l^jA>tr (lassel])e gar licraushcben inul isolircn zu wollon; es wiirden dabei siinnntliche Nerven an ilireni Austritt abrcisscn mid alio, Miihe, iibcr ilirc topographisdicn Bezichungcn ins Klare zu komnien, wiire vergeblicli. Man beschranke sich da- her vorliiuiig auf folgcnde Operation. Die Sclinittrander der Chordasclieide und der Dura wcrden mit der Pincette gefasst und vorsichtig auseinander gezogen. Hat man anf diese Weise den Raum zwisclien Mark und Markkanal eroffnet, so erblickt man auf dem dunkeln Hintergrund die strick- leiterartig angeordneten Spinal -Nerven resp. weiter nach vorne im Bereich der Medulla oblongata die spinalartigen Hirnnerven. Dieselben sind, wie ich oben sclion erwabnt habe, von ausserordent- licher Zartheit, so dass man sie selbst bei der stiirksten Loupen- Vergrosserung nur sehr schwer in alien ihren Details zur An- schauung zu bringen vermag. Ganz uumoglich wird dies fiir eine grosse Anzahl derselben in dem Moment, wo man die Chorda- scheide und die Dura zu weit lateralwarts zieht und so zu viel Licht in den Ruckenmarkscanal und die Schadelliohle einfallen lilsst; damit verschwindet der dunkle Hintergrund und sie heben sich gar nicht mehr oder doch nur sehr undeutlich von ihrer Um- gebung ab und reissen wohl auch durch. Beobachtet man nun aber in obgenanntem Sinn die nothige Vorsicht, so lasst sich eine durchaus klare Vorstellung iiber ihren Ursprung aus der Medulla und dem Gehirn, sowie liber ihren Austritt aus dem Riickenmarkskanal gewinnen. Was letzteren an- belangt, so lasst er sich durch folgende Procedur aufs Genaueste controliren. Man durchschneidet sammtliche Nerven kurz vor ihrem Austritt in der Art, dass sie noch in Form von kurzen Stummeln an der Canalwand haften bleiben. Hierauf wird das Gehirn ganz entfernt und die Schadelkapsel auf eine Stunde in Pikrocarmin und dann noch auf ein Paar Sekunden in eine concentrirte Indulin- Losung cingelegt. 1st dies geschehen, so heben sich die austre- tenden Nerven tief blau gefiirbt von der lebhaft gelbrothen Um- gebung ab und auch das feinste Fiidchen macht hievon keine Aus- nahmc. Es lasst sich so leicht eruiren, durch wie viele Oeffnungen die Nerven austreten oder auch, wie viele sich in einem und dem- selben Loch zu stiirkeren Btlndein vereinigen. Doch ich wende mich nun zu dem eigentlichen Resultat meiner Untersuchungen und beginne mit den spinalartigen Hirnnerven von Ammocoetes. 12 Prof. E. "Wiedersheim, Bctrachtet man in obgenannter Weise die ventrale Flache des Riickenmarkcs , so wird man gewalir, wie die unteren (vorderen) und oberen (hinteren) Spinalnerven , wie bei Petromyzon (Fig. 5, u, o) in der bekannten alternirenden Weise die Medulla verlassen (Fig. 4, u, o). Die ventralen Wurzeln sind ungleich starker als die dorsalen, sie entspringen nahe der Mittellinie mit einer wech- selnden Zahl von Fasern, die sich bei raanchen Exemplaren sogar auf beiden Seiten ungleich verbalten. So konnen z. B. rechter- seits vier und linkerseits nur zwei existiren, oder kommen audi da und dort drei oder nur zwei vor. Dabei ist es die Kegel, dass die weiter nach hinten liegenden immer die starkeren, ge- wissermaassen die Hauptfasern sind. Die dorsalen Spinalnerven sind ausserordentlich fein und deshalb nur sehr scliwer und zwar nur unter Anwendung der oben bekannt gegebenen Cautelen zu schen. Sie verlassen den hautigen Riickenmarkscanal von Ammo- coetes, an welchem bekanntlich nocli keine „oberen Bogen" zur Entwicklung kommen, wie die unteren Nerven, durch besondere Oeffnungen. Diese sind entsprechend dem Nervenaustritt mehr nach oben geriickt, und zwar so, dass sie, durch eine ideale Linie verbunden, in demselben Niveau regelmassig hintereinanderliegen, ganz wie die mehr ventralwarts auftretenden Locher fiir die mo- torischen Zweige. Eine Verbindung beider innerhalb des Riicken- markscanales habe ich nirgends wahrgenommen. Studirt man die Spinalnerven im vorderen Abschnitt des Rii- ckeumarkes genauer, so sieht man, dass sie bis gegen den Beginn der Medulla oblongata hin keine wesentlichen Schwankungen in ihren gegenseitigen Abstanden und Grosseverhaltnissen darbieten. Dies wechselt jedoch, so wie wir im Bereich des verlangerten Markes angekommen sind. Hier begegnen wir niimlich einer aus acht Nerven bestehenden Gruppe, deren einzelne Biindel vier sehr Starke ventrale und ebenso viele schwachere dorsale Wurzeln reprasentiren und somit ganz im Sinne der Spinalnerven angelegt sind (Fig. 4, o^, u^, o^ u^ u. s. w.). Jeder Ast verlasst auch in vollstandiger Uebereinstimmung mit den letzteren den Spinalcanal durch eine besondere Oeffnung und alle diese Nerven zeigen liber- haupt, abgesehen von der starkeren Auspragung ihrer ventralen Wurzeln, nur darin eine schwache Abweichung, dass sie in kiir- zeren Abstanden von der Medulla entspringen, als die ubrigen Spinalnerven. Diese Nervengruppe entspricht, wie spater bei der Beschrei- Das Gehiru von Amraocoetes und Petromj-zou Planori. 13 bung voii Petromyzon klar wcrden wird, dcm Ilypoglossus und vielloiclit audi cinem Theil dcs Accessorius dcr iibrigcn Wirbcltliicrc. Gehen wir nun auf dor Ventralsidte dcr schon bedeutond an Umfang gcwinnendcn jMcdulla oblongata weiter nacli vonie, so schauen wir uns liier vergcblich nach Ncrven um, die im Sinne der unteron Spinalwurzeln cntspringcn, dagegen tauclit eine form- liche Stricklciter von sieben Nervenfasern seitlich am ver- liingerten Marlv auf. Diese liegen durch eincn deutlich sichtbaren Zwisclienraum von der Hypoglossus-Gruppc getrennt, zum grossten Tlicil in dcm Winkel, den die mediale Circumfcrenz dcr Hor- kapscl mit dem Seitenrand dcr Medulla oblongata erzeugt (Fig. 4, O'^, u^ u. s. w.). Je weiter nach vorne, desto starker werden die Strange und jeder von ihnen verliisst durch eine besondere Oeffnung den Spinalcanal, resp. die ohne Grenze in diesen iibergehende Schadelhohle. Am meisten dorsalwiirts geriickt erscheint der vor- derste und zugleich miichtigste Nerv, in dem wir daher schon aus rein topographischen Griinden sensible Bahnen vermuthen diirfen, cine Annahme, die noch bedeutend an Wahrscheinlichkeit gewinnt, wenn wir den Versuch machen, die gcsammte grosse Nervengruppe im Sinn der Spinaliierven in ihrc Elemente aufzulosen. Wir haben zu dem Ende wieder von der Hypoglossus-Gruppe auszugehen und constatiren zunaclist, dass der erste, auf die vor- derste (motorische) Hypoglossus-Wurzel folgende Nerv seiner Lage und seinem Ursprung nach vollkommen mit einem dorsalen , also mit einem sensiblen Spinalnerven iibereinstimmt. Dies zugegeben, liegt der Gedanke nahe, im nachstvorderen Strang eine vordere (motorische) Wurzel, in dem darauf folgenden wieder eine sensible u. s. w. zu erblicken. Was allein gegen eine derartige Auffassung vorzubringen ist, ist der scheinbar abweichende Ursprung der motorischen Wurzeln, ein Umstand, der aber kaum ernstliches Bedenken erregen kann , wenn wir die schon aus der Langerhans'schen Arbeit hervorgehende Modification der cen- tralen Elemente in Betracht ziehen und andrerseits folgende zwei Punkte im Auge behalten, Einmal tritt jeder Strang^) fiir sich durch ein besonderes Loch und dann liegen diese Locher in ganz derselben Weise alter- ^) Die einzelnen Strange enlspviugen genau wie die eigentliclicn Spinalnerven zwei- oder mehrwurzelig, was ich auf der Abbildung jedoch nicht angegeben habe. 14 Prof. E. Wiedersheim, nirend wie die Austrittsstellen der Spinalnerven, so dass eine durch diese gezogene Liiiie auch jcnc trifft. Vergl. Fig. 4, no, u^o^, u^o^. Ich kann, naclidem ich dies einmal sicher eikannt liabe, nur annehmen, dass Schneider (1. c), luicli wolchem bei Ammo- coetes schon dieselben NerveiiKicher voihanden seiii sollen, wie bei Pctromyzon , nur ganz alte Exeniplare untersucht hat, Bei diesen sind namlich die ursprtinglichen Verhiiltnisse schon ver- wischt und niihern sich allerdings denjenigen von Pctromyzon. Doch ich komme spater noch einmal darauf zuriick, nachdem wir zuvor die Frage beantwortet haben : wie gestaltet sich die Nerven- gruppirung bei Pctromyzon, bleibt sie dieselbe, wie Schneider behauptet, oder gehen dabei Veriinderungen vor? Wir werden sehen, class letzteres in ausgedehnter Weise der Fall ist und zwar einerseits in Folge der Entwicklungsvorgange, welche am ganzen Gehirn Platz greifen (vergl. Fig. 3 und 6, 4 und 5), andrerseits im Anschluss an die sich vergrossernde Ohr- blase und der neu entstehenden oberen Bogen. Alles dieses zusammen bewirkt eine Art von Contraction nicht nur der bei Ammocoetes noch ausserordentlich langen Medulla oblongata (Fig. 3 bei NH), sondern auch aller davon entspringenden Nervenstriinge. Wahrend wir bei alien Spinalnerven bis gegen die Hypoglossus- gruppe hin keine Veranderungen zu constatiren vermogen, treten solche bei letzterer in folgender Weise auf. Die am weitesten nach hinten gelegene (dorsale) Wurzel tritt constant zwischen dem ersten und zweiten Bogen (Fig. 5, o^ zwi- schen Bg^ Bg^) aus; wahrend die beiden nachstfolgenden moto- rischen Strange entweder nur ein grosses oder zwei kleinere Locher im ersten oberen Bogen, (wie letzteres auch Schneider. (1. c.) ganz richtig angiebt), durchsetzen (Fig. 5, u'u^ in Bg^). Der hintere ist meist etwas starker als sein vorderer Nachbar und beide entspringen zweiwurzelig, wobei jede Wurzel mit der andern erst in der Durchtrittsoffuung zur Vereinigung kommt. Wahr- scheinlich entsprechen die beiden, den ersten oberen Bogen durch- setzenden Nervenfascrn einer einzigen durch secundares Wachs- thum stark vergrosserten motorischen Wurzel. Ich schliesse dies daraus, well nach vorne davon noch drei untere Hypoglossus- Wurzeln iibrig bleiben. Diese treten bei Pctromyzon entweder ebenfalls noch getrennt, d. h. durch drei besondere Locher aus, Oder vereinigen sich die zwei hinteren zu einem starken pinsel- formigen Geflecht Fig. 5x, das die zwischen der Vordercircum- ferenz des ersten Bogens (Bg^) und dem hinteren Umfang der Das Gchirn von Ammocoetcs unci Petrorayzou Planeri. 15 Ohrkapsel ausgespaniitc Membran (lurch cine gcmciinsanic, grosse Oertiuiiig vcrliisst, ganz wie dies audi von Seiten des nilclistfolgen- dcn, vordersten St.rangcs (x^) der Fall ist. Dieselbe Munibran durchbiiclit audi — durdi cin einzigcs Locli passirend — die bei Petroinyzon aus sedis Fasern bestehende uiul zu eineui einzigen starkcn Plexus vereinigte Vagusgruppc. Man sieht, es lassen sidi die Nerven von Petrorayzon im Grossen und Ganzen auf diejenigen von Ammocoetcs zuriick- fiihren, wenn audi Xiemand verkennen wird, welch bedeutende Modificationen dieselben, zumal in topographischer Beziehung, er- litten iiaben. Ueber einen Punkt bin ich dabei nicht in's Reine gekommen; ich vermag namlich trotz aller darauf verwandten Muhe nicht anzugeben, welchem Schicksal die drei vorderen dor- salen Wurzcln der Hypoglossus- und die erste dorsale der Vagus- gruppc bei Petromyzon unterworfen sind. Ich konute sic namlich bei keinem einzigen Exemplar wieder auffinden und muss daher diese Frage often lassen. Mit Schneider kanu ich inich nicht einverstanden erkliiren, wenn er den durch das hintere Loch des ersten Bogens passireu- den Nerven fiir eine sensible VVurzel erklilrt, er entspricht viel- mehr nach seinem Ursprung durchaus einem motorischen Zweig wie ich dies oben auch dargestellt habc. Dass die unteren (vorderen) und oberen (hinteren) Wurzeln nicht in einer und derselbcn Queraxe das Riickenmark verlassen, sondern cin alternirendes Verhalten zeigen, ist durch die Arbeiten von Freud (Sitz.-Bericht der Wiener Acad. Bd. 75) und Gotte (Zool. Anzeiger I. Jahrg. Nr. 1) erwiesen. So raacht der erstge- nannte Autor darauf aufmerksam, dass sich hintere und vordere Wurzeln in frontaler Richtung nicht decken, sondern in der Art alterniren, dass sic „beim Durchtritt durch die Dura mater urn cine Strecke gegen einandcr verschoben sind." Durch Gotte erfahrt man weiter, dass die sensible W^irzel ausserhalb der Dura mater cin grosszelliges Ganglion durchsetze und sich mit der nachsthinteren [soil, was v. Jhering (Das periph. Nervensystem der Wirbelthiere u. s. w.) mit Recht corrigirt hat, heissen: nachstvordcren] motorischen Wurzel an der Seite der Chorda vereinige. Gotte macht auch auf den mehrwurzeligen Ursprung der Spinalnerven aufmerksam und zieht die anfangs ein- fachen, spater aber ganz gleich sich vcrhaltendcn , motorischen Nervenwurzeln der Haic zum Vergleiche heran , indem er mit Recht hervorhebt, dass eine solche Spaltung der Spinalnerven- 16 Prof. E. "Wiedersheim, wurzeln auf eine Versclimelzung ursprunglich getrennter Wurzeln nicht zu bezielien sei. Ueber die Wurzeln des Vagus und die Art seines Durchtritts trcficn wir bei Schneider (1. c.) folgenden Passus: „Der Vagus tritt bei Ammocoetes und Petromyzon hinter der Ohrkapsel aus der Ruckenmarksscheide heraus er besitzt etwa vier dorsale sensible, hinter einander (ira Sinne der vergl. Anatomie) gelegenc Wurzeln, welche durch zwei OefFnungen den Riicken- markscanal verlassen, Ich verweise dafiir auf die schonen Ab- bildungen von Schlemm und d' Alton. Hinter demselben tritt eine schwachere ventrale motorische Wurzel aus, welche Schlemra und d' Alton als Hypoglossus bezeichnen. Die beiden Nerven verhalten sich wie die motorische und sensible Wurzel eines Spinal- nerven." Man sieht, dass ich auch hierin wieder zu andern Resultaten gelangt bin, und ich mochte deshalb beinahe vermathen, dass sich Schneider allzusehr auf die Angaben von Schlemm und d'Alton (Mliller's Archiv 1838 und 1840) verlassen und hieriiber zu wenig eigene Untersuchungen angestellt hat. Etwas Anderes ware es, wenn Petromyzon marinus und fluviatilis, welche die genannten Forscher allein untersuchten , von Petromyzon Planeri beziiglich dieses Punktes Abweichungen zeigen wiirden. Wenn ich mich auch nicht sehr zu dieser Annahme hinneige, so diiucht mir dies doch nicht ganz unmoglich in Anbetracht der von Schlemm und d'Alton gelieferten deutlichen, mit sehr bestimmten Con- tourcn gezeichneten Abbildungen, aus welchen Folgendes zu er- sehen ist. Der Vagus hat Anfangs „deutlich zwei Wurzeln, eine vordere und eine hintere. Beidc gehen an dem Gehirn eine kleine Strecke weit riickwiirts und treten dann hinter der Gehorkapsel durch eine Oeffnung aus dem Schiidel, sind aber noch im Durch- treten durch eine Haut von einander getrennt." Ueber die peri- phere Ausbreitung lauten die Angaben nicht minder bestimmt und ich habe denselben fiir das kleine Neunauge nichts Wesentliches beizufiigen. Nur die lliatsache mochte ich nicht versiiumen, her- vorzuheben, dass aus der Verbindung der beiden unteren Aeste der Vaguswurzeln der gemeinsame Stamm fiir die gesammten Branchial- und Magennerven hervorgeht, wobei jeder Bran- chialsack seinen Nerven bekommt. Wer die Arbeit Ge- genbaur's (I.e.) damit vergleicht, wird die Aehnlichkeit mit der betreffenden , zum Kiemenbogen-Apparat in Beziehung stehenden, Ncrvengruppe der Selachier nicht verkennen. Das Gohini von Ammococtcs uiul Petromyzon Planeri. 17 Was Schlcmm und d'Alton einen dreiwurzeligen Hypo- glossus neniien, kann, nach der Abbildung zu schlicssen, nur eiiiem ciiizigcn, an seinem Urspruiig piuselartig zerfaserten, motori- schen Nervcii von Petromyzon Planeri cntsprechen. Es scheint mir niclit schr plausibel, dass sich beim grossen Xeunauge dieser Ncrv nur aus eincm einzigen Nerven entwickeln soil, Aviihrcnd beim kleincn mindestens vier solche in ihm ent- halten sind. Weitcrhin erfiilirt man von den Obgenannten, dass der Ilypo- glossus durch eine eigene Oeff'nung liinter dem Vagus aus der Schadolliohle trete, um sich hicrauf in zwei Portionen zu theilen, von denen die obcrc sich mit dem Seitennerven verbindet, die untere mit dem K glossopharyngeus^) sich vereinigt. P. Fiirb ringer (Jen. Zeitschr. Bd. IX, 1), dem wir eine aus- gezeichnete Beschreibung der Muskulatur und des Xervensystems der Cyclostonien verdanken, hat gerade die Vagus- und Hypo- glossusgruppe nicht in den Kreis seiner Untersiichungen gezogen, so dass ich iiber seine Auffassung Xichts mitzutheilen im Stande bin. Was nun endlich die iibrigen Hirnnerven anbelangt, so habe ich dieselben nur bei Petromyzon niiher studirt und kann den Resultaten der friiheren, sehr zahlreichen Forscher (J oh. M tiller, Schlemm und d'Alton, Paul Furbringer, Langerhans, Schneider) auf diesem Gebiet nur weniges Neue beifiigen. Lctz- tcres bezieht sich in erster Linie auf den Acusticus und Fa- cialis, an welcher Gruppe ich zwei, mehr nach vorne liegcnde, ventrale und eine starkere, mehr nach hinten geriickte, dorsale Wurzel unterscheide (Fig. 5, VII, VIP, VIII). Alle drei zusam- men treten in die Horblase und zwar finde ich bei manchen Exem- plaren, dass die zwei ventralen Nerven durch ein besonderes, von dem benachbarten durch eine zarte Membran geschiedenes Loch passiren. Das Schicksal des einen Astes ist mir nicht klar ge- worden, der andere ist der Hornerv. Der Facialis scheint, wie ich mit P. Furbringer annehmen muss, rein sensibel zu sein; er durchbricht die Horblase schrag nach unten und vorn und schickt dort hervorkommend einen riicklaufigen Zweig zum R, late- ralis des Vagus, mit dem er anastomosirt. Dies Verhalten er- innert ganz an die Anuren, wie ich es in der „Anatomie des Frosches" von Rana esculenta genau geschildert habe. ^) Schlemm und d'Alton betrachteu mit Eecht deu GlossO' pharyngeus als in der Vagusgruppe mit eingeschlossen. Ld. XIV. N, F. VII, I. 9 18 Prof. E. Wiedersheim, P. Fiirb ringer erkliirt, dass er auf Grund seiner Unter- suchungeii, gaiiz wie dies Gegenbaur fruher sclion ausgesprochen habe, den Facialis als dem hinteren Abschnitt der Trigeminus- gruppe zugehorig betrachte, „derart, dass fiir den Facialis ein ge- sonderter Bogen des Visceralskeletes als urspriingliches Verbrei- tungsgebiet nicht nachgewiesen werden kann." Was bei andern Wirbelthieren vom Facialis (in motorischer Beziehung) gelcistet wird, geschieht hier von Seiten der Trigeminusgruppe, wahrend andrerseits hier der Facialis sensible Bahnen verfolgt, die sonst in das Trigeminiisgebiet fallen." Der Lage nach erinnert der accessorische Acusticus an den von Joh. M tiller (1. c.) auf Taf. Ill, Fig. 3 u. 4 mit VI bezeich- neten Abducens von Petromyzon fluviatilis. Dieser Nerv liegt je- doch bei dem kleinen Neunauge weiter nach vorne, dicht neben der unteren, motorischen Wurzel des Trigeminus und manifestirt dadurch seine Zugehorigkeit zu dieser Gruppe, wie sie Schwalbe (1. c.) und vor ihm schon Gegenbaur behauptet haben (Fig. 5, 6 bei VI). Am Quintus unterscheidet man eine schwachere ventrale (motorische) und eine viel starkere, dorsale (sensible) Wurzel (Fig. 6, Vm, Vs). Darin stimmen alle bisherigen Untersucher tiberein und ich selbst habe Nichts hinzuzufugen. Eine Schilderung des peripheren Verlaufes dieses sowie der ubrigen Hirnnerven kann ich mir, da hierin schon von Andern alles Mogliche geleistet ist, fuglich ersparen. Nicht unerwahnt will ich jedoch lassen , dass der Trigeminus + Abducens den Schadel durch drei schrag ubereinander liegende Oeffnungen verlasst, welche durch bindegewebige Septa von einander getrennt sind. Was den Oculomotorius (Fig. 5, III) anbelangt, so entspringt er ein- warts und etwas vorwiirts von der Abducens -Trigeminusgruppe an der Unterflache des verlangerten Markes, genau da, wo letz- teres in die Pedunculi cerebri auszustrahlen im Begriffe steht. Die von Schwalbe (1. c.) neulich angeregte, interessante Frage, bezuglich einer dorsalen Oculomotorius- Wurzel hat keine Aussicht, von Seiten des Petromyzonten-Gehirnes eine Beantwortung zu er- fahren, da wenigstens beim kleinen Neunauge keine Spur einer solchen nachweisbar ist. Seine periphere Ausbreitung habe ich nicht verfolgt. Der vierte Hirnnerv, der Trochlearis (Fig. 6, IV), entspringt, wie dies schon Joh. Muller ganz richtig angibt und abbildet, seitlich und hinten vom Mittelhirn, umgreift die Pedunculi cerebri Das Gchiru von Aminococtes iind Potrorayzon Plaueri. 19 und vcrliisst daim, wic cs scheint, den Schiidel durcli dassclbc Loch, durch welches aiich der Oculomotorius passirt. Nach Fur- bringer (1. c.) wiirde cr zuglcich mit dem Trigeminus und Ab- ducens austreten, ich konnte mich jedoch hiervon nicht (Iberzeugen. Ob der Trochlaris „als eine abgeloste dorsale Wurzelportion des Trigeminus" oder als ein frei gewordener Theil der dorsalen Wurzel („Ciliarganglioustrang") des Oculomotorius (Schwalbe 1. c.) aufzufassen ist , liisst sich bei Petromyzon nicht mit Sicher- heit entscheiden. Erwilgt man jedoch die nahen Beziehungen zum Oculomotorius hinsichtlich seines Verlaufes, so durfte man sich eher der letztgenannten Auffassung anschliessen." Ein genaucs Studium der peripheren Ausbreitung wiirde vielleicht ein sichereres Urtheil erlauben. Dass in dem vierten Hirnnerven, wie Schwalbe annimmt, sensible Elemente stecken, beweist schon die Art seines Ursprunges als dorsale Wurzel. Aber abgesehen davon konnte Schwalbe bei Selachiern einen zum I^ndocranium gehenden, unzweifelhaft sensiblen Ast dieses Nerven nachweisen. Nach meinen eigenen Erfahrungen erzeugt der Trochlearis auch bei Amphibien, z. B. bei Rana esculenta, sensible Zweige an seiner Peripherie, welche zur Conjunctiva und zur Haut des oberen Augeulides gehen. Sie bilden nach Art und Starke sehr variable Geflechte mit dem Ramus ophthalmicus des Trigeminus, doch konnen auch die Beziehungen zu letzterem ganzlich fehlen. Was endlich den Opticus und Olfactorius anbelangt, so kann ich beziiglich des ersteren die Angaben Rathke's und Langerhans' liber die Existenz eines vollkommenen Chiasmas bestixtigen (Fig. 5 bei Ch). Als Riickwartsverlangerung dessel- ben erscheinen zwei das Zwischenhirn spangenartig umgreifende, nach hinten und oben zum Mittelhirn emporlaufende, bandartige Faserzuge, die wohl mit nichts Anderem verglichen werden konnen, als mit dem Tractus nervorum opticorum der hoheren Wirbel- thiere. Sie treten ihrer ausserordentlichen Zartheit wegen erst durch Anwendung von Tinctionsmitteln hervor, und darin liegt wohl auch der Grund, dass sie von friiheren Untersuchern , mit Ausuahme von Langerhans, der ihn auf Sagittalschnitten er- kannte, iibersehen worden sind. Der Olfactorius (Fig. 3 — 6, I) entwickelt sich vorne und zugleich basalwiirts an den stark ausgepragten Riechlappen (Lol). Es ist mir nicht gelungen, an ihm eine ventrale und dorsale Por- tion zu entdecken, wie ich sie neulich von den Gymnophionen 2* 20 Prof. R. Wiedersheim, (Anatomie der Gymnopliioneu) bcschrieben und abgebildet babe UDd wie sie aucb bei Amphibien (Gotte: Eutw.-Gesch. der Unke) vorkomint, inir dass bier beide Strange jederseits zu einem ein- zigen versdimelzen. o Icb fasse nun die Kesultate meiuer Untersuchuugen in Folgen dem kurz zusammen. Das Gehirn der Wirbelthiere ist als keine Bildiiug sui generis, sondern als fortentwickeltes, durch ilus- sere Einfliisse transformirtes Riickenmark aufzufassen. Der Beweis hiefiir liegt nicht allein in der Entwick- lungsgeschichte der Vertebraten llberhaupt, sondern auch in der Stammeseutwicklung des Organs. Den iirspriinglichsten Typus reprasentirt der Ampbioxus, dessen Hirn nur dem Hinterhirn und Nacbbirn der tibrigen Wirbelthiere entspricht. Die Grundlagen fiir die hoheren Sinnes- organe sind nocb nicht vorhanden. Die im Vergleich zum Amphioxus schon ziemlich complicirte, im Sinn aller hoheren Vertebraten angelegte Organisation des Querder-Gehirnes zwingt uns anzunehmen, dass eine lange Reihe von Zwischenformeu bestanden haben muss, welche den allmaligen Uebergang zwischen beiden Thieren vermittelten. Gleichwohl aber ist die Entwicklungsstufe des Ammocoetes - Gehirns eine noch so niedrige, gewissennaassen embryonale, dass wir erwarten diirfeu, an der Hand derselben eine sicherere Losung principieller Fragen zu gewinnen, als dies bei hoheren Formen der Fall ist. Bei letz- teren praevaliren diejenigen Gehirn theile, welche als Centren des Intellectes und der hoheren Sinnesorgane unbediugt als secundiir er^Yorben aufzufassen und deshalb auf die urspriinglichen Verhillt- uisse nur schwer oder gar nicht reducirbar sind. Der medullare Character ist mit einem Wort verwischt und es sind, wenn ich mich eines geologischen Ausdrucks bediencn darf, Verwerfungen eingetreten, welche sich im Gehirn des Ammocoetes theils noch gar nicht, theils nur schwach docu- mentiren. So stellt z. B. die Medulla oblongata weitaus den gross- ten Abschnitt dar, ja sie praevalirt so stark, dass sie sich bei ganz jungen Exemplaren zu der Summe aller iibrigen Hirnregio- nen verhalt wie 2 : 1 oder gar wie 3 : 1. Dem entsprechend tra- ten also diejenigen Absclmitte, welche bei hoheren Vertebraten Das Gcliirn von Ammococtes und Pctrornyzon Planeri. 21 in ilircr spiiteren Eutwicklung eiiic Ilaiiptrollc spiclen, Avic z. B. die IIeiiiis})luircii, das Zwisclicn- imd Mittclliini iiocli solir in den Iliutcrgriind. Ein weitercr Bewcis filr den priniitivcn Character licgt in dem Unistand, dass die Spinaluerveu ganz wie bei Ampliioxus und Ilai-Embryonen in alternirender Weise von der Medulla cnt- springen und cbenso die skeletogene Menibran durclibohren. Daniit stimmt audi, weun man die von L anger bans an Petromyzon Planeri gewonnenen Resultate auf Ammocoetes iibertragen darf, der bistologische Ban; ja wir haben alien Gruud auzunebmen, dass er sicb am Querder-Gcbirn als noch einfacber herausstellen wird, wofiir sclion ein Vergleicb der makroskopischen Verbal tnisse beider EntAvicklungsformen und nameutlicb das Verbalten der spi- nalartigen Hirunerveu deutlicb genug spricbt. Der Hypoglossus liisst sicb auflosen in vier dor- sale und ubenso viel ventrale, der Vagus -j- Glosso- pbaryngeus in vierdorsale und drei ventrale Wurzeln. Fasst man den Facialis + Acusticus, den Trigeminus + Abducens, sowie endlicb den Oculomotorius + Trocblearis als je ein en JSTerven (Balfour, Scbwalbe) mit dorsaler und ventralcr Wurzel auf, so kann man sagen, dass auf den Kopf des Ammocoetes elf Neuromeren in spinalem Sinn ent- fallen. Diese Zabl iibertrifft diejenige der Selachier, welcbe Bal- four in maximo auf acbt, Gegenbaur auf mindestens neun berecbnet, um drei resp. um zwei. Dies darf uns ira Hinblick auf die unglcicb niedrigere Stelhmg des Ammocoetes im System uicbt befremden, zumal da Ampbioxus auf eine urspriinglicb nocb viel grossere Anzabl von Kopfsegmenten binweist und aucb nacb Balfour's Beobacbtungen der Vagus bei Scyllium u. A. mit mebr als zwolf wobl dififerenzirten Wurzeln entspringt, die sicb erst se- cundar zu vier Strangen vereinigen. In scbroffem Gegensatz dazu steht die Gotte'scbe Ansicht, womacb der Vagus nur einem einzigen Nerven entsprecben soil. Dem Mitgetbeilten zu Folge ist der Hypoglossus nicht mebr im Sinn eiuer motoriscben Vaguswurzel, sondern als ein fur sicb bestebender, aus ventralen und dorsaleni) Elementen sicb aufbauender Nerven- 1) Bei den ubrigen AVirbclthieren , ja wahrscheinlich schon bei Petromyzon, gehen diese verloren und nur die ventralen Wur- zeln erhalten sieh. 22 Prof. E. Wiedersheira, complex aiifzufassen. Ebeuso enthalt auch der Vagus beiderlei Elemente. Diese iiatiirliclie, a priori zu postulirende Aiiflosimg in spinal- artige Nerveii mit oberer imd iinterer \Yurzel gereichte mir zu um so grosserer Genugthimiig , da ich mich nie vertraut machen konnte mit der Ausiclit Balfour's i), welch er in dem bei Hai- Embryonen nacbgewieseuen dorsal en Ursprung sammtlicher spi- nalartigen Hirunerven ein Ueberbleibsel des bei Amphioxus be- stebenden Verhaltens erblickt. Bei letzterem existiren namlich einzig und allein dors ale Spinalnerven, welche beiderlei Elemente, motorische und sensible in sich vereinigen. Demgemiiss werden die vorderen oder ventralen Wurzeln der iibrigen Vertebraten von dem genannten Forscher als erst „secundar erworben" auf- gefasst. Ich kann mir nun nicht denken, wie gerade in einem so stark modificirten Organ, wie im Gehirn, jene primitiven Verhaltnisse sich erhalten haben sollten. Wenn irgend wo — so sollte man doch meinen — eine Verschiebung der urspriinglichen Elemente stattfindet, so muss diese am ehesten hier erwartet werden. — Jedenfalls aber miissten wir, falls iiberhaupt eine Fortvererbung vom Amphioxus aus im obigen Sinn stattfindet, im Querdergehim dieselbe zum Ausdruck kommen sehen. Hier ist aber Nichts davon nachzuweisen und so mochte ich die betreffenden Bildungen bei Selachiern als secundare und nicht als urspriingliche betrachten. Sie stellen meiner Auffassung nach schon eine dritte Entwicklungsphase dar; die erste ist jene des Am- phioxus, wo nur dorsale Wurzeln figuriren, die zweite di ejenige von Am mocoetes, wo schon ventrale Wurzeln aufgetreten sind, welche sich, mit den dorsalen in regelmiissiger Weise bei ihrem Durchtritt durch die skeletogene Schicht alternirend, bis zum Acusticus und Facialis fortsetzen, die dritte Stufe endlich wird durch alle iibrigen Wirbelthiere, von den Selachiern an, reprasentirt. Bei ihnen haben in Folge grosserer Differenzirung der centralen Herde auch die Nerven- wurzeln insofern eine Modification ihres ursprung- lichen Verhaltens erfahren, als sie schon gemischt aus der Medulla oblongata entspringen und so als aus ^) Schwalbe 1. c. hat sich neuerdings Balfour hierin ange- Bchlossen. Das Gehirn von Ammococtcs iind Pctromyzon Planeri. 23 eincr Coucresccnz vcntralcr uiul tlorsalcr Elemoiite her- vorgegangcn bctraclitct wcrdeii konnen. Ich werde dariii durcli Rob on (Ueber den Urspruug dcs N. vagus bei Selachiern, Arb. d. zool. lust, zu Wieu, Ilcft I) nocli wcscutlicb bestiirkt, iudem er uachweist, dass „dic graue Masse des Nacbbinis uud Riickeumarks bei Selachiern einerseits an die Cyclostouien, andrerseits an die bohereu Verte])rateu sick auscbliesst", „Es euthiilt die grauc ]\Jasse des Sekickier-Riickeumarkes in ibrer Zelleusiiule die einfachsten Zustiinde des Vorderhirues, wic sic bei Cyclostomeu vorkommen, in der reticuliiren Substanz uud dem eiufachen Hiuterhiru die Uebergangsstufen zu den ^Yeiteren Differeuzirungen, wie sie die hoheren Vertebraten, beziehuugsweise die Siiuger aufweisen". An einer andern Stelle spricht es Rohon geradezu aus, dass „der Complex der hiutereu Vaguswurzeln (Carl Gegeubaur's) ein gemischtes System von hiuteren und vordereu Wurzeln re- priisentirt, demnach aucb zum Theil den vorderen, zum Theil den hinteren Spinahvurzeln entspricbt". Zwei Puukte in den vorliegeuden Untersucbungen barren noch der Erledigung : erstens, eine genaue histologische Bearbeitung des Ammocoetes-Gehirnes und zweitens eine erscbopfende Darstellung der peripheren Verbreitung sammtlicher Kopfnerven, vor Allem derjenigen des Vagus und Hypoglossus im Bereich des Kiemen- apparates. Fur beide babe ich bis jetzt nocb nicht die geniigende Zeit gefunden und erst wenn diese Lticke ausgefullt sein wird, kaun das letzte Wort gesprochen werden. Erklarung der Tafel. Fig. 1 — 7. Fig. 1. Die Myomeren des Kopfes eines Querders von 8 M. Liinge. „ 2. Die Myomeren des Kopfes eines ausgewachseneu Querders. „ 3. Dorsale Ansicht des Gehirns von Ammocoetes. „ 4. Ventrale Ansicht des Gehirns von Ammocoetes mit den Kopf- nerven und den Gehorkapsehi. „ 5. Yentrale Ansicht des Gehirnes von Petromyzon Planeri mit den Kopfnerven. „ 6. Dorsale Ansicht desselben Objectes. „ 7. Sagittalschnitt durch den Kopf von Ammocoetes. Ueber die naheren Bezeichnungen vergleichc den Text! Alle Figuren sind unter starker Lupe gezeichnet. Das Skelet von Pleurodeles Waltlii von Prof. R. Wiedcrslieim. in Freiburg i. Br. Hierzu Taf. I. Mich all ell es (Isis XXIII, 1830) ist meines Wisseus bis jetzt der Eiuzige geblieben, der dem Skelet dieses Thieres eiuige Auf- merksamkeit geschenkt imd Abbildungen davon geliefert hat. Letz- tere, sowie auch die Beschreibung, lassen Mauches zu wuuschen Ubrig und genitgen keineswegs deu Anspriicheii von heiitzutage. Vor Allem vermissen wir dabei weitere Aiisblicke nach aiidern Molchgeschlechteni und daran anschliessend eiue genaue Priicision der Stellimg des Pleurodeles in der Reihe der iibrigen Amphibien. Freilich war eiue solclie im Jahr 1829 oder 30, als Michahelles seine Abhandlung niederschrieb , in Anbetracht der hochst diirf- tigen Kenntnisse, welche man damals von diesem Thierkreis uber- haupt besass, kaum zu erwarten. Um so mehr dtirfte es daher jetzt am Platze sein, jene oben angedeuteten Fragen naher zu be- leuchten, und ich wtirde dies schon bei Abfassung meiner vor zwei Jahren erschienenen Arbeit liber das „Kopfskelet der Uro- delen" gerne gethan haben, allein es gebrach mir damals an jeglichem Material. Erst in letzter Zeit bin ich durch die Giite des Herrn Fern and Lataste in Paris in den Besitz von vier Exemplaren des Pleurodeles gelangt und so will ich nicht lange zogern, die gewonneneu Resultate der Oeffentlichkeit zu iibergeben. A. Der Schadel. Schon durch die Haut hindurch kann man auf die breite, kuchenartig platte Form des Kopfskeletes schliessen und ebenso ist schon durch das Gefiihl ein barter, bogigcr Wulst am oberen Orbitalrand zu ermitteln. Die Haut haftet der Unterlage ziemlich / 26 Prof. E. Wicdersheim, fest an, was nanientlich fiir die Regio uasalis gilt. Unterliegende, zu formliclien Kuiiueln angeordnete Driisen, wie icli sie seiner Zeit Yon andern Urodelen beschrieben babe, sind nicht vorhanden, wohl aber finden sich in der Gegend des ganzen Vorderlvopfes , sowie aiicb liings dem oberen Augenbohlenrand zahlreicbe, kugelformige Haiitdriisen , welcbe in die Rauhigkeiten (vergl. Fig. 8) der be- treffendeu Knocben tief eingefalzt liegeu. Das gauze Scbiidelgeriiste macht einen ausserordentlicb festen, derben Eiudruck und eriunert dadurcb am meisten an die Gattung Triton und nocb mehr an Salamandrina perspicillata. Damit stimmt auch die geringe Entwicldung knorpeliger Tbeile, auf die ini Laufe dieser Arbeit noch naber eingegangen werden soil. Icb bescbreibe nun den Scbadel nacb seiner ausseren Configu- ration, d. b. so weit dies ohne Sprengung desselben moglich ist. Vorne an der Scbnauze beginnend, treffen wir auf der Dorsal- seite zwei grosse, nacb biuten, rechts und links von der Median- linie spitz ausspringende Knocbenplattcn , welcbe man nacb Ana- logic der iibrigen Urodelen fiir die aufsteigenden Aeste des Zwi- scbenkiefers und fiir die Nasenbeine erkliiren milsste (Fig. 8, N), eine nahere Untersucbung lebrt jedocb, dass es sicb nur um die letzteren bandelt. Sie sind namlich bier zu ganz excessiver Ent- wicklung gelangt und stossen in der Mittellinie unter Bildung einer zackigen Nabt vollkommen zusammen, wodurcb die uns von den iibrigen Salamandriden ber bekannte, Oeffnung zum Cavum internasale s. intermaxillare vollstiindig V e r s c b w i n d e t. Scbon bei gewissen Tritonen (vergl. meine Arbeit iiber das Kopfskelet der Urodelen, Fig. 110, 135, 140) ist sie sebr klein geworden, bei keinem einzigen Urodelen aber, insofern ein Cavum internasale in seinem Organisationsplan gelegen ist, habe icb sie ganz vermisst. Somit ninimt der spaniscbe Molch bin- sicbtlicb dieses Punktes eine Ausnabmestellung ein. Die scbon oben flilcbtig erwabnten, von eingelagerten Driisen berriibrenden Hocker und Leisten iinden sicb am starksten ausgepriigt auf der Oberfliicbe der Nasalia, ferner, um das gleicb bier abzumacben, an der Wangenfiacbe des Oberkiefers sowie am Orbitalrand des Frontale und Praefrontale; die Oberfliicbe aller iibrigen Scbadel- knocben ist mebr oder weniger glatt. Nacb vorne und aussen begrenzt das Os nasale die aussere Nasenoffnung (Apn), wiibrend es sich lateralwarts an den Ober- kiefer (M) und den vorderen Abscbnitt des Praefrontale (Pf) anlegt. Die Maxilla scbickt einen massig langen, derben Jocbfortsatz Das Skolet von Pleurodcles Waltlii. 27 nach riickwilrts, wolclicr sicli an seiiiem frcien, spitzon Eiidc durch ein kurzes fibroses Ligament niit dem Pterygoid (Pt) vcrljiudet. Niclit iiiir dcr Oberkicfcr, sondern aucli das Praefroiitale und das Stirnbcin erzeiigen iu die Augeuhohle hereiuschaueude Fortsiitzc und betlieiligeu sicli somit, ganz wie dies bei Salainandrina perspicillata und den Triton en der Fall ist, wescntlich am Aufbau derselben. Icli mochte hiebei auch auf einc am oberen Rand des Processus orbitalis des vorderen Stirnbeins gelegene Oeff- lumg aufmerksam maclien, welclie wohl nichts Anderes sein kann, als dcr Eiugang zu dem von G. Born bei andern Urodelen nach- gewiesenen Thriinenkaual. Zwischen dem unteren Rand der Orbitalfortsatze des Maxillare und Praefrontale einer- sowie dem spiiter noch zu besprechenden Antorbital-Fortsatz andrerseits ist die Orbita durch eine, vom Ramus ophthalmicus des Quintus und von Gefassen durchbohrte, hiiutig knorpelige Membran vom Cavum nasale abgeschlossen. Das Dach der Orbita wird durch den weit iiberhangenden Rand des Stirn- beins (Fig. 8 und 9 bei F), soAvie mehr nach riickwarts durch den, ganz ahnlich wie beim Brillensalamander und manchen Tritoneu gestalteten „Fronto-temporal-Bogen" gebildet (Fig. 9, bei PF, Sq'O- Beim Orbitalboden kommt, wie bei alien Amphibien, ab- gesehen von den Gymnophionen, in erster Linie die Mucosa oris und in zweiter die Pterygoidspange (Fig. 9, Pt) in Betracht; nach riickwarts endlich erfiihrt die Augenhohle ihren Abschluss durch den Suspensorial-Apparat resp. die demselben vorgelagerte Kau- muskulatur. Ueber die in der Mittellinie mit sehr krausen Suturen zu- sammenstossenden Stirn- und Scheitelbeine ist andern Uro- delen gegeniiber, wo ich (1. c.) dariiber ausfilhrlich berichtet habe, nur Weniges hervorzuheben. Die Parietalia erzeugen, wie die Stimbeine, einen tief herabgreifenden, sanft gewolbten Processus orbitalis und andrerseits erstrecken sie sich lateralwarts ziemlich weit iiber die Horkapseln, so dass sie den Querschenkel des Squa- mosum (Fig. 8, Sq, Sq 3) beinahe beriihren. Die unterligenden Horkapseln (Pet) sind blasig aufgetrieben und lassen das Relief der halbcirkelformigen Canale gar nicht oder doch nur sehr undeutlich hervortreten. Median- und zugleich basalwiirts schieben sie sich so weit gegen die Mittellinie vor, wie dies durch die auf Fig. 9, seitlich von Ps angebrachten, punktirten Linien ausgedriickt ist. Das Occipital-Segment des Schiidels ist wie bei alien Amphibien mit der Capsula auditiva zu einer 28 Prof. B. Wiedersheim, untreunbaren , homogenen Masse verschiiiolzeu ; die beiderseitigen Halfteu umschliessen das weite Hinterhauptsloch , werden aber ventral- imd dorsalwiirts durch zarte Kuorpelcommissuren (Fig. 8 und 9, bei So und Ob) vereinigt. Bei alteren Thiereu kaiiu, wie es scheint, die obere Commissur aiif ein Miuimum rediicirt werden Oder audi ganz schwinden. Die Con dy leu stelleu luilssig pronii- uirende, zapfeuartige Hervorragungen dar und articulireu mit dem Atlas durch eine Art von Sattelgelenk. Seitlicli auf den Felsenbeiuen sitzt das ganz ahnlicli wie bcim Brillen salamander gestaltete, T-formige Squamosum (Fig. 8, Sq), an dem man einen vorderen und hinteren , sowie einen absteigen- deu Sclienkel unterscheiden kann (Fig. 8, Sq — Sq^). Letzterer deckt das Quadratum von aussen und hinten und ist demgemass steil nach abwarts und etwas nach vorwarts gerichtet. Indem das Quadratum auch von der Ventralseite her durch einen Knochen, namlich durch das Pterygoid gedeckt Mird, steckt es in einer formlichen Hiilse oder Scheide, wie dies auf der Figur 9 deutlich zum Ausdruck kommt. An seinem freien Ende liegt die von zwei Protuberanzen flankirte Geleukflache fiir den Unterkiefer, nach aufwarts aber gabelt sich der Knochen wie ein Backzahn in zwei Zinken, woven die eine, viel langere und schlankere, direct die seitliche Schadelflache erreicht, wahrend die andere, eine kurze, quer abgestutzte Saule reprilseutirt. Sie wird durch Knorpelmasse fortgesetzt und erreicht so gleichsam erst indirect das Petrosum. Jene Knorpelmasse hangt, wie bei vielen andern Urodelen mit derjenigen auf der Dorsalseite des Pterygoids zusammen (Fig. 8, 9 bei Ptc, Qu^) und ist als der letzte Rest des primitiven Palato- quadrat-Bogens aufzufassen. Das knocherne Pterygoid (Pt) ist sehr stattlich entwickelt und breitet sich an seinem Hinter- ende zu einer nach hinten und oben umgcrollten, medianwarts mit einer Protuberanz an der prootischen Gegend artikulirenden Platte aus, hinter welcher der Facialis (VII) zu Tage tritt. Medianwarts davon liegt das Foramen caroticum (Fig. 9 bei c). "Weitaus der grosste Knochen des ganzen Schadels ist das basal wiirts gelagerte Parasphenoid (Fig. 9, Ps). Auf seiner cerebralen Flache ist es nur sehr miissig gehohlt und mit keiner eigentlichen Fossa hypophyseos versehen, wie dies bei andern Urodelen (Triton helveticus z. B.) zu beobachteu ist. Seine Form, sowie seine topographischen Beziehungeu gehen klar genug aus der Abbildung hervor, so dass ich mir fiiglich eine weitere Be- schreibuug ersparen kann. Seine Seitenrilnder werden von vorne Das Skclct von Plcurodeles Waltlii. 2'J her (lui'cli die, wic bci Triton oris tat us in gcrader Linie nacli liinten sich erstreckenden Zalmleisteu des Vomer's tlieilweise l)e- deckt (.Yo), Nveiter nacli liinten aber werdcn sie frei uud lateral- wiirts vou ilinen erblickt man die blasig vorgctriebene Untertiilclie der Ilorkapseln (Pet) niit dcr Fenestra oval is resp. dcni die- selbe verscldiessenden, anfangs liyalinknorpeligcn, spiiter aber wohl ossificirtcn Operculum (Fov). Die Entstehung dieses Knocbelcliens als eines Absclmiirungs- Produktes aus dem Petrosum, liabe ich friilier sclion (1. c.) aus- fiihrlich entwickelt, icli moclite aber, da jener Passus meiner Ab- handlung von neueren Arbeitern auf diesem Gebiet iiberselien wor- dcn zu sein sclieint, ausdriicklicli nocli einmal darauf hinweisen und dabei aueli an die Parker'schen Arbeiten erinnern, die mit den meinigen beziiglich dieses Punktes vollkommen einig gehen. Das betreffende Knocheuplattclien entspriclit dem Stapes der liolieren Vertebraten, ist aber hier niclit wie bei vielen andeni Urodelen durcli eiuen Knorpelfaden oder ein Ligament mit der Ilinterflaclie des Quadratums verbundeu, sondern nur von ciner starken, fibrosen Membran iibcrlagert, die auch nocli auf den Sus- pcnsorial-Apparat iibergreift. Die Pflugscliarbeine breiten sich in der Region des Vorder- kopfes zu breiten Platten aus, welche an ihrem lateraleu Piand mit einem tiefen Ausschnitt die Choanen (Fig. 9, Ch) begrenzcn und in der Medianlinie die Ausmiindungsofifnung der, von mir so- genannteu, Glandula in term axillaris zwischen sich fassen. Bei einem zweiten untersuchten Exemplar lag letztere auf der Grenze zwischen Vomer und Praemaxillare (Fig. 10, bei Ci). Am Aufl^au des Gaumens betheiligen sich auch noch die breiten Processus palatini des Maxillare und Praemaxillare (Fig. 9, a, b) und so entsteht ein gauz ahnliches Bild, wie bei einer ganzen Pteihe andrer Urodelen, vor Allem Tritonen (1. c. Fig. 103, 111, 13G, 141). Die Naht zwischen den Palatinplatten des Zwischen- kiefers (vergl. Fig. 9 und 10) ist, wenn auch hie und da sehr un- deutlich vorhanden und darin liegt einerseits eine Anniiherung an die Gattung Salamandrina oder auch an Salamandra, an- drerseits ein Gegensatz zu der Gattung Triton. Die Seitenwande des Schildels sind, wie bei Tritonen, durch- weg gut verknochert. Derjenige Theil der Trabekel, die man als Orb it 0 sphenoid zu bezeichnen (Fig. 9, Os) gewohnt ist, wird an seinem hinteren Abschnitt vom Sehnerven (II) durchbohrt. Weiter rlickwiirts am Uebergang zur prootischen Region setzt sich 30 Prof. R. Wiedersheim, das Orbitosplienoid durch eineNalit vom sogenannten Alisplienoid ab imd in letzterer, mit dem Petrosum untrennbar vereinigteii, Knoclieulamelle liegeu die zwei Loclier fiir den Trigeminus (Fig. 9, bei V); durch das eine tritt der Ramus ophthalmicus, durch das andere der Ramus supramaxillaris und mandibularis. Ganz am Vorderrand des Orbitosphenoids siud noch Knorpel- spuren in Form des zum Antorbitalfortsatz auswachsenden Trabekels vorhanden, wie sie auch vielen andern, ja vielleicht alien Urodelen zukommen. Es eriibrigt noch, die Regio naso-ethmoidalis am ge- sprengten Schiidel niiher zu beleuchten. Sprengt man, wie dies auf der Figur 10 dargestellt ist, beide Nasalia, sowie das Frontale und Praefrontale einer Seite sorgfaltig ab, so liegt zunilchst das zierliche Praemaxillare frei. Die nach riickwilrts eine Gabel erzeugenden Processus ascendentes (Pasc), welche bei vielen Urodelen eine ausserordentlich starke Entwick- lung erfahren, erscheinen hier fast rudimentar, wahreud die fruher schon erwahnten Processus palatini (a) am Aufbau des Nasen- bodens in ausgedehntester Weise participiren. Das Dach der Nasenhohle wird, wie man jetzt am gesprengten Schiidel sieht, nicht allein durch die breiten Nasalia, sondern auch zum grossen Theil durch die unter jenen sehr weit nach vorne reichenden Frontalia (F) gebildet. Unter diesen liegen iioch starke Knorpelplatten, so dass die Wande des Cavum nasale auf der Dorsalseite dreischichtig erscheinen. Jene knorpelige Auskleidung der Nasenhohle setzt sich auch auf den Boden und lateralwarts in die Maxillarbucht hinein fort, und so erhalten wir nach Ab- nahme aller Kuochen des Vorderkopfs zwei, wenn auch nicht voll- kommen geschlossene, knorpelig-hautige Nasenkapselu. Beide sind, in ganz ahnlicher Weise, wie ich dies friiher in einer Monographic iiber Salamandrina perspicillata von unserem gefleckteu Landsalamander (Fig. 91) beschrieben und abgebildet habe, in der Medianlinie durch eine Art von Commissur verbunden, oder lassen sich auch als blasige Anhiingsel der letzteren auffassen. Auf Figur 10 kann man dies gut tibersehen und ich habe Folgendes dazu zu bemerken. Die der Unterseite der Frontalia sehr zahe anhaftenden Knorpellamellen sind mit der Scheere ab- sichtlich abgetragen und nichts ist stehen geblieben, als eben jene oben erwiihnte „Commissur" (Sep). Diese, welche nichts An- deres reprilsentirt als ein unpaares Septum nasale, eutspringt auf der ebenfalls hyaliu-knorpeligen Ethmoidalplatte Das Skelet von Pleurodeles Waltlii. 31 (Eth) Oder Lamina cribrosa. Durcli Ictztere orfilhrt das Cavum crauii nacli vorne gegen die Nasc zu ciiieii Abscliluss, iihiilicli wie bei Salamaiidra maculosa, imr mit dcm kleineu Uuterschied, dass bei letzterer die Platte mehr uapf- oder beclierartig vertieft ersdieint, -wiihrend sie dort flaclier ist. Viel Aviclitiger als dieses ersclieiiit mir jedocli folgeiider Urn- stand. Wiihrend wir bei dem gefleckteu Salamander eine von vorne her gegen die Siebplatte sich erstre- ckende Fortsetzuug des Cavum internasale und somit hier, wie bei alien bis jetzt bekannten Urodelen, den Mangel einer eigentlichen, unpaaren Nasenscheide- wand constatiren konneu, ist eine solche bei Pleuro- deles Waltlii vorhanden. Allerdings erstreckt sie sich etwa nur bis zur Mitte der Nasenhohle, d. h. bis zum hinteren Umfang der Ausmiindungsstelle der Glandula interraaxillaris (Ci). Hier theilt sich niimlich das Septum nach vorne zu in zwei Schenkel Oder besser gesagt: in zwei ebenfalls senkrecht stehende und den Nasenraum in dorso - ventraler Richtung ganz durchsetzende La- melleu (Sep^), welche einen Abschluss des Cavum intermaxillare Oder internasale nach riickwarts zu Stande bringen. Im weiteren Zug nach vorwarts schieben sie sich lateralwarts an den senkrecht absteigenden Platten der Processus ascendentes der Praemaxille vorbei und'gehen allmillig in die Kuorpelhiille des vorderen Nasen- raumes (in der Circumferenz der Apertura nasalis externa) tiber. Seitlich existirt eine feine Oeffiiung fiir den Eintritt des Schnau- zenastes vom Quintus in's Cavum intermaxillare. Somit wird bei dem spanischen Rippenmolch der letztgenannte Hohlraum in seinem hinteren Abschnitt durch Knorpel, in seinem vorderen aber durch Knochensubstauz aufgebaut; dabei ist er im Vergleich mit andern Urodelen in seiner Ausdehnung ziemlich be- schriinkt und dies beruht hier auf der Existenz eines eigentlichen Septum n a sale, wie wir ihm sonst nur bei Anuren und Schlei- chenlurchen, wenn auch hier in viel vollendeterer Entwicklung wieder begegnen. Bei alien iibrigen Salamaudriden ist dies nicht zu beobachteu, indem sich hier die miichtige Glandula intermaxil- laris durch das ganze Cavum internasale hindurch bis zur hautigcu oder knorpeligen Lamina cribrosa nach hinteu erstreckt. Von Nasenmuschelu findet sich bei Pleurodeles keiue Spur auch nicht einmal in Form von knorpeligen Prominenzen mit Schleim- haut-Duplikaturen , wie ich sie friiher von Plethodon gluti- nosus beschrieben und abgebildet habe (1. c. Fig. 81). 32 Prof. E. AViedersheim, Der Unterkiefer wircl von deu drei bekannten Stiickeu: Articulare, Dentale und Angulare gebildet. Sie sind Iciclit von einander zii trennen, worauf dann im Inneru die Car til ago Me eke Hi zu Tage tritt. Ueber die Zahne ist hinsicbtlich ibrer Form nicbts Besonderes zu melden; sie sitzen auf der Praeraaxille, der Maxille, dem Vomer und dem Dentale externum des Unterkiefers. Der Zungenbein - Kiemenbogen - Apparat ist, wie ein Blick auf die Figur 11 der vorliegenden und auf Fig. 89 und 91 meiner friiberen Arbeit (1. c.) belebrt, demjenigen von Triton torosus und viridescens sebr iibnlicb; aucb Figur 98 meiner Abbandlung iiber Salamandrina persp. kann zum Vergleicb berbeigezogen werden. Dieselbe stellt das Visceralskelet von Triton cristatus dar. Hier wie dort fin den wir den Ap- parat tbeils aus Hyaliuknorpel , tbeils aus Knocbensubstanz oder aucb nur aus Kalkknorpel aufgebaut. Beziiglicb der Bezeichnung der einzelnen Partieen verweise icb auf die Tafeln, welcbe ich meiner Arbeit iiber das „Kopfskelet der Urodelen" beigefiigt babe. Die dort figurirenden Erklarungen gelten aucb fiir bier. B. Der Schultergurtel (Fig-. 12) zeigt vor demjenigen andrer Salamandriden keine principiellen Ab- weicbungen. Er setzt sicb zusammen 1) aus der eigentlicben Scapula (So), an welcber man bei C. gl. die von breiten Lippeu umsiiumte Gelenkpfanne fiir den Humerus bemerkt, 2) aus der Suprascapula (Ss), 3) aus dem breiten scbaufelformigen Cora- coid (Cor) und endlicb 4) aus der Clavicula (CI). (Gotte) (Procoracoid: Gegenbaur). Es lassen sicb an den verscbiedenen Partieen drei verscbie- dene Gewebsformen unterscbeiden , namlicb eigentlicber Knocben, aus welcbem sicb die Scapula componirt, dann in direktem An- schluss an diesen Kalkknorpel. Aus ibm bestcbt die ganze Supra- scapula, weitaus der grosste Tbeil des Coracoids (Cor^) und end- licb die laterale Hillfte der Clavicula. Der Kalkknorpel gebt in den beiden zuletzt genannten Ab- scbnitten des Scbultergurtels ganz allmiilig iiber in Hyaliuknorpel, docb kommt letzterer — und darin liegt ein bemerkenswerther Unterscbied von den iibrigen Urodelen — nur an den Randern des Coracoids als scbmaler und an der Clavicula als etwas breiterer Das Skclet von Pleurodelcs Waltlii. 33 Saiini zur Gcltuiig. Moglicli crscliciut es niir imiuerhiii, dass auch dieser letzte Rest bei gaiiz altcn Exomplaroii uocli von Kalksalzeu durclisetzt wird oder gar vcrku(3cliert. Fiir das liyaliu-knorpeligo Sternum resp. seine Beziehungeu zu den Coracoidplatten gilt ganz dasselbe, was ich (1. c.) Uber Spelerpcs fuscus (Geotriton) niitgetlieilt habe. C. Der Beckengiirtel (Fig. 16) weicht von denijenigeu der Gattung Salamandra und Spelerpes kaum ab. ^Yie dort so findeu sich auch hier in proximaler Ricli- tung ein breiter Kuorpelaufsatz (Isch^) auf dem Os ischii (Isch) und auf jenem wiederum ruht, von der Syniphyse entspringend, die stark entwickelte Cartilago ypsiloides (Gyp). Ueber die genauere Coniiguration der einzelnen Theile gibt die Abbildung besseren Aufschluss, als eine ausfuhrliche Besclireibung , auf die ich deshalb verzichten will. Das Os ilei (II) ist durch ein ausserordentlich starkes, knor- pelig - fibroses Band (Lgt) mit der Rippe des 16. Wirbels innig verwachsen. Es gelang mir nie, beide unbeschadigt von eiuander zu isoliren, sondern immer riss die Rippe vom Wirbel ab. Am Zusammenstoss des Darmbeines mit dem Os ischii liegt die Fossa gleuoidalis (C. gl.) fiir den Oberschenkel ; sie ist wie diejenige an der Scapula von starkem Knorpelsaum umrahmt. D. Carpus und Tarsus. Da die Knochen des Ober- und Unterarmes, sowie die ent- sprechenden an der hinteren Extremitilt durchaus dasselbe Ver- halteu zeigen, wie ich es friiher schon (1. c.) von andera Urodelen ausfuhrlich geschildert habe, so gehe ich nicht mehr darauf ein, sondern wende mich gleich zur Hand- und Fusswurzel. Was die ersteren betrifft (Fig. 13), so besteht sie aus sieben hyalin-knorpeligen Stucken, wovon drei, namlich das Intermedio- ulnare (iu), das Centrale(c) und das vierte Carpale starke Ossificationspunkte besitzen. Der Tarsus componirt sich, wie bei Salamandra aus neun Theilen, welche mit Ausnahme des Cent rale. Intermedium und Fibulare, welch' letztere Ossificationtspunkte besitzen, rein hyalinknorpelig sind. Hier so wenig wie beim Carpus finden sich principielle Unter- schiede von den iibrigen Urodelen, vor Allem von Salamandra maculosa. Bd. XIV. N. F. VII, 1. 3 34 Prof. R. Wiedersheim, Die Knocheu rler Mittelhand, des Mittelfusscs, sowie der Pha- langen erinnern diirch ihre sclilanke Configuration viel mehr an diejcnigen der Tritonen, als an jene von Salamandra oder gar Spelerpes. Die Plialaugenzalil verhalt sicli, von der Eadialseite resp. der Tibialseite ausgeliend, wie folgt: 2, 2, 3, 2 resp. 2, 2, 3, 3, 2. E. Die Wirbelsaule besteht aus fiinfzehn praesacralen, einem sacralen und 42 — 45 caudalen Segmenten, so dass sicli die Gesammtzahl aiif circa seclizig beliiuft. Von den praesacralen Wirbeln trilgt der erste d. h. der Atlas keine Rippeu, wohl aber alle iibrigen, so wie der Sacralwirbel und die zwei oder drei (es wecbselt nach Individuen) ersten Schwanz- wirbel. Die Wirbel des Pleurodeles sind nacb dem procoelen Typus gebaut, wobei jedocli zu bemerken ist, dass der Gelenkkopf nicht frei in der Pfanne des nacbstvorderen Wirbels spielt, sondern durch die ihn durchsetzende Chorda in jener wie durch einen Bindfaden fixirt wird. Die Wirbelkorper zeigen sich von der Ventralflacbe schwach sanduhrformig eingeschniirt und man unter- scheidet an den zugehorigen oberen Bogen eine niedere Leiste, statt einem eigentlichen Processus spinosus und je zwei Paare von Gelenkfortsatzen, welche die bekannten Deckungsverbiilt- nisse zu denjenigen des nachsthinteren und nacbstvorderen "VVirbels eingeheu. Seitlich am Wirbel liegt der starke Processus transver- sus, der sich aus zwei, einerseits von der Grenze zwischen Korper und Bogen, andrerseits hoher oben am Bogen entspringenden Kno- chenbiilkchen aufbaut. Der Raum zwischen diesen beiden wird durch eine zarte Knochenplatte ausgefiillt und mit jedem Balkchen artikulirt eine Wurzelspange der zugehorigen Rippe, In der Bucht hinter dem Processus transversus liegt das Loch fiir die Arteria vertebralis. Der Atlas weicht rait Ausnahme einiger zu erwahnender Punkte von demjenigen der iibrigen Urodelen nicht ab. Ich kann daher fiir das Wesentlichste auf meine Monographie iiber den ita- lienischen Brillensalamander verweisen und will nur Folgendes noch bemerken. Der vorne und basalwarts liegende, schaufelartige, mit dem Basi-occipitale resp. dem Parasphenoid artikulirende Fortsatz ist an seiner vorderen Circumferenz in zwei Fliigel gespalten und zeigt auf seiner Ventralfliichc nicht eine, sondern zwei, durch Das Skelet von Plcurodelos Waltlii. 35 eine Furclie von einaiuler gctrcnntc Knovpclfliiclicii , welchc eine ovale Form bcsitzcii. Genauere Untersiiclmiigcn in cntwicklungs- gescliiclitliclier Bczielmng niiisscn dartlmn, ob jcnos Verlialtcn auf eine paarigc Anlagc dcs Atlas' liinwcist odor niclit. F. Die Rippen. Nach ihncn hat der Pleiirodeles bckanntlicli den deutsclicn Namen „Rippcnmolch" crhalten. Dass aber das Perforirtwerdcn der Haut diirch die Rippenspitzeu nicbt, wie man frillicr annahm, als cine natiirliclie Ersclieinimg , sondern vielmehr als Folge einer durcli zu Starke Kriimmung des Rumpfes liervorgerufenen Laesiou zu betrachten ist, hat erst neulich Ley dig (Arch, fiir Naturgesch. 1878) zur Evidenz bewiesen. Ich brauche also auf jenes Mahr- chen nicht mehr zuriickzukommen , sondern verweise einfach auf die eben citirte Arbeit. Die Rippen sind ungleich langer und spitzer, als bei den iibrigeu Molcheu, ohne dass jedoch an ihnen eine starkere Krum- mung zu bemerkeu wiire. Sie haben, nameutlich in der mittleren Rumpfgegend, die Form eines zart geschweiften Dolches mit langer scharf ausgezogener Spitze (Fig. 14). Lctztere, welche nach Ley- dig's Untersuchungcn in einem subcutanen Lymphsack ruht, ist iiusserst hart und fest, ohne jegliche Spur eines Knorpels, wie er sich anderwilrts hiiufig findet. Der iibrige, weitaus grosste Theil des Schaftes wird von einem fetterfiillten Markraum (FM) einge- nommen, welcher sich bis in das proximale Ende herein erstreckt. Letzteres ist, der Doppelanlage der Querfortsatze entsprechend, gabelig gespalten, jedoch so, dass der zwischeu beiden Zinken existirende Raum von einer kleinen Knochenplatte ausgefullt wird. Die liingsten, der mittleren Rumpfregion angehorigen Rippen messen 7 — 8 Millim. Von der ersten bis zur drittcn nehmen sie rasch an Grosse zu, bleiben danu bis zur achten ungefahr gleich, urn dann von hier an ziemlich schnell abzufallen. Die letzten sind sehr rudimentar, wie auch schon die Sacralrippe (Fig. 15) eine abgestumpfte , an ihrem freien Ende wie platt geschlagene Form zur Schau triigt. Auf ihrer ventralen Fliiche inserirt sich das schon oben erwahnte, fibro-cartilaginose Band dcs Darmbeines und es liegt auf der Hand, dass der Zug des letzteren auf die Form jener Rippe seinen Eiufluss in der eben vorgetragenen Weise geltend gemacht hat. 36 Prof. E. Wiederslieira, Fassen wir mm die Resultate kurz ziisammen, so konnen wir sagen: der Pleuro deles Waltlii vereinigt in seiuem Skelet Charactere, welclie sonst auf die d-ei grossen imd zienilicli weit auseinander liegenden Gattungen Triton, Salamandra und Spelerpes vertheilt sind. Im Wesentlichen reprasentirt er eine, bis jetzt nicht bekannt gewesene Uebergangs- form zwischen Salamandra maculosa und Triton viri- descens, subcristatus, platycephalus, cristatus und end- lich Salamandrina perspicillata, welch' letzterer Molch, wie ich (1. c.) schon friiher gezeigt habe, in den naclisten Be- ziehuugen zu den obgenannten Tritonen steht und sehr wabr- scbeinlich als die hochste Form aller Urodelen iiberbaupt aufzu- fassen ist. Am meisten entwickelt ist der Collectivtypus des Pleuro- deles im Schadel und speciell in der Regio naso-ethmoidalis, wo wir nicht nur in den senkrecht absteigeudeu Knochen- und Knorpel- platten zur Umschliessung des Cavum intermaxillare, sowie in dem fast verwachsenen Zwischenkiefer Anklange an Triton und Sala- mandra, sondern auch beziiglich des unpaaren Septum na- sale solche an Gymnophiouen und Anuren erkennen. Das Skclel vou ricurodelca "Waltlii. 37 Erklarung der Tafel. Fig. 8—17. Allgemein giltige Bezeichnuugeu: ^F Antorbital-rortsatz. Jpn Apertura uasalis externa. Cond Coudyli occipitales. F Os frontale mit hiuterem Forlsatz : PF. P Os parietale. N Os nasale. Pmx Os praemaxillare ) . ., ^^ ,.,.., j /. *^ \ mit ihren Gaumeniortsatzeu a una b. M Os maxiUare ) Ps Os parasphenoideum. Pf Os praefrontalc. Pi u. Ptc Knochernes uud knorpeliges Os pterygoideum. Qu u. Qu^ Knochernes und knorpeliges Os quadratura. Sq Os squamosum mit drei Fortsiitzen Sq^ — ^Sq^. Pet Os petrosum. Fo Os vomeris. Os Os orbito-sphenoideura. Supra- und basi- occipitaler Knorpel. Oh Fov Fenestra oralis mit Stapes. // \ [ Opticus. F \ ^ ^ . , ^_ I Trigeminus. ,„, \ Austritt des Nervus < ^ . ,. /// ( i Facialis. X } [ Vagus. Fig. 8. Dorsal- Ansicht i , r, , . i , _, . „ TT . 1 . . , , I des Schadels. Fig. 9. Ventral-Ansicnt ) Fig. 10. Naso-cthmoidal- Region des Schiidels von oben aufgesprengt und nach Entfernuug der knorpeligcn Nasenkapseln. Etk = Ethmoid. Sep = Septum nasale. Pasc = Processus ascendentes des Zwischenkiefers. Ci = Cavum intermaxillare an seiner Ausmiin- dung in die Mundhohle. 38 Prof. E. Wiedersheim, Das Skelet von Pleurodeles "Waltlii. Fig. 11. Zungenbeiu-Kiemeubogen- Apparat. KH = Kleine Zungenbeiuhorner. Bbr = Basibranchiale. Kebr = Keratobranchiale. Epbr = Epibranchiale. KeH = Keratohyale. Fig. 12. Schultergiirtel der rechten Seite, ausge- b r e i t e t. Sc = Scapula. Ss = Suprascapula. Cor = Coracoid. CI ^ Clavicula. C. gl. = Cavitas glenoidalis. Fig. 13. Cai'pus der rechten Seito von oben. R, V = Eadius und Ulna. r = I radiale. in = j iutermedio-ulnare. f = j ® centrale. 1 — 4 = [ carpale 1 — 4. / — //' Erster bis vierter Metacarpus. Fig. 14. Rippe aus der mittleren Rumpfgegend. FM = Markraum im Innern. Fig. 15. Sacral-Rippe. Fig. 16. Beckengiirtel von der Ventralseite; das linke Darmbein ist entfernt. Isch = Os ischii mit Kuorpelaufsatz Isc/i^. Cyp = Cartilago ypsiloides. // = Os ilei. Lgt = Fibro-cartilago zur Anheftung an die Sacral-Rippe. C. gl. = Cavitas glenoidalis. Stjm = Symphysis pubis. Fig. 17. Tarsus der rechten Seite von oben. T, F = Tibia und Fibula. / = / intermedium. / = I tibiale. f = < Os fibulare. c = I centrale. 1 — 5 == ^ tarsale 1 — 5. / — f^ = Metatarsus 1 — 5. Sammtliche Figuren sind unter der Lupe gezeichnet. Die Acti nien anatomisch und histologisch mit besonderer Beriicksichtigung des Neryenmuskelsystems untersucht von Oscar llcrtnig iind Richard Hertni^. (Fortsetzung aus Bd. XIII, N. F. VI.) II. Kapitel. Die Bedcutimg der Actiuien fiir allgemeiuere morphologische Frageu, fiir die „Blattertlieorie", fiir die Histogenese etc. ist bis jetzt noch von keiner Seite recht gewiirdigt worden. Dass ihnen aber eine solche in reichlichem Maasse zukommt, wurde uus nm so mehr klar, je tiefer wir, ausgebend von denselben Gesicbts- puukten, die sicb uus bereits in zwei friiberen Arbeiteu iiber den Orgauismus der Medusen als frucbtbriugend erwiesen batten, in den elenientareu Bau der bistologiscb so wenig erkauuten Tbiere eindraugen. In dem vorausgebenden speciellen Tbeil, welcber die Anatomie und Histologie der einzeluen Koq)ertbeile getrennt be- bandelt, konnte die soeben betonte allgemeiuere Bedeutung der Ac- tiuien-Orgauisation nicbt in das recbte Licbt gestellt werden. Das- selbe soil daber jetzt nocb in eiuem besonderen Abscbnitte ge- scbeben, in welcbem wir die beim Studium der Actiuien gewon- nenen Befuude, soweit sie fiir die Blattertbeorie und fiir die Histogenese von ^yerth sind, nacb allgeiueineren Principien kurz zusanimenfassen und dabei nacb verscbiedeuen Ricbtungen weiter verwertben wolleu. I. Abschnitt. Zusammenfassung der bei dem Studium der Actinien erhaltenen histologischen Befuude. Die Actinien sind dreiscbicbtige Organismen, sie besteben aus zwei Epitbellamellen und einer mittleren Stiitzlamelle , aus dem 40 Oscar und Eichard Hertwig, Ekto-, Meso- imd Entoderm. Wenn wir den feineren Bau dieser Schichteu niilier betrachten, so werden wir mit zwei Ersclieinun- gen von grosserer morphologisclier Bedeutung bekannt. Erstens nimmt an der Organentwickluug der Actinien das Entoderm einen aussergewohnlich grossen Antheil, wie es in glei- cliem Maasse bei keinem anderen Coelcnteraten wiederkehrt (Taf. XVII, Fig. 2 — 4, 8 — 10). Niclit allein dass von diesem die Septen, Mesenterialfilamente , Acontien und Geschlechtsorgane geliefert wer- den, auch der grosste Tlieil der Korpermuskulatur und ein Theil des Nervensystems geliort ihm an. Daher die characteristisclie Ersclieinung, dass der coelenterische Raum von geschlangelten Falten und zusammengeknauelten Fiiden dicht erfiillt ist, wahrend sich nacli Aussen nur die Tentakeln durch Ausstiilpung aller drei Schichten gebildet haben. Die Organentwickluug der Ac- tinien ist also mit einem Worte eine vorzugsweise en- todermale. Zweitens muss uns sofort die grosse Aehnliclikeit auf- fallen, welche zwischen den histologischen Elemen- ten des Ektoderms und des Entoderms nacliweisbar ist. Da ist keine Andeutung von dem tiefgreifenden Gegensatz, der nach der Annahme der Autoren zwischen Ektoderm und En- toderm bestehen soil und der ja auch in vielen Fallen in der That besteht; vielmehr gehen beide Schichten ohne wesentliche Veran- derung ihrer histologischen Eigenschaften am unteren Rand des Schlundrohrs in einander iiber. Es empfiehlt sich daher bei einer einheitlichen Darstellung der Histologic der Actinien auf die ub- liche Eintheilung nach Ektoderm, Mesoderm und Entoderm zu verzichten und anstatt dessen die einzelnen Gewebsformen gemass ihrer histologischen Beschaifenheit nach einander zu betrachten. Die Epithelzellen der Actinien zeichnen sich durchweg durch ihre ausserordentliche Lange und Feinheit aus; zumal an contrahirten Theilen, an denen ihre Lange noch bedeutend zu- nimmt, werden sie zu ganz schmalen Faden, die in einer An- schwellung den kleinen Kern enthalten; sie sind auf alien Punk- ten der Korperoberflache mit Flimmern bedeckt. Wahrend aber beim Cerianthus die Flimmern sowohl auf den Zellen des Ekto- derms (Taf. XXIV, Fig. 14) als auch des Entoderms (Taf. XXIV, Fig. 5) zu Biischeln vereint aufsitzen , unterscheiden sich bei den Actinidae die ektodermalen und entodermalen Zellen, indem nur die ersteren (Taf. XX, Fig. 1— 5b) mit vielen Flimmern, die letz- teren (Taf. XXII und Taf. XXIII, Fig. 7) dagegen jede mit einer ein- Die Actiuicn, 41 zigeii laiigon Geissel vcrsdien siiul. Unwichtig siiid die Uiitor- schiede, die ini Inlialt dor Zcllen zwischen Ektodenn uiid Eutodcrm licrYortrctcn. Iiu Entoderm siud die Epitlielzelleii mit grosscreu imd kleiiicrcii Fcttkornclieii imd mit eiwcissartigeii Concretiouen normaler Weise stark crfUllt; iiameutlicli wird eiue reiclie Aii- sammhing vou Xalirstotleu im Epithel beobachtet, welches die ■weiblichen Geschleclitsorgaiie uberzieht (Taf. XXIII, Fig. 1 — 13). Im Ektodenn fehleu derartige Einlagerungen und besteheu die Epithclzellen aiis eincr mehr rein protoplasmatisclien Substanz, Die Aufnalirac fester Xahrungsstolfe liudet dalier hauptsach- licli wcnn uicht ausscliliesslicli vom Entodenu aus statt. Hiermit mag es aucli zusammenluingen, dass in ihm allein sich die para- sitisclien gelben Zellcn linden, welche eiuen nie fehlendeu Bestand- tlieil vieler Actiuienarten ausmachen (Taf. XIX, F'ig. 5 y). — Das sind bereits alle Uuterscliiede , die sich zwischen den beiden Epi- thelbliittern hcrvorhebeu lassen ; in alien anderen geweblicheu Dif- ferenziruugen herrscht eine nahezu vollkommene Uebereinstimmung. "NVenn wir von den inditfereuten Stiitzzellen absehen, welche im Epithel bald spiirlicher bald reichlicher vertreten mit breiter Basis auf ihrer Unterlage festsitzen, so lassen sich die verschieden fun- ctionirenden Elemente des Entoderms imd Ektoderms in drei Kate- gorieu eintheilen: 1) in Xesselzellen, 2) in Driisenzellen, 3) in die Zelleu des Nervenmuskelsystems. 1) Die Nesselzelleu siud sowohl im Ektoderm als aiich im Entoderm verbreitet, in ersterem sind sie am reichlichsten an den Tentakeln und Randsackchen (Taf. XVIII, Fig. 10 u. 13 c), in letzterem an den Mesenterialfilamenten (Taf. XXI, Fig. 10 u. 15 c) und an den Acontieu (Taf. XXI, Fig. 11 u. 12 c) angehauft. In bei- den Blattem treten sie in verschiedenen Modificationen auf. Meh- rere Beobachtungen machen es uus wahrscheinlich , dass die Nes- selzellen mit dem Nervensystem in Verbindung stehen, indem sie nach der Stiitzlamelle zu sich in feine Fibrillen verlangern (Taf. XX, Fig. 5 c). 2) Gleich den Cnidoblasten sind die Driisenzellen auf beide Blatter und zwar in zwei verschiedenen Arten vertheilt. Die eine Zellenart besitzt einen ganz homogenen Inhalt, der von Proto- plasmanetzen durchsetzt wird (Taf. XIX, Fig, 5 — 7 d^), die andere ist niit gliinzenden Koruern erfullt, die sich in Picrinsaure, chrom- saurem Kali und Carmin stark fiirbeu (Taf. XIX, Fig. 6 — 7 d^, Fig. 14. 15). Im Ektoderm sind die Zelleu eutsprechend der durchschnittlich bedeutendereu Hohe des Epithels schlauchformig, 42 Oscar uud llichard Hertwlg, im Entoderm uiihern sie sicli dagegeu zuweilen schon melir der Ei- Oder Kugelform. Durch fibrilliire Auslaufer an der Basis ban- gen sie walirsclieiulich in beideu Fallen mit dem Nervensystem zusammeu. Im Entoderm beobachtet man die grosste Zahl von Driisenzelleu an dem Mittelstreifen der Mesenterialfilamente , wel- cliem cine vorzugsweise secretorisclie Function zukommt (Taf. XXI, Fig. 10 u. 13); sparliclier linden sie sich an den iibrigen Stellen, an den Septen, an der inneren Seite des Mauerblattes, der Mund- sclieibe uud des Schlundrobrs. Im Ektoderm treten die Korner- zellen in grosseren Mengen im Bereicli der Mundscheibe und des Schluudrolires (Taf. XIX, Fig. 6 u. 7) auf; die homogenen Drti- senzelien dagegen an dem Mauerblatt (Taf. XVIII, Fig. 5; Taf. XIX, Fig. 8). 3) Das grosste Interesse in histogenetisclier Beziehung bietet uus das Muskelnervensystem dar, das bei den Actinien sich im Ektoderm uud Entoderm in ziemlich gleichartiger Weise ent- wickelt hat. Es setzt sich aus denselben 3 histologischen Ele- menten zusammeu, die wir schon bei dem Studium der Medusen als die von Anfang an vorhaudenen Grundbestandtheile des Mus- kelnervensystems erkannt haben. Es sind daher iu ihm zu unter- scheiden 1) Muskel-, 2) Sinnes- und 3) Ganglienzellen, welche durch Nervenfibrillen unter einander zu einem einheitlichen System verbunden sind. Die Muskelzellen sind je nach den einzelnen Actinienarten und bei diesen wieder je nach der Korpergegend in vierfach ver- schiedener Weise differenzirt. Die urspriiuglichste und eiufachste Form sind die Epithelmuskelzellen, das heisst Muskelzellen, die noch an der epithelialen Begrenzung des Korpers vollstandig Theil nelimen. Bei den Actinien kommt diese Form, mit Ausnahme des Rottekeu'schen Ringmuskels, iiberall im Entoderm vor (Taf. XXII, Fig. 8 und 11). An den Septen, an der entodermalen Seite des Schlundrohrs , des Mauerblattes, der Mund- und Fussscheibe, an der Innenseite der Tentakeln lernt man bald cubische, bald cylindrische, bald fadenformige Epithelzellen kennen, die auf ihrem peripheren Ende entweder mit vielen Flimmern (Cerianthus Taf. XXIV, Fig. 5 u. 6) Oder mit einer langen Geissel (Actinien) be- deckt sind und an ihrer verbreiterten Basis eine einzige glatte Muskelfaser ausgeschieden haben. Die Faser ist bei manchen Ar- ten kurz, ]}ei anderen aber erreicht sie eine bedeutende Lange. Als Bestandtheil des entodermalen Epithels ist auch der Korper der Epithclmuskelzclle mit Fettkorncheu und Eiweissconcretionen Die Actiuien. 43 dicht erfiillt oder cr ist bei iiianclieu Arten durch die parasiti- sclion golbeii Zclleii aufgeblilht. Eclite Epitlielinuskelzellen ^Ycrdeu iiu Ektodcrm dor Actiuien zwar verniisst, docli tritt uiis bei Ceriaiitlius eiiic zweite Form des Miiskelgewebes — wir uenuen sic die iiitraepitheliale — entgegen, welche Form sicli aus der zuerst besproclieneu leiclit ableiteu mid als eiii luichst liolierer Eiit\Yicklungszustaiid beurtliei- leii lasst (Taf. XXIV, Fig. 7). An den Tentakeln mid am Mauer- blatt YOU Ceriantlius namlicli sind die nacli Aussen von dem Me- soderm gelegenen glatten Muskelfascrn in ilirer Mitte je mit einem langen spindelformigcn Zellenkcu'per verselien, der zwischen die Epithelzellen sicli etwa bis zu ilirer Mitte hineinscliiebt , aber an der Obcrflilclieubegrenzuug selbst keinen Antheil mehr nimmt mid an seiner Peripherie audi keine Flimmern mehr triigt. Die Mus- kelzellen sind daher halb aus dem ektodermalen Epithel ausge- schieden, halb gehoren sie demselben noch an. Dadurch vermit- teln sie eiuen Uebergaug zwischen echten Epithelmuskelzellen und einer dritten Form des Muskelgewebes , welche ihrer Lage nach als die subepitheliale bezeichnet werden kann. Das subepitheliale Muskelgewebe ^Yurde im Ektoderm aller Actinien an den Tentakeln und an der Mundscheibe beobachtet. Hier sind die Muskelfasern lange, schmale Bander, die auf ihrer nach dem Epithel gewandten Seite eine dunne Lage von Proto- plasma und in dieser einen Kern besitzen (Taf XXI, Fig. 7). Das Muskelkorperchen , wie wir das Protoplasma plus Kern benennen konnen, entspricht dem Korper einer Epithelmuskelzelle und ist durch allmilhliche Verklirzung und Ausscheidung aus dem Epithel entstandeu zu deuken. Die vierte Form ist das mesodermale Muskelge- webe. Die einzelnen Elemente sind auch hier Fasern mit Proto- plasma und Kern, sie liegen aber uicht einzeln neben einauder im Mesoderm, wie die subepithelialen Fasern im Ektoderm, sondern sind zu Biindeln vereiut, deren Peripherie von den Muskelfibrillen, deren Axe von den dazu gehorigen Kernen und Protoplasma, den Muskelkorperchen, eingeuommen wird (Taf. XVIII, Fig. 11 u. 12). Jedes Biindel ist von mesodermalem Bindegewebe umhiillt. Hier liegt somit eine ahnliche Bildung wie bei hoheren Thieren vor, nur hat sich um das Muskelprimitivbiindel noch nicht das angren- zeude Bindegewebe zu einer besonderen Scheide, einem Sarco- lemm, differenzirt. Wenn wir jetzt von der Form der einzelnen Muskelzellen, die 44 Oscar und Eichard Hertwig, Avir in vier liistogenetiscli wichtigen ModificatioDeii kenuen ge- Icriit liabcn, zu der Anorduimg derselbeu iu Muskellagen iiber- gelien, so fiiiden sicli audi bier wieder verscbiedeue Einrichtungen Yor, die vou eiuauder abgeleitet uud als Glieder eiuer continuir- licben Entwickluiigsreibe dargestellt werden konnen, Im einfach- sten Falle sind benacbbarte Muskelfaseru parallel zu einander in der Weise angeordnet, dass sie zwischen Epitbel und Mesoderm eine zusammenbangende giatte Lage bilden (Taf. XIX, Fig. 2 u. 5 m). Eine derartige einfacbe Muskellamelle kann entweder aus Epithelmuskelzellen oder aus intraepitbelialen oder aus subepitbe- lialen Elemeuteu besteben ; sie wurde an der entodermalen und ekto- dermalen Seite der Tentakeln vieler Actinien, sowie im Bereicb des ganzen Entoderms bei Ceriantbus und Zoautbus augetrofifen. Von dieser urspriinglicben Anordnungsweise aus findet eine Weiterent- Avicklung in der Weise statt, dass sich die Muskellamelle in zabl- reicbe Fallen legt. Die nacb der freien Korperoberfliicbe zu ent- stebenden Tbaler und Berge werden ausgeglicben , weil das iiber den Fasern liegende Epitbel eine verscbiedeue Dicke annimmt und niit kurzen Zellen die Hobe der Falten bedeckt und mit langen Zelleu die Tiefe der Tbaler ausfullt (Taf. XIX, Fig. 3, 17, 18 m). Ebenso passt sicb das Mesoderm alien Veranderungen der Musku- latur an , dringt in die Falten binein und dieut ibnen zur Stiitze. Die Untersucbung verscbiedener Korpertbeile und verscbiedener Actinieuarten bat uns mit zablreicben Graden in der Einfaltung der Muskellamelle bekannt gemacbt. Am meisten gefaltet war die- selbe bei den Actinien im Bereicb des Entoderms, wie uns die Muskelfabnen an den Septen (Taf. XVIII, Fig. 4, Taf. XVII, Fig. 2—4, 6, 10) und der Rottekeu'scben Eingmuskel vou Tealia (Taf. XVII, Fig. 9) lelirten. Dieseu Vorkommnissen scbliesst sicb ferner der Ringmuskel von Antbea cereus an, welcber sebr unausebnlich ist und daber leicbt iiberseben werden kann, im Uebrigen aber sicb wie bei Tealia dicbt nacb aussen von den Tentakeln (zwiscbeu diesen und den Bourses margin ales) vorfindet. Bei Ceriantbus da- gegen bot uns die ek to der male Muskulatur sowolil am Mauerblatt als an der Mundsclieibe (Taf. XXIV, Fig. 11 u. 15) interessaute Bcispielc dar. In alien dieseu Fallen sind durcb Einfaltung Mus- kelbliltter entstanden, die sicb senkrecbt zur Korperoberfliicbe stel- len, eine ansebnlicbe Hobe erreicben konnen uud wie die Blatter eines Bucbes dicbt an einander gepresst sind. Jedes Blatt erbjilt vom Mesoderm ber eine dilnne bindegewebige Stiitzlamelle, welcbe auf bciden Seiten von Muskelfaseru bedeckt wird. Die Muskel- Die Actinien. 45 blilttcr siiul eiitwcder einfacli (Cori;intluis), odcr sic siiid scillicli iioch mit kloiucrcn sccuiidilreu Blilttcru besetzt (Muskelfaliiicn dor Sopteii , Iiiiigimiskel). Diirdi Eiiifaltuiig ciiicr urspriiiiglicli einfaclien IMuskellamello liisst sicli ferner audi die sdion bosprodieuc Aiiordiuiiigsweise dor niesodernialeii JMuskiilatur crkliiren. Wcnii die Thaler zwisdicii deii Falteii iiacli Ausseii durdi Verwadisuiig der Riiuder abge- sddossen wcrden, eiitstelieu kreisrunde oder abgeplattetc Rohren von Muskelfasern , die riiigsum von der Stiitzsubstanz eingehlUlt sind. Ihrer definitiven Lagc nadi niiisseu sie zuni Mesoderm Oder zu der mittleren Korperschidit geredmet werden, mit Riick- sidit auf ilire Entwicklung aber gehoren sie eineni der beidcn Grenzbliltter , dem Ektoderm oder dera Entoderm an. Bei den Actinien lerntcn wir im Ganzen nur 4 liierher gehorige Fiille ken- nen, von denen indessen ein jcder etwas Besonderes darbot. Nur in einem Falle, an den Tentakeln von Tealia crassicornis (Taf. XVIII, Fig. 12), waren die Muskeln aus dem Ektoderm entstandeu, in den anderen Fallen, weldie durch die Ptingmuskeln von Tealia crassi- cornis, Actinoloba diantlius und Sagartia parasitica geliefert wer- den, leiteteu sie ihren Ursprung vom Entoderm her. Bei Tealia crassiconiis ist ein kleiner Theil der Muskulatur durch Abschnii- nmg in das Mesoderm ilbergetreten (Taf. XVIII, Fig. 9), bei Acti- noloba diantlius der gesammte Ringmuskel (Fig. 11). Das Letztere gilt auch von Sagartia parasitica, auf welche wir genauer eingehen wollen , da wir sie im speziellen Theil nicht beriicksichtigt haben. Der Ringmuskel von Sagartia parasitica liegt in der Stiitz- lamelle des Mauerblattes da, wo dieselbe sich in die Mundscheibe fortsetzt, also unmittelbar nach aussen von den Tentakeln. Trotz seiner Machtigkeit veranlasst er keinen Wulst, wie es bei Tealia und Actinoloba der Fall ist, weil er in der Stiitzlamelle ganz vergraben liegt und weil diese, bei Sagartia parasitica schon an und fiir sich sehr stark, am oberen Ende des Thieres allmahlig an Dicke zunimmt. Die verborgene Lage bringt es mit sich, dass der Muskel von conservirenden Reagentien nur schwer er- reicht und daher durch Quellung haufig so sehr verandert wird, dass man die Muskelfibrillen nicht mehr erkennen kann. Der Muskel ist sowohl vom Entoderm als vom Ektoderm durch eine breite Schicht von Bindesubstanz getrennt; er ist somit von seinem Mutterboden, dem Entoderm, so vollstandig losgelost, dass nur die Vergleichung mit den iibrigeu Actinien noch seinen entodermalen Ursprung errathen lasst. 46 Oscar und Eichard Hertwig, Scliou bei der Betraclitung mit schwachen Systcmeii kanii man im Muskel zwei Particeii untcrscheiden, von denen die eine nach dem Ektoderm, die andere nacli dem Entoderm zu liegt. Die Ictztere ist die ansehnlichste und bildot bei grossen Thieren auf dem Quersclinitt eine lange und breite Masse, die sich nach ab^Yarts zu einem Zipfel zuspitzt; sie wird durch quer verlaufende Starke Bindegewebsziige in lauter ovale oder keilformige Stiicke zerlegt. Jedes solches Stiick besteht wieder aus einzelnen Muskel- primitivbiindeln , die durch diinne Scheidewande gegen einander abgegrenzt werden. So entsteht ein Bild ganz ahnlich dem Bild eines quer durchschnittenen Wirbelthiermuskels. Freilich iiber- wiegen im Muskelprimitivbtindel das Protoplasma und die zuge- horigen Kerne bedeutend, wahrend die Muskelfibrillen nur eine diinne, einschichtige, an die Bindesubstanz grenzende Lage zu- sammensetzen. Die zweite Partie des Muskels unterscheidet sich dadurch, dass die Complexe von Primitivbundehi durch breitere Briicken von Bindesubstanz von einander getrennt \Yerden; die Bindesub- stanz kann sogar so sehr iibervvicgcn, dass die Primitivbtindel von einander isolirt werden und dann eiuzehi oder zu kleineren Grup- pen vereint in der Stiitzlamelle geboigen sind. Die Vergleichung von jiingeren und iilteren Thieren lehrt ferner, dass dor Muskel beim Wachsthum cine bedeuteude Volums- zunalime erfiihrt. Da nun die breite bindegewebige Scheidewand, ^Yelche sich zwischen die Ringfasern des Entoderms und den Muskel einschiebt, die Annahme ausschliesst , dass die Volums- zunahme durch Muskelfasern bedingt werde, welche aus dem Ento- derm ausscheiden und in die Tiefe riicken, so bleibt nur die zweite Annahme tibrig, dass der Muskel in sich selbst wachst. Eine ge- nauere Priifung flihrt demgemiiss auch zu dem Resultat, dass die Primitivbtindel eine Vermehrung erfahren. Ihre Querschnitte er- geben nur zum Theil rundliche, kreisformige oder ovale Figuren, zum Theil bildeu sie vielfach eingeschniirte und gelappte Formen. Jedes Bundel wachst in derselben Weise, wie die Muskellamellen an anderen Orten des Actinienkorpers, dadurch, dass seine Oberfliiche sich einfaltet. Die eingefalteten Partieen werden sich wahrschein- lich abschnuren, so dass neue Primitivbiindel durch Abspaltung von vorhandenen hervorgehen. Fur diescn Process spricht einmal die Analogic mit den Vorgiingen, wie sie ubcrhaupt beim Wachsthum der Muskeln im Korper der Actinien maassgebend sind, und ferner die Beol)achtung, dass die an einer Stelle eingefalteten Bundel, Die Actinien. 47 woiin man sio in ilircni weitcrcn Vcrlauf vcrfolgt, in mehrerc Thoilc sicli gabcln. Man kann dies schon auf dickcren Qucrschnit- ten sclien, ucnn man durcli Voranderiing der Einstcllung sich abwechselnd ticfere und hoherc Schichtcn zur Anschauung bringt; dann sieht man, dnss Biindel in zwei odcr mehrerc klcinere Biindel zerfallcn. Wir brauchen wohl kauni bcsonders hervorziiheben, wic sehr die enU'tertcn Verhiiltnisse zu Gunsten der Ansicht sprcclien, dass audi bei den hoheren Thieren die Muskeln durcli Theilung der Primitivbiindel wachsen. Ueber die Bcdeutung, welclie der Einfaltung und der Ab- scluiiirung der Muskulatur zukommt, wird man keinen Augenl)lick z^Yeifelllaft sein konuen. Durch den so klar gekennzeiclmeten Ent- Avicklungsprocess , der sich in verschiedeuen Modifikationen ab- spielt, wird auf eiuem gegebenen Raum eine betrachtliche Zunahme der Muskehnasse ermoglicht, ohne dass in Folge derselben eine Vergrosserung der Korperoberfliiche nothweudig geworden wiire. Es erfiihrt daher aiich beim \Yachsthum der MuskeUamelle die dariiber gelegene Epithelschicht keiue Vergrosserung in der Fliiche, sondern sie passt sich nur in der Form ihrer Zellen den eutste- henden Niveaudiiferenzen an. Das soeben erlituterte Princip des Muskelwachsthuras zeigt sich uicht allein auf die Actinien beschriinkt, sondeni kann in iihnlicher Weise auch sonst uoch im Thierreich beobachtet werden. Coelenteraten und ^yurmer bieten uns Beispiele in reicher Aus- wahl dar. Verschiedene Grade der Einfaltung einer Muskellamelle haben wir (67 u. 68 a) schon frilher bei den craspedoten Medusen, bei Carmarina und bei Aequorea, und hat gleichzeitig Glaus (60) bei Siphonophoren beschrieben. In's Mesoderm eingebettete Roh- ren von Muskelfasern kennen wir aus eigener Anschauung von den Tentakeln der Charybdeiden , an denen sie Glaus (59) zuerst nachgewiesen hat; wir kennen sie ferner von den Lucernarien, von denen sie Kliug(74) und Taschenberg (92) abgebildet haben. Aehnliche Verhiiltnisse zeigt uns die Muskulatur der Wiirmer, auf welche einer von uns in einer anderen Arbeit demnilchst zuriick- kommen wird. Alle diese Befunde lehren iibereinstim- mend, dass urspriinglich die Muskelfasern in der Flache in Lamelleu angeordnet sind, dass das Mus- kelwachsthum mit Einfaltung beginnt und seinen Ab- schluss dadurch findet, dass von Bindegewebe um- schlossene Miiskelbiindel entstehen. Die weite Ver- breitung dieser in alien Einzelheiten tibereinstira- 48 Oscar und Richard Hertwig, mendeii Vorgtinge deutet darauf bin, dass wir es mit eiuem gesetzmassigen Process vou allgemeinster Be- deutung zu thun haben. Der zweite wesentliche Bestaiidtheil dcs Nervenmuskelsystems sind die Sinneszellen, Elemente von ganz dersdben Form, wie wir sie scbon friiber bei den Mcdusen nacbgewiesen baben (Taf. XX, Fig. 1— 4 a). Es sind zarte Fiiden, in denen der Kern eine kleine Anscbwellung bedingt, welcbe an der Peripherie ein Haar tragen und an der Basis gewobnlich in zwei feine Nerven- fibrillen iibergeben, die ihrerseits noch weitere AusUiufer abgeben konnen. Ueberall am Actinienkorper stimmen sie in ibren ausseren Merkmalen iiberein; nirgends baben sie sich, wie es bei den Me- dusen allgemein der Fall ist, zu specifisclien Siiinesorganen, sei es zu Hororganen oder zu primitiven Augen oder zu besonderen Tastapparaten, weiter entwickelt. Der hierin zu Tage tretende ge- ringe Differenzirungsgrad findet einen weiteren Ausdruck in der gleicbmiissigen Verbreitung der Sinneszellen. Diese sind in beiden Korperschicbten fast iiberall, wenn auch an einzelnen Stellen in grosserer Anzabl als an anderen, nachzuweisen. Im Ektoderm linden sie sich besonders reicblich an den Tentakeln und an der Mundscbeibe, wiibrend sie am Mauerblatt und an der Fussscheibe fast ganz fehlen; im Entoderm werden sie haufiger an den Me- senterialfilamenten beobachtet, dagegen an der Innenseite der Ten- takeln, an den Septen etc. nur vereinzelt. Die Muskelzellen und Sinneszellen, gleicbsam die beiden Pole des Nervenmuskelsystems, werden untereinander verbunden durch einen dritten wesentlicben Bestandtheil, durch Ganglienzellen und Nervenfibrillen. An mancben Orten bilden diese eine zu- samnienhangende ziemlich gleichmassig entwickelte Nervenschicht, an anderen Orten wieder erscheinen sie nur als einzelne Faser- zuge, die unter einander zu einem Plexus vereinigt sind. Nerven- schicht und Nervenplexus lagern iiberall unter dem Epithel und auf der Muskelfaserlamelle (Taf. XIX, Fig. 5 u. 7n) oder wo letztere fehlt (Scblundrohr (Taf. XIX, Fig. 6), Mauerblatt) zwischen Epithel und Mesoderm. Die Ganglienzellen (Taf. XX, Fig. 6 — 10) sind mit zwei, drei oder vielen Auslaufern versehen (bi-, tri- und multipolare Elemente), tbeils sind sie von geringer, theils von recht ansehnlicher Grosse und stellen dann in letzterem Fall nachst den Eiern die gr(3ssten Zellen im Korper der Actinien vor. Der- artige Formen wurden von uns namentlich im Bereich der Mund- Die Actiuien. 49 scheibc uiul an deiijeiiigeii Ortcn im Eiitodurm bcobachtet, wo die Muiskuhitur diircli Einfaltung sicli miiclitiger entwickclt liatte. Unter dcii Gaiiglieuzelleii zeichnen sicli cinigo diircli einc be- iiierkeiiswevthe Gostalt aus. Ihr Koipcr spriugt iiaiulidi biickel- forniig iibcr die Nervonschicht hervor, ja er verliingert sich sogar nianchmal iioch in einen stunii)fen kurzen Fortsatz, der sich zwi- sdien die Epithelzellen hineinschiebt (Taf. XIX, Fig. 12, 2). Lctz- teres scheint uns darauf hinzudeuten, dass audi die Ganglicnzellcn gleich den Muskelzellen urspriinglidi Bestandtheile des Epithels und von Sinneszellen nidit zu untcrsdieiden gewcscn sind. Wenn wir jetzt die iiber die Verbreitung des Nervensysteins crniittelten Thatsacben zusanimenfassen, so ergibt sidi uns etwa folgendes Gesamnitbild. Am besten entwickelt ist das Nerven- system im Bereiche der Mundscheibe, wo es am ehesten nodi als eine Art von Centialorgaii bezeichnet werden kann (Taf. XX, Fig. 6 u. 7). Es stellt eine ansehnliche, zwischen dem ektodeimalen Epithel und der Muskulatur gelegene Schidit dar, in welcher sich diinnere und stiirkere Fibrillen nach alien Richtungen durch- kreuzen und ein unentwirrbares , dichtes Flechtwerk bilden. In diesem trifft man kleinere und grossere Ganglienzellen in grosser Zahl an. Dieselben sind am reichlichsten zwischen den Tentakeln angehiuift und ferner in Streifen, die von den Basen der Tentakeln in radialer Richtung nach dem Munde hinlaufen. An der Peripherie der Mundscheibe nimmt die peristomale Nervenschicht die Fibrillen auf, die einestheils von den Tentakeln, anderntheils von dem Mauerblatte herkommen. An den Tentakeln liegt zwischen Epithel- und Muskellamelle eine zusammenhiingende, zwar diinnere, aber immerhin noch ganz ansehnliche Nervenschicht, in welcher nur wenige und kleine Ganglienzellen eingebettet sind (Taf. XIX, Fig. 5n). Am Mauerblatt und an der Fussscheibe da- gegen nimmt die Nervenmasse, wenn wir von Cerianthus absehen, an Masse in ganz auffiilliger Weise ab und wird auf einzelne un- bedeutende Ziige reducirt, die untereinander plexusartig verbunden sind. Bei Cerianthus ist dies nicht der Fall (Taf. XXIV, Fig. 11). Im Zusammenhang mit der starken Entwicklung einer ektoder- malen Muskulatur (m) am Mauerblatt ist auch die Nervenschicht (n) in derselben Starke wie an der iVIundscheibe zur Ausbildung gelangt. Centralwarts setzt sich die peristomale Nervenschicht am Mundrand auf das Schlundrohr (Taf. XIX, Fig. G und Taf. XXIV, m. XIV. N. F. \^]: 1. 4 50 Oscar iind Richard Hertwig, Fig. 16) fort uiid erscheint hier gleichfalls als eine dichte Lage (n) von gekreuzten Fibrillen, die bei dem Mangel ektodermaler Muskel- fasern unraittelbar an das Mesoderm angrenzt. Ganglienzellen werden in ihr fast ganz vermisst. Vom unteren Rand des Schiuudrohrs an beginnt der ento- dermale Theil des Nervensystems, in welchem vvir nicht mehr ausgedehnte Scliichten, sondern mehr plexusartig unter- einander verbundene Ziige von Nervenfibrillen antreffen. Unter diesen sind von besonderer Starke die Strange, welche unter deni Driisenstreifen der Mesenterialfilamente verlaufen und bei alien vollstiindigen Septen mit der Nervenschicht des Schlundrohrs in unmittelbarster Verbindung stehen (Taf. XXI, Fig. 10. 13. 15 n und Taf. XXIV, Fig. 3n). Von den Mesenterialfilamenten gelieu Fibrillen auch auf die Acontien liber (Taf. XXI, Fig. 11 u. 12 n). Von den eben genannten Strangen abgesehen werden die Nervenbiindel des entodermalen Plexus von einer verhaltnissmassig Ideinen Anzahl von Fibrillen gebildet und sind sie am ansehnlichsten noch an den Stellen, an welchen die Muskulatur am besten entwickelt ist (Taf. XXII, Fig. 6 u. 7). Grossere und kleinere, bipolare und mul- tipolare Ganglienzellen sind in den Verlauf der Biindelchen einge- bettet. Auch der entodermale Plexus liegt unmittelbar der Muskel- lamelle auf, d. h. er windet sich zwischen den Basen der Epithel- zellen liindurch, da wo sich dieselben mit den Muskelfasern ver- binden. Wie aus uuserer kurzen Zusammenfassung klar hervorgeht, steht das Nervensystem bei den Actinien noch auf einer tieferen Stufe als bei den craspedoten Medusen. Denn wahrend es sich bei diesen am Schirmraud in Form eines Stranges zu einer Art Centralorgan localisirt hat, ist es bei den Actinien noch mehr gleichmassig iiber die ganze Korperoberjflache und zwar sowohl im Ektoderm als auch im Entoderm verbreitet. Wir werden wohl nicht irren, wenn vvir das Fehlen einer grosseren Centralisation der Nerven- elemente mit der geringen Eutwicklung der Sinnesorgane in einen ursiichlichen Zusammenhang bringen und uns zur Begriindung dieser Ansicht auf die bei den Medusen und Actinien erhaltenen Befunde stutzen, Denn auch in der Entwicklung der Sinnesorgane besteht zwischen beiden Abtheilungen ein Gegeusatz; bei den Actinien sind inditferente Sinneszellen ziemlich gleichmassig iiber die Korper- oberflache vertheilt, bei den Medusen dagegen sind sie am Schirm- rand besonders reichlich angehiiuft und gruppenweise zu beson- deren specifischen Sinnesorganen verbunden, wodurch die Ausbil- Die Actinien. 51 dung eines Norvemings wolil in erster Linie vcranlasst wordon sein mag. Die im letzten Abschnitt zusammcngcfasstcn Thatsachcn iiber (las Nervcnnmskelsystem dor Actinien bieten uns einen neuen Be- wcis fill' die Riditigkeit der Princii)ien, die wir in unseren Me- dusenaibeiten (67. p. 163 — 174) entwickelt haben; sie zeigen uns, dass die Ncuromuskeltheovie, wie sie zuerst von Klein en- berg (73) aufgestellt mid von viclen Seiten mit Beifall aufge- noninien wurde, niclit haltbar ist. Bei den Actinien setzt sich ja der griisste Tlieil der Muskulatur aus Epithelmuskelzelleii, wie bei Hydra, zusammen. Jeder Anliiinger der friiheren Theorie, der eine solche Zelle erblickt (Taf. XXII, Fig. 8 a) und mit den ander- weitigen liistologischeii Verlialtnissen nicht bekannt ist, wurde wolil sofort der Meinung sein, dass der Zellkorper mit der Geissel, wel- clier den Reiz empfangt, Sinneszelle sei, dass der Verbindungsfaden den Xerven reprasentire, welcher den Reiz auf den contractilen ba- salen Zellabschnitt iibertrage. Wie falscli es nun ist anzunelimen, dass alle Theile des Nervenmuskelsystems lioherer Thiere in so be- schatfenen Zellen vereint seien und spiiter sich aus ihnen durch Tlieilung differenzirt und zu selbstandigen Muskel, Sinnes- und Ganglienzellen entwickelt batten, das ist hier klar ersichtlich, da neben den sogenannten Neuromuskelzellen bereits sclion selbstiin- dige Sinnes- und Ganglienzellen und Nervenfasern bei den Actinien vorlianden sind. Der Neuromuskeltheorie ist kiirzlich ein neuer Verfechter er- standen. Professor Eimer ist in seinem 1879 ^) erschienenen Buch ^) An mehreren Stellen seines Buches komrat Herr Eimer auf uns und unsere Arbeiten in einer Weise zu sprechen, die uns zu einigen Eemerkuugen ndthigt, theils zur Abwehr personlicher Be- leidiguugen, theils zur Richtigstelluug des Verlialtnisses, in welchem unsere beiderseitigen TJntersuchungen zu einander steheu. In der Anmerkung auf Seite 93 hebt Herr Eimer die loyale Weise hervor, in welcher Romanes den von Eimer rait ihm be- gonnenen Prioritatsstreit behandelt hat, und aussert eine herzliche Proude dariiber, „dass die in unserer Literatur nicht seltenen Bei- spiele entgegengesetzter Art durch Manner aufgewogen warden, welche jcue Art von „Streben", die auf Kosteu der Rechte Anderer Erfolg zu gewinnen sucht, verschraiihcn und welche an Vorarbeiten in wissen- schaftlichen Fragen nicht eine wegzuraumende Concurrenz sehen im Sinne des Gewerbes!" Warum Herr Eimer es flir ndthig befunden hat, seiner Preude so beredten Ausdruck zu leihen, geht aus einer zweiteu Anmerkung S. 273 hervor, in welcher er uns vorwirft, dass wir uns „in der auf Seite 93 bezeichneten Weise zu seinen Arbeiten 4* 52 Oscar und Richard Hertwig, liber die Medusen der Ansicht: dass „abgeselieii von der Ein- richtuiig des Neuromuskelsystems bei Beroe die von ihm bei den gestellt batten". Wozu dieses Verstecken spielen I Wcr Gegnern niedrige Motive vorwerfen will, moge auch den moralischen Muth be- sitzen, es in ofFener Weise zu thun ! Gegeuiiber solchen Angriffen giebt es keine Worte der Verstandigmig niid bedarf es kciner Worte der Vertheidigung. Was nun ferner den von Herrn Eimer uns octroyirten Priori- tatsstreit anlangt, so moge er denselben mit gleicher Gescbaftigkeit fortsetzen , mit dem er ilm begonuen uud bisber gefiibrt bat. Er moge so viel er will, bervorbeben , dass er ,,die Grundziige der Car- marina zukommenden Einricbtungen zuerst veroflfentlicht babe" und ,, dass audere Arbeiteu (H er twig, Boebm) eiue Bestatigung (!) seiner Arbeiten geliefert batten", wie er dies zur Geniige — wir baben nicbt gezablt wie oft, es komrat aber eine erklecklicbe Anzabl zusamraen — in seiner neuesten Publication getban bat. Wir beguiigen uns dem gegeniiber bier seine und unsere Publicationen in cbronologiscber Ordnung aufzufiibreu. 1. Tb. Eimer. ,,TJeber kiinstlicbe Theilbarkeit yon Aurelia aurita und Cyan ea capillata in pbysiologiscbe Individuen." Zoologiscbe Unter- sucbungen. Wiirzburg 1874. Heft 1. Die kleine Scbrift bandelt liber pbysiologiscbe Experimente an Medusen, auf die in uuserer Mouograpbie Seite 125 und 134 Bezug genommen wird. Ueber morpbologiscbe Verbaltnisse finden sicb nur einige Satze, die von uns Seite 118 wortlicb citirt worden sind uud be- stimmte Angaben nur iiber das Vorkommen von Nervenfasern und Ganglienzellen in der Gallerte enthalten , Angaben, welcbe nacb der Ubereinstiramenden Ansicbt von Glaus, Scbafer und uns falscb sind. 2. Tb. Eimer. Weitere Nacbricbteu liber den Bau des Zellkerns. Arcbiv f. mikroskopiscbe Anatomic. Bd. 14. 1877. pag. 94. Verfasser spricbt bier gelegentlicb von besouderen Kernformen, die in Sinneszellen und Ganglienzellen von Carmarina von ibm be- obacbtet worden sind. 3. Oscar und Ricbard Hertwig. Ueber das Nervensystem uud die Sinnesorgane der Medusen. Jenaiscbe Zeitschrift. Bd. XI. 1877. pag. 355. Die Scbrift, welcbe auf 20 Seiten eine kurze Zusammenfassung unserer Resultate entbiilt, ist vom 14. Juli 1877 datirt, an welcbera Tag sie der Redaction der Jeuaiscben Zeitscbrift eingereicbt wurde. Professor Eimer erbielt von uns, wie er selbst mittheilt , eineu Se- paratabdruck am 10, October 1877. Das Heft der Zeitscbrift wurde im x^ovember 1877 verausgabt. 4. Tb. Eimer. Ueber kiinstlicbe Theilbarkeit und liber das Ner- vensystem der Medusen. Vortrag gebalten am 21. September auf der Miinchener Naturforscbei'versammluug. Amtlicher Bericht der fiinfzig- sten Versammlung deutscber Naturforscber und Aerzte. Mlinehen 1877 pag. 182. Nocbmals abgedruckt und mit einem Zusatz versehen im Archiv f. mikroskop. Anatomic Bd. 14. 1877. Die Actinien. 53 Mciluseii geschiklerteii inorpliolot^isclicn Thatsacheii die Ncuro- niuskclhypo tliesc zur durchaus bcrcclitigten Thcorie gestal- lu dem Tom 17. October datirteu Zusatz nimmt Eiraer schon auf unsere Sclirift Nr. 3 Bezug und sieht iu ihr cine rasche BestJiti- giuig(^!) seiner Uutersuchungen, wobei er uus vorwirtt, dass wir seiueu Verdiensteu nicht die gebiihi-eude Auerkeimuug gezoUt liatten. Man sehe uusere Erwiderung. Mouographie Seite 160. 5. Oscar und Ki chard Her twig. Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Mcduseu, monographisch dargestellt. 1878. (Wurde Eude Eebruar 1878 verausgabt.) 6. Oscar und Eichard Hertwig. Der Organismus der Me- dusen und seine Stellung zur Keimbliittertheorie. Jena 1878. (Im Juli verausgabt.) In der ersten der beideu zuletzt genaunten Schriften haben wir Eimer's vorlaufige Mittheilung (No. 4) im Literaturverzeichniss mit aufgefiihrt, die Eesultate dagegen nicht besprochen, weil der die Be- obachtungen euthaltende Theil unserer Arbeit schou vorher in den Besitz unseres Herrn Verlegers iibergegangen war. Aus Gefiilliglieit noch in einem Nachtrag auf die vorlaufige Mittheilung einzugeheu saheu wir uns um so weniger veraulasst, als Herr Eimer schon da- luals ganz uuerwartoter Weise beleidigende Angriffe gegeu uns richtete. In der zweiteu Sclirift (Nr. 6), die 5 Monate spater erschienen ist, haben wir Herrn Eimer an alien den Stellen erwiihat, an denen sich unsere Arbeitsgebiete beriihrtcn. Hieriiber schreibt Herr Eimer: ,,In der Monographie der Medusen und in der folgenden Abhandlung (der Organismus etc.) werden meine vor den ihrigen veroffentlichten Nachrichten liber das Nervensystem der Medusen, trotzdem, oder weil diese mit jenen in so hohera Urade zusaramenfallen, voUkommen ignoi'irt oder nur da angezogen, wo die Jenaer Autoren glaubeu, mir eiuen Makel anhangen zu konnen. Dass solches Verfahren mit der Wissenschaft nichts zu thuen hat, dass das Ignoriren meiner Unter- suchungcn speeiell in einem Buche, welches sich Monographie des Nervensystems der Medusen nennt, und besonders unter den gegebe- nen Umstanden nur eine Deutung zulasst, ist klar." Diese ganze Verdiithtigang ist nur dadurch ermoglicht, dass Herr Eimer seinen Lesern gegenixber verschweigt, dass zwischen der Arbeit, in welcher wir ihn nicht citirt haben (Nr. 5) und der Arbeit, in welcher wir ihn citirt haben (Nr. 6), ein Zwischenraum von 5 Monaten liegt. 7. Th. Eimer. Die Medusen physiologisch und morphologisch auf ihr Nervensystem untersucht. Obwohl dieses Werk im Buchhandel erst im Februar 1879 erschienen ist, tragt es trotzdem auf seinen Titi'lblattern die Jahreszahl 1878. Schon im zoologischeu Auzeiger ist daher mit Eecht die Jahreszahl 1878 in 1879 corrigirt worden. Herr Eimer indessen citirt noch in einer kiirzlich erschienenen. Arbeit Archiv f. mikroskopische Auatomie Bd. 17. pag. 214. Aum. 2 die falsche Jahreszahl 1878. Wir haben in dem Verzeichniss Eimer's Arbeit iiber Beroe nicht erwahnt. (Zoologische Studien auf Capri. I. Ueber Beroe ovatus. 54 Oscar und Richard Hertwig, ten". Er findet keinen Widerspruch darin, dass er eineii wohl entwickelten Nervenplexus und audi achte Neuromuskelzellen gleicli- zeitig in der Subumbrella der Medusen beschreibt. Wir denken, wie gesagt, anders fiber diesen Punkt. Nach der Theorie Klein en- berg's sind die Neuromuskelzellen Elemente , in welchen die An- lagen der Muskulatur und des Nervensystems noch vereint sind. Demnach erscheint es uns ganz selbstverstandlich, dass von Neuro- muskelzellen da niclit mehr die Rede sein kann, wo besondere nervose Elemente, Sinneszellen, Nervenfasern, Ganglienzellen, nach- gewiesen worden sind. Es scheint uns selbstverstandlich, dass die „Neuromuskelzellen" nichts anderes als nur im Epithel gelegene Muskelzellen sind. Es ist wohl hier der geeignetste Ort auch auf Die Physiologie des Nervenmuskelsystems einzugehen und das Wenige, was wir uber diesen Gegenstand wissen, zusammenzustellen. Vielleicht tragen die Bemerkungen dazu bei, zu neuen Beobachtungen und Expcrimenten anzuregen. Alle Beobachter stimmen darin tiberein, dass die Fleischpoly- pen gegen Reize im Grossen und Ganzen ausserst empfindlich sind und auf dieselben durch energische Muskelcontraction in der leb- haftesten Weise reagiren. Wenn man zum Beispiel einen einzigen Tentakel von Sagartia parasitica beriihrt, so hat dies schon zur Ein Beitrag zur Anatomie der Rippenquallen. 1873.) Indessen gerade auf diese legt der Herr Verfasser beim Geltendmacheu seiner Priori- tatsanspriiche ganz besonderen Werth; diese Arbeit haben wir ja nach seiner Ansicht vornehmlich in den Hiutergrund drangen wollen, als ,,wir uns des Breitereu dariiber ausliessen, welche morphologischen Erwagungen uns zur Behandlung des Themas veranlasst haben". Wir haben schon friiher erkliirt, ,,dass wir aus Eimer's Untersuchung iiber Beroe auch nicht irgend welche Anregung zur Bearbeitung des Nervensystems der Medusen empfangen haben", und konnen nur be- dauern, dass Herr Eimer kein Verstanduiss besessen hat flir die schonende Form, in welche wir, obwohl schon damals ohne jede Ver- anlassuug in verletzender Weise angegriffen, uuser Urtheil gekleidet haben. So sehen wir uns denn genothigt zu erklaren , dass wir in unseren morphologischen Vorstellungen nicht im Geringsten durch einc Arbeit beeinflusst worden sind, welche wegen des Gemisches von guten und schlechten Beobachtungen, wegen der Willkiir in den Deutungen und der noch grosseren Willkiir in den Schlussfolgerungen uns von Anfang an als wenig Zutrauen erweckend erschienen ist. Einer spateren Abhandlung bleibe es vorbehalten zu zeigen, dass das Nervenrautkelsystera der Ctenophoren uud das Nerveumuskelsystem der Medusen sehr wesentlich von einander unterschieden sind. Die Actinien. 55 Folge, dtiss plotzlich iiicht allein der gauze Tentakolkranz, soiidcrn audi die Mundscheibe eiiigezogen wird und der Rand des Mauer- blattes sich schiltzend liber diese Theile heriiberlegt. Nacli kurzer Zeit werden die contrahirten Organe daiiu wieder laiigsani ent- faltet. Man kanu dies Experiment haufig vviederholen : Zusammen- ziehung und Entfaltung ilussern sich immer in der gleichen Weise. Stiirkeren Reizen entsprechen starkere Contractiouen. Durch aus- serste Zusanimenziehung der ganzen Muskulatur kann das Volum des Korpers urn das 3 — 5fache verringert werden, indem die im Inneren enthaltene Flussigkeit durch den Mund und die Poren der Tentakehi und des Mauerblattes entleert wird. Bei Sagartia werden dann auch aus den Cinclides die Acontien zur Vertheidigung ur- plotzlich nach Aussen hervorgeschnellt. Bei so starker Reizung vei'streicht stets iJingere Zeit, ehe das Thier sich wieder ausdehnt und die Tentakeln in normaler Weise entfaltet. Nicht minder leb- haft reagiren auch die Cerianthiden, wenn sie beunruhigt werden; schon auf eine leise Erschiitterung des Wassers hiti ziehen sie sich mit ihrem Tentakelkranz in den Hintergrund der im Sande verborgenen Schleimrohre zuriick, um erst nach einiger Zeit wieder an die Oberfliiche hervorzukommen. Dieses Zuriickziehen, bemerkt Jules Haime (20. p. 348), geschieht mit der grossten Pracision und Schnelligkeit und erinnert ganz an ahnliche Handkingen hoherer Thiere wie der Serpulen und Sabellen. Wenn man bei Sagartia und Cerianthus imr partielle Con- tractionen einzelner Theile hervorrufen will, muss die Beriihrung schon sehr langsam gescbehen und schwach sein. Doch kann man es erreichen, dass uur ein einziger Tentakel sich kriimmt und zu- sammenzieht. Am besten kann man dies bei weniger empfindlichen Actinien wie den Antheen oder bei den empfindlichen Arten, wenn sie halb chloroformirt sind, beobachten. Bei Anthea zieht sich auf Beriihrung gewohnlich nur der zuniichst betroffene Tentakel zu- sammen, erst wenn man einen Tentakel quetscht, wird eine Con- traction aller iibrigen hervorgerufen. Die Sensibilitat ist ferner bei den Actinien nicht an alien Korperstellen gleich gross. Wie Heider (21. p. 387) ganz richtig bemerkt hat, geniigt bei den Sagartien eine schwache Beriihrung eiues Tentakels oder der Mundscheibe, um eine kraftige Contraction hervorzurufen , wahrend das Thier gar nicht reagirt, wenn man bei klaftendem Munde vorsichtig ohne die Lippen zu beriihren, mit einem Stabe in das Magenrohr, ja bis in die Korperhohle fahrt. Ebenso zeigt das Mauerblatt eine im Verhaltniss zur Mund- 56 Oscar uud Richard Hertwig, platte geringe Scnsibilitat. Diese ungleiche Empfindlichkeit dcr Korperoberflache stimmt auf das Beste mit den aiiatomischen Re- sultaten unseier Uiitersuchuiig, mit der Vertheilung der Siiines- zellen uiid der Nervenschicht, iiberein. Beobaclitungen an Sagartia parasitica weiseu deutlich darauf bin, dass den Actinien audi ein gewisses U n terse heidun gs- vermogen fiir die Qualitat des Reizes, wie z. B. fiir die Art der Beriihrung, zukommt. Bekanntlich leben die Sagartien auf den Muschelschalen angeheftet, in welche die Bernhardskrebse sich eingenistet haben, und sie lassen sich von diesen mit herum- trageu. Hier ist es nun auffallig zu seben, dass die Sagartien gegeu alle Erschiitterungen , die durch die Bewegungen des mit der Muschel und dem Ansiedler schwer bepackten Krebses hervor- gerufen werden, gleichgiiltig sind. Mogen die Tentakeln an anderen Gegenstanden vorbeistreifen , es wird hierdurch keine Zusammen- ziehung des ganzen Tentakelkranzes bervorgerufen, wahrend eine solcbe docb eintritt, wenn ein anderes Tbier die Sagartia bertibrt. VVeiter muss bervorgehoben werden, dass die Fleischpolypen audi gegen Licbt empfindlich sind; ja mancbe Arten wie Edwardsia, Ceriaiitbus und Cladactis reagiren auf dasselbe in einer sehr auffalligen Weise. Die erste darauf bezuglicbe Be- obaditung bat mis Quatrefages (35. p. 76) mitgetbeilt. Wenn er plotzlich auf sebon ausgedehnte EdNvardsien vermittdst einer Linsc concentrirtes Lampenlicbt einfallen liess, zogen sie rascb ibre Tentakebi ein, aber bald entfalteten sie dieselben von Neuem. Eine nocb deutlichere Wirkung bcobachtete Jules Haime (20. p. 348) bei Exemplaren von Ceriantbus. Wenn er dieselben di- recteni Sonnenlicht aussetzte, erhoben sie plotzlicb ibre Tenta- keln und nitberten sie einander, aber sie breiteten sie darauf nur sebr unvollstandig wieder aus. II etait visible, fiigt Jules Haime liinzu, que cette sensation les genait, et qu'ils ne s'y ac- coatumaient qu'avec difficulte. J'ai eu plusieurs fois Toccasion de remarquer dans le port de Mahon que, lorsque le ciel est sans nuages, ils ne sc montrent pas en plein midi, au moins pendant I'ete, et restcnt cadies dans leurs tubes jusqu' a ce que le soleil ait perdu un peu de son edat. Sebr empfiiidlicb gegen Licbt ist endlicb aucb die Cladactis Costae, eine scbone in grosseren Tiefen lebende Actinic, welche man im Aquarium zu Neapd haufiger zu beobacbten Gelegenbeit hat. Im Tageslicht ziebt sie ihren Korper stark zusammon und erst wenn es zu dunkdn beginnt, dehnt sie Die Actiuion. 57 sicli auf das Vior- bis Fiinffuche aus mid eiitfaltct iliro 'rciitakclii, die zuvor cingczogon warcn. Bei dciii Mangel hostimnitcr Sehorgaiie miissen l)ci den Acti- iiien die Sinnt'SZ(!llGn des Ektodornis direct fiir Licht (n-i-egbar sein; ob diesi; Eigenschaft nun alien oder nur einer bestinnnteii Art von Sinneszellen zukoninit, ist nicht zu entsclieiden, da bierfiir uns die bistologischen Criterien feblen. Am Scbluss des physiologiscben Absclmittes vveisen wir noch daraiif bin, dass das Nervensystem der Fleiscbpolypen sich gegen Narcotica jibnlicb wie bei den boheren Tbicven verbiilt. Durcb Opium und Cbloroform kann die Erregbarkeit berabgesetzt und durcb das letztere Mittel voriibergebend ganz aufgehoben werden. Doch zeigt sich uns in der Ein^Yirkung der Narcotica ein Unter- scbied darin , dass bei den Fleiscbpolypen das Nervensystem auf dieselben viel langsamer als bei den boheren Thieren (von den AViii-mern an) reagirt. Es mag dies mit der geringeren Entwick- lung und Centralisation des Nervensystems zusammenbiingen. Nacb dieser Abscbvveifung kehren wir zu unserem Resume zuriick und fassen noch kurz die Resnltate zusammen, welche wir tiber zwei weitere Gewebe, iiber die Stiitzsubstanz und die Ge- schlechtsorgane, crhalten habeii. Beide gehoren der mittleren Korporschicht der Actinien oder dem Mesoderm an. 4) Die Stiitzsubstanz ist beim Cerianthus schwacb ent- wickelt und ist mit Ausnahme weniger Stelleu (Taf. XXIV, Fig. 3 u. 15) zellenfrei (Taf. XXIV, Fig. 11. 15. 16 s). Bei den Actinien dagegen erreicht sie namentlich am Mauerblatt und an der Mund- scheibe eine bedeutendere Starke und ist iiborall reichlich mit Zellen verseben (Taf. XIX, Fig. 1— 8s. Taf. XXI, Fig. 1—3). Beim Cerian- thus ist die Stiitzsubstanz mehr homogen, bei den Actinien fibrillar. Von welcber Schicht ihre Zellen abstammen, ob vom Ektoderm oder Entoderm, ist noch durcb entwicklungsgeschichtlicbe Unter- suchungen aufzukliiren. 5) Die Geschlechtszellen sind bei den Fleiscbpolypen in die r.iesodermalc Stiitzsubstanz eingebettet, die Eier einzeln in be- sondere Kapseln, die Spermatozoon in grosserer Anzahl zu eineni HodenfoUikel vereint (Taf. XXIII, Fig. 4—6. Taf. XXIV, Fig. 1 u. 13). Ihror Genese nacb gehoren sie dem Entoderm an; sie entwi- ckeln sich namlich aus subepithelialen Zellen des Entoderms und werden spater erst von der Stiitzsubstanz umwachseu und von 58 Oscar und Kichard Hertwig, ihreni Muttcrboden abgeschiiiirt (Taf. XXIII, Fig. 1 — 3. 8. Taf. XXIV, Fig. 2). II. Abschnitt. Bemerkungen zur Keimblattertheorie. 1. Ueber die Beaennung der Keimblatter und der Korperschichten. In dem Gebrauch der Worte Ektoderm, Mesoderm, Ento- durm , mit welchen wir bei den Actinien die verschiedenen Kor- perschichten benannt haben, macht sich seit einer Reihe von Jahren bei den Forschern, welche sich mit dem feineren Bau der Coelenteraten beschaftigt haben, eine Unsicherheit bemerkbar. So spricht z. B. Kowalevsky (81) in einer soeben erschienenen vor- laufigen Mittheilung die Ansicht aus, dass das gallertartige Ge- webe der Alcyoniden, welches gewohnlich als Mesoderm bezeichnet wird, zusammen mit dem ausseren Epithel als ein stark ent- wickeltes Ektoderm aufzufassen sei, weil es aus dem Ektoderm der Larve entsteht. Eilhard Schuize {SQ. p. 293) wirft in seinen Spongienuntersuchungen die Frage auf, ob die Gewebsschicht der Spongien, in welcher die Genitalzellen sich ausbilden und stellenweise contractile Faserzellen zu finden sind, Mesoderm und ihre aussere Plattenepitheldecke Ektoderm genannt werden diirfe Oder nicht? Glaus (59. p. 19 Anm.) hebt in seiner Schrift iiber Charybdea marsupialis besonders hervor, dass, „\venn er die Be- zeichnung Mesoderm hier und an anderen Orten fiir die Gallert- substauz und die Stiitzlamelle der Coelenteraten in Anwendung bringe, er sich des Unterschiedes von dem, was man bei Wiirmern und hoheren Thieren Mesoderm nenne, wohl bewusst sei." Der- artige Beispiele liessen sich noch welter leicht vermehren. Die Unsicherheit im Gebrauch der Worte Ekto-, Meso- und Entoderm riihrt erst von der Zeit her, seitdem man allgemeiner die Korperschichten ausgebildeter Thiere mit den Keimblattern der Embryonen vergleicht, und sie erkliirt sich daraus, dass man Worte, die ursprunglich nur fiir fertige Zustande angewandt wur- den, direct auf crabryonale iibertragen hat und umgekehrt. In dieser Hinsicht scheint uns die Geschichte der Begriffe Ektoderm, Mesoderm und Entoderm, sowie der mit ihneu jetzt identisch gewordenen Begriffe oberes, mittleres und unteres Keimblatt von Interesse zu sein; Die Actinieu. 59 znglcich kann sie uns cinen Fingerzeig gebeii, wie man in Znknnft wohl am bcsten die fraglichen Worte handhaben wird. Wie bekannt, ist die Lehre von den Schichten oder Bliittern des thierischen Korpers (die Blatter-Theorie) aus entwick- lungsgeschichtlichen Studicn hervorgegangen und ist zu ibrer fun- damentalen Ikdeutung durcb die gliinzenden Entdeckungen von Pander, Baer und Remak gelangt. Aus ihnen ergab sich, dass der Hiibnerkeim aus Zellenschicbten besteht, auf deren Um- bildiing sich alle einzelncn Organe des Korpers zuriickfiibren lasscn. Die Scbicbten, deren man auf cinem bestimmten Stadium mit Remak jetzt drei annimmt, baben die verschiedonsten Naraen erhalten. Am gebriiucblichsten und in keiner Beziehung anfecbt- bar sind wobl die Ausdriicke ausseres, mittleres und unteres Keimblatt. Eine bedeutungsvolle Erweiterung erfuhr 1849 die Blatter- theorie durcb Huxley (70), welcber nacbwies, dass der Korper der Coelenteraten aus zwei Scbicbten aufgebaut ist. Er nannte sie outer and inner membrane (foundation membranes) und verglicb sie schon nach ibren physiologischen Leistungen dem scrosen und mucosen Keimblatte Baer's. Allman (49. p. 368) fubrte bald darauf 1853 zur Bezeicbnung der iiusseren und innereu Zellen- schicbt der Coelenteraten die jetzt so viel gebraucbten Namen Ektoderm und Entoderm ein. Allmiiblicb gewannen diese Worte in der Coelenteratenliteratur Biirgerrecbt, in Kolliker's Alcyo- narien (76), in Haeckels Spongien (63), in Eilb. Schulze's Cordylopbora (88) und in Kleinenberg's (73) Hydra. Dies war nun aber aucb die Zeit, welche in der Gescbicbte der Blatter- tbeorie einen neuen bedeutsamen Wendepunkt bezeicbnet. Durcb die ausgedebnten Untersucbungen Kowalevsky's (80) war der Nacbweis gefiibrt worden, dass aucb bei den Embryonen wirbelloser Thiere sich ebenso gut wie bei denjenigen der Wirbeltbiere be- sondere Keimblatter unterscbeiden lassen. Haeckel, mit der Entwicklung und Anatomie der Spongien bescbaftigt, erkannte die bohe Tragweite aller dieser Verhiiltnisse und schuf, indera er den blattrigen Bau der Embryonen aller Thiere und den bliittri- gen Bau der Coelenteraten mit einander verglicb, seine so be- deutungsvolle Gastraeatbeorie (64, 65), welche den Anstoss zu zahl- reichen Untersucbungen gegeben bat; er zeigte, dass der Aufbau der Thiere aus Bliittern sich daraus erklilre, dass sie von einer zweiblattrigen Ausgangsform, der Gastraea, abstammen. Gleicbzeitig mit Haeckel wurde auch in England Ray Lances ter (82 u. 83) 60 Oscar und Richard Hertwig, zu ciiicr ilhulichen Theorie gefiihrt, welche er in eiiier idecn- reichen Schiift: On the primitive cell-layers of the embryo as the basis of genealogical classification of animals ausgefiihrt hat. Von dieser Zeit an erhielten die Worte Ektoderm, Entoderm mid Mesoderm eine veranderte, allgemeinere Bedeutimg ; indem man die Schichten der Coelenteraten und der Embryonen der hoheren Thiere mit eiuander verglich und filr homolog erklarte, wurden die Allman'schen Bezeichnimgen auch auf embryouale Verbal t- nisse iibertragen. Ektoderm , Mesoderm und Entoderm wurden in gleichem Sinne wie ausseres, mittleres und inneres Keimblatt ange- wandt und verschaliten sich in der embryologischen Literatur sehr rasch Eingang, wie sie deun auch in der neuen Auflage von Kol- liker's Entwicklungsgeschichte eingefiihrt sind. So berechtigt nun auch die Vergleichung niederer Thiere mit den Entwickluugszustanden hoherer Thiere an sich ist, so wenig scheint uns die Verschraelzung der Begriffe, die urspriinglich ge- trennt entstandeu waren nnd sich in dem einen Fall auf den Bau des fertigen Organismus, in dem anderen Fall auf den Bau des Keimes bezogen , zweckmiissig gewesen zu sein. Denn sie ist eine Quelle von manchen Uebelstanden geworden. Am klarsten zeigt sich uns dies an dem Worte Mesoderm. Bei den hoheren Thie- reu bezeichnen die Embryologen als mittleres Keimblatt eine Schicht embryonaler Z ell en und sie zeigen, dass bestimmte Gewebe und Organe aus dieser Schiclit hervorgehen. Bei den Coelentera- ten dagegen versteht man unter Mesoderm eine entwickelte Ge- websschicht zwischen innerem und ausserem Korperepithel , eine gallertige oder faserige zellenfiihrende Biudesubstanz , in welche hie und da auch noch Muskeln, Nerven und Geschlechtsorgane eiugebettet sind. Das Mesoderm wird bei den Larven uicht als eine besondere Schicht embryonaler Zellen , als ein Keimblatt, an- gelegt, sondern ditierenzirt sich allmahlich und wie wir gezeigt ha- ben, zu verschiodeneu Zeiten aus dem Ektoderm und aus dem En- toderm. Wollten wir bei den hoheren Thieren in derselben Weise wie bei den Coelenteraten verfahren , so miissten wir alle Organe, die sich aus dem oberen und unteren Keimblatt abschniiren und zwischen beide zu liegen kommen, zum Mesoderm rechnen, also audi das Nervensystem , einen grossen Theil der Sinnesorgane etc. Daraus geht aber hervor, dass das Mesoderm der Coelenteraten und das mittlsre Keimblatt der Embryonen nicht congruente Be- griffe sind, und dass man das Wort Mesoderm bei seiner Ueber- tragung auf die Wirbelthiere in einer principiell anderen Weise Dio Actinieii. 61 als bei fleii Coclentcratcn gcbraucht. Einc illinliclie Verscliie- dciiheit (ler Auffassuiigsweisc zoigt sich uns, wciin R. La n co- ster {S'J. \). 329) die Coeleiiterateii Diploblastica uiul Haeckel (64. p. 31) Triblasteria iieiint. Ray Lane ester geht davon aus, dass die Coeleiiterateii aus 2 einbryoiialen Zelleidageii (2 Keim- blilttern) entsteheii, Haeckel dagegeu fasst die 3 Schiclitcn des fcrtigen Thieres in's Auge. Die Widersprlicbe , die sicb bier in uiiserer Nomenclatur zeigeii , bat scboii Eilhard Scbulze {SG. p. 293) klnr bervorgeboben in einer kurzeu Aiiseinandersetzung, die wir bier wiedergeben. Indem Eilbard Scbulze die Frage aufwirft, ob man bei den Spongieii von einem Mesoderm reden diirfe, macbt er dies davon abbiingig, „ob man den Ausdruck Mesoderm nur in dcm Falle anwenden will, wenn sicb eine nacb beiden Seiten abge- grenzte Zellenlage scbon friib, d. b. vor der Eutwicklung der Ge- webe uud Orgaue, also gleicbsam scbon am Keime als ein beson- deres Keimblatt anlegt, oder ob man aucb daim von einem Mesoderm sprecben will, wenn eine Sonderung einer mittleren differenten Gewebsscbicbt von dem ausseren oder inneren epitbe- lialen Lager erst spater und obne die Ausbildung eines eigentli- cben Keimblattes erfolgt. Beispiele fiir den letzteren Fall baben wir aucb ausserbalb der Spongiengruppc, unter den Coelenteraten z. B. bei den Medusen, wo zwiscben den beiden primaren Keim- blattern , dem Ektoderm und Entoderm, zuuiicbst nur eine ganz structurlose Gallerte ausgescbiedeu wird. Wenn spater in diese Gallertmasse Zellen einwandern, so ist dadurcb eine sowobl von dem ausseren Grenzzellenlager als aucb von dem Epitbel des Gastro- vascularsystems differente Bindegewebsiage entstanden. Dieselbe wird nun in der That von einigen Forschera Mesoderm genannt, wilbrend andere ibr diese Bezeicbnung nicbt zugestebeu wollen." „Wenn man sicb an die urspriinglicbe uud wortlicbe Be- deutung des Ausdruckes „ Keimblatt" bait und darunter eine scbon im Keime angelegte besondere Zellenlage verstebt, so komnien allerdings den Spongien sicber nur zwei Keimbliitter, Ektoderm uud Entoderm zu; denn die fraglicbe, beim ausgebilde- ten Scbwamme zu findende Bindegewebsiage tritt jedeufalls nicbt als ein bcsonderes Keimblatt in dem erwabnten Sinne auf." „Hicriiacb scbeiut es rair geratben , wenigstens den Ausdruclv „mittleres Keimblatt" einstweilen nicbt auf die skelet- bild(!nde Bindcsubstanzscbicbt der Spongien anzuwenden und die Spongien mit Bezug auf die Keimblattlebre kiiuftig nicbt drei- 62 Oscar und Kichard Hertwig, blattrige, sondern zweibliittrige Thiere zu nennen. Dagegeu erlaube icli niir fur diesen und verwandte Falle die Anzahl der differeiiten GewebsscMcliten mit deni Ausdruck „schichtig" an- zugebeu. Die Spougieii siiid also zweiblattrige, aber drei- scliichtige Thiere." „Um die wichtige Frage zu entscheiden, wie sicli diese Schich- ten zu deu secuudaren Keimblattern der lioberen Thiere ver- bal ten, ob sie vielleicht phylogenetisch als Vorliiufer der letz- teren anzusehen sind, scheiuen mir einstweilen unsere Kenntnisse noch nicht auszureicheu." Eilhard Schulze hebt in den obigen Satzen nach unserer Ansicht eineu sehr richtigen Gesichtspunkt hervor, er briugt aber selbst die von ihm aufgeworfene Frage nicht zum Abschluss; in einer spateren Arbeit vermeidet er die frilher von ihm selbst bei den Spongien benutzten Ausdriicke Ektoderni, Mesoderm und En- toderm und ersetzt sie lieber durch die Bezeichnuugen : aussere Zellenschicht , Bindesubstauzschicht und Kragenzellenschicht. Er verzichtet somit auf die von Allman fiir die Coelenteraten ein- gefiihrteu Worte und iiberlasst sie den Embryologen. Wie schon angedeutet wurde, ist die Verschmelzung von Be- griffen, die urspriinglich in verschiedener Weise gebraucht wur- den, die Quelle der hervorgehobenen Uebelstiinde ; wir werden da- her dieselben am besten auch wieder durch Einfiihrung einer ge- trenuten Namengebung vermeiden konnen, — insoferu zeigt uns die Geschichte der Worte selbst den Weg zur Losung der von Eilh. Schulze zuerst angeregten Frage an, — und so schlagen wir denn vor, die Worte Ektoderm, Mesoderm und Entoderm in ihrer urspriinglichen Bedeutung wieder fur die Schichtungsver- haltnisse entwickelter Thiere und ebenso die Worte oberes, mitt- leres und unteres Keimblatt nur flir embryonale Zustiinde anzu- wenden. Fiir letzteren Zweck ist auch die bei den Engliindern eingefiihrte Nomenclatur, Epiblast, Mesoblast, Hyi)oblast, recht passend, doch mochte es sich empfehlen die Priiposition Epi und Hypo durch Ekto und Ento zu ersetzen. Es mag an dieser Stelle hervorgehobeu sein, dass Huxley in seinen Grundzugen der Ana- tomie der wirbellosen Thiere (72) sich der Worte in ahnlichem Sinne, wie wir es vorschlagen, bedient, ohne aber die Beweggriinde nilher anzuge])en. Dadurch dass wir die einzelnen Worte in einer beschriinkte- ren Bedeutung gebrauchen, sind wir in die Lage gesetzt, die durch Die Actinieu. 63 sic ausgcdriicktcii Begriffc schilrfor zu pracisircii, als es ohnedom moglich seiii wiircle. Iiuloiu Avir bei den Eiitwickluiigsfonnen der Tliicre Keimblilt- ter uiiterscliei iEktoderm < ' 1 ' ( Somatopleure / Mesoderm i o . i. , / secondary Blastoderm. I Splanchiiopleurc i •' Entoderm j Hypoblast ^ 64 Oscar und Eichard Hertwig, Es liegt auf der Hand, dass der Einwurf Haeckel's bei iiiiserer Definition der Keimblatter niclit ziitrifft. Denn da wir niir das Lageverhaltniss Ijlattartig ansgebreiteter Zelleuaggregate ausdriicken wollen, so werden wir von einem Ento- und Ektoblast aueh nacli dem Erscbeinen einer mittleren Scbidit noch sprechen konnen, da sie nacb wie vor iiusseres und inneres BLatt bleiben. Anders verhielte es sich freilich, wenn wir noch andere Eigen- sdiaften in den obigen Worteu ausdriicken wollten, wenn wir un- ter Ektoblast eine Einbeit von Zellen versteben wiirden, die einer Anzabl bestimmter Organe den Ursprung giebt. Wenn von die- ser Einbeit eiu Tbeil der Zellen zur Bildung eines Mesoblasts ab- gegeben wird, dann freilich besitzt die ursprilngiicbe Zellenschicht nicht mehr ihren friiheren Werth und muss eineu neuen Namen crhalten. In diesem Sinue aber konnen die Begriffe nicht wohl angewendet werden. Denn bei consequenter Durchfilhruug wiirden wir eine sehr complicirte Namengebung ohne einen entsprecheuden Gewinn erhalteu; man miisste die einzelnen Blatter, wenn irgend ein Theil zu einem Organ sich ablost, immer von Neuem wieder mit besonderen Namen belegen, man miisste z. B. auch das Haut- sinnesblatt, wenn das Nervenrohr sich von ihm abgeschniirt hat, wieder umtaufen, da durch diesen Vorgang seine fruhere Integri- tJit aufgehoben worden ist. \¥ie an den Keimen lassen sich auch an den entwickelten Thieren besondere Hauptschichten unterscheiden, fiir welche wir die von All man eingefiihrten Worte Ektoderm, Mesoderm, Entoderm reservirt wisseu mochteu. Unter Ektoderm und Entoderm versteben wir die aussere und innere Begrenzungs- schicht des ausgebildeten Korpers, welche vom Ekto- blast und Entoblast des Keimes abstammend das ur- sprilngiicbe Lageverhaltniss bewahrt habeu. Unter Mesoderm dagegen begreifen wir die Summe aller Ge- webe und Organe, welche zwischen die beiden Be- grenzungsschichten eingeschoben sind, mogen sie aus einem besonderen Mesoblast oder direct aus einem der primaren Keimblatter ihren Ursprung nehmen. Bei den Coeleuteraten sind die Schichtungsverhiiltnisse sehr einfache. Entweder sind beim erwachsenen Thiere iiberhaupt nur 2 Schichten vorhanden, das Ektoderm und Entoderm, welche aus dem Ektoblast und Entoblast der Gastrula dadurch entstanden sind, dass die enibryonalen Zellen sich histologisch differenzirt UTul Ijcstimmte Eunctionen erhalten haben; oder es gesellt sich Die Actinien. 65 zu ilmen noch einc mittlere dritte Scliicht „(las Mesoderm". Von eiiieni solcheii werdcn wir, wie zuerst Ilaeckel (64) betoiit hat, vou dein Augcnblickc an reden konnen, wenn sicli zwischen die ilussore und innere Epithelscliiclit eine mit Zelleu verseliene und (lalier sclbstilndig waclisende Zwischenscliicht einscliiebt. Mitliin werden wir audi bei den Spongien die bald faserige bald galler- tige „Gewebsscliicht , in welcher die Skelettheile entstehen, die Genitalzellen sich ausbilden und stellenweise sogar contractile Fa- serzellen zu finden sind", Mesoderm und ilire iiussere Plattenepi- theldecke Ektoderm nennen. Desgleiclien sind die Alcyonarien drei- schichtig und kann die Angabe Kowalevsky's (81), dass aus dem Ektoblast Zellen in die Gallerte einwandern, fiir uns keinen Grund abgeben , die Gallerte zusammen mit dem ausseren Epithel als stark entwickeltes Ektoderm aufzufassen, sondern es muss wie bei den verwandten Actinien als Mesoderm bezeiclinet war- den. Die Nomenclatur Kowalevsky's consequent weiter gefiihrt, wiirde dahin treiben , da alle Bildungen in letzter Linie entweder vom ausseren oder innereu Keimblatt abstammen, iiberhaupt nur ein Ektoderm und Entoderm bei alien ausgebildeten Thieren an- zuerkenuen. Im Vergleich zu den Coelenteraten haben sich die Schichtungs- verhaltnisse bei den hoheren Thieren im ausgebildeten Zustande bedeutend complicirt; doch ist auch hier iiberall eine iiussere vom Ektoblast und eine innere vom Entoblast ableitbare Begrenzungs- schicht, die vielfach gefaltet und mit Aus- und Einstiilpungen versehen ist, ein Ektoderm und ein Entoderm, zu unterscheiden. Zwischen beide schiebt sich eine mittlere Schicht ein, das Meso- derm, welchem die Hauptmasse der Organe und Gewebe fortau angehort. Zum Mesoderm haben wir bei den hoheren Thie- ren zu rechnen: die Stutzsubstanzen , die gesammte Muskulatur, das Nervensystem , alle Sinnesorgane mit Ausnahme derer, die der Natur ihrer Function nach auf die freie Flache angewiesen sind, die grossen Hohlen des Korpers, die Geschlechtsorgane, Nieren etc. Nach der von uns gegebenen Definition ist es klar, dass die Worte Ektoderm, Entoderm, Mesoderm sich mit den embryologi- schen Bezeichnungen, die wir in ihrer alten Bedeutung festhalten, keineswegs decken , und zwar decken sie sich deswegeii nicht, well beim erwachsenen Thier in der Kegel die Beziehung der Organe zu den unterschiedenen drei Schichten eine andere ist als beim Keime. Bei letzterem sind viele Organe Bestandtheile des Ekto- Bd. XIV. N. F. VII, 1. 5 66 Oscar und Eiehard Hertwig, blasts unci Entoblasts, die spater, wie z. B. das ISTervensystem und die Chorda, nicht melir zum Ektoderm und Entoderm gehoren. Umgekehrt umfasst das Mesoderm beim Erwachsenen viele Organe, die beim Keime niemals Theile des Mesoblasts gewesen sind. Illu- striren wir diese Verhaltnisse durcli einige Beispiele ! Viele Coelenteraten besitzen ein Mesoderm, obwohl ihren Lar- ven eine besoudere mittlere embryonale Zellensdiicht, ein Mesoblast, fehlt. Das Mesoderm entstelit bei ihnen gewohnlich erst spat und allmahlich mit dem zunehmenden Wachsthum und der dabei er- folgenden histologischen Differenzirung des Kiirpers. Der Hergang ist dann der, dass zwischen ausserer und innerer Zellenschicht eine Gallerte ausgeschieden wird, dass in diese von einer der beiden Begrenzungsschichten Zellen einwandern und zu Bindege- webskorperchen werden. Spater konnen audi noch Muskelgruppen Oder die Geschlcditszellen in der Weise, wie wir es fiir die Ac- tinien und Medusen nadigewiesen haben, sidi vom Ektoderm oder Entoderm abschniiren und in das Mesoderm iibergehen. Diese Versdiiedenheit in der Schichtung der Larven und der erwadise- nen Thiere kann man, wie Eilh. Schulze vorgesdilagen hat, redit passend durch die Worte „blattrig" und „sdiiditig" ausdriicken. Die Larven wiirde man demnach zweibliittrig oder nadi der Ter- minologie von Ray Lane ester Diploblastica, dagegen die aus ihnen entstehenden Formen dreischiditig nennen. Zwei andere Beispiele entnehmen wir den Wirbelthieren. Nach unserer De- finition der Begriffe gehoren beim Erwachsenen das Nervensystem und die Muskulatur zum Mesoderm, aber es nehmen beim Keime nicht beide Organe, sondern nur die Muskulatur aus dem Meso- blast ihren Ursprung, wahrend das Nervensystem vom Ektoblast sidi abschniirt. Die Chorda ist beim Erwachsenen ein mesoder- males Organ, aber sie entsteht bei einem Theil der Wirbelthiere aus dem Entoblast, bei einem andern Theil aus dem Mesoblast, welcher letztere Modus wohl als abgekiirzte Entwicklung (Haeckel) oder wie Ray Lancester (83) sich ausdriickt, als precocious segregation zu deuten ist. Doch genug an diesen Beispielen, welche zur Geniige dar- thun, dass die Worte zur Bezeichnung der Schichtungsverhalt- nisse am Keim und am erwachsenen Thiere sich nicht decken. Priifen wir jetzt vielmehr noch den einen Punkt, ob es iiberhaupt einen wissenschaftlichen Worth besitzt auch beim erwachsenen Thiere bcstimmte Schichtcn mit Namen zu belegen. Wir konnten uns hier einfach auf das Bedurfniss berufen, welches unabhangig Die Actinien. G7 voii der Keinibliittertheorie fur die Schichten der Coelenteraten be- sondcre vVusdriicke in's Lcben gcTufeii hat, indesscn lilsst sicli auch aus allgcnieineren Gesiclitspunktcu die Aufstelliiiig bosondcrer Na- luen rechtfcrtiKen. Einnial bcdiirfen wir derselben, wenn wir das ausgebildete Thier niit soiiiem Keim vergleichen und wisseii wollen, wie die Bliitter des letzteren in die Schichten des ersteren iiber- gehen, aus welchen Bliittern die einzehien Organe abstammen und in welche Schichten sie definitiv zu liegen kommen. Zum Beispiel! das Centrahiervensystem entsteht ontogenetisch bei den Wiirmern und Wirbelthieren aus deni Ektoblast, im definitiven Zustand aber bildet es bei den Wirbelthieren einen Theil des Mesoderms, bei vielen Wiirmern einen Theil des Ektoderms, oder mit andern Worten das in beiden Fallen dem Ektoblast entstammende Nerveu- system wird hier ektodermal, dort mesodermal. Zweitens bediirfen wir besonderer Namen, urn die Schichten entwickclter Thiere untereinander zu vergleichen. Die vergleichend anatomische Seite der Bliittertheorie kommt dadurch mehr zu ihrem Rechte. Es ist von allgemein morphologischem Werth zu wissen, wie viel Schichten bei den einzelnen Thieren entwickelt sind, welcher Schicht die einzelnen Organe angehoren und in welchem Maasse jede Schicht mit verschiedenen Organen ausge- stattet ist. Wenn wir von diesem Gesichtspunkt aus das Thierreich iiberblickeu, so treten uns zwei wichtige Bildungsgesetze entgegen : ErstensnimmtmitderHohederOrganisationeincs Thieres die Masse und die complicirtere Beschaffen- heit des Mesoderms zu, wiihrend Ektoderm und Ento- derm einfacher werden. Bei den Coelenteraten voll- ziehen die zwei primitiven Bildungsschichten des Kor- pers, Ektoderm und Entoderm, noch die verse hiedensten Functionen des Organismus, Erntihrung, Fortpflan- zung, Empfindung, Bewegung etc.; bei den iibrigen Thie- ren werden, je hoher sie entwickelt sind, um so zahl- reichere Functionen auf eine sich immer complicirter ausbildende mit tie re Korper schicht, das Mesoderm, iibertragen. Es scheiden aus den beiden Begrenzungsschichten des Korpers immer mehr Organe und Gewebe nacheinander aus und schliesslich bewahren nur noch diejenigen ihren urspriinglichen Zusammenhang, welche vermoge ihrer Function, wie die Driisen, Geschmacks- oder Geruchsorgane etc. auf die Verbindung mit der freien Flilche des Korpers angewiesen sind. Im ganzen 'I'hier- 5* 68 Oscar und Eichard Hertwig, reich sind daher auch das Ektoderm und das Entoderm der Coe- lenteraten — man betrachte die Actinien oder Meduscn — histo- logisch am moisten diiferenzirt, wahrend sie bei den hoheren Thieren nur noch aus raehr gleichartigen Deck- und Driisenzellen und wenigen Sinneszellen zusammengesetzt sind. Ein zweites Bildungsgesetz zeigt uns, dass alle Organe, die bei hoheren Thieren mesodermale sind, mit Ausnahme der Organe, welche, wie Blutgefass- system, Lymphdriisen etc. weitere Differenzirungen desMesoderms selbstsind, bei niederen Thieren einer der beiden primitiven Bildungsschichten angehoren. Ein Vergleich der verschiedenen Thierformen untereinandcr gibt uns daher in die Genese der Organe ebenso gut einen Einblick als das Studium irgend einer Entwicklungsgeschichto. Man iiber- blicke nur die Ausbildung des Nervensystems, der Muskulatur und der Sinnesorgane in der Thierreihe. Bei den niedersten Thieren ist das Nervensystem ein ektoderraales , so bei den Coelenteraten, wo es sich ziemlich gleichmassig iiber die ganze Oberflache ver- breitet, oder bei vielen Wiirmern, wo es schon in Ganglien wie bei Sagitta, oder in eine Ganglienkette wie bei Tomopteris und manchen anderen Anneliden ditFerenzirt ist; dagegen ist das Ner- vensystem bei alien hoheren Thieren aus seinem Mutterboden aus- geschieden und mesodermal geworden. Dasselbe gilt von der Mus- kulatur, die bei den Coelenteraten sich noch als ein integrirender Bestandtheil des Ektoderms und Entoderms darstellt. Ein anderes Beispiel liefern die Sinnesorgane: das Augc bei den niedersten Thieren, Coelenteraten, Wiirmern, vielen Arthropoden und Molluskcn ein modificirter Bestandtheil des Ektoderms, ist bei den hoheren Thieren in's Mesoderm geruckt. Um alle diese verschiedenen entwickluiigsgeschichtlichen und vergleichend-anatomischen Thatsachen kurz auszudriicken, scheint sich uns die vorgeschlagene doppelte Nomenclatur am besten zu eignen. Ihren Vorzug sehen wir darin, dass nach alien Seiten eine Vergleichung der wichtigsten Schichten im thierischen Or- ganismus durch sie erleichtert wird, Durch kurze Bezeichnungen konnen wir fur jedes einzelne Organ seine Lage beim Erwachsenen und beim Embryo in Bezug auf die wesentlichen Bildungsschichten ausdrucken. (Ektodermales Nervensystem und Muskulatur der Medusen und Actinien, mesodermales aber ektoblastischcs Nerven- system, mesodermale und mesoblastische Muskulatur der Wirbel- thiere, mesodermale und mesoblastische Chorda der Vogel, meso- Die Actiuicn. 69 doniiale und cntoblastischc Chorda des Amphioxus, cktodcnnalcs Aiigo der ArthrDpodcii , mesoderniales ektoblastisclics Augc dcr ^Vi^belthicrc, cktodermale Geschlochtsorganc dcr Hydromeduscn, musodennale aber eutoblastische Geschlcchtsorgane der Actiuicn). 2. Die Homologie der Keimbliitter und die Beziehung derselben zur Gewebebildung. Im Vorhcrgehcnden haben wir den Standpunkt, den wir der Blattcrthcoric gegentiber einnehmen, niiher pracisirt, indem wir iins niit der Definition und Bcdeutung dcr einzclnen Begriflfe be- schiiftigten. Wir haben hicrbei Ansichten unberiihrt gelassen, die in den Ictzten 10 Jahrcn von verschicdenen Seiten iiber die Be- denlung der Keimblatter ausgesprochen wurden und die unter den Biologen sich eine nicht geringe Geltung verschafft haben. Wir mcincn die Ansichten liber die Homologie der Keimblatter und iiber die Beziehung derselben zur Gewebebildung. Ueber den ersten Punkt findet man viclfach Vorstellungen verbreitet, die bei einer unbefangenen Priifung der Thatsachen sich als unhaltbar erweisen. Viele Forscher, indem sie eine Homo- logie der Keimblatter annehmen, verbinden damit zugleich auch die Hypothese, dass in den verschicdenen Thierabtheilungen phy- siologisch gleiche Organe aus homologen Keimblattern ihren Ur- sprung genommen haben mtissten, E. v. Beneden (51. p. 7) in sei- ner bekannten Schrift: De la distinction originelle du testicule et de I'ovaire stellt den Satz auf, que les memes systemes organiques se developpent dans les differents types d'organisation aux depens des memes feuillets primitifs. Man brauche daher um den Ur- sprung eines Organsystems kennen zu lernen, ihn nur in diesem Oder jenem Organisationstypus nachzuweisen und man konne dann den erhaltenen Resultaten eine auf das ganze Thierreich sich er- streckende Tragweite geben. Um den Ursprung der Organe auf- zukljiren, seien die Coelenteraten am geeignetsten , well bei ihnen Ektodcrm und Entoderm mit ihren embryonalen Characteren wah- rend der ganzen Lcbensdauer persistirten und alle Organe nur eine Dependance von dem einen oder anderen Keimblatt seien. Ganz derselben Ansicht huldigt Kleinenberg (73. p. 82— 88) in seiner Hydra-arbcit. Er liisst den constanten Typus der Coe- lenteraten von alien hoheren Thieren als Enwicklungszustand durch- laufen werden und sucht eine vollige „Wesensgleichheit" zwischen den embryonalen Schichten der Wirbelthiere und den persistenten Bilduugshiiuten der Coelenteraten, speciell der Hydra, durchzu- 70 Oscar und Richard Hcrtwig, fiihreii. So vergleiclit er das 1) Hornbatt, 2) Nervenblatt (als ilusseres Keimblatt zusanimengefasst), 3) Muskelanlage (mittleres Blatt) der Wirbelthiere der 1) Keimschale (Hornblatt), 2) Ncrvcn- zellenlagc, 3) Muskellamelle der Hydra. Die Homologie des Ekto- derms der erwaclisenen Hydra mit dem vereinigten ausseren und mittleren Blatt der Wirbelthiere betrachtet er nur in so fern als eine incomplete, als die Epithelschicht des ausseren Blattes der ersteren im Laufe der Entwicklung verloren gehe. Wenn man in dieser Weise die Homologie der Keimblittter auf- fasst, so ist man iiber das rechte Ziel weit hinausgegangen und man gerath mit den Thatsachen vielfach in Widerspruch. Schon die Untersuchung der Coelenteraten lelirte uns, dass bei einigen Abtheilungen Hoden und Eierstock aus dem Ektoblast, bei andern Gruppen wieder aus dem Entoblast ihren Ursprung nehmcn, dass bei den craspedoten Medusen die Korpermuskulatur sich aus dem ausseren Keimblatt, bei den Anthozoen dagegen vorzugsweise aus dem inneren Keimblatt entwickelt. Bei Cerianthus und den Ac- tinien sahen wir sogar ektodermale und entoderraale Muskulatur in einer Correlation zu einander stehen, so dass eine stiirkere Aus- bildung der eincn eine geringere Ausbildung der anderen bedingte. Aus diesen Thatsachen geht klar hervor, dass inner- halb dereinzelnen Thier abtheilungen dieKeimblatter sich organologisch ungieichartig differenzirt habeu. Wird deswegen nun aber ihre Homologie aufgehoben, wie Anhanger und Gegner der Keimbliittertheorie hie und da anzu- nehmen geneigt sind? Wir antworten mit einem entschiedenen Nein ! Ektoblast und Entoblast, mogen sie auch verschiedenartige Organe entwickeln, bleiben nach wie vor im Thierreich einander homolog, insofern sie iiberall in gleichen Lagebeziehungen zu einander stehen, insofern sie auf eine gemeinsame Grundform, auf die beiden Bildungsschichten (Ektoderm und Entoderm) der Gastraea be- zogen werden konnen. Bei der Feststellung dieser Homologie mtisscn wir nur im Auge behalten, dass die beiden Bildungsschichten der hypothetischen Urform aller Metazoen noch eine sehr indifferente Beschaffenheit besassen und wie die Keimblatter gleichsam noch aus mehr embryonalen Zellen bestanden, dass z. B. beiden noch die Fahigkeit zukam Geschlechts- und Muskelzellen hervorzu- briiigen. W^cnn wir unser Urtheil in dicse Form klciden, dann widerstreitet es der Annahme einer Homologie nicht, dass die primitiven Bildungsschichten sich innerhalb der einzelnen Ab- theilungen in einer besondereu und oft sogar sehr verschiedenen Die Actinien. 71 Weise woiter entwickclt habcn. Daraiis folgt abcr audi ziiglcich, wic ungcrochtfertigt cs ist, ciu Rcsiiltat, (las tibcr die Gciiese ciiics Organs bci oiner Thicrabtheilung orlialten wordcn ist, sofort aiif das Gaiizo zu verallgemoincrcn. Zwisclicn den Bildungshauten dor C'Oelenteraten und den prinuircn Keimbliittcrn dcr ubrigen Thierc bestcht nur im Allgenieinen und nicht im Einzehien cine Ilomologie. Nocli viel vorsiclitiger muss man mit dem Aufstellen von Homo- logicen beim IMcsoderm und Mesoblast sein. Wenn wir nur das Mesoderm der Coelonteraten in das Auge fasseu, so lasst sich hier klar zeigen, wie schon in den einzclnen Abtheilungen, bei den Spongien, den Anthozoen, den Ctenophoren die mittlere Korper- scliiclit etwas sehr Verschiedenartiges ist, dass sie bei den einen Muskeln einschliesst, die den andern fehlen, und hier die Geschlechts- zellen eingebettet entlialt, dort nicht. Eine Homologie zwischen dem Mesoderm der Coelenteraten und dem Mesoblast der iibrigen Tliiere kummt selbstverstandlich ganz in Wegfall. Uns scheint es mit der Bildung des Mesoderms wie mit der Bildung der Sinues- organe zu gehen. Wie die Augen in den Thierclassen sich un- abhiingig von einander zu wiederholten Malen entwickelt haben und trotz ihres verschiedenartigen Ursprungs doch ein ahnliches Geprage tragen, so hat auch iiberall die weiter fortschreitende Differenzirung eines urspriinglich zweischichtigen Organismus mit Nothwendigkeit zur Bildung eines Mesoderms fiihren miissen, wie wir dies durch verschiedene Vorgiinge bei Medusen und Actinien illustrirt zu haben glauben. Mit der Frage nach der Homologie der Keimblatter hangt in gewisser Bcziehung die zweite Frage zusammen, ob iiber- all die Beziehung der beiden Blatter zu den ent- stehenden Geweben eine identische ist. Es ist dies ein Problem, das schon oft angeregt, aber nie ordentlich zum Austrag gebracht worden ist. Schon in seinen Icones histologicae prufte Kolliker (77) die Moglichkeit: ob vielleicht an der Hand der Entwicklungsgeschichte sich eine gute Begrenzung der Bindesub- stanz tinden lasse, ob zu ihr einfach alle Gewebe zu rechnen seien, welche zwischen der aussereu und inneren Epithelialschicht des Leibes sich finden und nicht zum Muskel- und Nervengewebe ziihlen. Kolliker verneinte diese Moglichkeit: vom Standpunkt der Entwicklungsgeschichte sei keine kurze Definition der Binde- substanz zu geben und lasse sich hochstens nur so viel sagen, dass die ausgebildeten Formen dieses Gewebes ohne Ausnahme aus dem mittleren Keimblatte hervorgehen. Aber schon im folgen- 72 Oscar und Richard Hertwig, den Jahre wuide die Beziehung der Gewebe zu den Keimblattern von Neuem und in umfassenderer Weise von His (69) in seinem bekannten Programm eiortert. Hier sucht His die liistologische Scheidung der drei Keimblatter als ein durchgreifendes Gesetz darzustellen. Danach liefern die beiden Grenzblatter ausser dem Nervensystem sammtliclie achten Epithelialgebilde des Korpers mit Einschluss aller achten Driisenzellen, aus dem mittleren Keimblatt dagegen wird die gesaramte Bindesubstanz im weitesten Sinne, d. h. Knochen, Knorpel, Zalinbein, Bindegewebe, adenoides Gewebe, das Blut selbst und das elastische Gewebe gebildet, ferner geht aus ihm die gesammte glatte und quergestreifte Muskulatur des Kor- pers hervor. In consequenter Durchfuhrung seines Standpunktes unterscheidet daher auch His die Zellen, welclie die Hohlungen im Mesoderm auskleiden, als unachte Epitlielien oder Endothelien von den achten Epithelien der beiden ausseren Keimblatter. Es ist dies besonders wichtig, als hier zum ersten Male der Versuch gemacht wird, die Beziehung der Keimblatter zu den Geweben als Eintheilungsprincip fur das System der Gewebe zu benutzen. Als nun einige Jahre spater die Blattertheorie auf das ganze Thierreich ausgedehnt wurde, ist ihre histologische Bedeutung sofort auch von den Zoologen in das Auge gefasst worden. Am scharf- sten haben hier ihren Standpunkt Kleinenberg und v. B e n e - den pracisirt. „Wenn das Grundgesetz der Entwicklung feststeht, dass bei alien Thieren allein aus den primaren Keimblattern der Thierkorper sich aufbaut", bemerkt Kleinenberg (73. p. 84), „so erhebt sich die weitere Frage, ob iiberall die Beziehung der beiden Blatter zu den entstehenden Geweben eine identische ist, ob jene Trager der wesentlichen Functionen, die Epithelien, die Musku- latur, die Nerven und das Bindegewebe mit Riicksicht auf die Keimblatter gleichen Ursprungs sind — mit einem Worte, die Frage nach der Homologie der analogen thierischen G e w e b e." Gestiitzt auf die histologische Untersuchung von Hydra glaubt Kleinenberg nun in der That eine „Homologie der per- sistirenden Gewebe des Ektoderms und der analogen Gewebe des ausseren Keimblattes zu erkennen" und dargethan zu haben, dass „die Uebereiiistimmung der Entwicklung der Hydra und der Wirbel- thiere nicht nur bis zu den primaren Keimblattern reicht, sondern dass auch die specialisirten Gewebe, die Epithelien, die Muskein mit den dazugehorigcn Nerven und die Geschlechtsorgane bei beiden mit Riicksicht auf die Keimblatter eine wesentlich gleich- artige Genese haben." In demselben Sinne wie Kleinenberg Die Actiiiicn. 73 glaiibt V. BiMicdcn (51. p. 7) voraussctzcn zii (liirfen, rtass die boideii Kcimbliittor bci alien Motazocn denselbcn histogcnctisclum Worth bcsitzcn. Bcide Forscher stimmcn also mit His in so fern Ubcrein, als sic einc bestimnitc Beziehung der Keinibliitter und Gewebe zu einandcr annehmen; dagegcn gcht aus ihrer Darstellung nicht hcr- vor, ob sie diese Beziehung audi fiir die Definition der einzelnen Gewebsformen zu verwerthen gedenken. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, dass man von vielen Seiten auf ein solches Ziel zustrebt. Schwalbe (90) und mit ilim wohl die grosste Mehrzahl der Histologcn wollen zu den Bindesubstanzen nur solclic Gewebe, welche von dem Mesoblast abstammen, gerechnet wissen. Bci der Besprechung der Tentakelaxe des Scyphistoma erwiihnt Glaus (58. p. 14), dass wenn Kolliker das blasige Gewebe den zelligen Bindesubstanzen subsumire, cine solche Auffassung Vieles fiir sich babe, wenn sie auch nicht mit den Anforderungen der Keimblatterlehre harmonire. Am deutlichsten hat sich Semper (91. p. 16—22) in der uns beschaftigenden Frage ausgesprochen, niimlich bei einer Erorterung der histologischen Bedeutung, welchc dem Cellulosemantel der Tunicateu zukommt. Schon vor Jahren hatte 0. Her twig (66) nachgewiesen, dass der Cellulosemantel nicht, wie friiher gelehrt worden war, von den sogenannten Testazellen gebildet werde, sondern ein Ausscheidungs- product des ausseren Epithels der Larve (also des Ektoblasts) sei, ein Ausscheidungsproduct, in welches spater Epithelzellen einwan- dern um zu Bindegewebskorperchen zu werden. Im Hinblick auf ihre morphologischen Eigenschaften verglich er die Gewebsformen des Cellulosemantels, welche bei den verschiedenen Tunicaten sehr verschiedenartig beschaffen sind, den Bindesubstanzen hoherer Tliiere und folgte hierin dem Beispiel von Ley dig (84. p. 24) und Eil- hard Schulze (89), welche schon friiher den Mantel der Tuni- caten zu den Bindesubstanzen gerechnet haben. Gegen diese An- sicht hat nun vor einigen Jahren Semper (91) Einsprache erhoben. Wahrend er auf der einen Seite die Beobachtungen iiber die Ge- nese und den Bau des Mantels als richtig bestatigt, sieht er auf der anderen Seite in der Deutung des Gewebes als einer Binde- substanz „eine ganz sonderbare morphologische Auffassung", welche er auf das Lebhafteste zu bekiimpfen sucht. Semper bezeichnet als „das Princip seiner Gewebeeintheilung die Uebereinstinnnung in der Entstehung aus gleichgelagerten Bildungsschichten", er will sich aut „den streng morphologischen Boden der Keimbliittertheorie 74 Oscar und Richard Hertwig, stelleii". Den Brennpunkt der ganzeii Polemik konnen wir somit kurz diihiu vcrlcgcr), dass Semper vom Gr und satz ausgeht: Binde- substanzen gehoren zu den Geweben, die aus deni niittleren Keim- blatt gebildet werdcn, und daher kann ein Gowebe, das aus dem Ektoblast entstelit, nicht Bindesubstanz sein. Hier liegt nun die Petitio principii offen zu Tage. Wer, wie wir, die Gewebe iiach ihrer histologischen Beschaffenheit und nach ihren Functionen clas- sificirt, wird den Cellulosemantel, wie es auch friiher schon Histo- logcn gethau liaben, zu den Bindesubstauzen rechnen; wer da- gegen die Entwicklung aus den Keimblattern zum obersten Princip der Eintheilung erhebt, wird unser Verfahren von seinem indivi- duellen Standpunkt aus ungereimt finden. Gegen den von 0, Hert- wig eingenonimenen principiellen Standpunkt, der niclit naher be- grtindet zu werden brauchte, da er bis daliin in den Lehrbiichcrn der Histologie der allgemein giltige war, hatte Semper seinen Angritf richten miissen, wenn seine Polemik nicht hiitte gegen- standslos sein sollen. Wie der geschichtliclie Ueberblick zeigt, hat sich im letzten Jahrzehnt mehr und mehr die Ansicht verbreitet, dass bei der Definition der Gewebe ihre Beziehung zu den Keimblattern als das wiclitigste Merkmal benutzt werden miisse. Ein Versuch aber, diese Ansicht naher zu begriinden und in alien ihren Einzelhei- ten praktisch durchzufiihren , ist bis jetzt nicht gemacht worden. Dass ein solcher Versuch iibcrhaupt nicht consequent ausgefiihrt werden kann, wollen wir jetzt uoch im Folgenden naher zu be- weisen versuchen. Wenn eine entwicklungsgeschichtliche Eintheilung der Gewebe moglich sein sollte, miissten zwei Bedingungen erfiillt sein. Er- stens miissten in der gesammten Thierreihe, wie dies in der That auch His, Kleinenberg, v. Beneden und Andere angenom- men haben, aus bestimmten Keimblattern bestimmte Gewebe ent- stehen oder mit andern Worten, es miisste ein besonderer histo- logischer Character den Keimblattern aufgepragt sein der Art, dass die Gewebsformen des einen sich von denen des andern we- sentlich unterschieden. Denn es ware doch gar nicht zu recht- fertigen, Gewebe, die in alien Einzelheiten iibereinstimmen und gleich functioniren, nur desswegen mit anderen Namen zu be- legen, weil sie verschiedenen Schichten angehoren. Zweiteus miisste der Character der Keimbliitter in alien Thierstiiramen der gleiche sein, weil nur unter dieser Voraussetzung ein fiir das ganze Thier- reich giiltiges histologisches System moglich ware. Niemand mochte Die Actinien. 75 wohl einc besoiulero Eintheihiiig dcr Gowcbc fiir die Wirbelthiere, eiue besonddv fiir die Wurincr oder Mollusken etc. vorsclilagen. Allen dieseii Bediiigungen kami das neiic histologisdie Systeii), welches vielon Forscbern vorschwebt, auch nicht iin Plntferntesten geniigeii; niclits ist gecigiieter dies darzutbiiii, als eine ausgedchn- tere histologische Untcrsucliuug der Coeleiiteraten , dereii Werth fill* derartige Fragen Kleinenberg imd v. Beiiedcn mit Recht liervorgehoben babeii. Man nehnie nur die verscbiedeneu Gewebe der Reihe nach dnrch! Ei- uiid Spermazellen entwickelu sich bei den Hydrome- dusen und Ctenophoren ektoblastisch , bei den Anthozocn, Acras- peden und Luceniarien dagegeu aiis dem Entoblast. Bei den Hy- droniedusen entstanimt die gesammte Korpermiiskulatur dem Ek- toblast, bei den Anthozoen zum grosseren Theile dem Entoblast, und bei den Ctenophoren endlich bilden sich mesodermale Zel- leu zu Muskelfasem um. Allcrdings sind Nervensystem und Sin- nesorgane in der ganzen Thierreihe vorwiegend ein Entwicklimgs- product des ausseren Keimblattes, was ja erkliirlich ist, da die- ses den Verkehr mit der Aussenwelt vennittelt, allein auch hier ist nicht zu ubersehen, dass bei den Actinien ebenso im Ento- derm Starke Nervenbiindel und ein wohlentwickelter Nervenplexus mit Ganglienzellen vorkommen. Drusen und Nesselzellen end- lich fin den sich in der ausseren und inneren Bildungsschicht der Acraspeden und Actinien in ganz identischen Formen vor. Bei letzteren ist iiberhaupt, wie wir gezeigt haben, Ektoderm und Entoderm in seinen histologischen Elementen nicht verschieden. Sollen wir nun, wie es consequenter Weise wohl geschehen miisste, Eier, Spermazellen, Muskeln, Nerven, Ganglien-, Driisen- und Nesselzellen, die aus dem Ektoblast abstammen, histologisch an- ders bezeichnen, als solche, die aus dem Entoblast sich diffe- renzirt haben V Was die Gruppe der Bindesubstanzen anbetriftt, so nehmen auch diese in Bezug auf die Keim])latter durchaus keine derartige Stellung ein, dass sie sich iiberall aus einem Mesoblast entwickelten. Auch hier miissen wir gegen das ver- meintliche Gesetz Einsprache erheben , indem wir uns auf die Coelenteraten als lehrreiche Beispiele berufen. In vielen Abthei- liingen, bei den Spongien, Acraspeden, Anthozoen etc. ist zwischen Ektoderm und Entoderm eine zuweilen machtig entwickelte mitt- lere Schicht vorhanden, die vorzugsweise wenn nicht ausschliess- lich aus Bindesubstanzen besteht. Kolliker (25) handelt im zweiteu Heft seiner Icones histologicae , die sich durch die Fiille 76 Oscar und Richard Hertwig, von Beobachtuiigen uud durch treifliche allgemeine Bemerkungen auszeichnen, allein von den Geweben der Bindesubstanz der Coelen- teraten und er imtersclieidet bei ihnen uach Analogic mit den liohe- ren Thieren zwischen einer zelligen, gallertigen und faserigen Binde- substanz. Feraer hat uns Eilhard Schulze (86 und 87) ganz neuerdings niit verscbiedenartig modificirten Bindesubstanzen der Spongien bekannt gemacht; er vergleicht sie theils dem gallertigen Bindegewebe, theils dem hyalinen Knorpel anderer Thiertypen und er fiudet keiuen Grund, an einer principiellen Uebereinstimmung zu zweifeln. Wie aber entstehen die mesodermalen Bindesubstanzen der Coelenteraten ? Ein Mesoblast wird in der Regel bei den mei- sten Larven nicht angelegt, sondern es wird im Fortgang der Entwicklung zwischen den beiden primaren Bildungsschichten eine Grundsubstanz ausgeschieden und in diese wandern von einer der beiden Epithelschichten, gewohnlich vom Ektoderm, Zellen ein und werden zu den racist steruformigen Bindegewebskorperchen, oder in einem anderu Falle, den kiirzlich Kowalevsky (81) bei Al- cyouarien beobachtet hat, verdickt sich bei den Larven das Ekto- derm, „wird mehrschichtig und dabei tritt zwischen den Zellen ein durchsichtiges gallertartiges Zwischengewebe auf, die Zellen ver- lieren ihre cylindrische Form, werden langlich, spindelformig oder sternforraig und bilden dann mehrere Reihen von iiber einander liegenden Zellen, welche durch ein gallertiges Zwischengewebe ge- trennt sind; die am meisten nach Aussen liegenden Zellen neh- men die Form eines Pflasterepithels an." Bei den Coelenteraten also bilden sich die Bindesubstanzen, wie schon Kolliker und Haeckel betont haben, aus dem Epithel, hier aus dem Ekto- derm, dort aus dem Entoderm. Sollen wir nun desswegen, well sie nicht aus dem Mesoblast entstehen, alle diese Gewebe nicht mehr als Bindesubstanzen anerkennen? Man sieht, zu welchen Cousequeuzen die Eiutheilung der Gewebe nach den Keimblattern fiihren wiirde! Indesseu priifen wir noch weiter, ob das Princip wenigstens fiir die ^Yirbelthiere durchfiihrbar ist, an welchen es H i s (69) in der citirten Arbeit zu entwickeln versucht hat. Auch dies kon- nen wir nicht einmal zugeben. Um seine Auffassungsweise mog- lich zu machen, hat His seiner Zeit zu einer Anzahl Priimissen seine Zuflucht nehmen miissen, er hat u. A. die Vermuthung aus- gcsprochcn, dass die Geschlechtsorgane uud Nieren aus dem Ekto- blast herriihren, well Epithelicu und Driiseu dem mittleren Keim- blatt fremd seien. Darauf bin hat spiiter Waldeyer (94) in der Die Actinien. 77 zelligeii Aiiskloidimg der TiCibosliiUile cin Keiniepithel und ein Endothcl imterschiedeii luid in erstercni eineii Abkoimiiliiif,^ des Ektoblasts vonnutliet. Alio diese Aiinahiiicii und Verniutliungen haben sich niclit bcstiitigt, Ini Gegenthcil, os ist jetzt sicbor gc;- stellt, dass Nicren und Geschleclitsorgano zuni Mes()l)last gebiiren und von der opithelialcn das Coelom auskleidenden Zollenscliiclit abstanmien, welche His und nach ihm so vielc Andere als En- dotlicl in eineu fundanicntalen Gegensatz zu dem Epithel glaub- ten bringen zu miissen. Audi die Chorda dorsalis will sich dem Schema niclit mehr fiigen. Die Chorda, welche friiher zu den Stutzsubstanzen allgomein gerechnct wurde, entwickelt sich, woran nicht zu zweifeln ist, bei vielen Thieren aus dem Entoblast und nur bei einem Theil scheint sie dem Mesoblast anzugehiiren. Also auch fiir die Wirbelthiere ist ein System der Gewebe nach den Keimblilttern nicht moglich. Zu demselben Resultat sind in der Neuzeit auch Gotte (62. p. 550— 570) und Kolliker (78. p. 389 u. 398) gelangt. Kol- liker liebt hervor, dass „die Keimbltitter weder histologische noch morphologische Primitivorgane sind", „dass alle drei Keini- bliitter poteiitia die Fiihigkeit zur Umbildung in alle Gewebe ha- ben, jedoch in Folge bestimmter morphologischer Gestaltungen dieses Vermogen nicht allerwiirts bethiitigen" ; er erblickt hierin eiue Auffassung, die sich zwar seit Langeni vorbereitet habe, aber doch noch nicht vollkommen zum Durchbruch gekommen sei. Gotte giebt in seiner „Entwicklungsgeschichte der Unke" eine sehr ausfiihrliche Kritik der durch Reinak vorbereiteten und durch H i s zuerst aufgestellten Lehre von dem Causalnexus , der zwischen der Gewebebildung und der Diiferenzirung der Keimbliitter bestehen soil. Wir stimmen seinen Ausfiihrungen vollkommen bei, soweit er an der Hand seiner Beobachtungen die Vertheilung der Gewebe auf die Keimbliitter erortert ; dagegen bekampfen wir auf das Entschiedenste alle hieran sich reihenden Schlussfolgerungen iiber die Ursachen der Gewebebildung und tiber das Wechselver- haltniss zwischen histologischer und morphologischer Differenzirung. Nach Gotte ist die morphologische Differenzirung das Pri- miire; zuerst entstehen die Zellenmassen der Organe und darauf- hin differenziren sie sich zu den Geweben ; „die histologisch phy- siologische Ausbildung der Einzeltheile ist nur der endliche Aus- fluss der morphologischen Entwicklung" (G2. p. 569), mit ihr wird sogar die weitere Entwicklung sistirt ; denn „die histologische Dif- 78 Oscar und Eichard Hertwig, ferenzirung scliliesst die morphologische Eiitwicklung ab" (p. 595) ; je friilier sie im Eutwickluiigsleben eintritt, urn so iiiedriger ist die Organisationsstufe des fertigen Thieres. Alle diese Satze sind beim Studium der Ontogenese gewonnen worden und wiirden von keiner allgemeiuen Bedeutung sein, wenn sie als das hingestellt wiirden, was sie allein sein konnen : der Aus- driick beobachteter Thatsacben. Sie wiirden audi dann nur sebr be- dingte Giltigkeit besitzen. Ricbtig an ibnen ist nur die Behaup- tung, dass in der embryonalen Entwickkmg die Zellenmassen der Organe friiber abgegrenzt sind, als die Zellen einen bestinimten bistologiscben Cliarakter angenommen baben ; dagegen ist es nicbt wabr, dass mit der geweblicben Differenzirung die Entwicklung ibren Abscbluss gefunden hat. Denn aucb die Gewebe des scbein- bar fertigen Organismus verandern sicb, bilden sich zuriick und vervollkommnen sicb, je nachdem sie durcb die Existenzbedingun- gen des Gesammtorganismus in Function erbalten werden oder nicbt. Indessen Gotte misst den Ergebnissen seiner Beobachtungen erkliirenden Wertb bei. Weil die Organe friiber abgegliedert, als bistologiscb differenzirt sind, desshalb „finden die Gewebsentwick- lung und die sicb weiter daraus ergebenden pbysiologiscben Fol- gen fiir das Leben des ganzen Individuums ibre Ursacben notb- wendig und ausscbliesslicb in ibren unmittelbaren morpbologiscben Grundlagen" (p. 569) ; „die activen oder Bewegungsursacben der Histogenese sind natiirlicb die in jeder Embryonalzelle sich ent- wickelnden, anfangs iiberall gieichen pbysiologiscben Vorgange, deren Massenwirkungen zuerst in der morpbologiscben Entwick- lung zu Tage treten, in der Folge aber sich in die einzelneu bi- stologiscben Erscbeinungen auflosen. Die Bedingungsursachen da- gegen , welcbe jenen Bewegungen Form und Ziel vorschreiben und dadurch eben allein die bistologiscben Unterschiede begriinden, sind nun in den ortlicb verscbiedenen , von der vorausgegangenen morpbologiscben Entwicklung gesetzten Formbedingungen zu su- chen, d. b. in der Summe von Lagebeziebungen der ganzen An- lagen und ibrer Elemente, wozu die iiussere Form, Grosse, Um- gebung der ersteren und das besondere Gefiige der letzteren gebo- ren" (p. 562). Scbliesslich wird aucb diese Verallgemeinerung wieder weiter verallgemeinert. Die Principien, welcbe aus der Ontogenese eines Thieres abgeleitet wurden, werden zu Principien erboben, die iiberhaupt die gesammte Entwicklung des Thierreichs, somit aucb die Phylogenese beberrscht baben und beherrschen. Die Actinien. 79 Von (ler liier skizzirten AiiflfassungSAveise Gotte's woiclit die uiiscre in joder Bezieliung ab; schon der Aiisgangspunkt fiir un- sore Betrachtnngcn ist cin anderer, indcni wir aiif Organismcni zuriickgchon , bei denen die Bildiing von Geweben und Organen sicli in iliren ersten Anfiingen zeigt. Ilier konnten wir wahrnch- nien, dass bei den metazoen Tliieren die histologische Difilerenzi- rung friilier in's Leben tritt als die Bildung von Organen , d. li. als die Bildung von Theilen dcs Kiirpers, die in sich abgegliedert und abgegrenzt sind, um eine einheitliclie Function zu erfiilk'n. Eine gleicliniassige Verbreitung der Gewebsbestandtheile ist das Urspriingliche; die Vereinigung derselben zu einem Organ das Se- cuudare. ^Yir haben uns weiter Vorstellungen vom Process der Organbildung zu luacben gesucht, indein wir vergleichend die ein- zehien Entwicklungsformeu desselben Organs bei Nachstverwandten betrachteten und sind dabei zu dem Resultat gelangt, dass es die Massenzunalime gleichcr bistologischer Bestandtheile an einem Ort ist, welclie zur Organbildung fiilirt. Anhiiufung von Nervenfasern ara Schirmrand erzeugt den Riugnerveu der Craspedoten, Anhiiu- fung von Muskelfasern den Ringmuskel des Mauerblatts und die longitudinalen Septenmuskeln der Actinien. Die Griinde, welche an bestimmten Stellen eine Anhaufung der Gewebselemeute veran- lassten, sind jedenfalls sehr verscliiedenartiger Natur. Bei nian- chen Geweben wie z. B. den Geschleclitsorganen mag die Gunst der Eruahrungsverhaltuisse einen bedeutenden Einfluss besitzen, bei anderen wieder wie den Muskeln und Nerven die dem Ge- braucli forderlichen localen Bedingungen. Wie im Allgemeinen ein Muskel durch Gebrauch an Masse zunimmt, so verdickt sich die entodermale Ringmuskulatur am oberen Ende des Mauerblat- tes, wo sie sich besonders hiiufig contrahirt um die Mundscheibe zu verdecken, und in gleicher Weise sammeln sich Nervenfasern da, wo zur Aufnahme von Sinnesempfindungen reichlich Gelegen- heit geboten wird, wie am Schirmrand der Medusen und der Mund- scheibe und den Tentakeln der Actinien. Derartige Erscheinungen berechtigen uns wohl zum Schluss, dass die histologische Differenzirung nicht Folge, sondern Ursache der Organbildung ist, zwar nicht die einzige, aber immerhin eine der wichtigsten. So lange als die Zellen eines Orgauismus gleichartig sind, ist nur wenig Veranlassuug vorhanden, dass die einzelncn Kiiipertheile sich ungleich entwickeln, erst wenn sie sich histologisch ditleren- zirt haben, wenn ein Theil der Zellen zu Muskeln, ein anderer 80 Oscar und Richard Hertwig, zu Nerven u. s. w. geworden ist, ist ein wirksamerer Hebel fiir eine ungleiclie Entwicklung der KoqDerregionen gegeben, well ein jedes Gewebe ein besonderes von seiner Function und seinen Er- niilirungsbedingungen abhiingiges Waclisthum erliiilt. Die hier erorterten Gesichtspunkte haben wir schon in einer friiheren Arbeit benutzt, uin das Auftreten des Mesoderms der Medusen zu erklaren und haben wir dasselbe geradezu als das Product der histologischen Diflt'erenzirung des Ektoderms und Ento- derms bezeichnet, ein Product, das an den verschiedensten Stellen des Korpers und in sehr verschiedener Weise sich gebildet habe. Wir haben diesen Satz dahin erlautert, dass die histologische Dif- ferenzirung die Vorbedingung sei und dass die stiirkere Ausbil- dung der Gewebe die Veranlassung zu ihrem Uebertritt in das Mesoderm abgebe. Dasselbe lasst sich bei den Actinien nach- weisen, wo uns Muskulatur und Geschlcchtsorgane Beispiele lie- fern, und auch bei den hoheren Thieren wiederholen sich ahn- lichc Verhiiltnisse bei der Genese des Centralnervensystems und der Sinnesorgane. Wie aus dem Gesagten leicht ersichtlich ist, laufen unsere Erorterungen darauf hinaus die Bildung des Mesoderms als einen nothwendigen durch die Grundlagen der thierischen Organisation bedingten Vorgang hinzustellen. Um diese Nothwendigkeit zu be- griinden, nehmen wir nicht eine Kraft zu Hilfe, die in den ersten Organismen schon enthalten die gesammte spjitere Entwicklung gleichsam praformirt hatte, sondern gehen auf physiologische Vor- giinge zuriick, von deren bestandiger Wirksamkeit wir uns jeder Zeit uberzeugen konnen; wir nehmen an, dass der thierische Or- ganism lis sich von einem zweischichtigen zu einem dreischichtigen Wesen hat fortbilden mlissen, weil er im Kampf um seine Existenz- hedingungen zu einer stetigen Entfaltung und Ausubung seiner Functionen gezwungen war, wodurch eine Massenzunahme und grossere Difterenzirung der functionirenden Elementc herbeigefuhrt wurde. Durch alles dies wird es verstiindlich, wesshalb wir uns gegen die so weit verbreitete Auffassung erklilrt haben, dass das Meso- derm allcr Thiere homolog sein miisse. Denn jede nothwendig eintretendc Entwicklung kann vielfach und unabhangig zu Stande gekommcn sein, nur die besondere Form, in der sie sich vollzieht, kann zur Begriindung von Homologicn benutzt werden. In iihnlicher Weise wie wir es hier bei der Erklarung der Mesodermbildung gethan haben, scheint es uns auch bei der Er- Die Actinien. 81 orterung der Ursachen, wclche die Verschiedenartigkeit von Entoderm und Ektoderm veranlasst haben, durchaus noth^Yendig physiologischc Gesichtspunkte in Anwendung zu bringen. Daher betoncn wir, dass beiden Korperschicliten iin- moglich ein feststeheuder , ihre histologische und organologische Woiterentwicklung im Voraus bestimnicnder Charakter glcicli von Anfang an eingepflanzt worden sein kaun, sondern dass derselbe sich allmiihlig und unter dem Einfluss der Existenzbcdingungen entwickelt hat. Daraus folgt weiter, dass eine Ungleicliheit zwi- schen Ektoderm und Entoderm nur in so weit bestehen kann, als sie durcli die Verscliiedenheit der Bezieliungen zur Aussenwelt in's Leben gerufen wurde. 1st nun diese Verschiedenartigkeit so gross als man fiir gewohnlich angenommen hat? Die verneinende Antvvort auf diese Frage ist schon im Wesentlichen in den Er- (irterungen enthalten, mit welchen wir die Lehre von dem zwischen den Keimblattern und der Gewebebildung bestehenden Causalnexus bekiimpft haben und bei denen wir zu dem Resultat gekommen sind, dass keine einzige Gewebsform existirt, welche in ihrem Vor- kommen auf eine der beiden primaren Korperschichten beschrankt ist. Ein sprechendes Beispiel dafiir, dass selbst bei verwandten und unter ahnlichen Bedingungen lebenden Formen Ektoderm und Entoderm in ganz verschiedener Weise auf den Einfluss der Aus- senwelt reagiren, liefern uns die Zoantharien, bei denen der wich- tigste Theil der Korpermuskuhxtur das eine Mai (bei den meisten Actinien) aus dem Entoderm, das andere Mai (beim Cerianthus) aus dem Ektoderm staramt. Man kann ja immerhin die alte Charakteristik des Entoderms und Ektoderms, beziehentlich Ento- blasts und Ektoblasts, als der vegetativen und animalen Korper- schichten Oder Keimbliltter beibehalten, doch sei damit fernerhin kein scharfer Gegensatz ausgedriickt, sondern nur der Gedanke angedeutet, dass die eine Zellenschicht vermoge ihrer Lagerung mehr auf die vegetativen, die andere mehr auf die animalen Functionen angewiesen ist. Und selbst dieser Satz, trotz seiner wenig bestimmten Fassung bedarf noch einer Eiuschrankung. Unter den animalen Organen sind es nur die Sinnesorgane, das Central- nervensystem und die peripheren sensiblen Nerven, fiir deren Ent- wicklung das Ektoderm gunstigere Bedingungen gewiihrt. Da- gegen lasst es sich nicht absehen, wesshalb die motorischen Nerven und die Muskulatur nicht ebenso gut im Entoderm ihren Mutter- boden haben sollten, wie dies bei den Actinien auch in der That der Fall ist. Bd. XIV. N. F. YII, 1. 6 82 Oscar und Richard Hertwig, Und SO konnen wir denn unsere Discussion beenden, Nach zwei Richtungen miissen die Anspriiclie, die man vielfach an die Blattertheorie gestellt hat, eingeschrankt werden. Die Keim- bliitter — das lehren jetzt schon zahlreiche Thatsachen — sind weder organologische, noch sind es histologische Ein- heiten. Es ist nicht moglich, wenn man die Entwick- lung eines Organs in einem Thierstamm kennt, dieses Resultat auf alle iibrigen Thierstamme zu iibertragen. Die gemeinsame Stammform, — Haeckel's Gastraea, — muss je- denfalls als eine organologisch und histologisch noch indifferente Urform angenommen werden und damit ist die Moglichkeit ge- geben, dass unter den Descendenten die Gewebe nnd Organe sich in einer verschiedenen Weise differenzirt haben. Wie in der Syste- matik vom jetzigen Standpunkt der Entwickhmgstheorie aus die am Anfang dieses Jahrhunderts herrscheude Annahme einer ein- reihigen Descendenz der Thiere sich als falsch herausgestellt hat, so geht es jetzt auch mit den Anschauungen der Forscher, welche auf der Keimblattertheorie fussend eine Homologie der Organe und Gewebe im ganzen Thierreich annehmen. Wie die Umbildungsfahigkeit der einzelnen Zellen, so ist auch die Um- bildungsfahigkeit der Keimblatter eine sehr mannichfache und kann sich in der Hervorbringung von Organen und Geweben in der verschiedensten Weise bethatigen. Wie dies in den grosseren Thier- abtheilungen geschieht, dariiber konnen uns erst zahlreiche Detail- untersuchungen Aufklarung geben. Fiir jede einzelne Thierclasse haben wir klarzulegen, 1) wie sich die primaren Bildungsschichten, Ektoblast und Entoblast, in die definitiven Schichten und Organe umwandeln und 2) wie sich die Zellen in den einzelnen Schichten histologisch differenzirt haben. Die Actinien. 83 Literaturverzeichuiss. A. Literatur zum specielleu Theil. 1. AgaBsiz, A., On Arachnactis brachiolata, a species of floa- ting Actinia found at Nahant, Massachusetts. Journ. of the Boston Soc. of Nat.-Hist. Vol. VII p. 525—531 1863 February. 2. Derselbe. Sur le developpement des tentacules des Arachnactis et des Edwardsies. Archives de Zool. exper. et ge'ner. T. II p. XXXVIII — XXXX. 1873. 3. Agassiz, Eliz. and A., Seaside-studies. 1871. 4. Agassiz, Louis, Lettre adresse'e a M.Alexandre de Hum- boldt, communique'e par M. Duvernoy (extrait). Comptes rendus. T. XXV p. 677—682. 1847. 5. Derselbe. Contributions to the Natural History of the United States. Vol. III. 5*. Derselbe. Contributions etc. Vol. IV. 6. A 11 man, J. G. , On the Homological Relations of the Coelen- terata. Transact, of the Roy. Soc. of Edinburgh. Vol. XXVI. 1872. p. 459 — 467. 7. de Blainville, M. , Article Zoophytes im Dictionnaire des Sciences Naturolles T. 60. 1830. (Auch besonders erschienen als Ma- nuel d'actinologie.) 8. delle Chiaje, St., Brevi cenni sulle Attinie. Memorie sulla Btoria e notomia degli animali senza vertebre del regno di Napoli. II. p. 228—240. Napoli 1825. 9. Claus, C. , Bemerkungen iiber Ctenophoren und Medusen. Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie. Bd. XIV. p. 384—393. 1864. 10. Cobbold, T. Spencer, Observations on the Anatomy of Actinia. Annals and Magazine of Nat. Hist. Ser. II. Vol. XI. p. 121 — 123. 11. Contarini, N., Trattato delle Attinie ed Osservazioni Bopra alcune di esse viventi nei Contorni di Venezia. 1844. 12. Dana, James, Corals and Coral Islands. 1872. 6* 84 Oscar und Eicliard Hertwig, 13. Dana, James, Structure and Classification of Zoophytes. Philadelphia. 1846. (Citirt nach Hollard.) 14. Duchassing, P. et Michelotti, J., Mcmoire sur les Coralliaires des Antilles. Memorie della reale Academia di Torino. Ser. II. T. XIX p. 279—365. 1860. 15. Duncan, P.M., On the nervous system of Actinia. Prt. I. Proceed, of the Roy. Soc. of London. Vol. XXII p. 263 — 276. 1874. 16. Erdl, Beitrage zur Anatomic der Actinien. Miiller's Av- chiv 1842 p. 303 — 306. 17. Prey und Leuckart, Beitrage zur Kenntniss wirbelloser Thiere des Norddeutschen Meeres. 1847. 18. Gosse, Henry, Actinologia Britannica. A History of the British Sea Anemones and Corals. 1860. 19. Haacke, W., Zur Blastologie der Korallen. Jenaische Zeit- Bchrift Bd. XIII. p. 269—320. 20. Haime, Jules, Me'moire sur le Ce'rianthe (Cerianthus mera- branaceus). Annales des Scienc. Nat. Zool. 4® Serie. T. I p. 341 —389. 1854. 21. V. Heider, A., Sagartia troglodytes Gosse, ein Beitrag zur Anatomic der Actinien. Sitzungsbericlite der Kais. Acad, zu AVien. Math, naturw. Klasse Bd. 75. Abth. 1. p. 367—414. 1877. 22. Hollard, H. , Monographic anatomique du genre Actinia de Linne, considere comme type du groupe general des Polypes Zoan- thaires (d'apres les Act. senilis et equina). Annales des Scienc. Nat. Zool. 3. Ser. T. XV p. 257—291. 23. Kling, 0., Muskelepithelien bei Anthozoen. Vorlaufige Mittheilung. Morphologisches Jahrbuch Bd. IV p. 327. 1878. 24. Ko Hiker, A., Beitrage zur Kenntniss der Geschlcchtsver- hiiltnisse und der Samenfliissigkeit wirbelloser Thiere. 1841. 25. Derselbe, Icones histiologicae, II. Abth. Heft 1. 1865. 26. Korotneff, M. de, Organes des sens des Actinies. Ar- chives de Zool. expe'r. et gener. T. V. p. 203—208. 1876. 27. Kowalevsky, A., Untersuchungen iiber die Entwicklung der Coelenteraten. Mit 8 Tafeln. Nachrichten der Kaiserl. 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XII, p. 97—102. 1839. 45. Ehrenberg, G., Beitrage zur Kenntniss der Corallenthiere des rothen Meeres. Abhandlungen der Berliner Academic aus dem Jahre 1832. p. 225—380. 1834. 46. V. H eider, A., Cerianthus membranaceua Haime. Ein Beitrag zur Anatomic der Actinien. Sitzungsber. der K. Acad. d. Wissensch. zu Wien. Bd. LXXIX. I. Abth. Marz-Heft. Jahrg. 1879. 47. Oscar Her twig, Ueber das Nervensystem der Actinien. Sitzungsberichte der Jenaischen Gesellschaft f. Medicin u. Naturwissen- schaft. Jahrg. 1879. Sitzung vom 4. Juli. 48. Richard Hertwig, Ueber die Geschlechtsorgane der Ac- tinien. Ebeuda. Sitzung vom 1. August. 48''. Derselbe, Ueber die Geschlechtsorgane der Coelenteraten und ihre systematische Bedeutung. Ebenda. Sitzung vom 7. November. B. Literatur zum AUgemeinen Theil. 49. Allman, On the anatomy and physiology of Cordylophora. Philosophical Transactions of the royal society of London. Vol. 143. 1853. 50. Angelo Andres, On a new genus and species of Zoan- thina Malacodermata (Panceria spongiosa). Quarterly jour, of microsc. sciences. N. S. Vol. XVII. 51. V. Beneden, Ed., De la distinction originelle du testicule et de Tovaire. Bulletins de TAcaddmie royale de Belgique 2^^ serie T. XXXVII. N. 5. 1874. 52. Chun, Carl, Das Nervensystem und die Muskulatur der Eippenquallen. Habilitationsschrift. Leipzig 1878 auch erschienea in Abhandl. der Senckenberg. Gesellschaft. Bd. XI p. 181 — 230. 53. Derselbe, Die im Golf von Neapel erscheinenden Eippen- quallen. Mittheilungen der zoolog. Station in Neapel. Bd. I, Heft 2, p. 180—218. 1878. 54. Derselbe, Histologische Eemerkungen iiber Eippenquallen. Zool. Anzeiger. Bd. II p. 329—332. 1879. 55. Clark, H. J., Prodromus of the History, Structure and Physiology of the order Lucernariae. Boston Journal of Nat. Hist. Vol. VII, p. 531—567. 1863. Die Actinion. 87 56. Dersclbo, Luccniaria, the Coenotype of Acalephae. Proc. of the Boston Soc. of Nat. Hist. Vol. IX, p. 47 — 54. 1865. 57. Derselbe, Luceruaria aud their Allies. A Memoir on the Anatomy aud Pliysiology of Haliclystus auricula and other Lucer- uarians, with a discussion of their relations to other Acalephae, to Beroids and Polypi. Smithsonian Contributions to Knowledge 1878. 58. Glaus, Carl, Studien iiber Polypen uud Quallen der Adria. I. Acalephen. Deukschr. der Wiener Academic, Math.nat. CI. Bd. 38. Abth. 1. 1877. 59. Derselbe, Untersuchungen iiber Charybdea marsupialis. Ar- beiten aus dem zool. Institut zu "Wien. Bd. I, p. 221 — 276. 1878. 60. Derselbe, TJeber Halistemma Tergestinum nebst Bemerkungen iiber deu feineren Bau der Physophoriden. Arbeiten aus dem zoologi- schen Institute zu Wien. Bd. I p. 1 — 56. 1878. 60^ Derselbe, Grundzuge der Zoologie. IV. Aufl. Bd. I. 1879. 61. Eimer, Th., Die Medusan, physiologisch uud morphologisch auf ihr Nervensystem untersucht. Tiibingen 1879. 62. Goette, Die Entwickelungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. 62\ Haeckel, E., Generelle Morphologie. Bd. II. Berlin 1866. 62''. Derselbe, Arabische Korallen. Berlin 1875. 63. Derselbe, Die Kalkschwamme. Bd. I. Berlin 1872. 64. Derselbe, Die Gastraeatheorie, die phj'logenetische Classifika- tiou des Thierreichs und die Homologie der Keimblatter. Jenaische Zeitschrift f. Naturwissenschaft. Bd. VIII. Jena 1874. 65. Derselbe, Nachtriige zur Gastraeatheorie. Daselbst, Bd. XL 66. Hertwig, Oscar, Untersuchungen iiber den Bau und die Entwickelung des Cellulose-Mantels der Tuuicaten. Jenaische Zeit- schrift f. Medicin und Naturwissenschaft. Bd. VII. 67. Hertwig, Oscar u. Richard, Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen, monographisch dargestellt. Leipzig 1878. 68*. Hertwig, Oscar u. llichard, Der Orgauismus der Me- dusen und seine Stellung zur Keimbliittertheorie. Jena 1878. 68**. Hertwig, Eichard, Ueber Leptodiscus medusoides, eine neue den Xoctilucen verwandte Flagellate. Jenaische Zeitschrift. Bd. XL 1877. 69. His, Die Haute und HohLen des Korpers. Basel 1866. 70. Huxley, On the anatomy and the affinities of the family of the Medusae. Philosophical Transactions of the lloyal Society of London. 1849. 71. Derselbe, Oceanic Hydrozoa. London 1859. 88 Oscar und Richard Hertwig, 72. Derselbe, Grundziige der Anatomie der wirbelloseu Thiere. Deutsche Ausgabe vou "W. Spengel. Leipzig 1878, 73. Klein enberg, Hydra. Leipzig 1872. 74. Kling, 0., Ueber Craterolophus Tethys. Ein Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Lucernarien. Morphologisches Jahrbuch. Bd. V. p. 141—166. 1879. 75. Koch, G. v., Anatomie der Orgelcoralle, (Tubipora Hem- prichi Ehrbg.) Jena 1874. 76. Ko Hiker, A., Anafomisch-systematische Beschreibung der Alcyonarien. Abhandl. d. Senckenb. Naturf. Gesellschaft. Bd. YII u. VIII. 1872. 77. Derselbe, Icones histiologicae. II. Leipzig 1865. 78. Derselbe, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der hoheren Thiere. 2. Auflage. Leipzig 1879. 79. Korotneff, A., Histologie de I'hydre et de la lucernaire. Archives de Zoologie experimentale et generale. T. V. 1876. 80. Kowalevsky, Embryologische Studien an "Wurmern und Arthropoden. Memoires de I'Academie imperiale des Sciences de St. Pctersbourg. VII. serie. T. XVI. N. 12. 81. Derselbe, Zur Entwicklungsgeschichte der Alcyoniden Sym- podium coralloides und Clavularia crassa. Zoologischer Anzeiger. n. Jahrg. No. 38. 82. Lankester, E. Ray., On the primitive cell-layers of the embryo as the basis of genealogical classification of animals and on the origin of vascular and lymph systems. Annals and Magaz. of Nat. Hist. Ser. IV. Vol. XL 1873. p. 321—338. 83. Derselbe, Notes on the embryology and classification of the animal kingdom ; comprising a revision of speculations relative to the origin and significance of the germ-layers. Quarterly Journ. of microsc. sciences. N. S. Vol. XVII. p. 399 — 454. 84. Leydig, Lehrbuch der Histologie 1857. 85. Moseley, On the structure and relations of the Alcyo- narian Heliopora caerulea with some account of the anatomy of a species of Sarcophyton, notes on the structure of species of the genera Millepora, Pocillopora and Stylaster etc. Philosophical Trans- actions of the royal society Vol. 166 pt. I. 86. Schulze, F. E. Untersuchungen iiber den Bau und die Entwicklung der Spongien. V. Die Metamorphose von Sycandra raphanus. Zeitsch. f. wiss. Zool. Bd. 31 p. 262 — 295. 87. Derselbe, Untersuchungen etc. VII. Die Familie der Spon- gidae. Ebenda. Bd. 32 p. 593—660. Die Actiuicn. ' 89 88. Dcrsclbc, Ueber don Baa uud dio Entwicklung von Cordy- lophora laoustris. 6 Tafcln. Leipzig 1871. 89. Derselbe, Ueber die Structur des Tuuicatenmantels und sein Verhaltcn im polarisirten Lichte. Zeitschr. f. wissenscli. Zoologie. Bd. 12. 1863. 90. Schwalbe, G., Mikroskopische Anatomie des Sehnerven, der Netzhaut und des Glaskorpers. Graefe und Saemisch, Hand- buch der gesammten Augenhcilkunde. Bd. I. Leipzig 1874. 91. Semper, C, Ueber die Entstehung der geschichteten Cellu- lose-Epidermis der Ascidien. Arbeiten aus dem zool. zootom. Institut zu Wiirzburg. Bd. II p. 1 — 24. 92. Taschenberg, Otto, Anatomie, Histiologie und Sjste- matik der Cylicozoa Leuckart, einer Ordnung der Hydrozoa. Inau- gural-Dissertation. Halle 1877; auch erschienen in Zeitsch. f. d. ges. Naturwiss. f. Sachsen und Thiiringen. Bd. 49. 93. Thompson, Allen, Address delivered at the Plymouth Meeting of the british association for the advancement of science. 1877. 94. "Waldeyer, Eierstock und Ei. Leipzig 1870. Berichtigung. Auf Seite 624 Bd. XIII Zeile 1 u. 2 von unten ist anstatt ,, Forbes" ,,Esch- scholtz" zu lesen. In der Tafelerklarung auf Seite 633—640 Bd. XIII sind die Tafelnummern I— X in die Nummern XVII — XXVI umzuandern. Zur Kenntniss der Embryosackentwicklung einiger Angiospermen. von Dr. Alfred Fischer. Hierzu Tafel II — V. Durcli die zahlreichen Arbeiten Hofmeisters iiber den Em- bryosack war eine Fiille eigenthiimlicher Vorgange aufgedeckt wor- den, und wenn es ihm aiich incbt gelang, den wahren Sachverhalt zu erkennen, so hat er wenigstens das grosse Verdienst, die Wissen- schaft auf diese interessanten Erscheinungen aufmerksam gemacht zu haben. Trotzdem nun die Hofmeister'schen Untersuchungen vor beinah drei Decennien erscliieneu waren, batte bis vor zwei Jabren es Xiemand versucht, die Vorgange im Embryosack er- neuter Priifung zu unterwerfen. Vor alien Diugen war die Untersucbung friscben Materiales nicbt dazu geeignet, diese schwierigen Fragen geniigend zu losen. An wenigzelligen Eicben, wie denen von Orchis, Monotropa, ja selbst von Campanula, gelingt es ohne vorberige Praeparation die einzelnen Stadien der Entwicklung an den intacten Eicben zu verfolgen. Die grosse Mebrzahl der Ovula muss auf Schnitten untersucbt werden, und da es bei den fraglichen Studien wesentlicb auf die Erkenntniss der Zelltheilungen und Kernbildungen ankommt, so ist naturlicb bei friscbem Material der Einfluss der Untersucbungs- flussigkeit zu gross, um ungetriibte Bilder erwarten zu diirfen. Sollten also diese wicbtigen Fragen ibrer Losung naher ge- fiibrt werden, so musste eine Verbesserung der Untersuchungs- metbode unabweislicb erscbeinen. Dies gelang nun Strasburger Dr. Alfred Fischer, Zur Kenutniss der Embryosackeutwicklung etc. 91 auf das gliicklichste, iudem er cine Erluirtimg des Materials durch absoluten Alcoliol vorualini. Durch zahlreiclie Coutroluutersuchun- gen an frisclien Objecten hat Str as burger dargethan, dass durch den Alcohol durchaus nicht andere Bilder entstehen, als wie sie der jeweilige Zustand des Protoplasmas auch im Leben wiirde ge- liefert haben. Das so fixirte Plasma wird von Glycerin nicht ira geriugsten veriindert, so dass mit dieser Untersuchungsfliissigkeit das erhiirtete Material die schonsten Resultate liefert. Legt man dasselbe vor der Priiparation noch 24 Stunden lang in ein Gemisch von absolutem Alcohol und Glycerin, so schneidet sich jedes Object in vorziiglicher Weise, so dass auch die Schwierigkeiteu der Prii- paration zum Theil hinwegfallen. Viele andere Vortheile dieser Methode lernt man erst durch liingeren Gebrauch kennen, so dass nicht nur fiir den speciellen Fall der vorliegeuden Untersuchung dieses Verfahren mit viel Gliick angewendet werden kann, sondern auch fiir jedes andere mikroskopische Studium der Pflauzen, bei dem es sich nicht um directe Beobachtung der Lebenserscheinungen handelt, zu em- pfehlen ist. Mit dieser vortrefflichen Methode gelang es Strasburger, die Entwicklungsgeschichte des Embryosackes in alien Stadien fest- zustellen. Bereits in seinem Buche iiber „Befruchtung und Zelltheilung" hatte Strasburger die Bildung des Eiapparates und der Gegen- ftisslerinnen auf Theilungen des Embryosackkernes zuriickgefiihrt und die bis dahin gelaufige Annahme einer freien Kern- und Zell- bildung im Embryosack zurilckgewiesen. Die Embryosackzelle wurde bereits hier als eine sich vergrossernde Tochterzelle der Embryo- sackmutterzelle bezeichnet, sowie auch das Schicksal der iibrigen Tochterzellen seine Aufklarung faud. Alle diese Vorgange beschrieb Strasburger fiir Orchis pal- lens und Monotropa Hypopitys und lieferte viele bestatigende Bilder fiir das fertige Stadium bei anderen Pflanzen. Fiir den befruch- tungsfahigen Keimsack stellte Strasburger die Dreizahl der Zellen im Eiapparat und in dem Chalazaende als Kegel auf und machte zuerst auf die eigeuthiimliche Entstehung des Embryo- sackkernes aus der Vereinigung zweier Kerne aufmerksam. Unterdessen war die Anatomic des Ovulums, vorwiegend seiner jiingsten Zustande, in einer langeren Abhandluug von Warming^), ^) „De Tovule." Aauales des sciences uaturelles. IV. Serie. V. Bd. 92 Dr. Alfred Fischer, besprochen worden. Der Nachweis einer fertilen, subepidermoidalen Zellschicht an den jungen Ovularhockern wurde fur eine grosse Anzahl Pflanzen erbracht. Ferner zeigte Warming, dass meist die mittlere Zelle dieser Scliicht ziir „Urmutterzene" (Stras- burgers „Mutterzelle") des Embryosackes wird; auch erkannte er zuerst die Bildung der Tapetenzellen. Dieselben sind kleine Zelleu, welclie durch qiiere Tlieilung der subepidermoidalen Zellen entstehen uud von denjenigen dieser Schicht gebildet werden, welche spiiter als Embryosackmutterzellen thatig sind. Den Zerfall der- selben in mehrere, iiber einander liegende Zellen wies Warming ftir eine grosse Anzahl Angiospermen nach und maclite auf die bedeutende Quellbarkeit der liierbei auftretenden Sclieidewande zuerst aufmerksam. Weiter verfolgte Warming die Eut^Yicklung des Embryosackes nicht. Den Nachweis, dass die schon friiher^) beschriebene Verdriin- gungserscheinung im Augiospermenreich eine weite Verbreitung be- sitzt, sowie die Bestatigung seiner Angaben iiber die Theilungen des Embryosackkernes liefert Strasburger in seinem neuen W^erke: „Die Angiospermen und die Gymnospermen." Auch ftir die Embryosackentwicklung der Coniferen und Gnetaceen werden besonders fiir die jiingeren Stadien Resultate mitgetheilt, deren Uebereinstimmung mit den Vorgangen bei den Angiospermen viel interessante Ankniipfungspunkte fiir beide Gruppen gewahrt. Noch vor dem Erscheinen der eben besprochenen Arbeit lieferte Vesque Beitrage zur Kenntniss der Embryosackbildung 2). Seine Resultate iiber die Bildung der Zellgruppen in den Enden des Keimsackes sind den von Strasburger vertretenen Ansichten so entgegengesetzt, dass nur in aller Kiirze die wesentlichsten Streit- punkte hervorgehoben seien mogen. Die Anlage der Mutterzelle und ihr Theilungsvermogen wird von Vesque kurz abgehandelt uud nach dem Vorgange War- mings gedeutet. Vesque beschreibt fur einige Pflanzen den Zerfall der Mutterzelle in 3, 4, auch noch mehr Zellen, was fiir die mei- sten Falle bereits von andrer Seite Bestatigung gefunden hat. Wahrend nun nach Strasburger diese Zellen bis auf eine der Versclileimung anheimfallen und nur diese eine Zelle zum Embryosack heranwachst, sollen nach Vesque alle (meist 4) Zellen an der Bildung des Keimsackes sich betheiligen , so dass nach 1) Vergl. Strasburger, Befrucht. u. Zellth. p. 26 etc. 2) „Developpement du sac embryonaire des Phanerogames angio- spermes." Aunales d. sciences nat. VI. Serie. VI. Bd. Zur Kenutuiss der Embryosackentwicklung einiger Angiospermeu. 93 dieser Ansicht der Enibryosack als cine „durch Fusion mehrerer Zellen cntstandonc IIolilc"') betrachtct werdcn kann. Fenier liefert nacli Strasburger der Enibryosackkcrn durch wiederliolte Z\Ycitlieilungon die Gegeufiisslerinnen , den Eiapparat mid die beiden versclinielzenden Kerne; Vesque dagegen Itisst den Eiapparat aus der obersten (seiner ersten) Tochterzelle durch Tetradenbildung hervorgehen. Die zweite Zelle, deren Scheide- Avand gegen die Zelle „Eius" vollstandig resorbirt wird, ohne dass ein Zusannnenfliessen des Protoplasmas eintreten soil, liefert das Lumen des Embryosackes. Die Zellen „Drei" und „Vier" tlieilen sicli niclit und werden zu Anticlinen, oder es findet in ilinen die Bildung von Tocliterzellen statt, fur welclie Vesque den Namen Antipoden reservirt wisseu will. Die Zelle „Zwei" tlieilt sich entweder uiclit, so dass ilir Kern direct zum Embryosackkern wird, oder aucli sie bildet Tetraden, so dass sclion in ihr Antipodeuzellen entstehen. In dem letzteren Falle nun, sagt Vesque, sei die Stras- burger'sche Deutung mit seinen Beobachtungen vereinbar. Die Verscbmelzung zweier Kerne zum Embryosackkerne giebt Vesque fur einige Fillle, besonders der letzteren Kategorie, zu. Auch durch die neuerlich in die botanische Zeituug aufge- nommene Xotiz von Vesque') iiber neue Beobachtungen, deren Resultate jetzt Anspruch auf Vollstandigkeit haben sollen, sind die Streitfragen nicht gelost. So lange Vesque die Verdrangungs- erscheinung nicht beobachten kann, so lange werden die Diife- renzen beider Anschauungsweisen so grosse sein, dass an eine aus- fiihrliche Berucksichtigung der Vesqueschen Resultate nicht zu denken ist. Durch die reichhaltigen Mittheilungen iiber unseren Gegen- stand in Strasburgers neuestem Werke^) sind die Vesque- schen Ausfiihrungen mehr als zweifelhaft geworden, die friihereu Angaben Strasburgers dagegen haben emeute Bestatigung ge- fundeu. Eine ansehnliche Anzahl Pflanzen hat in ihrer Embryo- sackentwicklung die grossten Uebereinstimmungen kund gegeben, so dass es jetzt nur noch darauf ankam, die gewonnenen Gesichts- punkte zu befestigen, die Folgerungen durch neue Beweise zu sichern. In diesem Sinne machte mich Herr Hofrath Strasburger, unter dessen fordernder Leitung zu arbeiten mir vergonnt war, ^) Warming, bot. Zeit. 1878. No. 47. 2) Bot. Zcit. 1879. No. 32. ^) „Die Angiospermeu und die Gymnospermen." Jena 1879. 94 Dr. Alfred Fischer, auf dieses interessante Tliema aufmerksam. Die Untersuchung wurde im botanisclien Institute zu Jena gemacht, und sage ich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Hofrath Strasburger, fiir die freundliche Unterstutzung , welclie er mir im Verlaufe der Arbeit an Rath und Belehrung zu Theil werden liess, an dieser Stelle meinen besten Dank. Vor der speciellen Betrachtung der einzelnen Entwicklungs- geschichteu mag es erlaubt sein, einige Bezeichnuugen festzustelleu, welche lediglich in der Absicht gewahlt wurden, in vorliegender Arbeit weitlaufige Umschreibungen mit einem Worte decken zu konnen. Diejenige Zelle der subepidermoidalen Schicht, welche als Initiale ftir die Embryosackentwicklung anzusehen ist, nenne ich nach dem Vorgange Strasburger s^) die Mutterzelle des Em- bryosackes. Die Bildung von Tapetenzellen gehort noch nicht zur Thatigkeit der Mutterzelle, so dass in Fallen, wo solche gebildet werden, erst nach beendeter Abgabe derselben durch die Zellen der subepidermoidalen Schicht die Mutterzellen des Embryosackes constituirt werden. Die beiden Zellen, welche bei der ersten Theilung der Mutter- zelle entstehen und durch eine besonders stark quellbare Wand getrennt sind, mochte ich primare Tochterzellen nennen. Oben bezeichnet stets die Richtung nach der Mikropyle hin, unten die entgegengesetzte nach der Chalaza hin, so dass Bezeichnuugen, wie: die obere, primare Tochterzelle dem Verstandniss keine Schwie- rigkeiten bereiten. Die Theilungsproducte der primaren Tochter- zellen werde ich secundare Tochterzellen nennen. Diejenige Zelle nun, welche den Embryosack bildet und allein von den sammtlichen Tochterzellen der Embryosackmutterzelle zu weiterer Entwicklung bestimmt ist, bezeichne ich, wie Stras- burger bereits vorgeschlagen, als Embryosackzelle. Ihrem Kerne mochte ich den Namen „Embr}^osackkem" bei- legen. Die aus seiner Theilung hervorgehenden Kerne im oberen und unteren Ende des Embryosackes werde ich seine primaren Tochterkerne nennen. Ihre Theilungsproducte seien als secundare Tochterkerne bezeichnet. Da mit der nochmaligen Theilung der- selben ein wesentlicher Unterschied des je vierten Kernes gegen- iiber den 3 andern Kernen bedingt ist, mochte ich fiir dies en Kern einen besouderen Namen vorschlagen. Die drei Kerne im Chalazaende, um welche die Gegenfiiss- ^) Angiospermen und GymnoBpermeu p. 5. Zur Kenntniss der Embryosackcntwickhnig ciiiigor Angiospcrmen. 05 lerimicu sich spiitcr ausbiklcu, iieinic icli die „GegenfusslcrkcrnG", den vierteii Kcru den „unteren Polkcrn". Im oberen Ende des Keimsackes niogen die })eideu Scliwesterkerne , welche in die Syncrgidcn aufgenonimen werdeu, den Namen „Syuergidenkerne" fiiliren ; die beiden anderen unterscheide ich als „Eikern" und „oberen Polkem", je nachdem sie spiiter das Ei bilden oder mit dem unteren Polkern sich vereinigen. Dieses Verschmelzungspro- duct sei als „Centralkeru" des Embryosackes bezeichnet. Ausgeliend von den Vorkommnissen, welche uns alle gekriimm- ten Ovula darbieten, ist es einleuchtend, dass zur Vergleichung der Insertionsverhaltnisse im Eiapparat der verscbiedenen Eichen nur diejenigen Schnitte geeignet sind, welche die hier einzige Symmetrieebene in sich aufnehmen. In den meisten Fallen bieten sich auf solchen Schnitten die beiden Synergiden neben einander im Scheitel, das Ei etwas tiefer inserirt, scheinbar ihnen ange- hjingt, dar. Es ist klar, dass wenn nur Schnitte durch die Sym- metrieebene zur Vergleichung herangezogen werden, es ein Leichtes sein wird, andere Insertionsverhaltnisse, als die verbreiteten, auf- zufinden und verstandlich zu beschreiben. Anders bei den ortho- tropeu Ovulis mit ringformigem Integument. Um hier die Lage- rungsverhaltnisse im Embryosack mit den Vorkommnissen bei ge- krummten Eichen vergleichen zu konnen, giebt es nur einen Aus- weg, welcher auch keine durchaus sichere Orientirung gestattet. Es seien von orthotropen Eichen nur solche Schnitte zur Ver- gleichung herangezogen, in denen sich beide Synergiden neben einander, nicht sich deckend zeigen, da man wohl annehmen kann, dass in den meisten Fallen diese Schnittebene der einzigen Sym- metrieebene der gekinimmtcu Eichen entspricht. Diese Betrachtung sei dem speciellen Theile mit der Bemerkung vorausgeschickt, dass die Vergleichung der Insertionsverhaltnisse in den verscbie- denen Embryosacken von den gewonnenen Gesichtspunkten aus ermoglicht wurde. Der Ausschluss der gamopetalen Dicotylen kam anfangs nur zufallig zu Stande und erst spater wurden absichtlich nur Mouo- cotylen und Dialypetalen untersucht, da die Gamopetalen durch Herrn Jons son, welcher gleichzeitig im botanischen Institut in Jena den vorliegenden Gegenstand in Angriff genommen hatte, be- arbeitet worden sind. 96 Dr. Alfred Fischer, Specieiler Theil. I. Monocotylen. Bei Elodea canadensis stehen in dera Fruclitknoten drei orthotrope, mit zwei Integumenten versehene Ovula. Fig. 1, Taf. I zeigt die Mutterzelle des Embryosackes in dem machtig entwickelten Nucellus. Ihr Kern begiuut sich zu theilen, die eine der beiden neben einander liegenden Tapetenzellen hat eine Etagentheilung erlitten, Als Kegel kann dieses Verhalten nicht aufgestellt werden, da eben so oft Bilder zur Beobachtung gelangen, in denen beide Ta- petenzellen ungetheilt sind (Fig. 2). Die Mutterzelle liisst sich leicht bis zur subepidermoidalen Schicht zuriickverfolgen. Die beiden primaren Tochterzellen theilen sich und es ent- stehen somit vier uber einander liegende Schwesterzellen , deren untere, sich zum Embryosack vergrossernd , die drei anderen ver- drangt (Fig. 2). In Fig. 3, Taf. I sind Eiapparat und Gegenftiss- lerinnen wohl entwickelt. Der obere Polkern befindet sich noch am Ort seiner Entstehuug, wahrend der untere, von Plasma um- geben, seine Wanderung nach dem oberen Theile des Keimsackes bereits angetreten hat. In Fig. 4 hat der untere Polkern den oberen, der ihm nur um Weniges entgegengekomraen ist, erreicht. In Fig. 3, Taf. 1 ist der Fadenapparat der Synergiden einiger- maassen entwickelt. Die Synergiden selbst fuhren in ihrem hin- teren Ende eine wohl umschriebene Vacuole, in ihrem vorderen Theile den Kern. Sie schliessen sich somit dem typischen Bau dieser Gebilde, wie ihn zuerst Strasburger^) festgestellt hat, an. Das Ei ist tiefer inserirt und wird zum Theil von den Ge- hiilfinnen iiberdeckt. Die Kleinheit der Gegenfiisslerinnen hangt mit ihrer baldigen Resorption zusammen. Die Lagerung der Zellen im Eiapparat der Figur 4 ist ab- norm. Solche Bilder erhalt man oft, dagegen bedarf es langen Suchens nach Praparaten, wie in Fig. 3, Taf. I. Alisma Plantago hat in jedem der zahlreichen Fiicher des Fruchtknotens ein amphitropes Ovulum. Die Abstammung der Mutterzelle aus der subepidermoidalen Schicht ist aus Fig. 5 a, 1} Befruchtung und Zelltheilung p. 31. Zur Kcnntniss der Eiubryosackouhvickluug ciuigcr Angiosporracn. 1)7 Taf. II Icicht ersiclitlicli. Dicse Zollc theilt sicli und giebt nacli obeu eiiic kleiuere ab, dcren Bildiiiig in Fig. 5b vorliegt. Die viclmal grosscrc uiitcre Zclle vcrdriiiigt die obcre und wird zur Enibryosackzelle. Ihr Kern bat in Fig. G bercits die prinuiren Torlitcrkerno gebiklet, welcbe durcli zweimalige Zwcitlieilung in gewohuter Weise den Eiapparat und die Gegenfiisslcrinuen crzeugen. Fig. 7, Taf. II zeigt die Bildung der secundilren Tocbterkenie; die Kerne sind schon fertig und durcli Kerufaden verbuuden. In Fig. 8 liaben die Zellgruppen in den Enden des Embryosackes ihre Ausbildung erreicht, wiihrend die Pollierue nocli uicht gegeu einauder gewandert sind. Die Synergiden fiibren vorn ibren Kern, binten eine Vacuole und Ycrdecken tbeihveise das tiefer iuserirte Ei. Die Gegenfiiss- lerinnen sind ilusserst klein und ^Yerden sebr bald aufgelost, so dass es niir zweifelhaft erscheint, ob es bei ihnen immer zu Wand- bildungen komnit. In Fig. 8 ist dies nicbt der Fall, docb sind mir zablreiche Praparate erinnerlich, bei denen die Scheidewaude zu beobacbtcn waren. Die Vereinigung der Polkerne gescbieht erst nacb der Be- frucbtung, wie dies Fig. 9 erkennen lasst. Die Eizelle hat bereits bedeutend an Grosse zugenommen, die Synergiden sind in Auf- losung begriffen und die Versclimelzung der beiden Kerne iindet in der Mitte des unterdessen sebr verliingerten Embryosackes statt. Hier legt auch der obere Polkeru eineu laugeren Weg zuriick, um sich mit dem unteren zu vereinigen, \Yelcber gleicbfalls an der Bewegung Theil nimmt. Allium fistulosum, dessen Kenntniss wir Strasburger verdanken^), stimmt mit Alisma sowobl in der spat eintretenden Verschmelzung der Polkerne, als auch in der nur einmaligen Thei- lung der Mutterzelle iiberein. Der Eiapparat von Alisma bietet dagegen nicbt die Abweichungen der Insertion dar, welcbe fur Allium characteristiscli sind. Bemerkenswerth ist an den Eichen von Alisma die einseitige Ausbildung zweier Integumente. Dieselben sind nur an der convex gekriimmten Seite entwickelt, dagegen zeichnet sicb die entgegen- gesetzte durch den Mangel des ausseren Integumeutes aus. In Fig. 5 a, Taf. I beginnt eben das letztere sichtbar zu werden. Fig. 5 stellt das Eicben obne Funiculus dar mit zwei Integumenteu an der convexen Seite. ') Angiospermen iiinl Gj^muosjierraen p. 19. Bi. XIV. N. F. VII. 1. 98 Di-. Alfred Fischer, Bei Triglochin palustre ist die Herkimft cler Mutterzelle aus der iinter dor Epidermis gelegenen Scliiclit leicht zu ermittelu. In Fig. 10, Taf. II bezeichnet die Bildimg einer Tapeteuzelle das- jenige Glied der subepidermoidalen Zcllreihe, welclies als luitiale der Embryosackentwicklung tliiitig sein wird. Die Tapetenzelle kann sich in zwei neben einander liegende Tbeile spalten (Fig. 11) Oder es tritt eine Wand auf, welche dieselbe in zwei iiber einander liegende Half ten zerlegt (Fig. 13). Die Mutterzelle zerfallt zu- nachst in zwei Zellen, deren jede abermals einer Zweitheilung unterliegt, so dass in Fig. 13 drei Zellen iiber der nunmehr sich vergrossernden Embryosackzelle liegen. Zugleich belehrt uus diese Figur iiber die Versclileimung der Schwesterzellen des Embryo- sackes. Der Embryosackkern theilt sich und liefert die primiiren Tochterkeme. Eiapparat und Gegenfiisslerinnen gehen aus ihnen durch zweimalige Verdoppelung hervor; desgleichen die beiden Polkerne, welche in der Mitte des Keimsackes zum Centralkern verschmelzen (Fig. 14, Taf. II). Die Syuergiden fiihren hier keine Vacuolen im hintereu Ende, wohl aber liegt der Kern im vor- deren. Das Ei ist sehr tief inserirt und besitzt voru eine Vacuole hinten dagegen den grossten Theil des Protoplasma mit dem Kern. Die Antipoden sind in Dreizahl vorhanden und bieten keine Be- sonderheiten dar. Fig. 15 zeigt ausnahmsweise zwei Embryosacke in einem Ovulum. Die Polkerne liegen uoch in den Enden der Keimsiicke. In dem linksgelegenen Eml3ryosack ist die Scheidewandbildung sowohl an der Gegenfiisslergruppe als am Eiapparat vollendet, dagegen ver- missen wir jede Andeutung einer trennenden Wand im Mikropyl- theile des rechteu Embryosackes. Das Auftreten zweier vollkommen entwickelter Keimsacke in einem Eichen ist eine selteue Erscheinung. Bis zum Verdriin- gungsstadium werden wir noch oft eine gleichmilssige Entwicklung zweier, ja selbst mehrerer Mutterzellen in einem Ovulum antref- fen, wie besonders die Rosaceen uns hierfiir treffliche Beispiele liefern werden. Das Sonderbare unseres Priiparates wird noch dadurch erhoht, dass die beiden Embryosacke uicht direct einan- der beriihren, sondem durch eine Reihe langgestreckter Zellen ge- trennt werden. Es liegt sorait die Annahme von urspriinglich drei Mutterzellen nahe, von deuen die mittelste in ihrer weiteren Entwicklung nach wenigen Theihmgen unterdriickt wurde. Ihre Tochterzellen scheideu jetzt die beiden Embryosacke, welche durch Zur Kenutniss dor Embrj^osackcnlwicklung oiuigor Angioepermeu. 99 ihr "Waclisthuiu die eiuzclucu Glicdcr der luittlcrcn Tochterzellreihe zii bedcutendcr Langsstrcckuiig voranlasst liaheii. Audi bei Triglocliin ist, wie bei Alisma, dio Ausbildung des jlussercn Iiitegumeutcs auf die convex geki-iiminte Seite des ana- tropen Ovulums bescliriinkt. Mit dieser eiuseitigeu Forderung der lutegumentbildung, wel- che hicr uoeli ausgepnlgter aiiftritt als wie bei Alisma, steht die eigeiithiiniliclie Entwickluiig des Eichens iu engstem Zusammen- hang. Die Figureu 10 — 12 Taf. II mogen zur Illustration dieses Vorganges dienen. Es sei zuniiclist benierkt, dass Fig. 11 und 12 gleich orientirt sind , dass dagegen von Fig. 10 das Spiegelbild zu denkeu ist, um dieselbe Orientirung zu erlangen. Femer wird es nicht iiberflussig sein zu erwalinen, dass die Ovula mit dem Funiculus gezeichnet sind, und dass die Richtung des Pfeiles an der Chalazaseite die Ausdehuuug der Placenta von oben nacli unten andeutet. Das Eigeutliiimliche der Entwicklung ist nun darin zu su- clien, dass die Krlimmuug des Eichens im Anfang ausscliliesslich durch die maclitige Entwicklung der beiden Integumente an der convexen Seite bedingt ist. Erst spiiter betlieiligt sich der Nu- cellus und vor alien Dingeu der Funiculus selbst an der Hervor- bringung der Apotropie. Bei den meisten gekriimmten Eichen wird von friih herein die Kriimmung durch das Wachsthum des Nucellus, zum mindesten des Funiculus besorgt. Es erschien des- halb der Miihe Averth, auf die eigeuthtimliche Ursache der begin- nenden Apotropie der Triglochineichen aufmerksam zu machen. Die Eichen bekomraen dadurch eine Gestalt, welche den Nu- cellus seitlich zum Funiculus erscheinen lasst, wie besonders Fig. 11 dieser Annahme giinstig sein wurde. Zieht man jedoch Fig. 10 zu Rathe, so wird man leicht sich iiberzeugen konnen, dass der hier nur angedeutete Funiculus und der Nucellus in einer Richtung liegen und dass erst die schon hier beginnende Integumentwuche- rung die scheinbar seitliche Stellung hervorbringt. Carex praecox ordnet sich durchaus dem verbreiteten Ty- pus der Embryosackentwicklung unter. Der Ausgangspunkt der- selben ist hier in einer tiefer gelegeuen Schicht des Nucellus zu suchen , wie Fig. 16 Taf. II wahrscheinlich macht. Leider steht niir jiingeres Material nach der Bliithezeit der Caricineen nicht mehr zur Verfugung, um diese interessante Frage zweifellos zu entscheiden. Die Mutterzelle zerfiillt in 4 secundare Tochterzellen , deren 100 Dr. Alfred Fischer, nntere zum Keimsack auswiichst. Die iibrigen werdeu verdraugt, wie Fig. 17 zeigt. Eiapparat unci Gegenfiissleriuneii werdcn in gewohnter \Yeise angelegt, desgleichen verscbmelzen die je vier- ten Keme (Fig. 18) spater zum Ceutrallvern (Fig. 19). In Fig. 18 deckt die Synergide links den Eikern , so dass es sclieinen mochte, als ob dieselbe zwei Kerne besiisse; ebenso fal- len die Vacuolen des Eies und der recliten Gehiilfin iiber einan- der. In Fig. 19 liegen die Insertiousverhaltnisse des Eiapparates klar vor. Die Gegenfiisslerinnen sind in beideu Figuren deutlich und wie gewohnlich in Dreizahl vorlianden. Sie zeicliuen sicli durch ihre Kleinheit und ihre kurze Existenz aus. Von Gramineen wurden ausfiihrlich untersuclit : Alopecurus pratensis, Ehrbarta panicea, Sesleria coerulea und Melica nutans. Die drei erst genannten stimmen in ihrer Embryosackentwick- lung iiberein, wahrend Melica ein abweidiendes Verhalten zeigt, auf welches nach gemeinsamer Besprechung der drei andern Gra- mineen zuriickzukommen sein wird. Da das Theilungsveraiogen der Mutterzelle am eingehendsten bei Alopecurus pratensis studirt wurde, mag zuniichst diese Pflanze besprochen werden, fiir Ehr- harta und Sesleria sollen die betreffenden Thatsachen nachtrilglich Erwahnung linden. Auf der anderen Seite wurde die Bildung des Eiapparates, sowie die ausgiebige Vermehrung der Gegenfiisslerin- nen ausfiihrlicher bei Ehrharta panicea verfolgt. Es mag daher gerechtfertigt erscheinen, die Vorgange im Embryosack dieser Pflanze genauer zu beschreiben, und die diesbezliglichen Bilder fiir Alopecurus und Sesleria mit einer kurzen Erlauterung folgen zu lassen. Die Embryosackmutterzelle liegt bei Alopecurus direct unter der Epidermis (Taf. Ill, Fig. 30). Die primiiren Tochterzellen mit stark gequollener Scheidewand sind in Fig. 31 abgebildet. Der Kern der unteren ist in Theilung begriffen; es wurde eine Kern- spindel fixirt. Beide primiire Tochterzellen theilen sich nochmals, so dass wir auch hier vier Zellen aus der Mutterzelle hervorgehen sehen (Fig. 32, Taf. III). In alien diesen Praparaten konnte man zwischen der Epidermis und der obersten Zelle eine starke Quel- lung bemerken (Fig. 32) , welche sogar bis zur volligen Auflosung dieser Zelle ftihren kann (Fig. 33). In Fig. 32 hat sich die unterste Tochterzelle zur Embryo- sackzelle verlangert, die iibrigen lassen bereits Spureu ihrer be- Zur Kouiituiss der Embvyosackonhvicklung einigcr Angiospcrraen. 101 giniiciuleii Dcsorgaiiisation crkeninjii. Die Biklung dcr piinuireii Tochtorkcnic liegt in Fig. 33 vor. Die weitere Eutwicklimg dieser Theilungsproducte wolleu wiv, wic schou erwiihut, an Elirharta verfolgen. Zinuichst seien aber fiir diese Pflanze und fiir Sesleria dieje- nigeu Zeiclinungen erkliirt, welclie das Verhalten der Mutterzelle bctreiien. Bei Sesleria zerfallt die Mutterzelle in vier Zellen (Fig. 37, Taf. Ill), deren untere zum Embryosack aiiswaclisend ihre drei Scli\Yesterzelleu verdriingt (Fig. 38). Auch bei Sesleria tritt zwi- schen der Epidermis, weldie am Schcitel des Ovulums stets eine Verdopplung erfahrt, imd der obersten Tocbterzelle eine starkc Quellung der Wiinde ein, welche uns in ihrer Function sofort verstilndlich wird , wenn wir Fig. 38 zu Rathe ziehen. Wabrend der Vcrdriuiguug nehmen die Nucelluszellen bedeutend an Um- fang zu und pressen die verschleimende Masse nacb der S telle bin, an welclier schou frllher eine Lockerung des Gewebes durch die beschricbeue Quellung hervorgerufen wurde (Fig. 38). Die Mutterzelle von Ehrharta ist in Fig. 20, Taf. II abgebil- det. Auch hier Averden vier secundiire Tochterzellen gebildet, von deuen die untere zum Embryosack auswiichst, wabrend die ande- ren der Desorgauisation verfallen (Fig. 21, Taf. II). In Fig. 22, Taf. Ill hat sich die Embryosackzelle verlangert, ihr Kem verdoppelt. Seine primaren Tochterkerne nehmen je ein Ende des Keimsackes ein. Im unteren Theile desselben hat sich eine Vacuole zwischeu der Wand und der Protoplasma- ansammlung um den unteren Kern gebildet, welche wir als eine constante Erscheinung fiir Ehrharta noch oft antreflfen werden. Dieselbe Vacuolenbildung im Chalazaende des Embryosackes be- schreibt Strasburger fur Senecio vulgaris'); wir werden sehen, dass unsere Vacuole auch in ihrem weitereu Verhalten mit dem fiir Senecio geschilderten Gebilde iibereinstimmt. Fig. 23, Taf. Ill zeigt die secuudaren Tochterkerne noch in ihrer Abstammung von den primaren, indem protoplasmatische Faden zwischen den Schwesterkernen den vorausgegangenen Thei- lungsact erkennen lassen. Die abermalige Theilung dieser Kerne liegt in Fig. 24 vor. In beiden Figuren ist die kleine Vacuole im unteren Ende des Keimsackes deutlich wahrzuuehmen. Die Thei- lungsfigur der Syuergidenkerue kommt uicht vollstandig zur Be- ^) Angiospermeu u. Gymnospermen p. 10. 102 Dr. Alfred Fischer, obaclitung, da die TheiluDgsebeue gegcn die Schnittebene schief geneigt ist. Die letztbesprochene Figur 24 wiirde noch dadurch wichtig, dass mit ilirer Hiilfe die etwas abweichende Insertion des Eies auf ihre erste Ursache konnte zuriickgefiilirt werden. Aus Fig. 25 folgt mit Gewisslieit, dass das Ei links an der Seitenwand angeheftet ist; Fig. 27 urn 90" gegen Fig. 25 gedreht, hebt alle Zweifel iiber die Insertion des Eies. Zugleicli lieferte Fig. 24 einen neuen Beweis fllr die Schwesterkernuatur des oberen Pol- kernes und des Eikernes. Dieselbe seitliche Anheftung des Eies findet sicli bei Allium fistulosum und wurde von Stras burger ausfiihrlich bescbrie- ben ^). Die Synergiden theilen sicli dagegen bei Ehrliarta, wie gewohnlich , in den Scheitel des Embryosackes , so dass hierin diese Pflanze weniger abweichende Verhiiltnisse als Allium dar- bietet. In Fig. 25 ist die Ausscheidung einer Wand urn die Zellen des Eiapparates und der Gegeufiisslergruppe erfolgt. Die beiden Polkerne liegen noch an ihren entsprechenden Entstehungsorten. Die unterste Gegenfiisslerin hat, wie bei Senecio-), die kleine Vacuole in sich aufgenommen und zwar in ihren hintersten Theil. Auch die beiden oberen Antipoden fiihren voni Vacuolen. Fig. 26 zeigt den unteren Polkern auf seiner Wanderung nach dem Mi- kropyltheile begriifen. Der obere bleibt bei Ehrharta ruhig liegen, so dass der untere den ganzen Embryosack der Liinge nach zu durchwandern hat, um sich mit dem oberen zum Centralkern zu vereinigen. Zugleich belehrt uns dieselbe Figur iiber die Vermehrung der Gegenfiisslerinnen , deren zahlreiche Entwicklung im Keimsack der Triticeen bereits von Hofmeister^) beschrieben wurde. Der Kern jeder Antipode hat sich getheilt, so dass je 2 Kerne einer Zelle zukommen, Meistens treten bei diesem Vorgange Scheide- wiinde auf, so dass die Zahl der Gegenfiisslerinnen verdoppelt wird. Die links gelegene obere Gegenfiisslerin zeigt dieses Verhal- ten und es ist moglich, dass die ScheideNviinde der beiden ande- ren Zellen parallel der Schnittebene liegen, so dass sie nicht zu sehen sind. In der untersten derselben findet sich die Vacuole 1) Angiospermeu u. Gymnosperraen p. 19. 2) Angiospermeu u. Gymnospermen p. 19. ^) Neue fieitriige zur Kenntuiss der Embryobildung der Phane- rogamen. II. p. 677, in Abhaudl. der kouigl. siichs. Gesellsch. d. "Wis- sensch, VII. Bd. Zur Koautnitis dor Embryosaokcntwickliiiig oinigor yVngiospermen. lOI-i imnicr iioch vor. In Fig. 27 war clcr erste Theiliingsscliritt dcr Antipoden in siinnntlichen drci Zollcn von Wandl)ildung bcgleitct gewesen, so dass scclis Gegonfiisslcriuncn entstolien ninsstcn. Hire Kornc untcrliegcn abernials cincr Zwcithcilung mit ausblcibcndor Schcidewandbildung, so dass im giinstigsten Fallc seclis Gcgcn- fiisslerinncn niit je 2 Kernen zur Boobachtung koniraon. In iinsc- rer Figiir unterblieb die Kerutlieiliing in den beideii untersten An- tipoden und der naclist obcren links, so dass hier nur die drei iibrigen Zellen je zwei Kerne aufzuweisen haben. Die Vacuole in der untersten Gegenfiisslerin ist jetzt versclnvunden. Die Bildung des Centralkcrnes ist unterdessen erfolgt (Fig. 27); derselbe entbiilt die beiden getreuuteu Kernkorpcrcben der Polkcrne. Zunacbst seien die Figuren filr Alopecurus und Sesleria er- kliirt, den Gegenfiisslerinnen werden wir spater nocbmals unsere Aufmerksamkeit scbenken. Fig. 33, Taf. Ill zeigt , wie schon erwiibnt , die Theiluug des Embryosackkernes bei Alopecurus. Der Mikropyltbeil des Em- bryosackes mit dem Eiapparat und dem Centralkern liegt in Fig. 36 vor. Die Zellwand am Scbeitel ist stark gequollen. Die In- sertion der Gehiilfinnen an demselben bietet nichts Auffallendes dar, dagegen wird die Auffiudung des Eies durcli seine eigen- thuraliclie Anheftung erschwert. Dasselbe ist in uuserer Figur am Scbeitel etwas seitlich inserirt und wird von den Synergiden be- deckt. Es unterscheidet sich leiclit von denselben durcli den Mangel einer hinteren Vacuole, welche jeder Gelililfin zukommt. In sei- nem Mikropyltbeil fiihrt das Ei ebenfalls eine Vacuole, welclie aber ira vorliegenden Falle durch das Protoplasma der Synergidc bedeckt wird; ein kleiner Kreis soil ibre Lage andeuten. Der Centralkern fiibrt noch die beiden unvereinigten Kemkorperchen der Polkerne. Seine Lage spricht daftir, dass auch bei Alope- curus der obere Kern ruhig liegen bleibt und der untere Polkern den langeu Weg durcli den ganzen Binnenraum des Embryosackes zuriickzulegen hat, um mit dem oberen verschmelzen zu konnen. Fig. 39, Taf. Ill endlich soil die Insertion des Eiapparates und die Bildung des Centralkenies bei Sesleria coerulea veran- schaulichen. Der Scbeitel des Keimsackes zeichnet sich durch Starke Quellung aus. Das Ei ist hier seitlich an der Embryo- sackwand (in unserer Figur rechts) inserirt und wird von den vicl kriiftiger entwickelten Gehiilfinnen an Grosse ubertroffeu. Von denselben sitzt die in unserer Figur links gelegene theils der Sei- 104 Dr. Alfred "Fischer, tenwand, theils dem Scheitel an und zwar mit der breitereii Seite an ersterer. Die audere Synergide ist der Mitte dcs Schcitels angehcftet, so dass ein kleiner Abscbnitt desselben unbenntzt ge- lassen wird. Die Gebiilfinnen fiibren binten grosse Vacuolen, im Ei konute das Vorkommen eines solchen Gebildes nicbt ermittclt werden. Der imtere Polkern muss aucb bier den ganzen Keimsack diircbwandern , um den oberen Kern zu erreicben, welcber selbst an der Bewegung nicbt theilnimmt. Die Gegenfiisslerinnen von Alopecurus und Sesleria imtcr- scbeiden sicb in ibrem spatcren Verlialten von denen bei Ebr- barta. Fig. 34 und 40, Taf. Ill zeigen diese Zellgruppen bei Alo- pecurus und Sesleria. Die Verdoppclung der Kerne ist bereits Yollendet, obne dass aucb uur in einer Antipode eine Wandbil- duug stattgebabt batte. Die somit zweikernigen Gegenfiisslerin- nen crleiden meist eine nocbmalige Kerntbeilung, welcbe wiederum obne Scbeidewand auftritt, so dass in jeder der bedeutend beran- ^Yacbsenden drei Antipoden vier Kerne anzutreffen sind. Zuwei- len mogen wobl einige Kerntbeilungen zu vvirklicben Zelltbeilungeu fiibren; ebenso oft wird aucb das Ausbleiben dieser oder jener Verdoppelung die Zwolfzabl der Kerne vermindern. Einige we- nige Bilder sind mir zur Beobacbtung gekommen, in denen icb zwolf Kerne ziiblen konnte. Gewobnlicb wird diese Zabl nicbt er- reicbt, ebenso wie Vorkommnisse mit weniger als secbs Kern en zu den Seltenbeiten gehoren. Der wesentlicbste Unterscbied zwiscben den bescbriebenen Bildungen und denen bei Ebrbarta findet seine Begriindung in dem Ausbleiben der Scbeidewandbilduug scbon bei der ersten Kerntbeilung. Hierdurcb wird aucb die Beibebaltung der Gestalt der urspriinglichen drei Gegenfiisslerinnen, wenn aucb unter be- deutender Volumenzunabme, erklarlicb. Fig. 35, Taf. Ill stellt die fertigcn Gegenfiisslerinnen bei Alo- pecurus dar. Das Bild ist einem Embryosack entnommen, dessen Eiapparat befruchtungsfilbig war und dessen Polkerne eben im Begriffe standen sicb zum Centralkern zu vereiuigen. Die beiden oberen, urspriinglicben Gegenfiisslerinnen vergrossern ibr Volumen am bedeutendsteu (aucb bei Sesleria), dagegen fallt die Grossen- differenz der untern Antipode im gegenwiirtigen Stadium und im Anfang nur wenig in die Augen. Nur die obere, liuke Gegenfiiss- lerin entbiilt vier Kerne, in den beiden anderen Zellen ist ein Zur Kenutnisa dev Embryosackoutwicklung oiiiigor Angiospermen. 1()5 TlioiluiiLissi'hritt imterbliebcn , so class sic luir jc drci Kcrnc auf- zuweisen habcii. Diesolben liegeu stcts (audi boi Scsleria) diclit beisamnicii, iiicist (lein hiutcron Eude der Zclle gcualiert. Sic sind von cincni jiusserst feinkoriiigeu , dicliten Protoplasma umgebcn, welches imr zarte, vielfach aiiastomosircnde Fiideu nach dem Wandbcleg aiis- sendet. Meist ist die Plasiuaansannnluiig iini die Kerne scliarf contourirt imd tritt bei scliwachcr Vcrgrosserung als dunkler Bal- lon bervor. Die bescliriebene Vermehnmg der Gegcnfiisslerinnen bei den genannten Gramiueen ricf die Frage hervor: wie verhalten sich dicse Zclleu bei der Endospermbildimg ? Es lag die Vermuthuug nahe, dass ilmen bei der Erfiillung des Enibryosackes mit Endo- sperm cine wichtige Mitwirkung zukam. Obgieich es nun niclit in dem Bereiche meiner Untersuchun- gen lag, die Verauderungen des befruchteten Enibryosackes zu studiren, bielt icli es dennoch fiir die Deutung der Gegenfuss- lerinnen tiberhaupt fiir wichtig, ihr ferneres Schicksal in diesem Ealle zu verfolgen. Icb wahlte Ehrharta panicea, welcbe Pflanze sich meinen Untersuchungen tiberhaupt sehr giinstig ervviesen hat. Das Endospenu verdaukt auch hier der Theilung des Central- kernes seinen Urspruug. Es entsteht nicht durch freie Zellbil- duug, sondern auf dieselbe Weise, welche Strasburger neuer- dings fiir Myosurus beschriebcn hat ^). Fig. 28 zeigt im Mikro- pylende des Enibryosackes das befruchtete Ei und dicht unter ihm die beideu ersten Kerne des Endosperms , hervorgegangen aus der Theilung des Centralkernes. Ihre Herkunft ist aus ihrer gegen- scitigen Lage leicht ersichtlich. Das Ei, bei Ehrharta seitlich in- serirt, wohl aber et^Yas mit der einen Synergide verbunden (Fig. 25 — 27, Taf. Ill), muss nattirlich durch deren Resorption in den Scheitel des Keimsackes rticken, so dass die abgebildete Anhef- tung des befruchteten Eies mit den jiingeren Stadien nicht im Widerspruch steht. Nach der Befruchtung erweitert sich das un- tere Ende des Enibryosackes, vorwiegend nach einer Seite hin, so dass die Gegenfiisslerinnen , ^Yelche friiher im Chalarzaende lagen, eine seitliche Stellung, wie in Fig. 28 erhalten. Sie sind hier noch wohl erhalten, ihre Kerne zeigen grosse, stark lichtbrechende Kernkorperchen, welche oft zu mehreren fast den ganzen Kern erfullen. Fig. 29 stellt ein spateres Stadium dar; die Gegenfuss- 1) Bot. Zeit. 1879 p. 265 etc. 106 Dr. Alfred Fischer, lerinncn liabcu ein Ausseheii angenommen , welclios auf ilire bal- digc, weitcrc Auflosimg scliliesseu liisst. Die Kerne der spiiteren Eiulospcrmzellen sind in Theilung begriffen imd zwar alle gleich- zeitig ^). Die Gegenftisslerinucn werden scliliesslicli weiter desor- ganisirt, so dass man in reifen Sameukornern kaiira nocli einzelnc verschleinite Reste vorfindet. Die Antipoden bilden also keiue Ausgaugspuukte fiir die Endospermentwicklung ; sie gehen vielmehr, wenn auch spater und langsamer als bei andern Angiospermen, zu Grunde. Wir konnen , ausgehend von dem gleichen Verbalten der drei besprochcnen Gramiueen, den Zerfall der Embryosackmutterzelle in vier, liber einander liegende Tocliterzellen und die Vermehrung der Gegenfiisslerinnen, oder wenigstcns ibrer Kerne, als besonders characteristisch fiir die Mehrzahl der Griiser in Ansprucb nehmen. Bei Koeleria cristata, Sorghum halepense, Briza media, Elymus arenarius und Secale cereale konnten keine Abweichuugen von die- sem Schema gefunden werden. Die Gattung Melica (ich untersuchte M. nutans und M. al- tissima) bietet eigentlich keine typischen Verschiedeuheiten dar. Der Vorgaug der Embryosackentwicklung erscheint in seinen er- sten Stadien verkiirzt, auch die Zalil der Gegenfiisslerinnen und ihrer Kerne bleibt auf drei beschrankt. Die Initiale der Entwicklung liegt auch hier direct unter der Epidermis, deren Zellen sehr bald durch peridine Wiinde sich ver- doppeln (Fig. 41, Taf. II). Die Mutterzelle theilt sich in 2 Zellen (Fig. 42), in denen wir die primaren Tochterzellen erkennen. Die nun folgende Verdoppelung der Kerne mit ausbleibender Scheide- wandbildung fiihrt zu einem Stadium, in dem zwei iiber einander liegende Zellen sich durch den Gehalt von je zwei Kernen aus- zeichnen. Die untere Zelle ist um das Doppelte grosser, als die iiber ihr liegende. Fig. 43 und 47 mogen zur Illustration dieser Verhiiltnisse bei M. nutans und altissima dienen. Durch das Auftreten einer Vacuole in der Mitte der unteren, zweikcrnigen Zelle werden die beiden Kerne aus einander gebracht und kommen je in ein Eude der sich nunmehr als Embryosack kundgebenden Zelle zu liegen (Fig. 43). Gleichzeitig wird die obere, kleinere, zweikernige Zelle resorbirt und durch den sich vergrosserndcn Embryosack verdrangt. Hierbei sind die beiden Kerne in der verschleimenden Masse lange Zeit sichtbar, so dass *) Vergl. Strasburger iu bot. Zeit. 1879. Zur Kenntniss dor Embryosackontwicklang einiger Angiospermen. 107 (lie Foststcllung dor geschiklertcn Vcrliiiltiiisse uiit wcnig Scliwic- rigkc'itcn vcrkiuipft ist. (Fig. 44 fiir M. nutans, Fig. 48 fiir M. altissinia.) Die beiilcu Kcrue dcr uutorcn, grossoreii Zclle ver- doppcln sicli (Fig. 45) luid so gcht in gewohnter Wcise diirch uochnialige Tlicilung der Eiapparat und die Gegenfiisslergmppo hcrvor. Fig. 46 zeigt fiir M. nutans diese Bildungen , sowie die in Versclinielzung begriflenen Polkerne. Das Ei stinimt in Bezug auf seine seitliclie Insertion niit dera der oben bescliriebenen Gra- niineen uberein. Die eine Synergide wird von der anderen ver- dcckt, jedoch ist ihr Kern deutlicli siclitbar. Die Gegenfiisslerin- nen treten stets nur in Dreizalil auf und gehen zeitig zu Grunde, so dass Melica aucli liierin einen bedeutenden Unterschied , der Mehrzahl der Griiser gegeniiber, aufzuweisen hat. Die Deutung dcr ersten Entwicklungsstadien liegt auf der Hand: die beiden zweikernigen Zellen sind die primareu Tocbterzellen , in denen es wohl zu einer secundaren Kerntheilung kommt, ohne dass aber die Ausbildung der Scheidewande erfolgte. Das Interesse an diesem Vorgang wird dadurch erhoht, dass die beiden Kerne der untcren primareu Tochterzelle die Function der primilren Tochterkerne des Embryosackkernes ubernehmen. Auf diese Wcise gelit das Stadium der „Embryosackzelle mit dera Embryosaekkern" vollstiindig verloreu und aus der primareu Toch- terzelle wird sofort der Embryosack mit den primaren Tochter- kemen. Man konnte auch die beiden Tocbterzellen der Embryosack- mutterzelle als Embryosackzellen betrachten, die Theilung ihrer Kerne als ersten Scbritt zur Ausbildung des Eiapparates etc. in beiden Zellen. Diese Deutung wiirde fiir Melica constant zwei Em- bryosackzellen annebmen, wie wir oft bei den Rosaceen mehrere, nebeneinander liegende jugendliche Embryosacke antreifen werden. In unserem Falle wiirden dieselben uber einander liegen und ein und derselben Mutterzelle entstamraen. Auch derartige Vorkomm- nisse sind durch die Untersuchungen Strasburger's ^) fiir die Rosaceen (Rosa livida) bekanut ^Yorden, so dass diese Annahme einige Berechtigung besasse. Gegen eine solche Gleichwerthigkeit der beiden Zellen spricht die coustante Ausbildung der uuteren zum Embryosack. Niemals wurde Forderung der oberen und Ver- drangung der unteren Zelle beobachtet. Ja selbst in den zahl- reich untersuchten Eichen fand sich niemals eine gleichmiissige ^) Angiospermen u. Gymnospermen p. 14. 108 Dr. Alfred Fischer, Weitercntwicklung beider Zollen zii Embryosacken. Man ist daher wohl berechtigt, die erste Deutung gelteii zu lasseu imd eiiie ver- kiirzte Entwicklung auzimebmen. Filr diese Ausiclit, welche fiir die Vorgiinge bei Melica eine Riickljilduiig in Ansprucli nehmen wiirde, spricbt audi die kurze Existenz der niir Avenig entwickel- ten Gegenfiisslerinneu. Jedenfalls liefurt Melica ein interessantes Beispiel , wie auf dieseni Wege es leiclit zum constanten Auftreten zweier Embryosacke in einem Eichen kommen kann. Auf alle Falle kann das Ausbleiben der secundaren Scheidewiinde zu ab- normeu Vorkonimnissen Veranlassung geben, wie beispielsweise zur Ausbildung zweier Embryosacke aus einer Mutterzelle. Melica nachstverwandte Genera, wie Koelerica, Briza und Mo- linia verhaltcu sicli wie die iibrigen, uutersuchten Gramineen, so dass Melica eiustweilen vereinzelt dasteht. Der Anschluss an die iibrigen Grascr kann aber, wie gezeigt wurde, leicht geschehen. Bei Luzula pilosa bildet die subepidermoidale Zelle, wel- che spiiter zur Mutterzelle des Embryosackes wird, sehr bald eine Tapetenzelle , die einer anticlineu Theilung unterliegt (Fig. 49, Taf. III). Die beiden ueben einander liegenden Theilzellen zerfal- len noch durch eine pericline Wand in je zwei Zellen, so dass im Ganzen vier Tapetenzellen in zwei Reihen zu je zwei Gliedern Yorhanden sind (Fig. 50). Dieselbe Figur fiihrt uns die primaren Tochterzellen vor. Fig. 51 stellt ein welter vorgerticktes Stadium dar, dem die Bildung der secundaren Tochterzellen vorausgeht. Die unterste derselben wird zur Embryosackzelle und verdrangt ihre drei Schwesterzellen (Fig. 51). Diejenigen Vorgiinge, welche durch mehrmalige Theilung des Embryosackkernes die Entstehung des Eiapparates und der Gegenfusslerinnen veranlassen, sind oft genug beschricben worden , so dass ich auf ihre ausfiihrliche Dar- legung diesmal verzichteu kann. Ich begQuge mich also damit, in Fig. 52 das Bild eines reifen Embryosackes zu geben. Die beiden Synergiden nehmen den Scheitel desselben ein und fiihren, von der Kegel abweichend, die Vacuole in ihrem vorde- ren, den Kern von Plasma umgeben in dem hinteren Theile. Das Ei ist unterhalb der Synergiden inserirt und bietet keine Beson- derhciten dar. Die Gegcnflisslerinnen sind ausserst klein und, wie gewohnlich, in Dreizahl vorhandeu. Der Ceutralkeru fiihrt ein sehr grosses Kernkorperchen und lasst keine Spur seiner Zusam- mensetzung aus den beiden Polkernen erkeunen. Zur Keuutuiss dcr Embryosackentwickluiig einiger Angiospermcii. 109 Ueberblickou wir kurz die fiir jMouocotylcn gcwonneiicn lic- sultate, so crgcben sich zuniichst fiir die Ausbilduug der Zellgrup- peu in den Enden des Eiubryosackes und die Entsteliung seines Centralkcnies die grossten Uebereinstininiungeu. Die Zcllen des Eiai)i)arates treten stets in Dreizald auf und erleiden uie einc Ver- nielirung, ja selbst ein Ausl)leil)en eiucs Theilungsschnittes wurde ])is jetzt nur ausnahmsweise bei Ornitliogalum beobachtet ^). So- mit treten inimer zwei Synergiden auf, deren Kerne in demselben Verliiiltnisse als Schwesterkerne zu einauder stelien, wie der Ei- kern zuni obcren Polkcrn. Fiir die beiden Gehiilfinnen lilsst sicli die Insertion am Scheitel als Kegel aufstellcn, von welclier fiir Sesleria und Allium iistulosum Abweicbungen zu verzeichuen sind. Die Anheftung des Eies ist bereits grosseren Scliwankungen un- terworfen. So treffeu wir dasselbe uuterbalb der Synergiden, sclieinbar an dieselben angebiingt, an der Embryosackwand iuse- rirt, bei Luzula, Triglocliin, Carex, Alisma und Elodea, ferner bei Xothoscordum 2). Mit den Synergiden tbeilt das Ei die ge- meinschaftliche Befestigung am Scheitel des Keimsackes, so dass, je nach der zur Beobacbtung kommenden Seite, es von denselben bedeckt wird oder auf ihnen zu liegcn scheint, bei: Alopecurus und Melica, ebenso bei Orchis^), Gymuadenia *), Ornithogalum •''), Gladiolus "), Crocus vernus ^) und Funkia ^). Besonderes Interesse gewiiliren die iibereinstimmenden Lagerungsverlialtnisse im Eiap- parat von Sesleria und Allium fistulosum ^), deneu sicli in eiuigeu Beziebungeu Ehrharta auscliliesst. Wilhrend bei Ehrharta die bei- den Synergiden noch den Scheitel des Embryosackes einnehmen, findeu wir das Ei von seiner halbapicalen Insertion neben densel- ben, wie sie uns etwa bei Alopecurus auffiel, an die Seitenwand des Embryosackes geriickt (Fig. 26, Taf. III). Bei Sesleria und Allium verliert auch die eine Synergide ihre apicale Befestigung, so dass hier nur eine Gehtilfin die Mitte des Scheitels einnimmt. Die andere S}Tiergide und das Ei findeu unterhalb des Embryo- sackscheitels an je einer Seitenwand ihren Platz^^). 1) Yergl. Strasburger: Bcfr. u. Zellth. p. 38. 2) ibid. Taf. VI, Pig. 33. ^) ibid. Taf. II. Fig. 85. 4) ibid. Taf. ni, Fig. 99. 5) ibid. Taf. V, Fig. 1. 6) ibid. Taf. V, Fig. 13, ^) ibid. Taf. V, Fig. 23. 8) ibid. Taf. VI, Fig. 25. ^) Vergl. Strasburger: Angiospermeu u. Gymuosporraen p. 19. *") Fiir Sesleria vergl. Fig. 51. Fiir Allium fistulosum: Stras- burger 1. c. Taf. Vr, Fig. 83 — 85. 110 Dr. Alfred Fischer, Die Gegenfiissleriuneu wercleu stets in Dreizalil angelegt. Voriibergeheud ist ihre Existenz bei Alisma, Triglocliiii , Orchis und bei der Mehrzahl der uiitersuchten Monocotylen. Dagegen zeichuen sich die Gegcufiisslerinueu der Gramineeu durch ihr be- deuteiides Theihmgsvermogen und ihre verhaltnissmiissig spat ein- tretende Resorption aus. Eine jihuliche Vermehrung der Antipo- den beschreibt Strasburger fur Ornithogalum ^) als Ausuah- niefall. Die Vereinigung der beiden Polkerne wird in doppelter Weise erreicht. Eiunial bewegeu sich beide Kerne gegen einander und ihre Verschmelzung findet in der Mitte des Embryosackes statt, das audere Mai dagegen nimmt der obere Polkern an der Bewe- gung nicht Theil und der untere muss den gauzen Embryosack durchwanderu , um seine Vereinigung mit dem oberen Polkern zu ermoglichen. Das erstere Verhalten zeigen: Luzula, Alisma, Ca- rex, Trigiochin, ferner Orchis. Ornithogalum und Nothoscordum ^). Die zweite Art der Annaherung der betreffenden Kerne ^Yurde mit Sicherheit festgestellt fiir Elodea und die untersuchten Gramineen. Nach den Zeichnungen Strasburger's wiirde Allium fistulosum sicli den genannteu Pflanzen anschliesseu. Die Verschmelzung der beiden Polkerne findet in den meisten Fallen vor der Befruchtung statt. Bei Alisma und Allium fistulosum ^) dagegen tritt dieser Vorgang erst wiihrend des Anlegens der Pollenschlauche oder gar erst nach vollzogener Befruchtung ein. Die Bildung von Tapetenzellen wurde nur bei Trigiochin und Luzula beobachtet. Nach Strasburger findet sich dieselbe bei Tritonia^), Anthericum, Tradescantia , ausnahmsweise audi bei Hemerocallis. Die Mutterzelle geht aus der subepidermoidalen Schicht hervor bei Eloda, Alisma, Trigiochin, den Gramineen und Luzula, wahrend ihr Ursprung bei Carex in einer tiefer gelegenen Schicht des Nucellus zu suchen ist. Mit der Bildung von primaren Tochterzellen erschopft sich bei Alisma und Allium fistulosum •'') die Thatigkeit der Mutterzelle. Durch nochmaligc Theilung der unteren dieser Tochterzellen werden drei Zellen ge- bildet bei Orchis, Gymnodenia '') und Anthericum. Vier secun- dtlre Tochterzellen endlich gehen bei den Gramineen, bei Elodea, 1) Befruchtung und Zelltheilung. Taf. V, Fig. 7. ^) Die letzten drei nach den Strasburger 'schen Zeichuungen in „Befruchtung und Zelltheilung" beurUieilt. •'') Strasburger: Angiospermen u. Gymnospermen p. 21. ^) 1. c. 5) 1. c. p. 19. 6) 1, c, p. 24. Zur Keuutniss dcr Embryosackentwicklung einigcr Angiospcrmcu. Ill Triglocliin , Carcx , Luzula imd iiacli Strasburger ^ boi Tri- tonia, Sisyriucliium uiul Hemcrocallis aus dor Mutterzcllo licrvor. Die WiiiKle, wclclic die eiiizelnen Tocliterzellen treuneii, zeich- iien sich durcli ihre starke Qudlung aus, besonders ist die zuerst eiitstelieiide Wand starker gequolleu als die spiiteren, so dass man sich leiclit iiber die Entstcliungsfolge der einzelnen Zellen orien- tiren kann. In alien Fallen zeigt die unterstc Tocbtcrzelle friih- zeitig bedentcnde Grossenzunalinie. Sie entwickelt sich stets und ansschliesslich zum Enibryosack. Zwei Keimsiicke in eincm Ei- chen warden ein einziges Mai und zwar bei Triglochin beobachtet. n. Dialypetale Dicotylen. Bei Cheno podium foetidum wird bald eine Tapeteuzelle abgegeben, welche sich fast regelmassig in zwei nebeueinauder liegende Hiilften spaltet (Fig. 1, Taf. III). Sie betheiligen sich (lurch pericline Vermehrung an dem Aufl)aue des Nucellus und driingen die auch hier der subepidermoidalen Schicht entstam- mende Mutterzelle tiefer in das Gewebe des jugeudlichen Eichens zuriick. Die Abkommlinge der beiden fraglichen Zellen ordnen sich in Lilngsreihen , welche oft ziemlich genau in die Verliinge- rung der Mutterzelle zu liegen kommen, die Klarlegung ihres Ver- lialtens erschwerend. In Fig. 4 , Taf. IV wurdc die Tapeteuzelle nicht in zwei nebeneinander liegende Zellen getheilt, so dass nur eine Liiugsreihe ihren Abkommlingen entspricht. Fig. 5 , Taf. IV eiguet sich sehr gut dazu, das Verhalten der Tapetenzellen zu demonstriren und deren Nachkommen von den Tochterzellen der Embryosackmutterzelle zu unterscheiden. Am Scheitel des Ovulums erleidet die Epidermis friihzeitig eine pericline Verdopplung ihrer Elemente. Die Mutterzelle theilt sich hier nur einraal (Fig. 2, Taf. Ill), ausnahmsweise kann ihre uutere Halfte noch eine Thei- lung erfahren (Fig. 3, Taf. III). Fig. 4 und 5 (Taf. IV) zeigen die Verdriingung der einzigen Schwesterzelle der sich jetzt weiter entwickelnden Embryosackzelle. In Fig. 4 ist ihr Kern in Theilung begriffcn; er liefert die primaren Tochterkerne (Fig. 5). Schliess- lich geht der Eiapparat und die Gegenfiisslergruppe aus dem obe- reu resp. unteren Kerne hervor. Fig. 6 stellt einen befruchtungs- fiihigen Kcimsack dar nach vollendeter Verschmelzung der beiden ^) Sfrasburger: Angiospermeu u. Gymuospermen p. 17, 18. 112 Dr. Alfred Fischer, Polkenie zum Centralkern. Die Gegenfiissleriiinen werden von den Zellen des Eiapparates nielirfacli an Grosse iU)ertroffen. Gomplireua decumbens bietet der Untersuclmng durch den sehr langen, gekriimmten Fnniciilus einige Scbwierigkeiten dar, weldie besonders bei der Aufsiicbuug iilterer Stadien sicb steigeru. Fig. 7, Taf. IV zeigt uns die subepidermoidale Abstam- mung der Mutterzelle. In unserem Falle scbeinen aljnormer Weise zwei solcbe Ausgangspunkte der Embryosackentwicklung angelegt zu werden. Eine Tapetenzelle wird abgegeben, welcbe, wie bei Cbenopo- dium, sich der Lange nach spaltet, damit aber ibre weitere Ent- wicklungsfabigkeit bescbliesst (Fig. 8). In derselben Figur, welcbe beide Integumente zur Ansdiauung bringt, bat sicb die Epidennis am Scbeitel des Ovulums bereits verdoppelt. Die untere primiire Tocbterzelle erleidet eine nocbmalige Tbeilung, so dass in Fig. 9, Taf. IV zwei desorganisirte Scbwesterzellen iiber der beranwacb- senden Embryosackzelle liegen. Die primaren Tbeilbalften des Eni1)ryosackkernes verdoppeln sicb und bringen durcb nocbmalige Tbeilung je vier Kerne in den Enden des Keimsackes bervor (Fig. 10). Die Gegenfiisslerinnen lassen ibre Scbeidewande deutlicb er- kennen, dagegen war es unmoglicb, zwiscben den dicbt beisam- men liegenden Kernen im Scbeitel eine trennende Wand aufzufin- den. Die Polkerne baben ibre Wanderung nocb nicbt angetreten. In Fig. 11 nebmen die beiden Synergiden den oberen Pol des Em- bryosackes ein, wabrend das Ei etwas tiefer inserirt ist und mit ihnen in Zusammenbang stebt. Die Verscbraelzung der beiden Polkerne tritt erst spater ein. Aus ihrer Lage folgt, dass bier, wie bei mebreren Monocotylen der untere Polkern allein beweglicb ist und somit durcb den ganzen Embryosack scbwimmen muss, um seine Vereinigung mit dem oberen zu bewerkstelligen. Fig. 12, Taf. IV stellt ein Priiparat dar, dessen Tauglicbkeit durcb den Scbnitt leider berabgesetzt worden ist, dessen Bespre- cbung icb aber umsomehr nicbt versaumen mocbte, als es zur Lo- suug principieller Fragen beitragen kann. Die beiden Synergiden nebmen ibren gewobnlicben Platz ein, die beiden Polkerne in be- ginnender Verscbmelzung lassen an Deutlicbkeit nicbts zu wiin- scben iibrig. Neben ihnen liegen, durcb das Messer aus ihrem Zusammenbang mit den Gebulfinnen gerissen, zwei Zellen, deren Deutung als unbefrucbtete Eier zweifellos sicber stebt. Sie be- sitzen den so oft fiir diese Gebilde beschriel)enen Bau: im vor- deren Theile eine Vacuole, an die sicb nach bin ten das Proto- Zur Kenntniss der Embryosackcutwickluag oiuiger Aiigiospcrmeu. 113 plasma mit dem Eikcru ansclilicsst. Das Wichtigc dcs Bildcs fiude ich nun darin, dass trotz dcm Vorliandeusein zweier Eizellcn eine Versclimolzung dcr Polkcrne stattfiudct. Es muss also liier cine noclimaligc Theiluug des Eikcrues, also des Scliwesterkernes Yom obcren Polkerne vorliegen, wie Strasburger fur die normal zweieiigen Embryosacke von Santalum album bcreits friilicr ange- nommen hat ^). Die Schwierigkeit der Priiparation und die jeden- falls nur zufallige Vermelirung der Zellen des Eiapparates ver- liinderteu midi, an Gomplirena eiugeliendere Untersuchungen uber die angeregte Frage vorzunehmeu. Alliouia nyctaginea scliliesst sich insofern an Gomphrena an, als auch hier die Mutterzelle nur in drei Zellen zerfiillt. Eine Tapetenzelle wird gleiclifalls abgegeben. Sie spaltet sich in zwei nebeneinanderliegende Zellen, welche sich wieder quer theilen kon- nen (Fig. 13. 14, Taf. IV). Die Theilungsfolge der Tapetenzelle ist >Yohl hier dieselbe wie bei Chenopodium. Die einfache Zelle zerfiillt erst in z\Yei nebeneinanderliegende Hiilften, welche dann durch eine pericline Wand sich verdoppeln, so dass vier Tapeten- zellen entstehen (Fig. 13, 15). In Fig. 14 waren die primiiren Tochterzellen vorhanden, deren obere ausnahmsweise der Lange nach sich halbirt hat. Die be- deutend gequolleuen Wande, sowie spatere Stadien sprechen fiir die Abnormitat dieses Theilungsschrittes. Ebenso abweicheud fin- den wir drei nebeneinanderliegende Tapetenzellen, in deren zweien die gewohnlichen Etagentheilungen stattgefunden haben. Die untere Tochterzelle halbirt sich, so dass in Fig. 15, Taf. IV drei Zellen iiber einander liegen, von denen die unterste zum Embryosack auswachst und die anderen verdrangt. Durch wieder- holte Zweitheilung erzeugt der Embryosackkern in gewohnter Weise die Zellgnippen in den Euden des Keimsackes. In Fig. 16, Taf. IV haben Eiapparat und Gegenftisslerinnen bereits Scheidewande gebildet, wahrend die ihnen zugehorigen Pol- kerne von Plasma umgeben noch an ihren Entstehungsorten ver- weilen. Erst spater wandert der untere Polkern nach dem Mi- kropylende, um dort mit dem oberen zum Centralkern des Embryo- sackes zu verschmelzen (Fig. 17). Fig. 19 zeigt die Anordnung der Zellen im Eiapparat, die beiden Synergiden im Scheitel des Keimsackes, das Ei etwas tiefer inserirt. Die eine Gegenfiisslerin wird von den beiden andern ver- ^) Vergl. Befrucht. u. Zellth. p. 48 u. Ang. u. Gymn. p. 25. Bd. XIV. N. F. VII, 1. 8 114 Dr. Alfred Fischer, deckt. Mit Zubiilfenahme der Fig. 18, welche einen Schnitt dar- stellt, dessen Ebene senkrecht zu der des vorigen steht, kann mau sich leicM tiber das Vorliandensein von drei Autipoden Auf- klarung verscbaffeii. Bei Sabulina longi folia entstammt die Mutterzelle der subepidermoidalen Scbicht, welche bier ziim ersten Male besonders scbarf hervortritt (Fig. 20, Taf. IV). Der jugendlicbe Nucellus bestebt im Ganzen aus secbs Zellscbicbteu , von denen zwei auf die Epidermis kommen, zwei als subepidermoidale Scbicbt fiir ims besondere Wicbtigkeit erlaugen, wabrend die innersten der beiden Reihen gleicbsam in gemeinsamer Initiale endigen und dem Auf- baue des Ovularbockers dienen. In unserer Figur baben die beiden mittleren Zellen der oft genannten Scbicbt je eine Tapetenzelle abgegeben. Anscbliessend an das Verhalten derselben bei den bisber besprocbenen Centrospermen , tbeilt sicb die Tapetenzelle bei unserer Caryopbyllee durcb eine anticline Wand in zwei Halften (Fig. 22), in denen zuweilen eine Etagentbeilung zur Beobacbtung kommt (Fig. 21). Gewobnlicb wird nur eine Mutterzelle gebildet, welcbe, bedeutend verlangert, sicb zur Hervorbringung der pri- maren Tocbterzellen anscbickt. In Fig. 21 wurde eine Tbeilung ihres Kernes fixirt. Die zellenbildende Tbatigkeit bescbriinkt sicb auf diese erste Tbeilung. Die untere primare Tocbterzelle wird zur Embryosackzelle und verdrangt die obere, welcbe bald der Auflosung anbeimfallt. In Fig. 23 liegt die Bildung der primaren Tocbterkerne vor, welcbe in Fig. 22 nocb obne trennende Vacuole die Pole des Em- bryosackes einnebmen. In der oberen verscbleimenden Zelle tritt der Kern nocb deutlicb bervor. In Fig. 24 sind die Gegenfiiss- lerinnen bereits in Auflosung begriffen. Die Synergiden nebmen den Scbeitel des Keimsackes ein, dagegen scbwankt die Insertion des Eies zwiscben gleicbfalls apicaler wie in Fig. 24 und lateraler wie in Fig. 25. In ersterer Figur wird das Ei von den Synergiden bedeckt, ebenso der obere Polkern, welcber unter der recbten Ge- biilfin liegt. Der Bau dieser Gebilde gebort dem verbreiteten Typus an: eine Vacuole im binteren, den Kern im vorderen Tbeile. In derselben Figur war der untere Polkern auf seinem Wege in den Mikropyltbeil des Keimsackes begriffen, woselbst er sicb mit dem unbeweglicben oberen Polkern vereinigt (Fig. 25, Taf. IV). Wenn wir die von Strasburger untersucbte Polygon ee, Polygonum divaricatum ^ ) , zum Vergleicb beranzieben , so stellt ^) Angiospermen und Gymnospermen p. 5. Zur Kcnntniss der Embryosackcntwicklung einigcr Angiospermcn. 115 sieh fiir die Centrospcrracii iibcrliaupt cine weitgelicude Ucberciu- stimnumg in der Bilduiig von Tapetenzellen lieraus. Bcsonders Allionia, Polygonum, Sabulina iind Gomphrena gewiihren durch cine constant auftretende Liingswand und einc oft folgendc Etagen- wand viel gcmeinscliaftliclie Beriihrniigspunkte. Bei Clienopodiura gcstaltet sich die Theilungsfilliigkeit der Tapeteuzelle viel aus- giebiger, wie oben besclirieben wurde. Dagegen bestelien zwisclien den cinzelncn Kepriisentanten der iintersuchten Ceutrospennen grosse Ditierenzeu in Bezug auf das Verlialten der Mutterzelle. Nur bei Polygonum zerfiillt sie in vier Zellen. Bei Allionia und Gom- phrena unterbleibt die Theilung der oberen der primiiren Tochter- zellen, auf dcren Bildung sich die Thiltigkeit der Mutterzelle bei Sabulina und Chenopodium beschriinkt. Die constante Erscheinung der Tapetenzellen und die weeh- selnde Theilungsfahigkeit der Mutterzelle in der nicht zu grossen Classe der Centrospermen beweist uns, dass die Vorgange der Embryosackentwicklung nur mit ilusserster VorsicM systematisclie Verwerthung fiuden ki3nnen. Strasburger liefert fiir die Lilia- ceen ^) gleichfalls den Beweis, wie mannigfaltig sich die fraglichen Verhiiltnisse selbst in einer Familie gestalten konnen. Von Delphinium wurden D. tridactylon und D. villosum untersucht. Die erstere Species lieferte Figur 26 und 27, Taf. IV, die iibrigen Zeichnungen sind Priiparaten von D. villosum ent- nommen. Eine Tapetenzelle wird nicht gebildet, dagegen treten frUhzeitig in der Epidermis pericline Theilungen ein (Fig. 26 a, Taf. IV), ^Yelche den Nucellus an seiner Spitze aufbauen. Die Zellen ordnen sich dort in Langsreihen an, welche nach dem Em- bryosack convergiren (Fig. 26 — 28). Die Mutterzelle, audi hier der subepidermoidalen Schicht entstammend, zerfallt zunachst in zwei Zellen, deren obere in Fig. 26 b eine weitere Theilung erfiihrt. Zuweilen werden zwei Mutterzellen angelegt (Fig. 26 a), welche sich bis zur Verdrangung der iibrigen Tochterzellen durch die untere gleichmiissig entwickeln konnen (Fig. 28). Die untere der beiden primiiren Tochterzellen theilt sich ebenfalls noch einmal (Fig. 27). In dieser Figur liegt die Ausbildung der Scheidewand vor, welche die obere primilre Tochterzelle halbirt. Die unterste, secundiire entwickelt sich zum Embryosack und verdrangt ihre drei Schwesterzellen (Fig. 28). Ihr Kern bringt die primiiren Tochter- kenie heiTor, welche die Euden des Embryosackes einnehmen und ^) Angiospermeu und Gymnospermen p. 19. 116 Dr. Alfred Fischer, tier sich verdoppeln. Durch nochmalige Theilimg liefern sie die Kerne, um welche sich im oberen Ende der Eiapparat, im unteren die Gegenfiisslergruppe sondert. In Fig. 29 verschmelzen die beiden Polkerne, die Gegeufiisslerinnen sind ausnahmsweise nur in Zwei- zahl vorlianden. Der Eiapparat bietet keine Besonderheiten dar, ausgenommen seiner diirftigen Entwicklung im Vergleich mit den sebr grossen Gegenfiisslerinnen, welche fiir gewohnlich in Dreizahl vorhanden sind. Einige Figuren iiber das fertige Stadium bei Del- phinium villosum bitte ich bei S tr as burger M nachzusehen. Bei Myosurus minimus, welche Pflanze von Strasburger studirt wurde^), zerfallt die Mutterzelie nur in drei Zellen, so dass wir auch hier, in der Familie der Ranunculaceen, Verschieden- heiten in dem Verhalten dieser Zelle vorfinden. Helianthemum Rhodax erzeugt die Embryosackmutter- zellen ebenfalls in der subepidermoidalen Schicht des Ovularhockers (Fig. 30, Taf. IV). Oft werden zwei, selbst drei Mutterzellen an- gelegt, welche sich bis zum Verdrangungsstadium gleichmassig neben einander entwickeln konnen. Zuniichst wird eine Tapeten- zelle gebildet, welche sich nochmals quertheilt und meistens darauf einer Langsspaltung unterliegt. In Fig. 31 hat sich die Mutter- zelie in gewohnter \Yeise in drei Zellen zerlegt, von denen die obere wiederum eine Theilung einleitet. Fig. 32 zeigt drei der- artig veranderte Mutterzellen neben einander. Die mittlere ist in sechs Zellen zerfallen, diejenige links neben ihr hat vier Tochter- zellen gebildet und endlich beginnt die rechts gelegene, nachdem sie drei Zellen abgegeben, sich aufzulosen. Alle diese Tochter- zellen der verschiedenen Mutterzellen erleiden das gleiche Schicksal und nur die unterste der mittleren Mutterzelie bleibt lebendig und wird zum Embryosack. Ihr Kern theilt sich und bringt in ge- wohnter Weise den Eiapparat und die Gegenfiisslerinnen hervor. Dieselben sind sparlich entwickelt und bieten sich nur kurze Zeit in dem engen Chalazaende des Keimsackes dar (Fig. 33). Dieselbe Figur belehrt uns iiber die Verschmelzung der Pol- kerne. Der obere ist hier bewegungslos , so dass der untere den ganzen Embryosack durchwandern muss. Im oberen Theile sind nur die beiden Synergiden sichtbar, da das Ei durch den Schnitt entfernt wurde. Fig. 34 zeigt bei starkerer Vergrosserung einen vollstandigeu Eiapparat. Die Synergiden nehmen den Scheitel des 1) Befruchtung u. Zelltheilung p, 39 u. 2) Angiosp. u. Gymnosp. p. 12 etc. Zur Kcnntniss dcr ErabryosackcntAvicklung cinigor Angiospcrracn. 117 Koimsackcs eiii, dixs Ei ist ctwas tiefer iuscrirt imd au ilincu be- fcstigt. Hcliaiitlicmuni licferte uns zum erstcu Male dafiir ein Beispiel, dass regcluiiissig niclirere Mutterzclleii augclcgt wcrdcii uiid sich cine Zeit laiig glciclmiiissig entwickelii. Aehuliches gicbt Stras- biirger fur Kosa an^), uur dass dort die gleiclmiassige Fordc- rung sicli aiicli aiif die Embryosackzellcn crstreckt. Dcu Rosaceen wurde besondere Aufmerksamkeit gesclieiikt. Bei ihrer Bespre- chuiig werden wir uns an Helianthemuni erinuern. Der jugendliche Nucellus von Kibes aureum liisst des- gleichen cine besondere, unter der Epidermis gelegene Schicht er- kennen, welclie die Initialen der Embryosackentwicklung, zuweilen in Mehrzalil liefert (Fig. 35, Taf. IV). Es werden zwei Tapeten- zellen gebildet (Fig. 36), welche im weiteren Verlauf der Ent- faltuug durch eine anticline Wand sich spalten konnen (Fig. 38). Jede dieser vier Zelleu wird zuweilen durch eine pericline Wand verdoppelt, so dass im besten Falle zwei Reihen von je vier iiber- einanderliegenden Gliedern den Erabryosack bedecken (Fig. 39, Taf. IV). Zuweilen unterbleibt einer odcr der andere Theilungs- schritt, so dass es unmogiich ist, Regeln aufzustellen , welche die mannigfachen Variationen umfassen. Die Mutterzelle erzeugt zuniichst die primaren Tochterzellen (Fig. 37, Taf. IV), welche durch eine stark quellende Wand von einander getrennt sind. Fig. 38 zeigt dies in auffalliger Weise. In derselben Figur beginnt die untere Zelle sich zu theilen. Ihr folgt die andere priniiire Tochterzelle bald nach, so dass in Fig. 39, Taf. IV vier iibereinanderliegende Zellen die Abkommlinge der Mutterzelle repriisentiren. Die unterste derselben verdrilngt die anderen und wird zum Embryosack (Fig. 39). Die Entstehung der Gegenfiisslerinnen und des Eiapparates ist bekannt, so dass es genugt, die fertigen Stadien zu erklaren. In Fig. 40, Taf. V sind die drei Gegenfiisslerinnen deutlich zu sehen, das Ei liegt links im Scheitel. Rechts dagegen befindet sich die eine Synergide, welche die andere deckt und nur ihren Kern durchscheinen liisst. Der Eiapparat in Fig. 41 , Taf. V fiihrt uns die natiirliche Lagerung vor, indem der Schnitt durch die Symmetriebene gefiihrt wurde. Derjenige, dem Fig. 40 entnommen ist, steht auf derselben senkrecht. Hippuris vulgaris schliesst sich ganz und gar den gamo- petalen Eichen an 2), sowohl in der machtigen Entwicklung des 1) Angiospermen und Gymnospermen p. 15. 2) Vcrgl. Warming: De I'ovule p. 236. 118 Dr. Alfred Fischer, einzigen Integumentes, als auch in der Anlage der Mutterzelle. Dieselbe entsteht aiicli hier direct unter der Epidermis ; sie bildet aber allein die subepidermoidale Schicht und daher mit der sie uberzielienden Oberhaut den Nucellus. Fig. 42, Taf. V stellt das jugendliche Eichen und die Mutterzelle dar, deren Theilung fixirt wurde. Aus ihr gehen die beiden primaren Tochterzellen hervor, welche durcli eine stark gequollene Scheidewand getrennt sind. Die untere dieser Zellen sowohl, als auch die obere thcilen sicb, so dass im Ganzen vier secundare Tochterzellen entstehen (Fig. 44). Unter gleiclizeitiger Theilung des Embryosackkernes fiihrt uns Fig. 43 die Verdrangung der iibrigen drei Tochterzellen vor. Zu- weilen tritt diese Erscheinung verhaltnissmassig spat ein, wie aus Fig. 45 ersichtlich. Der untere primare Tochterkern beginnt be- reits sich zu verdoppeln, und trotzdem liegen die Schwesterzellen des Keirasackes noch unversehrt tiber demselben. Die Epidermis, welche den jugendlichen Nucellus iiberzieht, besteht aus ^Yenigen, grossen Zellen, von denen uns besonders diejenige interessirt, welche direct iiber der Mutterzelle des Embryosackes liegt. Die Figuren 42 und 45, Taf. V veranschaulichen diese Verhaltnisse. Die frag- liche Zelle theilt sich nun stets durch eine Liingswand in zwei nebeneinanderliegende Hiilften (Fig. 45). Das Auftreten dieser Wand erfolgt nicht immer auf demselben Entwicklungsstadium, jedenfalls aber noch vor beendeter Verdrangung der Schwesterzellen des Keimsackes. Die beiden Epidermiszellen , welche nunmehr den Scheitel des Nucellus einnehmen, erfahren gleichmassig zwei bis drei Quertheilungen (Fig. 43). In einer der beiden so entstehenden Reihen unterbleibt schliesslich eine solche Wandbildung, so dass wiederum eine einzige Zelle in die Spitze des Nucellus zu liegen kommt (Fig. 43, Taf. V). Auf einem alteren Stadium tritt nun stets noch eine Langswand in einer der beiden Epiderraiszellreihen ein. Sie beginnt erst in der dritten Schicht, vom Scheitel des Nucellus aus gerechnet, so dass derselbe schliesslich folgenden Bau zeigt. Eine Zelle im Scheitel, hierauf folgt rechts und links je eine Epidermiszelle; endlich kommen zwei Schichten mit je drei Zellen, zwei Epidermiszellen und einer inneren. Zuweilen treten in ersteren noch Querwande auf, so dass auf eine der inneren Zellen, welche nie in Vermehrung angetroffen wurden, zwei Epi- dermiszellen zu rechnen sind. Hiermit ist die Entwicklungsfahig- keit des Nucellus beschlossen; die Figuren 46 und 47 werden in dieser Bezichung ohne weitere Erkliirung verstiindlich sein. Fig. 47 fiihrt uns einen befruchtungsfiihigcn Eiapparat mit Zur Kouutniss der Embryosackontwickluug cinigor Angiospcrmcn. 119 seinen Gegcnfiissleriuucn mid dcm Contralkeru vor. Die bciden Syncrgiden sind liier ncbcu ciuaiidcr an dem broiteii Sclieitel des Embryosackcs, deu die unterste dreizellige Schicht des Nucellus begrenzt, iuserirt. Sie fillireii ihrc Kerne ini Mikropyltlicil , die Vacuolen am eutgcgeiigesetzteu Eiide. Das Ei fiuden wir rechts an der Seitenwaiid des Embryosackes um Vieles tiefer als die Ge- hiilfinneu bcfestigt. Es enthiilt in demjenigeu Theile, welchen es dem Innenraum des Keimsackes zukehrt, deu Eikern, seiner An- licftungsstelle nahe die Vacuole. Die Gegenfiisslerinnen zeiclineu sich durcli ihre Kleinbeit aus und eutziehen sich bald der Be- obaclitung, da sie friihzeitig zu Gruude gehen. Unmittelbar neben dem Ei liegt der Centralkeru, dessen Bilduug in Fig. 48 dargestellt ist. Der untere Polkeru muss liier den ganzen Embryosack durcli- schwimmen, um seine Vereiniguug mit dem bewegungslosen obereu zu erreichen. In Fig. 47 musste uns noch der Kranz von eigenthlimlicli ge- stalteten Zelleu auffallen, welcher den Embryosack umgiebt. Die einzeluen Zellen sind senkrecht zum Langsdurchmesser desselben gestreckt. Die Entsteliung dieses Krauzes aus dem inneren Rande des Integumentes erwahnt bereits Strasburger bei Besprechung von Senecio vulgaris 0. Trotzdem mag es, unter Hinweisung auf Fig. 46 u. 47, Taf. V erlaubt sein, diesem Vorgange einige Worte zu widmeu. Der kleine Nucellus, epidermoidalen Ursprunges, ge- winnt bei der Streckung des Embryosackes einige lunctionelle Be- deutung, indem er, abgesehen von seiner scbiitzenden Deckung des nackten Embryosackscheitels , gleichsam auch andererseits die Dienste einer Wurzelhaube verrichtet und das Eindringen des Embryosackes in die Mikropyle durch Erweiterung derselbeu er- leichtert. Die iunere Epidermis des Integumentes lasst schon in Fig. 46 eine Streckung ihrer Zellen senkrecht zur Mikropyle er- kennen und ilire spatere Verwendung errathen. Zugleich kliirt uns Fig. 46 uber die oben besprochene Leistung des Nucellus, als Erweiterer der Mikropyle auf. Ungefahr bis dahin, wo in Fig. 46 die Integumentrander wieder enger zusammenscbliessen, verlangert sich der Embryosack, so dass in Fig. 47 die eigenthumlich ge- stalteten Zellen des inneren Integumentrandes zu jenem Kranz ge- worden sind, welcher den fertigen Embryosack umsaumt. Bei Pterocephalus palestinus und Scabiosa atropurpurea, deren Embryosack gleichfalls von einem Zellkranz umgeben wird^), konnte ^) ABgiospermen und Gymnospermen p. 11. 2) Vergl. Strasburger: Befr. u. Zellth. Taf. IX, Fig. 5. 120 Dr. Alfred Fischer, ich die Abstammung desselben vom Integument desgleichen be- obachten, Ueberbaupt scheint, soweit mir meine Kenutuisse der gamopetalen Ovula ein Urtheil erlauben, die Ausbildung eines solchen Zellkranzes aus dem Integument beraus bei den Gamo- petalen haufig einzutreten. Hiermit stebt denn aucb eine Nucellus- entwicklung, abnlicb der fur Hippuris bescbriebenen , in engstem Zusammenbang. Die Kosaceen^), bei denen Strasburger so interessante Vorkommnisse uns kennen gelehrt hatte, schienen die Aufdeckung manuigfaltiger Eigentbiimlicbkeiten in der Embryosackentwicklung der eiuzelnen Arten zu versprechen. Besonderes Interesse gewahrt bei dieser Familie die Anlage der Mutterzellen und deren weitere Ausbildung bis zur Verdritngung. Die Anlage des Eiapparates und der Gegenfiisslerinnen erfolgt in gewobnter Weise, so dass das Studium dieser Vorgange vor demjenigen der jiingeren, viel mannigfaltigeren Stadien zurlicktreten musste. Es konnte natiirlicb keine erschopfende Beriicksiclitigung der verscbiedensten Species beabsichtigt sein, vielmebr begntigte ich micb, folgende Rosaceen zu untersucben: Cydonia japonica, Geum strictuiii, Sanguisorba pratensis, Rubus caesius und Agrimonia Eupatoria. — Filr Rosa livida bescbreibt uns Strasburger zwei interessante und bishcr nirgend wieder beobaclitete Vorkommnisse 2): einmal das Aus- wacbsen der obersten secundaren Tocbterzelle zum Embryosack, zweitens die Entwicklung mebrerer Schwesterzellen derselben Reihe zu Keimsacken. Die untersuchten Rosaceen scbliessen sich durcbaus an Fragaria an, welche ebenfalls von Strasburger 3) studirt wurde, so dass Rosa livida als Ausnahmefall gelten muss und jedenfalls ein sehr interessantes Object bleiben wird. Fur Cydonia japonica stellt Fig. 49, Taf. V den Ursprung der Embryosackmutterzelle aus der subepidermoidalen Scbicht dar. Fur unsere Pflanze sind zwei Tapetenzellcn characteristiscb, welcbe meistens durch eine Querwand in je zwei Zellen zerfallen. Fiir das Vorhandensein von drci iibereinanderliegenden Tapetenzellcn liefert uns Fig. 51 ein Beispiel. Die oberste derselben theilt sich zuweilen durch eine Langswand, welcber in der rechten der so entstandenen nebeneinanderliegenden Halftcn cine Querwand folgen kann (Fig. 51). Fig. 50 zeigt uns die Mutterzelle in zwei Halften 1) Im Sinne Eichlers: Bliithendiagramme II. p. 495, *) Augiospermen u. Gymnospermen p. 15. 16. 3) ibid. p. 16. Ziir Kcnntniss dor EmbryosackenUvicklunp: cinit^cr Anp;iospcrmcn. 121 zerfalloii, dcron uiitcro sich uocliiiials tlieilt. Ilieraiif l)csclir:uikt sich (lie Kntwickhiiigsfahigkeit dcr Mutterzcllc, so dass mmnidir die untcrstc Tochterzcllc zum Eiiil)ryosack auswilchst mid ilirc beiden Sclnvestcrzclleu \'erdraiigt (Fig. 51). Fig. 52 stellt die sc- ciiiulareii Tochterkerne dar mid lasst ihre Abstaiiimmig erkeiinen, iiidein die Protopkasniafiiden die stattgehabte Theiluiig bestiitigen. In Fig. 53 finden wir im IMikropyleude des Keimsackes diclit nebeii einaiider die beiden Synergiden, links unter ilinen das Ei. Im miteren Ende liegen die drei Gegenftisslerinncn. Die beiden Pol- Iveriie liabcn sich in der Mitte des Embryosackes getroffen imd stelien cben im Begriflf, sich zu vereinigeu. — Wenn auch bei Cydonia urspriinglich mehrerc Zellen in der subepidermoidalen Schicht den Auscliein haben, sich zu Mutterzellen auszubilden, so tritft man doch ziemlich selten Priiparate, in denen eine gleich- miissige Forderung mehrerer solcher Zellen bis zu iilteren Stadien sich darbote. Die Zellen rechts und links neben der Mutterzelle thcilen sich wohl wie dieselbe, bis zu einer functionellen Gleich- werthigkeit kommt es dagegen selten. Fig. 51, Taf. V soil uns noch die ausgiebigen Theiluugen dar- stellen, welche in der Epidermis am Scheitel des Eichens statt- finden und somit ein Verhalten einleiten, welches alien unter- suchten Ptosaceen zukommt. Absichtlich wurde die Grenze der Epidermis gegen das iibrige Nucellusgewebe durch dickerc Con- touren hervorgehoben. In der That bietet die Erscheinung dieser Epidermiskappe viel Aehnlichkeit mit einer Wurzelhaube dar, wie bereits von Str as burger betont worden ist^). Fur Geum strictum stellt uns Fig. 54, Taf. V die Anlage mehrerer Embryosackmutterzellen dar, nachdem zuvor von den Zellen der subepidermoidalen Schicht Tapeteuzellen abgegeben wor- den sind. Gcwohnlich kommen iiber jede Mutterzelle zwei der- artige Gebilde 'zu liegen (Fig. 55). Diese selbst zerfiillt, wie bei Cydonia, in drei Zellen, von denen die unterste die Bildung des Keimsackes besorgt und ihre beiden Schwesterzellen vcrdriingt (Fig. 55). Zugleich fiirt uns diese Figur in die Eigenthumlichkeit aller untersuchten Rosaceen ein, welche darin zu suchcn ist, dass mehrere, meist drei Zellen der subepidermoidalen Schicht sich als Mutterzellen difFerenziren und dementsprechende Theilungen erfahren. Erst wenn die Verdriingung der oberen Tochterzellen beginnt, fangt eine der Embryosackzellen an, die ihr gleichwerthigen ^) Angiosp. u. Gymnosp. p. 14. 122 Dr. Alfred Fischer, Zellen zu itberwuchern, so class es schliesslich zur Ausbildung nur eines eiuzigen Keimsackes kommt. In unserer Figur hat sich die Mutterzelle links in drei Zellen getheilt, von denen die beiden oberen bereits anfangen zu ver- schleimen. Die mittelste Embryosackzelle hat ihre Schwesterzellen bereits verdrangt und enthalt schon die primaren Tochterkerne. Die rechts gelegene Mutterzelle endlich hat bis jetzt nur primare Tochterzellen gebildet. Die mittlere Zelle wiirde jedenfalls in diesem Concurrenzstreit den Sieg davongetragen haben und ware zum Embryosack ausgewachsen , in dessen Inneren die folgenden Vor- gange sich in gewohnter Weise abspielen: Bildung der secundaren Tochterkerne, Theilung derselben und Zellbildung um je drei dieser Theilungsproducte an den beiden Enden des Keimsackes nebst Ver- schmelzung der beiden, in die Mitte desselben gewanderten Pol- kerne (Fig. 56). Cydonia und Geum stimmten also in der Bildung von nur drei Tochterzellen iiberein, von demselben Gesichtspunkte aus ge- horen Rubus, Sanguisorba und Agrimonia zusammen, indem bei ihnen vier Zellen aus der Mutterzelle hervorgehen. In Bezug auf den fertigen Embryosack schliesst sich Rubus an Geum an, da- gegen finden sich in diesem Sinne zwischen Sanguisorba und Agri- monia die grossten Uebereinstimmungen. Bei Rubus caesius geben die drei mittelsten Zellen der fertilen, subepidermoidalen Schicht Tapetenzellen ab und zwar meist je zwei (Fig. 57, 58, Taf. V). Die mittelste Mutterzelle ge- winnt bereits nach der Bildung der primaren Tochterzellen die Oberhand und verdrangt die anderen, welche selten bis zur Abgabe der secundaren Tochterzellen kommen (Fig. 58). Die Epidermis hat sich bereits verdoppelt und vermehrt ihre Schichten noch (Fig. 59), wenn auch ihre Theilungen, ebenso wie bei Geum nicht die Ausgiebigkeit erreichen, wie sie uns bei Cydonia auffiel. In letztgenannter Figur war die mittlere Mutterzelle in vier Theile zerfallen, von denen der untere zum Embryosack wird und die iibrigen verdrangt. Auch die hier ausnahmsweise einzige Tapeten- zelle beginnt sich aufzulosen. Die beiden seitlichen Mutterzellen haben nur primare Tochterzellen erzeugt, deren schmachtige Ent- wicklung auf ihre kurze Existenz hinweist. Die spateren Stadien schlicssen sich durchaus an Geum an ; ich hielt es daher fiir iiber- fliissig Zeichnungen davon zu entwerfen. Bei Sanguisorba officinalis wcrdcn die Tapetenzellen ziemlich spat abgegebeu, so dass wir in Fig. 60, Taf. V die grossen Zur Kcnntniss dor Embrvosackcutwicklung ciniger Aiigiospcrmcn. 123 mittlcroii Zellen der suhcpidcrmoidalcn Schicht fiir Ausgangspunktc der Embryosackeiitwickliing halton iiiiisscii. Meistens werdcn vier, wolil audi fiinf Muttcrzcllen aiigclegt. Die Zahl der Tapetenzcllen bcschninkt sich aiif eiiis, hoclistcns zwei. Die Bildung der pri- niiireu Tochterzellen erfolgt in alien Mutterzellen gleiclimassig (Fig. 61). Die links gelegenen beiden uud die reclits aussen ge- legene Mutterzellc liaben nur eine Tapetenzelle abgegebcn, wiilirend die noch iibrig bleibende eine Theilung derselben aufzuweiscn hat. Die iliisserst links gelegene mitere primiire Toclitcrzelle triigt be- reits Spuren beginuender Auflusiing an sich. In den meisten Fallen, mir siud wenigstens andere Vorkommnisse uicht begegnet, begiunt diejenige Tochtcrzellreihe , deren Tapetenzelle eine Verdoppelung erfahren hatte, kriiftiger sich zu entwickeln. Nach erfolgter Bil- dung der secundaren Tochterzellen wird die unterste derselben zum Keimsack und verdriingt durch ihr Wachsthum sowohl ihre verschleimenden Schwesterzellen , als auch alle Abkommlinge der iibi-igcn Mutterzellen. Fig. 62 zeigt in derselben bereits die beiden primaren Tochterkeme. Die Reste der desorganisirten Sch\Yester- zellen und der untersten Tapetenzelle der mittleren Embryosack- zelle verrathen noch die urspriingliche Anordnung dieser Gebilde. Die obere Tapetenzelle schwillt bedeutcnd an, geht jedoch spiiter ebenfalls zu Grunde. Dieselbe Erscheinung zeigen die Tapeten- zcllen der iibrigen Tochterzellreihen , ^Yelche nur primare Nach- kommen der Mutterzelle enthalten. Die unterste Tochterzelle wird meist zuerst desorganisirt und durch das Wachsthum des benach- barten Erabryosackes verdriingt (Fig. 62). Die Epidermis betheiligt sich durch ausgiebige Theilungen an dem Aufljau des Nucellus, welcher derselben seine milchtige Entfaltung verdankt (Fig. 62). Fig. 63 fiihrt uns die keulenformige Gestalt des Embryosackes vor, in dessen beiden Enden die secundaren Tochterkerne liegeu. Das Chalazaende ist eng und schmal, das Mikropylende erweitert und angeschwollen. Die Gegenfiisslerinneu werden bald aufgelost und bieten keine abweichenden Verhitltuisse dar. Dagegen treifeu wir auf eine eigenthiimliche Ausbildung des ol)eren Embryosack- endes. Dasselbe durchdringt den mehrschichtigen Nucellus und schiebt sich uber den Scheitel desselben hervor. Hierbei ragt das- selbe mit verdickter ^Yand in die Mikropyle hinein (Fig. 64). Die beiden Synergiden sind im Scheitel des Keimsackes inserirt, von ihneu etwas verdeckt besitzt das Ei eine halbapicale Anheftung und entzieht sich zum Theil der Beobachtung, sein Kern ist gut sichtbar. Der Centralkern liegt dicht daneben und Aveist auf seinen 124 Dr. Alfred Fischer, Urspnmg aus deu beideii Polkernen hiu, indem die Kernkorper- chen iiocli getreniit sind und eine feiue Liiiie die noch unver- cinigteu Kernniassen kemizeichuet. Der obere Polkern zeigt die sclion melirfach beobaclitete Unbeweglichkeit, so dass dem imteren die Diircliwanderiing des ganzen Embryosackes zukommt. Agrimouia Eiipatoria verlialt sicli in alien wesentliclien Bezielmngen wie Sanguisorba, so dass ich es nicht fiir nothig Melt, besondere Zeichnungen davou anzufertigen. Wie sclion oben bemerkt, soil die kleine Anzahl der unter- sucliten Rosaceen diirchaus nicht geniigen, um die Eigenthiimlich- kciten dieser Familie zu erschopfen, vielmehr glaube ich, dass es der Ziikunft vorbehalteu ist, ein vergleichendes Studium der Em- bryosackentwicklung der Rosaceen an einer viel reicheren Auswahl ins Werk zu setzen. Ich enthalte niich daher auch aller eingehender Vergleichimgeu und mochte nur einige wenige Gesichtspunkte her- vorhebeu, deren Fixirung die geringe Anzahl von Beispielen ge- stattete. Die Anlage mehrerer Mutterzellen kommt alien Formen zu, ebenso die Abgabe einer Tapetenzelle, deren weitere Ausbildung mchrfachem Wechsel unterworfen ist. Die Mehrzahl der Mutter- zellen unterliegt gleichmassig der ersten Theilung, wahrend die spiitereu Theilungsschritte nur von der mittleren Mutterzelle voll- zogen werden, welche bald die Oberhand iiber die anderen gewinnt. Drei Tochterzellen werden bei Cydonia und Geum, vier bei Sanguis- orba, Rubus und Agrimonia gebildet. Immer, exclusive Rosa livida, ist es die unterste Tochterzelle der mittleren Reihe, welche zum Embryosack auswilchst. Die Zellen in demselben entstehen in ge- wohnter Weise. Nur der fertige Zustand lasst zwei Typen unter- scheiden. Einen Fall vertritt Rubus, Geum und Cydonia, einem anderen gehoren Agrimonia und Sanguisorba an. Im ersten Falle bleibt der Embryosack in das Nucellusgewebe eingesenkt und durch- bricht nicht die ihm aufsitzende Epidermiskappe, im letzteren da- gegen dringt der wachsende Embryosack bis in die Mikropyle vor, den epidermoidalen Nucellus zersprengend. — Helianthemum Rho- dax schliesst sich eug an die Rosaceen an, sowohl in der Anlage und glcichmassigen Theilung mehrerer Mutterzellen, als auch in der endlichen Forderuug der untersten Tochterzelle der mittleren Mutterzelle zum Embryosack. Fassen wir die fiir die einzelnen Dialypetalen gewonnenen Resultate zusammen und ziehcn die von Strasburger gelieferten Entwicklungsgeschichten zum Vergleich heran, so muss uns, wie Zur Tvcnntniss der Euibryosackcnt-SNiuklung einigcr Angiospcrmcn. 125 bci (Icn Monocotylen, die Art uiid Wcisc, ^Yic die Zelleu iiu Embryo- sack eiitstclicn, als iiusserst constant ersclieinen. Die Insertion dor beiden Synergiden im Scheitel desselben erleidet bci alien nntersucliten Dialypetaleu keine Aiisnahme, so dass liier constautere Verhiiltnissc sicli finden als bei den Monocotylen. Bei anatropen Ovulis bieten sicli auf Schnitten durch die Sym- nietrieebcne die beiden Synergiden nebcneinander im Scheitel dar, jede eine Halfte desselben einnehmend. Das Ei sclieint an ihnen befestigt zu sein, ist aber in Wahrheit etwas tiefer an der Embryo- sackwand inserirt und wird zum Theil von den Geliiilfinnen be- deckt. Maclit man Schnitte senkrecht zur Symmetrieebene, so kann man sich leicht von der halbapicalen , lialblateralen Anhef- tnng des Eies iiberzeugen, wie ein Vergleich der Figuren 18 und li>, Taf. IV fiir Allionia, der Figuren 40 und 41, Taf. V fiir Ribes dartliut. Desgleiclien bitte icli die Figuren 1 und 2 auf Tafel IX in Strasburger: „Befruclitung und Zelltheilung" in demselben Sinne zu betrachten. Das einzige orthotrope Ovulum, welches zur Untersuchung kam, lieferte Helianthemum. Die Figur 34, Taf. IV ist so orientirt, dass sie dem Symmetrieebenenschnitt der ge- kriimmten Eichen entspricht. Nur eine Ausnahme von der bespro- chenen Insertion ist mir bekannt geworden und zwar bei Hippuris, dessen Ei durchaus seitliche Anheftung besitzt (Fig. 47, 48, Taf. V). Dieselbe Regelmassigkeit, wie wir sie fiir die Insertionsver- hiiltnisse im Eiapparat beobachten konnten, kehrt in der Zweizahl der Synergiden und dem Vorhandensein eines einzigen Eies wieder. Abgesehen von dem abnormen Vorkommniss zweier Eier bei Gom- phrena, wurde bis jetzt nur bei einer einzigen Dialypetale regel- miissige Doppeleiigkeit festgestellt : bei Santalum album ^). Eine Reduction der Synergiden auf die Einzahl gehort zu deu hie und da beobachteten Abnoi-mitiiten, denen sich bei fortgesetzter Untersuchung vielleicht auch einmal eine Vermehrung dieser Ge- bilde anschliessen wird. Die Gegenfiisslerinnen treten stets iu Dreizahl auf. Vermehrung ihrer Zahl oder ihrer Kerne wurde in keinem einzigen Falle beobachtet. Sehr kriiftige Entwicklung er- laugen sie bei Allionia und Delphinium 2), dagegen werdeu sie auf kurze Dauer und dementsprechend schwachlich bei Cheuo- podium, Helianthemum und Hippuris angelegt, so dass ihr Nach- weis oft langes Suchen erfordert. Der Centralkern entsteht stets durch Verschmelzung der beiden ^) Vergl. Strasburger: Befruchtung uud Zelltheilung p. 46. Angiospermen uud Gymnospermen p. 25. 2) Vergl. Strasburger: Eefriiclitung und Zelltheilung p. .38. 126 Dr. Alfred Fischer, Polkerne, von denen entweder beide beweglicli sind und, sich auf- suchend, iu der Mitte des Embryosackes versclimelzeu , oder der obere ruhig liegen bleibt und den unteren Polkern erwartet. Das erstere Verlialten zeigeu Delphinium und Myosurus, Ribes, Cydonia, Geum und Rubus, das letztere die untersuchten Centrospermen ' ), Helianthemum, Hippuris, Sanguisorba und Agrimonia. Die Embryosackniutterzelle entstammt in alien Fallen der sub- epidermoidalen Schicht, welche bei den Dialypetalen ihre scharfste Ausbildung erlangt und durch Hippuris an das Verhalten der Gamopetalen angekniipft wird. Tapetenzellen werden nicht all- gemein abgegeben, doch finden sich oft constante Verhaltnisse, selbst iu grosseren Verwandtschaftskreisen, me beispielsv/eise bei den Centrospermen. Einen betrachtlicheu Antheil an dem Auf- baue des Nucellus erlangen die Tapetentheilungen bei Chenopodium. Die Epidermis bleibt in einer grossen Anzahl von Fallen ein- fach, jedoch gehort eine pericliue Verdoppelung ihrer Elemente nicht zu den Seltenheiten. Noch ausgiebiger gestalten sich ihre Theilungen bei Delphinium, den Rosaceen und Helianthemum, wo sie das Wachsthum des Nucellusscheitels befordern. Fiir Hippuris war ein eigenthiimliches Verhalten der Epidermis zu verzeichnen, welches an die gleichen Vorkommnisse bei Gamopetalen erinnert. Meisteus wird nur eine einzige Mutterzelle angelegt, so bei den Centrospermen, Ranunculaceen und Ribes, wo hie und da eine Verdoppelung der Anlage auftritt. Regelmassig werden bei He- lianthemum und den Rosaceen raehrere Mutterzellen angelegt, deren Entwicklungsfahigkeit anfangs gleich ist, bis eine derselben, meist die mittlere, die Oberhand gewinnt, so dass schliesslich doch nur ein Embryosack zur Ausbildung gelangt. Nur primare Tochterzellen gehen bei Chenopodium und Sa- bulina aus der Mutterzelle hervor. Durch Theilung der unteren dieser Tochterzellen entsteht eine Reihe von drei Zellen bei Allionia, Gomphrena, Cydonia, Geum und Myosurus, ausnahmsweise bei Chenopodium. Vier secundiire Tochterzellen endlich werden bei Delphinium, Ribes, Helianthemum (selbst bis sechs), Sanguisorba, Rubus, Polygonum und Hippuris erzeugt. Bei sammtlichen Dialy- petalen ist es die unterste Zelle der Tochterzellreihe , wie viel Glieder sie auch habe, und ausschliesslich die unterste, welche zum Embryosack auswiichst, so dass Rosa livida bis jetzt die einzige Ausnahme repriisentirt. 1) Fiir Polygonum vergl. Strasburger: Angiospermen etc. p. 7. Ziir Kcuulniss der Embryosackcntwicklung eiuiger Angiospermcn. 127 Figurenerklarung. I. Monocotylen. Tafel II. Fig. 1 — 4 Elodea canadensis ^^"/j. Fig. 1. Embryosackmutterzelle ; ihr Kern in Theiluug. Fig, 2. Ausbildung der Embryosackzelle und Verdriiugung der Ubrigen secundiiren Tochterzellen. Fig. 3. Embryosack mit Eiapparat, Gegenflisslerinnen und unver- schmolzenen Polkeruen. Fig. 4. Bildung des Centralkerues. Fig. 5 — 9 Alisma Plantago ^^"/j. Fig. 5*. Junges Ovulum mit Embryosackmutterzelle. Fig. 5^ Dasselbe mit Bildung der primaren Tochterzellen. Fig. 6. Verdriinguug der oberen Tochterzelle uud Theiluug des Embryosackkernes. Fig. 7. Bildung der secundaren Tochterkerne. Fig. 8. Embryosack mit unverschmolzenen Polkerneu, Eiapparat und Antipoden. Fig. 9. Befruchteter Embryosack, die Bildung des Centralker- nes zeigeud. Die Synergiden desorganisirt. Fig. 10 — 15 Triglochin palustre. Fig. 10 — 12, Jugeudliche Eichen, die Entwicklung der lutegu- mente zeigend. Die Richtuug des Pfeiles giebt den Yerlauf der Pla- centa von oben nach unten an. ^^^Ji- ai = ausseres Integument, ii = inueres Integument. Fig. 13. Verdriingung der Schwesterzellen des Embryosackes. Fig. 14. Reifer Embryosack mit Eiapparat, Gegenfusslerinnen und eben verschmelzenden Polkernen. ^^^/i* Fig. 15. Abnormes Vorkommniss zweier Keimsacke in eiuem Eichen. 7 5 0/^. 128 Dr. Alfred Fischer, Fig. 16 — 19 Carex praecox. Fig. 16. Ovulum mit Mutterzelle. ^^^j^. Fig. 17. Verdraugung der secundaren Tochterzellen durch die Embryosackzelle. ^^^Ii- Fig. 18. Embryosack mit unvereinigten Polkernen. ''^^Iy- Fig. 19. Derselbe nach vollzogener Bildung: des Centralkernes. 75 Vi- Fig. 22. Fig. 23. Fig. 24. Fig. 25. Fig. 20 und 21 Ehrharta panicea. Fig. 20. Embryosackmutterzelle. ^^^Ii- Fig. 21. Verdriingungsstadium. ^^^jf Tafel III. Fig. 22 — 29 Ehrharta panicea. Primare Tochterkerne. ^^^/i- Secundare Tochterkerne. ^^^Ii- Theilung der secundaren Tochterkerne. ^^^Ii- Fertiger Embryosack mit unverschmolzenen Polkernen. Der Inuenraum des Keimsackes von Plasmaplatten durchsetzt. ^^^Ji- Fig. 26. Wanderung des unteren Polkernes in den Scheitel des Keimsackes. Beginnende Vermehrung der Gegenfiisslerinnen. ^^"/j. Fig. 27. Vollendete Vereinigung der Polkerne zum Centralkern, in dem ihre Kernkorperchen noch nicht vereiuigt. Weitere Vermeh- ruug der Gegenfiisslerinnen. ^^^Ii- Fig. 28. Befruchteter Embryosack mit dem Ei und den beiden ersten Endospermkernen. Die Gegenfiisslerinnen noch unversehrt. Fig. 29. Desorganisation derselben. Die Kerne des Endosper- mes in Theilung. ^^^Ii- Fig. 30 — 36 Alopecurus pratensis. Embryosackmutterzelle. ^^^Ji- Priraiire Tochterzellen mit Theilung der unteren. ^^*^/i. Verdriingung der iibrigen Tochterzellen. ^^^Ii- Desgleichen mit Theilung des Embryosackkernes. ^^^Ii- Gegenfiisslerinnen mit erster Vermehrung ihrer Kerne. Ausgebildete Gegenfiisslerinnen mit bedeutender Ver- Kerne. 5 5o/^, Eiapparat mit Centralkern. ^^°/i. Fig. 37—40 Sesleria coerulea. ^^"/j. Die vier secundiireu Tochterzellen. Fig. 30. Fig. 31. Fig. 32. Fig. 33. Fig. 34. 330/^. Fig. 35. mehrung ihrei Fig. 36. Fig. 37. Zur Kcuutniss der Embryosackentwickluug eiuiger Angiospermen. 129 Fig. 38. Verdriingung. rig. 39. Eiapparat mit don vcrschmelzcudeu Polkeriven. Fig. 40. Gegenfiisslcrinneu mit vcrdoppclteu Keraeu. Fig. 41 — 46 Mclica uutans. ^''"/i- Fig. 41. Muttcrzelle des Embrj'osackes. Fig. 42. Primiire Tochterzelleu. Fig. 43. Dieselben mit verdoppelten Keraen. Fig. 44. Verdriiaguug der oberea primiireii mit ihreii beiden Kerucn durch die uutere, welche zum Embryosack wird. Ihre Kerne werdeii zu primiiren Tochterkernen. Fig. 45. Secundiire Tochterkerue. Fig. 46. Embryosack mit Eiapparat, Gegeiifusslerinueu und ver- Bchmelzeudeu Polkeruen. Fig. 47 und 48 ilelica altissima. ^^^li- Fig. 47. Zweikernige, primiire Tochterzelleu. Fig. 48. Yerdriinguug der oberen, wie in Fig. 44. Fig- 49 — 52 Luzula pilosa. Fig. 49. Juuges Eicheu mit Mutterzelle. ^^^Ii- Fig. 60. Primiire Tochterzelleu. ^^"/i- Fig. 51. Verdriingungsstadium. ^^°/i- Fig. 52, Befruchtungsfiihiger Embryosack. '^'^/i- II. Dialypetale Dicotylen. Tafel III. Fig. 1 — 3 Cheuopodium foetidum. Fig. 1. Junges Eicheu mit Mutterzelle, uachdem die Tapeten- zelle sich gespalten. ^^^/i- Fig. 2. Primiire Tochterzelleu, Verdoppelung der Epidermis. Fig. 3. Abuorme Theiluug der unteren primiiren Tochterzelle. Nur eine eiufache Tapeteuzelle. ^^'^/i- Tafel IV. Fig. 4 — 6 Cheuopodium foetidum. Fig. 4. Verdriingung der oberen, primiiren Tochterzelle durch ihre Schwesterzelle , welche zum Embryosack wird. Theiluug des Em- bryosackkernes. Die iibrigen Zellen, dereu Inhalt gezeichnet wurde, Bind Abkommliuge der Tapeteuzelle. ^^^Ii- Fig. 5. Dasselbe mit deu primiiren Tochterkernen. ^^"/i. Fig. 6. Befruchtungsfiihiger Embryosack. '^"/i- Bd. XIV. N. F. VI, 1. 9 F 'g- 7. F 'g- 8. Tapetei izelle. F ig- 9. zelle. 330/^. F ig- 10. 130 Dr. Alfred Fischer, Fig. 7 — 12 Gomphrena decumbens. Ovularhocker mit zwei Mutterzellanlagen. ^^''/i- Das Ovulum mit der Mutterzelle und der gespaltenen 330/^. Verdriingung der Tochterzellen durch die Embryosack- Vier Kerne im oberen Etabryosackende, im unteren die Gegenfusslerinnen mit dem untereu Polkern. ^^^ji- Fig. 11. Eiapparat mit den verschmelzenden Polkernen. ^^^Ii- Fig. 12. Abuormes Vorkommniss von 2 Eiern, welche leider durch den Schnitt aus ihrer natiirlichen Lage gebracht siud. (Vergl. Text.) 5 5 0/^. Fig. 13 — 19 Allionia nyctaginea. Fig. 13. Mutterzelle. 5 5o/^. Fig. 14. Abnorme Theilung der oberen primiiren Tochterzelle. Fig. 15. Yerdrangung der beiden oberen dieser Zellen. ^^^ji- Fig. 16. Eiapparat und Gegenfiisslerinnen mit unverschmolze- nen Polkernen. ^^"/f Fig. 17. Verschmelzung derselben unterhalb des Eies. ^^^Ii- Fig. 18. TJnteres Ende des Embryosackes , um 90*^ gegen Fig. 26 gedreht. sso/^. Fig. 19. Embryosack mit Centralkern. ^^°/i- Fig. 20—25 Sabulina longifolia. ^^o/^. Fig. 20. Ovularhocker mit Tapetenzellen. Fig. 21. Kerntheilung der Mutterzelle. Fig. 22. Verdrangung der oberen, primaren Tochterzelle. In der unteren liegen die primiiren Tochterkerne. Fig. 23. Dasselbe, aber mit unvollendeter Theilung des Embryo- sackkernes. Fig. 24. Embryosack mit den unverschmolzenen Polkernen. Die Gegenfiisslerinnen in Ruckbildung. Eiapparat deutlich. Fig. 25. Eiapparat mit anderer Anheftung des Eies. Bildung des Centralkernes. Fig. 26^ Delphinium villosum. ^^^[i- Fig. 26*. Junges Eichen mit zwei Mutterzellen. Fig. 26^ und 27 Delphinium tridactylon. 3 3 0[^. Fig. 26 ^ Primare Tochterzellen mit Theilung der oberen. Fig. 27. Dieselbe Theilung mit den secundiiren Tochterzellen der unteren primaren. Zur Kenntniss dcr Embiyosackcntwicldunj; cinigcr Angiospcrmcn. 131 Fig. 28 und 29 Delphinium villosum. ■*'^*'|i- Fig. 28. Zwci Embryosackzcllcn neben einander, ihre Schwe- sterzclleu vcrdriiiigend. Fig. 29. Eiapparat mit, abnormer Weise, uur zwei Antipoden. Verschmclzuug dcr rolkernc. Fig. 30 — 34 Helianlhemum llhodax. Fig. 30. Eia juuges, orthotropes Ovulum mit deu gesonderten Ilockera der beideu Integumente uud zwei Mutterzellen mit Tapeten- bildung. ^'"^Ii. Fig. 31. Beginneude Theilung der oberen primareu Tochter- zelle und rollendetc Theilung der unteren. ^^^Ii- Fig. 32. Eiu Ovulum mit drei auf verschiedeueu Entwicklungs- stufen steheuden Tochterzellreiheu. ^^^/i- Fig. 33. Embryosack mit den Gegeufiisslerinnen uud den ver- schmelzenden Polkernen. Das Ei durch den Schnitt eutfernt, die Sy- nergiden vorhanden. ^^^/j- Fig. 34. Vollstandiger Eiapparat. ^^^^/j. Fig. 35 — 39 Eibes aureum. ^^"^/i. Fig. 35. Ovularhocker. Fig. 36. Embryosackrautterzelle mit zwei Tapetenzellen. Fig. 37. Theilung der Mutterzelle. Fig. 38. Primare Tochterzellen mit stark gequollener Scheide- wand. In der unteren beginnende Theilung. Fig. 39. Verdrangung von drei dieser Zellen durch die vierte, welche zum Embryosack wird. Tafel V. Fig. 40 und 41 Ribes aureum. Fig. 40. Befruchtungsfiihiger Eiapparat mit Gegenflisslerinneu und Centralkern. Fig. 41. Eiapparat in natiirlicher Lage, gegen vorigen urn 90<^ gedreht. Fig. 42 — 48 Hippuris vulgaris. Fig. 42. Junges Eichen mit Theilung der Mutterzelle. 5 5 0|^- Fig. 43. Friih erfolgte Verdrangung. Theilung des Embryo- sackkernes. ^^°/i- Fig. 44. Tier secundare Tochterzellen. ^^"/i- Fig. 45. Verdrangung spat eingetretcu. In dem Embryosack die primaren Tochterkerne , von denen der untere bereits wieder in Theilung. 5 5 0^^, 132 Dr. Alfred Fischer, Zur Keuntniss d. Embryosackentwicklung etc. Fig. 46. Der Nucellus mit eiuem Theil des Integumentes , die eigenthiimliche Gestaltung der Zellen am inueren Integumentrand zei- gend. Primiire Tochterkerne. ^^"^/i- Fig. 47. Keifer Embryosack. ^^"/i- Fig. 48. Das Ei mit den verschmelzenden Polkernen. ^^^Ii- Fig. 49 — 53 Cydonia japouica. ^^*^/i. Fig. 49. Ovularhocker. Fig. 50. Primare Tochterzellen. Fig. 51. Embryosack mit primaren Tochterkernen und den Ee- sten seiner verschleimten Schwesterzellen. Fig. 52. Secundare Tochterkerne. Fig. 53. Embryosack mit Eiapparat, Gegenfiisslerinnen und in Verschmelzung begriffenen Polkernen. Fig. 54 — 56 Geum strictum. Fig. 54. Die subepidermoidale Schicht am jungen Eichen nach Abgabe von Tapetenzellen und DifFerenzirung mehrerer Mutterzellen. Fig. 55. Mehrere Embryosackzellen auf dem Stadium, in wel- chem eine derselben die Oberhand gewinnt und die anderen verdrangt. 550/^. Fig. 56. Embryosack mit Centralkern, Gegenfiisslerinnen und Eiapparat. ^^'^/i- Fig. 57 — 59 Eubus caesius. ^^''/i. Fig. 57. Jugendlicher Nucellus mit der subepidermoidalen Schicht. Mehrere Zellen derselben haben Tapetenzellen abgegeben. Fig. 58. Primare Tochterzellen in mehreren dieser Mutterzellen. Fig. 59. Forderung der untersten Tochterzelle der mittleren Mutterzelle zum Embryosack. Fig. 60 — 64 Sanguisorba officinalis. Nucellus vor der Abgabe von Tapetenzellen. ^^''/i- Vier gleichmassig getheilte Mutterzellen. ^^"/i- Auswachsen der untersten Zelle der mittleren Toch- Primiire Tochterkerne. ^^^/i- Embryosack mit den secundaren Tochterkernen. ^^'^j^. Fig. 64. Keulig angeschwoUenes, oberes Ende des Keimsackes mit dem Eiapparat. Die umgebenden Zellen sind Nucelluszellen. ^^"/i- Fig. 60. Fig. 61. Fig. 62. terzellreihe. Fig. 63. Zur Blastologie der Gattung Hydra. Specielle und generelle Studien zur Morphologie und Entwicke- lungslehre. Von Dr. Wilhelin Haacke, Assistenten am zoologisehen Institut zu Kiel (friiher zu Jena). Hierzu Tafel VI. Gegeu Eude des Jalires 1878 ersah icli aus dem Literatiir- bericlit des „Zoologischen Anzeigers" ^), dass die Tentakeln der Hydra nach einer Arbeit von M. C. Mereschkowskt 2) sich paarweise entwickeln sollen. Ich war damals gerade mit mei- ner morpliologischen Studie iiber die Individualitats- und Grund- formenverlialtnisse der Korallen-Personen 3) bescbaftigt, in wel- dier icb unter Anderem nacbzuweisen sucbte, dass bei den Ko- rallen-Personen das paarweise ontogenetiscbe Erscbeinen der (von mir so genannten) Sarcosepten, Tentakeln und Gastralfilamente, sowie ibre, weder „regular-radiar" , nocb „bilateral-symmetriscb", sondern ampbitbect, beziebungsweise balbampbitbect, zu nennende Grundform, durcb die, bei den Korallen so baufige, Stockbil- dung ursacblicb zu erklaren seien. Unter diesen Umstanden kam icb auf die Veimutbung, dass die Verbal tnisse bei der Tentakel- entwickelung der Hydren abnlicb wie bei der Entwickelung der Sar- cosepten, Tentakeln und Gastralfilamente der Korallen-Persouen liegen mocbten, eine Vermutliung, welcbe micb, wie sicb zeigen wird, nicbt ganz getauscbt bat. 1) I. Jahrgang, 1878. S. 278. 2) M. C. Mereschkowsky, On the Mode of Development of the Tentakles in the Genus Hydra. Ann. & Mag. Nat. Hist. , ser. 5, vol. II, 1878. p. 251—257, PI. XII. ^) Dr. W. Haacke, Zur Blastologie der Korallen. Jen. Zeitschr., Bd. XIII, 1879. S. 269—320, Taf. XY. 134 Dr. Wilhelm Haacke, Ich glaubte nuu, dass die Lektiire des MEiiESCHKOwsKY'schen Aufsatzes schon dazu genugen wiirde, iiiich tiber die Richtigkeit Oder Falschheit meiner Vermuthung zu belehren ; darin aber wurde ich sehr getauscbt, Nur das sali icb sofort, dass namlich diese Arbeit eiiie in meinen Augen ohne Kritik verfasste zu nennen war. Aus diesem Grunde sah ich mich genothigt, die, uuschwer Yorzunehmenden , Untersuchungen , welche meine Vermuthung be- statigen, beziehungsweise als unbegriiudet nachweisen sollten, auf eigene Hand anzustellen. Die Mittheiluug des Resultates dieser Untersuchungen bildet den Zweck der vorliegenden Arbeit. Um jedoch die Bedeutung der von mir beziiglich der Tentakel-Ent- wickelung der Hydra in topographisch-chronologischer Beziehung entdeckten Thatsachen in dasjenige Licht zu setzen, welches ihr meiner Ansicht nach zukommt, muss ich die ganze Lehre von den Hydra -Per son en, deren Gebiete die beziiglichen Untersuchungen zuzuweisen sind, hier wenigstens soweit darstellen, als es der ebengedachte Zweck erfordert. Einige Worte iiber die Species - Unterscheidung in der Gat- tung Hydra muss ich vorausschicken. Ich habe mir viele Miihe gegeben, die nicht griineu Hydren, welche bei mir zur Beobach- tung gelangten, mit Htilfe der vorhandenen Literatur zu bestim- men; aber vergebens. Dadurch bin ich zu der Ueberzeugung ge- kommen, dass die vielen Namen, unter deneu man angeblich ver- schiedene nicht griine Formen als Arten uuterschieden hat, ziem- lich werthlos sind, und dass die Gattung Hydra in dieser Be- ziehung eiuer sorgfaltigen Revision bediirftig ist. Alles, was man bis jetzt zur Unterscheidung nicht griiner Arten herangezogen hat, ist unverwerthbar , weil zu variabel; das gilt iusbesondere von der Farbe, weiterhin von der Anzahl und Lange der Tentakeln, von der Korperform und der Stellung der Knospen zum Mutter- thier. Dagegen habe ich die Verwerthbarkeit eines anderen Merk- mals entdeckt, was uns schon jetzt in die Lage setzt, wenigstens zwei nicht griine Arten auf das Bestimmteste zu unterscheiden. Bei den Knospen der einen Art erscheinen die Tentakeln siimmt- lich gleichzeitig; bei denen der andern erscheinen dagegen zu- nachst nur zwei gegenstandige Tentakeln gleichzeitig, die iibrigen dann nach und nach einzeln. Da meine Arbeit es nothwendig macht, diese beiden Arten zu unterscheiden, ich aber nicht sagen kann, inwiefem dieselben mit den bis jetzt unterschiedenen nicht griinen Formen zusamraenfallen, so bin ich gezwungen, zwei neue Speciesbezeichnungen in Yorschlag zu bringen, welche, wie ich Zur Blastologic ckr Gatlung Hydra. 135 glaube, ciuc uicht bios provisorischc Gcltung babcii Avcrdoii. Icli iicunc (liejeuige von iiiir beobaclitctc iiiclit giline Art, bei wclclior die Kuospcu-Tentakeln glcichzeitig erscheinen, dem durch seine uiiiibertroticueu Expcrimente mit Hydra beriilimten Trembley zum Audenkeii Hydra Tremhlcyi und die zweite Art, an dereu Kuos- pen z unite list uur zwei gegeustiiudige Tentakelu und weiterliin inimer nur je einer zum Vorschein kommen , dem trefflichen Hy- dra - Bcol)acliter und Zeiclmer Rosel von Roseniiof zu Ehren, H. Eoeselii. Xur die Entwickelungsgescliiclite der Tentakeln an den durch Knospuug eutstelienden Polypen ermoglicht bis jetzt eine sicliere Untersclieidung von wenigstens zwei nicht griinen Hydra -Art en; die Vergleiclmng der entwickelten Formen fiilirt zu liochst uubestimmteu Resultaten, wovon sich Jeder iiberzeugen kann, der die einsclilagige Literatur kennt und die Bestimmung einer ilim vorliegenden Form nacli derselben auszufiihren versuclit. Die dritte und letzte mit Sicherheit zu uuterscheidende Art bleibt H. viridis. Eine definitive Untersclieidung der Hydra-Arten soil spateren Beobaclitern vorbehalten bleiben; doch glaube ich, dass eine solche nur mit Benutzung der hier gegebenen Untersclieidung vorgeuommen werden kann. Ich bin iiberzeugt, dass sich sanimt- liche bis jetzt unterschiedene nicht griine Formen hochstens als Varietaten theils von H. Eoeselii, theils von H. TremMcyi heraus- stellen werden , da schwerlich ein anderes so constantes Merkmal, wie das von mir angegebene, aufgefunden werden wird. Bei der Inangrifihahme meiner Aufgabe nun lege ich zweck- uiiissig zuerst meine Auffassung tiber diejenige morphologische Disciplin dar, welche ich Blastologie oder Lehre von den Personen nenne, und welche ich von Hydra darstellen will. Dieses geht aber nicht anders, als dass ich zuvorderst ilber die Disciplinen der generellen Morphologie tiberhaupt spreche. Die Frage, in wie viele verschiedene Disciplinen eine bestimmte Wis- seuschaft zerfallt, ist identisch mit derjenigen nach der Anzahl der Gesichtspuukte , unter denen das beziigliche Gebiet wissen- schaftlicher Forschung betrachtet werden muss. Wenu es nun die Aufgabe der animalen Morphologie oder der allseitigen wissenschaftlichen Erforschung der im Thierreiche sich darbietenden Formenverhaltnisse ist, die Gestalt jedes einzelnen Thieres nach ausserer Erscheinung und innerer Zusammensetzung zu erklaren, so sind durch diese Aufgabe unmittelbar zwei ver- schiedene Hauptgesichtspunkte flir die wissenschaftliche Betrach- tung des Thierkorpers gegeben, nach denen die Morphologie noth- 136 Dr. Wilhelm Haacke, wendig zunachst in zwei Hauptabtheilungen zerfalleii muss; es sind dadurch zwei Hauptfragen gestellt, welche von der Formen- wissenschaft zu beantworten sind. Die Fragen nacli der Grund- form des Tliierkorpers und nach seiner Zusammensetzung aus untergeordneten Formeneinheiten. Die eine Frage — ich wende hier, wenn auch in veranderter Bedeutung, Bezeichnungen an, welche Haeckel 1866 durch seine „Generelle Morpliologie" in die Wissenschaft eingefiihrt hat — lost die Promo rphologie Oder Grundformenlehre, die andere die Tectologie oder Individualitatslehre. Diese Eintheilung der Morphologic in Grundformen- und In- dividualitatslehre ist, wie gesagt, nothwendig durch den Begriif der Moi-phologie, wie er oben festgestellt ist und von unseren be- deutendsten Morphologen aufgefasst wird, bedingt; eine andere Eintheilung ist bei jener einzig zulassigen Definition logischer Weise nicht moglich : denu wenn die Aufgabe der Morphologic in der Erklarung der ausseren Form des Thierkorpers einerseits, seiner Zusammensetzung andererseits , besteht, wenn ferner jede einzelne wissenschaftliche Disciplin gewissermaassen ein in sich abgeschlossenes Ganzes sein muss, so muss die Morpho- logic ohne Frage in zwei Hauptdisciplinen zerfallen, von denen die eine, die Promorphologie , die Aufgabe hat, die Grundform des Thierkorpers, die andere, die Tectologie, seine individuelle Zusammensetzung wissenschaftlich zu erklaren. Nun soil aber die organische Formenwissenschaft nach dem- jenigen Werke, welchem unter der nach dem Auftreten Darwin's erschienenen morphologischen Literatur unzweifelhaft der erste Platz gebiihrt, nach Haeckel's „Genereller Morphologic", zu- nachst nicht in Grundformen- und Individualitatslehre, sondcrn in Anatomie und Entwickclungsgcschichte zerfallen. Diese Eintheilung ist theoretisch unhaltbar, well die bei den Disciplinen, welche sic schaift, der Forderung nach je einem in sich abge- schlossenen Ganzen nicht entsprcchen. Die HAECKEL'sche „Anatomic", welche er weiter in die bei- den Zweige der „Tcctologic" und „Promorphologie" zerlegt, kann dcshalb kcin selbstandiger Hauptzweig der Morphologic sein, weil ihre beiden Disciplinen erst durch Zuhiilfenahmc der Ent- wickclungsgcschichte cinen wissenschaftlichen Charakter erhalten, weil sic ohne dicselbe kein in sich abgeschlossenes Ganzes bildcn konncn. Denn die HAECKEL'sche „Tectologie" sowohl, wie seine „Promorphologie", wie sic beide im crsten Bande der „Generellen Zur Blastologie der Gattung Hydra. 137 Morphologic" dargestollt siiul, liabcn nur den bereits voll- stiiiulig cutwickelten Organismus, bczioliungsweise dcsscn Theile, zum Gegenstandc, sie koiincii ihn wohl kcnncn, aber nicht erkcuncu, lehrcu, welches letzterc nur mit Iliilfe der Entwickc- lungsgeschichte nioglich ist. Da nun diese aber nach Haeckel eiuen selbstiindigen Hauptzweig der Morphologie bildet, da sie mithin von den die „Anatomie" bildeuden Disciplinen, der „Tectolo- gie" und der „Proniorphologie", ausgeschlossen bleibt, so kanu die „Anatomic" nimmermehr eiu fur sich bestehendes Ganzes, ein Hauptzweig der Morphologie sein. Selbstverstandlich verliert dann auch die „Entwickelungsgeschichte" ihre Bedeutung als anderer Hauptzweig der Morphologie, und wir sind auf eine bessere Ein- theilung der letzteren angewiesen. Wenn eine solche nicht mog- lich M'iire, wiirden wir allerdings die HAECKEL'sche jeder andern Yorziehen, und bei der weiteren Eintheilung der obersten morpho- logischen Disciplinen ist sie in der That die eiuzig mogliche und wird uns dort die besten Dienste leisten. Aber die oberste Eintheilung kann, wie schon oben auseinan- der gesetzt, dem Begriff der Morphologie gemass, logischer Weise keine andere sein, als die, welche den einen Hauptzweig der thie- rischen Formenwissenschaft in der Individualitatslehre oder Tecto- logie, den andem in der Grundformenlehre oder Proinorphologie erblickt. Es ist klar, dass nach dieser Eintheilung die Begriffe „Tecto- logie" und „Promorphologie" eine ganz andere Bedeutung nach Inhalt und Urafang erhalten, als bei Haeckel. Denn wahrend das, was Haeckel Tectologie nennt, nur die verschiedenen Stu- fen der thierischen Individualitat unterscheiden und definiren lehrt, ist dieses nur ein Theil dessen, was uns ere Tectologie zu leisten hat. Diese hat nicht nur die verschiedenen Stufen der Individualitat unterscheiden und kennen zu lehren, sie hat auch ihre Entwickelungsgeschichte , individuelle wie paliiontologische, zu erforschen, um die Individualitiitsstufen erkennen und verstehen zu lehren, wodurch die Tectologie erst zu einer einheitlichen wis- senschaftlichen Disciplin wird. Ganz dasselbe gilt von der Pro- morphologie. Diese hat nicht nur, wie sie es bei Haeckel thut, die Momente aufzufinden, nach welchen der Morphologe die Grund- formenbestimmung organischer Korper vorzunehmen hat; die Grundformenlehre muss ausserdem, wie es die Tectologie fiir die Individualitatsstufen thut, die Ontogenie und Phylogenie der orga- nischen Grundformen aufzuhellen suchen, wodurch auch sie erst 138 Dr. Wilhelm Haacke, einlieitlicheu wisseuschaftlichen Charakter und Anspruch darauf erhiilt, der Tectologie als zweiter Hauptzweig der Morpbologie ge- geniiber gestellt zu werden. Freilich muss der promorphologisdien Betrachtung eines Thierkorpers die tectologische vorausgegangen seiu, well die iiussere Gestalt eines solchen, zum Theil wenigstens, diirch seine innere Ziisammensetzung bedingt wird. Deshalb mtis- sen wir als erst en Hauptzweig der Morpbologie die Tectolo- gie, als zweiten die Promorpbologie in Ansprucb nebmen. Die animale Tectologie will die allseitige wissen- scbaftlicbe Erforscbung der Individualitatsverbalt- nisse im Tbierreicbe, und die animale Promorpbo- logie ist die Gesammtwissenscbaft von den tbieri- scben Grundformen. Natiirlicb werden durcb die bier vorgescblagene Eintbeilung an die Morpbologie keine boberen oder aucb nur weiteren Anfor- dermigen gestellt, als es durcb die HAECKEL'scbe Eintbeilung ge- scbiebt; im Grunde genommen soil die erstere nur eine, fiir die morpbologiscbe Praxis ziemlicb gleicbgiiltige, aber das Verstand- niss der Morpbologie erleicbternde, weil logiscbere. Trans- formation der letzteren , von Haeckel gegebenen , sein , dessen nicbt bocb genug anzuscblagendes Verdienst darin bestebt, zuerst der Morpbologie alle diejenigen Fragen formuHrt zu baben, deren Beantwortung von ibr nicbt nur verlangt werden kann, sondern muss ! Jede der von uns unterscbiedenen beiden morpbologiscbe n Disciplinen zerfallt nun weiterbin wieder in zwei Abtbeilungen. Die Tectologie bat, wie scbon oben kurz auseinander gesetzt, zunacbst die Aufgabe, die Principien darzulegen, nacb welcben der Morpbologe verscbiedene Individualitiitsstufen unterscbeidet und den Begriff jeder feststellt. Diese Aufgabe ilbernimmt die Tectonomie (= Tectologie Haeckel), die Lebre von den tbie- riscben Individualitiitsbegriffen. Der Tectonomie gegen- iiber stebt die Tectogenie, die Lebre von der Entwicke- lung boberer Individualitiitsstufen aus niederen, welcbe, da sie Ontogenie und Pbylogenie der Individualitiitsstufen umfasst, wieder eine Zweitbeilung eingeben muss: Sie zerfiillt in die Tecto- tecnie^) oder individuelle und in die Tectopbylie oder paliioutologiscbe Entwickelungsgescbicbte der Individualitiits- stufen. 1) ro xi'A.vov (von tUvw, ich gebiire, erzeuge, verursache, bringe Jiervor), das Erzcugte, Kind. Zar Blastologio dor Oiittung Hydra. 139 Dor Tcctologic eutsprcclicnd zerfiillt audi die Promorpho- logio ill die beideii Disciplinen der Prom or plioiiie trie (= Promorphologie Haeckel) imd Promorpliogenie, voii deueii joue die Momciite ausfiiidig niaclit, iiacli deueii sicli der jMorplio- loge bei Ausmessuug der Grimdform zu richten hat, diese, wel- che ill Promorpliotecnie uiid Promorphophylie zerfiillt, die iiidividuelle imd palaoiitologisclie Eiitwickeluugsgescliicbte der Grundform zu erforscben bat. Die gesammte Morpbologie zerfiillt also in secbs gcsonderte Discipliiieu , dereu Gruppirimg die folgeude Uebersicbt nocb ein- 111 al Yor Aiigeii fiibreii mag: 'o^ Morpbologie. u'^a Tectologie. Promorphologie. 1. Tectonomie. Tectogenie. 4. Promorphometrie. Promorphogenie. 2. Tectotecnie. 3. Tectophylie. 5. Promorphotecnie. 6. Promorphophylie. Mit der Eintbeilung der Morpbologie in die secbs numerir- teu Disciplinen der vorstebeuden Uebersicbt ist es jedocb nocb uicbt genug. Vielmebr konuen imd mtissen wir nocb einen Scbritt weiter geben, iudem wir jede dieser secbs Disciplinen in vier weitere eintbeilen. Diese Viertbeilung der secbs morpbologiscben Disciplinen wird bedingt durcb das Vorbandensein von vier Stufen morpbologi- scber Individualitat, wie es die Tectonomie nacbweist^), durcb die Unterscbeidung von Plastide, Idorgan, Person und Stock. Wenu man dieser Unterscbeidung gemiiss die gesammte Mor- pbologie in Plastidologie oder Lebre von den Plastiden, in Organologie oder Lebre von den Idorgan en, in Blastologie Oder Lebre von den Personen, und in Cor mo logic oder Lebre von den Stocken eintbeilen wollte, so wiirde jede dieser vier Leb- ren, unserer oben gegebeneu Eintbeilung der Morpbologie entspre- cbend, weiterbin in secbs Unterabtbeilimgen zu zerlegen sein. Auf alle Falle erbalten wir letztbin 24 morpbologiscbe Disciplinen, deren Berecbtiguug aus der folgenden Darstelluug der „Blasto- logie der Gattmig Hydra" bervorgeben wird. Da icb Bekannt- scbaft mit den HAECKEL'scben tectologiscben und promorpbologi- 1) Vergleiche dariiber: Eenst Haeckel, TJeber die Individualitiit des Thierkorpers. Jen. Zeitschr., Bd. XII, 1878, S. 1 fF. 140 Dr. Wilhelm Haacke, sclien Leliren liierbei voraussetzen muss, da ferner die Naturge- schichte der Hydra ziemlich allgemein bekannt sein diirfte, so darf ich mir wohl eine ab ovo beginnende und streng gleichmas- sige Behandlung der einzelnen Disciplineii der Blastologie von Hydra erlassen: Ich werde nur dort eingehender werden, wo ich personliche Ansichten ausspreche und meine eignen neuen Beob- achtungen mittheile. Die erste der secbs blastologisclien Disciplinen der Morpbo- logie von Hydra, die Tectonomie der Hydra - Personen oder, wie wir sie auch nennen kounten, die Blastonomie der Hy- dren, stellt folgende Fragen: Was wird bei Hydra „Person" ge- nannt? Wie verbalt sich bei Hydra dieses morpbologiscbe Indi- Yiduum dritter Stufe beziiglicb seiner pbysiologischen Individua- litat? Und welcber Art sind die Hydra-Personen? Schon die erste dieser drei Fragen ist keineswegs leicht zu beantworten. Nacb Haeckel (1. c. , S. 10) ist das „wichtigste und ausschliessliche Merkmal fiir den Begriif der tbierischen Person" „die Zusammensetzung und Entwicklung aus zwei primaren Keim- blattern, Exoderm und Entoderm; sowie der Besitz eines Darm- robrs, das von diesen beiden Keimblattern umscblossen wird." Halten wir diese Begriffsbestimmung der tbierischen Person fest, so ist es zwar zunachst unzweifelhaft , dass wir in dem Gastrula- Stadium der Hydra und weiterhin in dem Pannpfe der entwickel- ten Hydra, desgleichen in den der Tentakeln noch entbehrenden Knospen Reprasentanten der tbierischen Person zu erblicken ha- ben; es bleibt aber fraglich, ob dieses die einzigen solchen bei Hydra sind. Mereschkowsky (1. c, S. 253, Anmerkung) halt die entwickelte Hydra mit ihren Tentakeln filr dasjenige, was wir Stock nennen. Er halt die Tentakeln ebensogut fiir Indivi- duen, fiir Personen nach unserer Auffassung, als den Korper der Hydra, und kommt zu dem Schluss: „the hydranth is a colony". So sehr ich im Anfange geneigt war, uber diese Auschauung zu liicheln, so sehr bin ich jetzt geneigt, mich ihr anzuschliessen. Auch die Tentakeln zeigen „Zusammensetzung und Entwicklung aus zwei primaren Keimblattern, Exoderm und Entoderm", und auch ihnen ist „der Besitz eines Dannrohrs, das von diesen bei- den Keimblattern umscblossen wird", in gewissera Sinne nicht ab- zusprechen; ist ja doch der Tentakel bei Hydra eine Ausstlilpung der Korperwand, so gut, wie die durch Knospung entstehenden jungcn Hydren. Dazu kommt, dass die abgeschnittenen Tentakeln im Stande sind, sich zu vollkommencn Hydren zu entwickeln, ja, Zur Blastologie der Gattung Hydra. 141 dass sie sicli zu diescin Eiide iiiitimter spontan ablosen. Dur selir 5i;e\Yissciiliafte Rosel von Roseniiof ^ bcsdimbt sclir umstand- licli seine dicsbeziiglichen Experimeutc imd Beobachtungcii , und ich fiiide durcliaus keiueii Gruiid, die Wahrhaftigkeit seiner Mit- thcilungen zu bezweifeln. Von Irrtlium kaun bei Rosel hier keine Rede sein; das muss Jeder zugeben, der ihn gelesen und seine unubertroffenen Abbildungen gesehen hat: Was er iiber die Re- generation abgesebnittener und spontan abgeloster Hydra -Ten- takehi niittheilt ist cntweder Wahrheit oder bewusste Darstcllung erfundener Thatsachen. Das letztcre anzunelimen, liegt bei dem trefflichen Rosel durcliaus kein Gruud vor, und es kanu niclit ins Gewicht fallen, dass seine Mittheilungen niclit durcb spiitere Experimentatoren und Beobacliter bestiitigt sind; wer hat sich denn die Miihe gegeben, nach Rosel die Hydra wieder so sorg- fitltig zu studiren, wie er? — Wenn also, Avie ich anzunehmeu gezwungen bin, Avenn die Tentakeln der Hydra im Stande sind, eine vollstiindige Hydra zu reproduziren , so mtissen wir ihneu den morphologischeu ^Yerth einer Person zuschreiben ; denn es ist / im gesammten Thierreiche kein Fall bekannt, wo ein blesses Or- 9 gan , was ein Hydra-Tentakel andernfalls sein mlisste , den voll- 1 standigen Organismus reproducirt hiitte. Aus diesem Grunde halt ' ja auch Haeckel mit Recht die Arme der Seesterne nicht fiir blosse Idorgane, weil sie bei einigen Arten im Stande sind, fiir sich allein die iibrigen „Astrolenen" sammt dem „Astrodiscus" zu repro- duciren, was kein Idorgan, soweit unsere bisherigen Beobachtun- geu reichen, vermag. — Ich beurtheile die vollstandig entwickelte Hydra ebenso, wie unter den Kalkschwiimmen einen S y c o n. Bei diesem letzteren haben wir eine Hauptperson, welche durch stro- biloide Knospenbildung viele Nebeupersonen erzeugt hat; ganz ebenso bei Hydra: Der Korper der letzteren ist die Hauptper- son, die Tentakeln sind durch strobiloide Knospung hervorge- brachte Nebenpersonen, deren Stellung allerdings localisirt ist. — Die Auffassung, dass die Hydra-Teutakeln Personen sind, wird uns auch, wie sich zeigen wird, bei dem tectophyletischen Abschnitt unserer Blastologie der Hydra zu statten kommen. Die zweite Frage, welche die uns jetzt beschiiftigende Tecto- nomie der Hydra-Personeu zu beautworten hat , ist die : Wie ver- halteu sich die letzteren beziiglich ihrer physiologischen ludividua- / ^) Rosel vonEosenhof, Der monathlich-herausgegebenen Inaecteu- Beluatigung dritter Theil. Niiruberg, 1755. 142 Dr. Wilhelm Haacke, litat? Die Antwort ist nach dem Vorhergelienden leicbt: Wiih- rend des Gastrula-Stadiums ist die spiiter zur Hauptperson wer- dende Hydra-Person ein virtual les physiologisches Individuum, eiu virtuellcs oder potentielles Bion; dasselbe gilt von den unent- wickelten Knospen und von denjeuigen gewaltsam oder spontan abgelosten Tentakeln, welclie spater zu vollkommenen Hydren wer- deu. Solche virtuelle Bionten sind auch diejenigen Theilstiicke, welche nach Rosel's Beobachtungen spontan durcb Tbeilung voll- stiindiger Hydren, senkrecbt zur Langsaxe, entsteben. Hydra- Person en als partielle Bionten existiren nicbt; bocbstens konnte man solcbe abgescbnittene Tentakeln, die nicbt, ungeacbtet des- sen, dass sie uocb eine Zeit lang leben, wieder zu vollstandigen Hydren werden, als partielle Bionten bezeicbnen. Aucb ein actuel- les Bion oder reifes pbysiologiscbes Individuum, also dicjenige In- dividualitatsstufe, welcbe jedem Organismus als dem vollig ausge- bildeten Repriisentanten seiner Species zukommt, kann eine Hydra- Person, sei es Hauptperson oder Tentakel, streug genommen nie- mals sein, da bei Hydra, wenn unsere Ansicbt von den Tentakeln ricbtig ist, das actuelle Bion die Formstufe des Stockes erreicbt. Unsere dritte tectonomiscbe Frage lautete : Wie sind die Per- sonen bei Hydra bescbaifen? Im Gastrula- Stadium und als tenta- kellose Knospen sind sie einaxige und scblaucbformige oder d oroide Personen; solcbe Personen sind aucb die Hauptpersonen und Tentakeln; docb mocbte icb diese dadurcb von den tibrigen doroiden Personen unterscbeiden , dass icb die Hauptpersonen als Strobila-Hauptpersonen bezeicbne, welcbe durcb Knospen- bildung die Tentakeln, die Strobila-Nebenpersonen, er- zeugen und dadurcb einem strobiloiden Stock das Dasein ge- ben. Freilicb sind die Strobila-Hauptpersonen der Hydra in der Weise differenzirt , dass sie nur an dem oralen Korperende Knos- pen treiben, wodurcb sie sicb von den Strobila-Hauptpersonen der Syconen unterscbeiden, welcbe auf der ganzen aussern Korper- oberflacbe Knospenbildung aufweisen. Man konnte die Strobila- Hauptpersonen von Hydra deswegen ungleicbpolige oder be- teropole nennen. Als kreuzaxige oder stauraxonie Personen vermag icb die Strobila-Hauptpersonen der Hydi'a so wenig in An- spnicb zu nebmen, wie diejenigen der Syconen. Eine bestimmte und feste Kreuzaxen - Zabl ist bei Hydra nocb nicbt fixirt, und man tbut besser, nur solcbe Personen kreuzaxige zu nennen, bei denen das der Fall ist, wie bei den Medusen, Ctcnopboren und Korallen , den Wiirmern und den vier typiscben Tbierstiimmen, — Zur Blastologie dor Gattung Hydra. 143 Wenu wir ims jetzt von den bislierigcn tectononiisclien Bc- traclitungeu der Hydra-Personen zu dor Tectogenic dor Ictzte- rcu wcnden und zuniiclist die Tectotecnie behandcln, so ist es vor alien Dingen sehr wiclitig, dass wir streng eine gesclileclit- liclie und eine ungesclilechtliclie Erzeugung der Hydra-Personen unterscheiden. Auf geschlechtlieheni Wege entstelit die Gastrula- Person, aus welclier dadurch eine Strobila-Hauptperson wird, dass sie auf ungeschleclitliclicni Wege die Strobila-Nebenpcrsonen , die Tentakeln, hervorbringt. Die Strobila-Hauptperson ist bei Hydra von Anfang an heteropol, denu die Tentakeln erscheinen nur an ilireni oralen Kiirperende. Eine solche Strobila-Hauptperson kaun aucli ungeschlechtlicli durch Knospenbildung erzeugt werden. Die Tectophylie der Hydra-Personen leitet die letzteren von der Gastraea ab. Aus der Gastraea entstand durch An- passung an sessile Lebensweise der Protascus; aus diesem ent- stand durch Bildung von Nesselkapseln und durch das Erzeugen von Strobila-Nebenpersonen die Archydra. Diese Stammform aller Acalephen besass eine Strobila-Hauptperson, welche auf ihrer ganzen ilussern Korperoberfliiche mehr oder weniger unregelmiissig vertheilte Strobila-Nebenpersonen trug, also in dieser Beziehung gleichpolig war. Die Strobila-Hauptperson der Stammform von Hydra wurde dadurch ungieichpolig , dass diejenigen Nebenperso- nen, welche bei der Archydra der Mundotfiiung zunitchst standen, sich zu den Zwecken des Tastens, der Nahrungsbeschaffung und Vertheidigung , vielleicht auch der Respiration, dienende Organe des strobiloiden Stockes differenzirten, wilhrend die iibrigen Toch- terpersonen sich regelmassig von der Mutterperson abzulosen be- ganuen, um neue strobiloide Stocke zu erzeugen. Wir sehen also, dass die Uuterscheiduug von Strobila-Haupt- und -Nebenpersonen bei Hydra uns die Phylogenese der Tentakeln der Acalephen in befriedigender Weise zu erklaren vermag, was nicht der Fall sein wiirde, wenn wir den Tentakeln bios den Werth von Idorganen zuschreiben wollten, denn es ist nicht einzusehen, wie die Ten- takeln ganz unvermittelt entstehen konnten; dagegen ist es leicht zu begreifen, wie sich aus Nebenpersonen Tentakeln entwickeln konnten. Von der Promo rphologie der Hydra-Personen beschaftigt uns zunachst die Prom orp home trie. Die Tentakeln sind bei Hydra einaxig-ungleichpolig , dasselbe ist bei der Gastrula-Person und den tentakellosen Knospen der Fall. Wenn wir nicht daran festhalten wollten, nur solche morphologische Individuen als kreuz- 144 Dr. Wilhelm Haacke, axig zu bezeichneu, denen eine bestimmte Gruudzahl zukommt, so miissten wir die Strobila-Hauptperson von Hydra als kreuz- axige in Anspruch nelimen ; da die Zalil ilirer Tentakeln aber eine ganz unbestimmte ist, so gehort auch sie zu den einaxigen Formen. Dass der Hauptperson von Hydra keine bestimmte Grundzahl zukommt, zeigt, wie sicli nacbher ergeben wird, ihre Promorpho- tecnie, iiber welche ich specielle Untersuchungen angestellt babe, und auf welche sich auch die Untersuchungen von Mereschkowsky beziehen. Ich babe die MERESCHKOwSKY'sche Arbeit eine kritik- lose geuannt und muss das jetzt rechtfertigen. Wenn wir, wie Mereschkowsky, die Outogenese der Tentakeln bei Hydra in topographisch - chronologischer Beziehung studieren wollen, oder, was dasselbe ist, wenn wir Untersuchungen iiber die Promorpho- tecnie der Strobila-Hauptperson von Hydra anstellen wollen, so miissen wir, vorausgesetzt , dass wir iiberhaupt einigermaassen mit der Naturgeschichte der so vielfach untersuchten Thier-Gat- tung Hydra vertraut sind, jedenfalls zwei verschiedene Beobach- tuugsreihen vornehmen. Es ist erst ens zu untersuchen, wie sich die fragliche Entwickelung bei denjenigen Strobila-Hauptpersonen der Hydra verhalt, die auf geschlechtlichem Wege, also aus dem befruchteten Eie, entstehen, und zweitens muss die Tentakel- Entwickelung bei den auf ungeschlechtlichem Wege, durch Knospung, entstehenden Individuen verfolgt werden. Von vorn- herein voraussetzen, dass diese beiden Arten der Tentakel-Entwicke- lung keine wesentlichen Verschiedenheiten darbieten, ist hochst unkritisch. Mereschkowsky macht aber diese Voraussetzung; er hat, wie aus seinem Aufsatze hervorgeht, nur die zweite, von der ersten streng zu unterscheidende, Art der Tentakelentwicke- lung, und diese keineswegs bei alien Hydra-Species, untersucht und leitet aus seinen Beobachtungen gleich „a very vigorous and constant law" ab, welches die Promorphotecnie der Strobila-Haupt- personen von Hydra beherrschen soil. Es wird sich zeigen, wie viel ein auf solche Weise gewonnenes „Gesetz" werth ist. Die Entwickelung der Tentakeln bei den aus dem befruchte- ten Eie entstehenden Strobila-Hauptpersonen der Hydra habe ich selbst nicht untersucht. Nach den vorliegenden Beobachtungen scheinen bei solchen Individuen gewohnlich zunachst vier Tenta- keln gleichzeitig zu erscheinen. Dieses ist jedoch nicht ausnahms-. los der Fall; so sah Kleinenberg ^ , nach welchem die Zahl der 1) Dr. NicoLATJs Kleinenberg, Hydra. Eine anatomisch-eutwicke- luugsgeschichtliche Uutersuchung. Leipzig, 1872. S. 79. Zur Blastologie der Gattuug Hydra. 145 ursprihiglicli aiigclegtcn Tcntakclii allerdings aiicli gewolinlich vier betriigt, miter soiiien Augcu gleichzcitig sicbeu cutstelieu. Ob sich die verschiedciioii Arten von Hydra beziiglidi der hicr besprocheiien Eiitwickeluiig verschiedcn verlialtcn, daruber finde it'll kcinc positiveu Angabeii. Kleinenbeeg hat ausser Hydra viridis jcdeiifalls uieine, bei Jena, ayo die Untersudiungen auge- stellt wurdcn, ilusserst baufige, H. Roeselii uutersucbt; fraglich bleibt es, ob cr die, uach meiueii Beobacbtungen dort seltene, H. Tremhleyi zu Gesicbt bekonmien bat. Da nun ein so sorgfaltiger Beobacbter, wie Kleinenberg es ist, beziiglidi der bier bespro- cbeneu Promorpbotccuie keinen Unterscbied zwiscbeu den von ihm untersucbten Arten angiebt , so wird ein solcher Unterscbied audi uberbaupt uiebt bestebeu. H. viridis und H. Roeselii werden sich in dieser Beziebung jedenfalls gleich verbalten, und scbwerlich wird sich, wie wir spilter sehcn werden, H. Tremhleyi anders verbalten als die beiden erstgenannten Arten. Bei alien Hydra- Species werden meistens vier, zuweilen aber auch mehr als vier, Tentakeln sich gleichzeitig bei den aus dem befruchteteu Eie entstehenden Individuen sich entwickeln. Ueber die Entwickelung der Tentakeln an den durch Kno- spenbildung an einem Mutterthiere entstehenden Individuen hat Meeesciikowsky allerdings genauere Beobacbtungen angestellt als alle friiheren Forscher, aus dem einfachen Grunde, weil er sie zum Gegenstand einer besondern Arbeit machte, wahrend die altern Angaben sich nur auf gelegentlich gemachte Beobacbtungen bezogen ; aber fiir Beobacbtungen, die eine besondere wissenschaft- liche Arbeit bilden sollen, sind die MERESCHKOwsKY'scheu lange nicht sorgfaltig genug. Nach Mereschkowsky sollen die Tenta- keln der Hydra nach einander in Paaren auftreten, deren beiden Stiicke einander gegeniiberstehen. Abgesehen da von, dass Me- reschkowsky dieses auch fiir auf geschlechtlichem Wege entste- hende Individuen, bei denen es, wie wir gesehen haben, nicht der Fall ist, stillschweigend gelten lasst, trilft es auch nicht bei den durch Knospung entstehenden Strobila-Hauptpersonen aller Hydra- Arten zu, Bei H. Tremhleyi, welche meistens sechs Tentakeln besitzt, entwickeln sich diese sechs Tentakeln an den Knospeu gleichzeitig und sind von vorn herein gleich gross, woven ich mich durch sorgfaltige und wiederholte Beobacbtungen iiberzeugt babe. Wie H. viridis sich in dieser Beziebung verhalt, kann ich leider nicht sagen, da ich im vergangenen Sommer bei Jena und Bd. XIV. N. F. VII, 1. JQ 146 Dr. "Wilhelm Haacke, bis jetzt aucli bei Kiel vergebens nach dieser Art gesuclit habe. Nach Abbildungen Rosel's zu urtheileu, scheinen sicli die Ten- takeln an den Knospen von H. viridis ebenfalls gleichzeitig zu entwickeln; ich glaube dieses auch friiher selbst beobachtet zu haben. Anders ist es bei H. Boeselii^), welche Species, so wie ich sie hier fasse , Mereschkowsky allein untersucht hat. Aber auch hier gelten die MERESCHKOwsKY'schen Angaben nur in beschrank- tem Maasse. Richtig ist, dass an den Knospen, die man an al- teren Mutterthieren von H. Boeselii findet, zunachst nur zwei gegenstandige Tentakeln auftreten. Dieses Verhalten ist sehr leicht zu constatiren ; aber ebenso auffallig ist ein anderes Verhalten der zwei zuerst auftretenden Tentakeln, welches Mereschkowsky je- doch unbegreiflicher Weise gar nicht bemerkt hat: Die zwei alte- sten Tentakeln an Knospen von H. Boeselii nehmen eine ganz bestimmte und unveranderliche Stellung zur Mutterper- son ein. Wenn wir der Bequemlichkeit wegen annehmen, dass die Hauptaxe der Polypen-Knospe senkrecht zur Hauptaxe des Mutter- Polypen steht, wenn wir uns ferner eine Ebene vorstellen, zu wel- cher die Hauptaxe der Mutter senkrecht steht, wahrend die Haupt- axe des Tochter-Stockes in diese Ebene hineinfallt, so ist die Stellung der beiden altesten Tentakeln des Tochter - Polypen in alien Fallen so, dass sie gleichfalls in diese Ebene hineinfallen, also keinen Winkel mit ihr bilden: Sie liegen, kurz gesagt, in einer zur Hauptaxe des Mutterthieres senkrechten Ebene. Da es zur genauen Verstandigung nothwendig ist, die an den sich spa- ter ablosenden Knospen von Hydra Boeselii nach und nach ent- stehenden Tentakeln mit festen Bezeichnungen zu belegen , so will ich die beiden zuerst und gleichzeitig erscheinenden Tentakeln als rechten und linken lateralen bezeichnen. Die folgenden Tentakeln erscheinen immer einzeln, nie gleich- zeitig. Der zunachst entstehende, welcher zu den beiden lateralen senkreckt steht, ist ausnahmslos dem oral en Korperende des Mutter-Polypen zugewendet. Auch diese Thatsache ist leicht zu constatiren ; Mereschkowsky konute sie naturlich nicht bemerken, da es ihm schon entgangen war, dass die beiden altesten Tenta- keln eine bestimmte und unveranderliche Stellung zum Mutter- thier einnehmen. Ich bezeichne den dritten Tentakel als dor- salen. 1) Yergl. Taf. IV uebst Erklurung. Zur Blastologie der Gattung Hydra. 147 Dcr uacli dem dorsalen zunilclist crschcincnde Tciitakcl steht dem ersteren gegeuiiber, ist also dem aboraleu Elide des Mutter- Polypeii zugeweiidet; icli bezeichiie ihu als ventral en. In Beziig auf die vier illtestcn Tentakeln an Knospen von Hydra EocscUi, den rechtcn iind linken lateralen, den dorsalen und ventralen, hat, wie wir selien, Mereschkowsky wenigstens auniihernd lleclit, wenn er sagt, die Tentakeln der Hydra eut- stehen in Paaren, deren beiden Stiicke gegenstandig sind. Doch beschrilnkt sich diese Behauptiing niclit nur auf die vier altesten Tentakeln, sondem sie beauspruclit auch fiir die jiingereu Gel- tung. Hier ist sie aber entscliieden falsch, wie sich gleich zei- gen wird. Der fiinfte Tentakel war in alien von mir beobach- teten Fallen ein dorso-lateraler, nie ein ventro-lateraler, er gehorte bald der rechten, bald der linken Seite an. Nach Me- reschkowsky's Angaben hatte nun der sechste Tentakel ein ventro-lateraler sein miissen; er hatte dem fiinften diametral gegeniiber stehen miissen und hatte z. B. der linken Seite an- gehoren miissen , wenn der fiinfte Tentakel ein dorso-lateraler der rechten Seite war. Das fand aber in den Fallen, welche ich be- obachtet habe, niemals statt: Auch der sechste Tentakel war immer, gleich dem fiinften, ein dorso-lateraler; er stand links, wenn der fiinfte rechts stand , und rechts , wenn der fiinfte der linken Seite angehorte. Beziiglich der Promorphophylie der Hydra-Personen zei- gen diese Thatsachen nun , dass das iiber die Tentakel-Entwicke- lung bei Hydra in chronologisch - topographischer Beziehung von Mereschkowsky aufgestellte „Gesetz", welches zwar „very vigo- rous and constant" sein soil, welches aber, wie wir sahen, auf die aus dem befruchteten Eie entstehenden Individuen nicht passt, welches, wie sich ferner zeigte, auch fiir die durch Knos- pung entstehenden Individuen nicht auf alle Hydra- Arten An- wendung finden kann, welches weiterhin schon darum sehr be- denklich erscheinen musste, weil an den Knospen nur die bei- den altesten Tentakeln gleichzeitig entstehen — dass dieses Ge- setz durch die von mir beobachteten Thatsachen iiber die Entwi- ckelung des sechsten Tentakels vollstilndig durchlochert wird. Ein Gesetz, welches die Tentakel-Entwickelung bei Hydra in chrono- logisch-topographischer Beziehung beherrscht, existirt nicht. Nichtsdestoweniger beansprucht diese Entwickelimg bei H. Roeselii ein hohes promorphologisches Interesse. Bei alien Hydra- 10* 148 Dr. Wilhelm Haacke, Arten erscheinen die Tentakeln an den aus dem befruchteten Eie, also isolirt, sich entwickelnden ludividuen in grosserer Anzahl gleichzeitig ; bei H. Trenibleyi und walirscheinlich auch bei H. vi- ridis ist das auch bei den durcli Knospung, also nicht isolirt, entstehenden Individuen der Fall. Bei H. Boeselii dagegen ent- stehen die Tentakeln der Knospen, nicht der aus dem Eie sich entwickelnden Individuen, nicht gleichzeitig; jedoch nicht so, dass man aus dem Verfolge ihres successiven Erscheinens auf eine ihrer Entwickelung zu Grunde liegende Zahl schliessen konnte, sondem vielmehr so, dass die Reihenfolge des Erscheinens un- z\Yeifelhaft von der Stellung der einzelnen Knospen- Tentakeln zu dem die Knospe tragenden Mutterthiere abhangig erscheint. Ganz naturlich muss es uns deshalb vorkom- men , dass die beiden lateralen Tentakeln gleichzeitig erscheinen, denn sie besitzen zum Mutterthiere eine relativ gleiche Stel- lung, also gleiche Entwickelungsbedingungen. Die letzteren sind dagegen vers chie den fiir den dorsalen und ventralen Tentakel, von denen der erstere dem oralen, der letztere dem aboralen Ende des Mutterthiers zugekehrt ist, woraus sich ihr ungieichzeitiges Erscheinen begreifen lasst. Nun konnte man freilich erwarten, dass die beiden dorso-lateralen Tentakeln, welche zum Mutterthier eine relativ gleiche Stellung einnehmen, wieder gleichzeitig er- scheinen wiirden. In gewissem Sinne thun sie das auch, da sie beide vor den ventro-lateralen zum Vorschein kommen, und ihr ungieichzeitiges Erscheinen erklart sich wohl daraus, dass die physiologische Thiitigkeit, welche bei der Entwickelung der Tenta- keln obwaltet, nach dem Hervorbriugen von vier Tentakeln schon zu sehr in Anspruch genommen ist, als dass sie weiterhin noch mehr als einen Tentakel gleichzeitig hervorbriugen konnte. Bei der Entwickelung der Tentakeln an den Knospen von H. Boeselii wird es sich besonders um die mehr oder weniger giinstigen Entwickelungsbedingungen handeln, denen die einzelnen Tentakeln unterworfen sind, und diese Entwickelungsbe- dingungen sind in den ganz ausserlichen des fiir die Entwickelung erforderlichen Raumes zu suchen. Der meiste Raum ist dort vor- handen , wo die beiden lateralen Tentakeln erscheinen ; und eben deswegen erscheinen zuerst hier zwei Tentakeln, die darum gleich- zeitig erscheinen, well sie in Bezug auf den verfiigbaren Raum gieichgestellt sind. Nach dem Erscheinen dieser beiden Tentakeln ist dort der meiste Raum , wo sich der dorsale und ventrale Ten- Zur Blastologie dcr Gattung; Hydra. 149 takol ontAvickeln; wcshalb dcr clorsalc zuerst crschciut, wisscn wir freilich uocli nicht. Ebeii so Nvcnig wisseii wir, wcshalb die Tcii- takclii au den Knospcu uiclit aller Hydra-Artcn uiigleiclizcitig cr- schciiien. Dagcgcn ist es leicht bcgrciflich, wcshalb sie an den aus dcm Eie cntstchcnden ludividucu in gross erer Anzahl glcich- zeitig erscheincn : Hicr siud sic in Bezug aiif den vcrfiigbaren Raum gleichgestcllt. Was iius die Hydra hicr Ichrt, ist weniger fiir ihre eigne Promorphophylie , als fiir die andcrer Zoophytcn, und naraentlich der Kor alien und Mediisen, von Interesse. Die Personen der Korallen besitzen kcine regulilr-strahlige , sondcrn cine amphi- thecte, in viclcn Fallen sogar cine halbamphithecte, also eine „bilateral-symmctrische", Grundform. Die so beschaffcnen Korallen- Personen nehmcn bei den stockbildenden Arten eine ganz ahnliche bestiimute Stellung zum Stock ein, wie die etwa dreitentaklige, cben- falls „bilatcral-synmictrischc", Knospe von H. Roeselii zum Mutter- thier. Aus diesem Grunde babe ich die „bilateral-syminetrische" Grundform der Korallen - Personen als ein Produkt der Stockbil- dung erkliirt. Dass ich Recht gehabt habe, beweist die Pro- morphotecnie der Strobila - Hauptpersonen von H. Roeselii: Hier sehen wir den unzweifelhaften Einfluss der Stockbildung auf die Grundform der den Stock zusammensetzenden Personen ganz deut- lich, ein Einfluss, dessen Spuren an der entwickelten Hydra des- halb nicht mehr zu finden sind, well die in ihrer Teutakelbildung beeinflusste Knospe sich friihzeitig von dem Mutterstock lost. Bei den meisten Korallen ist das nicht der Fall ; hier bleibt die Toch- ter mit der Mutter vereinigt, hier hat im Laufe von ungemesse- nen Zeitraumen die Stockbildung die Grundform der Personen schliesslich so beeinflusst, dass dieselbe auch bei den entwickel- ten Individuen eine „bilateral-symmetrische" geworden ist, was sie bei den Knospen von H. Roeselii nur im Anfang ihrer indivi- duellen Entwickeluug ist. Kurz gesagt, illustrirt die Promorpho- tecnie der Strobila-Hauptpersonen von Hydra in aller wiinschens- werthen Weise den promorphophyletischen status nascens der „bilateral-symmetrischen" Grundform der Korallen-Personen , und zwar bis ins Einzelne. Bei den Korallen hat sich das ungleichzei- tige Erscheincn der Sarcosepten, Tentakeln und Gastralfilamente, welches bei den durch Knospenbildimg entstehenden Personen durch die Stockbildung verursacht wurde, auch auf diejeuigen Per- sonen vererbt, welche aus dem Eie entstehen, und bei diesen sind 150 Dr. Wilhelm Haacke, es zwei laterale Sarcosepten, zwei laterale Gastralfilamente, welche sich zuerst entwickeln und an die beiden an den Knospen Yon Hydra Boeselii zuerst entstehenden beiden lateralen Ten- takeln erinnern. Bei den jungen Korallen - Personen sind es zwei laterale und ein dorsaler Tentakel, welche grosser sind als die iibrigen, und an den Knospen von Hydra Boeselii sind es wieder die beiden lateralen und der dors ale Tentakel, welche sich zuerst entwickeln. Doch nicht nur die individuelle und palaontologische Entwicke- lung der Grundform der Korallen-Personen, insofern dieselbe eine heterostaure ist, wird durch die Promorphotecnie der Strobila- Hauptpersonen von H. Boeselii in tiberraschender Weise aufgehellt, sondern auch eines der schwierigsten promorphologischen Pro- bleme : Das Problem, welches die Frage nach der Erklarung einer bestimmten Grundzahl, wie wir sie bei Korallen und Qual- len finden, in sich schliesst, und welches in der Abtheilung der Acalephen identisch ist mit der Frage, wie sich aus der, einer bestimmten Kreuzaxenzahl entbehrenden, Strobila-Hauptperson des Hydra-Polypen die durch eine bestimmte Kreuzaxen-Zahl charak- terisirte actinoide, wie wir sie nennen wollen. Person der Me- dusen und Korallen hervorbilden konnte. In meiner Arbeit iiber die Personen der Korallen glaube ich einen der moglichen Wege aufgezeigt zu haben, auf welchem sechszahlige und achtzahlige Formen aus vierzahligen, fiinfzahlige aus sechszahligen hervorge- hen konnten. Ich hatte dort mit Haeckel die Vierzahl, fiir welche bei den Hydro-Medusen ontogenetische , bei den Korallen palaontologische Thatsachen sprechen, als die urspriingliche Grund- zahl in Anspruch genommen, ich hatte aus dieser die Grundzahl sechs und acht und aus der Grundzahl sechs die Grundzahl fiinf abzuleiten und durch die Stockbildung ursiichlich zu erklaren ge- sucht; doch die urspriingliche Grundzahl Vier selbst blieb dort unerklart. Nach dem Studium der Promorphotecnie von H. Boe- selii glaube ich auch fiir die Grundzahl vier der causalen Er- kliirung einen moglichen, wenn nicht wahrscheinlichen, Weg zei- gen zu konnen. Die Grundzahl der erwachsenen Hydra ist eine unbestimmte ; die der sich entwickelnden tentakeltreibenden Knospe von H. Boeselii dagegen bis zu einem gewissen Stadium eine bestimmte, welche dadurch hervorgerufen wird, dass sich die Tentakeln zuerst dort entwickeln, wo sie am meisten Platz finden : Zur Blastologie dor Gattung Hydra. 151 Zucrst cntstchen zwei gegcnstiindige Tentakelu, zu deueu daiin zwei weitere konimen, die sich wicder dort zeigen, wo sie sicli am uiigehiudertstcn cntwickeln koinien, uiid hieraus resultirt die Gruudform eiuer Quadrat-Pyramide danii, weun sich kein fiinftcr Tentakcl entwickelt. Das ist bei //. Boeselii hiiufig genug der Fall. Man fiudet schr oft ausgewacbsene Exemplare dieser Art mit imr vier Teutakeln, und, was das Mcrkwiirdigc ist, diese Vicrzahl ist in den meisten Fallen erblich. Icb babe es oft genug beobachtet, dass die Tocbter es nicbt iiber vier Tentakeln bracbte, wenn die Mutter nur vier batte. Bei solcben Individuen ist vielleicbt die pbysiologiscbe Function der Tentakel - Entwicke- lung erscbopft, wenn vier Tentakeln entstanden sind. Wenn nun dieses Verbalten bei den Stammformen der Acalepben in noch buberem Grade erblicb werden konnte, als es dieses bei H. Boe- selii scbon ist, so ist die urspriingliche Grundzabl Vier erkliirt, sie ist — als Folge der Knospenbildung — aus einer unbestimra- ten Grundzabl abgeleitet und ursiicblicb begriindet. Auf andere Weise ist bis jetzt nocb nicbt eiuzuseben, wesbalb die Vierzahl die urspriinglicbe sein musste. Wesbalb konnte nicbt etwa die Dreizabl die urspriinglicbe sein? Die Antwort giebt, wie gesagt, die Promoi-pbotecnie der Knospen von H. Boeselii. An diesen Knospen entwickeln sicb zuerst dort Tentakeln, wo die Bedingun- gen dazu die giinstigsten sind; nur fiir zwei gegcnstiindige Ten- takeln sind sie im bocbsten Grade und gleicb giiustig: Zwei ge- genstiindige Tentakeln erscbeinen vor den andem und gleicbzeitig. Darauf erscbeint eiu dritter, der wieder einen der beiden, jetzt am giinstigsten, Platze einnimmt. Wir wissen nun zwar noch nicbt, wesbalb er vor dem vierten erscbeint — vielleicbt ist die tentakeltreibende pbysiologiscbe Function scbon zu erscbopft, um nocb feiTierbin mebr als einen Tentakel auf einmal bervorzubrin- gen. Aber es ist fiir einen vierten Tentakel noch gentigender Raum vorbanden und an der giinstigsten Stelle desselben entwi- ckelt er sicb. Auf diese Weise kann vielleicbt die urspriinglicbe Vierzahl mecbauisch erkliirt werden, sie ist als moglicbe Folge der Knospenbildung nachgewiesen. Wir seben, dass es ausser der natiirlichen Zuchtwahl noch andere rein ilusserliche formbildende Ursacben geben kann, welche das, was jene unerkliirt lasst, in befriedigender Weise erkliiren. Dahin gehort die Stockbildung der Hydren und Korallen; nur in ibr ist der Grund zu sucben fiir die heterostaure Gnindform der 152 Dr. Wilhelm Haacke, Korallen-Persouen, fiir die auffiillige Promorpliotecnie der Knospen von Hydra Boeselii , fiir die Vierzalil der Acaleplieu, und wir brauchen kein „Formgesetz" , keiDen „immanenten Bauplan" imd andere dergleichen mystisch - teleologische formbildende Ursachen zu erfinden. Nachschrift. Als ich den vorstehenden Aufsatz nieder- schrieb, war es mir nicht bekannt, dass Engelmann (vergl. „Zool. Anzeiger", I. Jahrg., 1878. S. 77) „die Entwickelung ausserst klei- ner abgeschnittener Tentakelstiickclien zu vollstandigen fiinfarmi- gen Polypen" bei Hydra beobaclitet hatte. Diese Thatsaclie zeigt, dass mein Urtheil uber Rosel richtig ist. Zur Blastologie der Gattung Hydra. 153 Erklarung der schematischen Figuren auf Tafel VI. Fig. I. Hi/dra Roeselii mit einer ihr orales Korperende dem. Beschauer zuwendenden Knospe, welche drei Tentakeln entwickelt hat, deren Stellung zum Mutterthier aus der Figur selbst ersichtlich ist. Die Tentakeln des Mutterthiers sind abgeschnitten dargestellt. — r und I die beiden (grdssern) lateralen Tentakeln der Knospe; d der (kleinere) dorsale Tentakel derselben. oa Hauptaxe des Mutterthiers. Fig. II — VII stellt das successive Erscheinen der Tentakeln an Knospen von H. Roeselii dar. Fig. II : Stadium ohne Tentakeln ; Fig. VII: Stadium mit sechs Tentakeln. Die Eeihenfolge des Er- scheinens der einzelnen Tentakeln ist durch arabische Ziffern ange- geben. Ihre relative Grosse ist in den Figuren durch verschiedene Lange der die Tentakeln darstellenden am einen Ende etwas verdick- ten Linien augedeutet. r und / laterale Tentakeln; d dorsaler, v ven- traler Tentakel; rf/r und dll dorso-laterale Tentakeln. Druck Ton Ed. Frommann in Jena. Das Skelet und Nervensystem von Lepidosiren annectens (Protopterus ang.)') Prof. R. Wiederslieiui in Freiburg i. Br. Hierzu Tafel VII u. VIII. I. Das Skelet. Das Skelet ist, so viel mir bekannt, theils in seinem ganzen Umfang, theils iiur in einzelnen Abschnitten bis jetzt dreimal Ge- genstand der Beschreibiing gewesen. Zwei von den hieriiber er- schienenen Arbeiten, welche wir Owen (I.e.) und Peters (I.e.) verdanken, datiren vom Jalire 1839 resp. 1845 und entsprechen keineswegs den wissenscliaftlichen Anforderungen von Heutzutage. Der dritte Aufsatz beschrankt sich auf die Schilderung des Kopf- skelets und bildet einen Abschnitt des von Huxley verfassten Handbuches der Anatomie der Wirbelthiere. Er ist der ganzen Anlage des Buches entsprechend nur kurz gehalten und oifenbar nur dazu bestimmt, eine allgemeine Uebersicht des dem Schadel zu Grunde liegenden Bauplanes zu entwerfen. Die beigefugten zwei Holzschnitte entsprechen diesem Zweck vollkommen und machen keinen Anspruch auf genaue Durchfuhrung der einzelnen Abschnitte. *) Litteratur. R. Owen. Description of the Lepidosiren annectens, Linnean Soc. Vol. XVin. 1839. Th. Bischoff. Lepidosiren paradoxa. Leipzig 1840. J. Hyrtl. Lepidosiren paradoxa, Monogr. Prag 1845. W. Peters. Ueber einen dem Lepidosiren annectens verwandteu Fisch von Quellimane. Krauss. TJeber einen lebendigen Lungenfisch (Lepidosiren anne- ctens) Owen, Wiirttemb. naturw. Jahresh. 1864. V. Klein. Beitrage zur Anatomie der Lepidosiren annectens. C. Gegenbaur. Schultergurtel der Wirbethiere. A. Giinther. Description of Ceratodus Phil. Trans, of the Royal Soc. 1871. 156 Prof. E. Wiedersheim, Eine solche wird iiberhaupt an der Hand eines Holzschnittes kaum Oder nur sehr schwer zu orreichen sein und sclion aus diesem Grunde erachtete ich die Herstellung genauer litliographischer Ab- bildungen fur hochst wiinschenswertli. Ich gelie nun iiber zur Dar- stellung der Resultate meiner eigenen Studien. A. Der Schadel. Der Schadel von Protopterus liegt tief in die dicken Kau- muskeln eingegraben, ist aber trotzdem leichter als jeder Amplii- bienscliadel frei und rein zu prapariren. Gleich von vornherein filllt der Knorpelreichtlium in den hinteren und seitlichen Partieen auf, doch ist das ganze Gehiiusc auch reichlich durcli Deckknochen^) eingeschient und inacht deshalb einen ausserst compacten, festen Eindruck. Auf der Dorsalseite, dicht unter der Haut liegend, treffen wir einen massig gewolbten, dreieckigeu Knochen, welcher sich gegen die Schnautzenspitze zu stark verjiingt (Fig. 1, 3, 5 bei N). Er ruht auf dem knorpeligen Dach der Nasenkapsel und ich mochte ihn deshalb mit Huxley fiir ein Nasenbein erklaren. Ein Os prae- maxillare kann aus spater zu erliiuternden Griinden nicht darin enthalten sein. An die hintere breite Basis des Knochens legen sich zwei fliigelartige, in der Mittellinie anfangs enge zusammenstossende, spater aber weit von einander divergirende diinne Knochen an (Fig. 1, 3, 5 bei S). Sie sind auch bei L. paradoxa vorhanden und liegen in ein em Niveau mit dem Nasale; dorsalwarts sind sie convex, an ihren ventralen Seiten entsprechend concav und laufen nach hinten zipfelmiitzenartig in zwei zarte Spitzen aus. Diese enden oberhalb der Hinterhauptsgegend und der ganze Knochen erscheint jederseits hoch von der eigentlichen Schildeldecke abge- hoben, so dass man am praparirten Schadel frei dazwischeu durch- blicken kann. Am frischen Praparat ist der ganze Zwischenraum von dem zum Processus coronoideus mandibulae ziehenden M. tem- poralis ausgefullt und mit der gewaltigen Entwickeluug des ge- nannten Kaumuskels bringe ich auch die Entstehung der beiden sonderbaren Knochenlamellen in Verbiudung, d. h. ich halte sie fiir in Folge des Muskelzuges entstandene Ossifica- 1) Der Reichthura oder vielleicht die alleinige Ausstattung mit im Perichondrium entstandenen Knochen ist ein Haupt-Charak- teristikum fiir das Skelet vou Protopterus, wie nach Giiuther fiir dasjenige you Ceratodus. Das Skelet und Nerveiisysteni von Lepidosiren annecteus. 157 tionszoiicii in der Fascia temporalis rcsp. in der fast den gan zen Kopf einliiillenden, subcutanen Fascie iibcr- li a u p t. ]\Iit deni bis jctzt dafiir gebrauchten Nainen „Supraorbi- talknochen" ist niclits erkliirt, ja der Name ist schon deswegen niclit passend, Aveil sie sich weit iiber das Gebiet der Augenhohle hinaus erstrccken ^). Vorne, gegen die Nasenkapsel zu, sind sie an ihrer Unter- fliiche durcli kurzes, straii'es Bindegewebe an die spiiter als Pro- cessus ascendentes, sowie als Processus antorbitales zu besclireibendeu Ausliiufer der Pterygo-palatin-Spauge angeheftet (Fig. 6, 7, AF und Pasc). Unterhalb dieser Knochenlamellen stosst man auf das eigent- liche Schadeldach, welches durch einen einzigen, unpaaren Fronto- parietal-Knochen (Fig. 1, 3, 5, FP) gebildet wird. In der Mittel- linie erliebt er sich zu einer hohen, messerscharfen Kante, von vvelcher ebenfalls der M. temporalis entspringt. Von hier aus fal- len die beiden Seitentheile giebeldachiihnlich steil ab und zwar ragen sie an der lateralen Schadelvvaud vorne weiter herab, als hinten im Bereich der Ohrblase (Fig. 3, FP). Am erstgenannten Punkt sind sie nur durch eine sehr schmale Knorpelzone von den Vorderenden der Ossa pterygo-palatina getrennt und sind erst in ihrer ganzen Ausdehnung zu sehen, wenn man den (spater zu schildernden) Trabecular-Knorpel entfernt, an dessen Innenflache sie sich hinab seulsen. Huxley scheint jene trennende Knorpel- zone nicht anzunehmen und liisst die betreffenden Knochen sich vollkommen beriihren. Die Vorderenden der Fronto-parietalia er- reichen nicht die knorpelige Nasenkapsel, sondern sind von ihr durch eine hiiutige Fontanelle getrennt (Fig. 3, 5, 6 bei Ht), Avelche sich nach vorne zu auch theilweise am Processus ascen- dens des Pterygo-palatinum inserirt (Fig. 3, 5, 6, Pasc). Durch die Seitenpartie dieser bindegewebigen Platte tritt der Opticus (Fig. 5, II) hindurch und in der Medianlinie ihrer dorsalen Flache erblicken wir einen schlanken Knorpelstab, der nach vorne zu sich verbreiternd in das Knorpelgeriist der Nase iibergeht (Fig. 5, 6 Es), Bei einem jungen Exemplar habe ich ihn so stark entwickelt ge- funden, dass er den Zwischenraum zwischen den beiden Processus ascendentes vollkommen ausfiillte und nach riickwarts mit den Stirn-Scheitelbeinen continuirlich zusammenhing. ^) Bischoff nennt sie ihrer Beziehungen zur Muskulatur wegeu „Jochbeine", obgleich er selbst fiihlt, dass damit uicht das Rich- tige getroffen seiu kann. 158 Prof. E. Wiedersheim, Nach hinten laufen die letztgeuannten Knochen in eine Spitze aus und schieben sich damit auf eine ziemliclie Strecke iiber das Supraoccipitale heriiber (Fig. 1, vor Spo^). Dieses schliesst das Schadeldach nach riickwiirts ab und ist an seiner hinteren Circumferenz mit einem oder zwei oberen Wirbelbogen samrat den zugehorigen Dornfortsittzen ^) synostotisch verbunden (Fig. 1,3,5, Spo). Lateralwiirts linden sich zwei Oelluungen (Fig. 5, 12, XII) ftir den Durchtritt der Hypoglossus-Wurzeln ^). Ehe ich nun zur Beschreibung des Primordialschadels iiber- gehe, fahre ich fort in der Betrachtung der tibrigen Schadelknochen und zwar zuniichst in der des 0. ptery go-palatinum (PP). Dies ist eine bogig geschwungene, ausserordentlich starke Knochen- lamelle, welche mit breiter Basis an der vorderen inneren Circum- ferenz des Quadratknorpels beginnend, unter allmaliger Verjiingung ihren Weg nach oben vorne und medianwarts nimmt, um schliess- lich an jener Stelle der Schadelbasis mit ihrem Gegenstuck zu- sammenzustossen, wo wir soust den Vomer und das Palatinum zu suchen gewohnt sind. Die Vereinigung beider Halften in der Me- dianlinie ist kaum noch spurweise durch eine Naht (Fig. 2 Nh) angedeutet und es gehort ein sehr kraf tiger Druck eines starken Messers dazu, um beide von einander zu trennen. Ist das gesche- hen , so sieht man (Fig. 5, SF) wie sie sich an der Stelle ihres Zusammenstosses bedeutend verdicken und pflockartig von unten her in der Regio nasalis einkeilen. Am starksten pragt sich dies aus in der Median-Linie, wo sie das Septum nasale in seiner grossten Ausdehnung constituiren. Fig. 18 illustrirt dies sehr deutlich, und man sieht zugleich, •wie die Pterygo-palatina (PP) in ihrem Innern ein reiches Balken- geriist mit Havers'schen Canalen besitzen. An diesem seinem Vorderende zerfallt nun jeder Knochen ausserdem noch in einige Fortsatze, wovon drei von der Ventral- 1) Basalwarts am Schadel ist eine Gliederung in Wirbelkorper so wenig vorhanden als an der Wirbelsaule. 2) Die Seitenpartieen des Supraoccipitale schieben sich ventral- warts hohlrinnenartig sehr weit gegen die Mittellinie vor, ohne dass sie jedoch an dem mir vorliegendeu Priiparat zu vollstandiger Beriih- rung kamen. Sie bedecken dabei den das Chorda-Ende einhiillenden Knorpel und erscheinen auf einem Sagittalschnitt des Schiidels mit ihrem Schnittrand * auf Pig. 5. Auf seiner medialen Seite ist das Supraoccipitale nirgends von Knorpelmassen iiberlagert, wohl aber an seiner lateralen, durch die Capsula auditiva und deren basale Riick- wartsverlangerung Pig. 3, OB. Das Skelet und Ncrveusystem vou Lopidosirou annoctoas. 159 flitcho dc's Schiidcls her siclitbar sind, wahreiid uns dcr vicrtc nach Absprengung dor Seliiicnknoclieu S schoii ciiimal bcgegnet ist. Ich habe ihn Processus ascend ens (Fig. 6, 7 Pasc) genaunt und ebcuso habe ich fiir einen der drei anderen den Namen Proces- sus antorbitalis vorgeschlagen. Es geschah dies aus dem Grund, weil er nach Lage und Aussehen dem gleichnamigen Gc- bilde der Urodelen, vor allem der Phanerobranchiaten zu entspre- chen scheint. Die zvvei noch iibrig bleibenden Fortsatze schauen in die Mundhohle herein (Fig. 2, 17, 18, E u. E^) und sind mit zwei quer und schief gestellten schneidenden Messern zu verglei- chen. Sie sind mit Email iiberzogen und erzeugen mit denen der anderen Seite eine Kreuzfigur deren hintere Schenkel weit lateral- >Yarts divergiren, so dass zwischen beiden ein nach hinten sehr weit offener Winkel entsteht. Der Fortsatz E tragt zwei hinter- einander liegende schneidende Kanten und die hintere davon liegt in der medianwiirts fortgesetzt gedachten Axenverlangerung des Processus antorbitaUs. Eine genauere Einsicht in diese einiger- massen complicirten Verhaltnisse diirfte erreicht werden durch eine Vergleichung der Fig. 2, 3 und 7 auf welch letzterer die glei- chen Bezeichnungen angebracht, die knorpeligen Nasenkaspeln je- doch entfernt sind. Da diese Abbildung das linke Pterygo-palati- num im Profil zeigt, so sieht man die Zahnlamellen bei E u. E^ nur von der Kante. Die friiheren Beschreiber sind gewiss vollkommen im Recht, wenn sie in der Pterygo-palatiu-Spange nicht nur ein Gaumen- flugelbein, sondern auch noch einen Vomer erblicken. Wie wichtig ubrigens zur Feststellung dieser Ansicht entwickelungsge- schichtliche Studien sein miissten, liegt auf der Hand ; leider sind aber hierfiir des schwer zu gewinnenden Materials wegen nur ge- ringe Aussichten vorhanden. Mit der Innenflache des hinteren Abschnittes vom Pterygo- palatinum kommt jederseits das Parasphenoid (Fig. 2, 5, Ps^) in die engste Beruhrung und erzeugt an dieser Stelle einen von sei- ner Hauptmasse scharf abgeknickten Fortsatz, welcher zusammen mit dem anstossenden Pterygo-palatinum die vordere Halfte der Schiidelbasis kahnartig vertieft (Fig. 2 u. 5). Im Uebrigen ist das Parasphenoid ein sehr einfacher, vorne quer abgestutzter , hinten dagegen stielartig ausgezogener, dorsal gehohlter Knochen, ganz von demselben Typus, wie er Fischen und Amphibien cigenthiimlich ist. Mit seinem hinteren Ende um- scheidet er ventralwarts den Chorda-Kuorpel , desscn dorsale, von 160 Prof. E. Wiedersheim, Seiten des Supraoccipitale gelieferte Hiilse wir oben schon kenneu gelernt haben. Was das Parasplienoid allein von demjenigen anderer uiederer Wirbelthiere unterscheidet , ist der Umstand, dass es erstens, wie schon erwiihnt, vorne qucr abgestumpft erscheint, und dass es fer- ner lange nicht so weit nach vorne reicht, sondern von dem Punkte H auf Fig. 2 und 5 durch Knorpel (Prs) fortgesetzt wird. Da letzterer unter scharfer Knickung von ihm abgeht, so kann man auch hier, wie bei Selachiern (Gegenbaur) von einer „Basal- ecke" reden. Aussen an der Quadrat-Region liegt ein langer, schmaler Knochen Fig. 1—5, Sq, welclier dem Squamosum oder Tympani- cum der Amphibien entspricbt. Sein uuteres, abgerundetes Ende einer — sowie der hintere Ursprung des Pterygo-palatinum (Fig. 5, PP) andererseits sclieiden das Gelenkende des rein knorpeligen Quadratums (Qu) von aussen und innen ein, wodurch demselben der geniigende Grad von Festigkeit verliehen wird, um als solides Widerlager fur die Mandibula dienen zu konnen. Ganz nahe dem Hinterrand des Squamosums liegt ein zarter Knochensplitter und nicht weit davon ein zweiter von dreieckiger Form (Fig. 3, Op, Op^). Beide halte ich fiir Opercularia was aus ihren nahen Beziehungen zu der Kiemenfalte deutlich hervorgeht. Der erstc davon ist einerseits an die Regio quadrata des Squamo- sum und das obere Ende des Hyoids (Hy), der zweite nur an letz teres durch kurzes, straffes Bindegewebe befestigt. Zwei seitlich am hiuteren Abschnitt der Schadelbasis sitzende, stabartige Knochen (Fig. 1 — 3, KR) bringe ich spater im Zusam- menhang rait dem Visceralskelet zur Sprache. Ich gehe nun iiber zur Betrachtung des Primordialschadels ^), der auch beim erwachsenen Thier im ausgedehntesten Maasse er- halten und auf sammtlichen Abbildungen durch einen blauen Farb- ton hervorgehoben ist. Auf den ersten Blick erkennt man, dass die knorpeligen Scha- delpartieen ihren ganzen topographischeu Beziehungen nach in erster Linie den Trabekeln, den Parachordal-Elementen und den damit verschmolzenen Ohrblaseu der librigen Vertebraten entsprechen. Sie betheiligen sich stark am Aufbau der seitlichen Schadelwand (Fig. 1, 4, 5, 6, Tr) und sind hier von den Trigeminuslochern durch ^) Bei Ceratodus ist er viel ausgedehnter und bildet eine rings geschlossene Kno rpelkap sel, ganz wie bei Selachiern. Ygl. Giinther, Taf. XXXV Fig. 2. Das Skelet unci ]Siervens3'8tem von Lepidosiren auuectcus. 161 bohrt (Fig. 1, 3, V^ — V). Dcr Ilaiim zwisdieii Squcamosuni, Pa- rasplieiioidcum, Pterygo-pakitinum, Occipitale und Fronto-parictale wird von ihneu vollkoiniuen ausgcfiillt und sie erzeugon in der Rcgio pctrosa cine auf der ventralen, wie auf der dorsalen Seite deutlich ausgebauchte Gehorkapsel (Fig. 1 — 3, Ob u. Ob^). Ein Foramen ovale ist nicht vorhandcn, dagegen sind die drei Bogen- giinge gut entwickelt und durch den Knorpel hiudurch wohl zu erkennen. In nocli viel liiJlierem Grade ist dies aber der Fall, wenn man das Priiparat etwas eintrocknen lasst, was den Effekt hat, die betreffeuden Gebilde als deutliche Wiilste bervortreten zu lasseu. Dicht vor der Gehorblase (Fig. 2, VII) liegt basalwarts das Facialisloch, ^Yabreud hinter ihr der Glossophary ngeu s (IX) und Vagus (X) durchtritt. An letzterer Stelle zieht sich der Knorpel weit an der Schildelbasis hinunter zum hintersten, schnabelformigen Ende des Parasphenoids, verlauft darauf median- warts und stosst von beiden Seiten dorsal wiirts von dera letztge- nannten Knochen in der Medianliuie unter Bildung einer unpaaren Platte zusammen. Diese hiingt mit den Hiillmassen der Chorda (Fig. 5 HM) innig zusammen und entspricbt dem Basi-occipitale der Amphibien. Ueber ihr Verhulten zum Supraoccipitale und Parasphenoideum babe ich mich friiher schon ausgesprochen und komme jetzt nicht mehr darauf zuriick. Wie nun die Knorpelmassen ventralwiirts zusammenstossen, so thun sie es auch dorsalwiirts und zwar geschieht dies unter- halb der Hinterenden des unpaaren Fronto-parietale, welches man deshalb zuvor absprengen und bei Seite legen muss. Man sieht dabei, dass die vom Gehorsack herauf ziehenden Knorpellamellen auch noch das unter den Fronto-parietalia steckende Vorderende des Supra-occipitale iiberlagern. Wir haben es somit — und um dies deutlich zu erkennen, vergleiche man auch die einen Sagittal- schnitt durch den Schildel darstellende Figur 5 bei Su — in der Regie petroso-occipitalis mit einem rings vollkommen geschlossenen, theilweise vom Supra-occipitale austapezirten Knorpelrohr zu schaf- fen. Auf derselben Figur sieht man auch, wie der Gehorsack, ganz iihnlich wie bei Teleostiern, gegen das Cavum cranii herein weit geofinet ist (OB ^). In der Richtuug nach vorne verschmalern sich die trabecula- ren Knorpelziige, wiihrend sie von aussen her die Contactstelle zwischen Fronto-parietale und Parasphenoid umgreifen. Beziiglich des letzteren Punktes stimmen sie mit M e n o b r a n c h u s und P r o - Bd. xm. M. F. v:i, 2. 2 2^ 162 Prof. E. Wiedersheim, teus uberein (vergl. hieriiber meine Arbeit iiber das Kopfskelet der Urodelen (Morph. Jahrbuch III)). Eine weitere Aehnlichkeit mit den Kiemenmolchen liegt darin, dass die Trabekeln mit ihren Vorderenden in der Mittellinie zusammenflliessen , doch geschieht dies hier in viel starkerem Grade, namlich unter Bildung einer laugen und breiten Knorpelplatte, welche Huxley (1. c.) Praesphe- noid neunt (Fig. 2, Prs). Ich habe oben schon erwahnt , dass sie sich unter scharfem Bug vom vorderen Ende des Parasphenoids ab- setzt und zum Theil noch in die Mundhohle frci hereinschaut. Von hier aus krummt sie sich wie das Vorderende eines Nachen- bodens allmalig nach oben und bringt so das Cavum cranii nach vorne zum Abschluss (Fig. 5, Prs). In der Medianlinie des Scha- dels jedoch besitzt die Ethmoidplatte — denn als eine solche haben wir sie aufzufassen — einen von oben in sie eindringenden Aus- schnitt und diesem Umstand ist es zuzuschreiben, dass sie auf der letztgenannten Abbildung das Schadeldach nicht ganz zu erreichen scheint. Letzteres ware in dem Moment der Fall, wo wir einen seitlich von der Mittellinie durchschnittenen Schadel betrachten wiirden und dabei konnten wir beobachten, wie jene mit der das Nasendach formirenden Knorpelplatte ununterbrochen zusammen- hangt. Im vordersten Abschnitt der Schadelhohle ist die Dura mater enorm entwickelt und bildet einen formlichen Ausguss derselben. Sie ist von den beiden Olfactorii durchbohrt. Zieht man diese Haut, was nicht leicht gelingt, ab, so gerath man auf ein mehrere Millimeter dickes, dicht verfilztes Bindegewebslager (Fig. 5, B) und erst auf dieses folgt die oben besprochene, hyalinknorpelige Eth- moidalplatte. An der Ausschnittsstelle der letzteren, also in der Mittellinie, bildet jenes fibrose Gewebe einzig und allein die vor- dere Schadelwand und es stosst hier direkt an die pflockartigen, medianwarts enge zusammenstossenden Vorderenden der Pterygo- palatina (Fig. 5, SF). Letztere bilden den Hauptabschnitt und das eigentliche feste Geriiste der Nasenscheidewand; ausserdem aber existirt noch ein knorpeliges Septum (Fig. 5, 17, SK), welches nach vorne zu stumpf kegelformig endet und hier zwischen die gegeu die Schnauze zu etwas divergirenden Fortsatze E, E des Pterygo-palatinum (Fig. 2, 5, 17) eingelassen ist. Dieses so gestaltete, etwa zapfen- artige Vorderende, ist von einem dicken Perichondrium (Fig. 17, Pch) iiberzogen und passt genau in die Hohlung eines compakten Knorpels hinein (Fig. 5, 6, PK), an dem man eine obere und un- Das Skelet uud Nervonsjstera von Lepidosireu annoctons. 163 tere Fliichc, sowie 3 Paar Fortsiitzc untcrscheiden kann. Letzterc siiid iiur von der Dorsalflilclie sichtbar (Fig. 6) uiid zvvar kann man ein hinteres, auf dem Vordercnde der Nasenscheidewand reitendes Paar (h), ferner zwei fliigelartige, seitlichc Lamcllen (c) und cnd- licli ein vorderes in die Oberlippc eingebcttetes Paar unterscheiden (a). Die obere Flache des in Frage stehenden Knorpels ist con- vex, die untere leiclit vertieft und mit zwei dicht nebeneinander stehenden spitzen Ziilinen versehen. Ich lialte das Ganze fiir die erste, und zwar allerprimitivste Anlage eines Praemaxillare oder eigentlich nur fiir cinen knorpeligen Vorlaufer desselbeu, insofern bis jetzt mit Ausnahme jener zwei Zixhne von Knocheubildungen gar nichts zu sehen ist. Gerade in letzterem Umstand aber liegt fiir mich eine schone Bestiitigung der bekannten Hertwig'schen Theo- rie iiber die Bildung der Belegknochen der Mundhohle. Der Pro- toptcrus ist eben beztiglich der Genese seines Zwischenkiefers auf einer schr niederen Entwickelungsstufe stehen geblieben, in der es noch zu keiner Concrescenz von Zahnsockeln und somit noch zu keiner eigentlichen Knochenbildung gekommen ist. Die seitlichen Nasenpartieen erscheinen als zierliche, gegit- terte, blasenartige Anliangsel des Septums (Fig. 6, NK). Sie ra- gen, wie ein Blick auf die Figur 1 zeigt, rechts und links vom Nasenbein (N) weit hervor und indem sie so nur von der ausse- ren Haut bedeckt liegen, erinnem sie an die Riecbkapseln der Kie- menmolche. (Vergl. meine Studien iiber das Kopfskelet der Uro- delen.) In Folge der von der Ventralseite einspringenden, oben schon ausfiihrlich gewiirdigten Vorderenden der Pterygo-palatina ist der Binnenraum der Nasenkapsel in dorso-ventraler Richtung bedeu- tend beschrankt, wahrend er sich lateralwiirts ziemlich weit aus- dehnt (Fig. 17, 18 Cnas). Der Boden wird zum grossten Theil von Pterygo-palatinum, sowie von der Mucosa oris und nur zum allerkleinsten Theil von einigen schmalen Knorpellamellen (NK) gebildet. Die Mundschleimhaut ist hier sehr verdickt und in eben so viele hohe Falten gelegt, als einspringende Buchten und Winkel zwischen den sternformigen Zahnleisten existiren; letztere werden von jenen Falten formlich ausgegossen. Von I^ asendriisen ver- mochte ich keine Spur nachzuweisen, wohl aber dringt ausscr dem Olfactorius noch ein starker, auch bei Urodelen in ganz denselben Beziehungen existirender Ast des Ramus I Trigemini in das Ca- 11* 164 Prof. E,. Wiedersheim, vum nasale herein, um dieses bei Trg (Fig. 6 u. 18) jedoch wie- der zu verlassen und gegen die Schnauzeuspitze aiiszustrahlen ^). Endlich muss ich uocli eines hinter der Nasenkapsel auftau- cheiiden, elegant geschwungeneu Knorpelfadens Erwahnung thun (Fig. 1, 2, 3, 6 bei AF'). Derselbe scheint mit den vordereu Euden der Trabekel coutinuirlich zusammenzuliangen imd nimmt von hier aus seinen Weg nach auswarts, riickwarts, wobei er in die die Oberlippe begrenzende Hautfalte eingelassen ist. Es fragt sich, ob man dieses Gebilde, Avelches bei L. para- doxal) eine viel grossere Entfaltung zeigt, das aber bei Pro- topterus, wie es scheint, noch von Niemand^) gesehen worden ist, nicht mit mehr Kecht fiir einen Antorbital-Fortsatz im Sinne der Urodelen ansprechen soil, als jenen friiher schon geschil- derten und mit AF bezeichueten Fortsatz des Pterygo-palatinum? B. Das Visceralskelet und die Gliedmaassen. Das Visceralskelet betreiiend ist zunachst iiber die Man- dibula (Fig. 3 , 4 , 7 , 8) Folgendes zu berichten. Sie besteht aus zwei , vorne in der Mittellinie unter Bil- dung einer kraftigen Spina mentalis (Fig. 4, Spm) durch eine sehr feste Synchondrose vereinigten Seitentheilen , wovon jeder wieder in drei Componenten zerfallt. Die Hauptmasse wird durch das ausserordentlich feste und solide Articulare AA^ reprasentirt und an dieses schliesst sich aussen das schmale Dentale (D). Das dritte Stiick besteht aus Hyaliukiiorpel ; es begiinit als breite, dicke, hinten mit einer Gelenkgrube (Fig. 7, GF) versehene Platte (CM) am hinteren Ende der Innenseite vom Articulare. Mit die- sem ist es fast untrennbar verbunden und liegt eiugebettet in einer tiefen Nische, welche sich nach vorne bei dem Punkte * in einen engen Canal fortsetzt. Das Articulare bildet dessen Innen-, das Dentale dessen Aus- senwand und sprengt man einen dieser Knochon ab, so sieht man den obgenannteu Kuorpel, zu einem feinen Fadchen verdiinnt, hin- durchzieheu, um bei dem Punkt S auf Fig. 4 wieder zu Tage zu ^) Auch bei Prolopterus , so gut wie bei Lepidosiren existi- reu vordere und hintere Nasenldcher, was ich Owen gegeuiiber, welcher die Choancu iibersehen hat, ausdriicklich hervorhebe. 2) „Oberlippeuknorpel" der Autoren, 3) Nur Peters (1. c.) hat es abgebildet und er unterscheidet jederseits sogar zwei Oberlippenknorpel, einen „vorderen" und „hin- teren". Das Skelct uiul Ncrvousystem vou Lepidosiren auneclens, 165 treteii. Von hicr an licgt soniit das zartc Knorpelband ausser- halb dcs kuochcrncn Untcrkiofers, dirckt unter dcr ilusseron Hant. Es nininit scincu Weg nach vorwiirts eiuwiirts zur Syncliondrose der Mandibel , urn an dicser Stclle sicli etwas euiporzukriinnnen and von beiden Seiten zu einer starken Platte (Fig. 4, Co) zu- samnien zn fliessen. Ihr untcrer Rand (P) ist bogig ausgeschnit- ten, wiihrend sicli der oberc zu drei hornartigen Fortsiitzen (c, h) erhebt, welche durcli zwei tiefe Incisuren von eiuander gesdiie- den sind. Die gauze, so gestaltete Knorpelplatte ruht in einer tiefen, an der Ausseuflilche der vordersten Maudibularzixhne d, d' gelegenen Bucht, was auf der Figur 4 deutlich zum Ausdruck kommt. Elie nun die beiden Knorpelbander zu der oben beschriebe- nen Vereinigung kommen , erzeugen sie an ihrem oberen Rand jederseits einen hohen, siibelartig geschwuugenen Fortsatz (a)^ welcher sich in die Bucht zwischeu vorderem und hinterem Man- dibular-Zabn (d und e) hineinfalzt und so weit emporragt, dass er mit seinem Ende in's Niveau der Zahnspitzen zu liegen kommt. Es erhebt sich nun die Frage, wie ist der ganze Knorpel- complex aufzufassen und haben friihere Beschreiber Recht damit gethan, ihn mit den Labialknorpeln der Selachier in eine Parallele zu bringen? Ich glaube nicht, kann mir aber gut vor- stellen, \Yie jene zu dieser Ansicht gelangten. Sie fassten eben den Knorpel nur von der Stelle S an, in seinem Zug nach vorne, in's Auge, ohne zu ahnen, dass er mit dem Articular-Knorpel in organischem Zusammenhang steht. Gerade letzterer Umstand aber ist fiir seine Auffassung entscheidend imd man kann keinen Augen- blick im Zweifel dariiber sein, dass es sich dabei um nichts An- deres handelnkann, als um den Meckel'schen Knorpel. Al- lerdings ist derselbe hier in seiner vorderen Partie so absonder- lich gestaltet und gelagert, wie dies bei keinem andern Wirbel- thiere mehr zur Beobachtuug kommt. Es beruht dies meiner Ansicht nach auf der diirftigen Entwicklung des Dentale ex- ternum, welches deshalb den Knorpel nur zum kleinsten Theil von aussen zu umscheiden im Stande ist. Schliesslich noch ein Wort liber das Articulare (A). Wie man auf der Figur 5 und 8 erkennt, festigt dieser Knochen im Verein mit dem Hinterende des Dentale externum i) die vom Me- ^) Das Articulare schaut noch am unteren Kand des Deutale externum heraus (Fig. 3, 4, 8, A^). 166 Prof. R. Wiedersheim, ckel'schen Knorpel gcbildete Articulationsstelle fur das Qua- dratum (Fig. 7, CM, GF). Unmittclbar daruber wachst er zu eiiiem relativ monstrosen Processus coroiioideus (Fig. 3, 4, 7,8, Pre) aus, der tibrigens in gerader Proportion steht zu der starken Kaumuskulatur. Nacli vorne davon sttirzt das Articulare steil ab und erzeugt hierauf an seinem oberen Rand eine lange, messerartig zugescharfte Lamelle (SI), welche ganz von Zalin- schmelz iiberzogen ist und deshalb ein polirtes glanzendes Aus- selien zeigt. Nach vorne zu erliebt sicli dieselbe zu pflockartig gestalteten, ebenfalls von Schmelz iiberzogenen Zahnen (d und e). Sie dringen geschwulstartig so machtig liber den Aussenrand des Articulare (Fig. 4) hervor, dass sie gleichsam als Vorwerke des Unterkiefers imponiren und da sie an ihrem oberen, freien Ende schneidende Kanten tragen, so kann man sich lebhaft vor- stellen, wie sie unter dem Einfluss einer excessiv entwickelten Kaumuskulatur als scharfe Messer oder Meissel einer ausseror- dentliclien Kraftleistung fahig sein niiissen. Ich habe den Schmelz- cliaracter auf der Abbilduug 4 und 7 durcb feine Punktirung wie- der zu geben versucht , um dadurch die iibrigen Partieen des Ar- ticulare scharf abzugrenzen. Das hinter der Mandibel liegende Hyoid (Fig. 3,8, Hyd) ist ein schlanker, oben und unten keulenformig aufgetriebener, in seinem Mittelstiick eingeschniirter Knoclien. Er ist lateralwarts leicht ausgebaucht und hiingt an seinem oberen Ende durch starke Bandmassen mit dem Unterkiefer und dem Quadratknorpel zu- sammen (Fig. 8 Bdr, Bdr^). Der Knochen ist keineswegs solid, sondern bildet nur eine ausserst dunne Hlilse um einen central liegenden dicken Knorpelstab, der an seinem oberen und unteren Ende ohne irgend welche Preparation frei zu Tage tritt. In der Medianlinie sind die Unterenden beider Knochen durch sehr spar- liches Bindegewebe verbunden. Die skeletogene Grundlage des Kiemenapparates besteht aus sechs gracilen, leicht geschweiften Knorpelstaben (Fig. 8, 1 — 6), welche in der Kiemenschleinihaut eingebettet liegen und fiinf Kie- menlochcr begrenzen (I— V). Sie sind von sehr ungleicher Lange und Stiirkc; am schwachsten ist der vordere, am ktirzesten der hintere. Am langsten ist der zweite und fast ebenso lang und zugleich am starksten unter alien ist der dritte. Alle Kiemenbogen sind nach oben in feine Spitzen ausgezo- gen und schliesslich gehen sie in fibrose Strange iiber, wodurch sie an der Basis cranii befestigt sind. Der erste Bogen tragt nur Das Skolot uud Nervensystem von Lepidosiron annectens. 1G7 eiiie sogcnanntc falsche Kiemc, dcr zwcite uiul dritte gar keiiic, wogogeu die drei letzten reiclilich mit Kicmenfranscn ausgestattet siiid. Auffallcnd laiig imd breit ist der zweite Kiemcnsclilitz, wcl- clier uach obeii iiicht, wic alio iibrigen, durcb eineu Sclileimhaut- vorhang abgeschlossen ist, sondcrn von der Mucosa basis craiiii direkt begreuzt wird, Ich bemerke hier sclion ausdriicklich , dass die iiusscreu Kiemen von Protopterus mit der Kiemenhohlc selbst gar uicbts zu schatfen habeu, sondern dass sic aussen und zwar nach liinten nnd oben davon an der freien Hautflaclie zu suclieu sind. (Vergl, Fig. 9 bei KF.) Weiter kauu icli mich darii- ber an dieser Stelle nicht verbreiten uud gebe jetzt ilber zur Be- sprechung der Kopfrippe (Fig. 1, 2, 3, 8 KR). Als seiche fasse ich mit Humphry vorlaufig jenen langen Knocheustab auf, welcher hinter dem Vagusloch an der Schadel- basis entspringend seine Richtung nach hinten, aussen und unten nimmt. Dabei kreuzt er sich mit dem oberen Ende des Schulter- bogens, wie dies auf Figur 8 dargestellt ist. Sein proximales Ende ist stark verbreitert, von vorne nach hinten wie platt ge- driickt, so dass es bei der Profilausicht (Fig. 8) allein nicht ganz richtig beurtheilt werden kaun. Auf seiner obersten Flache lie- gen zwei mit Knorpel iiberzogene, durch formliche Kapselbander mit dem Schiidelgruud verbundene Gelenkfacetten. Es handelt sich also, genau genommen, ura ein Doppelgelenk , ganz ahnlich demjeuigen am proximalen Ende der Urodelen-Rippen. Zieht man von der Articulationsstelle an der Basis cranii eine gerade Liuie nach riickwiirts zur Unterflache der Wirbelsaule, so geht diese durch die proximalen Rippenenden uud dieser Umstand muss auch fiir die Beurtheilung jenes Gebildes in die Wagschale fallen. Bei uaherer Untersuchung erkennt man, dass die Kopfrippe ihrer grossten Masse nach aus Knorpel besteht und dass der Kno- chen , ganz ahnlich , wie wir dies beim Hyoid gesehen haben, nur eine diinne periphere Scheide darstellt. Diese Thatsache d. h. die urspriinglich rein hyalinknorpelige Anlage wiirde schon allein geniigen, um den Gedanken an eine Clavicula im Sinne der Teleostier von der Hand zu weisen; dazu kommen aber noch die topographischen Beziehungen des Knochens. Sie weisen nem- lich keineswegs auf eine Entstehung vom Integument aus hin, son- dern konnten viel eher noch den Gedanken erwecken, dass wir es mit einem Appendikel des Branchialapparates zu schaffen ha- ben. In diesem Sinne scheint auch Huxley den Knochen auf- zufassen, wenu er ihn „Gaumen-Kiemenbein" uennt. Eine 168 Prof. R, Wiedersheim, Erklarung ist daniit freilich so wenig gegeben, als mit den von Owen imd Bischoff gebrauchten Namen: „Griffelkuoclien" oder „Suspensoriiim der Scliulter", gleichwohl aber ist jene Bezeichnung aiis topograpliischen Griinden niclit uupassend gewalilt. Von der vorderen Circumferenz des fragliclien Gebildes entspringt die Plia- rynxnmskulatur, wiilirend sich von der liinteren eine starre, fibrose Membran zur Basis cranii hiniiberspaunt. Sie erreicht letztere nicht direkt, sondern inserirt sich zuniichst am Schultergiirtel, so- wie an der kleinen Knochensdmppe Su (Fig. 8), welche das oberste Ende des Schultergilrtels mit dem Schadel verbindet. Von jenen Punkten aus zieht sie weiter und verwachst, wie oben erwahnt, mit der Basis cranii nach hinten und etwas oberhalb vom Vagus- loch. Diese fibrose Haut bildet die hinterste Wand d. h. den eigentlichen Blindsack des Kiemenraumes ; sie ist dabei nach hin- ten ausgebaucht und wird in dieser Lage von der Kopfrippe ex- pandirt erhalten. Mich definitiv liber die Bedeutung der letzteren in morphologischem Sinn zu entscheiden, vermag ich bis jetzt nocli nicht, da ich bei keinem andern Wirbelthiere irgend etwas Aehn- liches kenne, wodurch eine Vergleichung moglich wiirde. Ich wende mich nun zur Beschreibung des Schulter bo- gens und der vorderen Extremitilt. Beide, naraentlich aber der erstere, sind schon mehrmals Gegenstand der Beschreibung gewesen. Vor allem ist es die Arbeit Gegenbaur's (I.e.), wel- che sich in eingeheudster Weise mit diesem Thema befasst und in Anbetracht dieses Umstandes konute es beinahe iiberflussig er- scheiueu, noch einmal darauf zuriick zu kommen. Gleichwohl aber kann ich nicht darauf verzichten, denn ich hatte durch den Besitz jiingerer Exemplare Gelegenheit einerseits manches von G e - genbaur zweifelhaft Gelasseue zu coustatiren, andrerseits bin ich in diesem und jenem Punkt zu wesentlich andrer Auffassung gekommen. Der Schultergiirtel besteht aus zwei, an ihrem unteren vor- deren Ende durch eine Knorpelcommissur continuirlich verbunde- uen Spangen, die an ihrer vorderen inneren Fliiche von der Kie- meuschleimhaut direkt iiberzogen sind und so im Verein mit der Kopfrippe ganz ahnlich wie bei Fischen fiir den hintersten Blind- sack des Bronchialraumes ein festes schalenartiges Geriiste abge- ben. Median warts sind sie gegenseitig durch eine fibrose, trom- melfellartig ausgespannte Haut mit einander verbunden und fas- sen den Herzbeutel zwischeu sich. Von ihrem hintersten, obersten Ende spannt sich die oben schon erwilhnte, in eine fibrose Lamelle Das Skclet und Nervousystem von Lopidosireu anuectens. 169 eingebetteto Kuoclienscliuijpe liiniibcr /ur Scliildclbasis , mit dcr sic sich fest verlothet. Dieses Gebilde ist ziini erstoniual voii Peters (1. c), wcun audi nur fliichtig beschriebeii , abgebildet luid Suprascapulare genaimt wordeu. Bel Ceratodus iiiiumt es viel griissere Diineusioneu an, verhiilt sicli aber sonst priiici- picll uicht verschiedeii. Somit ist der Sdmlterbogen der Dipnoi im Gegensatz zu dem der Selacliier, wo eine derartige Verbin- dung nirgends existirt, an den Schadel gebeftet und stimmt in dieser Beziehung mit GanoidenM und Teleostiern iiberein. Wie cin Blick auf die Figur 8 beweist, tibertritft jede Schul- tcrgiirtelhalfte den Hyoid- und Mandibularbogen an Liluge, wiih- rend sie sich im Aufl)au nidit weseutlidi von jeuen unterscheidet. Wie z. B. bei der Mandibel , so unterscheiden wir auch hier eiu dickeres oberes und schlankeres unteres Ende und ebenso dienen auch hier knocherne und knorpelige Elemente als Baumaterial. Was den Schultergiirtel von Protopterus sofort principiell von demjenigen aller iibrigen Wirbelthiere unterscheidet, sind folgende drei Punkte, die ich deswegen gieich hervorheben will: 1) Er liegt mit Ausnahme seines oberen Endes tief im Fleische des Rumpfes begraben und es hat sich deshalb uoch keine eigentliche, fiir ihn aus- schliesslich bestimmte Muskulatur differenzirt. 2) Er tragt an seiuem hintersten aussersten Ende zeitlebens funktionirende Kiemeu. 3) Die Extremitat articulirt mit ihm gauz oben, fast an seiuem aussersten Ende, so dass man, abge- sehen von jenem Suprascapulare so gut wie von gar keinem dorsalen Abschnitt des Schulterbo- gens reden kaun^). Jede Hillfte ist in ihrem oberen, schaufelartig verbreiterten ^) Bei Acipenser besitzt jener Knochen noch eine knorpe- lige Grundlage, bei alien iibrigen Ganoiden ist er wie bei Protopterus durch Schwund derselben zu einem freien Deckknochen geworden. Vergl. hieriiber auch Gegenbaur (1. c. p. 105 — 106), der ihn iibrigens bei Protopterus nidit erwalmt. ^) Diese Tliatsadie erscheint mir fiir die Frage nach der Her- kunft des Beckengiirtels von hoher Bedeutung, denn es wird sich fragen, ob der bei weitaus der grossten Mehrzahl der Fische nur durch ein ventrales Stiick reprasentirte Beckeugiirtel nothweudiger- weise als r iickgeb ilde t aufzufassen ist? Freilich wiirde eine Ver- neinung dieser Frage auch eine Negation der urspriinglichen Kie- menbogennatur desselben in sich schliessen. 170 Prof. E. "Wiedersheim, Absclmitt median warts rinnenartig ausgehohlt, und nach hinten, abwiirts von einer scharfen Kante begrenzt. Das hinterste Ende wird durch einen Knocben (Fig. 8 , OE) gebildet , der sich nach kurzem Verlauf in zwei Zinken gabelt, die auf der Abbildung durcb punktirte Linien angedeutet sind ^ ). Sie bilden auf der lateralwiirts von dem Knocben liegenden Kuorpelplatte ein deutliches Relief OE^ imd sind deshalb auch obne Entfernung derselben schon deutlich zu erkennen. Jene Knorpelplatte nun, die man am ebesten mit einem Articulare vergleicben konnte, beginnt als schmaler kurzer Knorpel bei **, verbreitert sich dann sehr rasch und wahrend ihr unterer Rand einen nur massig ge- wellten Verlauf nimmt, schwillt der obere zu zwei kurz hinter- einander liegenden Prominenzen an. Die hintere (Zp) erhebt sich zapfenartig und uber sie ist das Basalglied der Extremitat hut- artig heriibergestiilpt, so dass man also bei Protopterus wie bei vielen Selachiern, Ganoiden und Teleostiem nicht von einem Humerus -Kopf, sondem von einer Humerus -Pf an ne und einem Scapularkopf ^) sprechen kann. Die zweite, von der ersten durch eiue Incisur getrennte Prominenz (C) ist der Form nach mit einem Processus coronoideus des Unterkiefers zu vergleichen. In diesem Durchmesser erreicht der linorpel seine grosste Breite und fallt dann unter plotzlicher Verjiingung nach vorne steil ab (Knp), urn, in eine seichte Furche des Knochens ks eingelagert, sich zungen- formig zuzuspitzen. An dem Punkt f dringt er in den Knocben ks hinein und erscheint nach kurzem Verlauf wieder bei y ^). Von bier schwillt der Knorpel mehr und mehr an und wird von ks so unvollstandig umscheidet, dass er auch noch am unteren Rand zu Tage tritt. Schliesslich iiberschreitet er die Mittellinie und bildet die friiher schon erwiihnte, starke Knorpel-Comraissur zur Verbindung beider Schultergiirtelhalfteu. Von einer Naht ist Nichts nachzuweisen. ^) Gegenbaur erwahnt diesen Knochen nicht, was mit seiner sonst so sehr exacten Beschreibung des Schultergiirtels nicht recht stimmen will. '^) Als Scapula kann man den mit dem Knorpel Knp genetisch zusammeuhangenden Knochen OE bezeichnen ; ob aber die mit C be- zeichnete Prominenz als erste Andeutung eines Procoracoids aufzu- fassen ist, muss ich dahin gestellt sein lassen. 3) Gegenbaur stellte dies s. Z. als wahrscheinlich bin, konute es aber, da ihm ofFenbar nur altere Exemplare zu Gebot standen, nicht mit voller Sicherheit beweisen. Das Skelet uiid Nerveusystem von Lepidosiron annecteus. 171 So liegeii die Verhilltiiisse bei jiiiigcrcu Thieren; bei iiltcrcu tritt der Kuorpcl luehr in den Hintergruud und innerhalb dcs Kuoclieus ks golit or spurlos verlorcn (Vgi. Gcgcnbaur). Es eriibrigt nocb, zu benicrken, dass dor letztgenanute Knocbcn, wel- cher das cigentlicbe feste Skelet des Scbultergiirtels bildct, an der Inueuseitc dcs ziierst bescbriebenen Kuocben OE beginnt und ibn also median wiirts abnlicli cinscbeidct *), wie wir dies lateralwilrts von Seiteu des Knurpels OE^ geseben baben. Der Kuocben ks ist, wie dies aucb Gcgcnbaur annimmt, als im Pericbondrium des urspriiuglicb ganz knorpeligeu Scbulterbogeus entstandeu auf- zufasseu, wiibrend OE mebr den Eindruck eiues Knorpelknocbeus niacbt. Letzterer ist iiberdies niit dem Knorpel OE ^ so innig ver- wacbsen, dass wobl beide in genetischer Beziebung unter einem Gesicbtspunkte aufzufassen sind. Dadurcb wird die Aebnlicbkeit niit einer Mandibel nocb frappauter, deun wie dort, so j&nden wir aucb bier, eine Art von M e c k e rscbem Knorpel, sowie einen grossen Deckknocben im Siune eines Dentale externum. Wir baben somit geseben, dass Protopterus in seinem Scbulterbogen die von den Selacbiern ererbte primitive Ivnorpel- spange viel reiner und in grosserer Ausdebnung bewabrt bat, als dies selbst bei A c c i p en s e r und Spatularia der Fall ist. Dieses Tbier stebt somit beziiglicb des genannten Punktes gerade in der Mitte. Unterstiitzt wird diese Auffassung aucb durcb das Verbalten der als accessoriscbe Bildungeu fungirenden Deckknocben. Solcbe fiuden sich bei Ganoid en jederseits constant in derVierzabl und in ganz gesetzmassiger Lagerung. Bei Protopterus dagegen existirt, wenn wir abseben von dem Knorpelknocben OE nur ein einziger^) Deckknocben ks und dieser liegt seiner grossten Aus- breitungnacb am me dial en (vorderen) Umfang des Scbulterbogeus, also dicbtbinter der Scbleimbaut des Bran cbialsa ekes. Dies scbeint mir gegeniiber den Ganoiden, bei welcben die be- treffende Knocbenkette stets nur lateralwilrts und zum gross- ten Tbeil im Niveau der ausseren Haut gelegen ist, bocbst wicbtig und von gTossem Belang fiir die Beurtbeilung dieser Kno- *) Es ist dies ein weiteres Beispiel fiir die uns jetzt schon ofters vorgekommene, hochst eigenthiimliche Thatsache, dass das Primordial- Skelet des Protopterus fast durchweg zuerst medianwarts peri- chondrostotische Belegknochen aufweist, wahrend wir bei anderu Ver- tebraten das Gegentheil beobachten. 2) Bei Ceratodus und L. paradoxa zerfallt er durch eine Naht in einen oberen und unteren Abschnitt. 172 Prof. K. Wiedersheim, clienbilduiigeu. Dass dieselben bei Ganoiden, wo sie die audi fiir audere Hautkuochen characteristisclieii Skulptureu etc. tragen, ihrer Genese uach (vergl. 0. Her twig's Arbeiteu) auf das Haut- skelet (Hautzahne) liberliaupt zuruckfiilirbar, d. h. mit letzterem identificirbar sind, steht ausser allem Zweifel uiid so mogen sie immerhin den Nam en „Clavicularia" etc. fiiliren. Halt man nun aber daneben den Scliulterbogen des Protoptenis in seiner tiefeu, der ausseren Haut weit entriickten Lage und erwagt man ferner seine welter unten noch zu erlaiiternden Be- ziehungen zum Kiemenapparat, so wird man wolil die Frage auf- werfen diirfen, ob der an seiner Innenseite entstandene Deck- knoclien seiner Genese nach nicht auf die Mucosa oris resp. auf die Schleimliaut der Kiemenhohle zuriickgefiihrt werden kann? Damit wiirde er in Parallele gestellt mit anderen Schleimhaut- knochen des Mundes, dem Paraspheuoid, Vomer etc. und der Name Claviculare ware nicht mehr zu reclitfertigen. Wie ich sclion friiher bemerkte, sitzen die ausseren Kiemen auf dem hintersten freien Ende des Knochens OE auf. Bei jun- gen Thieren, von 9 — 12 Centimeter thun sie dies direct, bei alte- ren entfernen sie sich eine kleine Strecke davon und hier geben dann Bindegewebe und Gefasse das Verbindungsglied ab. Stets untersclieidet man drei Kiemenfaden, zwei grossere obere und einen ganz kleiuen unteren (Fig. 8, 9 bei KF.). Sie scheinen beziiglich ihrer Form, Farbe und Grosse sehr bedeutenden indivi- duellen Schwankungen unterworfen zu sein, denu bald sind sie fast haarfeine, tief schwarz gefarbte kurze oder langere Faserchen, bald wieder breitere hell- oder dunkelbraune Bander, die sich an ihrem freien Ende ziemlich rasch zuspitzen. Von aussen, am un- priiparirten Thier betrachtet, sitzen sie dicht oberhalb der das proximale Ende der Extremitilt sichelartig angreifenden Kiemen- falte (Fig. 9, f, KF) und nichts lasst darauf schliessen, dass sie nicht einfach in der Cutis stecken, soudern dass sie zum Schulter- bogen in den obgenannten Beziehungen stehen. Wie schon Pe- ters I.e. ganz richtig gesehen hat, erhalten die ausseren Kiemen von Protopterus ihre Arterien aus dem II., III. u. IV. Aorten- bogen, wahrend nur zwei Venen existiren. Bei der histologischen Untersuchung sieht man, wie jeder Kiemenfaden von einer Menge heller, pilzartiger Hockerchen iiber und iiber bedeckt ist. Jedes davon entspricht einer ganz freiliegenden Capillarschlinge und ich konnte ahnliche Verhaltnisse an den ausseren Kiemen von Siren lacertina coustatiren. Weder hier noch dort vermochte ich mit Das Skclet und Nervensystcm von Lepidosircn aimectens. 173 Siclierlicit als iiusserste Schicht das bci Salama.ndrincn liingst be- kannte, Flimiiicrepitlicl iiachzuweiscii; nioglicli, dass der Erhal- tuiigsgrad beider Priiparatc kein zurcichcnder war. Von Muskel- eleuienten ist cbeiiso Avenig irgcud eiiic Spur iiacliziiwcisen und nur uacli Analogic-Schliissen kann ich annclimen, dass die weni- gen Nervenfasern deni Vagus zugorechnct werdeii nitisscn. Was mm endlich die vordere E xt r era i tilt betrifft, so ist sie ja, so gut wio die hiutcre, ihrer allgeraeiueu Configuration nacli langst bekannt und ich darf fiiglich von einer ausfulirliclien Schil- derung derselben abselien , nur iiber die skeletogeue Gruudlage moclite ich kurz Folgendes benierken. Man kann am proximalen Ende ein Sockel- oder Basal- glied unterscheiden, iiber dessen Bezieliung zum Schultergiirtel oben scbon berichtet wurde. Dasselbe besitzt distalwarts einen grosseren vordereu und kleiueren binteren zapfenartigen Auswucbs (Fig. 8, *, *). Eine dritte kiirzere, aber stiirkere Prominenz liegt in der Mitte und damit ist die iibrige freie Flosse raittelst Bindegewebe verbunden. Letztere bestebt aus einer langen Kette cylindrischer, in distaler Eicbtung an Grosse successive abnebmender Stiickcben, Avelcbe durcb Bindegewebe rait einander verbunden und seitlich bis zura freien Ende binaus von einem diinnen Muskelstratum und starken Nerven flankirt sind (Fig. 8, Arm). Ich zahlte bei einera Exemplar, dessen ganze Vorderextremitat 6 Centira. lang war, 39 bis 40 einzelne Glieder, wovon die letzten ausserordentlicb klein, ja fast punktformig erscbienen. In dem Kleinerwerden ist jedocb kein absolut regelmiissiges Verbalten zu erkeuneu, insofern nacb einem kleineren Stiick in distaler Eicbtung plotzlicb wieder ein betriicbtlicb grosseres kommen kann; es bildet dieses ubrigens docli immer nur die Ausnabme. Abgeseben von jenen zwei zapfenartigen Gebilden i) am Basal- glied der Extremitiit finde icb keine Spuren mebr, die auf den biserialen Typus der Ceratodus-Flosse binweisen. Dass tibrigeus letzterer aucb bei Protopterus einst existirt baben muss, ist un- zweifelbaft und ebenso sicber lasst sicli auf Grund des Verbaltens jenes Basalgliedes bebaupten, dass die Reduction der secundiiren Knorpelstrablen in proxiraaler Ricbtung erfolgt sein muss. Damit steht aucb die Umanderung der Extremitiiten bei anderen Wirbel- ^) Dass diese einst knorpelige Strahlen getragen haben mlissen, lehrt ein Blick auf die Ceratodus-Extremitat, wo solche jetzt noch Torhanden sind. 174 Prof. E. Wiedersheim, thiereii im Einklang, denn immer ist es der am meisten expouirte Theil, welcher zuerst niodificirt wird, wiilirend wir proximalwarts Yordringend auf ein immer conservativeres Verlialten stosseu. Von knorpeligen Radien, wie sie nach der Angabe von Pe- ters 1. c. an der unteren Seite der Knorpelkette vorkommen sol- len, habe ich, obgleich ich 4 Exemplare darauf zii untersuchen Gelegenheit hatte, nie etwas bemerkt. Alles was sich an der be- treffenden Stelle vorfaud, war ein individuell sehr verschieden lan- ger und breiter Hautsaum, worin die ebenfalls durcb Peters be- kannt gewordene, in zwei Scliicliten angeordneten Hornfaden nach- weisbar waren, abnlich denjenigen der Selachierflossen, jedoch viel kiirzer und zarter. Die letzten Consequenzen aus der so eigenar- tig gestalteten Vorderextremitat von Protopterus zu ziehen, konnte jetzt schon geratlien erscheinen und vor Allem ist es das Verlialt- niss des Schultergiirtels zu den iiusseren Kiemen, welches dazu aufzufordern scheint. Seitdem aber die Gegenbaur'scben und Ftirbringer'schen Arbeiten gezeigt liaben, ein welch werthvoller Fiihrer das Nervensystem ist fiir die Beurtheilung gewisser mor- phologischer Verhiiltnisse, werden wir auch hier das letzte Wort erst dann sprechen dtirfen, nachdem wir jenes einer genauen Prii- fung unterworfen haben werden. Was den Beckengiirtel anbelangt, so stimmt er mit demjenigen der tibrigen Dipnoer so vollkommen liberein, dass ich iiber ihn gar keine Worte zu verlieren brauche. Dasselbe gilt auch fiir die freie hintere Extremitat. Interessant war mir aber folgender Um- stand, in dem man zugieich (nach Analogie mit Siren) ein en weiteren Beweis fiir den rudimentiiren Character der Protopterus- Gliedmassen erblicken kann. An ein em 29 Centim. langen Exemplar vermisste ich nicht nur jegliche Spur der Abdominalflosse, sondern auch des Beckens. An der Stelle des letzteren fan den sich nur subcutane Fettmassen und auch die durch Humphry 1. c. bekannt gewordenen Beckenmuskeln waren nirgends aufzufindeu. Da das betreifende Exemplar im Uebrigen durchaus nichts Abnormes oder Krankhaftes darbot, so geht daraus hervor, dass der Protopterus auch ohne Gliedmassen gut existiren kann und dass ihm dieselben also keineswegs als Locomotions-Organe dienen konnen. Entweder — und damit stimme ich auch mit der Auffassung Anderer iiberein — sind sie als Tast- werkzeuge aufzufassen, womit auch die relativ reichliche Versor- gung mit Nerven gut iibereinstimmt , oder fungiren sie nur nach Analogie von Bartelu. ' Das Skelot uud Nerveiisystem vou Lepidosirou annecteus. 175 C. Die Rippen und die Wirbelsaule. Die llippen siud kurz, gcdrungen und dorsalwarts stark gc- kruimiit (Fig. 11, Ri). Ihr vcrtcbrales Eudc ist iu das ziilic, derbe, dio Cliordasclieide uinhiilleude skeletogcne Gewebe formlich einge- wachseii (Fig. 12, Ri). Auf der Figur 11 ist es kiinstlich herauspra- parirt uud mau sieht dadurch, dass es uiclit der seitliclieu, souderu viclmelir der veutralen Circumfereuz der Chorda anliegt. Am gauzeu Rumpf hiu siud die Rippen gleiclimiissig stark entwickelt, gegen die Scliwauzgegend aber werden sie kiirzer und kiirzer und horeu mit dem Bcginn der Hiimapopbysen auf. Ob letztere aus einer Concresceuz von jenen (Gegenbaur) bervorgegangen siud, ist bei Protopterus schwer zu eutscheiden, dock sprechen die Ver- haltnisse mebr daftir als dagegen. Im Gegensatz zu den oberen Bogeu sind die unteren schoner, gleicbmassiger gewolbt und beiderseits gegen die Spina inferior hiu synostotisch verwachsen, wahrend die oberen zu trennen sind. Der bekannte Satz, dass die Dipuoer keine segmentirte, aus Wirbelkorpern zusammengesetzte Columna vertebralis, sondern an Stelle derselben nur eiue fortentwickelte Chorda besitzen, gilt auch fiir Protopterus i). Priiparirt man die Chorda aus der skeletogenen Schicht (Fig. 12, Bdd) heraus, so sieht mau, wie sie ein fein querge- ringeltes Aussehen besitzt (Fig. 11, Ch). Unten inseriren sich die Rippen, oben die Neural-Bogen (B) mit den Processus spinosi (a) uud diese tragen im Bereich der Rtickeuflosse zwei Flossentrager , wovon auf der Fig. 12 bei c einer sichtbar ist. Zwischen den eben genannten Gebikleu je zweier Wirbel spannt sich eine starre fibrose Haut (H) aus, welche speziell zwischen zwei Dornfortsatzen doppelt ist, so dass man wie bei Ganoid en auf Querschuitten einen von den beiden Blattern eingeschlossenen Hohlraum zur Anschauung bekommt. Derselbe ist von feinmaschi- gem Bindegewebe (Fig. 12 — 15 Bd) dicht erfiillt und durch ein Septum (Sept) meistens in zwei Kammern abgetheilt. Letzteres ist um so starker entwickelt, je mehr wir uns der Basis der Dornfort- satze niihern, und umgekehrt um so schwiicher, je weiter wir an jenen in die Hohe gehen, bis es endlich ganz geschwunden ist und die beiden Kammern zu einem unpaaren Raum confluiren (Fig. 15 Bd). ^) Von den durch Bischoff und Hyrtl bei L. paradoxa bekannt gewordenen rundlichen Knocheuscheibeu an der unteren Flache der Chordascheide habe ich bei P. nichts wahrgenommen. 176 Prof. R. Wiedersheim, Zugleich haben sich die beiden Lamellen mehr und mehr seitlich ausgebaucht imd damit ging Hand in Hand cine Vermehrung des interstitiellen Bindegewebes. Ziir Erklariing von Figur 12 — 15 sei noch Folgendes bemerkt. Wir haben es iiberall mit Quersclinitten zu schaffeu und wenn wir dies unter Zuziehimg der Figur 11 1) im Auge behalten, so wer- deu auch die mit a, b, c bezeichneten Gebilde Icicht ihre Erkla- rung findeu. Das unterste, mit a bezeichnete , entspricht dem Dorufortsatz des nachstfolgenden Wirbels, ^Yelche^ auf Figur 12 ganz nahe an seiner Basis getroffen ist. Bei b erscliciut das Mit- telstiick des zweitvorderen im Querschnitt und bei c endlich die Basis des ersten Flossenstrahles. Auf Schnitt 13 — 15 ist letztere uicbt mehr eingezeichuet. Dornfortsatze, wie Flosseutrager be- stehen theils aus Knochen- theils aus Knorpelsubstanz. Letztere ist durch eineu blauen Ton deutlicher hervorgehoben und man sieht, dass sie an dem oberen und unteren verdickten Ende der Processus spinosi, wie auch an der Basis der Flosseutrager der Knochensubstanz gegenuber, welche hier nur eine diinne Rinde bildet, weitaus vorschlagt (Fig. 12, 13, 14) bei a und c, iiber die allgemeine Configuration der Knochen vgi. auch Fig. 11). In der Diaphysengegend der betreffenden Knochen ist das umgekehrte Verhaltuiss zu bemerken (Fig. 12 — 15 bei b). Bei c in Fig. 12 sieht man sehr htibsch, wie es zu einer allmaligen Resorption des Knorpels kommt ; derselbe zieht sich strahlenformig von der Kno- chenperipherie zuriick, und es erinnert das Bild lebhaft an ein gewisses Stadium der Eibefruchtung von Petromyzon Planeri, wie es durch Calberla (Z. f. w. Z. 1877) bekannt geworden ist. Wie sich dort auf Einwirkung der Spermatozoen der Dotter von seiner Umhiillung unter Bildung von feinsten Fadchen zuriickzieht, so hier der Knorpel von seiner Knochenhiilse. Es eriibrigt schliesslich noch, auf feinere Strukturverhaltnisse der Wirbelbogen und der Chorda dorsalis einen Blick zu werfen. Was die ersteren betrifft, so liegen sie, in das die Chorda rings umgebende Bindegewebe (Fig. 12, Bdd) ebenfalls eingebettet^) und ^) Auf dieser Figur erscheineu Dornfortsatze und Flosseutrager zu steil aufgeriohtet und zu weit auseinander gezogen. In Wirklich- keit liegen sie viel schiefer nach hinten und die Membran zwischen ihnen ist so schmal, dass sie sich fast unraittelbar beriihren. 2) Von der von Hyrtl bei L. paradoxa erwahnten asymme- trischen Insertion derselben ist bei Protopterus uichts wahrzu- nehmen. Das Skolot und Norven system von Lcpidosiron anncctens. 177 jodcr von ihiien besteht aus zwei ventral- unci dorsalwiirts unvcr- cinigten Hiilftcn (Fig. 11 — 16, B), welche je an ihrer Aussenfliichc oinc wulstige, in der Axenverliiiigerung der Dornfortsatze gelegenc Erhabenheit (Fig. 11, Cri) besitzcn. In derselbcn konnen sich noch Knorpelreste (Fig. 15, Kno) finden. Gegen die Chorda zu verbreitern sich die Bogen, wiihrend sie sich nach oben fast zapfcnartig verjiingen (Fig. 11). An ihrer vorderen Circumferenz besitzcn sie eiuen halbmondformigen Aus- schnitt, doch begrenzt dieser das Spinalloch nicht direkt, indem letzteres (Fig. 11, I) ganz in der die einzelnen Bogen verbindenden Haut gelegen ist. Auf der betreftenden Abbildung sieht man die Spinaluerveu daraus hervortreten. Figur 16 zeigt einen Wirbel- bogen nach Entfernung der Chorda von seiner ventralen Seite unci man erkennt daraus, was bei der blossen Seitenansicht unmoglich ist, dass jede Halfte basahvilrts in eine langliche, breit-spindelfor- mige Platte ausliiuft, welche an ihrer der Chorda zugekehr- ten Fliiche ausgelicihlt ist (BP^). Vorne und hinten stehen die beiden Platten weit auseinander, wiihrend ihre Mittelstiicke nur durch eine Spalte getrennt sind **. Nimmt man Querschnitte zu Hilfe (Fig. 12 — 15), so sieht man, dass jene Gebilde der Chorda nicht direkt aufliegen, sondern dass 8ich cin hyalinknorpeliger Sockel (BP) dazwischenschiebt , welchen wir als letzten Piest der primaren, von der skeletogenen Chordaschicht sich erhebenden Neurapoph5'sen anzusehen haben. Die aussere Chordascheide (Fig. 12, CS^) lauft nicht iiberall gleichmassig darunter weg, son- dern erleidet da und dort (Un) eine Unterbrechung , wodurch die betreffende Knorpelmasse mit der inneren Chordascheide (CS) in direktem Zusammenhang steht. Bei BP^ auf sammtlichen Querschnitten erscheinen die kno- chernen Basalplatten und nach dem oben Mitgetheilten wird es nicht mehr befremdlich erscheinen, dass sie medianwitrts bald weit, bald weniger weit auseinander liegen (**). Stets sind sie durch straffes Bindegewebe miteinander verlothet und dasselbe gilt auch fiir den oberen Bogenabschluss (Fig. 12 — 16, *), nur dass hier nie eine so grosse Distanz zu erkennen ist (vgl. auch Fig. 11, *). An der Chorda unterscheidet man, wie ich oben schon fliich- tig andeutete, eine aussere und innere Scheide. Erstere ist struk- turlos, glashell, sehr diinn (Fig. 12, CS^) und von der inneren scharf abgesetzt. Diese (CS), wenigstens fiinf bis sechsmal so dick als jene, besteht aus Faserknorpel , der sowohl eine concentrische als auch eine radiiire Schichtung erkennen lasst. Die namentlich Bd. XIV. N. F. VII, 2. J 2 178 Prof. R. Wiedersheim, central aiigeordneten dicht gelagerten radiarcn Ziige liegen in der Axenverlangerung der ganz analog ziehenden Chordamaschen , ja beide hiingen direkt miteiuander zusammen, was man sofort ge- wahr wird, wenn man den zierlich gewellten Innenrand der inneren Chordasclieide niit starker Vergrosserung betrachtet. An eben dieser Stelle sieht man zwischen den in gegenseitigem Austausch stehenden Fasern Zellen eingesprengt, die an die Forraelemente des Hyalinknorpels erinnern, die icli aber der scliwacben Vergrosserung wegen auf der Fig. 12 nicht andeuten konnte. Die central liegende Chorda (Ch) erscheint durch die exces- sive Entwickelung ihrer Htillmassen in ihrer Ausdehnung wesent- lich beschrankt. Ihr Mascliensystem geht, wie dies auch sonst der Fall, in radiarer Anordnung von einem etwas dunkleren und dichter geschichteten Centrum aus, wie dies auf der Abbildung gut zu sehen ist. Funf bis sechs Centimeter vor der Schwanzspitze bort die Chorda sammt ihren beiden Scheiden scharf zugespitzt auf und wird durch einen, gleichsam iiber ihr letztes Ende kappenartig herubergestulpten , hyalinknorpeligen Stab fortgesetzt. Derselbe verliiuft unter allmaliger Verjungung bis zur aussersten Schwanz- spitze und zeigt in seinem ganzen Verlauf eine auch von Owen schon bemerkte regelmassige Segmentirung. Es sind circa 30 solcher Segmente vorhanden und zwar nehmen sie in distaler Richtung in ganz regelmassiger Weise an Grosse ab. Die so ge- staltete Knorpelgerte erinnert sehr an den axialen Flossenstab, was auch schon Gunther (1. c.) fur Ceratodus hervorhebt. Es ist iibrigens dieses Verhalten der Wirbelsaule keineswegs auf die Dipnoer beschrankt, sondern findet sich auch bei Ganoiden und Teleostiern in weitester Verbreitung, woruber die Schriften Kol- liker's, Agassiz' u. A. nachzulesen sind. Flesch (Sitzgsb. der physic, medicin. Gesellsch. zu Wiirzburg vom 1. Juni 1878j hat dasselbe auch fiir den Axolotl nachgewiesen und will auch bei anderen Urodelen Andeutungen davon gesehen haben. Es stehen mir liber die Urodelen bezliglich dieses Punktes keine eigenen Er- fahrungen zu Gebot, so viel aber kann ich mit Sicherheit behaup- ten, dass die hier existirenden Verhaltnisse , mit der ihnen von Flesch gegebenen Deutung wenigstens, anf Protopterus direkt nicht iibertragen werden dtirfen. Erstens spricht, wie ich gleich zeigen werde, Alles dafiir, dass bei Protopterus die Chorda friiher auch an der Stelle des jetzigen Knorpelstabes existirte, dass letzterer sich also nicht, wie dies bei Urodelen der Fall zu Das Skelot uud Nerveusystcm von Lopidosireu anuectous. 179 sein scheiut, liypochordiil outwickolt, und zweiteus ist die Segincn- tirung des Eiidstabes im Sinnc einer rcgclrechton Wirbd-Mctanicrie ciue t riigerische. Uiitersucht nuiu luimlicli die obcren und uiitercii Bogen, sowie die Spinaluerven, so wird man bald gewahr, dass sic in ihrer Zahl und Anordnung mit den Stab-Segmcnten keinesNvegs Schritt halten, sondern dass oft auf ein Segment zwei und mehr von jenen entfallen ^). Damit hurt natiirlich jeder Vergleich mit Wirbeln oder wirbel- iihnlichen Theileu auf und was die Genese des Endstabes anbe- langt, so bin ich, obgleicli ich dieselbe nicht direkt verfolgen konnte, doch der festen Ueberzeugung, dass sich derselbe, wie oben schou benierkt, an der Peripherie der friiher hier ebenfalls vorhandenen Chorda unter allmalig fortschreitender Reduction derselben ent- \Yickelte. Legt man namlich Sagittalschuitte durch denselben, so sieht man, wie der im Allgemeinen compacte Hyalinknorpel je zwischen zwei Segmenten eine netzartig durchbrochene, ja sogar da und dort grobmaschige Struktur besitzt. Die einzelnen Ltickeu und Maschen sind von einem Gewebe erfiillt, welches ich seines characteristischen Ausseheus wegen fiir nichts Anderes halten kann, als fiir die letzten, allerdings sparlichen Ueberbleibsel der Chorda. Jedenfalls lernen wir aus diesem Verhalten, dass man in Be- urtheilung derartiger Verhaltnisse die ausserste Vorsicht walten lassen und sich in Acht nehmen muss, das, was man bei der eiuen Thiergruppe als sicher erkannt, ohne Weiteres auf die andere zu libertragen. Hoffeutlich zieht auch Flesch noch die Dipnoer in den Kreis seiner Untersuchungen, deren baldiger Veroffentlichung wir entgegensehen diirfen. II. Das Gehirn und seine Nerven. Was das Gehirn 2) des Protopterus auf den erstcn Blick von denijenigeu der iibrigen niedrigen Wirbelthiere unterscheidet, das ist cinerseits die ausserordenlliche , namentlich an der Basis hervortretende Schmalheit des Zwischen- und Mittelhirnes, anderer- ^) Ich kann Owen somit nicht bestatigen, wenn er behauptet, dass ein paralleles Yerhalten zwischen den Segmenten und oberen Bogen existire. 2) Die friiher erschienenen Beschreibungen Peter's und Owen's (1. c.) iiber das Gehirn von Protopterus sind so skizzeuhaft und un- genau, dass ich darauf weiter gar nicht einzugehcu brauche. 12* 180 Prof. E. Wiedersheim, seits die relativ gut entwickelten , namentlich in dorso-ventraler Richtung stark ausgedehnten Hemispharen ^). Dazu kommt als dritter Punkt eine scharfe Abknickung der Medulla oblongata und des Kleinhirnes von der Axe des hoch dorsalwarts emporgebauch- ten Mittelhirnes. Letzteres geht unter halsartiger Verjiingung nach vorne in das viel tiefer liegende Mittelhirn und die in dessen Axenverlangerung liegenden Hemispharen tiber. Letztere bilden — und dadurch stehen sie, abgeselien von Polypterus, in sclirof- fem Gegensatz zu dem Gehirn aller iibrigen Vertebraten — die tiefst liegende Partie des ganzen Organs (Fig. 21). Sie sind gleichmassig langsoval, seitlich gleichsam comprimirt und entsenden nacb vorne zu den N. olfactorius, der naher der obercn als der unteren Flaclie aus einer dichten Fasermasse kegel- artig heraus entspringt. Von einer zweiten, ventral gelegenen Olfactorius- Wurzel, wie ich sic bei Anuren (Anatomie desFrosches, III. Th.) andeutungsweise, bei den Schleichenlurchen (Anatomie der Gymnophionen) aber in vollendetster Weise nacbzuweisen ver- mochte, ist bei Protopterus nichts zu erkennen. Die Hemispha- ren sind im Gegensatz zu L. paradoxa, wo sie nach Hyrtl basalwiirts ineinander iibergehen, von vorne bis nach hiuten zum Hirnschlitz durch die Fissura sagittalis voUkonimen von einander getrennt und ihre iiussere convexe Flache geht unter Bildung einer abgestunipften Kante in die mediale, rein senkrecht absttirzende Wand iiber. In der Nahe des Hirnschlitzes hangen sie durch eine zwischen beiden Grosshirnschenkeln ausgespannte , schmale Com- missur zusammen. Ihrc Ventrikel sind ihrer ganzen Formation entsprechend hoch und schmal, ohne sich in den Beginn des Nerv. olfactorius fortzusetzen. Ein Bulb us olfactorius ist wie bei L. paradoxa nicht diflt'erenzirt. Das Zwischenhirn ^) springt ventralwarts bauchig vor und lasst die Sehncrven (Fig. 19, II) aus sich entspringen. An der vorderen Circumferenz gchen beide Wurzcln direkt ineinander iiber, an der hinteren konnte ich dies nicht mit Sicherheit entscheiden ; ^) Vou assymraetrischeu Lagebeziehungen des Gehirnes, wie sie durch Hyrtl vou L epidosir eii paradoxa bekannt geworden sind, ist hier nichts zu bemerkeu. 2) Das Zwischen- wie das Mittel- und Kleinhirn von L. para- doxa weicht nach der, allerdings sehr skizzenhaft gehaltenen Schil- derung und Abbildung Hyrtl's bedeutend von den entsprechenden Hirnregionen des Protopterus ab, alleiu ich miisste jenes Thier zuvor selbst untersucht haben, ehe ich genaue Vergleichungen austellen kann. Das Skclet und Nervensystem von Lepidosiron Jinnectcns. 181 jedeiifalls kanii man von keincm eigentliclicn, an dcr Hirnoberflaclic deutlich hcrvortretenden Cliiasnia spredien. Der Opticus ist im Verhiiltniss zu dcm kleinen Augc^) ausscrordentlich stark cnt- wickclt und hat einen so langcn intracraniellen Lauf, me cr sonst nur bei Ganoiden und Selachiern vorkommt^). Anfangs geht er als cylindrischcr Strang schrilg nach vorne und aussen, legt sich darauf bei dem Punkt * an die innere Schiidehvand und zieht zu einem platten, diinnen Bande geworden und eng an jcno angeprcsst fast so weit nach vorne als die Hemispharen, um endlich bei f iu die Orbita durchzubrechcn (Fig. 19), Dorsahviirts ist das Zwischenhirn durch ein tiefes, vom Hirn- schlitz eingeuommenes Thai vom Vorderhirn abgesetzt (Fig. 20, 21 hiuter Z); dasselbe ist jedoch durch eiiie hautige, mit der Pia mater zusammenhangende Kuppel (Fig. 20, 21, Si) oder Kapsel iiberbriickt, die rings an den Eandern des Hirnschlitzes entspringt, deren Bedcutung mir aber nicht klar geworden ist. Auf ihrcr Oberfliiche fand ich eine kleine Oeffnung, von der ich nicht weiss, ob sie natiirlich oder kiinstlich entstanden ist. Der vordere, steil abstiirzende Theil der Kapsel, welcher im Gegeusatz zur ganzen iibrigen, durch ein zartes transparentes Aussehen charakterisirten Partie, opac und verdickt erscheint, hangt mit den Aderhautge- flechten der Ventriculi laterales zusammen und ist ihnen selbst in histologischer Beziehung zuzuweisen (Fig. 21 bei f ). Nirgends habe ich die driisenschlauchartige Struktur der Plexus chorioidei schoner ausgepragt gesehen, als eben hier bei Protopterus und es ist schwer, sich dem Gedanken zu verschliessen, dieselben mochten einen, mit der Sekretion der Ventrikelfliissigkeit betrauten Drusen- apparat repriisentiren. Jene Kapsel erscheint wie ein Sicherheits- ventil, in das jenesFluidum bei Druckschwankungen vielleicht auszu- wcichen vermag, jedoch durfte es schwer sein, diese Ansicht durch einen direkten Beweis zu stiitzen. Bis ich genauere histologische Details gesammelt hatte, war ich geneigt, das Organ fiir eine Zirbeldriise^) zu halten, bald jedoch kam ich von jenem Ge- danken zuriick und gewahrte nach Entfernung der hautigen Kapsel ein auf der Grenze zwischen Mittel- und Zwischenhirn liegendes, *) Bei Fischen steht sonst Opticus und Bulbus oculi stets in geradem Verhaltniss. ^) Es ist auffallend, dass sich (nach Hyrtl's Bericlit) bei L. pa- radox a der Sehnerv sehr rudimentar zeigt und bei weitem nicht den langen intracraniellen Lauf besitzt. ^) Nach Hyrtl soli L. paradoxa keine Zirbeldriise besitzen. 182 Prof. R. Wiedersheim, dorsalwarts stark eraporspringendes Knotchen. Ich liabe dasselbe auf Fig. 20 und 21 bei Z durchschimmerud gezeichnet und will noch hinzufugen, dass es mit seiner Vorder-Circumferenz in den Hirnschlitz jah absturzt and mit der iibrigen Hirninasse continuir- lich und oline irgend welche Abgrenzung zusammenhangt. Gerade letzterer Umstand Hess mir seine Zirbelnatur wieder zweifelliaft erscheinen, wahrend ich andererseits in Verlegenheit ware, wo je- nes Organ bei Protopterus zu suchen sein sollte? Denn, dass ich bei der Praparation absolut Nichts entfernte oder zerstorte, dafur glaube ich biirgen zu konnen. Aus demselben Grunde kanu ich auch mit Bestimmtheit jede etwa zu vermuthende Verbindung einer Zirbeldriise mit der Schadeldecke, wie sie bei Selachiern und Amphibien vorkommt, in Abrede stellen. ' Basalwarts ist das Zwischenhirn (Fig. 19, ZH) in einen auf- fallend langen, annahernd cylindrischen, zapfenartigen Trichterfort- satz ausgezogen (Fig. 19, 21, T). Derselbe ist an seinem hinteren Ende basalwarts tief gespalten und die so entstehende Rinne ist von zwei wulstigen Lippen umfasst (L), in welche die ziemlich plattgedriickte, zungenartige Hypophyse eingelassen ist (Hyp). Diese ist an ihrem freien Ende gleichmassig abgerundet und be- sitzt eine rauhe, wie wollig aussehende Unterflache. Das oben schon in seiner allgemeinen Configuration und seinen topographischen Beziehungen geschilderte, fast wurstartig ge- kriimmte Mittelhirn (Fig. 20, 21, MH) besitzt auf seiner oberen, convexen Flache ein von der iibrigen Masse dunkler sich abheben- des Band, welches sich von der Epiphyse bis zum Cerebellum nach hinten erstreckt. Genau genommen sind es eigentlich drei pa- rallel ziehende Bander, ein raittleres breites, mit feinsten Quers- trichen versehenes (*) und je ein seitliches helleres (1). Alle drei zusammen fasse ich auf als Ausdruck des an dieser Stelle kaum erst erfolgten und deshalb noch deutlich sichtbaren Abschlusses des Mittelhirn- Ventrikels oder Aquaeductus Sylvii. Diese An- sicht vermag ich zu stiitzen durch die fast spinnwebenartige Fein- heit jener Bander, welche bei der geringstcn Beriihrung einreissen und so einen Einblick in den unterliegenden Hohlraum gestatten. Letzterer repraseutirt eine einfache, sagittal stehende Spalte, von glatten, wie mit dem Messer geschnittenen Wanden begrenzt, ohne irgend welche Prominenzen. Dicht hinter oder eigentlich noch unterhalb des Mittelhirnes — letzteres springt niimlich zapfenartig weit nach hinten aus (Vergl. Fig. 20, HH) liegt das Hinter hi rn (HH), welches, ganz Das Skelet und Norvensystcm von Lcpidosireu anncctons, 183 iihiilich wic bei Ainpliibieii , nur cine sclimalc, nach hinten gcgen (lie Rautengrube vorspringendc , wie gcrollt aussehcnde Markla- nielle darstellt. Ihr freier, wulstiger Saum gcht unter scharfcr Bicgung in die die Fossa rhomboidalis seitlich begrenzendcn Lippen iiber (Fig. 20, 21, NH) und dicse wiederuni laufen am Ende von jener in die Hinterstnlnge des Ruckcnmarkes aus, Ani Grande der niit einem deutlichen Obex (Ob) versehenen Fossa rhomboi- dalis verliiuft medial eine zarte Furche (Fig. 20, OF) wie wir eine solche auch auf der ventralcn Seite des Nachhirnes bemcrken (Fig. 19, NH). Die ganze Medulla oblongata stellt einen platt- kegelformigen Korper von ansehnliclier Liinge dar und ist an ihrer Unterseite zart langsgestriemt. An der Uebergangsstelle in das Rdckenmark verflacht sie sich mehr und mehr, wie denn auch letzteres selbst, iihnlich wie bei Cyclostomen einen ziemlich flachen, bandartigeu Strang reprascntirt ^). Ehe ich nun zur Schilderung der iibrigen Hirnnerven ubergehe, muss ich noch erwiihnen , dass das Gehirn den Schiidelraum so wenig ausfiillt, als dies nach Hyrtl bei Lepidosiren paradoxa der Fall zu sein scheint. Der iibrig bleibende, wiihrend des Lebens wohl mit einer lymph- artigen Fliissigkcit erfiillte Raum, ist — und darin stimmt Pro- topterus wieder mit Lepidosiren paradoxa iiberein — von einem aus feiusten Bindegewebsfasern und Gefassen bestehenden, in den verschiedensten Richtungen sich kreuzenden Balkenwerk durchzogen. Die Gefiisse schlagen dabei so vor, dass die fibrosen Strange nur als Stiitzapparat d. h. nur als feinste Trager von jenen zu figu- riren scheinen. Es steht mir ausser allem Zweifel, dass die hier so massenhaft angehauften Gefasse zur Sekretion jener oben erwiihnten subarachnoidealen Fliissigkeit in direktester Beziehung stehen. Die Hirnnerven sind bei L. paradoxa von Hyrtl und neuerdings bei Protopterus von Humphry (Journal of Anat. u. Physiol. Bd. VI.) ausfiihrlich geschildert worden und es stim- men beide Thiere, wie es scheint, in den weseutlichsten Punkten iiberein. Dies gilt wenigstens fiir die periphere Verbreitung, wiih- rend sich in den Ursprungsstellen wesentliche Differenzen ergeben, vorausgesetzt, dass die Hyrtl'schen Angaben durchweg genau und zuverlassig sind. Humphry scheint darauf gar nicht geachtet zu haben, wenigstens ervvahnt er Nichts davon, so dass alle fol- ^) Die Aehnlichkeit wird uoch dadurch vermehrt, dass auoh hier die obereu und unteren Spiualwurzelu in alternirender Weise entspringen. 184 Prof. R. Wiedersheim, genden Notizeu auf meinen eigenen Untersuchungen basiren. Ich k'ge deshalb bei meiner Scliilderung darauf grosseren Nachdruck, als auf den von jenen obgenannten Forschern im Allgemeinen richtig angegebenen, peripheren Nervenverlauf ^). Auf den Riech- und Sehnerven, die ich oben schon bespro- chen liabe, brauclie ich jetzt nicht niehr zuriickzukommen und will gleich bemerken, dass die Augenmuskelnerven nicht, wie man bis jetzt annehraen zu miissen glaubte, den Dipnoern ganzlich fehlen , sondern dass e i n e r wenigstens vorhanden ist. Ich gab mir — und dies ist jenes durch den Schadelraum bin sich cr- streckenden und das Gehirn reichlich umspinnenden Gefassnetzes wegen ausserordentlich schwierig — alle erdenkliche Miihe , die etwa existirenden Augenmuskelnerven in ihrem Ursprung am Ge- hirn nachzuweisen. Es ist mir dies aber bei zwei Exemplaren nicht gelungen und erst me ich das Gehirn herausgenommen, den Schadel sagittal gespalten und in Carmiu durchgefarbt hatte, fand ich einen ziemlich langen , aber ausserordentlich feinen Nerven, welcher nach vorne und oben vom Ganglion Gasseri die laterale Schiidelwand mittelst einer besouderen Oeffnung perforirte (Fig. 5, oc) und sich in den Augenmuskeln verier, ohne dass ich nachzu- weisen vermochte, welche davon er speciell versorgte. Mit diesem Durchtritt durch ein besonderes Loch ist allerdings noch nicht bewiesen, dass der Nerv auch einen besonderen Ursprung am Ge- hirn besitzt; er konnte ja auch kurz vor dem Durchtritt des Tri- geminus aus diesem Nerven entspringen. Immerhin ist aber da- mit der Beweis geliefert, dass auch bei Protopterus die Augen- muskelnerven, wenn auch nur durch einen einzigen Stamm repra- seiitirt, sich zu individualisiren beginnen, wenn man sich dieselben, wofiir allerdings noch keineswegs stricte Beweise vorliegen, aus der Trigeminusgruppe hervorgegangen denken will. Ich muss iibrigens gestehen, dass ich nach den neuesten Un- tersuchungen Schwalbe's iiber das Ganglion oculomotorii nicht sehr zu dieser Ansicht neige und deshalb jenen feinen Nerveu- faden von Protopterus eher als einen selbststitndig eutsprin- genden Oculomotorius aufzufassen geneigt bin. Der Quintus (V) entsteht mit vier sehr eng aneiuauder liegeuden Wurzeln seitlich am vordersten iiussersten Winkel der Medulla oblongata resp. des Hinterhirns. Mit ihneu anastomosirt ^) Alle die jetzt folgendeu 2ahleubezeichnungen bezieheu sich auf Fig. 19. Das Skelet und Nervensystem von Lepidosireu aunoctcns. 185 cin ventral , iiiul zwar etwas biiiter jcuen entspringcndcr, starker Nerv, der Facialis (VII) ^) uiul dieser wiedcrum verbindet sicli enj,'e mit eineni anderen Ncrveiistrang, der etwas weiter liinten seitlich vom verlilDgerteii Mark eiitspringeiid die vorderc Cir- ciimfcrenz der hiiutigen Horblase umgreift, sich auf ihr reicli ver- zwcigt und vor Alleni zwei starke Aeste zu den Ampullcn ent- sendct (Villi)). Ganz unabbiingig von diesem, wie icb ihn gleicb nennen will, accessoriscbcn Hornerven existirt nach hinten von ibm, eben- falls aus der Seite der Medulla oblongata hervortretend , noch ein von jenem gauzlich unabbiingiger Acusticus^). Der eigent- licbe Staram ist kurz und zerfilllt sofort in drei Zweige, welcbe die von jenem obgeuannten Nerven frei gelassene Partie des Hor- sackes umspinnen. Die genaueren Details ersieht man am besten aus der Abbildung und naan wird erstaunt sein iiber die iiber- reicbe Versorgung des Hororgans mit nervosen Elementen. Nacb dem eben gescbilderten Sacbverbalt beiProtopterus mocbte icb fast bezweifeln, ob Hyrtl im Recbt ist, wenn er den Acusticus bei L. paradoxa als Ast des Trigeminus ent- steben lilsst, ja icb bebaupte ausdriicklicb , dass, falls jener Nerv iiberbaupt nicbt mit discreter Wurzel , sondern von einem andern benachbarteu Nerven entspringt, dies kein anderer sein kann, als der Facialis, den Hyrtl, als besonderen Nerv gar nicbt erwabnend, als Zweig des Trigeminus aufgefasst zu baben scheint. Hum- pbry (I.e.) fiibrt den Facialis als besonderen Hirnnerven auf, lasst uns aber uber jeue Ursprungsverhaltnisse vollstandig im Dunkeln. Ilinsicbtlicb dieses Punktes konnte man sicb allerdings fragen, ob er als vordere (motoriscbe) Wurzel des Trigeminus oder des Acusticus aufzufassen sei? Icb will dies nicbt entscbeiden und bezuglicb seines Austrittes aus dem Scbadel nur bemerken, dass letzterer basalwiirts dicbt am vorderen Umfang der Capsula au- ditiva erfolgt. Im Moment, wo er an der Basis cranii erscbeint, erzeugt er eine binter dem Squamosum durchtretende Communi- cationsscbliuge mit dem Ramus III des Trigeminus (Cborda). An dem Abgangspunkt derselben scbickt der Facialis einen langeu Ramus palatinus unter der Mucosa oris nacb vorne bis 1) In topographischer Beziehung imponirt der Facialis als m o - lorische Wurzel des Quintus. -) Auch den Cycles tomen kommt ein accessorisclier Acusti- cus zu. 186 Prof. R. Wiedersheim, in die Regio nasalis des Scliadels. Ihm entgegengesetzt lauft ein an derselben Stelle entspringender Nervenfaden direkt nacli liick- wiirts, umgreift die basalwarts stark vorgewolbte Horkapsel von unten und anastomosirt dicht hinter derselben mit dem durch ein besonderes Loch austretenden Glossopharyngeus (IX). Ich bin der Erste, welcher letzteren als besonderen, vom Vagus wohl differenzirten Nerven auffiihrt und da die Darstellung desselben absolut mit keinen Schwierigkeiten verbunden ist, so bleibt es mir um so unverstandlicher, warum in keiner friiheren, die Dip- noer behandelnden, Arbeit von ihm die Rede ist. Er entspringt eine ziemliche Strecke hinter dem Acusticus und zwar mit zwei sehr enge an einander liegenden Wurzeln aus dem Seitenrand der Medulla oblongata. Die hintere Wurzel strebt direkt auf die oben erwahnte Oeffnung im Schadel zu, die vordere (IX i) dagegen schiebt sich dorsalwarts iiber jene nach hinten und vereinigt sich mit dem Vagus (X). Letzterer, welcher mit sieben dorsalen und zwei ventralen Wurzeln entspringt, re- prasentirt einen Nerven, der sich beziiglich seiner Milchtigkeit mit dem Trigeminus gut messen, ja ihn vielleicht noch iibertreffen kann. Nach kurzem Verlauf vereinigt sich der radienartig verlau- fende Wurzelcomplex zu einem kurzen, gemeinsamen Stamm, wel- cher zu einem grossen , in der Knorpelwand des Schiidels liegen- den Ganglion anschwillt (G). Aus letzterem geht dann ein gan- zes BiischeP) von Nerven hervor, die in ihrem weiteren Verlauf von Humphry (1. c.) im Allgeraeinen richtig beschrieben wor- den sind und von denen ich als wichtigen neuen Punkt deshalb nur Folgendes hervorheben will. Der hinterste Strang (Fig. 10, Sr) zieht lateral von der Kopf- rippe, (KR) aber genau in der Axe derselben, nach hinten, unten und aussen und communicirt mit dem vorderen Ast des Hypo- glossus XII, in welchem er vollkommen aufgeht '^). Der Hypoglossus selbst entsteht noch intracraniell mit zwei ventralen, kraftigen Wurzeln (Fig. 19, XII), wovon aber die vordere die hintere an Starke weit iibertriflft. Jede davon tritt durch ein besonderes Loch der lateralen Schadelwaud hindurch (Fig. 10, XII) und nachdem beide ausserhalb noch eine kleine 1) Der Vagus fungirt audi an Stelle des bei Protopterus so wenig als bei Cyclostomen existirendeu Sympathicus. 2) Bei Rla auf Fig. 10 sieht man den Ram. lateralis J?", vagi nach riickwarts Ziehen. Das Skelet uud Nerveii system von Lcpidosireu auuccteus. 187 Strcckc getrciiiit zuriickgclegt liaben, vorcinigen sic sich unter spitzem Wiiikel zii eincm dickcn Strang (Bra), wclcher kurz nach seiner Entstchung cincn fcinen Nerven aiis dem ersten Spinalis zur Verstiirkung erhalt (Fig. 10, I Sp). So,ausVagus-HypoglossusundSpinalelenienten componirt gelangt der Nerv in di e Axillarfalte, wo er in mehrere kleine Seitenaste und zwei Hauptzweige zerfallend hinauszielit bis zur freien Spitze der Ex- tremittit. Die Lage des so constriiirten Plexus axillaris zum Seitenast des Vagus und zur Kopfrippe (KR) geht am besten aus der Abbildung 10 hervor, docli will ich kurz erliiuternd be- nierken , dass der dem Vagus entstammende Zweig, sowie der Ilypoglossus selbst lateralwiirts, der Zuzug vom ersten Spinalis da- gegen medianwiirts von der Kopfrippe verliiuft. Bei einem kleinen Exemplar von Protopterus entsprang aus der Hypoglossus-Schliuge ein nach vorne am Boden der Mund- liohle hinstreichender , den Muse, ceplialo-hyoideus versor- gender starker Zweig, welchen ich bei einem zweiten Exemplar nicht mehr aufzufinden vermochte. Er mag wohl hier, wie dies Hyrtl auch von Lepidosiren parodoxa beschrcibt, aus der Vagusgruppe hervorgehen, gewiss behaupten kann ich dies aber nicht. Somit lasst sich also mit Sicherheit behaupten, dass bei Pro- topterus Nervenelemente im Plexus brachialis verlaufen, die man bisher nur auf den Tractus intestiualis , die Kreislaufs- und, worauf es hier am meisten ankommt — auf die Respirations- organ e (Kiemen) beschrankt glaubte. Die Extremitat erhalt so- mit ausser Hypoglossusfasern einen kraftigen Kiem en-Nerve n, d. h. einen Ast des Vagus. Das ist ein Satz, der in der vergleichenden Anatomic hiemit zum erstenmal aus- gesprochen wird. Halt man die Thatsache der Ver- sorgung der Extremitat durch einen Kiemeunerven zusammen mit dem, was ich frliher schon liber die topographischen Verhaltnisse derselben, sowie ihre Beziehungen zu den iiusseren Kiemen mitgetheilt habe, so wird man keinen Augenblick mehr daran zweifeln konnen, dass uns in Protopterus ein Thier er- halten ist, dessen primitive Organisation uns zu dem Ausspruch berechtigt: Die Gegenbaur'sche Hypothese iiber die Entstehung des Schultergiirtels hat aufge- 188 Prof. R. Wiedersheim, hort eine Hypothese zu sein, sie ist zur festen, unum- stossliclien Thatsache geworden. DieVorderextremitat von Protopterus ist an ihrem locus nascendi d. h. im Bereich des Schadels, des Vis- ceralskeletes und der Kopfnerven liegen geblieben, ein Verhalten, wie es bis jetzt von keinem andern Wirbelthier bekannt ist. Ueber die morphologische Bedeutung des Beckens wage ich mir noch kein sicheres Urtheil zu bilden , obgleich auch seine Wanderung in distaler Richtuug nculich von Davidoff an Se- lachiern sicher nachgewiesen wurde. Vielleicht bin ich spater in der Lage, mich hiertiber bestimmter aussern zu konnen. An die genaue Durcharbeitung der iibrigen Organsysteme des Protopterus bin ich bis jetzt mit Ausnahme des Hautske- letes (publ. im Auh. f. mikrosk. Anatomie 1880) noch nicht ge- komraen, doch hoffe ich diese Lticke spater erganzen zu konnen. Bei der vorliegenden Arbeit, welche schon vor vier Jahren begonnen, dann aber ausserer Umstande wegen immer wieder un- terbrochen wurde, bin ich von folgenden Herrn in liebenswiirdig- ster Weise mit Material unterstiitzt worden: Ecker, v. Siebold, Ewart, Weismann, Hasse, Gegenbaur, Hackel und Reichert. Es ist mir eine Freude, denselben an dieser Stelle meinen freundlichsten Dank aussprechen zu diirfen. Freiburg i/B. im December 1879. Das Skelet uud Nervensystem von Lepidosiren annectens. 189 Tafelerklarung. Allgemein giiltige Bezeichnungeu. JF, JF^ Antorbitalfortsatz. ^4, .4^ Articulare. ^4i'm Arm. B Wirbelbogen. B, Bd, Bdd Bindegewebe. BP Basalplatte 1 Cri Crista \ deeselben. CF Centrafurchej Ch Chorda dorsalis. CS, CS^ Aeussere und innere Scheide dereelben, Cmis Cavum nasale. CM, CM^ Cartilage Meckelii. Co Mediale Commissur-Platte der letzteren. D Dentale externum. Es Fortsatz des knorpeligen Nasendaches. £.', E^ Fortsatze des Pterygo-palatinum. FP Fronto-parietale. Frh Fossa rhomboidalis. a Ganglion N. vagi. GF Gelenkgrube am Unterkiefer. H Haut zwischen Darmfortsatzen und Flossentragern. Hi Hautige Fontanelle vorne und eeitlich am Schadeldach. HH Hinterhirn. Hij Hypophysis cerebri. Hrjd Os hyoideum. HM Hiillmassen der Chorda. KB Kopfrippe. Knp Knorpel am Schulterbogen. lis Deckkuochen am Schulterbogen. KF Aeussere Kiemenfransen. Med Medulla spinalis. MH Mittelhirn. 190 Prof. R. Wiedersheim, N Os nasale. NK, iV/j"! Nasenknorpel. Nk Naht zwischen den Vorderenden der Pterygo-palatina. NH Nachhirn. Ob Obex. OB, On^ Ohrblase. Op Opercular-Knochen. PP Pterygo-palatinum. Pc/i Perichondrium. Pre Process, coronoideus mandibulae. Pasc Process, ascend, des Pterygo-palatinum. Ps Parasphenoid. Ps^ Fortsatz desselben zur Verbindung mit dem Pterygo-pala- tinum. Ph^ Schnauzenknorpel. Pm Z Praemaxillar-Zahne. Qu Quadratum. Ri, Ri Rippen. Rla Seitennerv des Vagus. S Sehnenknochen. Su Supra-occipital-Knorpel. SI Schmelzsubstanz. SF Mediale Verbindungsstelle der Vorderenden der Pterygo- palatina (Septum nasale osseum). SK Septum cartilagineum nasi. Spo Supra-occipitale. Sq Squamosum. •^ Sept Septum in dem hautigen Interspinal-Raume. Sy Symphyse des Unterkiefers. Spin Spina mentalis externa. Sr der am Plexus brachialis sich betheiligende Aet des Vagus. / Sp Erster Spinal-Nerv. Si Kuppel der Pia mater. T Hirntrichter. TV Pars trabecularis cranii. Trg Nasal- Ast des Quintus. FH Vorderhirn. Z Zirbel? % ZH Zwischenhirn. Zp Gelenkhocker fiir den Humerus. Das Skelet uud Nervensystem von Lepidosirou anneotens. 191 1 — 6 Die Bochs Kicmcnbogcu ) n x^ ^ / — / Die fuui luemeuolmuugcn j / N. olfactorius // N. opticus fi—r^ N. Trigeminus .... -.^ -r^ . ,. r rcsp. die Durchtntlspunkte dieser /// N. Facialis I 4 • ^ utj, , /t.- #•///! /•/!/ AT ^- T TT / NcrvcH 111 dcr bchadelwand (Fig / JI1\ nil N. acusticus I u. II I -i -i r\ LY, lA'^ N. glossopliaryngcus ■ A' N. vagus All N. hypoglossus Ueber die iibrigeu Bezeichuungcii vergl. den Text. Fig. 1. Schiidel von oben. Fig. 2. Schiidel von unten. Fig. 3. Schiidel von der Scite (die Kiemenspaugen sind ent- fernt). Fig. 4. Unterkiefer von vorne. Fig. 5. Sagittalschnitt durch den Schiidel, wodurch das Cavum cranii eroiFnet ist. Fig. 6. Eegio naso-ethmoidalis von oben. Das 0, nasale und die Sehnenknochen sind entfernt. Fig. 7. Rechte Unterkieferhiilfte von Innen. Fig. 7*. Isolirtes Pterygo-palatinum der linken Seite von aussen, Fig. 8. Das Visceral - Skelet mit dem Schulterbogen und der vorderen Extremitat. Fig. 9. Profilansicht des unpriiparirten Kopfes. Die Schuppen, die Kiemenfalte, die iiusseren Kiemen, sowie der Arm sind deutlich sichtbar. Fig. 10. Plexus axillaris in seinem Verhiiltniss zur Basis cranii und Kopfrippe. Fig. 11. Chorda dorsalis mit ihren Appendikeln. Fig. 12 — 15. Querschnitte durch die "Wirbelsiiule mit Dornfort- siitzen und Flossentriigern. Fig. 16. Ein isolirter Wirbelbogen von der Ventralseite , um die auf der Chorda ruhenden Basalplatten zu zeigen. Die Chorda selbst ist entfernt. Fig. 17. Qruerschnitt durch die vordere Nasengegend. Bei SK erscheint das zwischen die Fortsiitze des Pterygo-palatinum EE einge- klemmte Septum cartilagineum. Fig. 18. Querschnitt durch die hintere Nasengegend , um das von Seiten der Pterygo-palatina gebildete Septum osseum zu zeigen. 192 Prof. K. "Wiedersheim, Das Skelet und Nerven system etc. Fig. 19. Das Gehirn mit seinen Nerven und den beiden Ge- horsacken von der Ventralseite. F i g. 20. Dasselbe von der Dorsalseite vou einem jungeren Exemplar. Die Nerven sind hier nicht eingezeichuet. Fig. 21. Das Gehirn von derSeite, ebenfalls ohne Nerven mit Ausnahme des Olfactorius und Opticus. Sammtliche Figuren sind unter der Lupe gezeich.net mit Aus- nahme der Fig. 17 und 18, bei welchen Hartnack IV in Anwen- dung kam. Ein neues Mikrotom. Besprochen vou Dr. Kortiiig, Stabsarzt. XYL.M.HUNOESiJtNA, Mit Schluss des Jahres 1879 ist aus der Werkstatt von C. Zeiss in Jena ein neues Mikrotom hervorgegangen, welches nicht nur die grosse Zahl der vorhandenen Modelle vermehrt, sondern entschie- dene Vorziige vor der Melirzalil derselben besitzt. Die erste An- regung zur Construction desselben ging 1878 von Professor Licht- heim aus, auf Grund einer Erfahrung, die wohl jeder bestatigt, der liingere Zeit mit dem Leyser'schen und auf gleichem Prin- Bd. XIV. N. F. VII, 2. 13 194 Dr. Kdrtiug, cip construiitcu Iiistrumenten gearbeitet hat: ich mciue die Mangel- haftigkeit der Eiustellung des Objects, sowohl in Bezug auf die Richtigkeit der Hohcrbewegung, als auf die Feststellung des object- trageiideu Schlittens. Mathematisch genau ansteigende, von Ge- staltanderung durch Tcmperaturdifferenzen uuabliangige Schliff- flachen sind eben uicht herzustellen. Deshalb ist zur Objecthebung eine Mikrometerschraube unter alien Umstiinden zuverlassiger. Andererseits erschien gerade ftir den Zvveck pathologisch-anato- mischer, und iiberhaupt solcher Untersuchungen , zu denen man nicbt.die Zeit und Umstande aufwenden kann, die das Einbetteu des Objects erfordert, die Klammerbefestiguug und die im Schlit- ten gesicherte Messerfiihrung so vortbeilhaft, dass es geboten war, sie beizubehalten. Von diesen Gesichtspunkten aus ist Zeiss's neues Mikrotom construirt. Dasselbe hat in den Phasen seiner Entstehung mehr- facher Priifung unterlegen, am langsten der des Herrn Hofrath Midler, Directors des pathologisch-anatomischen lustituts der Uni- versitiit Jena, Auch Ref. hat Gelegenheit gehabt, zu Einzelheiten der Construction Vorschliige zu machen, doch sei besonders her- vorgehoben, dass wesentliche Aeuderungen dadurch nicht bedingt wurden — das Verdienst der Construction gebiihrt allein der oben genannten, riihmlichst bekannten Firma. Das Mikrotom erlautert sich leicht an der Hand der Abbil- dung. Auf breiter gusseiserner Fussplatte a, die auch mit Blei ausgegossen geliefert wird, ist die Messingwand b aufgeschraubt. Diese triigt rechts den gehobelten Schlitten c, auf welchem der Messertriiger m 14 cm lang bewegt werden kann. Das Herabglei- ten wird durch einen Schlitz d im Schlitten verhindert, in welchem eine, von unten in den Messertriiger eingesetzte Kopfschraube sich bewegt. Die Befestigung des Messers geschieht durch die Zug- schrauben e und e', welche den Gritf desselben zwischen die passend geschliffenen, tibrigens ganz glatten Flachen zweier Messingplatten einklemmen. Dadurch, dass die obere Platte f sich um e wie in einem Charnier nach links drehen lasst, wird die Klemme so ge- oflfnet, dass man das Messer bequera aus- und einlegen kann. Das Messer selbst ist mit Riicksicht darauf construirt, dass man es leicht beim Abziehen handhaben und erforderlichen Falls auch zu Schnitten aus freier Hand beuutzen kann. Es ahnelt am meisten dem Messer von Fritsch. Zur Sagittalaxe des Objects lasst sich die Messerschneide in Winkeln von 62 bis 24^ stellen. Da letzte- rer Winkel, besonders bei sehr zarten Objecten, noch nicht die Eiu ueues Mikrotora. 195 Druckwiikuiig der Sclincidu in wunsclienswcrthem Grado ausschliosst, so ziche icli fiir uiciii Instrument cin Messcr vor, dcssen Schneido stunipfwinklig unter 150" vom Griff abgcht. Dieses liisst sich so spitzwiuklig zum Object stellen , dass ich z. B. bei einem Probe- object von 7 mm Durchmesser (Hullundermarkstiickchcn) 5 cm der 7 cm langen Schneide des Mcssers hindurchzielien kann. Der erwahnte Winkel betriigt danu 10". Die linke Seite der Wand b triigt die zwiscben zwei Schieiien laufeude Platte g, an der die Objectklammer befestigt ist. Die Hochbeweguug von g gescbieht diirch eine iMikrometerscbraube mit getheilter Trommel h, derart, dass eine voile Drehung der Trommel die objecttragende Platte um 0,3 mm bebt. Theilung in 30 Grade regelt die Bewegung nach Hundertstel des Millimeters. Die Klanmier i ist durcb einen Zapfeii in dem an g unbeweglich befestigten Block k drehbar, so dass die Schnittfliiche des eingeklemmten Objects mehr oder weniger horizon- tal zur Messerschneide eingestellt werden kann. Die Druckschraube 1 lixirt die jeweilige Stellung. Starkes Herabdrehen der Klemme erlaubt die Entfernung des Objects, ohue dem Messer zu nahe zu kommen oder letzteres wegnehmen zu mussen. Auf Wunsch wird neben der Objectklemme auch eine Btichse beigegeben, um zarte Objecte eingiessen zu kounen. Einen gauz wesentlichen Vortheil des Mikrotoms sehe ich in der Befestiguug der Klammer. Bei vollkommen gesicherter Fixi- rung ist sie so weit abstehend, dass man eine Schale unter sie stellen uud somit jeden iiberfliessenden Tropfen auffangen kann, ohue die anderen Theile des Instruments, die Umgebung, Hitnde etc. zu beuetzen. Hochst wichtig fiir Jemand, der in seiner Be- hausung arbeitet. Ich bin durch diese Einrichtung im Stande ge- wesen, liber hundert Schnitte in einer Sitzung unter fortlaufend geregeltem Tropfenfall zu machen, ohne dass ein einziger der auf die Objectflache gelangenden Tropfen auch nur das Charnier der Klemme geniisst hatte. Nach eingehender Priifung an den verschiedenartigsteu , zu diesem Zweck ausgesuchten , gehiirteten anatomischen Objecten kann ich nur aussprechen, dass das Zeiss'sche Mikrotom ausser- ordentlich brauchbar ist. Die Priicision der Einstellung, Messer- fiihrung, Objectfixirung lasst nichts zu wiinschen ilbrig. In der Sitzung der jenaischen medicinisch-naturwissenschaftlichen Gesell- schaft vom 19. December 1879 hatte ich Gelegenheit, das erste fertig gewordene Instrument zu demonstriren. 13* Die Chaetognathen. Eine Monographie von Dr. Oscar Hertwig. Hierzu Tafel IX— XIV. Zu den morphologischen Aufgaben, welclie noch einer weiteren Bearbeitung bediiifen, gehort die Frage iiach der Genese dcr Leibeshohle. Dieselbe ist in ein neues Stadium getreten, seitdem uns Kowalevsky in seiner Eutwicklungsgesdiichte der Sagitta gezeigt hat, dass die herrsdiende Lehre, nach welcher die Leibes- hohle als ein Spaltraum im mittleren Keimblatt entstehe , nicht iiberall zutrifft. Denn bei Sagitta entwickelt sich die Leibeshohle durch eiuen eigenthiimlichen Einfaltungsprocess des Darmdriisen- blattes, des Entoblasts, sie ist weiter nichts als ein abgeschniirtes Divertikel des Urdarins. In den zehn Jahren, die seit dieser Entdeckung verflosseu sind, hat die Lehre von der Spaltbildung mehr und mchr an All- genieingiiltigkeit verloren. Wie die embryologischen Untersuchun- gen der neueren Zeit und namentlicli wieder die ergebnissreichen Arbeiten Kovvalevsky's gelehrt haben, stehen die Sagitten kei- neswegs isolirt da; ganz Aehnliches lasst sich noch in einigcn an- deren Thierabtheilungen, bei den Echinoderraen, bei den Brachio- poden und beim Amphioxus lanceolatus beobachten. Bei dem gegeuwiirtigen Stand unserer Kenntnisse miissen wir also zwei verschiedene Bildungsweisen der Leibeshohle annehmen, L eine Entstehung durch Spaltuug und 2. eine Entstehung durch Einfaltung oder mit anderen Worten, wir miissen mit Huxley zwi- schen einem Schizocoel und einem Enterocoel unterscheiden. Die hohe Bedeutung, welche diese Unterscheidung fiir das Verstand- niss der thierischen Organisation besitzt, ist bis jetzt noch nicht recht gewiirdigt worden, dieselbe schcint mir aber vorzugsweise eine doppelte zu sein : Erstens ist es in systematischer Beziehung von Werth zu wissen, in welchen Abtheilungen des Thierreichs Die Chaetoffnathen. 197 ^e das Coelom durch Einfaltung, in wclchcn durcli Spaltbilduiig ent- steht, denn je nachdem das cine oder andere stattfindct, werdcn die verwandtschaftlichen Verhiiltnisse der Thiere zu einander be- urtheilt werdeu miissen. Zwcitens schcint mir die verschicdene Bildungsweise des Coeloms fiir den ganzen morpliologischcn Auf- bau des Organismus von tief eingreifcnder Bedcutung zu sein. Wie ich spiitcr nocli im Einzelncn nachzuweisen gcdenke, wird je nach der Genese des Coeloms auch die Entwicklung des Meso- blasts und des Mesoderms, der Korpermusculatur, der Geschlechts- und Excretionsorgane, eine verschicdene sein. Es wird daher das Stadium der Coelombildung auch auf die Weiterentwicklung der Blattertheorie seinen Einfluss ausiiben miissen. Diese und iihnliche Erwagungen bildeten den Ausgangspunct fiir nieine Untersuchung der Sagitten. Urn durch eigene Beob- achtuugen mit der Entstehung der Leibeshohle durch Einfaltung des Entoblasts bekannt zu werden, schien mir das geeigneteste Ob- ject die Sagitta zu sein, an welcher Kowalevsky den Process zuerst mit aller Deutlichkeit verfolgt hat; auch wurde bei ihrer "Wahl der Umstand mit maassgebend, dass sic unter den mit einem Coelom ausgestattetcn Wlirmern bei dem Mangel des Blutgefasssy- stems und der wenig ausgepragten Gliederung des Korpers un- streitig eine sehr tiefe Stufe einuimmt. Meine Aufgabe war zu zeigen, in welchem Verhiiltniss bei einem Thiere mit Enterocoel die einzelnen Organe und Gewebe zu den beiden primitiven Keim- blattern stehen. Um diese Aufgabe zu losen, konnte ich mich auf das Studium der Entwicklungsgeschichte nicht beschriinken, sondern ich musste auch die Anatomic und Histologic des fertigen Thieres rait untersuchen, da eine gcnaue Kenntniss derselben auch auf die Entstehung der Theile Licht wirft. Messina mit seiner reichen pelagischen Fauna, wo ich mich im Fruhjahr 1879 aufhielt, war zur Erreichung dieses Zweckes ein sehr geeigneter Ort und bot mir trotz der im Allgemeincn sehr ungiiustigen Wittcrung im Grosscn und Ganzen ein reiches und constantes Beobachtungsmaterial dar. Wahrend eines Swochent- lichen Aufenthaltes hatte ich Gelegenheit, mit fiinf verschiedenen Arten von Chaetognathen bekannt zu werden, von welchen vier sehr hiiufig waren, eine indessen nur in cinigen wenigen Exem- plaren im pelagischen Auftriebe aufgefunden wurde. Hierdurch bin ich veranlasst worden, auch der Systematik der Chaetognathen, welche noch nicht ini Zusammenhang behandelt worden ist, einen besonderen Abschnitt zu widmen. Spater erfulir der systemati- 198 0. Hertwig, sche Theil noch eine Erweiterung dadurcli, dass ich coriservirtes Sagittenmaterial zur Uutersuchung erhielt von den Herren Profes- soren E. Haeckel und K. Mob ins, vvelclien ich fiir ihre freund- liche Unterstiitzung meinen besten Dank sage. Die Uutersuchungen zur vorliegeuden Arbeit wurden haupt- sachlich in Messina ira Friihjahr 1879 von mir angestellt. Hier dienten mir zum anatomisch - histologischen Studium vorzugs- weise die Sagitta hexaptera (D'Orbigny) und die Sagitta bipunc- tata (Quoy und Gaimard). Erstere empfiehlt sich wegen ihrer be- trachtlichen Grosse zur Anfertiguug von Fliichen- und Zerzupfungs- priiparaten, letztere ist dagegen, weil von geringer Grosse, mehr zur Anfertigung von Durchschnitten geeignet. Weniger eingehend wurden die anderen Arten (Spadella cephaloptera und Sp. draco) untersucht. Zur entwicklungsgeschichtlichen Beobaclitung benutzte ich die kleinen Sagittenarten, an welchen auch Kowalevsky seine Entdeckungen gemacht hat. (Sagitta bipunctata, S. serrodentata.) Beobachtungsliicken , welche bei dem einmaligen und kurzeu Aufenthalt am Meer nicht zu vermeiden waren, wurden an Mate- rial, das in verschiedener Weise conservirt war, noch in Jena, so- weit es ging, nachtraglich ausgefiillt. Die Chaetognatlicn. 199 'O I. Geschichte der Chaetognathen. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts beobachtete der Hol- lander Martin Slabber (46) im Meere einen wenige Linien grossen durchsichtigen Wurm, welchem er den recht passend ge- wiililten Namen Sagitta oder Pfeilwurm gab. In einer kleinen Schrift: „Physicalisclie Belustiguugen oder microscopische Wahr- ncbmungen in- und auslandischer Wasser und Landthierchen" ver- offentlicbte er eiue kurze Beschreibung und fiigte derselben eine Abbilduug bei, welche bei niehrfacher Vergrosserung die aussere Gestalt nur sehr ungenau wiedergibt, indem Greifhaken und Flos- sen felilen. Von inneren Organen wurden allein die Eierstocke gesehen. Mehr als 50 Jahre vergingen darauf, ohne dass die Ent- deckung Slabbers von anderer Seite eine Bestatigung fand ; erst im Jahre 1827 fiihrten Quoy und Gaimard (43) unter einer grossen Anzahl neu aufgefundener Meerthiere auch eine 4 — 5 Lin. lange Sagitta bipunctata auf, welche sie in der Strasse von Gi- braltar gefischt batten ; sie beschrieben an ihr zwei Paar seitliche Flossen und eine Schwanzflosse, die Eierstocke und am Kopf „zwei Augenflecke und seitwarts zwei Dinge wie Palpen." Von jetzt ab wurden die Sagitten unter dem machtigen Auf- schwung, welchen in der Mitte dieses Jahrhunderts das Studium der Meerthiere nahm, von Jahr zu Jahr haufiger ein Gegenstand immer sorgfaltigerer Untersuchung. D'Orbigny (41) unterschied in seinem grossen Werk: „Voyage dans I'Amerique m6ridionale" 3 Arten von Sagitten, welche er in alien Meeren und naraentlich zur Nachtzeit in grossen Mengen angetroffen hatte, und er benannte sie nach der Anzahl der Flossen Sagitta diptera , triptera und hexaptera. Forbes (12) beschrieb eine an den britischen Kiisten vorkommende Art und Charles Darwin (9) untersuchte auf seiner Erdumseglung die Sagitta hexaptera. Alle diese Arbeiten haben indessen unserer Kenntniss vom Bau der Sagitten nur geringfugige Einzelheiten hinzugefugt und niussten alsbald ganz in den Hintergrund zuriicktreten hinter einer Monographie des verdienstvollen Krohn (27), welche im Jahre 200 0. Hertwig, 1844 unter clem Titel „aiiatomiscli-physiologische Beobachtungen iiber die Sagitta bipunctata" veroffentlicbt wurde. lu dieser Sdirift hat Krohn eine ganz vorztigliche und bis in's Einzelne ausserst sorgfiiltige Darstellung vom Ban der Sagitten gegeben. Nicht allein die leichter zu erkennenden Verhaltnisse brachte er in's Klare, den Bau des Kopfes, der Flossen, des Darmkanals, der Ge- schlechtsorgane, der Muskulatur, sondern er drang aucb mit Er- folg in die schwierige Anatomie des Nervensystems ein; er ent- deckte das obere Schlund- und das Bauchganglion sowie 2 kleinere Ganglien zwischen den Kopfmuskeln und verfolgte die von ihnen ausstrahlenden Nervenstiimme. Wenn wir von der Histologie ab- sehen, so sind es nur wenig anatomische Verhaltnisse, welche der Sorgfalt und dcm Beobachtungstalent von Krohn entgangen sind, und gering ist die Anzahl der Punkte, in denen ihm Irrthiimer nachgewiesen werden konnen. Kurze Zeit nach dem Erscheinen von Krohn 's Schrift haben uns Wilms und Busch vollstandige und recht sorgfaltige Sa- gittenanatomien geliefert. Unter der Leitung von Johannes Miiller untersuchte Wilms (49) die Helgolander Sagitta und beschrieb dieselbe in seiner 1846 veroffentlichten Dissertation: „Observatio- nes de Sagitta mare germanicum circa insulam Helgoland inco- lente." Wenn Wilms auch wegen der Kleinheit seines Objectes in der Erkenntniss des Nervensystems hinter Krohn zuriickge- blieben ist, so hat er auf der anderen Seite einige neue Verhalt- nisse aufgedeckt; er beobachtete zuerst einen neben dem Ovarium verlaufenden und von Krohn ilbersehenen Kanal, den Oviduct, und die iiber die Hautoberflache hervorstehenden Borsten, welche er Aculei nannte. Die Arbeit Busch's (5), die Frucht einer grosseren in den Jahren 1849 und 1850 angestellten Reise nach den Orkney Inseln und dem Mittelmeer, handclt tiber eine neue interessante Art, die Sagitta cephaloptera. An der Riickenseite des Kopfes eut- deckte Busch ein fliramerndes Organ (Raderorgan) , welches bei alien anderen Sagitten zwar auch vorhanden, aber bis in die neueste Zeit allgemein iibersehen worden ist. Zugleich gab er Veranlas- sung zu einer Controverse uber das Nervensystem der Sagitten, wel- che erst in der Neuzeit als endgiiltig abgeschlossen betrachtet werden kann und von verschiedenen Forschern geftihrt worden ist. Er glaubte namlich irriger Weise die nervose Natur des von Krohn entdeckten Bauchganglions in Abrede stellen zu mlissen, weil es in der Epidermis lagere. Obwohl Krohn (28 und 29) mit Die Chaetognatlieu. 201 Modifikation eiiics einzigen Punktes seine friihcren Angaben iibor das Nervensystem der Sagitteii aufrecht erhielt (1853) und obwolil Soiilcyet (10 p. G52 — 654) und der cnglischc Forscher Busk ((> p. 18 und 19) bestiitigendc Beobaclitungcn veroffentlichten (1856), ricf trotzdem Meissner (37=^) wiedcr ncue Zweifel wach (1857). Xach ihiu sollten die Sagitten Wirbelthiere sein und wie diese ein Hirn- und Ruckenmark besitzen, welches iiber einer Chorda dorsalis gelegen sei. Indessen schon nach einera Jahre wurden die irrthiimlichen Beobachtungen M e i s s n e r ' s durch Leuckart und Page nstec her (34) in einer kleinen Abhandlung iiber die Sagitta germanica sowie durch Leuckart (32) allein in den von ihm verfassten Jahresberichten widerlegt und es wurde die Rich- tigkeit der Krohn'schen Angaben von Neuem bestatigt. Aber auch hiermit war die Controverse noch nicht beendet. Xoch im Jahre 1862 kam Kefer stein (23) wiederum auf die Ansicht Busch's zuriick, dass das Bauchganglion nur eine Ver- dickung der Epidermis, ein Bauchsattel, sei. Die jiingsten Arbei- ten von Kowalevsky und Langerhans haben endlich in der viel discutirten Angelegenheit den Ausschlag gegeben. Kowa- levsky (26) hat zum ersten Male die Ganglien histologisch ge- nau untersucht und Langerhans (30) hat auf Grund sorgfal- tiger Untersuchung eine Gesammtdarstellung vom Nervensystem gegeben, durch welche die in vielen Einzelheiten bisher unbesta- tigt gebliebenen Untersuchungen Krohn's bewahrheitet und hie und da auch erweitert worden sind. Wenn nach den grundlegenden Schriften von Krohn und Wilms auf dem Gebiete der Anatomie nur wenig Neues zu Tage zu furdern war, die Histologie aber im Ganzen unberucksichtigt blieb, so erfuhr dagegen die Sagittenliteratur wichtigere Bereiche- rungen durch systematische und vornehmlich durch entwickelungs- geschichtliche Untersuchungen. "Was die zunehmende Artenkenntniss anlangt, so wurde die von Busch entdeckte Sagitta cephaloptera von Claparede 1863 wieder aufgefunden und in seinem Werk iiber die „an der Kiiste von Normandie angestellten Beobachtungen (7)" gut abgebil- det. Ausserdem ist dieselbe Art noch von Page nstec her (42) als Sagitta gallica und von Giard (16) als Sagitta Batziana kurz beschrieben worden. Eine Anzahl neuer Arten beobachtete Krohn (29) wahrend eines Aufenthaltes in Messina und nannte sie Sagitta serrodentata , S. lyra und S. draco. Letztere ist eine besonders auffiillige Form, welche manche Eigenthiimlichkeiten an sich hat. 202 0. Hertwig, Ferner beschrieb Lewes (35) in seinen Naturstudien eine Sagitta Mariana, Kent (24) eine Sagitta tricuspidata, Ulianin (48) eine Sagitta pontica und neuerdings hat Mobius (38) bei der fauni- stisclien Untersuchung der Nord- und Ostsee eine neue Art ent- deckt und Sagitta hamata beuannt. Die Eutwicklungsgescliichte der Sagitten hat Ge- genbaur (14 und 15) zuerst niit Erfolg in Angritf genonimen und die hierbei erzielten Resultate im Jahre 1856 in den Abhandlun- gen der naturforschenden Gesellschaft in Halle veroffenthcht, Zu- nachst berichtigte er daselbst ein Versehen von Charles Darwin (9), welcher 1844 in seinen „Observations on the structure and propagation of the genus Sagitta" pelagische Fischeier fiir Sagit- teneier gehalten und Fischembryonen als Sagittenerabryonen be- schriebeu hatte. Alsdann werden die Theilungsstadien , das Sta- dium der Blastula und der Gastrula in Wort und Bild von Ge- genbaur gut dargestellt; dagegen sind ihm die spateren Vor- gange im Entwicklungsleben, Bildung des secundaren Darms , des Mundes und der Leibeshohle unklar geblieben, desgleichen die Art und Weise, wie sich die Gastrula aus der Blastula entwickelt. Ueber alle diese Verhaltnisse haben die entwicklungsgeschicht- lichen Untersuchungen Kowalevsky's (26) vollen Aufschluss ge- geben; sie haben gezeigt, dass die Gastrula durch Einstulpung gebildet wird, dass sich der Darm und die Leibeshohle durch Ein- faltung des Entoblasts der Gastrula anlegen , dass der Urmund sich schliesst, der bleibende Mund neu entsteht, dass die Musku- latur vom Entoblast abstammt. Wenige Jahre spater hat die ausgezeichnete Arbeit Kowalevsky's eine Bestatigung und eine Ergiinzung durch Butschli (1) erfahren, welcher den Ursprung der Geschlechtsorgane bis zu dem Gastrulastadium zuriick ver- folgt hat. In jiingster Zeit sind endlich noch die vollkommen durchsichtigen Sagitteneier von Fol (11) und mir (18) auf die Vorgiinge bei der Reife, Befruchtung und Theilung untersucht und sind hierbei die zwei ieicht zu iibersehenden Richtuugskorper ent- deckt worden. Ueber die systematische Stellung der Sagitten oder Chaetognathen sind die Ansichten der Forscher von Anfang an weit auseinandergegangen. Wahrend Slabber die Sagitta zu den Wiirmern rechnete, liessen Quoy und Gaimard es unent- schieden, ob sie ein Zoophyt oder ein Mollusk sei. D'Orbigny erklarte sich fiir ihre Molluskennatur und ordnete sie den Hetero- poden unter. Seinem Boispiel folgten T r o s c h e 1 (47), S i e b o 1 d (45) Die Chactogaatheu. 203 'o und Burmeister (4). Mit dem Erscheinen der Arbeit von K roll 11 trat indcssen eiiic Wciidung in der systematischen Beur- theiluiig der Sagitteii ein, iiidcin man inimer melir ihre Verwandt- scliaft mit deu Molluskcn aufgab und anstatt dessen bei den Wiir- niern einen Anschluss suclite. Aber auch hier fielen die Ansichten der einzelnen Forscher noch sehr verschieden aus. Wahrend Krolin die meiste Uebereinstiinmung bei den Anneliden land und die Sagitta ein den ubrigen Genera derselben scliroff gegeniiberge- stelltes Genus bilden liess, plaidirte Oersted (40) fiir eine Ver- Avandtscbaft mit den Nematoden und spracli Huxley (21) die Meiuung aus, dass die Sagitten in die Nahe der Tardigraden ge- horen. Endlich schufen Leuckart (32), Gegenbaur, Har- ting und Andere aus ihnen eine ganz selbstandige Abtbeilung der Wiirmer und liessen sie gleichsam eine Mittelstellung zwischen Anneliden und Xematoden einnehmen , eine Ansicht , Avelche seit- dem sich wohl die meisten Anhanger ervvorben hat. Gegenbaur (13 Iste Aufl.) nannte die neugeschaffene Abtheilung die Oest- helminthes, Harting (17) die Pterhelminthes und Leuckart (32) die Chaetognat hen. Zur Bezeichnung der Ordnung be- halte ich diesen letzteren Xamen bei, da ihm die Prioritiit zu- kommt und er sich in der Literatur allgemein eingeburgert hat. Aber auch jetztnoch ist, wie Huxley (20 p. 599) in seiner Ana- tomie der wirbellosen Thiere bemerkt, „die richtige Stellung der Chaetognathen im System noch immer ein ungelostes Problem". Glaus bespricht in seinen Grundziigen der Zoologie die Sagitten wegen der nahen Verwandtschaft bei den Nematoden. Butschli (2) erkeunt solche nahe Beziehungen nicht an und erklart die Sagitta fiir ein gegliedertes Thier, das sich den Anneliden niihere; auch halt er es nicht fiir unmoglich, dass „der naliere Anschluss an diejenigen Formen zu suchen sei, die eine ahnliche Umformung des Ento- derms zeigen (Echinodermen, Tunicaten etc.)" und neuerdings (3) erblickt er in den Brachiopoden ihre niichsten Vervvandten. L an- ger h an s (30) greift die alte Ansicht von der Molluskennatur wieder auf. „Wegen des Nervensystems sollen sich die Sagitten weit von alien anderen Wiirmern entfernen und vielmehr zu be- stimmten Molluskenformen in Beziehung zu bringen sein." Hux- ley (20 p. 599) endlich liisst verschiedene Moglichkeiten gelten, halt es aber fiir das Wahrscheinlichste , dass die Ghaetognathen eine selbstandige, mit den niederen Arthropoden verwandte Abthei- lung sind. 204 0. Hertwig, II. Anatomie und Histologle der Chaetognathen. Die Chaetognathen sind mehr oder minder cylindrische Kor- per, die sich nach hinten allmiihlich in eine Spitze verjiingen und nach voru mit einem deutlich abgesetzteu Kopf versehen sind. (Taf. IX Fig. 1 — 9.) Von anderen Wiirmern unterscheiden sie sich schon ausserlich durch den Besitz seitlicher flossenartiger Auhiinge und durch die besondere Bewaffnung ihres Kopfes. Durch die Flossen (f.^ f.^ f.^) gewinnen sie eine gewisse Aehnlichkeit mit kleinen durchsichtigen Fischchen, daher denn auch in Messina, wie Krohn (27) angibt, die Sagitta hexaptera von den Fischeru Spadella benaunt wird. Die Anzahl der Flos- sen ist bei den einzelnen Arten eine verschiedene ; fiir alle con- stant ist nur die unpaare Schwanzflosse (f^) , welche das zuge- spitzte hintere Korperende umsaumt und das wichtigste Locomo- tionsorgan vorstellt, mit dessen Hiilfe sich die Sagitten schnell wie ein Pfeil durch das Wasser schnellen. Sie gleicht ausserlich der Schwanzflosse eines Fisches mit dem Unterschied, dass diese vertikal, jene horizontal ausgebreitet ist. Zu ihr gesellen sich in der Kegel noch 1 — 2 Paar seitliche Flossen hinzu, die in den Seitenlinien entspringen und horizontal vom Korper abstehen. Ein zweites leicht in die Augen fallendes Merkmal bietet die Bewafifnung des Kopfes dar, welche zum Namen Chaetognathen Veranlassung gegeben hat. Bei dem sonst so einfachcn Thiere sind ziemlich complicirte Greifapparate eutwickelt, welche sich nach ihrer verschiedenen Form, Lage und Function als Greifhaken und Stacheln unterscheiden lassen. Die Stacheln (Taf. IX Fig. 16 — 19 z) sind klein, grad und kegelformig, sie sind in zwei bis vier Reihen um die Mund- offnung angeordnet; gewohnlich liegen zwei Reihen von 5 — 7 Sta- cheln dicht bei einander auf zwei kleinen Vorspriiugen am vor- deren Rande des Kopfes, die zwei andern Reihen, welche 7 — ^15 Stacheln etwa entbalten, schliessen sich durch eineu kleinen Zwi- schenraum getrennt seitlich an sie an. In jeder Reihe sind die Stacheln in der Mitte am grossten, wiihrend sie nach den beiden Die Cliaotoguathen. 205 Enclcii zu, wo sie walirsclieinlich immcr ncu crzcugt vverden, klei- iiero Dimcnsioncii amiclimcn. Die Grcithcakcn (Taf. IX Fig. IG, 17 v. Fig. 10 uiid 11), deren Zahl sich auf aclit bis zclm belauft, iibcrtrcircn an Gnissc, da sie fast so lang als der Kopf sind, um ein Vielfaclies die klci- iieu Stacheln. Sie lasseii sich passeiid einer Sicliel vergleiclien, sind wie dicse ihrer Liinge iiach, je nach den Arten, melir oder minder gekriimmt und uiit eiiiein schneidenden coucaven Rand und einer scharfen Spitze versehen. Sie entspringen in grosser Entfernung vom Mund ganz hinten am Kopf an der linkeu und rechten Seite desselben (Taf. X Fig. 2—3 und Fig. 7 v) und sind in einer schragcn Reilie — die grossten wieder in der Mitte — nebeneinander augeordnet. Wenn der Greifapparat sich in Ruhe befindet, so sind die zu einer Reihe gehorigen Greifhaken so zu- sammeugelegt, dass sie sich mit ihren Seitenflachen beriihren, mit ihrem concaven Rand sich der Seitenwand des Kopfes dicht an- schmiegen und mit ihren spitzen Enden bis an die Mundoffnung heranreichen (Taf. IX Fig. 16). Das andert sich aber, wenn das Thier gereizt wird oder sich anschickt seine Beutc zu erfas- sen (Taf. IX Fig. 17). Dann werden sowohl die kleinen Stacheln am Eingang zur Mundhohle nach aussen gekehrt, als auch werden die in der Ruhe zusamraengelegten Greifhaken aufgerichtet und der Art auseinander gespreizt, dass sie mit ihren spitzen Enden divergiren und von der Seitenwand des Kopfes weit absteheu. In diesem Zustand sind sie allein vollstandig zu iibersehen und gut zu zahlen. Mit dem Greifapparat hangt noch eine besondere Einrichtuug zusammen, welchc gieichfalls uur dem Kopfe der Sagitten eigen- thumlich ist und seit der grundlegenden Arbeit von Krohn als Kopfkappe (kk) bekannt ist. Dieselbe besteht aus zwei diinnen Hautfalten, aus einer rechten und einer linken, welche auf der dorsalen Seite des Kopfes beginnen und von hier auf die ventrale Seite libergreifen und daselbst in einauder iibergehen (Taf. IX Fig. 16 u. 17. Taf. X Fig. 1—3, 7kk). Auf der dorsalen Seite entspringen die beiden Falten in geringer Entfernung von der Medianlinie und parallel zu ihr fast in ganzer Lauge des Kopfes, dessen vorderes Drittel, in welch em das obere Schlundganglion (g ^) liegt, allein frei bleibt. Ihre Ausbreitung nach abwiirts erfolgt entsprechend einer Linie, welchc die Grenze von Kopf und Rumpf anzeigt. Die Hautfalten sind so gross, dass sie fast den gauzen Kopf einhiilleu, ventral bis zur hinteren Grenze des Mundes her- 206 0. Hertwig, anreichen und jederseits die langen Greifliaken (v), wenn dieselben zusammengelegt siud, mit Ausnahme ibrer spitzen Endeu vollstan- dig bedeckeu. Die Kopfkappe muss sich den Bewegungen der Greifliaken anpasseu. Wahrend der Action derselben wird sie nach hinten zurilckgestreift, um dann spater, wenn der Greifapparat wieder ausser Function tritt, sicb iiber ibn und den grossten Tbeil des Kopfes wie ein Vorbang beriiber zu legeu. Bei der Cbaracteristik des inneren Baues der Cbaetognatben wollen wir von der Leibesboble (c) ausgeben, die einerseits bis in das Ende des Scbwabises bineiureicbt, andererseits sicb aucb in den Kopf binein iortsetzt! Sie wird bei den kurzen und gedrun- genen Arten, wie z. B. bei der Spadella cepbaloptera (Taf. IX Fig. 6) durcb die inneren Organe fast vollstandig ausgefiillt, bei anderen dagegen ist sie sebr geraumig, so namentlicb bei der Sagitta bexaptera (Taf. IX Fig. 4). Wenn sie bei dieser eroffnet wird, so collabirt das Tbier, die urspriinglicb prall gespannten Wande fallen durcb das Ausfliessen der im Inneren eingescblosse- nen Fliissigkeit zusammen und werden faltig. Die Leibesboble der Sagitten ist kein einbeitlicber Kaum, son- dem wird durcb zwei diinne quere Scbeidewande (st) in drei gegen einander vollkommen abgeschlossene Tbeile zerlegt. Die erste Scbeidewand findet sicb an der Grenze von Kopf und Eumpf, die zweite an der Grenze von Kumpf und Scbwanz. Mit Recbt bat daber Biitscbli (1) bemerkt, dass der Korper der Sagitten in drei Segmente abgetbeilt ist. Dieselben wollen wir fortan als Kopf-, Rumpf- und Scbwanzsegment, sowie die in ibuen enthaltenen Tbeile der Leibesboble als Kopf-, Rumpf- und Scbwanzhoble unterscbeiden. Durcb den Kopf und Rumpf allein verlauft der gerade ge- streckte Darmkanal. Er beginnt mit einer scbmaleu Mundoff- nung (o), einem Langsspalt, der etwa balb so lang als der Kopf ist und die untere Flacbe desselben vom vorderen Raude begin- nend einnimmt (Taf. IX Fig. 16 u. 17 o). In seinem ganzen Ver- lauf ist er von links nacb recbts etwas zusammengedriickt, so dass sein Querscbnitt oval oder gar bandformig ausfilllt (Taf. X, Fig. 2 u. 3). Im Kopfsegment ist er sowobl dorsal als ventral mit den Wandungen der Kopfhoble unmittelbar verbunden, so dass diese durcb ibn vollstandig in eine linke und recbte Halfte gescbieden wird. Im Rumpfsegment verlauft der Darmkanal in gerader Ricb- tung bis an die zweite Querscbeidewand und miindet dicbt vor derselben an der ventralen Flacbe durcb den After aus. Er Die Cliaclognathcn. 207 lialbirt ilie Rumpfliolilo iiliiilich wic die Kopfholilc in zwci seitlich iicben einander gclcgcuc Raiime. Bci den kleineren Arten uiimlich wic der Spadella ceplialoptera (Taf. X, Fig. 6) und Sagitta serro- dcntata (Taf. X, Fig. 9) bcfestigt er sicb iinmittelbar an der vcn- tralcn und dorsalcn Mittellinie des Ilumpfes litngs eiues schmalen Strcifens, bei anderen Arten dagegen, wo er viel Itleiner als das geriiumige Leibesrohr ist, heftet er sich verraittelst eines beson- dern diinnen, oberen und imteren Mesenterium an die Rumpf- wandungen in der Mittellinie des Riickens und Bauches an. Obwohl in dem Schwanzsegnient das Nahrungsrobr feblt, ist trotzdem auch liier eine Langsscbeidewand, ein Schwanzseptum, vorhanden, welcbes den Binnenraum in eine linke und recbte Hohle scheidet (Taf. IX, Fig. 3, 4, 6 si. Taf. X, Fig. 4 si.). Dasselbe liegt in der umnittelbaren Verlangerung des Darms und seiner Mesenterien und setzt so gewissermaassen diese Tbeile direct nach riickwiirts fort. Von inneren Organen siud bei den Chaetognathen allein noch die Gescblechtsdriisen zu erwiilmen, da Nieren, Herz und Blutgefasse feblen. Jedes Individuum ist mit zweiEierstocken (e) und mit zwei Hoden (bo) verseben (Taf. IX, Fig. 3, 4 u. 6). Die Eierstocke fiillen die Rumpflioblen mehr oder minder aus; die Hoden dagegen baben sich in den Wandungen der Scbwanzhohlen entwickelt. Bei den zwittrigen Sagitten ist daber das eine Seg- ment weiblicb, das andere mannlicb. Nach dieser kurzen Uebersicht iiber den allgememen Bauplan der Chaetognathen gehen wir zur genaueren histologischen Be- schreibung der einzelnen Organsysteme iiber und wollen wir die- selben in folgender Reibenfolge besprechen: 1. Das Integument. 2. Die Sinnesorgane. 3. Das Nervensystem. 4. Die Muskulatur. 5. Der Darmkanal. 6. Die Geschlechtsorgane, 1. Das Integument. Die Koi*peroberflache der Chaetognathen wird von einem mehr- schichtigen Pflasterepitbel (Taf. X, Fig. 6, 11, 12 ep) iiberzogen, welches von der Langsmuskulatur (mv u. md) nur durch eine diinne Stiitzlamelle geschieden wird. Letztere (s) ist bei maucheu 208 0. Hertwig, Arten, der Sagitta bipunctata, S. serrodentata, Spadclla cephaloptera etc. so feiu , dass sie selbst an Quersclinitteii kaiim naclizuweisen ist (Taf. X, Fig. 6 u. 10) ; bei der Sagitta hexaptera (D'Orbigny) dagegeii ist sie besser entwickelt uud auf Schnitten als eine deut- lich doppelt contoiirirte homogene Scheidewaud zwisclien Musku- latur imd Epithel zu erkenneu (Taf. X, Fig. 11 s). Die Epitlielzellen, bei deren Beschreibung wir ims an die Sagitta liexaptera halteu (Taf. XI, Fig. 7, 8, 11), sind von ansehn- liclier Grosse im Vergleich zu den tibrigen histologischen Elemen- ten, die sich durch ausserordentliclie Feinbeit auszeichnen; es sind polygonale Korper, die eine Umbilduug des Protoplasma erfabren liaben und in Folge dessen aus einer festen homogenen durchschei- nenden Substanz besteben, in deren Mitte der grosse ovale Kern liegt. Die Zellen biingen unter einander sebr fest zusammen und lassen sicb scbwer isoliren, wilbrend es an macerirten Prapara- ten leicbt gelingt, die Epidermis in grossen Stiicken von der Muskulatur unverletzt abzuzieben. Der feste Zusammenhang Avird durcb kleine Hocker und Stacbehi bedingt, welcbe sicb tiberall von der Zellen-Oberflacbe erbeben, sicb in entsprecbende Liicken der Nacbbarzellen bineinscbieben und wie die Zabue zweier Zabnrader an einer Mascbine in einander greifen. Auf diese Weise entstebt in der Hautdecke eine eigentbiimlicbe Zeicbnung, auf welche auch Krobn in seiner Scbrift (27 p. 5) aufmerksani gemacbt bat, obne jedocb liber ibre Natur in's Klare gekommen zu sein. „Bei star- kern Vergrosseruugen", bemerkt er, „sieht es aus, als wiirde die Zeicbnung durcb eine Menge Felder bervorgebracbt, deren Umkreis durcb vielfaltige Einscbnitte wie gezackt erscbien. Die zablreicben Zacken jedes Feldes greifen genau in die Einscbnitte der Nacb- barfelder ein, so dass uirgends Liicken bleibeu." Auf Contouren von Zellen hat damals Krobn die gezackten Linien nocb nicbt bezogeu. Wenn wir von der Ausbildung besonderer Sinnes- und Drii- senepitbelien abseben, so zeigen uns bei den Chaetognatben die Epidermiszellen tiberall die gleicbe Bescbaflenbeit von der Stiltz- lamelle bis zur frcien Oberflacbe; eine besondere in der Tiefe ge- legene und zum Ersatz abgestossener Elemente dieuende Matrix- scbicbt ist nicbt vorbanden. Nur die Dicke der Epidermis andert sicb nacb den einzeluen Regionen des Korpers, wie sie deun auch bei den eiuzelnen Sagittcnarten eine verschiedeue ist. Am dicksten ist in der Kegel die Epidermis unmittelbar bintcr dem Kopf in der Halsgegeud, wo sie 5 uud mehr Lagen vou helleu Zellen er- Die Chaetosuathen. 201) 'O kcniion liisst, dtigegcii vcrdiiniit sie sicli stark auf den Flosscn uiid wird iiacli deui freicii Kand dcrsclben einscliichtig. Daboi Haclieii sicli die Epitlielzcllcn selbst zu dihincii riiittcben ab, dercii Contouren man ^Yeder im friscbcn Zustaud nodi anch an abgc- todtcten Thicren Avabrnimnit. Die Contouren werden indcssen sebr dentlicb, wenn man die Flossen in destillirtem ^Yasser abspiilt imd mit Argcntum nitricuni behandelt. Alsdann entstebt auf der Obcrfliicbe der Flossen ein Mosaik grosser polygonaler Felder, dc- reu jedes in seiner Mitte den ovaleu Kern einscbliesst. Uuter den von mir uutersucbteu Arten erreicbt die Epidermis die grosste Dicke bei der Spadella draco (Taf, IX, Fig. 3), mid nimmt bierbei zugleich eine abweichende iind sebr eigentbiimliclie Bescbatienbeit ibrer Zellen an. Wie sebon Krobn (29 p. 273, 274) bemerkt bat, wird der kiirze und dicke Leib des Thieres un- gefiibr bis zum Scbwanzsegment von einer ausserst miicbtigen, aus grossen dickwandigeu Zellen gebildeten Scbicbt bekleidet, durcb welcbe der Korperdurcbmesser fast doppelt so gross wird, als er obnedem sein wiirde. Die Scbicbt siebt eiueni Pflanzengewebe tiiuscbeud iibulicb (Taf. XII, Fig. 10) und bestebt aus grossen po- lygoualen derbwandigen Zellen mit eineiii weicberen ganz durcb- sicbtigen lubalt. Die dicken an einander greuzenden Membranen werden durcb eine deutlicb sicbtbare glatte Linie von einander getrennt. Nur iiberall da, wo drei Zellen zusammeutreffen, weicben die Membranen, ganz so wie es bei Pflanzengeweben gescbiebt, auseinander und lassen zwiscben sicb kleiue von 3 Flitcben bc- grenzte Intercellularraume (i) frei. Die Kerne liegen von etwas Protoplasma umgeben fast ausnabmslos der Iiiiienfiacbe der Mem- branen an. Bei ibrer bedeutenden Grosse fallen die Zellen scbon bei scbwiicberen Vergrosserungen dem Beobacbter auf (Taf. IX, Fig. 3) und verleiben der dicken Epidermis ein kleinblasiges Aus- seben. Der allgemeine Habitus der Oberbaut erfiibrt bei den Sagit- tcn stelleuweise Veriinderungen dadurcb, dass sicb im Ektoderm besondere Organe entwickelt baben, deren Bescbreibung sicb bier am besten anscbliesst; wir werden daber jetzt nocb zu baudeln baben: 1. von dem feineren Bau der Stiitzplatten, der Stacbelu und Greifbaken des Kopfes, 2. von der bistologiscben Structur der Flossen und 3. von den Drtisenzellen der Spadella cepbaloptera. Das wird uns dann weiter iiberfiibren zu der Besprecbung der Sinnesorgane und des Nervensystems. Bd. XIV. X. F. VII, 2. 14 210 0. Hertwig, Die Stiitzplatten, Stacheln und Greifhaken des Kopfes. Rei alien Sagitten sind am Kopf 3 Paar Schienen oder Plat- ten vorhanden, das eine Paar (Taf. X Fig. 1 x^) liegt vorn auf der dorsalen Flache des Kopfes unmittelbar iiber der Gruppe der seitliclien Stacheln (z), welclie hierdurch einen Stiitzpunkt gewin- nen. Ein zweites Paar grosserer und etwas gewolbter Flatten (Taf. X Fig. 2, 3, 7 x^) findet sich dorsal am Hinterkopf iiber den Greifhaken (v). Ihnen vis a vis, ventral und etwas nach vorne lagert das dritte ahnlich geformte Paar (Taf. X Fig. 2, 3, 7 x^). Nach ihrer verschiedenen Lage und Form wollen wir die zuerst beschriebenen Theile (x^) als die vorderen Kopfschienen , die an zweiter (x^) und dritter (x-"*) Stelle gcnannten Theile dagegen als dorsale und ventrale Kopfplatten bezeichnen. Zwischen den einan- der zugewandten Randern der letzteren entspringen die Greifhaken (v) von einem schmalen Hautstreifen , der in schrager Richtung von oben nach unten verliiuft (Taf. X Fig. 2, 3, x^ u. x^). Die Schienen und Flatten treten am Kopf nicht frei zu Tage, da sie von der friiher erwahnten Kappe (kk) bedeckt werden; sie be- stehen aus einer structurlosen , durchscheinenden homogenen Sub- stanz, welche beim Durchschneiden dem Messer nicht unerheb- lichen Widerstand entgegen setzt, und sind entstanden als cuticu- lare Ausscheidungen der Epidermiszellen , welche unter ihnen auf eine einzige Schicht reducirt sind. In der Mitte der Flatten (Taf. X Fig. 3 x^ u. x^) sind ihre Matrixzellen ganz abgeflacht und nur an den Kernen noch zu erkennen, nach dem verdiinnten Rand zu werden sie dagegen hoher und gehen allmahlich in diinne Cy- linderzellen iiber, welche das Flachenwachsthum der cuticularen Bildung bewirken. Die functionelle Bedeutung der Flatten ist eine doppelte. Nicht allein geben sie einen Stiitzpunkt fiir die Greif- apparate des Kopfes ab, sondern sie dienen zugleich auch zahl- reichen Muskelfasern zum Ansatz. Aus derselben Substanz wie die Schienen und Flatten werden auch die Stacheln und Greifhaken gebildet, welche wie die Horn- ziihnchen der Batrachier gleichfalls cuticulare Producte der Epi- dermis sind. An ihrer Basis enthalten die Stacheln (Taf. IX Fig. 19) eine kleine Hohlung, die gewohnlich von mehreren Matrixzellen ausgefiillt wird. Auch die Greifhaken sind an der stark verbrei- terten Wurzel etwas ausgchohlt (Taf. X Fig. 7 v) und sitzen mit derselben einer Schicht schmaler cylindrischer Zellen , ihrer Ma- trix, auf. Die Chaetognathen. 211 Literatur. Die so leicht walirnclmibareu Grcifliakcn dcr Chaetognathen warden von SI ab ber (46.), dem ersten Beobachter der Sagitta, iibersehen und auch von Quoy und Gaimard (43) niir ungcnau beschriebcn und abgebildet als zwei Palpen, welche gcstreift sind und den Mund unigeben. Erst D'Orbigny niinmt in die Charaktcristik der Sagitten die Bewaflfnung des Kopfes mit grossen langen Ziihnen auf (41. p. 140). Die kleinen Stachcln am Eingang der Mundottnung sind von Darwin (9. p. 2) bei An- wendung starker Linsen entdeckt worden. Von alien Theilen zu- letzt warden die Stiitzplatten der Greifliaken von Souleyet (10. p. 648) bemerkt. Durch die eigenthiimliche Bewaffnung des Kopfes mit Greifhaken wurde Leuckart (32) veranlasst den Namen Chaetognathen zu bilden. DieFlossen. Die Flossen, iiber deren Zahl und Form ira systematischen Theil bei den einzelnen Arten das Nahere nachzulesen ist (Taf. IX Fig. 1 — 9 fS f^, f^) bestehen aus einer gallertigen Stiitzsubstanz, aus homogenen Fiiden und aus dem Epidermistiberzug. Die Gal- lerte (w) welche durchaus structurlos und frei von Zellen ist, (Taf. X Fig. 4, 8, 13, 16) bedingt die Dicke der Flossen an ihrem Ur- spruug; sie erscheint auf dem Durchschnitt (Taf. X Fig. 4) wie ein Keil, der mit seiner Basis in der Seitenlinie des Rumpfes be- festigt die ventralen und dorsalen Muskelfelder (md u. mv) von einander trennt und daher direct an das Epithel der Leibeshohle anstosst. Der zugescharfte Piand des Keils reicht etwa nur bis in die Mitte der Flosse hinein. Der platten Oberflache der Gallerte liegen beiderseits die homogenen Faden auf, die dicht aneinander gereiht sind und an der Bumpfwand breit entspringend sich all- mahlich in eine feine Spitze verjiingen (Taf. IX Fig. 3, 4, 6; Taf. XIII Fig. 14 fs). Ihre der Gallerte zugekehrte Flache ist abgeplat- tet, die entgegengesetzte gewolbt, so dass ihr Querschnitt die Form eines Halbkreises besitzt (Taf. X Fig. 13 fs). Sie werden von einer festen und structurlosen Substanz gebildet, fiir welche bei der er- wachseuen Sagitta keine besonderen Bildungszellen nachzuweisen waren. Dagegen sah ich solche bei eben ausgeschliipften Thieren (Taf. IX Fig. 5) bei welchen schon sehr zarte Flossen vorhanden sind. Den feinen Faden waren hier ab und zu Epithelzellen an- geschmiegt, welche man wohl fiir ihre Bildnerinnen halten muss (Taf. XIII Fig. 14 fs). Nach Aussen werden die Flossenfiiden von der Epidermis iiberzogen, die gewohnlich auf eine einfache Schicht 212 0. Hertwig, diiiiner abgeplatteter Zelleii reducirt ist, hio und da aber auch iioch vereinzelte spater zu besclireibcDde Tastorgane enthalt (Taf. IX Fig. 3, 4, 6 t). Literatur. Die Flossen der Sagitten, welche dem Hollander Slabber eutgangen waren, wurden vou Quoy und Gaimard bcmerkt und vou D'Obigny (41) zur Untersclieidung der Arten verwerthet (S. triptera, diptera, hexaptera). Der Flossenfaden gedenken Darwin (9. p. 2) und Krohn (27. p. 6). Die Stiitz- gallerte blieb seither unbemerkt. Die Driise nz ellen. Die Gebilde, welche ich als Driisenzellen bezeichne, finden sich bei den von mir untcrsuchten Chaetognathen allein bei der Spa- della cephaloptera (Taf. IX Fig. G) , an welclier sie auch B u s cli (5. p. 94) gesehen hat. Er beschreibt sie als blattformige Organe, von denen meistens mehrere, gewohnlich drei bis fiinf, urn einen Mittelpunkt in Rosetteuforra geordnct sind, und er vermuthet, dass sich das Thierchen rait ihnen an andere Gegenstande anheften kann. Wenn man eine Spadella cephaloptera ira lebenden Zustande untersucht, so wird man bei starkeren Vergrosserungen zwischen der Riicken- und der Bauchflache einen wesentlichen Unterschied in der Beschaffenhcit der Haut wahrnehmen (Taf. X Fig. 6). Wah- rend die Haut des Riickens wie bei anderen Arten ganz glatt ist, erscheint sie am Bauche warzig. Die Warzen oder die „blattfor- migen Organe" sind am grossten und am dichtesten zusammen- gedrangt an dem Schwanz des Thieres (Taf. X Fig. 12 u. 14 k), dagegen werden sie am Rumpf, je mehr man sich dem Kopf nilhert, um so kleiner und sind durch breitere Zwischenraume von einan- der getrennt. Ihre Oberflache ist wieder mit kleinen Hockerchen bedeckt. Wie am deutlichsten feine Querschnitte lehren, bestehen die grosseren und kleineren warzenformigen Gebilde theils aus cubischen, theils aus langeren cylindrischen in einer einfachen Schicht neben einander angeordneten Driisenzellen, von welchen die letzteren die Mitte, die ersteren den Rand einnehmen (Taf. X Fig. 12 k). Ihr freies Ende ist verdickt und bildet eiu Kopfchen, welches, da die Zellen von verschiedener Hohe sind, hier und da vorspringt und das feinhockrige Aussehen der Warzen bei der Flachenansicht (Fig. 14) hervorruft. Das Kopfchen ist von einer gliinzenden Substanz iiberzogeu , die in Kornchen und Stabchen ausgeschieden ist und an einen ahnlichen Ueberzug der von Chun ^) ^) Carl Chun, Die Greifzelleu der Rippeuquallen. Zoologisclier Anzciger 187 8, p. 50 — 52. Die Chaetoguathou. 213 oiitdccktcii Klebzollen der Ctcnophorcn crinnert. An ilirer Basis verbreitcrii sich die Zollen gewohnlich etwas und haften mit ihr an (U-ni gcwiihnlichen mehrschichtigcn Pilasterepithel (ep), welches bei der Spadella cephaloptera ebenso wie bci anderen Arten die Grund- lagc dor Epidermis ausmacht und sich scharf mit einer glatten Linie von den Hallt^Yarzen absetzt. In ihrer Mitte bergen sic einen ovalen Kern und im Umkreis desselben haufig braune Pig- mentkornchen, welclie eine leicht braune Fiirbung der Bauchseite bedingen. Mauchmal scheint das Pigment starker entwickelt zu sein. Wenigstens erwiihnt Busch, dass manche der von ihm be- obachteten Individuen mit zahlreichen selir lebhaft roth und gelb gefarbten Pigmentpuncten ausgestattet waren und dadurch wie Forellen gesprenkelt aussahen. Die Driisenzellen der Spadella cephaloptera kommen iibrigens iiicht nur zu grosseren und kleineren Gruppen vereint vor, sondern sitzen auch ganz vereinzelt der Epidermisoberflache auf namentlich im vorderen Bereiche des Korpers, wo die Warzen kleiner und sel- tener werdcn (Taf. X Fig. 6 k), sowie an der ventralen Seite der Flossen (Taf. X Fig. 15). Bei der Deutung, dass die cubischen und cylindrischen Zellen driisige Organe seien, ist weniger der anatomische Befund als viel- mehr die Lebensweise der Spadella cephaloptera maassgebend ge- wesen. Die kleine so abweichend beschaffene Art zeichnet sich niimlich vor anderen Sagitten durch die Fahigkeit aus, sich an andere Gegenstande anheften zu konnen. Wenn man eine Auzahl Individuen in einem Glasgefass isolirt hat, so sieht man dieselben sich meistens an die Wandungen festsetzen und zwar, wie Busch (5. p. 94) zutreffend bemerkt , in der Weise, dass „ihre ventrale hintere Korperhiilfte bis zum After dem Gegenstand fest anliegt, wiihrend die vordere, in einem stumpfen Winkel von dieser abge- bogen, frei in das Wasser hiueinragt. In dieser Stellung kann das Thier sich so ausserordentlich festhalten, dass man mit einer Staarnadel den vorderen freien Theil des Korpers hin- und herbe- wcgen kann, wiihrend der hintere uubeweglich bleibt, Zuweilen macht es selbst einige Mtihe, ein Thierchen, welches sich so an- klammert, loszureissen." Da somit die Beobachtung der lebenden Spadella lehrt, dass die Fahigkeit sich anzuheften nur der Korper- flache zukommt, an welcher die Warzen und Cylinderzellen ent- wickelt sind, so liegt es nahe auch in diesen die Organe zum An- kleben zu erblicken. Wir werden dann annehmen miissen , dass 214 0. Hertwig, von den vorspringenden Kopfchen der Cylinderzellen ein klebriger Stoff — die kornige glanzendc Substanz — secernirt wird. Die Erscheinung, dass unter alien bekannten Arten nur die Spadella cephaloptera mit Klebzellen verselien ist, hangt mit der besonderen Lebensweise unseres Thieres zusammen. Wahrend namlich alle anderen Chaetogiiatlien pelagische Geschopfe siud, gehort diese der Strandfauna an und wird am liaufigsten zwisclien Tangen und Algen aufgefunden. Da muss es ihr denn offenbar sehr zu statten kommen, eine Vorrichtung zu besitzen, vermoge deren sie sich an Pflanzen und Steinen eine Zeit lang festhalten kann. 2. Die Sinnesorgane. Bei den Chaetognathen lassen sich wenigstens drei verscliie- dene Arten von Siunesorganen unterscheiden, welclie sehr einfach gebaut sind und ihrem Mutterboden, dem Ektoderm, dauernd an- gehoren. Da ihre Zellen von ausserordentlicher Kleinheit sind, konnen sie nicht ordentlich isolirt werden und sind daher fur histo- logische Studien wenig geeignet. Dies gilt sowohl von den zahl- reichen Tastorganen als audi von den beiden Augen und von dem unpaareu Geruchsorgan. Die Tastorgane. Bei den Chaetognathen erheben sich iiber die Hautoberfliiche zahlreiche kleine Hiigelchen, welche auf ihrem Kamm mit langen steifen Tastborsten versehen sind. Sie sind gewohnlich in ziem- lich regelmassiger Weise der Quere und Lange nach angeordnet, so dass Querringe und Langsstreifen entstehen. Bei einer kleinen Sagitta hat Lange r bans (30) ihre Anzahl auf 240 bestimrat, indem die Organe zu je 6 in 40 Ringen um den Korper angeord- net waren. Bei der grossen Sagitta hexaptera ist ihre Anordnung unregelmassiger, ihre Menge noch viel bedeutender, da man schon auf einem kleinen Hautstiickchen mehrere Langsreihen dicht auf- einander folgender Hiigel antrifft (Taf. XII Fig 23 t). An keiner Stelle des Korpers weder am Bauch noch am Riicken noch an den Seiten des Thieres werden sie vermisst; sogar an den Seiten- und Schwanz-Flosscn finden sie sich noch in geringer Entfernung von dem membranartig veidiinnten Sauni (Taf. IX Fig. 3, 4, 6, P u. P, t). Die Hiigelchen variiren in ihrer Grosse und Form an ein und demselben Thiere; bald sind sie rund, bald mehr oval und in letzterem Falle in der Kegel so gestellt, dass ihr langerer Die Cliaeto";iiathen. 215 ■'o Durchmesser mit der Queraxe dcs Thiercs zusammenfiillt (Taf. XII Fig. 23). Die Tastorgane setzen sich aus itusserst feinen in eiiicr Scliicht iiebcn cinandcr angeordneten fadeiiformigen Zclleii zusammen, welche luit Hirer Basis dem friiher beschriebencn gescliichteten Pflaster- epithcl, ahnlich wie die Klebzellen der Spadella cephaloptera, auf- sitzen und zu den grossen Epidcrniiselementen (cp) in einem auffallen- den Contrastc stehen (Taf. XII Fig. 2 u. 5 t). Audi ist die Grenze der beiden Zellenartcn gegeneinander, wie der Querschnitt lehrt (Taf. X Fig. 11 t), eine sehr scharfe, und nicht minder sticht bei der Flachenbetraclitung (Taf. XI Fig 4 t) das zierliche Zellenmosaik der Tasthiigel gegen die im Verlijiltniss zu ihm grobe Felderung der ge- wohnlichen Epidermis in lioliem Maasse ab. Von jedem Sinnesorgan entspringen zwanzig und mehr lange steife Borsten (Taf. XII Fig. 5 b), aber nicht iiberall von der Ober- flaclie des Hiigels, sondern in regelmassiger Anordnung der Art, dass sie diclit zusammcngedrangt eine Querreihe bilden, welche in der Kegel mit der Queraxe der Sagitta zusammenfiillt. An kleinen lebenden Individuen sind die Tastborsten leicht zu beobach- ten, man sieht sie senkrecht von der Korperoberflache weit ab- stehen und bei den leisesten Bewegungen des Thieres bestiindig erzittern. Gewohnlich hat es den Anschein als ob von jedem Hii- gel nur eine starkere Borste ausginge (Taf. IX Fig. 5, Taf. XII Fig. 2 b). Derartige Bilder erklareu sich aber allein daraus, dass man leicht die in der Querreihe iibereinander liegenden und sich deckenden Haare fiir ein einziges halt. In dem Epithel des Tasthiigels werden wir wohl allein die zu den Borsten gehorigen Zellen als Sinneszellen zu betrachten haben, zumal sich dieselben an in Osmiumsiture erhiirteten und gefiirbten Priiparaten etwas von den umgebenden kleinen Zellen unterscheiden. Von letzteren nehme ich mit Langerhans an, dass es zum grossen Theil indifferente Elemente sind. Der Nach- weis, dass die Tastzellen durch Fibrillen mit dem spiiter zu be- schreibenden, in der Haut iiberall verbreiteten Nervennetz zusam- menhangen, wollte mir auch an guten Macerationsprilparaten nicht gelingen und suche ich den Grund fur das Misslingen in der ausser- ordentlichen Zartheit der beschriebenen Theile. Zu einigen besonderen Bemerkungen geben die Spadella cepha- loptera und Spadella draco Veranlassung. Bei ihnen (Taf. IX Fig. 3 u. 6) sind die Tastorgane weniger zahlreich als bei den anderen Chaetognathen und prominiren weniger iiber die Korperoberflache, indera der aus Pflasterzellen bestehende Theil der Epidermis sie iu 216 O. Hertwig, flache Grubchen aufnimmt (Taf. XII Fig. 1 t, Taf. X Fig. G t). Fer- iier fehlen bei cler Spadella cephaloptera die Tastorgane auf dem Theil der Bauchseite, welcher sicli an andere Gegenstande anhef- ten kann und mit den Klebzellen bedeckt ist. Bei der Spadella draco cndlicli sind zwei Organe in einer ganz aussergewohnlichen Weise entwickelt, so dass sie fiir die Diagnose ein vortreffliches Merkmal abgeben (Taf. IX Fig. 3 t^). Krolin, welcher die ge- nannte Art (29. p. 274) bis jetzt allein beobachtet hat, giebt auch eine kurze Beschreibung dieser Organe, welche er als etwas von den Tasthiigeln Verschiedenes betrachtet. „Auffallend bei der S. draco, heisst es bei ihm, sind zwei seitlich einander gegeniiber gestellte, auf besonderen Vorspriingen sitzende Biischel zahlreicher, sehr langer, frei flottirender Faden, welche man auf der Zellenschicht in der vorderen Leibeshalfte wahrnimmt. Diese Faden sind von weicher Cousistenz, baudartig platt und zeigen sich bei starker Vergrosserung aus feinen, dicht neben einander verlaufenden Liings- fibrillen zusammengesetzt." In dieser Schilderung vergleiche ich das, was Krohn Langs- fibrillen nennt, den gewohnlichen Tastborsten; sie sind etwa von derselben Starke wie diese, nur um ein Vielfaches langer und in Folge dessen etwas gebogen ; auch ihre Anzahl auf jedem einzelnen Organe ist eine viel grossere. Bundelweise unter einander vereint, stehen sie von der Korperoberflache weit ab und sind schon bei Lupenvergrosserung an der linken und rechten Seite des Thieres als eine braunlichc Hervorragung wahrzunehmen. Oft fehlen sie auf einer Seite, was sich wohl auf Verletzungen beim Einfangen zu- riickfiihren lasst. Die langen Borsten entspringen wieder von diin- nen cylindrischen Zellen, die in einfacher Schicht eine mulden- ffirmige Vertiefung der grosszelligen Epidermis links und rechts am Bauchknoten auskleiden. Alles in Allem genommen finde ich zwischen den zwei Bildungen, welche der Spadella draco ein etwas auffalliges Aussehen verleihen, und den gewohnlichen Tastorganen, von ihrer verschiedenen Grosse abgeschen, keinen wesentlichen Unterschied und glaube ich daher denselben auch die gleiche Func- tion zuschreiben zu diirfen. Literatur. Beobachtet wurden die Tasthiigel zuerst von Krohn (27. p. 5), welcher an Spiritusexemplaren der Sagitta hexaptera in der Haut viele weiss gctriibte scharf umschriebene Flecken erkannte und sie fiir Schleimdrilschen glaubte deuten zu miissen. Spiiter sah Wilms (49. p. 11) bei der Sagitta bipun- ctata im lebenden Zustand die von der Epidermis abstehenden Tast- Die Chaetognathon. 217 liaare und bctrachtctc jcdcs ciiizelne von cinem Iliigel cntspringciulc Biischcl als eincn Stachel, dcr von ciner grosseren Summe von Fibrillcn zusanimengcsctzt wird (Aculei ex majore numero fibril- larum compositi). In ahnlicher Weise beschrieb alsdann Busch (5. p. 94) die Tastorgane bei der Spadella cephaloptera. Krohn (20. p. 267) seincn friiheren Irrtbum berichtigend beobachtetc sic bei zahlreichen Aiten und bcnierkte, dass es wcdcr Stacheln noch Borsten, sondern Fiiden sind, die in einer Querreihe auf rundliclien Vorsprungen angeordnet sind; er hielt sie ftir Fortsiitze der Epi- dermis, weil sic leicht abgestreift werden konncn, worin ibm Busk (6. p. 17) beistimmte. Auch Keferstein (23. p. 130) lasst die Borsten sich direct von den grossen gewohnlichen Epidermiszellen erheben und Auswiichse ihrer Membran sein. Die feinzellige Struc- tur des Tasthiigels ist erst ganz neuerdings von Langerhans (30. p. 193) erkannt worden, der in einer kurzeu Mittheilung Quer- reihen von Sinneszellen umgeben von indifferentem kleinzelligem Epithel beschreibt. Ueber die funktionelle Bedeutuug der Borsten haben sicli friihere Beobacliter nicht geaussert und ist es wolil Gegenbaur (13. 2. Aufl. p. 203) zuerst gewesen, der in seiner vergleichenden Anatomic dieselben zu den Tastorganen gestellt hat. Die Augen. Auf der oljeren Fliiche des Kopfes liegen bei alien Chae- tognatlien in einiger Entfernung von der Sagittalebene die Augen, zwei scliwarzliche Punkte von solcher Kleinheit, dass sie mit un- bewaftnetem Auge an der abprilparirteu durchsicbtigen Kopfhaut eben nocli aiifgefunden werden kouuen (Taf. IX, Fig. 1 — 9 au). Bei starken Vergrosserungen untersucht, ersclieiut jedes Auge als eine aus kleinen Zellen bestehende Kugel, welche ringsiim in die gewohnliche durclisichtige Epidermis eingeschlossen ist und sich scharf von ihr absetzt (Taf. XII , Fig. 8). Ein kleiner Theil der Kugelol)erflache (pi), welcher nach Aussen sieht, ist schwilrzlich pigmentirt und schliesst eineu durchsicbtigen linsenformigeu Kor- per (1) ein ; Pigment und heller Korper werden beide umgeben vou einem Krauz zahlreicher Stiibchen (a), die durch ihr grosses Licht- brechuugsvermogen auffallen. Die Stiibchen besitzen, wie Durch- schnitte noch deutlicher erkeuuen lassen, eine characteristische Ge- stalt (Taf. XII, Fig. 9 a, Fig. 6 u. 7 a). Ihr eines Ende, welches an Pigment und Linse anstosst und als ihr peripheres Ende be- zeichnet werden soil, ist diinu und quer abgestutzt; nach der Ba- sis verdicken sie sich etwas, um danu rasch sich in eine Spitze 218 0. Hertwig, zu verjiingen, an welche sich der zum Stiibclien gehorige Zellkor- per ansetzt. Zu jeclem kugligen Auge tritt von dem hinteren Rande des oberen Schlundganglions ein starker, aus zahlreichen feinen Fibrillen zusammengesetzter Sehnerv in geradem Verlaufe lierau (Taf. XII, Fig. 8 no) ; gleichfalls in die Epidermis eiugebet- tet wird er an seinem Eintritt in das Auge etwas eingeschniirt und lasst von hier seine Fibrillen allseitig ausstrahlen mid sich wie einen Fasermantel iiber einen Tbeil der Kugeloberfliiche aus- breiten. Das Auge der Chaetognathen , so klein es ist, hat indessen einen noch weit complicirteren Bau, welchen man bei der Betrach- tung von der Flache gar nicht vermuthet und welchen man nur mit Hiilfe feiner Quer- und Flacheuschnitte genau feststellen kann (Taf. XII, Fig. 6 u. 7). An solchen bemerkt man, dass die kleine pigmentirte Stelle (pi), welche bei der Flachenansicht an der Ober- fliiche der Zellenkugel beschrieben wurde, sich noch in ihr Inne- res als eine Scheidewand weit hineinsenkt und dabei eine compli- cirte Form annimmt, welche sich schwer schildem liisst; hervor- gerufen aber wird die complicirte I'orm dadurch, dass die Pig- men tscheidewand Gruben enthalt, um drei kleine durchsichtige biconvexe Linsen (1) aufzunehmen; von denselben ist nur die eine bereits erwiihnte von aussen sichtbar, wiihrend die zwei andern mehr nach der Mitte des kugligen Auges zu liegen und dem Be- obachter bei der Fliichenbetrachtung durch das Pigment verdeckt werden. Von den drei Linsen sind zwei der Pigmentwand seit- lich, eine von links, die andere von rechts eingebettet, die dritte liegt ihr von unten an. Um jeden der lichtl)rechenden Korper und zwar senkrecht zu seiner aus dem Pigment hervorschauenden convexen Fliiche sind die oben erwiihnten kleinen Sehstiibchen (a) in grosser Anzahl angeordnet, so dass sie drei Gruppen bilden. Ein Fliichenschnitt durch eine derselben ergibt ein Mosaik kleiner dicht zusammen- gedriingter Korner , wie es auf Tafel XII , Figur 9 a dargestellt worden ist. Nach aussen von den Stiibchen erblickt man die zu ihnen gchorigen Zellkerne, welche am dichtesten im Aequator des Auges angehiluft sind. An den angefertigten Schnitten war die Form der Sehzellen und ihr Zusammenhang mit den Stiibchen nicht zu erkennen, auch nahm ich wegen der Kleinheit des Auges und seiner Elemente von dem Versuche Isolationen herzustellen bald Abstand; eine bei dem Versuch isolirt erhaltene Linse ist in Taf. XII, Fig. 9 1 al)gebildet. Die Chaetosiiatheu. 219 'o Wic uns das Stiulium der Qiicrscliuittc gezcigt hat, ist das Auge dcr Cliactognatlien kein einfaches, sondcrn ein zusammengesotztes Gebildo, wclchos sich am raeisten au die Augeu mauclier Criistacccn auschlicsst : cs ist aus der Ver- schmelzuiig von drci ciiifachen Ocelli entstandcn zu deiikeu. Seiu Ban liisst sich jetzt kurz dahiu zusammeufasseii : Das zusaniiiicngcsetzte Auge der Chaetognathen stcllt eine Kugel dar mid besteht aus drei in einen central gelegenen Pig- mentkorper eingebcttcten bicouvexen Linsen, von deneu eine jede an ihrer iiussern freien Flilche von einer cpithelartig ausgebreite- ten Schicht feiner cylindrischer Sehzellen, einer Retina, bedeckt wird. Das Sehepithel zerfiillt in eine Stabchen- und eine Korner- schiclit, welche gegen einander scharf abgegrenzt sind und von welchen die Stiibcheu mit ihreu peripheren Enden an die Liusen- oberflache anstossen. Wegeu der verschiedenen Lage der 3 Lin- sen schauen die Stiibchenenden nach sehr verschiedenen Richtuu- gen, zum Theil sogar nach der unteren Flilche des kugligen Auges, an welcher der Selmerv eintritt und sich ausbreitet. Das Auge ist vollstandig in die Epidermis eingeschlossen und wird auch nach aussen noch von einer diinuen Schicht abgeplatteter Epi- dermiszellen iiberzogen. Literatur. Unter alien Sinnesorganen der Sagitten sind die Augen am friihesteu beobachtet wordeu. So gaben schon Quoy und Gaimard (43. p. 349) an, am Kopf der Sagitta bi- puuctata zwei schwarze Flecke gesehen zu haben, in welchen sie Augen vermutheten. Genaueres erfahren wir aber erst durch K r o h n (27. p. 13), welcher den Sehnerven entdeckte. Er beschreibt das Auge als ein in die Kopfhaut eingebettetes zelliges Ganglion, in dessen Mitte aus einer pigmentirteu Stelle eine glashelle Wolbung hervorrage, welche entweder eine Cornea oder vielleicht auch eine Linse sei. Die Stabchen bezeichnet er als „kurze Fibrillen, welche aus dem Ganglion eutspringeud durch die Pigmenthiille in's In- nere des Auges zu dringen scheinen." Von Wilms (49. p. 15), welcher ahnliche Augaben wie Krohu macht, werden die Seh- stabchen Papillae pellucidae geuannt, bald darauf werden sie von Leu chart und Pagenstecher (34. p. 595) den Krystall- kegeln der Arthropodeu verglichen. Endlich hat noch Busch (5. p. 96) eine Beschreibung von der complicirteren Form des Pigmeutkorpers im Auge der Spadella cephaloptera gegeben und hierbei bemerkt, dass es eine vergebliche Miihe sei, die eiu- zelnen Theile des sonderbareu Auges physiologisch erklaren zu 220 0. Hertwig, wollen, da sie mit den Gebilden dieser Organe in der iibrigen Thierwelt so wenig Uebereinstimuiendes zeigen. Auf Zeichnungen von Huxley gestiitzt gibt Busk (6. p. 19) an, dass der Nervus opticus vor seinem Eintritt in das Auge noch eine besondere gangliose Anschwellung enthalte. Voq einer solchen ist, wie aus unserer Darstellung liervorgegangeu ist, nichts wahrzunehmen. Ueberliaupt kaun man aus der Fliichenbetrachtung allein keine richtige Vorstelluug von dem sclion complicirter gebauten Auge der Sagitten erhalten. Das Geruchsorgan. Das dritte Sinnesorgan, welclies bei den Chaetognatlien seit- her entweder ganz iibersehen oder falsch beurtlieilt worden ist (Taf. IX, Fig. 3 u. 6 r, Taf. XII, Fig. 20 u. 21 r), liegt in un- mittelbarer Nachbarschaft der Augeu (au) auf der oberen Flache des Kopfes nacli hinten vom oberen Schlundganglion (g^) und dehnt sich von hier bei einigen Arten, bei denen es gut entwickelt ist, auf einen grossen Theil des Rumpfes aus. Es ist ein unpaa- res Gebilde von eiufacliem Bau; ein scbmaler Epitlielstreifen, aus feinen Cylinderzellen gebildet (Taf. XII, Fig. 12 r), sitzt den grossen durchsichtigen Zellen der Epidermis auf, einen kleinen leistenarti- gen Vorsprung verursacliend (Taf. XII, Fig. 11 r). Zwei bis drei in der Mitte des Streifens befindliche Zellreihen (h^) siud mit sehr langen und ausserst zarten Flimmern verselien, welche bestan- dig in undulirender Bewegung begriffen sind und dadurch zuerst die Aufmerksamkeit des Beobachters auf die in Frage stehende Hautstelle binlenken (Taf. XII, Fig. 3 h). Die Flimmern entspringen von einem kleinen glanzeuden Korn (li^) an dem periphereu Eude der Zellen, welches gegen Reagentien eine grossere Resistenz zeigt. Denn wenn die Flimmern an conservirten Priiparaten geschwimden sind, nimmt man bei Betrachtung von der Flache auf dem klei- nen Zellenmosaik des Sinnesepithels noch ihre Ansatzpunkte, niim- lich zwei bis drei Reiheu eng zusammenstehender Korner wahr. (Taf. XII, Fig. 12 hi.) Der Epithelstreifen beschreibt je nach den eiuzelnen Arten auf der Oberflache der Epidermis verschiedene Figuren, welche sich systematisch verwerthen lassen. Bei der Spadella cephalo- ptera und Sp. draco ist das Geruchsorgan am wenigsteu entwickelt und stellt einen ovalen schmalen Ring von Cylinderzellen dar, wel- cher in geringer Entfernung hinter den Augeu am lebenden Thiere wegen seiner Flimmerung leicht beobachtet wird. Bei der Spadella i)ie Chactoffuathen. 22i '» ceplialoptcra (Taf. IX, Fig. G r) liegt der ovale Ring in der Qiicr- axe , bei der Sp. draco (Taf. IX, Fig. 3 r) in der Liingsaxc dcs Korpers. Anselinliclier ist das Geruclisorgan bei Sagitta hexa- ptera, S. bipuuctata und S. scrrodentata, kann aber trotzdem liier elicr iibcrsehcu werden, weil die grosscreu Tliierc im lebenden Zustande weuigcr gut niit stiirkeren Systemen durclimustert wer- deu konuen, an abgetodteteu Objecten aber die Flimnieru zerstort sind. Bei alien diescn Artcn uimmt es den vorderen Theil vom Rttcken des Rumpfes mit ein und zieht iiber die zwei dorsalen Muskelbiinder liin. Seine abweicliende Form konneu wir uns von der gleichsam zu Grunde liegenden Form eines ovalen Ringes ableiten. Bei der Sagitta bexaptera hat der ovale Ring, desseu Liingsdurchmesser mit der Langsaxe des Thieres zusammenfiillt (Taf. XII, Fig. 21 r), dadureb eine Veranderung erfabren, dass er nacb voru in einen scbmiilern Fortsatz ausgebuchtet ist, welcher zwischen beide Augen (au) eingeschobeii fast bis an die hintere Greuze des oberen Scblundganglious (g^) heranreicht. Das Ge- ruebsorgau lasst sicb daber kurz als biruformig bezeicbuen. Bei der Sagitta bipunctata (Taf. XII, Fig. 20 r) und S. serrodcntata eudlich bat es die Gestalt eines Kreuzes angeuomraen. Der ovale Zellenriug , von dem wir ausgeben, stellt die kurzen Querscbenkel des Kreuzes dar und ist ziemlicb weit nach riickwarts vom Kopf gelagert; er entsendet uacli hiuten und vorn zwei scbmale lange, etwa gleicb grosse Aussackuugen , welcbe die langen Arme des Kreuzes bilden. Der vordere Kreuzarm schiebt sicb ebenso wie bei Sagitta hexaptera zwiscben den Augen fast bis zum Gang- lion vor. Dass bier ein Sinnes- und speciell ein Gerucbsorgan vorliegt, bleibt jetzt nocli naber zu begriiuden. Weun die Deutung als ein Siunesorgan schon nabe geriickt wird durcb die Bescbaffenbeit der Epitbelzellen , die sich gleicb den Zellen der Tastbiigel so scbarf von den iibrigen Elementen der Epidermis absetzeu (Taf. XII. Fig. 11), so wird sie vollkommen sicher gestellt durcb den Nacbweis, dass sicb zu dem flimmernden Epithelstreifen zwei starke Nerven hinbegeben (Taf. IX, Fig. 3, 6, 16 nr. Taf. XII, Fig. 20 u. 21 nr). Dieselben nebmen von der binteren Flache des oberen Scblund- ganglious (g^) uumittelbar nach innen von den beiden Nervi optici (no) ibren Ursprung und verlaufen parallel zu letzteren eingebettet in die Epidermis nach dem Gerucbsorgan; sie treten in den vom flimmernden Zellenstreifen uragrenzten Bezirk ein und verschmilch- tigen sich nach dem binteren Ende desselben immer mehr durcb 222 0. Hertwig, Abgabe zahlreiclier seitliclier Aeste, die im Bogen nach dem links imd rechts von ilinen gelegenen Sinuesepitliel (r) hinziehen (Taf. XII, Fig. 12 nr). Die seitliclien Aeste losen sich dabei in Fibrillen auf, die sich untereinauder verflechten und unter das Sinuesepi- thel (r) treten, wobei ich sie an einem Essigsaurepriiparate direct in die flimmertragenden Zellen giaube verfolgt zu haben. FUr die Deutung als Geruclisorgan scheinen mir die langen ausserst zarten und verganglichen Flimmern zu sprechen, welcbe sicli den Riech- hiircben anderer Geschopfe vergleicben lassen. Literatur. Das Gerucbsorgan der Chaetognathen ist scbon von verschiedenen Forscbern bemerkt, aber falsch gedeutet wor- den. Krohn (27. p. 13) in seiner grundlegenden Arbeit spricbt von zwei starken binteren Kopfnerven, die nacb riickwarts zie- bend erst divergiren und alsbald sich auf eiuander im Bogen zukriimmen , verscbmelzen und so eine Nervenscblinge bilden. Dieselbe ist nun nicbts Anderes als der eigentbiimlicb verlau- fende Epitbelstreifen des Gerucbsorgaus. Krobn (29. p. 269) selbst bat spater seinen Irrtbum zuriickgenommen und bervorge- boben, dass er veranlasst worden sei durcb zwei in Alcobol dunkel gerinnende Streifen in der Haut, ilber deren Bedeutung er uicbt einmal eine Vermutbung aufstellen konne. Spater bat uns Buscb (5, p. 96) eine gute Bescbreibung vom Gerucbsorgan der Spadella cepbaloptera geliefert; er nennt es eine in der Kopfbaut be- findlicbe „grosse Scbeibe, welcbe wie eiu Sattel iiber den Riickeu ausgebreitet ist und auf einem etwas duukler gefiirbten doppelt contourirten Rand sebr viele lange und zarte Wimpern tragt, die in ibrer Bewegung das Pbanomen des Riiderns zeigen." Busch's Entdeckung des „radernden Organs" auf dem Nacken der Spa- della cepbaloptera ist seitdem mebrfacb an demselben Objecte be- statigt worden, durcb Claparede (7. p. 9), welcber es den bei- den Raderorganen am Nacken von Tomopteris vergleicbt, und durcb Pagenstecber und Giard. Pagenstecber (42. p. 309) ist bierbei in einen scbwer zu begreifenden Irrtbum verfallen, in- dem er durcb den bei der Spadella cepbaloptera etwas gelb ge- farbten Zellenring den Nabrungskanal bindurcbtreten lasst. End- licb ist uocb Kowalevsky (26. p. 11) anzuftibren, welcber bei einer nicbt niiber bestimmteu Sagittenart binter dem Kopfganglion in dem Raume zwiscben den beiden zum Oberkopf und den Augen gebenden Nerven ein besonderes Organ bescbreibt, welches er der flimmernden Scbeibe der Spadella cepbaloptera vergleicbt und als ein Sinnesorgan bezeichnen mochte. Wenu indessen Kowalevsky Die Chactognathcn, 223 (lasselbe eiii gesclilosscncs lililsdicn mit deutlichen Zellwandungcn odor ciiio kleiiie Knpsel iicmit , so muss or uinen Beobaclituiigs- felilcr bcgangou liabeii, welclier sich daraus erklilrt, dass or nur coiiservirte Exemi3lare uutcrsuclit hat. Der Geruclisnerv ist bis jotzt allgemeiu iibcrselicu wordeu, well er bei sciuer Lage liber den dorsaleu Liuigsmuskeln weiiigcr deiitlich hervortritt als der leiclit siclitbarc iu seiuer Naclibarschaft verlaufende Norvus opticus. 3. Das Nervensystem. Zura Studium des Nervensystems ist unter alien Chaetogna- then am meisten die Sagitta hexaptera geeignet, an welcher aucli Krohn seine mustergiltigen Untersuchungcn angestellt hat. Man kann hier die einzelnen Ganglienknoten durch Priiparation dar- stellen und die peripheren Nerven an abgelosten und vollkommen durchsichtigen Hautlamcllen so schon wie an wenigen anderen Ob- jecten iu ihrer Eudausbreitung verfolgen. Auf die Sagitta hexa- ptera beziehen sich daher audi die folgenden Angaben fast aus- schliesslich ; die kleineren Arteu wurden nur zur Anfertigung von Querschnitten benutzt. Fiir den vergleichenden Auatomen gewinnt das Nervensystem der Chaetognathen ein besonderes Interesse dadurch, dass es fast vollstiindig im Ektoderm liegt. Die hauptsilchlichsten Ganglien- knoten und die von ihnen ausstrahlenden ISTerven mit ihren fein- sten Endfaden sind gauz dicht an der Oberflache des Korpers in die Epidermis eingebettet; eine Ausnahme machen nur einige kleinere Ganglien des Kopfes, weiche mit den von ihnen abgehen- den Nerven dem Mesoderm angehoren. Am Nervensystem der Chaetognathen haben wir daher einen ektodermalen und einen mesodermalen Theil zu unterscheiden. Der ektoderm ale Theil, desseu Untersuchung wir zu- niichst vornehmen wollen, besteht aus zwei Centralorganen , dem oberen Schlund- und dem Bauchganglion und den in der Epidermis gelegenen peripheren Nerven, die sich in einen uberall ziemlich gleichmassig verbreiteten Plexus auflosen. Das obere Schlund- oder Kopfganglion findet sich weit vornen auf der oberen Fliiche des Kopfes, wo es in die Epi- dermis eingebettet ist und einen flachen Hocker nach aussen ver- ursacht. (Taf. IX, Fig. 3, 6, 16, g*). Es stellt einen platt- gedriickten Korper von der Gestalt eines regelmassigen Hexagons dar; seine untere Fliiche ruht unmittelbar auf der diinnen Stiitz- lamelle, durch weiche es von der Muskulatur getrennt wird, wah- 224 0. Hertwig, rend die obere Fliiclie von einer diinnen Scliicht Epidermiszellen iiberzogen wird (Taf. X Fig. 1 g^). Von den sechs Seiten scbaut eine nacb vorn und eine nach riickwarts, zwei scbauen nach links und zwei nacb recbts (Taf, XI, Fig. 5). Wie Kowalevsky ge- zeigt und durcb gute Abbildungen erliiutert bat, setzt sicb das Ganglion aus zwei verscbiedenen Substanzen zusammen, aus einer feinfaserigen Masse und aus kleinen Ganglienzellen. Die Faser- oder Punktsubstauz (p), wie sie Ley dig bei Wiirmern und Ar- thropoden genannt bat, liefert den Kern des Nervenknotens ; im lebenden Zustand durcbscheinend sieht sie nacb Reagentienbehand- lung feinkornig aus und braunt sicb besonders stark in Osmiumsaure. Die Ganglienzellen (gz) bilden um den faserigen Kern eine Rinden- schicbt, die indessen unvollstandig ist; am dicbtesten sind sie in der Circumferenz des bexagonalen Korpers angebauft, dagegen umgeben sie die nacb Aussen gewandte Flacbe nur mit einem diinnen Ueberzug und an der unteren Flacbe feblen sie sogar ganz, so dass bier die centrale Fasermasse unmittelbar an die Stiitz- lamelle angrenzt. (Taf. X Fig. 1 und Taf. XI Fig. 5). Aus der Fasersubstanz des Ganglions nebmen vier stilrkere und secbs scbwacbere Nerven ibren Ur- sprung (Taf. XI Fig. 2 u. 5). Zwei Hauptstamme (n^) geben von den vorderen Ecken des Hexagons aus, verlaufen in gerader Ricb- tung dicbt bei einander bis zum vorderen Rande des Kopfes und senken sicb bier in das Mesoderm desselben binein, wo wir sie spater weiter zu verfolgen baben werden. Ibrer Lage und Func- tion nacb nennen wir sie die vorderen motorischen Nerven des oberen Scblundganglions. Die zwei anderen gleicb starken Hauptstamme (n^) sind die Commissuren, welcbe zur Verbin- dung mit dem Baucbganglion dienen, sie treffen die seitlicben Ecken des Hexagons. Von den secbs scbwacberen Nerven, welcbe alle nur sensible Fasern entbalten, entspringen zwei vom vorderen seit- licben Rand des Nervenlmotens, um sicb in der Haut des Vorder- kopfes zu verbreiten, die vier binteren Nerven entspringen zu je zwei von den beiden binteren Ecken des Hexagons. Es sind die Nerviopticiundolfactorii; die ersteren (no) sind nacb Aussen gelegen, sie divergiren etwas nacb riickwarts und erreicben nacb kurzem Verlaufe, obne seitlicb Fiisercben abgegeben zu haben, die kleinen Augen ; etwas nacb ein warts von ibnen nebmen die beiden Riecbuerven (nr), deren feinere Veriistelung scbon friiber bescbrie- ben wurde, ibren Weg zum unpaareu Gerucbsorgan. Das Baucbganglion, welcbes an Grosse das Kopfgang- Die Chaetognatlien. 225 lion bedcuteud iibcrtrifft, iiimnit etwa die Mittc des Ilumpfseg- mentes (Taf. IX Fig. 4 g^) ein, ist von langsovaler Form uud bci Sagitteu, die abgestorbeii odcr mit Reagentieii behaudelt worden siud, audi fur das unbewaffiietc Auge gut kenutlich als ein duuk- ler geroimeuer Korper. Da es vollstandig ektodenual ist, so be- dingt cs bei deujeiiigen Chaetognatlien, die eine diinne Epidermis besitzen, wie die Sagitta bipimctata und S. serrodentata, eincu uacli ausseu vorspringeuden Hiigel, \Yesswegen es auch von raanchen Autoren, die seine uervose Natur geleuguet haben, als Bauchsattel bezeiclinet ^Yurde. Bei der Uutersucliung des feineren Baues unterscbeidet man Avieder eine faserige Mark- und eine zellige Piindeusubstanz (Taf. XI Fig. 9). Erstere stellt einen breiten Strang (p.) dar, welcher die Liingsaxe des ovalen Ganglions durchsetzt und direct in die zwei vordereu und zwei hinteren Hauptuervenstamme (n.^ u. n*) tiber- geht. Nacli Behandlung mit Reagentien siebt sie feiukornig wie die Leydig'scbe Puuktsubstanz aus, dabei liisst sie aber dicbt bei einander stebende Quer- und Liingsstreifen, die sicb unter rech- tem ^Yinkel kreuzen, erkennen. Es riihrt die Streifung ohne Zwei- fel davon her, dass die dicht zusammeugedraugten Nervenfibrillen, die als solche nicht mehr unterscheidbar das Aussehen der Punkt- substauz hervorrufen, das Ganglion vorwiegeud der Lange und Quere nach durchsetzen. Die Ganglienzellen (gz) sind in grosserer Menge nur an den beiden Randem des Bauchknotens angehiiuft, Aviihrend sie an der dorsalen und ventralen Fliiche nur isolirt vorkommen; sie sind sowohl gegeu die Epidermiszellen (ep) als auch gegen die Puukt- substanz (p) scharf abgegrenzt (Taf. X Fig. 6, 10, 11) und sind der Hauptmasse nach von ausserordentlich geringer Grosse. Nur an den Randern des Bauchknotens fallen einige wenig grossere Ganglienzellen mit runden blaschenformigen Kerneu auf (Taf. X Fig. 11 gz^). Das Zerzupfeu niacerirter Praparate lasst uns in die feinere Structur des Ganglions noch etwas weiter eindringen. Wie die Figur 10 auf Tafel XI, welche von Sagitta hexaptera ge- Avonnen wurde, zeigt, sind die grossen randstilndigen Ganglien- zellen (gz ^) in Gruppen von zAvei und drei vereinigt und entsen- den ihre Fortsatze medianwarts durch die kleinzellige Schicht (gz) hindurch in die centrale Fasersubstanz (p); sie werden von einer Art Scheide aus iudiflferenten Epidermiszellen umhtillt, die am Rande des Bauchknotens die Interstitien ZAvischen den nervosen Elementen ausfiillen. Nach innen folgen dann die kleinen, aber Bd. XIV. N, F. A^n, 2. j^5 226 0. Hertwig, urn so zalilrcicheren Nerveuzellen (gz), welche einen breiten Strei- feii formiren , unci lassen nacli der Marksubstanz Fibrilleiiziige hiiidurchtreten, welche theils den grossen randstandigen Gauglien- zcllen (gz^), theils den peripheren, seitlicli einmiindenden Ner- ven (n) angehoren. Der Baucbknoten entlialt von der Epidermis einen bei den einzelnen Arten verschieden dicken Ueberzug; bei der Sagitta ser- rodentata, deren Ektoderm verlialtnissmassig diinn ist (Taf. X Fig. 10) , liegt er mit seiner couvexen Oberflacbe fast frei zu Tage, da er nur von einer einzigen Zellenschicht (ep) iiberzogen wird, die auf dem Querschnitt wie eine kernhaltige Membran aus- sieht, Bei der Spadella cephaloptera (Taf. X Fig. 6 g ' ) und Sa- gitta hexaptera (Taf. X Fig. 11) dagegen wird er von einem 4 — 5 Zellen dicken Epidermislager (ep) bedeckt. Dabei zeigt die Sagitta hexaptera uns das bemerkenswerthe Verhiiltniss, dass das Gang- lion an den Epidermisiiberzug nicht unmittelbar anstosst, sondern sowohl von ihm als auch von der Muskulatur (m v) und ihrer Stiitz- lamelle (s) durch einen Spalt (y) getrennt ist. Es befindet sich somit allseitig in einem mit Fliissigkeit erfiillten Hohlraurae und wird mit den Wandungen desselben durch diinne Faserziige ver- bunden, welche hier und da Kerne enthalten und umgewandelte Epidermiszellen sind. Einige Kerne haften auch an der Stiitz- laraelle, welche bei den anderen Arten unmittelbar an die dorsale Flache des Bauchknotens grenzt. In Folge dieser Lage in einem Hohlraum ist es bei Sagitta hexaptera leicht, den Bauchknoten aus der Epidermishiille in to to unversehrt zu isoliren. Aehnliche in der Umgebung des Nervensystems entstandene epidermoidale Spalt- raume, nur von geringerem Umfang, wurden schon friiher von uns am oberen und unteren Nervenring der Meduscn beobachtet, be- schrieben und abgebildet. Ueber den feineren Bau des Bauchganglions findet man einige theils richtige, theils aber auch irrthumliche Angaben bei Kowa- levsky (26 p. 10—11). Er beschreibt die Vertheilung der Rin- den- und Marksubstanz und unterscheidet die kleinen und grossen Rindenzellen, letztere mit dicken ccntralen Fortsatzen; aber aus- serdem macht er noch Angaben, die ich in keiner Weise habc bestatigen konnen. Erstens zeichnet er in die Marksubstanz ziem- lich zahlreiche Zellen, dann schildert er in ihr zwei Hohlen, die er auf jedem Schnitte antraf, eine obere, die an ihren Ecken mit Epithel ausgeklcidet war, und eine untere, welche die Form eines Kisses und zackige Riinder besass. Obwohl diese Hohlen an jun- Die Cliaciognatheii. 227 gcii Sagittcii aiif Qucrsclinittcii iiiclit nachgewiesen werdcn koiin- teii, ist Kowalevsky doch dor Aiisicht, dass cs kcino durcli Zcr- reisscn des Gewcbes eiitstaiidene Kmistproducte geweseu seieii. Ich muss deimoch solclics vcrmutlieiL Dciin bei dcu vcrschicdc- nen Arteii, die ich untersuclit liabe, faiid ich an sehr zahlrcichen Priiparaten nie einen Hohlraiim in der durchaus compacten Mark- substaiiz. Mit Fliissigkeit erfiilltc Spalten traf ich nur boi Sagitta hexaptera, danii aber nicht im lunern des Ganglions, sondern in seiner Umgebimg an. Das pcriphere Nerv en system, welches mit dem Baiich- knoten in Verbindung steht, liisst sich bei der grossen Sagitta hexaptera vortrefflich mitersuchen und gibt bei folgender Methode sehr instructive Bilder. Sagitten wurden 10— 15 Minuten in das anderen Orts beschriebene Gemisch von OsmiumsJlure und Essig- saure eingelegt, dann mehrmals in 0,2 •'/q Essigsaure ausgewaschen und schliesslich in derselben einen Tag belassen , dann in diinnem Glycerin conservirt. Von derartigen Objecten kann man sich son- der Miihe grosse, nur aus der Epidermis bestehende Eamellen ver- schaffen, wenn man die Muskulatur von der Innenfliiche durch Zupfen mit Nadeln und durch Pinseln vollstandig entfernt. Da die fest aneinander haftenden Epidermiszellen vollkoramen durchsichtig sind, lassen sich die in Osmiumsaure geschwarzten Xerven, auch nachdem sie sich in feine Fibrillen aufgelost haben, noch haarscharf erkennen. Durch Farbung in Carmin (Alauncar- min) treten dann feraer noch Ganglienzellen, welche hie und da in den peripheren Plexus eingeschaltet sind, deutlicher hervor. Aus dem Bauchknoten (Taf. IX Fig. 4 und Taf. XI Fig. 9) ent- springen 1) nach vorn die beiden Commissuren (n^), 2) von jeder der langen Sciten in gleichmassigen Abstanden von einander zehn bis zwolf diinne Nerven, 3, nach riickwarts zwei sehr ansehn- liche Stamme (u*). Die letzteren, welche wir in ihrer Verbrcitung zuniichst verfolgen wollen, versorgen die hintere Halfte des Rumpf- segmentes und das ganze Schwanzsegment , sie gehen beide am hinteren Ende des Bauchknotens unmittelbar aus der Marksub- stanz hervor und verlaufen einc Zeit lang dicht bei einander und parallel zur ventralen Medianlinie auf den zwei Bauchmuskeln nach riickwiirts. Sie bestehen aus dicken neben einander liegen- den Biindeln, jedes Biindel aus zarten Fibrillen. Wie das Gang- lion selbst, liegen auch sie in der Epidermis inmitten eines weiten Spaltraums, welcher von eincm Netzwerk faserig umgewandelter Epidermiszellen mit Kernen durchsetzt wird, und lassen sich in 15* 228 0. Hertwig, Folge dessen leicht und unversehrt aus dem Ektoderm in grosser Liiuge herausziehen. Weiter nach riickwarts divergiren die beiden Hauptstamnie starker und losen sich hierbei, indem sie sich dem Rand der ven- tralen Muskelbander nahern, noch ehe sie das Ende des Rumpf- segmentes erreicht haben, in eiue grosse Anzahl diinnerer und dickerer Biindel auf, die unmittelbar eines neben dem andern noch eine Strecke weiter verlaiifen und hierbei ein dichtes Ge- flecht erzeugen, wie es auf Tafel XI Figur 1 abgebildet worden ist. In der Mitte des Flechtwerks liegen die stiirkeren, zu beiden Sei- ten die diinneren Strange, sie alle hangen vielmals und in der verschiedensten Weise untereinander zusammen ; bald lost sich ein starkes Biindel in zwei auf, urn nach links und rechts mit den benachbarten zu verschmelzen, bald entsteht durch Verschraelzung von zwei oder drei Theilasten wieder ein starkeres neues Bundel, bald zweigen sich unter spitzem Winkel nur feinere Strange ab, um nach links oder nach rechts Verbindungen einzugehen, bald auch laufen diinne Strange rechtwiuklig zur allgemeinen Faser- richtuug und verkniipfen eine Anzahl neben einander hinziehen- der Bundel. So werden aus den zwei urspriinglich compacten Ner- venstiimmen zwei imraer breiter werdende gleichsam gefensterte Nervenstrange mit sehr engen, verschiedenartig geformten, meist aber etwas langgestreckten Maschen. In ihnen sind die starkeren Bundel durch einen schmalen Spaltraum von ihrer Epidermis- scheide getrennt, die kleineren liegen derselben dichter an. Wahrend ihres ganzen Verlaufes geben die 2 hinteren Haupt- stamme alsbald nach ihrem Ursprung aus dem Bauchganglion kleine Fibrillenbilndel ab, welche sich von ihrem lateralen Rande abzweigen und schrag nach riickwarts gewandt das Seiteufeld kreu- zen und nach dem Riicken emporsteigen. Da wo der Nerven- stamm sich ausbreitet und geflechtartig wird, sind die sich ab- zweigenden Fibrillenbiindel gewohnlich in der Zahl von 5 — 10 zu eiuem Strange vereint. Sie laufen in jedem Strange (Taf. XI Fig. 6) in geringer Entfernung nebeneinander her und verbinden sich haufig durch bald starkere bald feinere Anastomosen, die meist unter spitzem Winkel, zuweilen aber auch rechtwiuklig ab- gegeben werden. Somit stellt auch jeder der dorsalwarts gerich- teten Nerven strange wieder ein Geflechte dar , das aber aus diinneren Fadcn und weiteren Maschen gebildet wird. Durch ihre Abgabe aber wird der Hauptnervenstamm immcr mehr geschwiicht und er lost sich endlich selbst ganz in eine Anzahl schmaler Strange Die Chactoguathon. 229 auf, >Yelclie Baucli mid lUicken des Sclnvaiizsegnicntes innervircn mid von denen ein jeder aus oiiieni Flcchtwcrk duimcrcr mid stiir- kerer Fibrilleiibiindel besteht. In der geschilderten Weise wird die Ncrvensubstanz der bci- deii hintoren Stanime des Bauchganglions zicmlicli gleicliniassig iibcr einen grossen Theil der Korperoberfiacbe in zahlrcichen Bah- nen verbreitet. Diese Bahnen sind nun aber nicht etwa vollstan- dig von einauder getrenut, sondern sie haiigen allseitig zusammen durch zablreiche Nervenfasern , die iiberall in der Epidermis vor- gefunden wcrden. Dadurch dass sich dieselben in der man niclifachsten Weise durchkreuzen und durch- flechten, entstehtein liberdiegesammteKorperober- fliiche ausgebrei te ter Nerven endplexus, in welchem die oben beschriebenen Nervenstriinge die einzelneu Sa mm el bahnen vorstellen. Der Endplexus, der nur bci gelungener Einwirkung der Osrai- umsiiure, danu aber auch in aller Schiirfe siclitbar wird, ist an manchen Stellen weniger, an andern besser cntwickelt, am besteu zwischen den in longitudinalen Reilien hintereinander angeordneten Tastorganen ; von einer solchen Stelle ist er auch auf Taf. XI, Fig. 4 bei mittelstarker Vergrosserung genau mit Hiilfe des Pris- mas gezeichnet wcrden. In geringer Entfernung vom rechten Rande der Zeichnung — das zu Grunde liegende Praparat entstammt der Riickengegend vom hinteren Drittel des Rumpfsegmentes — verlauft in dorso- ventraler Richtung ein starkerer Nervenfaden n*, der sich bis zu cinem vom Hauptstamm abzweigenden Nervenstrang, welcher das Seitenfeld schrag kreuzt, zuriickverfolgen lasst, er besteht aus einer in Osmiumsaure sich stark braunenden homogenen Substanz, die sich haarscharf vom klaren ganz durchsichtigen Inhalt der Epidermiszellen abliebt. Eine fibrillare Struktur ist weder an ihm noch an andern Faden, die eine gleiche oder eine geringere Dickc besitzen, zu erkennen. Ausser dem starkeren Faden nehmen noch andere feinere und feinste, aber ebenso scharf gezeichnete Nerven- fasern ihren Weg theils in derselben Richtung, theils schrag, theils rechtwinklig zu ihm; wo sie sich kreuzen, verschmelzen sie ge- wohnlich deutlich untereiuander und erzeugen an den Knoten- puucten bald dreieckige, bald oblonge Anschwellungen. So wird ein iiberall sich ausdehnendes Netzwerk hergestellt, dessen Maschen bald drei-, bald vier-, bald vieleckig, hier quadratisch, dort ob- long, dort rhombisch sind, Auch ihre Grosse variirt innerhalb 230 0. Hertwig, weiter Grenzen; die grossen Maschen sind gewohulich aus etwas dickeren Fadchen gebildet und konnen dann durch feinere Fad- chen noch weiter in niehrere kleinere Maschen zerlegt werden. Im Netzwerk kann man ferner starkere Faden, welche auf grossere Strecken die Epidermis durchsetzen , von kiirzeren und schwa- chcren unterscheiden, die hauptsachlich zur Verbindung und Ana- stomosenbildung dienen. Die erstereu nehmen theils in dorsoven- taler theils in longitudinaler Richtung ihren Weg; die longitudi- nalen aber finden sich namentlich entlang den Reihen der Tast- organe (t), deren zwei auf dem vorliegenden Priiparate enthalten sind. Der Faden nf war den Tastorganen entlang noch in gros- ser Ausdehnung nach vorn und hinten weiter zu verfolgen. Wie gesagt, ist der Plexus nicht iiberall von derselbeu Dich- tigkeit. In der Figur 4 — und dies kann im Allgemeinen als Regel gelten — ist er unter den Tastorganen (t) und auf der Hautstrecke zwischen ihnen am engmaschigstcn, dann folgen immer weitere Masclien, jo grosser die Entfernung wird. An der Zusamraensetzung des peripheren Nervensystems der Sagitten betheiligen sich noch vereinzelte Ganglienzellen (gz), die ich bisher in der Schilderung ubergangen habe, um sie jetzt im Zusammenhang besprechen zu konnen. Sic kommen sowohl in den grosseren Ncrvenstammen , als auch in dem Endplexus vor. In den ersteren erscheinen sie als kleine , von etwas Protoplasma umgebene Kerne, welche zum Nervensystem gerechnet werden miis- sen , weil sie in die Epidermisscheide mit eingesclilossen sind und wenn der Nerv durch Zerzupfen freigelegt wird, an dem Fibrillen- biindel haften bleiben. Viel zahlrcicher sind die Ganglienzellen in dem Endplexus, in welchem sie auch in ihrer Grosse ganz ausserordentlich varii- ren. Sehr leicht zu iibersehende, in Osmium gebraunte und einen kleinen Kern einschliessende Protoplasmakorper, welche von den grossen durchscheinenden Riffzelleu der Epidermis sehr abstechen, gehen mit ihren 3, 4 oder mehr Auslaufern in das Nervenendnetz ein (Taf. XI Fig. 4, 6, 11, gz). Gewohnlich bilden sie den Mittel- punkt recht zahlreichcr Durchflechtungen, meist treten sie isolirt, selten mehrere zusammen auf, Hiiufig trifft man ein characteri- stisches Bild, wie es auf Taf. XI (Fig. 1, 6, 8 gz-) dargestellt ist. Zwei oder drei dicht ncbeneinander herziehende starkere Nervenfa- seru sind eine jede an identischen Stellen ihres Verlaufes mit kern- haltigen Anschwellungen versehen und diescn entsprechend durch eine feine Queranastomose verbunden. — Wiihrend die kleinen Gang- Die Chaetoguathen. 231 lienzellen nur bei stiiikercn Vergrosseriingcn crkannt wcrden, siiid auderc, wclclic den gloichcn Durchmcsser wic die grosscn Gaiig- lienkugeln des Baucliknotens eneichcn, schoii bei schwachcn S}'- stemen leicht aufzufinden, Es sind kugelige oder ovale mit gros- scni ruiuleni Kern verselicne Korpcr (Taf. XI Fig. 7 und 12 gz^); in Folge von Schrunipfung tullen sie den urspriingliclien Hohlramn in der Epidermis uiclit mehr ganz aus, so dass sie durch einen liellen von Fliissigkeit erfiillten Spalt von den sic begrenzenden Ril!zellen getrennt werden ; theils geben sie zwei und mehr dicke Ausliiufer ab, die sich alsbald theilen und mit dem Endplexus in Verbindung treten, theils sind sie in den Verlauf starkerer P'asern eingeschaltet, namentlich solcher, welche voin Hauptstammc nach dem Riicken aufsteigen (Taf. XI, Fig. 12). Die grossen Ganglien- zellen fand ich immer nur vereinzelt in der Haut vor und zwar wie mir schien, hitufiger am Rande des Geflechtes, in welches sich der Bauchnerv auflost (Taf. XI, Fig. 1 gz^) und in der unmit- telbaren Niihe der Tastorgane (Taf. XI, Fig. 4 und Fig. 7). Ueber die anderen Ner ven, welche noch derBauch- knoten ausseudet, bleibt nur Weniges hinzu zu fiigen. Von den 10 bis 12 diinnen Stammchen , welche in regelmassigen Ab- standen die linke und rechte Seitenwand des Ganglions verlas- sen, nehmen die vordersten schrag nach dem Kopfe, die mitt- leren gerade aus nach dem Rucken und die hinteren wieder schrag nach dem Schwanzende zu ihren Weg und gehen so vom nervosen Centrum nach alien Richtungen wie die Strahlen von der Sonne aus; sie zerfallen alsbald nach ihrem Ursprung in schwa- chere Aestchen und versorgen, indem sie sich in den allgemeinen Endplexus auflosen, den mittleren Theil des Rumpfsegmentes. Von dem vorderen Rande des Bauchknoteus entspringen direct aus der faserigeu Marksubstanz die zwei ansehnlichen C om mis- sure n; sie divergiren bald und steigen, wenn sie am Kopfe an- gelangt sind, in der Kappe desselben schrag empor um sich in das obere Schlundganglion einzuseuken. (Taf. IX Fig. 4n^, Taf. XII Fig. 21 n^) In den Commissuren sind nach ihrer Ver- breitung zwei verschiedene Nervenfasern zu unter- scheiden, erstens solche, welche eine directe Verbindung zwi- schen dem Bauchganglion und dem oberen Schlundganglion be- wirken, und zweitens Nervenfasern, die im vorderen Drittel des Rumpfsegmentes ihre Verbreitung finden. Letztere zweigen sich hie und da zu kleinen Biindeln vereint von den Hauptstammen ab und verasteln und verflechten sich wie in den anderen Bczir- 232 0. Hertwig, ken der Epidermis. In Folge ihrer Abgabe sind die Commissuren bei ihrem Eintritt in das obere Schlundganglion auffallend schwacher als bei ihrem Ursprung aus dem Baiichknoten. Soweit meine Beobachtungen iiber den feineren Bau des ekto- dermalen peripberen Nervensystems! Drei Punkte bei der Bildung desselben sind mir noch unklar geblieben; erstens ist es mir zwei- felhaft, ob die starkeren Fasern einfach oder noch aus Fibrillen zusammengesetzt sind, zweitens, ob die sich kreuzenden Fibrillen stets am Kreuzungspunkt verschmolzen sind oder auch zuweilen nur iibereinander hinwegziehen , drittens sind mir die terminalen Nervenfadchen, welche zu den Tastorganen gehen werden, verborgen geblieben. Bei der ausserordentlichen Kleinheit der Sinneszellen werden sie voraussichtlich auch von besonderer Feinheit sein und werden nur an guten Goldchloridpraparaten recht deutlich gemacht werden konnen. Versuche nach dieser Richtung bin wollten mir nicht gelingen. Jedenfalls ist der Sachverhalt nicht so einfach als es Langerhans darstellt, wenn er bemerkt, dass man periphere Nervenstammchen meist leicht zu den Sinnesorganen verfolgen konne. Denn diese hangen nicht durch besondere „Ner- ven" sondern durch einen Plexus mit dem veutralen Hauptstamme und dem Bauchknoten zusammen. Auf etwas grossere Schwierigkeiten stosst bei den Sagitten die Untersuchung des m eso derm ale n Theiles des Nervensy- stems, welcher im Kopfe eingebettet ist. Unter dem Praparir- mikroskop muss man den Kopf zerglicdern und durch vorsichtiges Zerzupfen die Nerven und Ganglien zwischen den Muskeln her- aus zu prapariren siichen. Auf diesem Wege ist das Praparat gewonnen worden , welches auf Taf. XI Fig. 2 mit dem Zeichen- prisma abgebildet worden ist und sich noch jetzt gut conservirt in mcinem Besitz befindet. Um sich ferner mit der genauen Lage der mesodermalcn Ganglien bekannt zu machen, muss man zu Schnittserien durch den Kopf seine Zuflucht nehmen. Wie schon erwahnt, gehen vom oberen Schlundganglion (g^) der Sagitten zwei starke Nerven (Taf. IX Fig. 16 n^) nach vorne, dringen am vorderen Rande des Kopfes vor der medialen Reihe der Stacheln in das Mesoderm ein , steigen , indcm sie fast recht- winklig umbiegen, in dem Winkel, welchen Kopfdarm und Sei- tenwand des Kopfes zusammen beschreiben (Taf. X Fig. Tn^) un- mittelbar unter der iiusseren Haut nach abwiirts und schwellen alsbald jederseits zu einen ziemlich ansehnlichen Knoten an, wel- Dio Chaetognathen, 233 cliLT das seitliche Kopfganglion heissen soil (Taf. X Fig. 1 und 5g3 Taf. XI Fig. 2 g^). Dasselbe ist halbniondformig (Taf. XI Fig. 3) und besteht zuni grosstcn Tlicil aus I.eydig's Punktsubstanz (p) , zum gcringeren Theil aus Ideinen Ganglicnzellen (gz), welche vorvvicgend die ge- krummtc Obcrflilche bedccken. Es liegt ganz vorn in der Seiten- wand des Kopfes (Taf. X Fig. 1 uud 5) uach Inuen von dem Muskel, welcher sich an der inneren Staclielreihe (z) inserirt und grenzt mit der convexen Oberiiache an die Kopfhohle (c^) an. Zu deu Muskeln des Kopfes entsendet es von verschiedenen Stellen seiner Oberfliiche raehrere Nerven, die sich allseitig verbreiten, (Taf. XI Fig. 2 und 3) unter ihnen auch einen ansehnlichen Ast (n-'^) ■\velcher in die Muskelmasse der Greifhaken eintretend nach riick- wiirts verlauft (Taf. X Fig. 3 n^) und in ziemlicher Lauge isolirt werden konute. Ausser dem grossen sind jederseits nodi zwei sehr kleinc mesoderm ale Ganglien zu besclireiben, welche gleichfalls an dem vom Schlundganglion in's Mesoderm iibertretenden Nerven eutwickelt sind. Das eine derselben ist ein vierseitiges Knotchen mit wenigen Ganglienzellen, es sitzt mit einer Seite unmittelbar dem Nervenstamme (Taf. XI, Fig. 2 n. 3 n^) auf , ehe er zum seitlichen Ganglion des Kopfes (g^) anschwillt, und konnte daher auch mit . Recht als ein abgeschniirter Theil des letzteren betrachtet werden. Es gibt zwei dunnen Nervenastchen den Urspruug. — Das andere kleine Ganglion (g^) ist von ovaler Form, mit wenigen Zellen ver- sehen und durch einen dunneren Stiel mit dem Hauptnerv (n^) gleichfalls etwas vor seinem Eiutritt in's grossere Ganglion ver- bunden. Wie Durchschnitte gezeigt haben, liegt es im vorder- sten Theil der Darmwand (Taf. X, Fig. 1 und 5 g^) und liisst einen feinen Nerven abzweigen, der sich wohl in der Muskulatur des Oesophagus ausbreitet (Taf. XI Fig. 2 und 3 n^). Es kann daher als B u c c a 1 g a n g 1 i o n bezeichnet werden. Auch am mesoderm aleu Theil des Nervensy stems der Sa- gitten ist mir ein Puukt unklar geblieben. Es liess sich uamlich die Art und Weise, in welcher die ventralen und dorsaleu Mus- kelstreifen des Rumpf- uud Schwanzsegmentes inuervirt werden, durch Beobachtung nicht naher feststellen ; weder sah ich zu ihnen besondere Nerven herantreten, noch gelang es mir iibcrhaupt ir- gend wie Nervenfibrillen in ihrem Bereich nachzuweisen , woraus ich indessen keineswegs auf ein Fehlen derselben schliessen mochte. Vorliiufig bin ich daher auf Muthmaassungen angewiesen und da 234 0. Hertwig, scheineu mir denn zwei Falle moglicli zu sein. Eiitweder kounten die zahlreiclien imd ziemlich starken Nerveii, welclie voii deu me- sodermalen Kopfganglien aiisgehen, uiclit niir zur lunerviruug der Kopfrauskclu dieuen, soudern sich aucli mit Eudiistclieu in der Ptimipfmiiskulatur verbreiteu. Oder es wiire deiikbar, dass vou dem in der Haut beschriebenen Plexus Fibrillen durch die Stiitz- lamelle bindurch zu deu Muskelstreifen berautreten, Der in der Epidermis gelegene Eudplexus wiirde daun sowobl sensible als aucb motoriscbe Fasern gemiscbt enthalten. Von den zwei auf gef till r ten moglichen Fallen gebe ich deni er- steren den Vorzug. Daun wiirde bei den Cbaetognathen der ektodermale Nervenplexus rein sensibel sein, er wiirde nur dazu dienen, die vou den Siunesorgaueu aufge- nommenen Reize auf das Baucbgaugliou zu iibertra- gen, von bier wiirde der Reiz durch die Commissuren auf das obere Schlundganglion und von diesem durch die beiden vorderen starken Nerven, welche nur mo- toriscbe Fasern enthalten, auf die mesodermale Mus- kulatur fortgeleitet. Sollte diese Aunahme das Rechte ge- troffeu haben, dann wiirdeu bei den Cbaetognathen sensibles und motorisches Nervensystem von einander vollstiin- dig gesondert sein, ersteres ware ektodermal, letz- teres gleich den Muskeln mesodermal. Ich versuchte durch das Experiment in dieser Frage weiter zu komraen. Lei- der erwies sich hierzu die Sagitta hexaptera, weil sie so sehr leicht abstirbt, als ungeeignet. Literatur. Das Nervensystem der Cbaetognathen, von wel- chem friihere Beobachter keiue Spur (aucune trace de systeme nerveux, d'Orbigny. 41. p. 140) haben wahniehmen konnen, wurde im Jahre 1844 von Krohn bei der Sagitta hexaptera eutdeckt und gleich von Anfang an so genau in alien Einzelheiten be- schrieben, dass seitdem andere Forscher wenig Neues haben hin- zufiigen konnen. Nicht allein entdeckte Krohn (27. p. 12 — 13) das Bauchgangliou und das obere Schlundganglion mit ihren pe- ripheren Nerven und der sie beide verbindenden Commissur, sou- dern er verfolgte auch die beiden vorderen Nerven des Schlund- gauglious auf ihrem Weg zwischen den Muskeln des Kopfes und sah sie hier zu einem Knotchen auschwellen , von welchem dann Aestchen zu den Muskeln ausstrahlten. Nur in einen Irrthum ist Krohn verfallen. Er lilsst nilmlich aus dem hinteren Ende des Schluudganglions ausser den 2 Nervi optici noch 2 starke Nerven Die Chaetognathon. 235 ciitspringeii , die sicli in eiiiem Bogoii gegeii die Mittellinie des Kopfes kriinimeii , in it einander versclimelzcn und auf diese Art eine Nervenschlinge bilden sollen. iSpiiter liat Krohn (29. p, 269) diesen Irrthum selbst berichtigt , indem er die Nervenschlinge fur einen eigenthiindichen Streifen dcr Kopfliaut erkliirte. Der von ihm gesehene Streifen ist nichts anderes als das Riechepitliel, welches bei Sagitta hexaptcra eine birnforniige Figur beschreibt. Hinter Krohn sind die spateren Beobachter niit Ausnahme von Langcrhans in der Erkenntniss des Nervensystems zuriick- geblieben, indem sie der im Kopf gelegenen Ganglien nicht wie- der Erwiihnung thaten und hinsichtlich anderer Punkte Unsi- cherheit hervorriefen. So bestatigte zvvar W i 1 m s (49) das obere Schlundganglion mit den Augennerven, gab aber irriger Weise an, am Bauch 2 Ganglien, ein vorderes kleineres und ein hinteres grosseres gesehen zu haben. Spater suchte Busch (5. p. 97) nachzuweisen , dass der von Krohn und Wilms fiir ein Bauch- gangli(m gehaltene Korper gar nicht zum Nervensystem gehore, dass er manchen Individuen fehle, dass er ausserhalb der Kor- perwandungen liege und ohne Schaden abgestreift werden konne. Obwohl Krohn (28. p. 140 u. 29. p. 268) auf diesen Einwurf ant- Avortete und auch Leuckart (31. p. 3 Aum. u. 34. p. 595) und andere seiner Ansicht beitraten , riefen Me issuer (37 \ p. 639) und spater Kefer stein (23. p. 130) von Neuem Zweifel wach. Meissner bemerkte, dass an der dem Bauchganglion Krohn's entsprechenden Stelle sich ein eigenthiimlicher , der Haut ausser- lich aufsitzender , aus sehr kleinen Zellen und Kornern bestehen- der Bauchsattel befinde, von dessen Bedeutung er nur mit Si- cherheit angeben komie, dass er durchaus nicht zum Nervensy- stem gehore, iiberhaupt nicht ira Innern des Thieres gelegen sei, sondern nur eine leicht ohne alle Verletzung abzustreifende Auf- lagerung auf einer der Hautschichten bilde. Dagegen beschrieb er 1) ein im Kopfe gelegeues, aus blasigen Abtheiluugen besteheu- des Gehirn, in welchem er Ganglienzellen mit Fortsatzen nachwei- sen kounte, und 2) ein Riickenmark, welches in der gauzen Liinge von einer relativ tiefen Furche durchzogen, in zwei seitliche Half- ten getheilt und vom Darni durch eine Chorda dorsalis getrennt werde. Mit Vorbehalt einer nochmals vorzuuehmenden Untersu- chung erkliirte Meissner die Sagitta fiir ein Wirbelthier. Auch nach Keferstein ist „der Bauchsattel kein Ganglion, well er ausserhalb dcr Muskelhaut des Thieres liege und mit dem Ge- 236 0. Hertwig, hirae, das man im Kopf erkennen konne, in keinem Zusammen- liang stehe." Meissner's falsche Angaben wurden durch Leuckart zu- ruckgewiesen und Kefer stein's Zweifel eudgiiltig widerlegt durch Kowalevsky (26. p. 10), der einerseits den feineren histologi- schen Ban der Ganglien ziim ersten Male beschrieb, andererseits zeigte , dass die Gauglienmasse uicht nur am Bauch , sondern auch am Kopfe ausserhalb der Muskulatur in die Epidermis ein- gebettet sei. Bei seinen Untersuclumgen beging iudessen Kowa- levsky in so fern eineu Irrthum, als er auf Grund von Quer- sclinitten annahm, dass Hohlraiime im Ganglion vorbandeu seien. Nach Krohn hat am genauesten Langerhans (30. p. 192) das Nervensystem der Sagitten untersucht. Er ist der einzige Forscher, welcher wieder der zwischen den Kopfmuskeln gelege- nen Ganglien gedenkt. Er bezeichnete dieselben als ventrale Schlundgangiien und die voni Kopfgangliou zu ihnen tretenden Nerveu als Schlundcommissureu. Von jedem ventralen Schluud- ganglion sah er median einen Nerven entspriugeu , nach der Mit- tellinie hinziehen und unmittelbar hinter dem Mund subcutan verlaufend sich mit dem der andern Seite vereinigen, wodurch im Kopf der Sagitten ein vollstandiger Schlundring zu Stande kommt. Der Nachweis einer derartigen Nervenschlinge ist rair bei der Sagitta hexaptera nicht gelungen, so dass spatere Un- tersucher auf diesen Punkt ein besonderes Augenmerk werden zu richten haben. Ausserdem entdeckte Langerhans das auch von mir bestatigte kleine Ganglion, welches jederseits dem Schluud hart anliegt und nach hinten einen Nerven in die Wand des Dar- mes schickt, und nannte es mit Recht ein Buccal ganglion. Wie aus vorsteheuder Literaturiibersicht hervorgeht, sind bis jetzt die Nervi olfactorii , obwohl sie dicker als die N. optici sind, noch nicht beschrieben worden; nur in einer Figur Kowalevs- ky's (Taf. X, Fig. 23) finde ich ihren Ursprung aus dem oberen Schlundganglion richtig abgebildet. Desgleichen wurde das peri- phere Nervensystem, dessen Ganglienreichthum unbemerkt blieb, noch niemals einer genaueren histologischen Analyse unterworfen. 4. Die Muskulatur. Unmittelbar unter der Epidermis, von ihr nur durch eine dtinne Stiitzlamelle getrennt, befindet sich die Muskelschicht, wel- che am Rumpf und Schwanz in sehr einfacher VVeise gebaut ist, am Kopf hingegen eine reichere Gliederung erfiihrt. An den bei- Die Chaetoguatheu. 237 den hintereu Sogmeutcn vcrlaufcn die Muskelfasern, mit Ausnalime eiuer spilter zu erwiiliDenden Stelle, iusgesaniint longitudinal und parallel zu einander, wobei sie, wie sclion Krohii (27. p. 6) ge- zeigt hat, in vier Ziigcn, zwei dorsalen und zwei ventralen , an- geordnet sind (Taf. X, Fig. 4, 6, 8, 0 nid u. mv). Dieselben wir- ken antagonistisch zu einander, indem durcli ilirc Verkiirzung das Korperrolir abwecliselnd nacli oben und nach unten gekriininit und so der Korper unter Mitwirkung der horizontal gestellten Flossen vorwiirts geschncllt wird. Die ventralen und dorsalen Lilngsmus- keln trennt in der Seiteuliuie eiu muskelfreier Streifen, welcher bei den einzelnen Arteu von verschiedener Breite ist. Schmal bei der Sagitta serrodentata, Spadella cephaloptera (Taf. X , Fig. 6 u. 9 sf) und Sp. draco uimmt er an Ausdehuung zu bei der Sa- gitta hexaptera und stellt eine dilnnhautige Stelle im Korper dar, welche allein aus der Epidermis, der Stlitzlamelle und nach Innen von ihr aus deni einschichtigen Epithel der Leibeshohle besteht (Taf. XII, Fig. 23 sf). Verstiirkt wird dieses muskelfreie Seiten- feld, wie Avir es heissen wollen, nur ini Bereich der Flossen, welche an ihm mit breiter Basis ihren Ursprung nehmen (Taf. X, Fig. 4 u. 8 f 2), Dorsal und ventral stossen die benachbarten rech- ten und linkeu Muskelbander unmittelbar aneinander, so dass sie wie eine Masse erscheinen, und werden nur dadurch getrennt, dass im Rumpfsegment die Mesenterien, im Scliwanzsegment die Langsscheidewaud durch sie bindurchtreten, um sich an der Stiitz- lamelle festzusetzen (Taf. X, Fig. 8 Id u. Iv, Fig. 4 si). Nach Innen wird die Muskulatur unmittelbar vom Epithel der Leibeshohle be- deckt (Taf. X , Fig. 13) , da auch hier wie nach der Epidermis zu jedwede Spur einer Stutzsubstanz fehlt. Um in die histologische Structur der Muskeln einen Einblick zu gewinuen, wurdeu Isolationen vorgenoramen und Quer- schnitte angefertigt. Bei der Isolation, sei es in 20*^/^ Salpeter- saure oder in diinner Osmiumessigsaure erhalt man ganz diinue aber breite und lange Muskelbliitter, welche beiderseits in spitze Enden auslaufen und an ihrem inneren Rand gewohnlich mit Epithelzellen der Leibeshohle bedeckt sind (Taf. XII, Fig. 14). Wie bekannt, sind die Muskeln der Sagitten sehr deutlich quergestreift. Breitere Streifen wechseln mit schmiilern ab, wie es im Grossen und Ganzen bei den Muskeln der Arthropoden und ^Yirbelthiere der Fall ist. Auf die so schwierige und viel discutirte feinerc Structur der einfach und doppeltbrechendeu Mus- kelsubstauz habe ich hierbei meine Untersuchung nicht ausgedehnt. 238 0. Hertwig, Ausser der Querstreifung deutet an den Muskelbliittern auch noch eine Laugsstreifung auf eiue Zusammensetzung aus Fibrillen bin, welche indessen an Durcliscliuitten weit scliarfer zu erkenneu ist. Auf Quersclinitten sind die feinen Muskelblatter der Sagit- ten (Taf. X, Fig. 13) so angeordnet, dass sie senkrecht zur Kor- peroberflache steben und eines an das andere anscbliessen , nur durcb scbmale belle Zwiscbenraume getreunt, in welcbe bie und da ein ovaler Kern (rak) eingescbaltet ist. In der Mitte eines jeden Muskelbandes sind die Blatter am bocbsten und nebmen von da nacb den Randern, namentlicb nacb der Seitenlinie zu, an Hobe etwas ab; bei der Sagitta bexaptera aber werden sie so niedrig, dass sie endlicb in eine einfacbe Lage von Muskel- fibrillen iibergeben, welcbe auf dem Querscbnitt als Korner er- scbeinen. Die Fibrillen nebmen einen Tbeil des breiten Seitenfel- des ein und verlieren sicb allmablicb. Bei starken Vergrosserungen (Taf. X, Fig. 13) untersucbt zeigt sicb jedes Muskelblatt aus zwei Lagen von Fibrillen zusammen- gesetzt, welcbe durcb eine scbmale Scbeidewand, die von der Stlitzlamelle ausgebt und auf dem Querscbnitt als belle Linie be- merkt wird, von einander getrennt werden. Die Fibrillen sind bandformig abgcplattet und sitzen nut ibrer einen Kante an der Scbeidewand fest, wie die Radien einer Vogelfeder an dem Scbaft. Am freien Rande des Blattes geben die Fibrillen der einen Seite in die der andern continuirlicb iiber, wabrend sie am andern Rand durcb die an die subepidermale Stlitzlamelle befestigte Scbeidewand getrennt bleiben. Dagegen scbliessen bier die Fi- brillen der Nacbbarblatter obne Grenze aneinander. In Folge dessen sind die scbmalen Zwiscbenraume zwiscben den Muskelblattern, in welcben die scbon erwiibnten Kerne eingelagert sind, nur nacb der Leibesboble zu ge- offnet. Im Anscbluss an den bistologiscbeu Befuud sind zwei Fra- gen naber zu erortern: 1) in welcben Zellen baben wir die Bil- dungszellen der Muskulatur zu sucben und 2) in welcbem Ver- baltniss steben die Muskelelemente der Cbaetognathen zu denje- nigen anderer Tbiere. Bei Erorterung der ersten Frage wird es wobl auf keinen Widersprucb stossen, wenn wir die zwiscben den Blattern gelegenen Kerne als Muskelkorp ercben in Ansprucb nebmen; dagegen kann discutirt werden, ob es die einzigen Bildungszellen der contractilen Substanz sind oder ob aucb Epitbelzellen der Leibesboble, die ja mit dem Rand der Die Chactognathen. 239 Blatter auf das iniiigstc verbunden sind, die gleichc RoUe spie- len. Das letzterc scheiut mir das walirschcinlichere zu seiu. Deiin erstens ist bei der Sagitta hcxaptcra, (Taf. X, Fig. II) die Aiizahl dcr zwischeii den iNluskelblattern gelegcnen Zelleii eiue ausnehniend geringe imd zweiteus fehleu letztere ganz an den Stellen, wo die ^luskelstreifen an iliren liiindem sich abflachen iind nur eine glatt ausgebreitcte Faserschicht bilden. Hier sind die einzigen zelli- gen Elemente, welclie fiir die Aussclieidung der contractilen Sub- stanz verantwortlich gemacht werden konuen, die Epithelzellen der Leibeshohle. Was zweitens das Verhiiltniss anbetritt't, in welcheni die Mus- kelelemente der Chaetoguathen zu denjenigen anderer Thiere ste- hen, so ergeben sich an die Arthropoden mid Wirbelthiere keine Ankuupfungspunkte, da etwas den Muskelprimitivbiindeln dersel- ben Entsprechendes hier nicht vorhanden ist. Anstatt in Bun- dehi sind die Muskelfibrillen in Bliittern angeordnet. Das eriu- nert, wenn wir von andern Wiirmern absehen, an manche Vor- konnnnisse bei den Coelenteraten. Ich wiisste zwischen einem Muskelblatt eiuer Sagitta einerseits und einer Carmarina etc. an- dererseits nur unweseutliche Verschiedenheiten hervorzuheben, dass hier die Stutzlamelle des Blattes deutlich entwickelt, dort sehr unscheinbar ist, dass hier die Interstitien zwischen den aneinander liegenden Blattern etwas breiter, dort schmaler sind. Wenn so- mit bei Chactognathen und Coelenteraten vergleich- bare Bildungen vorliegen, so werden wir sie uns auch in der gleicheu Weise entstanden denken dtirfen; wir werden annehmen, dass urspriinglich bei den Chactognathen die Mus- kelfibrillen in einer diiunen Lamelle ausgebreitet wa- ren, wie dies bei der Sagitta hexaptera noch an deni Seitenfelde der Fall ist, dass darauf die Lamelle starker wachsend sich in P'alten gelegt und Blatter hervorgerufen hat. Im Anschluss hieran lasst sich dann fer- ner noch ein wichtiges Verhiiltniss erortern. Haben die Bildungs- zellen der Muskellamellen nach aussen nach der Epidermis oder nach innen nach der Leibeshohle zu gelegen? Letzteres kann allein nach den vorliegenden Befunden angenommen werden. Wie bei den Coelenteraten die Thaler zwischen den Muskelblattern, je nachdem diese ektodermale oder entodermale Bildungen sind, sich nach aussen oder nach innen oi!'nen, so offnen sich bei den Sagitten die Interstitien zwischen den Blattern nach der Leibeshohle zu; die in den Interstitien beschriebenen 240 0. Hertwig, Muskelkorperchen konnen folglich nur auf der Innen- seite der ursprilnglichen Muskellamelle gelegen ba- be n iind wiirden durcb diese von Aufang an von der Epidermis- schicht getrennt. Es ist dies ein ueues Moment zu Gunsten der Ansicbt, dass auch im Coelomepithel nocb Myoblasten zu suchen seien. Bei den meisten Chaetognatben konimen imRumpf- und Schwanz- segment nur Langsmuskelzuge vor; dabingegen macbt unter den von mir untersucbten Arten die Spadella cepbaloptera eine Aus- nabme, indem bei ibr aucb transversale Muskelfibrillen auftreten (Taf. X Fig. 6 mt). Dieselben sind gleicbfalls querge- streift und erzeugen eine dtinne Scbicbt, welcbe einen jeden ven- tralen Muskelstreifen (mv) nacb der Baucbhoble zu bedeckt. Sie sind insofern beacbtenswertb, als bei maucben Anneliden wie z. B. beim Polygordius ^ ) ganz die gleicbe Anordnung der Muskulatur wiederkebrt. Von den Muskeln am Kopf der Cbaetognatben, welcbe eine nicbt unerbeblicbe Complication erreicben, ist es scbwer sicb eine vollkommene Vorstellung zu bilden. „Die Kleinbeit derselben", bemerkt scbon Krobn, (27. p. 7) „bat meine sorgsamsten Untersu- cbungen vereitelt, und wurden aucb der Verlauf und die Insertionen eiDzelner erkannt, so war es mir andererseits nicbt moglicb tiber ibre Wirkung ins Klare zu kommen." Aucb dadurcb, dass icb Quer-, Sagittal- und Horizontalscbnitte durcb den Kopf bindurcb legte, ist mir docb die Muskelvertbeilung nicbt nacb alien Ricbtuugen klar geworden. Zunacbst baben wir zu unterscbeiden zwiscben den Muskeln der Kappe und den Muskeln des eigentlicben Kopfes. DieKappe ist im Grossen und Ganzen arm an Mus- keln. Um Vertbeilung und Verlauf derselben zu sebeu, verfabrt man am besten so, dass man einen Kopf mit dem zunacbst an- grenzenden Rumpfstiick dorsal der Lange nacb spaltet und flach ausbreitet; dann entferne man durcb Zupfeu mit den Nadeln vor- sicbtig die Greifbaken und Stacbeln mit der anbaftenden Muskel- raasse und den Darmkanal, bis die Kopfkappe im Zusammenbang mit der Rumpfwand frei gelegt ist (Taf. XII Fig. 21). Man ge- wabrt dann, dass im ventralen scbmalen Tbeil des Hautcbens in querer Ricbtung quergestreifte Muskelfasern (m) verlaufen und ^) B. Hatschek, Studien iiber Entwickeluugsgeschichte der Auneliden. Arbeiten des zoolog. Instituts zu Wien. Bd. I, Heft 3. Die Chaetognatheu. 241 sich von hier nach dcni Riickcn des Kupfes in drei Ziigen aus- breiten. Eiuige folgen dem freien Rand dor Kappe, andcrc beglei- ten den vom Baucbganglion zuni Kopf eraporsteigcnden Nerven- stvang (n^), welcher seinen Weg in der Kappc nimnit und sich schrilg nacb vorne zum Schlundganglion (g^) begiebt; andere end- lich strahlen schriig von unten nach oben nach den Augen (au) zu aus, Alle diese dttnnen Muskelzuge mussen, wenn sie sich con- trahiren, die Kappe iiber den Greifapparat hcruberziehen und ihn an die Kopfwand anpressen, Sie stellen daher eine Art Sphincter Oder Henibzieher dar. Antagonistisch zu ihnen wirkende Fasern sind nicht vorhauden und konnen fehlen, da die Greifhaken, wenn sie sich aufrichten, von selbst die bedeckende Membran nach hin- ten und oben zuruckstreifen miissen. Ich benutze zugleich diese Gelegenheit um iiber den Bau der Kopfkappe, mit dereu Ansatzstellen wir schon f ruber be- kannt geworden sind, einige Benierkungen einzuschalten. Die Kappe ist durch eine vollstandige Faltenbildung der gesammten Kopfwandung, da wo diese in den Rumpf iibergeht, entstanden; daher besteht sie auch, wie schon Krohn beschrieben hat, aus zwei Blattern, die am Ursprung eine kleine Strecke weit getrennt bleiben, dann untereinander verschmolzen sind. Auf beiden Seiten ist sie mit grossen polygonalen Ektodermzellen bedeckt, dieselben liegen einer diinnen mesodermalen Schicht auf, welche die Muskel- fibrillen enthalt und vom Mesoderm des Kopfes abstaramt. An der Stelle, wo die Kappe lateral an der Grenze von Kopf und Rumpf festsitzt (Taf. X Fig. 7 kk), ist sie au ihrem Ursprung ver- dickt, und es hat sich zur Stiitze Gallerte (w) in ihr in ahnlicher Weise wie in der Basis der Seitenflossen entwickelt. Die Gallerte bietet auf einem Horizontalschnitt die Form eines Keiles dar, wel- cher mit breiter Basis seitlich an der Rumpfwand befestigt ist und nach aussen allmahlich in eine Schneide auslauft. Im Ektoderm der Kappe sind einige wichtige Organe einge- bettet: 1) die vom Baucbganglion zum Schlundganglion emporstei- genden Verbindungsstamme (Taf. X Fig. 7 n^, Taf. XII Fig. 21 n^) und 2) die Augen mit den Sehnerven (Taf. X Fig. 2 au). Ausserdem ist die Spadella cephaloptera noch mit einer eigenthtim- lichen Bildung versehen, welche bei keiner andern Art beobachtet worden ist (Taf. IX Fig. 6 te). Etwa im Querdurchmesser der Augen entspringt auf jeder Seite von der Kopfkappe ein tentakel- artiger kurzer Fortsatz, der etwas nach vorn gebogeu ist und mit einer keulenartigen Anschwellung endet. Dem Beobach- Bd. XIV. N. F. VII, 2. 16 242 0. Hertwig, ter fallt er sofort auf, da er mit braunpigmentirten Zellen erfiillt ist. Anatomisch ist der Fortsatz nichts anderes als cin Auswuchs der Kopfkappe, von welchem mir uiclit mehr erinnerlich ist, ob er contractu ist. Busch (5. p. 96), welcher ihn zuerst beschreibt, nennt ihn einen Tentakel, der eiugeschlagen und ausgestreckt wer- den konne. Pagenstecher hat wohl dasgelbe Organ bei der Sagitta gallica gesehen (42. p. 309), weunschon cr von ihm eine abweicheude Beschreibung entwirft. Auf dem Dorsum des Kopfes liege nach aussen und nach vorn von den Augen jederseits eingebettet in die Haut ein kleiner Schlauch, dessen Wandungen niit braunen Pigmentmoleciilen gefarbt seien. Er vermuthet, dass die Schlauche mit einer feinen Oeffnung nach Aussen mtinden, und lasst es unentschieden, ob sie Geruchsorgane oder Drtisen, ahnlich den Halsdrusen der Nematoden , seien. Mir scheinen die beiden Fortsatze uberhaupt keine grossere Bedeutung zu besitzen. Denn auch Tastorgane, woran man noch am ehesten denken konnte, konnen es nicht sein, da an ihrer Spitze spindliche Sinneszellen fehlen. Hiermit beschliesse ich den Excurs liber die Kopfkappe, welche von alien alteren Forschern allein Krohn (27. p. 6) genauer ge- wurdigt hat. Wilms (49. p. 10) fertigt sie mit den kurzen Wor- ten ab: Teuera membrana retractilis tamquam vagina superiorem lateralesque superficies capitis et aculeos ipsos circumvelat. Manche Forscher erwahnen dieselbe gar nicht, obwohl sie eine fiir alle Sagitten charakteristische Bildung ist. Zu den eigentlichen Kopfmuskeln iibergehend, sondere ich die- selben in vier Gruppen, 1) in die dorsaleu Langsmuskeln, 2) in die seitlichen zur Bewegung der Greifhaken bestimmten Muskelmassen, 3) in den ventralen Quermuskel und 4) in die kleinen Muskelchen, welche den Vordertheil des Kopfes ausfiillend an den Reihen der Zahnchen inserireu. 1. Wenn man den Riicken des Kopfes mit dem oberen Schlund- ganglion und den Augen frei praparirt (Taf. XII Fig. 21) , so sieht man, dass die dorsalen Muskelstreifen des Rumpfes(md) an der Kopfgreuze nicht enden, sondern sich zum Theil noch wel- ter nach vorn fortsetzen. Die auf den Kopf iibertretenden Fibril- len convergiren nach innen und bilden zwei schmale Biindel, welche dicht aneinander gepresst in der Mittellinie bis zum Schlundgang- lion reichen und uuter ihm zugespitzt enden ; wie auf jedem Quer- schnitt zu erkeiinen (Taf. X Fig. 2 u. 3 md), schieben sie sich zwi- schen Ektoderm und obere Wand des Kopfdarms ein. In ihrem Die Chaotosrnathen. 243 'b schmalcn Bereiche allein licgt die dorsalc Kopfwand frei zu Tage. Links und rochts von ihiion dchnt sicli schoii die Insertion der Kappe (kk) bis nach vorn aus und verliUllt die seitlichen Kopf- organe. 2. Die Muskeln der Grcifhakcn (Taf. X Fig. 2, 8, 7) sind die ansehnliclisten im Kopf und verursachen auf jeder Seite zwei maclitigc, lateral gelegene Wiilste, welche die Kopfhiihle (c^) fast vollstlindig ausfiillen und vom Vorderdarni nur durch einen schmalen Spalt getrennt sind. Wenn sie contrahirt sind, springen sie nach ausscn seitlich hervor und bedingcn eine uicht uner- hebliche Verbreiterung und eine entsprechende Verktirzung des Kopfes. Sie bestehen aus feinen quergestreiften Muskelfibrillen, zwi- schen welchen zahlreiclie Kerne in Streifcn zusamuiengedrangt sind. Einerseits hafteu dieFibrillen an der dorsalen (x^), andererseits an der ventralen Kopfplatte (x'^)fest, welche in ihrer Lage schon friiher beschrieben worden sind und zwischen welchen die Greifhaken (v) ihren Ansatz am Kopfe linden. Indem sie den Zwischenraum zwi- schen beiden Flatten ausfiillen, sind sie in einige Biindel gesondert, deren Verlauf, wie Krohn mit Recht bemerkt, schwer zu ent- wirren ist. Der Haupttheil der Muskelfibrillen scheint sich mir direct von der einen zur anderen Platte zu begeben. Durch einen Spaltraum von ihm getrennt (Taf. XFig. 3 u. 7) verlauft in schrager Richtung zu ihm ein kleinerer Faserzug, der von der dorsalen Platte entspringt und an den Basen der Greifhaken endet. Ueber die Wirkung dieser Theile scheint es mir schwer aus den Quer- und Flachenschnitten eine richtige Anschauung zu erhalten. Ein Theil der Fasern wird das Aufrichten, ein anderer das Einschlagen der Greifhaken bewirken, wobei mir Verstellungen der beiden Flatten eine Rolle zu spielen scheinen. 3. Ventralwarts sind die seitlichen Muskelmassen der Greif- haken unter einander verbunden durch einen starken Quermus- kel, der in kurzer Entfernung hiuter dem Mundspalt liegt und den Kopfdarm von unten her umgiebt (Taf. X Fig. 3, Taf. IX Fig. 17). Seine Aufgabe wird sein, den Eingang zum Kopfdarm zu verengern. 4. Das vordere Ende des Kopfes (Taf. X Fig 1 u. 5) wird von einer Anzahl kleinerer Biindel ausgefiillt, die theils dor- sal, theils ventral von den Kopfwandungen ausgehen und von hin- ten nach vorn verlaufen. Da sie wenig gesondert, well uicht durch Bindegewebe von einander getrennt sind, ist es mir nicht moglich, sie einzeln fur sich zu beschreiben. Sie dieuen zum 16* 244 0. Hertwig, Heben und Senken der zwei Paar Stachelreihen (z), indem sie sich an die ihnen zuni Stiitzpiinkt dienenden Schienen (x^ an- setzeii. Zwischen und nach einwarts von den Muskelchen liegen die Ganglien fg^), von welchen die zahlreichen Aeste zii den ver- schiedenen Muskelgruppen abgegeben werden. 5. Der Darmkanal mit seinen Mesenterien. Den einfacli gebauteu Nalirungsschlauch der Chaetognathen kon- nen wir in Kopf- und Rumpfdarm eintheilen. Der erstere be- ginnt mit der spaltformigen Mundoffnung, welche weit vorn und an der unteren Seite des Kopfes in longitudinaler Richtung angebracht ist (Taf. IX Fig. 17 o), und stellt einen in querer Richtung zusam- mengedruckten Schlauch dar, welcher (Taf. X Fig. 1—3) oben und unten mit den Wandungen des Kopfes verwachsen ist und die enge Kopfhohle vollstandig in einen linken und recliten Spalt- raum (c^) zerlegt. Er wird ausgekleidet von einer Schicht hoher cylindrischer Zellen, die mit glitnzenden kleinen Kornern dicht er- ftillt sind und den Kern uumittelbar an ihrer Basis bergen. Auf die Stiitzlamelle folgt nach aussen ein besonderes muskuloses Darmfaserblatt (Taf. X Fig. 7 df). Die in einer einfachen Schicht angeordneteu Muskelfibrillen (mi) verlaufeu dorsoventral und die- nen demnach zur Verengerung des Mundrohres. Der Rumpfdarm verengert sich bei seinem Durchtritt durch das vordere Querseptum (Taf. X Fig 7 st) , erweitert sich dann rasch wieder und verlauft in vollig gerader Richtung durch die Rumpfhohle hindurch (Taf. IX Fig. 3, 4, 6 d). Wenn wir von zwei seitlichen Ausstiilpungen absehen, die bei der Spadella cepha- loptera an seinem Anfangstheil unmittelbar hinter dem Quersep- tum entvvickelt sind (Taf. IX Fig. 6), so fehlen ihm bei den Chae- tognathen Anhangsorgane und drlisige Bildungen jeder Art. Der Rumpfdarm ist ebenfalls im Querdurchmesser zusammengedriickt, (Taf. X Fig. 6, 8, 9) und theilt , da er dorsal und ventral durch ein kurzes Mesenterium (Id u. Iv) an den Leibeswandungen be- festigt ist, die Rumpfhohle wie eine Scheidewand in eine linke und rechte Abtheilung. An dem hintereu Querseptum angekommen (Taf. IX Fig. 4 st), biegt der Darm rechtwinklig um und ver- engert sich trichterforraig, um durch den kleinen ventral gelegenen After (af) auszumiiuden. Derselbe nimmt die Mitte eines rhom- bischen, muskelfreien Feldes ein, das dadurch entsteht, dass vor dem After die ventralen Muskelzuge auseinander weichen und in einiger Eutfernung hinter ihm wieder in der Mittellinie zusam- menrucken. Die Chaetoguathen. 245 Das Darmcpithel (Taf. X Fig. 6 und 8) ist einschichtig und niit zartcn Fliniinern bedcckt, wclcheii allciii, da cine ^luskiilatur im Darnifascrblatt fehlt, die Fortbewegung dcr Nahrungsstotie oblicgt. Die grossen Epithelzellen sind je nach den Arten entwe- der cylindrisch oder cubisch mit basal gelegeneni Kern; einige haben einen humogencn protoplasniatischen Inlialt, audere sind mit grossen glilnzenden Kornern ertullt in derselben Weise wie die Driisenzellen ira Entoderm der Actinieu (Tafel XII Figur 16). Durch Aufquelleii der Korner wird wohl ein schleimiges Secret geliefert werden, welches bei der Verdauung eine Rolle spielen mag. Die Kornerzellen sind grosser wie die iibrigen, von welchen sie kranzartig eingescblossen werden. Nach Ausseu folgt auf die Epithelzellen das Darmfaserblatt (Taf. XII Fig. 15, 16, 22 df), welches aus einer einfaclien Schicht parallel angeordneter feiner Stiitzfasern besteht, die von einem Mesenterium zum audern in dorsoventraler Richtung verlaufeu. Hie und da treten an ihrer Innenseite die Kerne ihrer Bildungs- zellen hervor (Taf. X Fig. 6, Taf. XII Fig. 15 df), welche wahr- scheinUch eine zusammenhiingende Eudothellage nach der Rumpf- liohle zu erzeugen. Festgestellt konnte dieser Punkt nicht werden, da am Meere Silberpraparate zur Deraonstrirung der Zellgreuzen von mir nicht angefertigt worden sind. Die Faserschicht des Darmkanals geht in das dors ale und das vent rale Mesenterium iiber, welche bei Sagitta hexa- ptera am besteu entwickelt sind. Das erstere stellt eine diinnt; Lamelle (Taf. XII Fig. 15) dar, gebildet aus zahlreichen paralle- len und vom Darm nach der Leibeswand zu ausgespannten feiuen Stiitzfasern. Viele abgeplattete Zellen, kenntlich an ihren Kernen, bedecken die Oberflache der Fasern und sind uamentlich in der Nahe des Darms und der Leibeswand in einem Streifen dichter zusammengehauft. Hie und da zeigt das Mesenterium, wo es sich an die dorsale Rumpfwand ausetzt, grossere und kleinere ovale Lucken, die durch Rarefication des Gewebes in ilhnlicher Weise entstanden sind, wie die Locher im Netz der Wirbelthiere. Vor dem dorsalen Mesenterium zeichnet sich das ventrale (Taf. XII Fig. 22) dadurch aus, dass es noch starkere Faserziige enthiilt , die in geringen Eutfernungen von einander Darm und Rumpfwand verbinden und dass sich zwischen diesen haufiger grossere Fcnster entwickelt haben. Dadurch kann es stellenweise den Eindruck einer Lamelle ganz verlieren, wie denn auch Krohn und Wilms den Daimkaual uur dorsal durch ein eiufaches Band, 246 O. Hertwig, ventral durch zahlreiche dtinne, fibrose, meist astige Strange be- festigt sein lassen. Literatur. Von dem Verlauf und der Befestigung dcs Darm- kanals geben Krohn, Wilms und spatere Forscher eine richtige JBeschreibung, wenn wir von ihren histologischen Angaben ab- sehen. Dagegen habe idi Angaben von Souleyet, von Leuckart und Pagenstecher nicht bestatigen konnen. Souleyet be- merkt, dass im unteren Mesenterium ein Gefilss verlaufe, von dem er weder den Anfang noch das Ende habe auffinden konnen und uber dessen Natur er selbst noch einige Zweifel hege (10. p. 650). Leuckart und Pagenstecher (34. p. 596 u. 42. p. 309) spre- chen den Sagitten eine eigentliche Lcibeshohle ab, well ihr Darm nicht bloss durch die Mesenterien, sondern ausserdem iiberall durch glatte, zu einem wahren Netze zusammentretcnde Strange wie bei den Nematoden befestigt sei. Von solchen ist nun aber am leben- den Thiere und auf Querschnitten nichts zu bemerkon. Was Leu- ckart und Pagenstecher als Nctz von Striingen bezeichnen, ist weiter nichts, als der beim abgetodteten Thiere geronnene In- halt der Rumpfhohlc. 6. Die Geschlechtsorgane. a. Die Eierstocke. Bei geschlechtsreifen Thieren werden die beiden Hohlen des Rumpfsegments in ihrcm hintern Abschnitt fast vollstandig von den zwei Ovarien ausgefiillt, welche links und rechts voni Darm- kanal gelegen von der hinteren Querscheidewand nach vorn bis zum Bauchganglion oder noch uber dasselbe hinaus bis zum Kopfe heranreichen. Es sind niehr oder minder cylindrische Korper (Taf. IX Fig. 3 , 4 , 6 e) , zienilich frei beweglich und nur seitlich an der Rumpfvvand in ihrer ganzen Lange durch ein diinnes kurzes Mesenterium (Taf. XII Fig. 13 e) befestigt, welches seinen An- satzpunkt da findet, wo das ventrale Muskelband (mv) an das Seitenfeld anstosst. Nach hinten , wo das Ovarium bis zur Quer- sclieidewand heranreicht, dehnt sich das Mesenterium auch auf dicse noch eine Strecke weit aus. An jedeni cylindrischen Korper sind schon bei Untersuchung des lebenden Thieres zwei Theile zu unterscheiden , 1) ein ziem- lich enger Kanal, der Oviduct, und 2) der Eischlauch oder das Ovarium im engeren Sinne. Der Oviduct (Taf. IX Fig. 3, 4, 6 el) dehnt sich an der Die Chaetognathen. 247 aussern Seite des Ovarium in soiucM* gaiizoii Liingc aiis unrl grenzt, >vie Qiierschnitte (Tuf. XII Fig. 13 el) lehreii, uiiniittelbar an die Ansivtzlinie des etwas ventral liegenden Mesenterium (le) an, ist daher am besten bei Betracbtung des Tbieres von der Bauc.h- fliicbe aus zu seben. Seine Weite scbwankt bei den einzelnen Arten. Wiibrend der Kanal bei Sagitta bipunctata (Taf. XII Fig. 13 el) und Spadella cepbaloptera eng ist, dehnt er sieb bei grossen Exem- plaren von Sagitta bexaptera so aus, dass er die balbe Peripherie des Eierstocks als ein schmaler Spalt umfasst. Der Oviduct endet nach dem Kopfe des Tbieres zu blind , ofthet sich dagegen am Ende des Rumpfes nach aussen und zwar in der Weise, dass er nahe seiner Ausmiindung nach dem RUcken des Tbieres etwas hinaufsteigt und bis nahe an die Querscheidewand (st) des Schwanz- segmentes heranreicht, um dann ziemlich scharf, fast rechtwink- lig, nach Aussen umzubiegen und die Leibeswand unmittelbar ober- halb der Insertion der Seitenflosse zu durchbohren. (Taf. IX Fig. 3, 4 und Gel.) Er bedingt hier einen kleinen papillenartigen Yorsprung, auf dessen Hohe das enge Ostium wahrgenommen wird. Der Oviduct, der von dem umgebenden Parenchym des Eier- stocks scharf abgegrenzt ist, wird von cubischen, kornerhaltigen und daher triiben Epithelzellen ausgekleidet. Nahe der Ausmiin- dung und auf der Papille werden die Zellen mebr cylindrisch und nahm ich hier bei Spadella cepbaloptera einzelne kurze Borsten wahr, was mir auf die Anwesenheit von Sinneszellen in der Um- gebung des Orificium externum hinzuweisen scheint. Der Inhalt des Oviducts war bei den einzelnen Indivi- duen ein verschiedener ; bei manchen war er mit einer triibkiir- nigen Masse, bei anderen wieder mit Spermatozoen vollgepfropft, die ich in lebhafter Bewegung sab. Das Ovarium besteht aus dem Keimlager, den reifenden und rei fen Eiernund einer Umhiillungshaut. (Taf. XII Fig. 13.) Das Keimlager (ek) umgibt die mediale Seite des Oviducts und dehnt sich von hier eine Strecke weit nach oben und unten an der ausseren Seite des Ovarium aus. In eine kornige Substanz, in welcher an Querscbnitten keine Zellcontouren erkannt werden konnten, sind ovale Kerne in regelmassiger Weise eingeschlossen und in zwei Reihen angeordnet, welche an den lateralen Grenzen des Keimlagers in cinander umbiegen. Dadurch gewinnt das letzterc auf dem Querschnitt die Form einer Mond- sichel, in deren Mitte auf der couvexeu Seite der Oviduct liegt. Die 248 0. Hertwig, Concavitat der Sichel umfasst die reifeudeu Eier, von denen sich die kleinsten in der Mitte, die etwas grosseren nach den Ran- dern zu befinden ; den iibrigen umfangreichcren Tlieil des cylindri- schen Ovariums nehmen die der Reife nalie stehendeu Eier ein, Sie bergen ein grosses Keimbliischen, in dessen geronnenem Inhalt bei Carminfarbung eine grossere Anzahl sehr kleiner Nucleoli deut- lich wird; sie werden ferner umgeben von einer ziemlich dicken Membran, auf deren Ausseuseite hie und da eine abgeplattete Follikelzelle, kenntlich an ihrem Kern, auf dem Schnitt getroffen wird. An prall gefiillteu Ovarien sind die der Reife nahen Eier in einer longitudinalen Reihe wie Sttlcke einer Geldrolle aneinander gepresst und an den Beriihrungsflaclien abgeplattet. Alle einzelnen bisher beschriebenen Theile, Oviduct, Keim- lager, uureife und reifende Eier, werden gemeinsam von einer dtinneu Membran (em) umhiillt, welche in das Mesenterium (le) iibergelit. Die Membran wird von abgeplatteten Zellen gebildet, deren Kerne man als Verdickungen in ihr wahrnimmt. Sie haf- tet der iiusseren Seite des Oviducts und des Keimlagers als ein endothelartiger Ueberzug fest an, dagegen ist sie von den reifen- den Eiern abgehoben und je nach dem Fullungszustand des Ova- riums von ihnen durch einen engeren oder weiteren Spalt getrennt. Am deutlichsten ist sie zu sehen, wenn der reife Inhalt, wie zu- weilen beobachtet werden kann, entleert ist, so das sie dann in Falten gelegt einen mit Fliissigkeit erfiillten Raum umschliesst, an dessen iiusserer Seite sich das Keimlager hinzieht. Es lasst sich hier die Frage aufwerfen, in welcher Weise die reifen Geschlechtsproducte entleert werden. In das nach dem Kopf gelegene, vordere Ende des Oviducts, welches blind geschlos- sen ist, konnen sie nicht eintreten; aber auch an anderen Stellen konnte ich zwischen dem Kanal und dem Hohlraum des Eischlauchs keine Communication entdecken weder am lebenden Thier noch an Querschnittsserien. Einen sicheren Aufschluss wird man wohl nur erhalten konnen durch Beobachtung der Eiablage am leben- den Thier; einstwcilen aber glaube ich annehmen zu diirfen, dass die reifen Eier in den Kanal nahe an seiner Ausmiindung gelangen, indem sie vielleicht durch das trennende Keimlager hindurch ge- presst werden. Der Umstand, dass ich wohl im Oviduct, nie aber im Eierschlauch Spermatozoon bemerkt habe, scheint mir auch daftir zu spreclien, dass normaler Weise keine besondere Oeft- nung zwischen beiden existirt. Ist meinc Deutung richtig, so wiirde nur das hintere Ende des Oviducts zur Aus- Die Chaetoguathen. 249 fuhriing dcr Eier dieiien uiid gleichzeitig den Oit ubgeben, wo die Befruchtung erfolgt, dug eg en wiirde der gross ere blind g e s c h 1 0 s s e n e T h e 11 d e s Oviducts a 1 s e 1 n e Art Sanientasche functionireu, wie dcr oft in ihr vorgofun- dene Inhalt lebender Sperniato/ocn beweist. Literatur. Die Eierstocke der Sagitten warden bereits von Slabber (46 p. 24) und von Quoy und Gainiard (43 p. 349) gesehen, aber genauer erst durch Krohn (27 p. 9) beschrieben, welcher auch das kurze Mesenterium erwiilint. Den von Krohn ubersehenen Oviduct land Wilms (49 p. 12) auf und gab von seinem Verlauf eine richtige Darstellung. Den Wilms'schen Kanal be- statigte alsbald Krohn (29 p. 269) und da er ihn hiiufig mit Sper- matozoen ertullt fand , deutete er ihn als Sainentasche ; inerkwiir- diger Weise aber gibt er zugleich an, die AusmUndung der Samen- tasche nicht haben findeu zu konnen. Das dorsal gelegene End- stuck des Oviducts niimlich fasste er als einen besonderen Kanal, und zwar als die Ausmiinduug des Eierschlauchs auf und ver- niuthete er eine Communication desselben mit der Sanientasche. Busch (5 p. 97) und Busk (6 p. 21) machteu ahnliche Beob- achtungen. Im Jahre 1858 haben Leuckart und Page n ste- elier (34 p. 598) die Ovarien der Sagitten wieder genauer be- schrieben und den ganzen Kanal als Samentasche bezeichnet und hierbei bemerkt, „dass ein Ausgang fiir die Eier kaum existire, indem der uutere Kand des Eierstocks hart an der Austrittsoft- nung anliege". Auch Keferstein (23 p. 129) beobachtetc Samen- fiiden im Kanal, er ist geneigt ihn in ganzer Ausdehnung fiir einen Oviduct zu halteu, indem er annimmt, dass vorn noch eine Mtin- dung nach Innen vorhanden sei, was ich indesseu bestinimt in Ab- rede stellen muss. b. Die Hoden. Bei der Beschreibung der mannlichcn Geschlechtsorgane der Chaetoguathen haben wir dreierlei Bildungen zu unterscheiden: 1) das samenbereitende Keimlager, 2) die von demselben sich ablo- senden Geschlechtsproducte, welche in den zweiFachern des Schwanz- segmentes angehauft sich welter entwickeln und reifen, und 3) die Ausfiihrwege. Das Keimlager (Taf. IX Fig. 3, 4, 6 ho) erscheint im vordersten Theile des Schwanzsegmentes als ein Wulst, der iiber dem ventralen Muskelband jederseits in der Seitenlinie verliiuft und auf dem Querschnitt (Taf. X Fig. 4 und Fig. 13 ho) halb- 250 0. Hertwig fcj kuglig in die Schwanzhohle vorspringt. Es besteht aus einer Masse kleiner Zellen mit relativ grossen Kenien, die oberflachlich von einem diinuen Hautclien stark abgeplatteter Epithelzellen liber- zogen werden. Nacli vorn stosst es an das Querseptum (Taf. IX Fig. 3, 4, G st) an und dehnt sich hier dorsalwarts ansteigcnd an seiner hinteren Wand eine Strecke weit aus, entsprechend der Stelle, wo sich das Ovarium an der vorderen Flache mit seinem Mesenterium ansetzt. Von dem Keimlager lose n sich zu Gruppen verbun - den die noch unreifen Bildungszellen der Spermato- zoen zeitweise ab und gerathen in das linke oder rechte Fach des Schwanzsegmentes (c^), welches bei alteren Thieren ganz dicht von unreifer und reifer Hodenmasse angefiillt ist, ahnlich wie die Hodensackchen der Hirudineen und Lumbricinen. Da trifft man bald kuglige bald ovale Haufen kleiner Bildungszellen, Zellenhau- fen, an denen die Spermatozoenfaden sich zu difterenziren begin- nen , Bundel von Faden mit zahlreichen kleinen Kernen an ihrem einen Ende, reifes Sperma. Die ganze Masse ist bestan- dig in einer gleichmassig circ ulirenden Bewegung begriffen, indem sie an der ausseren Wand nach vorn, an der innern in entgegengesetzter Richtung nach riickwarts gleitet. Her- vorgerufen aber wird die Bewegung durch feine Fliramern, welche hie und da dem die Schwanzhohle auskleidenden einschichtigen Epithel aufsitzen. Die reifen Spermatozoen , deren Histogenese ich nicht naher untersucht habe, sind lange feine Fiiden. Bei den gewohnlichen Sagittenarten sind dieselben homogen, bei der Spadella cephalo- ptera dagegen sahen sie qu ergestreift aus, als ob sie aus qua- dratischen Stiickchen zweier das Licht verschieden brechender Substauzen zusammengesetzt seien (Taf. XII Fig. 18). Ein Biin- del von reifen Spermatozoenfaden hatte man versucht sein kon- nen fiir eine quergestreifte Muskelfaser zu halten. Die Ausfiihrwege fiir die Spermatozoen liegen im hinteren Ende des Schwanzsegmentes (Taf. IX Fig. 3, 4, 6 sg). In dem Seitenfeld verliiuft hier jederseits ein kurzer Kanal (sg), der wegen seines engen Lumens nur bei gunstiger Lage des lebenden Objectes und mit Hulfe starker Vergrosserung zu erkennen ist (Taf. XII Fig. 17 sg). Er besitzt an seinem vorderen Ende eine kleine trich ter fcJrmig vertiefte und flimmernde Miin- dung, an welcher man hiiufig eine Anzalil reifer schlangelnder Spermatozoen (sp) zusammengedrilngt findet. Auch durch das enge Die Chaetoirnatheu. 251 ■"o und mit Flimmorcpitliel ausgckleidetc Vas deferens selbst sail icli zmveilen sich Spcrnuitozoen luiidiirchwinden. Der Kanal diircli- boliit iiach riickwiirts die Kiirpcrwand und offnet sich in eine Sa- nien blase (sb), welche zur Ansammlung und Aufbewahrung der reifen Spernuitozoen dient. Die Sanienblase bedingt bei geschleclits- reifen Thieren im hintersten Drittel des Schwanzsegnientes auf jeder Seite einen relativ ansehnliclien Vorsprung, welclicr mit Spcrmatozoen erfullt schwarzbraun erscheint und sclion ohne Ver- gnisserung als brauner Punkt erkannt werden kann. Die Form der Sameublase ist bei den einzelnen Arten etwas verschieden, docli mehr oder minder langlich oval. In ihrem vorderen Drittel zeigt sie eine nach vorn gerichtete Ausmiindung, welche von einem feincylindrischen Epithel umgeben ist. Meist ist die Sa- meublase von Spcrmatozoen, die durch brauue Korncheu unter eiuander verklebt sind, prall gefiillt. Literatur. Den Inhalt des Schwanzsegmentes der Chae- tognathen hat Darwin (9 p. 3 und 4) einer genaueren Unter- suchung unterworfen. In einer Fliissigkeit beobachtete er kleine Kurnchen, die in einer regclmassigen Circulation, welclie der Cir- culation der Chara verglichen wird, begriffen waren. Ueber die Bedeutung der Kornchen entwickelte er die eigenthiimliche An- sicht, dass die im Schwanz gebildete Masse in die nach vorn gelegenen Ovarien tibertreten und sich allmahlich in Eier umwan- deln solle. Die Entdeckung, dass die Sagitten Zwitter sind, riihrt von Krohn (27 p. 9) her. Er bezeichnete die zwei Hohlriiume im Schwanz als die Samenfacher und bemerkte, dass bei den Sa- gitten die Hoden nicht nach dem Schema einer Driise gebaut sind. Ebenso Wilms, der die Entwicklung der Spermatozoen genauer verfolgt hat (49 p. 13), Busch (5 p. 97), Busk (6 p. 22) und Souleyet (10 p. 651). Leuckart und Pagenstecher (34 p. 597) gaben darauf rich tig an, dass bei jungen Thieren die Hoden eiufache in der Wand durch Proliferation sich vermehrende ZcUenhaufen seien, nahmen aber fillschlich an, dass dies bei den Erwachsenen nicht mehr der Fall sei, weil die Zellen der Haufen nach einiger Zeit frei werden und in den Hohlraum des Schwan- zes hineinfallcu sollen. Von dera Ausftihrungsapparat gibt die genaueste Darstellung Krohn, welcher schon das enge flimmernde Vas deferens in der Seitenlinie richtig beobachtet hat. 252 0. Hertwig, 111. Das System der Chaetognathen. (Leuckait.) Synonyma. 1) Oesthelmintlies. (Gegenbaur.) 2) Pterhelminthes. (Harting.) Ausser den Werken you D'Orbigny unci Krohn, von wel- chen der eine drei, der andere vier Species beschrieben hat, be- sitzen wir nur eine Anzahl anatomischer Schilderungen, die sich immer auf eine einzelne Art beziehen. Eiuheitlich ist das System der Chaetognathen bisher noch uicht behandelt worden. Hieraus erklart es sich, dass dieselben Arten unter mehreren Namen und verschiedeue Arten unter demselben Namen in der Literatur auf- geftihrt werden oder dass Arten, die zu entwickelungsgeschicht- lichen Untersuchungen gedient haben, iiberhaupt nicht naher be- nannt worden sind, wie z. B. in der Arbeit von Kowalevsky und von Biitschli. Denn bei der Zerstreutheit der Literatur ist die Bestimmung der Arten mit Schwierigkeiten verkniipft, welche noch dadurch erhoht werden, dass mehrere Chaetognathen, wie schon Krohn bemerkt hat, im Habitus nahezu mit einander ubereinstimmen. Die Anzahl der Species ist eine weit grossere, als man wohl allgemein annimmt. Habe ich doch in Messina in der kurzen Zeit von zwei Monaten 5 wohl charakterisirte Chaetognathen, welche bis auf eine haufig waren, zu beobachten Gelegenheit gehabt. Voraussichtlich werden wir in den nachsten Jahren noch mit man- cher neuen Form bekannt werden, wenn bei Durchforschung der aussereuropaischen Meere auch der kleinen Gruppe der Sagitten mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Im Grossen und Ganzen sind die Chaetognathen sehr einfor- mig organisirt und weichen sowohl in ihrem inneren Bau als auch in ihrer ausseren Erscheinung nur wenig von einander ab. Was die systematische Verwerthbarkeit der einzelnen Organe betrifft, so kommen vor alien Dingen die Flossen bei jeder Speciesdiagnose in Betracht, ihre Anzahl, Grosse, Form und ihre Entfernung von einander. Nach ihrer Beschaffenheit scheint es mir zweckmilssig, Die Cliaeto»;uatlien. 253 ■"o die eiuzelnen Arten der Cliaetognatlien auf zwei Gattungcn zu vertbeileu. Die eiue Gattuug, welclier ich den altcn Nameu Sa- gitta belasse, ist dadurch ausgczciclmet, dass ausscr den Scliwanz- flossen, welche alien zukomnit, nocli zwei Paar deutlicli von einan- der abgesetzte Seitenflossen entwickelt sind; die andere Gattung, fiir welclie ich den von Langerliaus (50 p. 136) eingetuhrteu Xanien Spadella adoptire, besitzt nur ein Paar Seitenflossen, die bauptsiiclilicli voni Sdiwanzsegment entspriugeu uud eine Strecke weit aucb auf das Ituiupfsegment iibergreifen. Andere zur Speciesuuterscheidung wichtige Merkmalc bietet die Form imd Zahl der Greifhaken und der Stacheln dar. Beson- ders abweicbend beschaffeii sind dieselben bei der Sagitta serrato- dentata, S. tricuspidata und der Spadella hamata. Ferner hat man zu achteu auf die Anordnung und Zahl der Tastorgane, auf die Form und Grosse des Geruchsorgaus und der Samenblasen, auf die histologische Zusammensetzung der Epidermis, wie denn z, B. die blasigen Epidermiszellen fiir Spadella draco (Taf. IX Fig. 3, Taf. XII Fig. 10) und die Klebzellen fiir Spadella cephaloptera (Taf. IX Fig. 6, Taf. X Fig. 12—15) diagnostisch wichtig sind. End- lich spielt noch das relative Grosseuverhaltniss von Rumpf- und Schwanzsegiuent, sowie ilberhaupt die Korpergrosse bei der Species- diagnose eine Rolle. Rumpf- und Schwanzsegment stehen bei den einzelnen Arten in sehr verschiedenem Grossenverhiiltniss zu ein- ander. Bei Spadella draco und Sp. cephaloptera z.B. sind beide ziem- lich gleich gross (Taf. IX Fig. 3 u. 6) ; dagegen betragt das Schwanz- segment bei Sagitta serrato-dentata und bipunctata (Taf. IX Fig. 1 u. 2) etc. nur ^3 des Rumpf s und bei Sagitta hexaptera (Taf. IX Fig. 4) noch viel weniger als Vs- An der Korpergrosse lassen sich manche Arten, die in der Zahl und Form der Flossen und iiber- haupt im ganzen Habitus eiuander sehr iihnlich sind, sofort unter- scheiden, wie z.B. Sagitta bipunctata und S. hexaptera; wahrend die erstere nur 1^/2 Cm. gross wird, erreicht die andere die statt- liche Lange von 7 Cm. Folgende Arten von Chaetognathen, welche sich auf die bei- den Gattungen Sagitta und Spadella vertheilen, sind bis jetzt be- kannt und zum grossten Theil von mir selbst beobachtet wordeu: 254 0. Hertwig, I. Die Gattung Sagitta (Slabber). Chaetoguathen mit einer Schwanzflosse und z w e i Paar deutlich von einander getrennteu Seitenflossen. a) Grossere Arten von 3 — 7 Cm. Lange. 1. Sagitta hexaptera (D'Orbiguy). Taf. IX Fig. 4. Synonym a, S. bipunctata (Krohn). Literatur. 1) D'Orbigny (41). S. hexaptera. 1835—1843. 2) Darwin (9). S. hexaptera. 1844. 3) Krohn (27). S. bipunctata. 1844. 4) Krohn (29). S. bipunctata. 1853. 5) Gegenbaur (15). S. bipunctata. 1856. 6) Bnnk (6). S. bipunctata. 1856. 7) Mobius (38). S. bipunctata. 1874. Mobius erklart Sagitta bipunctata (Quoy u. Gaimard) u. Sagitta bipunctata (Krohn) fiir dieselben Arten. 8) Langerhans (50). S. bipunctata. 1880. Unter alien bekannten Arten ist die grosste die Sagitta hexaptera (Taf. IX Fig. 4), da sie bis zur ansehnlichen Lange von 6 — 7 Cm. heranwachst. Ihr Korper ist cylindrisch; hiuter dem kurzen, breiten Kopf etwas eingescliniirt verbreitert er sich ein wenig nach rtickwarts und erreicht den grossteu Querdurcli- messer im Bereich der vorderen Seitenflossen (f^), um sich von da allmahlich wieder zii verjiingen und zugespitzt zu enden. Die verhaltnissmassig dunnen Wandungen umschliessen eine geraumige Leibeshohle. Die dorsalen und ventralen Langsmuskelziige sind von einander getrennt durch ein breites Seitenfeld, das theils ganz muskelfrei, theils nur mit einer dunnen Schicht Fibrillen bedeckt ist. Rumpf und Schwanzseg-ment sind von sehr ungleicher Grosse, indem das letztere nur ^[4 so lang als das erstere ist. Die Flos- sen sind im Verhaltniss zur Korpergrosse klein und durch breite Zwischenraume von einander getrennt. Die vorderen Seitenflossen (f^ beginnen in einiger Entfernung hinter dem Bauchganglion (g^), nehmen die Mitte des Rumpfsegments ein und sind sehr schmal, die hinteren Seitenflossen (f^) sind breiter und begrenzen das Ende des Rumpfsegments und den Anfang des Schwanzsegments. Sie besitzen die Form eines Dreiecks, dessen einer Winkel auf der Hohe der Oeff"nung des Oviducts liegt. Die Schwanzflosse (f^) ist breiter als lang und am hinteren Rande etwas ausgeschweift, wo- durch der Anfang zur Bildung eines linken und rechten Lappens gemacht ist. Die Epidermis ist mehrschichtig und mit ausserst Die Chaetognathon, 255 zahlreiclioii in Liuigsmheii aiigcordiicteii Tastorganen bedeckt (Taf. XII Fig. 23 1). Das Geruchsorgau besitzt eine Form wie der Umriss eiiicr Biruc. Das verjungte Eude ragt zwischen beide Aiigcii hiiiein fast bis ziim hintcreu Rande des oberen Schlund- gaiiglious (Taf. XII Fig. 21). Dcr Darinkanal zeichnet sich durch ein breites dorsales mid ventrales Mesenteriuni aus (Taf. XII Fig. 15 u. 22), Die Ovarien siud lange Schlauche. Die kleinen Samen- kapselu (sb) springen am Schwanzsegment wenig vor. Die Sagitta hexaptera, obwohl sie vollkommen durchsichtig ist, kann bei spiegelglatter See bei ihrer bedeutenden Korpergrosse vom Boot aus bemerkt uiid mit einem Glas geschopft werden. Mail sieht sie mit ihreii horizontal ausgebreiteten Flossen ruhig auf der Oberfliiclie des Wassers schwebeu und plotzlich bei einer Be- miruhigung in gerader Richtung pfeilschnell fortschiessen. Im Hafen von Messina balje ich sie jeder Zeit, aber immer nur ver- einzelt mid nicht in so grossen Schaaren wie die kleineren Sagit- ten angetroffen. Von den im Marz und April eingefangenen Thie- ren, trotzdem einige 6 Cm. lang waren, war noch kein einziges mit reifen Eiern verselien. Neben den grossen Exemplaren finden sich zahlreiche Jugendzustande in der verschiedensten Grosse und zeigen uns, dass die Geschlechtsorgaue erst sehr spat ihre voile Grosse und Reife erlangen. Bei 3 Cm. laugen Thieren sind die Eischlaiiche noch sehr kurz, dlinn und rechtwinklig gekriimmt, indeni der eine ktirzere Schenkel in der vorderen Wand des Quer- septums, der andere mit dem Alter des Thieres immer langer wer- dende Schenkel dem Seitenfeld entlaug verlituft. Die Sagitta hexaptera ist zuerst von D'Orbigny (41) im grossen Ocean beobachtet und von ihm sowie bald darauf auch von Darwin (9) nach 5 Cmt. grossen Exemplaren in einer kennt- lichen Weise beschrieben und abgebildet worden. Alsdann hat Krohn (27) an dieser grossen Sagittenart seine ausgezeichnete anatomische Untersuchung angestellt. Unbekannt mit dem Reise- werk von D'Orbigny und der Abhaudlung von Darwin hielt er sein Object fiir identisch mit der von Quoy und Gaimard (43) entdeckten Sagitta bipunctata. Hierin beging er einen Irrthum. Denn die von Quoy und Gaimard beschriebenen Exemplare erreichen nur die Lange von 5 Linien ; Jugendformen der grossen Sagitta, wie Krohn annahm, konnen sie aber deswegen nicht ge- wesen sein, well sie schon deutlich entwickelte Eierstocke zeigten. In einem spiiteren Nachtrag hat Krohn (29) selbst seinen Irrthum erkannt und hervorgehoben, dass die Bezeichnung „bipunctata" der 256 0. Hertwig, von ihni untersiichten grossen Sagitta des Mittelmeeres eigentlich nicht zukomme, und dass die Sagitta hexaptera von D'Orbigny seiner S. bipimctata sehr nahe stehe und vielleicht identisch mit ihr sei. Gleichwohl hielt er an der von ihm einraal gebrauchten Namengebung fest und bezeichnete nun die zwei kleinen Sagitten- arten als S. serratodcntata und S. multidentata. Neuerdings hat wieder Mobius (38) — jedoch nicht mit Recht — die grossen und kleinen Sagittenarten fiir eine einzige Species erklart, welcher er den Namen Sagitta bipunctata beliisst. Bei dieser Sachlage erachte ich es fiir geboten, fiir die grosse Sagittenart wieder den urspriinglichen von D'Orbigny und Dar- win gebrauchten Namen Sagitta hexaptera einzufiihren und den Namen Sagitta bipunctata fiir die von Quoy und Gaimard be- obachtete kleine Sagittenart zu reserviren. 2. Sagitta lyra (Krohn). Taf. IX Fig. 8. Literatur. 1) Krohn (29). 1853. 2) Langerhans (50). 1880. An die Sagitta hexaptera schliesst sich wegen ihrer betracht- lichen Korpergrosse die von Krohn entdeckte Sagitta lyra an, welche die nicht unansehuliche Lange von 3 — 3^2 Cm. erreicht. Da ich von derselben nur unentwickelte Exemplare beobachtet habe, so lasse ich hier die Beschreibung folgen, welche Krohn von ihr gegeben hat. „Die S. lyra lasst sich auf den ersten Blick von der S. hexa- ptera (D'Orbigny) (bipunctata Krohn) unterscheiden. Der soge- nannte Schwanz ist sehr kurz und durch eine Einschniirung von dem langen Rumpfe abgesetzt." „Die beiden Flossen jeder Seite beriihren sich bis zur Ver- schmelzung. In der That geht die homogene Substanz derselben von der einen ohne Unterbrechung auf die andere iiber und nur ausserlich findet sich zwischen beiden eine Demarkationslinie in Form eines feinen Streifeus. Bemerkenswerth ist noch, dass die vorderen Flossen viel liinger als die hinteren sind und sehr weit nach vorn hinaufreichen. Die Substanz der Flossen ist von mach- tiger Dicke, so dass diese gleich Wiilsten an den Seiten des Lei- bes hervorragen, obwohl sie sich gegen ihren Aussenrand hin bald verflachen und verdiinnen. Die in die Substanz eingelagerten Fa- sem (Borsten) verhalten sich auch eigenthiimlich. An den weniger breiten Stellen der Flossen sind sie diinner und kiirzer und schei- Die Chaetognathen. 257 lien nur die Kanrtpartie dorselben eiiizunehnien. Je mehr die Breite der Flossen zimiiimit, desto liingor und starker werden auch die Fasern, bis sie zulotzt an deu breitesten Stellen die ganzc Fliiche der Flossen durclistreiclien." „Der Greifhiikdien ziihlte ich 6 — 8 jcderseits; was die Zahl der Zalmchen betrifft, so diirften ihrer jederseits hochstens 7 auf die vordere Gruppe, 11 auf die hintere kommen." „Dic Biischel starrer Fiiden kommen in grosser Menge und dem Anschein nach ohne siclitliche Ordnung vertheilt auf der Ober- fliiche des Koi-pers vor. Dicht am Rande der hinteren Flossen wurde regelmiissig sowohl auf der oberen als auf der unteren Fliiche derselben ein almliclier Biischel bemerkt." 3. Sagitta magna (Langerhans). Literatur. Langerhans (50 p. 135). 1880. Die Diagnose nach Langerhans lautet: „diese bei Madeira nicht seltene Art Avar mit 2 — 3 Cm. stets noch unreif und erst mit 4 Cm. entwickelt. In Gestalt sich ganz an die eben bespro- chenen Arten (S. bipunctata, setosa, lyra) anschliessend , unter- schied sie sich durch die geringe Entwickolung der Nebenkiefer, die vom 4, hinten nur 2 — 3 Zahne hatten. Kiefer mit 7 — 9 Zah- nen, Mund quer." 4. Sagitta tricuspidata (Kent). Taf. IX Fig. 9 u. 15. Literatur. Kent (24). 1870. Diese Art ist im siidlichen Theil des pacifischen Oceans ge- fischt und nach Spiritusexemplaren von Kent beschrieben worden. In der Grosse und Form nahert sie sich am moisten der Sagitta lyra, unterscheidet sich aber von ihr und alien iibrigen Sagitten- arten durch die geringe Anzahl der Kopfstacheln, von denen sie den Namen tricuspidata erhalten hat. Die kurze Diagnose nach Kent lautet folgendermaassen : „Korper lang und etwas gedrungen. Schwanzsegment ein Fiinftel von der Lange des ganzen Korpers mit Ausnahme des Kopfes. Seitenfiossen von einander deutlich getrennt ; das vordere Paar schmiiler als das hintere. Schwanzflosse massig breit. Greif- haken an den seitlichen Randem des Kopfes acht auf jeder Seite, die mittelsten von ihnen am langsten. Der vordere Rand des Kopfes tragt eine geringe Hervorragung jederseits von der Mittel- Bd. XIV. N. F. VII, 2. 17 258 0. Hertwig, linie; auf ihr sitzen drei Staclieln; ein ebensolclier ein- zelner Stacliel liegt auf jeder Seite zwischcn ihuen und den seitlichen Greifhaken mitten inne. Gesammtlange des Korpers 3,5 Cm., grosste Breite desselben 5 Millim. Fundort: Siidlicher Tlieil des pacifischen Oceans." b) Kleine Arten von 1 — 2 Cm. Lange. Die kleinen mit 2 Paar seitlichen Flossen verselienen Sagitten, welclie in grossen Scliaaren alle Meere zii bevolkern scheinen und im Mittelmeer fast nie im pelagischen Auftrieb fehlen, hat zuerst Slabber beobachtet und Quo y undGaimard haben ihnen den Namen Sagitta bipunctata gegeben, ein Name, der seitdem fiir grosse und kleine Arten vielfach gemischt gebraucht worden ist. Spater hat Krohn gezeigt, dass unter den kleinen Sagitten we- nigstens zwei Formen, die einander freilich sehr ahnlich sind, un- terschieden werden miissen, und hat ihnen den Namen S. multi- dentata und S. serratodentata beigelegt. Von diesen behalte ich den sehr bezeichnenden Nam en S. serratodentata fiir die zugleich weniger haufige Art bei, den anderen dagegen ersetze ich durch den alteren Namen S. bipunctata, da ihm die Prioritat zukommt. 5. Sagitta bipunctata (Quoy und Gaimard). Taf. IX Fig. 1. Synonym a. Sagitta setosa (Wilms. Joh. Miiller). 1846. 1847. Sagitta multidentata (Krohu). 1853. Sagitta germauica (Leuckart und Pagenstecher). 1858. Literatur. 1. Q,uoy und Gaimard (43) S. bipunctata. 1827. 2. Wilms (49). Ohne Speciesnameu. 1846. 3. Joh. Miiller (39). S. setosa. 1847. 4. Krohn (29). S. multidentata. 1853. 5. Gegenbaur (16). Ohne Speciesnamen. 1856. 6. Leuckart und Pagenstecher (34). S. germa- nica, 1858. 7. Kef erst ein (23). S. setosa. 1862. 8. Mobius (38). 8. bipunctata. 1874. 9. Langerhans (50). S. setosa. 1880. Die S. bipunctata erreicht etwa die Lange von 1^2 Cm. (Taf. IX Fig. 1). Das Schwanzsegment betragt etwas mehr als ein Drittel vom Rumpfsegment, welches gleichformig cylindrisch und gedrungen ist. Die seitlichen Flossen sind ziemlich lang aber schmal, und zwar ist das hintere Paar brciter als das vordere und durch einen Zwischenraum von ihm getrennt. Die hinteren Flossen enden in kurzer Entfernung von den nach Aussen vor- springenden Samenblasen. Der Kopf ist breit und auf jeder Seite Die Ohaetognathen. 250 niit 8 — 10 Grcifliakcn vcrselicii. Die Zalil dcr Stacheln beliiuft sich in dcr vordcreu Jleilio auf 5, in der hinteren auf 10—15. Die aiis pflasterforiiiigeii Zelleu zusaniincngesctztc Epidermis ist liinter dem Kopf bis zur Mittc des Rumpfes iind iianieutlich auf beidcn Seiteu dcsselbcii iiicht unbedeutend verdickt. Auf ihrcr Oberfliiclie crlieben sich in grosser Anzahl die Tastorgane, deren Borsteu in ciner Querreilie angeordnet sind. Das Geruchsorgan (Taf. XII Fig. 20) ist selir in die Liinge entwickelt, beginnt un- niittelbar liinter dem oberen Schhmdganglion zwischen beiden Au- gen und erstreckt sich eine grosse Strecke weit auf dem Riicken des Rumpfes nach hinten. Die Sagitta bipunctata ist die hiiufigste unter den kleinen Sagittenarten und daher wohl identisch mit der von Quoy und Gaimard beobachteten. Von Krohn ist dieselbe als Sagitta multidentata gut beschrieben worden. Von den beiden Sagitten- arten, welclie Gegenbaur (15) in seiner Entwickelungsgeschichte er\Yahnt, aber unbestimmt lasst, scheint mir die zweite unsere Sagitta bipunctata zu sein. Der Sagitta bipunctata im Habitus sehr ahnlich und vielleicht identisch mit ihr ist die 4 — 8 Linien grosse Art, welche Wilms (49) bei Helgoland beobachtet und zum Gegenstand seiner Dissertation gemacht hat. Da Wilms sein Untersuchungsobject unbenannt gelassen hat, gab ihm Johannes M tiller (39) in seinem Bericht iiber eiuige neue Thierformen des Nordens den Namen Sagitta setosa. Spiiter bezeichneten Leu- ckart und Pagenstecher (34) die Helgoliinder Art als Sagitta germanica. Sollte die Helgoliinder und die von Wilms beschrie- bene Sagitta eine besondere Art sein, so wiirde dem Speciesnamen S. setosa (Joh. Milller) das Vorrecht zukommen. Mir schien sie nach Beobachtungen, die ich an Spiritusexemplaren der kleinen nordischen Sagitta anstellte, von der Mittelmeerform nicht unter- schieden zu sein. 6. Sagitta serrato-dentata (Krohu). Taf. IX Fig. 2. Synonym a. Sagitta Gegeubauri (Fol.) 1879. Sagitta rostrata (Busch.) 1851. Literatur. 1. Busch (5) Sagitta rostrata. 1851. 2. Krohn (29) S. serratodentata. 1853. 3. Gegenbaur (15). Ohne Speciesnamen. 1856. 4. Fol (11). S. Gegenbauri. 1879. Diese Art ist schlanker als die vorige und scheint auch an Grosse hinter ihr etwas zuriickzubleiben. Das Schwanzsegment 17* 260 0. Hertwig, ist etwas mehr als ^/g so gross als das Rumpfsegment, welches hinter dem Kopf verdiiimt ist. Der Kopf ist in seinem vorderen Theile langer als bei der S. bipunctata und nach vorn stark verjiingt. Characteristiscli fur unsere Art sind die Greifhaken (Taf. IX Fig. 10 u. 12), welche jederseits in der Zahl von 8 vorhan- den und langs ihrer scharferen Kante mit kleinen Zahnchen wie die Schneide einer Sage besetzt sind. Die Epidermis ist diinner als bei der anderen Art und mit weniger Tastorganen verselien. Wie Krohn bemerkt, sind „die Biischel starrer Faden symmetrisch in acht seitlichen Langsziigen angeordnet, von welchen 4 auf die Riickenhalfte und ebenso viele auf die Bauchhalfte fallen." Von den seitlichen Flossen sind die riickwarts gelegenen lan- ger und breiter als die vorderen und bogenformig nach aussen be- grenzt; sie enden unmittelbar vor den Samenblasen, welche mir bei dieser Art mehr als bei andern zapfenartig nach aussen vor- zuspringen scheinen (Taf. IX Fig. 14 sb). Die nach vorn gele- gene Ausfiihroffiiung ist von zwei gewulsteten Lippen umgeben, deren oberflachliche Epidermisschichten bei den grossten Exem- plaren gelblich und wie verhornt aussahen. Die Schwanzflosse ist kurz aber breit. Die Sagitta serrato-dentata ist von Krohn als besondere Art unterschieden worden, indem er auf die Zahnelung der Greifhaken als ein wichtiges diagnostisches Merkmal die Aufmerksamkeit lenkte. Er bezeichnet sie als die kleinste Art und giebt ihre Lange auf nur 4^2 Linie an. Auf die Sagitta serrato-dentata scheint sich mir die Beschreibung der ersten der zwei von Gegen- baur (15) unterschiedenen Formen zu beziehen, obwohl er die Lange seiner Exemplare auf 9'" angiebt. Derselben hat Fol (11) neuerdings den Namen Sagitta Geg en bauri beigelegt. Die Sagitta rostrata (Busch) ist, wie auch schon Krohn bemerkt hat, wohl nur eine junge Form der S. serratodentata, an deren Kopf das obere Schlundganglion eine kleine Prominenz bedingt, welche zum Namen rostrata Veranlassung gegeben hat. c) Arten, deren Originalbeschreibung mir nicht zugiinglich war. 7) Sagitta Mariana. Lewes (35). 1859. Mit Abbildung. 8) Sagitta pontica. Ulianin (48). 1871. Die Chaetognathen. 261 d) Unsichere Arten. 9) Sagitta diptera. D'Orbiguy (41). 1835-1843. Diaguoso. Mit eiuer 2gelapp ten Sch w anzf losse o hn e j ed e Sc i te nf lossc. Mit 7 — 8 Groifliakon. 5 Cm. laug. Abgebildet 1. c. pi. X Fig. 6 u. 7. 10) Sagitta triptera. D'Orbigiiy (41). 1835—1843. Diaguose. Mit oiuer in 2 Lappeu auslaufeuden Schwanzflosse und mit eiuer unpaaren und vertical ge- stellt eu Kiickenflosse inderMitte des gan- zen Kiirpers, ohne jede Seitenflosse. Mit 6 — 8 Greifhaken. 2,5 — 3 Cm. lang. Abgebildet 1. c. pi. X. Fig. 1—3. II. Die Gattung Spadella (Lang-erhans). Chaetognathen mit einer Schwanzflosse und einem Paar Seiten- flossen, die hauptsiichlich vom Schwanzsegment entspringen und eine Strecke weit auf das Rumpfsegment iibergreifen. Zu dieser Gattung gehoren drei der von mir beobachteten Arten. 1) Spadella cephaloptera (Busch). Taf. IX Fig. 6. Synonym a. Sagitta cephaloptera (Busch). 1851. Sagitta gallica? (Pagenstecher). 1862. Sagitta Batziana? (Giard.). 1875. Spadella cephaloptera (Langerhans). 1880. Literatur. 1. Busch (5). 1851. 2. Pagenstecher (42). 1862. 3. Claparede (7). 1863. 4. Giard (16). 1875. 5. Langerhans (50). 1880. Die Spadella cephaloptera ist unter alien seither bekannt ge- wordenen Chaetognathen die kleinste, iudem sie noch nicht die Lange eines Centimeters erreicht, wie denn die meisten der von mir eingefangenen Thiere nur etwa 5 Mm. gross waren. Im Ver- hiiltniss zur Lange ist der Korper ziemlich dick, dabei ist er etwas undurchsichtig und gelbbraunlich gefarbt, so dass die Spadella im Wasser trotz ihrer Kleinheit besser als grossere vollkommen transparente Arten gesehen wird (Taf. IX Fig. 6). Da Rumpf- und Schwanzsegment etwa von gleicher Grosse sind, miinden der kurze Darm (d) und ebenso die beiden Oviducte (el) ziemlich genau in der Mitte des Korpers aus; der Kopf, dessen obere Stiitzplatten, welche die Greifhaken tragen, lateralwarts weit vorspringen, ist 262 0. Hertwig, breit, die Kopfkappe ist mit zwei hornerartigen Anhangen (te) versehen, die seitlich links und rechts von don Augen ange- braclit sind, kolbig enden, aus Epidermiszellen bestehen und braun piginentirt sind. Die nur in einem Paar vorliandenen Seitenflossen (f^) sind lang und schmal, beginnen ein wenig nacb vorn von den pa- pillenartig vorspringenden Enden der Oviducte, werden in der Mitte des Schwanzsegments am breitesten und sind nur durch eine seichte Einscliniirung von der unpaaren Schwanzflosse (P) getrennt. Diese ist im Verbaltniss zur Korpergrosse ansehnlicher als bei anderen Arten und ragt eine Strecke weit iiber das Ende des Schwanzsegments vor; allniahlich sich verbreiternd wird sie seitlich von geraden Linien und nach hinten von einer halbkreis- formigen Contur begrenzt. An der Stelle, wo Schwanz- und Sei- tenflosse durch die Einschniirung getrennt sind, liegen die kleinen als Halbkugeln nach aussen hervorstehenden Samenblasen (sb). Von sehr characteristischer Beschaftenheit ist die Epi- dermis der Spadella cephaloptera mit den in ihr entwickelten Organen. Hinter dem Kopf ist sie zu beiden Seiten des Halses verdickt und aus blasigen Elementen zusammengesetzt. So ent- stehen 2 Epidermisstreifen, welche die dem Kopf gleiche Breite des Halses bedingen und die Veranlassung gewesen sind, dass Busch unserer Art den Namen Sagitta cephaloptera gegeben hat. Der Name ist nicht gut gewiihlt, weil wenig bezeichnend, denn dass die Epidermisverdickungen den anderen durch Strahlen ge- stiitzten Flosseu nicht entsprechen, lehrt ihr Bau und ist mit Recht von Krohn und Claparede schon geltend gemacht wor- den. An der ventralen Seite des Rumpfes zeigt die Epidermis eine warzige Beschaffeuheit, die daher riihrt, dass die pflasterfor- migen Zellen noch mit eigenthlimlichen cylindrischen Klebzellen bedeckt sind (Taf. X Fig. 6, 12, 14, 15). Dieselben stehen ent- weder vereinzelt iiber die Hautoberflache hervor oder sie bilden in Gruppen vereint grossere und kleinere Driisenlappen, welche durch Furchen von einander getrennt den warzigen Anblick her- vorrufen. Am reichlichsten finden sie sich am Schwanzsegment, nach vorn nehmen sie an Zahl ab und desgleichen an der ven- tralen Fliiche der Flossen. Dorsalwiirts fehlen die Klebzellen, die haufig braunlich pigmentirt sind, ganz, dagegen treten hier in der Epidermis vereinzelte Tastorgane (Taf. IX Fig. 6t) auf, kennt- lich an den vorspringenden Borsten. Bei Spadella cephaloptera bedingen die Sinneszellen keine hligligen Erhebungen, da sie in Die Chactognatlion. 2C3 'a die daruntcr liegeiidc Schicht dor i)tiastcrf()rmigcii Epidcrmiszellcn etwas eingesenkt sind (Taf. XII Fig. 1). Das Gcruclisorgau, Nvelchcs Biisch uud Claparcde ein Kiiderorgau iioiiiieii, ist uii- inittelbar hiiiter dem Kopf im Nackcii aiigcbraclit ; es ist eiu sclinialer, etwas gelblich aussolicndcr Streifen von Sinnescpithel, del* eiu Oval besclireibt, desseii liliigster Durchmesser mit der Queraxe des Rumpfes zusaiiiuienfilllt (Taf. IX Fig. 6r). In der Auordnung der Musculatur hat die Spadella cc- plialoptera vor audereu Cliaetoguatheu die Besoudcrlieit voraus, dass ini Kunipfsegnient die ventralen Laugsniuskelziige uoch vou eiuer diinneu Scliicht transversaler quergestreifter Muskelfaseni bedeckt sind, eine Besonderheit, welche die Muskulatur aucli bei mauchen Anueliden zeigt (Taf. X Fig. 6mt). Der Darm ist kiirz iind sehr weit und dorsal und ventral lilngs eiues schmalen Streifens mit den Rumpfwandungen verbun- den, so dass ein eigeutliches Meseuterium fehlt. Der iibrige Theil der Ilumpfhohle wird vollkommen von den Ovarien ausgefiillt, welche bei ausgewachsenen, geschlechtsreifen Thieren bis zum Kopf heraureichen. Die Eier, von der Grosse wie bei anderen Chae- tognathen, sind ziemlich undurchsichtig und bedingen hauptsitch- lich die gelblich opake Fiirbung unserer Thiere; sie werden bei der Ablage von einer Gallertschicht unigeben und mittelst eines diinnen Stielchens, in welche dieselbe ausgezogen ist, an fremde Gegenstitnde befestigt, an Algen, an Steine, in der Gefangenschaft auch an die Wand des Glasgefilsses (Taf. XIII Fig. 10). Gewohn- lich findet man 5 — 10 an Stielchen befestigte Eier zu einem Packet vereint. Auch die Spermatozoen der Spadella ceplia- loptera weichen von denjenigen anderer Arten ab. Sie sind lange Faden, welche, was ich sonst niemals gesehen habe, eine feina Querstreifung erkennen lassen (Taf. XII Fig. 18). Auf das Vorkommen der Spadella cephaloptera wurde ich durch Herrn Dr. Hatschek, welcher wiihrend des Winters embryolo- gische Untersuchungen in Messina angestellt hatte, aufmerksam gemacht und konnte ich, einmal mit ihrer Lebensweise bekannt geworden, sie mir jederzeit leicht und in grosser Menge verschaf- fen, so dass ich erstaunt bin, dass von den zahlreichen Zoologen^ welche Messina besucht haben, noch keiner sie erwahnt hat. Wie im Bau, so unterscheidet sich die Spadella cephaloptera auch in ihrer Lebensweise von den bisher besprochenen Chaetognathen. Diese sind exquisit pelagische Thiere, jene dagegen ist wohl mehr zur Strandfauna hinzuzurechnen. In Messina bevolkert sie 264 0. Hertwig, in grossen Schaaren die Algen , welche wie ein Rasen die seich- teren Stellen des Hafens iiberziehen. Wahrend icli beim Fischen mit dem Muller'scheu Netz nie ein einziges Exemplar in meinen Glasern wahrnahm, brauchte ich in ein Gefass nur Algen zu sam- meln oder auszuschiitteln, um ihrer liabhaft zu werden. Wenn nach einiger Zeit das Wasser sich geklart hat, sah ich die kleinen Thiere theils den Wandungen des Gefasses ansitzeu, theils in schuellenden Bewegungen durch das Wasser flink hindurch- schiessen. Das Vermogen, sich an anderen Gegenstanden festzuhalten, ist eine Eigenthiimlichkeit, die mir nur von der Spadella cephaloptera bekannt ist und die auch wieder fiir die nicht pelagische Lebensweise spricht. Das Festsetzen geschieht in der Art, dass das durch das Wasser schnellende kleine Thier, an einem festen Gegenstand angelangt, an diesen die Bauchseite des Schwanz- segments und der Flossen glatt andriickt. Es genugt dies zur sofortigen Fixirung. Wahrscheinlich ist das Wirksame hierbei ein klebriges Secret, von welchem die iiber die Hautoberflache vor- springendeu Driisenzellen auf ihren Enden bestandig iiberzogen zu sein scheinen. Die vordere Korperhalfte, an welcher die Klebzel- len sparlicher beobachtet werden, bleibt gewohnlich frei und ragt, indem sie mit dem Schwanzsegmeut einen stumpfeu Winkel bildet, von der Unterlage in das Wasser hinein. Aus der nicht pelagischen Lebensweise der Spadella cepha- loptera erklaren sich auch noch drei weitere Verhaltnisse. Erstens sind die Eier undurchsichtig und werden nicht frei in das Wasser abgelegt, sondern mit einer Gallerte an andere Gegenstande be- festigt. Zweitens besitzt unser Thier nicht die vollige Transpa- renz der pelagischen Chaetognathen und drittens zeichnet es sich vor diesen noch durch eine grosse Lebenszahigkeit aus. Wahrend die pelagischen Arten so empfindlich wie wenige Thiere sind und auch im reinsten Wasser nach einem oder hochstens zwei Tagen absterben, erhalt sich die Spadella cephaloptera in kleinen Ge- fassen viele Tage, ja Wochen lang, wobei sie bald muuter im Was- ser herumschwimmt, bald sich an die Wandungen des Glases an- setzt. Sie ernahrt sich von kleinen Crustaceen und von Algen, von denen man gewohnlich den Darmkanal erfiillt sieht. Die Spadella cephaloptera scheint in europiiischen Meeren gleichfalls weit verbreitet zu sein. Busch, welcher sie entdeckte, sammelte sie auf den Orkney-Inseln ; wahrend er sie mit dem Miiller'schen Netz nie auffand, konute er sich dieselbe stets ver- Dio Chactoguathen. 2G5 schaifen, wenu er mit eiuem Schleppuctz von Leinwand in einer Tiefe von 8 — 12 Faden fisclite. „Sie warcn gewohnlicli diclit ein- gebettet in dem heraufgcholten Schlamni und erst wenn man die- sen in ein Gefiiss mit Wasscr goss, gelang es ihnen, sicli durch einige ilirer stossartig schnellenden Bewegungen zu befreien und im Glasc umherzusclnvinimon." Claparede beobaclitete darauf die Spadella cephaloptera im Busen von der Normandie bei S. Vaast, wo dieselbe „selten, daun aber in imabsehbaren Ziigen er- schien, ohue dass es gelungen ware, die Umstande zu ermitteln, die ihr Erscheineu bedingteu." Er fischte sie in grosser Menge niclit nur mit dem feinmaschigen Netze in einer ziemlichen Ent- feruung von der Kiiste, sondern auch in den am Strande bei sin- kender Ebbe zuriickgelassenen Tiimpeln. Es scheint mir aus die- ser Art des Auftretens zu viel gefolgert, wenn Claparede gegen Busch erkliirt, dass Spadella cephaloptera ebenso wie die andcru Arten ein pelagischer Wurm sei. Im Zusammenhange mit den oben augefiihrten Beobachtungen liber die Lebensweise ziehe ich die Deutuug vor, dass unsere Art, welclie fiir gewohnlich am Strand und Meeresboden lebt, nur durch besondere Verhitltnisse zu Wan- deruugen veraulasst wird, wofiir das seltene und dann massenhafte Auftreten sprechen wtirde. Ueber Spadella cephaloptera sind bis jetzt 4 Arbeiten erschienen, von Busch, Claparede, Pagenstecher und Giard. Am genauesten ist die Beschreibung von Busch, an welche sich die kurze Angabe von Claparede bestatigend an- schliesst. Pagenstecher's Sagitta gallica, die in einem Exem- plar bei Cette aufgefunden wurde und auch mit den eigenthiim- lichen Teutakelanhangen am Kopf versehen ist, scheint mir, soweit uach der ungenaueu Beschreibung ein sicheres Urtheil moglich ist, mit der Sagitta cephaloptera identisch zu sein. Dasselbe mochte ich von der Sagitta Batziana vermuthen, welche Giard neuerdings beschrieben und unter denselben Verbal tuissen wie Claparede angetroffen hat. Seine Zeichnung ahnelt in hohem Grade den von Claparede und mir gegebenen Abbildungen der Spadella cepha- loptera. Als Unterschiede ftihrt Giard an: 1. Fehlen der Ten- takeln am Kopf, 2. geringere Anzahl der Greifhaken, 3. die Form der Schwanzflosse, 4. Vorkommen von Borsten am vorderen Rumpf des Korpers. Hiervon konnen wir den letzten Punkt sofort strei- cheu, da Busch und ich Tastborsteu auch im vorderen Rumpf- abschnitt der Spadella cephaloptera gesehen haben und Clapa- rede dieselben in seiner Figur nur ausgelassen hat. Die Zahl 266 . 0. Hertwig, der Greifhaken aber ist bei alien Chaetognatlien etwas variabel unci wird von Giard auch niclit uiiher angegebeu. Die Scliwauz- flosse variirt uiir darin, dass sie am liinteren Rande mit Ideinen Auszackungen besetzt ist. Der Mangel der Auswiiclise am Kopf ist auch von keinem grosseren Belang, da ich dieselben an einzel- nen in Messina beobacliteten Exemplaren vermisst liabe und icli ihnen tiberhaupt keine grossere Bedeutuug zuschreiben kann. Auf- fallend ist mir, dass Claparede sowohl als Giard bei der Be- scbreibung ihrer Arten nicht der Driisenzellen am Bauclie erwali- nen. Sollteu die Driisenzellen fehlen? oder ist die Beschreibung nur unvollstandig ? Im ersteren Falle ware die an der franzosi- schen Kiiste vorkommeude Spadella als besoudere Art von der Spadella cepbaloptera, welche Busch und ich beobachtet haben, zu trennen, 2) Spadella draco (Krohn). Taf. IX Fig. 3. Literatur. 1. Krohn (29). 1853. 2. Langerhans (50). 1880. In der allgemeinen Korperform schliesst sich die Spadella draco (Taf. IX Fig. 3) an die vorausgehende Art am meisten an, wenn sie auch sonst von ihr in vielerlei Merkmalen sehr erheblich abweicht imd mit ihr gar nicht zu verwechseln ist. Sie ist gieich- falls eine der kleinsten Chaetognathen, wird etwa einen Centimeter lang, ist aber fiir die geringe Lange viel gedrungener als andere Arten. Wie bei Spadella cephaloptera sind Rumpf- und Schwauz- segment etwa gleich gross, so dass der kurze gerade Darm (d) und die Eierstocke (e), welche bei geschlechtsreifen Thieren bis zum Kopf heranreichen, in der Mitte des Leibes ausmunden. Sehr characteristisch ist die Epidermis unseres Thieres; dieselbe er- reicht zu beiden Seiten des Rumpfsegments eine so ausserordent- liche Machtigkeit, dass sie die Halfte vom Querdurchmesser des Leibes einnimmt ; sie besteht aus mehrereu Lagen grosser derbwan- diger Zellen, die einen fllissigen luhalt und wandstandigeu Kern haben, einem Pflanzengewebe auf das Tiluschendste almlich sehen (Taf. XII Fig. 10) und schon bei schwacher Vergrosserung als Blaschen erkannt werdeu. Am Kopf und am Schwanzsegment da- gegen ist die Epidermis wie bei anderen Arten beschati'en. Die nur in einem Paar vorhandenen seitlichen Flossen (f^) sind kurz, aber breit und beginnen erst am Anfange des Schwanz- segmeuts im Anschluss an die verdickte Epidermis des Rumpf- segmentSj welche noch mit einer rasch diinner werdenden Schicht Dio Chaetoffuatheii. 207 'O blasigcr dickwandiger Zellen ihre dorsalc und vcntrale Flache cine kurzc Strecke weit iiberziclit. Die kurzeii vou Fiideu gcstiitzteu Seiteuflosseu werdeii durcli cincu kleineii Zwisclienraum, wcklien die Sameublaseu (sb) einiielimeii, von dcr anselmlidicn und na- nientlich breiten Schwanztiosse (f-'') geschieden. Die 01)erflache des Kunipfes and der Fbsscn wird von zahlrcichen Tastorga- nen (t) bedeckt, deren Borsten in Querreilicn gestellt sind. Unter ihnen haben zwei Tastorgane (t^) auf der Holie des Bauchgang- lions eine cnorme P'ntwickliing erfahren. Sie sind in grosse flaclie niit Cylindcrepitliel ausgekleidcte Gruben unigewandelt, aus denen Biiscliel zahlreiclier ausserordeutlicli langer Borsten hervorragen, welche an Liinge der Breite des Rumpfes gleichkomnien. Die Borstenbiischel seitlich am Korper entspringend sind in der Hori- zontalebene ausgebreitet. Sie sowohl als die dicke pflanzeuzell- iilinliche Epidermis verleihen unserer Art „ein liochst fremdartiges Aussehen", wodurch Krohn wabrsclieinlicb zu dem Namen Sa- gitta draco bestimmt worden ist. Das Geruchs organ (r) ist wie bei Spadella cephaloptera klein und liinter dem Kopf im Nacken gelegen, es zeigt die Form eines Ovals, dessen Langsaxe mit der Liingsaxe des Thieres zu- sammenfallt. Die Zalil der von der Koplkappe iiberzogenen Greifhaken gibt Krolin jederseits auf 10 an. Die Stacheln belaufen sicli nach ihm in der vorderen Reihe auf 8, in der hinteren Reihe auf 18. Die Spadella draco ist im Mittelmeer eine sehr seltene Art, welche sporadiscb unter den Schwarmen der Sag. bipunctata und serrato-deutata auftritt und leicht iiberselien werden kann, da sie bei ihrer geriugen Korpergrosse noch vollkommen durclisichtig ist. Indessen kann man sie schon im pelagischen Auftrieb bei einiger Uebung an ihrer gedrungenen Gestalt herauserkennen. Sie ist zuerst von Krolin gleiclifalls in Messina beobachtet und nach einem einzigen wohlerhaltenen und vollig ausgewachsenen Exemplare gut beschrieben worden. In fiinf Wochen habe ich im pelagischen Auftrieb mir nur drei unverletzte Exemplare ver- schaflen konneu. Etwa ein Ctm. gross waren dieselben noch nicht mit reifen Ovarien versehen. Gleich den ubrigen Chaetognathen scheint auch diese Art in alien Meeren vorzukommen. So fand ich zwei Exemplare derselben im pelagischen Auftrieb, welchen ich durch die Gefiilligkeit des Herrn Professor Haeckel erhielt und welcher bei den canarischen Inseln gesammelt worden war. Nach 268 0. Hertwlg, den Angaben von Langerhans (50. p. 136) ist die Spadella draco bei Madeira nicbt selten. 3) Spadella hamata (Mobius). Taf. IX, Fig. 7. Literatur. 1. Mobius (38). Sagitta hamata. 1874. 2. Langerhans (50). Krohnia hamata. 1880. Die Spadella hamata ist bei der wissenschaftlichen Unter- suchung der Nordsee, welche durch die Preussische Regierung ver- anlasst wurde, von Mobius entdeckt wordeu. Sie wurde mit dem Schleppnetz aus 135 — 337 Faden Tiefe emporgefordert und aus dem Inhalt desselben aus Schlamm und kleinen Steinen herausge- sucbt. Von anderen Chaetognatben unterscbeidet sie sicb 1. durch die Form der Greifbaken und 2. durcb die einreibige Anordnung der zablreicben Kopfstacbeln. Durcb den Besitz von ein Paar Seitenflossen, welcbe am Uebergang von Rumpf- und Scbwanzseg- ment sitzen, scbliesst sie sicb an Spadella cepbaloptera und draco an, obwobl sie sonst in ibrer Form und durcb ibre bedeutendere Grosse der Sagitta bexaptera und lyra abnlicber aussiebt. Wie Spadella cepbaloptera scbeint sie kein pelagiscbes Leben zu fiibren. Durcb die Freundlicbkeit von Herrn Professor Mobius batte icb Gelegenbeit, micb selbst mit dieser neuen Art bekannt zu macben und die Form der Greifbaken, Stacbeln und Flossen zu untersucben. Icb bin so in den Stand gesetzt worden, die kurze Diagnose zu bestatigen, welche Mobius von der Spadella hamata gegeben bat und welcbe icb bier folgen lasse: „K6rper scbmal, lanzettlicb, bis 35 Mm. lang und 3 Mm. breit. Hohe etwas geringer als die Breite. Kopf vierseitig mit abge- stumpften Ecken. Seitlich vom Munde stehen an der Unterseite des Mundes jederseits 8 — 9 braune Kieferborsten (Greifbaken), welcbe ungefabr ^/g der Kopflange sind. Die mittleren Kieferbor- sten sind die langsten. Sie sind weniger gekriimmt als die Kie- ferborsten der Sagitta bipunctata, welcbe auch im Verhaltniss zum Kopf grosser sind. Die Spitze der Kieferborsten (Taf. IX, Fig. 13) ist knieformig einwarts gebogen, wabrend sie bei S. bipunctata die Krtimmung der Borste kreisbogenformig fortsetzt. Die Basis der Kieferborsten ist an der concaven Seite abgerundet, an der convexen gekielt. Bei S. bipunctata ist die Basis an beiden Sei- ten gekielt und gefliigelt." „Vor den Kieferborsten liegt eine Reihe Dornen (Stacheln), deren Grosse von dem Stirnrande aus uach binten zu abnimmt. Icb zahlte 23 — 26 an jeder Seite. Ibre Spitze ist Die Chaetocnatlien. 269 'o zart uiid von deiii Korper al)gesetzt. Ilir Korper wird nacli liin- ten blattartig diiim. Sagitta bipunctata dagegen hat vor den Kieferborsteu zwci Gruppen von Dornen (Stachebi) etc. Die Bewaftimug der Unterseite des Koptcs kann also zur sicheren Unterschcidung der beideu Sagitta-Arten dienen." „In der Genitalgegend steben zwei Seitenflossen; das Hinterende unisaumt cine borizontalc Scbwanzflosse. Diese Flossen waren bei alien Exemplaren, welche aus dem Inbalt des Sebleppnetzes stets todt hervorgeholt wurdeu, verletzt. Im Hinter- ende des Rumpfes liegcn zwei scblauchformige Ovarien von roth- lich gelber Farbe, im Vorderende des Hinterkorpers zwei Hoden. Die Hoblungen des Hinterkorpers waren bei mebreren mit Sper- mazellen augeftillt. In ihrem inneren Ban stimmt Sagitta hamata also mit Sagitta bipunctata iiberein." In seiner Bearbeitung der Chaetognathen hat Langerhans die Sagitta hamata von Mob i us zum Vertreter des Genus Kroh- nia erhoben. Da dasselbe indessen nur durch die einreihige A.n- ordnung der Kopfstacheln vom Genus Spadella abweicht, mit ihm aber im Besitz nur eines Paares von Seitenflossen ul)erein- stimmt, halte ich die Vereinigung zu einem Genus fur zweck- entsprechend. Tabellarische I'ebersicht der Chaetognathen (Leuckart). Diagnose. Korper aus 3 durch Querscheidewaude getrenutea Abschuitten besteheud (Kopf, Rumpf- Schwaazsegmeut) mit horizontal gestellten Flossen. Kopf mit Greifhaken, Kopfstacheln und eiuer Kopfkappe, mit 2 Augen und einem unpaaren Geruchsorgan versehen. Geraumige Leibeshohle. Darra mit 2 Mesenterien miindet vor dem darmlosen Schwanzsegment aus. 4 longitudinale Muskelbiinder. Ner- veusystem besteht aus dem Bauchganglion, dem oberen Schlundgang- lion und den seitlichen Kopfgauglien. Kumpfsegment mit 2 Ovarien, Schwanzsegment mit 2 Hoden. I. Genus. Sagitta (Slabber). Unpaare Scbwanzflosse, 2 Paar Seitenflossen. a) Arten von 3 — 7 Ctm. Lange. 1. Sagitta hexaptera (D'Orbigny). Vordere und hintere Seiten- flossen durch einen weiten Abstand getrennt. Lange 6 — 7 Ctm. Greifhaken 6 — 7, Kopfstacheln der vorderen Eeihe 3 — 4, der hinteren Reihe 5 — 7. Schwanzsegment ^/^ so lang als das Rumpf- segment. Geruchsorgan birnformig. 2. Sagitta lyra (Krohn). Vordere und hintere Seitenflossen be- riihren sich bis zur Verschmelzung. Lange 3 — S^/g Ctm. Gi-eif- 270 0. Hertwig, haken 6 — 8. Kopfstacheln der vorderea Eeihe 7, der hinteren Reihe 11. 3. Sagitta magna (Langerhans). Liiuge 4 Ctm. Greifhaken 7 — 9. Kopfstacheln der vorderea Eeihe 4, der hinteren Reihe 2 — 3. 4. Sagitta tricuspidata (Kent). Seitenflossen von einander deutlich getrennt. Lange 3 — 5 Ctm. Greifhaken 8. Kopf- stacheln der vorderen Reihe 3. Hinterer Kopfstachel 1. 5. Sagitta bipunctata (Q,uoy und Gaimard). Seitenflossen von einander deutlich getrennt. Lange 1,5 — 2 Ctm. Greifhaken mit glattem Rand 8 — 10. Vordere Kopfstacheln 5, hintere 10 bis 15. Epidermis im vorderen Theil des Rumpfes verdickt. 6. Sagitta serrato dentata (Krohn). Unterscheidet sich von der vorigen dadurch, dass die Schneide der 8 Greifhaken gezahnelt, die Epidermis diinn und der Kopf liinger als breit ist. 7. Sagitta Mariana (Lewes). 8. Sagitta pontica (Ulianin). 9. Sagitta diptera (D'Orbigny). 10. Sagitta triptera (D'Orbigny). n. Genus. Spadella (Langerhans). TJnpaare Schwanzflosse. 1 Paar Seitenflossen. 1. Spadella cephaloptera (Busch).' Lange 0,5 — ^1 Ctm. Rumpf und Schwanzsegment gleich gross. Bauchflache warzig, mit Klebzellen bedeck t. Kopfkappe mit 2 tentakelartigen Aus- wiichsen. 2. Spadella draco (Krohn). Lange 1 Ctm. Epidermis am Rumpf- segment stark verdickt, besteht aus grossen blasigen Zellen. Rechts und links vom Bauchganglion ein Biindel ausserst langer Borsten, die horizontal vom Korper abstehen. 3. Spadella hamata (Mobius). Lange 3,5 Ctm. Greifhaken 8 bis 9 mit knieformig umgebogener Spitze. Eine einzige Reihe von 23 — 26 Kopfstacheln. Schwanzsegment viel kleiner als das Rumpfsegment. Die Chaetognathen. 271 IV. Entwickelungsgeschichte der Chaetognathen. Zum Stuclium der Eut>Yickelungsgescliichte sind die Eier der Sagitta bipunctata und S. serratodentata sehr geeignete Objecte. Man braucht uur eine Auzahl friscli eiugefangener gesclilechtsreifer Tliiere in einem kleiuen Gefass zu isoliren und man kann sicher sein, schon nach einigen Stunden Eier im Meerwasser suspendirt zu finden. Obwohl dieselben von ausehnliclier Grosse sind, erfor- dert es doch, um sie zu sehen, einige Aufmerksamkeit und pas- seude Beleuchtuug, da sie vollkommen durchsichtig und so klar Avie das Meerwasser selbst sind; man gewalirt sie als glanzende unter der ^Yasseroberflaclle sebwimmende Kugeln, die man zur Untersuchung mit einer Glasrobre berausfiscben kann. Wabrend die Sagitteneier sicb im friscben Zustande wegen ibrer vollkommenen Transparenz leicbt untersucben lassen, sind sie dagegen zur Bebandlung mit Reageutien weniger geeignet; in Osmiumsaure scbwarzen sie sicb rascb, ebenso werden sie in an- deren Reagentieu durcb Gerinnuug undurcbsicbtig und lassen sicb aucb durcb vorsicbtigen Glycerinzusatz nicbt aufbellen, da der sebr wasserreicbe Dotter scbrumpft und zerfallt. Am weitesten kommt man nocb durcb Zusatz von 1 — 2 ^j^ Essigsaure, welcbe in der ersten Zeit der Einwirkung meist recbt deutlicbe Bilder gibt, spater aber gleicbfalls das Object undurcbsicbtig macbt. Um die ersten Entwickelungsvorgange zu studiren, empfiehlt es sicb, anstatt die Eiablage abzuwarten, sicb reife Eier dadurcb zu verscbaffen, dass man Sagitten mit prall geftillten Gescblecbts- organen zerscbneidet, allmablicb die Geschlecbtsproducte aus der Scbnittoffiiung austreten lasst und die Eier, deren Keimblascben scbon gescbwunden ist, in reines Seewasser isolirt. So gliickte es mir an ein und demselben Object von Anfang an die Bildung der Ricbtungskorper und die im Inneren des Dotters sicb abspielen- den Befrucbtungsvorgange zu verfolgen. Die reifen Eier werden von einer doppelt contourirten derben Membran und nacb Aussen von dieser nocb von einer Scbleim- 272 0. Hertwig, schicht umgeben. Sie bestehen aiis kleiueu wasserhellen Dotter- ktigelchen und eiuer dieselben verbindenden protoplasmatischen Grundsubstanz, zwei Theileii, die bei der Gleichartigkeit der Licht- brechung und ihrer fast vollkommenen Transparenz kaum von ein- ander zu unterscheiden sind. Da die reifen Eier ihr Keimblascben schon im Ovarium verlieren, so scheinen sie unmittelbar nach der Ablage kernlos zu sein. Bei Zusatz von 2 ^Iq Essigsaure dagegen wird in der Dotterriude ein Biindel glanzender Stabchen siclitbar, die ziemlich dick, aber recht kurz sind. Auch Fol be- schreibt dieselben als „une rangee verticale de petits grains re- friugeuts." Das Gebilde entspricht trotz der etwas abweichenden Beschaffenheit den Kernspindeln anderer Eier und zeigt den Ort an, wo die Bildung der zwei Richtungskorper erfolgt, welclie icli am lebenden Objecte verfolgen konnte. Die zwei Richtungs- korper sind im Vergleich zum grossen Ei von verschwindender Kleinheit und werden alsbald nach ihrer Abschniirung durch die eng anschliessende Membran auf den Dotter dicht aufgepresst; sie konnen daher leicht iibersehen werden, wie sie denn auch erst in der Neuzeit von Fol und mir entdeckt worden sind. Etwa eine viertel Stunde nach der Bildung des zweiten Rich- tungskorpers entsteht unter ihm in der Dotterrinde der Eikern als eine kleine Vacuole, die sich langsam vergrossert. Schon friiher wahrend der Abschniirung des zweiten Richtungskorpers ist der Sperm akern wahrzunehmen, welcher am vegetativen Pole des Eies vis a vis dem Eikern gleichfalls als eine kleine von einer Strahlung umgebene Vacuole erscheint. Indem der mannliche und weibliche Kern sich ein wenig vergrossern, wandern sie auf einan- der zu und verschmelzen etwa in der Mitte des Eies, nachdem sie zusammen das Centrum einer sehr deutlichen Strahlenfigur gewor- den sind, mit einander zum Furchungskern. Indem ich mich auf diese kurzen Bemerkuugen beschranke, verweise ich auf die Darstellung, welche ich vor zwei Jahren von der Bildung der Richtungskorper und von der Befruchtung bei Sagitta gegeben habe (18. p. 188 — 190) , sowie auf die noch aus- fiihrlichere uud von zahlreichen Abbildungen begleitete Beschrei- bung, welche derselbe Gegenstand durch Fol (11. p. 35 — 38 u. 109 — 112) erfahren hat. An die Entstehung des Furchungskerns schliessen sich als- bald die Phaeuomcne an, welche zurZweitheilung fiihren und welche sich bei der Durchsichtigkeit des Dotters so schon wie bei weni- gen Objecten beobachten lassen. Auch hieriiber hat Fol (11 T)io Chaetognathen. 273 p. 193 — 197) genaue Mittheilungen gemacht, auf welche hiermit verwicseii wird. Die Fiirchung, welche von luir bis zur Biklung von 16 Zellen verfolgt wurdc, bietet mauches Beinerkenswertlie dar. Die erste Furcbe, welche unterhalb der Richtnngskorper beginnt und als Meridianfurche bezeichnet werden soil, verlauft vom animalen zum vegetativen Pol und zerlegt das Ei in zwei gleich grosse Halb- kugelii. Dicse platten sich gcgenseitig ab und lagern sich fest aneinander, lasseu aber jetzt schon ini Centrum eiuen kleinen Raum zwischen sich frei, das erste Auzeichen der spater immer grosser werdenden F u r c h u u g s h o h 1 e. Bei einem regelmassigen weiteren Verlauf der Theilung miiss- ten nun die zwei Furchen, durch welche die zwei Halbkugcln in vier Stiicke zerf alien, wieder Meridianc sein, indem sie genau vom animalen zum vegetativen Pole verliefen, anstatt dessen aber tref- fen sie die erste Theilungsfurche in einiger Entfernung von den Polen und zwar in folgender Weise: wenn die Furche der einen Halbkugel etwas links vom animalen Pole beginnt und nun ebenso viel nach rechts vom vegetativen Pole endet, verlauft die Furche der anderen Halbkugel umgekehrt von rechts nach links. Die auf diese Weise entstehenden Theilungsebenen wiirden sich daher, wenn wir sie uns beide durch das ganze Ei verliiugert denken, unter spitzem Winkel gegenseitig schneiden. In Folge dessen nehmeu die vier Theilstiicke, indem sie sich gegenseitig anpassen und an einander etwas verschieben, eine characteristische Form und Lage an, iiber welche Figur 5 auf Tafel XIII am besten Aufschluss gibt. An dem animalen Pole des Eies, welcher gerade abgebildet ist, stossen nicht alle vier Zellen, wie es bei regelmassiger Fur- chung der Fall sein sollte, in einem Puncte zusammen, sondern uur zwei derselben beriihren sich rait verbreiterten Enden und bedingen eine kurze, gerade Furche (T), welche wir ihrer Lage nach als Polarfurche benenneu wollen; die beiden andern Zel- len, welche von der gegenseitigen Beriihrung ausgeschlossen sind, enden zugespitzt an den beiden Enden der Polarfurche. Ganz dieselben Verhaltuisse wiederholen sich am vegetativen Pole; nur treffen sich hier die beiden Zellen, welche den animalen Pol nicht erreichten, mit verbreiterten Enden. Sie bilden eine vegetative Polarfurche, welche die animale, wenn wir beide auf dieselbc Ebene projiciren, unter rechtem Winkel kreuzt, wie man beim Wechseln der Einstellung an dem durchsichtigen Object leicht fest- stellen kann. Die durch Viertheilung entstandenen vier Zellen Bd. XIV. N. F. VII, 2. Jg 274 0. Hertwig, sind also keine regelmassigeu Viertel einer Kugel; an jedem kon- nen wir ein stumpfes iind ein spitzes, den Polen des Eies zuge- wandtes Ende untersclieiden. Je zwei aus einer Halbkugel ab- stammende Zellen sind dann in der Weise gruppirt, dass sie mit ihren stumpfen oder spitzen Enden nach entgegengesetzten Eich- tungen scliauen, dass das stumpfe Ende von der einen nach dem animalen, von der anderen nach dem vegetativen Pole ge\Yandt ist. — Die Furchuugshohle, welche man bei mittlerer Einstellung des Mikroskops wahrnimmt, hat sich etwas vergrossert. Eine ahnliche Anordnung der vier ersten Furchungszellen wie bei Sagitta hat soeben auch RabP) an den Eiern von Planorbis genau beschrieben, er nennt die Polarfurche Querfurche und be- merkt hierzu, dass sie einen wichtigen Anhaltspunkt fiir die Orien- tirung des Keimes abgiebt. Wenn man den Furchungsprocess der Sagitteneier noch wel- ter verfolgt, sieht man nach kurzer Zeit die vier Zellen in acht zerfallen durch Furchen, die in aequatorialer Richtung verlaufen. Die acht Zellen (Taf. XIII, Fig. 6) sind ziemlich gleich gross, aber von verschiedeuer Form , je nachdem sie aus dem abgestumpften oder dem zugespitzten Ende der urspriinglichen Viertheile hervor- gegangen sind. Von ihnen kommen je zwei, welche den abge- stumpften Enden der Viertheile entsprechen, an den animalen und vegetativen Pol zu liegen, wo sie in den zwei oben erwahn- ten Polarfurchen zusammen treffen. Die vier tibrigen Zellen, wel- che aus den zugespitzten Enden der Viertel entstanden sind, bil- den einen aequatorialen Giirtel und begrenzen vorzugsweise die Furchuugshohle, welche in der Zwischenzeit an Ausdehnung noch mehr zugenommen hat. Die nachsten Theilungen, durch welche die acht in sechszehn Zellen vermehrt werden (Taf. XIII, Fig. 8), gescheheu wieder durch Meridianfurchen. Aus den zwei am vegetativen und am animalen Pole gelegenen Zellen werden beiderseits vier, welche in der Polar- furche zusammenstossen. 8 Zellen bildeu einen Giirtel am Aequa- tor des Eies. Alle 16 Theilstticke besitzen die Form von Pyra- miden, deren Spitzen nach dem Centrum des Eies gerichtet sind und die Furchuugshohle umgeben. Durch weiter fortgesetzte Theilungen (Taf. XIII, Fig. 7) ent- 1) C. llabl, Ueber die Entwickluug der Tellerschnecke. Mor- phologisches Jahrbuch. Bd. V. p. 566 — 567. Die Chactognathcu. 275 steht cine Bias tula, von wclclicr Gcgcnbaui* (15. p. 8) cine gute Abbiklung" iiiul liesclireibiiiig gelicfert hat. Bei den Sagit- teu ist sie tladurdi aiisgezeichnet , dass die Furchimgshoble (F) relativ klein bleibt imd von sehr langen pyramidenformigen Zellen unigebeu wird, deren Kern weit nach Aussen dicht an der Basis der Pyraniide gelegen ist. Die Blastula ist von kurzer Dauer, iudem rasch an ihr Veriinderungen eintreten, durcbe wclche sie in die Gastrula umgewandelt wird (Taf. XIV, Fig. 1). Ihre eine Halfte beginnt sich niinilich abzuplatten und sich nach dem Centrum des Eies zu ein wenig einzusenkeu, wodurch die urspriing- lich kugelige Furchungshohle in eineu napfformigen Spaltraum (F) iibergeht (Taf. XIV, Fig. 2). Die Grube auf der eingedriickten Seite der Blastula ist anfanglich ganz flach, vertieft sich aber von jetzt ab zusehends. Es hiingt dies mit zwei weiteren Verande- rungen am Keim zusammen, einmal damit dass sich die einge- stulpte Zellenlage an die andere noch dichter anlegt und die Fur- chungshohle (F) nach und nach fast ganz zum Schwuud bringt, und zweitens damit, dass die Zellen eine andere Form ^nnehmen. AViihrend urspriinglich die nach der Furchungshohle sich verjiin- genden Zellen von einer aussergewohulicheu Lange sind, beginnen sie sich von dem Augenblicke an , wo die eine Halfte der Blastula sich in die andere einsenkt, in ganz auffalliger Weise zu verkiir- zen, je mehr durch weitere Theilungen ihre Anzahl zunimmt, da- gegen bleibt ihre Breite immer ziemlich die gleiche. Da somit die Vermehrung der Zellen auf Kosten ihrer Lange bei gleich blei- bender Breite erfolgt , muss die Zellenschicht als Ganzes fortwah- rend eine betritchtliche Vergrosserung ihrer Oberflache erfahren und dies aussert sich darin, dass sich aus der Blastula mit abge- plattetem Pole eine typische Gastrula entwickelt, wie sie in der Figur 2 dargestellt ist. Der Keim hat jetzt eine Becherform angenommen und besteht aus zwei Blattern, dem Ekto blast und dem Entoblast, zwi- schen welchen ein sehr schmaler Spaltraum (F) noch die ehemalige Furchungshohle audeutet. Die Zellen der beideu Blatter sind cy- lindrisch und uur etwa halb so lang als die pyramidenformigen Theilstiicke, welche auf dem Blastulastadium (Taf. XIII, Fig. 7) die Furchungshohle umgeben haben. Der Urdarm ist noch durch einen weiten Urmund nach Aussen geoffnet. Auf spiiteren Stadien nimmt er an Tiefe immer mehr zu, indem sich die beiden pri- miiren Keimbliitter durch neue Zelltheilungen welter vergrossern. Dabei schliesst er sich nach Aussen durch Verengeruug des Ur- 18* 276 0. Hertwig, mundes melir ab, nach dem aboralen Pol dagegen weitet er sich aus (Taf. XIV, Fig. 3). Die Zelleii der beiden Keimblatter glei- clien sich in Grosse, Form und Inhalt vollstandig, nur in der Lage des Kerns macht sich ein geringer Unterschied benierkbar. Im Ektobhist ist der Kern kuglig und liegt ganz an der Peri- pherie der Zelle, im Entoblast ist er mehr oval und etwas weiter von dem peripheren Zellenende entfernt. Die Gastrula der Sagitten in vollig ausgebildetem Zustande hat ziierst Gegenbaur (15. p. 10) beobachtet, aber da ihm die Zwischenstadien von der Blastula an entgingen, kam er zu einer irrigen Vorstellung von der Art und Weise, wie die Gastrula ge- bildet wird; er giaubte, dass die beiden Zelleuschichten einer Theilung der pyramidenformigen Zellen der Blastula direct ihren Ursprung verdankten, dass mithin die Furchungshohle in den Ur- darm iiberginge und der Urmund eine Neubildung sei, entstanden durch einen Durchbruch der Furchungshohle nach Aussen „durch ein Auseinanderweichen gewisser Zellpartieen." Eine derartige Auf- fassung wurde dadurch nahe gelegt, dass die Dicke von Ektoblast und Entoblast der Gastrula zusammengerechnet dem Liingsdurch- messer der pyramidenformigen Zellen der Blastula gerade gleich- kommt. Spiiter hat Kowalevsky (26. p. 7) eine richtige Dar- stellung gegeben, indem er sich die Gastrula durch Einstiilpung entwickeln liess und die beiden Zelleuschichten den Keimblattern der hoheren Thiere verglich ; doch hat er die Umbildung der Bla- stula in die Gastrula und die hierbei sich abspielenden Vorgange im Einzelnen nicht nilher verfolgt. Wahrend des Gastrulastadiums, das von langem Bestande ist, treten am inneren Keimblatt eine Reihe von Verixnderungen ein, die von hoheni Interesse sind. Ein Theil derselben bezieht sich auf die erste Anlage der Geschlechtsorgane und ein anderer Theil auf die Bildung des Darmkanals und der Leibeshohle. Zur Zeit, wo der Grund der Gastrulahohle sich auszuweiten beginnt, sind im Entoblast zwei Zellen wahrzunehmen, wel- che an Grosse die iibrigen weit iibertreffen und gerade dem Ur- mund gegeuiiber am aboralen Pole liegen (Taf. XIV, Fig. 3 ug). Beide grenzen unmittelbar an einander und sind ohne Frage die grossten von alien embryonalen Zellen dieses Stadiums. Was sie aber hauptsachlieh leicht keuntlich macht, das sind ihre ansehn- lichen, blaschenformigen, runden Kerne, welche um mehr als das Doppelte die anderen Kerne an Grosse tibertreffen und mehrere Die Chaetognathen. 277 kleinc XncU^oli cntlialten. Bei kcincr dcr zalilroichen Gastrulao, (lie icli (lurc'limusterto, wurdeu sic, wcnii jciic ein bcstimmtcs Al- ter erreicht batten, verniisst, woraus klar liervorgclit , (lass wir es niclit etwa mit Zelleu zu tliiiii liaben, die zufiillig in dcr Tliei- lung zunickgcbliebeii sind, sondern dass ibncn eine besondere iiHU-phologische Bedeutuiig zukihumt. Es lelirt nun aiich der wei- tere Verlauf dcr Entwicklung, dass die bei den grossen Zel- Icn im Entoblast der Gastrula den mannlichcn und weiblichen Geschlechtsorgancn den Urspriing geben. Daber mogcn sic denn scbon jetzt als die Urgeschlecbtszel- Icn bezeiclinet werden. Mit deni Auftrcten derselben -ist es moglich am Embryo be- rcits die spilteren Axen zu bestimmen. Eine Linie, die vom Ur- mund zu den Urgeschlcchtszellen gezogen wird, bezeichnet die Liingsaxe und zwar zeigt der Urmimd das spjitere ScKwanzende an; eine zweite Linie, die rechtwinklig zur Langsaxe durch beide neben einander liegende Geschlechtszellen hindurchgelit, liisst sicli als spatere Queraxe bestimmen und eine dritte Linie, die auf den beiden anderen senkrecht steht, wird zur dorsoventra- len Axe. Die Urgeschlcchtszellen, welchc sich bei ihrem ersten Auf- trcten mit den iibrigeu Entoblastzellcn in derselben Schicht befin- den , bedingen spater am Grund des Urdarms eine klcinc Hervor- ragung nach Inncn ; auf eincm noch weiter vorgeriickten Stadium habcn sie sich getheilt und sind gleichzcitig aus dem Entoblast noch weiter in den Urdarm hineingetreten (Taf. XIV, Fig. 4); sie bilden einen hockrigen Protoplasmawulst , in welchem Zellcontou- ren nicht deutlich zu erkennen sind, in welchem aber in der Quer- axe des Embryo vier grosse blaschenformige Kerne nebeneinander liegen. Letztere sind auch jetzt noch grosser als die Kerne der tibrigen Entoblastzellcn. Den Moment, in welchem die zwei Urgeschlechtszellen sich theilen, habe ich nicht beobachten konnen, da sich ein und das- selbe Ei unter dem Objecttrager nicht ohne besondere Vorkehrun- gen stundenlang lebend erhalten liisst, sondern wegen Sauerstoff- mangels und Vermehrung des Salzgehaltes des Meerwassers in Folge von Verdunstung nach einiger Zeit abstirbt. Indessen kann es bei der ganzen Sachlage keinem Zweifel unterworfen sein, dass der vierkernige Protoplasmastreifen einer Theilung der zwei aus dem Entoblast schon etwas herausgedriingten Entoblastzellcn sein Dasein verdankt. Spater werden in dem hockrigen Streifeu die 278 0. Hertwig, Zellcontouren immer deutlicher. Wie schon jetzt bemerkt werden mag, stellen von den vier in der Queraxe aneinanderge- reihten Zellen die zwei mittleren die Anlagen der Ho- den, die zwei seitlichen die Anlagen der Eierstocke dar. Jede der zwei Urgesclilechtszellen vereinigt daher nocli das Material der Eierstocke und Hoden in sicli, welches sich erst durch Theilung von einan- der trennt. Wiihrend dies geschieht, hat sich auch der Urdarm in seiner Form nicht unerheblich verandert. Erstens hat sich an der ora- len Halfte der Gastrula die dorsale Wand der ventralen so dicht genahert, dass der vordere Theil des Binnenraums und der Urmund spaltformig geworden sind (Taf. XIV, Fig. 5). Der Mundspalt liegt jetzt ebeuso wie die vier Geschlechtszellen in der Qfteraxe des embryonalen Korpers. In Folge dessen ist der orale Theil des Urdarms am Deutlichsten zu sehen bei seit- licher Lage des Embryo, bei welcher man in die Tiefe des Spal- tes blickt (Taf. XIV, Fig. 5, 7, 9) , wahrend man bei Betrachtung von der Riicken- oder Bauchflache die den Spalt begrenzenden breiten Fliichen mit ihrem Zellenmosaik vor sich hat (Taf. XIV, Fig. 6, 8, 10). Zweitens hat sich der Urdarm in demselben Maasse als er sich vorn verengert, in seinem aboralen Theil immer mehr ausgeweitet und wird jetzt durch eiue eigenthiimliche Ein- faltung des Entoblasts in drei Raume, in einen mitt- leren und zwei seitliche, zerlegt. Am besten erkennt man diese Veranderungen, wenu man ein Ei so lagert, dass seine dorsoventrale Axe mit der Axe des Mi- kroskops zusammenfallt. Ein Criterium dafur, ob man eine solche Lage vor Augen hat, geben die vier Geschlechtszellen und der Gastrulaspalt. Die vier Geschlechtszellen, welche sich in der Queraxe des Embryo befinden, miissen in einer Linie neben einan- der deutlich zu sehen sein und die den Gastrulaspalt begrenzen- den Flachen und die Urmundriinder miissen dann gleichfalls pa- rallel zur Ebene des Objecttragers liegen. Die Figuren 6, 8, 10 entsprechen diesen Anforderungen , und zeigt uns unter ihnen Fi- gur 6 den Anfang des jetzt niiher zu untersuchenden Einfaltungs- processes. Im erweiterten aboralen Theil des Urdarms hat sich der Entoblast vom Ektoblast an zwei Stellen etwas abgehoben und in zwei kleine Fa 1 ten gelegt, welche in den Urdarm ein wenig hineinrageu und denselben in einen weiteren mittleren Raum und zwei kleinere seitliche Divertikel scheiden. Der Die Chaetogiiathen. 279 Mittelraiim cntlullt die vicr Gcschleclitszellcn , welchc in Folc^e der bescliriebcncii Vorgilnge ihrc Lage veriliidcrt iind sich voiii aboralen Pol der Gastrula etwas uacb dem Urniund zu entfenit babeii. Durcb cineii weitcren Fortschritt der Einfaltung entsteht das ill Figur 8 dargestcllte Bild. Die Cylinderzelleu des Entoblasts babeii sicb naiuciitlich iiu aboralen Theil des Urdarms durcb Thei- luiig weiter vervielfiiltigt und dadurcb an Hohe wiederum verlo- ren. Die zwei Faltcn baben sicb betracbtlicb vergrossert und sind fast bis in die Mitte des Gastrulakorpers bineingewucbert. Dabei baben sicb ibre Ursprungsstellen von der Seite mebr nacb der Mitte zu vorgescboben , wodurcb der urspriinglicb weite Mit- telraum auf einen scbmalen Spalt reducirt worden ist, der nun den gleicbfalls spaltformigen Seitenriiumen gleicbt. Nacb ibrer zukunftigen Bestimmung wollen wir scbon jetzt den niittleren Raum als Darmspalt (ds) und die beiden seitlicben Raume als Leibesspalten (c) bezeicbnen. Mit der zuueli- menden Verengerung des ersteren sind die vier Gescblecbtszellen (ug) durcb die vorwacbsenden Falten bis in die Mitte der Ga- . strula gleicbsam bineingescboben worden und liegen bier an der S telle wo der Dannspalt sicb in den oralen Tbeil des nocb ein- beitlichen Urdamis offnet. Sie iiberbriicken die spaltformige Oefif- uung, indem sie quer von einem Faltenrand zum andern in einer Reihe biniiberreicben. Die vier Zellen sind deutlicber als friiber von einander abgegrenzt und sind nacb wie vor an ibren vier grossen blascbenformigen Kernen jederzeit leicbt zu erkennen. Auf dem dritten, in Figur 10 abgebildeten Stadium bat die Gastrula im Ganzen ein weuig an Lange zugenommen. Die bei- den Falten des Entoblasts sind weiter gewacbsen und reichen scbon in die orale Halfte binein, wobei sie mit ibren Randern die vier Gescblecbtszellen immer vor sicb berscbieben. Eine Erganzung erbalten die eben bescbriebenen Bilder, wenn man die Eier um einen recbten Winkel drebt, so dass man sie von der Seite betracbtet (Taf. XIV, Fig. 5, 7, 9). Der vordere Theil des Urdarms erscbeint jetzt deutlicb als Spalt, bei scbarfer Einstellung ist immer nur eine Gescblecbtszelle (ug) siclitbar, da die iibrigen entweder iiber oder unter ibr liegen. Die sicb bil- denden Falten (E) des Entoblasts werden von der Flacbe gesebeu und kebren daher dem Beobacbter das Mosaik ihres Cylinderepi- thels zu. Da ferner die Eier auf dem optiscben Durcbscbnitt ge- zeicbnet und gerade balbirt sind, ist natiirlicli immer nur eine 280 0. Hertwig, der zwei Fallen und zwar nur ilire den Darmspalt begrenzende Wand zu iiberblicken. In Figur 5, welcbe die seitlicbe Ansicht von Figur 6 ist, wird der erweiterte Grand des Urdarms scbon ein wenig durcb einen kleinen Wulst des Entoblasts (E) eingeengt. In Figur 7, der Erganzung zu Figur 8, bat sicb der Wulst E vergrossert und fiillt die dargestellte Halfte der aboralen Ur- darmboble fast ganz aus. Das vorliegende Bild ist kein vollstan- dig symnietriscbes. Erstens sind auf seiner linken Seite die Zel- len des Ektoblasts viel bober als recbts und da aucb auf spiite- ren Entwicklungsstadien der Ektoblast ventralwarts verdickt ist, wird man nicbt feblscbliessen , wenn man scbon jetzt die linke Seite fiir die Baucbseite, die recbte fiir den Riicken des Embryo erklart. Zweitens gebt der Wulst (E) des Entoblasts links und aboral in die Wand der Gastrula continuirlicb tiber, wabrend er nacb recbts durcb einen Spalt von ibr getrennt ist. Daraus folgt, dass die zwei in Figur 8 auf dem Querscbnitt gesebenen Fait en (E) von der aboralen und ventralen Wand des Ur- darms ibren Ausgang genommen baben und von bier der dorsalen Wand entgegen wucbern, und dass die drei von ibnen gebildeten Spaltriiume sowobl nacb dem Urmund als aucb am spateren Kiicken des Embryo unter einander commu- niciren. In Figur 9 endlicb, der Seitenansicbt von Figur 10, bat sicb der dorsale Faltenrand an die entgegengesetzte Entoblastfliicbe fest augelegt. 'Indem er mit ibr spater verlotbet, oflfnen sicb dann die beiden Leibesspalten (c) und der Darmspalt (ds) nur nocb nacb dem ungetbeilten Raum des Urdarms. Bei der seitlicben Ansicbt ist aucb die Verlagerung der Ge- scblecbtszellen (ug) gut zu verfolgen. In Figur 5 nocb am Grunde des Urdarms gelegen, sind sie in Figur 7 und 9 nacb dem Ga- strulamund durcb die zwei Falten vorgescboben. Sie werden vom oralen Rand derselben getragen und beriibren dorsal und ventral die Wandungen des von bier ab spaltformig werdenden Urdarms. Der Spalt desselben kreuzt unter recbtem Winkel die Ricbtung, in welcber der Spalt des sicb entwickelnden bleibenden Darms verlauft. Sebr instructive Bilder gewabren endlicb Eier, die man so gelagert bat, dass sie ibren oralen oder aboralen Pol dem Be- obacbter zukebren. Von einem so gelagerten Ei zeigt uns Figur 1 1 einen optiscben Durcbscbnitt durcb die Gegend , wo die zwei Fal- Dio Chaetosnatlien. 281 'B ten (11) dcs Entoblasts in den Urdurni liiueingcwuclicrt sind. Sio entspringon, wie dcutlicli zu sehcn ist, von der vcntralen Wand und trefteu mit ihreu Riindern, an denen das einc Blatt der Falte in das andere umbiegt, die dorsale Wand. Sowolil mit dieser als audi unter einander sind die Faltenriinder im Begriffe zu ver- schmelzen, und sind dalier der niittlere Darm (ds) und die scit- liclicn engen Leibesspalten (c) von einander aucli dorsalwilrts schon vollstandig abgesclilossen. Von links nacli rechts folgen sich auf dem Querschnitt im Ganzen acht Zellen- scliichten auf einander, von denen zwei den Darmspalt, vier die zwei Leibesspalten und zwei den Korper nach Aussen begren- zen. Wir konnen dieselben als Entoblast (En), als pa- rietales und viscerales Blatt des Mesoblasts (Me^ u. Mel) uji(j als Ektoblast (Ek) benennen. Die zukiinftige Bestimmung dieser Schicbten ist leicht fest zu stellen. Die bei- (len innern werden zum Darmdriiseublatt , die links und rechts angrenzendeu zum Darmfaserblatt und die nach Aussen von den Leibesspalten folgenden zum Hautfaser- und Hornblatt. Bevor wir in der Beschreibung der weiteren Entwicklungs- vorgiinge fortfahren, moge ein geschichtlicher Excurs hier Platz fin den. Kowalevsky hat sich durch seine embryologi- schen Studien das grosse Verdienst erworbeu, uns von der Ent- stehung der Darm- und Leibeshohle der Sagitta eiue richtige Vorstellung verschafft zu habeu, indem er zuerst die von zwei Stellen des Urdarms ausgehende Faltenbildung des Entoblasts be- obachtete. Kowalevsky hat indessen nur die allgemeinen Um- risse von diesem fundamental wichtigen Entwicklungsprocess der Sagitta gegebeu, iiber alles Detail geht er hinweg; so hat er auch ganz das friihzeitige Auftreten der Geschlechtszellen iibersehen und hat dieselben erst bei schon weit eutwickelten, ausgeschliipf- ten Larven beschrieben. Hier hat nun Biitschli (L p. 409) in einer kurzen Mittheilung „Zur Entwicklungsgeschichte der Sagitta" ergiinzend eingegriften. In der Einstiilpungshohle der Gastrula schildert derselbe „einen aus einer Anzahl Zellen bestehenden rundlichen Korper, der sich von der inneren Zellenschicht losge- lost hat"; er lasst ihn „von der sich entwickelnden Darmfalte mehr und mehr nach der Mitte des Embryo hingeschoben" und hier „in der Querdimension des Embryo zu einem langeren Strang ausgezogen werden, der durch zwei tiefe und eine seichtere Ein- schniirung in vier ungefiihr eiformige Partieen getheilt ist." Jede dieser vier Partieen halt Butschli fur mehrzellig und liisst die- 282 ^ 0. Hertwig, selben zu den spateren Geschleclitsorganen werclen und zwar die aussen liegenden zu den Eierstocken, die inneu liegenden zu den Hoden. Diese Deutungen Biitschli's sind rich tig, seine Be- obachtungen aber unvollstandig. Die zwei grosseu Urgeschlechts- zellen am aboralen Pole der Gastrula sind ihm entgangen, ebenso auch die Thatsache , dass jede der vier Anlagen der Geschiechts- organe wahrend der Entwicklung in der Eihiille nur eine einzige grosse Zelle mit blasclienformigem Kern ist. Sowohl die Figuren von Kowalevsliy, als von Biitschli sind scliematisch gelialten, Der nachste Fortscbritt ira Entwicldungsleben der Sagitta fiihrt zur Bildung des bleibenden Mundes, Wie scbon Kowalevsky ricbtig beobachtet bat, tritt derselbe am aboralen Pole der Larve auf. Hier entstebt eine kleine Einbuchtung des Ektoblasts gerade vis a vis dem blinden Ende des Darmspaltes. Die Grenze zwiscben Ektoblast und Entoblast, die auf dem vorher- gebenden Stadium (Taf. XIV, Fig. 7 u. 8) eine vollkommen scbarfe war, verschwimmt in der Umgebung der Einsenkung (Fig. 9 u. 10 o). Endlicb kommt, indem die Zellen sicb abflacben und aus einander weicben, eine freie Communication zwiscben dem Grund der Mundbucbt und dem Darmspalt (Fig. 12 o) zu Stande. Der letztere offnet sicb daher eine Zeit lang nacb zwei Ricbtungen, 1) nacb Aussen durch den bleibenden Mund und 2) in den nacb dem Urmund zu gelegenen Tbeil des Urdarms. Bis jetzt liatte der Embryo wabrend aller Veranderungen im Grossen und Ganzen die Kugelgestalt beibebalten, von dem Zeit- punkt jedocb , wo der Durcbbrucb des bleibenden Mundes erfolgt ist, beginnt er sicb in auffalliger Weise zu strecken und in im- mer rascberem Tempo in die Lange zu wacbsen , womit eine ent- sprecbende Abnabme in querer und dorsoventraler Ricbtung eiu- ber gebt. Zuniicbst nimmt der Embryo eine ovale Form an (Taf. XIII, Fig. 1), darauf wird er bei fortgesetztem Langenwacbstbum gezwungen sicb zu kriimmen, da eine weitere Streckung durch die Eihullen gehemmt wird (Fig. 3). Die Einkriimmung er- folgt ventral warts, was daraus geschlossen werden kann, dass der Ektoblast auf der concaven Seite viel dicker als auf der convexen ist; sie wird bald so stark, dass der durch den bleibenden Mund deutlich gekennzeicbuete Kopftheil des Embryo mit dem entgegengesetzten Schwanzeude zusammenstosst (Fig. 4). Auf einem noch alteren Stadium schieben sicb beide Enden an- einander vorbei, bis endlich der nun deutlich wurmformig gewor- Die Chaetoguathcn. 283 dene diiime Embryo vor seineui Ausschliipfen in der Eihulle in mehrercn Spiralen zusammcngerollt ist. Uebcr die inneren Veriinderungen, die wiilirend dieser Streckung sich ini Embryo vollzichen, geht Kowalevsky rascli liinweg; er gibt uoch an, dass derGastrula- niund sich friilizeitig scliliesst und dass ini ScliAvauz die niittlere Sc'heidewand cntstcbt, dass er aber ihre Bildung niclit babe be- obachten kininen. Er vermuthet mir, dass die ausseren Blatter der beiden Ealten da, wo das Darmrohr aiifhort, zusammentreten und wciter uach unteu wacbseud die Scheidewand bilden. Im Uebrigen beschrilnkt sich Kowalevsky auf die Bemerkung, dass beim weitereu ^yachsthllm des Embryo keiue wesentliche Veriin- dcrung an seiner Organisation zu bemerken sei. Das ist indessen, wie die weitere Beschreibung zeigen wird, keineswegs der Fall. Beginnen wir mit dem Stadium, wo der Embryo eine ovale Form augenommen hat. In Figur 1, welche einen solchen Embryo vom Riicken gesehen darstellt, hat sich der Urmund (u) ge- schlosseu und es deutet nur uoch eine kleine Einbuchtung am Schwanzende und der Umstand, dass in ihrem Bereich die scharfe Abgrenzung zwischen Ektoblast und Entoblast vermisst wird, den Ort an, wo die Verlothung der Urmuudriinder stattgefunden hat. Ein Theil der Urdarmhohle hat sich immer noch ungetheilt erhal- teu und bildet hinter deu Anlagen der Geschlechtsorgane einen dreieckigen und engen Spaltraum (ud), der in Figur 1 wenig auf- fiillt, weil er nicht auf dem Querschnitt, sondern von der Flache gesehen wird. Die Darmaulage (d) hat sich nach riickwarts verlangert und haben sich hierbei ihre Wanduugen so dicht an einander gelegt, dass das obeu beschriebene und auf Tafel XIV Figur 12 abgebildete spaltformige Lumen verschwundeu ist. Das begrenzende Epithel ist stark abgcflacht, in ihm sind die Contouren der Zellen, welche sich durch Theiluug vervielfaltigt haben, nicht mehr zu unter- scheiden. In Folge dessen erscheint jetzt die Darmau- lage als ein nahezu honiogener und solider Streifen, dessen Querdurchmesser sich im Vergleich zu friiher bedeutend verringert hat. Xur ihr vorderster Abschnitt, der sich zur Kopf- darmhohle entwickelt, gewahrt einen anderen Anblick, er zeigt einen klaffenden Spalt und lasst in seinen Wandungen die Zell- contouren besser erkennen, er ist breiter als der folgeude solide Abschnitt, von dem er sich iiberhaupt ziemlich scharf abgrenzt. Ich vermuthe, dass die Kopfdarmhohle auf eine Einwucheruug des 284 0. Hertwig, Ektoblasts zuruckzufuhren sein wird und dass sicli hieraus die Verschiedenlieit im Bau erklart. Dieselbe Vermuthimg hat auch schon Biitschli (1) ausgesproclien. Ein Beweis wird sich frei- lich schwer beibringen lassen, da ich nicht wiisste, wie man auf dem vorausgegangenen Stadium bei der Gleichartigkeit der Zellen bestimmen will, wo die Zellen vom Ektoblast aulhoren und diejenigen vom Entoblast beginnen. Die Veranderung, welche an den 4 Gesclileclits- z ell en (ug) eingetreten ist, bescbrankt sich allein auf ihr ge- genseitiges Lageverhaltniss. Wahrend sie friiher in der Queraxe des Embryo in einer geraden Linie neben einander gereiht waren, beschreiben sie jetzt, von der Riickenseite aus gesehen, einen Bo- gen, dessen Concavitat dem Kopfende zugewandt ist. Die beiden seitlichen Geschlechtszellen (ug^), welche, wie bereits bemerkt, die Anlagen der Eierstocke vorstellen, sind nach dem Kopfende des Embryo zu vorgeschoben und drangen sich zwischen das parietale (Me^) und das viscerale Blatt (Me^) des Mesoblasts in den Leibes- spalt (c) hinein, wahrend die beiden Anlagen der Hoden (ug^) noch von den Randern der beiden Einfaltungen getragen werden. Auf spateren Stadien pragt sich der Unterschied in der Lage immer scharfer aus, wie Figur 2 und noch besser die seitliche Ansicht Figur 3 erkennen lasst, und dies fiihrt endlich zu dem Resultate, dass die Anlagen der Eierstocke in gerader Richtung vor die An- lagen der Hoden zu liegen kommen. Die 4 Zellen, welche durch ihre auffallend grossen Kerne bei einiger Auf- merksamkeit nicht iibersehen werden konnen, bilden dann die Ecken eines Quadrates (Taf. XIII Fig. 12). Die Ursache zu diesen Lageverschiebungen scheint mir auch hier wie- der in dem Wachsthum der zwei Falten des Entoblasts gegeben zu sein, deren Veranderungen wir jetzt noch nachzutra- gen haben. Dadurch, dass die Darmspalte durch Aneinanderlagerung ihrer Wandungen schwindet, machen die doppelten Falten nunmehr den Eindruck einer einfachen Falte (Taf. XIII Fig. 2) ; dieselbe schiebt sich zur Zeit, wo die Kriimmung des Embryo erfolgt, wie ein Keil zwischen die 4 Geschlechtszellen hinein (Taf. XIII Fig. 11), so dass zuletzt die mittleren von ihnen (ug^) oder die Anlagen der Hoden nach links und rechts auseinander weichen und sich zur Seite lagem. Dann dringt die Falte nach dem Schwanzende zu wel- ter vor und zerlegt die hier noch langere Zeit bestehende Urdarm- hohle (ud) allmahlich in eiue liuke und rechte Hiilfte. Zwischen Die Chaetoftuathcn. 285 'O bciden besteht auf tlem Stacliuiii , wo sicli Kopf mid Scliwanz des ciiigckriiuiiiitcu Embryo ciitgejj;eii\vacliseii , iiur cine klciiie Conimuiiicatioii als Rest dcs friilier einlicitlicheii Ilaums. Bald ist audi dieser Rest gesclnvuiideii uiid die Scheiduwandbildung iu der gauzeii Liinge der Sagitta beendet. Wilhreiid des Ablaut's der bescliriebcueii Erscliehiuugen ver- scliwiiidet im Inneren dcs Korpers, wobei wir immer von der Kopf darmliohle absehen, jede Spur einer Iloliluiig. In derselbeu Weise wie zuerst am Darmspalt werdeii bald darauf auch an den zwei Leibesspalten die Wandungen dicht aufeinandergcpresst: Parietal es und viscerales Blatt des Mesoblasts erzeugen daun gleichsam einen einfachen Mesoblaststreifeu. Hiermit siud die wiclitigsten Veriinderungen vollendet, welche die Sagitta wilbrend des Eilebens erfiilirt. Und so bescbliesse ich denn dieseu Abschnitt, indem ich noch von einem Sagittenembryo, dessen Schwanz am Kopf iu einer Spirale sich vorbeizuscliieben begiunt, die Bilder besclireibe, welche bei einer Seiten- und Rucken- ansicht, sowie auf optischen Durchschnitten entstehen, Man erhalt solche Bilder von den verschiedenen Regionen des Leibes leicht durch Rollen der Eier. Bei einer Seitenansicht ist wenig von der inneren Struc- tur des Embryo wahrzuuehmen ; die Darmanlage und die zwei Mesoblaststreifeu erscheinen, da sie ohne trennende Zwischenriiume in der Axe des Mikroskops dicht hinter einander liegen und sich gegcnseitig vollstiindig deckeu, wie eine einzige, wurstformige Zel- lenmasse, die nach Aussen vom Ektoblast iiberzogen wird (Taf. XIII Eig. 4). Als besonders unterscheidbare Gebilde treten etwas hinter der Mitte des Embryo in der Zellenmasse nur zwei dicht hinter- einander gelagerte grosse blaschenformige Kerne (ug^ u, ug^) und unter ihnen bei etwas tieferer Einstellung zwei weitere ebensolche Kerne hervor, welche den vier Geschlechtszellen angehoren. Viel lehrreicher sind die dorsoventrale Ansicht und die opti- schen Querschniite. Bei dorsoventraler Ansicht (Taf. XIII Fig. 12) sieht man einen schmalen Zellenstreifen (En), die An- lage des Darmkanals, von der Kopfdarinhohle bis zum Schwanz- ende verlaufen und den wurmformigen Korper in eine linke und rechte Halfte zerlegen. Zu beiden Seiten der Darmanlage, die sich nach dem Schwanze zu etwas verschmiilert, erstrecken sich die zwei breiten Mesoblaststreifeu (Me), begreuzt nach Aussen vom 286 0. Hertwig, Ektoblast (Ek). Hat man gerade die Mitte des Embryo vor sich, so werden in den beiden Mesoblaststreifen nocli je 2 liintereiuan- der liegende Geschlechtszellen (ug^ u. ug^) sichtbar. Auf den optischen Querschnitten bietet der Korper eine ovale, in dorsoventraler Richtuug comprimirte Form dar (Fig. 15). Die Darmanlage (En) gleicht dem Durchschnitt einer biconcaven Linse ; in ihr bemerkt man, wenn Essigsaure zum Pra- parate hiuzugefiigt wird, im Ganzen nur 2 Zellkerne, welclie die verdickten Rander einnehmen, wahrend die verdiinnte mittlere Partie iiberall kernlos ist. Die Querschnitte des Mesoblasts (Me) sind zwei Halbkreise, in denen bei Zusatz von Essigsaure 8 — 12 Zellkerne deutlicb werden. Die optischen Querschnitte durch den Korper des Embryo, mogen sie seinem vorderen oder hinteren Ende entnommeu sein, ergeben, wenn wir von Modificationen an zwei Stellen absehen, immer das gleiche Bild. Darmanlage oder Entoblast und die beiden Mesoblaststreifen stellen vollkommen so- lide Zellenmassen vor, welche durch glatte Contouren sowohl von einander als auch vom Ektoblast iiberaus scharf abgegrenzt sind. Besondere Zellen sind in ihnen im frischen Zustande nicht mehr zu unterscheiden und auch bei Zusatz von Essigsaure werden nur die Kerne, nicht aber die Zellcontouren deutlich. Sehr lehrreich fiir das Studium der eigenthtimlichen Veriin- derungen, welche Hand in Hand mit der Streckung des Korpers an dem Mesoblast und der Darmanlage vor sich gegangen sind, ist eine Vergleichung von drei Querschnitten, welche drei verschiedenen Stadien des embryonalen Lebens angehoren (Taf. XIV Fig. 11, Taf. XIII Fig. 13 u. Fig. 15). Namentlich zeigen sie uns in be- merkenswerther Weise, wie allmiihlich im Inneren des Korpers zu- erst der Darmspalt (ds), alsdann die Leibesspalten (c) schwinden und wie mit der Verkleinerung der Zellen durch Theiluug ihre Unterscheidbarkeit immer mehr aufhort. Die Modificationen des Querschnittsbildes, von welchen ich oben sprach, betreffen den Anfang und die Mitte des Korpers. Unmittelbar hinter dem Kopf ist der Ektoblast ventral und lateral etwas verdickt und liefert das Bildungsmaterial, aus welchem sich spater das Bauchgangliou differenzirt. In der Mitte des Korpers sind auf dem optischen Durchschnitt (Taf. XIII Fig. 15 ug^) die Anlagen der Eierstocke oder der Hodeu bei verschieden tiefer Ein- stellung des Mikroskopes zu sehen; mitten im Mesoblast gelegen, sind sie an den grosseu Kernen mit zahlreichen Nucleoli leicht kenntlich. Die ChaGtofrnathen. 287 'e Aiif dem vorliegendcii Stadium ist dcr Kopf des Embryo vom Eumpf scliou dcutlich abgcsctzt. Dor in ilim vcrlaufcudc Anfangs- tlieil des Darms ist wic von Anfang an so auch spiiter mit einem gut siclitbarcn Holilraum vcrsclien und wird von cincr cinfachen Lagc cylindrischer Zelleu ausgekleidet. Er ist dahcr viel breiter als die solide und von links nach rechts stark abgcplattcte Darm- anlage des ilbrigcn Korpers. In den Kopf scndeu ferner die bei- den Mesoblaststreifen des Rumpfes zwei Fortsiltze, die sich nach vom verschmiileni und dabei auseinander weichen, um den breiten Kopfdarm zu umfassen. Sic sind gieidifalls solid und bestehen aus zwci Zellenlagen. Ich liabe daher die Angabe von Biitschli niclit bestiitigen konnen, dass sclion zu der Zcit, wo sich der Em- bryo ebcn zu strccken beginnt, der Mesoblast des Kopfes von dem- jeuigen des Rumpfes abgeschnilrt sei und eine linke und rechte Blase mit weitem Binnenraum bilde, dass ferner aus ihrer hin- teren Wand und der angrenzenden Wand vom Mesoblast des Rumpfes die vordere Querscheidewand zwischen Kopf- und Rumpf- hohle hervorgehe. Ich bezweiflc uicht, dass ein derartiger Process wilhrend der Entwickelung Platz greifen muss, habe ihn aber selbst nicht beobachten konnen, weil schon frilhzeitig die Wandungen des Mesoblasts aufeinander gepresst werdcn. Biitschli scheint eine andere Sagittenart als ich zur Untersnchung benutzt zu ha- ben. Ich mochte dies auch daraus schliessen, dass er die beiden Hiilften der Leibeshohle in seiner Figur 7 noch mit einem weiten Spalt versehen darstellt, wahrend sie bei der von mir untersuch- ten Art ihr Lumen schon verloren hatten. Wenn der Embryo in seiner Entwickluug so weit gediehen ist, ruckt der Zeitpunkt heran, wo er aus den Eihilllen ausschliipft. Er beginnt jetzt, mehrere Tage nach der Ablage des Eies schwache Bewegungen in der Eihaut auszufiihren, was andcutet, dass Mus- kelfasern ausgeschieden worden sind, und so sprengt er allmahlich seine Hiille und bewegt sich nun im Wasser schwimmend fort als ein diinnes ganz durchsichtiges Wiirmchen, welches man in- dessen bei einiger Aufmerksamkeit auch mit unbewaffnetem Auge in kleinen Gefiissen als einen gliiuzenden Streifen erkennen und mit einer Glasrohre aus dem Wasser heraiisfischen kann. Von der Spadella cephaloptera habe ich ebenfalls Larven geziichtet. Dieselben sind kleiner als von der Sagitta bipunctata, aber etwas gedrungener und nicht so durchsichtig, well ihre Zellen mit dem gelblichen Dottermaterial, welches auch die Eier dunkel erscheinen lasst, versehen sind. Zur Uutersuchung empfehlen sie sich daher 288 0. Hertwig, aucli weniger als die anclere Art. Sclion bei ihreni Ausschliipfen besitzeu die I^arven der Spadella cephaloptera wie die erwachse- nen Thicre die Fiiliigkeit, sich an andere Gegenstande festzu- kleben, und gewoliiilich sitzen sie in grosserer Anzahl an den Ob- jecten fest, an welchen die Eier abgelegt und mit Gallertstielen befestigt worden waren. Es wird nimmelir nocli meine Aufgabe sein, 1. den Ban einer eben ausgeschliipften Larve zu besdireiben und 2. die Veriinde- rungen zu verfolgen, welche die frei lierumscliwiramenden Thiere bis zu ihrer Geschlechtsreife erleiden. Die kleinen aus den Eihiillen ausgeschliipften Sagitten, deren eine in Figur 5 auf Tafel IX bei SOfaclier Vergrosserung darge- stellt ist, sind von Anfang an ausserst beweglich und im Verlialt- niss zur Lange sehr diinn. Das stark verjiingte Schwanzende ist von einem schmalen horizontalen Flossensaume umgeben und ebenso sind auch schon die hinteren seitlicben Flossen angelegt, wahrend die vorderen noch fehlen und erst an alteren Larven hervortreten. Die Flossen, die sich im letzten Stadium des Eilebens ent- wickelt haben, sind ohne Betheiliguug des Mesoblasts einzig und allein durch eine flachenhafte Ausbreitung der Ektoblastzellen entstanden. Auch sind in ihnen schon jetzt zarte Flossenfadchen wahrzunehmen, denen hie und da eine langgestreckte Zelle, wohl ihre Bildnerin, angeschmiegt war. Ueber die Oberfliiche der beweglichen Larve ragen an vielen Stellen lange und steife Tastborsten hervor, die rechtwinklig ab- stehen und beim lebenden Thiere bestandig in zittemder Bewe- gung sind. Sie finden sich am Kopf, am Rumpf und sogar auf den schmalen und dtinuen Flossensiiumen. In der vorderen Halfte der Larve ist das Ektoderm ventral verdickt und hat sich in eine tiefere und eine oberflachliche Schicht gesoudert, die man bei Zu- satz von Reagentien und nach Carminfarbung deutlich unterschei- den kann. Die tiefere Schicht wird aus mehreren Lagen kleiner dicht zusammengedriingter Zellen gebildet, deren Kerne sich mit Farbstoflf lebhaft imbibiren. Sie grenzen sich gegen die diinne oberflachliche Schicht grosserer und abgeplatteter Ektodermzellen ziemlich gut ab. In dem kleinzelligen Korper haben wir die Anlage des Bauchganglions vor uns, welches bei der Larve im Unterschied zum ausgewachsenen Thiere relativ gross ist, da es unmittelbar hinter dem Kopf beginnend fast bis zu den Ge- schlechtszellen heranreicht und auch nicht allein die Bauchflache, sondern ebenso die Seitenfliiche einnimmt und uur den Riicken Die Chaetognathcn. 289 fi*ei liisst. Die Anlagc dcs Baucliganglioiis uiiiliiillt (labor fast das gauze Riiinpfsegment. An der Oberflitclie des Kopfes stcllt eine Verdickuiig des Ektoderms die Aiilage des oberen Schkmdgang- lions dar. Beide Ganglieii sind noch reiu zclligc Gcbildc ohne eine nach^Yeisbal•e Ansammlung fibrillarer Nervensubstanz. ^yahrend das Ektoderni gegcn friiber aiiffalligc Diflferenzi- rungcn eingegangen ist, baben sieb die inneren Theile der Larvc nur wemg veriiudert. Sie stelleu zusammen einen diinnen cylin- driscben Strang dar, der uacb binten verjiingt in eine Spitze aus- liiuft und durcb eine glatte Contour ilberall baarscbarf vom Ekto- derm getrennt wird. Der cylindriscbe Strang ist, wie beim Em- bryo, noch durcb und durcb solid obne Spur einer Darm- und eincr Leibesboble. Der Darni, welcber zwar im Kopf niit einer Hob- lung beginnt, verscbmiilert sicb bei seinem Eintritt in den Rumpf unter Verlust seines Lumen zu eineni soliden Band, welcbes bis in die Mitte des Korpers, wo die vier Gescblecbtszellen mit ibren grossen blascbenformigen Kernen im Mesoderm eingescblossen sind, ein und denselben Querdurcbmesser aufweist, von bier an aber zu einer ganz diinnen Scbeidewand wird, welcbe das zugespitzte Scbwanzende balbirt. Bei der freigewordeuen Larve bat also die Darmanlage im Vergleicb zu den friibereu Entwicklungsstadien, wo sie die ganze Lange des Embryo gleicbmiissig durcbsetzte, eine Sonderung in 2 Abscbnitte erfabren, in einen vorderen, bis zu den Gescblecbtszellen reicbenden Abscbnitt, der allein zum bleibenden Darm wird, und in einen binteren verdlinnten Abscbnitt, w^elcber in die Bildung des Scbwanzseptum mit eingebt. Icb bin bier zu einem anderen Resultat gekommen, als Ko- walevsky erwartet bat, wenn er annimmt, dass das linke und recbte Darmfaserblatt nacb binten weiter wacbsen und das Septum erzeugen obne Betbeiligung des Darms, welcber friiber aufliore. Nacb meinen Beobacbtungen entbalten die Embryonen und Larven der Sagitten — icb bebe es nocb einmal bervor — aucb im spa- teren Scbwanzsegment eine Darmanlage ; wabrend aber spater der Rumpfdarm ein Lumen erbiilt und in Function tritt, bleibt der Schwanzdarm gescblossen und bildet sicb zuriick, indem er mit den angrenzenden visceralen Blattem des Mesoblast zum Septum wird. Es erinnert dies an Vorkommnisse bei den Embryonen der Wirbeltbiere, wo ebenfalls ein iiber den After binaus sicb verlan- gernder und in den Scbwanz eindringender Abscbnitt des Darms angelegt wird, um dann spater vollkommen zu atropbiren. Wie und zu welcber Zeit bei den Sagitten der After als Neubildung Bd. XIV. N. F. Vn, 2. 1^9 290 0. Hertwig, entsteht, ist mir bei der Kleinheit der Zellen und der ausser- ordentlich zarten Beschaffenheit aller Theile verborgen geblieben. Die eiiizige Verituderung, welchc am Mesoljlast erfolgt ist, betriiil die Ausscheidung von Muskelfasern , welclie an den Lar- ven nanientlich bei Essigsaurezusatz deutlich werden und vier Bander auf der Oberflache des cylindrischen Binnenkorpers bil- den. Jedes Band setzt sich aus eiuer einfacheu Lage qiierge- streifter sehr zarter Fibrilleu zusammen. Kowalevsky, indem er gleiche Beobachtuugcn mittheilt, bemcrkt, man konne bei den Sagitten „mit Yollstiindiger Siclierlieit annehnien, dass die Mus- keln aus dem iiusseren Theile der Zellen des unteren Blattes ent- stehen, da die Grenzlinie der urspriiuglichen zwei Blatter wah- rend der ganzen Entwicklung scharf und deutlich ausgepriigt sei." Mir scheinen die Bilder nicht so beweiskriiftig zu sein; wenn auch die beiden Zellenschichteu von einander jeder Zeit gut abgegrenzt sind, so babe ich doch kein sicheres Criterium finden konnen, urn zu entscheiden, ob von dem Ektoblast oder dem Mesoblast die zwischen beiden gelegenen Muskelfibrillen ausgeschieden worden sind. Viel beweiskraftiger scheint mir hier die histologische Un- tersuchung der ausgebildeten Muskulatur zu sein; hier weisen verschiedene Punkte, die schon im anatomischen Theile geltend gemacht worden sind, auf einen mesodermalen Ursprung hin und bestatigen so die von Kowalevsky geausserte Vermuthuug. Um in den Bau der ausgeschliipften Larven noch weiter ein- zudringen, habe ich durch dieselben Querschnitte angefertigt, nachdem ich sie 5 Minuten mit Osmiumsiiure behandelt, in Bea- le'schen-Carmin gefarbt, mit Alcohol gehiirtet und in einem Ge- misch von Wachs und Oel eingeschlossen hatte. Zwei Querschnitte, welche aus einer Serie in den Figuren 16 und 17 auf Tafel XIII abgebildet worden sind und von welchen der eine (Fig. 16) durch . den vorderen Theil des Rumpfes, der andere (Fig. 17) durch das Schwanzende der Larve hindurchgelegt worden ist, liefern uns gleichfalls eine Bestixtigung der schon oben gegebenen Darstellung und iihneln den optischen Durchschnitteu durch einen noch in den Eihiillen zusammengerollten Embryo. Die vier Gruppen von Kornern zwischen Ektoblast und Mesoblast sind die querdurch- schnittenen ]\Iuskelfibrillen. Der Mesoblast besteht aus zwei La- gen von Zellen, von welchen eine an die Muskelbiinder und eine an die Darmanlage augrenzt (Hautfaserblatt und Darmfaserblatt). In der Darmanlage sind nur zwei Kerne zu seheu, Avahrend die Zellgrenzen sich nicht markiren. Die Verdickung des Ektoderms Die Chaetogualhen. 291 ill Figiir 16 ist die Anlage des Baucligaiij^lions. Eiii grosser Theil der Zellen ist noch iiiit den durclisiclitigen DotterkiU-nern crfiillt. Nacli deiii Ausscliliipfeii liabe ich die Larveii nocli 10 Tage ill lueiiieii Gliisern am Leben erlialteii uiul wiilireud dieses Zeit- rauiiis folgeiide Veraiidcruugeii an ilineii eiiitreten selieii. Durch vieltaltige Tlieilungen werdeii die Zellen ausserordentlich klein, so dass ihre Coutoiiren niclit walirzimelinien sind. Indeni liierbei die Larvc an Liinge iind I^reite zimimmt, werden im Iimeru des Kiirpers die Ilolilraiinie nielir und niehr deiitlicli. Der Darra ist jetzt eiu diiuuer von sehr kleinen Zellen bcgreuzter Schlauch; links imd reclits von ihm ersclieinen die Leibesspalten, mit deren Auftreten zugieich audi das vordere und hiutere Querseptum zu erkennen ist. Walirsclieinlich entwickeln sicli dieselben durcli Fal- tenbildung und Versclimelzung des parietaleu und visceralen Blat- tes des Mesoblasts. Die vier Gesclilechtszellen haben sich noch ininicr ungetlieilt erlialten uud sind mit dem Auftreten der Rumpf- uud Scliwanzhohle an die Seitenwand des Korpers geriickt, wel- clier sie breit aufsitzen, ^Yallrend sie nacli Inuen halbkuglig vor- spriugen und hier von diinnen endothelartig abgeplatteten Zellen bedeckt werden. Die weibliclien Gesclilechtszellen sind unmittel- bar vor dem Querseptum, die miinnlichen unmittelbar hinter dcmselbeu gelegen (Taf. XIII Fig. 14). Im Inneren des Kopfes haben sich die Hauptmuskelgruppen diffcrenzirt, zu seinen beiden Seiten sind die Greifhaken als diinne gebogene Borsten und auf der oberen Flache der Epidermis die Augen als zwei kleine schwarz pigraentirte Flecken wahrzunehmen. Die Veranderungeu , die noch weiterhin bis zur Geschlechts- reife eintreten, kann man leicht verfolgen, da man im pelagi- schen Auftrieb jederzeit neben ausgewachsenen Exemplaren von Sagitta bipimctata, serratodentata und hexaptera auch Jugendfor- men jeden Alters erhalt. Die Veranderungeu betreffen hauptsach- lich zwei Organe, 1) das Bauchganglion und 2) die Geschlechts- organe. Das Bauchganglion bleibt von jetzt ab in seinem Wachsthum hinter andern Theilen sehr zuriick. Wahrend es beim Abschluss der embryonalen Periode fast die halbe Liinge der Larve erreichte, ist es bei mittelgrossen Thieren schon bedeutend kleiner als das stark gewachsene Rumpfsegmeut, welches sich nach vorn und hin- ten weiter ausdehnt, und ebenso bedeckt es auch die Seitenfliiche des Rumpfes nur etwa zur Hiilfte, wie Figur 9 auf Tafel X zeigt. Bei erwachsenen Thieren endlich ist es ganz auf die Bauchflache 19* 292 0. Hertwig, beschraiikt, wo es einen kleinen Knoten in der Epidermis her- vorruft. Die histologische Differenzirung des Ganglions erfolgt in der Weise, dass fibrilliire Nervensubstanz von den nrspriinglich gleicliartigen kleinen Zellen der Anlage in einem ventral und auf der Muskulatur gelegenen Streifen ausgeschieden wird, welcher sich allmahlich verdickt und die Ganglienzellen vollkommen in zwei laterale Massen trennt. Was endlich noch die Weiterentwicklung der vier Geschlechts- zellen betrifft, so entstehen aus ihnen durch fortgesetzte Theilun- gen vielzellige, stetig sich vergrossernde Anlagen; dieselben er- scbeinen an gefarbten Objecten als schmale, starker imbibirte, relativ grosskernige Zellenstreifen , welche unmittelbar vor und hinter dem Querseptum die Seitenwand des Korpers einnehmen und auch auf die vordere und hintere Flache des Septum eine Strecke weit unibiegen. Aehnlicbe Beobachtungen haben schon frtiher Leu ck art und Pagenstecher in ihren gemeinsamen Untersucbungen der Sagitta germanica mitgetheilt. Anfangs in ihrer Entwicklung ganz gleichartig schlagen spater die weiblichen und mannlicben Gescblecbtsdriisen eine divergente Entwicklungs- richtung ein. Die Hodenanlagen zerfallen in Gruppen zusammengehoriger Zellen. Indem die ovalen Kerne derselben nach einem gemeinsa- men Mittelpunkt gericbtet sind, bedingen sie bei Betrachtung des Keimepitbels von der Flache sternformige Figuren, von welchen Figur 19 auf Tafel XII eine Vorstellung gibt. Nacb der Schwanz- holile zu werden die Keimzellen, wie Durcbschnitte durch ein etwas alteres Stadium lehren (Taf. X, Fig. 4 u. 13 ho), noch von diinnen abgeplatteten Endothelzellen iiberzogen. Von dem so beschaffenen Keimlager losen sich von Zeit zu Zeit Zellhaufen ab und fallen in die Schwanzhohle , wo sie durch den Flimmertiber- zug der Wandungen in einer regelmiissigen circulirenden Bewe- gung erhalten und allmahlich in einer nicht naher von mir ver- folgten Weise in Btindel von Spermatozoen umgebildet werden. Auch beim geschlechtsreifen Thier bleibt iibrigens das Keimlager des Hodens bestehen und liefert fort und fort neuen Ersatz fiir die verbrauchten Samenfaden. Erheblichere Umwandlungen erfahren die weiblichen Ge- schlechtsanlagen. Aus den flachen Zellenstreifen werden durch Vermehrung und Wachsthum der Zellen solide Cylinder, welche mit einer Seite dem Seitenfeld des Rumpfes aufsitzen, im Uebri- gen in die Leibeshohle frei hineinragen (Taf. X, Fig. 16). An der Die Chaotoguatlien. 293 Anheftuiigsstelle besitzt der Cylinder klcinc Zelleii, das Keinila- ger, danii folgen grosserc Zcllcu niit Kciiiiblilsdicii , die juiigen Eier; die Oberflachc wird von endotliclartig abgcplattctcn Zellen iiberzogcu. Spiiter lost sich der C3linder von der Kcirperwan- (Inng nielir und nielir ab imd bleibt nur noch durcli ein diinnes kurzes Mesentcriuni , in welclicm audi der Oviduct vcrliiuft, mit ilir vcrbundcn. Die Anlage der Oviducte babe icb nicht verfol- gen konuen , vermutbe abcr , dass sic sich durcli Einstiilpung aus deni Ektodenn entwickelu und allmahlich mit dem Ovarium in die liingc auswacbsen. Allgemeiner Theil. Ueber die Stellung der Chaetognathen zur Blattertheorie. Bei der Erorterimg allgeiiieinerer Fragen, welche mit der Blattertheorie zusammeiiliaiigeii, crweisen sich uns die Chaetogna- then als sehr lehrreichc Organismen und bieten uns zugleich ver- schiedene Vortheile dar. Denu einmal enthiilt ihre Morphologie uur wenig imaufgeklarte Punkte, so dass wir die Chaetognathen schon seit den Arbeiten von Krohn und Kowalevsky mit zu den bestgekauntcn Organismen reclmen konnen; ihre Anatomie und Histologic stosst auf keine grosseren technischen Schwierig- keiten, in ihrer Entwickelung spielen sich alle Vorgange mit einer Klarheit ab, welche bei der Deutung fundamental wichtiger Er- scheinungen keinen Zweifel aufkommen lasst. Zweitens erhalten sich bei den Chaetognathen die Blatter, aus welchen sich der em- bryonale Korper aufbaut, in volliger Selbstandigkeit auch beim erwachsenen Thier und veriindern uur ihren histologischen Cha- rakter, indem die bei den Embryonen gleichartigen Zellen sich spater in die verschiedensten Gewebe zur Ausiibung zahlreicher Functionen sondern. Fast ftir jedes Organ und Gewebe konnen wir bei den Chaetognathen mit einer Sicherheit, wie bei keinem anderen hoheren Organismus angeben, aus welchem Keimblatt es sich cntwickelt hat. Es kommt eben bei ihnen zu keiner gegen- seitigen Durchwachsung der Keimblatter, zu keiner Abspaltung von Zellgruppeu, welche bei anderen Thieren so haufig die Frage nach der Abstammung der Organe und Gewebe ausserordentlich er- schwert. Drittens ist es fiir die hier zu losende Aufgabe von nicht geringer Bedeutung, dass die Chaetognathen in ihrer Organisation sowohl nach abwarts an die Coelenteraten, als auch nach aufwarts an die hoheren Thiere, speciell an einzelne Abtheilungen der Wiirmer Ankntipfungspunkte darbieten. In Folge dessen stehen die bei ihnen beobachteten Thatsachen nicht isolirt da, sondern erhalten in ihrem Zusammenhang mit ahnlichen auch anderswo wiederkehrenden Erscheiuuugen eine allgemeinere Bedeutung. Die Chaetosnatliou. 295 'o Nach diesen Vorbemcrkungen glaube ich die Stellung, welclie die Chaetoguatheii zur Blilttertlicorie einnelimeii, am besten klar legeu zii koiinen, wenn icli einzelne wiclitige Verhilltiiisse aiis ilirem Bail und ilirer Entwicklimg herausgreife, iiiit illinliclieii Vcrhalt- iiisseu iiiederer uud holierer Thicre zii verkuiipfcu suche uud aus dem Vergleich das Endergebuiss ziehe. 1. Die Chaetognathen und die Coelenteraten. Vou den eiuzeluen Abtlieilungen der Coelenteraten zeigen die Actinien in der Entwicklung und Abstammung ibrer Organe und Ge\Yebe auffiillige Beziebungeu zu den Chaetognathen und miichte ich hier namentlich auf folgende zwei Punlde die Aufmerksamkeit lenken: 1. auf die Divertikelbildungen des Urdarms und 2. auf die Bedeutung derselben in fuuctioneller und histologischer Be- ziehung. Was den ersten Punkt betrifft, so ^YahIe ich zum Vergleich das friihe Entwicklungsstadiura, wo bei den Sagitten der Urdanu, welcher nach der Gastraeatheorie eine alien Metazoen gemeinsanie Einrichtung darstellt, durch zwei Falten an seinem Grunde in drei Ptiiume abgetheilt oder mit andern Worteu mit zwei seitlichen Divertikeln versehen ist. Es erinuert dies im Allgemeinen an die Divertikelbildungen, welche der Urdarm bei den Coelenteraten in der verschiedensten Weise eingeht, besonders aber an die Verhiilt- nisse der Actinien, wo der Binnenraum des Korpers durch Scheide- wiinde zum Theil in zahlreiche Nebenfacher abgetheilt ist. Ein Septum der Actinien und eine Entoblastfalte der Sagitten sind vergleichbare Bildungen, da sich beide nach demselben Princip in den Urdarm hinein entwickeln und eine Vergrosserung seiner Ober- flache bewirken. Verschieden ist nur die Anordnung der Septen und der Grad, bis zu welchem die Faltenbildung fortschreitet. Bei den Actinien werden iiusserst zahlreiche Septen entwickelt, welche in radiilrer Richtung um die Axe des Urdarms gruppirt sind, bei den Chaetognathen dagegen sind nur ihrer zwei vorhan- deu und diese nehmen eine bilateral symmetrische Stellung ein. Dort ragen die Septen dauernd mit freieu Randern in den Urdarm hinein, hier schreitet die Faltenbildung so lange welter fort, bis schliesslich die zwei seitlichen Divertikel ihren Zusammenhang mit dem urspiiinglichen Centralraum ganz aufgegeben und sich zu zwei geschlossenen Sacken abgeschniirt haben. Der Urdarm, der bei den Coelenteraten als soldier, wenn auch mannichfach geglie- dert, uberall fortbesteheu bleibt, hat bei den Chaetognathen zu 296 0. Hertwig, existiren aufgehort unci ist in 3 Kaume zerfallen, welclie wir nun als bleibenden oder secundaren Darm und als die beiden Leibes- hohlen unterscheiden ; Zustande, die dort schon angebahnt worden sind, selien wir hier gewissermaassen nur zu eiuem weiteren Ab- schluss geflihrt. Hiermit tritt der sonst unverstaudlich erscbei- nende Bildungsmodus der Leibesboble und des secundaren Darms bei den Chaetognathen unserem Verstandniss naher, weil er sich an urspriinglicbere und einfacbere Einricbtungen anreiben und von ibnen ableiten lilsst. Der hier versucbte Vergleich gewinnt eine nocb grossere Trag- weite, wenn wir zur Erorterung des zweiten Punktes tibergehen und vergleicben, welcbe Bedeutung die Urdarmdivertikel in func- tioneller und bistologischer Beziebung bei den Actinien und Chae- tognathen besitzen. Die Uebereinstimmungen sind wieder in ho- hem Grade bemerkenswerth ; in dem einen wie in dem andern Falle namlich entwickeln sich aus dem Blatte, welches die Wan- dungen der Divertikel bildet, 1. die Geschlechtsorgane und 2. die Korpermuskulatur. Die Actinien gehoren zu der grossen Abtheilung der Coelen- teraten, welche mein Bruder und ich wegen des entodermalen Ur- sprungs ihrer Geschlechtsorgane als Entocarpe von all^ iibrigen Coelenteraten oder den Ektocarpen getrennt haben. Bei den En- tocarpen entwickeln sich Ovarien und Hoden aus dem Entoderm, sie ragen in die Nebenrilume des Urdarms hinein, wo sie direct von der erniihrenden Fliissigkeit umspiilt sind, und werden bei der Reife in dieselben entleert, wahreud sic bei den Ektocarpen in das umgebende Wasser direct gerathen. Die Urdarmdivertikel haben also bei den Actinien, wie iiberhaupt bei den entocarpen Coelen- teraten in erster Linie nicht der Nahrungsaufnahrae zu dieneu, sondern sie haben eine besondere Nebenfunction zu erfiillen, indem sie die Entwicklung und Berguug der Geschlechtsorgane tibernom- men haben. Ganz analoge Verhaltnisse haben wir bei den Chaetognathen beobachtet. Bei diesen sind die entwicklungsgeschichtlichen Ver- haltnisse so klar, dass an der Abstamniung der Geschlechtspro- ducte aus dem Entoblast nicht gezweifelt werden kann. Ovarium und Hoden eincr jeden Seite lassen sich auf eine einzige entobla- stische Urgeschlechtszelle am Grunde des Urdarms zuruckverfolgen, womit auch hier schlagend bewiesen ist, dass eine sexuelle Diffe- renzirung der beiden Keimblatter in ein milnnliches und weibliches 'D Keimblatt sicher nicht vorhanden ist. Die Chaetoguathen. 297 'o Wie bei cleu Actinien kommen audi bei den Chactognathen die Geschlechtsorgane spiltcr in die Scitcndivertikel des Urdanns und endlicli in die zwci Leibesliolden zu liegcn, welche so gleicli- falls die Function von Gcnitalbeliiiltern iibernelnnen. Besonders niaclit sich dieses am Sclnvanzsegment geltend, welches beini er- ^Yachsencn Tliierc gewolmlich vollstiindig von Hodenmasse erfullt ^Yird. Einen weitercn Vergleichspunkt gibt die Muskulatur ab. Wie bei den Actinien der wichtigste Theil dcrselben, welcher die iibcraus kriiftigen Contractionen des Korpers bedingt, aus ento- dernialen Epitlielmuskelzellen besteht, so stammt auch bei den Chaetognatlien die gesanimte Muskulatur durch Vermittelung des Mesoblasts aus dem Epithel des Urdarms. Die gleicbartige Ent- stehung priigt sich dann auch in der histologischeu Anorduung und dem feineren Bau aus. Von einer Epithelschicht werden Mus- kelfasern ausgeschieden. Indem die so entstandene Faserlamelle sich miich tiger entwickelt, faltet sie sich ein und erzeugt Muskel- bliitter, die parallel zu einander und senkrecht zur Korperober- flilche gestellt imd in deren schmalen Interstitien Muskelkorperchen eingeschlosseu sind. Ob die gleiche Abstammung der Muskulatur auch zu einer iihnlichen, davon abhiingigen Anordnuug des Nerveusystems bei den Chaetognathen und Actinien geftihrt hat, habe ich, wie schon ti-iiher bemerkt, nicht mit der wiinschenswerthen Sicherheit ent- scheiden kounen. Bei den Actinien gelang es, einen Nervenplexus an der Korperoberflilche, der besonders nur mit Sinneszelleu in Verbinduug steht, und noch einen zweiten Plexus nachzuweisen, der sich zwischen den entodermalen Epithelmuskelzellen ausbreitet und seiner Lage nach naturgemass nur aus Entodermzellen abge- leitet werden kann. Auch fiir die Chaetognathen glaube ich aus schon friiher erorterten Griinden annehmen zu diirfen, dass ihr Nervensystem in einen ektodermalen, aus dem Ektoblast entstehen- den sensiblen Abschnitt und in einen mesodermalen, auf den En- toblast zuruckfuhrbaren motorischen Abschnitt zerfiillt. Wenn wir jetzt die vergiichenen Punkte noch einmal kurz zusammenfassen, so geht bei den Actinien und Chaetognathen das innere Keimblatt in sehr iibereinstimmender Weise eine Reihe ana- loger Veranderungen ein; bei beiden entstehen durch Faltenbil- dung Divertikel des Urdarms, bei beiden liefern die Wandungen der Divertikel die Korpermuskulatur und die Geschlechtsorgane. Der Darm und die Leibeshohle der Chaetognathen zusammen ent- 298 0. Hertwig, spreclien dem Hohlraumsystem im Korper der Actinien, welches Leu ck art als ein Coelenteron nicht mit Unrecht bezeiclmet hat. Alls alien diesen Aualogieeu beabsichtige ich indessen, was kaum besonders bemerkt zu werden braucht, in keiuer Weise eine niihere Verwandtschaft der verglichenen Thierabtheilungeu walir- scheiulich zu machen. Denu es gibt in der Entwicklung des Organis- raus gewisse Grundgesetze, uach welchen die Anlage der Gewebe und Orgaue erfolgt, aus deren Nachweis bei verschiedenen Thiereu aber nicht auf eine nahere Verwandtschaft geschlossen werden muss, ebenso wenig wie man aus der Gleichheit eines Zelltheilungs- prozesses solches thun wird. In den vorliegenden Studien zur Bliittertheorie ist es aber unsere Aufgabe, die Gesetze der Orgau- und Gewebebildung durch Vergleichung aufklaren zu helfen. 2. Die Chaetognathen und die Wiirmer. Mit den verschiedenen Abtheilungen der Wiirmer verglichen zeigen die Chaetognathen in ihrer Form und ihrem auatomischen Bau noch am meisten eine Uebereinstimmung mit den Nematoden und Anneliden, wie dies ja auch von zahlreichen Forschern schon bemerkt worden ist. Um nur die wichtigsten Beziehungen hervor- zuheben, so ist bei manchen Nematoden (Gordiaceen) der Darm- kanal durch ein dorsales und ventrales Mesenterium an den Haut- muskelschlauch befestigt. Dieser enthalt gleichfalls meistens 4 Langsmuskelbiinder. An denselben liegen die Muskelkorperchen auf der inneren Seite und begreuzen die Leibeshohle. Ferner sind hie und da die Muskeln in ahnlicher Weise wie bei Sagitta Flatten, die senkrecht zur Korperoberfliiche gestellt sind, und aus parallel angeordneten Fibrillen besteheu. Noch auffalliger scheinen mir die Beziehungen zu den Anne- liden zu sein. Dieselben treten sehr deutlich hervor, wenn man den Querschnitt durch eine Sagitta mit dem Querschnitt durch eine schon altere Larve des sehr einfach organisirten Polygordius vergleicht, wobei ich auf die von Hatschek^) gelieferten Abbil- dungen (Taf. VIII Fig. 88 u. 89) verweise. Hier wie dort ist der Darm von einem Darmfaserblatt umhiillt und dorsal und ventral an die Leibeswand durch Mesenterien befestigt, durch welche das Coelom vollstiindig in eine linke und rechte Hiilfte geschieden wird. In beiden Fallen sind 4 Langsmuskelbiinder vorhandeu. 1) B. Hatschek, Studien liber Entwickelungsgeschichte der An- nelideu. Arbeiten des zoolog. Instituts zu AVien. Bd. I. Heft 3. Die Cbaetoguathen. 299 welclic ihrc Bildungszcllen auf der Coelomscitc trcagen. Mit Spa- della cepbaloptera zeigt sich sogar dariu eine Uebereinstimnmng, dass sich ausserdem nocb auf der Innciiseite der veutralen Mus- kelbiinder qiiere Muskelfasern ciitwickelt babcii. Auch im feinc- ren Bau der Muskiilatiir bieteii sich Vergleichspuukte dar. Bei vielen Arten von Amieliden siud sogeuannte gcfiederte Muskeln beschrieben ^Yordeu, welche vollkommeu den Muskelplatten der Chaetognatben entsprcchen. Ferner lassen sich die 2 Quersepten der Chaetognatben, wie zuerst Butschli (1) gethan hat, den zahlreichen Quersepten vergleichen, auf welchen die Segmentirung des Annelidenkorpers beruht. Endlich ist hervorzuheben, dass die Gesclilechtsproducte bier wie dort aus Zellen des parietalen Blat- tes des Mesoderms entstehen. Es wiire nun zu entscheiden, ob die hervorgebobenen Ueber- einstimmungen im Bau der Chaetognatben und einzelner Abtbei- lungen der Wiirmer auf eiuer Analogic oder auf einer Homologie beruhen. Nur in letzterem Falle ware eine nabere Verwandtschaft der Chaetognatben, sei es zu den Nematoden, sei es zu den Anue- liden anzunehmen. Der Entscheid kann bier allein von der Ent- wicklungsgeschichte gegeben Averden und er hangt davon ab, wie wir uns bei den zum Vergleich herangezogeuen Abtheilungen der Wiirmer das mittlere Keimblatt und die Leibeshohle entstanden zu denken haben. Die zu beantwortende Frage lautet kurz : Hat sich das mittlere Keimblatt durch Faltenbildung oder durch Ab- sonderung von Zellen angelegt; ist die Leibeshohle durch Sonde- rung aus dem Urdarm oder durch Spaltenbildung entwickelt wor- den, ist sie, urn die von Huxley eingefuhrte Terminologie zu ge- brauchen, ein Enterocoel oder ein Schizocoel? Es sind dies Fra- gen, welche nicht allein bei der Priifung der systematischen Stel- lung der Chaetognatben, sondern tiberhaupt bei der Prtifung der systematischen Stellung der verschiedenen Thierstamme und Ab- theilungen und bei der Priifung der Gnmdlagen ihres moi-pholo- gischen Aufl3aues mehr in den Vordergrund der Discussion ge- stellt werden miissen. Ehe hieriiber nicht voile Klarheit verbreitet ist, entbehren die Speculationen iiber die Stellung der Chaetogna- tben zu den Wurmeru des Haltes. 300 O. Hertwig, Literatiirvei'zeichiiiss. 1. Butschli, 0., Zur Entwicklungsgeschichte der Sagitta. Zeit- schrift f. wissenschaftl. Zoologie. Bd. 23. p. 409—413. 1873. 2. Derselbe. Zur Entwicklungsgeschichte des Cucullanus ele- gaus. Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie. Bd. 26. p. 108 — 110. 3. Derselbe. Untersuchungen iiber freilebende Nematoden und die Gattuug Chaetonotus. Zeitschr. f, wissenschaftl. Zool. Bd. 26. p. 393 u. 394 Anmerk. 1876. 4. Burmeister, H., Zoonomische Briefe. Theil 2. 1856. p. 124. 5. Bus eh, W., Beobachtungen iiber Anatomie und Entwicke- lung einiger wirbellosen Seethiere. p. 93 — 100. Berlin 1851. 6. Busk, G., An account of the structure and relations of Sa- gitta bipunctata. Quart, journ. of microsc. Science Vol. 4. p. 14 — 27. 1856. 7. Claparede, Ed., Beobachtungen iiber Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte wirbelloser Thiere an der Kiiste von Normandie angestellt. p. 9 u. 10. Leipzig 1863. 8. Glaus, C., Grundziige der Zoologie. 4te Auflage. 1879. 9. Darwin, Ch., Observations on the structure and propaga- tion of the genus Sagitta. The annals and magazine of natural hi- story. Vol. Xni. p. 1 — 6. London 1844. Frorieps IS'eue Notizen. 1844. Nr. 639. p. 3. u. Annales des sciences natur. Ser. Ill T. L 1844. 10. Eydoux u. Souleyet. Voyage autour du monde execute pendant les anne'es 1836 u. 1873 sur la corvette Bonite. Zoologie. T. II p. 645—657. Atlas. Vers. PL L Paris 1852. 11. Fol, Ilecherches sur la fecondation et le commencement de I'henogenie chez divers animaux. Memoires de la Societe de physi- que et d'histoire naturelle de Geneve. T. XXVI. Geneve 1879. Separatausgabe p. 35 — 38. p. 109 — 112. p. 193—197. Die Chaetognathen. 301 12. Forbes, E., L'Institut. Journal uuiversel des sciences et des societ«'s savantes en France et a I'etranger. 1 section. T. XI. 1843. p. 368 uud Annals of natur. Hist. 1843. 13. Gegenbaur, Grundziige der vergleichenden Anatomic. 1859 u. Zweite AiiH. 1870. 14. Gegenbaur, C, TJeber die Entwicklung von Doliolum, der Scheibenquallen und von Sagitta. Zeitschrift f. wassenscliaftl. Zoologie. Bd. V p. 13—16. 1854. 15. Gegenbaur, C, Ueber die Entwickelung der Sagitta. Ab- handlungen der naturforschenden Gesellschaft in Halle. Halle 1856. Als Separatabdruck erschienen mit der Jahreszahl 1857. In das Eng- lische iibersetzt in Quarterly Journal of raicroscop. science. VII. p. 47. 16. Giard, A. et J. Barrois, Note sur un chaetosoma et une Sagitta, sui^ne de quelques reflexions sur la convergence des types par la vie pelagique. Eevue des sciences iiaturelles. Tome III. 1875. 17. Harting, P., Leerboek van de Grondbegiuseln der dier- kunde, "Wormen. p. 616 — 621. 18. Hertwig, Oscar, Beitrage zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. Dritter Theil. Morph. Jahrbuch. Bd. IV. p. 188—190. Leipzig 1878. 19. Hertwig, Oscar, Ueber die Entwickelungsgeschichte der Sagitten. Sitzungsberichte der Jenaischen Gesellschaft fiir Medicin u. Naturwissenschaft. Jahrg. 1880. Sitzung vom 23. Januar. 20. Huxley, Grundziige der Anatomic der wirbellosen Thiere. Deutsche Ausgabe von Spengel. 1878. p. 559 — 563 u. 599. 21. Huxlej', Eeport of the twenty — first meeting of the bri- tish Association, held at Ipswich 1851. Notices and abstracts of mis- cellaneous communications to the sections, p. 77 — 78. London 1852. 22. Dcrsclbe, L'Institut 1851. p. 375. 23. Keferstein, Untersuchungen iiber uiedere Secthiere. Zeit- schrift f. wissensch. Zoologie. Bd. XII, p. 129. 24. Kent, S., On a new species of Sagitta from the south pa- cific (S. tricuspidata). The annals and magazine of natural history. 4tc Serie. Vol. V. 1870. p. 268—272. 25. Kowalevsky, Phoronis. Doctor - Dissertation. 1867. (russisch). 26. Kowalevsky, A., Entwickelungsgeschichtc der Sagitta. Memoires de I'Academie imperiale des sciences de St. Petersbourg Vlle serie. Tome XVL No. 12. p. 7 — 12. Petersbourg. 1871. 27. Krohn, August, Anatomisch physiologische Beobachtun- gen iiber die Sagitta bipunctata. Hamburg. 1844. Uebersetzt in Annales des sciences natur. 1845. 302 0, Hertwig, 28. Derselbe, Ueber einige niedere Thiere. Archiv f. Anat., Physiol, u. wissensch. Med. Berliu 1853. p. 140 — 141. 29. Derselbe. Nachtragliche Bemerkungen liber den Bau der Gattung Sagitta, nebst der Beschreibung einiger neuen Arten. Archiv f. Naturgeschichte. Jahrg. 19. Bd. I. p. 266 — 277, Berlin 1853. 30. Langerhaus. Das Nervensystem der Chaetognathen. Mo- natsbericht der konigl. Academie der Wissenschaften zu Berlin 14. Marz 1878. p. 189 — 193. 31. Leuckart, R. , Zoologische Untersuchungen, Heft III. p. 3. Giessen 1854. 32. Derselbe, Archiv f. Naturgeschichte. 1854, 1856, 1857, 1859, 1860. Bd. II. Jahresbericht. 33. Derselbe, Ueber die Morphologie und Verwandtschafts- verhaltnisse der wirbellosen Thiere. Braunschweig 1848. p. 76. 34. Leuckart u. Pagenstecher, Untersuchungen liber nie- dere Seethiere. Archiv f. Anat., Physiol, u. wissenschaftl. Med. Berlin 1858. p. 593—600. 35. Lewes, Naturstudien. 1859. p. 243. Tafel V Fig. 1. 36. Leydig, Franz, Vom Bau des thierischen Kiirpers. p. 131 u. 134. Tubingen 1864. 37. Meissner, G., Zeitschrift fiir rationelle Medicin. Dritte Peihe. Bd. I. 1857. Bericht iiber die Fortschritte der Anatomie u. Physiologie im Jahre 1856. p. 637—640. 37*). Milne Edwards, Annales des sciences nat. 3e serie. T. m. p. 114. 1845. 38. M obi us K., Vermes. Zoologische Ergebnisse der Nordsee- fahrt vom 21. Juli bis 9. September 1872. Separatabdruck aus dem II. Jahresbericht der Kommission zur Untersuchung der deutschen Meere in Kiel. Berlin 1874. p. 158—159. 39. Miiller, Joh., Fortsetzung des Berichtes liber einige neue Thierformen der Nordsee. Archiv f. Anat., Physiol, u. wissenschaftl. Med. 1847. p. 158. 40. Orsted, A. S., Beitrag zur Beantwortung der Frage, wel- chen Platz die Gattung Sagitta im Systeme einnehmen mlisse. Fro- rieps Tagesberichte liber die Fortschritte der Natur- u. Heilkunde. Bd. L No. 134. 1850. p. 201—202. 40*) Derselbe, Videnskabelige Meddelelser fra den naturhisto- riske Forening i Kjobenhavn 1849. No. 1. (citirt nach Froriep's Ta- gesberichte.) 41. D'Orbigny, Voyage dans I'Ameri que me'ridionale. Tome V. 3e Partie. Mollusques. p. 140—144. Paris 1835—1843. Die Chaetognathen. 303 42. Pagenstecher, A., Untersuchungen iiber niodere Secthiere aiis Cette. Zeitschr. f. wissensch. Zoologio, Bd. XII. p. 308 — 310. 1862. 43. Quoy u. Gaimard, Aunal. des scienc. nat. Tome X. 1827. 43*) Dieselben, Abhandlung liber die Familie dcr Diphyden. Isis. Bd. 21. p. 348, 349. Taf. VI. Leipzig 1828. 44. Scoresby, Account of the arctic regions. Vol. II. Plate XVI (citirt nach Krohn). 45. Siebold. v. Th., Lehrbuch der vergleichendcn Anatomie der wirbellosen Thiere. Berlin 1848. p. 297 etc. 46. Slabber, Martinus, Physicalische Belustigungen oder mikroskopische Wahrnehmungen in- und ausliindischer W^asser- und Landthierchen, iibersetzt v. Miiller. Nurnberg 1775. p. 23 — 24. 47. Troschel, Archiv fiir Naturgeschichte. 1845. Bd. II. Jahresbericht. 48. HI i an in, Materialien zur Fauna des schwarzen Meeres. Verhandlungen der Moskauer Freunde der Natur. 1871. citirt nach: Archiv f. Naturgeschichte. 1871. Bd. II. Jahresbericht. 49. "Wilms, Robert, Observationes de Sagitta mare germani- cum circa insulam Helgoland incolente. Dissertation. Berolini 1846. p. 1—18. 50. Langerhans. Die "Wurmfauna von Madeira. III. Zeit- schrift fiir wissenschaftl. Zoologie. Bd. 34. pag. 132 — 136. 1880. (Erschien unmittelbar vor dem Druck meiner Arbeit und konnte da- her nur noch theilweise im Text beriicksichtigt werden.) 304 O. Hertwig, Tafelerklarung. Fiir alle Figuren gelten folgende Bezeichnungen. a Sehstabchen. af After. ati Auge. b Tastborsten. c Coelom. e^ Kopfhohle. c^ Rumpfhohle. c^ Schwanzhohle. d Darm und Darmanlage. df Darmfaserblatt. ds Darmspalt. e Eierstock. el Eileiter. ek Eikeimlager. em Membran des Eischlauchs. ep Epidermis f Flosse. f^ Tordere Seitenflosse. /2 hintere Seitenflosse. f^ Schwanzflosse. fs Flossenstrahl. g Ganglion, g'^ Bauchganglion. g'^ Oberes Schlundganglion. g^ Seitenganglion des Kopfes. g^ Buccalganglion. gz Ganglienzellen. gz"^ grosse Ganglienzellen. gz* zur Bezeich- nung besonderer Ganglienzellen. h Riechhaare. h'^ Ansatzstellen der Riechhaare. ho Hoden. i Intercellularraume. k Klebzellen. kk Kopfkappe. / Linse. Id Dorsales Ligament (Mesenterium) des Darms. Iv Ventrales Ligament. Die Chaetoguathen. 305 le Ligament des Eierstockes. m Muskelfaser. vid Dorsaler Liiugsmuskel. niv Ventraler Lilngsmuskel. Hit Transversaler Muskel. ink Muskelkerne. mi Muskulatur des Darms. n Nerveufibrillen. ii\ n* Zur besonderen Bezeichnung einzelner NervenzUge. no Sehnerv. ///' Riechnerv. n^ Commissur zwischen Bauchgauglion und Schluudganglion. «2 Nerv zwischeu Schluudganglion uud Seiteugaugliou des Kopfes. // '^ Darmnerv. n^ Vom Bauchgauglion nach riickwUrts ausstrahlende Hauptstamme. //•'' Hauptnerv des Seiteugauglions vom Kopfe. 0 Bleibender Mund. ]) jS'ervose Puuktsubstanz. pi Pigment. /• Riechorgan. s Stiitzlamelle. sf Seitenfeld, Seitenliuie. si Liingsseptum. sp Spermatozoen. st Querseptum. sg Samengang. sb Sameublase. t Tastorgan, t^ Miichtig entwickeltes Tastorgan der Spadella di'aco. le Tentakelartiger Fortsatz dei" Kopfkappe. u Urmund. ud Urdarmhohle. ttg Urgeschlechtszellen. tig^ Urgeschlechtzellen des Eierstocks. ug^ Urgeschlechtszellen des Hodens. V Greifhaken. w Gallerte. X StUtzplatte der Epidermis, x^ Stiitzleiste. x^ Dorsale Stiitzplatte. x^ Yentrale Stiitzplatte. y Spaltraum in der Umgebung des Bauchganglions. Bd. XIY. N. F. VII. 2. 20 306 O. Hertwig, z Stachel. E Falte des Entoblasts. E/c Ektoblast. En Entoblast. Me Mesoblast. Me^ Viscerales ) ^, ,, , „ , , , .. „ ^ . , { Blatt des Mesoblasts. Me^ Parietales j T Polarfurche. F Furchungshohle. Tafel IX. Fig. 1. Sagitta bipunctata (Uuoy u. Gaimard), viermal vergrossert. Fig. 2. Sagitta serratodentata (Krohu), viermal vergrossert. Fig. 3. Spadella draco (Krohn), zwolfraal vergrossert, von der Ruckenseite gesehen. Fig. 4. Sagitta hexaptera (D'Orbiguy), viermal vergrossert; von der Bauchseite gesehen. Fig. 5. Aus der Eihiille ausgeschliipfte Sagitta. 80mal ver- grossert. Fig. 6. Spadella cephaloptera (Busch). 30mal vergrossert, von der Riickeuseite aus gesehen. Fig. 7. Spadella hamata (Mobius), in natiirlicher Grosse. Co- pie nach Mobius (38. Taf. Ill Fig. 13). Fig. 8. Sagitta lyra (Krohn), in natiirlicher Grosse. Copie nach Krohn (29). Fig. 9. Sagitta tricuspidata (Kent), in natiirlicher Grosse. Copie nach Kent (24. p. 270 Fig. 1). Fig. 10. Greifhaken von Sagitta serratodentata. 80mal ver- grossert. Fig. 11. Greifhaken von Spadella hamata. 5 Omal vergrossert. Fig. 12. Gezahnelter Rand des Greifhakens von Sagitta serrato- dentata. 300mal vergrossert. Fig. 13. Spitze des Greifhakens von Spadella hamata. 300mal vergrossert. Fig. 14. Samenblasen der Sagitta serratodentata. 80mal ver- grossert. Fig. 15. Kopf der Sagitta tricuspidata. Vergrossert nach Kent ' (24. p. 270 Fig. 2). Fig. 16. Kopf der Sagitta bipunctata (Quoy u. Gaimard), von oben gesehen mit zusammengelegteu Greifliaken. 50mal vergrossert. Fig. 17. Kopf der Sagitta bipunctata, von unten gesehen mit aufgerichteten Greifhaken. 5 Omal vergrossert. Dio Chautogutithcu. 307 Fig. 18. StachelQ vou Sagitta hexaptera (D'Orbigny), 80mal vergrosscrt. Fig. 19. Stachcln vou Sagitta hexaptera (D'Orbigny). 300mal vergrossert. Tafel X. Fig. 1. Querschnitt durch den Kopf der Sagitta bipuuctata (Quoy u. Gaimard), durch deu vorderen Theil des oberen Schlundganglions hiudurchgelegt. 160mal vergrossert. Fig. 2. Querschuitt durch den Kopf der Sagitta bipunctata, durch die Augen hindurchgelegt. BOmal vergrossert. Fig. 3. Weiter nach riickwiirts folgender Querschnitt durch den Kopf der Sagitta bipunctata. BOmal vergrossert. Fig. 4. Querschnitt durch das Schwanzsegment einer 0,8 Cm. langen Sagitta bipunctata. 160mal vergrossert. Fig. 5. Horizontalschnitt durch deu vorderen Theil des Kopfes von Sagitta bipunctata. 80mal vergrossert. Fig. 6. Querschnitt durch den Rumpf der Spadella cephaloptera durch das Bauchganglion hindurchgelegt. 250mal vergrossert. Fig. 7. Horizontalschnitt durch deu Kopf von Sagitta bipunctata. 80mal vergrossert. Fig. 8. Querschnitt durch das hintere Ende des Rumpfsegments einer 0,8 Cm. langen Sagitta bipunctata. 160mal vergrossert. Fig. 9. Querschnitt durch den Rumpf einer 0,35 Cm. langen Sagitta serrato-dentata, durch das Bauchganglion hindurchgelegt. 300mal vergrossert. Fig. 10. Querschnitt durch das Bauchganglion der Sagitta ser- ratodentata. 250mal vergrossert. Fig. 11. Querschnitt durch das Bauchganglion der Sagitta he- xaptera. 250mal vergrossert. Fig. 12. Querschnitt durch die Bauchhaut der Spadella cepha- loptera. SOOmal vergrossert. Fig. 13. Ein Theil der Fig. 4 starker vergrossert. 500mal ver- grossert. Fig. 14. Bauchhaut der Spadella cephaloptera von der Flache betrachtet. 500mal vergrossert. Fig. 15. Epidermis der ventralen Flossenfliiche ven Sagitta ce- phaloptera. 500mal vergrossert. Fig. 16, Ein Theil der Fig, 8 bei 500maliger Vergrosserung. 20 « 308 0. Hertwig, Tafel XI. Fig. 1. Flachenpraparat des aus dem Bauchganglion eatsprin- genden hiuteren Nervenstammes von der Stelle geuommen, wo der Nerv sich plexusartig auszubreiten beginut. Sagitta hexaptera. 160mal vergrossert. Fig. 2. Die Ganglien und Nervenstamme des Kopfes von Sa- gitta durch Praparation isolirt. 50mal vergrossert. Fig. 3. Das Ganglion g^ der Fig. 2 starker vergrossert. lOOmal vergrossert. Fig. 4. Flachenpraparat des in der Epidermis gelegenen Ner- venplexus einer Sagitta hexaptera aus der Riickengegend und zwischen zwei Tastorganen. 160mal vergrossert. Fig, 5. Oberes Schlundganglion der Sagitta hexaptera. lOOmal vergrossert. Fig. 6. Plexusartig verzweigter Nervenfaserzug aus derSeiten- linie von Sagitta hexaptera. 160mal vergrossert. Fig. 7. Ganglienzelle in der Epidermis von Sagitta hexaptera aus der Nahe eines Tastorgans. 400mal vergrossert. F i g. 8. 2 Nervenstiimmchen mit Ganglienzellen aus der Epi- dermis von Sagitta hexaptera. 400mal vergrossert. Fig. 9. Bauchganglion mit den ausstrahlenden Nerven von Sa- gitta hexaptera. Schwach vergrossert. Fig. 10. Ganglienzellenschicht des Bauchganglions von Sagitta hexaptera starker vergrossert. 250mal vergrossert. Fig. 11 u. 12. Nervenendplexus mit Ganglienzellen aus der Haut von Sagitta hexaptera. 400mal vergrossert. Tafel XII. Fig. 1. Querschnitt durch die Epidermis mit einem Tastorgan von Spadella cephaloptera. 400mal vergrossert. Fig, 2. Tastorgan von Sagitta bipunctata nach dem lebenden Thier gezeichuet. 440mal vergrossert. Man sieht die in einer Quer- reihe stehenden Tastborsten iiber einander liegen. Fig. 3. Epithelstreifen des Geruchsorgans mit den Riechhaaren von Sagitta bipunctata nach dem lebenden Thier gezeichnet. 590mal vergrossert. Fig. 4. Epithelstreifen des Geruchsorgans von Sagitta bipun- ctata, von der Flache gesehen, nach Reagentienbehandluug. 400mal vergrossert. Fig. 5. Tastorgan von Sagitta bipunctata, nach dem lebenden Die Chaetoguathen, 309 Thier gezeichnet. 400mal vergrossert. Man sieht die in einer Quer- reihe stehenden Tastborsteu ucben einauder licgen. Fig. 6 u. 7. Querschnitt durcli das Auge von Sagitta hexaptera. 400mal vergrossert. Fig. 8. Das Auge von Sagitta hexaptera mit dem Sehuerven von der Fliiche gesehen. 400mal vergrossert. Fig. 9. Theile des Auges von Sagitta hexaptera. a Stabchen auf dem optischen Querschnitt und der Lange nach gesehen. / Linse isolirt. Fig. 10. Epidermis am vordereu Theil des Rumpfes von Spa- della draco auf dem optischen Durchschnitt gesehen nach Zusatz von verdiinnter Osmiumsaure. 440mal vergrossert. Fig. 11. Querschnitt durch das Sinnesepithel des Geruchsor- gans von Sagitta hexaptera. 400mal vergrossert. Fig. 12. Geruchsnerv mit einem Stiick des Sinnesepithels von Sagitta hexaptera. ISOmal vergrossert. Fig. 13. Querschnitt durch das Ovarium einer 1,4 Cm. langen Sagitta bipunctata. 250mal vergrossert. Fig. 14. Isolirte Muskelplatte mit daran haftenden Epithelzel- len von Sagitta hexaptera. 440mal vergrossert. Fig. 15. Dorsales Mesenterium des Darms von Sagitta hexaptera. 400mal vergrossert. Fig. 16. Darmwand von Sagitta hexaptera von der inueren Flache gesehen. 400mal vergrossert. Fig. 17. Samenblase mit Samenausfiihrgang von Sagitta bi- punctata. 80mal vergrossert. Fig. 18. Spermatozoon von Spadella cephaloptera. 4 4 Omal ver- grossert. Fig. 19. Keimepithel des Hodens von einer mittelgrossen Sa- gitta hexaptera. 400mal vergrossert. Fig. 20. Augen und Geruchsorgan von Sagitta bipunctata. Schwach vergrossert. Fig. 21. Kopfkappe von Sagitta hexaptera mit Augen und Ge- ruchsorgan isolirt und ausgebreitet. 20mal vergrossert. Fig. 22. Ventrales Mesenterium des Darms von Sagitta hexa- ptera. 400mal vergrossert. Fig. 23. Die Hautdecke der einen Seite von Sagitta hexaptera ausgebreitet um die Anordnung der Tastorgane zu iibersehen, 1.5mal vergrossert. 310 0. Hertwig, Tafel XIII. Pig. 1. Embryo, bei dem sich der Urmuud geschlossen hat, von der Flaclie gesehen. 240inal vergrossert. Fig. 2. Embryo, der sich iiber die Bauchflache zu kriimmen begonnen hat, von der Riickenflache aus gesehen, so dass vorderes und hinteres Ende verdeckt sind. 240mal vergrossert. Fig. 3. Derselbe Embryo in der 8eitenansicht. 240mal ver- grossert. Fig. 4. Einmal eingerollter Embryo von der Seite aus gesehen. 240mal vergrossert. Fig. 5. 4getheiltes Ei von der Polarfurche aus gesehen. 160mal vergrossert. Fig. 6. Sgetheiltes Ei von der Polarfurche aus gesehen. 160mal vergrossert. Fig. 7. Blastula. IGOmal vergrossert. Fig. 8. Ei in 16 Theilstucke zerfallen. 160mal vergrossert. Fig. 9. 4getheiltes Ei auf dem optischeu Durchschnitt. 160mal vergrossert. Fig. 10. Eier von Spadella cephaloptera mit Gallertstielen an Algen befestigt. 50mal vergrossert. Fig. 11. Optischer Querschnitt durch einen sich einkriimmen- den Embryo aus der Gegeud der TJrgeschlechtszellen. 240mal ver- grossert. Fig. 12. Eiickeuansicht des einmal aufgerollten Embryo, um die Lage der 4 Urgeschlechtszellen zu zeigen. 240mal vergrossert. Fig. 13. Optischer Querschnitt durch den vorderen Theil des sich einkriimmenden Embryo. 240mal vergrossert. Fig. 14. Eiickenansicht einer ausgeschlupften , 10 Tage alten Sagitta aus der Gegend, wo sich die 4 Geschlechtsorgane anlegen und sich die Querscheidewand zwischen Rumpf- und Schwanzsegment ausgebildet hat. Rechts ist die Seitenflosse {f^) weggelassen, links zum Theil mit ihrer Basis dargestellt. 400mal vergrossert. Fig. 15. Optischer Durchschnitt durch einen einmal aufgeroll- ten Embryo aus der Gegend der Geschlechtszelleu. 240mal vergrossert. Fig. 16. Querschnitt durch eine ausgeschliipfte in Osmiumsaure erhartete und in Btjale'schem Carmin gefarbte Sagittenlarve, aus der Gegend des Bauchganglions. SOOmal vergrossert. Fig. 17. Querschnitt durch dieselbe Larve nahe dem Schwanz- ende hinter der Anlage der Geschlechtsorgane. 500mal vergrossert. Die Chaetoo'uathen. 311 ■'a Tafel XIV. E u twickluug der kleinen Sagitta. Da die Sagitta bipuuctata uud serratodentata gewohnlich ge- mischt auftreteu, so muss icli as uueutschieden lassen, von welcher der beiden Arteu die aus den Gliiserii herausgefischten , jedesmal zur Beobacbtuug dieneudeu Eier abstammten. Alle Figuren sind bei 240- faclier Vergrosserung (Zeiss D.Oc^) gezeicbnet. Fig. 1. Fine Halfte der Blastiila beginnt sich in die audere einzustiilpen. Fig. 2. Gastrnla. Fig. 3. Eiu weiter vorgeschrittenes Stadium, auf welchem am aboralen Pol der Gastrula im Entoblast die zwei Urgeschlechtszellen durch ihre bedeutende Griisse kenntlich werden. Fig. 4. Aelteres Stadium. Aus den 2 Urgesclilechtszellen sind durch Theilung 4 entstanden , welche aus der Continuitat mit den iibrigen Entoblastzellen herausgetreten und in den Urdarm hineinge- riickt sind. Fig. 5 — 12. Eine Reihe auf einander folgender Stadien, auf denen durch Falteubildung des Entoblasts der Urdarm der Gastrula sich in secundaren Darm und Leibeshohle sondert. Fig. 5 u. 6 zeigen den Begiun der Faltenbildung. In Figur 5 ist das Ei von der Seite, in Figur 6 vom Eiicken aus gesehen. Fig. 7 u. 8. Die beiden Falten des Entoblasts sind in die TJr- darmhohle weit hineingewachsen. Figur 7 zeigt uns wieder das Ei bei seitlicher Ansicht, Figur 8 gibt die Eiickenansicht. Fig. 9 u. 10. Am aboralen Pol beginnt sich der Ektoblast zur Bildung des bleibeuden Mundes einzusenken. Figur 9 Seitenansicht, Figur 10 Eiickenansicht desselben Eies. Fig. 11, Das in Figur 10 in der Eiickenansicht gezeichnete Ei vom aboralen Pole aus gesehen. Optischer Durchschnitt durch die aborale Halfte des Eies. Fig. 12. Die am aboralen Pol entstandene Mundbucht hat sich in den secundaren Darm geoffnet. Eiickenansicht des Embryo. Druck von Ed. Frommann in Jena. (J li I p Ueber den Bau der Ctenophoren. Von Dr. Richard llertwig. Hierzu Tafel XV— XXI. Einleitung. Die Beobachtuiigen iiber den Organismus der Ctenophoren, welche den Gegenstand der vorliegeuden Arbeit bilden, schliessen sich an eine Reihe von Untersuchungen an, welche von meinem Brudcr und mir gemeinsam angestellt worden sind und sich auf die Medusen und Actinien als die Reprasentanten der iibrigen Nesselzellen tragenden Coelenteraten bezichen; sie liefern eine Er- giinzung derselben, welche mir um so raehr geboten erschien, als der Bau der Ctenophoren, nanientlich der Bau ihres Nervensystems in der letzten Zeit wiederholt mit den bei den Medusen bestehen- den Verhiiltnissen in Parallele gebracht worden ist. Die Arbeit wurde im Friihjahr 1879 wiihrend eines Twochent- lichen Aufenthalts in Messina begonnen und in Neap el in der Stazione zoologica fortgesetzt. Indessen konnte ich in Neapel nur einen kleinen Theil meiner Arbeitsstunden den Ctenophoren widmen, da die gleichzeitig unternommene Untersuchung der Acti- nien meine Zeit vorwiegend in Anspruch nahm und das Interesse an den Ctenophoren voriibergehend zuruckdrangte. Auch war die Witterung im April und Anfang Mai fiir die pelagische Fischerei ganz aussergewohnlich ungilnstig, indcm heftige Sciroccostiirme das Meer fast bestandig in Erregung hielten und dazu nicht selten Starke Regengtisse die pelagische Fischerei Tage lang unergiebig machten. Ausser einer einzigen Cydippe hormiphora wurden mir nur Exemplare von Beroe ovatus, Cestus Veneris und Eucharis multicornis gebracht. Giinstiger war Messina, obwohl auch dort die Fischerei ab und zu unter dem Einfluss von Scirocco zu leiden hatte. Ausser den 3 genannten Arten , welche im Messineser Hafen selbst an 314 Dr. Eichard Hertwig, sonst wenig geeigneten Tagen ziemlich haufig sind, war sehr reich- lich die zierliche Callianira bialata (Gegenbauria s. Esch- scholtzia cordata) vertreten, an welcher daher auch ein grosser Theil der Resultate gewonnen worden ist. Cydippe hormi- phora stellte sich selteuer eio, als es soust der Fall zu sein pflegt, so dass ich sie nur in wenigen Exemplaren erhalten konnte, was ich in mehrfacher Hinsicht auf das Lebhafteste bedaure. Die von C. Chun neu benannten Lampetia Pancerina, Deiopea caloctenota und Euplocamis stationis warden im Anfang meines Aufenthalts in einigen Exemplaren gefangen, leider zu einer Zeit, wo ich noch nicht geniigend orientirt war, um sie vollstan- dig auszunutzen; spater kehrten sie nicht wieder. Jungere und altere Exemplare von Beroe ovatus, Cestus Vene- ris, Callianira bialata wurden theils in Messina, theils in Neapel in verschiedenen Reagentien conservirt und in Jena weiter unter- sucht. Namentlich wurden alle Schnittpraparate in Jena ange- fertigt. Die Ktirze der Zeit, welche rair am Meere zu Gebote stand, raachte eine alle Organe gleichmassig behandelnde morphologische Bearbeitung der aufgefundenen Arten unmoglich und zwang mich von Anfang an die Untersuchung auf bestimmte Fragen zu rich- ten. Dabei ergab es sich von selbst, dass ich ganz besondere Be- achtung der Beschaffenheit des Nervenmuskelsystems und dem Bau der Geschlechtsorgane zuwandte, well diese Theile ira Organismus der Coelenteraten eine wichtige Rolle spielen. Dagegen konnten die ubrigen Organe nicht in gleicher Weise beriicksichtigt werden, zumal da die Untersuchung des Nervenmuskelsystems mehr Schwie- rigkeiten bereitete, als ich selbst erwartet hatte. Dem letzteren Umstand ist es ferner zuzuschreiben , wenn ich in meiner Dar- stellung des Nervenmuskelsystems nicht uberall die Bestimmtheit in den Deutungen erkennen lassen werde, welche wohl wiinschens- werth erscheinen mochte. Hinsichtlich der Art, in welcher die Praparate gewonnen wur- den, habe ich nur Weniges mitzutheilen. Die meisten zu Quer- schnitten bestimmten Thiere oder Stiicke von Thieren wurden in Osmiumsaure erhartet und in Carmin (in Picrocarmin oder in Beale'schem Carmin) gefarbt; ein kleiner Rest wurde nach Klei- nenberg's Vorschriften in Picrinschwefelsaure conservirt, ohne dass ich bei dieser Methode besondere Vortheile gefunden hatte. Beim Einbetten verwandte ich ein mit Wasser sehr stark verdiinn- tes Gummiglycerin , welches mit dem zu schneidenden Object an TJeber den Bau der Ctenoplioren. 315 der Luft stcheii l)licb, bis es zu der Coiisistenz eines steifen Sy- rups cingedickt war. Dann wurden die Stiicke in Leber einge- bettet und vor doni Schiiciden erhartct. Man kann in dicser Weise wcnigstcns einigermaassen das Scbrumpfen der so ausserordentlich zarteu Gallcrte verhindern, da letztere sich allmahlich mit einem immcr nichr sich verdickenden Gummiglyccrin imbibirt. Zahlreiche Ctenophorcn wurden ferner in eine 0,05 ^j^ Os- miumsaiire, der zuni Tlieil eine 0,2 ^/^ Essigsiiure hinzugefiigt wor- den war, eingclegt und jc nachdera ich das Epithel der Oberflache Oder die Elemente der Gallerte untersuchen wollte, 5 — 15 Minuten darin belassen. Dieses Macerationsmaterial wurde in Carmin ge- fiirbt und entweder gleich verbraucbt oder zum Mitnehraen in verdlinntes Glycerin eingelegt. Endlich babe ich auch noch Chronisaure, chromsaures Kali und Goldchlorid angewandt, babe jedoch mit keinem der drei Rcagentien gute Resultate erreicht. Dabei bemerke ich, dass ich die Versuche mit Goldchlorid nicht lange fortgesetzt habe, weil das Reagens wegen der grossen Inconstanz seiner Wirkung sich wenig empfiehlt. Wer nur kurze Zeit am Meere bleiben kann, ist zu sehr in Anspruch genommen, um sich mit Methoden zu be- fassen, bei deren Erfolg der Zufall eine so grosse Rolle spielt. Von grosser Bedeutung ist dagegen die Beobachtung im fri- schen Zustand, da viele Structurverhaltnisse (ektodermaler Plexus, Sinncszellen) hierbei deutlicher zu erkennen sind, als nach Be- handlung mit Reagentien, Trotzdem ich diese Beobachtungs- weise nicht vernachlassigt habe, bin ich doch bei der spateren Durcharbeitung des conservirten Materials auf Verhaltnisse ge- stossen, wo eine erneute Priifung der frischen lebenden Gewebe mir wunschenswerth erschien. Indessen das sind Uebelstande, welche sich bei der Bearbeitung von Meeresthieren fast fiir einen Jeden, dem es nur kurze Zeit vergonnt ist am Meere zu sein, be- merkbar machen. 316 Dr. Richard Hertwig, Specieller Theil. Um uns im Korper der Ctenophoren zu orientiren, mussen wir von drei aufeinander seukrechten Axen ausgehen, welche die AuordnuDg der Theile bestiramen und sich von einander uuter- scheiden 1) durch ihre verschiedene Lauge und 2) durch die Ver- schiedenartigkeit ihrer Beziehungen zu den wichtigsten Organen. Die erste Axe, die Langs- oder Hauptaxe verbindet den durch die Lage der Mundofifnung ausgezeichueten oralen Pol mit dera gegenuberliegenden aboralen Pol; sie ist in der Kegel am langsten und wird nur bei den bandformigen Cestiden durch die hi.er ausser- gewohnlich entwickelte Sagittalaxe an Liinge iiberfliigelt. Die zweite Axe ist die Transversal- oder Queraxe; sie ist am leichtesten bei deujenigen Ctenophoren zu erkennen, bei welcheu Tentakeln vorhandeu sind, da diese in Zweizahl auftreten, einander gegenuberstehen und sich von zwei die Enden der Trans- versalaxe bezeichnenden Flachen aus erheben. Wenn die Tenta- keln fehlen, dann ist die Transversalaxe noch am leichtesten nach der Lage der Mageugefasse und der Gestalt des Magens zu be- stimmen. Letzterer ist in transversaler Richtung abgeplattet, erstere fallen beide in die Ebene hinein, welche durch die longi- tudinale und transversale Axe gleichzeitig gelegt werden kaun. Die transversale Axe ist kleiner als die Hauptaxe, aber gewohn- lich — eine Ausnahme machen die Beroiden und Cestiden — grosser als die Sagittalaxe. Diese letztere oder die dritte Axe ist zwar schon dadurch gekennzeichnet, dass sie auf den beiden anderen senkrecht steht; indessen lasst sie sich auch ohne diese Rucksichtnahme, allein nach ihren Beziehungen zura Magen cha- rakterisiren. Denn da der Magen der Ctenophoren, wie soeben hervorgehoben wurde, in transversaler Richtung plattgedriickt ist, so ergiebt er auf einem Querschnitt, der zur Hauptaxe senkrecht gefuhrt wird, einen Spalt, dessen langster Durchmcsser mit der Sagittalaxe zusammenfiillt. Die Sagittalaxe ist bei den Beroiden grosser als die transversale, bei den Cestiden sogar grosser als die Uebor dun Bau dor Ctcnoplioven. 317 longitudiiiale Axe; bci den iibrigon Ctenophorcn ist sie dagcgen klcincr als jeiie beiden. Nur die Hauptaxe hat unglcichwcrthige Enden , ein orales und ciii aborales; die Enden der Sagittal- und Transversalaxen sind dagcgen vollig gleichwerthig. ]\Ian kann daher am Korper der Ctenophorcn zwar ein vordcrcs (orales) und hintercs (aborales) Ende, abcr nicht Rechts und Links noch Ventral und Dorsal un- tcrscheiden. Dies Verhilltniss koramt weiter bei der Benennung der Fliichen, welche den Korper bcgrenzen, in Betracht; im Gan- zen konnen wir 6 Fliichen oder Seiten annehmen, wcnn sie auch bei der Rundung des Korpers nicht scharf abgegrenzt sind und ganz allmahlich in cinandcr ubergehen. Zwei derselben sind als orale und aboiale Seite leicht bestimmt, zwei weitere einander opponirte, welche die Enden der Sagittalaxe einnehmen und die bei ungleicher Beschaifenheit derselben als ventrale und dorsale von einander unterschieden werden konnten, mogen die Quer- oder Transversalseiten heissen. Es bleiben uns nur noch die beiden Seiten iibrig, welche sich noch nicht als linke und rechte differen- zirt haben; diese nenue ich die Lateralseiten oder auch die Ten- tacularseiten, well hier die Tentakeln entspringen. Letzterer Name hat jedoch keine Berechtigung bei den tentakellosen Beroiden. Durch zwei ganz bestimmte Ebenen kann der Korper der Ctenophorcn in symraetrische Halften zerlegt werden; die eine Ebene geht parallel den Lateralseiten durch die Longitudinal- und Sagittalaxe und ist die S a g i 1 1 a 1 e b e n e ; die andere ist die Trans- versalebene, well sie sich in ahnlicher Weise durch die Longi- tudinal- und Transversalaxe legen lasst. Die Ctenophorcn folgen somit der heterostauren Grundform Haeck el's; sie sind, wie Claus sich ausdriickt, nicht bilateral-, sondern zweistrahlig-syrametrisch. Die Hauptmasse des Ctenophorenleibes ist eine Gallerte, welche stets ausserordentiich wasserreich ist und fast bei alien Arten leich- ter zerfliesst als die Gallerte der meisten anderen pelagischen Thiere. In sie eingebettet oder auf ihrer Oberflache angebracht linden wir die einzelnen Organe, iiber deren Anordnung ich hier einen kurzen orientirenden Ueberblick geben will, bevor ich auf eine genauere histologische Schilderung eingehe. Wir haben da- bei zu beriicksichtigen : 1. den Sinneskorper mit den sich an ihn anschliessenden Polplatten, Wimperrinnen und Platt- chenreihen, 2. das Gastrovascularsystem, 3. die Tenta- keln und 4. die Geschlechtsorgane. 318 Dr. Eichard Hertwig, 1. Der Sinneskorper oder das „Gangiion" und die Polplatten liegen auf der aboralen Seite des Korpers, der erstere genau in der Mitte am Ende der Hauptaxe, die letzteren zu bei- den Seiteu vom Sinneskorper in der Weise angebracht, dass sie beide in die Richtung der Sagittalaxe fallen. Vom Sinneskorper aus entspringen die 8 Flimmerrinnen, welche sicli ihrerseits in die 8 Reihen der Ruderplattchen fortsetzen. Die Flimmer- rinnen und Plattchenreihen kounen wir unter dem gemeinsamen Namen „Meridianstreifen" zusammenfassen , da sie ein zu- sammengehoriges Ganze bilden und wie Meridiane vom aboralen Pole nach dem oralen Pole verlaufen, ohne jedoch den letzteren zu erreichen; sie horen stets in einiger Entfernung vom Mundrand auf, welche je nach den einzelnen Arten verschieden gross ist. 2. Das Gastrovascularsystem beglnnt am oralen Pole rait der Mundoffnung, einem in der Richtung der Sagittalaxe ver- laufenden Spalt. Hieran schliesst sich der weite sackformige Ma- gen, welcher in entsprechender Weise zusammengedriickt ist, so dass er vornehmlich von zwei breiten Flachen begrenzt wird, welche den Lateral- oder Tentakularseiten des Ctenophorenkorpers parallel gestellt sind und in zwei von den Mundwinkeln ausgehenden Langs- kanten zusammen stossen. Aus dem aboralen Ende des Magens gelangt man in den Trichter, einen relativ kleinen Raum, der aber insofern von Wichtigkeit ist, als er in das periphere Canalsystem fiihrt. Das letztere besteht bei alien Ctenophoren aus dreierlei verschiedenen Gefassen, den Magengefiissen , den Trichtergefiissen und den Rip- pengefassen, zu denen sich dann noch bei den mit Tentakeln ver- sehenen Formen die Tentakelgefiisse gesellen. Die Trichtergefasse entspringen aus dem hinteren Ende des Trichters und verlaufen nach dem aboralen Pole des Thieres, wo sie nicht weit von dem Ganglion ausmiinden. Ich fand sie bei der Callianira bialata (Taf. XIX Fig. 4 ve') in 4Zahl vorhanden und gleichmassig vertheilt, so dass je ein Gefass auf eines der vier Stiicke kommt, in welche derKorper durch die Sagittal- und Transversalebene zerlegt wird. Da die Gefiisse aus dem Trichter paarweis ver- eint entspringen, so erhalten wir folgende Anordnung; der Trich- ter gabelt sich an seinem Ende in sagittaler Richtung zunachst in zwei Gefasse, und diese theilen sich nach kurzem Verlauf in transversaler Richtung in zwei Endaste. Die Ausmiindungeu der- selben liegen dicht neben den zwei Flimmerrinnen, welche einem Ueber den Bau der Ctcnophoren. 319 jcden der 4 Korpcrsegmeute zukomraen, auf der uacli der Sagit- talebene zugeNvandten Seite; sie schliessen sich zeitweilig, zeit- >Yeilig offiien sie sich, indem sie einen Busch von Wimperii nach ausscii hervortreteii lassen. Zwei iiber das Krcuz gestellte Ge- fiisse sind auifallend schwiicher als die beiden ubrigen. Dies leitet iins iiber zu deni bisher allein bekannten Verhaltniss der Mehr- zahl der Ctenophoren, welche iiberhaupt iiur zwei Trichtergefasse besitzen. Da letztere hier vollig unsymmetriscli gleichfalls uber das Kreuz gestellt sind, so liisst sich annehmen, dass ursprunglich, wie es bei den Callianireu noch der Fall ist, iiberall 4 symmetrisch angeordnete Gefiisse vorhanden waren, von denen sich jedoch zwei riickgebildet haben. Die in alien Organen ausgesprochene zwei- strahlige Symmetrie wiirde somit auch in der Beschaffenheit der Trichtergefasse ursprunglich vorhanden gewesen sein und erst se- cundiir dem asymmetrischen Verhaltcn Platz gemacht haben. Alle ubrigen Gefasse entspringen nicht direct aus dem Trich- ter, sondern aus zwei Hauptstammen, welche in transversaler Richtung und einander opponirt vom Trichter ausgehen. Jeder Hauptstamra gicbt zunilchst nach abwarts cin Magengefass ab, welches dicht auf der breiten Fliichc dcs Magens sich bis an den Mundrand herab erstreckt und bei manchen Arten, z. B. bei Cal- lianira und Cestus sich hier in zwei Endiiste gabelt, Auf einem Querschnitt durch den Korper einer Ctenophore sieht man in der Mitte das spaltformige Lumen des Magens und zu beiden Seiten desselben die Lumina der Magengefasse dicht angeschmiegt. In seinem weiteren Verlauf spaltet sich jeder Hauptstamm in zwei Aeste und jeder Ast abermals in zwei Gefasse. So entste- hen in jeder Halfte des Thieres 4 Rippen gefasse, welche in longitudinaler Richtung unter den Reihen der Ruderpliittchen ver- laufen, iiber dieselben noch eine Strecke weit nach dem Munde zu hinausreichen und dann gew()hnlich blind geschlossen endigen. Bei Callianira bialata, Cydippe hormiphora und verwandten For- men stossen die Endiiste, welche aus der wiederholten dichotomen Theilung der Hauptgefasse entstanden sind, auf die Plattchenreihen unterhalb ihres oberen Endes; sie gabeln sich hier in einen auf- steigenden und absteigenden Ast, von denen der eine unter dem oberen, der andere unter dem unteren Theil der Plattchenreihe ge- legen ist. Der aufsteigende Ast ragt bei den Callianiren weit iiber den Anfang der Plattchenreihe hinaus, was mit der besonderen Beschaffenheit zusammenhangt, welche den aboralen Theil des Kor- pers dieser Ctenophore auszeichnet. Der Korper ist namlich zu 320 Dr. Kichard Hertwig, beiden Seiteii des Siuneskorpers in zwei lange Zipfel ausgezogen, welche die Namen C. bialata und E. cordata veranlasst haben und die Gestalt lioher 4seitiger Pyramideu besitzen. In jeden Zipfel treten die aufsteigenden Sclienkel von 4 Rippengefassen ein und verlaufen in ihm den Kanten entlang bis zur Spitze, wo sie ihr Ende finden. Von den Tentakelgefassen giebt es im ganzen vier, zwei unter jeder Tentakelwurzel, welche unter diesem sehr anseliulichen, langgestreckten Organ in longitudinaler Richtung hiuziehen. Ob- wohl sie diclit neben einander gelagert sind, hilugeu sie dennoch nicht unter sich direct zusammen, sondern nur durch Verraittelung des Hauptgefasses , von welchem sie beide entspringen. Wie die Rippengefasse so bestehen auch die Tentakelgefasse bei Cydippe, Callianira u. A. aus zwei Schenkeln, welche von der Verbinduugs- stelle mit dem Hauptgefass aus gerechnet sich nach oben und nach unten erstrecken. 3. Die Tentakeln werden von den letztgenannten Gefassen ernahrt, ohne dass Aussackungen derselben in ihr Inneres eintreten ; sie sind lange Stamme, welche mit kleineren Seitenfaden besetzt sind, und konnen in besondere Tentakelsacke oder Tentakelhohlen zuriickgezogen werden, weite Hohlraume, welche auf den Lateral- oder Tentakularseiten ausmiinden ; die Tentakeln wie die Tentakel- sacke konamen somit in die transversale Korperaxe zu liegen. Am Grund der Tentakelsacke findet sich die Tentakelwurzel, aus wel- cher der Hauptstamm und die Seitenfaden entspringen. 4. Die Geschlechtsorgane endlich folgen dem Verlauf der Rippengefasse, in deren Wandungcn mannliche und weibliche Geschlechtsproducte gleichzeitig , wenu auch raumlich gesondert angetroffen werden; dabei ergeben sich bei den einzelnen Gat- tungen Verschiedenheiten , je nachdem die Rippengefasse uahezu in ganzer Ausdehnung oder nur innerhalb bestimmter Bezirke mit Geschlechtsproducten versehen sind. Nachdem wir im Vorhergehenden die wichtigsten Organe der Ctenophoren kennen gelernt haben, konnen wir nunmehr zu einer genaueren Betrachtung derselben iibergehen, indem wir besonders auf die den Korper zusamniensetzenden Gewebe unser Augenmerk richten. Dabei lege ich die Eintheilung des Korpers in die drei Hauptschichten , aus denen er sich im eutwickelten Zustand zu- sammensetzt zu Grunde, die Eintheilung inEktoderm, En- toderm und Mesoderm. Eine solche Betrachtungsweise em- pfiehlt sich bei den Ctenophoren wegen der weseutlichen Ver- Uebor den liau dcr Ctonophoren. 321 scliiedenheitcn, wclclio zwisclion don o Sdiichten leicht nachwcis- bar siud. I. Das Ektoderm. Uiiter den drei Korpcrschiclitcu der Ctenoplioren ist das Ek- toderm am weitesten ausgebroitet, iudem es nicht allein die ge- sammte Korperoberfliiche bedeckt, souderii auch die Auskleiduiig des Magens besorgt. Deiin dieser Thcil des Gastrovascularsystcms eiitsteht nach den iibereinstimmenden Angaben von Kowalevski, Fol and Chun, Angaben, die ich, gestutzt auf die Beobachtung von Embryonen dcr Callianira bialata, bestatigen kann, durch eiue Einstiilpuiig des iiusseren Keimblattes oder Ektoblasts. Auch ist das Ektoderm histologisch am mannigfaltigsten differenzirt ; ausscr gcwohulichen Deckzellen enthalt es Driisen-, Pigment-, Flimmer- und Siuneszellen , Nerven und Muskehi. Die wichtigsten Organe sind Nichts als besonders diiferenzirte Partieen des Ektoderms; so sind, abgesehen vom Magen, die Sinneskorper, die Polplatten und Meridianstreifen , die Tentakehi und wahrscheinlich auch die Ge- schlechtsorgane ausschliesslich von Ektodermzellen gebildet. Alle diese Theile mussen wir eiuer gesonderten Besprechung unterziehen, iiachdem wir die allgemeinen Charaktere, welche das Ektoderm als Epidermis des Korpers besitzt, kennen gelernt haben. 1. Ueber den Bau der Epidermis. Fiir das Aussehen der Epidermis sind am meisten maassge- bend die Deckzellen und die Driisenzellen, da sie alle ubri- gen Elemente bei weitera an Zahl ubertreffen und gemeinsam den grossten Theil der Korperoberfliiche iiberziehen. Im frischen Zu- stand sind beide fast vollig homogen und durchsichtig und lassen sich gewohnlich gar nicht von einander unterscheiden ; hochstens bilden die Driisenzellen wegen ihres stiirkeren Lichtbrechungsvermogens schwach glanzende Korper, welche etwas iiber das Niveau der Um- gebung hervorragen und bei Cestus Veneris (Taf. XV Fig. 2) ab und zu gelappt erscheinen. In der Epidermis von Beroe sind beim lebenden Thiere uur zahlreiche rundliche Korner sichtbar, welche alle von gleicher Grosse sind und sich mit ziemlicher Regelmiissig- keit in polygonalen Figuren anordncn (Taf. XV Fig. 3. u. 7). Den Grund zu dieser Zeichnung erblicke ich darin, dass die Korner vom Zellinhalt nach der Peripherie verdrangt worden sind und in Folge dessen die Zellengrenzen auch im frischen Zustand zur An- schauung bringen. Bd. XIV. N. F. VH. ;}. 21 322 Dr. Richard Hertwig, Urn Deckzellen uud Driiscuzellen von einander zu unterschei- den, muss man die Ctenophoreu in Alkohol, Picrinschwefelsaure Oder Osmiumsaure erharten und in Carmin (am besten in Alaun- carmin) farben. Die Korperoberflache z. B. von Beroe ovatus (Taf. XXI Fig. 15 d) ist dann iibersaet von roth en Flecken, welche entweder einzeln oder zu 2 bis 3 nebeneinander liegen und durch grossere und kleinere Zwischenraume getrennt werden. Jeder Fleck ist ein Aggregat rundlicher oder schwach polygonal abge- platteter Korperchen, welche nur wenig in ihrer Grosse variiren, das Licht stark brechen und der Sitz der rothen Farbung sind. In den Zwischenraumen ist die Epidermis ungefarbt und von zahl- reichen Vacuoleu durchsetzt ; die grosseren der Vacuolen enthalten dabei in ihrem Inneren noch weiter ein feines protoplasmatischcs Netz, wahrend sich in den breiteren Protoplasmabrucken hier und da zerstreut die zu den einzeliieu Epidermiszellen gehurigen Kerne finden. Die roth gefarbten Kornerhaufen erinneru an die Ele- mente, welche auch bci andercu Coelenteraten wiederkehren und bei den Actinien von v. H eider, meinem Bruder und mir be- schrieben worden sind; wie diese deute ich sie als Driisenzellen und die zwischen ihnen vorhandenen vacuolisirten Zellen als ein- fache Deckzellen. Bei der Anwendung mancher Reagentien ist der Unterschied der beidcn Zellenarten gar nicht oder nur wenig ausgesprochen. Mit Osmium-Essigsaure behandelt sieht die Epidermis, selbst wenn Carminfiirbung zur Hiilfe genommen wurde, ganz gleichmassig von Vacuolen durchsetzt aus. Bei Cydippe und Callianira sind die Fliissigkeitsriiume klein (Taf. XV Fig. 11 u. 13), bei Beroe dagegen sehr gross und durch breite Protoplasmastreifen getrennt, in wel- chen die auch im frischen Zustand sichtbaren kleinen Kornchen ihren Platz finden. In Carmin haben sich nur die Kerne gefarbt, die rund oder oval von Gestalt in grosser Zahl durch das Gewebe zerstreut sind und zum Theil den Deck-, zum Theil den Driisen- zellen angehoren. Die Secretkornchen der letzteren sind durch Quellung ganz verloren gegangen, weshalb die Drusenzelleu die- selbe blasige Structur wie die Deckzellen angenonimen haben. Das Zahlenverhaltniss, in welchem Deckzellen und Driisenzellen zu einander stehen , ist ein bei den Arten verschiedenes. Bei Eucharis tiberwiegen die Driisenzellen, bei Callianira die Deckzel- len, bei Beroe und Cestus mogen beide in gleicher Menge neben- einander vorkommen. Uebrigens sind diese Verhaltnisse nicht ein- TJeber den Bau dcr Ctenophoreu. 323 iiial bt'i dersc'lbou Art in iilleii Abschiiitton des KOrpers die niim- licheu. Die Pigmentzellen treten bei den Ctenophoren in zweier- k'i Formen auf. Bei Beroe ovatus gleichen sic den Pigmentzellen in der Epidermis der Frosche und schiebeu sich einzeln zwisclien die iibrigcn Epithelzellen eiu. Ihr Korper ist rundlicli oder lang- gestreckt und zieht sich in zahlreiche Fortsiitze aus, die sich wie die Pseudopodien eines Rhizopoden >Yeit hin veriisteln. Das rotli- liche Pigment ist in kleinen Korncheu abgelagert sowohl im Kor- per der Zellen, als in ihren Ausliiufern, so dass letztere sich iiber- aus kiar verfolgen lassen. Bei Callianira bialata sind einzelue Epithelzellen, Avelche sich in ihrer Gestalt von gewohnlichen Deckzellen nicht unterscheiden, mit rostbraunen Pigmentkornchen angefiillt, desgleichen ist auch ihr Protoplasma ditfus rostbraun gefarbt. Mehrere derart pig- meutirte Epithelzellen liegen dicht bei einander zu kleinen Pig- mentflecken vereint, wclche in grosser Zahl allerorts auf der Ober- fliiche der Callianira zerstreut sind. Wie im Tapetum nigrum des Wirbelthierauges sind die Greuzen der einzelnen Zellen durch helle Contouren bezeichnet, so dass ein deutliches Zellenraosaik entsteht; auch sind die Kerne als helle Stellen inmitten des Pig- ments leicht zu erkeunen. Den Pigmentzellen schliessen sich die von Chun (6) entdeck- ten irisirend en Zellen des Cestus Veneris an. Der Venus- giirtel erglanzt nicht selten in einer zarten schonblauen Farbe; das Farbenspiel findet, wie Chun wohl mit Recht vermuthet, seine Erklarung in besoudereu Zellen, die bei keiner anderen Ctenophore, wenigstens bei keiner von uns beiden beobachteten Form vorkom- men, dagegen bei keinem Cestus vermisst werden; es sind schiipp- chenformige Korper, deren Zellkern durch eine homogeue Masse nach der Peripherie verdrangt ist. Die Masse hat einen wachsarti- geu Glanz, sieht bei durchfallendem Licht gelblich aus und farbt sich in Carmin rothlich, wenn auch schwacher als die Substauz der Drusenzellen. Wir haben es also mit Epithelzellen zu thun, die sich mit einer besondercn Masse vollig infiltrirt haben. In der Epidermis der Ctenophoren sind die Zellgrenzen, sei es im frischen Zustand, sei es nach Behandlung mit Reagentien, nur in sovveit erkennbar, als die Zellkorper gefarbt sind, wie bei den Driisen- und Pigmentzellen und den irisirenden Zellen; die Deckzellen dagegen scheinen bei alien diesen Beobachtuugsmetho- den zu einer einzigen continuirlichen Masse zusammengeflossen zu 21* 324 Dr. Richard Hertwig, sein. Urn nun zu zeigen, dass dies nicht der Wirklichkeit ent- spricht, habe ich versucht durch Anwendung der Versilberungs- methode die Zellengrenzen deutlich zu machen. Bei Meerwasserorganismen stosst bekanntlich die Anwendung dcs Argentum nitricum auf Schwierigkeiten , welche durch den grossen Gelialt der Gewebe an Chlorverbindungen hervorgerufen wer- den. Ich legte daher die zu versilberuden Objecte zunachst kurze Zeit in eine diinne Osmiunilosung, wusch danu mit destillirtem Was- ser aus, bis das Spiilwasser mit Silberlosung nur noch eincn ganz gc- ringen Niederschlag ergab und iibertrug schliesslich das Geweb- stiick etwa 6 Minuten in eiue 1 *7o Silberlosung. Nachdem diesc ausgewaschen und das Praparat dem Sonnenlichte ausgesetzt wor- den war, gelang es mir bei Callianira einige Male, wenn audi nicht iiber den ganzen KiUper, sonderu nur an einzelnen Stellen scharf gezeichnete Silberlinien zu erhalten, welche die Grenzen der Zellen anzeigten. (Tafel XV Fig. 6). Die Silberlinien ergaben die fiir Plattencpithelien charakteristischen Figuren, unregelmas- sige Polygene, welche nicht tiberall von gleicher Grosse waren. Zwischen die polygonalen Zellfiguren waren hier und da kleine Kreise eingeschaltet, welche auf dem Grenzcontour zweier benach- barter Zellen oder noch haufiger in dem Winkel, wo mehrere Zel- len zusammenstiessen , lagen. Seltener wurde auch ein solcher von einer Silberlinie umschriebener Kreis inmitten eines Zellen- territorium angetroffen. Diese Kreise beziehe ich auf Zellen, welche nicht die abgeplattete Gestalt der bisher betrachteten Elemente besitzen, zwischen sie vertheilt sind und wie sie an der Begren- zung der Oberflache Antheil haben. Es sind dies die Flimmer- zellen und die Sinneszellen. Die Flimmerzellen sind selten auf ihrem freien Ende mit einem dichten Wald von langen feinen Cilien bedeckt (Taf. XIX Fig. 17 a), gewohnlich tragen sie nur ein Biischel derselben, welche dann ofters unter einander verkleben und den Anschein einer ein- zigen dicken schwingenden Geissel erwecken. Im Allgemeinen sind sie sehr unregelmassig verbreitet. Bei Beroe ovatus garniren sie den Mundrand, bei Callianira bialata sind sie vereinzelt tiberall im Kiirperepithel , besonders reichlich im Umkreis des Sinneskor- pers anzutreffen ; bei Ccstus Veneris fehlen sie auf den Breitseiten des Korpers, sind dagegen vorhanden auf der oralen und aboralen Seite. Auf der oralen Seite des Cestus lauft eine tiefe unpaare Furche von einem Ende des bandformigen Korpers zum anderen; wir konnen sie die Mundfurche nennen, well sich in ihrer Mitte Ueber deu Bau der Ctenophoren. 325 die Mundoffming befindet und weil sie nach dicser die Nahruug hill leitet. Zu Ictzterem Zwecke ist sie mit Flimmern so reich- lich ausgeklcidet , dass man Icicht zur Annahme verleitet wird, dass ilir Epithel allein aus riimmerzcllen besteht. Iiidesscn siiid die Flimmcrzellcii nuv in grossen Meiigcn zwischeii gewohnliche Dcckzellen eingcschaltet ; die Buscliel ilirer Wimperii erheben sich einzeln oder in Giui)pen und Rciheii angeordnct aus den flachen Vertiefungen , welclie den Grenzen der Deckzellcn entsprechen. Am aboralen Pole sind die Wimperbiischel im Epithel spiirlicher und nehmen ausserdem an Zahl vom Sinneskorper aus nach den P^nden des Korperbandes ab. Ueber das Vorkommen von Flim- mcrzellen in deu Teutakelsacken werde ich spiiter bei der Be- schreibung des Tentakelapparats handeln. Unter dem gemeinsamen Namen Sinneszellen fasse ich 2 verschiedene Zellenformen zusammen, die darin iibereinkommen, dass sie mit starren offenbar zum Tasten dienenden Fortsittzen versehen sind. Die Fortsatze sind entweder lange diinne Borsten, oder sie sind kleine Stifte, welche von der Zelle mit breiter Basis entspringen und sich conisch nach der Spitze zu verjiingen. Tast- borsten und Taststifte konnen entweder einzeln oder zu mehreren auf einer Zelle sitzen. Die gewohnlichste Form der Sinneszelle, welche bei den mei- sten Ctenophoren auf der Korperoberflache und hier wiederum fast an alien Orten nachgewiesen werden kann, ist eine Zelle, welche mehrere kleinere Taststifte tragt. Die Zahl der letzteren ist bei Eucharis multicornis ziemlich ansehnlich: 5 — 7 stehen so auf dcm peripheren Zellenende, dass sie von diesem aus divergiren und einen kleinen kronenartigen Aufsatz erzeugeu. Bei Beroe (Taf. XV Fig. 7) dagegen , bei welcher der Umkreis des Sinnes- korpers und die Rander der Flimmerrinnen sich als zur Unter- suchung geeignete Stellen empfehlen, kommeu auf eine Zelle jedesmal nur 2 oder 3 Stiftchen, deren basale verbreiterte Enden sich in das Innere des Zellenkorpers verfolgen lassen. Der eindrin- gende Theil jedes Stiftes verjungt sich dabei ebenfalls conisch, nur schneller als der frei hervorragende, welcher langer ist. Im Innern der Zelle convergiren die Stifte mit ihren Enden nach einem central gelegenen Punkt. Endlich giebt es auch Sinneszellen, welche nur einen einzigen Taststift tragen; derselbe ist dann von ansehnlicher Liliige und Dicke, so dass man in vortrefflicher Weise seine Endigung in der Zelle feststellen kann. Niclit allein dringt er mit stumpfer coni- 326 Dr. Richard Hertwig, scher Spitze in das Protoplasma, sondern das letztere iiberzieht audi deu iiber die Epitheloberflache hervorragenden Tlieil noch eine Strecke weit mit einer diinnen aber deutlich nachweisbaren Scheide. Solche Tastzellen finden sich am Mundrand von Beroe ovatus (Taf. XIX Fig. 11 u. 11 y) auf den Tastpapilleu von Cestus Venei-is (Taf. XV Fig. 5) und Eucharis nmlticornis (Taf. XV Fig. 1 u. 4) an Stellen, welche auch in anderer Hinsicht von Interesse sind und daher noch besonders geschildert werden sollen. Die zwcite Art der Sinneszellen, welche mit Tastborsten aus- gestattet ist, wird im Allgemeinon seltener beobachtet; sie findet sich hier und da im Epithel von Callianira bialata, welchem Tast- stifte vollkommen zu fehlen scheinen, und sonst nur noch auf den Tentakeln der Ctenophoren und den Tastpapilleu von Cestus und Eucharis (Taf. XV Fig. 4), Entweder sind viele Tastborsten oder nur eine derselben auf dem Zellenende vorhanden. Im letzteren Fall (Fig. 4) wird die Basis der Borste von einer kleinen ringfor- migen Erhebung der Zelle urafasst, wahrend eine Verlangerung in die Zellsubstauz selbst nicht nachgewiesen werden konnte. Der Zellkorper, welcher zu den beschriebenen Tastapparaten gehort, mogen dieselben Stifte oder Borsten sein, zeigt keine Be- sonderheiteu ; er ist cubisch oder cylindrisch und enthillt einen grossen Kern. Wo ich ihn isoliren konnte — es war dies am Mundrand der Beroiden (Taf. XIX Fig. 11) der Fall — war es mir nicht moglich , an ihm Auslaufer nachzuweisen , welche den Eindruck von Nervenfadchen gemacht batten. Bei der Betrachtuug des Ektoderms gelange ich jetzt zu eincm sehr bedeutsamen Punkt, zu der Frage nach der Existenz von Ner- venfasern ausserhalb der Gallerte. Diese Frage ist bisher von alien Forschern im negativen Sinne beantwortet worden , sowohl von Eimer, welcher sonst Nervenfasern bei den Ctenophoren an- nimmt, als auch von Chun, der ein achtes Nervensystem in Ab- rede stellt. Wenn ich den Ctenophoren ein ektodermales Nerven- system zuspreche, so stiitze ich mich auf Resultate, die ich 1. durch Beobachtung im frischen Zustand, 2. durch Untersu- chuug macerirter Gewebe erhalten habe. In der Epidermis der Ctenophoren ist schon im frischen Zu- stand eine netzformige Zeichnung erkennbar, welche das Epithel in grossere und kleinere polygouale Stucke zu zerlegen scheint. Am leichtesten bemerkt man dieselbe bei Callianira bialata, besonders an den beiden aboraleu Korperzipfeln, einem recht geeigneten Unter- suchungsobject. Die netzformige Zeichnung wird hier durch ziem- Ueber den Bau der Cienophoreu. 327 lich breite etwas faserig anssclicndc Striingc vcranlasst, welchc un- tcr einaiuler sich vereinigen und so 3, 4 odor 5cckigc Feldcr um- sclireiben. Noch schoncro Prjiparato lieferii Beroc, Eucliaris und Cc'stus. Zwar ist die Structur hier wegcn der grossen Durchsidi- tigkcit der Gewebe ausscrordentlich vie! zarter und daher leichter zii iibersehen; gleichwohl treten die Contourcn deutlicher hervor, sowie man nur einmal aufnierksam geworden ist und mit stiirkeren Vergrosscrungcn und bei genaucr Einstellung die Epidermis durch- mustcrt. Die Verhiiltnisse sind iiberall im Wesentlicben die glei- cheu, so dass ich sie nur von Beroe ovatus genauer zu schildern niithig babe. Stellt man das Mikroskop etwas unter die Oberflache des Epi- thels ein, so erbillt man ein Bild, als ob das Gewebe von feinsten capillaren Gangen durchzogen wiirde. (Taf. XV Fig. 3). Indem die Gitnge sich veriisteln und untereinander anastomosiren, bilden sie ein Netz wie es von den Capillaren der Wirbelthiere herge- stellt wird; kleinere und grossere Maschen grenzen aneinander, die meisten von ihnen 4 oder 5eckig ; gewohnlich stossen dabei in einer Ecke 3, seltener 4 Gauge zusammen. Das ganze Netz brei- tet sich in einer Ebene aus, liber die das Epithel continuirHch hinwegzieht, ohne von ihm in seiner Anordnung irgendwie be- einflusst zu werden. Die polygonale Felderung, welche durch die schon oben kurz erwahnten kleinen Kornchen im Epithel her- vorgerufen wird und im Allgemeinen den Grenzen der Zellen ent- spricht, kreuzt die netzformige Zeichnung der Gange in beliebiger unregelmassiger Weise. Um dies zu controliren muss man suc- cessive die Einstellung wechseln, da beide Zeichnungen in ver- schiedenen Ebenen liegen, das System der Gauge tiefer als das System der Kornchenreihen. Auch die Flimmer- und Sinneszellen werden in ihrer Stellung nicht beeinflusst. Ferner kann man bei der Beobachtung im frischen Zustand erkenneu , dass die Gauge einen Inhalt haben. (Taf. XV Fig. 7). Es schienen mir 1, 2 oder 3 feine Faden neben einander zu ver- laufen, stellenweise, namentlich in den Knotenpunkten anzuschwel- len und sich hier zu theilen. Leider wird die Sicherheit der Beobachtung dadurch beeintrachtigt, dass die Faden ausscrordent- lich zart sind und auch bei genauer Einstellung des Mikroskops keine scharfeu Contouren besitzen. Ein sehr ahnliches Netzwerk habe ich bei Cestus (Taf. XV Fig. 2) neben den Reilien der Ruderplattchen und bei Eucharis an sehr vielcn Stellen der Korperoberflache, besonders schon an deu 328 Dr. Eichard Hertwig ot Tastpapillen und in der Umgegend der Tastpapillen nachgewiesen. Bei Eucharis schienen mir die Maschen am grossten zu sein. Zu- gleicli wurde ich hier auf ausserst feine ebenfalls netzartig ver- einte Linien aufmerksam, die das Areal einer Masche weiter ab- theilten und stellenweise Verdickungen bildeten. Ich deute das geschilderte Netz anastomosirender Gange als einen Nervenplexus , die feinen Faden in ihm als Nerven, welche hier und da zu Ganglienzellen anschwellen ; dagegen lasse ich es unentschieden , ob die bei Eucharis alleiu aufgefundenen Linien weitere Endausbreitungen von Nerven sind oder nur durch Kitt- linien im Epithel hervorgerufeu werden. Der Plexus findet seinen Platz unter den Epithelzellen , zwischen diesen und der Gallerte, er ist somit subepithelial wie der Plexus der Medusen. Ueber das im frischen Zustand beobachtete Netz habe ich weitere Aufschliisse durch Behandlung mit Reagentien zu gewinnen versucht; hierbei ist es mir trotz vielfaltiger Bemiihun- gen uicht gegluckt, eine Methode ausfindig zu machen, welche constante und gleichmassige Bilder ergeben hatte, und kann ich daher hier nicht iiber Resultate berichten, welche so beweisend waren, wie bei den Medusen und Actinien. Immerhin habe ich Praparate erhalten, welche in Ganglienzellen den Grund zu der beim lebenden Thier so scharf gezeichneten Structur erkennen lassen. Um zum Ziele zu gelangen, sind zwei Verfahreu moglich: einmal die Anfertigung von Situspriiparaten , wie sie bei den Me- dusen ausgefiihrt werden konnten, und zweitens die Isolation der Elemente in der bei den Actinien beschriebenen Weise. Fiir beide Verfahren sind die Ctenophoren sehr ungeeignete Objecte. Die Anfertigung von Situspriiparaten , bei welcher Alles darauf an- komrat, die Elemente des Nervennetzes dunkler zu farben als die bedeckenden Epithelzellen, hat mit der Schwierigkeit zu kampfen, dass unter dem Einfluss der Reagentien die Epidermis undurch- sichtiger wird, als man erwarten mochte, und dass zugleich der blasige Charakter ihrer Zellen sehr in den Vordergrund tritt. Das Letztere hat zur Folge, dass in das Praparat eine Menge unregel- milssiger Linien hineinkommen, welche das Zustandekoramen eines klaren Bildes unmoglich machen. Wenn man Osmium-Essigsiiure mit darauf folgender Carminfiirbung benutzt, was ich immer noch am vortheilhaftesten gefunden habe, so kann man zwar durch Ab- kiirzung der Einwirkung des Reagens die vacuolige Gerinnung etwas verhindern oder doch wenigstcns soweit mildern, dass sie Ueber deu 13au der Cteuophoren. 329 iiicht miihr selir scliadet, aber dann sind hiiufig die Zellen des Plexus iiiclit gut couservirt. Man hat daher zwisclicn zwei Uebcl- stiinden die Mitte einzuhaltcn, was uicht immer geliiigt. Die Isolation dcr Elcnicnte wird durch zwei Verhiiltnisse er- schwert. Einnml felilt eine feste Stiitzlanielle, welchc es ermog- licht, die Epidermis als ein Hautchen von der unterliegenden Gal- lerte abzuzielien , und ausscrdeni hiingen die Zellen viel fester aneinander als bei den Actinien und Medusen. Pinselpriiparate und Zerzupfungspriiparate sclilugen daher beide fehl ; dagegen er- hielt ich einige mehr befriedigende Resultate, wenn ich ein Stiick Epidermis mit der zugehorigen Gallerte in viel Wasser auf dem Objecttriiger glatt ausbreitete, ein Deckglascheu darauf legte und das Wasser langsam entfernte. Das Deckglilschen driickt dann ganz allmahlich auf die Gallerte und presst dieselbe auseinander. Da hierbei auch das Epithelhautchen auseiuaudergezerrt wird, so lockert sich der Zusammenhaug seiner Theile; es konnen sogar in ihm Risse und Spalten entstehen, in welche hier und da eine Ganglienzelle frei hineinragt. Das Bild gewinnt an Deutlichkeit, wenn es gelingt das Praparat umzudrehen und das Epithel von seiner unteren Seite zu betrachten, well der Plexus dann iiber die Epithelzellen zu liegen kommt. In der besprochenen Weise wurden die Praparate angefertigt, welche in den Figuren 8, 11 u. 13 der Tafel XV abgebildet sind. Figur 8 bezieht sich auf Beroe ovatus, Figur 11 auf Callianira bialata, Figur 13 auf Cydippe hormiphora. Alle Figureu stimmen im Wesentlichen tibereiu und zeigen unter dem Epithel Zellen, welche sich von den iibrigen Epithelzellen dadurch unterscheiden, dass sie kleiner sind, ein homogenes durch Osmiumsiiure etwas dunkler gefarbtes Protoplasma besitzen und nicht bis zur Ober- fiache reichen. Die Zellen haben einen Korper, der fast ganz vom Kern gebildet wird und nur eine diinne Rindenschicht von Pro- toplasma erkennen lasst, sie verlangern sich in zwei, drei oder vier Auslaufer, welche man zuweilen sich noch weiter verasteln sieht. Indem die Auslaufer benachbarter Zellen einander begegnen und eine Strecke weit neben einander hinziehen, entsteht ein Ma- schenwerk, in dessen Ecken mit Vorliebe die Zellenkorper liegen, wahrend die Seiten der Maschen von den Auslaufern der Zellen eingenommen werden. Gewohnlich laufen zwei Auslaufer, seltener drei nebeneinander. Bei einem Vergleich der Resultate, zu denen die Beobach- 330 Dr. Eichard Hertwig, tung im frisclien Zustand und die Beobachtung nach Behandlung mit Reagentien gefiilirt haben, kann es nicht zweifelliaft seiu, dass die durch Osmium-Essigsiiure deutlicli gemachten verastelten Zel- len die iietzformige Zeichnung in der Epidermis der Ctenophoren veranlassen, da in beiden Fallen die Form und die Grosse der Ma- schen dieselben sind. Ferner macht die Aehnlichkeit, welche die Zellen in Gestalt und Anordnung mit den Ganglienzellen in der Subumbrella der Medusen besitzen, es sehr wahrscheinlich , dass sie ebenfalls als Theile des Nervensystems angesehen werden mus- sen; die Behandlung mit Reagentien tragt somit dazu bei die schon oben ausgesprochene Deutung sicherer zu stellen. Mit den plexusartig angeordneteu Zellen stimmen in ihrer subepithelialen Lagerung kleine Elemente iiberein, welche ich nur bei Cestus Veneris aufgefunden habe. Durch Osmiumsaure stark geschwiirzt fallen sie als rundliche Korper in die Augen, die hier und da zu kleinen Haufen zusammengedrangt sind. Selten sind sie mit kurzen Auslaufern versehen, mit Hilfe deren sie unter ein- ander zu Reihen vereint sein konnen (Taf. XIX Fig. 2). Es ist mir sehr zweifelhaft, ob wir es hier mit Ganglienzellen zu thun haben, deren Fortsatze nicht gut erhalten sind, oder ob nicht viel- mehr die Zellen eine andere Bedeutung haben. Da der Nachweis von Ganglienzellen im Ektoderm der Cteno- phoren fast iiberall auf Schwierigkeiten stosst, so musste es mir von Werth sein, Stellen ausfindig zu machen, an denen die Arbeit durch die besondere Gunst der Verhaltnisse erleichtert wird. Dies ist mir auch gegliickt und habe ich im Magenrohr der Be- roiden ein Organ kennen gelernt, in dem der Ganglienplexus auf grosse Strecken hin im Zusammenhange dargestellt werden kann. Ich hebe dies jetzt schon hervor, weil dadurch die Beobachtungen liber die Epidermis grossere Sicherheit gewinnen, im Uebrigen behalte ich es mir vor, bei der Schilderung des Magens noch ein- mal genauer hierauf zuriickzukommen. Der letzte Bestandtheil des Ektoderms, welchen wir noch zu besprechen haben, wird durch die Muskelfasern gebildet. Im Gegensatz zu den Hydroiden, Medusen und Actinien, deren Mus- kulatur ganz oder zura grossen Theil aus dem Ektoderm stammt, sind ektodermale Muskelfasern bei den Ctenophoren verhaltniss- massig selten, da die wichtigsten Bewegungen bei den meisten Formen durch die contractilen Fasern des Mesoderms vermittelt werden. Im Allgemeineu sind es homogene ziemlich dicke Fiiden von bedcutender Litnge (Taf. XIX Fig. 3, 5 ; Taf. XV Fig. 13 ; Taf. XX Ueber den Bau der Cteiiophoren. 331 Fig. 2 m), wclclic kciii Sarkolcnim besitzcn und audi uiclit in Rin- den- und Axensubstanz dit^erenzirt sind, wie wir dies spiiter von den niesodermalen Muskeln noch kennen lemon wcrden; sic sind subepithelial, d. h. sie schieben sich zwischen die Gallerte und die Epithelzellen ein, ohne mit den Ictzteren zu P^pithelmuskel- zellen verbunden zu sein. Auf der dem Epithel zu- und von der Gallerte abgewandten Seite tragen sie von Stelle zu Stelle beson- dere Muskelkorperchen , ovale Kerne mit nur spiirlichem Proto- plasma. Wo ektodermalc Muskelfasern bei den Ctenophoren vorkommen, da ist ihre Anordnung fast in jedem einzelnen Falle eine andere, und auch in der Beschaifenheit ihrer Enden ergeben sich Verschie- denheiten. Bei Cydippe hormiphora (Taf. XV Fig. 13) laufen die Muskelfasern durch kleine Zwischenriiume getrennt und mit gros- ser Regelmiissigkeit iiber die Korperoberflache vertheilt in longi- tudinaler Richtung vom aboralen Pole nach dem Mundrand zu; sie endigen in sehr mannichfacher Weise (Taf. XIX Fig. 5), bald mit einer Verbreiterung, von welcher kurze Spitzen ausgehen, bald mit einer Anzahl feiner Endfaden, bald auch theilen sie sich zu- vor erst in zwei Fasern, von welchen eine jede in der einen oder an- deren Form ihr Ende finden kann. Ausserdem ist auch der Ten- takelsack von Muskelfasern ausgekleidet, woriiber Naheres bei der Beschreibung des Tentakelapparats nachzulesen ist. Die Muskelfasern von Eucharis multicornis sind langgestreckte Spindeln und haben beiderseits zugespitzte Enden; sie sind un- regelmiissig nach alien Richtungeu gekreuzt und folgen einer be- stimmten Anordnung nur auf den Tastpapillen , wo sie in longi- tudinaler Richtung ziehen, und auf den Korperlappen, wo sie zwei sich rechtwinkelig kreuzende Systeme bilden und daher eine netz- formige Zeichnung mit rechteckigen Maschen veranlassen. Die gleichen zugespitzt endenden Muskelfasern kehren auch bei Cestus Veneris (Taf. XIX Fig. 3) wieder, wo sie am kraftigsten entwickelt sind, sowohl was die Dicke der Einzelfaseru als auch was ihre Zahl anbetrifft. Namentlich sind die beiden Breitseiten (Tentacular- oder Lateralseiten) des bandformigen Korpers mit einer dicken Muskelschicht bedeckt, welche in sagittaler Richtung (in der Langsrichtung des Bandes) von einem Ende zum anderen verlauft und nur einen schmalen dem oberen Rand parallelen Strei- fen frei lasst. Beim ausgebildeten Thier liegt hier Muskelfaser dicht neben Muskelfaser und nur in den oralen und aboralen Randpartieen ist die Aneinandcrfiigung eine lockere ; zugleich kreu- 332 Dr. Ricliard Hertwig, zen sich hier ab und zu die Muskelfasern unter spitzen Winkeln, was sonst nicht vorkommt. Unter dieser ansehnliclien Muskelschicht , deren Machtigkeit die kraftigen schlangelnden Bewegungen des Cestus verstandlich macht, liegt noch eine Lage schwaclierer Elemente, welche erst dann gut uberblickt werden kann, nachdem jene an Macerations- praparaten durch Abpinseln und Abzupfen vollkommen entfernt ist (Taf. XIX Fig. 3 ; in dem der Figur zu Grunde liegenden Pra- parate waren einige Fasern aus der oberflachlicben Hauptschiclit beim AbiDinseln zuriickgeblieben). Auch diese zweite Muskellage gehort noch dem Ektoderm an, scheint aber durch eine Kittsub- stanz zusammengehalten zu werden, in welcher die Abdriicke der abgepinselten ausseren Muskelfasern noch zu erkennen sind. Die Fasern der zweiten Schicht kreuzen die der ersten unter sehr verschiedenen Winkeln, einige rechtwinkelig , andere spitzwinkelig und unter den letzteren wieder ein Theil in der Richtung von links unten nach rechts oben , ein anderer von rechts uuten nach links oben. Da sie durch grosse Abstande von einander getrennt sind, fiigen sie sich zu einem Netz zusammen ahnlich dem Geflecht eines Rohrstuhls. Die in Rede stehenden Muskelfasern sind zarter; sie haben unregelmassig zackige und mit kleinen Spitzchen besetzte Contou- ren, auch schien es mir, als ob sie sich mit Hilfe der spitzen Fort- satzchen an Kreuzungsstellen unter einander verbanden. Beson- dere Beachtung aber verdienen die Enden der Fasern, welche von ansehnlichen Zellkorpern gebildet werden, in denen 1 — 2 grossere Kerne sehr schon nachzuweisen sind. Das Protoplasma der ter- minalen Zelle (Taf. XIX Fig. 1) ist feinkornig und in Osmium- saure relativ stark gedunkelt und verlangert sich in zahlreiche feine nicht selten veriistelte Auslaufer. Sind nun die beschriebenen Elemente in der That auch Mus- kelfasern, wie wir bisher angenommen haben? oder sind es viel- leicht Nerven? Ich halte letztere Deutung nicht fiir wahrschein- lich, mochte sie aber doch nicht ganz von der Hand weisen. Na- mentlich sind bei jungen Thieren die Fasern sehr nerveniihnlich, indem sie als feine, durch Kerne ab und zu spindelig verdickte Faden erscheinen; auch gleichen die terminalen Zellen dann noch mehr den Ganglienzellen, als es beim erwachsenen Thiere der Fall ist (Fig. 1). Der Venusgtirtel hat endlich noch Muskelfasern im Bereich des schmalen Streifens, welcher am aboralen Pole die beiden von Ueber den Ban dcr Ctenophoron. 333 Muskeln bcdocktcn Brcitseiton verbindet und selbst als die stark vcrliiiigcrtc aborale Seitc zu betnichteii ist. Diese Muskeln vcr- laufen in den verschiedcnsten Richtiingen und erzeugen ein schr lockcrcs Geflecht. Bei Beroe ovatus, bei welchem der Magen eine starke ckto- dcrmalc Muskulatur aufweist, ist die Epidermis vollkommen mus- kelfrei. Obwolil die bier gegebene Zusammenstellung sich nur auf wenige Arten bezieht, so lebrt sie docb schon zur Geniige, dass in der Ausbildung von ektodermalen Muskelfasern bei den Cteno- pboren jede Regehiiassigkeit vermisst wird. Die bei den einzelnen Arten vorhaudenen Lagen lassen sich nicht auf eine der ganzen Abtheilung gemeinsanie Anordnung der Muskelfasern zuriickfiibren, sondern sie sind in ibrer Verlaufsricbtung und in ibrem Auftreten iiberall durcb die besonderen Existenzbedingungen der Art be- stimmt. In dieser Hinsicht ist besonders lebrreicb die Anwesen- beit der Muskelfasern an den Lateralseiten von Cestus, wo sie zur bandformigen Verliingcruug des Korpers in Beziebung steben, und bei Eucharis, wo sie vornebmlicb Attribute der Fortsatzbildungen des Korpers sind, welcbe die genannte Ctenophore und die ver- wandten Arten auszeichnen. Aus alien diesen Verbitltnissen ziebe ich den Scbluss, dass die ektodermalen Muskelfasern der Cteno- phoren in den einzelnen kleineren Abtbeilungen selbstiindig erwor- ben wurden und daber nicbt als ein fiir die Classe typisches Ele- ment angesehen werden konnen. Bevor ich die Besprechung der Epidermis abschliesse, sei hier noch etwas ausfiibrlicher der Modificationen gedacht, welche die Epidermis am Mundrand der Beroiden und auf den Tastpapil- len von Cestus, Eucharis und Deiopea erfiihrt. 1. Am Mundrand von Beroe o v a t u s (Taf. XIX Fig. 17) fehlen die gewohnlicben Deckzellen vollkommen und sind durch Flimmerzellen , Driisenzellen und Tastzellen ersetzt, welche drei dem Mundrand parallel verlaufende Streifeu zusammeusetzen. Der erste Streifen, welcher zunachst an den Mundrand und die hier be- ginnenden Stabchenzellen des Magens angrenzt, ist schmaler als die iibrigen und allein aus Flimmerzellen gebildct, welche eine cy- lindriscbe Gestalt besitzen (^Fig. 17 a). Der Zellenleib ist stark vacuolisirt und hat nur am peripheren Ende eine solide Proto- plasmaschicht , welche den dicbten Wald der Flimmerhaare iiber die ganze Oberflache der Zelle gleichmassig vertheilt tragt. Die zweite nur wenig breitere Schicht (Fig. 17 /?) ist insofern 334 Dr. Richard Hertwig, besonders benierkenswerth , als die Epidermis an keincr anderen Stelle — mit Ausnahme der Ruderplattchen — eine gleiche Miich- tigkeit aufweist ; sie besteht ebenso ausschliessiich aus DriiseDzellen, wie die vorhergelieiide Schicht aus Flimmerzellen. Auf einem Querschnitt durch den Mundrand, sind die Drusenzellen in ihrem peripheren Ende von kleinen nindliclien Korpcrchen dicht erfUllt, in ihrem basalen Ende dagegen gleichfalls von Vacuolen gebliiht; bei Isolationen erhiilt man daher gewohnlich nur den peripheren flaschenformigen Theil des Zellkorpers und nur selten verliingert sich derselbe noch in einen centralen feineren Fortsatz .(Fig. 14). Jener enthalt die Kornchen und nur selten den Kern, welcher zu- meist in dem centralen Fortsatz seinen Platz findet. Die Driisenzel- len des Mundrands unterscheiden sich von den sonst aus der Epi- dermis beschriebenen gleichnamigen Gebilden vornehmlich dadurch, dass die Kornchen in Carmin vollkommen farblos bleiben, wodurch ich an den Streifen Concrementzellen erinnert werde, welcher bei Geryonia durch das blattformige Geschlechtsorgan wie eine Rippe verlauft. Der nun folgende dritte und breiteste Streifen (Fig. 11 y nur zum kleinsten Theil dargestellt) ist ein Gemisch von Drusenzellen und Tastzellen; erstere iiberwiegen an Zahl und stimmen mit den Driisenzellen, welche wir soeben kennen gelernt haben, in der In- diflferenz der Kornchen gegeniiber der Carminfiirbung iiberein; sie unterscheiden sich von ihnen durch geringere Grosse. Die Tast- zellen sind am haufigsten in der Nachbarschaft des rein drilsigen Streifens, wo sie sogar eine sehr schmale Stelle allein ftir sich in Anspruch nehmen; sie sind die einzigen Tastzellen, welche ich habe isoliren konnen, und zum Studium der feineren Structur noch weiter deshalb geeignet, well sie mit ganz besonders grossen Tast- stiften versehen sind (Taf. XIX Fig 11). 2. Die Tastpapillen sind Organe, welche nur wenigen Ctenophoren zukommen und nicht iiberall den gleichen Bau be- sitzen. Sie sind weniger entwickelt bei den Cestiden, als bei den beiden anderen oben namhaft gemachten Ctenophoren, was auch in der histologischen Differenzirung des Ektoderms sich geltend macht. Ich beginne mit Eucharis und Deiopea, welche im We- sentlichen gleiche Verhaltnisse zeigen. Der Korper von Eucharis niulticoruis und Deiopea caloktenota ist ganz iibersaet von Tastpapillen, welche namentlich den Plattchen- reihen parallel in Reihen stehen und 1 — 5 Mm lang und 0,5 — 1,0 Mm breit sind (Taf. XXI Fig. 3); sie entspringen mit konisch ver- Ueber don lijiu tier Ctouophoren. 335 broitoi'ter Basis uuf der Korperobei-ttaclic , iielniicn abcr bald ciue cyliiulrischc Gestalt an, bis sie sich am Eiide wicdcr ctwas schei- benfiU-mig vcrbreitern ; sie sind ausserordentlicli reizbar und beweg- lidi; niUicrt man sich einer Papille mit einer Nadel odcr einem an- deren Gegenstand, so verlangcrt sich nicht allein die beriihrte, son- dern auch die iibrigen benachbarten Papillcn dehnen sich aiis, rck- keii sich und suchen mit ihrcn scheibcntormigen Enden sich an dcm Gegenstand zu befestigen und anzukleben, was durch die bc- sondeie Structur des Endes ermoglicht wird. Das Ende einer jeden Papille ist von driisigen Zcllen bedeckt (Taf. XV Fig. 1 u. 4) , grossen Korpern , welche halbkugelig iiber die Oberflache hervorragen und im frischcn Zustand nahezu ho- mogen aussehen; bei Reagentienbehandlung gerinnen sie entweder IriibkOrnig oder sie quellen zu Blasen auf, die dann Dur von einer diinnen membranartigen Schicht umhiillt werden. Die Kerne lie- gen an der Basis der Zellen, der Gallerte benachbart. In den Fur- chen zwischen den Driisenzellen sitzen zahlreiche Taststifte, wie ich sie oben schon genauer gcschildert habe, in grosseren oder kleineren Gruppen; sie gehoren zu besouderen Tastzellen und be- diugen die grosse Erregbarkeit der Tastpapillen, wahrend die drii- sigen Zellen das zum Ankleben dienende Secret liefern. Die Seitenwandungen der Papillen sind von einer Schicht longitudinaler Muskelfasern iiberzogen, Avelche die Papille verkiir- zen, wahrend die Verliingerung durch zahlreiche, dem Mesoderm angehorige Elemeute, welche spilter noch besprochen werden sollen, herbeigefiihrt wird. Die ektodermalen Mnskdfasern sind dicht aneinander gefiigt, enden beiderseits zugespitzt und sind mit Ker- nen versehen, welche den Muskelfasern gleichsam ausserlich ange- klebt sind. Auch ein Nerveuplexus lasst sich im frischen Zustand oberhalb der Muskelfasern im Epithel mit Deutlichkeit erkenuen. Eerner kommeu noch Tastzellen vor, bald solche mit Borsten, bald solche mit Stilbchen, doch sind sie viel sparlicher als im Bereich der driisigen Endscheibe. Von viel einfacherer Beschaffenheit und viel sparlicher an Zahl sind die Tastpapillen der Cestiden (Taf. XXI Eig. 11), sie sind in ihrer Verbreitung auf die aborale Flache des Korpers be- schrankt, welche bekanntlich hier zu einem langen schmalen, zwi- schen den 4 Reihen der Wimperpliittchen verlaufenden Streifen ausgezogeu ist, und sind am hiiufigsten in der Nachbarschaft der Plattchenreihen. Im Ruhezustand bilden sie nur schwache Hervorwolbungen der Korperoberflachc , welche aber starker her- 336 Dr. Richard Hertwig, vortreten, wenn sich die zu ihnen gehorige raesodermale Muskulatur zusammen zieht. Wahrend die ektodermalen Langsmuskeln feh- len, ist die Spitze der kleinen Hervorwolbuiig mit Driisenzellen und Sinneszellen bedeckt (Taf. XV Fig. 5) , wie bei Eucharis. Im Innern der Driisenzellen beobaclitete ich haufig eine sternformige Figur, zusammengesetzt aus feinen Nadeln, welche bald von einem geraeinsamen Punkt ausstrahlen, bald unregelmassig nach alien Richtungen bin gekreuzt sind; die Figur blieb auch bei Behand- lung mit Osmiumsaure sichtbar, obschon der Inhalt der Zellen fein- kornig gerann und sich braunte. Wenn man die Tastpapillen der beiden Ctenophorenarten mit einander vergleicht, so ergiebt sich, dass sie beim Cestus Veneris auf einer niedrigeren Stufe der Ausbildung verharren als bei der Eucharis multicornis. Wahrend sie bei letzterer nach alien Rich- tungen hin frei beweglich sind und ganz wie Tentakeln zum Tasten und Einfangen von Beute gebraucht werden konnen, sind sie beim Cestus Klebapparatc, die nur dadurch wirksamer gemacht werden, dass sie die Fahigkeit haben, iiber die Korperoberflache sich empor zu wolben. W^enn wir hier zunachst noch von der verschie- denen Beschaffenheit des Mesoderms absehen, so ist der Unter- schied vornehmlich dadurch bedingt, dass die Tastapparate von Deiopea und Eucharis longitudinale Muskeln im Ektoderm be- sitzen, welche bei Cestus Veneris noch fehlen. Es bestatigt sich auch hier wieder der schon oben hervorgehobene Satz, dass das Vorkommen ektodermaler Muskelfasern bei den Ctenophoren sehr inconstant ist, dass dieselben tiberall da, wo sie angetroffen wer- den, sich im Anschluss an besondere locale Verhaltnisse entwickelt haben. Literatur. Die Angaben iiber das so mannigfach gestaltete Epithel der Korperoberflache lauten bei den meisten Forschern recht laconisch. Will (35 p. 54) ist uberhaupt wohl der erste, welcher es als einen besonderen Gewebsbestandtheil im Korper der Ctenophoren beschreibt; er schildert es als eine einschichtige Epidermis von gleichformigem Bau ; als besonders modificirte Stcl- len fuhrt er nur die Enden der Tastpapillen von Eucharis an, welche stark anhaften und eine dicke Schicht runder korniger Korperchen tragen. Auch das Vorkommen von contraction Fasern bei Eucharis und von sternformigen Pigmentzellen bei Beroe wird erwahnt. Gegenbaur (21. p. 195) geht uber die Schilderung des Integuments mit den wenigen Worten hinweg, dass ein Epi- thel von plattenformigeu Zellen vorliege. Auch Fol (18. p. 10) Ueber den llau dor Clciiopliorcn. 337 spriclit bei Cestus von platteiiformigen polygonalcn Epitliclzelleii als den cinzigcn Elemeiitcn dcr Epidciniis; diclit unter ihnen sollen aiif den beiden Lilngsseiten dcs Korpers Muskelfusern vcrlaufcn, welche die schliingelnden Bewcgungen des Veuusgurtels vermitteln ; auf die Muskelfasern soil dann welter cine Lage diinner Zellen folgen, deren Langsdurchmesser zur llichtung der Muskelfasern senkrecht stehe. Diese Zellenlagc, welclieFol ganz wie eine Epi- thclschieht abbildet, existirt nicht; zu ihrer Annahme ist der Ver- fasscr offenbar verleitet worden durch die Lage sich kreuzender Muskelfasern, die eine netzformige Zeichnung hervorrufen, welche bei ungeniigender Conservirung allenfalls als ein Plattenepithel ge- deutet werden kann. Auch mit der Scliilderung, welche Eimer (14. p. 24) vom Epi- thel der Beroiden entwirft, kann ich mich nicht einverstanden er- kliiren. „Die Elemente desselben", heisst es, „sind so ungeraein diinn und zart und so durchsichtig , dass sie nur schwer am fri- schen Thiere studirt werden konnen. Nach Anwendung aber auch der besten Conservirungsfiussigkeiten findet man sehr haufig nur die Kerne derselben erhalten. Sind dagegen die Zellen conservirt geblieben, so erkennt man sie als ausserst dlinne Plattchen." „Jede Epithelzelle soil von einer Nervenfibrille versorgt werden, welche nach dem Centrum des Kerns zu gerichtet ist", so dass dem Ver- fasser eine Endigung im Kernkorperchen wahrscheinlich wird (p. 65). Ausser diesen Plattenepithelzellen werden als Elemente, die weiter verbreitet, wenn auch besonders haufig im Umkreis des Afterpoles und des Mundrandes entwickelt sind, nur noch Nesselzellen be- schrieben, „welche entweder frei oder in eigenthiimlichen birnfor- migen Zellen oder aber in besonderen — mit kurzen Borsten be- setzten (p. 26) — Kapseln eingeschlossen sind" (p. 25). Die birn- formigen, Nesselzellen fuhrenden Gebilde wurden ausserdem auch unter dem Epithel in die Gallerte eingebettet vorgefunden. Was das Verhaltniss zu den Nerven anlangt, so wcrde ich spater noch einmal auf diesen Punkt zuruckkommen. Im Uebrigen ist in der ganzen Darstellung auffallend, dass Eimer so mancherlei von mir beobachtete Verhiiltnisse (Anwesenheit eines Plexus, von Taststiften, von Driiseuzellen), die zum Theil auch von Chun in gleicher Weise beschrieben worden sind, nicht erwahnt, dass er dagegen Nesselzellen — er fiigt sogar noch erlauternd hinzu: „der Nesselfaden in der gewuhnlichen doppeltbegrenzten Hiille eingerollt" — gesehen haben will, welche bisher von Nie- mand, auch von Chun und mir nicht bei den Ctenophoren aufge- Bd. XIV. N. F. VII. 3. OO 338 Br. Richard Hertwig, funden wordcn sind. Wenn ich nun die Abbildungen Elmer's zu Kathe ziehe, so gelange ich zur Ansicht, dass ungeniigende Beobachtung im frischen Zustand und Untersuchung an einem ungiinstig conservirten Material Veranlassung gewesen sind, dass Elmer zu so ganz anderen Resultaten hat gelangen konnen. Derselbe Verfasser kommt audi auf das Epithel des Mund- randes an einer besonderen Stelle (14. p. 68) seines Werkes aus- fuhrhcher zu sprechen und unterscheidet In ihm zwelerlel Zellen 1) „tannenzapfenahnliche elllpsoldische Korper, welche aus lauter kleinen gliinzenden kugeligen Korperchen bestehen, die durch eine zarte Hulle zusammengehalten werden", 2) „cyllndrische Zellen, welche zuweilen wie Sinnesepithelien in ein spitzes Stabchen aus- laufen." Erstere sind die Concrement- oder Driisenzellen, letztere die Tastzellen. Dagegen lasst Eimer die Streifen von Flimmer- zellen unerwahnt, welche iibrigens, wie ich hier noch hervorhebe, schon von R. Wagner (34.) entdeckt worden sind. Chun (6.) hat in seiner ersten Arbeit vorlaufig eine Abbil- dung vom Ektoderm des Cestus geliefert, ohne eine genauere Er- klarung hinzuzufiigen ; die Abbildung giebt den Eindruck des Epi- thcls vortretflich wieder und habe ich zu ihr nur zu bemerken, dass die als verastelte Kerne gedeuteten Netze mancher Zellen Protoplasmageriiste vorstellen, in welchen erst die Kerne enthal- ten sind. Nur zwei Zellenformeu des Epithels hat der Verfasser gleich genauer beriicksichtigt, die irisirenden Zellen, welche er iiberhaupt zuerst aufgefunden und richtig beschrieben hat, und die kleinen rundlichen Zellen, deren ich bei der Beschreibung der ektoderma- leu Muskeln von Cestus Veneris gedacht habe, ohne iiber ihre Be- deutung ein bestinimtes Urtheil abzugebeu. Chun halt sie fur die Anlagen der mesodermalen Miiskelfasern , zu welchen sie sich unibilden sollen, indem sie in die Gallerte einwandern und zu Fa- den sich strecken. Ob er hiermit Recht hat, lasse ich uneutschic- den, da ich weder Beobachtungen fiir noch gegen die Ansicht an- fiihren kann. Nesselzellen dagegen hat er ebensowenig wie ich entdecken konnen. In einer spateren Arbeit berichtigt Chun (9. p. 334) die An- gaben Fol's iiber die Anwesenheit einer besonderen Zellenschicht unter den ektodermalen Muskeln der Cestiden, macht dagegen auf das hier vorhandene Netz von Muskclfasern aufmerksam ; zugleich beschreibt er die etwa um dieselbe Zeit auch von Bucker's (5 a) aufgefundenen Tasthaare und ihre Anhiiufung zwischen den drii- Uebor don 13au der Ctonophoron. 339 sigeii halbkugdigeii /ellkorpcrn, wdclic die Tastpapillcn von Cestus und Eucluu'is bcdcckcn, ohiic jedoch auf die feinere Structur der Tastzelleii einzugelieu. Ganz neuerdings hat endlicli audi Eimer (16.) gcstiitzt auf Uiitersudmngen, weldie er sclioii vor lilugerer Zeit in Ncapel anzu- stellen Gclegenhcit hatte, ilber die Tastborsten auf den Tastpapillen von Eudiaris Mittheilungen gemadit; er hiilt die Tastborsten fur Theile, welche den drusigen Zellen und keinen besonderen Sinnes- zellen angehoren. 2. Ueber den Bau des Siuneskorpers, der Polfelder und der Meridianstreif en. Unter alien Organen, welche sich uns als ausschliessliche Dif- ferenzirungen des Ektoderms darstellen, ist keines fiir die Charak- teristik der Ctenophoren von so grosser Bedeutung als der Sinnes- korper mit den an ihn sich anschliessenden Polfeldern und den von ihm ausgehenden Meridianstreifen, unter welchem Namen wir oben schon die Wimperrinnen und Pliittchenreihen zusammenge- fasst haben. Sinneskorper , Polfelder und Meridianstreifen fehlen keiner Ctenophore und kommen andererseits bei keinem anderen Thiere zur Beobachtung; zugleich bilden sie ein zusammengehoriges Ganze, so dass es sich aus diesem Grunde empfiehlt sie in einem gemeinsamen Capitel zu besprechen. 1. Der Sinneskorper liegt am aboralen Pole, zwischen den 2, beziehungsweise 4 (Callianira bialata Taf. XIX Fig. 4) hier ausmiindend^n Trichtergefassen genau in der Mitte; er ist ein dickes Zellenpolster, von dessen Rand 4 faserige Platten entspringen, welche zusammenneigen und gemeinschaftlich eine Art Glocke bil- den. Diese umgiebt mit dem Zellenpolster, auf welches sie gleich- sam aufgesetzt ist, einen mit Flussigkeit erfiillten, bliischenartigen, aber unvollkommen abgeschlossenen Baum, in welchem ein rund- licher Haufen von Horsteinchen schwebt, getragen von Haaren, welche von dem Grund des Bliischens an ihn herantreten. Das Zellenpolster oder, wie man es namentlich fruher nannte, das Gang- lion hat eine im Grossen und Ganzen ovale Gestalt und dehnt sich am meisten in der Bichtung des Sagittaldurchmessers des Ge- sammtkorpers aus. Von oben gesehen erscheint es durch 4 voll- kommen symmetrisch angeordnete Einschniirungen in vier Lappen abgetheilt, von welchen zwei grosser und sagittal, zwei andere kleiner und transversal gestellt sind; erstere grenzen zugleich an die beiden ebenfalls sagittalen Polplatten (Fig. 4 x) an. An den 22* 340 Dr. Richard Hertwig, eingeschniirten Stclleii, wo die grosseren iind kldueren Lappen aneinander stossen, verbiiiden sich niit dem Sinneskorper die 8 paarweis vereinten Wimperrinnen (Fig. 4 w), welche offenbar die Einschnurungen und die vierlappige Gestalt des Ganglion veran- lasst haben. Bei Callianira bialata, welche ich bei der vorstehen- den Schilderung vornehmlich im Auge liabe, sind die eingeschnur- ten Stellen ferner noch durch eine starke rostbraune Pigraen- tirung ausgezeichnet, welche in den Zellen des Sinneskorpers ihren Sitz hat. Wie sehr auch der Sinneskorper scharf umschrieben ist, so ist er doch nur eiue modificirte Partie des den ganzen Korper iiberziehenden Epithels. Sein ganglioses Aussehen riihrt daher, dass das Epithel sich plotzlich ansehiilich verdickt und eine knut- chenartige Anschwellung erzeugt. Da das Epithel dabei einschichtig bleibt, so ist die Verdickung allein auf Rechnung der ausseror- dentlichen Langenzunahme der einzelnen Epithelzellen zu setzen, welche zugleicli von einer Feinheit sind, wie sie sonst im Epithel der Ctenophoren nirgends beobachtet wird. Isolirt sind die Zellen diinne Fiiden, deren ovale Kerne, trotzdem dieselben eben- falls sehr klein sind, den Zellkorper spindelformig auftreiben (Taf. XIX Fig. 13). Die Enden des Zellenfadens hiJren beide in gleicher Weise scharf abgesetzt wie abgeschnitten auf; das periphere Endc ist dabei stets an zwei Merkmalen kenutlich, 1) dass es einen Schopf von feinen Flimmern tragt, 2) dass das letzte Stiick des Zellenkorpers durch einen kleinen Strich abgesetzt ist, als ob der Zellenkorper hier mit einer ansehnlichen Cuticula bedeckt ware. Da die Gestalt und das Vorkommen der Fliinmerzellen ihre Deu- tung als Sinneszellen in hohem Grade wahrscheinlich machen, habe ich micli bemiiht, an ihnen fadenfonnige Ausliiufer nachzuweisen, ohne jedoch Erfolg zu haben. Ebenso vergeblich habe ich nach Nervenfaserchen gesucht, welche bei den Actinien und Medusen in grosser Menge unter dem Epithel der Mundscheibe und des Schirmrands verlaufeu. Freilich ist mir eine Isolation der Ele- mente nur einige wenige Male gegliickt; denn wie alle Elemente des Ektoderms, so haften auch die Zellen des Sinneskorpers fest aneinander. Dazu kommt, dass der Abschnitt der Korperoberflache, welcher die Sinnesorgane tragt, bei jeder Reizung der Ctenophore zuriickgezogen wird und dabei in den Grund einer Furche zu lie- gen kommt, deren Rilnder sich aneinander legen und das Hinzu- treten der Reagentien behindern. In solchen Fallen ist es immer Ucber den Eau dcr Ctcnophoren. 341 sehr crschwcrt, bci niacerirenden Ivcagciiticn den riclitigen Conccii- trationsgrad und die richtigc Zeit der Eiiiwirkung zu bcmesscii. Die Obcrflilclic des Epithels ist von einem diclitcn Ueberzug lebhaft schwingcnder Wimpern bedeckt, welcher niir an 4 Stellen, etvvas nacb einwiirts von don 4 Einschniiruiigen, cine Modification orfiihrt. Hier erhebcn sicli 4 die Otolitlicn tragende Federn, welclie an dcr Basis breit beginnen, allmahlich schmiiler werden und niit feiner Endspitze sich in den Otolithenbaufen einsenkcn (Taf. XIX Fig. 4 u. 8). Sie sind dabei in der Weise Sforraig gekrunimt, dass sie von ihrer unter dem Otolithenbaufen gelegenen Basis aus sich zuerst nach aussen wenden und dann von aussen mit einer zweiten Krummung an die Horsteine hcrantreten. Die Federn sind Biischel von Wimpern, die untereinander vereint sind und dadurch eine grossere Festigkeit erhalten haben, die sich aber durch Rea- gentienbebandlung zerfasern lassen ; sie stehen in Beziehung zu den Flimmern der Wimperrinnen, welche in das Sinnesbliischen eintreten und an den 4 Wimperfedern enden. Querschnitte durch den Sinneskorper (Taf. XIX Fig. 8 u. 9) er- geben verschiedene Bilder je nach dem Abschnitt, durch den sie gelegt sind, und je nach der Richtung, in welcher sie gefiihrt wur- den. Am verstandlichsten werden die Bilder bei einer sagittalen Schuittrichtung, mit Hilfe deren die in den Figuren 8 und 9 dar- gestellten Priiparate gewonneu wurden. Beide Priiparate sind nur zur Halfte abgebildet, indem das eine Mai die rechte und das andere Mai die linke Scite weggelassen ist, und sind einer durch den Sinneskorper einer Callianira bialata angefertigten Schnittserie entnommen. Die Richtung des der Figur 8 zu Grunde liegenden Schnittes ist in dem Flachenbild der Figur 4 durch die Linie a bezeichnet, die Richtung des zweiten Schnittes durch die Linie /?. In der Figur 9 ist die eingeschniirte Stelle getroffen, welche auf dem Querschnitt an der Basis der Epithelzellen ebenfalls eine Einkerbung hervorruft, so dass der ganze Durchschnitt dreilappig erscheint. An der eingeschniirten Stelle bemerken wir einige Pig- mentzellen, die verhaltnissmassig dicke, durch Osmiumsaure ge- schwitrzte flaschenformige Korper besitzen. In der zweiten Figur 8 dagegen, welche sich auf eine etwas mehr nach dem Mittelpunkt zu gelegene Stelle bezieht, ist das Epithelstratum mehr gleich- formig, dafiir triigt es an einer durch eine Verdickung des Epithels ausgezeichneten Stelle die Sformig gekriimmte Wimperfeder, welche mit dem daruber befindlichen Otolithenbaufen in Verbindung tritt. Im Uebrigen stimmen beide Schnitte im Banc uberein. Die Zu- 342 Dr. Richard Hertwig, sammensetzung des Epithels aus zahlreiclicn Einzelzellen giebt sich wegen der Fcinlieit der Elemente nur in der grossen Anzahl der Kerne zu erkennen. Diese sind kleine ovale Kurper, die mehr Oder minder in die Litnge gezogen und in 3 — 5 Lagen iibereinan- der angeordnet sind, so dass man ohne die Controle der Isolations- prilparate ein vielscliiclitiges Epithel vermuthen mochte. Da die Kerne niemals in den peripheren Abschnitten der Zellen liegen, so entstebt auf Querscbnitten eine oberflacbliche , kernlose Zone, welcbe in Edge der fadeuformigen Beschaffenbeit der Zellen fein liingsgestreift ist; durcb sie hindurcb ziebt sicb eine kornige Linie bin, welcbe in einiger Entfernung vom freien Rande und demsel- ben im Allgemeinen parallel verlauft, nacb dem Rand des Sinnes- korpers aber mit ibm convergirt. Durcb die Linie wird ein nicbt unansebnlicber cuticulaartiger peripherer Saum in der Epitbelscbicht abgegliedert , was mit den bei Isolation der einzelnen Zellen ge- wonnenen Erfabrungen iibereinstimmt. Aucb die basale an die Gallerte angrenzende Partie des Epitbels lasst die Kerne vermissen und gewinnt dafiir ein fein granulirtes Ausseben, wegen dessen man an eine Zusammensetzung aus Nervenfasern denken konnte, wcnn dem nicbt die Resultate der Isolation entgegenstanden. Un- ter alien Umstanden wtirde die etwa vorbandene Nervenschicbt sebr unansebnlicb sein. Nacb dem Rande zu nimmt die Hobe des Epithels rascb ab, es gebt dabei nicbt sofort in das gewohnlicbe Deckepitbel iiber, sondern wird von demselben noch durcb einen die Glocke des Sin- neskorpers tragenden Zellenwulst getrennt, welcber auf Querscbnit- ten vom Sinnesepitbel deutlich gesondert ist, bei der Flachenan- sicht aber von ihm nicbt unterschieden werden kann. Die Zellen des Epitbelwulstes sind fadenformig, wenn aucb nicht so lang als die des Sinneskorpers; sie wandeln sich ziemlich rascb durch Ver- kiirzung und entsprechende Verbreiterung des Korpers in das an- grenzende Plattenepitbel um. Die Glocke bestebt aus fein en aber starren Fasern, welche dem peripheren Ende der Epithelzellen nacb Art von Wimperu aufsitzen und wie die Fasern der Ruderplattcben aucb als modi- ficirte Wimpern zu betracbten sind. Im frischen Zustand sind die einzelnen Fasern unter einander zu Flatten fest verklebt, welche nur am freien Rande etwas ausgefasert sind, sonst aber durchaus homogen oder nur schwach und undeutlicb streifig erscbeinen. Unter der Einwirkung macerirender Reagentien verliert sich der Zusammenbalt und die Festigkeit der Flatten, so dass nun Buschel Ueber deu liuu der Ctenophoren. 343 von feincu Fasern sicli allseitig fiber dcii Sinneskiirpor licrtiber- legeii. Entsprcchciul cler Auzalil der Lappen , welche den Sinnes- kiirper zusamniensctzen , sind aucb vier Flatten vorbanden , zwei sagittale und zwei transversale ; jede sagittale Phitte zerfallt wel- ter durcb cinen breiten Spalt In zwei Hixlften. In Folge diescr Anorduung fiibren in deu Binnenraum der Glocke secbs Oeffnun- gen , zwei derselben , zugleicb die grossten , llegeu da wo die Pol- platten an den Slnueskorper grenzen, die vier andereu finden sick an den eiugescbniirteu Stellen als Durcblasse fiir die Wlmper- rinncn. Der Otolitbenbaufen (Taf. XIX, Fig. 4) , welcber von den vier oben bescbriebenen Wimperfedern getragen wird, ist ein kugeliges Cougiomerat von zablreicben imter einander verklebten kleinen Concretionen , die sieb in Sauren, selbst in Osmiumsaure leicht Icisen; bierbei binterlassen sie ein organiscbes Stroma, ein Netz von gleicbmassig grossen Mascben, in denen urspriinglicb die Oto- litben entbalten waren, in welcben aber keine Kerne nacbgewiesen werden kounten (Taf. XIX, Fig. 8). Beiin erwacbsenen Tbier ist der Otolitbenbaufen vom unterllegenden Gewebe vollkommen abgelost, docb entsteben, wie namentlicb die Beobacbtung junger Tbiere lebrt, die eiuzelnen Concremente im Epitbel des Siuneskorpers und geratben erst spater in den Hoblraum der Glocke, um bier unter einander zu verkleben. 2. Das zweite Siuuesorgan, welcbes sicb am aboralen Pole des Korpers vorfindet und keiner Ctenopbore feblt, die P o 1 p 1 a t - ten (Taf. XIX, Fig. 4x) sind zwei flimmernde Epitbelstreifen, wel- cbe am Sinneskorper beginnen und sicb stets in sagittaler Ricb- tung bin erstrecken, unbeklimraert darum, ob der Korper der Ctenopbore wie bei Cestus in derselben Ricbtung, oder wie bei Callianira in entgegengesetzter (transversaler) Ricbtung am mei- sten verliiugert ist. Bei Callianira, Beroe und Cestus, wo sie am ktirzesten sind, baben die Streifen eiue zungenformige Gestalt; sebr langgezogen sind sie dagegen bei Cydippe bormipbora, Eucba- ris multicornis und Verwandten. Da wo sie an den Sinneskorper grenzen, sind sie etwas eingescbniirt , wodurcb die obnedies durcb den Ursprung der Glocke bezeichnete Greuze nocb mebr markirt wird. Aucb die Grenze gegen das umgebende Epitbel ist scbarf gezogen, obwobl sie uur durcb den verscbiedenen Cbarakter der Zelleu bedingt ist. An jeder Polplatte (Taf. XIX, Fig. 4; Taf. XX, Fig. 3) miissen wir zwei Partieeu miterscbeiden , ein Mittelfeld uud einen 344 Dr. Ei chard Hertwig, Kandwulst. Im Bereicli des Mittelfeldes (Fig. 3a) siud die Zelleii plattenformig und trageii einige wenige, aber sebr lange Wimperu , welche von eiuem kleinen Abschnitt der Oberflache ent- springeu imd mit eiuander so fest verklebt siud, dass man sie in ihrer Gesammtbeit leicbt fiir eine einfacbe dicke Geissel balten mcicbte. Die Urspriinge der Wimpern liegen dabei in einer Linie, welcbe quer zuni Langsdurcbmesser der Polplatte gestellt ist. Die Zellen des Randwulstes (Fig. 3/?) endlicb unterscbeiden sieb von den so eben bescbriebenen Elementen durcb ibre Gestalt und Bewiuiperung; sie siud von oben geseben kleiner, dagegen boher und mebr cylindriscb, was zur Folge bat, dass auf Querscbnitten die Randpartieen der Polfelder wesentlicb verdickt siud. Die et- was kiirzeren, wenn aucb immer nocb ziemlicb bxngen Flimmem steben etwa 6 — 10 auf jeder Zelle in einer Reibe, welcbe dem Langsdurcbmesser der Polplatte parallel verlauft, dabei aber etwas nacb aussen gekriimmt ist. Bei den Beroiden gestalten sich die Verbiiltnisse in so fern anders, als bier der Randwulst sicb zu kleinen tentakelartigen Fortsatzen differenzirt bat. Die Fortsatze, deren Inneres solide und von Gallerte erfiillt ist, sind mit an- sebnlicben Cylinderzellen bedeckt, die gleicbmiissig und dicbt be- wimpert sind und einen Kern im basalen Zellenende tragen. Aucb bei den Polplatten, welcbe ja ebenfalls in ibrer Be- scbaffeubeit an Siunesorgane erinnern, tritt uns die scbon bei dem Sinneskorper aufgeworfene Frage entgegen : Lassen sicb Elemente, die man als Nerven deuten konnte, nacbweisen? Isolationspra- parate baben mir negative Resultate geliefert, da icb nicbt einmal an den cylindriscben Zellen des Randwulstes, die icb mebrfacb, wenn aucb nur mit grosser Miibe, isolirt babe (Taf. XIX, Fig. 10), fadenformige Auslaufer auffinden konnte. Dagegen sprecben die mit Osmium-Essigsaure angefertigten Flacbenpraparate von Eucba- ris multicornis fiir die Annabme von Nerveu (Taf. XX, Fig. 3) ; bei dieser Priiparationsweise wird uamlicb ein Strang unter dem Epitbel sicbtbar, welcber iibnlicb wenn aucb weniger deutlicb den Callianiren und Cydippen zukommt. Der Strang verlauft, da wo Mittelfeld und Randwulst an einander grenzen, dem Rand des ganzen Organs parallel , er siebt britunlicb , feiukornig faserig aus, ganz wie der in gieicber Weise bebandelte und in situ betracbtete Nervenring der Medusen ; er entbiilt sogar die dort ebenfalls vor- kommenden Vacuolen. Weiteres konnte icb iiber den in Rede ste- benden Strang nicbt ermitteln, da es mir nicbt einmal gelang, ibn fiir sicb darzustellen. Ueber deu Ban der Cteuophoreu. 345 3) Die von dcm Sinncskorpcr aus entspringcnden Meridian- streifen sind Reiheii besonders gearteter Flimmerzellen, die sich stets in Acht-Zahl vorfindcn. Sic erstrecken sicli nach dem oralen Pole, ohne densclben jedocli zu erreichen, da sie je nach den ein- zelnen Arten in grosserer oder geringerer Entfernung vora Mund- rand aufhorcn. Wenn sie auch miiglichst gleichformig iiber die Oberflaclie vertheilt sind, so fallen die Intervalle zwischen benach- barten Meridianstreifen doch stets verschieden aus, was damit zu- sammeuhjingt, dass der Qiierschnitt des Ctenophorenkorpers nie kreisformig, sondern bald mchr in trausversaler bald mehr in sa- gittaler Richtung abgeplattet ist. So sind die Intervalle bei den Cydippen und Callianiren auf den Transversalseiten, bei den Be- roiden auf den Lateralseiten am grossten, weil bei jenen die Sa- gittalaxe, bei diesen die Transversalaxe verkiirzt ist. Ganz unab- hangig hiervon ist die Art, wie sich die Meridianstreifen in der Niihe des Sinneskorpcrs unter einander verbinden oder besser an einander legen. Wenn wir die 4 den Enden der Sagittalaxe zu- niichst verlaufenden Meridianstreifen die sagittalen Meridianstrei- fen nennen und die 4 andcren in entsprechender Weise die trans- versalen, so bilden stets ein sagittaler und sin trausversaler ein zusanimengehoriges Paar; sie sind stets durch einen kleineren Zwi- schenraura von einander als von den iibrigen getrennt; in ihrem oberen Verlauf legen sie sich sogar dicht neben einander, dringen dann gemeinsam in das Blaschen des Sinneskorpers ein, indem sie eine der oben genauer beschriebenen Oeffnungen benutzen, und enden gemeinsam an einer der vier Wimperfedern. Die durch den Bau ihrer Elemente unterschiedenen beiden Theile der Meridianstreifen, die Wimperrinnen und die Rei- hen der Ruderplattchen, verhalten sich gewohnlich in der Art zu einander, dass der an den Sinneskorper grenzende Ab- schnitt eines Meridianstreifens von der Wimperrinne, der darauf folgende Abschnitt von der Plattchenreihe gebildet wird. Wie je- doch Chun gezeigt hat und sich leicht bestatigen lasst, machen Eucharis multicornis und einige verwandte Arten eine Ausnahme. f^ier sind die einzelnen Ruder der Plattchenreihen durch weite Abstande getrennt und durch Wimperrinnen von demselben Bau, wie sie sonst nur zwischen dem Sinneskorper und dem ersten Ru- derjDlattchen vorkommen, unter einander verbunden. Wimperrin- nen und Plattchenreihen stellen sich uns somit als besonders mo- dificirte Theile eines einheitlichen Organs, des Meridianstreifens, dar. Die Wimperrinnen sind Vertiefungen der Korperoberflache, 346 Dr. Kichard Hertwig, die so lange als die Ctenophore frei herumschwimmt , sehr flach sind, bei jeder Beunruhigung des Thieres aber sofort durch me- sodermale Muskeln zuriickgezogen und zu tiefeu Furchen umge- wandelt werden, Indem zugleich die Kauder der Furche sich an einander legen, werden die den Grand der Rinne bildenden functiouirenden Elemeute geschtitzt. Dieselben sind Flimmerzellea eigener Art, \Yelclie bei den kleineren Ctenoplioren in wenigeu, bei den grossereu in zahlreicheu Laugsreihen (bei Beroe z. B. in 6 — 8 Langsreihen) angeordnet sind (Taf. XXI, Fig. 14). Indem die Zahl der Reihen eine erhebliclie Vermehruug erfahrt, enden die Fliramerrinnen aller Ctenophoren an der Basis der ersten Ru- derplattchen mit einer dreieckigeu Verbreiterung, deren Ende etwas in die Basis des ersten Ruderplattchens hineinragt. Die Zellen sind in der ganzen Ausdehnung der Wimperrinnen gleicliformig gebaut und haben einen spindelformigen Korper, des- sen Langsdurchmesser nach der Richtung der Rinne orientirt ist, dessen Holie die Hohe der benachbarteu Deckzellen iibertrifft, wabrend seine Breite betracbtlich geringer ausfallt. Der Kern der Zelle ist gross und wird nur von wenig Protoplasraa umhtillt. In Folge dieser Bescbaffenbeit erscheinen die Wimperrinnen als ver- dickte Streifen im Epitbel, welcbe nacb Anwendung von Carmin- farbung wegen ihres Kernreichthums noch weiter durcb ihre in- tensivere Farbung bervortreten. Eine scbarfe Abgrenzung ist je- docb nicbt nacbweisbar, da das Epitbel der Wimperrinne allmablich in das der iibrigen Korperoberflacbe tibergebt. Auf den Zellen stehen die Wimpern in einer sebr charakteri- stiscben Weise gruppirt, was am meisten in die Augen fallt, weuu man auf einem Flacbenpraparat die Wimperrinnen von oben be- tracbtet. Jedesmal 6 — 10 Flimmern ordnen sicb, eine geuau hinter die andere gestellt, zu kleinen Langsreihen an, von den en etwa zwei bis drei auf eine Zelle kommen. Da nun die Basen der Wimperreihen bei der Betrachtung von oben wie kleine scbarf contourirte Linien ausseben, so ist der Rinnengrund von zahllo- sen kleinen Langsstricben bedeckt. Die Flimmern sind sebr kraf- tig, in ihrem Anfangstheil gerade aufgericbtet , in ibrem letzten Dritttheil rechtwinklig umgebogen. Die umgebogenen Enden legen sich auf die umgebogenen Enden der jedesmal nachstfolgenden Wimpern auf, eine Eiurichtung, welche an der Wimperfeder be- ginnt und an dem ersten Ruderplattchen endet. Die Plattchenreihen, welche den zweiten Abschnitt der Meridianstreifen bilden und durch ihre lebhaften Bewegungen die Ueber den Bau der Ctenophorcu. 347 Bedeutung wichtiger TiOcomotionsorgane erlangen , sind niclit so gleichformig bcschaffen wie die Wimpcrrinnen, sondern setzen sich aus zweierlei Theileu zusainnicn , den Rudcrplilttclien und den je zwei auf einander folgende Ruderplattclien verbindendcn Epitliel- streifen. Die Ruderpliittclien , welclie von besonderen Zellenwiilsten ge- tragen werden, sind zur Liingsaxe des Thieres quer gestellt und bestelien, wie Maceration spriiparate lehren, aus zahllosen langen Filden, welche mit grosser Feinheit einen bedeutenden Grad von Widerstandsfahigkeit verbinden und durch einen homogenen Kitt fest unter einander zusammengehalten werden. Im frischen Zustaud macht sich diese Zusammensetzung in einer feinen Streifung be- merkbar, Avelche von der Anheftungsstelle des Plattchens zum freien Rand verlauft, und ferner darin, dass der gebogene freie Rand in unregelmassiger Weise gezackt und zerfasert erscheint. Die Zellen- wiilste, welche nicht allein als Trager fungiren, sondern das Ruder- plilttchen auch ausgeschieden haben, werden von langen Cylinder- zellen gebildet, deren Kerne in der Mitte der Zellenkorper liegen (Taf. XIX, Fig. 12 u. 16). Da die Basen der Zellen breiter sind als die peripheren Enden, so verjiingt sich, auf dem Querschnitt ge- sehen, auch der ganze Wulst nach der Oberflache zu; er lasst hier eine quere Rinne erkennen, in welche die Basis des Ruders gleichsam eingefalzt ist. Durch Zerzupfen kann man die einzelnen Cylinderzellen ira Zusammenhang mit einem Schopf langer, wimperartiger Fiiden isoliren; sie ahneln dann am meisten den Flimmerzellen , wie sie denn auch als Modificationen von solchen, die Ruderplattchen als verklebte modificirte Flimniem angesehen werden miissen. Dage- gen habe ich einen Zusammenhang mit feinen etwa als Nerven zu deutenden Faden nicht nachweisen konnen. Das zwischen zwei Ruderplattchen befindliche Epithel ist stark vacuolisirt und schiebt sich mit einer Lage diinner platten- artiger Zellen iiber den ^Yulst von Cylinderzellen heriiber bis an die Basis der Ruderplattchen, welche selbst keinen Ueberzug er- halten (Taf. XIX, Fig. 16). Dazu kommen noch besondere ekto- dermale Stiitzfaseni , rundliche etwas faserig aussehende Strange, welche sich in Osmiumsaure braunen und bei Carminfarbung sich als kernlos erweisen (Taf. XXI, Fig. 5 u. 6). Sie ziehen in longi- tudinaler Richtung von einem Ruderplattchen zum nachsten und enden ausgefasert zwischen den cylindrischen Epithelzellen des- selben; ab und zu stossen sie in ihrem Verlauf auf einander, 348 Dr. Richard Hertwig, ohne jedoch zu verschmelzen. Bei Cestus Veneris sind sie sehr kriiftig und liegen liier auf den Breitseiten des bandformigen Kor- pers in dem Zwisclienraum zwisclien der ektodermalen Muskiilatur und der Plattchenreihe. Literatur. Das Otolithenblasclien am aboralen Pole des Korpers wurde von M. Edwards (12. p. 206) bei Lesueuria vitrea entdeckt und als „point oculiforme" von der epitbelialen Verdickung, dem Centralnervensystem, unterschieden ; von letzterem sollen vier durch dichotome Theilung sich verdoppelnde Nerven entspringen (es sind dies die Wimperrinnen) und an die Reihen der Ruder- plattchen herantreten; ausserdem sollen noch ganglionartige Kor- per in den Zwischenraumen zwischen zwei Ruderplattchen in re- gelmassiger Folge wiederkehren. Dieselben Theile, mit Ausnahme der ganglionartigen Korper, wurden auch bei Beroe wiedergefun- den und zugleich auch die Existenz der Polplatten mit ihren Randfransen nachgewiesen. Das augenartige Organ von M. Ed- wards deutete Will (35. p. 46) spiiter als ein Gehororgan, da es ein von Fliissigkeit erfiilltes, einen Haufen von Concretionen enthaltendes Blaschen sei ; die epitheliale Verdickung dagegen fasste er gleichfalls als Ganglion auf. Ihm stimmten Frey und Leu- ckart (20. p. 39) in jeder Beziehung bei, indem sie zugleich auf die flimmernde Bewegung im Horblaschen aufmerksam machten, wahrend Kolliker (25. p. 316) zwar das Horblaschen als sol dies anerkannte, die Anwesenheit eines Centralnervensystems aber be- zweifelte, da er von ihm keine Nerven habe ausgehen sehen. Gegenbaur (21. p. 180) erklarte das Sinnesorgan, obwohl er keine Flimmerung in ihm hatte wahmehmen konnen, fiir ein Horblaschen, die darunter gelegene Epithelverdickung ftir ein Cen- tralnervensystem, die Wimperrinnen fiir Nerven, denen er den Namen Costalnerven gab. Dieser letzteren Ansicht widerspricht Agassiz in seinen Contributions: Es miissten die M. Ed ward s'- schen Nerven, welche der amerikanische Forscher friiher fiir Ca- nale gehalten hatte (3. p. 343) , als Verlangerungen der Platt- chenreihen betrachtet werden (4. p. 285) , indem sie aus reihen- formig angeordneten Zellen bestanden, welche, was bisher noch nicht bekannt war, mit Wimpern bedeckt seien. Merkwiirdiger- weise beschreibt Agassiz (4. p. 246) an einer andern Stelle die Cilien als bewegungslos , obwohl er die Flimmerung im Sinnesor- gan wahrgenommen hatte. Letzteres hatte Agassiz (3. p. 346) irrthtimlich in seiner ersten Arbeit als ein embryonales Organ ge- deutet, als die Stelle, mit welcher die Ctenophore in analoger Uebor den liau dcr Ctenophoron. 349 Weise wie die Medusen an einem Mutterpolypen fcstgcscssen habe; jetzt rcchnet or es zu den Smnesorgaiicn iind theilt ihm die Function eines Auges zu. Endlich schildert Agassiz die l)isher nur von den Beroiden bekannten Polfelder audi von Pleurol)racliia und Bolina uud bericlitigt don friilier von ihni begangenen Irr- thuni, dass es sich uin zwei Ausstiilpungen der Trichtergefiisse liandele. Eine alinliclie falsche Auttassung, wie sie hier Agas- siz zurucknimmt, hat spiitcr All man (5. p. 286) noch einmal Yorgetragen, indem er die Fransen des Polfeldes bei Beroe als hohle Tentakeln bezeichnete. Die Caniile der Tentakeln sollen sich zu einem das Polfeld umkreisenden Ringcanal vereinen, der Ringcanal in die Trichtergefiisse miinden. Dagegen hatte All- nian (p. 287) Recht, wenn er die Wimperrinnen flimmernde, am aboralen Pole sich paarweis vereinende Streifen nannte. Die Ansicht, dass das Sinnesorgan am abopalen Pole ein Hor- bliischen sei , wurde weiter gestiitzt durch die Beobachtungen von Hensen (24. p. 358) mid Glaus (lOa. p. 442, 10b. p. 386). Beide Forscher bestiltigten die Existenz von Wirapern im Sack- chen, das nach oben nur durch feine hyaline, zu einer Platte dicht an einander gelagerte Fiiserchen unvollkommen geschlossen sein soil, uud stimmten auch darin ilberein, dass das Otoli- theuhaufchen durch 4 von der Basis des Siickchens ausgehende Faden (Glaus) oder Haare (Hensen) in suspense gehalten werde. Diesen Trageapparat beschrieb daun Wagener (34. p. 118) als gebildet von vier Sftirmig gekriimraten, tiber das Kreuz gestellten Federn, zugleich gab derselbe eine vortreffliche Schil- derung der von Glaus und Hensen nicht beriicksichtigten Pol- platten und Wimperrinnen. Erstere schliessen sich ihm zufolge dicht an das Ganglion an und sind bewimpert, dichter in den Randpartieen, dem Wimperwall, lockerer in der Mitte, dem Wim- perfeld (p. 119); bei Beroe ist der Wimperwall in zahlreiche ten- takelartige Fortsatze erhoben (p. 127). Die Wimperrinnen endlich sind mit Flimmern bedeckt, sie durchbrechen die Wandung der Horblase und lagern sich paarweis vereint mit ihren langer ge- wordenen Wimpern an die 4 Sformigen Wiraperfedern des Otolithen (p. 119), ja verlangern sich noch dariiber hinaus fast bis zum Gentrum des Horbliischens , andererseits enden sie dreieckig ver- breitert am ersten Ruderpliittchen. Diesen Angaben hat dann Fol (18.) einige histologische De- tails hinzugefiigt: dass die Otolithen, von denen schon Ko wa- le vsky nachgewiesen hatte (28. p. 7), dass sie in Zellen des Sin- 350 Dr. Eichard Hertwig, nespolsters sich entwickeln, beim erwachsenen Thiere durch ein organisches Substrat unter einander verbunden werden (p. 11), dass die Sformig gekrummten Federn aus verklebten Wimpern bestelien, dass die Ruder auf eineni Haufeu cylindrischer Zellen aiifsitzen, uber welche das Plattenepithel der Umgebung sich bis au die Basis des Ruderpliittcheus hiuiiberschiebt ; auf der anderen Seite liat Fol Uurecht, wenu er auf den vier faserigen Flatten des Horblaschens ein Epithel vorhandeu sein lasst. Die Darstellung, welche Eimer (14.) von Beroe ovatus ge- geben hat, euthalt nichts Neues von Bedeutung, da seine Be- obachtungen tiber Pigmentflecke am Sinneskorper von Beroe we- der von Chun noch von mir bestiitigt worden sind; ebenso ist es entschieden unrichtig zu behaupteu, dass die Polplatten morpho- logisch als die Fortsetzungen von je zwei Schwimmplattchenreihen zu betrachten seien. Die Zellen, auf welchen die Schwimmplatt- chen sitzen, sind nicht fadenformig, wie sie Eimer abbildet, son- dern cylindrisch; sie tragen nicht eine einzige Geissel, sondern ein ganzes Biischel feinster Harchen. Auf die erst vor kurzer Zeit erschienene Arbeit Chun's (6.) brauche ich nur mit wenigen Worten einzugehen, da der Verfas- ser in ihr zu Resultaten gekommen ist, die ich der Hauptsache nach habe bestiitigen konnen. Chun gebiihrt namentlich das Ver- dienst, die Beschalienheit der Cilien der Whuperrinnen und ihre Beziehungen zu den Wimperfederu des Sinneskorpers genauer er- kannt zu haben. Die Punkte, in denen wir in unseren Beobach- tungen von einander abweichen , besitzen nicht die Bedeutung, um einzeln besprochen zu werden. Auf diese wenigen Bemerkungen kann ich mich hier um so eher beschranken , als ich auf die Ge- sammtauffassung, welche Chun von der morphologischen und physiologischen Bedeutung der besprochenen Apparate entwickelt hat, spiiter noch einmal zuriickkommen werde. 3. TJeber den Bau des Magens. Unter alien Ctenophoren zeichnen sich die Beroiden durch die ausserordentliche Eutwicklung ihres Magens aus; derselbe ist ein weiter Sack, der sich bis nahe an das aborale Ende erstreckt und so sehr erweiteruugsfahig ist, dass selbst grosse Objecte in ihn aufgenommen werden konnen; er ist im Wesentlichen von dem- selben Epithel ausgekleidet, das auch die Korperoberflache bedeckt und zur Halfte aus Driisenzellen , zur Halfte aus Deckzellen be- steht. Nur insofern ist ein Unterschied gegeben, als alle Epithel- Uobcr den Ban dcr Ctciiophoren. 351 zellen Fliiiniiern tragen, welche, wie dies bei den Ctonophoren nicisteus dor Fall ist, zu einera Biischel vereint in der Mitte der Zelleuobcrflaclie cingepflauzt siud. Diese Schildcruiig besitzt fur cineii breiten, ringformigen Epitlielstreifcii, welcher unmittelbar an den Muudrand greuzt, keiue Geltimg, da sich bier nur Zellen von einerlei Art vorfinden. Die Zellen sind cubische Korper oline kor- nige Einlagerungen iind sind kleiner als in den iibrigen Partieen des Magens; sie tragen die von anderen Forscbern scbon mebrfach bescbriebenen „sabelf()rmigen Cilien", von welcben jedesmal eine auf einer Zelle sitzt (Taf. XIX, Fig. 15). Dieselben sind runde Stabcben, die bis zu ihrem abgerundeten Ende gleichformig dick und ausnalimslos in der Weise winkelig geknickt sind, dass der Anfangstbeil etwa bis zur Mitte scbriig nacb vorn auf dem Zell- korper steht, der nun folgende Abschnitt unter stumpfem Winkel nacb dem Hintergrund des Magens gebogen ist. Die Cilie ist auf einem borizontalen Pliittchen befestigt, welches wie eine Cuticula das freie Ende der Zelle tiberziebt und am binteren Rand etwas umgeknickt sicb zwiscben zwei benacbbarte Zellen einschiebt, am Yorderen Rande dagegen sicb zu einem kleinen die Cilie tragenden Sockel verdickt. Die Grenze von Cilie und Sockel ist durch eine quere Linie deutlich bezeicbnet. Obwobl es mir nicht gegltickt ist, durcb Maceration einen sicheren Beweis zu liefern, so ist es doch wabrscbeinlich , dass jede „Cilie" ein Multiplum verklebter und verscbmolzener Flimmern ist, wie dies allgemein von den Griffeln und Borsten der bypotricbeu Infusorien, mit welcben die Gebilde eine grosse Aebnlichkeit besitzen, angenommen wird. Die Kerne der Zellen liegen stets in dem Winkel, welcher von dem borizontalen und dem umgeknickten Theil der Cuticula erzeugt wird. Wenu die Mundoffnung verengt ist, scblagt das mit den sitbelformigen Cilien bedeckte Epithel Falten, welche, eine genau der anderen parallel, in longitudinaler Ricbtung verlaufen. Die Falten horen an dem Ring von Flimmer-, Driisen- und Sinnes- zellen, d^ wir scbon oben beim Integument besprochen haben, auf. Unter dem Epithel, aber ausserhalb der Gallerte, mit anderen Worten subepithelial, findet sich eine Scbicbt longitudinaler Muskelfasern, welche die grosse Beweglichkeit des Magenschlauchs zum Theil bedingen. Sie verkiirzeu und erweitern das Magenrohr, wahrend ihnen eine Lage circularer scbon der Gallerte angehoriger Muskelfasern entgegen wirkt, welche das Magenrohr verengt und die Mundoffnung verschliesst. Bei jungen Thieren sind die Muskelfasern cylindrisch und dicht 352 Dr. Richard Hertwig, neben einander gestellt; sie sclieinen nach Art cler Muskelfasern der Korperoberflache vou Cestus oder Cydippe vou einauder ganz iinabhangig und getreimt zu sein. Zerzupft man jedoch die Muskel- lamelle, so wird es klar, dass alle benacbbarten Fasern mittelst feiner oder derberer Yerbiudimgsstrange imter einander in gros- seren Abstanden zusammenhangen (Taf. XX, Fig. 2). Haufig spaltet sich eine Faser in zwei Fortsatze, von denen ein jeder mit einer benacbbarten Muskelfaser verscbmilzt. Die Muskellamelle des Ma- gens ist somit ein iicbtes Netz mit sehr langgezogeuen und daher nicht auffalligen Maschen, in dem es unmoglicb ist, Faserenden nachzuweisen. Bei alteren Thieren wird die netzformige Structiir noch deutlicher. Die Muskelfasern verbreitern sich bandartig, ihre Verbindungen uebmen zu und so bilden sie scbliesslich eine con- tinuirliche Lamelle, welcbe nur von grosseren und kleineren Oeff- nungen durchbohrt ist und in ihrem Aeusseren den gefensterten elastiscben Membraneu, die in den grossen Arterien der Sauge- thiere vorkommen, ganz auffallend gleicht. Eine ausgesprochen netzformige Structur besitzt die Muskellamelle stets im blinden Ende des Magens; bier sind die Maschen unregelmassig polygonal und nach alien Richtungen gleich weit, auch wenn man die Lamelle nicht auseinander gezerrt hat. Um die Muskelfasern gut zu sehen, muss man ein zusammen- hangendes Stiick der Lamelle von der Gallerte abziehen, ausbreiten und durch Pinseln von dem anhaugenden Epithel befreien. Es lasst sich dies bei Thieren, welche 5 — 10 Minuten in Osraium- Essigsaure und weiter in Essigsaure macerirt waren, bei einiger Uebung ohne Schwierigkeit ausfiihren ; will man sich das Verfahren noch erleichtern, so kann man auch mit einem Flachenschnitt ein moglichst diinnes Stiick der Gallerte mit ablosen. An den frei praparirten Muskelfasern haften ab und zu Kerne an, welche durch Carminfarbung sichtbar gemacht werden; da sie in der Richtung der Muskelfasern langsgestreckt sind, so gehoren sie offenbar zu denselben und sind nicht etwa abgerissene Theile der Epithel- zellen; in Wirklichkeit sind sie wahrscheinlich hiiufiger als es in Figur 2, Tafel XX dargestellt ist, da ein Theil von ihnen jeden- falls beim Pinseln verloren geht. Durch das Abpinseln des Epithels wird ausserdem noch ein sehr eleganter Zellenplexus freigelegt. Das Netz desselben zeigt sehr mannigfach geformte drei, vier oder funfeckige, bald grosse bald kleine, bald lang gestreckte, bald mehr gleichseitige Maschen. Die Zellen sind protoplasmaarme Korper mit grossem Kerne, die TJeber don Bau dor Ctenophoren. 353 sich am luiiitigstcii in drei odcr vicr Fascrn vcrlilngern. Doch habe icli audi niclit soltcu Eleinunto init nur zwci uiid antlererseits solche iiiit fiiiif Fortsiitzeii gcfuiulen. Obwohl die Ausliiiifer sehr zart siiid, lasseu sie sich trotzdera an guten Praparaton weit vor- folgcn, wobei sic sich mehrfach hiiiter cinauder dichotomisch thcilcii. Da gewohulich die Fortsiitze vou zwei Zellen nebeu einander ver- laufeii, so findet auch ihre Veriistelung in gieichcii Zwischenriiumcn statt; zugleich kreuzeu sie mehrfach gegenseitig ihre Bahneu und koimen sogar sich um eiuander schlingeu wie zwei verflochtene Fiideii. Auastomoscn zwischen benachbarten Zelleu konnten wohl desshalb nur selten von mir mit Sicherheit uachgewiesen werden, Aveil die Elemente des Plexus bei ihrer Feinheit durch das Pinseln immer etwas verzerrt werden. Der Plexus liegt unmittelbar auf der Gallerte und wird vom Epithel durch die Muskelschicht getrennt; bei der Ablosung der letzteren bleibt er an ihr hangen und wird von der Gallerte ab- gehoben. Diese Verhaltnisse erkliiren es, warum man den Plexus ohne grosse Miihe darstellen kann. Wer die Figuren 2 Taf. XX und 8 Tafel XV, welche sich beide auf Beroe ovatus beziehen und von denen die eine den Plexus des IVIagens, die andere den Plexus der Haut zum Gegenstand hat, vergleicht, der wird nicht im Zweifel seiu, dass es sich hier um ein und dieselbe Bildung handelt, um ein im Ektoderm gelegenes Zellennetz, welches im Bereich des Magens durch die Entwicklung einer Muskellage vom Epithel abgedrangt worden ist. Da nun das Zellennetz am Magen nach seiner Beschaffenheit eine sehr grosse Aehnlichkeit mit den gangliosen Plexusbildungen anderer Thiere besitzt, so gewinnt die oben ausgesprochene An- sicht, dass den Ctenophoren ein ektodermales Nervensystem zu- kommt, weitere Stiitzen. Den Bau des Magens bei den iibrigen Ctenophoren habe ich nicht genauer untersucht, nur habe ich zu bemerken, dass bei ihnen keine Muskelschicht vorhanden ist, dass dagegen das Epithel sich zu 2 — 4 Langsfalten erhebt, welche aus Kornerzellen bestehen und in der Literatur als Leberstreifen aufgefiihrt werden. Literatur. Vom Magen der Beroiden hat Will (35. p. 29) die erste ausfiihrlichere Schilderung gegeben; er schrieb ihm — fillschlicherweise iiberhaupt dem Magen der Ctenophoren — Liings- und Ringmuskeln zu; auch hat er die eigeuthiimlichen sabelfor- migen Cilien des Lippenrandes zuerst gesehen. Spater machte Bd. XIV. N. F. VII, 3. 23 354 Dr. Richard Hertwig, Agassiz (4. p. 281) auf die reihenformige Anorduung dieser Cilien aufmerksam, deren Gestalt er der Form der Stabchen der Retina verglich, er nahm aber irriger Weise an, dass sie auf der ge- sammten Oberflache des Magens vorhanden seien, ein Irrthum, der von A 11m an (5, p. 285) bericlitigt wurde. Sehr ausfiihrlich hat Wagener (34. p. 130) die Anordnung der siibelformigen Cilien, welche er als Multipla verklebter Wimpern deutet, geschildert; das breite von ihnen gebildete Band soil durch einen circularen Streifeu ausserst feiner Flimmern abgetheilt sein, dieser Streifen soil sich in eine den Leberstreifen der Cydippe entsprechende Flimmerrinne fortsetzen, die vom Lippenrand aufwarts steigt. Wagener's Darstellung ist in so fern nicht gauz rich tig, als sie den am Mundrand liegenden, von mir noch zur Epidermis ge- rechneten Wimperreif im Bereich des Mageuepithels verlaufen lasst; ob sich der Reif noch in einen aufsteigenden Streifen verlangert, lasse ich unentschieden. Schliesslich hat dann E i m e r (14. p. 82) das Verhaltniss der Cilien zu dem Fussplattchen und den Zellen im Wesentlichen in derselben Weise dargestellt, wie es von mir geschehen ist. Auch hat derselbe die Fasern der Muskelhaut des Magens von den Muskel- fasern der Gallerte histologisch unterschieden, „weil sie sich theilen und gegenseitig zu vereinigen vermogen, wodurch eine Muskelhaut gebildet wird, die sich theil weise formlich zu einer gefensterten Haut gestaltet" (p. 40); auch sollen Rinden- und Marksubstanz nicht deutlich ausgepragt sein. 4. Ueber den Bau der Tentakeln. Unter alien Organen, welche vom Ektoderm der Ctenophoren aus gebildet werden, siud die Tentakeln am complicirtesten gebaut. Die verschiedensten Formen der Epithelzellen, Muskeln und wahr- scheinlich auch Nerven betheiligen sich an ihrer Zusammensetzung und nehmen in den einzelnen Theilen des Apparats eine besondere Anordnung und Beschaffenheit an. Auch ftir die Orientirung im Korper sind, wie wir schon geseheu haben, die Tentakeln von grosser Bedeutung, da durch sie die Lage der transversalen Axe bestimmt wird. Sie fehlen nur bei den Beroiden, was wohl als eine Ruckbildung betrachtet werden muss ; bei alien iibrigen Cteno- phoren sind sie in Zweizahl vorhanden und treten hier in zwei Modificationen auf, welche ich getrennt behandeln werde. TJeber don Ban dor Ctouophoren. 355 a. Die Tentakelu von Callianira bialata nnd Cydippe hormiphora und Euplocamis Stationis. Bei dcr Mchrzahl der Ctenoplioren, zu wclclicn auch die drei in der Ucbcrsclirift geiiaiintcn Arteii gehoren, sind die l)eiden Ten- takelu diinne Fiideu, welcbe ini ausgestreckten Zustand die Lilnge des Thieres wolil uni das Zelmfaclie iibertreffen und bei den leb- haften Beweguugen wie zwei Federbiische nacligezogen werden. Schon auf geringfiigige Reize bin werden sie eiugezogen und in den scbirmendeu Tentakelhoblen vollig geborgen. Letztere sind Aveite Raume, welche in den seitlichen Partieen des Korpers vor- ziiglich in longitudinaler Richtung entwickelt sind und genau in der Mitte zwiscbeu den beiden transversalen Plattchenreihen einer Seite sich nacli aussen ottuen. Bei Callianira, Cydippe und Euplo- camis liegt die Miindung etwa an der Grenze des ersten und zweiten Drittels der Korperliinge, dem aboraleu Pole somit wesent- lich niiber als dem oraleu; bei anderen Arten ist sie dem Mund- rand melir oder minder genahert; sie ist kreisruud und nicht sehr gross, so dass sich die Tentakelhohle nach ibr bin trichterformig verengern muss. Im Allgemeinen ist die Tentakelhohle als eine von aussen er- folgte Eiustiilpung von dem gewohnlichen Korperepithel ausge- kleidet. Die Epithelzellen sind klein und plattenformig und tra- gen bei mauchen Arten, z. B. bei Callianira, Geisseln, welche vielleicht hier wie auch sonst nichts Anderes sind als verklebte ^Vimperbuschel. Dazwischeu findet sich ab und zu eine durch Carminfarbung deutlich werdeude Drusenzelle. Unter dem Epithel werden bei Cydippe hormiphora und Euplocamis Stationis zahl- reiche Muskelfasern augetroffen, welche den Tentakelsack in einer continuirlichen Schicht von der Basis bis zur Miindung umkreisen; sie sind von ansehulicher Lange, von Strecke zu Strecke mit be- sonderen ausserlich gleichsam angeklebteu Muskelkorperchen ver- sehen und unterscheiden sich von den anderweitigen ektodermalen Muskelfasern der Cydippe dadurch, dass sie sich nicht an den Enden verasteln, sondern einfach beiderseits zugespitzt aufhoreu. Im Zusammenhang abgezogen hinterlasst die Muskellamelle Ab- drticke ihrer Fasern auf dem zuriickbleibenden Epithelhautchen (Taf. XV, Fig. 15). An letzterem haften dann noch kleine schwer nachweisbare Zellen mit verastelten Auslaufern, welche in nattir- licher Lage sich zwischen Epithel und Muskelhaut einschieben wiir- 23* 356 Dr. Richard Hertwig, den imd mit den als Ganglienzelleu beschriebeneu Elementen des Ektoderms eine grosse Aelmlichkeit haben. Im Grande der Tentakelhohle, welcher der Breitseite des Ma- gens zugewandt ist, nimmt das Epithel eine besondere Beschaifen- heit an imd verdickt sich zu einer ovalen, schildformigen Platte, in deren Mitte der Tentakel eutspringt langs einer Leiste, welche die verdickte Platte longitudinal durchsetzt und in eine rechte und linke Halfte zerlegt (Taf. XVI, Fig. 6). Wir wollen im Folgenden den besonders modificirten Abschnitt des Epithels der Tentakel- holile saramt der medianen Langsleiste Tentakehvurzel nennen. Um die Aufziililung aller Theile, welche zu dem Tentakel- apparat in Beziehung stehen, zu beenden, mtissen wir noch kurz die beiden Tentakelgefasse erwahnen, Avelche unter jeder Tentakel- wurzel in longitudinaler Richtung verlaufen und genau so weit wie diese reichen. Sie legen sich der Zellenmasse der Wurzel nur iiusserlich an und sind von ihr iiberall durch eine dtinne, aber auf feinen Querschnitten mit Sicherheit nachweisbare Gallertschicht ge- trennt (Taf. XVI, Fig, 1 und 7 — 11 vt). Hiermit ist schon gesagt, dass die Gefasse in den Tentakel selbst nicht hineindringen. Das Gefassepithel ist auf der an die Tentakelwurzel angrenzenden Seite sehr verdickt, wahrend es sonst ein diinnes Platteuepithel ist, und zeigt so eine Verschiedenartigkeit , welche auch sonst in dem Ge- fassapparat der Ctenophoren wiederkehrt und bei dem Entoderm naher erlautert werden soil. Bei der genaueren Besprechung des Tentakelapparats werde ich die Beobachtungen , welche ich bei Calliauira bialata gemacht habe, zu Grunde legen und die beiden anderen Ctenophoren nur anhangsweise berilcksichtigen. Ich werde nach einander schildera : 1. den im ausgestreckten Zustand aus der Tentakelhohle hervor- tretenden Tentakel und 2. die stets in der Hohle geborgene Ten- takelwurzel. 1. Die Grundlage des gesammten Tentakels der Callianira ist ein drehrunder, ziemlich dicker Strang, der Tentakelstamm, an welchem kleine viel diinnere Fortsatze seitlich ansitzen, die Senkfaden oder auch die Seitenfaden. Die Zahl der Senk- faden ist eine sehr bedeutende, da ihre Ursprilnge nur durch kleine Abstande von einander getrennt sind; sie befestigen sich am Stamme hinter einander in einer einzigen Reihe und sind von ihm durch eine ringformige Einschniirung deutlich abgesetzt. Wie der Tentakelstamm, so sind auch die von ihm ausgehenden Seiten- faden sehr contractu. Ueber den Bau der Ctcnophoren. 357 Dcr Teutakelstamm ist durchaus solid imd unterscheidet sich somit durcli den Mangel eines von entodennalem Epithel aus- gekleideten Lumen sehr wesentlicli von den functionell verwandten Bildungen der INIedusen. Wcnn wir an ihni eine Axe und einen epitlielialen Ueber zug auseinander halten, so miissen wir dabei jetzt sclion im Auge belialten, dass beidc Tlieile aus dem Ektoderm stammen, wie dies aus der Untersuchung der Tentakel- wurzel mit Sicherlieit hervorgeht. Die Axe (Taf. XVII, Fig. 4 u. 15 tb) ist vornehmlich ein Strang von Muskelfasern , die so sehr auf Schnitten und Zerzupfungspra- paraten in den Vordergund treten, dass die iibrigen Bestandtheile leicht iibersehen werden konncn. Die einzelnen Fasern lassen sich ohne SchAvierigkeit an macerirten Teutakeln auf grosse Strecken isoliren und sind dann diinne kreisrunde Faden, die sich weder veriisteln, noch unter einander anastomosiren ; sie bestehen allein aus einer homogenen contractilen Masse, sodass die bei den Ctcno- phoren hiiufig vorhandene Diiferenzirung in eine contractile Einden- und protoplasm atische Marksubstanz hier vollkommen fehlt. Ob Kerne zeitweilig in den Verlauf der Muskelfasern eingeschaltet sind, babe ich nicht mit Sicherheit feststellen konnen; doch finden sich solche, wie ich noch spater zeigen werde, sehr zahlreich in dem Anfangstheil , welcher der Tentakelwurzel angehort. Auf Quer- schnitten bilden die Muskelfaden ovale oder kreisformige Figuren, die dicht neben einander gestellt sind und nur durch geringe Spuren von Kittsubstanz unter einander verbunden werden (Taf. XV, Fig. 15 u. 16). Ausser Muskelfasern sind auf einem Querschnitt durch die Tentakelaxe noch andere Elemente sichtbar: erstens wird das Mosaik der Muskelfasern durch eine komige Linie in eine rechte und linke Halfte zerlegt. Die kornige Linie, an Osmiumpraparateu stets schwarzlich gefarbt, ist auf alien Schnitten vorhanden und ist daher der Ausdruck einer diinnen bandformigen Schicht (tc), die sich geuau durch die Mitte von einer Seite des Tentakels zur andern erstreckt; zweitens liegt in der bandformigen Schicht, dem einen Rande derselben etwas genahert, ein kleiner, auf dem Querschnitt ovaler oder kreisformiger Strang, den wir den Axenstrang nennen wollen (ta). Drittens bemerkt man zwischen den Muskelfasern hier und da feinkornige Stellen, die ebcnfalls dunkler gefarbt sind als ihre Umgebung (n). Die Beschaifenheit der genannten Theile genau festzustellen ist nicht leicht und gelingt noch am ehesten bei dem etwas ex- 358 Dr. Richard Hertwig, centrisch in der Laiige des Tentakels aufsteigenden Axenstrang. Beim Zerzupfen (Taf. XVII, Fig. 10) kann man ihu isoliren als ein feinfaseriges Gebilde, in dem sich ab und zu Kerne vorfinden; die Kerne schienen dabei in den Verlauf der feinen Faserchen des Stranges eingeschaltet zu sein. Die Faserchen sind, wie Quer- uud Liingsschnitte (Fig. 4 u. 15 ta) iibereinstimmend lehren, in einer homogenen, wahrscheinlich gallertigen Grimdlage eingebettet, zum Theil in der Mitte derselben, zum Theil in den peripheren Par- tieen. Audi auf Schnittpraparaten sind die Kerne in den Faser- chen nachzuweisen. Ich glaube, dass wir es hier mit feinsten Nervenfaden zu thun haben, welche die Mitte des Tentakels einnehmen und von Gallerte umhiillt sind; in derselben Weise deute ich die oben an erster Stelle erwahnte bandformige Scliicht als eine diinne Lage von Nervenfaserchen. Auch sie enthalt haufig Kerne und kann ausser auf Querschnitten noch auf Langsschnitten beobachtet wer- den. Dagegen ist die Bedeutung der kornigen Stellen zwischen den Muskelfasern mir sehr fraglich, da ich sie auf Langsschnitten nicht habe wiederfinden konnen. Kerne, die in der Substanz der Tentakelaxe hier und da zerstreut sind, konnten ebenso gut zu den Muskelfasern gehoren, als auf etwaige Nervenfadchen bezogen werden. Endlich habe ich noch faserige Elemente zu nennen, welche auf der Oberflache der muskulosen Tentakelaxe eine dicht unter dem Epithel gelegene Schicht zusammensetzen; sie sind alle longi- tudinal gerichtet und zeigen an contrahirten Tentakeln einen wel- ligen Verlauf; beim Zerzupfen (Taf. XV , Fig. 10) schwindet die wellige Beschafifenheit und es werden die Fadchen glatt gezogen; sie spannen sich dabei quer durch die Lticken, welche im zer- zupften Tentakel entstanden sind und bilden nicht selten Netze. Ob dies nun darauf zuriickzufiihren ist, dass die Faden unter einander zusammenhangen , oder ob sie nur ausserlich verklebt sind, Hess sich nicht entscheiden, denn die Fadchen sind so fein, dass sie bei Immersion I von Zeiss eben noch als zarte Linien wahrgenommen werden konnen. In ihrer natiirlichen Lagerung, wo immer mehrere an einander gefiigt sind, werden sie leichter bemerkt, indem sie dann faserige Strange erzeugeu. Kerne habe ich in den Faserchen nicht auffinden konnen. Der letzte Bestandtheil des Teutakelstammes , das Epithel, enthalt zweierlei Elemente , die K 1 e b z e 1 1 e n und die T a s t - z ell en. Die ersteren (Taf. XVII, Fig. 1. 4. 8. 15 k) sind bei wei- Ueber don Bau der Ctenoplioren. 359 tern ara zalilrciclisteu uud liaben eiiieu kleincn Protoplasmakorper, welclicr iiacli aussen eine stark couvexe Oberflache besitzt, etwa wie der Kopf eines Xagels, so dass die Gesaiumtoberflache des Teutakels unebeii uiid liockerig erscheint. Im Protoplasma fiiidou sich zalilreiclie feiue, stark lichtbrechcnde Koriichon, welche alle vou gleiclier Grosse sind und vorwiegend die Convexitat des Zellcn- korpers einnehmeii. Die zugehorigeu Kerne sind bei Seite gedrangt uud liegeu an der Basis der luxlbkugeligen Hervorragungen. Der interessanteste Theil der Zelle ist jedoch ein Faden, welcher in drei oder vier Spiralwiudungen gelegt und am Zellenkorper be- festigt ist, iibulich wie der Stielmuskel am Korper einer Vorticelle. Der Faden besdireibt zuniiebst zwei kleine und eug auf einander schliessende Wiudungen, die noch im Protoplasma selbst entbalten sind, dann bescbreibt er noch zwei grossere und weiter abstehende Winduugen ausserhalb, nachdem er die Zelle an ihrem centralen Ende verlassen hat. Er ist scharf und doppelt contourirt, in seinem ganzen Verlauf deutlich vom Protoplasma getrennt und endet beiderseits wie abgesclmitten, Mit seinem Ende ist er auf der Teutakelaxe befestigt, zunachst auf den feinen Faserchen, welche den centralen Muskelstrang umgeben; er durchsetzt dabei einen schmalen zwischen der Tentakelaxe und den Korpern der Epithelzellen vorhandenen Raum, der entweder von einer diinnen Gallerte oder von Fliissigkeit erfiillt ist. Wie der Stielmuskel der Vorticellen ist der Spiralfaden der Klebzellen contractu ; unter dem Mikroskop kann man an lebenden Objecten verfolgen, wie er sich activ verkiirzt und dabei seine Windungen enger auf einander legt. Die Verlangerung und Deh- uung des Fadens erfolgt wahrscheinlich passiv durch Einwirkung von aussen, da hierfiir in der Zelle selbst keine Einrichtungen ge- geben sind. Was hierbei wirksam ist, lasst sich bei der Be- obachtung im frischen Zustand leicht ermitteln. Wenn man den Tentakel einer lebenden Callianira mit der Staarnadel beriihrt, so bleibt er an derselben haften. Das Thier ist fest verankert und kann sich nur unter Verlust von Thei- len des Tentakels los machen. Ebenso fallt es ausserordentlich schwer, die abgerissenen Stiicke von der Nadel zu entfernen und auf den Objecttrager zu iibertragen. Hier sieht man nun, wie fast alle Epithelzellen aus ihrer natiirlichen Lagerung gebracht sind ; die spiralen Faden sind stark gedehnt und bemiihen sich ver- gebens durch zuckende Contractionen die normale Stellung zuruck- zuerobeni. 360 Dr. Kichard Hertwig, Die grosse Klebrigkeit der Tentakeln kann bei dem Mangel driisiger Organe nur aus der Beschaffenheit des Epitliels erklart werden; und hier wiederum konnen nur die Elemente in Frage kommen, die wir oben sclion als Klebzellen bezeichnet haben, da die Tastzellen viel zu selten angetroffen werden, um die so inten- sive Wirkung zu erklaren. Wahrscheinlich haften die kleinen Korn- chen der convexen Oberflacbe fest an Fremdkorpern an, so dass die Muskeln elier gedehnt werden, als dass die Verklebung gelost wiirde. Die gedehnten Muskeln ihrerseits sind bemiiht den an- baftenden Gegenstand berauzuziehen , indem sie sich contrabiren; es mocbte ibnen dies indessen wobl nur bei kleinen Objecten ge- lingen. Viel sparlicber als die Klebzellen sind die Tastzellen im Epitbel des Tentakelstamms verbreitet; sie lassen den spiral auf- gerollten contractilen Faden vermissen und baben vielmebr einen rein protoplasmatiscbeu Korper, dessen peripberes, den Kern um- biilleudes Ende am breitesten ist, wabrend das centrale sicb all- mablicb verscbmacbtigt (man orientire sicb iiber den Bau der Tast- zellen nach der Figur 9 auf Tafel XV, welcbe sicb auf Euplocamis Statiouis beziebt) ; letzteres sitzt unmittelbar auf der Tentakelaxe, ersteres liegt in einer Ebene mit den Kopfcben der Klebzellen und tragt eine grossere Anzabl von starren Haaren, die wegen ihrer Unbeweglicbkeit wobl nur als Tastbaare gedeutet werden konnen. Eiuige der Haare sind kurz, andere dagegen ragen weit iiber die Oberflacbe in das umgebende Wasser hinein. Tastzellen und Klebzellen bedecken aucb die seitlichen An- bange des Tentakels oder die Seitenfaden und sind bier von derselben Bescbaifenbeit wie am Teutakelstamm, sodass wir nicht notbig haben, auf sie naber einzugehen; nur verdient die grossere Haufigkeit der Tastzellen bervorgeboben zu werden. Dagegen be- sitzt die Axe der Seitenfaden einen vollig anderen Bau, iiber den wir am besten auf Quer- und Langsscbnitten in's Klare kommen. Der Querscbnitt durcb die Axe eines Senkfadens (Taf. XVII, Fig. 8) ist kreisformig und bestebt zum grossten Tbeil aus einer bomogenen, offenbar gallertigen Masse, in welcber sofort zweierlei Structurelemeute auffallen, von denen das eine paarig, das an- dere unpaar auftritt. Der unpaare Bestandtbeil liegt in der Mitte der Fadenaxe und soil in analoger Weise wie bei dem Teutakel- stamm (ta') Axenstrang beissen; er erzeugt auf alien Scbnitten eine Figur, etwa wie der Querscbnitt einer biconcaven Linse ; tiber- tragen wir aucb bier wieder das Bild in das Korperliche, so er- Ueber den Bau der Cteuoplioren. 361 lialtcn wir eine Sclieidcwaiid, wclche an den Randern dicker ist als in der Mitte, die dalier auf Langssdmitten (Taf. XVII, Fig. 1) bald ^^•ie ein breiter, bald wie ein selir feiner Strang aussieht. Histologisch ist die Scheidewand vornehnilicli aus derselben fein- kr>rnigen faserigen Masse gebildet, welche wir an einer ganz ent- sprechenden Stelle schon bei dera Tentakelstanini kennen gelerut haben; am deiitlichsten wird dies an Macerationspriiparaten, wenn man das Epithel der Senkfaden abpinselt und die Axe somit fiir sich darstellt (Taf. XVII, Fig. 3). Ein feinfaseriger Zug, der je nacli dem man ihn von der Fliiche oder von der Kante betrachtet, sich bald breiter, bald schmiiler prasentirt, verliiuft in der Axensub- stanz. In ihm sind Kerne nachweisbar, sowohl auf Querschnitten als auch auf Liingsschnitten. Bei der geschilderten histologischen Beschatfenheit ist es denn auch nicht zu verwuudern, dass der Faserzug an der Basis des Senkfadens sich mit den Fasern verbindet, welche die mediane Lamelle und den etwas excentrisch gelegenen Axenstrang des Ten- takelstamms zusammensetzen. Man tiberzeugt sich hiervon, wenn man einen Querschnitt durch den Teutakel genau an der Basis eines Senkfadens hiudurchlegt (Taf. XVII, Fig. 15). Durch dies Verhaltniss wird es dann weiter verstilndlich, wesshalb alle Senk- fjiden vom Stamni des Tentakels in einer Reihe hintereinander entspringen. Die Lage ihrer Anfangstheile wird durch die band- fonnige feinfaserige Schicht bestimmt, welche den Tentakelstamm quer durchsetzt; dabei sind stets nur auf einer Seite der Schicht Senkfaden vorhanden. Zu beiden Seiten des unpaaren medianen Faserzugs liegen zwei wahrscheinlich muskulose Strange, welche die Contractilitat der Senkfaden bedingen. Beide sind von gleicher Gestalt, auf dem (Querschnitt halbmondformig und ungefahr halb so breit als der Durchmesser des ganzen Senkfadens. Von der umgebenden Gal- lerte konnen sie deutlicher nur durch Imbibition mit Carminlosung abgegrenzt werden. In Folge der Contraction sind sie etwas ge- faltet (Taf. XVII, Fig. 3) und ebenso ist auch die Gallertoberfliiche von Furchen und Riefen bedeckt. Kerne oder Ueberreste von Zelleu sind in der Gallerte und den Muskelfasern nicht erkennbar; auch unterscheiden sich beide Theile von dem medianen Faserzug noch dadurch, dass sie sich nicht in den Tentakelstamm hinein fortsetzen. Da die Tentakeln wegen ihrer klebrigen Beschatfenheit leicht an Fremdkorperu auhaften, so crleiden sie haufig Verstummelungen, 362 Dr. Kichard Hertwig, indem durch die heftigen Bewegungen des Tliieres grossere imd kleiuere Stiicke von ihnen abgerissen werden. Damit diese Ver- luste wieder ersetzt werden konnen, ist der Tentakel in einem be- standigen Waclistliume begriffen, welches an der Basis des Ten- takels Statt findet. Hier existirt am Grund der Tentakelhohle eine ausserst zellenreiche Zone, die Tentakel wurzel, aus welcher die drei wiclitigsten Bestandtlieile, die Axe des Tentakelstamms, die Axen der Senkfiiden mid der gemeinsame epitheliale Ueberzug beider aus getrennten Anlageu hervorgehen. Die Tentakel wurzel (Taf. XVI, Fig. 6) ist, wie schon oben kurz hervorgehoben wurde, ein modiiicirter Theil des Epithels, welches die Tentakelhohle auskleidet, eine scharf umschriebene schildformige Zellenplatte etwa von der Gestalt eines Rhombus. Die spitz winkligen Ecken des Rhombus sind nach dem oralen und aboralen Pole zugewandt und in gleicher Weise wie die stumpf- winkligen abgerundet. Bei der Betrachtung von der Flache wird das Organ durch eine mediane Langsleiste, den Mittelstreifen (tm), wie ein Blatt durch die Blattrippe in symmetrische Halften, die beiden Seitenfelder (tn), abgetheilt. Von diesen drei Theil en hort der Mittelstreifen, von welchem der Tentakel vornehmlich zu entspringen scheint, oben und unten friiher auf als die Seitenfelder und wird daher von deren Enden eine Strecke weit tiberragt. Die hier unterschiedenen Abschnitte der Tentakelwurzel haben fiir den Aufbau des Tentakels eine ganz verschiedene Bedeutung und sollen daher getrennt beschrieben werden. Der Mittelstreifen liefert ausschliesslich die Axengebilde, die Seitenfelder dagegen, mit denen ich beginnen werde , liefern den gesammten epithelialen Ueberzug. Im Gegensatz zu dem einschichtigen Epithel an anderen Orten des Ctenophorenkorpers sind die Seitenfelder der Tentakel- wurzel aus vielen iiber einander geschichteten Zellenlagen zusam- mengesetzt und bilden daher auf Querschnitten (Taf. XVI, Fig. 1. 7 — 11 tn) ansehnliche Verdickungen, welche an den Randern ganz plotzlich abfallen, um sich in das diinne Epithelhautchen der Ten- takelhohle fortzusetzen. Die Abgrenzung wird um so deutlicher als auch das Zellenmaterial einen ganz anderen Charakter an- nimmt. An den Randern (Taf. XVI, Fig. 5 k') begegnen wir zu- nachst einer schmalen Zone ausserst kleiner Zellen, deren Con- touren auf Querschnitten nicht nachweisbar sind; sie scheinen zu einer continuirlichen undifferenzirten Masse zusammengeflossen zu sein, welche bei Anweudung von Carminlosung durch ihre inteusiv rothe Farbung hervorleuchtet, weil sie fast uur aus zahlloseu, Ueber deu Bau der Ctenophoren. 363 (lurch wciiig Protophisma verbuiideiien, in etwa acht Scliiclitcn iiber einander gelagerten klciiieu Kcnien bosteht. In dieser kernreichen Masse der Randzoue crblicke icli ein Keimgewebe fur die eigeu- thiimlicU luoditicirteu Koruerzelleii, welche iu dem ubrigen Theile des Seitenfeldes vorkoninien; deiui es lasst sich von dem Keim- gewebe aus ein allmahlicher Uebergang zu den Kornerzellen nach- weiseu, ebenso wie diese sich uach und nach zu den Klebzelleu des Tentakelepithels umformen. Die Kornerzellen (Taf. XVI, Fig. 4 k'), der Hauptbestandtheil der Seiteufelder, sind rundliche, von einander abgegrenzte Korper, welche sich in Osniiumsaure stark brauuen, in Carmin dagegen sich so wenig fiirben, dass der kleine Kern in ihnen nur schwierig sichtbar gemacht werden kann ; sie besitzen ein triibkorniges Proto- plasma imd sind zu grosseren und kleineren Haufen zusammen- geballt, in welche die Substanz der Seiteufelder beim Zerzupfen sehr leicht zerfiillt. Die zwei Seiteufelder einer Tentakelwurzel sind an ihren oberen und untereu Enden von einander durch das Epithel der Tentakel- hohle getrennt; im Uebrigen schiebt sich zwischen sie das Gewebe des Mittelstreifens ein, welcher jedoch nur im Bereich einer kleinen nahe dem oberen Ende befindlicheu Strecke die Seiteufelder voll- kommen auseinander hiilt (Tafel XVI, Fig. 1. 7). Weiter nach ab- warts (Fig. 8 — 11) wucheren die Massen der Kornerzellen iiber dem Mittelstreifeu zusammen, ilm von der Oberfliiche ganz aus- schliessend ; dabei erzeugen sie einen dicken Zellenwulst, in welchem die Anfilnge der Axe des Tentakelstamms und die Anlagen zu den Axen der Seitenfaden vollkommen vergraben liegen (vergl. auch deu Langsschnitt Fig. 2). Aus dem Zellenwulst erhebt sich der Tentakelstamm mit seinen Seitenfaden, iiberzogen von einer ein- fachen Lage Klebzelleu, welche zuuachst noch nicht mit deu erst spilter auftretenden contractilen Spiralfaden versehen sind. Von den ubrigen aus dem Mittelstreifeu entspringenden Theilen des Teutakels entwickelt sich die Axe des Stammes nach einem auderen Priucip als die Axen der Senkfaden. Die Genese der ersteren ist am leichtesten zu verfolgen; man orientirt sich dariiber in zweckmassiger Weise, iudem man einen macerirten und gefarbten Teutakel mit seiner Wurzel isolirt und von dem anhaftenden Epithel, den Korner- und Klebzelleu, sowie von deu Senkfaden und ihren Anlagen durch Abpinseln befreit. Dann sieht man wie die zu einem cylindrischen Strang urspriinglich zusam- meugedrangten Muskelfasern sich plotzlich facherartig ausbreiten 364 Dr. Richard Hertwig, und in die kleinzellige Masse des Mittelstreifens naliezu in des- sen gauzer Ausdehnung iibergehen. Die Art wie sicli dieser Ueber- gang Yollzielit, lasst sich controliren, wenn einzelne Muskelfasern mit den zugehorigen Zellen von dem Reste voUig losgelost werden. Die Zellen des Mittelstreifens sind da, wo sie an die Gallerte angrenzen, kleine, undeutlich von einander abgesetzte Korper mit stark gefiirbten Kernen, welche von einer diiunen, aber deutlich erkennbaren Protoplasmaschiclit umgeben werden. Je mehr man sich den Basen der Muskelfasern nahert, um so kleiner werden die Zellen und um so mehr tritt ihr Protoplasma zuriick, so dass man ein Bild vor sich hat, als ob zahlreiche kleine Kerne zu einem Mosaik dicht zusammengedrangt waren. Die Anordnung der Kerne ist zunachst noch eine regellose, spater bilden sich regelmassige, parallel gestellte Reihen aus , die sich continuirlich in die Muskel- fasern fortsetzen. Schon an den Orten, wo die Kerne sich in Reihen gruppireu, sind die ersten Spuren von Muskelsubstauz in der Form von Scheiden vorhanden, welche die Reihen umhiillen. Fur sich dargestellt er- scheinen die Scheiden als diinne membranose Gebilde, die allmah- lich undeutlicher werden und sich dem Auge entziehen. In ihnen sind die Kerne eingeschlossen wie die Miiuzen in einer Geldrolle; der Vergieich passt in doppelter Hinsicht, eiumal insofern in einer Scheide jedesmal nur eine Reihe eingeschlossen ist, und zweitens weil die einzelnen Kerne gewohnlich abgeplattet und mit ihren Breitseiten gegeneinander gepresst sind; seltener sind sie keilformig in einander geschoben. Mit der Zunahme der Muskel- substanz werden die Kerne eingeeugt und aus einander gedrangt und so entstehen dann Fasern von einer homogenen oder schwach kornigen Masse mit hier und da zerstreuten Kernen, die ein durch Imbibition in Carmin besonders hervorleuchtendes Kernkorpercheu enthalten. Entfernt man sich noch weiter vom Mutterboden, so werden die Kerne mehr und mehr undeutlich, bis schliesslich auch die letzten Reste von ihnen geschwunden und die Muskelfasern zu vollig homogenen Faden geworden sind. Ich habe hier immer nur von Kernen gesprochen , weil diese an gefarbten Praparaten allein hervortreten ; ich halte es aber fur selbstverstiindlich , dass jeder Kern von einer Spur Protoplasma umgeben und dadurch zu einer Zelle erganzt wird. In dem Bereiche, wo sich die allmahliche Umwandlung der Zellenreihen in Muskelfasein vollzieht, sind letztere verhaltniss- massig dick und wachsartig, als wiiren sie gequolleji, auch farben Ucbcr don Ban dor Ctcnophorcii. 365 sic sicli auffalloiid lebliaft in Caniiiii. Spiiter iindert sich das; die Fasern werdeii diiiiiicr und licliter und duiikien stark in Osmiuni- saure, wiilirend sie von dor Carminl()sung nicht raelir gefilrbt werden. Isolationspriipaiate von cinzelncn Fasern, wie icli sie hier ge- schildcrt habe, sind niir trotz vieler Bemiilmngen nur selten ge- gliickt, weil die Miiskelfasern gewiUinlich an der Stelle, wo die Kernreihen beginnen, abreissen; dagcgen gelingt es leicliter, den Zusammenliang der Bestandtlieile der Tentakelwurzel auf Schnit- ten nachzuvveisen , die in der Richtung des Faservcrlaufs und longitudinal durch den Mittelstreifen gefiihrt sind. Auf diese Weise erhiilt man Priiparate, wie das in Figur 2 Tafel XVI dargestellte, Yon welchem ein kleiner Theil noch einmal bei stiirkerer Vergros- serung in der Figur o abgebildet worden ist. Die zuletzt ge- naunte Zeichnung lasst in vortrctflicher Weise erkennen, wie die schon von Anfang an unsclieinbaren Zellen des Mittelstreifens all- malilich von reclits nach links kleiner werden, sich in Reihen anordnen und so zu Mnskelfasern umbilden. Auf der grosseren Uebersichtsfigur sieht man, wie die Mnskelfasern weiter nach der Basis des Tentakelstamms convergiren und in ihrera Verlauf von dichten aus den Seitenfeldern stammenden Zellenmassen (k') um- hullt werden. Ausserdem sind noch die Anlagen der Senkfaden (r) sichtbar, auf welche ich spater zuriickkommen werde. Die mit Hilfe von Langsschnitten und durch Zerzupfen ge- wouuenen Resultate, erfahren wichtige Ergiinzungen durch die An- fertigung von Querschnitten, welche in continuirlicher Reihenfolge durch die Tentakelwurzel gelegt worden sind. Auf alien Schnit- ten (Taf. XVI Fig. 1. 7—11 tm) ist das Gewebe des Mittelstrei- fens von den Kornerzellen der Seitenfelder scharf abgegrenzt, in- dem es an Carmiuosmiumpraparaten intensiv gefarbt ist und auch sonst aus vollkoramen anderen Zellen besteht. Ferner ragt der Mittelstreifen stets in die unter ihm befindliche Gallerte mit einem kielformigen Vorsprung hinein und schiebt sich trennend zwischen die beideu Tentakelgefasse (vt), welche rechts und links von ihm unter den Seitenfeldern liegen und nur an der Stelle, wo sie mit dem queren friiher beschriebenen Hauptstamm (vh) zusammenhan- gen, unter einander communiciren (Taf. XVI Fig. 1). Im Uebrigen fallen die Praparate je nach dem vom Schnitt getroffenen Ab- schnitt der Tentakelwurzel sehr verschiedenartig aus. In seinem oberen Theil (Taf. XVI Fig. 7) wird der Mittelstreifen ausschliesshch von kleinen cylindrischen Zellen gebildet, welche langgestreckte der Zellenform angepasste Kerne bcsitzen und in 366 Dr. Richard Her twig, einer einzigcii Lage angeordnet shid; man kaun daher von einem einschichtigen Cyliuderepithel sprechen. Da der in die Gallerte vorspringende Kiel durch eine Einfaltung der Oberflache bervor- gerufen ist , sind in ibm zwei Zellenlagen vorhanden , deren Ele- mente mit ihren peripberen Enden sicb beriibren. Auf den nacb abwilrts folgendeu Schnitten (Taf. XVI Fig. 11 Taf. XVII Fig. 17) bleibt die Epithelscbicbt (tm'") im Bereich des kielformigen Vorsprungs unverandert, dagegen verdicken sich ibre an die Seitenfelder grenzenden Riinder zu zwei dicken Wiilsten (tm'), deren Zusammensetzung aus zablreicbeu Zellen nur aus der grossen Anzabl von dicbt zusammeugedrangten Kernen erscblos- sen werden kann. Die Zellenwiilste werden immer ansehnlicber, je mehr wir uns der Mitte zwiscben dem oberen und unteren Ende des Mittelstreifens nabern, bis sie sich in der Mittellinie fast beriibren ; sie werden dabei von den wucbernden Zellenmassen der Seitenfelder ganz bedeckt ; sie sind die Keimstatten der Muskelfasern, welcbe in der uns sebon bekannten Weise aus ibnen bervorwacbsen (Tafel XVII Fig. 17, Tafel XVI Fig. 2 u. 3). Freilich ist der Zusammenhang der Muskelfasern mit den Zellpolstern nur auf wenigen Querscbnit- ten zu erkennen, weil meistentbeils die Muskeln wegen ibrer facber- artigen Ausstrablung quer durchsebnitten werden. Wie man aus dem bier Mitgetbeilten entnebmen kann, stebeu die Cylinderzellen mit den Muskelfasern in keinem Zusammen- hang; wenn sie fUr das Wachsthum des Tentakels eine Bedeutung haben, so kann dieselbe nur darin gesucbt werden, dass sie sich an den Randern durch Tbeilung vervielfaltigen und so die Keim- zone verbreitern belfen, wodurch eine Vermebrung der Zahl der Muskelfasern berbeigefubrt werden wiirde. Morphologisch ist die Cylinderzellenscbicht noch insofern von Wicbtigkeit, als durch sie die Keimzone der Muskelfasern in zwei Halften zerlegt und so in der Teutakelwurzel eine Zweitbeilung berbeigefubrt wird, die sich auch auf den Muskelstrang des Tentakels iibertriigt. Auf den Querschnitten durch den mittleren Tbeil der Teu- takelwurzel ist endlich noch ein unpaarer Haufen kleiner Zellen sichtbar (Tafel XVI Figur 11, Tafel XVII Figur 17 tm") bestimmt den Zwiscbenraum auszufiillen , welcher zwiscben den beiden Pol- stern, von denen die Muskelfasern entspringen, vorhanden ist. Der Zellenhaufen setzt sich in den Axenstrang fort, welcher den Ten- takelstamm in ganzer Lange durchzieht. Die Entwicklung, welcbe ich bier von den Muskelfasern des Tentakelstamras geschildert babe, ist ein sebr eigenthumlicher, XJeber den Ban der Ctenophoren. 367 gtinz ohiic Aiuilogoii dastclicnder Process. Cyliiidrisclie Kpitliel- zcllcu Ycrmcliicu sicli (iurcli wiederholtc in ihrer Liiugsaxo crfol- gcnde Tlieiliingeu zu Zcllonreilien; die Zelleiireiheu sclieideii auf ihrer Oberflaclie Muskelsubstanz aus uiid bilden diinue Sclicidcu, ^Yelche die Zellenreiheii umscliliesseu. Nacli der Peripherie zu ^Yalulehl sich die Scheiden zu sohdcii Faserii uni , indeni sie sich mit contractiler Masse fiilleu, wiihrend die Korper der Matrix- zellcn aufgebraucht werden uiid schliesslich ganz verloren geheu. Am hiugsten erhalten sich noch einzelne Kerne, welche durch die Muslvclsubstanz auseiuander gedrangt werden , bis auch sie nicht mehr uiit Sichcrheit nachgewiesen werden Ivonneu. Bei dieser Ent- wicklungsweise ist besonders Zweierlei hochst auffallig, 1. dass die Muskelfasern voni iVeien Ende der Epithelzellen ganz nach Art der cuticulareu Bildungen ausgeschiedeu werden, 2. dass sie senlvrecht zur epithelialen Oberflache hervorwachsen. Ueberall wo wir bei den Coelenteraten ektodermale Muskelfasern antreften, ist das Gegentheil der Fall; die Muskelfasern liegeu am centralen Zellenende und verlaufen der Epitheloberflache parallel, dagcgen senkrecht zur Liiugsaxe der einzelnen Epithelzellen. Noch eigenthiimlicher ist der Bildungsmodus der Seite n fa- den axe n, welcher sich an einem und domselben Tentakel im Zusammenhang verfolgen litsst, well einc continuirliche Reihe von Uebergangsformen von kleinen kaum ditterenzirten Zellenhaufen bis zu vollig entwickelten Faden hiuiiberleitet. Zur ersten Orien- tirung sind auch hier wieder Langsschnitte geeignet, da die ein- zelnen Entwicklungsstufen in einer Reihe angeordnet sind, welche am aboralen Ende der Tentakelwurzel begiunt und an dem Ten- takelstamm abschliesst. Man darf hierbei jedoch nicht erwarten, auf einem Schnitte die Reihe von Anfang bis zu Ende auf eiumal zu iiberblicken, da diese nie ganz gerade verliiuft und daher sich auf mehrere hinter einander folgeude Schnitte vertheilt. So ist denn auch die Figur 2 auf Tafel XVI aus mehreren Praparaten combinirt. Am unteren — dem Mundpol zugewandten — Ende des Schnitts lost sich von der Zelleumasse des Mittelstreifens ein Strang von Zellen ab, der nach aussen von den facherartig ausgebreiteten Muskelfasern des Tentakelstamms liegt, aber noch von den dich- ten Haufen der in Entwicklung begriffenen Klebzellen umhullt wird. An Carminosmiumpraparaten intensiv roth gefarbt, lasst er sich leicht uuterscheiden von seiner durch Osmiumsaurc gebraunten Um- gebuug; seine Zellen sind kleiu und zu einer iiusserst kernreichen 368 Di*. Richard Hertwig, Masse verschmolzen. Auf seiner peripheren Seite triigt dcr Strang kleine Hocker, die nach dem oberen Schnittende zu sich mehr und mehr vergrossern und besonders an Liinge zunehmen. Dies sind die ersten Anlagen fiir die Axon der Seitenfiiden ; eine Strecke weiter losen sie sich von dem Zellenstrang , von dem sie hervor- geknospt sind und der bald darauf aufhort, ab und sind nun selbst- stiindige Gebilde , welche in das von den Seitenfeldern geliefertc Zellenmaterial eingebettet sind. Sie wachsen in die Breite und noch mehr in die Lange, umgeben sich mit den Zellen der Seiten- felder und gliedern sich endlich als Senkfiiden von der Masse der Tentakelwurzel ab. Zu denselben Resultaten ftihrt eine Serie von Querschnitten. Die Schnitte, welche dem unteren Ende entnommen wurden (Taf. XVI Fig. 8), zeigen wieder die zwei Lagen von Cylinderzcllen, welche den kielformigen Vorsprung des Mittelstreifens ausmachen. Die Eander derselben , welche sonst von den beiden Keimpolstern der Tentakelmuskulatur eingenommen werden, sind unter einander ver- bunden durch eine quere Briicke eines kernreichen Gewebes, wel- ches auf spateren Schnitten der Serie selbstJindig wird, indem sein Zusammenhang mit dem Mittelstreifen zuerst sich lockert (Taf. XVI Fig. 9 q) und dann vollkommen unterbrochen wird (Taf. XVI Fig. 10). So ist das Material fiir die Axen der Seitenfaden gesondert und bildet sich , je mehr wir uns dem obern Ende nahern , zu seiner definitiven Gestalt aus (Taf. XVI Fig. 11). Hand in Hand mit dieser morphologischen Sonderung geht auch eine histologische Umwandlung vor sich. Anfanglich sind die Anlagen nur gleichformige Anhiiufungen kleiner Zellen; dann dififerenzireu sie sich in drei Theile, eine Axe und zwei umhtillende schalenformige Stticke, welche an Macerationspriiparaten isolirt die Axe ganz umhullen wie die Cotyledonen das knospende Pfliinz- chen. Die Zellen in alien drei Stucken sind w^esentlich modificirt und bilden eine wachsig oder verglast aussehende Masse, in welcher noch die Kerne als Ueberreste der Zellen erkennbar sind (Taf. XVI Fig. 12). Auf weiter vorgeruckten Entwicklungsstadien gelingt der Nachweis von Kernen nur noch in der Axe, dagegen nicht in den umhiillenden beiden Theilen, welche durchaus homogen sind und das Licht stark brechen (Taf. XVII Fig. 2 u. 9). War ein Schnitt gerade senkrecht zur Langsrichtung einer Senkfadenanlage gefallen, so erhalt man einen vielkernigen Axenstrang, umgeben von einem Ring, der an zwei opponirten Stellen verdickt ist. Die zwei Ver- Ueboi* den Bun ilcr Ctenoplioron. 369 dickuiigeii (Taf. XVII Fig. {)) liefcni die bcidcn Muskelbandcr, die viclkei-nige Axe dagegen den centralen Faserstrang dcr fertigen Senkiaden. — Hirer ganzen Eutwickluiigsweise iiach besitzeii daher die axialen Theile der Senktaden mit der muskulosen Axe des Tentakelstamnis eine gemeinsame im Mittelstreifen der Tentakel- wurzel gegebene Anlage; da sie sicli aber von derselben friih- zeitig loslosen , so sind sie eine Zeit lang isolirt und treten erst secundiir wieder mit dem Tentakelstamm in Verbindung. So sehen wir, wic der complicirte Ban des Tentakels durch den complicirteren Ban der Tentakelwurzel noch bei weitem uber- troffon wird. Von besoudereni Interesse hierbei ist, dass fiir alle Theile des Tentakelapparates besondere Knospungszonen vorhan- den sind; die epithelialen und die axialen Theile finden ihren Ur- sprung in raumlich getrennten Abschnitten der Tentakelwurzel, erstere in den Seitenfeldern , letztere in dem Mittelstreifen , und untcr den axialen Theilen wiederum stammen die den Seitenfaden angehorigen aus anderen Abschnitten des Mittelstreifens , als die dem Tentakelstamm zukommenden. Alle Knospungszonen stim- men aber in dem Punkte iiberein, dass sie besondere Partieen des die Tentakelhohle auskleidenden Ektoderms sind. Die Tcntakeln von Euplocamis Stationis und Cydippe hormiphora zeigen im Allgemeinen denselben Bau, wie ich ihn hier von den Tentakeln der Callianira bialata geschildert habe, da- gegen ergeben sich in der Beschaffenheit der Einzeltheile und zwar ganz besonders der Seitenfaden Verschiedenheiten , iiber welclie ich im Folgenden einen kurzen Ueberblick geben werde. Euplocamis Stationis besitzt einen Tentakelstamm, wel- cher in Folge der grossen Anzahl und der bedeutenden Starke seiner Muskelfasern viel dicker ist, als bei Callianira bialata. Zum Un- terschied von anderen Cteuophoren besteht sein Epithel aus ge- wohnlichen Deckzellen, welche in einer diinnen Oberflachenschicht ausgebrcitet sind und von den glatten Muskelfasern des Stammes durch einen schmalen wahrscheinlich von Gallerte ausgefiillten Zwi- schenraum getrennt werden (Taf. XVII Fig. 23). Dazwischen zer- streut liegen Sinneszellen , welche an zwei Charakteren erkennbar sind, 1. dass sie eine Anzahl (3 — 6) kiirzerer und liingerer Tastbor- sten tragen und 2. dass ihr Korper centralwarts sich zuspitzt und durch die Gallerte hindurch dringend sich mit seiner Spitze in die Muskclfaserschicht einsenkt, wo er sich wahrscheinlich in eine Nervenfaser verliingert. Kerne sind in grosser Menge auf Querschnitten durch den Tentakelstamm vorhanden ; der Axen- Bd. XIV. N. F. VIL 3. 24 370 Dr. Richard Hertwig, Strang ist der Dicke des Tentakels eutsprecheud ebenfalls sehr stark entwickelt. Die Seitenfaden sind ausserst contractil; wenn sie gereizt werden, rollen sie sich spiralig auf und schnurren zu tanneiizapfen- formigen Korpern zusammen, weil jedc Spiraltour dicht an die vorhergehende anschliesst. Die spiralige Aufrollung wird wohl in erster Linie durch die asymmetrische Vertheiluug der Gewebsbe- standtheile herbeigefUhrt, von welcher man sich am besteu auf einem Querschnitt iiberzeugt. Der Durchschnitt eines Seitenfadens (Taf. XVII Fig. 6) ergiebt im Allgemeinen eine keilformige Figur mit abgerundeteu Kauten. Da das Epithel an alien Stellen nahezu gleich dick ist, so wird die Keilform vorwiegend durch den Axentheil des Fadens bedingt, an welchem wir 4 verschicdene Bestandtheile mit Sicherheit nach- weisen konnen: 1. die Gallerte; 2. das elastische Band; 3. die quergestreiften Muskelfasern ; 4. die glatten Muskelfasern. Hierzu kommen vielleicht noch Nervenfasern. Die Gallerte ist structur- und zellenlos, farbt sich in Car- min schwach roth und hat nur die Bedeutung eines Substrates fur die in ihr eingebetteten Elemcnte. Die elastische Membran (i) ist ebenfalls zellenlos und auf dem Querschnitt deutlich dop- pelt contourirt ; sie ist in der Langsrichtung in sehr regelmassiger Weise gefaltet, so dass ein Langsschnitt oder die Seitenansicht eine Welleulinie ergiebt, Bei der Seitenansicht fallt ferner auf, dass einem jeden Rand der elastischen Membran parallel eine Dop- pelreihe kleiner wiirfelformiger Korperchen zieht (Taf. XVII Fig. 14), uber deren Bedeutung ich nichts Naheres mittheilen kann, welche aber sowohl im frischen Zustand als nach der Behandlung mit Reagentien deutlich sichtbar sind. Die elastische Membran ist ganz in die Gallerte eingebettet und dabei in der Weise gestellt, dass die Gallerte durch sie in einen kleineren und einen grosseren Abschnitt zerlegt wird, von wclchen der erstere der breiten Seite des Keils entspricht, der letztere dem zugeschiirften Ende. Im ersteren Theil verlaufen die quer gestreiften Mus- k e 1 n als zwei seitlich unmittelbar an einander schliessende Strange, von welchen ein jeder aus etwa 30 feinen Muskelblattern besteht (Taf. XVII Fig. 6). Die Muskelblatter sind mit ihren Breitseiten dicht aufeinander gefiigt und licgen parallel zum elastischen Bande ; sie lassen sich nicht in Fibrillen zerfasern, zeigen dagegen von der Seite betrachtet (Taf. XVII Fig. 14) eine sehr deutliche Quer- streifung, bedingt durch die regelmassige Aufeinanderfolge heller Uebor den Ban dcr Ctciioplioren. 371 iiiid (luukk'r Qiicrbandcr. Wcitcre Qiierlinien , wie sic bei den quergostreiften Muskelii hohcrer Thicre vorkominen , warcii wcder in der helleren noch in der dunklcrcn Substanz vorhauden. Audi liabcj ich keine Muskelkorperchen beobachtet. Die homogenen oder glattcn Muskelfasern finden sicli auf der entgegengcsetzten Seite wie die quergostreiften , auf dem Querschnitt ini spitzen Ende des Keils, uud sind zwei schniale, aber dicke, ein wenig geschlitngelte Bander. Neben ihnen gewahrt man einen Strang, den ich fiir einen Nervenstrang halte, da er bei der Betrachtung von der Flache feinstreifig aussieht, als wiiro er aus zarten Fadclien zusaramengesetzt. Auf dem Querschnitt sieht man ihu als eine kornige Masse, welche sich undeutlich gcgen das Epithel absetzt; bei Isolationen habe ich jedoch keine Fiiserchen nachweisen konnen. Ira Epithel endlich treffen wir die beiden schon oben be- schriebenen Zellenformen an, 1, Sinneszellen mit einem reich- lichen Besatz langer starrer Borsten und 2. Klebzellen. Die bei Euplocamis besonders schon entwickelten Klebzellen (Taf. XV Fig. 9) scheinen von oben betrachtet ganz von rundlichen dicht gedriing- ten Kornchen gebildet zu werden ; indessen wird dieses Bild durch kleine Stiibchen erzeugt, welche von der Peripherie nach dem Mit- telpunkt der Zelle convergiren, wie dies am besten auf Querschnitten, welche zufiillig mitten durch einen Zellenkorper gegangen sind, nach- gewiesen werden kann. Hier treffen sie zuweilen auf ein kleines Korn, welches gleichsam der Ausstrahlungspunkt der radialen Structur ist. Unter dem centralen Korn bcginnt der bei Euplocamis be- sonders lange und dicke, in viele Spiralwindungen gelegte Muskel- faden ; er hilngt an seinem basalen Ende mit einem Fiiserchen zu- sammen, das am uuversehrten Praparate zu einem Knauel aufge- rollt ist, beim Zerzupfen aber in die Lange gezogen werden kann. In eiuigen Fallen liess sich der Faden noch welter iiber die Basis des Spiralmuskels hinaus bis an den Zellenkorper verfolgen; er steigt dabei geradeu Wegs in der Axe der Spirale auf. Von den Bestandtheilen der Seitenfaden lasst sich kein ein- ziger mit Sicherheit in das Innere des Tentakelstammes verfolgen. Das elastische Band und die Schicht der quer gestreiften Muskel- blatter dringen zwar beide etwas in die Tentakeloberflache ein, horen dann aber mit einer scharfen Linic wie abgeschnitten auf (Taf, XVII, Fig. 22). Die Muskelfasern breiten sich dabei ringsum fast iiber den ganzen Seitenfaden aus, sie verlieren die Querstrei- 24 -"=■ 372 Dr. Richard Hertwig, fling, zeigen aber dafiir Kerne eingelagert. Eine grossere Anzahl von Kernen, 2—4, finden sich namentlich dicht an einander ge- drangt in dera aussersten etwas verbreiterten Anfangstheil einer jeden Faser, so dass hier eine Wachsthumszone in ahnlicher Weise gegeben ist, wie fiir den Tentakelstainm in der Tentakelwurzel. "Wie sich zum Tentakelstamm die homogenen Muskelbander und der wahrscheinlich nervose Faserstrang verhalten, habe ich nicht nachweisen konnen. Junge Seitenfaden, welche noch nicht in Function getreten sind, sind nicht allein spiralig aufgerollt, sondern sind auch von einer gemeinsamen homogenen Hiille tiberzogen , welche die einzelnen Windungen fest gegen einander presst. Ferner sind die Windungen durch reichliche Epithelmassen zu einem soliden Kor- per unter einander verklebt. In der Axe desselben veiiauft ein nur auf Schnitten (Taf. XVII, Fig. 7) nachweisbarer Faserstrang, von welchem an die einzelnen Windungen Fadchen ausstrahlen; es ist dies wohl der Nervenstrang. Die Muskelblatter lassen um diese Zeit noch die Querstreifung vermissen. Bei den Cy dip pen (C. hormiphora) sind es abermals nur die Seitenfaden, welche von den bei Callianira bialata beschrie- benen Verhaltnissen erheblicher abweicheu ; sie sind kurz und von ansehnlicher Breite , so dass sie wie kleine vom Tentakelstamm herabhangende Sackchen aussehen ; sie sind von zweierlei Art, indem man unter ihnen grossere und kleinere unterscheiden kann, von welchen die letzteren die ersteren wohl um das Vierfache an Lange und Breite ubertreffen. Die grosseren Seitenfaden haben die Gestalt einer stark ver- langerten Rube und sitzen mit dem breiteren Ende auf dem Ten- takelstamme fest; sie tragen ihrerseits wieder seitliche kleinere Auslaufer ganz von der Art, wie sie auch direct vom Tentakel- stamm entspringen konnen, in mehreren Wirteln gestellt, aber in ihrer Verbreitung auf das basale Drittel beschrankt. Ein Querschnitt durch einen grosseren Seitenfaden ergiebt eine symmetrische Figur, welche im Allgemeinen etwa kreisformig, auf einer Seite aber etwas eingedriickt ist (Taf. XVII, Fig. 12), so dass man an jedem Faden eine concave und eine convexe Seite unterschei- den kann. Diese Form ist bedingt durch die Beschaffenheit des Axentheils. Wahrend derselbe bei Callianira kreisformig ist, ist er hier zu einem diinnen Bande abgeplattet, welches in querer Richtung stark iiber eine Seite gekriimmt ist und somit eine Rinne erzeugt. Der Convexitat der Rinne entspricht die convexe Seite, TJeber den Ban der Ctcnophoren. 373 tier Concavittit die concave Seite der Oberfliiche des gesanimten Seiteiifadens, die Aushohlung der Oberfliiche ist jedoch langc iiicht so ausgesprocheii wie die Coiicavitiit des axialeii Bandes, weil hier das dazwisclien gelegeiie Gewebe starker cDtwickelt ist als an anderen Orten. Das axiale Band ist an seinen beiden Ritndern am dicksten; wiihrend es sonst auf Sclinitten kaum doppelt contourirt ist, lasst es liier zwei Laniellen unterscheiden, welche aus einander weichen und zwischen sich feine Fasern fassen. Die Fasern (Taf. XVII, Fig. 21) erscheinen auf dem Querschnitt als kleine Korner, bei der Fliichenansicht bilden sie eine zarte longitudinale Streifung; Kerne sind in ihnen nur selten vorhanden, wo sie aber vorkom- nien, liegen dann immer melirere in einer Liingsreihe diclit bei einander (Taf. XVII, Fig. 19). Aehnliche Faserziige finden sich ausserdem noch an zwei Stellen des axialen Bandes, wo die Sei- tenwande der Rinne in den Rinnengrund umbiegen, und bedingeu hier Verdickungen , welche aber wie die Faserzuge selbst nicht sehr ansehnlich sind. Die Axe und das Oberflachenepithel sind von einander durch eine aus Gallerte bestehende Zwischenschicht getrennt, welche bei Callianira und Euplocamis ebenfalls zwischen der Axe und dem Epithel, wenn auch in einer weniger auffallenden Weise vorkommt, bei Cydippe hormiphora aber zu ganz besonderer Machtigkeit aus- gebildet ist, so dass durch sie auch die Beschatfenheit der Epithel- zellen etwas modificirt wird. Die Tastzellen besitzen sehr lange centrale Fortsatze, welche die Gallerte durchsetzeu und auf dem Axenband mit einer kleinen Verbreiterung enden; ihr Zell- korper selbst ist auf seiner Oberflache mit mehreren Tastborsten versehen. Die Klebzellen haben einen kraftigen Muskelfaden, der im Ganzen 4 — 5 Spiraltouren beschreibt, von denen die zwei obersten im Protoplasma der Zelle, die folgenden in der Gallerte eingeschlossen sind. Da der Muskelfaden nun nicht lang genug ist, um die ganze Dicke der Gallertschicht zu durchsetzen und das axiale Band zu erreichen , so wird er in derselben Weise, wie wir es schon bei Cydippe gesehen haben, fortgefiihrt durch ein feines Fadchen, welches in welligen Biegungen bis an das Band vordringt und hier wie die centralen Fortsatze der Tastzellen ein wenig verbreitert endet. Muskelfaden und Filserchen sind etwas durchaus Verschiedenes, wie schon daraus hervorgeht, dass beide sich scharf von einander absetzen. Ferner verliiuft das Fii- serchen von dem Punkt an, wo es mit dem Muskelfaden sich be- 374 Dr. Richard Hertwig, riilirt, weiter bis zura Zellenkorper und biklet so eine Axe, urn welche der Muskolfaden in Spiraltouren aufgewimden ist. Auch sonst wiederholen sich im Bau des Zellenkorpers die bei Euplo- carais Stationis beobachteten Verhaltnisse. In der subepithelialen Gallerte finden sich endlich noch Zel- len vor, welche bei keiner anderen Ctenophore vorkommcn und vornehmlich die beiden Sciten des axialen Bandes mit einem dich- ten Netz uberziehen (Taf. XVII, Fig. 5); ihre von gelben Pigment- kornchen gewohnlich dicht erfiillten Korper hangen durch zahl- reiche bald breite lappige, bald feine fadenforinige Fortsatze un- ter einander so innig zusammen , dass es nicht moglich ist , auch nur ungefahr zu bestimmen, wie weit etwa der Korper einer Zelle sich ausdehnt. Stellenweise verbreiten sich die Protoplasmanetze auch weiter in der Gallerte nach dem Epithel zu, ganz besonders in der den Rinnengrund ausfiillenden Gallerte (Taf. XVII, Fig. 12), wo dicke Protoplasmanetze mit engen Maschen angetroffen werden. Ob die centralen Auslaufer der Kleb- und Sinneszellen mit den geschilderten Netzen zusammen hangen, habe ich nicht mit Sicherheit entscheiden konnen, weil auf Querschnitten die einzel- nen Elemente zu wirr nach alien Richtungen sich kreuzen ; sollte ein solcher von mir nicht beobachteter Uebergang vorkommen, so wiirde man ihn wohl auf der Oberflache des Axenbandes zu ei"- warteu haben, da hier die Endfaden der Epithelzellen gewohnlich aufhoren und dabei mit den Netzen in Beriihrung kommen. Der Bau der kleineren Seitenfaden, welche entweder von einem grosseren Seitenfaden oder direct vom Tentakelstamm entspringen, ist im Wesentlichen derselbe wie ich ihn hier ge- schildert habe. Nur ist die Figur, welche der Querschnitt des Seitenfadens ergiebt, eine andere (Taf. XVII, Fig. 11), da das Axen- band schmaler und dicker und nicht in Form einer Rinne umge- bogen ist; in manchen Fallen ist die Axe uberhaupt nicht band- formig, sondern wie bei anderen Ctenophoren oval oder kreisrund; dann tritt die von der subepithelialen Gallerte wohl zu unterschei- dende Grundsubstanz der Axe mehr in den Vordergrund und in ihr eine vierzipflige Figur, welche durch dunkle Kornchen , die Querschnitte feinster Fiidchen, bedingt ist. Dieses Bild der Axe eines Seitenfadens stimmt mit dem von der Callianira bialata ge- gebenen Bild (Taf. XVII, Fig. 8) im Allgemeinen iibercin , unter- scheidet sich aber durch die Abwesenheit der zwei Muskelstrange. Was nun die Deutung der in den Seitenfaden von Cydippe vovkommenden histologischen Elemente anlangt, so ist das central Ueber deu Ban der Ctcuophoren. 375 verlaufeiide Band otienbar iiur die feste Stutze des Organs; die ini Band eingeschlossenen Fiiserchen sind ziini Theil jedenfalls muskulos, da sie die einzigen Elemente sind, auf welche man die lebliafteu wurmformigcn Bewegungen der Seiteufiiden zuriiclvfiihren kann. Ob dazvvisclien audi Nerven vorkommen , lasse ich daliin gestellt. Das Protoplasmanetz dagegen gehort wahrscheinlich zur Gallerte , da die Bescliatienheit der Zellensubstanz , die lappigen Fornieu der Zellen und die Unregelniiissigkeit in deu Anastomosen wenig zu nervoseu Elenienten passen. Auf die Tentakelw urzeln der beideu besprocheneu Ar- teu (Euplocamis und Cydippe) brauche icli nicht weiter einzuge- heu, da Querschnitte, welche ich angefertigt habe, im Wesentli- chen die uns schon von Calliauira bekannten Bilder lieferten. In wie weit sich der Entwicklungsmodus der Seitenfaden abweichend gestaltet, habe ich nicht untersucht. b. Der Tentakelapparat von Cestus Veneris. Bei einer Anzahl von Ctenophoren sind lange mit Seitenfaden besetzte und aus der Tentakelhohle frei hervortretende Fangfadeu nur auf friihen Stadien der Entwicklung vorhanden, spater erfah- ren sie eine Riickbildung, um durch die sogenanuten Nebenten- takeln ersetzt zu werden, welche im Gauzen in Vierzahl, ein Paar auf jeder Seite, auftreten. Diese Nebententakehi sind Reihen von Seitenfaden, welche durch einen gemeinsamen Strang, dem ich zuniichst den nichts iiber seine morphologische Bedeutung im Vor- aus entscheidenden Namen „Verbindungsstrang" beilege, unter einander vereinigt und mit Hilfe desselben an dem Korper der Ctenophore selbst befestigt sind. Am meisten ausgepragt ist die hier kurz charakterisirte Modification des Tentakelapparats bei den Cestiden, von welchen ich nur Cestus Veneris untersucht habe. Da der Korper des Cestus Veneris in der Richtung der trans- versalen Axe abgeplattet ist, so liegen die Tentakelsacke auf den Breitseiten des Korpers und miinden hier dicht neben und etwas oberhalb der Muudoffnung aus. Die Miindung eines jeden Ten- takelsacks erweitert sich trichterformig und setzt sich rechts und links in eine Rinne fort, welche parallel dem unteren Rand des bandformigeu Korpers, wenige Millimeter nach oben von demsel- ben hinzieht. Da nun der Mund sich ebenfalls in eine Rinne verlangert, welche uugleich tiefer und breiter ist und die untere Seite des Bandes einnimmt, so erhalt man auf eiuem Querschnitt durch den unteren Korperrand eines Cestus — die Figur 18 auf 376 Dr. Eichard Hertwig, Tafel XVII stellt nur die Halfte eines solchen dar — 3 Rinnen, die mediane tiefe unpaare Mundriiine und beiderseits von dersel- ben aber etwas hOlier gelegen die kleineren paarigen Tentakel- rinnen; letztere sind dadurch erzeugt, dass sich von der Ober- flache der Seitenwand des Korpers eine Gallertfalte nach abwarts erhebt. Aus ihnen hitngen , wenn das Thier sich in volliger Ruhe befindet, wie Franseu am Saume eines Kleides, zahllose Seiten- filden herab, welche bei der geringsten Beunruhigung verkiirzt und in die Rinnen zuruckgezogen werden. An der Innenflache der erwahnten Gallertfalte nahe dem Rin- nengrund ist das ektodermale Epithel zu einem in der Richtiing der Rinne verlaufenden Wulst verdickt, in welcliem der mit Sei- tenfaden besetzte Verbindungsstrang eines jeden Nebententakels eingebettet ist. Schneidet man die Falte ab und breitet sie glatt aus, so filllt der Epithelwulst an gefarbten Praparaten in der sonst diinnen und unscheinbaren Epithellage als ein breiter rother Streifen protoplasmareicher mit grossen Kernen ausgestatteter Zellen auf (Taf. XV, Fig. 12). In dem an den Rinnengrund an- grenzenden Theil des Streifens liegt der Verbindungsstrang (tv) als ein Zug von feinen in Osmiumsiiure sich schwarzenden Fasern, welche , wie Querschnitte lehren , von den Epithelzellen iiberdeckt werden (Taf. XVII, Fig. 20). Kerne in grosser Zahl driingen sich entweder einzeln oder zu mehrereu in rundlichen und ovalen Ne- stern vereint zwischen die Fasern ein. Die von dem Verbindungsstrang aus entspringenden Seiten- fiiden sind ausserst dunn und zu einer histologischen Untersuchung wenig geeignet, da sie sich weder gut zerzupfen noch querschnei- den lassen. Die Kleb- und Tastzelleu, welche den epithelialen Ueberzug zusammensetzen , sind klein , im Uebrigen aber wie bei den anderen Ctenophoren gebaut. Die Axe gleicht in ihrer Be- schaffenheit dem schon beschriebenen Verbindungsstrang und ist ein Faden, welcher aus feinsten gewellten Faserchen und spar- lichen Kernen besteht. Einzelne Faserchen setzen sich in der That auch continuirlich in den Verbindungsstrang fort, nachdem sie eine kleinzellige epitheliale Verdickung an der Basis des Seitenfa- dens durchbohrt haben (Taf. XV, Fig. 12 und Taf. XXI, Fig. 1). Von der dem Rinnengrund abgewandten und dem freien Rand der Gallertfalte benachbarten Partie des rothgefiirbten Epithel- streifens erheben sich endlich noch eigenthiimliche, hakenartig gekriimmte Fortsatze, die „Tentakelhaken" (Taf. XV, Fig. 12 Ueber den IJuu dor Ctenophoren. 377 u. Taf. XXI, Fig. 1th; Taf. XVII, Fig. 13). Dieselben sind von sehr verschiedeiier Laiige, an ilirer r>asis am hrcitcstcn, nach Hirer Spitzu zn ein wenig vcrjiingt und bestehen aus fcincn Fa- sern, welche im Allgenieinen liingsgerichtet sind, im Uebrigen aber wirr durch einander verlaufen und ab und zu sich sogar einzeln ablosen, um frei uber die Oberfliiche des Hakens hervor- zutrcten. Jeder Tentakelhakcn ruht mit seiner Basis gleichzeitig auf niebreren (3 — 4) Epithelzellen , deren Kerne zum Theil zwi- schen die Fasern vorgeschoben sind, und kann daher wobl nur als eine cuticulare Bildung eigencr Art aufgefasst werden. Ob er zu activen Bewegungen befahigt ist, habe ich leider verab- siiumt durch Beobachtung am frischen Object zu entscheiden. Zahllose derartige Tentakelhaken sind in einer einzigen Reihe in ganzer Liinge der Tentakelrinne neben einander gestellt; sie ragen nur wenig uber die Oberliache des Epithels hervor, biegen sich allmiihlich um und legen sich quer iiber den Epithelstreifen lieriiber, bis sie etwas jenseits vom faserigen Verbindungsstrang enden. Ueber die Lagerung, welche sie zu letzterem bei der na- turlichen Stellung des Venusgiirtels einnehmen , geben die Figu- ren 18 u. 20 auf Tafel XVII Aufschluss, welche nach einem Quer- schnitt entworfen sind. Denselben zu Folge beginnen die Tenta- kelhaken nach abwarts vom Verbindungsstrang und kriimraen sich von unten um ihn herum, so dass sie fiir ihn recht gut, wie ihr Eutdecker Chun annimmt, einen Aufhangeapparat bilden konnten. In keinem Falle ist es nur gegliickt, den hier in seinen ein- zelnen Theilen beschriebenen Tentakelapparat bis an die Tenta- kelwurzel heran zu verfolgen ; stets horte er auf, sowie er in das trichterformig erweiterte Ende der Tentakelhohle eingetreten war, indem sein Epithelwulst sich allmahlich verlor und der dem Gan- zen zu Grunde liegende Verbindungsstrang immer unscheinbarer wurde, bis er als ein feines Fadchen im Epithel eudete. Auch die Einrichtung der Tentakelhaken fand hiermit ihren Abschluss (Taf. XXI, Fig. 1 u. 2). Die zuletzt erwahnte Beobachtung geniigt schon allein um den Nachweis zu fuhren, dass im Nebententakel kein Element enthal- ten ist, welches sich morphologisch dem Teutakelstamm der tibri- gen Ctenophoren vergleichen liisst. Denn dieser bleibt stets im Zusammenhang mit der Tentakelwurzel , well ihm nur dadurch ein Wachsthum in die Liinge crmoglicht ist; auch setzen sich die Fasern des Tentakelstanmies nicht in die Faserung der Seitenfa- 378 Dr. Richard Hertwig, den fort , wie es beim Verbindungsstrang von Ccstus der Fall ist. Der ganze Nebententakel besteht vielmehr allein aus den Seiten- faden, denjenigen Theilen, welche sich bei alien untersuchten Cte- nophoren schon sehr friihzeitig vom Keimgewebe der Tentakel- wurzel loslosen und mit ihm auch im entwickelten Thiere keine directe Verbindung untcrhalten. Da ein Tentakelstamm fehlt, an vvelchen sie sich anschiniegeii konnen, so siud die Seitenfaden unter sich in Vcreinigung getreten , indem einzelne ihrer musku- losen Faden sich zur Bildung des Verbindungsstrangs verliingert und an einander gelegt habcn ; eine weitere Stiitze fiir den gan- zen Apparat wurde durch seine Befestigung an dem Korper ge- wonnen ; da es aber durch dieselbe dem Thier unmoglich gemacht wird, seine Fangfaden in die Tentakelhohle zuriickzuziehen , so ist ein besonderer Schutzapparat in der Gallertfalte zur Entwick- lung gekommen , welche mit der Korperwand gemeinsam die zur Aufnahme der Seitenfaden dienende Tentakelrinne erzeugt. Der abweichende Bau des Tentakelapparats machte eine ua- here Untersuchung der Tentakelwurzel nothig; denn obwohl dieselbe mit den Nebententakeln nicht zusammenhangt, so ist sie gleichwohl ein zellenreiches , ohne Zweifel noch weiter functioni- rendes Organ. Auf Querschnitten erhalt man Bilder, wie sie Querschnitte durch das untere Ende der Tentakelwurzel von Callianira (Taf. XVI, Fig. 8 u. 9) liefern; es siud somit die Seitenfelder und der Mittelstreifen deutlich zu unterscheiden , letzterer ist aber sehr weuig entwickelt. Einen Tentakelstamm habe ich nicht entdecken konnen, auch nicht mit Hiilfe von Macerationspriiparaten, so dass er entweder ganz fehit oder doch sehr rudimeutar ist. Dagegeu sind die charakteristischen Anlagen der Seitenfaden ohne grosse Muhe , besonders schon an Macerationspraparaten zu erkennen ; sie sind offenbar das einzige Bildungsproduct des Mittelstreifens, wahrend die Seitenfelder auch hier wieder die Klebzellen liefern. Die Anlagen der Seitenfaden fand ich nicht bei alien Cesti- den in gleicher Weise vor; bei einem Exemplar wurde aus dem Haufen der Klebzellen ein langer continuirlicher Strang dicht an einander gefiigter Zellen isolirt, an welchem die Anlagen in aus- serordentlich grosser Zahl und in mehreren Reihen neben einan- der ansassen; an einem Ende, welches nach Analogie mit Callia- nira wohl als das untere zu betrachten ist, sassen die jiingsten Anlagen, nichts als kleine warzenartige Vorsprlinge, die nach dem anderen Ende des Stranges zu (wahrscheinlich dem oberen) an TJeber den Ban dor Ctenophoren. 379 Grosse ziinahmen, bis sie endlich zu ansehiilicheii fiiigeiforinigeii P'ortsjitzen wuideii. Dor gosanimtc Strang mit seineii Anhangen bestand aus dcmsclbcii glcichforniigcn Gcwobe, das schon bei Cal- lianira beschriebcn wurdcii ist, kleiiien fast iiur von dem Kern gebildeten Zcllcn, die gcgen oinander nicht abgegrenzt waren und wie eine einzige coiitimiirliche Masse aussahen. Weitere Entwickkuigszustilnde habe icli bei dem betreffenden Exemplare vermisst, dagcgen bei zwei anderen angetrotfen, wo uni- gekehrt die jiiiigeren Stadien fehlten. Die Axen der Seiteufilden waren hier zuni grossen Theil schon langgestreckt und feingefa- sert, wie wir sie aus den Tentakelrinnen kennen; andere waren kiirzer, wenn auch iinnier nocli fadenartig gestreckt und diese besassen noch eine gleiclifcirniige von zahlreichcn Kernen durch- setzte Gruudsubstanz (Taf. XXI, Fig. 7). Alle diese Anlagen, nioch- ten sie auf der einen oder der anderen Stufe der Ausbildung sich befiuden, hingen an der Basis uuter einander zusammen , indeni sie sich hier in zwei Fortsiitze theilten , welche sich an die Fort- siitze benachbarter Anlagen anfiigten. Eine innige Verbindung der einzelnen Senkfaden, welche bei den anderen Ctenojjhoren fehlt, in der Tentakelriiine der Cestidtni aber vorhanden ist, bildet sich dem Gesagten zufolge schon innerhalb der Tentakelwurzel aus. Endlich habe ich noch zwei in Osmium-Essigsaure macerirte Cestiden uutersucht, bei welchen weder vom Tentakelstamm noch von den Senkfaden die Anlagen nachgewiesen werden konnten, ob- wohl der Mittelstreifen und die beiden Seitenfelder vorhanden waren. Wenn die angefiihrten Beobachtungen auch nicht ausreichen, um ein bestimmtes Urtheil zu fallen, so machen sie es doch wahr- scheinlich, dass bei den Cestiden eine periodische Erneuerung des Teutakelapparats stattfindet, nicht eine continuirliche wie bei den tibrigen Ctenophoren. Dies wird uns schon dadurch nahe gelegt, dass die Senkfaden einer Tentakelrinne wohl unter einander, aber nicht mit der Tentakelwurzel zusammenhangen , was der Fall sein miisste, wenn die Anlagen neuer Senkfaden in demselben Maasse nachgeschoben wiirden, als die alteu sich verbrauchteu. Der Be- fund, dass in einzelnen Fallen in der Tentakelwurzel zahlreiche Anlagen vorhanden sind, in anderen Fallen dagegen fehlen, wiirde dann so zu deuten sein, dass dort Thiere vor der Neubildung des Teutakelapparats, hier Thiere nach derselben zur Untersuchung gelangt sind. Literatur. Die Fangfaden wurden lange Zeit iiber von 380 Dr. Richard Hertwig, alien Forschern, von Eschscholtz (17), Mertens (31), Ge- genbaur (21) Forbes (19),-nach Analogic mit den Tentakeln der Medusen als hohle Gebilde gedeutet. Eschscholtz lasst sie an ihrer Basis mit einer Arapulle beginnen, ohne sich weiter iiber die Beziehungen dieser Ampullen zu den herantretenden Gastro- vascularcanalen zu aussern. Mertens stellt eine Communication beider Hohlraumsysteme in Abrede, well er die Fangfaden vom Magen aus vergebens zu injiciren versucht hatte, nimmt dagegen Oeftnungen an den Tentakelenden an. Nur Gegenbaur beschreibt mit Bestimmtheit eine Verbindung der Tentakelcaniile und des Gastrovascularsystems ; bei Cydippe hormiphora lasse sich verfol- gen, dass der Canal des Fangfadens sich von dem Gastrovascular- system aus fiille und dadurch eine Verlangerung des ganzen Fa- dens veranlasse. Indessen hatte schon vor Gegenbaur Will (35 p. 49) mit Recht hervorgehoben, dass die Fangfaden liberhaupt keinen Canal besitzen, sondern vollkommen solid seien. Diese Ansicht wurde von A g a s s i z (4 p. 205) bestatigt. Obwohl derselbe friiher selbst angenommen hatte (3.), dass ein Gefiiss wenigstens eine Strecke weit in die Teutakelbasis eindringe, so berichtigte er doch spa- ter diese Darstellung und vertrat dafiir die Ansicht, dass die Tentakelgefasse an der Tentakelwurzel blind endigen. Dagegen halt er die Muskelmassen des Tentakelstamms und der Seiten- faden fiir Verlangerungen der Epithelschicht, welche die Wand der Tentakelgefasse auskleidet, und unterscheidet somit, wenn wir uns unserer modernen Ausdrucksweise bedienen, am Fangfaden einen ektodermalen Theil (das Epithel) und einen entodermalen Theil (die Axe). Diese Unterscheidung ist eine durchaus verfehlte, da am Aufbau des Tentakels sich ausschliesslich das Ektoderm betheiligt. Jch kann mich hieriiber umsomehr mit Bestimmtheit aussern, als ich Schnittserien durch 3 Tentakelwurzeln von Cal- lianira gelegt und dabei stets gefunden habe, dass das Epithel der Tentakelgefasse an alien Orten durch eine diinne Gallertschicht von der Tentakelwurzel getrennt wird. Die Frage, ob die Tentakeln der Ctenophoren hohl oder solid sind, ist auch in der Neuzeit noch nicht entschieden, sondern von den einzelnen Forschern in verschiedenem Sinne beantwortet wor- den. Den Angaben von Will und Agassiz haben sich Wage- ner (34. p. 124), CI aus (10 b. p. 386) und Kowalevski (28.) angeschlossen , indem sie die Tentakeln geradezu „fadenformige Biindel von Muskelprimitivbiindeln" uenuen und an ihnen nur „eine XTebev cleii Ban dor Ctenopliovcn, 381 iiussorc Zellenlage uiid cine sohr starke Ijiingsniuskelschicht" un- tcrscheiden. Auf der anderen Scitc wiederum spricht Fol (18 p. 5) bei Eurhamphaea , Ccstiis und Vcxillimi von eincm axialcn Tcntakclcanal , welclier „von einem mehrschichtigen Epithel selir klciuer, runder Zcllcn" ausgeklcidct werde und mit den Tentakel- gefiissen zusammenhange. So hat sicli denn audi Claus (11) ver- anlasst gesehen, in der neuesten Auflage seiner Zoologie das Ver- haltniss in der Weise darzustellen , dass „die Tentakelgefiise der Ctcnoplioren ahnlich wie die Tentakelgefiisse der Scheibenquallen mit dem Hohlraum des Senkfadens in Communication stehen." Wie unzuliinglich bislier die Kenntnisse vom Bau der Fang- fiidon der Ctenophoren waren , geht noch mehr hervor, wenn wir die iiber die histologisclie Structur gemachten Angaben in Betracht Ziehen. Die meisten Forscher beschranken sich auf die Beraer- kung, dass longitudinale Muskeln vorhanden sind, manche wie z. B. Eschscholtz beschreiben ausserdem auch irriger Weise circu- lare. Dadurch dass Bundel der longitudinalen Muskelfasern sich abzweigen, sollen die Seitenfaden eutstehen. Ich finde diese An- sicht namentlich von Wagener (34 p. 124) und A gas si z ausge- sprochen. Letzterer (4 p. 236) sagt ausdriicklich , „dass die Zel- len des Tentakelstamms — unter Zellen versteht hier der Ver- fasser die Muskelfasern — am Ursprung der Seitenfaden uahezu rechtwinklig umbiegen und sich in diese ohne Unterbrechung fort- setzen." Agassiz hat ausserdem auch den Axenstrang der Sei- tenfaden gesehen, wenn auch in unvollkommener Weise; er nennt ihn „cinen diinnen Faden von einer durchsichtigen Substanz, welche den Eindruck eines Canales hervorrufe, ohne dass jedoch ein deut- licher Hohh'aum erkennbar gewesen ware." Die Muskelfasern deu- tet der amerikanische Forscher als langgestreckte Zellen, wahrend Wagener sie den Muskelfasern hoherer Thiere vergleicht und ihnen einen fibrillaren Bau zuschreibt. Der neueste Forscher auf dem Gebiet der Ctenophorenliteratur, Chun, hat bisher nur die Seitenfaden von Euplocamis Stationis und Cydippe hormiphora beriicksichtigt ; an ersteren (7 p. 194 und 8 p. 51) hat er das Vorkommen von quergestreiften Muskelfasern und eines elastischen Bandes zuerst nachgewiesen ; dagegen hat er das halbrinnenformig gebogenc Band von Cydippe falschlich fur einen geschlossenen, von Gallerte erfiillten Muskelschlauch ge- halten. Das Epithel der Fangfaden, welches ich in dem vorstehenden historischen Ueberblick bisher ganz vernachlassigt habe und das 382 Dr. Richard Hertwig, laDge Zeit iiber nur als eiue trubkornige Masse geschildert wor- den war, ist zuerst von Will (35 p. 52) genauer untersucbt worden; er beobachtete die koruigen Anhaufungen an den Zelleneuden und auch die spiralen Muskelfiiden, ohne jedoch iiber ihre Natur und ihr gegenseitiges Lageverhaltniss in's Klare zu komraen. Spater charakterisirte Gegenbaur (21 p. 177 u. p. 179) die einzelnen Elemente des Epithels als „Nesselzellen , welclie eine glatte Fa- denspirale umschliessen. Schuellt der Faden hervor, so zeigt er die Eigenthiimlichkeit sicli nicht sogleich zu strecken, sondern ver- harrt noch langere Zeit in einer langgezogenen Spiralform." „Das beim Hervorschnellen innerhalb des Blaschens bleibeude Ende", heisst es an einer anderen Stelle, „stelit mit einer Anzahl runder Korn- chen im Zusammenhang, die brombeerartig gruppirt sind. Es be- sitzen diese Anhange eine grosse Lebensfahigkeit, sie bevvegen sich abgerissen nocli lange selbstandig." Auch Strethill Wright (33), Clark und Agassiz (4. p, 237) nennen die Epithelzellen „lassoceirs", doch machen die beiden letzteren auf gewichtige Un- terschiede zwischen ihnen und den Nesselzellen der Medusen auf- merksam : 1. dass die aufgerollten Faden nicht hohl seien und daher nicht durch Umstiilpung frei werden konnten, 2. dass die Faden auf einer Seite der umhilllenden Kapselwand befestigt seien und durch eine besondere Oeflfnung auf der entgegengesetzten Seite frei wurden. Ira Uebrigen sind auch sie von einer richtigen Beurtheilung der eigenthtimlichen Elemente weit entfernt; ganz besonders irren sie darin, dass sie den Zellenkorper als eine Kapsel beschreiben, dass sie den Muskel in dieser Kapsel vollig aufgerollt sein lassen, dass sie ferner das Ende der Zelle, aus welchem der Faden hervorsteht, fiir das periphere halten. Noch weniger erschopfend sind die Angaben Fol's (18. p. 6 u. 11) und Wagener's (34. p. 124), welche sogar den spiralen Faden im Epithel der Eurhamphaea vexilligera, Cestus Veneris und Cydippe hormiphora gar nicht wahrgenommen haben. Ein sehr wesentlicher Fortschritt wurde durch eine neuerdings erschienene Arbeit Chun's (8) herbeigefiihrt , welcher den Nach- weis fiihrte, dass die Zellen gar keine Nesselzellen seien, da der sogenannte Nesselfaden Contractilitat besitze wie der Stielmuskel einer Vorticelle. Chun uennt die Gebilde Greifzellen und giebt von ihnen eine Schilderung, von der ich in mehrfacher Hinsicht abweiche. Das, was ich als den Zellenkorper beschrieben habe, ist nach Chun eine von Gallerte erfullte und mit feinen Kornchen bedeckte Halbkugel ; ferner sollen die Muskelfaden sich in die Mus- TJeber den Ban der Ctenophoren. 383 knlatiir dcs Seitciifadciis liiiieiii fortsctzcn, was ganz bestininit nicht der Fall ist. Bei der Beurtlieilung der Function der Gebilde stiniiue ich mit Chun insofern uberein, als er die Muskelfilden bei der Contraction sich spiralig aufrollen und die mit Kornchen Ijedeck- ten Ilalbkugeln zuriickzielien liisst; dagcgen ist es mir unverstiind- licli, wie der Verfasser es weiter fiir wahrscheinlicli erkliiren kann, dass der Fadeu zugleich audi bestimmt sei, vermoge seiner Con- tractilitiit die halbkugelige Kapsel hervorzuschnellen. Also ein Mus- kel, der durch seine Contraction entgegengesetzte Effecte hervor- bringen soil, Streckung und Verkiirzung!! Weiter hat Chun zum ersten ]\Iale auch die Tastborsten aufgefunden, welche zwi- schen den Klebzellcn von der Oberfliiche der Seitenfiiden entspringen. Besondere Bcriicksichtigung verlangen noch die Mittheilungen, welche liber die Beschaffenheit des Tentakelapparats bei den Cesti- den gemacht worden sind. Eschscholtz (17 p. 23) beschreibt und zeichnet in seinem „System der Acalephen" fiir Cestus Veneris jederseits einen Tentakel, welcher wie auch sonst mit Seitenfaden besetzt ist und aus seinem Tentakelsack lateral von der Mund- offnung hervortritt. Derselbe konnte von Mertens (31 p. 490) nicht wiedergefunden werden und existirt wohl auch in der von Eschscholtz abgebildeten Weise bei keiner entwickelten Cestide. Wenn Gegenbaur (21.) bei der Charakteristik der Cestiden sei- ner Erwahnung thut, so geschieht es wohl weniger auf Grund eigener Beobachtungen , als auf die Autoritat des urn die Kennt- niss der Quallen hochverdienten Forschers. Durch die Untersuchungen Fol's (18. p. 7. 10. 11) wurde es bekannt, dass der Teutakelapparat der Cestiden und einiger ver- waudter Familien in besonderer Weise modificirt worden ist. Nach Fol ist der Haiiptteiitakel rudimentar und wird auf jeder Seite durch zwei Nebenteutakeln ersetzt, welche jeuem im Bau gleichen nnd hohle mit hohlen Seitenfaden bedeckte Strange sind; die Ne- benteutakeln sollen in den Tentakelrinnen fest gewachsen sein, so dass nur ihre Seitenfaden hervortreten konnen. Der Darstellung Fol's gegeniiber hat Chun (7. p. 188) mit Recht die Existenz eines Stammtheils an den Nebenteutakeln in Abrede gestellt, welche vielmehr nur aus Seitenfaden bestehen sollen. Dagegen kann ich Chun nicht darin beistimmen, dass die Seitenfaden uberhaupt nicht unter einander verbunden und auch nicht in der Tentakelrinne fest gewachsen seien, dass sie vielmehr alle einzeln aus dem Tentakel- sack hervorkamen, in denselben vollkommen zuriickziehbar seien und in der Tentakelrinne durch einen besonderen Aufhangeapparat 384 Dr. Richard Hertwig, ausserlich befestigt wiirden. Als einen solchen Aufhangeapparat (leutet Chun die von ihm aufgefundenen „gemshoniformigen Ci- lien", fiir welche ich den Namen „Tentakelhaken" eingefuhrt habe, weil die Gebilde histologisch nicht als Cilien betrachtet werden konnen. Da die meisten Forscher, wie eine Durchsicht ihrer Unter- suchungen ergiebt, keine richtige Vorstellung von der Beschaffen- heit der Tentakeln besessen haben, so ist es verstandlich, dass der Bail der Tentakelwurzel von ihnen nur in seinen allgemeinsten Verhaltnissen erkannt worden ist und dass selbst hierbei nicht selten wesentliche Irrthlimer mit imtergelaufen sind. Ist doch in friiherer Zeit sogar die functionelle Bedeutiing der Tentakelwurzel falsch beurtheilt worden, wie z. B. von Mertens, welcher ihre Zellenmassen fiir Geschlechtsorgane gehalten hat. Gegenbaur's Darstellung (21.) leidet an dem schon friiher hervorgehobenen Fehler, dass er einen Zusammenhang der Tenta- kelgefasse mit dem Tentakelinneren annimmt ; dagegen hebt sie mit Kecht hervor, dass die „Nesselzellen" aus besonderen Anlagen und unabhiingig von dem Tentakelstiick , welches sie bedecken sollen, entstehen ; die Entwicklungsweise der Muskulatur lasst sie un- berticksichtigt. Um so ausfiihrlicher ist die von Agassiz (4. p. 234) gegebene Schilderung, welche eine Anzahl guter Beobachtungen enthalt: dass die Tentakelwurzel zu einer ovalen Scheibe ausge- breitet ist, dass diese Scheibe durch eine Ljingsfurche in zwei Halften zerlegt wird, dass die Liingsfurche nach innen (nach der Axe des Korpers zu) als „a thick ridge" vorspringt und dadurch die beiden Tentakelgefasse der ganzen Lange nach von einander trennt. Immerhin sind auch von Agassiz die wichtigsten Punkte falsch aufgefasst oder ganz iibersehen worden. Ein sehr wesent- licher Irrthum ist die Annahme, dass das Epithel der Tentakel- gefasse den grossten Theil der Wurzel bildet, iudeui es sich stark verdickt und sich als ein Strang von Muskelzellen in den Tentakel und seine Seitenfaden fortsetzt, wahrend das ektodermale Epithel auf einen relativ unscheinbaren Ueberzug beschriinkt sein soil. Agassiz hat somit die Grenze zwischen dem entodermalen Epithel des Ten- takelgefasses und der rein ektodermalen Tentakelwurzel ganz iiber- sehen; er hat ferner iibersehen, dass die Muskeln nur aus dem Mitteltheil, dem „thick ridge", stammen, die beiden Seitentheile dagegen fiir die Tentakelaxe vollig bedeutungslos sind, indem sie nur das Epithel liefern ; endlich hat er iibersehen, dass die Seiten- Uebcr dcu Ban dor Ctonophoreu. 385 fadcn sclbststiiiulig aiigclcgt werden uiid erst socuiidar init dcni Tcntakolstannn sicli vcrbindcn. ()l)W()lil der Zeit nacli spiiter hat W a g c n e r (o4,) einigo von Agassiz riclitig erkauiite Verhaltuisse wicder irrthumlicli be- scliriebeu. Denn wenii er von Cydippe pileus sagt, dass „dic An- fiingc der Muskelfascrn einen Rand um die ovale Ursprungsfliidic (des Tentakels) bilden iind dass in Folge dessen „die Muskelpri- initivbiindel" einen trichterformigen niit Wasser gefiillten Raum unischliessen", so ist damit gerade das Gegentlieil von dem, was thatsjichlich der Fall ist, beliauptet, da ja die Muskelfasern niclit aus der Peripherie, sondern aus der Mitte der schildformigen Tentakelwurzel hervorgehen. Fol (18.) endlich hat seine Untersuchungen an Objecten an- gcstellt, die fur das Studium der Tentakelwurzel wenig geeignet sind, an Cestus, Vexillum und Eurhamphaea ; immerhin hat er er- kannt, dass die Klebzellen in den Seitentheilen des Organs ent- stehen. Am Rande sollen kleine isolirte Zellen vorhanden sein, dieselben sollen an Grosse zunehmen und in sich kleinere Tochter- zellen erzeugen, welche beim Zerfall der Mutterzellen frei werden und sich zu „Nesselzellcn" umbilden. Im Uebrigen ist auch Fol in den Irrthum verfallen, dass die Tentakelgefasse in das Innere der Tentakelwurzel und von da weiter in den Tentakel eindringen, 5. Ueber den Bau der Geschlechtsorgane. Bei meinen Untersuchungen iiber die Geschlechtsorgane der Ctenophoren habe ich mich wiederura hauptsachlich an Callianira bialata gehalten und die tibrigen Arten nur cursorisch beruck- sichtigt. Ich wurde hierzu bestimrat, weil Callianiren mir in grossen Mengen und auf verschiedenen Stadien der Entwicklung zu Gebote standen, und weil sich dieselben sowohl fiir die Beobachtung im frischen Zustand als fiir die Behandlung mit Reagentien wegen der ihnen eigenthtimlichen Lagerung der Geschlechtsorgane ganz besonders eigenen. Die Geschlechtsorgane von Callianira bialata sind auf die bei- den Enden der iiber die Plattchenreihen beiderseits hinausragen- den Rippengefjisse beschriinkt und fehlen in dem mittleren Theile fast so weit, als die Ruderplattchen reichen. Jedes Organ be- steht somit aus einer oberen und einer unteren Halfte; die obere Halfte beginnt unter den 2—3 ersten Plitttchen, erlangt bald nach ihrera Anfang ihre grosste Miichtigkeit und verschmachtigt sich dann in demselben Maasse, als das Lumen des Rippengefasses B(i. XIV.' N. F. VII, 3. 25 386 Dr. Richard Hertwig, nach dem blinden Ende sicli verengcrt. Aehnlich verhiilt sich die untere Halfte, nur mit dem Unterschied, dass hier der breitere Theil nach oben, der schmalcre nach abwarts gelegeu ist. Die Geschlechtsproducte nehnien die periphere, dem Ektoderm des Korpers zugewandte Seite des Gefiisses ein, wo sie zwei parallel neben einander hinlaufende Streifen erzeugen , von denen der eine maunlich (p), der andere weiblich (o) ist (Taf. XVIII, Fig. 1. u. 2); sie vertheilen sich dabei auf die vier Gefasse der beiden Zipfel, in welche das obere Ende der Calliauiren gespalten ist, in folgender Weise. Jeder Zipfel hat vier durch den Verlauf der Rippengefasse bczeichnete Kauten und dem entsprechend auch vier Flachen, von denen eine an den Sinneskorper greuzt, eine zweite die Verlange- rung der Lateral- oder Tentacularwand des Korpers ist, die dritte imd vierte den trausversalen Seiten angehoreu. Die beiden ersten Flachen enthalten nur weibliche, die beiden letzten nur mannliche Geschlechtsorgane. Wenn man den oberhalb des ersten Ruderpliittchens gelegenen Theil eines Rippengefasses von der Flache betrachtet (Taf. XVIII, Fig. 1 u. 2), so findet man den mannlichen und den weiblichen Geschlechtsstreifen aus kleinereu und grosseren, dicht an einander gedrangten Zellenhaufen gebildet. Beide werden von einander durch eine schmale, stellenweis sogar ganz fehlende Zone blasiger Zellen getrennt. Bei einer Profilansicht gewahrt man ferner, dass sich zwischen die mit Geschlechtszellen beladene Wand des Rippen- gefasses und das Ektoderm eine breite Gallertschicht einschiebt, in der die fiir das Mesoderm der Ctenophoren charakteristischen Elemente, besonders Muskelfasern verlaufen. Ausserdem finden sich noch breite zellige Verbindungsstriinge (gv), welche sich zwi- schen den Genitalstreifen und dem Ektoderm ausspannen und an anderen Orten vermisst werden. Die Strange fehlen sogar in dem sterilen Abschnitt des Rippengefasses, woraus hervorgeht, dass sie in besonderer Beziehung zu den Geschlechtsorganen selbst stehen ; sie sind in zwei Langsreihen angeordnet, von denen die eine dem weiblichen, die andere dem mannlichen Streifen angehort. Ihren Bau wollen wir gleich ini Zusammenhang mit dem feineren Bau der Geschlechtsorgane besprechen, iiber den man sich nur mit Hiilfe von Querschnitten unterrichten kann. Ein mit reifen oder nahezu reifen Geschlechtsorganen ausge- stattetes Rippengefass ergiebt auf dem Querschuitt eine ini All- gemeinen ovale Figur mit einem spaltfurmigen Lumen (Taf. XVIII, Fig. 5 u. 8) ; man hat an ihm vornehmlich zwei an den Enden des Ueber dcu 13au dor Ctcuophoren. 387 Ovals ziisiuuiuciistosscndo uud vcrscliiodcu gobaiitc IScitcii zu unter- schcidcii. Die eiiio Scito ist dimmvandig uiid hat ein Epitlicl von klciuen plattcu udcr ciibischcii Zclleu; die Waiiduiig der audercn Seite dagegen, welche dem Ektoderm benachbart uud vou ihni durcli die Gallertscliiclit getreunt ist, besitzt eiue ausclinliclie Dicke uud wird vou zwei verscliiedeueu Zellscliicbteu gebildet, deu Zellcu des Gesclileclitsorgans uud deu eutoderuuileu Epithelzelleu. Die ersteren siud zu zwei Massen zusammeugedriiugt , vou deueu die eiue ^Yeiblich, die audere mauulicb ist uud die iu der Mittelliuie bald aueiuauderschliesseu, bald durcli eiueu schuialeu von Epithel- zclleu ausgefiillteu Zwischeuraum getreunt werdeu. In jedem mauuliclien Geschleclitsorgau existirt ein Spaltraum (gi) oder eiue Art vou Geuitalsiuus, der an dickeren Scliuitteu leicbt iiberselien werdeu kauu, an diinueren Schuitten aber auch daun noch deutlicli wahrgenommeu wird, wenu seine Wauduugeu dicht auf einander liegeu. Nicht selteu ist er weit ausgedelmt, wie es Figur 8 auf Tafel XVIII wiedergiebt. Die den Spaltraum umgebeudeu Zelleu greuzeu auf der eineu Seite an die Gallerte uud siud hier zu eineiu diiunen Platteuepithel ausgebreitet, welches auf Querschuitteu wie ein schmaler, durch eiugelagerte Kerne stelleuweise verdickter Sauui aussieht. Hat der Schuitt gerade eineu der schou oben besprocheuen Verbiuduugsstrange getroffen (Fig. 5 gv) , so geht das Epithel uumittelbar iu denselbeu iiber. Der Verbindungsstraug zeigt eiue feinkornige, schwach faserige Structur uud euthalt da, wo er sich iu das Sinusepithel fortsetzt, einen oder mehrere Kerne, ab uud zu auch noch eiueu Keru iu seineni weitereu Verlauf. Er ist eutweder baudformig oder wie ein schmaler Faden beschaffen; er ist stets am breitesten an sei- neni Anfang am Geschlechtsorgaue, von wo aus er sich etwas nach dem Ektoderm hin verschmalert ; iu letzteres geht er contiuuirlich iiber, ohue dass es moglich ware eiue Grenze zwischen den Zellen des Verbinduugsstraugs uud deu Zellen des Ektoderms nachzu- weisen. Im Ektoderm wird die Vereiuigungsstelle mit dem Strang haufig durch eiue kleiue Vertiefung bezeichuet. Wahrend so der Geuitalsiuus auf der eineu Seite von einem Platteuepithel ausgekleidet wird, welches mit dem Ektoderm durch den Zellstrang zusammenhangt, besteht seine Waudung auf der auderen Seite aus den manulichen Geschlechtszelleu. Dieselben siud zu dicken Zapfeu angeordnet, die vom Sinus aus in das ento- dermale Epithel hervorragen uud hier meist ganz nahe dem Lumen des Rippengefasses abgerundet wie junge Drtiseugiiuge aufhoren, 25* 388 Dr. Eichard Hertwig, Da sich Zellengrenzen iu den Zapfeii niclit iiachweisen lassen, sieht es aus, als ob die gesammte Masse Niclits als ein Aggregat dicht- gedrangter Kerne sei, die diirch wenig Protoplasma unter einander verbunden werden. Je mehr die Geschlechtsorgane reifen, um so kleiner und dichter gedriingt werden die Kerne, bis man endlich Haufen von reifen Spermatozoen vor sich hat, deren Kopfe in langen Reilien hinter einander gestellt sind, wahrend die dazu ge- liorigen Schwanze dazwischen liegen und faserige Streifen erzeiigen. In den weiblichen Geschlechtsorganen fehlt der Ge- nitalsinus. Wenn wir von den auch hier vorhandenen Verbindungs- striingen ausgehen, so gelangen wir zuniichst zu einer Zellenmasse, deren Protoplasma von Vacuolen diclit erfiillt ist, und deren Kerne hier und da zwischen den Vacuolen zerstreut sind. In ahnlicher Weise wie wir es von den Spermatozoen gesehen haben, sind die jiingsten Eikeime als dicke Zapfen in das Entoderm hinein vorge- schoben, im Uebrigen aber deutlich von einander abgegrenzt. Reife Eier habe ich auf Querschnitten nicht angetroffen. Der Mangel des Genitalsinus erkliirt sich jedenfalls aus der Anwesenheit der blasigen Zellen, welche den sonst vom Sinus eingenommeneu Raura ausfiillen. Die mannlichen und weiblichen Geschlechtsproducte werden von dem Lumen des Rippengefasses durch eine einfache Schicht von Epithelzellen getrennt, welche die Spalten zwischen den Stran- gen und Zapfen, namentlich den tiefen Einschnitt zwischen dem Hoden und dem Ovar so vollstandig ausfiillen und ausgleichen, dass die Contour der Epitheloberflache glatt iiber alle Uueben- heiten hinwegliiuft. Die einzelnen Zellen miissen daher von sehr verschiedener Gestalt sein, die in der Mitte gelegenen sind lange Cylinder, namentlich wenn Hoden und Ovar durch einen Zwischen- raum getrennt werden und nicht auf einander stossen, von hier aus werden die Zellen nach beiden Seiten hin kilrzer und zugleich breiter. Ihr Protoplasma ist im Allgemeinen solid und nur seiten von Vacuolen durchsetzt, ihre Kerne sind ausserordentlich gi'oss und iibertreffen in dieser Hinsicht sogar die Keimbliischen der jiingeren Eier. Allmahlich werden die beschriebenen Zellen kleiner und gehen in das platte Epithel der sterilen Seite iiber, welches unmittelbar an die Gallerte angrenzt. Die Geschlechtsorgane und das Epithel des Rippengefasses sctzen sich scharf und deutlich gegen einander ab, wenn sie auch nicht durch eine Membran getrennt werden. Eine scharfe Contour, welche auf die Gegenwart einer Stiitzlamelle bezogen werden konnte. Ueber don 13au der Ctenophoren. 389 findet sich dagcgcn zwisclien der Gallerte cinerseits und den Ge- schlechtsorganeii und deni Rippengcfiiss andererseits; sie setzt sich auf den Verbindmigsstrang fort und gelit wciter in die scliarfe Linie zwisclien deni ektodermalen Epithel und der Gallerte iiber, Bei jiingeren Callianiren, welche noch nicht ilire definitive Grossc erreiclit liatten, waren die Gesclilechtsorgane wenig ent- wickelt und liessen noch nicht die Unterschiede von Ovarien und Iloden erkennen; von der Fliiclie betrachtet bildeten sie iiber deni Epithel des Rippengefiisses zwei Streifeu eines kleinzelligen Ge- webes ; auf Querschnitten untersucht (Taf. XVIII, Fig. 10) ergaben sie folgendes Bild. Die epitheliale Auskleidung des Rippengefiisses bestand auf der einen Seite wie auch sonst aus cubischen Zellen, auf der anderen Seite dagegen aus einer dickeu Schicht grosser Cylinderzellen. In die Basis dieser Cylinderzellen gleichsam von aussen hineingepresst und zwischen sie und die Gallerte einge- schoben fanden sich beiderseits die Aulagen der Geschlechtsorgane, zwei vom Entoderm scharf abgegrenzte Haufen kleiner Zellen. Die Zellen waren alle von derselben Grosse und Beschaffenheit und lagen meist nur in zwei Schichten, von denen die eine an die Gallerte, die andere an die Epithelzellen angrenzte. Ein Genital- sinus war entweder gar nicht nachweisbar oder doch nur als ein schmaler Spalt, dagegen hingen die Zellenhaufeu der Geschlechts- organe beiderseits — auf dem in Figur 10 abgebildeten Schnitt ist es nur auf einer Seite zu seheu — vermoge der Verbindungs- strange mit dem Ektoderm zusamnien. Bei noch jiingeren Thieren , deren Liingsdurchmesser etwa 0,5 Ctm. betrug und bei denen die zwei fiir die Callianiren cha- rakteristischen Zipfel kaum ihrer ersten Anlage nach vorhandeu waren, fehlten die Geschlechtsorgane gauzlich und mit ihnen auch die Verbindungsstrange. Alle Callianiren, bei denen die Geschlechtsorgane, sei es in ihrer ersten Anlage, sei es im entwickelten Zustand angetroifen werden , siud zugleich auch ausgeriistet mit eigenthiimlichen Ge- bilden, welche in ihrem Vorkommen auf die Nachbarschaft der Geschlechtsorgane beschrankt sind und von mir mit der Entwick- lung derselben in Zusammenhang gebracht werden. Es sind kleine Sackchen, die sich vom Ektoderm aus in die Gallerte einsenken und bei jedem Rippengefiiss zu mehreren hinter einander in einer einzigen Langsreihe gestellt sind. Ihre Anzahl an dem Ri])pen- gefiiss betritgt hiichstens 8, ist aber im Allgemeinen sehr incon- 390 Dr. Eichard Hertwig, stant und nicht einmal an den Rippengefassen desselben Thieres die gleiche. So wechselnd die Zahl, so constant ist die Lagerung der Sack- chen; sie finden sich stets zur Seite der weiblichen Gesclilechts- streifen, genau iiber dem Rand des Rippengefasses, wenn man ein Flachenpraparat betrachtct (Taf. XVIII, Fig. 2gs); dagegen wer- den sie ebenso regelraiissig auf der anderen von den mannlichen Geschlechtsorganen eingenomracnen Seite verniisst. Ferner habe ich sie nur an dem oberhalb der Pliittchenreihe gelegenen Theil der Geschlechtsorgane angetroft'en und liier wiederum nur an dem unteren Abschnitt. Die von ihnen gebildete Langsreihe beginnt dicht oberhalb der Flimmerrinne, welche in transversaler Richtung vom Sinneskorpcr zu den Ruderplattchen hinzieht, und hort schon ill geringer Entfernung von ilir atif. In seiner ersten Anlage (Taf. XVIII, Fig. 1) ist das Sitckchen nichts als eine kleiue grubenformige Vertiefung des Ektoderms, deren Epithel ansehnlich verdickt ist und vom Rippengefass durcli eine breite Gallertschicht getrennt wird (Fig. 4) ; spater wenn es grosser wird, reicht es an das Rippengefass heran, so dass sidi Epithel mit Epithel beriihrt (Fig. 8). Zugleich hat sich das Sack- chen vom Ektoderm etwas zu einem fiaschenformigen Korper ab- geschniirt, der mittelst seines halsartig ausgezogenen hohlen An- fangsstuckes mit dem Ektoderm in Verbindung bleibt, in seinem hinteren Abschnitt dagegen sich besonders in der Langsrichtung des Korpers bauchig erweitert. Nach wie vor ist das Sackchen von einem hohen Cylinderepithel ausgekleidet , welches innerhalb des Halses sich allmiihlich in das ektodermale cubische oder stark abgeplattete Epithel umwandelt und nicht selten in ganzer Aus- dehnung vacuolisirt ist. Die im ganzen Ektoderm der Callianira bald mehr bald min- der reichlichen Wimpern sind auch in den Siickcheu und hier sogar in besonders grosser Anzahl vorhanden. Der Bau und die Lagerung der Sackchen lassen sich sehr schon auf Querschnitten untersuchen; Figur 8 zeigt ein weit ent- wickeltes Sackchen, welches, neben dem weiblichen Geschlechts- streifen gelegen, auf der KorperoberHache frei miindet, mit seinem blinden Ende dagegen das Rippengefass erreicht. Ein jiingeres Entwicklungsstadium ist in Figur 4 abgebildet. In den geschilderten Sackchen erblicke ich die ersten Anla- gen der Geschlechtsorgane; ich nehme an, dass das Epithel am Grund des Silckchens sich in Sexualzelleii umwandelt , dass der Ueber den Bau der Cteuophoreu. 391 Holilniuin dos Siickchens bei den Ilodeii zuni Gonitiilsinus wird, bei deu Ovarien oblitorirt, dass eiidlidi der Veii)iiiduiigscaiial sich scbliesst iind dadurch sich zu einciii Verbiiiduiigsstraiige gestaltet. In weiterer Consequenz nchnie icli an, dass die Gcschlechtsorgaue der Callianira aus deni Ektodenn staninicn. Fiir die vertretene Auti'assung lassen sich vielcrlci Griinde geltcnd niachen. Was zunitchst ini Allgonieinen die Ableitung der Geschlechts- producte aus deni Ektodcrni anlangt, so kann dieselbe schon aus deu fertigeu Verhiiltnissen crschlossen werden. Wir haben in deu Geschlechtsorganen der Callianireu, besonders deutlich bei manuli- cheu Thieren zwei Epithelscliichten und dazwischen die Geschlechts- producte (Fig. 5), Die eiue Epitlielschicht (en) ist entodermal und kleidet das Rippengefiiss aus, die andere dagegen (ge) kann wohl nur als ektodermal angesehen werden, da sie ja niit deni Ektodenn durch den Verbindungsstrang in Continuitiit steht. Mit einer die- ser beiden Epithelschichteu iniisseu die Geschlechtszelleu geuetisch zusammenhangen ; hier spricht nun Alles zu Gunsten der ektoder- malen und gegen die entodermale Schicht. Schon die Existenz der ersteren sowie des Verbindungsstrangs ist nur verstandlich, wenn wir beide niit der Entwicklung der Geschlechtsorgane in Beziehung bringen. Feruer ist die Lage der Spermatoblasten und der ektodermalen Epithelzellen ini Umkreis des Genitalsinus eine derartige, dass beide die verschiedenartig differenzirten Ab- schnitte einer einheitlichen Epithelschicht darstellen, wahrend die Eutodermzellen umgekehrt eiue zusammengehorige Lage um das Rippengefiiss bilden. Endlich muss die Art des Wachsthums der Geschlechtsorgane hervorgehoben werden. Dieselben wachsen, wie ein vergleichender Ueberblick iiber die Figuren lehrt, mit abge- rundetem Zapfen von aussen in die Eutodermzellen hiuein; wiir- den sie von letzteren aus erzeugt werden, so miisste gerade eine entgegengesetzte Wachsthumsrichtung erwartet werden. Wenn alle diese Erwagungen einen ektodermalen Ursprung der Geschlechtsorgane in sehr hohem Grade wahrscheinlich ma- cheu , so fragt es sich weiter , ob die vom iiusseren Epithel des Korpers eingestiilpten Sackchen als Stadien , welche uns einen Einblick in die Entwicklungsweise erlauben , gedeutet werden kon- nen. In der That stimmen die Sackchen mit den Genitalsackcheu in vielen wichtigen Punkten iibereiu ; wie diese sind sie in einer Reihe iiber einander angeordnet, wie diese legen sie sich an das Epithel der Rippengefasse an, wie diese umschliessen sie einen Hohlrauni, nur dass derselbe bei ihnen durch einen Canal nach 392 Dr. Richard Hertwig, aussen miindet, walirend er dort geschlossen ist iind sicli nicht in den Verbiudimgsstrang hinein fortsetzt. Allein es ware leicht verstaudlicli, dass eiue urspriiu^lich vorliandene Communication spiiter verloren gegangen sei. Andererseits will ich auch nicht die Punkte tibergehen, welche in mir immer wieder Bedenken wacligerufen haben, ob uiclit docli die Sackclien Organe eigener Art, vielleicht Sinuesorgaue sein konnteu. Auffalleud ist, dass die Siickcheu nicht in einer Linie mit den Verbindungsstraugen liegen, sondem etwas abseits von ihnen, dass sie nur auf Seite der weibliclien Gesclilechtsstreifen vorbanden sind , auf der anderen Seite der Rippengefasse dagegen felilen. Um diese Verhaltnisse zu erkliiren miisste man aunehmen, dass die Anlagen der Gescblechtsproducte erst secundar an ibren definitiven Punkt iiberwaudern, die weibliclien, indem sie eine ge- ringfiigige Verscbiebung zur Seite zu erleiden batten, die miinn- licben dagegen, indem sie das Rippengefass kreuzten und auf die entgegengesetzte Seite hiniibertriiten. Ein weiterer erbeblicher Einwurf ist darin gegeben, dass icb an den Halften der Ge- schlecbtsorgane, welcbe am unteren Ende der Plattcbenreihen be- ginnen, keine Siickcben babe auffinden konnen. Freilicb ist damit nichts dariiber entscbieden, ob sie bier iiberbaupt nicht vorkom- men, da es ja immer moglich ware, dass sie nur kurze Zeit exi- stiren und rasch sich zu fertigen Geschlechtsorganeu umwandeln. Im letztern Falle wiirden sie sich leicht der Beobachtung entzieheu. Um die bei den Callianiren gewonnene Auffassung von dem Bau und der Entwicklung der Geschlechtsorgaue noch weiter si- cher zu stellen, babe ich auch andere Ctenophoren untersucht, wobei ich mich leider auf Cydippe hormiphora, Euplocamis Sta- tionis und Beroe ovatus beschranken musste, da mir von den iibrigen Ctenophoren kein geeignetes Material zu Gebote stand. Bei Cydippe hormiphora (Taf . XVIII , Fig. 6) sind die Rippengefasse, so weit als sie uuter den Plattcbenreihen verlaufen, mit Geschlechtsorgauen ausgestattet , welche im Wesentlichen den soeben von Callianira beschriebenen Bau erkennen lassen. In das verdickte Epithel der peripheren Wand des Gefasses sind auf der einen Seite die weiblichen, auf der anderen die raannlichen Ge- schlechtsorgaue eingebettet. In letzteren weist man mit Hilfe von Querschnitten einen Genitalsinus nach, welcher nach dem Lu- men des Rippengefasses zu von der Masse der Genitalzellen be- grenzt, von der Gallcrte durch ein Hautchen platter Epithelzellen getrennt wird. Das Epithelhautchen setzt sich in einen bis au Ueber den Bau dor Cteuophoreii. 393 das Ektoderm reiclieiKlen Zelloiistraiis fort (Fig. C). Mir scliien es, dass in dem Ivauiii z\Yisc.]i('ii zwci auf eiiiaiidor folgonden Plattcheii iedesiiial imr zwei Verbiudiiiigsstnlnge vorhaiidoii siiid, von welchen dor eine fiir die nuinnliclien, der andere fiir die weib- liclien Organe licstinnnt ist. Die fiir Cydippe horniipliora gegebene Beschreibung lasst sicli oline Weiteres audi auf P^uplocamis Stationis iibertragen, bei wekher ich sovvolil den Genitalsinus als audi die Verbinduugs- striluge mit deni Ektoderm habe beobacliteu konnen. Bei den von niir eingelegten Beroiden waren leider die Ge- sdilechtsorgane nicht in zufriedenstellender Weise couservirt, weil sie fiir Reageutien schwer zuganglidi sind. Wie bei Cydippe lie- gen sie vornehralidi unter den Plattdienreihen ; da nun die Tliiere, mit Reagentien in Beriilirung gebradit, sich heftig contrabiren und die Pliittcheureiben zuriickziehen , so entstelien auf der Kor- peroberfladie tiefe Furchen , welche durch die seitlich sidi hervor- wolbendeu Gallertmassen gescblossen werden. Erst unterhalb die- ser Furchen, von der Oberfliiche weit entfernt, finden sich die Ge- schlechtsorgane. Die Rippengefasse der Beroiden (Taf. XVIII, Fig. 3) haben eine ausehnliche Breite , welche uoch durch kleine blinde seitliche Aus- sackungeu vergrossert wird. Sie werden von einem blasigen Epi- thel ausgekleidet , das im Allgemeiuen von bedeutender Hohe ist und sich auch nicht auf der nach der Korperaxe zu gelegeneu Seite abflacht. Die Zellen enthalten kleine unregelmassig zwischen die Vacuolen zerstreute Kerne und bedecken ausser den sogleich uoch zu besprechenden Geschlechtsorganen mehrere Schichten rundlicher Zellen, Avelche bei den iibrigen Ctenophoren nicht beobachtet wer- den und in keiner Beziehung zur Entwickluug der Geschlechts- producte stehen. Die Geschlechtsorgane, welche am oberen Ende der Pliittchen- reihen beginnen und nach abwarts weit iiber sie hinausragen, neh- men uur die seitlicheu Wiiude der Rippengefasse ein, so dass die mannlichen und weiblichen Hillften durch einen breiten Zwischen- raum von einander getrennt w^erden. Beiderlei Geschlechtsproducte bilden, wie Langsschnitte lehren, continuirliche Massen. Die milnn- lichen besteheu aus rundlichen Spermatoblasten , die eine dicke an die Gallerte grenzeude Lage zusammeusetzen ; von dieser Lage aus ragen Zapfen und Strange von Spermatol)lasten in das Entoderm- epithel liinein und wolben dasselbe vor sich hervor. Ein Geni- talsinus und ein besouderes Siuusepithel waren nicht erkennbar, 394 Br. Eichard Hertwig, ebenso wenig habe icli eiue zellige Verbindung mit clem Ektoderm, einen Verbiudungsstrang, auffindeu konnen, obwohl ich diircli ver- schiedeue Strecken der Geschlechtsorgane Schnittserieu gelegt habe. Bei den Ovarien, bei welcheu mir der Nachweis von Verbindungs- strangen gleichfalls nicht gegliickt ist, niaclien es anderweitige Ver- bixltnisse wahrscheinlich , dass ein Ziisammenhang mit dem Ekto- derm entweder dauernd besteht mid im vorliegenden Falle nur vielleicht in Folge ungentigender Conservirung nicht erkennbar war, Oder dass ein solcher Ziisammenhang wahrend der Entwick- luug existirt imd spater aufgegeben wird. Unter den Zellen des Ovars sind namlich einige ganz vollgepfropft von rimdlichen con- crementartigen Korperchen, welche in Carmin sich inteusiv farben. Solche Zellen sind nirgends im Entoderm nachweisbar, dagegen werden sie in alien ektodermalen Epithelstrecken angetroft'en, ein- mal in der Epidermis und zweitens im Epithel des Magens, wel- ches nach seiner Entwicklung bekanntlich ebenfalls zum Ektoderm gehort. Die genanuten Kornerzellen (Taf. XVIII, Fig. 3 u. 7) bilden die Axe des Ovarialstreifens und sind bis auf eine schmale Stelle, wo sie an die Gallerte grenzen , von kleineren und grosseren Ei- zellen ganz umlagert; letztere wiederum sind durch eine dunne Schicht Entodermzellen vom Lumen der Rippengefasse geschieden. Literatur. Da die Geschlechtsorgane der Ctenophoren auch beim geschlechtsreifen Thier wenig in die Augen fallen, so sind sie von alien alteren Forschern iibersehen worden. Patterson (32. p. 34) und Eschscholtz (17. p. 17) geben ausdrilcklich an, dass sie vergebens nach ihnen gesucht hatten; Mertens (31. p. 485) und M. Edwards (12. p. 202) haben anderweitige Organe als die Bildungsstatten der Geschlechtsproducte gedeutet, ersterer die Zellenhaufeu der Tentakelwurzel , welche er freilich mit Vor- bchalt als Ovarien betrachtete, letzterer die Leberstreifen , welche bei Lesueuria vitrea in der Liingsrichtung des Magens verlaufen und, wie es scheint, auch von Grant (22.) bei den Cydippen eiue gieiche Beurtheilung erfahren haben. Indessen hatte M. E d - wards selbst bei der Beschreibung von Beroe im Anschluss an d ell e Chi a j e, welcher zuerst den Sitz der Geschlechtsorgane in die Gegend der Rippengefasse verlegte, mit Recht die Vermuthung geaussert, dass die blindsackformigeu Divertikel der Rippengefasse dieser Ctenophore die Trager der Geschlechtsorgane seien. Ein wichtiger Fortschritt wurde durch Krohu (29. p. 52) JierbeigefUhrt ; derselbe berichtote iiber die Auwesenheit von Sper- Ueber dou Bau dcr Ctcuophoreu. 395 matozocii bei Cydippen, l)ei (loncii sie iicbcii dcii Ovaiien zu jeder Soite der 8 ^Vimpel•kiunnle uiiieu woisscu Streifcii l)ildcii solltcu, luid folgerto aus dieseii Befiiiideii, dass die Ctenophorcn wolil her- niaphrodit seiii mocliten, eiu Satz, welcher seiue Bestiitigung je- doch erst durcli Will erfaliren hat. Will (35. p. 39) gab eine vollkonmien richtige Darstellung von der Art, in welcher sich die Gesclilechtsorganc auf die Kippengefiisse vertheilen, doch beging er insofera einen Irrthuni , als er die Hodenbliischen und Eihaufen niit besondereu Oviducten im Zusaninienhang stelien lasst, von denen er anninimt, dass sie am anderen Pole des Thieres nach aussen miinden. In scinen ersten Veroft'entlichimgen war L. Agassiz (3. p. 349 u. p. 365) uicht in der Lage, iiber die Beschafienheit der Ge- schlechtsorgane bei Ctenophoren Mittheiluugen zu machen; spater fand er sie in der von Will angegebeuen Weise bei Bolina alata (4. p. 267) und Idyia roseola (4. p. 279). Von letzterer Cteno- phore gab er eine geuaue Schilderuug (4. p. 284), in welcher er hervorhob, dass die Eier und Spermatozoen in Aussackiingen der Rippengefiisse entstehen und von hier direct in den coelenteri- schen Apparat gelangen. Inzwischen hatten iibrigeus auch Kol- liker (25. p. 316) und Gegenbaur (21. p. 184) die Darstellung Will's in den wichtigsten Punkten bestiitigt. Nach Kolliker, welcher Owenia, Cydippe, Eschscholtzia cordata und Cestus Ve- neris untersuchte, bilden die Geschlechtsorgane unter den 8 Rip- pen zwischeu den Schwimmplattchen und dem Ernahrungsgefass kleine Schlauche, welche iiberall gleich weit sind und vorn und hinten blind endigen. Abweichend von Kolliker beschrieb Ge- genbaur — er bezieht sich dabei auf Owenia und Cydippe — die Geschlechtsorgane als Kapseln, welche nach innen von dem Lumen der Rippengefiisse gegen die Leibesachse des Thieres zu liegen. Uebereinstimmend stellten beide Forscher die Existenz besonderer Oviducte und Samenleiter in Abrede. Die etwas modificirte Anordnungsweise der Geschlechtsorgane bei der Cestide Vexillum parallelum wurde durch Fol (18. p. 7) nachgewiesen. Nur die 4 am oberen Rand verlaufenden Gefasse bringen Geschlechtsproducte zur Entwicklung und zwar als 3 — 5 Paare spindelformige Geschlechtssackchen an jedem der Gefasse. Dabei fiel es Fol auf, dass die reifen Spermatozoen dem Lumen der Gefasse abgewandt, die Spermatoblasten dagegen demselben zugewandt sind. Unter den neueren Arbeiten habe ich hier nur die kurzen 39G Dr. Itichard Hertwig, Bemerkungen Chun's zu beriicksichtigen , welcher iiber die Lage der Gesclileclitsorgane bei Haeckelia rubra (7, p. 196), Deiopea Kalokteuota (7. p. 204), Charistephana fugiens (7. p. 197) und andereii Ctenophoren Mittheilungen machte, und ferner sich mit Bestimmtheit fiir die Ableitung der Geschlechtsproducte vom En- toderm aussprach. In letzterer Hiusidit ist Clans (11. p. 299) ihm nicht gefolgt, indem er eine ektodermale Ableitung fiir wahr- scheinliclier erklarte. II. Das Mesoderm. Das Mesoderm, welches die Hauptmasse des Ctenophorenkor- pers bildet, ist eine Gallerte, welche bei Callianira, Eucharis, Euplocamis und Cydippe sehr weich ist, wahrend sie bei den Ce- stiden und Beroiden eine etwas grossere Consistenz erreicht; sie verdichtet sich etwas nach den vom Epithel bedeckten Flachen zu, ohne dass jedoch eine Stiitzlamelle entstande, die sich, sei es an dem Magen und den Gastrovascularcanalen , sei es unter der Epidermis, als ein besonderes Hautchen wie bei den Medusen ab- streifen liesse. An und fiir sich vollkommen structurlos und was- serklar, enthalt sie zahlreiche verschiedenartig difterenzirte Zel- lenelemente, bei deren Deutungen die Ansichten der Forscher sehr auseinandergehen. Da die einzelnen Arten hierbei nicht un- wesentliche Verschiedenheiten zeigen, so halte ich eine getrennte Besprechung fiir zweckmassig und beginne mit Beroe ovatus, well diese Ctenophore in letzter Zeit am haufigsten zum Gegenstand histologischer Untersuchungen gemacht worden ist und in der That auch in mehrfacher Hinsicht vor den iibrigen Vortheile bietet. 1. Beroe ovatus. In der Gallerte von Beroe ovatus habe ich dreierlei verschie- dene Elemente beobachtet: 1. Muskelfasern , 2. Nervenfasern und 3. Bindegewebskorpercheu. Dieselben sind in ihren extremen For- men leicht aus einander zu halten, doch wird ihre Unterscheidung nicht selten dadurch erschwert, dass dazwischen Elemente vor- kommen, welche, offenbar in Entwicklung begriffen, ihren histo- logischen Charakter noch nicht zu klarer Auspragung gebracht haben. Die Muskelfasern verlaufen als lange cylindrische Strange isolirt in der Gallerte, ohne je zu Muskelbiindelu vereint zu sein, und lassen sich nach ihrer Anordnung in drei Gruppen bringen: 1. radiale, 2. circuliire, 3. longitudinale Muskeln. Die radialen Ucber den Ban dor Clcnophorcn. 397 Muskclfaserii begiiiucii an dor Oberflache dos Korpors und ciidoii, nacluleiii sic soiikrccht ziir I.aiigsaxe des Thicres die Gallertc durchsctzt haben, am INIagen odor dem in der Verlangeruiig dcs Magcns gclegeneu Trichtcr. Die circular en Muskelfasern sind voniolindicli auf den Unda-eis des Magens bescliriinkt uud liegen als eine schr ansclinliclie Scliiclit iinter den longitiidinalen Mus- kelfasern, welche oben schon beschrieben worden sind, weil sic dem den Magen auskleidcndcn Ektodcrm angelioren. Am Mund- rand hort die Scliiclit auf, ohne zu einem besonderen Sphinkter sicli zu vcrdickcn, auf der anderen Seite dagegen setzt sic sicli auf den Trichter fort, von dessen Epithel sic durch cine diinnc nuiskelfreie Gallertscliiclit getrcnnt wird; sic erreiclit sogar in die- ser Gegeud die grosste Miiclitigkeit. Ausserdem kommen nocli circuliire Muskelfasern, wenn audi in geringerer Zalil, unter der Korperoberflache vor, wahrend die niittlere Gallertscliiclit zwisclien der Korperoberflacbe uud dem Magen circuliire Elemente vollkom- men vermissen lasst. Ein geradezu entgegengesetztes Verlialten in ilircr Verbreitung zeigen die longitudinalen Muskelfasern, iiidem sic auf der Magenseite, wo sie durch die gleicligericlitete ektoderniale Muskulatur iiberfliissig werden, so gut wie gauz feli- len , dagegen auf der Korperoberflache selir reichlich sind. Am letztgenannten Ort sind sie in einer Lage angeordnet, welche in einiger Entfernung vom Korperepithel verliiuft. So kommt nach aussen von ihnen eine diinne Gallertschicht zu Stande, welche allein von den Enden der radialeu Muskcln durchbohrt wird. Die lon- gitudinalen Muskeln sind nur in den Zwischenraumen zwischen je zwei Meridian streif en vorhanden und werden durch letztere so- mit in 8 Muskelfelder abgetheilt. Die Lange der Muskelfaseni wird bei dem radialen System durch die Dicke der Korperwand bestimmt und ist derselben ent- sprechend nicht sehr bedeutend. Es fiillt daher gar nicht schwer radiale Muskelfasern in ganzer Lange wohlbehalten bis an beide Enden zu isoliren. Anders die longitudinalen und circularen Mus- kelfasern ! Bei diesen ist es mir kein einziges Mai gelungen die beiden Enden derselben Faser zu Gesicht zu bekommen, obwohl ich manche von ihnen etwa 1" lang verfolgt habe. Ueberhaupt ist es hier schwieriger die Endigungsweise zu ermitteln. Jede Muskelfaser (Taf. XX, Fig. 6 u. 9) besteht 1. aus der Axensubstanz, 2. der Riudensubstanz und 3. dem Sarkolemm. Die Axensubstanz nimmt manchmal etwa ein Drittel des Quer- durchmessers der Muskelfaser fur sich in Anspruch, kann aber 398 Br. Richard Hortwig, auch so spilrlich werden, class sie iiiir nocli oin dilimes Fadchen ist. Sie ist feinkomig und muss als der Rest, welcher vou dem Protoplasma der Bilduiigszelleii iibrig geblieben ist, gedeutet wer- den. Demgemass enthalt sie auch die ovalen langgestreckteu Mus- kelkerne, welche stets iu grosser Zahl in einer Faser vorkommen und entweder zu mehreren nahe bei einander liegen oder einzeln durcli grosse Zwiscbenraume von einander getrennt werden. Die Rindensubstanz oder, wie wir sie gleich nenuen kon- nen, die contractile Substanz ist eine wacbsartig glanzende Masse , welche sowohl im frischen Zustand als auch nach Behand- lung mit den meisten Reagentien nahezu homogen aussieht oder eine feine Liingsstreifung besitzt, als ware sie aus feinsten Fibril- len zusammengesetzt. Indessen ist es mir nie gegliickt, sie in Fibrilleu zu zerfasern, Eine Querstreifung ist nicht vorhanden, obwohl ab und zu durch Faltungen des Sarkolemms der Anschein einer derartigen Structur hervorgerufen wird. Bei der Anwendung von Osmiumsaure braunt sich die contractile Masse, auch farbt sie sich mit Carmin und Haematoxylin in intensiver Weise; von der Axensubstanz ist sie durch eine scharfe Liuie getrennt. Bei der Contraction verdickt sie sich und schwillt dabei nicht selten stellenweise zu spindelformigen Auftreibungen an ; auch findet man sie ab und zu — wahrscheinlich in Folge von sehr heftigen, durch das todtende Reagens verursachten Contractionen — in Stiicke zer- rissen, wobei die Axensubstanz iu Mitleidenschaft gezogen ist; die Muskelfaser ist dann in lauter hinter einander gereihte kolbige rund- liche oder spindelfiirmige, verquollen aussehende Stiicke zerfallen. Das Sarkolemma endlich ist bei alien mit Reagentien be- handelten Thieren iiberaus deutlich, namentlich wenn es, was nicht selten geschieht, durch die Einwirkmig macerirender Rea- gentien von der Rindensubstanz abgehoben wordeu ist. Es er- schfeint doppelt contourirt und bei stark contrahirten Muskeln in quere Falten gelegt, welche in so regelmassigen Intervallen auf einander folgen konnen, dass man leicht verfiihrt wird die Mus- kelsubstanz ftir quergestreift zu halten (Fig. 6/?). Ferner ist das Sarkolemm fein liingsstreifig , was jedoch sei- nen Grund nicht in einer Faltung, sondern in einer faserigeu Structur der Membran hat. Denn bei der Untersuchuug der Mus- kelfaser auf dem Querschnitt (Taf. XX, Fig. 9 a) bildet das Sarko- lemm einen k()rnigen Ring zwischcn Gallerte und Muskelsubstanz ; auch bleibt die feine Liingsstreifung bestehen, wenn das Sarko- lemm durch Difiusion vom Muskel abgehoben und stark aufgeblaht TJeber don Ban dcr Cteiiophoren, 399 \vinl. llistologiscli ist das Sarkolcnini nur ciiic Erhilrtung iiud Vcrdiclitung tier bcuaclibartoii Gallertc, weslialb duim audi keiue bcsoiidcrcii SarkokMumkcrnc uachweisbar sind. \Valii'cnd sowcit alio Muskclu iiborcinstiiniuoud gebaut siud, uiitersdicideii sidi die loiigitudiualen uud drcularcn Fasern von den radialen durch die Beschaft'euheit der Enden; jene verjilngen sich allniiihlidi und laufen in eine feine Spitze aus, die noch in dem 'wcidieren Tlieil der Gallerte eingescblosseu ist; diese dage- geu besitzen veriistelte Enden und befestigen sich niit den feiuen Ausliiufern in der resistenteren uumittelbar auf das Epitliel fol- genden Oberflachenschidit der Gallerte. Die Verixsteluug ist bei alien radialen Muskelfasern etwas anders auf der peripheren Seite, welche an die Epidermis austusst, als auf der centralen, dem Ma- gen zugewandten Seite, so dass es moglicli ist an einer vollig isolirteu Muskelfaser zu bestimmen, in welclier ^Veise sie im Kor- per der Beroe orientirt war. Das centrale Ende (Taf. XX, Fig. 14) Ycriistelt sidi ziemlich regelmassig dichotomiscb 6—10 Mai liinter einauder, wodurdi Btische von etwa 50 — 100 Eudausliiufern ge- bildet werden ; die Zahl ^Yiirde noch betrachtlicher sein , wenn nicht einige Theililste bei der Verastelung hinter den iibrigen zu- riickblieben , und zwar gilt dies besonders von den mehr nach dem Inneren des Busches zu gelegenen. Mit jeder Theiluug wird die Muskelfaser feiner, bis sie endlich mit sehr diinneu in eine haar- scharfe Spitze auslaufenden Fiidchen endet; zugleich veriindert sie ihr Ausseheu, iusofern es nicht mehr moglich ist, Sarkolemm, Axen- und Ptindensubstanz zu unterscheideu. Die Kerne finden sich vor- nehmlich in den Wiukeln der Gabelung, in denen sich schwimm- hautartig eine dimue Briicke einer feinkornigen wahrscheinlich pro- toplasmatischen Substanz ausbreitet; in dieser Schwimmhaut liegt entweder eine ganze Auzahl von Keruen oder auch nur ein eiuzi- ger, oder endlich es wird ein Kern ganz vermisst. Alle Theiluugen erfolgen unter einem sehr spitzen Winkel und in alternirenden Ebenen, so dass eine jede Theilungsebene scnkrecht steht zur vorhergehenden und zur niichst folgenden, Dadurch wird es bedingt, dass die Endausliiufer einer Muskelfaser sich ziemlich gleichmiissig vertheilt an der Gallertoberflache befe- stigen uud in ihrer Gesammtheit eine etwa kegelformige Figur veranlassen. Isolirt und aus der Gallerte herausgezogeu sieht das Muskelende wie ein Besenreis aus. Das periphere Muskelende (Taf. XX, Fig. 13) ist zwar nach demselljen Princip gebaut, unterscheidet sich aber durch die ge- 400 Dr. Eichard Hertwig, ringere Zahl seiner Ausliiufer. Audi sind die Theilimgen nicht so regelmiissig , ihre Wiukel sind nicht spitz, soudern naliezu eineni Recliten gleich. Da die ganze Veriistelung in Folge dessen sperriger wird, so gewinut das periphere Ende der Muskelfaser ein hirschgeweihartiges Aussehen. Den radialen Muskelfasern in vieler Beziehung ahnlich sind die Elemento, welche ich als Nervenfasern deute, feine Fad- chcn, welche isolirt in der Gallerte verlaufen und sich auf grosse Strecken hin verfolgen lassen ; sie scheinen ebenfalls wie die ra- dialen Muskeln nur an epithelialen Fliichen zu enden, indem sie sich allmahlich, jedoch in unregelmilssiger Weise, verasteln ; je nach der Behandlung mit Reagentien ergeben sie ein verschiedenes Bild. Mit Osmium-Essigsaure raacerirt (Taf. XX, Fig. 1 a. Fig 5 u. 10) sind sie homogene Faden , welche von Zeit zu Zeit anschwellen und einen Kern eingebettet erhalten ; an Orten wo die Osmium- siiure nur langsam eingedrungen war und die schneller zur Wir- kung gelangende Essigsaure allein ihren conservirenden Einfluss geltend gemacht hatte, zeigten sie Varicositaten (Taf. XX, Fig. 1 (3). Wenn nun auch dieselben nicht als etwas den Nerven Eigenthiim- liches angesehen werden diirfen, so lassen sie doch erkennen, dass die Fjiden aus einer weichen Substanz bestehen, welche bei der Gerinnung leicht Quellungserscheinungen giebt; und in diesem Sinne konnen die Varicositiiteu hier wie auch sonst zu Gunsten der An- sicht verwerthet werden, dass die mit ihnen behafteten Fiiden dem Nervensystem zugehoren. Die Faden werden von einer zar- ten Membran, einer Nervenscheide, umhiillt, welche jedoch nur da sichtbar ist, wo sie durch Einwirkung der Reagentien blasenartig von dem Faden abgehoben ist. Bei Thieren, welche nur mit Osmiumsiiure behandelt und dar- auf zur weiteren Erhartung in Spiritus conservirt oder welche der Behandlung mit Kleinen bergs Picrinschwefelsiiure unterworfen worden waren, sind die in Rede stehenden Faserchen viel schar- fer contourirt. In Folge der Schrumpfung der Gallerte und noch mehr vielleicht in Folge der Contraction der Muskeln halten sie einen vielfach gewundenen Verlauf ein. Beides bringt es mit sich, dass die Fiidchen eine grosse Aehnlichkeit mit den elastischen Fascrn gewinnen, welche im Korper der Medusen beobachtet wer- den ; immerhin unterscheiden sie sich von denselben auch dann noch durch den Besitz von Kernen, welche in ihren Verlauf einge- schaltet sind. Ein weiterer Vortheil der erhartenden Reagentien besteht Uebor den Ban dor Otonopliorcn. 401 (larin, dass man durch sie auf Verschiedonheiten in dor Dicko der Kervciifadchen aul'nicrksam wird. Einorseits sind dicsclben so diinn, dass sic nur wic Liiiieii ausschcn, andcrerscits crroichcn sie oinc dciitlich messbarc Dicko. Eiidlicli kann man audi (iiiersclinittc (Tafel XX, Figur 9/>) anfertigcn iind erhillt daiin klcine Krcisc, in dciien cine deutliclie Umhiillung, ein Neurilemm , von cinem Inhalt zu unterschcidcn ist. Letztcrer ist bald punktfurmig, wcnn die Nervenfaser selbst vom Schnitt getroffen wiirde, ansehnlicli dagegcn, wenn gerade ein Kern in der Schnittebene lag. Die beschriebenen Faserclien verbinden sich sowohl untcr ein- ander als aiich mit den Muskclii in mannichfaclister Weise (Taf. XX, Fig. 1 u. 5). Zwei sich kreuzende oder dicht an einander voriiber- gchende Fiiserchen konnon sich hierbei an einander legen und mittelst einer schwimmhautartigeii Briicke verschraelzen ; oder die Briicke zieht sich zu einem langcrcn Fiidchen aus , welches auch bei grosseren Entfernungen eine Verbindung herstellt, Wenn meh- rere benachbarte Faden in Wechselbeziehung tretcn , so kann manchmal ein kleines Geflecht entstehen. Weitere Verschieden- heiten werden durch das Verhalten der Kerne herbeigefilhrt, wobei drei Falle moglich und auch alle drei thatsiichlich nachweisbar sind. Beide Filserchen kimnen da, wo sie sich vereinigen, mit je einem Kerne versehen sein , es konnen beide kernlos sein und end- lich kann nur eiiies einen Kern besitzen. Aehnliche Verhiiltnisse wiederholen sich bei der Verbindung von Muskel und Nerv. Das gewohnliche Vorkommen ist, dass der Nerv senkrecht zur Richtung der Muskelfaser verliiuft unci an der Stelle, wo er sich mit ihr kreuzt, mit einer kleinen drei- eckigen Verbreiterung sich an sie legt; (Taf. XX, Fig. 8 u. 12;^) seltener geht vom Nerv ein liingeres Fadchen ab , welches den Muskel versorgt (Taf. XX, Fig. 12 a). Weiter ist es als das Ge- wohnlichere anzusehen, dass beide Theile an der Verbindungsstelle kernlos sind. Wenn das im Allgemeinen seltne Verhalten vorliegt, dass der betreffende Abschnitt der Muskelfaser mit einem oder mehreren Kernen ausgestattet ist, so tritt die Marksubstanz zu Tage und verbindet sich nut dem Nervenfaden. Einige Male habe ich beobachtet, dass ein und dieselbe Nervenfaser zwei Muskel- fasern gleichzeitig versorgt (Taf. XX, Fig. 4); sie verbreitert sich dann zu eijier diinnen Platte, die zwischen den nahe aneinander voriiberziehenden Muskelfasern ausgespannt ist. Dies erkliirt wohl auch die Fillle, wo zwei aneinander gelagerte Muskelfasern schein- bar durch eine Querbriickc verbunden sind ; wahrscheinlich ist hier Bd. XIV. N. F. VJI, 3. 26 402 Dr. Richard Hertwig, die Ncrvenfaser , welclic die Querbriicke gebildet liat, abgerissen und verloren gegaiigen. Die Art, in welcher die Nervenfaserchen untcr den epitlielia- len Flaclien endeu , ist scliwer festzustellen , weil das Epithel an conservirten Praparaten triibe und die Faserchen sehr fein sind. Im Allgemeinen herrsclien folgende Verlialtnisse (Taf. XX, Fig. 10) : die Nervenfasern treffen unter spitzem Winkel mit dem Epithel zusammen imd gebeu auf der demselben zugewandten Seite fei- nere Zweige ab , die sich ilirerseits wieder verasteln. Die Ver- iistelung ist somit eine einseitige und niclit dicliotomiscli wie bei den Muskelfasern. Hilufig liegen Kerne an den Stellen wo gros- sere Seitciiaste abgchen. Dass die letzten Aestciien fein zugespitzt aufhoren sollten, ist mir nicht wahrscheiniicb, viel richtiger scheint mir die Annahme, dass sie in den subepithelialen Nervenplexus des Ektoderms iibergehen. Die beschriebenen Nervenfaserchen bekommt man am besten zu sehen , wenn man durch eiu mit Osmium-Essigsaure behan- deltes gefarbtes und weiter in Glycerin conservirtes Thier Quer- schnitte senkrecht zur Liingsaxe des Korpers legt. Ich wandte beim Schneiden eine feine scharfe Scheere an, da bei der Durch- sichtigkeit der Gewebe auch dickere Schnitte brauchbar sind und sogar den Vorzug verdienen , weil auf ihnen eine grossere Zahl von Fiiden sichtbar ist. Ein zweiter Vorzug der Scheerenschnitte beruht darauf, dass die Gewebselemente mehr in ihrer natiirlichen Lagerung verharren und dass die Galleile nicht die Schrumpfung erfahrt, welche beim Schneiden rait Rasiermessern auch bei der schonendsten Behandlung nicht vermieden werden kaun. Auf einem solchen Querschnitt sieht man zuniichst aufs Schonste die Muskelfasern, welche in radialer Richtung von der Wand des Magens nach der Korperoberflache ziehen und an beiden Flilchen veriistelt euden, man sieht ferner die Nervenfasern , welche im Grossen und Ganzen eine circulare zum Vcrlauf der JVIuskelfasern senkrechte Richtung einhalten und dabei von Stelle zu Stelle set es unter einander, sci es mit den Muskelfasern Verbindungen ein- gehen. Das Bild ist vollkommen das gleiche, sowohl bei jungen etwa 2 Ctm. langen Thieren, als auch bei alteren Individuen von 4 — 8 Ctm. Liinge; ich hebe dies besonders hervor, weil daraus her- vorgeht, dass die als Nervenfaserchen beschriebenen Theilo im Laufe des Wachsthums keine Veriinderung erfahren. Die Nervcnfilden lassen sich wcit verfulgen , bis sie nach einer der beiden epithclialen Fliichen hin ablenken, um hier zu TJebcr dcji Ban dor Ctenoplioren. 403 ciulcn; bci ilirer grossou Ijiingc ist es selir scliwcr, die bcidcn Eiidcii dcrselbcii Faser aufzufindoii ; doch kaim icli iiiit zieiiiliclicr Sicluu-lieit bchaupteii, dass die Nerveiifaden zuin Theil an dor Kor- pcroberflaclic begitineii uiid iiacli lilngeicni circulareii Verlauf aiideni Magen enden , ziini Theil an der Korperobeiflache sowolil iliici) Aiifaiig als audi ilir p]iide liaben. Die Letzteren scliienen mir an Zalil zu iiberwiegen. Sehr sclione Bildor von don Nervenfiiden erhiilt man audi am Sinncspol, wo sie in den oberfladilicheren Schichten dcr Gallerte didit unter deni Epithel vorlvommen. Sie Ziehen hier im Allge- ineinen meridional, den Wimperrinnen parallel und sind nanient- lich unter den letzteren reichlicher vorhanden und zu eineni an- sehnlichen Strang vereint, weldien idi den Meridiannerven nennen \Yill. Da der Mcridiannerv bei alien Ctenophoren in gleicher Weise auftritt, werde ich ihn zum Sdiluss dieses Absdinittes im Zu- sammenhang besprechen. Eine dritte durch Reichthuin an Nervenfasern besonders aus- gezeichnete Stelle ist der Umkreis des unteren Trichterendes. Hier lagern nach Innen von den circuliiren Muskellagen zwei auf dem Querschnitt ovale Gallertpolster , weldie sidi zwisdien den Trich- ter und die Magengefilsse einschieben und daher ebenfalls in die Transversal axe fallen. Die von Eimer entdeckten und Triditer- klammern benannten Polster sind vollkommen frei von Muskeln, aber um so reicher an Nervenfasern, weldie parallel den Breit- seiten des Magens , d. h. in sagittaler Richtung verlaufen ; sie bil- den besonders haufig Anastomosen , wie man daraus entuehmen kann , dass ich in dem beschriinkten Raum eines Gesichtsfelds (bci D. Oc. 2) 4 Fasern durch Anastomosen unter einander ver- bunden fand. Die Enden der Fasern sind beiderseits reichlich verastelt und befestigen sich an der Wandung des Trichters. Was nun endlich den dritten Bestandtheil der Gallerte, die Bin des ub Stan zzellen, anlangt, so sind dieselben im Allge- meinen sparlich hier und da zwischen die iibrigen Elemente ein- gestreut und sehen wie kleine Amoebeu aus, Ihr Protoplasmakor- per nimmt die mannichfachsten Formen an, ist bald spindelig, bald in Lappen ausgezogen und auf seiner Oberflache mit spitzen pseu- dopodienilhnlichen Fortsatzen bedeckt, welehe sich aber niemals auf grosse Strecken hin verfolgen lassen. Ich zweifele nicht, dass bei der Beobachtung im frischen Zustand — ich habe leider ver- absaumt darauf zu achten, — die Zellen sich als amoeboide Ge- 26* 404 Dr. Kicliaril Hertwig, bilde crweisen werdeu. Der Kern der Zellcn ist rundlicli und von reichlichera kornigem Protoplasma umgeben. 2. Eucharis multicornis. Um das Mesoderm des gesammten Korpers zu untersuchen, ist die Eucharis unter alien Ctenophoren wohl die ungunstigste, wcil ihr Korper ansehnlichere Dimensionen erreicht und trotzdem von einer so ausserordentlich weiclien Gallerte gebildet wird, dass man grossere Stiicke des lebenden Thieres nicht auf den Oject- trager bringen kann, ohne dass dieselben auseinanderfliessen. Es werden dann aber alle Thcile aus ilirer natiirlichen Lagerung her- ausgebracht und leiden unter der Zerrung und Dehnung, denen sie ausgesetzt werden. Durch die Behandlung mit Reagentien wird diesen Uebelstanden nicht abgeholfen, dagegen gesellt sich zu ihneu noch das weitere ungiinstige Moment, dass die Gallerte von Rea- gentien schwer durchtrankt wird. Wenn man ein grosseres Stiick einer Eucharis hcrausschneidet und in Osmiumsaure wirft, bleiben einzelne Theile , welche zufallig vor dem Reagens geschiitzt sind, lange am Leben und es kann vorkommen , dass Ruderplattchen noch lebhaft schwingen, wiihrend andere von der Osmiumsaure schon tief geschwarzt sind. Dagegen besitzt Eucharis in den sogenannten Tastpapillen (Taf. XXI, Fig, 3) Organe, welche sich ausserordentlich zur Un- tersuchung des Mesoderms iunerhalb eines beschrankten Korper- abschuitts eigenen. Die Tastpapillen, deren ektodermalen Nerven- plexus, Sinnes- und Driisenzellen und Muskelfasern wir schon ge- nauer kennen gelernt haben, sind muskelreiche und in Folge des- sen auch resistentere Theile; sie lassen sich sowohl im frischen Zustand als auch nach Behandlung mit Reagentien leicht unter- suchen, da letztere allseitig eindringen konnen. Fiir die Zwecke der vorliegenden Untersuchung ist es ferner von Bedeutung, dass die Organe eine grosse physiologische Selb- stiindigkeit zu erkennen geben und uns als in sich abgeschlossene Einheiten entgegentreten. Eine jede Papille ist ausserordentlich empfindlich und beweglich; auf den geringsten Reiz hin geriith sie in lebhafteste Contractionen , dehnt sich und streckt sich ta- stend hin und her, um sich nach einiger Zeit wieder zu verkiir- zen, ganz iihnlich den Aml)ulacralfusschen der Echinodermen. Reize, auf eine Papille ausgeiibt, pflanzen sich rasch auf die benachbar- ten Papillen fort, welche nun auch nach dem Ort der Reizung hin tasten, als ob sie ihre mit Klebzellen bewaffneten Enden an TJeber deu Bau dor Ctonophoren. 405 don ill ihr Bereich gelangten Fremdkorper anheften wollten. Die- seiii hulieii Gnid physiologischer LLMstunj>sfaliigkeit cntsprechcnd tiTtien wir dciiii audi in einer jedcn Papille alle Elunicnte an, die wir schon bci Beroci kcnnon gelernt liabcn: Muskelfasern, Nerven- fasern und Bindegewebszelleu. Die Muskelfasern der Tastpapillen sind, wie wir friiher geseheu haben, nicht allein mesodermal, sondern zum Theil aucli ektodermal. Dem Ektoderm gelioren die longitudinalen Fasern an, welche verkiirzend wirken, dem Mesoderm dagegen die trans- versalen, welche jenen antagonistiscli entgegentreten und die Ver- langerung der Papille veranlassen. Die letzteren , mit welclien wir liier uns allein zu befassen haben, bestehen fast ausschliess- lich aus contractiler Substanz, wiihrend eine protoplasmatische Axe fast giinzlich zu fehlen scheiut; die letzten Ueberreste der Bil- duugszellen sind Kerne, die ab und zu in den Verlauf der Fasern eingeschlossen sind. Auch von derExistenz eines Sarkolemms habe ich mich nicht iiberzeugen konnen, ohne jedoch dasselbe abliiug- neu zu wolleu. An beideu Endeu sind die Muskelfasern reichlich verastelt, sie unterscheiden sich aber von den Muskelfasern der Beroiden durch die Hiiufigkeit der Anastomosen, welche sie eingehen und welche aufs lunigste mit ihrer Anordnung zusammenhangen(Taf.XXI, Fig. 10). Alle Fasern verlaufen der Endscheibe der Papille pa- rallel und kreuzen sich, wie man dies am schonsten auf einem Quer- schnitt durch eine Papille sieht, nach alien Richtungen; wo zwei von ihnen an einander voriiberziehen , da legen sie sich auch zu- sammen und verbinden sich durch eine schwimmhautartige Ver- breiterung. So entstehen in den Papillen formliche Muskelnetze, die sich in ziemlich regelmassiger Weise in Schichten anordnen. Denn da die Muskelfasern vorwiegend transversal verlaufen, so gruppiren sie sich mit Vorliebe zu muskulosen Scheidewanden, welche sich quer durch die Gallerte ausspannen und der Tast- papille bei seitlicher Ansicht ein Aussehen verleiheu, als ware sie in lauter hintereinander gelegeue Stucke abgetheilt (Taf. XXI, Fig. 3). Indessen hilngeu auch die Muskelfasern zweier auf einauderfolgen- der Scheidewiinde unter einander zusammen. Viel schwieriger wahrnehmbar als die Muskelfasern sind die Nervenfadchen, welche in ihrer Beschatfenheit, Endigungsweise und im Princip ihrer Anordnung durchaus den Nervenfiiden von Beroii ovatus gleichen. Sie sind viel feiner als die Muskelfasern , wess- halb sie sehr leicht uberseheu werden konnen; von Zeit zu Zeit 406 Dr. Richard Hertwig, sind sie darch eingelagerte Kerne spindelig verdickt; bei starker Osmiumsaureeinwirkuiig scharf contourirt, werden sie dagegen va- ricos, wenii das Reagens niclit rasch geimg gewirkt hat. Sie stei- gen in longitudinaler Richtuug in der Tastpapille auf und ver- kleben ab und zu mit den Muskelfasern, mil denen sie, ihren Ver- lauf kreuzend, in Beriihrung kommen. Kuvz vor ihrem Ende (Taf. XXI, Fig. 12n u. 16 y) geben sie ausserordentlich feine seitlich sidi ver- astelnde Fortsatze nach den Epithel hin ab, bis sie selbst in meh- rere feine Endiistchen zerfallen. Einige unter ihnen horen in die- ser Weise schon friih an der Basis auf, andere dagegen dringen bis dicht an die Spitze der Tastpapille vor. Ich habe keiue Ner- venfaser gefunden, welche ihre beiden Enden in derselben Tast- papille gehabt hatte. Stets liessen sie sich vora verilstclten Ende an bis in die Korpergallerte an der Basis der Papille verfolgen, wo sie in Folge der Praparation abgerissen waren. Nur ausserst selten ist es mir gegliickt zu beobachten, dass eine Faser von einer Papille durch die Korpergallerte in eine benachbarte Papille iiber- trat oder sich in der Nachbarscliaft an die Hautoberflache an- setzte, um hier verastelt am Epithel zu enden. Indessen will es mir scheinen, dass dieses nur einige Male beobachtete Verhalten all- gemeine Giiltigkeit besitzt und dass die Papillen durch die von einer in die andere iibertreteuden Nervenfadchen in engeren Zu- sammenhang gebracht werdeu. So wiirde sich die Gleichzeitigkeit erklaren, welche in den Bewegungen benachbarter Papillen herrscht. Zwischen Muskel- und Nervenfasern sind zahlreiche Bindege- webskorperchen (Taf. XXI, Fig. 16 /i, d) eingestreut, welche gewohn- lich eine ausehnliche Grosse erreichen. Ihr Protoplasma ist ho- mogen und wird von Osmiumsaure stark gefarbt, ihre Kerne sind gross, rundlich und mit einem kugeligen Kernkorperchen versehen ; ihre Ausliiufer endlich sind zahlreich, mehrfach hinter einander verastelt und auf eine ziemlich betrachtliche Entfernung zu ver- folgen. Alles dies verleiht ihnen einige Aehnlichkeit mit Ganglien- zellen, als welche sie jedoch nicht gedeutet werden konuen, da sie isolirt und ohne Verbindung mit Nervenfasern sind. Auch bieten sich von ihnen aus Uebergangsformen zu kleineren und kiJrnchenreichereu Elementen , welche die hervorgehobene Aehn- lichkeit mit Ganglienzellen nicht besitzen. Endlich existiren in den Tastpapillen von Eucharis noch Zel- len, welche ich nicht anstehe als Anlagen von Muskelfasern, viel- leicht auch von Nervenfasern zu deuten (Taf. XXI, Fig. 16a); sie sind auf die Gallertschicht dicht unter der driisigcu Endscheibe der Ueber dou Bau der Ctciiophoreu. 407 Papillo beschriiiikt und vvcrden frci gelcgt, wenn man die Driiscii- zolleii durcli ZLM'ziipfen odor durch vVbpinscln ciitfurnt. Einigc voii ihncn sind KCiiper, welclie imr cineii Kern liaben und an beidcn Enden in Fiiden ausgewachsen sind, von denen weitere Aiis- liiufer entspringen ; andere sind weiter gestreckt zu Fasern, welche an beiden Enden sich etwas verdicken. Jede Verdickung enthillt einen Kern und ist niit Ausliiufern besonders reichlich bedacht. Je melir sich die auf diese Weise entstandenen Fasern in die Lilnge Ziehen , uni so mehr vervielfaltigen sich die Kerne und uni so mehr priigt sich der Charakter der Muskelfaser aus. 3. C e s t u s Veneris. Im Anschluss an die Tastpapillen von Eucharis erapfiehlt es sich die gleichnamigen Organe von Cestus Veneris (Taf. XXI, Fig. 11) zu behandeln , weil dieselben einfacher gebaut sind und daher gleichsam als Entwicklungsformen der ersteren betrachtet vverden konneu. Schou in der Beschalfenheit des Ektoderms war dies Ver- hiiltniss zum Ausdruck gekommen , indem die bei Eucharis vor- handenen longitudinalen Muskeln bei Cestus fehlten; im Bereich des Mesoderms giebt es sich in dem Mangel der Bindesubstanz- korperchen und der Nerventaden zu erkenuen, so dass nur die Mnskelfasern iibrig bleiben, welche transversal zur Langsaxe der Papille gestellt ihre Hervorwolbung veranlassen. Die Mnskelfasern, welche niemaJs mittelst Anastomosen unter- einander zusammenhangen , sind in einer regelmiissigeren Weise angeordnet als bei Eucharis. Von ihrer Anordnung kann man sich ein Bild machen, wenn man Stabchen einzeln ubereinander legt, so dass jedes folgende das vorhergeheude unter rechtem oder spi- tzem Winkel kreuzt. In derselben Weise kreuzen sich auch die Muskelfasern ; nehmen wir z. B. an , dass die der Spitze der Pa- pille benachbarte Faser quer gestellt ist, so wiirde die niichste eine sagittal e, die dritte eine quere, die vierte wieder eiue sa- gittale Itichtung u. s. w. einhalten. Auf einem optischen Durch- schnitt muss man die einen Muskelfasern auf dem Querschnitt er- blicken, wenn man die anderen ihrer ganzen Lange nach iiber- schaut. Xur bei grosseren Papillen wird die Anordnung etwas unregelmasig. Die Muskelfasern linden sich hier in grosser An- zahl und halten in den tieferen Lagen einen stark gebogenen Ver- lauf ein in der Weise, dass die Concavitiit des Bogens nach der Papillenspitze gerichtet ist. Da jede Papille die Gestalt eines flachen IlUgels besitzt, wer~ 408 Dr. Eichard Hertwig, den die Muskelfasern nach der Spitze zu kiirzer, iiach der Basis langer. Damit steht wiederum im Zusamnienhang die wechselnde Anzahl von Kernen, welche auf jede Faser entfallen ; die kiirzeren habeu einen einzigen median gelegenen Kern, dann folgen Fasern niit zwei Kernen, je einem Kern an einem der Enden, u. s. w. Wir haben somit hier eine ahnliche Entwicklungsstufe der Mus- kelfasern wie bei Eucharis vor uns. Die Enden einer jeden Fa- ser sind dichotom veriistelt und verlangen keine geuauere Scliil- derung, Wenn wir von den Tastpapillen absehen, so ist der Venus- giirtel fiir die Untersuchung des Mesoderms kein geeignetes Ob- ject, da im Gegensatz zu den tibrigen Ctenophoren bei ihm die Mus- kulatur ihrer Hauptmasse nach vom Ektoderm und zum klein- sten Theil vom Mesoderm geliefert wird. Die eleganten scblan- gelnden Bewegungen des Thieres werden allein durch die alter- nirenden Contractionen der ektodermalen Muskellagen bedingt, welche die transversalen Seiten bedecken; die mesodermalen Mus- keln veraulassen dagegen nur unwichtige Gestaltveranderungen des Korpers; sie verkiirzen die Lappen zu beiden Seiten der Mund- rinne, zieheu den Sinneskorper zuriick und vertiefen die Furchen, in welchen die Plattchenreihen liegen. Ich habe nur die letzteren Muskelfasern, welche sich an die Basis der Plattchen inseriren, untersucht. Dieselben stimmen in ihrem Bau mit den Muskelfa- sern der Beroiden tiberein, iudem sie eine Axen- und Rindensub- stanz und ein Sarkolemm unterscheiden lassen und an den Enden sich veriisteln. Nur ist ihre Dicke nie so bedeutcud als es bei Beroe ovatus gewohulich der Fall ist. Was ihre Verlaufsrichtung anlangt, so strcxhlen auf einem Querschnitt gesehen (Taf. XXI, Fig. 4) die Muskelfasern vom Grund der Rinne, welche durch ihre Contractionen veranlasst wird, facher- artig aus, um sich an entferntere Punkte des Ektoderms zu in- seriren. Ein Theil verlauft dabei nach aufwarts, ein anderer nach abwarts; dazwischen ziehen Muskelfasern quer durch die Gallerte vom Gruude einer Plattchem^ihe zur anderen. Fast alle Muskel- fasern waren an den mit Reagentien behandelteu Objecten wahr- scheinlich in Folge. allzu heftiger Contraction zerrisseu und be- standen nur noch aus grossereu und kleineren hinter einander ge- reihten Stiicken. Im Umkreis der Plattchenreihen lassen sich noch weitere Faden nachvveisen, die in raehrfacher Hinsicht von den muskulosen Ele- menten unterschieden sind und von mir fiir nervos gehalten vver- Ueber den Bau der Cteuoplioren. 409 den. Sie siiid viel feincr uiid cbonso wic die Nervenfaden der Beroe uud Eucliaris gebaut; an deu untersuchten Exemplaren wareu sic stets gut erhalten. Am wichtigsten ist aber, dass sie iu ihrem Verlauf die Muskelfaseru kreuzeu und dabei ab und zu mit ilmeu Verbindungen eingehen. Die Riclitung, welche den Nervenfaden (lurch diese Anordnung angewiesen wird, will icli nicht gcnaucr beschrcibcn, da sie durcli die schematisirte Zeichnung in einer verstandlichcren Weise dargestellt wird, als es durcli Worte mog- lich wiire. Mit den zuletzt erwiihnten Elementen stimmen in ihrem Bau auch die Faden iiberein , die sich von einer Tentacularseite zur anderen quer durch die Gallerte ausspannen, und werden sie mit demselben Recht wie jeue fur Nerveu gehalteu werden miissen. — Die Strange starker Fasern, welche unter den Tentakelrinnen ver- laufen , habe ich nicht naher untersucht und lasse daher ihre hi- stologische Bedeutung uneutschieden. Sehr bemerkenswerth endlich sind die Bindesubstauzzellen vom Veuusgiirtel , welche in zieralich grosser Zahl allerorts , besonders reichlich aber unter den ektodermalen Muskelschichten der Tenta- cularseiten angetroii'en werden. Die Korper der Zellen sind auf- falleud gross und durch Osmiumsaure geschwarzt, allseitig ent- springeu von ihrer Oberfiache feine lange veriistelte Auslaufer ahn- lich den Pseudopodien einer Heliozoe. Da auch die Kerne gross sind, so tritt uns hier abermals der ganglienzellenahnliche Habitus der Biudesubstanzzellen entgegen, auf den ich schon bei Eucharis aufmerksam gemacht habe. 4. Cydippe hormiphora. Von den bisher betrachteten Ctenophoren unterscheidet sich Cydippe hormiphora durch die vollig verschiedenc Beschatfenheit ihrer Muskelfaseru. Diese sind Bander von ansehnlicher Breite, dabei aber so diinn, dass sie von der Flache betrachtet (Taf. XIX, Vig.liS) kaum wahrgenommen werden, auch wenn sie durch Os- miumsaure etwas geschwarzt oder durch Carmin mattroth gefarbt worden sind; von der Kan te gesehen (Fig. 7 a) lassen sie dagegen zwei scharfe dicht nebeneinander verlaufende Contouren erkennen. Die Substanz der Bander ist an und fiir sich homogen , enthalt aber zahlreiche den Muskelkorperchen der Wirbelthiere vergleich- bare Einschliisse, die bald die Gestalt von Spindeln haben, bald als Faden sich liber eine grussere Strecke in der Lilngsrichtung des Bandes hinziehen. Die Spindeln und Fiiden bestehen aus 4l0 Dr. Eicliard Hertwig, einem stark vacuolisirten Protoplasma und siud ab und zu mit eiuem oder melirereii Kerneu ausgestattet. Da die meisten Ein- schliisse kernlos siud, so liabeu wir wie bei den Wirbelthieren kern- haltige und kernlose Protoplasmaauhaufungeu aus einander zu bal- ten. Die Enden der Muskelbander verschmalern sich etwas und scheiuen melirfach gespalten zu sein, ohne dass jedocli dabei die bisher bei alien Ctenophoren aufgei'undenen fadenformigen End- auslaufer entstauden. Von den Muskelfasern sind die Nervenfasern leichter zu unter- scheiden als bei irgend einer andereu Ctenophore , da sie die schon melirfach beschriebenen Charaktere besitzen (Taf. XIX , Fig. 6) ; sie sind diinne Fiiserchen, welche durch Einschaltung von Kernen ab und zu verdickt sind ; an den Enden geben sie eine grossere Anzahl feiuer verastelter Faden ab, die ganz besonders lang sind und sich an der Oberhaut befestigen. Besonders zahlreich sind die nervosen Faden im Urakreis der Tentakelsacke. Da es dem Gesagten zufolge leicht fallt, in der Gallerte mit Sicherheit zweierlei Elemente nachzuweisen und weiter zu cou- statiren, dass keinerlei Uebergangsformen zwischen ihnen existiren, so ware es mir von ganz besonderem Interesse gewesen, iiber ilire Beziehung zu einander Geuaueres zu erfahren, ob es moglich ist Verbindungen zwischen ihnen und ein bestimmtes Auordnungs- princip ausfindig zu machen. Leider lehlte es mir hierzu an Ma- terial; zwar waren die Herren Professoren E. Haeckel und C. Glaus so freundlich, mir ein reichliches Cydippenmaterial zur Verftigung zu stellen, wofiir ich ihnen meinen besten Dank ab- statte; Cydippe hormiphora war aber leider nicht darunter und die iibrigen Arten haben nicht die charakteristischen Muskelban- der, wesshalb ich von einer weiteren Untersuchung Abstand ge- nommen babe. Auf die Existenz von Bindesubstanzzellen brauche ich hier nur in Kiirze hinzuweiseu, da sie in der Beschaffenheit ihrer Kor- per nichts Erwahnenswerthes bieten. Ich hatte endlich noch der Callianira bialata zu gedenken, welche bei der Betrachtung der Geschlechtsorgane und des Ten- takelapparats mir besonders gute Dienste geleistet hat; indessen fiir die Erforschung des Mesoderms erwies sich die kleine Cteno- phore als sehr ungeeignet. Erstens zeigen die einzelneu Elemente nicht so charakteristische Unterscheidungsmerkmale wie bei den bisher betrachteten Arten, zweitens verlaufen sie sehr wirr durch- einander, in der raannichfachsten Weise durch Anastomosen unter Ueber den Bau der Cteuophoreu. 411 eiiiiinder verbunden, so dass es ausserordcutlich schwer ist, ein bestimmtes Anordiiungsprincip 7Ai erkcnuen. Da audi die geringe (Jrosse die Untersuclmiig erscliwcrt, liabe icli auf cine liistologi- sche Analyse der Gallerte verzichtet, 5. Ueber die Fasern unter den Meridianstreifen. Es bleibt mir schlicsslich nur uoch ubrig die Elemente zu bespreclieii , welclie bei alien Ctenuphoren in iibereinstimniender ^Veise unter den Meridianstreifen angetroften werden. Dieselben sind von z>YeierIei Art: 1. Fasern, welche unter den Flinimerrin- nen liegen und 2, Fasern, die sich zwischen die Plattclienreihen und Rippengefasse einschieben. Die Filden unter den Flimmerrinnen sind selir zart und diinn und enthalten stellenweise spindelige Kerne; sie stimmen in ihrem Ausselieu mit den Nervenfaden an anderen Orten des Ctenoplioren- kurpers iiberein, wesslialb ich sie in ilirer Gesainmtheit schon oben als Meridiannerven bezeiclinet liabe; sie verlaufen in gleicher Rich- tuug wie die Flimmerrinnen und sind dabei so dicht unter den- selben gelagert, dass sie von ihnen meist verdeckt werden und sich leicht der Beobachtung entzieben. Ihre Zahl ist am grossten bei Beroe, kleiner bei Cydippe, Callianira und Cestus; bei der letztgenannten Ctenophore ist in dieser Hinsicht noch ferner ein Unterschied zwischen den Meridiannerven erkennbar, je nachdem sie den sagittalen oder den trausversalen Wimperrinnen angeho- ren. Wie es schon durch frlihere Arbeiten bekannt ist , sind die trausversalen Plattchenreihen klein und auf wenige Ruder redu- cirt und dem entsprecheud auch die zugehorigen Flimmerrinnen wenig ausgebildet. Das hat seinen Einfiuss auch auf die Filden der Meridiannerven ausgetibt, von denen nur sehr wenige vorhan- den sind. Die Faden des Meridiannerven reichen so weit als die Flim- merrinnen; wo diese mit einer Verbreiterung an dem ersten Ru- derplattcheu aufhoren, finden sie ebenfalls ihr Ende, indem sie sich wie auch sonst die Nervenfaden veriisteln und mit ihren feinsten Ausliiufern sich am Epithel befestigen. Nur bei Beroe ovatus schien sich mir der Faserzug auch weiter iiber den bezeichneten Punkt hinaus unter die Pliittcheureihen zu verlangern. Nach der anderen Seite hin lassen sich die Meridiannerven bis in die Niihe des Sinneskorpers verfolgen, ohne dass es mir jedoch gegliickt ist, einen Zusammenhang mit demselben nachzu- weisen. Die Untersucbung stijsst hier auf Schwierigkeiten , well 412 Dr. Eicliard Hertwig a> die Cteuophoren bei der geringsten Reizung den Sinneskorper und die'Anfiinge der Meridianstreifen zuriickziehen , so dass eine tiefe Grube am aboralen Ende des Korpers entsteht. Immerhin gelang es mir bei Callianira bialata festzustelleu, dass die Faserchen eines jeden Meridiannerven zuniichst anfaugen unter einander Anasto- mosen zu bildeu (Taf. XXI Fig. 13); spater treten sie auch mit den Faden benaclibarter Meridiannerven in Verbiudung, so dass im Umkreis des Sinneskorpers ein Austausch zwischen den einzelnen Nervenstrangen zu Stande kommt. Die letzten Enden der Ner- venfaserchen entstehen auch hier wieder durch einen Zerfall in feiuste, sich bis an das Korperepithel begebeude Eudaste. Wahrend ich die Faden unter den Flimmerrinnen zum Ner- vensystem rechne, halte ich die in zweiter Liuie geuannten und unter den Plattchenreihen befindlichen Elemente fiir muskulos. Es sind Fasern, die sich zwischen den Rippengefassen und den Plattchenreihen ausspannen und einen radialen, zur Richtung der Meridiannerven senkrechten Verlauf verfolgen. Bei Beroe waren sie, wie alle in dieser Gegeud befindlichen Gewebsbestandtheile, stets ungeniigend conservirt, well die Plattchenreihen hier in tiefe fiir die Reagentien schlecht zugangige Furchen zuriickgezogen werden; ich bekam von ihnen Bilder, wie sie Eimer auf TafellX Figur 87 u. 90 seiner Beroearbeit gegeben hat, Reihen von spin- delformigen und rundlichen Substanztheilchen , welche perlschnur- artig an einander gereiht sind. Dass es sich hier urn Kunstpro- ducte handelt, lehren die iibrigen Ctenophoren, bei deuen die un- gunstigen die Couserviruug erschwerenden Verhaltnisse nicht vor- liegen, bei denen daher die in Rede stehenden Elemente gut er- halten sind. Bei Cydippe hormiphora und Callianira bialata sind es Fasern von massiger Dicke, welche mit ein oder mehreren Ker- neu ausgestattet sind und an beiden Enden sich dichotomisch ver- asteln; sie gleichen am meisten den kurzen Muskelfasern , welche die Beweglichkeit der Tastpapillen von Cestus Veneris veranlassen. Eine Sonderuug in eine Riuden- und Marksubstanz liess sich ebenso wenig als ein Sarkolemm uachweisen. Literatur. Bei einer Darstellung der Anschauungen, welche iiber den Bau der Ctenophoreugallerte geltend gemacht worden sind, konnen wir die altereu Arbeiten, da in ihnen keine Angaben hieriiber enthalten sind, iibergehen und mit den Untersuchungen von M. Edwards beginnen. Der franzosische Forscher (12. p. 215) fand im Korper der Beroiden eine Menge ausserordentlich feiner Ueber den liuu dor Ctouopliorou. 413 Faseni, wclche in- als Muskelfascni dcutcto uiid dio iliiu zu Folge besouders iiii Uiiikreis der Muiidoliuuiig zu cincm Sphiukter an- georduet seiu sullen. Will (35. p. 45) vervollbtandigte diese Schil- dorung durcli deD Zusatz, dass die Muskelu glatt seien, bei den Cou- tractioncD aber sich auf ihrer Oberflilche in regelmiissige Querfaltcn legen, wodurch das Bild einer Qucrstreifuiig vorgetauscht werdeu konne; die Muskelfasern solleu einzeln verlaufen und nur an we- nigen Stellen z. B. in den Papillen von Eucliaris anastomosiren ; ihrer Anordnung nacli sollen sie in lougitudinale und circuliire Muskelfasern ciugetheilt werden konnen. Von den Muskelfasern unterschied Will (35. p. 45) die viel feineren, an den Enden ver- iistelten und audi in abweicheuder Weise angeordneten Nerven- faserclien, indem er besonders auf einen starkereu Strang dersel- ben, welcher unter jeder Wimperrinne verlaufe, aufmerksam machte. Die Gallerte endlicli, in welche diese Elemente eingebettet sind, ist fiir ihn ein Aggregat verscbiedeu grosser r under oder polyedri- scher kernloser Zellen, Die Ansicht, dass die Gallerte aus grossen Zellen zusammen- gesetzt sei, wurde auch von Agassiz (3. p. 330) vertheidigt, wel- cher den Zellen sogar einen geringen Grad von Contractilitat zu- schrieb. Wenn er auch anfiinglich noch die Gestaltveriinderungen des Korpers vornehmlich auf besondere Muskelfasern zuriickfuhrte, von deren Anordnung er eine genaue Schilderung gab, so stellte er deren Existcnz doch spater (4. p. 214) ganz in Abrede und nahm als einzigeu Bestandtheil der Gallerte grosse blasige Zellen an, welche vergleichbar den Zellen einer Citroue allein das Pareuchym darstelleu und durch ihre Contractilitat die Bewegungen der Cte- uophoren ermoglichen sollen. Durch die Querschnittsbilder ihrer derben Wandungeu soil der Anschein erweckt werden, als ob be- sondere Muskelfiiden vorhanden seien. Diese durchaus verfehlte Ansicht wurde bei der Beschreibung der Pleurobrachia zuerst vor- getragen und spater als allgemein giltig flir sammtliche Ctenopho- reu (p. 277) hingestellt. In die Zwischenzeit zwischen die erste und zweite Publication von Agassiz fallen die Untersuchungen von Gegenbaur (21.), welche deswegen von Bedeutung sind, weil in ihnen die gallertige Grundsubstanz der Ctenophoren zum ersten Mai als eine beson- dere Form der Bindesubstauzen erkannt wurde. Zum Beweis ftir seine Auflfassung schilderte Gegenbaur genauer die Gestalten der bald rundlichen, bald spindelformigen, mit reichlichen Auslaufern und mit einem Kern versehenen, nicht selten auch anastomosiren- 414 Dr. Eichard Hertwig, den Bindusubstauzzdlen (p. 165). Die Muskelfaserni (p. 170) war- den dagegeu niclit eingehender beliandelt und die in der Gallerte vcrlaufenden Nervenfaserchen gar nicht erwahnt. Denn was Ge- genbaur iiber Nerven mitgetheilt hat (p. 180), bezieht sich auf die dem Ektoderm angeliorigen Wimperrinnen. Das Gleiche gilt auch von der kurzen Mittheilung K o 11 i k e r 's in der Zeitschrif t fiir wissenschaftliche Zoologie (23. p. 316). In zwei spiiteren Arbeiten ist jedoch Kolliker auch auf die Beschaffenheit des Mesoderms zu sprechen gekommen. Aus der erstei'eu derselben ist hervorzu- heben, dass Kolliker Contractionen an den Faden unter den Plattchenreihen beobachten konnte und sie daher fiir Muskelfasern erklarte (26. p. 110); die zweite Arbeit giebt zum ersten Male eiue ausfiihrlichere Analyse der Gewebsbestandtheile der Cteno- phoren (27. p. 110). Hierbei werden dreierlei Elemente unterschie- den: 1. Muskelfasern, 2. Bindesubstanzzellen, welche in zwei Mo- dificationeu als spindelformige und sternformige Bindesubstanzzel- len auftreteu, 3. Stiitzfasern ahnlich den Stiitzfasern der Medusen. Als wesentlichstes Merkmal der Stiitzfasern wird angegeben, dass sie kernlos seien, ein Merkmal, welches aber hinfiillig ist, da es kernlose Fasern in der Gallerte der Cteuophoren nicht giebt. Wenn wir nun weiter lesen, dass die Stiitzfasern im Korper der Idyia ro- seola mit Vorliebe radial verlaufen, so kommen wir zum Schluss, dass ein Theil der Stiitzfasern Kolliker 's mit den radialen Muskel- fasern identisch ist, welche ich oben von Beroe beschrieben habe. Eiuen anderen Theil halte ich fiir Nerveufaden und werde dabei durch die Bemerkung Kolliker's bestimmt, dass die Stiitzfasern untereinander mit Hiilfe von liingeren feineren Fasern zusammen- hiingen, und dass die Verbindungsstellen durch dreieckige Au- schwellungen, welche an Eudigungen von Nervenfaseru an Muskeln erinnern, bezeichnet werden. Kolliker wirft selbst die Frage auf „ob die anastomosirendeu Faden nicht vielleicht als Nerveu- faden anzusehen seien" und riith ferneren Beobachtern „diese Mog- lichkeit im Auge zu behalten und auch bei den zarten Spindel- zellen von Idyia und Pleurobrachia nachzuforschen, ob dieselben nicht vielleicht dem Nervensystem angehoren." A 11 man (5. p. 286) hat vor Kolliker in der Gallerte von Beroe nur die Muskelfasern gesehen, welche nach ihm dickwandige Rohren sind, die von einer granuliiren Masse erfiillt werden, das Licht doppclt brechen und bei der Contraction sich verdicken. Sie ordnen sich in 4 Systemen an, welche als gastroparietales, als oberflachliches longitudinales, oberfliichliches circulares und tie- Ueber deu Eau der Cteuophoren. 415 fes circiiliires (um den Magen gelogenes) iiiiher bezeichiict werdcn. Abweicheiul von Allnian beschrcibt Wage nor (34. p. 125) die Muskeln als Biindel von feinsten rriniitivfibrillen, in denen weder Zellkerne noch andcrweitige Zcllenreste vorhanden seien. Die Meinungsverschiedenheiten in der histologischen Beurthei- lung der Gallerte sind durcli die neuesten Untersuchungen nicht ausgeglichen worden, vielmehr steben sich die Ansicbten der For- scher schrotier denn je gegeniiber. Fol (18. p. 9) unterscheidet mit Bestimnitbeit bei Cestus Veneris nur dreierlei Elemente: 1. sternformige ab und zii anastomosirende Bindesubstanzzellen, 2. Muskel- und 3. Bindegewebsfasern, von welchen aber die beiden letztgenannten nicht scharf auseiuander gehalten werden konnten, weil sie nur durch verschiedene Dicke von einander abwichen. Die feiueren Bindegewebsfasern wie die starkeieii Muskelfasern enthal- teu beide Kerne und hiiren mit wurzelformig getbeilten Enden auf. Ausserdem aber halt es Fol (p. 12) fur wahrscheinlich, dass Xer- venfaserchen existiren, welche vom Sinneskorper aus als blasse breite Faden mit einem wellenfoimig geschlangelten Axencylinder nach den Polplatten und den Trichtergefassen ziehen. Mit dieser Darstellung stimme ich rucksichtlich der Bindesubstanzzellen und Muskelfasern im Wesentlichen iiberein, dagegen erklare ich Fol's Bindegewebsfasern fiir nervos und die sogenannten Nervenfasern fiir Elemente, welche zu sehr unter dem Einfluss einer ungeniigeu- den Conservii'ung gelitten haben, als dass man sich mit Be- stimmtheit iiber ihre Natur aussprechen konne. Wahrscheinlich sind es stark veranderte Muskelfasern. In vollem Gegensatz zu Fol uimmt Eimer(14.) in der Gal- lerte eiuen grossen Reichthum weit verbreiteter Nervenfasern und Ganglienzellen an, zu denen sich als weitere Elemente hiuzugesel- len Bindesubstanzzellen, Muskel- und Bindegewebsfasern. Bei der Besjjrechung der Muskelfasern schildert Eimer den Bau ihrer Riuden- und Marksubstauz und ihres Sarkolemms im Allgemeinen in derselben Weise, wie ich es gethan habe, macht dagegen iiber die Beschafifenheit ihrer Enden Mittheilungen, welche ich zum grossten Theil nicht bestatigen kaun. Die Muskelfasern sollen von dem Moment ab, wo sie in die oberflfachlichste Gallert- schicht, die „Nervea", eintreten, unter einer wahrscheinlich gauz allmahlich erfolgeuden Umwandlung ihrer Substanz zu Nerven werden, die sich verasteln und in feine in der Epidermis endende Fibrillen iibergehen, oder sie sollen plotzlich in eine Uuzahl feinster Nervenlibrillen zerfalleu, welche vom Muskeleude pinselformig nach 416 Dr. Richard Hertwig, dem Epithel ausstrahlen. Eine solche Endigungsweise existirt mm ganz bestimmt nicht und alle zu ihrer Illustrirung der Beschrei- buDg beigefiigten Bilder lassen nur die Erkliirung zu, dass ihnen un- geuiigend conservirte Priiparate zu Gruude gelegen haben. Merk- wiirdigerweise giebt Eimer daueben auch richtig an, dass die Muskelfasern sich baumformig verasteln oder einfach zugespitzt enden koimen. Dass Eimer Praparate vor sich gehabt hat, die schlecht conser- virt waren und dass er nicht geniigend zwischen dem, was normal, und dem, was Kunstproduct ist, unterschiedeu hat, geht auch aus seiner Beschreibung der Nervenfasern hervor. Denn alle seine Fi- guren beziehen sich auf stark verquollene Faden, welche mit Vari- cositaten mehr bedeckt sind als es selbst bei einer massigen Con- servirung der Fall sein darf. Immerhin sind wir beide auch hier wieder in mehrfacher Hinsicht zu gleichen Resultaten gekommen, dass die Nervenfiiden feine Fiiserchen sind, welche ab und zu Kerne enthalten und von einem Neurilemm umgeben werden, dass sie, iiberall verbreitet, isolirt in der Gallerte verlaufen und nur in den sogenannten Trichterklammern reichlicher vorkommen und ausser- dem noch unter den Flimmerrinnen zu einem Strang zusammen gedriingt sind, dass sie sich an ihren Enden verasteln und dabei feiner werden. In allem Uebrigen stimme ich dagegen der Schil- derung Elmers nicht bei. So liisst er die Nervenfasern in ganz ausserordeutlich feine netzartig verbuudene Primitivfibrillen iiber- gehen , welche besonders deutlich an Goldchloridpraparaten her- Yortreten und die Nervenfaden unter einander und mit gangliosen Elementen verbindeu. Diese Fibrillennetze habe ich nie gesehen und muss ihre Existenz auf das bestimmteste in Abrede stellen; damit hangt dann welter zusammen, dass ich auch die Ganglien- zellen nicht anerkennen kann und dieselben fiir Bindegewebszelleu erkliire, von welchen sie Eimer mit Unrecht versucht hat zu uuterscheiden. Eimer spricht ferner von einer „Nervea", einer oberflach- lichen Gallertschicht , welche sich leicht im Zusammenhang abzie- hen lasse und wegen ihres Reichthums an Nervenfasern gewisser- maasseu als ein diifus iiber die Korperoberflache verbreitetes Cen- tralorgan gedeutet werden konne. Es haudelt sich hierbei um die Gallerte, welche nach aussen von den longitudioalen mesoder- malen Muskeln gelegen nur von den verzweigten Enden der Ner- venfasern und der parietogastralen oder radiiiren Muskelfasern durchsetzt wird, bei welcher daher von einem besonderen Nerven- Ueber den Bau der Ctenophoren, 417 reiclitlmin nicht die Rede sein kunii. Elmer's Ausicht beriiht auf dor schon obeii als irrig bezeiclineteii Aniiahine, dass die Eii- den der Muskeln von Nerventibrillen gebildet wiirden, was denii freilich eiueii wesentlicheii Zuwachs der iiervoseu Theile bediiigeu >Yurde. Als verdickte Stellen seiner Nervea fasst Elmer die Gallert- streifen , welche zwischen den Plattchenreihen und den Rippenge- fassen liegen, auf, Indem er zuglelch die in radlaler Rlchtung zwi- schen beiden Organen ausgespannten Muskelfasern fiir Nerven halt. Die Bllder, auf welche er sich hlerbei stiitzt, kenne Ich, da man sle bei Beroe ovatus in dieser Weise fast stets zu Geslchte be- kommt, ich habe aber friiher schon hervorgehoben, dass ich diesen Bildern keine Beweiskraft belmesse und dagegeu die Callianiren und Cydlppen als geeignetere Untersuchuugsobjecte empfehle. Wir haben endlich noch die Endigungswelsen der Nerven in Betracht zu ziehen. Nach Elmer verbiuden sich alle periphereu Endaste der Xervenfasern und ebenso die Endiiste der Neuromus- kelzellen mlt dem Eplthel, so dass elne jede Epithelzelle von einer Xervenfibrille versorgt wlrd, welche wahrschelnlich im Kernkorper- chen der Zelle Ihr Endorgan findet. Andererselts verblnden sich die Nervenfasern mlt Muskelzellen, indem sle gleichfalls sich ver- ilsteln und zahlreiche Endfibrillen bilden, welche sich an die Mus- kelfasern in zweierlei Weise ansetzen konneu. Im einen Falle ist die Verbindungsstelle durch einen Kern bezeichnet, in dessen Kern- korperchen die Xervenfibrille endet, im anderen Falle fehlt der Kern und die Xervenfaser geht dann wahrschelnlich direct in die Muskelsubstanz iiber. Es mochten beide Endigungen der Xer- ven am Muskel vielleicht als sensible und motorische zu unter- scheiden sein. Alle diese Angaben halte ich fur verfehlt, indem ich nament- lich den Angaben iiber die sensiblen Endigungen in der Haut gar kelnen Werth belmesse, well Eimer elne Beobachtungsmethode befolgt hat, bei welcher Irrthtimern Thilr und Thor geoffnet sind. Er hat nilmllch den Zusammeuhang der Epithelzellen mlt Xcrven nicht an Querschnitten oder Isolationspraparaten, sondern an Ela- chenpraparaten durch Heben und Senken des Tubus beobachtet. Gelegentlich erwithnt auch Eimer, dass die Xerven seitllch Faden abgeben, welche mlt voriiberziehenden Muskeln in Ver- biudung treten sei es mittelst elner kernlosen oder kernhaltlgen Verbreiterung. Ich hebe diese Beobachtung besouders hervor, Bd. SIV. N. F. VII, 3. 27 418 Dr. Kichard Hertwig, well sie unter den Beobachtungen iiber Nervenendigung die einzige ist, welche ich bestiitigen kann. "Was nun endlich die Biudegewebsfasern anlangt, so siud die- selben nach Eimer „drehi-unde, stark lichtbrecheude feine Fadeu von geradem bis stark geschlangeltem Verlauf, welche meistens von Stelle zu Stelle durch Kerne, welche jedoch in sehr grossen Abstanden von einander entfernt liegeu, spiudelformig aufgetrieben sind. Die groberen Fasern lassen in ihrem Innern einen hellen Streifen erkennen, welcher in vielen Fallen als Caualchen erscheint, so dass dann die ganze Faser als hohles Rohrchen sich darstellt." Von den Muskelfasern sind sie durch den Mangel der sich in Car- min roth farbenden contractilen Substanz unterschieden , von den Nervenfasern durch den Mangel der Varicositaten and das ver- schiedene Verhalten der Kerne, welche bei den Nervenfasern „durch ihre Grosse und Kugelgestalt charakterisirt" sein sollen. Die Biudegewebsfasern „durchziehen die Gallertsubstanz des Thieres von innen nach aussen, sowie von oben nach unten, sehr haufig aber in einer solchen Richtung, welche diejenige der Muskelfasern im rechten Winkel kreuzt"; sie hangen zusammen 1. unter einan- der, 2. mit den Muskelfasern, 3. mit den Nervenfasern. In den letzteren Fallen soil der Zusammenhang sich jedoch nur auf die Hullen (Sarkolemm und Neurilemm) erstrecken. Weun wir in der Schilderuug der Nervenfasern die „Varico- sitaten" als Kunstproducte und die „Grosse und Kugelgestalt der Kerne" streichen, so bleibt zwischen ihnen und den Biudegewebs- fasern kein Unterschied bestehen. Denn wer die Feinheit des Ob- jecteskennt, wird keinen grossen Werth darauf legen, wenn Eimer die Biudegewebsfasern nur rait dem Sarkolemm, die Nervenfa- sern ausserdem noch mit der Muskelsubstanz verschmelzen lasst. Vielleicht wurde iibrigens Eimer selbst die Unterscheidung von Nervenfasern und Biudegewebsfasern haben fallen lassen, wenn er letztere, was er verabsaunit hat, bis an ihr Ende verfolgt und gesehen hatte, dass dasselbe ganz wie das Ende einer Nerven- faser beschafifen ist. Neuerdiugs hat Eimer endlich eine kurze Notiz iiber die Gallerte in den Tastpapillen von Eucharis veroflfentlicht und dabei Elemente beschriebeu, welche er fiir wahrscheinlich nervos hiilt. Wenn auch das Aphoristische der Mittheilung kein bestimmtcs Urtheil zulasst , so glaube ich doch anuehmen zu konnen, dass Eimer nicht die Nervenfaden, sondern die Muskelfasern vor Augen gehabt hat. Ich schliesse dies einmal aus der Abbildung, welche gar Ueber dou Eau der Cteuophoreu. 419 iiiclit zu dciii von iiiir beobachtuteii Vcrlialten der Ncrveiifaden stimmt, uiid zweitens aus der Augabe, dass die Elemente „iii der Niihe der Tastborstcii, bez. der kornigeii Zcllen (der Driiseuzelleii) angekoninieu" sich dichutoniisch verasteln. Dies kaiiii sich imr auf die Muskelfaserii bezieben, da die Nervenfadeii nicht bis in die Spitze der Tastpapillen hinaufreichen. Wahreiid Eimer zu vielerlei Gewebsbestaudtheilc im Meso- derm der Ctenopboreu nacbzuvveisen versucbt hat, ist Chun nach nieiiier Ansicht in den entgegengesetzten Irrthum verfallen, indeni er iiberhaupt nur Muskelfasern und Eutwickluugsfornien von Mus- kelfasern anerkennt. Chun (6.) hat seine Anschauungeu noch nicht ini Zusammenhang dargestellt, sondern seine maassgebenden Ge- sichtspuncte zunachst in einer Kritik von Eimer 's Beroidenarbeit niedergelegt. In dieser Kritik sucht er zum Theil mit gleichen Griinden, wie es hier geschehen ist, den Nachweis zu fiihren, dass kein Uuterschied zwischen Bindegewebs- und Nervenfasern existi- re, dass die Varicositaten der letzteren und die dichten Netze von Primitivfibrilleu Kunstproducte seien, hervorgerufen durch die von Eimer augewaudten Eeageutien, dass auch eine Endigung der feinsten Nervenitstchen in Epithelzellen , wobei eine jede der letzteren versorgt werde, durch ihre Anorduungsweise ausgeschlos- sen sei. Auch in der Beschreibung der Art, in welcher die Muskelfasern verzweigt enden, ohne dabei ihren Charakter zu an- dern und zu Nerven zu werden, sind Chun's Angaben und die meinen gleichlautend , wenn wir von einigen unwesentlichen Ver- haltnissen absehen. Ueberhaupt ist es mehr die Verschiedenartig- keit der Deutungen, auf ^Yelche sich die Verschiedeuartigkeit des von Chun und mir eiugenommenen Standpuukts zuriickfiihren lasst. Ohne die ungleiche Beschafienheit der Elemente zu laugnen fasst Chun dieselben als verschiedene Entwicklungsstufen derselben Gewebsform, des Muskelgewebes, auf, gestiitzt auf eutwicklungsge- schichtliche Untersuchungen. Zellen, welche anfanglich im Ekto- derm gelegen spater in das Mesoderm iiberwandern und hier den Charakter von Bindesubstanzzellen besitzen, sollen sich strecken und lange diinne Faden werden. Diese Fadeu sind urspriinglich gleichartig und ditferenziren sich nur dadurch, dass einige wenig, andere viel contractile Substanz ausscheiden. Gegeu diese entwicke- lungsgeschichtliche Darstellung babe ich nichts einzuwenden, nur kann ich der Folgerung nicht beitreten, dass Elemente, welche ein gleiches Aussehen wiihrend der Entwicklung besitzen, nicht functionell verschieden sein und diese functionelle Verschiedenheit nicht auch 27* 420 Dr. Richard Hertwig, bei foitschreitender histologischer AusbilduDg spiiter zu erkennen geben sollten. Ferner muss ich betoneu, dass es sich nicht um eiii mehr oder weniger von contractiler Substanz handelt, dass vielmehr bei Beroe Fasern von bestimmter Anordnung stets ohne Spur einer contractilen Rindenschicht sind, wahrend eine solche bei den ubri- gen deutlich erkannt werden kann. Ueber die Verbinduugen, welche zwischen Nerven- und Muskelfasern bcstehen und auch von Eimer gesehen worden sind, ilussert sich der Verfasser zuniichst noch nicht uiit der Bestimmtheit, welche ein naheres Eingehen auf diesen Punkt moglich macht. Die hier kurz skizzirte Auffassung hat Chun (9. p. 330) in einer spateren Verottentlichung iusoweit modificirt, als er die Mog- lichkeit zugiebt, dass ausser Muskelfasern auch noch der Binde- substanz angehorige Elemente vorhanden sind; hierher rechnet er die sternformigen Bindesubstauzzellen und eiuen Theil der Fasern, wie z. B. die Fasern, welche bei Cestus sich zwischen den beiden trausversalen Seiten ausspannen; dagegen halt er nach wie vor daran fest, dass keine Nerven in der Gallerte vorkommen. III. Das Entoderm. Im Gegensatz zu dem Mesoderm und dem Ektoderm, welche die wichtigsten Organe des Korpers liefern und histologisch in mamiigfacher Weise diflferenzirt sind, ist das Entoderm sehr ein- formig beschaffen. Ich kann mich bei der Besprechung dessel- ben kurz fassen, um so mehr, als ich iiber die Anordnung der eutodermalen Gefasscanale schon oben Einiges mitgetheilt, ihren feineren histologischen Bau aber wenig eingehend untersucht habe. Es ware somit leicht moglich, dass bei weiteren Beobach- tungen die Verschiedenartigkeit des Entoderms sich etwas grosser erweisen mochte, als aus der folgenden Schilderung hervorgeht. So weit meine Beobachtuugen reichen, besteht das Entoderm aus einer einzigen Schicht Epithelzellen, welche in den peripher verlaufenden Gefassen, den Rippen und Tentakelgefassen , stets auf einer Seite abgeflacht ist, auf der anderen Seite dagegen eine ansehuliche Hohe erreicht. Der verdickte und der abgeflachte Theil des Epithels gehu allmahlich in einander iiber und sind sehr regelmassig in der Weise angeordnet, dass der erstere nach der Peripherie, der letztere nach der Axe zu gewandt ist. Die An- ordnung erinnert an das Verhalten der Gefasse der Medusen, de- ren Entoderm iiberall da, wo es unmittelbar an das Ektoderm angrenzt, ebenfalls hoch cyliudrische, auf der andern Seite dage- Ueber deu Bau der Cteuoplioren. 421 gen i)hitto odor cubischc Eleineiite aufweist. Bei don Ctonoplio- ron abor boriihren sich Ektodorni und Eutodorm nicht, sondem siud diirch Gallorte ausoinaudor godriingt. Das Epitliol der Gefiisse ist durch lobhafto Elimmoruug aus- gozeichnot, wolcho durch Biischel unter einandor verklebtor Cilien veranlasst wird, Wenigstcns maclite es mir bei don wenigen Be- obachtungen, die ich im frischen Zustand angestellt babe, den Eiudruck, als wiiren die Geisseln, die man gewohiilich beschreibt, nidits andores als Btiscbol verklebtor Wimpern, ahulich wie wir dies sdion beim Ektodorni an verschiedenen Stellen des Korpcrs goseheu babeu. Bosondere Beachtiiug verdieuen im Epitbol der Gastrovascu- larcaniile kleine Oeftnungen, wolcho dor in don Canalen on thai te- non FlUssigkoit gestatteu, direct ohne die Epithelzellen zu passi- ron in die Gallorte iiborzutreten. Solche Storaata linden sich bei alien Ctenophoron in grosser Mongo an sammtlichen Rippengefas- sen sowie auch an don bei den Beroidon von den Rippengefasseu ausgehenden Gofassveriistelungon ; in ihrem Vorkommon siud sie auf die mit Platteuepithel bodeckte Seito beschrankt, hier aber, Avie niir schieu, vollkommon regollos verthoilt. Da ihr Bau iiberall der gleiche ist, gouiigt es ihn von einer Art, der Beroe ovatus, zu schildorn. Von der Flache botrachtet sind die Stomata Rosotten von 8 — 10 Zellen, wolcho in einem oinfachen Krois gestellt sind; in- mitten des Kreises ist eine kleine Oetinuug erkonnbar, wolcho vor- schieden gross, nicht selton sogar vollkommon geschlossen soin kann. Die Zellen sind kloiner als die gewohnlichon Epithelzellen der Umgobung, nur wonig grosser als die in ihnon en thai ten en Kerne; sie tragen zahlreiche Wimpern, welche bei Flachenausich- ton als eine von Osmiumsaure gebraunte Fasermasse die ringfor- mige Oeffnung orfullen. Optische odor natiirliche Querschnitte (Taf. XXI, Fig. 8) zei- gen, dass die Zellen des Stoma eiuen in die Gallorte vorragonden Wulst bildon, in welchon sich das Lumen des Rippengofasses hinein fortsetzt, um schliesslich mit der kleinon torminalen Oeffnung zu enden. Die Flimmern, welche auf der Zellonrosetto sitzen, sind nach zwei Richtungen angeordnet, ein Theil ragt durch die Oeff- nung in die Gallorte, ein anderer Theil in das Rippengefiiss hinein. Die Zellrosotton besitzen dem Gesagtcn zufolge vollkommon den Bau von Wirapertrichtern ; ihro Bedoutung kann nur dariu gesucht werdon, dass sie mit Hilfe der Flimmerbowoguug Bostand- 422 Dr. Eichard Hertwig, theile aus dem Gefass in die Gallerte oder umgekehrt lieriiber- treten lasseii. Da ausser den fixen Gewel)sbestandtlieilen keine geformten Korper in der Gallerte augetroffen werden, kann es sich hierbei nur urn Fliissigkeiten liandeln. Nerven und Muskeln liabe ich im Entoderm der Ctenophoren niclit auffinden konnen, nur an manchen Stellen bin ich auf Zeich- uuugen aufmerksam geworden, welche auf die Ariwesenheit con- tractiler Elemeute deuten. An den Gefiisseu, welche vom Trichter zu den Rippengefassen verlaufen, zeigt das Epithel eine Streifung, welche durch kleine in der Lange des Gefasses verlaufende und in quere und schrage Reiheu gestellte Verdickungen herbeigefiihrt wird. Auch ist das Gefass vielfach ringformig eingeschntirt. Das Aussehen wiirde sich durch die Annahme erklaren, dass contractile Fasern das Gefass in ringformigen oder spiralen Ziigen umgeben und durch ihre Contractionen kleine Langsfalten und quere Ein- schniirungen hervorrufen. Eine Eigenthiimlichkeit des Gefasssystems der Beroiden habeu wir schon friiher in den kleinen rundlichen Zellkorpern kennen gelernt , welche unter dem Epithel der Rippengefasse in der Nahe der Geschlechtsorgane liegen (Taf. XVIII, Fig. 3). Ich brauche hier nur auf die friiher gemachten Angaben zu verweisen, zumal da ich iiber die Bedeutuug der Zellen nichts Bestimmtes aussagen kann. Literatur. Bei der einfachen Beschaffenheit des Entoderms der Ctenophoren ist es naturlich, dass auch in der Literatur nur wenig Angaben tiber dasselbe vorliegen. Schon altere Autoren wie M. Edwards (12 u. 13) und Agassiz (3 u. 4) sind auf die Flimmerung in den Gefassen der Ctenophoren aufmerksam ge- worden, sie geben an, dass sie auf den Trichter und die vom Trichter ausgehenden Hauptstamme beschrankt ist. Auch Fol (18. p. 10) hebt hervor, dass er bei Cestus Veneris nur „im Trich- ter, in den 4 Radiargefassen, dem Magen und Tentakelgefass, dem Trichtercaual , der Cloake, so wie in den 4 oberen Rudergefasseu bis zur Stelle, wo sie zum ersten Male umbiegen, einen dichten Belag von Wimperhaaren" gefunden habe, wahrend soust ihm Wim- pern zu fehlen schienen. Diese Angaben wurden ueuerdings von Chun (9. p. 331) dahin berichtigt, dass die fiir flimmerlos gehal- tenen peripheren Gefasse auf einer Seite von einem flimmernden Plattenepithel, auf der anderen Seite — und zwar der nach der Peripherie gewandten — von einem verdickten aber nicht flim- mernden Epithel ausgekleidet wiirden. Ueber den Bau der Ctenoplioren. 423 Die Wimpon-osetten wurden zuerst von Allmaii (5, p. 285) gefuiuleii, welclicr jedoch die Fliuiiiieruug und die Oeffiiiingeu iiber- sah und die Gebilde dalier als rilthselliafte den Gefiissen von Beroe ansitzende kissenartige Korper beschrieb. Spilter wurden sie von K()lliker (26. p. 239) und von Wagener (34. p. 129) riclitig als „vou flinimernden Zellen begrenzte Stigmata" gedeutet, Aviihrend Fol (18. p. 10) bei Vexillum zwar die „kleineu Vor- sprunge, welclie aus rosettenformig angeordneten Zellen bestehen", aber nicht die Flinniieru noch die Oeftuungen beobachtete. Am ge- nauesten baben dann Eimer (14. p. 49) und besonders Cbun (9. p. 331) die Organe bescbrieben. Eimer vermutbet, dass die Ctenophoren mit Hilfe der Wimperrosetten Wasser in ibr Inneres aufnebmen, verdichten und so das specifische Gewicht des Kor- pers erbobeu, eine Annabme, die sicb wohl scbwerlicb pbysika- lisch recbtfertigen liisst. Ueber die Anhiiufungen rundlicber Zellen im Epitbel der Rip- pengefiisse von Beroe finde icb bei Eimer (14. p. 83) ausfiibr- licbe Angaben. Femer erwabnt sie audi A 11m an (5. p. 285 u. 286) mit dem Beraerken, dass sie friiber als Fortsetzungen des Ovars angesehen v^orden seien, dass sie aber nicbts mit demsel- ben zu tbun batten und cber als eiu excretoriscbes Organ ange- seben werden konnten. 424 Dr. Hi chard Hertwig, Allgemeiner Theil. Bei der DarstelluDg meiner Untersuchungen iiber den Bau der Ctenoplioreu liatte ich mich am liebsten auf eine Schilderung des Gesehenen beschriinkt und mich aller Deutungeu enthalten, dieselben bis an das Ende dieser Arbeit verschiebend. Wenn ich mich statt dessen eutschlossen habe, meiue aus den Beobachtun- gen gewonnene Gesammtauffassung in bestimrater Weise zu for- muliren, so geschah es in der Ueberzeugung , dass nur in dieser Weise eine tibersichtliche Beschreibung moglich sein wiirde. Denn den Eindruck eines schwer zu entwirrenden Durcheinanders , wel- cher sich ganz besonders beira Studium des Mesoderms dem Be- obachter aufdrangt , wiirde der Leser in noch hoherem Grade em- pfinden, wenn er nicht von Anfang an durch eine bestimmte Namen- gebung in der Menge verschiedengestaltiger Elementartheile orien- tirt wiirde. Eine ausfiihrlichere Rechtfertiguug meiner Anschauungen habe ich bisher unterlassen, weil ich von Anfang an in Absicht hatte, hierauf spater noch einmal im Zusammenhang zuriickzukommen und zugleich die Stellung zu erlautern, welche ich den Arbeiten meiner Vorganger gegeniiber einnehme. Im vorliegenden Falle ist dies ganz besonders nothwendig. Wer die Bcschreibungen und Abbildungen von Eimer und Chun unter einander und mit den meiuigen vergleicht, wird zu dem Resultat gefiihrt werden, dass dieselben lange nicht so schroft einander gegeniiber stehen, als die aus ihnen gezogeuen Folgerungen. Unleugbar liegen ja auch in dem Beobachtungstheil wichtige Differenzen vor, aber noch mehr fallt die Allgemeinauffassung eines jeden Einzehien von uns in die Wagschale, urn den Gegensatz der Endresultate zu erklaren. Die Grilnde hierfur sind in dem histologischen Bau der Ctenopho- ren selbst gegeben, welcher ein sehr eigenthiimlicher ist und sich von dem, was wir hieruber von anderen Thicren kennen, in vielfacher Ilinsicht cntfernt; steht doch die ganze Bewegungs- Ueber den Bau der Ctcuophoren. 425 Nveisc iiiit Ililfe von Rutlorplattcheu in der Reihe tier Meta- zoen einzig da; audi ^YUsste icli keiu Thier zu nenncn, bei wcl- chein eine so weit gchcnde Ditferenzirung der Elenientartlieile rait eiuem so geringen Grad von organologischer uud pbysiologisclier Centralisation vereinigt ist. So konnnt es, dass man bei der Be- urtbeilung des Baues der Ctenoyhoren sieb weniger als sonst auf iVualogieen mit den Verbal tnissen anderer Tbiere stiitzen kann und dass uberall bei den Deutungen der subjectiven Auffassungs- weise des Forscbers ein weiter Spielraum gelassen ist. Im allgemeinen Tbeile werde ich ausserdem nocb eine zweite Fragc zu bebandeln baben, das Verbiiltniss der Ctenopboren zu den iibrigen Tbiereu, speciell zu den Ubrigen Coelenteraten ; ich werde dabei auf ibre systematisebe Stellung nur mit wenigen Wor- ten eingeben, dagegen ausfubrlicber die Besonderbeiten beriick- sicbtigen , durcb welcbe sieb die Ctenopboren von andereu Tbie- ren in ibrer organologiscben und bistologiscben Eutwickluug uu- terscbeideu. I. Beui'theilung des Baues der Ctenophoreu. 1. Der Bau der Geschlechtsorgane. Im Bau der Ctenopboren giebt es nur zweierlei Verbaltnisse, welcbe strittig sein konnen und von den einzelnen Autoren aucb in der Tbat verscbieden beurtbeilt werden : es ist dies 1. der Bau und die Abstammung der Geschlechtsorgane und 2. die Bescbaf- fenheit des Nervenmuskelsystems. Ueber den ersten dieser beiden Punkte kann ich mich kurz fassen, da bier die Fragestellung eine sebr einfache ist; man kann bier nur zweifeln, ob die Geschlechts- organe sieb aus dem Entoderm oder aus dem Ektoderm ableiten. Die iiltere friiher allgemein angenommene Ansicht, dass sie im Epitbel der Rippengefasse, mit anderen Worten also im Entoderm entsteben, ist aucb in der Neuzeit nocb die maassgebende geblie- ben und wird namentlicb von Chun (7 u. 9) vertreten, wahrend sieb zu Gunsten eines ektodermaleu Ursprungs bisber nur CI aus (11) in der neuesten Auflage seiner „Grundzuge der Zoologie" aus- gesprochen bat, ohne sieb indessen bei seinen Angaben auf be- soudere Beobachtungen zu berufen. Nach meinen Untersuchungen sind die Geschlechtsorgane der Ctenopboren Abkommlinge des Ektoderms; das Epitbel der Kor- peroberfliiche stiilpt sieb den Rippengefassen entlang in Form von kleiueu Sackchen ein, welcbe in die Gallerte bineinwachsen , bis 426 Dr. Eicliard Hertwig, sie das entodermale Epitliel der Rippengefasse erreiclieu. Hier angelangt breiten sie sicli fiacli aus imd bildeu zwei durcli einen Spalt, den Genitalsinus , getrennte und an den Randeru in eiuan- der iibergehende Epitliellagen , von denen die eine an das ento- dermale Epitbel, die andere an die mesodermale Gallerte angrenzt. Die erstere erzeugt die Gescblecbtsproducte , letztere, ein diinnes Zellenhautcben , setzt sicb in den Strang fort, welcbcr die Ver- bindung mit dem Ektoderm bei Cydippe, Callianira und Eiiplo- camis dauernd unterbalt und anfanglicb noch einen Canal um- scliliesst, der aber spater obliterirt. Die innige Beziehung der Geschlechtsorgane zu dem Gastrovascularsystem , welcbe friihere Forscher zur Annahme eines entodermaleu Ursprungs veranlasst hat, erklare ich in der schon friilier bei den Meduson erliiuter- ten Weise aus dem Nabruugsbediirfniss der Gescblechtszellen. Denn da keine Blutgefasse vorhanden sind, so konnen Gewebe, welclie zu ihrer Existenz reicbliche Nahrungsmengen notliig haben, sicb nur in der Nacbbarscbaft der mit Cbymus erfiillten Auslaufer des Darmcanals gedeiblicb entwickeln. Urspriingiicb mogen wohl die Rippengefasse der Ctenopboren abnlicb den Radialcanalen der Medusen, mit welchen sie ja aucb verglicbeu werden, diebt unter dem Ektoderm gelegeu baben und erst spater von ihm durcb die den Ctenopboren eigentlitimlicbe reicbliche Gallertabscheidung ab- gedrangt worden sein; dabei werden denn aucb die Geschlechts- organe, welcbe mit den Rippengefassen eng verbunden waren, eine Verlagerung erfabren haben. Ich verkenne nicht, dass gegen die Darstellung, welcbe ich hier von der Entwickhmgsweise der Geschlechtsorgane gegeben babe, Manches eingewandt werden kann. 1st es mir doch nicht gegliickt, bei Beroe Verbindungen der Geschlechtsorgane mit dem Ektoderm nacbzuweisen und die von der Hautoberflache einge- sttilpten Sackchen, die ich bei Callianira als erste Anlagen der Geschlechtsorgane gedeutet babe, bei anderen Ctenopboren wieder- zufinden; ich wiirde es daher fiir minschenswerth haltcn, wenn durcb weitere Untersucbungen, nameutlich durcb Ausdehuung der- selbeu auf die Larvenstadien, grossere Bestimmtheit in den Resul- tateu herbeigefiihrt werden konnte. 2. Der Bau des Nervcnmuskelsystems. Die Frage nach der Existenz eines Nervensystems bei den Ctenopboren hat alle Entwicklungsphasen , die wir aucb sonst bei den niederen Thieren verzeichnen konnen, durchzumachen gehabt. ueoer aeu uau aer uteiiopiioren. 42; < Die iiltesteu Beobaclitcr wic E s disc hoi tz (17) und Mo r to us (31) stellteu ubcrliaupt oin Nervensystcm in Abrcde; spiitere For- scher kamen zu sehr widerspreclicndcn Rcsidtaten, wie denn Grant (22) und Patterson (32) einen nait Ganglienkiioten ausgcstat- teten Ringiiorven am oberen Pole des Korpers von Cydippe, For- bes (19. p. 147) dagegen einen solcben im Unikreis der Mnnd- otliiung bescliricben liaben. Erst als M.Edwards (12) den Sin- neskiu-per am aboralen Korper von Lesueuria, Beroe mid anderen Ctciiopboren auffand, riclitete sicli die Aufmerksamkeit fast aus- schliesslicli aiif dieseu, und es wurde erortert, ob man in ilim ein Centralnervensystem vor sich habe oder niclit. Wie M. Edwards so hiclten auch Will (35), Frey und Leuckart (20), Gegen- baur (21), Fol (18), Kowalevsky (28) u. A. die epitheliale Verdickung fur ein Ganglion, das Blaschen mit dem Otolitbenhau- fen fiir ein Auge oder ein Gehorblaschen ; ihre Auffassung stiess aber auf Schwierigkeiten, well es nicht gelang von dem Ganglion aus Nerven uacb den peripheren Partieen des Korpers zu verfol- gen; denn die 8 Nerven, welche M. Edwards, Gegenbaur und Andere giaubten aufgefunden zu baben, erwiesen sich durch die Untersuchuugen von Agassiz (4) als Flimmerrinnen und cbenso wenig bestittigten sich die Angaben iiber Gauglieuknotchen, welche nach Agassiz und M. Edwards zwischen den Ruder- plattchen gelegen seien. In ein neues Stadium trat die Frage nach dem Nervensystem der Rippenqualleu , als man auf dem Wege einer eingehenden hi- stologischen Untersuchung uervose Elemente in der Gallerte nach- zuweisen suchte. Nachdem schon WMll von Nerven in der Gal- lerte der Ctenophoren gesprochen hatte, war es zuerst Kolliker (27), welcher bei der Beschreibung der einzelnen Bestandtheile des Mesoderms die Mogiichkeit hervorhob, dass ein Theil dersel- ben nervoser Natur sei; er hatte dabei vornehmlich die diinnen Fadeu im Auge, welche ich ebeufalls dem Nervensystem zurechne. Die darauf folgende Arbeit Fol's (18) brauche ich hier nur kurz zu erwiihnen, ^Yeil die in ihr beschriebenen mesodermalen Nerven nicht in ausreicheuder Weise charakterisirt sind. Dagegen ver- laugen die in 3 Arbeiten (14 — 16) vorgetragenen Anschauungen Elmer's eine ausfiihiiichere Besprechung, well hier zum ersten Male der Satz vertreten wird, dass das Nervensystem der Cteno- phoren tiberhaupt in der Gallerte liege, dass dagegen der gaug- liose Korper am aboralen Pole sowie das Epithel der Korperober- 428 Dr. Richard Hertwig, flache nur den sensiblen Nerven als Endigung dieiien uud somit Sinnesorgane seien. Nach Eimer ist die Gallerte nach alien Richtuugen bin reich- lich von einzeln verlaufenden Nervenfasern und Gauglienzellen durclisetzt, besonders reicblidi in einer oberflacblicben Schicht, der „Nei"vea", welcbe am aboralen Pole sicb etwas verdickt. Die Nervenfasern hangen durch ausserordentlicb feine uervose Netze unter einander und mit den Ganglienzellen zusammen; sie ver- asteln sicb und ibre Endaste innerviren einerseits die Muskulatur, andererseits das Epitbel, dessen Zellen sammtlich von Nervenfa- sern versorgt werden. Einen wesentlicben Zuwacbs erfabrt nocb das Nervensystem , indem die Muskelfasern an ibren Enden unter dem Epitbel sicb in Nerven umwandeln, die sicb ebenfalls ver- iisteln und an die Epitbelzellen berantreten. Diese als Nerven endenden Muskelfasern sind die Neuromuskelfasern Elmer's. Einen Zusammenhang der mesodermalen Nerven mit dem Sinneskorper am aboralen Pole, welcber von friiberen Autoren als Ganglion bescbrieben worden war, konnte Eimer nicbt nacbwei- sen, wenn er ibn aucb fiir wabrscbeinlicb bait; er glaubt daber zur Annabme berecbtigt zu sein, dass keine Ansammlung der Nerven im Sinneskorper stattfindet, mit anderen Worten, dass derselbe kein Centralorgan ist. Eimer bat ferner auf pbysiologiscbem Wege sicb iiber die Bescbaffenbeit des Nervensystems Klarbeit zu verscbaffen gesucbt. Er zerscbnitt Beroiden in 3 in der Langsaxe auf einander folgende Stucke, so dass eines den Mund, ein anderes den Sinneskorper entbielt, das dritte aus dem mittleren Korperabscbnitt gebildet wurde. Alle drei Tbeilstiicke zeigten fast gar keine Verscbieden- heiten sowobl im Vergleicb zu einander als aucb im Vergleicb zu unverletzten Tbieren, nur erbolte sicb das Stiick mit dem Sinnes- korper rascber als die tibrigen. Bei einem zweiten Versucb wurde der Zusammenhang in einer Schwimmplattchenreihe unterbrocben , indem einige Plattcben mit der unterliegenden Gallerte berausgeschnitten wurden. Zuerst fing der obere mit dem ■ Sinneskorper in Zusammenhang stehende Ab- schnitt an seine Ruder zu bewegen, spater trat aucb der untere in normale Function; dabei berrschte zunacbst nocb ein verschie- dener Rythmus in beiden Theilen, bis nach einiger Zeit sicb aucb hierin das normale Verbaltniss wieder hergestellt hatte. Ferner brachte anfanglicb Beriihrung des einen Tbeils nur diesen, nicbt den anderen zum Stillstand, allmahlich aber kam es wenigstens Uober den Bau der Ctenophoren. 429 so weit, (lass wcuu man tleu oberen Tlicil rcizto, auch dcr un- tcre aiifliorte zu sclilagen , Avillirend dcr obere niclit vom unteren aus in seiner Action gelieninit wiirdc. Wcnn man mittelst eines circnlilren Sclmittes den Zusammeuhaug in alien Ileilien der Ru- derpliittclicn aufhob, stellte sicli die pliysiologische Continuitat nicht vollkommen her. Durch seine pliysiologischen Beobachtungen wird Eimer zu demselben Resultat gefiilirt, zu dem er mit Hilfe histologisclier Untersuchungen gelangt ist, dass ein streng localisirtes Centralner- vensystem den Ctenophoren abgeht, dass dagegeu nervose Elemente durch den ganzen Korper verbreitet, wenn auch etwas reichlicher am aboralen Pole angehiiuft seien. Der niedrige Entwicklungs- grad der nervosen Apparate spreche sich auch in der Fahigkeit aus, fiir einander zu vicariiren; in dieser Weise sei es zu erkla- ren, dass durch Einschnitte Storuugen in den Functionen herbei- gefiihrt werden konnten, dass diese Storungen aber nach einiger Zeit wieder ausgeglichen wiirden. Mit der allgemeineu Beurtheilung , welche das Nervenmuskel- system der Ctenophoren durch Eimer erfahren hat, stimme ich der Hauptsache nach iiberein ; ich bin gleichfalls der Ansicht, dass ein achtes Nervensystem vorhauden ist und dass Elemente dessel- ben auch in der Gallerte augetrofFen werden, dass diese letzteren diffus im Korper verbreitet sind und eine irgend wie erheblichere Centralisation vermissen lassen; auch billige ich die von Eimer nach dieser Richtung angestellten Experimente. Wenngleich ich keine Zeit zu methodischen Versuchen hatte und nur gelegentlich Beobachtungen sammeln konnte, so ist es mir gleichwohl aufgefallen, wie wenig die Bewegungen sowolil des gesammten Korpers als auch eiuzehier Plattcheureihen dadurch beeinflusst werden, dass man den Zusammeuhaug mit dem aboralen Polende, resp. dem liier gelegenen Sinneskorper unterbricht. ludessen die Uebereinstimmung beschrankt sich auch nur auf diese Fragen allgemeinster Natur; fast iiberall dagegen, wo es sich darum handelt, die Grundanschauung im Einzelnen durchzufiih- ren, stehen Eimer und ich auf ganz verschiedenem Boden. Um nur das Wichtigste herauszugreifen , so kann ich alle Angaben iiber Ganglienzellen der Gallerte, uber die Anhaufung nervoser Elemente in der Nervea, iiber die Endigung der Nerven im Epi- thel nicht bestiitigen; ich muss auf das Bestimmteste bestreiten, dass die Muskelfasem an ihrem peripheren Ende in Nervenfaden iibergehn und so Neuromuskelzellen bilden. In den Varicosi- 430 Dr. Richard Hertwig, taten, welche nach Eimer vollstandige Uebergaiigsformen zu Ganglienzellen bieten sollen, erblicke ich Kimstproducte , welche um so mehr hervortreten , je sclilechter die Conserviriing der Ge- webe ist, und halte dalier auch nicht den Unterscliied , welchen Eimer zwischen den varicosen Nervenfasern und den nicht vari- cosen Bindegewebsfasern macht, fiir sachlich begriindet. Anderer- seits finde ich einen sehr entwickelten Nervenplexus ini Ektoderni, wo Eimer keine Nerven hat beobachten konnen. Das Alles sind so fundamentale DilSerenzen, veranlasst durch Verschiedenartigkeit in den Beobachtungen , dass die Bilder, wel- che ein jeder von uns vom Ban des Nervensystems entwirft, vollig verschieden ausfallen, wie sehr wir uns auch nahe stehen in den allgemeinen Gesichtspunkten , namentlich in der physiologischen Anschauungsweise , mit welcher wir an die Beurtheiluug der Cte- nophoren herangehen. Ganz besonders treten diese Differenzen da in den Vordergrund, wo es sich handelt, die Bedeutung zu be- stimmen, welche die Ctenophoren fiir die Frage nach der phylo- genetischen Entwicklung des Nervensystems besitzen, eine Frage, auf welche ich im zweiten Abschnitt des allgemeinen Theils noch einmal zuriickkommen werde. Der Auffassung Ei m e r 's steht diametral die Auffassung Ch u n 's (6) gegeniiber, welcher durch seine Untersuchungen zu dem Er- gebniss gefiihrt worden ist, dass im Mesoderm jegliche Nerven fehlen und die Muskeln sich ohne Innervation auf directe Reizung hin contrahiren. Wir wollen gleich hier Halt machen und die Frage priifen, ob diese Annahme sich mit den Lebenserscheinun- gen der Ctenophoren vereiubaren lasst. Die Erfahrung lehrt, dass Reize im Korper der Ctenophoren rasch fortgeleitet werden. Be- ruhrung einer Beroe veranlasst das Thier zu raomentanen Con- tractioiien, bei denen der Trichterpol und die Plattchenreihen ein- gezogen und weit auseinauder gelegene Muskelmassen gleichzeitig in Thatigkeit versetzt werden. Nun wissen wir ferner, dass die Muskelfasern einzeln, durch Gallerte von einander getrennt, vcr- laufen und nur durch feine Faden unter einander verbunden wer- den. Eine Uebertragung des Reizes von Muskelfaser auf Muskel- faser durch die gallertige Grundsubstanz kann von voruhcrein als ausgeschlossen angesehen werden, da iiberali im Thierreich die Bindesubstanzen isolirend wirken. So bleiben allein die verbin- denden Faden iibrig, welche als Leitungsbahnen functioniren konn- ten. Chun schwankt in der Deutung dieser Fiiden, ob es Mus- kel- oder Bindegewebsfasern seien. Wiirden wir es mit Binde- Ucbci' dou Bail dor Ctenoplioren. 431 gewebsfascrn zii tliuii habcn, so ware abermals das Zustandekoni- iiieu dor Roizubertraguiig uuverstaiidlich, da die Biiidcgewebsfasern liierzii eben soweuig geeigiiet seiu wurdeii, wie die Gallerte. WoU- teii wir aber auneliiuen , dass die Faseni dem Muskelsystein au- geliiireD, danii batten wir das paradoxe Verbiiltniss, dass Muskelu, welche iiach ihrer Verlaufsrichtung einander antagonistisch wirkeu iiiiissen, nur gleicbzeitig sich contrahiren koiinteu. Denn die in liede stebendeu Fiideu sind im Allgemeinen seukrecht zum Ver- lauf der Muskelfasern , mit deuen sie sich verbiuden , angeordnet. Auch wiirde die hier vorausgesetzte Annahme keiue Stiitze in der Beobacbtung finden, welche viehiiehr lehrt, dass in den Verbin- dungsfiideu jegliche Spur von contractiler Substanz vermisst wird. Auf Griind aller dieser Erwiigungeu scheineu mir die Lebenser- scheinuugen der Ctenophoren sich nur schwierig mit der Ansicht, dass die Nerven im Mesoderm der Ctenophoren fehlen, vereinbaren zu hissen. In seiner weiteren Darstellung legt Chun den Hauptnach- druck darauf, dass es ihm gelungen sei, ein ektodermales Nerven- system nachzuweiseu, welches keine Beziehungen zu den meso- dermalen Elemeuteu besitze; zu demselben rechnet er den Sinnes- korper und die 8 Meridiaustreifen. Um dies zu verstehen, miissen wir etwas genauer auf die Beobachtungen Chun's eingehen. Der Sinneskorper ist, wie wir oben gesehen haben, eiue Ekto- derm-Verdickung , welche eine aus feinen starren Fasern beste- hende glockenformig gewolbte Platte tragt und mit dieser gemein- sam ein unvollkommen geschlossenes Blaschen bildet. Im Centrum des Blascheus liegt ein Haufen von Otolithen, getrageu von 4 schwingeudcn Federn, durch dereu Thatigkeit er in eiue schwach zitternde Bevvegung versetzt wird. Von eiuer jeden Feder gehen zwei Flimnicrstreifen an die zwei auf einen Quadrauten entfallen- den Plattchenreihen ; ihre Flimmern stossen einerseits an die Fe- der, andererseits an die ersten Plattchen, sie sind reihenweis ge- stellt und durch besondere Form ausgezeichuet , indem ihr letztes Drittel gegen die zwei vorhergehenden rechtwinkelig umgebogen ist; das rechtwinkelig umgebogene Ende einer Wimper ruht dabei auf dem Ende der niichstfolgenden. Der ganze Apparat functionirt nun nach Chun in folgender Weise. ,, Indem die Feder an den Otolithen anschlagt, zieht sie die nachsteu Cilieu an, mit denen sie theilweise verschmilzt" ; „letztere pflauzen mechanisch den einmal ausgciibten Zug fort". So kommt es, dass der durch Anschlagen einer der 4 Federn an 432 Dr. Richard Hertwig, die Otolitheu gegebene Bewegungsanstoss vermittelst des durch Cilienplatteu und Flimmerrinneu gebildeten Leituiigsapparates in kiirzester Zeit auf die beideu Scliwimmplattclien des eiitsprechen- den Quadranten iibertragen wird." „Die Bewegung der Ctenox)lio- reii vermittelst Scliwimmplattchen wird demnach in dem Sinnes- organ regulirt." Gestiitzt auf diese Ergebnisse erklart Chun „das nach Analogie eines Gehororgans niederer Thiere gebaute Sinnesor- gan mitsammt den Polplatten fiir das Centralnervensystem der Rip- penquallen und die von ihm ausstrahlenden acht Radiiir- oder Flim- merrinnen nebst den 8 Ruderreihen fiir ebensoviele von demselben ausstrahlende Nerven" ; und so kommt er „zu der ganz vereinzelt dastehenden Thatsache, dass ein Theil des Centralnervensystems locomotorische Functionen ausiibe." Bei einer Beurtheilung der hier kurz zusammeiigefassten Re- sultate der Chun'schen Arbeit, miissen wir zweierlei auseinander- halten: 1. die Darstellung, welche Chun von der Wirkungsweise des Apparats gegeben hat und 2. die darauf basirende Deutung des Apparats als Nervensystem. Was den ersten Punkt anlangt, so ist durch Beobachtung nur das Fine festgestellt und auch von mir bestatigt worden , dass jede Bewegung der Otolith enfeder in Form einer AVelle sich auf die Wimperrinnen und schliesslich auch auf die Plattchenreihen fortpflanzt ; ob diese Fortleitung in der einfachen Weise, wie Chun will, rein mechanisch erfolgt, ist zunachst noch gar nicht ent- schieden und mir personlich wenig wahrscheinlich. Denn ich kann mir nicht recht vorstellen , wie eine Wimper die nachstfolgende anziehen soil, noch weniger kann ich es fiir eine durch die Beob- achtung bewiesene Thatsache ansehen , dass die Wimpern theil- weise mit einander verschmelzen ; um dergleichen Dinge mit Si- cherheit erkennen zu konnen , miissten die Wimpern derbere Ge- bilde sein, als sie es in Wirklichkeit sind, dagegen lasst es sich wohl denken, dass von Zelle zu Zelle der Reiz fortgeleitet wird und dass das Fortschreiten der Wimperbewegung nur eine Folge dieser Reiziibertraguug ist. Noch in hoherem Grade anfechtbar ist die Ansicht, dass der Otolithenhaufen mit seinen Federn eine Art Centrum sei, welches nicht allein die Bewegungen auslost, sondern sie zugleich auch moderirt. Denn wenn man den Sinneskorper herausschneidet, so hat das keinen ersichtlichen Einfluss auf das Thier, dessen Ruder- plattchen nach wie vor in regelmilssiger Weise weiterschwingen. Auch findet die Ansicht nicht die geringste Stiitze im Bau des TJeber den Ban clei* Ctenophoren. 433 Organs. Wlmiii dcr Zwcck des Ictzteren nur darin bcsteht, die Kiidcii von 8 Flinimerreiheu in Bowegung zu versetzcn, wozu ist daiin dcr Otolithcnhaiifen vorhanden? Das Anschlagen gcgen dcn- sclbon kann docli unmoglicli notliig soin, damit die Bcwcgung dcr \Viniporfcdern sich den ersten Flinnnern mittheilc; eine anderc Annahmc aber, dass das Balancement des Otolithcn den Winiper- federn die ersten Impulse verleilie, vviirde so irrationel sein, dass icb nicht einmal wage sie ernstlich zu bekampfen. Auf ganz andere Vorstellungen werden wir hingewiesen, vvenn wir uns liber die Function des riithselhaften Organs orientiren, indem wir analog gebaute Apparate aus besser bekannten hobe- ren Tliierabtheilungen zura Vergleicb heranziehen. Hierbei kann es gar nicbt zweifelbaft sein und ist bisher aucb von Jedem, wel- cber nicht der hocbst ungliicklichen Hypothese von der Augen- natur des Sinneskorpers beipflichtete, zugegeben worden, dass der Sinneskorper nach demselben Princip gebaut ist, wie die Horbliis- chen der Wirbelloseu. Wir haben in beiden Fallen einen Haufen von Otolithen, der in einem mehr oder minder geschlossenen von Fliissigkeit erfiillten Bliischen in sehr beweglicher Weise suspen- dirt ist; wie in der Mehrzabl der Falle, so wird auch im Sin- neskorper der Otolitbenhaufen von besonders modificirten Wim- pern, den Wimperfedern , getragen. Endlich feblen auch feinerc Flinimern zwischen diesen Wimperfedern nicht, welche die Schwin- gungen des Otolithen zur Wahrnehmung bringen kounten. Bei dieser grossen anatomischen Aehnlichkeit liegt es am nach- sten auch an eine physiologische Verwandtschaft des Sinneskor- pers und der Horblaschen zu denken und unter alien Umstanden an der Deutung festzuhalten , dass ein Sinnesorgan gegeben ist, mit anderen Worten ein Apparat, in welchem Bewegungen perci- pirt , nicht Bewegungen ausgelost werden. "Welcher Art nun die durch den Sinneskorper verraittelten Wahrnehmungen sind, das wird sich wohl iiberhaupt kaum mit Sicherheit feststellen lassen und enthalte ich mich jeder Muthmaassungen iiber diesen Punkt. Nur Eins mochte ich noch hervorheben, dass es bei der physio- logischen Deutung des Organs nicht nothwendig ist, seine Bezie- hungen zu den Meridianstreifen in Betracht zu ziehen. Diese Be- ziehungen werden auch verstandlich , wenn wir der allgemeinen Anschauung folgend annehmen , dass die Wimperfedern und die Ruderplattchen Theile einer Reihe homodynamer Elemente sind und sich beide unter Anpassung an verschiedene Leistungen nach verschiedenen Richtungen bin differenzirt haben. Bd. XIV. N. F. VII, 3. 28 434 Dr. Richard Hertwig, Die hier gegeu die functionelle Deutung des Sinneskorpers und die Meridianstreifen geltend gemachteu Einwande sind nicht die einzigeii Griinde , welche mich verhindern in den genannten Theileu ein Centralnervensystem zu erblicken ; vielmehr bin ich der Ansiclit, dass wenn Alles sicli so verhielte, wie Chun will, wenn die Winiperfedern die Regulatoren fiir die Function der Me- ridianstreifen waren und die Wimperrinnen die Reize auf die Ruder- reihen tibertriigen, Chun gleichwohl genothigt sein wiirde , den Ctenophoren von seinem Standpunkt aus ein Nervensystem abzu- sprechen. Denn die Begrifl'e Nerv, Nervensystem und Centralor- gan des Nervensystems sind anatomisch, histologisch und physio- logisch genau bestimnit und konnen nicht nach dera Belieben des Einzelneu in einem auderen Sinne als tiblich angewandt werden. Unter Nerven verstehen wir Faden, welche der Fortleitung von Reizen dienen und aus Umwandlung von Zellen entstanden sind ; eine reichlichere Anhaufung von Nervenfaden ist fiir den Begriff eines Centralorgans unerlasslich. Beides wiirde in dem vorliegen- den Falle nicht zutretfen, nach Chun's eigener Darstellung wiirde ja die Uebertragung des Reizes vom Ceutralorgan auf die Flim- merrinnen und die Fortleitung innerhalb derselben durch das An- schlagen von Wimper an Wimper herbeigefuhrt werden. Mit dem- selben Recht, mit welchem die Flimmerrinnen als Nerven bezeich- net werden, konnte man jedes Wimperepithel zum Nervensystem rechnen uod konnte man auch bei einzelligen Organismen wie den Infusorien von Nerven reden. Bei der voranstehenden Beurtheilung der Arbeiteu meiuer Vor- ganger habe ich zum Theil schon die Gesichtspunkte hervorge- hoben, von welchen ich bei der Beurtheilung der Ctenophoren aus- gehe; ich brauche daher dem Gesagten nur noch Weniges hinzu- zufiigen, wenn ich jetzt auf eine zusammenfassende Darstellung meiner Befunde und eine Rechtfertigung meiner Deutungen iibergehe. Das Nervensystem der Ctenophoren besteht aus einem ekto- dermaleu und einem mesodermalen Theile. Der erstere tritt in Form eines gangliosen Plexus auf, welcher dicht unter dem Epithel gelegen ist und die ganzi; Korperoberfiache gleich- formig iiberzieht, er lasst sich bei Beroe auch auf den Magen ver- folgcn, wo er durch die Ausbildung der starken ektodermalen Mus- kellage vom Epithel abgedriingt worden ist und daher seinen Platz zwischen Gallerte und Muskulatur einnimmt. Die Maschen seines Netzes werden nur von spiirlichen (2—3) Nervenfiiserchen begrenzt, welche ihrcm Ursprung nach die Ausliiufer multipolarer in den Ueber den Bau der Ctcnophoion. 435 Maschencckon gelcgcner Ganglieiizellen sind und in ihrem Vcr- laufc sicli iiichrfach Yoriistelii. Nirgeiids niacht sicli in dem Pk^xus cine bcginneiule Centralisation durcli Anliaufiing uiner grosscren Anzalil Yon Ganglionzellen geltend, nicht einmal im Umkrcis des Siuneskorpers, welcher daher nicht als Ccntralnervensystem gedcu- tct wurden kann und ausschlicsslich den Worth eines Sinnesoi-gans bcsitzt. Desgleichen sind auch an den Polfeldern, den Winiper- rinnen und Plattchenreihen die Mascheu entweder gar nicht oder nur in einer wenig auffjilligen Weise enger als an anderen Orten. Obwohl eine Verbindung der Elemente des Plexus mit den Sinneszellen des Horblaschens und der Polfeder und den modifi- cirtcn Winiperzellen der P'limmerrinnen und Pliittchcnreihen a priori als wahrscheinlicb angesehen werden muss, so hat sie gleichwohl nicht nachgewiesen werden konnen. Nicht einmal war es moglich, nervose Fortsatze an den Zellen ausfindig zu machen ; ein Glei- ches gilt auch von den Tastzellen, welche, iiberall im Epithel zer- streut, besouders im Unikreis der Mundoffnung von Beroe vorkom- men. Ich verkeune nicht, dass in der Erfolglosigkeit meiner nach dioser Richtuug hin angestellten Untersuchungen ein erhcblichcr Einwand auch gegen meine Resultate hinsichtlich des ektoderma- len Nervensystems gegeben ist; ich halte ihn aber auch fiir den einzigen; denn die Beschaffeuheit des Plexus, seine Verbreitungs- weise und Lagerung sprechen sehr zu Gunsten der vorgetragenen Ansichten, zumal wenn wir die ahnlichen Verhaltnisse, welche mein Bruder und ich friiher bei Medusen, ersterer allein neuerdings auch bei Sagitten aufgefunden hat, zum Vergleich heranziehen. Auch miissen wir im Auge behalten, dass bei der Ungunst der Beob- achtungsbediugungen der Zusammenhang der Ganglienzellen mit den Elementen der Sinnesorgane wohl vorhanden sein kann, ohne dass er sich leicht demonstriren liesse. Von welchem Nutzen moch- ten wohl Sinneszellen sein, wenn die in ihnen zu Stande kommen- den Empfindungeu nicht durch Nerven fortgeleitet werden koniiten? Als einen besonderen Abschuitt des ektodermaleu Nerven- Muskelsystems habe ich oben den Tentakelapparat dargestellt, welcher fiir das Studium der ektodermalen Muskeln ein hervor- ragendes Interesse besitzt, da dieselben hicr unter Formen, welche sonst im Thierreich nicht angetrotien werden, auftreten. Sie sind Fasern von enormer Liinge und gehen an ihrer Basis uber in rei- hcnformig gestelltc Epithelzellen, aus deren Umwandlung sie ent- steheu; sie wachsen somit senkrecht zur Oberflache des Epithcls hervor. 28* 436 Dr. Richard Hertwig, Weniger zufriedenstellend waren die Beobachtungen uber Ner- venfasern ira Tentakel, wenu auch die grosse Zahl von Tastzellen imd die Empfindlichkeit und Leistungsfiihigkeit des Apparats einen Reichtlium au nervosen Elementen erwarten liessen. Ausser den Muskelu liabe icli zwar noch raancherlei faserige Bestandtheile keu- nen gelernt, feinste Fasern unter dem Epithel, zwischen den Mus- keln und endlich auch in der Mitte des Tentakels im Axenstrang. Aber alle zeigten einen so aussergewohnlichen Habitus, dass ich mich nicht leicht entschlossen habe, sie als Nerveu zu deuten; namentlich war ich bei der Beurtheilung des Axenstrangs lange zweifelhaft, da es bei seiner I^age in der Mitte des Tentakels und unter Beriicksichtigung der analogen Verhiiltnisse bei Medusen nahe lag, in ihm eine rudimentare entodermale Axe zu erblicken. Ich habe mich daher vielfach bemiiht an jungen Thieren einen Zusammenhang des Strangs mit dem Epithel der Tentakelgefiisse nachzuweisen ; aber die Erfolgiosigkeit dieser Anstrengungen fiihrte mich immer wieder zu der im speciellen Theil vertretenen An- schauung zuriick, dass es sich um ein ektodermales Differenzirungs- product handele. Als den mesodermalen Theil des Nervensystems be- trachte ich eine grosse Zahl feinster Fiiden, welche von Strecke zu Strecke mit spindeligen Kernen ausgestattet und von einer Hiille, einem Neurilemm, umhiillt sind. Sie verlaufen einzeln wie die Muskelfasern in der Gallerte und endigen beiderseits verastelt am Epithel, wobei sie eine Strecke weit unter demselben hinziehen und nach ihm zu feine Auslaufer abgeben. Wahrscheinlich hangen die Auslaufer mit den Faden des ektodermalen Plexus zusammen, wenn es auch nicht durch directe Beobachtung hat nachgewieseu werden konnen; dagegen wird die Ansicht Elmer's, dass je ein Nerven- ende an eine Epithelzelle herantrete und dass alle Epithelzellen auf diese Weise versorgt werden, schon durch die geringere Zahl und abweichende Anordnungsweise der Nervenenden widerlegt. Gewohnlich halten die Nervenfaden bei ihrem Verlauf durch die Gallerte eine Richtung ein, welche zur Richtung der Mus- kelfasern senkrecht ist; wo sie die letzteren kreuzen, verbinden sie sich mit ihnen mittelst kurzer Seiteuaste, die an der Mus- kelfaser mit einer dreieckigen Verbreiterung aufhoren. In ahn- licher Weise anastomosiren die Nervenfaden auch unter einander. In der Vertheilung der Nervenfaden in der Gallerte herrscht im Allgemeinen eine grosse Regellosigkeit bei den Ctenophoreu; TJeber den Bau der Ctenophorou. 437 constant fiiiden sich bei alien Arten nur die 8 unter den Meridian- streifen verlaufenden Xervcnzuge wieder. Wenn icli die beschriebenen Elemcnte dcm Nervensystcni zu- rechne, so werde ich liierzu durch folgende Uebcrlegiingcn bestininit. Zuniiclist ist fiir niich die sclion oben vertheidigte Grundanschau- ung niaassgebeud, dass die Lebensersclieinuugen der Ctenophoren niclit gut oline die Anualime eines mesodermalen Nervensystems Yerstiindlich sein mochten. Seitdeni durcli die neueren Uuter- suclimigen mit Sicherheit Nerveu bei den Medusen uud Actinieu nacllge^Yieseu wordeu sind, ist kein Fall im Thierreich bekaunt, in welchem complicirtere und rascliere Muskelbewegungen ohne gleicbzeitige Anwesenbeit von Nerven zu Stande kilmen. Sollteu die Cteuopboren in dieser Hinsicht eine Ausnahme machen? Ferner erinueru die Nervenfaden der Ctenopboren in ibrem bistologiscben Verbalten an die Nervenfaden wirbelloser Tbiere, sie besteben aus einer zarten und weicben Masse, wesbalb sie eine Tendenz zur Bildung von Varicositaten besitzen ; die zeitweilig von ibnen entspringenden Seiteniiste verbinden sicb mit den Muskel- taden in einer Weise, welcbe den Nervenendigungen an den Mus- keln der Tardigraden so abnlicb ist, dass scbon vor langerer Zeit Kolliker durcb dies Verbalten zur Frage veranlasst wurde, ob die Faden nicbt in der Tbat aucb Nerven seien. Auf der anderen Seite treten aber in der bistologiscben Be- scbaft'enbeit aucb mancbe Eigentbiimlicbkeiten bervor, welcbe wir sonst nicbt an Nerven beobacbten. Die Nerven boberer Tbiere entspringen aus den Centralorgauen als Faden von ansebnlicber Dicke und verasteln sicb nacb der Peripberie, bis die letzten En- den entweder in einem Sinnesorgan oder an einer Muskelfaser auf- boren. Die Nervenfaden der Ctenopboren dagegen sind beiderseits gleicbformig verastelt ; niemals treten die Endaste an die Muskeln beran, welcbe stets durcb kleine seitlicbe Abzweigungen versorgt werdeu. Allein abgeseben davon, dass man das abweicbende Ver- balten aus dem Mangel an Centralisation des Nervensystems er- kliiren kann, so wiirden uns nocb grossere Verlegeubeiten entsteben, wenn wir die Nervenfasern der Ctenopboren mit anderweitigeu Gewebselemeuten vergleicben wollten. Waren die Faden Muskeln, wie wtirde es sicb dann erklilren, dass sie bei Cydippe bormipbora einen ganz anderen Bau besitzen, als die cbarakteristiscben Muskelbiluder dieser Art? wie ist mit dieser Ansicbt weiter der Mangel contractiler Substanz vereinbar? Man konnte nun annebmen, dass die contractile Substanz erst noch 438 Dr. Richard Hertwig, gebildet werclen solle, dass die feinen Faden Eutwicklimgszustande coiitractiler Faseru seien. Dem steht aber die Thatsache gegen- iiber, dass die Faden im Koi-per der Ctenoplioreu einen bestimra- ten Verlauf einhalten und, wie dies naraentlich fiir Beroe mid die Tastpapillen von Eucharis uacligewiesen werden kann, bei jungeu und alien Thieren ganz gieicliartig sind, wodurch es unniogiicli ge- macht vvird sie als Entwicklungsformeu zii deuten. Es bliebe schliesslich nur nocli der Vergleicli mit den Stiitz- faseru iibrig, wie sie in den Geweben pelagisclier Thiere vorkom- men und der zarten Gallerte grossere Festigkeit verleihen. Icli kenne dieselben sowolil von den Medusen als audi von den pe- lagisclien Sclmecken (Pliyllirhoe und Heteropoden). Bei ersteren sind die Fasern kernlos, vollkommen lioniogen und an beiden En- den verastelt, durcli Osmiumsaure werden sie etwas gebraunt. Bei letztcren sind sie diinne Flatten, die sicli an beiden Enden dicho- tomisch verasteln, indeni die Platte zunaclist zwei Fortsatze bildet, diese sidi wieder tlieilen, bis schliesslich feinste starre Fadchen entstanden sind. Man kann sich das Ganze am besten vorstellen, wenn man einen breiten Papierstreifen von den Enden aus der Liinge nach einschneidet, sodass ein Mittelstiick unversehrt bleibt, die Endtheile aber mit jedem neuen Schuitt weniger tief gespalteu werden. An dem soliden Mittelstiick findet sich nun stets eine Bildungszelle fiir die Stiitzfaser vor, eine Protoplasmamasse mit Kern, vvelche einer der beiden Breitseiten iiusserlich angefiigt ist. Die Stiitzfasern der Medusen sind von den hier als Nerven gedeuteten Elementen schon hinliingiich durch den Mangel der Kerne unterschieden ; aber auch die Stiitzfasern der genannten Mol- lusken, obwohl sie im Anschluss an Zellen entstanden sind, zeigcn in ilireni Bau wichtige Differenzen; sie sind von ihrer Bildungs- zelle scharf gesondert und bewahreu den ihnen eigenthiimlichen Charakter starrer fester Gebilde bis in ihre feinsten Ausliiufer, wiihrend die Enden der Ctenophorennerven Zellen sind, welche zahlreiche Endfiiden aussenden. iS^irgends verbinden sich die Stiitzfasern unter einander, noch treten sie in Beziehung zu den Muskelfasern , wenn ihnen hierzu auch vielfach Gelegenheit gebo- ten wird, wiihrend dieses Merkmal bei den Ctenophoren so leicht zu constatiren ist. Das Besultat der histologischen Beurtheilung der feinen in der Gallerte der Ctenophoren verlaufenden Fiiden kann icli wohl dahin zusammenfassen, dass sie mit keinerlei bekannten Elementen aus den Geweben hoherer Thiere eine grossere Uebereinstimmung Ueber den Bau der Cteuoplioreu. 439 bcsitzen, dass sie sicli abcr am mcisten uocli mit den Nervcnfasern (ler ^^'il•l)c]loscu vergleiclicn lasscn. Dies zusamiiien genonimeii mit (leii allgomeiiion Envagimgeu, welclie mir die Aiiwesciiheit eincs mcsixlermalen Xervcnsystems als ein pbysiologisches Erforderiiiss crsclieiiieii lasseu, bestimmen micb die Fiideii fiir Nerveu zii er- klilren. Icb mocbte diesc Erorteriingen uicbt abscbliessen, obuc moiii liedaueru auszudnicken , dass icb keiiie Gelegenbeit gebabt babe, jctzt, uacbdeui icb micb durcb die Bearbeitung coiiservirten Ma- terials iiber die Verbxiifsricbtimg der Elemeute in der Ctenopboren- gallerte orieutirt babe, uocb einmal lebeude Tbiere zu uutersucben ; es wiire dauu vielleicbt moglicb geweseu, die Cbarakteristik der iiiesodermaleu Tbeile uocb scbilrfer zu fassen, als es oben gescbe- beu ist. Namentlicb will icb auf zwei Punkte aufmerksam macbcn, erstens ware eiue metbodiscbe Bebaudlimg mit Reagentien wiin- scbenswertb, zweitens aber kouute wobi die Uutersucbung mit dem Polarisationsmikroskope fiir die Unterscbeidung muskuloser und auderweitiger Fasern gute Dienste leisten. II. Stellung der Ctenophoren zu den iibrigeu Coelen terateu. Als Eimer in seiner Arbeit iiber Beroe ovatus das Nerven- muskelsystem besouders eingebend bescbrieb, kam er zu dem Re- sultat, dass dasselbe fiir das Verstiinduiss der pbyletiscben Eut- wicklung der Nerveu und Muskelu im TbieiTeicbe eiue ganz ausser- ordentlicbe Bedeutung besitze. Er kniipfte bierbei an zweierlei Verbaltnisse an, einmal an die durcb zablreicbe entwicklungsge- scbicbtlicbe Beobacbtuugeu bewiesene Tbatsacbe, dass bei den boberen Tbieren, den Artbropodeu namentlicb und den Wirbeltbic- ren, das Nervensystem von dem ausseren Keimblatt aus gebildet werde, und zweitens an die kurz zuvor vou Kleinenberg in seiner Mouograpbie der Hydra vorgetragene Neuromuskeltbeorie. Bei Beroe solle der Xeuromuskelapparat eiue bobere Ausbilduug erfabren baben als bei Hydra, iudem die Nerveu aucb luorpbo- logiscb erkeunbar seien, was fiir Hydra nicbt zutreffe ; fenier erin- nere das Nervensystem an Zustande, welcbe bei boberen Tbieren entwickluugsgescbicbtlicb durcblaufen wiirden. Denn „die Auffas- sung des verdickten das aborale Korperende vou Beroe bedecken- deu Tbeils der Nervea als Ceutralorgau des Nerveusystems wiirde, sobald wir die letztere als Abkommling des Ektodenns betrach- 440 Dr. Eichard Hertwig, ten, mit dem Gesetz vom Connex zwischen Eutwicklungsgeschichte und Phylogeuie in hochster Uebereinstimmung stehen," Da ich sclion friiher zu den Beobachtungen Elmer's eine be- stimmte Stellung genommen habe, so ist es iiberflussig nocli wel- ter zu erortern, wle weuig feststebend die empirlsche Grundlage 1st, auf welcber die referlrten pbylogenetischeu Folgeruugeu auf- gebaut werdeu ; es bleibt mlr nur iibrig zu zeigen , dass Elmer die Bcdeutung der Ctenopboren falscb beurtbeilt bat, selbst weun man voraussetzen wollte, dass er ein rlcbtiges Blld von ibrem Nervenmuskelsystem eutworfen babe. 1. Glebt es bei boberen Tbleren ein Stadium in der Eut- wickluug des Nervensystems , welcbes dem ausgeblldeten Nerven- system der Ctenopboren verglelcbbar ware und durcb dasselbe In Irgend welcber Welse naber erlautert wurde? Um diese Frage zu beantworten stelle Icb mit wenlgen Worten die elnscblaglgen Verbaltnlsse einander gegeniiber. Das Nervensystem der meisten Tbiere, welcbe die Classe der Coelenteraten an Hobe der Organisation iibertreffen, llegt im Me- soderm, entwlckelt slcb dagegen aus dem ausseren Keimblatt; ebenso verbrelten slcb aucb die Nervenfasercben der Ctenopboren in der Gallerte, welcbe von alien Autoren mit Recbt als Meso- derm bezelcbnet wlrd; sie entsteben, wle dies zuerst durcb Ko- walevsky bewiesen wurde, aus amoebolden Zellen, welcbe elu- gewanderte Zellen des ausseren Keimblatts sind. Beide Formeu des Nervensystems baben somit Ibre Lagerung im Mesoderm und ibre Abstammung aus dem Ektoblast gemelnsam, so dass in dieser Hlnsicbt kein erkliirendes Licbt von dem einen auf das andere fallen kann; sie unterscbeiden slcb von einander, insofern das Nerveusystem der boberen Tbiere, wenigsteus das Centralorgau, als ein einbeitlicber in slcb abgegliederter Apparat im ausseren Keimblatt angelegt wird und als solcber in das Mesoderm iiber- tritt , wabrend bei den Ctenopboren es slcb von Anfang an um isolirte Zellen bandelt, welcbe aucb spater im Mesoderm slcb nicbt zu einem Centralorgau vereinigen; ob dieselben oberflacblicb reicb- licber als in den tieferen Gallertscbicbten sind, ist principiell voll- kommen gleicbgiiltig. Sollte nun die Auffassung Elmer's nicbt gegenstaudslos sein, so wiirde sie die Annabme voraussetzen, dass aucb bei den Tble- ren mit einbeitlicbem mesodermalem Ccntralnervensystem die Ele- mente desselben urspriinglicb zerstreut im Mesoderm gelegen und erst secundar zu einem Centralorgau zusanmiengetreten wareu. tJeber den Bau der Ctenophoren. 441 Diese Anualime, welchc ich ubrigens auf keiuer Seite der Ei- mer'scheii Arbeit ausgesproclieii fiiide, ist mit den entwicklungs- gescliiclitlicheu Thatsaclieu imvereiubar uud wird durch die ver- gleiclieude Anatomie des Nerveusystems direct widerlegt. Bei zahlreichen NMirnieni, den Sagitteu und vielen Auneliden, und bei vieleu Echinodermen, den Asteriden und Crinoiden, tiudet sicli das Nervensystem uocli ini Ektoderm, aber schon zu eineni einheit- liclien Organ umgebildet ; bei auderen Anneliden ist es in die Tiefe geriickt, liegt aber noch ausserhalb der Muskulatur; schliesslich trctien ^Yir es in der Mehrzahl der Falle durch die Wucherung des Muskelschlauchs vom Integument abgedrangt. Auf diese That- saclien, welche, als Eimer's Studien auf Capri erschienen, zum Tlieil schon bekannt waren , miissen wir zuriickgreifen , wenn wir uns im Allgeraeinen von der phyletischen Entwicklung des Nerveu- systems bei Arthropoden und Wirbelthieren Vorstellungen bilden wollen. 2. Was nmi ferner das Verhaltniss der Ctenophoren zu den ubrigen Coelenteraten anlangt, was haben denn die Neuromuskel- zellen der Beroe mit denen der Hydra gemeinsam? doch nur das Eine, dass in dem einen wie in dem anderen Falle ein continuirlicher Zusammenhang von Nerv und Muskel angenommen wird, der ja bekanntlich auch fiir die Nerven und Muskeln der hoheren Thiere von verschiedenen Seiten behauptet worden ist. Sonst ist doch aber auch Alles anders ! Die Neuromuskelzelle der Hydra ist ein ekto- deiTuales, die Neuromuskelfaser der Beroe ein mesodermales Ele- ment. Kleinenberg schrieb den Neuromuskelzellen der Hydra eine grosse phylogenetische Bedeutung zu, weil in ihnen alle Theile des Neuromuskelsystems enthalten seien, indem eine Zelle sowohl das Sinnesorgan, als auch den leitenden Apparat und die Muskel- faser liefere. Die Neuromuskelfasern der Beroe dagegen wiirden nur aus Nerv- und Muskelfasern bestehen, wahrend die Sinneszel- len, mit welchen Eimer sie zusammenhangen lasst, aus getrenn- ten Anlagen hervorgehen, welche erst secundar mit den Neuro- muskelfasern in Verbindung treten. Denn die aus dem Ekto- derm ausgewanderten Zellen, welche sich zu den mesodermalen Elementen weiter entwickeln, stehen urspriinglich mit den Epithel- zellen nicht im Zusammenhang. Ich halte es uberhaupt fiir ein verfehltes Bestreben, den Bau der Ctenophoren als eine weitere Ausbildung der bei den Hy- droiden bestehenden Zustande darzustellen, vielmehr bin ich der Ansicht, dass das Nervenmuskelsystem der Ctenophoren — die 442 Dr. Richard Hertwig, Richtigkeit der von mir gegebenen Deutungen vorausgesetzt — einerseits und das Nervenmuskelsystem der Hydroiden uud Antho- zoen andererseits zwei durchaus verschiedene Entwicklimgsrichtuu- gen reprasentiren , welche dasselbe Organsystem in derselben Hauptabtheilung des Thierreichs genommen hat. Um dies zu be- weisen gehe ich auf einen Vergleich der beiden hier einander ge- gentibergestellten Gruppeu ein. Bei den Actiuien und Hydroiden entwickeln sich die Nerven und Muskelfasern im Epithel; einzelne Epithelzellen scheiden an ihrem basalen Ende Muskelfasern aus und bilden Epithelmuskel- zellen (Neuromuskelzellen , Kleinenberg); andere verlangern sich in Auslaufer und werden zunachst zu Sinneszellen oder auch Epithelganglienzellen. Auf einer hoheren Ausbildungsstufe verlie- ren die genannten Elemente ihren Antheil an der Begrenzung der Korperoberflache und es entstehen subepitheliale Muskelzellen und subepitheliale Ganglienzellen. Dieser histogenetische Process spielt sich bei den Medusen vorwiegend im Ektoderm ab, bei den Acti- nien dehnt er sich auf das Entoderm aus. Eine grossere Anhau- fung nervoser Theile im Ektoderm im Umkreis der Sinnesor- gane ftihrt zur Differenzirung central er Apparate, wie solche bei den Craspedoten im Ringnerven am Schirmrand, bei den Acraspe- den in den 8 Randkorpern , bei den Actinien in dem Nervennetz der Mundscheibe gegeben sind. Ueberall wo wir Theilen des Ner- venmuskelsystems im Mesoderm begegnen, stammen dieselben aus einer der beiden Epithellagen ; sie sind aus denselben iibergetre- ten, nachdem sie in dem Epithel fertig gestellt und histologisch ditferenzirt waren. So wandert der Ringmuskel am Peristom der Actinien vom Entodenn aus in das Mesoderm, die Tentakelmus- keln der Tealien und Charybdeen und die subumbrellareu Muskeln der Aequoreen treten in gleicher Weise aus dem Ektoderm in die mittlere Korperschicht. Dagegen betheiligt sich das mesodermale Zwischengewebe, auch wo dasselbe, wie bei den Corallen, Actinien und vielen Acraspeden, Zellen enthalt, in keiner Weise an der Hervorbildung von Nerven- und Muskelgewebe. Zwar hat Eimer die Zellen und Sttitzfasern der Gallerte der Acraspeden zum Theil als nervos in Anspruch genommen , ich kann diesen Versuch aber um so eher als gescheitert betrachten, als nicht allein mein Bru- der und ich, sondern auch S chafer und Glaus auf Grund mor- phologischer Untersuchungen, Romanes auf Grund physiologischer Experimente die Existenz von Nervenfaden in der Gallerte in Ab- rede gestellt haben. Ueber den Bau der Ctenophorcu. 443 Wer bei deu Ctenophorcn iiach Analogiecn mit don Meduseu sucht, muss an deu ektodcrmalen Ncrvenplexus , der uberall vor- handen ist, uud an die ektoderuialen Muskelfaseru , welcUe hier uud dort zerstreut vorkoniiuen, ankniipfen; der erstere war Einier unbekannt gcbliebeu, die letztereu, welche unter Andereni audi den Magen von Beroe auskleiden, sind von ihm in ihren Beziehun- gen zu den priniitiven Korperschicliton Ektoderm, Entoderm und Mesoderm nicht nilher gewiirdigt worden. Auch sind diese ekto- dcrmalen Theile lange nicht von der Bedeutung wie bei den Me- duseu und Actiuien, wie denn das ektodermale Muskelsystem nur eine kiinmierliche Entfaltung besitzt. Um so mehr tritt der Antheil in den Vordergrund, welcben das Mesoderm am Nerveumuskelsystem hat, in sofern es sich durch einen bei den Medusen und Actinien fehlenden Reichthum von nervosen und muskulosen Faden auszeichnet. Dieselben leiten sich gleichfalls aus einer der primitiven Korperschichten ab, wie das ja nicht anders moglich ist, speciell aus dem ausseren Keimblatt, aber in einer durchaus anderen Weise, als die mesodermalen Muskelfaseru der Medusen; sie scheiden vom Epithel nicht als fertige Nerven- oder Muskelfaseru aus, sondern als inditferente amoeboide Zellen, welche erst in der Gallerte ihre histologische Weiterentwicklung erfahren. Das Nervenmuskelgewebe der Cteno- phorcn verdankt seine Entstehung der histologischen Fortbilduug des Secrctgewcbes , welches zwischen Ektoderm und Entoderm schon friihzeitig cntstanden ist, wahrend der cntsprechende Theil des Meduseu- und Actinienkorpers allein zum Stiitzgewebe aufge- braucht wird. Das Nervenmuskelgewebe der iibrigen Coelentera- ten ist dagcgcn stets aus dem Epithel hervorgegangen. Mit dieser verschiedencn Entwicklungsweise hangt auch ein auffalliger Unterschied in der histologischen Beschaffenheit der mesodermalen Muskelfaseru zusammen. Bei den Actinien und Me- dusen sind es Biindel von Muskelfibrillen , welche sich um eine protoplasmatische vielkernige Axe gruppiren ; die protoplasmatische Axe entspricht nach der Art ihrer Entstehung zahlreichen ver- schmolzenen Zellen; bei den Ctenophoren ist jede der Muskelfa- seru eine lauggestreckte vielkernige Zelle, welche aus dem Wachs- thum einer einkernigen Zelle hervorgegangen sich mit einem ho- mogenen, nicht aus Einzelfibrillen zusammengefiigten Mantel von Muskelsubstanz allseitig umgeben hat. Die wichtigen Unterschiede in der Entwicklungsweise und Be- schaffenheit des Neuromuskelsystems bei den Ctenophoren und den 444 Br. Eichard Hertwig, iibrigen Coelenteraten, auf welche ich hier aufmerksam gemacht habe, scheinen mir auch fiir die Bestimmung der systematischen Stel- lung der Ctenophoren nicM ohne Bedeutung zu sein. Dieselbe ist in der Neuzeit von Haeckel (23) sehr ausfiihrlich erortert wor- deu. Ausgehend von einer neu aufgefundenen sehr interessanten Medusenform , der Ctenaria ctenophora, welche in der Anordnung ihrer Radialcanale und ihrer beiden einfach gefiederten Tentakeln tiberraschende Aehnlichkeiten zu den Ctenophoren bietet, hat Hae- ckel zwischen den Organen der Ctenophoren und der Medusen Homologieen gezogen. Den Magen der ersteren vergleicht er der Schirmhohle der letzteren, den Trichterraum dem oberen Ende des Medusenmagens, von welchem die Radialgefasse ausgehen; die 8 Reihen der Ruderplattchen den 8 Nesselzellenreihen , welche bei manchen Anthomedusen vorkommen. Indem er ferner die Kleb- zellen der Ctenophoren als modificirte Nesselzellen deutet und die Entstehung der Geschlechtsproducte entlang den Radial- resp. Rip- pengefassen in beiden Abtheilungen fiir gleichwerthig halt, kommt er zum Schluss, dass die Ctenophoren umgewandelte Medusen sind und speciell von den Cladonemiden abgeleitet werden mtissen. Wie sehr ich nun auch die Abstammung der Ctenophoren von den iibrigen Coelenteraten als eine brennende Frage ansehe, so ist es mir doch zweifelhaft, ob dieselbe in der hier dargestell- ten Weise schon jetzt ihre Losung gefunden hat. Will man an- nehmen, dass die Ctenophoren aus Medusen, ahnlich den jetzt lebenden Formen, entstanden sind, so miisste man auch anneh- men, dass die hohe histologische Diiferenzirung des Ektoderms, das Centralnervensystem , die ektodermale Muskulatur vollig ver- loren gegangen seien, dass dagegen die zellenlose Gallerte sich mit Zellen bevolkert und dann eine durchaus neue Entwicklungs- richtung eingeschlagen habe. Man miisste ferner annehmen, dass die in den subumbrellaren Wandungen entstehenden Geschlechts- producte auf die exumbrellare Seite heriibergeriickt und dass die alten als Gefassausstiilpungen zu betrachtenden Tentakeln der Me- dusen durch einen durchaus neuen Tentakelapparat ersetzt worden seien. Die Moglichkeit von solch tief greifenden Umgestaltuugen ist mir unwahrscheinlich ; aber ebenso wenig neige ich mich einer zweiten Moglichkeit zu, dass die Medusen, als sie die ersten zu den Ctenophoren iiberleitenden Umbildungen erfuhren, alle hier aufgefiihrten Differenzirungen noch batten vermissen lassen. Hiermit soil nun keineswegs gesagt sein, dass ich in der auch yon Huxley befiirworteten Weise die Ctenophoren in die Nahe der Ueber den Bau dor Ctenophorcn. 445 Actinicu bringe; cs wurdcii hiergegen alle oben aufgeftihrteu Ein- wiirnic strciten uiid ausserclem wiirtle zu deiisolbcu uoch die ver- schicdone EDtwickluugswcise dor Geschleditsorgane hiuzukonimcn, da Ictztere bei deu Cteuopliorcu dem Ektodcrm, bei den Actinien dagegeu dem Entoderm angelioren ; das macht mir eine nahere Be- ziehuug zu den Actinien noch unwalirscheinlicher. "Will man sich iiber die Desceudenz der Ctenophoren Vorstel- lungen bilden, so sclieint es mir geboten auf sebr indifferente Ur- formen zuriickzugreifen , bei deneu vielleicht als einziges Merkraal des Coeleuteratenstammes die Tendenz zur radialsymmetrischen Entwicklung der Korpertlieile gegeben war. Selbst die Nesselzel- len konnen nicht als gemeinsam angesehen werden; sie sind von deu Greifzellen oder Klebzellen der Ctenophoren so ausserordent- lich verscbieden, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie die eine Form aus der auderen entstanden sein konnte. So wiederholt sich in systematischer Hinsicht dasselbe, was ich mehrfach bei der morphologischeu Beurtheilung hervorgehoben habe, dass die Cte- nophoren Organismen sind, welche sich von den iibrigen Coelen- teraten sehr weit entfernen. 446 Dr. Richard Hertwig, Literaturverzeichniss. 1. Agassiz, Alexander, Illustrated Catalogue of the Museum of comparative Zoology at Harvard College. No. II. North American Acalephae. 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Gegenbaur, C. , Studien iiber Organisation und Systema- tik der Ctenophoren. Archiv f. Naturgeschichte Jahrg. 22 Bd. I p. 162 —205 mit 2 Tafeln. 1856. 22. Grant, On the nervous system of Beroe pileus and on the structure of his cilia. Transactions of the Zoolog. Society. Vol. I. 1835. (Citirt nach Eimer und Patterson.) 23. Haeckel, E. , Ui'sprung und Stammverwandtschaft der Cte- nophoren. Sitzungsberichte der Jenaischen Gesellsch. fUr Medic, und Naturw. Jahr 1879. p. 70 — 79. 24. Hensen, Studien iiber das Gehororgan der Decapodcn. Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. XIII 1863. p. 481—514. 25. Kolliker, A., Bericht iiber einige im llerbst 1852 in Messina angestellte vergleichend anatomische TJntersuchungen. II, Qual- len. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie Bd. IV p. 315—320. 26. Derselbe, Kurzer Bericht iiber einige im llerbst 1864 an der "Westkiiste von Schottland angestellte vergleichend anatomische 448 Dr. Richard Hertwig, Untersuchungen. "Wiirzburger naturw. Zeitschr. Bd. V p. 232 — 250 mit 1 Tafel. 1864. 27. Deraelbe, Icones Histiologicae oder Atlas der verglei- chenden Gewebelehre. 2. Abth. Leipzig 1865. 28. Kowalevsky, A., Entwicklungsgeschichte der Rippenqual- len. Memoires de TAcademie de St. Petersbourg. VII. Serie Tome X No. 4. 29. Krohn, A., Ueber die mannlichen Zeugungsorgane der Ascidien und Salpen. Froriep's Neue Notizen 1841 Januar No. 356 p. 49—53. 30. Lesson, R. P., Memoire sur la famille des Beroides. Annales des Sciences Nat. Zool. Ser. II Vol. 5 p. 235. 31. Mortens, H. , Beobachtungen und Untersuchungen iiber die Beroeartigen Acalephen. Memoires de I'Academie de St. Peters- bourg S. VI T. II p. 479—543. mit 13 Tafeln. 1833. 32. Patterson, Robert, On a species of Beroe found on the North-east Coast of Ireland. The Edinburgh New philosophical Jour- nal Vol. XX p. 26—37. October 1835— April 1836. 33. Strethill Wright, Edinb. new philos. Journal T. IV p. 85 — 92 u. p. 316. (Citirt nach Leuckart, Jahresbericht im Ar- chiv f. Naturgeschichte Jahrg. 25 Bd. II p. 199.) 33*. "Wagoner, R. G. , Ueber eigenthiimlich gestaltete Haare der Beroe und Cydippe. Archiv f. Anatomic u. Physiol. Jahrg. 1847 p. 193—194. 34. Derselbe, Ueber Beroe (ovatus?) und Cydippe pileus von Helgoland. Archiv f. Anatomie und Physiologic Jahrg. 1866 p. 116 — 133 mit 3 Tafeln. 35. Will, Fr. , Horae Tergestinae oder Beschreibung und Ana- tomie der im Herbst 1843 bei Triest beobachteten Acalephen. Leip- zig 1844. XJebcr den Bau der CtenophorcQ. 449 Tafelerklarung. Fiir alle Figuren gelten folgende Bezeichnungen. n Deckzellen. b Siuueszellen. // mit Tastborsten. //' mit Taststiften. d Driisenzellen. ek Ektoderm. em Mesoderm. en Entoderm. / Neryenplexus im frischen Zustand. g Ganglienzellen. ge Epithel des Genitalsinus. gi Genitalsinus. gs Genitalsackchen. gv Verbindungsstriinge der Geschlechtsorgane mit dem Ektoderm. h Flimmertrichter. I Elastisches Band im Seitenfaden von Euplocamis Stationis. k Klebzellen der Tentakeln. k' Anlagen der Klebzellen. kf Contractiler Faden der Klebzellen. kf Verlangerung des con- tractilen Fadens bei Cydippe und Euplocamis. / Protoplasmanetz im Seitenfaden von Cydippe hormiphora. m Muskelfasern. n Nervenfasem. 0 Ovarium und Eizellen. p Hoden und Hodenzellen. q Zellenstrang der Tentakelwurzel, von welchem sich die Anlagen der Seitenfaden loslosen. /' Anlagen der Seitenfaden. s Seitenfaden der Tentakeln. t Tentakelstamm. ta Axenstrang des Tentakelstammes. ta der Seitenfaden. tb Rindenschicht des Tentakelstamras. tb' des Seitenfadens. tc Das kornige Band, welches die Muskelschicht des Tentakelstamms durchsetzt. Bd. XIV. N. F. VII, 3. 29 450 Dr. Richard Hertwig, th Tentakelhaken der Cestiden. tm Mittelstrang der Tentakelwurzel. tin XJrsprung der Mukelfasern. //// Ursprung des Axeustrangs. tin" Cylinderzellenschicht des Mittelstreifens. tn Seitenfelder der Tentakelwurzel. tr Tentakelrinne der Cestiden. /* Tentakelsack. tv Verbindungsstrang der Seitenfadeu der Cestiden. V Gefasse des Gastrovascularsystems. ve Trichtergefass. ve Ausmiiudung am aboralcu Pole. vh Hauptgefass. vr Eippengefass. vl Tentakelgefass. w Wimperrinnen. X Polplatten. y Euderplattchen. z Matrix der Euderplattchen. Alle Angaben iiber Vergrosserungen beziehen sich auf Zeiss'sche Systeme. Die Vergrosserungen derselben betragen : A. Oc. 1: 55. Oc. 2: 70. C. Oc. 1: 95. Oc. 2: 125. D. Oc. 1: 195. Oc. 2: 240. J. Oc. 1: 470. Oc. 2: 580. Tafel XV. Fig. 1 und 4. Driisenzelleu und Taststifte von der Endscheibe der Tastpapillen von Eucharis multicornis ; im frischen Zustand. J. Oc. 2. Fig. 2, Epithel mit Nervenplexus von Cestus Veneris im fri- schen Zustand von der Flache betrachtet. D. Oc. 2 um ^/^ verkleiuert. Fig. 3. Dasselbe von Beroe ovatus. D. Oc. 2 um ^/g verkleinert. Fig. 5. Endscheibe der Tastpapillen von Cestus Veneris vender Flache betrachtet; im frischen Zustand; Driisenzelleu uud Taststifte. J. Oc. 2. Fig. 6. Epithel der Korperoberflache von Callianira bialata nach Silberbehandlung von der Flache betrachtet. J. Oc. 2. Fig. 7. Epithel mit Nervenplexus und Taststiften aus der Nahe der Wimperrinnen von Beroe ovatus ; Flachenpraparat im frischen Zu- stand betrachtet. J. Oc. 2. Fig. 8. Dasselbe nach Behandlung mit Osmium-Essigsaure. J. Oc. 2. Fig. 9, Glatte Muskelfasern, Klebzellen uud Tastzellen von den tfeber den Bau der Cteuoplioren. 451 Scitenfiiden des Tentakels von Euplocamis Stationis, nach Behand- luug mit Osmium-Essigsiinre durch Zerzupfen isolirt. J. Oc. 2. Fig. 10, Nervose (?) Fiidon von der Oberfiiiche des Tentakel- stamnis von Callianira bialata durch Zerzupfen zerfasert. J. Oc. 2. Fig. 11. Plexus der Korperoberfliiche von Callianira bialata nach Behandluug mit Osmium-Essigsiiure. J. Oc. 2. Fig. 12. Ein kloines Stiick einer Tentakelrinne von Cestus Veneris nach Behandluug mit Osmium-Essigsiiure. Sichtbar ist der Verbiiidungsstrang des Nebententakels und die Tentakelhaken. J. Oc. 1. Fig. 13. Plexus der Haut uud ektodermale Muskelfasern von Cydippe hormiphora nach Behandlung mit Osmium-Essigsiiure. J. Oc. 2. Fig. 14. Epithel eines Seitenfadens vom Tentakel der Cydippe hormiphora von der Fliiche betrachtet. Osm.-Essigs.-Priip. J. Oc. 2. Fig. 15. Epithel des Tentakelsacks von Cydippe hormiphora mit anhiingeuden Ganglienzellen von den darunter gelegenen Muskel- fasern nach Maceration in Osmium-Essigsiiure abgehoben. J. Oc. 2. Tafel XVI. Siimmtliche Figuren beziehen sich auf Carminosmiumpriiparate von Callianira bialata. Fig. 1. Querschnitt durch den Korper einer Callianira bialata, zur Hiilfte dargestellt. Man sieht 4 Pliittchenreihen mit den 4 zu- gehorigen Rippengefassen (vr), den oberen Theil der Tentakelwurzel {tm) und der Tentakelhohle (fs), die zwei Tentakelgefasse (vt), welche vom Schnitt getrofFen wurden da , wo sie mittelst des Hauptgefasses (v/i) unter einander zusammenhangen. ^-Z mit abgeschraubter Front- linse. Oc. 2. Fig. 2. Liingsschnitt durch die Tentakelwurzel. Die Muskel- fasern des Tentakelstamms breiten sich facherartig in den Mittelstrei- fen {fni) der Tentakelwurzel aus. Vom Mittelstreifen lost sich ein Zellenstrang {q) ab , an dem die Axen der Seitenfaden (/•) entstehen. Das Ganze ist umhiillt von den wuchernden Mengen der Klebzellen. A. Oc. 1. Fig. 3. Ein Stiick der Figur 2 starker vergrossert um zu zei- gen, in welcher Weise die Muskelfasern aus den Zellen der Mittel- streifen hervorgebildet werden. J. Oc. 2. Fig. 4 und 5. Theile eines Querschnitts durch die Tentakel- wurzel; dieselben stellen verschiedene Stiicke der Seitenfelder dar, Fig. 4 ein Stiick aus der Mitte eines Seitenfeldcs, Fig. 5 den an das Ektoderra der Tentakelhohle angrenzeuden Rand. J. Oc. 1, Fig. 6. Die schildformige Tentakelwurzel mit dem aus ihr her- 29* 452 Dr. Richard Hertwig, vortretenden Tentakelstamm isolirt. A mit abgeschraubter Frontlinse. Oc. 1. Fig. 7 — 11. Querschuitte aus verschiedenen Gegenden der Ten- takelwurzel. Fig. 7 entspricht etwa der Fig. 1. Der Mittelstreifen (w) ist hier noch wenig eatwickelt und allein aus einer Lage Cyliuder- zellen gebildet. Fig. 11 ist aus der Mitte der Tentakelwurzel genom- men ; der Mittelstreifen zeigt ausser der Cylinderzellenschicht die seit- lichen Verdickungen, aus denen die Muskelfasern eutspringen. Fig. 8 — 10, dem unteren Ende entnommen, lassen erkennen, wie sich vom Mittelstreifen die Anlagen fiir die Axen der Seitenfaden (y) ablosen. C. Oc. 1. Fig. 12. Ein Stlick des Langsschnitts der Fig. 2 starker vcr- grossert; es sind die Anlagen fiir die Axen der Seitenfaden darge- stellt. J. Oc. 2. Tafel XVII. AUe Figuren mit Ausnahme der letzten nach Carminosmiumpra- paraten entworfen. Fig. 1. Langsschnitt durch einen Seitenfaden von Callianira bialata nur zum Theil abgebildet. J. Oc. 2. Fig. 2. Langsschnitt durch die Anlage der Axe eines Seiten- fadens von Callianira bialata, nur zum Theil dargestellt, aus einem Langsschnitt durch die Tentakelwurzel. J. Oc. 2. Fig. 3. Anlage der Axe eines Seitenfadens von Callianira bia- lata, durch Zerzupfen der Tentakelwurzel isolirt, aber nur zum Theil dargestellt. J. Oc. 2. Fig. 4. Langsschnitt durch die Axe eines Tentakelstamms von Callianira bialata. J. Oc. 2. Fig. 5. Zellennetz, welches auf dem Axenband der Seitenfaden von Cydippe hormiphora vorhanden ist, durch Entfernen des Epithels freigelegt; einige Fortsatze von Epithelzellen sind dabei haften ge- blieben. In dem Protoplasmanetz habe ich keine Kerne nachweisen kdnnen. J. Oc. 1. Fig. 6. Querschnitt durch den Seitenfaden von Euplocamis Sta- tionis. Die Gallertaxe wird durch ein elastisches Band {i) abgetheilt in einen die quergestreiften Muskelplatten und einen die glatten Mus- kelfasern enthaltenden Abschnitt. J. Oc. 1. Fig. 7. Langsschnitt durch einen spiral aufgerollten Seitenfaden von Euplocamis Stationis ; der Seitenfaden ist noch nicht vollkommen entwickelt und wird noch durch eine homogene Hiillhaut zusammen- gehalten. In der Axe verlauft ein faseriger Strang («) vielleicht ein Nerv. C. Oc. 2. Ueber deu Bau der Cteuophoren. 453 Fig. 8. Querschnitt durch einen Seitenfaden des Tentakels von Calliauira bialata. J. Oc. 2. Fig. 9. Querscliiiitt durch die Anlagc der Axe eines Seitenfadens aus eiuem Schnitt durch die Tentakelwurzel von Callianira bialata. J. Oc. 2. Fig. 10. Der Axonstrang aus dem Tentakelstamra von Callia- nira bialata nach Maceration in Osmium-Essigsiiure durch Zerzupfea isolirt. J. Oc. 2. Fig. 11. Querschnitt durch einen kleineren Seitenfaden von Cydippe hormiphora. J. Oc. 2. Fig. 12. Querschnitt durch die Basis eines grosseren Seiten- fadeus von Cydippe hormiphora. D. Oc. 2. Fig. 13. Eiu Tentakelhaken aus der Tentakelrinne von Cestus Veneris mit den ihm zur Unterlage dienenden Epithelzellen besonders dargestellt. J. Oc. 2. Fig. 14. Stiick eines Seidenfadens von Euplocamis Stationis in seitlicher Ansicht mit Hinweglassung des Epithels dargestellt. In der Mitte das elastische Band (t) , dessen wellige Biegungen nicht mit dargestellt sind ; zu beiden Seiten desselben die riithselhaften wiirfel- fdrmigeu Kdrper ; endlich links die quergestreiften Muskelplatten, rechts die beiden glatten Muskelfasern. J. Oc. 1. Fig. 15. Querschnitt durch den Tentakelstamm von Callianira bialata an der Abgangsstelle eines Seitenfadens. J. Oc. 1. Fig. 16. Ein Theil des Mosaiks der Muskulatur aus einem sol- chen Querschnitt etwas starker vergrossert. J. Oc. 2. Fig. 17. Querschnitt durch den Mittelstreifen der Tentakelwur- zel von Callianira bialata. Zwischen die beiden Tentakelgefasse springt der von Cylinderepithel gebildete Theil des Mittelstreifens vor ; seit- lich davon finden sich die Zellenwiilste (/«"'), aus denen die Muskel- fasern hervorwachsen ; dazwischen liegt eine Zellanhaufung (/«"), wel- che sich in den Axenstrang fortsetzt. J. Oc. 1. Fig. 18. Querschnitt durch den unteren Korperrand von Cestus Veneris zur liiilfte dargestellt; in Folge dessen ist die Mundrinne nur zur Hiilfte und nur eine Tentakelrinne (tr) sichtbar. In letzterer ist der Verbindungsstrang {tv) des Nebententakels eingebettet und durch die Tentakelkaken (///) befestigt. C. Oc. 2. Fig. 19. Die Randpartie des Axenbandes vom Tentakel-Seiten- faden der Cydippe hormiphora von der Flache betrachtet. J. Oc. 2. Fig. 20. Der den Nebententakel tragende Theil der Tentakel- rinne von Cestus besonders und bei stiirkerer Vergrdsserung darge- stellt. J. Oc. 2. 454 Dr. Richard Hertwig B> Fig. 21. Querschnitt durch die Randpartie des Axenbandes vom Tentakel-Seitenfaden der Cydippe hormipliora. J. Oc. 2. Fig. 22. Das basale zum Theil in den Tentakelstamm hinein- ragende und hier endende Stuck des Muskelstrangs von Euplocarais Stationis. In den nicht mehr quergestreiften Muskelfasern sind Kerne enthalten. J. Oc. 1. Fig. 23. Seitliche Ansicht des Epithels und der oberfljichlichen Muskelschicht vom Tentakelstamm der Euplocamis Stationis im frischen Zustand. J. Oc. 2. Tafel XVIII. Alle Figuren nach Carminosmiumpraparaten gezeichnet. Fig. 1. Geschlechtsorgan von Callianira bialata mit Genitalan- lagen. Basales Stiick eines in die Korperzipfel eintretendeu Rippen- canals in seitlicher Ansicht gezeichnet. A. Oc. 1. Fig 2. Dasselbe von der Flache gesehen. A. Oc. 1. Fig. 3. Querschnitt durch das Rippengefass einer jungen Beroe mit miinnlicheu und weiblichen Geschlechtsorganen. C. Oc. 2. Fig. 4. Querschnitt durch ein kleines neu eingestiilptes Geuital- siickchen (gs) von Callianira bialata. J. Oc. 1. Fig. 5. Querschnitt durch das im Korperzipfel verlaufende Rip- pengefass von Callianira bialata. Mannliche {p) und weibliche Ge- schlechtsorgane (o) mit Verbindungsstrangen (gv). D. Oc. 2. Fig. 6, Stiick eines Querschnitts durch ein mannliches Geschlechts- organ von Cydippe hormiphora. Der Verbindungsstrang (gv) mit dem Ektoderm deutlich sichtbar. J. Oc. 1. Fig. 7. Stiick eines Querschnitts durch das Ovar von Beroe ovatus starker vergrossert. J. Oc. 1. Fig. 8. Querschnitt durch ein Geschlechtsorgan von Callianira bialata, aus der Basis eines Korperzipfels. Ein eingestiilptes Genital- siickchen (gs) in seiner Lageruug zum Rippengefass sichtbar. D. Oc. 2. Fig. 9. Querschnitt durch die weibliche Seite eines Geschlechts- oi'gans von einer jungen Callianira bialata. J. Oc. 1. Fig. 10. Querschnitt durch das Geschlechtsorgan einer sehr jungen Callianira bialata. J. Oc. 1. Tafel XIX. Alle Figuren nach Carminosmiumpraparaten, nur Figur 4 nach einem frischen Praparat. Fig. 1. Enden der gekreuzten ektodermalen Muskelfasern von den langen Seiten des Cestus Veneris. J. Oc. 1. Ueber den Bau der Ctenophoren. 455 Fig. 2. Zellcn aus dem Kcirperepithel voa Cestus Veneris. J. Oc. 1. Fig. 3. Fliicheupiaparat der langen Seiten von Cestus Veneris. Das Epithel und die Muskell'aseru , welche den Riindern des bautUor- migen Kcirpers parallel verlaufen, bis auf oinzelne wenige durch Abpin- selu eult'ornt. Sichtbar sind die gekreuzten Muskelfasern. J. Oc. 1. Fig. 4. Das aborale Ende von Callianira bialata rait dera Sin- neskorper den 2 Polplatten (.»), den Anfiingen der 8 Wiinperrinnea (w) und den Ausmlinduugen der 4 Trichtergefasse {ve). C. Oc. 1, etwa auf die Hiilfte verkleiuert. Fig. 5. Enden der ektodermalen Muskelfasern der Kdrperober- lliiche von Cydippe hormiphora. J. Oc. 2. Fig. 6. Enden der mesodermalen Nerven aus der UragegenJ des Tentakelsackes von Cydippe hormiphora. J. Oc. 2. Fig. 7. Stiicke von zwei mesodermalen Muskelbiindern von Cy- dippe hormiphora, das eine Mai von der Fliiche, das andere Mai von der Kante gesehen. J. Oc. 2. Fig. 8. Die linke Halfte eines Querschnittes durch den Siimes- korper von Callianira bialata. Die Lage des Schnittes ist in der Fig. 4 durch die Linie a bezeichnet. J. Oc. 1. Fig. 9. Die rechte Halfte eines Uuerschnittes durch den Sin- neskorper von Callianira bialata. Die Lage des Schnittes ist in der Fig. 4 durch die Linie /3 bezeichnet. J. Oc. 1. Fig. 10. Zellen aus dem Eandwulst des Polfeldes von Eucharis multicornis. J. Oc. 2. Fig. 11. Tastzellen vom Mundrand der Beroe ovatus. J. Oc. 1. Fig. 12. Zellen aus dem ein Ruderpliittchen tragenden Epithel- wulst von Beroe ovatus. J. Oc. 1. Fig. 13. Zellen aus dem Sinneskorper von Cydippe hormiphora. J. Oc. 2. Fig. 14. Concrementzellen vom Mundrand der Beroe ovatus. J. Oc. 1. Fig. 15. Zellen mit sabelformigen Cilien aus dem Anfangstheil des Magens von Beroe ovatus. J. Oc. 1. Fig. 16. Querschnitt durch einen ein Ruderpliittchen tragenden Zellenwulst von Beroe ovatus. J. Oc. 1. Fig. 17. Stiicke aus einem Querschnitt durch den Mundrand von Beroe ovatus. a Flimmerstreifen , § Streifen der Concrementzel- len, y Streifen von Concrement- und Tastzellen. J. Oc. 1. 456 Dr. Richard Hertwig, Tafel XX. Priiparate theils mit Carmin- Osmiumsaure, theils mit Picrin- Scliwefelsaure angefertigt. Pig. 1. Nervenfaden Ton Beroe ovatus. a. zwei anastomosi- rende Faden, |3. ein varicoses Padchen. J. Oc. 2. Fig. 2. Nervenplexus vom Magen von Beroe ovatus. J. Oc. 2. Auf ^/g der Grosse verkleinert. Pig. 3. Ein Stiick des Polfelds von Eucharis multicornis. a. Mittelfeld, |3. Seitenwall. Eine Strecke wait ist das Epithel niclit dargestellt, damit der an der Grenze von Mittelfeld und Seitenwall liegende Faserstrang deutlicher hervortritt. J. Oc. 2. Auf 2/3 der Grosse verkleinert. Fig. 4. Zwei naesodermale Ringmuskelfasern mit Nerv, dessen Ausbreitung sich schwimmhautartig zwischen beiden ausspannt. Beroe ovatus. J. Oc. 2. Fig. 5. Anastomosirende Nervenfasern von Beroe ovatus. D. Oc. 2. Fig. 6. Muskelfasern von Beroe ovatus. «. mit anliegendem Sarkolemm, §. Sarkolemm, abgehoben und gefaltet, erzeugt das Bild einer Querstreifung der Muskelfaser, y. Sarkolemm stark abgehoben. J. Oc. 1. Fig. 7. Nervenfaser von einem in Picrin-Schwefelsaure erhar- teten Thier. J. Oc. 1. Pig. 8. Muskelfasern mit herantretenden Nerven. Verbiudung ohne anliegende Kerne. D. Oc. 2. Pig. 9. Querschnitte durch in Picrinschwefelsaure erhartete Muskelfasern (a) und Nervenfasern (^), bei einigen der ceutrale Kern Oc. 2. Endigungen der Nervenfasern am Ektoderm. J. Oc. 2. Amoeboide Bindegewebskorperchen von Beroe ovatus. getroffen. J. Fig. 10. Fig. 11. J. Oc. 2. Fig. 12. Kern. J. Oc. Fig. 13. ment. J. Oc. Pig. 14. Muskelfasern mit Nervenendigung. «. mit Kern, ^. ohne 1. Endigung einer gastroparietalen Muskelfaser am lutegu- 1. Endigung einer gastroparietalen Muskelfaser am Magen. Die eine Seite gar nicht dargestellt, auf der andereu ein Stiick der Eaumersparniss halber weggelassen. J. Oc. 1. Tafel XXI. Fig. I und 2. Stiicke von dem Anfang des Nebententakels des Ueber den Ran der Ctenoplioren, 457 Cestus Vonoris in dem Anfaugstlicil der Teutakelhohle. Eig. 2 der letzte feiue Ausliiufer des Verbiiidungsstrangcs (Iv). J. Oc. 2. Fig. 3. Tastpapille von Eucliaris multicornis. Der Verlauf der Muskel- und Nervenfasorn in schematischer Weise eingezeichnet. Fig. 4. Uuerschnitt durcli deu oberen Hand dcs baudformigen Xorpers von Cestus Veneris. Verlauf der Muskel- und Nerveufaseru schematisch eiugezeichnet. Fig. 5 und 6. Epitlielstrecke zwischen zwej aufeinanderfolgen- deu Euderplattcheu vou Callianira bialata mit darunter verlaufenden Stiitzfasern; die Eudigungen der letzteren in den Cylinderzellwulsteu der Kuderpliittchen sind in Fig. 5 starker vergrossert dargestellt. Fig. 7. Aulagen der Seitenfaden vou Cestus Veneris aus der Tentakelwurzel isolirt. J. Oc. 1. Fig. 8. Ein Wimpertricliter vou Beroe ovatus auf dem opti- sclien Querschnitt geselien. J. Oc. 1. Fig. 9. Bindesubstanzzellen vou Callianira bialata. J. Oc. 2. Fig. 10. Stiick eines Querschnitts durch eiue Tastpapille vou Eucharis multicornis, um die Anastomosen der Muskelfasern zu zeigeu. Fig. 11. Tastpapille von Cestus auf dem optischen Querschnitt; einen Tlieil der Muskelfasern sieht man in ganzer Liinge, einen an- deren auf dem optischen Querschnitt. J. Oc. 1. Fig. 12. Enden der Muskelfasern und Nerveufaseru aus der Tastpapille von Eucharis multicornis. J. Oc. 2. Fig. 13. Eiu Stiick des Meridiannerven aus der Nachbarschaft des Horblaschens ; die einzelnen Nervenfasern anastomosireu unter- einander. Callianira bialata. J. Oc. 2. Fig. 14. Wimperrinne von Beroe ovatus nach Behandluug mit Carmin-Osmiumsaure von der Flache betrachtet. J. Oc. 1. Fig. 15. Epithel von Beroe ovatus nach Behandlung mit Os- miumsaure und Farbung in Alauncarmin, wodurch der Unterschied zwischen Driisen und Deckzellen sichtbar geworden ist. J. Oc. 1. Fig. 16. Elemente aus dem Mesoderm der Tastpapille von Eucharis multicornis. ce. Anlagen von Muskelfasern, /3 u. d Binde- substanzzellen, y. Nervenfaser. J. Oc. 2. Ziir Lehre von der Struktur der Zellen von Prof. Dr. C. Frommami. Hierzu Tafel XXII. Die Untersuchung der feineren Strukturverhaltnisse der Knor- pelzellen von Salamandra mac.^), der Ganglienzelleu der Retina 2) und der Epidermiszellen,Bindegewebszel- len und Capillarmembranen aus dem Schwauze von Frosch- larven^) hatte ergebeu, dass das Protoplasma und die Kerne aus feinen und engmascliigen Fadennetzen bestehen, in welche derbere Faden von wechselnder Form und Lange eingelassen sein und sicli untereinander zur Bildung eines weitmaschigeren Fadennetzes ver- binden konnen. Es hatte sich ausserdem gezeigt, dass eine Kern- membran gar nicht existirt und dass die Contouren, welche als Ausdruck der letzteren angesehen worden sind, derbere Faden be- zeichnen, welche in dem Oberflachennetz des Kerns eingeschlossen nach verschiedenen Richtungen hin verlaufen konnen, theils in Form von Ringen und Spangen in aquatorialer oder meridionaler Richtung den Kern umfassen, theils mehr schrag tiber seine Ober- flache hinziehen, vereinzelt oder zu mehreren parallel und dicht nebeneinander verlaufen und hie und da miteinander anastomosi- ren. An den Knorpelzellen wareu durch Methylgriin fast aus- schliesslich die Kernnetze gefiirbt worden, so dass sich hier das Verhalten der Kerngrenzfaden auch an der Kemoberflache errait- teln liess, wahrend an den iibrigen untersuchten Zellen eine solche ^} Sitzungsbericht der Gesellschaft fiir Medic, und Naturwissensch. V. 24. Januar 1879, 2) Sitzungsbericht der Gesellschaft fiir Medic, und Naturwissensch. V. 21. Februar 1879. 3) Sitzungsbericht der Gesellschaft fiir Medic, und Naturwisseusch. V. 5. Marz 1880. Zur Lehre von der Struktur dcr ZcIIgii. 459 Bescliriiiikiiiig eler Fiirbuiig auf die (loin Kern ziigehorigen Foriii- eleniente niclit eiiigetreteii witr uml sich imr aiis deiu Vcrhal- teii (ler Grcuzfiideu iniierlialb des iiquatorialeu Kerndurchmes- sers uud einer bescliriiiikteii Zone o1)cr- imd unterhalb dessel- ben scbliesscn liess, dass die Grenzfiiden eiueni Oberflacbeniictz des Kerns angeboren , welcbes in seiner ganzen Ausdebnnng so- ■\vobl mit den Netzen des Kerninncrn als niit denen des Proto- phisma zusammenbiingt. Wie nnn die derbereu in das Oberfliidien- netz des Kerns eingelassencn Filden nicbt der Ansdruck einer mem- branosen Kernbiille sind, eben so wenig sind derbere Filden, welcbe an den Knorpelzellen die Zellgrenze bezeicbnen, der Ausdruck einer nienibranosen Zellbiille oder einer i)eripberen Verdicbtungsscbicht des Protoplasnia im Sinne von M. Scbultze; es ergab sich vielmebr aucb bier, dass wie die Netze des Zellinnern, so auch das Ober- flacbennetz der Zelle von derberen Faden uud Faseru durchzogeu wird, die tbeils untereiuander und den Zellranderu parallel ver- laufen, tbeils sich iiberkreuzen, tbeils aber sich miteinander zur Bildung eiues uuregelmassigen Netzes verbinden, dessen relativ weite Mascbeu kleinere und grossere Gruppen von terminalen Maschen einscbliessen. Dem entsprecbend baugt es ganz von der Anorduung und Vertbeilung der derberen Faden und Fasern des Oberflacheunetzes der Zelle ab, ob und wie weit bei einer bestimmten Einstellung ein derberer fasriger oder fiidiger Grenzsaum der Zelle vortritt oder nur ein sebr feiner Grenzfaden, feine wie derbere Greuzfiiden bilden aber imnier integrirende Bestandtheile des Ober- flacheunetzes und haugen nicht nur mit den unmittelbar anstossen- den Netzabscbuitten des Zellinnern zusammen, sondern haufig auch durch feine und kurze Fiideu mit der Knorpelgrundsubstanz. Eine weitere Bestatigung erhielteu diese Befunde durch die Uutersuchung der Zellen der Epidermis und des Rete Mal- pighi vom jungen Hiihncben, die besonders desbalb zur Unter- suchuug dieser Strukturverhaltnisse geeignet sind, well die Faden der Protoplasmanetze , nameutlich in den Epidermiszellen , durch ihr starkeres Brechungsvermogen die Wahrnehmung der netzfor- migen Verbindungen erleichtern. Durch Zerzupfen der die Oberfliiche der Zehen bedeckenden Epidermisplatten werden grossere und kleinere Schollen isolirt an deren Eanderu die einzelnen Zellen soweit frei vorragen, dass sie der Uutersuchung keiue Schwierigkeiten darbieten, wiihrend man daneben auch vollkommen isolirte Zellen, so wie kleine Gruppen noch verbundener Zellen erhalt die der innersten, dem Rete Mai- 460 Prof. Dr. C. Frommann, pighi unmittelbar aufliegenden Schicbt der Epidermis angehoren. Die Befunde waren gauz die gleichen, sowolil bci Untersuchung des frischen Gewebes als uach Hiirtuug der Tbeile in Spiritus. Das ProtoplasBia bat in der bei Weitem grossen Mebrzabl der Zellen in der ganzen Ausdebnung derselben ein fadiges Gefiige und bestebt bald ganz aiis siebformigeu Netzen mit runden oder ovalen Maschen, bald scbliessen siebformige Netze kleinere oder grossere Abscbuitte ein, in welchen die Netzfaden sicb recbtwink- lig kreiizen und ein Mascbengitter mit qiiadratiscben Mascben bil- den. Innerbalb der Netze sind baufig einzelne Knotenpunkte und Septa durcb grossere Derbheit vor den iibrigen ausgezeicbnet ; die derberen Knotenpunkte finden sicb zu 6 — 12 in eiuer Zelle, be- sitzen einen bald nur matten bald stiirkeren Glanz und erreicben die Grosse eines Kernkorpercbens oder iibertreffen dieselbe nocb um das Doppelte oder Mebrfacbe. ^Yabrend ein Tbeil dieser Kor- ner durcb stielartige kiirzere oder langere Faden mit den kleine- ren Knotenpunkten der umgebenden Netze zusammenbangt, wer- den andere von dicbt gestellten Korncben und von kurzen, mit den letzteren zusammenbangenden Faden dicbt umscblossen und einzelne liegen frei im Innern eines hellen, vakuolenartigen Raums, der ausser dem Korn nur sparsam und sebr feiue Korncben und Faden einscbliesst und mitunter lilngs eines grosseren oder geringe- ren Tbeils seines Umfangs durcb einen ring- oder bogenformigen Faden begrenzt wird, so dass das Ganze dann den Eindruck eines Miniaturkerns macbt. Andere abnlicbe , licbte, von einem Faden- ring oder einer Fadenscbleife umscblossene Raume entbalten kein Korn, sondern nur feine und blasse, sparsam eingestreute Korn- cben. In mancben Zellen sind Netze nur stellenweise sicbtbar und an anderen Stellen Korncben, Knotenpunkte und kurze, zum Tbeil gabelig gespaltene Faden, wabrend langere, meist gekornte Faden, die die Lange des einfacben oder doppelten Durchmesser eines Kerns erreicben, in grosserer Haufigkeit vorkommen, sowobl in Zellen oder Zellabscbnitten mit deutlicbem Netzgeriist als da wo das geformte Protoplasma vorwiegend nur aus Korncben und aus vereinzelt zwiscben die letzteren eingestreuten Faden und Septa bestebt und ein ziemlicb wecbselndes Verbalten nacb ibrer Haufig- keit und der Art ibrer Anordnung und Vertbeiluug zeigen, Zu- sammenbange mit den umgebenden Tbeilen der Netze bald baufig bald sparsam und vereinzelt erkennen lassen. Finden sie sicb sparsam, so durcbzieben sie das Zellinnere nacb verscbiedenen Ricbtungen, umscbliessen tbeils bogenformig einen Tbeil des Kerns Zur Leliro vou der Struktur der Zellcn. 461 uiid siiul von tlossoii Grciizfadon luiufig iiur (lurch cine schmale, leere odor voreinzelte Konichcu einsdiliessende Spaltc gctrenut, thcils durchziclien sie in gcradcm, bogen- oder zickzackfoniiigcin Verlauf das Zclliiiiicre nach vcrschiedeuen Richtuugen und lasscii nicbt selteu Anastomosen uud gabcligo Spaltungeu erkennon. Bei grosserer Ilaufigkeit verciiiigen sie sich bald zur Bibluug ciucs wcitniascbigcreu, das Zdlinnere durchziehenden, dcrberen Geriists Oder bilden unter spitzwiiikligcu Kreuzungeu und Anastomosen ein dicbtes Fadengeflecbt, bald tret en sie bei parallelcm Verlauf und zu 3_S zieiulicb dicht neben einander geordnet in lorni klciner Biin- del auf, die nanieutlidi in der Niihe der Zellrander baufig werden und schmale Spalteu begreuzen, die gauz leer siud oder nur hie uud da Kornchen einschliesseu. Die mittleren Abschuitte der Zelle ft, Fig. 2, werden von Fa- dennetzen eingenommen, in dcnen einzelne langere Fiiden nach ver- schiedenen Richtimgen verlauf en, wiihrend in den peripheren Zell- abschnitteu theils dichte Fadengeflechte , theils dem Zellrand pa- rallele Fiiden vortreten. An manchen Zellen werden in der Nahe des Zellrandes an einer oder an ein Paar Seiten die Faden blasser und feiner, so dass sie kaum noch zu untcrscheiden siud oder sie verschwinden ganz und das Protoplasm a erlangt ein vollkommen homogenes Aus- sehen. In der grossen Mehrzahl der Zellen findet sich ein Kern, seltener deren 2, von runder, ovaler, mitunter biskuitformiger oder unregelmassiger Gestalt desseu Inneres ein merklich schwacheres Brechungsvermogen besitzt als das umgebende Protoplasma, ge- formte Theile iiberhaupt in geringerer Menge enthalt als das letz- tere, neben einzelnen derberen Kornchen und Faden aber baufig noch sehr feine und blasse, dichter gestellte Kornchen einschliesst, wiihrend Fadennetze ganz fehlen oder nur in beschrankter Aus- dehnung nnterschieden werden konnen. Ein central oder excen- trisch gelegenes derberes Korn (Kernkorperchen) kann vorhanden sein Oder fehlen, mitunter finden sich aber deren 2 — 3, die, wenn sie nahe beisammen liegen, durch feine Faden zusammenhangen. Glatte oder gekornte Grenzfaden des Kerns von etwas derberer Beschaflfenheit treten als geschlossene oder unterbrochene hervor und innerhalb der im letzteren Fall zwischen ihren Enden frei blei- bende Liicken wird die Kernperipherie entweder durch einen fei- neren Faden geschlossen oder durch Kornchenreihen oder durch zum Theil mit einander vcrbundene Kornchen und Faden. Haufig 462 Prof. Dr. C. Frommann, ist bei einer bestimmten Eiustellung uur eiii eiiiziger Grenzfaden vorhandeii, der den grossten Theil oder nur die Halfte, den 3ten Oder 4teu Theil des Kernumfangs begrenzt, in auderen Fallen finden sich statt eines einzigcn 2 oder mehrere durch kleinere Oder grossere Liicken getrennte Grenzfaden, die durch Kornchen- reihen oder durch feinere gekornte Faden miteinander verbunden werden. Beim Wechsel der Einstelluug kann die Lange, die Form der Krumnmng wie die Zahl der sichtbaren Grenzfaden wechseln, es konnen dieselben somit auch hier nur als derbere Bestandtheile des Fadengeriists aufgefasst werden, die wie an den Knorpelzellen , den Ganglienzellen, den Epithel- und Bindege- webszellen aus dem Schwanze von Froschlarven , sowohl mit den Faden der Protoplasmanetze als mit einzelnen der im Kernin- nern enthalteneu Faden zusammenhiingen, wilhreud ausserdem durch die Lticken zwischen den Enden von Grenzfaden, sowie durch die Spalten zwischen iibereinander liegenden Grenzfaden Faden aus dem Keruinnern direkt und ohne Verbindungen mit den letztern einzugehen in die Protoplasmanetze iibertreten kon- nen. Derbere Faden des Kerniniiern senken sich aber haufig nicht bios in Grenzfaden ein , sondern bilden dieselben, wenn sie im Bereiche einer Lticke aus dem Kerninnern austretend umbiegen, um dann langs der Kernperipherie weiter zu ziehen, wahrend an- dererseits nicht selten Grenzfaden aus ihrer der Kriimmung des Kernumfangs entsprechenden Verlaufsrichtung ausbiegen und nocli eine Strecke weit in die Protoplasmanetze ausgreifen, wie dies namentlich an den Enden von Grenzfaden vorkommt, welche den Kern in Form einer den einen Pol frei lassenden Schlinge um- fassen und mit dem einen Ende oder mit beiden frei in das Proto- plasma auslaufen, wahrend im Umfang des frei gelassenen Kern- pols die Kernperipherie durch einen feineren Faden oder durch eine kleine Koruchenreihe abgeschlossen wird. Es siud somit die Kern- grenzfaden, wenn sie auch meist die Kernperipherie spangen- oder gurtelformig umfassen, doch nicht in ihrem Verlauf an die letztere gebunden, sondern konnen ausbiegeud sich in die umgebenden Protoplasmanetze hinein ersti-ecken und zu Theilen derselben wer- den. Fig. 3 a~i sind Kerne abgebildet, deren Grenzfaden einen bald grosseren, bald geringeren Theil des Kernumfangs umschlies- sen; bei d und i derbere Faden, welche den Grenzfaden ziemlich dicht anliegcn , bei h aus dem Kern austreteude Faden und bei i ein Grenzfaden , der mit seinen Enden sich in das Protoplasma fortsetzt. Zur Lehre von der Struktur der Zcllen. 463 Eine besondere, sich glcicliniiissig iibcr die Zelloberflache er- streckende und aiis vcrdichtctem Protoplasma bestchende Ilulle cxistirt iiicht, sonderu an dor crsteren treten vereinzolte oder meh- rcre anastomosirendo, sie umstrickeude derbere Fiiden und Leisten licrvor, deren Zalil, Anordnung und Starke sehr wechselt, die bald glatt sind, bald ein korniges Aussehen besitzen und durch ihre Vcrbiudungen Felder von wcchselnder Form und Grosse umschlies- sen, welche niitunter sehr schmal werden, wenu 2 soldier Leisten parallel und dicht nebeneinander an der Oberflache hinziehen. Dem entsprechend zeigeu audi die Grenzleisten bei Einstellung des gross- ten Durclimessers der Zelle ein verschiedenes Verhalten , indem bald nur eine einzige vortritt, welche einen grosseren oder gerin- geren Theil des Zellumfangs umfasst, bald raehrere von verschie- dener Lange, wiilirend im Uebrigen die Zellgrenzen iiberall durch die feinen Netzfaden gebildet werden, welche die ausserste Ma- schenreihe abschliesseu, soweit nicht das Protoplasma in der Zell- peripherie eine mehr homogeue Beschaffenheit und ein sehr blas- ses Aussehen erlaugt hat. In die Grenzleisteu senken sich die Fiiden der anstossendeu Netze bald unter spitzen, bald unter rech- ten Winkeln ein und schliessen mit den ersteren bald mehr ge- streckte, bald mehr runde oder quadratische Maschen ein, ausser- deiii finden sich ziemlich hiiufig Verbindungen zwischen den Grenzlei- steu und den derbereu in den Netzen des Zellinnern eingeschlos- senen, in querer oder schrager Richtung an die ersteren heran- tretenden Faden. In Fig. 4, a — d sind 4 Zellen mit den an ihrem Umfang und an ihrer Oberflache vortretenden Grenzseiten ab- gebildet. Innerhalb der Zellschicht, welche den Uebergang zwischen Rete M, und Epidermis bildet, finden sich continuirliche, zahlreiche derbere, kernkorperchenartige Korner einschliessende Netzschichten, die in grosserer Ausdehuung, bis zum halben Durchmesser des Gesichtsfelds , iiberhaupt keine Grenzleisten und Zellgrenzen er- kennen lassen , wahrend die Kerne in gleichen Abstanden wie in den angrenzenden zelligen Schichten und sparsamer eingelagert sind als im Rete Malpighi. Das letztere besteht aus eiuem con- tinuirlichen Netzlager, in welchem sich einzelne Zellen nicht ab- grenzen lassen und das zahlreiche und ziemlich dicht gestellte runde und ovale Kerne einschliesst, die bei ihrem hellen, lichten Aussehen wie Vakuolen innerhalb der umgebenden dichten Faden- netze erscheinen, niitunter geformte Theile ausser den Kernkcirper- chen iiberhaupt nicht oder nur wenige Kornchen einschliessen, 464 Prof. Dr. C. Frommann, andre Male zwar von blassen und sehr feineii Kornchen dicht er- fullt sind, aber auch danu heller erscheinen als das umgebende Protoplasma. Kernkorperclieu sind nicht in alien Kernen enthal- ten, wo sie sich finden, sind sie einfach oder doppelt vorhanden, verhaltnissmassig gross, liegen mitunter excentrisch und einzelne besitzen stielartig von ihnen abgehende Faden. Kerngrenzfiiden sind fast an alien Kernen wahrnehmbar und zeigen in Bezug auf ihre Lange, Starke, Zahl und ihr wechselndes Verhalten bei ver- scbiedener Einstellung ganz ahnlicbe Verhaltnisse, wie an den Ker- nen der Epiderraiszellen. Einzelne spangen- oder halbkreisformige Grenzfaden sind durch grosse Derbheit ausgezeichnet, laufen nach dera Ende fein aus, so dass sie ein sichelformiges Aussehen erlan- gen und sind bei ihrer Starke auch dann leicht wahrzunehmen, wenn sie biigelartig iiber die Oberflache des Kerns von einer Seite zur anderen heriiber verlaufen. Netzformig verbundene Faden waren im Kerninnern nur selten und in beschrankter Ausdehnung wahrzunehmen und es zeigen in dieser Beziehung wie nach der geringeren Menge ihrer geformten Bestandtheile uberhaupt die Kerne des Rete M. und die der Epidermiszellen ein wesentlich verschiedenes Verhalten von den Kernen der Knorpelzellen bei Salamandra M., da in den letzteren die Netze dicht sind, ver- haltnissmassig scharf und deutlich vortreten, wahrend sie inner- halb des Protoplasma ein blasseres Aussehen besitzen. In Fig. 2 ist ein Gewebsfetzen aus dem Rete M. abgebildet, dessen nicht uberall geschlossene Protoplasmanetze einzelne lan- gere, nach verschiedenen Richtungen verlaufende Faden und aus- ser ihnen eine Anzahl derberer Korner einschliessen. Die Kerne besitzen ein sehr belles Aussehen, enthalten nur sparsam einge- streute Kornchen und Faden und werden liings eines Theils ihres Umfangs von Grenzfaden umfasst, die mit umgebenden Netzfaden zusammenhangen. Die 2 grosseren und der sehr kleine Kern links enthalten je ein Kernkorperchen , von welchem in dem mittleren Kern mehrere feine Faden abgehen. An Querschnitten durch die Epidermis wechselt die Haufig- keit der in den einzelnen Zellen und Zellreihen neben den Netzen vortretenden Faden wie die Art ihrer Anordnung. Mitunter ist in der ganzen Ausdehnung des Gesichtsfelds eine Fibrillirung pa- rallel der Oberflache uberwiegend, dann folgen rein netzformige Abschnitte und andre wo die Fibrillen mehr schrag oder senk- recht zur Oberflache gerichtet sind oder wo die Fibrillen nach verschiedenen Richtungen bin verlaufend, sich durchkreuzen und Zur Lehre von der Struktur der Zellen. 465 durchflcchteii. In den Nctzen des Retc M. findcu sich liingcre, uach verschiedenen Iliclitungen oricntirte Fiiden spiirlicher als in den Ei)idermiszcllen und nur in den ticfcrcn Schichtcn werden sie zahlreichcr und strahlcn von da senkrcclit odor schriig nach den oberen Schichten aus. In Figur 1 sind zur Erliiuteiung dor friiher geschilderten Strukturverlialtuisse in a — d Knorpclz ell en aus dem Sternal- kuorpel von Salamandra m. bei 500faclier, in e — g Kerne der- selben bei 900faclier Vergrosserung abgebildet. Die Fiirbung durcli Methylgriin war ausschliesslich auf die Kerne beschriinkt, so dass dieselben sich scharf von den ohnehin blasseren Protoplasmanetzen absetzten. Die letzteren durchsetzen die Zelle in nahezu ihrer ganzen Ausdelmung nur bei b, wiihrend sie in geringerer Ausdeh- nung in der unmittelbaren Umgebung des Kerns bei d^ in gros- serer Ausdehnung bei c durch homogenes Plasma ersetzt werden und bei a in der grosseren Ausdehnung der Zelle ihre Stelle durch Kornchen und Fiiden eingenommen wird, die nur vereinzelt Ver- biudungen unter einander eingehen. Bei h schliessen die Netze ein derbes Korn und mehrere kleinere gefarbte Korner ein. Die Kerne enthalten mehr oder weniger zahlreiche, derbe, strahlige, untereinander direkt oder durch das Fadennetz verbundene Kno- tenpuukte, ausserdem liingere geradlinige, gekornte, feinere und derbere Fiiden, welche den Kern zum Theil oder ganz durchse- tzen und bei c mehrere durch eine Lucke zwischen den Grenz- fadeu aus dem Kerninnern in das Protoplasma iibertretende Fiiden. Ein vollstandig geschlossener Grenzfaden findet sich nur bei d, bei h zeigt er am untern Umfang eine kleine Unterbrechung , bei a und c je eine grossere am unteren und am oberen Umfang des Kerns. In den stiirker vergrosserten Kernen e, f und g tritt ein derberes, aus strahligen und strangartigen , zum Theil verzweig- ten Knotenpunkten bestehendes Geriist mit dem zwischen ihnen ausgespannten gitterformigen Fadennetz sehr deutlich hervor, wiih- rend ein Grenzfaden in grosserer Ausdehnung nur am liuken Um- fang des Kerns bei g vorhanden ist, am rechten Umfang desselben dagegen wie im ganzen Umfang der Kerne e und f Grenzfiiden nur in Form kurzer Bruchstiicke vortreten und in den Liickeu die feinen, nicht oder wenig gefarbten Netzfaden der Kernperiphe- rie sich ohne alle scharfe Grenze in die umgebenden nicht gefarb- ten Protoplasmanetze fortsetzen. Bd. XIV. S. F. VII, 3. 30 >■*' Druck von Ed. Frommann iu Jena, Das Klappen-Distanz-Gesetz von Dr. Karl B article ben, a. o. Professor und Prosector in Jena. lu einer Reilie kleinerer Mittheilungen (Sitzungsberichte der Jenaisclien Gesellschaft fiir Medicin uud Naturwissenschaft : 1877, G. Juli u. 20. Juli; 1879, 7. November; 1880, 5. Marz u. 7. Mai), so- me in einer ausfiihrlicheren Arbeit (Jenaische Zeitschrift Bd. XII, S. 21 — 67) habe ich iiber Untersuchungen berichtet, welclie ich seit mehreren Jahren iiber das Venensystem des Menschen und hoherer Thiere angestellt habe. Die folgenden Zeilen sollen nun iiber Beobachtungen , besonders Messungen Rechenschaft geben, welche ich iiber Anzahl, Abstande und andere allgemeine Verhalt- nisse der Venenklappen, vor allem in den Extremitatenvenen des Menschen, vorgenommen habe, sowie iiber die Beziehungen, welche sich zwischen Venenklappen und Ast-Einmiindung , sodann zwi- schen den Klappen-Distanzen und der Grosse des Individuums und der Extremitat herausgestellt haben. Die vorliegende Arbeit ist im Wesentlichen eine Ausfiihrung und Begriindung der Mittheilung vom 7. Mai d. J. Sie soil gleichzeitig als ein „zweiter Beitrag zur Kenntniss des Venensysteras", im Anschluss an den eben er- wahnten Aufsatz in der Jenaischen Zeitschrift, gelteu. Weitere Beitrage, hauptsiichlich histologischen und entwickelungsgeschicht- lichen Inhalts, sollen so bald als moglich folgen. Es sei mir gestat- tet, auch an dieser Stelle Herm Hof rath Professor Dr. Schwal be meinen Dank fiir Anregung und Forderung bei meinen Unter- suchungen auszusprechen. 30* 468 Dr. Karl Bardeleben, L i t e r a t u r. Die Literaturangaben iiber Zahl, Grosse, Stellung imd Distan- zen der Veneuklappeu sind ausserordentlich diirftig, uuvollstandig und ungenau, oft geradezu imrichtig. Selbstandige Forschungen sind hier wohl nur von sehr wenigen Autoren angestellt worden, — die Abstande der Klappen scheint liberhaupt Niemand bisher systematisch gemessen zu haben. In den zahlreichen und um- fangreichen Werken, welche sich mit der Anatomie des Venen- systems ^ ) bescbiiftigen, finde ich nur die folgenden Angaben uber unsere Fragen. Fabricius ab Aquapendente 2) sagt iiber Distanzen S. 4: „0b id natura, praeterquam quod ostiola i)lurima per vasis longi- tudinem, duorum, trium quattuorue digitorum interuallo distantia comparauit, . . ." Betreffs der Stellung der Klappen- taschen heisst es S, 5: „Proinde natura, ita ostiola disposuit, ut perpetuo superiora inferioribus, & sibi proximis aduersam subinde positionem obtinuerint, non dissimili ratione atque in herbis ipsis, flores, folia, & ramusculos subinde a caulis contraria regione euasci videntur." — Die Zahl der Klappen soil nach demselben grosser sein bei Leuten, „qui aut melancholico sanguine crassissimo , aut contra, bilioso ac tenuissimo abundant, aut rursus in iis qui corporismagnitudinepollent: aut carnosi magis sunt, eoque venas habent numerosiores . . . aut vasa habent latissima, quae ostiola multa postulant, . . . aut lougas rectasque venas partes sortiuntur . . . aut tandem si animal mobilitate promptius natura sit ..." — F. gibt iiber die Zahl der Klappentaschen an, beim Menschen waren zwei geniigend, jedoch gabe es auch „loca non pauca, quibus uuicum tantum ostiolum confonnatum est." Der Wieder-Entdecker des Kreislaufs, Harvey^), macht iiber 1) Die Jenaische Universitats-Bibliothek, uud die Kouigliche Bibliothek iu Berlin habe ich vollstandig hierauf durchge- seheu, ausserdem noch die Universitats-Bibliotheken zu Leipzig, Ber- lin und Gottiugen benutzt. 2) De venarum ostiolis. Patavii. MDCIII. F. 8 Tafeln. Fabri- cius hat iibrigens die Veneuklappen nicht entdeckt. Vor ihm sahen sie Amatus Lusitanus (1547) und Cannanus, Fabricius erst 1574. Uebrigens sind sie jedenfalls schon Erasistratos (Alexandria) bekannt gewesen, da derselbe bereits Arterieu uud Ve- nen physiologisch richtig untersehied, 3) Exercitatio anatomica de motu cordis at sanguinis in animali- bus. Fraucof. MDCXXVIII. 72 S. 40. 2 Taf. Das Klappen-Distanz-Gosotz. 400 (lie Klappcn, (lercii physiologischc Bcdcutung er iiach 1500j;lhrigem Irrtliunio zuorst riclitig crkaimto, kcinc wciteren anatomischcn Augabcii. Indcm ich Eiuzclaiigaben von Kcrkring, Porrault, Bid- loo 11. A. iibergehc, weiide ich mich zu unsercm grosseu Physio- logen des vorigen Jalirluinderts, H a 1 1 c r * ). Dersclbe stutzt sich tlioilweise auf Fabricius uud andore Vorgilnger, theilt aber audi eigeue Bcobachtungeii mit. Die Zahl der Klappeutaschcu kaim nach H. 1, 2 odor 3 sein. Dcr Sitz der Klappe sei bald an der Einmiin- dung von Aesten, bald fern davon. Ueber das Vorkommen sagt H., dass tiefe Venen fast gar keine Klappeu haben. J. F. Meckel^) besclireibt die Form der Klappen, und maclit sehr allgemeiu gelialtene Angabeu iiber haufiges uud selteues Vor- kommen in bestimmten Venen, ferner unrichtige Angaben iiber die Zahl der Klappentaschen und erwilhnt mit einer Zeile (1, c. S. 207), dass „man an manchen Stellen bisweilen nur einen kleinen Vor- sprung als Rudiment" der Klappen finde. S. J. H. Salter 3) unterscheidet zwei Arten von Elappen, je nachdem sie uiimlich an der Einmiindung eines Astes oder inner- halb des Veuenkanals gelegen sind. Erstere seien einfach oder doppelt, letztere einfach in kleinen Venen, in grosseren doppelt, selten dreifach. S. macht ferner gute Angaben uber Form und Bau der Klappentaschen. Die ersten positiven Zahlen- Angaben fiir die Klappen- Auzahl in einer bestimmten Vene finde ich bei B. Geo. M'Dowen). Die mitgetheilten Zahlen sind aber quantitativ wie qualitativ wenig geniigend. Sie mogen hier alle folgen: Saphena magna 2 — 6; Saph. parva 2; Poplitea 4 — 5; Femoralis 3—5. Sehr genaue Angaben iiber die allgemeinen Verhilltnisse der Klappen macht Wahlgren^), der auch einige Zahlen mittheilt. Ueber Form, Bau und Vorkommen der Klappen ist W. im Ganzen wohlunterrichtet. Folgende Satze ^) diirften allerdings unten Ver- 1) Elementa physiologiae. Vol. I. S. 123 — 149. 2) Handbuch der menschlicheu Anatomie. I. Bd. Halle u. Ber- lin 1815. S. 205 f. ^) Todd's Cyclopaedia of anatomy and physiology. Vol. IV. Lon- don 1847—1852. Artikel Vein. S. 1367—1403. *) Ebenda. Artikel Venous system. S. 1403 — 1415. ^) Kort framstiillning af vensystemets allmiina auatomi. Luud. 1851. ^) 1. 0. S. 81. "Wortliche Uebersetzung von mir. 470 Dr. Karl Bardeleben, anderungen und Einschrankungen erfahren : „Die zahlreichsten fin- den sich in Extremitaten-Gefiissen und vorzugsweise den unteren ; ebenso trifft man mehr Klappen in den Aesten, als in den Stam- men. Nach mehreren Autoren (Meckel, Bock, B6clard) sollten sie gleichfalls zahlreicher sein in den oberflachlichen, als in den tief- liegenden Gefilssen, eine i^ngabe, die gleichwohl niclit mit dera wirklichen Verhalten iibereinstimmt." Beispielsweise fiihrt W. dann an (S. 82) : „In der Saphena kommen sie ungefahr an 15 Stellen vor ; am Unterschenkel sitzen sie weit getrennt, nahem sich einander immer mehr und mehr aufwilrts, so dass sie nahe der Einmiindung in die V. cruralis in 2 Reihen dicht hinter einander sitzen. V. sa- phena minor hat 10 Klappen, Saph. post. (? Bardeleben) die gleiche Anzahl. In den Venae plantares profundae stehen sie da- gegen so dicht, dass die Gefasse ein perlschnurartiges Aussehen erhalten, wenn sie ausgespannt sind; ebenso verhillt es sich mit den Venen in der Wadenmuskulatur. Die tiefen Venen des Unter- schenkels haben Klappen an fast jedem halben Zoll ihrer Lange. V. poplitea hat nur 1 Paar solche und Cruralis 2 Paare. Gewohn- lich sind die Klappen in einem grosseren Gefasse dicht unter der Einmiindung eines Astes gelegen." Dann weist W. auf indi- viduelle Verschicdenheiten bin : „so trifift man bei starken Personen Klappen in Venen, die bei schwachen nicht damit versehen sind . ." Die Zahl der Taschen betreffend sagt W. : „in kleineren Gefassen findet sich gewohnlich nur eine Klappe an jeder Stelle, seltener, in grosseren Venen wie Cruralis und Jugularis u. s. w. kommen drei solche neben einander vor." Der Erste und, wie es scheint, bisher Einzige, welcher speciell die Klappen zum Gegenstande einer Untersuchung machte, ist wohl Houz6 de TAulnoit^) gewesen, der auf Anregung von Sappey eine ausfiihrliche Dissertation daruber 1854 der Pariser Fakultat vorlegte. Diese Abhandlimg, in deren Besitz ich nach langem vergeblichen Suchen in den Bibliothekcn ^) erstkurz vor Be- endigung der Niederschrift meiner Arbeit gelangt bin, enthiilt ana- tomische Untersuchungen liber Form, Zahl, Vorkommen der Klap- pen, sowie Betrachtungen physiologischer Natur. Verf. beschreibt u. a. als „vari6t6" Klappen, die er fiir unentwickelte hiilt (arrets ^) Recherclies anatomiques et pliysiologiques sur les valvules des veines. These pour le doctorat en medeciue. Paris 1854. 4**. 68 S. 2) Herr Geheimerath Henle hatte die Giite, mir eine autiqua- rische Bezugsquelle naclizuweiseu. Das Klappou-Distauz-GoBotz. 471 de developpeuieut, avortte), und dcncu or ciiicu liolicu physiologi- schcu Worth boiiiiisst , niinilich „i)r()toctiou coiitro la distension." Die Frage, ob die Tasclio mit dor Wandung dor Vene vcrscliniolze Oder langsam vorsclnvindo , bezoichnet or als „i)uerir', das kiinne eiuen „esprit sorieux" niclit interossirou ! Als allgomeincs Gesotz gibt H. de I'A., auf die Autoritiit von Fabricius ab Aquapeudonte gostiitzt, oino alternireude Stelluug auf einander folgeuder Klappen an. Feruer steliou die Klappen „presque constamment" an dor Einmiindung von Aesteu, und zwar 4 — 5 mm davou ontfernt. Die Zalil dor Klappen botreffend, stollt Verf. die klappenlosen Venen nacli Vorneuil zusammeu und nimmt einige derselben (Haemor- rlioidales inff., Thyreoideae, Azygos u. a.) davon aus; ausnahms- weise kamen Klappen vor in dor Iliaca communis, externa, Hypo- gastrica; die Anastomosen seien an der oberen Extremitat fast immor klappeulos, an der unteren nicht. Im Allgemeinen stehe (Chassaignac) die Zahl der Klappen in einer Vene im umgekehr- ten Verlialtnisse zu dem Durchmesser der letzteren. Verf. maclit u. a. auf die Constanz und physiologische Wichtigkeit einer 3 — 4 cm unter der arcade crurale gelegenen Klappe aufmerksam; die- selbe (an der Einmiindung der Saphena) beherrsche das ganze venose System der unteren Extremitat (vgl. Braune, Oberschen- kelvone). Ferner hebt Verf., nach dem Vorgange Berard's, die anatomischen und physiologischen Beziehungen der Halsfascien zu den grossen Venen von Hals und Brust hervor. Messungen ein- zelner Klappen-Distanzen hat H o u z e nicht vorgenommen, sondern er hat bei einigen Individuen die Lange mehrerer Venen und die Zahl der dort vorhandenen Klappen bestimmt, dann erstere durch letztere dividirt und so eine durchschnittliche Klappen-Distanz berechnet. Dieselben werden fur Haut-, tiefe, Muskel-Venen, grosse Stiimme zwischen 20 — 84 mm an der unteren , 27 — 52,6 mm an der oberen Extremitat gefunden und verglichen. Fur die untere Gliedmasse hat Houze eine, fiir die obere zwei Leichen unter- sucht. Methode der Untersuchung. Zur Beurtheilung der gofundenen Thatsachen, besouders be- tretfs der Zahlen, mussen einige Worte liber die Untersuchuugs- methode vorausgeschickt werden. Die meist noch frischen Leichen wurden, wo unton uichts auderes bemerkt ist, in der gewohn- 472 Dr. Karl Bardeleben licliun Riickenlage imtersucht. Abgesehen von eiuigen der ersten Leicheu wurde zuniichst die ganze Lange uud diejenige der Ex- tremitaten und deren Abschnitte bestimnit. Beliufs specieller Un- tersiichungen au der oberen Extremitat wurde diese in gestreckter Haltung ungefalir rechtwinklig vom Rumpfe abducirt. Naclidem die betreffende Vene fast stets mit vollstiindigster Schonung der- selben (Ausnahmen sind in den Protokollen bemerkt) freigelegt war, wurde ihre Lange und dann die Distanz der Endpunkte in der Luftlinie gemessen. Die Abstande der lOappen wurden bei den Erwacliseuen immer, bei den Kindern tlieilweise an der (mit der Scheere) aufgeschnittenen Vene bestimmt. Bei den kleineren Venen der Kinder und Foeten ist es meist unmogiich, wegen der Kleinlieit der ganzen Verhaltnisse, wegen der Diinnheit und Durcb- sichtigkeit der Wandungen und der Klappen letztere deutlicb zu seben, aucb wenn man etwa Berliner Blau injicirt oder die natiir- licbe Blutfiillung benutzt. Hier thut man besser, die Venen nicbt aufzuschneiden (was sich oft wegen der Kleinheit tibrigens von selbst verbietet) , sondern die Klappen von aussen durch vorsicb- tiges Hin- und Herstreicben des Blutes deutlich zu macben. Uebri- gens soil bemerkt werden, dass aucb beim Erwacbsenen, zumal bei diinueren, tiefen Venen, eine partielle Fiillung der Klappen- sinus mit Blut oder Berliner Blau an der aufgeschnittenen Vene sebr gute Dienste leistet. Es kam nun darauf an, fiir die Distanz- messungen einen bestimmten Punkt an der Klappe zu linden. Das ist nicbt so leiebt, als es auf den ersten Blick erscbeint. Die Tascben der Klappen sind innerhalb derselben Vene, ja bei der- selben „Klappe" (= 2 Tascben) verscbieden gross, erstrecken sich verscbieden weit distalwarts. Daber eignen sich die Convexitaten der Tascben haufig nicbt zur Messung. Am zweckmassigsten hat sich mir der Punkt erwiesen, an welchem die Horner (cornua) der Klappentascben sich aus der Venenwaud erheben, also der idcelle Durchschnittspunkt von drei Ebenen, die der ausgebreiteten Wan- dung der Vene und den beiden Tascheumembranen entsprecheu. Aucb hier ist zu beachten, dass die beiden Anheftungspunkte der Tascben an die Wand nicbt in derselben horizontalen Ebene zu liegen brauchen und dass man die einander entsprechenden Puukte wahleu muss. Bei regelmiissigem Aufschueiden der Vene uud gleichmiissigcr Stellung der Tascben zu der Oberflache des Korpers ergiibe sich das von selbst. Lctzteres ist allerdings nicbt immer der Fall, wenu aucb das von Fabricius (s. Literatur) erwahnte Alterniren in der Taschenstellung durchaus nicbt Kegel ist, sondern Das Klappcn-l'>i8lanz-Gosclz. 473 ofter durcli unglciclinuissigc Fiilirimg dcr Scliccre kiiiistlicli hor- gcstcllt wirtl. (Vgl. die Tafolii von Fabricus ab Aciiuipcndcute, sowio untcn). Die Abstilndo dcr bezciclinotcn Punktc wurdcii fast imiucr vcrinittolst cincs spitzcu Zirkcls (bci Kindcrii cvcntucll init lliilfc dcr Loupe) gcuoinmeu uiid auf cincm MetaHmassstab gcnics- scu. Bci grossercii Eiitferuungcn und bci Biegungen dcr Vcne musstc uatiirlicb statt des Zirkcls (Luftlinic) eiu Bandmass oder bcsscr ciii Fadeu beuutzt wcrdcii. Fast alle Distanzcn siud miu- dcstciis zwcimal gemesscu wordcu, auch drci- und vicrmal. Ocf- ters crgabcn sicli hicrbci klcinc Ditfcrcnzeu, zumal weun dcr obcn bezcichnetc Funkt undcutlich war, wie das besondcrs bci solchcn Kkii)pcn dcr Fall ist, welche cingclien oder eingegangen sind. In vielcn Fallen wurden, bei glcicher Grosse dcr Tasclicn zweicr auf einaudcr folgcnder Klappcn, zur Controle die Abstilnde dcr stilrk- stcn Convexitat gemessen, cventuell auch die Abstilnde der in die Klappeusiuus miindendcn Aeste. Trotz allcr mogliclicn Vorsichts- niassrcgcln sind naturlich W(jhl nianclie Fehler mit unter gelaufen, wie das in der Natur der Sache licgt und wie das besondcrs, wenn iiusscre Umstande eiu etwas schnelles Messcn erfordcrlich maeh- ten, erkliirlicli ist. Nur bei cincr grosscn Anzabl von Messungen konnten die ctwaigen Fehler erkannt rcsp. eliminirt werden. Ich hoffe, die Zahl meincr Messungen (iiber 700) bat hierzu genugt, Aucli, nacbdcm ich zu definitiven und sicheren Ergebnisscn ge- laugt zu sein glaubte, babe ich das mir noch zuflicssende Material zur Priifung, und wie sich herausstellte, zur Bestatigung der Rc- sultate benutzt. Besondcrs werthvoll war es, nachtraglich noch einige Kinder aus den erstcn Lebensjahren untersucheu zu konncn. Zum Verstandniss der Messungsrcihen , welche unten folgcu, noch einige Worte. Columne a enthiilt die Bezeichnung dcr Gegend, sowcit dies nothig oder zweckraiissig war; Col. b die Nr. der Klappcn; Col. c die beobachtetc Distanz. Die Zahlen in Col. d geben an, ein wie vielfaches die Zahl in c von der „Grunddistanz" betrug. Lctztere ist, besondcrs wenn sic von den Durchschnitts- werthen : 7 mm fiir die untere , 5,5 mm filr die obere Extrcmitiit abwich, besondcrs angegeben. In Col. e ist die Distanz in der ^yeise bercchnct, dass die Grunddistanz mit dcr Zahl in Col. d multiplicirt wurde. Col. f. enthiilt die Dilfercnz zwischen c und e, also zwischen der wirklich bcobachteten und dcr nach deni unten zu erliiuterndeu Gesetze berechncten Distanz, d. h. also cventuelle Bcobachtungsfehler (z. B. durch Verzerrung dcr Vene bci Beu- gung oder Streckung) oder die Ausdrucke fiir Wachsthumsver- 474 Dr. Karl Bardeleben, schiebungen oder aber fiir nocli unbekannte Storuugen der Gesetz- massigkeit. Alle Masse verstehen sich in mm , bei den grosseren Langen am Kopfe der ProtokoUe in cm. Mann. Leiclie A. Messungsreihe I. V. capitalis brachii, links. Den 16. III. 1880. Arm gestreckt, 90" vom Rumpf abducirt. Eutferuung vom Proc. styloides radii bis zum Abgaug (Eiumiiudung) der cm Cephalica humeri 23 „ von hier bis zur Einmiindung der Basilica 5 „ „ „ „ „ „ der grosseren V. brachialis . 29 „ „ „ ,, zum Zusammenfluss der Subclavia und Jugularis interna 10 Sa. 67 . 64,3 Luftlinie vom Proc. styloides radii bis zur Jugularis interna Umweg der Vene = 2,7 Vom Proc. styloides rad. bis zur 1. Klappe : 24 mm. Die Abstande der iibrigen Klappen (in mm) zeigt folgende T a b e II e : a. b. c. d. e. f. DifFereuz g- Gegend Klappe beobachtet n berechnet c — e Bemerkungen. a 2 44 8 44 0 GD>) = 5,5. n- 3 55 10 55 0 •-* S2 4 59 11 60,5 -1,5 3 5 36 6 33 --3,0 Ellenbeuge 6 112 20 110 --2,0 ^ ( 7 10 2 11 — 1,0 ?l 8 25 5 27,5 -2,5 §{ 9 28 5 27,5 --0,5 n 10 78 14 77 --1,0 11 42 8 44 — 2,0 Axelhohle 12 117 21 115,5 + 1,5 • Summe : 606 110 605 + 1,0 Leiche A, Messungsreihe II. V. saphena magna, links. Den 17. III. 1880. Bein gestreckt, gewohnliche Lage der Leiche. Anfang der Messuugen von der Stelle, wo die V. digitalis dors. I in den Areas dorsalis einmiindet und so die Saphena magna ihren Ursprung nimmt. Entfernung von dieser Stelle bis zur Einmiindung in die Femoralis langs cm der Vene 84 „ von dieser Stelle bis zur EinmUndung (vom Malleolus) in der Luftlinie 78,5 1) Bedeutet iiberall : „Grunddistanz". Das Klappou-Distauz-Gesetz. 475 Veiie biegt sich stiirkcr als gowiilmlicb ain Kiiiu iiacb hiuteu. Vom Urspruug der Sapbona bis zur 1. Khippo : 29 mm. Die Abstande der folgeuden Klappeii s. in der Tabclie: a. Gegend b. Klappe c. beobachtet d. n e. berecbuet f. Dififerenz c — e Bcmerkungeu ( 2 40 6 42 — 2,0 GD = 7,0. Fuss < 3 4 5 25 10- 208 -11 4 1 30 28 7 210 — 3,0 + 3,0 (+ 4,0) - 2,0 Unter- 1 6 46 7 49 — 3,0 scbenkelj 7 39 5 35 + 4,0 ( 8 90 13 91 - 1,0 [ (9)>) 10 22 55 3 8 21 56 4- 1,0 - 1,0 Ober- 1 11 20 3 21 - 1,0 scbenkelj (12) 70 10 70 0 1 13 120 17 119 -- 1,0 ^ 14 51 7 49 + 2,0 Bis zur Einmiindung iu die Fe- moralis dann noch 10 mm. Summe : 796- -797 114 798 — 2,0; — 1,0 Klappenanlageu 114, excl. Fuss 105. Leiehe A. Messungsreihe III. V. tibialis autica (lateralis). Den 17. IU. 1880. Die 1. Klappe am Fussgelenk. b. c. d. e. f. g- Klappe beobachtet "" berechnet Differenz c — e Bemerkuugen 2 13 1 2 14 - 1,0 GD = 7. 3 7 1 7 0 4 22 3 21 + 1,0 5 28 4 28 0 6 14 2 14 0 7 7(8) 1 7 0 (+ 1,0) 8 14 2 14 0 9 21 3 21 0 10 36 (35) 5 35 0 (+ 1,0) 11 26—27 4 28 - 1,0 (— 2,0) 12 42 6 42 0 Summe : 229—232 33 231 — 2,0 bis -f 1,0 1) Die Klammer bedeutet bier und an anderen Stellen , dass die Klappe ein- gegangen oder im Eingehen begriffen war. 476 Dr. Karl Bardeleben, Leiehe A. Messuugsreihen IV u. Y. V. femoralis s uperf i ci alis (anterior und posterior). Deu 17. III. 1880. IV. V. fern or. superfic. anterior. Die oberste Klappe befiudet sich an der Einmiiuduug der Profunda. Von hier aus distal : V. V. feraor. superfic. posterior. Distanz der obersteu Klappe von Klap- pe 1 der anterior: 24 mm. b. lOappe c. d. e. f. g- b. c. d. e. f. beob- berech- Differenz Bemer- bcob- berech- Diflferenz achtet n net c — e kungen Klappe achtet n net c— e g- Bemer- kungea 2 3 4 5 61 9 63 — 2,0 .a 2 90 13 91 - 1,0 33 5 35 - 2,0 a w 0^ Vi 3 20 3 21 — 1,0 52 7 49 -- 3,0 o. 2 4 70 10 70 0 52 7 49 + 3,0 3 198 28 196 -f 2,0 Sa. 180 26 182 - 2,0 C CO tD O 5 Sa. Leiehe A. Messungsreihe VI. V. femoralis profunda (major). Den 17. III. 1880. Die oberste Klappe befiudet sich ungefiilir 40 mm von der Eiumiindung der Profunda in die Femoralis superfic. ant. Summe: 198 b. c. Klappe beobachtet d. n e. berechnet f. Differenz c — e g. 2 3 4 112 44 42 16 6 6 112 42 42 0 + 2,0 0 Die Vene weit, die Klap- pen sehr gross. 28 196 + 2,0 Leiehe A. Messungsreihe VII. V. saphena parva, links. Den 17. III. 1880. Lange der Vene vom Malleolus lateralis bis zur Kniekehle 40 cm. (Vom Malleolus bis 1. Klappe?) Das Klappcu-Distanz-Gosctz. 477 b. I'. d. e. Klappe boob- achtut u bercch- net f. Differeuz c — e Bemerkungcu 2 3 4 5 6 7 8 9 10 17 2 14 33 5 35 80 11 77 55 8 56 25 V 4 28 60? 9 63 52 V 7 49 36 5 35 34(35) 5 35 + + 3 — 1 — 3 — 3 + 3 + 1 - 1(0) Die Zahlcii siud /.icuilich unrcgclmas" sig. Weiui man aber mchrero be- iiachbartc Distaiizcu addirt , crhalt man nur ganz unerheblicbc Abwci- cliungeii von der Berccbnung, ein He- weis , dass einzelne Klappen ver- sehoben waren (Wachsthinn V). So ergibt 17 -f 33 Abweichuiig : = 50: + 1 80 4- 55 -f 25 = 160: — 1 60 -|-52 =112: 0 36 -|- 34 = 70: 0 Zwischen 3 und 4 , sowie 4 und 5 war je eiu deutlicbes Klappenrudi- mcnt. Die mit V bezeichncteu Mcssuugeu konnten wegeu der Beschaffenheit des Klappenursprungs nicht genau gemaeht werden. Sa.: 392(3)1 56 392 1 Oder 0 Leiehe A. Mcssungsreihc VIII. V. tibialis postica (lateralis s. posterior). Deu 17. III. 1880. Die grossere der beiden Begleitveuen. Vom Malleolus augefangen. b. c. d. e. f. g- Klappe beobaebtet u. bereelmet Differenz c — e Bemerkuugen 2 28 4 28 0 Die Zahlen fiir Klap- 3 12; 14 2 14 — 2; — 0 pe 3 Oder 4 bis 7 4 18; 19 3(2 V) 21 — 3; — 2 sind wahrschein- 5 18 ; 19 3(2?) 21 — 3; — 2 lich iu Folge der 6 12 2 14 — 2 Streckung des Fus- 7 18 3 21 — 3 ses zu klein. Meh- 8 23 3 21 + 2 rere Distanzen cr- 9 28; 27 4 28 0; - 1 geben bei wieder- 10 8,5; 9 1 7 4-1,5; +2,0 holten Messungea 11 23 3 21 + 2 verschiedene Re- 12 28 4 28 0 sultate. 13 28 4 28 0 Zwischen 13 und 14 14 36 5 35 + 1 Einmiindung der 15 23 3 21 + 2 anderenVeue (IX). 16 85 12 84 + 1 Einmiindung in die Poplitea. Sa. : 389,5 — 395l(55 oder) 56|(385 oder) 392|-f- 3 bis — 5,5| 478 Dr. Karl Bardeleben, Leiche A. Messungsreihe IX. V. tibialis postica (medialis s. anterior). Den 17. III. 1880. Die kleinere der beideu Begleitvenen. Vom Malleolus angefaugen. b. c. d. e. f. g. Klappe beobachtet n berechnet Diflferenz c — e Bemerkungen 2 15 2 14 + 1 3 15 2 14 + 1 4 6 1 7 — 1 5 12 2 14 — 2 6 24 3 21 + 3 Zwischen Kl. 6 u. 7 Commu- 7 47 7 49 — 2 uicatiou mit der anderen 8 ca. 32 V 5? 35 — 3V Veue. 9 6 1 7 — 1 10 15 2 14 + 1 11 18; 19 2—3 14; 21 -|- 4 bis — 2 Klappe 11 sehr gross. 43 : u 12 25? 4—3 28; 21 — 3 bis 4- 4 = 6. Diff. -f- 1(2). Sa.: 214—216 31 217 — 3 bis — 1 Einmiindung in die andereVene. Leiohe A. Messungsreihe X, V. peronea (major), links. Den 17. III. 1880. Vom oberen (proximaleu) Ende angefangen. b. c. d. e. f. g- Klappe beobachtet n berechnet Dififerenz c — e Bemerkungen 2 25 4 28 — 3 Veue ist sehr weit. 3 50 7 49 -- 1 4 23; 24 3 21 -- 2; + 3 48. — 1 5 23; 24 4 28 — 4 ; — 5 6 8 1 7 + 1 Dann scheinen keine Klap- pen mehr zu kommen. Viele Aeste. Sa.: 129—131 19 133 — 4 bis — 2 Leiche B. Sehr kraftiger Mann. 54 Jahre alt. Selbstmorder. Korperlange 174 cm. Lange der unteren Extremitiit von den Zehen bis zur Lei- stenbeuge 102, Lange der oberen bis zur Axel ca. 79 cm. Messungsreihe XI. V. tibialis antica (medialis, anterior), rechts. Den 20. III. 1880. Bein gestreckt. Riickeulage. Die Messung wurde aus ausseren Griinden sehr schnell ausgefUhrt, daher sind die Zahlen abgerundet. Das Klappcn-Distanz-Gesetz. 479 Vom Fussgeleiik bis zur 1. Klappe ca. 20 mm. Liinge der ganzen Vene ca. 31 cm. Liinge der Tibia 38,5. a. b. c. d. 6. f. g- unteu 2 20 3 21,45 - 1,45 GD = 7,15 mm. 3 15 2 14,3 + 0,7 4 20 3 21,45 - 1,45 Die Distanz 25 komint bei alien 5 20 3 21,45 - 1,45 4 Tibialcs antt. uur liier vor, viel- 6 25? 3 21,45 - 3,55 leieht Beobaclitungsfchler. 7 30 4 28,6 - 1,4 Zwischen Kl. 6 u. 7 Abgang eines 8 30 4 28,G - 1,4 Astes zur anderen Vene (XII). 9 15 2 14,3 - 0,7 Zwischen Kl. 10 u. 11 Einmiindiing 10 20 3 21,45 - 1,45 der anderen Vene und nielirerer 11 50 7 50,05 - 0,05 Aeste. Klappenrudimente sicht- oben 12 30 4 28,6 + 1>4 bar. Summe : 275 38 271,7 + 3,3 Leiohe B. Messungsreihc XII. V. tibialis antica (lateralis, posterior), rechts. Den 30. III. 1880. Vom Fussgelenk bis zur 1. Klappe ca. 45 mm. a. b. c. d. e. f. g 2 15 2 14,3 + 0,7 GD = 7,15 mm. 3 15 2 14,3 + 0,7 4 20 3 21,45 — 1,45 (5) 19 3 21,45 — 2,45 Kl. 5 rudimentar, distal verschoben. 6 15,5 2 14,3 + 1,2 7 19 3 21,45 — 2,45 8 30 4 28,6 --1,4 Zwischen 9 u, 10 Einmiindung in die 9 45 6 42,9 --2,1 vordere, mediale Vene. 10 15 2 14,3 + 0,7 Kl. 10 im gemeinsamen Stamme. Summe: 193,5 I 27 ll93,05 |+0,45| Leiche B. Messungsreihe XIII. V. saphena magna, rechts. Den 30. III. 1880. Gerade Linie vom Fussgelenk bis zur Einmiindung der Vene : 79,5 cm. An der Vene entlang gemessene Lange : 82,5 cm. Umweg also 3 cm. Vom Anfang der Vene (Arcus dorsalis pedis, vgl. Messungsreihe II) bis zur 1. Klappe betragt die Entfernung 35 mm. g- ►^ 2 p 3 a / 4 m 1 5 " 1 6 n 1 7 ^ 1 8 a \ 20 40 41(40) 85 100 100 60 3 21,3 — 6 42,6 — 6 42,6 — 12 85,2 — 14 99,4 + 14 99,4 + 8 ca. 60 — GD 7,1. Umweg am etwa 7,5. Knie , GD grosser, 480 Dr. Karl Bardeleben, a. b. c. d. e. f. g- °{ 9 62 8 ca. 60 + Zwischeii 9 u. 10, ungefahr 20 mm 10 79 11 ca. 82 unterhalb 10 , eine rudimentare ^ 1 CO • 11 103(100) 14 99,4 -|- Klappe. £.< 12 80 11 78,1 -- CO »— ' 13 14 50 37(38) 7 5 49,7 35,5 + Summe : 853— 858 j 119 | 855,2 — 119—9 110. Leiohe B. Messungsreihe XIV. V. femoralis super ficialis (major) rechts. Den 30. III. 1880. Lange der Vene vom Durchtritt diirch den Adductor magnus bis ziir Leistenbeuge 30,5 cm. Die Vene, sowie ihre Kbippen .sind sehr gross, genaue Messung ist daher schwierig. Wiederholt gemessen. Die 1. Klappe befindet sich am oder dicht unter dem Durchtritt, in der Fossa poplitea. a. b. f. unten oben 2 3 4 5 50(52) 7 49 + 1 105(108) 15 105 0 54 8 56 — 2 72(75) 10 70 + 2 GD ca. 7 mm. Zwischen 2 u. 3 deutliche Reste einer Klappe. Einmiindung der Saphena. Summe: 281(289) | 40 280 + 1 Leiche B. Messungsreihe XV. V. capitalis brachii, reclits. Den 30. III. 1880. Arm gestreckt, recbtwinklig vom Korper abducirt. Entfernung vom Proc. styl. rad. bis zur Ellenbeuge 26, von hier bis zum Proc. coracoides 33 cm. Vom Proc. styl. rad. bis zur 1. Klappe: 50 mm. a. b. c. d. e. f. g- < i 2 33 6 33 0 GD = 5,5 mm. o 3 66 12 66 0 CO ' 4 39 7 38,5 - - 0,5 Zwischen 4 u. 5 Abgang der ^ 5 40 7 38,5 -- 1,5 Cephalica humeri , vgl. B I 6 17(18) 3 16,5 -- 0,5 (1,5) unten. Ellen- beuge ?1 7 ca. 29 5 27,5 ca. -f- 1,5 Von Klappe 7 bis zur Ein- miindung der Basilica 23 mm. %l 8 77 14 77 0 H 9 77 14 77 0 B 1 10 47; 48 9 49,5 - 1,5 Axel 11 47; 48 9 49,5 — 1,5 Summe: 472—475 | 86 | 473 | — 1473 -f- 56 = 531. Das Klappcn-Distauz-Gcsctz. 481 Leiche B. Messungsrcihc XVI. V. cophalica humeri, rochts. Fortsetzung von XY. Aiitang iler Messniig an Klappe 4 der V. capitalis. Den 30. 111. 1880. a. b. c. d. e. f. S- Ellen- beuge 1 2 65, G6 113,114 12 21 66 115,5 0 (-1) - 1,5(2,.5) Zwisclien 1 u. 2, 66mm von 1 , Ein- miindiing eincr starken Vene, die vom Vorderarm kommend, <^\ 3 40,41 7 38,5 + 1,5(2,5) eine Insel mit dei- Cepb. bildet. C7* 1 n> J 4 28 5 27,5 -- 0,5 s 5 40 7 38,5 -- 1,5 Kl. 5 am Anfang der Muskeln 5 / (Deltoides u. Pectoralis). J 6 ca. 70 13 71,5 - 1,5 Kl. 6 kleiner, als die vorigen. \ 7 40 7 38,5 -f- 1,5 Summer 396— 399 | 72 | 396 | 0 bis -|- 3 Leiche B. Messungsreihe XVII. V. radialis (radialis) und v. brachial is (radialis s. lateralis), rechts. Den 30. III. 1880. Beide Venen bilden ein ziisammenhangendcs System , das der V. capitalis entspricht. Entfernung vom Proc. styl. rad. bis ziir 1. Klappe ca, 32 mm. b. d. f. g- / 2 a I 3 2 < 4 "i 1 5 B ( 6 l?llAr. 7 beuge 8 . 9 o \ 10 a" 1 n> / 11 » ] 12 B { 13 > 14 15 16 11—12 49—50 44 ca. 10 ca. 15 54 27 23 80 37 27 10-11 78 19—20 34—35 2 11 9 49,5 8 44 2 11 3 16,5 10 55 5 27,5 4 22 14 77 7 38,5 5 27,5 2 11 14 77 4 22 6 33 o_(4- 1) 0 — 1 — 1,5 — 1 — 0,5 + 1 + 3 — 1,5 — 1,5 GD == 5,5. Zwiscben 8 u. 9 geht radialwarts ein Ast in die oberfliichliche Vene, wiibrend sieh ulnarwJirts die V. radialis in die laterale (grcissere) V. bracliialis fort- setzt. Zwiscben 13 u. 14 Abgang eines Astes zurV. capitalis. V. bra- cbialiswird danacb viel kleiner. - 2(-3) j + l(+2)lj 55. Summer 518—523 95 522,5 — 4,5 bis -{- 0,5 Bd. Xrvr. N. F. VII, 4. 31 482 Dr. Karl Bardeleben, Leiche B. Messungsreihe XVIII. V. brachialis (ulnaris, minor). Den 30. III. 1880. Klappe 1 in der Ellenbeuge. a. b. c. d. e. f. g- O n 2 3 4 5 6 7 53 88 22—23 7 2G 26 10 16 4 1 5 5 55 88 22 5,5 27,5 27,5 — 2 0 o(+i) + 1,5 -1,5 -1,5 Zwiscben 4 u. 5 Einmiindung einer grossen Vene, die aus einer Ulna- ris und einer Mediana entsteht. Einmiindung in V. capitalis. i 3umme : 222—223 41 225,5 — 2,5 bis — 3,5 Leiche B. Messungsreihe XIX, V. ulnaris (ulnaris, major), rechts. Den 31. III. 1880. Von der Spitze des 3. Fingers bis zum Handteller 8, bis zum Handgelenk 19, bis zur Ellenbeuge 44, bis zur Axel (Oberarmkopf) 80 cm. Lange der Vene 22 cm. Die erste Klappe am Handgelenk. a. c. g- 2 3 4 5 6 cl 7 8 / P 9 B 10 11 12 13 14 . 15 11 2 11 6 1 5,5 5 1 5,5 8? 1 5,5 35—36? 7 38,5 5,5-6 1 5,5 ca. 10 2 11 5,5—6 1 5,5 30 6 33 6—7 1 5,5 15,5 3 16,5 25 4 22 31,5 6 33 16 3 16,5 0 + 0,5 — 0,5 + 2,5? —2,5; —3,5? 0; (+0,5) — 1 0; (+0,5) — 3 +0,5; +1,5 — 1 + 3 — 1,5 — 0,5 GD = 5,5. Die Vene tritt hinter die Ar- terie, ist beim Aufschneiden theilweise zerschnitten wor- den, sodass vielleicbt Klap- pen Uberseben warden , je- denfalls die Zahlen fiir 5 u. 6 ungenau ausfielen. Summe: 210—213 39 214,5 1—1,5 (—4,5) Leiche B. Messungsreihe XX. V. mediana (major), rechts. Den 31. III. 1880. Eine eigentliche , mit der Art. mediana verlaufende Vena mediana , nicht die vielfach fiilschlicb so bezeichnete oberfliichlicbe Vene, ist gemeint. Liinge der Vene 206 ram. Vom Handgelenk bis zur ersten deutlich erkennbaren Klappe : 56 mm. Das Klappen-Distanz-Gesetz. 483 a. b. c. i '■ 0. f. ^■ 2 11 2 11 0 QD == 5,5. rl 3 9 1 2 11 — 2 D 4 25,5 , 4 (-5) 22 (27,5^ + 3,5 ►1 B3 5 24,5 4 22 + 2,5 6 fast 11 2 11 fast 0 7 40—41 j 12 66 — 1 Zwisclicii 7 11 8 Einmiin- 8 22—24 duiig der Interossea. Sumiue: 144-146,1 26(27) |l43 (148,5); Leiche B, Messuiigsreihe XXI. V. interossea anterior (radialis), rechts. Den 31. III. 1880. Distanz vom proxiraalen Rande des M. pronator quadratus bis zur ersten Klappe ca. 14 mm. b. c. d. f. S- d 2 3 3 ir»- ^ 1 •-J ^ 3 6 1 27 5 27,5 24 4 22 33—34 6 33 fast 16 3 16,5 15—16 3 16,5 (- — 0,5 +.' 0 (+ 1) — 0,5 - 1,5) — 0,5 GD = 5,5. Zwischen 5 u. 6 Abgang eines starkeu Astes. Summe: 115— 117 | 21 | 115,5 | —0,5 bis -f- 1,5 j Leiche B. Messungsreihe XXII. V, saphena magna, links. Den 31. III. 1880. Lange der Vene vom Arcus dorsalis pedis bis zum Malleolus 8,5 ; vom Mal- leolus bis zur Einmiindung 81,8; zusammen 90,3 cm. Luftlinie vom Malleolus bis zur Einmiindung 78,8; Umweg 3 cm. Vom Arcus bis zur 1. Klappe fast 38 mm. d. Fuss a 3 4 5 » (6) ^ 1 n> \ 7 / 8 - 9 a 1 S 1 10 i\ (11) s (12) ^ 13 14 42 6 133 19 143 20 36 5 26—27 4 26—27 3 1—142 19 ca. 62 8 72—73 10 71 10 32 32 h 37—38 5 42,6 134,9 142 35,5 28,4 ca. 22,5 ca. 142,5 ca. 60 71 71 63,9 35,5 + + + + 0 + + Die Klappen 6, 12 nnd beson- ders 11 sind rudiinentar. GD 7,1. Kl. 6 rudim., distal verschoben. GD am Knie : 7,5, vgl. MR. XIII. Klappe 7 liegt 22 mm unter der Kniegelenkspalte. Summe: 853— 858 122 854 -lbis-f-4| 118 —2 —6 =110. 31 * 484 Dr. Karl Bardeleben, Leiche B. Messungsreihe XXIII. V. dorsalis pedis und tibialis antica (medialis), links. Den 31. III. 1880. Vom Durchtritt des Arcus profundus bis zum Fussgelenk 10 , von da bis zum Durchtritt der Vene durch die Membrana interossea 30 cm. Vom Durchtritt des Arcus prof, bis zur 1. Kl. 26 mm. a. c. f. g. ^ 0 o a' a 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 (16) 13—14 13—14 21- 19- ca. 70,5 22 -22 22 21 13,5 21,5 31 15 15 42 -20 15 2 14,3 2 14,3 10 71,5 3 21,45 3 21,45 3 21,45 3 21,45 2 14,3 3 21,45 4 28,6 2 14,3 2 14,3 6 42,9 3 21,45 2 14,3 + 0 + + + + + 4- 6D 7,15 (wegen Stellung des Fusses, Dehnung der Venen, grosser als 7mm). Zwischen 3 u. 4 Stiick mit der anderen Vene. gemeinschaftliches Zwischen 14 u. 15 Vereinigung mit der anderen Vene. Summe : 354,5- -358,5 50 |357,5 Leiehe B, Messungsreihe XXIV. V. dorsalis pedis und tibialis antica (lateralis), links. Den 31. III. 1880. Die laterale Begleitvene der A. tibialis ant. entsteht aus den oberflachlichen Fussvenen. Vom Metatarso-Phalangeal-Gelenk bis zur 1. Klappe ca. 20 mm. a. g- ^ a a o sr o a PC 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 21 ca. 30 11 85 32 14,5 19 7 14 14 16—17 14—15 27—28 48 3 21,45 _ 4 28,6 + 2 14,3 12 85,8 — 4 28,6 + 2 14,3 + 3 21,45 1 7,15 — 2 14,3 — 2 14,3 — 2 14,3 -- 2 14,3 4 28,6 — 7 .'-.0,05 Viele Aeste aus der Tiefe, am Fusse. GD 7,15. 5 — 6 mm iiber Klappe 4 Vereinigung mit der anderen Vene ; gemeinsa- mes Stiick 42 mm. Trennung. Am Fussgelenk Zwischen 14 u. 15 Vereinigung mit der anderen Vene. Klappe 15 ist identisch mit No. 14 der anderen Ve- ne, resp. des geraeinsamen Stammes. Summe: 352,5— 355,5 | 49 |350,35 | | Das Klappeu-Distauz-Gesetz. 485 Leiche B. Messungsreihe XXV. Ast der Saphena magna, Oberscheukel. Den 31. III. 1880. Ca. 21 cm lange Hautvcne an der Vorderseite des Obersclienkels, links, gelit in die Vereinigungsstelle von Sapliena magna und Femoralis. Von der Kutstehung der Venc aus 2 Aesten bis zur 1. Kl. 18 — 19 mm. a. b. c. d. e. f. g- O 2 140 20 140 0 Zwischen 1 u. 2 mehrere ganz CA rudimentare Klappen. (3) 40; 41 6 42 -2; -1 Kl. (3) distal verschoben. 4 15 2 14 +1 Von 4 bis zur Miindung 7 — 8 mm. Summe: 195—196 28 196 (-1)0 Leiche B. Messungsreihe XXVI. V. femoralis super ficialis (major), links. Den 31. lU. 1880. Lange der Vene vom Durchtritt durch den Adductor bis zur Leistenbeuge 30,5 cm. Die erste Klappe diclit uuter dem Durchtritt , also eigentlich in der Poplitea, (vgl. Messungsreihe XXIX). a. b. c. d. e. f. g- O cr 2 63 9 63 0 Klappentaschen sehr gross. GD 3 77 11 77 0 7 mm. ^\ 4 21 3 21 0 a a 5 56 8 56 0 6 ca. 82 12 84 ca. —2 Summe: 299 43 301 Zu XXVI: In der V. profunda femoris, welche bis zum Durchtritte einer starkeren Perforans verfolgt wurde , befand sich auf einer Strecke von 168 mm (n = 24) nur eine Klappe, ca. 95 mm von der Einmiindung in die Femor. superficialis ent- fernt. Leiehe B. Messungsreihe XXVII. V. saphena parva, rechts. Den 31. III. 1880. Die Vene entsteht aus 2 Aesten, welche den Malleolus lateralis umgehen. Von dem Zusammenfluss bis zur ersten Klappe 7 mm. Vom unteren Rande des Malleo- lus bis zur Kniekehle ca. 43 cm. 486 Dr. Karl Bardeleben, b. e. Hohe der Wade Kniekehle 2 3 4 5 6 (7) 8 9 10 11 65 37; 38 49; 50 12; 13 26 20; 21 38 105 29; 30 82 9 63 5 35 7 49 2 14 4 28 3 21 5 35 15 105 4 28 12 84 +2 +2 -2; -1 —2 -1; 0 +3 0 +1 ; +2 —2 6D ca. 7 mm, eher mehr als wenia;er. Zwischen 8 und 9 viele ein- gegangene Klappen. Vene geht mit einem Ast in die Tiefe, um viel hoher, als gewohnlich angegeben wird, in die Poplitea zu miinden ; der andere Ast erweist sich als ein ab- steigender Hautast (= v. femoro - poplitea, Giaco- mini). Summe: 463—469 66 ca. 462 Leiche B. Messungslinie XXVIII. V. tibialis postica (laterale, hintere), rechts. Den 31. III. 1880. Drei Venen sind vorhanden; eine beziebe ich auf den Nerven. Vom oberen Rande des Calcaneus bis zur 1. Klappe 32 mm. f. g- 17—18 30 16—17 30—31 52 47 16 32 3 21 4 28 3 21 4 28 7 49 7 49 2 14 5 35 -4; -3 +2 -5; -4 4-2; +3 +3 —2 +2 —3 47—48 46—48 99 48 GD ca. 7 mm. In Folge der Hal- tung des Unterschenkels und des Fusses wahrend der Messung sind fast sammtliche einzelne Masse, so- wie ihre' Summe zu klein ausge- fallen. Sa. : 240—243 35 245 —5 bis— 2 Leiche B. Messungsreihe XXIX. V. tibialis postica (vorderste) und poplitea, rechts. Den 1. IV. 1880. Lange der Vene vom Abgange aus der anderen Tibialis post, bis tea (Vereinigung mit der Tibialis antica) 26 cm. Vom Anfang bis Klappe : 44 mm. zur Popli- zur ersten Das Klapjjcn-Distanz-Oesetz. 487 b. c. d. e. f. Uiiter- sehenkel Kiiiege- leiik Ober- schenkel 2 25 4 28 —3 3 15 2 14 +1 4 28 4 28 0 5 26 4 28 —2 6 14 2 14 0 7 35 5 35 0 8 34 5 35 —1 9 20 3 21 —1 10 83 12 84 —1 11 155 22 154 +1 In Folge dor Haltung des Fusses sind die Masse alia etwas zu klein auygefallen , so dass die Zahlcii ziemlich geiiau durch 7 oder etwas weniger theilbar sind. 21 mm iiber Klappe 9 ist die Einmiiudung der Tib. antica. Klappe 11 ist identisch mit Kl. 1, Messuiigs- reihe XXVI. Summe : 435 63 | 441 | —6 | Leiehe B. Messungsreihe XXX. V. saphena parva, links. Den 1. IV. 1880. Vom unteren Rande des Malleolus lateralis bis zur Kniebeuge ca. 43,5 cm. Bis zur ersten Klappe: 21 mm. a. b. c. d. e. f. g- rl 2 86 12 84 +2 GD = 7 mm oder etwas mehr. a 1 3 35 5 35 0 1 (4) 29 4 28 +1 5 28 4 28 0 n - 6 77 11 77 0 a> ! 7 48 7 49 —1 vr 8 36; 37 5 35 +i;-2 1 9 30 4 28 --2 10 19; 20 3 21 —2; —1 Vene tritt in die Tiefe; vgl. MR. XXXI. Summe: 388 — 390 55 385 +3bis-|-5 Leiehe B, Messungsreihe XXXI, V. tibialis postica (innerste) und poplitea, links. Den 1. IV. 1880. Vom unteren Rande des Malleolus bis zur Einmiindung der Saphena parva 43, 5 cm. Vom unteren Rande des Mall, bis zur 1. Kl. 14 mm. b. c. g- Unter- schenkel ' 2 11,5 2 14 —2,5 3 7,5 1 7 --0,5 4 22 3 21 --1 5 22 3 21 --1 6 22 3 21 --1 7 32 ; 33 5 35 -3; -2 GD ziemlich genau 7,0 mm. 488 Dr. Karl Bardeleben, c. d. e. 8 9 18 39 h 56 +1 Unter- scheukel 10 11 12 18 25 30 1' 4 42 28 +1 +2 13 27,5 4 28 -0,5 14 15 2 14 +1 Kniekehle 15 57 8 56 4-1 Ober- schenkel 16 168 24 168 0 Zwischen 12 und 13 Einmiinduug der Peronea. 14 dicht unter der Eiiimiindung der Tibialis antica. 70 mm iiber Kl. 15: Einmiindung der Saphena parva. Kl. 16 identisch mit Kl. 1 der Femo- ralis. c 514,5 Summe: _^^^ 73 511 +3,5 bis +4,5 Mann, •wasserslichtig. Leiehe C. Kdrperlange 175 cm. Leiehe ist sehr schlecht erhalten, Messungsreihe XXXII. V. saphena magna, rechts. Den 3. IV. 1880. Lange der Vene vom Arcus dorsalis bis zur Einmiindung 94 cm, vom Malleo- lus bis dorthin 82 em; Luftlinie vom Malleolus bis zur Einmiindung 80,5. Um- weg also nur 15 mm. — Vom Malleolus bis zum Knie (Gelenkspalte) 39 cm. Vom Arcus dorsalis bis zur 1. Klappe 48 mm. c. d. e. f. S- 2 15 2 14,8 +0,2 3 187 25 185 +2 (4) 22 3 22,2 —0,2 5 28,5 4 29,6 -1,1 6 116 16 118 —2 7 25 3 22,2 —2,8 8 90 12 88,8 + 1,2 9 77 10 74 +3 10 49 7 51,8 —2,8 (11) 146,5 20 148 -1,5 12 118 16 118 0 13 25 3 22,2 +2,8 GD = 7,4. Malleolus 64 mm iiber Kl. 2. Kl. 13 in der Femoralis. Klappenanlagen : 121 — 2 — 9= =110. Summe : 899 121 I 895,4 I +3,6 Zu XXXII: Die Messungen an der linkseitigen Saphena (M.R. XXXIII) ergeben uugefahr dasselbe Resultat, d. h. ziemlich starke Unregelmiissigkeiten. Die linke Saphena hat am Fusse 3, am Unterschenkel 5, am Oberschenkel 6 persistirende und eine im Eingehen begriflfene Klappe. Die Zahl der Klappenanlagen betrug (gegen) 108. Das Klappuii-Distauz-Gcsetz. 489 Leiche B. Messungsreihe XXXIV. V. capitalis brachii, links. Den 6. IV. 1880. Der Arm ist abgelost und nieht niehr frisch. Vom Acromion bis zur Kllen- bcuge 33 , von hier bis zum Handgelenk 25,5 cm. Luftlinie vom Rande des Pecto- ralis major bis zum Haudgelenk 52 , Liinge der Veue zwiscbeu dcnsclben Punkten 54,5 cm. Umweg der Vene also 25 mm. Distal vom Handgelenk eine Klappe ; von dieser bis zur 1. am Vorderarm 40 mm. b. c. d. e. f. ^/ 2 62 11 3 32,5 6 H 4 37 7 5 5 29,5 5 yl 6 76 14 7 19 7 o 8 19 o- 9 56 10 10 11 2 3 11 67 12 (12) 40 7 xel 13 78 14 60,5 33 38,5 27,5 77 38,5 55 11 66 38,5 77 + 1,5 — 0,5 — 1,5 + 2 — 1 — 0,5 + 1 0 1+ 1 1+ 1,5 i+ 1 GD = 5,5. Bis incl. 8 Beobachtuugsfehler = 0. Von 10 au siud die Messuugen ungeuau, da wegen der Ablosung des Armes die Vene sich verkiirzt hatte und kiinstlich fixirt wurde. Summe : 527 | 95 | 522,5 | + 4,5| 527 -|- 40 = 567. Leiehe B. Messungsreihe XXXV. V. radialis (ulnaris) und brachialis, links. Den 6. IV. 1880. Vom Proc. styl. rad. bis zur ersten Klappe 30 mm. b. d. !3 n "I Ellen- beugeV^Q 11 12 13 14 ^ i ^ 1 B (37+) 11 11 19 23 50 (18+) 22 (30+) 45,5 56,5 27 17,5 7 38,5 (- 1,5) 2 11 0 2 11 0 3 16,5 -- 2,5 4 22 -- 1 9 49,5 -- 0,5 4 22 (-4) 4 22 0 6 33 (- 3) 8 44 + 1,5 10 55 + 1,5 5 27,5 — 0,5 3 16,5 + 1 Die eingeklamracrten Zahlen mit dem + in Col. c. bedeuten ungenaue, je- denfalls zu klein ausgefallene Mes- sungen. Zwischen 9 und 10 Einmiindung der grossen tiefen Venen. Kl. 10 bereits in der Brachialis. 12,5 mm iiber Kl. 11 Zusammenfluss mit der anderen Ulnaris. 36 mm liber Kl. 14 Einmiindung in die Capitalis, welche dicht unter der Einmiindung der Brachialis eine Klappe (Nr. 12, M.R. XXXIV) hat. Summe: 367,5 + x |67| 368,5 [ — 1 490 Dr. Karl Bardeleben, Leiehe B. Messungsreihe XXXVI. V. inter ossea anterior (ulnaris), links. Den 6. IV. 1880. Liinge der Vene vom Rande des M. pronator quadratus bis ziir Vereinigung mit der I^erforans superior 12,5 cm. Vom Rande des Muskels bis zur ersten (?) Klappe 14 mm. a. b. f. 32,5 (73+)*) 6—7 6 33 14? 77 1 5,5 — 0,5 + 0,5;+ 1,5 GD = 5,5. *) Nicht genau bestimmbar : jedenfalls melir als 73 mm. Vene macht Biegung. Summe: 111,5— 112,5 + | 21 | 115,5 | | Leiche B. Messungsreihe XXXVII. Ast der V. capitalis brachii, links. Den 6. IV. 1880. Diese Vene verbindet eine Ulnaris mit der Capitalis , eiitspricht ungefahr der Art. collateralis ulnaris superior. Von der Einmiindung in die Capitalis bis zur ersten (obersten) Klappe 16 mm. b. e. 2 30 5 27,5 + 2,5 3 14 32 16,5 - 2,5 4 46 8 44 -- 2 5 12 2 11 -- 1 GD = 5,5. Summe: 102 | 18 | 99 |+ 3 Leiche B. Messungsreihe XXXVIII. V. cephalic a humeri, links. Den 6. IV. 1880. Unter dem Abgange (Einmiindung) der Cephalica befindet sich in der Capitalis eine Klappe. Vom Abgange bis zur Einmiindung eines grossen Astes von der RUckseite des Unterarms : 46 mm, bis zur ersten Kl. nochmal 46 mm; die Lange der Vene, soweit gemessen, 35 cm. b. e. f. g- ' 1 92 17 93,5 - 1,5 o 2 37 7 38,5 — 1,5 a- a 3 60 11 60,5 - 0,5 3 \ 4 26,5 5 27,5 — 1 B 5 81 15 82,5 - 1,5 6 34 6 33 + 1 Schulter 7 ca. 1 5 3 16,5 — 1,5 Die Masse sind, mit einer Ausnahme alle zu klein, wohl wegen der Ablosung des Armes. Klappe 4 am unter en Ende der Muskeln. Summe: 345,5 | 64 [ 352 | — 6,5| Das Klappou-Distiiuz-Gesotz. 491 Leicho D. Don 8. IV. 1880.- Kind miinulichou Geschlechts, 81 cm laiig. Wcgcn vorausgcgaiige- ncr Section und andcnvcitiger Verwcndung dci* rcchten Extremitiilcn koniito nur die liiike uutere Gliedmasso uutersucht wcrdeu. Auf dor rechteu Seite ergabeu sich folgende Masse (in cm) : obere Extremitiit : Spitze des 3. Fingers bis Handgelenk 9 „ Elleiibeuge 21 „ zur Axel 31 „ zum Acromion 34 untere Extremitiit : Spitze des Hallux bis Fussgelenk 1> 1) zum uuteren Rande der Patella 24 ,, zur Leistenbeuge 40 ,, zur Spina ilei ant. sup. 43,5 Messungsreihe XXXIX. V. saphena magna, links. Vom Malleolus bis zur Einmiindung an der Vene gemessen: 307 — 308 mm Luftlinie : 305 „ also Umweg der Vene : 2 — 3 mm Vom Areas dorsalis bis zur ersten Klappe an Einmiindung eines Astes : 12 mm. a. b. c. d. e. f. g- OS \ 2 3 7,5 4,5 4 i- + ni" Grunddistanz 3 mm. " I 4 9-9,5 3 9 0; -f 0,5 Zwischen 4 und 5 Malleolus. 5 ca.92,5 31 93 — 0,5 6 3 1 3 0 B (ti \ 7 6 2 6 0 « ' V 8 24,5 8 24 + 0,5 Zwischen 8 u. 9 Kniespalte ; con- cave Biegung der Vene. O 9 ca.32 11 33 — 1 Zwischen 9 und 10 Einmiindung cr 10 19 6 18 + 1 eines Astes aus der Saphena par- w 11 48 16 48 0 va. Convexe Biegung der Vene. 12 47 16 48 — 1 a 13 27 9 27 0 fO 14 ca. 6 2 6 0 Kl. 14 an Einmiindung. Summe: 326 bis326,5jl09l327|— 0,5 bis — l| 109—7 102. Zusatz zu XXXIX. In der V. femoral is befinden sich Klappen, unter der Einmiindungsklappe der Saphena, 1. (oberste) 28, 2. 69 mm entfernt. — Die Distau- zen der Klappen in der Tibialis antica liessen sich, wegen der Durchsichtigkeit der Klappen und der Wandung, nicht direct mit blossem Auge bestimmen. Leiche E. 44jahriger Mann, Handwerksbursche. Kdrperlange ca. 164 cm. Messungsreihe XL. V. tibialis antica (medialis), rechts. Den 14. IV. 1880. Von der Spitze der 2. Zehe bis zum Malleolus 20, bis zur Kniespalte 57, bis zur Leistenbeuge 95, bis zur Spina ilei ant. sup. 108 cm. Die 1. Klappe 23 mm Uber dem uuteren Ende des Malleolus medialis. 492 Dr. Karl Bardeleben, c. e. 2 24 3 26 4 17 5 28 6 23 7 38,7? 8 71 9 88 3 4 2 4 3 5 Oder 6 ? 10 ] 12 Oder 13?! 21,3 4-3 28,4 — 2 14,2 + 3 28,4 0 21,3 + 2 9 71 85,2- -92,3 GD ca. 7,1. 61,7 Summe: 315,7 44 315 + 0,7| Leiche E. Messungsreihe XLI. saphena magna, rechts. Den 14. IV. 1880. Vom Arcus dorsalis bis zur 1. Klappe 54 mm (— 3. Kl. 99, = 14 n). a. b. c. d. e. f. g- GD = 7,1 mm. Fuss (2) 24 3 21,3 + 2,7 Die mit ( ) versehenen Klappen sind, 3 21 3 21,3 0,3 wenn auch eingegangen, so doch noch deutlich erkennbar, wahrend bei den mit [ ] eingeklammerten gerade noch Spuren sichtbar waren. Aeste wa- ren an alien Klappen vorhanden. AIs sufficient konnten hochstens fol- gende vier Klappen gelten : 1, 3, 6, 9. Untei- / w 132 19 134,9 2,9 |51 95 13 92,3 + 2,7 Ueber die Einmiindungsklappe an der schenkel\ Femoralis ist nichts bemerkt. 6 139 20 142 — 3 Kl. 3 lag dicht unterhalb des Knochels. Ober- / schenkel"! (7) 122 17 120,7 + 1,3 Auch zwischen 8 u. 9 , waren Spuren (8) 63 9 63.9 0,9 eingegangener Klappen vorhanden. 9 257(— 258) 36 255,6 + 1,4 Nach 13 — 14 mm Einmiiudung. Summe: 853(— 854)!l2o! 852 | | Kl. A.: 120 — 6 — 3 ? = 111. Die Distanzen der sufficienten 4 Klappen an dieser Saphena sind demnach: Arcus bis 1. Klappe 54 1. bis 2. (3.) 55 2. bis 3. (.6.) 366 3. bis 4. (9.) 442 -443. Zu M.R. XLI. In der ganzen Femoralis superficialis der rechten Seite befindet sich nur e i n e Klappe und zwar an der Einmiindung der Profunda, ca. 75 mm vom Lig. inguinale externum. Die nachste Klappe distalwarts ist in der Pop lite a, 207 mm entfernt. In der Iliaca externa sitzt eine Klappe unter der Einmiindung der Hypogastrica. Reste oder Spuren finden sich deutlich in der Iliaca communis. Das Klapj'uii-Distauz-Gesetz. 493 Leiche E. Mcssuugsrcihe XLII. V. capital is brachii, rcchta. Den 15. IV. 1880. Voin Proc. styloides radii bis zur 1. Klappe 74 mm. a. b. c. d. e. f. g- ^( 2 74 14 77 — 3 GD = 5,5 mm. vA 3 fast 40 7 38,5 + 1,5 ^n 4 fast 53 10 55 — 2 Zwischen 4 u. 5 ,,Abgaiig" der Cephalica humeri, wel- che 187 mm lang klappen- Ellen- los ist. beuge 5 fast 74 13 71,5 + 2,5 Zwischeu 5 u. 6 Einmiindung dpr Rftsilioa ^( 6 101 — 102 19 104,5 — 3,5; — 2,5 M 7 24,5 4 22 + 2^ Zwischen 7 u. 8 Einmiindung sl 8 40 7 38,5 + 1,5 einer tiefen Vene. S^ 9 ca. 58 11 60,5 - 2,5 Su mme: 464,5 — 465,5 85 467,5 (— 3) — 2 Leiclie E. Messungsreihe XLIII. V. saphena magna, links. Den 16. IV. 1880. Vom Malleolus bis zur Einmiindung an der Vene entlang : 818, Luftlinie: 785 mm. Dicht peripher vom Anfange der ,, Saphena", in der Interraetatarsea dorsalis I, befindet sich eine Klappe (Nr. 0). a. b. g- ( B- B ?r £. O c n> VI a , a a pr a 1 2 3 4 5 (6) 7 8 (9) (10) 11 12 35,5 22 35 168—172 92,5 38,5 19 198 146 101 26 14 5 35,5 3 21,3 5 35,5 24 170,4 13 92,3 5 35,5 3 21,3 28 198,8 21 149,1 14 99,4 4 28,4 2 14,2 0 + 0,7 — 0,5 + 0,2 + 3,0 - 2,3 + 0,8 3,1 1,6 2,4 0,2 GD = 7,1 mm. Die Vene macht eine Biegung. Messung mit einem Faden (et- was unsicher,) ergab ca. 172. Ueber Klappe 4 Einmiindung eines grossen , von der Wade absteigenden Astes. Summe : 895,5 —899,5 127 901,7 127 — 13 — 3 == 111. 494 Dr. Karl Bardeleben, Leiclie E, Messungsreihe XLIV. V, femoralis u. iliaca externa, links. Den 15. IV. 1880. Die erste (distale) Klappe ca. 5 — 6 cm iiber dem Durchtritt durch den Adductor. a. b. c. d. e. f. g- 2 26 4 28 — 2 Klappeu sehr gross. Durch starke (3) ca. 69 10 70 — 1 Ausdehnung der Vene etwas O naher an einander geriickt? 4 ca. 54 8 56 — 2 Zwischen 4 u. 5 Einmiindung der w 5 96—97 14 98 —Ibis— 2 Profunda; 56 mm von 4: Ein- s-i mundung der Saphena. Kl. a 5 gerade am Lig. inguinale a ext. 9 — 10 cm weiter obeu • war die Vene abgeschnitten, daher die Zahlen alle etwas zu klein. Summe: 245—246 36 252 — 6 (— 7) Leiche E. Messungsreihe XLV. V. capita lis brachii, links. Den 17. IV. 1880. Masse an diesem Arm : Vom Proc. styl. rad. bis Acromion 56,3 — 56,5 ; bis zur Spitze des 3. Fingers ca. 20 cm ; bis zur Tiefe der Axelgrube ca. 60 cm. Entfernung vom Proc. styl. rad. bis zur 1. Klappe 35,5 mm. a. b. c. d. e. ! f. g- Ellen- beuge fl 2 3 4 5 6 7 8 9 10 39,5 82 39,2(39,5) 40,5 61 136 20,5 (57)58 57 7 '? 7 11 25 4 38,5 82,5 38,5 38,5 60,5 137,5 22 115,5 + 1 - 0,5 + 0,7(-f 1,0) + 2 + 0,5 - 1,5 - 1,5 — 0,5 Zwischen 5 u. 6 ,,Abgang" der Cephalica humeri. 19 mm iiber 6 Einmiindung der Basilica ; darunter eine ganz rudimentare Klappe. Dicht iiber 8 Einmiindung der medialen V. brachialis. Zwischen 9 u. 10 Einmiindung der lateralen V. brachialis. In der Axilla keiue Klappen. S umme 532,7 —534 97 533,5 — 97 + 7 = 104. Zu XLV. Die Cephalica humeri hat ihre erste Klappe 235 mm uber dem ,,Abgange" aus der Capitalis, dicht unter dem Eintritte zwischen die Muskeln. Das Klappcn-Distanz-Gesetz. 495 Leiehe P. Maun. Selbstmorder. Korperliinge 160 cm. Messuugsrciho XL VI. V. epigastrica superficialis, rechts. Den 19. V. 1880. Die 1. Klappe dielit iiber der Eininiindung in die Saphena. Grunddistanz ca. 7 mm (V). d. ! f. 2 21 3 21 0 3 39 6 42? — 3 4 34 5 35 — 1 5 56 8 56 0 Vene oben abgescbnitten. Summe: 150 22 154 Leiche P. Messuugsreihe XLVII. V. thoracica longa, rechts. Den 19. V. 1880. Grunddistanz 5,2, a. b. c. d. e. f. g- proximal 1 2 1 32 j 6 31,2 +0,8 distal 3 ca. 16 3 i 15,6 |ca. -f-0,4 Summe : 48 46,8 I + 1,2 Leiohe P. Messungsreihe XLVIII. V. saphena magna, rechts. Den 19. V. 1880. Lange vom Malleolus bis zur Einmiindung an der Vene entlang 73,5 ; Luft- linie 71,5 cm. Umweg 2 cm. Vom Arcus bis zum Malleolus an der Vene 7,5 cm. Vom Arcus bis zur 1. Kl. 22 mm. a. b. c. d. e. 1 ^• g- GD = 6,85. Fuss 2 (36)35 5 34,25 + 0,75 Zwischen 2 und 3 eine ru- dimentSre Klappe , so- Unter- dann Abgang der hin- sehenkel 3 244 36 246,6 - 2,6 teren Seitenbahn (s. u.). 4 125 18 123,3 + 1.7 o 5 57 8 54,8 - - 2,2 c 6 97 14 95,9 -- 1,1 (7) 58 9 60,65 — 2,65 & ( (8) 78 11 75,35 + 2,65 a (9) (35)34 5 34,25 (+ 0,75) — 0,25 10 26 4 27,40 — 1,40 11 27 4 27,40| — 0,40 11 an Einraundung. Summe: 781— 783 j 114 | 780,9 |-f- 0,1 (-f- 2,1)| 114—5—4 == 105. 496 Dr. Karl Bardeleben, Hintere Seitenbahn (ku XLVIII). a. c. d. a a a O a* n> <-t Hi a » D 3a 4a 5a 6a 7a 8a 9a 10a ca. 182 27,28 52; 53 8 82 12 26 4 66; 67 10 54 8 ca. 90 14 ca. 37—38 5,6 Leiehe P. Messungsreihe XLIX. V. cephalica antibrachii und humeri, rechts. Den 19. V. 1880. Eine V. „capitalis", also eine Verbindung der „Cephalica" des Unterarms mit der „Basilica" des Oberarms ist makroskopisch nicht nachweisbar, weder rechts noch links. Masse: von der Spitze des 3. Fingers bis zum Proc. styl. rad. 17,5; bis zur Ellenbeuge 42; bis zur Tiefe der Achselhohle 66 cm. Vom Arcus dorsalis bis zur Spitze des Proc. styl. rad. 19 mm, von hier bis zur 1. Klappe 93 mm, in Summa 112 mm. a. b. c. d. e. f. g- Unterarm | 2 3 119 17 23 3 119,6 15,6 -0,6 Grunddistanz = 5,2. Zwischen 3 und 4, in der Ellenbeuge, Oberarm < 4 124 24 124,8 +0,8 Einmiinduug eines Astes aus der Tiefe. 5 35 7 36,4 — 1,4 6 28 5 26 +2 7 52 10 52 0 Zwischen 8 21 4 20,8 +0,2 den I 9 16 3 15,6 --0,4 Muskeln 10 17,5 3 15,6 +1,9 11 34 7 36,4 -2,4 ca. 40 mm iiber 11 geht die Vene in die Tiefe. Sun ime: 463,5 89 462,8 +0,7 89 -|- 17 = 106. Leiclie F. Messungsreihe L. V. cephalica antibrachii und humeri, links. Den 19. V. 1880. Vom Arcus dorsalis bis zur Spitze des Proc. styl. radii 33 mm. Eine Klappe (0) dicht am Arcus. Das Klappen-Distanz-Gesetz. 497 a. b. c. d. e. f. g- Unterarm 1 62 12 62,4 -0,4 Grunddistanz == 5,2. Ellenbeuge 2 217 42 218,4 —1,4 ( 3 56 11 57,2 —1,2 Oberarm < 4 61 12 62,4 -1,4 \ 5 33,5 6 31,2 +2,3 Zwischen deni 6 78 15 78 0 7 17 3 15,6 --1,4 Muskeln | 8 16,5 3 15,6 --0,9 \ 9 31,5 6 31,2 --0,3 Nach ca. 45 mm geht die Vene in die Tiefe. Siunm e: 572,5 110 572 +0,5 Leiche F. Messungsreihe LI. V. saphena magna, links. Den 19. V. 1880. Vom Arcus dorsalis bis zur 1. Klappe: 27 mm. teischenkels, Verkurzung des Beines um 2 cm. Alte Fractur des linken Un- a. d. e. f. Fuss Unter- schenkel Ober- schenkel 2 21 3 20,1 +0,9 3 27,5 4 26,8 +0,7 4 133 20 134 — 1 5 6 83 63 (22 145,2 +0,8 7 8 29 30 i' 59,4 -0,4 9 94 14 93,8 --0,2 10 34 5 33,5 --0,5 11 87 13 87,1 -0,1 12 93 14 93,8 — 0,8 13 54 8 53,6 +0,4 Grunddistanz = 6,7. (Von 5—8: 6,6.) Zwischen 4 u. 5 geht die hintere Seitenbahu ab (s. u.) Wiedervereinigung. Summe: 748,5 112 747,3 +1,2 112 — 7 = 105. Hintere Seitenbahn: a n> 1 5a (77?) 11 73,7 (- -3,3 V) 1 6a 28 4 26,8 --1,2 7a 74 11 73,7 --0,3 8a 33 5 33,5 —0,5 *~^ Summe : 31 Vene zerschnitten, Zahl fur 5a daher ungenau. GD = 6,7. Ilauptbahn hat in der betreffenden Strecke gleich- falls 31 Klappenorte. Bd. XIV. N. F. Vn, 4, 32 498 Dr. Karl Bardeleben, Leiclie P. Messungsreilie LII. V. femoralis superficialis (major) und poplitea, rechts. Den 20. V. 1880. Die erheblich grossere der beiden, 25 mm uuter der Einmiindung der Profunda sich vereinigeuden Begleitvenen der A. femoralis. Beide Venen communiciren bereits an der Mitte des Oberschenkels mit einander , von hier an wird die kleinere Vene noch schwacher. Die grossere Vene liegt h i n t e r der Arterie. Die 1. Klappe befindet sich unter der Einmiindung einer Circumflexa , iiber der Einmundung der Profunda. a. b. d. e. f. g- Ober- j schenkel \ Kniekehle 2 3 4 5 6 17—18 20 92 ca. 65 (—62) ca. 118 3 3 14 10 18 19,8 19,8 92,4 66 118,8 + Grunddistanz 6,6 (6,7?). Dicht iiber Kl. 3 Einmiindung der ande- ren Vene. Die beiden Taschen der Kl. 5 reichen ver- schieden weit hinauf (centralwiirts). Kl. 6 in der Poplitea, 15 mm unterhalb der Kuiegelenkspalte. Sumi ne. (309— )313 48 316,8 Leiche P. Messuugsreihe LIII. V. p opli te a und femoralis superficialis (major), links. Den 20. V. 1880. Die linke V. poplitea entsteht aus zwei Venen, die beide vor der Vereinigung eine Klappe besitzen. Die Distanz von diesen Klappen (la und lb) bis zur untersten (2) in der Fe- moralis (die Poplitea im engeren Sinne hat keine) betragt 110 fur die mediale, 123 fiir die laterale Vene. Auch hier sind zwei Femorales da, von denen die hintere mediale die weit star- kere ist. a. b. c. d. e. f. g. 1 3 4 5 6 ca. 38 ca. 58 ca. 80 22 6 9 12 3 39,6 59,4 79,2 19,8 + Die Vene ist behufs Herausnahme hinten abpraparirt, elie die Masse auf der Vorderseite genommen waren, daher sind die Zahlen fiir 3 und 4 wolil etwas zu klein aus- gefallen. Sum me : 198 30 198 0 198 -|- 110 = 308; vgl. LII. Leiche G. Mann. Die Messungeu warden an genauen, den 18. VII. 1879 hergestellten Zeichnun- gen, vorgenommen. Messuugsreihe LIV. V. capitalis brachii, links. Die Vene ist bis uber die Mitte des Oberarms abgezeichnet, 43 cm vom Proc. styl. radii. Vom Proc. styl. rad. bis zur 1. Klappe 44 mm. Das Klappon-Distanz-Gesotz. 400 a. b. c. d. 0. f. K- ( 2 21,8 4 22 -0,2 ll|itci:inu/ 3 27,6 5 27,5 +0,1 4 r)G,3 10 55 +1.3 1 5 54,0 10 55 -1,0 Diclit iiljcr 5 Abt^Jiii^;' der Cepbalica iuimcri. Zwisi'licii 5 uiul 6 (4!), 5 mm iiber 5), Kiimiiiu- dun^ dcr Basilica. 1 6 88,8 16 88 +0,8 Dicht iiber 6 Einmiindiing einer von dcr ulna- (Ibor.inn ' 7 8 34,0 36,5 6 7 33 38,5 + 1,0 -2,0 reu und liUckseiti; des \'orderarm.s kommcn- den Vene. 9 44,5 8 44 +0,5 Einigc Millimeter iiber Kl 0 Eininiindung einer I i liraehialis. Summe: 363,5 |66 363,0 |+0,5 | Zii Liv: Die erste Klappe der Cepbalica bumori liegt 160 mm iibor Klaitpe 5 der Capitalis ; die 2. 27,5; die 3. 16,5 entfernt. Leiehe G. Messungsreihe LV. V. capitalis brachii, rechts. Die Vena kommt, fast 80 mm vom Handgelenk, aiif die Volarseite des Vovder- arms , wird erst bier auf der Zeichnung sicbtbar. Die erste (sicbtbaro) Klappe ist demiiaeli ca. 80 mm vom Proc. styl. rad. entfernt. b. c. d. e. f- 1 2 103,6 19 104,5 —0,9 3 49,9 9 49,5 +0,4 4 115,5 21 115,5 0 5 22,0 4 22 0 g- Unterarm Oberarm Dicbt iiber 3 Abgany der Cepbalica bumeri. Zwiscben 3 u. 4 (71,5 mm uber 3) Einmiin- diing der Basilica. Zwisclien 5 und Einmiindung der Bracli. nocb 2 Klappen (nicht mebr auf der Zeichnung). Summe: 291,0 |53|291,5 |— 0,5 | Zu LV: Die erste Klappe der Cepbalica humeri befindet sicli 121 mm iiber Kl. 3 der Capitalis, die nachste Klappe liegt 3 cm iiber demEintritt der Vene zwiscben die Mnskeln. Leiehe G. Messungsreihe LVI. V. basilica, links, mit 2 Nebenbahnen. Die 1. Klappe ca. 15 mm vom Handgelenk. a. b. c. d. e. f. g- V / 2 33 6 33 0 Diclit iiber Kl 2 gebt die Nebenbabn A ab. "• 1 0. 1 3 23 4 22 + 1 Q 1 t 1 4 16,5 3 16,5 0 >~S 1 5 37 7 38,5 -1,5 Dicbt iiber 5 gebt die Nebenbabn B ab. ^5 J Zwiscben 5 u. 6 (27 mm unter 6) miindct die Nebenbabn A wieder cin. p* 6 100 18 99 + 1 Distanz von Kl. 2 — 6: 176,5 mm, genau » O gleicb der Liinge der dazwiscben verlau- ^ fenden Nebenbabn A. Ell en - beugc 7 29 5 27,5 + 1,5 Ober- arm 8 44 8 44 0 Kl. 8 identLsch mit Kl. 6 der Capitalis, MR. LIV. Summe: 282,5 | 51 ] 280,5 : +2 32 500 Dr. Karl Bardeleben, Nebenbahn A der Basilica. 3 a. a >-4 a. c. d. e. f. g- 3a 23 4 22 -f-1 4a 17 3 16,5 --0,5 5a 38 7 38,5 —0,5 6a 34 6 33 + 1 7a 37,5 7 38,5 — 1 8a 27 5 27,5 -0,5 Dicht iiber Kl. 7a Einmiindung in die Haupt- bahn. Kl. 8a ist dieselbe , wie Kl. 6 der Haupt- bahii (s. o.). Summe: 176,5 | 32 ] 176 | -f0,5 Nebenbahn B der Basilica. a. b. c. d. e. f. g- Klappen 5—6 der Basilica. 6b 7b 8b 54 50,5 29 10 9 5 55 49,5 27,5 — 1 4-1 +1,5 Kl. 8b dieselbe, wie 7 dei- Hauptbahu. Leiche G. Messiingsreilie LVII. V. basilica, reehts, mit Nebenbahn. Die 1. Klappe ca. 35 mm vom Handgelenk. a. b c. d. e. f. g- / 2 21,2 4 22 —0,8 <=! I 3 21,0 4 22 -1,0 » ) 4 10,5 2 11 —0,5 5 88,6 16 88 +0,6 5 f 6 34,0 6 33 +1,0 7 16,0 3 10,5 —0,5 EUenbeuge 8 46,0 8 44 +2,0 Oberavm 9 31,6 6 33 — 1,4 Ueber Kl pitalis. 9 Einmiindung in die V. ca- Summe: 268,9 | 49 j 269,5 | — 0,6 Nebenbahn der Basilica. Distalwarts gemessen. Die obeiste Klappe diclit (ca. 5,5 mm) nnter der Kl. 9 der Basilica. a. b. c. 1 11 12 m J 13 FT 1 14 a 1 15 \ 16 20+ 7 20,65 14+ 20+ 41 5 ,3 14,75 20,65 41,30 21 ca. 14 23,5 7 5 8 20,65 14,75 23,60 23,5 9 8 3 23,60 8,85 ca. 15 53 14+ ca. 2 1 5 18 5 7 14,75 53,10 14,75 20,65 ca. 12 ca 20—21 4 7 11,80 20,65 (-0,65) (-0,75) (-0,65) —0,30 + 0,35 ca. —0,75 —0,10 —0,10 +0,15 +0,25 0,10 0,75) +0,35 +0,20 ca (- Diebt iiber Kl. 6 gebt ein starker Ast ab , dor mit der Sapbena parva communicirt. Kl. 16 an der Einmiindung. Summe : 321—322 110 324,5 + 4+ = 324—325 ca. 0 502 Dr. Karl Bardeleben, Leiche I. Miinnliches Kind , 5 Mouate alt , ca. 59 cm laug (Kopf secii't). Lange des rechten Amies von der Spitze des 3. Fingers bis zur Axelhohle 23,5 ; Lange der Hand 7, des Unterarms 9 , des Oberarms 7,5 cm. Messungsreihe LX. V. capitalis brachii, rechts. Den 24. VI. 1880. Vom Proc. styloides radii bis zur ersten (gemessenen) Klappe 16 mm. Die Venen wurden nicht aufgesclinitten , sondcrn die Klappen durch Hint siehtbar ge- macht uud von aussen gemessen. Kleine Beobacbtungsfehler sind daher unvermeid- lich gewesen. Grunddistanz 1,6 mm. a. b. d. ii O cr a> so 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 fast ea. 14- 11- 2 1 7 4 9 6 9 6 9 6 5+ 3 11 7 18 11 10 6 8 5 15 9 12 7 14 9 20 12 6 4 1,6 6,4 9,6 9,6 9,6 4,8 11,2 17,6 9,6 8 14,4 11,2 14,4 19,2 6,4 - -(0,4) --0,6 -0,6 -0,6 — 0,6 + 0,2 -0,2 + 0,4 --0,4 0 -0,4 -- 0,8 --0,4 Summe: 153—155 96 153,6 Leiche I. Messungsreihe LXI. V. saphena magna und Fortsetzung in V. femoralis und iliaca externa, rechts. Den 24. VI. 1880. Lange des Beines von der Inguinalbeuge bis zur Spitze der 2. Zehe fjist 30 cm; Lange des Fusses 8, des Unterschenkels 12, des Oberscbenkels 10 cm. Am Fusse sind die Venen fiir genaue Messungen zu klein. Dicht unter dem Malleolus befindet sich eine Klappe (1). Grunddistanz 2 mm. 105 Klappen-Anlagen. Das Klappuu-Diiitaiu-UfBotz. 503 a. b. c. d. c. f. g- • 2 ca. 48 24 48 0 3 I 3 4 2 4 0 Zwisclicu 3 u. 4 iiiacht die Vcnc zwei (0 1 2 I 4 ca. 20 10 20 0 starkc I?ieguiigen, bcidc ilurcb Ein- ^\ 5 ca. 9,7 5 10 -0,3 nuinduiig von Acstcii bervorgerufeii. G 14+ 7 14 0 Bcsoudcrs stark ist eine von hiiitcn ^ 1 (0 1 koinnicnde Veue, die init der eineu V. tibialis postica anastomosirt. 1 7 fast 38 19 38 0 Zwischen 6 u. 7 Kniegclenk, sowie O 8 ca. 16 8 16 0 Eininiindung cincr grossen Vcnc vou vorn. •-< 9 ca. 26 13 26 0 Zwischen 8 u. 9 war die Vcne aus ^^ Verseben durcbschnitten, daber das 3 Mass uugeuau. 9r 10 ca. 13 6 12 +1 *"^ 11 14 7 14 0 0. \ 12 ca. 7 4 8 —1 Kl. 12 an Einmiinduug in Femoralis. Lei- sten- 13 16—17 8 16 +1 i beuge r Becken 14 29 15 30 —1 j Dicht ilber 14 Einmiindung der V. hypogastrica. Sumi ne: 254,7 —255,7 128 256 0,3 128 — 23 = 105. Leiche I, Messuugsreihe LXII. V. sapheua magua und Fortsetzuag in V. femoralis uad iliaca externa, links. Den 25. VI. 1880. Die 1. Klappe am Arcus dorsalis pedis. a. b. 12 beugej Becken (13) e. f. S- fast 12 fast 14 ca. 56 9 — fast 10 ca. 35—36 ca 34 37—38 14—15 ca. 6 18 27—28 6 7 28 4 5 18 17 19 7 3 14 12 0 14 0 56 0 8 +1 10 0 36 34 — 38 — 14 — 6 — 18 0 28 0 GD == 2 mm, Zwischen 3 u. 4 macht die Vene ahuliche, aber weit schwachere Biegungeu, wie rechts. Klappe 7 uudeutlich. 0. Kl. 1 1 an Einmiindung in Femo- ralis. Kl. 13 rudimentar, unter Einmiin- dung der Hypogastrica. Summe: 272 — 276 137 274 137 —13—23 = 101. 504 Dr. Karl Bardeleben, Leiche I, Messungsreihe LXIII. V. tibialis postica raedialis, links. Den 25 VI. 1880. Von der Kuiekehle abwjirts gemessen, so weit moglich. 1. Klappe unter der Vereiuiguug mit V. tibialis autica. b. f. a o B 2 4 2 4 0 3 4 8,5 10 4 5 8 10 + 0,5 0 5 6 7 5,5 6 + 5 — 3 3 2 6 6 4 — 0,5 0 Suinme : 39,0 19 Vene. 38 1+1 I Leiche I. Messimgsreihe LXIV. V. tibialis postica lateralis, liuks. Den 25. VI. 1880. Von der Kniekehle abwarts gemessen. Klappe 1 identisch mit 1 der medialeu a. h. c. d. e. f. g- a 3 2 4 -| - 2 4 - h 0 GD = 2 mm. t-t- 3 6 - - 3 6 - - 0 4 4 - - 2 4 - - 0 a> 5 4 - - 2 4 - - 0 3 PT" 6 4 -I - 2 4 - - 0 a 7 4 - - 2 4 - - 0 Summe: 26 | 13 | 26 | — | Zu LXIII und LXIV. Die Venae tibiales posticae der recbten Seite zeigeu mehrere Klappen- abstando von ca. 2 mm. Leiche I. Messungsreihe LXV. V. poplitea und feraoralis, rechts. Den 25. VI. 1880. Von der Klappe 1 der V. tibialis postica communis nach obeu gemessen. d. f. g- Unter- 1 schenkel 2 O cr n> 3 n / a- 4 a> a 5 i^ 19 9 18 + 1 7 4 8 — 1 28,5 14 28 + 0,5 24—25 12 24 + 33,5 17 34 - 0,5 Kl. 1 dic'ht iinter der Kuicge- leukspalte. Zu wcnig , da die Veue oben bei Herausnabme der Sa- pbeua abgeschnitten. Summe: 112— 113 | 56 | 112 | — | Zu LXV. Aucb die linkscitige Poplitea entbalt eine Klappe, diclit uiiler der Gelcuk- spalte. Dub Klappeu-Diatuuz-Gesetz. 505 Leiche I. Messungsroiho LXVI. V. tibialis a u t i c a lateralis. Den 25. VI. 1880. Anfang der Messung an der Einmiindung dor V. taisca lateralis. b. d. e. f. g- 1 11,8 6 12 — 0,2 2 2,5 1 2 + 0,5 3 4—4,5 2 4 + 4 5,5 3 6 -0,5 5 2 1 2 0 Suminc : 26,3 13 26 + 0,3 1 lu Folge Streckung im Fussgelenk etwas zu viol ? Genaue Messungeu weiter oben nicht ausfiihrbar. Leiche K. Den 12. Vll. 1880. Kind manulicheii Gcschlochts, 53 cm king, angeblicli ein hal- bcs Jahr alt (?). Lilugc dur obcrcu Extreuiitiit von der Spitze dcs 3. Fingers bis zur Axilla 22 cm, davon kommen auf die Hand 7 , auf den Unterurm 7 , auf den Oberarm 8 cm. Liinge der uiiteren Extremitiit von der Spitze der 2. Zehe bis zur Lei- stenbeuge 25 cm, wovou auf den Fuss, bis zum Malleolus media- lis, 6 cm, auf den Unterscheukel uud Oberscbenkel je 'J,5 cm entfalleu. Untersucht wurdcn V. capitalis bracliii rechts und links, beide Sapheuae magnae, die beiderseitigen Venae tibiales pusticae, sowie die Popliteae. Die Saplienae unterscheiden sich in Zahl und Di- stauz der Klappen wenig von denen des vorigen Kindes I (s. o.). In den Tibiales postt. linden sich mehrere Klai)pen-Distanzen von we- uiger als 2 mm (Gruuddistanz etwa 1,8) vur. Beide Popliteae besitzeu diclit unter dem Kuiegelenke cine Klaijpe. Leiche L. Den 13. VII. 1880. Kind mannlichen Geschlechts , 63 cm lang, angeblich 5 Mo- nate alt, Liiuge der oberen Extremitat von der Spitze des 3. Fingers bis zur Axilla 25,5 cm , davon kommen auf die Hand 7,5 ; auf den Unterarm fast 8,5 ; auf den ( )berarm iiber 0,5 cm. Lange der unteren Extremitat von der Spitze der 2. Zelie bis zur Lei- sleubeuge fast 3U cm, woven fast 8 auf den Fuss (bis zum Mal- leolus medialis), je 11 cm auf Unter- und Oberscbenkel fallen. Untersucht wurdcn beide V. capitales brachii, beide Tibiales 506 Dr. Karl Bardeleben, posticao, beide Sapheuae magnae, eine Uluaris, eine Radialis, eine Iiiterossea auterior, eine Brachialis, ausserdem uoch Hals- und Gesiclitsveueii. Wahreiid die Messungeu an der recliteu Sapheua in der Messungsreihe LXVII unteu zusamraengestellt sind, theilc ich t'iir die iibrigen Veneu nur einzelue Distauzen mit. In der linken Tibialis postica fand sich hinter einander fol- gend vier Mai die Grunddistanz von ca. 2 mm vor; ausserdem einige Male ihr Duplum, uamlich ca. 4,6 — 4,7. In der rechten Tib. post, waren die Distanzen weuiger regelmassig ; 4 Mai hinter einander folgten Distauzen von 8 — 9 mm. Die Radialis zeigte 1 Mai fast 2 mm (Grunddistanz), 1 Mai 3,5 — 4 (Duplum), 1 Mai 6 (Triplum), die Brachialis u. a. 12 mm Abstand. In der Ulnaris begegnete mir eine Distanz von 4 und eine von ca. 2 mm (GD), letztere auch in der Interossea ant. Leiche L. Messungsreihe LXVII. V. saphena magna, rechts. Den 13. VII. 1880. Veuc iiicht aufj^eschnitteii. Von oben nach unten gemesseu ; Aufangspunct : Einmiiuduug in die Femoralis, wo Klappe 1. Grunddistanz 2 mm. a. b. c. d. e. f. g- o i 2 ca. 11 5,6 10,12 KI. 2 sehr gross , genaue Mes- (D 1 3 4 + 2 4 0 sung nicht gut ausfiihrbar. U3 7 4 4 2 4 0 a 1 5 ca. 25 12 24 + 1 S 1 fr f 6 10 5 10 0 £. V 7 22 11 22 0 Am Kuie war die Vene beiui Ablosen der Haut durth- geschnitten. =3 ( 3 I 8 ca. 45 22 44 + 1 a> 1 ■^ 1 c < 9 21 ; 22 11 22 -(1)0 => f 10 54; 55 27 54 (+1)0 / 11 8 + 4 8 0 Zwischeu 11 u. lii geht Arcus 15 ) 12 8—9 4 8 0(+l) dorsalis ab , also sehr weit CO J 13 4 + 2 4 0 proximalwiirts. Vene wird schliesslich sehr diinn. Summe: 216—219 108 — 109 109—10 -\- ? Zu LXVII. Die andere (linke) Saphena magna konnte nur theilwcisc untersucht wcrden ; die Klappenabstiinde wareu im SpecieUen andere, als rechts, die Grunddistanz diesclbe. Das Khippcu-Distuuz-Gobctz. 507 Die Folgciuiigeii , welcho sich aut> den obeu >vialcrgcgcbcuen Mcssiiiigen uiul suiistigcii Bcobachtungcn orgcbcii , siiitl maiinig- faltig. Wir konucn hier ti-eniicii in Ergcbnisso iiligoinciiicrcr Na- tur iiiul solcho, die sich auf specielle Frageu beziolieii. A. Allgemeine Ergebnisse. I. Distanzgesetz. Eingehen der Klappen. Schou eiu iliichtiger Blick auf einige der Tabellcn geniigt, iiiii festzustelleii, dass die Abstiiude der Veuenklappeii im Allgeiiieiiieii verscliiedeii gross sind. Es kaiin allerdiugs ein- uud dieselbe Di- stanz melirmals , aiich hiutereiiiander , an einer bestimniten Vene wiederkehren, wir fiudeu zwar sehr haufig dieselben Zahlcu, wenn wir gleichnaiuige sowohl wie ungleichnamige Venen ziisammeu- lialteu — im Grossen und Gauzen jedoch findet sich bei ober- liiichlicherer Betrachtung , sowohl der Zahlen , als der Klappen selber in situ wenig Regelmassigkeit. Diese scheiubare Regello- sigkeit, iiber welche alle Autoren iibereinstimmen , gestaltet sich jedoch bei uiiherem Eindringen in diese Verhaltnisse zur vollstiln- digen Regelmassigkeit, zum Gesetz. Die Abstaude der Venenklappen betragen das nfache (1-, 2-, 3-, vielfache) einer bestimraten Grunddistauz. Diese Grunddistanz steht in bestimmtem Verhaltnisse zu der Grosse des Individuums Oder richtiger zu der Lauge der Extremitat. Die Gruuddistanzen an der oberen Extremitat verhalten sich demnach zu denen der unteren Extremitat desselben Individuums, wie die Laugen der Gliedmas- sen zu eiuander, und die Grunddistanzen gleichnamiger Extremi- tilteu- Venen verschiedener Individueu verhalten sich ebeufalls zu eiuander, wie die Liingen der Extremitateu oder anniihernd wie die Korperlangen. In Zeichen liesse sich dies kurz so formu- liren ^): 1. KID = n. GD. 2. GDo : GDu = Lo : Lu. 3. GDA : GDB = LAo(u) : LBo(u). Es gilt also, eineu concreten Zahlenausdruck fur die Grund- distanz an einer Extremitat eiues Individuums zu finden. 1st diese Grosse bekannt, so lasseu sich ja alle anderen leicht berechnen. Die Gruuddistanzen fiir den erwachseuen Menscheu fand ich folgeudermassen. Die bei Leiche A an der V. capitalis (M.R. I) ^) KID Klappcudistauz, GD Grunddistanz, 0 obere, u untere Extremitat, L. Liinge. A und B verschiedene Individuen. 508 Dr. Karl Bardeleben, beobachteteu Zahlen (Col. c) dividirte ich durch die kleiuste. Da das mit 10 nicht aufging, versuchte ich es mit 11; das ergab fiir viele Distanzen eine ganze Zahl, fiir andere jedocli iiiclit. So macht s'-^/ii ca. b'U, ^^U, ca. 2V2 , ''Vn ca. lOVa- Hieraus wurde es wahrscheinlich , dass alle Zahlen sich durch die Halfte von 11, der kleinsten beobachteten Distanz, heben lassen wiirden. Eiu Vergleich mit der Saphena magna derselben Leiche, wo zu- fiillig einige der Zahlen wiederkehrten , sowie der Versuch, auch hier mit der kleinsten beobachteten Distanz in die anderen zu dividiren, fiihrten zu keinem Resultate. Erst die dritte unter- suchte Vene, eine V. tibialis antica, ergab Zahlen, die sich alle durch eine uud zwar die kleinste wirklich durch Messung erhal- tene heben liessen. Alle Zahlen waren hier so unverkennbar ein Vielfaches von 7, dass dies sofort frappiren musste. Die sogleich vorgenommene Division aller Saphena - Distanzen durch 7 ergab nun ein weit besseres Resultat, als vorher mit 10 oder 11, wenu auch manche Distanzen in Folge von Verschiebuugen (mechanisch, Wachsthum?) oder noch ungeiibter Beobachtung erhebliche Reste liessen. Eine Division der Zahlen am Arme durch 7 ergab wenig Erfreuliches , sodass zunachst noch die untere Extremitat durch- gemessen wurde. Wie Schuppen von den Augen fiel es mir aber, als ich die ziemlich sichere „7" mit der noch hypothetischen ,,5^2 ", sowie die Liingen der unteren und oberen Extremitat in Proportion setzte. Die Uebereinstimmung der beiden Verhaltnisse war zu auffallend, als dass sie zufallig sein konnte und wirklich faud sich dann auch die gesuchte Grunddistanz an einer „tiefen" Vene (Ulnaris) der Leiche B , Messuugsreihe XIX, selbst vor. Es ergab sich nun fiir silmmtliche Veuen der Leichen A und B an der unteren Extremitat eine Grund-Distanz von 7, der oberen Gliedmasse eine solche von 5,5 mm. (Kleine Abweichungen an einzelnen Vencn sind durch mechanischc Verlangerung oder Ver- kiirzung, Biegungen (Umwege) der Vene veranlasst.) Zur Bestiitigung des so sehr wahrscheinlich gewordenen Ge- setzes, habe ich sodann noch die Leichen C, E und F durch- geinessen. Obvvohl alles Erwachsene (Manner), zeigten diese Leichen ent- weder etwas abweichende Lilnge des Korpcrs oder der Extremi- tiiten, Unterschiede , welche sich auch in der Lilnge der Grund- distanz gcltend niachon. Im Grossen und Ganzeu jedoch konnen die gcnannteu Zahlen (7 und 5,5 mm) allgemeine Giiltigkeit fur den P'.rwachsenen beanspruchen. Auf die geriugen individu- ellcu Diti'ereuzeu der Grunddistanz wurde ich allcrdiugs erst nach Das Klappon-Distauz-GcBotz. 509 Uiitui-suclmng dor Lcicho F aufinorksam , da die Diirerciizcn zvvi- sclicii Bcobachtuiig uud Kccliiiung zuiiachst noch als IJcobacIi- tiiugsfchlor, Storungen dcr Gcsetzmiissif^kcit durcli Wachstluiiiis- vcrschicbungoii u. dgl. aufgcfasst werdon kountcn. Audi die Mcs- suugen an deui Kiiule D, wclche fiir die uutere Extreiuitiit die Grimddistaiiz von 3 ram ergabeu , (aus iiusscren Griinden konnte die obere Gliedmasse nicht untersucht werden), eine Zalil, die iu vollstiindiger Proportion zu der Liinge dcs Gliedes stelit, — aiich diese Messiiugen liessen noch die Moglichkeit otfen, dass die Grund- distanzeu bei ausgewaclisenen Mensclien verschiedener «6tatur die- selbeu scien, weun sie auch bei nicht Erwachsenen nach dera Alter natiirHch verschiedeu sein mussteu. Es konnte also die Zahl der Klappenanlagen , die Sumnie der „n" in Col. d individuell ver- schieden sein. Dies ist jedoch, wie es die Untersuchung an Leiche F, welche auffallend kurze Extremitiiten besass, ergeben hat, nicht der Fall. Nicht die Zahl, sonderu der Grundabstand der Klap- pen, besser Klappenanlagen ist verschieden , er steht in genauer Proportion zu dcr absoluten Liinge des Gliedes. Nachtritgliche und mehrmals wiederholte Durchrcchnungen der Protokolle von den zuerst untersuchten Leichen ergaben dann gleichfalls bereits dort geringe Differenzen in der Grunddistanz, eutsprecheud den Extremitiiten-Langen. Wie der Leser bemerken wird, habe ich iibrigens anfiiuglich nicht iiberall genaue Messungen der Korper- lange und der Extremitiiten ausgefiihrt resp. nicht notirt, ehe ich eben auf die Wichtigkeit dieser ja sehr einfachen und miiheloseu Vervollstiindigung der Beobachtungen aufmerksam gcworden war. Leiche F. hatte nun entschieden , iu Uebereiustimmung mit den kurzeu Gliedmassen, kleinere Grunddistanzen, niimlich 6,6 uuten uud 5,2 obeu. Wegen anderweitiger Verwenduug unseres Leicheu- materials im Semester (Operationscurs) habe ich keine Leiche von Erwachsenen wieder untersuchen konnen. Die Messuugeu von Leiche G wurden an einer, wie sich hierbei herausstellte , sehr genauen Zeichnung, die ich im Juli 187D mit Bezug auf die Frage iiber das Verhiiltniss der Klappen zu den Asteinmiindungcn an- gefertigt hatte, augestellt. Sie ergaben wiederum 5,5 mm Grund- distanz fur den Arm. Von grossem Werthe war es nun, noch mehrere Kiuderleichen (H, I, K, L) untersuchen zu konnen. Allerdings ist noch eine Liicke geblieben, zwischen dcm grossten Kindc von 81 cm und dem ungefahr doppelt so grossen Erwachsenen F. Mit Kilcksicht auf die sehr heisse Witterung und die Schwierigkeit der Messungen an den kleincn Objecten siiid bei den beiden letzten Kindcrn uur 510 Dr. Karl Bardeleben, einige Venen resp. eine Anzahl von Klappendistauzen bestimmter Veuen gemesseu wordeii. Am sicherstcn und sclmellsten gelangt man zu dem Zide, die Grunddistanz oder ihr Dupluni zu linden, wenn man eine V. tibialis postica aufsucht. (Im Uebrigeu s. o. Methode). Die durch Beobachtung gefundenen und event, durch Rech- nung rectificirten Gruuddistanzen fiir die verschieden grossen Extre- mitaten stelle icli in folgender Tabelle zusammen. Kleine Fehler sind gewiss auch hier, besonders wegeu der Unsicherlicit in der Messung der oberen Extremitat, vorgekommen. s .2 -« in cm Lauge d. ob. Extrem. Lange d. unt. Extrem. in cm in cm incl. Hand excl. Hand incl. Fuss excl. Fuss Gruuddistanzen in mm ob. Extrm uut. Extrem. -73 a a tfi Si u K 53 22 I 59 23,5 L 63 25,5 H 80 32,5 D 81 31 F 66 E 164 80 B 174 79 A 162? C 175 G ca 15 16,5 18 23,5 •n 48,5 60 59, 55, 57 56 25 fast 30 30 40 40 95 102 19 22 1,6 22 31 2,38 31 71,5 5,2 75,1 1. 78,5 5,5 79,5 1. 78,8 5,5 78,5 5,5 80,5 5,5 1,8 2,00 2,00 2,95 3,00 6,6 7,1 7,0 7,0 7,4 Dividiren wir nun mit der Grunddistanz in die Lange einer Vene, so erhalten wir die Zahl der Klappen-Anlagen, die Zahl der moglichen Klappen. Dieselbe ist, da sich die Grunddistanz zur Lange der Extremitat oben so verhalt wie unten, fiir die bei- den Hauptvenen der Extremitaten, Sapbena magna und Capitalis bracbii (mihi) gleicb gross. Die Zahl der Klappen-Anlagen be- tragt fiir diese in der Langsrichtung der Gliedmassen verlaufen- den Venen oben wie unten, abgesehen von Hand und Fuss, wenig iiber bundert, etwa 106. Die Zabl wird je nacb der friiberen oder spiiteren Einmiindung der Sapbena und anderen mebr unwesent- licben Umstiinden etwas variiren. Wo sicb sonst Abweicbungen in den obigen Tabellen vorfinden, dtirften sie auf Beobacbtungs- febler und ungenaue Bestimmuug der Grunddistanz binauslaufen (vgl. unten). Wir miissen also, obwohl icb das weder bei Kin- dern nocb aucb Embryonen bisber tbatsiicblicb beobacbtet babe, scbliessen, dass die urspruuglicbe Zabl der Klappen oder Klappen- Anlagen an den Extremitaten- Venen sowobl bei verscbiedenen In- Das Klappon-Distauz-Gesctz. 511 (lividucu wie den bcicloii Gliediuassonpaaron diesclbe ist, und dass sie, wenn wir die grossen Veiien bis auf das Endglied der Extre- mitilt verfolgeii, die Zald 100 erlieblich iibersteigt. Die Mr)g- liclikeit, dass alle diese Klappen de facto niclit imr angelegt, son- deni audi ausgebildet werdeii, ist uicht von der Hand zu weiseu. Aber cs ist ebenso denkbar, dass ein grosser Theil selir bald nacli deni Entstehen, vielleicht sogar, wenu icli so sagen darf, in statu nascenti wieder eingelit. Hier spielen vielleicht Vererbungsvor- giingc eine Rolle. Man konnte ini Sinne der Desccndenztheorie den Gedanken dann etwa so formuliren : an den Stellen , wo die Klappen, sobald die Bewegungen des ludividuuras beginnen, also schon voni 5. fotalen Monate an, mecbanisch iiberlastet werden, insufficient werden und eingehen (z. B. an den Gelenken), an die- sen Stellen, welche, so lange es Meuschen gibt, stets unter un- giinstigen meclianischen Einwirkungen gestanden babeu, werden die Klappeu-Anlagen im Laufe der Zeit scliwiicber, um vielleicht schliesslich ganz zu verschwinden , d. h. beim Individuum nicht niehr aufzutreteu. Ob wir einer solchen Hypothese bediirfen oder nicht, ob nicht in sehr jungen Stadien sammtliche Klappen, wenn auch nur als Verdickuugeu oder Vorspriiuge der Venenwand vor- handen sind, die mit den Verdiiunungen an den spiitern Klappeu- siuus regelmiissig abwechseln, das zu entscheiden fehlte mir bis- her das embryouale Material. Soviel ist jedoch sicher, dass die Entwickeluug der Veneuklappen mit den abwechselnden Verdickun- gen und Verdiinuungeu der Wand, die mit deni Wechsel des Calibers Hand in Hand gehen, sowie mit der Eiumundung der Aeste in iunerem Zusammeuhauge steht. Hierauf komme ich un- ten noch einmal zurtick. Einen werthvollen Fingerzeig fiir die Zeit der Klappen-Ent- stehung scheint mir die obeu mitgetheilte Thatsache darzustellen, dass die Zahl der Klappen-Anlagen an der oberen und unteren Extremitiit dieselbe ist. Wir werden kaum fehlgehen, hieraus zu schliessen, dass die Entwickelung der Klappen zu einer Zeit be- ginnt, wo beide Extremitaten gieich lang sind. Von den so uberaus zahlreichen, urspriinglich angelegten Klap- pen geht nun der grosste Theil wiihrend der intrauterinen Ent- wickelung und dem postembryonalen Wachsthum total oder partiell zu Grunde. Das liisst sich verschiedentlich nachweisen. Vergleichen wir die Anzahl der Klappen in einer bestimmten Vene bei Embryouen, Kindern und Erwachsenen, so sehen wir in den meisten Fallen und bei der grossen Mehrzahl der Veuen eine 512 Dr. Karl Bardeleben, Abnahme der Klappenzahl mit clem Alter. Es findet, schon von dcm jiingsten mir bekaiinteii Stadium (3. Monat) an, wenigsteus bei den Hautvenen, niclit nur keine Zunahme, keine Neubildung von Klappen statt, sondern eine Abnahme, ein Eingehen. Man kaun die Riickbildung der Klappen, oder strenggenommen , die in Ruckbildung begriffeuen Klappen, direct beobachten, und zwar, wenn man aufmerksam sucht, an jeder Leiche eines Kiudes oder eines Erwachsenen ! Die Riickbildung zeigt folgende Stadien: In- sufficienz in alien Abstufungen (quantitativ in mm Quecksilber aus- driickbar), Durchbrechmig der Klappenmembran , Eingehen der Klappentaschen in verschiedenem Grade bis zum vollstandigen Ver- schwindeu, sodass sdiliesslich nur noch der Saum, an dem die Tasche an die Wand geheftet war, mehr oder weniger deutlich siclitbar bleibt. Oft sieht man diese Reste oder Spuren erst, wenn man die Stelle nach dem Distanzgesetzc aufsucht. Hier ist zu bemerken, dass, wie das die Tabellen oft genug zeigen, diese ru- dimentiircn Klappen resp. Klappen-Rudimentc oder — Spu- ren distalwJirts verschoben zu sein pflegen. Hiiufig sucht man aber beim Erwachsenen an den betreffen- den Stellen mit blossem Auge vergeblich auch nur nach Spuren von Klappen. Hier kann man dann aber mikroskopisch den Nachweis fiihren, dass eine Klappe vorhanden gewesen sein muss. Die Venenwand ist namlich, wie das Langsschnitte am besten zei- gen, an der Stelle des ehemaligen Klappensinus verdunnt, die Mus- kulatur der Wandung ist quantitativ und qualitativ verandert, in- dem bestimmte Elemente, so bei der Saphena magna die Ring- muskeln, fehlen oder erheblich schwiicher geworden sind, fast nur schrag oder longitudinal vcrlaufende Muskeln persistiren. Kurz, es zeigen sich die charakteristischen Veranderungen im feineren Aufbau der Wandung an den Sinus der vollstandig erhaltenen Klappen, iiber welche ich spater berichten werde. Femer bemerkt man eventuell auf Langs- und Querschnitteu kleine Buckel an den Stellen des frliheren Taschensaumes , Erhohuugen, die an junge, sich entwickelude Klappen, erinnern. Das Eingehen der Klappen beginnt sehr friihzeitig. Wiihrend, wie oben erwiihnt, eine Neubildung von Klappen nach dem 3. Mo- uate nicht mehr statthat, diirfte nach raeinen Erfahrungen das Eingehen bereits vom 5. Monatc an sicher zu constatiren sein. Dass die Riickbildung jedoch vielleicht schon viel friiher beginnt und mit der Entwickclung coincidirt, darauf habe ich oben bereits hingewiesen. Wenn wir die Vererbungsfrage ganz aus dem Spiele T)ftg Klappeii-T)i stall z-Gesciz. 51,^ lasscn uiul nacli direct nachweisbaron Ur sack en des Eiiigelieiis der Khippen forschen, so siiul dieselben m. E. in rein niecha- nischen r^nwirkungen zu suchen, wobei dann ausserdeni Wachs- thumsvcrschiobiingen noch eine llolle spielen diirfteii. Die auf die Klappen eindringendcn Krilfte kiinnen von innen wirken als Blut- druck Oder von aiisseu als directer Druck (Muskehi, Lnft) und Zug (Bewegiingen , Wachsthumsverschiebungen) auf die Klappe Oder die Venenwandung, an der die Klappe befestigt ist. Aeusse- rer und innercr Druck oder Zug kiinnen sich combiniren und wer- den dann die stiirksten Veriinderungen hervorrufen. Dies wird besonders an Gelenken der Fall sein niiissen, wo starke Dehnungen der Venen in die Lange und solclie durch den Rlutdruck in die Quere auftreten. Auch die Hiiufung grosser Asteiumtindungen in der Niihe der Gelenke (Ellenbeuge, Knie u. a.) wird eiuen Einfluss in diesem Sinne ausiiben. Zeugen solcher raechanischen Vorgiingc siud die Klappenrudimente , welche in den Protokollen wenigstens zum Theil mit verzeichnet sind. Als schlagendes Beispiel fiibre ich besonders die Messungsreihe XLI an (vgl. u. a. die speciellen Ergebnisse). Dass die Zabl der persistirenden Klappen nicht nur individucll und nacb dem Alter, sondern auch an den beiden Sei- ten desselben Menschen verscliieden sein kann, soil als Beweis fur das Walten rein (direct) mechauiscber Krilfte noch ganz beson- ders hervorgehoben werden. Das Eingehen an der Einmtindung gi'ijsserer Aeste, manchmal nur als distale Dislocation der Klappe angedeutet oder vorbereitet, kehrt so oft wieder, dass man auch hier einen causalen Zusammenhang auzunehmen genothigt ist. Wie unten im speciellen Theile weiter ausgefiihrt werden wird, betrifft das Eingehen der Klappe vorwiegeud die grossen, solitiir verlaufenden Hautvenen oder prirailren Venen, wie man sie gene- tisch den spilter sich entwickelnden „tiefen", besser „Begleitvenen" gegeniiber nennen kann. Allerdings gibt es auch tiefe Venen, in welchen sehr wenig Klappen persistiren, so die Femoralis. Dies spricht aber nur wieder fiir das Wirken rein mechanischer Krilfte. Die eine Femoralis pflegt so iiber die andere zu iiberwiegen, dass man bisher fast stets nur von einer, nicht von zwei, die Art. femoralis begleiteuden Venen gesprochen hat. Sie niihert sich so den solitiir verlaufenden Hautvenen. Diese werden, als die zuerst vorhandenen und fiir liingere Zeit den tiefen Venen an Kaliber iiberlegenen, gewiss auch zuerst ihre Klappen durch Ueberlastung eingehen sehen. Eine passive Erweiterung der Vene durch den Druck der Blutsiiule, ein Biickwiirtsfliessen des Blutes zwischen Bd. XIV. N. F. ^^I, 4. Qg 514 Dr. Karl Bardeleben, den beiden Taschen der Klappe oder mit partiellem Umldappeu resp. Durclibrechung (Zerdehimng) derselben diirfte vor Allem hier ill Betracht kommen. Hiergegeii siiid die tiefeii oder Begleitve- iieii (lurch ihre antaiiglicbe Kleinheit, also audi geringeii Blutdruck, durch die Queranastomosen , welche eiii Ausweichen des Blutes iiach der Seite gestatteu, durch die umgebenden Muskelii u. a. weit mehr geschiitzt. Werdeii aber Begleitveuen unverhilltiiiss- massig gross, sei es auf Kosten ihres Partners, sei es durch die allgemeine Grossen-Zunahme (Kaliber und Blutfulle), so erliegen sie demselben Schicksale, wie die Hautvenen. Die Schnelligkeit des Verschwindens ist bei vielen Klappen gewiss sehr bedeutend und wird es theilweise schon aus physi- kalischen Griinden sein miissen. Denn wenn erst eine oder zvvei Klappen den iiusseren oder inneren Kraften gewichen sind, wird die auf den daruuter gelegenen Klappen lastende Blutsaule immer grosser, sodass das Eingehen der Klappen ceteris paribus mit einer von Schritt zu Schritt (geometrisch) wachsenden Geschwindigkeit erfolgen muss. Auf solche Processe weisen die bereits beim Kinde colossal langen klappenlosen Strecken der Saphena magna am Unterscheukel und am Knie hin. II. Klappe und Ast. Schon von friiheren Untersuchern ist ausgesprochen worden, dass die Klappen „meistens" oder „ f a s t bcstandig" (presque cou- stamment, Houze de I'Auluoit 1. c. S. 27) an der Einmiindung collateraler Aeste sich befinden. Meine Untersuchungen haben nun ergeben, dass dies „fast" zu streichen ist Distal von jedem Aste liegt eine Klappe, proximal von jeder Klappe miindet ein Ast. Die Ausnahmen, welche bisher das „fast" motivirt haben, sind nur scheinbare, durch secundiire Vcranderungen herbeigefuhrte. Sie erklaren sich sammt und sonders durch das oben beschriebene Verschwinden (oder wenigstens Verschiebung) der Klappen, oder aber durch das Verschwinden oder wenigstens Kleinerwerden oder Kleinbleiben der Aeste. Wenn man sorgfilltig untersucht, entdeckt man stets unter der Einmiindung eines Astes einen Rest einer Klajipe und iiber jeder Klappe eine, manchmal sehr feine Oeiiuung eines Astes. Die Aeste der Venen miinden, wie bei dieser Ge- legenheit bemerkt werden soil, einfach. Die bei den Begieitvenen, wie die Stamme, doppelten Aeste vereinigen sich kurz vor der Einmimdung. Ast und Klappe entsprechen sich demnach genau in Ort und Das Klappen-Distanz-Oesetz. 515 Z;ilil. Die Vciicn sind sonacli aus eincr Sumiue von Abthcilungcn, Segmciiten zusammcngcsctzt , die jedcs aus einem Stiick cylindri- sclicr Wanduiig, einer kegclformigcn Erwciteruiig : Sinus, oincr Ast- Einniiindung und einer Klappc mit zwei Taschen bestehen. Die Zahl dieser Venen-Segmente ist an der oberen und untcren Extreniitat, sowie bei verschiedenen Individuen jeder Griisse und jeden Alters t'iir gleichnaniige, gleichverlaufende Vencn gleich gross — die Grosse der Segnientc richtet sich nach der Liinge der be- tretVenden Venc oder des Gliedes, annaliernd also nach der Kiirper- grosse. ^Yir sind hiermit zu einer neuen Begritfsbestimmung der Vene gegenuber der Arterie gelangt. Die Unterschiede zwischen beiden Arten Blut fiihrender Gefasse sind weniger histologisch , wie ich dies in frliheren Mittheilungen bereits angedeutet habe , sondern allgemein-morphologisch. Der Arterie fehlen die regelmiissig ab- wechselnde Erweiterung und Verengerung, die abwechselnde Ver- stiirkung und Verdiinnung der Wand, sowie die Klappcn. Ge- meinsani sind beiden die in regelmiissigen Abstiinden angcbrach- ten Aeste. Das habe ich durch Messungen auch fiir die Artericn naclnveisen konnen. Fiir die mit den Venen verlaufenden Arterien resp. rich tiger, die mit Begleitvenen ausgestatteten Arterien lag dies von vornherein auf der Hand. III. Duplicitat der Klappentaschen. Die Zahl der Klappentaschen soil 1 — 5 betragen konnen, wenn wir die Literatur durchmustern. Ich habe unter Tausenden von Klappen bisher nie eine gesehen, welche mehr oder weniger als zwei Taschen gehabt hiitte. Priifen wir die Angaben der Auto- ren. Zunjichst miissen von den wirklichen oder echten Klappen, den Taschenklappen gesondert werden die Winkel- oder Astklap- pen. Wir haben zwar soel)en gesehen, dass die echten Klappen in inniger Beziehung zu den Aesten stehen und ich habe bereits frii- her auf den aller Wahrscheinlichkeit nach bestehenden genetischen Zusanimenhang von Ast und Klappe hingewiesen; trotzdem aber miissen wir die direct an dem Einmiindungswinkel gelegenen „Klap- pen" davon trennen. Dies sind weiter nichts, als Fortsetzungen desjenigen Theiles der Gefasswandung, der dem Stamme und Aste gemeinsam ist, in das Lumen hinein. Nun soil zwar nicht geleug- net werden, dass der Entstehungsmodus der wahren Klappen schliesslich auf ganz ahnliches hinauslaufen diirfte und dass hier gewisseiTuassen der Ansatz zu einer zweiten Klappenbildung vor- 33* 516 Dr. Karl Bardeleben, liegt. Aber hierzu kommt es niemals, soudern der Waudauslaufcr bleibt eine, natiirlich je nach Verhaltnissen mehr oder weniger be- wegliche Zunge, die iilinlich wie die entsprecheuden Gebilde am Abgange der Arterieiiiiste , bei Veucn die Vereiniguiig der Blut- striime eine kleiue Strecke weit verhindert, withrend sie hier eine friihere Trennung der Fliissigkeit anbalmt. Aehuliche Bilder kann man in Gebirgsgegenden an dem Zusammenflusse zweier Biiche oft sehen. Je nach den Wasscrmengen des einen oder des anderen ist die Richtung der zwischen ilinen sich zuspitzendeu Landzunge verschieden, ja an derselben Stelle nach Umstiinden wechselnd. Manclimal findet man sogar formliche Ausbuchtungen, besonders bei ziemlich rechtwinklig einmiindenden Aesten, — ein Anblick, der mich oft an wirkliclie Taschenklappen erinnert hat. Vielleicht spielt auch bei den Yen en die Richtung, in der der Ast in den Stamm miindet, eine hiermit vergleichbare Rolle. Wenn wir demnach die Winkelklappen bei Seite lassen und die eigentlichen Taschenklappen — mid nur auf diese bezieht sich vorliegende Abhandlung — in's Auge fassen, mochte ich, obwohl ich aus iiusseren Griinden die kleinsten Venen und Veneniiste nicht untersucht habe, das Vorkommen von nur einer Tasche eben- so bezweifeln, wie das von drei oder gar noch mehr. Es kann allerdings die Anwesenheit von einer oder auch von drei Taschen in verschiedener Weise vorgetiluscht werden. Wenn man naralich eine Vene, z. B. die Saphena magna aufschneidet , so wird man unwillkurlich (well es am bequemsten) den Scheerenschnitt etwa in die Mitte der einem zugekehrten Wand des an der Leiche plat- ten Gebildes legen. Stchen nun, wie gewohnlich, die Taschen mit ihren Flachen parallel der Haut und der Fascie, so wird bei die- ser Art des Aufschneidens eine Tasche wohlerhalten auf der dem Innern der Gliedmasse entsprecheuden Wand zum Vorschein kom- men, wahrend die andere Tasche zerschnitten wird und ihre Half- ten von den auf beiden Seiten der Schnittlinie gelegcnen Riindern der Venenwand verdeckt werden. So ist es jedenfalls Fabricius ab Aquapendente gegangen, wie seine Tafeln beweisen. An der Stelle, wo das Aufschneiden am Rande des platten Stranges ge- schah — am Knie und am Malleolus ist dies meist bequemer — oder wo die Klappentaschen anders standen, hat er richtig zwei Taschen abgebildet, an den anderen Stellen nur eine. Da es oft ganz besondere Aufmerksamkeit erheischt, zumal bei kleineren Klap- pen, beide Taschen zu sehen, wird wohl noch Mancher nach Fabri- cius sich in der angedeuteten Weise haben tiiuschen lassen. Die Daa Klappen-Diatanz-Gcsetz. 51 7 beidcii Tasdioii brauchen niinilicli iiiclit gleidi gross zu sein, son- (Icrii eine kann die andeix^ sclir ciiioblich iibcrragon, obwolil das doch iiiimcr Ausnahiiieii siiid. In solchen Fallen entgeht naturlich die kleinere Tasche noch leicliter der Beobachtung. Ferncr kann wahrscheinlicli , obwohl ich selbst dergleichcn nur in der V(!na cava inferior annehnien ni<)chte, audi mal eine Tasche eingehen, wiihrend die andere persistirt. Bei alien Klappen von Pktrenii- tiitenvenen habe ich zwar wiederholt an den beiden Taschen der- selben Klappe verschiedene Grade des Eingehens beobachtet, je- doch nienials ist mir der Fall begegnet, dass eine Tasche spur- los vcrschwiinde, wiihrend die andere noch einigermassen normal bleibt. Und da die Klappenrudimente bisher so ausserordentlich wenig beachtet worden sind, ist wohl die Annahme, dass eine fast eingegangene Tasche, deren Partner bereits ganz verschwunden war, eine eintaschige Klappe vorgetiiuscht hat, etwas fern liegend. Schliesslich wtirde das abei" denn doch immer als zweitaschige Klappe aufzufassen sein. Der eben angegebene Zustand liegt, wie es scheiut, in der Vena cava vor. Dieselbe gehort ja nicht direct zu den Gliedmassenvenen , wenn sie auch die Fortsetzung der grossen Venen der unteren Extremitiit darstellt. In der Cava fin- det man nun wirklich scheinbar eintaschige Klappen. Ich erkliire mir das so. Aehulich wie m der gleichfalls innig an die Wirbel- saule befestigten Aorta befinden sich die Ast-Einmiindungen (Ab- gangsstellen) von rechts und links relativ nahe bei einander (hin- ten), sodass der vordere Theil der Peripherie eines den Querschuitt der Cava oder Aorta darstellenden Kreises, welcher keine Oeii- nungen fur Aeste enthalt, ganz erheblich grosser ist, als der hin- tere Abschnitt zwischen den beiderseitigen Aesten. Hier hinten befinden sich nun in der Cava Klappen, die aus einer Tasche besteheu. Die andere Tasche diirfte durch die ausserordentliche (passive) Ausdehnung, welche die Vene nach vorn zu erlitt, wiih- rend die an die Wirbelsaule fixirte Partie im Wachsthum oder der Ausdehnung unverhiiltnissmiisig zuriickblieb , — die andere Tasche diirfte durch die enorme Querdehnung vollstandig zu Grunde gegangeu sein. In iihnlicher Weise wie das scheinbare Vorkommen einer, konnte das von drei Taschen erkliirt werden. Nach den Angaben so ziemlich aller Autoren sollen ja auch drei Taschen beobachtet sein; manche geben speciell an, dass dies an der Einmiindung der Saphena in die Femoralis der Fall sei. Es handclt sich hier und in alien Fiillen , wo scheinbar drei Taschen vorhanden sind, 518 Dr. Karl Bardeleben, entweder um eine Combination von einem Paare wirklicher Klap- pentaschen mit einer Winkelklappe, oder um zwei wirkliche Klap- pen (mit 4 Taschen) , dercn eine zwei verschieden grosse oder verschieden stark eingegangene Taschen besitzt. Wenn man von 4 Taschen gesprochen hat (mir ist der Fall nicht vorgekommen), so kann es sich nur um 2 Klappen mit je 2 Taschen (an 2 Venen, Stamm und Ast) gehandelt haben. Zu der Beobachtung von 5 Taschen ist man vielleicht gekommen, wenn zwei echte Klappen und eine Winkelklappe, etwa an der Einmiindung der Saphena magna combinirt sind. — So erklaren sich alle anderweitigen Angaben, soweit ich sehe , durch die Annahme ungeniigender Unter- suchung oder reduciren sich auf scheinbare Ausnahmen, welche nur wieder das allgemeine Gesetz bestatigen: Alle echten Klap- pen besitzen zwei Taschen, nicht mehr und nicht weniger. IV. Wachsthumsverschiebungen und Formverande- rung der Klappen. Das Langenwachsthum der Venen geht nach den obigen Untersuchungen interstitiell und zwar ziemlich gleichmilssig vor sich. Die withrend des Wachsthums sich stets gleich bleibenden Proportionen zvvischen Lange der Vene oder der Extremitilt zu den Grunddistanzen der Klappen sprechen hier so klar, dass weitere Discussionen daruber liberfliissig erscheinen. Nur auf die Sto- rungen des gleichmassigen Wachsthumes durch aussere, nicht in der Vene selbst liegende, Verhaltnisse sei noch hingewiesen. In Folge des Umstandes, dass die Veneustamme selbst, wie ihrc Aeste, mehr oder weniger innig mit dem umgebenden Gewebe verwach- sen sind, muss auch die Vene an Verschiebungen, welche die Nach- barschaft erleidet, bis zu einem gewissen Grade theilnehmen. Auch hier haben wir, und das ist fast in jeder Messungsreihe zu er- sehen, Wachsthumsverschiebungen vor uns, wie sie Schwalbe so tiberzeugend ftir Arterien in seiner Abhandlung im XII. Rande dieser Zeitschrift nachgewiesen hat. Es scheint mir jcdoch, als wenn die Venen im Grossen und Ganzen nicht so stark in Mit- leidenschaft gczogcn werdcn, als die Arterien. Behaltcn sie doch weit mehr, als diese, ihren geradlinigen Verlauf bei. Die Abweichun- gen meiner Zahlen in den Columnen c von denen in e hiitten sonst wohl noch starker ausfallen miissen. Ilaufig hat wohl auch der Blutdruck Veriinderungen in der Lage der Klappen herbeigefuhrt, indem er sie distalwiirts verschob, wie dies besonders bei den weniger widerstaudsfahigen , im Eingeheu begritfenen Klappen der Das Klappen-Distanz-Gesctz. 519 Fall sein niochte. Oft ist nur uino Klappu odcr ciu Scgmuiit dor Vono afficirt, wiihrciul die folgcnd.e Klappo (das folg. Scgniout) bcrcits wicdcr die gesotzmassigc Ijago (rcsp. Liinge) besitzen. Zwei auf cinandor folgende Zalilcn geben daiin ciii Multipluui dor Griiiid- distanz, wiihreiid jede eiuzeluo derselben, manchmal orlieblicli, von dcm Gesctzc abweicht. Jc nachdem das Wachsthum oder die Erweiterung eiuer Vene inclir in dcr Langsrichtiiug odcr im Querschnitt stattfindet, wird sich die Gestalt der an der Wand befestigten Klappen veraudern miissen. Dieser Satz gilt ganz allgeniein und er erkliirt die verschicdenc Form der Klappen je nach dem Lebensalter (Llinge) des In- dividuums und dem Kalibcr der Vene. Ausserdem kommt hier noch die Wirkung des Blutdrucks auf die Taschen, sowie auf die Venenwand selber in Betracht. Die Form der Tasclieu wird pas- siv durch jahrelaug fortgesetzten, wenn auch intermittirenden Druck veriindert werden, das Kaliber der Vene wird ausserdem noch je nach der gerade vorhandenen Anfiillung schwanken. Sind nun die Veueu blutleer, so werden wir, vorausgesetzt , dass die Wandung nicht an die Nachbarschaft (Arterien, Fascien, Muskeln u. dgl.) iunig fixirt ist, durchgiingig cin kleineres Kaliber vor uus haben, als das Mittel wahrend des Lebcns. Die bleibend in die Lilnge gewachsene oder ausgezogene Klappentasche dagegen wird sich im Wescntlichen in der Lange nach dem Tode so prasentiren wie im Leben. Ceteris paribus werden wir also an der Leiche relativ zu schmale und lange Taschen vorfinden. Vergleichen wir nun die Form der Klappentaschen beim Embryo, Kind und Er- wachsenen, so finden wir anfiinglich, so im 5. Monat, elliptische (Hauptaxe der Ellipse quer zur Veuenaxe) oder kreisrunde Con- touren der Taschen , welche dann spater mehr und mehr para- oder hyperbolisch werden. Anfangs iiberwiegt also der Querdurch- messer, spater der Langsdurchmesser der Tasche, Viele Klappen, besonders in kleinen und in tiefen Venen, behalten ihre embryo- nale Form und wachsen relativ wenig, — audere, besonders in den grossen und den Hautvcnen, werden sehr gross und zugleich meist auch hyperbolisch. Wenn aber grosse Venen ringsum gut fixirt sind, daher bei dcr Erotfuung ihr Lumen nicht weseutlich andcru, kann man auch hier noch zwar sehr grosse, aber doch ziemlich halbkreisformige Taschen sehen, so z. B. in der Fe- moralis. 520 Dr. Karl Bardeleben, Wie vorliiufige Ermittelungcn erkeuncu lassen, besitzen auch die Lymphgef iissstamme der Exticmitilten, sowie der Ductus thoraciciis legeliiiassige Klappen-Distaiizeu. Bci Ictzteiem goben, wie icb niicb iiberzeugt babe, in ahnlicber Weise wie bei den Veuen, wobl auch aus denselben Griinden, die Klappen tbeilweise ein. — Die Giiltigkeit des fiir die Venen speciell nachgewie- senen Distanz-Gesetzes auch fiir die Lyraphgefasse uud betreffs der Aeste auch fiir die Arterien erhebt dies Gesetz zu einem allgemeinen. B. Specielle Ergebnisse. Die speciellen Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung be- zlehen sich auf die Zahl der persistirendeu Klappen in deu ein- zchien Venen, die je nach dem Alter und den Individuen ver- schiedeu ist, auf die Unterschiede, welche oberflachliche und tiefe Venen in dieser Hinsicht zeigen, auf das Eingehen der Klappen an und iiber den Gelenken, sowie Diiferenzen zwischen rechts und links u. dgl. Diese Ergebnisse sind theilweise unbeabsichtigte. Die Hauptaufgabe war die Feststellung eines allgemeinen Gesetzes, dem sich alle Einzelthatsachen unterordnen. Erst in zweiter Linie gait es, die Zahl der persistirenden Klappen etc. zu bestimmen. Und wiihrend fiir die Aufstellung allgemeiner Satze die Unter- suchung an 6 Erwachsenen und 5 Kindern, Distanzen-Messungen an einigen 30 verschiedenen Venen ''je 16 von jeder Gliedmasse), in der Sumnie von iiber 700, geniigend erschienen, — sind die An- zahl der gleichnamigen Venen und der Individuen fiir die Auf- stellung allgemein giiltiger Regeln in den oben angedeuteten Fra- gen bei Weitem nicht ausreichend. Hierzu wird es noch eines erheblich grosseren Materials bediirfeu, welches mir, wie oben be- merkt, im Sommer nicht zur Verfiigung steht. — Nach der Eut- scheiduug specieller Fragen , wird man vielleicht auch' hier allge- meinere Ergebnisse, Beziehungen zwischen deu speciellen Befunden und allgemeine Gesichtspuncte als Resultat der Untersuchung ver- zeichnen konnen. Die speciellen Untersuchungen iiber die Zahl der persistirenden Klappen etc., die ich im kommeuden Winter anzustellen gedenke, werde ich spater verotientlichen. Da jedoch die in extenso wiedergegebeneu Protokolle fiir einzelne Puncte (Verschiedeuheit nach Individuen, Alter, Kiirperseite) bereits Be- weiskraft haben , fiir andere /.lemlich sichere Andeutuugen geben, so seien hier die brauchbareu speciellen Ergebnisse, welche gleich- zeitig auch das oben im allgemeinen Abscbnitte Gesagte erlautern und ausfiihren, kurz zusammengest?"t. Das Kluppcu-Dislanjj-Gosctz. 521 I. Zahl der persistireiidcn Klappeii in bcstimmtcn V C 11 c D. V. saphcua magna. Die grossc Hautveiic dcr uiitoren Extrcmitiit ist bci vcischie- deneii Iiidividuou so iiborciiistimnicnd in Vorlauf, relativcr Liingo und Kalibcr, dass sio direct verglichen werden liann. Erwachsene : Zaiil der Klappen. Lciche Seitc Fuss Unteischenkel Oberschenkcl Summe A 4 4 4 12 B r. 3 5 6 14 B 1. 2 4 5 11 C r. 2 5 3 10 C 1. 3 5 6 14 E r. 2 1 1 4 E 1. 3 3 3 9 F r. 2 0; 4 5 7; 11 F 1. 3 5; 5 5 13 Ml) 3 4 5 12 Mittel : 2,7 3,75 4,3 10,7 Grenzen : 2 4 0- -5 1—6 4—14. Hiernach kanu man sagen , dass ungcfahr 11 , oder von der eiitschiedeu dne Ausnalime bildenden Leiclie E abgesehen, durch- schnittlich 12 Klappen persistiren, und zwar am Fusse 3, am Un- terschenkel 4, am Oberschenkel 5. Da sich die Lange von Crus: Femur verhiilt wie 4:5, so ist das Eingehen der Klappen, in der Saphena, vom Fusse abgesehen, ein ziemlich gleichmiissiges, vgl. jedoch unten. Kinder : Zahl der Klappen. Leiche Liinge Seite Fuss Untersclieukel Oberschenkel Summe I 59 r. 3 5 6 14 I 1. 3 3 5 11 L 63 4 +? 2 7 13 +? H 80 2 6 8 16 D 81 4 4 6 14 Mittel : 3,2 4 6,4 13,6 Grenzen : 2—4 2—6 5 8 11 16. 1) Spirituspriiparat vom Jahre 1878. 522 Dr. Karl Bardeleben, Man sieht, die Zahleu sind im Einzelnen uud im Ganzen grosser, als beim Erwachsenen. Besonders stark ist der Unter- schied am Oberscheiikel. Das deutet darauf hin, dass die Klap- pen am Untcrscheukel schon friih dem Druck der auf ihuen la- gernden Blutsaule erliegen. V. capitalis brachii. Dicselbe ist nicht so coustant, wie die ihr entsprechende Saphena. An den Leicheu F und H war die Cephalica humeri die Fortsetzung der Cephalica antibrachii. Bei G reichte die Zeichnung nicht aus, um den ganzen Ober- arm zu iibersehen. Ferner ist die obere Grcnze dieser Vene schwer bestimmbar. Erwachsene : Leiche Seite Uuterarm Oberarm Summe A 6 6 12 B r. 7 4 11 B 1. 6 6 12 E r. 5 4 9 E 1. 6 4 10 F r. 3 (ceph. 8) F 1. 2 (ceph. 7) G r. 3 G 1. 5 Mittel ; 4,8 4,8 10,8 Grenzen : 2 7 4 6 9—12. FUr die ersten 5 Falle: 6 4,8 10,8. Hiernach scheinen am Unterarra mindestens soviel Klappen zu persistiren, wie am Oberarm. Ferner ist die Zahl der bleiben- den Klappen, in der Capitalis grosser, als in dem eutsprechenden Abschnitte der Saphena, namlich 10,8 gegen 8 im Mittel, — oder 9—12 gegen 2—11. Bei dem Kinde I fanden sich am Unter- und Oberarm je 8, im Ganzen also 16 Klappen. Auch diese Zahl iibertriift das Maxi- mum fiir das entsprechende Stiick der Saphena beim Kinde: 14 (Leiche H), wiihrend an derselben Leiche (I) unten : rechts 11, links 8 Klappen persistirten. V. tibiales antt. (lat. u. med.) Auf eine Liiuge von 200, 230, 275, 315 mm kommen hier Das Klappeu-Distanz-Gesotz. 523 ail den Lcidicii A, B und E: 9 — 12 Klappou, ini Mittul aus 6 IJcobachtuiigcn 11. V. femoralcs super ficialcs (ant. u. post.). Liiiigc dcr Vciic : 180, 198, 281, 299, 205. A ant. 5; post. 4 odcr 5 B r. 5. 1. 5 (major) E r. 1. 1. 4 F r. 5. 1. 5 Mittel aus 8 Fallen: 4—5. Grenzeu: 1 — 5. V. profunda femoris (major). A Langc 238. 4 Klappen. B 1. Liinge 168. 1 Klappe. V. poplitea (major). B r. 1. 1. 1 E r. 1. F r. 1. 1. 0 Kind I. r. 1. 1. 1 — K. r. 1. 1. 1. Also eine, eventuell auch keine Klappe. V. saphena parva. A 10. B r. 10. 1. 9. Also 9 — 10 Klappen. V. tibiales jjostt. (med. u. lat.). A. lat. 16. med. 15. B. 9 Klappen auf einen Theil von 240 mm, in der lateialen und der vordersten, 14 Kl. in der innersten. Das ergibt gegen 15 Klappen fiir die ganze Vene. V. iliaca externa. Besitzt gewohnlich eine Klappe am Lig. inguinale externum und eine unter der Einmiindung der Hypogastrica. Wegen der Brachiales (med., lat.), sowie der Radiales und Ulnares s. u. 524 Dr. Karl Bardeleben, II. Vergleich zwischen tiefon und oberfl iichlichen Venen. Tiefe Veiien . Zahl der Kl Mittel Oberfiiichliehe Venen. Mittel Unterschenkel Tib. ant. — post. 9—12 14—16 11 Saph. m. 0—6 — parva 9 — 10 4 Oberschenkel Femor. super — prof. fie. 5 1—4 Saph. m. 1 — 6 4,3 Unterarm Ulnaris Radialis 15 8,9 Capitalis 2 — 7 Basilica 7 5 OberPTn Brachialis 5—8 Oberfl. Capitalis 4 — 6 Stiick d. Ceph. 1—5 5. 3. Auf eine Berechnung des Verlialtnisses zwischen Zahl der Klappen und Lange der Venen, wie Houze de I'Aulnoit sie fiir 1 resp. 2 Individuen angestellt hat, verzichte ich hier, da m. E. die Beobachtungen dazu uoch lange nicht zahlrcich genug sind. Diese von dom genannten Autor gewonnenen mittleren Klappen- Distanzen haben, ganz abgesehen von dem ungeniigenden Material, absolut keinen Werth, weder theoretisch, noch practisch. — Aus mcinen eben mitgctheilten Zahlen geht bisjetzt soviel hervor, dass der Unterschied zwischen tiefcn und oberflachlicheu Venen in dieser Beziehung, wenigstens beim Erwachscuen kein durchgreifender ist, denn Femoralis profunda, Brachialis, wohl auch Peronea (ME. X), weichen von anderen tiefen Venen ebenso stark ab, wie die ober- jflachlichen dies thun — ebenso stark, wie Saphena parva und Basilica von auderen oberflachlicheu Venen. Es sind dies eben alles secundare Voranderungen, die von vielcn Momenten abhangig sind. Beim Embryo und beim Kinde sind die Unterschiede er- heblich grosser und konuen wir dort oberflachliche (primiire oder primitive) und tiefe (secundare) Venen auch in dieser Beziehung scharf gegenuber stellen. Spiiter kommt es mindestens ebenso auf die Lokalitat, die Verlaufsrichtung , Nachbarschaft und last not least auf das Kaliber an. Fiir den Erwachsenen ist es weit rich- tiger zu sagen: weite Venen haben weniger, enge mehr Klappen, als dies auf den Unterschied zwischen tiefen und oberflilchlichen zu beziehen. Insofern hatte Chassaignac ein gewisses Recht, die Zahl der Klappen als umgekehrt proportional dem Durchmes- ser der Vene anzusetzen. Wahrscheinlich ist das Eingehen der Klappen in Folge iiber- massiger Ausdehnung auch der Gruiid, dass wir gewohulich in der Cava inferior und Jugularis interna keine Klappen antreflen. Aus- nahnien habe ich jcdoch bcreits friiher gulegentlich beobachtet. Schr reich an Klappen sind stets die Begleitvcneii am Unterschen- Das Klappen-Distanz-Gesctz. 525 kd uiid riitonirni. Wcr sicli sclmcll von ilircr dort mandinial iibcrnisclieiKleii ]\lciij;e iibcrzeugeii uiul die wirkiiclic Existonz dcr oboii bospiochoncn Gruuddistanz coiistatircu will, nolime einc Ulnaris, Radialis, Mcdiaiia (die vvirklichc an dcr Artcric), Inter- ossca — cine Tibialis antica odcr postica. Selbst beim Erwach- senen wird man in dicsen Vencn ein odcr cinigc Male die Gruncl- distanz fiudcn. III. Das Eingehcu dor Klappen an den Gelcnkcn. 1. Knicgclcuk. a. Saphcna magna. Erwachsene. Leiche Klappenlose Strccke n Klappen eirigegangen : Ill inm A. 1. 77 11 10 B. r. 62 9 8 I. 141 20 19 C. r. 77 10 9 1. 189 27(25) 26(24) E. r. 442 62 61 1. 445 63 62 ' F. r. 125 18 17 — 1. 94 14 13 Mittel 22,5 21 22, Abgesehen von E: 12,5 11 12. Grenzeu : 9- -27(25) ; E 63. Kinder. Leiche cm Klappeulosc Strecke n Eiugegaiigeiie Klappon iu mm I. 59 r. 38 19 18 1. 35—36 18 17 L. 63 45 22 21 H. 80 23,5 8 7 D. 81 32 11 10 Mittel : 15,6 14 15. Greuzen : 8—22 7—21. Vergleicht man die Zahlcn fiir n bei Erwachsenen und bei Kindern sowohl unter sicli als mit denen der anderen Kategorie, so tindct man, dass hier wenig Regelmassigkeit herrscht. Schon bei dem jiingstcn Kinde 1 waren mchr Klappen an dem Knie- stiickc der Saphcna eingegangen , als z. B. bei den Erwachsenen A, B rechts, C rechts, F beiderseits. Allerdings tretfen die Mi- nima auf Kinder, die Maxima auf Erwachsene. 526 Dr. Karl Bardeleben, Ausserdem sind audi in diesem Puncte, wie ja uberhaupt, die Diiferenzen zwischen rechts und links oft noch bedeutender, als diejenigen zwischen verschicdenen Individuen oder zwischen Kin- dern und Erwachsenen. b) Poplitea. "Wie obeu mitgetheilt wurde, besitzt diese Vene in ihrem ganzeu Verlaufe von ca. 200 mm uur eine, manchmal gar keine Klappe. 2) Fuss: gelenk. Saphena magna. Erwachsene: Klappenlose Strecke Leiche in mm n Klappen eingegangen A. 208 30 29 B. 41 6 5 133 19 18 C. r. 187 25 24 — 107 15 14 E. 366 52 51 ca. 170 24 23 F. 244 37 36 133 20 19 Miff .P.l ! 9fSfi 9.4 — 9.^ Kinder: Abgesehen von E: 22 21 Grenzen: 6—37; E. 52 Klappenlose Strecke in mm n Klappen eingegangen ; I. r. 48 24 23 1. 56 28 27 L. r. 54 27 26 D. 1. 92,5 31 30 H. r. 14 5 4 Mittel: 22 21 Grenzen: 5 — 28 Mit Ausnahme von H, wo uberhaupt sehr viele Klappen per- sistirten, findet sich eine kleine Zunahme der eingegangenen Klap- pen mit dem Wachsthum. Im Ganzen zeigen aber auch diese Zah- len, wie sehr individuelle Schwankungen und die Verschiedenhei- ten auf den beiden Korperseiten den Einblick in die bier schliess- lich doch wohl zu Grunde liegende Gesetzmassigkeit storen konnen. Das Klappeu-Distanz-Gesetz. 527 3) H ii f t J? 0 1 o n k. Ill der Leistenbcuiio liep;t moist eiiu' Kl;ii)i)o; diuin folgt cine khipponlose Strecke bis zur Einniundung der llypogastricii (vgl. obeii). 4) Elloiibeuge. a) Capitalis ). Erwacliseue Kinder : mm n mm n A. 1. 112 20 H. 54 23 B. r. 77 14 I. 18 11 E. 1. r. 76 101 14 19 1. 136 25 F. r. 124 24 1. 217 42 G. r. 115,5 21 — 1. 88,8 16 Mittel 1 ohne E: 21,6 E: 23. b) Die klappenlose Strecke der Cephalica humeri iiber der Elleubeuge betriigt bei den Leiclien B, E, F uud G 150 — 235, im Mittel etwa 200 mm. 5) Axol. Eine constante Klappe unter der Einmiindung der Subscapu- lares. Im Uebrigen grosse klappenlose Strecken. Aus dem Obigen geht hervor, dass bereits bei Kindern, bei Ervvachsenen meist in noch hoherem Grade, eine grosse Anzahl von Klappen an und besonders iiber den Gelenken eingelit. Un- terhalb der Gelenke pflegcn, wie das ja nicht unbekannt ist, mid aus meinen Protokollen bestiitigt werden kann, mehrere Klappen in kiirzeren Distanzen zu persistiren. Verrauthlich sind diese Klappen in Folge andauernder oder wiederholter Compressionen der Venen in den Gelenkbeugen gegen den lliickstrom des Blutes relativ geschiitzt, wiihrend gleichzeitig, bei der ja gleichfalls statt- iiudenden Compression der Arterie, die Vis a tergo erheblich ge- schwacht werden muss. 528 Dr. Karl Bardeleben, f IV. Geraclliniger Verlauf der grosseu Veuen. Als Beispiel hierfiir stelle icli einige an der Saphena gemachte Messungeu zusammen: mem 5ene: ■ t Differenz Li inge der Veiie Luftlinie (Omweg) i" Vo A. 840 785 55 6,5 B. r. 825 795 30 3,6 B. 1. 818 788 30 3,6 C. r. 820 805 15 1,8 E. 1. 818 785 30 3,7 F. r. 735 715 20 2,7 Mittel : 3,7 Bei dem Kinde D: 307—308. 305. 2—3 mm Umweg = ^1^ — 1 **/o. All der Capitalis brachii betrug der Umweg in 2 Fallen: 4,6 und 5,5 "/q. Die Venen sind im Allgemeincn bei Kindern, nocli raelir bei Embryonen, geradliniger als bei Erwachsenen. V. Anzalil der Klappeu-Anlagen*). 1) Obere Extremitat. Capitalis brachii. A. 110 — X -h 5: unter 110 B. r. 86 + 10 — x: uber 96 — 1. 95 + 7 + x: iiber 102 E. r. 85 + 14 + x: iiber 99 — 1. 97 + 7(-l-?) = 104 F. r. 106 — 1. 104. 2) Untere Extremitat. Saphena magna, (excl. Fuss). A. 114 — 11 = 103 B. r. 119—9 = 110 — 1. 118 — 2 — 6 = 110 C. r. 121 — 2 — 9 = 110 ') Vgl. flie Protokolle. Die erste der hier folgenden Zahlen ist die dort angegebene Summe, welche um die, Hand, Fuss oder Axilla butreffendeu Zifferu vermindert resp. vermehrt werdeu musste. Das Klappon-Di stall z-Gesetz, 529 C. 1. 121 8 5 — 108 D. 1. 102 E. r. 120 - G 3 — 111 1. 127 13 3 — 111 F. r. 114 - 5 4 — 105 — 1. 112 — 7 — 105 H. r. 110 7 — 103 I. r. 128 23 — 105 — 1. 137 — 13 — 23 = 101. WoliI ill Folge von Beobachtiingsfolilorn schwunkt die Zalil (ler Klappeii-Aiilagon zwisclion 101 und 111. Das Mittcl aus alleii /allien ist 10(>, gleichzeitig die Mitte zwischen Minimum und Maxi- mum. Sowolil fiir Kinder wie fur Erwachsene, fur die obere wie fur die untere Extremitat ist die Anzahl der Klappen-Anlagen so- nach 100, vielleiclit etwas niehr oder weniger. iJd. XIV. N. F. VII, 4. 34 Ueber die Leitung der Pollenschlauche bei den Angiospermen. Von Moritz Dalmer. Hierzu Tafel XXIII— XXV. Einleitung. Bei der Befruchtung der Angiospermen handelt es sich, wie bekannt, im Weseutlichcn um folgende drei Fragen: erstens wie kommen die Pollenkorner auf die Narbe des weibliclien Geschlechts- apparates? auf welche Weise dringt dann ihr lulialt bis zu den in die Fruchtknotenhohle eiugeschlossenen Eichen hinab? und wie verhiilt sich schliesslich dieser Inhalt als befruchtender Stoff im Innern des Eichens selbst? Die erste Frage ist in der Neuzeit in zahlreicheu Arbeiten iiber die Bestiiubung der Gewachse ausfuhrlich erortert worden, und die dritte, wichtigste, das eigentliche Wesen der Befruchtung betreffende, hat erst vor einiger Zeit Strasburger einer einge- henden Untersuchung unterworfen *). Was die zweite Frage anlangt, auf welche Weise der Inhalt der Pollenkorner zu den Eichen gelangt, so ist seit geraumer Zeit im Allgemeinen bekannt, dass die Pollenkorner auf der Narbe Schliiuche treiben, welche den befruchtenden Stoff mit sich fuh- rend hinab zu den einzelnen Eichen wachsen, und dass diese da- selbst durch die Mikropyle hindurch leicht zu der zu befruchten- den Eizelle gelangen. In der letzteu Zeit haben ausserdem Stras- burger 2) und Elfving'') festzustellen gesucht, in welcher Form 1) Ueber Befruchtung und Zelltheilung. Jena 1878. 2) 1. c. p. 23 u. 24. ^) Studien iiber die Pollenkorner der Angiosperm-en. Jenaische Zeilachr. f. Naturw. XIII. 1879. Ueber die Leituug der Pollouschliiuche bei deu Angiospermen. 531 uud ill welclier Weise der Inluilt der Polleiikoriier in diese Schliiuche bei ihrer Bilduiig eintritt uiid in deu Fruchtknoten hiiiabgefuhrt wird. Dagegen maiigelt es nocli vielfach an einer klaren Vorstellung iiber den Weg, auf welclieni die Pollenschliiuclie von der Narbe bis in die oft weit von dieser entferuten iin Inneru des Frucht- knotens oft selir ungUnstig gelegenen Mikropyle gelangen; es ist noch nicht hinreichend klar, waruni die Pollenschliiuche iiberhaupt iliesen bestinimten Weg in der oft selir weiteii Fruclitknotenhohle ein- sclilagen und warum sie gerade in die enge, winzige Miindung der Ovula so leicht gelangen, wolier und wie schliesslich bei dieser langen Wanderung das oft in grosser Menge nothweudige Cellulose- material zur Schlauchbildung bezogen wird, das heisst wie die Polleusclilauche sich emahren. Auf alle diese Punkte beziebt sich die vorliegende Arbeit. Zu ihr wurde ich von meinem verelirten Lebrer, Herrn Hofrath Stras- burger angeregt. Ich sage ihm hierfiir sowohl als auch fiir die Unterstiitzung wiihrend der Ausfiihrung dieser Untersuchungen mei- neu besten Dank. Die Frage, auf welchem Wege der befruchtende Stoff bei den Angiospennen zu deni Ovulum gelangt, ist bereits oft gestellt wor- den; sie drangte sich schon zu einer Zeit dem Beobachter auf, als die Thatsache, dass die Pollenkorner auf der Narbe Schlauche treiben, noch gar nicht erkannt war, als man noch eine „aura se- minalis" annahm, welche von der Narbe bis zu den Eichen hinab- steigen sollte. Gleichen^) uud Hedwig^) wareu die ersten, die bei den Cucurbitaceen ein besonderes Zellengewebe auf der Oberflache der Placenta beobachteten, welches sich von der Narbe bis zu den Ei- chen erstreckt. Sie deuteten es ganz richtig als Leitgewebe des befruchtenden Stoiies und nanuten es „conductor fructificationis." MirbeP) dagegen und ebenso C. F. Gartner*), betrachte- ten die Spiralgefasse der Gefassbiindel als „conducteurs de I'aura ^) Nouv. deconv. de regne veget. II, 31. 2) Sammlung v. Abhandl. u. Beobachtungen iiber botanisch-oko- nomische Gegenst. 11, 121. 1793. ^) Precis d'uii memoire sur I'anatoinie des ileurs Ann. d. mus. d. Hist. nat. IX. 1807. *) de fructibus et semiuibus plantarum. Introd. 43. 34* 532 Moritz Dalmer, seminalis", ein Irrtbum, welcher verzeihlich ist, well man, wie schon erwahnt, damals die Form noch nicht kannte, iu welcher die befruchtende Materie zu den Eicben binabsteigt. Gegen diese Ansicht trat spater Brogniart^) entscbieden auf und wies zum ersten Mai mit Bestimmtbeit bei verscbiedenen Pflanzen ein selbstiindiges Leitgewebe nacb. Eine sicbere Basis fiir die Beantwortung dieser Fragen wurde jedocb erst 1830 durcb Amici's erfolgreicbe Beobacbtuugen 2) ge- scbalfen, durcb welcbe iu der Gestalt des Pollenscblauches die Form entdeckt wurde, in welcber die befrucbtende Materie von der Narbe zu der Mikropyle binabsteigt. Nun begegnen wir in der damals plotzlicb ausserordentlicb auscbwellenden Literatur uber Befrucbtung einer Reibe von Notizen tiber verscbiedene For- men des Leitgewebes, welcbe immer deutlicber erkennen liessen, dass ein besonderes Gewebe iiberall die Ftibrung des Polleuscblau- cbes iibernimmt. Scbleiden^) konute bereits 1846 tiber dasselbe ganz allge- mein sagen: „Auf dem Stigma bildet es sicb ganz oder zum Tbeil zu Papillen um, ebenso zuweilen in dem Canal des Staubwegs, wenn dieser deutlicb bobl ist, und oft aucb in der Frucbtknoten- boble langs des Samentragers bis zu den Samenknospen , wo die Papillen baufig zu langen Haaren auswacbsen. Alle diese Papil- len sondern gewobnlicb zur Zeit der volligen Ausbildung des Stem- pels eine klebrige, Gummi und Zucker baltende Substanz, die Nar- benflussigkeit, ab. Eine abnlicbe Substanz wird baufig in die In- tercellulargange der unmittelbar unter dem Epitbelium der Narbe und des Staubwegs liegenden Zellenscbicbten abgesondert, und zwar oft in solcber Menge, dass die einzelnen Zellen vollig aus ibrem Verbande getrennt werden und ziemlicb locker in dieser scblei- migen, dickfltissigen Substanz eingebettet liegen. Leicbt ist dieser Process z. B. bei den Orcbideen und Onagreen zu verfolgen. Das gesammte Epitbelium, sobald es papillos geworden, sowie das lockere Zellgewebe sammt der abgesonderten Substanz nennt man das leitende Zellgewebe (tela conductrix, conductor fructificatio- nis Horkel, tissu conducteur Brogniart)." Eine vergleicbende anatomiscbe Untersucbung dieses Gewebes ^) Die Zeugung und Entwickelung des Embryo in den phanero- gamischen Pflanzen. R. Brown's vermischte Schriften. Hrsg. v. Nees V. Esenbeck. IV. 1830. ^) Ann. d. scienc. nat. 1830. 2) Gruudziige der wisseusch. Botanik. II, 322. 2. Aufl. Ueber die Leitung dor Polleuschliiuche bei den Augiosperraeu, 533 hat lauge Zeit gefehlt iiiul wurde erst vor einigeu Jalireu in Aii- gi'it!" geiionnuen. Re i like*) bcschriel) ziicrst in eiiier kurzcn Mittlieilung den anatomisdien Bau der Narbe iind heriicksichtigtc audi das Ver- lialten des Pollcnsdilauclies aiif derselben. Dodi erst Belirens^) uutersudite in eingeliender Weise die Anatomie des Griffels imd der Narbe und kam gestiitzt auf eiue Reihe werthvoller Beobachtuiigen zu klaren Vorstellungen iiber die Art und Weise, wie der Pollenschlaudi sicb zuni Narbeu- und Griffelgewebe verhiilt. !> sagt hieruber p. 36 : „Es ist ja schon liinger bekanut, dass der Pollenschlauch das Narbengewebe durcli- (Iringt uiu in den Grillel zu gelangen. Das Narbengewebe, weldies sich schon durdi sehr sdiwache Macerationsmittel , bisweilen so- gar durch destill. Wasser in die einzelnen Langsreihen auflost, ist in der That zu einem derartigen Durchwachsen ini hodisteu Grade geeiguet. Die Zartheit des ganzen Gewebes setzt nur einen ge- riugeu Widerstand entgegen, und durch die Elasticitilt der Liings- reihen werden dieselben ihrer ganzen Lange nach an den Pollen- schlauch angedriickt, so dass dieser einmal eingedrungen , vor iiusseren Einfliissen geschiitzt ist." Hinsichtlich des Griiiels kommt er* zu folgenden Vorstellungen p. 22: „Bei denjenigen Pflanzen, welche keinen Griffelkanal be- sitzen, muss der Pollenschlauch natiirlich sich durch das Griffel- gewebe hindurchdriingen ; das leitende Gewebe wird seines lockern Baues wegen fiir ein derartiges Hindurchwachsen der passendste Ort sein. Es steht hiermit im Zusammenhange, dass die Litngs- wiinde der Zellen leicht von einander zu trennen sind, wahrend die Querwilnde eine viel bedeutendere Tenacitat besitzen. Ist ein Grifielkaual vorhanden, so haben die iiussersten Schichten des leitendeu Gewebes auch die Aufgabe fliissige, und zwar klebrige und schleimige Substanzen zu secerniren, welche die Canalwan- duugen uberziehen, und welche dann den Pollenschlauch an den Wanden durch Adhasion zum Ovarium hinableiten." Vor kurzem hat schliesslich Capus^) eine Arbeit veroffent- licht iiber die Anatomie des gesammten Leitgewebes. Er hat 1) Bau der Narbe. Nachrichten d. konigl. Gesellsch. d, Wissensch. etc. zu Gottingen 16. Sept. 1874. *) Untersucliungen iiber den anatomischen Bau des Griffels und der Narbe einiger Pflanzenarten. Gottiuger Dissertation 1875. ^) Anatomie du tissu conducteur. Annal. d. scienc. nat. Bota- nique 6 Serie VII. 1878. 534 Moritz Dalmer, ausser der Narbe und dem Griffel auch das Ovarium in den Be- reich seiner Untersuchungen gezogen, die verschiedenen Zellenfor- nien beschrieben, welche die Placenta bedecken und die Entwicke- lungsgeschichte dieses Gewebes eingehend studirt. In Bezug auf die Leitung der Pollenschlauche kommt er zu der Ansicht, dass in den raeisten Fallen keine besonderen Ein- riclitungen existiren, welche den Eintritt des Pollenscblauclies in die Mikropyle erleichtern; das Leitgewebe erstrecke sich meist nicht bis an dieselbe und der Pollenschlauch habe oline Leitung in sie hineinzuwachsen , so dass man nur vermuthen konne, dass sein Eintritt durch physikalische Ursachen bestimmt werde. „I1 y a la un ph^nomene physiologique non determine qui engage le boyau pollinique a devier de son chemin pour atteindre son but, comme le font certaines zoospores qui s'agitent dans le zoosporange afin d'en percer la parol en un point determine^)". Hinsichtlich der Ernahrung der Pollenschlauche scheint Ca- pus der Ansicht zu sein, dass dieselben zu diesem Zwecke die Zellen der Placenta wie Parasiten aussaugen'-^), als Secretionsor- gane, wie es Schleiden gethan, scheint er diese Papillen wenig- stens nicht ganz allgemein aufzufassen, sondern er sagt an einer Stelle seiner Arbeit p. 248 f „La gelification partielle ou totale des parois du tissu conducteur est beaucoup plus prononcee dans le style et sur le stigmate, pour des raisons qui sont probablement en rapport avec le mode d'impregnation de ce dernier." Beobachtungen. Die nachfolgenden Beobachtungen wurden zum grossten Theil an Alkoholmaterial angestellt aus der reichhaltigen Sammlung des botanischen Instituts zu Jena, und zwar nach der von Stras- burger bereits ofters angegebenen Methode ^). Vielfach wurde jedoch frisches Material zur Vergleichung hinzugezogen. Was die Reihenfolge anlangt, in welcher ich meine Beobach- tungen mittheilen werde, so gehe ich, da es sich um einen com- plicirten physiologischen Vorgang handelt, von moglichst einfachen Fallen aus, welche die Momente, auf die es bei diesem Vorgange ankommt, am leichtesten erkennen lassen; erst allmahlich steige ich zu den verwickelteren Fallen empor. ») 1. c. p. 240. 2) 1. c. p. 215 u. 261. ^) Zuletzt in den „Angiospermen und Gyranospermen" p. 1. 1879. Ueber die Leituug der Pollouschliiucho bei deu Angiospermen. 535 I. Bei den Gymnospernien siiul die Einrichtungen , welche die Pollensclilauche zu den Archegonien leiten , sehr einfach , da der ^Veg zu deuselben ein directer iiud meist sebr kurzer ist. Die rullcnkoruer gelangen bier bekanntlich gleich auf den Nucellus, (lessen Gewebe bis zu den Archegonien gewohnlich gelockert ist und sich in jeder Beziehung fiir die Leituug der Pollenschlauclie besonders cignet. So sagt Strasburger ^) von Abies canadensis: „Der ^yeg zu den Corpuskeln wird den Pollenschlauclieu durch das Gewebe der Kernwarze vorgczeiclmet ; dasselbe ist in seinen niittleren Partieen iiber deni Scheitel des Enibryosackes anders diJierenzirt als an den Seiten, es ist gestreckter, protoplasmarei- cher und in Folge dessen, wie der Augenschein lehrt, besonders geeignet den Pollenschlauch zu fiiliren. Der Pollenschlauch wird auf diese Weise bis iiber die Halszellen eines Corpuskulum geleitet." Erwiihnenswerth ist noch, dass bei Welwitschia die Corpus- kula zu langen Schlauchen in deu Nucellus liineinwachsen und so den Pollenschliiuchen entgegenkommen ''). Die gleiche Einfachheit wie die Gymnospermen zeigen die Lorantliaceen , wenn man sie riicksichtlich ihres Leitapparates mit den ersteren vergleiclit. Natiirlich handelt es sich hier nur um Aualogieen, da die Loranthaceen in verwandschaftlicher Beziehung den Gymnospermen sehr fern steheu. Bei Viscum album ist der Fruchtknoten ein compacter Ge- webekorper, der 2 — 4 Embryosacke enthalt. Ueber denselben bis zur Narbe hinauf ist das Gewebe einfach ebenso fiir die Leitung der Pollenschliiuche differenzirt, wie das Nucellargewebe bei den Gymnospermen iiber den Archegonien. Es ist gestreckter und pro- toplasmareicher als das rings an den Seiten liegende, durch stark- gequollene Wande ausgezeichnet und mechanisch leicht spaltbar. Bei Loranthus bicolor wachsen sogar die Embryosacke wie bei Welwitschia die Archegonien bis zur Narbe hinauf den Pollen- schlauchen entgegen. Dass wir es jedoch hier mit morphologisch verschiedenen Dingen zu thuu haben, die sich aber einer ahnli- cheu physiologischen Funktion angepasst haben, hat schon Stras- burger hervorgehoben ^ ). 1) Die Befruchtung der Coniferen. 1869. p. 7. *) Vgl. Strasburger, Coniferen u. Gnetaceen. 1872. p. 95. ^) Coniferen und Gnetaceen. p. 97. 536 Moritz Dalmer, 11. Der Weg, den die Pollenschliiuche in dem Fruchtknoten der Angiospermen zuriicklegen niiissen, um zu ihrem Ziel zu gelangen, ist zunachst von der Lage der Mikropyle abhangig. Dieselbe wird aber durch die Insertion imd Kriimrauug der Ovula bestimmt. Daher haben wir auf diese beiden Punkte besonders unser Augen- merk zu richten. Am gunstigsten ftir den Eintritt des Pollenschlauches liegt die Mikropyle natiirlich dann, wenn sie dicht am Grunde des Griffels sich befindet. Bei eineiigen Ovarien ist das selir haufig der Fall. Polygonum divaricatum diene als Beispiel. Die Fruchtknotenhohle wird hier von dem einzigen basal in- serirten atropen Ovulum ziemlich vollstandig ausgefiillt (Fig. 1). Dasselbe wird von zwei Integunienten umgebeu, von denen das aussere in seiner ganzen Ausdehnung gleich stark bleibt und der Hauptsacbe nach dreischichtig ist, wahrend das innere zweischich- tige oben an der Mikropyle durch seitliche Streckung der Zellen der inneren Schiclit anschwillt und das aussere iiberragend sich an die Fruchtknotenwand fest anlegt (Fig. 2) ^). Dadurch wird rings um die Mikropyle heruni ein fester Verschluss gebildet. Ausser- dem ragt noch in dieselbe das zu einem gemeinsamen Strang ver- einigte Leitgewebe der 3 Grififel zapfchenartig hinein, so dass nach alledem dem Pollenschlauch die Richtung auf die kleine zwei Zel- len hohe Kernwarze gleichsam aufgezwungen wird. Bei Daphne Mezereum ist die Lage der Mikropyle ebenso gunstig wie bei Polygonum; sie wird jedoch durch eine andere Insertion und Richtung des Ovulums bedingt. Dasselbe entspringt namlich aus der Carpellnaht nahe dem Gipfel des Ovars, hangt in dessen Hohlung herab und ist anatrop (Fig. 3). Es wird von zwei Integunienten umschlossen, von denen das innere das aussere iiberragt, an seinem oberen Rande sehr anschwillt und durch fe- stes Anlegen an die Fruchtknotenwand einen Verschluss bildet ganz in derselben Weise wie bei Polygonum. Das in Folge seiner stark gequollenen Wande sofort in die Augen fallende Leitgewebe ragt ziemlich weit in die Mikropyle hinein (Fig. 4). Im Gegensatz zu den eben behandelten Fallen liegt bei den Compositen, deren Fruchtknoten auch uur ein Eichen birgt, die Mikropyle weniger gunstig. Sie ist der Basis des Fruchtknotens 1) Nach einem Praparate des Harm Hofrath Strasburger mit giitiger Erlaubniss gezeichnet. Uebcr die Lcitung dor rollcnscliliiuche boi den Augiospermen. 537 ziigokelirt, so (lass die Polleiisclilaiiclic die gauze Liinge desselbcu durclnvachseii miisscn, uni zu ihr zii gelangeu. Seuecio Doria ist eiu giiustiges Object, um sich tiber den Weg zu orieutireii, den sie dabei einsdilagen. Das an der Basis inserirte anatrope Ovuliun fiillt den Fruchtknoten vollstaudig aus (Fig. 5), und es ist daher Icicht, giinstige Quersclinitte durch den- selben zu erhalten. Dieselben leliren zunaclist schon bei scbwa- clier Vergrosserung betracbtet, dass sowobl rechts als links von der Mediane des Ovulunis je ein beller, das Licbt stark brecheu- der Ge\vebekr)rper von der Spitze bis zur Basis an der Frucht- knoten\Yand hinabliiuft (Fig. 7) O- Niihere Untersuchung zeigt, dass bier die Frucbtknotenboble statt von weiten, bauptsiicblicb farblosen Zellsaft enthaltendeii Epidermiszellen von einer Gruppe enger, dicbt mit plasniatischen Stoffen erfiillter Zelleu ausgekleidet ^Yird (Fig. 10 u. 11), die in einer lioniogenen Masse eingebettct liegen, in Avelcber an Alkobolmaterial keine Scbicbtung zu erken- nen ist. Diese Zwiscbenmasse, welcbe jedenfalls als eiu Secret der ebeu gescbilderten Zellen anzuseben ist, verandert sich mit Cblorzinkjodlosung bebandelt nicbt, wahrend die die einzelnen Zel- leu umgebenden Cellulosemembrauen bei dieser Behaudluug durch ibre blaue Farbe deutlicb hervortreten, Der gauze Gewebekorper wird iibrigens ebenso wie die seitlich sich auscbliessenden Epider- miszellen nach der Frucktkuotenhohle zu von einer diinnen Cuti- cula bedeckt (Fig. He) und ist, da unter derselben die Bildung des Secrets hauptsachlich stattfindet, nach ebeu dieser Richtuug bin ein wenig hervorgewolbt, so dass die Cuticula bier meist dicht an das Ovulum angepresst wird (Fig. 10). Diese Zellengruppen eutstehen nach Capus'-^) einfach durch tangentiale Theilung meh- rerer Epidermiszellen und die homogeue Zwiscbenmasse fiudet sich in gleicher ^Yeise ziemlich hiiufig in dem Leitgewebe der Griii'el, so z, B. bei den Labiaten, Geraniaceeu u. st. ^). Man nimmt ge- Avohnlich an, dass diese Masse durch Verschleimung der ausseren Schichten der Zellwaude eutstehe. ludessen der Begriff „Ver- ^) Diesen Bau des Compositenfruchtknotens hat schon Rob. Brown (Vermischte Schrift. II, 521) beschrieben, ohne jedoch ge- mass dem damaligeu Stande der Wissenschaft uber die Deutung des Gesehenen vdllig klar zu sein. Capus beschreibt (1. c. p. 225) das Leitgewebe von Grindelia, jedoch nicht vollstandig und nicht genau. 2) 1. c. p. 225. 3) Vgl. die Abbildungen von Capus pi. 21 fig. 13, pi. 22 fig. 7 u. 8, pi. 23 fig. 5. 538 Moritz Dalmer, schleiraung" ist ein ziemlich uubestimmter, unci es wird erst eine genauere Untersucliung der vorliegenden Falle entscheiden konnen, ob diese Masse durch chemische Umwaudlung der Celluloseschicli- ten entsteht imd welcher Art diese chemische Umwandlung ist, worin mit einem Worte die Verschleimung eigentlich besteht. Das Leitgewebe im Griifel von Seuecio zeigt das gleiche Bild, wie dasjenige im Griifel der Labiaten u. a., nur durchzieht ein schmaler Spalt dasselbe , dessen Rander die Reaction der Cuticula angeben (Fig. 6 u. 9). Die beiden Leitstreifeu , wie wir die oben geschilderten Gewebekorper im Innera des Fruchtknotens nennen wollen, liegen demnach im Griifel fest aneinander und weichen erst in der Fruchtknotenhohle auseinander, um rechts und links von der Mediane des Ovulums bis in den Grund des Ovariums hiuabzusteigen. Daselbst gehen sie ineinander liber und zwar direct unter der dem Boden der Fruchtknotenhohle sehr nahe ge- legenen Mikropyle. Dieselbe ist spaltenformig und wird von dem wenig ausgegliederten Funikulus und dem einzigen mit diesem seitlich verwachsenen Integument des Ovulums gebildet (Fig. 5 u. 8). Indem jedoch die an die Mikropyle angrenzenden Funikulus- zellen ebenso wie die Zellen der Leitstreifeu im Fruchtknoten Schleim bilden, wird die Spalte ganz ausgefiillt und die Cuticula, welche die Funikuluszellen nach der Mikropyle zu iiberzieht, an die Integumentzellen fest angepresst (Fig. 12). Es zieht sich so von dem Boden des Fruchtknotens hinauf bis zum Embryosack- scheitel ein Schleimstrang, der auf giinstigen Langs schnitten in seiner ganzen Ausdehnung leicht zu beobachten ist. Dieser Bau der Mikropyle hat tibrigens vielleicht die Bemerkung von Rob. Brown verursacht, dass „die Haute, d. h. die Integumente, bei den Compositen undurchbohrt zu sein schienen", eine Mikropyle also fehleO- Die eben geschilderte Structur des Griffels und der Mikropyle drangt uns nun zu folgenden Ansichten: 1) Dass die beiden Gewebestreifen im Fruchtknoten rechts und links von der Mediane des Ovulums mit Recht Leitstreifeu ge- nannt werden konnen, d. h. dass sie die Pollenschlauche zu leiten haben. 2) Dass die Pollenschlauche in dem von der Narbe bis zum Em- bryosack hin ununterbrochen gebildeten Secret gefuhrt werden und dass sie wahrscheinlich aus demselben die Stoffe zur Cel- lulosebildung bei ihrem Wachsthume beziehen. 1) Yermischte Schriften IV, 95. TJeber die Loitung dor rollonschUiuche bci dcu Angiospcrmcn. 539 Die bciden Lcitstreifcn in dcr Friichtknotciihitlilc scccriiireu bcsoudcrs aiif ilircr Obcrflache , uiul hier, direct untcr der Cuti- cula, werdou die rollenschliiuche auch jedenfalls ilireu Weg ueli- meii, uiu ziiin Fuuikiilus hinabziigelaiigen. luteressaut bei dieseni Beispiele ist, dass der Mikropyle von zwei Seiteii Polleiiscblauclie zugefubrt werden kouneii, obgleicb schliesslicb nur einer zur Befruchtuug uotbweudig ist. Scbliesslich niochte ich noch kurz auf die Plumbaginecn ciii- geheii wegeu der sehr merkwurdigeii llichtung des Ovulums, wel- obe sicb in dieser Familie zeigt. Der I.eitapparat ist bier scbon oft bescbrieben worden ^). Das Ovulum ist anatrop und seine Mikropyle dem Griffel zugekebrt. Diese Lagerung wird jedoch nicbt wie bei Daphne dadurcb verursacbt, dass das Eichen am Gipfel des Ovariums inserirt ist, sonderu dadurcb, dass dasselbe an einem langeu an der Basis des Fruchtknotens befestigten, zwei Mai umgebogenen Funikulus hiingt (Fig. 14, vgl. auch d. Abbild. von Payer, Organogenic comparee de la fleur Atlas pi. 153); da- bei liiuft der Funikulus seitlicb an der Mikropyle vorbei und nicbt etwa sie bedeckend dariiber binweg, wie es bei den Cacteen der Fall ist (vgl. Fig. 59). Da die Mikropyle meist nicbt die Spitze des Ovariums erreicbt , sondern z. B. bei Statice Gmelini nur in halber Hohe des ziemlich lang gestreckten Frucbtknotens liegt (Fig. 13 u. 14), wachst von der Insertionsstelle der 5 Griffel (Fig. 13) gewobnlicb ein Gewebezapfen bis zur Mikropyle herunter, den Mir bei „embolus" genannt bat (Fig. 14). Derselbe besteht in sei- ner niittleren Partie aus Leitgewebe (Fig, 16), welches durch seine stark gequollenen Wande sicb wieder sofort zu erkennen gibt und durch Verschmelzung der fiinf an der Spitze des Frucbtknotens noch getrennten Leitstrange der fiinf Griffel (Fig. 15) entsteht. Dieser „enibolus" legt sicb dicht auf das trichterartig hervorge- wolbte Endostom und nothigt sorait dem Pollenschlauch bei sei- nem Wachsthum die Richtung nach der Kernwarze auf. Bei Plumbago larpentae soil nach Payer 2) der „embolus" sehr unbedeutend entwickelt sein, dafiir aber das inuere Integu- ment sicb sehr stark rohrenformig verlangern bis zur Beriihrung mit dem Leitzapfen. ^) Mirbel, liber die Entwickelung des Pflanzeneies. (Eob. Brown's vermischte Schriften IV, 528). Schleiden, Grundziige d. wissensch. Bot. 4. Aufl. 493. 2) Traite d'orgauoge'nie comparee de la fleur. Atlas pi. 153, Texte p. 615. 540 Moritz Dulmer, Die oben geschilderte , eigenthiimlichc Form des anatropen Ovulunis ist bei den Syiupetaleu nur den Plumbaginecn eigen- thiimlicli, und selbst die uiichstverwandteu Familieu derselben, die Primulaceeu und Myrsineen, liabeu die gewohnliche Form der anatropen Ovula mit kurzem Fimikulus aufzuweisen. Uebrigens lasst sicli eine alinliche Umbildung der Ovularform bei den Chenopodiaceen verfolgen, deren Ovarium ein kamptotro- pes Ovulum birgt. Hier verlangert sich namlich z. B. bei Obione der Funikulus ebeuso wie bei den Plumbagineen , so dass das Ovulum in die Fruchtknotenhohle hinabliiingt und die Mikropyle nacli oben schaut, wiihrend bei Blitum und Spinacia der Funiku- lus kurz ist, so dass das Ovulum aufrecht steht und die Mikro- pyle nach unten fallt. Die Ovula von Atriplex sollen sogar zu- weilen eine Mittelstellung zwischen beiden Extremen darbieten ^). Es ware von Interesse zu untersuclien, ob in dieser Familie die Umbildung der Ovularform mit der Ausbildung des Leitappa- rates in irgend einem Zusammenbang steht. III. In den bisher bebandelten Fallen, mit Ausnahme von Senecio, lag die Micropyle direct unter der Stelle, wo die Pollenschlauche in die Fruchtknotenhohle eintreten. Es kommt jedoch sehr haufig Yor, besonders bei einer Insertion und Kriimmung des Ovulums, wie sie Daphne zeigte, dass die Mikropyle von dieser Stelle et- was seitlich abliegt. Ricinus communis ist das giinstigste Object, um schnell uber die Art und Weise klar zu werden, in welcher der Pollenschlauch in diesem Falle in die Mikropyle geleitet wird. Das Ovarium dieser Pflanze ist dreifacherig, und in jedem Fache befindet sich ein anatropes, epitropes Ovulum, welches ganz wie bei Daphne oben an der Carpellnaht inserirt ist (Fig. 17). Der Griffelcanal theilt sich innerhalb des Fruchtknotens in 3 Canale (Fig. 18 u. 19), welclie in die 3 vorhandenen Ovarialfacher einmunden und zwar gleich iiber der Insertionsstelle des Ovulums, so dass der Pollenschlauch direct auf den Funikulus geleitet wird. Dieser ist auf seiner obern Seite hockerartig angeschwollen und dicht mit langen Papillen bekleidet, die sich schopfartig iiber die Mikropyle legen (Fig. 21). Dieselben enthalten, wie die Narbenpapillen , im frischen Zustand einen rothen Farbstotf, welcher durch Alkohol ^) Eichler, Bliithendiagramme II, 81. TJeber die Loituug dor rollcutJchUiuchc bci den Augiospcrmou. 541 aiisgezogou Nvird. Dicser Ilaarscliopf ist bei dcii Kupliorbiacccn iiberall an dor liiscrtioiisstclle des Ovulunis, wo dor Gritl'olcaual einmundot, bis zur Alikropylo hiu iiiohr odor wonigor entwickolt ^j. Boi Euphorbia lielioscopia siiid dio Papillou diclit niit plas- iiiatisclion Stotloii iiiid traiisitorisch luit grossen Stiirkokornorn or- fiillt (Fig. 23). Dor Nucollus wiichst hier woit in dio Mikropylc hiuoiii , fast bis zu doron oboren Eande , so dass dio Papillen direct auf deiiselbon stossou (Fig. 22 u. 23). Boi Euphorbia loricata siud dio Wiiude der Papillen sohr ge- quollen. Dor Nucollus wachst hier nicht in dio Micropylo hinauf, datur hiingon abor dio Papillen weit in dieselbe hinein (Fig. 24 u. 25). Dor Fruchtknoten von Mercurialis annua ist zweifiicherig, und jedes Each wird von oinom oinzigen Ovulum gauz ausgefiillt. Die obcre Seite des Funikulus ist auch hier mit Papillen bedeckt, die sich bis in das Exostom, d. h. bis in den von dera aussern Inte- gumente gebildoten Theil der Mikropyle erstrecken (Fig. 26 u. 27). Dor Nucollus reicht weit in das Endostoni hinein. Bei Mercuria- lis porennis hingogeu reicht or, wie bei Euphorbia helioscopia bis an den obem Hand des Exostoms hinauf. Der Fruchtknoten von Linum usitatissimum ist aus 5 Fitchern zusammengesetzt. In jedem Fache sind zwei anatrope, epitrope Ovula nebeneinander entwickelt; iiber der Miindung eines jeden befindet sich ein obturatorartiges mit Papillen bedecktes Gebilde, ebenso wie bei den Euphorbiaceen (Fig. 28 u. 29). Boi Citrus Aurantium sind gegen 8 anatrope, hangende Ovula in jedem Fruchtknotonfache vorhanden. Auch hier sind iiber der Mikropyle eines jeden Eichens ausserordentlich lange Papillen ent- wickelt, die in ihrem Innom Starkekorner fiihreu ^) (Fig. 30). Bei Phytolacca decandra ist, wie schon Schleiden beschrie- ben hat ^) , der Funikulus ringsum wie von einom Kranze von Pa- pillen an seiner Insertionsstelle umgeben. Das kamptotrope Ovu- lum ist niimlich apotrop, d. h. so gekriimmt, dass seine Mikropyle ^) Die Anschwellung des Funikulus oder der Placenta iiber der Mikropyle, welche den meisten Euphorbiaceen eigenthiimlich und be- kanntlich Obturator genannt wird, soli nach Payer und Baillon aus einem zweiten oberen abortiven Ovulum hervorgehen. Indessen weiss ich nicht, worauf man diese Deutung stiitzen konnte. ^) Cr tiger erwahnt diese Papillen bereits und rechnet sie zum Leitgewebe. (Bot. Ztg. 1851 Sp. 62.) 3) Nova Acta XIX. 1839 iiber die Entstehung des Embryos bei den Phanerogamen. 542 Moritz Dalraer, von der Stelle, wo das Leitgewebe in das Fruchtknotenfach ein- uiiindet, abgewendet ist (Fig. 31). Der Pollenschlauch muss also urn den Funikulus herumgeleitet werden, um in die Mikropyle zu gelangen. Die Papillen reichen bis an die letztere heran (Fig. 32). Wir sehen, dass in alien diesen Fallen die Mikropyle mit der Mundungsstelle des Leitgewebes in die Fruchtknotenhohle in di- recter Verbindung steht, imd zwar durch ein mehr odcr weniger papillos entwickeltes Gewebe. Ueber die Art und Weise, wie dieses Gewebe die Funktion der Leitung imd Ernahrung der Pol- lenschlaucbe erfiillt, werden wir uns spater an einer anderen Stelle eine Vorstellung zu bilden suchen. IV. Wir sind bereits im vorhergelienden Abschnitt zwei Mai auf den Fall gestossen, dass ein Fruchtknotenfach mehr als ein Ovu- luni umschloss (Linum, Citrus), sind aber iiber beide Beispiele schnell hinweggegangen. Diescr Fall ist jedoch ein bei den Angio- spermen so verbreiteter , dass er eine eingehende Betrachtung verdient. Als Ausgangspunkt derselben diene Mahonia Aquifolium. Der Fruchtknoten dieser Pflanze ist flaschenformig und tragt einen kurzen Griffel mit einer schildformigen Narbe (Fig. 33). Er ist oinfacherig und umschliesst meist 4 — 5 am Grunde der suturalen Placenta befestigte Ovula (Fig. 36). Dieselben sind anatrop und apotrop und stehen aufrecht in der Fruchtknotenhohle. Auf der Narbe sind die Epidermiszellen zu einfacheu Papillen entwickelt (Fig. 37) und ebenso auf der Wand, welche den kurzen Griflfel canal auskleidet. Wie schon Capus^) beschrieben, verfil- zen sie sich hier derartig mit einander, dass sie ein lockeres Pseu- doparenchym bilden. Auf der Placenta, welche bei der Betrachtung von Quer- schnitten sofort in Folge ihrer Anschwellung nach der Fruchtkno- tenhohle zu in die Augen fallt (Fig. 34, 35) , sind die Epidermis- zellen uur in dem obersten sich direct an den Griifelcanal an- schliessendeu Partieen zu ausgepragten Papillen entwickelt (Fig. 34). Dieselben gehen welter unten schnell in Zellen iiber, deren Wande nur ein klein wenig nach aussen hervorgewolbt sind. Dieselben unterscheiden sich jedoch deutlich von den iibrigen Epidermiszel- len der Innenseite des Carpellblattes durch ihre Kleinheit und ihren metaplasmatischen Inhalt (Fig. 38 u. 40). 1) 1. c. p. 218. TJeber die Leitung dcr rollciiechliiuclie boi den Aiigiospermcn. 543 Untei'suclit man dicsc Epidonniszcllon der Placenta, wenn die Knospeu iingefilhr 3 bis 4 Millimeter hocli sind, so siud sie deut- lich von einer Cuticula iiberzogen (Fig. 41), und die darunter lie- genden Parenchymzellen sind zu gleicher Zeit dicht mit Starke angefiillt. Auf spiiteren /ustiinden verschwindet die letztere und die Cuticula wird wellenformig von der Cellulosehaut abgehoben (Fig. 42). Bricht die Knospe schliesslich auf, so ist die Cuticula in einiger Entfernung von den Cellulosewanden nocli deutlich nacli- zuweisen, zeigt unrcgelmilssige Contouren und ist oft zerrissen. Die Placenta ist nun geriistct zur Leitung und Erniihrung des Pollenschlauches (Fig. 38). Behandelt man die Priiparate, welche den oben geschilderten Vorgaug der Cuticulaabhebuug zeigen, mit Chlorzinkjodlosung , so gewinnt man ganz die namliclien Bilder, wie sie Hanstein in seiner grundlegenden Abhandlung „iiber die Organe der Harz- und Schleim- absonderung in den Laubknospen" publicirt hat^). Die Cuticula fiirbt sich gelb, die Cellulosewande blau, wahrend die zwischen beidcn allmahlich gebildete amorphe Masse farblos bleibt. Man vergleiche besonders die Abbildungen, welche Hanstein von den Colleteren bei Viola veroffentliclit hat (Tafel XII Fig. 109—114), und man wird die Uebereinstimmung beider Vorgange sofort be- merken. Die farblose Masse ist mithin jedenfalls ein nach den gebrauchlichen Reactionen nicht farbig reagireuder, gummiartiger Korper, welcher sich wahrscheinlich vermoge seiner physikalischen Constitution zur Leitung und vermoge seiner chemischen Zusam- mensetzung zur Ernahrung der Pollenschlauche ganz besonders eignet. Die eben geschilderte Art der Secretion, welche Hanstein Collagenbildung nenut, hat Behrens neuerdings auch bei Nectarien beobachtet, bei Nigella arvensis, Cestrum (vgl. Tafel II, Fig. 2 — 7 und Fig. 8—10)2). In dem von diesen gebildetem Secret, in dem Nectar, treiben die Pollenschlauche aber, wie schon mehrfach be- obachtet, unter Anderen auch vonSchleiden 3), ebeusoihre Schlauche, ') Botanische Zeitung 1868. Nr. 43. 2) Die J^ectarien der Bluthen Flora 1879 S. A. p. 52 u. f. u. 56 u. f. ^) Grundzlige d. wiss. Bot. 2te Auli. II, 362. „Man kann sich fast von jeder Pollenart achte Schlauche zur Beobachtung verschaffen, wenn man sie in den von einigen Pilanzen abgesonderten siissen Saft, z. B. in den Nectarspiegel der Kaiserkrone, den reichlichen Nectar der Hoja carnosa, oder zuweilen auch nur in gehorig conceutrirtes Zuckerwasser oder diluirten Honig legt." „Auch ohne menschliches Zuthuu 544 Moritz Dalmer, wie in Zuckerlosung oder in der von der Narbe secernirten Flus- sigkeit. Es ist daher anzunehmen, — und darauf weist auch das beobachtete transitorische Auftreten von Starke bin — dass sich die mittleren Partieen der Aussenwande der Epidermiszellen auf der Placenta von Mahonia Aquifolium in ein fiussiges Amyloid zerlegen, welches dem Pollenschlauch die Stoife zur Cellulosebil- dung liefert. An Alkoholmaterial findet man leicht auf Querschnitten nach der Bestaubung in diesem Stoffe die Pollenschlauche eingebettet (Fig. 39), zuweilen ist dann die Cuticula nicht mehr zu beobach- ten, meist ist sie aber noch vorhanden, so dass dann die Pollen- schlauche zwischen der Cuticula und den Cellulosewanden liegen. Die Pollenschlauche steigen gewohnlich in sehr grosser Zahl nach den Eichen herab, in einem Falle zahlte ich 32. Die Befruchtung der 4 bis 5 Ovula, zu welcher nur 4 bis 5 Pollenschlauche noth- wendig sind, ist auf diese Weise gewiss gesichert. Die Ovula sind, wie schon erwahut, am Grunde der Placenta entwickelt, sie sitzen auf einem kurzen Funikulus und sind ana- trop. Die Mikropyle ist demnach der Placenta zugekehrt, aber doch noch eine kleine Strecke von ihr entfernt. Die Leitung des Pollenschlauches auf dieser Strecke iibernimmt der Funikulus, in- dem die Epidermiszellen desselben ganz dieselbe Form und den- selben Inhalt, wie die der Placenta zeigen und in ganz derselben Weise secerniren. Schon bei schwacher Vergrosserung erkennt man auf Langsschnitten der Ovula an der abgehobenen Cuticula, dass besonders auf der ventralen Seite des Funikulus bis zur Mi- kropyle hinein eine starke Schleimbildung stattfiudet, weniger auf der dorsalen Seite (Fig. 43). Erwiihnenswerth ist noch, dass bei Berberis vulgaris von den 3 bis 5 gewohnlich anatropen Eichen, welche der Fruchtknoten meist birgt, ofters eins atrop ist, wohl in Folge des Druckes der iibrigen. Schleiden bemerkt bei der Erwahnung dieser Thatsache : „Die Umkehrung der Ovula scheint mir aber in ganz bestimmter Beziehung zu dem vorgeschriebenen Lauf der Pollenschlauche zu stehen, denn stets beobachtete ich, dass diese regelwidrig atropen Eichen unbefruchtet blieben" ^). treiben die zufiillig mit dem Nectar in Beriihruug kommenden Pollen- korner leicht Schliiuche, und man findet oft auf dem Grunde der Blume ganze Massen confervenartigen Getlechts, welches sich als so getrie- bene, durch einander gewirrte Pollenschliiuclie ausweist." 1) Nova Acta XIX 1839. Die Entstehung des Embryo bei den Phanerogameu. Ueber die Leitung dcr rollcnscliliiuche bci den Angiospermen. 545 Durch Miihouia Aquifoliuin wurde ich zuerst auf die Schleim- bildung der Epidcrmiszelleii dcr Placenta iind des Fuiiikulus auf- inerksam gemacht, uiul zwar zeigte eiiie Vergleichuug frischen Materials mit solcheni , welches liuigerc Zeit in Alkohol gelegen hatte, dass der Ictztere in dieseni Falle geeignet ist, die eiuzelnen Ziistiinde zu fixiren. Bei einer genaueren Untersucliung der Se- cretion des Leitgewebes diirfte nach meinen Erfahrungen ausser- deni noch doppeltchronisaures Kali und P/g Chromsaure mit Vor- theil zum Fixiren in Anwendung zu bringen sein. Nachdem ich obige Beobachtungen an Mahonia gemacht, war es leicht die gleiche Erscheinung bei anderen Familien der Angio- spermen nachzuweisen. Ornithogalum nutans besitzt einen dreifacherigen Fruchtkno- ten, wie alle Liliaceeu. In jcdem Fache sind an der axilen Pla- centa 2 Reihen Ovula entwickelt, welche ihre dorsalen Seiten ein- ander zu- , ihre veutralen Seiten , demnach auch ihre Mikropylen, von einander abkehren. Die Ovula sitzen auf einem kurzen Funi- kulus, der auf der ventralen Seite ein wenig angeschwollen ist'). Wie der weite Griffelkanal allmahlich in die drei Fruchtknoten- fiicher iibergeht, ist aus den Figuren 44 bis 48 leicht zu ersehen. Das Leitgewebe wird von papillos entwickelten Epidermiszel- len gebildet, welche den ganzen Grilielkanal auskleiden (Fig. 44) und die Placenta ebenso wie die ventrale Anschwellung des Funi- kulus iiberziehen (Fig. 46 bis 48). Diese Papillen besitzen iiber- all die gleiche Form und den gleichen, feinkornigen, an Material, welches in Alkohol gelegen, braungelb aussehenden Inhalt. Warum Capus zu der Ansicht gelangt, dass die Papillen auf dem Funi- kulus mit dem Leitgewebe nichts zu thun haben, ist mir nicht ersichtlich ^). Dieselben sind vielmehr ebenso wie die iibrigen Papillen zur Bliithenzeit mit einer Schleimschicht uberzogen, welche an Alkoholmaterial leicht nachzuweisen ist. Dieselbe zeigt zu- weilen eine feinkornige Structur und bleibt mit Chlorzinkjodlosung behandelt farblos (Fig. 49). Bei Anthericum Liliago kann man sehr schon beobachten, wie miichtig diese Masse iiber der ventralen Anschwellung des Funi- kulus entwickelt ist, und wie auf diese Weise die Mikropyle von ihr ganz umhiillt wird (Fig. 50). Ebenso wie bei Mahonia findet ^) Capus hat bereits erwiihut, dass diese Anschwellung des Funi- kulus den Liliaceeu eigenthiimlicli sei. Kr hat die gleiche Erschei- nung auch noch bei anderen Familien beobachtet. 1. c. p. 241. 2) 1. c. p. 242. Bd. XIV. N. F. VII, 4. 35 546 Moritz Dalmer, man auch bei diesem Object nach der Bestilubung die Pollen- sclilauche in die homogene Masse eingebettet. Von Ornithogalura pyramidale stand mir geniigend junges Ma- terial zur Verfugung, urn die Bildung des Secretes zu beobachten. Es wird ebenso wie bei Mahonia, indera wabrsclieinlich die mitt- leren Wandpartieen verschleimen , eine diinne Cuticula abgehoben, welche zerreisst und auf spitteren Zustanden meist nicht mehr nachzuweisen ist. Fig. 51 stellt den Zustand dar, wo die Cuti- cula abgehoben und zum Theil bereits zerrissen ist. Der ganze Process spielt sich bier ziemlich friihzeitig und rasch ab, in Knos- pen von ungefahr 3 bis 4 Millimeter Hohe. Beilaufig sei noch bemerkt, dass wie bei Berberis vulgaris auch bei Liliaceen ein Fall beobachtet worden ist, wo ein Ovulum in Folge seiner unvollstandigen Kriiramung nicht befruchtet wurde. Agardh bildet dieses Eichen von Colchicum autumnale auf Taf. I, Fig. 15 in seiner „theoria systematis plantarum" ab und sagt in der Figurenerklarung: „gemmula hemianatropa sterilis a pistillo jamjam foecundato sumta." Verbascum Thapsus ist wohl das giinstigste Object, um sich iiber die Schleimbildung schnell zu orientiren. Der Fruchtknoten wird, wie bei alien Scrophulariaceen von 2 Carpiden gebildet, deren allmahliche Verschmelzung zu einer centralen Placenta auf Querschnitten leicht zu verfolgen ist (Fig. 55, 56, 57). Die Epi- dermiszellen der Placenta sind klein, mit feinkornigem, an Alkohol- material gelblich ausseheudem Inhalt versehen, und die Zellwande nach aussen nur wenig papillos hervorgewolbt. Die letzteren sind, wenn man Knospen untersucht, zuerst von einer Outicula uber- zogen, die allmahlich in derselben Weise, wie in den eben ge- schilderten Fallen, abgehoben wird, es bedarf bloss eines Hinwei- ses auf die Figuren 52, 53, 54. Die Cuticula farbt sich mit Chlor- zinkjodlosung gelb, die zur Bluthenzeit etwas angeschwollenen Zell- wiinde blau und die dazwischen liegende Schleimschicht bleibt farb- los. Der ganze Vorgaug spielt sich auch hier im Knospenzustand ab^). Die Ovula sind sehr zahlreich entwickelt und anatrop (Fig. 58). Die Epidermiszellen des an der Basis etwas ange- schwollenen Funikulus haben die gleiche Form und den gleichen Inhalt, wie die Papillen der Placenta und secerniren in derselben Weise. 1) Capus bemerkt 1. c. p. 247, dass bei Verbascum vernale die Zellwande sehr angeschwollen seien. Ileber die Leitung dcr Pollenschliiucho bci don Angiospcrmen. 547 Diirch die gcnauere Untorsucluing- einiger concreter Beispiele liabcn wir festgestellt , dass die Placenta uiid dcr Funikulus se- cernireii und w i e sie seccrniren. Freilich verdient der letzte Puiikt, die Art und Weise der Secretion, nocli viel ausgcdehnter und eingehender behandelt zu werden, besonders mit vergleichen- der Beriicksichtigung der Secretion der Narbenpapillen , der Nec- tarien und anderer Driisen, mit genauer Beacbtung des chemischen Inbalts der secernirenden Zellen u. s. w. Es kam jedoch fiir die in der vorliegenden Arbeit zu losenden Fragen nur auf die That- sacbc an, dass die Epidermiszellen der Placenta und des Funiku- lus secerniren. Darauf wiesen tibrigens schon die besonders Secretionsorganen eigentbumliche Gestalt und der Inbalt derselben bin und sodann einzelne Beobacbtungen von Bebrens ^), nach welchen die Wan- dungen des Griiielkanals , die meist von ganz den namlichen Zel- len bekleidet sind wie die Oberflache der Placenta, secerniren. Er sagt z. B. : „Bei Heliantbenium mutabile sind die Wandungen des Grirtelkanals dicbt mit kleinen hockerformigen Zellen austapezirt, deren im hocbsten Grade quellbaren Membranen so aufgeschwol- len sind, dass ihr Durchmesser die Zelllumina an Grosse bei wei- tem iibertrifft. Diese Zellschicbt secernirt kleberige, schleimartige Substanzen." Bei den von mir niiber uutersuchten Beispielen betheiligen sich , wie es scbeint , an der Bildung des Secrets direct nur die Epidermiszellen der Placenta und des Funikulus. Es ist jedoch moglich, dass ebenso wie bei den Nectarien^) auch unter diesen liegende Zellscbichten gleiche Function besitzen. Capus gibt an 3), dass bei Orchideen und Saxifrageen oft mehrere Zellscbichten unter der Epidermis den das Leitgewebe cbarakterisirenden Inhalt be- sassen; aus seinen Figuren kann man sich jedoch kein Urtheil tiber diese Frage bilden. Wie schon mebrfach erwiibnt, spielt sich die Scbleimbildung im Knospenzustand ab, also ohne einen Reiz von Seiten des Pol- lens. Interessant ware es in dieser Beziehung die Orchideen zu untersuchen, ob die Placenten hier secerniren, ob sie dies bereits vor der Bestiiubung thun, oder ob die Secretion ebenso wie die Entwickelung der Ovula erst durch den Pollen angeregt wird. Bei Mahonia Aquifolium, bei den Liliaceen und Scrophularia- ^) Unters. iiber d. anat. Bau d. Griff els u. d. Narbe 1875 p. 21. ^) Vgl. die Arbeit von Behrens „uber Nectarien" Flora 1879. ^) 1. c. p. 229 u. 30. 35* 548 Moritz Dalnier, ceen sind es nur die Riinder der Carpiden, welche Ovula produ- ciren ; in Folge dessen biideu nur hier die Epidermiszellen das zur Leitung und Ernahrung der Pollenschlauche nothwendige Secret. Es kommt jedoch auch vor, dass die Ovula auf der ganzen In- nenflache des Carpids zerstreut entwickelt sind, so bei den Buto- meen, Hydrocharideeu, Lardizabaleen und Nymphaeaceen. Bei Nuphar luteum und Brasenia peltata hat Strasburger be- obachtet ^) , dass sie sogar genau in der Mediane des Carpids stehen konnen. Daher lasst es sich erklitren, dass bei Nuphar luteum z. B. auf der ganzen Innenflache des Fruchtblattes eine machtige Schicht kornigen Schleimes gebildet wird. Wie dieselbe entsteht, konnte ich nicht verfolgen, da es mir an Material fehlte. In ganz jungen Knospen, wo sich der Schleim noch nicht gebil- det hatte, waren die Zellen gleich unter der Epidermis der Innen- seite des Carpids dicht niit Starke gefullt, die jedenfalls bei der Secretion spater verbraucht wird. Auf vieleiigen Placenten ist bekanutermassen die Mikropyle der Ovula in der Kegel denselben dadurch sehr genahert und fiir den Eintritt des Pollenschlauches giinstig gelegen, dass sich die Eichen nach ihnen in anatroper, campylotroper oder ahnlichen For- men zuriickkriimmen. Uebrigens gibt es Beispiele, bei denen die Ovula auf vieleiigen Placenten nicht nach denselben zuriickgekrummt , sondern atrop geblieben sind. Wir werden im nachsten Abschnitt einige derar- tige Falle erortern. Auf der kurzen Strecke, welche der Pollenschlauch von der Placenta bis zur Mikropyle auch bei den gekriimmten Eichen noch durchwachsen muss, iibernimmt, wie schon mehrfach hervorgehobeu wurde, der Funikulus die Leitung; und zwar ist derselbe entwe- der auf seinem ganzen frei ausgegliederten Theile den Pollenschlauch zu fuhren befahigt (Mahonia) oder nur auf seiner ventralen Seite (Liliaceen). Letzteres ist auch in exquisiter Weise bei den Cacteen der Fall. Hier sind auf der ventralen Seite des sehr lang gestreckten und merkwurdig gekriimmten Funikulus lange einzellige Papillen entwickelt. Fig. 59 und 60 zeigen dies bei Cereus speciosus Hort. Kriiger berichtet in seinem Aufsatz „uber die Befruchtung bei den Orangen" das nilmliche von Opuntia und bemerkt noch, dass sich 1) Die Angiospermen u. die Gymnospermeu 1879 p. 57. Ueber die Leitung der I'ollensclililucho boi don Angiosperraeu. 549 hier die Papillcn selbst bis ins Iniiere des so cigenthuinlicli ge- forinten iuissoni Integuments erstreckcn ^), Was die Familie der Cruciferen anlangt, bei vvelcher der Fiinikulus des canipylotropen Eichens bekanntlicli ebenfalls oft sehr king ist, so hat Kriiger denselbeu bei Lepidium virginicuni aucli iiiit Papillen bekleidet gefiinden und geselien , wie der Pollen- schlauch an ihnen entlang schleicht und mehr oder weniger lest mit ihnen verklebt. Sehr leicht hissen sich auch bei Lepidium sativum und Iberis amara die Pollenschliiuche auf dem Funikulus linden, an vvelchem die Mikroplye in diesen Fallen dicht anliegt und den Pollenschlauch somit gleichsam auffaugt. V. Bei den Aroideen ist in Folge der sehr variabeln Insertion der meist atropen Ovula die Lage der Mikropyle in der Frucht- knotenhohle oft scheinbar sehr ungiiustig fur den Eintritt des Pollenschlauchs, und Hofraeister 2) meinte, dass besouders aus die- sem Gruude die Pollenschliiuche bei den Aroideen so lange Zeit brauchten, um von der IS'arbe zur Mikropyle zu gelangen (5 Tage mindestens). Es war daher von besonderem Interesse den Bau des Fruchtknotens an einigen Arteu dieser Familie zu studiren. Atherurus ternatus zeigt zuuachst sehr einfache Verhiiltnisse. Das eiuzige atrope Ovulum ist an der Basis des Ovariums inse- rirt, die Mikropyle also der Mundung des Griffelkanals zugekehrt und derselben sehr geniihert (Fig. 61), ebenso wie bei Polygonum. Der obere Rand des Integuments reicht jedoch uicht wie bei letz- terem bis an die Fruchtkuotenwaud hinauf, es ragt daftir aber ein Papillenschopf von der Miindung des Griffelkanals aus bis in die rohrenformige langgestreckte Mikropyle hinein (Fig. 62). Bei Arum maculatum tritt der Fall ein, dass die Ovula auf einer vieleiigen Placenta uicht auf dieselbe, wie gewohnlich, zu- ruckgekriimmt, sondern atrop sind, und zwar triigt hier die ein- zige parietale Placenta des Fruchtknotens 4 bis 6 derartig gerich- tete Ovula. Von der Narbe, welche hier von mehrzelligen Papil- len gebildet wird, fiihrt ein kurzer Kanal in die Fruchtkuoteu- hiJhle. Rings um dessen Miindung sowie auf der gauzeu Placenta sind Papillen von sehr verschiedeuer Lange entwickelt, die eiuen 1) Bot. Ztg. 1851. S. 62. 2) Abhandl. d. math. phys. CI. d. k. sachs. Gesellschaft d. Wis- Bensch. V 1861. H. 648. 550 Moritz Dalmer, sind eiDzellig, sehr viele mehrzellig, doch hochstens aus 4 Zellen bestehend, zuweilen sind sie auch verzweigt (Fig. 63 u. 64) ^). Sie beginnen sich aus den Epidermiszellen zu einer Zeit zu entwickeln, wo die Integumente den Nucellus noch nicht vollstan- dig umsclilossen haben. Die die Mundung des erwalinten Kanals umgebenden Papillen hangen meist schrag nach den Mikropylen der Ovula herab, wiihrend die Papillen der Placenta die gleiche Richtung wie die Ovula und viele auch ungefiihr die gleiche Lange wie dieselben besitzen. Von diesen Papillen scheint der Schleim herzuriihren , wel- cher zur Bliithezeit von der Miindung des Kanals aus rings um die Ovula entwickelt ist und sogar die Mikropylen umgibt. Aehnlich verhalt es sich mit Philodendron pinnatifidura. Der Fruchtknoten ist hier fiinffacherig, und jedes Fach ist mit der Narbe durch einen besonderen Kanal verbunden. Die Ovula sind zahlreich auf der axilen Placenta inserirt (Fig, 65) , hinsichtlich ihrer Form atrop und iusofern merkwurdig, als sie nicht, wie ge- wohnlich, an ihrer Basis mit dem Funikulus zusammenhangen, sondern seitlich an demselben befestigt sind (Fig. 66). Die Pla- centa ist wie bei Arum mit Papillen bekleidet, jedoch nur mit einzelligen (Fig. 67). Diese scheinen die schleinige Masse zu er- zeugen, welche auch hier die Ovula iiberzieht und ihre Mikro- pylen umgibt (Fig. 65). In dem dreifacherigen Fruchtknoten vou Acorus Calamus ist ebenfalls eine axile Placenta vorhanden, welche jedoch nur auf den obern Theil der Carpellsutur beschrankt ist. Nach jedem Fach fiihrt direct auf dieselbe von der Narbe aus ein Kanal. Die atropen Ovula, an Zahl 3 bis 4, hangen von der Placenta in die Hohlung eines jeden Fruchtknotenfaches hinab. Die Placenta ist mit einzelligen Papillen bekleidet und ebenso ein kleiner Fortsatz, den sie unterhalb der lusertiousstelle der Ovula nach unten ent- sendet. Diese Papillen secerniren jedenfalls die schleimige Masse, welche zur Bliithezeit die Placenta iiberzieht und von dem Fort- satz aus langs der Ovula bis zur Mikropyle hinabreicht (Fig. 68). Die Lagerung dieses Schleimes ist am deutlichsten zu sehen, wenn man direct aus dem Alkohol genommenes Material in Glycerin beobachtet. Nach einiger Zeit fangt jedoch der Schleim an zu quellen und die Verhaltnisse werden dann undeutlich. ^) Zur Beobachtung dieser Verhaltnisse eignet sich am besten frisches Material, da Alkohol die Papillen nicht gunstig fixirt. Ueber die Lcitunp; dor l^ollcnsrhliiiiolie boi don Angiosperraen. 551 Intcrcssaiit ist, dass die Mikropylc liicr von cincin grossen Sclileiiiitropfcii unihiillt ist, wclclicr vicllcicht von den Integumen- teu gebildet wird. Dicsclben losen sicli nilmlicli an ihrem obcrn die Mikropyle bildcnden Kande in lange einzelne Papillen auf (Fig. 69), Nvelche in ihrem Aussehen denen der Placenta vollig gleichen, hiich- stens, sowcit sie dem iiussern Integument angehoren, an ilirer Spitze sich zuweilen gabeln oder einc seitliche Anschwellung bcsitzen (Fig. 70). Das Letztere lilsst sich nur an frischera Material be- obachten, da die Structur der Papillen ebenso wie bei Arum leidet, wenn man sie mit Alkohol zu fixiren sucht. Dieser papillose Bau der Mikropyle diirfte vielleicht Acorus Calamus allein eigenthiimlich sein, wahrend die Bekleidung der Placenta mit langen Papillen eine ziemlich allgemeine Erscheinung bei den Aroiden zu sein scheint. So gibt Hofmeister ^) derartige Papillen fur Pothos pentaphylla, longifolia und Philodendron Imbe an, und Irmisch^) beschreibt sie fiir Ambrosinia Bassii. Bei der letzteren Pflanze scheinen sie verzweigt zu sein, wie Irmisch sagt „nicht unahnlich den Sprossverbiinden mancher Opuntien, indem die zarten Zellen, in denen ich einzelne sehr kleine Kornchen sah, den einzelnen Sprossen der Opuntien entsprechen," Capus beschreibt mehrzellige, einfache oder verzweigte Pa- pillen fiir Spathiphyllum cannaefolium ^) und einzellige fiir Philo- dendron cordatum^). Alle diese Bildungen scheinen die Aufgabe zu haben, Schleim zu secerniren. Dieser Schleim ist das verbindende Medium in der Fruchtkuotenhohle zwischen der Miindung des Kanals, der die Pollenschlauche von der Narbe in dieselbe leitet, und den Mi- kropylen der einzelnen Ovula, wie wir es bei alien besprochenen Beispielen gesehen. Der eigenthiimliche Bau des Leitapparates der Aroideen, wie wir ihn eben an mehreren Beispielen kennen gelernt haben , wird jedenfalls durch die ungewohnliche Stellung der atropen Ovula mit bedingt. Die Stellung des Eichens bei Atherurus ternatus schliesst sich noch an bekaunte, bei den Angiospermen hilufig zu beobachtende ^) Neue Beitrage z. Kenntniss d. Embryos. Abh. d. sachs. Akad. d. Wissensch. math. phys. Klasse V. Vgl. Tafel VIII u. IX. ^) Beitrage zur vgl. Morphologie d. Pflanzen. 5. Abth. iiber einige Aroideen 1874 p. 25. 3) 1. c. p. 245. ■4) 1. c. p. 245. 552 Moritz Palmer, Falle an; bei Arum maculatum siiid die Oviila schon an der Sutur hinauf gertickt und ragen frei in die Fruchtknotenhohle hinein, ein Fall, der bei den Angiospermen nicht eben haufig ist ' ). Bei Acorus Calamus stehen sie noch seltsamer, indem sie vom obern Theil der Sutur frei in die Hohlung des Ovariums hinabhangen, und bei Helicodiceros crinitus kommt sogar der Fall vor, dass ein Theil der Ovula basal inserirt ist und die Mikropyle nach der Spitze des Fruchtknotens bin kehrt, wiihrend ein anderer Theil der Ovula umgekehrt an der Spitze inserirt ist und in den Frucht- knoten herabhiingt. (Vgl. Fig. 71 eine nach Schott (Aroideae 1853 Tab, 27) copirte Abbildung.) VI. Zum Schluss noch einige Beispiele, bei denen die Ovula auf einer freien Centralplacenta inserirt sind! Es kommt hier natiir- lich vor Allem darauf an zu finden, wie der Pollenschlauch aus dem Griffel auf die Placenta gelangt. Im Grunde des Ovars von Calla palustris stehen auf einer kreisformigen, niedrigen, centralen Anschwellung gcwdhnlich gegen 10 aufrechte anatrope Ovula im Kreis herum, derartig, dass sie ihre dorsalen Seiten alle der Mitte des Fruchtknotens zu, ihre ventralen nach aussen kehren. Die Miindung des Kanals, welcher die Narbe mit der Fruchtknotenhohle verbindet, ist von einem Kranz kurzer Papillen umgeben, ebenso die Mikropyle eines jeden Ovulums (Fig. 72, 73). Die Verbindung zwischen beiden wird dadurch hergestellt, dass die Ovula von einer miichtigen Schleim- masse wie von einem Mantel umhiillt sind, welche sich vom Grunde des Fruchtknotens bis zur Miindung des erwahnten Kanals hinauf- zieht. Dieser Schleim erhartet in Alkohol zu einer festen weissen Masse, die in Glycerin bald bis zur Unkenntlichkeit aufquillt. Im Grunde des Ovars von Luzula pilosa sind 3 anatrope auf- recht stehende Ovula entwickelt, deren dorsale Seite nach innen, die ventrale nach aussen gekehrt ist (Fig. 74). In die Mikropyle ragt ein Schopf einzelliger Papillen hinein (Fig. 77)^). ^) Bei Akebia quinata tritt jeuer Fall eiu, uud zwar siud die Ovula auf dor ganzeu Innenseite des Carpids zerstreut. Nach einer Abbildung von Sachs sind auf der Placenta Papillen entwickelt, die vielleicht zur Schleimabsonderung dienen. (Lehrbuch der Botanik. IV. Aufl. Fig. 357.) 2) Agardh bildet ihn auch fiir Luzula campestris ab. (theoria systematis plantarum Taf. I, Fig. 2.) Ueber die Loituug dor l*ollcnschlaiiclio bei den Aiigiospcrmen. 553 Die Miiiuluiig dos Griflelkiinals wire! mit den Mikropylen der Ovula liicr durcli drei Leisten vcrbunden , die von der Spitze bis ziir Basis des Fruclitknotcns zwischen den Eichen hinablaufen und von den vcrsclimolzenen Riindcrn der drei Carpiden gebildet wer- den (Fig. 75). Die p]pidermiszellcn der drei Leisten sind klein und dicht mit plasmatischen Stotfen angefiillt, die charakteristi- schen Eigenschaften eines secernirenden Epithels (Fig. 76). Caryophylleen. Diese Familie bietet bekauntlich alle Uebergangsformen von cineni vollstiludig gefacherten Fruchtknoteu (z, B. Silene dicho- toma) bis zu einem solchen mit frcier centraler Placenta dar. Der Fruchtknoten von Saponaria ocymoides z. B. enthiilt im ausgebildetem Zustande eine centrale Placenta. Ursprunglich ist er jedoch zweifticlierig , indem die Riinder zweier Carpiden zu einem axilen Gewebekiirper verschmolzen sind, und die Placenta, das ist dieser axile Gewebekorper, wird erst dadurch frei , dass die Scheidewiindc spater schwinden (Fig. 78 u. 83). Die Placenta tragt 4 Reihen campylotroper Ovula, von denen immer je zwei Reihen ihre Mikropylen einauder zukehren (Fig. 78, 80). Zwischen je zwei Reihen lauft ein Streifen Leitgewebe an der Placenta herab, der Art, dass die Mikropylen der Ovula dem- selben zugekehrt sind ^). An der Bildung desselben betheiligt sich nicht nur die Epidermis, sondern, wie es scheint, noch eine Gruppe unter derselben liegender Parenchymzellen. Die letzteren stellen ein Gewebe mit verschleimten Zellwiindcn dar, wahrend die Epi- dermiszellen zu langen Papillen ausgewachsen sind, welche bis zur Mikropyle der einzelnen Ovula reichen und den Polleuschlauch jedenfalls nach derselben hinzufuhren haben, da der Funikulus fiir diese Funktion nicht differenzirt ist (Fig. 79). Die Papillen sind bei Lychnis vespertina langer, da hier die Ovula auf einem langeren Funikulus sitzen, und die Mikropyle daher weiter von der Placenta entfernt ist (Fig. 84). Zur Bltithe- zeit findet man von der Cellulosehaut derselben eine diinne Cuti- cula ein wenig abgehoben, jedenfalls zum Zwecke der Schleim- bildung (Fig. 85). Nach der Befruchtung sterben diese Papil- len ab. Um auf Saponaria ocymoides zurilckzukommen , so verschma- ^) Ueber die Eutwickelung dieses Leitgewebes vgl. Capus 1. c. p. 230. 554 Moritz Dalraer, lert sich hier die centrale Placenta an ihrem Gipfel und gelit schliesslich in 2 Bander iiber, welche die Verbindung zwischen ihr und der Spitze des Fruchtknotens lierstellen (Fig. 81). Diese Ban- der sind einfacli die Fortsatze der beiden an der Placenta herab- laufenden Leitstreifen. Man sieht sie daher auf Langsschnitten nur , wenn man in der Richtung der Linie a schneidet. (Vgl. Fig. 78). Fiihrt man dagegen die Scbnitte in der auf der erste- ren senkrecht stehenden Richtung b, so sieht man nur einen Strei- fen, da der andere entweder durch den Schnitt entfernt worden ist Oder vom ersteren verdeckt wird (Fig. 80). Diese beiden Leitbander sind, wie die Entwickelungsgeschichte lehrt, die Ueberreste der im obern Theil des Fruchtknotens nicht mit einander zur Verschmelzung gelangenden Carpellcommissuren (Fig. 82). Bei Drypis spinosa, wo zwei Ovula auf der Basis des Frucht- knotens inserirt sind, laufen ebenso zwei Bander zu denselben von der Spitze herab ^). Dieselben sind jedenfalls auch die Reste zweier Commissuren, wie bei Sapouaria, und dienen zur Leitung der Pollenschlauche. Primulaeeae. In dieser Familie gelangt die freie vieleiige Centralplacenta zur typischen Ausbildung. Dieselbe steht jedoch audi hier, wor- auf schon mehrfach aufmerksam gemacht worden ist 2), mit dem Griffel in directer Verbindung, und zwar in folgender Weise. Bei Anagallis arvensis verschmalert sich die, wie bei alien Primulaceen, am Grunde des Ovars vermittelst eines Stieles be- festigte Placenta allmahlich nach oben und liiuft schliesslich in eine kurze Spitze aus, auf welche das Leitgewebe des Griffels direct aufstosst (Fig. 86). Bei Primula sinensis ist diese Spitze noch deutlicher ausge- bildet und ragt hier in die Oeffnung des Griffelkanals hinein (Fig. 89). Am auffalhgsten fand ich sie bei Primula elatior entwickelt; (Fig. 90) hier erreicht sie oft die Lange von 1 Millimeter, so dass man sie ohne Vergrosserung bereits ganz deutlich wahrneh- ^) Payer, Traite d'organogenie comparee de la fleur. pi. 71. 2) So bereits von A. d. St, Hilaire (Memoire sur les plantes aux quelles on attribue un placenta central libre. Memoires du mus. d'hist. nat. 11. 41). Ferner von Diichartre in seinem bekauuten Aufsatz jjorganogenie de la fleur des plantes a placenta central libre" (Annal. d. scienc. nat. 3. Ser. II. Ueber die Leituug der rollcnsclilliuchc boi den Angiosperraen. 555 men kann. Frcilich ist liier die Priiparatioii nicht gaiiz leiclit, (la (lie (liinnc Spitzc sehr leicht abbricht iiiul in dem Griffelkanal steckcn blcibt, in den sie eine zieniliche Strccke wcit hincinrcicht, Ttelativ am leichtesten ist sie noch an Alkoliolmatcrial in ihrer ganzen Liinge heraus zu prapariren. Duchartre hat dicscn Bau der Placenta bei den verschiedcn- stLMi Gattungcn der Primulacecn bcreits in eingehender Weise be- schrieben und immer auf die durcli diesen Bau verursachte Ver- bindung der Placenta mit dem Griffel aufmerksam gemacht. In neuerer Zeit hat Duncan^) gestiitzt auf Beobachtungen an Primula vulgaris behauptet, Duchartre habe bei seiner Unter- suchung eine Monstrositat vor sich gehabt, die freie Placenta habe mir an ihrem Grunde Verbindung mit dem Ovarium, gar keine mit dem Griffel; die Pollenschlauche sollen nach demselben der Ovariahvaud ab warts folgen , dann in der Placenta selbst auf- wiirts biegen, bis sie auf einen Fibrovasalstrang stossen, durch welchen sie nach aussen geleitet werden zur Mikropyle eines Ovu- lums. Cap us scheint aus dieser Angabe zu schliessen, dass bei den Primulaceeu ganz allgemein die Pollenschlauche an der Frucht- kuotenwand hinabstiegen und in der Placenta wieder hinauf^). Vergleicht man jedoch bei Anagallis arvensis die Epidermis- zellen, welche die Wand des Fruchtknotens im Innern auskleiden, mit denen, welche die Placenta iiberziehen, so findet man, dass die letzteren ein wenig papillos und protoplasmareich sind und zur Bliithezeit der Cuticula entbehren, Eigenschaften, die fiir das secernirende Leitgewebe charakteristisch sind, Avahrend die erste- ren protoplasmaarm, fast gar nicht hervorgewolbt und zur Bliithe- zeit mit einer Cuticula tiberzogen sind, denmach sich zur Leitung des Pollenschlauches wohl wenig eignen (Fig. 87 u. 88). Wie fernerhin der Pollenschlauch in die Placenta hineinge- langen und in derselben zu den einzelnen Eichen wieder hinauf- geleitet werden kann, habe ich mir vergebens klar zu machen und zu beobachten gesucht; vielraehr gelingt es leicht, die Pollen- schlauche an der Spitze der Placenta und auf deren Oberflache zu finden. Ich komme somit zu der Ansicht, dass die Placenta selbst auf ihrer Oberflache die Pollenschlauche zu den Eichen fuhrt, und ^) Just, Botanischer Jahresbericht von 1873. S. 219. 2) 1. c. p. 235. 556 Moritz Dalraer, fiir diese Ansicht spricht sowohl die directo Beobachtimg der Pol- lenschliiuclie auf derselben, als auch ihr gesammter eben erorter- ter Bau, Die gleiclie Verbindung der centralen Placenta mit dem Grif- fel, wie ich sie bei den Primulaceen ebeuso wie Duchartrc in alien untersuchten Fallen beobachtet babe, beschreibt iibrigens St. Hilaire') auch fiir die Lentibulariaceen, imd die Spitze des cen- tralen Samentragers von Santalum album ragt gleichfalls in den Griffelkanal hiuein, so dass sie, nach den Beobachtungen von Scbacht^) und wie ich mich selber an Alkoholmaterial iiber- zeugt habe, die herabwachsenden Pollenschlauche auffangt. Ausser- dem wachsen bekanntlich bei dieser interessanten Pflanze die Em- bryosacke aus dem Nucellus der integumentlosen Ovula heraus an der Placenta weit hinauf. Die letztere ist an der Stelle, wo die 3 Embryosacke endigen und die Eizellen fiihren, sehr schmal, so dass die Chancen sehr gross sind, dass Pollenschlauche, welche Schacht oft in grosser Zahl (zu 12 — 20) im Staubweg der be- stiiubten Bltithen fand, wenn sie von der Spitze der Placenta auf- gefangen worden sind und an derselben hinabwachsen , auf die Embryosackspitzen stossen und die Befruchtung vollziehen. Die Spitze, in welche sich die Placenta der Primulaceen an den von uns untersuchten Objecten nach oben verschmalert und welche entweder mit dem Leitgewebe des Griffels in directer Be- riihrung steht oder in den Griffelkanal hineinreicht , hat nach alledem jedenfalls die Aufgabe vermoge ihrer secernireuden Ober- fliiche die herabwachsenden Pollenschlauche aufzufaugen und zu dem die Ovula tragenden Theil der Placenta hinabzuleiten. Ergebnisse. Wie wir bereits in dem historischen Theil der Eiuleitung her- vorgehoben, war Amici^) der erste , welcher beobachtete, dass die Pollenkorner der Angiospermen auf der Narbe Schlauche trei- ben und bei Yucca gioriosa scheint er zum ersten Mai den Pol- lenschlauch von der Narbe bis hinab zur Mikropylc eiues Ovulums verfolgt zu haben. Amici legte sich damals auch sogleich die 1) 1. c. p. 53. 2) Pringsh. Jahrb. f. wiss. Bot. IV. p. 4 u, p. 10. 3) Annal. d. scienc, nat. 1830. TJebcr die Leitung dor rulK nschliiiulu' boi don Angiospoi*men, 557 Frage vor, wolicr deiiii die PoIkMisililauclie besoiulcrs boi solcben Pflanzeii, die eineii hiiigen Giitiel besiissen, das Material zu ihrcm Wachsthuni bezogen? Der Inlialt der Polleiikorner alleiu geuiigc doch iiieht, uiii einen so laiigeii Schhiuch zu bilden. Er kaiu zu der Ansicht, dass die Sclilauclie, eiiiiual iu das Lcitgcwebe cinge- treteu, aus ebeii dieseni ibre Nilhrstoffe beziigen, die zur Cellulose- bildung notbwendig. ,J.a circulation qui continue pendant beaucoup de temps dans le boyau et mes autres observations me confirment dans cette idee." Und in der That, fasst man Beispiele ins Auge wie Cereus spc- ciosus Hort., wo der Pollcnschlaucb einen Griifel von 11 Centimeter Liinge durchwachsen muss oder Colchicum autunmale mit seinem oft dreizehnzolligen Griff'el oder Digitalis purpurea, wo die Entfernung von der Narbe bis zur Mikropyle HOC) mal grosser ist als der Durchmesser eines Pollenkornes * ) , so driiugt sich einem eo ipso die Vernmthuug auf, dass der Polleuschlauch von aussen her seine Xahrung beziehen muss. Culturversuche haben nun ergeben, dass Pollenkorner zwar auch in reinem Wasser Schlauche treiben kon- nen, dass diese Schlauche dann aber nur so lange fortwachscn, bis alle Reservestoffe des Pollenkorns verbraucht sind^), dass es dagegen in Zuckerlosung , die man je nach den einzelnen Species in verschiedenen Concentrationsgraden anwenden muss, leicht ge- lingt, lange Schlauche zu cultiviren und die gleiche lutensitat des Wachsthums derselben zu bewirkeu, wie sie im Griffel erreicht wird^). Nahrstoflfe sind also von aussen her nothwendig. "Wie steht cs aber mit der Ansicht von Amici, dass sie das Leitgewebe dem Pollenschlauch liefere? Von der Narbe ist schou seit langer Zeit bekannt, dass ihre Papillen eine klebrige Fliissigkeit secerniren, iiber deren chemische Zusammensetzrung Behrens*), neuerdings folgendes angibt: „Die Anilinreaction zeigt stets Schleirasubstauzen an ; es ist wahrschein- lich, dass amyloidartige Stoffe und dass Collagen in ihr vor- ^) Vgl. Tulasne, Etudes d'embryogenie vegetale Annal. d. scienc. nat. Bot. 3. Se'r. XII. 1849. 2) Vgl. van Tieghem, Annal. d. scienc. nat. Bot. 5. Ser. XII. p. 314. 1869. 3) Vgl. Strasburger, Ueber Befr. u. Zellth. p. 22 und Elf ving, Jenaische Zeitsch. f. Naturw. XIII. 1879. *) Anatomie d. GrifFels u. d. Narbe. p. 28, 558 Moritz Dalmer, koramen, auch scheiuen Gunimi uud Zucker und andere Kohleliy- drate nicht zu fehleu." Jedenfalls wird durch diese Nalirlosung das Pollenkoru zum Austreiben seines Sclilauclies zimachst angeregt. Das weitere Wachsthum desselbeii im Griifel fiudet in einer schleimigen Masse statt, welche bei denjenigen Pflanzen, die keinen Griffelkanal besitzen, durch Verscbleimung der ausseren Zellwandscliichten des Leitgewebes entsteht, wie besonders Cap us nachgewieseu , boi denjenigen, welche einen Griftelkanal besitzen, durch Sekretion der den Kanal auskleidenden Epidermiszellen. Die Epidermiszellen der Placenta und eventuell des Funiku- lus secemiren, wie ich zuerst an einigen Beispielen naher erlau- tert habe (vgl. Abschnitt IV), ebenso eine schleimige Fliissigkeit, in welcher der Polleuschlauch bis zur Mikropyle hiuwachst, und das Auftreten von Starke in den secemirenden Zellen (bei Aristo- lochia Clematitis, Citrus Aurautiuni, Euphorbia helioscopia, Convol- vulus althaeoides. Lychnis dioica, die letzteren nach Cap us) oder transitorisch in dem darunter liegenden Parenchym (Mahonia Aqui- folium, z. B.) weist darauf hin, dass in dem Secret amyloidartige Stoffe vorhanden sind, die sich besonders zur Cellulosebildung der Schlauche eignen. Ich gelange nach alledem zu der Auffassung, dass die Pollen- schlauche in einem von der Narbe bis zur Mikropyle gebildetem Secrete wachsen, aus dem sie ebenso wie aus einer Zuckerlosuug ihre Xiihrstoflfe beziehen. Das Secret wird von dem Leitgewebe gebildet, dessen Zellen sowohl hiusichtlich ihrer Form als hin- sichtlich ihres Inhaltes diejenigen Eigenschaften besitzen, welche den zelligen Elementen bekannter Secretionsorgane z. B. der ISTec- tarien eigenthiimlich. Was zunachst die Form anlangt, so sind die secemirenden Zellen auf der Narbe, im Griftel und im Fruchtknoten mehr oder weniger papillos, d. h. ihre Aussenwaude sind hervorgewolbt , je- denfalls um die secernirende Oberfliiche zu vergrossern. Diese meist einzelligen Papillen treten uus auf der Narbe so- wohl wie im Fruchtknoten in verschiedeuer Grosse entgegen. Klein und hockerformig sind sie z. B. auf den Narben von Veronica grandis, Dictamnus Fraxinella, Thalictrum aquilegifolium (vgl. Behrens 1. c. Tafel II), auf der Placenta von Mahonia Aquifo- lium (Fig. 38, 41, 42), von Luzula pilosa (Fig. 76), von Verbascum Thapsus (Fig. 52, 53, 54), sehr lang und haarformig sind sie ent- wickelt auf den meisten Narben, im Fruchtknoten auf den Placen- TJeber die Lcitung dcr rolleuschliiuclio bei den Augiospermeii. 559 ten (lor Aroideeii (Fig. 67) mid Caryophyllecn (Fig. 7i) u. 84), iiber der ]\Iikro])ylo der Euphorbiacecn u. s. w. Bei Liizula pilosa finden sicli in eiiiem und dcniselben Frucht- kiioten beide I'ornieu vor, kleiue hockerforinigc und lange, haar- tTirniige Papillen, die letzteren in der Nilhe der Mikropyle ent- wickelt (vgl. Abschn. VI und Fig. 74—77). Seltener sind die haarforniig entwickelten Papillen melirzcllig, so z. B. auf der Placenta von Arum maculatuni (Fig. 64), nach liehreus auf der Narbenoberfliiche von Myriophyllum verticilla- tuni und Lopezia coronata (vgl. dessen citirte Arbeit Taf. II), und ebenso selten verzweigt, z. B. bei Arum maculatum im Frucht- knoteu (Fig, 64) und bei Cereus graudiflorus auf der Narbe und ini Griffelkanal (vgl. Belirens Taf. II Fig. 12—14). Mehrzellige Gebilde, welclic fliichen-, lappen- oder zungenartig ausgebreitet sind und an die Colleteren in Knospen erinnem, hat Belirens auf der Narbe von Sanguisorba officinalis und Helianthemum luu- tabile beobachtet. Im Grossen und Ganzen sind die Papillen auf der Narbe niilchtiger entwickelt als im Fruchtloioten , und zwar einfach des- halb, well sie nicht nur als Secretiousorgaue , sondern auch als Fangorgane functioniren. Was scliliesslich den Inlialt dieser Papillen anlangt, so ist er bei denjenigen des Fruclitknotens meist dicht, feiukornig, an Al- koliolmaterial brauugelb aussehend und erinnert an das von Han- stein in Secretionsorganen von Knospen und von Belirens in Nectarien beobaclitete „Metaplasma." Jedenfalls lasst sich das Leitgewebe meist schon durch diesen Inhalt von den iibrigen rings- umliegenden Gewebeelementen leiclit unterscheiden. Ausser der Ernahrung der Pollenschlauche hat das Leitge- webe, wie schon der Name sagt, die wichtige Aufgabe dieselben zu leiten, die Richtung ihres Wachsthums auf ihrem Wege von der Narbe bis zu der oft weit entfernten Mikropyle zu bestimmeu. Die Narbe steht daher zuniichst mit der Fruchtknotenhohle immer in director Verbindung, entweder durch ein lockeres Ge- webe, oder durch einen Kanal, dessen Wande secerniren. Ist der Fruchtkuoten mehrfacherig, so theilt sich entweder der im Griffel einfache Kanal in ebenso viel einzelne Kanale, als Facher vorhan- den, (Liliaceen, Ricinus etc.) oder es steht jedes Fach direct mit der Narbe durch einen eigenen Kanal in Verbindung. (Acorus Calamus etc.) Die Vertheilung des Leitgewebes in der Fruchtknotenhohle 560 Moritz Dalmer, hangt ganz von der Lage der Mikropyle ab. Bei Polygonum und Daphne (Fig. 1 — 4), wo dieselbe so diclit am Grunde des Griffels liegt, dass der Polleuschlaucli direct aus demselben in sie hinein- wachsen muss, ist natiirlich im Frucbtknoten kein Leitgewebe ent- wickelt. Meistens indessen liegt die Mikropyle nicht so giinstig, und die Pollenschlauche miissen eineu Theil der Fruchtknotenhoble durchwachsen , ebe sie zur Mikropyle gelangeu. Dann sind zu- nacbst die Carpellblatter an bestimmten Stellen von der Insertious- stelle des Griffels bis zur Insertionsstelle der Ovula mit secer- nirenden papillosen Epithelien iiberzogen. Nothweudig ist auf je- den Fall, dass diese Epithelien secerniren, denn es ware sonst nicht einzusehen, warum gerade an diesen Zellen die Pollen- schlauche herabwachsen und nicht aach an den gewohnlichen Epi- dermiszellen , welche die Wand des Fruchtknotens auskleiden. Durch den Schleim, den die Zellen des Leitgewebes bilden, wer- den die Pollenschlauche festgehalten und ihreni Wachsthum eine bestimmte Richtung angewiesen. Die Secretion ist es also, welche das Leitgewebe erst zuni wirklichen Leitgewebe stempelt. Gewohnlich sind die Ptiinder der Carpiden mit secernirendem Epithel bedeckt, da an diesen meistens die Ovula entwickelt sind (Liliaceen, Scrophulariaceen etc.). Sind die Ovula iiber die ganze Innenfliiche des Carpellblattes zerstreut, so betheiligt sich an der Secretion auch die ganze Epidermis derselben (Nuphar luteum). In den Fallen ferner, wo die Mikropyle nicht direct der Pla- centa oder ihren lang entwickelten Papillen anliegt, nimmt auch der Funikulus entweder auf seiner ganzen Oberflache (Mahonia Aquifolium, Verbascum Thapsus) oder auf seiner ventralen Seite (Cacteen etc.) Antheil an der Secretion und functionirt als Leit- organ. Und bei Acorus Calamus scheinen rings um die Mikropyle die Rander der Integumente selbst, indem sie secerniren, in die Lei- tung einzugreifen. Carpellblatt, Funikulus und Integument konnen also in glei- cher Weise derselben Aufgabe dienen, den Pollenschlauch zu lei- ten. Es gilt also auch liier der Satz, dass die gleiche physiolo- gische Funktion oft von morphologisch sehr verschiedenen Gebildeu erfiillt werden kann. Schliesslich sei noch hervorgehoben , dass auch die Form des Ovulums, durch welche die Lage der Mikropyle bestimmt wird, vielfach zur Vervollkonnnnung des Leitapparates beitriigt; so fin- Ueber die Leituug der PoUeuschliiuche bei deu Augiospermeu. 5G1 den wir ;iuf den viuloiigcn Placcntcn die Ovula iiieisteus iiacli deuselbeu zuriickgekrumnit in anatroper, canipylotroper oder au- derer Form, iind audi in eineiigeu Ovarien sclieint zuweilen die Gestalt des Ovulunis deni Kintritt dcs Polleusclilauclies angepasst zii sein (Plunibagineen vgl. Absclin. II und Fig. IH — IG). Erwiigt man nun vorurtheilslos alle die zuletzt liervorgeliobe- iien Momente, beriu'ksiditigt man, dass in den genauer unter- suchteu Fallen das Leitgewebe sidi immer bis an die Mikropyle erstreckt, dass es sogar zuweilen in dieselbe liineindringt (Euphor- bia loricata Fig. 25. Luzula pilosa Fig. 77) und bedenkt man, eine wie grosse Zahl von Pollenschlaudien gewoliulidi in deu Fruclit- kuoten hinabsteigt, so kann man wohl niclit zu dem Resultate wie Cap us gelangeu, dass in den meisten Fallen besondere Einrich- tungen feblen, welche den Eintritt des Pollenschlauches in die Mikropyle erleichteru, dass dieser Eintritt ein wunderbarer pliy- siologischer Vorgaug sei ' ). Treten etwa bci diesem Vorgange uns unbekannte Krilfte in AYirkung, welclie die Pollenscblauche in die Mikropyle hineinzogen, so konnten diese jedenfalls nur in einer Wechselbeziehung zwi- sdien der Eizelle des Embiyosackes und dem Pollensdilauche be- stehen, etwa in der Art, wie sie Falkenberg^) in letzter Zeit fiir das Ei und die Spermatozoideu von Cutleria, einer Alge des Mittelmeers, angibt, Zwisdien diesen beiden soil bier niimlich eine Anziehungskraft besteben, die sich auf verhaltnissmassig be- deutende Distancen geltend macht. Ob diese Kraft in der miinn- lidien oder in der weiblicben Gesdilechtszelle oder in beiden ibren Sitz hat, lasst Falkenberg dahin gestellt sein. Zwischen der Eizelle der Augiospermeu und dem Pollen- scblauche besteht aber hochst wahrscheinlich eine derartige Di- stancewirkung nicht. Die Versuche, welche Strasburger beson- ders an Torenia anstellte, einer Pflauze, bei welcher der Embryo- sack zur Mikropyle herauswachst und die Eizelle daher fiir eine uumittelbare Einwirkung besonders giinstig liegt, sprechen durchaus gegen die Annahme einer solchen \Yirkmig. Strasburger berich- tet Folgendes^j: „Ich brachte zahlreiche isolirte Ovula in Fliissig- keitstropfeu , in dencn Polleukorner besonders schone Schliiuche gebildet batten. Die Tropfen wareu auf der Innenseite eines Deck- 1) 1. c. p. 240. 2) Mittheil. der zoolog. Station v. Neapel. Bd. I. Heft 3. 1879, 3) Befrudit. u. Zellth. p. 54. Bd. XIV. N. F. VII, i. 36 562 Moritz Dalmer, glases in eiuer Kammer siispendirt. Ungeachtet sicli die Ovula nun, auch stimdenlang oft unverselirt hielten, sah ich Polleu- sclilauche in keinem Falle mit dem freieu Embryosackende der Torenia sicli verbinden und nocli viel weniger in die Mikropyle anderer Eicheli dringen. Wo die Schlauche auf die Ovula trafen, wuclisen sie, sich deuselben anschmiegend, iiber sie hinweg und trennten sich wieder von ihneu; ebenso konnten sie dicht an der Embryosackspitze passiren, ohne irgend wie von derselben beein- ■ flusst zu' werden." Die Versuche von Elfving ergaben das gleiche Resultat'). Man ist daher gestiitzt auf diese Experimente und gestiitzt auf den Bau des ganzen Leitapparates bei den verscliiedensten Pflanzen gewiss zu der Annahme berechtigt, dass dem Pollen- schlaucli das Waclistbum in die Mikropyle liinein von aussen auf- genothigt wird. Die Meclianik dieses Vorganges sich freilich in alien Einzel- heiten und bei alien Beispielen deutlich zu machen, wird zur Zeit schwerlich gelingen. In vieleu Fallen wird schliesslich nur eine physikalisch-experimentirende Methode alle Fragen entscheidend beantworten konnen. „Wo diese aber auch Platz greifen soil, setzt sie", wie Alexander Braun^), richtig bemerkt, „eine vollkommene morphologische, resp. anatomische Orientirung voraus." Zu einer solchen Orientirung hoflfe ich aber zu Gunsten einer kiinftigen vollkommneren Losung des vorliegenden Problems durch diese Arbeit einen kleinen Beitrag geliefert zu haben. 1) Jenaisclie Zeitschr. f. Naturw. XIII. p. 6. 2) Monatsber. d. Berliner Akademie. 1875. p. 266. Ucber die Lcituug der rolleuschliiucho bei dcu Augiospermcu. 563 Erklaruug der Abbildungen. Tafel XXIII. Fig. 1 — 2. Polygonum divaricatum. Fig. 1. Liingsschnitt durch den Fruchtknoten. Fig. 2. Liingsschnitt durch die von dem innern Integument ge- bildete Mikropyle. K Kernwarze. Vergr. 400. Fig. 3—4. Daphne Mezereum. Fig. 3. Liingsschnitt durch den Fruchtknoten. Fig. 4. Liingsschnitt durch die vom innern Integument gebil- detc Mikropyle. Vergr. 300. Fig. 5 — 12. Senecio Doria. (Das Leitgewebe ist in den Fig. 5 — 8 schematisch durch dunkle Linien angedeutet. Fig. 5. Medianer Langsschnitt durch den Fruchtknoten. Fig. 6. Querschnitt durch den GrifFel bei a in Fig. 5. Fig. 7. Querschnitt durch den Fruchtknoten bei b in Fig. 5. a gibt die Richtung des medianen Liingsschnittes von Fig. 5 an. Fig. 8. Querschnitt durch den Fruchtknoten bei c in Fig. 5, Fig. 9. Querschnitt durch den Griffel. Vergr. 400. Fig. 10. Leitendes Gewebe in der Fruchtknotenwand. o Stiick vom Ovulum. Vergr. 400. Fig. 11. Ein Stiick des leitenden Gewebes. c. Cuticula. Vergr. 850. Fig. 12. Querschnitt durch die Mikropyle. Vergr. 400. Fig. 13 — 16. Statice Gmelini. Fig. 13. Fruchtknoten mit seinen 5 Griffeln. Fig. 14, Liingsschnitt durch den Fruchtknoten. Fig. 15. Querschnitt durch den Fruchtknoten bei a in Fig. 14. Fig. 16. Desgl. bei b in Fig. 14. 1 Leitgewebe. Fig. 17 — 21. Ricinus communis. Fig. 17. Liingsschnitt durch ein Fruchtknotenfach. Fig. 18. Querschnitt durch den Griffel. c GrifFelkanal. 36 * 564 Moritz Dalmer, Fig. 19. Querschnitt durch den Fruchtknoten gleich unter der Insertionsstelle des GrifFels. Der GrifFelkanal hat sich in 3 Kaniile gespalten. Fig. 20. Querschnitt durch den Fruchtknoten etwas tiefer als der vorhergehende gefiihrt, die Eintrittsstellen der 3 Kaniile in die 3 Fruchtknotenfacher zeigend. Fig. 21. Papillen iiber der Mikropyle. Vergr. 240. Fig. 22 — 23. Euphorbia helioscopia. Fig. 22. Liingsschnitt durch den Fruchtknoten. Fig. 23. Papillen iiber der Mikropyle. n Nucellus. Vergr. 300. Fig. 24 — 25. Euphorbia loricata. F i g. 24. Langsschnitt durch das Ovulum. Fig. 25. Papillen in die Mikropyle hangend. Vergr. 300. Tafel XXIV. Fig. 26 — 27. Mercurialis annua. Fig. 26. Langsschnitt durch den Fruchtknoten. Fig. 27. Papillen an der Mikropyle. Vergr. 300. Fig. 28 — 29. Linum usi tatissimum. Fig. 28. Langsschnitt durch den Fruchtknoten. Fig. 29. Papillen iiber der Mikropyle. Vergr. 240. Fig. 30. Citrus Aurantium. Papillen mit Starkekornern von der Placenta. Vergr. 550. Fig. 31 — 32. Phytolacca decandra. Fig. 31. Langsschnitt durch den Fruchtknoten. (Das Leitge- webe ist schematisch durch dunkle Linien angedeutet. Fig. 32. Papillen an der Mikropyle. Vergr. 240. Fig. 33 — 43. Mahonia Aquifolium. Fig. 33. Langsschnitt durch den Fruchtknoten. Fig. 34, 35, 36. Querschnitte durch den Fruchtknoten in ver- schiedener Hohe. Das Leitgewebe ist schematisch angedeutet. Fig. 37. Narbenpapillen. Vergr. 400. Fig. 38. Stiick von der Placenta, c Cuticula. Vergr. 300. Fig. 39. Pollenschliiuche an der Placenta. Vergr. 300. Fig. 40. Epiderraiszellen der Innenseite des Carpids. Vergr. 300. Fig. 41 u. 42. Epiderraiszellen der Placenta, die Abhebung der Cuticula bei der Schleimbilduug zeigend. Vergr. 850. Fig. 43. Ovulum im Luugsschnitt. c Cuticula. Uebcr dio Leitung der rollenschUiuchc bei den Angiosperraen. 5G5 Fig. 44 — 49. Orni thogalum nutans. Fig. 44, 45, 46, 47 u. 48. Qucrschnitte durch den GrifFel und Fruchtknoten in verschiedeuer Htihe. Dio Lage des Leitgewebes ist durch duukle Liuieu angcdcutet. F ig. 49. Papillen der Placenta mit Schleim iiberzogen. Vergr. 300. Fig. 50. Anthericum Liliago. Papillen des Funikulus vor der Mikropyle mit Schleim iiberzogen, in dem Pollenschliiuche einge- bettet sind. Vergr. 300. Fig. 51. Ornithogalum pyramidal e. Papillen der Placenta. Die Cuticula c wird bei der Schleimbildung abgehoben. Vergr. 550. Fig. 52 — 58. Verbascum Thapsus. Fig. 52, 53, 54. Papillen der Placenta, die Cuticularabhebung zum Zwecke der Schleimbildung zeigend. Vergr. 850. Fig. 55, 56, 57. Querschnitte durch den Fruchtknoten in ver- schiedeuer Hohe. Fig. 58. Ovulum. Tafel XXV. Fig. 59 — 60. C^reus speciosus Hort. Fig. 59. Ovulum. Fig. 60. Einzelne Papille vom Funikulus. Vergr. 400. Fig. 61 — 62. Atherurus ternatus. Fig. 61. Langsschnitt durch den Fruchtknoten. Fig. 62. Langsschnitt durch die Mikropyle. Vergr. 240. Fig. 63 — 64. Arum maculatum. Fig. 63. Langsschnitt durch den Fruchtknoten. Fig. 64. Papillen von der Placenta. Vergr. 90. Fig. 65 — 67. Philodendron pinnatif idum. Fig. 65. Langsschnitt durch den Fruchtknoten. Fig. 66. Ovulum. Fig. 67. Papillen von der Placenta. Vergr. 300. Fig. 68 — '70. Acorus Calamus. Fig. 68. Langsschnitt durch den Fruchtknoten. Fig. 69. Ovulum. Fig. 70. Papillen vom aussern Integument. Vergr. 240. Fig. 71. Helicodiceros crinitus. Langsschnitt durch den Fruchtknoten nach Schott, Aroideae 1853 Tab. 27. Fig. 72. Fig. 73. Fig. 74. Fig. 75. Fig. 76. 566 Moritz Dalmer, Ueber die Leitung der Pollenschlauche u. s. w. Fig. 72 — 73. Calla palustris. Liingsschnitt durch den Fruchtkuoteu. Langsschnitt durch das Ovulum. Fig. 74 — 77. Luzula pilosa. Langsschnitt durch den Fruchtknoten. Querschnitt durch denselben. Leitgewebe. Vergr. 240. Fig. 77. Papillen in die Mikropyle ragend. Vergr. 400. Fig. 78 — 83. Saponaria ocymoides. Fig. 78. Querschnitt durch den Fruchtknoten zur Bliithezeit. Fig. 79. Papillen des Leitstrauges. Vergr. 300. Fig. 80. Langsschnitt durch den Fruchtknoten in der Richtung b von Fig. 78. Fig. 8L Desgl. in der Eichtuug a von Fig. 78. Fig. 82. Querschnitt durch den oberen Theil des Fruchtkno- tens im Knospenzustande. Fig. 83. Q-uerschnitt durch den Fruchtknoten in mittlerer Hohe im Knospenzustande. Fig. 84 — 85. Lychnis vespertina. Fig. 84. Papillen des Leitbandes. Vergr. 240. Fig. 85. Spitzen zweier Papillen, die abgehobene Cuticula ist mit c bezeichnet. Vergr. 550, Fig. 86 — 88. Anagallis arvensis. Langsschnitt durch den Fruchtknoten. Papillen der Placenta. Vergr. 550. Epidermiszellen der Innenseite der Fruchtkuotenwaud. Langsschnitt durch den Fruchtknoten von Primula Fig. 90. Desgl. von Primula elatior. F ig- 86. Fi 'g- 87. F ig- 88. Vergr. 550. Fi ig- 89. sinensis. Ueber kiementragende Tritonen. Von Otto Haiiiaiin. Hierzu Tafel XXVI. Beim Ausniumen eines Brunnens am 10. Jimi dieses Jalires wiirden mit dem Scblamme audi eine Anzahl vou Tritouen lierauf- gcbracht. Die Thiere fielen sofort durch die laugen Kiemeubii- schel auf, die sie trotz ibrer Grosse nocb trugen. Obgleicb die Tritoueu sofort in Wasser gebracbt wurden, ge- lang es docb nicbt aucb uur eineu derselben bis zum nachsten Tage lebend zu erbalten, Zunacbst wurden zwei Farbenskizzen angefertigt und die Tbiere zur Untersucbung in Alkobol gelegt. Herr Prof. Haeckel, mein bocbverebrter Lebrer, batte die Giitc mir die Untersucbung zu iibergeben und bei der Arbeit mit sciucni Ratbe zur Seite zu steben, wofiir icb zu grossem Danke verpflicbtet bin. Specieller Theil. Es waren im Ganzen secbs Tbiere gefangen worden, die in der Grosse variirten. Die Lange des grossten Triton betragt 8 cm ; biervon kom- nien auf den Rumpf bis zur Cloakenmiindung 4,6 cm, wabrend der Scbwanz 3,4 cm laug ist. Der Korper ist gedrungen, in der Mitte etwas baucbig er- weitert, besonders der der grosseren Tbiere, Der Kopf ist breit- gedriickt; die grosste Breite erreicbt er an den Kiemen. Ebenso ist die Scbuauze breit. Die Oberlippe ragt an den Mundwinkebi mit einem Hautsaume iiber die Unterlippe. Was die Augen an- langt, so sind dieselben kleiner, als bei normalen Tbieren. 568 Otto Hamann, An der Kehle vor den vorderen Extremitaten gelegen befindet sich die Kehlfalte , welche in der Mitte einen weit nach vorn ein- springenden Winkel zeigt. Jederseits des Kopfes befinden sich drei aussere baumformig veriistelte Kiemenbtischel , welche beim grossten Thiere 0,6 cm messen. Die Blutgefasse in denselben zeigten sich vollkommen gefiillt, ein Zeichen, dass die Kiemen in Funktion gestanden hatten. Die Haut ist glatt, schwarz pigmentirt, und von geringer Dicke, sodass man an der ventralen Flache die Eingeweide durch- schimmern sieht (Fig. 1). Die Grundfarbe der Oberseite ist grau- braun mit schwarzen Flecken bedeckt, die Unterseite ist weiss gefarbt. Die Extremitaten zeigen eine gedrungene Gestalt, glei- chen jedoch im iibrigen denen normaler Individuen, die Grosse der vorderen betragt 1,3 cm, die der hinteren Extremitaten 1,4 cm. Der Schwanz, der in eine diinne Spitze auslauft, ist von einer diinnen einen mill, hohen Hautfalte begrenzt und zwar sowohl auf der dorsalen wie auf der ventralen Seite. Die Hautfalte beginnt in der Mitte des Kiickens zwischen vorderen und hinteren Extre- mitaten. Was nun die innere Organisation anlangt, so war dieselbe bei sammtlichen Thieren die gleiche. Vor alien fielen zwei grosse Gaumenplatten auf, welche bei den Larven der Salamandriden sich an Stelle der erst spater auftretenden bleibenden Zahne fin- den. Die beiden Gaumenplatten bilden einen Halbkreis. Sie sind schon mit vollkommen entwickelten Zahnen versehen , wie sie von 0. Hertwig^) beschrieben sind. Sie besitzen eine kegelformige Gestalt. Auf der Spitze sitzt ein gelb gefarbtes Schmelzhautchen, welches bei manchen Zahnen abgestossen war. Weiter ist deut- lich eine Dentinschicht zu unterscheiden , welche von kleinen Ka- nalchen durchzogen wird, und drittens das Cement (s. Fig. 5). Die Untersuchung des Unterkiefers ergab dieselbe Beschaffen- heit der Zahne und zwar zwei Reihen derselben, die eine auf dem Os dentale, die zweite auf dem Os operculare aufsitzend. Die Oberkieferzahne befinden sich in einer Reihe, die jedoch nur bis zur inneren Oefi"nung der Choanen reicht. Der Zungenbein - Kie- menbogenapparat ist larvenartig gestaltet (s. Fig. 3). Die grossen Horner bestehen aus zwei Abschnitten , die kuorpliger Natur sind. Das ganze Kopfskelet ist breiter als bei normalen Thieren es der 1) 0. Hertwig, Ueber das Zahn system der Amphibien. Archiv fiir mikroskop. Anatomie. Supplementband 1874. Uebcr kicmcntragcnde Tritoncn. 569 Fall ist. Es iilinelt dcm von v. Ebucr^ bcscliriebeneu Triton cristatus. Die Uutersucliung cler Geschleclitsorgane crgab, dass diesel- bcn nocli iiiclit vollkommeu ausgebildet Avaren. Sanmitliclio Thicrc waren maniiliclie. Wie bei uormalen Thiercn, so fiudeu sich audi liier eiu Paar Fettkorper. Die histologisclie Betraclituug dor Le- ber zeigte dicselbe mit Fett impriiguirt. Sclion die gelbliche Filr- buug deutete darauf liiu. Was die Limgeu anlaugt, so finden sie sich mit Luftblasen angefiillt und von normaler Grosse. Der Magen war ebenso wie der Darm angefiillt von Larven Avasserbewohnender Insekten. — Es war also reicbliche Nahrung vorhanden. Dass die eben beschriebenen Thiere Tr. cristat. zugeziihlt wer- den miissen , scheint schon durcli ihre Grosse bedingt, weiter aber durcli die Kehlfalte, welclie nur bei dieser Art vorkommt, Trit. alpestris aber, der auch in liiesiger Gegend gefimden wird, die- selbe entbehrt. — Geschichtlicher Theil. Wir wollen nun zunachst die bis jetzt zur Beobaclitung ge- langten Falle von erwacbsenen kiementragenden Tritonen betrachten. Der erste Fall wurde von Schreibers^) vor 50 Jahren be- obachtet. Er bezieht sich auf Triton taeuiatus. Die Thiere wer- den als mit sehr entwickelten Kiemen versehen geschildert. Die Geschlechtsorgane waren sehr entwickelt. Ein z weiter Fall wird von J nil i en 3) mitgetheilt. Ueber die Grosse sowohl als auch iiber die Zeit des Fundes wird nichts Niiheres mitgetheilt. Ebensowenig findet sich eine Angabe, ob ausser den acht gefundenen Tritonen (sie gehorten der Art Tr. taeniatus an), noch noraiale Thiere beobachtet wurden. Die von ihm beschriebenen weiblichen Exemplare werden als geschlechts- reif bezeichnet, wahrend in den Hoden von vier mannlichen Tri- tonen sich nur Samenmutterzellen nicht aber Samenfaden fanden. ^) V. Ebner, Ueber einen Triton cristatus mit Kiemen. Mit- theilungen des naturwissensehaftlichen Vereines fiir Steiermark. 1877. 2) Schreibers, Ueber die Verschiedenheit des gefleckten und des Bchwarzen Erd-Salamanders. Isis 1833. p. 528. ^) Observations de tetards de Lissotriton punctatus reproduisant Tespece. Comptes rendus. T. 68 p. 938; citirt von C. v. Sie bold in Zeitschrift fiir Zoologie. Band 28 p. G8. 570 Otto Hamann, Weiter liegen dann die bekannten Mittheilungen von Fi- lippiO vor, der in der Nahe von Andermatten 48 Tritonen al- pestris antraf, die obgleich vollkommen ausgewachsen noch ihre Kiemen besassen uud als gesclilechtsreif gefundeu wurden. Die Thiere besassen provisorische Gaumenplatten, die an ihren Innen- randern eine Reihe wahrer Zahne erkennen liessen. Dann wird iinter andern erwalint, dass die Lungen mit Luft angefiillt gcwe- sen seien, also gleichzeitig mit den Kiemen sich in Thiitigkeit be- funden haben. Aucb iiber die Nalirung berichtet Filippi. Er fand in dem Darme kleine Cyclasmuscheln. Ein vierter Fall wurde von v. Ebner 2) beschrieben, der un- ter einer Anzahl von normalen Tritonen einen solchen mit Kie- men und vollkommen entwickelten Hoden erhielt. Sammtliche Thiere waren aus ein uud demselben Fuudort. Die Grosse und Farbung wird als ahnlich der des Triton cristatus beschrieben, welcher Art das Thier schon seiner Hohe nach — es misst 10 cm — nur angehoren kann. In wiefern stimmt nun unser Fund mit diesen eben beschrie- benen iiberein? Die genannten Falle betrefFen Triton alpestris (Filippi), und Triton taeniatus (Schreibers). v. Ebner beobachtete zu- erst Triton cristatus. Das von ihm beschriebene Thier iihnelt in den meisten Stiicken den unsrigen sechs Tritonen, die wir, wie oben schon gesagt, auch dieser Art zuziihlen. Was nun zunachst die Kiemen anlangt, so beschreibt Schrei- bers an seinen Tritonen sehr entwickelte , wahrend bei Filippi und J u Hi en sich keine naheren Angaben finden. v. Ebner liin- gegen betont die Kleinheit der Kiemen, ,jederseits befinden sich 3 kurze iiussere Kiemen von 2 — 3^2 i^im Lange." Im unsrigen Falle besitzen die Kiemenbiischel die Lange von 6 mm , also das Doppelte. Ueber die Lungen giebt Schreibers und Jullien nichts Naheres an. Filippi betont, dass die Lungenarterien deutlich ausgebildet und die Lungen selbst mit Luft angefiillt gewesen seien. Es stimmt diese Angabe mit der unsrigen iiberein. v. Eb- ^) Filippi, Ueber die Larve des Triton alpestris, mitgetheilt von C. V. Siebold, Zeitschrift fiir mikroskop. Anatomie, 28. Band. ^) V. Ebner, Ueber einen Triton cristatus mit Kiemen, Mitthei- lungen des naturwissenschaftl. Vereines f. Steiermark, Jahrgang 1877. Ucber kicmentraprcndc Tritoncn. 571 -p n 0 r gicbt an, (lass die Liingou ctwas verkiiinmcrt warcii uiul sicli zu dciioii der iioniialen Tliicrc wic 3 : 4 vcrliieltcn. — Die Gescblcclitsorgane waren bei den von Schreibers gefun- denen noch nicbt vollkommen cntwickelt, so wic es also bei den unsrigen auch der Fall ist. Auf das Unausgebildetsein der Ge- sclilecbtsorgane ein besonderes Gewicht legen zu wollen, wie cs von Ebner will, der streng zwischen percnnirenden Larven und gcschlcchtsreifen kiementragendcn Tritonen unterscbeidct, scheint, wenigstens in unscrem Falle, nicht am Platze zu sein. Da, wenn die Hoden einmal cine bcstimmte Grosse und Ausbildung erreicbt haben, auch ihre voile Reife zu erwarten steht, wofern den Thie- ren nicht die Nahrung fehlt. In unseren Tritonen waren aber, wie schon erwiihnt, sowohl Magen wie Darm prall angefiillt von Insekten. Dann ist zu betonen , dass die Thiere jedenfalls im zweiteu Jahre standen, die Geschlcchtsorgane also noch gar nicht ausgebildet sein konnten, da erst im dritten Jahre die Gcschlechts- reife eintritt ^). Von den Extremitaten ist zu berichten, dass diesclben nicht wie im v. Ebner'schen Falle „schlank und larvenartig mit sehr zarten Fingern und Zehen" versehen waren, sondern denen nor- maler Thiere glichen. Die Beschreibung der Haut, die v. Ebner giebt, stimmt mit der unsrigen iiberein. In beiden Fallen erscheint dieselbc glatt und viel dunner als bei normalen Thieren. Auch die von ihm erwiihnte feine Punktirung der Hautdriisen ist iibereinstimmend, vorztiglich am Kopf. Wahrend nun als Fundort in sammtlichen Fallen Teiche an- gegeben sind, wurden die unsrigen Molche im Brunnen gefunden. Durch diesen veranderten Aufenthalt, — die Thiere sind entweder jung in den Brunnen gerathen, odcr es sind schon vor ihnen Generationen in demselben gewesen, was jedoch nur eine Behaup- tung ist, fur die allerdings manches spricht — ist nun auch die verandertc Fiirbung zu erklaren. So findet sich die nach Schrei- ber=*) Triton cristatus zukommcnde orangerothe mit schwarzen Flecken besetzte Bauchseite nicht. Sehr interessant ist das Verhalten der Gauraenplatten , iiber- haupt der Zahne. Die von Filippi beschriebenen 2 Gaumenplatten mitZahnen ^) Vergl. Glaus, Grundziigc der Zoologie, 3. Aufl, p. 900. vau der Ho even, Handbuch der Zoologie, Band 2. p. 258. 2) Schreiber, HerpetologiaEuropaea, Braunschweig, 1875. p. 50. 572 Otto Hamann, an ihren Inneiirandern, finden sich auch hier, nur dass die Zahne vollkommeu eiitwickelt sind (s. oben). Weiter reichen „die Ober- kiefcrzahne nur bis zum binteren Rande der inneren Nasenoft- nung", genau wie von Ebner es bescbreibt. Desgleichen sind auch wie im eben genannten Falle noch eine zweite Reihe von Unter- kieferzahnen vorhanden, welche von der ersten durch eine Furche getrennt werden (s. Fig. 4). Es scheint zwischen den bleibenden Kiemen und der Zahn- stellung eine Correlation^) zu bestehen, so zwar, dass die erste- ren letztere bedingen. Dass iiberhaupt in unserem Falle eine Menge von Wechselwirkungen zwischen den Organen bestehen, ist naturlich, nur ist es schwierig mit Bestimmtheit dieselben angeben zu wollen. Nachdem wir so die Hauptvergleichspunkte der verschieden bisher bekannt gegebenen Falle hervorgehoben haben, wollen wir zur Erkliirung derselben iibergehen. Allgemeiner Theil. Eine ausfuhrliche und scharfsinnige Deutung hat Weismann gegeben in einem langeren Aufsatz „Ueber die Urawandlung des mexikanischen Axolotl in ein Ambly stoma" ^). Weismann deutet die beschriebenen Falle von kiementra- genden Tritonen als Riickschlagsfalle und betrachtet sie als „Ana- loga" des bei Axolotl auftretenden Vorganges, die er also auch als Rtickschlag auffasst. Dies nothigt uns auch auf die Axolotlfrage einzugehen. Dieser Anschauung steht eine andere gegeniiber, welche alle diese Vorgange als durch Anpassung, durch veriinderte Lebens- weise hervorgerufene erklart. Welche dieser beiden Erklarungen hat die grossere Wahrscheinlichkeit fiir sich? Diese Frage zu beantworten ist der Zweck der folgenden Zeilen. Bekanntlich wurde der Axolotl (Siredon) friiher fiir einen Kie- menmolch gehalten, der zeitlebens in diesem „fischahnlichen Zu- stande" verharren sollte, bis vor einem Decennium ein Theil der Axolotl, die im Pariser Pflanzengarten gehalten wurden, ans Land ging, hier ihre Kiemen verloren , nur noch durch Lungen athme- 1) Vergl. iiber dieselbe den zehnteu Vortrag 1. E. Haeckels Natiirl. Schdpfungsgeschichte, 7. Auliage. 2) S. Zeitschrift fiir Zoologie. Supplementbaud 25. 1875. p. 298. XJobor kiomculragcudo Tritoncu. 573 tun uiid sicli so in cine unsereni Landsalamander ilhnliche Form verwaiidolteu. Diese Tliiere \Yiirdcn in diesem Zustandc geschlechts- reif. Diese Vorgiinge sind dann weiter von anderen experimen- tell beobaclitet worden ^). Weismann stellt nun zuniichst fest, dass noch jetzt Sire- donarten, also kiemeutragende Axolotl, existiren, die sich regel- niiissig in die kiemeulose Form, die Amblystomaform, umwandelu, und zwar in Nebraska, Califoruien , Neu-Mexiko, Texas, Kansas und Minnesotali, dass aber anderseits mindestens zwei Arten vor- kommen, die nur als Siredon sich fortpflanzen. Von diesen beiden Arten lebt die eine in den Seen um Mexiko. Weismann fiihrt dann weiter aus, dass diese Arten friiher auch sich als Ambly- stoma fortgepflauzt habeu, durch die Aenderung des Klimas, vor alien durch eingetretene Trockeuheit, gezwungen worden seien sich ins Wasser zuriickzuziehen, hier geschlechtsreif warden und sich fortpflanzten. Diese Erscheinungen fiihrt er auf Ruckschlag zuriick. v. Ebner entgegnet sehr richtig, dass, wenn man den Ausdruck „Ruckschlag" im Sinne Weismann's fasst, man in einen „geschlossenen Ring von Riickschlilgen" gerath. „Denn das Amblystoma, welches sich aus den Eiern eines Axolotl entwickelt, ist eine Ruckschlagsform des Axolotl; umgekehrt aber auch das Axolotl selbst eine Ruckschlagsform des Amblystoma." Wie schon angedeutet, werden nun auch die Tritonenfalle so gedeutet, indem er die kiementragenden Thiere als eine Ruck- schlagsform auf die friihere phylogenetische Stammform betrach- tet. Einer Erkliirung durch Anpassung tritt Weismann eut- schieden entgegen als Missbrauch mit der hergebrachten Bedeu- tung des Wortes Anpassung, indem er sowohl Haeckel als Sie- b 0 1 d vorvvirft, das Wort in nicht darwinistischem Sinne gebraucht zu haben. Darwin habe unter Anpassung verstanden eine „allm£i- lige im Laufe von Generationen eintretende Umbildung des Kor- pers, nicht aber die Folge einer einmaligen und bei einer Gene- ration plotzhch und direkt wirkenden Abanderungsursache." Gesetzt nun, Darwin habe Anpassung so definirt, so wiirden wir doch das Recht haben, diesen Ausdruck anders zu definiren, denn OS kommt doch wahrlich nicht darauf an, ob wir die in einer Oder zwei Generationen — wo soil iiberhaupt die Grenze sein ? — eingetretenen Umbildungen als Anpassung bezeichnen. W e i s - 1) S. Zeitschrift fiir wissenschaftl. Zoologie, Marie yon Chauyin, Band 27, 1877, p. 522. 574 Otto Hamann, niann vergisst zwischen Anpassung unci Anpassungsfahigkcit i) zu unterscheiden. Letztere ist eben bei verschiedenen Thierarteu verschieden. Wir fassen also die kiementragenden geschlechtsreifen Tri- tonen als durch Anpassung aus Wasserleben, entstanden auf, Es ist dies die einfachste Erklaruug, also auch die wahrscliein- lichste; und nach einer solchen zu suclien ist unsere Aufgabe. Auf dieselbe Weise erklaren wir uns auch die Entstehung der Siredonart um Mexiko. Nehmen wir auch mit Weismann an, dass urspriinglich in den Seen um Mexiko die Amblystomaform erreicht wurde und dass das Klima sich anderte, die Luft trockener und trockener wurde, sodass fiir die Amblystomen der Aufenthalt auf dem Lande unmoglich wurde. Diejenigen Thiere, die nun ans Land sich be- gaben, gingen zu Grunde ; diejenigen aber, welche im Wasser weiter zu leben am anpassungsfahigsten waren, werden sich hier weiter entwickelt haben und geschlechtsreif geworden sein. Dass nun diese Siredonen wieder im Pariser Pflanzengarten das Wasser ver- liessen , hangt jedenfalls mit der Aenderung des Wohnortes zu- sammen, indem hier durch Temperaturunterschiede , durch Luft- wechsel die Thiere bewogen wurden sich wiederum dem Landauf- enthalt anzupassen. Es sind also stets aussere Verhaltnisse, welche die Salamandriden zwingen, sich, sei es an Wasser-, sei es an's Land- leben, anzupassen. — Dass die Anpassungsfiihigkeit aus W^asser bei den Salamandriden sehr gross sein muss, ist selbstverstandlich , da sie in der Jugend im Wasser leben. — F i 1 i p p i sagt am Ende seiner Abhandlung, dass ein sehr energisch oder langerwahrender Einfluss, durch welchen das Larvenstadium um vieles verlangert wird, unter un- unterbrochener gleichmassiger Fortdauer ganz eigenthiimliche und auffallende Wirkungen hervorbringt , welche darin bestehen, dass der junge Triton, sowie er in das Larvenstadium eingetreten ist, aus demselben nicht wieder heraustritt und sich ohne die Kiemen zu verlieren fortpflanzt. Wir haben es dann mit einer neuen be- ginnenden Art zu thuu. Auch v. Ebner meint: Was diese weit gehende Bildungshemmung — als solche betrachtet er das Auf- treten von geschlechtsreifen Urodelenlarven — vor anderen bc- sonders auszeichnet, ist die dadurch gegebene Moglichkeit der Entstehung einer existenzfiihigen Thiervarietat , welche von der 1) Vergl. E. Haeckel, Natlirliche Schcipfungsgeschichte, 7. Auf- lage. 1880. p. 179 und Geuerelle Morphologie. TI. 191. Ueber kiementragende Tritoucu. 575 Stammart so weit verschiedcii ist, class dcrsolbcii dcr systcmati- schc Werth eincr wcit abwoichendcn Gattung zuerkaiint werden muss. Ob solchc Varictiitcn an beliebigcn Urodcleiilarven durcli jiusserc Einflusso erzcugt werdcii kOnneii, muss vorderhaud noch dahingcstcllt blcibeu." In unserem Falle sind nun in Wirklichkeit direktc ausscrc Einflussc, wie der Zwang im Wasser des Brunnens bleibcu zu miis- sen, uud sicli entweder anzupassen, odor zu Grunde zu gehen, die Ursache zu den vorschiedeneu bescliricbcuien Bildungen gewesen. Hiitten sich nun diese Bildungen vercrbt , so ware es in diesem Falle zu einer, wie Ebner verlangt, von der Stammform abwei- chcndcn Thiervarietat gekommcn und wir batten hiermit „eincn scblagenden Beweis fiir die Macht der Anpassung." — 576 Otto Hamann, Ueber kiementragende Tritonen. Erklarung der Tafel. Fig. 1. Das Thier in natiirlicher Grdsse von unten. Fig. 2"'^. Der Kopf mit den Kiemen, vergrossert von oben und von der Seite. Fig. 3. Zungenbeinkiemenbogenapparat. c = Zungenbeinkorper. h = Zungenbeinhorn. b^ — A* = 1. — 4. Kiemenbogen. Fig. 4. Links Unterkieferhalfte, vergrossert a = Os angulare. d = Os dentale. m = Cartilago Meckelii. 0 = Os operculare. Fig. 5. Zahne aus dem Unterkiefer, vergrossert d = Dentin. r = Zahnbeinrohrchen. s = Schmelzspitze. c = Cement. Fig. 6. 2 Zahne von den Gaumenplatten, vergrossert Buchstaben wie in Fig. 5. Ueber Mustela itatsi Temminck und Schlegel. Von Prof. Dr. D. Brauus in Tokio. Hierzu Tafel XXVII. Eine Monographie liber ein einzelnes, nicht neues Siiugethier konnte vielleicht auf den ersten Blick als ein wenig bedeutsamer Gegenstand erscheinen ; allein abgesehen davon, dass das Vaterland des obenbezeichneten Thiers, Japan, an Saugethieren und insbeson- dere an Raubthieren keineswegs sehr reich ist, nimmt dieses Land auch in Folge seiner Lage ein erhohtes Interesse in Anspruch. Endlich diirfte die Thierart selbst, um die es sich, wie der Ver- lauf ergeben wird, im vorliegenden Falle handelt, in systematischer, wie in thiergeographischer Hinsicht von einer gewissen Bedeutung sein. Sehr bald nach meiner Ankunft in der Hauptstadt Japans fiel mir das Itatsi auf, da es nicht nur sehr haufig bis in die Gar- ten und bis auf die Dacher der Hauser in den aussen belegenen Theilen der Stadt Tokio — wie nicht minder in die kleinen Stadte und Dorfer der Umgegend — dringt, sondern auch als beliebtes Pelzthier zur Winterzeit haufig in den Handel gebracht wird. Mir war auch sofort die Aehnlichkeit in die Augen gesprungen, die dieses Thier mit unserem Norz, dem Foetorius Lutreola L., hat, und war ich daher nicht wenig iiberrascht, in der schonen Arbeit Temminck's und SchlegeTs tiber die Saugethiere in von Sie- b old's Fauna Japonica (der betreffende Band zu Leiden 1850 mit lateinischem Titel , sonst in franzosischer Sprache erschienen) wohl eine Vergleichung des Itatsi mit dem litis, aber keine Zusammen- Bd. XIV. N. F. VII, 4. 37 578 Prof. Dr. D. Brauns, stellung desselben init dem Norz zu findeu. Dass keiu Harder vorliegt, geben die genauuten Autoreu durch die Wahl des frauzo- sischeu Namens — Putois Itatsi — genugsam zu erkeunen; aucli orgiebt es sich sofort aus dem im genauuten Werke (Tafel VII, Fig. 2) abgebildeten Schadel, der ganz deutlich oben 2 Liicken- zahne zeigt — im Gegensatze gegen Mustek melampus, deren Scbadel dicht danebeu mit 3 oberen Liickenzabnen abgebildet ist. Mir liegeu von beiden Arten melirere Schadel vor, welche dies durchaus bestiitigen, und auch die Zabl der unteren Liickenzaline ganz in Uebereinstimmuug mit der Zahuformel ilirer Genera zeigen ; das Itatsi hat deren 3, die Mustela melampus oder der Ten 4. Zur Erganzuug der citirten Abbildung bilde ich in Fig. 1 einen Itatsi-Schadel in der Seiteuansicht mit aufgesperrtem Unterkiefer ab, so dass auch die Zahl der unteren Liickenzahne ersichtlich wird. Im Uebrigen unterscheidet sich die hier gegebene Abbil- dung von der des Siebold'scheu Werkes noch durch die grossere Lange des Schixdels. Diese Diflerenz ist — zum Theil wenigstens — wohl dadurch bedingt, dass ein kriiftiges miinnliches Thier fiir meine Abbildung gewahlt ward; ich messe dessen Schadellange von Nase bis Hinterhaupt 58 Millimeter. Dies ist gleichwohl nichts Ausnahmsweises ; in den Sammlungen zu Tokio habe ich fast durchgangig 55 bis 59 Millimeter, im Mittel mindestens 56 gefun- den, wahrend die Siebold'sche Abbildung fiir dieselbe Abnies- sung kaum 52 Millimeter ergiebt. Die Dilferenz ist um so auf- falliger, als sie ganz der hinteren Schiidelhalfte zukommt. Was nun die weitere Einordnung des Itatsi in eine der Un- terabtheilungen des Geschlechtes Foetorius Keyserling und Blasius anlaugt, so hatte vor Allem die gleich zu Eingange der Abhand- lung uber Mustela Itatsi (pag. 34 des citirten Werkes) von Tem- minck und Schlegel hervorgehobene Verschiedenheit der Far- bung von Itatsi und litis auf eine Zusammeustellung des ersteren mit dem Norz leiten soUen, Denn unter den 3 Hauptsippen von Foetorius zeichnen sich die Iltisse durch dunkle, die Wiesel durch weisse Unterseite aus; die Sumpfottern dagegen, deren Reprasen- tant der Norz ist, zeigen keinen Gegensatz von oben und unten. Ein solcher Gegensatz findet sich nun auch beim Itatsi nicht, viel- mehr eine saufte, im Totalbetrage nur geringe Abschattirung von Dunkel zu Hell, manchmal ein wenig starker ausgesprochen, manch- mal sehr wenig und nicht mehr, als dies an Norzfellen zu bemer- ken; wie ja auch die Abbildung v. Sieb old's ein solches Indivi- duum (1. c. Taf. VII, Fig. 1) darstellt. In der Kegel ist uur ein Uebor Mustela itatsi. 579 40 bis 50 Millimeter brciter Iviickenstrcifeii etwas duiikler; er schattirt sicli dann auf ctwa 20 ]\Iillimeter Breite jederseits ciu wcnig ab, iind dann bleibt die Farbe ul)er die Bauchseite sicli gleic'li. Sie ist am Besteu rostbraun zu nennen, nieistens, aber kei- neswegs immer heller als die des Norz. Die citirte Alibildung giebt eiu ausnahmsweise dunkles Colorit; die Beschreibung ist in dieser Bezielmng im Allgeraeiueu zutrelfender. Sie hebt audi ganz richtig die Kiirze der Haare gegen den litis hervor; im Vergleich zum Norz ist die Differenz erlieblicb geringer. Dass sie aber immer nocli bleibt, ist bei der siidliclien Lage imd dem milden Winter Japans vollig erklarlich imd findet sicb in gleichem Ver- haltnisse bei anderen Pelzthieren. Auf alle Fiille ist die Maxi- malliinge der Haare (20 Millimeter circa beim Norz) aucb beim Itatsi zu fiuden. Die angegebenen Unterschiede von Sommer- und Winterhaar iibergehe ich, als sie in analoger Weise an vielen Thier- arten auftreten. Das \Yollhaar ist bei unserem Norz, wie beim Itatsi stets briiunlich grau, iin Sommer schwacher. Die Farbenzeichnungen , welche sich beim Norz linden, beste- lien vorziiglich in einem etwas unregelmassigen weissen Fleck auf beiden Lippen und einem kleinen weissen Fleck vorn unter dem Halse. Beides findet sich am Itatsi. Die Lippen sind scharf weiss gezeichnet, wie dies auch die Siebold'sche Abbildung darthut und wie es nebenstehend auf Fig. 3 in grosserem Maassstabe (na- tiirlicher Grosse) zu sehen. Dieser weisse Fleck erscheint an der Oberlippe um so auffiilliger, als seine Umgebung auch bei sonst heller gefarbten Individuen dunkelbraun ist. Jedoch ist diese dunkle Farbe, ausser gegen die weisse Schnauze, nicht scharf be- grauzt. Die Kehle ist ziemlich hell, jedoch nicht in solchem Grade, dass nicht stets der kleine weisse Fleck zum Vorschein kame. Ich habe bisher kein Itatsifell gesehen, an welchem er nicht zu be- obachten gew^esen wiire ; gewohnlich hat er 10 Millimeter im Durch- messer und ist ca. 80 Millimeter von dem Maule entfernt. Fusse und Schwanz, namentlich erstere, sind, ganz wie beim Norz, etwas dunkler, als der iibrige Pelz. Keinen sehr sicheren Anhaltspunkt ftir die Klassification moch- ten Schwimmhaute (Biudehiiute der Zehen) und Gaumenfalten ge- ben; allein auch sie stimmen mit denen des Norzes vollkommen iiberein. Dasselbe ist der Fall mit den nackten Zehenballen und Soh- lenschwielen, und da diese einen Unterschied der Sumpfottern ge- gen die Iltisse und Wiesel abgeben, so sind in Fig. 4 u. 5 die 37* 580 Prof. Dr. D. Brauns, Sohlen des Itatsi abgebildet. Man ersieht sofort die Ueberein- stimmung mit dem Norz („auf der Sohle nur eine mittlere herz- formige Schwiele und die Ballen an den Zehenspitzen nackt" nach Keyserling und Blasius, Wirbelthiere Europas, pag. 69, wo- gegen bei den iibrigen Unterabtheilungen vom Geschlechte Foe- torius die Vorderfiisse 10 , die Hinterfiisse 9 nackte Ballen baben, ibid. pag. 68). Noch andere gemeinsame Charaktere, wie z. B. die Kiirze der rundlichen Obren, liessen sich hervorhebeu, und dagegen wiirde man vergebens irgend welchen Unterschied suchen. Ganz beson- ders aber sind es die Eigenthiimliclikeiten der Bezahnung, welche das Augenmerk auf sich zu lenken haben. In dieser Beziehung gilt zunacbst fiir die unteren Vorderzahne, dass der zweite derselben nicht mit der Schneide, sondern nur mit der Basis gegen die iibrigen zuriicktritt; auch dies stimmt mit den Artkenn- zeichen des Foetorius Lutreola L. iiberein. Dasselbe gilt hinsicht- lich des Grossenverhaltnisses der Vorderzahne, indem unten der aussere den zweiten nicht weseutlich iibertrifft, oben aber (wie bei Foetorius iiberhaupt) die ausseren erheblich grosser sind, als die 4 mittleren. Endlich findet sich ein wichtiges Merkmal in Ge- stalt des oberen Hockerzahnes , der nach innen stark verbreitert ist und namentlich auch weiter nach vorn tritt, als an der Aussen- seite. Man hat bekanntlich, und gewiss nicht ohne Grund, diese Ausbildung des Hockerzahnes zu der Lebensweise des Norzes in Beziehung gebracht ; ob dies fiir den Itatsi in gleicher Weise gilt, wird im Folgenden noch zu beriihren sein. In Folge dieser Aus- bildung ist der Hockerzahn nach vorn flach concav. Das Vortre- ten des stark verbreiterten inneren, flacheren Theils der Krone des Hockerzahns wird als ein besonderes werthvolles Artkennzeichen hervorgehoben. Hinsichtlich der Gestalt des Schadels im Ganzen findet sich ein Unterschied in dem Umrisse des Stirnbeins zwischen Iltissen, Wieseln und Sumpfottern. Wie die obere Ansicht des Schadels Fig. 2, darthut, gehort das Itatsi auch in dieser Beziehung aufs Entschiedenste zu den Letzteren. Nach Blasius (Fauna der Wir- belthiere Deutschlands etc. pag. 220 f.) liegt bei den Iltissen die grosste Verengerung des Stirnbeins in der hinteren Schadelhiilfte, was hier nicht der Fall; bei den Sumpfottern liegt sie, wie beim Itatsi, unmittelbar vor der Schadelmitte, wahrend sie bei den Wie- seln noch weiter nach vorn und dem Jochfortsatze des Stirnbeins niiher liegt. Die Entfernung des genanuten Fortsatzes von dem Ueber Mustela itatsi. 581 vordcrcn AugonlKililenraiide ist bci den Wiescln geriiigor, boim N(>rz uiul Itatsi reichlich so gross, als die Entferiiung jeiies Fort- satzes von der Stelle der grossten Verengerung des Stirnbeins. Was die absolute Grosse und das Verhilltniss der einzelnen 1'heile aulaugt, so gebe icli eine Vergleichung der an europaischen Norzen uiid an den niir vorliegenden Exemplaren gefundenen Maasse in Millinietern. Europaischer Niirz. Itatsi. Totalliinge 515—540 520—530 KiirperlJinge 380 375—380 Schwanzliinge 150 145—150 Kopfliinge 72 (am lebenden Thier 70—72 (ebenso) gemessen) Auge bis Schnauzenspitze (Mitte des Auges) 22 (desgl.) 22 (desgi.) Schnauzenspitze bis an'sOlir 43 (desgl.) 43 (desgl.) 36 42 44 42 49 56. Hinsiclitlich sonstiger Maasse verweise icli auf die Abbil- dungen. Die Zahl der Schwanzwirbel (vom Kreuzbein bis zur Spitze im Ganzen 19) kann ich momentan nicht mit der des Norzes ver- gleichen. Fiigen wir hinzu, dass die Statur, die Kiirze der Fiisse am lebenden Thier, die Art der Bewegungen, die Stimme u. s. w. ganz die nanilichen siud, so bleibt in der That nur noch iibrig, die Lebensweise beider Thiere ins Auge zu fassen, und auch da wie- der findet sich eine so grosse Uebereinstimmung, als sie sich unter den veranderten ausseren Bedingungen nur denken lasst. Der Norz ist in Europa durch seinen Aufenthalt am Wasser, durch seine Vorliebe fiir Fische und Krebse von seinen Gattungsver- wandten autlallig unterschieden ; dass jedoch seine Nahrung nur zum Theil aus kaltbliitigen Thieren besteht, ist allgemein aner- kannt. Gerade so verhalt sich das Itatsi. Temminck und Schlegel sagen (1. c. p. 34), dass es sich von Vogelu, Mausen, Oberarm 35 Unter arm 42 Vorderfuss mit Nagel 45 (total). Oberschenkel 42 Unterschenkel 49 Hinterfuss mit Nagel 56 (total). 582 Prof. Dr. D. Brauns, selbst von Fisclien und Krebseu niihrt, daher sowolil auf dem Laiide, als am Wasser vorkommt. Dies ist in strengstem Sinne wahr. Ganz besonders hebeu alle Japaner seine Voiiiebe fiir Kru- staceen hervor, und diese ist bekanntlich aucTi beim Norz so gross, dass Pallas fiir sein Fehlen in Sibirien das Fehlen der Krebse als Grund ansah. Dem Itatsi macht nun kein Wiesel oder litis, im offenen Lande sogar kein Harder Concurrenz — Mustela me- lampus Temminck und Schlegel, der Ten der Japaner, der dem Baummarder ahnlich lebt und im Skelett zwischen ihm und Zobel steht, ist mehr auf das Gebirgs- und Hiigelland beschrankt — , wogegen die Otter (Lutra vulgaris L.) niichst ihm und dem Fuclise wobl das baufigste wilde Raubthier der Niederungen ist. Daber ist es nicht zu verwundern, wenn das Itatsi sich haufiger, als der europaische Norz, aufs Trockene ziebt. Da er nun auf den fiir Menscben wenig zugangiicben Boden der japanischen Hau- ser Ratten in Unmasse vorfindet, so sind diese — immer nur neben den Krebsen und I'ischen — eiue Hauptnabrung fiir ibn geworden, und macht er sich nicht selten durch die Vertilgung der Ratten (Mus decumanus Pall.) sehr verdient. In die Wobnungen dringt das Itatsi nicht; doch babe ich es, wie schon zu Eingange er- wahnt, sowohl in deren Umgebung als aucb auf den Dacbern durch- aus nicht selten bemerkt. Fassen wir alles Obige zusammen, so kann meines Eracbtens zunachst nicht der geringste Zweifel dariiber obwalten, dass Mu- stela itatsi Temminck und Schlegel in die Abtheilung der Sumpf- ottern innerbalb des Geschlechts Foetorius gehort. Wollte man aus dieser Abtheilung ein Gescblecbt macben, so wiirde nothwen- diger Weise das Itatsi in dieses, nicht unter die Iltisse oder "Wie- sel (Hermeline) zu briugen sein. AUein aucb das scheint mir nach alien, selbst den allerkleinsten Einzelbeiten nicht fraglicb, dass er zu der namlichen Art, wie Foetorius Lutreola L., zu stellen ist. Stimmt doch nicht nur die Allgemeinfarbung, sondern aucb die Farbenzeichnung — das Weiss an Ober- und Unterlippe, ja der (von Temminck und Schlegel nicht angegebene) kleine weisse Keblfleck — vollig iiberein. Und wollte man auf die meist etwas hellere Haarfarbe des Itatsi, die sich namentlich haufig an der Kehle bemerkbar macht, ein sehr grosses Gewicht legen, so wiirde man doch allerbochstens eine Abart darauf basiren kon- nen , von der man noch dazu sagen miisste , dass sie durch ganz unmerkliche Uebergange mit dem europaischen Typus verkuiipft Uober Mustola itatsi. 583 wiiro. Deim jcuc gcriugcii Uutcrschicdo gcltcn imr durcliscliiiitt- lich gcnonimen; die Fiirbuugcn der Pclze beider Forincn bertili- rcu sicli uiclit uur, soiidcni greifou golcgcntlicli solbst uber. Audi ist der Unterschied der Qualitat dcs Pelzes, obwolil cr im Han- del sich sehr bemerklich niaclit, doch zoologiscli viel zu geriug, uni eine climatischc Varietiit zu bcgriinden. Auf alle Fiille muss daher der Artiiame, den Tcmmiiick und Sclilegel dem vor- liegenden Thiere zutheilten, als soldier eingezogeii werdeii uud dem alteii Liuiie'sclien Nameii Lutreola Platz maclieii. Damit aber mehrt sich wiederum die Zahl der Thiere, welche der gemiissigten Zone (Waldzone) des nordlichcn Theils der ost- lichen Erdhiilfte in ganzer Ausdehnung, von Europa bis Japan, angehoreu, um eine — und nodi dazu wichtige — Art, uud die Zahl der Arteu, weldie den japanischen Inseln eigenthiimlich sind Oder sein sollen, eine Zahl, die man neuerdings nicht immer in allzu kritischer Weise allmahlig ein wenig hinaufgeschroben, wird um diese Art vermindert. Die drei haufigsten Raubthierarten der lusel Nippon Fuchs, Otter und Norz, sind danach Europaer; und wenn die beiden Arten, weldie niichst ihnen am haufigsten vor- kommen der oben erwahute Ten uud der japanische Dachs oder Anahuma, besondere Typen vorstellen, so bleiben sie doch euro- paischen Formen (Baummarder und Zobel eiuerseits und dem Meles taxus L. anderseits) sehi* nahe und dies gilt nicht minder fur die Wolfe und den Ursus japonicus, U. thibetanus bei Tern mine k uud Schlegel. Hinsichtlich der vorliegenden Art selbst ergiebt sich noch ein interessantes thiergeographisches Verhalten. Vielleicht trennte man grade der Verbreitung halber vom Norze den nordamerika- nischeu Mink, Mustela Vison Brisson; wenigstens sind die Cha- raktere desselben kaum von denen des Norzes verschieden. Bis in die neucste Zeit halten daher manche Autoritaten den iiord- amerikanischen Norz (angeblich nur mit weisser Unterlippe und etNvas langerem Schwauze) hochstens fiir eine Spielart. Dass nun in Japan an einer der Behringstrasse schon sehr nahe liegenden Stelle des paliiarktischen Gebietes, ein dem europaischen in alien wesentlichen Puukteu vollig gleicher Norz vorkommt — und sehr haufig vorkommt — , mindert die Liicke in der Verbreitung ganz ausserordeutlich und giebt zugleich einen Fingerzeig hin- sichtlich des Zusammenhanges der verschiedenen Formen uud selbst der Faunen. 584 Prof. Dr. D. Brauns, Dass aber der japanische Norz mit dem europaischen thier- geographisch zusammenhangt , das wiirde selbst daiin bestehen bleiben, wenn in Centralasien sich — wie bisher in Sibirien — keine Spur vom Norze zeigen wiirde; denn Concurrenz und un- giinstige aussere Verhaltnisse miissteu ihm grade dort den Kampf urns Dasein erheblich schwerer gemacht habeu , als an den bei- deu Enden der palaarktischen Region. — Uobor Muslclu itatbi. 585 Erklarung der Abbildungen, Fig. 1. Seitenansicht des Schadels des Itatsi. » Fig. 2. Obere Ausicht desselben Schadels (ohue Uuterkiefer). Fig. 3. Farbe der Behaarung der Schnauze. Fig. 4. Eechter Vorderfuss, Umriss der Sohlo von unteii ge- sehen , mit Andeutung der nackteu Sohleuschwiele uud der Balleu an den Zehen. Fig. 6. Eechter Hinterfuss, desgleichen. Fig. 6. TJntere Ansicht der linken Seitc des Oberkiefergebisses. c Eckzahn. m Hockerzahn (wahrer Molarzahn), Siimmtlich in uatiirlicher Grosse. Die Hauptvene des Armes, Vena capitalis brachii. Ein Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Extremitaten-Venen. Von Dr. Karl Bardeleben, a. o. Professor und Prosector in Jena. Hierzu Tafel XXVIII. Veraiilassung zu der vorliegenden Untersucbung war mir die Erkenntniss, dass ein wirkliches Verstandniss des feineren Baues der Venenwandung und der Varietaten in histologischer Beziehung, nur durch ein Studium der Entwickelung , welche zugleich die makroskopischen Varietaten, von deuen die qualitativeu DiJSeren- zen im Aufbau der Waudung in hohem Grade abhangig sind, ricbtig beurtbeilen lehrt , zu erreicben sei. Diese Erkenntniss hatte sicb mir bei den bistologiscben Untersucbungen der Venenwandung, liber welcbe icb demnacbst zu bericbten gedenke, in sebr empfind- licber Weise aufgedrangt. Seben wir aber aucb biervon ab, so erscbien es im Interesse der descriptiven Anatomie des Menscben und ibrer practiscben Anwendung wunscbenswertb , die sebr ab- weicbenden Angaben der Lebr- und Handbiicber iiber den Ver- lauf der Extremitaten-Venen, besonders an der oberen Gliedmasse des Menscben, an der Hand eines grosseren Materials von Er- wacbsenen und vor allem von Embryonen zu priifen, gegenuber den wirklicben oder vermeintlichen Varietaten das normale oder typiscbe, das primitive und einfacbste Verbalten herauszufin- den, dem regelloseu Gewirre der Armvenen, wie sie Biicber und Atlanten meistens zeigen — iibnlicb wirr, wie man friiber, tbeil- weise noch jetzt, die Knocben-Spongiosa darstellte — die aucb bier auf mecbaniscbe Gesetze zu begriindeuden Hauptlinien gegen- iiberzustellen. Die Hauptvene des Armes, Vena capitalis brachii. 587 Ucbcr dahiii gehciide Vcrsuclio liabc ich in zwei kloincrcii Mittliciluiigcn (Jeiiaischc Sitzuiigsbcrichtu 1870. 7. Novbr. 1880. 5. Miirz) kurz bericbtct. Die folgoiideii Zeilen sollen sich nun niebr in das Detail begcbeu, hauptsachlich die Mittheilung voni November v. J. begriinden und weiter ausfiihren, die beigegebenen Abbildungeu das Gesagte illustriren. Fiir die Gewiihrung von Material spreche ich den Ilcrrcn His, B. S ell u 1 1 z e und S c h w a 1 b e auch an dieser Stelle nieinen ergcbenen und warnieu Dank aus. L i t e r a t u r. So umfangreich die descriptive Literatur liber uuser Thema fiir den Erwachsenen, so gross die Zahl der beschriebenen und ab- gcbildeten Varietiiten ist, so wenig scheint die embryonale Aus- bildung der Extremitaten-Venen bisher eine eingehendere Bearbei- tung gefundeu zu haben. Die verschiedenen Beschreibuugen der Armvencn und ihrer Abweichungen hier zu recapituliren , erliisst uiir wolil der geneigte Leser. Eigene Untersuchung. Die Embryonen sind nach der Grosse geordnet. Einige (6) wurden mit fiirbenden Substanzen (Berliner Blau, Methylgriin) in- jicirt. Schon bei der Niederschrift meincr Notizen, nocli melir bei der unten folgenden Wiedergabe derselben erschien es am ein- fachsten und zweckmassigsten, die veranderte Auffassung der Arm- venen auch in der Bczeichnung zur Geltung zu bringen. Nur bei Avenigen Embryonen sind noch die alten Namen in Anfuhrungs- zeichen gebraucht worden. Vgl. a. die kiirzere Mittheilung in den Jenaischen Sitzungsberichten. 1879. Nov. No. 1. Steissscheitelliinge in gerader Linie 2,4 cm. Die Haupt- vene des Arms geht an der radialen Seitc des Vorderarms zur Elleubeuge, von da an der innereu Seite des Oberarms weiter. Eine V. cephalica humeri ist nicht erkennbar. No. 2. St. Sch. 4,2. Ganze Liinge 5,3. weiblich, angeblich 11 Wochen. Am Oberarm 2 Venen, eine starkere mediale und 58« Dr. Karl Bardeleben, schwachere laterale ; beide liegen mehr vor dem Biceps, als in den ihii begrenzeuden Furchen. Undeutlich. No. 3. St. Sch. 4,6 — 4,7. g. L. 5,7. weiblich, angeblich 12 Wochen, Schr altes, schlecht erhaltenes Praparat. Soweit er- kennbar, verlauft an beiden Armen gleichmassig, an der radialen Seite des Vorderarms ein Strang, der sich in einen an der lunen- seite des Biceps gelegenen fortsetzt. Dieser Strang durfte die grosse Hautvene reprasentiren. Vor und lateral vom Biceps, so- wie zwischen Pectoralis und Deltoides, die noch vereinigt sind, lasst sicli nichts Sicheres von Venen nachweisen. No. 4. St. Sch. 5,5. g. La. 7,3. mannlich. Nicht deutlich er- kennbar, da der Embryo schlecht erhalten. No. 5. St. Sch. 5,8. g. La. 8,2. „13 Wochen" (s. Taf. XXVHL Fig. 1), Die „Cephalica" des Vorderarms setzt sich in gerader Linie in die „Mediana basilica" fort, diese fast geradlinig in die „Basilica" des Oberarms, welche gleichzeitig als Fortsetzung einer von der Ulnar- und Riickseite des Vorderarms kommenden Vene (Basilica antibrachii) erscheint. No. 6. St. Sch. 6. g. L. 8. „3. Monat". mannl. Soweit der schlechte Couservirungszustand erkennen lasst, ist der Befund der- selbe, wie bei dem vorigen Embryo. No. 7. St. Sch. 6. g. L. 8. ,,10—12 Wochen". mannl. Eiue Starke Vene verlauft am radialen Rande des Vorderarms und der inneren Seite des Biceps. Fine Cephalica humeri ist weder am untereu, noch am oberen Theile des Oberarms zu finden. Beide Arme verhalten sich iibereinstimmend. No. 8. St. Sch. 6,8. g. L. 9,7. 14 Wochen (vgl. Fig. 2). Die Hauptvene verlauft am Unterarme anfangs an der radialen Seite, dann mehr und mehr nach der ulnaren hiuiiber. In der Ellen- beuge nimmt sie einen fast queren Ast auf, der von einem auf- steigenden Zweige (vom Unterarm) und von einem absteigenden (vom Oberarm) gebildet wird. No. 9. St. Sch. 7,5. g. L. 10,5. 15 Wochen. Geschlechtstheile verarbeitet. — Links „Cephalica antibrachii" und „Basilica humeri" gut erhalten, als Hauptvene erkennbar. Cephalica humeri durch- schnitten, dunn. Trennung in mediale und laterale Vene des Ober- arms iiber der Ellenbeuge, vor dem Muskelfleisch des Biceps. — Rechts geht die „Cephalica" des Unterarms geradlinig in die „Ba- silica" des Oberarms iiber. No. 10. St. Sch. 8. g. L. ca. 11 (Kopf secirt). „4 Monat". weibl. Rechts wie links ist die mediale Vene des Oberarms die Die Hauptvcuo dos Armes, Vena capitalis brachii. 589 stiirkero. Weder rechts iiucli links liegen tliese Vciiun in den bctrcftonden Furchen nobcn dcm Biceps, sondern die Cephalica medial davon, die Capitalis etwas lateral. Beide Venen liegen also nahe iieben einauder. Vgl. No. 2. No. 11. St. Sch. ca. 9 — 10. g. L. ca. 14 — 15. (Am Nabel durclischiiitten , ein Theil des Kopfes felilt; Signatur: „3 Monat alt"; wohl iilter, ca. 17 Woclien? Verf.) Rechts. Die Hautvene des Unterarms bildet urn den fleischigen Theil des M. supinator longus s. brachioradialis einc Insel oder Oese. In der EUenbeuge theilt sich die Hauptvene in die mediale und laterale Vene, deren erstere, also die Fortsetzung, liber doppelt so stark ist, als die letztere (Cephalica humeri). Nach Aufnahme der Basilica wird die Capitalis am Oberarme noch erheblich starker. Links ist die Inselbilduug, wie es scheint (Verletzung bei der Preparation), gleichfalls vorhanden. Das Uebrige wie rechts. No. 12. St. Sch. 10. g. L. 14,5. „16 Wochen". weibl. Beider- seits ist die Cephalica humeri starker, als die Fortsetzung der Capitalis iiber der Trennung. Die Cephalica humeri liegt nicht in der lateralen Furche, sondern vor dem Biceps. Die Capitalis wird nach Aufnahme der Basilica starker, als ihre laterale Con- currentin. No. 13. St. Sch. 11. g. L. 16. „4 Monat". mannl. Capitalis verlauft an beiden Armen in typischer Weise. Die Cephalica hu- meri ist beiderseits bis zur Schlusselbein-Gegend vorhanden. Ihre Aeste sind am eigentlichen Arme absteigend, zwischen den Mus- keln aufsteigend. No. 14. St. Sch. 11. g. L. 16,5. „17 Wochen". weibl. Aehn- lich wie bei No. 11 bildet die Hauptvene am linken Arme eine Insel um den oberen fleischigen Theil des Brachioradialis. Die tiefe Vene der EUenbeuge geht in die Cephalica humeri, welche dadurch ziemlich stark wird. Dieselbe liegt vor, nicht neben dem Biceps. Die sehr dunnwandige Fortsetzung der Hauptvene wird bei der Priiparation ladirt, so dass ihre Breite nicht mehr genau erkennbar ist. Rechts ist keine Insel am Brachioradialis sicht- bar. Im Uebrigen verhiilt es sich , wie links. Die Hauptvene ist, besonders nach der Einmiindung der Basilica, sehr breit. No. 15. St. Sch. 11,8. g. L. 16,5. ca. 17- 18 Wochen. miinnl. Beiderseits theilt sich die an der radialeu Seite des Vorderarms verlaufende Hauptvene in der EUenbeuge in zwei Venen, von deuen die mediale unter kleinerem Winkel von der Richtung der Vorder- arm-Vene abweicht, als die laterale (Cephalica humeri). 590 Dr. Karl Bardeleben, No. 16. St. Sch. ca. 13,5. g. L. ca. 20 (Kopf fehlt). Rechts theilt sich die Capitalis 6 mm unter der Elleubeuge in zvvei Aeste, einen schwacheren ausseren und starkcren iiiuereii. In der Elleu- beuge gelit die tiefe Veue in den lateralen Ast, der dadurch der stiirkere wird. In die Fortsetzung der medialen Vene (Capitalis) gehen in der Ellenbeuge mehrere kleiue oberflachliche Aeste, so- daun die Basilica. Links bildet die Vene gleichfalls eine Insel; in den olinehin starkeren lateralen Ast ergiesst die tiefe Vene der Ellenbeuge ihr Blut, so dass die Cephalica humeri relativ stark ist. No. 17. St. Sch. 14. g. L. 21,5. weibl. 21 Wochen. Rechts wie links liegt die Cephalica humeri vor dem Biceps, nicht neben ihm. Rechts ist sie starker, links ungefiihr eben so stark, als die Fortsetzung der Capitalis. No. 18. St. Sch. 14,5. g. L. 22. mannl. 21 Wochen. Rechts. 15 mm vom Proc. styloides radii bildet die Capitalis eine Insel, welche, 18 mm lang, sich bis 7 — 8 mm iiber den Anfang der bisher so genannten Mediana basilica erstreckt. Die grosste Breite der Insel betragt 3 mm. Beziehung zum Fleische des Supinator longus ist unverkennbar. In das die Ellenbeuge schrag durch- laufende Stiick der Capitalis fliessen von unten drei longitudinale Venen ; die ulnarste ist die Basilica. 9 mm iiber der Einmiindung der letzteren theilt sich die Vene wiederum in zwei; die diinne Nebenbahn miindet in der Axelhohle wieder ein. Die Venae brachiales (comitantes) miinden erst hoch oben, in der Axilla. Die ziemlich Starke Cephalica humeri geht bis zur Clavicula, sie liegt vor, nicht neben dem Biceps. — Links befindet sich in der Ellenbeuge eine Art Venenknoten, iudem die starke Vene aus der Tiefe in die Cephalica humeri geht, aber auch mit der Fortsetzung der Capitalis zusammenhangt. Die anfangs an Starke der Capitalis etwas tiberlegene Cephalica humeri wird nach oben zu dtinner, dann wieder starker und miindet in die Axillaris resp. Subclavia iiber dem oberen Rande des Pectoralis. Die durch Injection von Berliner Blau in die rechtseitige Jugularis interna gefiillte Sub- clavia entsteht durch Einmiindung der Venae brachiales, thoraci- cae, subscapulares in die Capitalis. No. 19. St. Sch. 15,5. g. L. 23,3. weibl. „18 Wochen". Beider- seits sehr friihzeitige Theilung in Capitalis und Cephalica humeri. Rechts Inselbildung am Supinator longus, Cephalica hum. starker, als Ellenbeugen - Abschnitt der Capitalis. Links sind beide Venen gleich stark. Beiderseits iibertriHt die Hauptvene am Oberarm Die Hauptvene des Armes, Vena capitalis brachii. 591 (nacli Einiiiiindung dor Basilica) die Cophalica luimeri, welche audi hior iiicht neben , sondcrn vor dcm Biceps liegt. No. 20. St. Sch. 16. g. L. 23,5. weibl. Liinge des Armes mit Hand 9,5; oliiie dieselbe 7 cm, Rechts. Aus der Cephalica pol- licis und Salvatclla entstanden , tlieilt sicli die Hauptvene 7 mm lidlier in z^Yei Acste , eiuen medialcn und einen lateralen , die an- fangs spitzwinklig divergiren, dann ziemlich parallel (Distanz 2 — 2V2 nim) zur Ellcnbcugc veriaufen, wo ilir Abstand 3,5 mm be- triigt. Hicr geht der laterale Ast mit leicbter Biegung nach aussen , dann , etwas medial von der lateralen Bicepsfurche , als Cephalica humeri in die Hohe. Die medialc Vene ist gleich stark mit der lateralen , verlituft als Capitalis und wird am Oberarme durch Aufnahme der Basilica erheblich starker, als die Cephalica humeri. — Links zeigt sich ein eigenthiimliches Verhalten. Hier entsteht, nicht weit vom Proc. styloides radii, eine grosse Vene, welche am Unterarm der Capitalis entsprechend, am Oberarm als Cephalica humeri, vor dem Biceps, weiter verlauft. In der Ellen- beuge nimmt sie einen von der Ruckseite des Vorderarms kom- menden Ast auf. Oberflachlicher als die eben beschriebene ver- lauft eine diinnere Vene vom Handriicken aus am Vorderarm zur Ellenbeuge, kreuzt die vorige dort schriig, nimmt dann die tiefe Vene auf, um im Zuge der Capitalis weiter zu gehen, nachdem sie in gewohnHcher Weise die Basilica erhalten hat. Oberhalb der Einmiindung dieses Astes ist die Capitalis starker, als die Cephalica humeri. No. 21. St. Sch. 15,5. g. L. 23,5. weibl. „18 Wochen". Insel- bildung um den Brachioradialis, Cephalica humeri sehr stark. No. 22. St. Sch. 16. g. L. 24. weibl. („18 Wochen alter Foetus, 10 — 12 Wochen todt in der Mutter verweilt"). Rechts theilt sich die Hauptvene in die schwachere Cephalica humeri und die stilr- kere Fortsetzung der Capitalis, welche die tiefe Vene aufnimmt. Auch hier Inselbildung um den Supinator longus ; der laterale Ast der Oese mundet 7,5 mm iiber der Trennung von der Capitalis in die Cephalica humeri , welche auch hier nach innen von der lateralen Bicepsfurche verlauft. — Links im Wesentlichen dasselbe. No. 23. St. Sch. 17,5. g. L. 25,5. Beiderseits ist die Cepha- lica am Oberarm sehr stark, sie sammelt Venen von der Riick- seite des Oberarms. Die volaren (radialen und ulnaren) Venen gehen in die „Basilica" (Capitalis). No. 24. St. Sch. ca. 18. g. L. ca. 2Q. (Kopf abgetrennt.) mannl. ,,5 — 6 Monat". Am rechten Unterarm steigen zwei dorsale Venen auf 592 Dr. Karl Bardeleben, eiiie schwachere ulnare und stiirkere radiale, die Capitalis. Unter- halb der Ellenbeuge geht die (stiirkere) Cephalica humeri ab, in welche, 11 — 12 mm weiter oben, der eben enviihiite idnare dor- sale Ast miindet. Die starke ticfe Vene geht in die Cephalica. — Links bestchen nodi primitive Verhaltnisse. Die Cephalica humeri ist hier erheblich schwacher, als die Fortsetzung der Capitalis, in welche die tiefe Vene fliesst. Im oberen Drittel des Oberarms miinden die Venae brachiales in die Hauptvene. No. 25. St. Sch. 18. g. L. 26,5. weibl. Rechts wie links be- steht eine Inselbildung der soeben aus zwei Aesten entstandenen Capitalis um den Muskelhauch des Brachioradialis lierum. Etwas (5 mm) unter der Wiedervereinigung der beiden Inselaste geht die Fortsetzung der Capitalis schrag ab , um nach Aufnahme der Basilica wie gewohulich zu verlaufen. Die Capitalis ist bereits in der Ellenbeuge starker, als der zur Cephalica humeri werdende laterale Ast, der freilich durch die Einmiindung des lateralen Inselastes und rechts noch durch eine weiter oben einmiindende Vene erheblich anwachst. No. 26. St. Sch. 18,5. g. L. 26,5. mannl. Die Venen sind sammtlich sehr stark mit Blut geftillt, daher sehr deutlich. Rechts beginnt die Hauptvene am Daumen; in sie fliesst bald ein schra- ger uliiarer Ast, der den Fingern an Zahl entsprechende longitu- dinale Venen aufnimmt. In der Ellenbeuge geht die starkere Fort- setzung der Vene medialwarts weiter etc. Die schwachere Cepha- lica humeri erhalt bald einen Ast, der mit dem oben erwahnten schragen ulnaren Aste eine Insel um den Brachioradialis bildet. Die Cephalica hum. erhalt dicht unter dem Deltoides einen star- ken, von der Schulter herabsteigenden Ast, und wird zwischen den Muskeln sehr diinn. — Links sind die Verhaltnisse ahnlich: Inselbildung am Fleische des Brachioradialis, der laterale Ast allerdings sehr viel diinner, als rechts und als der mediale. Ce- phalica hum. schwacher, als die Fortsetzung der Capitalis ; erstere wird ausser durch den eben erwahnten lateralen Ast der Insel noch durch Aeste von der Riickseite des Oberarms verstarkt. Immerhin ist aber die durch den Zufluss der Basilica noch ange- wachsene Capitalis die grossere. No. 27. St. Sch. 20. g. L. 28,5. weibl. Zwilling (mit 28). Links. Vgl. Fig. 3. Die aus der Cephalica pollicis und Salvatella ent- standene Hauptvene geht zur f:ilenbeuge, wo sie einen Ast schrag nach aussen-oben entsendet, in den cine von unten kommende Vene einmiindet, und der nach oben als Cephalica hum. geht. Die Hauptvene des Amies, Vena oapitalis brachii. 503 Dioso bcsitzt mchrcre abstoigcnde Acstc3, wird nacli oben zu ini- mer diinncr, so dass eiii Zusainnienhang mit dor Axillaris rcsp. Siibclavia oder Jugularis iiicht zu fiiulcn ist. Die Fortsetzuiig dcr Hauptvene iibcr dcr Ellenbciige weicht luir wcnig von dcm bis- herigen Verlaufe ab. Ikild niiindet die Basilica, weit oben am Oberarm die cine, noch spater die andere Brachialis cin. — Rechts (Fig. 4) niiindet kein vom Unterarm kommender Ast in die Cephalica humeri, die auch hier am Oberarme mehrere ab- steigende Aeste bcsitzt und nacli oben , iiber die Schultergegend hinaus, nicht zu verfolgen ist. No. 28. St. Sch. 20,5. g. L. 29,5. miinnl. Zwilling (mit 27). Vgl. die Fig, 5 u. 6. Links. Die Capitalis bildet in der Ellcn- beuge eine Insel, in deren lateralen Ast quer eine Vene einmiin- det, welche einen Ast von unten, von der ulnaren und Ruckseite des Vorderarms und einen Ast von oben erhiilt resp. dorthin ab- gibt: die Cephalica humeri. Diese empfiingt nahe oberhalb der Ellenbeuge einen von unten aufsteigeuden , sowie einen starken, von oben — hiuten (Schulter) absteigenden Ast, in welchen klei- nere absteigende fliessen, sowie ferner directe absteigende Aeste von Brust und Schulter. Communication mit der Axillaris ist oben nicht nachweisbar, dagegen Anastomosen mit oberflachlichen Brust- und Hals-Venen. — Rechts (Fig. 6). Die Hauptvene hat ausser der gewohnlichen Einmiindung der Basilica in der Ellenbeuge eine Anastomose mit dieser. Letztere erhalt einen weit radialwarts, in der Daumengegend , entstehenden volaren Ast unterhalb der Ellenbeuge. Noch weiter radialwarts als die Capitalis zieht cine dritte Vene, welche mit der Hauptvene auf der Volarseite des Unterarms durch drei Queranastomosen zusammenhangt. Der oberste dieser Queriiste entspricht dem Anfangssttick der Cephalica humeri, welche anfangs sehr diinn, erst nach Aufnahme eines vom Unterarm aufsteigeuden Astes starker wird und in der lateralen Bicepsfurche verlauft. In der Schultergegend erhalt diese Vene zwei absteigende Aeste, geht dann in einer, der spateren Tren- nung zwischen Deltoides und Pectoralis (die bei Embryonen noch eine zusammenhangende Masse bilden) entsprechenden Linie, so- dann an der nach oben zu deutlich werdenden Spalte oder Grubn zwischen den Muskeln vorbei, und durch den Pectoralis major hin- durch in die Tiefe. In der Ellenbeuge befindet sich ein Venenknoten oder - Cen- trum, in dem vier Venen zusammenliiesscn , wenn wir die beiden Stiicke der Capitalis als zwei rechnen. Ud. XIV. N. F. Vn, 4. QQ 594 Dr. Karl Bardeleben, Zu No. 27 u. 28. Die vier oberen Extremitaten dieser beiden Zwillinge bieten ein hiibsclies Bild der verschiedenartigen Umge- staltungen des Arravenensystems in mannigfaclien Uebergangen. Charakteristisch sind bier, wie bei vielen anderen Embryonea, ab- gosehen von den Differenzen zwischen den gleichaltrigen Indivi- duen, die Unterschiede zwischen rechts und links, sowie ferner die relativ primitiven Verhiiltnisse. Beides liisst auf mechanische Ur- sachen der Umgestaltungen schliessen. Die Zwillinge haben wahr- sdieinlich wenig Raum zu Bewegungen gehabt. An dieser Stelle sollen fiinf Hemicephalen der Entbindungs- anstalt Jena eingereiht werden, die abgeschen von dem missbil- deten Kopfc, der sonstigen Korpergiosse nach etwa hierher gehoren. — Die Bezeichnung „Steissscheitellange" ist natiirlich nur cum grano salis zu verstehen. No. 29. Hemicephalus. St. Sch. 13,5. g. L. 24. miinnl. Rechts wie links sind Capitalis und Cephalica humeri bei ihrer Trennung in der Ellenbeuge ziemlich gleich stark. Erstere wird durch Zu- fluss der Basilica zwei- bis drcimal so stark als die letztere, welche iibrigens bis zur Schliisselbeingegend zu verfolgen ist. Die Vencn sind auffallend diinnwandig; Unterhautfettgewebe sehr wenig ent- wickelt. No. 30. Hemicephalus. St. Sch. 15,5 g. L. 28; Hand 4,3; Unterarm 5 ; Oberarm 5,5. weibl. Rechts. 20 mm liber Proc. sty- loides radii beginnt eine Inselbildung um das Fleisch des Brachio- radialis herum. Der mediale Zweig, Reprasentant der Capitalis ist etwas starker, als der laterale. In der Ellenbeuge erfolgt Theilung der Hauptvene in einen wiederum starkeren medialen Ast, die Fortsetzung der Capitalis und einen schwacheren lateralen, der mit dem lateralen Zweige der Oese die Cephalica humeri bil- det. Dieselbe ist relativ stark und bis oben hinauf zu verfolgen. An der Schulter liegt sie 5 — 6 mm lateral von der Furche zwi- schen Pectoralis und Deltoides. Die Hauptvene erhalt noch vor Einmiindung der Basilica einen kleinen Ast vom Unterarm her. — ■ Links. Inselbildung wie rechts, beginnt 15mm vom Proc. styl. rad. Die Hauptvene sehr erheblich starker als die laterale Insel- bahn. In der Ellenbeuge geht die sehr starke tiefe Vene in die Capitalis, welche schon vorher sehr viel starker ist, als der An- fang der Cephalica humeri. Letztere ist ziemlich diinn, bis zur Schulter zu verfolgen. Die Basilica ist beiderseits sehr kraftig. No. 31. Hemicephalus. St. Sch. 16. g. L. 27. Hand 5; Unterarm 5,5; Oberarm 6. weibl. Sehr fett. Die Hauptvene ist Die Hauptvene des Armes, Vena capitalis brochii. 595 bciderscits von dcr Hand an schr kriiftig entwickelt. Links geht in der Ellcnbcugc die tiefc Vene in die Capitalis vermittelst cincs rclativ langen, schriig uach oben - medialwJirts verlaufendcn ober- flaclilicli gelegenen Stiickes, in welches von unten vvie oben ziem- licli diinne Venen einmiinden. Die untere kommt vom Rticken des Untcrarms, die obere ist eine Cephalica humeri descendens, welche nach oben zu schwacher wird und mehrere absteigende Aeste crhiilt. Der Zusammenhang niit der am oberen Theile des Ober- arms verlaufcnden, zwischeu den Muskeln aufsteigenden Cephalica humeri ascendens (s. superior) ist vorhanden; letztere ist indess gleichfalls schwach. — Rechts liegen die Verhiiltnisse im Wesent- lichen gleich. Das oberflachliche Stiick der in der Ellenbeuge aus der Tiefe kommenden Vene ist weit kiirzer, so dass eine Art Ve- nenknoten entsteht. Ein oberfliichlicher Unterarmast miindet di- rect in die Capitalis und zwar zwischen dem Nodus und der Ba- silica. Auch hier ist die Cephalica humeri absteigend ; ihr Kaliber ist etwa = ^/^ desjenigen der Hauptvene. No. 32. Hemicephalus. St. Sch. 17. g. L. 29 — 30. weibl. (Nabelbruch) Rechts. Die tiefen Venen (zwei) der Ellenbeuge gehen in die Cephalica humeri, welche dadurch viel starker wird, als das Ellenbogenstiick der Capitalis. Erst durch Aufnahme der Basilica bekommt letztere ein grosseres Kaliber, als die Cephalica. Trotz des Ueberwiegens der letzteren in der Ellenbeuge liegt das betreffende Stiick der Capitalis weit mehr in der Fortsetzung der Richtung. Links verhalt es sich im Ganzen, wie rechts, soweit das etwas verletzte Praparat erkennen lasst. Ausserdem besteht links eine Arterieu-Varietat , indem die A. ulnaris von Anfang an dicht unter der Fascie verlauft. No. 33. Hemicephalus. St. Sch. 19. g. L. 28 — 29. (Nicht genau bestimmbar, da ein Bein steif gebeugt, das andere bereits bearbeitet war.) Von der Spitze des 3. Fingers bis zur Schul- ter 16,5; Hand 4,5; Unterarm 5; Oberarm 7. weiblich. Haltung und Entwickelung der Arme sind nicht normal; beide Arme, be- souders der linke, liegen dicht am Rumpf und haben denselben (Thorax) eingedruckt. Der Oberarm ist colossal stark (vgl. die Masse) entwickelt, auch in der Dicke. Rechts theilt sich die Ca- pitalis in der Mitte des Vorderarms , 2,5 mm vom Handgelenk in die Cephalica und die etwas schwachere Fortsetzung der Capitalis, welche daun der ersteren noch einen diinnen Ast zusendet, so dass eine Insel am Brachioradialis gebildet wird. Ueber der Ellenbeuge crhiilt die Cephalica noch einen tiefen Ast vom Biceps her, wah- 38* 596 Dr. Karl Bardeleben, rend die Capitalis die eigentliche tiefe Vene der Ellenbeuge, dann einen vora Unterarm aufsteigenden kleinen Ast, schliesslich die Basilica aufnimmt und so sehr erheblich starker wird, als die Cephalica. — Links verlaufen Capitalis und Cephalica vom Hand- gelenk an getrennt, naclidem sie unter dem Proc. styl. rad. in einem Bogen anastomosirt haben. Die Cephalica ist viel starker als ihre Concurrentin und erhalt in der Ellenbeuge die tiefe Vene, sowie am Oberarm aufsteigende Aeste. Die Capitalis liiuft sehr weit ulnarwarts. (Diese Abweichung vom Typus gerade an dem linken Arme ist sehr bezeichnend. Sie spricht entschieden fiir mechanische Einwirkungen und stellt gewissermassen ein Natur- Experiment dar.) No. 34 St. Sch. 22. g. L. 33,5. 28 Wochen; mannl. Vgl. Figur 11. Die Hauptvene gibt in der Ellenbeuge die Cephalica humeri ab, oder vielmehr letztere geht in jene hinein, da sie am Oberarm absteigt, nach unten starker wird, absteigende Aeste be- sitzt, und nicht bis zur Schulter zu verfolgen ist. In die Cepha- lica humeri descendens geht noch in der Ellenbeuge ein querer Ast, der aus einer von oben und einer von unten kommenden Vene entsteht. Die Capitalis ist in der Ellenbeuge liber 1 mm stark, die Cephalica nur 0,3 — 0,4 mm. No. 35. St. Sch. 24,5. g. L. 36,5. 30 Wochen. weibl. Das Verhalten ist im Wesentlichen dasselbe, wie bei No. 34. Erheblich tiber der Mitte des Oberarms miindet eine V. brachialis in die Hauptvene. No. 36. St. Sch. 26. g. L. 40. 32 Wochen. Die Venen zeigen dasselbe Verhalten, wie bei den beiden vorigeu. Fassen wir die oben kurz wiedergegebenen Einzel-Beobachtun- gen zusammen, so ergibt sich als primitive oder typische Anord- nung der Armvenen folgendes. Die Hauptvene des Armes, V. capitalis brachii, verlauft vom Handriicken aus, wo sie aus zwei oder mehr Aesten (V. cephalica pollicis, V. salvatella) entsteht, an der radialen Seite des Vorder- arms hinauf, gelangt allmahlich auf die Beugeseite desselben und so in die Mitte der Ellenbeuge, durchzieht diese in derselben Richtung verharrend, und kommt so immer mehr auf die mediale Oder ulnare Seite des Oberarmes zu liegen, an der sie bis zur Axelhohlc verlauft, um dann schliesslich mit der Jugularis sich zu vereinigen. Die Hauptvene des Arraes, Vcua capitalis bracliii. 597 Diesel" Verlauf ist, Avenn man sich den Arm vom Rumpf leclit- winklig entft'rnt unci gestrcckt dcnkt, von der Hand bis zur Briist ein gcradlinigcr. In der Ellenbeuge, wie in der Axelholile fiiessen grossere, obcrflachliche und tiefe Aeste in diese Hautvenc. In der Ellen- beuge miindet ein anfangs qiier, spiiter schrag-abwilrts verlaufen- der obertliicliliclicr , sowie ein aus der Tiefe hervortretender Ast, sodann ein ulnarer Ast (Basilica). Der oberfliicliliclie Ast sammelt Blut von der Kiickseite des Vorder- und des Oberarms, gewohnlicli vermittelst je eines grosseren Zweiges, die sich nicht weit von der Mitte der Ellenbeuge zu dem queren Aste der Capitalis vereinigen. Der untere Ast kann durch Anastomosen mit dem Unterarmstiick der Hauptvene zusammenhangen und kommt daun eine Insel um den Fleisclibauch des Bracliioradialis zu Stande. Der oberste Ast, welclier absteigende Zweige besitzt, sammelt das Blut von der unteren Partie der Riickseite des Oberarms und fiihrt es in die Ellenbeuge. Dies ist die bereits bei vielen Embryonen und dann spaterliin in der grossen Mehrzalil der Fiille nicht mehr ab-, son- dern aut'steigende V. cephalica humeri. Der tiefe Ast in der El- lenbeuge kann sehr klein sein. In der Axelhohle miiuden in die Hauptvene mehrere tiefe Venen: die beiden Venae brachiales und die den Aesten der A. axillaris entsprechenden Venen, weiter oben eine von der Schul- tergegend (Deltoides und Nachbarschaft) Blut zufiihrende urspriing- lich oberfliichliche Vene, die V. cephalica humeri ascendens. Wir haben sonach an der oberen Extremitat zwei Stellen, an denen grossere, tiefe wie oberflachliche Aeste in die Hauptvene sich ergiessen, zwei physiologisch (mechanisch) sehr wichtige Centren: in der Ellenbeuge und der Axelhohle, den beiden grossen Gelenkbeugen. Da sich in der Kniekehle und der Leistenbeuge (Braune) dasselbe Verhalten zeigt, so liegt hier eine allgemeine Erscheinung vor, die physiologisch von hoher Bedeutung ist. Die embryonale Hauptvene des Armes entspricht, wenn wir die bisher iibliche Beschreibung beim Erwachsenen damit verglei- chen, folgenden Venen oder Venenstucken : 1. V. cephalica des Vorderarms 2. V. mediana cephalica und basilica 3. V. basilica am Oberarm 4. V. brachialis (mit der Fortsetzung: axillaris). Ferner entspricht die V. capitalis brachii der V. saphena magna (s. u.). 598 Dr. Karl Bardeleben, Da wir nun alle bei Embryonen, Kindern und Erwachsenen vorkommenden Venen-Varietaten des Armes auf den bei jiingeren Embryonen vorhandeuen Zustand zuriickfiihren konnen (s. u.), so sind wir berechtigt, das Verhalten der embryonalen V. capitalis und ihrer Aeste als den Typus, die Norm, die Abweichungen hier- von als secundare Veranderung und Varietat aufzufassen. Sonach sind, um zunachst nun die Nomenclatur richtig fest- zustellen, zu streichen die Namen: Cephalica des Unterarms, Mediana cephalica, Mediana basilica, Mediana superficialis , com- munis, obliqua etc., Basilica des Oberarms. Beizubehalten ist die Bezeichnung: Cephalica des Oberarms (humeri) fiir die Vene, welche oft schon bei Embryonen, in der Kegel bei Erwachse- nen von der Ellenbeuge in der lateralen Bicepsfurche zur Axil- laris verlauft, — und der Name : Basilica fiir das Vorderarmstiick der bisher so genannten Vene. Beide Venen sind urspriiuglich Aeste der Hauptvene. Die Basilica sammelt das Blut von der ulnaren Seite des Vorderarms, die Cephalica humeri, deren Ellenbeugenstiick man beim Embryo besser als V. transversa cubiti bezeichnen konnte, sammelt mit dem vom Oberarm absteigenden Aste (Cephalica humeri de- scendens, Ramus descendens s. superior der Transversa cubiti) Blut vom unteren Theile der Riickseite des Oberarms, mit dem vom Unterarm aufsteigenden Aste (Ramus ascendens der Trans- versa cubiti) Blut von der radialen oberen Partie des Unterarms. Ueber die secundaren Veranderungen an der Cephalica s. u. Ein dritter Ast der Hauptvene ist der tiefe, aus Begleitvenen der Vorderarmarterien zusammengesetzte kurze Stamm. Er kann auch in die Transversa cubiti miinden resp. in deren Ramus descendens s. superior (= Cephalica humeri) und so Anlass zu secundaren Veranderungen geben. Ferner sind Aeste der Capitalis die beiden Venae brachiales, sowie die theilweise recht starken, waiter oben in der Axilla zu- fliessenden tiefen Venen, und die Cephalica humeri ascendens. Abgesehen von der Cephalica humeri bleibt das eben geschilderte Verhaltniss im Grossen und Ganzen auch beim Erwachsenen be- stehen und ist, wenn man sich den embryonalen Typus vergegen- wartigt, dort gewohnlich leicht erkennbar. Auch beim Erwach- senen miinden die Venae brachiales meist noch in die Capitalis, - also die tiefen Venen in die oberflachliche, nicht umgekehrt. Und die Einmiindungsstelle liegt regelmassig hoher, als es gewohnlich angegeben wird. Die Hauptveno des Armes, Veua capitalis brachii. 59U Vcrgleichcii wir das so gewonnenc Rosultat mit den bisliciigen Aiischauungen , so siiid besonders folgendc Punktc hervorzuhebeii: 1. Es gibt iiicht zwei dcr Lilngo des Armes entsprechende Ilautvcnen, Ccphalica und Basilica, sondcrn nur cine. 2. Diese Hautvene ist zugleich Hauptvene, den tiefen Venen anfangs und grosscntheils zcitlebens weit iiberlegen, sodass niclit die obertlachliclicn Venen in die tiefen, sondern diese in jene sich ergiessen. 3. Die Cephalica humeri besteht urspriinglich aus a) einer aufsteigenden , in die Axillaris (Subclavia) miindenden Vene; — b) aus einer absteigenden , in der Ellenbeuge in die V. capitalis tretenden Vene. Hire Ausbildung zu einer von unten nach oben durchgiiugigen Nebenbahn ist eine secundare Erscheinung. Aus dem urspriinglichen Maschennetz der Hautvenen bildet sich friihzeitig eine Hauptlinie heraus, welche aus mechani- schen Griinden moglichst kurz, d. h. moglichst gerade sein muss. Der innere Druck \Yird in dieser Linie der starkste sein und aus- serer Druck hier am wenigsten hindern. Man kann diesen Process cum grano salis vergleichen mit der Ausbildung des Eisenbahn- netzes in solchen Liindern oder Gegenden, wo viele Verkehrscen- tren ein enges Maschennetz hervorgerufen haben (England, Belgien, Westfalen u. a.) Auch hier gehen schliesslich (oft allerdings kiinstlich verhindert oder verzogert) die grossen durchgehenden Linien, welche ganz grosse, innerhalb oder ausserhalb des Netzes gelegeue Mittelpunkte verbinden, die moglichst gerade Linie. Be- sonders wo es auf die Schnelligkeit der Bewegung ankommt, — hierdurch wird ja der Druck bei Eisenbahnen wie bei Gefassen enorm erhoht — konnen nur gerade Bahnen in Betracht kommen. So wird und bleibt die V. capitalis, wenn sich auch spater, bei iiberhand nehmender Belastung oder eintretenden Hindernissen Kebenbahnen, Concurrenzliuien ausbilden, die grosse Route vom Eudgliede der Extremitat zum Rumpfe, die kiirzeste, weiteste (ausgeweitetste), bequemste und schnellste. Aehnliche Vorgange sehen wir bei grosseren Stromen , die ja noch mehr den Venen vergleichbar sind, sich abspielen. Besonderes Interesse bietet die Ausbildung von Nebenbah- nen an der oberen Extremitat dar. Man kann das kurz als In- sel- oder Oesenbildung bezeichnen. Zwei solcher Inseln trifft man bei Embryouen bereits vielfach an. Die eine ist die um das Mus- kelfleisch der Brachioradialis verlaufende, gewissermassen eine laug gezogeue Masche, aber ursprunglich einer Mehrzahl von Ma- schen entsprechend. Die langs verlaufenden Seiten der Maschen 600 Dr. Karl Bardeleben, bleiben bestehen, die quereu gehen ein. Eineii aiialogeii Vorgang haben wir in der ja oft sclion friih erfolgenden, manclimal jedoch zeitlebens ausbleibenden Ausbildung einer von der Ellenbeuge bis zur Schliisselbeingrube sich erstreckenden Cephalica humeri vor uns. Urspriinglich fliesst das Blut vom Oberarm nach zwei Rich- tungen ab, nach unten in die Ellenbeuge, nach oben zur Schulter und Brust. In der Ellenbeuge liegt eine quere Vene, in die das Blut von oben (wie von unten) fliesst. Diese erbalt allmahlich (wohl Wachsthumsverschiebung) eine schrage Richtung. In Folge dessen wird das in der Capitalis aufwarts fliessende Blut, bei hier etwa eintretenden Hindernissen , so bei bestimmten Bewegungen und Stellungen des Armes, leichter in das nunmehr in die Rich- tung des Hauptstromes gekommene Stiick hineinfliessen , und schliesslich durch Erweiterung der absteigenden Vene resp, eines ihrer Aeste in das zur Schulter aufsteigeude Gefiiss gelangen kon- nen : der Venencirkel (Braune) wird gewissermassen durchbrochen, das Blut fliesst jetzt im unteren Theile desselben in umgekehrter Richtung wie friiher (die Klappeu in dem unteren Theile der spa- teren Cephalica humeri gehen so friihzeitig ein, dass ich iiber deren Verhalten hierbei bisher noch nicht habe ins Klare kommen kon- nen). Die so neben der Capitalis am Oberarm zu Stande gekom- mene Nebenbahn verlauft anfangs vor dem Biceps und wird erst bei starkerem Dicken-Wachsthume dieses Muskels allmahlich nach aussen in die laterale Bicepsfurche gedrangt. Die mannigfachen Bewegungen der oberen Extremitat gegeniiber dem einseitigen Ge- brauche der unteren machen es erklarlich, dass sich hier schon so fruhzeitig und in der grossen Mehrzahl der Falle die Neben- bahn ausbildet, wahrend es bei der unteren Extremitat mit einer Hauptbahn sein Bewenden hat (Braune). Die Cephalica humeri mit dem Oberarm theile der Hauptvene bilden dann eine Insel uni den Biceps und die Pectorales herum. — Man kann schematisch die Capitalis sammt ihren Aesten in dem primaren Verhaltniss mit einem langgestreckten K vergleichen, das am Hauptstrich noch einen Nebenstrich in der Mitte (Basilica) und einen am obersten Ende (Cephalica humeri ascendens s. superior) hat. Die beiden gebogenen Nebenlinien entsprechen dann der Cephalica humeri descendens und der vom Unterarm kommenden Vene, die gemein- schaftlich in der Ellenbeuge (V. transversa) miinden. Schliesst man das K nun zu einem R oder ^ , so repriisentirt dies Schema den Zustand nach Ausbilung der Cephalica humeri von der Ellen- beuge bis zur Clavicula. Schliesst man das R vollstandig zum Die Haiiptveuo des Armes, Vena capitalis bracliii. CO I B udcr ^ und vcrlilngcrt den Hauptstrich nacli unten , so hat man cin sclicniatischcs Bild fur die bciden Inselbildiingcn. (Dies ist alles fur den linken Arm gedacht.) — Inselbildungcn kommen ilbrigens auch bei der Saphona magna am Malleolus, an der Wade, am Knie, auch am Oberschenkel vor. Die Ilautvenen sind dann stellenweise doi)i)elt, niihern sich also hierin den Beglcitvenen. (Vgl. Jen. Sitzungsber. 1880. Miirz.) Das Vcrhiiltniss der oberflachlich en oder Hautvenen, spe- ciell das unserer Capitalis zu den tiefen oder Beg lei tvenen der obcren Extremitiit ist von Anfang bis zu Ende leicht zu verste- hen. Anfangs miissen die oberflachlichen Venen iiberwiegen, spii- ter kann sich das Verhiiltniss umkehren , wie es das ja an der untercn Extremitiit in der Kegel und zwar schon friihzeitig thut. Der Grund ist das ungleichmassige Vcrhiiltniss zwischen Ober- lliiche und Inhalt verschieden grosser Korper. Jene nimmt ceteris paribus mit den Quadrateu, dieser rait den Cubeu der Durchmes- ser zu. Tiefe Aeste der Capitalis, welche hier in Betracht kom- men, habeu wir drei, einen in der Ellenbeuge und die beiden Venae brachialos, der erstcre, aus einer Anzahl von Vorderarm-Begleit- venen entstanden, bleibt eigeutlich immer schwiicher, als die Haut- vene. Dagegen kann die eine Brachialis, wenn sie besonders stark ist, so auch, wenn wenig tiefes Blut in der Ellenbeuge nach aussen abgegeben wird, die Capitalis beim Erwachsenen an Kaliber iiber- treffeu. Meist kann man aber auch hier, sobald man sich nur das primitive Verhalten vergegenwartigt, constatiren, dass die Axillaris die Fortsetzung der oberflilchlichen Vene ist, nicht die der tiefen, welche in erstere mtiuden. — Anders ist dies bei der unteren Extremitiit. Erstens haben wir die colossale Massenentwickelung gegeuuber dem Arme, zweitens geht das Blut in der Kniekehle aus der Saphena parva, event, auch magna in die Tiefe, wodurch die Poplitca und dann weiter die Femoralis so sehr stark werden. Schon beim Gmouatlicheu Foetus iiberwiegt die Femoralis Uber die Saphena magna bei der Vereinigung. Der embryonale Typus der Capitalis und ihrer Aeste kann, von unwesentlichen Caliber- oder Richtungs-Aenderungen abgesehen, zeitlebens persistiren. Solche Fiille sind nicht uu- bekanut. Theile^) erwiihnt einen Fall, in dem „ein vom Ober- arm herabsteigender Hautast, gleichsam eine riickkehrende Haut- ^) V. Sommering-Theile, Gefasslehre. Theile hat iibrigens, wie ich iiachtriiglich sehe, schon die Basilica des Oberarmes als „eigent- liche Fortsetzung der CephaHca" angesprochcn. 602 Dr. Karl Bardeleben, vene" in die „Mediana" mundete: eine Cephalica humeri descen- dens. Schon friilier liatte Morgagni^) einen „defectum venae cephalicae" an dem rechten Arme eines starken Mannes notirt. Barkow^) bildet einen Fall von absteigend gebliebenem unteren Ende der Cephalica humeri ab. Ich selbst habe, abgesehen von fast ganzlichem Eingehen der Cephalica an dem unteren Theile des Oberarmes , seitdem ich auf dem Praparirsaale darauf geachtet habe, zu wiederholten Malen eine absteigende Vene in der late- ralen Bicepsfurche gesehen, welche in der Ellenbeuge in die Haupt- vene ging. — In Folge des Starkerwerdens von Aesten wird aus der an- fanglich geraden Linie, welche die Capitalis geht , eine gebrochene Oder gekriimmte. Besonders influiren hier Abgang resp. Einmiin- dung der Cephalica humeri, der Basilica und der tiefen Ellenbeu- genvene. Aber selbst wenn auch betrachtlichere Veranderungen in Caliber und Verlauf eingetreten sind, so wird man doch in der Mehrzahl der Falle beim Erwachsenen den oben geschilderten typischen Verlauf wiedererkennen oder reconstruiren konnen. Prac- tisch wichtig konnte das fiir Aderlasse in der Ellenbeuge werden. Die Veranderungen, denen das primitive und typische Verhalten der Hauptvene des Armes im Verlaufe der Entwicke- lung und des Wachsthums unterliegen kann, sind ausserordentlich mannigfach. Die so entstehenden Varietaten sind theilweise von practischem Interesse und hat man deshalb diesen Verhiiltnissen, besonders den Venen der Ellenbeuge von Seiten der Chirurgie und der Anatomie schon lange besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Man hat eine grosse Zahl von Varietaten beschrieben, ja man hat bisher, wie diese Zeilen zeigen sollen, eine Abweichung als Norm beschrieben und abgebildet, man hat, da man sich aus dem va- riablen und oft complicirten Befunde beim Erwachsenen uicht recht herausfinden konnte, fiir den Unterricht ein ziemlich complicirtes, aber den Thatsachen der Entwickelungsgeschichte wenig entspre- chendes Schema construirt. Man kann nun, wenn man das pri- mitive Verhalten als Norm hinstellt, und das ist gewiss das Rich- tige, die verschiedenen Varietaten ziemlich eiufach daraus herlei- ten. Die Ursachen der Veranderungen sind theils Wachsthums- verschiebungen , grosseutheils aber jedenfalls rein mechanischo Einwirkungen , die in Folge des quantitativ und qualitativ ver- ^) De sede et causis morb. epist. XIV art. 44. 2) Die Venen der oberen Extremitiit des Menscben. Breslau. 1868. r. S. XXV Fig. IV. Die Hauptvene des Armes, Vena capitalis bracliii. 003 scliiodencn Gebrauches dor Anno schr verschiudentirtig sicli aus- l)riigen werdcn. Ausserdeni spielcii auch hier wohl Vercibuiigs- vorgangc eiiie llolle. Lassen wir diese letzteren, luit dcncii man ja schliesslieli Alles „crklareu" kaiin , bei Scite, so kann der Typus der Capitalis in folgonder Weise modificirt werden. Die Vene selber sowohl wie ihre Acste konncn erlciden: A) VerJinderung des Calibers, partielle oder totalc, absolute und relative Vergrosserung und Verkleiuerung, und zwar durch ZuflUsse oder Abfliisse. Diese konueu sein: 1) oberflachliche , radiale, ulnare, volare, dorsale. 2) Tiefe, so besonders die tiefe Vene der Ellenbeuge, welclie ihre Zufliisse aus den Begieitvenen der Vorderarmarterien erhiilt. Hierher gehort das Eiugehen der Cephalica humeri descen- dens, andererseits ihre starke Ausbildung. Art und Ort der Ein- miindung der tiefen Ellenbogenvene spielen hier eine grosse Rolle. Erhiilt das Blut die Richtung medialwarts, so wird die Capitalis, — lateralwarts , so wird die Cephalica davon profitiren. Ferner kann ein Stiick der Hauptvene fast ganz eingehen, vielleicht so- gar total und zwar in der Ellenbeuge, Dann kann die Cephalica humeri als Fortsetzung des Unterarmstiickes der Hauptvene er- scheinen und das Oberarmstiick derselben als Fortsetzung der Ba- silica. Uebergange von der Norm bis zu diesem Extrem finden sich ausserordentlich haufig und in alien Niiancen. Sie sind es, welche zu der noch heute iiberall gebrauchlichen Nomenclatur Basilica und Cephalica Anlass gegeben haben. Entschieden selten ist dagegen die Ausbildung einer starkeren Vene in der Mitte der Volarseite des Vorderarms, einer „Mediana superficialis", die sich dann mit je einem Aste in die „Basilica" und „Cephalica" ergiessen soil. Es kommt allerdings, auch bei Embryonen (vgl. oben), ofters ein grosserer Ast vor, den die Haupt- vene in der Ellenbeuge zwischen Einmiindung der Cephalica hu- meri und Basilica erhalt. Bei stiirkerer Entwickelung kann dann eventuell das erwahnte Verhalten zu Stande kommen oder vorge- tauscht werden. Es ist aber eine seltene Ausnahme. Ganz iiber- fiiissig sind demnach die Namen: „Mediana" (superficialis), Med. basilica, Med. cephalica, Med. communis etc. Sie stiften nur Ver- wirrung an. V. mediauae sind die Begieitvenen der Arteria me- diana zu nennen, und nur diese. — Bei alien in der Ellenbeuge eintreteuden Umwalzungen pflegt aber doch das betreffeude Stiick 604 Dr. Karl Eardeleben, (ler Hauptveiie, die sog. „Veibindung zwischeu Cophalica des Vor- derarms und Basilica des Oberarms" deutlich als starkere Veiie zu persistiren. Das ist den Chirurgen wohl bekanut (vgl. z. B. Bardeleben, Chirurgie, 8. Ausg. Bd. I, S. 203); pflegt man doch hier zur Ader zu lassen. B) Veranderung der Richtung. Jede Vene kann durch starkere Aeste mehr oder weniger abgelenkt werden (vgl. Roux, Jen. Zeitbchr. XII). Selir deutlich ist dies sclion friihzeitig an den beiden Stellen zu sehen, wo die Cephalica humeri, richtiger die Transversa cubiti — und wo die Basilica in die Hauptvene mundeu. Ausser durch diese direct-mechanische Einwirkung des Blut- druckes konnen Stamm und Aeste durch Wachsthumsvorgange ver- schoben werden. Ein Beispiel bietet hierfiir die Cephalica humeri in der EUenbeuge und am Biceps, wie ich das oben erlautert babe. C) Veranderung in der Richtung des Blutstromes. Auch hierfiir ist die Cephalica humeri zunennen, die anfangs als Ast der Capitalis ihr Blut nach unten sendet, wahrend es spater aufsteigt. Trotz der Stromes-Unikehr bleibeu aber die nach unten gerichteten Aeste bestehen und bezeugen noch beim Erwachsenen die friihere Existenz ciner absteigenden Vene. In der Capitalis des Oberarms selbst, also der bisher sog. Basilica humeri, findet eine Umkehr des Stromes niemals statt, und riicklaufige Aeste wird man an der medialen Seite des Armes vergeblich suchen. Ein Vergleich der V. capitalis mit der V. sapheua magna lehrt, dass diese beiden Venen homolog sind. Beide ver- laufen vom Riicken des Endgliedes der Extremitat an der inneren (tibialen, radialen) Seite des Unterschenkels resp. Unterarmes, sodann an der inneren Seite des oberen Gliedmasseuabschnittes. Die Saphena liegt bei Embryonen mehr nach der Kniebeuge zu, als bei Erwachsenen. Ferner miindet bei jcnen die V. saphena parva, welche der Basilica homolog ist, in die Saphena magna. Communication mit den tiefen Venen besteht in der EUenbeuge wie in der Kuiekehle. An der unteren Extremitat gestalten sich dann spater diese Beziehungen anders. Schliesslich diirfte die schon bei Embryonen deutliche, an der Riickseite des Oberschen- kels herabsteigende V. femoro-poplitea, welche in der Kniekehle mit den Saphenae und dem Verbindungsaste zur Poplitea zusammen- hilngt, der Cephalica humeri descendens homolog zu setzen sein. Die bctreffende Vene der unteren Gliedmasse bleibt zeitlebens ab- Die Hauptvcuc des Armes, Voiia capitalis brachii. 6U5 steij^cnd, oiii UmstiUid, dur wohl luit dcr stiirkcn sccuiidilicii Kr- Avcitorung' der tiofcii BegleitviMieii , Pojjlitea mid Fciuoralis, zu- samiiRMdningt, welche gewisserniassen die physiologische Leiistung der Nebeiibahn Ccphalica humeri mit ilberiiehmen. Zu eingeheiideren Vergleichen mitTliieren, wenigstens gros- scren Siiiigethiercn, fehlen bisher die Grundlagen. Vielleicht ist es inir spiiter vergonnt, die vergleichende Anatomie des Venensyste- uies — fur die Gliedniasseu noch ziendicli vollstandige Terra in- cognita — an der Hand eines grosseren Materials systeniatiscli zu bearbeiten. Eigene Erfahrungen besitze icli bisher uur fur Huud, Ivatze, Kaninchen und zwar luir fiir geborene Thiere. Fiir grossere Siiuger stand mir nur die Literatur resp. Abbildungen zu Gebote. Enibryonen scheincn auch hier ebensowenig daraufhin untersucht zu sein, wie beim Menschen. Und die Beschreibung der Venen des erwachseuen Thieres (Pferd, Kind, Schwein etc.) leidet, wie es scheint, an denselben Maugelu, wie die bisherige fiir den Men- schen, welche ausserdem mehr, als es im Interesse der Sache liegt , die descriptive Anatomie der Hausthiere beeinflusst haben diirfte. Schliesslich fehlen dann auch hier niclit die Varietaten, sodass die Beschreibungen und Abbildungen von Gurlt, Leyh, Leisering, Chauveau, Franck durchaus nicht iibereinstim- men, abgesehen davon, dass sie theilweise etwas unbestimmt und unklar sind. Als Resultat des Studiums von Literatur und Abbildungen ergab sich mir daher zunachst die Ueberzeugung , dass grtindliche systematische Untersuchungen des Venensystems bei den Siiuge- tliieren, vor allem an embryonalem Material, dringend nothwendig sind. Soweit ich aber habe constatircn konnen , besteht, wenu wir von der grossen Differenz absehen, welche die anderweitigc Gestaltung von Carpus, Metacarpus und Phalangen bei den Sauge- thieren bedingt , eine ganz unverkennbare Homologie der grossen Armvene bei jenen und dem Menschen. Hier wie dort zieht sie an der radialen Seite bis zur Ellenbeuge und dann an der inuereu Seite des Oberarraes weiter. In der Ellenbeuge besteht Communication mit tiefen Venen, ferner Einmuudung einer, wohl der Basilica zu vergleichunden Veue und schliesslich geht auch bei den Saugern eine Cephalica humeri in der Ellenbeuge ab, um schliesslich die grosse Hauptvene wieder zu erreichen. Diese Ceplialica humeri zeigt bei verschiedenen Gattungen sehr verschiedene Ausbildung, so ist sie beim Pferde 606 Dr. Karl Bardeleben, viel scliwiicher , als die Fortsetzung der Capitalis und gelit unter betraclitlicherem Winkel ab. Noch schwacher ist die Cephalica humeri beim Rinde, starker beim Schwein, am stiirksten, wie es scheint, bei den Raub- und Nagethieren, also denjenigen Thieren, welche ihre Extremitaten schnell bewegeu, sowie die vordere Ex- tremitat vielseitiger , z. B. audi als Greiforgan, also menschenahn- licher gebrauchen. Obwohl embryouale Befunde noch fehlen, glaube ich doch nicht fehl zu gehen, wenu ich auch ftir die Sauger die Existeuz einer V. capitalis, wie ich sie oben fiir den Menschen dargethan zu baben glaube, statuire. Eine starker entwickelte Ce- phalica humeri , die auch dort wohl ursprunglich aus zwei hetero- genen Elementen besteht, diirfte dann gleichfalls als secundare Bildung, als Nebenbahn (Insel) aufzufasseu sein. Ihr auffalleud verschiedenes Verhalten bei den genannten Gattungen macht dies schon jetzt wahrscheinlich. Die Hauptvcne dcs Armes, Vena capitalis bracliii. G07 Erklarung der Abbilduugen auf Tafol XXVIII. Allgemein giiltigc Bezeicliniingen : b Vena basilica br Musculus brachioradialis (supinator longus) ca Vena capitalis bracliii ce Vena cephalica (humeri) ce. p Vena cephalica pollicis ce. s Vena cephalica (humeri) superior s. ascenclens d Musculus deltoides p Musculus pectoralis major p. c Vena profunda cubiti si Vena salvatella t. c Vena transversa cubiti. Fig. 1. TJnterarm und Theil des Oberarms, rechts. Embryo Xo. 5. St. Sch. 5,8. g. L. 8,2. Fig. 2. TJnterarm und Theil des Oberarms, links. Embryo No. 8. St. Sch. 6,8. g. L. 9,7. Fig. 3. Linker Arm des weiblichen Zwillings No. 27. St. Sch. 20. g. L. 28,5. Fig. 4. Eechter Arm desselben Embryo. Fig. 5. Linker Arm des mannlichen Zwillings No. 28. St. Sch. 20,5. g. L. 29,5. Fig. 6. Eechter Arm desselben Embryo. Fig. 7. Verlauf der Venen in der Gegend der Ellenbeuge, links. Embryo No. 29, weibl. Hemicephalus. St. Sch. 13,5. g. L. 24. Fig. 8. V. capitalis am Vorderarm und in der Ellenbeuge, rechts. Inselbildung um den Brachioradialis. Embryo No. 30, weibl. Hemicephalus. St. Sch. 15,5. g. L. 28. Fig. 9. Verlauf der Venen im mittleren Theile des linkon Ar- mes. Embryo No. 31, weibl. Hemicephalus. St. Sch. 16. g. L. 27, 608 Dr. Karl Bardeleben, Die Hauptvene des Armes. Fig. 10. Eechter Arm desselben Embryo. Fig. 11. Linker Arm des Embryo No. 34. St. Sch. 22. g. L. 33,5. Eig. 12. Ellenbeuge - Venen eines Erwachsenen, nach Barkow's (1. c.) Eigur lY. 2 1/2 Mai verkleinert. Mit Ausnahme von Eigur 12 sind alle Abbildungen direct und in natlirliclier Grosse (Eig. 9 und 10 etwas vergrossert) uacli der Na- tur gezeicbnet. Druck von Ed. F r o m ra a n n in Jena. Jenaische Zeitirhrift B-' X^y TafT Wiedersheim fee. Verlaf i/. Custav Fischer i.Jena Litb.AnstvG.C.MiJller.Jena. '"*^*: Jriiiusriif ZiitxrJin/t.Bd. Ali"^ U7r. Fi,/.lt>. Fi,///. Fi,/./.'}. Fi;/. i't >iiw.< \A i Fitj. 13. .f' m Fit/. /S. I'listPisi'liei' ,:\ 2^\^ Fin. I!). iq./U. 1 1 1 4 \ w Fig.n. ^lH JtiiiiiselK '/.dlsvliiil't . I'hI:\ II'. TtUil X. Fi,/. /. 3' ...Hi. Fiij.. -r Fig. 3. Fit/. *. # (f ?1f Its-- '■-'.'/■■ F,.j. Fi.i.H. '/'; /;,/- ■■'- /■■/./. III. Fi,j./I. I' ■'' (lusl.Kisi dW 1,1. " - w A t. I,- »o-..^lH ^ %./7. ■J^ P^-"- /.vX- C»--f- /s IJ' - Fiff./S. ^/ _^ .^ -~

/. r. ft,/. 8. Fi.i.l/. ■ .■/' '" Fi,/.:i. P .'I'- Fiy.6. Fi.,..9. Fit/. 'I. Fui. 10. Fi i;f' ■—- jauiifch- ZiiUilmlt. lUM'. Fig. I. Fy.2. Fin.3. TafclXin. Fig. 'I. \ Mr' Fifj. J. Fig. JO. ■^-JP. /, ■•1 lllj ' lul T Fig. (). Fig. II. Fig. I.J. Fk En u.j~ Utf' Me Mr .][,■' M,'° ,1,1 Fig. 7. Fia. IS. TS^^^^F Fig. IG. iitj' Ek Mc En Ev Mr .■/' \- -ngi xal Fig.S. Fill. I.'i. V .Ek En Me' * .^^'i Fig.Sf. Fig. 17. 3 0/ Fig.l'l. -F ^§ ,/ -...it si ■■■If ie". Verlag vor. Gust.Fisrlierin. Jena. Litli. AiL5t T E. A.F-anke, Leii' ;>', . leiiiiisfhe Zi-ilxriiiift. Hd. Xl\. FhjJ. 'IhHllV O.Eenwij, l«l. Fi^J. FiijM \ /. ^: Fiy.^. Fi/j 7. Fifj.S. V .:--ds Fu).:i. rfO' >•:,■ t: f'itiA. ,h76['^. FUj.O. Fiq./I. '('/ 1 I' ,• '\ En A' J' 0 Fiij. 10. 0 » ,r' ,U E c Fijj.lt t 1 I ■u \ Ek Ek V'exlag voii Oust. Ftscl\er m. Jena. Jimaischf ZeitidirHi , B/LVr Fio-.l, Fi^2. ..---'m^\ Fin- 5. ^Or JSSSiSl-. mi. fi?.6. A >1 -),!>, Kg: 12. ■• • ;. -^ © / >-.■; .»--■* ly 9 « iv -iJ, \* Tal'.»; ■\v. -^Ttv/:^ j"!. Verlag'v. Custav Fischer mi Jens Fig.5. ... I .. ■Hjf,i'iS i?Mfe^ Fig- h' ,1 I,- f Fi?.5. rw^A 'i-^^:- Ml// I Fi?8. Fig. 13. T - • ■ '' • ■/ ^ "^\" ^ Pig'. 14. 1 ;?-i '£ft'.)Js ■ . "^/|;^ # .'T> l.J ■V, / : "'■ ^'.V'.!" If!! Jmaisdu; Znltc]wiR,Bd^-x % ^mjjMM^' -A ■-■i^.^--( Fig-. 3. ^^if -P I%10. ?#y##*. ix.ntrtwij;' del. V'eriagv.Ciistav Fischer i.Jena Lif/i./\nst.^.CC.Muller,Jena Jaiaiseht; ZaJst'lirHi , Bf/.W Tal'.XIX, Pial. I'i-j-.;;. r^ rig.i :/, Ah '^^^^^ 'IW I -. I Pie 16. ■ ■* \ i:d /. /■''_x'' 1-^ Tin' 4 Fk. ' McrUvig Oel Verlag'v. Gustav Fischer jnjpna. Lithinst,*.C.C.MiillerJei:ci Jamische Zeitsihiifi, BfLW^ Tiit^XX. I-Vl. VM't. 'i' [fell. .«*:^. ) i I 1 1 **„* ***^ ■t*, feS ,isf "rv.^ Yit 10. '.'■'lis;. , Gustav Fischer in Jena. Liih Anst.v.C.C.MullerJena. Jmaisdte Zcitsdiri/J.BdJW FigM. TnC.XXI. FI0-.2. Firf.S. Fi.'lS i^,:' ^,3 r nertwig dfl. Verlafi' V Gusfav Fischer mi Jena. Li»i.Anst.v.G,C.Muller,Jem. Jeiumdtc ZeitsdiriA. Bd.XIF Tal'XXD C'Fr'jmnijnii h Vpilag V GiLstaviferher, Jena , Lidiijistif&.CMkJaa. I Jriumlte ZeUxMH. IttlAW JC ^4^ Dr.M.Dalm»r ,9 17. 10 Iff. /8. iv'M'i Ciistav Hiscliep in ■ fria m 4. 11 m 21 o. ^S:^. m. n o<) TaCXXID ^^ 14 Liih Ansi ./ > i/enaiAclte Zcilmhril'l. fid. .Wi 11 ^ :',9. JO. 31. ' . / — ■ J2 /) y ^'^ ,-s=— — ^- 1 :'»*'. V ^y\ j *" *'—' J V ■'v_- ,?// -^; TiiNat.jei.yDrM.Dalm.'.r, .?// # 4,9. 37. ^/,S JO. ~ V ^ ,?7. ,if^. .X? <>,. ''/('y "/.y. '^'Z '/? ■1^ oo. <>,;. 1 'rar.x.\n: ■Vi. .T'l 4 'I A < 4t;. -' t .v'V- •'-n/^^-' y^\ ,>o' rv ./^ ^ Vcrkg V. Guslav Pischer in Jena. Lnh.Aiii!.v.GC.Miiller.JeI>.i ,lmai.ichc Ziilsdmll, Bil.M. .>?/ G2 I / yy <>.; T;if'.X\T 6J Hf). 60. 6V. / / (i'l (I'A 'I ■^ \ \ In f ^ S6. 66. 68. i\yj V' ■J' 73. 7// 1- ■A 70. <^-\ ^// \^'^'=" v/ :> r r . Preis M. 25. — . Die Spongien des Meerbusen von Mexico von Oscar Schmidt, ord. Prolessor der Zoologie an der T niversitiif zu i>trassburg. Erstes Heft. Mit vier Tafeln in Lichtdruck uud Lithographic. Preis 8 Mark. Die Angiospermen und die Gymnospermen von Ur. Eduard Strasbiirgcr, Frolcssor der Hotanik an der T niversitiit Jena. Mit 22 Jafeln. Preis : 25 Mark. Die Anatomie der Gyiiinopliionen von Dr. Robert ^Ticdcrsheiin^ Professor zu Freiburg i. Br. Mit 9 Tafeln. kl. 4. Preis: 25 Mark. I u h a 1 1. Seite Prof. E. Wiedersheim, Das Gehirn yon Ammocoetes und Petromyzou Planeri mit besonderer Beriicksichtigung der spinalartigen Hirnnerven , mit 1 Tafel 1 Prof. R. Wiedersheim, Das Skelet von Pleurodeles Waltlii, mit derselben Tafel 25 Oscar und Richard Hertwig, Die Actinien anatomisch und histologisch mit besonderer Beriicksichtigung des Nervenmus- kelsystems untersucht. Fortsetzung aus Bd. XIII, N. F. VI 39 Dr. Alfred Fischer, Zur Kenntniss der Embryosackentwick- lung einiger Angiospermen , mit 4 Tafeln 90 Dr. Wilhelm Haacke, Zur Blastologie der Gattung Hydra. Specielle und generelle Studien zur Morphologie und Ent- wickelungslehre , mit 1 Tafel 133 Bei Ambr. Abel in Leipzig ist erschienen und durch jede Buchhandlung zu beziehen: ^ Herrn Prof. Dr. Jaeger's veriueiiitliche Eiitdeckung der Seele. Eine Widerlegung von G. H. Schneider. 62 Seiten 8. brochirt. Preis 1 Mark. Das kolossale Aufsehen , welches der Jager'sche Vortrag auf der vorjahrigen Naturforscherversammlung in Baden-Baden erregte, hat ein so allgemeiues Intercsse fiir das Jager'sche Werk und so manche Aeusseruugen fur und wider hervorgeru- ien , dass wohl Jedem eine fachmannische Beurtheilung willkommen sein wird. Verlag von Gustav Fischer vormals Fr. Mauke in Jena. Der Organismus der Medusen und seine Stellung zur Keimblattertheorie von Dr. Oscar Hertwig und Dr. Rich. Hertwig, a. 0. Frofessoren an der Uuiversitat Jena. Mit 3 lithogr. Tafeln. Preis 12 Mark. Druck von Ed. Frommann iu Jens. <^QX [PcJt / /fm. Jenaische Zeitschrift fiir NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medicinisch - naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Vierzehnter Band. JNeue Folge, Siebenter Band. Zweites Heft. Mit 8 Tafeln. Preis: 6 Mark. Jena, Verlag von Gustav Fischer vormals Fricdrich Maiike. 1880. Zusenduugen an die Eedaktion erbittot man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegebou am 22. Juni 1880. Verlag von (lustar Klschor in .(cna. ^ f Das System der illediiscii von Ernst Haockel, I'rofessor an dor Univcrsitiit Jena. Erster Band, gr. 4". Mit einein Atlas von 20 litliographischcu Tafeln. Preis 60 Mark. Dtr zweite Band ist im Druck und loird m Juli 1880 erscheinen. Der Organismus der Medusen und seine Stcllung zur Keimbliittertheorie von Dr. Oscar llertwig und Dr. Rich. Hertwig, a. o. Frofessorcn an der Universitiit Jena. Mit 3 lithogr. Tafeln. Preis 12 Mark. Der Organismus der Radiolarien von Dr. Richard Hertwig, a. 0. Professor an der Universitat Jena. Mit 10 lithographirten Tafeln gr. 4". Preis: M. 25. — . Die Anatomie der G-ymnophioneii Dr. Robert Wiedersheim, Professor zu Freiburg i. Br. Mit 9 Tafeln. kl. 40. Preis: 25 Mark. Die Spongien des Meerbusen von Mexico (und des caraibisclicu Meeres) von Oscar Schmidt^ Professor der Zoologie und der vergleichenden Anatomie au der Universitat zu Strassburg. 2 Hcfte. 1879 u. 1880. Preis: 18 Mark. I II h a 1 1. Seite Wiedersheim, Das Skelet und Nervensj^stem von Lepidosi- ren annectens (Protopterus ang.), mit 2 Tafeln .... 155 Korting, Ein neues Mikrotom, rait Abbildung 193 Oscar Hertwig, Die Chaetoguathen. Eine Monographie, mit 6 Tafeln . . .♦ 196 Verlag von Gustav Fischer in Jena. Das natiirliche System der Elasmobranchier auf Gruudlagc ihres Baues und der Entwicklimg ihrer Wirbelsaule. Eine morphologische und palaontologische Studie von €. Hasse^ 0. o. Prof, der meuschlichen u. vcrgl. Anatomie an der Universitat Breslau. Unter Mitwirkung der Herren Assistenten Prosector Dr. G. Born, Dr. B. Strasser und Dr. Ph. Stohr. Mit zwei Tafeln Abbildungen , zwei Stammtafeln iind sechs Holzschnitten. Preis: 10 Mark. In Vorbereituug : Ueber Zellbildniig und Zclltheihing von Dr. Eduard Strasburger, Professor an der Dniversitat Jena. Dritte ganzlich umgearbeitete Auflage. Mit 14 Tafeln. Erscheiitt im Jtdi 1880. Handbuch der vergleichenden Entwicklungsgeschichte von Francis M. Balfour M. A. F. R. S. Deutsche Uebersetzung von B. Vetter, Professor am Polytechnikum in Dresden. Der erste Band eracheint im Juli 1880. Druck von Ed. Fromniann in Jena. iofoJ'^_ M4o(i^rJ, . /^/, / 'tf . Jenaisclie Zeitschrift '^^ '^^s fur NATURWISSENSCllAFT herausgegeben von der medicinisch - naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Vierzehnter Band. JNeue Folg'e, Siebenter Band. Drittes Heft. Mit 8 Tafeln. Preis: 6 Mark. J e n ., ■: i: :€; Stntckmann. ;: '; .- -.. Mit 5 Taf. Abblldungen. 1880. Quart. 12 Mark. ... I ^ .;. -■■- •■ ■:■■-. /••.•iii.if ;|^i^ ,.■ ■ :> ■■:•■, Fruher erschien in gl e^ch em Verlage : Struckmanilj C, der Obere Jara der Umgegend von Hannover, :mit 8 Tfl£, Abbildungen.i 1.&78, _ Quart. 16 M. ■ • ' Bei Ambr. Abel in Leipzig ist erschienen und durch jede Buch- handlung zu beziehen: Systematische Darstelhmg tind Erklftruiig der thierischen Triebe und deren Entstehung, Eiitwicklung uud Verbreituiig im Thierreiche als Grundlage zu e^ner vergleichendeii Willenslehre G. H. Schneider. XX und 447 Seiten. 8<». gebunden. Preis: 8 Mark — Pf. Der Herr Verfasser , durch Haeckel zu seinen Untersuchungen angeregt, hat nach langjahirigen Beobachtungen und Experitnenten , die er besonders an niederen Seethieren in Neapel angestellt hat, nicht nur das Material iiber Thiergewohnheiten bereichert, sondern dieselben systematisch zusammengestellt und bestimmt , welche Hand]ungen instinctive ujid welcbe zweckbewusste sind^ wie die Instincte entstehen, wle weit sie sifcft' Vfeterben und verandern , und wie sich aus ihnen durch Associa - tionen die zweckbewussten Willensactioneni entwicfe^n. ', AUe ^Gewidhaheiten; zeigen nach dem Buche einen allmaligen Uebergang von den so einfachen Bewegungen der niedersten Thiere bis zu den complicirtesten Willensactionen des Menschen , und es lasst sich also auch in geistiger Beziehung der wunderbare Zusammenhang zwi- schen dem Schleimkorper des Urthiers und dem Herrn der Schopfung erkennen. Druek Ton Ed. Frommunn in Jen». — » Jcnaische Zeitschrilt fiir NATURWISSENSCIIAFT herausgegeben von der medicinisch - naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Vierzehnter Band. Neue Folge, Siebenter Band. Viertes Heft. Mit 6 Tafeln. Preis: 6 Mark. Jena, Verlag von Gustav Fischer vormals Friedrich Mauke. 1880. Zusendu.ngeu an die Kedaktion erbittet mau durch die Yerlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 5. October 1880. Vcrlag vou Gustav Fischer in Jena. Handbuch der vergleichenden Entwicklungsgeschichte von Francis M, Balfour M. A. F. H. S. Deutsche Uebersetzung von B. Velter, a. 0. Professor am Polytcclinikum in Dresden. Erster Band. Erste Abtheilung. Preis: 7 Mark. Die zweite Abtheiluny erscheint im October d. J. Ziir vergleichenden Anatomie der Muskulatur des Beckens und der hinteren Gliedmaasse der Ratiten. von Dr. Hans Gadow. Mit 5 lithographirten Tafeln. 40. Preis: 14 Mark. Die Spongien des Meerbusen von Mexico (und des caraibischeu Meeres) von Oscar Schmidt; Professor der Zoologie und der vergleichenden Anatomie an der Universitiit zu Strassburg. 2 Hefte. 1879 u. 1880. Preis: 18 Mark. Veber Zellbilduiig niid Zelltheiluiig von Dr. Eduard Strasburger, Professor an der L'niversitiit Jena. Dritte giinzlich umgearbeitete Auflage. Mit 14 Tafeln und einem Holzschnitt. Preis: 15 Mark. Die Anatomie der Grymnophionen von Dr. Robert Micdersheini, a. 0. Professor an der Universitiit zu Freiburg i. B. Mit 9 Tafeln. kl. 40. Preis: 25 Mark. 1 11 h a 1 1. Seitc Karl Bardeleben, Das Klappen-DistanzGesetz 467 Moritz D aimer, Ueber die Leitung der Pollenschlauche bei den Angiospermen, mit 3 Tafeln 530 Otto Hamann, Ueber kiemeutragendo Tritoneu, mit 1 Tafel 567 D. Brauns, Ueber Mustek itatsi Temminck uud Schlegel, mit 1 Tafel 577 Karl Bardeleben, Die Hauptvene des A.rmes, Vena capitalis brachii, mit 1 Tafel 586 Bei Ainbr. Abel in Leipzig ist erschienen und durch jede Buch- handlung zu beziehen : Die psychologische Ursache der hypnotischen Erscheinungen von G. H. Sclineider. 2V2 Bogen 8. Preis 1 Mark 20 Pf. Der bekannte Psychologe, Verfasser des Werkes: „Der thierischc "Wille", fiihrt, nachdem es ihm gelungen ist die meisten Hansen'schen Experimente nachzumachen , zum ersten Male alle Erscheinungen des sog. thierischen Magnetismus auf eine, durch die Manipulationen des Experimentators kiinstlich gesteigerte Eigenthiimlichkeit des Bewusst- seins zuriick. Er erklart so den Hypnotisraus psychologisch, was gewiss von hochstem Interesse fiir dicjenigen ist, welche die Erschei- nungen des thierischen Magnetismus kennen gelernt haben. Drucli voii Ed. From in aim in Jena. 9