M:-:- :p D^^C>- Ba^/ 1^38- HARVARD UNIVERSITY LIBRARY MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY GIFT OP ^ X"C /^ ;CC A.A-z^ <^^^ -r^,^— Jenaische Zeiisclirift fiir NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medicinisch - naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Neunzehnter Band. Neue Folge, Zwolfter Band. Supplement, Heft I. )yL-A..rnXQA entschliessen, sie an den gedachten Gegenstand ini Zininier niit gesehlossenen Augen hinzufuhren , obwohl es mir an iJbung fehlt. Vor allcm kommt es hierbei an auf eine Beriihrung. Eine Hand wild gewohnlich gewahlt und auf die Stirn des Gedanken- lesers gelegt oder von diesem erfasst. Es wird vvohl auch mittelst eines diinnen Drahtes, der um die Handvvurzel geschlungen ist, die Fulilung hergestellt. Auch beideHande konnen umfasst werden. Ferner ist nothwendig eine sehr grosse Concentration der Auf- merksamkeit. Dann merkt man, dass es einzig die Bewegungen des zu Errathenden sind, welche die Richtschnur beim Suchen abgeben. Fehlt es an unwillkiirlichen Muskelcontractionen , dann misslingt das Experiment ganzlich. Gelingt es, dann gelingt es aus d(!m Grunde, weil der auf die beriihrte Hand und Stirn vom Anfang an hochst gespannt achtende Gedankenleser sich in der richtigen Richtung fortbewegte in Folge von zustimmenden Arm- und Handbewegungen. Diese werden, auch wenn sie ganz schwach sind, von empfind- lichen Individuen leicht mittelst der Stirnhaut und der Haut der Hi'inde wahrgenommen. Solche in vielen Fallen durchaus nicht schwache, sondern deutlich zuckende und ziehende Bewegungen der Hand und des ganzen Unterarms treten bei Unbefangenen sehr leicht ein, wenn sie an die Stelle kommen, wo der ihre Vor- stellungsthatigkeit durchaus erfullende Gegenstand — ein Hut, ein Stuhl, eine Stecknadel u. dgl. — sich befindet. Sowie (iine verkehrte Richtung eingeschlagen wird, dann tritt ein ]eis(M- Widerstand des Beriihrten ein und bald darauf ein oft nur eben merkliches neues Drehen nach links oder rechts oder ein Ziehen nach hinten oder ein Schieben nach vorn, und diesen dinii Ik'treftenden selbst gerade bei den bestcMi Versuchen voUig unbekiinnten unwillkiirlichen Bewegungen entnimmt der empfind- liche Gedankenleser dic^ Weisung, wohin er zu gehen hat, wohin nicht, wo er stehen zu bleiben hat, wo er welter eilen muss. Streng genommen wird er also mehr gefiihrt oder wenigstens di- rigirt, als dass er selbst fiihrt, obgleich er vorgeht. Wenn die zu dem gesuchten Gegenstaiuh; hinfiihrende Rich- tung von vornhei-ein eingeschlagen wurde bei dem gemeinsamen Gange, dann bleibt oft die merkliche unwillkurliche Muskelbewe- 15 gung des Armos, wenigstens jede stiiikere Zuckung desselben, aus bis das Ziel (ureicht ist. Ob dabei AiKleruiigiMi der Pulsfrcquenz, welcho iiiclit einmal ininier eintretcn, iibcrhaupt von Helang siiid, selbst wenn sie erkannt wiirden, muss ich bezweifeln. Viele Ver- suche schliessen die Moglichkeit der Pulsbeobachtung gaiiz aus, und gelingeii dennoch. Wahrscheinlich kommen daher hierbei die pulsatorischen Schwankungen als Wegweiser gar nicht in Betracht. Kenut der Gedaiikenleser das aufzufindendc Object iiiclit, daiin concentrirt er seine ganze Aufmerksamkeit rait aller Willens- kraft, die ihm zur Vcrlugung steht, einzig und allein auf die ein- zuschlagende Richtung, und, wenn sie gefunden ist, auf die Er- reichung des Platzes, wo der Gegenstand sich befindet. Diesen letzteren selbst kann er dann nur durch Tasten errathen , iiidem bei der Beriihrung des richtigen Objectes wieder die eigenthum- lich sanfte zustimmende Bewegung des Begleiters eintritt , welclie man selbst erlebt haben muss, um diese ganze Erklarung zu ver- stehen und voll anzuerkennen. Kennt der Gedankenleser den Gegenstand vorher, hat man ihm das Armband, das Bild, den Bleistift, die Uhr, die Nadel, die Miinze vorher gezeigt, dann muss er dennoch nicht sogleich an ihn denken , sondern nur an die einzuschlagende Richtung, und erst wenn das Ziel erreicht worden, hat er wiederum durch Tasten das Object ausfindig zu machen, diesmal ohne auf missbilligende und gutheissende Bewegungen des Begleiters angewiesen zu sein, da das Object selbst ihm bekannt ist. Es handelt sich also in erster Linie um die Auffindung eines Ortes, um eine raumliche Orientirung bei diesen Versuchen. So- wie die dazu erforderlichen, fast immer unwillkiirlichen Bewegun- gen fehlen, sowie sie durch zu starke impulsive Bewegungen, etwa Zittcrn , gestort oder durch mangelnde Aufmerksamkeit des Be- gleiters unterbrochen werden, misslingt das Experiment ebenso sicher, wie wenn man verlangt, der Gedankenleser solle ohne Fiih- lung mit dem Sehenden dessen Gedanken aussprechen oder auf- schreiben. Schreiben oder Zeichnen, was dieser will, kann er nur, wenn seine Hand formlich gefiihrt wird. Darauf beruht das Er- rathen der Zahlen und lebhaft vorgestellter Figuren, welches mir deshalb leicht gelingt, vveil ich mich dabei ganz passiv verhalte. Ungeduld stort sehr auch den Seh(;nden. Selbst -bei der grossten tjbung und Empfindlichkeit misslingen die Versuche leicht durch Mangel an Geduld seitens eines der Betheiligten. Dabei ist zu beachten, dass ein Individuum, welches gewohn- 16 heitsmiissig nur sehr schwache iinwillkuiiiche Muskelbewegungon macht und sich fine gewisse Selbstbelierrschung aiigeeignet hat, zu den erforderlichen verratherischen Aktionen nicht bewogeu wer- d(!n kaiin, wenn os nicht will, ebenso wenig wie jeniand, welcher sie macht, gezwungen werden kanu, sie sich plotzlich abzuge- wohnen. Daher scheiterten regelmassig alle Versuche, bei donen ich von einem Gedankenleser erfasst wurde, obwohl ich mit peinlicher Strenge die Vorschriften eifiillte, aber alle Beweguugen der be- riihrton Hand uiiterliess. Die; ersten Versiiche derart nahm ein in Amerika „dressirter" mind-reader anlasslich des internationalen medizinischeu Kongresses zu London im August 1881 rait mir vor, ohne auch nur annaheinden Erfolg, well ich schon damals die tJberzeugung hatte und aussprach, man brauche nur nicht die Hand zu bewegen , um unerrathbar zn bleiben. Ich erblicke in diesen Vcrsuchen um so mehr eine Bestatigung meiner Erkliirung, als ein anderer Gelehrter von demselben Gedankenleser bei der- selben Gelegenheit jedesmal richtig an den vorgestellten Gegen- stand gefuhrt wurde, und ich selbst nur dann als Errathender Erfolg gehabt habe, wenn ich die erwahnten unwillkurlichen hem- menden und ziehenden Bewegungen fiihlte. Dasselbe scheint alien Gcdankonlesern auch bei ()ffentlichem Auftreten ausnahmslos zum Erfolge nothwendig zu sein. Denn dieser fehlt gauzlich, wenn der zu suchende versteckte Gegenstand den Ort verandert dadurch, dass ohne Wissen Desjenigen, der ihn versteckte, ein Dritter ihn anderswohin bringt. Sowie dieser Dritte selbst der nachtriiglich beruhrte ist, dann liisst er sich oft leicht in dem neuen Versteck auffinden. Dieses Gedankenlesen ist also nur ein Finden eines Ortes mittelst unwillkiirlicher Bewegungen. Wcr aber absichtlich den Gedankenleser durch iiberlegte Wen- (lungen und Armbewegungen leitet, der kann natiirlich ihn immerzu in die Irre fiihren und allerlei nicht zur Sache gehorende Seiten- wege mit ihm einschlagen, wofiir ich ebenfalls Beispiele anfiihren k()nnte. Uberhaupt ist die Grenze zwischen den hier allein betrachte- t(!n und nur dui'ch unwillkiirliche Bewegungen ohne irgend eine Tiiuschung zu Standc konmienden Leistungen und den ebenfalls als Gedankenlesen (thought-reading und mind -reading) bezeich- neteii Taschcinspielerlcunststuckchcn im einzelnen Falle nicht leicht zu Ziehen. Auf beabsichtigter Tiiuschung beruht das vielfach augestaunte Lesen von Namen oder Zahleu mittelst der Stirn- 17 haut, nachdem vorher das Papier, auf welches sie geschrieben wurdeii , zusammeiigefaltet worden ist. Ilier liegt ein solir ein- fachor Kuiistgriff vor, denn der angeblich mit seiner Stirn Lesende erkennt vorlier an den Bewegungen des Bleistiftes oder der Feder iind der Hand des Schreibenden die Form der Zitfern und Bueh- staben, wenn die Beleuchtung gut. ist, selbst in einer Entfernung von inehreren Metern. Ich habe, iim diese einfache Erkliirung, deren Richtigkeit mir gespriichsweise ofters bestritten wurde, zu beweisen, obgleich mir alle tJbung in derlei Spielereien fehlt, durch die Thiir hindurch, nachdem der Schreibtisch richtig gestellt und gentigend beleuchtet worden, mittelst einer kleinen Offnung gelesen, was 3 Meter weit geschrieben wurde, und zwar ohne das Papier zu sehen, nur auf die Bewegungen des Bleistiftes wahrend des Schreibens achtend. Das Auflegen der Zettel an die Stirn ist auf absichtliche Tau- schung berechnet. — Selbstverstandlich gilt die ganze vorgetragene Erklarung nur fur das Gebiet von festgestellten Thatsachen , fiir welches ich sie erprobt habe, das gewohnliche Gedankenlesen. Dieses verlangt keine weitere Voraussetzung. Und es gibt uberhaupt nicht eine einzige Thatsache, welche eine Gedankeniibertragung ohne wahr- nehmbare oder irgend welche sprachliche Vermittlung auch nur als vorlaufige Hypothese zuliissig erscheinen liesse. F'iir andere Erscheinungen sind andere Erkliirungen nothwendig, z. B. fiir das angebliche Auffinden gestohlener Gegenstande durch Gedanken- lesen. Moglicherweise kommt in solchen Fallen eiu Spiiren mittelst des Geruchsinnes in Betracht. .jjiijji. Derartige problematische, wenn auch vou ungeniigend Infor- mirten apodiktisch behauptete Dinge gehoren nicht in den Rah- nien des hier skizzirten Bildes. Das allein hier erorterte Gedan- kenlesen im engeren Sinne ist davon unabhangig, und meine Er- klarung desselben bezieht sich auf keine anderen Manifestationen. Dass diese Erklarung eine an sich bis jetzt nicht befriedigend aufgestellte Thatsache zur Voraussetzung hat, namlich den Ein- fluss des Vorstellungslebens und im Besonderen den der Anspan- nung der Aufmerksamkeit auf die Muskulatur, kann ihr nicht zura Vorwurf gemacht werden. Denn diese Thatsache steht schon langst fest und kann im gewohnlichen Leben leicht bewalirheitet werden, wenn man nur auf die verschiedenen Bewegungen achtet, die ein Mensch ausfuhrt. Schon das Schreien vor Schmerz, das Lachen beim Scherzen, das Schluchzen in trauriger Gemiithsstim- Sitzungsberichte 1885. I. Heft. 2 * 18 mung sind Beispiele fiir das Auftreten iinwillkiirlicher specifischer Muskelbewegungen bei gewissen geistigen Erregungszustandeii oliiie erkennbaren nothwendigen Causalnexus. Aber es gibt iioch vide, welche einen direkten Zusamnienhaiig beider ebenso vermissen lassen. Weiin das Kind schreiben lernt, danu bewegt es oft die Zunge hill uiid her, schiebt es sie zwischeii die Lippen vor, iind wenn es beim Kopfrechnen Schwierigkeiten begegnet, daiiii dreht es wohl den Kopf und lunzelt die Stirn. Passionirte Kegler pflegen nach jeder Kugel, die sie entsenden, irgend eine nicht weniger iiberfiiissige Bewegung mit der Hand oder dem Fusse oder sogar mit dem ganzen Korper auszufiihren , und das unnothige , manch- mal kaum merkliche Tactschlagen des Zuhorers im Concert mit Hand und Fuss gehort ebenfalls hierher. Die unwillkiirlichen Be- wogungen der Gedankenleser haben sogar noch eher einen kennt- lichen Zusanimenhang mit den lebhaften Vorstellungen , denen sie ihren Ursprung verdanken, als zahllose unniitze Muskelkontractio- nen der Kinder mit ihrem jeweiligen Gemiithszustando. Schliesslich ist noch zu erwiihnen die regehniissig nach An- stellung gegliickter Experimente im Gedankenlesen eintretende Ab- spannung. P]in eigenthiimlichos Erniiidungsgefiihl tritt auf, wahr- scheinlich deshalb, weil das mehrere Minuten king fortgesetzte Halten des Armes in derselben Lage und die enorme ununter- brochene Concentration der Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Gegensland mit ciner ungewohnlichen Steigerung der Gehirnthatig- keit verbunden ist. Ausserdem ksam die ungewohnte, oft lang- daucrnde Beriihrung eines Fremden zu Hautnervenerregungen fiih- ren , die, weil sie vollig neue sind, ebenfalls die Ganglienzellen stark in Anspruch nehmen incigeii. Die Wirkungen der Beriihrung zweier Menschen aufeinander sind jedenfalls sehr complicirt und theils erregcnd , theils beruhigend. Soweit sie aber beim Gedan- kenlesen in Betracht kommen , fiir beide Theile nichts weniger als beruhigend. Daher ist die Anstellung solcher Experimente im Salon nur zur Kurzweil durchaus nicht unbedenklich. Ohn- niachton kommen dabei nicht ganz selten vor. Viele haben mich v(M'sichert, es seien auf die Versuche schlaflose Nachte mit Kopf- schmerzen gefolgt, und die Modekrankheit, die Nervositjit, kann durch derartigc, tJbungen nur begiinstigt wcrden. Es hat auch kcinen wissenschaftlichen Nutzen, die Experimente in der bisher iiblichen Weise vor einem grossen Publicum zu ver- vielfiiltigen ; denn die fundamentale Thatsache von der Abhiingig- 19 kcit dcs iMuskclsystcms von psychischen Vorgitngen ohne bewusste Betheiligung des Willeiis stclit fcst, und die Art und Weiso, wie l)ei Coiicontration der Aufmcrksamkeit auf eine eiiizigc schr klarc Vorstellung ungewollt Muskelzusamnieiiziehungen vou bestimmtem Charakter eintretcn , liisst sich nur im Ijaboratorium diircli ver- einto physiologische , morphologischc und physikalischc Unter- suchungcn ermittebi. Die eiugangs erwahnto Methode kann audi iiach dieser Richtung verwerthct werden. Es liegt im Entwicklungsgang der Physiologic, dass man friiher fast immer nur iiacli Thatsachen suchte, um die Abhangigkeit des Geistes vom Kiirpei- zu bewcisen, abcr Beweise fiir die Abhangig- keit des Korpers vom Geiste nicht suchte. (jlerade! dicse aber siud besonders geeignet, die Erkenntniss zu fordern und niehr Licht zu bringen in das uralte Problem vom Zusammenhang des Leibes und der Seele." Der Vortrag des Herrn Walter iiber Schmetterlingsmund- tlieile wird auf die nachste Sitzung verschoben. Herr Bardeleben kiindigt seinen bereits friiher (s. Berichte fiir 1884) angemeldeten Vortrag iiber die Entwiclelung der Fuss- wurzel wieder an. H. Shzuiig am 6. IVhriiar 1885. 1) Zuerst sprach Herr Alfred Walter: Zur Morpliologie der Schmetterliiigsmuiidtheile. Schon im vorigen Jahrhundert hatte Christian Fabricius da- rauf hingewiescn , dass in den Mundwerkzeugen eine treffliche Handhabe zur Classification der Insekten gegeben sei. Er gclangte indess dahin , zwei von einander weit getrennte Typon , Insekten mit beissenden oder kauenden und solche mit saugenden Mund- theilen aufstellen zu miissen. Savigny gelang es sodann 1816, die Homologie dieser Organe an siimmtlichen Ordnungen der In- sekten durchzufiihreu, auch bei den saugenden Insekten allent- halben die gleichen Stiicke nachzuweisen, welche den Mundapparat der beissenden zusammensetzen. Die vermittelndcn Uebergange zwischen den mannigfachen Variatiouen des im Wesentlichen zwar gleichen Grundplanes fehlten indess iiberall, die Ordnungen stan- den mehr oder weniger scharf umschrieben neben einander und sind 2* 20 wir bis heute darin kaum weiter gekommen, wie denn iiberhaupt tiber deu iiatiirliclien Zusammenhaiig der Insekteiiabtheilungen so grosse Unklarheit herrscht, als kaura in einer anderen Thierklasse. Die grosseste Eigenart zeigt unzweifelhaft der typische Saug- apparat der SchmetterliDge , sodass bislang noch nirgend ein An- klang an eine Form aus anderen Ordnungen bekannt geworden ist. Vor zwei Jahren beganu ich aus diesem Grunde eine mog- lichst vollstandige vergleichende Untersuchung der Schnietter- lingsmimdtheile, die sicli allmahlig iiber etwa dreihundert Species in einer Individuenzahl von mindestens siebenhundert Exemplaren aiisgedebnt hat. Die kolossale Formenmenge binderte bisher ein vollkonimenes Erreicben des vorscbwebenden Zieles, doch glaubte ich nun endlich auf den recbten Weg gelangt zu sein. Werfen wir zur Orientirung einen Blick auf das als geraeinsamen Aus- gangspunkt aller Insektenmundtbcile giiltige Schema der beissen- den Oder kauenden Mundwerkzeuge , so finden wir dasselbe aus folgenden Tbeilen gebildet : Eine unpaare, in ihrer Form variirende und stets sicb von der Mitte des Clypeus oder Stirntbeiles des Kopfskeletes absetzende Oberlijjpe oder Labrum. Seitlich unter ibr die Mundoifnung iibergreifend ein Paar Oberkiefer oder Man- dibulii, durcb starke Hornzahne an den Schneidenrandern sich als Kauladen documentirend. Ferner zwei Paar Maxillen. Das erste dieser setzt sicb in jeder seiner Halften aus folgenden Stucken zusammen. Ein Angelglied oder Cardo, ein Stielglied oder Stipes. Von diesem entspringt nach aussen ein mehrgliedriger Palpus maxillaris, bisweilen noch von einem gesonderten Plattchen der Squama palpigera. Nach innen zwei getrennte Maxillartaden, die innere Mala interna, die iiussere Mala externa (in speciellen Fallen auch galea) genannt. Das zweite Maxillenpaar liefert durch un- paare Verwachsung in ibren basalen Theilen die Unterlippe oder das Labium. Die verwachsencn Cardines stellen bier das Sub- meutum dar, die verwachsencn Stipites das Mentum. Von letzterem entspringen die Palpi labiales. Von diesen nach innen die frei bleibenden Aussenladen oder Malae externae. Zwischen letztcren (indlich lieg(!n die Innenladen, stets enge aneinander gelegt, oder meist sogar verschmolzen , so die cigentliche Insektenzunge oder Ligula der Autoren reprasentirend. Zu diesen bis auf die Ober- lippe paarigen Organen kommcn noch, wahrscheinlich alien lu- sekten eigen, jedenfalls an den meisten schon nachgewiesen, zwei unpaare Theile. Frstens dor Epipharynx als Ausstiilpung der oberen Kachen- oder Schlundwand und zwei tens der Hypopharyux 21 als eiitsprechende Aiisstulpung (ier untcrcn Kachenwand. Wiihrend der Epipharynx stets mehr oder wciiigcr niit der Oberlii)pe vciwachst, gcht der Hypopharynx niit der Unterlippc eiiic Verbindung ein. Lotzterer dicut als Leitorgan fiir das Sukret der an seiuem Gruude mundeiideu Speicheldriisen. — Blickeu wir daiicben auf das von Savigny gegebene Schema fiir die Schmetterlingsniundtlieile , so sollte dort in ciner dreieckigeu , meist spitzen menibranos chiti- nosen Platte die Oberlippe zu erkennen sein , zwei seitlich davon angebraclite niit starkeii Borsten an ihrem Innenrand besetzte Flatten die Rudiniente der Mandibeln darstellen. Der Saug-Roll- riissel wird von den Laden des ersten Maxillenpaares (hier bloss in Eiuzahl vorhauden) gebildet, die mit ausgehohlten Innenflachen sich aneinanderlegen und so den Saugkanal entstehen lassen. Der Riissel eutspringt vom Maxillenkorper oder der Riisselbasis, die durch Verschnielzung von Cardo und Stipes cntstanden sein sollte. Jene beiden Glieder lassen sich indess in sehr vielen Fallen noch deutlich unterscheiden, bald noch durch eine Trennungslinie, bald wenigstens durch gesonderte Muskelansiitze. Vom Stipestheil ent- springt der Palpus maxillaris, bei den hoheren Lepidopteren stark reducirt, bei den niedersten Kleinfaltern miichtig entvvickel^. Die Unterlippe endlich bildet eine spitz dreieckige oder herzformige Chitinplatte, von der die meist drei, selten zweigliedrigen Labial- palpen entspringen. Biswcilen deutet eine senkrechte Mittellinie noch die Verwachsung des I^abiums aus zwei Halften an. — Meinert in Copenhagen und Tichomirow in Moskau hat- ten nun schon vor vier bis fiinf Jahren die Ansicht ausge- sprocheu , dass die von Savigny als Mandibeln gedeuteten Theile nicht wohl solche sein konnten, sondern wohl zur Oberlippe ge- horen mtissten, worauf dann die als Oberlippe friiher gedeutete Platte ein Analogon zum Epipharynx anderer Insekten sein diirfte. Beide Autoren hatten indess, bios hochentwickelte Grossschmetter- linge uutersuchend, beim weiteren Homologisiren Fehler begangen und ihre Meinung nicht zur Geltung bringen konnen, so dass nachher erschienene Arbeiten, so von Kirbach, stets die alte Deu- tung beibehalten hatten. — Jene friiher fiir Mandibelreste ange- sehenen Theile sind nun in der That keineswegs selbstandige Or- gane. Starke Verhornung der Rander, bedingt durch den Borsten- ansatz, liessen eine selbstandige Abgliederung vertauschen. Sie hangen in der Mitte gleichmassig zusammen und stellen somit nichts weiteres dar, als die stark vorspringenden Ecken einer tief ausgeschnittenen Oberlippe. Die als Oberlippe gedeutete feinste 22 Borstcheu trageude Platte ragt unter dem mittlercn Theile jeuer vor, ist bios an der Basis mit jeiier verwachseii uud somit zweifel- los ein Epipharynx. So deutlich ich diese Lagerungsverhaltuisse an zalilreichen Praparaten erkennen kann, verniag ich den Beweis nun noch daduich zwingeud zu machen, dass ich echte Mandibeln auch an Schmetterlingen neben den zwei erwahnten Organen auf- gcfunden habe. Die Angaben Meinerst's luid Tichomirow's vom Vorkomnien solcher bci Grossfalteni , nach Meinert einzig in den Genera Smeiiuthus und Zygaena, muss ich zuriickweisen. Fur siimmtliche Grossschmetterlinge leugne ich durchaus das Vor- handensein von Oberkiefern, auch in rudinientarer Form. Sie sind mit der Ausbildung des Saugrussels ausser Funktion gesetzt und auf Kosten dieses bis zum Schwund eingezogen. Dagegen finde ich die Mandibeln noch in der Form beissfahiger Kauladen in der Kleinschmetterlingsgattung Mieropteryx, welclie ich schou in meiner Dissertation in Uebereinstimmung mit Speyer auf Grund der sechsgliedrigen Maxillarpalpen als niederste Schmet- terlinge in Anspruch genommen hatte. Unter Oberlippe und Epi- pharynx liegen hier diese Organe als starke Hornstiicke. Kraf- tige Hornzahne am Schneidenrande, zwei der fiir diese Kauladeu typischen Gelenkhocker, uebst einer Gelenkgrube am Basalrande, schliessen jeden Zweifel der Deutung aus. In reducirter Form vermochte ich Mandibeln dann noch in einigen Kleinfaltergattuugen zu erkennen. So sind sie zahulos lang und mehr sch^Yertformig bei Tinea und Tineola sowie bei Hyponomeuta. Mehr kolben- oder keulenformig bei den Pyralo-Crambiden etc. schiebeu sich aber stets, an den Geua oder Wangentheilen des Kopfskeletes eingelenkt, mit ihrem Schneidentheile zwischen die Oberlippenecken und die Riisselbasis ein. — Auch die iibrigen Mundtheile des Mieropteryx zeigen ein noch hochst primitives Verhalten. Am ersten Maxillenpaare sind Cardo und Stipes vollig gesonderte Glieder. Von letzterem geht nach aussen der sechsgliedrige Palpus maxillaris ab, in zwei- bis dreil'achcr Kniebiegung sich iiber die Gesichtsflache legend uud die Mundtheile vollkommen verdeckend. Neben ihni finden sich zwei getrennte Maxillarladen. Die iiussere dieser stellte die primitivste Aniage eines Schmetterlingsriissels dar. Als kurzer im oberen Theile weichhautiger, an der Basis verhoruter Schlauch, Oder kurzes Ziipfchen, tragt sie an der Innentlache lange Chitin- anhilnge, die ihr ein kammformiges Aussehen verleihen. Die Inneiilade besteht aus einem stark hornigen hohlmeisselformigeu J3 Stuck, das mit seiner Iliiiiie seillicli die luiientheile der Unterlippe sttitzt. So venuogen bich die Riisseliuiliigeu iioch iiicht aiieinander zu legeu, soudern stehen weit getreunt an den Seiten der Miiud- otf'nung, bios mit den Spitzen convergirend. — An der Unterlippe eutspringen voin Mcntuni dreigliedrige Labialpalpen, liinter diesen zwei mit starken Borsten besetzte Chitinplatten, die tVeien Aussen- ladeu, zwischeu diesen endlich finden sicli die Innenladen zu einem kurzeu breiten llohrchen verwacbsen , das von innen nach aussen abgestutzt, nach aussen geotfnet sclieint. An die helle membranose Innenvvand dieses legt sich nocli ein zweites Rolir- chen Oder Halbrohrchen, das als Hypopharynx in Anspruch zu uebmen ist. Bei den hoheren Micropterygiuen iindert sich bereits das Verhalten. Bei ihnen liaben die Mandibeln bereits die Zahne- lung verloren. An den crsten Maxillen findet sich bloss eine Lade, die durch Aneinanderlegen der beiderseitigen Theile einen kurzen schon Idcht rollbaren Riissel bildet. Die Unterlippe ist lang und spitz ausgezogen, liisst am Grunde aber noch das Hypo- pharynxrohrchen erkennen. — Unerliisslich war bei dem vorge- setzten Plane audi eine Untersueliung derjenigen Kleinschmetter- linge, deren Metamorphose sich im Wasser abspielt. Etwa 10 Arten solcher, aus vier bis liinf Genera, sind in Deutschland ein- heimisch. Unter ihnen ist A c e n t r o p u s am innigstcn ans Wasser gebunden. Nicht allein, dass die Raupe und Puppe untergetaucht an Ceratophyllum submersum, seiten an Potamogetou, leben, sou- dern auch die Imago, das ausgebildete Insekt, entfernt sich nie von dem Spiegel des Wassers. Nach Angabe der Beobachter flattert das S iiber demselben auf und nieder, sich auf schwim- mende Blattchen etc. setzend. Das flugunfiihige P sollte sogar nach H. v. Heynemann schwimmend das S zur Begattung er- warten. Nach brieflicher Mittheilung zuverliissiger Beobachter (des Herrn Gerichts-Notar C. H. Reutti am Bodensee) ist das Schwimmen des P allerdings bloss Nothlage. Immerhiu aber ge- hort unter den luftlebendeu Insekten Acentropus mit zu den ent- schiedensten Wasserthieren. Bisher hatte eiuzig Speyer den Acen- tropus auf seine Mundtheile liin untersucht, wenn wir von den alten Arbeiten absehen. Zu seinen Ergebnissen vermag ich eine Reihe von Erganzungen und Berichtigungen hinzuzufiigen, die an anderem Orte ausgefiihrt werden sollen. Im Endresultate sLimme ich aber darin mit Speyer iiberein , dass Acentropus uns keiuerlei Ueber- gangsform zwischen Lepidopteren und niederen mchr wasserleben- den Insekten darbietet, sondern in alien Stiickeu ein typisches 24 Lepidopteron ist, freilich mit einer Reihe iuteressanter morpho- logischer Eigeiilieiteii. Anfaiigs war ich audi geiieigt, diese mit Speyer insofern fur besonders wichtig zu halten, als man ihre Eutstehuug elier auf dem Wege lange fortgesetzter Vererbung, deun auf dem sekuudarer Aupassuug aus Wasserlebeu eutstan- den, sicli deiikeu kouute. Nachdem ich nun aber die wirklich primitivsteu Fornien der Scbmetterliugsmundtheile kennen gelerut uiid am Aceutiupus keiue Spur derselben , wie auch keiuerlei An- klaug an irgend ein niederes Insekt gefunden habe, scheint mir doch mehr fiir ein sekundares Verhalten zu sprechen. Einige der morphologischen Verhaltnisse, so Zweigliedrigkeit der Labialpalpen, bis an Schwund grenzende Reduktion von Oberlippe und Epi- pharyux fiuden sich sonst einzig bei Formen mit sekuudiir ver- kiimmerten Fresswerkzeugeu. p]in sehr enges Zusammenliegeu der Mundtlieile zeigt Verhaltnisse, die sich stets bei den Schmetter- lingen wahrend des Puppenstadiums finden. — Die iibrigeu Wasser- schmetterlinge Paraponyx, Cataclysta, Hydrocampa bieten nichts auftalliges, sondern sind in alien Stiicken typische Pyralideu, mit entwickeltem Riissel etc. Es eriibrigt noch eine oft und selbst von Speyer geltend ge- machte Ansicht zuruckzuweisen , dass niimlich Cossus und einige andere Grossschmetterlinge mit ganz kurzem oder fehlendem Riis- sel tief an die Basis des Schmetterlingsstammes zu stellen seien. Fiir air diese Formen vermag ich zwingend eine spiite secundare Reduction aus bereits hoch entwickelten langriisseligen Formen zu erweisen, und zwar auf Grund der Riisseltrachee. In jedem wohl- entwickelten Riissel durchzieht dieselbe diesen in gleichmiissigem Verlaufe, nur schwache Wellungen bildend. Sobald aber bei einem Grossfalter oder hoheren Kleinfalter auffallige Riisselkiirze sich zeigt, entspricht die Trachee nie an Weite ihres Lumen oder in ihrer absoluten Liinge diesem mangelhaften Entwickelungsgrade der sie bergeuden Maxillarlade, sondern bleibt starklumig und lang, muss sich deshalb im Riisselrest in Schlingen legen und zusammenknaueln. Bisher war in der Literatur nur von Breiten- bach das Verhalten fur einen Fall an Arctia Caja verzeichnet, dort aber als pathologisches Verhalten angesehen, auf Kosten einer allgemeinen Verkriippelung des Br. vorgelegenen Exemplares geschoben worden. An einer langen Reihe von Formen habe ich jetzt alle Stufen der Reduktion und die ihnen genau entsprechend zunehmende Tracheenverschlingung zusammengestellt. Sehr lehr- reich ist unter den Spiuuern hiefiir die Gruppe der Arctiidae 25 im weitesteu Siunc. Ihre Gattuugen Deiopeia, Plerutes und Callimorplui bcsitzeu lauge imd in jcdcr Bozicbung wolileut- wickelte llusscl wiu die Tagfalter, Eulcu etc. Die Trachee diircli- zieht dieselben eiufacb vou der Basis bis zur Spitze. Bei Ne- moophila Riissula imd Plautagiuis ist der Riissel, auch im Verbilltniss zur Gesammtgrosse des Tbieres, bedeutend kiirzer mid die Tracbee bildet in der Russelspitze bier eine starke Ver- scblingung. Bei Arctia Pur pu rata und Villica wird die- selbe starker. Bei Arctia Casta stellt sicb ausser der Scblin- gung in der Spitze eine weitere tiefer gelegeue ein. Bei Arctia Caja dazu eine dritte, die bis zur Mitte der Russellange biuab- reicben kann. Bei Arctia maculosa gebt sie bis nabe zur Basis. Bei E up rep i a Pudica reibt sicb Scblinge an Scblinge von der Basis bis zur Spitze des ganz kurzen Russelrudimeutes. Nebmen wir dazu endlicb eine Form wie etwa Cossus Ligni- perda, deren Maxilbirladen nur nocb als ganz kleine Papillen an den Ecken der Mundotiuung zu eutdeclcen sind, so vverden diese von einem wirren Tracbeenknauel erfiillt. Eine ganz abn- licbe Reibe liefert die Familie der Notodonten und wo iiber- baupt icb unter Grossfalteru und boberen Kleinfalteru (mit Aus- nabme von Aceutropus) einen auffallig kurzen, oder bis zum Scbwund reducirten Rtissel fand, sucbte icb aucb nie vergeblicb uacb der Aufscblinguug der Tracbee. Anders unter den Klein- falteru mit entwickeltem Maxillarpalpus. In dem aucb verbalt- nissmassig sebr kurzen Russelcbeu der boberen Micropteryginen, wie bei einigen Arten vou Tinea, das nocb kaum leicbt rollbar oder mebr erst krummbar ist, kounte icb bisweilen ein feines Tracbeenrobr vou der Basis bis zur Spitze gleicbmassig verlaufen seben. Halt man dieses Verbalten dem vorber gescbilderten ge- genuber, so lasst sicb das fiir kurzriisselige Gross- und solcbe Formen boberer Kleinfalter (z. B. bei A gloss a) wobl einzig da- biu erkliiren, dass bei secundarer Reduction eiues bereits wobl- entwickelten langen Riissels, die Riisseltracbee mit diesem nicbt den gleicben Reductiousscbritt einbalt, soudern vielmebr eine ibr erblicb eigentbiindicbe Liinge mit grosser Resistenz zu wabren bestrebt ist. Kebren wir nun nocbmals zu den Mundtbeilen des Mikro- pteryx zuriick, so glaubte icb gleicb mit der Auffindung jener Verbaltnisse dem Ausgangs- und Ankniipfungspunkte fiir die Scbmetterlingsmundtbeile nabe geriickt zu seiu. Ibn geuau fest^ zustellen, bleibt immerbin scbwierig. Speyer batte in seiner Ge- 26 nealogie der Schmetterlinge , die enge Vorwandtschaft derselben niit (Icii riiryguiiideu naclizuwciseu gestrebt. Er gelangte indess zu dcm Sclilusse, dass trotz vielfachor Uebereiustimmimg eine woitc Kluft, gegeben Dameutlich durcli die Muiidtheile der Ima- gines, beide Gruppen treunt. Diese vermag auch Mikropteryx iiicht zu uberbruckeu. Icli batte sodann an die Dipteren gedacht, dazu veraulasst durch die scbwertformigen Maudibelu vou Tiuea, die lang ausgezogene Unterlippe der hobereu Mikropteryginen und das Vorkonimen echter Schmetterliugsschuppeu bei langriis- seligeii Mtickeu. Die iibrigen Verhaltuisse lassen sich indess nicht in Einklang bringen. Endlich babe icb nun die grosseste Ueber- einstininiung unter niedersten Hymenopteren , in der Abtheilung der Blattwespen gefunden. Bloss bei Hymenopteren fiuden wir oft nodi an der Imago eine stark ausgeschnittene Oberlippe, bloss bei ihnen und den Schnietterlingen einen grosstentheils freien nur an der Basis mit der Oberlippe verwachsenen Epipharynx. Die Mandibeln sind beissende Kauladen. An der crsten Maxille findet sich bei Blattwespen ein meist sechsgliedriger Palpus maxillaris, der sich danu Glied um Glied in den hoheren Formen reducirt, geuau wie bei den Schmetterlingen. Neben ihni sind zwei freie Maxillarladen vorhanden, deren innere meist rinnenformig gehohlt seitlich die Innentheile der Unterlippe stiitzt, wie bei Micropteryx. An der Unterlippe finden sich 4, selten Sgliedrige Labialpalpen, freie Aussenladen und zu einem kurzen von innen nach ausseu abgestutzten Rohrchen verwachsene Innenladen, wenigstens in mauchen Formen. Endlich bei alien Hymenopteren ein kurzer Hypopharyux. Mit Zuhilfenahme der Metamorphose, namentlich der Larveu, der Puppengespinnste etc. lasst sich diese Ueberein- stimmung noch bedeutend vervollkommnen. — In der Metamor- phose und Morphologic bieten iiberhaupt Diptern, Hymenoptern, Lepidoptern und Phryganiden eine Summe von iibereinstimmenden Verhiiltnissen dar, die in keiner anderen Ordnung sich wieder- linden; und zwar derart, dass dieselbe zwischen den 3 erstgenann- ten grosser ist, bei den Phryganiden einige derselben fehlen und an ihre Stelle, so in den Mundtheilen der Imagines und in den Ausdehnungsverhaltnissen der Fliigel, direkte Uebergange zu den niedcren beissenden Insekten gegeben werden. Auf Grund eigner vergleichender Untersuchungen, wie umfassenden Literaturstudiums halte ich dafur, dass die Diptern, Hymenoptern und Lepidoptern, also die alte Gruppe der Insecta sugentia, eine uaturlich unischrie- beue darstellen, deren gemeinsamer Ausgangspunkt unter den 27 Neuropteren in der Faniilie ilor Pbrygauideii liegt. Untcr den Su- gentia sind es dann die Lepidopteru und Hymenoptern, die unt iliren primitivsten Formeu eng zusammenstossen, in ihreu hochsten weit divergireu, beide in den uiedersten Fornien eine Reihe von Merk- nialen besitzeud , die einen engen genetischen Zusamnienhang mit den Diptern audeuten. Die speciellen Ankniipfungspunkte an diese werden sich siclier lierausstellen, sobald ilire primitivsten Formen eingehend vergleichend untersucht sein werden und nicht bloss die hochsten durch Parasitisnius, sekundare Anpassung ans Blut- saiigen etc. in ihren eigensten Verhaltnissen getriibten Formen. In einer grosseren Arbeit, die nebeu der detailirten Darstel- lung der hier kurz referirteu Befunde, noch einige weitere ver- gleichend niorphologische Thatsacheu, an grossem Materiale ge- sammelt, bringen soil, will ich zum Schlusse die angedeuteten Uebereinstimmungen zwischen den genannten Ordnungen sorg- faltig zusanimenstellen und hoffe mit dem ganzen das richtige Verstiindniss vom natiirlichen Zusamnienhang der Insektenorduun- gen um einiges fordern zu konnen. An der Discussion betheiligen sich die Herren H a e c k e 1 und Fiirbringer. 2) Darauf sprach Herr Karl Bardeleben: Zur Entwickeluiig der Fiisswurzel. (Ein neuer Tarsusknorpel beim menschlichen Embryo und eine neue, secliste, Zehe bei Beutelthieren.) M. H.! Bereits im October 1884 (s. Sitzungsberichte fur 1884, 11. Sitzung) hat das Thema, iiber welches ich Ihnen heute neue Mittheilungen zu machen gedenke, auf der Tagesordnung gestan- den. Ich bin indess, als damaliger Vorsitzender, da andere Mit- glieder Vortriige angemeldet batten, zuriickgetreten. Die Unter- suchungen, auf welche ich mich heute beziehe, sind im Anschluss an fruhere, iiber die ich der Gesellschaft bereits drei Mai zu be- richten die Ehre hatte (Sitzungsberichte fiir 1883, Sitzungen vom 1. Miirz, 27. April und 8. Juni), augestellt worden und zwar im Laufe des Sommers 1883. Mein Plan, alle meine vergleichend- anatomischen und -embryologischen Studien iiber den Tarsus der Saugethiere in einer Monographic niederzulegen , hat sich' wegen Mangel an geniigendem embryonaleu Material, sowie an Zeit noch nicht verwirklichen lassen. Die Absicht, weitere vorlaufige Mit- theilungen iiber die seit Februar 1883 mit grossen, ausser dem 28 Bereiche meines Willens liegenden Unterbrechungen im Gange be- fiiuUiclioii Untersuchungen nicht iiiehr zu machen , wurde durch die iiiir Eude September 1884 auf der Magdeburger Versammlung durch Ilerrii Collegen Albrecjht (Brussel) miindlich gemaclite Mittbciluiig, er halte nicht mein Trigonum, soiiderii den Talus fur das luterniedium , das Trigonum sei homodynam dem Triquetrum der Handwurzel, — sowie durch die im October 1884 erfolgte giitige Zuscndung einer Arbeit des genannten Forschcrs (Sur les homodynauiies qui existent entre la main et le pied des mammi- feres. Presse med. beige. No. 42. 19. Oct. 1884) vereitelt. Die schon Meckel (System der vergl. Anatomic, II. Th. 2. Abth. S, 457 u. 458) bekannte Zweitheilung des Naviculare tarsi bei Na- gern hatte ich im Sommer 1883 beim menschlichcn Embryo ge- sehen und nalim Gelegenheit, dies Herrn Prof. His in Leipzig (am 25. October 1884) an seinen eigenen Priiparaten zu zeigen. Vor einigen Tageu las ich nun eine Arbeit von Baur (Zur Morphologic des Tarsus der Saugethiere. Morphol. Jahrbuch Bd. X, Heft 3, S. 458 401), deren Titel mir vor kurzer Zeit aus der Buchhand- leranzeige in der Beilage des Zoolog. Anzeigers bekannt geworden war, die ich aber, da erst heute (6. Februar 1885) das betref- fende Heft des morphol. Jahrbuchs fiir unsere Gesellschaft resp. die hiesige Universitats-Bibliothek eingelaufeu ist, nur durch die Giite meines Chefs, des Herrn Prof. Hertwig, vor einigen Tagen erhielt. Baur weist, wie Albrecht (s. o.), auf die Zweitheilung des Naviculare bei Nagethieren hin und gibt an, dass er bei Cavia uiid bei einem Hunde-Embryo denzweiten, inneren Knorpel („Sesam- bcin"' friiherer Autoren) gleichzeitig mit den audereu Tarsus-Ele- menten gesehen habe. Baur spricht diesen inneren Knorpel resp. Kiiochen als das Tibiale an und sieht sich in Folge dessen ver- anlasst, mein Trigonum als „Sesambein" zu bezeichnen, da er den Talus bei I]mbryonen (welchenV aus welchem Stadium?) immer nur aus einem Stiicke bestehend finde. Der Talus sei das Inter- medium. Ich muss nun often gestehen, dass ich mich mit der bisher herrschenden Ausicht, das Naviculare tarsi sei das oder ein Cen- trale, resp, bestehe nur aus einem solchen, niemals recht habe befreunden konnen. Dass das Centrale tibialwiirts wandere, war ja glaublich, aber dass es ganz an den inneren Rand gelange, un- wahrscheinlich. Mcine in meinem ersten Schema (1883, April) einstweilcn hypothetisch ausgesprochene Idee, dass daun auch das Centrale carpi an den radialen Rand gelangen konne oder miisse, dort die Tuberositas ossis navicularis carpi bilde, fand Widerspruch seitens Leboucq's, und zwar mit Recht; aiich ich habc micli in- zwischen anPriiparaten vom Carpus menschlicher Embryoneii, welche ich der Gute des Herrn Prof. His in Leipzig verdanke, von der Unhaltbarkeit dieser Auffassung iiberzeugt. Ichfandnuii, wie gesagt,am Naviculare tarsi bei mensch- lichen Embryonen des 2. Monats einen zweiten, klei- neren Knorpel, der auf Flachenschnitten die Form eines recht- winkligen Dreiecks zeigt, dessen Hypotenuse dem inneren Fussrande entspricht, dessen kleinere Kathete proximal gericlitet dem Talus- knorpel, dessen grossere distal-fibular gelegene Kathete dem bisher als Centrale tarsi betrachteten und allein bekannt gewesenen Haupt- knorpel des spateren Naviculare anliegt. Es erheben sich nun mehrere Fragen: 1) 1st durch den Nachweis dieses neuen , wie ich nach iiber- einstimmenden Befunden an Schnittserien von fuiif Embryonen der 6. — 8. Woche annehmen muss, constanten, typischen Tarsus- Ele- mentes meine Auffassung, dass das Trigonum das Intermedium ist, hinfjtllig geworden? 1st das Trigonum jetzt gewissermassen iiberzahlig oder iiberflussig? Meiner Ansicht nach nicht. Nach wie vor muss ich das Tri- gonum, da es gerade so typisch angelegt wird und auf don Pra- paraten gleichzeitig mit dem oben beschriebenen Knorpel vorkommt, als das Intermedium, oder vielleicht richtiger als ein Intermedium (etwa ii) auffassen. 2) Was wird nun aus dem Talus s, s., dem grosseren distalen Abschnitte des Astragalus, wie ich, um Verwechslungen zu ver- meiden. Talus -f Trigonum nenne? Dass der Talus s. s. das Tibiale sei, kann ich nicht mehr annehmen. Ich habe in meinem Schema iiberhaupt nur, auf die Autoritat Gegenbaur's u. A. gestiitzt, die bisherigen Homologien acceptirt, Ich halte den neu von mir beim menschlichen Embryo gefundenen Knorpel fiir das Tibiale. Das Naviculare tarsi besteht sonach aus dem Tibiale -\- Centrale oder richtiger, ein em der beiden Centralia, sagen wir Cg, d. h. das Naviculare besteht an Hand wie Fuss schliesslich doch aus homodynamen P^lementen, dort Radiale -\- Centrale, hier Tibiale -|- Centrale. Die alten Anatomen haben also Recht gehabt, beide Knochen mit d«mselben Namen zu belegen! Damit bleibt fiir den Talus s. s. nur iibrig: entweder ein Centrale (Cj) oder ein Intermedium (i^). 30 Das Pisiforme homologisire icli jetzt, wie das friiher geschah und wie Albrecht cs auch wicder thut, mit dem gaiizei) Cal- caneus, iiicht imr mit seiner Tuberositas. Als Ausdruck meiner jetzigen Ansicht gebe ich folgendes Schema ob. Extrem. unt. Extrem. navi- I radialerllauptti). <1. nav. — radiale, tibiale — cartil.tuberos. nav. ) . eulfiie \ centrale (Ro.senb|tr.) — centrale (2) — Ilauptth. d. navic. J luiiatnin -- intermedium ( 1) — trigoiium(Bavdp.l.) i astragalus triquetrum — centrale (1) — talus s. s. 5 d.hoheren (oder intermedium 2 ?) J Siiuger ])isiforme — ulnare, fibulare — calcaneus (An dem unter dem Mikroskop befindlicheu Prilparate kann man das Intermedium (Trigonum) am proximalen Ende des Talus und den tibiahni Kiiorpel an sieben auf einander folgenden Schnit- ten deutlich glcichzeitig erkennen.) Die Zweitheilung des Naviculare tarsi ist beim erwachsenen Menschen als eine sehr scltene Varietat beschrieben worden, so von W. Gruber. Dass ich das Verhalten beim Embryo aus der Mitte und dem Ende des 2. Monats constant finde, babe ich be- reits angegeben. Wie lange die Trennung dauert, verinag ich wegen Mangel an Material noch nicht genau zu sagen. Meine Vermuthung, dass sich in der Pubertatszeit vielleicht ein besonde- rer Knochenkern anlege und das Naviculare eine Zeit lang aus zwei Knochen bestehe, wie es beim Embryo zeitweise aus zwei Knorpeln besteht, hat sich, soweit das Material der Samra- lung in Jena erkennen lasst, bestatigt. (Vgl. Rambaud und Re- nault.) Meist war das tibiale Knochelchen allerdings bei der Maceration verloren gegangen, jedoch zeigte die mediale Fliiche des iibrig gebliebenen Hauptstiickes deutliche Spuren des kiinst- lifh „abhanden" gekommenen Elements. Einmal konnte ich das innere Knochelchen am Naviculare eines ISjahrigen Individuums nachweisen. Es ist 8 mm lang, 5 mm breit, 2 mm dick. (Das Priiparat circulirt in der Gesellschaft.) Eine genaue Durchsicht aller auf der hiesigen Anatomic be- findlichen Exemplare von Naviculare tarsi, sowie der Fuss- oder ganzen Skelete ergab fei'iier, dass man bei fast Vs der Erwach- senen die Spuren der friiheren Trennung in deutlicher Weise, oft als rings um den inneren Theil des Knochens (Tuberositas) sagit- tal veiiaufende Naht nachweisen kann. Ich mochte nun fiir beide von mir bei menschlichen Embryo- nen zuerst gcsehenen Knorpel dasselbe Recht beanspruchen. Die Bewcise, welche Baur dafiir anfiihrt, dass der von ihm bei Cavia ai und Huiid gefundene Knorpel koiii Scsambein, sondern ein typisches Taisiis-Elenieiit sei, acceptiro ich vollstandig. Es war, seitdem ich den Knorpel beim Menschc.n land, auch meine Ansicht. Den- selben Bewcis kann man aber auch fiir mein Trigonum fiihren, welches ich nach allem mir daiiiber Bekannten als das Intermedium ansprechen musste und muss. Embryonen von Beutelthieren oder Monotremen habc ich bisher noch nicht erhalten konnen. Dass gerade aber der Mensch zwei bisher unbekannte Tarsus-Elementc embryonal anlegt, um sie dann gelegentlich beim Erwachsenen als Varietat getrennt zu erhalten, ist ein neuer Beweis fiir die von mir zuletzt im Biolog. Centralblatt (Bd. IV, 1884, S. 374 ff.) ge- kennzeichnete Stellung des Menschen in der Thierreihe. Ehe ich iiber embryonales Material von niederen Saugcrn ver- fiige, kann ich auch eine weitere Frage nicht entscheiden, die ich hier, da es mir um die Sache, nicht um personliche Interessen zu thun ist, erwahnen mochte. Die schon lange bekannten iiberzahli- gen Skelettheile am inneren Fussrande bei Nagern, Ornithorhynchus und Beutelthieren konnten entweder Tarsus - Elemente oder aber Metatarsus- resp. Zehen-Rudimente sein. Bei Didelphys cancri- vora (Sammlung Jena, Nr. 2408) finde ich beiderseits ein ausser- ordentlich stark in die Breite entwickeltes, weit iiber den inneren Rand des I. Metatarsus medial herausragendes erstes Keilbein („tarsale I"), welches — in Gestalt einer sagittal verlaufenden. Naht — eine friihere Zweitheilung erkennen liisst und ausser dem Hallux - Metatarsus noch einen zweiten, ahnlichen Knochen von 4 mm Lange, 2,5 mm Breite (an Basis), 2 mm Dicke tragt. (Meckel, 1. c. S. 459 sagt: „Bei den Didelphen tragt das erste Keilbein h in ten einen ansehnlichen Nebenknochen . ..") Das Navi- culare erstreckt sich gleichfalls sehr weit nach innen , ebensoweit, wie das tarsale I, und zeigt gleichfalls die Andeutung einer Zwei- theilung. In dem oben beschriebenen, am tarsale I articulirenden Knochen erkenne ich , bis ich durch embryonale Untersuchungen eines Besseren belehrt werde, eine rudimentare sechsteZehe. Auf einer Studien-Reise durch Deutschland, Holland, Belgien, Frankreich und England hoffe ich das vergleichende und embryo- nale Material zu erlangen, um die Fragen des Saugethier-Tarsus zu losen. Meine bcreits vor zwei Jahren Herrn Prof. Marsh in New -Haven Connect. (Nordamerika) kund gegebene Absicht, sein Yale College Museum, das unermessliche Schiitze bieten muss, zu diesem Zwecke zu besuchcn, hoft'e ich, wenn die bei deutschen Forschern bekannten „ausseren Umstande" es gestatten, spilter 32 auszufiihreu, falls mir Herr Baur, der dort an der Quelle sitzt, urn die vor zwei Jahren von mir in Fluss gebrachte Angelegenheit des Siiugethier-Tarsus nionograpliiscli zu bearbeiten, giitigst etwas iibrig liisst. Violleicht erfahre ich dann auch authentisch, was man unter einem „Sesambeiue" zu verstehen habe, warum z. B. mein mit drei Gelenkfiacben an Tibia, Fibula und Talus s. s. articuli- rendes Trigonum ein Sesarabein sein soil , wenn der an Talus und Navicularo s. s. mit zwei Gelenkflachen grenzende Knorpel kein seiches ist. An der Discussion nehmen Tbeil die Herren Haeckel und Hentschel. 4. Sitziing am 20. Febriiar 1885. Ira physikaliscben Institut. 1) Zuerst sprach Herr Prof. Dr. E. Reichardt Uelber TJiitersuehiiiig' mid Beurtlieihmg ties Triiikwassers Tom Stan dpuii lite der Oesiindheitspflege. Der Vortrag schliesst sich an den schon frliher iiber den- selben Gegenstand gehaltenen an, urn die neueren Erfahrungen auf diesem Gebiete vorzufiihren , nameutlich audi beziiglicb der Untersuchung auf Mikroorganismen nach dem Verfahren von Koch durch Ziichtung mit Nahrgelatine. In neuerer Zeit wird versucht, dem Trinkwasser in seiner Beschaifenlieit als Nahrungsmittel keine besondere Bedeutung bei- zulegen und es als ziemlich gleichgiiltig hingestellt, ob man Fluss- wasser, Grundwasser oder wirkliche reine Quellen verwende. Diese Ansicht stiitzt sich auf Angaben, welche beweisen wollen und soUen, dass das Trinkwasser iiberhaupt nicht zur Verbreitung der ansteckenden Krankheiten beitrage, vielmehr nur Luft und Boden die TrJiger der Ansteckungsstoffe seien und namentlich in letzterem die ]?cdingungen zur Entwickelung gesuclit und gefunden werden miissten! Bei der thatsachlich so mangelhaften Kenntniss der Ur- sache der Entstehung und Verbreitung ansteckender Krankheiten sind derartige Ausspriiche um so weniger angezeigt und vielmehr der einzig richtige Grundsatz der Gesundheitslehre festzuhalten, m()glichst reinci Nahrung und ITmgebung zu schaften, da die Ur- sachen gewiss mannigfacher Art sein kounen, ortlich verschieden, einfacher und zusammengesetzter Natur ! Betrachtet man aber die 33 Moglichkeiten der Verbreitung cler ansteckenden Krankheiten durch die aussere Umgebung, so wiirden diese in der Luft, dem Wasser und dem Boden zii suchen sein und letztcrem sogar wegen seiner ruhigen Lage der mindere Grad der Schadlichkeit angeliih-en, ebenso der Luft wegen der moglichen raschen Erneuerung, so dass dem Wasser als dem leichter beweglichen und doch langer verweilenden Materiale der grcisste Grad der Uebertragbarkeit zu- fallen wiirde. Hiermit stimmt auch die Erfahrung iiberein, dass erst durch Schliessung des Brunnens die Epidemie beseitigt wurde, durch Kochen das Wasser seine schadliche Wirkuug verlor u. s. w. Betrachtet man ferner das, was man iiber die Schadlichkeit des Bodens kennt, so beruht die schadliche Umgestaltung in deni- selben auf dem Steigen und Fallen des Wassers, des Grundwassers, auf den durch diesen Wechsel erst moglichen Luftzutritt und die regere chemische Thatigkeit, in deren Folge die gesundheitsschiid- lichen Verhiiltnisse allein entstehen konnten! Jedoch ist es ja Koch in Indien sogar gelungen, die Cholerabacterien in Wasser aufzufinden und die Ansteckung durch dieselbeu zu beobachteu. Alle diese Thatsachen fuhren zu dem Schlusse, d*ss man bei diesen Fragen der Gesundheitspflege um so vorsichtiger sein miisse und in keiner Weise von der Forderung der grosstmoglichsten Reinheit abstehen soUe. So oft mir Gelegenheit geboten wurde, Wasser zu priifen, welches in dem dringenden Verdachte der Verbreitung ansteckender Krankheiten stand, ist auch stets, friiher allein die mikroskopische Untersuchung, jetzt die Ziichtung der Mikroorganismen nach Koch mit in Anwendung gelangt und ohne Ausnahme auf beide Weisen bestatigt worden, dass in solchem fraglichen Wasser eine ganz ungewohnlrche Menge von Pilz- und Bacterienkeimen vorhanden waren. Schliessung des betreffenden Brunnens, oder im Nothfalle nur Verwendung langer gekochten Wassers haben ebenso ausnahms- los die beste Hiilfe gewahrt und oft die sofortige Begrenzung der Epidemie bewirkt, wie mir die betreffenden Aerzte mit unwider- leglichen Beispielen bewiesen. In sehr vielen Fallen, auf Dorfern und in Stadten, war es gegeben, die Ansteckung und Verbreitung des Typhus und anderer Epidemien auf einen bestimmten, verun- reinigten Brunnen zurtickzufiihren ; der Genuss des Wassers konnte genau so weit verfolgt werden, als die Krankheit sich ausgebreitet hatte. Man sollte meinen, dass so vielen thatsachlichen Be- obachtungen gegentiber die Frage als erledigt betrachtet werden konnte, aber ebenso einseitig wiirde es sein, dem Trinkwasser Sitzungsberichte 1885. I. Heft. 3 34 _ allein eine solche scliadliche W'irkuDg beizumessen. Bei jeder Epidemie wird man in der Aufsuchung der Ursachen mit den ortlichen Verhaltnissen rechnen mussen, welche eben so mannig- fach gestaltet sein konnen. Die Falle, wo man den Ansteckungsheerd auf bestimmte Hauser, bestimmte Wohnungen, eine bestimmte, bewohnte Scholle Erde zuriickfuhren konnte, oder auf benachl^arte Canale u. s. w., sind ebenso bekannt imd gewichtig. Die Beschaffung eines reinen, gleichbleibenden Trinkwassers bildet in der Kette der hygienischen Verbesserungen ein Glied, aber ein sehr wichtiges wegen der viel- fachen Benutzung des Wassers als Nabrung und nothwendigstes Reinigungsmittel. Bei der Beurtheilung eines Trinkwassers mussen daher die zeitlicb gebotenen wissenschaftlichen Hiilfsmittel in Anwendung gebracbt werden, um einen Einblick in die Beschaffenheit des- selben zu gewinnen; es genugt in keiner Weise mehr, die ilusser- lichen Eigenscbaften farblos, klar, gescbmack- und gerucblos zu bestimmen, oder wie mir in neuester Zeit sogar ein Gutacbten eines nambaften Gelehrten zur Hand kam, Schonheitsfehler! auszusprechen , sondern es mussen die Erfabrungen der wissen- scbaftlicben Forscbung in Betracbt gezogen werden, um ein Wasser zu erlangen, welcbes, frei von ausseren Verunreinigungen, in seiner Miscbung und den sonstigen Verbaltnissen sicb gleicb bleibe, um so die moglichste Sicberbeit in gesundbeitlicber Beziebung zu erreicben. Selbst bei der Annabme, dass das Wasser weniger Bedeutung fur die Verbreitung anstecken- der Krankbeiten besitze, wiirde an dieser Forderung der Reinbeit, wie beijedem anderen Nahrungsmittel, festgehalten werden mussen. Hierbei ist es falscb, die Schadlicbkeit der jeweiligen augen- blicklicben Miscbung zur Beurtbeilung zu verwenden. Dass Ver- unreinigungen im Quellwasser in so bedeutender Menge auftreten, um eine alsbablige gesundbeitsschadlicbe Wirkung vorauszul)estim- men, diirfte nur sebr selten vorkommen; die Bestandtbeile eines Trinkwassers soUen dazu dienen, die Reinbeit desselben zu er- kennen und zu beweisen, und diese Forderung ist sowobl auf dem Wege der cbemiscben, wie mikroscopiscben Untersucliungen zu er- ledigen, indem die ersteren Anbalt bieten, auf die geognostisclien Verbilltnisse Riicksicbt zu nebmen. Hierbei scbeint sebr allgemein eine Verwecbselung der Be- griffe geraeiniiblicber Bezeichnungeu stattzufinden. 35 Unter Quellwasser siud natiirlich enstandene Wasseraii- sammlungen tieferen Ursprunges zu verstehen, abgesehen von den sog. Tagesqiiellen , welclie sehr migleich, oft aussctzeud, aus den oberen Schichteu der Erdoberflache bier und da nacb wasserreicher Witterung aufzutreten pflegen. Beide sind sofort zu unterscbeiden, da die eigentlichen Quelleu eine gleicbe Warme in den verscbiedenen Jabreszeiten besitzeu und eine cbemiscbe Miscbung ergeben miis- sen, deren ausserst geringe Scbwankungen auf die geognostiscben Verbaltnisse zurtickzufiibren sind. Es sind eben Wasseransamra- lungen, welcbe auf grossere Sammelbecken im Gebirge oder Flacb- lande zuriickzufiibreu sind, am Fusse des Gebirges oft massenbaft zu Tage treten, im Flacblande dagegen zu sucben sind, da sie sebr baufig unterirdiscb bleiben und so den Fliissen, als den natiir- licbeu Abwasserungsanlagen , zutreten. Dessbalb sind Bacbe und Flusse aucb im Flacblande ganz allgemein die Orte, in deren Niibe Quellen gesucbt werden miissen. Die unbestandigen, flacbliegenden Tagesquellen besitzen weder die gleicbe Miscbung, nocb gleicbe Wiirmegrade, zeigen aucb sebr bald die bedeutenden und gerade bei dieser Frage entscbeidenden Scbwankungen in der Wasser- menge. Grundwasser ist dagegen das im Untergrunde der Erd- oberflacbe auftretende, bier ortlicb sicb ansammelnde Wasser, des- sen Stand und Bescbaifenbeit stets von der nacbsten Oberflacbe abbangen muss und sicb ausserst verscbieden gestaltet nacb der Bescbaflfenbeit des Bodens, ob durcblassig, ob wasserdicbt; sebr baufig treten bier Quellen binzu, aber die letzteren konnen dann tiefer gefasst und geeignet gescbieden werden, so dass Zufliisse von Aussen abgescbnitten werden. Grundwasser und Quellwasser unterscbeidet abermals die cbe- miscbe und mikroscopiscbe Prlifung; das Quellwasser soil stets gleicbe Miscbung, Warme und wo moglicb aucb gleicbe Starke des Wassers gewabren, obgleicb in letzterer Beziehung fast stets Scbwankungen in langeren Zeitfristen zu beobacbten sind, wie sie den natiirlicben Verbaltnissen der Jabreszeiten entsprecben. Das Grundwasser zeigt dagegen sicber Zufliisse der oberen Erdscbicbten und bangt in den Scbwankungen der Miscbung, des Standes und der Warme von den augenblicklicben oder k u r z e Zeit vorber auf- getretenen Witterungsverbaltnissen der Gegend ab. Die Scbwankungen des Fluss wassers in Miscbung und Warme beruben natiirlicb in der wecbselnden Bescbaffenbeit der Zufliisse und der Jabreszeiten. 3* 36 Flusswasser und Grundwasser sind Verunreini- gungen der ausseren Umgebung zuganglich und dess- halb zu beaustanden, sobald irgend Gelegenheit ge- boten wird, Quellwasser zu erreichen. Fur die Beurtheilung des Quellwassers , die Auffindung und den Nachweis sind, ganz abgesehen von besonderen Fallen, wie dem Vorkommen von Salzquellen oder Heilquellen u. s. w., die geognostischen Verlialtnisse entscheidend und diese finden wieder Ausdruck in den als Mittelzahlen aufgestellten sog. Grenzzahlen. Diese letzteren sind demnach die wissenschaftliche Grundlage zur Beurtheilung, deren genauere Feststellung durch die Gebirge der Umgebung erlialten wird, denen die Quellen zugehoren. Die Grenzzahlen sind schon langer bekannt, und die Vorkomm- nisse reiner Quellen in den verschiedenen Gebirgen sind von mir in hinlanglicher Auswahl untersucht und verofifentlicht worden (vergl. Grundlagen zur Beurtheilung des Trinkwassers u. s, w. 4. Auflage S. 33 u. f.), um jeden Augenblick Aufschluss zu geben. Jedoch beweisen Beispiele dies leichter. In der Nahe von liudolstadt i. Thiir., unraittelbar an der Saale, wurden Versuchsbrunnen angelegt, um eine geplante Wasserleitung nach der Stadt zu versorgen, ebenso in der Nahe von Gera fiir diese Stadt. 100 000 Th. Wasser ergaben: Abdampf- Organ Salpeter- Schwefel- riickstand Substanz saure Chlor saure Kalk Talkerde Harte Versuchsbrunnen. 20.5 1.20 2.56 1.59 4.01 6.7 2.1 9.6 Wasser der Saale daselbst. 14.0 4.50 0 0.88 1.80 1.60 1.80 4.1 Schlossbrunnen (laufende, gefasste • Quelle). 37.5 0.12 0 0.25 1.03 12.32 2.16 15.3 Stadtbrunnen, desgl. 39.0 0.61 0 0.74 2.40 11.20 3.24 15.7 Pumpbrunnen in der Kaserne. 133.0 3.24 17.24 11.86 16.82 21.28 6.84 30.9 Gera, Versuchsbrunnen neben der Elster I. 34.00 1.21 980 2.80 2.20 18.40 3.06 23.6 II. 34.50 0.52 9.1 0.16 2.20 9.50 6.80 19.0 III (von Prof. Hofmann in Leipzig). 39.10 5.60 1.62 2.38 2.95 9,47 3.52 14.4 37 Abdampf- Organ. Salpeter- Schwefel- riickstand Substanz saure Cblor siiuie Kalk Talkerde Harte Grenzzahlen fiir gutes Trinkwasser. 10—50. 1.00 0.4 0.2—0.8 0.2—6.3 18.0 Quelle aus Kalkformation (Jena). 32.5 0.90 0.02 0.37 1.37 12.90 2.90 17.0 Quelle aus Thonschiefer (Greiz). 7.0 1.70 Spur 0.20 0.50 0.56 0.18 0.81 Quelle aus Thonsteinporphyr. 2.50 0.80 Spur 0 0.34 0.56 0.18 0.81 Ein auch nur annahernder Vergieicli der Zahlen giebt schon geniigend Aufschluss. Die zwei Brunnen mit laufendem Wasser in Kudolstadt gehoren dem Kalkgebirge an und sind dement- sprechend hart, aber rein. Die Menge der Schwefelsaure ist ge- ring und wird in dieser Formation sogar leicht mehr Gyps ge- funden, deun auf diesen ist die Schwefelsaure hier zu beziehen. Der Pumpbrunnen aus der Kaserne derselben Stadt zeigt die verunreinigenden Zufliisse in hochstem Grade, und trat hier wieder- holt der Typhus epidemisch auf. Die Salpetersaure bildet fiir die Beurtheilung von Zufliissen der oberen Erdschichten ein sehr werthvolles Mittel, da sie das End-Oxydationsproduct von stickstoffhaltenden organischen Sub- stanzen — Abfallstoiien — ist. Die normalen Quellen enthalten nur sehr kleine Bruchtheile davon, und ist die Grenzzahl 0.4 schon sehr hoch gegrifien, wie die hier zum Vergleich gestellten Ana- lysen von Quellwasser aus verschiedenen Gebirgsformationen deut- lich beweisen. Das Wasser des Pumpbrunnens der Kaserne in Kudolstadt enthalt 43 Mai mehr Salpetersaure, als die Grenzzahl angiebt, aber auch die erbohrten Wasserproben bei Kudolstadt und Gera, neben den dort vorhandenen Fliissen entnommen, be- weisen, dass aussere Zufliisse stattfinden. Die Salpetersaure be- tragt, selbst wenn man die niedrigste Zahl zu Grunde legt, 4 — 5 Mai mehr als die Grenzzahl. Der Gehalt an Chlor, an organischer Substanz, Kalk und Talkerde schwankt bei dem Geraer Versuchs- brunnnen so, wie es bei Quellen niemals vorkommt, und die zum Vergleich gestellte Analyse des Saalwassers bei Kudolstadt neben dem Wasser des Versuchsbrunnen ergiebt, dass es sich hier um riusswasser handelt, dem Zufliisse der umgebenden Erdoberflache etwas mehr Kalk, Schwefelsaure, Chlor und vor Allem wieder Salpetersaure liefem! Die Entnahme derartigen Grundwassers fiihrt aber meisten- 38 theils zu nicht absehbaren Veranderungen. Indem das Grund- wasser in Masse gehoben wird, fliessen die Ansamraliingen der nachsten oder weiteren Umgebiing zu und liefern das, was hier sich angehauft hat oder uoch angebauft wird; gleich bleibende Mischung ist nicht zu verlangen. Uutersuchungen von Wasserproben aus Gnesen gaben in 100000 Th.: Abdampf- Organ. Salpeter- Schwefel- riickstand Substauz saure Chlor saure Kalk Talkerde Harte Wimmerer See. 28.40 14.40 0 1.40 4.40 2.24 3.40 7.0 Quelle auf Custodia. 49.00 3.20 Spur 3.20 4.40 11.10 3.90 16.5 P u m p b r u n n e n der S t a d t I. 333.0 14.70 27.00 65.60 26.60 33.04 17.30 57.2 Desgl. II. 340.0 15.10 17.20 82.00 27.40 45.90 16.20 69.6 Grenzzahlen. 10-50 1.0 0.4 0.2-0.8 0.2—6.3 18.0 Die hier untersuchte Quelle war noch nicht gefasst, und wurde bisher das Wasser gehoben, der Ueberfluss, sowie dasjenige von benachbarten Quellen gelangte in den See. Talkerde und Schwefel- siiure sind ziemlich gleich, vom Kalk hat sich schon ein grosser Theil abgeschieden, und die hohe Steigerung der organischen Sub- stanz kennzeichnet noch anderweitige Zufliisse; jedenfalls ist das Quellwasser durch geeignete Fassung und Umwaudlung in laufendes Wasser wesentlich zu verbessern, da bei Hebung sehr leicht An- lass zur weiteren Auslaugung der benachbarten Erdschichten ge- geben wird. Wie weit die Zuflusse der Pumpbrunnen in der Stadt sich steigern, zeigen beide Beispiele geniigend; der eine der Brun- nen war neu gegraben, erlangte aber natiirlich im Boden dieselbe oder hochst ahnliche Mischung. Dass die chemische Untersuchung alleiu es ermoglicht, die Reinheit der natiirlichen Quellen je nach dem Gebirge zu be- weiscu, ist unbestreitl)ar, fragiich wird nur in der Kegel die Trag- woite derselben hiugestellt. Die unabweisbare Forderung einer reinen und gleichbleibenden Nahrung, auch hinsichtlich des Wassers, verlangt Quellen von ge- wolinlichcr Reiuhcit, weder Grund-, noch fliessendes Wasser konnen diesen Auforderungen gentigen! 39 Die mechanischen Reinigungsweisen durch Filtration, Klaruiig 11. s. w. sind thatsitchlich mehr ciue Keiniguiig fiir das Auge. Elbwasser aus Magdeburg da entnomiiieu, wo die Stadt das- selbe entnimnit und dann aus der Leituug in der Stadt, sowie Wasserprobeu der Leitung in Leipzig fiihrten zu folgendeu Er- gebuissen. 100000 Th. Wasser ergaben: Abdiimpf- Orgaiiisthe Salpeter- ruck^taud Subbtauz siiure Clilor s;iure Kalk Talkerde Harte Jeter- Scliwef'el- ure Clilor siiure Kalk Talkerde Elbe, unfiltrirt: 0 17.30 10.90 10.90 260 filtrirt: 0 21.90 11.70 10.80 4.3 72.50 3.30 0 17.30 10.90 10.90 260 14.5 filtrirt: 76.00 3.60 0 21.90 11.70 10.80 4.3 16.8 Leipzig, Wasser der Pleisse in der Nahe des Reservoirs. 23.50 10.00 Spur 2.46 2.75 2.00 0.21 2.3 Reservoir der Wasserleitung: 26.00 7.00 Spur 2.78 2.75 4.00 0.32 4.4 Leituug in der Stadt: 27.00 5.20 Spur 2.78 3.77 3.50 0.21 3.8 Das Filtriren des Elbwassers hat eben nur geklart, der Uuter- schied in beiden Proben entspricht den bei Flusswasser zu er- wartenden Schwankungen. Die Entnahme von Wasser zur Leitung nach Leipzig in der Nahe der Pleisse (Grundwasser) giebt nichts Anderes als das Pleissenwasser selbst. Wie leicht und bald sattigen sich aber diese Filter mit schwe- benden Theilen und reinigen dann nicht einmal mehr vollkomnien mechanisch. Die Frage, was wirkt schadlich, ist hier eine vollig unbe- rechtigte, denn dariiber kennen wir noch viel zu wenig, der Stand- punkt der Gesundheitspflege richtet sich nur auf reine, gleich- bleibende Nahrung, frei von ungehorigen Zufliissen. Ist dies zu erstrebende Ziel erreicht, so fallt die erste Frage als bedeutungs- los fort. Die Entnahme von minder gutem Trinkwasser kann nur als Ausnahnie gelten, wenn die Erreichung einer Quelle nicht moglich ist. Es ist namentlich durch neue Untersuchungen erwiesen wor- den, dass verunreinigtes Wasser durch Faulniss und Ver.wesung und wiederum unter unentbehrhcher Mitwirkung von Mikroorganis- men gereinigt wird, und die hier chemisch erwiuseneu Bestand- theile sind meist vollig unschadliche Endergebnisse dieser Urn- 40 setzungen, aber hier liegt die Aufgabe vor, reines Wasser, reine Nahrung zu schaffen und dies gelingt uur bei der Aufsuchung natiirlich reiner Quellen! Diese werden sehr haufig in der Nahe der Fliisse gefunden und miissen dann durch langer dauerude, wiederholte Untersuchung als solcbe erwiesen und sodann durch sachverstandige Fassung von den Einfliissen und Zufliissen der oberen Erdschichten befreit werden. So haben, soweit meine An- gaben reichen, die Wasserwerke in Dresden Quellen, wahrscheinlich auch Coin a./R. Leichter wird es allerdings, wenn man laufende Quellen und wo moglich mit Hohenlage anwenden kann. Reicht die Wassermenge bei grossem Bediirfniss fur alle, auch gewerb- liche Anforderungen nicht aus, dann ist eine doppelte Leitung fiir Genuss und Gewerbe angezeigt, um dennoch die reinste Nahrung ortlich zu bieten, wie es jetzt z. B. in Frankfurt a./M. eingefiihrt werden soil. Von grosster Bedeutung ist aber bei der Priifung des Trink- wassers die Ziichtung der Keime darin auf Nahrgelatine. Ich ver- wende dazu die Gelatine nach Koch mit Fleischsaft und Pepton bereitet und gebe in etwa 10 C.C. Gelatine in schrager Lage des Reagensglases 3 — 4 Tropfen des zu priifenden Wassers unter mog- lichst rascher Entnahme und sorgfaltigstem Schlusse durch sterili- sirte Baumwolle. Wasser der hiesigen Leitung von einer starken Quelle der Kalkformation, nach lilngerem Oeffnen des Hahnes erst entnommen, ergab selbst nach 3 — 4 Wochen gar keine Keimentwickelung, Grund- wie Flusswasser zeigen dieselbe dagegen stets reichlich. Das fil- trirte Wasser der Elbe oder Pleisse gaben eigentlich keinen Unter- schied zu erkennen, wenn auch im filtrirten Wasser vielleicht eine wenig verringerte Zahl der Mikroorganismen vorhanden zu sein schien. Die Filter halten demnach keineswegs diese Keime zuriick! Zwei erst vor Kurzem zur Untersuchung gelangte Proben von Wasser aus Pumpbrunnen, auf welche nach genauer Feststellung der betreflenden Physicatsarzte Typhusepidemieen ziiriickgefiihrt werden mussten, ergaben in 100000 Th. : Schwefel- Chlor saure Kalk Talkerde Harte 6.56 161.2 75.0 23.8 108.2 II. 128.0 12.70 72.0 8.53 26.6 13.4 19.4 40.5 Grenzzahlen: 10—50 1.0 0.4 0.2—0.8 0.2—6.3 18.0 Abdainpf- riickstand Organ. Substaiiz Salpeter saure 345.5 2.15 9.72 41 In beiden Proben wurden Spuren von Ammoniak und auch salpetrige Saure nacligewieseu. Beide stamnien aus derselben kalkigen Gebirgsforniation , aber aus sehr verschiedeneu Orten. Die Steigcrung zeigt sich bei den einzelnen Bestandtheileu sehr verschieden, bei der einen Probe welt mebr Salpetersaure oder organische Substanz u. s. w. Die Priifung auf Mikroorganismen nach Koch erwies aber bei beiden Wasserproben eine ganz uugewohnliche Menge der- artiger Keime; in 12 — 24 Stunden war die ganze Gelatine uu- durchsichtig und bakl verfliissigt. Leider war es nicht moglich, auf weitere Einzelnheiten einzugehen. Die Priifung auf diese Mikroorganismen erganzt die chemische Untersuchung in sehr erwiinschter Weise und wird namentlich die Fassung der Quellen und gute Beschaflenheit der Leitung weit ge- nauer feststellen und beurtheilen helfen. Beide Priifungen vereiut sind fiir jetzt vollig ausreichende Hiilfsmittel, um Quellwasser als solches zu beweisen und Zuflusse der mannigfachsten Art fest- zustellen. Die Einrichtung von Wasserleitungen wird fast ohne Aus- nahme dadurch veranlasst, dass in dem bewohnten Boden die Zu- fliisse zu dem Brunnenwasser eine zu beanstandende Hohe erreicht haben, demnach in erster Linie ein reineres, den jetzigen Kennt- nissen der Lage entsprechendes Trinkwasser erlangt werden soil. Bei so grossen und kostspieligen Anlagen wird aber gleichzeitig in das Auge gefasst, diejenigen Mengen Wasser zu schaflfen, welche fiir die Reinhaltung der Wohnung und Kleidung, sowie fur das Gewerbe gebraucht werden. Reine, nicht zu harte Quellen werden als Nahrungsmittel vorangestellt und konnen ebenso den weiteren Erfordernissen dienen. Allein sehr haufig stellt man jetzt um- gekehrt die Massenfrage voran und die Forderung des Nahrungs- mittels zuriick! So wichtig auch in gesuudheitlicher Beziehung die Reinhaltung der Umgebung des Menschen ist, gleich wichtig dem Bedtirfniss von reiner Nahrung, so liegen doch eine solche Menge von Erfahrungeu vor, welche die Beschafifung eines reinen Trinkwassers als unentbehrlich beweisen, dass man die Forde- rungen nie unterordnen, sondern stets gleichstellen sollte. Ist es nicht moglich, reines Quellwasser in fiir alle Falle nothiger Menge zu schaffen, so wiirde die doppelte Leitung von Trinkwassei- und Wasser fiir gewerbliche Zwecke zu verfolgen sein, keineswegs aber die Beschattung reinster Nahrung zu vernachlassigen. Die mannigfachen Verunreinigungen des offentlich fliessenden 42 Wassers werden sich uur noch steigern, wenn man auch aner- kenneuswertb jetzt vorgelit, ungehorige Zuflusse gewerblicher An- lageu zu verhiuclern. Verunreiuigungen ekelhafter Art sind gar niclit fern zu lialten, uud wer einmal der Frage ernstlich uaher getreten ist imd Leitungeu von reinem Quellwasser kennen lernte, sehr haufig selbst fur alle Falle in ausreicliender Menge geboten, vvird sich alsbald iiberzeugen, dass hier allein der Frage der Zeit abschliessend Rechnung getragen wurde. Bei dem Grundwasser tritt sehr leicht der Fall ein, dass bei langerem und starkerem Gebrauche andere, entferntere Erdschichten in Anspruch genommen werden, welche Humus, oder Eiseusalze, meist beide vereint, in solcher Menge liefern, dass das Wasser sogar fiir gewerbliche Zwecke unbrauchbar wird. Dass man aber als Grundwasser oft Quellwasser bezeichnet, wurde schon friiher hervorgehoben ; in letzterem Falle sind die Quellen aufzusuchen und so zu fassen, dass das Grundwasser moglichst ausgeschlossen bleibe. Das Quellwasser besitzt gieich- bleibende Mischung und Warme, entspricht dem Gebirge oder der Formation, der es entspringt und nur dieses ist als geeignetes Nahrungsmittel zu bezeichnen ! Die heutige Gesundheitspflege muss vor AUem darauf hinausgehen, Nahruug zu suchen und zu schalien, welche frei ist voa dem Einwurfe der Verunreinigung , da die wissenschaftlichen Forschungeu mehr und mehr zu grosster Vor- sicht ermahnen! 2) Darauf sprach Herr Piltz Uel)er zalileiitheoretisclie Iiiterferenzcrscheiiiuiigeii. Der Vortragende suchte eine Vorstellung zu geben von eineni Princip, welches er mit Erfolg zur Erklarung vielfacher bisher noch unverstandener oder auch noch unbekannter periodischer Er- scheinungeu in der Zahlenwelt gebraucht hat. So beobachtet man z. B., wenn man die Zahlenreihe 1, 2, 3, 4 . . durchgeht, dass unter den Zahlen die Primzahlen abwechselnd bald mehr bald weniger dicht eiugestreut vorkommen. Gauss hat iiber diese Erscheinung, sowie iiber andere Erscheinungen, die die Klassenan- zahlen quadratischer Formen betreflen, empirische Beobachtungen angestellt, ohne eine Theorie aufzufiuden. Erst Riemann hat, in seiner Abhandlung „Ueber die Anzahl der Primzahlen bis zu einer gewissen Grosse" einen ersten Beitrag zur Erkenntniss dieser Periodicitiiten geliefert. Doch ist die Riemann'sche Me- 43 thode uicht auf alle Probleme auweiidbar und lasst auch da, wo sie aiivvondbar ist, maucherlci Liickeu ubrig (bdspielsvveisu doii Beweis der K i e m a u u ' sclieu Vermuthuug iiber die Nullstdleii der von ihm verwendeten Funktion C{s)). Das Erklarungsprincip mm, um das es sich handelt, fallt in gewisser Hinsicht zusammen niit deni Priucip, durcli das sich die optischen (und andre) Interferenzerscheinungeu erklaren. Ebenso niimlich, wie man diesen physikalisclien Erscheinungen gcwissu Elementarursachen zu Grunde legt, die sich wegen ihres periodi- schen Charakters theils gegenseitig verstiirken, theils aunulliren, theils auch zu einer mittlern Wirkung erganzeu konnen, so ist diese Erklarung auch fiir die zahlentheoretischen Erscheinungeu moglich. Beispielsweise findet man leicht, dass die Zahlen, die nur wenig kleiner sind als eine Quadratzahl n^ oder eine Zahl von der Form n(w + 1), durchschnittlich mehr Divisoren besitzen, als andere Zahlen, well in den genaunten Gegenden die Faktoren w, n — 1, 74+1, . . sich besonders stark anhaufen, wahrend die von n wesentlich verschiedenen Faktoren sich auf Intervalle von der ungefahren Grosse n in der Gegend von n'^ durchschnittlich gleichuiassiger vertheilen. Man kann aber ausserdem die Zahlen auch auf vielfache andre Weise in Intervalle eintheilen, und fiir die durchschnittliche Vertheilung der Faktoren auf diese Intervalle sind dann in ahnlicher Weise jedesmal die Faktoren einer andern Gegend ausschlaggebend. Was einige Resultate betrifft, die sich aus der systematischen Verarbeitung dieser Idee speciell fiir die Vertheilung der Prim- zahlen ergeben, so bezog sich der Vortragende auf die vorlaufige Augabe solcher ohne Beweis in seiner Habilitationsschrift : Ueber die Vertheilung der Primzahlen etc.", Jena 1884, S. 46. Die scheinbare Verwicklung in der Primzahlvertheilung lost sich bei genauerem Zusehen in ein System von Gesetzen auf, die sich auf die mannigfaltigste Weise gegenseitig erganzen. Wahrend so einer- seits das Resultat der Riemann'schen Untersuchung seine Ver- vollstiindigung iindet, lassen sich andrerseits auch die verschiede- nen in diese Kategorie gehorendeu Vermuthungen von Gauss betreii'end die Klassenanzahlen der quadratischen Formen naher pracisiren und beweiseu, ausserdem auch unzahlige andre Gesetze auffinden. Ausftihrlichere Publication ist in Vorbereitung. Aiihaiig zu den Sitzungsberichten fur 1884. Sitzuug Tom 25. Juli 1884. Mittheiluiig iiber (lie Scliilddriise uiid Thymus der Knoeheniische. Von Dr. Pr. Maurer, Assistent am anatomischcn Institut in Heidelberg. Am 25. Juli vorigen Jahres hielt ich in der medic, natur- wissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena einen Vortrag liber die Schilddriise und Thymus der Knochenfische. Die Untersuchungen liber diese beiden Organe wurden in Jena begonnen und im Laufe des letzten Winters in Heidelberg fortgesetzt und zum Abschluss gebracht. Im Nachfolgenden erlaube ich mir einstweilen kurz die Resultate derselben vorzulegen. Die betreft'enden Organe sind ihrer Entwicklung und ihrem Bau nach bei niederen Wirbelthieren noch sehr wenig gekannt, und forderten die neueren Arbeiten, die an Saugethieren angestellt wurden, speziell der durch Kollikek (Entwicklungsgeschichte des Menschen etc. II, Aufl. pag. 875) gefiihrte Nachweis, dass die Thymus ein epithelial angelegtes Organ darstellt, ebenso wie die von Born 1), Stieda^) und Wolfler^) beschriebeue paarige An- ^) Born, tJber die Derivate der embryonalen Schlundbogen (Archiv fiir mikr. Anat. XXII. 1883). 2) Stteda, Untersuchungen iiber die Entwicklung der glandula thymus, thyreoidea und carotica. Leipzig 1881. 3) WoLFLEii, tJber die Entwicklung der Schilddriise. Berlin 1880. 45 lage der Schilddruse , dazu auf, das Verhalten dieser Gobilde bei den niederen Wirbelthieren zu erforschen, zumal da durcli letztgo- nannte Abhandlungen die Anschauung liber die Bedcutung der Schilddruse, wie sie von W. MDller») gegeben wurde, erschiittort vvorden ist. Ich wahlte die Knochenfisclie zur Bearbeitung, da gerade von ihnen uber die Entwicklung beider Organe noch nichls bekannt ist. Die Lage der Organe bei ausgewachsenen Teleostiern wurde schon von Leydig'-^) und Stannius ^) besclirieben , doch ist iiber den feineren Bau neuerdings nichts bekannt geworden. Bei Selachiern hat Dohrn ^) die Entwicklung der Thynnus beschriebeu. — Die Untersuchungen iiber die Schilddriise und Thymus der Teleostier stelltc ich an einer voUstiindigen Entwicklungsserie der Forelle an; selbstverstandlich wurden viele andere Knochenfische zur Vergleichung zugezogen (z. B. Esox lucius, Anguilla vulgaris, Gasterosteus aculeatus, Cyprinus carpio, Gobio fluviatilis, Rhodeus amarus u. a.). Die Praparation bestand in der Herstellung von Sclinittserien durch ganze Kopfe, die theils in querer, theils sagittaler und hori- zontaler Richtung gefertigt wurden. Auch wurde die Praparation mit Pincette und Scalpell nicht vernachlassigt. I. Die Glanduia thyreoidea der Teleostier. Bei der Forelle, welche sich im Winter sehr langsam ent- wickelt, sodass erst 6 Wochen nach dera Streichen der Eier die Fischchen ausschliipfen, legt sich die Schilddruse am 26. Tage an, in Form einer medianen unpaaren Ausbuchtung des ventralen Schlundepithels, gerade vor der vorderen Theilung des s-formigen Herzschlauchs. Diese erste Anlage steht in keiner Beziehung zur *) W. MiJLLEE, Uber die Entwicklung der Schilddruse, Jenaische Zeitschr. Bd. YI, sowie iiber die Hypobranchialrinne der Tunicaten und deren Yorhandensein bei Amphioxus und Cyclostomen, Jenaische Zeitschr. VII. 2) Leydig, Anatomisch-histologische Untersuchungen iiber Fische und Keptilien. Berlin 1853. ^) Stannius, Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere 1. Buch, die Fische. Berlin 1854. *) A. Dohrn, Studien zur Urgeschichte des Wirbelthierkorpers YI. (Mittheilungen aus der zoologischen Station zu Neapel Band Y, Heft i.) 46 Biklung der Kiemeiispalteii. Sie ist von mehrschichtigem cubi- schem Epithel ausgokleidet , welches in das Epithel der Schlund- hohle direct tibergeht. Der Langsdurchniesser dieser Ausbuch- tung iibertriftt den queren nicht, sodass das Gebilde nicht eine Rinne, sondern einen hohlen Zapfen darstellt. Derselbe ist von der Wandung des Kiemenarterienstanimes, in dessen Gabel er hineinragt, durch eine starke Bindegewebslage getrennt, und deutet nichts daranf bin, dass bier das Epithel fester am Gefassstamm hafte, als an anderen Stellen und deshalb bier in die Tiefe ge- zogen wiirde. Diese mechanische Erkliirung fiir die Entstebung der Schilddriise (W. MUller) diirfte somit fallen zu lassen sein. Bis zum 30. Tage setzt sich der erwabnte hohle Zapfen scharfer von scinem Mutterboden ab, wird balbkiigelig; sein Lumen com- municirt noch frei mit der Schlundbohle. Am 32. Tage ist das Gebilde kugelig geworden und hangt nur noch durch einen soliden Stiel mit dem centralen Schlundepitbel zusammen , von dem es sich bis zum 35. Tage ganz abgelost hat. Es lagert dann als kugeliges, geschlossenes Blaschen von 0,04 mm Durchmcsser, das von einscbichtigem cubischem Epithel ausgekleidet ist, in der vor- dersten Theilungsgabel des Kiemenarterienstammes. In Folge der nun eintretcnden Ausbildung des gesammten Zungenbein-Kiemen- apparates und der Arterien fiir die wahren Kiemenbogen, riickt das genannte Blaschen etwas nach hinten und ventralwarts und streckt sich zugleich in die Lange. Dann tritt in seinem Lumen eine stark lichtbrechende Substanz (Colloid) auf (41. Tag). Es hat eine Lange von 0,06 nmi und eine Dicke von 0,03 mm und liegt nicht mehr in der vordersten Theilungsgabel der Kiemenarterie, sondern lagert diesem Gefassstamme ventral an. Weder zu gieicher Zeit mit der Bildung dieses Gebildes, noch spater konnte ich iibn- liche Abschniirungen weiter hinten median oder paarig von Kie- menspalten ausgehend beobachten, obgleich ich genau daranf achtete. Das geschilderte einzige primare Schilddriisenblaschen beginnt nun Knospcn zu treiben, welche sich sehr rasch von ihm abschniiren und als ebensolche geschlossene mit colloider Substanz gefiillte Gebilde theils ventral vom Kiemenarterienstamm liegen, theils seit- lich das Gefiiss umraidven, sodass sie seitlich und schliesslich dorsal von ibm lagern. Lange Zeit halt die Sprossung der Schilddriise rait dem Ijangenwachsthum des Kiemenarterienstammes gleichen Schritt, sodass das Organ als compacte Driisenmasse dem Gefasse dicbt anliegt und zwar in der Ausdehnung von dem Abgang der Arterie zum 4. Kiemenbogen bis zur Endtheilung in die Arterien 47 fiir die ersteii Kiemenbogen. Von der ventral gelegenen Haupt- masse, erstrecken sich zungenforniige Fortsiitzc nach oben, seitlich um den genannten Gefassstamni herum; dies findet sich besonders in den Gefixssgabeln , welcbe durch den Abgang der Arterien zu den einzelnen Kiemenbogen gebildet werden. So zeigt sich die Thyreoidea bei P'orellen von 3 cm bis zu 20 cm Korperliingc. Spater wird das Wachsthum des Organes ein geringeres, und es zerfiillt in viele unregelmiissige, dem Kiemenarterienstamme anlie- gende Knotchen. Man kann dann leicht paarige Knotchen heraiis- nehmen; diese stellen aber nur einen kleinen Theil des Organes dar, es finden sich viele solche Driisenpackete, die theils paarige, theils unpaare Lagerung einnehmen. Dieselben sind von bindegewebiger Kapsel umgeben und setzen sich zusammen aus Blaschen, welche von einschichtigem cubischem Epithel ausgekleidet , mit Flussigkeit oder colloider Substanz er- fullt sind. Jedes Blaschen ist von einem feinmaschigen Blutcapil- larnetz umsponnen. Bei ganz alten Fischen (speziell beim Karpfen ist dies sehr deutlich ausgesprochen) werden die Schilddriisenacini dadurch ver- andert, dass die sie auskleidenden Epithelzellen quellen und das Lumen des Blitschens, dessen Inhalt verfiiissigt ist, ausfiillen. Von der bindegewebigen Kapsel her dringen dann lymphoide Zellen ein, wodurch unter volligem Zerfall der driisigepithelialen Elemente ein lymphoides Knotchen entsteht. Hierin sind Anklange an Ver- iinderungen der Schilddruse, wie sie bei anuren Amphibien sich finden, gegeben. Nach den geschilderten Befunden an Knochenfischen entsteht die Schilddruse ausschliesslich aus einer unpaaren medianen Aus- stiilpung des ventralen Schlundepithels vor der vordereu Theilung des s-formig gekriimmten Herzschlauches, und ist somit die seit- her angenommene, von W. Mijller an Cyclostomen nachgewiesene Homologie mit der Hypobranchialrinne aufrecht zu haUen. Es kann dabei nicht genug betont werden, dass bei Petromyzonten die Ruckbildung eines als Schleimdriise noch fungirenden Organes zur Schilddriise mit der Metamorphose der Ammocoetesform zu Petromyzon nachgewiesen ist. Es bleiben spater nur abgeschniirte Epithelblasen iibrig. Wenn bei Saugethieron eine paarige Aulage vorkommt, so sind dies secundiire Verhiiltnisse, die auf die stam- raesgeschichtliche Bedeutung des Organes keinen Eiufluss haben konnen. Die niederen Wirbelthiere geben in ihren einfachen Ver- haltnissen auf diese Fragen leichter Aufschluss, als die Sauge- 48 thiere, bei welchen die hinfalligen Kiemenspalten in ihren Bezie- hungen zu auderen Organen starke Complicationen zeigen. 11, Die Thymus der Teleostier. Die Thymus tritt bei der Forelle ontogenetisch viel spliter auf als die Schilddriise (etwa am 50. Tage nach dem Streichen der Eier). Sie hat keine eiiiheitliche Anlage, sondern entwickelt sich aus stets soliden Epithelwucherungen der dorsaleii Euden der Kiemenspalten. Es finden sich jederseits 4 Epithelknospen, welche friihzeitig verschmelzen (G3ter Tag), ohne sich von ihrem Mutter- boden abzuschnuren. Das Organ lagert dann als langer spindel- formiger Korper lateral von der Ansatzstelle der dorsalen Schenkel der Kiemenbogen an die Schadelbasis (77ter Tag). Spiiter fallt der Schwerpunkt des Wachsthums an das hintere Drittel des Or- gans, wahrend die vorderen Theile sich friih riickbilden. Es liegt dann die Thymus hinter der Ansatzstelle des 4. Kiemenbogens an die Schadelbasis genau an der Stelle, die Stannius und Leydig angeben (4 — 5 Monate alte Forelle von 3—4 cm Korperlange). Sic haftet immer noch fest an der sie iiberziehenden Schleimhaut, ist nur mit ihrem Ueberzuge ohne Verletzung herauszupriipariren. Am miichtigsten ist sie bei halbwiichsigen Forellen (von 20 — 25 cm Korperlange). Spater zerfallt sie bald einer regressiven Metamor- phose. Bei Esox lucius, Leuciscus, Cottus gobio, Zoarces vivipara und Gasterosteus aculeatus verhalt sich die Thymus in ihrer Lage- rung gerade wie bei der Forelle, wahrend bei Cyprinus carpio und Rhodeus amarus nicht das hintere, sondern das mittlere Drit- tel des lateral von den Ansatzstellen der oberen Kiemenbogen- schenkeln an die Schadelbasis lagernden Thymuswulstes starker wuchert, so dass hier dies Organ lateral vom Gehororgan, nicht hinter demselben liegt. Es erstreckt sich als solider Zapfen nach oben. Bei alten Bitterlingen zeigt sich die Thymus zu einem ganz diinnen soliden Zellstrang riickgebildet, der immer noch mit dem Epi- thel der Kiemenhohle zusammenhangt. Mit der Pseudobranchie und Kopfniere ist die Thymus entgegen raeiner fruheren Angabe (Bei- trag zur Kenntniss der Pseudobranchien der Knochenfische) nicht zu verwechseln. Das Organ entgiug damals meiner Beobachtung, weil ich die epitheliale Verdickung nicht als Thymus betrachtete, letztere vielmehr von ihrem Mutterboden abgeschnurt suchte. Histologisch verhalt sich die Thymus der Forelle folgender- massen: Die ersten Knospen der dorsalen Kiemenspaltenenden be- stehen aus Epithelzelleu, welche direct in diis Kiemenspaltenepithel 49 iibergehen. Sie werden durch eine deutliche membiana propria ebenso wie das Epithel der Umgebung scharf vom unterliegenden Bindegewebe abgegrenzt. All diesen Knospeu verandern sich die wuchernden Zellen sehr rasch derart, dass ihre Greiizeii uudeutlich werden ; die Kerne werden kleiner, farben sich intensiver mit Carmin, kurz nehmen ein lymph- oides Ausselieu an. Dadurcli aber, dass sie ganz gleichartig sind, dass sie direct in die Kiemenspaltenepithelzellen iibergehen und durch eine membrana propria vom umgebendeu Bindegewebe getrennt sind, documentiren sie sich als Epithelzellen , die nur in Folge starlier Wucherung ihren epithelialen Charakter eingebiisst haben. Wenn die Knospen mit einander verschmolzen sind, beginuen von dem unterliegenden Bindegewebe aus Elemente des mittleren Keimblattes einzuwuchern, allein in so geringem Masse, dass ihnen nur die Bedeutuug als Stiitzgewebe zugeschrieben werden darf. Nur an den Stellen, wo dies Gewebe eintritt, wird die Membran, welche die Thymuswucherung begrenzt, durchbrocheu. Die Haupt- masse des Organes besteht noch aus gleichartigen Zellen, welche directe Derivate der ersten Epithelwucherung sind. Es beweist sich dies am schlagendsten bei Vergleichung mit etwas alteren Stadieu. Bei 3 — 4 Monate alten Forellen beginnen die beschriebeuen Thymuszellen in ihren epithelialen Charakter zuriickzufalleu, ihre Proliferationsfahigkeit erschopft sich. Urn diese Zeit wuchern von der Kapsel her lymphoide Zellen in grosser Masse langs den Blutgefassen und Bindegewebsziigen ein und brei- ten sich in einer mittleren Zone der Thymus aus, wo sie Lymph- follikel hervorgehen lassen. Dies bildet sich bei Forellen bis zu Exemplaren von 20 cm Korperlange weiter aus. Dann stellt die Thymus ein linsenformi- ges Knotchen dar, welches eine Flache frei nach der Kiemenhohle sehen lasst, wahrend die andere vom unterliegenden Bindegewebe einen Ueberzug erhalt. Von letzterem setzt sich die Thymus scharf ab durch eine membrana propria, die in die gieiche Membran des an das Organ grenzenden Epithels ubergeht. An vielen Stellen wird diese Membran von eintretenden Bindegewebsziigen und Blut- gefassen durchbrochen. Die tiefste Schicht der Thymus besteht zum grossten Theil aus veranderten Epithelzellen. Sie wird von Bindegewebsziigen und Blutgefassen durchsetzt, die zur nachsten Thymusschicht treten und sich durch ihren Reichthum an lymphoi- deu Zellen auszeichnen. Die Epithelzellen die, wie gesagt, die Hauptmasse dieser Schicht ausmachen und Elemente der ersten Sitzungsberichte 1885. I. Heft. 4 50 Thymusanlage darstellen, sind im Begiiine einer regressiven Meta- morphose. Es sind grosse Zelleu mit deutlicher Zellgrenze. Der Protoplasmakorper ist getriibt und zeigt leichte conceutrische Strei- fung. Der Zellkern ist sehr gross, kugelig und farbt sich mit Carmin sehr blass. Diese Zellen lagern entweder direct aneinander, Oder bilden concentrische Korper, indem sie sich wie bei Caucroid- kugeln umeinander gruppiren. Sehr viele dieser Zellen liegen auch vereinzelt, indem sie durch Bindegewebszuge voneinander getrennt sind. Dies zeigt sich besonders nach der Mitte des Organes zu, wo wir die intermediare Follikelzone treffen. Diese setzt sich aus verschieden grossen, im allgemeinen kugeligen Lymphfollikeln zu- sammen, die durch Bindegewebszuge von einander getrennt sind. Sie hangen durch ebensolche sowie durch Blutgefilsse mit dem unterliegenden Bindegewebe zusammen. In letzterem sind Massen von inditferenten lymphoiden Zellen eingelagert, ebenso sind die Lymphscheiden der in der Thymus verlaufenden Blutgefilsse stro- tzend mit den gleichen Gebilden gefiillt. Sieht man ein solches Gefass im Querschnitt, so tauscht es einen concentrischen Korper vor, an Langsschnitten lost sich dieser Irrthum leicht, da man dann die langen Gefassrohren erkennt. Das Gefassendothel zeigt dabei keinerlei Wucherungserscheinungen. Die Lymphfollikel sind nach der freien Oberflache der Thymus zu nicht scharf abgegrenzt, sondern ihre Elemente finden sich zwischen den Zellen des iiberziehenden Epithels bis zur freien Oberflache eingestreut. So geht also die mittlere Follikelschicht allmahlich in die oberflachliche Thymusschicht liber. Letztere wird dargestellt vom iiberziehenden mehrschichtigen platten Epi- thel, das an der Grenze des Thymus in die obersten Schichten des Kiemenhohlenepithels iibergeht. Sie ist entwicklungsgeschicht- lich als ein Theil der Thymus selbst aufzufassen, sodass dieses Organ sich also nicht von seinem Mutterboden abgeschnurt hat. Es liegt darin ein Gegensatz zu dem Verhalten der Thymus bei Selachiern, wie es von Doiien beschriebeu ist. Man kann an der Thymus drei Zonen unterscheiden : Zwei Epithelzonen , cine tiefe und eine oberflachliche, zwischen diese schiebt sich eine interme- diiire biudegewebige Follikelzone ein. Der Bau der in letzterer ent- haltenen Follikel entspricht ganz demjeuigen der anderen wahren Darmfollikel , wie sie sich im Intestinaltractus der Wirbelthiere finden. Nur ist als sehr wesentlicher Unterschied festzuhalten: dass die Thymusfollikel bei Knocheufischen innerhalb des Epithels liegen. 51 Sie bestehen aus einem selir feinen reticularen Bindegewebe, ill (lessen Masclien sehr dicht gehaufte Kerne lagern. Letztere sind kugelig, farben sich mit Carmin sehr intensiv. Zellgrenzen sind niclit zu erkennen. Diese Kerne erlialten sich nicht lange iinveriindcrt , sondern verfallen sehr friihzeitig eiuer charakteristi- scheii Riickbildung. Sie theilen sich namlich in zwel oder zer- fallen in viele Kornchen , bis zu fast punktformigen Gebilden , die sich mit Carmin ganz homogen intensiv farben. Man findet diese Gebilde in den verschiedensten Grossen im Gesichtsfeld. Doch trifft man sie nur in den Follikeln uud zwischen den Zellen des epithelialen Thymusiiberziiges. Sie fehlen in den Lymphscheiden der Blutgefiisse, sowie zwischen den Lamellen der unterliegenden Bindegewebsschichten , die indessen sehr reichlich von normalen Lymphzellen durchsetzt sind. Es deutet dies darauf bin, dass die letzteren Gebilde in die Thymus hiueingefuhrt werden, da doch sicher der Zerfall der Zellen erst an ihrem Bestimmungsort stattfindet. Mit dem Beginn dieses Zerfalls der Follikelzellen ist der An- stoss zur Riickbildung der Thymus iiberhaupt gegeben. Indem die kleinsten Kornchen auf Kosten der Follikelzellkerne zunehmen, sammeln sie sich im Centrum des Follikels an und fiillen eine unter Einschmelzung des reticularen Bindegewebes entstandene centrale Erweichungshohle an. Die Kornchen verlieren dann ihre Tinctiousfahigkeit und stellen einen feinen Detritus dar. Allmah- lich fliessen unter Weitergreifen des Prozesses die Hohlen benach- barter Follikel zusamraen, sodass die Thymus eine unregelmassige buchtige Hohle in ihrem Lumen enthalt, welche mit feinkornigem Detritus erfullt ist. In der Folge schwindet unter Resorption dieser Masse das Organ vollig, sodass bei ganz ausgewachsenen Knochen- fischen nichts mehr davon nachzuweisen ist. Aus dem geschilderten Entwicklungsmodus und dem spateren histologischen Verhalten ergibt sich, dass die Thymus der Knochen- fische niemals eine Driise ist, da sie keinerlei Ausfiihrgang oder Lumen besitzt. Die spaterere Hohle ist als pathologische Caver- nenbildung aufzufassen. Die zahe Erhaltung des Organes bis zu den hochsten Wirbel- thieren lasst darauf schliessen, dass ihm eine sehr wichtige, stam- mesgeschichtliche Bedeutung zukommt, die wir bei Knochenfischen nicht mehr eruiren konnen. Hier zeigt dies Gebilde Verande- rungen, die in das Gebiet der pathologischen Anatomie fallen. Dies spricht sich darin aus, dass die urspriinglich epitheliale Wuche- 4* 52 l-ung unter Degeneration ihrer Elemente einer bindegewebigen Platz macht, die indessen auch mit dem Alter des Thieres einer volligen Ruckbildung verfallt. Genaueres uber diese Fragen bleibt in einer ausfiilirlicheren Arbeit zu besprechen. — Heidelberg, Miirz 1885. Zur Keimtniss der Seruuifarl)stoife. Von C. Fr. W. K r u k e n b e r g. (Aus dem chemisch-physiologischeu Laboratorium der Universitiit Jexia.) (Hierzu Tafel I). Die Anschauung, dass das Hamoglobin der verbrauchten rotheu BlutkOrperchen extra- oder intracellular unter Bildung von Bilirubin oder von Hydrobilirubin zerfalle, welche Producte als- dann durch Leber oder Nieren ausgeschieden , zuvor also vom Blute transportirt werden, gab ebenso wie die Auffassung, dass das von den Nieren ausgeschiedene Hydrobilirubin zum grossten Theile nur das vom Darmtractus aus resorbirte ist, mehrfach Ver- anlassung, nach gut charakterisirten Serumfarbstoffen zu suclien. Zu den Untersucbungen wahlte man solche Sera aus, welche durch eine intensivere Farbung anzudeuten schienen, dass sich in diesen Fallen die Spaltungsproducte des Hamoglobins reichlicher im Blut- plasma anhaufen und, indem sie nicht so rasch und so vollstiindig von den Excretionsorganen aufgenommen werden, darin vielleicht auch langer verharren, als bei den Thieren, deren Blutserum weit schwacher tingirt, ja nahezu farblos (z. B. beim Kaninchen) ist. Am Pferdeblutserum gelang es dann SLUch Hammarsten^), bei Fiillung des Paraglobulins durch Essigsiiure aus dem Serum einen Farbstotf mit niederzuschlagen , welcher sich dem lufttrockncn, gelbgefarbten Paraglobulinpulver durch Auskochen mit Chloroform entziehen liess. Dieser durch Verdunsten der Chloroformlosung krystallisirt erhaltene Farbstoffkorper gab eine schone und gauz ^) 0. II am mars ten, Ueber das Vorkommen von Gallenfarbstoff iu dem Blutserum. Autoreferat iu Mali/s Jahresb. uber die Fortschritte der Thierchemie. Bd. 8. Ueber das" Jabr 1878. S. 129 u. 130. 53 typisclie Gnielifi'iiche Reaction, mit Brom eine schoii grungefarbte Losung, wurde von Alkobol aus der Chloroformlosung mit orange- rothcr Farbe gefiillt, durch verdiiiinte Natronlauge der Chloro- formlosung entzogen, erwies sich als kaum loslich in Aether und zeigte, in Losung befindlich, keinen Absorptionsstreifen im Spectrum: eine Thatsache, die schon friiher von R. Pribram^) festgestellt und dahin pracisirt war, dass in einer 4.5 ctm. dicken Schicht des Pferdeblutserums die Absorption schon bei E beginnt und schou in der Nahe von b ihr Maximum erreicht, indem von da an der ganze Theil des Spectrums fast vollstandig ausgeloscht er- scheint. Durch diese Reactionen war der Farbstoft als Bilirubin erkannt, dessen typisches Aussehen auch die erhaltenen Krystallc darboten. Hammarsten betrachtet das Bilirubin als einen physio- logischen , quantitativ doch sehr wechselnden Bestandtheil des Pferdeblutserums; in dem Serum von Menschen- und Rindsblut konnte er dagegen den Farbstoff nicht nachweisen. Alexander Schmidt^) hatte s. Zt. geglaubt, dass der gelbe Farbstoff des Pferdeblutserums sowohl spectroskopisch (allerdings nur beurtheilt nach der Endabsorption am blauen Ende des Spectrums), wie auch durch die katalysirende Wirkung auf Wasserstoffsuperoxyd, wobei derselbe eine vollkommene Oxydation erleidet, mit dem gelbeu Korper ubereinstimme , welcher durch Oxydation des Pferdeha- moglobins in concentrirter Natronlauge erhalten werde. „Der gelbe Farbstoff des Blutserums", sagt A. Schmidt^), „weist darauf hin, dass die Entstehung dieser Substanz im Organisraus auf der vereinigteu Wirkung des Blutalkalis und des erregten Sauerstoffes beruht, in der Weise, dass durch Ersteres eine bestandige partielle Zersetzung des Hamatoglobulins bewirkt wird, wahrend durch Letzteren das dabei entstehende Hamatin zu jenem gelben Farb- stoffe verbrannt wird und als solcher eine gewisse Bestandigkeit besitzt." Abgesehen von einem einfachen Uebertritt des Leberbilirubins in's Blut, scheint sich im Blutplasma des erwachsenen Menschen Bilirubin nur noch bei hamatogenem oder , wie Quincke will , bei anhepatogenem Icterus , also ebenfalls nur unter pathologischen ^) R. Pribram, Eine neue Methode z. Bestimmung des Kalkes u. der Phosphorsaure im Blutserum. Ber. iiber die VerhandL- der k. sachsischeu Ges. der Wiss. zu Leipzig. Math.-physische Classe. 1871. S. 280. Anm. 1. ^) ^/ex. Schmidl, Hamatologische Studien. Dorpat. 1865, S. 73. 3) J lex. Schmidt, ibid. S. 78. 54 Verlialtnissen, vorzufinden ; indess ist es ebenso zweifclhaft , dass nicht auch in diesen Fallen, wie z. B. Afanassiew^) vermuthct, das Bilirubin stets der Leber entstammt, als dass das Leberbili- rubin ein Zersetzuugsproduct des Hamoglobins , und nicht viel- mehr, worauf kiirzlich Nencki^) hinwies, unfertiges Hamoglobin ist. Bei Neugeborenen findet man dagegen, wie zuerst Ghevreul^) bemerkte, entsprecliend der Ausbildung des Icterus neonatorum, vom zweiten Tage bis zu Ende der ersten Woche nach der Ge- burt, im Blute wohl ganz regelmassig Bilirubin vor, welches sich hier nach BuM und E. Neumann *) unter pathologischcn Ver- haltnissen (bei Respirationsstorungen) so reichlich im Blute an- sammeln kann, dass es sich einige Stunden oder Tage nach ein- getretenem Tode aus dem Blute in nadelformigen Krystallen ab- scheidet. Ein weiteres Derivat der Gallenfarbstoffe will man indess als farbenden Bestandtheil des Blutserums auch bei Thicrcn nachge- wiesen haben. So gelaugte Mac Munn ^) bei der spectroskopi- schen Untersuchung frischen Hammelblutserums zu dem Schlusse, dass dieses Choletelin oder einen dem Choletelin iihnlichen Farb- stoff, aber kein Lipochrom enthalte. Das Serum zeigte ihm neben den beiden Oxyharaoglobinstreifen ein breites Band vor F, diese Linie nur um Weniges nach dem blauen Ende des Spectrums iiber- ragend. Auf Zusatz von Chlorzink und Natronlauge erschien das Absorptionsband in der vom Niederschlage abfiltrirten Farbstoff- losung verbreitert und um Weniges nach dem Blau hin ver- schoben, reine Natronlauge wie Ammoniak dagegen machten den 1) J. Afanassiew, Zeitschr. f. klin. Medicin. Bd. 6. 1883. S, 314. 2) M. JSencki u. iV. Sieher , Untersuchungen iiber den Blutfarb- stoff. Ber. d. d. chem. Ges. Jahrg. 17. 1884. S. 2275. ^) C/ievreul, Mem. sur plusieurs points de chimie orgauique, et considerations sur la nature du sai^g. Journal de physiologic do AJagemlie. T. IV. 1824. p. 126. *) E. Neiima7iii , Eine Beobachtuug iiber spontaue Abscheiduug von Bilirubiukrystallen aus dem Blute und den Gewebeu. E. Ifng- ner's Archiv der Heilkuude. Jahrg. 8. 1867. S. 170—173. E. l\c Kill (tun, Ueber das haufige Vorkommen vou Bilirubinkry- stallen im Blute der Neugeborenen u. todtfauler Friichte. Ibid., Jahrg. 9. 1868. S. 40—48. ^) C. A. Mac Munn , Besearches into the Colouring-matters of Human Urine, with an Account of their Artificial Production from Bilirubin, and from Haematin. Proceed, of the r. Soc. of London. Vol. 31. 1881. No. 208. j). 231—232 u. Chart 4, Spectr. 11. 55 Streifcn verscliwindcii. Mac 3funn^) hiilt hiernach den j,'clbon Farbstotf des Hainmelblutserums fiir cin Oxydatioiisproduct dcr Gallenfarbstoffo und mithin audi (in Uebereiustimmung mit A. Schmidt) fiir cin Hamoglobinderivat. Obschon seit den Angaben von Jones ^) bekannt ist, dass das Blutserum einiger Wirbelthiere (z. B. Emys reticulata, E. serrata, Cathartes atratus) selbst eine tief goldgelbe Farbe besitzt, so wurde ausser dem menschlichen und dem Pferdeblut- serum bislang doch nur noch das Ochsenblutserum auf die Natur seines gelbeu Pigmentes genauer gepruft. Nach Milne-Edwards'-^) hat im Jahre 1835 Martial Samson in einer, an der I^^cole de pharmacie vertheidigten These, welche den Titel: „Etudes sur les matieres colorantes du sang" trug, eine grosse Anzahl an Ochsen- blut ausgefiihrter Versuchsreihen mitgetheilt und an diesem vier gefarbte Substanzen unterschieden , von denen eine gelbe als die- jenige bezeichnet wird, welche dem Serum seine eigenthiimliche Farbe verleiht, und welche sich in Wasser, Alkohol, Aether wie Fett losen, in der Kalte weder von concentrirten Sauren noch von Alkalien verandert, durch Chlor indess gebleicht werden soil. JDenis*) erkliirte diese Substanz auf Grund ihrer Reactionen fiir Gallenfarbstoff, und Alex. Schmidt^) hegte in Betreff des Farb- stoffes im Rinderblutserum dieselbe Ansicht, welche er fiir den Serumfarbstoff des Pferdeblutes specieller entwickelt hat. Thudi- clium^) hielt — ohne irgendwie zu bemerken, bei welchen Thieren er den Serumfarbstoff untersuchte, und in welcher Weise die Uutersuchung desselben (ob am Serum direct oder an einer reineren Losung des Farbstoffes) vorgenommen wurde — das gelbe Pigment des Blutserums ganz allgemein fiir Lutein, d. i. fiir ein Lipochrom, ^) C. j1. Mac Munn , Studies in Animal Chromatology. Proceed, of the Birmingham Philosoph. Soc. Vol. 3. 1883. p. 365. ^) J. Jones, Investigations, chemical and physiological, relative to certain american Vertebrata, Smithsonian contributions to know- ledge. Washington 1856. Vol. III. p. 13—16. ^) //. Milne-Edwards , Le9ons sur la physiologic et I'anatomie comparee de I'homme et des animaux, T, I. Paris 1857. p. 183, note 2. *) Denis ^ Essai sur I'applicatioQ de la chimie a I'etude du sang. 1838. p. 130. ^) Jlex. Schmidt, 1. c, S. 73. ") J. L. //'. Thudichum, Ueber das Lutein u. die Spectren gelb- gefarbter organischer Substanzen. Centralbl. f. d. medic. Wissensch. Jahrg. 7. 1869. S. 1—5. 5B weil das Spectrum desselben die 3 Luteiubander aufweisen soil Dieser Ansicht schloss sich auch Hoppe-Seyler '^) an, welchcr von dem Serumfarbstoffe (hier ist sowohl der des Rinds-, wie auch der des Pferde-, Hunde- und Menschenblutes einbegriffen) be- merkt: „Nach den Lichtabsorptionen (Absorptionsstreifen im Blau bei der Spectraluntersuchung mit directem Sonnenlicht) scheint der Farbstoff identisch mit den Farbstoffen des Eidotters und der Butter, dem Lutein, doch ist es noch nicht gelungen, den Farb- stoff darzustellen , da seine Trennung von den Fetten, ebenso von fetten Sauren, Cholestearin u. s. w. bis jetzt noch nicht ausgetuhrt werden konnte." Maly^) hingegen glaubte, „das Hydrobilirubin sei auf dem Wege zwischen Darm und Niere in der Blutbahn leicht nachzuweisen, wenigstens beim Ochsenblut sei das klare, in der Winterkiilte von den letzten Korperchen abgetrennte Serum intensiv gelb und gebe im Spectrum Duukelheit von 144 an (wenn Li bei 102.5; Na auf 120, K/:? bei 219.5), links scharf begrenzt, dann ein schmales blasseres Streifchen 120 bis 122 (das vielleicht von Spuren eines veranderten Blutfarbstoffes herriihren diirfte), so in einer Schicht von 1 V2 ctm. und unverdiinnt." Nach „Wasser- zusatz zum Serum," fahrt Maly fort, „ist das Blau gut zu sehen, aber zwischen Griin und Blau ist ein massig dunkler Schatten geblieben. Das mit Chlorzink und Ammoniak versetzte Blutserum gibt deutliche Verdunklung von 14G an." Neun Jahre spater ausserte sich Maly ^) zwar weit weniger bestimmt liber das Hydro- bilirubinvorkommen im Ochsenblutserum , dessen gelbes Pigment kurz nachher von iliac Munn*) als Choletelin angesprochen wurde. Sammtliche Untersucher , deren Mittheilungen den Schein er- regen konnten, dass es ihnen gelungen sei, ein lipochromatisches Pigment aus dem Rinderblutserum abzuscheidcn , lassen uns im Ungewissen, durch welche Mittel die Isolirung des Farbstoffes aus dem Serum gelungen ist. Preyer's Angabe^), dass weder aus *) F. Hoppe-Seyler, Physiologische Chemie. III. Theil. Berlin 1879, S. 434. 2) R. Maly, Unters. uber die GallenfarbstoflPe. III. Abhdlg. Umwandlung von Bilirubin in Harnfarbstoff. Ann. d. Chera. u. Phar- mac. Ed. 163. 1872. S. 93. Vgl. auch dessen Jahresb. iiber die Fortschr. der Thierchemie fiir das Jahr 1872. Ed. 2. S. 237. ^) /^ Maly, Chemie der Verdauungssiifte u. der Verdauung. Hermann's Handb. der Physiologic. Jkl. Y. Th. II. 1881. S. 162. *) r. J. Mac Mnnn , Studies in Animal Chromatology. 1. c., p. 365. ^) IV , Preyer, Die Blutkrystalle. Jena 1871. S. 99 Anm. 2 u, S. 190. 57 frischem noch aus altcm Blutserum (voni Rind) (lurch reines Chlo- roform eine Farbstofflosung zu erhalten ist, vermag ich vollstandig zu bestatigen und noch dahin zu erwoitern, dass auch durch Ben- zol, Aether, Methyl-, Acthylalkohol u. dgl. m. der Farbstoif frischem Rinderblutserum nicht zu ontziehen ist. Die widersprechenden Angaben von Samson kann ich mir nur dadurch erklaren, dass hier ein abweichender Farbstoff (vielleicht Bilirubin) vorlag und aller Wahrscheinlichkeit nach die Beobachtung auch nicht an Rinds- sondern an Pferdeblut geniacht wurdc, dass fernerhin auf eincn Luteingehalt des Blutserunis von Thudichum wie von Hoppe- Seyler nur aus den spectroskopischen Eigenschaften des gefarbten Serums, nicht aus dem Verbal ten des Farbstoffes gegeniiber den lipochromatischen Losungsmitteln oder aus den Spectraleigenthum- lichkeitcn reinerer Farbstofflosungen und dem Verhalten der Pigmente in fester Form gegen concentrirte Schwefelsaure und Starke Salpctersaure geschlossen ist. Mit so vielen Losungsmitteln ich frisches Rinderblutserum auch behandelte, der gelbe Farbstoif licss sich nur durch cine cinzige Fliissigkeit dem Serum in er- heblicherer Menge durch Ausschutteln entziehen , und zwar nur mittclst Amylalkohol, welcher bei der Extraction der Faulnissfarb- stoffe (identisch mit dem Urorubin von Ploss, dem Erythroproteid der pathologischen Anatomen und wahrscheinlich auch mit dem Urorosein Nencki's) in gleicher Weise vorzugliche Dienste geleistet hatte '), und durch den, wie NencJci^) berichtete, auch dem Harne das Hydrobilirubin vollstandig entzogen werden kann. Durch vviederholtes Ausschutteln mit neuen Portionen von Amylalkohol ist das beim Mischen des Amylalkohols mit dem Serum entstehende Eiweisscoagulum vollig weiss zu gewinnen, wahrend anderseits die Losungen des Farbstoffes in Amylalkohol durch Eindampfen auf dem Wasserbade leicht concentrirter zu erhalten sind. Ist der Farbstoff dem Serum durch Amylalkohol erst einmal entzogen, so lost sich derselbe nach dem Verdunsten des Amylalkohols sofort auch in alien ubrigen Fliissigkeiten, welche als lipochromatische Losungsmittel bekannt geworden sind, und ertheilt diesen eine gelbe, bald mit einem Stich in's Griine (z. B, Alkohol, Aether) , bald eine mehr in's Orange spiclende Farbung ^) Vgl. Kriikeiibarg , Zur Charakteristik oiiiiger physiologisch u. klinisch wichtigercn Farbcnreactiouen. Verhaudl. d. physik.-med. Ge- sellsch. zu Wiirzburg. N. F. Bd. 18. No. 9. 1884. S. 185 fF. 2) Nencki u. Sieber, a. a. 0., S. 2268. 58 (z. B. Chloroform) ; niir die Schwefelkohlenstofflosung besitzt cbenso wie bei den ubrigen gelben Lipochromen eine, etwas in's Roth- braune gehende Oraiigefarbe. Alle diese Losungen des Serumfarb- stoffes zeigen im Spectrum die beiden Absorptionsbander, welche speciell fur die Glieder der Chlorophangruppe charakteristisch sind , welche in der alkoholischen und in der atherischen Losung dem blauen Ende des Spectrums am nachsten lagern, von diesem sich in SchwefelkohlenstofiF gelost am meisten entfernen, wahrend die Lage der Bander in der Chloroformlosung zwischen beiden Extremen die Mitte einhalt. Auch im Spectrum der Chloroform- losung des Farbstoftes (Taf. I, Spectr. 4) war von einem dritten Absorptionsbande bei G, welches das Spectrum mehrerer Chloro- phane besonders bei Anwendung dieses Losungsmittels darbietet, nichts zu entdecken; es ist jedoch durch Ki'thne's sowie durch meine eigenen Untersuchungen hinlaiiglich klargestellt, dass dieser dritte Lipochromstreifen — welcher iiberdies nur bei sehr giin- stiger Beleuchtung ^) und deutlich nur in Losungen, welche keine, die blauen und violetten Strahlen absorbirende Verunreiniguugen enthalten, gesehen wird — inconstant und die Deutung der darauf beruhenden spectroskopischen Verschiedenheiten einzelner Lipo- chrome noch keineswegs gegliickt ist. Sehr bemerkenswerth scheint mir der Umstand, dass das Spectrum des frischen Serums (Taf. I, Spectr. 2) die beiden Lipochromstreifen, von denen der dem Roth benachbartere stets der bei weitem dunklere ist, ebenfalls mit voller Deutlichkeit zeigt, aber ganz anders gelagert als im Spec- trum der Losung des Farbstoffes in Amylalkohol (Taf. I, Spectr. 3). Derartige Differeuzen werden bei Lipochromen uicht selten beo- bachtet, erhalten sich bisweilen (z. B. bei dem Lipochrome des menschlichen Knochenmarks) noch in der alkoholischen Losung und lassen, wenn , wie in unserem Falle, das Losungsmittel dafiir nicht verantwortlich zu machen ist, nur die Annahme einer lockern chemischen Verbiudung des Lipochromes mit einer fettartigen Substanz oder vielleicht auch mit einem Eiweisskorper zu; in ihrem Detail sind diese Verhaltnisse jedoch nicht weniger klar als die zahlreichen Veranderungen , welche die Lipochrome in scheinbar abgestorbenen Geweben durchzumachen haben. In dem Umstande, dass sich bei Anwendung verschiedener Losungsmittel die beiden Spectralbiinder ganz gleichmiissig verschieben, sehe ich indess den triftigsteu Beweis dafur, dass beide Bander einem ^) Ich bediente mich bei dieseu Versuchen des Magnesiumlichtes. 59 einzigen Farbstoffkorper angchorcn, und class die ungcwohnlichc Dunkolheit des ersteii Bandes (Taf. I, Spectr. 3 urn F) iiicht ctwa auf Hydrobilirubin zu beziehen ist, an dessen spectrosko- pisches Verhalten in saurem Amylalkohol (Taf. I, Spectr. 1) der dunklere Streifen im Serumspectrum zwar ausserordentlich cr- innert. Vergleicht man das Spectralverhalten des FarbstofFes aus dcni Rinderblutserum mit dem der tibrigen , bislang bekannt ge- wordenen Lipochrome, so ergiebt sich eine zweifellose Verscbieden- heit zwischen dem Serumfarbstotfe einerseits, den Chromophaiien wie auch dem Lecitochrin und dem, dem Cblorophan der Hiihner- rctina so iihnlichen Fettfarbstoffe aus menscblichem Knochenraark anderseits. Den durcb Verseifung rein erhaltenen Farbstott" des Huhnereierdotters habe ich , urn ein weiteres Vergleichsobject zu besitzen, ebenfalls in Amylalkohol gelost und gesehen, dass, wic nach KilJme's Untersuchungen zu erwarten stand, im Spectrum desselben die Streifen weit mchr dem Roth genahert liegen als im Spectrum der entsprechenden Losung des Serumfarbstoffes. Das Spectrum der Lecitochriulosung in Amylalkohol zeigte ebenso scharf als die Chloroformlosung das dritte Absorptionsband bei G. In seinen spectroskopischen Eigenschaften gleicht das Serum- lipochrom am meisten dem Lutein Kiihne's^) und dem gelben Hautpigmente von Triton cristatus^); ob unter diesen Farb- stoffen jedoch eine wirkliche Identitat besteht, wird vor der Hand noch nicht zu entscheiden sein. Der Umschlag iu's Rothe, welchen alkalische Hydrobilirubin- losungen durch Saurezusatz erfahren , und das Dunklerwerden, welchem die Alkaliverbindungen des Hydrobilirubins bei langerer Aufbewahrung unterworfen sind, geben meinen Erfahrungen ge- mass die empfindlichsten Reactionen auf diesen Korper ab. Zur Priifung auf Spuren von Hydrobilirubin, denn nur solche batten sich dem Mitgetheilten nach neben dem Lipochrome in dem Rinds- serum vorfinden konnen, wurden von einem concentrirten Amylal- koholauszuge des Serums drei Portionen genommen, von welchen die eine mit Salzsiiure angesauert, die zweitc mit Ammoniak -j- Chlorzink versetzt wurde, und die dritte, in gleicher Schichten- 1) //'. Kuhne, Beitrage zur Optochemie. Unters. a. d. physiolog. Inst, der Uuiversitiit Heidelberg. Bd. 1. Huft 3. 1882. Taf. 5. 2) Krukenhcr^y Vergl.-physiologische Studien. II. Reihe. II. Abth. Heidelberg 1882. Taf. 3. 60 dicke wic die librigen, als Controlprobc unvermischt blieb. In genau dcr iiamlichen Weise wurden darauf die Versuchsrcihen mit einer annahenid gleich stark gefarbten Lecitochriolosung und mit einer rcinen, kaum gefarbt erscheinenden neutraleu Hydrobi- lirubinlosung (in Amylalkohol) wiederholt. Diese Versuche er- gaben mit aller Evidenz , dass das Rinderblutserum auch nicht die minimstcn uachweisbaren Mengen von Hydrobilirubin enthielt: der Amylalkoholauszug des Serums glich genau der Lecitochrin- losung. Beide Flussigkeiten verblassten durch Salzsaure und ver- iinderten auf Zusatz von Ammoniak + Chlorzink ihre Farbe nicht, wall rend die erst in einer 2—3 ctm. dicken Schicht strohgelb er- sclieinende Hydrobilirubinlosung mit Salzsaure sich sehr deutlicli granatroth farbte und auf Zusatz von Ammoniak+ Chlorzink grun fluorescirte, Versuche, bei denen das zuvor angesiluerte Rinds- serum mit Amylalkohol ausgeschiittelt wurdc, hatten das namlichc negative Resultat zur Folge. Ganz entgegen der Eigenschaft einer gelben Hydrobilirubinlosung, beim Stehen an der Luft nachzu- dunkeln , verbleichen die Auflosungen des Serumfarbstoffes nach einiger Zeit, ja sie erleiden sogar eine vollstandige Entfarbung, rascher zwar am Lichte , doch auch im Dunkeln , und zwar bc- durfte es dazu — vvie Begleitversuche, ausgefiihrt mit dem Farb- stoffe des Hiihnereierdotters, welcher zu diesem Zwecke ebenfalls in Amylalkohol gelost wurde, lehrten — nicht langerer Zeit, als bei einer, denselben Bedingungen unterstellten Lecitochrinlosung von annahernd gleicher Farbenintensitat. Hydrobilirubin war so- mit auch nach diesem Verfahren im Rinderblutserum nicht nach- zuweisen , und das fiir den gegentheiligen Schluss von Maly gel- tend gemachte, von ihm jedoch nur ungeniigend untersuchte spec- troskopische Verhalten des Rindsserums passt ebenso gut, ja noch weit besser auf einen rein lipochromatischen Farbstoff, als auf Hydrobilirubin. Weder bei den ganz successiv erfolgenden Ex- tractionen des Serums mit stets neuen Amylalkoholmengen — ein Verfahren , welches mir z. B. bei den Untersuchungen der Farb- stoffe von Anthea Cereus so werthvolle Aufschlusse geliefert hatte — , noch bei dem ganz allmaligen Verblassen der Farbstoff- losungen am Lichte traten Erscheinungen auf, welche auf ein, im Serum vorhandenes Farbstotfgemisch (etwa bei Anwesenheit von Choletelin oder anderer, durch Reactionen schwer zu erkennenden Substanzen) schliessen liessen. Stets erschienen auch in den Spcctren nur die beiden Lipochrombander, was zugleich beweist, dass die 61 Trennuug des Serums von den Blutkorperchen ebenfalls in er- wiiuschter Weise gelungen war'). Weder das direct, nocb das nacli scliwachem Salzsaurezusatz mit Amylaliiohol extrahirte Serum gab mit salpetriger Salpeter- siiure oder mit Bronnwasser irgend eiue Andeutung des Eintretens der Crmelin'schm Gallenfarbstotfreaction, wodurch also auch weiter- bin die Abwesenbeit von Gallenfarbstoffen in demselben bewiesen sein diirfte. Priift man den gelben Verdampfungsruckstand der Losung des Serumfarbstoffes in Amylalkohol auf die den Lipochromen eigenthiimliche Blaufarbung durch concentrirte Scbwefelsaure oder durch Starke Salpetersaure, so findet man diese Reaction nur stellen- weise ausgepragt; durch vorsicbtige Bebandlung des salbenartigen Verdampfungsruckstandes mit reinem, moglichst kalt gehaltenen Pe- trolather, rasches Filtriren der Farbstofiflosung , Abdampfen und mebrmalige Wiederholung dieser Operationen , indem einige Male statt des Petrolathers auch Cbloroform verwendet wurde, gclang es mir jedoch , auch dieses Lipochrom soweit zu reinigen , dass beide Reactionen sehr schon hervortraten und auch auf Zusatz eines Tropfens Essigsaure durch Jod-Jodkaliumlosung einc blau- grune Farbung zu erzielen war. Als sich gezeigt hatte, dass der nach Kuhne's Methode mit heisser Natronlauge verseifte Amylalkoholauszug des Serums beim Schiitteln mit Petrolather keinen Farbstoff an diesen abgab , und nach dem Aussalzen der Seifenlosung die mit Petrolather oder mit Aether geschiittelte Masse zu einer gleichmassigen Gallerte gestand, aus der sich die Aether auch nach "Wochen nicht aus- schieden , so wurde der in oben beschriebener Weise gcreinigte Verdampfungsruckstand des Amylalkoholauszugs mit Aethylalkohol ^) Obschou ich anfaugs ausschliesslich an reinem Serum experi- mentirte, iiberzeugte ich mich doch spater, dass (nach raschem Auf- kochen des Blutes) der Serumfarbstoff nicht weniger rein durch Amyl- alkohol aus dem Blute direct zu gewinnen ist, und dass das um- standliche Absetzenlassen der Blutkorperchen deshalb fiir gewohnlich umgaugen werden kanu, zumal etwas Hamoglobin (wahrscheinlich aber nur von postmortal zersetzten Blutkorperchen herriihrend) stets im Serum gefuuden wird. Preyer (1. c. S. 6) bcmerkt speciell vom Blutserum des Eindes , Schafes, Kalbes, Pferdes und Schweines, dass dasselbe, „wenn es auch noch so sorgfaltig dargestellt wird, in Schichten von 4 — 6 ctm. vor den Spalt eines Spectralapparates gebracht, im Spectrum die beiden, fiir das sauerbtoffhaltige Hamoglobin charakte- ristischen Absorptionsstreifen zeigt." 62 aufgenoramen unrt diese Losung der Verseifung unterworfen. Es gelang auf diese Art, der ausgesalzcnen Seife den Farbstoff durch Aether zu entziehen und festzustellen , dass derselbe unzersetzt geblieben war; die gelbe Aetherlosung zeigte noch die beiden Spectralstreifeii , die von denen im Spectrum des Amylalkoholaus- zuges in Lage und Intensitilt nicht zu unterscheiden waren. Was nun schliesslich noch die Behauptung Al Sckmidfs an- belangt, der gelbe Serumfarbstofit sei aus dem Hamoglobin kiinst- lich darzustellen, oder, was vielleicht in diesera Satze einbegriifen liegen soil, ein Derivat des Hamoglobins , so stehen derselben doch iramerhin grosse Bedenken entgegen. Soviel ich bei Krypto- ganien , Monocotylen und Dicotylen auch selber darnach suchte, so ist bislang doch niemals eine Spur von Chlorophyllgriin auf- gefunden worden , welches nicht mit einem gelben Lipochrome (Anthoxanthin Hansen's) auf s Innigste gemischt gewesen ware, — so innig damit verschmolzen , dass man bis zu Hansen's bahn- brechenden Untersuchungen , beide Farbstoffe sogar fiir einen ein- heitlichen Korper ansah. Sehr ahnlich scheint es sich auch mit den Hamoglobinen zu verhalten, wennschon mit dem Unterschiede, dass diesen das beigemengte Lipochrom an farbender Kraft bei weitem nachsteht, und dass auch nicht immer echte Lipochrome, sondern Zersetzungsproducte derselben (die aber noch immer ge- farbt, indess viel schwieriger zu losen sind und kein charakte- ristisches Spectralverhalten mehr besitzen) mit den Hamoglobinen vergesellschaftet vorkommen. Aus Substanzen dieser Art, aus unloslich gewordenen lipochromatischen Stoffen scheinen mir z. B. auch die gelben Schollen zu bestehen , welche man so haufig im Knochenmarke antrifft. Zahlreiche vergleichend physiologische Daten lehren jedoch, dass die Anwesenheit der Lipochrome, und zvvar ganz besonders der hier in Frage kommenden chlorophan- artigen Farbstoffe, weder constant an Chlorophyllgrun noch an Hamoglobin im Vorkommen und somit an diese Stoffe auch nicht in ihrem Entstehen gebunden sind. Wie die Ueberfiihrung des Cyanokrystallins in einen Fettfarbstoff gelehrt hat, konneu die Lipochrome sehr mannigfach vorgebildet sein, und in den aller- meisten Fallen treffen wir von gefiirbten Muttersubstanzen der- selben im gesammten Organismus gar nichts an. Ihr Auftreten ist an einen bestimmten Stoft' zweifellos nicht gebunden, und ebenso unterliegen sie selbst weiteren proteusartigen Wechseln, welche vorerst nicht zu entziffern sind. Bald verwandeln sich dieselben in Producte, welche sich nur durch ihre Resistenz gegen Losungs- 63 mittel und durch ihr uncharakteristisches Spectralverlialten (Lipo- chromoide) von den Lipochronien unterscheideu , bald in solche, welche zugleicli nocli daduich von ihren Muttersubstauzcn ab- weichen , dass sic (wie z. B. die gelbcn und rothen Farbstofte der Papageienfedcrn) sich mit concentrirter Schwefelsiiure oder mit starker Salpetersiiure nur unvollkomraen oder auch gar niclit bliiuen; ferner konnen aus den Fettfarbstoffen auch dunkelviolette (z. B. in der Rindensubstanz der Leptogorgien), ja braunschwarze (Melanoide) Pigraente, aller Wahrscbeinlichkeit nach selbst die so resistenten Melanine hervorgehen , und die cholestearinartigeu Abkommlinge ^) der Lipochrome werden nicht weniger mannigfaltig als die Lipochrome selber sein. Jedenfalls ist es rathsam, iiber die Herkunft der Lipochrome im Blutserum wie auch in den tibrigen Geweben der Wirbelthiere nur mit einiger Zuriickhaltung Vermuthungcn auszusprechen , welche vielleicht eine einzige neue Thatsache wieder iiber den Haufen wirft. Nach den Erfahrungen , welche ich iiber die Veriinderungen der Lipochrome bei liingerer Erhaltung an ihrem natiirlichen Platze (in eingetrockneten Geweben oder auch , unter physiolo- gischen Verhaltnissen, in Organen, deren Stoffwechsel ein ausserst geringer ist) oder bei liingerer Aufbewahrung der isolirten Farb- stoffe im festen Zustande, bisvveilen selbst an Losungen zu machen Gelegenheit hatte, kann es nicht Wunder nehmen, dass auch die Serumlipochrome ihre Eigenschaften nicht unbegrenzt beibehalten, wenn sie im trockenen Zustande verharren. So beobachtetc ich deun auch an einer, unter 100° C. eingedampften , goldgelben Hydrocele wie an einer, auf dem Wasserbade getrockneten und in Folge dessen etwas missfarbig gewordenen Hydroovarialfliissig- keit, dass ein, anfauglich zweifellos vorhanden gewesenes Lipo- chrom weder durch siedenden, noch durch kalten Amylalkohol bei mehrwochentlicher Einwirkung den fein pulverisirten Masseu zu entziehen war. Es kommen hier Factoren in Betracht, welche nicht nur die Eigenschaften der Lipochrome verandern, deren Loslichkeit fiir die lipochromatischen Losungsmittel herabsetzen, ja ganz vernichteu, sondern auch an Eiweisskorpern , an der *) Ich erinnere daran, wieviele dem Cholestearin verwandte, doch in Schmelzpunct und specifischer Drehung davon abweicliende Substauzen (Hydrocarotin Hiisevianii's, Isocholesterin und Caulosterin E. Sc/iultee's , Phytosterin Messes, Paracholesterin RodewahPs) erst in jiingster Zeit aufgefunden und wieviele derartige Korper ausser- dem Ein Mai beobachtet, aber noch nicht specieller untersucht sind. 64 Hemialbumose und an glukosidartigen Substanzen 1st der ver- andernde Einfluss der Zeit leicht zu beobachten; die Chondroit- saure z. B. braucht nur 1 — 2 Tage lufttrocken aufbewahrt zu werdeu, urn ihre Fallbarkeit durch Essigsaure, die, wenn das Praparat nicht eintrocknete, eiiic quantitative ist, vollkoramen einzubussen. Lehrreich und biologisch nicht weniger interessant als die Serumfarbstoffe der Saugethiere — deren Studium gerade deshalb ausgedehnter betrieben werden sollte, weil dadurch Licht auf den Verbleib vieler vom Darmtractus aus resorbirten Stoffe fallen wird — sind die lymphatischen Farbstoffe der Insecten. Bestehen in Betreti' der Serunifarbstoffe schon unter den Saugethieren er- hebliche specifische Differenzen, indem, wie wir sahen, das Pferde- blutserum vorwiegend Bilirubin enthalt, das Rinderblutserum da- gegen in wahrnehmbarer Menge ausschliesslich ein luteinahnliches Lipochrom , so treten diese an der Insectenlymphe noch weit schilrfer hervor. Ich will hier nicht die merkwurdigen Befunde an der Coleop- terenlymphe 1) referiren, sondern mich darauf beschranken, in aller Kiirze nachzuweisen, dass die Korperfliissigkeit der liCpidop- terenpuppen in gleicher Weise melanisirt als die Lymphe der Kafer, und dass die Melanose in beiden Fallen durch die gleichen Mittel zu verhindern ist, Zu den Versuchen dienten mir einige Saturniden-Chrysaliden; die Ergebnisse sind folgende: Die gelbgriine Lymphe der Puppen von Saturnia Pyri^) setzt spontan wenig Gerinnsel ab, triibt sich, verschiedenen Indi- viduen entnonimen, bei 60 resp. 65** C, ein starkeres Coagulum entsteht indess erst bei 72 resp. 73 " C, und hoch in den 70er Graden, vielleicht auch wohl erst bei 80 <> C. verwandelt sich die Lymphe in eine kaseartige Masse. Das Spectrum der Lymphe (Taf. I , Spectr. 8) weist als Eigenthiimlichkeit ein deutliches Ab- sorptionsband um D auf, daneben zwischen b und G zwei andere ^) Q't Firiikenherg, Ueber die Hyd r op h i lu s lymphe etc. Ver- liandl, d. nat.-medic. Vereins zu Heidelberg. N. F. Bd. 3. Heft 1. ''') Vou dem rothbrauneii Pigmente des chitinoseu Puppeu- pauzers geht uur weuig in ammoniakalisches "Wasser, uichts in sie- denden Alkohol liber; eiue deu Carraiiisauren ahnliche Substauz , an die vielleicht zu denken gewesen ware, liegt hier also nicht vor. Der Feitkorper enthalt wenig Harnsjiure und liess mikroskopisch uur I'ett, weder Leuciu noch Tyrosiu erkeuuen. 65 Streifen , die einem gelben Lipochrome zukommen, und in dem alkoholischen Auszuge der Lymphc, welcher das Lipochrom voll- standig aufnimmt, anders lageni als in der frischcn Lyniphe. Mit dem alkoholischen Lymphauszuge stimmt der alkoholische Auszug des P'ettkorpers spectroskopisch iiberein (Taf. I, Spectr. 10); nach der Verseifung war weder vor, noch nach dem Aussalzen niit Kochsalz das Lipochrom durch Petrolather in Losung zu bringen, vollstiindig gelang hingegen die Extraction mit Schwefel- iither (Taf. I, Spectr. 9). Die griinlich gelbe Lymphe der Puppen von S a t u r n i a Pernyi entfiirbte sofort reichlichc Mengen von Rosolsaure, riithete blaues Lacmuspapier und besitzt demnach (wie vielleicht die Lymphe der meisten Lepidopterenpuppen) eine saure Reaction, die auch bei der Coagulation der Eiweisskorper durch Siedehitze nicht verschwindet. Die Lymphe zeigt ebenso wie der wassrige Auszug der griinen harzartigen Ballen, welche sich in den Puppen finden, keine charakteristische Spectralverhaltnisse ; die Lymphe enthalt den namlichen lipochromatischen Farbstoff, der sich bei Saturnia Pyri findet und, wie hier mit Deutlichkeit zu sehen wai-, 3 Absorptionsstreifen im Spectrum (Taf. I, Spectr. 11) aufweist. Die spontane Gerinnung crfolgt an dieser Lymphe ausnehmend rasch und mit ihr gleichen Schritt halt die melanotische Ver- farbung, die so rapide eintritt, dass es durch successive Erwar- mung nur unvollkommen gelingt, sich davon zu uberzeugen, dass Temperaturen iiber 50 ** C. den melanotischen Vorgang inhibiren. Wurde aber die lebende Puppe 1 Stunde 5 Min. einer Temperatur von 55 '^ C. ausgesetzt, so verfarbte sich auch in diesem Falle die Lymphe beim Oeffnen des Thieres nicht mehr. Wie bei alien ubrigen Insecten wird das Lipochrom durch die Melanose aber auch hier nicht verandert, selbst aus fast schwarz gewordener Lymphe lasst sich dasselbe leicht durch Alkohol extrahiren. Wahrend die reine oder mit destillirtem Wasser gemischte Lymphe sich bei Beriihrung mit dem Sauerstoif der Luft so aus- serst schnell briiunt, behalt dieselbe nach dem Sattigen mit Chlor- natrium oder Magnesiumsulfat wie auch auf Zusatz von Natron- lauge ihre urspriinglich zeisiggriine Fiirbuug bei, obschon zwar nur in den mit Bittersalz und destillirtem Wasser versetzten Por- tionen geringe Triibungen durch Eiweissgerinnsel bemerkbar sind, die iibrigen Proben dagegen vollig klar bleiben; einen beschleu- nigenden Einfluss auf die Melanose ubt Alkohol aus, wahrschein- Sitzuiifsberichte 1885. I. Heft. 5 66 licli sclion durch das ausfallende Eiweiss. — Beim Erwarmcn trat eiiie Triibung in der reineii Lymplie erst bei 68 " C. eiii, bei 70" C. vvurde dieselbe bedeutend starker und bei 72*^ C. schied sich ein flockiges Geriiinsel ab. Die braunlidi gelbe, schwach alkalisdi reagirende Lymphe der Puppen von Callosamia Promethea schwarzte sich sehr bald an der Luft, schied auf Wasserzusatz kein Eiweiss ab und zeigte im Hanioskop, bei allmalig zu- und abnehmender Schichten- dicke untersucht, kein deutliches Absorptionsband (Taf. I, Spectr. 7) ; das darin vorhandene Lipochrom liess sich erst durch Alkohol- extraction zur Auschauung bringen. Bei 61 ^ C. triibte sich die ganz successiv erwarmte Lymphe, eine starke lehmfarbige Aus- scheidung erfolgte bei 70" C: Erscheinungen , welche die Filtrate wegen veriiiiderter Reaction imnier wieder zeigten, wiihrend eine vollstandige Coagulation erst in der Mitte der 70er Grade cintrat. Die Chrysalidenlymphe von Platisamia Cecropia zeigte in mehreren Versuchsreihen folgende Coagulationen : 1, Trubung bei 60 resp. 61*^ C; Gerinnselbildung meist bei 63 — 65 ** C, in einem Versuche erst bei G7 ° C. 2, Trubung bei 68*^ C. und bei 70" C. flockige, rein weisse Ausscheidung, gleich betrachtlich wie im ersten Falle. 3, Trubung bei 84 " C. und bei 88 " C. eine weniger feste und weniger bedeutende Ausscheidung als gegen Anfang der 70er Grade. Bei fortgesetzter Erwarmung bis 100 " C. trat kein neues Ge- rinnsel raehr auf. Die reine oder mit destillirtem Wasser verdiinnte Lymphe verfiel der Melanose nach 7 Minuten; ein spontanes Gerinnsel eut- stand in der reinen Lymphe nicht, wohl aber eine geringe Eivveiss- fallung nach Wasserzusatz. Natronlauge, Sattigen mit Kochsalz Oder Bittersalz verhinderten die Briiunung, nur Natronlauge er- zeugte einen gallertigen Niederschlag, beim Sattigen mit den Neutralsalzen blieb die Lymphe klar. Alkohol bewirkte Fiillung des Eiweisses und sofortige Brauuung. Die Lymphe der Cecropia-Chrysaliden verdankt ihre griine Farbe und den rothen Reflex einem sehr unbestandigen Pigmente, dessen Spectrum durch ein Absorptionsband um B ausgezeichnet ist (Taf. I, Spectr. 5). Erwarmen auf 66*^ C., Ammoniak, anor- ganische wie organische Siiuren (z. B. Essigsaure) zerstoren den Farbstotf, der Streifen um B verschwindet aus dem Spectrum und 67 die Farbung der jetzt goldgelb erscheinenden Lymplie riihrt aus- schliesslich von demselben Lipochronie hur, welchem wir in der Lymphe bei sammtlichen iibrigen Saturuidenpuppen begegnet sind. Die gelbgriine, bisweilen auch brauulichgelbe Lymphe der Puppen von Telea Polyphemus zeigt nur die Spectralbander des gelben Lipochromes, gerinnt spontan nicht, ist aber ebenfalls der Melanose unterworfen, welche indess ausbleibt, wenn die Pup- pen ca. eine Stunde auf 50 " C. erwarmt werden. Die Lymphe triibte sich schwach bei 56 ° C, starker bei 62 ° C, wurde in der Mitte der 60er Grade undurchsichtig und lehmfarben; ein kasiges Gerinnsel schied sich aber erst bei nahezu 72 "^ C. aus. In Hinsicht auf das Verhalten des Farbstoffes ini Rinderblut- seiuni sind mehrere Erscheinungen, denen wir an den Chrysaliden- lyniphen begegneten , bemerkenswerth. Von diesen hebe ich be- sonders hervor: 1. Das constante Auftreten eines gelben Lipo- chromes, wilhrend betreffs der iibrigen lymphatischen Farbstoffe erhebliche specifische Differenzen zu bestehen scheinen. 2. Die leichte Extractionsfahigkeit des Lipochromes in der Insectenlymphe durch Aethylalkohol u. dgl. m. 3. Das (trotz dieses leichten Ueber- ganges des Farbstoffes in Alkohol) so unterschiedliche Spectral- verhalten der Lymphe und der alkoholischen Farbstofflosung (vgl. Taf. I, Spectr. 8 u. 10), und 4. Die Identitiit des Lipochromes der Lymphe mit dem des Fettkcirpers. 68 Erklarung der Spectren auf Taf. I. 1. Hydrobilirubin aus salzsaurer wiissriger Losung mit Amyl- alkohol ausgeschiittelt. 2. Serum aus geschlageuem Rindsblut durch Absetzeulasseu der Blutkdrperchen gewonnen. 3. FarbstoflF des Rinderblutserums in Amylalkohol gelost 4. Derselbe in Chloroform gelost. 5. Lymphe der Puppen von Platisamia Cecropia (von gelber bis gelbgriiner Farbung.) 6. Dieselbe auf 70 ^ C. erwarmt. 7. Braunlich gelbe Chysalidenlymphe von Callosamia Pro- ra e t h e a. 8. Gelbgriine Lymphe der Puppen von Saturn i a Pyri. 9. Lipochrom des Fettkorpers von derselbeu Chysalide, nacli der Verseifung in Aether gelost. 10. Derselbe Farbstoflf, dem Fettkorper oder der Lyraplie durch Aethylalkohol direct eutzogen. 11. Griinlich gelbe Lymphe der Chrysaliden von Saturnia P ernyi. 69 Taf. I. 70 Nachtrag ziir Sitziing vom 16. Mai 1884. Herr Professor Her twig sprach: Uel)er den Einfluss, welclien die Schwerkraft aiif die Theilung der Zellen austtbt. Im Anschluss an zwei wichtige Abhaudlungen, welche E. Pflii- ger iiber den vorliegenden Gegenstand veroffentlicht hat, unci ver- anlasst durch mehrere Bedenken, welclie sich gegen einige der dort aufgestellten Satze bei ihm erhoben hatten, hat Vortragender mehrere Experimente an befruchteten Eiern von Seeigehi angestellt. Die Seeigeleier sind ftir die Frage nach der richtenden Kraft der Schwere insofern wichtig, als sie einer aqualen Furchung unter- liegen und fast nur aus Protoplasma bestehen, dem sehr kleine gleichmassig im Inhalt vertheilte Kornchen eingelagert sind, wiih- rend Dotterconcremente , Fetttropfen und dergl. ganz fehlen. An einem solchen Objecte musste es sich endgiiltig entscheiden lassen, ob die verticale Stellung der ersten Furchungsebene , welche bei nahrungsdotterreichen Eiern mit Constanz sich beobachteu lasst, durch die Schwerkraft oder nur dadurch bedingt wird, dass der schwerere Nahrungsdotter und der leichtere Bildungsdotter in un- gleicher Weise in der Eizelle vertheilt sind. Es fielen nun die an den Eiern der Echiniden angestellten Experimente „zu Ungunsten der Ansicht aus, dass die Schwerkraft direct einen richtenden Einfluss auf die Lage der Theilungsebene bei thierischen Zellen ausiibt. Denn bei einem Theil der durch kein Hinderniss in ihrer Stellung beeinflussten Eier lag die erste Furchungsebene vertical, bei einem andern horizontal und wieder bei einem andern Theil war sie unter jedem moglichen Winkel zur Horizontalebene schrag geneigt. Auf Grundlage der so gewonnenen negativen Resultate ging Vortragender auf die von Pfliiger beobachteten wichtigen Er- scheinungen selbst naher ein und suchte darzuthun, dass sich dieselben in einer andern Weise erklaren lassen; zu dem Zwecke unterwarf or die Gesammtheit der Erscheinungen , welche sich in den thierischen Eizellen vor und nach der Befruchtung abspielen, einer vergleichenden Betrachtung. Er wies auf die ungleiche Ver- theilung der verschiedenen Dotterbestandtheile in der ungetheilten Eizelle hin und fand, dass hierdurch auch die Lage des Kerns in der Eizelle nach der Befruchtung bestimmt wird. Nach der Aiisiclit (les Vortragoudcn wird die Lago des bufruchteten Kerns iu der Eizellc durcli zwei Factoreii in gesetzniiissiger Weise be- einflusst, 1) durch die aussere Form, welche das Einiaterial be- sitzt, und 2) durch die Art imd Weise, wie Bildungsdotter und Nahrungsdottcr in der Zelle vertheilt sind. Bei gleiclmiassiger Beschatienlieit der Zellsubstanz sucht der Kern eiue centrale Lage im Ei einzunehnien, setzt sich dagegen die Zelle aus einer dotter- reicheren und einer protoplasm areicheren Partie zusammen , so iindert der Kern insofern seine Stellung, als er mehr in das Be- reich der protoplasmareicheren Partie riickt. Kern und Proto- plasma wirken (uameutlich nach der Befruchtung und wahrend der Zelltheilung) so auf einauder ein, dass der Kern stets die Mitte seiner Wirkungssphiire einzunehmen sucht. Hieraus lasst sich dann weiter ein Gesetz ableiten, durch welches der Verlauf der ersten Furchungsebenen bestimmt wird. Die Richtung der Theilungsebene hangt ab von der Lage der Axe des sich zur Theilung anschickenden Kerns. Die Lage der Kern- axe aber steht wieder in einem Abhangigkeitsverhaltniss zur Form und Diiierenzirung des den Kern undiiillenden protoplasmatischen Korpers. So kann in einer Protoplasmakugel , wenn sie sich zur Theilung anschickt, die Axe des central gelagerten Kerns in der Richtung eines jeden Radius zu liegeu kommen, in einem eiformigen Protoplasmakorper dagegen nur in den langsten Durchmesser. In einer kreisrunden Protoplasmascheibe liegt die Kern axe parallel zur Oberflache derselben in einem beliebigen Durchmesser des Kreises, in einer ovalen Scheibe dagegen wieder nur im langsten Durchmesser. Aus diesen iu der Organisation der Zelle selbst gegebenen Factoren erklart sich die Richtung und gesetzmassige Aufeinander- folge der ersten Furchungsebenen bei sich theileuden Eiern. Hieibei iibt in vielen Fallen die Schwere nur einen indirecten Einfluss auf die Orientierung der Furchungsebenen im Raum aus, namlich iiberall da, wo sich in einer Zelle Substanzen von ver- schiedencr specifischer Schwere von einander gesondert und in einer schwereren und leichteren Schicht iiber einander angeordnet haben. Bei vielen Eiern wird eine derartige Anordnung bei der Reife, in Folge der Bildung der Richtungskorper und in Folge des Befriichtungsprocesses herbeigefiihrt. Das Ei erhalt dann eine bestimmte Axe mit animalem und vegetativem Pole, eine Axe, welche durch die Schwere lothrecht gerichtet werden muss. Da- durch aber muss auch die erste Furchungsebene nothwendiger 72 Weise lothrecht stelieii. Denn bei den geocentrisch differeuzirten Eiern ist die leichtere protoplasmatisclie Substanz als Halbkiigel Oder Scheibe am auimalen Pole der Eiaxe angehauft iind liegt horizontal ausgebreitet der Dotterhalfte auf. In der horizontalen Keirascheibe aber muss nacli dem oben formulirten Gesetz auch die Kernaxe sich horizontal einstellen, die Furchungsebene daher eine verticale werden. In alien diesen Fallen wirkt die Schwer- kraft nur insofern mid gleichsam indirect ein, als bei Eiern mit animalem und vegetativem Pole die Eiaxe unter ihrem Einfluss lothrecht gerichtet wird. Die von E. Pfliiger experimentell hervorgerufenen, abnormen Furchungserscheinmigen erklaren sich in der Weise, dass bei polar differenzirten Eieni, wenn sie in eine von der Norm abweichcnde Zwangslage gebracht werden, unter dem Einfluss der Schwere, sowie unter dem Einfluss der bei der Befruchtnng und Zelltheilung sich abspielenden inneren Vorgange, eine theil weise Umlagerung der Substanzen von verschiedener Schwere und Dignitat stattfindet. Nacbtrag ziir 9, Sitziing am 11. .Iiili 1884. Herr Professor Oscar H e r t w i g sprach Ueber die Bediiigiingen der Bastardbefriielitung und theilte Experimente mit, welche wahrend der Osterferien 1874 in Spezzia und in Sorrent von ihm und seinem Bruder gemeinsam ausgefiihrt worden waren. Zur Untersuchung dienten vier Seeigel- arten, Strongylocentrotus lividus, Echinus mikrotuberculatus Ar- bacia pustulosa, Sphaerechinus granulans. Es ergaben sich hierbei folgende allgemeine Resultate: 1) Das Gelingen oder Nichtgelingen der Bastardirung hangt nicht ausschliesslich von dem Grad der systematischen Verwandt- schaft der gekreuzten Arten ab. Aehnliches beobachteten Pfliiger und Born bei Bastardirung verschiedener Amphibienarten. 2) In der Kreuzbefruchtung zweier Seeigelarten besteht sehr haufig keine Reciprocitat, eine Erscheinung, welche sich ebcnfalls auch bei der Bastardirung der Amphibien zeigt. Alle miiglichen Abstufungen finden sich hier. Wahrend Eier von Echinus mikro- tuberculatus sich durch Samen von Strongylocentrotus lividus fast ohne Ausnahme befruchten lassen, wird bei Kreuzung in entgegcn- gesetzter Richtung nur in wenigen Fallen eine Entwicklung her- 73 vorgerufen. Die Befruclitiing frischen Eimaterials von Strongylo- ceiitrotus lividus (lurch Sameii von Arbacia pustulosa bloibt er- folglos, dagegen ontwickeln sich von Arbacia pustulosa iuimcrhin einige Eier, vvenn ihnen Samen von Strongylocentrotus lividus liinzugefiigt wird, und so ahnlich noch in anderen Fallen. 3) Fiir das Gelingen oder Nichtgelingen der Bastardirung ist die jeweilige Beschaffenheit der zur Kreuzung verwandten Ge- schlechtsproducte der Echiniden von Wichtigkeit. Die Bastard- befruchtung gelingt weniger mit den aus dem Eierstock entleerten Eiern eines frisch gefangeneu Weibchens, als mit eineni Eimaterial, welches durch aussere storende Verhaltnisse eine Schadigung in seiner Lebensenergie erlitten hat. Es ist dies das wichtigste und interessanteste Ergebniss der in Sorrent ausgefiihrten Experimente, auf welche Vortragender daher auch ausfiihrlicher eingeht. Um die Eier der Echinodermen zu schadigen, ohne sie abzu- todten, ist eines der einfachsten Mittel, sie nach der Entleerung aus dem Ovarium im Meerwasser unbefruchtet aufzubewahren. Sie bleiben noch 1 bis 3 Tage, je nach der Temperatur und anderen Bedingungen, entwicklungsfahig, werden aber dabei anormsl. Dies zeigt sich bei Vornahme der Befruchtung erstens darin, dass sich die Eihaut entweder langsam, oder unvollstandig oder gar nicht vom Dotter abhebt, und zweitens darin, dass anstatt eines einzigen zwei, drei mid successiv mehr Samenfaden eindringen. Derartiges Material reagirt nun auch gegen den Samen einer anderen Art in anderer Weise als normal beschaffenes. Es konnte durch zahl- reiche Versuche auf das Sicherste festgestellt werden, dass Eier, welche gleich nach ihrer Entleerung aus dem Ovarium bastardirt wurden, das fremde Spermatozoon zuriickwiesen , es aber nach 10, 20 oder 30 Stunden bei der zweiten oder dritten oder vierten Nachbefruchtung in sich aufnahmen und dann sich normal weiter entwickelten. Das Resultat fiel immer in derselben Weise aus, mochten die Eier von Strongylocentrotus lividus mit Samen von Sphaerechinus granularis oder von Echinus mikrotuberculatus oder mochten die Eier von Sphaerechinus granularis mit Samen von Strongylocentrotus lividus und so weiter gekreuzt werden. Das Gelingen oder Nichtgelingen der Bastardirung konnte in diesen Fallen nicht auf eine Verschiedenheit des Saniens zruriick- gefiihrt werden, da derselbe jedes Mai neu aus den strotzend ge- fiillten Hoden entnommen wurde und daher als ein relativ con- stant bleibender Factor in den Versuchen angesehen werden konnte. 74 Es ist daher uber jeden Zweifel erhaben, dass sich die Eizelle in ihrcm Verhalten gegen freniden Sameii verandert hatte. Vortragender hob darauf hervor, dass wenn tiberhaupt in der Eizelle VeranderiiDgen eiutreten oder kiinstlich hervorgerufen wer- den konnen, in Folge deren die Bastardirung gelingt, dann es vom theoretischen Standpunkt aus moglich sein miisse, die Ge- schleclitsproducte zweier Arten, zwischen denen ein gewisser Grad sexueller Affinitat bestehe, audi ohiic Zuriickbleiben eines unbe- fruchteten Restes zu bastardiren. Man musse, je nach den Be- dingungen, unter denen man die Geschlechtsproducte zusammen- bringe, ein Minimum und ein Optimum der Bastardi- rungsfahigkeit unterscheiden konnen. In den ausgefiihrten Experimenten war dies auch in der That moglich, wenn das Eiraaterial eines Weibchens in melirere Por- tionen getheilt und zu ungleichen Zeiten befruchtet wurde. Stets erhielten wir hier den geringsten Procentsatz Bastarde, wenn den Eiern gleich nach Entleerung aus den Ovarien der fremde Samen zugesetzt wurde. Je spater die Befruchtung geschah, sei es nach 5 oder 10 oder 20 oder 30 Stunden, um so mehr wuchs der Procentsatz der bastardirten Eier, bis schliesslich ein Bastardirungs- optimum erreicht wurde. A Is solches lasst sich dasjenige Stadium bezeichnen , in welchem sich fast das gesammte Eiquantum , mit Ausnahme einer geringen Zahl, in nonnaler Weise entwickelt. Das- selbe ist, da sich in den Eiern innere Veranderungen ohne Unter- brechung weiter abspielen, von kurzer Dauer. Dann beginnt der Procentsatz der in Folge von Bastardbefruchtung sich normal ent- wickelnden Eier wieder abzunehmen und zwar hauptsachlich des- halb, weil ein immer grosser werdender Theil in Folge des Ein- dringens mehrerer Spermatozoen sich ganz unregelmassig theilt und missgebildet wird. Die Erfolge, die man erhalt, wenn das Eimaterial zu ver- schiedenen Zeiten gekreuzt wird, kann man sich unter dem Bild einer auf- und absteigenden Curve darstellen, deren Hohupunkt das Bastardirungsoptimum bezeichnet. Zur Veranschaulichung theilte Vortragender eine Versuchsreihe einer Kreuzung der Eier von Sphaerechinus granulans durch Samen von Strongylocentrotus lividus mit. 1) Befruchtung nach ^l^ Stunde. B as tar dirungs mini- mum. Aeusserst vereinzelte Eier entwickeln sich. 2) Befruch- tung nach 2'|4 Stunde. Etwa 10 •'Jo entwickeln sich normal. 3) Be- fruchtung nach 6^14 Stunden. Etwa 60*'|o entwickeln sich normal. 75 4) Befruchtuiig nach 10' 1 4 Stundcn. Alle Eier entwickeln sich mit Ausnahme von 5"^ „. B as t a rdi rungs optimum. 5) Befruch- tung nach 25 Stunden. Ein Theil entwickelt sich normal, ein zweiter in unregelmiissiger Weise, ein kleiner Rest bleibt un- befruchtet. Vortragender weist auf Ergebnisse hin, welche Pfliiger und Born bei der Bastardirung der Amphibien erhalten haben, aber in anderer Weise erklaren; er ist der Meinung, dass auch hier ahnliche Verhaltnisse wie bei den Echinodermen vorliegen, und dass sich auch hier Bastard e am leichtesten danu ziichten werden, wenn man geschwachte Eier mit recht lebenskraftigem Samen einer anderen Art vermischt. In derselben Weise glaubt er auch die bekannte Thatsache erklaren zu diirfen, dass domesticierte Thier- und Pflanzenarten sich im Allgemeinen leichter kreuzen lassen, als nahe verwandte Arten im Naturzustand. Durch die Domesti- cation wird aber im Ganzen die Constitution geschwacht, was sich dann besonders an den Geschlechtsproducten geltend macht. da, wie bekannt, der Generationsapparat bei alien Veranderungen im Korper in Mitleidenschaft gezogen wird. Zum Schluss seiner Mittheilung geht Vortragender noch auf die Frage nach den Ursachen ein, von welchen es abhangt, dass zwischen manchen Arten die Bastardirung leichter als zwischen anderen Arten gelingt. Pfliiger und Born macheu hierfur aussere nebensachliche Momente verantwortlich und legen namentlich auf die Form der Spermatozoenkopfe bei den Amphibien ein besonderes Gewicht, iu- dem sie behaupten, dass Samenfaden mit spitzen Kopfen, weil sie die Eihiillen leichter durchdringen konnen, Bastardirung eher er- mciglichen, als solche rait stumpfen Kopfen. Bei den Echiniden sind Unterschiede in der Form der Sperma- tozoen nicht wahrzunehmen. Die Ursachen fiir das Gelingen oder Nichtgelingen der Bastardirung ratissen in einer ganz andern Rich- tung gesucht werden. Es kann nur die Constitution oder die innere Organisation der Geschlechtsproducte selbst sein, welche das Gelingen der Kreuzbefruch- tung bestimmt. Voile Fruchtbarkeit oder wie wir anchemischeBezeichnungen ankniipfend auch sagen konnen, voile geschlechtliche Affinitat findet nur "Statt zwischen den Geschlechtsproducten ein und derselben Art. Sie erlischt alimahlich in demselben Maasse, als die Geschlechtsproducte einander unahii- 76 licher werden. In der Eizelle sind regulatorische Krafte vorhanden, welche don nornialen Verlauf der Befruclitiing garantiren und Bas tardbef ruch tung cbunsogu t wie Ueberfruchtung zu verhindern streben. D i e s c r e g u 1 a t o r i s c li e n K r a f t e k o n n c n m e h r o d c r min- der ausser Thatigkcit gesetzt werden, wenn die Le- bensenergie der Eizelle eine Verminderung erfahrt. Welcher Art diese Krafte sind iind ob sie im Protoplasma Oder im Kern ihrcn Sitz haben, muss nocli durch weitere Unter- suchungen entscliieden werden. Nachtrag ziir Sitziing vom 38. November 1884. Herr Professor Hertwig hielt cinen Vortrag iiber das Problem der Befruchtung und der Isotropie des Eies und entwickelte hierbei eine Tlieorie der Vererlbimg. Nachdem er die Griinde angefiihrt hatte, welche dafiir spre- chen, dass die Kernsubstanz der Befruchtungsstotl" ist, welcher die Entwicklungsprocesse erregt, stellte er die These auf, dass die be- fruchteude Substanz zugleich auch Trager der Eigenschaften ist, welche von den Eltern auf ihre Nachkommen vererbt werden. Von verschiedenen Gesichtspuukten aus suchte Vortragender diese These in folgender Weise naher zu begriinden: Die Thatsache, dass alle auf geschlechtlichem Wegc erzeugten Organism en im Allgemeinen beiden Eltern gieich viel ahneln, liisst auf eine Aequivalenz der wirksamen Keimstoffe schliessen; d. h. die Kinder werden von Vater und Mutter gleiche Mengen wirk- samer Theilchen, welche Trager der vererbten Eigenschaften sind, erapfangen. Ei- und Samenzelle weichen aber an Grosse ausser- ordentlich von einander ab. Soil daher eine Aequivalenz statt- finden , so kann nicht die ganze Eisubstanz , welche an Quantitat die Sperm asul)stanz um Vieles iibertrifft, in Bezug auf die Ueber- tragung von Eigenschaften wirksam sein. Die einzigen Theile, welche in den beiden Geschlechtspro- ducten in ihrer Beschaffenheit einander entsprechen, sind Ei- und Samenkern. Dieselben kommen bei der uns beschaftigenden Frage um so mehr in Betracht, als auch von ihnen allein der Beweis gefiihrt werden kann, dass sie beim Befruchtungsvorgang in Wirk- samkeit treten und durch ihre Copulation die Entwicklung an- regen. Hierdurch wird es nahe gelegt, daran zu denken, dass das 77 ill den Kernen eiithaltene Kiiclein die Substanz ist, welclic nicht alleiu befruchtet, soiiderii auch die Eigeiiscliaften vererbt. Wie vom Vortragenden in iiiebreren Arbeiten hat gczeigt werden konnen , Ijefindet sich auch das Nuclein , was fiir die hier vertretene Auffassung von nicht geringer Bedeutung ist, vor, wah- rend und nach der Befruchtung in eiuem organisirten Zustand. Es erscheiut daher die Befruchtung und Vererbung nicht nur als ein cheniisch physikalischer Vorgang, wie die Physiologeu meist anzunehinen pflegten, sondern gleichzeitig auch als ein morphologi- scher Vorgang, insofern ein geformter Kerntheil des Spermatozoon in das Ei eingefuhrt wird, uni sich mit eiiiem geforniten Kerntheil 'des letzteren zu verbinden. Zu Gunsten seiner Befruchtung^s- und Vererbungstheorie lenkt Vortragender auch noch die Aufuierksamkeit auf die Erscheinung der Polyspermie und der von Pfliiger entdeckten Isotropie des Eies. Nach einer Hypothese von Fol wiirde der Anstoss zur Ent- stehung von Mehrfachbildungen von der Anzahl der eingedrunge- nen Sperniakerne ausgehen, welche sich in die Substanz des Ei- kerns theilen, so dass jetzt anstatt eines normalen Keimkerns zwei Keimcentra vorhanden sind. Die mehrfachen Keimkerne, indem sie sich mit Dotter umgeben, sind also die Ursache, dass in einer gemeinsamen Eihulle aus einem Dotter mehrere Individuen entstehen. Was den zweiten Punkt betriff't, so hat Pfliiger durch einige Experimente am Froschei erwiesen, dass der Dotter nicht so organisirt ist, dass aus einer bestimmten Portion desselben ein bestimmtes Organ hervorgehen miisste, wie His mit seinem Princip der organbildenden Keimbezirke angenommen hatte. Ob sich bei der Theilung die Kerne mit diesem oder jenem Theil der Dottersubstanz umgeben, ist nicht von Bedeutung. Auch in dieser Beziehung scheinen an die Kernsubstanz die Krafte gebunden zu sein, durch welche die Organisation des Thieres bestiramt wird. Im Laufe seiner Auseinandersetzungen ging Vortragender auch auf die jiingst von Nageli veroffentlichte ,,Mechanisch physio- logische Theorie der Abstammungslehre" ein und hob hervor, dass hier Nageli aus theoretischen Griinden zu der Auffassung ge- langt ist, nicht das ganze Eiplasma, sondern nur ein geringer, etwa einem Spermatozoon entsprechender Bruchtheil konne Ver- erbungsstoff sein, welcher sich zugleich in einem organisirten Zu- stand befinden musse. Nageli unterscheidet beide Substaiizen als Ernahrungsplasma und Idioplasma. Letzteres denkt er sich 78 netzartig im ganzen Ei ausgebreitet. Vortragender betonte, wie in dieser Art die Nagelische Vererbungstheorie eine der that- sachliclien Begrundung entbebreiide, in der Luft schwebende Ab- straction sei, wie aber fiir weitere Untersuchungen ein fester Boden geschaffen werde, wenn man annehme, dass der Ver- erbungsstofif oder das Idioplasma Nageli's die Kernsubstanz (Nuclein) sei. Vortragender fasste seine Vererbungstheorie schliesslich in folgenden Satzen zusammen : Die mtitterliche und die vaterliche Organisation wird beim Zeugungsact auf das Kind durch Substanzen tibertrageu , welche selbst organisirt sind, das beisst, welche eine sehr complicirte' Molecularstructur im Sinne Nageli's besitzen. Als die Anlagen von complicirter molecularer Structur, welche die mutterlichen und vaterlichen Eigenschaften tibertragen, konnen wir die Kerne betrachten, da sie sich in den Geschlechtsproducten als die einzigen einander aquivalenten Theile ergeben, da wir an ihnen allein ausserordentlich bedeutsame Vorgange bei dem Be- fruchtungsakt beobachten, und da wir von ihnen allein den Nach- weis fiihren konnen, dass von ihnen der Anstoss zur Entwicklung ausgeht. Wahrend der Entwicklung und Reifung der Geschlechts- producte sowie bei der Copulation derselben erfahren die raann- lichen und die weiblichen Kernsubstanzen , wie eingehende Be- obachtung lehrt, niemals eine Auflosung, sondern nur Umbildungen in ihrer Form, indem Eikern und Spermakern, der eine vom Keim- blaschen, der andere vom Kern der Samenmutterzelle abstammen ^). 1) TJeber den in meiner Schrift: (Untersuchungen zur Morpho- logie und Physiologie der Zellen, Heft 3, 1884) namhaft gemachten Forschern , welche schon im Kern das Vererbungsorgan vermuthet haben, ist nach C. Hasse zu nennen. In seiner Abhandlung „Morpho- logie und Heilkunde", 1880, unterscheidet er in der Zelle, wie L. Be ale, Embryonalbestandtheile und Umbildungsbestandtheile und fiigt in einer Anmerkung hinzu: „das8 diejenigeu Eigenschaften, welche primar von dem Organismus oder den Organismen auf den Tochter- organismus, von der Mutterzelle auf die Tochterzelle als bleibende iibergehen, vererbt werden, vor allem den Embryonalbestandtheilen, welche ja meistens Kernbestandtheile sind , inhariren , wahrend das, was dem Tochterorganismus, was der Tochterzelle secundar als be- sondere Organisation unter der Einwirkung besouderer ausserer Ein- fliisse als erworben zukommt, wesentlich von den Umbiidungsbestand- theilen, die ja vorwiegend dem Zellkorper, dem Protoplasma ange- horen, ausgeht." Fromniannschc Hupli lich lich tS " > manal. | weibl. SI Lychnis diurna T 21 9 30 a 25 20 45? y 2 29 15 44 b 17 22 39 Summe 50 24 74 210:100 42 42 84 100:100 Lychnis 1 15 10 25 a 749 906 1655 vespertina 2 8 13 21 Summe j 23 23 46 100:100 749 906 1655 73:100 Mercurialis annua 1 163 164 327 ai 70 75 145 2 112 100 212 ag 83 93 176 1 ag 91 104 195 1 1 a^ 46 50 96 Summe 275 264 539 104:100 290 322 612 90:100 Rumex Acetosella 1 31 21 52 a, 87 lOo' 187 2 27 17 44 ks 150 150 300 ^'A 75 100 175 a^ 68 111 179 Summe 58 38 96 152: 100 { 380 461 841 82:100 Spinacia oleracea 1 88 43 131 a 7 10 17 2 20 13 33 b 65 63 128 3 65 19 84 c 95 170 265 4 18 3 21 d 164 214 378 5 24 8 32 6 32 61 93 Summe 247 147 394 168:100 3311 457 788 72:100 Cannabis sativa 1 95 123 218 a 10481334 2382 2 12 20 32 b 375 390 765 Summe 107 143 250 75:100j 1423 1724 3147 82:100 1) Bot. Zeitung 1885. No. 10 uud 11. Ill Tabelle aufgestellt, in der die Berechnung der Summen in einer andern Weise vorgenommen wurde. Die Tabelle ist ferner weit ausfuhrlicher und enthalt alle Zahlen, die fur den von Wichtig- keit sind, der die Hoffmann'schen Experimente beurteilen will. Herr Prof. Hoffmann, dem ich die Tabelle iibersandte, hatte die Freundlichkeit, mir auch noch diejenigen Zahlen naitzuteilen, welche er bei der Beschreibung seiner Versuche in der botanischen Zeitung nicht angegeben hatte. Auch diese sind in der Tabelle enthalten. Hoffmann saete Pflanzen entweder dicht nebeneinander oder sehr weit auseiuander. Bei Dichtsaat konnen die einzelnen Pflan- zen nur sehr wenig Nahrung erhalten. Die schwachere Ernahrung der Pflanzen in der ersten Jugend bewirkt der Theorie zufolge eine Mehrausbildung des mannlichen Geschlechtes. Bei Dichtsaat miisste man also mehr Mannchen, bei lockerem Stande aber mehr Weibchen erhalten. Hoffmann liess dieselbe Art von Pflanzen in verschiedenen Versuchen dicht und in verschiedenen weit von einander entfernt wachsen und konnte so die Wirkung des Hungers auf dieselbe Pflanze beurteilen. Wie man nun aus der Tabelle ersehen kann, war diese Wirkung eine Mehrproduktion von Mannchen, und zwar zeigt sich dies bei alien Pflanzen mit Ausnahme von Canna- bis sativa. Wahrend namlich bei alien Pflanzen das Geschlechts- verhaltnis bei lockerem und bei dichtem Stande ein ausserordent- lich verschiedenes ist, bleibt es beim Hanf fast dasselbe, die Zahl der Mannchen nimmt sogar bei lockerem Stande um ein wenig zu. Hieraus darf man schliessen, dass beim Hanf die Ernahrung der jungen Pflanze fast keinen Eiufluss auf das Geschlecht derselben hat. Beim Hanf muss dieses also schon selir fruhzeitig wahrend der Ausbildung des Samenkornes entschieden werden. Die Er- nahrung des Saraens hangt nun von der Ernahrung der Mutter- pflanze ab. Wenn man also beim Hanf den Einfluss der Ernah- rung auf das Geschlecht erforschen will, so muss man untersuchen, welches Geschlecht die Kinder-pflanzen der schlecht oder gut ge- nahrten Mutter-pflanzen haben. In meinem Buche hatte ich nach- gewiesen, dass sich das Bingelkraut in ahnlicher Weise verhalt. Die Ernahrung der jungen Pflanzen hat auch hier nur einen so geringen Einfluss, dass dieser erst an einer sehr grossen Zahl von Pflanzen nachgewiesen werden konnte. Das Resultat der von Hoffmann angestellten Versuche ist also, dass bei den Pflanzen, mit denen der Versuch angestellt wurde, mit Ausnahme vom Hanf, bei dem das Geschlecht schon sehr Sitzungsberiehte 1885. II. Heft. g 112 fruhzeitig entschieden sein muss, sich infolge von guter Ernahrung der jungen Pflanzen mehr Weibchen, infolge von schlechter Er- nahrung mehr Mannchen ausbilden. Es ist dies eine experimen- telle Bestatigung des zweiten Teiles der Theorie von der Regu- lierung des Gesclilechtsverhaltnisses, eine Bestatigung, welche eben- so wichtig ist, wie die in J5rooA;'s „Heredity" ^ ) enthaltene Samm- lung von Thatsachen. Aus den Versuchen von Hoffmann geht auch noch hervor, wie gross der numerisclie Wert fiir das Geschlechtsverhaltnis des Han- fes ist. Er erhielt im ganzen 1530 mannliche und 1867 weibliche Pflanzen, was einem Geschlechtsverhaltnis von 81,95 Mannchen zu 100 Weibchen entspricht. Diese Zahl stimmt sehr gut iiberein mit den von verschiedenen andern Forschern gefundenen Zahlen. Eine Zusammenstellung solcher Ergebnisse findet sich in einer Arbeit now Hey er^). Fiigt man zu dieser die Resultate von Hofi- mann hinzu, so erhalt man folgende Tabelle: Hanf in Deutschland (Heyer) mannl. weibl. Summe Geschl.- Verhaltn. 640 713 1353 89,76 621 718 1339 86,49 1533 1788 3321 85,73 2850 3432 6282 83,04 ngues) 1052 1224 2276 85,94 1530 1867 3397 81,95 5urame 8226 9742 17968 84,44 Osterreich (Haberland) Frankreich (Giron de Buzareingues) Deutschland (Hoffmann) Aus dieser Tabelle geht hervor, dass beim Hanf im allge- meinen etwas mehr Weibchen hervorgebracht werden als Mannchen und zwar zeigt sich ziemlich konstant stets ein Verhaltnis, welches nicht viel von dem mittleren 84,44 zu 100 abweicht. Bei den iibrigen von Hoffmann untersuchten Pflanzen lasst sich ein mittleres Geschlechtsverhaltnis nicht berechnen, da das- selbe infolge der Einwirkung der schlechteren Ernahrung ein zu verschiedenes ist. 1) Man vgl. die Jenaische Zeitschr. f. Naturwissensch. 1885, pg. 452, 2) Untersuchungen liber das Verhaltnis des Geschlechtes etc. Berichte aus dem physiologischen Institute der Universitat Halle. 113 Beitrag zur Eenntniss der Eierstockeier bei Echidna. Von G. A. (iiuldberg^ Christiaiiia. (Mit einer Tafel). Als Dr. Luraholtz von einem vierjahrigen Aufenthalt in verschiedenen Gegenden, namentlich im nordlichen Theil Australiens, im Jahre 1884 wieder nach seinem Vaterlande Norwegen zuruck- kehrte, hatte er ausser einer Menge von Balgen, Skeletten, Schadeln und verschiedenen Knochen von Beutelthieren und Monotremen auch einige Weichtheile von Echidna hystrix mitgebracht ; unter diesen letzteren befand sich der ganze Genitaltractus eines weiblichen Individuums, dessen Ovarien fast reife Folhkeln ent- hielten. Obgleich das sehr schon in Alkohol conservirte Material ziemlich beschrankt war, glaubte ich doch das eine Ovarium fiir mikroskopische Zwecke opfern zu diirfen, umdieEntwickelung der Eierstockeier naher kennen zu lernen, was vielleicht um so hoheres Interesse darbieten mochte, als gerade in allerjiingster Zeit die merkwtirdige Thatsache, das Eierlegen der Monotremen, von verschiedenen Forschern (Caldwell, Haacke) festgestellt worden ist. Von friiheren Untersuchungen , die wir hier zunachst zu be- rucksichtigen haben, isterstens zu erwahnen die von Sir R.Owen gelieferte Beschreibung der Uterineier von Echidna hystrix (Philos. Trans, of the Roy. Soc. vol. 171. Part. Ill , pag. 1051—1054 und PI. 39). Das kleinste von den 4 Uterineiern mass 2| Mm. im Durchmesser, das grosste 6 Mm. Die beiden Eierstocke waren gleich gross, was ich nach meinen Untersuchungen nur be- statigen kann. Auf Tafel 39 derselben Abhandlung wird der * ganze obere Theil des Genitaltractus mit den Ovarien, die theils kleinere, theils grossere, stark prominirende Follikel zeigen, ab- gebildet. Die aussere Membran des Eies, Hyalinion oder zona pellucida genannt, ahnelt der gleichen bei Ornithorhynchus, ebenso werden hyaline Korperchen in der Dottermasse erwahnt. Er glaubt auch die beginnende Furchung in einem 6 Mm. grossen Ei nachgewiesen zu haben (cfr. 1. c. pag. 1053). Ferner geht aus seinen Untersuchungen hervor, dass das Ei im Uterus eine Zeit 8* 114 lang an Grosse zunimmt , und dass es in keinen organischen Zu- sammenhang mit der Uterinwand tritt. Neuerdings hat Mr. Poulton (Quarterly journal of micr. science, 1884, pag. 124—128, PI. V., Fig. 8—12) das Ovarium von Oruithorhynchus untersucht. Die grossten Follikel massen unge- fahr 1 Mm. im Durchmesser und schienen nicht reif gewesen zu seio. Er weist nach, dass die Eier nur eine einschichtige Lage von FoUikelepithel besitzen und dass sie den Follikel vollstandig ausfiillen , so lange sie im Eierstock bleiben , ein sehr wichtiges Verhaltniss, das ich auch fiir Echidna bestatigen kann. Er be- schreibt eine zona pellucida, nimmt eine Sonderung zwischen Nah- rungs- und Bildungsdotter an und constatirt die excentrische Lage des Kerns. Dies ist das Wenige, was in der Litteratur iiber die uns be- schaftigende Frage sich vorfindet. Wir wenden uns nun zu unserer eigenen Untersuchung, welche an dem linken der oben erwahnten Ovarien von Echidna ausgefiihrt wurde. Die beiden Eierstocke massen 19 Mm. in der Litnge, 14 Mm. in der Breite und 8 Mm. in der Dicke. Beide waren gleich gross und hatten eine sehr hockerige Oberflache, weil die mehr Oder weniger entwickelten Follikel halbkugelige Prominenzen bil- deten. Die grossten ganz kugeligen Follikel hatten ein en Durchmesser von 3 Mm. oder noch ein wenig mehr und ragten so weit aus dem Ovarium hervor, dass ihre freie Ober- flache fast I einer Kugel bildete. Die zwischenliegende Ober- flache des Ovariums zeigte tiefere und seichtere Furchen; auf dem Querschnitt scheiut daher die periphere Partie des Ovariums wie in Falten gelegt. Ueberall findet man ein deutliches Keimepithel an der Oberflache (cfr. Fig. l,Ke.). Nur liber den am stiirksten pro- minirenden Follikeln scheint dasselbe zu fehlen; besonders da, wo die Follikelwand sehr verdiinnt war, konnte ich es nicht mit Be- stimmtheit nachweisen. Die Zellen des Keimepithels sind ge- wohnlich kubisch, an den oberflachlichst liegenden Partien dagegen mehr abgeplattet, wahrend sie sich in den Furchen mehr einer niedrig cylindrischen Form nahern. Das periphere Ovarialstroma (dasjenige der Zona parenchyma- tosa) ist an Zellkernen sehr reich , die nur wenig Bindegewebs- fasern zwischen sich haben. Um die Follikel bildet es eine faserige Wand, ebenso treten starkere Faserzuge im lunern (Zona vascu- losa) auf. Von Interesse ist , zu bemerken , dass die Kerne des 115 Bindegewebes viel zalilreicher in den Partien auftretcn, wo die Primarfollikel haufig sind, als da, wo dies nicht der Fall ist. Der als Zona parenchymatosa bezeichnete periphere Theil des Ovariums hat eine geringe Breite, oft nur eine einzelne Reihe von Primar- foUikeln enthaltend ; an anderen Stellen konnen jedoch 2 — 3 paral- lele Reihen auftreten. Die Zona vasculosa war an dem unter- suchten Priiparat sehr gefassreich ; hie uiid da schienen mir grossere Gefasssinus aufzutreten. Die Eifollikel bieten uns indessen das ungleich grosste Interesse dar. In den Primarfollikeln haben die Eier eine Grosse von 0.040 — 0.045 Mm. im Durchmesser. Der ziemlich grosse Kern misst 0.015-0.020 Mm., das Kernkorperchen 0.004—0.006 Mm. im Durchmesser. Der Kern (Fig. 2, K) nimmt ofters jetzt schon eine excentrische Lage ein. Die Wand des Follikels (Fig. 2, fw) wird gebildet von einer bindegewebigen ausseren Schicht und einer einschichtigen Lage abgeplatteten Epithels {fe) nach innen. Den Raum dieses Follikels fiillt das Ei vollstandig aus. Das Zellproto- plasma hat ein homogenes, schwach gekorntes Aussehen. Betrachten wir nun die in der Entwickelung weiter vorgeschrittenenEier, die an Grosse bedeutend zugenommen haben, so fin den wir auch hier ein Verbal tniss, was in der ganzen weiteren Entwickelung fortbestehen bleibt, dass namlich das Ei den Follikel vollstandig ausfullt. Unsere Aufmerksamkeit wird ferner auf eine im Eiprotoplasma erscheinende Differenzirung gelenkt, die von grossem Interesse ist und in den verschiedenen Entwicklungsstadien des Eies sich etwas ver- schieden verhalt. 1. Betrachten wir z.B. ein 0.273 Mm. grosses Ei, so tritt uns sofort in die Augen ein perlenahnlicher Kranz von hellen, klaren, stark lichtbrechenden Dotterkiigelchen, die den peripheren Theil des Eies einnehmen (Fig. 3, D). Ira Anfange bilden sie nur einen schmalen Streifen, spater, je nachdem das Ei sich ver- grossert, wird dieser Streifen immer breiter durch die zahlreicher auftretenden Dotterkiigelchen. Sie lassen sich in diesem Ent- wickelungsstadium des Eies nicht durch Carmin farben, wahrend das ausserhalb liegende Protoplasma oft einen dunkleren .Teint annimmt. Ferner bemerkt man eine das Ei umgebende, stark licht- brechendeZona pellucida (Fig. 3, 0p). Diese hatte in dem be- sprochenen 0.273 Mm. grossen Ei eine Dicke von 0.01 Mm. Auch 116 schon in kleineren Eiern kann man Spuren von dieser Membran bemerken; so habe ich in einem 0.088 Mm. grossen Ei eine ganz diinne glashelle Schicht um das Eiprotoplasma gesehen, als eine erste Andeutung einer Zona pellucida. Das auf der Zona sitzende Follikelepithel, die Mem- brana granulosa (Fig. 3, jTe), wird von theils kubischen, theils mehr cylindrischen Epithelzellen gebildet. Diese adhariren sehr fest an der innerhalb liegenden Zona pellucida. Auf Praparaten, wo das geschrumpfte Ei sich in Falten gelegt hatte, war das Follikel- epithel von der Follikelwand losgerissen und folgte den Faltungen der Zona. Ja, in der weiteren Entwickelung des Eies, wenn es der Reife nahe ist und etwa 2 Mm. oder mehr im Durchmesser hat, ist die Zona pellucida nicht mehr zu sehen und die fast nur aus Dotter- kugelchen bestehende Eimasse liegt nackt in der von etwas abge- platteten Follikelepithelien gebildeten Membran, die wir nach Balfour Chorion nennen wollen. Der rund-ovale Kern nahert sich nun der Peripherie mehr und mehr. Um das eine ziemlich grosse Kernkorperchen sind noch mehrere ganz kleine aufgetreten, die sich doch nicht so stark tingiren wie das grosse primare. In einem 0.30 Mm. grossen Ei rait sehr deutlichem Kranz von Dotterkugelchen mass der Kern 0.056 Mm. und das Kernkorperchen 0.014 Mm. In einem 0.35 Mm. grossem Ei mit mehreren parallelen Reihen von kreisformig geordneten hellen Dotterkugelchen mass der Kern 0.070 Mm. und das Kernkorperchen 0.0145 Mm. im Durchmesser. 2. In der weiteren Entwickelung des Eies, das fortwahrend an Grosse zunimmt, fullt sich das Eiprotoplasma mehr und mehr mit runden Dotterkiigelchen , die in dem peripherem Theile besonders gross sind. So sieht man in einem 0.4 5 Mm. grossen Eie schon eine bedeutende Masse von Dotterkugelchen (Fig. 4, D). Diese sind noch durch eine ziemlich dicke, etwas tingirbare Protoplasma- schicht von der Zona pellucida geschieden. Wahrend der innerhalb liegende, helle Kranz von Dotter- kugelchen von Carminfarben nicht gefarbt wird, zeigt der dicht anschliessende Theil der ausseren Protoplasmaschicht sich ziem- lich tingirbar; man bemerkt auch hier eine Menge von kleinen granulirten Kugelchen, die mit Carmin sich farben und in der Um- gebung vom Kerne am zahlreichsten auftreten (Pw). Der centrale, nach innen von den hellen Dotterkugelchen gelegene Theil des Ei- protoplasma ist fein granulirt und zeigt sich sehr wenig tin- girbar. (cfr. Fig. 4). 117 Im besprochenen Ei mass die Zona pellucida ungefahr 0.012 Mm., die von kubisch-cylindrischen Epithelzellen gebildete Membrana granulosa war von 0.008—0.016 Mm. Dicke. Die hellen Dotter- kugelchen batten 0.004 — 0.008 Mm. im Durchmesser. Der excen- trisch gelegene, rund-ovale Kern mass 0.088 Mm. in der Lange und 0.055 in der Breite. Das runde, auch excentrisch gelegene Kernkorperchen mass 0.020 Mm. im Diameter. Es war von zahl- reichen kleinen Keimfleckchen umgeben. 3. Wenn die Eier sicb einem Millimeter im Durcbmesser nahern, ist schon die Masse der Dotterkiigelchen sebr be- deutend gewachsen. Sie nehmen den grosseren Theil der peripheren Partie des Eies ein, indem sie nur von einer sehr diinnen, granulirten Protoplasmascbicht von der Zona pellucida geschieden sind. Gegen das Centrum werden die Dotterkiigel- chen kleiner, und im centralen Theil des Eies bleibt auch in der weiteren Entwickelung fortwahrend ein Rest von kornigem Protoplasma tibrig, ohne sich vollstandig in Dotterkiigelchen zu dififerenziren. Wenn wir die einzelnen Theile eines Eies in diesem Entwickelungsstadium naher betrachten (cfr. Fig. 5), finden wir Folgendes: Das kubische Epithel der Membrana granulosa (Cho- rion), bleibt wie immer, einschichtig. Zona pellucida (Fig. 5, Zp.) misst 0.008 Mm. Innerhalb dieser kommt eine diinne glashelle, doppeltcontourirte Schicht (Fig. 5 L), die als eine ausserste, diffe- renzirte Protoplasmascbicht zu betrachten ist. Der periphere, die Dotterkiigelchen umgebende Theil des Protoplasma misst 0.006— 0.008 Mm. in der Dicke, innerhalb welcher die hellen und klaren Dotterkiigelchen aufzutreten (Figur 5, D) beginnen. Die Dotterkugelmasse bildet ein ziemlich breites, kreisfor- miges Band, welches in den 1 Millimeter grossen Eiern den grossten Theil des Eiinhalts einnimmt. Die grossten Kugeln sind in der Peripherie, nach innen werden sie allmahlich kleiner, um sich nach und nach in das kornige Protoplasma der centralen Partie zu verlieren. Der excentrische , nahe an der Zona pellucida ge- legene Kern ist durch eine diinnere oder breitere, granulirte Protoplasmascbicht von den Dotterkiigelchen geschieden und hat eine rund-ovale Form. Die Kernmembran ist deutlich, aber diinn. Das Kernkorperchen (Keimfleck) nimmt auch eine excentrische Lage ein, manchmal der Kernmembran sehr naheliegend. Um das Kernkorperchen herum und sonst im Kerne mehr zerstreut findet man eine betrachthche Zahl ganz kleiner runder Nucleoli oder Keim- fleckchen, die auch in Grosse variiren; sie farben sich, wie schon 118 oben gesagt, niclit so stark wie das grosse primare Kernkorper- clien. Dicht neben letzterem haufen sich die kleinen Kernkorperchen hauptsachlich. an einer Seite auf; in einzelnen Praparaten habe ich auch eine eckige Masse am Keimflecke festsitzend gesehen, die doch nicht in demselben Grade tingirbar war, als der Keim- fleck selbst (cfr. Fig. 7). Dieser ist fast immer ganz rund und farbt sich wie gewohnlich sehr intensiv; er enthalt in der cen- tralen Partie gewohnlich zwei, aber auch mehrere unregelmassig geformte Nucleolinen; zuweilen habe ich auch runde, hellere und dunklere Korperchen gesehen (cfr. Fig. 7). 4. Die weitere Entwickelung des Eies besteht hauptsachlich in einer fortwahrenden Zunahme an Grosse, indem die Dotterkugeln immer zahlreicher werden; die Eimembranen dagegen werden diinner. Wenn wir ein Ei von 2^ Mm. Diameter betrachten, finden wir die ganze Eimasse hauptsachlich aus Dotter- kugelchen bestehend, von welchen die grossten einen Dia- meter von 0.025 — 0.028 Mm. besitzen. Die friiher erwahnte cen- trale Protoplasmamasse halt sich noch einigermassen undifferenzirt, obgleich an Masse immer geringer werdend; man wird namlich be- merken, dass zwischen der granulirten Masse auch hier eine betracht- liche Zahl ganz kleiner Dotterkiigelchen aufgetreten ist. Die Fahig- keit sich zu farben, ist jetzt grosser geworden, man sieht daher fast alle Dotterkugeln durch Carmin (Boraxcarmin und Meyers Carmin) gefarbt und zwar die grossten am intensivsten. In Bezug auf die Vertheilung der Dotterkugelmasse ist es interessant zu bemerken, dass die grossten Dotterkugeln am zahlr eichsten in dem dem Kern entgegengesetzten Pole sich angesam- melt haben. Die periphere Dotterschicht des Eies enthalt auch ganz kleine Kiigelchen ; als die ausserste kann man noch eine ganz diinne granulirte Protoplasmaschicht, zwar auch mit kleinsten Kiigelchen versehen, wahrnehmen ^). ^) In Bezug auf die Differ en zi rung der granulirten Protoplasmamasse in Dotterkugeln scheint es , dass die letzteren erst als ganz kleine Kiigelchen auftreten und nach und nach sich vergrossern. Sie bestehen aus einer ganz homogenen klaren Masse ; audi wenn sie sich in einem spateren Stadium farben , kann man keine besondere Membran bemerken, insofern man nicht die ausserste homogene Schicht, die wahrscheinlich verdickt ist, als eine solche ansprechen will. Dass sie aber im Laufe der Entwicke- lung sich chemisch verandern, ist hochst wahrscheinlich, da sie im 119 VoD der Zona pellucida wird man keine Spurcn mehr finden, wenn man nicht den glashellen Innenrand des Chorion als eincn Rest der Zona ansehen will. Dagegen bildet das Follikelepithel ein diinnes helles Chorion, das, wie friiher erwahnt, nur von einer einschichtigen Epithellage gebildet ist. Die Zellgrenzen dieser Epithellage sind nicht mehr zu unterscheiden ; es scheint, als ob die Zellen verschmolzen sind, urn eine helle, schwach tingirbare Membran zu bilden, deren Kerne als ovale Gebilde mit der Langs- achse der Peripherie nach gerichtet, sich darstellen (cfr. Fi- gur 6, F, E). Der Kern liegt dem Chorion ganz nahe (cfr. Fig. 6, K) und ist in einer dem Ovarium entlegenen Partie und etwas zur Seite von dem am meisten prominirenden Theile gelegen ^). Er ist von einer schwach tingirten Dottermasse (Fig, 6, Tk) umgeben, die hauptsachlich aus sehr kleinen, nellen und wenig farbbaren Ktigelchen gebildet ist Diese kugelig-kornige Dottermasse bildet eine halbmondformige Umge- bungsschicht, die den Kern von der eigentlichen Dotterkugelmasse scheidet. Durch den an der Eimem- bran zunachst liegenden Theil setzt diese Schicht sich fort in die. friiher erwahnte, diinne periphere Schicht. Diese halbmond- formige Umgebungsschicht wird in der weiteren Entwicklung im- mer flacher und bildet eine dem Vogelei ahnliche Bil- dungsdotterschicht, die hochst wahrscheinlich mit der hellen, kornigen centralen Dottermasse in Verbindung steht. Der Kern selbst unterscheidet sich nicht erheblich von dem- jenigen eines friiheren Stadiums. Nur hat er an Grosse bedeutend zugenommen. Der rund-ovale Kern eines 2 1 Mm. grossen Eies, den ich isolirte und farbte, besass die betrachtliche Grosse von 0,120 Mm. in der Lange und 0.104 Mm. in der Breite, die Hohe ist wahrscheinlich sehr klein. Das Kernkorperchen mass 0.024 Mm. im Diameter. Die Anzahl der kleineren Keimfleck- chen, deren grosstes 0.004 Mm. mass, hatte sehr zugenommen (Fig. 7). Ich konnte eine doppelt-contourirte Kernmembran unter- scheiden, wie auch (mit homogen Imm. ^^ Zeiss) eine feine kornige Substanz zwischen den kleinen Keimflecken zu beobachten war. Erwahnenswerth sind auch die in Rtickbildung sich be- Gegensatz zu den friih auftretenden im spateren Stadium sich oft energisch farben. 1) An einigen Praparaten lag der Kern in einer dem Ovarial- stroma nachstliegenden Partie. 120 findenden Follikel, von denen mehrere auch in Verkalkungen iibergegangen waren. Von diesen letzteren massen keine iiber ^ Mm. ira Durchmesser. Die Follikelwand zeigt sich sehr verdickt, wahrend die Zona pellucida nach dem Follikelepithel sich noch lange erhalt. Im Anfange wird dor Eiinhalt triibe, und die helleren Dotterkiigelchen liegen zerstreut. Das weitere Schicksal, bis der Eiinhalt ganz verkalkt, konnte ich nicht verfolgen. Der Inhalt zeigt sich bei durchfallcndem Lichte ganz dunkelgrau, etwas brockeUg, bei auf- fallendem Lichte ist er weiss. Fassen wir nun die hier beschriebenen Thatsachen zusammen, so ergiebt sich Folgendes: 1. Das Ovarialei fiillt wahrend seiner ganzen Entwickelung den Eifollikel vollkommen aus und ist nur von einer einschichtigen Lage Follikelepithel um- geben, welche spater eine bleibende Htille um das Ei bildet. Dadurch unterscheidet es sich von alien bisher bekannten Ei- formen anderer Saugethierordnungen. 2. Es tritt wahrend der Entwickelung des Eies eineDiffe- renzirung im Protoplasma ein, die sich durch immer zahlreicher auftretende, kleinere und grossere Dot- terkugeln bekundet. Diese Dotterkugeln fiillen nach und nach das an Grosse immer zunehraende Ei aus , so dass zuletzt nur ein kleiner Theil von dem weniger differenzierten Protoplasma den an der Peripherie belegenen Kern umgiebt. 3. Man kann daher im Ei zwei Pole unterscheiden, namlich einen meistens vom Ovarialstroma abgelegenen Pol, wo der Kern liegt, Kernpol, der von einer flachen Schicht granu- lirten Dotterraasse umgeben ist, und einen entgegengesetzten Dotterpol, wo die grossten Dotterkugeln am zahlreichsten an- gesammelt sind. 4. Das Ei misst wenigstens 2| Mm. in Diameter, ehe es sein Ovarium verlasst, wahrscheinlich erreicht es etwa 3 Mm. Die Eimembran besteht dann hauptsachlich nur aus der als Chorion bezeichneten und allein aus Follikelepithel gebildeten Hiille. 5. Der Kern zeichnet sich ausser seiner Grosse besonders durch die zahlreich auftretenden kleineren Neben- keimflecke aus. Es geht aus den dargestellten Verbal tnissen hervor, dass das Echiduaei in vielen Beziehuugen dem Eitypus 121 der Sauropsiden sich nahert. Ich kann mich daher den Ansichten Mr. Poult ens vollstiindig anschliessen , insofern man hier eine in ae quale Dotterfurchung erwarten darf. Nach den bisherigen Untersuchungen scheint es wohl nicht zu gewagt zu sagen, dass unter alien bekannten Saugethierformen die Mono- tremen die grossten Eier besitzen. Die vorliegende Untersuchung habe ich theils ini zootomischen Institut zu Christiania, liauptsacblich aber im anatomischen Insti- tut zu Jena unter Leitung'von Herrn Prof. Dr. 0. Her twig aus- gefiihrt, welchem letzteren ich hiermit meinen besten Dank aus- spreche. Jena, ira Juli 1885. Erklarimg der Abbildungen. Fig. 1. Querschnitt durch die Zona parenchymatosa des Eier- stocks , das Keimepithel {K.e) und die Primarfollikel {P-f) zeigend. Gezeiclinet mit cam. luc. obj. ^A, oc. 2, Zeiss. Fig. 2. Einzelner Primarfollikel mit der bindegewebigen Fol- likelwand {J.w), Follikelepithel {f-e). Der Kern {K) liegt excentrisch der Peripherie sebr nabe ; das Eiprotoplasma graniilirt. Gezeicbnet mit cam. luc. obj. DD, oc. 2, Zeiss. Fig. 3. Ein 0.273 mm grosses Ei. f.e. Follikelepithel, sp. Zona pellucida, D. der Dotterkugelkranz. Nacb innen und aussen vor den Dotterkugeln siebt man das kornige Eiprotoplasma. Gezeicbnet mit cam. luc. obj. C, oc. 2, Zeiss. Fig. 4. Ein 0.45 mm grosses Ei. f.e. das FolUkelepitbel, z.p die Zona pellucida, L. eine glasbelle Membran, die als eine aussere Schicbt des Eiprotoplasmas aufzufassen ist. D. die bellen Dotterkugeln , Pn. die aussere granulierte Schicbt des Protoplasma, die aus granulirten Kiigelcben bestebt und sich starker farbt als das iibrige Protoplasma. K. der Kern mit einem grossen Kern- korperchen und mehreren kleinen. — Gezeicbnet mit cam. luc. Obj. C oc. 2, Zeiss. Fig. 5. Die Eibiillen und die ausserste Protoplasmascbicht eines ungefabr 0.70 mm grossen Eies (Picrocarminfarbung). — f.e. Fol- likelepithel, Z.p. Zona peUucida, L. glasbelle Membran der ausseren 122_ ProtoplasmaBchicht (P), D. helle Dotterkiigelchen. Gezeichnet mit cam. luc. Obj. DO. Oc. 2, Zeiss. Fig. 6. Segment (Kernpol) eines 2^ mm grossen Eies. Halb- schematisch gezeichnet. FJF. Follikelwand ^), F.E. Follikelepithel, P. Protoplasma, D. Dotterkugel, K. Kern, Pk. der halbmondformige, kornig-kugelige Tbeil des Protoplasma, der den Kern umgiebt. Fig. 7. Der Kern eines 2^ mm grossen Eies, in Boraxcarmin gefarbt. Man bemerkt das grosse Kernkorperchen und die zahl- reichen kleinen Nebenkeimfleckchen , die sich niclit so stark farben wie das grosse primare. tJbcr (las Zustaiidekoiiiiiieii der sogeiianiiten Eiweissreactioneii. Von C. Fr. W. Knikciilierg. Die Eiweissnachweise scheiden sich naturgemass in zwei Gruppen : in die Farbenreactionen und in die Fallungsnachweise. Letztere Kategorie zerfallt in zwei Unterabtheilungen : in die directen Fallungsmethoden, bei denen die Eiweisskorper als solche uieder- geschlagen werden, und in die indirecten Fallungsmethoden (sog. Alkaloidreactionen) , bei welchen eine schwer losliche Verbindung geschaffen wird. Obschon die sogo indirecten Fallungen wegen des zusammengesetzteren Moleciils der dabei entstehenden Ver- bindung, theoretisch betrachtet, die empfindlichsten Nachweise ab- geben miissen, so sind in letzterer Zeit doch die directen Nieder- schlagsmethoden die bevorzugteren geworden; denn diese bieten unter anderen Vortheilen voruehmlich den, bei Ausfiihrung an den Losungen verschiedener Albuminstoife direct vergleichbar zu sein, wahrend die indirecten Fallungsmethoden und ebenso die Farben- reactionen keinen Vergleich in der augegebenen Richtung ohne Weiteres gestatten. Das Zustandekommen der Farbenreactionen hangt ab von der Auwesenheit bestimmter Atomcomplexe , deren Existenz zwar bei jedem echten Eiweissstofie gewahrt zu sein scheint, bei deren Ausfall der Kern der Verbindung jedoch keines- wegs verandert zu sein braucht. Dass nicht auch bei vielen in- ^) Diese enthalt melirere Kerne, die hier nicht gezeichnet sind. 123 directen Fallungsmethoden die Existenz bestimmter Seitenketten wesentlich iu Betracht kommt, wird erst noch zu beweisen sein. Abgesehen von ihrer zweifelliaften piactischen Bedeutung wird den sog. Eiweissreactionen jeder wissenschaftliche Werth so lange abgesproclien werdeu mussen , bis klargestellt ist , welche Atom- gruppeu fur ihr Zustandekonimen unbedingt erforderlich sind und durch sie indicirt werden. Zur Entscheidung dieser Fragen erschien mir die Untersuchung besonders soldier Substanzen dringend ge- boten, welche von den echten Eiweissstoften in ihren Zersetzungs- producten oder in ihrer elementaren Zusammensetzung mehr oder weniger erheblich abweichen, raehrere Reactionen jedoch mit ihnen theilen. Stoffe dieser Art sind die Albuminoide und die Glieder der von mir jiingst ' ) abgegrenzten Gruppe der Skeletine. Die Reprasentanten beider Classen zeichnen sich nun leider aber durch eine Unloslichkeit fiir Wasser aus, und vielen derselben ist auch eine grosse Resistenz gegeuiiber den proteoiytischeu Enzymen eigen so dass nur die Farbenreactionen der Eiweisskorper zu einer ver- gleichenden Priifung im angegebenen Sinne Verwendung finden konnten. Hier zeigte sich nun aber aufs Schlagendste, dass die einzelnen Farbenreactionen der Eiweisskorper vollig inadaquaten Natur und schliesslich auch wohl wenig belangreich sind fiir der Nachweis einer Constanz des Kernes im Eiweissmoleciil, indem sie meist nur Annexe, d. h. dem Stammkern angelagerte Atomgruppen betrefien, und deshalb das Eintreten der einen Reaction keines- wegs das Fehlschlagen einer anderen von vornherein ausschliesst. Die Erfahrungen iiber das Eintreten der Millon'schen Re- action scheinen mir den Schluss zu gestatten, dass dieselbe an einen Atom complex gebunden ist, der direct oder indirect als Tyrosin abgespalten werden kann. Entgegen dem Bedenken DrechseVs ^^) , das von Erlenmeyer und ScMffer^) beim Koch en von Elastin mit verdiinnter Schwefelsiiure erhaltene Tyrosin moge nicht dem Elastin, soudern einer Beimengung entstammen, muss ich darauf hinweisen, dass bisher noch alle Untersucher (so auch W. Midler) Tyrosin als Zersetzungsproduct des Elastins beim Kochen mit verdiinnter Schwefelsaure haben auftreten sehen, und 1) Grundziige einer vgl. Physiologie der thierischen Geriistsub- stanzen. Heidelberg. 1885. S. 195 u. 215. 2) Drechsel, Chemie der Absonderungen und Gewebe. Hermann's Handbuch der Physiologie. Bd. 5. Th. 1. S. 603. 3) Erlenmeyer und .-/. Scfioffer, Journ. f. pract. Chemie. Bd. 80. 1860. S. 357—359. 124 dass ich diese Angaben an moglichst rein erhaltenem Materiale aus dem Nackenbande vom Ochsen nur bestatigt fand. 1st Elastin, welches die Minon'sche Reaction giebt, thatsachlich frei von Scbwe- fel, so kann die Tyrosinbildung nicht unabanderlich an die Gegen- wart einer schwefelhaltigen Gruppe im Moleciil gekniipft sein. tJbrigens denken wir uns die Verhaltnisse nicht so wie Liebig^ der die Eiweisskorper und gewisse Albuminoide als gepaarte Verbindungen betrachtete, welche als Paarlinge unter anderm auch Tyrosin enthalten, sondern wir lassen als Paarling derselben nur eine oder mehrere Tyrosin bildende Gruppen zu. Diesem Verhalten entsprechend, charakterisirt die Millon'sche Reaction die Tyrosin liefernden Eiweissstoflfe, Albuminate, Proteide, Albuminoide (Keratin, Elastoidin i), Elastin) und Skeletine (Fibroin), wahrend sammtliche Glieder dieser Classen, welche weder bei den Faulnissvorgangen noch beim Kochen mit verdiinnten Sauren Tyrosin als Zersetzungsproduct liefern (Collagen ; Conchiolin, Spon- gin, Chitin), die Millon sche Reaction nicht zeigen. Gegenwartig hat diese Regel nur noch eine einzige Ausnahme zuzulassen: Cornein^) namlich, welches mit verdiinnten Sauren und siedendem Wasser, stundenlang mit siedender concentrirter Kalilauge be- handelt und tagelang der abwechselnden Einwirkung von krafti- ger Pepsinsalzsaure und alkalischer Trypsinlosung bei 38 ^ C. aus- gesetzt gewesen ist, giebt stets noch die Millon'sclie Reaction, und so sehr man auch geneigt sein konnte, in den bei der Re- action sich ganz circumscript starker rothenden Stellen der Cor- neinstiickchen den Beweis fiir eine eiweissartige Beimengung des Corneins zu sehen, so lehrt doch die genaue mikroskopische Unter- suchung, dass jene intensiver gefarbten Partieen nur derbere und fester struirte, demnach auch corneinreichere sind als diejenigen, welche sich beim Kochen mit Millon's Reagens weit schwacher rothen. Aus Cornein ist bekanntlich aber kein Tyrosin zu er- halten gewesen; beim Kochen mit verdiinnter Schwefelsaure zer- fallt es in Leucin und Cornikrystallin. Zwei Moglichkeiten sind hier indess noch immer zuzulassen: 1) liefert das Cornein vielleicht doch Tyrosin, denn so sicher scheint mir durch die bisher aus- 1) Vergl. h'riih-eiiherg, tJber die chem. Beschaffenheit der sog. Hornfaden von Mustelus vind iiber die Zusammensetzung der kera- tinosen Hiillen um den Eiern von Scyllium stellar e. Mitth. a. d. zoolog. Station zu Neapel. Bd. 6. 1885. S. 286 — 296. 2) Yergl. Krnkenberg, Ber. d. d. chem. Gesellach. Bd. 17. 1884. S. 1843. 125 gefiihrten Untersiichungen dessen Abwesenheit unter den Spaltungs- producten noch keineswegs verburgt zu sein, und 2) kounte ja das unentzififerte Cornikrystalliu eine complicirter zusaramenge- setzte Vorstufe des Tyrosin sein. Hand in Hand gehend mit einem starkeren oder schwacheren Ausfall sammtlicher ubrigen Eiweissreactienen, bietet die Millon'- sche Probe quantitative Unterschiede nur bei den Hyalogenen (Spirographin und sog. Hyalin der Echinococcusblasen) dar; diese liegen darin begrundet, dass die Hyalogene in den Geweben weitere Veranderungen durchmachten, ihren Eiweisscharakter dabei mehr und mehr einbiissten, um schliesslich vielleicht in echte Hyaline Oder Hyalinverbindungen iiberzugehen.^) 1) Ware von mir („Die Hyaline". Wiirzburg 1883.) am Spirogra- phin auch nicht der specielle Nachweis erbracht, dass die Hyalogene sich bei den einzelnen Proben gleich den Eiweisskorpern verhalten, ohne einen eiweissartigen Rest zu hinterlassen, in Hyaline iibergegangen, dagegen auf die einzelnen Eiweissproben nicht mehr reagiren, so wiirden die quantitativen Schwankungen im Ausfall der Albumin- reactionen an verschieden alten Echinococcusblasen allein schon darauf hinweisen, dass es sich bei diesem Hyalogene ebensowenig wie beim Spirographin um ein Proteid handelt. Wiederholt sah ich die Ei- weissreactienen an Echinococcusblasen ausnehmend schwach ausfallon, aber auch alsdann nicht nach tagelanger Pepsineinwirkung (wodurch albuminoseBeimengungen doch so leicht den unverdaulichen Hyalogenen zu entziehen sind) verschwinden. Trotz des schwachen Ausfalls der Eiweissreactienen hatte das Hyalogen in diesen Fallen seine Unlos- lichkeit fur Wasser beibehalten, was beweist, dass sein unterschied- liches Verhalten von den Hyalinen nicht in der Verbindung mit einem eiweissartigen Paarlinge, von dem hier doch so gut wie nichts vor- handen war, begrundet liegt. Dass, wie Hainmarsten {Pf/i/ger's Ar- chiv. Bd. 36, 1885. S. 449) anzunehmen geneigt ist, Proteide, als deren einer Paarling ein Hyalogen resp. Hyalin, als deren anderer ein Albuminkorper fungirt, vorkommen konnen, habe ich niemals in Abrede gestellt, sondern bei Besprechung des sog. Collagens (Chon- drin und Chondroi'tsaure. Sep.-Abdr. a. d. Sitzungsb. d. Wurzburger physik.-med. Gesellschaft. 1884. S. 4.) selbst hervorgehoben ; wichtig ist fur mich jedoch, dass Hyalogene reinster Form, wie solche im Spirographin und im sog. Hyalin der Echinococcusblasen vorliegen, nicht protei'der Natur sind. Dass deren Unloslichkeit fiir Wasser auch nicht auf einer Doppelverbindung mit Mineralbestandtheilen be- ruht, wie Schiniedeberg (Mittheil. a. d. zoolog. Station zu Neapel. Bd. 3. 1882. S. 387j fiir's Onuphin entwickelte, hatten schon Li/cke's Ana- lysen (FircAow's Archiv Bd. 19. 1860. S. 189) alter Echinococcus- blasen lehren konnen, denen gemass diese nur 0,29^ anorganische Stoffe enthalten. Die Unhaltbarkeit von Schmiedeberg's sowie von 126 Einen beschrankteren Verbreitungskreis als die MiUon''sc]ie Probe besitzt die Adamkiewicz'sche Reaction sowie die Koch- probe mit Salzsaiire. Eine allgemeinere Kegel fiir das Eintreten und Nichteintreten beider Reactionen lasst sich zur Zeit noch nicht aufstellen. Gewisse Wasser abspaltende Processe, welche die Ei- weisskorper in Elastine oder in Keratine verwandeln, rauben jenen die Fahigkeit, auf beide Proben zu reagiren oder setzen ihre Re- actionsfahigkeit wenigstens sehr herab. Beide Reactionen konnen unter Umstanden quantitativ sehr verschieden ausfallen, und zwar an Praparaten, die durch Eiweissstoffe in keiner Weise verun- reinigt sind; diese Erscheinungen beruhen einerseits darauf, dass unter der Bezeichnung Elastin, Keratin und Collagen Substanzen verschiedener Entwicklungsphasen einbegriffen werden mtissen, dass altes Elastin oder altes Collagen nicht das namliche ist als frisch angebildetes ; andererseits finden derartige Differenzen aber auch darin ihre Erklarung, dass von den cbromophoren Gruppen, von welchen die echten Eiweissstofie eine grossere Anzahl in ihrem Riesenmoleciil euthalten, in den betreffenden Eiweissderivaten viel- leicht nur noch zwei oder gar nur noch eine sich erhalten hat. So erklart es sich, wenn Keratin beim Kochen mit concentrirter, roher Salzsaure in dem einen Falle eine schwach violettrothe Farbung der Saure ertheilt, in einem anderen dagegen diese Farben- reaction ausbleibt, oder wenn Fibroin und Keratin bei Anstellung der Adamkiewic^'' schen Probe nur zu Beginn des Kochens eine leichte Violettfarbung erkennen lassen, indem die Fliissigkeiten bei fortgesetztem Sieden ihre Farbe nicht in Purpurroth, sondern in ein unansehnliches Braungelb verandern. Sowohl bei der Koch- Landwehr^ urspriinglicher, bereits von Giacosa (Zeitscbr. f. physiol. Chem. Bd. 7. 1882. S. 52) angegriffener Aiiifassung, dass die Hyalo- gene nur Gemische von Eiweisskorpern und Hyalinen resp. reinen Kohlehydraten seien, wiirde schon ein einfacher Losungsversuch an der unveranderten Substanz darzuthun geeignet gewesen sein , und nicht weniger ixnzutreffend erweist sich in ihrer Allgemeinheit die zuerst von Giacosa geiiusserte, spater auch von Landwehr (Zeitschr. f. physiolog. Chemie. Bd, 9. 1885. S, 366) und fiir das Glykoproteid auch von Hammarsten vertretene Ansicht, dass es sich bei den Hya- logenen resp. Hyalinen um die chemische Verbindung von einem Kohlehydrate mit einer Globulinsubstanz handele. Wenn so einfach die Dinge lagen, wie wiirden dann die doch auch von Hammarsten (a. a. 0., S. 397 und 398) erkannten intermediaren stickstofFhaltigen Producte, welche mir keine Eiweissreactionen zeigten, iiberhaupt nur entstehen konnen ! 127 probe mit Salzsaure wie auch bei der AdamJciewics' schm Reaction kommt viel auf die Ausfiihrung selbst an ; ersteren Nachweis ftihre ich stets mit concentrirter, roher Salzsaure aus und setze das Kochen mit der zu priifenden Substanz 5 Minuten lang iiber freier Flamme fort, die Eiweissprobe nach Adamkiewicz stelle ich schon seit Jahren ahnlich wie Hammarsten ^) an. Die im Folgenden mitgetheilten Resultate sind unter genauer Beacbtung dieser Vor- schriften gewonnen, und speciell diejenigen, welche auf der Adam- hiewicz'schen Reaction basiren, unter strenger Einhaltung der Hammarsten' schen Modification. tJbrigens sind die aus den ei- weissartigen Materien entstehenden farbigen Producte weder beim Verfabren nach Adamkieivicz, noch beim Kochen mit Salzsaure =*) allemal die namlichen. Betrefis letzterer Reaction habe ich in einer anderen Abhandlung ^) einige Beispiele angefiihrt, und was die bei der AdamMewics'&Qh&n Probe auftretenden violetten resp. purpurnen Farbentone anbelangt, so sei nur darauf hingewiesen, dass die beiden Absorptionsstreifen , welche das Spectrum der Fliissigkeit nach einiger Zeit darbietet, nicht in alien Proben gleich orientirt sind ; bei Beginn der Reaction zeigt sich ein breites Band zwischen D und E, dem sich bald ein zweiter, nach ca. 24 Stun- den zu gleicher Ausdehnung angewachsener Streifen etwa zwischen b und F hinzugesellt, welcher von AdamJciewics^) allein gesehen wurde. Sammtliche Eiweissstofle, die Albuminate (mit Einschluss der echten Albumosen und der echten Peptone) und gewiss auch alle Proteide ^) zeigen die AdamJcieivicz'' sche Reaction ausgesprochen scharf; Andeutungen derselben findet man fernerhin bei Keratinen (z. B. aus Kuhhorn dargestellt) und beim Fibroin, wahrend Con- chiolin, Cornein, Spongin, Elastoidin, die reinen Collagene mit ihren Spaltungsproducten (den sog. Leimpeptonen) und die Elastine sich und die Fliissigkeit dabei nur gelb oder braungelb farben. Einen 1) 0. Hammarsten, Arch. f. d. gesammte Physiol. Bd. 36. 1885. S. 389. Anm. 1. 2) Das Spectrum der Reaction ist dargestellt und naher be- schrieben in meinem Aufsatze „Zur Charakteristik einiger physiologisch und klinisch wichtigeren f arbenreactionen". Wiirzburg. 1884. 3) Krukenberg, Fortgesetzte Untersuchungen iiber die Skeletine. Zeitschrift fiir Biologie. 1885. 4) ^. Adamkiewicz, Arch. f. exp. Pathologie und Pharmak. Bd. 3. 1875. S. 419. 5) Casein giebt die Reaction gut. Sitzungsberichte 1885. II. Heft. 9 128 leichten rosa Anflug nimmt beim Kochen mit Eisessig und Schwefel- saure auch das Chitin an, bevor es sich lost. Die Salzsaurereaction gelingt an einigen Substanzen, an wel- chen der Nachweis von Adamkiewicz versagt oder wenigstens un- zuverlassig bleibt. So nimmt concentrirte, robe Salzsaure beim Kochen und Eindampfen (am besten auf dem Wasserbade) mit Fibroin eine prachtvoU blauviolette Farbung an, und auch am Elastin (aus dem Nackenbande vom Ochsen) wie am Elastoidin stellt sich eine Violett- oder Purpurfarbung rait voller Deutlich- keit ein, wenn schon dieselbe bei den letzten beiden Substanzen langer auf sich warten lasst; unsicher bleibt das Resultat bei den Keratinen. Zugleich farben sammtliche Stolie, welche die Adam- Mewicz'sche Reaction geben, auch die siedende Salzsaure in der fiir die Eiweisskorper charakteristischen Weise. Beim Erhitzen mit Cornein, Conchiolin, Spongin oder Chitin nimmt concentrirte, rohe Salzsaure nur eine gelbe, spater eine braunliche Farbe an, obschon, wie wir sahen, das Cornein durch Millon's Reagens bei Siedetemperatur gerothet wird. Die Xanthoprotlieiiireaction erstreckt sich ausser auf die Eiweissstoffe, die Albuminate, Proteide und Albuminoide auf das Fibroin und Cornein unter den Skeletinen, wahrend die gelben oder braunlich gelben Salpetersaurelosungen von Spongin wie Conchiolin nach dem Ammoniakzusatze gelb bleiben, niemals sich auch nur in's Braunliche verfarben. Beim Losen von Cornein in concen- trirter Salpetersiiure ist die starke Entwicklung von Stickstoff- dioxyd bemerkenswerth. Der Ausfall der Biuretprobe ist bei den einzelnen, in Be- tracht kommenden Stofien insofern Wechseln unterworfen, als es zum Entstehen der Purpurfarbung bald eines starkern Erhitzens der zu prufenden Substanz (Harnstoff) oder eines langern Er- warmens mit der Lauge (Conchiolin) bedarf, bald dagegen ein einmaliges Aufkochen der fertig gestellten Probe (Albuminstoffe) oder allein schon ein Mischen mit der Lauge und dem Kupfer- sulfat bei gewohnlicher Temperatur (Albumosen und Peptone) zur Hervorrufung der Farbung ausreicht. Diese Difierenzen beweisen, dass die sich durch Kupfervitriol bei alkalischer Reaction rothen- den loslichen Producte nur in den Albumosen und Peptonen als solche vorgebildet sind, aus den Eiweisskorpern im engern Sinne, den Albuminoiden und Skeletinen dagegen erst unter der Ein- wirkung der Lauge mehr oder weniger leicht hervorgehen. Die Skeletine bieteu in dieser Beziehung eine vollstandige Skala dar, 12^ indem die zum Eintreten der Biuretprobe erforderliche Transfor- mation beim Fibroin schon in der Kalte rasch erfolgt, schwieriger beim Spongin und erst nach anhaltendem Kochen oder erst bei Anwendung einer concentrirteren Lauge auch das Conchiolin wie Cornein ergreift. Reines Chitin geht nach stundenlangera Kochen mit verdiinnter Natronlauge niemals Zersetzungen ein, welche zu Producten fuhreu, die sich mit Kupfervitriol rothen; eher ent- stehen bei dieser Operation Korper, welche auf die Kupferverbin- dung beim Kochen reducirend wirken. Ganz abgesehen vom Verhalten des eigentlichen Biurets (als Zersetzungsproduct des Harnstoifs) bei der Probe, zeigt der posi- tive Ausfall derselben am Conchiolin wie am Spongin, dass dieser unabhangig ist von der Gegenwart echter Albumosen und echter Peptone; denn die loslichen Producte, welche jene beiden Skele- tine bei den verschiedenartigsten Umsetzungen liefern, reagiren weder auf die Xanthoprotein- noch auf die Millon'sche Probe und konnen deshalb unmoglich den echten Albumosen oder Peptonen zugezahlt werden ; ebenso verhalt es sich mit dem Collagen, dessen albumose- und peptonartigen Zersetzungsproducte, Hofmeister's Semiglutin und Hemicollin, zwar durch Natronlauge und Kupfer- sulfat purpurn gefarbt werden, sich aber beim Kochen mit Millon's Reagens nicht rothen. Die gegentheilige Angabe von Uofmeister ^ ), dergemass Semiglutin durch Millon's Reagens schwach rosa ge- farbt wird, hat ihren Grund in einer Verunreinigung seines Pra- parates durch echte Albumosen oder durch echte Peptone. Nencki's Untersuchungen ^) ergaben fiir das Glutin, WaelcMi's Untersuchungen ^) fur das Elastin, dass aus diesen Stofien bei der Faulniss weder Indol noch Phenol gebildet wird. Stillschweigend scheint von diesen Autoren angenommen zu werden, dass, hin- sichtlich der Indolabspaltung, Schmelzen mit Atzkali dem Faul- nissvorgange gleichzustellen ist, und dass einer Indolbildung nur diejenigen albuminoiden Korper fahig sind, welche bei der Faulniss yder beim Kochen mit verdunnten Sauren neben Leucin auch Tyrosin und von fliichtigen Fettsauren vorwiegend Buttersaure 1) Hofrneister, Zeitschr. f. physiolog. Chemie. Bd. 2. 1878, S. 306. 2) Nencki, tjber die Zersetzung der Gelatine und des Eiweisses bei der Faulniss mit Pankreas. Bern. 1876. 3) G. H'aelchU, Journ. f. pract. Chemie. N. F. Bd. 17. 1878. S. 71. 9* 130 neben Valeriansaure , nicht fast nur Essigsaure bilden. Nach meinen Erfahrungen bestehen indess bezuglich der Indolbildung zwischen den Producten, welche durch schmelzendes Kali erhalten werden, und denen, welche Kochen mit verdiinnten Sauren oder Faulnissprocesse entstehen lassen, erhebliche Abweichungen, und ich stehe nicht an, die Zersetzung durch Faulniss und die Zer- setzung durch Schmelzen mit Kali als zwei ganz inadaquate Proceduren zu betrachten. Speciell die Skeletine (gleichgiiltig, ob sie beim Kochen mit verdiinnter Schwefelsaure neben Leucin nur Glykocoll Oder auch Tyrosin geben) liefern in's Gesammt, mit Kali geschmolzen, unzweifelhaft Indol, d. h. wenn wir unter dieser Bezeichnung die chemisch gewiss nahe verwandten Stofle ver- stehen, welche durch den penetranten, sog. Indolgeruch, durch das Auftreten einer kirschrothen Farbung auf Zusatz von salpetriger Salpetersaure oder beim Einlegen eines mit Salzsaure getrankten Fichtenspahns charakterisirt sind. Nach subtilster Reinigung, nach stunden- (Cornein, Conchiolin) oder tagelang (Chitin) unterhaltenem Auskochen mit mehrfach erneuerten Portionen concentrirter Kali- lauge und 20stundigem Erhitzen mit Wasser auf 170—200*^ (7. im zugeschmolzenen Glasrohre (Cornein, Conchiolin, Fibroin), Chi- tin selbst nach dem Fallen der salzsauren Losung durch Wasser- zusatz, lieferten diese Stoffe mit Kali geschmolzen regelmassig ein stark indolhaltiges Destillat ; die Mittheilungen, in denen nur eines spurenweisen Auftretens von Indol unter den Zersetzungsproducten der Skeletine durch schmelzendes Kali gedacht wird, beruhen durchgangig auf einer nicht lange genug unterhaltenen Destination und auf einem Zuriickbleiben des Indols in der Schmelze. Be- sonders fur's Chitin ist mir dieser Befund lange Zeit sehr zweifel- haft gewesen und wurde von mir auch. friiher '■ ) auf Beimengungen bezogen. Wiederholungen meiner bereits 1881 angestellten Ver- suche bestatigten indess die Constanz der Indolbildung, und die Reinigungsweise des dazu verwendeten Chitins verbiirgt mir jetzt, dass sich aus diesem ebenso wie aus den iibrigen Skeletinen beim Schmelzen mit Kali regelmassig Indol abspaltet. Beim Schmelzen von Aetzkali mit Chitin constatirte Ledderhose^^) unter den Zer- setzungsproducten nur die Anwesenheit von Essigsaure und Butter- 1) Krukenberg, Ygl.-physiologische Studien. II. Eeihe, I. Abth. Heidelberg. 1882. S. 60. 2) Ledderhose, Zeitschr. f. physiolog. Chemie. Bd. 2. 1878. S. 218. 131 siiure, Sundwih ^ ) fugte beiden Sauren noch die. Oxalsaure hinzu, auf Indol scheinen aber auch diese beiden Untersucher nicht ge- priift zu haben. Vollig unverstandlich wiirde es sein, weiin bei diesem Sachverhalte durch die Einwirkung schmelzenden Kalis weder aus Elastin, noch aus Collagen Indol zu gewinnen ware. Mag es nun theilweise auch darauf beruhen, dass zum Eintreten der einen oder anderen Eiweissreaction ein Schwefelgehalt der Substanz unerlasslich, fur die Bildung des Indols aber nicht er- forderlich ist, oder auch darin seinen Grund haben, dass die In- dolnachweise weit empfindlicher als manche Eiweissproben sind, so steht doch so viel fest, dass kein einziger der in Anwendung ge- brachten Eiweissnachweise den Verbreitungskreis aufzuweisen hat, welcher den durch die Indolabspaltung ermoglichten Reactionen zukommt. Selbst die Xanthoproteinreaction, welche, wie wir sahen, am Conchiolin, Spongin und Chitin ausbleibt, steht dem Indol- bildungsvermogen in ihrer allgemeinen Verbreitung nach. Unlosliche eiweissartige Gewebsbestandtheile konnen durch immerhin geringftigige Eingriffe (z. B. durch schwache electrische Reize) hyalinisiren, d. h. fur Wasser und fiir die Gewebssafte loslich werden; in der Chondroitsaure kennen wir eine Substanz, die durch kurze Aufbewahrung im lufttrockenen Zustande ihre Fallbarkeit durch Essigsaure, die fiir das frische Praparat eine quantitative ist, vollkommen einbiisst, und zahlreiche Albumin- und Nichtalbuminstofife verlieren bekanntlich durch ein langeres Verweilen in fester Form ihre Loslichkeit; doch nur eine Substanz ist bislang bekannt geworden, welche in fester Secretform abge- schieden (also den Lebenseinfliissen entzogen) einer weitern, uns noch ganz rathselhaften Metamorphose unterliegt, in Folge deren sie ihr Vermogen, durch Pepsinsalzsaure verdaubar zu sein, ver- lustig geht und in einen vollig unverdaulichen Korper umgewandelt wird. Dieses ist die keratinogene Materie, deren Transformation von mir am Schalenkeratin der Selachiereier verfolgt wurde und welche, in ihrer Vollstandigkeit zwar noch ganz vereinzelt da- stehende Beobachtung Angaben anderer Forscher jedoch auf die Gesammtzahl der Keratine zu verallgemeinern gestatten. Ohne einen Zusammenhang zwischen dem Unverdaulichwerden des Schalenkeratins fiir Pepsinsalzsaure und seiner Zersetzungs- weise durch verdunnte Schwefelsaure zu ahnen, hatte ich schon 1) Sundwik, ibid. Bd. 5. 1881. S. 388. 132 vor mehreren Jahren gefunden ^ ), dass die unverdaulicli gewordenen Schalen der bereits abgelegten Selachiereier nicht, wie die peptisch verdaubaren Hiillen der intrauterinen Eier, mit verdtinnter Schwefel- saure gekocht, reichlich Leucin neben Spuren von Tyrosin, son- dern umgekehrt viel Tyrosin und nur wenig Leucin liefern, sich demnach wie veritabeles Keratin verhalten. Diese Beobachtung veranlasste mich, das Yerhalten der einzelnen AlbuminoTde und Skeletine zu den proteolytischen Enzymen, mit specieller Riick- sicht auf ihre Zersetzungsproducte noch einmal naher zu studiren. Die Untersuchungen haben jedoch nicht den gewiinschteu Erfolg gehabt; es ergab sich namlich, dass unter den vollig unverdau- lichen Skeletinen sich sowohl solche finden, welche (wie Spongin und Conchiolin) durch siedende Schwefelsaure zersetzt, keine nachweisbare Mengen von Tyrosin liefern, sondern hauptsachlich nur Leucin oder Glycin, als auch solche (Fibroin), bei welchen Tyrosin neben Leucin reichlich unter den Spaltungsproducten er- scheint. In beiden Classen der unverdaulichen Skeletine und Al- buminoide finden sich ferner auch Reprasentanten, welche durch iiberhitztes Wasser vollstandig (Spongin) oder bis auf hochst ge- ringe Reste (Keratine) gelost werden, und mit alleiniger Aus- nahme des Chitins sind schliesslich auch Albuminoide wie Skele- tine einer Albumosen- und Peptonbildung fahig, wennschon es bei einigen derselben aus selbstverstandlichen Griinden nur zur Ent- stehung von sog. Leimpeptonen kommen kann. Liegt der Grund fiir das Unverdaulichwerden von Substanzen auch nicht so often zu Tage, als es anfangs scheinen konnte, so wird doch noch immer dabei an chemische Veranderungen im Moleciil gedacht werden miissen, denn dass rein texturelle Ver- dichtungen daran die Schuld tragen, . wie von einigen Pathologen angenommen ist^), wird kaum denkbar sein; jedenfalls sind es aber wenig in die Augen springende chemische Wechsel, welche aus einem verdaulichen Korper einen unverdaulichen werden lassen, und auch die Frage verdient wohl eingehender discutirt zu wer- den, ob enzymatisch schwer angreifbare, lebende Gewebe nicht gerade durch Processe entgegengesetzter Art in leichter verdau- liche todte verwandelt werden. 1) Krukenberg, Ygl. - physiolog. Studien. II. Reihe. I. Abtheil. 1882. S. 64. 2) Vgl. z. B. V. Reckliiighavseii, Handbuch der allg. Pathologie des Kreislaufs und der Ernahrung. Stuttgart. 1883. S. 372 ff. 133 Die llczichuiigeu dcr Eiwcissstoft'e zii den albumiiiui'deii Siilistanzeii mid deu Hohlehydrateu. Von C. Pr. W. Krukenberg. (Mit einer Tafel.) In seiner wichtigen Abhandlung liber das Mucin und mucin- ahnliche Substanzen ^ ) sagt Hammarsten (S. 449) : „Ich halte die Entstehung von Kohlehydraten aus genuinen Eiweissstoffen im gewohnlichen Sinne fiir wenig wahrscheinlich und betrachte als Muttersubstanzeu der abgespaltenen Kohlehydrate zusammen- gesetztere Stotfe, Proteide". Aus dieser Bemerkung ersehe ich, dass meine jetzigen Anschauungen tiber die Eiweisskorper von den- jenigen Hammarsten's erheblich abweichen, und ich benutze diese Gelegenheit urn so lieber dazu, meine diesbeziiglichen An- sichten und die dieselben stutzenden Untersuchungen hier mitzu- theilen, als sich zeigt, dass eine Reihe von Forschern sich jetzt immer mehr den Anschauungen zuwendet, welche ich bereits 1883 ^) ausgesprochen und an einem, zwar etwas abliegenden Objecte be- griindet zu haben glaube. Ich habe schon friiher ^) in kurzen Satzen die Grtinde geltend gemacht, welche aufs Bestimmteste gegen die Auffassung der sog. Mucine wie der Hyalogene sowohl als einfache Gemische von Eiweissstoffen und Kohlehydraten wie auch als Doppelverbindungen von Hyalinen mit anorganischen Salzen oder von Eiweisskorpern mit reinen Kohlehydraten sprechen, kann mir aber nicht versagen, nochmals auf eine Inconsequenz Hammarsten's aufmerksam zu machen. Auf S. 398 seiner oben citirten Ahhandlung theilt Ham- marsten uns mit, dass ein Theil des Stickstoffs durch Alkali- ^) 0. Hammarsten, Arch. f. d, ges. Physiologic. Bd. 36. 1885. S. 373—456. 2) Krukenberg, tJber die Hyaline. Wiirzburg. 1883. 2) Krukenberg, tJber das Zustandekommen der sog. Eiweiss- reactionen. Sitzungsber. d. Jenaischen Gesellsch. f. Medic, u. Naturwiss. 1885. II. 134 einwirkung aus Mucin abgespalten werde, und dass bei EinwirkuDg von starker Alkalilauge diese Stickstoffabgabe so reichlich erfolge, dass die Probe recht stark nach Ammoniak rieche. Seine schonen Resultate ganz vergessend, bedauert er dagegen in einer besonderen Nachschrift, dass er Landwehr's neuere Meinungi), dergemass das sog. Mucin eine „chemische Verbindung von einem reinen Kohlehydrate mit einer Globulinsubstanz" ist, im Texte seiner Ab- handlung nicht mehr berucksichtigen konnte, da nunmehr zwischen ihm und Landwehr die „allerbeste tJbereinstimmung in den Ansichten herrsche". Ich kann dazu nur bemerken, dass, wenn die Mucine nichts Anderes als eine chemische Verbindung von einem reinen Kohlehydrate mit einer Globulinsubstanz vorstellen wtirden, das Auftreten der doch auch von Hammarsten erkannten, von ihm aber nicht frei von Eiweissresten erhaltenen , intermediaren, stickstoffhaltigen, den Hyalinen (Onuphin, Spirographidin) in ihren chemischen Eigenschaften durchaus entsprechenden Spaltungs- produkte, welche mir keine Eiweissreactionen zeigten, ganz un- moglich ware. Die experimentellen Ergebnisse lassen demnach in den sog. Mucinen nur die Existenz einer kohlehydratliefernden, nicht einer Kohlehydrat-Gruppe selbst zu, obschon, vom theo- retischen Standpunkte aus betrachtet, von beiden Moglichkeiten keine als die bevorzugtere erscheinen wiirde. Die Angaben von Landwehr, welche daftir zu sprechen schienen , dass die Mu- cine chemische Verbindungen seines thierischen Gummis mit einer Globulinsubstanz seien, beziehen sich samratlich auf Producte, die erst durch tiefgreifende Zersetzungen erhalten werden konnten und gerade in Betreff des Stickstoflfgehaltes von Landwehr nicht sorgsam genug untersucht sind. Man vermisst in Landwehr's zahlreichen Abhandlungen zu sehr die bindenden, aualytischen Beweise flir das absolute Fehlen des Stickstolfs in seinem, aus den verschiedensten Organen und thierischen Fluidis gewonnenen, sog. thierischen Gummi (sein Achrooglykogen enthielt noch 0.4 ^ Schwefel und 8.7 ^ Stickstoff) und beim Knorpel, aus welchera er dasselbe gleichfalls erhalten haben will ^'), wird es zweifellos erst aus der Chondroitsaure kiinstlich abgespalten sein. Vor alien L a n dw eh r's unzutreffende Angaben fiir das Knorpelgewebe, welche ^) Landwehr, Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 9. 1886. S. 366. 2) Landwehr, a. a. 0., S. 367. 135 ich zu beurtheilen mich vielleicht fur berechtigt halten kann, haben mich vorsichtig gemacht, scinen Behauptungen weiterhin so zu folgen , als es in riickhaltsloser Anerkennung seiner verraeint- lichen Verdienste fruher von mir leider geschehcn ist; niehrere seiner ubrigen Angaben (z. B. iiber das Achrooglykogen und uber das Gallenmucin) haben den trefflichen Arbeiten Hammars ten's gegeniiber ebenfalls nicht Stand zu halten vermocht. Meine neuesten Ergebnisse iiber denBau der Eiweisskorper ^) veranlassen noch eine weitere Modification an den vorgebrachten Meinungen Uber die sog. Mucine, bei welchen ich meine bis dahin gehegte Ansicht iiber die albuminoiden Substanzen keineswegs aus- schliesse, vorzunehmen. Das Molectil eines Eiweissstofifes im gewohnlichen Sinne ist ein Mixture compositum von den chemisch allerverschiedenartigsten Atomcomplexen, und ich habe mich zu zeigen bemiiht, dass mehrere der darin vorhandenen Atomgruppen fehlen , viele derselben in Form krystallisabeler Substanzen abgespalten werden kounen, ohne dass zugleich mit dem Ausfalle bestimmter, an die eliminirten Seitenketten unabanderlich gekniipfter Reactionen der riickstandige Rest des urspriinglichen Eiweissmoleciils sich in seinen sonstigen Eigenschaften weit von den echten Eiweisskorpern zu entfernen braucht. So enthalt ein gewohnlicher Albuminstoff Tyrosin- 2), Leucin-, Indol- etc. liefernde Gruppen, Complexe (wahrscheinlich (JQ von der Formel: ^^y' NH), welche die Biuretreaction 3) be- ^) Krukenberg, Die reducirend wirkenden Atomgruppen in den Eiweissstoffen. Centralbl. f. d. medic. Wissenschaften. 1885. No. 35. S. 609 u. 610. 2) Die Tyrosin liefernde Gruppe ist durch das Eintreten der Millon'schen Eeaction charakterisirt, welche auch das Tyrosin noch zeigt. Der hohe Schwefelgehalt der Keratine , bei deren Zersetzung ausnehmend viel Tyrosin gebildet wird, konnte die Vermuthung auf- kommen lassen, dass die Tyrosinabspaltung und also auch die Mil- 1 0 n'sche Keaction an einen schwefelhaltigen Atomcomplex im Ei- weissmoleciil gebunden ist; die intensive Rdthung , welche das voll- kommen schwefelfreie Fibroin beim Kochen mit Mi lion's Reagenz annimmt, und aus welchem dementsprechend auch viel Tyrogin ab- zuspalten ist, spricht indess noch schlagender als die Erfahrungen an den Elastinen gegen eine derartige Annahme. 3) Biuret, mit Kupfersulfat und Natronlauge zum Sieden erhitzt, bietet nach den, unter meiner Leitung von Herrn cand. med. Hew- 136 dingen, ferner solche, auf denen die Adamkiewicz'sche Re- action 1), der Xanthoproteinsaurenachweis, die Kochprobe mit con- centrirter Salzsaure beruhen ; constante Bestandtheile aller echten 1 e 1 1 Brown (z. Zt. in Oxford) ausgefiihrten Untersuchungen dasselbe Spectral verhalten dar, als die an Eiweiss- oder Peptonlosungen aus- gefuhrte Biuretprobe. Vollig unhaltbar ist die Behauptung von F. H of m sister (Zeit- schrift f. physiolog. Chemie Bd. 2, 1878. S. 293) „da8S die vielfach verbreitete Anuahme, die Biuretreaction ware fur die peptonartigen Korper allein charakteristisch , ein Irrthum und dem Umstande zu- zuschreiben sei, dass in der Kegel die zur Untersuchung gelangen- den Losungen der Peptone wegen deren ungemeinen Loslichkeit viel conceutrirter sind als die genuinen einem weitern Einengen nur schwer zugiinglichen Eiweisslosungen." Echte Eiweisskorper gebeu die Biuret- reaction ausnahmslos erst dann , wenn sie durch die Natronlauge in Albumosen, Peptone oder in sog. Leimpeptone verwandelt sind, und (abgesehen vom Biuret) ist die Reaction auf diese Korper in ihrer Verbreituug beschraukt. ^) Den gleichen Verbreitungsbezirk als die Adamkiewicz'sche Reaction besitzt die Kochprobe mit concentrirter Schwefelsaure, von welcher erstere eigentlich nur eine Modification darstellt (vgl. Adam- kiewicz, Arch. f. exp. Pathologic. Bd. 3. 1875. S. 423). Bei langerem Kochen mit verdiinnter Schwefelsaure (1 : 4) farben sich ohne jeden weiteren Zusatz sammtliche Eiweissstoffe im engeru Sinne blutroth. Eine ausserlich ahnliche , aber spectroskopisch sehr ab- weichend gefarbte Losung (vgl. Kr uk en b er g, Grundriss der medic- chemischen Analyse. Heidelberg. 1884. Taf. 4. Spectr. 11) liefert bekauntlich auch die Cholalsaure mit ihren Derivaten , doch tritt bei dieser die Farbung nur bei gleichzeitiger Anwesenheit gewisser anderer Substanzen (Glykose, Rohrzucker u. dgl. m.) auf, und die Rosafarbung, welche , beim Kochen mit verdiinnter Schwefelsaure , Olsiiure der Flussigkeit ertheilt, ist ebensowenig als das Braunroth, welches bei Ausfiihrung der Pettenkofe r'schen Gallensaureprobe an Olsaure- losungen beobachtet wird , mit der entsprechenden Eiweissreaction irgendwie vergleichbar. Die Keratine, das Elastoi'din , das Collagen ( aus Hausenblase) sowie die Skeletine ertheilen der verdiinuten Schwefelsaure nur eine goldgelbe (Collagen) oder braunlichgelbe Farbe, zu dem, fiir die echten EiweissstoflPe typischen Blutroth kommt es bei Anwendung dieser Substanzen niemals. Dass die Behandlung mit siedender, verdiinnter Schwefelsaure der A d am k i ewi cz'schen Reaction und nicht der Kochprobe mit concentrirter Salzsaure gleichwerthig ist, lehrt am Besten das Fi- broin , welches die verdiinnte Schwefelsaure beim Kochen anfangs ausserst schwach rothet, bald darauf aber in ein bestandiges Braun- lichgelb umfarbt; Fibroin giebt aber die Salzsiiurereaction in ex- quisitem Grade, Andeutungen des Eintretens der Adamkiewic z'schen Reaction dagegen nur bei Beginn des Kochens. 137 Eiweissstoffe sind aber auch Atomgruppen , welche auf alkalische Kupferoxydlosuug beim Kochen reducirend einwirken, und dieser Umstand ist fiir mich entscheidend genug, in alleu Eiweisskorpern Verbindungen zu sehen, welche Kohlehydratreste fiihrcn, oder, wie sich Hammarsten ausdrucken wiirde, alle bekannt gewordenen Eiweisskorper als Proteide zu betrachten. Der beste Ausdruck fiir den beobachteten Thatbestand wird indess der sein, dass man kohlehydratliefernde Gruppen sich einfach am Aufbau des Eiweiss- moleciils betheiligen liisst, die Eiweisssubstanzen auch wohl als substituirte Kohlehydrate bezeichnet und nicht als Proteide, deren einen Paarling eine kohlehydratliefernde Kette ausmacht; denn es erscheint mir unberechtigt, eine, wennschon die constauteste, der vielen Atomgruppen im Eiweissmolecul auszuwahlen und sie alien ubrigen, ohne dass bestimmte Veranlassungen dazu vorliegen, ent- gegenzustellen. Die Erfahrungen liber die Hyalogene, die Verzuckerung des Eiweisses bei Diabetes, die sog. Colloid- und Mucinmetamorphosen der Kropfe, Gallertkrebse , Myxoma und Ovarialkystome liessen mir die Existenz von Kohlehydratradicalen auch in den sog. ein- fachen und genuinen Eiweissstoflfen als absolute Nothwendigkeit erscheinen , schon lange bevor die reducirend wirkenden Eigen- schaften der Eiweisskorper von mir experimentell nachgewiesen waren. Von der Anwesenheit jener reducirend wirkenden Glykosid- gruppen kann man sich an jeder Eiweiss-, an jeder Albumose-, an jeder Peptonlosung durch die T r o m m e r'sche Probe jetzt leicht iiberzeugen, indem man die Probe nach dem Kochen schwach an- sauert und dann mit Ferridcyankaliumlosung versetzt. Das Kalium- salz der Ferridcyanwasserstoffsaure ruft, wovon ich mich durch zahlreiche Versuche iiberzeugte, ausnahmslos nur in Kupferoxydul- losungen einen braunrothen Niederschlag hervor, und derselbe wird auch in keiner Probe ausbleiben, welche mit einer albumi- noiden Substanz ^) oder mit einem eigentlichen Skeletine nach der Die A d amki e wi cz'sche Reaction sowie die Rothfarbung beim Kochen mit Schwefelsaure scheint ausnahmslos an eine schwefel- haltige Gruppe geknlipft zu sein; keine schwefelfreie Verbindung ist bekannt geworden, welche die Reaction gleichfalls zeigt. ^) Mein Aufsatz „tJber die chem. Beschaffenheit der sog. Horn- faden von Must el us und iiber die Zusammensetzung der keratinosen Hiilleu um den Eiern von Scy Ilium s tell are" (Mitth. aus der 138 angegebenen Behandlung ausgefuhrt wird, Ich priifte eine grosse Anzahl, nach den gebrauchlichen Methoden selbst dargestellter, durch tagelang unterhaltene Dialyse von den diifusibelen Bei- mengungen befreiter Albumin- und albuminoider Stoffe und ver- mochte auch in einer bedeutenderen Sammlung, die manches renommirte Eiweisspraparat enthielt, keines ausfindig zu machen, welchem das Reductionsvermogen nicht im ausgiebigsten Maasse eigen gewesen ware^); die losende Eiuwirkung anderer Atom- complexe im Eiweissmolecul auf das gebildeteKupferoxydul macht es allein unmoglich, den Reductionsvorgang bei irgend einem Eiweiss- korper wie an einer Traubenzuckerlosung direct zu beobachten 2). Zoolog. Station zu Neapel. Bd. 6. 1885. S. 286—296) datirt aus einer Zeit , wo mir das , sammtlichen untersuchten Eiweisskorpern zakommende Eeductionsvermogen fiir alkalische Kupferoxydlosung beim Kochen noch unbekannt war, und der in dieser Abhandlung sich findende Satz (S. 296), dass die Keratine niemals alkalische Kupfer- oxydlosung beim Kochen reduciren, ist daher nur auf eine direct erkenn- bare Reduction zu beziehen ; nach v. Babo's Methode, aber allein nach dieser, ist auch bei Ausfiihrung der T r 0 m m e r'schen Probe an den Keratinen regelmassig die Anwesenheit von gebildetem Kupfer- oxydul zu constatiren. ^) In der Literatur finde ich nur das Reductionsvermogen ei- weissartiger StofFe fiir kalt angewendete ammoniakalische Silberoxyd- losung und fiir Osmiumsaure eingehender discutirt; dieses wird dem lebenden Protoplasma zugesprochen und durch das Vorhandensein von Aldehydgruppen I — C rr I erklart (L 0 e w und B okor ny). Von Interesse war fiir mich folgende Bemerkung von Claude Ber- nard (Le9ons sur les ph^nomenes de la vie etc. T, II. Paris. 1879, p. 77): „Nous sommes meme couvaincu a cet egard que les auteurs qui ont cru trouver du sucre dans les muscles ont ete dupes d'une erreur dont il est difficile de se defendre, si Ton ignore que certaines matieres albuminoides ou azotees contenues dans le muscle et encore mal determinees peuvent agir sur le reactif cuprique a la fac^on de la glykose. Mais si Ton fait en sorte d'eviter cette cause d'erreur en traitant par le sulfate de soude, puis en reprenant par I'alcool absolu ; si Ton ne prend point pour du sucre une substance qui ne presente qii* une seule reaction commune avec lui, et d'autre part si Ton veille a ne point en former aux depens de la matiere glycogene dont I'existence est indubitable, dans ces circonstances, disous-nous, ou n'en trouve jamais les moindres traces". 2) Welcher Art die Atomgruppen sind, die das Kupferoxydul in Losung halten , lasst sich zur Zeit noch nicht bestimmen. Werden die Eiweissstoffe resp. die Albumosen aus ihren Losungen durch neutrales Ammouiumsulfat (vgl. K ii h n e , Albumosen und Peptone. 139 Die echten Albumosen und die echten Peptone, die aus den Skeletinen oder dem Collagen auf irgend eine Art hervorgegangenen sog. Leimpeptone wirken wie die reducirenden Zuckerarten erst beim Kochen reducirend auf das Kupferoxyd ein , und diese Re- action steht demnach mit dem Eintreten der Biuretprobe in gar keinem Zusammenhange ; ubrigens gelingt die Biuretfiirbung nur bei Anwendung von Kupferoxyd-, nicht von Kupferoxyd ulsalzen. Der reducirende Einfluss der Albuminstoffe aussert sich aber nicht nur an alkalischer Kupferoxydlosung , sondern von concentrirteren Eiweiss- und besonders von concentrirteren Peptonlosungen wird nach dem Alkalisiren auch Cyanquecksilber reducirt und die Schwarzung, welche Magisterium Bismuthi darin erfahrt, scheint ebenfalls ausschliesslich resp. theilweise auf Bildung einer Reduc- tionsstufe desselben zu beruhen. Die einzelnen Eiweisskorper differiren von einander dadurch, dass sie von den einzelnen Atomcomplexen, welche als charak- teristisch fiir die Albuminstoffe im Allgemeinen angesehen werden, bald eine grossere , bald eine geringere Zahl enthalten , wahrend das Fehlen solcher Gruppen, an welche das Eintreten gewisser, als entscheidend angesehener Reactionen gebunden ist, die be- treffende Substanz in die Kategorie der Albuminoide oder gar in Sep.-Abdr. a. d. Verhandl. d. naturhist.-med. Vereins zu Heidelberg. N. P. Bd. 3 Heft 4. 1885) gefallt, so bleibt an den Filtraten die Reduction voUstandig aus. Dasselbe erfolgt nach Zusatz von Am- moniumsulfat aber auch in Peptonlosungen , ja selbst in reinen Gly- koselosungen tritt alsdann bei Anstellung der T r o m m e r'schen Probe mit dem iibliehen Natronzusatz in Folge der Bindung des Natrons keine Reduction des Kupfersalzes mehr ein, und nur, wenn der Am- moniumsalzzusatz ein geringer oder der Natronzusatz ein sehr reich- licher ist, kommt es zwar zur Reduction, aber das Kupferoxydul bleibt gelost. Da nicht nur Ammoniumsulfat , sondern alle von mir gepriiften Ammoniumsalze (Chlorammonium, Ammoniumsesquicarbonat, Ammoniumphosphat) den Reductionvorgang hindern und Kupferoxydul losen (Verhaltnisse , die bei Priifung ammoniakhaltiger Fliissigkeiten, z. B. von Harn , auf Glykose sehr zu beachten sind) , so lag gewiss nichts naher, als die Auflosung des Kupferoxyduls bei Priifung von Eiweisslosungen nach dem Tr o mmer'schen Verfahren auf Amid- gruppen, speciell auf Harnstoffreste im Eiweissmoleclil zuriickzufiihren (vgl. hierzu: E. Br lick e, Vorlesungen iiber Physiologic. -Bd. I. Wien. 1874. S. 366); der Harnstoflf als solcher besitzt die Pahig- keit, Kupferoxydul zu losen, indess nicht, und es wird erst noch auf andere Radicale, welche in jeder eiweissartigen Substanz standig vor- handen sein miissten, weiter zu fahnden sein. 140 die der Skeletine verweist ^). Ich bin iiberzeugt, dass es unter den sog. Eiweissstotien auch solche giebt, in welchen die reactions- fahigen Griippen (d. h. die Atomcomplexe , welche die einzelnen Eiweissreactionen bedingen) den daneben vorhandenen Glykosid- reihen gegeniiber so sehr zuriicktreten 2), dass das Ganze sich bei ^) Ausgenommen die Biuretreaction, welche an Gruppen gebunden ist, die in direct reactionsfahigem Zustande nur am Biuret, an den Albumosen, Peptonen und an den sog. Leimpeptonen zur Beobachtung kommen, ist keine der oben angefiihrten Proben an einem Spaltuugs- producte zu erzieleu , falls nicht die zugehorige Muttersubstauz die betreffende Reaction gleichfalls giebt. An den Skeletinen lasst sich dieses Gesetz am Besten exemplificiren , aber auch fiir die Albu- minoi'de erweist es sich als durchaus zutreffend. Fiir die aus Col- lagen dargestellten Leimpeptone liegen zwar widersprechende An- gaben von Hofmeister vor, die ich aber nicht bewahrheitet finde. 2) Entgegen den , in den Hauptsachen jetzt als irrthiimlich er- kannteu Behauptungen Landwehr's, durch welche friiher ein be- friedigender Abschluss der Mucinfrage erreicht schien, bemerkt Ham- mar sten (a. a. 0., S. 455) gewiss mit Recht, „da8s wir uns erst am Anfange der Losung dieser Frage , welche erst durch sehr um- fassende, vergleicheud anatomische und physiologisch-chemische Unter- suchungen ihre endgiiltige Losung finden wird", befinden. Ob nun aber unsere, im Obigen entwickelten allgemeinen Anschauungen iiber die Hyalogene und Hyaline, und dementsprechend auch iiber die sog. Mucine, fiir deren Kenntniss die Arbeiten H a m m a r s t e n's so frucht- bare gewesen sind, durch fortgesetzte Detailuntersuchuugen noch wesentlich zu veriindern und zu vertiefen sein werden , mochte ich in Zweifel ziehen. Gerade bei Stoffen von so wechselnder Zusammen- setzung wis es die sog. Mucine sein miissen , fiihrt , — das zeigen die Arbeiten Landwehr's schon zur Geniige — eine Detailforschung, ohne leitende Gesichtspunkte unternommen , nur gar zu leicht auf Irrwege, und hier ist es mehr als irgendwo sonst in der chemischen Physiologic geboteu, durch das Studium der einfacheren Verhaltnisse erst den Blick fiir das Complicirtere zu erwerben. Desshalb wiirden sich das sog. Hyalin der Echinococcusblasen, die Substanz der Wohn- rohren von Chaetopoden und die Hyalogene in der Holothurienhaut vorlaufig weit besser zur Uutersuchung eignen als die Stoffe von weit weniger ausgesprochenem hyalogenen Charakter, welche sich in Secreten und pathologischen Producten bei Siiugethieren vorfinden. In letzteren Vorkommnissen maskireu oft nur mechanisch beigemischte Eiweisskorper die wahren Eigenschaften der Hyalogene wie der aus diesen entstandenen Hyaline und sind auch wohl nicht immer nach eingeleiteter proteolytischer Verdauung als Peptone und Albumosen von den intact gelassenen Hyalogenen reap. Hyalinen erfolgreich zu trennen. Jedenfalls sollte aber der Versuch, eine derartige enzy- 141 fluchtiger Untersuchuug als das Gemisch eines Kohlehydrates mit mehr oder weniger Eiweiss pritsentirt ^), und ich kann niir auch sehr wohl nach raeinen Erfahrungen an den hierhin zilhlcnden Substanzen vorstellen , dass solche Korper nach gewissen , nur lockernd auf die einzelnen Atomgruppen im Moleciil einwirkenden Operationen (z. B. nach Maceration mit 10 — 20 ^iger Natronlauge) keinen, in irgend vvelcher Art an einen sog. Eiweisskorper erinnern- den Ruckstand hinterlassen. Dieses ist iiberhaupt keine Ver- muthung, sondern dass Derartiges wirklich beobachtet wird, habe ich am Spirographin gezeigt. Alle diejenigen Substanzen nun, welche sich wie das Spirographin verhalten, bezeichne ich als Hyalogene, und ich war mir bei Einfiihrung dieses Namens vollauf bewusst, dass darunter nicht, wie Ham mars ten (a. a. 0., S. 449) will, „die verschiedenartigsten Substanzen in eine Gruppe zu- sammengefuhrt werden", sondern dass dieser Begriff ein so pra- ciser ist, wie wir deren in der chemischen Physiologic nur wenige besitzen. Die Mehrzahl der eiweissartigen Substanzen weicht von den Hyalogenen jedoch dadurch ab, dass die Glykosidgruppen den ubrigen (den Tyrosin-, Leucin-, Indol- etc. liefernden) Atomcom- plexen gegeniiber im Moleciil sehr zuriicktreten, und dass es des- halb auch in diesen Fallen weit schwieriger als, bei den Hyalogenen (Spirographin, sog. Hyalin der Echinococcusblasen, Chondrosin etc.) gelingt, eine Zersetzung einzuleiten, bei welcher weder ein eiweiss- artiger Rest zuriickbleibt, noch Korper von Eiweissnatur secundar gebildet werden. Zweifellos werden alle Ubergange zwischen den Hyalogenen und solchen Korpern, die nicht mehr nach Art der Zuckerstoffe reducirend wirken, sich in den Reactionen aber vollig den Eiweissstoffen anschliessen, aufzufinden sein, doch sei noch- mals hervorgehoben, dass meine Bemiihungen, einen derartigen idealen Eiweisskorper aufzufinden, welchem die Reductionsfahigkeit fiir siedende alkalische Kupferoxydlosung fehlt, vollig fruchtlose geblieben sind. matische Trennung herbeizufiihren , niemals unterlassen werden , und ich bedaure lebhaft, dass von Hammarsten weder das Mantel- mucin , noch das Glykoproteid nach andauernder Pepsineinwirkung auf ihre Eigenschaften gepriift sind; denn wahrscheinlich waren dann Products beobachtet worden , welche sich ahnlich dem Onuphin, der Chondroitsaure und dem Spirographidin zwar als stickstofifhaltig, aber als reactionslos bei Anstellung der Eiweissproben erwieseu hatten. 1) Auch in pflanzlichen Zellmembranen deutet die Anwesenheit stickstoffhal tiger Substanzen, welche nach ihrer Eeinigung die typischen 142 Die Constitution der Eiweissstoffe und ihrer entfernteren Derivate. 143 Die im Vorhergehenden erorterten Coustitutionsverhaltnisse der Eiweisskorper und ihrer Abkommlinge ' ) habe ich speciell fiir Unterrichtszwecke in einem Schema*) zum Ausdrucke gebracht, welches auf S. 10 im verkleinerten Maassstabe reproducirt ist. In demselben sind die durch das Studium der Eiweissderivate als die constantesten erkannten Atomcomplexe resp. die denselben angehorenden Reactionen durch eine grossere Kreisflache darge- stellt als die weniger bestiindigen ; je constanter eine Atomgruppe sich erwies, desto tiefer kam sie in dem Schema zu stehen, und dieselben linker Hand sind bestandigere als die rechts gelegenen, welche Letzteren sich als den Ersteren zugehorige Seitenketten prasentiren. Auf der ca. viermal grosseren Originalzeichnung sind die Kreisflachen durch eine, fiir jede derselben besonders in An- wendung gebrachte Farbe leicht unterscheidbar gemacht. In welcher Weise nun die einzelnen Albuminoide und Skeletine von den veritabelen Eiweisssubstanzen abweichen, welcher Re- Eiweissreactionen nicht mehr zeigen, beim Koctien mit verdiinnter Schwefelsaure aber Zucker liefern und desshalb auch meist falschlich fiir reine Cellulose gehalten wurdeu , auf Verhaltnisse hin , welche denen der Hyalogene insofern analog sind, als es sich auch hier um inter- mediare Glieder von Eiweissstoffen und Kohlehydraten handelt. 1) Die nachsten Derivate der Eiweissstoffe (Albuminate, Albumosen, Peptone) habe ich vorlaufig unberiicksichtigt gelassen. Bis vorKurzem schien es, als ob in den angefiihrten Reactionen selbst zwischen den Peptonen und den genuinen Eiweissstoffen keine gravirendere Unter- schiede bestanden ; neuere TJntersuchungen , deren Publication erst noch abzuwarten ist, haben indess, wie mir Herr Geheimerath K ii h n e giitigst mittheilte, zu anderen Resultaten gefuhrt. ^) Derartige Schemata, welche die chemisch verwandten Substanzen zu Gruppen vereinigen, Alles zur Anschauung bringen, was im Laufe der Geschichte Wichtiges iiber dieselben erschlossen ist und jedes Nebensachliche , sowie den Ballast des Unfruchtbaren und Unzuver- lassigen ausschliessen, sind von mir auch fiir mehrere andere thierische Stoffwechselproducte, so z. B. fiir die Xanthinkdrper, die Hamoglobin- derivate, die Choline, die Indigofarbstoffe entworfen und von Herrn Gilts ch hieselbst zum Theil in kiinstlerischer Vollendung zur Aus- fiihrung gebracht. Es regen dieselben dadurch , dass sie jede Liicke unseres Wissens mit voller Klarheit hervortreten lassen , den Einge- weihten zu weiterer Forschung in einer klar durchschauten Richtung an und geben dem Anfanger nicht nur ein verstandliches Bild von dem Zusammenhange , welcher unter den chemisch - physiologisch wichtigsten Substanzen besteht, sondern machen ihn zugleioh mit dem gegenwartigen Stande unserer Wissenschaft vollauf bekannt und fiihren ihn, was selbst der verstandlichste und durchgearbeitetste Vor- trag so sicher und rasch nie vermag, in den Geist der Forschung ein. Sitzungsberichte 1885. II. Heft. IQ 144 actionen die Eiweissstoffe bei ihrem Ubergange in die einzelnen Derivate verlustig gehen, versinnlichen die das Schema durch- setzenden schragen Linien, durch welche eine oder mehrere Atom- gruppen resp. die denselben entsprechenden Reactionen von dem Kerne des Eiweissmoleciils gleichsam abgeschnitten werden. So kommt z. B. beim Elastin, Elastoidin und Fibroin allein die A d a m - kiewicz'sche Reaction, beim Cornein und Keratin daneben noch die Kochprobe mit concentrirter Salzsaure zum Ausfall, und beim Chitin reducirt sich das gesammte Moleciil auf die Indol liefernde und auf die alkalische Kupferoxydlosung beim Kochen reducirende Gruppe. Bei der Demonstration des vergrosserten Schemas ver- fahrt man zweckmassig so, dass man mittelst eines gleich grossen Blattes von weissem Papier, den schrag verlaufenden Linien ent- sprechend, die ausfallenden Kreise verdeckt. Zu dieser schematischen Darstellung ist noch Mehreres zu bemerken. Erstens enthalt ein Eiweissmolecul nicht nothwendig nur Eine von jeder der verzeichneten Atomgruppen, sondern von den meisten derselben voraussichtlich mehrere, und zweitens konnten auch sehr wohl mehrere Reactionen oder mehrere Spaltungsproducte, welche uns zur Annahme verschiedener , z. B. der Glykocoll und Leucin liefernden Gruppen veranlassten , von der Anwesenheit ein und desselben Atomcomplexes bedingt sein. Die Moglichkeiten letzterer Art sind durch die bereits aufgedeckten Thatsachen auf ein Minimum herabgedruckt , aber in einer verschiedenen Anzahl der einzelnen Gruppen wird unter anderen ein Grund fiir die Verschiedenartigkeit der einzelnen Eiweisssubstanzen zu suchen sein, fiir eine Verschiedenartigkeit, die sich auch in den quanti- tativen Abweichungen gewisser Zersetzungsprodukte (Leucin, Tyro- sin, Glykocoll u. dgl. m.) und dementsprechend auch in einem ungewohnlich schwachen Ausfalle einiger sog. Eiweissreactionen (z. B. der Xanthoproteinsaurereaction beim Cornein oder der M i 1 1 o n'schen Reaction an Glutinlosungen) widerspiegelt. Quantitative Differenzen unter den Spaltungsprodukten mussen aber nothwendig auch dann beobachtet werden, wenn durch den Ausfall von Atomgruppen der Procentgehalt des Ganzen an den iibrigbleibenden Atomcomplexen wachst, und da nun nach dem an Beispielen erlauterten Gesetze die Reactionen der Spaltungsproducte durch die Reactionen der Muttersubstanz bestimmt sind, so werden die Abweichungen sammt- licher Albuminoide von den echten Eiweissstoften, als dereu Deri- vate dieselben doch zu betrachten sind , nur auf diese indirecte Weise zu erkliiren sein. So leuchtet allein schon die Unhaltbar- 145 keit der Dr echseTscheii Hypotheses ) ein, dergemiiss bei derEnt- stehung der Keratine aus Eiweiss, im ,,Eiweiss ein Theil des Sauer- stotfs durch Schwefel und ein Theil des Leucins (oder einer anderen Amidosaure) durch Tyrosin substituirt" werden soil. Durch eine einfache Wasserabgabe oder durch den Austritt complicirter zu- sammengesetzter organischer Atomgruppen aus dem urspriinglichen Eiweissmolecul lassen sich alle uber die Albumin oide erschlossenen Thatsachen vollkommen verstandlich rnachen, und dieselben liefern uns auch den Schliissel fiir das Verstandniss der Genese und der von den der Eiweissstoffe abweichenden Eigenschaften der Skele- tine, der Hyalogene, ja selbst der reinen Kohlehydrate. ,Die bisherigen Ermittelungen uber die Verbreitung und das Entstehen der Skeletiue niachen es sehr unwahrscheinlich , dass bei dem Zerfalle, welchem das Eiweissmolecul beim tJbergange in ein Skeletin unterworfen sein muss , alle eiuzelnen Stufen durch- messen werden, welche nach unserem Schema moglich sind. Damit es z. B. zur Entstehung von Spongin kommt, braucht zweifellos nicht zuerst ein elastinartiger, darauf ein keratinoser und schliess- lich erst noch ein collagener Korper zu entstehen, sondern es konnen durch einen vitalen Process auch mehrere verschieden- artige Atomgruppen gleichzeitig ahgesplissen werden, und der sich erhaltende Rest stellt dann eines jener, nur bei einer beschrankten Anzahl von Thierklassen zu findenden Skeletine dar: Conchiolin bei Lamellibranchiaten und Gastropoden, Chitin bei Arthropoden, Cephalopoden und Brachiopoden , Cornein bei Gorgoniden und Anthipatiden , Spongin bei Spongien. Wie diese chemischen Con- stitutionsverhaltnisse mit der elementaren Zusammensetzung der Skeletine, welche sich durch die allgemeine Formel: C^^ H^^ + 2?* Oio + „ iV, 9 o^er 10 ausdrucken lasst, und welche, wie ich^) gezeigt habe, auf eine Kohlehydratnatur derselben hinweist, in Einklanf zu bringen sind, werden erst fortgesetzte Untersuchungen zu lehren haben. Interessant bleibt indess die Thatsache, dass molef bei den kunstlich ausgefiihrten Spaltungen der Eiweisskorper sicb pre, x>' ^-n E. Drechsel, Chemie der Absonderungen und Gewebe. He^f^'^Hv^'s Handbuch der Physiologie. Bd. 5. Theil 1. Leipzig. 1883. 8.^60 1. 2)Krukenberg, Grundziige einer vergl. Physiologie der thierischen Gerlistsubstanzen. Heidelberg. 1886. S. 194 ff. und S. 215. 10* 146 und ihrer weit abliegeiiden Derivate (Skeletine) die ursprtingliche Verkniipfung der Atomgruppen noch in den Endproducten docu- mentirt. So diirfte z. B. beim Ciiitin der Stickstoif der Indol bilden- den Gruppe im Glykosamin wiedererscheinen, und ihre Anwesen- heit im Chitin lediglich die Darstellung eines reinen Kohlehydrates aus demselben so sehr erschweren ; ferner scheinen aucb die mit der Biuretgruppe verbundenen Atomcomplexe allein die ktinstliche Harnstoffabspaltung aus Eiweissstofifen zu verhindern '). Die Verbreitung der albuminoiden Substanzen bei den Wirbel- thieren veranlasst die gerade entgegengesetzte Schlussfolgerung als die Genese der Skeletine zu ziehen; hier finden sich sammt- liche tJbergange, auch wenn wir von den Geriistsubstanzen ab- sehen, deren Beziehungen zu einfacher zusammengesetzten Korpern jungst erkannt siud, wie z. B. von dem sog. Chondrogen und den sog. Mucinen. Die fruher ganz allgemein angenommene Kluft zwischen den Collagenen^), den Elastinen und den Keratinen ^) Unserem Schema zur Folge wiirde, wenn, wie anzunehmen ist, die Biuretreaction die bei dem vitalen Stoffumsatze zur Harn- stoffbildung fiihrende Gruppe indicirt, aus keinem der bekannt ge- wordenen Eiweissderivate Harnstoff in einer so eiufachen Weise ab- gespalten werden konnen , als aus dem Spongin und dem Conchiolin, bei denen die in jedem Eiweisskorper vorhaudenen, leichter angreif- baren Atomcomplexe vollstandig fehlen. 2) Den Autoren, welche dem Collagen die Xanthoprotei'nsaure- reaction vollkommen absprechen, kann ich nicht beipfliehten. Reine Glutinlosungen geben niemals Andeutungen der M i 11 o n'schen Re- action, aber noch immer scharf, wenn auch schwach die Xanthoprotein- saurereaction ; dieser Umstand ist wichtig, weil er lehrt, dass das Eintreten der Xanthoproteinsaurereaction von dem der Mi 11 o n'schen Reaction unabhiingig erfolgt. Nachtraglich begegne ich einer Notiz von 0. Nasse (Zur Ana- tomie und Physiologic der quergestreiften Muskelsubstanz^ Leipzig. 1882. S. 12), welche fiir die Deutung der Xanthoproteinsaurereaction (welche z. B. durch Bildung von Pikrinsaure oder Stychninsiiure a ""^^^ mit zahlreicheu, dem Eiweiss fernstehenden, uamentlich aromatisl der Korpern zu Stande kommt [F. H of m e is t er , a. a. 0., S. 292 und 3 1 xen wichtig ist, und die ich daher noch zu erwahnen babe. „Mir selbst waj^^o sagt Nasse, „al8 mir die Thatsache aufstiess, dass schon die ge^-'^gste Spur von Alkali die gelbe Farbe der Orthonitrophenollosurg til Orange umandert, nur sehr unbedeutend dagegen die der ParanitrophenoUdsung, weniger die practische Verwerthung eiugefallen als die Ahnlichkeit mit der Farbenveranderung, welche die bei der Behandlung der Eiweiss- korper mit Salpetersiiure entstehenden Nitroproducte, Xanthoproteinsaure 147 fiillt jetzt das Elastoidin ^ ) aus , welches sich in seinen Loslich- keitsverhaltnissen den Elastinen , in seinen Zersetzungsproducten (Tyrosin) den Keratinen , in seiner elementaren Zusanimensctzung und seinem Verhalten gegeniiber den proteolytischen Enzymen den Collagenen eng anschliesst. Die Collagene, Elastine und Kera- tine scheinen sich erst durch verhaltnissmassig spat erfolgende, durch secundare Einfliisse bedingte Veranderungen aus einem gleicheu, einheitlichem Materiale zu ditferenziren. Eine wie nahe Verwandtschaft fernerhin auch unter den sog. Mucinen und den Keratinen bestehen kann, lehren die Arbeiten liber das sog. Schalen- keratin des Hiihnereies, welches sich mit demselben Rechte als ein erharteter mucinoser Stoff oder als ein Keratin auffassen lasst. Unsere nachste Aufgabe wird die sein, das Schema noch weiter- hin dadurch zu vervollstandigen , dass wir dem Zustandekommen der iibrigen, bislang unberucksichtigt gebliebenen Eiweissreactionen auf den Grund gehen und zeigen, an welche Atomcomplexe die- genannt, zeigen. Nachdem ich. (Sitzungsb. d. naturf. Gesellsch. zu Halle. 1879) nachgewiesen habe, dass im Eiweissmolekiil von aro- matischen Gruppen sich jedenfalls eine einfach hydroxylirte (vielleicht neben hydroxylfreien Gruppen) findet, ist es wohl nicht allzu gewagt, die so leicht durch die Einwirkung von verdiinnter Salpetersaure eintretende Xanthoproteinsaurereaction zu erklaren durch die Bildung von Orthonitrophenol. Daneben mag wohl auch bei starkerer Ni- trirung Di- und Trinitrophenol entstehen konnen, die Bildung von Orthonitrophenol geniigt aber, um die Farbenveranderung auf das Deutlichste zu zeigen". Wahrend demnach die Xanthoproteinsaurereaction den Kern der aromatischen Verbindungen zur Anschauung bringt, haftet die Leucin- und Glykocollabspaltung an Radicalen, welche den Fettkorpern zuge- hdren. Diese beiden homologen Amidosauren — von denen das Leucin (d. i. Amidocapronsaure) erfahrungsgemass ein constanteres Zersetzungsproduct von Eiweissderivaten ist als das Glykocoll (d. i. hochst wahrscheinlich Amidoessigsaure) — miissen, wenn nicht gar in ein und demselben , so doch in chemisch nahe stehenden Atom- complexen ihre Entstehung haben, und zwar konnen diese im Eiweiss- moleciil auch nur sehr benachbart orientirt sein. Letzteres ergiebt sich daraus, dass Leucin allemal neben Glykocoll als Zersetzungs- product auftritt, und dass diese Abspaltungen auch noch nach Fort- fall der die Leucin und Glykocoll liefernden Gruppen in unserem Schema nach aussen bin deckenden Atomcomplexe — welche die Adam ki ewicz'sche, die Salzsaure , die Millon'sche und die Xanthoproteinsaurereaction bedingen — erfolgen. 1) Vgl. Krukenberg, tJber dia chem. Beschaffenheit der sog. Hornfaden etc.; a. a. 0., S. 286—293. 148 selben gebunden sind. Eine weitere wichtigere Aufgabe wird aber darin bestehen, die durch das Schema ausgedrtickten Spaltungen am Eiweissmolecul in derselben Weise zur Ausfiihrung zu bringen, wie das der lebende Organismus zur Zeit noch allein vermag; dieser ist im Stande, nicht nur die einzelnen Atomcomplexe aus dem Eiweissmolecule bis zum Collagen bin ganz successive abzu- spalten , sondern zweifellos auch dazu, aus dem bis auf s Spongiu reducirten urspriingliclien Eiweissmolecule allein noch die frag- liche Harnstoffgruppe zu eliminiren , wennschon uns der dabei re- sultirende Rest noch vollig unbekannt ist. Indem der lebende Organismus den Atomcomplex im Eiweissmolectile, an welchen das Eintreten der Biuretreaction gekniipft ist, seinen Kraften unmittel- bar zugangig zu machen weiss, zersetzt er vermuthlich das Ei- weiss unter reichlicher Bildung von Harnstoff, und wenn im Dia- betes die normalen Zersetzungsprocesse in ihm versiegen , stellen sich andere ein, die von dem ganzen Eiweissmolecule nur noch die Kupferoxyd reducirende Gruppe als erkennbar fur uns in dem Harnzucker iibrig lassen. Jena, d. 7. September 1885. Frommannsctie Bucbdruckerei (Hermann Fuhic) in Jena. Si!/.i//i(/sb(7:i/J(7t n/n/ n(i//irH' tics /SSS G.A.Guldberg de Verlag v. Gustav Fischer, Jena, Lith.Anstv.A.GilTsch.Jena. SITZUN6SBERICHTE DER JENAISCHEN GESELLSCHAFT FUR MKDICIN UND NATDRWISSENSCIIAFT FUR DAS JAHR 1885. ZWEITE8 HEFT. Mit einer Tafel und einer Abbildung im Text. J E IV A , VERLAG VON GUSTAV FISCHER. 1885. ^ 2044 106 immm'w ;«!