. Auch hier wird der Saum des Abhangs bald durch eine fortlaufende Faser eingefasst, bald durch die Fäden der Grenz- schicht der Netze gebildet. 3) An wenig und gleichmässig ge- wölbten Zellen lassen sich die ihre Oberfläche einnehmenden Fasern in grösserer Ausdehnung übersehen; sie verlaufen bald parallel zur Grenzfaser, bald sind sie spitz oder rechtwincklig zu der- selben gerichtet und können sich untereinander wie im Innern der Zellen zur Bildung eines Netzes mit relativ weiten, unregelmäs- sigen Maschen verbinden. Ziemlich häufig dagegen verlaufen die Fasern parallel und liegen dicht zusammen, bilden kleine Bündel, die entweder nahe gelegene Abschnitte der Zellränder verbinden oder in der Richtung des grösseren Durchmessers der Zelle über diese und über den Kern hinwegziehen. Die zwischen den Fasern und den Faserbündeln bleibenden Lücken werden von Fadennetzen eingenommen. Es bietet mithin die Oberfläche der Zelle ganz dieselben Strukturverhältnisse wie das Zellinnere, nur ist an ihr die Differenzirung zu Fasern häufig weiter vorgeschritten als in dem letzteren. Die Kerne sind rund oder oval, ihre Hülle besitzt eine wech- selnde Dicke, hat so weit sie doppelt kontourirt ist wie die Kern- körperchen, die derberen und mittelfeinen Körnchen, Knotenpunkte und Fasern des Kerninnern eine deutlich grüne Färbung ange- nommen und schliesst häufig feinere oder derbere Körnchen ein, die bald dicht aneinander gerückt bald sparsamer eingestreut sind und nach Innen oder Aussen etwas prominiren können. Ver- einzelt finden sich leisten- oder zapfenförmige in den Kernraum prominirende Vorsprünge und mitunter erscheint selbst ein deut- liches grosses Kernkörperchen in die Kontinuität der Hülle ein- geschaltet. Wenn man den Kern in seinem äquatorialen Durch- messer einstellt, so tritt in vielen Fällen eine doppelt kontourirte Hülle in Form eines glänzenden Rings hervor, und soll derselbe überhaupt als Ausdruck einer den Kern allseitig umfassenden Membran gelten können, so muss er geschlossen und ohne Wech- sel der Einstellung in seinem ganzen Umfang deutlich sichtbar sein. Sehr häufig ist dies aber nicht der Fall oder es finden sich Unterbrechungen des Doppelkontours innerhalb deren er überhaupt nicht wahrgenommen werden kann. Die letzteren treten in Form kleiner oder etwas weiterer Lücken auf, die entweder geformte Be- 22 Sitzungsberichte. standtheile nicht scharf vortreten lassen oder ein oder mehrere Körnchen enthalten, die unter sich und mit den Enden des Dop- pelkontours durch feine, kurze Fäden zusammenhängen und auf diese Weise einen Verschluss der Lücke bewerkstelligen. Sind die Lücken nicht zu klein, so ist meist nicht allein ein gekörnter, sie durchsetzender Faden wahrnehmbar, sondern man kann sich auch überzeugen, dass derselbe einerseits mit den feinen Netzen des Kerninnern, andererseits mit denen des Protoplasma zusammen- hängt. In anderen Fällen ist im Bereiche der Lücken nicht ein sie durchziehender, gekörnter und in der Verlängerung der unter- brochenen Kontouren gelegener Faden, sondern es sind feine Fä- den sichtbar die in radiärer Richtung aus dem Kerninnern aus — und durch die Lücke tretend, erst ausserhalb derselben durch ihre Verbindung mit anderen Fäden kleine Maschen abschliessen, die somit etwas über die Kerngrenze in das Protoplasma ausgrei- fen, die letztere selbst hinausrücken. Es kann sich im ganzen Umfang des Kerns nur eine derartige Unterbrechung seiner Kon- touren finden, andere Male sind deren 2, 3 oder mehr vorhanden und statt eines einzigen ring- oder reifartigen Doppelkontours mehrere etwas gebogene spangenartige Bruchstücke zwischen de- nen der Kern wie aufgebrochen erscheint und den direkten Ueber- sang seiner Fadennetze in die des Protoplasma erkennen lässt. An der Unterbrechungsstelle biegt mitunter das eine oder andere Ende des Doppelkontours nach dem Kerninnern oder nach dem Protoplasma zu aus. Beim Wechsel der Einstellung verschwinden die Lücken und es kann wieder ein geschlossener Doppelkontour oder Unterbrechungen desselben an anderen Stellen vortreten. An anderen Kernen fehlen Lücken in der Hülle, dagegen tritt bei einer bestimmten Einstellung nur ein Theil des Doppelkontours scharf hervor, während derselbe in seinem übrigen Umfang, bis zum 5° Theil oder der Hälfte der ganzen Kernperipherie, nur undeutlich und verwaschen und an seiner Stelle wieder der Ueber- sang der Fadennetze des Kerninnern in die des Protoplasma wahrgenommen werden kann. Auch hier genügt ein geringer Wechsel der Einstellung um einen Wechsel in der Beschaffenheit der Kontouren vortreten zu lassen und es liess sich bezüglich der Deutung derselben nur annehmen, dass sie durch Fasern hervor- gebracht werden, die als Grenzfasern des Kerns ihn in der Ge- gend seines äquatorialen Durchmessers in Form von Reifen oder Spangen vollständig oder unvollständig umschliessen und zwar dicht übereinander gelagert sind, zwischen sich aber doch noch Sitzungsberichte. 25 theils feine Spalten theils kleinere oder grössere Lücken frei las- sen, durch welche hindurch die Netze des Kerninnern auf die des Protoplasma übergreifen. Bei Untersuchung der über und unter dem aequatorialen Durchmesser gelegenen Abschnitte des Kernumfangs liessen sich ähnliche Verhältnisse nachweisen; auch hier werden die Kontouren des Kerns durch Fasern gebildet, welche dieselbe Stärke und denselben Glanz wie im Bereiche des ersteren besitzen, mitunter Körnchen in wechselnd dichter Stel- lung einschliessen und sehr häufig nur einen Theil des Kernum- fangs umfassen. Finden sich in der Lücke derbere, deutlich ge- färbte Körnchen, die unter sich Verbindungen durch feinere Fäden bald erkennen lassen bald nicht, so erscheint zwar der Kern durch dieselben nach Aussen abgegrenzt, indessen auch hier lässt sich häufig nachweisen, dass in die Körnchen der Lücke sich sowohl die Fäden der Kern- als die der Protoplasmanetze einsenken, wäh- rend beim Fehlen der gefärbten Körnchen die Netze des Kern- innern ohne alle scharfe Grenze in die des Protoplasma überge- hen. Schon bei sehr geringem Wechsel der Einstellung können Körnchen, welche an Stelle des Kernkontours getreten sind schwin- den, statt ihrer eine doppelte kontourirte Faser vortreten und umgekehrt. Ziemlich häufig zeigen die Grenzfasern keinen regel- mässigen Verlauf sondern kleine Einziehungen und Ausbiegungen, oder es setzt sich die Kontourlinie aus geradlinig und bogenför- mig verlaufenden Abschnitten zusammen. Ein derartiges analoges Verhalten wie im äquatorialen Durchmesser bieten die Kontou- ren des Kerns nur so weit, als seine Oberfläche steil zur Ebene des Gesichtsfeldes ansteigt. Innerhalb dieser Ausdehnung wird der Kern nach der einen oder anderen Seite mitunter durch ge- radlinig und parallel vorlaufende, übereinander gelagerte Fasern begrenzt, so dass innerhalb eines bestimmten Abschnittes beim Wechsel der Einstellung an der gleichen Stelle des Kernumfangs ein geradliniger Doppelkontour auftritt. Wenn beim Wechsel der Einstellung die Kontouren zwar noch parallel verlaufen aber sich nicht mehr decken, sondern theils nach dem Kerninnern theils nach dem Protoplasma zu etwas von einander abrücken, kann es sich wohl nur um parallel aber nicht genau übereinander ver- laufende Grenzfasern handeln, sind aber derartige Ausbiegungen nicht nachweisbar, so lässt sich die Möglichkeit nicht ausschlies- sen, dass in einer bestimmten Ausdehnung die Kernhülle durch eine solide Lamelle oder Schale gebildet wird. An wenig gewölb- ten Kernen, deren Oberfläche sich in grösserer Ausdehnung überse- 24 Sitzungsberichte. hen lässt, bieten die Grenzfasern nach Verlauf und Dichte der Anein- anderlagerung ein wechselndes Verhalten. Es finden sich Kerne über deren Oberfläche in meridionaler Richtung eine einzige Faser hinzieht, in welche eine oder 2 andere spitz- oder rechtwinklig einmünden können undeinen derberen Knotenpunkt bilden, falls 2 Fasern mit der 3!" in derselben Stelle sich vereinigen. Im Bereiche des übrigen zu übersehenden Abschnitts der Kernoberfläche können Grenzfasern ganz fehlen, ihre Stelle wird durch derbere oder feinere Körnchen und Netzfäden eingenommen, oder es finden sich nach dem äquatoria- len Durchmesser hin Fasern, die konzentrisch zu dem letzteren und dicht über und nebeneinander verlaufen. An anderen Kernen zieht ein kleines Bündel paralleler Fasern über die Oberfläche des Kernes hinweg oder es finden sich nur Fasern nach dem äquatorialen Durchmesser hin und parallel seiner Grenzlinie, wäh- rend die obersten Abschnitte des Kernumfangs nur Theile der Netze mit theils derben gefärbten, theils feinen ungefärbten Körn- chen enthalten. Als Faltungen einer Membran liessen sich aber die Fasern theils wegen der hie und da vortretenden Unterbre- chungen ihrer Kontinuität, theils aber desshalb nicht betrachten, weil sie dann die doppelte Dicke des im optischen Durchschnitte des Kerns vortretenden Doppelkontours hätten besitzen und stär- ker prominiren müssen, als es der Fall war. Dem Protoplasma können sie nicht zugerechnet werden, weil in demselben Fasern von gleicher Stärke und Färbung nur vereinzelt vorkommen. Es liessen demnach die mitgetheilten Beobachtungen sich nur in der Weise deuten, dass dem Kerne eine geschlossene Membran ganz fehlt, dass sich hie und da vielleicht eine lamellenartige Wand- schicht findet, dass aber in weitaus der Mehrzahl der Fälle die Kernhülle nur durch Fasern gebildet wird, die theils parallel und dicht nebeneinander verlaufen, theils spitz- oder rechtwink- lig zu einander gerichtet sind, Verbindungen eingehen können und die Oberfläche des Kerns mehr oder weniger dicht umstri- cken. Zwischen den Fasern können schmale Spalten oder weitere Lücken frei bleiben und durch dieselben setzen sich die Faden- netze des Kerninnern in das Protoplasma fort und treten etwas stärkere selbständige Fasern in das letztere über. In Betreff ih- rer Richtung lassen sich Fasern unterscheiden, die parallel zu den äquatorialen Grenzfasern, andere die in meridionaler Richtung verlaufen, so dass sie selber bei entsprechend veränderter Lage- rung der Zelle und des Kerns als äquatoriale vortreten würden und ausserdem Fasern, die eine zu den beiden genannten schräge Sitzungsberichte. 25 Verlaufsrichtung einhalten. Wie sich in die Grenzfasern des Kerns und in die in dieselben eingelagerten Körnchen die Fäden der anstossenden Netze des Protoplasma in dichter Stellung inse- riren, so hängen die ersteren auch nach dem Kerninnern zu über- all mit den Fäden der Kernnetze und hie und da mit den Fa- sern des derberen Kerngerüsts zusammen, in Betreff dessen meine Befunde mit denen Flemming’s übereinstimmen. Die Fasern desselben haben ebenfalls eine deutliche Färbung ange- nommen, sind glatt oder gekörnt, einfach oder gabelförmig ge- spalten, können sich zur Bildung derberer strahliger Knotenpunkte vereinigen, durchsetzen geradlinig oder etwas gebogen das Kern- innere nach verschiedenen Richtungen und laufen nicht selten in die Grenzfasern aus, deren Dicke sie mitunter erreichen. In der Mehrzahl der Kerne treten die Bestandtheile des Gerüsts nur in Form einzelner Bruchstücke aber nicht als zusammenhängendes Netz hervor, während neben denselben in wechselnder Zahl die optischen Durchschnitte von senkrecht zur Gesichtsebene aufstei- senden Fasern sichtbar werden. -Die Menge der letzteren wird eine geringere, wenn die Zahl der in der Gesichtsebene verlaufenden Fasern zunimmt und Verbindungen derselben unter Bildung der- berer Knotenpunkte in grösserer Häufigkeit vortreten. Eine un- gewöhnliche Entwicklung der derberen Kernfasern wurde in einem Fall beobachtet, wo sie durch zahlreiche Verbindungen sich zu einem durchbrochenen Gerüst vereinigt hatten, welches die Ober- fläche des Kerns umstrickte und von: da sich in das Innere desselben fortsetzte. Der einen verhältnissmässig grossen Theil des Zellinnern einnehmende längliche Kern war an der einen lan- gen Seite durch eine sehr derbe, stark glänzende, etwas bogenför- mig von einem Pol zum andern verlaufende, an ein paar Stellen plattenartig verdickte Faser begrenzt, von welcher hintereinander sich 7 Fasern abzweigten, die mit zackigen Ein- und Ausbiegun- gen quer über die Kernoberfläche herüber verliefen, untereinander zwar anastomosirten, aber doch längliche Spalten frei liessen, welche einen Einblick in das Kerninnere gestatteten. Das letztere wurde ebenfalls von ihren Verzweigungen durchsetzt zwischen denen feine Fäden nur in verhältnissmässig spärlicher Anzahl vortraten und mit denen das Protoplasma überall durch die Lücken zwi- schen den frei auslaufenden Fasern zusammenhingen. Kernkör- perchen konnten nicht wahrgenommen werden. Da der weitaus grösste Theil der geformten Kernbestandtheile auf Rechnung des 26 Sitzungsberichte. Gerüsts kam erschien das Kerninnere viel lichter als gewöhnlich und liess sich das Gerüst mit seinen das Kerninnere theils um- fassenden, theils in dasselbe eindringenden Fasern als ein zusam- menhängendes Ganze in grösserer Vollständigkeit übersehen. — Das Fadennetz des Kerninnern besteht aus äusserst feinen und kurzen, grauen, meist ganz ungefärbten Fäden, die sich zur Bil- dung strahliger, ebenfalls meist ungefärbter Knotenpunkte von wenig grösserem Durchmesser vereinigen und sehr enge Maschen von runder, ovaler oder 3—5 eckiger Form einschliessen. Die Maschen besitzen mitunter eine solche Enge, dass ihr Durchmes- ser nicht oder nicht erheblich den der Knotenpunkte übertrifft und kleine, im Zusammenhange vortretende Bruchstücke der Netze ein siebartig durchbrochenes Aussehen darbieten. ‘ Rücksichtlich der grösseren oder geringeren Enge der Maschen, des Vorkom- mens von Netzabschnitten in denen die Maschen nahezu einen gleichen Durchmesser besitzen und von anderen wo ihre Form und ihr Durchmesser nicht unbeträchtlich variiren, bestehen im Kerne dieselben Verschiedenheiten wie im Protoplasma. Wie mit den Grenzfasern des Kerns so hängen die Netze auch mit den Gerüstfasern zusammen, füllen die zwischen denselben blei- benden Lücken aus und bilden um die Kernkörperchen ent- weder einen ganz geschlossenen oder unterbrochenen, ihnen häufig dicht anliegenden fädigen Saum in dessen Bereich der Kontour des Kernkörperchens selbst nicht scharf vortritt, oder treten in radiärer Richtung an dasselbe heran und schliessen mit Theilen seines Umfangs kleine Maschen ab. Vereinzelt kommen Kerne vor in denen ein derberes Gerüst ganz zu fehlen scheint. Das ganze Kerninnere wird dann von Netzen von mehr gleichmäs- siger Beschaffenheit durchsetzt, die aus etwas derberen Fäden und Knotenpunkten bestehen wie die Netze in anderen Kernen und weitere Maschen einschliessen. Ausser den Fasern des Gerüsts und den Fadennetzen kommen im Kern vereinzelt feine oder mit- telstarke Fäden vor, die bei einem schnurgeraden oder nur wenig gebogenen Verlauf einen grösseren Theil des Kerninnern durch- setzen, sich mit einem der an den Kernkörperchen vortretenden Körnchen verbinden können, in ihrem Verlauf und an ihren Enden selbst Körnchen tragen und dadurch ein gegliedertes Aussehen erlangen. Andere ihnen ähnliche, zum Theil etwas derbere Fäden durchsetzen einen Theil des Kernraums um in das Protoplasma überzutreten, wo sie sich den Fasern des letzteren zugesellen, Sitzungsberichte. 27 welche in der Umgebung des Kerns auftreten. Sie entspringen theils in der Randzone, theils in den inneren Partien des Kerns, besitzen ebenfalls einen geradlinigen oder wenig bogenförmigen Verlauf und verschwinden innerhalb der Netze des Protoplasma bald schon in der Nähe des Kerns, bald erst in einiger Entfernung von demselben. — Die Kernkörperchen sind rund, oval oder unregelmässig eckig, häufig etwas in die Länge gezogen oder einseitig verdickt und erscheinen an frisch untersuchten Zellen von ihrer Umgebung nicht scharf gesondert. Beim Wechsel in der Einstellung treten Aenderungen in der Form wie im Durchmesser hervor. Verein- zelt gehen vom Kernkörperchen derbere Fäden aus, die an Stärke den Fasern des Kerngerüsts nahe kommen; dieselben sind glatt oder gekörnt und greifen entweder schon nach kurzem, geradli- nigen Verlauf, häufig unter gabelförmiger Theilung in die Netze ein oder sie durchsetzen bei geradlinigem oder gebogenem Ver- lauf einen grösseren Theil des Kernraums, um in einem Kno- tenpunkt zu endigen. In Betreff der Beziehungen der Netzfä- den zu den Kernkörperchen ergab sich, dass ausser denen, welche dem Umfang der letzteren sich anlegen, andere über ihre Oberfläche hinwegziehen und sich auf derselben unter spit- zem oder rechtem Winkel kreuzen können. An der Kreuzungs- stelle findet sich ein Knotenpunkt, der sich unmittelbar in die Substanz des Kernkörperchens selbst fortsetzt. Andere Fäden treten in radiärer Richtung an das Kernkörperchen heran, und die Zahl derselben dürfte für den ganzen Umfang eines Kernkör- perchens eine ziemlich beträchtliche sein, da sich an den grösse- ren Formen bis 9 ohne Wechsel der Einstellung übersehen lassen. Zwischen benachbarten Kernkörperchen sind sehr häufig kurze Verbindungsfäden ausgespannt. Eine Differenzirung im Innern des Kernkörperchens war mitunter wahrzunehmen, so dass man zweifelhaft sein konnte, ob man es mit einem soliden Kernkör- perchen zu thun hat oder mit einem anscheinend soliden Körper von ähnlicher Grösse, Aussehen, Form und Färbung, der aber nur dadurch entstanden ist, dass die Fäden der Netze ganz kurz und die Maschen ausserordentlich eng geworden sind. Kernkörperchen von derselben Form, Grösse und Färbung wie im Kerne fanden sich sehr häufig zu 1—3 Protoplasma in welchem sie wie im Kerne mit den Fäden der umgebenden Netze zusammenhingen und bald in der Umgebung des Kerns bald in den peripheren 28 Sitzungsberichte. Zellabschnitten lagen. Nach Klein!) besteht das Kernkörperchen mitunter aus einer deutlichen Verdickung des Netzwerks; es würden danach die einzelnen dicker gewordenen Netzfäden so dicht zu- sammenrücken, dass dadurch ein anscheinend solider Körper ge- bildet würde. An den Kernkörperchen der Knorpelzellen konnte nichts wahrgenommen werden, was auf ihr Zustandekommen durch ein Dickerwerden der Netzelemente hingewiesen hätte, es wurden nur die eben erwähnten kernkörperchenartigen Gebilde beobachtet. In anderen Fällen soll der Schein eines Nukleolus durch Schrum- pfung eines Theils des Netzwerks entstehen, wie aber innerhalb des Kerns (und Protoplasma’s) an ganz umschriebenen Stellen Schrumpfungen hervorgebracht werden sollen, erscheint nicht recht verständlich, abgesehen davon, dass sich dann doch wohl Ueber- gänge von mehr zu weniger geschrumpften Abschnitten finden und vielleicht auch Ablösungen der geschrumpften von den nicht oder weniger geschrumpften Abschnitten würden wahrnehmen las- sen. — In der Mehrzahl der Zellen waren nur die Kerne mit ihren Grenz- und Gerüstfasern und die Kernkörperchen im Kern und im Protoplasma gefärbt, so dass die Kerne scharf von dem letzteren abgesetzt erschienen. Mitunter war auch an den im Protoplasma auftretenden oder aus dem Kern in dasselbe über- tretenden Fasern eine Färbung wahrzunehmen und ebenso eine Färbung der Fadennetze des Kerns allein oder auch der Proto- plasmanetze in seiner unmittelbaren Umgebung. Nur an wenigen Zellen waren die letzteren in der ganzen Ausdehnung der Zelle gefärbt. Die mitgetheilten Strukturverhältnisse liessen sich wie an den in Spiritus gehärteten Präparaten so auch an den im ganz frischen Zustand untersuchten Zellen nachweisen; in beiden Fällen traten die Kerne in 2 Formen hervor die ein auffallend verschie- denes Aussehen boten. An einem Theil der Kerne waren die in ihre /usammensetzung eingehenden Fasern und Fäden scharf kontourirt, hell und die derberen ziemlich stark glänzend, während sie an anderen Kernen ein mattes Aussehen, keine scharfen Kontouren und keinen Glanz besassen. In Betreff der Frage, ob und in wie weit diese an den Kernen vortretenden Verschiedenheiten wech- selnden physiologischen Zuständen entsprechen oder ob die hellen, glänzende Gerüst- und Hüllenfasern bietenden Kerne als abster- 1) Observations on the structure of cells and nuclei. Quart. journ. of microsc. science, July 1878. Sitzungsberichte. 29 bende aufzufassen sind, erinnert der Vortragende an die neuer- dings von Flemming darüber gemachten Angaben und an Be- funde, welche er selbst früher bei Untersuchung der Blutkörper- chen des Krebses erhielt. 2) Herr Dr. Frege hielt sodann einen Vortrag: Anwendungen der Begriflsschrift. Es sollen im Folgenden einige Beispiele gegeben werden, wie mit Hilfe meiner Begrifisschrift arithmetische und geometrische Verhältnisse ausgedrückt werden können. Es mag dabei hervorgehoben werden, dass die verwendeten Zeichen nicht für jeden einzelnen Fall besonders erfunden sind, sondern so allgemeine Bedeutungen haben, dass sie zur Wieder- gabe sehr verschiedener Beziehungen hinreichen. Es bedeute: Ab CH die Congruenz der beiden Punktepaare AB und CD. Dann kann man den Umstand, dass der Punkt D in der durch die Punkte D und CÜ bestimmten Geraden liege, so ausdrücken: u Amer = 9 | "(BDSBN —— (CD CA) Die Bejahung des Inhalts dieser Formel würde nämlich bedeuten: aus der Congruenz der Punktepaare BD und BA und aus der Con- gruenz der Punktepaare CD und OA kann, was auch U sein mag, geschlossen werden, dass A derselbe Punkt wie D sei; oder: man kann gar keinen von D verschiedenen Punkt finden, welcher mit B und C Punktepaare bildete, die mit BD und CD bezgl. congruent wären. Dies ist aber immer dann und nur dann der Fall, wenn D in der durch B und © bestimmten Geraden liegt. In ähnlicher Weise kann man ausdrücken, dass ein Punkt in der durch drei Punkte bestimmten Ebene liege. Durch 3 f(& Ya) habe ich bezeichnet, dass y der mit x anfangenden f-Reihe an- 50 Sitzungsberichte. gehöre. Nach dem von mir zu Grunde gelegten allgemeineren Funk- tionsbegriffe kann man v„+-l=v als Function von « und v» betrachten und daher als besondern Fall von f (w, v) ansehen. Danach bedeutet dann Uta) dass a der durch beständige Vermehrung um 1 entstehenden mit 0 anfangenden Reihe Qui 2; Br kml angehöre, mithin eine positive ganze Zahl sei. 5 (0,+1=a,) ist daher der Ausdruck für den Umstand, dass a eine positive sanze Zahl sei. Ebenso bedeutet 92 (0, +d= a,), dass a der Reihe UP 2 RE 77 ZI angehöre, also ein Vielfaches von d sei. d fe 5 @,+1=b,) T = a) sagt, dass « durch keine der Zahlen RO N au ausser durch sich selber theilbar sei. Fügen wir noch hinzu, dass a eine positive ganze Zahl sei, so erhalten wir in d Y ee (0) = UNmeeee| ee 08) +7 @,+1=2)) hol ale (Roi) on 0,=1=a,) die Bezeichung des Umstandes, dass a eine Primzahl sei. Sitzungsberichte. 31 Es mag jetzt gezeigt werden, wie die Begriffsschrift den Satz der Zahlentheorie wiedergiebt, dass jede positive ganze Zahl als Summe von vier Quadratzahlen darstellbar ist. Die Gleichung 30 =a? +82 +e? +9? drückt nicht aus, 1) dass a, d, e, g ganze Zahlen sein sollen, 2) dass es solche Zahlen giebt. Durch rBO=e+r”+re+g) Aa Sy ß P A re - A) ist dem erstern Uebelstande abgeholfen; denn dies bedeutet den Umstand, dass 30 die Summe der Quadrate von a, d, 8, g sei, und dass a, d, e, g ganze positive Zahlen seien. Es muss jetzt noch ausgedrückt werden, dass solche ganzen Zahlen vorhanden sind. Lassen wir den Verneinungstrich vor dem Ganzen fort, so erhalten wir in 1 True 80 a en er | | 9, r1=9 — 70, H1=t0 Vgl! P 70, +1= 99) tits Tg 8 P die Verneinung des Umstandes, dass a, d, e, g ganze Zahlen seien, die 30 zur Quadratsumme haben; d. h. dass mindestens eins von a, d, e, g keine ganze Zahl sei, oder dass ihre Quadrat- (0, Tr l= 2) 32 Sitzungsberichte. summe nicht 30 sei. Wenn wir jetzt vor das Ganze die Allge- meinheitszeichen für a, d, e, g setzen: Me 7 8&0-=a?+d0? + e? +9?) wa IN 7 0, 327/05) _20,+1=b) ; y .20,+1=-9) 3 ß KEASR. —z (0, 2 so wird dadurch der Sinn der Formel verallgemeinert. Sie be- zeichnet jetzt den Umstand, dass, was auch a, d, e, g sein mögen, falls sie positive ganze Zahlen seien, ihre Quadratsumme nicht 30 sein könne; mit andern Worten: dass es nicht vier positive ganze Zahlen gebe, deren Quadratsumme 30 sei. Dies ist nun gerade das Gegentheil von dem, was wir ausdrücken wollten. Setzen wir daher vor das Ganze den Verneinungsstrich, so er- reichen wir unsern Zweck. nrdeig am? Arsen) TRISrT St rt St — id mia) 70, +1=b Ir Y ß | | (0, +1= a 88) bedeutet demnach den Umstand, dass die Zahl 30 als Summe von vier Quadratzahlen darstellbar sei. Die Möglichkeit, welche in der Endung „bar“ des Wortes „darstellbar“ liegt, wird also durch zwei Verneinungen ausgedrückt, die sich deshalb nicht einfach aufhe- ben, weil sie nicht unmittelbar auf einander folgen. Die erste Ver- neinung wird allgemein gemacht, wodurch man die Allgemeinheit Sitzungsberichte. 33 der Verneinung, d. h. die Unmöglichkeit erhält. Die verneinte Unmöglichkeit giebt alsdann die Möglichkeit. Sollnun der Satz ausgedrückt werden, dass jede positive ganze Zahl als Summe von vier Quadratzahlen darstellbar sei, so muss 30 durch ein allgemeines Zeichen, etwa a, ersetzt und die Be- dingung hinzugefügt werden, dass a eine positive ganze Zahl sei: TE (a 0 — d: + = -- 9°) | 50 +1 =, 56, +1 =), m 0‚+1 =) nn 0,+1=39)) — 0,+1 = a) Der Urtheilsstrich vor dem Ganzen stellt diesen Satz als Behauptung hin. 3. Sitzung am 7. Februar 1879. 1) Herr Dr. Gaenge gab einen Bericht Ueber einen Druckregulator für Leuchtgas und einen Gasent- wickelungsapparat von T. Schorer in Lübeck und de- monstrirte sodann ein von ihm vereinfachtes, zugleich als Sicherheits- ventil dienendes Manometer, welches bei Ueberschreitung eines bestimmten Druckes das Gas bis zum Zurücksinken auf denselben abblasen lässt. Diese schon lange bekannten, in einem Stücke aus Glas geblasenen, nur für einen bestimmten Druck (meist !/, Atmo- sphäre) verwendbaren Apparate kann sich Jeder zum Einstellen auf die verschiedensten Drucke aus einem beliebigen kleinen Glasgefässe herstellen, durch dessen Kork drei Röhren führen, eine zum Ein- strömen des Gases, welche an der untern Fläche des Korkes mündet, zwei als Steigröhren für die Flüssigkeit (Quecksilber oder Wasser), deren Höhe den Druck angiebt. Die eine der letzteren mündet bis nahe auf den Boden und oben in einen Kugeltrichter, die andere ragt 3 34 Sitzungsberichte. durch Verschieben in geringere beliebige Tiefe in die Flüssigkeit und ist oben heberförmig in den Kugeltrichter hinab reichend umgebogen. Bei gleichzeitigem Steigen der Flüssigkeiten in beiden Röhren durch den Gasdruck, wird die Flüssigkeit im Gefässe je nach der Einstellung der Heber-Röhre bald dessen untere Mündung nicht mehr erreichen, die getrennte Flüssigkeitssäule wird bei wachsen- dem Drucke, von der andern an Länge übertroffen, gehoben und über die Biegung in den Trichter der andern Röhre gedrängt wer- den, der Ueberdruck des Gases aber auf demselben Wege abblasen so lange, bis die durch die Kugelröhre in das Gefäss zurückflies- sende Flüssigkeit das untere Ende der Heberröhre wieder schliesst. Es ist klar, dass die Gränze der Druckhöhe der erreichten Höhe der Flüssigkeitssäulen vor dem Abblasen entspricht und dass sich diese durch Wahl verschiedener Flüssigkeiten vom andern specifi- schen Gewichte und durch Aenderung der Einstellung des Heber- Rohres beliebig normiren lässt. 2) Im weiteren Verlauf der Sitzung demonstrirte Professor Schwalbe zunächst die unter der Leitung von Prof. His ange- fertigten Gypsabgüsse zum Situs der menschlichen Brust- und Bauchorgane, ausgeführt vom Bildhauer Steger im Leipzig, und sprach sodann Ueber das Gesetz des Muskelmervenein- tritts. Da eine ausführliche Mittheilung der bezüglichen Unter- suchungen an einem anderen Orte erscheinen wird, so sei hier nur das Resultat hervorgehoben: In der Muskulatur des Menschen wird die Eintrittsstelle des Nerven in seinen Muskel durch die Form des letzteren bedingt, der Art, dass die Eintrittsstelle des Nerven etwa dem geometrischen Mittelpunkte seines Muskels ent- spricht. Sitzungsberichte. 35 4. Sitzung am 21. Vebruar 1879. 1) Herr Prof. Abbe hielt den folgenden Vortrag: Ueber die Bestimmung der Brechungs- Verhältnisse fester Körper mittelst des Refractometers. Die Mittheilung betraf eine neuerdings bewirkte Verbesserung der vom Vortragenden vor mehreren Jahren beschriebenen Refracto- meter !), durch welche letztere auch zur optischen Untersuchung fester Körper geeignet werden. Bei der ursprünglichen Einrichtung dieser Instrumente wird die Total-Reflexion, welche eine dünne Schicht einer durchsichtigen Sub- stanz, zwischen zwei Flintglas-Prismen eingeschlossen, in durch- fallendem Lichte zeigt, zur Ermittelung des Brechungs-Expo- nenten und der Farbenzerstreuung jener Substanz benutzt. Die Vor- theile, welche diese Methode, gegenüber dem Wollaston’schen Verfahren, sowohl in Hinsicht auf die Leichtigkeit wie in Hinsicht auf die Genauigkeit der Beobachtungen darbietet, zur Geltung zu bringen, war die maassgebende Richtschnur bei der Konstruktion der Refraetometer; und da jene Methode der Regel nach auf flüs- sige Substanzen beschränkt ist, so lag es damals nahe, eine mög- liche Anwendung derselben Apparate auf feste Körper, welche eine andere Beobachtungsweise nöthig gemacht hätte, ausser Betracht zu lassen. Inzwischen hat Herr F. Kohlrausch?) auf die grosse Be- deutung hingewiesen, welche der Methode der Total-Reflexion na- mentlich für die Untersuchungen der Krystall-Optik zukommt, weil sie die genaue optische Bestimmung von Substanzen ermöglicht, welche keiner andern Beobachtungs-Methode zugänglich sind und weil sie zugleich für die Ermittelung der optischen Konstanten doppelt-brechender Körper ausnehmend günstige Bedingungen her- beiführt. Herr Kohlrausch hat gleichzeitig einen ?weckmäs- sigen Apparat construirt — Total-Reflectometer von ihm be- ı!) Neue Apparate zur Bestimmung des Brechungs- und Zer- streuungsvermögens fester und flüssiger Körper. Jena, 1874. 2) Ueber die Ermittelung von Lichtbrechungsverhältnissen durch Total-Reflexion. — Annalen d. Physik und Chemie. Neue Folge Ba. IV. pag. 1. ,* 36 Sitzungsberichte. nannt — welcher die experimentelle Handhabung der Methode der Total-Reflexion an festen Körpern in ähnlicher Weise vereinfacht, wie es durch die Refractometer in Bezug auf Flüssigkeiten ge- schehen ist. Sein Apparat gründet sich auf die Beobachtung des Grenzwinkels der totalen Reflexion an einer polirten planen Fläche des zu untersuchenden Körpers in Schwefel-Kohlenstoft. Das Interesse, welches die Beobachtung der Totalreflexion an festen Substanzen durch jene verdienstliche Arbeit erlangt hat, hat es mir nahe gelegt, die Verwendbarkeit meines Refractometers für derartige Beobachtungen ins Auge zu fassen, um einerseits dessen Gebiet der Anwendung zu erweitern, andrerseits aber auch um die optische Bestimmung fester Körper, namentlich für krystallo- graphische Zwecke, noch in grösserem Umfang zu ermöglichen, als der Kohlrausch’sche Apparat dies gestattet. Die Versuche, welche ich im Laufe des letzten Winters für diesen Zweck ausgeführt habe, ergaben nun das Resultat, dass für die Beobachtung der Total- Reflexion im reflectirten Licht die ursprüngliche Wollaston’sche Methode des Ankittens der zu untersuchenden Substanz an die Fläche eines Glas-Primas mit Hülfe eines Flüssigkeitstropfens im Wesentlichen ganz dieselben Bedingungen darbietet wie das von Kohlrausch angewandte Ver- fahren des Eintauchens in eine Flüssigkeit. In beiden Fällen bleibt die Beobachtung im Nachtheil gegenüber der Beobachtung der totalen Reflexion im durchfallenden Licht, weil es sich nicht, wie bei letzterer, um die Grenze zwischen einem vollkommen ver- dunkelten und einem hell bleibenden Feld, sondern nur um die Grenze zwischen Feldern von etwas verschiedener Helligkeit han- delt. Ein genügend vollkommenes Glasprisma vorausgesetzt, macht es aber bei sonst gleicher Beschaffenheit des zu untersuchenden Körpers für die Schärfe der Wahrnehmung keinen sichtbaren Un- terschied, ob die reflectirten Strahlen in der angrenzenden Flüs- sigkeit bleiben und durch eine Planplatte in den Luftraum über- treten, oder ob sie in einen prismatischen Glaskörper gelangen und von diesem aus beobachtet werden. Ein Unterschied besteht allein darin, dass im letzteren Falle andere Einrichtungen getroffen werden müssen, um die numerische Bestimmung des Grenzwinkels und der sonst zur Berechnung erforderlichen Data genügend sicher zu stellen. Diejenigen Einrichtungen aber, welche bei Beobachtung durchfallender Strahlen dieses zu leisten geeignet sind, müssen natürlich in ganz derselben Weise auch bei Benutzung reflectirten Lichtes Anwendung finden können. Sitzungsberichte. 37 Darauf hin ist, um das grössere in der oben eitirten Abhand- lung unter Fig. 7 abgebildete Refractometer zur Beobachtung fester Körper anwendbar zu machen, keine andere Veränderung nöthig gewesen als eine geringe Modifikation in der Fassung des auf der Alhidade sitzenden Flintglas-Prismas. Man braucht nur die Rück- wand der Metallfassung an geeigneter Stelle zu durchbrechen um ein Fenster für den Eintritt reflectirbarer Strahlen zu gewinnen, die dieser Rückwand anliegende, vorher unbenutzt bleibende Pris- menfläche zu poliren und auf diese eine halbkugelige Glaslinse oder ein kleines Prisma aufzukitten, damit Strahlen in geringer Neigung gegen die freiliegende Prismenfläche eintreten können. Mit dieser auch an den älteren Instrumenten leicht nachträg- lich anzubringenden Veränderung, welche die Beobachtung von Flüssigkeiten in durchfallendem Licht natürlich gar nicht beein- trächtigt, kann jeder durchsichtige oder undurchsichtige feste Kör- per, ein Krystall, eine Platte u. A., wenn er eine genügend ebene und leidlich polirte Fläche darbietet, ohne Weiteres unter- sucht werden, indem man auf die freie Fläche des Flintglas-Pris- mas einen Tropfen einer geeigneten stark brechenden Flüssigkeit bringt und das betreffende Stück mit der polirten Fläche auf- drückt. Kleine Objekte haften hierbei, namentlich wenn man nur wenig Flüssigkeit anwendet, durch Adhäsion fest genug, um in jeder Stellung des Prismas die richtige Lage zu behalten; grössere und schwerere Stücke kann man mittelst einer an der Prismen- fassung angebrachten Klemmfeder genügend fixiren. Alle übrigen Operationen, Einstellung, Ablesung etc. bleiben nun ganz dieselben wie bei Untersuchung von Flüssigkeiten; na- mentlich kann auch die Dispersion an festen Körpern mit Hülfe der Compensator-Prismen in ganz gleicher Art bestimmt werden. Die Einstellung des Compensators auf eine farblose Grenz- linie ist allerdings im reflektirten Licht wegen des fehlenden Kon- trastes zwischen Hell und Dunkel etwas unsicherer, und die Dis- persionsangabe deshalb etwas ungenauer als bei Beobachtung durch- fallender Strahlen; im Uebrigen besteht kein Unterschied in Bezug auf die Genauigkeit der Messung. Die Grenzlinie der Total- Reflexion erscheint zwar sehr viel zarter, aber nicht weniger scharf " markirt wie im durchfallenden Licht; nur das erste Auffinden der- selben macht deshalb öfters einige Mühe, zumal wenn der Com- pensator nicht schon annähernd auf farblose Grenze eingestellt ist. Eine eigentliche Schwierigkeit tritt dabei aber nach meinen Er- fahrungen niemals ein, auch wenn man mit gewöhnlichem weissen 38 Sitzungsberichte. Licht und ohne alle künstlichen Vorkehrungen beobachtet. Es genügt, bei Tage das Instrument in die Nähe eines Fensters mit freiem Himmel zu stellen und eventuell noch einen Spiegel vor dem Apparat auf den Tisch zu legen, um Strahlen bis zur hori- zontalen Richtung zu erhalten, Abends aber dicht vor dem Milch- glasschirm einer hell brennenden Lampe zu beobachten. Zur Er- leichterung des Auffindens der Reflexionsgrenze und zur Unter- stützung der genauen Einstellung kann man noch einen kleinen Schirm aus dunklem Papier mit spaltförmigem Ausschnitt zu Hülfe nehmen, den man in freier Hand vor der Oeffnung in der Rück- wand der Prismenfassung hin und her bewegt, um den Lichtein- fall möglichst günstig zu erhalten. Bei genügend durchsichtigen Objekten lässt sich übrigens meistens auch an durchfallenden Strahlen die Totalreflexion beob- achten und auf diese Weise eine sehr erleichterte Untersuchung sowie eine genauere Bestimmung der Dispersion herbeiführen. Irgend eine, vielleicht ganz schmale und unregelmässige Facette oder Bruchfläche, welche an die zu untersuchende Planfläche an- stösst (bei Platten z. B. eine schmale Seitenfläche), lässt, wenn sie dem einfallenden Licht zugekehrt wird, Strahlen genug durch den festen Körper eintreten, um nach Abblendung der von oben die Grenzfläche treffenden Strahlen ein genügend helles Sehfeld zu erhalten, in welchem die Grenze der Totalreflexion sehr markirt sichtbar wird, sobald die Drehung der Alhidade die betreffende Stellung des Prismas herbeiführt. Man wird in diesem Falle das Fenster in der Rückwand der Prismenfassung verdecken und wieder den Beleuchtungsspiegel am Fuss des Refractometers be- nutzen. Für die optische Bestimmung doppelt-brechender Körper ist es wesentlich, dass die zu beobachtende Planfläche in ihrer eige- nen Ebene gedreht werden könne, um successive verschiedene Richtungen innerhalb dieser in die Ebene der Reflexion zu füh- ren. Beim Refractometer lässt sich dieses auf die einfachste Weise und ohne alle weiteren Vorrichtungen erreichen, indem man wäh- rend des Durchsehens durch das Fernrohr das Objekt mit freier Hand -+- eventuell mittelst eines angekitteten Heftchens — auf seiner Auflagefläche dreht und dabei der Verschiebung der Re- flexionsgrenzen, oder einer derselben, mit der Alhidade folgt. So- fern es sich aber, wie bei genaueren Untersuchungen der Krystall- Optik, um die Messung dieser Drehungen handelt, ist es leicht, mit der Prismenfassung eine besondere Vorrichtung zu verbinden, Sitzungsberichte. 39 welche gestattet, jene um eine unveränderliche Achse auszuführen und die durchlaufenen Winkel an einem kleinen Theilkreis abzu- lesen. Für solche Zwecke wird man natürlich auch das Ocular des Beobachtungsrohrs mit einem Nicol’schen Prisma und mit Theilkreis versehen, um zugleich die Polarisationsrichtung der Strahlen bei jeder Stellung des Objektes bestimmen zu können. Dass die Verbindung des Präparates mit der Fläche des Flint- glas-Prismas durch eine flüssige Schicht zu keiner Fehlerquelle Veranlassung giebt, kann durch einfache Versuche festgestellt wer- den. Alle hier in Betracht kommenden Flüssigkeiten breiten sich stets in einer so dünnen und gleichförmigen Schicht zwischen den auf einander gedrückten Planflächen aus, dass wiederholtes Anlegen unter verschiedener Manipulation nicht die geringste Differenz in den Einstellungen herbeiführt. Im Uebrigen hängt die Genauig- keit der Beobachtung bei der dem Refractometer gegebenen Ein- richtung nur noch ab von der Zuverlässigkeit der empirischen Theilung, welche aus der Einstellung der Alhidade direkt den Brechungs-Index ableitet. In diesem Punkte ist natürlich bei den hier betrachteten Apparaten der Beobachter in höherem Grade von der Sorgfalt des Verfertigers abhängig, als bei einem Instru- ment, welches die zur Berechnung der Beobachtungen erforder- lichen Einzel-Data durch blosse Winkelmessung ergiebt. Nun liesse sich auch für die Beobachtung der Totalreflexion an einem prismatischen Glaskörper ohne alle Schwierigkeit Ein- richtung treffen, um den Grenzwinkel der Reflexion in gewöhn- lichem Winkelmaass zu erhalten und zugleich die Konstanten des Prismas jederzeit bestinnmen zu können; die unmittelbare Ablesung des Beobachtungsresultats unter Beseitigung jeder Rechnung muss aber als ein so grosser Vortheil für den praktischen Gebrauch der Methode angesehen werden, dass es sicher nicht angezeigt wäre, in Rücksicht auf die hier ins Auge gefassten Zwecke die bisherige Einrichtung des Messapparates zu verlassen. Auch bei wissenschaftlichen Untersuchungen wird hierzu um so weniger eine Veranlassung eintreten, als gerade die Bestimmung fester Körper jedem Beobachter ein höchst einfaches Mittel an die Hand giebt, die vom Verfertiger auf Grund einer berechneten Tabelle ausge- führte Theilung seines Instruments auf ihre Richtigkeit zu prüfen und eventuell die Ablesungen zu korrigiren. Einige Mineralien von sehr konstanter Beschaffenheit, wie Quarz und Kalkspath, und Probestückchen von spectrometrisch bestimmten Glasarten er- möglichen die directe Kontrole der Theilung an so vielen Punkten, 40 Sitzungsberichte. dass etwaige Fehler mit Hülfe einer leicht zu entwerfenden Kor- rektionstafel genügend eliminirt werden können. Bei den Dimensionen, welche dem getheilten Sector an dem Refractometer gegeben sind, hält die Genauigkeit der Ablesung, wenn eine Lupe benutzt wird, vollkommen Schritt mit der Genauig- keit der Einstellung. Es tritt deshalb kein Bedürfniss ein, zum Zweck möglichst scharfer Ermittelung der Differenz der Brechungs- indices bei doppelt-brechenden Substanzen eine mikrometrische Ocu- lar-Scala zu Hülfe zu nehmen, deren Gebrauch in diesem Falle, wegen der etwas komplizirten Reduktion, unbequem sein würde. Um an einem Beispiel zu zeigen, wie weit bei sorgfältiger Ausführung der Theilung die Genauigkeit der direkten, nicht kor- rigirten Ablesungen reicht, führe ich hier die Resultate an, welche das von mir benutzte, in der hiesigen Werkstatt von C. Zeiss angefertigte Refractometer an zwei senkrecht zur optischen Achse geschliffenen Plättchen von Quarz und Kalkspath ergeben hat, indem ich die Rudberg’schen Zahlen daneben setze. Es fand sich bei Beobachtung mit weissem Licht, unter Benutzung des Kompensators, der Brechungsindex für D und die aus der Kom- pensatorstellung für das Intervall von D bis F berechnete Dis- persion: {1} An € An Refractometer | 1,5440 || 0,0054 | 1,5530 | 0,0055. Rudberg | 1,5442 | 0.0055 | 1,5533 || 0,0057 Bergkrystall Kalkspath | Refractometer | 1,6588 || 0,0097 | 1,4858 || 0,0043 Rudberg | 1,6585 || 0,0095 || 1,4864 || 0,0044 Der Index des Instruments ist bei diesen Beobachtungen nach einem Crownglas-Plättchen vom Index 1,5180 justirt worden. Die Differenz von einander nahe liegenden Brechungsexponenten, z. B. bei Substanzen von geringer Doppelbrechung, wird immer bis auf etwa zwei Einheiten der 4” Decimale richtig erhalten wer- den, wofern nur die Beschaffenheit der reflektirenden Fläche ge- nügend scharfe Einstellungen zulässt. Denn in diesem Falle müs- sen sich nicht nur die Fehler der Theilung, sondern, bei annähernd übereinstimmenden Dispersionen, auch die aus etwaiger Ablenkung der Kompensator-Prismen entspringenden Fehler so gut wie voll- ständig eliminiren. Sitzungsberichte. 41 Die wichtigste Frage für die hier betrachteten Anwendungen des Refractometers betrifft indess die Flüssigkeiten, welche zur optischen Verbindung der Objekte mit dem Flintglas-Prisma geeig- net sind. Da die verbindende Schicht höheren Brechungsindex besitzen muss als der zu untersuchende feste Körper, wenn die Totalreflexion an dessen Oberfläche und nicht an der Grenzfläche zwischen Flüssigkeit und Prisma eintreten soll, so hängt der Um- fang der möglichen Anwendung des Refractometers wesentlich von den für diesen Zweck disponiblen Flüssigkeiten ab. Für die Mehrzahl der bei optischen Untersuchungen vorkom- menden Körper bietet sich nun in dem Cassia-Oel eine in jeder Hinsicht bequeme Substanz dar. Sie reicht bis zum Index 1,58. Merklich weiter, bis zu 1,62 bei mittlerer Temperatur, gelangt man mit reinem Zimmt-Aldehyd, C°’H®0O, der in seinen sonstigen Eigenschaften dem Cassia-Oel völlig gleichkommt und deshalb für solche Verwendung vorzüglich geeignet ist!). Schwefel-Kohlenstoft führt zu demselben Punkte, ist indess wegen seiner Flüchtigkeit hier etwas unbequem. Ueber diese Grenze hinaus wird aber die Aus- wahl sehr beschränkt. Bei einer Durchmusterung der Präparaten- Sammlung des hiesigen Universitäts- Laboratoriums, welche Herr Prof. Geuther zu gestatten so freundlich war, haben sich zwar mehrere Substanzen gefunden, deren Brechungsindex denjenigen des Schwefel- Kohlenstoffs zum Theil bedeutend übertrifft?); mit einer einzigen Ausnahme sind aber alle wegen ihrer sonstigen Eigenschaften (Zersetzbarkeit, belästigende Dämpfe etc.) wenig- stens für eine regelmässige Verwendung so gut wie unbrauchbar. Bis jetzt kenne ich nur Ein Präparat, Arsen-Bromür (AsBr?® ), dessen Anwendung keinerlei Hinderniss finden wird. Es ist bei Temperaturen über 20° eine fast farblose Flüssigkeit von öliger Konsistenz, nicht flüchtig, chemisch ziemlich indifferent wie es scheint, so dass die meisten Stoffe, wenigstens bei kurz dauernder Berührung, davon nicht verletzt werden (Kalkspath verliert aller- dings nach längerer Benetzung die Politur). Sein Brechungsexpo- 1) Ich verdanke die Kenntniss dieses für mehrere optische Zwecke ausgezeichnet brauchbaren Materials freundlicher Mittheilung des Herrn Prof. A. Weinhold in Chemnitz. 2) Bei einer Temperatur von ca. 20° ergab am Refractometer: Schwefel-Chlorür (CS) . . . 1,654 Selenyl-Chlorür (Se0OCl?) . . 1,6583 Phenyl-Sulfid ([C6H5]?S) . . 1,623 Phosphor-Bromür (PBr?) über 1,68 42 Sitzungsberichte. nent besitzt nach einer Bestimmung im Hohlprisma bei der Tem- peratur 24° den abnorm hohen Werth 1,781 (für Natronlicht), fast dem schwersten bis jetzt hergestellten Flintglase gleich, so dass also mit diesem Präparat die äusserste Grenze erreicht wird, welche der Mangel stärker brechender Glasarten der Anwendung des Refractometers auf alle Fälle setzt. Es hat nur den unerheb- lichen Uebelstand, dass es schon bei 20 ° Cels. krystallinisch er- starrt. Doch dürfte dies kaum eine nennenswerthe Erschwerung für den Gebrauch darstellen, selbst wenn es nicht — wie wahr- scheinlich ist — gelingen sollte, durch Zusatz kleiner Mengen einer andern geeigneten Substanz den Gefrierpunkt auf eine geringere Temperatur zu bringen, ohne den Brechungsindex merklich zu er- niedrigen. Man hätte dann nur beim Beobachten in einem Raume von niederer Temperatur das Instrument um ein Weniges erwärmt zu halten, — was keinerlei Nachtheil mit sich bringt. Soweit also nicht etwa in einzelnen Fällen chemische Reaktio- nen im Wege stehen, wird dieses leicht herzustellende Präparat überall da den Gebrauch des Refractometers ermöglichen, wo Cassia- Oel oder Zimmt-Aldehyd den Dienst versagen. Man wird zu ihm seine Zuflucht aber erst dann zu nehmen brauchen, wenn die Beob- achtung mit den zuvor genannten Substanzen keine Reflexions- grenze vor derjenigen Stellung der Alhidade ergiebt, welche die Totalreflexion dieser Flüssigkeiten anzeigt. Uebrigens ist es wahr- scheinlich, dass bei weiterer Nachforschung auch noch andere stark lichtbrechende Verbindungen sich finden werden, die das Arsen- Bromür geeigneten Falles ersetzen können !). Zu den bis jetzt in der hiesigen optischen Werkstatt ausge- führten Refractometern ist ein Flintglas vom Brechungsindex pp. 1,72 angewandt worden; die Theilung des Sectors geht dabei bis zu 1,65 oder 1,66. Der Besitz einer Flüssigkeit von dem oben ange- gebenen hohen Brechungsvermögen lässt es angezeigt erscheinen, in Rücksicht auf möglichst umfassende Untersuchung fester Körper das stärkste Flintglas zu verwenden, welches zur Zeit zu haben ist. Demnächst werde ich denn ein jetzt in Arbeit befindliches Refractometer vorlegen, welches mit allen für krystall-optische 1) Herren, denen grösseres Material an chemischen Präparaten oder reichere Erfahrung zu Gebote steht, werden mich zu grossem Dank verpflichten, wenn sie mich auf solche Verbindungen aufmerk- sam machen wollen, die nach ihrer Zusammensetzung oder nach ihrem Aussehen ein die Lichtbrechung des Schwefel-Kohlenstoffs überschrei- tendes Brechungsvermögen vermuthen lassen. Sitzungsberichte. 45 Untersuchungen wünschenswerthen Apparaten versehen und in Be- zug auf die mechanische Einrichtung diesem Zweck möglichst an- gepasst ist, dessen Prisma einen Index von nahezu 1,80 besitzt, so dass die Beobachtung mit ihm wenigstens bis zum Index 1,75 reichen wird. Mit dieser Modifikation wird das Refractometer eine genaue optische Bestimmung von Materialien ermöglichen, die bis heute noch niemals haben untersucht werden können; und es wer- den nur sehr wenige Objekte auf mineralogischem und chemischem Gebiet noch übrig bleiben, welche diese Beobachtungsmethode nicht erreicht. Das Mitgetheilte wird zur Genüge zeigen, dass das Refracto- meter auch für die optische Bestimmung fester Körper vollständig geeignet ist, sobald nur Vorkehrung getroffen wird um ebenso leicht mit reflektirtem wie mit durchfallendem Licht beobachten zu können. Im Vergleich mit dem von Kohlrausch eingeschla- genen Weg wird aber die Anwendung des hier in Rede stehenden Apparates in mehreren Punkten wesentliche Vorzüge darbieten. — Die Annehmlichkeit, mit gewöhnlichem weissen Licht beobachten zu können, und der Vortheil, dabei zugleich eine ziemlich genaue Bestimmung der mittleren Dispersion zu erhalten, ist allerdings mittelst meines Kompensator-Apparates bei jeder Beobachtungs- methode erreichbar. Dagegen hat schon die Anwendung einer vorausberechneten Theilung zur direkten Ablesung der Brechungs- exponenten, welche dem praktischen Gebrauch eine so grosse Er- leichterung gewährt, ein Prisma aus fester Substanz zur Voraus- setzung, wegen der Veränderlichkeit der Brechungsexponenten aller Flüssigkeiten. Wichtiger ist wohl noch der Unterschied, den es für die leichte und rasche Ausführung aller mit der Beobachtung verbundenen Manipulationen macht, je nachdem das Präparat unter einer Flüssigkeit oder auf einer freiliegenden Glasfläche zu behan- deln ist. Von einigem Belang ist ferner der Wegfall aller Tem- peratur-Korrektionen beim Refractometer. Der Brechungsindex des Flintglases, wie überhaupt wohl aller festen Körper, wird von der Temperatur so wenig beeinflusst, dass die Veränderung im Spiel- raum der gewöhnlichen Temperatur-Schwankungen völlig unmerk- lich bleibt. Beim Gebrauch eier Flüssigkeit dagegen ist mit hohem Brechungs - Vermögen auch stets eine starke Temperatur- Variation des die Grundlage der Messung bildenden Coefficienten verbunden, so dass schon ziemlich genaue Temperaturbestimmung erforderlich wird, wenn die von dieser Seite her möglichen Fehler die sonst erreichbare Genauigkeit nicht erheblich beeinträchtigen 44 Sitzungsberichte. sollen. Endlich bleibt dem Refractometer noch der beträchtliche Vorsprung in der Ausdehnung der Messung nach der Seite des hohen Brechungsexponenten, der so lange bestehen wird, als sich nicht etwa — wozu nur geringe Aussicht sein dürfte — eine Flüs- sigkeit von extrem hohem Index findet, welche auch in grösseren Mengen so handlich und so inagressiv wie der Schwefel - Kohlen- stoff ist. Da beim Refractometer die betreffende Flüssigkeit nur in ganz minimalen Portionen zur Verwendung kommt und Verun- reinigung, Zerstreuung u. dergl. bei einiger Vorsicht völlig zu ver- meiden ist, so kann man hier unbedenklich Substanzen in Gebrauch nehmen, mit welchen man, wie z. B. mit Arsen-Bromür, aus nahe liegenden Gründen in grösseren Quantitäten nicht wird häufig manipuliren dürfen. In Betreff des Verfahrens bei der optischen Untersuchung krystallisirter Substanzen nach der Methode der Totalreflexion verweise ich auf die oben citirte Abhandlung von F. Kohl- rausch!). Was die Untersuchung flüssiger Stoffe anlangt, so wird man zwar, aus den oben erwähnten Gründen, der Regel nach bei sol- chen die Beobachtung der Totalreflexion in durchfallendem Licht vorziehen; jedoch kann auch hier die gelegentliche Benutzung re- flektirter Strahlen gute Dienste leisten. Den Index der Alhidade wird man immer leichter und sicherer, statt nach dem Brechungs- exponenten des Wassers, nach dem eines anderweitig bestimmten Glasplättchens oder nach dem Exponenten des ordentlichen Strahles eines Bergkrystallplättchens (1,5442) justiren, weil dabei die Be- rücksichtigung der Temperatur in Wegfall kommt. Ausserdem sind aber auch unter den flüssigen und halbfesten Stoffen, die man bis jetzt nach dem ursprünglichen Verfahren untersucht hat, viele, welche nur schwierig oder unvollkommen in eine genügend dünne und durchsichtige Schicht sich ausbreiten lassen. Solche Präpa- rate — z. B. die festen Augenmedien, organische Gewebe etc. — wird man von nun an leichter und genauer beobachten können, indem man sie entweder direkt oder unter Benutzung einer geeig- neten Zwischenflüssigkeit auf die freiliegende Fläche des Prismas aufpresst und die Reflexionsgrenze mittelst auffallender Strahlen einstellt. 1) Vergl. auch W. Kohlrausch, die experimentelle Bestimmung von Lichtgeschwindigkeiten in Krystallen. Annalen d. Phys. u. Ch. Bd. VI, p. 86. Sitzungsberichte. 45 2) Prof. Preyer demonstrirte und besprach sodann Die akumetrische Verwendung des Bell’schen Telephons. „Während die Ophthalmologie sich schon lange einer guten Methode zur Messung der Sehschärfe erfreut und die Grade der- selben durch Zahlen ausgedrückt werden, welche sich allgemein auf dieselbe Maasseinheit beziehen, gab es vor der Erfindung des Telephons kein zuverlässiges Verfahren die Hörschärfe zu messen. Durch das Telephon aber ist man im Stande sowohl die Inten- sität des leisesten eben noch hörbaren Schalles, die Schallschwelle, als auch die geringste eben noch wahrnehmbare Differenz zweier qualitativ gleicher, quantitativ ungleicher Schalle, die Schallunter- schiedschwelle, in Zahlen, welche sich auf dieselbe Einheit bezie- hen, genau auszudrücken. Es heisse beim Bell’schen Telephon die Kombination, welche die Schallwellen des Sprechers aufnimmt, Acceptor, diejenige, ihr kongruente, welche sie wiedergibt, indem sie die durch die Schallschwingungen erzeugten elektrischen Oscillationen empfängt, Receptor. Ferner heisse das Hören mit einem Ohre mono- tisch, das mit zwei Ohren diotisch (anstatt des schleppenden binaureal) und das Hören durch Kopfleitung allein, ohne Be- theiligung eines der beiden peripheren Ohren, cephalotisch. Endlich heisse die Schallempfindung eines nur im Ohre oder Kopfe des Hörers vorhandenen Reizes, wie bisher, entotisch, dagegen die Empfindung eines ausserhalb des Ohres und Kopfes erzeug- ten Schalles, welchen also mehrere zugleich wahrnehmen können , ektotisch; ebenso die entsprechenden Schallquellen entotisch und ektotisch. Man hat dann zur Ermittlung der ektotischen Schall- schwelle zu bestimmen die Intensität des Schalles, welcher 1) mo- notisch, 2) diotisch, 3) cephalotisch eben noch und eben nicht mehr pereipirt wird. Ich verwende dazu das im Receptor ohne die schwingende Platte oder mit derselben erzeugte Knacken oder Ticken, welches jedesmal entsteht, wenn ein durch den Telephondraht zu leitender constanter Strom durch Eintauchen des Leitungsdrahtendes in Queck- silber geschlossen oder durch Herausheben desselben aus dem Queck- silber geöffnet wird. Die Intensität dieses Knackens steigt mit der Stromstärke. Man braucht also nur das Element mit einem 46 Sitzungsberichte. Rheochord zu verbinden, so entsprechen die zum Hörbarwerden des Tickens erforderlichen Widerstände desselben den eben wahr- nehmbaren Schallstärken, und deren reciproke Werthe den Hör- schärfen. Denn je stärker der zur Erzeugung des Schwellen- schalles erforderliche Strom, um so geringer die Hörfeinheit. Bei diesem Verfahren ist vor Allem die Herstellung eines Elementes von so geringer elektromotorischer Kraft nothwendig, dass bei Aus- schaltung aller Widerstände des Rheochords in der den Receptor aufnehmenden Nebenschliessung gar kein Ticken gehört wird, son- dern erst ‘nach Einschaltung des nach Centimetern gemessenen schlecht leitenden Rheochord-Drahtes Schluss und Oefinung gehört werden. Keins der gebräuchlichen galvanischen Elemente ist selbst dann, wenn die Platten von Kohle, Platin, Zink, Kupfer u. s. w. in Wasser getaucht sind, und man das du Bois-Reymond’sche Rheochord verwendet, schwach genug und keines unveränderlich. Denn in allen Fällen hören Scharfhörige, trotz des bedeutenden Widerstandes des langen und dünnen Drahtes im Telephon, nach Einfügung sämmtlicher Stöpsel und bei dem Schieberstand Null, jedesmal das Schliessungs- und Oeffnungsticken. Ich setzte daher ein anderes Element zusammen, welches einen so schwachen Strom gibt, dass man den Schieber 10 bis 20 Oentimeter selbst für das schärfste Ohr entfernen muss, um etwas zu hören. Es besteht nur aus einem kleinen Platin- und Zinkblechstück, die in einer konstanten Entfernung eben in Zinkvitriol getaucht und durch kurze Drähte mit dem Rheochord verbunden sind. Dieses Element kann als konstant angesehen werden und gibt genügend schwache Ströme; doch sind dieselben stark genug, um durch Einschaltung zuneh- menden Rheochordwiderstandes in die Stammleitung auch von Schwerhörigen pereipirt werden zu können. Lässt man centimeterweise von Null an den Widerstand wach- sen, so hört man zuerst nur das Schliessungsticken, nach einigen weiteren Centimetern auch das Oeffnungsticken. Es empfiehlt sich wegen der grossen Sicherheit in der Beurtheilung, ob man 1 oder 2 Empfindungen hat, das erste Auftreten des Oefinungstickens als Indicator für die Ueberschreitung der Schwelle zu benutzen. Die beobachteten Unterschiede der Hörschärfe bei verschiedenen Indi- viduen und für das linke und rechte Ohr eines Individuums, sind sehr auffallend und lassen sich mittelst des erwähnten Rheochords, welches Widerstände von 1 bis 20000 Millimeter anzuwenden ge- stattet, in Zahlen genau angeben. Die einzelnen Einstellungen stimmen vorzüglich überein, so dass eine Aenderung der Erregbar- Sitzungsberichte. 47 keit des Hörnerven während der Versuche nicht annehmbar- ist. Nur muss die Aufmerksamkeit immer maximal gespannt sein wie bei allen Grenzbestimmungen. Es muss im Beobachtungsraum Stille herrschen. Auch die Schallunterschiedschwelle lässt sich nach diesem Verfahren ermitteln. Man braucht nur zuerst einen bestimmten Widerstand W einzuschalten, etwa 1 Meter, und sich den Schall zu merken, dann einen zweiten grösseren Widerstand W + w an- zuwenden, den man mittelst des Schiebers so lange steigert, bis man das Ticken eben deutlich lauter hört, wobei der erste Schall immer zum Vergleich wiederholt und nach jeder neuen Einstellung der Strom öfters geschlossen und geöffnet wird. Man findet «, wie sich erwarten liess, sehr gross, d. h. die Hörschärfe für Inten- sitätsunterschiede gering. Eine andere Methode der Akumetrie empfehlen Hugo Kro- necker und Arthur Hartmann (Verh. d. physiol. Ges. zu Berlin, 19. Jan. 1878. S. 25). Eine von 2 Daniell’schen Elementen schwin- gend erhaltene elektrische Stimmgabel von 100 Schwingungen in der Sekunde unterbricht den Strom, der durch die primäre Spirale eines Schlitteninduktoriums geht, mit der sekundären ist das Te- lephon verbunden. Der Rollenabstand, bei dem der von der Re- ceptorplatte reproduzirte Gabelton erlischt, bez. eben merkbar wird, entspricht der Hörschärfe direkt. Je grösser der Rollenab- stand, um so leiser der Ton, um so niedriger die Tonintensitäts- schwelle, um so feiner das Gehör. Dieses Verfahren vereinfachte ich zunächst durch Weglassen der sekundären Spirale des Schlitteninductoriums. Ihre Stelle nimmt die Telephonspirale ein. Man braucht nur den Abstand des freien Telephons von der primären Rolle zu messen. Ferner ist auch die elektrische Stimmgabel unnöthig. Trennt man den Neeff’schen Unterbrecher vom Apparat und stellt man ihn im Ne- benzimmer auf, so dass er nicht gehört wird, so ist das Resultat dasselbe. Das freie Telephon wird dann leicht zum lauten Selbst- tönen gebracht. Soll jedoch die Abhängigkeit der Intensitätsschwelle von der Tonhöhe ermittelt werden, dann ist die Anwendung der Gabeln indizirt, und zwar würde sich dazu die von R. König in Paris erfundene Stimmgabel mit veränderlicher genau bestimmbarer Schwingungsfrequenz empfehlen. Eine Hauptschwierigkeit bei diesem ganzen Verfahren bildet aber die Inkonstanz der Elemente, welche zwar während mehrerer 48 Sitzungsberichte. Versuchsreihen sich elektromotorisch nahezu gleich bleiben können !), nicht aber überall in ganz gleicher Beschaffenheit herzustellen sind. Man muss also, wenn die Hörschärfe allgemein in solchen Ein- heiten, wie etwa der Muskelstrom und Nervenstrom in Daniells, ausgedrückt werden soll, vor und nach jeder Versuchsreihe die Beständigkeit der elektromotorischen Kraft kontroliren in ähnlicher Weise wie E. du Bois-Reymond es that (Archiv für Anatomie und Physiologie und wissenschaftliche Mediein 1367, S. 230 Anm.). Denn die induzirende Wirkung und damit die Intensität des Tele- phontons, wird schon durch so geringe Aenderungen der elektro- motorischen Kraft der Kette merklich beeinflusst, dass von ge- nauen Messungen der Hörschärfe nicht die Rede sein kann, wenn die Konstanz der Kette unkontrolirt bleibt. Schon aus diesem Grunde, und dann, weil er viel zu starke Ströme anwandte, konnte Hartmann beim Kombiniren der elek- trischen Gabel mit dem runden Kompensator von du Bois -Rey- mond kein brauchbares Resultat erzielen. Man kann aber sehr wohl bei Anwendung der von mir vorhin angegebenen Methode, das oblonge Rheochord du Bois- Reymond’s zur Bestimmung der Intensitätsschwelle für verschiedene Tonhöhen benutzen, wenn man unelektrische Gabeln als Unterbrecher in die Stammleitung ein- schaltet. Denn so hat Tarchanoff (St. Petersburger medicini- sche Wochenschr. Nr. 43. 1575) sogar den durch rhythmische Un- terbrechung des ruhenden Muskel- und Nervenstroms entstehenden Telephonton deutlich hören können. Demselben Forscher gebührt das Verdienst zuerst auf das diotische Hören mit dem Telephon hingewiesen zu haben. Ich kann seine Beobachtung, dass beim Hören intermittirender Ströme mit dem an beide Ohren angesetzten Telephon der Ton genau in die Medianebene des Kopfes verlegt wird, bestätigen, und zwar scheint sein Ort bei mir in dieser Ebene zu wandern. Der ge- ringste Unterschied in der Hörschärfe der beiden Ohren oder in den beiden Tönen macht diese merkwürdige intracranielle Lokali- sation unmöglich, wie Tarchanoff richtig bemerkt. Auch kann ich die in psychophysischer Hinsicht wichtige Beobachtung desselben Gelehrten bestätigen, dass nach Abschwächung des Telephontons bis eben unter die monotische Schwelle beiderseits, so dass man ı) H. F. Weber benutzte zu anderen Zwecken „ein Daniell’- sches Element, dessen elektromotorische Kraft nie um mehr als !/, 300 ihres Werthes variirte.“ Vierteljahrsschr. der Züricher naturforschen- den Gesellschaft. Sitzung vom 25. Nov. 1878. Sitzungsberichte. 49 mit jedem Ohr einzeln nichts hört, gleich nach dem Anlegen des einfach verbundenen Telephonpaares an beide Ohren im Mittel- punkt des Schädels ein Ton gehört wird. Die diotische Schall- schwelle liegt also in der Reizskala tiefer als die monotische. Es findet eine centrale Summation der subliminalen monotischen Erregungen statt, welche sie in das Bewusstsein hebt. Es muss demnach die von der Peripherie centripetal fortgepflanzte Erre- gung einen centralen Widerstand überwinden, ehe sie sich in be- wusste Empfindung umsetzt. Die Thatsache beweist, dass es eine Empfindungsschwelle gibt, indem die unterhalb der Reizschwelle bleibenden (unterschwelligen oder subliminalen) Reize nur eine Er- regung der peripheren sensorischen Nerven bedingen, ohne be- wusste Empfindung, und erst durch centrale Addition zweier der- artiger nicht bewusst empfindbarer Erregungen die Schwelle der bewussten Empfindung überschritten wird. Nur die binokulare Farbenverschmelzung und die Vereinigung zweier, links und rechts getrennt, zugleich wahrgenommener Gerüche, können bis jetzt als Fälle von intracentraler Empfindungsverschmelzung aus anderen Sinnesgebieten dieser akustischen Summation, welche erst im Ge- hirn stattfindet, an die Seite gestellt werden, sind aber wesentlich anderer Natur. Schliesslich sei noch einer mit dem Telephon bei Gelegenheit obiger Versuche von mir konstatirten noch unerklärten akustischen Täuschung gedacht. Wenn man den Acceptor mit dem Receptor einfach leitend verbindet, beide durch ein und denselben intermittirenden Strom oder dieselbe Folge von Induktionsströmen zum Selbsttönen bringt, und die eine Platte dicht am einen Ohr tönen lässt, so scheint der Ton in diesem Ohr sich erheblich zu verstärken, während man “die andere dem andern Ohr nähert. Ist die Entfernung durch fortgesetzte Annäherung an das freie Ohr aber so klein geworden, wie bei dem zuerst bewaffneten, dann scheint (dieses letztere be- merkte auch Tarchanoff) der Ton von beiden Ohren in das Innere des Kopfes sich zurückzuziehen, falls beide Töne gleich sind und beide Ohren gleich gut hören. Auch zum Studium des cephalotischen Hörens und sogar zum Messen der Intensität entotischer Schallempfindungen ist das Bell’- sche Telephon besonders geeignet. Die Versuche darüber und über die Verwendung des ingeniösen Instruments zur Entdeckung simu- lirter monotischer Schwerhörigkeit sind noch nicht zu einem vor- läufigen Abschluss gelangt.“ 4 50 Sitzungsberichte. 3) Herr Prof. Dr. Eduard Strasburger sprach über Lellbildung und Zelltheilung. Vortragender kam auf Grund neuer Untersuchungen zu der Ueberzeugung, dass freie Kernbildung bei Zellbildung gar nicht existirt. In allen Fällen, wo freie Zellbildung um Kerne statt- findet, haben sich letztere durch Theilung vermehrt: so in den Embyrosäcken der Gymnospermen bei Anlage des Endosperms, so. in den Embryosäcken der Angiospermen bei Anlage des Eiappa- rates und der Gegenfüsslerinnen und der Bildung des Endosperms soweit diese durch freie Zellbildung erfolgt, so in den Asei der Ascomyceten bei Bildung der Sporen, so in den Eiern der Conife- ren bei Bildung der Keimanlage. Bei der freien Endospermbildung sieht man die Kerne vor- erst sich durch Theilung vermehren, die Theilungen erfolgen in dem ganzen Embryosack a tempo, daher es sehr schwer fällt, Theilungszustände zu fixiren. Ist die volle Zahl der Kerne er- reicht, so sieht man das Protoplasma um dieselben sich meist deutlich in strahlenförmig angeordnete feine Fäden sondern, welche die Kerne unter einander verbinden. Innerhalb der Fäden, in glei- chen Abständen von den Kernen, bilden sich die Trennungswände aus protoplasmatischer Hautschicht. Diese Wände spalten sich und scheiden Cellulose in den Spalten aus. In gewissen Sporenschläuchen, Eiern von Ephedra u. A. m. sieht man die Kerne sich ebenfalls bis auf eine bestimmte Zahl vermehren und dann um diese Kerne Zellen bilden, die sich aber seitlich nicht berühren. Das Protoplasma um die Zellkerne nimmt während der Zellbildung hier oft auch deutlich radiale Struktur an; an der äusseren Grenze der Strahlen wird die Hautschicht gebildet und scheidet dann Cellulose an ihrer Peripherie aus. Für die Zelltheilung fand Vortragender neue Zwischenstufen, welche der Bildung der Kernspindel resp. Kerntonne vorausgehen. Die Zwischenstufen entsprechen den von den Zoologen in thieri- schen Zellen beobachteten. Es sind das vornehmlich grobkörnige oder auch feinfädige Zustände, letztere meist mit charakteristi- scher Schlängelung der Fäden. ° Vortr. konnte feststellen, dass die Kernwand selbst in die Bildung der Theilungsfigur eingeht. Das Schwinden der Kernwand als solcher hat in manchen Fällen eine Sitzungsberichte. 51 Vertheilung der Kernelemente im umgebenden Plasma zur Folge; dieselben sammeln sich aber wieder, um die Theilungsfigur zu bil- den. Die beiden Haupttypen der Theilungsfigur, die Kernspindel und Kerntonne, hält Vortr. nicht für prinzipiell verschieden. Er ist der Ansicht, dass in der Kernspindel, die aus feinfadigen Ele- menten und der Kernplatte besteht, nur ein höherer Grad von Sonderung vorliegt, als in der Kerntonne, die nur aus einer Art dickerer Fasern besteht. Verf. wird in seiner Auffassung durch den Umstand bestärkt, dass Kernspindeln und Kerntonnen bei einem und demselben Organismus, ja in Zellen einer und derselben Art vorkommen können. Bei Bildung der Kernspindel nimmt Vortr. eine Action von den Polen aus an, bei der Kerntonne eine gleich- mässige Vertheilung der Kräfte in den beiden Tonnenhälften. Vortragender will die Fäden, die zwischen den auseinander- weichenden Kernhälften ausgesponnen werden, in Zukunft Zell- fäden nennen, weil sie nicht aus der Kernsubstanz, sondern aus der Zellsubstanz entstehen. Vortr. bestätigt weiter die Angabe von Treub, dass bei der Scheidewandbildung, soweit als die Zell- platte nicht das ganze Zelllumen überspannt, die Ausscheidung der Cellulosewand einseitig fortschreitet. Die Zellplatte hat sich dann an die eine Seitenwand der Zelle angelehnt; ist hier aber die Cellulosemembran gebildet, so zieht sich die Zellplatte von ihr zurück und gelangt langsam fortschreitend schliesslich bis an die entgegengesetzte Seitenwand der Mutterzelle. Vortragender macht schliesslich darauf aufmerksam, dass die rechtwinklige Schneidung der Scheidewand durch den rechtwink- ligen Ansatz der Zellplatte an die Mutterzellwand bereits bedingt wird, und dass wo eine Zelle in zwei ungleiche Theile zerlegt wird, vorher meist eine ungleiche Vertheilung des Plasma in der Zelle zu beobachten ist, so dass beide Schwesterzellen bei unglei- chem Volumen doch annähernd gleiche Mengen protoplasmatischen Inhalts aufzuweisen haben. 4) An diesen Vortrag schlossen sich die folgenden Mitthei- lungen des Herrn Prof. Frommann: Ueber die Struktur der Ganglienzellen der Retina. Die Ganglienzellen der Retina erscheinen zur Feststellung der elementaren Strukturverhältnisse besonders geeignet, weil sie leicht im ganz frischen Zustand und ohne Aenderung ihrer Beziehungen zu den umgebenden Gewebselementen zur Anschauung gebracht £ 4 * 52 Sitzungsberichte. werden können. Aus diesem Grunde hatte der Vortragende be- reits früher, als er auf Besonderheiten in der Struktur der Gang- lienzellen der Vorderhörner aufmerksam wurde, die Ganglienzellen der Retina untersucht, sah sich aber in seinen Erwartungen ge- täuscht, da der Kern ein klares Aussehen und, wie es schien, eine vollkommen homogene Beschaffenheit darbot, in seinem Innern ausser dem Kernkörperchen keine geformten Bestandtheile enthielt, wäh- rend das Protoplasma nur ein körniges, hie und da ebenfalls fast homogenes Aussehen zeigte. Die Untersuchungen waren bei einer 500fachen Vergrösserung angestellt worden, dagegen lassen die Zellen bei Anwendung von 900facher Vergrösserung Strukturverhält- nisse erkennen, welche mit den früher an den Ganglienzellen der Vorderhörner wahrgenommenen in Betreff der elementaren Anord- nung der geformten Theile übereinstimmen und dieselben ergänzen. Als Untersuchungsflüssigkeit wurde humor vitreus verwendet und als Untersuchungsobjekt die Retina des eben getödteten ausge- wachsenen Rindes benutzt. Das Innere des Kerns erscheint auf den ersten Blick gleich- mässig homogen, mehr oder weniger licht und scheint als einzigen geformten Bestandtheil das meist central gelegene, runde, ovale oder eckige Kernkörperchen zu enthalten. Das letztere besitzt eine ziemlich deutliche gelbe Färbung und mitunter erscheint auch der ganze Kern schwach gelb gefärbt, während er in der Mehrzahl der Fälle ein graues Aussehen besitzt. Selten finden sich neben dem central gelegenen noch 1—2 etwas kleinere Kernkörperchen, häufiger sind einzelne stärker glänzende derbere und ebenfalls gelblich gefärbte Körnchen durch das Kerninnere zerstreut. Das Kernkörperchen ist homogen oder es enthält in seinem Innern 1— 2 kleine runde Vakuolen, daneben aber häufig Körnchen und feine, sehr kurze Fäden, die sich in Fäden fortsetzen können, die frei von seinem Umfang abtreten. Dass es sich hierbei inicht um Auflagerungen auf die obere Fläche des Kernkörperchens han- deln kann, geht schon aus dem Umstand hervor, dass die An- ordnung und Vertheilung der Körnchen und Fäden sich beim Wechsel der Einstellung ändern, dass bei demselben Vakuolen auf- treten oder solche die vorhanden waren schwinden können ; ausser- dem aber würde man den Kernkörperchen eine scheibenförmige Oberfläche zuschreiben müssen, wenn man annehmen wollte, dass die Körnchen und Fäden, welche bei Einstellung seines grössten Durchmessers in seiner Substanz eingeschlossen scheinen, nur sei- ner Oberfläche an- oder aufgelagert seien. Es scheint vielmehr Sitzungsberichte. 53 auch das Innere des Kernkörperchens eine netzförmige Struktur, dabei aber so enge Maschen zu besitzen, dass dieselben meist nicht deutlich und nur die relativ weiten als Vakuolen vortreten. Vom Umfang des Kernkörperchens gehen feine stielartige Fäden ab, von denen nur ganz vereinzelt der eine oder andere bei etwas grösserer Dicke sich bis zur Nähe der Kerngrenze verfolgen liess, während die übrigen nach kurzem Verlauf in der scheinbar homo- genen Substanz des Kerninnern zu verschwinden scheinen. Unter- sucht man die letztere genauer, so ergibt sich, dass sie aus dicht gestellten und ziemlich gleichmässig feinen Körnchen besteht, die ein geringes Brechungsvermögen besitzen, das nur wenig stärker ist als das des umgebenden Kernsafts; es lässt sich weiter häufig ermitteln, dass die Körnchen unter sich durch sehr feine und kurze Fäden zu äusserst engen und zarten, runden oder ovalen Maschen von ziemlich gleichem Durchmesser verbunden sind, die, wo sie als zusammenhängende Netze vortreten, ein ausserordent- lich feines gazeartiges Aussehen darbieten. Hat man dieselben einmal wahrgenommen, so wird man sie kaum in einem Kern ganz vermissen, wenngleich sie bald mit grösserer, bald mit geringerer Deutlichkeit vortreten. Die Körnchen selbst bilden dann nur die Knotenpunkte für die Netzfäden. Nach Aussen er- scheint der Kern mitunter scharf abgegrenzt durch einen ring- förmigen, geschlossenen, glänzenden Doppelkontour, dem nur hie und da körnige, zackige oder leistenförmige Prominenzen anhaften ; in anderen Fällen bildet der im äquatorialen Durchmesser vortre- tende Grenzkontour keinen geschlossenen Ring, sondern er setzt sich aus 2 oder mehr reifartig gebogenen, glänzenden Fäden zu- sammen, deren Enden durch kleinere oder grössere Lücken von einander getrennt werden, so dass durch dieselben Kerninneres und Protoplasma in kontinuirlichem Zusammenhange stehen. Da ausser- dem beim Wechsel der Einstellung auch ein ringförmiger Grenz- kontour schwinden kann und an seiner Stelle bogenförmige oder geradlinig verlaufende Fasern vortreten, welche einen grösseren oder geringeren Theil der Kernperipherie umfassen, so können auch die Kerne der Ganglienzellen eine geschlossene Membran nicht be- sitzen, sondern an Stelle derselben nur Grenzfasern, deren Anord- nung, Länge und Verlaufsrichtung mit Aenderung der Einstellung wechseln kann. Derbere faserartige, ein Innengerüst des Kerns konstituirende Bildungen fehlten. Das Protoplasma zeigt bei den verschiedenen Zellen ein etwas wechselndes Verhalten. Bei manchen findet sich in der Um- 54 Sitzungsberichte. gebung des Kerns eine Zone, welche durch die wechselnd dichte Einlagerung derberer Körnchen ausgezeichnet ist und nur die peri- pheren Abschnitte enthalten feinere und gleichmässig dicht ge- lagerte Körnchen, während in anderen Zellen das Protoplasma in allen seinen Abschnitten eine ziemlich gleichmässige feine und dichte Granulirung darbietet. Innerhalb der gröberkörnigen Zone waren die Körnchen unter einander nicht zu Maschennetzen , son- dern kleine, geradlinige Reihen von Körnchen durch feinere Ver- bindungsfäden zu feinen gekörnten Fibrillen verbunden, die theils parallel verlaufen, theils sich überschneiden. Nur da wo zwischen den derberen Körnchen kleinere Gruppen von feineren eingelagert waren, liess sich eine Verbindung der letzteren zu Fadennetzen mit engen runden oder ovalen Maschen nachweisen, wie sie in gleicher Weise in den übrigen Abschnitten des Zellkörpers und in der gan- zen Ausdehnung desselben überall da bestand, wo derselbe eine gleichmässig feine Granulirung darbot. Vereinzelt finden sich in die Protoplasmanetze Maschen eingestreut, die durch eine relativ grosse Weite ausgezeichnet sind und deshalb sehr leicht in die Augen fallen. Wie die Fäden der peripheren Netzlamellen des Kerninnern sich unmittelbar und in dichter Folge in die Kern- grenzfasern einsenken, so senken sich von Aussen die Fäden der anstossenden Protoplasmanetze oder fibrilläre Fäden in dieselben ein, es scheinen also die Kerngrenzfasern zwischen Kern- und Pro- toplasmanetze eingeschoben, und wo sie fehlen gehen die letzte- ren beide kontinuirlich in einander über. Die Protoplasmanetze sind von den Kernnetzen durch etwas grössere Weite ihrer Maschen ausgezeichnet und an der Kerngrenze sieht man die weiteren Ma- schen der ersteren kontinuirlich in die engeren der Kernnetze sich fortsetzen. An Stellen wo der Kern nach Aussen von einer Zone derberer Protoplasmakörnchen umgeben wird, und wo eine Kern- srenzfaser nicht vorhanden ist, kann an Stelle derselben ein ge- körnter, eine Reihe derberer Körnchen verbindender, die feinen Kernnetze nach Aussen abschliessender Faden treten, es können aber auch die derberen Körnchen des Protoplasma etwas weiter nach dem Kerninnern vorrücken, sich in demselben zu Netzen mit weiteren Maschen verbinden, die sich dann in die engmaschigeren fortsetzen. Derbere, in den Kernnetzen wurzelnde und in das Protoplasma übertretende Fäden finden sich nur ganz vereinzelt. Das ganze Kerninnere erscheint nur deshalb gleichartiger und ho- mogener als das Protoplasma, weil seine Fadennetze feiner und die Maschen enger sind als die des Protoplasma; hie und da finden Sitzungsberichte. 55 sich dagegen Zellen, wo im Kern und im Protoplasma die Netze und Maschen eine ganz gleiche Beschaffenheit zeigen und dann besitzt auch der Kern vollkommen das gleiche Aussehen wie das Protoplasma, so dass ohne das Vorhandensein von Kerngrenzfasern man nicht im Stande sein würde zu sagen, wo das Protoplasma aufhört und der Kern anfängt. Es bieten demnach die Ganglien- zellen der Retina gerade das entgegengesetzte Verhalten wie die früher beschriebenen Knorpelzellen, in welchen der Kern als ein besonderes Gebilde in der Zelle vortritt, weil er eine grössere An- zahl derberer Formelemente, ausser den Kernkörperchen noch der- bere Körnchen und die Fasern des Innengerüsts einschliesst, wäh- rend in den Ganglienzellen der Retina die gleichmässig feinen und engmaschigen Netze im Innern des Kerns denselben als ein homo- generes Gebilde als den Zellkörper und in demselben als einen scheinbar selbstständigen Körper vortreten lassen. Gelegentliche Befunde wiesen darauf hin, dass eine netzför- mige Struktur der Zellen in ziemlicher Verbreitung im Thierreiche vorkommt und legten die Frage nahe, ob und in wieweit die Pflanzenzellen in Betreff ihrer feineren Strukturverhältnisse ein analoges Verhalten darbieten, um so mehr, da ein solches be- reits in Betreff der Kerntheilung durch die neueren Beobachtungen festgestellt wurde. Die Untersuchung der Parenchym- und Epi- dermiszellen der Blätter von Rhododendron und von Dracaena er- gab in der That, dass dies der Fall, sowohl bezüglich des Proto- plasmas als bezüglich der Kerne und der Chlorophylikörner. In den Epidermiszellen bildet das Protoplasma zusammenhängende, wenn auch nur theilweise den Zellraum ausfüllende, nur einseitig der Wandung anliegende Massen, während es in den Parenchymzellen theils den Wandungen anhaftet, theils im Zellinnern die unmittelbare Umgebung der Kerne und der Chlorophylikörner einnimmt, die Zwischenräume zwischen den letzteren ausfüllt und mit unregelmässig gestalteten Fortsätzen einen grösseren oder geringeren Theil des Zellraums durchsetzt. Es besteht überall aus Fadennetzen, deren Knotenpunkte zum grösseren Theil die gleiche Dicke besitzen, während vereinzelt eingestreute sich durch grössere Derbheit aus- zeichnen. Die Netze sind eng, können aber bei 900facher Ver- grösserung vollkommen deutlich erkannt werden und schliessen runde oder ovale, mitunter regelmässig quadratische oder recht- eckige Maschen ein, die dann ein sehr zierliches Gitterwerk bil- den. In den Epidermiszellen sind die Netzfäden nicht selten re- lativ derb und die Maschen dementsprechend ausserordentlich eng. 56 Sitzungsberichte. Vereinzelt sind in die Netze Fäden eingelassen, die als scheinbar selbstständige vortreten können, aber nur aus gleichgerichteten Bruchstücken der Netze bestehen. Die Protoplasmanetze benach- barter Zellen hängen unter einander durch Spalten und Lücken der Zellmembranen zusammen, wie sie sich sowohl zwischen be- nachbarten Parenchymzellen als zwischen den mit derben Hüllen versehenen Epidermiszellen und zwischen diesen und den Paren- chymzellen finden. Durch die Spalten treten die Netze ohne in ihrer Anordnung eine Aenderung zu erfahren oder ihre Maschen nehmen eine gestreckte Form an oder es gehen, wie es häufig bei den Epidermiszellen der Fall ist, aus der der Kapsel anliegenden Grenzlamelle der Netze feine, parallele und gekörnte Fäden her- vor, die senkrecht zur Fläche der Kapsel gestellt, durch die Spalte zum Protoplasma der Nachbarzelle übertreten. In den Epider- miszellen sind die die Grenzlamellen der Netze abschliessenden einzelnen Fäden mitunter zu einem geradlinig fortlaufenden Grenz- faden verbunden, der von der Kapsel durch einen kapillaren Spalt- raum getrennt ist und dem die durch die Lücken der Hülle tre- tenden Fäden anhaften. Die Chlorophyllkörner der Parenchymzellen erscheinen entweder als deutlich abgegrenzte runde Gebilde oder sie stellen rundliche, weder von einander, noch von dem umgebenden unge- färbten Protoplasma deutlich gesonderte Körper dar. Im ersteren Fall sind in ihrem Innern bald nur Körnchen, bald feine und enge Fadennetze zu unterscheiden, und ausserdem treten von ihrer Peri- pherie gefärbte Fäden in radiärer Richtung ab, die ihnen ein stech- apfelförmiges Aussehen verleihen können und die theils benachbarte Körner mit einander verbinden, theils in die Knotenpunkte der umgebenden Protoplasmanetze eingreifen und bis zu denselben ihre Färbung behalten können. An den Chlorophylikörnern, welche vom Protoplasma nicht scharf abgesetzt sind, tritt die Netzstruktur in der Regel deutlich her- vor; sie bestehen aus denselben Fadennetzen wie das Protoplasma, ihre Fäden setzen sich unmittelbar in die Netze des letzteren fort und sind von denselben ausser durch ihre Färbung nur durch ihre häufig etwas grössere Derbheit und die grössere Enge der umschlossenen Maschen ausgezeichnet. Die Kerne der Parenchymzellen sind beträchtlich grösser als die Chlorophylikörner, theils mehr homogen mit undeutlich körni- sem Inhalt und einem derberen centralen Kernkörperchen, theils tritt an denselben eine körnig-fasrige Struktur hervor. Es lassen Sitzungsberichte. 57 sich dann auch hier einzelne derbere Körnchen und Fasern im Kern- innern und Kerngrenzfasern unterscheiden, deren Anordnung und Verlaufsrichtung mit dem Wechsel der Einstellung sich ändert, theils feine netzförmig unter sich verbundene Körnchen und Fä- den, und wie bei den Kernen thierischer Zellen hängen auch hier die Fadennetze des Kerns und seine Grenzfasern mit den Faden- netzen des umgebenden Protoplasmas zusammen; es treten ferner Fäden aus dem Kerne aus oder in denselben ein, und unter den- selben kommen vereinzelt etwas stärkere vor, die vom Kern aus durch einen beträchtlichen Theil des Protoplasmas bis in die Nähe der Zellgrenze verfolgt werden können. 5) Schliesslich zeigte Professor Preyer der Gesellschaft meh- rere sehr stark phosphorescirende in Glasröhren eingeschmol- zene Substanzen, welche er von dem vor Kurzem verstorbenen Dr. Heinrich Geissler in Bonn erhalten hatte, deren Herstellung aber noch nicht bekannt gemacht worden ist. Die Farben, in denen die Pulver im Dunkeln leuchten, sind roth, rothgelb, gelb, grün, blaugrün, blau, violett. Die Phosphorescenz wurde in dem Sitzungs- zimmer durch Belichtung mit einem brennenden Magnesiumdraht hervorgerufen. Es genügen einige Secunden zur Erzielung einer bedeutenden Wirkung. Dass dann im Finstern das Leuchten der Röhren anfangs zuzunehmen scheint, beruht auf der Zunahme der Netzhautempfindlichkeit. Der Vortragende bemerkte, es sei ihm gelungen die Röhren auch ohne Insolation durch blosses Reiben im Dunkeln schwach phosphorescent zu machen. 5. Sitzung am 2. Mai 1879. 1) Herr Professor Abbe hielt den folgenden Vortrag: Ueber die Bestimmung von Zeit und Polhöhe aus Be- obachtungen in Höhenparallelen. Die Darstellung eines Parallelkreises zum Horizont ist unter Benutzung verhältnissmässig sehr einfacher Hilfsmittel einer gros- sen Genauigkeit fähig, wie Herr N. Zinger gezeigt hat*). Es *) N. Zinger, die Zeitbestimmung aus correspondirenden Höhen verschiedener Sterne. Leipzig 1877. 58 Sitzungsberichte. gehört dazu in der Hauptsache nur ein Fernrohr, das auf be- liebige Höhen eingestellt und im Azimuth gedreht werden kann und eine mit dem Rohr verbundene genügend empfindliche Libelle, durch welche die Gleichheit der Zenithdistanzen in verschiedenen Azimuthen herbeigeführt oder controllirt werden kann. Beobach- tungen, welche ausschliesslich die Erfüllung dieser Bedingung, und zwar nur für kurze Zwischenzeiten erfordern, gewähren eine grosse Sicherheit, weil sie unberührt bleiben von mehreren Fehler- quellen, welche die Verwirklichung eines genauen Vertikalkreises oder die Winkelmessung mittelst getheilter Kreise beeinträchtigen. In der citirten Schrift hat Herr Zinger nachgewiesen, wie günstig sich die Zeitbestimmung aus korrespondirenden Höhen zweier Sterne nach einem solchen Beobachtungsverfahren gestaltet. Dasselbe scheint mir aber eben so grosse Vortheile für die Be- stimmung der Polhöhe darzubieten, und ausserdem bei der Anwen- dung zur Zeitbestimmung noch eine Modifikation der Methode correspondirender Höhen nahe zu legen, welche unter Umständen von praktischem Nutzen sein kann. Die Stundenwinkel «, und «,, mit welchen zwei Sterne von verschiedener Deklination eine gleiche, übrigens ganz beliebige, Zenithdistanz erreichen, sind mit den Deklinationen d, und 6, und der Polhöhe 9 des Beobachtungsortes durch die Gleichung verknüpft: COSW, 6080,—cosu, 6080, —= (sind, —sind,) tangp.... A) Auf Grund dieser Gleichung lässt sich die Polhöhe finden, wenn die Stundenwinkel des Antrittes an den betreffenden Höhenparallel bestimmt sind. Diese Stundenwinkel aber folgen aus den beobach- teten Antrittszeiten, wenn die Sternzeit jeder Beobachtung, eben- so wie AR und Deecl. beider Sterne, als bekannt vorausgesetzt wird. Die aus obiger Relation sich ergebende Gleichung sind, — sind, Tran Tee 2 zeigt nun, dass der Einfluss der Zeitfehler auf die zu berechnende dp = cosd, sinu, du, — c0sd, sinu, du, Beobachtungsmethoden, welche auf Herstellung gleicher Neigung mittelst einer am Fernrohr angebrachten Libelle gegründet sind, so- wie darauf bezügliche instrumentelle Einrichtungen sind auch schon beschrieben in E. Kayser, das Niveau in neuer und erweiterter Anwendung für astronom. und geodät. Zwecke. Festabhandlung. (Danzig 1875). Sitzungsberichte. 59 Polhöhe beliebig verkleinert werden kann, wenn man für beide Sterne das Produkt cos d sin u sehr klein macht, die Deklinatio- nen dabei aber genügend verschieden hält. Diese Bedingung ist für beliebige Grösse des Stundenwinkels erfüllt bei sehr geringer Poldistanz und für beliebige Poldistanz bei sehr kleinem Stunden- winkel. Man erhält demnach günstige Verhältnisse für die Be- stimmung der Polhöhe entweder, indem man einen Stern auswählt, der, südlich vom Zenith culminirend, bei seiner Culmination nahe gleiche Höhe mit einem in beliebigem Stundenwinkel befindlichen Polstern erreicht und auf einen Höhenparallel einstellt, der nahe-unter der Culmina- tionshöhe des ersten Sterns liegt; oder indem man zwei Sterne in grösserem Abstand vom Pol benutzt, welche auf entgegengesetzten Seiten des Zeniths in au- nähernd gleicher (aber nicht zu geringer) Zenithdistanz culminiren und deren Durchgänge durch einen Höhenparallel beobachtet, der nur sehr wenig unterhalb der niedrigsten von beiden Culmina- tionshöhen bleibt. Ist auf die eine oder die andere Weise bewirkt, dass die Coefficienten der dw in dem Ausdruck für dp beide kleine Werthe erlangen — was für hohe Breiten durch den Faktor cos ?p be- günstigt wird — so liefert die Beobachtung eines einzigen Antrit- tes für jeden der beiden Sterne, auch bei nur genäherter Kennt- niss des Uhrstandes, alle Data zu einer genauen Breitenbestim- mung. Selbstverständlich wird es aber, anderer Rücksichten we- gen, immer vortheilhaft sein, beide Durchgänge durch den be- treffenden Parallelkreis zu beobachten, wenn solches ohne zu grosse Verlängerung der Dauer der Beobachtungen geschehen kann; wobei dann die Stundenwinkel unabhängig vom Uhrstande aus den Durchgangsbögen sich ergeben. Die Auswahl geeigneter Sternpaare unter denjenigen Sternen, deren scheinbare Oerter für jede Zeit leicht und in genügender Schärfe zu erhalten sind, muss für jede Breite besonders bewirkt werden. Sie wird natürlich sehr eingeengt durch die Nebenbedingung, dass die zu beobachtenden Durchgänge innerhalb eines kurzen Zeit- raumes erfolgen sollen, damit uncontrolirbare Veränderungen im In- strument und in der atmosphärischen Refraktion möglichst ausge- schlossen bleiben. Je nachdem man die Grenzen für die nie- drigste Grössenklasse der zu verwendenden Sterne, für die zuläs- sigen Coeffieienten der Zeitfehler und für die zulässige Zwischenzeit ansetzt, wird für jeden Beobachtungsort die Anzahl der brauchbaren 60 Sitzungsberichte. Sternpaare grösser oder geringer ausfallen. Aber auch bei ziem- lich eng gesteckten Grenzen wird für jede Breite noch ein genü- gendes Beobachtungsmaterial übrig bleiben. Ich finde z. B. für die Polhöhe von Jena (50° 56’) unter Beschränkung auf die fünf ersten Grössenklassen der Sterne des N.A. und des Sternverzeich- nisses der Astron. Gesellschaft bei einer noch nicht einmal ganz erschöpfenden Auslese 12 Sternpaare zwischen 11" und 17%, bei welchen im Moment des Durchgangs eine halbe Zeitsekunde im Stundenwinkel nicht mehr als eine Bogensekunde in der Polhöhe austrägt und die Zwischenzeit beider Antritte 40 Minuten nicht überschreitet. Auch bei enger gezogenen Grenzen wird hiernach für jede Breite immer noch genügende Auswahl bleiben, um die Ausführung solcher Beobachtungen und die wünschenswerthe Ver- vielfältigung an demselben Orte nicht allzu sehr zu erschweren. — Die hier betrachtete Methode wird daher wohl in vielen Fällen, namentlich da, wo es sich um genaue Polhöhenbestimmung ausser- halb gut ausgerüsteter Observatorien handelt, wie bei geodätischen Operationen, nützliche Dienste leisten können. Die an die Spitze gestellte Gleichung liefert für die gesuchte Polhöhe den Ausdruck sin (Pp—ı)) = nn (cos d, sin U cos d, sin a ) Be EN wenn ee — A und ur —= U gesetzt wird. Genügt nun das betreffende Sternpaar auf die eine oder auf die andere Weise der vorausgesetzten Bedingung in Bezug auf die Coeffieienten der Zeitfehler, d. h. sind entweder beide Sterne bei der Beobachtung nahe der Culmination oder ist der eine von ihnen sehr nahe am Pol, so wird in allen Fällen nur we- nig von ı» verschieden sein, und zwar auch dann noch, wenn der eine Stern in der untern Culmination zur Beobachtung kommt, wofern nur in diesem Falle Deklination und Stundenwinkel dessel- ben mit ihren Complementwinkeln in Rechnung gebracht werden. In allen hier in Betracht kommenden Fällen ist demnach g— ein kleiner Winkel, der in grosser Genauigkeit berechnet werden kann, wenn man auf der rechten Seite obiger Gleichung durch einen genäherten Werth der gesuchten Polhöhe ersetzt. Wenn andererseits die Polhöhe des Beobachtungsortes als be- kannt vorausgesetzt wird, so lassen sich Beobachtungen zweier Sterne in einem Höhenparallel auf Grund der obigen Relation A) zur Zeitbestimmung auf zwei verschiedenen Wegen benutzen. Ein- Sitzungsberichte. 61 mal kann man die Differenz «,—u, der Stundenwinkel aus der beobachteten Zwischenzeit der beiden Antritte und der Rectascen- scionsdifferenz bestimmen und mit Hilfe der so gewonnenen zwei- ten Gleichung die Werthe von «, und «, oder irgend einer an- dern gleichwerthigen Grösse und damit die Sternzeit eines be- stimmten Beobachtungsmomentes ableiten. Dieser Weg führt auf die von Herrn Zinger betrachtete Methode, zwei Sterne von an- nähernd gleicher Deklination zu verschiedenen Seiten des Meri- dians zu beobachten. Die in Rede stehende Relation lässt sich aber zweitens noch unter einem wesentlich verschiedenen Gesichts- punkt betrachten. Sie liefert den Werth des einen Stundenwin- kels, wenn der Werth des andern als schon bekannt vorausge- setzt wird, d.h. die Sternzeit des einen Antritts, wenn man diejenige des andern als gegeben annimmt; und diese Voraus- setzung hat einen Sinn, sofern man solche Verhältnisse herbeige- führt denkt, dass ein blos genäherter Werth des ersten Stun- denwinkels auf einen genauen — oder auch nur auf einen ge- naueren — des zweiten führen muss. Aus der oben angeführten Gleichung folgt nun cos d, sin u sin @ cos Ö, sin U, SM Ag wenn a, und a, die Antritts-Azimuthe beider Sterne bezeichnen. Hiernach wird ein Fehler in «, den zu berechnenden Werth von 4, um so weniger beeinflussen, je kleiner das Antritts-Azimuth des ersten Sterns und je grösser dasjenige des zweiten gewählt wird. Wenn also der erste Stern entweder in jedem Stundenwin- kel dem Meridian sehr nahe bleibt oder andernfalls nur in der Nähe einer Culmination beobachtet wird, während der zweite Stern in der Nähe des ersten Vertikals eintritt, so kann mit Hilfe der Gleichung A die genaue Zeit aus einer genäherten Zeit abgeleitet werden. Der Uhrstand kann sogar ganz unbekannt sein, weil die Gleichung selbst, indem man «, in dem einen Falle gleich 90°, im andern gleich O oder 180° einführt, einen Näherungs- werth für «, liefert und darauf hin bei wiederholter Rechnung eine unbegrenzte Annäherung an den wahren Werth gewährleistet. Da die hier zu stellende Bedingung für den einen Stern voll- kommen identisch ist mit derjenigen, welche bei der zuvor be- trachteten Methode der Polhöhenbestimmung beide Sterne zu er- füllen hatten, so kann eine Zeitbestimmung ohne Weiteres an jede derartige Polhöhenbestimmung angeschlossen werden, indem man zu den beiden Sternen mit langsamer Höhenänderung noch 62 Sitzungsberichte. einen dritten mit möglichst starker Höhenänderung hinzunimmt. Einen solchen Stern zu finden, welcher den bei der Polhöhenbe- stimmung benutzten Höhenparallel in bequemer Zeit, entweder ein- tretend oder austretend, erreicht, wird niemals Schwierigkeit ha- ben. Die Verbindung der beiden hier betrachteten Methoden stellt demnach eine praktisch verwendbare Lösung der Aufgabe dar: aus gleichen Höhen dreier Sterne Zeit und Polhöhe zu finden. Sofern es sich indess um Zeitbestimmung allein und nament- lich um deren regelmässige Wiederholung an demselben Beobach- tungsort handelt, scheint die Beschränkung auf den Gebrauch eines ein für allemal angenommenen Polsterns überall da ange- zeigt, wo ein solcher in bequemer Höhe zur Verfügung steht. In diesem Falle werden nicht nur die vorbereitenden Ermittelun- gen sehr erleichtert, sondern es gestaltet sich auch die definitive Berechnung der Beobachtungen ausnehmend einfach. Letztere beschränkt sich alsdann auf die Berechnung der beiden Glei- chungen 2 cosıw sin A tan cos Ö, 08 U = 0) sin WU __ _ 608 Ö, cos u, Die erste von diesen Gleichungen liefert den Stundenwinkel für den Antritt des Zeitsterns an den Höhenparallel des Poles und damit also in jedem Falle einen genäherten Werth von «, und eine genäherte Kenntniss des Uhrstandes. Darauf hin lässt sich durch die zweite Gleichung «,—v ableiten, indem man, falls der Uhrstand nicht anderweitig schon genauer bekannt ist, auf der rechten Seite «, und #, vorläufig auf Grund des berechneten Ust-V 2 u,—v stets einen kleinen Winkel vorstellt, so gestattet die Glei- chung eine sehr rasche Annäherung an den wahren Werth des beobachteten Stundenwinkels. Auf der nördlichen Halbkugel, soweit nicht der Polarstern zu tief am Horizont steht und andrerseits nicht eine all zu hohe Breite Zeitbestimmung aus Höhen überhaupt unvortheilhaft macht, dürfte die hier betrachtete Modifikation der Methode der corre- spondirenden Höhen beim Gebrauch eines geeigneten Instruments grosse Bequemlichkeit darbieten. Passende Sterne giebt es für — v Setzt. Da die Differenz v annimmt, im Besondern also Sitzungsberichte. 63 jeden Beobachtungsort in reichlicher Auswahl. Für die Breite von 51° z. B. finden sich unter den Pulkowaer Hauptsternen, wenn man nur die vier ersten Grössenklassen berücksichtigt, mehr als 70 — demnach durchschnittlich 6 Durchgänge für jede Stunde — bei welchen die Höhenänderung pro Zeitsekunde nicht weniger als 9 Bogensekunden beträgt, und diese Ziffer wird beiläufig dop- pelt so gross, wenn man bis zu 7 Sekunden Höhenänderung Spiel- raum gestattet. Mit sehr geringer Mühe wird man für irgend einen Beobachtungsort ein für allemal eine für viele Jahre brauch- bare Zeittafel aufstellen, welche eine zu regelmässigen Zeitbestim- mungen genügende Anzahl solcher Sternantritte nach ihrer Folge verzeichnet enthält. Denn indem man für die in Betracht kom- menden Deklinationen — etwa von 10° zu 10° — den Werth von v und die für diesen Stundenwinkel bestehende Aenderung der Höhe pro Zeitminute tabellarisch berechnet, lässt sich mit Hilfe einer kleinen Tafel für die Höhe des Polarsterns leicht die Stern- zeit ermitteln, in welcher jeder in Betracht genommene Stern die- jenige Höhe erreicht, welche der Polarstern einige Minuten zuvor oder auch einige Minuten später erreicht. Fügt man nun noch die betreffende Höhe selbst sowie das Antrittsazimuth des Polar- sternes und des Zeitsternes hinzu, so ist die Zeitbestimmung nach dieser Methode ebenso vorbereitet wie die Beobachtung von Me- ridiandurchgängen durch die Tafel der mittleren Sternörter im N. A. Die Operationen der Beobachtung selbst aber unterschei- den sich in Nichts von einer auf die Meridiandurchgänge von zwei Sternen gegründeten Zeitbestimmung, ausser dass eine Kreis- Einstellung mehr auszuführen ist, falls man auch für das Aufsu- chen des Polarsterns die Azimutheinstellung nöthig haben sollte. Der Einfluss des Deklinationsfehlers auf das Resultat der Be- obachtung stellt sich bei dieser Methode im Wesentlichen ganz so wie bei Beobachtung korrespondirender Höhen zu beiden Seiten des Meridians. Ein Unterschied besteht nur darin, dass hier die genaue Kenntniss der Polhöhe vorausgesetzt wird und ein Fehler in dieser nach seinem ganzen Betrag zur Geltung kommt. Da jedoch die Einwirkung dieses Fehlers auf entgegengesetzten Seiten des Meridians mit entgegengesetzten Vorzeichen auftritt, so elimi- nirt sich eine etwaige Unsicherheit der Polhöhe vollständig, wenn zwei Sterne von annähernd gleicher Deklination, der eine im Auf- gang, der andere im Niedergang, beobachtet werden. Wie bei Beobachtungen dieser Art, Zeitbestimmungen oder Polhöhenbestimmungen, die Correetionen für Differenzen des Ni- 64 Sitzungsberichte. veaus bei den zusammengehörigen Durchgängen, für die tägliche Aberration etc. in Ansatz zu bringen sind, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Die vortheilhafte Anwendung beider Methoden erfordert ein Fernrohr, welches grobe und feine Einstellung in Höhe und Azi- muth zulässt, für beide Coordinaten kleine Aufsuchungskreise be- sitzt und dessen Vertikalachse so dicht geht, dass die Feinbewe- gung im Azimuth während je einer Durchgangsbeobachtung keine merklichen und namentlich keine unregelmässigen Aenderungen der Neigung nach sich zieht. Ausserdem bedarf es eines mit dem Fernrohr möglichst sicher verbundenen Niveaus, dessen Empfind- lichkeit mit der Sehschärfe des Rohrs vollkommen Schritt hält. Ich habe beiderlei Beobachtungen seit vorigem Herbst öfters ausgeführt mit einem kleinen Passageninstrument auf Dreifuss-Sta- tiv mit gebrochenem Fernrohr von 40 Mm. Objektivöffnung und ca. 5öfacher Vergrösserung, dessen sonst ganz einfache mechanische Konstruktion obigen Ansprüchen ausreichend genügt. Auf die Horizontalachse des Rohrs kann, innerhalb der Lager, ein zu die- ser Achse senkrechter Träger mit cylindrisch abgedrehten Enden aufgesteckt, unter beliebigem Winkel gegen die Fernrohrachse festgeklemmt und dann noch mittelst einer feinen Schraube im Spielraum einiger Grade gedreht werden. Die beim gewöhnlichen Gebrauch des Passageninstruments zum Nivelliren der Horizontal- achse dienende Aufsatzlibelle (1’ annähernd gleich einer Bogen- sekunde) wird auf diesen Träger ganz so wie sonst auf die Achse aufgesetzt und nach dem Einstellen des Fernrohrs auf die betref- fende Höhe mittelst der Feinbewegung des Trägers zum Einspielen gebracht. An Stelle eines Systems von Horizontalfäden ist — aus nebensächlichen Rücksichten — eine Mikrometertheilung mit fei- nen eingeschwärzten Diamantstrichen in Anwendung gebracht; und zwar sind zunächst dem Mittelstrich beiderseits je drei Striche ge- zogen, deren Intervalle der Polarstern in grösster Digression in etwa 30 Sek. passirt, ausser diesen aber noch beiderseits je drei längere Striche in solchen Abständen, dass unter hiesiger Breite ein Stern im ersten Vertikal pp. 13 Sek. von einem zum andern gebraucht. Der Mittelstrich ist beiden Gruppen gemein- sam und die Intervalle sind in jeder Gruppe so nahe gleich ge- macht, dass die Unterschiede völlig unterhalb der Unterscheidungs- grenze des Okulars bleiben. Zwei zu den andern senkrechte Li- nien im Abstand von etwa 2 Bogenminuten markiren den verti- Sitzungsberichte. 65 kalen Durchmesser des Sehfeldes, in welchem die m zu be- obachten sind. | Wenn, nachdem die vertikale Drehungsachse des Instruments annähernd nivellirt und das Fernrohr auf die verlangte Höhe ein- gestellt ist, der Durchgang von Sternen durch den betreffenden Höhenparallel beobachtet werden soll, wird der Stand des Niveaus kurz vor dem ersten und kurz nach dem letzten Antritt des er- sten Sternes abgelesen, das Rohr hierauf vorsichtig mit Vermei- dung jeder Erschütterung in das Azimuth des zweiten Sternes ge- dreht und hierauf das Niveau mittelst der Schraube zur Feinbe- wegung des Fernrohrs in Höhe wieder annähernd auf seinen vo- rigen Stand zurückgeführt, wonach dann ebenso verfahren wird wie beim ersten Durchgang. Unregelmässige Standänderungen des Niveaus während des Nachdrehens im Azimuth im Verlauf eines Durchganges treten wenigstens dann nicht ein, wenn man dabei die Schraube immer in gleichem Sinne fortdreht. Sterne mit langsamer Höhenänderung beobachte ich nur an der mittleren Liniengruppe mit engen Intervallen, wobei je nach den Umständen bis zu sieben Antritte genommen werden. Erfolgt aber die Bewegung in Höhe so langsam, dass die Beobachtung mehrerer Antritte einen unverhältnissmässigen Aufenthalt verur- sachen würde, so stelle ich ohne Weiteres den Stern wie ein festes Objekt auf den Mittelstrich ein und notire blos den Stand der Uhr. Kann man bei Polhöhenbeobachtungen beide Sterne ohne Un- bequemlichkeit an den nämlichen Strichen beobachten, so kommen die Intervalle des Systems bei der Berechnung gar nicht in Be- tracht. Andernfalls müssen die einzelnen Antritte auf den Mittel- strich reduzirt werden, nachdem die Abstände aus Durchgängen des Polarsterns in grösster Digression abgeleitet sind. — Die Durchgänge der Zeitsterne bei der Zeitbestimmung werden an den Strichen des zweiten Systems beobachtet und auf die Mitte re- duzirt. Nähere Angaben über die Resultate, welche beide Beobach- tungsmethoden mit einem Instrument von den obigen Dimensio- nen und Einrichtungen zu erreichen gestatten, unterlasse ich hier, weil äussere Umstände bisher verhindert haben, eine längere Be- obachtungsreihe unter genügend vergleichbaren Umständen zu er- halten, aus welcher sich die wahrscheinlichen Fehler mit einiger Sicherheit ableiten liessen. Erwähnt sei übrigens noch, dass ein Instrument von ähn- 9 66 Sitzungsberichte. licher Einrichtung zugleich Zeitbestimmung aus correspondirenden Höhen desselben Sternes unter sehr vortheilhaften Bedingun- gen, aber freilich mit etwas beschränkter Anwendbarkeit, gestat- tet. In mittleren und niedrigen Breiten finden sich für jeden Be- obachtungsort eine Anzahl Sterne der oberen Grössenklassen, die bei ihrer Culmination nicht um mehr als ein bis anderthalb Grad vom Zenith entfernt bleiben. Indem man beide Antritte eines solchen Sternes an einen Höhenparallel beobachtet, dessen Zenith- distanz nicht mehr als beiläufig das Doppelte jenes Abstandes beträgt, erhält man innerhalb eines kurzen Intervalls (unter gün- stigen Umständen in wenigen Minuten) eine Zeitbestimmung, welche im Wesentlichen gleichwerthig ist mit der Beobachtung des Meridiandurchgangs eines Zenithsterns, nur dass dabei der Ein- fluss eines Collimationsfehlers ganz ausser Spiel bleibt und ausser- dem auch entschieden günstigere Bedingungen für den Gebrauch des Niveaus obwalten. Endlich sei auch noch darauf hingewiesen, dass die an die Spitze dieser Erörterungen gestellte Relation zwischen Stunden- winkeln und Deklinationen zweier in gleicher Höhe befindlichen Sterne unter Voraussetzung der hier betrachteten Beobachtungs- weise noch nach einer ganz andern Richtung hin Verwerthung fin- den könnte. Nimmt man nämlich die Polhöhe des Beobachtungs- ortes als bekannt an, so liefert jene Relation Gleichungen für die Deklinations- und für die Rectascensions-Differenz der bei- den Sterne aus den beobachteten Antrittszeiten, resp. Durchgangs- bögen, und bei entsprechender Anordnung der Beobachtungen treten für die Ermittelung dieser Differenzen dieselben Genauig- keits-Bedingungen ein wie bei den oben betrachteten Polhöhen- und Zeitbestimmungen. Ein Beobachtungsverfahren dieser Art würde augenscheinlich Verhältnisse herbeiführen, die ganz den- jenigen beim Gebrauch des Kreis-Mikrometers analog sind. Der Mittelpunkt des entsprechenden Kreises aber würde stets di- rekt durch das Zenith gegeben sein, während der Radius ein Bogen von 60—70 Graden werden dürfte. Da auf diesem Wege Sterne von bedeutender Differenz in Dekl. oder AR. auf verhältnissmässig einfache instrumentale Voraussetzungen hin quasi mikrometrisch verglichen werden könnten, so scheint eine vortheilhafte Verwendung dieser Kombination für gewisse Aufga- ben: der astronomischen Beobachtungskunst keineswegs ausgeschlos- sen zu sein. Sitzungsberichte. 67 2) Sodann sprach Herr Stabsarzt Dr. Körting über Telephonische Hörprüfung. Der Vortragende hat, angeregt durch die Mittheilungen des Prof. Preyer (S. diese Sitzungsberichte S. 45, Sitzung vom 21. Febr.), versucht, die akumetrische Verwendung des Bell’schen Telephons in ihrer Anwendbarkeit auf die Praxis zu prüfen. Die Aufgabe war, 1) eine elektrische Stromquelle von genügender Konstanz zu finden, 2) Arrangements zu treffen, welche derartige Hörprüfungen auch bei Leuten mit geringer Intelligenz ermöglichten. Ersterem Zweck diente ein Flaschenelement, dessen Konstanz nach einma- liger Füllung durch laufende Messungen als auf 3—4 Wochen vollkommen ausreichend gefunden wurde. Als Schallerzeuger diente ein kleiner Ruhmkorff’scher Induktor, zur messbaren Abstufung des Schalles ein Du Bois’sches Rheochord, zur Uebertragung auf das Ohr ein paar verbundener Telephone. Minimaleinheit bildete ein Schall von solcher Intensität, dass er bei Berührung des Tele- phons mit der Ohrmuschel eben noch vernommen wurde. Geprüft wurden ausser zahlreichen Vorversuchen 283 Personen, darunter 10 Schwerhörige. Die monotische Prüfung ergab, dass es bei Ausschluss von Nebengeräuschen gleichgültig ist, ob das nicht geprüfte Ohr zugehalten wird oder nicht. Die diotische: 1) die grössere Feinheit diotischer Hörempfindung gegenüber der mono- tischen, 2) Localisation des Schalles bei 267 Personen in der Medianebene des Kopfes, bei 6 lateral. Bei 3 von den letzteren war Ungleichheit des Hörens innerhalb der normalen Sphäre fest- zustellen und die Localisation erfolgte dann nach der Seite des bessern Ohres. Prüfung der Empfindlichkeit des Ohres für Aen- derungen der Schallintensität bestätigte 1) dass diese beiden Mo- mente sich nicht proportional verhalten und 2) dass bei langsamer, kontinuirlicher Verstärkung oder Abschwächung die Schwankung viel später zum Bewusstsein kommt, als bei schneller Aenderung. Die Untersuchung der Schwerhörigen ergab: 1) Localisation der Hörempfindung ausnahmslos im bessern Ohre, 2) Gleichheit der diotischen Leistung mit der des bessern Ohres. Vortragender vergleicht schliesslich diese Art exakter Hör- schärfebestimmung mit der speziell für militärische Zwecke regle- mentarischen durch die Flüstersprache und schlägt eine neue Be- zeichnung der Hörschärfe in Zahlen nach den gewonnenen Erfah- rungen vor. 5% 68 Sitzungsberichte. 6. Sitzung am 16. Mai 1879. 1) Herr Professor Dr. Eduard Strasburger sprach Ueber die Ovula der Angiospermen. Vortragender bestätigte zunächst auf Grund zahlreicher Unter- suchungen die Angabe von Warming, dass der Embryosack aus der ersten subepidermoidalen Zellschicht am Scheitel des Nucellus seinen Ursprung nimmt. Gewöhnlich tritt dort eine centrale, sel- tener mehrere der nebeneinander stehenden Zellen, in diese Bil- dung ein. Die betreffende Zelle wird entweder sofort zur Mutter- zelle des Embryosacks, oder sie giebt erst nach oben eine sich weiter theilende Topetenzelle ab. Die Embryosack - Mutterzelle zerfällt in den typischen Fällen durch zweimalige Zweitheilung in vier Zellen, oder es theilt sich nach der ersten Zweitheilung nur die untere Zelle noch einmal, die Embryosack-Mutterzelle zerfällt dann im Ganzen nur in drei Zellen, oder es bleibt bei der ersten Zweitheilung. Nur in einem Falle (bei Rosa) beobachtete Vor- tragender den Zerfall der Embryosack-Mutterzelle in mehr denn vier Zellen. Die Wände in der Embryosack-Mutterzelle, namentlich die bei der ersten Zweitheilung gebildeten, zeichnen sich durch ihre starke Lichtbrechung und Quellbarkeit aus. Vesque giebt an, die Anlage des Eiapparats und der Gegen- füsslerinnen finde direkt in den aus der Embryosack-Mutter hervor- gegangenen Zellen statt. Diese Zellen werden von ihm als Mutter- zellen, hingegen die von mir Embryosack-Mutterzelle genannte Zelle, als Urmutterzelle des Embryosacks bezeichnet. In vielen Fällen sollen Gegenfüsslerinnen nicht gebildet werden und dann einige der aus der Embryosack-Mutterzelle gebildeten Zellen: als „Anticlinen“ direkt deren Stelle vertreten; die Embryosack-Höhle soll aber aus einer, oder aus der Verschmelzung mehrerer der Tochterzellen der Embryosack-Mutterzelle hervorgehen. Alle diese Angaben von Vesque sind unrichtig. Vortragender fand bei der Untersuchung sehr zahlreicher Pflanzen aus den ver- schiedensten Familien, dass es, mit einziger Ausnahme von Rosa die unterste der, aus der Embryosack-Mutterzelle hervorgegange- nen Tochterzellen ist, welche den Embryosack bildet. Sie nimmt bald nach ihrer Anlage an Grösse zu, und verdrängt ihre, über ihr liegenden Schwesterzellen, welche gleichzeitig verschleimen. Schon während der Verdrängung, oder gleich darnach, theilt sich Sitzungsberichte. 69 der Kern des Embryosacks; die Tochterkerne wandern in die bei- den Enden und hier wiederholt sich zwei Mal die Theilung. Dann erfolgt, vorn und hinten, Zellbildung um je drei Kerne, wodurch die drei Zellen des Eiapparates und die Gegenfüsslerinnen ent- stehen. Durch Ausbleiben einer Theilung kann die Zahl der Sy- nergiden vorn auf zwei sinken, die Zahl der Gegenfüsslerinnen aber durch nachfolgende Theilungen auch vermehrt werden. Der vorn und hinten restirende Kern wird zu einem Embryosackkern, indem sich nämlich beide Kerne einander nähern und mit einan- der verschmelzen. Die Angaben die Vortragender über die Vorgänge im Embryo- sack früher gemacht hatte, kann derselbe somit als für alle Angio- spermen geltend, jetzt bestätigen. Eine scheinbare Ausnahme ist es auch nur, wenn, wie bei Santalum, zwei Eier im Eiapparate vorhanden. Es dürfte dort entweder das Ei durch nochmalige Theilung sich verdoppelt haben, oder das zweite Ei um den vier- ‚ten, sonst restirenden Kern sich gebildet haben; in letzterem Falle hätte der vierte, hintere Kern den Embryosackkern allein zu bilden. Die grösste Abweichung von dem als typisch geschilderten Vorgange der Anlage des Embryosacks fand Vortragender bei Rosa. Bei dieser gehen mehrere der subepidermoidalen Zellen in die Embryosackbildung ein, jede dieser Zellen zerfällt, nach Ab- gabe einer Tapetenzelle, in mehrere Schwesterzellen; von letzteren wachsen ausserdem nicht die untersten, sondern die obersten zu den Embryosäcken aus. Bekanntlich werden bei Rosa mehrere Embryosäcke angelegt, schliesslich alle aber von nur einem, dem kräftigsten, ‚verdrängt. Die Vorgänge im Innern dieses Embryo- sacks spielen sich im Uebrigen in derselben Weise wie bei den andern Angiospermen ab. Die bei Rosa zur Bildung der Embryo- säcke führenden Vorgänge werden durch Fragaria an die bei den übrigen Angiospermen beobachteten angeknüpft. Bei Fragaria entwickeln sich nämlich auch mehrere der subepidermoidalen Zel- len weiter, doch hat alsbald die mittelste Embryosack-Mutterzelle die Oberhand gewonnen, und die unterste Tochterzelle derselben wird gewohnter Weise nun Embryosack. Vortragender ist der Ansicht, dass sich die, aus der Embryo- sack-Mutterzelle hervorgegangenen Zellen nicht mit Pollen-Mut- terzellen vergleichen lassen, vielmehr hält derselbe an der Homo- logie zwischen dem Embryosacke und einem einzelnen Pollen- korne fest. 70 Sitzungsberichte. 2) In derselben Sitzung hielt Herr Professor Haeckel einen Vortrag über Ursprung und Stammverwandtschaft der Ctenophoren. Die formenreichen Thierklassen, die jetzt gewöhnlich in der Hauptklasse der Nesselthiere, Acalephen oder Cnidarien (— auch Zoophyten, Coelenteraten oder Coelenterien im enge- ren Sinne —) zusammengefasst werden, stimmen unter sich in so vielen wichtigen morphologischen Eigenschaften überein, dass sie im Sinne der heutigen Entwickelungslehre als ein einheitlicher Stamm (Phylum) angesehen und von einer gemeinsamen ursprüng- lichen Stammform (Atavus) abgeleitet werden können. Sehr leicht und sicher erscheint diese Ableitung für diejenigen Nessel- thiere, welche jetzt gewöhnlich als „Hydromedusen“ vereinigt wer- den. Der innige Zusammenhang zwischen den Hydropolypen und Medusen, welcher durch deren Generationswechsel bedingt ist, so- wie die nahe Beziehung zwischen diesen beiden Klassen und den Siphonophoren lässt wohl keinen Zweifel übrig, dass alle diese „Hydromedusen“ gemeinsamen Ursprungs und auf einen einfachsten, Hydra ähnlichen Polypen als gemeinschaftliche Stammform zurück- zuführen sind. Ebenso können auch die einfachsten Formen der Corallen (z. B. Cornularia) unmittelbar von derselben Stammform abgeleitet werden. Dagegen war dies bisher nicht möglich bei der eigenthümlichen Klasse der Otenophoren, welche unstreitig bis auf den heutigen Tag unter allen Nesselthieren die weitaus isolir- teste Stellung einnahmen. Alle neueren Zoologen haben bei Be- sprechung dieser merkwürdigen Thierklasse auf eine Ableitung derselben von anderen Nesselthieren entweder überhaupt verzich- tet, oder diesen Anschluss nur in der Richtung der Corallen ge- sucht. Ihren präcisesten Ausdruck hat diese Ansicht darin ge- funden, dass jetzt schr häufig die beiden Klassen der Ctenophoren und Corallen als Actinozoen zusammengefasst und den gesamm- ten übrigen, als Hydrozoen vereinigten Nesselthieren gegenüber- gestellt werden. Im Gegensatze zu dieser weitverbreiteten und durch gewich- tige Autoritäten gestützten Anschauung habe ich schon 1866 in der „Generellen Morphologie“ (Band II, pag. LXI) die phylogene- Sitzungsberichte. 71 tische Hypothese aufgestellt, dass die Ctenophoren vielmehr den Medusen nächst verwandt sind und „einen einseitigen und in einer einzigen Richtung sehr hoch entwickelten Ausläufer der Hy- dromedusen bilden, der sich zu diesen ähnlich verhält, wie die Vögel zu den Reptilien.“ Neuere vergleichende Untersuchungen über Medusen und Ctenophoren haben mich in dieser Ansicht lediglich bestärkt; aber erst kürzlich ist mir dieselbe zur Gewissheit ge- worden durch die genaue Untersuchung mehrerer neuer Antho- medusen aus der Familie der Cladonemiden; und unter die- sen ist es namentlich eine neue, höchst interessante pacifische Form,. Otenaria ctenophora, welche ich als eine unmittelbare Uebergangsform von Gemmaria-ähnlichen Anthomedusen zu Oydippe-ähnlichen Ctenophoren auffassen muss. Die ausführliche Beschreibung und Abbildung derselben ist in meinem, demnächst erscheinenden „System der Medusen“ (mit 40 Tafeln) enthalten. Auch die eingehende Erörterung und Begründung der eben ange- deuteten Verwandtschafts-Beziehungen verspare ich mir auf eine spätere Arbeit. Hier will ich mich auf eine kurze Charakteristik der merkwürdigen Zwischenform und auf eine übersichtliche Zu- sammenstellung der Hauptgründe beschränken, welche mich be- stimmen, die Ctenophoren phylogenetisch von der Ord- nung der Anthomedusen und speciell von der Familie der Cladonemiden abzuleiten. I. Kurze Beschreibung der Ctenaria cetenophora (Craspe- dote aus der Ordnung der Anthomedusen, Familie der Cla- donemiden). Die Umbrella ist eiförmig, etwas höher als breit, in der unteren (oder oralen) Hälfte breiter, aber gegen die Mündung etwas verengt. Auf der Exumbrella (oder Aussen- fläche des Gallert-Schirms) sind 8 adradiale Meridian-Rip- pen sichtbar (a), "welche vom Apical-Pol (oder vom Centrum der Aboral - Wölbung) gegen den Schirmrand nach abwärts ziehen und vorzugsweise aus Reihen von Nesselzellen (vielleicht auch von Flim- merzellen?) bestehen; sie sind homolog den 8 adradialen „Flim- merrippen“ der Ctenophoren. Die Subumbrella (ec) zeigt eine schwach entwickelte Muskulatur und geht unten in ein schmales Velum über. Der Magen (e) ist klein, fast kugelig, und im Grunde der Schirmhöhle durch eine Striktur von einer fast ebenso grossen, birnförmigen, centralen Scheitelhöhle (o) getrennt, welche das aborale Drittel des Gallertschirms einnimmt. Diese Scheitelhöhle oder Apicalhöhle ist einerseits homolog dem „Trich- 12 Sitzungsberichte, ter“ der Ctenophoren, andrerseits der „Bruthöhle“, welche bei Eleutheria und Pteronema oberhalb der Magenhöhle in der Schirm- Ctenaria ctenophora, HAECKEL. (Dissonemale Anthomeduse aus der Cladonemiden-Familie),. A. Ansicht von der Seite, mit ausgestreckten Tentakeln. 3. Ansicht von oben, vom Aboralpol, ohne Tentakeln; in der linken Hälfte der Figur ist das Mi- kroskop auf die Exumbrella (äussere Schirmfläche), in der rechten Hälfte hingegen auf die Subumbrella (innere Schirmflächey eingestellt. — a, die 8 adradialen flimmernden Nesselrippen der Exumbrella. 5, Gallerte des Schirms. c, Ringsmuskeln der Subumbrella. d, Längsmuskeln der Subumbrella. e, Ma- genhöhle. /, die 16 Mundgriffel (geknöpfte Mundtentakeln). g, die 4 perradialen Geschlechtsdrüsen (oder Gonaden) in der Magenwand. A, die 4 perradialen Hauptkanäle. z, die 8 adradialen Gabeläste derselben. %, Ringkanal am Schirm- rande. 2, velum. m, die beiden lateralen Tentakeltaschen (blinde Nesselschläu- che in der Schirm-Gallerte). n, die beiden lateralen, halbgefiederten Tentakeln. o, die Scheitelhöhle (Trichter) oberhalb des Magens. gallerte liegt. Der Mund der Ütenaria ist von 16 kurzen einfa- chen Mundgriffeln (oder „geknöpften“ Mund-Tentakeln) umgeben (f). 4 einfache, halbkugelige Gonaden (oder Geschlechtsdrüsen) lie- gen in der Magenwand (g). Aus der Striktur zwischen Magen- Sitzungsberichte. 75 höhle und Scheitelhöhle entspringen vier kurze perradiale Kanäle (h), welche sich alsbald gabelig theilen und nunmehr als acht adradiale Kanäle (i) gegen den Schirmrand verlaufen (wie bei COladonema und wie bei den Otenophoren). Diese 8 Kanäle sind an den Rändern mit drüsigen Ausbuchtungen besetzt und vereini- gen sich am Schirmrande in einen Ringkanal (%). Von diesem gehen nur zwei gegenständige perradiale Tentakeln aus, lange hohle Röhren, welche halbgefiedert oder mit einer Reihe von Seitenfäden besetzt sind, gleich den beiden „Senkfäden“ der Ötenophoren (n). Dieselben sind vielleicht (?) zurückziehbar in zwei gegenständige perradiale schlauchförmige Höhlungen, wel- :che von ihrer Basis entspringen, unterhalb der Exumbrella in der Schirm-Gallerte aufwärts steigen, blind enden und von Nesselzel- len ausgekleidet werden (m). Diese beiden ,‚Tentakel- Taschen“ sind homolog den ganz gleichen exumbralen „Nesselschläuchen“ der Gemmaria und den beiden „Senkfäden - Taschen“ der Oteno- phoren. Die Cladonemide COtenaria vereinigt demnach in sich eine Anzahl von eigenthümlichen Merkmalen, von denen keines neu ist, die aber bisher nur als auf verschiedene Anthomedusen- Gattungen vertheilt bekannt waren. Insbesondere besitzt sie gleich- zeitig die 8 adradialen Nesselrippen vom Ectopleura, die Scheitel- höhle von Eleutheria, die Magenbildung von Cytaeis, die Gastro- kanal-Bildung von Cladonema und die beiden gegenständigen ge- fiederten Tentakeln und Tentakel-Taschen von Gemmaria. II. Homologien der Ctenophoren und Medusen. 1. Ge- nerelle Homologie der Person. Die Ctenophoren - Person (oder das entwickelte „Individuum dritter Ordnung“) ist im Allge- meinen homolog der Medusen-Person, und speziell der Person derjeni- gen dissonemalen Craspedoten, welche nur 2 gegenständige perradiale Tentakeln besitzen (z. B. Dinema unter den Codoniden, Stomotoca unter den Tiariden, Gemmaria unter den Cladonemiden, Saphenia unter den Eucopiden u. Ss. w.). 2. Die geometrische Grundform des Körpers ist dem- nach bei allen Ctenophoren, wie bei den letztgenannten dissone- malen Medusen, die Rhomben-Pyramide oder die „viersei- tige amphithecte Pyramide“, d. h. eine gerade Pyramide, deren Grundfläche ein Rhombus ist (Generelle Morphologie, Bd. I, S.488, Taf. 1, Fig. 10). Der Körper ist demnach weder zweistrah- lig, noch achtstrahlig, sondern vielmehr vierstrahlig und besteht 74 Sitzungsberichte. aus 4 Parameren und 8 Antimeren. Von den 4 Parameren (oder Quadranten) sind je 2 benachbarte symmetrisch gleich, dagegen je 2 gegenständige kongruent. Die 3 Hauptaxen des Körpers, welche auf einander senkrecht stehen und nach denen die relative Lage aller Theile zu bestimmen ist, sind demnach unter sich ungleich; zwei davon sind gleichpolig, eine ungleichpolig. I. Die vertikale Hauptaxe oder Längsaxe (meistens die grösste der 3 Richtaxen) ist ungleichpolig; in ihrem Aboraltheil liegt der „Trichter“ der Ctenophoren und die homologe Apicalhöhle von COtenaria und Eleutheria; im Oraltheile liegt die Mundöffnung. II. Die Sagit- tal-Axe oder Dorsoventral-Axe ist von allen 3 Richtaxen am we- nigsten entwickelt; in ihr liegen bei den Ctenophoren die beiden - „Lrichtergefässe“ oder Gabeläste der Trichterhöhle, bei den disso- nemalen Medusen hingegen die beiden perradialen Kanäle, welche an ihren Enden keine Tentakeln tragen. III. Die Lateral-Axe oder Transversal- Axe wird bei den Ctenophoren durch die beiden gegenständigen, halbgefiederten „Senkfäden und Senkfäden-Taschen“ bestimmt, ganz ebenso bei den dissonemalen Cladonemiden Ote- naria und Gemmaria, deren „Senkfäden‘“ gewöhnlich als Tenta- keln bezeichnet werden. — Wie bei den Medusen, so sind auch bei den Ctenophoren alle Organe, welche in den beiden auf ein- ander senkrechten Kreuzaxen (Sagittal- und Lateral- Axe) liegen, als perradiale zu bezeichnen (= Radien erster Ordnung); hin- gegen alle Organe, welche in der Mitte zwischen Sagittal- und Lateral-Axe liegen, als interradiale (=Radien zweiter Ord- nung); und endlich solche Organe, welche in der Mitte zwischen perradialen und interradialen liegen, als adradiale (=Radien dritter Ordnung). 3. Das Gastrokanal-System der Ctenophoren ist homolog demjenigen der Dendronemiden, d.h. derjenigen Cladonemiden, welche 4 gabelspaltige Radial-Kanäle und mithin 8 adradiale Schirm-Kanäle besitzen (Otenaria, Cladonema, Den- dronema). 4. Die sogenannte „Magenhöhle“ der Ctenophoren ist homolog der Schirmhöhle der Medusen, und speziell derjenigen Craspedoten, deren Magen rückgebildet ist (z. B. Stau- rophora, Staurostoma). Mithin entspricht die „innere Magenfläche“ der ersteren ganz der „Subumbrella“ der letzteren. Ferner ent- spricht die sogenannte Mundöffnung der Ctenophoren vollkommen der Schirmöffnung der Medusen, und der „Mundrand‘“ der erste- Sitzungsberichte. 75 ren dem „Schirmrand“ der letzteren. (Vielleicht können sogar die „Mundlappen“ vieler Ctenophoren einem Craspedoten - Velum verglichen werden, das in zwei gegenständige Lappen gespalten ist.) 5. Die sogenannte Trichterhöhle der Ctenophoren ist homolog der Apical-Höhle oder Scheitelhöhle eini- ger Craspedoten (Ütenaria, Eleutheria, Pteronema). Diese Höhle ist der erweiterte und umgebildete Rest des „Stielka- nals“, durch welchen ursprünglich der Magen der eraspedoten Meduse mit dem Magen ihrer hydroiden Polypen-Amme zusam- menhing; auch bei vielen Codoniden und einigen anderen Antho- medusen bleibt ein solcher Stielkanal (— oberhalb der Magen- höhle —) als rudimentäres Organ zeitlebens bestehen. Bei Eleu- theria und Pteronema erweitert er sich zu einer geräumigen Schei- telhöhle, welche als Bruthöhle dient und die in der Magenwand gebildeten Eier bis zur Gastrula- Bildung beherbergt. Ursprüng- lich kann man Scheitelhöhle und Magenhöhle der jungen Craspe- dote zusammengenommen als einen einfachen „Urdarm‘ auffassen (entsprechend dem Urdarm oder Protogaster der Gastrula). Erst nachträglich differenzirt sich dieser Urdarm in zwei Hauptab- schnitte, die aborale Scheitelhöhle und das orale Magen- rohr, erstere eingeschlossen in die Schirm-Gallerte, letzteres frei in die Schirmhöhle vorspringend. Das freie Magenrohr wird rück- gebildet bei sämmtlichen Ctenophoren, einzelnen Craspedoten (Stau- rophora, Staurostoma) und vielen Acraspeden. Die Scheitelhöhle wird bei allen Ctenophoren zum „Trichter“, bei Eleutheria und Pteronema zur Bruthöhle, bleibt bei vielen Craspedoten als rudi- mentärer „Stielkanal“ und bei vielen Acraspeden als „Centralhöhle“ oder „eigentliche Magenhöhle“ bestehen. 6. Der Trichtermund der Ctenophoren, — oder die Oeffnung, durch welche die Trichterhöhle mit der sogenannten Ma- genhöhle, der ursprünglichen Schirmhöhle, communizirt, — ist ho- molog der Mundöffnung der einfachmündigen Medusen und bildet die Grenze zwischen Ectoderm und Entoderm. Hingegen sind die beiden gegenständigen (sagittalen) „Trichter-Kanäle“ der Cte- nophoren, welche aus der Gabelung des oberen Trichter-Endes hervorgehen, zu beurtheilen als sekundär entstandene Gabeläste des Aboral-Stücks vom einfachen Stiel-Kanal vieler Craspedoten. 7. Die 8 adradialen Kanäle, welche paarweise aus 4 perradialen kurzen Stämmen entspringen, sind bei den Oteno- phoren und einigen Anthomedusen (Ütenaria, Cladonema) 76 Sitzungsberichte. vollkommen homolog. Der einzige anscheinend wesentliche Unterschied besteht darin, dass dieselben bei ersteren oberflächlich unter der Exumbrella, bei letzteren tiefer liegend unter der Sub- umbrella verlaufen; diese Differenz lässt sich jedoch leicht durch das beträchtliche Diekenwachsthum des Gallertschirms bei den Cte- nophoren erklären. In beiden Fällen liegen die Gefässe eigentlich innerhalb der Schirmgallerte, im ersteren Falle der äusseren, im letzteren der inneren Fläche der Umbrella bis zur Berührung genä- bert. Die paarweise Vereinigung der ursprünglichen 4 perradialen Stämme, die bei den Ctenophoren als 2 gegenständige Hauptstämme aus der Trichterhöhle entspringen, muss als ein sekundäres Ver- hältniss angesehen werden, das mit der stärkeren amphithekten Dif- ferenzirung des Körpers zusammenhängt. 8. Die Fiederäste der Kanäle, in welchen sich die Ge- schlechtsproducte der Ctenophoren entwickeln, finden sich mit der gleichen morphologischen und physiologischen Bedeu- tung bei einigen Craspedoten wieder (Gonionemus, Piychogena). Ebensolche Ausbuchtungen kommen auch bei einigen anderen Cras- pedoten vor, jedoch nur als drüsige Taschen, ohne sexuelle Func- tion (am meisten entwickelt bei Catablema, angedeutet bei Cie- naria). 9. Die beiden Senkfäden-Taschen der Ctenopho- ren sind homolog den beiden Tentakel-Taschen eini- ger GCladonemiden (Ütenaria, Gemmaria). In beiden Fällen liegen diese beiden gegenständigen Taschen in der Lateral- Ebene und gehen von der Tentakel-Basis eine Strecke weit aufwärts in die Schirm-Gallerte hinein. (Gemmaria hat ausserdem noch 2 solche blinde Taschen (oder „Nesselhöhlen“ der Exumbrella) in den beiden alternirenden Perradien, denen die, Tentakeln fehlen.) 10. Die beiden lateralen Senkfäden vieler Cteno- phoren sind homolog den beiden lateralen Tentakeln mehrerer dissonemaler Anthomedusen (Dinema, Stomo- toca, Cubogaster, Saphenia etc.); in beiden Fällen liegen sie ge- genständig in einer perradialen Ebene. Halbgefiedert (oder mit einer Reihe Nebenfäden besetzt) wie bei vielen Otenophoren (Cydippe, Eschscholtzia ete.) sind dieselben auch bei einigen Cla- donemiden (Gemmaria, Otenaria). Die Nebenfäden oder Fieder- äste der letzteren sind ebenso gebaut, wie die homologen Organe der ersteren. 11. Die sogenannten „Greifzellen“ (oder Haptobla- Sitzungsberichte. 77 sten) an den Senkfäden der CGtenophoren sind homolog den Nesselzellen (oder Cnidoblasten) an den Tentakeln der Craspedoten. Erstere sind nichts Anderes als Modifica- tionen der letztern. Ganz gleiche Modifikationen von Nesselzellen, — bisweilen von den „Greifzellen“ der Ctenophoren nicht zu un- terscheiden, — finden sich auch bei vielen Medusen vor, z. B. an den Saugtentakeln von Craspedoten, an den Magententakeln von Acraspeden etc. 12. Die 8 adradialen Flimmerrippen in der Exum- brella der Ctenophoren sind homolog den 8 adradia- len Nesselrippen in der Exumbrella einiger Anthome- dusen (Ütenaria, Ectopleura). In beiden Fällen verlaufen die 8 Rippen als adradiale Meridiane vom Scheitel gegen den Schirmrand. Auch Flimmer-Epithel scheint mit dem Nessel-Epi- thel einiger dieser Craspedoten combinirt zu sein. III. Ontogenie und Phylogenie der Ctenophoren. Die On- togenese der Ctenophoren verläuft in allen bisher untersuch- ten Gattungen in wesentlich derselben Form, und diese Form der Keimung muss als eine stark cenogenetische beurtheilt wer- den. In Folge vielfacher Abkürzung, Vereinfachung und Zu- sammenziehung der Keimesgeschichte, sowie in Folge embry.o- naler Anpassungen, unter denen die Ausbildung eines Nah- rungsdotters die wichtigste ist, erscheint die Ontogenie der Ctenophoren so sehr abgeändert, dass nur mit grosser Vorsicht Schlüsse daraus auf die Phylogenie zu ziehen sind. Die Cteno- phoren verhalten sich in dieser Beziehung ähnlich den Trachyme- dusen und Narcomedusen; während hingegen die Ontogenie der Leptomedusen und Anthomedusen grösstentheils palingenetisch ist und daher eine unmittelbare Anwendung des biogenetischen Grundgesetzes gestattet. Bei diesen letzteren schliessen wir direkt und mit Sicherheit aus den ontogenetischen Thatsachen des heute noch fortbestehenden Generationswechsels, dass auch phylogenetisch die Medusen ursprünglich aus Hydropolypen sich entwickelt haben. Bei den Trachymedusen und Narcomedusen hingegen kann dieser Schluss nur indirekt und vergleichend mit Wahrscheinlichkeit, keineswegs aber mit überzeugender Sicherheit gewonnen werden; und dasselbe gilt von den Ctenophoren. Die nahe Verwandt- schaft aber, welche sich aus den oben aufgestellten Homologien zwischen den Ctenophoren und Anthomedusen — und speciell den Cladonemiden — ergiebt, macht es höchst wahrschein- 78 Sitzungsberichte. lich, dass die Ctenophoren von dieser letzteren Medusen-Gruppe wirklich abstammen, und dass mithin ihre früheren Vorfahren ebenfalls Hydropolypen aus der Tubularien-Gruppe waren. Die Gtenophoren-Klasse zeigt also ganz ähnliche phyloge- netische Verhältnisse, wie die Siphonophoren-Klasse. Auch für diese letzteren habe ich früher (in meiner Entwicklungsge- schichte der Siphonophoren, 1869) gezeigt, dass gewichtige Gründe indirekt für die Abstammung derselben von Hydropolypen aus der Tubularien-Gruppe sprechen. Wenn bei Sarsia siphono- phora, Sarsia gemmifera und ähnlichen Sarsiaden oder Codoni- den, deren langes, weit aus der Schirmhöhle vorragendes Magen- rohr dicht mit vielen Medusen-Knospen besetzt ist, Arbeitsthei- lung dieser letzteren eintreten würde, so könnte unmittelbar aus dem vorübergehenden Medusen-Stock ein permanenter Siphonopho- ren-Stock entstehen. Da aber jene Sarsiaden oder Codoniden nachweislich von Tubularia-Polypen abstammen, so werden auch die Siphonophoren, die von ersteren phylogenetisch abzulei- ten sind, ursprünglich ebenfalls von derselben Polypen-Gruppe der Tubularien (im weiteren Sinne) abstammen. Die wichtigste ontogenetische Thatsache, welche uns die Keimesgeschichte der Ctenophoren darbietet, ist die, dass zuerst von allen Organen der Trichter auftritt, und dass nachher aus diesem 4 perradiale Kanäle hervorwachsen, die sich. erst nachträglich gabeln und in die 8 adradialen Kanäle auflösen. Erst später entsteht der sogenannte Magen, d.h. die Schirmhöhle, die von Eetoderm ausgekleidet ist. Diese bedeutungsvollen That- sachen scheinen mir die werthvollste Bestätigung für die nachste- hend zusammengestellten Homologien zu liefern. Sitzungsberichte. 79 IV. Uebersicht über die wichtigsten Homologien zwischen den Ctenophoren und Medusen (speziell zwischen Cydippe und Ctenaria). Ctenophoren Craspedoten, namentlich Cladonemiden Magenhöhle _ Schirmhöhle Mundrand Schirmrand Innere Magenfläche Subumbrella Trichterhöhle Trichtermund 4 ursprüngliche perra- diale Kanäle (secundär paarweise vereinigt) 8 adradiale Kanäle, durch Gabelung der 4 perra- dialen entstanden Fiederäste der Radialka- näle, zu Geschlechts- drüsen umgebildet 2 gegenständige laterale Senkfäden-Taschen [50] gegenständige laterale Senkfäden 8 adradiale Flimmer-Rip- pen der Exumbrella Scheitelhöhle von Cienaria, Eleutheria ete. Ursprünglicher einfacher Medusen-Mund 4 ursprüngliche perradiale Kanäle, bei der grossen Mehrzahl der Craspedoten perma- nent 8 adradiale Kanäle einiger Cladonemiden (Üte- naria, Cladonema), durch Gabelung der 4 perradialen entstanden Fiederäste der Radial-Kanäle bei einigen Cras- pedoten; bald zu Geschlechtsdrüsen umge- bildet (Gonionemus, Ptychogena), bald ein- fache Drüsen ohne Geschlechts-Funktion (Catablema, Ctenaria) 2 gegenständige laterale Tentakel- Taschen (oder Nesselschläuche, von der Tentakel- Basis ausgehend) bei einigen Cladonemi- den (Cfenaria, Gemmaria) 2 gegenständige laterale Tentakeln bei meh- reren dissonemalen Craspedoten (Dinema, Stomotoca, Saphenia etc.) 8 adradiale (und bisweilen flimmernde) Nes- selrippen einiger Anthomedusen (Keto- pleura, Ctenaria). 80 Sitzungsberichte. 7. Sitzung am 13. Juni. 1) Herr B. Schultze machte Mittheilungen über vier von ihm kürzlich ausgeführte Ovariotomien und stellte drei der bereits geheilten Fälle vor. £ 2) In derselben Sitzung sprach Herr Prof. Preyer Ueber Embryoskopie. „Die Motilität und Sensibilität des Embryo wurden bisher im Zusammenhang nicht untersucht. Trotzdem viele tausend bebrütete Eier zu wissenschaftlichen Zwecken geöffnet worden sind, finden sich in den embryologischen Schriften alter und neuer Zeit über die ersten Bewegungen des Hühnchens im Ei, seine Reflexerreg- barkeit, die Reizbarkeit seiner Gewebe entweder keine Angaben oder nur beiläufige Notizen. Folgende Beobachtungs- und Ver- suchs-Ergebnisse sind einer grösseren, später zu veröffentlichenden Arbeit über diesen Gegenstand entnommen. Die erste makroskopische Kontraktion und Expansion ist die des Herzkanals. Das punctum saliens erscheint in der Regel gegen Ende des zweiten Tages. So lange der Embryo geradegestreckt bleibt, sieht man ausser dem Herzschlag nichts Bewegliches. Nach dem Beginne der Kopfkrümmung tritt konstant ein mit dem Herz- schlag isochrones Pendeln des ganzen Kopfes und meist schon vor Vollendung der Körperkrümmung zugleich ein solches des Schwanzendes ein. Dieses bisher übersehene Oscilliren rührt le- diglich her von dem bei der Füllung mit Blut entstehenden Herz- stoss und dauert so lange das Herz extrathoracal liegt. Hat der U-förmige Embryo das Maximum der Krümmung erreicht, so wird ausser der durch den Herzstoss bewirkten Oscillation, welche passiv und periodisch ist, eine aktive und aperiodische, bald lang- same, bald schnelle Rumpfbewegung bemerkt, am fünften Tage zuerst. Diese ersten gleichfalls bisher übersehenen aktiven Rumpf- bewegungen sind ausgiebiger und nie so frequent wie jene kar- dialen Schwingungen und geschehen in der Weise, dass die Kopf- hälfte (obere oder vordere Körperhälfte) gegen die Schwanzhälfte (untere oder hintere Körperhälfte) durch automatische Kontraktion bewegt wird und vice versä, ähnlich wie beim Frosch- und Lachs- Sitzungsberichte. Sl Embryo, nur dass beim Vogel die Volarseiten sich gegeneinander wenden und die Krümmungen in der Regel nicht dextrokonvex oder sinistrokonvex sind. Am fünften Tage finden diese Rumpfbewegungen noch ohne selbständige Bewegungen des Kopfes und des Schwanzes_ statt. Die Gliedmaassen werden nur bilateral-symmetrisch passiv mit- bewegt. Erst am siebenten Tage sind asymmetrische Zuckungen der Extremitäten bei ruhendem Rumpfe zu konstatiren, welche dann immer häufiger und mannigfaltiger werden, indem namentlich aktive Kopfdrehungen und nickende Bewegungen, sowie ein Strecken und Beugen der Beine hinzukommen. Dieses letztere gibt zu dem merkwürdigen, nur beim Vogelembryo vorkommenden Schaukeln mittelst der rhythmischen Kontraktionen des Amnion Anlass. Denn bisweilen sieht man im warmen offenen Ei den Embryo, vorzüglich deutlich am neunten Tage, mit einem Bein gegen das Amnion stossen, so dass an der getroffenen Stelle eine Kontraktion der glatten Muskelfasern desselben eintritt, welche dann das Hühnchen an das andere Ende des Amnionsackes förmlich schleudert. Stösst aber hier der Kopf gegen die durch den mechanischen Insult ge- reizte kontraktile Wand, so kontrahirt sich nun dieser Theil der- selben und wirft den Embryo zurück in seine erste Stellung; so geht es hin und her, bis (vielleicht wegen Abnahme der Amnion- reizbarkeit) eine Pause eintritt. Der Nabel bildet den festen Punkt, auf dem das Thier während des oft stürmischen Schau- kelns balancirt. Nach dem Aufschlitzen der Amnionhaut hört das Schaukeln jedesmal auf, nicht aber die aktive Bewegung der Glie- der. Somit erweist sich die schwingende Bewegung zwar als passiv, aber sie wird durch eine aktive Extension verursacht. Dass in der That nicht äussere, etwa durch das Aufbrechen des Eies herbeigeführte Umstände dieselbe erwecken, wird durch die Betrachtung des durchlichteten Eies bewiesen. Ein einfaches In- strument, das Ooskop, bestehend aus einem unter 45° geneigten Spiegel am Ende eines inwendig geschwärzten Sehrohres, gestattet bei Verwendung direkten Sonnenlichtes vom fünften Tage an bis gegen Ende der Bebrütung die Bewegungen des Hühnchens im unversehrten Ej zu beobachten. Man sieht den am dunkeln Augen- fleck kenntlichen Kopf, die Flügel und Beine sich geradeso be- wegen wie im geöffneten warmen Ei. Die Amnionschwingungen, deren in der Regel 8 bis 10 in der halben Minute stattfinden, geben sich durch eine im Bogen ablaufende regelmässige Bewegung des Kopfes unzweideutig zu erkennen. Ausserdem erkennt man 6 82 Sitzungsberichte. im intakten Ei mittelst starker Durchlichtung den Puls der Ge- fässe und die durch Embryobewegungen verursachten Biegungen derselben und unterscheidet mit Leichtigkeit an der Dunkelheit des Körpers, der Ruhe, der mangelnden arteriellrothen Farbe der Allantoisgefässe den todten vom lebenden Embryo, ohne zu öfinen. Haarscharf erscheint die Luftkammer abgegrenzt und ihre Volum- zunahme kann vom 1. Tag bis zum 21. an ein und demselben Ei genau erkannt werden. Versuche zur Prüfung der Reizbarkeit zeigten, dass selbst nach dem Eintritt derersten automatischen Bewegun- gen weder vom Rückenaus, noch direkt die stärksten elektrischen odertraumatischen Reize deutliche Zu- sammenziehungen bewirken. Höchstens wird an einer ge- ringen Aenderung des Lichtreflexes eine minimale Reizwirkung er- kaunt. Aber vom 5. Tage an nimmt die direkte elektrische Reiz- barkeit des embryonalen kontraktilen Gewebes täglich zu, und am 9. Tage kann man vom Rücken aus Streckungen der vier Extre- mitäten erzielen, wobei übrigens Erregbarkeit von Tetanisir- barkeit streng zu scheiden ist. Denn erst am fünfzehnten Tage lassen sich die Muskeln der Beine und Flügel tetanisiren. Aber auch dann noch verhalten sie sich gegen elektrische Reizungen träge, wie ermüdete postembryonale Muskeln. Nur die Blutgefässe reagiren schon früh, indem sie sich nach starker und !/, Minute anhaltender Reizung mit Induktionswechselströmen deutlich ver- engern und nach der Reizunterbrechung langsam zur Norm zu- rückkehren. In Betreff der Reflexerregbarkeit, welche sowohl für elektrische wie thermische und traumatische Reize in den letzten Tagen der Inkubation gross ist, ergeben alle Versuche bald nach dem Auf- treten der ersten aktiven Bewegungen am fünften Tage ein ne- gatives Resultat, entsprechend der äusserst geringen Erregbarkeit sämmtlicher Theile des Embryo, ausser dem Herzen. An den fol- genden Tagen, bis zum zehnten, ist wegen der Lebhaftigkeit der nun mannigfaltigeren aktiven Kontraktionen und Lageänderungen die Entscheidung, ob eine Antwortsbewegung auf einen Stich, Schnitt, Stoss u. dgl. erfolgt oder ob derartige Eingriffe effektlos bleiben, sehr schwierig. Jedenfalls ist die Reflexerregbarkeit bis zum Beginn der Lungenathmung viel geringer als später, und vor der Möglichkeit, den Schnabel inspiratorisch zu öffnen (11. Tag), wahrscheinlich minimal, am 5. und 6. Tage Null. Die aktiven Be- wegungen des Embryo zu dieser Zeit und später, welche man Sitzungsberichte. 83 ooskopisch im unversehrten Ei wahrnimmt, sind ebensowenig wie das Amnionschaukeln reflektorischer Natur in dem Sinne, dass sie durch äussere Reize ausgelöst würden. Eine wichtige Reflexbewegung des Hühnchens, welches im Ei noch nicht mit der Lunge geathmet hat, ist die erste Inspiration bei ungestörter Allantoiszirkulation. Es glückt bisweilen, ein Ei vom 16. bis 19. Tage so zu öffnen, dass der Schnabel frei liegt ohne vorhergegangene Blutung oder merkliche Verletzung der Al- lantois. In einem solchen Falle schnappt das Thier nicht nach Luft, macht dann und wann eine Schluckbewegung, keine Inspi- ration. Sowie man aber an einem beliebigen Punkte der Körper- oberfläche einsticht oder etwa nur eine Zehe stark Komprimirt, tritt jedesmal eine ungemein tiefe Inspiration mit maximal geöft- netem Schnabel ein. Beim Fötus des Meerschweinchens gelingt es manchmal, mehrere Minuten lang die Placentarzirkulation nach der Exzision im Gang zu halten, so dass in den Nabelgefässen das hellrothe Blut neben dem dunkelrothen sichtbar bleibt, und doch bewirken dann schon geringfügige periphere Hautreize starke Inspirationen, welche nach wenigen Augenblicken in solchen Fällen auch ohne periphere Rei- zung eintreten, wenn die Nabelschnur mit der Pincette komprimirt wird, so dass der matrifugale Blutstrom sich staut. Durch diese Thatsachen wird dargethan, dass zur Erklärung des ersten Athemzuges die alleinige Verwerthung des Sauerstofi- mangels nach Aufhebung der Placentarzirkulation mit Ausschluss der peripheren, bei jeder Geburt vorhandenen Reize nicht gerecht- fertigt erscheint. Beim Hühnchen, welches vor dem Auskriechen die Luft der Luftkammer im Ei athmet, könnte schon durch die mit dem Wachsthum zunehmende Behinderung der Bewegungen ein Druck oder Stoss neben der im Allgemeinen langsam und kon- tinuirlich abnehmenden Menge des Blutsauerstofis der Allantois- gefässe den ersten Inspirationsreiz abgeben. Denn es ist fraglich, ob die relative Sauerstoffabnahme überhaupt schnell genug statt- findet, um einen genügend starken Reiz für das Athemzentrum zu liefern. In chronologischer Reihenfolge sind die auffallendsten Moti- lität und Sensibilität betreffenden physiologischen Erscheinungen des Hühnerembryo vom ersten bis zum letzten Tage der Bebrü- tung nach meinen Beobachtungen und Versuchen zusammengesellt in folgender 6* 84 Sitzungsberichte. Uebersicht. 1. Tag. Der Primitivstreifen immobil. 2. Tag. Der Herzschlauch kontrahirt sich, ehe das Blut roth ist und lange vor der Entstehung von Muskel- und Nerven- Gewebe. Die Urwirbel immobil. 3. Tag. Herzschlag kräftiger und regelmässiger, bis zu 150 in 1 Minute normal. Zunahme durch Erwärmung, Abnahme durch elektrische tetanisirende Reize und Abkühlung. Kopfkrüm- mung und Körperkrüämmung nicht auf aktiven Bewegungen be- ruhend. 4. Tag. Herzthätigkeit noch ausgiebiger, bis 140 in 1 Min. Durch den Herzstoss wird der Kopf und oft auch das Schwanz- ende in isochrone Oscillationen versetzt. Gefässe verengern sich langsam durch elektrische Tetanisirung. Keine Spur von Re- flexerregbarkeit oder aktiver Bewegung des Embryo. 5. Tag. Die ersten aktiven Bewegungen und zwar aus- schliesslich Rumpfbewegungen. Das Kopfende neigt sich dem Schwanzende zu und umgekehrt. Das Herzpendeln des Kopfes bleibt. Frequenz bis 145 in 1 Min. Ausserdem passives Schau- keln durch Amnionkontraktionen etwa 8 in der halben Mi- nute nicht in gleichen Intervallen. Seitliche Kopfbewegungen nach Auftrennung des Amnion selten, aber unzweideutig. Elek- trische Reizbarkeit minimal, oft nicht erkennbar, wenn auch ak- tive Beugungen und Streckungen häufig sind. Stechen, Quetschen, Anschneiden des Embryo bleibt unbeantwortet. Eine Verletzung des Amnion hat jedoch bisweilen eine stärkere Krüm- mung und Expansion des hufeisenförmigen Embryo zur Folge. Keine aktiven Bewegungen der Gliedmaassen. Dieselben werden nur passiv mitbewegt bei den Kontraktionen des Rumpfes. Letztere und die Ortsänderung des Kopfes sind bereits im intakten durch- lichteten Ei sicher wahrzunehmen. 6. Tag. Herzfrequenz normal durchschnittlich 136 in 1 Min. Zu- und Abnahmen der Konvexität des Rückens durch selbstän- dige Kontraktionen häufiger und ausgiebiger. Extremitätennur bilateral-symmetrisch bewegt. Jede Rumpfhälfte (vordere und hintere) kontrahirt sich aber für sich. Amnionschaukeln wie gestern; auch das Kopfpendeln durch den Herzstoss. Elektrische und traumatische Reizung des Embryo bewirkt keine Reflexbewe- gung, auch Amputationen nicht. Im durchlichteten Ei das Amnion- schaukeln vorzüglich deutlich. 7. Tag. Ausser den häufigeren und energischeren Bewegungen Sitzungsberichte. 85 von gestern deutliche schwache asymmetrische Bewegungen der vier Extremitäten. Kopf und Schwanz bewegen sich selb- ständig, jedoch auch noch gegeneinander. Die elektrische Reiz- barkeit der kontraktilen Theile ein wenig gehoben. Herzfrequenz bis 162 in der Minute. Im Ooskop die embryonalen Bewegungen sehr deutlich, besonders das Amnionschaukeln. 8. Tag. Selbständige Aenderungen der Lage nicht selten, Schlagen mit den Beinen und Flügeln. Energisches Schau- keln durch Amnionkontraktionen. Zugleich nickende und drehende Kopfbewegungen. Herz bis 150 in 1 Min. Keine mechanische oder elektrische Reizung hat Reflexbewegungen zur Folge. Durch die Amnionbewegung erleiden die Blutgefässe mannigfaltige Verbie- gungen, welche auch im intakten Ei bei guter Beleuchtung leicht erkannt werden. 9. Tag. Der Embryo reizt das Amnion durch Anschlagen gegen dasselbe zu Zusammenziehungen, so dass er nun selbst hin und her geschleudert wird. Lebhafte aktive Bewegungen des Kopfes, Schwanzes, der Flügel und Beine, auch der Füsse. Die Betrachtung des uneröffneten durchlichteten Eies lässt die Beu- gungen und Streckungen der Glieder erkennen. Reizbarkeit und Reflexerregbarkeit äusserst gering, letztere wahrscheinlich fast Null. Wenigstens ist sie wegen der vielen selbständigen Bewegungen nicht nachzuweisen. Herzfrequenz einmal bis 166 in 1 Min. 10. Tag. Das Herz schlägt nicht mehr so häufig wie bisher. Vom Rücken aus lassen sich mittelst der stärksten Induktions- wechselströme deutlichere kurzdauernde Wirkungen erzielen, so- fern die Extremitäten ein wenig ihre Lage ändern. Keine Reflex- bewegungen. Im intakten Ei starkes Amnionschaukeln zu sehen. 11. Tag. Zum ersten Male wird der Schnabel geöffnet und geschlossen. Die Amnionkontraktionen erreichen ihre maximale Energie. Die Reflexerregbarkeit scheint sich geltend zu machen. 12. Tag. Die grösseren Gefässe sieht man im unverletzten Ei pulsiren. Starke Zuckungen der Glieder beim elektrischen Te- tanisiren des Rückens. Nach Applikation desselben Reizes auf die Zehen oder die Hautoberfläche treten bisweilen allgemeine Zuckungen des Rumpfes als eine Reflexantwort ein. Direkte Rei- zung bewirkt Kontraktionen der Oberfläche, Reizung des Nackens Oeffnen des Schnabels. Alle mechanischen Reize überall effektlos. Von jetzt an erlischt die Kontraktilität nach dem Herausnehmen des Embryo aus dem Ei nicht mehr so schnell wie bisher. Die Kontraktilität des Amnion überdauert lange das Leben des Em- bryo. Herzfrequenz 125 in 1 Min. 86 Sitzungsberichte. 13. Tag. Die ooskopische Beobachtung des intakten Eies wegen zunehmender Dunkelheit nicht mehr so sicher wie bisher, jedoch ist das Amnionschaukeln und energische Zucken des Embryo im durchlichteten Ei noch erkennbar. Das stürmische Schwingen ist einem langsamen Wogen gewichen, dagegen die Lebhaftigkeit und Mannigfaltigkeit der Extremitätenbewegungen grösser als je zuvor. Elektrische Reizung der Schenkel hat Hebung der Zehen, solche der Kopfhaut, Oeffnen des Auges zur Folge. Das Schnappen nach Luft gleich nach dem Oeffnen des Eies häufig. Herzfrequenz sinkt bis 84 in 1 Min. 14. Tag. Zuckende Kopfbewegungen sind im dunkeln oosko- pischen Gesichtsfelde noch wahrnehmbar. Im geöffneten Ei sieht man, wie das Auge sich öffnet und schliesst. Selbst bei völlig ungestörter Zirkulation, welche an dem Ausbleiben aller Athem- bewegungen bei sonstiger Aktivität, besonders der Füsse, erkannt wird, kann ein Tetanus der Extremitäten durch Induktionsströme nicht herbeigeführt werden, weder bei direkter Applikation der Elektroden auf die Flügel und Schenkel, noch beim Einstechen in das Rückenmark. 15. Tag. Die elektrische Tetanisirbarkeit ist deutlich nachweisbar. Flügel und Beine werden nach direkter und indi- rekter Tetanisirung anhaltend gestreckt, was bisher nicht geschah. Die Reizbarkeit erlischt nicht mehr so schnell nach dem Heraus- nehmen aus dem Ei. Herz schlägt im eröffneten Thorax an der Luft bis 82-mal in der Minute. Die Reflexbewegungen nach künst- licher Reizung selten von den selbständigen Bewegungen sicher zu unterscheiden. 16. Tag. Die Empfindlichkeit gegen elektrische Reize nimmt zu. Es ist schon leichter, vom Rücken aus tetanisirend die Glieder in Bewegung zu setzen. Jedoch nimmt die Erregbarkeit nach Unterbrechung der Allantoiszirkulation schnell ab. Hebt man den Kopf des Embryo schonend heraus, so treten öfters Athembewe- gungen ein. Dieselben werden äusserst energisch, wenn periphere Reize, z. B. Stiche, Kompressionen mit der Pincette, hinzukommen. Ausserdem treten nach starker Reizung der Haut häufig allgemeine Rumpfbewegungen ein, wahrscheinlich schon Schmerzäusse- rungen. Jedenfalls ist an diesem Tage die Reflexerregbar- keit leicht nachzuweisen. Im intakten Ei sind an der Oberfläche des sehr dunkeln Embryo nur noch Zuckungen erkennbar. 17. Tag. Zuckungen im unversehrten Ei nur ab und zu wahrnehmbar, wahrscheinlich schläft der Embryo. Elektrische Te- Sitzungsberichte. 87 tanisirbarkeit des Beins vom Nerven aus nach der letzten Inspi- ration noch minutenlang erhalten. Im Magen coagulirtes Albumin, also müssen häufige Schluckbewegungen stattgefunden haben. 18. Tag. Perkutane elektrische Reizung des Schenkelnerven hat ausgeprägten Tetanus des Beines mit Spreizung der Zehen zur Folge. Die elektrische Erregbarkeit persistirt viele Minuten nach dem Aufhören der aktiven Bewegungen. Komprimiren der Beine bewirkt starke Reflexbewegungen, z. B. Schlagen mit den Flügeln, besonders aber Inspirationen. Uebrigens treten Inspi- rationsbewegungen ein auch ohne absichtliche periphere Reizung, wenn vorsichtig Blut aus einem Allantoisgefäss entleert wird. Während die Reflexerregbarkeit zugenommen hat, sind die selbst- ständigen Bewegungen weniger häufig. Der Embryo scheint mei- stens zu schlafen. Die Augen sind fest geschlossen. 19. Tag. Das Hühnchen kann von der Schale und den Häuten befreit werden, ohne dass seine Reflexerregbarkeit sogleich erlischt. Auch wenn es nicht geathmet hatte, bewirken stärkere periphere Reize tiefe Inspirationen und allgemeine Zuckungen. 20. Tag. Noch immer erkennt man im Ooskop an den zuckenden Bewegungen der dunkeln Masse gegen den hellen die Luftkammer abgrenzenden Rand hin, sowie an der Röthung der peripheren Gefässe, ob das Hühnchen lebt oder nicht. Bei Be- rührung des Augenlides heftiges Kopfschütteln. Da ein Hühnchen ohne eine einzige Bewegung auszuführen sich völlig entschalen liess, so ist es wahrscheinlich, dass es fest schlief und nun ge- weckt wurde. Die meisten andern Hühnchen dieses Tages werden aber schon beim Ablösen der Eischale munter. 21. Tag. Das Ei wird durch Stösse mit dem Kopf an ver- schiedenen Stellen gesprengt. Das Hühnchen, welches die Schna- belspitze hervorstreckt, athmet und piept kräftig im Ei viele Stun- den vor dem Ausschlüpfen. Erwärmen und Abkühlen, schon Um- drehen des Eies hat stärkeres Piepen zur Folge, sogar lautes Ge- räusch. Ist ein grösseres Stück der Schale abgesprengt oder eine grössere Anzahl kleinerer Stücke, dann fällt das Ei durch Kopf- und Extremitätenbewegungen ohne Anwendung des Schnabels aus- einander. Das Hühnchen bleibt in den Schalenhöhlungen genau in der Stellung, die es vorher hatte, liegen, das Bild der Hilf- losigkeit. Oft erst nach mehreren Stunden wird der Kopf ge- hoben. Das Verhalten der eben ausgeschlüpften Hühnchen, ihre schnelle Orientirung, Sicherheit im Picken, unregelmässige Athmung u. a. 88 Sitzungsberichte. wird in einer anderen Arbeit erörtert. Im Anschluss an die mit- getheilten Thatsachen wird zunächst der Parallelismus der mor- photischen Entwicklung mit dem Hervortreten der einzelnen Funk- tionen nachzuweisen sein, eine Aufgabe, welche vor Allem mehr Data über die Entwicklung der mikroskopischen Bestandtheile des zentralen Nervensystems und der Muskeln verlangt, als gegen- wärtig vorliegen. $. Sitzung am 4. Juli 1879. 1) Herr Professor O0. Hertwig sprach Ueber das Nervensystem der Actinien. Die Actinien gehören zu denjenigen Abtheilungen der Coelen- teraten, bei denen von früheren Beobachtern ein Nervensystem übersehen wurde, weil sein Nachweis nur auf Grund einer genauen histologischen Analyse der Elementartheile möglich ist. Gelegen- heit zu einer 'solchen Untersuchung bot ein längerer Aufenthalt am Mittelmeer, der theils in Messina, theils in der vortrefflich eingerichteten zoologischen Station des Herrn Professor Dohrn ge- nommen wurde. Die Beobachtung erstreckte sich auf fünf ver- schiedene Arten, auf Sagartia parasitica, Anthea cereus und Anthea cinerea, Adamsia diaphana und Cerianthus membranaceus. Indem diese Arten theils erhärtet und auf Querschnitten untersucht, theils mit Hülfe geeigneter macerirender Reagentien vollständig in ihre zelligen Elemente zerlegt wurden, sind folgende Ergebnisse über das Nervensystem der Actinien erzielt worden. Die Körperwandungen der Actinien setzen sich aus drei Haupt- schichten zusammen, aus dem Ektoderm, dem Entoderm und einer starken, beide trennenden Stützlamelle, welche letztere in einer fase- rigen Grundsubstanz zahlreiche sternförmige oder spindlige Binde- gewebszellen einschliesst. In den beiden erstgenannten Schichten ist das Nervensystem mit seinen Endorganen, den Sinnes- und Muskelzellen, freilich noch in einer sehr primitiven Form, zur Entwicklung gelangt. Wenn man das Ektoderm von der Mund- scheibe und den Tentakeln auf feinen Querschnitten untersucht, so unterscheidet man leicht in ihm drei deutlich abgesetzte Lagen, 1) eine einfache Lage von äusserst langen und feinen Epithel- zellen, darunter 2) ein dünnes körnig erscheinendes Stratum, das von Heider zuerst entdeckt und mit dem Namen der Interbasal- Sitzungsberichte. 89 substanz belegt worden ist und 3) eine Lage glatter Muskelfasern, welche auf der Stützlamelle parallel und dicht nebeneinander aus- gebreitet sind. Die Epithelschicht enthält, wie Isolationspräparate gezeigt haben, vier besondere Zellformen, welche über die Oberfläche des Körpers in wechseinden Mengenverhältnissen vertheilt sind. Unter diesen sind die einfachsten und die am gleichmässigsten vertheilten Elemente die Flimmer- oder Stützzellen; sie erscheinen, wenn voll- ständig isolirt, als lange schmale Bänder, die am peripheren Ende am breitesten sind und hier zahlreiche Flimmern tragen, nach abwärts sich zu einem Faden verschmälern um dann plötzlich nach Art der Müller’schen Fasern der Retina sich wieder zu einer Art Fussplättchen, das zur Befestigung auf der Muskel- lamelle dient, an ihrer Basis zu verbreitern. Zwischen ihnen finden sich in geringerer Anzahl besondere Sinneszellen auf der Oberfläche der Mundscheibe sowohl als auch der Tentakeln überall zerstreut. Es sind äusserst feine fadenartige Gebilde, die gewöhn- lich nur mit einem Haare versehen sind. Sie treten hauptsächlich in zwei Modifikationen auf, je nachdem ihr Kern ganz an der Basis oder mehr in der Zellenmitte liegt. Da um den Kern immer das Protoplasma stärker angesammelt ist, besitzen die dünnen Fäden im ersten Fall eine Verdiekung an ihrer Basis, im zweiten Fall eine spindelförmige Auftreibung in ihrer Mitte. Dass wir es hier mit Sinneszellen zu thun haben, geht, abgesehen von später zu be- sprechenden Befunden, daraus hervor, dass an ihrem basalen Ende zwei oder mehr sehr feine Fibrillen ihren Ursprung nehmen, die an guten Isolationspräparaten zuweilen eine ansehnliche Länge er- reichen. Die zwei noch weiter zu unterscheidenden Bestandtheile der Epithelschicht sind Nessel- und Drüsenzellen, die gleichfalls in Ausläufer, wahrscheinlich nervöser Natur übergehen. Zu den wichtigsten Ergebnissen führte die Untersuchung des unter dem Epithel gelegenen körnigen Stratum. Die Interbasal- substanz Heider’s ist ihrer histologischen Beschaffenheit nach nichts Anderes als eine Nervenfaserschicht, die über grosse Stre- cken des Ektoderms in ziemlich gleicher Stärke entwickelt ist. Sie besteht aus äusserst zahlreichen, feinen Fibrillen, die mehrfach übereinander liegen und sich nach den verschiedensten Richtungen in einer Ebene durchkreuzen und durchflechten. Dadurch kommt ein dichtes Netzwerk zu Stande mit engen Maschen, durch welche die limmernden Stützzellen hindurchtreten, um mit ihrer basalen Verbreiterung sich auf der Muskel- und Stützlamelle zu befestigen. 90 Sitzungsberichte. Die Nervenschicht erreicht ihre grösste Stärke im Bereich der Mundscheibe und dehnt sich von ihr, indem sie an Stärke ab- nimmt, über die gesammte Oberfläche der Tentakeln aus. Durch ein geeignetes Präparationsverfahren lässt sich die Nervenschicht auf grosse Strecke vollständig isoliren. Sie kann nämlich an ma- cerirten Mundscheiben und Tentakeln mit der darüber gelegenen Epithelschicht von der Muskellamelle leicht abgehoben und auf einem Objektträger mit dem Epithel nach oben glatt ausgebreitet werden. Darauf werden mit einem kleinen Haarpinsel die Epithel- zellen möglichst vollständig abgepinselt. Das Nervenfasergeflecht bleibt hierbei, wenn die Präparation vorsichtig genug geschieht, ° vollständig erhalten und kann so am besten in seinem Detail einer gründlichen Untersuchung unterworfen werden. An solchen Prä- paraten erhält man jetzt über zwei Verhältnisse einen sichern Auf- schluss. Einmal zeigt sich, dass hie und da auf der Oberfläche der Nervenschicht noch einzelne Sinneszellen festhaften, die durch den Pinsel nicht mit entfernt worden sind. Die vom basalen Ende der Sinneszellen entspringenden Fibrillen treten in die Nervenschicht ein und können in derselben hie und da eine Strecke weit verfolgt werden. Zweitens überzeugt man sich davon, dass in der Nerven- schicht grössere und kleinere Ganglienzellen vorkommen, welche zum grösseren Theile ihrer äusseren Fläche aufliegen, zum klei- neren Theile in sie selbst eingeschlossen sind. Einige von ihnen sind bipolar, die meisten aber tri- oder multipolar. An manchen Stellen erreichen sie eine sehr bedeutende Grösse und geben so starke und zahlreiche Ausläufer ab, dass sie mit einer Ganglien- zelle aus dem Rückenmarke eines Wirbelthieres Aehnlichkeit ge- winnen. Alsdann springen sie buckelförmig, über die Oberfläche der Nervenschicht hervor und ragen dergestalt zwischen die ba- salen Enden der auseinander gedrängten langen Epithelzellen hinein. In ihrem feinkörnigen Protoplasmakörper bergen sie einen ansehn- lichen runden Kern mit einem auffallend grossen Nucleolus. Ihre stärkeren Nervenfortsätze konnten zuweilen auf grosse Strecken durch mehrere Mikroskopfelder bei F. Oc 2 (Zeiss) hindurch verfolgt werden. Die Vertheilung der Ganglienzellen in der Nervenschicht liess sich bei der oben angegebenen Präparationsweise nicht un- schwer feststellen. Am zahlreichsten und zugleich in den statt- lichsten Exemplaren finden sie sich zwischen den Basen der Ten- takeln vor, sowie auf der Mundscheibe in einzelnen Streifen, die radienartig nach der Mundöffnung convergiren. In den zwischen den Radien gelegenen Strecken treten sie mehr vereinzelt auf und Sitzungsberichte. a erreichen gewöhnlich eine nur geringe Grösse. In der weniger mächtig entwickelten Nervenschicht der Tentakeln endlich sind die Ganglienzellen wohl durchschnittlich am kleinsten und zugleich in einer sehr spärlichen Anzahl vorhanden. Unter der Nervenschicht der Mundscheibe und der Tentakeln breitet sich die Muskellamelle aus, welche an Macerationspräparaten der Stützlamelle fester anhaften bleibt. Sie setzt sich aus parallel gelagerten, langen, glatten Fasern zusammen, die in ihrer Mitte einen von wenig Protoplasma umhüllten Kern besitzen. Einfacher als an der Mundscheibe und den Tentakeln gestaltet sich der Bau des Ektoderms in den übrigen Bezirken des Actinien- körpers, im Bereich des Mauerblattes und der Fussscheibe. Es fehlt hier einmal eine besondere Muskellamelle, alsdann ist auch die Nervenschicht verkümmert und daher auf Durchschnitten nicht mehr nachweisbar. Sie besteht aus spärlichen Fibrillen, die sich durchkreuzend ein mit weiten Maschen versehenes Netz bilden. Das darüber ausgebreitete Epithel enthält nur vereinzelte Sinnes- zellen; der Hauptmasse nach wird es von langen dünnen Flimmer- zellen gebildet, denen sich bei manchen Arten noch zahlreiche Schleimzellen hinzugesellen. In derselben Weise wie das Ektoderm wurde auch das Ento- derm der Actinien einer histologischen Untersuchung unterworfen. Dabei ergaben sich für die einzelnen Körperregionen in Bezug auf ihren feineren Bau im Wesentlichen überall die gleichen Verhält- nisse. Auf Durchschnitten lässt das Entoderm, mag man dasselbe an den Tentakeln, der Mund- und Fussscheibe, oder am Mauer- blatt, am Magenrohr und den Septen untersuchen, mit Ausnahme weniger Bezirke stets zwei Lagen erkennen, 1) eine Muskellamelle und 2) eine sie deckende Schicht schmaler cylindrischer Zellen, welche im Gegensatz zu den Flimmerzellen des Ektoderms nur mit einer einfachen langen Geissel versehen sind. Wie indessen Ma- cerationspräparate lehren, sind die an Schnitten unterschiedenen 2 Schichten histologisch nicht von einander zu trennen, denn die glatten Fasern, welche die Muskellamelle hervorrufen und die bei einigen Arten sehr kurz, bei andern wieder länger sind, sind nicht wie die gleichen Elemente des Ektoderms mit eigenen ihnen an- liegenden Muskelkernen versehen, vielmehr stehen sie in ihrer Mitte mit der Basis von je einer cylindrischen Entodermzelle in fester Verbindung und lassen sich mit ihr im Zusammenhang isoliren. Wir haben es daher im Entoderm der Actinien mit echten Epithel- muskelzellen zu thuen, wie dies auch kürzlich Kling am Ento- 92 Sitzungsberichte. derm der Tentakeln von Actinia equina aufgefunden und in einer vorläufigen Mittheilung berichtet hat. Zwischen den Epithelmuskelzellen finden sich noch zwei weitere Formen von Epithelzellen vor 1) drüsige Elemente und 2) schmale Zellen, die an ihrer Basis in mehrere feine Fibrillen übergehen und dem Nervensystem zuzurechnen sind. Dass ein solches auch im Entoderm der Actinien existirt, darüber geben besonders Prä- parate von dünnen Septen Aufschluss und zwar Präparate von solchen Actinien, die sich durch eine grössere Länge ihrer ento- dermalen Muskelfasern auszeichnen. Wenn man Septen, die nicht zu stark macerirt sind, auf dem Objektträger glatt ausbreitet, dann ist es möglich mit einem nassen Pinsel zum Theil die Epithel- zellen abzulösen ohne die Muskelfasern aus ihrer Lage zu bringen. Man gewahrt jetzt vereinzelte oder zu kleinen Bündeln vereinte Fibrillen, die den Muskelfasern aufliegen, gewöhnlich schräg oder unter rechtem Winkel die Richtung derselben durchkreuzen und untereinander plexusartig zusammenhängen. In Zusammenhang mit ihnen beobachtet man grössere und kleinere, bald bipolare, bald multipolare Ganglienzellen, die in der Tiefe zwischen den Körpern der cylindrischen Epithelmuskelzellen gelegen sind. Auf den entodermalen Muskellamellen der Actinien breitet sich dem- nach ein ähnlicher Nervenplexus aus, wie er in der Subumbrella der Medusen schon von mehreren Forschern nachgewiesen worden ist. Ausserdem verlaufen noch einzelne besonders starke Züge von Nervenfibrillen den Mesenterialfilamenten entlang, bedeckt von einem Epithel mit reichlichen Nessel- und Drüsenzellen. Ekto- dermales und entodermales Nervensystem treten mit einander in Verbindung an dem Magenrohr, unter dessen Epithel in ähnlicher Weise wie an der Mundscheibe eine Nervenschicht liegt. Wie aus den mitgetheilten Ergebnissen hervorgeht, besteht bei den Actinien ein Nervensystem, welches nach zwei Richtungen ein allgemeineres Interesse beanspruchen darf. Erstens zeichnet sich dasselbe durch eine Einfachheit des Baues aus, wie sie bis jetzt in keiner andern Thierabtheilung beobachtet worden ist. Denn bei den Medusen, die hier allein noch in Frage kommen können, liegen schon insofern weiter entwickelte Zustände vor, als das Nervensystem am Schirmrand durch die Ausbildung eines besondern Nervenrings eine gewisse Centralisation gewonnen hat. Bei den Actinien dagegen ist das Nervensystem noch durchweg flächenartig ausgebreitet. Es steht diese Verschiedenheit in engstem Zusammen- hang mit der Differenzirung der Sinnesorgane. Bei den Actinien Sitzungsberichte. 93 ist die Sinnesempfindung ziemlich gleichmässig über grössere Stre- cken der Hautoberfläche vertheilt, in der Weise, dass vorzugsweise die Mundscheibe und die Tentakeln, dagegen weniger das Mauer- und Fussblatt reizbar sind. Besondere Seh-, Gehör- und Tast- organe werden vermisst. Bei den Medusen dagegen sind solche am Schirmrand in grösserer Anzahl entstanden und haben da- durch wohl in erster Linie mit die Entwicklung eines Nervenrings veranlasst. Ein zweiter Punkt von allgemeinerem Interesse ist darin gegeben, dass bei den Actinien zum ersten Male eine Be- theiligung des Entoderms an der Bildung des Nervensystems nach- gewiesen worden ist. 2) In derselben Sitzung hielt Herr Professor W. Müller einen Vortrag. über das Respirationsepithel der Wirbelthiere. 9, Sitzung am 18. Juli 1879. 1) Herr Prof. Dr. Eduard Strasburger sprach: Ueber ein zu Demonstrationen geeignetes Zelltheilungs- Objekt. Ein solches sind die Staubfädenhaare von Tradescantia virgi- nica L., besser noch diejenigen von Tradescantia elata Lodd. Diese Haare wurden schon im Jahre 1844 von Nägeli!), dann im Jahre 1849 von Hofmeister?), endlich im Jahre 1367 von Weiss®) zum Studium der Zelltheilung benutzt. Naegeli schilderte für diese Haare die direkte Theilung des „Kernbläschens“ durch eine Querwand in zwei Bläschen. Hofmeister giebt an, dass nach der Resorption der Mem- bran des Zellkerns, dessen Inhalt, hier in relativ auffälliger Weise, im Mittelpunkt der Zelle, als länglich-runde, membranlose Schleim- masse liegen bleibt. Diese Schleimmasse theilt sich hierauf in zwei kugelige Ballen, deren jeder einige Kernchen erhält und sich nach aussen mit einer Membran umgiebt. Zwischen beiden Zellkernen, oft nachdem sie sich ziemlich weit von einander entfernt haben, soll plötzlich die Scheidewand als zarte Linie auftreten. Diese Beschreibung entnimmt Vortragender Hofmeister’s 1) Zeitschrift f. wiss. Bot. Heft I, 1844, p. 67 und Heft IH, 1846, p. 102. 2) Enstehung des Embryo der Phanerogamen. 1849, p. 8. 3) Die Pflanzenhaare in Karsten’s Bot. Unters. Bd. I, p. 369, 94 Sitzungsberichte. bahnbrechendem Werke über die Entstehung des Embryo der Pha- nerogamen (p. 8) und dort finden sich auch auf Taf. XIV einige Stadien des in Frage stehenden Vorgangs abgebildet. Es hat neuerdings Treub mit Recht darauf hingewiesen, dass einige dieser alten Hofmeister’schen Figuren sich dem richtigen Sachverhalt be- deutend nähern; freilich aber nur die Abbildungen der Zustände nach vollendeter Kerntheilung. Vortragender selbst hatte die Haare der Tradescantia im Jahr 1875 zunächst nur an Alkohol-Material untersuchen können; die damals gemachten Wahrnehmungen erweckten aber in ihm bereits die Vermuthung, es würden diese Haare ein besonders günstiges Objekt für die unmittelbare Beobachtung der Zelltheilung abgeben. Daher empfahl Vortragender dieses Objekt dem Herrn Dr. de Lanessan aus Paris, als derselbe Anfang August 1877. nach Jena kam, um Zelltheilungen zu sehen. Die Kürze der Zeit, vor Schluss des Semesters, brachte es mit sich, dass Herr Dr. de La- nassan sich mit dem Studium von mit Osmiumsäure fixirter Präpa- rate begnügte. Dasselbe Objekt, unter anderen, empfahl nun Vortragender vor einigen Wochen auch Herrn Dr. Axel.N. Lundström aus Upsala, der sich hier rasch über Zelltheilung zu orientiren wünschte Zu- nächst wurden die frei aus der Mikropyle hervorwachsenden Sus- pensoren der Orchiskeime, welche Treubt) untersucht hatte, vor- genommen. Es zeigte sich aber bald, dass die Klarheit der er- haltenen Bilder in mancher Beziehung zu wünschen übrig lässt. Die Tradescantia- Haare erfüllten hingegen sofort alle Ansprüche, die man nur an ein Zelltheilungs-Objekt stellen kann. Der Kern bleibt im ganzen Verlauf seiner Theilung deutlich sichtbar, und lässt alle Stadien seiner Differenzirung deutlich er- kennen, ohne dass auch nur die Anwendung chemischer Reagen- tien nothwendig wäre. Vortragender stellte fest, dass in 1 °/, Zuckerlösung (Rohrzucker in destillirtem Wasser) die Haare sich besonders lange am Leben erhalten lassen. Ein Theil der Haare stirbt freilich schon bei der Uebertragung aus der Blüthenknospe in die Lösung, diejenigen Haare aber, welche diese Manipulation gut überstanden haben, können wohl an 12 Stunden in der Lösung funktionsfähig bleiben. Hingegen war die von Treub angewandte Salpeterlösung für die Tradescantia-Haare nicht anwendbar. Kerne in Theilung trifft man an hinreichend warmen Tagen ») Natuurk. Verh. des koninkl. Akademie deel XIX. 1878. Sitzungsberichte. 95 in den Tradescantia-Haaren, wenn man die Haare etwa 5 Mm. hohen Blüthenknospen entnimmt, wohl stets in Mehrzahl an. Vor- tragender führt die Beobachtungen in feuchten Kammern aus, und zwar dienen ihm als solche angefeuchtete Papprahmen. Auf das Deckglas wird ein Tropfen der Zuckerlösung gebracht und flach ausgebreitet, hierauf die ganzen Staubblätter aus der Blüthe be- freit und in die Zuckerlösung gebracht. Man muss dafür sorgen, ' dass die Haare in der Lösung untergetaucht werden. Das Deck- glas wird nun umgewendet und mit den Rändern auf den Papp- rahmen gelegt. In dem nunmehr suspendirten Tropfen kommt stets eine grössere Anzahl Haare so nahe dem Deckglas zu lie- gen, dass deren Studium selbst mit dem Immersionssystem I von Zeiss (550fache Vergrösserung mit Ocular 2) möglich ist. Da man auf Theilungszustände fast sicher rechnen kann, diese hier aber sehr leicht zu sehen sind, so empfiehlt sich das bezeich- nete Objekt ganz ausnehmend für Demonstrationen in Kursen und Vorlesungen. Auch empfiehlt Vortragender genanntes Objekt allen Denje- nigen, welche etwa noch geneigt wären, die von ihm entdeckten Kernbilder für durch Reagentien erzeugte Kunstprodukte zu hal- ten. Vortragender ist freilich der Meinung, dass eine solche An- nahme gleich durch seine erste Veröffentlichung ausgeschlossen war. Denn damals schon dienten die an lebenden Spirogyra- zellen gemachten Beobachtungen den mit Alkohol fixirten Bildern zur Kontrole. Seitdem haben sich die Beobachtungen an lebenden Thier- und Pflanzenzellen, welche die Theilungszustände der Kerne zeigen, hinlänglich gemehrt; immerhin dürften unter allen diesen Objekten die Tradescantia-Haare vielleicht das günstigste, jeden- falls in entsprechender Jahreszeit, das leichtest zu beschaffende sein. Es sind so viel Abbildungen von Kern- und Zelltheilungen bereits veröffentlicht worden, dass sich die Schilderung der Vor- gänge in den Tradescantia-Haaren auch ohne Figuren verständ- lich machen lässt. Die Zellkerne der noch theilungsfähigen Zellen der Trades- cantia-Haare haben im Ruhezustand einen Durchmesser von etwa 0,018 Mm. sind somit von ansehnlicher Grösse. Die Zellkerne der nicht mehr theilungsfähigen Zellen stehen ihnen etwas an Grösse nach. Es theilt sich vorwiegend die Endzelle, nicht selten auch die darauf folgende Zelle, relativ selten die vom Scheitel des Haares entfernteren Zellen. Das Protoplasma der Zellen führt nur feine Körnchen, nichts stört somit die Beobachtung, 96 Sitzungsberichte. Die Zellkerne erscheinen in ihrer ganzen Masse scharf und fein punktirt. In dieser Zeichnung möchte Vortragender den Aus- druck einer fein netzförmigen Struktur der Kerne, resp. einer ent- sprechenden Vertheilung von Kernsubstanz und Kernsaft erblicken. Die Kernoberfläche ist nur nach aussen, nicht nach innen scharf umschrieben, eine besondere Kernwandung daher nicht vorhanden, auch mit Reagentien nicht darzustellen. Nur selten lassen sich in dem lebenden Zellkerne grössere Körner erblicken. Solche, den Kernkörperchen an Gestalt gleichende Körner sind immerhin in jedem Kern vorhanden und treten in absterbenden oder mit Rea- gentien behandelten Kernen deutlich hervor. Durch Jodlösungen werden sie blau gefärbt und lassen sich somit als Stärkekörner erkennen. Uebrigens ist dieser Nachweis nicht eben leicht zu führen, weil die Färbung der Kernsubstanz diejenige der Stärke- körner verdeckt. Der zur Theilung sich anschickende Zellkern beginnt zunächst zu wachsen. Dabei nimmt sein Durchmesser, in der Richtung der Längsaxe der Zelle, oft fast bis auf das Doppelte zu. Eine Vergrösserung rechtwinkelig zur Längsaxe der Zelle ist nicht wohl möglich, da der Durchmesser des Zellkerns von An- fang an, meist mehr als zwei Drittel des Zelldurchmessers beträgt. Hat der Zellkern die bestimmte Länge erreicht, so werden Veränderungen in seinem Inhalte sichtbar und beginnt auch Zell- plasma sich an dessen beiden Polen anzusammeln. Bis zu diesem Augenblicke war der Zellkern fein und gleichförmig punktirt ge- blieben, nun wird er etwas grobkörniger und beginnen die Körner sich in Linien anzuordnen, welche, verschieden an Länge, in mehr oder weniger schräger Richtung und mit mehr oder weniger S-för- miger Krümmung, den Zellkern durchsetzen. Dabei geht die scharfe äussere Umgrenzung der Kerne verloren; die Stärkekörner im Innern werden aufgelöst. Von dem Beginn des Wachsthums bis zum Beginn der eben geschilderten Differenzirung pflegen 3—4 Stunden zu verlaufen. Die folgenden Stadien bis zur Ausbildung der Tochterzellkerne neh- men aber nicht viel mehr als zwei Stunden in Anspruch. Die Körner in den Streifen verschmelzen zunächst unter einander, wobei aber die Streifen noch ihre perlschnurförmige Kontur behalten. Dann beginnt ein seitliches Verschwimmen der Streifen gegen einander, so dass das Bild immer undeutlicher wird. Es ist das ein Sta- dium innerer Umlagerung, welche bei Behandlung mit chemischen Reagentien oft keulenförmig angeschwollene, unregelmässig inein- Sitzungsberichte. | 97 andergreifende Streifensysteme giebt (erinnernd an Fig. 16 Bot. Zeit. 1879, Taf. IV für Nothoscordum). Alsbald wird aber das Bild wieder schärfer und deutlicher in allen Einzelheiten. Mehr oder weniger zahlreiche Fäden durch- setzen nun in longitudinaler Richtung den Zellkern. Dieselben las- sen sich bis zu verschiedener Länge verfolgen und zeigen S-förmige Krümmungen. Sie entsprechen wohl dem Zustand Fig. 32 oder 33 (l. ec.) von Nothoscordum, nur dass hier, der longitudinalen Streckung des Zellkerns zur Folge, ihre Anordnung auch eine lon- gitudinale ist. Hierauf werden die Faden dicker und weniger zahlreich, und verändern ihre Anordnung ununterbrochen, was zu mannigfach wechselnden Bildern Veranlassung giebt. Alle diese Veränderun- gen werden übrigens so langsam ausgeführt, dass sie sich nicht direkt verfolgen lassen. Auf diesen Stadien erscheinen die Kerne im Aequator meist etwas eingeschnürt, und zwar weil die Fäden ihre Krümmungen vorwiegend bei dem Uebergang aus der einen Kernhälfte in die andere ausführen. Diese Krümmungen rufen auch öfters den Anschein hervor, als sei die eine Kernhälfte schon mehr oder weniger von der andern getrennt. Nun beginnen die Fäden sich gerade zu strecken. Der Vor- gang schreitet von der äquatorialen Gegend nach den Polen vor. An den Polen neigen die Fäden etwas zusammen. So entsteht die typische „Kernfigur“, die Vortragender als „Kerntonne“ be- zeichnet hat. Sie besteht aus einer relativ beschränkten Zahl ver- hältnissmässig dicker Fasern oder besser Stäbchen, welche, in mehr oder weniger vollständiger Continuität, von einem Pol der Tonne zum andern sich verfolgen lassen. Die Tonne ist im Verhältniss stark gestreckt, entsprechend den zuvorigen Längenmaassen des Kerns. An beiden Polen der Tonne hat sich die Ansammlung farblosen Zellplasmas jetzt besonders markirt. Hierauf wird die Durchbrechung der Kerntonne im Aequator vollzogen: zunächst an der Peripherie, später im Innern. Vor- tragender beobachtete wiederholt eine vorausgehende schwache An- schwellung der Kernstäbchen im Aequator, als wie eine Andeu- tung der Kernplatte. Die Stäbchen werden bei ihrer Durchbre- chung einfach eingeschnürt; die äusseren legen sich nunmehr an ihrer äquatorialen Seite etwas fächerförmig auseinander. Man erhält nun Bilder, welche, abgesehen von der etwas gestreckteren Form, mit den von Flemming dem Hautepithel der Salamandra- {| 98 Sitzungsberichte. Larven entnommenen Figuren 3a, 4f, 6 Taf. XVI!) völlig überein- stimmen. Es mögen nun 1!/, bis 2 Stunden seit dem Beginn der Streifen- bildung im gestreckten Zellkern verflossen sein. Der nunmehr folgende Vorgang bis zur Ausbildung der Cellulose-Membran ver- langt nur etwa 15 Minuten. Daher sind zum Zweck der Demon- stration besonders derartige bereits äquatorial gespaltene Tonnen zu wählen. Die beiden Tonnenhälften rücken auseinander, übrigens nicht an allen Punkten mit gleicher Schnelligkeit, so dass vornehmlich die mittleren Streifen nachgezogen werden. Der äquatoriale Um- riss der auseinanderweichenden Tonnenhälften ist somit nicht scharf, einzelne Stäbchen reichen noch bis zum Aequator, während andere von demselben schon stark zurückgetreten sind. Zwischen den auseinanderweichenden Stäbchenhälften verbleibt aber eine glashelle Substanz, welche im frischen Zustande ganz homogen erscheint, ebenso mit 1°/, Osmiumsäure homogen bleibt und sich nur bräunlich färbt, mit absolutem Alkohol oder 1°/, Chromsäure behandelt, aber die schönste Längsstreifung, wie die- selbe für die „Zellfäden‘“ bekannt ist, verräth. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese Substanz schon zuvor zwischen den Kernstäbchen vertreten war, denn man sieht die Stäbchen sich deutlich aus derselben zurückziehen. Somit wird aber dem Vortragenden die Annahme wieder nahe gelegt, die er im Anfang seiner Studien über Zelltheilung aussprach, dann aber glaubte modifieiren zu müssen ?), dass die Zellfäden zwischen den Schwesterkernen einer, in dem sich theilenden Zellkern vertretenen, resp. zuvor in denselben aufgenommenen Substanz ihre Entstehung verdanken ?). Bei der freien Zellbildung muss hingegen, zum Mindesten der grösste Theil der Zellfäden, sich aus dem die Zellkerne umgebenden Protoplasma differenzirt haben; denn wenn auch die Zellfäden, welche hier je zwei, dem letzten Theilungs- schnitt entstammende Schwesterkerne verbinden, noch von deren Theilung her entstammen könnten, so müssen doch die Verbin- 1) Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. XVI. 2) Bot. Zeitung. 1879. p. 277. 3) Vortragender bleibt nun trotzdem bei der Bezeichnung Zell- fäden für diese Fäden stehen, weil die frühere Bezeichnung Kernfäden zu Verwechslungen mit den an der Kernfigur sich betheiligenden Fäden Anlass giebt, ausserdem diese Fäden die Zelltheilung und nicht die Kerntheilung zu besorgen haben. Sitzungsberichte. 99 dungsfäden nach den anderen Kernen hin, neu hinzugekom- men sein. Gleich mit sichtbarwerden der farblosen Substanz (also der Zell- fäden) zwischen den auseinanderweichenden Tonnenhälften wird im Aequator derselben die aus einer einfachen Reihe dunkler Körn- chen gebildete Zellplatte sichtbar 1). Der Ursprung dieser Körn- chen ist, ihrer geringen Grösse wegen, bei Tradescantia nicht sicher zu ermitteln. Diese Körnchen verschmelzen nun seitlich rasch zu einer homogenen, zusammenhängenden Haut, die sich als die Cel- lulose-Haut zu erkennen giebt. Die farblose Substanz zwischen den Tonnenhälften nimmt zunächst nicht den ganzen Querschnitt der Zelle ein, sie zeigt nur den Querdurchmesser der Tonne, doch rasch weitet sie sich seitlich aus, alsbald den ganzen Querschnitt überspannend. Hierdurch wird das im Aequator der Zellfäden peripherisch angesammelte körnige Zellplasma verdrängt und deut- lich liegt die glashelle Substanz in Gestalt einer biconvexen Linse zwischen den beiden werdenden Schwesterkernen. Sie wird durch- setzt von der nunmehr scharf als schwarze Linie gezeichneten, an die Mutterzellwände im Umkreis ansetzenden Cellulose-Wand. Bei Anwendung von Alkohol oder 1°/, Chromsäure tritt immer noch die Streifung der glashellen Substanz auf, sowie Vortragender die- selbe in unzähligen Fällen schon abgebildet hat. Der direkte Nachweis der Zellfadenbildung aus dem Zellkern erhöht, da die Zellplatte fast ausnahmslos nur in den Zellfäden entstehen kann, die Bedeutung der Zellkerne für die Theilung pflanzlicher Zellen. Dass übrigens doch auch die Scheidewandbil- dung im Zellplasma direkt möglich ist, das zeigt der früher vom Vortragenden geschilderte Vorgang bei Spirogyra, sowie die vor- hin schon berührten Fälle der freien Zellbildung. Die Ausbildung der beiden Schwesterkerne schreitet bei Tra- descantia sehr rasch fort. Schon während des Auseinanderrückens verschmelzen die Stäbchen an ihrer Polseite, gleich nachher haben sie sich mit ihrer ganzen Länge aneinandergelegt und beginnen vollständig zu verschmelzen. Die der Anordnung dieser Stäbchen entsprechende Streifung bleibt noch etwa eine halbe Stunde lang, zuletzt nur noch in Spuren, sichtbar. Mit dem Schwinden der Streifung erhalten die jungen Kerne hingegen ein fleckiges Aus- sehen, das eine noch ungleichmässige Vertheilung von Kernsub- stanz und Kernsaft verräth, aber, nach einer weiteren Viertel- 1) Vergl. die Abbildung Bot. Zeitung 1879. Taf. IV Fig. 5. ER 100 Sitzungsberichte. stunde schon, der definitiven Vertheilung von Substanz und Saft, nämlich der scharfen, schwarzen Punktirung Platz macht. Die Kerne haben also spätestens drei Viertelstunden nach Beginn des Auseinanderweichens der Tonnenhälften, ihren definitiven Habitus wieder erlangt. Eine rückläufige Wiederholung der Differenzi- rungsvorgänge des Mutterkerns war in den Tochterkernen weder im frischen Zustande, noch mit Hilfe von Reagentien nachzuwei- sen. Auch nimmt die ganze Ausbildung der neuen Kerne eine halbe Stunde bis drei Viertelstunden in Anspruch, während die fortschreitenden Veränderungen im Mutterkerne drei Mal so lange andauern. Die jungen völlig differenzirten Kerne sind zunächst scharf ge- gen die glashelle, im lebenden Zustande, wie gesagt, völlig ho- mogen erscheinende Substanz der Zellfäden abgegrenzt. Es treten sogar einige kleine Vacuolen zwischen den jungen Kernen und die- ser Substanz auf; an den Stellen hingegen, wo der Zusammenhang erhalten blieb, sieht man die Kontur der Kerne alsbald wieder schwinden und deutlich die Aufnahme der Substanz der Zellfäden in die Zellkerne erfolgen. Hierbei pflanzt sich die fein punktirte Struktur der Zellkerne auf diese Substanz langsam fort, die Zell- kerne wachsen augenscheinlich und nähern sich auf diese Weise beiderseits der jungen Scheidewand. Erst wenn die Aufnahme der glashellen Substanz vollendet ist, erhält jeder der beiden Kerne wieder scharfe Konturen und zieht sich von der Scheidewand nach dem Innern der Zelle zurück. Es lässt sich also bei Tradescantia durch die unmittelbare Beobachtung feststellen, dass die Substanz der Zellfäden auch wie- der in die Zellkerne aufgenommen wird!). Die Zellkerne bedür- fen dieser Substanz aber nicht zu ihrer ersten Ausbildung, sie nehmen sie erst auf, wenn diese Ausbildung vollzogen. Hierauf treten auch wieder die den Kernkörperchen ähnlichen Stärkekörner in den Kernen auf. Der im Innern der Zelle gelegene, fertige Zellkern ist in rela- 1) Den Fall von Psilotum (Vergl. Bot. Zeitung 1879 8. 279) möchte somit Vortragender jetzt auch als Aufnahme fast allen Zell- protoplasma’s in den sich theilenden Zellkern auffassen, nicht aber als Eindringen des angrenzenden Zellplasma’s zwischen die Schwester- kerne zur Bildung der Zellfäden. Hiermit würde aber auch der Fall der rothen Blutzellen der Salamandra-Larve (vergl. Bot. Zeitung 1879 Sp. 286 Anm.), wo die Kernfigur die ganze Zelle einnimmt, aus seiner isolirten Lage heraustreten. Sitzungsberichte. 101 tiv nur wenig Protoplasma suspendirt. Nur im Scheitel der End- zelle befindet sich eine merkliche Plasmaansammlung. Zwei Mal gelang es Vortragendem einen Tochterkern, der der Scheitelzelle bei der Theilung zugefallen war, nach annähernd 8 Stunden in einer abermaligen Theilung anzutreffen, ein sicherer Beweis dafür, dass die Bedingungen, unter denen die Beobach- tungen hier angestellt wurden, nicht ungünstige waren. Was die Wirkung der Reagentien anbetrifft, so bewährten sich als solche vornehmlich Alkohol und 1°/, Chromsäure. Am wenig- sten verändert 1°/, Chromsäure die Objekte, was mit der von Flemming veröffentlichten Erfahrung übereinstimmt. Aber auch absoluter Alkohol ist, wenn er unmittelbar einwirken kann, sehr gut zu brauchen. Vortragender will übrigens einer brieflichen, an ihn gerichteten Bemerkung Flemming’s nicht widersprechen, dass gewisse Zustände stärker vom absoluten Alkohol affieirt werden als andere. Namentlich gilt dies für Zustände gleich nach voll- zogener Theilung der Kerntonne, wo der Alkohol meist ziemlich starke Kontraktionen hervorruft, eine stärkere Verschmelzung der Elemente veranlasst und sie stärker lichtbrechend macht. Die Pikrin- säure, welche Flemming für thierische Objekte so gut brauchen konnte, hat dem Vortragenden nur geringe Dienste bei seinen Untersuchungen geleistet. Zum Schluss kam Vortragender noch einmal eingehender auf die Anlage der Cellulose-Membran zu sprechen. Er sieht sich veranlasst seine frühere Ansicht, nach welcher in der Theilungs- ebene eine Hautschichtplatte sich bilden, sich spalten und in der Spaltungsfläche Cellulose ausscheiden soll, zu modificiren. Vor- tragender fand vielmehr jetzt, dass die Zellplatte zunächst nur aus kleinen Körnern, und zwar Stärkekörnern, besteht, diese Körner durch die Zellfäden von einander getrennt werden, dann aber seit- lich direkt zur Cellulose-Membran verschmelzen und nun erst zu beiden Seiten dieser Membran die Plasmakörper der beiden Zellen sich abgrenzen. Dass die kleinen, in nur einfacher Schicht zur Zellplatte an- geordneten Körnchen Stärkekörnchen sind, hätte Vortragender bei Tradescantia freilich nicht nachweisen können; bei so geringer Grösse wird die Reaktion derselben auf Jod vollständig durch die Färbung der Zellfäden verdeckt. Der Nachweis der Färbung ge- 102 Sitzungsberichte. lang ihm aber jetzt, wo er besondere Aufmerksamkeit derselben zuwandte, in den Zellplatten von Nothoscordum und auch in den Zellplatten, welche zu Beginn der freien Zellbildung im Endo- sperm der Phanerogamen zwischen den Kernen auftauchen. Ebenso konnte sich Vortragender überzeugen, dass an der Wandung der Spirogyren die Scheidewandbildung mit einer Ansammlung von Stärkekörnchen beginnt. In den Zellplatten bleibt der Nachweis der Stärke-Natur der Körnchen übrigens immer schwer, weil er stets durch die Reaktion des Protoplasma mehr oder weniger verdeckt wird, so dass die Zellplatte nur als eine dunkler gefärbte Schicht erscheint. Daher giebt denn auch neuerdings Hegelmaier an!), dass die fein- körnigen Trennungslinien bei beginnender Zellbildung im Embryo- sack sich nicht anders als wie das übrige Protoplasma gegen che- mische Reagentien verhalten. Auch Hanstein?) nennt die Theil- chen, die zur äquatorialen Trennungsschicht innerhalb der Zelle zusammengebracht werden: Protoplasmatheilchen. Vortragender kam auch erst dahin, die Körnchen in den Zell- platten auf Stärke zu untersuchen, als ihm die Stärkenatur der- selben auf Grund anderweitiger Erfahrungen, welche Anlage und Wachsthum der Cellulose- Membranen betreffen, und über welche er in nächster Zeit der Gesellschaft wird zu berichten die Ehre haben, wahrscheinlich wurde. Ueber die Herkunft der Stärkekörnchen in der Zellplatte von Tradescantia lassen sich trotz angestrengter Beobachtung sichere Anhaltepunkte nicht gewinnen. Die Körnchen sind zu klein und bilden die Zellplatte zu einer Zeit, wo die Kerntonnenhälften nur wenig auseinandergerückt sind, was die Beobachtung ihres Auftretens erschwert. Es bleibt damit für Tradescantia unent- schieden, ob die Körnchen der Zellplatte nach der Theilungsebene hingeführt werden oder innerhalb derselben entstehen. Das Ma- terial für dieselben Könnte aber in der, im ruhenden Kern selbst nachweisbaren Stärke gegeben sein. Vortragender hatte aber schon 1375 beobachtet®), dass bei der Zelltheilung von Spirogyra kleine Stärkekörnchen nach den 1!) Vergl. Unters. über Entwicklung dikotyledoner Keime. 1878 p- 92. 2) Szgsber. d. Niederrh. Ges. f. Natur- u. Heilkunde. Szg. vom 5. Mai 1879. Separatabdr. p. 12. %) Zellbildung und Zelltheilung. 1te Aufl. p. 39. Sitzungsberichte. 103 Orten der Scheidewandbildung durch Protoplasmaströme hingeführt werden. Neuerdings hat nun weiter Treub!) bei seinen schönen Un- tersuchungen über Zelltheilung, vornehmlich in den Integumenten der Samenknospen von Epipactis palustris direkt gesehen, dass leb- haft bewegte kleine Körnchen nach der Mitte zwischen die beiden Schwesterkerne wandern und sich hier zu einer transversalen Zell- platte anordnen. Treub stellte fest, dass die Bewegung der Körn- chen in beliebigen Richtungen stattfindet. Die Körnchen brauchen also nicht der Richtung der Zellfäden zu folgen, sie wandern zwi- schen denselben. Ueber die chemische Natur dieser Körnchen sprach sich Treub nicht aus. Die seitliche Verschmelzung der Körnchen zu der, mit Jod sich nicht mehr färbenden Cellulose-Membran geht bei Tradescantia, wie geschildert, ausserordentlich rasch von Statten. An anderen Objekten mag sie langsamer erfolgen, wie beispielsweise bei Nothos- cordum, wo man leicht fixirte Zustände mit isolirten Körnchen in der Zellplatte findet. Bei der freien Zellbildung im Embryo- sack von Myosurus mirimus geht hingegen die Verschmelzung wie- der so rasch vor sich, dass man selbst die noch blind im Proto- plasma endenden Scheidewände bereits von continuirlicher Cellulose- Membran gebildet findet. Diese jungen Membranen sind sehr stark quellbar und die jungen Zellen daher durch die Quellung dersel- ben auseinandergerückt, wobei man sich leicht überzeugen kann, dass sie auch bereits mit geschlossener Plasmaschicht gegen die gebildeten Membranen abgegrenzt sind. Die Cellulose-Membran geht also direkt aus den Stärkekörn- chen der Zellplatte hervor; in welcher Weise die Stärkekörner dann weiter zum Wachsthum der Membran verwerthet werden, darüber hält sich Vortragender spätere Mittheilungen vor. Es lag nun noch zu fragen nahe, ob nicht auch bei solchen thierischen Zellen, die sich durch Scheidewandbildung und nicht durch Einschnürung theilen, die Substanz der Scheidewand in einer bestimmten Form in der Theilungsfläche deponirt werde. In der That giebt nun Schleicher?) an, dass in den Kopfknorpel- Zellen der Batrachier-Larven die erste Anlage zur Bildung der Scheidewand durch eine längliche Reihe von feinen, neben einan- der liegenden Fädchen angedeutet wird. Diese Fädchen sollen nach 1) Besonders auf p. 18 des Separat-Abdruckes (l. c.) 2) Archiv f. mikr. Anat. Bd. XVI. p. 283. 104 Sitzungsberichte. Schleicher dem Protoplasma entstammen und die Richtung zur Mittelebene des Zellkörpers einschlagen !'), hier sollen sich neue Fäden an schon vorhandene anlegen und auf diese Weise eine doppelt contourirte Membran entstehen. Auch in den durch Einschnürung sich theilenden thierischen Zellen sind wiederholt schon, und zwar nur in der Region der Zellfäden, Andeutung von Zellplatten beobachtet worden, doch schien es, dass hier denselben, sowie auch den Zellfäden, eine Rolle bei der Theilung nicht zukommt. So soll beispielsweise in den Keimzellen von Blatta germanica, welche nach Bütschli?) be- sonders schön den Zellfäden-Complex zeigen, letzterer bei fort- schreitender Einschnürung des Zellleibes auch eingeschnürt werden. Ueberhaupt erreicht aber die Ausbildung der Zellfäden in den thierischen Zellen gegenüber den pflanzlichen, stets nur sehr be- scheidene Maasse. 2) Darauf machte Herr Professor Gutzeit Mittheilungen über seine Untersuchungen aus dem Gebiete der Pflanzenchemie. Dieselben betreffen: I. das Vorkommen freien Aethylalkohols und freien Methylalkohols im Pflanzenreiche), II. das Vorkommen von Aethylbutyrat in den Früch- ten von Heracleum, III. das Vorkommen von festen, den Paraffinen ange- hörigen Kohlenwasserstoffen derallgemeinen For- mel C"H?" im Pflanzenreiche, IV. das Vorkommen eines neuen, krystallisirten Kör- pers, des „Heraclins“, in den unreifen Früchten von Heracleum und Pastinaca. Der Vortragende knüpfte an die bereits früher von ihm publi- 1) So wenigstens glaubt Vortragender folgende Stelle bei Schlei- cher (l.c. p. 283) verstehen zu müssen: „Dass die Elemente zur Scheidewandbildung dem Protoplasma entlehnt werden, lassen uns Beobachtungen voraussetzen, in welchen wir amoeboiden, im Proto- plasma gelegenen Fädchen eine Richtung zur Mittelebene des Zell- körpers zuerkennen mussten.“ 2) Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle etc. 1876 (Abhandl. der Senkenb. naturf. Gesellsch. Bd. X.). Separatabdruck p. 19, Sitzungsberichte. 105 eirte Wahrnehmung an, dass Aethylalkohol in nicht gegohrenen Pflanzensäften vorkommt, eine Thatsache, die bis dahin noch un- bekannt gewesen war. G. fand diesen Alkohol, neben Methylal- kohol in ziemlich bedeutender Menge in den Destillationswässern der unreifen Früchte von Heracleum giganteum hort., Pastinaca sativa L. und Anthriscus Cerefolium Hoffm. und einen Aether dieses Al- kohols, den Buttersäureäther, in den niedrigst siedenden Antheilen des Heracleumöls. Dadurch hat G. nicht nur die Existenz von Aethylverbindungen im Pflanzenreiche mit Sicherheit überhaupt erwiesen, sondern gleichzeitig auch gezeigt, dass das Auftreten derselben keineswegs ein vereinzeltes sein wird, obwohl bis dahin, wenn auch Aether des Methyl-, Hexyl- und Octylalkohols, niemals aber Aether des Aethylalkohols im Pflanzenreiche aufgefunden worden waren. Diese letztere gewiss auffällige Thatsache war nach G. An- sicht nur durch die Annahme zu erklären, dass man früher ent- weder die wässerigen Antheile der Destillate überhaupt nicht untersucht hat oder aber zur Untersuchung nur ganz reife Früchte verwandte, welche nur sehr geringe Mengen der Aethylverbin- dung enthalten, und in der That sind die von ihm gefun- denen Resultate schon jetzt von anderer Seite bestä- tigt worden. Zweifelhaft war es aber noch geblieben, ob die Alkohole als solche ursprünglich schon in den Früchten existirten, oder ob sie erst aus ihren Aethern entstanden waren, deren Zersetzung durch die Einwirkung des siedenden Wassers bewirkt sein konnte, und zur Entscheidung dieser Frage hat G. nunmehr junge Heracleum- früchte einer wiederholten, mehrtägigen Maceration mit alkohol- freiem Aether unterworfen und die so erhaltenen Auszüge eingehend untersucht. Das auf sorgfältig ausgeführte Untersuchungen sich stützende Ergebniss ist, dass die wässerigen Antheile solcher Auszüge freien Aethylalkohol sowohl, als auch freien Methylalkohol ent- halten, und aus dieser Thatsache schliesst G., dass die jetzt ge- fundenen, wie auch die früher in den Destillationswässern auf- gefundenen Alkohole als solche schon in den unveränderten Früchten enthalten waren, dass also freier Aethylalkohol sowohl, als auch freier Methylalkohol im Pflanzen- reiche vorkommt. Die Bildung dieser Alkohole betreffend äusserte G.: „In der Erwägung, dass der Sauerstoff-Zutritt in das Innere der lebenden 106 Sitzungsberichte. Pflanzen nothwendig ein beschränkter sein muss, sei hier an die von Pasteur ausgesprochene Ansicht erinnert, dass, wenn über- haupt Pflanzen in einer Kohlensäure-Atmosphäre ohne Sauerstoff leben könnten, sie sich wie Alkoholhefe verhalten würden, eine Annahme, die sich bekanntlich auf die Untersuchungen von Le- chartier und Bellamy gründete, nach welchen in Früchten sowohl, als auch in Wurzeln und Blättern, wenn sie in eine sauer- stofffreie Atmosphäre gebracht werden, Kohlensäure-Entwickelung und Bildung von Alkohol stattfinden soll, ohne dass Alkoholhefe in den Geweben auftritt. Müntz, der ebenfalls in Bezug darauf Versuche angestellt hat und zwar nicht nur mit einzelnen abge- lösten Pflanzentheilen, sondern auch mit ganzen, aus ihrem Nähr- boden nicht entfernten Pflanzen, hat es nun vollkommen bestätigt gefunden, dass die lebenden Zellen der höheren Pflanzen auch in einer sauerstofffreien Atmosphäre, im Stickstoff, functioniren, und dass sie alsdann eine wirkliche alkoholische Gährung hervor- rufen. Er berichtet von Alkoholmengen, die zwei Tausendstel des Gewichtes der Pflanzen erreichten und überschritten.“ „In Hinblick darauf könnte die Vermuthung auftauchen, dass auch der von mir in Pflanzentheilen gefundene Alkohol sich viel- leicht erst nach dem Einsammeln der Früchte in ähnlicher Weise gebildet habe, und deshalb will ich noch die Thatsache ganz be- sonders hervorheben, dass bei meinen früheren Untersuchungen sowohl, als auch bei der jetzt mitgetheilten das Einsammeln der Früchte, sowie das Entfernen von den Stielen durch viele fleissige Hände besorgt worden ist, und dass die — also rasch gesam- melten — Früchte früher sofort mit Wasser der Destilla- tion unterworfen, jetzt sofort mit Aether übergossen worden sind; dass mithin nach beiden Untersuchungsmethoden eine nachträgliche Funktion der Zellen ausgeschlos- sen war. Ausserdem aber hätte sich im andern Falle nach der jetzt gewählten Methode, bei welcher die Früchte mehrere Tage mit dem Extractionsmittel in Berührung waren, eine viel grössere Menge Alkohol ergeben müssen als früher, während doch der Alkoholgehalt ziemlich übereinstimmend gefunden wurde. Wenn es übrigens richtig ist, dass im Organismus der Oxy- dationsprozess erst als das Secundäre, die Stofizersetzung dagegen als das Primäre anzusehen ist, eine Ansicht, die sich bekanntlich für den Stoffzerfall im Thierkörper schon seit längerer Zeit ein- gebürgert hat und für denjenigen im pflanzlichen Organismus kürzlich von Pfeffer wahrscheinlich gemacht ist; wenn also das Sitzungsberichte. 107 Fehlen oder Vorhandensein des Sauerstoffs nur für die Endpro- dukte von Bedeutung sein kann und somit die Annahme Pfeffer’s zulässig erscheint, dass die von den genannten Forschern beobach- tete Alkoholbildung nicht bei Sauerstoff-Abschluss erst begonnen, resp. bei Sauerstoff-Zutritt wieder aufgehört habe, dass dieselbe vielmehr bedingt sei durch die in den lebenden Zellen fortwäh- rend erfolgenden molekularen Umlagerungen: so ist dann nach meiner Ansicht auch der Schluss berechtigt, dass es von den in Wechselwirkung tretenden Mengen des gebildeten Alko- hols einerseits und des aufgenommenen Sauerstoffs andererseits abhängig sein muss, ob in den betreffenden Pflanzentheilen auch bei Zutritt von Sauerstoff Alkohol sich ansammeln kann oder nicht.“ Die Untersuchung des ätherischen Antheils der erhaltenen Auszüge ergab erstens Bestätigung der Anwesenheit von Aethyl- butyrat in den niedrigst siedenden Antheilen des Heracleumöls. — Die beidem Extractionsverfahren erhaltene Menge dieses Aethers war ebenfalls annähernd derjenigen gleich, welche G. früher bei der Destillation der unreifen Früchte mit Wasser erhalten hatte. — Zweitens lieferte dieselbe den sicheren Nachweis des Vor- kommens fester, den Paraffinen angehöriger Kohlen- wasserstoffe von der allgemeinen Formel C’H?* im Pflanzen- reiche, und drittens führte sie zur Entdeckung eines krystalli- sirten Körpers, der sich als neu erweist, und zwar ist es ge- lungen, die Paraffine sowohl, als auch den neuen Körper, das „Heraclin“, ausser in den jungen Früchten von Heracleum gigan- teum hort. nicht nur in den jungen Früchten von Heracleum Sphondylium L. ebenfalls, sondern auch in solchen von Pastinaca sativa L. aufzufinden. Das Heraclin ist eine geruch- und geschmacklose, stickstoff- freie Substanz von der empirischen Formel 032H220!°, schmilzt bei nahe 185°C. und krystallisirt aus alkoholischer Lösung in sternförmig gruppirten, seidenartig glänzenden Nadeln, die völlig weiss aussehen, sich aber durch Einwirkung des Lichtes allmäh- lich gelb färben. Es ist indifferent gegen Lackmusfarbstoff, löst sich nicht in Wasser, leicht dagegen in Chloroform, ziemlich schwer in Aether, besonders in kaltem, in 1200 Theilen kaltem Schwefel- kohlenstoff, in 400 Theilen siedendem Schwefelkohlenstoff, in 700 Theilen kaltem absoluten Alkohol und in 60 Theilen siedendem absoluten Alkohol. Mit concentrirter Schwefelsäure übergossen 108 Sitzungsberichte. gibt es eine tiefgoldgelbe Lösung und wird aus dieser Lösung durch Wasser anscheinend unverändert wieder abgeschieden. Ueber sonstige Eigenschaften desselben, sowie über seine Consti- tution hofft G. durch weitere Untersuchungen Aufschluss zu erhalten. Besonders hervorzuheben ist ferner noch erstens, dass die Untersuchungen einen bestimmten Zusammenhang zwischen der grösseren oder geringeren Reife der Früchte einerseits und der Menge der flüchtigen Bestandtheile, resp. der Menge von Aethyl- alkohol und Methylalkohol andererseits ergeben haben, eine That- sache, die von Wichtigkeit für die Pflanzenphysiologie erscheint, und zweitens dass der Vortragende nicht nur Mittheilungen über die Resultate der Untersuchung, sondern auch genaue Angaben über die angewandte Methode gemacht hat, deren Anwen- dung voraussichtlich noch zu Entdeckungen ähnlicher Art führen wird. Das Nähere über diesen Vortrag findet sich im 1. Supplement- Heft des XIII. Bandes der Jenaischen Zeitschrift für Naturwissen- schaft. Seite 1. 3) In derselben Sitzung hielt Herr Professor Haeckel einen Vortrag Ueber die Organisation und Classifieation der Trachymedusen. Die Ordnung der Trachymedusen umfasst alle Craspe- doten, deren Geschlechtsdrüsen im Verlaufe der Ra- dial-Canäle liegen und deren Gehörorgane marginale Hörkölbchen mit entodermalen Otolithen-Zellen sind. Das erstere Merkmal theilen sie mit den Leptomedusen, das letz- tere mit den Narcomedusen; aber die Leptomedusen unterschei- den sich durch velare Hörbläschen mit exodermalen Otolithen- Zellen, und die Narcomedusen durch die Lage der Geschlechts- Organe in der unteren Magenwand. Die characteristischen, mit Hörhaaren besetzten „Hörkölbchen“ stehen bei den niederen und älteren Formen frei am Schirmrande, während sie bei den höher ertwickelten und phyletisch jüngeren Formen in „Rand- bläschen“ eingeschlossen werden. Bisweilen sind diese selbst in die Gallerte des Schirmrandes eingesenkt. Die Zahl der Ra- dial-Canäle beträgt bei den ersteren meist 4, bei den letzteren häufig 6 oder 8, niemals mehr; oft finden sich zwischen den Ra- dial-Canälen blinde Centripetal-Canäle. Die Tentakeln sind ur- sprünglich stets solid und steif, werden aber später oft durch hohle ersetzt. Die Ontogenese ist, soweit bis jetzt bekannt, Sitzungsberichte. 109 stets „direete Entwicklung“, ohne Generationswechsel. Die Ord- nung der Trachymedusen zerfällt in die 4 Familien der Petasiden, Trachynemiden, Aglauriden und Geryoniden, letztere beide mit Magenstiel, erstere ohne denselben. I. Familie: Petasidae: 4 Radial-Canäle und 4 bläschenför- mige oder leistenförmige Gonaden; kein Magenstiel; Hörkölbchen meistens frei am Schirmrande. Genera: Petasus. Dipetasus. Petasata. Petachnum. Aglauropsis. Gossea. Olindias. II. Familie: Trachynemidae: 8 Radial-Canäle und 8 bläs- . chenförmige oder sackförmige Gonaden; kein Magenstiel; Hör- kölbchen meistens in Randbläschen eingeschlossen. Genera Trachynema. Marmanema. Rhopalonema. Pectyllis. Pectis. Pectanthis. III. Familie: Aglauridae: 8 Radial-Canäle und 8 sackför- mige Gonaden; Magen am Ende eines freien Magenstiels befestigt; 4 oder 8 freie Hörkölbchen am Schirmrande. Genera: Aglantha. Aglaura. Agliscra. Stauraglaura. Persa. IV. Familie: Geryonidae: 4 oder 6 Radial-Canäle und 4 oder 6 blattförmige Gonaden. Magen am Ende eines freien Ma- genstiels befestigt. Hörkölbchen 8 oder 12, in Randbläschen ein- geschlossen und mit diesen in die Gallerte des Schirmrandes ver- senkt. Genera: Liriantha. Liriope. Glossoconus. Glossocodon. Geryones. Geryonia. Carmaris. Carmarina. 10. Sitzung am 1. August 1879. 1) Herr Prof. Abbe sprach über ein stereoscopisches Ocular. 2) Sodann theilte Herr Professor R. Hertwig Beobachtun- gen mit Ueber die Geschlechtsorgane der Actinien. Dieselben wurden vernehmlich an zwei Arten, der Sagartia parasitica und dem Cerianthus membranaceus, gewonnen. Wie schon durch frühere Untersuchungen bekannt ist, sind die meisten Acti- nien, unter ihnen auch die Sagartia parasitica, getrennt ge- schlechtlich. Die Geschlechtsprodukte entstehen in den Septen und bilden quergefaltete Bänder, die von den Mesenterialfilamen- ten und den muskelstarken Partieen der Septen durch dünne, mus- 110 Sitzungsberichte. kelschwache Stellen der Scheidewände getrennt werden. Jedes Band besteht aus denselben 3 Schichten, welche an den Septen un- terschieden werden müssen, einer mesodermalen Stützlamelle und zwei entodermalen Epithelschichten. In letzteren fehlen die an an- deren Orten vorhandenen longitudinalen und transversalen Mus- keln; in der stark verdickten Stützlamelle liegen die heranreifen- den Geschlechtszellen, die Eier einzeln, die Spermatoblasten zu Fol- likeln vereint, so dicht bei einander, dass von der bindegewebigen Grundsubstanz nur dünne Scheidewände, in denen ab und zu ein Bindegewebskörperchen nachweisbar ist, übrig bleiben. Die Eier sind in queren Reihen gestellt, von denen immer nur eine auf die Dicke des Septum kömmt; sie ragen nach beiden Seiten in die Epithelschicht hervor deren Oberfläche hervorwölbend, bleiben aber von ihr durch die bindegewebige Umhüllung der Stütz- lamelle getrennt. Das Keimbläschen befindet sich in einem der hervorgewölbten Enden des Eies, bald auf der einen, bald auf der anderen Seite des Septum. An dem durch das Keimbläschen gekennzeichneten Pole des Eies ist die bindegewebige Umhüllung eine kleine Strecke weit unterbrochen und hier verbindet sich mit dem Dotter ein besonderer Körper, der „Fadenapparat“; der- selbe ist kegelförmig oder wie der Hals einer Flasche gestaltet, sitzt auf dem Eie mit breiter Basis auf und dringt mit seinem spitzen Ende bis an die Oberfläche des Epithels vor, welche von ihm nabelartig eingezogen wird; er besteht aus feinen wahrschein- lich protoplasmatischen Fäden , die von der Kegelbasis zur Spitze verlaufen, keine eigenen Kerne besitzen und daher nur als Theile der Eizelle selbst angesehen werden können, von welchen sie dem- gemäss auch nicht durch die bindegewebige Umhüllung getrennt werden. Der Fadenapparat dient vielleicht zur Ernährung der Eizelle und würde dann der Grund der streifigen Structur seines Protoplasma in den Nahrungsströmen zu suchen sein, die, ihn stets in gleicher Richtung durchfliessend, einen bestimmenden Einfluss auf die Anordnung seiner feinsten Theilchen gewonnen haben. Die jüngsten Eier liegen noch nicht in der Stützlamelle, son- dern noch in dem Epithel selbst als kleine rundliche Körper, welche die Basen der Epithelzellen auseinander drängen und sich von diesen Zellen auf Carminosmiumpräparaten durch ihre stärkere Färbung und ihren grössern Kern unterscheiden; erst später, wenn sie an Grösse zunehmen, rücken sie in die Tiefe und werden Sitzungsberichte. 111 vom Bindegewebe umhüllt. Die Eier stammen somit aus dem Entoderm. Bei männlichen Thieren finden sich an Stelle der Eier in der Stützlamelle Hodenfollikel, grosse Zellenhaufen, die nach dem einen Ende spitz ausgezogen sind und mit demselben fast die Oberfläche des Epithels erreichen. Die Peripherie der Folli- kel wird von Spermatozoen-Mutterzellen, die centralen Partieen von reifen Spermatozoen eingenommen; letztere sind reihenweise angeordnet und verursachen durch ihre gleich gerichteten Schwänze ein faseriges Aussehen des Follikelinhalts. Alle Reihen convergiren nach dem erwähnten Ende des Follikels, welches in das Epithel vorgeschoben ist und das wahrscheinlich bei der völligen Reife des Samens platzt. Einige allerdings fragmentarische Beobach- tungen machten es wahrscheinlich, dass auch die männlichen Ge- schlechtsorgane aus dem Entoderm stammen. Die in zweiter Linie untersuchte Art, der Cerianthus membranaceus ist schon von J. Haime als Zwitter erkannt worden. In jedem Septum liegen, eingeschlossen in die hier äus- serst zellenarme Stützsubstanz, Eier und Hodenfollikel bunt durch- einander, bei jungen Thieren auf den verschiedensten Stufen der Entwickelung. Die kleinsten Eier sind auch hier noch im Epithel selbst enthalten. Der für zwei Arten der Zoantharien geführte Beweis, dass die Geschlechtsproducte anfänglich in dem Entoderm liegen und erst später in das Mesoderm gerathen, ist um so über- raschender als in einem früheren Vortrag (Sitzungsberichte für das Jahr 1878 S. 20) dargethan worden war, dass sie bei den Hydro- medusen im Ektoderm entstehen und in demselben verbleiben. Daraus geht hervor, dass die Entwicklung der Geschlechtsorgane in der Thierreihe an kein bestimmtes Keimblatt gebunden ist, wie man vielfach angenommen hat. 3) In derselben Sitzung hielt Herr Professor Frommann den folgenden Vortrag: Ueber Bildung der Stärkekörner und Zusammensetzung der Zellmembran. In der Sitzung vom 21‘ Februar hatte der Vortragende mit- getheilt, dass er bei Untersuchung der Epidermiszellen und der Parenchymzellen der Blätter von Dracaena und von Rhododendron pontic. eine fädige, netzförmige Struktur sowohl am Protoplasma 112 Sitzungsberichte. als an den Kernen und den Chlorophylikörpern nachweisen konnte und dass die Netzfäden des Protoplasma nicht nur mit denen der Kerne und der Chlorophylikörper zusammenhängen, sondern dass auch benachbarte Zellen durch Fäden oder durch feine Netzstrei- fen verbunden sind, welche durch Lücken und Spalten der Mem- bran von einer Zelle zur andern herübertreten. Diese Befunde forderten zur Untersuchung der Beziehungen der Netzfäden zur Zellmembran wie ihres Verhaltens bei Bildung der Stärke- körner auf und in ersterer Beziehung ergab sich, dass an Schnit- ten senkrecht zum grössten Durchmesser der Epidermiszellen zahlreiche Fäden sichtbar waren, welche von den wandständigen Schichten des Protoplasma abtretend sich in die Membran ein- senkten, in derselben bald verschwanden oder noch eine kurze Strecke weit mit abnehmender Deutlichkeit verfolgt werden konn- ten. An Schnitten, die in der Richtung des langen Durchmessers der Zellen geführt worden sind, erschienen die wandständigen Protoplasmaschichten nach der Membran zu begrenzt durch einen langen, fortlaufenden, geradlinigen Faden, der durch die Summe der Fäden gebildet wird, welche die terminale Maschenreihe nach Aussen hin abschliessen. Beim Wechsel der Einstellung treten ähnliche, höher und tiefer liegende Grenzfäden hervor, wäh- rend natürlich die Fäden, welche an Querschnitten die Proto- plasmagrenze bilden, nicht gesehen werden können, sondern nur die Knotenpunkte, in denen sie sich mit den ersteren verbinden. Die Grenzfäden liegen der Membran bald sehr dicht an, bald sind sie von derselben durch einen sehr schmalen Spalt getrennt und in diesem Fall bemerkt man an ihnen einen Besatz mit einer Reihe dicht gestellter, kurzer und feiner fädiger Fort- sätze, welche den Spalt durchsetzend sich in die Membran ein- senken. Der Uebertritt von Protoplasmafäden in die Membran ist mithin in der ganzen Ausdehnung der wandständigen Protoplas- maschichten, an Quer- wie an Längsschnitten, nachzuweisen. Die weitere Untersuchung ergab aber, dass Fäden und Netze auch in die Struktur der Cutikularlamellen und der Cutikula selbst ein- sehen können, indem kleine Bündel paralleler oder etwas diver- sirender Fäden beobachtet wurden, die von den Protoplasmanet- zen senkrecht oder schräg zur Oberfläche aufsteigend sich bis zur Mitte der Cutikularlamellen oder selbst bis zur Grenze der Cuti- kula verfolgen lassen, während zwischen den Cutikularlamellen hie und da nach allen Seiten vollkommen abgeschlossene, wie se- guestrirte, Netzlamellen vortreten, deren Fäden nach auf- und Sitzungsberichte. 113 abwärts wie nach den Seiten sich in die sonst homogene Sub- stanz der Cutikularlamellen einsenken und in ihr verschwinden. Bei Rhododendron (ebenso bei Aloe arboresc.) waren inselförmig eingestreute Netzlamellen auch in der Cutikula an Querschnitten wie bei Flächenansichten nachzuweisen, die sich aus einer dop- pelten bis 3fachen Netzlage zusammensetzten, der Oberfläche der Cutikularlamellen unmittelbar auflagen und deren Fäden sich theils in die letzteren, theils im Umfang der Netzinseln in die Cuti- kula einsenkten. Die Netzfäden glichen nach Stärke und Aussehen, die Maschen nach Form und Weite vollkommen denen des Proto- plasmas und da der Uebertritt von Fäden des letzteren in die Membran sich direkt wahrnehmen liess, konnte es kaum zweifel- haft sein, dass es sich um Netzabschnitte handele, die bei der Membranbildung ausgespart worden waren. In ihrer bei Weitem grössten Ausdehnung hat die Cutikula ein feingranulirtes Aus- sehen mit vereinzelt eingestreuten kurzen, hie und da auch län- geren feinen, glatten oder gekörnten Fäden. Den Vorgängen, welche zur Membranbildung führen, sind wahrscheinlich die analog, welche die Umwandlung einzelner Netz- abschnitte des Protoplasma zu derben, strahlig ausgreifenden Kno- tenpunkten wie zu homogenen glänzenden Balken und Platten be- wirkt haben, die mit den Netzfäden zusammenhängend in die Netze eingeschlossen oder als sichel- oder halbmondförmige com- pakte Massen ihnen angelagert, mit der Membran verschmolzen oder von ihr durch einen Netzstreif getrennt sind und in ihrem Innern nur vereinzelte Körnchen und Fäden erkennen lassen. Durch die fortschreitende Solidifikation der Netze kann der Zell- raum sehr beträchtlich verengert werden. In Betreff des Verhaltens der Netzfäden bei Entwicklung der Stärkekörner wurden zunächst die Chlorophylikörper von Aloe untersucht. Im Innern derselben fanden sich einzeln oder zu mehreren runde weisse oder sehr schwachgelb gefärbte Körper vom einfachen oder doppelten Durchmesser eines Kernkörperchens, deren Inneres homogen war oder unbestimmt contourirte blasse Körnchen und kurze Fäden einschloss und die auf Jodbehandlung eine licht- oder dunkelblaue oder violette Färbung annahmen. Von ihren nicht scharfen, meist etwas körnigen Contouren gehen häufig Fäden ab, die in Knotenpunkte der umgebenden Netze auslaufen. Wo mehrere solcher Stärkekörner sich in einem Chlo- rophylikörper befinden, sind die zwischen ihnen befindlichen Fä- den und Knotenpunkte der Netze häufig nicht mehr scharf con- 8 114 ‚Sitzungsberichte. tourirt und etwas entfärbt. Mit Umwandlung der Substanz der Netzfäden zu Stärke schien bei einem Theil derselben gleichzeitig eine Quellung derselben und der Knotenpunkte eingetreten zu sein, in Folge deren ihr Lichtbrechungsvermögen vermindert worden war und, ihre Contouren an Deutlichkeit abgenommen hatten. In anderen durch Jod lichtviolett gefärbten Chlorophylikörpern waren die Netzfäden sämmtlich oder zum grössten Theil und ebenso die die Maschen ausfüllende Substanz durch Jod gefärbt und nur die Randfäden ungefärbt geblieben. In einer ziemlich beträchtlichen Zahl von Chlorophylikörpern war der Stärkebildung eine Umbil- dung der Netze vorausgegangen, indem verbundene und gleichge- richtete, von einem Pol zum andern ziehende Fäden zunächst in ihrer ganzen Ausdehnung etwas an Stärke zugenommen hatten, dann aber war das weitere Dickenwachsthum auf einzelne Stellen beschränkt geblieben, die in Form spindelförmiger oder ovaler, homogener Auftreibungen vortraten und bei weiterem Wachsthum sich zu prismatischen sichel- oder linsenförmigen Körpern umbil- den, die ihre Verbindungen mit den feineren Netzfäden lösen, so dass sie nur noch mit dem verdickten Faden zusammenhängen, aus welchem sie sich entwickelt hatten, oder sich auch von die- sem abschnüren, so dass sie schliesslich frei in Vakuolen des zer- klüfteten Chlorophylikörpers eingebettet sind. Während ihres Wachsthums vollzieht sich an ihnen die Umwandlung in Stärke und gleichzeitig blasst ihre Färbung mehr und mehr ab, bis sie schliesslich rein weiss aussehen. Die gleichen Vorgänge lassen sich an den Fäden gefärbter Protoplasmanetze verfolgen. — In den Chlorophylikörpern der Blattzellen von Cereus specios. ging die Stärkebildung nur von einzelnen umschriebenen Netzabschnit- ten aus, welche dieselbe Grösse und Form wie bei Aloe besassen oder einen verhältnissmässig grossen Theil des Inhalts der Chlo- rophylikörper einnahmen. Die jüngeren Stärkekörner besitzen noch ein grünliches Aussehen, lassen eine netzförmige Struktur noch ziemlich deutlich erkennen und werden durch Jod nur leicht violett gefärbt, die älteren sind wenig gefärbt oder rein weiss, undeut- lich granulirt oder ganz homogen und werden durch Jod sehr dunkel gefärbt. In grösseren Stärkekörnern finden sich nament- lich an den Randpartien, aber auch in ihrem Inneren Fäden, de- ren Umwandlung weniger weit vorgeschritten ist und die nach Jodbehandlung innerhalb der dunkler gefärbten Masse, welche weitere Differenzirungen nicht erkennen lässt, durch ihre lichtere Färbung deutlicher vortreten als ohne Jodbehandlung. Die Stär- ee 0 \ Sitzungsberichte. 115 kekörner werden umsponnen und mit einander verbunden durch gefärbte Netzfäden und von den umspinnenden Fäden ist ein Theil nicht unbeträchtlich verdickt, so dass sie wie Reife und Spangen vortreten, die einen Theil a Oberfläche des Stärkekorns umfas- sen und ner einander durch feinere Fäden zusammenhängen. Ein ganz analoges Verhalten zeigen die in gefärbten Netzschichten des Protoplasmas sich entwickelnden Stärkekörner, während in unge- färbten Netzschichten der Anhaltepunkt fehlt, de in gefärbten die zunehmende Entfärbung für die fortschreitende Stärkebildung bietet, so dass abgesehen von der Färbung durch Jod die besidnände Stär- kebildung nur an der Schwellung und undeutlichen Contourirung der Fäden und Knotenpunkte kenntlich ist. Die Oberfläche gTÖS- serer Körner wird auch hier von Netzen umstrickt, deren Fäden zum Theil beträchtlich verdickt sind. Neben umschriebenen Stärke- körnern finden sich innerhalb des ungefärbten Protoplasmas Netz- streifen an denen die beginnende Stärkebildung nur durch die Jod- färbung nachweisbar ist, wo die Veränderungen in Betreff der Dicke und des Brechungsvermögens der Fäden zu gering sind um wahrge- nommen zu werden, während nach Jodeinwirkung die bereffinieh Netzabschnitte ein licht violettes Aussehen angenommen haben und die einzelnen Fäden und Knotenpunkte noch ziemlich deutlich un- terschieden werden können. Die Kerne werden von grösseren und kleineren ziemlich dicht aneinander gelagerten Stärkekörnern häufig kranzartig umschlossen, einzelne der letzteren liegen aber nur zum Theil ausserhalb, zum Theil dagegen innerhalb des Kerns, so dass auch in dieser Beziehung die Netze des Kerns sich von denen des Protoplasma nicht scharf sondern lassen. Einzelne kleinere Stärkekörner sind ganz in den Kern eingeschlossen, be- sitzen einen matten Glanz, ihre Netzfäden sind undeutlich gEewor- den oder nicht mehr sichtbar und in ein Paar Fällen hatte auch das Kernkörperchen ein mattweisses Aussehen angenommen, ver- waschene Contouren und färbte sich durch Jod violett. Es können mithin aus gefärbten und nicht gefärbten Proto- plasmanetzen, aus den Netzen der Chlorophylikörper, der Kerne und der Kernkörperchen sich Stärkekörner unter Anfangs geringer, später zunehmender Quellung und Undeutlichwerden der Netzfä- den entwickeln. Zur Wahrnehmung der mitgetheilten Struktur- verhältnisse ist eine 900fache Vergrösserung erforderlich. g* 116 Sitzungsberichte. 11. Sitzung am 7. November 1879. 1) Herr Prof. Preyer legt eine Mittheilung des Herrn Dr. E. Valaoritis über die Eibildung beim Landsala- mander vor, aus welcher sich ergiebt, dass der Verfasser die jüngsten Eier für ausgewanderte farblose Blutkörperchen (Leu- kocyten) hält und zwar auf Grund von Untersuchungen, welche er demnächst ausführlich zu veröffentlichen gedenkt. 2) Sodann sprach Herr Prof. R. Hertwig: Ueber die Geschlechtsorgane der Coelenteraten und ihre systematische Bedeutung. Durch frühere Untersuchungen (vergl. Sitzungsber. für 1878 S.20 und 1879 S. 109) war der Nachweis geführt worden, dass bei den Coelenteraten die Geschlechtsprodukte aus verschiedenen Körperschichten stammen, bei den craspedoten Medusen aus dem Ektoderm und bei den Actinien aus dem Entoderm. Dies regte zur Frage an, wie sich in dieser Beziehung die übrigen Coelen- teraten verhalten, vornehmlich die Acraspeden und die Ctenopho- ren, während von einer Bearbeitung der Alcyonarien und Spongien Abstand genommen werden konnte, weil erstere den Actinien sich auf's Engste anschliessen, letztere aber den mit Nesselkapseln ver- sehenen Coelenteraten sehr fern stehen. Von den Acraspeden wur- den Charybdea marsupialis, Pelagia noctiluca und Craterolophus Tethys (Lucernaria Leuckarti) beobachtet. 1. Die an Charybdea marsupialis gewonnenen Befunde führten zu einer Bestätigung der Angaben von Claus. Die Ova- rien — es standen dem Vortragenden nur weibliche Thiere zu Ge- bote — liegen als 8 dünne Lamellen in den 4 Radialtaschen, die durch dünne Scheidewände getrennt vom Magen bis zum Beginn des Pseudovelum reichen. Die Lamellen sind längs der Scheide- wände befestigt und ragen im Uebrigen frei in den coelenterischen Raum hinein; zwei, welche von einer gemeinsamen Scheidewand entspringen und verschiedenen Magentaschen angehören, bilden ein Paar. An jeder Ovariallamelle kann man unterscheiden: 1. eine Sitzungsberichte. 1 Stützlamelle und 2. zwei entodermale Epithelschichten, die am freien Rand der Lamelle in einander übergehen, an der Basis da- gegen sich in das Epithel der Radialtasche fortsetzen. Die Eier liegen im reifen Zustand wie bei den Actinien in der Stützlamelle, auf dem Querschnitt gesehen in zwei Reihen nebeneinander, ge- trennt durch dünne Scheidewände, die Ueberreste der durch die Entwicklung der Eier rarificirten Stützlamelle. Die jüngsten Ei- keime finden sich dagegen im Epithel, ohne die Oberfläche des- selben zu erreichen; je mehr sie an Grösse zunehmen, um so mehr wachsen sie in die Stützlamelle hinein, so dass die Beobach- tung neben einander gelegener Entwicklungsstadien zu dem Re- sultate führt, dass die Eier im entodermalen Epithel entstehen und erst secundär in die Stützlamelle gerathen. Dem gemäss sind bei jungen Thieren, wie Claus beobachtet hat, sämmtliche Ei- zellen noch entodermal. Der Gedanke an eine Ableitung der Ge- schlechtsprodukte aus dem Ektoderm scheint dadurch ausgeschlos- sen, dass sich zwischen die Ovariallamellen und das Ektoderm dicke Gallertschichten einschieben und dass zwischen beiden Thei- len kein zelliger Verbindungstrang existirt. 2. Pelagia noctiluca gehört zu den Discophoren mit nur 4 Geschlechtsorganen; dieselben sind sackförmige Ausstül- pungen der subumbrellaren Wand des Magens und hängen krau- senartig gefaltet nach abwärts in einen besonderen Raum, die Subgenitalhöhle; diese mündet in die allgemeine Schirmhöhle und ist durch die starke Verdickung der subumbrellaren Gallerte im Umkreis der Geschlechtsorgane bedingt. Der die Geschlechtspro- dukte erzeugende Theil ist auch hier wieder ein von Gallerte ge- stütztes Band oder eine Falte, die von der entodermalen Seite des Genitalsäckchens entspringt und mit ihrem freien Rand nach der Peripherie des Schirmes gekehrt ist. Diese Falte verläuft dem Schirmrand im Grossen und Ganzen parallel; sie ist an der Binnenfläche des Genitalsäckchens durch feine Verwachsungsfäden befestigt und ihr so dicht angedrückt, dass nur ein schmaler Raum bestehen bleibt, der Genitalsinus, ein Raum, der am freien Rand der Falte in den gastralen Raum des Genitalsäckchens über- geht und wie dieser von einem entodermalen Epithel ausgekleidet ist. Das Epithel des Genitalsinus unterscheidet sich vom Cylin- derepithel des Gastrovascularsystems durch die starke Abplattung seiner Elemente; soweit es die Falte bedeckt, möge es viscerales Epithel heissen, der übrige Theil ist dann das parietale Epithel. Die jüngsten Eier finden sich bei Pelagia noctiluca in der 113 Sitzungsberichte. Genitalfalte am Grund des Sinus und sind gar nicht von dem visceralen Epithel desselben zu unterscheiden, welches hier ver- dickt ist und aus grossen Zellen besteht; die älteren Eier dage- gen sind aus dem Epithel ausgeschieden und in die Gallerte der Falte eingeschlossen; auf dem Querschnitt gesehen bilden sie eine einzige Reihe, wobei sie von der Befestigungsstelle der Falte nach dem freien Rand zu beständig an Grösse zunehmen; nur ein schmaler, dem Rand benachbarter und paralleler Streifen der Falte enthält keine Eizellen. Daraus kann geschlossen werden, dass am Grund des Genitalsinus eine Knospungszone besteht, wo junge Ei- zellen vom Epithel aus angelegt werden, dass mit zunehmender Reife die Eier in die Gallerte einwandern und nach dem Rand der Falte vorgeschoben werden. Die in der Gallerte gelegenen Eier grenzen dicht an das vis- cerale Epithel des Sinus, welches über den grösseren unter ihnen eine eigenthümliche Beschaffenheit annimmt, sich durch Infiltra- tion mit Flüssigkeit verdickt und eine Art Krone von grösseren vacuolisirten Epithelzellen über einem jeden Ei erzeugt. Bei männlichen Medusen kehren im Bau der Genitalfalten im Allgemeinen ähnliche Verhältnisse wieder, wie bei weiblichen Thie- ren. Am Grund des Genitalsinus findet sich hier gleichfalls ein Keimepithel; dasselbe ist zu Zellenzapfen verdickt, die in die Gallerte der Faltenbasis hineinragen, entweder von Anfang an hohl sind oder sich später aushöhlen; die Zapfen sind etwas wei- ter nach dem Faltenrand zu abgeschnürt und so zu kleinen einen Hohlraum umschliessenden Follikeln geworden, deren Wand an- fänglich nur aus einer, später aus mehreren übereinander gelager- ten Schichten von Zellen besteht. Beim Wachsthum bilden die Follikel vielfache Aussackungen, die sich unter einander verflech- ten, so dass die Grenzen der an einander grenzenden Follikel schwer erkennbar sind. Die Zellen der Follikelwand werden dabei zu kleinen Spermatoblasten. Bei männlichen Pelagien ist die ganze Falte bis zu ihrem freien Rand mit Genitalprodukten beladen. Die referirten Beobachtungen erlauben nicht allein eine Ab- leitung der Eier und Hodenzellen aus dem Entoderm, sondern auch zugleich einen engeren Anschluss der Geschlechtsorgane der Discophoren an die der Charybdeen. Auch bei den Discophoren entstehen die Geschlechtsprodukte in Falten, welche in das Gastro- vascularsystem vorragen; während aber die Falten der Charybdeen auf beiden Seiten und an allen Punkten ihrer Oberfläche frucht- bar sind, bilden sich die Eier und Hodenfollikel bei Pelagia nur Sitzungsberichte, 119 auf einer Seite der Falte und auch hier wieder im Bereich eines eng begrenzten Bezirks, einer Keimzone. 3. Was drittens die Lucernarien anlangt, so vertritt die untersuchte Art, Craterolophus Tethys die Abtheilung der Cleistocarpiden, bei welchen die Geschlechtsorgane in besonderen Räumen des Gastrovascularsystems, in den Gastrogenitaltaschen, eingeschlossen sind. Die Gastrogenitaltaschen beginnen am Magen, erstrecken sich nach dem Schirmrand zu in der subumbrellaren Wand der Radialtaschen und sind wie diese zu 4 vorhanden. Die Ge- schlechtsorgane bilden in den beiden seitlichen Wandungen der Genitaltaschen Verdickungen, welche die Gestalt bandartiger, viel- fach aus- und eingebuchteter Streifen annehmen. Ihre Zahl be- trägt 8, welche zu zwei auf jede Tasche vertheilt sind; ein zu- sammengehöriges, den Geschlechtsorganen der übrigen Acraspeden vergleichbares Paar wird dabei, wie aus der Lage der Mesen- terialtentakeln hervorgeht, von zwei benachbarten Bändern zusam- mengesetzt, welche verschiedenen Genitaltaschen angehören. Jedes einzelne Band besteht seinerseits wieder aus zahlreichen gesonderten drüsenartigen Bildungen, die senkrecht zur Fläche der Subumbrella neben einander gestellt sind und deren Ausführ- gänge in den Raum der Genitaltasche münden, da wo diese an die Radialtasche angrenzt. Jeder Ausführgang ist mit einem Cy- linderepithel bedeckt und erweitert sich zu einem ansehnlichen Sinus, dessen Epithel sehr stark abgeplattete Elemente erkennen lässt. Nur auf der nach dem Hohlraum der Genitaltasche ge- wandten Seite gestaltet sich das Epithel zu einem Keimepithel. Bei weiblichen Thieren sendet es in die Gallerte Zellenzapfen, die von Eizellen auf verschiedenen Stufen der Reife gebildet werden. Die grössten Eier liegen auch hier in der Gallerte und sind von einander sowie von den Strängen der Eikeime durch dünne Gallertbrücken getrennt. Bei der Reife gelangen sie durch Platzen ihrer Umhüllung zunächst in den Genitalsinus und von da durch den Ausführungsgang in die Gastrogenitaltasche. Bei männlichen Thieren nehmen die Hodenfollikel durchaus correspondirende Stellen ein, liegen also gleichfalls zwischen der Wand des Sinus und dem Epithel der Gastrogenitaltasche. Völlig abgeschnürte Follikel scheinen nicht gebildet zu werden; wenigstens sassen sie bei einem geschlechtsreifen Thiere wie Ausbuchtungen dem Sinusepithel an, gefüllt von grossen Spermatozoenmassen, de- ren Haufen bis in den Genitalsinus hineinragten. Bei den Eleutherocarpiden entwickeln sich nach Clark’s 120 Sitzungsberichte. Angaben die Geschlechtsorgane als kleine Säckchen in grosser Zahl in den Radialtaschen. Es soll dies den ursprünglichen Zu- stand repräsentiren und soll das Verhalten der Qleistocarpiden dadurch bedingt sein, dass sich die Genitaltaschen von den Ra- dialtaschen abgeschnürt haben. Mit dieser Ableitung scheint der amerikanische Forscher das Richtige getroffen zu haben; nament- lich spricht dafür seine neuste Arbeit, deren Resultate mit den Resultaten Korotneff’s übereinstimmen. Ein Genitalsäckchen der Eleutherocarpiden würde dann einer einzelnen Drüse der Cleisto- carpiden entsprechen. Schwieriger ist es den feineren Bau der Or- gane der Lucernarien auf die bei den Discophoren und Charybdeen nachgewiesene Organisation zurückzuführen; am ehesten würde es noch bei den Eleutherocarpiden gelingen. Als feststehend kann da- gegen angesehen werden, dass die Lage der Geschlechtsorgane bei den Lucernarien dieselbe ist, wie bei den übrigen Acraspeden. 4. Während die Geschlechtsprodukte bei den Acraspeden sanz wie bei den Zoantharien im Entoderm entstehen und in das Mesoderm überwandern, sind sie bei den Ctenophoren, wie spä- ter noch ausführlicher gezeigt werden soll, Derivate des Ektoderms. Auf Grund der erhaltenen Befunde müssen die mit Nessel- zellen ausgestatteten Coelenteraten systematisch auf zwei Haupt- gruppen vertheilt werden, dieEntocarpen und die Ektocarpen. Bei jenen sind die Geschlechtsorgane in der Jugend entodermal, später mesodermal und werden schliesslich durch das Gastrovascu- larsystem entleert; bei diesen sind sie stets ektodermal und ge- langen durch Platzen des Epithelüberzugs direkt nach aussen. Ein zweiter Unterschied ist darin gegeben, dass bei den Ento- carpen secretorische Organe als Mesenterialfäden (Anthozoen) oder Mesenterialtentakeln (Acraspeden) auftreten, während dieselben bei den Ektocarpen fehlen. Zu den Entocarpen sind die beiden Klassen der Anthozoen und acraspeden Medusen, zu den Ento- carpen die Hydromedusen mit Einschluss der Siphonophoren und die Ctenophoren zu rechnen. Die Formenähnlichkeit der Acras- peden und Craspedoten muss beim Mangel näherer Verwandtschaft als eine Folge convergenter Züchtung angesehen werden. Dabei gehören die Charybdeen zu den Acraspeden, da ihr Ringnerv durch seine Lagerung und durch den Mangel eines dorsalen Theils sich sehr wesentlich vom Ringnerven der Craspedoten unterschei- det, und da ihr Velum ein Pseudovelum ist, hervorgegangen aus der noch durch die Frenula angedeuteten Verschmelzung von 4 Lappen. Auf der andern Seite verbleiben die Aeginiden bei den u ET Sitzungsberichte, 121 Craspedoten, weil ihr Bau, trotz seiner Aehnlichkeit mit dem Bau der Acraspeden nur von der Organisation der Craspedoten aus abgeleitet werden kann. 3) Herr Prof. K.Bardeleben hielt darauf den folgenden Vortrag: Ueber die Entwickelung der: Extremitäten-Venen des Menschen. Die Ausnahmen, welche das durch meine Untersuchungen über das Venensystem festgestellte Gesetz von der Uebereinstimmung zwischen dem Bau der Wandung und den physikalischen Verhält- nissen der Venen im Laufe weiterer Forschungen zu zeigen schien, veranlassten mich zu immer wiederholten Untersuchungen dersel- ben Venen bei verschiedenen Individuen und Altersklassen. Es ergab sich dem bekanntlich ungemein variablen makroskopischen Verhalten der Venen entsprechend, auch eine ausserordentliche Breite individueller Schwankung in histologischer Beziehung. Ob- wohl nur ein neuer Beweis für das eben angedeutete allgemeine Gesetz, war dieser Umstand, welcher die Zusammenfassung der zahlreichen Einzeluntersuchungen auch nur für einige Venen sehr erschwerte, sehr geeignet, die Nothwendigkeit einer Eliminirung der unzähligen individuellen Varietäten auch von diesem Gesichtspunkte aus darzulegen. Auf einem Gebiete nun, dass der Anpassung so sehr unterworfen ist, konnte weniger die vergleichend-anatomische, als die entwickelungsgeschichtliche Untersuchung in Betracht kom- men, um die ursprünglich einfachen Verhältnisse des Venensystems, sowie die Veränderungen desselben im Laufe des Daseins vor und nach der Geburt festzustellen, und somit auch den scheinbar ver- änderlichen und regellosen Verlauf, besonders der Extremitäten- Venen in Regel und Gesetz zu fügen. Meine Untersuchungen über die Entwickelung der menschlichen Gliedmaassenvenen haben mich nun, soweit ich sehe, den typischen Verlauf dieser Gefässe, sowie die secundären Abänderungen erkennen lassen, während sich gleich- zeitig eine auch beim Menschen noch sehr weitgehende Homologie zwischen der Venen der Brust- und Bauch-Extremität, sowie ferner zwischen menschlichen und den Venen von Säugethieren (Einhufer, Wiederkäuer, Raubthiere, Nager) herausstellte. Es sei mir gestat- tet, bereits jetzt an dieser Stelle eine kurze Mittheilung über einige Ergebnisse meiner Untersuchungen zu machen, 122 Sitzungsberichte, I. Obere Extremität. Die Hauptvene, zugleich Hautvene, verläuft ursprünglich vom Handrücken aus, wo sie nicht nur aus radialwärts (v. cephalica pollieis), sondern mehr noch aus ulnarwärts gelegenen Zuflüssen (v. salvatella) gebildet wird, an der radialen Seite des Vorderarms, gelangt allmählig auf die Beugeseite desselben und zur Ellenbeuge, durchzieht diese, in derselben Richtung verharrend oder durch Zuflüsse schwach abgelenkt, in schrägem Zuge, um sodann an der Innenseite des Biceps, anfangs über, dann unter der Fascie weiter zu gehen. Ihr Verlauf entspricht sonach hintereinander folgenden Venen des Erwachsenen: Salvatella, Cephalica antibrachii, Mediana (cephalica und besonders „M. basilica“), Basilica des Oberarms. In der Ellenbeuge geht bei jüngeren Embryonen ein relativ dünner Ast aus der Hauptvene ab oder vielmehr geht in die letztere hinein, ein Ast, der sich in der lateralen Bicepsfurche mit blossem Auge verschieden weit hinauf verfolgen lässt, indem derselbe nach oben hin dünner wird, absteigende Aeste erhält, mit den oberflächlichen Venen von Brust, Schulter und Hals, sowie mit einer zwischen Deltoides und Pectoralis aufsteigenden Vene anastomosirt. Je jünger die Embryonen, desto mehr zeigt sich diese, der späteren „Cephalica“ des Oberarms entsprechende Vene als ein Ast der Hauptvene, der vom Oberarm absteigend nach Aufnahme eines vom Unterarm kommenden Nebenastes bei jüngeren Embryonen fast unter rechtem, später unter spitzerem Winkel einmündet. Den ursprünglich absteigenden Verlauf der sog. „Cephalica‘“ des Oberarms unterhalb des Deltoides bewiesen mir ferner Injectionen (mit Berliner Blau). Es gelang vielfach gar nicht, vielfach erst bei starkem Drucke, die Vene von der Hauptvene oder ihrem eige- nen unteren Ende aus zu füllen, während ich über der Mitte des Oberarmes leicht nach oben injiciren konnte. Eine abwärts offene Klappe habe ich allerdings bisher nicht gefunden, wie solche über- haupt in absteigenden Venen (mit ganz bestimmten Ausnahmen) fehlen. Entweder enthielt das untere Ende keine oder in einiger Entfernung von der Ellenbeuge eine aufwärts offene Klappe. In dem oberen intramusculären Theile der Vene befinden sich bereits bei jungen Embryonen 4, 5 und mehr Klappen. Sonach besteht die sogenannte Cephalica des Oberarmes aus einem absteigenden, in die Hauptvene des Armes und einem aufsteigenden, in die Axillaris resp. Subclavia oder Jugularis mündenden Theil. Aus diesem Venenzirkel (Braune) wird später eine Nebenbahn, die Sitzungsberichte. 123 an Stärke sogar die Hauptbahn erreichen und übertreffen kann — eine secundäre Veränderung, welche wir an der unteren Extremi- tät vergeblich suchen (Braune). Nachdem schon in der Ellen- beuge eine Einmündung tiefer Venen, sodann die der Basilica des Vorderarmes stattgefunden hat, nimmt die Hauptvene im oberen Drittel des Oberarmes die beiden Venae brachiales auf, während das beim Erwachsenen umgekehrt zu sein pflegt, da sich das Ver- hältniss der Oberfläche zum Inhalt eines Körpers bekanntlich beim Wachsthum zu Gunsten des letzteren verändert, das Quellgebiet der tiefen Venen also unverhältnissmässig zunimmt. Beim 5- oder 6monatlichen Embryo kann man oben noch die oberflächlichen, unten bereits die tiefen Venen überwiegen sehen. Die in Bezug auf diese Frage angestellten Berechnungen von Inhalt und Ober- fläche verschieden alter Gliedmaassen haben mir recht interes- sante Resultate ergeben. Der geschilderte Verlauf der Hauptvene des Armes entspricht in der foetalen Haltung der oberen Extremität, auf eine von der Hand zur Axilla gelegte Ebene projicirt, einer geraden Linie und geschieht ferner auf der Beugeseite resp. der Concavität der Ex- tremitätenabschnitte. Die Vene geht also, so weit möglich, den geraden, jedenfalls den kürzesten Weg. Auf diesen Verlauf der em- bryonalen Hauptvene lassen sich, wenn man ausserdem das über die „Cephalica“ humeri Gesagte berücksichtigt, alle die unzähligen Varietäten der Armvenen zurückführen, ja sie finden, wenn wir die Wachsthumsverschiebungen und die veränderte Haltung der Arme, ihren individuell so verschiedenartigen Gebrauch post par- tum in Rechnung ziehen, ihre vollständig ausreichende mechanische Erklärung. I. Untere Extremität. Entsprechend der niederen physiologischen Stufe, auf der die untere Extremität, trotz oder wegen ihrer grösseren Massenent- wickelung, der oberen Extremität gegenüber verharrt, finden wir dort im Ganzen einfachere Verhältnisse des Venensystemes vor, wie ja bekanntlich auch die individuellen Varietäten weniger zahl- reich sind. Die auch beim Erwachsenen noch leicht erkennbare Hauptvene ist die V. saphena magna, welche beim Embryo, ähnlich wie oben, nicht nur von der Grosszehenseite her mit Blut ver- sorgt, im Grossen und Ganzen wie beim Erwachsenen verläuft. Schon unterhalb der Kniekehle, sowie in der Höhe der letzteren, geht die Saphena parva grösstentheils in die magna hinein, wäh- 124 Sitzungsberichte. rend die Communication mit der Poplitea nur schwach ist. Auf der Rückseite des Oberschenkels steigt eine Vene hinab, welche mit der Poplitea und der Saphena magna communicirt, die V. femoro- poplitea. Ich halte sie für das Homologon der V. „cephalica“ (de- scendens) am ÖOberarme. Vergleichen wir nun die Venen der oberen und unteren Extre- mität, so ergeben sich als Homologa: obere Extremität: untere Extremität: V. cephalica am Unterarm V. mediana basilica V. saphena magna V. basilica am Oberarm / V. basilica am Unterarm V. saphena parva V. „cephalica“ (descendens) am V. „femoro-poplitea.“ Oberarm Für die Hauptvene der oberen Extremität, welche ebenso wie die Saphena magna als zusammenhängendes Ganze aufzufassen ist, schlage ich nun eine Bezeichnung vor, die dieser Thatsache ge- recht wird und gleichzeitig uns der Nöthigung überhebt, gleich- artige Theile eines Ganzen mit verschiedenen Namen, ungleich- artige Dinge aber mit demselben Namen zu bezeichnen. Ich möchte die Hauptvene der oberen Extremität Y. capitalis brachii nennen, eine Bezeichnung, die früher für die Cephalica in Gebrauch war, jetzt aber nicht die ehemals supponirten Beziehungen zwischen Aderlass und Kopf, sondern die hauptsächliche Bedeutung der Vene ausdrücken soll. Sie entspricht in toto der Saphena magna. Auch vergleichend-anatomisch lässt sich das eben Vorgetragene stützen, wie das hier nicht des Weiteren ausgeführt werden soll. Bei anderen Säugethieren bestehen übrigens auch schon Verschie- denheiten zwischen vorderer und hinterer Extremität, welche sich in dem Verhalten der Venen geltend machen. 12. Sitzung am 21. November 1879. 1) Herr Professor P. Fürbringer sprach: Ueber Albuminurie bei gesunden Nieren. In 14 Fällen eigener Beobachtung (darunter 7 Kinder im Al- ter von 3—6 Jahren) handelte es sich um transitorische Aus- scheidung von Serumeiweiss mit dem Harn in Spuren bis zu 0,6 °/,, besonders nach voraufgegangener heftiger Gemüthserregung asthe- Sitzungsberichte. 125 nischen Charakters und Muskelanstrengung, ohne alle Anzeichen eines Nierenleidens oder sonstiger Organerkrankung, zum Theil mit spontanem, dauerndem Schwund. Die Bestimmung der Grösse und Dichte der einzelnen Harnportionen ergab, dass im Grossen und Ganzen mit dem Auftreten des Albumins eine Verminderung der Menge und Zunahme des specif. Gewichtes einherging. Hieraus folgt eine Bestätigung der Runeberg’schen Theorie, nach wel- cher der Uebertritt der Albuminpartikel aus dem Blute in den Harn nicht durch Steigerung sondern durch Abnahme des Fil- trationsdruckes in den Gefässschlingen der Glomeruli erfolgt. Al- lein jene Druckabnahme im Sinne Runeberg’s genügt nicht zur Erklärung der Beobachtungen; vielmehr muss ausserdem eine von derselben unabhängige individuelle Permeabilität der Fil- termembran angenommen werden, hervorgerufen durch eines schnellen Ausgleichs fähige Störungen. Letztere bestehen wahr- scheinlich in Nerveneinflüssen. (Ausführliche Mittheilung erscheint demnächst). 2) Herr Prof. Haeckel hält einen Vortrag: Ueber die Organisation und Classification der Narcomedusen. Die Ordnung der Narcomedusen umfasst alle Craspe- doten, welche bisher in der Familie der Aeginiden zusammen- gefasst wurden. Während bisher nur eine sehr geringe Anzahl von Gattungen und Arten dieser Familie bekannt war, konnte der Vortragende, durch sehr reichhaltiges neues Material unterstützt, nicht weniger als 75 Species unterscheiden, die sich auf 23 Genera vertheilen lassen. Zugleich ergab die genauere Untersuchung ihrer Structur-Verhältnisse so wesentliche und mannigfaltige Differenzen, dass es nöthig erscheint, dieselben auf wenigstens 4 verschiedene Familien zu vertheilen und diese in einer besonderen Ordnung, den Narcomedusae zusammen zu fassen. Von jenen 4 Familien bildet die- jenige der Cunanthiden die ursprüngliche Stammgruppe; die beiden Familien der Peganthiden und der eigentlichen A egini- den (im engeren Sinne) erscheinen als divergente Fortbildungen der ersteren, während diejenige der Solmariden eigenthümliche Rückbildungen repräsentirt. Die Cunanthiden sind zugleich durch ihre Stamm-Gattung Cunantha auf das Nächste verwandt 126 Sitzungsberichte. mit der Stamm-Gattung der Trachomedusen, Petasus. Beide sind offenbar von ein und derselben gemeinsamen Urform herzuleiten. Der Schirm aller Narcomedusen zerfällt durch eine horizon- tale Ringfurche in zwei Haupttheile: Schirmlinse (oder Schirm- scheibe) und Schirmkragen (oder Schirmsaum). Die Schirmlinse besteht bloss aus der dicken, meist planconvexen oder biconvexen, seltener concav-convexen Gallertscheibe, deren Unterseite die Decke des weiten Magens bildet. Der Schirmkragen zeigt eine sehr zusammen gesetzte Structur und zerfällt durch radiale Furchen in eine Anzahl von Kragenlappen. In den Furchen liegen die Peronien oder Schirmspangen (auch „centripetale Mantel- spangen oder Radialstränge“ genannt). Letztere verbinden den eigentlichen Schirmrand (und den anliegenden Nervenring) mit der Basis der Tentakeln, welche stets weit oberhalb dorsal inse- rirt sind. Am Schirmrande selbst stehen die marginalen Hörkölbchen, welche mit feinen Hörhaaren besetzt, stets frei, niemals in „Randbläschen“ eingeschlossen und eigentlich „akustische Tentakeln“ sind, mit entodermalen Otolithen-Zellen. Bei den Cunanthiden und Peganthiden werden dieselben durch eigen- thümliche Hörspangen oder Otoporpen gestützt, centripetale Nesselstreifen, welche von der Basis der Hörkölbchen in der Exum- brella aufwärts steigen. Den Aeginiden und Solmariden fehlen die Hörspangen. Von der Peripherie des sehr weiten und flachen Magens (in dessen Mitte der einfache Mund sich befindet) gehen Radial-Canäle ab, welche entweder sehr eigenthümlich modi- ficirt oder ganz rückgebildet sind. Bei den Cunanthiden erschei- nen dieselben als breite, pernemale Magentaschen, an deren Ende ein Tentakel entspringt. Zu beiden Seiten von dessen In- sertion setzt sich bisweilen die Magentasche in eine blinde Lappen- tasche fort. Durch weitere Entwickelung dieser „paarigen Lap- pentaschen“ entstehen die internemalen Magentaschen der Aeginiden; diese münden direct in die Magenperipherie, weil das ungetheilte Proximal-Stück der ursprünglichen pernemalen Magen- tasche hier rückgebildet ist. Beiden Peganthiden sind die ganzen Radial-Canäle rückgebildet und verloren gegangen. Die Solmari- den zeichnen sich dadurch aus, dass der ganze Ringcanal obli- terirt ist. Bei den übrigen Narcomedusen erscheint der Ring- canal in der eigenthümlichen Gestalt eines Feston-Canals oder einer Guirlande, indem er den Rand der Kragenlappen säumt und längs jedes Peronium bis zum dorsalen Insertionspunkte des Tentakels emporsteigt (von welchem eine solide „Tentakel-Wurzel“ Sitzungsberichte. T2U in die Gallerte der Schirm-Linse vorspringt). Der Ringcanal zer- fällt demnach in so viele peroniale Doppel-Canäle, als Peronien sich finden, und in ebenso viele peripherische Rand-Canäle, welche jene Peronial-Canäle verbinden. Die Zahl der Peronien (und der durch sie getrennten Kragenlappen) beträgt mindestens 4, höchstens 32. Die Gonaden bilden ursprünglich einen einfachen Geschlechts-Gürtelin der unteren Magenwand; von da setzen sie sich oft peripherisch auf die Radial-Canäle fort, oder sie be- schränken sich ausschliesslich auf die „Magentaschen.“ Die On- togenese ist meistens Hypogenese oder „directe Entwickelung‘“, selten Generations-Wechsel. Meistens ist sie mit Metamorphose verknüpft. Die 4 Familien unterscheiden sich leicht durch folgende Merkmale: I. Familie: Cunanthidae: Hörkölbchen mit Hörspangen. 4— 8—32 pernemale Magentaschen, durch Peronial-Canäle mit dem Rand-Canal verbunden. Genera: Cunantha und Cunarcha (mit 4 Peronien); Cunoctantha und Cunoctona (mit 8 Peronien); Cu- nina und Cunissa (mit zahlreichen, 9—32 Peronien); ebensoviel Tentakeln und Lappen als Peronien. U. Familie: Peganthidae: Hörkölbchen mit Hörspangen. Keine Magentaschen und keine Radial-Canäle. Ringcanal in einen Kranz von getrennten bogenförmigen Lappen-Canälen zerfallen. Genera: Polycolpa und Polyxenia (mit einfachem Geschlechts- Gürtel); Pegasia und Pegantha (mit einem Kranze von getrennten Geschlechts-Säckchen, eins in jeder Lappenhöhle). III. Familie: Aeginidae: Hörkölbchen ohne Hörspangen. Magen durch 4—8—16 Peronial-Canäle mit dem Randcanal ver- bunden; zwischen je 2 Peronien stets 2 internemale Magentaschen. Genera: Aegina, Aeginella, Aegineta (mit 4 Peronien und 8 Magentaschen); Aeginopsis, Aeginura (mit 8 Peronien und 16 Magentaschen); Aeginodiscus, Aeginodorus, Aeginorhodus (mit 16 Peronien und 32 Magentaschen. IV. Familie: Solmaridae: Hörkölbchen ohne Hörspangen. Kein Ringcanal und keine Peronial- Canäle. Genera: Solmissus (mit pernemalen Magentaschen); Solmundus und Solmundella (mit internemalen Magentaschen) ; Solmoneta und Solmaris (ohne Magen- taschen). 128 Sitzungsberichte. 13. Sitzung am 28. November 1879. 1) Herr Prof. K. Bardeleben sprach: Veber die Innervirung des Platysma myoides (M. subeutaneus colli) des Menschen. Alle mir bekannten Lehr- und Handbücher der Anatomie des Menschen geben an, das Platysma werde ausser vom Ramus sub- cutaneus colli superior des Facialis auch noch von Aesten der Cervi- calnerven (N. subcutaneus colli medius und inferior) versorgt. Eine Ausnahme macht nur H. v.Meyer’s Lehrbuch und J. Budge’s An- leitung zu den Präparirübungen. Dagegen lässt auch v. Ziemssen (Electrieität in der Mediein) sich Cervicalnerven an der Innervi- rung des Muskels betheiligen. Nach meinen Untersuchungen (zu denen mich die bei Anfertigung eines Nervenpräparates gemachten Beobachtungen veranlassten) am Erwachsenen und Embryo ist diese, wie es scheint fast allgemein acceptirte Annahme unrichtig, wie ich kurz darlegen will. Zunächst kann der Facialis-Ast sehr weit in das Platysma hinab verfolgt werden, jedenfalls bis in die Sphäre des Subcutaneus colli medius. Ferner ist die „Anastomose“ zwischen Subcutaneus colli superior und medius, wie andere Nervenanastomosen, eine scheinbare oder äusserliche, indem die sensiblen Cervicaläste theil- weise in den Bahnen des Facialis verlaufen, aber an den spitz- winkligen Theilungsstellen des letzteren in Bogen von einem Ast zum anderen gehen, um dann peripher sich wieder den Facialis- ästen anzuschliessen. Sehr deutlich habe ich das an verschiedenen Individuen in der Nähe der Eintrittsstelle des Facialisastes ins Platysma beobachtet. Die Cervicaläste versorgen die obere Hals- gegend und die vom Mentalis und Auricularis magnus freigelassene Partie der Kiefergegend mit sensiblen Hautästen. Sie treten so- wohl hier, wie an den mittleren und unteren Theilen des Halses durch den Muskel hindurch an die Haut. Eine Endigung im Muskel habe ich nirgends finden können. Als weiteren Beweis für die Richtigkeit des Satzes: „Das Platysma wird ausschliesslich vom Facialis innervirt‘“ führe ich die Lage der Eintrittsstelle des Subcutaneus colli superior in den Muskel an. Derselbe befindet sich beim Erwachsenen wie beim Embryo fast genau in der Mitte des fast im Rechteck darstellen- den Muskels, etwas weiter nach oben, weil der Muskel oben stär- Sitzungsberichte. 129 ker (dicker) ist, als unten. Die für das Platysma gefundene Ein- trittsstelle entspricht somit dem von Schwalbe neuerdings ent- deckten Gesetze des Muskelnerveneintrittes. (Arch. f. Anat. u. Phys., Anat. Abthlg. 1879. S. 167). In Uebereinstimmung mit dem eben Gesagten ergab die von Herrn Dr. Lüderitz auf meine Bitte ausgeführte Faradisirung des Muskels nur dann eine vollständige Contraction des ganzen Muskels (bis zur Unterlippe), wenn die Electrode an der Eintritts- stelle des Facialisastes angesetzt wurde. Von der auf der von Ziemssen’schen Tafel angegebenen Stelle aus, wo die Rami sub- cutanei cervicales in’s Platysma gehen sollen, gelang nie eine voll- ständige, sondern nur eine Contraction der darunter gelegenen Partie des Muskels. Schliesslich habe ich noch darauf hinzuweisen, dass bei Thie- ren, die einen Halshautmuskel in ungefähr derselben Entwickelung besitzen wie der Mensch, der Muskel gleichfalls nur vom Facialis innervirt wird. Die Angaben über die Innervirung eines mächtiger entwickelten, weiter nach hinten reichenden Hautmuskels bei an- deren Thieren habe ich noch nicht controliren Können. Das Platysma, welches bisher eine Ausnahmestellung bezüg- lich seiner Innervirung einnahm, tritt demnach in die Reihe der übrigen Muskeln. Vielleicht folgt ihm der Pectineus bald nach. Der M. subcutaneus colli wird nur von einem motorischen Nerven versorgt und zwar vom Facialis. Nachtrag. Nach Ablieferung des Manuscripts (28. Nov. 1579) erhalte ich auf meine diesbezügliche Anfrage von Herrn Geh. Rath Prof. Dr. von Ziemssen die Erklärung, dass derselbe „nach seinen Beobachtungen meine Ansicht für die richtige halte, wenig- stens keine klinischen oder experimentellen Thatsachen gegen die- selbe anzuführen vermöge.“ 2) Sodann hielt Herr Professor Abbe einen Vortrag: Ueber die Bedingungen des Aplanatismus der Linsensysteme. Nach dem allgemein angenommenen Sprachgebrauch der Op- tik bezeichnet das Attribut „aplanatisch“ ein Linsensystem, welches wenigstens von Einem Punkt der Achse aus Strahlenkegel von endlichem, d.h. beliebig grossem Oeffnungswinkel in dem conju- girten Punkt der Achse zu homocentrischer Vereinigung bringt; 9 130 Sitzungsberichte. — wie die übliche Wendung „conjugirte aplanatische Punkte“ ge- nügend erkennen lässt. Der bisherigen Definition nach deckt sich also der Begriff „aplanatisch“ vollständig mit „Aufhebung der sphärischen Aberration für ein Paar conjugirter Punkte der Achse“; die thatsächliche Anwendung dagegen legt in den Begriff wesentlich mehr hinein, als jene Definition zum Ausdruck bringt und recht- fertigt. Denn er wird überall gebraucht — und dieses allein ver- leiht ihm eine praktische Bedeutung — um die Fähigkeit eines Linsensystems zu bezeichnen, von einem Object durch Strahlen- kegel von endlichem Divergenzwinkel ein deutliches Bild zu ent- werfen. Unter „Object“ wird dabei aber stets nicht ein Punkt der Achse, sondern ein senkrecht zur Achse ausgedehntes Flä- chenelement verstanden und vorausgesetzt. Mit der Correction der sphärischen Abweichung in einem Achsenpunkt würde aber die deutliche Abbildung einer, wenn auch noch so kleinen, Fläche augenscheinlich nur dann gegeben sein, wenn durch diese Correction Aberrationen ausser der Achse von selbst und wenigstens in so weit ausgeschlossen würden, als sie Undeutlichkeitskreise von gleicher Grössenordnung mit den Dimen- sionen des abzubildenden Flächenelements hervorzubringen vermö- gen. Diese Voraussetzung — die in der That wohl meist still- schweigend gemacht wird — ist aber nicht nur nicht selbstver- ständlich sondern im Gegentheil durchaus unzulässig. Denn wenn die Bedingungen einer Abbildung mit grossen Divergenzwinkeln genau analysirt werden, so zeigt sich, dass bei vollkommenster Aufhebung der sphär. Aberration auf der Achse die ver- schiedenen Theile der freien Oeffnung eines Linsensystems Bilder von ungleicher Linear-Vergrösserung ergeben können und wenn keine weitere Voraussetzung gemacht wird, im Allgemeinen auch immer ergeben: dasjenige Bild eines axialen Flächenelements, welches durch zur Achse geneigte Strahlenbündel (durch irgend einen excentrischen Theil der Oeffnung) entworfen wird, zeigt eine andere lineare Vergrösserung als dasjenige Bild, welches gleich- zeitig durch die Strahlen nahe der Achse (durch das centrale Element der Oeffnung) entsteht; und in den Bildern der ersteren Art kann zugleich die lineare Vergrösserung nach verschiedenen Meridianen in beliebigem Grade verschieden sein. Bei beträcht- lichem Oeffnungswinkel der abbildenden Strahlenkegel können aber diese inneren Vergrösserungs-Differenzen beliebig gross wer- den, z. B. 50 und mehr Procent des Hauptwerthes der Vergrös- serung erreichen. Nun erscheint aber jedenfalls das durch Ver- Sitzungsberichte. 131 mittelung weit geöffneter Strahlenkegel erzeugte Bild als Resultat einer Superposition der unendlich vielen partiellen Bilder, welche die verschiedenen Flächenelemente der freien Oeffnung einzeln erzeugen würden, wie diese denn auch thatsächlich — durch An- wendung enger Diaphragmen — isolirt dargestellt werden können. Ist die lineare Vergrösserung dieser partiellen Bilder verschieden, so mögen dieselben, bei vollkommener Correction der sphärischen Abweichung, wohl im Achsenpunkt der Bildfläche coincidiren; sie müssen aber mit zunehmendem Abstand von der Achse propor- tional diesem Abstand weiter und weiter auseinanderfallen. Das Bild eines dicht neben der Achse liegenden ÖObjectpunktes wird demnach aufgelöst in einen Undeutlichkeitskreis, dessen Durch- messer ein endliches — und unter Umständen beträchtliches — Verhältniss zu seiner Entfernung von der Achse, also zu den Dimensionen des abgebildeten Flächenstückes, wie klein dieses auch sein möge, erhält; womit denn die Voraussetzung einer Abbildung, in dem Sinne, in welchem das Wort allein eine Bedeutung hat, augenscheinlich aufgehoben ist. Soll die im bisherigen Sprachgebrauch dem Attribut ‚apla- natisch“ beigelegte Beziehung auf die Fähigkeit optischer Systeme zur Erzeugung wirklicher Bilder zu Recht bestehen, so muss dem- nach die Definition des Aplanatismus eine wesentliche Ergänzung er- fahren. Ein System darf nur dann als aplanatisch bezeichnet werden, wenn neben der Aufhebung der sphärischen Aberration für ein Paar conjugirter Punkte noch der weiteren Forderung überein- stimmender Vergrösserung durch alle Theile der freien Oeffnung (oder für alle Strahlenrichtungen in den Grenzen des Oeffnungs- winkels) genügt ist. Erst durch diese zweite Bedingung werden alle Aberrationen ausgeschlossen, welche nicht von höherer Grössen- ordnung als die Maasse des abzubildenden Flächenelements sind und die Abbildung eines solchen durch Strahlenkegel von end- licher Divergenz möglich gemacht. Durch eine rein geometrische Analyse lässt sich zeigen, dass die geforderte Identität der Vergrösserung durch verschiedene Theile der freien Oeffnung dann und nur dann besteht, wenn inner- halb der beiden cenjugirten Strahlenbüschel, welche in den Achsen- punkten von Object und Bild ihre Centra haben, ein ganz bestimm- tes Verhältniss der Convergenz statt hat: es müssen die Sinus der Neigungswinkel beiderseits entsprechender Strahlen gegen die Achse im ganzen Umfang beider Büschel ein constantes Verhält- niss zeigen. Durch diese Eigenschaft treten aplanatische Punkte 9* 132 Sitzungsberichte, in Gegensatz zu einer zweiten Art von charakteristischen Punkten, welche für die Abbildung mit Strahlen von endlichen Neigungs- winkeln Bedeutung gewinnen, nämlich zu solchen Punkten der Achse, in denen die Tangenten der Neigungswinkel conjugirter Strahlen in constantem Verhältniss stehen — welche man füglich als orthoskopische Punkte bezeichnen kann, da von ihrem Vor- handensein die Möglichkeit winkelgetreuer oder ähnlicher Abbil- dung ausgedehnter Objecte abhängt. Nach dem Gesagten ist jenes bestimmte Convergenzverhältniss der in zwei conjugirten Punkten der Achse zusammentreffenden Strahlenkegel die nothwendige und zureichende Bedingung dafür, dass diese Punkte aplanatische Punkte des Systems sind, wofern zugleich die sphärische Abweichung in ihnen gehoben ist. Auf ihren kürzesten Ausdruck gebracht, lautet demnach die vollstän- dige Definition des Aplanatismus: Aplanatische Punkte eines Linsensystems sind eonjugirte Punkte der Achse, in welchen die sphärische Aberration eines Strahlen- kegels von endlichem Oeffnungswinkel gehoben und zugleich Pro- portionalität der Sinus der Neigungswinkel conjugirter Strahlen herbeigeführt ist. Für die Theorie der optischen Instrumente und namentlich auch für die praktische Optik ist es eine Sache von erheblicher Tragweite, dass die Einschränkungen, welche dem Begriff in der hier begründeten Fassung anhaften, wesentliche Voraussetzungen desselben ausmachen — nämlich sowohl seine Beziehung auf ein- zelne Punkte der Achse wie auch die Beziehung auf die Abbildung eines als unendlich klein gedachten Flächen- Elements. Es könnte zwar scheinen, als ob eine nach der einen oder der anderen Rich- tung hin umfassendere Art von Aplanatismus möglich sein müsste, bei welcher die betreffende Eigenschaft entweder einem optischen System schlechthin zukömmt, nicht nur vereinzelten Paaren con- jugirter Punkte, oder bei welcher sie die homocentrische Abbil- dung von Objecten in endlicher Flächenausdehnung ausspricht; es lässt sich jedoch beweisen — und zwar ganz allgemein, für jede Art von Systemen und für jede Gestalt der spiegelnden oder brechenden Flächen — dass kein Aplanatismus solcher Art ver- wirklicht werden kann; dass nämlich erstens kein optisches System für eine continuirliche Folge von Punkten aplanatisch sein kann, und zweitens, dass durch optische Mittel keine dem Object ähnliche Abbildung möglich ist, bei welcher eine ebene Fläche von endlicher Ausdehnung correct wieder gegeben würde Sitzungsberichte. 133 durch Strahlenkegel, welche in demselben Raume endlichen Divergenzwinkel besitzen, es sei denn, dass die Vergrösserungs- zitfer gleich der Einheit bliebe. Einen dem oben aufgestellten im Wesentlichen gleichwerthigen Satz über das Convergenzverhältniss bei aplanatischen Systemen habe ich, unter Hinweis auf seine prinzipielle Bedeutung, in einer 1873 erschienenen Abhandlung „Beiträge zur Theorie des Mikroskops und der mikroskop. Wahrnehmung“ ausgesprochen !). Er hat sich mir in dem oben angedeuteten Zusammenhange ergeben, als die Bedingung für Idendität der Vergrösserung durch verschiedene Theile der Oeffnung eines Linsensystems. Fast gleichzeitig hat Hr. Helmholtz — „Ueber die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Mikroskope‘ 2) — das in Rede stehende Theorem aufgestellt und hat dasselbe von einem Gesichtspunkte aus bewiesen, der geeignet ist, ihm eine über das dioptrische Interesse hinausgehende allge- meinere Bedeutung zu verleihen. Der Beweis von Helmholtz er- giebt die Proportionalität der Sinus als die Bedingung dafür, dass die vom Objeet ausgehende Lichtmenge durch das abbildende Sy- stem ohne Gewinn oder Verlust dem Bilde zugeführt werde. Da im Sinne der Undulationstheorie Lichtmenge das Ergal einer oscil- latorischen Bewegung bedeutet, so setzt diese Ableitung des obigen Theorems die Wirkungsweise optischer Apparate in unmittelbaren Zusammenhang mit dem allgemeinsten Princip der neueren Physik. — DBemerkenswerth ist dabei, dass auch diese von ganz anderen Gesichtspunkten geleitete Deduction den entscheidenden Punkt meiner dioptrischen Betrachtungsweise gleichfalls als wesentliche Voraussetzung zur Geltung bringt: dass nämlich ein optisches Bild nur in soweit existirt, als ein Flächenelement abgebildet wird unter Ausschluss von Aberrationen von gleicher Grössenordnung mit den Dimensionen desselben. Die oben ausgesprochene allgemeine Eigenschaft aplanatischer Systeme ist hiernach dem Wesen nach nichts Neues mehr. Im- merhin dürfte es nicht als überflüssig erscheinen, ihre Bedeutung für die richtige Bestimmung eines fundamentalen Begriffs der Diop- trik einmal ausdrücklich ans Licht gesetzt zu haben. In Anschluss hieran mag denn auch noch kurz bemerkt sein, in welcher Art die hier betrachtete zweite Bedingung des Aplanatismus in der Wirkungsweise optischer Apparate praktisch zur Geltung kommt. ‘) Max Schultze’s Archiv f. mikrosk. Anatomie; Bd. IX, pag. 420. 2) Poggend. Annalen, Jubelband, pag. 566. 134 Sitzungsberichte. Ein Rest sphärischer Aberration in dem axialen Strahlenkegel hat zur Folge, dass in der dem Object conjugirten Ebene an Stelle scharfer Bildpunkte Zerstreuungskreise von bestimmtem Durch- messer auftreten. So lange Anomalien der Vergrösserung ausge- schlossen sind, muss Gestalt und Grösse der Zerstreuungsfigur auf und neben der Achse übereinstimmend sein, abgesehen von Unter- schieden, welche dem Quadrate und höheren Potenzen des Abstan- des proportional gehen, wie solche aus der allmäligen Veränderung des für die Achse geltenden Aberrations-Coefficienten, aus dem allmälig eintretenden Astigmatismus der Strahlenbüschel und aus der Wölbung der Bildfläche sich ergeben. Für sich würde also die sphärische Aberration auf der Achse bei der Abbildung eines kleinen Flächen-Elements eine ganz gleichmässige Undeutlichkeit des Bildes zur Folge haben. Dem gegenüber äussert sich ein Con- vergenz-Fehler, gemäss der aus ihm entspringenden Vergrösserungs- Anomalien, durch eigenthümliche Aberrationen ausserhalb der Achse, welche einen wesentlich anderen Charakter zeigen als die sphärischen Abweichungen im engeren Sinne. Jeder bestimm- ten Deviation des Quotienten der Sinus conjungirter Winkel in dem axialen Strahlenbüschel-Paar von der Constanten (nämlich von dem Product aus der normalen Vergrösserungsziffer des Bildes mit dem relativen Brechungsexponenten vom Bildraum zum Object- raum) entspricht eine bestimmte Abweichung der linearen Ver- grösserung durch irgend ein excentrisches Element der Oeffnung von der normalen Vergrösserung durch das centrale Element der- selben; und zwar wechselt diese Abweichung nach einem allge- mein giltigen, von der Construction des Systems unabhängigen Gesetz von Meridian zu Meridian. Diese Anomalien lassen das Bild auf der Achse selbstverständlich ganz unberührt, mag das- selbe ein scharfer Punkt oder ein Zerstreuungskreis sein. Der von einem neben der Achse liegenden Objectpunkt ausgehende Strah- lenkegel dagegen wird durch sie in einen anacentrischen Büschel verwandelt, dessen Durchschnitt in der Bildebene eine elliptische Fläche darstellt. Die Dimensionen dieser Ellipse wachsen aber von der Achse aus mit der ersten Potenz des Abstandes. Wenn nun das vom Quadrat und höheren Potenzen der Oeffnung ab- hängige veränderliche Glied in dem betrachteten Convergenz- Quotienten einen merklichen Werth erlangt, so muss — mag die sphärische Aberration vollkommen gehoben sein oder nicht — eine rasch zunehmende Undeutlichkeit des-Bildes ausserhalb der Achse eintreten. Sitzungsberichte. 135 Der Natur der Sache nach kann ein Anwachsen des Conver- genzfehlers und der ihm folgenden Vergrösserungs - Anomalien zu bedeutendem Betrage nicht leicht eintreten, so lange nur geringe Convergenzwinkel in Betracht kommen. Denn welches auch das specifische Convergenzverhältniss sein möchte, in den Grenzen kleiner Winkel wird es sich niemals von der Constanz des Sinus- Quotienten bedeutend entfernen können. Bei solchen optischen Systemen, die — wie z. B. das Fernrohr-Objeetiv — nur mit ge- ringen Oeffnungswinkeln in Anspruch genommen werden, bleibt deshalb die zweite Bedingung des Aplanatismus praktisch von untergeordneter Bedeutung gegenüber der Correction der sphäri- schen Abweichung der Achsenstrahlen, wenigstens so lange, als das Bild nur in geringer Ausdehnung um die Achse herum be- nutzt zu werden braucht!). Ganz anders stellt sich das Verhält- niss im Falle von Systemen, welche mit sehr weit geöffneten Strah- lenkegeln wirksam sein sollen, wie solche vor Allem am Mikroskop im Gebrauche sind. Hier handelt es sich um Divergenzwinkel der abbildenden Strahlenbüschel, welche schon bei sogen. Trocken- Objeetiven zum Theil der Halbkugel nahe kommen und bei man- !) Das achromatische Doppel-Objectiv, wie es seit Dollond die Basis aller optischen Constructionen bildet, bietet übrigens in den vier verfügbaren Krümmungen gerade so viel disponible Elemente dar, als erforderlich und zureichend sind, um neben der Farbendifferenz des Brennpunktes und der sphärischen Aberration auf der Achse auch noch den Convergenzfehler in seinem ersten Gliede zu heben und also in den Grenzen mässiger Oeffnungen vollständigen Aplanatismus zu verwirklichen. — Es ist von Interesse, zu constatiren, dass das Fraunhofer’sche Objectiv, so wie es durch die Elemente des Kö- nigsberger Heliometers gekennzeichnet ist, dieses Ideal eines zwei- gliedrigen Systems in aller Vollkommenheit darstellt. Sein Conver- genzfehler ist fast gleich Null, nämlich von gleicher Ordnung mit dem Rest der sphärischen Aberration im Brennpunkt. Es erklärt sich dieses sehr einfach, weil verständiger Weise doch nicht bezweifelt werden kann, dass Fraunhofer — zumal bei einem Objectiv, dessen Bild in ungewöhnlich grosser Ausdehnung zu Messungen benutzt wer- den sollte — jedenfalls die möglichste Einschränkung der Undeutlich- keitskreise ausser der Achse als dritte Bedingung eingeführt haben wird, woraus eine grosse Annäherung an das richtige Convergenzver- hältniss von selbst folgen musste. Uebrigens ist natürlich die mög- lichste Verminderung der Undeutlichkeit in einem bestimmten end- lichen Abstand von der Achse wegen der hinzutretenden Aberrationen höherer Ordnung nicht immer an das völlige Verschwinden des Con- vergenzfehlers, sondern unter Umständen an das Bestehen eines ge- wissen kleinen Restes desselben geknüpft. 136 Sitzungsberichte. chen der in neuerer Zeit construirten Immersions-Objective nicht einmal mehr im Luftraum, sondern nur in einem Medium von höherem Brechungsindex verwirklicht werden können. Bei solchen Linsensystemen gehört die Herstellung des richtigen Convergenz- Verhältnisses in möglichster Annäherung zu den wesentlichsten Bedingungen der Brauchbarkeit, und die genügende Erfüllung die- ser Anforderung ist thatsächlich der schwierigste Punkt in der Construction guter Objeetive mit den erwähnten grossen Oeffnungs- winkeln. Denn schon eine geringe Veränderlichkeit des Sinus- Quotienten eröffnet den Vergrösserungs-Anomalien so weiten Spiel- raum, dass dicht neben der Achse die deutliche Abbildung völlig aufhört, selbst wenn in der Mitte des Feldes die beste Strahlen- vereinigung erreicht ist. Wenn ein derartiges Objectiv mit einem durch die ganze Oefmung fortschreitenden Convergenzfehler mit merklichem Coefficienten behaftet ist, verschwinden diesem gegen- über alle sonstigen aus den gewöhnlichen Aberrationen, der Wöl- bung des Feldes und andern Ursachen herrührenden Defecte; das Bild eines ebenen Objeetes erscheint alsdann nicht wie das einer stark gewölbten Fläche, sondern vielmehr wie das Bild einer von der Achse aus gesehenen Kegelspitze. Weder die Theorie noch die empirische Praxis vermag bei sehr grossen Oeffnungswinkeln die zweite Bedingung des Aplana- tismus so genau zu erfüllen, dass nicht auch bei den besten Con- structionen dieser Art noch sehr deutliche Spuren des Divergenz- fehlers im Bilde übrig blieben. Die Mikroskopiker haben die Un- vollkommenheiten dieser Art mit dem sehr unzutreffenden Namen „Wölbung‘ oder „Unebenheit des Sehfeldes‘“ belegt, unter welcher Benennung sie allgemein bekannt sind. Es lässt sich aber experi- mentell sehr leicht nachweisen, dass die hierunter verstandenen Abbildungsfehler ihrem dominirenden Betrage nach nicht mit der zweiten, sondern mit der ersten Potenz des Abstandes von der Achse anwachsen, demnach in der Hauptsache mit einer wirk- lichen Wölbung der Bildfläche Nichts zu thun haben können. Im Folgenden soll nun noch ein einfaches Experiment be- schrieben werden, durch welches das characteristische Convergenz- Verhältniss der Strahlen in aplanatischen Punkten beobachtet und die Allgemeinheit seines Bestandes in eclatanter Weise constatirt werden kann. Dieses Experiment gründet sich auf den Gegensatz zwischen den aplanatischen Punkten und den zuvor erwähnten orthoskopischen Punkten der Linsensysteme und ergiebt sich aus folgender Betrachtung: Sitzungsberichte. 137 Wenn durch irgend ein optisches System von einem ausge- dehnten ebenen Object ein richtig gezeichnetes, d. h. ähnliches, Bild entworfen werden soll, so müssen die von den Objectpunkten ausgehenden, in einem Punkte der Achse sich kreuzenden Haupt- strahlen und die entsprechenden im conjugirten Punkte der Achse sich kreuzenden nach den Bildpunkten hinzielenden Hauptstrahlen der abbildenden Strahlenbüschel in den Tangenten ihrer Nei- gungswinkel ein constantes Verhältniss zeigen. Nur dann, wenn ein Linsensystem für ein Paar conjugirter Punkte der Achse dieser Bedingung genügt (wie z. B. ein richtig construirtes Ocular für den Ort der Objeetivöffnung und den ihm conjugirten Augenpunkt thun soll) ist es orthoskopisch, d. h. vermag es winkelgetreue verzerrungsfreie Bilder auch dann zu entwerfen, wenn das Object, oder das Bild, oder beide, unter endlicher Winkelausdehnung sich darstellen. Da nun aplanatische Punkte, kraft der Bedingung des Aplanatismus, diesem Merkmal orthoskopischer Punkte widerspre- chen, so muss ein aplanatisches System eine dem ihm eigenthüm- lichen Convergenzverhältniss gemäss vorauszubestimmende Verzerrung des Bildes ergeben, sobald es eine von dem aplanati- schen Punkt entfernte Ebene durch Strahlenkegel abbildet, deren Hauptstrahlen in diesem aplanatischen Punkt sich kreuzen. Die specifische Art der zu erwartenden Unähnlichkeit oder Verzerrung lässt sich aber genügend kennzeichnen, indem man die Umgestal- tung bestimmt, die ein System paralleler gerader Linien bei der Abbildung erleidet; oder indem man umgekehrt die Gestalt der- jenigen Curven aufsucht, welche im Bilde als parallele Gerade sich darstellen müssen. Auf die hier vorliegenden Voraussetzungen angewandt, ergiebt eine leicht auszuführende Rechnung das Resultat: irgend eine Schaar paralleler Geraden in einer zur optischen Achse senkrech- ten Ebene bildet sich durch ein aplanatisches System als eine Schaar von Ellipsen über derselben Hauptachse aber mit verschie- denen Nebenachsen ab (die unendlich entfernte Gerade als ein- schliessender Halbkreis); und eine bestimmte — unten näher zu bezeichnende — Schaar von Hyperbeln mit gleichem Mittelpunkte und gleicher Nebenachse aber verschieden grossen Hauptachsen wird im Bilde als ein System von parallelen Geraden wiederge- geben. Dabei ist vorausgesetzt, dass die abbildenden Strahlen- kegel beim Eintritt in das optische System sich in dem aplanau- schen Punkt auf der Objectseite kreuzen und ausserdem ist, zur Vereinfachung, noch angenommen, dass der Convergenzwinkel der 135 Sitzungsberichte. Strahlen im conjugirten aplanatischen Punkt auf der Bildseite als verschwindend klein angesehen, auf dieser Seite also der Sinus der Tangente gleich gesetzt werden könne. Zur experimentellen Erprobung dieser Folgerungen sind be- greiflicher Weise nur solche Linsensysteme geeignet, welche mit weit geöffneten Strahlenkegeln abbilden. Wo der Divergenzwinkel der Strahlen auf wenige Gerade beschränkt ist, — wie z. B. beim Fernrohrobjecetiv — entzieht sich das Convergenzverhältniss der Prü- fung auf diesem Wege, weil, welches auch sein specifischer Charakter sein möchte, bei kleinen Winkeln eine bemerkbare Abweichung von der Proportionalität der Tangenten keinesfalls vorkommen kann. Spielraum für mögliche grosse Verschiedenheiten in der Art der Strahlen-Convergenz bieten dagegen die an den Mikroskopen ge- brauchten Linsensysteme, zumal die Objective mit den ausnehmend grossen Oeffnungswinkeln, von denen oben die Rede war. Bei Linsensystemen dieser Art müssen daher die erwähnten Erschei- nungen anorthoskopischer Abbildung augenfällig sichtbar werden, sobald geeignete Figuren in einer vom aplanatischen Focus beliebig entfernten Objeetebene beobachtet werden und dabei Kreuzung der abbildenden Strahlenkegel in diesem Focus herbeigeführt wird. Letztere Forderung ist ohne alle Umstände dadurch zu erfüllen, dass bei der Beobachtung die Pupille des beobachtenden Auges — oder die sonst den Strahlenzutritt zum Auge vermittelnde Oeff- nung — in die Achse des Systems und zwar an den Ort des conjugirten aplanatischen Focus auf der Bildseite gebracht wird; weil in diesem Falle kein Strahl zum Auge gelangen kann, der nicht beim Eintritt in das System das der Pupille — oder der sonst wirksamen Oefinung — conjugirte Flächenelement auf der Achse passirt hat. Die oben bemerkte besondere Voraussetzung über die Convergenzwinkel im aplanatischen Punkte auf der Bild- seite ist aber bei Mikroskop -Objectiven augenscheinlich immer in genügender Annäherung erfüllt. Die für das Gesetz des Aplanatismus am meisten characte- ristische Erscheinung erhält man, wenn als Object-Figur zwei Schaaren von Hyperbeln mit gemeinsamen Mittelpunkten und senk- recht sich schneidenden Hauptachsen genommen werden, beide entworfen nach der Gleichung N er ie 2 Te wo A — die gemeinsame Nebenachse in beiden Schaaren — den Abstand der Objectebene von dem betreffenden aplanatischen Sitzungsberichte. 139 Focus darstellt; und wenn zugleich die Werthe von a in beiden Schaaren nach der Formel a yi— u. gleichen Zunahmen des u entsprechend — z.B. für die Beträge u=0...02...04...0,6...0,8 — gewählt werden !). Diese Figur ergiebt, nachdem der gemeinsame Mittelpunkt aller Curven in die Achse, die Ebene senkrecht zur Achse und in den richtigen Abstand A vom aplanatischen Focus gebracht ist, als Bild zwei Schaaren von äquidistanten Parallelen, die sich rechtwinkelig schneiden. Die krummlinig begrenzten, nach Aussen hin immer weiter sich aus- dehnenden und immer stärker deformtiren Felder der Object- figur stellen sich demnach im Bilde sämmtlich als congruente quadratische Felder dar; die Kreuzung der Hyperbeln, die nach Aussen hin unter immer spitzer und stumpfer werdenden Winkeln erfolgt, wird allenthalben als eine rechtwinkelige Kreuzung wieder gegeben; und auch die entfernteren Curven beider Hyperbelsysteme, deren Aeste in der Figur überhaupt keinen Durchschnitt ergeben, vielmehr sichtlich divergent verlaufen (z. B. die beiden für u= 0,8), erscheinen im Bild unter rechtwinkliger Kreuzung, ihr Durch- schnitttspunkt aber freilich — entsprechend dem mathematisch Imaginären — in einem Abstand von der Mitte des Bildes, zu wel- chem kein vom Luftraum ausgehender Lichtstrahl mehr gelangen kann (ausserhalb desjenigen Kreises in der Bildfläche, welcher der Grenze eines Strahlenkegels von 180 Graden im Luftraum ent- spricht). 1) Die Figur wird zweckmässig in zwei aneinander stossenden Quadranten construirt, welche zusammen ein genügendes Stück der Halbebene repräsentiren, in einer Ausdehnung von wenigstens 4 A in der Breite und 8 A in der Länge. A = 25 bis 50 Mm. giebt angemessene Dimensionen. Damit die geraden Linien im Bilde eine gewisse und überall gleiche Stärke erhalten, stellt man die Curven am besten dar als schwarze Streifen zwischen je zwei Hyperbeln, welche man mit Werthen von a construirt, denen immer derselbe Unterschied in u (also etwa u— 0,19 und 0,21; 0,39 und 0,41 u. s. f.) entspricht. Wird eine Zeichnung dieser Art gut geebnet auf ein Stück Pappe oder Furnierbrett gezogen und mit diesem auf den Tisch eines Mi- kroskopes befestigt, so braucht man nur den Mittelpunkt der Curven in die Achse zu rücken und den Tubus mit dem zu erprobenden Ob- jectiv soweit zu heben, dass der Einstellungspunkt des letzteren den richtigen Abstand A erhält, um Alles zur Beobachtung bereit zu haben. 140 Sitzungsberichte. Mit Objeetiven von nicht allzukurzer Brennweite — bis zu etwa 3 Mm. herab — lässt sich die beschriebene Erscheinung hin- reichend deutlich mit blossem Auge beobachten, indem man nach Entfernung des Oculars aus dem Tubus des Mikroskops vom offe- nen Ende aus — das Auge möglichst central gehalten und annä- hernd an die Stelle gebracht, wo beim gewöhnlichen Gebrauch des Objectivs das reelle Bild entstehen würde — auf das über dem Objeetiv schwebende Luftbildchen herabsieht. Bei Objectiven mit sehr kurzer Brennweite, welche dieses Bildchen zu klein werden lassen, muss man zur Beobachtung ein schwach vergrösserndes Hilfs-Mikroskop benutzen, welches in den Haupttubus eingescho- ben und auf das Bild eingestellt wird — eine Einrichtung, welche für vielerlei mikrographische Zwecke, z. B. bei Messung der Oefl- nungswinkel und Brennweiten von Objectiven, nützliche Dienste leistet. Es muss dabei allerdings darauf Bedacht genommen wer- den, dass eine den Strahlengang begrenzende Blendung in diesem Hilfsmikroskop wenigstens annähernd an einer solchen Stelle sich befindet, an welcher ihr Ort dem aplanatischen Focus des zu be- obachtenden Objectivs conjugirt ist. — Bei dieser Beobachtungs- weise stellt das ganze optische System vor dem Auge des Be- obachters augenscheinlich ein Fernrohr mit terrestrischem Ocular dar, durch welches die als Object dienende Zeichnung mit allen sie umgebenden Gegenständen betrachtet wird. Das zu prüfende Mikroskop-Objectiv fungirt dabei als Fernrohr-Objectiv; sein Oeff- nungswinkel ergiebt das angulare Sehfeld des Fernrohrs; und das beim gewöhnlichen mikroskopischen Gebrauch des Objectivs als Öbjectfeld dienende Flächenelement in seinem aplanatischen Focus spielt die Rolle der Eintritts-Oeffnung bei diesem teleskopischen Gebrauch. Eine auf diesem Wege ausgeführte Prüfung der verschieden- artigsten in den Händen der Mikroskopiker befindlichen Mikro- skop-Objeetive ergiebt — wie ich durch zahlreiche Proben consta- tirt habe — das bemerkenswerthe Resultat, dass alle solche Lin- sensysteme, welchen Ursprungs sie auch sein und wie verschieden ihre sonstigen Eigenschaften sich zeigen mögen, ganz übereinstim- mend die der Theorie entsprechende anorthoskopische Abbildungs- erscheinung darbieten, demnach ganz übereinstimmend das oben angeführte specifische Convergenz-Verhältniss aplanatischer Punkte an den Tag legen, obschon die Grösse der bei diesen Systemen vorkommenden Oeffnungswinkel den allermannigfaltigsten Abwei- chungen reichlichen Spielraum offen liesse. Die zu beobachtenden Sitzungsberichte. 141 Abweichungen beschränken sich überall auf ganz unbedeutende, kaum bemerkbare Irregularitäten, welche die Bilder der entfernten und stark gekrümmten Hyperbeln der oben beschriebenen Probefigur ge- legentlich zeigen. Nun existirt aber bis jetzt schwerlich ein Mikro- skop-Objectiv ausser den hier in Jena in der Zeiss’schen Werkstatt angefertigten, bei dessen Construction der Verfertiger in bewuss- ter Weise die in Rede stehende zweite Bedingung des Aplanatis- mus zur Richtschnur genommen hat. Wenn trotzdem die Objective aller Optiker auf dem Continent, in England und in America dieser Bedingung genügen, so beweist dieses Factum überzeugender als alle Theorie vermöchte, dass die fragliche Art der Strahlenconver- genz einen unbedingt wesentlichen Bestandtheil des Aplanatismus eines Linsensystems ausmacht, einen so unentbehrlichen, dass so- bald erhebliche Oeffnungswinkel in Verwendung kommen, der prak- tische Gebrauch alle Constructionen von selbst als unbrauchbar verwerfen muss, welche die von der Theorie geforderte Eigenschaft nicht wenigstens in annähernder Vollkommenheit erlangt haben. — Was oben über die praktischen Folgen eines fehlerhaften Conver- genzverhältnisses gesagt ist, bezeichnet den Weg, auf welchem die Praxis bei dieser Art von Constructionen zur unbewussten Realisi- rung eines richtigen Aplanatismus geführt worden ist, längst be- vor die Theorie dessen Bedingungen erschöpfend gekannt hat. Ein Objectiv mit merklichem Convergenz-Fehler musste, in der Aus- drucksweise des Mikroskopiker zu reden, stets mit einer so groben „Wölbung des Sehfeldes“ behaftet erscheinen, nämlich ausserhalb der Achse so schlechte Bilder ergeben, dass Niemand es hätte ge- brauchen mögen. Indem also die Optiker sich bemühen mussten, trotz immer fortschreitender Vergrösserung der zur Anwendung kommenden Oeffnungswinkel möglichst „flaches Feld“ zu erhalten, ergab sich eine weitgehende Anpassung der Constructionen an die theoretischen Erfordernisse des vollkommenen Aplanatismus als ungesuchte Folge. Das im Vorstehenden beschriebene Experiment ist übrigens in mehreren Beziehungen lehrreich, indem es noch andere theore- tische Schlussfolgerungen in Bezug auf die Abbildung durch Strah- lenkegel mit grossem Divergenzwinkel, namentlich auch in Bezug auf die Functionen des Oefinungswinkels beim mikroskopischen Sehen, praktisch illustrirt. Hier sei nur noch auf den einen Punkt kurz hingewiesen: dass die Beobachtung der hyperbolischen Figu- ren deutliche Winke für eine sachgemässe Schätzung der Oeff- nungswinkel bei Linsensystemen für mikroskopischen Gebrauch er- 142 Sitzungsberichte. giebt. — Die äusserst ungleichen Felder zwischen den hyperbo- lischen Curven, deren Areal nach Aussen hin auf ein ansehnliches Vielfaches vom Areal der innersten Felder steigt, werden sämmt- lich als gleich grosse Quadrate abgebildet, und diese lassen, wenn die Probefigur gleichmässig beleuchtet ist, keinerlei Unterschiede der Helligkeit erkennen, obschon in den Quadraten am Rand die Strahlenmenge zusammengedrängt ist, welche von einer vielfach grösseren leuchtenden Fläche als den mittleren Quadraten ent- spricht, ausgesandt wird. Dieses Factum macht augenfällig die grosse Ungleichwerthigkeit unter den verschiedenen Theilen des den Oeffnungswinkel eines Systems bildenden Kegelraumes, in Be- zug auf ihren Antheil an der Lichtmenge, die dem System zuge- führt wird. Es wird dadurch handgreiflich, dass die peripherischen Theile des Oeffnungskegels im Verhältniss zu den centralen Thei- len sehr viel weniger Lichtstrahlen in das Objectiv führen als ih- rem angularen Maasse entspricht und dass demnach der Oeffnungs- winkel kein richtiger Ausdruck für die wirkliche Oefinung — nämlich für die Fähigheit des optischen Systems zur Lichtauf- nahme — sein kann. Diese Erwägung, in naheliegender Weise weiter verfolgt, führt auf empirischem Wege zu demselben Schluss, den auch die Theorie aufstellt: das rationelle Maass für die Oefl- nung eines optischen Systems, das einzige, aus welchem sich ir- gend Etwas über die Wirkungsweise entnehmen lässt, ist die „numerische Apertur“, nämlich der Sinus des halben Oeffnungs- winkels, soweit es sich nur um Abbildungen vom Luftraum aus handelt, — und das Product aus diesem Sinus mit dem Brechungs- index des Mediums, auf welches der Winkel Bezug hat, wenn der allgemeinere Fall mitbegrifien sein soll. 14. Sitzung am 12. Dezember 1879. 1) Herr Professor O. Hertwig sprach: Veber die Muskulatur der Coelenteraten. Der Vortragende begann mit der Beschreibung verschiedener Modificationen, welche die Muskelzellen bei einzelnen Abtheilungen der Coelenteraten, namentlich aber bei einzelnen Arten der Acti- nien darbieten. Als die ursprünglichste und einfachste Form des Muskelgewebes betrachtete er die Epithelmuskelzellen, das heisst, Muskelzellen, die noch an der epithelialen Begrenzung des Körpers Sitzungsberichte, 145 vollständig Theil nehmen. Je nachdem bei ihnen die contractile Substanz glatt oder quergestreift ist, kann man zwischen glatten und quergestreiften Epithelmuskelzellen der Coelenteraten unter- scheiden. Die erste Form ist aus dem Ektoderm von Hydra durch Klei- nenberg zuerst isolirt und als Neuromuskelzelle beschrieben wor- den. Auch bei den Actinien kommen glatte Epithelmuskelzellen mit Ausnahme des Röttekee’schen Ringmuskels überall im Ento- derm vor und können bei Anwendung macerirender Reagentien vollständig und gut isolirt werden. An den Septen, an der ento- dermalen Seite des Schlundrohrs, des Mauerblattes, der Mund- und Fussscheibe, an der Innenseite der Tentakeln lernt man bald cubische, bald ceylindrische, bald fadenförmige Epithelzellen kennen, die auf ihrem peripheren Ende entweder mit vielen Flimmern (Cerianthus) oder mit einer einzigen langen Geissel (Actinien) be- deckt sind und an ihrer verbreiterten Basis eine einzige glatte Muskelfaser ausgeschieden haben. Die Faser ist bei manchen Ar- ten (Sagartia) recht kurz, bei anderen (Anthea) erreicht sie eine nicht unbedeutende Länge. Bei einem Theil der Actinien (Adamsia, Anthea etc.) beherbergt das Protoplasma der Epithelmuskelzellen zwei und mehr kleine, kuglige, gelbbraune Körper, die von früheren Forschern für Pigmentkörner gehalten worden sind. Dieselben gleichen in hohem Grade den gelben Zellen der Radiolarien , sie besitzen eine derbe Membran, einen tingirbaren kleinen Kern und werden nicht selten in Zweitheilung angetroffen. Alles spricht dafür, dass wir es mit njedersten einzelligen parasitischen Orga- nismen zu thun haben, die im Protoplasma der entodermalen Muskelzellen leben ohne deren Funktion in erheblicher Weise zu beeinträchtigen. Die zweite Form des Muskelgewebes oder die quergestreifte Epithelmuskelzelle findet sich im Velum und in der Subumbrella der Medusen. Dieselbe unterscheidet sich von der ersten Form auch noch dadurch, dass nicht eine einzelne Faser von einer Epi- thelzelle ausgeschieden wird, sondern dass mehrere Zellen gemein- sam viele quergestreifte Fasern gebildet haben. Von den glatten Epithelmuskelzellen können zwei weitere For- men des Muskelgewebes abgeleitet und als nächst höhere Ent- wickelungszustände beurtheilt werden. Die eine Form mag die intraepitheliale, die andere die subepitheliale heissen. Erstere wurde nur im Ektoderm von Cerianthus beobachtet. An den Ten- takeln und am Mauerblatt desselben sind die nach Aussen von 144 Sitzungsberichte. dem Mesoderm gelegenen glatten Muskelfasern in ihrer Mitte je mit einem langen spindelförmigen Zellenkörper versehen, der zwi- schen die Epithelzellen sich etwa bis zu ihrer Mitte hineinschiebt, aber an der Öberflächenbegrenzung selbst keinen Antheil mehr nimmt und an seiner Peripherie auch keine Flimmern mehr trägt. Die Muskelzellen sind daher halb aus dem ektodermalen Epithel ausgeschieden, halb gehören sie demselben noch an. Dadurch ver- mitteln sie einen Uebergang von den ächten Epithelmuskelzellen zu der subepithelialen Form. Das subepitheliale Muskelgewebe kommt im Ektoderm aller Actinien an den Tentakeln und an der Mundscheibe vor; hier sind die Muskelfasern lange, schmale Bänder, die auf ihrer nach dem Epithel gewandten Seite eine dünne Lage von Protoplasma und in dieser einen Kern besitzen. Das Muskelkörperchen, wie man das Protoplasma plus Kern benennen kann, entspricht dem Körper einer Epithelmuskelzelle und ist durch allmähliche Verkürzung und Aus- scheidung aus dem Epithel entstanden zu denken. Von der Form der einzelnen Muskelzellen wendet sich Vor- tragender zu der Anordnung derselben in Muskellagen und be- schreibt auch hier wieder verschiedene Einrichtungen, die von einan- der abgeleitet und als Glieder einer continuirlichen Entwickelungs- reihe dargestellt werden können. Im einfachsten Falle sind benachbarte Muskelfasern parallel zu einander zu einer zusammenhängenden glatten Lamelle ange- ordnet, welche Epithel und Mesoderm von einander trennt. Von die- ser ursprünglichen Anordnungsweise aus findet eine Weiterent- wicklung bei den verschiedensten Coelenteraten in der Art statt, dass sich die Muskellamelle in zahlreiche Falten legt, wobei die nach der freien Oberfläche zu entstehenden Thäler und Berge durch eine verschiedene Dicke des darüber gelegenen Epithels ausgeglichen werden. Ebenso passt sich das Mesoderm allen Ver- änderungen der Muskellamelle an, indem es in die Falten hinein- dringt und ihnen zur Stütze dient. Bei den Craspedoten, den Acraspeden, den Siphonophoren, den Actinien lassen sich in der Art und in der Stärke der Einfaltung der Muskellamelle die ver- schiedensten Modificationen beobachten. Bei sehr hochgradiger Einfaltung entstehen Muskelblätter, die sich senkrecht zur Körper- oberfläche stellen, eine ansehnliche Höhe erreichen können und wie die Blätter eines Buches dicht aneinandergepresst sind. (Actinien, Cerianthus, Siphonophoren, Medusen). Jedes Blatt erhält vom Mesoderm her eine dünne bindegewebige Stützlamelle, welche auf Sitzungsberichte. 145 beiden Seiten von Muskelfasern bedeckt wird. Die Muskelblätter sind entweder einfach oder sie sind noch mit kleineren secundären Blättern besetzt. Durch Einfaltung einer ursprünglich einfachen Muskellamelle hat man sich endlich auch noch die im Mesoderm eingebetteten Muskelprimitivbündel vieler Coelenteraten entstanden zu denken. An den Tentakeln von Tealia crassicornis, am Ringmuskel von Actinoloba dianthus und Sagartia parasitica, an den Tentakeln von Charybdea und an vielen Körperstellen der Lucernarien liegen im Mesoderm kreisrunde oder abgeplattete Röhren von Muskel- fibrillen, welche Kerne’ und Protoplasma, die Muskelkörperchen, ein- schliessen. Ihrer definitiven Lage nach müssen sie zum Mesoderm oder zu der mittleren Körperschicht gerechnet werden, mit Rück- sicht auf ihre Entwickelung aber gehören sie einem der beiden Grenzblätter, dem Ektoderm oder dem Entoderm, an und sind ohne Frage in der Weise entstanden, dass ursprünglich eine Mus- kellamelle vorhanden gewesen ist und sich eingefaltet hat und dass die Ränder der Falten sich aneinandergelegt haben und ver- schmolzen sind. Die so entwickelten Gebilde gleichen in vieler Hinsicht den Muskelfasern der höheren Thiere, nur hat sich um das Muskelprimitivbündel noch nicht das angrenzende Bindegewebe zu einer besonderen Scheide, einem Sarcolemm, difierenzirt. Wie bei Sagartia parasitica festgestellt werden konnte, ver- mehren sich die in das Mesoderm eingeschlossenen Primitivbündel in der Weise, dass sie an Grösse zunehmen, sich einfalten und in kleinere Bündel zerfallen. Wenn man auf dickeren Querschnitten durch Veränderung der Einstellung sich abwechselnd tiefere und höhere Schichten zur Anschauung bringt, kann man ein grösseres Bündel in zwei oder mehrere kleinere Bündel zerfallen sehen. Es spricht dies sehr zu Gunsten der Ansicht, dass auch bei den höheren Thieren die Muskeln durch Theilung der Primitivbündel wachsen. Bei den Coelenteraten liegt somit dem Muskelwachsthum ein einfaches Prineip zu Grunde. Eine Vermehrung der contractilen Fasern, die ursprünglich jn einer glatten Lamelle angeordnet sind, führt zu einer Einfaltung der letzteren; die eingefalteten Partieen schnüren sich dann weiter ab und bilden in das Mesoderm einge- bettet Primitivbündel, welche sich ihrerseits durch Spaltung ver- mehren können. Durch diesen so klar gekennzeichneten Entwick- lungsprocess, der sich in verschiedenen Modificationen abspielt, durch Einfaltung und Abschnürung, wird auf einem gegebenen 10 ’ 146 Sitzungsberichte. Raum eine beträchtliche Zunahme der Muskelmasse ermöglicht, ohne dass in Folge derselben eine Vergrösserung der Körperober- fläche nothwendig geworden wäre. 2) Herr Stabsarzt Dr. Körting demonstrirte ein neues aus der Werkstatt von Zeiss hervorgegangenes Mikrotom. Das In- strument vereinigt die Vorzüge einiger lange bekannter Construc- tionen. Die Schlittenführung des Messers ist beibehalten, jedoch mit Sicherung gegen das Herunterfallen. Zur Einstellung des Ob- jects dient eine getheilte Trommel mit Mikrometerschraube. Als besonders vortheilhaft muss die Gestalt und Befestigung der Ob- jectklammer bezeichnet werden. Sie erlaubt eiu beständiges Be- netzen der Schnittfläche aus einem Tropfglase etc., ohne dass über- fliessendes Wasser das Instrument oder die Umgebung nässt. Eine untergestellte Schale fängt das Wasser auf. Es sei noch bemerkt, dass das Mikrotom nicht mit den grossen Instrumenten in Concurrenz tritt, welche zur Zerlegung ganzer Organe dienen. Im Uebrigen wird auf die genauere Beschreibung verwiesen, die, erläutert durch eine Abbildung, in der Zeitschrift der Gesellschaft publicirt werden wird. | 3) Sodann sprach Herr Professor Dr. K. Bardeleben: Ueber das Episternum des Menschen. Im Zusammenhange mit meinen Untersuchungen über den Musc. „sternalis‘‘ des Menschen (s. Medic. Centralblatt 1375. Zeit- schrift für Anatomie u. Entwickelungsgesch. Bd. I. 1876. Jenaische Sitzungsberichte 1877.) hatte ich bereits früher dem oberen Brust- beinende des Menschen besondere Aufmerksamkeit zugewandt, wo- bei mich vor Allem das Lig. „interclaviculare“‘ wegen seines merk- würdigen Verlaufes über die Mittellinie und seiner recht erheb- lichen Variabilität interessirte. Letzterer Umstand liess mich nach früheren Erfahrungen vermuthen, dass hier Rückbildungs- vorgänge, vielleicht im Verein mit secundären Anpassungen, vor- lägen. Eine im September 1878 angestellte speciellere Untersu- chung über dieses Band ergab nun bald, dass die Beschreibungen desselben in den neueren Hand- und Lehrbüchern meist ungenau und unvollständig sind. Die tiefen Schichten am Brustbein und besonders die mit den Menisci des Sternoclaviculargelenkes zusam- menhängenden Fasern werden theilweise gar nicht, theilweise nur Sitzungsberichte, 147 nebenbei erwähnt, und doch sind gerade die genannten Theile vergleichend - anatomisch und entwickelungsgeschichtlich die weit- aus wichtigeren, wie unten gezeigt werden soll. Die älteren Ana- tomen scheinen, wie in vielen anderen descriptiven Einzelheiten, so auch hier genauer beobachtet und beschrieben zu haben. So sprechen Sömmerring (1800), Meckel (1816), Weber-Hilde- brandt (1830), C. F. Th. Krause (1841. 3. Aufl. von W. Krause 1879), Arnold (1845) — neuerdings Humphry (Human skele- ton 1858), H. Meyer und Quain-Hoffmann (1377) von einem Zusammenhange des Bandes mit dem oberen Rande des Manubrium sterni. Letzterer sagt, es sei durch schwächere Fasern an den Knochenrand angeheftet und fülle so die Incisura sterni theilweise aus; nach Henle (1872) ist das Band gegen den halbmondför- migen Ausschnitt des Brustbeins durch lockeres Bindegewebe ab- gesetzt. Derselbe gibt ferner an, dass Bindegewebsfasern von der oberen Ecke des sternalen Endes des Schlüsselbeins sowohl in die „Bandscheibe“, wie „als Theil der Gelenkkapsel“ zur oberen Ecke des Schlüsselbeinausschnittes des Brustbeins, drittens median- wärts „als Lig. interclaviculare“ zum Schlüsselbein der anderen Seite sich begeben. Den Zusammenhang des Lig. interclaviculare mit dem Brustbein stellen als inconstant dar: Cloquet (1822): „Souvent ce ligament n’a avec le sternum que des l&geres adhören- ces membraneuses; quelquefois il se fixe fortement ä son perioste et & ses ligamens“, — sowie Lauth (1855): „zuweilen hängt es mit ... zusammen“. Luschka (Anatomie I, 1863) äussert sich folgendermaassen: „das Gewebe dieses Bandes hängt lateralwärts fest mit der Substanz des Meniscus zusammen und entsendet überdies gewöhnlich einen vertical zu jener Incisur herabsteigen- den Ausläufer, welcher mit dem der anderen Seite eine rundliche Lücke begrenzen hilft, die für den Durchtritt einer Vene be- stimmt ist.“ Die zuweilen entstehende T-Form erwähnt bereits Krause Vater; von Gefässdurchtritt spricht ausser Luschka nur Cloquet. Vom mechanischen Standpunkte beschreibt das Band, ohne seiner Anheftung an das Brustbein oder des Zusam- menhanges mit dem Meniscus zu gedenken: Langer (1865). Aeby betrachtet das Band als eine Verstärkung der Gelenkkap- sel: „das Kapselband ... wird nach oben durch einen queren Faserzug verstärkt, der längs des oberen Brustbeinendes mit dem- jenigen der anderen Seite zu einfachem, beiden Gelenken gemein- samem, Querbande (lig. interarticulare) sich verbindet.“ Die ein- fachste Beschreibung gibt entschieden Hyrtl: „das rundliche 10% 148 Sitzungsberichte. Lig. interclaviculare, welches in der Incisura jugularis sterni quer von einem Schlüsselbein zum anderen geht“. Das Material meiner Untersuchung !) bildeten menschliche Em- bryonen von der 12. Woche an, ferner Kinder und Erwachsene verschiedener Altersstufen. Das Ergebniss lautet kurz: das Lig. „interclaviculare“ des erwachsenen Menschen zerfällt in ein eigent- liches, die Schlüsselbeine verbindendes, fibröses Band und in tiefere Schichten, welche theilweise zwischen den Menisci, besonders aber zwischen Meniscus und oberem Rande des Manubrium verlaufen. Letztere deute ich als Reste des medialen Theiles des Epister- num, dessen laterale Theile, wie Gegenbaur gezeigt, in den Me- nisci sich finden. Ein Theil des mittleren, unpaaren Abschnittes des Episternum ist wahrscheinlich in die Bildung des Manubrium übergegangen. Manchmal zeigt sich in der Mitte des oberen Ran- des des Brustbeins ein kleiner unpaarer Knochenvorsprung, wel- cher m. E. als stärker entwickeltes mittelstes Stück des Epister- num aufzufassen ist. Einige Befunde an Frontalschnitten aus ver- schiedenen Stadien der Entwickelung mögen das Gesagte er- läutern. 1) Im October 1878 war ich zu einem Ergebnisse gelangt, wel- ches ich im November v. J. der med. naturwiss. Gesellschaft mitzu- theilen gedachte. Den unter dem Titel „Episternum‘“ angemeldeten Vortrag (s. Sitzungsprotokoll, Nov. 1878) habe ich indess, um wo- möglich noch jüngere menschliche Embryonen (unter 12 Wochen) und solche von Thieren, speciell von Cricetus und Erinaceus (wie Herr College Goette mir im October 1878 rieth) zu vergleichen, verschoben. Die Arbeiten des Wintersemesters und der Jahresbericht verhinderten jedoch eine Wiederaufnahme der Arbeit bis zum Früh- jahr d. J. Inzwischen erschien im 1. Heft des Morphol. Jahrb. Bd. V eine vorläufige Mittheillung von G. Ruge, welche theilweise den von mir untersuchten Gegenstand betrifft. Obwohl ich nun Herrn Dr. Ruge sogleich nach Kenntnissnahme der Mittheilung, im Früh- jahr d. J. brieflich erklärte, dass ich ihm, da er vor mir publieirt und jüngere Embryonen untersucht habe, das Thema überlasse und nur um Antwort bäte, ob er auch das Lig. interclaviculare (des- sen R. keine Erwähnung thut) bereits untersucht habe, so habe ich bisher keine Antwort erhalten, auch nicht auf eine Ende November abgesendete Postkarte mit Rückantwort. Dieser Umstand veranlasst mich, meine ursprüngliche Absicht, zu schweigen, aufzugeben und meine, leider unfertige Untersuchung, wie sie seit October 1878 da liegt, hier mitzutheilen. Ohne Kenntniss von den Absichten des Herrn Collegen Ruge hielt und halte ich mich aber, in Hinsicht auf R.’s vorläufige Mittheilung, einstweilen nicht für berechtigt, den Gegenstand weiter zu verfolgen. Sitzungsberichte. 149 Beim ca. 12wöchentlichen Embryo geht aus dem zelligen Knor- pel des oberen, noch convex endenden, Abschnittes des Manubri- um ein bei Carminfärbung sich deutlicher abhebender faserknor- peliger Streif von der Mitte aus nach den Seiten, um sich dort in zwei ungleich dicke Abschnitte zu theilen. Der dünnere legt sich dem lateralen Rande des Manubrium auf und begrenzt so die mediale Gelenkspalte von innen. Der stärkere obere Abschnitt setzt sich nach aussen-oben bis in die Clavicula fort, während er nach aussen-unten in den Meniscus übergeht. Das Schlüssel- bein steht hier also in direkter breiter Verbindung mit dem Me- niscus, mit dem Manubrium sterni und mit dem Schlüsselbein der anderen Seite. Darüber befinden sich Gewebstheile, welche später zur Gelenkkapsel und zum Lig. interclaviculare im engeren Sinne werden. Beim 6monatlichen Foetus ist der medialste Theil des das Sternum mit dem Meniscus und der Clavicula verbindenden knorpeligen Apparates mit dem übrigen Manubrium bereits innig verschmolzen, resp. so reducirt, dass in der Mitte nur noch ein ganz dünner Streif dem oberen Rande des Sternum aufliegt. We- der die mediale noch die laterale Gelenkspalte reichen bis in die obere Region der Sternum und Schlüsselbein verbindenden faser- knorpeligen Brücke. Nicht wesentlich anders liegen die Verhält- nisse beim Smonatlichen Foetus und beim Neugeborenen. Bei einem Kinde von 4 Jahren 11 Monaten geht zwar die mediale Ge- lenkspalte weiter nach oben, aber es besteht auch hier noch eine starke Brücke. Man sieht noch deutlich einen bei Carminbehand- lung stärker hervortretenden Knorpelstreifen am oberen Rande des Manubrium liegen und von hier aus sowohl nach dem lateralen Rande des hier noch hyalin-knorpeligen Brustbeinhandgriffes als nach dem Meniscus und der Clavicula zu verlaufen. Beim Er- wachsenen, wo diese Verhältnisse allerdings sehr variiren, bleibt doch stets eine relativ breite Brücke von der Clavicula durch den oberen Theil des Meniseus zum Sternum herüber bestehen. Ausser- dem persistirt am äusseren Theile des oberen Randes des Manu- brium ein mehrere Millimeter (ca. 6 — 8) langer Knorpelstreif. Bei älteren Individuen treten dann weitere Veränderungen am Meniscus, den Gelenkflächen etc. ein, die sich nicht wesentlich von pathologischen unterscheiden. Ist Gegenbaur’s Deutung der Menisci als laterale paarige Theile des Episternum die richtige, so fragt sich, wo haben wir den mittleren Abschnitt zu suchen. Gegenbaur (Schultergürtel) hat die von Luschka (Halsrippen und Ossa suprasternalia) ein- 150 Sitzungsberichte. gehend abgehandelten Ossa suprasternalia als Mittelstück des Epi- sternum angesprochen. Andererseits aber sieht G., wenn ich ihn recht verstehe, die lateralen Stücke in den ganzen Menisci und lässt sie bis zu deren unterem Ende (an der I. Rippe) reichen; dann könnte das Mittelstück doch nur in dem ganzen oberen T'heil des Manubrium oder aber am lateralen Rande gesucht werden. Dies scheint Ruge zu thun. Darnach würde dann das Episternum ein ganz merkwürdiges Zickzack beschreiben. Einfacher und nach meinen im October 1878 aus Materialmangel auf die jüngsten Sta- dien nicht ausgedehnten Untersuchungen viel wahrscheinlicher ist es wohl, wenn wir als mittleres Verbindungsstück des Fpisternum die oben beschriebene Brücke ansehen. Ein Stelle in Gegenbaur’s „Schultergürtel‘“ stimmt insofern damit überein, als G. in den „me- dian von ihm (dem Zwischenknorpel) gelagerten Theilen das Mit- telstück sucht“. Wenn G. nun Luschka gegenüber, der die seltenen Ossa suprasternalia als laterale Theile des Episternum auffasst, betont, dass das Episternum beständig, nämlich in Ge- stalt des Menisci vorhanden sei, diese aber doch nur die lateralen Theile darstellen können, so möchte ich Gegenbaur gegenüber, welcher die sehr unbeständigen Ossa suprasternalia als mediale Theile des Episternum ansieht, geltend machen, dass auch das Mittelstück des Episternum constant vorhanden ist, in Gestalt der, Sternum und Menisci und letztere unter einander verbinden- den Theile. Die Ossa suprasternalia halte ich für laterale Stücke des Episternum, welche sich stärker nach oben entwickelt haben und partiell verknöchert sind. Das dieselben stets verbindende, unter dem eigentlichen Lig. interclaviculare gelegene Baud ist dann eine stärkere Entwickelung des gewöhnlich nur schwachen Lig. intermeniscale, wie ich die constant vorhandene Verbindung der Menisci unter einander nennen möchte. Die noch tiefere Schicht des Apparates würde als Lig. ster- no-meniscale und mit seiner Fortsetzung auf das Schlüsselbein als Lig. sterno-menisco-claviculare zu bezeichnen sein. Einfacher und prägnanter könnte man die am Steruum und Me- niscus befestigten Theile als Lig. episternale zusammenfassen, das also = Lig. intermeniscale + Lig. sterno-meniscale wäre. Erst über dem Lig. episternale folgt dann das Lig. interclaviculare im eigentlichen engeren Sinne. Die oben entwickelte Auffassung wird, soweit ich sehe, durch vergleichend- anatomische und vergleicheud - embryologische That- sachen gestützt. Eigene Forschungen hatte ich nach dieser Rich- Sitzungsberichte. 151 tung hin noch nicht anstellen können, jedoch sprechen die Figu- ren von Parker (Shouldre-girdle and sternum), von Harting!) (Appareil &pisternal des oiseaux) und besonders die Abbildung, welche Goette neuerdings (Arch. f. mikrosk. Anat. XIV, Taf. XXXD vom Kaninchen gegeben hat, entschieden dafür. Einige mehr nebensächliche Resultate der Untersuchung möchte ich noch anführen. Die Clavicula ändert im Laufe der Entwicke- lung allmälig sowohl die Form ihres sternalen Endes, als ihre Lage am Sternum und ihre Stellung zu demselben und der Stammes- axe. Im Zusammenhange mit dem Hervorwachsen des Manubrium rückt sie allmälig nach vorn, abwärts und seitwärts, während die Richtung ihrer Längsaxe langsam um den relativ fixen Punkt am Sternum gedreht wird, indem das laterale Ende nach unten und vorn geht. Dem entsprechend verändern sich Lage, Richtung und Form der Gelenkflächen, besonders derjenigen am Sternum, sowie die Form des Meniscus.. Die Gelenkfläche am Sternum ist (wie bei anderen Gelenken) anfangs convex, dann plan, schliesslich concav. Die Veränderungen an der Clavicula werden noch durch das Hervorwachsen der oberen Ecke am sternalen Ende complicirt. Uebrigens bestehen hier viele individuelle Schwankungen. Das Lig. interclaviculare im eigentlichen Sinne stellt sich als eine secundäre Bildung dar. Als merkwürdig weise ich schliesslich nochmals auf das Per- sistiren von Knorpel am oberen Rande des Manubrium beim Er- wachsenen hin. 4) Den letzten Vortrag hielt Herr Prof. Haeckel: Veber die Phaeodarien, eine neue Gruppe kieselschaliger mariner Rhizopoden. Die Phaeodarien bilden eine formenreiche und in mehr- facher Beziehung sehr ausgezeichnete Gruppe von grossen marinen Rhizopoden, die zwar vorläufig am besten nach den Radiola- rien angeschlossen werden, aber von den typischen Radiolarien (Sphaerideen, Discideen, Cyrtideen, Cricoideen etc.) nicht weniger 1) H. sagt übrigens, wie ich nachträglich sehe, S. 4: „dans l’'homme et les mammiferes sup6rieurs, ou il n’en reste que deux lames minces, fibrocartilagineuses, entre les clavicules et le bord du manu- brium ou praesternum,“ 152 Sitzungsberichte. abweichen als die Acanthometren. Bisher waren von den Phaeo- darien nur sehr wenige Formen bekannt, welche sämmtlich zuerst von mir 1859 in Messina beobachtet und in meiner Monographie der Radielarien 1862 als Vertreter von drei verschiedenen Fami- lien beschrieben wurden, nämlich 1. Aulacanthida (Genus: Aulacantha). 2. Aulosphaerida (Genus: Aulosphaera). 3. Coelodendrida (Genus: Coelodendrum). Ausserdem hatte ich daselbst noch zwei andere, hierher gehörige Formen beschrieben, nämlich Thalossoplancta, welche ich zu den Thalassosphaeriden, und Dictyocha, welche ich zu den Acantho- desmiden gestellt hatte. Ein ganz neues Licht wird auf diese interessanten Rhizopoden durch die Entdeckungen der Challenger-Expedition geworfen, welche auch von den typischen Radiolarien eine solche Fülle neuer Formen aus den Abgründen des pacifischen Oceans zu Tage gefördert hat, dass ich jetzt bereits über zweitausend neue Arten zu unterscheiden im Stande gewesen bin. Ausser diesen haben die Tiefsee-Forschungen des „Challenger“ auch eine Menge neuer, bisher völlig unbekannter Tiefsee-Phaeodarien an’s Licht gefördert, während die Anzahl derselben in den von mir untersuchten pelagischen Oberflächen-Präparaten der Chal- lenger-Sammlung weniger beträchtlich ist. Ueber Einige der eigen- thümlichsten Formen von diesen neuen Tiefsee-Phaeodarien hat bereits John Murray 1876 einen kurzen Bericht abgestattet und dieselben mit dem Namen Challengeridae belegt (Proceed. of the Royal Soc. 1876, Vol. 24, p. 471, 535, 536, Pl. 24, Fig. 1—6). Derselbe hebt als characteristisch hervor einerseits die äusserst zierliche und fein gefensterte Gitterstructur ihrer grossen, auffallend geformten Kieselschalen, anderseits die constante Anwesenheit von grossen schwarzbraunen Pigment-Mas- sen, welche ausserhalb der Central- Kapsel in der Sarcode zer- streut sind. In der neuen Anordnung der Radiolarien, welche ich 1878 in meiner Schrift über „das Protistenreich“ (Band III des „Kosmos“, gab, hatte ich die vorher erwähnten, mit hohlen Kieselröhren ausgestatteten Phaeodarien als eine besondere Ordnung der Ra- diolarien unter dem Namen Pansolenia zusammengefasst: „Ske- let besteht aus einzelnen hohlen Röhren, welche bald locker zer- streut, bald in radialer oder concentrischer Anordnung verbunden sind“; Protistenreich, p. 102). Sitzungsberichte. 155 Dieselbe Gruppe wurde 1879 von Richard Hertwig in sei- nem Werke über den „Organismus der Radiolarien“ als besondere Ordnung dieser Klasse unter der Bezeichnung Tripyleae aufge- führt, mit folgender Characteristik: „Monozoe einkernige Radio- larien; Kapsel-Membran doppelt, mit einer Hauptöfinung und zwei Nebenöffnungen; Skelet kieselig, von Röhren gebildet.“ (er B.,133.,D587): Weder die von Hertwig vorgeschlagene Benennung Tripy- leae, noch meine Bezeichnung Pansoleniae sind auf alle die Rhizopoden anwendbar, welche ich gegenwärtig in der Gruppe der Phaeodariae zusammenfasse. Denn nur ein Theil derselben besitzt in der doppelten Membran der Central-Kapsel die drei Oefinungen, welche für alle „Tripyleae“ characteristisch sein sollten; und nur bei einem Theile derselben wird das Kiesel-Skelet durch „hohle Röhren“ gebildet („Pansoleniae“). Dagegen beruht ein eigenthüm- licher und auffallender Character aller dieser Rhizopoden, wie zuerst von Murray (1876, 1. c. p. 536) hervorgehoben wurde, auf der beständigen Anwesenheit grosser dunkelbrauner Pigment-Körner, welche excentrisch aussen um die Oentral- Kapsel gelagert sind und einen grossen Theil ihrer Oberfläche be- decken. Der Kürze halber will ich diesen extracapsularen dunkeln Pigmenthaufen als das Phaeodium bezeichnen (pa«ıog oder pauw- örg — dunkel, braun, dämmerig). Allerdings sind die Phaeo- dellen oder die grossen braunen Körner des Phaeodium nicht echte Pigment-Zellen, wie Murray (l. c. p. 536) damals angab; denn ein echter Zellkern ist in denselben nicht nachzuweisen. Auch ist die Natur des eigenthümlichen Pigments dieser Pseudo- Zellen noch nicht näher bekannt. Allein die ansehnliche Quan- tität und die auffallende Constanz, in welcher das Phaeodium bei allen Phaeodarien sich findet, während es allen typischen Radiolarien fehlt, verleiht ihm gewiss einen hohen Grad von syste- matischer Bedeutung. Zur Zeit scheinen mir die beständige Anwesenheit des excentrischen Phaeodium nnd die eigen- thümlich gebaute doppelte Membran der Central-Kapsel die einzigen, systematisch verwerthbaren Merkmale zu sein, welche alle Phaeodarien von allen übrigen Radiolarien trennen. Die Grösse der Phaeodarien ist meistens sehr ansehnlich, im Verhältnisse zu den übrigen Radiolarien, deren Durchschnitts- Maass sie bedeutend übertreffen. Die meisten Phaeodarien sind mit blossem Auge sichtbar, und Viele erreichen !/,—1 Mm. Durch- messer und darüber. Die ansehnliche Central-Kapsel ist mei- 154 Sitzungsberichte. stens kugelig oder sphäroidal, oft aber auch eiförmig oder läng- lichrund; in vielen Fällen monaxon, in anderen dipleurisch. Ihre Membran ist sehr fest und stets doppelt, die äussere sehr dick, die innere dünn. Die Oeffnung derselben, durch welche die Pseudopodien austreten, ist von sehr eigenthümlicher Structur, welche R. Hertwig (1878, l. c.) genau beschrieben hat. Viele Phaeodarien haben nur eine solche Oefinung (,„Monopyleae“), an- dere deren zwei, an entgegengesetzten Polen der Central-Kapsel („Amphipyleae‘“); sehr viele, vielleicht die meisten, haben drei Oecfinungen, eine grössere Hauptöffnung' und zwei kleinere Neben- Oefinungen (,,Tripyleae“); noch andere endlich haben eine grössere Anzahl von Oefinungen, welche regelmässig oder unregelmässig vertheilt sind (,„Sporopyleae“). Trotz dieser eigenthümlichen Struc- tur und trotz der ansehnlichen Grösse hat dennoch die CGentral- Kapsel aller Phaeodarien nur den Formwerth einer einzigen, einfachen Zelle. Das beweist das mikro-chemische Verhalten ihres Protoplasma-Inhalts und des davon umschlossenen Kerns. Dieser Zellkern (von mir 1862 als „Binnenbläschen“ beschrieben) ist bläschenförmig und von sehr ansehnlicher Grösse, indem sein Durchmesser meistens über die Hälfte, oft ?/, oder ?/, von dem- jenigen der Central-Kapsel beträgt. Bald umschliesst er einen grossen Nucleolus, bald mehrere. Der extracapsulare Weichkörper ist bei allen Phaeo- darien durch zwei characteristische Eigenthümlichkeiten ausge- zeichnet; erstens durch die beträchtliche Quantität der extra- capsularen Sarcode, welche viel voluminöser ist als die intra- capsulare; und zweitens durch die darin angehäuften Phaeodel- len oder „dunkeln Pigment-Körner“. Die Farbe derselben ist meist dunkelbraun oder schwarzbraun, oft auch grünlich oder dun- kelgrün. Der Mutterboden der Pseudopodien ist sehr mächtig und von einer voluminösen, oft von Vacuolen durchsetzten Gallerte ein- geschlossen, durch welche die ausstrahlenden Pseudopodien hin- durchtreten. Die Phaeodellen oder die eigenthümlichen Pigment- Körner, welche das mächtige Phaeodium zusammensetzen, sind von sehr verschiedener Form und Grösse, ebenso wie das excen- trische Phaeodium selbst. Bald hüllt letzteres den grössten Theil der Kapsel, bald nur eine Seite derselben ein. Die extracapsula- ren gelben Zellen, welche bei den typischen Radiolarien allge- mein verbreitet sind, fehlen den Phaeodarien allgemein. Das Kiesel-Skelet ist bei den Phaeodarien stets extra- capsular und ebenfalls von sehr eigenthümlicher Form und Zu- Sitzungsberichte. 155 sammensetzung. Obwohl die einzelnen Hauptformen dieser Gruppe im Ganzen entsprechende Vertreter unter den typischen Radiola- rien haben, sind sie doch meistens leicht von diesen zu unterschei- den. Nur bei einer kleinen Abtheilung (welche den nackten Tha- lassicollen entspricht) fehlt das Kiesel-Skelet ganz (Phaeodinidae). Alle anderen Phaeodarien haben ein eigenthümliches Kiesel-Skelet, nach dessen Bildung ich im Ganzen in dieser Legion 4 Ordnungen und 10 Familien unterscheide: I. Ordnung: Phaeoeystia: Kiesel-Skelet fehlt entweder sanz, oder besteht aus hohlen Nadeln, welche ausser- halb der Centralkapsel bald zerstreut, bald regel- mässig angeordnet sind. 1. Familie. Phaeodinidae: Kiesel-Skelet fehlt ganz. Genera: Phaeodina, Phaeocolla. 2. Familie: Cannorhaphidae: Kiesel-Skelet besteht aus zahl- reichen einzelnen hohlen Nadeln (Oavispieula) oder hohlen Gitterstückchen (Caviretula), welche rings in der Peripherie des extracapsularen Weichkörpers zerstreut, meistens tangential gelagert sind. Genera: Oannorhaphis, Thalassoplancta, Dietyocha. 3. Familie: Aulacanthidae: Kiesel-Skelet besteht aus hoh- len Radial-Stacheln, welche rings von der Oberfläche der Central-Kapsel ausgehen und die extracapsulare Gallerte durch- setzen. Die Oberfläche der letzteren ist gewöhnlich mit einem dichten Mantel von feinen hohlen Kiesel-Nadeln bedeckt, welche tangential gelagert und mit einander verfilzt sind. Genera: Aulacantha, Aulancora, Aulographium. II. Ordnung: Phaeogromia: Kiesel-Skelet besteht aus einer einzigen Gitterschale, welche 'bald kugelig, bald eiförmig oder verschieden gestaltet, oft dipleu- risch, stets aber mit einer grossen Hauptöffnung oder Mündung versehen ist (seltener mit mehreren solchen Mündungen). Oft finden sich hohle Stacheln und an deren Basis eigenthümliche Porenfelder. 4. Familie: Challengeridae: Kiesel-Skelet besteht aus einer einaxigen oder dipleurischen, oft bilateral zusammenge- drückten und gekielten Gitterschale, welche meist eiförmig oder länglich rund, und an einem Pole der Axe mit einer weiten Mündung versehen ist. Diese Mündung ist selten einfach, meist mit einem hohlen Zahne bewaffnet oder in eine oder mehrere, oft verästelte hohle Röhren fortgesetzt. Die Gitter-Structur der Kieselschale gleicht meist derjenigen der Diatomeen; in 156 Sitzungsberichte. jedem sechseckigen Feldchen findet sich ein feiner Porus (Vergl. Murray, 1876, ]. c. Taf. 24, Fig. 1, 2, 4). Genera: Ohallen- geria, Tuscarora, Gazelletta, Porcupinia, Entocannula, Litho- gromia. 5. Familie: Castanellidae: Kiesel-Skelet besteht aus einer einfachen kugeligen Gitterschale, welche an einer Stelle ihrer Oberfläche eine weite (oft mit besonderen Fortsätzen um- gebene) Mündung besitzt. Meistens ist die Gitterschale mit soliden oder hohlen Stacheln bedeckt. Genera: (asta- nella, Castamidium, Castanissa, Castanopsis, Castanura. 6. Familie: Circoporidae: Kiesel-Skelet besteht aus einer subsphaerischen oder polyedrischen Kieselschale, von der nach verschiedenen Richtungen hohleradiale Röhren (einfach oder verästelt, oft mit Wimper-Quirlen besetzt), ausstrahlen, und welche eine grosse Mündung, sowie zerstreute Porenfelder be- sitzt. Die Poren bilden meistens Kränze um die Basis der Stacheln. (Vergl. Murray, 1876, 1. c. Taf. 24, Fig. 5, 6). Genera: Oirco- porus, Circospathis, Oircostephanus, Porostephanus, Porospathis. III. Ordnung: Phaeosphaeria. Kiesel-Skelet besteht aus zahlreichen hohlen Röhren, welchein eigenthümlicher Weise zu einem grossen, meist kugeligen oder poly- edrischen Gitter-Körper verbunden sind. 7. Familie: Aulosphaeridae: Kieselschale eine Gitterkugel oder ein polyedrischer Gitterkörper, dessen einzelne Gitter- balken hohle Röhren sind. Von den Knotenpunkten des Gitter- werkes strahlen gewöhnlich hohle Stacheln aus. (Vergl. Haeckel, Monogr. der Radiol. 1362, p. 357, Taf. X, XD. Genera: Aulo- sphaera, Aulodietyum, Auloplegma. 8. Familie: Cannosphaeridae: Kiesel-Skelet besteht aus einer einaxigen, kugeligen oder eiförmigen, einfachen Markschale, welche durch hohle Radial-Stäbe mit einer zusammenge- setzten äusseren Rindenschale verbunden ist; letztere besteht aus hohlen Röhren, welche eine weitmaschige Gitterkugel zu- sammensetzen, und von den Knotenpunkten der letzteren gehen einfache oder verästelte hohle Radial-Stacheln aus. (Vergl. Hertwig, 1. c. 1879, p. 91, Taf. IX). Genera: Cannacantha, Oannosphaera, Coelacantha. IV. Ordnung: Phaeoconchia: Kiesel-Skelet besteht aus zwei getrennten gegitterten Klappen, gleich einer Muschelschale; oft sitzen auf dem Scheitel beider Klappen einfache oder verästelte hohle Röhren. Sitzungsberichte. 157 9 Familie: Concharida: Kiesel-Skelet besteht aus zwei halbkugeligen oder linsenförmigen, mit der Concavität einander zugekehrten Gitterschalen, deren Ränder gewöhnlich mit einer Zahnreihe besetzt sind. Die Zähne greifen gleich den Schloss-Zähnen einer Muschel-Schale in einander. (Verel. Mur- ray, 1876, 1. c. Pl. 24, Fig. 5). Genera: COoncharium, Con- chopsis, Conchidium, Conchoceras. 10. Familie: Coelodendridae: Kiesel-Skelet besteht aus zwei halbkugeligen oder linsenförmigen, mit der Concavität einan- der zugekehrten Gitterschalen. Von den beiden entgegenge- setzten Polen der Hauptaxe (oder von den Scheitel-Mittelpunkten der Halbkugeln) gehen einfache oder baumförmig verzweigte hohle Stacheln ab. (Vergl. Haeckel, Monogr. d. Rad. 1862, p. 360, Taf. XII, Fig. 1—4; Taf. XXXU, Fig. 1—3). Genera: (oelo- dendrum, Coelothamnus, Coelodrymus, Coelothauma. Wenn man die Organisation aller vorstehend angeführten Phaco- darien vergleichend überblickt, so lässt sich der Charakter dieser Rhizopoden-Gruppe folgendermaassen definiren: Die Phaeodarien sind einzellige Rhizopoden, deren grosser Zellenleib (oder die Central-Kapsel) einen mäch- tigen Nucleus (oder Binnenbläschen) einschliesst. Die Zell- membran iststets doppelt, voneineroder mehrerengrossen Oeffnungen durchbrochen, durch welche das intracapsu- lare Protoplasma mit dem viel voluminöseren extracap- sularen communicirt. In letzterem liegt excentrisch das Phaeodium, eine eigenthümliche, mächtige Anhäufung von dunkeln Pigment-Körnern (oder Phaeodellen). Dieser ganze Körper ist umschlossen von einer dicken, oft mit Vacuolen erfüllten Gallerthülle, welche die zahlrei- chen Pseudopodien radial durchsetzen, um über ihre Oberfläche frei auszustrahlen. Mit sehr wenigen Aus- nahmen (Phaeodiniden) findet sich allgemein ein sehr entwickeltes, stets extracapsulares Kiesel-Skelet, wel- ches gleich den verschiedenen Gruppen der typischen Radiolarien sehr mannichfaltige, oft höchst zierliche und vielfach zusammengesetzte Formen bildet, meist ausstrahlend in hohle Kiesel-Röhren. Für die Bibliothek der medicinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft sind im Jahre 1879 folgende Schriften eingegangen: I. Zeitschriften. 1) The American journal of science and arts. III. Series. Vol. XVII. N.97 1025 Vol2RWVEEZ N. 10321082 1727 Serless Neo III. Series. N. 5, 9, 10, 33, 35, 42, 43, 60, 93, 2) The American Naturalist. Vol. XIII, 1—11. 3) Archiv for Mathematik og Naturvidenskab, udgivet af Sophus Lie, Worm Müller 0g G. O. Sars. I. Bd. Heft 3 u. 4. II. Bd. 11T. Ba. IV ’Ba: Heft 1’u. 2. Kristienia’ 1877 und 1878 4) Archivio per le scienze mediche. Vol. III, 2, 3, 4. 5) Bolletino scientifico, redatto dai dottori de Giovanni Achille, Maggi Leopoldo e Zoja Giovanni. Anno I. N. 1. Aprile 1879. Mi- lano. 6) Chemiker-Zeitung. Cöthen. III. 46-52. 7) Giornale della societä Italiana d’igienee Anno I. N. 1. Gen- najo-Febrajo 1879. 8) Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie, herausgegeben von. F. Fitticea.., Eur.1877. .3.\ Heft. 9) Naturalist’s leisure hour. Monthly Bulletin. (A. E. Foote). VOoLHiL N. 122 VolITR, N. 1 ond3! 10) Nordiskt medicinskt arkiv. IV. Bd. Heft 2, 3, 4. XI.Bd. 1. u. 2. Heft. 11) Norsk Magazin for Laegevidenskaben. 3. R. 9. Band. N. 2—11. 2. Bd. N. 10, 11, .8.. Bl... .N..8.., 2: Ru .22.0Bd.. Note urn laegshefte til Norsk Magazin for Laegevidenskaben. 3. Reihe. BA 1879. 12) Nuovo giornale botanico Italiano. Vol. XI. N. 1—4. 13) The quarterly journal of microscopical science. 1879. 14) The new Rocky Mountain Tourist. Arkansas valley and San Juan guide. Chicago 1878. 5) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Namen und Sachre- gister über Band XVI—XXX und Supplementbänd XXV u. XXX. Bd. XXXII. Heft 2, 3,4. "Bd. XXXII. Heft1, 2,3. 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 3) 9) 10) 1) 12) Sitzungsberichte. 159 II, Gesellschafts-Schriften. Amsterdam. Academie royale des sciences. a) Verhandelingen. Afd. Natuurkunde DI. XVIII. b) Verslagen en Mededeelingen. Afd. Natuurkunde 2° Rks. DI. I—XII. c) Jaarboek 1877. Berlin. Physiologische Gesellschaft. Verhandlungen. 2. Jahr- gang. Octbr. 1877 bis Juli 1878. 3. Jahrgang. Octbr. 1878 bis Juli 1879. Bistritz in Siebenbürgen. Gewerbeschule. 4. u. 5. Jahres- bericht. 1878 u. 1879. Bologna. Accademia delle scienze dell’ istituto. a) Rendiconto. Anno accademico 1873—-74. Anno accademico 1878—79. b) Memorie. Serie III. Tomo Ill. fasc. 3—4. Tomo IV. fasc. 1, 4. Serie Ill. Tomo IX. fasc. 3 u. 4 Tomo X, fasc. 1 u. 2. c) Bildniss von Galvani. Bonn. Naturhistorischer Verein der preussischen Rheinlande und Westfalens. Verhandlungen. 35. Jahrg. 2. Hälfte. 1878. 86. Jahrgang. 1. Hälfte. 1879. Bremen, Naturwissenschaftlicher Verein. Abhandlungen. Bd. VI. 1%. Heft... 1879, Bruxelles. Academie Royale. a) Annuaire. 1877 et 1878. b) Memoires. 1876. 45 annee. 2 serie. T. XLI et XLIL 1877. 46 annee. 2. serie. T. XLII et XLIV. 1878. 47 annde. 2. serie. T. XLV. Cambridge, Mass. Harvard University. Catalogue of scienti- fie serials of all countries including the transactions of learned societies in the natural physical and mathematical sciences. 1633 — 1876. Cambridge, Mass. Museum of comparative zoology, at Har- vard College. a) Bulletin. Vol. V. N. 8—14. b) Memoirs. Vol. VI. N. 1. (1 part): J. D. Whitney: The auriferous gravels of the Sierra Nevada of California. Chemnitz. Naturwissenschaftliche Gesellschaft. Sechster Be- richt, umfassend die Zeit vom 1. Januar 1875 bis 31. December 1877. Mit 3 Tafeln. Chemnitz 1878. 2mal. Christiania, Kongelige Norske Universitet. a) Sars, Bidrag til Kundskaben om Norges arktiske fauna. I. Mollusca regionis arcticae Norvegiae. Christiania 1878. b) Norges officielle Statistik. 1877. C. N. 4, 5, 5°. 1878. CHI: 4401875) AN ARTEN Dresden. Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis. Sitzungs- Berichte. Jahrgang 1879. Januar bis Juni. 160 13) 14) 24) 25) Sitzungsberichte. Edinburgh. Royal Society. a) Proceedings. Session 1877 —78. N. 100—102. 26. Nov. 1877—1 July 1878. b) Transactions. Vol. XXVIIL. Part. II (for the session 1877 --78). Elberfeld. Naturwissenschaftliche Gesellschaft. Erster Jahres- bericht. Für das Vereinsjahr von Februar 1878 bis Februar 1879. Erlangen. Physikalisch-medicinische Societät. Sitzungsberichte. 10. Heft (Nov. 1877 — August 1878). Frankfurt a. Main. Senckenbergische naturforschende Gesell- schaft. a) Jahresbericht für 1876/77. 1877/78. b) Abhandlungen. Band XI. Heft 2 u. 3. Freiburg, Naturforschende Gesellschaft. Berichte über die Verhandlungen. Bd. VII. Heft III. Gene&ve, Institut national Genevois. M&moires. T. XIV. 1878— 1879. Graz, Naturwissenschaftlicher Verein für Steiermark. Mitthei- lungen. Jahrgang 1878. Graz 1879. Halle, Naturforschende Gesellschaft. a) Sitzungsberichte für 1878. b) Abhandlungen. Bd. XIV. Heft 3. c) Festschrift zur Feier des hundertjährigen Bestehens. 1879. Hamburg, Verein für naturwissenschaftliche Unterhaltung. Ver- handlungen. IIl. Bd. für 1876. Hamburg 1878. ) Hanau, Bericht der Wetterauischen Gesellschaft für die ge- sammte Naturkunde, über den Zeitraum vom 13. December 1873 bis 25. Januar 1879. Helsingfors, Societe des sciences de Finlande. a) Observations meteorologiques. Annde 1875. Annee 1876. b) Öfversigt af Finska vitenskaps-societetens förhandlingar. XIX (1876-1877), -XX (1877. 1878). c) Carl von Linne. Helsingfors 1877. - d) Bidrag till Kännedom af Finlands natur och folk. 5 Hefte (Heft 27, 28, 29, 30 u. 31). 1878. Innsbruck, Naturwissenschaftlich - medieinischer Verein. Be- richte. 8. Jahrgang. 1877. 1. Heft. 2. u. 3. Heft (1879). Kopenhagen, Academie Royale. a) Memoires. 5. serie. Classe des sciences. Vol. XII. N. 3. N. 4. b) Bulletin pour 1878. N. 2. (Sept.—Dec.) pour 1879 N. 1. (Janvier—Fevrier.. N. 2 (Mars—Mai).‘ Leipzig, Naturforschende Gesellschaft. Sitzungsberichte. 5. Jahr- gang. 1878. London, Royal Microscopical Society. Journal. Vol. II. N. 2, SEE: A London, Zoologieal society. Proceedings for the year 1878. Part _IV.. For'the year 1879. Part I, II, IITE. Sitzungsberichte. 161 List of the vertebrated animals now or lately living in the gar- dens of the zoological society of London. 7. edition 1879. 29) Lüneburg, Naturwissenschaftlicher Verein. Jahreshefte VII. 1874—1878. 30) Mexico, Anales del Museo nacional. Tomo I. Entrega 5%. 31) Milano, Societä Italiana di scienze naturali. Atti. Vol. XIX, IE No; XR, 30.44: Vol XXL 8 04. 32) Moscau, Societe imperiale des naturalistes. a) Bulletin. Annde 1878. T. LIII. N. 3, 4. Annee 1879. TILIYV. N. lw2. Annde 1867. N./HL Annee 1869. N. 4. Annee 1871. N. 3 u. 4. b) Nouveaux Memoires. Tome XIV, Livr. 1. 833) München, K. Baiersche Academie der Wissenschaften. a) Sitzungsberichte 1879. HeftI, II. b) Abhandlungen. XIII. Bd. 1. u. 2. Abtheilung. 1878 u. 1879. 34) Münster, Westfälischer Provinzial-Verein für Wissenschaft und Kunst. Siebenter Jahresbericht pro 1878. Münster 1879. 35) Paris, Societe chimique. Bulletin. T. XXXI. N. 1—12.T. XXX. 1—11. 36) St. Petersburg, Academie imperiale des sciences. Bulletin. KR Vu N 4 3,4;:5: 37) Pisa, Societa Toscana di scienze naturali. a) Processi verbal. 49 —64, 68— 57, 113— 129. Vol. II. p. 1—16. b) Atti. Vol. IV. fase. 1. 38) Philadelphia, Academy of natural sciences. Proceedings. 1866. N. 5. December. 1878. Part I—II (Jan. —Dee.). 39) Prag, Königl. böhmische Gesellschaft der Wissenschaften. a) Jahresbericht 9. Mai 1877. 10. Mai 1878. b) Sitzungsberichte. Jahrgang 1878. c) Abhandlungen. VI. Folge. 9. Band. 1878. 40) Stockholm, Svenska Läkare-Sällskapet. Hygiea. Fyrtionde bandet (40) N. 10, 11 u. 12. Fyrtionde första bandet N. 1— 10. Bd. 33 (41.) N. 5 u. 6. 1871. Bd. 35 N.7..,1878. Bd. 38. N: 1.4.1876; 41) Sydney, Royal Society of New South Wales. a) Journal and Proceedings 1877. Vol. XI. b) Clarke, W.B., Remarks on the sedimentary formations of New South Wales. 4. edition. Sydney 1878. e) Rae, John, Railways of New South Wales. Report on their construction and working. Sydney 1877. 42) Triest, Societä adriatica di scienze naturali. Bolletino. Vol. IV. N+.2° Yol:,V. 43) Washington, Smithsonian Institution. a) Annual report of the board of regents, for the year 1877. b) Bulletin of the United States National Museum. N. 1 2, 3, 6 u. 12. Washington 1875—1878. 11 162 Sitzungsberichte. c) Congressional directory, compiled for the use of congress. Washington 1878. d) Annual report of the comptroller of the currency to the 3. session of the 45. congress. Washington 1878. 44) Wien, Kaiserliche Akademie der Wissenschaften. Mathematisch naturwissensch. Klasse. Anzeiger. XV. Jahrgang. 1878. N. 28 u. Inhaltsverzeichniss.. XVI. Jahrgang. 1879. N. 1—23. 45) Wien, K. K. geologische Reichsanstalt. a) Verhandlungen. 1874. N. 14 u. 15. 1878. N. 14—16. 1879. N. 1—13. b) Jahrbuch. Jahrgang 1878. 28. Band. N. 4. Jahrg. 1879. 29. Band. -N..1,52,.8! 46. Wien, Zoologisch-botanische Gesellschaft. Verhandlungen. Jahr- gang 1878. Bd. XX VIII. III. Einzelne Abhandlungen. 1) Hamilton, Frank H., Annual address delivered before the American Academy of Medicine at Easton, September 17!" 1878. 2) Derselbe, Posture, as a means of relief in strangulated and incarcerated hernia; with a general consideration of the mecha- nism of reduction (reprint from the Hospital Gazette, June 7" 1879). 3) Hayden, F. V., United states geological and geographical survey. a) Annual report N. 1 (1867, 1868, 1869). Supplement to the fifth. 1871. Ninth ann. rep. for 1875. (Washington 1877.) b) Preliminary report of the un. st. geol. survey of Wyoming. Washington 1872. c) Bulletin of the united states entomological commission. N. 1 0.2.7 2.1879, d) Bulletin of the geological and geographical survey. II. N. 5. 1875. ‚DIL N..14°8, 1877: 1V,IN. 10NArtkehsf em 11,.15, 19, 25, 183-237. e) Gannett, H., On the arable and pasture lands of Colorado. Washington 1878. f) Miscellaneous publications. N. 1u. 5. 1875, N. 7 u.9. 1877. ; N.91:0.7 18782. 30.2110 01878. g) Final Report. Vol. VII. 4°. Contributions to the fossil flora.. Part. II. Washington 1878 u. Illustrations of creta- ceous and tertiary plants. Washington 1878. h) Material for a bibliography of North American mammals. Washington 1877. i) Preliminary report of the field work of the UT. 8. Geolog. s. geographical survey. -For 1877 u. 1878. k) Catalogue of the publications. 1877 u. 1879. I) Whitfield, R. P., Preliminary report on the paleontology of the black hills. Washington 1877. 4) Hewitt, Abram $S., Our national inheritance, and how to enjoy it. Washington 1879. Sitzungsberichte. 163 5) Otis, F. N., Urethrismus or chronie spasmodic strieture. (Re- printed from the hospital gazette. April 19'% 1879). 6) Pictet, Raoul et Cel&rier, Gustave, Methode generale d’in- tegration continue d’une foncetion numerique quelconque ä pro- pros de quelques theoremes fournir par l’analyse math&matique appliquede au calcul des courbes. Geneve, Bäle, Lyon 1879. 7) Pissin, Bericht über die vierzehnjährige Wirksamkeit des Impt- Institutes für animale Vaceination. Berlin 1879. 8) Ross, Alexander Milton, Catalogue of Mammals, Birds, Reptiles and Fishes of the dominion of Canada. Montreal 1878. 9) Sands, H. B., On spasmodie strieture of the urethra. A reply to Dr. F. N. Otis. 10) Wasseige, A., Essai pratique et appreciation du forceps du Dr. Tarnier. Liege 1879. 11) Derselbe, Trois nouvelles observations de la laminage de la tete foetale. Bruxelles 1879. 12) Wheeler, G. M., a) Annual report upon the geographical sur- veys west of the one hundredth meridian, in California, Nevada, Utah, Colorado, Wyoming, New Mexico, Arizona and Montana. Washington 1876. b) Dasselbe für 1877. Washington 1877. c) Topographical Atlas sheets 1876 u. 1877. d) Topographical Atlas 1874. LP2 W 206.43 ‘Jenaische Zeitschrift NATURWISSENSCHAFT | herausgegeben | von der medicinisch - naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Dreizehnter Band. Neue Folge, Sechster Band. BRrstes Heft. Mit 11 Tafeln. Preis: 6 Mark. Jena, Verlae von Gustav Fischer oO vormals Friedrich Mauke. LS Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 15. April 1879. Dr.®B. Stilling’s rühmlichst bekanntes, grösstes Werk: Neue Untersuchungen über den Bau des Rückenmarks, 5 Bände mit 31 Tafeln Abbildungen Ladenpreis 90 M. versende ich franco an die Herren Aerzte, Physiologen und Naturforscher gegen Posteinzahlung von 30 Mark. Heinr. Hotop in Gassel. In der C. F. Winter’schen Verlagshandlung in Leipzig ist soeben erschienen: Griesbach, Dr. H,, Zum Studium der modernen Zoologie. 8. geh. Preis 1 Mark. Dr. H. G. Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs wissenschaftlich dargestellt in Wort und Bild. Sechster Band. Zweite Abtheilung: Klassen und Ordnungen der Amphibien von Dr. ©. K. Hoffmann, Professor in Leiden. Mit 53 lithographirten Tafeln und 13 Holzschnitten. Lex.-8. Cartonnirt. 36 Mark. Verlag vor F. A. Brockhaus in Leipzig. Soeben erschien: Ueber das Fundamentalgesetz der Intelligenz im Thierreiche. Versuch einer vergleichenden Psychologie von TITO VIGNOLI. 8. Geh. 4 M. Geb. 5 M. (Internationale wissenschaftliche Bibliothek 36. Band.) Jenaische Zeitschrift für _NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medicinisch - naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Dreizehnter Band. Neue Folge, Sechster Band. Zweites Heft: Mit 4 Tafeln. Preis: 6 Mark. Jena, Verlag von Gustav Fischer vormals Friedrich Mauke. ESTCE Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 16. Juli 1879, Jenaische Zeitschrift für FNATURWISSENSCHAFT ‚herausgegeben von der medicinisch - naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Dreizehnter Band. Neue Folge, Sechster Band. Drittes Heft. Mit 5 Tafeln. | Preis: 6 Mark. Jena, Verlag von Gustav Fischer vormals Friedrich Mauke. Lo: Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 29. October 1879. re rc eh Ha Dar BO PEHAEN LEN] EFT VAR ET \ 2 .bnsd Sohnes YEHEIOE BEE) Da ee an EN au | Jenaische Zeitschrift für NATURWISSENSCHAFT | herausgegeben | l von der | medicinisch - naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Dreizehnter Band. Neue Folge, Sechster Band. Vroertes Heft. Mit 6 Tafeln. Preis: 6 Mark. Jena, Verlag von Gustav Fischer vormals Friedich Mauke. 1879. Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 30. November 1879. Neuer naturwissenschaftlicher Verlag von Gustav Fischer in Jena. Untersuchungen über die Gewebsveränderungen bei der multiplen Sklerose des Gehirn’s und Rückenmarks. Mit 2 Tafeln Abbildungen. Von Dr. C. Frommann, Professor an der Universität Jena. Preis M. 10. —. Das System der Medusen von Ernst Haeckel, Professor an der Uuiversität Jena. Erster Band. gr. 4°. Mit einem Atlas von 20 lithographischen Tafeln. Preis 60 Mark. Das natürliche System der Elasmobranchier auf Grundlage des Baues und der Entwicklung ihrer Wirbelsäule. Eine morphologische und paläontologische Studie von C. Hasse, 0. ö. Prof. der menschlichen u. vergl. Anatomie an der Universität Breslau. Unter Mitwirkung der Herren Assistenten Prosector Dr. G. Born, Dr. B. Strasser und Dr. Bh. Stohr. Mit zwei Tafeln Abbildungen, zwei Stammtafeln und sechs Holzschnitten. Preis: 10 Mark. Der Organismus der Medusen und seine Stellung zur Keimblättertheorie von Dr. Oscar NHertwig und Dr. Rich. Hiertwig, a. 0. Professoren an der Universität Jena. Mit 3 lithogr. Tafeln. Preis 12 Mark. So & » ar £ Jenaische Zeitschrift NATURWISSENSCHAFT medieinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. | Dreizehnter Band. Neue Folge, Sechster Band. I. Supplement - Heft. Mittheilungen aus dem chemischen Laboratorium der Universität Jena. Jena, Verlag von Gustav Fischer vormals Friedrich Mauke. 1879. - Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. a a une) ß , N} \ ; | j | en ne Me f N N#; IE Inhalt. Dr. H. Gutzeit, Beiträge zur Pflanzenchemie . R Dr -Oscat oekon: Ueber die. bei der Einwmnlane von Stickoxydgas auf Brom entstehenden Producte . . A. Geuther, Neue Synthese von Kohlenstoffsäuren. 1. Ab- handlung \ 1.Dr: o scar Krdeier DE is ehe von RER lenoxyd auf die slkoholfreien. Natriumalkoholate des Ae- thyl-, Methy!- und Amyl-Alkohols bei höherer Temperatur II. A. Geuther und O. Froelich, Versuche zur Erkennt- niss der Bedingungen, unter welchen die höher siedende Säure sich bildet. . . IH. A. Geuther und O. Fro eh Wa Versliche über die Einwirkung von Kohlenoxyd auf ein Gemenge von Alkoholat und Salz in höherer Temperatur . . . IV. A. Geuther und OÖ. Froelich, Mittheilung einiger nit dem Vorhergehenden in ne stehender Ver- BUCHEN SR RL A. Geuther, Neue’ Sy nihess von Kohlen Bren! 2. Ab- handlung. Versuche von Dr. A. Looss N - Dr. Hugo Prinz, Ueber Schwefelverbindungen ; A. Gänther, Ueber die Caleciumoxysulfide und über die Con- stitution der Polysulfide und Polyoxyde der Alkali- und Alkali-Erd-Metalle A. Geuther, Ueber einige ne der kehren en Ba A. Geuther, Zur Kenntniss der Wismuthsäure. Versuche. von Dr. Carl Hoffmann Druck von Ed. Frommann in Jena. 58 59 66 72 82 101 138 148 h Jenaische Zeitschrift | für NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der — medicinisch - naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Dreizehnter Band. Neue Folge, Sechster Band. Supplement-Heft II. | Verlag von Gustav Fischer | | vormals Friedrich Mauke. 18792. Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. - Ausgegeben am 17. Januar 1880. KA ht gr BE Re mE RN H ö BEN rw hen As j \ i 17 ge | i u rt Y u Wehe a je Wh use { ' e ’ Nah hr r Ye x a DR DREH \ ' IN, u I er Whole AA 7 | | | m j ii